^w ■ n ./>»•'' ^ »«., 4'^ .:m^. 'S\J ^' "Wy. 0 *-i .tm i ^;Mö»* Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Ernst Ehlers Professor an der Universität zu Göttingen Siebenundneunzigster Band Mit 95 Figuren im Text und 33 Tafeln LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1911 ^&rn^^^^ I tox Inhalt des siebenuiidneunzigsten Bandes Erstes Heft Ausgegeben den 20. Dezember 1910 Seite Josef Seh äff er, Über den feineren Bau und die Entwicklung des Knorpel- gewebes und über verwandte Formen der Stützsubstanz. III. Teil. (Mit Tafel I und II) 1 Walther Kolmer, Zur Kenntnis des Auges der Macrochiropteren. (Mit Tafel III) 91 Ernst Born, Beiträge zur feineren Anatomie der Pbyliirhoe bucephala. (Mit 2 Figuren im Text und Tafel IV— VIII) 105 Zweites Heft Ausgegeben den 14. Februar 1911 Friedrich Theodor Rosenberg, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und Biologie der Colyrabidae. (Mit 13 Figuren im Text und Tafel IX) 199 Wilhelm Johnas, Das Facettenauge der Lepidopteren. (Mit 3 Figuren im Text nnd Tafel X— XII) 218 Felix Sieglbauer, Zur Entwicklung der Vogelextremität. (Mit 16 Figuren im Text und Tafel XIII und XIV) 262 D. Tretjakoff, Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. (Mit Tafel XV— XVIII) 314 IV Drittes Heft Ausgegeben den 7. März 19J1 Seite Kurt Bedau, Das Facettenauge der Wasserwanzen. (Mit 5 Figuren im Text und Tafel XIX und XX) 417 E. Verson, Beitrag zur näheren Kenntnis der Häutung und der Häutungs- driiseu bei Borabyx mori. (Mit Tafel XXI und XXII, 457 Alexius Zawarzin, Histologische Studien über Insekten. I. Das Herz der Aeschnalarven. (Mit 9 Figuren im Text und Tafel XXI II und XXIV) 481 Kurt Marcus, Über Geruchsorgane bei decapoden Krebsen aus der Gruppe der Galatheiden. (Mit 18 Figuren im Text und 1 afel XXV und XXVI) 511 Iwan Sokolow, Über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. (Mit Tafel XXVII-XXIX; 546 Viertes Heft Ausgegeben den i. April 1911 G. Senn, Oxyrrhis, Nephroselmis und einige Euflagellaten, nebst Bemer- kungen über deren System. (Mit 8 Figuren im Text und Tafel XXX und XXXI) 605 Gustaf Gering, Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella grossa (Müll.). (Mit 1 Figur im Text und Tafel XXXII) 673 J. Henneke. Beiträge zur Kenntnis der Biologie und Anatomie der Tardi- graden (Macrobiotus maeronyx Duj). (Mit 20 Figuren im Text und Tafel XXXIII) 721 über den feineren Bau und die Entwicklung des Knorpel- gewebes und über verwandte Formen der Stützsubstanz. III. TeiP. Mit Unterstützung der kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften in Wien aus dem Legate Wedl Josef Schaffer in Wien. Mit Tafel I und II. Inhalt. Die Chorda dorsalis und das chordoide blasige Stütz- gewebe bei Wirbellosen und Wirbeltieren. Mechanisch funktionelle Bedeutung der Chorda; ihre Beziehung zum Knorpelgewebe. A. Diffuses chordoides Stützgewebe, a. Die zellig-blasige Bindesubstanz der Mollusken; Kalk- und Glykogengehalt, Geschicht- liches, b. Das zellig-blasige Stützgewebe der Decapoden und von Sijnin- culus. c. Das blasige Gewebe des Tunicatenmantels. d. Das perimenin- geale Füllgewebe bei Ammocoetes und Petromyzon. e. Das blasige Gewebe bei Myxine in der Nachbarschaft des Auges usw. f. Das chorioideale Gewebe von Petromyzon marinus. g. Die endoneuralen Zellblasen, h. Das Gewebe des Sinuskissens in den Tasthaaren, i. Das Gewebe im Sinus rhomboidalis der Vögel, k. Das Fettgewebe. B. Kompaktes chordoides Stützgewebe. — Das Chorda- gewebe beim erwachsenen Säugetier. — Das Stützgewebe in den Tentakeln der Hydroidpolypen und in den soliden Tentakeln, den Schirmspangen und im Schümrand der Medusen, — Der sogenannte ^TwpAioxMs-Knorpel. Die vorangegangenen Untersuchungen an zwei Hauptvertretern aus der Gruppe jener Knorpel, welche Kölliker als »Knorpel ohne 1 Das Manuskript der vorliegenden Arbeit war größtenteils schon am Anfange des Jahres 1907 fertig gestellt. Schwierigkeiten bei der Beschaffung des mannigfaltigen Materials, sowie die sich als notwendig ergebende selbständige Bearbeitung des Epiglottisskelettes, haben die Vollendung bis heute verzögert. Dadurch sind mannigfache Einfügungen und Nachträge nötig geworden. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 1 2 Josef Schaffer, Grundsubstanz« bezeichnete und den Knorpeln mit Grundsubstanz prinzipiell gegenüberstellte, haben einerseits ergeben, daß auch das Knorpelgewebe der Petromyzonteni und Myxinoiden^ ein Grund- substanzgewebe ist, d. h. zwischen den Zellen eine zusammenhängende, unter unmittelbarem Einfluß der letzteren entstandene und stehende Intercellularsubstanz besitzt, anderseits bei sfenauer Verfolgung der ersten und späteren Entstehung dieser Grundsubstanz, besonders beim harten (gelben) Myxinoidenknorpel gezeigt, daß die Bildungsvorgänge dieser Grundsubstanz und die damit Hand in Hand gehende territoriale Gliederung des Knorpels ganz dieselben sind, wie bei den grundsub- stanzreichen Knorpeln höherer Tiere. Bei der geringen Menge der Grundsubstanz und den scharf aus- geprägten physikalisch-chemischen Unterschieden ihrer einzelnen Lagen, tritt im harten Knorpel der genannten niederen Tiergruppen die territoriale Gliederung nur viel schärfer hervor und kann daher leichter verstanden und gedeutet werden. In diesem III. und im IV. Teil sollen die übrigen Gewebe, welche KöLLiKER noch zu den »Knorpeln ohne Grundsubstanz« rechnete, untersucht werden. Dabei wird sich zeigen, daß ein Teil von ihnen dem Knorpelgewebe überhaupt nicht zugerechnet werden kann, während der andre Teil, ebenso wie die Knorpel der Petromyzonten und My- xinoiden echte Grundsubstanzgewebe darstellt, welche nur durch die Spärlichkeit ihrer Grund- oder Intercellularsubstanz ausgezeichnet sind. Bekanntlich hat Kölliker bereits in der ersten Auflage seiner Gewebelehre (1852, S. 44) an erster Stelle zu den »Knorpeln ohne Grundsubstanz« (Knorpelzellenparenchym) die Chorda dorsalis der Embryonen und mancher ausgewachsener Fische gerechnet; ferner viele fötale Knorpel, die Knorpel der Kiemenplättchen der Fische zum Teil und die des äußeren Ohres mancher Säugetiere. Dieselbe Einteilung findet sich noch in der letzten Auflage der Gewebelehre (1889, I. Bd. S. 111); nur bezeichnet er jetzt den »Knorpel ohne Grund- substanz« auch als Zellenknorpel und rechnet nunmehr noch dazu den Knorpel der Achillessehne des Frosches und die Knorpel der Ge- ryonien, Anneliden, Cephalophoren und von Limulus. 3. Die Chorda dorsalis und das chordoide blasige Stützgewebe. Die Chorda dorsalis. — Es liegt mir fern, hier eine eingehende Darstellung vom feineren Bau der Chorda geben zu wollen; es genügt, 1 Diese Zeitschrift Bd. LXX. 1901. S. 109—170. 2 Ebendort, Bd. LXXX. 1905. S. 155—258. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes uaw. III. 3 in dieser Hinsicht auf die gründlichen, neueren Untersuchungen von V. Ebner und Studnu^ika zu verweisen, in denen auch die ältere Literatur genügend berücksichtigt erscheint. Hier soll nur die Stellung der Chorda zum Knorpelgewebe und zu verwandten Formen der Stützsubstanz kritisch-geschichtlich erörtert und der Versuch gemacht werden, die histologische Verschiedenheit zwischen Chorda- und Knorpelgewebe auf funktionelle Unterschiede zwischen beiden zurückzuführen oder wenigstens die erstere teilweise durch die letzteren verständlicher zu machen. Die Auffassung der Chorda als eines knorpeligen Gebildes — DuGES^ bezeichnete sie geradezu als cartilage rachidien, Quekett^ als nucleated cartilage — beruhte ursprünglich sicher nur auf deren physikalischen Eigenschaften: ihrem hyalinen Aussehen im frischen Zustande, ihrer Biegmigselastizität und relativen Festigkeit, welche sie befähigen, ein stützendes Achsengebilde darzustellen. Als dann die zellige Zusammensetzung der Chorda von Joh. Müller ^ und Th. Schwann* entdeckt wurde und letzterer auf ihre gToße Ähn- lichkeit mit gewissen Knorpeln (Kiemenknorpel von Fischen und Amphibienlarven) hinwies (1. c. S. 21), schien die Knorpelnatur der Chorda auch histologisch begründet; man sprach, wie Henle^ sich an einer Stelle ausdrückt, vom Knorpel der Chorda dorsalis als einem Aggregat von großen Zellen mit geringen Mengen von Intercellular- substanz. Zur Bezeichnung der Auffassung jener Zeit sei noch angeführt, daß Henle^ an andrer Stelle die Zellen eines von Haeckel'^ beim Fluß- krebs beschriebenen großblasigen Gewebes zum Knorpelgewebe stellte, »insbesondere bestimmt« durch »ihre Ähnlichkeit mit dem Gewebe der Chorda dorsalis«; und daß F. E. Schulze ^ das eigentümliche 1 Recherches sur l'osteologie et la myologie des Batraciens etc. Mem. Inst, de France. T. VI. 1835. 2 Lectures on histology. London 1852. p. 118. 3 Vgl. Anatomie der Myxinoiden. Abhandlgn. Kgl. Akad. Wiss. Berlin (1834), 1836. S. 138. * Mikroskopische Untersuchungen usw. Berlin 1839. S. 8. Hier beruft sich Schwann in betreff der Entdeckung der zelligen Struktur der Chorda auf eine kleine Mitteüung in der Med. Zeitung 1837 (VI. Jahrg. S. 169), in der je- doch der Chorda mit keinem Worte Erwähnung getan wird. 5 Jahresber. über die Fortschr. der Anat. u. Phys. 1857. S. 83. 6 I. c. S. 87. 7 Müllers Arch. 1857. 8 Diese Zeitschr. Bd. XII. 1863. S. 181. 1* 4 Josef Schaffer, Mantelgewebe gewisser Ascidien, dessen Grundsubstanz er (wie wir heute wissen, irrtümlich) für ein Produkt der in sie eingeschlossenen blasigen Zellen hielt, für ein der Chorda dorsalis ähnliches Gewebe erklärte. Anderseits muß aber auch betont werden, daß sowohl Jon. Müller, als auch Schwann das Gewebe der Chorda vom Knorpel getrennt haben, besonders ausdrücklich und wiederholt ^ ersterer, in- dem er nicht nur auf die »anatomische«, sondern bereits auch auf die chemische Verschiedenheit hinwies. »Diese Gallerte (d. h. Chorda) hat vielmehr eine Textur, wie sie bei keinem einzigen der vielen von mir untersuchten Knorpel der Tiere vorkommt; es ist eine durchsich- tige, in ebenfalls durchsichtigen, dicht aneinander stoßenden Zellen, die den Pflanzenzellen analog sind, enthaltene Materie«. Schwann hat ganz zutreffend jede Chordazelle für sich von einer besonderen Haut umschlossen beschrieben (1. c." S. 12), an andrer Stelle (S. 109) das Getrenntbleiben der Zellwände betont; er hat auch bereits die Isolierbarkeit der Zellen (wie ich aus seiner Darstellung auf S. 15 schließen muß) und ihre auffallende Größe, im Vergleich zu den Knorpel- zellen hervorgehoben. Da man aber auch die dünnen Grundsubstanz- scheidewände in den oben genannten Knorpeln als »Membranen« oder Zellhüllen auffaßte, anderseits auch wieder die Membranen der Chorda- zellen als »Intercellularsubstanz« bezeichnete, konnte sich die Er- kenntnis vom wesentlichen Unterschiede zwischen dem Chorda- und Knorpelgewebe noch nicht Bahn brechen, obwohl auch Valentin^ und Valenciennes^ sich entschieden gegen die Knorpelnatur der Chorda ausgesprochen hatten. Letzterer vermißte beim Vergleiche der Chorda mit dem Knorpelgewebe der Selachier eigentliche Knorpel- zellen in der Chorda. »Ich kann sie daher jetzt nicht als einen Knorpel auffassen, trotz ihres äußeren Ansehens.« Dagegen betonte Valen- ciENNES, daß die Knorpel der Mollusken in ihrem Bau mit der Chorda übereinstimmen. Leydig, welcher noch in seinem Lehrbuch der Histologie (1857, Fig. 17) eine Partie aus der Chordagallerte von Polypterus als )^ Zellen- knorpel« abbildet, hat dann* ebenfalls die Ähnlichkeit des Chorda- gewebes mit dem von ihm als »zellig-blasigem« bezeichneten Gewebe bei Wirbellosen (Weichtieren, Arthropoden, Würmern) hervorgehoben 1 POGGENDORFFS Annalen Bd. XXXVIII. 1836. S. 337. 2 Handbuch der Entwicklungsgesch. d. Menschen. BerHn 1835. S. 157. 3 Recherches sur la structure et la nature du tissu elementaire des carti- lages. C. R. Acad. Sc. Paris. T. XIX. 1844. 4 Vom Bau des tierischen Körpers. Tübingen 1864. ' über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 5 und ist geneigt die Chorda der Wirbeltiere hierher zu rechnen (S. 34), obwohl er sie auch wieder unter dem »Zellenknorpel« anführt (S. 53). Bestimmter spricht er sich später i aus, indem er sagt: »Die Chorda dorsalis, welche man früher zum KnorpeK rechnete, stellte ich schon vor langer Zeit zu jener Form des Bindegewebes, welches ich als , zellig- blasiges' bezeichnet hatte.« Dieser Auffassung hatte sich unterdessen auch Gegenbaur^ an- geschlossen, obwohl er sich selbst noch später (vgl. Grundriß der ver- gleichenden Anatomie, 1874, S. 22 u. f.) von der irrigen Vorstellung, daß die Zellmembranen in der Chorda den benachbarten Zellen ge- meinsam seien, nicht frei machen konnte. Früher hatte er ebenfalls die Chorda zum Knorpelgewebe gestellt, was daraus hervorgeht, daß er wiederholt 3 die Membranen der Chordazellen als » Intercellular- substanz« bezeichnet hat. An einer Stelle (3, A, Fig. 1, Taf. IV) läßt er die von einer zarten Membran begrenzten Chordazellen (im Schwanz- wirbelkörper eines reifen Embryo von Lacerta agilis) von reichlicher Intercellularsubstanz umgeben sein; hier handelt es sich offenbar um die Verwechslung von endochordalem Knorpel mit Chordagewebe. An einer andern Stolle — als er die Intercellularsubstanz im Sesamknoten der Achillessehne vom Frosch nachwies* — bemerkt er ausdrücklich über dieses Gewebe: »Daraus geht aufs sicherste hervor, daß man es mit einer eigentümlichen Modifikation von Knorpel zu tun hat, einer Form, bei der es nicht zur Bildung einer reichlichen Intercellularsubstanz kommt, so daß das Gewebe . . . Ähnlichkeit mit dem der Chorda dorsalis besitzt. « Eine vollkommen klare Darstellung des wesentlichen Unterschiedes zwischen Chorda- und Knorpelgewebe hat dann Langerhans ^ ge- geben. Indem er zunächst betont, daß die Zellen der Chorda (von Ammocoetes) durch Salpetersäure, wie durch MüLLERsche Flüssigkeit isoliert werden können und daß zwischen ihnen keine Zwischensub- stanz vorhanden ist, fährt er fort: »Der Anschein einer solchen wird vielmehr nur durch die aneinander stoßenden Membranen der Zellen 1 Zelle und Gewebe. Bonn 1885. S. 50. - Über das Skeletgewebe der Cyclostomen. Jenaische Zeitschr. Bd. V. 1870. S. 52. 3 Z. B. A. Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule bei Amphibien und Reptilien. — Leipzig 1862. S. 60. — B. Über die Entwick- lung der Wirbelsäule des Lepidosteus usw. Jenaische Zeitschr. Bd. III. 1867. S. 361. S. 376, Anm. 1. * Über einige Formelemente im Bindegewebe. Ebendort, S. 309. 5 Untersuchungen über Petromyzon Planeri. Freiburg i. Br. 1873. S. 37. 6 Josef Schaffer, hervorgebracht. Es scheint mir somit notwendig, die scharfe Trennung, welche Johannes Müllee aus so wichtigen Gründen zwischen dem Gewebe des Knorpels und der Chorda vornahm, wieder einzuführen, und nicht die Chorda ä conto einer in der Tat nicht existierenden Zwischensubstanz weiter zu einem Gewebe zu stellen, von dem sie sich scharf genug sondern läßt. Denn wenn auch die Zwischen- substanz des Knorpels ähnlich den Zellmembranen durch die Tätig- keit der Zellen entsteht, so existiert doch im fertigen Knorpel überall zwischen den Zellen und eventuell ihren Hüllen eine differente Gewebs- lage, von welcher in der Chorda des Neunauges auch keine Andeutung vorhanden ist. « v. MiHALKOVicsi wurde durch eine Reihe von Gründen, haupt- sächlich entwicklungsgeschichtlicher, aber auch histologischer Natur bewogen, in der Chorda ein epitheliales Gebilde zu vermuten. »Auf jeden Fall steht das Gewebe der Chorda dem Epithelgewebe näher als dem Knorpel, dem es bisher zugereiht wurde. « Als Gründe führt er an : die scharfe Trennung der Chorda von den Gebilden des mittleren Keimblattes, die sich auch später immer erhält; die glashelle Scheide, wie man sie überall an der Grenze zwischen Bindegewebe und Epithel antrifft; der gänzliche Mangel einer Zwischensubstanz zwischen den Zellen der Wirbelsaite; die eigentümlichen Formumwandlungen ihrer Zellen (Verhornung) und die Vacuolisierung des Zellinhaltes, eine degenerative Erscheinung, die meist nur bei Epithelien vorkommt. Sehr entschieden hat auch Eanvier^ die Knorpelnatur des Chorda- gewebes in Abrede gestellt auf Grund einer zutreffenden Schilderung vom feineren Bau desselben; auch hat Ranvier wieder darauf hin- gewiesen, daß es leicht sei, die Zellen der Chorda bei jungen Fischen und Froschlarven nach 24stündiger Maceration in Jodserum oder Dritte] alkohol als dünnwandige Bläschen zu isolieren. Als Neumann 3 die eigentümliche Jodreaktion der Knorpel- und Chordazellen entdeckte, glaubte er diese Tatsache zugunsten der von Ranvier bestrittenen Zugehörigkeit der Chorda zum Knorpelgewebe ins Feld führen zu sollen. Wenu Neumann zur Begründung dessen sagt : »Wenigstens hätte Ranvier, wenn er die Jodreaktion der Chorda- zellen erkannt hätte, darin mit demselben Rechte einen Beweis für ihre Knorpelnatur erbhcken müssen, mit welchem er das Nichteintreten 1 Wirbelsaite und Hirnanhang. Arch. mikx. Anat, Bd. XI. 1874. S. 391. 2 Traite technique d'Histologie. Paris 1875. p. 271. 3 Die Jodreaktion der Knorpel- und Chordazellen. Arch. mikr. Anat. Bd. XIV. 1877. S. 57. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 7 der Jodreaktion an den Zellen des sogenannten Achillesknorpels der Frösche als Argument gegen die wirklich knorpelige Beschaffenheit desselben benützt«, so scheint mir dies insofern nicht zutreffend, als die Chorda ihren hohen Glykogengehalt (13% des Trockenrückstandes nach KosselI) mit andern embryonalen Geweben teilt, wogegen der geringe Glykogengehalt echter Knorpelzellen, welchem sie die Jod- reaktion verdanken, wohl ein auffälliger Unterschied von den die Re- aktion nicht gebenden • Zellen im Sesamknoten der Achillessehne vom Frosch ist. Erwähnt sei hier auch, daß Kossel (1. c.) das Gewebe der Chorda viel wasserreicher (etwa 96%), als das des umgebenden Knorpels bei demselben Tier (Stör) findet (81,5 %) und an den bereits von Sten- BERG^ erbrachten Nachweis vom Fehlen des Chondromucoids (Chon- drins) und Collagens (Glutins) im Chordagewebe erinnert. In seiner Entwicklungsgeschichte (2. Auflage 1879, S. 402) gibt KÖLLiKER einerseits zu, daß Gründe vorhanden seien, die Chorda nicht zum Knorpelgewebe zu rechnen, doch überwiegen ihm jene, nach welchen er sie zum zelligen Knorpel rechnet. Als solche führt er an: hauptsächlich den Umstand, daß die Chordazellen nach seinen und andrer Erfahrung bei vielen Tieren sich in echten hyalinen Knorpel umwandeln können und daß manche unzweifelhafte Knorpel im Bau der Chorda sehr ähnlich sehen. Renaut^ hat dann auch die Ähnlichkeit der Chorda mit epithe- lialen Bildungen hervorgehoben; sie besitzt nach ihm kein einziges charakteristisches Merkmal des Knorpelgewebes. Wohl aber hat er ihre physikalische und strukturelle Ähnlichkeit mit einer Reihe andrer Stützsubstanzen, die allerdings sehr heterogener Natur sind und die er unter der Bezeichnung des tissu fibro-hyalin zusammenfaßt, betont. Hierzu gehören: die hyalinen Knötchen und Zellen an der Innenseite des Perineuriums bei Pferd und Esel, der Sesamknoten der Achilles- sehne vom Frosch, das innere Skelet gewisser Mollusken {HelixY, das arachnoidale Hüllgewebe der Cyclostomen, jenes um die Retina von Petromyzon marinus und Chamäleon, um das Ganglion nervi acustici, die blasenförmigen Zellen in den Tasthaaren der Säugetiere (Ratte, 1 Gewebelehre von Schieffeedeckek und Kossel. 1. Abt. 1891. S. 349. 2 G. Retzius, Einige Beiträge zur Histologie und Histochemie der Chorda. Arch. Anat. Phys. Anat. Abt. 1881. S. 89. 3 Traite d'HistoIogie pratique. T. I. Paris 1893. p. 336. (Vorrede datiert von 1888). 4 C. R. de l'Acad. Sc. Paris. T. XC. 1880. p. 711. 8 Josef Schaffer, Meerschweinchen), wahrscheinlich das Gewebe über dem Sinus rhom- boidalis der Vögel i. 0. Hektwig^ hat die Chordazellen mit vacuolisierten Zellen ge- wisser Wirbellosen (in den Tentakeln mancher Cölenteraten, gewissen Körperanhängen von Anneliden) zusammengestellt und zuerst ausdrück- lich betont, daß es der Turgor in diesen Zellblasen ist, welcher sie zur stützenden Funktion befähigt. »Indem die zahlreichen turgeszenten, kleinen Chordazellen nach außen durch eine feste elastische Scheide zu einem Organ verbimden und gegen die Umgebung abgegrenzt sind, werden ihre einzelnen Turgorkräfte sich summieren und durch inneren Druck die gemeinsame Scheide in Spannung erhalten. « Auch Fol 3 hat die Ähnlichkeit der Chordazellen mit gewissen Stützzellen in den soliden Tentakeln mancher Cölenteraten und Eöhrenwürmer betont (1. c. S. 224) und das Chordagewebe mit einer Reihe von Stützgeweben bei Wirbellosen (dem Zungenknorpel von Dentalium und Gastropoden, Schirmrand der Trachymedusen), aber auch dem Knorpelgewebe der Petromyzonten als Kapselgewebe zusammengefaßt, das er als niedersten Typus der Bindesubstanzen bezeichnet. Rauber* trennt das Chordagewebe wegen der Verschiedenheit seines Ursprunges und der chemischen Beschaffenheit vom Knorpel- gewebe und faßt es als eine besondere Gruppe des Epithelgewebes auf. Bergh^ bezeichnet das Gewebe der Chorda, sowie das Gewebe des Achsenstranges in den Tentakeln der Hydroidpolypen, welche wegen des Mangels an Intercellularsubstanz nicht zu den bindege- webigen Substanzen gerechnet werden können, als epitheliale Stützgewebe. Ein wesentlicher Fortschritt in der Erkenntnis des geweblichen Aufbaues der Chorda dorsalis und ihrer histologischen Stellung wurde durch die eingehenden Untersuchungen v. Ebners ^ angebahnt; er 1 Arch. de physiol. 1881. p. 161 et p. 845. 2 Die Zelle und die Gewebe. Jena 1893. S. 127. 3 Lehrbuch der vergl. mikr. Anatomie. Leipzig 1896 (vollendet 1892). * Lehrbuch der Anatomie. LeijDzig 1892. S. 101. 5 "Vorlesungen über die Zelle und die einfachen Gewebe. Wiesbaden 1894. S.95, •^ Über den Bau der Chorda dorsalis des Amphioxus lanceolatus. Sitzber. kais. Akad. Wiss Wien. Bd. CIV. Okt. 1895. S. 199. — Über die Wirbel der Knochenfische und die Chorda dorsalis der Fische und Amphibien. Ebendort, Bd. CV. Mai 1896. S. 123. — Die Chorda dorsalis der niederen Fische und die Entwicklung des fibrillären Bindegewebes. Diese Zeitschr. Bd. LXXII. 1896. S. 469. (Hier findet man auch das Verzeichnis der übrigen auf die Chorda be- züglichen Arbeiten.) über deu feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 9 wies nicht nur zuerst einwandfrei nach, daß die indifferenten Bildungs- zellen der Chorda (das sogenannte Chordaepithel) leimgebendes Gewebe bilden und sich in echte Knorpelzellen umwandeln können, sondern auch, daß aus denselben unter Umständen Zelltypen hervorgehen, welche an die in geschichteten Pflasterepithelien und Horngewebe vor- kommenden Bildungen erinnern. Somit »\\nrd man die Frage, ob die Chorda ein Bindesubstanz- oder ein Epithelgewebe ist, weder bejahen, noch verneinen können«, sondern muß ihr eine selbständige, vermittelnde Stellung zwischen beiden Gruppen zuweisen, v. Ebner wendet sich auch wiederholt gegen die Auffassung des typischen, blasigen Chordagewebes als Parenchym- oder Zellenknorpel und führt als microchemischen Unter- schied des Chordagewebes vom Hyalinknorpel noch an, daß Phenol, Eugenol, Salizylaldehyd usw. die Doppelbrechung des Hyalinknorpels nach vorausgehender Entwässerung in Alkohol in eine entgegengesetzte umwandle, während dies bei der Chorda nicht der Fall ist. StudnickaI hat dann das Chordagewebe bei zahlreichen Ver- tretern der niederen Wirbeltierklassen, besonders einer großen Anzahl von Knochenfischen, untersucht und ist zu dem Schlüsse gekommen, daß das Chordagewebe mit dem Knorpelgewebe überhaupt nichts Gemeinschaftliches hat. Näher geht er auf die Frage in einer weiteren Arbeit 2 ein, in welcher ein umfangreiches Kapitel sich mit dem Chorda- gewebe und seinem Verhältnis zum Knorpelgewebe befaßt. Die Schluß- folgerungen, zu denen er hier kommt, decken sich teilweise vollkommen mit meiner Anschauung, weshalb dieselben hier angeführt sein sollen : »Zur Charakteristik eines Knorpels gehört in erster Reihe eine Grund- oder . . . Intercellularsubstanz, die, wenn sie auch manchmal in ganz dünnen Schichten vorhanden ist, doch immer auf eine ganz deutliche Weise die einzelnen Zellen voneinander trennt. Ein »Knorpel ohne Grundsubstanz«, dessen Existenz früher vielfach angenommen wurde, kommt überhaupt nicht vor. Nun findet man im Chordagewebe in der Tat keine Substanz, die in voller Bedeutung des Wortes als ,inter- cellular' bezeichnet werden könnte. Im Gegenteil sind die einzelnen Zellen desselben voneinander durch Lücken getrennt, und darin besteht eben der wesentlichste Unterschied zwischen den beiden Gewebsarten. « Anderseits kann ich mit Studnicka nicht übereinstimmen, wenn 1 Über das Gewebe der Chorda dorsalis und den sogenannten Chorda- knorpel. Sitzb. kgl. böhm. Ges. Wiss. 1897. S. 47. 2 Histologische und histogenetische Untersuchungen über das Knorpel-, Vorknorpel- und Chordagewebe. Anat. Hefte. Bd XXI. 1903. S. 400 u. f. 10 Josef Schaff er, €r die Chorda aus der Keihe der Stützsubstanzen streichen und zu dem Epithelgewebe stellen wiRi. Das Chordagewebe ist eine primitive, aber typische Stützsubstanz, deren Verwandtschaft mit dem Knorpel- gewebe unverkennbar ist. Studniöka weist selbst darauf hin, daß die Chordazellen, besonders bei gewissen Teleostiern, eine Reihe von Eigentümlichkeiten aufweisen, welche »wieder nirgend anderswo, als im Knorpelgewebe ihre Analogien finden können «^ und hat auch selbst eine ausführliche Darstellung der merkwürdigen Substitutionsfähigkeit des Chordagewebes durch Knorpelgewebe gegeben. Wir begegnen dieser Substitutionsfähigkeit als einer charakteristi- schen Eigentümlichkeit in der ganzen Reihe der Stützsubstanzen, was schon Reicheet^ erkannt und Ranviek* betont hat, indem er z. B. auf die Sclera als ein Organ hinweist, welches bei verschiedenen Tieren fibrös, knorpelig oder knöchern sein kann. Wenn er dabei von einer »Transformation« des einen Gewebes in das andre spricht, so scheint mir dieser Ausdruck, welcher an die Vorstellung einer Meta- plasie im älteren Sinne des Wortes erinnert, nicht glücklich gewählt. Wie heute wohl allgemein angenommen wird^, ist diese Substitutions- möglichkeit einzig auf die Fähigkeit der indifferenten Bildungszellen der Bindesubstanzen zurückzuführen, unter geänderten (mechanischen oder funktionellen) Bedingungen Gewebe von verschiedener Art zu bilden. So zeigt sich auch die Verwandtschaft zwischen Chorda- und Knorpelgewebe vornehmlich darin, daß — nach den übereinstimmenden Angaben von v. Ebner, Klaatsch^ und Studnicka — die indiffe- renten Chordazellen (das Chordaepithel) die blastische Potenz besitzen, gelegentlich auch echtes Knorpelgewebe zu erzeugen. Diese histo- blastische Verwandtschaft, sowie die funktionelle Ähnlichkeit vor- ausgesetzt, läßt sich der durchgreifende Unterschied im feineren Bau des Chorda- und Knorpelgewebes durch eine genauere Betrachtung ihrer mechanischen Aufgaben dem Verständnis näher bringen. Wie sich besonders an den grundsubstanzarmen Knorpeln der Cyclostomen, welche noch die meiste Ähnlichkeit mit dem Chordagewebe besitzen. 1 Anat. Hefte, 1. c. S. 400. 2 Ebendort, S. 403. 3 Bemerkungen zur vergl. Naturforschung usw. Dorpat, H. Gläseb, 1845. * Les elements et le tissu du Systeme conjonctif. Journ. de Micrgr. T. XIII. 1889. p. 10. ^ Über die neueste, abweichende Anschauung von Fb. Krauss siehe weiter unten. ß Über die Chorda und die Chordascheiden der Amphibien. Verhandl. Anat. Ges. 11. Vers. Gent 1897. S. 82. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgevvebes usw. III. 11 nachweisen ließ^, zeigt die Grundsubstanz derselben ein architektonisches Gefüge, welches den Knorpeln ihre Druck- und Biegungsfestigkeit, aber auch eine gewisse Biegungselastizität verleiht. Diese mechanischen Eigenschaften werden beim Knorpel dadurch erreicht, daß die strebefeste, aber doch elastische Grund- oder Inter- cellularsubstanz ein zusammenhängendes Fachwerk oder Alveolen- wandsystem bildet, das z. B. in einem cylindrischen Knorpelstab (der sich am besten zum Vergleiche mit der Chorda eignet) oberflächlich eine verdickte Rinde bildet, von der radiär in sagittalen, wie übereinander liegenden horizontalen Ebenen stützende Lamellen auf axiale Balken- systeme zu laufen (vgl. die Fig. 10 u. 12, Taf . VII, diese Zeitschr. Bd. LXX). Das mechanisch-funktionelle Element ist demnach im Knorpel die Intercellularsubstanz. Immerhin dürfte die Turgescenz der verhältnismäßig großen Zellen zur Erhöhung der Biegungs- und Druckfestigkeit der dünn- wandigen Systeme nicht unwesentlich beitragen, wie dies Schäfer ^ für die ähnlich gebauten Knorpel der Froschlarven nachgewiesen hat. Jedoch wird beim Knorpel einerseits durch Herabsetzung oder Auf- hebung des Turgordruckes (wie sie z. B. durch Schrumpfung der Zellen bei der Fixierung eintritt) niemals auch die Druck- und Biegungs- festigkeit aufgehoben, und anderseits erreicht die Biegungselastizität auch beim dünnsten Knorpelstab niemals einen solchen Grad, daß er parallel zu sich selbst umgebogen werden könnte, da dies die un- verschieblichen, radiär zu seiner Oberfläche gestellten Grundsubstanz- wände verhindern. Anders bei der Chorda dorsalis. Fol^ sieht die Funktion seines »Kapselgewebes«, dem er auch die Chorda zurechnet (s. o.) in der elastischen Resistenzkraft der Verdickungsschichten seiner Zellmem- branen. Dies trifft für einzelne Formen des Chordagewebes wohl zu; für jenes mit dünnen Zellmembranen (Cyclostomen, Froschlarven u. a.) spielt jedoch, wie Schäfer* gezeigt hat und der hohe Wassergehalt der Chordagallerte (vgl. oben die Angabe Kossels) beweist, der Turgor- druck der Zellen und die diesen wesentlich erhöhende Chordascheide, in deren Widerstand der Grund für die von v. Ebnere nachgewiesene 1 Diese Zeitschr. Bd, LXI. 1896. S. 628 und Bd. LXX. 1901. S. 128 u. f. 2 Beiträge zur Analyse des tierischen Wachstums usw. Arch. f. Entwick- lungsmech. Bd. XIV. 1902. S. 381. 3 Lehrbuch der vergl. mikr. Anat. Leipzig 1896. S. 338. 4 I. c. ^ Über den feineren Bau der Chorda dorsahs der Cyclostomen. Sitzb. Kais. Akad. Wiss. Wien. Bd. CIV. Jann. 1895. S. 9. 12 Josef Schaffer, positive Spannung der Chordagallerte gesehen werden muß, die Haupt- rolle. Mit Kecht hat v. Mack solche Gewebe geradezu als »Turgor- gewebe << bezeichnet, worüber auf Abschnitt C. verwiesen sei. Wird dieser Turgordruck hier herabgesetzt oder aufgehoben, so falten sich die Zellmembranen und ihre elastische Resistenzkraft ist verloren. In der Chorda ist eben das mechanisch-funktionelle Element die Zelle; eine Intercellular- oder Grundsubstanz ist zwi- schen den blasigen Zellen nicht nachweisbar. An Schnitten hat es allerdings oft den Anschein, als ob die blasigen Chordazellen durch einfache Scheidewände getrennt würden; »nur selten sieht man in den Zwickeln, wo mehrere Zellen aneinander stoßen, Andeutungen von Mittellamellen und von Intercellularräumen « sagt v. Ebner i, der sich durch diese Bilder verleiten ließ, die Membranen als für je zwei Nachbarzellen gemeinsam anzunehmen. Ganz denselben Eindruck machen aber auch Schnitte durch geschichtete Pflasterepithelien mit blasigen Zellen, imd man würde auch hier nach dem Aussehen der Schnittpräparate allein nie an eine Isolierbarkeit der Zellen denken, die hier ja so leicht und allgemein bekannt ist. Aber auch die Chorda- zellen von Ammocoetes lassen sich, wie verschiedene Autoren angegeben haben, leicht als ringsum geschlossene Blasen isolieren, ohne daß zwi- schen ihnen etwa ein verbindender Kitt sichtbar würde. In Fig. 1 habe ich solche Zellen aus der in V2%ige Osmiumsäure eingelegten und dann zerzupften Schwanzchorda abgebildet. Sie zeigen die von G. Retzius^ beschriebene Faserung ihrer Membranen und an ihren der Chordaachse zugewendeten Enden deutliche Druckfacetten; auch konnte ich mich durch Rollen der Zellen unter dem Deckglas davon über- zeugen, daß sie ringsum geschlossen waren. Zerzupft man in ähnlicher Weise einen chordaähnlichen Knorpel, so kann man nur Teile des Fachwerks und nackte Zellen isolieren. Diese blasigen, mit Flüssigkeit gefüllten Zellen werden nun durch die Chordascheiden fest aneinander gepreßt, und ihre Verbindung untereinander wird durch die Rippen in den Zellwänden oder durch eigne Intercellularbrücken (v. Ebner, Studnicka) hergestellt. So entsteht ebenfalls ein einigermaßen druckfester, aber in viel höherem Grade biegungselastischer Cylinder, in dem die Zellen, etwa ähnlich wie in einem geschichteten Epithel auf dehnbarer Unterlage, noch eine gewisse Beweglichkeit, d. h. Verschiebbarkeit besitzen, so daß sie bei starken Biegungen nach den Stellen geringeren Druckes aus- 1 Über den Bau der Chorda dorsalis des Amphioxics lanceolatus, 1. c. S. 207. 2 1. c. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 13 ■weichen können. Zu dieser Vorstellung gelangte ich durch die Be- obachtung von Ammocüten, die, in wenig Wasser gebracht, mit dem Schwänze schlagen; da kann man sehen, daß diese Biegungen in so spitzen Winkeln erfolgen können, daß der seitlich umgeschlagene Schwanz mit seiner ganzen Innenfläche der hinteren Körperseite an- liegt, was mit einem knorpeliegen Achsengebilde nie möglich wäre. Es scheint mir nicht unwahrscheinlich, daß die Gleitfähigkcit der Zellblasen in der Chordagallerte geradezu als funktioneller Reiz zu ihrer Erhaltung nötig ist^. Denn in allen Fällen, wo die stützende Funktion der Chorda hauptsächlich auf die- irgendwie (durch Ver- knorpelung, Einlagerung von Knochen) versteifte Chordascheide über- geht, verschwindet die gegenseitige Unabhängigkeit der Zellblasen, d. h. ihre Wände verwachsen (was schon Schwann von den Chorda- resten bei Knochenfischen erwähnt; vgl. auch A. Albrecht 2) und werden durchbrochen, wie bei gewissen Selachiern und Knochen- fischen (vgl. Studnicka, Sitzb. böhm. Ges. Wiss. 1897, S. 51). Die Chorda kann also bis zu einem gewissen Grade ähnlich wie. Knorpel funktionieren; verfolgt man jedoch diese Funktion in ihre Einzelheiten, so wird man sie in mehrfacher Richtung wesentlich ver- schieden von der des Knorpelgewebes finden, welche potenzielle Ver- .schiedenheit durch die hervorgehobene strukturelle verständlich wird. Man kann daher das Chordagewebe weder vom histologischen, noch chemischen, noch mechanisch-funktionellen Standpunkte als eine Art Knorpelgewebe bezeichnen. Neuestens hat nun Fr. Krauss^ versucht, das Chordagewebe geradezu als Larvalknorpel, also wieder als Knorpelgewebe im Sinne Köllikers hinzustellen. Dies muß um so mehr überraschen als Krauss in klarer Weise die besondere mechanische Funktion des Chordagewebes erläutert. Für seine Auffassung sind ihm jedoch im wesentlichen zwei Dinge maßgebend: einmal die als Tatsache hin- gestellte Umwandlungsfähigkeit auch der wohlaussebildeten, vacuoli- sierten Chordazellen in Knorpelzellen und dann die Annahme einer »minimalen und nicht notwendigerweise nachweisbaren Menge von 1 Auch L. F. Henneguy, (Histogenese de la corda dorsale. C. R. Soc. Biol. Paris, T. LXIII. 1907. p. 510) nimmt eine Verschiebung der Chorda- zellen innerhalb der Chorda an. 2 Zur Entwicklungsgeschichte des Achsenskelettes der Teleostier. Diss. Straßburg 1902. 3 über die Genese des Chordaknorpels der Urodelen und die Natur des Chordagewebes. Arch. mikr. Anat. Bd. LXXIII. 1908. S. 69. 14 Josef Schaff er, verbindender Kittsubstanz« zwischen den verschmolzenen Membranen der Chordazellen. Daß dieser letzteren Annahme, die in Anlehnung an die alte Vor- stellung von Gegenbaur auch heute noch von M. FürbringerI fest- gehalten wird, während Studnicka^ eine Intercellular- oder Kittsub- stanz nirgends findet, für die Auffassung des Chordagewebes als eines Knorpelgewebes keine Bedeutung zukommen kann, beweist die Isolier- barkeit der Chordazellen. Was aber die Umwandlung voll ausgebildeter blasiger Chordazellen in Knorpelzellen anlangt, so muß ich auf diesen Punkt etwas näher eingehen. Krauss schildert diese Umwandlung so, daß an den blasigen Chordazellen eine Verdickung der Zellmembran, sowie Bildung von Tropfen und Netzen im Innern der Zellen auftritt. Diese Tröpfchen sitzen zunächst an den festeren Partien des Endoplasm?s oder der Vacuolenwand und verbreiten sich von dort Fäden und Netze bildend; auch zu größeren Tropfen oder zu verschiedenen zackigen oder tropf- steinartigen Gebilden können die Tröpfchen konfluieren. Durch diese Konfluenz und Verdichtung verfallen größere Gewebspartien der Ver- knorpelung. Die Tröpfchen und Fäden färben sich mit Hämatoxylin, Bismarckbraun, Kresylviolett ebenso wie » Chondromucoid «, zu welcher Behauptung Krauss bemerkt, daß er keine Rücksicht darauf nehme, » daß das Chondromucoid sich mit dem Mucin färberisch gleich verhält « ^. Die geschilderten Veränderungen treten nach Krauss zuerst im Vertebralteil der Chorda auf, und zwar fallen sie zusammen mit der ersten Anlage des perichordalen Knochens. Ahnliche Vorgänge nun, wie sie hier Krauss an den angeblich verknorpelnden Chordazellen beschreibt, habe ich an Zellen des harten Knorpels von Myxine beobachtet*. Hier steht das Auftreten von basophilen Tropfen und Netzen, die zu größeren Massen konfluieren können, aber zweifellos in Zusammenhang mit regressiven Prozessen an den Zellen, die schließlich zur Umwandlung dieser Zellen in Grund- substanz führen. Der Umstand, daß die von Krauss geschilderten angeblichen 1 Gegenbaubs Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 8. Aufl. I. Bd. 1909. S. 436. 2 Zu der »Erwiderung« von Friedrich Krauss usw. Anatom. Anz. Bd. XXXIV. 1909. S. 582. 3 Die Annahme halte ich für ungerechtfertigt. Drüsenmucin läßt sich färberisch von dem Stoffe, welcher der Knorpelgrundsubstanz ihre charakteri- stische Basophilie verleiht, wohl differenzieren. 4 Diese Zeitschr. Bd. LXXX. 1905. S. 190 u. f. über den feineren Bau u. die P^ntwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 15 Verknorpelungsvorgänge an den Chordazellen des Axotlotl gerade dort beginnen, wo die Chorda später zugrunde geht, d. h. mit der ersten Anlage des perichordalen Knochens zeitlich zusammenfallen, legt den Gedanken nahe, daß es sich auch hier um die Einleitung von Rück- bildungsvorgängen an den blasigen Chordazellen handelt; an deren Umwandlung in Knorpelzellen zu denken, fällt schon — neben andern Gründen — deshalb schwer, weil die weit differenzierte Chordazelle die Knorpelzelle um ein Vielfaches an Volumen übertrifft. Auch läßt uns die Schilderung von Krauss über das Schicksal der festen Mem- bran der Chordazellen bei der Metaplasie dieser letzteren in membran- lose, protoplasmatische Knorpelzellen vollkommen im unklaren. Ich habe nun die Vorgänge bei der Verknorpelung der Chorda teils beim Axolotl, teils beim Salamander, der nach Krauss im wesent- lichen gleiche Verhältnisse zeigt, nachgeprüft i, konnte aber zu einer Bestätigung der Auffassung von Krauss nicht kommen. Wie ich an andrer Stelle gezeigt habe, werden bei der normalen Knorpelbildung oft fremde Bestandteile in das Knorpelgewebe einge- schlossen; dann aber assimiliert, indem sie als solche zu existieren aufhören und ihr Material zum Aufbau der Knorpelgrundsubstanz verwendet wird. Dasselbe ist der Fall dort, wo durch die Knorpelbildung vom Chorda- epithel aus, die ja auch Krauss für die Entstehung der peripheren Partien des Chordaknorpels verantwortlich macht, blasiges Chorda- gewebe eingeschlossen wird. Die Assimilation und Resorption dieser eingeschlossenen Chordazellen ließ sich beim Salamander wie Axolotl mit wünschenswerter Deutlichkeit verfolgen. Bei einer 44 mm langen Larve von Salamandra sehe ich die Knorpel- bildung im cranialen Abschnitt der Chorda nur von der Peripherie ausgehen, so zwar, daß die blasigen Chordazellen in dorsoventraler Richtung zu einem ganz flachen Septum zusammengedrückt erscheinen, das die verknorpelte Chorda der ganzen Breite nach durchsetzt. Diese Chordareste sind in ihren kleinsten Teilen durch eine starke Rotfärbung mit Eosin in der mit Hämalaun bläulich gefärbten Knorpel- grundsubstanz zu sehen, ähnlich wie dies die Fig. 10, Taf. V von Krauss zeigt. In der aus flach gedrückten Chordablasen bestehenden Platte sieht man auch einzelne pykno tische Kerne. An verschiedenen Stellen sind 1 Ich konnte dies an den Serien von Salamandra maculosa meines geehrten Kollegen und Freundes Professor D. H. Rabl tun, die teils mit Cochenille-Häm- alaun- Eosin, teils mit Delafields Hämatoxylingemisch-Eosin gefärbt waren. 16 Josef Schaff er, einzelne Teile von der Platte losgesprengt und liegen in den interterri- torialen Zwickeln des Knorpels, wo sie eingeschmolzen und assimiliert werden, ganz ähnlich, wie andre fremdartige Einschlüsse, z. B. elastische Fasern oder die Chordascheide zwischen peri- und endochordalem Knorpel usw. (vgl. den ersten Teil dieser Untersuchungen S. 159 u. f.). Bei einem vollständig metamorphosierten Tiere fand ich abwech- selnd starke Ausbildung des peri- und endochordalen Knorpels. Ersterer engt die Chorda konzentrisch ein und bringt sie zum Schwund. Die lebhaft rot gefärbte Chordascheide zeigt immer deutlich die Grenze der Chorda an; allerdings kann diese Scheide stellenweise durch den vordringenden Knorpel zersprengt werden, was schon H. Kabl be- merkt hati. Das ist aber nur dort der Fall, wo der perichordale Knorpel auf endochordalen übergreift und die Scheide zwischen beide einge- schlossen wird und deren assimilatorischer Tätigkeit verfällt. An den Stellen rein perichordaler Knorpelbildung zeigt nun das Chordagewebe jene Veränderungen, die Krauss als Vorläufer der Verknorpelung beschrieben hat, die ich aber als ganz charakteristische Rückbildungserscheinungen auffassen muß. Die peripheren großen, blasigen Zellen besitzen Netzwerke, die sich mit Delafields Häma- toxylingemisch färben und mit ebenfalls stark blau gefärbten Tröpf- chen besetzt sein können. Die centralen Zellen erscheinen zusammen- gedrückt, so daß sich ihre Membranen zu sträng- und plattenartigen Zügen aneinander gepreßt zeigen, welche oft zwischen die peripheren Zellen mit blau gefärbten Wandbelägen hinemreichen und so dicke Wände mit einer roten Zwischenlamelle vortäuschen oder mannigfache Zwickelbildungen (man vgl. die Fig. 25 und 45 bei Krauss) darstellen köimen. Dort wo in der eingeengten Chorda die blasigen Zellen sämtlich zusammengedrückt sind, können die peripheren protoplasmatischen abgerundete Formen, ähnlich den Knorpelzellen annehmen, natürlich auch Knorpelgrundsubstanz zwischen sich erzeugen, die aber durch die umgebende Chordascheide stets als endochordale gekennzeichnet ist. Auch an den Stellen, wo sich die peri- mit endochordaler Knorpel- bildung kombiniert, kommt es zur Zusammenpressung der centralen Chordazellen durch die unmittelbar unter der Scheide, aus den proto- plasmatischen, membranlosen »Epithelzellen« entstehenden Knorpel- zellen. Diese wieder stark mit Eosin färbbaren Zellstränge werden zersprengt, man sieht sie in der interterritorialen Grundsubst£Miz 1 Verhdlgn. anat. Ges. 11. Vers. Gent 1897. S. 88, Anm. 1. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 17 zwischen den Knorpelzellen eingeschmolzen werden. Daneben sind auch karyolytische Erscheinungen an den Kernen der Chordazellen sichtbar, so daß an der Einschmelzung der blasigen Chordazellen nicht gezweifelt werden kann. Dieser endochordale Knorpel kann allein die noch prall gespannte Chordascheide ausfüllen, auf der dann unmittelbar die dünne Knochenrinde aufsitzt, Oder es ist reichlich perichordaler Knorpel entwickelt; dann wird die Chordascheide vielfach zersprengt und aufgelöst, so daß beide Knorpel verschmelzen. Eine mögliche Täuschung in Hinsicht auf die Beziehungen zwischen blasigen Chorda- und Knorpelzellen möchte ich nicht unerwähnt lassen. Dort, wo der perichordale Knorpel ausläuft, besteht er aus einer ein- zigen Lage auffallend großer Zellen mit äußerst dünnen, blaugefärbten Scheidewänden, die bei der starken Retraktion der Zellen den Ein- druck großer Zellblasen machen, ähnlich den Chordazellen. Da die Chordascheide an solchen Stellen oft der Fläche nach angeschnitten ist, kann sie der Beobachtung entgehen, und dann entsteht der täu- schende Eindruck, als ob die blasigen Chordazellen mit ihren blau gefärbten Wandbelägen direkt in die echten Knorpelzellen mit den anscheinenden blaugefärbten Kapseln übergingen. Wo aber die Chorda- scheide rein quer getroffen ist, überzeugt man sich leicht, daß die perichordalen Knorpelzellen nichts zu tun haben mit den blasigen Chordazellen und umgekehrt. Die Untersuchung der Axolotllaiven führte im wesentlichen zu denselben Ergebnissen. Ich untersuchte die vordere Brust- und die Schädelchorda an Schnittserien einer 27,5 mm und einer 45 mm langen Larve. Die Tiere waren in Pikrinsublimat fixiert und wurden zu polychrom gefärbten Celloidinserien von 10 — 12 i^i Schnittdicke ver- arbeitet. Als auffallend muß ich erwähnen, daß an diesen Objekten von der Bildung basophiler Tropfen und Netze in den Chordazellen so gut wie nichts zu sehen war. Bei der jüngeren Larve fand sich endochordaler Knorpel nur an einer beschränkten Stelle, cranial vom ersten Wirbel und in geringerer Entwicklung im zugespitzten Ende der Schädelchorda. An ersterer Stelle dringt der Knorpel von der Peripherie kon- zentrisch gegen die Chordaachse vor, so daß die letztere die Gestalt eines sanduhrartig eingeschnürten Teiles besitzt. Am Längsschnitt stellt der Knorpel zwei gegenüberliegende Kissen dar, ganz ähnlich wie es Krauss in seiner Fig. 7, Schneider i in Fig. 603 (von einer 1 Lehrbuch der vergl. Histologie. Jena 1902. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 18 Josef Schaff er, Salamanderlarve) darstellt. Wo der Knorpel der hier noch deutlicli sichtbaren Faserscheide aufsitzt, fehlt (das platte Chordaepithel, das sonst überall gut zu sehen ist; es hat sich in Chondroblasten, bzw. in die Knorpelzellen umgewandelt. Der vorwachsende Knorpel drängt das blasige Chordagewebe vor sich her; dadurch werden die großen Zellblasen teilweise zusammengepreßt zu flachen, am Durchschnitt fadenartigen Formen von oft beträchtlicher Länge oder mehreckiger Gestalt, die leicht an ihrer starken Färbbarkeit mit Eosin erkenntlich sind und oft noch pyknotische Kerne einschließen; teilweise werden die Zellblasen zersprengt, einzelne solche Zellen losgetrennt und von der ausgeschiedenen basophilen Grundsubstanz umflossen, in diese als leicht kenntliche Fremdkörper eingeschlossen, um schließlich der Auflösung, Assimilation, zu verfallen. Noch viel entschiedener war die ausschließlich vom indifferenten Chordaepithel ausgehende endochordale Knorpelbildung bei der älteren Larve festzustellen. Die Verknorpelung der Schädelchorda war hier fortgeschritten, so daß letztere im Basilarteil des Schädels, vor dem ersten Wirbel zusammenhängend verknorpelt erscheint, bis auf einen axialen Chordarest aus strangartig zusammengepreßten Blasen. Am Querschnitt stellt dieser eine bald vieleckige, oder sternförmige, bald mehr abgerundete oder ganz unregelmäßige, strahlige Figur, deren Schenkel oft vier bis fünf Knorpelzellen entlang laufen, dar, die stets durch ihre lebhafte Rotfärbung mit Eosin in der basophilen Knorpelgrundsubstanz scharf hervortritt. Krauss hat dieses Gebilde, das gegen das zugespitzte Schädelende der Chorda immer mehr schwindet, endlich ganz fehlt, als »Chordastrang« bezeichnet (Fig. 10); von einem solchen kann aber bei Urodelen keine Rede sein. Es handelt sich vielmehr um die Reste der ganzen Chorda, welche durch kon- zentrische Einengung in die Mitte gedrängt wurden. Dabei wieder- holt sich stets derselbe Vorgang: teilweise werden die komprimierten Chordazellblasen auch zersprengt und gelangen zwischen die Knor})el- zellhöfe, diese wie eine oxyphile Interterritorialsubstanz trennend. Solche zersprengte und in Auflösung begriffene Reste finden sich dann in der Umgebung des axialen Restes, aber auch weiter gegen die Peripherie zu, mitten im Knorpel als eosinophile Fäserchen, Körnchen, ganze Zellreste mit pyknotischen Kernen, nackte solche Kerne in der basophilen Grundsubstanz, die dadurch stellenweise ein eigentümliches fleckiges, durchaus nicht hyalines Aussehen bekommt. Außer diesem verknorpelten cranialen Chordaende fanden sich aber in diesem Stadium an allen Wirbelanlagen dort, wo der Mitte über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 19 des zukünftigen Wirbelkörpv^rs entsprechend die Knochenkruste un- mittelbar der Chordascheide aufsitzt, in geringer Ausdehnung, meist am ventralen Umfang der Chorda, endochordale Knorpelbildungen im allerersten Anfange. Sie treten ausschließlich in Form flacher Plaques auf, die durch Umwandlung des Chordaepithels in Knorpelzellen ent- stehen. Sie sitzen daher unmittelbar der Chordafaserscheide auf und drängen das blasige Chordagewebe vor sich her. Diese Kompression der Blasenzellen hat die Degeneration der letzteren zur Folge, der die von Krauss geschilderten Bildungen baso- philer Tropfen und Netze vorausgehen können; daß dies aber nicht stets der Fall sein muß, zeigen die geschilderten Degenerationsvor- gänge bei den von mir untersuchten Axoiotllarven. Es handelt sich hier um ganz analoge Vorgänge, wie ich sie beim Untergang von Knorpelzellen bei Myxine geschildert habe, wo auch bald die Bildung chondromucoider Tropfen und Netze zur Einschmelzung und Assimilation ganzer Zellen und Zellgruppen führt, bald einfache Kompression und Auflösung der Zellen beobachtet wird. Dieselben Verhältnisse, wie bei der 45 mm langen Axolotllarve fand ich bei einer 46 mm langen Larve von Salamandra atra, nur ent- sprechend weiter fortgeschritten. Die wirbelsegmentalen Anlagen des endochordalen Knorpels hatten sich in der Mitte der Wirbelkörper zu kurzen Knorpelcylindern entwickelt, in deren Achse noch die kom- primierten Reste der blasigen Zellen sichtbar sind, ganz analog wie im cranialen Teil der Chorda. Jene Teile der Wirbel, in denen peri- chordaler Knorpel entwickelt ist, zeigen die unversehrten blasigen Zellen und Chordaepithel an der Oberfläche. Ich kann also die Berechtigung des Grundes, aus welchem Krauss die Chorda als Larvalknorpel bezeichnet hat, nicht anerkennen, da eine einfache, chemisch-strukturelle Metaplasie ihrer voll ausgebildeten, mechanisch funktionierenden Zellen in Knorpelzellen nicht nachge- wiesen werden kann. Vielmehr erscheint auch bei der Verknorpelung der Chorda (analog wie bei der Knorpelbildung im Fettgewebe [Neurapophysenbildung bei Petromyzon^ , Epiglottis der Katze 2], der Knochenbildung auf knorpeliger Grundlage, der Umwandlung des fötalen Oesophagus- epithels in das definitive^), das Prinzip gewahrt, daß es nur die in- differenten Bildungszellen sind, welche in einem Muttergewebe von 1 Vgl. Arch. mikr. Anat. Bd. L. 1897. S. 181. 2 Vgl. Anat. Hefte Bd. XXXIII. 1907. S. 457. 3 Vgl. ViRCHOws Arch. Bd. CLXXVII. 1904. S. 181, 2* 20 Josef Schaffer, determiniertem Charakter eine physiologisch und mcchanisch-funktionell von den Elementen des Muttergewebes verschiedene Zellart erzeugen können. Wie aus einer voll entwickelten Fettzelle keine Knorpelzelle, aus einer typischen Knorpelzelle keine Knochenzelle, aus einer flimmern- den Cylinderzelle keine Plattenzelle werden kann, so kann aus einer blasigen Chordazelle keine Knorpelzelle werden. Echte Metaplasie ist eben außerordentlich selten und dürfte über- haupt nur bei wenig weit differenzierten Elementen oder solchen von sehr ähnlicher Funktion vorkommen. Die meisten Fälle, die man als Metaplasie bezeichnet hat, erweisen sich als ein cellulärer Umbau^, indem die einen Elemente zugrunde gehen (durch Ausstoßung, Auf- lösung, Einschmelzung) und durch nachrückende von anderem Cha- rakter ersetzt werden. Wenn daher Studnicka^ in der von Keauss gegebenen Darstel- lung von der Entstehung des Chordaknorpeis aus blasigen Chorda- zellen eine Stütze seiner eigenen Theorie — nämlich, daß die Knorpel- grundsubstanz aus verschmelzenden Exoplasmen entsteht — begrüßt, so muß ich diese Stütze als hinfällig erklären. Wohl aber stimme ich^ mit Studnicka vollständig überein, wenn er den chondioiden Charakter des Chordagewebes und damit die Berechtigung, die Chorda als Larval- knorpel zu bezeichnen, in Abrede stellt. Das Gewebe der Chorda dor- salis stellt vielmehr ein blasiges (vesiculöses) Stützgewebe von primi- tiverer Form dar und kann als phylogenetischer Vorläufer des Knorpel- gewebes, beziehungsweise des chondroiden Gewebes aufgefaßt werden. Dafür spricht der Umstand, daß die Chorda als zusammenhän- gendes, funktionierendes Organ nur den niedersten Wirbeltieren zu- kommt und daß nach demselben funktionellen Prinzip, wie die Chorda, gebaute Stützsubstanzen hauptsächlich bei Wirbellosen vorgefunden werden. Man kann alle diese Stützsubstanzen unter dem gemeinschaftlichen Namen des blasigen (vesiculösen) Stützgewebes von chordoidem Typus zusammenfassen. In etwas mundgerechterer Abkürzung werde ich im folgenden vom chordoideii, blasigen Stützgewebe sprechen. Als wesentliche Merkmale für die Einreihung in diese Gruppe 1 Hierher gehören in erster Linie der Umbau des knorpeligen Skelettes in das knöcherne und jener des fötalen Oesophagusepithels mit seinen flimmernden Cylinderzellen in das fertige geschichtete Plattenepithel. 2 Die Natur des Chordagewebes. Anat. Anz. Bd. XXXIV. 1909. S. 88. 3 Siehe meine vorl. Mitteilung: Über das vesiculöse Stützgewebe. Anat. Anz. Bd. XXIIII. 1903. S. 467. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 21 der Stützsubstanzen muß man betrachten: 1) Die blasige oder kugelige Form der Zellen, welche hauptsächlich durch einen hohen Turgordruck der in den Zellen eingeschlossenen Flüssigkeit bedingt ist. 2) Eine membran- oder kapselartige Oberflächendifferenzierung an den Zellen, welche um so widerstandsfähiger gegen äußeren Druck sein muß, je mehr der Turgordruck in der Zelle abnimmt. 3) Unabhängigkeit der Zellen voneinander, so daß sie auch dort, wo sie dicht aneinander gelagert oder gepreßt erscheinen, isolierbar bleiben, ohne daß zwischen ihnen eine von den Zellen selbst erzeugte Intercellularsubstanz übrig bliebe. Die mechanisch-funktionellen Elemente dieses Gewebes, d. h. die blasigen Zellen, können entweder verstreut in einem fremdartigen Gewebe, dem sie als Stütze dienen, erscheinen; diese, von Renaut nicht unpassend als »verstreute Chordagallerte« bezeichnete Form ist die primitivste und kann gleichsam als phylogenetischer Vorläufer der Chorda angesehen werden — diffuses, chordoides Stützgewebe. Oder sie können, wie in der Chorda, durch dichte Aneinander- lagerung und Differenzierung einer festeren Umhüllung (Scheide) eigene Skeletstücke bilden — kompaktes, chordoides Stützgewebe. Sucht man nun Beispiele für diese zwei Gruppen des chordoiden Stütz- gewebes beizubringen, so ergeben sich zwei Schwierigkeiten: die erste liegt darin, daß verschiedene Autoren, wie im vorhergehenden gezeigt wurde, das Gewebe der Chorda mit verschiedenen Gewebeformen zu verschieden benannten Gewebegruppen vereinigt haben, die nicht immer der hier schärfer gefaßten Einteilung entsprechen; es mußten also alle diese Gewebe so weit als möglich von den hier entwickelten Gesichtspunkten aus neuerdings untersucht werden; die zweite liegt in dem Unzureichenden der Einteilung selbst. Die einzelnen Formen der Stützsubstanzen sind, sobald man sie vergieichend-histologisch betrachtet, durch fließende, oft kaum merkbare oder festzuhaltende Übergän^ge verbunden, so daß jede Einteilung nur auf gewisse aus- gesprochene Typen begründet werden kann. Wenn ich im folgenden in ausgedehnterem Maße auch die Wirbel- losen in den Kreis der Betrachtungen ziehe, so möge dies nicht als ein »Spiel mit Analogien« aufgefaßt werden, sondern als das Bestreben, auf breitester, vergleichend histologischer Basis zu zeigen, daß Geweben verschiedener genetischer Herkunft und chemischer Beschaffenheit durch die gleiche oder ähnliche Funktion, die gleiche oder ähnliche, dieser Funktion am besten entsprechende Form aufgeprägt wird, mit 22 Josef Schaffer, andern Worten, daß bei phylogenetisch, weit getrennten Formen die ähnliche Funktion ähnliche Gewebe züchtet. Daß eine möglichst umfassende Besprechung der verschiedenen Stützgewebe im Tierreich nicht überflüssig ist, geht auch aus den jüngsten spekulativen Betrachtungen über die Phylogenese des Knorpel- gewebes von LuboschI hervor. Diese zeigen deutlich, daß die Kenntnis von dem großen Formenreichtum dieser Stützsubstanzen, welche von sehr primitiven Formen bei Wirbellosen (die aber teilweise auch bei höheren Tieren angetroffen werden) durch eine Unzahl von Über- gangsformen zu knorpelartig funktionierenden und endlich auch knor- pelartig gebauten Geweben heraufführen, noch wenig verbreitet ist. Und doch kann sich die Gewebelehre erst dann über den Rahmen einer lediglich deskriptiven Wissenschaft erheben und kann sie die Bezie- hungen der einzelnen Gewebeformen zueinander erst dann ermitteln, wenn sie diese Gewebeformen kennt. Einen weiteren Gewinn dieser Untersuchungen verschiedenartiger, oft sehr knorpelähnlicher Stützsubstanzen der Wirbellosen mittels moderner Färbmethoden, liegt meiner Meinung nach auch darin, daß sie uns Anhaltspunkte liefern für die Beurteilung des specifischen Wertes unsrer Knorpelfärbungen. Ein großes Gewicht habe ich bei den nachfolgenden Darstellungen auf gewissenhafte Literaturstudien gelegt; von jeder der zahlreichen Einzelfragen versuchte ich ein übersichtliches historisches Bild zu geben. Dabei kam es mir weniger auf Vollständigkeit — die bei dem kaum zu überblickenden Reichtum der zoologischen Literatur wohl nicht zu erreichen ist — , als auf die Verläßlichkeit der Literaturangaben an. Diese kann aber nur durch das unmittelbare Studium der Originalar- beiten gewährleistet werden. A. Diffuses, chordoides Stützgewebe. — Als Typus kann hier a. die eigentümliche, sogenannte zellig -blasige Bindesubstanz der Mollusken, insbesondere einer Reihe von Gastropoden gelten. Diese scheint am besten geeignet, dem weichen Körper dieser Tiere, welcher durch seine fließenden Bewegungen ausgezeichnet ist, die nötige Widerstandskraft und Elastizität zu verleihen. Ich habe diese Gewebeelemente hauptsächlich im Mantel, dann auch im Fuß von Limnaea stagnalis, Palndina vivipara, Planorbis corneus, Helix pomatia untersucht. 1 Die embryonale Entwicklung des Knorpelgewebes und ihre stammes- geschichtliche Bedeutung. Biolog. Centralbl. Bd. XXIX. 1909. S. 738. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 23 Bei Limnaea bestellt das Mantelgewebe fast ausschließlich aus sich durchflechtenden Faserbündeln und in die Maschenräume ein- gelagerten, großen, blasigen Zellen. Diese sind am frischen Objekt glasartig durchscheinend und etwas weniger stark lichtbrechend als Fettzellen. Bei stundenlanger Behandlung mit ^/2%iger Osmium- säure nehmen die Zellen keine Färbung an. Versucht man ein solches fixiertes Stückchen mit Nadeln zu zerzupfen, so fühlt es sich fast knorpelartig an, und es gelingt nur schwer, aber zweifellos, einzelne Zellen zu isolieren. Diese isolierten Zellen zeigen ein verschiedenes Aussehen. Die überwiegende Mehrzahl besitzt eine glänzende, glatte, kapselartige Umhüllung (Fig. 2 M). Einzelne erscheinen ganz blaß und zeigen am Rande eine Art ganz unregelmäßig unterbrochenen oder erhaltenen kapselartigen Saumes. Die Mehrzahl der Zellen ist nämlich mit dem faserigen Zwischengewebe so fest verbunden, daß ihre Membran beim Isolieren teilweise mit letzterem im Zusammenhang bleibt. Sie zerreißt daher manchmal beim Zerzupfen und erscheint dann im Profil wie eine stark glänzende Faser (Fig. 2 M'). Die Form der Zellblasen ist rund oder ovoid, ihre Durchmesser betragen 25 — 65 jn. Viele lassen leicht einen kugeligen Kern mit Kernkörperchen erkennen (Fig. 2 a, K). Färbt man ein in Osmiumsäure fixiertes Stückchen des Mantel- gewebes mit Cochenillealaun, so nimmt der Zellinhalt eine leichte Färbung an, fällt beim Zerzupfen vielfach aus den zerrissenen Blasen heraus und stellt sich als homogene, oft zerbrochene Masse mit un- scharfem, wie abgebröckeltem Rande dar. Selten umschließt diese Masse einen Kern. Auch nach Behand- lung mit Drittelalkohol gelingt es, einzelne Zellen vollständig zu iso- lieren. Färbt man solche Objekte mit Hämalaun-Eosin, dann treten die Membranen besonders scharf hervor. Während ihre Außenfläche vollkommen glatt ist, erscheint die innere wie mit feinsten Körnchen bestäubt; auch kurze, fadenförmige Verbindungen zwischen den Körn- chen werden sichtbar. Es handelt sich um einen dünnen Protoplasma- belag (Fig. 2, h), der an einer Stelle auch meist den Kern einschließt. Färbt man nur mit Kongorot, dann tritt dieser Protoplasmabelag allein hervor, während die Membran farblos bleibt. Nach dem Gesagten entspricht also dieses Gewebe vollkommen der oben gegebenen Definition des chordoiden Stützgewebes: isolier- bare Blasen, welche in vivo mit einer Flüssigkeit prall gefüllt sind. Diese Flüssigkeit wird durch Osmiumsäure zur Gerinnung gebracht; eine Membran mit dünnstem Protoplasmaüberzug, der an einer Stelle 24 Josef Schaffer, den Kern einschließt, umhüllt diese Flüssigkeit. Wo diese Zellen dicht aneinander grenzen, gewinnt das Gewebe ein sehr chordaähn- liches Aussehen. Dies zeigt z. B. Fig. 3, welche eine Stelle aus dem Mantelgewebe von Paludina vivi'para darstellt. Allerdings sind die wesentlichen Unter- schiede vom kompakten Chordagewebe bei näherer Untersuchung sofort in die Augen springend. Zunächst sind die Kerne der Zellen nur selten wandständig, wie bei Limnaea und besonders deutlich bei Helix 'pomatia, sondern liegen mitten in der Blase oder gegen deren Wand verschoben, stets von einem Häufchen körnigen Protoplasmas umgeben; dieses kann dem Kern auch mehr einseitig angelagert erscheinen (Fig. 4 P) und enthält stets, wenigstens im Mantelgewebe, auch einige Pigmentkörnchen. Von diesem Protoplasmarest ziehen zarte Fäden (F) an die Blasenwand, beziehungsweise an ihren äußerst feinen Protoplasmabelag, so daß der Kern mit dem Protoplasmarest wie aufgehangen erscheint. Der Kern ist in der Regel kugelig, mit deutlicher Kernmembran und zeigt- meist ein Kernkörperchen, nebst wenigen Chromatinkörnchen. Der sonstige Inhalt der Zellblase erscheint im frischen Zustande und an Schnitten aus Formalinmaterial vollkommen farblos, glasartig durchsichtig. Die Membranen sind von äußerster Dünnheit und zeigen keine weitere Struktur. An vielen Stellen grenzen sie direkt aneinander, ohne daß ein andres Gewebe zwischen sie eindringen würde. Hier nehmen die Zellblasen durch gegenseitigen Druck auch meist eine polyedrische Gestalt an; dies ist am ausgesprochensten zwischen den Muskelfasern der Fall. Mit Prikrofuchsin färben sich die Membranen lebhaft rot und lassen sich so scharf von den gelbgefärbten Muskel- fasern sondern. Von Stelle zu Stelle fällt zwischen den polyedrischen Zellen, häufiger im Mantelgewebe, seltener zwischen den Muskeln eine ab- gerundete Zellblase mit stark hervortretender Membran auf (Fig. 3 KZ), die einen sehr verschiedenartigen Inhalt umschließen kann. Ich bemerke ausdrücklich, daß sich dies, besonders die verhältnis- mäßige Spärlichkeit dieser abgerundeten Zellblasen, auf Tiere bezieht, die im Juli getötet und an einfach in Formalin fixierten und in Celloidin eingebetteten Schnitten untersucht worden waren. Bei einigen dieser abgerundeten Zellblasen schließt sich dicht an die Oberflächenmembran eine dicke, mit Delafields Hämatoxylingemisch, aber auch mit Häm- alaun sich bläulich färbende, deutlich radiär gestreifte Rindenzone an, welche mit scharfem, der Oberfläche parallelem Kontur eine Höhle über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 25 umschließt. Diese kann wie leer erscheinen (Fig. 6 b) oder ein kern- artiges Gebilde (d) enthalten oder endlich von einer ebenfalls bläulich gefärbten homogenen Masse mit oder ohne Kern erfüllt werden. In andern Fällen wird der Inhalt der Membran von einer blau gefärbten, bis zum Centrum radiär gestreiften Masse gebildet (Fig. 6 /). Weiter kann zur radiären eine mehr oder minder scharfe kon- zentrische Streifung hinzukommen oder letztere allein wahrnehmbar sein (Fig. 6 e). Endlich kann die Membran einen geschrumpften, wie gefaltet oder zerknittert aussehenden, stark blau gefärbten Inhalts- körper mit Kern umschließen (Fig. 4 /). Zerzupft man ein Stückchen des in Formalin fixierten Gewebes, wobei man beim Ansetzen der Nadeln unter der Lupe deutlich einen elastischen Widerstand spürt, so gelingt es leicht, einzelne abgerundete Zellen mit ziemlich dicker Kapsel vollkommen zu isolieren; diese besitzen meist einen glänzenden Inhaltskörper. Als ich nun im Herbst (Mitte November) meine Untersuchungen wieder aufnahm, war ich sehr überrascht, bei Paludina ganz andre Verhältnisse zu finden, als sie oben bei der gleichzeitig gefangenen Lymnaea und bei der ^om.m.eT-Paludina beschrieben worden sind. Bei der Untersuchung des frischen Mantelgewebes sieht man zu- nächst fast nur dichtgedrängte, stark lichtbrechende, rundliche Gebilde, die wie Fettzellen aussehen, sich aber auch bei 24stündigem Liegen in l%iger Osmiumsäure nicht bräunen, geschweige denn schwärzen. Diese Gebilde lassen sich beim Zerzupfen leicht isolieren; sie besitzen nicht immer rein kugelige Formen, sondern manchmal auch etwas längliche mit leicht abgerundeten Ecken. Sie sind deutlich doppelt- brechend, und zwar zeigen die rein kugeligen ein zierliches, vollkommen regelmäßiges negatives Kreuz, umgekehrt wie ein Stärkekorn. Diese Doppelbrechung wird durch Osmiumsäure nicht verändert. Mit Jod- tinktur zeigen wohl die Muskeln deutliche Braunfärbung, nicht aber die Kugeln. Zerdrückt man letztere im frischen Zustande, wozu ein ziemlich starker Druck auf das Deckglas nötig ist, so zerspringen sie wie Glas unter Bildung scharfer Kanten und Spitzen. Salpetersäure, Essigsäure, sowie alle andern Säuren lösen die Gebilde unter lebhafter Gasentwicklung ; ebenso verdünnte Schwefelsäure unter Bildung deut- licher Gipskristalldrusen. Auch in 5%iger Alaunlösung bedeckt sich ein frisch eingebrachtes Stückchen des Mantelgewebes bald mit Gas- bläschen. In allen diesen Fällen wird an Stelle des stark glänzenden Körpers eine ziemlich derbe, doppelt konturierte Membran sichtbar, w^elche 26 Josef Schaffer, die Form des ursprünglichen Körpers wiedergibt, aber keine Spur von Doppelbrechung mehr zeigt. Es kann also keinem Zweifel unter- liegen, daß es sich hier um einen eigentümlichen Kalkgehalt der blasigen Zellen, d. h. um die den Zoologen lange bekannten Kalkzellen im Bindegewebe der Mollusken handelt. Schon LeydigI war es bekannt, daß sich in den Bindesubstanz- zellen » sehr gewöhnlich Kalk abgelagert « findet, » und zwar kann der abgeschiedene Kalkkörper die ganze Zelle so ausfüllen, daß die Zellen- membran erst erkannt wird, wenn nach Anwendung von Säuren der Kalk gelöst ist «. Auch der fettartige Glanz dieser Gebilde war Leydig schon aufgefallen. Bei der Beschreibung der Kalkkörper im äußeren Neurilemm ^ hebt er auch schon nachdrücklich ihren geschichteten und strahligen Bau hervor und betont, daß sie nicht rein aus Kalk bestehen, sondern eine organische Grundlage besitzen, die schon das schalig- streifige Aussehen an sich haben kann, ohne den Glanz des Kalkes zu besitzen. An überwinterten Tieren fand Leydig weder im Neuri- lemm noch sonst im Bindegewebe andrer Organe Kalk. An andrer Stelle ^ spricht er von einem » kalkführenden Zellennetz oder einer »Kalkdrüse« zwischen der Hautmuskulatur und vergleicht sie dem Fettkörper der Arthropoden. Für einen Teil dieser »Kalk- drüsen« gibt Leydig an, daß es sich einfach um kalkerfüllte Binde- substanzzellen handle. Gelegentliche Bemerkungen über die Kalkzellen finden sich später bei vielen Autoren, wie aus dem folgenden geschichtlichen Überblick ersehen werden mag. Eingehender haben sich aber die Forscher nur mit jenen Kalkzellen beschäftigt, welche als wesentliche Bestandteile bestimmter Organe von besonderem Interesse sind. So z. B. Clapa- EEDE* mit den Kalkkörpern in der von ihm so benannten Concrementen- drüse, Barfueth^ mit den Kalkzellen der Leber. In diesen beiden Fällen handelt es sich aber größtenteils nicht um kohlensauren Kalk, wie in den bindegewebigen Kalkzellen; nur in der Concrementendrüse scheint nach der Beschreibung Claparedes ein Teil der Kalkkörper aus solchem zu bestehen, während die Haupt- 1 Über Paludina vivipara. Diese Zeitschr. Bd. II. 1850. S. 151. 2 Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. Arch. mikr. Anat. Bd. I. 1865. S. 51. 3 Hautdecke und Schale der Gastropoden. Arch. für Naturgesch. Jhrg. 42. Bd. I. 1876. S. 233. * Beitrag zur Anatomie des Cydostoma elegans. Müllers Archiv 1858, S. 22 u. f. ß Arch. mikr. Anat. Bd. XXII. 1883. S. 482 u. f. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 27 masse nach GaknaultsI Schilderung Harnsäure enthält. Die Größe dieser Kalkkörper (13 — 100 /.i Durchmesser), sowie ihr feinerer Bau (konzentrische Schichtung, organische Grundlage) zeigen viel Über- einstimmung mit den bindegewebigen Kalkzellen, so daß man ver- sucht wäre, diese ganze rätselhafte »Drüse« nur für blasiges Stütz- gewebe mit Kalkkörpern zwischen den Organen zu halten, wenn nicht Garnaults und Simroths^ Angaben dagegen sprächen. Übrigens hat schon ersterer die ganze Bildung für eine mesodermale erklärt und sie mit dem Bindegewebe um den Darm bei Bithynia verglichen, in dem die LEYDiGschen Zellen mit kohlensaurem Kalk erfüllt sind. Auch hat schon Gartenauer^ bei Paludina und den einheimischen Pulmonaten gerade an allen Stellen des Darmes Kalkzellen in erstaun- licher Masse gefunden, »oft so zahlreich, daß sie alle andern Bildungen in den Hintergrund drängen und nur noch Pigment zwischen sich durchtreten lassen «. Als »Kalkzellen« hat Joyeux-Laffuie* im engeren Sinne bei Oncidium große, unregelmäßig ovoide Zellen beschrieben, »welche in ihrem Innern eine große Menge von Concretionen enthalten. Diese füllen jede Zelle vollkommen aus. Sie sind meist rundlich, stark licht- brechend, lösen sich in Essigsäure, Salzsäure usw. unter Kohlensäure- entwicklung. Setzt man nach Behandlung mit Ammoniak im Über- schuß Oxalsäure zu, so entstehen bald die bekannten Briefkuvert- formen des Oxalsäuren Kalkes. Diese Zellen findet man überall, wo sich Zellgewebe findet. Bei Paludina stellen die Kalkzellen, wie erwähnt, durchweg einheitliche Körper dar. Als besonders bemerkenswert hebe ich noch hervor, daß Clapa- REDE ^ an konserviertem Material den Kalk vermißte, Joyeux-Laffuie angibt, daß Owens Konservierungsf lüssigkeit *^ die Concretionen all- mählich löst, so daß nur die Zellhülle bleibt, endlich Garnault be- merkt, daß die Kalkkörner in den LEYDiGschen Zellen um die Gefäße ihre starke Lichtbrechung beim Aufenthalt in Wasser verlieren. 1 Recherches anatomiques et histologiques sur le Cyclostoma elegans. — Actes Soc. linn. Bordeaux. 1887. 2 Bronns Kl. u. 0. III. Bd. Mollusca 1899. S. 577. 3 Über den Darmkanal einiger einheimischen Gastropoden. Dissert. Straß- burg 1875. * Organisation et developpenient de TOncidie. Arch. zool. exper. et gen. T. X. 1882. p. 260. 5 Müllers Arch. 1858. S. 25. •^ Eine beiläufig 8%ige Kochsalzlösung, die fast 5% Alaun enthält. 28 Josef Schaffer, Dies veranlaßt mich, hier etwas näher auf die eigentümlichen Lösungsverhältnisse dieser Kalkzellen einzugehen, die ich vornehmlich bei Paludina vivi'para beobachtet habe und die mir nach mehr als einer Eichtung von Interesse scheinen. Während kleine Stückchen des Mantelgewebes frisch in l%iger Osmiumsäure fixiert und dann in Glyzerinwasser zerzupft den Kalkkörper an der Mehrzahl der Zellen auch nach Monaten unverändert erkennen lassen (nur einzelne Zellen zeigen eigentümliche, gleich zu besprechende Lösungserscheinungen), hatten die Kalkzellen, welche man dem längere Zeit — einige Stunden — in ^/^YoigQ^ Kochsalzlösung gelegenen vorderen Körperteil der Schnecke entnommen und erst dann in die Osmiumsäure gebracht hatte, ihren Glanz verloren und erschienen sämtlich wie leere Blasen. Dasselbe ist der Fall, wenn man den frisch mit dem Deckel heraus- gerissenen, vorderen Körperteil in 33%igem Alkohol über Nacht liegen läßt und dann das Mantelgewebe untersucht. An den frisch mit Jodtinktur behandelten und dann in Glyzerin- wasser übertragenen Stückchen, zeigten die Kalkzellen vielfach Lösungs- erscheinungen, indem der Kalkkörper vom Rande her einschmolz und die Membran sichtbar wurde (Fig. 5 M). Freiliegende Kalkzellen er- schienen nach 24 Stunden vollkommen kalkfrei. Frisch in reines Glyzerinwasser gebracht, zeigen die Zellen nach längerem Liegen eine feine, von zwei bis drei stärkeren Kreisen unterbrochene konzentrische Schichtung und ebenfalls Lösung der Oberflächenschichten, so daß zwischen diesen und der Membran ein schmaler oder breiterer Spalt sichtbar wird. Sehr eigentümlich erscheinen die in Osmiumsäure fixierten Kugeln ; sie zeigen in Glyzerinwasser an ihrer Oberfläche eine feinwabige Zeich- nung (Fig 6 a, 0), bei Einstellung auf das Profil der Membran eine deutlich radiäre Streif ung der Oberfläche (Fig. 6 a, R). Entnimmt man das Mantelgewebe dem vorderen, in Osmiumsäure fixierten Körperteil der Schnecke, der mehrere Tage in destilliertem Wasser gelegen hatte, so zeigt sich der Kalk in sämtlichen Blasen gelöst. Bettet man den in Osmiumsäure fixierten Kopfteil in Celloidin ein, so findet man an den Schnitten im Mantelgewebe noch eine große Anzahl kalkhaltiger Blasen, neben solchen, die nur mehr kleinere oder größere glänzende Kügelchen enthalten und endlich ganz kalk- freien. Zwischen den Muskeln sind die Kalkzellen in geringer Zahl vor- handen, fallen aber durch ihre runde Form zwischen den durch gegen- seitige Abflachung ausgesprochen polyedrischen, ungemein zartwan- über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. 111. 29 diszen und farblosen Zellblasen um so mehr auf. Färbt man einen solchen Schnitt mit Hcämalaun, so genügen 5 — 7 Minuten, um den Kalk in sämtlichen Blasen zu lösen. An größeren Stückchen des Mantelgewebes, die lange in 70%igem Alkohol gelegen haben, erscheinen die Kalkzellen fast alle schwarz im durchfallenden Lichte; die Ursache sind wieder mannigfache Lösungserscheinungen, welche alle einen strahligen und konzentrisch geschichteten Bau aufdecken. Schließt man ein solches Stückchen von Mantelgewebe in Glyzerinwasser ein, so erscheint nach einigen Tagen der Kalk vollkommen gelöst, an Stelle der dunklen Kugeln sieht man helle Blasen. Überblickt man diese Angaben, so können zwei Tatsachen nicht übersehen werden: einmal die auffallend leichte Löslichkeit dieser Kalkkörper — sie legt die Vermutung nahe, daß man es hier mit einem wasserhaltigen Calciumkarbonat zu tun hat (vgl. Bütschli^) — und zweitens der merkwürdige Unterschied im Verhalten der Kalkkörper, je nachdem man sie möglichst für sich allein, in kleinen Stückchen, z. B. des Mantelgewebes behandelt oder größeren, vorbehandelten Stücken des Schneckenkörpers entnimmt. Die wiederholte Beobachtung, daß die Kalkkörper gelöst waren, wenn man das Mantelgewebe dem ganzen, vorderen Schneckenkörper entnahm^, der stundenlang in einer neutralen Flüssigkeit (^/4%iger Kochsalzlösung, Alkohol) gelegen hatte, konnte nur so gedeutet werden, daß irgend eine Säure aus dem Schneckenkörper selbst die Lösung ver- ursacht hatte. Ich untersuchte daher zunächst die Reaktion des Alko- hols, in dem. die Schnecken gelegen hatten, mit der empfindlichen Phenolphthaleinprobe und fand sie in der Tat deutlich sauer, während sie vorher neutral gewesen war. Die Säure konnte demnach nur aus dem Körperstücke der Paludina vivipara stammen. Nun ist es be- kannt, daß es eine Reihe von Säure produzierenden Schnecken gibt, und ebenso bekannt ist es, daß die Kalkkörper im Bindegewebe bei toten Tieren durch Diffusion der Säure gelöst werden können. Dies zeigt die klassische Beobachtuno; von De Luca und Panceri ^ : 1 Untersuchungen über organische Kalkgebilde nebst Bemerkungen über organische Kieselgebilde usw. Abhandig. Kgl. Ges. Wiss. Göttingen, math.-phys. Kl. N.-F. Bd. VI. Berlin 1908. 2 Diese Entnahme geschah in der Regel so, daß ich den Rand des Deckels mit einer starken Pinzette faßte und mit kräftigem Zuge den anhaftenden Fuß und vorderen Körperteil aus dem Gehäuse herausriß. 3 Recherches sur la salive et sur les organes salivaires de Dolium galea. C. R. Acad. Sc. Paris. T. LXV. 1867. p. 577 u. p. 712. — Ann. sc. nat. Zool. eer. 5. Bd. VIII. 1867. p. 82. 30 Josef Schaffer, wenn diese Autoren die säurebereitenden Speicheldrüsen von Dolium am eben getöteten Tiere anschnitten, so konnten sie ein Aufschäumen beobachten, indem die Säure die im Bindegewebe verstreuten Kalk- körperchen unter Kohlensäureentwicklung löste. Wurde die Drüse erst einige Zeit nach dem Tode angeschnitten, so trat keine Gasent- wicklung auf. Die Säure war schon früher durch Diffusion in das Bindegewebe gelangt und hatte die Kalkkörperchen gelöst. Die Säure könnte aber auch einen andern Ursprung haben, und da wäre zunächst daran zu erinnern, daß Barfurth^ bei Helix u. a. das Lebersecret sauer fand, während N. Schulz ^ in der Haut von Pleurobrancfiaea Meckelii, einer nackten Meerschnecke, zahlreiche Säure- drüschen erwähnt. Diese zwei Säurequellen kommen aber bei Paludina für unsre Frage sicher nicht in Betracht. Der mit dem Deckel und Fuß aus der Schale herausgerissene Körperteil dieser Schnecke enthält nichts von der Leber, wohl aber die Speicheldrüsen. (Er entspricht etwa den Organen, welche Speyer ^ in Fig. 26, Taf . I, abgebildet hat.) Anderseits kann man Hautdrüsen, die Säure bereiten, bei einer Gehäuseschnecke wohl kaum annehmen. So käme man also auf diesem Wege zu der Annahme, daß es die Speicheldrüsen sein könnten, welche bei Paludina (und wahrscheinlich auch bei andern Süßwasserschnecken) eine Säure produzieren. Dies näher zu untersuchen liegt außerhalb meiner Aufgabe*; es wäre dies aber um so interessanter, als Paludina eine pflanzenfressende Schnecke ist und N. Schulz, einer der letzten Bearbeiter dieser Frage, 1 Über den Bau und die Tätigkeit der Gasteropodenleber. Arch. niikr. Anat. Bd. XXII. 1883. S. 517. 2 Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Physiologie einiger Säure - Schnecken des Golfes von Neapel. Zeitschr. allg. Physiol. Bd. V. 1905. S. 210. 3 Zootoniie der Paludina vivipara. Kassel 1855. 4 Es scheinen da ziemlich vermckelte Verhältnisse vorzuliegen. Für Helix will BoNABDi (Suir azione dei succhi digestivi di alcuni gasteropocü terrestri suU' amido e sui saccarosi. Boll. scient. 1884. Nr. 2) eine saccharifizierende Wirkung des Secretes nachgewiesen haben. R. Monti [Le ghiandole salivari dei Gastero- podi terrestri nei diversi periocU funzionali. Mem. Ist. Lomb. Sc. Milane. V. XVIII. (1896—1900), 1899. p. 115 und Rendiconti Ist. Lomb. (2) V. XXXII. p. 534] und A. Lange (Über den Bau und die Funktion der Speicheldrüsen bei den Gastropoden. Diss. Rostock, Wiesbaden 1902. S. 52) betonen übereinstimmend die stark alkalische Reaktion des Secretes. Sollte sich eine solche auch für das Speicheldrüsensecret von Paludina nachweisen lassen, dann wäre noch die Mög- lichkeit offen, daß das (nach R. Monti) zweifellos saure Magensecret eine Rolle bei der Lösung der Kalkkörper spielt. über den feineren Bau u. die Entwicki. d. Knorpelgewebes usw. III. 31 ZU der Auffassung als der wahrscheinlichsten gekommen ist, »daß die Bedeutung der abgesonderten Säure in einer specifischen Gift- wirkung auf die Organismen zu sehen ist, die die Nahrung der betref- fenden Säureschnecken bilden«. Man könnte sich aber auch vorstellen, daß die Säure bei verschie- denen Tieren eine verschiedene Aufgabe oder Bedeutung hat. Bei den Gehäuse tragenden Schnecken müssen die Kalkkörper wohl mit dem Aufbau des Gehäuses in Zusammenhang gebracht werden. Wie ich gezeigt habe, findet im Herbste, also vor dem Überwintern, eine reich- liche Aufspeicherung von Kalk in Form der Kalkkörper im Binde- gewebe von Paludina statt. Möglicherweise spielt auch hier weniger die Jahreszeit (Biedermann i), als die Temperatur eine Rolle (Bütschli, 1. c). Nach der zitierten Beobachtung Leydigs soll sich nach dem Überwintern kein Kalk mehr finden 2. Man könnte sich also recht gut vorstellen, daß die Säure hier die Aufgabe hätte, das ohnedies so leicht lösliche Kalkmaterial in eine transportfähige und für den Gehäuseaufbau geeignete Form zu überführen, eine Vorstellung, wie sie ähnlich schon von Barfurth ausgesprochen worden ist^. Bei Planorbis ist das blasige Stützgewebe nicht so reichlich ent- wickelt, der Mantel ist vorwiegend muskulös; Kalkzellen finden sich zahlreicher an der Basis um die Hautdrüsen und zwischen den Muskel- fasern in den tieferen Teilen. Sie erreichen Durchmesser bis über 50 ,« und zeigen an Stelle eines sphäritischen Inhaltskörpers meist einen dicht- und grobkörnigen Inhalt. Bei Vorbehandlung mit Osmium- säure löst sich der Kalk schon bei längerem Liegen der Schnitte in 70%igem Alkohol, und in den Zellen bleibt eine grobkörnige, von der Blasen wand zurückgezogene Masse zurück. Viele der Zellen erscheinen wie leer, nur mit einer dicken Membran umhüllt. Diese färbt sich an 1 Über den Zustand des Kalkes im Crustaceenpanzer. Biol. Centralbl. Bd. XXI. 1901. S. 343. 2 Leydig hat offenbar im Freien überwinterte Tiere untersucht. Bei Tieren, die ich über Winter im Aquarium hielt und fütterte, war die Kalkmasse, d. h. die Zahl der Kalkzellen, anscheinend nicht verringert. 3 Nach Barfueth soll der aufgespeicherte Kalk teils im Winter zur Bildung des Winterdeckels, teils zur Reparation der Schale oder Festigung der Haut oder zum Ersatz des kalkhaltigen Hautschleimes dienen. Neben dieser supponierten Bedeutung des sauren Secrets wäre natürlich eine andre Verwendung der Säure nicht ausgeschlossen. So besitzt nach Hescheler (Längs Lehrbuch der vergl. Anat. der wirbellosen Tiere. 2. Aufl. 1. Liefg. 1900. S. 294) Natica eine Säure absondernde Drüse, deren Secret beim Anbohren der Muschelschalen zur Auf- lösung des kohlensauren Kalkes dient. 32 Josef Schaffer, Formalinpräparaten metachromatisch mit wässerigem Thionin, stark mit Delafields Gemisch und auch mit alkoholischem Thionin, aber wenig alkoholecht. Im übrigen zeigen die Kalkzellen dieselben Ver- hältnisse wie bei Paludina. Auch bei Helix pomatia erreichen die blasigen Zellen nicht die hohe Entwicklung, wie bei Paludina, doch finden sie sich reichlich besonders zwischen den Muskeln. Sie zeigen deutlich wandständige Kerne, so daß man oft Siegelringformen sehen kann. Auch tritt an Präparaten aus MüLLERscher Flüssigkeit der Wandbelag von Proto- plasma an der Innenfläche der Blasen deutlich hervor. An im Frühling (April) gefangenen Tieren finde ich die blasigen Zellen erfüllt von Glykogen, dagegen vermisse ich Kalk noch fast ganz. Zum Schlüsse dieser Besprechung des diffusen chordoiden Stütz- gewebes der Gastropoden, sei besonders darauf hingewiesen, daß die blasigen Zellen außer ihrer mechanischen Stützfunktion noch eine andre Bedeutung besitzen, indem sie auch noch verschiedene Stoff- wechselprodukte in sich aufspeichern können. Diese Erscheinung ist deshalb von Interesse, weil sie auch beim chordoiden und chondroiden, blasigen Stützgewebe und selbst beim Knorpelgewebe der Säugetiere wiederkehrt. Geschichtliches zum blasigen, chordoiden Stützgewebe der Mollusken. Bekanntlich hat Leydig^ zuerst gezeigt, daß im Körper von Paludina, Arion, Helix »überall da, wo bei höheren Tieren das Bindegewebe sich findet, helle, große Zellen mit einem kleinen wandständigen Kern vorkommen. Langer 2 hat solche »gerundete helle Blasen von verschiedener Größe, die durch nachträglichen Zusatz von verdünnter Salpetersäure ihre Konturen bei- behalten «, dann auch bei Acephalen beschrieben, sie aber nicht als Zellen er- kannt. »Zellenkerne haben sie keine, und da sie stellenweise auch miteinander verschmelzen, so können sie kaum für Zellen gehalten werden. Ich muß gestehen, daß mir diese Gebilde rätselhaft geblieben sind. « Nach Sempera besteht das »großmaschige« Bindegewebe (neben dem er noch ein »homogenes«, mit vielen freien Kernen unterscheidet) »aus den von Leydig zuerst bei Paludina näher beschriebenen Bindesubstanzzellen«. Bei Lymnaeus stagnalis unterscheidet er dreierlei, voneinander sehr abweichende 1 Über Paludina vivipara. Diese Zeitschr. Bd. II. 1850. Nach einer Anmerkung von Cuenot (Arch. Biol. T. XII. 1892. p. 683) soll Leuckart diese Zellen schon vor Leydig erkannt haben. 2 Das Gefäßsystem der Teichmuschel. Denkschr. kais. Akad. Wiss. Wien. Bd. XII. 1856. S. 60. 3 Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Pulmonaten. Diese Zeit- schr ift. Bd. VIII. 1856. S 342 u. 361 u. f. über den feineren Bau ii. die Entwickl. d. Knorpclgewebes usw. 111. 33 Formen von solchen: auffallend große und vollkommen durchsichtige mit ziem- lich großem, rundem Kern mit körnigem Inhalt und ein bis zwei Kern körperchen, » um welchen sich . . . eine geringe Zone feinkörniger Substanz lagert. Der übrige Inhalt dieser Zellen ist vollkommen glashell und homogen, und nie tritt in ihnen Kalk, Pigment oder Fett auf«. Dies sind die oben von mir beschriebenen, blasigen Stützzellen, wie auch Sempers Fig. 3 a deutlich zeigt. Über die Bedeutung dieser Zellen blieb er sich » völlig im unklaren «, so daß er sogar an eine para- sitische Natur dachte. Als zweite Form beschreibt er »sechs- bis achtmal so kleine rundliche Zellen, welche alle ohne Ausnahme von einer Menge kleiner, runder, ziemlich scharf konturierter Bläschen ganz angefüllt sind «, die er für Fett hielt. Die dritte Form ist durch ihren Gehalt an kohlensaurem Kalk ausgezeichnet, » welcher sie oft gänz- lich ausfüllt. Doch findet man bisweilen auch solche, an denen die Zellmembran und der durch den Kalk an diese gedrängte Kern deutlich zu sehen sind. . . . Der Kalk tritt immer in Form von ziemlich großen, rundlichen oder ovalen, un- kristallinischen Concretionen auf. « Diese zwei Formen, deren Größe in Wirk- lichkeit von der der ersten nicht so sehr abweicht, wie Semper angibt, sind nichts andres, als blasige Stützzellen mit Kalkkugeln, und ich halte besonders die vermeintlichen Fettkugelzellen nur für Lösungs- oder Entwicklungsformen solcher Kalkzellen. Schon frühzeitig hat sich in der Beurteilung des in Rede stehenden Gewebes eine große Schwierigkeit bemerkbar gemacht, die bis heute noch nicht über- wunden ist, weil sie in der Natur des Gewebes liegt: nämlich die Frage, ob man es mit geschlossenen Zellblasen zu tun hat, deren flüssiger Inhalt den Kern meistens ganz an die Wand drückt oder ob die oft dicht aneinander gelagerten Membranen dieser Zellblasen im optischen oder wirklichen Durchschnitte nicht eher als faser- förmige Fortsätze verästelter, anastomosierender Zellen aufzufassen wären, deren Körper — nach der ersten Auffassung den Zwickeln entsprechen würden, welche durch das Aneinandergrenzen von drei bis vier Zellblasen entstehen und in deren Nachbarschaft auch gewöhnlich ein Kern gelegen erscheint. So hat z. B. Goette i das Chordagewebe in letzterem Sinne gedeutet. Auch von Leydig^ wurde vor- übergehend, trotz seiner ersten Angabe, eine Reihe hierher gehöriger Gewebe bei Mollusken, Tunicaten, beim Kjebs, im Sinus rhomboidalis der Vögel so auf- gefaßt und dem Gallertgewebe zugerechnet, indem er den Inhalt der Zellen für Intercellularsubstanz genommen hat. Die Frage ist in manchen Fällen, wie z. B. bei der Chorda, leicht durch die Isolation der Zellblasen zu lösen; in andern Fällen, besonders wenn eine Ver- schmelzung der benachbarten Zellwände vorliegt, bietet die Entscheidung große Schwierigkeiten . Claparede^ hat die Zellen der sogenannten Bindesubstanz bei Cyclostoma elegans als »schöne, farblose, durchsichtige Zellen beschrieben, deren großer Kern meist ohne Essigsäurezusatz sichtbar ist. Sie sehen wie Fettzellen aus und er- reichen bis zu 78 u im Durchmesser. Sie finden sich um das Gehörorgan, 1 Arch. mikr. Anat. Bd. XV. 1878. S. 316. 2 Lehrbuch d. Histol. 1857. S. 24, Fig. 9. 3 Beitrag zur Anatomie des Cyclostoma elegans. Müllers Arch. 1858. S. 1—34. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 3 34 Josef Schaffer, zwischen den Windungen des Darmkanals am Magen, um den Eierstock, zwischen den Leberlappen. Um die Gefäße ist ihr Inhalt aus kleinen, lichtbrechenden, bei durchfallendem Lichte schwärzlich, bei auffallendem aber weißlich erschei- nenden Körnchen gebildet. LeydigI hat später dieses Gewebe als zellig-blasiges bezeichnet; es soll eine große Rolle bei Weichtieren, Arthropoden und Würmern spielen . . . aus dem Körper der W^irbeltiere könnte das Gewebe der Chorda dorsalis hierher gestellt werden. Bei andrer Gelegenheit hat Leydig- betont, daß dieses Ge- webe die Rolle des Knorpels vertreten kann. Flemming^ hat das Gewebe bei Anodonta und Mytilus untersucht und gezeigt, daß die großen, gerundeten Elemente, die im Mantel, Fuß und Mittel- körper massenhaft vorkommen, die sogenannten LANGERschen Blasen, nicht die Blutbahnen selbst sind, wie Langer vermutet hat, sondern Zellen von rund- licher Form und mit eigentümlicher erweichter Substanz; Flemming nannte sie deshalb »Schleimzellen«. Gartenauer (1875, 1. c.) hat die dünnen, aneinander liegenden Hüllen der blasigen Zellen (am optischen Durchschnitt) für verzweigte Bindegewebszellen gehalten (vgl. seine Fig. VII), ähnlich wie Goette bei der Chorda. Der Auffassung Flemmikgs trat Kollmann* entgegen; er bezeichnet die Bindesubstanz der Acephalen als Gallertgewebe (wie man ja auch von der Chorda- gallerte spricht) und hat die hellen Blasen in demselben wie Langer als Lacunen aufgefaßt. Sie messen 50 — 60 ^, sind bald rund, bald oval und wurden schon oft als Schleimzellen gedeutet. »Man hat Leydig entschieden Unrecht getan, als man ihm die Entdeckung jener angeblichen Kugeln, die in Wirklichkeit Ge- webelücken sind, zugeschrieben hat. « Kollmann übersieht dabei die erste Angabe Leydigs und verweist nur auf Fig. 55 in dessen Lehrbuch der Histologie (1857), wo die sich überschneidenden Blasen ganz richtig dargestellt sind, in der Beschreibung allerdings nur von großmaschigem Gallertgewebe gesprochen wird (1. c. S. 102). Nach FlemmingsS fortgesetzten Beobachtungen fällt an dem frischen Mantelgewebe auf, daß es zum größten Teil aus eigentümlichen blassen Blasen zusammengesetzt erscheint. Er bezeichnet sie zunächst als LANGERsche Blasen und weist ihre Zellnatur unzweifelhaft nach. Im Verlaufe seiner Darstellung nennt er sie wieder »Schleimzellen«, »lediglich um einen bequemen Namen zu haben«. Sie messen im Mantelrand von Mytilus 40 — 100^, der Kern 6 — 9//. »Ob die Schleimzellen noch zarte, membranartige Umhüllungs- oder Rinden- schichten besitzen oder nicht, kann ich auch jetzt nicht sicher entscheiden«, doch bemerkt er, daß sich am frischen Präparate der Inhalt nicht in die benachbarten Blasen hineindrücken läßt. 1 Vom Bau des tierischen Körpers. Tübingen 1864. S. 29 u. 34. 2 Zelle und Gewebe. Bonn 1885. S. 54. 3 Über Bindesubstanzen und Gefäß wandung bei Mollusken. Hab. -Schrift. Rostock 1871. * Die Bindesubstanz der Acephalen. Arch. mikr. Anat. Bd. XIII. 1877. S. 558—603. s Über Bindesubstanz und Gefäßwandung im Schwellgewebe der Muscheln. Ebendort, S. 818. f über den feineren Bau u. die P^ntwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 35 RenautI hat dann aIvS erster dieses Gewebe von Helix mit einer Reilje andrer elastischer und widerstandsfähiger .Stützgewebe bei Wirbeltieren in Ana- logie gebracht und ausdrücklich auf die mechanische Bedeutung dieses Tissu fibreux hyalin, wie er es nennt, bei den Pulmonaten hingewiesen'-. Eine sehr eingehende Untersuchung der Bindesubstanz bei den Mollusken verdanken wir Brock 3; sie ist aber ohne die wesentliche Erkenntnis der histo- logischen und mechanischen Bedeutung dieses zellig- blasigen Gewebes durch- geführt. Dies geht vor allem daraus hervor, daß Brock einen Vergleich desselben mit den embrj'onalen Bindesubstanzen der Vertebraten für zulässig hält und glaubt, daß sich die fibrilläre Bindesubstanz, die er zuerst bei den Mollusken näher untersucht hat, ungezwungen als eine weitere Entwicklung der zellig- blasigen Bindesubstanz auffassen läßt. In Wirklichkeit müssen wir aber diese letztere als eine durch besondere funktionelle Beanspruchung aus embryonalen oder indifferenten Zellen hervorgegangene, hoch spezialisierte Gewebeform betrachten. Brock ging bei seinen Untersuchungen von den Aplysien* aus, bei denen er die, nach seiner Meinung, den blasigen Zellen (Schleimzellen, Flemming) homo- logen Gebilde von protoplasmatischer Natur und oft durch gegenseitige Ab- flachung polyedrischer Form fand. Er nannte diese Zellen »in Ermangelung eines besseren Namens Plasmazellen, weil sie mit den von Waldeyer so genannten Elementen des Vertebratenbindegewebes in bezug auf äußeres Aussehen und den Ort ihres Vorkommens eine gewisse Ähnlichkeit aufzuweisen haben«. Das Protoplasma dieser Zellen wird im Leben von rötlich-grauen Con- cretionen von punktförmiger Feinheit bis zu 4 ,a Durchmesser erfüllt. Diese letz- teren färben sich außerordentlich intensiv mit Hämatoxylin und bestehen aus Kalk, der an ein organisches Substrat gebunden ist, weshalb Joyeux-Laffuie^ für diese Zellen den Namen Kalkzellen vorgeschlagen hat. In diesen Plasmazellen soll es auch zum Auftreten von Vacuolen unter gleichzeitiger Verdrängung des granulären Inhaltes kommen. Wir könnten in diesen Gebilden dann gleichsam ein ontogenetisches Vor- stadium der blasigen Stützzellen erblicken. Brock bezeichnet aber auch die blasigen Stützzellen bei Pulmonaten und 1 Sur les cellules godronnees etc. C. R. Acad. Sc. T. XC. 1880. p. 713. 2 Systeme hyalin de soutenement etc. Arch. physiol. 1881. p. 857. 3 Untersuchungen über die interstitielle Bindesubstanz der Mollusken. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883. S. 1—64. * Aplysia ist sin sehr ungünstiges Objekt für die Untersuchung der blasigen Zellen. Bei der großen Zartheit der Gewebe ist es schwer zu entscheiden, ob sie blasige Stützzellen besitzen oder nicht. Wenn sie welche besitzen — - und das scheint mir nach meinem fixierten, von Neapel bezogenen Material, sehr wahr- scheinlich — , so sind sie sehr groß und so dünnwandig, daß sie kaum als ringsum geschlossene Blasen zu erkennen und wohl auch kaum zu isolieren sind. — Blochmann (diese Zeitschr. Bd. XXXVIII. 1883. S. 412) bezeichnet das Binde- gewebe von Aplysia als »eigentümlich maschiges«. Nach seinen Zeichnungen könnte es aber ebensogut aus großen dünnwandigen Blasen bestehen. 5 Organisation et developpement de l'Oncidie. Arch. Zool. exper. et gen. T. X. 1882. p. 260. 3* 36 Josef Schaffer, Prosobranchiern, bei denen sie so massenhaft auftreten, daß »sie über weite Strecken epithelartig dicht aneinander gelagert, alle übrigen Bestandteile der Bindesubstanz vollkommen verdecken« als Plasmazellen. Betrachtet man (bei Helix, Limax, Arion) ein Stückchen der Bindesubstanz im frischen Zustande, »so sieht man in der Regel nichts weiter, als Lagen von dicht gedrängten großen, runden oder ovalen Zellen, welche durch ihren starken Glanz sehr an das Fett- gewebe der Vertebraten erinnern«. Dies ist schon Clapakedei aufgefallen (vgl. oben S. 33), neben dem Brock eine ganze Reilie älterer Autoren anführt, welche diese Zellen gesehen haben 2. Er selbst gibt eine ganz zutreffende Schilderung dieser Zellen, bestätigt auch das regelmäßige Vorkommen und die Lage der Kerne in den LAMGEBschen Blasen und unterscheidet mit Sempeb drei Arten: die mit fettartig glänzendem, homogenem Inhalt (der aber kein Fett ist) und mit strah- ligem Protoplasmahof um den Kern ; dieser Hof enthält »feine, dunkle Körnchen von unbestimmter chemischer Natur«, offenbar die oben von mir erwähnten Pigmentkörnchen. Die zweite Art dieser Zellen ist durch matt fett- oder wachs- glänzende Körnchen charakterisiert, welche in dem durchsichtigen Protoplasma wie Tropfen zu schwimmen scheinen. Sie sind in Alkohol unlöslich und färben sich tief in Hämotoxylinlösung, weshalb sie Bbock nicht, wie Sempeb, für Fett hält, sondern als Körnchenzellen bezeichnet. Als dritte Art bezeichnet er jene » Plasmazellen «, welche kohlensauren Kalk enthalten. Er unterscheidet solche, die ihn in staub- oder pulverförmiger Verteilung und solche, die ihn in Gestalt kugeliger oder »polygonaler« Körperchen einschließen. Flemming^ vertritt nochmals gegen Kollmann und Gbiesbach mit vollem Nachdruck seine Auffassung von der Zellennatur der LANGEBschen Blasen, in- dem er hauptsächlich auf den Nachweis des Kernes in jeder Blase und auf den Umstand Gewicht legt, daß bei Injektionen der Gefäßbahnen, die Masse dort, wo LANGERsche Blasen sind, nicht in den Raum dieser Blasen eindringt. Babfurth* sagt von Arion: '^Die großen hellen Zellen . . . haben einen verhältnismäßig kleinen wandständigen Kern (Leydig) und enthalten zuweilen größere blasse oder gelbliche Kügelchen. « » Die großen Bindesubstanzzellen nehmen durch längere Einwirkung von Osmiumsäure einen eigentümlichen, bläulichgrauen Farbenton an. « Babfurth beschäftigt sich auch mit den Kalk- zellen im Bindegewebe; er beschreibt in der Adventitia der Leberarterien bei Arion helle Bindesubstanzzellen, welche glänzende Kugeln von kohlensaurem Kalk enthalten, die bei Säurezusatz aufbrausen. Bei Helix. Limax usw. ent- halten die Gefäße keinen Kalk, wohl aber ist der wulstige Mantelrand der Heli- cinen besonders reich an Kalkdrüsen, d. h. Kalkzellen. Wenn die Zellen ihren Kalk abgeben, so findet man an Stelle der Kalkkugeln eine Protoplasmalücke, die die Form einer Hohlkugel hat, aber nicht leer oder lufthaltig, sondern mit der Zellflüssigkeit erfüllt ist. Diese Hohlkugeln besitzen aber besonders in dickeren Schichten noch einen gewissen Glanz. 1 Cyclostomatis elegantis anatome. Diss. Berolini 1857. p. 13. 2 1. c. S. 39, Anm. 2. 3 Bemerkungen hinsichtlich der Blutbahnen und der Bindesubstanz bei Najaden und Mytiliden. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883. S. 137. 4 1. c. S. 479, 482. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 37 BoNABDii bildet das blasige Stützgewebe zwischen den Muskelfasern ab (Fig. IIa); er bezeichnet es als eine gallertartige Substanz, welche durch netz- artige Stränge in zahlreiche mehr oder minder regelmäßige polygonale Felder geteilt wird. Irrtümlich meint Bonardi, daß Semper (s. o.) diese Felder für Knorpelzellen gehalten hat und führt gegen diese Deutung an, daß er nicht in jedeiu Feld einen Kern findet, aucii nicht jeder Umriß deutlich ist und daß sich die Felder besonders mit Jodtinktur nur leicht und gleichmäßig färben. Wie ich erwähnte, enthalten die Zellen zweifellos Glykogen, was aber mit einer Knorpel- natur nichts zu tun hat. Bonardi bildet auch, vereinzelte elliptische, scharf begrenzte Zellen zwischen den polyedrischen ab, die nichts andres, als entkalkte Kalkzellen sind. Frenzel^ hat versucht, die Existenz der Kalkzellen Barfürths in der Leber in Abrede zu stellen und eine Reihe von Reaktionen der vermeintlichen Kalkzellen angegeben (Aufquellen und Matt werden vor der Auflösung in ver- dünnten Säuren, Schwärzung beim Erhitzen und deutliches Hervortreten einer konzentrischen Schichtung, intensiv braunschwarze Färbung mit Jodtinktur), aus denen hervorgeht, daß Frenzel offenbar glykogen- und kalkhaltige Zellen verwechselt hat, ohne zu wissen, daß Glykogen zu gewissen Zeiten ein regelmäßiges Vorkommen bei den Schnecken bildet. Barfürths widerlegte die Einwürfe Frenzels und betonte nochmals, daß sich neben dem kohlensauren Kalk in den großen »Kalkdrüsen« auch glänzende Kügelchen von phospliorsaurem Kalk im Mantel der Sommertiere finden. Später* wies er auch nach, daß es gerade die blasigen (LEYDiGschen) Zellen der Binde- substanz sind, in denen sich das Glykogen zuerst aufspeichert. Ohne Kenntnis von dieser Mitteilung Barfurths hat dann Blundstone-'' den Glykogengehalt der blasigen Zellen (der Ausdruck »vesicular cells« soll von Lankaster stammen) nachgewiesen und Angaben über das feinere Verhalten dieser Zellen gemacht. Dabei entging ihm allerdings die Tatsache, daß dieselben Zellen zu andern Zeiten Kalk enthalten können; er betont ausdrücklich, daß ihr stark glänzender Inhalt nicht doppeltbrechend ist. Betreffs der Auffassung der Natur dieser blasigen Zellen, schloß er sich Flemming an; sie seien identisch mit den Plasmazellen von Brock u. a., den LANGERschen Blasen vieler Autoren und äquivalent mit vielen der Lacunen von Kollmann, Griesbach usw. Bei Helix finden sie sich an der Grenze der großen lacunären Räume und in den »Mesenterien«. Speziell begleiten sie bei allen untersuchten Mollusken die Arterien, weshalb diese so glänzend weiß hervortreten. 1 Contribuzione all' istologia del sistema digerente dell' Helix pomatia. Atti R. Accad. Sc. Torino. Vol. XIX. 1883. 2 Über die sogenannten Kalkzellen der Gasteropodenleber. Biol. Centralbl. III. Bd. 1883/84. S. 323. 3 Der phosphorsaure Kalk der Gasteropodenleber. Biol. Centralbl. Bd. III. 1884. S. 435. * Das Glykogen in der Gasteropodenleber. Zool. Anz. 10. Dez. 1883. S. 652. 5 On the occurrence of Glycogen as a constituent of the vesicular cells of the connective tissue of Molluscs. Proc. R. Soc. London. Vol. XXXVIII. 1885. p. 442. 38 Josef Schaffer, SchülekI hat bei Anodonta die »Schleimzellen« in Gestalt heller, rund- licher oder länglicher Blasen, sowohl in Kochsalzlösung als in 33%iger Kalilauge isoliert. »Dieselben sind von einer zarten Membran begrenzt und enthalten einen hellen schleimigen Inhalt, in dem etwas exzentrisch oder wandständig ein scharf konturierter Kern mit Kernkörperchen liegt, von dem aus körnige Fäden in radiärer Richtung und auch netzförmig ausgehen. « Nach Thiele 2 zeichnen sich diese LANGERschen Blasen oder, wie Flemming will, »Schleimzellen« durch bedeutende Größe, kugelrunden, wandständigen Kern, der von wenig Protoplasma umgeben ist und im übrigen wasserhellen Inhalt aus «. List3 bildet isolierte »Plasmazellen der Autoren« von Tethys ab. »Sie er- reichen oft einen Durchmesser von 46 u und haben gewöhnlich kugelige oder mehr ellipsoidähnliche Form. Sie sind von einer deutlichen Membran umgeben, die wohl nur als eine besondere Differenzierung der Zellsubstanz selbst aufzu- fassen ist. « Dbost* hat dann bei Cardium die FLEMMiNGschen »Schleimzellen« an zuerst in verdünnter Osmiumsäure erhärteten und dann in Kaliumbichromat übertragenen Objekten als sicher umgrenzte, rundliche Ballen isoliert und ihre Identität mit den LANGERschen Blasen und damit die Zellennatur der letzteren nachgewiesen. Renaut^ hat eine gute Beschreibung des Gewebes bei Helix gegeben: Die blasigen Zellen werden von einer glasartig durchsichtigen Masse gebildet, die sich mit Osmiumsäure kaum rauchgrau färbt. An ihrer Peripherie folgt eine schmale Zone von Protoplasma, welches einen flachen, bläschenförmigen Kern einschließt. Außer dem Kern ist ein Häufchen protoplasmatischer Körnchen vorhanden, die sich mit Eosin färben. Endlich wird das Ganze von einem kapselartigen Exo- ptasma umschlossen. Wo sich diese Zellen berühren, bilden sie hyaline Streifen, welche die Rolle eines Knorpels spielen und nach Art der Chorda, mit der sie verglichen werden können. Widerstand leisten. Es findet sich im ganzen Körper zerstreut, in allen bindegewebigen Scheidewänden der Eingeweide bildet es von Stelle zu Stelle Streifen oder Knötchen. Rawitz^ macht nur gelegentlich kurze Bemerkungen über die »Schleimzellen « oder »Bindesubstanzzellen von Flemming«. Cttenot'^ hat eine sehr eigentümliche Auffassung von der physiologischen 1 Über die Beziehungen der cavernösen Räume im Bindegewebe der Ano- donta zu dem Blutgefäßsystem. Arch. mikr. Anat. Bd. XXV. 1885. S. 84. 2 Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1886. S. 261. 3 2ur Kenntnis der Drüsen im Fuße von Tethys fimbriata. Ebenda, Bd. XLV. 18 87. S. 311. 4 Über das Nervensystem und die Sinnesepithelien der Herzmuschel (Car- dium edule L.) nebst einigen Mitteilungen über den histologischen Bau ihres Man- tels usw. Morph. Jahrb. Bd. XII. 1887. 5 Traite d'Histologie prat. T. I. 1893 (1888). p. 336 u. f. 6 Der Mantelrand der Acephalen. Jenaische Zeitschr. Bd. XXII, XXIV, XXVII. 1888—1892. " Etudes physiologiques sur les Gasteropodes pulmones. Arch. Biol. T. XII. 189 2. p. 683. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 39 Bedeutung der LEYDiGschen Zellen bei Pulmonaten zu vertreten gesucht, indem er ihnen einerseits phagocj'täre Tätigkeit, anderseits eine excretorische Bedeutung zuschrieb. Er schildert die Zellen als große Blasen, deren größter Durchmesser bis zu 80 // erreicht, die eine helle Flüssigkeit einschließen, manchmal erfüllt von kleinen Vacuolen, manclimal von starkem Lichtbrechungsvermögen (Glykogen). Sie sollen sauer reagieren und imstande sein, Ammoniakkarmin und Lackmus zu resorbieren. Die Kalkzellen sollen nichts mit diesen Gebilden zu tun haben, weshalb er sie vollkommen trennt. LoiSEL^ hält die blasigen Zellen zwischen den Muskeln für vollkommen übereinstimmend mit denen in den Radulastützen ; auch läßt er sie aus einem syncytialen Vorstadium entstehen, wie diese. Im fertigen Zustand enthalten sie neben sehr wenig Protoplasma eine durchscheinende Flüssigkeit schleimiger oder eiweißartiger Natur. Loisel charakterisiert diese Zellen als echte Stütz- zellen, indem er sagt, daß sie sich stets dort finden, wo ein Muskel einen festen Ansatzpunkt braucht oder selbst als Stützorgan wirken muß. Ch.\tin2 verwahrt sich dagegen, daß die Bindegewebselemente der Gastro- poden lediglich durch »abgerundete Zellen, welche ein durchscheinendes Plasma und sehr wenig Protoplasma einschließen «, vertreten seien. Diese durchsichtigen Blasen sind sogar die seltenste Form; man trifft sie vor allem im Gewebe um die Zunge der Pulmonaten. Hier identifiziert Chatin offenbar, ähnlich wie dies Leydig, Renaut und Loisel zu tun scheinen, das blasige Stützgewebe in den Radulastützen mit der zellig-blasigen Bindesubstanz. Nach Leon 3 scheinen bei Dentalium die blasigen Stützzellen ebenfalls nur wenig entwickelt und vereinzelt vorzukommen; »das Plasma ist fein granuliert und färbt sich mit Hämatoxylin-Eosin tiefrot, die kreisrunden (meist mehrfachen) Kerne sind groß, mittelständig. . . . Dies sind die Zellen, welche Rawitz mit den FLEMMiNGschen Zellen identifiziert hat«. Im Mantel von Paludina vivipara findet Chätin*, entgegen seiner oben wiedergegebenen Behauptung, die blasigen Zellen am weitesten verbreitet. Sie sollen jedoch durch ihre Größe und einige Einzelheiten im feineren Bau ver- schieden sein von den LEYDiGschen Zellen, LANGERschen Blasen und Plasma- zellen. Von den Kalkzellen ist keine Rede. In sehr eingehender Weise hat sich mit den blasigen Zellen, besonders ihrem Glykogengehalt, CreightonS beschäftigt. Er gibt auch eine historische Über- sicht über diese Zellen, die er mit Brock »Plasmazellen« nennt; nicht so sehr, weil sie protoplasmareich sind — sie erscheinen im Lackpräparat als große, helle 1 I. c. S. 37 u. f. 2 Contributions ä l'etude de la cellule conjonctive chez les Mollusques Gasteropodes. 0. R. Acad. Sc. Paris. T. CXIX. 1894. p. 922. 3 Zur Histologie des DentoZmm-Mantels. Jen. Zeitschr. Bd. XXIX. 1895. S. 413. 4 Evolution et structure des elements conjonctifs chez la Paludine. C. R. Acad. Sc. Paris. T. CXXVI. 1898. p. 659. 6 Microscopic researches on Glycogen. P. II. Glycogen of snails and siugs in morphological and physiological correspondence with the Lymph System of Vertebrates. London, A. and C. Black, 1899. 40 Josef Schaffer, Blasen — , als um sie von den gewöhnlichen Bindegevvebszellen als ganz verschie- dene, natürliche Zellgruppe zu unterscheiden. » Dabei ist es irrelevant, was der Autor des Namens (Waldeyeb) damit gemeint hat. « Unter den Mollusken sind hauptsächlich die Pulmonaten reich an Glykogen, weniger die andern Gastropoden. So ist es bei Patella nirgends sehr hervor- tretend, außer in dem p\Tamidenförmigen Knorpelpaar unter der Zungenscheide, in dem es gerade so wie im Säugetierknorpel vorkommt. Bei Buccinum sind die großen Plasmazellen voll Glj-kogen leicht nachweisbar in der Nierengegend, im dicken Mantelrand und um die Schläuche der Verdauungsdrüse. Limnaeus und Planorbis sollen sehr verschieden sein in Hinsicht auf das System ihrer Plasmazellen und ihren Kohlehydratgehalt . . . Der gewöhnliche Typus ihrer Plasmazellen ist ein dickwandiges Bläschen, rund oder oval, welches eine Substanz enthält, die sich mit Jod nicht färbt, sondern mattweiß bleibt und kaum mit Karmin sich färbt. An andrer Stelle (S. 16) rechnet er auch Pa- ludina hierher. Diese Zellen sind stets isolierte Elemente und bilden kein Paren- chym oder Gewebe. Mit ihnen finden sich auch gewöhnliche Glykogenzellen und solche mit »Kalkbläschen«. Offenbar hat hier Creightox auch Kalkzellen und Glykogenzellen nicht scharf auseinander gehalten. Cuenoti beschäftigt sich nunmehr eingehender mit den LsYDiGschen Zellen, deren Vorkommen er bei allen Gruppen der Mollusken untersucht. Er wider- ruft seine Angabe einer phagocytären Tätigkeit dieser Zellen und betont ganz einseitig ihre excretorische Bedeutung für den Stoffwechsel. Bei den Opistho- branchiern beschreibt er sie als große oder unregelmäßige Zellen, welche in enormer Anzahl im Bindegewebe verstreut, isoliert sind oder aneinander schließend mehr oder minder mächtige Massen bilden. Man findet sie fast überall, zwischen den Eingeweiden, in den Mesenterien, in der Haut. Sie schließen braune oder schwärzliche Körnchen und Vacuolen in wechselnder Zahl ein. Nach Injektionen von Karmin oder Lackmus findet man diese Substanzen ausschließlich in diesen Zellen, entweder an die Granula gebunden oder in den Vacuolen aufgelöst. CuENOT macht auch auf den außerordentlichen Reichtum des Bindegewebes an Kalkkarbonat bei den Wasserpulmonaten aufmerksam, hält aber die großen, stark lichtbrechenden Kalkconcretionen meistenteils für »un depot inutilisable «. MojfTi RiNA^ erwähnt einen Strang von enorm großen, blasenförmigen Bindegewebszellen, mit dicker Membran, die sich mit Osmiumsäure nicht schwärzen, welcher die Speicheldrüse mit dem Magen verbindet. Etwas eingehender beschreibt sie die LEYDiGschen Zellen später 3; sie enthalten manchmal stark lichtbrechende, ölartige Kugeln. Der Kern ist selten in der Mitte gelegen, meist an der Peri- pherie in einer Protoplasmaanhäufung, welche in den offenbar flüssigen Inhalt vorspringt. Nach SiMKOTH* haben die LEYDiGschen Zellen, LANGEEschen Blasen, die 1 L'excretion chez les mollusques. Arch. de Biol. T. XVI. 1899. 2 1. C. ^ Sulla fina struttura dello stomaco dei Gasteropodi terrestri. Rendiconti Ist. Lomb. Sc. miano (2). Vol. XXXII. 1899. p. 1086. * Mollusca (Weichtiere) in Bronns Klassen und Ordnungen. Bd. III. Leipzig 1899. S. 229. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 41 er als Bindegewebszellen mit mehr oder weniger derber Membran und wenig Protoplasma um den Kern bezeichnet, Ähnlichkeit mit den Chordazellen oder auch mit denen der Pflanzen. »Sie bilden ein weit verbreitetes Füllmaterial im Mantel, Fuß, um die Gefäße usw«. Xach PekelharixgI besteht das Bindegewebe der Auster fast ganz aus benachbarten Gruppen blasiger Zellen von 30 — 50 u Durchmesser, mit rundem, vorwiegend an der Zollwand gelegenem Kern. Diese großen Blasenzellen gehen aus kleinen, körnigen Vorstufen hervor und enthalten neben Fetttröpfchen ver- schiedener Größe, meist am Rande auch Glykogen in so reichlicher Menge, daß Pekelharing den Namen »Glykogenzellen« für diese blasigen Gebilde vorschlägt. An andrer Stelle ^ bildet er isolierte solche Zellen von einer jungen Auster ab. Die letzte Arbeit, die sich mit dem Bindegewebe der Gastropoden beschäftigt, die von Enriques 3, enthält nichts über die zellig-blasige Stützsubstanz. Das Bindegewebe von Paludina soll durch die Anwesenheit zahlreicher Leucoyten, von denen viele Pigment enthalten, ausgezeichnet sein. Außerhalb der Leuco- cyten soll sich keine Spur von Pigment im Bindegewebe finden; eine Angabe, die ich nicht bestätigen kann. 1^ Nach der Schilderung und Auffassung einiger Autoren soll sich ein ähnliches, zellig-blasiges Stützgewebe, b, auch bei De- capoden (Flußkrebs) finden. Wenn ich dieses Gewebe ebenfalls hier bespreche, so geschieht es unter der ausdrücklichen Betonung, daß es mir nicht gelungen ist, seinen Aufbau aus isolierbaren Blasen nach- zuweisen. Dies kann aber seinen Grund in der überaus großen Zart- heit der Blasen Wandungen haben; vielleicht auch in dem ganz be- sonderen Verhältnis, daß dieses Stützgewebe meistens durch den starren, verkalkten Panzer, wenn auch nicht ganz außer Funktion gesetzt, so doch mechanisch entlastet wird, während es zur Zeit der Häutung von wesentlicher Bedeutung sein muß. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß es sich hier in der Tat um einheitliche Scheidewände zwischen den Blasen handelt, wodurch die Stützfestigkeit des Gewebes zweifellos erhöht würde. Dies müßte angenommen werden, wenn die Isolation der Blasen in keiner Weise gelänge. Dann wäre das Gewebe als eine sehr primitive Form des blasigen Stützgewebes von chondroidem Typus zu betrachten. Es ist aber sicher ein echtes Turgorgewebe, dessen zarten Wan- dungen eine stützende Funktion sicher nur durch den intracellulären 1 Le tissu conjonctif chez I'huitre. Petrus Camper. I. T. 2. L. 1901. S. 228—237. 2 Voordrachten over Weefselleer. Haarlem 1905. Fig. 49. 3 Studi sui leucociti ed il connettivo dei Gasteropodi. Arch. ital. Anat. Embr. Vol. IV. 1905. p. 153. 42 Josef Schaffe!', Druck zukommen kann. Deshalb und weil es m seiner ganzen An- ordnung mehr dem blasigen Stützgewebe bei den Schnecken vergleich- bar ist, soll es hier besprochen werden. LeydiqI erwähnt in der weichen Haut unter dem Panzer des Fhißki'ebses ein großes Maschengewebe, »dessen Gerüst in den Knotenpunkten schöne große Kerne besitzt und in den Hohlräumen eine Gallerte einschließt«. Die »Gallert- räume« sind 0,024 — 0,04'" (52 — 87 a) groß. Dasselbe Gewebe findet sich auch um die Nerven und sonst als interstitielles Gew-ebe. Leydig hat dieses Gewebe irrtümlich zum Gallertgewebe gerechnet, indem er den Inhalt blasiger Zellen für Intercellulärsubstanz, die optischen Durch- schnitte der aneinander stoßenden Zellmembranen für ästige Zellkörper hielt. Dieselbe Auffassung hatte Leydig zunächst auch vom Gewebe des Tunicaten- mantels und dem Bindegewebe bei Mollusken, z. B. Anodonta (vgl. Fig. 55 in seinem Lehrbuch der Histologie). Doch kamen ihm selbst frühzeitig Zweifel an der Richtigkeit dieser Annahme-, und \\\e wir im vorigen Kapitel gesehen haben, hat Leydig diese Gewebe später ganz richtig der zellig-blasigen Binde- substanz zugerechnet. Auch Haeckel^ hatte die erste Darstellung Leydigs bezweifelt und die Frage aufgeworfen, ob es sich beim Krebse nicht um ein »Zellgewebe« handle, d. h. ob das Gewebe nicht aus geschlossenen Blasen bestünde. Diese Vermutung wurde durch eine eingehende Untersuchung des Gewebes bestätigt. Haeckel bezeichnet dieses Gewebe als »Zellgewebe« und findet es in unverkennbarer Be- ziehung zu den Blutgefäßen, sowie dort, » wo ein besonders lebhafter Stoffwechsel stattfindet, namentlich rings um den ganzen Darmkanal, unter der dünnen Cutis- schicht usw. angehäuft«. Er möchte daher diesem Gewebe eine viel höhere, als eine rein physikalische, namentlich chemische Bedeutung zusprechen, da es nirgends »als Konstituens physikalischer Apparate auftritt «. Diese Darstellung Haeckels, sowie die histologische Beschreibung charak- terisieren das Gewebe auf das beste als diffuses chordoides Stützgewebe. Seine Anordnung um lebenswichtige Organe (Nervensystem, Darm, Blutgefäße) ge- währt diesen Schutz und Stütze; diese Funktion muß besonders an der ober- flächlichen Lage dieses Gewebes unter dem Panzer zur Zeit der Häutung hervor- treten. Diese ausgesprochen physikalische Funktion schließt natürlich eine besondere Bedeutung dieses Gewebes für den Stoffwechsel nicht aus, wie wir ja auch die blasigen Stützzellen bei den Mollusken zeitweilig mit wichtigen Stoff- wechselprodukten (Glykogen, Kalk) erfüllt sehen. Nach Haeckel sind die Zellen durch besondere Größe ausgezeichnet, indem sie Durchmesser von 40 — 80 // erreichen. Ihre Form ist im allgemeinen kugelig oder rundlich. Das Gewebe gleicht manchen Pflanzengeweben oder der Chorda mancher Fische. Die Zellmembran ist vollkommen homogen und durchsichtig, schwach glänzend, und zwar meist sehr dünn, aber doch sehr fest, zähe und 1 Zum feineren Bau der Arthropoden. Müllers Arch. 1855. S. 378 u. f., S. 389. Lehrbuch 1857. S. 24, S. 114. 2 Lehrbuch d. Histologie. S. 25. 3 De telis quibusdam astaci fluviatilis. Diss. inaug. Berol. — Über die Gewebe des Flußkrebses. Müllers Arch. 1857. S. 469. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 43 elastisch. Der reicliliclie Inhalt, bald mehr dünnflüssig, bald mehr gallertig, ist auch vollkommen durchsichtig und enthält außer dem Kern keine geformten Be- standteile. »Nur selten umgibt ein kleiner Haufen zarter, körniger Substanz . . . den Kern wie ein Wölkchen. « Häufig aber enthält die Zelle, besonders bei jungen Tieren einen Fetttropfen, der bald sehr klein, bald so groß sein kann, daß er die ganze Zelle ausfüllt. Der Kern ist immer genau wandständig. »Glyzerin und Chromsäure entziehen den Zellen das Wasser sehr heftig und »bewirken ein rasches Zusammenfallen, so daß der Kern allein in der entleerten Zelle zurück bleibt, deren kollabierte Membran in viele Falten und Runzeln sich legt. Mit Hilfe der Chromsäure gelingt es überdies die einzelnen Zellen zu isolieren, was im frischen Gewebe fast nicht möglich ist«. Henlei stellte diese Zellen zum Knorpelgewebe; »insbesondere bestimmt mich dazu ihre Ähnlichkeit mit dem Gewebe der Chorda dorsalis«. Braun 2 bildet in Fig. 1 und 34 das »großzellige Bindegewebe«, allerdings schematisch, ab, als aus großen, isolierten Blasen bestehend, ohne sich näher über dessen feineren Bau auszulassen. Ähnlich später Vitzou^, der zuerst auf den großen Glj^kogengehalt dieser Zellblasen zur Zeit der Häutung aufmerksam gemacht hat. Krieger* hat die Bedeutung des Gewebes als Stütz- und Hüllgewebe her- vorgehoben. Es dient zur Fixierung des Nervensystems innerhalb der Leibes - höhle, wie es auch alle andern Organe innerhalb der letzteren umkleidet 5. Be- sonders reiciilich ist es am Gehirn und am unteren Schlundganglion ausgebildet. Dies ist deshalb von besonderem Interesse, weil wir etwas ähnliches bei Petro- myzonten finden werden. Nach Kirch 6 ist die Bindesubstanz bei den Krebsen am weitesten in Form von großen hyalinen Zellen verbreitet. Diese besitzen einen meist exzentrisch gelegenen Korn und spärliches Protoplasma, das teils um den Kern gelagert ist, teils in feinen Bälkchen den Zellleib unregelmäßig durchzieht. Die Zellen er- scheinen auf den ersten Blick lückenhaft; durch Jodfärbung kann man sich jedoch überzeugen, daß die scheinbaren Lücken mit einer homogenen Masse erfüllt sind, die sich vorzugsweise als Träger des Glykogens erweist. Das sind den Leydig- schen Bindesubstanzzellen, den Plasmazellen Brooks, wie sie bei den Mollusken gefunden werden, entsprechende Zellen. Sie finden sich hauptsächlich unter dem Panzer, in der Darmwand und als Füllung zwischen den Muskeln. Zur Zeit der Häutung bildet diese großzellige Bindesubstanz ein wahres Glykogenreservoir. 1 Jahresbericht für 1857. S. 87. 2 Über die histologischen Vorgänge bei der Häutung von Astacus fluviatilis. Arbeiten zool. zootom. Inst. Würzburg. Bd. II. 1 875. 3 Recherches sur la structure et la formation du teguments chez les Crusta- cees decapodes. Paris 1882. * Über das Centralnervensystem d. Flußkrebses. Diese Zeitschr. Bd. XXXIII. 1888. S. 542. 5 Dieser Darstellung hat sich Gerstaecker (Bronns Kl. u. Ordn. Bd. V. Abt. 2. 1901. S. 918) angeschlossen. ^ Das Glykogen in den Geweben des Flußkrebses. Diss. Bonn 1886. 44 Josef Schaffer, HalpebnI bildet in Fig. 11 einen Durchschnitt durch das großblasige Stütz- gewebe ab, nach dem man den Eindruck bekommt, daß es sich um eine Art ge- kammerter Blasenzellen handelt, mit sehr dünnen, aneinander liegenden Mem- branen. Ich habe dieses Gewebe beim Flußkrebs unter dem Hautpauzer, um die Nervenstränge und Ganglien, wo es sich in größerer Menge rein gewinnen läßt, und bei einem in Häutung befindlichen Hummer ^ untersucht. Es bietet in der Tat einen sehr chordaähnlichen Anblick (Fig. 7), indem auffallend große Blasen unmittelbar aneinander gedrängt erscheinen und so nur durch äußerst dünne Scheidewände getrennt werden. Die im frischen Zustande prall gefüllten Blasen sind ungemein empfindlich; selbst nach Härtung in Formalin bringt sie die Behand- lung mit einer stärkeren Alaunlösung (Färbung mit Hämalaun) so zm- Schrumpfung, daß man nur ein zerknittertes Häutchenwerk vor sich hat, in welchem man unmöglich Zellgrenzen von Falten unter- scheiden kann. Die Blasen erreichen, im gehärteten Zustande, Durch- messer von 50 — 65 fi und besitzen so dünne Wandungen, daß diese im .ungefärbten Zustande von der Fläche gesehen kaum wahrzunehmen sind. Zerzupft man aber ein vorher mit Hämalaun durchgefärbtes Stückchen dieses Gewebes oder untersucht man es an dünnen gefärbten Durchschnitten, so treten die Wandungen scharf und dunkel gefärbt als ringsum geschlossene Linien hervor. Von der Fläche betrachtet, zeigt eine solche gefärbte Blasenwand ein unregelmäßig grobnetziges oder w^abiges Aussehen (Fig. 7, M); im optischen oder wirklichen Durchschnitt erscheint die Scheidewand zwischen zwei benachbarten Blasen wie einheitlich ; es gelingt nie, mit Sicherheit einen trennenden Spalt oder eine Mittellamelle wahrzu- nehmen. Wohl aber machen die Scheidewände am senkrechten Durch- schnitt den Eindruck, als wären sie stellenweise von ungleich großen Poren durchsetzt; dann erscheinen sie wieder beiderseits mit feinsten Spitzen oder Höckerchen besetzt, durchaus nicht glatt, wie man es etwa an Durchschnitten durch die Chordagallerte zu sehen gewohnt ist. Was sich mit Hämalaun dunkel färbt, sind nämlich nicht die Mem- branen, sondern ein feiner netzförmiger Protoplasmabelag an ihnen. 1 Das Hüll- und Stützgewebe des Bauchmarks bei Astacus fluviatilis. Arbeiten zool. Inst. Univ. Wien. T. XIV. 1903. S. 423. 2 Für dieses letztere, in Formalin konservierte Material, bin ich dem Vor- stande der biologischen Versuchsanstalt im Prater, Herrn Dozenten Dr. Hans Przibram zu Dank verpflichtet. über den feineren Bau u. die Ent\AickI. d. Knorpelgewebes usw. III. 45 Um den auffallend großen (16 — 22 tt), runden oder ovalen, stets wandständigen Kern ist dieses Protoplasma reichlicher angehäuft. Einzelne zarte Protoplasmafäden scheinen auch das Innere der Blasen zu durchspannen. Im übrigen findet man im Innern der Zellblasen große und kleine stark glänzende Tropfen einer homogenen Substanz, die sich an Formalinmaterial stark mit Hämalaun färben, bei Nach- färbung mit Eosin sich aber oxyphil erweisen. Bei dem in Häutung begriffenen Hummer war an ihrer Stelle in jeder Blase ein ovaler bis runder, ziemlich stark glänzender, fast homo- gener Körper vorhanden, der weder doppeltbrechend erschien, noch sich besonders stark mit Jodjodkalium färbte; bei der Färbung nach Mallory nehmen diese Körper eine lebhafte Orangefärbung an. Offen- bar handelt es sich um eine Trägersubstanz von Glykogen; ob sie aber nicht auch gelegentlich leicht lösliche Kalkverbindungen enthalten kann, war an meinem in Formalin gelegenen Material nicht zu ent- scheiden. Die Analogie mit den Verhältnissen bei Mollusken läßt dies nicht unmöglich erscheinen, doch könnten darüber nur Untersuchungen an frischem Material Aufschluß geben. Für die Verkalkung des weichen Panzers könnte ein solcher Kalkgehalt von Bedeutung sein. Wenn nun auch dieses Gewebe dort, wo es reichlicher angesammelt ist, durch den unmittelbaren Aneinanderschluß seiner großen Blasen geeignet ist, den Eindruck eines kompakten chordoiden Stützgewebes zu machen, so verlieren sich die Blasen doch auch ohne festere Begren- zung zwischen den Muskeln, finden sich auch sonst durch den ganzen Körper verstreut, so daß das Gewebe vollkommen dem oben entwickelten Begriffe des diffusen, chordoiden Stützgewebes entspricht. Ein sehr ähnliches Gewebe, wie bei Decapoden, findet sich nach der Schilderung von v. Mack^ auch um das Nervensystem von Sipun- culus nudus und wahrscheinlich noch bei andern Wirbellosen an ver- schiedenen Stellen. V. Mack bezeichnet das Gewebe, welches den Bauchstrang von Sipunculus umhüllt »wie so manches großzellige oder vesiculäre Ge- webe im Tierreich (Tentakelachse mancher Cölenteraten, Tentakel- stützen der Spirographis, Kiemenstützen der Sahella, Chorda der Vertebraten usf.) und auch im Pflanzenreich«, als ein Turgorgewebe, ein Stützgewebe /.az iioyj^v. Denn auf dem Turgor der Hohlräume 1 Das Centralnervensystem von Sipunculus nudus L. (Bauchstrang). Mit besonderer Berücksichtigung des Stützgewebes. Arbeiten zool. Inst. Univ. Wien. Bd. XIII. 1900/02. S. 237. 46 Josef Schaffer, (Zellvaciiolen) beruht in erster Linie die Kigidität, die Widerstands- kraft dieser Stützgewebe gegen Biegung und Druck«. Eine Zerlegung dieses Gewebes in seine Elemente (durch Mace- ration mit Müllers Flüssigkeit oder Salpetersäure) gelang auch v. Mack nicht oder nur sehr unvollkommen. Er bezeichnet das Gewebe, von dem er eine sehr eingehende Schilderung gibt, auch als zelliges Gallert- gewebe und sagt, daß ihm unbestreitbar eine große Ähnlichkeit mit einem Knorpel zugestanden werden muß (auch TeuscherI hat es als »Knorpelgewebe (?) « bezeichnet), und zwar ist es die Abart oder die Vorstufe eines Knorpels, wie er bei Ammocoetes als Füllgewebe zwischen Rückenmark und Chorda ^ zuerst von Renaut, später im Skelet von Myxme und Petromyzon (Kiemenbogen) als Schleimknorpel beschrieben wurde, an den diese Bindesubstanz erinnert«. So wenig zutreffend dieser Vergleich in Hinsicht auf den Schleim- knorpel auch ist, so hat v. Mack doch schon die Verwandtschaft dieses Gewebes mit dem blasigen Stützgewebe und seine Vergleichbarkeit mit Knorpelgewebe in funktioneller Beziehung erkannt ; eine ■ richtige Vorstellung vom prinzipiellen Unterschiede dieser beiden Stützgewebe hat er jedoch nicht besessen, wie aus der Bemerkung hervorgeht, daß in diesem Gewebe die »Grundsubstanz« auf ein schwaches Fachwerk zwischen den Zellen reduziert ist. c. Das blasige Gewebe des Tunicatenmantels. — Dieses Gewebe, welches anscheinend vom diffusen chordoiden Stützgewebe ganz verschieden ist, muß hier berücksichtigt werden, da es wiederholt mit dem Gewebe der Chorda und ähnlichen Textiu-en verglichen worden ist. Denkt man sich übrigens im Mantel einer Schnecke das gesamte Zwischengewebe zwischen den blasigen Stütz- zellen zu einer homogenen, von Gefäßkanälen durchzogenen Masse erstarrt, dann hat man vom rein morphologischen Standpunkt aus eine Vorstellung vom blasigen Gewebe des Tunicatenmantels. Der prinzipielle Unterschied liegt aber darin, daß jener im wesentlichen eine Oberhautbildung darstellt, bei welcher die Blasen offenbar nichts andres bezwecken, als Ersparung an Material und Verminderung des specifischen Gewichtes, ohne Verminderung der Stütz- oder Druck- festigkeit des, einem äußeren Skelet vergleichbaren Mantels. Bekanntlich besitzt der Mantel bei gewissen Tunicaten eine knor- pelige Konsistenz — »sac cartilagineux externe (Savigny), enveloppe 1 Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. VIII. 1878. 2 Es befindet sich dorsal von der Chorda; siehe Abschn. d. über den feineren Ban u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 47 cartilagineuse (Löwig et Kölliker^) — und enthält große blasen- förmige Räume, welche oft so dicht gedrängt sind, daß sie nur eine verhältnismäßig spärliche Zwischensubstanz übrig lassen (Fig. 8). Dieses Aussehen hat schon Leydig^ veranlaßt, die Zurechnung dieses Gewebes zum Knorpelgewebe für nicht ungerechtfertigt zu erklären. Schon lange vorher hat R. Wagner, der diese blasigen Elemente des Ascidienmantels zuerst gesehen hat, sie als Knorpel- zellen gedeutet. Desgleichen haben später Löwig und Kölliker einerseits auf die Ähnlichkeit dieser Elemente mit Chordazellen hin- gewiesen (S. 200), anderseits die auffallende Ähnlichkeit der Zell- nester im Mantel von Cijnthia mit knorpelähnlichen Elementen hervor- gehoben; allerdings betonen die Verfasser, daß diese Ähnlichkeit nur eine äußerliche, auf der abgerundeten Form und endogenen Vermeh- rungsweise der Zellen beruhende sei. F. E. Schulze 3, welcher die wandständigen Kerne der Blasen- zellen nachgewiesen hat, betonte die Ähnlichkeit dieser großen, hohlen Elemente mit den Zellen der Chorda dorsalis; diese letztere hielt er aber damals entschieden für ein knorpelartiges Gebilde, wie daraus hervorgeht, daß er die homogene hyaline Cellulosemasse zwischen den Zellblasen als ein Produkt dieser letzteren betrachtet. »Durch all- mähliche Umwandlung der äußeren Protoplasmarinde der ursprünglich wandungslos zu denkenden embryonalen Zellen in homogene hyaline Cellulosemasse und ein Verschmelzen dieser so gebildeten Rinden miteinander entsteht ein der Chorda dorsalis ähnliches Gewebe. « Auch BoLL* hat dieses Gewebe für dasselbe gehalten, wie es im » Zungenknorpel <( mancher Mollusken, z. B. von Pterotrachea vor- kommt. In der Tat scheint dieses Gewebe auf den ersten Blick viel eher chondroiden Charakter (siehe Abschnitt 4) zu besitzen, wenngleich die Zellen als Blasen mit wandständigen Kernen dem chordoiden ent- sprechen. Aber die Grundsubstanz zwischen diesen Zellen (Fig. 8 G) ist eine einheitliche Masse und bedingt offenbar die knorpelartige Festigkeit des ganzen Gewebes. Man wird um so mehr geneigt sein 1 De la composition et de la structure des enveloppes des Tuniciers. Ann. sc. nat. (3) T. V. 1846. p. 193—239. 2 Lehrbuch der Histologie. 1857. S. 34 und Vom Bau des tierischen Körpers. Tübingen 1864. 3 Über die Struktur des Tunicatenmantels und sein Verhalten im polari- sierten Lichte. Diese Zeitschr. Bd. XII. 1863. S. 175. * Arch. mikr, Anat. Supplement. 1869. 48 Josef Schaffe!', das Gewebe zum chondroiden zu rechnen, wenn man erfährt, daß diese Grundsubstanz neben der Cellulose auch Chondrin enthalten soll. Diesen Nachweis wollten nämlich HilgerI und Schäfer ^ erbracht haben; ihre Angaben scheinen jedoch keine Bestätigung gefunden zu haben, indem Schmiedeberg ^ bei Brachiopoden, bei denen Hilger ebenfalls Chondrin gefunden zu haben glaubte, nachwies, daß es sich um Chitin handle und v. FtJRTH'*^ nach Besprechung der Untersuchungen von Schäfer sagt: »So interessant und ansprechend bei den Tunicaten der Nachweis eines Analogon des Wirbeltierknorpels wäre, so wenig genügen die vorliegenden Daten, um einen solchen Schluß zu recht- fertigen. « Der Tunicatenmantel besteht, wie wir heute wissen, aus einem der Cellulose verwandtem Körper, dem Tunicin, über dessen chemisches Verhalten man A. Reichard ^ vergleiche. Hier sei bemerkt, daß auch eine oberflächliche histologische Unter- suchung des Gewebes eine gewisse Knorpelähnlichkeit vortäuschen kann. So färben sich z. B. Schnitte durch den Mantel von Phallusia mcwimillata nicht nur mit Delafields Gemisch, sondern in stark verdünnten wässerigen Lösungen von Safranin oder Thionin ebenso metachromatisch, wie echtes Knorpelgewebe. Dieses Verhalten ist von Interesse, da man bisher diese Färbung als charakteristisch für das Knorpelgewebe betrachtet hat. Doch sei hier daran erinnert, daß eine Reihe andrer Stoffe, z. B. Schleim, Amyloid, kalkhaltige Substanzen, sich ebenfalls metachromatisch färben. Weiter kann man in der hya- linen Grundsubstanz zwischen den großen Zellblasen, ganz ähnlich, wie unter Umständen in der Knorpelgrundsubstanz, Pseudofasern sehen, besonders an Schnitten aus absolutem Alkohol. Diese Fasern können ganz, wie im Hyalinknorpel, von verschiedener Dicke, auch verästelt sein, sich stärker färben als die Grundsubstanz, und besonders wenn sie sehr dünn sind und scharf hervortreten, berechtigte Zweifel über ihre Natur hervorrufen. Wie im Knorpel sind sie meist inter- 1 Über die chemische Zusammensetzung der Schalen und einige Weich- teile lebender Brachiopoden. Journ. prakt. Chemie. Bd. CIL 1867. S. 418. 2 Über das Vorkommen chondrigener Substanz in den Tunicaten. Ann. aiemie u. Pharm. Bd. CLX. 1871. S. 330. 3 Über die chemische Zusammensetzung der Wohnröhren von Omiphis tubicola. Mitt. zool. Stat. Neapel. Bd. III. 1882. S. 391. 4 Vergleichende ehem. Physiologie der nied. Tiere. Jena, G. Fischek, 1903. S. 470. •'' Über Cuticular- und Gerüstsubstanzen bei wirbellosen Tieren. (Heidel- berg.) Ohne Jahreszahl und Erscheinungsort. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. 111. 49 cellular ausgespannt und hören an den Rändern der Zelllücken wie abgeschnitten auf. Wie im Knorpel verschwinden sie aber auch, wenn man den Schnitt in Wasser überträgt, der beste Beweis für ihre Be- deutung als Stauchungslinien (Fig. 8 /). Weiter finden sich zwischen den großen Zellblasen kleine, kernhaltige Protoplasmakörper (Z) in der Grundsubstanz, ähnlich, wie sie als Reste verkümmernder Zellen in massigen Hyalinknorpeln gesehen werden. Im Tunicatenmantel dürften sie wohl die Bedeutung nicht blasig gewordener Mesoderm- zellen besitzen. Dieses ganze Verhalten ist in der Tat recht knorpel- ähnlich. Wendet man aber empfindlichere, d. h. mehr specifische Färbungen an, so versagen diese am Gewebe des Tunicatenmantels vollkommen. So färbt es sich nicht in gesättigter, alkoholischer Thionin- lösung, in saurer Toluidinblaulösung (H, LundvallI) imd in eben- solcher Methylenblaulösung (F. C. Hansen 2). Wenn somit sowohl die macro- wie die microchemische Beschaffen- heit heute keinen Schluß auf einen knorpeligen Charakter dieses Gewebes zuläßt, so wird die richtige Beurteilung seiner histologischen Stellung erst möglich, wenn man seine Entwicklung in Betracht zieht. Schon 0. Hektwig^ hat entgegen der Deutung F. E. Schulzes den Nachweis erbracht, daß die Grundsubstanz des Cellulosemantels eine Cuticularbildung der Epidermis ist, in welche erst sekundär Zellen einwandern; diese Zellen hat 0. Hertwig allerdings irrtümlich für Epidermiszellen gehalten. Doch hat er eine zutreffende Schilderung von der Entwicklung der Hohlzellen gegeben und den Vorgang als »flüssige Zellinfiltration« bezeichnet. Besonders hervorgehoben sei, daß 0. Hertwig bereits als Analoga das blasige Bindegewebe der Arthropoden und Mollusken, die Chordazellen und auch die Fettzellen der Wirbeltiere anführt; »alle diese Zellen sind Gebilde, die wir uns durch Ansammlung einer flüssigen Substanz in dem Protoplasma ein- facher Bindegewebszellen entstanden denken müssen«. Gegen diese Deutung des Mantels als wirklicher Bindesubstanz hat sich sehr entschieden C. Sempera gewendet. Der Ascidienmantel ist nach seiner Meinung einfach als eine eigentümliche Form der ge- schichteten Epidermis zu betrachten. 1 Anat. Anz. Bd. XXV. 1904. S. 219. 2 Anat. Hefte Bd. XXVII. 1905. S. 600. 3 Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung des Cellulosemantels der Tunicaten. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. VII. 1873. S. 59. * Über die Entstehung der geschichteten Celluloseepidermis der Ascidien. Arbeiten zool. zootom. Inst. Würzburg. Bd. II. 1875. S 21. Zeitschrift f. wissen8:h. Zoologie. XOVII. Bd. 4 50 Josef Schaffer, Vollkommen klargestellt ist die Entwicklung des Tunicatenniantels erst durch die neueren Untersuchungen von KowalevskyI, Salensky 2, Seeliger 3 u. a. worden. Nach diesen ist die cellulosehaltige Grund- substanz als ein, von den Ectodermzellen geliefertes Fremdgewebe anzusehen, in welches die mesenchymatischen, späteren Blasenzellen erst einwandern. Seeliger hat die Auswanderung der Mesoderm- zellen am Lebenden beobachtet und die Umbildung zur sogenannten Hohlzelle beschrieben. Das Protoplasma erscheint zuletzt auf eine dünne Rindenschicht beschränkt, die nur an der Stelle, an welcher der Kern liegt, etwas verdickt ist, so daß dieser in sie eingebettet ruht. Diese Blasenzellen entbehren somit allerdings in der Regel einer resi- stenteren Oberflächenmembran, wie schon F. E. Schulze gegen H. Schacht* gezeigt hat. Sie dürften daher z. B. aus denj Mantel von Phallusia kaum isolierbar sein, was ich wegen Mangel an frischem Material nicht untersuchen kann. Doch bin ich nicht imstande, an den Schnitten des gut fixierten Mantels dieses Tieres an jeder Zellblase eine zusammenhängende Protoplasmaumhüllung überhaupt nach- zuweisen, womit ich nur eine alte Angabe 0. Hertwigs bestätige. Delage und Herouard^ lassen die Blasen sogar durch eine Degene- ration der enthaltenen Zellen entstehen. Der Mangel einer eignen Membran wird aber durch den beson- deren Charakter des Zwischengewebes, welches selbst genügende Festig- keit besitzt, verständlich. Es liegt hier eine ähnliche Erscheinung vor, wie wir sie schon beim kompakten chordoiden Stützgewebe der Chorda kennen gelernt haben, bei der auch in dem Moment, als eine selbst stützfähige Umhüllung zur Entwicklung gelangt und somit die Zellblasen funktionslos werden, die Wände dieser letzteren schwinden können. Daß unter Umständen der blasige Charakter dieser Zellen deutlich hervortritt, geht aus der Angabe Hertwigs hervor, daß bei Phallusia cristata zwischen Mantel und Muskelschlauch in einer flüssigen Intercellularsubstanz freischwimmende Blasenzellen »bestehend aus einer zarten Membran mit Flüssigkeit im Innern, einem wandständigen 1 Einige Beiträge zur Bildung des Mantels der Ascidien. Mem. Acad. St. Petersbourg. S. VII. T. XXXVII. 1892. 2 Beiträge zur Embryonalentwicklung der Pyrosomen. Zool. Jahrb. Abt. f. Anat. Bd. IV. 1891. S. 424 u. Bd. V. 1892. S. 1. 3 Einige Beobachtungen über die Bildung des äußeren Mantels der Tuni- caten. Diese Zeitschr. Bd. LVI. 1893. S. 488. * Mikroskopisch - chemische Untersuchung des Mantels einiger Ascidien. Müllers Arch. 1851. S. 176. 5 Traite de Zool. concr. T. VIII. Paris 1898. S. 295. I über den feineren Bau u. die Entvvickl. d. Knorpelgewebes usw. Ili. 51 Kern mit Protoplasma« gefunden werden. Im übrigen dürfte der Tur- gordruck in den Zellblasen dort, wo sie nur durch dünne Scheide- wände von Zwischensubstanz getrennt sind (Fig. 8 S), eine nicht un- wichtige mechanische Rolle für die Versteifung des Gewebes spielen, das demnach in den wesentlichen Punkten der oben aufgestellten Definition des chordoiden Stützgewebes entspricht, wenn es auch einen ganz besonderen, mit den in a. und b. besprochenen nicht auf eine Stufe zu stellenden Typus eines solchen vorstellt. Bei den Wirbeltieren müssen wir als typischen Vertreter des dif- fusen chordoiden Stützgewebes d. das perimeningeale (arachnoi- dale) Füllgewebe bei Ammocoetes und Petromyzon betrachten, obwohl es stellenweise einem kompakten, chordoiden Stützgewebe nicht unähnlich sieht. Es ist zwischen Pia (Fig. 9 P) und Dura (D) eingeschlossen und stellt eigentlich eine Aufblätterung beider dar^, in der aber die blasigen Elemente, wenigstens im Bereiche des Rückenmarks, verstreut er- scheinen in einem andern Gewebe (Fig. 9 g). Wie Renaut^ bereits zutreffend bemerkt hat, ist die Aufgabe dieser elastischen und un- zusammendrückbaren Masse hauptsächlich im Schutze des Rücken- markes gegen die energischen Kontraktionen der anliegenden Musku- latur zu sehen. Im Bereiche des abgeplatteten Rückenmarkes sind die blasigen Zellen verstreut in einem reichlichen, schleimhaltigen Grundgewebe (Fig. 9 g), welches der Hauptsache nach aus fibrillären Platten und Häutchen mit ihnen anliegenden, ästigen Bindegewebs- zellen :; und verästelten Bindegewebsbündelchen b besteht. An median durchschnittenen, in Alkohol oder MüLLERscher Flüssigkeit gehärteten Ammocöten kann man dieses Gewebe als zusammenhängende Gallert- säule aus dem Rückenmarkskanal herausheben. Zerzupft man ein solches in Müllers Flüssigkeit erhärtetes Gewebe, so fallen die bla- sigen Zellen leicht heraus und können isoliert untersucht werden. Sie besitzen kugelige, noch öfter aber ovoide Gestalt und im ersten Falle eine Größe von 10 — 44/<, im letzteren kann der lange Durchmesser zwischen 21 — 68,«, der kurze zwischen 17 und 58 u schwanken. Der Kern in den größeren Zellen mißt etwa 10/<. Umhüllt werden die Zellen (Fig. 10) von einer ziemlich dicken, 1 Eine getrennte Arachnoidea fehlt den Fischen; vgl. darüber Sagemehl (Beiträge zur vergl. Anatomie der Fische. II. Einige Bemerkungen über die Gehirnhäute der Knochenfische. Morph. Jahrb. Bd. IX. 1884. S. 457) und Sterzi {weiter unten). 2 Traite d'Histol 1. c. p. 338. 4* 52 Josef Schaff er, glänzenden, doppeltkonturierten Kapsel {M), welche eine beträchtliclie elastische Widerstandskraft besitzen muß, da sie dem Drucke, welcher durch die Schrumpfung bei der Fixierung des Gewebes zur Wirkung kommt, zu widerstehen vermag. Das Protoplasma der Zelle ist durch große, vacuoläre Räume auf ein centrales, unregelmäßiges Klümpchen verdrängt, welches den ovalen Kern K und manchmal noch ein sphären- ähnliches Gebilde einschließt. Von dieser mittleren Protoplasmamasse ziehen einzelne, zarte Protoplasmastränge (P) in radiärer Richtung an die Innenfläche der Kapsel, um sich hier mit einem dünnen Proto- plasmabelag {R) zu vereinigen. Die Netzstränge dieses Protoplasma- körpers umschließen stets einige kleinere oder größere Fetttröpfchen (F). Dagegen besteht der Inhalt der großen vacuolären Räume aus einer Substanz, die an Alkoholmaterial kleinere und größere glänzende Tropfen darstellt, die sich mit Jod-Jodkalium lebhaft braun färben und in Wasser lösen. Auffällig ist, daß sich die Membranen der blasigen Zellen an Schnitten aus Pikrinsublimat oder an Isolationspräparaten aus Müller- scher Flüssigkeit deuthch blau mit Delafields Hämatoxylingemisch färben. In verdünntem Safranin oder Thionin zeigen sie keine meta- chromatische Färbung. Gegen das verlängerte Mark hin nehmen diese blasigen Zellen so an Zahl zu, daß sie sich gegenseitig polyedrisch abflachen (Fig. 11) und nur dünne, von den Membranen gebildete Scheidewände zwischen sich erkennen lassen, also ein sehr chordaähnliches Aussehen darbieten. Dorsal vom vierten Ventrikel sind auch Pigmentzellen nur spär- lich zwischen den blasigen Zellen; auf Strecken fehlen sie vollständig. Dies ist auch der Fall innerhalb der Gehörkapsel, wo dieses Gewebe an der unteren Fläche den Träger der Sinnesepi- thelien bildet und die dünnen Zell wände unter gegenseitiger Ab- flachung sich dicht aneinander legen Die Zellen bleiben aber voneinander unabhängig, als ringsum geschlossene Blasen isolierbar. Noch weiter gegen das Gehirn zu ändert sich aber der Charakter des Gewebes; während es bisher vollkommen gefäßlos war, treten nun allmählich immer reichlicher Gefäße zwischen den blasigen Zellen auf und außerdem auch verästelte Pigmentzellen. Auch nimmt der Fett- gehalt der Zellen zu, doch bleiben die Fetttröpfchen in ihnen stets getrennt. Vergleicht man damit gewöhnliche Fettzellen der Umgebung, so' erscheinen diese an Objekten aus MüLLERscher Flüssigkeit grau von feinkörnigen, gleichmäßig oder in Form von Kristalldrusen die über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 53 Zellen erfüllenden Fettniassen. Auch sind die Membranen der Fett- zellen im Gegensatz zu denen der blasigen Stützzellen um das Gehirn vielfach gefaltet und verbogen. Mit Hinsicht auf die bemerkenswerte Substitutionsfähigkeit der Bindesubstanzformen untereinander sei hier noch daran erinnert, daß bei Myxine sich an Stelle der blasigen Stützzellen im arachnoidalen Füllgewebe anscheinend gewöhnliche Fettzellen finden i. Ebenso finde ich beim Karpfen in dem Gallertgewebe, welches das Rückenmark umschließt, Fettzellen eingeschlossen; außerdem aber noch zahlreiche Körnerzellen von der Größe und dem Aussehen eosino- philer Leucocyten. Beim Aal ruht das Rückenmark im Wirbelkanal auf einem Kissen auf, das fast ausschließlich aus dicht aneinander gedrängten Fettzellen besteht. Nach den Angaben von Sagemehl 2 besitzen alle Knochenganoi- den, sowie die größte Mehrzahl der Knochenfische um das Central- nervensystem ein zartes Schleimgewebe mit reichlichen, großen, kugeligen Fettzellen. Mechanisch wird dieses Fettgewebe wohl ganz ähnlich zu funktionieren vermögen, wie das eigentümliche Stützgewebe der Petromyzonten. JoH. Müllers erwähnt bereits diese mittlere Hülle des Gehirns als ziemlich lockere Schicht, welche nicht in die Vertiefungen eingeht. Später haben Stännius^^ und sehr ausführlich Reissner^ die Hülle des Rückenmarks beschrieben; Lan- GERHANS^ hat diese Angaben bestätigt und erweitert. Nach ihm enthält das weiche, aber solide, arachnoide Gewebe in einer hellen, homogenen Intercellular- substanz kleine verästelte Bindegewebskörper und große ovoide, zum Teil mit Fett gefüllte Zellen. Die Zwischensubstanz wird »radiär durchzogen von breiten, oft geschlängelten, elastischen Fasern, welche dem weichen Gewebe einen ziem- lich hohen Grad von Starrheit verleihen, so daß dasselbe auch nach Entfernung des Rückenmarkes nicht kollabiert«. GoETTE^ erwähnt desselben einfach als eines zelligen, mit elastischen Fasern durchsetzten Gewebes zwischen Pia und Dura. 1 Arch. mikr. Anat. Bd. L. 1897. S. 183. 2 1. c. 3 Vergl. Anatomie der Myxinoiden. Abhdlgn. Kgl. Akad. Wiss. Berlin 1838. S. 171. 4 Handbuch der Anat. der Wirbeltiere. II. Aufl. Berlin 1854. S. 126, Anm. 2. 5 Beitrag zur Kenntnis vom Bau des Rückenmarks. Müllers Arch. 1860. ^ Untersuchungen über Petromyzon Planeri. Freiburg i. Br. 1873. '' Beiträge zur vergl. Morphologie des Skeletsystems der Wirbeltiere. Arch. mikr. Anat. Bd. XV. 1878. S. 319. 54 Josef Schaff er, RexautI hat zuerst die funktionelle Wichtigkeit dieser druck- und biegungs- elastischen Masse betont und auch einige Irrtümer in der Beschreibung i'ichtig gestellt. So erkannte er die bindegewebige Grundlage dieses Ge\\'ebes als eine Aufblätterung von Dura und Pia und stellt das Vorkommen von elastischen Fasern in Abrede. Die blasigen Zellen sind an ihrer Oberfläche von einem doppelt konturierten Exoplasma bedeckt. Das Protoplasma ist glasartig durchsichtig und enthält stets einige Körnchengruppen oder -häufen und kleine Fetttröpfchen. Beim ausgewachsenen Tier (P. marinus) enthalten sie zahlreiche Fetttropfen. Ahlbobn2 gibt eine Abbildung von einem Isolationspräparat diese Gewebes (Taf. XIII, Fig. 53) und beschreibt eine klare, wässerige Grundsubstanz, die von multipolaren Schleimzellen durchzogen wird, die untereinander ein Netzwerk bilden . . . Die großen, ovoiden Zellen liegen zerstreut und lose in dem Geflecht der elastischen Fasern und des Schleimzellennetzes. Sie besitzen eine Membran und einen stark vacuolisierten Inhalt, so daß der granulierte Kern an Protoplasma- fäden aufgehängt erscheint. In den Vacuolen sind in einer homogenen, wässerigen Flüssigkeit kleinere und größere, gelbe Fetttröpfchen suspendiert. Beim Über- gang des Rückenmarks in die Medulla erfährt das Hüllgewebe mehrfache Ver- änderungen. Die ovoiden Zellen nehmen rasch an Zahl zu und liegen in der Um- gebung des Gehirnes so eng nebeneinander, daß sie durch den gegenseitigen Druck wie Zellen eines losen Pflanzenmarkes polyedrisch abgeplattet erscheinen. Die elastischen Fasern und Schleimzellen sind dabei fast ganz verschwunden, und statt dessen treten jetzt nach vorn fortschreitend große, weit verästelte, spinnen- förmige Pigmentzellen auf. Eine höchst eigentümliche Auffassung dieses Gewebes hat Gaskell ^ zu vertreten gesucht. Er spricht ihm, besonders um das Gehirn, einen drüsenartigen Charakter zu und erklärt es für die degenerierten Reste einer Kopfleber. Mit Unrecht wirft er Sagemehl vor, daß dieser das Gewebe als eine besondere Art von Fettgewebe betrachtet habe, da Sagemehl nur von Knochenfischen spricht und Petromyzon mit keinem Wort erwähnt. Gaskell stellt die geringste Ähn- lichkeit mit einem Fettgewebe vollkommen in Abrede, beschreibt den Zellinhalt genau und betont, daß er sich mit Osmiumsäure nicht färbt. »Nur kleine Fett- kügelchen da und dort, das ist alles ; der Kern liegt im Centrum. « C. Vogt* hat das Gewebe einfach als Fettgewebe, helle Blasenzellen, die Fett enthalten, erklärt. RenautS hat später seine ausführliche Beschreibung des Gewebes durch gute Abbildungen vervollständigt. Hier betont er auch die polyedrische Form der Zellen um das Gehirn und daß dieses Gewebe unmöglich mit Fettgewebe verwechselt werden kann. Studnicka^ hat dieses Gewebe bei Petromyzon und Myxine zuerst irrtüm- 1 Systeme hyalin etc. Arch. physiol. 1881. p. 845. - Untersuchungen über das Gehirn der Petromyzonten. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883. 3 On the origin of Vertebrates from a Crustacean-like Ancestor. Quart. Journ. Micr. Sc. Vol. XXXI. 1890. p. 379. * Vogt u. Yung, Lehrbuch. II. Bd. S. 423. 5 Traite d'Histol. prat. T. I. Paris, p. 338. 6 Arch. mikr. Anat. Bd. XLVIII. 1897. S. 629. Anm. 1. über den feineren Bau und die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. ,5.5 licli mit dem epaxialen Stützgewebe zum »eigentlichen Fettgewebe« gerechnet, trotzdem er die Zellen desselben ausdrücklich als fettfrei erklärte. Ich selbst habe dann eine eingehende Beschreibung dieses Gewebes gegeben i und es auf Grund seines Schleimgehaltes mit dem Schleimknorpel von Ammo- coetes verglichen. Wenn ich damals als Unterschied angeführt habe, daß es nicht so dicht gefügt erscheint und daß viele seiner Zellen eine Umwandlung in blasige, knorpelzellenähnliche Gebilde erfahren haben, so muß ich heute betonen, daß diese Zellen im arachnoidalen Füllgewebe nur den Charakter von blasigen Stützzellen beanspruchen können und dieses Xxewebe insofern vom Schleim- knorpel wesentlich verschieden ist, als es niemals in echten Knorpel umge- wandelt wird. Sterzi^ hat auf Grund einer umfangreichen vergleichenden Untersuchung die Auskleidung des Rückenmarkskanals bei Petromyzon fluv., die Dura der Autoren, als Endorachide, die unmittelbare Umhüllung des Rückenmarkes als primitive Meninx (Sagemehls primäre Gefäßhaut) bezeichnet, während er das eigentümliche Gewebe zwischen beiden perimeningeales Gewebe be- nennt. Es besteht aus sternförmigen, anastomosierenden Zellen, in deren Ma- schen große, ovale oder elliptische gelegen sind. Diese dürfen nicht für Fett- zellen gehalten werden; sie ähneln sehr dem tessuto connettivo vescicolare, das nach FiCALBi3 die ursprüngliche Form des Bindegewebes darstellen soll. (Diese Anschauung ist viel älter und rührt von Köllikeb, Gegenbatjb, Brock u. a. her.) Sterzi läßt auch stärkere elastische Fasern das perimeningeale Gewebe durchsetzen. Schneider'*^ bezeichnet die blasigen Zellen als Fettzellen und findet bei Eisenhämatoxylin-Färbung in ihnen geAvundene, von Desmochondren besetzte Fäden. Ebenso deutet Nemiloff-^ die Zellen bei Ammocoetes, während Kolmerö das Gewebe als »ganz eigentümliches Schleimgewebe« bezeichnet. Sehr eingehend hat sich dann Sterzi' in seiner Monographie mit dem peri- meningealen Gew-ebe der Cyclostomen befaßt und auch eine ausführliche Ge- schichte^ des Gewebes gegeben. Er betont den bemerkenswerten Grad von Elastizität der blasigen Zellen, die im frischen Zustand einen großen Druck ertragen, ohne zu zerreißen. Bei der eingehenden Schilderung des feineren Baues der blasigen Zellen werden so\^'ohI 1 Arch. mikr. Anat. Bd. L. 1897. S. 181 u. f. ~ Ricerche intorno all' anatomia comparata ed all' ontogenesi delle meningi e considerazioni suUa filogenesi. Atti R. Ist. Veneto sc. lett. ed arti, A. 1900/01. T. LX. Par. 2. p. 1101. 3 Zoologia generale. Firenze. 1895. p. 231. * Lehrbuch der vergl. Histologie der Tiere. Jena 1902. S. 757. 5 Zur Frage über den Bau der Fettzellen bei Acipenser ruthenus. Anat. Anz. Bd. XXVIII. 1906. S. 515. 6 Zur Kenntnis des Rückenmarks von Ammocoetes. Anat. Hefte. Bd. XXIX. 1905. S. 174. " II sistema nervoso centrale dei Vertebrati. V. I. Ciclostomi. Padova 1907. p. 196—237. 8 In dieser führt Sterei auch Gegenbaur an, welcher das Gewebe als »ske- letogenes« bezeichnet haben soll. Das ist ein Irrtum, indem Gegenbaur nur vom epaxialen Gewebe spricht. 56 Josef Schaffer, die Unterschiede bei den verschiedenen Species, als die in den verschiedenen Ab- schnitten des Geliirns und Rückenmarks berücksichtigt. Eigentümlicherweise bezeichnet Sterzi die ästigen Bindegewebszellen zwischen den blasigen als Stützzellen (cellule di sostegno). Bei Petromyzon Pla- "neri bilden die blasigen Zellen nahezu allein das ganze perimeningeale Gewebe um das Gehirn ; mit Kalilauge lassen sich die frischen Zellblasen isolieren. Sie sind hauptsächlich durch den Gehalt an zahlreichen Nebenkernen und Vacuolen, die mit einer gelatinösen Substanz (daß es sich um Glykogen handelt, hat Sterzi nicht erkannt) erfüllt sind, ausgezeichnet. Im Bereich des Schädels sollen sie niemals Fett enthalten, während sie um das Rückenmark reich daran sind. (Dem kann ich, für Ammocoetes wenigstens, nicht zustimmen, da ich bei ihm die Zellen um das Gehirn sogar fettreicher fand.) Die Fasern zwischen den blasigen Zellen beschreibt Sterzi nun auch als Fibrillenbündel, die an ihren Enden sich pinsel- artig auflösen. Er glaubt einen Überzug dieser Bündel mit einem feinsten elasti- schen Häutchen ausschließen zu können, weil sie bei Essigsäurezusatz gleich- mäßig, ohne die charakteristischen ringförmigen Einschnürungen qviellen. Sterzi macht auf die Unähnlichkeit zwischen diesen Zellen der Cyclostomen und den mit ihnen von Renaut zusammengestellten im Sesamknoten der Achillessehne vom Frosch aufmerksam; dagegen sollen sie eine große Ähnlichkeit mit jenen Zellen zeigen, welche im Fuß von Helix die Nervenstränge begleiten. Weiter reiht sich hier e. jenes Gewebe an, welches ich im zweiten Teil dieser Untersuchungen i bei Myxine »in der Nachbarschaft des Auges, bzw. zwischen diesem und der Nasenkapsel, an der cau- dalen, lateralen und ventralen Fläche der Ohrkapsel und unter der Haut längs der unteren, lateralen Ränder der Schnauze« beschrieben habe. Die blasigen, glasartig durchsichtigen Zellen, welche hier iu den Lücken einer schleimhaltigeii, faserigen G-rundsubstanz liegen, besitzen ein sehr dünnes Exoplasma und erscheinen im gehärteten Zustande meist faltig, zerknittert oder durch Scheidewände gekammert (vgl. Fig. 46 1. c). Solche Zellen hat Renaut ^ auch als hyaline Zellen bezeichnet und sie als typisch für eine Reihe von Stützsubstanzen erklärt, die er, wie schon oben angedeutet, unter der Bezeichnung des tissu fibro- hyalin zusammengefaßt hat. »Dieses eigentümliche Gewebe, welches weder gewöhnliches, geformtes Bindegewebe, noch Fettgewebe, noch Knorpelgewebe ist, zeigt mit diesen eine Reihe von Analogien.« Eine genauere Analyse der von Renaut hier zusammengefaßten Gewebebildungen ergibt jedoch, daß es sich um sehr verschiedene 1 Diese Zeitschr. Bd. LXXX. 1905. S. 252 u. f. 2 Systeme hyalin de soutenement etc. Arch. de physiol. 1881. p. 845 bis 860. — Traite d'Histol. prat. T. I. Paris 1893 (1888). p. 336. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 57 Formen handelt, die teils dem chordoiden, teils dem chondroiden Stützgewebe zugerechnet, teils ganz ausgeschieden werden müssen. So rechnet er hierher das blasige Stützgewebe der Schnecken — ohne einen Unterschied zwischen dem in den Radulastützen und dem im übrigen Körper zu machen — und das arachnoidale Füllgewebe der Petromyzonten, die oben bereits besprochen wurden. Dann das Gewebe im Sesamknoten der Achillessehne vom Frosch; dieses soll als besonderer, vom chordoiden gänzlich verschiedener Typus später besprochen werden. Weiter f. das Gewebe um die Retina des Petromyzon marinus und Chamäleon. Zur Anordnung des ersteren bemerkt Renaut^: Es bildet bei den Cyclostomen einen stützenden Becher für die Retina zwischen Choriocapi llaris und Sclera. Sein verdickter Boden wird vom Opticus durchbohrt, sein freier Rand reicht bis gegen die Ora. Zunächst muß ich betonen, daß sich dieses merkwürdige Gewebe nur bei Petromyzon ■marinus findet; bei P. Planen und bei großen Exemplaren von P. fluviatilis fand ich keine Spur davon. Es besteht aus verhältnismäßig großen, rundlichen oder ovalen Zellen, welche zum Teil so dicht aneinander grenzen, daß sie sich be- rühren, zum Teil nur verästelte Pigmentzellen, spärliche Bindegewebs- bündelchen und Blutgefäße zwischen sich fassen (Fig. 12). Bei einem durchschnittlichen Durchmesser von 50 — 60 fi können ovale Formen 110 x TO u erreichen. Die Zellen besitzen eine ausgesprochene membranartige Ober- flächenbegrenzung und im Innern einen großen, runden Kern; meist jedoch zwei bis drei und mehr (Fig. 13 b K), dann kleinere und häuf- chenartig gruppierte Kerne, die nicht selten Zeichen von Amitose zeigen. Vom Kern zieht zur Oberfläche ein ziemlich dichtes, an Alkohol- material derb- oder starrfädiges Gerüstwerk, dessen Lücken von fett- artig glänzenden, kugeligen oder durch Zusammenfließen von Kugeln entstandenen, homogenen Inhaltskörpern erfüllt werden. Diese lösen sich nicht in Alkohol, färben sich mit schwacher Jodlösung stark braun und zeigen auch im übrigen das Verhalten von Glykogen. An den mit Hämalaun-Eosin gefärbten Celloidinschnitten findet man in vielen Zellen mit Eosin rot gefärbte, formähnliche Kugeln und Tropfen, offenbar Trägersubstanz des gelösten Glykogens (Fig. 13). So gleicht dieses Gewebe am ehesten dem arachnoidalen Füllgewebe 1 Traite d'Histologie prat. T. I. 1. c. p. 343, Anm. 1. 58 Josef Scbaffer, im Bereiche des Gehirns, von dem es nur durch den reicheren Glvkogengehalt und die Größe seiner Zellen unterschieden erscheint. Beim Chamäleon soll nach Renaut (1. c.) das Gewebe auf einen hyalinen Ring reduziert erscheinen, welcher den N. opticus bei seinem Dm'chtritt durch die Sclera umgibt. Auch hier soll die Grundlage eine Aufblätterung der Nervenscheide und der Sclera sein, und die Faserbündel sollen sich von vorn nach hinten in die hyaline Masse fächerförmig ausbreiten. Bei dem von mir untersuchten Exemplare, dessen hintere Bulbus- hälfte ich in eine Serie zerlegte, fand ich keine Spur von einem ähnlichen Gewebe; wohl aber erscheint die innere Hälfte der Sclera verknorpelt, indem die Faserzüge einfach von einer chondromucoiden Kittsubstanz durchtränkt erscheinen, während die Zellen ohne Kapseibildung ihre abgeplattete und teilweise verästelte Form beibehalten. So bietet diese dünne Knorpellamelle das Aussehen einer oberflächlichen perichondralen Schicht eines typischen Hyalinknorpels dar. Dieser Knorpel ist auch schon von Chatin i beschrieben worden. Weiter rechnet Renaut ^ hierher g. die blasigen Zellen an der Oberfläche des Endoneuriums gewisser Nervenstämme; es sind dies eigentümliche Zellen von der Größe der im Sesamknoten der Achillessehne vom Frosch, mit glasartig durchsichtigem Proto- plasma, das ein Aussehen darbietet wie Schaumblasen, die halskrausen- artig um den polymorphen Kern angeordnet sind. Renaut hat sie daher als cellules godronnees, Falten- oder Krausenzellen bezeichnet. Sie finden sich vereinzelt, oft in großer Zahl, oder durch eine lamelläre Hülle zu knötchen- bis strangförmigen Gruppen vereinigt zwischen die imieren Lamellen des Perineuriums gewisser Nerven (Facialis, Medianus) von Pferd und Esel eingelagert, gegen die Oberfläche des Nervenbündels vorspringend. Renaut hält dies für eine Vorrichtung, welche die Nerven beim Durchtritt durch größere Muskelmassen vor Druck schützen soll. Diese Gebilde sind später auch bei andern Tieren und beim Menschen beschrieben und von Fr. Schultze^ als 1 Formes de passage dans le tissu cartilagineux. C. R. Acad. Sc. Paris 1897. T. CXXV. p. 738. 2 Sur les cellules godronnees et le sj-steme de soutenement intravaginal des nerfs des Solipedes. C. R. Acad. Sc. Paris. T. XC. 1880. p. 711. — Recherches &ur quelques points particuliers de Fhistologie des nerfs. — Arcli. de physiol. 1881. p. 161. — Traite d'Histologie prat. T. I. 1893. p. 347 u. f. 3 Über circumskripte Bindegewebshyperplasien oder Bindegewebsspindeln (Nodules hyalins von Renaut) in den peripheren Nerven des Menschen. VrR- CHOws Arch. Bd. CXXIX. 1892. S. 172. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgcwebes usw. III. ,59 RENAUTSche Körperchen bezeichnet worden; vielfach hat man sie für den Ausdruck pathologischer Veränderungen gehalten (endoneu- rale Wucherungen, Langhans i), worüber das zusammenfassende Re- ferat von Fr. Pick 2 einzusehen ist. Aus diesem geht auch hervor, daß es sich nicht um besondere pathologische Gebilde handelt; doch hält Pick auch ihre Bedeutung als eines einfachen Schutzapparates gegen Druck und mechanische Schädigung für unwahrscheinlich. Ich habe verschiedene Nerven des Pferdes auf diese Gebilde hin untersucht, unter anderm ein 12 mm langes Stück des N. facialis an einer Querschnittsserie, nachdem ich mit der von Renaut empfohlenen Präparationsmethode (Spaltung der Perineuralschneide und Entfernung der Nervenfasern) kein Glück gehabt hatte. Ich fand nun an vielen Querschnitten von Primitivbündeln an der Innenfläche der Perineuralscheide, wo sich deren Lamellen in das Endoneurium auflösen, zwischen die auseinander weichenden Lamellen oder Fäserchen einzelne blasige Zellen von der ganz charakteristischen Form, wie sie zuerst Renaut beschrieben hat, eingelagert: rundliche oder längliche Zellen, letztere bis zu 34 u lang und 20 11 breit, mit ein bis zwei Kernen und an Stelle eines Protoplasmakörpers eine struktur- lose, glasartig durchsichtige und chromophobe Membran. Diese umschließt aber fast nie einen einheitlichen Hohlraum, sondern grenzt durch tiefe Einziehungen gegen den Kern oder mehrfache Scheide- wandbildungen blasenförmige Kammern ab (Fig. 15). Gute Abbildungen dieser Zellen hat außer Renaut auch Kopp^ gegeben; sehr zutreffend scheint mir die Bezeichnung der Zellen als »gekammerter Blasenzellen« von Langhans zu sein. Wegen der Durchsichtigkeit dieser Gebilde, welche an die von Endothelschüppchen erinnert und ihrer mangelnden Färbbarkeit — am besten färben sie sich noch mit Hämalaun und Kongorot — können sie leicht übersehen werden. Stellenweise findet man mehrere solcher Zellen durch häutchenartige Scheidewände oder durchziehende Bündel- chen getrennt zu knötchenförmigen Gruppen angeordnet; sie stellen dann die von Renaut beschriebenen hyalinen Knötchen dar, welche die Nervenfasern nach innen drängen. An diesen Stellen finde ich in der Regfei eine Lage stärkerer läno;s verlauf ender Bindegewebsbündel 1 ViRCHOws Arch. Bd. CXXVIII. 1892. S. 318. 2 Über die RENAUTschen Körperchen (endoneurale Wucherungen, Lang- hans). Zusammenfassendes Referat. Centralbl. allg. Path. path. Anat. Bd. XII. 1901. S. 212. 3 VmcHOws Arch. Bd. CXXVIII. 1892. Taf. IX. 60 rJosef Schaffer, zwischen Knötclien und Nervenfaserbündel eingeschoben. Dieses Ge- webe gleicht am meisten jenem, welches ich bei Myxine in der Nach- barschaft des Auges beschrieben habe (siehe oben Abschnitt e). Wie ich schon dort hervorgehoben habe, sind die gekammerten Blasen- zellen von denen des typischen chordoiden Gewebes durch den Mangel der prall gespannten, funktionellen Gestalt unterschieden, doch können sie immerhin als Übergangsformen hierher gerechnet werden. Daß sie ein normales Vorkommen bilden, kann kaum bezweifelt werden, wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, daß Druck ihre Entwicklung befördert. Wenigstens stimmen die Angaben der verschiedensten Be- obachter darin überein, daß sich diese Zellen am häufigsten an Stellen finden, wo die Nerven besonderem Druck ausgesetzt sind: beim Durch- tritt durch größere Muskelmassen, Kenaut; an der Streckseite des Ellbogengelenks im N. ulnaris, Kopp; an der Umschlagsstelle des N. cutan. fem. ext. über die Spina ossis ilei, NavratzkiI; ich selbst finde diese Zellen in den Nerven der Volarseite der Finger und denen der Planta pedis von einem Hingerichteten. Bei diesem bilden sie deutlich knötchenförmige Gruppen (Fig. 14) dicht unterhalb des Peri- neuriums, P, zwischen diesem und den Nervenfasern, N. Die blasigen Zellen B, welche in diesem Falle durch die schwache Färbbarkeit ihres homogenen Inhalts mit Eosin ausgezeichnet sind, liegen vereinzelt oder zu Gruppen bis zu vier und mehr, um welche zarte Häutchen konzentrisch angeordnet erscheinen (L), so daß das ganze Gebilde auf den ersten Anblick einem Lamellenkörperchen ähnlich sieht. In der Tat scheint Dogiel^ echte, RENAUTsche Knötchen in einem N. alveolaris des Pferdes (Fig. 78) für »modifizierte VATER-PACiNische Körperchen« gehalten zu haben. Diese Topographie der blasigen endoneuralen Zellen würde am ehesten für die alte Annahme Kenauts sprechen, daß es sich um eine Einrichtung zur Verminderung des me- chanischen Druckes handelt; damit wäre dieses eigentümliche Gewebe funktionell den früher besprochenen Formen anzureihen. Nach Renauts Angabe ^ sollen ferner hierher gehören h. die blasenförmigen Zellen in den Tasthaaren der Säugetiere (Ratte und Meerschweinchen), weiter jene, welche die Umhüllung der Tastkörperchen im Entenschnabel bilden. Was die letzteren anbelangt, so wird ihre Umhüllung, so weit 1 Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. XVII. 1900. S. 99. 2 Der Bau der Spinalganglien des Menschen und der Säugetiere. Jena, G. Fischer, 1908. 3 Arch. de physiol. 1881. p. 856. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 61 ich sehe, ausschließlich von den bekannten konzentrischen Lamellen gebildet, deren äußere ziemlich kernreich sind^. An Osmimnpräpa- raten sehe ich allerdings oft eine eigentümliche, wellenförmige Faltung der äußersten, sonst ebenfalls enge aneinander liegenden Lamellen. Indem sich diese Ausbuchtungen mit einer gewissen Regelmäßigkeit in der Weise wiederholen, daß den Auswärtsbuchtungen der einen Lamelle Einwärtsbiegungen der benachbarten gegenüberstehen, kann am Durchschnitt der Eindruck einer Reihe blasiger Räume entstehen, an deren Wandung häufig ein Kern anliegt. Möglicherweise hat Re- NAUT derartige Durchschnittsbilder für blasige Zellen gehalten. Was das Gewebe in den Tasthaaren betrifft, so habe ich nach der sehr allgemein gehaltenen ersten Angabe Renauts zuerst geglaubt, es handle sich um das eigentümliche Alveolenwerk zwischen den beiden Haarbalgschichten, welches an Durchschnitten eine ge- wisse Ähnlichkeit mit einem blasigen Stützgewebe hat, aber nur ein bindegewebiges Balkenwerk mit unregelmäßigen, manchmal auch rundlichen Lücken, ohne blasige Zellen darstellt 2. Im zweiten Teil seines Lehrbuches ^ gibt Renaut aber an, daß es sich um den eigentümlichen Wulst an der Basis des Ringsinus handelt. (Ringwulst von Leydig und Odenius, 1. c.) Dieser soll bei der Ratte aus blasigen, hyalinen Zellen bestehen, zwischen denen zarte Bindegewebsbündel fächerförmig durchziehen. Dieses Gewebe soll nur an in l%iger Osmiumsäure fixierten Präparaten richtig erkannt werden. Ich habe diesen »Ringwulst« bei der weißen Ratte genauer untersucht; er besteht in der Tat aus einem höchst eigentümlichen Gewebe, dessen Bedeutung ebenfalls in seiner Druckelastizität zu liegen scheint, dessen Bau jedoch abweicht von dem des typischen blasigen Stützgewebes. Bevor ich auf die Ergebnisse meiner eignen Untersuchungen eingehe, sei kurz der bereits vorliegenden Anschau- ungen über den feineren Bau dieses Gewebes gedacht. Nach Odeniu« (1. c.) besteht der halbmondförmige Wulst aus einem fast homogenen Bindegewebe mit zahlreichen, im Innern kleinen und von den Kernen, sowie elastischen Fasern, die in der Richtung vom Stiele nach der Peripherie, besonders nach dem unteren Ende zu ziehen. »Gefäße habe ich hier nicht ge- funden. « 1 Man vgl. darüber Dogiels eingehende Schilderung (diese Zeitschrift Bd. LXVI. 1899. S. 364u. f.), welche von blasigen Zellen kein Wort erwähnt. 2 Dieses Gewebe wurde zuerst von Leydig (Arch. Anat. Physiol. 1859. S. 716), dann von Odenius (Arch. mikr. Anat. Bd. II, 1866. S. 451) genau be- schrieben. 3 Paris 1897. S. 330. 62 Josef Schaffer, BürkartI gibt eine ziemlich eingehende Schilderung der mikroskopischen Struktur des Ringwulstes nach Osmiumpräparaten. Die stärkeren, radienförmig den Körper des letzteren durchsetzenden Bindegewebsbündel sollen sich durch viele einander kreuzende Queranastomosen zu einem feinen Maschenwerk ver- einigen, in dessen enge aneinander liegenden Maschen Zellen eingebettet sind von polygonaler Gestalt und vergänglicher Natur. »Es war mir nicht möglich, an diesen Zellen eine Membran unzweifelhaft nachzuweisen, doch grenzen sich diesel- ben so scharf gegeneinander ab, daß man die Gegenwart einer selbständigen Um- hüllung wohl vermuten darf. — Sie haben einen verhältnismäßig großen, meist runden oder auch eckigen dunkelgefärbten Kern, welcher sich bei Karminbe- handlung rötet. « Die Bindegewebsfibrillen sind im frischen Zustand wenig deut- lich zu sehen. Die äußere Grenze des Ringwulstes wird von einer Membrana propria mit länglichen Kernen gebildet. DiETL" hat sich ebenfalls, zunächst ohne Kenntnis der vorstehend be- sprochenen Arbeiten, eingehender mit dem »schildförmigen Zellkörper«, wie er damals den Ringwulst nannte, beschäftigt. »Was seine histologische Struktur anbelangt, so besteht er in seiner Grundlage aus einem faserigen Gewebe, das ihn von seinem Insertionsrande an der inneren Sinuswand gegen den unteren freien Rand und gegen seine Oberfläche hin durchzieht und hier die erwähnten Flügel formiert. Dieses Gewebe ist in seiner ganzen Ausdehnung von schönen, teils runden, teils polygonalen, deutliche Kerne enthaltenden Zellen durchsetzt«; diese sollen besonders an Chromsäurepräparaten in Glyzerin deutlich zur Anschauung kommen. Die Abbildung, die er von der Katze gibt, zeigt dicht gedrängte und scharf begrenzte blasige Zellen in fünf- bis sechsfacher Reihe, durch die ein einziges Bindegewebsbündelchen zieht. In einer späteren Untersuchung ^ hat Dietl gezeigt, daß Form und feinerer Bau des »Ringwiilstes « so charakteristisch sind, daß man oft die Tierspecies an ihm erkennen kann. Dietl gibt eine Reihe von Abbildungen, die besser als seine gar zu kurze Beschreibung den geweblichen Aufbau des Wulstes kennzeichnen, und auf die sich die folgenden Bemerkungen beziehen. Als Grundlage des Wulstes nimmt er fibrilläres Bindegewebe und elastische Fasern an; letzteres halte ich für einen Irrtum, bedingt durch die Fixierung in Osmiumsäure, wie ich noch zeigen werde. Bei der braunen Ratte sind zahlreiche blasse Kerne so zwischen den feinen Fasern angeordnet, daß sie zu langen, hellen, spindelförmigen Zellen zu gehören scheinen. Das Gewebe erinnert so einigermaßen an das von mir* beschriebene um die lateralen Schlundkiemenknorpel bei Myxine. Bei Arvicola nehmen diese Zellen eine breitere, ovale Form mit zugespitzten 1 Über Nervenendigungen in den Tasthaaren der Säugetiere. Vorl. Mitt. Centralbl. med. Wiss. Bd. VIII. 1870. S. 514. ~ Untersuchungen über Tasthaare. I. Der anatomische Bau der Tasthaare. Sitzb. Kais. Akad. Wiss. Wien. Bd. LXIV. 1. Abt. 1871. 3 Untersuchungen über Tasthaare. III. Beiträge zur vergleichenden Ana- tomie derselben. Sitzber. Kais. Akad. Wiss. Wien. Bd. LXVIII. 1873. III. Abt. S. 213. ^ Diese Zeitschr. Bd. LXXX. 1905. S. 253. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 63 Enden an, so daß dieses Gewebe am ehesten der Auffassung von Renaut ent- sprechen würde. RänvierI hat das Gewebe des Ringwiilstes als .Schleimgewebe bezeichnet. Bonnet- bestätigt die Angaben Dietls und erwähnt kurz, »daß sich der Ringwulst aus Bindegewebe, Stern- oder Rundzellen und Kernen aufbaut, ein Bau, der mit der inneren Balglage mehr oder weniger konform, berechtigt, ihn als eine partielle Verdickung derselben aufzufassen«. Nach SzYMONOWicz^ besteht der Ringwoilst aus »schleimigem Bindege- webe, in dem sich zwischen den Bindegewebsfasern, welche von der inneren Wand des Blutisnus ausgehen, viele große stern- oder spindelförmige Zellen mit großen runden Kernen befinden*. KsjUNiN* gibt eine kurze historische Übersicht über den Ringwulst und stellt fest, »daß der schildförmige Körper in Wirklichkeit nur aus collagenen Gewebe- und Zellelementen besteht, elastische Fasern in seinem Innern jedoch nicht anzutreffen sind«, mit Ausnahme einzelner Fäserchen in den äußersten Abschnitten und im Stiel. Er findet diesen fast vollständigen Mangel bei dem sonstigen Reichtum des inneren Haarbalgblattes an elastischen Fasern geradezu auffallend. »In den dicht sich verflechtenden Bündelchen collagener Fasern des schildförmigen Körpers liegen bald mehr oder weniger runde, bald sternförmige Bindegewebszellen mit einem gut sich färbenden Kern in ihrem Körper. Die Fortsätze der sternförmigen Zellen sind zuweilen sehr lange und anastomosieren miteinander. « Auch bräunliche bis schwarze Pigmentkörner konnte Ksjunin öfters im Ringwulst beobachten. Im Gegensatz zu Ksjttnin betont Fritz neuestens^ das Vorkommen ela- stischer Fasern im Sinuskissen bei der Katze; sie sollen von der Längsfaserschicht in radiärer Richtung in das Kissen abgehen und sich da verzweigen. Auch un- regelmäßig verlaufende Fasern scheinen daneben vorzukommen. Weiter geht Fritz auf den Bau des Sinuskissens nicht ein. Doch zeichnet er in der schema- tisch ausgeführten Fig. 1 rundlich begrenzte, mit einem Kern in der Mitte ver- sehene Gebilde im Sinuskissen. Meine eignen Untersuchungen an den Spürhaaren der weißen Ratte ergaben, daß es sich im Gewebe des »Ringwulstes« oder »Sinus- kissens« (Martin^) um ein gefäßloses Gewebe handelt, wie dies schon 1 Traite technique d'HistoIogie. Paris 1875. p. 913. 2 Studien über die Innervation der Haarbälge der Haustiere. Morph. Jahrb. Bd. IV. 1878. S. 357. 3 Beiträge zur Kenntnis der Nervenendigungen in Hautgebilden. Arch. mikr. Anat. Bd. XLV. 1895. S. 643. * Über das elastische Gewebe des Haarbalgs der Sinushaare nebst Be- merkungen über die Blutgefäße der Haarpapille. Ebendort, Bd. LVII. 1900. S. 143. 5 Über einen Sinnesapparat am Unterarm der Katze nebst Bemerkungen über den Bau des Sinusbalges. Diese Zeitschr. Bd. XCII. 1909. S. 299. ^ Beitrag zur Entwicklung der Sinushaare unsrer Haussäugetiere. Deutsche Zeitschr. Tiermed. Bd. X. 1884. S. 112. 64 Josef Schaffer, Odenius und Schöbl^ betont haben. Es besteht aus ziemlich dicht gedrängten kugeligen Kernen von 7 — 8 /< Durchmesser, die an Osmium- präparaten (Fig. 16 K) vollkommen homogen, stark glänzend erscheinen. Zwischen diesen Kernen ziehen auffallend starre, ebenfalls stark glän- zende und ziemlich dicke Fäserchen im allgemeinen vom Stiel des Ringwulstes radiär gegen seine Peripherie, wobei sie fächerförmig ausstrahlen müssen. Am Osmiumpräparat machen diese Fäserchen entschieden nicht den Eindruck von leimgebenden, sondern eher von elastischen, doch sind wirkliche Verästelungen an ihnen nicht fest- zustellen. An Alkoholmaterial erscheinen die Fasern als blasse, streifige Bündelchen. Sie färben sich mit keiner der Methoden, mit denen man sonst elastische Fasern nachweist (Unna-Tänzee, Weigert, KuczYNSKi u. a.), dagegen lebhaft rot mit Pikrofuchsin, blau nach Mallory; sie sind deutlich positiv doppelbrechend und quellen in Essigsäure sofort zu einer glasartig durchsichtigen Masse auf, in der nur mehr die Kerne der Zellen erkenntlich sind. Es handelt sich also um dünnste Bündelchen collagener Fibrillen, die dm'ch die eigentümliche Wirkung der Osmiumsäure in starre, glänzende Fasern umgewandelt werden. Diese Fasern grenzen um die Kerne schmale helle Zonen ab, die im günstigsten Falle 14 — 16 fi im Durchmesser erreichen und welche von einem durchsichtigen Zellkörper eingenommen werden, in dem höchstens da und dort spärliche glänzende Körnchen gesehen werden können. An der Peripherie des Ringwulstes sind diese Zonen um die Kerne natur- gemäß am breitesten, und hier (Fig. 16 Z) entsteht der Eindruck, als würden die Kerne blasigen Zellen angehören, deren Oberfläche zum Teil von glänzenden Säumen begrenzt wird. Diese Säume sind in der Tat Fibrillenmäntel, welche radiär gestellte kegel- oder säulenförmige Zellgruppen abgrenzen, etwa ähnlich wie die Lebercapillaren einen sogenannten Leberzellbalken. Durch seitlichen Faseraustausch werden die Zellen manchmal auch quer zur Bündelrichtung begrenzt; doch ist dies durchaus nicht bei jeder Zelle der Fall. Vielmehr hängen in radiärer Richtung viele »Zellen« ohne deutliche Abgrenzung zusammen. Im ganzen entsteht allerdings bei oberflächlicher Betrachtung ein Bild, das einigermaßen an die blasigen Zellen im Sesamknoten der Achillessehne vom Frosch erinnert. In Wirklichkeit sind aber solche 1 Über die Nervenendigung an den Tasthaaren der Säugetiere, sowie über die feinere Struktur derselben. Sitzber. Kgh böhm. Ges. Wiss. Prag. April 1872 und Arch. mikr. Anat. Bd. IX. 1873. S. 197. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 65 Zellen in keiner Weise zu isolieren. Was man bei Isolationsversuchen erhält, sind Kerne mit anhaftenden zerrissenen Resten des homogenen Plasmakörpers, niemals eine Zelle mit scharf begrenzter Oberfläche. Die Zelloberflächen scheinen kontinuierlich mit den Fasern zu- sammenzuhängen; diese ziehen in einem Syncytium in einer gewissen Entfernung von den Zellkernen durch und begrenzen so Territorien, die je einer Zelle oder einem mehrkernigen Symplasma entsprechen. Nie- mals sah ich bei der Ratte eine verästelte Zelle; die Zellen machen mit ihren durchsichtigen, chromophoben Körpern vielmehr den Ein- druck von Blasen, doch entspricht ihr Verhalten nicht dem eines typi- schen blasigen Stützgewebes noch dem eines Schleimgewebes, als das es wiederholt bezeichnet wurde. Ein solches findet man aber in aus- gezeichneter Weise unterhalb des Ringwulstes gegen die Haarzwiebel hin, wie schon Dietl^ beschrieben hat. Die gallertartige Grundsub- stanz dieses »sulzigen Körpers« färbt sich auch mit Schleimfärbemitteln, was am Ringwulst nie der Fall ist. Das Gewebe des letzteren bildet also eine Stützsubstanz eigner Art, die aber nicht ohne Analogien ist. Ähnliche Verhältnisse zeigen z. B. die Barteln von Äcipenser und stellenweise das dorsale elastische Längsband vom Aal. Erstere stellen ungemein biegungselastische Gebilde dar, deren Gewebe von Pollard^ mit zweifellos chondroiden Formen dem »Vor- knorpel« zugerechnet wurde. In Wirklichkeit bestehen sie aus mem- bran- oder kapsellosen Zellen, welche von dichten Mänteln elastischer Fasernetze abgegrenzt werden. Ebenso verhält sich nach der Schilderung von Studnicka^ das elastische Längsband vom Aal, dessen Gewebe ebenfalls eine große Ähnlichkeit mit »Vorknorpel« besitzen soll. Ich finde jedoch die Abgrenzung der Zellen nur durch die elasti- schen Längsfasernetze bewirkt; zwischen diese durch hängen die Zellen, soweit man bei der Kleinheit dieser Gebilde beurteilen kann, zusammen, ohne eigne Wände zu besitzen. Ich komme auf diese Gewebeformen bei der Besprechung des chondroiden Gewebes zurück. Nebenbei möchte ich hier nur be- merken, daß ich bei der Untersuchung eines etwa 5 mm langen Stückes des Ligam. dors. sup. vom erwachsenen Aal keine Spur von »blasigen« Zellen zwischen den elastischen Fasern gefunden habe. 1 1873 I. c. S. 9 (S. A.) ~ The oral cirri of Siluroids and the origin of the head in vertebrates. Zool. Jahrb. 1895. Abt. f. Ontogenie. Bd. VIII. S. 373. 3 Anat. Hefte. XXI. Bd. 1903. S. 395. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 5 66 Josef Schaffer, Als letzte, von Renaut i mit Wahrscheinlichkeit hierher gerechnete Gewebeform wäre endlich das von M. Duval^ beschriebene i. Gewebe im sogenannten Sinus rhomboidalis der Vögel zu erwähnen. Nach der Schilderung, welche Duval gegeben hat, mußte Renaut, ohne das Gewebe selbst untersucht zu haben, eine hierher gehörige Form vermuten. Duval läßt es gebildet sein aus großen polyedrischen Zellen mit durch- scheinendem Inhalt, deutlicher Membran, einem exzentrisch nahe der Wand gelegenen Kern, der von etwas körniger Substanz umgeben wird. Sie messen 30 — 60 fx. Durch Überschneidung der unter- und übereinander liegenden Zell- wände entsteht der Anschein eines Netzwerkes. Die Kerne liegen aber keines- wegs in den Knotenpunkten desselben, sondern innerhalb der Zellen. Ein Schnitt durch dieses Gewebe, welches Duval auch als blasiges bezeichnet, soll voll- kommen einem durch das Gewebe der Chorda dorsalis gleichen. Die durch gegenseitigen Druck polyedrischen Zellen nehmen wieder die Form runder Bläschen an, wenn man sie isoliert. Über den gliösen Charakter dieses Gewebes war sich Duval vollkommen klar, indem er ausdrücklich betont, daß es sich ebenso aus Elementen des Me- dullarrohres entwickelt, wie die Ganglien- und Ependymzellen. Schon lange vor Renaut hat Leydig^ »die weiche Substanz, welche bei Vögeln den Sinus rhomboidalis des Rückenmarks ausfüllt «, mit den Geweben zusammen- gestellt, welche er später bei Mollusken und Decapoden als zellig-blasige Binde- substanz beschrieben hat. Allerdings rechnete er diese damals noch dem Gallert- gewebe zu, d. h. er hielt den Inhalt blasiger Zellen für Intercellularsubstanz und die optischen Durchschnitte aneinander stoßender Zellmembranen für ästige Zell- körper. Besonders die Gallertmasse im Sinus rhomboidalis schildert er* zu- sammengesetzt aus » Zellen von eigentümlich klarem Aussehen «, die mit ihren Ausläufern ein Maschenwerk bilden, »innerhalb dessen eine helle homogene Sub- stanz, die sich in Essigsäure nicht trübt, eingelagert ist«. Aber schon frühzeitig äußerte Leydig Zweifel über die Richtigkeit dieser Darstellung^, und später hat er, wie erwähnt, wenigstens das Gewebe der Mollusken und Decapoden als aus blasigen Zellen zusammengesetzt erklärt. Stieda^ bezeichnet Leydig als den ersten Autor, welcher das Füllgewebe des Sinus rhomboidalis richtig aufgefaßt hat; er selbst beschreibt dieses gallertige Gewebe auch als ein Netz von Zellen, welche durch Ausläufer miteinander ana- 1 Systeme hyalin de soutenement des centres nerveux etc. Arch. de phy- siol. 1881. p. 856. 2 Recherches sur le sinus rhomboidal des oiseaux, sur son developpement et sur la nevroglie periependymaire. Journ. de l'Anat. 1877. p. 1. 3 Lehrbuch d. Histologie. Frankfurt a. M. 1857. S. 24. * Kleinere Mitteilungen zur tierischen Gewebelehre. Müllers Arch. 1854. S. 334. 5 Lehrbuch 1. c. S. 25. ^ Studien über das centrale Nervensystem der Vögel und Säugetiere. Diese Zeitschr. Bd. XIX. 1869. S. 8. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 67 stomosieren. Es »färbt sich gewöhnlich in Karmin äußerst intensiv, indem die in den Maschen des Netzwerkes befindliche und durch die Einwirkung der Chrom- säure geronnene Flüssigkeit das Karmin lebhaft aufnimmt«. Wie DuvAL hat auch der erste Untersucher dieses Gewebes, RemarI, in ihm nur Kugeln, ähnlich den Fettkugeln (nur lösen sie sich nicht in Äther), kern- haltige Körper und Capillaren gefunden. Auch Stilling^ erklärte die Füllungs- masse des Sinus rhomboidalis als aus rundlichen und polyedrischen Zellen zusammengesetzt. Toldt^ hat das C4ewebe zum gallertartigen Bindegewebe gerechnet. Lachi* hat das Gewebe sowohl an Isolationspräparaten (aus Drittelalkohol) als an Schnitten untersucht. Die isolierten Elemente erwiesen sich »hauptsäch- lich als Kerne, von denen zahlreiche Fortsätze in allen Richtungen ausstrahlten. Um den Kern konnte ich keine Protoplasmaschicht erkennen, d. h. die Fortsätze gehen direkt vom Kern aus«. Diese Fortsätze sind zahlreich und haben die Ge- stalt feinster Fäden und nicht von Membranen, wie Duval glaubt; sie stehen mit den Xachbarzellen in Verbindung, so daß es nicht leicht ist, isolierte Elemente zu sehen, sondern meist nur Gruppen von solchen. Wesentlich für den Nachweis, daß es sich nicht um geschlossene Blasen, sondern, wie Lächi glaubt, um ästige Zellen mit flüssigkeitserfüllten Maschen- räumen handelt, ist die Beobachtung des Autors, daß diese Flüssigkeit beim Anstechen sich vollkommen entleert. Der Beschreibung Lachis entspricht auch seine Fig. 8 von isolierten Zellen, welche aber, wie die übrige Darstellung des Gewebes an Durchschnitten, als sehr sehematisch bezeichnet werden muß. In jüngerer Zeit hat sich Köllikeb^ mit diesem Gewebe beschäftigt und es einfach als eine Varietät des gewöhnlichen Gliagewebes erklärt, »das durch die Weite seiner Maschen und den mehr flüssigen Inhalt derselben, der unstreitig wesentlich Eiweiß ist, sich charakterisiert«. In der Anmerkung sagt er aller- dings, daß er bei der Untersuchung des frischen Gewebes neben sternförmigen Zellen Gebilde sah, die den von Duväl abgebildeten kernhaltigen Zellen glichen »und wird möglicherweise eine weitere Untersuchung ergeben, daß der betref- fende Gliawulst zweierlei Elemente enthält, die beide von Ependymzellen ab- stammen «. Diese weitere Untersuchung liegt nunmehr vor, wie ich nach Niederschrift des Vorstehenden finde. Imhof^ hat das Gewebe im Lumbaiwulst, wie er den Gliawulst (Köllikeb) im Sinus rhomboidalis nennt, sorgfältig an Schnitten mittels moderner Färbemethoden, sowie der schwarzen Silbermethode untersucht. Er 1 Observationes anatomicae et microsc. de syst, nervosi structura. Berol. 1838. p. 18. 2 Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarks. Kassel 1859. 3 Lehrbuch der Gewebelehre. 3. Aufl. 1888. S. 127. * Alcune particolaritä anatomiche del rigonfiamento sacrale nel midollo degli uccelli. Atti Soc. toscana sc. nat. Mem. Vol. X. Pisa 1889. p. 268. ^ Über die oberflächlichen Nervenkerne im Marke der Vögel und Reptilien. Diese Zeitschr. Bd. LXXII. 1902. S. 156. ß Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Lumbaimarkes bei den Vögeln. Arch. mikr. Anat. Bd. LXV. 1905. S. 526. 5* 68 Josef Schaffer, schildert das Gewebe als ein allgemeines protoplasmatisches Reticulum, dessen Elemente in syncytialer Verbindung sind und dessen einzelne Protoplasmabalken durch unverzweigte, freiendigende Gliafasern verstärkt und versteift werden. Die scheinbaren Blasen sind intercelluläre Lymphräume von polygonaler bis rundlicher Querschnittsgestalt und 20 — QO u Durchmesser. »Sie sind im un- verletzten Zustande prall mit Lymphe gefüllt, deren beim Fixieren und Härten coagulierende Eiweißverbindungen stets als trübe, diffus gefärbte Massen zu finden sind und die zuweilen dann als Zellprotoplasma gedeutet werden. « Die scheinbaren Blasenwände sind radiäre protoplasmatische Fortsätze eigentümlicher Gliazellen, die mit den Fortsätzen benachbarter Zellen stets in stumpfwinkelige Verbindung treten. »Diese Fortsätze können dann und wann die Gestalt eigent- licher Protoplasmabänder und Membranen annehmen, die, wenn sie schräg ge- schnitten sind, leicht Blasenwände vortäuschen «. Ich habe die Angaben der verschiedenen Autoren beim Huhn, der Taube und dem Sperling nachgeprüft und bin im wesentlichen zu demselben Ergebnis wie die neueren * Untersucher gekommen, daß es sich hier nicht um ein blasiges Stützgewebe handelt. Dagegen spricht schon die geringe Konsistenz des zerfließlichen Gewebes. Was jedoch das feinere Verhalten seiner Elemente betrifft, glaube ich auf Grund meiner Beobachtungen eine Auffassung vertreten zu müssen, welche die Angaben Duvals wenigstens teilweise verständ- lich macht, was ja nicht der Fall wäre, wenn es sich im Lumbal wulst schlechtweg um ästige Gliazellen handeln würde. Untersucht man das Gewebe z. B. bei einem Taubenfötus am Ende der Bebrütimg an Isolationspräparaten, die vorher stark mit Hämalaun und Eosin oder Kongorot gefärbt wurden, so gelingt es leicht zahl- reiche Elemente von rundlicher oder polyedrischer Gestalt zu be- obachten. Sie bestehen aus einem Kern (Fig. 17 a), von dem aus nach verschiedenen Richtungen, meist in einer kugelmantelartig gekrümmten Ebene, Fortsätze ausgehen, die aber untereinander durch ein zartes Häutchen von netzförmiger Struktur verbunden sind. Dieses Häutchen ist von der Fläche gesehen sehr blaß, und in ihm liegen, wie aufgesetzte Rippen, die stärker färbbaren Zellfortsätze und der nach innen vorspringende Kern. Im optischen Durchschnitt gesehen, erscheint das Häutchen wie ein Saum, der ein blasiges Gebilde begrenzt und in den glänzende, stark färbbare Fasern oder solche Punkte eingelagert erscheinen, je nachdem ein Zellfortsatz im optischen Längs- oder Querschnitt gesehen wird (Fig. 17 c, d). Diese Mem- branen traten an Schnitten durch den Lumbal wulst eines 18 Tage alten Hühnerembryo bei der Untersuchung in Wasser sehr deutlich hervor und verliehen dem Gewebe in der Tat ein blasiges Aussehen, L'ber den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 69 ^o daß die Schilderuni!; Duvals begreiflich erscheint. Dieses blasige Aussehen verschwand sofort bei Aufhellung der mit Hämalaun-Eosin gefärbten Schnitte, wobei die Membranen keine Farbe annehmen und im Lack unsichtbar werden. Nunmehr entsprach das Gewebe der Schilderung Lachis. Schließlich wäre hier auch noch in gewissem Sinne k. das Fett- gCAvebe anzureihen. Niemand wird die mechanische Bedeutung dieses als eines Stütz- gewebes leugnen wollen. Es vermag durch die Elastizität und Un- zusammendrückbarkeit seiner mit Flüssigkeit prall gefüllten, von einer Membran umschlossenen, blasigen Zellen an vielen Stellen des Tierkörpers eine ähnliche mechanische Rolle zu spielen wie typisches, blasiges Stützgewebe. Um nur zwei Beispiele anzuführen, so sehen wir die Kiemenregion von Myxine, welche des Schutzes durch ela- stische Knorpelspangen bis auf unansehnliche Reste vollständig ent- behrt, ausschließlich durch dichtgedrängte, große und mit derben Membranen ausgestattete Fettzellen vor Kompression geschützt i. Anderseits konnte ich zeigen 2, daß bei Bradypus der plantare, terminale Sesamknoten, der bei verschiedenen Tieren bald aus Knochen, bald aus Knorpel oder blasigem Stützgewebe besteht, durch eine Fettmasse ersetzt ist, die augenscheinlich einen großen Druck zu ertragen be- stimmt ist. Diese Auffassung des Fettgewebes, welche ihm neben seiner wesent- lichen Bedeutung für den Stoffwechsel auch eine nicht minder wichtige Funktion als Stützgewebe zuspricht, ist nichts Neues, aber, wie mir scheint, bisher zuwenig gewürdigt. Daß die erstere Bedeutung des Fettgewebes nicht die einzige sein kann, scheint mir schon daraus hervorzugehen, daß an gewissen Stellen das Fettgewebe auch beim Hungertode seine prallgefüllten Blasenzellen bewahrt. Bereits Kölliker^ und Leydig* haben die Zellen des Fettgewebes mit den blasigen Zellen der Mollusken, Kruster u. a. zusammengestellt und die me- chanische Leistung derselben betont. HaeckelS hebt besonders hervor, daß auch der Fettkörper der Insekten zum Teil zu jenem Bindegewebe gehört, »welches vorwiegend aus großen, hellen Bindesubstanzzellen besteht«; weiter betont er, daß ein Zusammenhang zwischen 1 Vgl. meine Mitt. im Anat. Anz. Bd. XXVIII. 1906. S. 68. 2 Diese Zeitschr. Bd. LXXXIII. 1905. S. 277. 3 Icones histologicae oder Atlas der vergl. Gewebelehre. Leipzig 1864/65. 2. Abt. 1. Hft. S. 97. * Lehrbuch der Histologie. Frankfurt 1857. S. 25. 5 Arch. f. Anat. u. Physiol. Jahrg. 1857. S. 504 u. 510. 70 Josef Schaffer, dem Fett- und Zellgewebe (wie er das zellig-blasige nennt) beim Krebse nicht zu verkennen ist. Die größten Formen des ersteren, wo ein großer Fetttropfen die ganze Zelle erfüllt, sind von denen des letzteren, wo oft dasselbe der Fall ist, nicht zu unterscheiden. Sehr nachdrücklich hat Fol^ die stützende Funktion des Fettgewebes betont, indem er dieses zu den Zellgeweben rechnet, »welche wegen ihrer Kon- sistenz und Gestalt die Rolle eines Skeletes übernehmen«. Bei Cetaceen erhebt es sich zu einer beständigen Schutzvorrichtung gegen Kälte und äußere Läsionen. Auch ScHiEFFERDECKEB^ hebt als eine der Funktionen des Fettgewebes die hervor, »als Schutzpolster gegen Druck und Stoß« zu dienen Die Verwandtschaft des Fettgewebes mit typischem Stützgewebe geht auch daraus hervor, daß 1) sowohl blasige Stützzellen s.str., als Knorpelzellen so viel Fett aufspeichern können, daß das ganze Ge- webe einem Fettgewebe sehr ähnlich wird (blasiges Stützgewebe bei Vögeln, Ohrknorpel und andre Knorpel kleiner Nager und Fleder- mäuse); 2) das Fettgewebe an manchen Stellen typisches Stützgewebe ersetzen kann; so z. B. geht das periaxiale Stützgewebe bei Cyclo- stomen gegen den Kopf zu allmählich in Fettgewebe über und ebenso das arachnoidale Füllgewebe wenigstens in eine fettreichere Modi- fikation. Anderseits sehen wir auch echte Knorpel durch Fettgewebe ersetzt werden. Ob die von Gegenbaur^ gemachte Angabe, daß bei der Entwick- lung der Wirbelsäule von Urodelen im vorderen Abschnitt der Wirbel- körper eine Umwandlung der Knorpelzellen in Fettzellen stattfindet, hierher gehört, habe ich nicht untersucht. Dagegen ist es bekannt, daß bei manchen Tieren der Knorpel der Epiglottis bis auf kleinste Reste durch Fettgewebe ersetzt sein kann. Über die Bedeutung dieser Substitution sei auf meine Unter- suchung* verwiesen. Aus ihr sei nochmals besonders hervorgehoben, daß das substituierende Fettgewebe der Epiglottis aus derselben embryo- nalen Anlage hervorgeht wie andre, höher stehende Stützsubstanzen (blasiges Stützgewebe, Knorpel) und daß alle diese Formen bei ein- zelnen Tieren (z. B. Hund) auch im räumlichen Übergange neben- einander an der Zusammensetzung des Epiglottisskeletes teilnehmen. 1 Lehrbuch der vergl. mikr. Anat. Leipzig 1896. S. 31 L ~ ScHiEFFERDECKEB und KossEL, Gewebelehre. Braunschweig 1891. S. 282. 3 Untersuchungen zur vergl. Anatomie der Wirbelsäule bei Amphibien und Reptilien. Leipzig 1862. S. 17 u. 20. * Zur Histologie, Histogenese und phylogenetischen Bedeutung der Epi- glottis. Anat. Hefte. Bd. XXXIII. 1907. S. 457. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 71 Spricht dieser Umstand deutlich für die Verwandtschaft aller dieser, im feineren Bau so verschiedenen Stützgewebe, so beweist die Substitution des Epiglottisskeletes durch Fettgewebe, daß letzteres imstande ist, die für die Epiglottis wesentliche Funktion elastischer Versteifung zu leisten, wodurch seine Zurechnung zum blasigen Stütz- gewebe vom mechanisch-funktionellen Standpunkt aus gerechtfertigt erscheint. Damit wäre auch die bis heute etwas unklare Stellung des Fett- gewebes im histologischen System befriedigend erklärt. Es vermittelt die Verbindung zwischen den reinen Füll- und Hüllgeweben, d. h. jenen Bindesubstanzformen, welche hauptsächlich zur Umhüllung von Organen und Ausfüllung von Spalträumen zwischen solchen, be- ziehungsweise ihnen und den Elementen höherer Gewebe (Drüsen- läppchen, Muskel-, Nervenfasern) dienen und den eigentlichen Stütz- geweben und stellt eine Abart des primitivsten, bei Wirbellosen noch weitverbreiteten dieser Gewebe, nämlich des diffusen, blasigen Stütz- gewebes, vom chordoiden Typus dar. B. Kompaktes chordoides Stützgewebe. Die isolierbaren Zellblasen grenzen mit ihren Membranen un- mittelbar aneinander und werden durch eine derbe, aber — in der reinen Form — selbst nicht stützfähige Umhüllung zu einem wohl- abgegrenzten Skeletgebilde zusammengehalten. Als Typus dieses Gewebes hat die Chorda dorsalis der Neunaugen und Myxinoiden, von Chimaera und den Ganoiden, von gewissen Knochenfischen {Sytignathus, Lophius^), von den meisten Amphibien- larven und endlich die embryonale Chorda der höheren Wirbeltiere zu gelten. Jedoch auch beim Säugetier nach der Geburt hat das Chorda- gewebe seine mechanische Rolle nicht ausgespielt, indem es stellen- weise seine Zusammensetzung aus blasigen, durch Turgordruck ge- spannten, isolierbaren Zellen und damit seine Funktionsfähigkeit bewahrt^. Dies ist der Fall bei den kleinsten Säugetieren, vornehmlich bei den langschwänzigen Nagern und Insectivoren in den distalen Teilen der Schwanz Wirbelsäule. Bei diesen Tieren kommt es nicht zur Ent- wicklung einer eigentlichen Zwischenwirbelbandscheibe. Der Raum 1 Vgl. Studnicka, Sitzb. böhm. Ges. Wiss. 1897. 2 Vgl. meine inzwischen erschienene vorl. Mitt. : »Die Rückensaite der Säugetiere nach der Geburt. Wien. akad. Anz. Nr. XVIII. 1910 <'. 72 Josef Schaff er, zwischen überknorpelten Wirbelenden und den Zwischenwirbeibändern wird ausschließlich von einem Chordasegment ausgefüllt. In den distalen Partien der Schwanzwirbelsäule besteht diese elastische Füll- masse aus großen, mit ihren Membranen dicht aneinander gepreßten, gespannten, an Glykogen reichen Blasenzellen, also aus typischem Chordagewebe (Fig. 18). Die Unzusammendrückbarkeit und Elastizität dieser Chordasegmente ist offenbar von wesentlicher, mechanischer Be- deutung für die Elastizität und Gleichgewichtslage (Streckung) des Schwanzes, welcher andrer elastischer Einrichtungen entbehrt. Weiter gegen die Wurzel der Schwanzwirbelsäule und im Bereiche des Kumpfes erleidet dieses Chordagewebe Veränderungen, welche hauptsächlich in einer reichen Schleimabsonderung zwischen die blasigen Zellen und eine dadurch bedingte Zerlegung des kompakten Chorda- segmentes in Stränge und Zellgruppen besteht, innerhalb welcher aber der blasige Charakter der Zellen teilweise erhalten bleibt. Bei fortschreitender Rückbildung können die durch schleimhaltige, netzförmig anastomosierende intercelluläre Kanäle und Lacunen zer- sprengten, ebenfalls netzförmig angeordneten Chordazellen zusammen- gepreßt werden und ihren Turgor verlieren. Sie bilden dann ein ent- fernt an das epitheliale Gewebe der Schmelzpulpa erinnerndes Netz- und Strangwerk, welches aber nicht aus verästelten Epithelzellen besteht, sondern aus zusammengefallenen, langgestreckten Zellblasen, die sich sträng- und netzartig aneinander fügen. Noch weiter gehen die Veränderungen bei jenen Tieren, bei denen es zur Entwicklung von Zwischenwirbelbandscheiben kommt. Beim Menschen z. B., bei dem wir noch nach der Geburt ein scharf abgegrenztes intervertebrales Chordasegment finden, welches teilweise aus schönen blasigen, teilweise aus zu Strängen verdrückten Chorda- zellen besteht, findet eine Durchwachsung dieses Chordagewebes von selten des umgebenden, überaus weichen Faserknorpels statt. Dabei werden die Chordazellen entweder durch einen Verschleimungsvorgang gänzlich aufgelöst oder sie bleiben in kleinen Gruppen als bläschen- förmige Zellen bestehen, oder sie kapseln sich ab. Dabei sondern sie, oft in vielzelligen Gruppen zusammengedrängt, eine dicke, geschichtete, gemeinsame Hülle ab, w^elche von den Autoren als Knorpelkapsel be- zeichnet worden ist, über die hinaus jedoch die Zellen keine assimila- torische Wirkung auszuüben vermögen. So entsteht das eigentümliche Mischgewebe des Nucleus pulposus. Kann man also hier nicht mehr von einem in mechanischem Sinne funktionsfähigen Chordagewebe sprechen, so ist ein solches zweifellos über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 73 in den langen Schwänzen der Mäuse und Ratten, vielleicht auch einiger Spitzmäuse vorhanden. Die Chorda dorsalis von Amphioxus, welche nach Fol^ ebenfalls hierher zu rechnen wäre, zeigt einen so abweichenden Bau, daß sie weder der von Fol selbst gegebenen Definition seines » Kapselgewebes «, noch der oben aufgestellten des chordoiden Stützgewebes entspricht und als ein Gewebe sui generis betrachtet werden muß. Dasselbe scheint von der sogenannten Chorda, dem Achsenorgan im Euderschwanz der Appendicularien (Copelaten), zu gelten; denn es bildet einen homogenen elastischen Stab, der an seiner Oberfläche von kernhaltigen Zellen (Chordascheide) bedeckt erscheint und nach KüPFFER 2 fest, elastisch, der Knorpelgrundsubstanz sehr ähnlich sein soll. Eine Zusammensetzung der Chorda aus polyedrisch aneinander schheßenden gleichartigen Zellen, wie sie Kowalewsky^ abgebildet hat, beruht nach Kupffer auf schematischer Darstellung. Bei manchen Ascidien (Clavelina) erscheint aber die Chorda nach der Darstellung Seeligers* durch kernhaltige, scheibenförmige Zeli- körper quer septiert, was wohl wie eine Aneinanderpressung groß- blasiger Zellen gedeutet werden könnte. Man vergleiche auch die neueste Mitteilung von Martini 5, welcher die ganze Chorda als eine syncytiale Bildving auffaßt. Das »Kapselgewebe« von Fol, welches »aus Zellen mit derben, kapselartigen Membranen« bestehen soll, »welche miteinander ver- kittet eine elastische und dennoch steife Masse bilden«, deckt sich zum Teil mit meinem chordoiden Stützgewebe, umschließt aber ander- seits auch chondroide Formen und echtes Knorpelgewebe. Fol rechnet hierher — außer der Chorda von Amphioxus — das Gewebe am Schirm- rande und in den soliden Tentakeln der Trachymedusen, sowie in den Kopfarmen mancher festsitzender Borstenwürmer, in den Stützorganen des Kauapparates bei Dentalium und den gastropoden Mollusken, die embryonale Chorda der höheren Wirbeltiere und das Skelet der Petro- myzonten. Von allen diesen angeführten Geweben ist aber hierher nur noch 1 Lehrbuch 1. c. S. 224 u. 338. 2 Zur Ent^väckhing der einfachen Ascidien. Arch. mikr. Anat. Bd. VIII. 1872. S. 358. 3 Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. Arch. mikr. Anat. Bd. VII. 1871. 4 Bronns Kl. u. Ord. III. Bd. Supplement, Leipzig 1904. S. 824. 5 Studien über die Konstanz histologischer Elemente. I. Oikopleura longi- cauda. Diese Zeitschr. Bd. XCII. 1909. S. 592. 74 Josef Schaff er, ZU rechnen das Stützgewebe in den Tentakeln der Hydroid- polypen und jenes im Sctiirmrand, in den Schirmspangen und soliden Tentakeln der Medusen. Für die Tentakel der genannten Cölenteraten bestellt kein Zweifel, daß sie aus isolierbaren, blasigen, mit festeren Membranen versehenen, ähnlich den Chordazellen aus dem Entoderm stammenden Zellen be- stehen, die von einer Scheide (dem Stützlamellenschlauch) zusammen- gehalten werden. Weniger klar sind die Angaben über den Bau des O Schirmrandes gewisser Medusen (Geryonien), welcher einerseits als knorpelig beschrieben, anderseits aber wieder mit dem chordoiden Gewebe der Tentakelachsen verglichen wird. GegenbaurI bildet das Angelorgan einer Bhizophysa ab, dessen Körper aus großen, polyedrischen Zellblasen, »gewissen Pflanzengeweben .nicht unähn- lich besteht«. Später^ beschreibt er bei Lizzia in den Randtentake'n polyedrische helle Zellen, die weiterhin in einfacher Reihe übereinander liegend die ganze Dicke des Tentakels einnehmen. »Die Zellmembranen bilden übereinanderliegende Scheidewände mit wandständigem Kern. « Ebenso gereihte Zellblasen bildet er aus den starren Tentakeln einer Qeryonia (Cunina) ab. Nach Kölliker3 enthalten die Tentakel der (von ihm untersuchten) Hydroidpolypen und alle soliden Tentakel von Medusen eine aus schönen Zell- reihen gebildete Achse, welche er zur » einfachen zelligen Bindesubstanz « rechnet. »Die Zellen stehen in einer, zwei oder mehr Reihen, haben deutliche Membranen, ein den Kern einschließendes Protoplasma, von welchem meist sternförmig Fäden nach verschiedenen Gegenden der Zellwand ausstrahlen imd neben demselben noch eine helle Flüssigkeit als Inhalt. « Köllikeb betrachtet sie als elastische Stützbildungen und leitet sie bereits vom inneren Epithel des Leibes ab. An andrer Stelle* betont Kölliker bereits, daß die Zellen der »einfachen zelligen Bindesubstanz «, die er als »rund oder dem Runden sich nähernd « be- zeichnet und die daher dem entsprechen, was ich hier als »blasige Zellen« be- spreche, teils als Stützsubstanz dienen und dann eine wässerige Zellflüssigkeit und festere Membran besitzen, wie z. B. die Achsenzellen der Tentakel der Hydro- zoen, die Zellen des Zellenknorpels; teils als Ausfüllungsmasse verwertet werden und dann zartere Wandungen und ebenfalls flüssigen oder mehr protoplasmatischen Inhalt besitzen. Hierher rechnet er die blasigen Zellen der Mollusken und Kruster und die Zellen des Fettgewebes. (Betrachtet man aber die mechanische Be- deutung dieser Ausfüllungsmasse näher, so kommt es schließlich doch auch auf eine stützende Funktion hinaus.) 1 Beiträge zur näheren Kenntnis der Schwimmpolypen (Siphonophoren). Diese Zeitschr. Bd. V. 1854. Fig. 8, Taf. XVIII. 2 Versuch eines Systems der Medusen usw. Ebendort, Bd. VIII. 1857. S. 227. 3 Kurzer Bericht über einige . . . vergleichend anatomische Untersuchungen. Würzburger naturw. Zeitschr. Bd. V. 1864. S. 236. * Icones histologicae oder Atlas der vergl. Gewebelehre. Leipzig 1864/65. 2. Abt. 1. Hft. Die Bindesubstanz der Cölenteraten. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 75 KöLLiKER befaßt sich hier selir eingehend niit der »zelligen Bindesubstanz« der Cölentcraten und bezeichnet für sie als charakteristisch, daß sie einzig und allein aus zelligen Elementen mit Ausschluß jeder Zwischensubstanz besteht. »Diese Zellen haben immer und ohne Ausnahme deutliche und festere Mem- branen. Die Zellen sind allerdings nur durch einfache Konturen abgegrenzt, dabei aber so scharf und deutlieh gezeichnet, daß man unwillkürlich an Knorpel- zellen erinnert wird. « »Die Zellen sind druckfest und werden auch von kausti- schen Alkalien und schwächeren Säuren in der Kälte so wenig angegriffen, daß man sie damit frei darstellen kann. « Diese letztere Angabe, verbunden mit der weiteren, daß die Tentakelachsen mancher Medusen, z. B. Aequorea, eine bedeutende Ähnlichkeit mit der Chorda dorsalis der höheren Tiere erreichen, läßt wieder deutlich den schon wiederholt betonten Widerspruch erkennen, in welchen Kölliker bei Beurteilung des Chorda- gewebes und des »Zellenknorpels« geraten mußte, da er beide Gewebe als solche ohne Zwischen- oder Grundsubstanz aufgefaßt hat. Einer ähnlichen Unklarheit begegnen wir in der Schilderung, welche gleich- zeitig HaeckelI vom Stützgewebe der Medusen, das er als M e d u s e n k n o r - p e 1 bezeichnet, gegeben hat. Er beschreibt diesen »Knorpel « bei verschiedenen Medusen an verschiedenen Stellen und unterscheidet danach einen Ring-, Spangen- und Tentakelknori^el. Bei Glossocodon {Liriope.) bildet ein dünner cylindrischer oder halbcylindrischer Knorpelring den untersten Teil des Schirmrandes. Er gibt dem Mantelrand vermöge seiner mit großer Elastizität verbundenen Festigkeit seine bestimmte und bleibende Kreisform. Er besteht aus dicht gedrängten Reihen kleiner Knorpel- zellen, welche durch ziemlich reichliche Intercellularsubstanz getrennt sind. Bei Carmarina gehen von dem Knorpelring noch mehrere kurze, haken- förmig gebogene Ausläufer in Form sehr schmaler Knorpelstreifen (Mantelspangen) aus, die nur aus einer einzigen Reihe von Knorpelzellen bestehen. Die interradiären Tentakel bestehen aus sehr großen, wasserklaren Zellen, die nach der Abbildung (Fig. 40) ganz chordoiden Stützzellen entsprechen; dafür spricht auch die weitere Angabe, daß in den starren Tentakeln der Aginiden, die ebenfalls aus einer Reihe sehr großer Zellen gebildet werden, die Knorpel- kapseln der einzelnen Zellen bisweilen voneinander isoliert werden können. Dem- gegenüber macht der »Ringknorpel« nach der Beschreibung und Abbildimg von Haeckel (Fig. 41 u. 70) mit den breiten Zügen von homogener Intercellular- substanz — »in der Mitte zwischen je drei Zellen ist sie oft breiter, als der Quer- durchmesser der Zellen selbst« — und den protoplasmatischen membranlosen Zellen allerdings eineii sehr knorpelähnlichen Eindruck, trotzdem die Intercellular- substanz nichts enthält, was den Knorjselkapseln der höheren Tiere entspricht und auf eine schichtenweise Ablagerung deutete. Kölliker 2 bemerkt auf Grund dieser Darstellung Haeckels, daß es sich in der Tat um einen echten Knorpel mit Grundsubstanz handelt, der von dem- jenigen höherer Tiere nicht verschieden zu sein scheint. Er fügt aber an der- selben Stelle (S. 107) hinzu: »Es kann übrigens keinem Zweifel unterliegen, daß 1 Die Familie der Rüsselquallen (Geryonida). Jen. Zeitschr. Bd. II. 1866. S. 103, 307—316. 2 Icones histolog. 1. c. S. 106. 76 Josef Schaff er, der Geryonien-Knorpel histologisch unmittelbar an die einfache zellige Binde- substanz der Hydrozoen sich anreiht und daß zwischen beiden nur der geringe Unterschied besteht, der an andern Orten zwischen älterem und jüngerem Knorpel sich findet. « Es ist auffallend, daß diese gewiß höchst bemerkenswerten Angaben Haeckels eigentlich keine Bestätigung gefunden haben. GegenbatjrI bezeichnet den »Ringknorpel« der Geryoniden als ähnlich zusammengesetzt, wie die Tentakel- achsen der Hydriformen und Medusen, und Kölliker rechnete ihn später 2, wie erwähnt, zum »Knorpel ohne Grundsubstanz«. Eine eingehende Schilderung des Stützgewebes der Polypoidenarme hat dann F. E. Schulze 3 bei Cordylo'phora lacustris gegeben. Der handschuhfingerförmige Stützlamellenschlauch wird von einem soliden, aus großen, vollsaftigen Zellen bestehenden Achsenstrang voll- ständig ausgefüllt. An allen diesen Zellen unterscheidet man »deutlich eine derbe Membran, welche sich sowohl gegen die benachbarten Teile, als auch nach innen zu scharf abgrenzt. Durch den zum großen Teil von wasserheller Zell- flüssigkeit erfüllten Binnenraum zieht sich ein verästeltes Netiz von Proto- plasmafäden, welches von einer den Kern umhüllenden centralen Ansammlung ausgehend an der Peripherie mit einer primordialschlauchähnlichen, dünnen Grenzlage sich verbindet. Der helle, rundliche Kern zeigt ein sehr großes, stark lichtbrechendes kugeliges Kernkörperchen . . . Besonders hervorheben ^\dll ich endlich noch, daß es mit Hilfe der oben angegebenen Maceriermethoden — Vor- fixierung in 0,2%iger Osmiumsäure kurze Zeit (2 — 3 Min.), nachträgliche Maceration mit Müllers Flüssigkeit, Jodserum oder V2%iger Kochsalzlösung • — außer- ordentlich leicht gelingt die einzelnen Zellen sowohl voneinander, als auch von der Umgebung zu trennen und so vollständig zu isolieren, daß sie in dem Stütz- lamellenschlauch hin- und herflottieren. « Ähnlich schildert F. E. Schulze* den Bau der Tentakel von Syncoryne Sarsii, wobei er die blasigen Stützzellen direkt als » den Chorda dorsalis-Elementen ähnliche Zellen« bezeichnet und von Tiarella singularis^. Hamann ^ bezeichnet das Gewebe in der Tentakelachse als e n d o d e r m a - les Bindegewebe. Er schildert den feineren Bau der Zellen übereinstim- mend mit F. E. Schulze. Bei den Tubularien, bei welchen das Gewebe am mächtigsten entwickelt auftritt, liegt der Kern der Zellwandung an; diese besitzt eine blasige, kugelige Form. Sonst liegen die Zellen »in der Tentakel- achse, wie die Geldstücke in einer Geldrolle oder die Zellen im Chordagewebe. — Auch bei den Tentakelachsen der jungen Actinulae ist dies der Fall. Beim erwachsenen Tier hingegen liegen dieselben regellos angeordnet, wde sie auch im Ringwulst vorkommen«. Hamann bildet auch vollkommen isolierte, 1 Grundriß der vergl. Anat. Leipzig 1874. S. 105. 2 Handbuch der Gewebelehre. 6. Aufl. I. Bd. 1889. S. 114. 3 Über den Bau und die Entwicklung von Cordylophora lacustris Allm. Leipzig 1871. * Über den Bau von Syncoryne Sarsii Loven usw. Leipzig 1873. 5 Tiarella singiilaris, ein neuer Hydroidi^olyp. Diese Zeitschr. Bd. XXVII. 1876. S. 402. 6 Der Organismus der Hj^droidpolypen. Jen. Zeitschr. Bd. XV. 1882, S. 480 u. f. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 77 »chordaähnliclie« Zellen aus der Tentakelachse einer Pennaria Cav. ab (Fig. 12, Taf. XXlll). Eine abweichende Schilderung gibt JickeliI, indem er zwischen den blasigen Zellen der Tentakelachsen trennende Lamellen beschreibt, welche die Stütz- lamelle zwischen die Achsenzellen hineinsenden soll. Wenn sich diese Angabe, welche in Analogie stände mit einer im nächsten Abschnitt zu besprechenden Airffassung, die Klaatsch vom Bau der Amphioxus-Chorda, entwickelt hat, be- wahrheiten würde, dann könnte das Gewebe der Tentakelachsen bei den Hydroid- polypen nicht dem koii.ipakten, sondern müßte als besondere Form dem diffusen, chordoiden Stützgewebe zugerechnet werden. Vogt und Yuxg'^ vergleichen die Stützzellen in den Tentakelachsen und Mantelspangen mancher Craspedoten mit Knorpelzellen. C. Rael3 faßt das Tentakelgewebe der Hydroidpolypen ähnlich auf wie das Chordagewebe; »nur daß hier in jeder Zelle eine größere Anzahl von Vacuolen entsteht und das Protoplasma zwischen den Vacuolen als zierliches Plastinnetz zurückbleibt«. Wie oben gezeigt wurde, kommen diese Verhältnisse gelegentlich auch im Chordagewebe vor, so z. B. in der Schwanzchorda der Ratte und nach Studnicka'I^ in der Chorda mancher Teleostier, deren Zellen er mit den sogenannten Knorpelzellen gewisser Cölenteraten, Campanularia, Limnocodium (Entoderm- zellen der Tentakel), weiter den Zellen der knorpeligen Achse der Tentakel von Spirographis vergleicht. Allerdings muß dazu bemerkt werden, daß es sich hier nicht um die typische, auf der vollen Höhe ihrer mechanischen Funktion stehende Chordazelle handelt. Auch Bergh^ stellt das Tentakelgewebe mit dem der Chorda als epitJieliale Stützgewebe zusammen und bemerkt, daß sie nicht ohne weiteres zu den bindegewebigen Substanzen gezählt werden können, wegen des Mangels an Intercellularsubstanz. ChUiS'ö schließt sich in der Auffassung des Gewebes bei den Hydroidpolypen, das er als e n t o d e r m a 1 e s S t ü t z g e w e b e bezeichnet, hauptsächlich F. E. Schulze und Hamann an. Auch er betont die auffallende Ähnlichkeit der Achsenzellen, besonders in den mehrzelligen basalen Polstern von Tubularia mit dem Chordagewebe der Vertebraten. »Unter den Medusen lassen sich ähn- liche Verhältnisse wie bei den Hydroiden nachweisen. « Ich selbst habe das chordoide Stützgewebe von Tuhidaria und Carmarina hastata, leider nur an konserviertem Material, untersuchen können. Betreffs der allgemeinen Anordnung der großen, blasigen Zellen im basalen Polster von Tubularia kann ich auf die Textfiguren von 1 Der Bau der Hydroidpolypen. Morph. Jahrb. Bd. VIII. 1883. S. 390. ^ Lehrbuch der prakt. vergl. Anatomie. Braunschweig 1885/88. Bd. I. S. 163. 3 Prinzipien der Histologie. Anat. Anz. Verhandl. Anat. Ges. IIL Vers. Berlin 1889. S. 48. i Anat. Hefte. Bd. XXI. 1903. S. 450. ^ Vorlesungen über die Zelle usw. Wiesbaden 1894. S. 95. 6 Bronns Kl. u. Ord. Coelenterata. IL Bd. 2. Abt. 1897. S. 316. 78 Josef Schaff er, GoDLEWSKi jun.i verweisen. Die äußerst dünnen Membranen dieser Zellen liegen so dicht aneinander, daß sie an Schnitten, ganz ähnlich wie im blasigen Gewebe des Krebses, mit dem sie die meiste Ähnlichkeit besitzen, als einfache Scheidewände erscheinen (Fig. 19 AI). Von einer Mittellamelle zwischen den blasigen Zellen im Sinne Jickelis konnte ich nichts sehen. Das Vorhandensein einer solchen ist um so unwahr- scheinlicher, als es an Material aus Müllers Flüssigkeit gelingt, durch Streichen der Tentakel mit einer flach aufgelegten Nadel den zelligen Inhalt auszustreuen, ähnlich wie dies Schwann von der Chordagallerte beschreibt. Man erhält dann oft ganze Zellgruppen im Zusammen- hang, während die Scheide als glattwandiger leerer Schlauch zurück- bleibt. Allseitig geschlossene Zellblasen zu isolieren, gelang mir auf diese Weise nicht, obwohl diese Isolierbarkeit nach der Angabe der Autoren außer Zweifel steht. Das basale Polster mit seinen großen Zellen wird von den kleineren Zellen der aufsitzenden Tentakel ringsum durch eine dünne Lamelle getrennt. Die kleinen Kerne der blasigen Zellen sind wandständig und liegen in einer stärkeren Protoplasmaumhüllung, die als dünnster Belag die Membran der Zellen bedeckt, ganz ähnlich wie dies beim Krebs beschrieben wurde. Die der Chordascheide entsprechende Umhüllung der blasigen Zellen zeigt eine feine Längsstreifung und ist, entsprechend dieser, positiv einachsig doppeltbrechend. Bei Zusatz von altem Nelkenöl kehrt sich diese Doppelbrechung um, wird aber nach Entfernung des Nelkenöls mit Alkohol wieder hergestellt. Diese Tentakel besitzen einen hohen Grad von Elastizität; biegt man sie mit Nadeln unter der Lupe zusammen, so schnellen sie nach Entfernung der Nadeln sofort wieder in ihre ursprüngliche Lage zurück. Die starren Tentakel von Carmarina besitzen eine auffallend dicke, anscheinend homogene Scheide, ähnlich etwa wie die im nächsten Abschnitt zu besprechenden Mundeirren von Amyhioxus. Sehr auffällig ist die starke Basophilie dieser Scheide; sie färbt sich stark mit Dela- FiELDs Hämatoxylingemisch, aber auch mit Hämalaun und meta- chromatisch in maximal verdünntem Thionin oder Safranin. Sie besteht aus zwei ungleich dicken Lagen: einer dünneren, inneren, die aus feinsten circulär angeordneten Fäserchen besteht und stärker basophil ist als die dickere, äußere, längsstreifige Lage, an welcher unmittelbar die Muskeln inserieren. 1 Zur Kenntnis der Regenerationsvorgänge bei Tubularia mesembryan- themum. Arch. Entwicklungsmech. Bd. XVIII. 1904. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 79 Die feinfaserige Struktur dieser Scheide ist wahrscheinlich durch eine basophile Kittsubstanz maskiert und nur an Zerzupfungspräpa- raten nachweisbar. An Schnitten erscheint sie glasartig durchsichtig, aber ziemlich stark doppelt lichtbrechend, und zwar positiv, entspre- chend der Faserung. Auch diese Doppelbrechung läßt sich durch Zusatz von Phenolen umkehren. Diese Scheide muß in Verbindung mit den großen, blasigen Zellen, welche sie umschließt, den Tentakeln den hohen Grad von Elastizität und Festigkeit, der sie auszeichnet, verleihen. Die dünnen Scheide- wände der fest aneinander gepreßten Zellen erscheinen am Schnitt wieder wie einfache Membranen, über welche man im Profil die Kerne vorragen sieht. Diese Kerne sind oft in der Mehrzahl, manchmal in Gruppen von fünf bis sechs, vorhanden, die wie durch Sprossung ent- standen aussehen. Sie liegen in einem zarten, großlöcherigen Protoplasmanetz, das größtenteils den Zellmembranen anliegt, in feinen Fäden aber auch den von Flüssigkeit erfüllten Raum der Zellen durchspannt. An Schnitten aus Müllers Flüssigkeit heben sich die Membranen vielfach als zu- sammenhängende Häutchen von der Scheide ab. Eine zweifellose Isolation der Zellblasen ist mir an meinem konservierten Material nicht gelungen; doch muß ich eine solche mittels entsprechender Methoden, z. B. denen, welche F. E. Schulze bei den Hydroidpolypen angewendet hat, voraussetzen. Der elastische Reifen des Schirmrandes zeigt nun ganz denselben Bau wie diese Tentakel, nur daß ihm die äußere Lage der basophilen Faserscheide fehlt, an deren Stelle sich die zarte Gallerte des Schirmes selbst findet. Wo ein starrer Tentakel von diesem Randreifen entspringt, gehen die blasigen Zellen des Reifens, sowie deren stark basophile Scheide unmittelbar in und auf den Tentakel über; nur tritt sofort auch die äußere Schicht der Scheide zur inneren hinzu. An Schrägschnitten durch den Randreifen zeigt er stärker gefärbte, bandartige Längsstreifen, die teilweise untereinander unter spitzen Winkeln anastomosieren, die aber mehr den Eindruck einer Pseudo- struktur infolge der zweifellos vorhandenen Schrumpfung machen. Ein »Medusenknorpel« im Sinne Haeckels ist demnach nicht vorhanden; nirgends konnte ich eine stärker entwickelte Intercellularsubstanz mit in ihr eingeschlossenen, nackten, proto- plasmatischen Kernen finden. Das Skelet von Cmmarina wird viel- mehr ausschließlich von einem typischen chordoiden Stützgewebe 80 Josef Schaffer, gebildet, das zum Aufbau chordaäbnlicher, wohl abgegrenzter Skelet- stücke — Scliirmreifen, Maiitelspangen und Tentakel — verwendet erscheint. Hierher gehört endlich noch jenes Gewebe von Am'phioxus, welches von manchen Autoren als Knorpel, insbesondere von KlaatschI als ^w^j/woxtts - Knorpel bezeichnet worden ist, wenn auch die Zellen dieses Gewebes den funktionellen Charakter gespannter Blasen kaum mehr erkennen lassen. Es hat zwar schon Eathke^ die Grundlage des Tentakelapparates als »Mundknorpel« bezeichnet und Jon. Müller ^ sie geradezu mit den Knorpelfäden in den Kiemenblättern der Fische verglichen; trotz- dem sind die verschiedensten Anschauungen über das, was man bei dmphioxus als » Knorpel « zu betrachten habe, geäußert worden. Ohne mich auf eine erschöpfende geschichtliche Darstellung der Frage ein- zulassen, erwähne ich, daß Kathke und Jon. Müller auch die Kiemen- stäbe als knorpelig bezeichnen. Ray Lankester* hat jenes galler- tige, von Fasern und zelligen Röhren durchzogene Gewebe, das sich in der Haut besonders mächtig entwickelt, im Bereiche der Peri- branchialfalten findet und sich mit Hämatoxylin färbt, für eine Art Knorpel gehalten. Klaatsch ^ wiederum bezeichnet die Inhaltsmasse der ■ Mund- tentakel als einen zelligen Knorpel, der direkt mit dem Cyclostomen- knorpel zu vergleichen sei und hebt zuerst die ganz intensive Färb- barkeit der Hülle oder »Achsenscheide« mit Hämatoxylin hervor. Nicht ganz in Übereinstimmung mit dieser Deutung scheint es mir zu stehen, wenn Klaatsch gleichzeitig die auffallende Ähnlichkeit des Gewebes mit dem der Chorda von Ämphioxus betont, eine Ähnlich- keit, die bereits Quatrefages*^, Stieda", Rolph^ und Schneider ^ 1 Über den Bau und die Entwicklung des Tentakelapparates des Am- 'phioxus. Verhd. Anat. Ges. 12. Vers. Kiel 1898. 2 Bemerkungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. Königsberg 1841. 3 Über den Bau und die Lebenserscheinungen des Branchiostoma lubri- cum usw. Abhdl. K. Akad. Wiss. Berlin 1842. 1844. * Contributions to the knowledge of Amphioxus lanceolatus. Quart. Journ. Micr. Sc. Vol. XXIX, 1889. 5 1. c. G Ann. Sc. Natur. Ser. III. (Zool.) Vol. IV. 1845. ■^ Mein, de l'Acad. imper. des sc. de St. Petersbourg. VII. Ser. T. XIX. 1873. Nr. VII. p. 27. 8 Morph. Jahrb. Bd. II. 1876. S. 101 u. f. ä Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgesch. der Wirbeltiere. Berlin, Reimer, 1879. S. 10. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 81 hervorgehoben haben und die nach der Schilderung, welche Klaatsch vom Cirrengewebe gibt, noch größer wäre, als sie in der Tat ist. Er beschreibt es (bei jungen Stadien) nämlich als » einfache Zellsäulen, deren Elemente durch genau zur Längsachse gestellte zarte Septen geschieden sind .... Die Zellsepten gehen außen in eine der ganzen Zellsäule gemeinsame, aus gleicher Substanz gebildete Hülle über. . . Beim erwachsenen Tier erscheinen die Zellen bedeutend in die Länge gewachsen, die Septen vielfach geknickt, gleichsam zerknittert und der Zelliiihalt durch einen Vacuolisierungsprozeß aufgehellt.« Wie ich zeigen werde, gibt es zwischen den Zellen des Tentakel- gewebes solche Septen, die etwa den dünnen, homogenen Chordaplatten des Tieres (v. EbnerI) entsprechen würden, nicht; aber Klaatsch war in keinem Falle berechtigt, dieses Gewebe als Knorpel zu bezeichnen, da einerseits die Ähnlichkeit mit dem »Zellknorpel der Cyclostomen« nicht vorhanden ist, anderseits die »nahen genetischen Beziehungen von Knorpel- und Chordagewebe« nicht genügen, um ein chorda- ähnliches Gewebe als »Knorpel« hinzustellen. Joseph 2 hat sich sowohl gegen die Auffassung von Ray Lan- KESTER als gegen die von Klaatsch gewendet. Gegen ersteren be- merkt er, daß die von ihm für Knorpel gehaltene Substanz durch ihre Konsistenz vom Knorpel grundverschieden ist und auch nach ihrer Verteilung im Körper keinerlei Beziehungen zu demselben zeigt. Klaatsch gegenüber betont er, daß der Bau des Tentakelinhaltes mit seinen großen Vacuolen nicht die Bezeichnung Knorpel rechtfertige; vielmehr erinnere derselbe an die merkwürdigen Stützvorrichtungen bei vielen Wirbellosen, z. B. an die soliden, aus einer Zellreihe be- stehenden Tentakelachsen der Hydroidpolypen. Dagegen schildert Joseph in dem von ihm beschriebenen Halb- cylinder der Mundtentakel, in den Kiemenstäben und Velumzacken ein zellenloses, fibrilläres Gewebe, welches durch eine intensive Färb- barkeit mit Pikrinsäure ausgezeichnet ist; dieses Gewebe faßt er als zellenloses Vorstadium des zelligen Knorpels der Cranioten auf. Wenn man nun auch mit Joseph in dem zellenlosen Zustande dieses »Am- 'phioxus-ls.novjieh « ein » phylogenetisches Stadium « erblicken wollte, so muß doch betont werden, daß auch bei den niedersten Wirbel- tieren, den Petrom3^zonten, kein Knorpelgewebe vorkommt, welches I Über den Bau der Chorda dorsalis des Amphioxus lanceolatus. Sitzb. K. Akad. Wiss. Wien. Bd. CIV. Abt. III. Okt. 1895. - Beiträge zur Histologie des Amphioxus. Arbeit. Zool. Inst, zu Wien. T. XII. Hft. 2. 1. Febr. 1900. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 6 82 Josef Schaffer, ursprünglich oxyphil und fibrillär gebaut wäre; denn selbst der soge- nannte harte Knorpel der Cyclostomen besitzt nur oxyphile Höfe, welche aus einem zunächst basophilen Vorstadium entstehen. Ausschließlich deshalb jedoch, weil die Kiemenbogen als Homologa der Kiemenstäbe des Amphioxus bei höheren Tieren tatsächlich aus echtem Knorpel bestehen, auch das Gewebe dieser Kiemenstäbe so zu bezeichnen, widerspricht den histologischen Erfahrungen, welche uns lehren, daß für die Natur eines Gewebes nicht seine organologische Verwendung, sondern nur seine Funktion maßgebend ist. Als Beweis dafür sei auf eine ganze Reihe von Organen hingewiesen, welche bei verschiedenen Tieren aus den verschiedensten Bindesubstanzen (fibrösem Gewebe, blasigem Stützgewebe, Knorpel, Knochen) aufgebaut sein können i. Ich halte die von Joseph zusammengefaßten zellenlosen Gewebe nur für besondere Verdichtungen des fibrillären Bindegewebes, eine Anschauung, die für die Kiemenstäbe von Rolph ^ schon bestimmt ausgesprochen wurde. Van Wijhe ^ scheint das Skelet der Velartentakel und Kiemen- stäbe für elastische Substanz zu halten und gibt an, daß es mit »Wei- GERTs Kresof uchsin « die charakteristische Blauschwarzfärbung jener gäbe. Auch bestätigt er die auffallende Pikrophilie und fügt in der Anmerkung (S. 26, Anm. 2) hinzu, daß das Gewebe mit Knorpel auch Anilinfarben gegenüber keine Ähnlichkeit zeige. Dagegen entwickelt Van Wijhe über das, was beim Amphioxus als Korpel anzusehen ist, eine ganz eigne Auffassung: der einzige Knorpel, welchen Amphioxus besitzt, ist im Skelet der Girren vorhanden, dessen Struktur mit seinen geldrollenähnlich angeordneten platten Zellen, die von einer dicken, glashellen Hülle umgeben sind, an diejenige der knorpeligen Visceral- bogen von Teleostierlarven erinnert. Während jedoch Klaatsch das Hauptgewicht auf den zelligen Inhalt gelegt hat, ist es bei Van Wijhe die glashelle Hülle im Cirrenskelet, die aus hyaliner Knorpelsubstanz besteht; er findet die Ähnlichkeit mit dem Chordagewebe unwesentlich. »Ich finde nämlich bei in Formol fixierten Tieren — andre habe ich in dieser Hinsicht nicht untersucht — , daß die glashelle Hülle des Cirrenskeletes, nicht die Chorda oder deren Scheide, auf mit Bismarck- braun ganz kurze Zeit gefärbten Schnitten tiefbraun wird. Mit Alaun- 1 Man vgl. hierzu meine Mitteilung : »Anatomisch-histolog. Untersuchungen über den Bau der Zehen usw. Diese Zeitschr. Bd. LXXXIII. 1905. S. 268. 2 1. c. S. 125. 3 Beiträge zur Anatomie der Kopfregion des Amphioxus lanceolatus. Petrus Camper. 1. Jahrg. 1901. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 83 hämatoxylin wird sie tiefblau, und mit Safranin zeigt sie die für Knorpel charakteristische Orangefärbung. « Auch mit Methylenblau färbt sich die Knorpelhülle, während das wabige innere Zellengerüst farblos bleibt. »Die Struktur des Knorpels ist also eigentümlich, indem die Zellen in der Achse des Skeletstabes nicht ringsum eine Knorpelkapsel abscheiden, sondern nur eine gemeinschaftliche, äußere kernlose Knor- pelhülle liefern. « Wie Joseph, würde also auch Van Wijhe ein zellenloses Gewebe als )>Äniphioxus-Knov])e\« hinstellen; nur wäre die Knorpelnatur dieses Gewebes durch seine Basophilie noch wahrscheinlicher gemacht. Die Natur dieser Basophilie müßte allerdings erst genauer untersucht Averden; nach A. Schneider ^ verhält sich die Gallertsubstanz gegen Karmin und Säuren ganz wie die glashelle Hülle der Girren, und nach Joseph ^ färbt sich auch das Gallertgewebe mit Hämatoxylin ähnlich wie Knorpelgrundsubstanz. Aber selbst, wenn die Basophilie der Tentakelscheide mit jener von Knorpel vollkommen übereinstimmen sollte — was in der Tat, wie gezeigt werden soll, der Fall ist — , könnte ich mich der Auffassung Van Wijhes nicht anschließen, weil es mir nicht zulässig erscheint, bei der Beurteilung des histologischen Charakters dieses Gewebes, die Matrixzellen desselben, welche wir in der centralen Zellsäule zu sehen haben, außer acht zu lassen. Amfhioxus besitzt eben, wie schon Stieda (1. c.) und dann M. Jaquet^ ausdrücklich betonen, kein echtes Knorpelgewebe, sondern, nach meiner Anschauung, ein chordoides Stützgewebe, welches aller- dings zweckmäßig modifiziert erscheint, um die Funktionen eines Knorpelgewebes auszuüben. Es kann nicht bezweifelt werden, daß bei Amphioxus das eigen- tümliche Gewebe, welches dem Tentakelapparat zur Stütze dient, dem Knorpelgewebe der höheren Tiere homolog ist. Der feinere Bau dieses Gewebes, welcher im allgemeinen aus den vorstehend angeführten Schilderungen erhellt, rechtfertigt jedoch nur sehr oberflächlich einen Vergleich mit Knorpel (Rathke, Joh. Müllre, Klaatsch, Van Wijhe), sondern läßt sich ungezwungen auf die Verhältnisse des chordoiden Stützgewebes zurückführen. 1 1. c. 2 1. c. S. 111. Daß auch schon A. Schneider diese Angabe gemacht haben soll, wie Joseph sagt, kann ich nicht finden. 3 Vogt u. Yung, Lehrbuch der prakt. vergl. Anatomie, II. Bd. 1889/94. S. 335. 6* 84 Josef Schaff er, Allerdings sind die Zellen in der Achse der Skeletstücke mehr oder minder stark zusammengedrückt, so daß letztere im Profil gesehen ein geldrollenartiges oder querstreifiges Ansehen darbieten, wie es ja auch die Chorda z. B. bei Ammocoetes oder Froschlarven im äußersten Schwanzende zeigt; das betrifft aber hauptsächhch nur die (dünneren) Girren. In den größten Gliedern des Cirrenträgers zeigen die Zellen ein unregelmäßig blasiges Aussehen, ähnlich, wie es Joseph i in seiner Fig. 15 wiedergegeben hat; nur finde ich die Zellwände viel starrer und glänzender, als es dort dargestellt erscheint. Der Durchschnitt eines solchen Sketetstückes (Fig. 20) erinnert dann viel mehr an eine typische Chorda, als an die des Amphioxus selbst. Der ganze zellige Inhalt zeigt sich an Schnitten durch fixierte Objekte manchmal von der umhüllenden Scheide auf größere Strecken losgelöst; auch gelingt es an in Mülleks Flüssigkeit, 70%igen Alkohol, aber auch in Sublimat fixierten Cirren leicht den zelligen Inhalt als zusammenhängende Säule aus der Hülle zu isolieren, so daß ein kontinuierlicher Zusammenhang besonderer intercellularer Septen mit der Scheide (Klaatsch) sehr unwahrscheinlich ist. An Schnitten kann jedoch dieser Eindruck leicht durch die eigen- tümliche Form der Zellen entstehen; diese kann aber nur an isolierten Zellen richtig beurteilt werden. Die Isolation gelingt ähnlich wie bei der Chorda an Objekten aus MüLLERscher Flüssigkeit. An solchen isolierten Zellen (Fig. 21) sieht man, daß es sich größten- teils um hornige Plättchen mit aufgesetzten Hippen und Flügeln handelt, welche letzteren im optischen Durchschnitt wie glänzende Fasern oder Streifen erscheinen. Die größeren dieser Zellen (im Cirren träger) zeigen kleinere und größere, aber ganz unregelmäßige, blasige Auf- treibungen, welche in flügeiförmige, mit Rippen besetzte und aus- gefransten Rändern versehene Platten übergehen. Ich kann mich daher nicht der Ansicht von Joseph anschließen, daß die Wände der Zellen auch im erwachsenen Zustande noch protoplasmatisch sind. Daß RoLPH in den Zellwänden faserige Differenzierungen beschrieben hat, wie Joseph 2 angibt, habe ich nicht finden können (er spricht nur von einer zarten Querstreifung am Querschnitte); doch würden sie als der Ausdruck der aufgesetzten Rippen und Flügel ihre Erklärung finden. Rippen und Flügel stehen der Hauptsache nach senkrecht 1 Einige anatomische und histologische Notizen über Am'phioxus. Arbeit, zool. Inst. Wien. T. XIII. Hft. 2. 1901. 2 1. c. >S. 20. über den feineren Bau u. die Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 85 zur Längsachse der Skeletstücke und verleihen diesen in der Total- ansicht oder an Längsschnitten das querstreifige Ansehen. Die Zellen haben hier also größtenteils ihre funktionelle Bedeutung verloren, weil diese auf die umhüllende Scheide übergegangen ist. Etwas ähnliches sehen wir bei der Chorda der höheren Selachier, bei denen die Zellmembranen verschmelzen und durchbrochen werden; ich verweise hierzu auf das S. 13 Gesagte. Die Hülle oder Scheide, welche die Zellen in den Mundeirren bei Amfhioxus umschließt, erreicht im Verhältnis zur geringen Dicke der Skeletstücke eine auffallende Mächtigkeit, welche sie in Verbindung mit ihrer Konsistenz befähigt, die stützende Funktion zu übernehmen. Wie man an Isolationspräparaten und Querschnitten der mäch- tigsten Basalglieder sehen kann, besteht diese Hülle aus zwei Lagen: einer dicken, inneren (Fig. 20 ßÄ) und einer dünnen, äußeren^ {OS). An den Girren ist umgekehrt die letztere stärker entwickelt und die innere gegen das sich verjüngende Ende hin kaum wahrnehmbar, wenn sie nicht mit einem basischen Farbstoff gefärbt wurde. Die innere Lage erscheint an in Lack eingeschlossenen Präparaten homogen (»elastische Scheide« A. Schneider »giashelle Hülle« Van Wijhe) und färbt sich auffallend stark mit Hämatoxylin (Klaatsch, Joseph), Toluidinblau (Joseph), Bismarckbraun , Methylenblau, metachroma- tisch mit Safranin (van Wijhe), ebenso mit Thionin aus maximal verdünnter Lösung; sie färbt sich aber auch, was ich besonders be- tonen möchte, mit Hämalaun. Dieses Verhalten spricht, wie ich an andrer Stelle 2 ausgeführt habe, sehr dafür, daß die Scheide eine chon- dromucoide Kittsubstanz enthält. Diese Annahme wird noch wahr- scheinlicher gemacht dadurch, daß sich die Scheide auch mit allen empfindlichsten Knorpelfärbungen, über die wir heute verfügen, stark und electiv färbt, so mit dem sauren Toluidinblau nach Lundvall, mit dem sauren Methylenblau nach Hansen und mit stark alkoholischer, salzsaurer Lösung von Thionin (Thionin 0,25, 96% Alkohol 100, Salz- säure 1). Trotz dieser vollkommenen und ganz auffallenden färberisclien Übereinstimmung der Scheide mit typischem Hyalinknorpel, möchte ich es dahingestellt sein lassen, ob der Gehalt an Chondroitinschwefel- säure diese charakteristische BasophiUe der Scheide bedingt. Dies müßte die chemische Untersuchung lehren, die mir nicht unmöglich scheint. Offenbar bedingt aber diese basophile Kittsubstanz, wie das 1 Vgl. A. Schneider 1. c. Taf. XIV, Fig. 6. 2 Anat. Anz. Bd. XXIII. 1903. S. 527 u. f. 36 Josef Schaffer, Chondromucoid im Knorpel, eine Versteifung der Scheide und ist wohl auch der Grund dafür, daß, wie schon A. Schneider gezeigt hat, letztere ffegen Essigsäure, selbst beim Kochen widerstandsfähig ist. Wie man sich an Isolationspräparaten aus Müllers Flüssigkeit und Alkohol, nach Joseph an mittels Cochenillealaun oder Boraxkarmin gefärbten Schnitten überzeugen kann, zeigt diese Scheide eine deutlich circuläre Faserung, was schon Rolph angibt. Umgekehrt ist die äußere Lage deutlich längsgefasert, oxyphil und an den dicken Basalgliedern, die sie ununterbrochen, die Zwischenräume zwischen ihnen überbrückend, verbindet, von einer Keihe kleiner Kerne belegt. Sie muß also als von außen aufgelagert betrachtet werden, während die innere, basophile Schicht als Produkt der chordoiden Zellen aufzufassen ist. Die längsfaserige Außenschicht besitzt an den Basalgliedern nur eine geringe Entwicklung, ist aber in Gestalt einer dünnen Membran auch zwischen den Basen der Cirren ausgespannt, so daß sie diese etwa wie eine Schwimmhaut die Zehen verbindet i. An den freien Cirren erreicht die Längsfaserschicht eine beträchtliche Mächtigkeit, so daß sie gegen das Ende zu die innere, circuläre bedeutend an Dicke übertrifft. Besonders auffallend ist dieses Verhalten, wenn man den Tentakelapparat mit dem polarisierenden Mikroskop untersucht, da hierbei an den freien Cirren die Längsfaserschicht aliein wirksam zu sein scheint. Sie zeigt eine stark positive Doppelbrechung mit der optischen Achse in der Längsrichtung der Cirren gelegen, während der zellige Inhalt bei dieser Stellung negativ wirkt; die innere circuläre Lage kommt optisch gar nicht zum Ausdruck. Orientiert man also einen Cirrenstab zwischen gekreuzten Nikols über einer Gipsplatte Rot /. 0. parallel zur Additionsrichtung, so erscheinen die beiden Oberflächenstreifen der Scheide intensiv blau, der Inhalt gelblich. Nach diesen Bildern könnte man glauben, daß der Cirrus eine andre Scheide als die längsfaserige überhaupt nicht besitzt. Bringt man jedoch den Cirrenträger in dieselbe Stellung, so folgt auf die ober- flächliche blaue Schicht eine, diese an Breite übertreffende optisch nahezu neutrale, also in allen Azimuthen die Farbe des Gipsgrundes 1 Belage und Herouard (Traite de Zool. concr. T. VIII, 1898. p. 85) erwähnen diese Einrichtung kurz als » palmature «. Van Wijhe (1. c. S. 22) be- zeichnet die Membran als »Fascie, die den inneren und äußeren Lippenmuskel trennt« und bildet sie wiederholt am Querschnitte (Fig. 4 u. 8), sowie von der Fläche in Fig. 7 ab. Mechanisch muß man dieser Einrichtung eine große Be- deutung für das Tier zusprechen, da sie die Wirkung des Cirren apparates zu der einer kräftigen Flosse gestaltet. über den feineren Bau ii. d. Entwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 87 zeigende; das ist die innere circuläre Schicht. Diese ist in Wirklichkeit nicht optisch neutral ; ihre geringe, in Radien senkrecht zur Oberfläche des Cylinders positive Doppelbrechung kann infolge der circulären Anordnung der Fibrillen nicht zur Geltung kommen. Behandelt man einen Cirrus mit Salizylaldehyd, dann erscheint die positive Doppelbrechung in der äußeren Scheide umgekehrt, während die des zelligen Inhaltes unverändert bleibt; es herrscht hier demnach ganz dasselbe Verhalten, wie es v. Ebner für die Chordascheide und ihren Inhalt nachgewiesen hat. Kurz zusammengefaßt haben wir im Tentakelapparat von Am- 'phioxus ein chordoides Stützgewebe vor uns, bei dem die Scheide, welche durch eine, wahrscheinlich chondromucoide Kittsubstanz versteift er- scheint, die stützende Funktion übernommen hat, während die Zellen ihre funktionelle Gestalt größtenteils eingebüßt haben, aber noch isolierbar geblieben sind. Zum Schlüsse sei mir noch die Bemerkung gestattet, daß ich weit davon entfernt bin, zu glauben, eine erschöpfende Darstellung des blasigen Stützgewebes von chordoidem Typus gegeben zu haben. Hier galt es nur nachzuweisen, daß die Chorda dorsalis weder dem Knorpel- noch dem Epithelgewebe zugerechnet werden kann, sondern der typische Repräsentant einer weit verbreiteten und formenreichen Gewebegruppe ist, deren ausgesprochen mechanische Bedeutung und Rolle auf der Verwendung von großen, blasigen Zellen mit wider- standsfähigen, durch Turgordruck gespannten Membranen beruht. Sicher ist vielen Zoologen das Vorkommen von blasigen Zellen ähnlicher Form und Bedeutung an manchen Stellen bei andern Wirbel- losen bekannt. So sind vielleicht die sogenannten »Blasenzellen« im Parenchym der Trematoden hierher zu rechnen, von denen Schwarze i und Walter 2 übereinstimmend annehmen, daß die Turgescenz der blasenförmigen Zellen wesentlich ist zur Erhaltung der Spannung der Haut. Von besonderem Interesse scheint mir der Hinweis von Chun ^ zu sein, daß auch das Ectoderm ähnliche, nur durch ihre enorme Größe 1 Die postembrjonale Entwicklung der Trematoden. Diese Zeitschr. Bd. XLIII. 1885/86. S. 59. ~ Untersuchungen über den Bau der Trematoden. Ebendort, Bd. LVI. 1893. S. 204. 3 Zur Morphologie der Siphonophoren. Zool. Anz. Bd. X. 1887. S. 529 und Bronns Kl. und 0. 1. c. S. 307 u. f. 88 Josef Schaffer, auffallende blasige Stützzellen bilden kann. So z. B. bei einigen Physo- phoren, wo sie im Umkreis des Lufttrichters ein elastisches Polster bilden. »Auf den Nesselköpfen der Chalicophoriden und vieler Physo- phoriden treten gleichfalls Ectodermzellen von ungewöhnlichen Dimen- sionen auf, welche die Rolle von Stützzellen spielen. « Wir sehen also, daß alle drei Keimblätter Elemente liefern, welche sich zu der gleichen, gegenseitig bedingten, Funktion und Form diffe- renzieren können; mit andern Worten: Die Funktion eines Gewebes — und was hier von der mechanischen gezeigt wurde, gilt bis zu einem gewissen Grade von der physiologischen Funktion im allgemeinen — ist nicht unbedingt gebunden an die histogenetische Abstammung. Diese Bemerkung scheint mir bei der heute noch immer herrschenden Ansicht von der unbedingten Spezifität der Keimblätter nicht über- flüssig zu sein. Wien, im Mai 1910. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 1. Durch Zerzupfen mit Nadeln isolierte Zellen der in ^/2%iger Über- osmiumsäure gehärteten Chorda dorsalis von Ammocoetes. K, Kern einer Zelle. Vergr. 500. Fig. 2. Isolierte blasige Stützzellen aus dem Mantelgewebe von Limnaea stagnalis. a. aus ^/2%igeY Osmiumsäure, ungefärbt in Glyzerin- Wasser, b. aus MüLLERscher Flüssigkeit mit Hämalaun-Kongorot gefärbt. M, Membran ; 31', Riß- rand dieser; K, vvandständiger Kern mit dem umgebenden Protoplasma. Vergr. 500. Fig. 3. Schnitt durch blasiges Stützgewebe aus dem Mantel einer Paludina vivipara (Juli). Formalin, Delafields Hämatoxylingemisch-Eosin. BZ, chor- doide, blasige Stützzellen; KZ, Kalkzellen; Z, Zwischengewebe mit Pigment. Vergr. 110. Fig. 4. Zwei blasige Stützzellen und eine Kalkzelle (KZ) desselben Ob- jekts bei 500 f acher Vergr. 31, Membran der chordoiden, blasigen Stützzellen; K, Kern; P, centrales Protoplasmaklümpchen mit Pigmentkörnchen, von dem Protoplasmafäden zur Membran gehen; 31', Membran der Kalkzelle; K, Kern dieser, umhüllt von einer Anzahl konzentrischer, verknitterter, stark blau gefärbter, häutchenartiger Bildungen J. Fig. 5. Blasiges Stützgewebe aus dem Mantel einer im November ge- fangenen Paludina, fast ausschließlich aus Kalkzellen bestehend. Zupf präparat aus l%iger Osmiumsäure in Glyzerin-Wasser. Die Kalkzellen zeigen leichte Lösungs- erscheinungen ihres Inhaltes, so daß die Membran 31 deutlich sichtbar wird. Der Kalkkern K zeigt vielfach eine grubige Oberfläche, K', oder ein radiär und konzentrisch gestreiftes Aussehen, K". Vergr. 110. über den feineren Bau u. die Eiitwickl. d. Knorpelgewebes usw. III. 89 Fig. 6. Kalkzellen aus dem Mantelgewebe von Paludina vivipara bei 500- f acher Vergr. a — c, frisch nach Behandlung mit l%iger Osmiumsäiire in Glyzerin- Wasser untersucht; d — /, aus Celloidinschnitten des in Formalin fixierten Ge- webes mit Delafields Hämotaxylingemisch-Eosin gefärbt, a, beginnende Lösung der Kalkraasse ; die Mitte O ist bei hoher, der radiär gestreifte Rand bei mittlerer Einstellung gezeichnet; M. Zellmembran; b, scheinbar leere Membran, innerhalb welcher aber noch schattenhaft eine Rindenzone R sichtbar ist; c, leere Mem- bran mit stark glänzendem Inhaltskörper J; d, stark blau gefärbte und radiär gestreifte Rindenzone; in der centralen Höhle ein schwächer blau gefärbter Rest; e, deutliche konzentrische Schichtung und schwache radiäre Streif ung; /, radiäre Streifung und Zerklüftung bis auf einen centralen Kern K. Fig. 7. Blasiges Stützgewebe vom Flußkrebs. Formalin, Hämalaun; Paraffinschnitt. M, Zellmembran von der Fläche; K, Kern; T, Trägersubstanz. Vergr. 365. Fig. 8. Aus einem Durchschnitt durch den Mantel einer Ascidia mammil- laris. Pikrinsublimat. Hämalaun. B, leere Zellblasen verschiedener Größe; Z, protoplasmatische Zellen; G, Grundsubstanz; S, dünne Scheidewand zwischen zwei Blasen; bei S' gefaltet; l, Stauchungslinien. Vergr. 150. Fig. 9. Querschnitt durch einen Teil der seitlichen Hälfte des arachnoi- dalen (perimeningealen) Füllgewebes eines 19 cm langen Ammocoetes. Pikrin- sublimat, Van Giesons Färbung. D, dorsale, äiißere, der Dura vergleichbare Faserschicht; P, der oberflächlichen Gliahülle unmittelbar anliegende, der Pia entsprechende Faserschicht, g, schleimhaltige Grundsubstanz mit bindegewebigen Häutchen; b, collagenen Bündelchen, z, ästigen Bindegewebszellen, BZ, großen Blasenzellen. Vergr. 500. Fig. 10. Eine durch Zerzupfen mit Nadeln isolierte blasige Zelle aus dem arachnoidalen Füllgewebe eines in MÜLLEBscher Flüssigkeit gehärteten Ammo- coetes. M, doppeltkonturierte Membran; R, Rindenschicht des Protoplasmas; P, Protoplasmastränge, welche den Kern K und das ihn umgebende Protoplasma mit der Rindenschicht verbinden; F, Fetttropfen. Vergr. 557. Fig. 11. Eine Partie des arachnoidalen Füllgewebes von der Decke des vierten Ventrikels eines 19 cm langen Ammocoetes. Querschnitt. Pikrinsubl. VAN GiEsoNs Färbung. Vergr. 500. Fig. 12. Blasiges Stützgewebe der Chorioidea von Petromyzon marinus. g, die äußere Grenze gegen den Blutraum zwischen Chorioidea und Sclera; BZ, blasige Zellen; P, Pigmentzellen zwischen diesen; B, Bindegewebsbündelchen. Vergr. 110. Fig. 13. Zwei einzelne Zellen dieses Gewebes mit verschiedenen Formen von Glykogenresten. a, mit homogener, wie zersprungener, die ganze Zelle aus- füllender Masse; b, mit zahlreichen Kügelchen. Ä", Kern. Vergr. 500. Tafel II. Fig. 14. Ein RENAUTsches Knötchen aus einem Ast des N. plantaris vom Hingerichteten. Zenkebs Fl., Delafields Häm.-Eosin. P, Perineurium; N, Nervenfasern; B, blasige Zellen; L, konzentrische Lamellen um diese. Vergr. 110. Fig. 15. Gekammerte Blasenzellen aus dem oberflächlichen Endoneurium des N. facialis vom Pferd. Müllees Flüss. Fig. 16. Gewebe des Sinuskissens eines Tasthaares der weißen Ratte. 90 Josef Schaffer, Über d. feineren Bau u. d. Entw. d. Knorpelgewebes nsw. III. Aus einem Querschnitt des in ^/2%iger Osmiumsäure fixierten Haares. Binde- gewebsfärbung nach Mallory. K, Kern; Z, durchsichtiger Zellkörper; F, Binde- gewebsfaserbündel ; M, Grenzmembran gegen den Ringsinus; B, rote Blutkörper- chen dieses Sinus. Vergr. 500. Fig. 17. Isolierte Zellen aus dem lumbalen Gliawulst; a und h eines fast reifen Taubenembryo, Pikrinsublimat ; c und d von der erwachsenen Taube, i/2%ige Osmiumsäure durch 24 Stunden. Beide nach Färbung mit Hämalaun-Eosin in Glyzerin-Wasser zerzupft. Vergr. 500. Fig. 18. Eine Partie aus dem intervertebralen Chordasegment (dem achten von der Schwanzspitze an gerechnet) einer 1 Jahr alten weißen Maus. Zenkers Fl., Delafields Häm.-Eosin. M, Zellmembran; K, wandständiger Kern; P, Protoplasmastränge zwischen den extrahierten Glykogentropfen. Vergr. 500. Fig. 19. Blasiges Stützgewebe aus dem massigen, basalen Tentakelträger von Tubuluria mesembryanthemum. Sublimat, Hämalaun-Eosin. 31, Zellmem- branen; K, wandständiger Kern; P, Protoplasma (Plastin)-Stränge. Vergr. 365. Fig. 20. Aus einem sagittalen Längsschnitt durch einen Skeletstab des Cirrenträgers von Amphioxus (4,5 cm langes Exemplar, Neapel). Pikrinsublimat, Hämalaun-Eosin. ZE, geschlossene Enden der blasigen Zellen; K, Kerne der Zellen; BS, basophile; OS, oxyphile Scheide. Vergr. 720. Fig. 21. Drei isolierte Zellen aus einem Skeletstabe des Cirrenträgers von Amphioxus nach Härtung in Müllers Flüssigkeit. Färbung mit Eosin, Unter- suchung in Glyzerin-Wasser. Bei I vollständig isolierte blasige Zelle mit Druck- facetten; bei // zwei noch leicht zusammenhängende Zellen. E, ausgefranstes Ende; K, Kern. Vergr. 720. Zur Kenntnis des Auges der Macrochiropteren. Von Walther Kolmer. (Aus dem Institut für Anatomie und Physiologie der Hochschule für Bodenkultur in Wien.) Mit Tafel III. Vor etwa Jahresfrist machte ich die merkwürdige Beobachtung, daß das Auge von Pteropus medius in seinem Bau sich in auffallender Weise von den Augen der andern Säuger, ja aller Wirbeltiere über- haupt, unterscheidet, und habe in einer kurzen Notiz die Physiologen auf diese Tatsache aufmerksam gemacht. Seither habe ich mich nach Kräften bemüht, zu erfahren, ob überhaupt irgend ein andres Auge einen ähnlichen Bau zeige. Es scheint sich aber herauszustellen, daß dies nicht der Fall ist, und daß also das Auge der Macrochiropteren einen ganz besonderen und alleinstehenden Typus darstellt. Dieses und die Gelegenheit, einen Pteropus neuerdings längere Zeit zu beobachten und seine Augen nach bester Konservierung zu untersuchen, recht- fertigen es wohl, dieses Auge genauer zu schildern. Das Tier, welches ich beobachtete, war ein offenbar ausgewachsenes männliches Exemplar von Pteropus medius. Das Tier wurde etwa 2 Monate im Zimmer gehalten und war vollkommen zahm, fraß Apfel aus der Hand und war gewohnt, seinen Käfig manchmal zu verlassen und selbst wieder die Stange, an der es darin hing, aufzusuchen. In seinem Verhalten war eigentlich von Lichtscheu keine Rede, wenn ihm auch direktes Sonnenlicht oder eine nahegehaltene elektrische Lampe unangenehm schien. (Übrigens zeigen auch viele Microchiro- pteren dieses Verhalten, so sah ich täglich die Fledermäuse [Vesperugo pipistrellus] in Neapel bei hellstem Sonnenschein kurz nach Mittag fliegen und auch oft mit vielen Wolframlampen versehene Kronleuchter umkreisen.) 92 Walt her Kolmer, Das Tier scliien sehr gut bei normaler Zimmerbeleuchtung zu sehen. Es folgte bei Annäherung des Beobachters oder eines Gegenstandes mit Aufmerksamkeit seinen Bewegungen. Es kletterte, wie dies ja bekannt ist, sehr geschickt herum und orientierte sich offenbar auch bei hellem Licht gut mit den Augen. In unbequeme Lage gebracht, faßte es rasch in der Nähe befindliche Gegenstände, und auf den Boden gelegt, kroch es direkt auf Stuhlbeine, Kastentüren usw. zu, um sofort an diesen emporzuklettern. Die Pupille war dabei stets stecknadelgroß, auch bei der schwäch- sten Beleuchtung, bei der sie sichtbar war, kaum merklich größer. Eine accommodative Veränderung war daran nicht nachzuweisen. Da es von Interesse war, zu wissen, ob die eigentümliche Netzhaut im Spiegelbilde Besonderheiten zeigen würde, hatte Herr Frivatdozent Dr. Sachs die Liebenswürdigkeit, das Tier zu untersuchen. Es zeigte sich nach seiner Aussage ein grauschwarzer, chagrinierter, keinerlei Differenzierung bietender Augenhintergrund, in dem keine Gefäße zu sehen, nur die Papilla Nervi optici deutlich zu erkennen war. Das Tier schien emmetrop zu sein. Die A tropin Wirkung war eine recht starke und hielt trotz der geringen Dosis (1 Tropfen 1 : 1000) an beiden Augen mehrere Tage, an dem atropinisierten über 8 Tage an. Dabei war das Tier etwas lichtscheu. Behufs Konservierung wurde das Tier mit Äther narkotisiert; der eine Bulbus wurde exstirpiert, mit Osmiumdämpfen, dann mit 2%iger Osmiumsäure behandelt, schließlich in 4%iges Formalin gebracht. Teile dieses Bulbus wurden mit Wasserstoffsuperox^^d depigmentiert. Das Tier wurde dann von der Aorta aus mit körper- warmer KiNGERscher Lösung durchspült, und nachdem aus dem rechten Herzen die Lösung farblos auslief, mit Kaliumbichromat-Formol-Eis- essig injiziert, einer Lösung, die nach meiner Erfahrung bei gleichzeitiger guter Erhaltung der topographischen Verhältnisse am raschesten gleich- mäßig alle Gewebe durchdringt und bei Anwendung der Beizfärbungen die Differenzierung feinerer Zellstrukturen mehr ermöglicht als alle an- dern mir bekannten Fixierungsmethoden. Der so fixierte zweite Bulbus wurde nach 4 Wochen aus der Fixierungsflüssigkeit genommen, 1 Tag in 5%ige Lithiumsulfatlösung gelegt, um Quellungen des Bindegewebes zu vermeiden, dann in fließendem Wasser ausgewaschen und nach vorsichtiger Härtung in steigendem Alkohol in Celloidin eingebettet. Es wurden Schnitte durch den ganzen Bulbus von 20 // Dicke her- gestellt, die den Cornealscheitel und den Opticuseintritt trafen. 5 f^i Zur Kenntnis des Auges der Macrocliiropteren. 93 dicke Radiürschnitte durch Peripherie und Centrum der Augenhäute dienten zur Ermittehnig des feineren Baues und Serienschnitte in tangentialer Richtung, in gleicher Dicke durch den Augenfundus zum Studium von Flächenschnitten durch die Retina. Zur Färbung diente das Molybdänhäniatoxylin nach Helds Angabe nach voraus- gegangener Beize in Eisenalaunlösung, zur Nachfärbung Erythrosin. Der Bulbus von Pteropus ist verhältnismäßig sehr groß, wenn wir ihn mit den Bulbis vergleichen, welche die Microchiropteren be- sitzen. Die von mir untersuchten Bulbi zweier Tiere maßen 12 und 13 mm im äquatorialen Durchmesser und 11 bzw. 10,4 mm vom Cornealscheitel bis zum hinteren Augenpol, während bei Vesperugo noctula diese Größen um 1,7 mm schwanken, also etwa sieben- bis achtmal kleiner sind. Dabei verhalten sich die Nacken-Steißlängen der beiden Tiere wie 7,5 : 23, die Spannweite der Flügel wie 18 : 50, so daß also der Pteropus etwa dreimal so groß wie Vesperugo ist. Das Gewicht der Tiere verhielt sich wie 30 g zu 470 g. Das Gewicht der Gehirne betrug 0,35 bzw. 6,1 g. Die Form des Bulbus kommt der Kugelform sehr nahe, da die Krümmung der Hornhaut nur wenig die des hinteren Bulbusabschnittes übertrifft. Der Cornealabschnitt nimmt bei Pteropus etwa 115° der Bulbusoberfläche ein, bei den Microchiropteren ist das Verhältnis ein ähnliches. Die Sclera zeigt die größte Dicke in der Gegend des Irisansatzes, sie wird gegen den Äquator des Auges etwas dünner, in der Gegend des Opticus ist sie wieder etwas stärker entwickelt. Gegenüber der Sclera der Microchiropteren ist sie {Vesperugo etwa 40 ;«) mit 360 /t sehr dick zu nennen. Ihre Zusammensetzung aus dicken Bindegewebs- bündeln, die sich regelmäßig durchweben, ist besonders auf Flach- schnitten durch den Bulbus sehr leicht zu erkennen. Pigmentzellen finden sich nur vereinzelt in den innersten Schichten. Die Chorioidea ist neben der Retina das merkwürdigste Gewebe am Auge der Macrochiropteren, und es ist ihre eigentümliche Ent- wicklung, welche den ganz abnormen Bau dieses Auges bedingt, so daß sich dies von allen übrigen Wirbeltieraugen unterscheidet. Es lassen sich in ihr leicht drei Schichten abgrenzen: die der Sclera an- liegende Schicht, die, wie bei allen andern Säugern, die großen venösen Gefäße enthält, eine eigentümliche specifische Schicht der Kegel- bildungen und eine die letzteren oberflächlich überziehende Schicht, die Choriocapillaris. Die Stromazellen der Chorioidea sind in der zu äußerst oelegenen 94 Walther Kolmer, Schicht, der Lamina fusca, unregelmäßig gestaltete, epitheloide Ele- mente, dicht erfüllt von gelbbraunen Pigmentkörnchen, in den ähnlich gestalteten, aber etwas mehr länglichen Zellen zwischen den Blut- gefäßen finden sich auch einzelne größere, dunkler gefärbte Pigment- schollen. Die Gefäße selbst werden von Pigmentzellen begleitet, die durch die starke Pigmententwicklung besonders dunkel erscheinen. In ihnen ist der Kern durch das Pigment so verdeckt, daß man ihn erst nach Depigmentierung zu Gesicht bekommt. Die Kerne sind chromatinarm. Auf die äußere Lage der Chorioidea finden sich nun die Kegel aufgesetzt. Ähnliche Bildungen vermissen wir bei allen Wirbel- tieren, auch bei den Microchiropteren, so weit sie bisher vintersucht sind. Die Kegel sind im Querschnitt kreisrund und bauen sich aus Stroma- zellen auf, unter denen man zwei Arten unterscheiden kann, die sich durch Färbbarkeit der Kerne und den Pigmentreichtum unterscheiden. Das Pigment ist in den Kegeln so dicht entwickelt, daß man die Zell- anordnung erst nach Depigmentierung übersehen kann. Man findet die Zellen ungefähr konzentrisch um ein centrales Gefäß angeordnet. Dieses, eine präcapillare Arterie, geht aus größeren Arterien, Ästen der Ciliares posteriores der äußeren Schicht hervor und verläuft in streng radialer Richtung zur Bulbusoberfläche. Bei teilweiser Depigmentierung sieht man, daß die dem Gefäß anliegenden und die unmittelbar auf der Oberfläche der Kegel ge- legenen Zellen am dichtesten pigmentiert sind. Die Basen der Kegel stehen dicht nebeneinander, dort, wo sie auf der äußeren Lage der Chorioidea aufsitzen, berühren sie sich; an der Basis verbundene Doppelkegel kommen vereinzelt vor. Man er- kennt dieses Verhalten am besten auf Flachschnitten durch den Bulbus. Die Höhe der Kegel beträgt 100 u und ist fast im ganzen Augenfundus ziemlich konstant, nur gegen die Ora serrata hin nehmen die Kegel langsam an Höhe ab, um daselbst ganz zu verschwinden. Die centralen Gefäße der Kegel gehen an deren Spitze in eine lange schmale Capillarschlinge über, die aus dem Kegel herausragt und weit in die Schichten der Retina eindringt. Die Capillarschlinge bildet eine Spitze, das rückläufige Gefäß geht in die Capillaren der Choriocapillaris über, die ihrerseits mit den Venen in Verbindung stehen. Die Arterien der Chorioidea verzweigen sich in der über den Venen unter den Basen der Kegel gelegenen Schicht, dabei scheinen Ana- stomosen vorzukommen. Die Venen, weite, anastomosierende Gefäße, zeigen das gewöhn- liche Aussehen. Die geometrische Form der Kegel ist eine auffallend Zur Kenntnis des Auges der Macrüchiropteren. 95 regelmäßige, die Neigung der Kegelfläche eine recht gleichförmige, so daß man vielleicht daraus auf eine physiologische Bedeutung der Oberfläche schließen kann. Die Richtung der Kegelachse ist offenbar eine derartige, daß dieser bei der normalen Richtung des einfallenden Lichtes keinen Schatten werfen kann. Gegen den Rand der Retina zu weichen die Kegel etwas von der streng radiären Stellung ab, viel- leicht hängt dies damit zusammen, daß hier die Lichtstrahlen, die den Randteil der Linie passieren, in anderer Richtung einfallen. Auch dürfte das Pigment in seiner so ungewöhnlich dichten An- ordnung auf den Kegeln imstande sein, in besonders vollkommener Weise das Licht zu absorbieren und Reflexion zu verhindern. Damit hängt auch wohl die Pigmentarmut des retinalen Pigmentepithels zusammen. Die Retina wird durch das eben angeführte Verhalten der Cho- rioidea in weitestem Grade verändert, ihre äußere Oberfläche erscheint nicht glatt, sondern bei markoskopischer Betrachtung von zahlreichen Vertiefungen einoebuchtet, ihr Querschnitt auf dem Radiärschnitt nicht als breites Band, sondern gezackt. Die Zacken werden durch die äußeren Schichten der Retina gebildet, während die inneren Schichten, die Schicht der Opticusfasern und die Ganglienzellenschicht, einen ebenen Verlauf zeigen. Man erkennt bei Betrachtung von Schnittserien, die in radialer Richtung durch den Bulbus geführt sind, daß die in die Retina ein- gelagerten Chorioidealkegel in dieser ein vollkommen mit der Ober- fläche der Kegel kongruierendes Rehef erzeugen. Noch deutlicher tritt dies in Schnittserien hervor, die tangential die Wand des Auges treffen. Das heißt, die Oberfläche der Retina erscheint, wenn man sie von der Chorioidea trennt, von konischen Gruben durchlöchert. Zwischen diesen Gruben sind Kämme vorhanden, auf welchen dort, wo die Basen mehrerer Kegel zusammenstoßen, wieder kleinste Kegel aufgestzt sind. Allen diesen Niveauunterschieden folgen die äußeren Retinaschichten, speziell die Schicht der Sehepithelien. Während in allen andern Retinen das Prinzip festgehalten erscheint, daß alle perzipierenden Elemente mosaikförmig in der Projektions- fläche fast mit mathematischer Exaktheit angeordnet sind, wird dieses Prinzip, das sonst ausnahmslos in allen Wirbeltierretinen und auch bei den meisten Wirbellosen vertreten ist, hier durchbrochen. Es finden sich im wesentlichen dieselben Schichten in der Retina, die wir bei Microchiropteren zu finden gewohnt sind, aber durch die eigentümliche Konfiguration erscheinen die Elemente teilweise 96 Walther Kolmer, verlaoert, so daß der Radiärschnitt der Retina ein äußerst charakte- ristisches Bild bietet. Das Pigment epithel macht alle Niveauunterschiede der cho- rioidealen Zapfen mit, die es überkleidet. Die ziemlich flachen, 4 — 5 u dicken Zellen desselben lassen nur schwer die fransenförmigen Fort- sätze erkennen. Das Protoplasma entbehrt zumeist des Pigments, nur ganz vereinzelt finden sich hier und da einige Pigmentnadeln, häufig dagegen Vacuolen und Aleuronidkörner. Von den secretartigen Körnern zwischen den Stäbchenaußengliedern, die vom Pigment- epithel ausgehen, sah ich beim Pteropus häufig Andeutungen. Die Kerne sind infolge des Pigmentmangels deutlich zu sehen, etwa 5 /t lang. Die Capillaren der Choriocapillaris liegen an dem Epithel außer- ordentlich dicht an, so daß man fast den täuschenden Eindruck be- kommt, als ob die Wandung teilweise von den Epitheizellen selbst gebildet würde. Dort, wo die centrale Capillarschlinge .des Kegels am tiefsten eingesenkt ist, überzieht sie das Pigmentepithel in Form eines äußerst zarten endothelartigen Häutchens, welches der Limitans externa der Netzhaut an den tiefsten Stellen direkt anliegt. Die Sehelemente stehen auf ganz verschiedenen Höhen des retinalen Reliefs. Man gewinnt zuerst den Eindruck, daß Längenver- schiedenheiten zwischen ihnen vorhanden seien, aber diese sind jeden- falls minimal, so daß die auf der Höhe der Faltungen stehenden Ele- mente und die in der Tiefe der Einsenkungen in den Gruben befind- lichen Stäbchen ungefähr gleiche Länge haben. Die äußeren Enden bilden also eine Treppe. Die Längsrichtung der Stäbchen ist trotz ihrer veränderten Stellung genau radiär orientiert, wie bei allen andern Wirbeltieraugen. Auf diese Weise ist eine Vermehrung der Sehelemente durch die Faltenbildung der Retinaoberfläche, die man vielleicht erwarten würde, nicht gegeben, wohl aber stehen die Elemente etwas weniger dicht gedrängt. Die Länge der Stäbchen beträgt 51 ii, davon entfallen 30 h auf das Außenglied, 21 u auf das Lmenglied. Das Außengiied ist wie bei andern Fledermäusen gebaut, zart, etwa 1 u breit, am äußeren Ende zeigt es eine abgerundete Kuppe. Das Lmenglied ist nur wenig breiter. Während das Außenglied im allgemeinen streng radiäre Richtung besitzt, steht das Innengiied besonders bei den in der Tiefe der Ein- senkungen gelegenen Elementen etwas geneigt. Man findet in den Zwischenräumen zwischen den Innengliedern einzelne Elemente, die im Lmern ein feines Fädchen erkennen lassen, vielleicht handelt es sich um modifizierte Zapfen, die allerdings ganz besonders klein wären und in deren Innengiied ein Lmenfaden verläuft; auf Horizontalschnitten Zur Kenntnis des Auges der Macrochiropteren. 97 konnte ich solche Elemente nicht nachweisen. Die Limitans externa der Netzhaut ist an den Basen der Stäbchen deutlich zu erkennen. Sie präsentiert sich als feiner deutlicher Saum im Ra- diärschnitt, auf dem Tangentialschnitt als polygonale Felderung. Man kann an günstigen Stellen innerhalb der Felderung Körnchen sehen, die wohl den Diplosomen der Stützfaserzellen entsprechen. Daß die Limitans aus den MüLLERschen Stützfasern in ihrem oberen Teil ge- bildet wird, das läßt sich ja an andern Retinen nur schwer und meist nur unter Anwendung der Chromsilberimprägnationsmethoden zeigen. Bei Pteropus ist das aber besonders leicht zu sehen. Dort, wo die Capillarschlingen der Chorioidea umbiegen, findet man die Lage der Stäbchen und Zapfen unterbrochen und die Limitans liegt frei, sie erscheint durch die Schicht der äußeren Körner hindurch gestülpt, und hier erkennt man ganz deutlich ihre Beziehung zu den Stützelementen der Netzhaut, die Spitze der Capillarschlinge von dem dünnen Über- zug der sehr verdünnten Pigmentepithelzellen umgeben, liegt hier der Limitans dicht an. Man sieht, daß diese sich direkt in gabelartige, auffallende Verbreiterungen der Stützfasern fortsetzt. Die Schicht der äußeren Körner erscheint durch die Verlagerung der Schichten auf dem Radiärschnitt auch als gezacktes Band von sehr wechselnder Dicke. An ihr erkennt man gleichfalls Unterbrechungen, allerdings nur dort, wo der Schnitt eine Capillarschlinge der choiioidealen Kegel genau der Länge nach getroffen hat. Sonst merkt man nur, daß die Körner auf den höchsten Teilen der Retinaleisten in 12 — 14f acher Schicht angeordnet sind, während gegen die Vertiefungen hin die Zahl der Schichten abnimmt. Dort, wo die Schicht der Stäbchen unterbrochen erscheint, begleiten nur wenige (zwei bis drei) Reihen von äußeren Körnern die Capillare in die Tiefe, um dann ganz aufzuhören. Wie man es auch auf dem Tangentialschnitt sieht, sind diese Körner dann durch die äußere plexiforme Schicht und die innere Körnerschicht hinein vorgetrieben. Die Körner zeigen zweierlei Formen, weitaus die Mehrzahl derselben zeigt einen minimalen, kaum abgrenzbaren Protoplasmaleib, der Kern ist rundlich, 5 — 6 ii dick und enthält eine sehr auffallende, gewundene Chromatinmasse, in der Form wie man sie typisch bei einzelnen polynucleären Leucocyten sieht. In der obersten Lage der äußeren Körner sieht man zuweilen, speziell auf den Kuppen der Kämme der Retina, hellere größere Kerne mit etwas Protoplasma umgeben. Da die Zapfen fehlen und eine große Überzahl von Körnern vorhanden ist, so könnte es sich um überzählige Schalt- elemente handeln. Es muß als besonders auffällig bezeichnet werden, Zeitschrift f. wissenseh. Z jologie. XCVII. Bd. 7 98 Walther Koliner, daß die äußeren Körner im Radiärschnitt in Reihen angeordnet er- scheinen, die seitlich durch die zarten, aber sehr deutlichen gerade gestreckten Züge der MüLLERSchen Stützfasern begrenzt werden. Die äußere plexiforme Schicht ist durch die Einstülpung der äußeren Körnerschicht entsprechend unterbrochen und in lauter einzelne Territorien geteilt. Die innere Körnerschicht zeigt dieselbe Veränderung. Auch hier sind die Elemente in einzelnen Gruppen, auf dem Radiärschnitt kleine Hügel bildend, angeordnet, zwischen diese Ansammlungen hindurch reichen die Züge von äußeren Körnern, die die Kegel begleiten, bis in die innere plexiforme Schicht hinein. Bei den Microchiropteren findet man in den centralen Netzhaut- partien in der äußeren plexiformen Schicht vereinzelte Zellen mit horizontaler Ausbreitung, entsprechende Zellen konnte ich bei Pteropus nicht konstatieren. Die Zellen der inneren Körnerschicht sind bedeutend größer als die der äußeren, auch an ihnen ist es nicht leicht den Protoplasma- körper deutlich abzugrenzen, derselbe ist in horizontaler Richtung entwickelt. Der Kern dagegen liegt meist mit seiner größeren Achse in radiärer Richtung. Die Kerne sind etwa 7 /t groß und ziemlich chromatinarm. Unter die Zellen der inneren Körnerschicht vermengt findet sich eine zweite Zellart, die durch ihre ovalen Zellkerne und die diesen anhaftenden, meist dreieckig verbreiterten Plasmateile mit flügei- förmigen Anhängen auffällt, es sind die kerntragenden Teile der Mül- LERschen Stützzellen. Sie liegen zumeist in den unteren Lagen dieser Schicht. Die innere plexiforme Schicht, die Schicht der Opticusganglien- zellen und die Schicht der Opticusfasern, sind wie bei andern Wirbel- tieren angeordnet. Die Opticusfasern sind zu kleinen Bündeln vereinigt, die zmschen den MÜLLERschen Stützfasern durchziehen. Diese zeigen sich so gestellt, daß immer gegenüber der Einsenkung eines chorioi- dealen Kegels die Stützelemente am dichtesten stehen. Es erscheint durch gabelförmige Verbreiterung der Stützfaserenden, dort wo sie in die Limitans übergehen, die Spitze der Capillare gestützt. Diese mittleren Stützfasern sind dann besonders dick und färbbar. Diese eigentümliche Anordnung der Stützfasern läßt sich auch im Horizontalschnitt nach- weisen, in dem die Querschnitte der Stützfasern schon in der inneren plexiformen Schicht kleine Kreise bilden, die ins Auge fallen. Die Ganglienzellschicht scheint von der Anordnung nicht berührt zu sein. Regionäre Verschiedenheiten in der Retina finden sich nicht ausgeprägt, Zur Kenntnis des Auges der Macrochiropteren. 99 weder das Spiegelbild noch das Bild des eröffneten Bulbusfundus, noch die Verhältnisse an Radiärschnitten weisen auf das Bestehen einer Area centralis, einer Macula oder Fovea hin. Der geschilderte Typus der Retina besteht fast bis zur Ora serrata. Hier sind die Kegel der Chorioidea seltener und stehen in Zwischenräumen. Infolgedessen ist auch die Retina zwischen ihnen in ihren Schichten eben. An der Ora serrata gehen die Schichten ziemlich unvermittelt in das retinale Epithel des Ciliarkörpers über. Erwähnenswert ist, daß in der Geg6nd der Ora serrata das Pigmentepithel ziemlich viel Pigment in Form der charakteristischen Pigmentnadeln führt, sogar auf dem dünnen Überzug der eingesenkten Capillaren ist es deutlich zu sehen. Die Dicke der Opticusfaserschicht nimmt gegen die Peripherie rasch ab. Die Cornea zeigt eine ziemlich starke Wölbung. Sie nimmt von der ganzen Oberfläche des Bulbus etwa den dritten Teil ein, ihre Dicke beträgt am Scheitel etwa 376 in, das Epithel hat eine Dicke von 56 /<, so daß dasselbe 15% der Cornealdicke ausmacht. Gegen den Corneal- rand zu ist die Dicke eine größere, bis 480,«. Die Cornea übertrifft damit die Sclera an Dicke, ähnlich wie dies auch von der Cornea bei den Microchiropteren bekannt ist. Das Epithel zeigt, abgesehen von der basalen Keimschicht der cylinderförmigen Zellen, noch sechs Lagen von platten Epithelien, davon sind die zwei obersten verhornt. Das Stroma der Cornea wird aus etwa 30 Schichten von Lamellen gebildet, mit deutlich ausgebildeten interlamellären Hohlräumen. Eine Elastica anterior ist nicht deutlich zu erkennen. Die DESCEMETsche Membran ist kräftig entwickelt. Die Iris ist sehr stark pigmentiert. Die Pigmentierung betrifft gleichmäßig alle Schichten. Der Sphincter pupillae am freien Rande ist deutlich zu sehen, auch gehen von ihm in radiärer Richtung ver- einzelte Fasern ab, von dem Vorhandensein eines besonderen Diktator konnte ich mich nicht recht überzeugen. Das retinale Blatt der Iris und des Ciliarkörpers ist nur wenig stärker pigmentiert als das Stroma. Im Iriswinkel finden wir das Ligamentum pectinatum durch ein- zelne derbe Faserzüge repräsentiert, unter diesen liegen offenbar Lymph- gefäße mit sehr zarten Wandungen. Auch der Canalis Schlemmii ist vorhanden. Die Form der Pupille ist rund und bleibt dies auch bei der Ein- wirkung von Atropin. Der Ciliarkörper ist nur aus Bindegewebszellen und Pigment- zellen zusammengesetzt; glatte Muskeln sind so wenig vorhanden, daß IT* JQO Walther Kolmer, man von einem Ciliarmuskel eigentlich gar nicht reden kann, was wohl auf ein Fehlen der Accommodation hindeutet. An der Ansatz- stelle des Ciliarkörpers finden sich zahlreiche Lamellen von pigment- haltigem Bindegewebe in die Sclera verflochten. Die Linse ist für die Dimensionen des Bulbus ziemlich groß. Sie nähert sich in ihrer Form einer Kugel, indem ihr axialer Durch- messer 6,160, ihr äquatorialer 7,000 /< beträgt. Die hintere Fläche ist stärker gewölbt als die vordere. Die Linsenkapsel ist am vorderen Pol 24 /< dick, am Äquator Tu, am hinteren Pol 3 u. Die centralen Linsenfasern sind etwa 12 /< dick, an der Oberfläche gezähnt, im Querschnitt polyedrisch, gegen die Peripherie werden sie dünner bis 2 1^1. Von einem Ringwulst oder sonstigen auffallenden Anordnungen der Linsenfasern ist nichts zu sehen. Das ganze Bild der Linse ähnelt dem von Tieren, welche keine Accommodation besitzen, was mit dem Fehlen des Ciliarmuskels übereinstimmt. Der vordere und der hintere Linsenstern sind, ohne sich zu entsprechen, vierstrahlig. Die Ansatz- stelle der Zonulaf asern ist ein gleichmäßig breites Band. Die Zonula- fasern ziehen über die Ciliarfortsätze hinweg und inserieren an und zwischen ihnen bis zur Ora serrata hin. Die Entfernung des vorderen Linsenpols von der vorderen Corneal- f lache beträgt 1800 /.i, von der hinteren Cornealf lache 1400 /<. Der Opticus zeigt Avenig charakteristische Eigenheiten. Sein Durch- messer beträgt 900 i^i. Die Fasern, die ihn zusammensetzen, besitzen meist eine sehr zarte Markscheide. Die Glia ist durch zahlreiche Spinnenzellen und deutliche Gliaf asern vertreten. Das Bindegewebe ist mäßig entwickelt, einzelne gröbere Balken dringen in den Nerven ein, aber ohne ihn in eigentliche Bündel zu zerlegen. Pial- und Dural- scheide sind zart entwickelt. Eine eigentliche wohlentwickelte Arteria centralis fehlt, doch sind arterielle und venöse zarte Gefäße im Opticus und in der nächsten Umgebung der Opticuseintrittsstelle vorhanden, auch Reste der Arteria hyaloidea finden sich in der deutlich ausgebildeten Excavation des Opticuskopfes. Versucht man aus dem Befunde an Zellelementen allein (Unter- suchungen an Methylenblaupräparaten oder Chromsilberimprägnationen erlaubte leider das beschränkte Material nicht), sich über die Quer- leitungsverhältnisse in der Netzhaut eine Vorstellung zu bilden, so kommt nach der herrschenden Annahme in Betracht, daß wir auf einem Quadratmillimeter etwa 300 000 Stäbchen finden, daß aber sicher im gleichen Bezirk viel mehr äußere Körner vorhanden sind. Zur Kenntnis des Auges der Macrochiropteren. 101 Die. Ganglienzeil Schicht dagegen zeigt auf dem gleichen Flächen- raiim schätzungsweise nur 700 Ganglienzellen. Alan muß diese Zahlen auf den Horizontalschnitten dort, wo die Schnittrichtung möglichst genau getroffen ist, zu bestimmen suchen, das Verfahren kann aber bei den Lagerungsverhältnissen in dieser Retina nur ein recht ungenaues sein. Man müßte also annehmen, daß mit einem Element der Gan- glienzellenschicht etwa 400 Stäbchen in Zusammenhang stehen müßten. Eine irgendwie maßgebende Zählung der Opticusfasern ist mir nicht möglich gewesen. In der äußeren Körnerschicht wird man wohl über- zählige Elemente als Schaltzellen annehmen müssen. Über die Hilfsapparate des Auges wäre zu bemerken, daß der Lid- spalt mittlere Weite zeigt. Die Lidränder decken bei Zimmerbe- leuchtung eben den Irisrand. Auffallende Veränderungen der Weite der Lidspalte bei wechselnder Beleuchtungsintensität konnten nicht beobachtet werden. Die Nickhaut ist recht stark entwickelt, sie enthält im freien Anteil einen Netzknorpel, an ihrem Ansatz die gut entwickelte Nick- hautdrüse, der Ausführungsgang der letzteren durchbohrt eine starke Ansammlung von lymphoiden Elementen, offenbar Lymphfollikel mit verstreuten Keimcentren. Die Tränendrüse ist gut entwickelt, auch die andern Schutzappa- rate des Bulbus, das Lid mit seinen Drüsen, zeigt eine gute Ausbildung. An den Augenmuskeln ist mir nichts Besonderes aufgefallen, ein Re- tractor bulbi fehlt. Wir haben es, wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, beim Auge des Pteropus mit Einrichtungen in der Chorioidea und Retina zu tun, welche unter den bisher untersuchten Wirbeltieraugen kein Analogon haben. Es ist schwer, sich darüber eine Vorstellung zu machen, wie wir uns das Zustandekommen solcher Abweichungen im Bau eines Sinnesorgans erklären sollen, das bei den nächsten Verwandten der Macrochiropteren, den Microchiropteren, von diesen Eigentümlichkeiten keine Spur zeigt. Vielleicht könnte man das ursächliche Moment, das zur Ausbildung der chorioidalen Kegel geführt hat, in der Entwicklung der Ge- fäße erblicken. Wir sind gewohnt, bei Augen jener Größenklasse, wie sie der Pteropus besitzt, bei den Säugern die Retina zumeist mit Gefäßen versehen zu finden. Das Microchiropterenauge besitzt keine Netzhaut- gefäße, und man könnte sich denken, daß, wenn dieser Augentypus sich vergrößert, für eine bessere Ernährung der immer umfangreicheren Netzhaut, speziell der inneren Schichten, schließlich die Choriocapillaris- gefäße nicht mehr ausreichen und ein innigeres Verhältnis zwischen 102 Walther Kolmer, Netzhaut und Chorioideacapillaren zur Ausbildung von Gefäßschlingen und diese sekundär zur Entstehung der Kegel Anlaß gegeben habe. Allerdings ist es nicht ohne weiteres einzusehen, wieso sich nicht aus den vorhandenen Gefäßen des Opticuskopfes ein retinaler Blutkreis- lauf ausbildete, sondern eine Blutgefäßversorgung unter Vorstülpung beider epithelialen Blätter der Netzhaut sich entwickelte. Die eigen- tümliche Blutversorgung nimmt auch deshalb eine Ausnahmestellung ein, weil wir sonst in der Retina, ja vielleicht fast in allen Sinnesorganen, mit Ausnahme der Riechschleimhaut mancher Tiere und des Jakob- soNschen Organs mancher Reptilien, beobachten, daß die eigentliche Schicht der Sinneszellen von dem nahen Kontakt mit Blutgefäßen durch deren Lagerung bewahrt ist, um, wie angenommen wird, die Sinneszellen vor plötzlichen mechanischen, vielleicht auch chemischen Beeinflussungen, die von den Capillaren ausgehen könnten, unabhängig zu machen. Auch dieses Prinzip scheint hier durchbrochen, da hier wirklich nur durch ein verschwindend dünnes Endothel getrennt die Capillarwände den Stäbchen anliegen. Andre teleologische Erklärungsweisen machen einige Schwierig- keiten. Bei Beurteilung von Verhältnissen in einer Wirbeltierretina ist die dem Menschen allein zugängliche subjektive Erfahrung immer mitbestimmend. Wir sind gewohnt, beim Menschen und bei den andern Wirbeltieren die Elemente, die allein das Licht perzipieren sollen, peinlich genau in der Projektionsebene als Mosaik angeordnet zu sehen. Wir wissen aus den Erfahrungen der menschlichen Pathologie, daß die geringste Verlagerung der Sehelemente aus dieser Projektions- fläche heraus, das Zustandekommen der Bilder stört. Im Pteropus-Ange aber stehen die Basen und die freien Enden der Netzhautstäbchen in bis um 100 /t verschiedenen Höhen. Da nun bei Verkleinerung der Brennweite die Tiefenschärfe abnimmt, so muß sich eine Verlagerung in dem kleineren Auge des Pteropus noch mehr fühlbar machen als beim Menschen, das heißt, es müßten bei wechselnder Einstellung immer nur besondere, in einer Querschnittshöhe der Kegel stehende Sehelemente im Bereiche eines scharfen Bildes stehen, nicht aber gleichzeitig die höher oder tieferstehenden. Von der dabei in Betracht kommenden Höhendifferenz, kann man allerdings vielleicht die Höhe des Außengliedes der Stäbchen abziehen, wenn man annimmt, daß es gleichgültig ist, welche Höhe des Außen gliedcylinders das Bild trifft. Dazu kommt noch, daß die Netzhaut in ihren äußeren Schichten vor allem in der Sehepithelschicht auch Unterbrechungen zeigt, welche Löcher den Capillarschlingen entsprechen. Zur Kenntnis des Auges der Macrochiropteren. 103 Nur wenn man annimmt, daß der dioptrische Apparat des Auges größere Tiefenschärfe besitzt, wäre ein gleichzeitiges Perzipieren des Bildes in verschiedenen Höhen der Netzhaut denkbar. In dieser An- nahme könnten uns vielleicht die Verhältnisse bestärken, welche wir im dioptrischen Apparat finden. Form und Bau der Linse, sowie das fast vollständige Fehlen der Accommodationsmuskeln deuten wohl darauf hin, daß dem Auge die Accommodation wahrscheinlich fehlt. Es wirkt also wie eine kurze kleine Momentcamera mit feststehender Linse, bei der alle Gegenstände von einem gewissen Abstand an scharf auf der Projektionsfläche abgebildet werden. Ein scharfes Sehen nahe gelegener Gegenstände ist aber bei diesem Auge schwer vorstellbar. Tast- und insbesondere Geruchssinn sind gewiß vorzüglich ent- wickelt, das Labyrinth fand ich dem der Microchiropteren sehr ähn- lich. Es wäre auch zu erörtern, ob nicht bei Wegfall einer Accommo- dation die verschiedene Entfernung der Sehelemente dem Tier, das wohl nur monoculär sieht, das Schätzen der Tiefendimension und Entfernung vielleicht bei bewegten Objekten ermöglicht. Es werden die Tiere gewöhnlich als Baumfruchtfresser in einen gewissen Gegen- satz zu den insektenfressenden Microchiropteren gebracht, bei denen eine solche Einrichtung, die vielleicht den Fang von fliegenden Insekten erleichtern könnte, in diesem Sinne erklärlich wäre. Es gibt Angaben, daß die Pteropi imstande seien, im Fluge Fische von der Oberfläche von Teichen während der Dämmerung wegzufangen. Eine solche Jagdweise hat wohl genaues Abschätzen der Entfernung, ein gutes Tiefensehen zur Voraussetzung. Vielleicht könnte man für eine solche funktionelle Bedeutung der Pigmentkegel den Umstand geltend machen, daß die Oberfläche der Kegel so regelmäßig gestaltet und die Flächen- neigTing derselben so gleichförmig ist, da ja gewöhnlich die Ausbildung geometrisch regelmäßiger Strukturen histologischer Gebilde auf deren funktionelle Bedeutung hinweist. Bei der Schwierigkeit der Material- beschaffung und der Ausführung von Experimenten mit den fliegenden Hunden muß es entschuldigt werden, wenn diese Untersuchung lücken- haft ist. Vielleicht ist es mir selbst oder einem andern Untersucher einmal möglich, die Besonderheiten des Pterofus- Auge& in physio- logischer, vielleicht auch in ent\säcklungsgeschichtlicher Hinsicht auf- zuklären. Großes Interesse würde natürlich auch eine vergleichende Unter- suchung der verschiedenen Augen von Macrochiropteren und Microchiro- pteren der Tropen bieten. Es könnte dabei wohl das x4uge Aufschlüsse über Verwandtschaftsverhältnisse geben. Durch die Liebenswürdigkeit 104 Walther Kolmer, Zur Kenntnis des Auges der Macrochiroptefen. Herrn Professor Grossers wurde ich in die Lage versetzt, auch ein Auge der afrikanischen Art Cynomjcteris zu untersuchen. Es finden sich bei dieser Art dieselben Verhältnisse in der Chorioidea wie bei Pterofus. Die Kegel zeigen etwas kleinere Dimensionen, und das Pigmentepithel ist pigmenthaltig. Wien, im Juni 1910. Literatur. Kolmer, Centralblatt für Physiologie. XXIII. Nr. 6. Held, Die Entwicklung des Nervengewebes. Leipzig, Barth 1909. S. 12. Pütter, Organologie des Auges. Graefe-Saemisch, Handbuch der Augenheil- kunde. 2. Auflage. Bbehm, Tierleben. Erklärung der Abbildungen. Tafel III. Alle Figuren sind mit Hilfe der Projektionseinrichtung direkt entworfen. Fig. 1. Auge von Pterojms medius in natürlicher Größe nach Entfernung der Augenmuskeln. Fig. 2. Asialer Durchschnitt durch das Auge, um das Verhältnis der ein- zelnen Teile zu zeigen. 5mal vergrößert. Fig. 3. Ein Quadrant des am Äquator eröffneten Bulbus, die leichte Wel- lung der Innenfläche der Retina zeigend. 7mal vergrößert. Fig. 4. Genau radiärer Schnitt durch die Chorioidea und Retina aus der Gegend des Augenfundus. 48mal vergrößert. Fig. 5. Pigmentkegel der Chorioidea mit centralem Gefäß, der Chorio- capillaris und dem Pigmentepithel. Zeiss. Apochromat 2 mm 1,40, Oc. 6. Fig. 6. Partie der Retina zwischen zwei Gefäßeinsenkungen. Verlagerung der äußeren Retinaschichten. Anordnung der Stützfasern. Zeiss, Apochromat 3 mm 1,40, Oc. 6. Fig. 7. Partie aus einem Tangentialschnitt durch Chorioidea und Retina. Querschnitte der chorioidealen Kegel der centralen Capillaren und des Retina- mosaiks. Zeiss, Apochromat 16 mm, Oc. 6. Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Leipzig.) Von Ernst Born, approb. Tierarzt. Mit 2 Figuren im Text und Tafel IV— VIII. Die durchsichtigen pelagischen Mollusken des Mittelmeeres haben schon früh die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf sich gelenkt. Die bedeutendsten Vertreter der vergleichenden Anatomie, Gegenbaur, KöLLiKER, Leuckart, Heinrich Und Johannes Müller, haben uns aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Reihe wertvoller Arbeiten über diese interessanten Tiere hinterlassen. In den folgenden De- zennien sind diese »Normalobjekte anatomischer Forschung <(, wie sie Ranke (104) bezeichnet, wenig gewürdigt worden; über den feineren Bau ihrer Haut, die wegen ihrer durchsichtigen Beschaffenheit ein geeignetes Untersuchungsobjekt ist, finden sich nur in den von Paneth im Jahre 1885 veröffentlichten »Beiträgen zur Histologie der Pteropoden und Heteropoden« ausführlichere Angaben. Unsere Kenntnis der Anatomie dieser eigenartigen Gastropoden ist dm'ch die umfangreichen Beobachtungen, welche wir in neuerer Zeit Meisenheimer (87) und Tesch (131) verdanken, bedeutend erweitert worden; doch die feineren Strukturverhältnisse des Integuments finden auch bei diesen Autoren nur wenig Berücksichtigimg. Eins der zierlichsten Geschöpfe in der pelagischen Fauna des Mittelmeeres ist die nur 1 — 3 cm große Phylli- rhoe bucephala'^, mit deren feinerer Anatomie ich mich auf den gütigen 1 Die Schreibweise des Namens ist bei den einzelnen Autoren eine sehr verschiedene. Müller und Gegenbaur (1854), ferner Ludwig (1883) in der Synopsis der Tierkunde, auch Hescheler in Längs Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Tiere schreiben: »Phyllirhoe bucephalum «, wohl mit Rücksicht auf das Neutrum: ro cpvVkov. Ich behalte die schon von Eschscholtz (1825) und später auch von v. Marxens (1888) in der Enzj^klopädie der Natur- wissenschaften gewählte Schreibweise bei, weil die Endigung des Substantivums (-oe), welche für das Adjektiv maßgebend ist, femininen Charakter trägt. 106 Ernst Born, Rat von Prof. Chun schon vor längerer Zeit im zoologischen Institut der Universität Leipzig befaßt habe. Wegen der glasartigen Durch- sichtigkeit ihrer Haut und der im Gegensatz zu den Heteropoden und Pteropoden nur schwach entwickelten Muskulatur ist Phyllirhoe ein besonders günstiges Objekt zum Studium der Innervation; an mittel- großen Totoexemplaren, die nur mit FLEMMiNGscher Lösung fixiert und in Glyzerin aufgehellt sind, lassen sich die Nerven von den Schlund- ganglien bis zu ihren feinsten Ausläufern verfolgen; man braucht nur die Objektive am Revolver des Mikroskops zu wechseln. Die vor- liegenden Untersuchungen waren schon im wesentlichen abg'eschlossen, als VissiCHELLi seine » Contribuzioni allo studio della Phyllirhoe buce- fhalaa. veröffentlichte; diese Arbeit veranlaßte mich, in den Sitzungs- berichten der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin (Jahr- gang 1907, Nr. 4 und 10) über meine an demselben nudibranchiaten Gastropoden gemachten Beobachtungen eine vorläufige Mitteilung zu publizieren. Material und Methode. Das zu den Untersuchungen erforderliche Material erhielt ich von der zoologischen Station zu Neapel. Phyllirhoe wird dort, wie mir mitgeteilt wird, in den Monaten Dezember bis April gefangen; doch tritt sie so unregelmäßig auf, daß auch während dieser Zeit von der Station oft kein Material zu erhalten ist. In Villefranche wird Phylli- rhoe, wie Herr Dr. Davidoff mich gütigst benachrichtigt, ebenfalls nur selten und auch dort in manchen Jahren überhaupt nicht be- obachtet. Das Material erhielt ich in 70%igem Alkohol, nachdem es in verschiedener Weise fixiert war. Zum Studium der peripheren Nerven eigneten sich besonders, wie schon erwähnt, Objekte, die ich mit FLEMMiNGscher Lösung in vor- trefflicher Weise fixiert erhielt; und zwar war folgende Mischung in Anwendung gekommen : Chromsäure 1% 25 ccm Essigsäure 2% 5 » Osmiumsäure 1% 10 » Wasser 60 » Für die Untersuchung der Drüsen erwiesen sich namentlich Exem- plare geeignet, die mit l%iger Chromsäure fixiert waren; befriedigende Resultate lieferten auch Tiere, bei denen zum Fixieren Chromessigsäure Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 107 verwendet war. Dagegen kann ich die Siiblimatgemische als Fixier- mittel für PJn/Uirhoc nicht empfehlen; brauchbare Präparate erhält man bisweilen noch nach Anwendung von Sublimatessigsäure; da- gegen zeigten die mit Sublimatalkohol fixierten Tiere eine so weiche Konsistenz, daß eine weitere Behandlung der Objekte unmöglich war; letzteres Fixiergemisch ist übrigens nur auf meinen besonderen Wunsch gebraucht worden. Um die Natur der zahlreichen Hautdrüsen festzustellen, wandte ich entsprechende Farblösungen an: Mucikarmin, häufig in Verbindung mit Hämalami und Indigokarmin; ferner Böhmers und Delafields Hämatoxylin, als Kontrastfarbstoff wurden hierbei Eosin und Orange G- benutzt. Nach mehreren Versuchen erwies sich die Ausführung dieser Doppelfärbung am zweckmäßigsten in der von Rawitz (108, S. 69) angegebenen AVeise, welche ich etwas modifiziert habe. Die mittels einer feinen Schere abgetrennten Hautteile kamen zunächst nicht in die von Rawitz empfohlene konzentrierte, sondern nur in eine l%ige wässerige Eosinlösung. Der von Rawitz empfohlene 24 stündige Aufent- halt in der Farblösung war nur bei Präparaten erforderlich, die mit FLEMMiNGscher Lösung fixiert waren; bei Chromsäurepräparaten ge- nügten einige Stmiden, und mit Chromessigsäure fixierte Objekte waren schon nach wenigen Minuten mit den sauren Teerfarbstoffen überfärbt. Die Schnitte wurden dann sorgfältig mit destilliertem Wasser ausgewaschen; doch habe ich es bei der Färbung mit Eosin als zweckmäßig empfunden, aus den Schnitten nach dem Aus- waschen mit Wasser das überschüssige Eosin sofort mit 70%igem Alkohol zu extrahieren, w^eil andernfalls durch die anschließende Fär- bung mit Hämateintonerde keine gute Kernfärbung zu erzielen ist. Zur Tinktion der Drüsen wurden außerdem noch Methylenblau und Methylgrün in der von Böhm und Oppel (15) mitgeteilten Weise benutzt. Zum Studium nervöser Elemente wurden auch Apathys Häma- tein la und Heidenhains Eisenalaunhämatoxylinfärbung, zur Unter- scheidung des Bindegewebes von der Muskulatur die von Hansen und VAN GiESON angegebenen Färbungen mittels Säurefuchsin und Pikrin- säure ausgeführt; auch Pikrokarmin leistete mir zu letzterem Zweck gute Dienste, wenn die Präparate vorher eine viertel bis eine halbe Stunde mit Wasser behandelt waren, das eine Spur Eissgsäure (auf 10 ccm Wasser ein Tropfen 2%iger Essigsäure) enthielt. Dieses Ver- fahren hat von den von Hansen und van Gieson angeführten Methoden den Vorzug, daß bei ihnen keine besondere Kernfärbung erforderlicli 108 Emst Born. ist. Zum Nachweis elastischer Elemente bediente ich mich der Orzeinfärbung nach Unna und des WEiGERTschen Verfahrens mittels Eesorzin-Fuchsinlösung. Als Einschlußmittel ist für diese ohne Paraffineinbettung herge- stellten Schnitte Kanadabalsam zu vermeiden, weil er die Präparate zu stark aufhellt und daher die feineren Strukturen der in der gallertigen Substanz liegenden Elemente nicht scharf genug hervortreten. Am empfehlenswertesten ist zum Studium der histologischen Details der Haut der Einschluß in Glyzerin. Leider zieht dieses Medium aber viele Farben ziemlich schnell aus; über die Haltbarkeit der Hämatein- färbungen in Glyzerin liegen, wie auch P. Mayer in der Enzyklopädie der mikroskopischen Technik (28, S. 512) betont, eingehende Unter- suchungen noch nicht vor; es dürfte daher die Mitteilung meiner Er- fahrungen in dieser Beziehung von einigem Interesse sein. Vor allem ist es erforderlich, daß man sich nicht des in den Apotheken käuflichen Glyzerins bedient, da dieses fast immer noch Spuren von Säure enthält; vielmehr ist zum Einschließen völlig säurefreies Glyzerin (von Grübler, Leipzig, bezogen) und ferner eine Umrandung der Deckgiäschen not- wendig. In derart aufbewahrten Objektträgern war die Farbe nach Monaten noch nicht verblaßt; nur hatten in fast allen Präparaten die blauen Farbennuancen einen grauen Ton angenommen. Sehr wider- standsfähig zeigten sich die Hämateintinktionen nach Apathy und Delafield. Ferner kommt es nach meinen Beobachtungen bei Phyllirhoe wesentlich auf die Art der angewandten Fixierung an; in Präparaten, die in Sublimatessigsäure fixiert und in Hämalaun gefärbt waren, sind jetzt nach 2 Jahren die Kerne noch intensiv blau ge- färbt. Sehr schnell bleichen bekanntlich in Glyzerin die Anilinfarben aus; nur in Objekten, zu deren Fixierung Chromessigsäure benutzt war, hielt sich die Eosinfärbung monatelang im Glyzerin. Sehr gut werden die Teerfarben, wie auch Lee (69, S. 72) bemerkt, durch den Einschluß in dünnflüssigem Cedernöl konserviert. Besondere Vorteile bot mir bei PhylUrJioe das Paraffinum liquidum als Medium zum Aufbewahren der Präparate; das Paraffinöl extrahiert nämlich weder Hämatein- noch Anilinfarben. Nach Monaten noch zeigen letztere ihre ursprünglichen Nuancen; nur Säurefuchsin verblich mit der Zeit. Außerdem besitzt das Paraffinöl in seinem geringen Brechungsindex einen für meine Untersuchungen wesentlichen Vorzug; es hellt die Präparate nicht stärker auf als Glyzerin. Da nun zwischen Harz und Stransky in der Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie (Bd. XX, 1903) sich ein Prioritätsstreit hinsichtlich der Einführung Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 109 des Paraffinöls als Einbettimgsmittel entwickelt hat, erlaube ich mir darauf aufmerksam zu machen, daß Altmann schon im Jahre 1890 (1, S. 34) in seinen »Elementarorganismen« das Paraffinum liquidum als Einschlußmittel empfiehlt. Wie beim Glyzerin, so umrandete ich auch nach Einschluß in Paraffinöl das mittels Wachsfüßchen am Objekt- träger haftende Deckgläschen mit der Kkönig sehen Masse. Harz hat seine in Paraffinöl eingeschlossenen Präparate mit Glyzeringelatine umrahmt, während Stransky (129) von einer Fixierung der Deck- gläschen nichts angibt. Auch in den .nicht umrahmten Präparaten hielten sich die Tinktionen lange; dies ist wohl auf den Umstand zu- rückzuführen, daß das Paraffinöl im Gegensatz zum Glyzerin nicht hygroskopisch ist. Da aber die Wachsfüßchen durch das flüssige Paraffin leicht aufgelöst werden, und dann das Deckgläschen jeglichen Halt verliert, ist eine Umrandung erforderlich. Von der von Harz empfohlenen Glyzeringelatine habe ich aber Abstand nehmen müssen, weil sie zu leicht unter das Deckglas dringt. Bei den nach Einschmelzung in Paraffin mit dem Mikrotom ge- wonnenen Schnitten war ein Einschluß in flüssige Medien nicht er- forderlich, da bei ihnen das starke Aufhellungsvermögen des Kanada- balsams nicht störend wirkte. Die Haut. Das die äußere Haut bedeckende Epithel ist wie bei allen Mollusken einschichtig und läßt zwei Hauptformen erkennen, die durch das Vor- handensein oder Fehlen von Wimpern bedingt werden. Während das Epithel am ventralen und dorsalen Körperrand von fast kubischer Gestalt ist, plattet es sich auf den anstoßenden Seitenflächen stark ab. Auf den mittleren Hautpartien sind die Epithelzellen spärlich vor- handen; nur an den Mündungen der verschiedenen Hautdrüsen sind sie in etwas größerer Menge anzutreffen. Bei Färbung mit Hämalaun- Eosin sind die Kerne in den Epithelien meist blau, in vielen aber auch rot gefärbt. Die blau tingierten Kerne, die meist von ovaler Gestalt sind, haben eine deutlich ausgeprägte chromatische Substanz. Die rot gefärbten Kerne sind meist kleiner als die blauen, dichter granuliert und fast stets von unregelmäßiger Form. Daher ist wohl die Annahme berechtigt, daß die roten Nuclei degenerierten Epithelien angehören. Am Rüssel wird das Epithel schmäler und höher; seine größte Höhe erreicht es an den Übergangsstellen der Lippen zum Vorraum zur Mundhöhle (Taf. IV, Fig. 6), bis hierher sind auch in dem Epithelsaume die Flimmerzellen vorhanden, die hier entsprechend den 110 Ernst Born, Übrigen Epithelzellen ebenfalls ihre Form geändert haben; auch sie sind am Kopfe sehr schmal und von cylindrischer Gestalt. Der Kern dieser Fiimmerzellen liegt in der Mitte des Zellleibes, während er bei den übrigen Deckepithelien des Rüssels an der Zellbasis zu finden ist. Die Flimmerzellen werde ich später unter den Sinnesorganen ein- gehender besprechen. Das Epithel sitzt einer strukturlosen Basalmembran auf, die sich auf nach der Methode von I^ansen oder mit Pikrokarmin gefärbten Schnitten als eine zarte rote Linie von dem etwas gelblich tingierten Epithel abhebt. Die strukturlosen Membranen der Mollusken sind nach Kollmann (67, S. 593) entweder durch Zellenausscheidung hervor- gegangen oder durch Verdichtung der strukturlosen Grundsubstanz entstanden. In der Basalmembran der PhylUrlioe habe ich keine be- sonderen Kerne angetroffen, und sie ist demnach nur als die äußere verdichtete Schicht der gallertigen Grundsubstanz des Körpers auf- zufassen. Letztere wird allgemein als Intercellularsubstanz gedeutet; und zwar wird sie bei den Heteropoden nach der schon von Gegen- BAUR (36) vertretenen Ansicht, welcher sich später Paneth (96, S. 254) und neuerdings Tesch (131, S. 62) angeschlossen haben, von stern- förmigen, reich verästelten Zellen ausgeschieden. Nach Leuckart da- gegen haben die Bindesubstanzzellen der pelagischen Mollusken das Aussehen von » Eiterkörperchen «, wie er sie auch bei Phyllirhoe be- obachtete. In der homogenen Grundsubstanz der Phyllirhoe finden sich in großer Menge Zellen, deren kleiner Kern am Rande des fein- granulierten Körpers liegt (Taf. V, Fig. 4 a). Diese Zellen sind von einem schmalen homogenen Protoplasmasaum umgeben, der oft einzelne, sehr feine und kurze Fortsätze aussendet. Sie liegen häufig auch den Muskelfasern und den inneren Organen seitlich an. Ferner findet man unter der Basalmembran der Phyllirhoe, oft in Haufen zusammenliegend, kleine Zellen mit einer breiten, homogenen Protoplasmaschicht; letztere stimmen völlig mit den von Leuckart und Boll beobachteten Zellen überein (Fig. 4 b). Der periphere Protoplasmasaum dieser Zellen kann sich aber bei Phyllirhoe an dem einen oder auch an beiden Zell- polen zu einem langen Fortsatz ausziehen, der die verschiedensten Formen annehmen kann (Fig. 5). Alle diese Zellen sind bei Phyllirhoe ohne Zweifel als die Bildungszellen der homogenen Grundsubstanz aufzufassen, und ich vermute, daß es sich bei ihnen nicht um ver- schiedene Zellarten handelt, sondern daß sie auf einen und denselben, nämlich auf den zuerst erwähnten Zelltypus zurückzuführen sind Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 111 (Fio. 4ö). Die große Umwandlungsfähigkcit der Bindegewebszelle der Mollusken ist ja am besten in den Angaben Chatins (20) über Palu- dina gekennzeichnet; Chatin leitet alle die verschiedenen Zellen des Bindegewebes: die bläschenförmigen, die multipolaren, die Plasma- zellen, die LANGERschen Blasen, von einem Typus ab. Sternförmige Zellen, wie sie von Gegenbaur, Paneth, Brock und andern bei den verschiedensten Gastropoden als die eigentlichen Bindegewebszellen beschrieben worden sind, habe ich in der hyalinen Intercellularsubstanz der PhjlUrhoe auch beobachtet; eine genauere Beschreibung dieser Zellen findet sich in dem den Hautdrüsen ge- widmeten Kapitel (vgl. S. 162), da sie ohne Zweifel bei Phyllirhoe secretorische Elemente darstellen. Erwähnen will ich noch, daß die Bindegewebskörperchen der Phyllirhoe von Günther (44) als die Spermatozoen der an ihr schma- rotzenden Meduse Menestra angesehen worden sind. In die collagene Grundsubstanz sind außer ihren eigentlichen Bildungszellen noch andre freie Zellarten, ferner das Nervensystem, die Muskulatur und die Hautdrüsen eingelagert. Von den freien Zellen sind die Pigmentzellen die interessantesten. Die Pigmentzellen. * An dem oberen und unteren Körperrande machen sich nach H. Mül- ler und Gegenbaur (92) beim lebenden Tier gelbe Punkte bemerkbar, die von ihnen mit den Chromatophoren der Tintenfische verglichen werden. Über die beobachteten zwei Modifikationen dieser Zellen geben die genannten Autoren folgende Angaben: »Man findet einmal große, sehr platte, wenig intensiv gefärbte Zellen, die in einzelne spitze Zacken ausgeben. • Andernfalls sind die Zellen klein, nach allen Di- mensionen von ziemlich gleichem Durchmesser, bei durchfallendem Lichte sehr dunkel und deutlich von einer Anzahl strahlig gestellter Fortsätze umgeben. « Diese Beschreibung kann ich in folgender Weise ergänzen. Nahe dem Körperrande der Phyllirhoe findet man mitunter Gebilde, an denen mehrere, 2 bis etwa 20 Kerne sichtbar sind; ohne Zweifel sind aber in den tieferen Schichten, die nicht der Beobachtung zu- gänglich sind, noch mehr Kerne enthalten. In diesen Syncytien sind die Grenzen der einzelnen Zellen häufig durch einen fibrillären, licht- brechenden Kontur gekennzeichnet (Taf. V, Fig. 2). Diese Zellver- bände haben meist nur wenige und sehr kurze Ausläufer, Die Zellen 112 Ernst Born, können sich nun voneinander entfernen; es stellen dann zunächst noch deutlich sichtbare protoplasmatische Stränge die Verbindung zwischen ihnen her (Fig. 1); je größer die Entfernung zwischen den einzelnen Pigmentzellen wird, desto feiner werden die verbindenden Stränge, und schließlich werden die Ausläufer so fein, daß die Ver- bindung sich nur noch an einzelnen Pseudopodien nachweisen läßt; bisweilen haben sich einzelne Zellen so weit entfernt, daß ein Zusammen- hang mit der dicht am Körperrande gelegenen Pigmentzellenreihe mittels der äußerst feinen Ausläufer nicht mehr zu konstatieren ist. Solche isoliert erscheinenden Zellen haben eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Khizopoden; sie sind stark abgeplattet, relativ groß und haben einen central gelegenen, bläschenförmigen Kern; ihr äußerer Kontur, der mitunter fast kreisförmig ist, entsendet zahlreiche, feine homogene Ausläufer, die nur bei Färbung mit Heidenhains Eisenhämatoxylin eingelagerte schwarze Körnchen erkennen lassen. In diesen expan- dierten Zellen sind die Kerne in der Regel etwas größer als in den kontrahierten mehrzelligen Gebilden ; die in letzteren enthaltenen Zellen sind auch von bedeutend kleinerem Umfang und haben dichter granu- liertes Pigment* Die durch die feinen Ausläufer verbundenen Pigmentzellen zeigen oft ganz sonderbare Formen ; häufig sind sie lang ausgezogen und liegen in einer Reihe dicht nebeneinander. Diese Zellen weisen keine Pseudo- podien mehr auf, nur von den beiden Polen jeder Zelle gehen wenige oder sogar nur je ein fibrillärer Strang zu der benachbarten Zelle. Der Körper solcher Zellen ist dann meist von einer lichtbrechenden Fibrille umgrenzt; außerdem liegt ihm oft bei Präparaten, die mit Flemming- scher Lösung fixiert sind, noch ein schmaler, heller, feingestrichelter Saum auf (Fig. 3). Ich habe bisweilen sich über eine größere Strecke hin ausdehnende Chromatophorenfelder beobachtet, welche aus etwa 40 miteinander verbundenen Zellen bestanden. In diesen Zellen lag der Kern häufig nicht in der Mitte, sondern nahe dem einen Zellpole, und zwar regellos bald in diesem, bald in jenem Ende der Zelle. Das Pigment ist meist im Centrum der Zelle in größerer Menge vorhanden; bisweilen ist es aber auch an die Peripherie gedrängt und der mittlere Teil des Zellkörpers erscheint homogen. Viel Zeit und Mühe habe ich darauf verwandt, um einen eventuellen Zusammenhang mit Nervenfasern feststellen zu können, wie er von den Chromatophoren der Tintenfische bekannt ist. Sehr oft habe ich Nerven über die Pigmentzellen hin wegziehen sehen; einmal hat sogar der Nerv gerade über einer solchen Zelle eine ganglionäre Anschwellung Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 113 gehabt; doch ich bezweifle, daß die Pigmentzellen von diesen Nerven tatsächlich innerviert werden. Desgleichen ist es mir nicht geglückt, einwandfreie Verbindungen mit Muskelfasern festzustellen. Müt.ler und Gegenbaur haben übrigens an den Pigmentzellen der Phyllirhoe eine selbständige Bewegung nicht beobachtet, sondern nur bemerkt, »daß die Zellen an der Formveränderung des Tieres überhaupt Anteil nehmen «. Bezüglich des biologischen Wertes dieser Zellen weise ich darauf hin, daß E. Hecht (53) in seiner Monographie über die Nudibranchier dreierlei Färbungen bei diesen l'ieren unterscheidet. Einmal indifferente Farben, sie haben keine wesentliche Bedeutung; ferner Schutzfärbungen (coloration homochromique), die aber selten beobachtet werden, und schließlich Warnfarben (couleurs premonitrices) ; letztere zeigen einen auffallenden Farbenton; sie sind fast immer rot, orange und nament- lich gelb. In der Anordnung dieser Färbungen macht sich eine gewisse Regelmäßigkeit bei den Nudibranchiern bemerkbar; meist ziert die Farbe die Spitzen der Papillen; auch an den Seiten des Körpers findet man lebhaft gefärbte, unregelmäßig gestaltete Flecken ; besondere Pigmentzellen aber sind von Hecht nicht beobachtet worden. Alle Arten mit Warnfarben sind äußerst flink und besitzen in ihren Nessel- zellen kräftige Verteidigungsmittel. Wie Hecht weiterhin erwähnt, ist Wallace der Ansicht, daß bei den Äolidiern die durch die Warn- farben angelockten Feinde mittels der Nesselorgane zurückgetrieben werden und infolgedessen in Zukunft die Angriffe nicht wiederholen. Hecht kann diese Theorie nicht annehmen, da es ihm zweifelhaft erscheint, daß den niederen Tieren die Gaben der Erinnerung und Vernunft in so hohem Maße zuzusprechen sind. Übrigens hat auch später noch Cockerell (25) die farbigen Pigmente in der Haut der Chromodoris als "warning coloration" gedeutet. Hierzu muß aber bemerkt werden, daß die Nesselzellen nicht von den Äolidiern erzeugt werden, wie man lange Zeit annahm und selbst noch in der letzten, von Grobben bearbeiteten Auflage des Lehrbuchs der Zoologie von Claus auf S. 597 zu lesen ist; vielmehr entstammen die Nesselzellen der Äolidier den Hydroiden, von welchen sich diese Tiere ernähren. Durch Beobachtungen jedoch glaubt man sich davon überzeugt zu haben (zit. nach Spengel, Die Nesselkapseln der Äolidier. Naturw. Wochenschrift, Bd. XIX, 1904), daß die Äolidier die mit der Nahrung aufgenommenen Nesselkapseln als Verteidigungswaffen gebrauchen; die bunten Farben ihrer Papillen sind daher nach Spengel u. a. als un- verkennbare Trutzfarben zu erklären. Ob auch bei Phyllirhoe die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 8 114 Ernst Born, Pigmentzellen die Rolle von Warnzeichen spielen, wage ich nicht zu entscheiden. Es ist möglich, daß die eine oder andre Art der am Körperrande, wo auch die Chromatophoren namentlich ihren Sitz haben, sich findenden Drüsenzellen als Verteidigungsorgane zu deuten sind; aber ich kann nicht die von Bergh (7, S. 216) gemachte Angabe bestätigen, daß in der Haut der Phyllirhoe zahlreiche Nesselkapseln sich finden. Das Nervensystem. Das centrale Nervensystem ist schon von Vissichelli (137) ein- gehend beschrieben worden, so daß ich mich auf wenige Angaben über dasselbe beschränken kann. Das Centralnervensystem der Phyllirhoe hat die für die Nudi- branchier charakteristische Lage hinter dem Pharynx; die vier über dem Oesophagus liegenden Ganglienknoten haben eine verschiedene Deutung erfahren. Vissichelli bezeichnet die oberen Centren als cerebropleurale, aber auch als cerobroviscerale Ganglien, da nach seinen Angaben der aus dem hinteren Abschnitt der dorsalen Ganglien hervor- gehende Nerv Zweige an die oberen Leberschläuche, das Herz und die Niere abgibt. Ich bezweifle übrigens, daß dieser Nerv die Mittel- darmdrüse innerviert; seine Äste ziehen zwar über letztere hinweg, ohne sich aber irgendwie auf diesem Organ zu verästeln; ich habe da- gegen einigemal feine Zweige aus dem sympathischen Plexus an die Leberschläuche abtreten sehen. Ferner halte ich es für ausgeschlossen, daß der Seitennerv, so will ich diesen Zweig entsprechend der von Vissichelli eingeführten Nomenklatur nennen, das Herz innerviert. Dagegen tritt dieser Nervenstamm zur Niere tatsächlich in Beziehung, jedoch in einer andern Weise als Vissichelli annimmt. Über die Inner- vation des Herzens und des Nephridiums werde ich später ausführlichere Angaben machen. Der Seitennerv gibt nun aber auch im weiteren Verlaufe, wie ja auch Vissichelli bekannt ist, Zweige an das Inte- gument ab; er ist also kein reiner Eingeweidenerv; demnach müssen noch andre Gehirnabschnitte in den dorsalen Ganglien enthalten sein. Nach Vissichelli haben sich letztere durch Verschmelzung der Cerebral- und Pleuralganglien gebildet, und zwar entspringt der Seitennerv aus dem hinteren, dem pleuralen Abschnitt. Dieses Verhalten ist aber in- sofern bemerkenswert, als Guiart (45, S. 89) in seiner umfangreichen Arbeit über die Opisthobranchier, die von Vissichelli nicht berück- sichtigt wird, behauptet, daß auch bei diesen Gastropoden die Pleural- ganglien keine Nerven mehr abgeben. Auch Pelseneer (97) hält die Beiträge zur feineren Anatomie iler Pli\ Uirhoe bucephala. 115 von ihm bei Acera, Aplijsia und Apltjsidla beobachteten Pleurainerven für Neubildungen. Für die Prosobranchier hatte schon vorher Spen- OEL (125, S. 34) angegeben, daß bei ihnen die Pleuralganglien stets nur die Visceralcomraissur und niemals peripherische Nerven abgeben. Falls bei den Opisthobranchiern die Pleuralganglien Nerven an das Tntegument senden, so stammen diese nach Guiart stets aus den mit ihnen verschmolzenen »ganglions palleaux«. Bei Guiart sind näm- lich nicht, wie sonst üblich, die Bezeichnungen Pleural- und Pallial- ganglien synonym, vielmehr besteht nach ihm die Visceralcommissur, sein »centre palleo- visceral «, von vorn nach hinten aus folgenden Ganglien: aus zwei Pleuralganglien, welche niemals Nerven abgeben; ihnen folgen zwei Pallialgangiien, welche das Integument der vorderen Körperregion innervieren; letzteren Centren schließen sich dann noch drei Visceralganglien an. Bei Phyllirhoe enthalten demnach die oberen, die Cerebropleuralgangiien, auch noch die »ganglions palleaux« im Sinne Guiarts und wohl außerdem noch Teile der Visceralganglien, da der Seitennerv auch die Urinkammer innerviert. Daß bei Nudi- branchiern Cerebral-, Pleural- und Visceralganglien miteinander ver- schmelzen können, lehrt die Beobachtung Guiarts (S. 125) bei Archi- doris tiiberculata und Idalia racemosa. Letztere Angabe ist insofern bemerkenswert, als durch sie die von Pelseneer (98) aufgestellte Behauptung widerlegt wird, daß sich die Pleural- und Visceralganglien nie miteinander vereinigen. Die unteren Ganglien bezeichnet Vissichelli nur als pedale, während sie von Ihering (59) als visceropedale in Anspruch genommen werden, da aus ihnen auch die Nerven für den Geschlechtsapparat stammen. Nun bemerkt ja allerdings Pelseneer (97), daß bei den Mol- lusken die Innervation des Penis immer durch das Pedalganglion erfolgt ; auch Guiart bestätigt diese Innervierung des Penis für die Opistho- branchier; aber bei allen diesen Angaben finden wir, daß neben dem pedalen Penisnerv noch ein Nerv aus dem Visceralganglion die Genital- organe innerviert. Wie aus den Angaben Pelseneers ersichtlich ist, kann bei einigen Opisthobranchiern {Pleurobranchius, Polycera, Gonio- doris, Elysia) der aus dem rechten Pedalganglion hervorgehende Penis- nerv in demselben Umfange accessorische Ganglien bilden, wie wir sie bei Phyllirhoe an dem aus dem rechten unteren Ganglion an den Geschlechtsapparat tretenden Nerven beobachten; aber auch bei diesen opisthobranchiaten Gastropoden innerviert der Penisnerv nur die Rute, während den übrigen Teil des Fortpflanzungsapparates ein besonderer^ aus dem Visceralganglion stammender Genitalnerv versorgt. Bei 8* 11 G Ernst Born, PhyllirJioe nun übernimmt der rechte pedale Ganglienknoten die Innervation des gesamten Geschlechtsapparates, ein Innervationsgebiet also, das allgemein zum Visceralganglion gerechnet wird. Die Be- stimmung der Lage des Visceralganglions bei Phyllirhoe verursacht demnach Schwierigkeiten; einen besseren Aufschluß würde uns wohl ein Studium an Embryonen geben. Es ist übrigens zweifelhaft, ob wir aus den Bezeichnungen, welche die einzelnen Ganglien bei den Mollusken führen, immer direkte Schluß- folgerungen auf das Innervationsgebiet ziehen können. Kawitz (105, S. 448) hat schon für die Acephalen angegeben, daß ein weitgehender Faseraustausch zwischen den verschiedenen Ganglien stattfindet; diese Angaben haben durch List (81, S. 212) ihre Bestätigung gefunden. Da bei den Muscheln die einzelnen Ganglien keine eigentlichen getrennten Centren darstellen, so sind sie nach List »nichts als Namen, die sich auf frühere vergleichend anatomische Untersuchungen stützen und nur mit Rücksicht auf die vergleichende Betrachtung mit den übrigen Mollusken- gruppen berechtigt sind. Auf jeden Fall darf man bei den Muscheln keinen Lokalisationsbegriff damit verbinden« (List). Auch bei Phyl- lirhoe sind die Ganglien nicht voneinander völlig getrennt (Taf. IV, Fig. 3); ob aber die vom Gehirn abtretenden Nervenstämme Axone verschiedener Ganglien enthalten, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Über die physiologische Bedeutung der einzelnen Ganglienknoten gibt uns wohl am besten das Experiment Aufschluß. Steiner (127, S. 93) hat an Pterotrachea und Octopus festgestellt, daß nach Abtragung des Pedalganglions jede Locomotion aufhört; es ist also zweifellos das allgemeine Bewegungscentrum; mit demselben Erfolg hat Mendelsohn (88) die Pedalganglien bei Carinaria und Pterotrachea zerstört. Der Ursprung der drei Schlundcommissuren bei Phyllirhoe ist von Vissichelli richtig angegeben worden; und zwar deutet er dieselben als subcerebrale, pedale und parapedale Coramissuren. Nach Vissichelli fehlt also der Phyllirhoe die Visceralcommissur, während nach Pelseneek die Subcerebralcommissur nicht vorhanden ist; das Fehlen des letzteren Schlundringes wäre insofern auffallend, als nach den eignen Angaben Pelseneers (97, S. 68), bei den Nudibranchiern von allen Schlundringen die Subcerebralbralcommissur am häufigsten beobachtet wird. Die Innervation der Zwitterdrüsen ist von allen bisheri- gen Beobachtern falsch beschrieben worden; während nach v. Ihering der von ihm als Genitalnerv bezeichnete hintere Pedalnerv die bei Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirlioü bucephala. 117 Phyllirhoc bucephala stets paarigen Gonaden versorgt, zieht nach VissiCHELLi der fortlaufende Stamm des Genitalnerven am Magen entlang und tritt dann in die Keimdrüsen ein. Ich kann beiden Autoren nicht beipflichten. Vielmehr bildet nach meinen Beobachtungen der Genitalnerv am Receptaculum seminisi ein durchschnittlich nur 0,06mm großes Ganglion, von dem ein feiner Nerv zum Zwittergang geht. Dieser Nerv, der mehrere äußerst kleine accessorische Ganglien durchläuft, teilt sich an der Vereinigung der Ausführungsgänge der dorsalen und ventralen Gonade in zwei feinere Stämmchen, die sich bis zu den Zwitterdrüsen verfolgen lassen. Das sympathische Nervensystem wird bei den Gastropo- den durch die Buccalganglien dargestellt. Letztere liegen bei PhyUirhoe an der ventralen Fläche des Oesophagus, und zwar meist dicht hinter dem Pharynx. Sie befinden sich also bei PhyUirhoe vor den Schlundringen, während sonst bei den übrigen Opisthobranchiern nach Guiart die I^age der Buccalganglien hinter dem Central nervensystem die ge- Avöhnliche ist. Während die centralen Ganglienknoten bei PhyUirhoe symmetrisch zur Medianebene des Körpers liegen, sind die Buccal- ganglien meist etwas nach links verlagert. Zweimal lagen sie der inneren Fläche der linken Speicheldrüse dicht an. Die Buccalganglien stehen jederseits durch das Cerebrobuccalconnectiv mit dem gleich- seitigen Cerebralganglion in Verbindung. Die Angabe Guiarts (S. 90), daß dieses Connectiv aus dem Cerebral- und Pedalganglion entspringt, finde ich nirgends bestätigt. Auch für PhyUirhoe ist ein doppelter Ursprung des Cerebrobuccalconnectivs ausgeschlossen. Wie Vissi- €HELLi schon angibt, bilden die beiden aus dem hinteren Rand der Buccalganglien entspringenden Nerven auf dem Magen ein Geflecht. Letzteres ist aber nach meinen Beobachtungen auf dem hinteren Teil des Magens am stärksten entwickelt; der Mitteldarm wird hier von den Nerven umflochten; auch war das Geflecht auf der linken Magen- seite stärker ausgebildet als rechts. Von diesem Plexus treten auch Nerven zu den Leberschläuchen und dem Enddarm ab. Bemerken möchte ich noch, daß diese aus dem hinteren Rand der Buccalganglien stammenden Nerven bald nach ihrem Ursprung jederseits häufig einen feinen Zweig nach vorn senden, der auf dem Oesophagus erst kurz vor 1 Während nach Bergh (8) den Phyllirhoiden eine Samenblase fehlt, wird in Längs Lehrbuch der vergleichenden Anatomie in Fig. 343 der Blindsack des Eileiters als »Receptaculum seminis« gedeutet. Durch Schnittserien habe ich mich davon überzeugt, daß das von Bebgh als Ampulle des Zwitterganges be- zeichnete Gebilde einen Samenbehälter darstellt. 118 Ernst Born, dem Pharynx mit einem sehr kleinen Ganglion endet. Diese äußerst kleinen Ganglienzellenkonglomerate müssen wir als » gastrocsopha- geale « Ganglien ansehen, die ja nach Pelseneer (97, S. 64), für die Niidibranchier charakteristisch sind; ihre Lage weicht aber bei Phylli- rlioe insofern ab, als diese Ganglien sonst, ausgenommen bei den Ely- soideen, in unmittelbarer Nähe der Buccalganglien liegen. Was nun das periphere Nervensystem anbetrifft, so hat Vissi- CHELLi nur die Hauptstämme beschrieben; mit dem Verlauf der feineren Nebenäste hat er sich nicht befaßt; ich werde auf das Verhalten der letzteren aus praktischen Gründen erst bei den Ausführungen über die Innervation der Muskulatur (S. 145) näher eingehen. Histologie des centralen Nervensystems. Auf Schnittserien erkennt man, daß bei Phyllirhoe die centralen Ganglienzellen von verschiedener Größe sind. In den Cerebropleural- ganglien sind sehr große, mittelgroße und sehr kleine Ganglienzellen zu unterscheiden; in den Pedalganglien dagegen sind nur Zellen von mittlerer. Größe; sehr große Zellen finden sich hier nur an den Ab- gangsstellen der Schlundringe. An den großen Ganglienzellen kann man deutlich beobachten, daß es sich um unipolare Zellen handelt. Der Zellfortsatz, der oft eine fibrilläre Längszeichnung zeigt, scheint sich in der centralen Fasermasse, dem Neuropil, meist aufzusplittern; nur einmal trat ein Zellfortsatz direkt in einen abgehenden Nerven- stamm über (Taf. IV, Fig. 3 bei a). Schon Buchholtz (18) erwähnt, daß in den Ganglienzellen der Mollusken die Größe des Kernes in einem ganz bestimmten Verhältnis zu derjenigen des Zellkörpers steht. Auch in den Ganglien der Phyllirhoe findet man in den sehr großen Zellen, deren birnenförmiger Körper ungefähr einen Durchmesser von 0,07 mm hat, die größten Kerne. Die Behauptung H. Schultzes (119, S. 74) dagegen, daß die Größe des Kernkörperchens im gleichen Verhältnis zur Größe des Kernes steht, trifft für Phyllirhoe nicht zu (Taf. V, Fig. 11, 12 u. 13). Desgleichen finde ich bei Phyllirhoe nicht die Angabe Bethes (9, S. 26) bestätigt, daß der Ganglienzellkern bei Mollusken fast immer nur einen großen Nucleolus, selten aber mehrere Kern- körperchen zeigt; vielmehr weisen hier die großen Kerne meist viele Nucleolen auf, die allerdings häufig nur wenig größer, als die größten Chromatenkörnchen sind (z. B. in Fig. 10). Jedoch unterscheiden sich die Kernkörperchen von letzteren stets durch ihre Eigenschaft bei Anwendung der Doppelfärbung mit Hämatoxylin-Eosin den Anilin- farbstoff anzunehmen, während das Chromatin sich mit dem Häma- Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 11*J toxylin färbt. Die größeren Nucleolen sind häufig von einem schmalen, lichten Hof umgeben (Fig. 12) i. Während die Nuclei der kleineren Ganglienzellen bei PhylUrhoe stets rund sind, zeigen die großen Gan- glienzellen häufig einen längsovalen Kern; so habe ich unter diesen Kernen häufiger solche angetroffen, die 0,04 mm lang, dagegen nur halb so breit waren. In den großen Ganglienzellen beobachtet man hin und wieder Kerne mit einer unregelmäßigen und undeutlichen Kontur. Die Angaben über das Vorkommen unregelmäßig gestalteter Kerne in den Ganglienzellen der Mollusken sind nur äußerst spärlich; da diese Mitteilungen in der Literatur verstreut sich finden, ist es wohl angebracht, sie hier einmal in chronologischer Folge anzuführen. Die ersten Notizen über das Auftreten polymorpher Kerne in den Ganglienzellen der Mollusken finden sich in der schon oben zitierten Arbeit von Buchholtz auf S. 240; der genannte Autor schreibt dort: »Man trifft nämlich unter den Kernen von größerem Umfang nicht gerade selten derartige an, welche statt der gewöhnlichen kugelrunden Form eine stark nierenförmige Gestalt besitzen, indem sie in der Mitte mehr oder weniger tief eingeschnürt erscheinen. « Die seiner Abhand- lung beigegebene Fig. 6 stellt eine große Gangiienzelle von Planorhis dar, deren Kern eine tiefe Einbuchtung zeigt. Buchholtz beobachtete diese Kernformen sehr häufig an völlig unversehrt erhaltenen Zellen, und zwar nicht allein nach Chromsäureanwendung, sondern selbst an 1 Wie Pflücke (101, S. 535) angibt, hat Th. Eimer »in den verschiedensten Zellen der verschiedensten Tiere« um die Nucleolen einen hellen Hof beobachtet. Pflücke hat diesen von Eimer als Hyaloid bezeichneten Hof, welcher nach An- sicht seines Entdeckers eine allgemeine Eigenschaft des Zellkernes darstellen soll, häufig in den centralen Xervenzellen der Muscheln angetroffen. Bei der Unter- suchung des Nervensystems, aber auch der andern Gewebe der Phyllirhoe be- merkte ich öfter ebenfalls eine die Nucleolen umgebende helle Zone. Bestätigen kann ich auch den Befund der genannten Autoren, daß durch diesen hellen Hof feinste Fädchen in radiärer Richtung zum Nucleolus ziehen. Ich pflichte Pflücke bei, wenn er dieses radiäre Easersystem als einen Teil des vom Nucleolus aus- gehenden Kerngerüstes ansieht. Nach Fischer (31, S. 243) stellt der die Nu- cleolen umgebende Hof nicht ein besonderes Gebilde dar, sondern er soll bei Diffe- renzierungsfärbungen, z. B. bei der Eisenhämatoxylinmethode nach Heidenhain, durch stärkere und längere Wirkung der entfärbenden Lösungen hervorgerufen werden. Fischer spricht daher von einer »Spiegelfärbung der Nucleolen«. Ob dieser Ansicht Fischers eine allgemeine Gültigkeit zukommt, erlaube ich mir zu bezweifeln, denn ich habe bei Phyllirhoe einen die Nucleolen umgebenden hellen Hof auch sehr häufig bei Exemplaren beobachtet, die nur mit Flemming- scher Lösung fixiert und in keiner Weise gefärbt waren (z. B. in Zelle G^ in Fig. 17 auf Taf. V). 120 Ernst Born, Zellen, die durch einfache Maceration isoliert waren; er hält daher diese Kernstrukturen nicht für Kunstprodukte. Auch Hans Schültze (119, S. 72) hat in den centralen Ganglien- zellen der Gastropoden wiederholt die von Buchholtz beschriebene Nierenform des Kernes beobachtet; er läßt es aber unentschieden, ob diese Form nicht etwa durch eine Einwirkung der beim Isolieren der Ganglienzellen gebrauchten Zupfnadel verursacht ist. Von allgemeinerem Interesse sind nun diese unregelmäßig ge- stalteten Kerne der Ganglienzellen seit der Auslegung, die ihnen in der Arbeit von Rohde (112) über ;> Ganglienzellkern und Neuroglia« zuteil geworden ist. Rohde sieht nämlich diese Kernstrukturen, ent- gegen der sonst allgemein acceptierten Lehre, daß eine postembryonale Vermehrung der Ganglienzellen nicht eintritt,- als Teilungsperioden an; und zwar glaubt er nach seinen Studien an Helix und den Riesenganglien- zellen der marinen Opisthobranchier nicht weniger als vier Arten ihrer Vermehrung gefunden zu haben. Bald darauf beobachtete McClure (24, S. 51) in einigen Ganglien- zellen von Helix nierenförmige Kerne; besonders interessant ist der Befund, welchen auch seine Fig. 21 und 22 wiedergeben, daß nämlich das Zellplasma in der Einbuchtung am Kern oder etwas davon ent- fernt eine scheibenförmige Struktur zeigt; die feingranulierte Scheibe sieht McClure als Sphäre und die zwei bis drei in ihrem Centrum ge- legenen Granula, welche sich mit Eisenalaunhämatoxylin intensiv tin- gieren, als Centrosomen an. Ganz analoge Erscheinungen hatte übrigens einige Zeit zuvor v. Lenhossek (70) in den Spinalganglienzellen des Frosches bemerkt und damit zuerst Centrosom und Sphäre in Nerven- zellen beobachtet. McClure hat unter den Ganglienzellen von Helix mitunter auch solche mit zwei Kernen angetroffen; er schließt sich daher der von Rohde vertretenen Lehre an, daß den Ganglienzellen auch im späteren Leben noch eine Teilungsfähigkeit zukommt. Auf die Angaben Rohdes und Mc Clures werde ich unten noch etwas ausführlicher eingehen. In jüngster Zeit hat Merton (90) in Schnittserien durch die centrale Ganglienmasse von TetJiys zuweilen Ganglienzellen gefunden, bei welchen sich das Kerngerüst innerhalb der Kernmembran einseitig verlagert hatte; in andern Zellen war der Kern mit breiten, lappenartigen Fortsätzen in das Cytoplasma eingedrungen. Merton sieht aber diese Kernstrukturen nicht als Teilungsfiguren an, sondern nach ihm sind derartige Kernbilder auf die Wirkung der angewandten Fixiermittel zurückzuführen. Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 121 In den Arbeiten von Vignal (136), Halder (48), Rawitz (105), Pflücke (101), und List (81), in weichen sich ausführliche Angaben über die feinere Anatomie der Ganglien bei Mollusken finden, wird das Vorkommen unregelmäßig konturierter Kerne in Ganglienzellen nicht erwähnt. In den großen centralen Ganglienzellen der Phyllirhoe findet man, wie schon oben erwähnt, mitunter Kerne mit einer oder mehreren Einkerbungen; am häufigsten sind die Kerne, welche nur eine Ein- buchtung zeigen und deren Gestalt dadurch der Form einer Niere nicht unähnlich ist. In diesen nierenförmigen Kernen der Phyllirhoe bildet das Chromatin in den eingeschnürten Stellen häufig eine durch die angewandten Kernfarbstoffe dunkel tingierte Leiste, während das übrige Kerngerüst nur wenig chromatische Substanz trägt (Fig. 10). In dem in der Kerndelle gelegenen Zellplasma habe ich die von Lenhossek in den Spinalganglienzellen des Frosches und von McClure in den Ganglienzellen von Helix beobachtete Sphäre mit den Centrosomen nie vorgefunden, obwohl die Präparate nach Heidenhain gefärbt waren und die betreffenden Zellen mit den stärksten ölimmersions- svstemen in der Schnittserie verfolgt wurden. Ebenso kann ich den beiden Autoren nicht darin beipflichten, daß diese nierenförmigen Kerne eine exzentrische Lage aufweisen, vielmehr nehmen sie in den Ganglienzellen der Phyllirhoe, wie die regelmäßig geformten Kerne, stets die Mitte der Zelle ein. Nach McClure findet sich die Einker- bung stets an einer bestimmten Stelle des Kernes, und nie soll sie nach dem Ursprung des Gangiienzellfortsatzes gerichtet sein. Bei Phijlli- rhoe dagegen zeigt der Kern die napfartige Vertiefung häufig an der Stelle, welche dem Zellfortsatz zugekehrt ist; die in Fig. 8 abgebildete Ganglienzelle ist schräg geschnitten und daher der von ihr abgehende Stammfortsatz nicht getroffen; wie aber aus den folgenden Schnitten ersichtlich ist, entsendet die Zelle ihren Fortsatz an dem, z. B. in Fig. 11 schon etwas hervorgewölbten, der Kerndelle gegenüber- liegenden Teil des ZelUeibes. Bei Phyllirhoe befinden sich außer den Kernen mit einer Einbuchtung hin und wieder auch Nuclei, deren Kontur mehrere Einkerbungen zeigt; ein solcher gelappter Kern ist in Fig. 9 bei a dargestelt. Nach Rohde sollen sich nun von derartigen Kernen einzelne Teile abschnüren und zur Bildung neuer Zellen führen. Wie ich schon erwähnt habe, hat auch McClure bei Helix zweikernige Ganglienzellen beobachtet; nach Rawitz kommen bei den Acephalen sogar Ganglienzellen mit drei Kernen vor; sonst finde ich in der ein- schlägio-en Literatur derartige Angaben nicht; von einzelnen Autoren, 122 Ernst Born, z. B. von Haller, wird das Vorkommen von mehrkernigen Ganglien- zellen bei Mollusken entschieden bestritten. Bei Phyllirhoe habe ich einigemal unter den großen Ganglienzellen solche angetroffen, Avelche zwei voneinander getrennte Chromatinanhäufungen enthielten (Fig. 8) ; verfolgte ich aber die betreffende Zelle in der Serie, so konnte einwand- frei festgestellt Averden, daß es sich nicht um eine mehrkernige Ganglien- zelle handelte, sondern vielmehr diese gesonderten Chromatinanhäu- fungen nur die Ausläufer eines tief eingekerbten Kernes darstellten. Bestätigen kann ich die Angabe Rohdes, daß die polymorphen Kerne, welche nach seiner Auffassung zum Zerfall des Kernes in mehrere Bruchstücke führen sollen, ein sehr dichtes und sich ungemein stark färbendes Kerngerüst haben; in Fig. 9 hat der gelappte Kern a sich intensiv schwarz mit Eisenhämatoxylin fingiert, während in den Kernen der benachbarten Zellen das Chromatin nur einen grauschwarzen Ton zeigt. Auch habe ich dieselbe Beobachtung gemacht, wie sie die Fig. 5 a der Arbeit Rohdes zeigt, daß nämlich die Ganglienzellenkerne feine Fortsätze entsenden ; der linksgelegene Chromatinhauf en in Fig. 8 zeigt z. B. dieses Verhalten. Diese Forsätze sind übrigens nicht zu ver- wechseln mit den starken, schon von Solbrig (124) im Jahre 1872 beobachteten Kernfortsätzen, welche in periphere Nervenfasern über- gehen sollen. Kernfortsätze im Sinne Solbrigs besehreiben auch Hans ScHULTZE und Haller, während von den übrigen Forschern ihre Exi- stenz bezweifelt wird. Beipflichten kann ich ferner der Bemerkung Rohdes, daß es an solchen Kernen schwer fällt anzugeben, >)wo der Kern aufhört und das Zellprotoplasma anfängt; ein derartig allmäh- licher Übergang des Kerngerüstes in das Spongioplasma des Zellleibes findet hier statt; es macht den Eindruck, als wenn Kern und Zellkörper dasselbe Gerüst hätten «. Dieselbe Beobachtung ist an den in Fig. 8 und 11 abgebildeten Ganglienzellen der PhyUirhoe zu machen. Im Anschluß hieran will ich noch die Ansicht Pflückes anführen, daß die Kernmembran der Ganglienzellen der Wirbellosen als ein Ver- schmelzungsprodukt von Kern- und Plasmabestandteilen auf zxifassen ist. Pflücke erachtet es infolgedessen für möglich, daß das Kerngerüst in das Gerüst des Zellleibes ohne scharfe Grenze übergehen kann. Nach der Beobachtung Rohdes an den Riesenganglienzellen von Boris wird die Entstehung von Tochterzellen stets durch das Aus- wandern der massenhaft im Kern auftretenden Nucleolen in den Zellleib eingeleitet. Auch bei PhyllirJioe sind mir Ganglienzellen zu Gesicht gekommen, deren Zellleib ohne Zweifel ausgewanderte Nucleolen be- herbergt. Fig. 12 zeigt eine solche Zelle, die nach Heidenhain gefärbt Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirlioe bucephala. 123 ist; die zahlreichen im Kern enthaltenen Nncleolen sind tief schwarz tingiert; von derselben Farbe ist auch ein bei * auf der Grenze zwischen Kern und Zellleib liegendes Kernkörperchen, während einige nucleolus- artige Bildungen, welche mitten im Cytoplasma lagern, einen grau- schw^arzen Farbenton zeigen. Nach K. C. Schneider (115, S. 113) wird ein solcher Nucleolenaustritt an Zellen mit regem Stoffwechsel, namentlich an Eizellen und Nervenzellen beobachtet; er vermutet, daß das in den Nucleolen enthaltene Nuclein einen Reizstoff darstellt, durch welchen die Zelle zum Eintritt in die Funktionsphase angeregt wird. Schneider erwähnt auch, daß mit dem Austritt der Nucleolen eine unregelmäßige Begrenzung des Kernes verbunden ist. Wie schon mehrfach erwähnt, sieht Rohde alle diese Kernbilder als Teilungsperioden an ; ich kann die ähnlichen, in den vorhergehenden Zeilen beschriebenen Kernformen der Phyllirhoe nicht in diesem Sinne deuten; nach meiner Beobachtung stellen sie vielmehr funktionelle Strukturen dar. Doch bevor ich noch weitere Angaben zur Begrün- dung meiner Ansicht mache, möchte ich besonders hinweisen auf KoRSCHELTs »Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Zellkernes « (68), welche der Aufmerksamkeit Rohdes entgangen sind. Korschelt kommt nach seinen Beobachtungen an den Eizellen und den secer- nierenden Zellen der Insekten zu dem Resultat, daß der Kern zu ver- schiedenen Zeiten verschiedenartige Beziehungen zum Zellplasma hat. Der Kern kann nach Korschelt anfangs gegen das Zellplasma ab- gesetzt erscheinen, später aber schwindet diese scharfe Grenze und es findet ein stetiger Übergang zwischen Kern- und Zellsubstanz statt. Dieses verschiedene Verhalten des Kernes hängt mit den Verrichtungen der Zelle zusammen, an denen sich der Kern lebhaft beteiligt. Um die Einwirkung auf das Zellplasma zu verstärken, entsendet der Kern Fortsätze, wodurch seine Berührungsfläche mit dem Cytoplasma ver- größert wird. Diese Ausführungen Korschelts erleichtern das Ver- ständnis für das soeben beschriebene verschiedene Aussehen des Kernes in den Ganglienzellen der Phyllirhoe; erwähnen will ich noch, daß das Keimbläschen aus dem Ovarium von Dytiscus, welches er in Fig. 21 abbildet, dieselbe nierenförmige Gestalt zeigt, wie der in meiner Fig. 11 dargestellte Kern der Gangiienzelle der Phyllirhoe. '' - Völlig gesichert wird aber die Diagnose, daß diese verschieden- artig gestalteten Kerne verschiedene Funktionszustände darstellen, durch folgenden interessanten Befund. Findet man in einem cen- tralen Ganglienknoten der Phyllirhoe einen unregelmäßig konturierten Kern, so trifft man in dem gleichnamigen Ganglion der andern J24 Ernst Born. Körperseite an derselben Stelle einen ebenso geformten Nucleus an. Die in Fig. 9 abgebildeten drei großen Kerne liegen am unteren Rande des rechten Cerebropleuralganglions, in dem links gelegenen gleichnamigen Ganglion finden sich ebenfalls am centralen Rande drei ebenso gestaltete und gefärbte Kerne. Ich besitze mehrere Schnitte, die in instruktiver Weise diese Symmetrie zeigen. Apäthy (4) hat schon im Jahre 1896 an den Bauchganglien der Hirudineen beobachtet, daß die Ganglienzellen vollkommen symmetrisch angeordnet sind; er hat auch schon damals bemerkt, daß dieser Symmetrie der Lage auch eine Symmetrie der Fixier- und Tingierbarkeit entspricht. Insbesondere hat Apathy gezeigt, daß die Methylenblautinktion vollkommen sym- metrisch ausfällt; wenn eine Ganglienzelle auf der rechten Seite die Färbung angenommen hat, so ist auch die entsprechende Ganglienzelle der linken Seite mit derselben Intensität tingiert. Apathy hat schon darauf hingewiesen, daß diese Erscheinungen auf eine Symmetrie der Funktion hindeuten. Dieselben Angaben hat der Autor (6) vor kurzem in einer Streitschrift gegen Goldschmidt wiederholt. In dem Bericht über seinen auf der 17. Jahresversammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag führt Goldschmidt (38) an, daß es im Nervensystem von Ascaris eine Symmetrie der Lage und der Funktion gibt. »Wie alle lebhaft funktionierenden Gewebszellen zeigen auch die Ganglienzellen einen Chromidialapparat. Dieser zeigt sich in den ver- schiedenen Funktionszuständen der Zelle in verschiedener Form aus- gebildet, und da kann man sicher sein, die beiden symmetrischen Zellen stets im gleichen Zustand des Baues des Chromidialapparates vorzufinden.« (Goldschmidt.) Als Chromidialapparat bezeichnet Goldschmidt (40) Fäden, welche sich im Cytoplasma aller aktiv tätigen Gewebszellen in der Nähe des Kernes befinden und mit Kernfarbstoffen sich intensiv tingieren. Solche Chromidialstränge habe ich zwar in den Zellen der Phyllirhoe, auch in ihren Ganglienzellen, nicht beobachtet, aber auf Grund des oben näher angeführten Verhaltens der polymorphen Kerne halte ich mich zu der Annahme berechtigt, daß auch bei Phyllirhoe die symmetrischen Ganglienzellen sich auch in dem gleichen physiologischen Zustand befinden; auch wird durch meine Beobach- tungen der Einwand Mertons (vgl. oben S. 120) widerlegt, daß die unregelmäßige Gestalt der Kerne durch die angewandten Reagenzien verursacht ist. Erwähnen will ich noch, daß bei Phyllirhoe häufig auch die völlig runden Kerne bei der Färbung nach Heidenhatn oder mit verdünntem DELAFiELDschen Hämatoxylin sich in derselben Weise tingiert haben, wie die entsprechenden Kerne der andern Körperseite. Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 125 Eine Symmetrie der Färbung hat bei Mollusken schon Gilchrist (37) im Jahre 1897 beobachtet; als Gilchrist die Buccalganglien der Aflysia mittels Methylenblau tingierte, fiel es ihm auf, daß die korrespondieren- den Ganglienzellen sich stets zu derselben Zeit färbten. Als mir zum erstenmal der in Fig. 2 auf Taf. IV abgebildete Kern- haufen zu Gesicht kam, glaubte ich eine durch Fragmentierung im Sinne Rohdes erfolgte Kernvermehrung vor mir zu haben. Doch bald überzeugte ich mich, daß der obere innere Winkel jedes Cerebralgan- glions stets von einem Paket sehr kleiner, dicht aneinander gedrängter Kerne gebildet wird (Taf. IV, Fig. 3 bei h). Es stellt also dieser Kern- haufen nicht das Produkt einer Ganglienzellteilung, sondern eine ganz besondere Form von Ganglienzellen dar, welche Guiart (45) als » cellules sensorielles « beschrieben hat. Guiart unterscheidet nämlich zwei ver- schiedene Typen von Ganglienzellen; einmal die bekannten »cellules ganglionnaires «, welche in allen Ganglien vorhanden sind, und ferner die »cellules sensorielles«, welche sich in den Cerebralganglien und in den Anschwellungen der Sinnesnerven finden. Im Anschluß hieran bemerke ich, daß in den Tentakelganglien der PhyUirJwe fast ausschließ- lich nur sehr kleine Zellen vorkommen. Als einen weiteren Einwand gegen die von Rohde und McClure aufgestellte Behauptung der Teilungsfähigkeit der Ganglienzellen möchte ich von den Studien Apäthys und Goldschmtdts noch das Resultat hier anführen, daß man bei Hirudineen und Ascaris stets nahezu dieselbe Anzahl von Zellen in den Ganglienknoten zählt, einerlei ob man ein ganz junges oder ein vollkommen erwachsenes Tier unter- sucht. Wie auch Apäthy betont, ist demnach eine postembryonale Vermehrung der Ganglienzellen ausgeschlossen. Schon Hans Schultze war es bekannt, daß die centralen Ganglien- zellen der Gastropoden in den Maschen eines bindegewebigen Fach- werks liegen. Während nun aber nach Schultze diese Scheidewände von der neurilemmatischen Hülle der Ganglien ausgehen, lassen bei Phyllirhoe Gehirnschnitte, bei denen die Bindegewebsfärbung nach Hansen ausgeführt ist, erkennen, daß das schmale, homogene Neu- rilemm als ein roter Streifen sich scharf von der Ganglienzellenschicht abhebt; letzteres entsendet also bei Phyllirhoe keine Septen in die Rindenzone der Ganglienzellen. Vielmehr zeigt bei diesem nudibran- chiaten Gastropoden das die Ganglienzellen umhüllende Fachwerk an- scheinend ein ähnliches Verhalten, wie es List (81) neuerdings an diesem Gewebselement bei den Mytiliden beobachtet hat. Bei diesen Tieren werden nämlich die GansHenknoten von einer ziemlich dicken, 126 Ernst Born, meist homogenen Hülle eingefaßt, deren Innenfläche eine zarte eosino- phile Schicht aufliegt; letztere enthält viele kleine Kerne, die sich intensiv mit Kernfarbstoffen tingieren; ähnliche Kerne finden sich zwischen den Ganglienzellen, welche mit den peripher gelegenen zu- sammen ein reiches Netz von Fasern liefern, in dessen Maschen sich die Ganglienzellen befinden. Bei Phyllirhoe liegen nun der inneren Wand des Neurilemms häufig stark abgeplattete, sehr kleine Kerne an, an denen ein eigentlicher Zellkörper nicht nachgewiesen werden kann; bei der Tinktion nach Heidenhain oder mit Hämatoxylin färben sie sich wegen ihres reichen Chromatingehaltes sehr dunkel und lassen dann eine besondere Struktur nicht mehr erkennen. In den Fig. 6, 8 und 11 auf Taf. V sind diese Gebilde unter der Bezeichnung Gl dargestellt. Von den Kernen gehen lichtbrechende, eosinophile Fibrillen aus, welche die Ganglienzellen allseitig umspinnen; eine eigentliche Membran besitzen aber letztere nichts. Dieses die centralen Ganglienzellen der Wirbellosen umgebende Stützgewebe ist nun vielfach mit der Neuroglia der Vertebraten ver- glichen worden. Ein derartiger Vergleich ist wohl zuerst von Vignal (136, S. 137) angestellt worden; er hat in den Ganglien vieler Mollusken zwischen den Ganglienzellen besondere Bindegewebszellen mit langen Fortsätzen gefunden, welche er mit den Neurogliazellen der Säugetiere vergleicht. In den Ganglien von Aphjsia, Hei ix, Pleurobranchus, Tethys und Doris fand auch Rohde (111) das von ihm ebenfalls als Neuroglia bezeichnete Stützgewebe reich entwickelt. Dagegen haben Rawitz (105) bei den Acephalen und Veratti (134) bei Limaeiden keine Neuroglia angetroffen; auch Guiart (45) erwähnt bei seinen Angaben über die feinere Struktur der Ganglienknoten der Opisthobranchier nichts von einem die Ganglienzellen einfassenden Stützgewebe. Besondere Aufmerksamkeit hat vor kurzer Zeit Bocheneck (13) diesem Gewebselement geschenkt. Nach seinen Beobachtungen an Anodonta unterscheidet er drei Arten von Gliazellen: einmal äußere Gliazellen, welche der äußeren Fläche der gelatinösen Hülle der Gan- glien aufliegen. In Parenthese erwähne ich hier, daß man auch bei Phyllirhoe an der Außenseite des Neurilemms (Taf. V, Fig. 6 B) hin 1 Die Angabe H, Schultzes, daß der centralen Ganglienzelle der Mollusken eine besondere Zellmembran zukommt, ist schon von Apäthy, Rawitz, List u. a. entschieden zurückgewiesen worden. Es sei hiermit auf eine wenig bekannte Arbeit Ramon y Cajals (103) hingewiesen, in welcher für die Ganglienzellen von Helix außer einer gliösen Hüllschicht noch die Existenz einer besonderen Zellmembran behauptet wird. Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 127 und wieder kleinere Zellen antrifft ; letztere stellen aber bei Phyllirhoe keine besonderen Gliazellen, sondern nur die bekannten Bindegewebs- körperchen dar. Mit den Fortsätzen der äußeren Gliazellen sollen nun nach Bocheneck die inneren Gliazellen in Verbindung stehen, die zwischen den Ganglienzellen liegen. Die inneren Gliazellen ana- stomosieren außerdem noch mit der dritten Art von Gliazellen, welche in der centralen Fasermasse der Ganglien liegen. Letztere Gebilde vergleicht auch Havet (51) mit den Neurogliazellen der Vertebraten, während andre Autoren sie für Ganglienzellen halten. Da diese Zellen sich auch in der Mitte der Ganglien der Phyllirhoe finden, komme ich auf sie noch einmal zu sprechen. Wie Bochenek übrigens hervorhebt, lassen sich die Gliaelemente allein durch die Form ihres Kernes von den Nervenzellen unterscheiden ; letztere haben nach Ansicht dieses Forschers nämlich stets einen völlig runden Kern, während die Kerne der Neurogliazellen immer oval und außerdem auch kleiner sind. Diese Behauptung Bochenecks trifft für Phyllirhoe nur teilweise zu; wie aus meiner obigen Beschreibung des Ganglienzellkernes ersichtlich ist, finden sich in den großen Ganglien- zellen häufig längsovale Kerne. Ein sicheres Kriterium ist aber, wie auch Haller angibt, die auffallend minimale Größe der meist oblongen Gliakerne; letztere sind auch bei Phyllirhoe stets kleiner, wie die Kerne selbst der kleinsten Ganglienzellen. Derartig runde und große Glia- kerne, wie sie in Fig. 9 bei Gl zu finden sind, habe ich sehr selten bei Phyllirhoe' beobachtet. Auch pflichte ich Haller bei, wenn er den reichen Chromatingehalt der Gliakerne als Unterscheidungsmerkmale angibt. Nach K. C. Schneider (115, S. 401) ist bei Evertebraten zur Darstellung der Gliazellen, deren eigentlicher Körper sich auch bei Helix (ebenda, S. 565) nur durch den Kern markiert, die Eisenhäma- toxyliimiethode unbedingt erforderlich; bei diesem Tinktionsverfahren sollen die langen Fasern, welche die Gliazellen entsenden, sich intensiv schwärzen, während die nervösen Teile nur einen lichten grauen Ton annehmen. Bei Phyllirhoe habe ich einige der von den Gangiienknoten angefertigten Schnittserien nach Heidenhain gefärbt und in verschieden starkem Grade differenziert, ohne den von Schneider angegebenen Farbeneffekt erzielt zu haben Nach den Beobachtungen verschiedener Forscher soll die GliahüUe zu der von ihr eingeschlossenen Ganglienzelle in Beziehungen stehen. So hat Kohde, wie schon erwähnt, namentlich an Gastropoden, ferner Nansen (93) bei Crustaceen, Apathy (4) bei Hirudo und Goldschmidt (39) bei Ascaris ein Eindringen der Neurogliafasern in das Protoplasma 128 Ernst Born, der Ganglienzellen beobachtet. Da dieses Verhalten der Gliafasern bei den verschiedensten Evertebraten beobachtet ist, vermutet Gold- schmidt, daß die Gliahülle mit ihren Fortsätzen ein konstantes, für die Funktion der Ganglienzellen wesentliches Element darstellt. Auch für Phyllirhoe halte ich es nach meinen Beobachtungen nicht für aus- geschlossen, dai3 die die Ganglienzellen umspinnenden Gliafibrillen in das Cytoplasma eindringen; jedoch handelt es sich hier um Fäserchen von der subtilsten Art, so daß bei der Beurteilung der Strukturen die größte Vorsicht geboten ist. Wie bei allen Evertebraten, so umgeben auch bei Phyllirhoe die Ganglienzellen wie eine Mantelschicht die centrale Fasermasse (Taf . IV, Fig. 3). Über den Aufbau der letzteren gehen die Meinungen sehr aus- einander. Schon im Jahre 1864 hat F. Leydig (75) angegeben, daß die Punktsubstanz — so bezeichnet er diesen Bestandteil des centralen Nervensystems — von »netz- oder geflechtartig gestricktem Charakter « sei. Später stellten dann Haller an Rhipidoglossen und Rawitz bei Acephalen eingehendere Studien der centralen Gehirnsubstanz an. Beide Autoren kamen zu dem Ergebnis, daß die centrale Fasermasse sich aus einem Netzwerk feinster Fäserchen zusammensetzt. Während nun aber nach der Auffassung Leydigs (79, S. 173) dieses Netz aus Spongio- plasma besteht, also ein bindegewebiges Gerüstsystem darstellen soll, handelt es sich nach den Beobachtungen Hallees und Rawitz um ein nervöses Fibrillensystem, dessen Ursprung die Ausläufer der Gan- glienzellen sind. Die Fortsätze der Ganglienzellen sollen sich nämlich in feinste Fibrillen teilen und mit den gleichen Teilprodukten der Fort- sätze benachbarter Zellen sich verbinden. Rawitz gibt übrigens der LEYDiGschen Punktsubstanz die schon von Dietl (1876) vorgeschlagene Bezeichnung »i' Marksubstanz «, da sie bei den Acephalen einen dem Myelin der Vertebraten ähnlichen Stoff enthält. Von allgemeinerem Interesse wurden diese centralen Nervennetze, als Apathy (5) mittels besonderer Färbemethoden an meisterhaft aus- geführten Präparaten in der centralen Fasermasse des Bauchstranges der Hirudineen ein feines Gitterwerk nachwies und auf das bestimmteste behauptete, daß in den Knotenpunkten des diffusen Elementargitteis, so benennt er dieses Gebilde, die Neurofibrillen sich nicht nur kreuzen sondern substantiell miteinander verschmelzen. Bald darauf gab auch Bethe (9, S. 44) an, daß die Fortsätze der centralen Ganglienzellen bei den Wirbellosen sich in feinste Fibrillen aufsplittern und in der Mitte diss Ganglienknotens, welche er als Neuropil bezeichnet, wirkliche Anasto- mosen miteinander eingehen. Diese Mitteilungen über Verbindungen Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 129 centraler Ganglienzellen mußten berechtigtes Aufsehen erregen, da sie ja zur Neuronenlehre, die sich bis dahin einer allgemeinen Aner- kennung erfreute, in direktem Widerspruch standen. Auf die Neu- ronenlehre, welche bekanntlich das Nervensystem als einen Komplex selbständiger morphologischer Einheiten betrachtet, werde ich später (vgl. S. 149) noch einmal zu sprechen komimen. Die Richtigkeit der von Haller, Rawitz, Apäthy und Bethe gemachten Angaben über das Vorkommen centraler Nervennetze wird von den bedeutendsten Histologen bestritten. So stellt sich in den Präparaten Ramön y Cajals (71) und Retzius (110) diese centrale Fasermasse bei den Wirbellosen nicht als ein aus gitterartig verschmol- zenen Fäden bestehendes Netzwerk, sondern nur als ein Geflecht sich kreuzender, aber nicht miteinander anastomosierender Fäserchen dar. Retzius adoptiert übrigens, wie es v. Lenhossek, K. C. Schneider u. a. getan haben, nicht die von Bethe eingeführte Bezeichnung »Neu- ropil«, sondern behält den indifferenteren Namen »LEYDiGsche Punkt- substanz« bei. Bezüglich der Nomenklatur will ich noch erwähnen, daß auch andre Autoren des Auslandes die ältere Bezeichnung ge- brauchen, z. B. Havet, Guiart (la substance ponctuee de Leydig); auch Veratti spricht von einem »reticolo della punctsubstanz «. Kürzlich hat Menel (89) »Über die Histologie und Histogenese der sog. Punktsubstanz Leydigs in dem Bauchstrange der Hirudineen << einige bemerkenswerte Angaben gemacht; auch Menel hat in der Punktsubstanz nie ein Netz, sondern nur ein Geflecht der Zellfortsätze gesehen. Ein feines Netzwerk hat er allerdings in den Nervenstämmen von Glossifhonia beobachtet, aber nur an Exemplaren, welche in dei bei den älteren Autoren üblichen W^eise mit Chromsäure oder Chrom- essigsäure fixiert waren. Menel hält daher die in der Punktsubstanz bisher gefundenen Netze für Artefakte. Diese Ansicht hat vieles für sich, wenn man außer den von Menel angeführten Gründen die arte- fiziellen Strukturen berücksichtigt, mit denen uns Bütsohli (19) und Fischer (31) bekannt gemacht haben. Ich erinnere zur Kritik dieser Netze hier nur an die Schaumemulsionen, welche Bütschli durch Ver- reiben von Gelatine und Olivenöl auf dem Objektträger erhielt, und an die künstlichen Schaumstrukturen, welche Fischer in seinem Werk: »Fixierung, Färbung und Bau des Protoplasmas« auf Seite 284 ab- bildet. Es ist nicht zu bestreiten, daß die von einzelnen Histologen veröffentlichten Abbildungen des von ihnen im Neuropil beobachteten Netzwerks eine gewisse Übereinstimmung mit den von Bütschli und Fischer hergestellten artefiziellen Strukturen zeigen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 9 130 Ernst Born, In sehr dünnen Schnitten vom Gehirn der PhylUrhoe beobachtet man, daß auch hier das ganze Neuropil ein sehr feines Netzwerk durch- zieht, das aus unregelmäßigen Maschen besteht und an dessen Knoten- punkten sich oft kleine Verdickungen zeigen. Fig. 7 b auf Taf. V stellt einen Teil dieses feinen Gitter Werkes dar. Letzteres ist aber in der Figur der Deutlichkeit wegen etwas zu dick und zu bestimmt gezeichnet. Ich vermutete zuerst, daß es sich bei PhylUrhoe um ein gliöses Stützge- rüst handelt; die Fibrillen dieses Netzwerkes haben nämlich fast das gleiche Aussehen wie die die Ganglienzellen umhüllenden Gliafädchen. Da ich aber diese Beobachtung nur an mit Chromsäure fixierten Präparaten gemacht habe, halte ich es für ratsamer, es als unentschieden zu lassen, ob das Netzwerk in der Punktsubstanz der PhylUrhoe eine präformierte oder nur durch die Konservierung hervorgerufene Struktur darstellt. In der Punktsubstanz der Hirudineen finden sich nach Menel regellos zerstreut winzige Kernchen, deren Herlomft und Bedeutung er nicht sicher feststellen kann. Auch im Neuropil der PhylUrhoe liegen unregelmäßig verstreut nur 0,004 mm große Kerne, die von einem sehr schmalen, häufig unsichtbaren Zellleib umschlossen werden (Fig. 7 a). Erwähnen will ich noch, daß schon Haller und Rawitz diese Gebilde beobachtet und als multipolare Ganglienzellen gedeutet haben, deren Ausläufer das centrale Nervennetz verstärken sollen. Nach Rawitz ist aber die Bedeutung dieser Zellen für die Netzbildung nur an Isolationspräparaten zu erkennen, auf Schnittserien erwecken sie nur den Eindruck apolarer Gebilde. Wie aus der der Abhandlung von Rawitz beigegebenen Fig. 80, welche einen Schnitt durch das Visceralganglion von Mya arenaria wiedergibt, hervorgeht, stimmen diese kleinen Zellen völlig mit den im Neuropil der PhylUrhoe beob- achteten überein. Während nun aber nach Haller und Rawitz andre zellige Elemente sich nicht in der centralen Fasermasse der Everte- braten finden, habe ich bei PhylUrhoe bei zwei quer durch das Cerebro- pleuralganglion ausgeführten Schnittserien je eine mächtig entwickelte bipolare Ganglienzelle beobachtet; bei der in Fig. 3 abgebildeten Zelle ist der Kern 0,024 mm lang und 0,017 mm breit. Histologie des peripheren Nervensystems. Die corticale Ganglienzellenschicht des Gehirns ist nur durch die abgehenden Connective, Commissuren und peripheren Nerven- stämme unterbrochen. Letztere sind bei PhylUrhoe nach dem von Waldeyer (140) als morphologisch unvollkommener bezeichneten Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 131 Typus ii;ebaut, d. h. die aus einer Canglienabteilung hervortretenden Fibrillen werden in ein einzelnes großes Bündel zusammengefaßt, das von einer gemeinsamen Hülle umgeben wird. Die Nervenscheide der Wirbellosen zeigt nach Waldeyer dieselben färberischen Eigenschaften wie die elastische Membran. Soweit mir bekannt ist, hat diese Angabe niemals eine Nachprüfung erfahren. Phi/lUrhoe ist für eine derartige Untersuchung wenig geeignet, da die brauchbarsten Färbemethoden zum Nachweis elastischer Elemente, nämlich die Orceinfärbung nach Unna und das WEiGERTsche Verfahren mittels Resorzin-Fuchsinlösung außer dem Neurilemm auch die die Nerven umgebende collagene Grundsubstanz intensiv tingieren. Das Neurilemm ist bei Phyllirhoe anscheinend homogen und an den Abgangsstellen der Nerven von den Ganglienknoten am stärksten; nach der Peripherie wird es allmählich schmäler, um an den feinen Nerven völlig zu verschwinden (Taf. V, Fig. 14 u. 15 bei Neu). In der Nervenscheide findet man in ziemlich großer Menge sehr schmale Zellen, welche dem Fibrillenbündel dicht anliegen. Diese Zellen "gleichen in ihrem Aussehen völlig den schon auf S. 110 beschrie- benen Bindegewebskörperchen der Phyllirhoe; auch in ihnen liegt der kleine runde Kern meist an dem einen Ende des feingekörnten Zell- leibes, der oft unregelmäßig gestaltet ist und sich bisweilen in feine Fibrillen auszieht (Fig. 14 bei B). Diese Bindegewebszellen sind bis- weilen auch noch dünneren Nerven angelagert, welche keine Nerven- scheide mehr erkennen lassen; es ist somit die Annahme berechtigt, daß auch diese Nerven noch eine Hüllmembran haben (Taf. VI, Fig. 1 B). iVn den feinsten Nervenausläufern dagegen begegneten mir die Binde- gewebskörperchen nicht mehr. Ferner findet man häufig an der Ober- fläche der Fibrillenbündel sehr schmale, spindelförmige Zellen mit wohl entwickeltem, stäbchenförmigem Kern (Taf. V, Fig. 14 d und Taf. VI, Fig. 1 d). Diese Zellen, die mit ihrer Längsachse stets in der Richtung des Faserverlaufs liegen, gehören vielleicht nicht mehr der Nervenscheide, sondern sch^n dem eigentlichen Fibrillenbündel an. Bei sehr starker Vergrößerung machen sich außerdem an der inneren Neurilemmfläche der dicken Nerven Zellen bemerkbar, die in ihrer Gestalt den bei der Beschreibung des Centralnervensystems (S. 126) als Gliazellen erwähnten Gebilden völlig entsprechen. Im Gegensatz zu den eben beschriebenen drei Zellarten rufen die peripheren Ganglienzellen meist eine mehr oder weniger beträchtliche Verdickung der Nervenfaser hervor. Die peripheren Ganglienzellen finden sich meist zu mehreren an den Teilungsstellen, aber auch im 9* 132 Ernst Born, Verlauf der Nervenstämme ihnen seitlich anliegend (Taf. V, Fig. 16 u. 17 bei G; Taf. VI, Fig. 1 bei c-i, c2, c^ und Fig. 5). Sie sind von ver- schiedener Größe ; die gTÖßten finden sich in den dicken Nervenstämmen ; je mehr man sich der Peripherie nähert, desto zahlreicher und kleiner werden sie. Die feinen Hautnerven bilden hin und wieder, namentlich in der Nähe des Körperrandes, auffallend große, ganglionäre Anschwel- lungen; letztere stellen wohl sensible Organe dar, da sie sich in der gleichen Form, nur bedeutend häufiger, in den Tentakeln finden (S. 136). Die in der Regel völlig runden Kerne der peripheren Ganglienzellen sind reich an chromatischer Substanz und enthalten oft nur einen Nucleolus, der häufig von einem hellen Hof umgeben ist. Der fein- granulierte Zellleib, an dem keine Membran wahrnehmbar ist, entsendet oft in Präparaten, die mit FLEMMiNGscher Lösung fixiert sind, an- scheinend keine Fortsätze; dagegen hebt sich in mit Hämatoxylin- Eosin gefärbten Chromessigsäurepräparaten der dunkelrote Zellleib der Ganglienzellen mit seinen Ausläufern scharf von dem nur blaßrot tin- gierten Fibrillenbündel ab. In solchen Präparaten beobachtet man, namentlich in der Flosse, im Verlaufe der dicken Nerven häufiger bi- polare und in den Teilungsstellen derselben mitunter gut ausgebildete multipolare Ganglienzellen. Entgegen der Beobachtung Paneths (96) bei den Pteropoden und Heteropoden muß ich betonen, daß an den bipolaren Zellen der PJiylUrhoe das Abtreten eines seitlichen Fortsatzes nie konstatiert werden konnte. Dagegen sind hier den Nerven hin und wieder seitlich Zellen angelagert, die ohne Zweifel multipolare Ganglien- zellen darstellen (Taf. V, Fig. 15 G u. Fig. 17 6^2- Taf . VII, Fig. 5); ihre feinen Fortsätze gehen häufig, nachdem sie die Muskulatur inner- viert haben, in dickere Nervenstämme über. In mit FLEMMiNGscher Lösung fixierten Präparaten findet man oft in dem Zellleib der peri- pheren Ganglienzellen tief schwarz tingierte Körnchen; auf Taf. V ent- halten die multipolaren Ganglienzellen in den Fig. 15 u. 17, auf Taf. VI die Zelle a in Fig. 1 derartige Gebilde. Um ausgewanderte Nucleolen kann es sich hier nicht handeln, da diese im Cytoplasma lagernden Körn- chen meist viel schwärzer tingiert sind als die Kernkörperchen ; allem Anschein nach sind es Fettkörnchen, die nach K. C. Schneider häufig in Nervenzellen als Peservenährstoffe aufgespeichert werden. Am Fibrillenbündel findet man außerdem bisweilen körnige Auf- lagerungen von schollenförmiger oder rundlicher Gestalt; diese granu- lierten Massen färben sich intensiv mit sauren Anilinen (Taf. V, Fig. 16 bei ^1, j)^, f^). Einigemal umhüllten eigenartige Zellgruppen die Nerven ; es lagen Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 133 ihnen ziemlich große Kerne in einer reichlichen Menge locker gefügten Protoplasmas unregelmäßig verstreut seitlich an ; besondere Zellgrenzen waren meist nicht zu erkennen. Diese Gebilde stellen die später (S. 178) noch zu erwähnenden Plasmazellen dar, die nach Brock (17) die Nerven- stämme der Mollusken streckenweise umhüllen können. Die Nerven zeigen deutlich eine fibrilläre Struktur; doch sind die einzelnen Fibrillen, die ein relativ starkes Lichtbrechungsvermögen besitzen, nur auf kurze Strecken zu verfolgen, da sie sich innig mit- einander verflechten. Die Fibrillen sind alle gleich dick und nie varicös; nirgends findet sich eine Andeutung, welche auf einen zusammen- gesetzteren Bau aus Elementarfibrillen, wie ihn Apathy (4, S. 508) lehrt, schließen ließe. Eine homogene Masse trennt anscheinend die Fibrillen voneinander. Auf Längsschnitten findet man in dieser inter- fibrillären Substanz nur sehr kleine, rundliche, bzw. ovale chromatin- arme Kerne, bisweilen von einer minimalen Menge Protoplasma um- geben; es ist möglich, daß diese Kerne den Nervenkernen Apäthys entsprechen (Taf. V, Fig. 6 bei xx). Apathy unterscheidet in den peripheren Nervenstämmen zwei Arten von Zellen, nämlich Nerven- zellen, welche er als die Bildungszellen der Neurofibrillen auffaßt und Ganglienzellen ; letztere produzieren nur » das, was geleitet werden soll «. BocHENEK (12) hat übrigens bei Anodonta, Hetix und den Tunicaten vergebens nach Nervenzellen im Sinne Apäthys gesucht. Erwähnens- wert ist noch, daß bei Phyllirhoe die feinen Ausläufer der Nerven reich- lich mit stark lichtbrechenden Pünktchen besetzt sind, die sich im Gegensatz zu den Fibrillen mit Eosin stark färben. Wie schon H. Schultze hervorgehoben hat, werden die Magen- Darmnerven der Gastropoden von Ganglienzellen »in erstaunlicher Fülle « (Taf. VI, Fig. 6) begleitet, von denen viele durch ihre enorme Größe auffallen (Fig. 7 u. 8). Den Nerven liegen oft mehrere Zellen hintereinander seitlich an, von denen einige einen feinen Fortsatz ab- geben (Fig. 9). Auf den Teilungsstellen der Nerven liegen in der Regel eine sehr große oder mehrere etwas kleinere Zellen; ein Zusammenhang der Zellen mit dem darunter sich teilenden Nerv läßt sich nicht fest- stellen (Fig. 7). Nur einmal habe ich an einer Teilungsstelle eine mäch- tige multipolare Ganglienzelle beobachtet, die in die vier abgehenden Nervenstämme je einen Fortsatz sendet (Fig. 8). Die sympathischen Ganglienzellen haben einen sehr großen, scharf begrenzten Kern, der in der Regel etwas heller erscheint als der schmale, dicht granulierte Zellleib. Letzterer besitzt eine scharfe Kontur, die vielleicht als eine 31embran zu deuten ist. Die fein gestreiften Nerven sind von einer 134 Ernst Born, äußerst zarten Hülle umgeben. Von den ganglionären Anschwellungen gehen feine homogene, Hur mit Körnchen besetzte Fäserchen an die Muskulatur des Magens ab. Beiläufig bemerke ich, daß letztere aus einer oberflächlichen Ring- und einer darunter liegenden äußerst feinen Längsfaserschicht besteht. Die Sinnesorgane. Es erscheint mir zweifelhaft, ob bei dem rudimentären Zustand der lichtempfindlichen Organe bei PhylUrhoe der Gesichtssinn ausge- bildet ist. Wie die meisten Nudibranchier (57, S. 40), so besitzt auch PhylUrhoe zwei ungestielte Augen, die der lateralen Fläche des linken bzw. rechten Cerebralganglions dicht anliegen (Taf . IV, Fig. 3 und Taf. V, Fig. 6), Während in den beiden Augenwinkeln einige größere Kerne liegen, wird die laterale Fläche des Auges von einer Schicht sehr kleiner, dicht aneinander gelagerter Kerne umsäumt. Das Centrum des Auges wird von einem ovalen homogenen Gebilde, das wohl einer Linse entspricht, ausgefüllt. Rings um diesen Körper — es ist übrigens nicht ausgeschlossen, daß diese Stelle nur einen Hohlraum im Auge darstellt — macht sich eine feinkörnige pigmentierte Masse bemerkbar. Dem Auge liegt immer ein dünnes Fibrillenbündel an, welches aus der Cerebropedalcommissur entspringt und zum Fühlernerv zieht. Wie bei allen pelagischen Mollusken, so sind auch bei PhylUrhoe die Otocysten wohl entwickelt. Letztere werden bekanntlich neuer- dings als Gleichgewichtsorgane gedeutet. Die Wand der Otocysten besteht aus einer dünnen Bindegewebskapsel, der innen eine einschich- tige Lage flacher, mit langen Cilien versehener Epithelzellen aufliegt; an der Ansatzstelle des Acusticus, der aus dem Cerebralganglion seinen Ursprung nimmt, machen sich drei größere bewimperte Zellen bemerkbar. Nach Lacaze-Duthiees (121, S. 324) werden bei den Prosobranchiern beide Otocysten durch ein bindegewebiges Ligament, dem Muskelfasern eingelagert sind, stets verbunden; bei PhylUrhoe habe ich beide Organe nur von der homogenen Grundsubstanz umgeben gefunden. Bekanntlich wird in neuerer Zeit vielfach die Ansicht vertreten, daß den im Wasser lebenden Tieren ein Riech vermögen mangele, viel- mehr bei ihnen die chemischen Reize nur durch den Geschmack auf- genommen werden können. Li der Mundhöhle der Mollusken sind mehrfach papillenartige Vorsprünge als Geschmacksorgane gedeutet worden, »doch immer ohne physiologische, fast immer ohne histolo- gische Begründung« (57, S. 258). Hinter der kräftig entwickelten Ra- dula der PhylUrhoe befinden sich einige zottenförmige Wülste (Taf. IV, Beiträge zur feineren Anatomie der Pliyllirhoc bucephala. 135 Fig. 7 bei Z); ähnliche Gebilde umsäumen die Übergangsstelle des Pharynx in den Oesophagus; es fehlt aber jeglicher Grund, diese Zotten als Geschmacksorgane ansprechen zu müssen; denn sie sind ebenso wie der übrige Teil der Mundhöhle bedeckt mit einer einschichtigen Lage flacher Epithelzellen, welche von einer kräftigen Cuticula über- zogen werden. Um den kleinen Kern der Epithelzellen liegen in reich- licher Menge braune Körnchen. Die Tentakel. Während der Kopf der Opisthobranchier gewöhnlich zwei Paar Tentakel trägt, von denen die hinteren häufig als Rhinophoren ge- deutet werden, besitzt Phyllirhoe nur zwei Fühler. Bergh (8) be- zeichnet dieses eine Fühlerpaar der Phyllirhoiden als Rhinophoren, da seiner Ansicht nach das vordere Paar diesen Tieren fehlt. Unter den marinen Gastropoden, welche Geaber (41) auf ihre Empfindlichkeit gegen Riechstoffe untersucht hat, befindet sich auch Phyllirhoe. Die Untersuchung führte Graber in der Weise aus, daß die an einem zu- gespitzten Glasstäbchen haftenden Riechstoffe den im Wasser befind- lichen Tieren auf 2— 5 mm genähert wurden. »Gegen alle Erwartung unempfindlich erwäesen sich die drei Nacktschnecken: Gastropteron Meckelii, Phyllirhoe buce/phalum und Aplysia leporina. Erstere zwei reagierten nämlich nur ganz wenig (durch Bewegung der Fühler) auf Rosmarinöl und Asa foetida, und letztere blieb völlig indifferent gegen- über allen angewandten Reizstoffen« (Graber). Carinaria und Pterotrachea dagegen zeigten sich gegen diese genannten Riechstoffe außerordentlich empfindlich. Meine mikroskopischen Untersuchungen gestatten natürlich keine Entscheidung in der Frage, ob die Tentakel der Phyllirhoe im Dienste der Geruchswahrnehmung stehen; doch dürfte die eigenartige histologische Struktur dieser Gebilde die Annahme als berechtigt erscheinen lassen, daß in ihnen der Tastsinn seinen Haupt- sitz hat. Spengel (125) hält es übrigens für denkbar, daß das Geruchs- organ unter den opisthobranchiaten Gastropoden nur auf die Tecti- branchier beschränkt ist. Die Länge der beiden pfriemenförmigen Ten- takel der Phyllirhoe beträgt etwa die Hälfte der Körperlänge (Taf. IV, Fig. 1). An ihrer Basis sind sie von einer Hautduplicatur, der Tentakel- scheide, umgeben. Entgegen den Angaben Vayssieres (133) können sich die Fühler der Phyllirhoe nach meinen Beobachtungen durch Re- traktion sehr verkürzen, wobei sie sich in Ringfalten legen. An der Kontraktion sind namentlich die in der Längsrichtung der Fühler ver- laufenden Muskelbündel beteiligt. Während diese Retractoren noch 136 Ernst Born, relativ stark sind, ist die übrioe Muskulatur nur schwach entwickelt. Zu äußerst liegen die sehr dünnen Diagonalfasern; an ihren Enden teilen sich diese schräg von unten nach oben verlaufenden Faserzellen dichotomisch und stehen mittels ihrer feinen Ausläufer miteinander in Verbindung. Auf diese Diagonalfasern folgt die noch feinere Ring- faserschicht, und zu Unterst liegen die schon erwähnten Retractoren. Die Ausdehnung der Tentakel ist rein passiver Natur, bedingt durch die Erschlaffung der Retractoren und vermehrtes Zuströmen von Hämolymphe in den Innenraum der Fühler; auf Schnitten erkennt man, daß letzterer noch von besonderen Faserzellen durchzogen wird. Solche Faserzellen, die auch die Leibeshöhle durchqueren, beschreibe ich später (S. 144) als Parenchymmuskelfasern. In jedem Tentakel sind die beiden Fühlernerven, die nur eine äußerst feine bindegewebige Hülle haben, bis zur Spitze zu verfolgen, wo sie mit einer mächtigen Ganglienzellenanhäufung enden. Die »starken Windungen und Bie- gungen«, die Bergh diesen Nerven beilegt, habe ich nur bei kontrahier- ten Tentakeln beobachtet. Sind dagegen die Fühler maximal gestreckt, so ist der Verlauf der Nerven ein schnurgerader. Die von den Fühler- nerven abgehenden Seitenzweige haben in ihrem Verlauf, bisweilen auch schon an ihrer Ursprungsstelle, mächtige Anhäufungen sehr kleiner, undeuthch begrenzter Zellen (Taf . VI, Fig. 4). Von diesen Anhäufungen gehen feine Nerven ab, die in ihrem Verlauf ebenfalls derartige Zellen- anlagerungen zeigen; meist haben sie solche auch an ihrer Abgangsstelle, wodurch diese ganglionären Verdickungen eine eigenartige Gestalt an- nehmen. In mit FLEMMiNGscher Lösung fixierten Präparaten finden sich in großer Zahl die schon früher (S. 132) erwähnten, tief schwarz tingierten Granula. Die von den Anschwellungen ausgehenden feinen Zweige, die mit zahlreichen, lichtbrechenden Körnchen besetzt sind, anastomosieren miteinander; das dadurch entstehende Nervennetz ist in einer Hälfte der Fühler, anscheinend der oberen, reichlicher ent- wickelt. Der ventrale Rand der Fühler dagegen ist reich mit serösen Drüsenzellen besetzt; während Panceri (94) diese Zellen zuerst als »cellule olfattive« bezeichnete, bringt er sie später (95) zu der Phos- phorescenz der PhylUrhoe in Beziehung. Mucöse Drüsenzellen sind im Integument hier nur spärlich vorhanden ; außerdem finden sich in der Haut der Tentakel auch die Blasen- und die Sternzellen; auf die hier angeführten Drüsenzellen werde ich in späteren Kapiteln noch aus- führlicher zu sprechen kommen. In den tieferen Schichten der homo- genen Grundsubstanz liegen viele Plasmazellen und Leucocyten. Wie Schnittserien zeigen, sind die Tentakel mit einem einschichtigen Epithel Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 137 bedeckt, in welchem sich nnrecelmäßig verstreut Flimmerzellen von derselben Beschaffenheit wie die auf den Körperhälften befinden. Zellen mit steifen Borsten, wie sie Panceri von den Fühlern der Carinaria beschreibt, habe ich nicht bemerkt, desgleichen nicht die bipolaren Sinneszellen, welche Guiart (45) neuerdings im Khinophor der Pleuro- branchier entdeckt hat. Man könnte vielleicht annehmen, daß die starren Forsätze, welche von den ganglionären Anschwellungen der Fühlernerven 1 abgehen, Sinneszellen angehören (in Fig. 4 bei a, h, c, d, e dargestellt). Diese kurzen feinen Fortsätze sind häufig an ihrer Basis durch einen eingelagerten Kern zwiebeiförmig aufgetrieben, während ihr entgegengesetztes Ende dicht unter der Haut knopfartig endet. Solche Gebilde haben dann eine gewisse Ähnlichkeit mit den von Retzius (109), Guiart (45), Bethe (9) beschriebenen bipolaren Sinnesnervenzellen; aber ein Charakteristikum dieser Sinneszellen ist bekanntlich ihre Lage zwischen den Epithelzellen, während die hier erwähnten Gebilde der Phjllirhoe unter dem Epithel und der Basal- membran liegen. Daher nehme ich an, daß diese kurzen Fortsätze, welche die ganglionären Anschwellungen aussenden, nicht die faden- förmigen Fortsätze von Sinneszelien darstellen, sondern als freie Endi- gungen sensibler Nervenfasern zu deuten sind. Ich bemerke noch, daß nach iVMBRONN (2) den Fühlernerven der PliyUirhoe eine deutlich negative Doppelbrechung in bezug auf die Längsrichtung zukommt; als den optisch wirksamen Körper sieht er auf Grund seiner chemisch-physikalischen Untersuchungen das Leci- thin an. Die Flimmerzellen, Nach Retzius und Bethe sind im Epithel der Mollusken bipolare Rezeptionszellen weit verbreitet. Retzius identifiziert diese Zellen mit den früher von Flemming (33) als Pinselzellen beschriebenen Ge- bilden. Bei Phyllirhoe habe ich solche Zellen nicht nur im Tentakel, sondern auch in dem den übrigen Körper bedeckenden Epithel vermißt ; dagegen liegen allenthalben auf der Haut der Phyllirhoe unregelmäßig verstreut, polygonal gestaltete Flimmerzellen (Taf. VI, Fig. 2 u. 3). Diese Zellen tragen ein Büschel feiner Cilien, welche bei starker Ver- größerung durch die lichtbrechende Cuticula hindurch bis zum Zellkern zu verfolgen sind; besondere Basalkörperchen, an denen die Cilien 1 Derartige Fortsätze entsenden ebenfalls, wenn auch nicht so häufig, die Ganglienanschwellungen der am dorsalen und ventralen Körperrand verlaufenden Hautnerven. 138 Ernst Born, fixiert sein sollen, wie es Heidenhain (54) lehrt, habe ich in der Cuticula nicht bemerkt. Bei ihrem Verlauf durch den Zellleib konvergieren diese Fibrillen nur wenig; ein scharf ausgeprägter Faserkegel kommt infolge- dessen in den Flimmerzellen der Phyllirhoe nicht zustande. Diese be- wimperten Zellen sind nun in seltsamer Weise miteinander verbunden (Fig. 2). Von zwei oder drei Winkeln ihres polygonalen Zellleibes geht je eine sehr dünne Fibrille ab, die in geradem Verlauf zu der nächst- gelegenen Flimmerzelle zieht; kommt nun eine solche Fibrille, die sich noch dichotomisch teilen kann, auf diesem Wege zu der Öffnung irgend einer Hautdrüse, so wird das Stoma ringförmig umschlossen und die Fibrille zieht dann weiter zur nächsten Flimmerzelle; oft streben drei, selbst vier Fibrillen auf eine Drüsenöffnung zu, wo sie sich anscheinend miteinander verflechten. Unter diesen Flimmerzellen bilden die Haut- nerven bisweilen rundliche oder kegelförmige ganglionäre Anlagerungen (Fig. 3) ; ich habe aber nie ein Eindringen von Neurofibrillen in die Zellen feststellen können. Da »die Flimmerepithelien Stoffe über Schleimhautflächen bewegen, auch wohl Schädlichkeiten entfernen, hat es etwas Einladendes, daß die Arbeit dieser Zellen unter die Herr- schaft des Nervensystems gestellt ist« (Pflüger, 100). Dagegen glaubt Verworn (135, S. 59) durch eine Reihe vivisectorischer Ver- suche festgestellt zu haben, daß die Flimmerbewegung eine automa- tische Bewegung ist, d. h. »die Impulse für die Tätigkeit der Flimmer- haare entstehen in der Flimmerzelle selbst«. Es liegen aber, wie auch Pplüger weiterhin betont, noch keine einwandfreien Beobachtungen über die Beziehungen der Nerven zu den Flimmerzellen vor. ApÄthy (4) hat zwar in den Flimmerzellen des Mitteldarmes von Anodonla und TJnio beobachtet, daß der intracellulär gelegene Faserkegel an der Basis der Zelle in einen einheitlichen Faden übergeht, der ganz den Charakter einer dicken Neurofibrille besitzt; er fährt dann aber fort: »leider konnte ich das Eindringen von extracellulär verfolgten deutlich als solche erkennbare Neurofibrillen in die Flimmerzellen nicht kon- statieren«. Die Starrheit des Fibrillenconus der Flimmerepithelien ist nach Pflüger kein Grund, wie es Engelmann früher getan hat, die nervöse Natur des Faserkegels zu bezweifeln, denn diese Eigenschaft könnte durch eine Verhornung der perifibrillären Hülle bedingt sein. Wie oben erwähnt, finden sich solche steife Fibrillen auch im Plasma der Flimmerzellen der Phyllirhoe; nur kommt es wegen der geringen Höhe dieser Zellen nicht zur Ausbildung eines eigentlichen Faserkegels. Da nun Pflüger neuerdings die Richtigkeit der von Apäthy vertretenen Ansieht, daß wir es im Fibrillenconus mit dem Innervierungsmodus Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 139 der Flimmerzellen zu tun haben, nicht für au.s^^eschlossen erachtet, möchte ich besonders auf die Untersuchungen hinweisen, welche Wal- lengren (142) hinsichtlich der Histogenese des Wimperapparates an den Kiemenleisten der Najaden angestellt hat. Wallengren hat nämlich beobachtet, daß die Wimperwurzeln zuerst in den distalen Teilen der Flimmerzellen zum Vorschein kommen und dann durch eine nach der Basis zu fortschreitende Differenzierung des inneren Cyto- plasmas sich weiter entwickeln. Aus diesem Entwicklungsmodus dürfte, wie auch Wallengren selbst hervorhebt, geschlossen werden können, daß die Ansicht Apäthys, nach welcher die Wimperwurzeln nervöse Fibrillen vorstellen, nicht zutrifft. Die die Flimmerzellen der Phyllirhoe verbindenden Fibrillen unter- scheiden sich also ebenfalls durch ihre Starrheit, welche sie durch ihren geraden Verlauf bekunden, wesentlich von der sonstigen Natur der Neurofibrillen. Die von Haycraft im Epithel der Schildkröte ge- fundenen starren Fädchen sieht Pflüger aber ebenfalls als Nerven- fasern an und führt auch hier die Starrheit der Fibrillen auf eine Ver- hornung zurück. Wenn wir diese Erklärung Pflügers auch für die in der obersten Hautschicht der Phyllirhoe verlaufenden starren Fibrillen gelten lassen, so ist es möglich, daß die bei Phyllirhoe die Flimmerzellen verbindenden feinen Fibrillen nervöser Natur sind. Zumal da, wie oben erwähnt, diese Flimmerzellen mitunter gangiionären Anschwel- lungen der Hautnerven aufsitzen. Doch ebenso ist die Annahme be- rechtigt, daß dieses feine Fibrillensystem nur ein Stützgerüst für die Haut bildet. Bethe (9, S. 101) hat für das periphere Nervensystem der Mollusken ein besonderes Schema konstruiert, welches im wesentlichen aus einem oberflächlichen und tiefen Nervenplexus dargestellt wird; der letztere tritt namentlich zur Muskulatur in Beziehungen, während der erstere in der Hauptsache mit dem Epithel und den Drüsen Verbindungen eingeht. Wenn die die Flimmerzellen der Phyllirhoe verbindenden Fibrillen nervöse Primitivfibrillen darstellen, so würde Bethes Schema für diese Nudibranchier insofern zutreffen, als wir dann auch hier ein oberflächliches und tiefes Nervennetz unterscheiden können ; letzteres würden bei Phyllirhoe die später (S. 146) noch zu beschreibenden Grund- und Endplexus darstellen. Ob die Flimmerzellen für besondere chemische oder mechanische Reize empfänglich sind, darüber läßt sich nichts aussagen; vielleicht aber kommt ihnen die Aufgabe zu, das Secret der zahlreichen Hautdrüsen 140 Ernst Born, ZU einer gleichmäßigen Schicht über das sonst unbedeckte Integument zu verteilen. Meine Ausführungen über die Histologie des Nervensystems möchte ich mit einer kurzen Bemerkung über die Regeneration der Nervenfasern beenden. Zwei Phyllirhoen waren jedenfalls durch einen Feind be- trächtliche Verletzungen an den Seitenflächen der Schwanzflossen zu- cfefüst worden. An den vernarbten Stellen laufen die Hautmuskelfasern wirr durcheinander; die centralen und peripheren Stümpfe der zer- rissenen Flossennerven haben sich nicht direkt vereinigt, sondern der beträchtliche Defekt in der Nervenbahn ist dadurch ausgeglichen worden, daß aus den beiden Rißenden, welche sich meist schlingen- förmig umbiegen, sich neue Nervenfasern gebildet haben, die sich in ein feines Nervennetz auflösen und so den histologischen Zusammenhang zwischen den proximalen und distalen Stümpfen der zerrissenen Nerven wieder herstellen. Nach der fast allgemein acceptierten Theorie Wal- lers (1852) besteht die Regeneration lediglich in einem Auswachsen des proximalen Nervenfaserrestes, während nach Bethe (10) auch der periphere Stumpf hierbei eine bedeutungsvolle Rolle spielt. Fig. 6 auf Taf. VII stellt das periphere Ende eines zerrissenen Nerven der Phyl- lirhoe dar. Das Rißende a hat sich distalwärts umgebogen und ist bei b mit dem Hauptstamm verwachsen. Während der Fortsatz « schon an die Muskulatur geht, endet der Ausläufer /i frei mit einer sehr kleinen knopfartigen Verdickung. Bei / finden sich die letzten Ausläufer des Nervennetzes, welches die Verbindung des proximalen Rißendes mit den distalen herstellt. Auffallend ist, daß den zer- rissenen Nerven bei PhylUrhoe viele ellipsoide Kerne angelagert sind, welche meist zwei Nucleolen haben und von einer geringen Menge körnigen Protoplasmas umgeben sind. Allem Anschein nach haben diese Elemente für den Aufbau des Nervengewebes eine große Bedeutung. Nach Bethe sind bei den Vertebraten am Regenerationsprozeß namentlich die ScHWANNschen Zellen beteiligt; nach seiner Ansicht geschieht die primäre Vereinigung der Stumpf- enden durch Wucherung des Peri- und Endoneuriums, und erst später folgen die wachsenden Nervenfasern diesen Bahnen von neu- ralem Bindegewebe. Ich erwähne noch, daß bei PhylUrhoe kurz vor den Rißenden sich einigemal wohl ausgebildete bipolare Ganglienzellen fanden, welche irgendwelche Wachstumserscheinungen nicht erkennen ließen. Beiträge zur feineren Anatomie der l'hyllirlu)e l)ueephala. 141 Die Muskulatur. Wie M. Heiuenhain (55) in seinem Referat über die »Struktur der contractilen Materie« hervorhebt, ist die Muskulatur der WirbeUosen histologisch wenig durchgearbeitet; und zwar bestehen nach Fol (34) speziell hinsichtlich der Struktur der Molluskenniuskulatur die wider- sprechendsten Angaben. Letztere sind nach Wackwitz (139) darauf zurückzuführen, daß die Mehrzahl der Forscher der Meinung waren, man habe es bei allen Mollusken mit gleichgebauten muskulösen Ele- menten zu tun, und infolgedessen, obwohl sie nur wenig Material zu ihren Untersuchungen herangezogen hatten, Rückschlüsse auf die ganze Klasse der Mollusken zogen. Im Gegensatz zu dieser weit verbreiteten Ansicht schreibt Wackwitz auf Seite 132 seiner Arbeit »Beiträge zur Histologie der Molluskenmuskulatur«: »Nicht bloß bei Tieren verschie- deren Ordnung fanden sich total verschieden gebaute Fasern, sondern sehr nahe verwandte Formen ließen manchmal gar keine Berührungs- punkte im feineren Bau ihrer Muskelfasern erkennen, ja selbst in einem Tiere, sogar in einem Organe desselben Tieres fanden sich Muskel- fasern, die in ihrer Größe, in Ausbildung der contractilen Substanz, in Lage und Struktur des Kernes nichts miteinander gemein haben.« Auch bei Phyllirhoe zeichnen sich die einzelnen Schichten der Muskulatur des Leibes durch größere Abweichungen voneinander aus, desgleichen haben die später (vgl. S. 163) zu beschreibenden Herzmuskelfasern ihren besonderen Bau. Dicht unter der Haut der Phyllirhoe liegen zwei Systeme von Muskel- fasern; nämlich die Longitudinalfasern, welche vom Kopf bis zum äußersten Ende der Schwanzflosse ziehen, und die vom oberen nach dem unteren Körperrande laufenden Dorsoventralf asern ; diese kreuzen die Längsmuskeln an ihrer Oberfläche meist unter einem annähernd rechten Winkel. Da in beiden Schichten die Muskelfasern nicht dicht aneinander liegen, sondern in mehr oder weniger großem Abstand ihren Verlauf nehmen, findet sich unter der Haut der Phyllirhoe ein aus rautenförmigen Maschen bestehendes, muskulöses Gitterwerk (Taf. VH, Fig. 1 u. 2). Die Longitudinalfasern sind zu Bündeln vereinigt, welche im mittleren Teil jeder Körperhälfte am stärksten sind und nach dem oberen und unteren Körperrande zu bedeutend an Umfang abnehmen. Die in jedem Bündel enthaltenen Fasern werden durch eine nur in spärlicher Menge vorhandene Zwischensubstanz zusammengehalten. Eine das ganze Faserbündel umhüllende bindegewebige Scheide, ein Perimysium, ]42 Ernst Born, läßt sich zwar einwatidfrei nicht nachweisen; den Muskelstämmen liegen aber in größerer Menge sehr häufig die schon bekannten Bindegewebs- körperchen (S. 110) an, so daß sie vielleicht doch von einer besonderen Hüllmembran umgeben sind (Fig. 3). Paneth (96, S. 263) hat bei den Pteropoden ebenfalls ein Perimysium nicht beobachtet; dagegen verläuft hier an den Rändern der Muskelbänder bisweilen ein schmaler Protoplasmasaum mit unregelmäßiger Kontur; ein gleichartig beschaf- fener homogener Saum begrenzt bisweilen auch die Längsmuskelbündel der Phyllirhoe (Fig. 2 bei h). Die contractile Substanz setzt sich aus dicht aneinander liegenden, feinsten Fibrillen zusammen; sie bildet an den Längsfasern nur eine dünne Rindenschicht, welche, ebenso wie es P. ScHULTZE (118, S. 521) für die Fibrillen der glatten Muskelzellen der Wirbeltiere hervorhebt, auch bei Phyllirhoe eine starke Affinität zu den sauren Anilinen besitzt. Nach Fol zeigen zahlreiche Muskelfasern der Heteropoden und Pteropoden einen spiraligen Verlauf der Fibrillen; bei Phyllirhoe sind mir derartig gebaute Faserzellen nie zu Gesicht gekommen; desgleichen habe ich nicht in der Hautmuskulatur quer- gestreifte Fasern angetroffen, wie sie bei den Kiel- und Flügelschnecken namentlich Paneth und Wackwitz beobachtet haben. Die contractile Rindenschicht schließt eine unregelmäßig gekörnte, reich entwickelte Marksubstanz ein; letztere tingiert sich mit Eosin und Orange-G- nur schwach. In der Mitte der Faser liegt, ohne daß diese dadurch in der Regel eine wesentliche Auftreibung erfährt, der verschieden gestaltete Kern. Letzterer ist oft lang und stäbchenförmig, häufiger aber auch etwas breiter und kürzer und an seinen Enden quer abgestutzt; er enthält nur einen acidophilen Nucleolus, von dem das schwach ent- wickelte Chromatingerüst auszugehen scheint. Vom Kern aus ver- jüngt 3ich die Faser allmählich nach ihren Enden zu. Die benachbarten Längsfaserbündel sind hin und wieder durch kurze, schräg verlaufende Anastomosen miteinander verbunden; in der Anordnung dieser immer aus mehreren, nebeneinander liegenden Faserzellen bestehenden Ver- bindungen macht sich eine große Mannigfaltigkeit bemerkbar (Fig. 3). Neben diesen kräftig entwickelten Anastomosen sind die stärkeren Längsfaserbündel durch sehr feine, lange und hintereinander liegende Faserzellen verbunden. Diese feinen, langen Verbindungsstränge hat Panceri (95) als motorische Nerven beschrieben, aus denen feinste Nervenfäserchen — als solche hat er nämlich die Dorsoventralmuskel- fasern angesehen — hervorgehen sollen. In der Schwanzflosse werden die Längsbündel durch häufige Teilungen schwächer; schließlich lösen sie sich in die einzelnen Fasern auf, von denen jede sich zu einem Beiträge zur feineren Anatomie der I'hyllirlioc bucephala. 143 feinsten Fäserchen auszieht, das häut'i'j, «ich noch mit den Endausläufern benachbarter Fasern verbindet. Auf Querschnitten (Fig. 4) zeigen diese Längsbündel der Phyllirhoe denselben Bau, wie ihn Wackwitz von der Flossenmuskulatur der Carinaria, Pterotrachea u. a. beschrieben hat; in den meist seitlich zusammengedrückten IMuskelbündeln sind die quergeschnittenen Fasern von rundlicher Gestalt; an der Peripherie jeder Faserzelle liegen die nur bei sehr starker Vergrößerung erkenn- baren Muskelsäulchen, die sich bei der Färbung mit Heidenhains Eisenalaun-Hämatoxylinlösung als schwarze Punkte von der gelblich gefärbten Marksubstanz abheben. Gar keine Ähnlichkeit mit der eben beschriebenen Längsmuskulatur lassen die Dorsoventralfasern erkennen. Diese bestehen immer nur aus einer Faserzelle, deren Enden sich oft dichotom teilen. Die da- dm-ch entstehenden feinen Ausläufer vereinigen sich mit eben solchen Endästeu andrer, ihnen entgegenziehender Dorsoventralfasern; häufig senden auch diese Fasern unter einem spitzen Winkel Verbindungsarme zu ihren unmittelbaren Nachbarn oder zu entfernter liegenden Zellen {Fig. 1 bei a, b, c und Fig. 2) ; auch mit den Längsfaserbündeln sind sie hin und wieder durch Anastomosen vereinigt. Es finden sich also bei Phyllirhoe verzweigte und miteinander kommunizierende Muskel- zellen; auch Wackwitz hat das Vorkommen derartiger Fasern bei den Heteropoden und Pteropoden bestätigt, während Paneth diesen zuerst von Gegenbauk gemachten Befund bestreitet. Was nun die feinere Struktur dieser Fasern angeht, so sind sie aus feinsten Fibrillen zu- sammengesetzt. Der kleine runde Kern liegt in der Eegel in der Mitte der Faser; oft tritt er aber auch von etwas Sarcoplasma umgeben bruchsackartig hervor. Während Boll früher behauptete, daß der Kern bei allen Mollusken ausnahmslos axial liege, haben in neuerer Zeit Knoll (64, S. 665) in dem Fuße von Pleurohranchaea, Fol bei Bentalium im Schlundkopf und Wackwitz im Oesophagus von Cari- naria Muskelfasern mit seitlich gelagertem Kern beobachtet. Die Marksubstanz ist in den Dorsoventralfasern nur spärlich verbanden; abgesehen von der um den Kern vorhandenen Plasmamenge finden sich im Verlaufe der Faser zwischen den Fibrillen nur wenige, reihen- weise angeordnete Markkügelchen. Eine Eigentümlichkeit der Dorso- ventralfäserchen sind die kleinen flügelartigen Verbreiterungen, die viele Fasern an ihren Eändern zeigen; von diesen Anhängseln gehen häufig feine Fibrillen zu den benachbarten Fasern (Fig. 2 a). Nach M. Heidenhain (S. 139) findet sich an den glatten Muskelzellen der Wirbellosen stets ein Sarcolemm. Diese Behauptung muß für die 144 Ernst Born, Mollusken eine gewisse Einschränkung erfahren. Margo, Knoll, Fol u. a. haben allerdings auch an Molluskenmuskeln ein zartes, aber deut- liches Sarcolemm beobachtet, dagegen konnten Paneth und Wack- witz sich nicht von der Existenz einer solchen Hüllraembran über- zeugen. Auch an den Dorsoventralfasern der Phyllirhoe, die, wie schon erwähnt, stets nur aus einer Zelle bestehen, ist von einem Sarco- lemm nichts zu finden; nur ein unregelmäßig begrenzter, homogener Protoplasmasaum, wie wir ihn schon bei den Längsfaserbündeln kennei> gelernt haben, umgibt bisweilen diese Muskelzellen. Erwähnen will ich noch, daß bei der Doppelfärbung mit Hämatoxylin-Eosin die Dorso- ventralfasern im Gegensatz zu der intensiv rot tingierten Längsmuslm- latur völlig ungefärbt bleiben. Die Dorsoventralfasern werden übrigens, namentlich im mittleren Drittel jeder Körperhälfte, von bedeutend kräftigeren Fasern in der Richtung von oben und vorn nach hinten und unten gekreuzt. Diese Fasern, die meist einen etwas geschlängelten Verlauf zeigen, liegen bisweilen zu zweien nebeneinander; ihr Kern liegt nicht immer an der dicksten Stelle der Faser (Fig. 7); sonst zeigen aber diese Gebilde die gleiche Struktur wie die übrigen Dorsoventralfasern. Ein ganz andres Aussehen haben die Transversal- oder Paren- chym muskeif asern, welche zuerst von Bergh (7) beobachtet worden sind; er hat sie aber als bindegewebige Elemente gedeutet. Diese Fasern sind in den obersten und untersten Körperpartien am zahl- reichsten vorhanden; die wenigen Fasern, welche die mittlere Körper- partie durchlaufen, halten die Eingeweide in ihrer Lage (Taf. VIII, Fig. 1). Diese Fasern sind von runder oder bandartiger Gestalt (Taf .VII, Fig. 8). In den sehr schmalen Fasern liegt der häufig stäbchenförmige Kern in dem Markraum der Faser oder ist von etwas Marksubstanz umgeben dem Fibrillenbündel seitlich angelagert. Die Enden jeder Faserzelle lösen sich in ein Büschel feinster Fibrillen auf, die an den Eändern der longitudinalen und dorsoventralen Muskelfasern (Fig. 2 bei X X ) mit einer sehr kleinen protoplasmatischen Anschwellung enden : auch diese Fibrillenbündel hat Panceri als motorische Nerven an- gesehen. Häufig vereinigen sich die feinen Ausläufer mit ebensolchen Endästen benachbarter Parenchymmuskeln. Den transversalen Fasern, die an ihren Rändern meist einen homogenen Protoplasmasaum zeigen, liegen in gToßer Menge die schon bei den Längsmuskelfasern erwähnten kleinen, abgeplatteten Zellen seitlich an. Interessant ist aber die Ver- bindung dieser Fasern mit eigenartig gestalteten Zellen. Es liegen ihnen nämlich größere, meist etwas abgeplattete Zellen dicht an, deren Plasma Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 145 einige Vaciioleu und einen bläschenförnngen Kern mit einem verhält- nismäßig großen Nucleolus einschließt (Fig. 8 bei P). Ähnliche Zellen sind in Verbindung mit Muskelfasern von Kkoll (S. 673) bei den Crusta- ceen, ferner von Wackwitz (S. 150) in der Salpenmuskulatur beobachtet worden; während diese Autoren sich über die Natur der Zellen nicht äußern, haben Zernecke (143) und Bettendorf (11) derartige Gebilde bei den Cestoden und Trematoden als Myoblasten gedeutet. Vor kurzem hat E. Andre (3, S. 75) von einem neuen Genus der Familie der Phyllirhoiden, welches er dem Entdecker zu Ehren Ctilopsis Picteti nennt, ebenfalls große, bandartigen Fasern angelagerte Zellen beschrie- ben und in Fig. 2 auf Taf. 1 seiner Arbeit abgebildet; er vermutet, daß diese Gebilde, die er, wie er selbst hervorhebt, nur flüchtig unter- sucht hat, Myoblasten darstellen, und zwar sollen sie bei Ctilopsis in vier gleich weit voneinander entfernten Längsreihen angeordnet sein. Ich halte diese Zellen bei Phyllirhoe für identisch mit den Plasmazellen Brooks und werde später (S. 178) bei der Beschreibung der excretori- schen Elemente noch einmal auf sie zu sprechen kommen. Die Innervation der Muskulatur. Die an die Muskelfasern herantretenden Nerven sind keine rein motorischen Nervenfasern, insofern sie auch die übrigen Elemente der Haut innervieren; auch versorgt ein und derselbe Nerv gleichzeitig Longi- tudinal-, Dorsoventral- und Parenchymmuskulatur. Doch bevor ich in meinen Angaben über die Innervierung der Muskulatur fortfahre, möchte ich auf die vor kurzem von F. B. Hofmann (58) veröffentlichten »Histo- logische Untersuchungen über die Innervation der glatten und der ihr verwandten Muskulatur der Wirbeltiere und Mollusken« näher eingehen. Hofmann hat bei den von ihm untersuchten Tieren feststellen können, daß aus den zur Muskulatur hinziehenden Nervenbündeln durch Abschwenkungen und Teilungen der in ihnen enthaltenen gröberen Nervenfasern zunächst ein Nervengeflecht, der Grundplexus, sich bildet. Letzterer ist vor allem dadurch charakterisiert, daß er von der Verlaufsrichtung der Muskelzüge unabhängig ist. Von diesem Grund- plexus gehen einzelne feine Nerven zur Muskulatur, welche ganz dicht an den Muskelfasern hinziehen und infolgedessen die Anordnung der Muskulatur sehr genau wedergeben. Die von den früheren Autoren beschriebenen knöpfchenförmigen Enden dieser Nerven hält Hofmann für infolge unvollständiger Färbung hervorgerufene Kunstprodukte; vielmehr lassen sich nach ihm die Nervenfädchen an den Muskelzellen fortwährend weiter verfolgen, rmd es bilden so mindestens die Teiläste Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 10 146 Ernst Born, einer jeden einzelnen zur Muskulatur hinziehenden Nervenfaser unter sich ein wahres Endnetz. Während nun Hofmann einen kontinuierlichen Zusammenhang zwischen Grund- und Endplexus nur selten feststellen und die schleifenförmige Ver- bindung der Endverzwei- gungen einer Stammner- venfaser untereinander in den meisten Fällen infolge des kapriziösen Verhaltens der angewandten Färbe- methoden nur »nach der ganzen Konfiguration mit großer Wahrscheinlichkeit « erschließen konnte, lassen sich an Phyllirhoen, die nur mit FLEMMiNGscher Lösung fixiert sind, infolge der durchsichtigen Be- schaffenheit dieser Tiere die Innervationsverhält- nisse an den Hautmuskeln bis in ihre feinsten Details einwandfrei feststellen. Die Teiläste der Haupt- nervenstämme der Phylli- rhoe bilden zahlreiche Ana- stomosen untereinander, und es kommt so ein aus unregelmäßigen Maschen bestehendes Nervennetz zustande, welches sich über den ganzen Körper ausdehnt, besonders aber in den hinteren Regionen Textfig. 1. Ein Teil des von den Hautnerven gebildeten Grundplexus {F. B. Hopmann). Die Äste a und 6 stimmen mit N^ und N^ der Fig. 1 auf Taf. VII überein. Es sind nicht alle mit- einander anastomosierenden Seitenzweige eingezeichnet. Mü, MüLLERsche Zelle. Der Verlauf der Nerven wnrde bei öOOfacher Vergrößerung festgestellt. Die Zeichnung dehnte sieh über etwa 32 Gesichtäfelder aus; sie ist jetzt auf ein Wohl ausgebildet ist (vgl. d. Textfig.). Dieses Geflecht, welches in seinem Verlauf durch die Anordnung der Muskulatur nicht beeinflußt wird, entspricht dem HoFMANNschen Grundplexus. Da nun bei PhylUrhoe an diesem Plexus sämtliche aus den vier Schlundganglien Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 147 entspringende Nervenstämme beteiligt sind, gelangt man von einem Knotenpunkt dieses Grundplexus je nach der Richtung des einge- schlagenen Weges nach dem Cerebropleural- bzw. Pedalganglion. Be- sonders möchte ich die interessante Beobachtung hervorheben, daß bei PhijUirhoe am dorsalen und ventralen Rande Nerven von der einen Kürperseite auf die andre hinüberwechseln; ich habe mich mehrmals einwandfrei davon überzeugen können, daß auf diese Weise der rechte und linke Grundplexus miteinander in Verbindung stehen i. Von den Zweigen des Grundplexus gehen nun die Nerven zur Muskulatur. Die Längsmuskeln werden von dickeren Nerven gekreuzt, die mitunter einen kurzen Ast zur Faser senden, der sich hier zu einer relativ großen, reich gekörnten Anschwellung verbreitern kann. Hervor- heben möchte ich, daß auch bei Phyllirhoe sich die Innervierung keines- wegs immer in der Nähe des Kernes findet, und zwar gilt dies nicht nur für die Longitudinalfasern, sondern auch für die übrigen Muskel- systeme. Von älteren Autoren, Frankenhäuser, Lustig u. a., war nämlich behauptet worden, daß die Nerven mit den Kernen der glatten Muskelfasern in Verbindung treten. Für die Vertebraten ist diese An- gabe besonders durch die umfangreichen Untersuchungen P. Schultzes (118, S. 545), für die Wirbellosen durch Apäthy (4, S. 691) widerlegt worden. An den Längsfasern nun stellen die eben erwähnten Nerven- hügel, die meist einen Kern enthalten, wirkliche Nervenendigungen nicht dar; ich habe mich fast immer davon überzeugen können, daß von der Anschwellung aus noch ein feinkörniger Strang die Muskel- fasern ent ang zieht. Eigenartig ist die Innervation der transversal verlaufenden Muskelfasern. Die feinen Ausläufer dieser Zellen endigen an den Hautnerven in einer Weise, welche vollkommen der schon be- schriebenen Endigung dieser Muskelzellen an den beiden Muskelsystemen der Haut gleicht (Fig. 2 xx x). Ebenso auffallend ist die bisweilen zu beobachtende Innervation, bei der ein Endausläufer einer Parenchym- faserzelle in der Weise in ein feinstes, ihm entgegenziehendes Nerven- fäserchen übergeht, daß man nicht mehr erkennen kann, wo der Nerv aufhört und die muskulöse Faserzelle beginnt (Fig. 2 x ). Letztere iVrt der Innervierung scheint der von Apathy bei Ascaris und Pontohdella mitunter beobachteten Innervation zu entsprechen. 1 Ein für diese Beobachtung geeignetes Präparat wird am besten in der Weise hergestellt, indem man am Anfang der Flosse ein schmales Stück vom Hautrande abschneidet, unter der Lupe die die beiden Körperseiten verbindenden Parenchymmuskelfasern durchtrennt und nun auf einem Objektträger die beiden Randflächen durch leichten, mittels eines feinen Haarpinsels ausgeübten Druck in eine Ebene zu bringen sucht. 10'= 148 Ernst Born, Sehr schön ist die Innervierung an den Dorso ventralfasern zu beobachten, da sie äußerst fein und infolgedessen in ihrer ganzen Tiefe mit den stärksten ölimmersionssystemen zu durchmustern sind. Die an diese Muskelzellen herantretenden Nerven kreuzen dieselben an ihrer Unterfläche, wobei sich der Nerv etwas verbreitert; von dieser Ver- breiterung aus, die mitunter kleine runde Kerne birgt, entsendet der Nerv häufig nach den beiden entgegengesetzten Richtungen hin jeder- seits einen die Muskelfaser entlang laufenden Zweig. Ein solches Fäser- chen, dessen Verlauf durch die den feineren Nerven eigentümlichen, lichtbrechenden Körnchen gekennzeichnet ist, läßt sich in der Regel bis zu einem dieselbe Faserzelle kreuzenden Nerv verfolgen. Häufig wird ein und dieselbe Dorsoventralfaser von drei bis fünf Nerven ge- kreuzt, welche sämtlich durch solche die Muskelzelle entlang laufenden Körnchenreihen verbunden sind und sich alle bis zu demselben Nerven- stamm zurückverfolgen lassen. Häufig geht die Körnchenreihe auf eine andre, die Faserzelle kreuzende Dorsoventralfaser über und läßt sich dann hier bis zu einem andern Nerv verfolgen. Diese Körnchenreihen bilden also bei PhylUrhoe den Endplexus. In instruktiver Weise zeigt Fig. 1 auf Taf. VIII diese Innervationsverhältnisse. Erwähnen will ich nur hier, daß die in dem Bilde mit N^, No und iVg bezeichneten Nervenf äserchen alle aus demselben Hauptstamm hervorgehen; Ni und iVg entsprechen übrigens den Fasern a und h der Aveiter oben stehenden Textfigur. Das weitere Verhalten der Nerven dürfte wohl aus der der Fig. 1 beigegebenen Erklärung ersichtlich sein. Wenn ich demnach häufig, namentlich an den Muskelzellen der Flosse, dieses schlingenförmige Ineinanderlaufen der Nerven direkt habe nachweisen können, so muß ich doch betonen, daß in vielen Fällen ein freies Aus- laufen der Körnchenreihen feststeht (Fig. 1 bei x x). Mangold (84), der dieser Frage auch vor kurzem seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, hebt hervor, daß er an den die quergestreiften Skelettmuskeln der Arthropoden umspinnenden Nervenfibrillen niemals eine Anastomose beobachtet hat. In einer seiner letzten Publikationen ist Pflüger (100) mit Ent- schiedenheit für den direkten Übergang der nervösen Materie in das Myoplasma eingetreten. Nach Pflüger aber legt sich die Nerven- fibrille nicht nur oberflächlich der Muskelzelle an, sondern er ist nament- lich infolge der von Apathy an Pontohdella gemachten Beobachtungen der Meinung, daß die Nervenfaser in das Innere der Muskelfasern ein- dringt und darin endigt. Mangold macht gegen die ApATHYsche Angabe den m. E. berechtigten Einwand, daß für derartige Beobachtun- Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 141) gen die Ausführung von Querschnitten unbedingt erforderlich ist, während Apäthy diese Frage nur an Totalpräparaten studiert hat. Mangold sieht die Schlußfolgerungen Apäthys allein schon aus dem Grunde als etwas voreilig an, weil bei der Coldmethode, welcher Apäthy sich bedient, » oft nicht garantiert werden kann für die wirklich nervöse Natur eines so minimalen Strukturelementes«. An den Dorso ventral- fasern der PhylUrhoe sind Muskel- und Nervensubstanz anscheinend direkt aneinander gelagert. Wie schon auf S. 144 erwähnt wurde, fehlt den muskulösen Faserzellen das Sarcolemm, aber auch an den an sie herantretenden Nervenfädchen habe ich mich von dem Vorhandensein einer besonderen Hüllmembran nicht überzeugen können. An den die Dorsoventralfasern entlang laufenden Körnchenreihen ist eine fibrilläre Struktur nicht mehr erkennbar, da diese Muskelzellen selbst eine feine fibrilläre Längsstreifung haben. Sicher sind aber auch in diesen Körnchenreihen noch Neurofibrillen enthalten, da die von der Muskel zelle abtretenden Nervenfädchen nicht homogen, sondern fibril- lär gebaut sind. Nach dem ganzen Verhalten der Nervenfädchen be- zweifle ich, daß bei PkyUirJioe Neurofibrillen in die Muskelzelle ein- dringen; jedoch kann ich mit Sicherheit nichts darüber aussagen. Be- züglich der Nervmuskelfrage dürfte wohl der Hinweis von Interesse sein, daß Paneth (96) und Joseph (63) bei den Pteropoden und Hetero- poden ein intramuskuläres Nervennetz beschreiben. Die Betheschen Nervennetze. Die mit der Silberimprägnationsmethode Golgis erzielten Kesultate der histologischen Forschung hatten Walueyer (141) im Jahre 1891 Veranlassung gegeben, seine Anschauung von dem Aufbau des Nerven- systems in folgender Weise zu formulieren : »Das Nervensystem besteht aus zahlreichen untereinander anatomisch wie genetisch nicht zu- sammenhängenden Nerveneinheiten (Neuronen). Jede Nerven einheit setzt sich zusamm^en aus drei Stücken: der Nervenzelle, der Nerven- faser und dem Faserbäumchen (Endbäumchen).« Unter den von den Gegnern der Neuronenlehre angeführten Argumenten finden sich auch die BETHEschen Nervennetze, die bekanntlich durch direkte plasma tische Anastomosen zwischen benachbarten Ganglienzellen entstehen soHen. Während nach Bethe (9) und Jordan (62) namentlich bei den Mol- lusken diese Netze weit verbreitet sind, hat F. B. Hofmann in den peripheren Nerven der von ihm untersuchten Cephalopoden nur zwe; einwandfreie Ganglienzellen, und zwar unipolare, gefunden. Er be- streitet daher für die Cephalopoden das Vorkommen von specifischeu 150 Ernst Born, BETHEschen Nervennetzen. Nach einer Durchsicht der einschlägigen Literatur kommt Hofmann überdies zu der Ansicht, daß von allen Angaben nur die von Chun (21) mitgeteilten Beobachtungen an dem durchsichtigen Tiefseecephalopoden BoUtaena auf das Vorhandensein von Nervennetzen im Sinne Bethes hinweisen. Doch Hofmann hält es nicht für ausgeschlossen, daß die von Chun an den Teilungsstellen der Nerven beobachteten Kerne nicht peripheren Ganglienzellen, sondern nur den Nervenhüllen angehören i. Ich möchte daran erinnern, daß 1 Seine Ansicht begründet Hofmann auf S. 393 f olgeiidermaßen : »Daß man diese Kerne an nicht specifisch gefärbten Präparaten mit den Nervenbündeln in eins verschmolzen sieht, bildet gar keinen Grund zu der Annahme, daß dies in Wirklichkeit der Fall ist. Man kann ja an solchen Präparaten auch nicht die einzelnen Nervenfädchen, aus welchen die Nervenbündel zusammengesetzt sind, voneinander sondern. Das gelingt erst durch eine specifische Nervenfärbung, wie die vitale Methylenblaufärbung. « In demselben Sinne beurteilt auch ApIthy die an Osmiumpräparaten gewonnenen Resultate; nach ihm haben die älteren Autoren nicht die eigentlichen Neurofibrillen, sondern nur die interfibrilläre Substanz gesehen; die fibrilläre Struktur der Nerven War ihnen also nur »durch das Negativ der Fibrillen« bekannt. Nach Bethe aber hat Max Schultze in den peripheren Nervenfasern die Primitivfibrillen durch Osmiumsäure wirklich dargestellt; ebenso weist OscAB Schultze (120) den hinsichtlich dieser Beobach- tung seines Vaters von ApXthy gehegten Zweifel energisch zurück. Auch ich möchte hier nochmals betonen, daß ich mich in meinen Flemming- Präparaten von der Existenz der Neurofibrillen einwandfrei überzeugen konnte; selbst in den feinsten Nervenfädchen sind sie bei Gasglühlicht und zweckmäßiger Anwendung des AßBEschen Beleuchtungsapparates infolge ihrer starken Lichtbrechung noch deutlich erkennbar. Mit dem Hämatein la, welches nach Apathy eine »speci- fische« Nervenfärbung ermöglicht, habe ich trotz aller möglichen Kautelen die- selben Erfahrungen wie Bethe (28, S. 931) gemacht; es färbten sich nur die dicken Fibrillenbahnen, dagegen nicht die feinen Nervenausläufer; bei Phyllirhoe tin- gierten sich übrigens die Muskelfasern mit dem Hämatein Ja. Die vitale Methylen- blau- oder GoLGi-Methode konnte ich nicht anwenden, da mir nur konserviertes Material zur Verfügung stand. Auch bezweifle ich, daß mir die Anwendung dieser Methoden irgendwelchen Vorteil gebracht haben \vürde. Denn Gilchbist (37, S. 179) hat Methylenblau und Goldchlorid bei den kleinen, durchsichtigen Nudi- branchiern mit völlig negativem Erfolge benutzt. Ferner haben an pelagischen Mollusken Joseph (63) und Paneth (96) die schon bei zahlreichen andern Unter- suchungsobjekten gemachte Beobachtung bestätigt, daß bei diesen »electiven« Nervenfärbungen außer den Nerven auch die Muskulatur und die bindegewebigen Elemente den Farbstoff annehmen. Auch Hofmann konstatierte diesen Übel- stand; außerdem führt er auf S. 371 an, daß eine scharfe Differenzierung der einzelnen Fibrillen in seinen Methylenblaupräparaten nicht vorhanden ist; »es ist außer den Fibrillen auch die Zwischensubstanz mitgefärbt«. Diese Beobach- tung Hofmanns steht in einem gewissen Widerspruch zu seiner von mir am An- fang dieser Fußnote zitierten Angabe. Durch diese kritischen Bemerkungen sollen Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 151 schon früher Waldeyer (140) und Solbrig (124) bei Wirbellosen keine Ganglienzellen an den Nerventeilungen konstatieren konnten; desgleichen spricht Grobben auf S. 111 des Lehrbuches der Zoologie von Claus die Ansicht aus, daß die an den Nerven der Wirbellosen sich findenden Kerne der bindegewebigen Scheide angehören. In Er- gänzung der von Bethe und Hofmann gemachten Literaturangaben führe ich hier noch kurz einige Mitteilungen aus der Literatur über das Vorkommen von Nervennetzen bei Mollusken an. In der Haut der Heteropoden und Pteropoden hat Gegenbaur (3(5) ein reiches Nervennetz beobachtet, dessen Knotenpunkte als kernhaltige Anschwellungen erscheinen. Namentlich die Abbildung, die er auf Taf . III bei Fig. 3 von dem Endnetz der Flossennerven von Cymhulia Peronii gibt, erinnert lebhaft an die BETHEschen Nervennetze. Die Existenz eines peripheren Nervennetzes bei diesen Tieren ist später von Paneth (96) bestätigt worden; bei Cymhulia sind die Zellen im Nervennetz »so willkürlich und wie zufällig angebracht«, daß Paneth geneigt i.st, sie nicht als nervöse Centren, sondern als Reste von Bildungs- material anzusehen. Ferner beschreibt Edinger (27) ein in der Haut der Pterotmchea liegendes Nervennetz; in den Knotenpunkten, sowie in dem Verlauf der Nerven finden sich auch hier Ganglienzellen meist bipolarer Natur mit rundem Kern und mehreren Kernkörperchen. In neuerer Zeit hat List (81) bei den Mytiliden beobachtet, daß die Aus- läufer der Mantelrandnerven unter dem Epithel ein an Ganglienzellen reiches Nervennetz bilden. Nach Eetziüs (110) sind die bei verschiedenen Evertebratenklassen beschriebenen Netze von verästelten peripheren Nervenzellen »sehr problematischer, dubiöser Natur«; schon früher, nämlich im Jahre 1904 hat Retzius in der Diskussion, welche dem von Oskar Schultze auf der Anatomenversammlung in Jena gehaltenen Vortrag über die Ent- wicklung des peripheren Nervensystems folgte, erwähnt, daß er bei Wirbeltieren und Wirbellosen nie periphere Netze, sondern nur Ge- flechte der Fortsätze von Zellen beobachtet hat. Wie auch 0. Schultze (120) hervorhebt, ist es dringend erforderlich, daß wir durch neue Arbeiten weitere Aufklärung über die peripheren Nervennetze der Wirbellosen finden. Da mir die Durchsichtigkeit der Phyllirhoe natürlich die ungeahnten Fortschritte, die wir seit der Anwendung der Methylen- blau- und GoLGi-Methode in unsrer Kenntnis des Xervensystems gemacht haben, nicht im geringsten geschmälert werden, es soll nur die Ansicht Hofmanns zurück- gewiesen werden, daß zum Studium der Innervation immer die Anwendung einer der genannten Färbungsmethoden erforderlich ist. 152 Ernst Born, gestattete, die Nerven in ihrem ganzen Verlauf zu verfolgen, so dürften wohl auch meine Beobachtungen einiges Interesse beanspruchen können. Bei den Nervennetzen ist von Bedeutung die Entscheidung der Frage, ob die Fortsätze der Ganglienzellen »ganz breit ineinander über- gehen«, wie es Bethe lehrt und in dem Schema zeigt, welches er seiner in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (30. Jahrg. 1904) ver- öffentlichten Abhandlung »Der heutige Stand der Neurontheorie« beigibt. — Zum besseren Verständnis der weiteren Angaben sei auf die nebenstehende Kopie dieses Schemas hingewiesen. — Würden sich nämlich solche durch direkte plas- matische Anastomosen verbundene Ganglienzellen finden, so würde dies im Gegensatz zu der vorhin zitierten Definition des Neurons stehen. Denn nach der Neuronen - lehre soll das Nervensystem aus morphologischen Einheiten, den Neuronen, zusammengesetzt sein, welche nur auf dem Wege der Apposition zueinander in Be- ziehung treten; ein Übergang per continuitatem dagegen soll nie- mals bestehen. Bei einem Ver- gleiche der in Fig. 1 auf Taf. VI dargestellten Nervenmasche aus dem Grundplexus der Phyllirhoe mit dem Schema Bethes könnte vielleicht die Vermutung berechtigt erscheinen, daß die Zellen c^ und c2 als zwei miteinander anastomosierende, tripolare Ganglienzellen aufzufassen sind, und das bei * abgehende Fibrillenbündel, welches die Muskulatur und die Hautdrüsen innerviert, aus beiden Zellen seinen Ursprung nimmt, entsprechend den in der Skizze Bethes bei x zur Muskulatur ziehenden Fasern. Schon früher (S. 132) habe ich aber erwähnt, daß in Präparaten, die mit FLEMMiNGscher Lösung fixiert sind — auch die Fig. 1 auf Taf. VI stammt von einem solchen Präparat — , der Zellleib der peripheren Ganglienzellen meist nur schwer zu erkennen ist; dagegen hebt sich in den Nerven- stämmen der Phyllirhoe bei Objekten, die mit Chromessigsäure fixiert und mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt sind, der dunkelrote Zellleib der Ganglienzellen mit den Ausläufern scharf von dem nur blaßrot fingierten Fibrillenbündel ab (Taf. V, Fig. 16). Derartige Präparate zeigen Textfig. 2. Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 153 einwandfrei, daß bei PhyUirhoe periphere Ganglienzellen, die durch dicke Protoplasmabrücken miteinander verbunden sind, wie es Bethe lehrt, nicht vorkommen. Die Ganglienzellfortsätze verjüngen sich vielmehr sehr schnell und entziehen sich bald der weiteren Beobachtung, und es wird wohl durch keine Methode festzustellen sein, ob sie mit den Aus- läufern andrer Ganglienzellen anastomosieren, zumal da in den zu- nächst gelegenen Knotenpunkten des Plexus sich dann meist wieder gar keine Zellen vorfinden (vgl. die Textfigur auf S. 146). Nur einmal, und zwar bei den in Fig. 5 auf Taf . VI mit a und h bezeichneten Zellen, halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß sie eine Anastomose mit- einander eingehen. Ferner habe ich an den den Nerven seitlich an- gelagerten, multipolaren Ganglienzellen (S. 132) einmal einwandfrei eine Anastomose feststellen können; aber es handelte sich auch hier, wie Fig. 5 auf Taf. VII zeigt, nicht um eine breite Protoplasmabrücke, sondern um eine äußerst feine Verbindung zwischen zwei Ganglien- zellen. Während bei Bethe die von den Ganglienzellen des Netzes ausgehenden Fasern je einem Ganglienzellfortsatz entsprechen, findet man bei Phyllirhoe, daß die von den Teilungswinkeln des Grundplexus ausgehenden Nervenstämme, vorausgesetzt, daß eine oder mehrere Ganglienzellen an diesen Punkten eingelagert waren, außer den Fort- sätzen dieser Zellen auch noch Fibrillen enthalten, welche aus benach- barten Nerven kommen und an den eingelagerten Zeilen entlang ziehen. Sehr lehrreich ist für diese Ausführungen die in Fig. 8 auf Taf. VI ab- gebildete Zelle; allerdings handelt es sich hier um eine Ganglienzelle aus dem sympathischen Plexus; jedoch darf ich auf diese Zelle hin- weisen, da die Knotenpunkte des Grundplexus ganz dasselbe Ver- halten zeigen. Die Drüsen. Von den drüsigen Organen der Phyllirhoe will ich zunächst diejenigen erwähnen, welche schon Vissichelli beschrieben hat, nämlich die Lippendrüse, die Fußdrüse und die mehrzelligen Hautdrüsen. Die Lippendrüse. Bergh hat im Jahre 1870 nur mitgeteilt, daß die Lippen der Phyllirhoe von Drüsenzelien umsäumt werden. Auch die von Vissi- chelli über diese Drüsen gemachten Angaben erscheinen mir der Ergänzung bedürftig. Die Mundöffnung der Phyllirhoe ist rund und nur an der Oberlippe ein wenig geteilt. Unter dem Epithel, besonders an den äußeren Lippenwinkeln, liegen einzellige Schleimdrüsen (Taf. IV, 154 Ernst Born, Fio'. 6,^). Die eigentliche Lippendrüse befindet sich unter dem inneren Epithel der Unterlippe dicht vor dem Pharynx. Sie setzt sich zu- sammen aus mehreren Zellgruppen, von denen jede von einer gemein- samen Membran umgeben ist (Tai. VIII, Fig. 5). Anscheinend hat aber jede Zelle einen eignen langen Ausführungsgang. Zwischen den Drüsenzellen lassen sich kleinste Kerne nachweisen, die vielleicht Stütz- zellen angehören; letztere sind bekanntlich nach Thiele (132) bei den Mollusken in allen vom Ectoderm sich bildenden Drüsen vorhanden. Das Plasma der Drüsenzellen ist vacuolisiert oder fein granuliert. Außer der Struktur unterscheidet sich die Lippendrüse von den übrigen Munddrüsen durch ihr Verhalten gewissen Farblösungen gegenüber. Mit Pikrokarmin färbt sich die Lippendrüse schwach gelblich, mit Indigokarmin-Mucikarmin zart blaugrün und bei Anwendung der Doppelfärbung mit DELAFiELDschem Hämatoxylin und Eosin etwas rötlich. Die Drüse hat also niemals die für Mucin charakteristische Farbenreaktion gezeigt, während dies bei den oben erwähnten Schleim- zellen stets der Fall gewesen ist. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß die von mir untersuchten Lippendrüsen ihren Inhalt gerade aus- geschieden oder erst unreifes Secret enthalten haben. Übrigens hebt Thiele ebenfalls hervor, daß die Lippendrüse der Prosobranchier, die er für eine mucöse Drüse ansieht, häufig die für Mucin typische Färbung nicht zeigt. Beiläufig bemerke ich, daß die beiden sackförmigen Speicheldrüsen, die Bergh ebenfalls schon beschrieben hat, ein acidophiles Secret liefern. Die Fußdrüse. Nachdem Günther (44) darauf aufmerksam gemacht hatte, daß der hinter dem Kopf gelegene, eingeschnürte Körperteil der Phyllirhoe mit besonders entwickelten Drüsenzellen ausgestattet ist, untersuchte ich diese Stelle auf Schnitten näher. Da nun aber inzwischen VissiCHELLi diesen Drüsenstreifen eingehend beschrieben und auch schon als Fußdrüse richtig gedeutet hat, kann ich mich auf wenige Bemerkungen beschränken. Die von Vissichelli als »tegumento del piede« bezeichneten Epithelzellen tragen ein Büschel feiner Flimmei- haare, während die den Boden der Drüse bedeckenden, sehr kleinen Epithelzellen einen Bürstenbesatz haben, der einer kräftigen, sich mit Eosin und Pikrinsäure lebhaft färbenden Cuticula aufsitzt. Für das Studium der zwischen diesen Zellen mündenden Drüsenzellen sind Längsschnitte am geeignetsten; man findet dann in mit Chromsäure fixierten und mit Hämalaun-Eosin gefärbten Präparaten neben fein Beiträge zur feineren Anatomie der I?hyllirlioe bucepliala. 155 granulierten, ungefärbten Zellen solche, deren Inhalt homogen und blau tingiert ist; an diese Zellen habe ich häufig sehr dünne Nerven- f äserchen herantreten sehen. Erwähnen will ich noch,- daß Elise Hanel (49) bei der der Phyllirhoe hucephala verwandten Cephalofnige trenmtoides (Chun) schon eine Fußdrüse beschrieben hat. Desgleichen sieht E. Andre (3) bei dem schon oben (S. 145) erwähnten neuen Genus der Phyllirhoiden, CtiJopsis Picteti, einen am ventralen Körperrande hinter der Mundöffnung gelegenen Drüsenstreifen als das Rudiment einer Fußdrüse an. Die mehrzelligen Hautdrüsen. Während H. Müllee, und C. Gegenbaur schon 1854 die drüsige Natur dieser Hautorgane erkannt haben, hat sie in neuerer Zeit Gün- ther (59) als die befruchteten und schon in der Teilung begriffenen Eier der Menestra gedeutet. Hinsichtlich der Funktion dieser Drüsen kann ich VissiCHELLi, der sie für Schleimdrüsen ansieht, nicht beipflichten. Auffallend ist allerdings, daß diese Drüsen sich intensiv mit Böhmers und Delafields Hämatoxvlin färben. Behandelt man losgelöste Hautteile mit Hämalaun-Indigokarmin-Mucikarmin, so beobachtet man 2war oft einen rotgefärbten, also Schleim enthaltenden Zellleib; bei eingehenderer Beobachtung findet man jedoch, daß dieser Zellleib einer selbständigen mucösen Drüsenzelle angehört, und daß diese Hautorgane vielmehr scharf konturierte, grünlich gefärbte Körner ausscheiden; sie sind daher nicht als Schleim-, sondern als Eiweißdrüsen zu deuten. Noch schärfer tritt die seröse Natur des Secrets hervor, wenn man Querschnitte durch diese Körperpartien anfertigt und sie mit Häma- laun-Eosin färbt (Taf. VIH, Fig. 6 b). Diese Drüsenzellen, von denen jede ihren eignen Ausführungsgang hat, zeigen nicht alle immer dieselbe Struktur. Neben kleineren, mit den eosinophilen Körnern beladenen Zellen, finden sich, etwas tiefer gelegen, größere biasenförmig aufge- triebene Zellen mit einem sehr großen, chromatinreichen, meist runden Kern, dessen Nucleolus sich intensiv mit Eosin tingiert. Um den Kern findet sich eine mehr oder weniger starke Protoplasmaschicht, die sich halbmondförmig von dem oberen Zellteil abhebt, in welchem sich hin und wieder die scharf konturierten Körner wahrnehmen lassen. Daß alle in einer Gruppe vorhandenen Zellen stets von einer gemeinschaft- lichen Membran umgeben werden, erscheint bisweilen zweifelhaft (Fig. 6 a). Entgegen der Annahme Vissichellis bemerke ich, daß diese Drüsen mitunter auch als einzeilige Gebilde vorkommen (Fig. 6 c). Der an die Hautdrüsen, und zwar immer an ihren oberen Teil, herantretende 156 Ernst Born, Nerv hat meist eine ganglionäre iVnschwellung. Der Nerv endet hier nicht, sondern innerviert in seinem weiteren Verlauf die verschieden- sten Hautdrüsen und die Muskulatur. Die mehrzelligen Hautdrüsen entwickeln sich anscheinend vom Ectoderm; Stützzellen (Thiele) sind allerdings nicht in ihnen vorhanden. Im Anschluß hieran möchte ich sogleich Gebilde erwähnen, die ich vereinzelt nahe dem Hautrande und in etwas größerer Anzahl dicht unter den Seitenflächen der Flosse beobachtet habe. Diese Organe bestehen aus acht bis zehn Zellen und sind in der Regel nur 0,004 mm groß. Der Inhalt der Zellen ist teils gekörnt, teils homogen; er tingiert sich mit Hämateinlösung, aber auch oft mit Eosin; bei Behandlung mit FLEMMiNGscher Lösung färbt er sich teilweise tief- schwarz. Wegen des verschiedenartigen Aussehens der Zellen halte ich diese Gebilde, welche übrigens mit feinen Nervenfädchen in Ver- bindung stehen, nicht für Sinnesorgane, sondern für Hautdrüsen. Paneth hat ähnliche Drüsen auf der Flosse bei Cymbulia und Tiede- mannia beobachtet und in Fig. 13 und 14 abgebildet. Die neueren Bearbeiter der Pteropoden und Heteropoden, nämlich Tesch (131) und Meisenheimer (87), erwähnen diese Organe nicht. Heath und Spaulding (52) haben vom Flossenrand der Corolla eigenartige Bildungen als lichtempfindliche Organe beschrieben, die eine gewisse Ähnlichkeit namentlich mit den zuerst erwähnten mehr- zelligen Hautdrüsen der PhyUirhoe zeigen. Nach Meisenheimer handelt es sich aber auch bei Corolla um drüsige Elemente. Im folgenden werde ich nun die übrigen Hautdrüsen der PhyUirhoe anführen, welche sämtlich einzellige Gebilde darstellen. Die mucösen Drüsenzellen, Es ist bekannt, daß die Nudibranchier wegen des Fehlens einer Schale reichlich mit schleimbildenden Hautdrüsen ausgestattet sind, um durch das schlüpfrige Secret die zarten Körperwandungen vor Beschädigungen durch die im Wasser suspendierten Fremdkörper zu schützen. Ferner kommt der die Nudibranchier umhüllende Schleim- mantel ohne Zweifel auch als ein die Bewegung förderndes Agens in Betracht. »Wie eine ölschicht zwischen Achse und Rad die Reibung auf ein Minimum reduziert, so wirkt die Schleimhülle der , . . Organis- men ebenfalls auf die Reibung derselben mit dem berührten Medium.« (Schröder, 117.) Während mm nach Hecht (53, S. 596) bei den übrigen Nudibranchiern die Schleimzellen im Epithel gelagert sind, stellen sich die mucösen Drüsenzellen der PhyUirhoe, welche in gxoßer Beiträge zur feineren Anatuinie der riiyllirhoö bucephala. 157 Menge über den ganzen Körper verbreitet sind, als subepitheliale Ge- bilde dar. Ihre Form ist sehr verschieden, meist mehr oder weniger eiförmig (Taf. VIII, Fig. 7); bisweilen sind sie lang ausgezogen bis zu einer Länge von 0,08 mm; solche schmale Drüsenzellen sind manchmal fast rechtwinkelig gebogen. Der Inhalt dieser Zellen läßt ein feines Netzwerk erkennen und färbt sich mit Hämalaun, Böhmers und Dela- FiELDs Hämatoxylin und basischen Anilinen; es handelt sich also um Schleimdiüsen. Sehr gute Resultate erhielt ich mit Mucikarmin; während die zuerst genannten Farblösungen, ausgenommen Dela- FiELDs Hämatoxylin, stets die ganze Zelle färben, tingiert sich bei der Behandlung mit Mucikarmin nur das schon in reifes Secret ver- wandelte Zellplasma, während die mucinbildende Substanz farblos bleibt. Bei allen Methoden aber fäibt sich das von List (82, S. 499) als Filarmasse bezeichnete Netzwerk bedeutend kräftiger als die in den Maschen des Netzes befindliche homogene Interfilarmasse. Die * Öffnung der Drüsenzellen, die stets verhältnismäßig groß ist, liegt nicht immer an der Zellspitze; vielmehr teilt sich bisweilen der distale Zellteil, und während von den dadurch entstandenen beiden Zipfeln der eine blind endet, kommuniziert der andre mit der Hautoberfläche (vgl. Fig, 8). Ich hebe besonders hervor, daß es sich bei dieser Zeich- nung nicht etwa um zwei aneinander gelagerte Drüsenzellen handelt. Die Schleimdrüsen der Fhyllirhoe sind zwar oft in eigenartiger Weise gruppiert; jedoch stellt Fig. 8 eine einzelne Drüsenzelle dar; ich habe übrigens derartig gestaltete Zellen mehrmals beobachtet und mich nie von der Existenz eines zweiten Zellkernes überzeugen können. Über der Drüsenöffnung befindet sich häufig zu einem Ballen oder zu einer langen Strähne geformtes Secret: auch das ausgetretene Secret ist nicht völlig homogen, sondern zeigt meist ebenfalls ein feines Maschen- netz. In den mucösen Drüsenzellen liegt der Kern stets an der Basis; häufig ist er von einer minimalen Menge homogenen Protoplasmas umgeben, das sich vom übrigen Zellinhalt halbmondförmig abhebt imd sich mit Eosin färbt. Von allgemeinem Interesse sind nun diese Drüsen- zellen wegen ihres Zusammenhanges mit Nerven. Obwohl eine Ab- hängigkeit des secretorischen Vorganges von einer Nervenerregung allgemein angenommen wird, liegen über die Endigungsweise secreto- rischer Nerven nur wenige Mitteilungen vor, die noch dazu nicht all- gemein acceptiert worden sind. Engelmann (30) sieht die von Ley- DiG (76 und 80), PflIjoer (99) und Chun (22) beschriebenen Drüsen- nerven für Bindegewebsfasern an und hält die Speicheldrüsen der Hummeln (Bonibics) für »ein ausgezeichnetes Objekt, um die auf diesem 158 Ernst Born, Gebiet der mikroskopischen Anatomie bestehenden Differenzen zu lösen«. Nach Leydig (78, S. 130) dagegen handelt es sich gerade in diesem Falle nicht um Nerven, sondern um Bindegewebsfasern. Später hat noch Smirxow (123) vom Eegenwurm und Smidt (122) von Helix einen Kontakt der Nervenfibrillen mit Drüsenzellen beschrieben. Ein Musterobjekt für den Nachweis secretorischer Nerven ist Phyllirhoe. Die Innervation geschieht in verschiedener Weise. Häufig sitzen die Schleimzellen mit ihrer Basis stärkeren Fibrillenbündeln wie die Beeren einer Traube auf (Fig. 7). Es kann aber auch der obere Zellteil mit den Nerven in Verbindung stehen, odei das Fibrillenbündel zieht über die Drüsenzelle hinweg, wobei mitunter die von der Innervierung der Muskulatur (S. 148) her bekannten Körnchenreihen abtreten, welche die Zellbasis anscheinend korbartig umflechten. Bemerkensv^^ert ist, daß die Nerven dicht an der Drüsenzelle oft eine auffallend starke ganglionäre Anschwellung zeigen. Ich habe an den mucösen Drüsen- zellen nie eine Nervenendigung feststellen können; vielmehr versorgen, wie schon aus den auf S. 145 und S. 156 gemachten Angaben hervorgeht, die an die Hautdrüsen der Phyllirhoe herantretenden Nerven auch die Muskulatur. Daß selbst in den feinsten Nerven noch motorische und secretorische Fasern miteinander vermischt sind, zeigt in instruktiver Weise Fig. 1 auf Taf. VII. Die serösen Drüseuzellen. Außer den auf S. 155 erwähnten mehrzelligen Eiweißdrüsen finden sich bei Phyllirhoe unter der Haut des ganzen Körpers, besonders zahl- reich am ventralen und dorsalen Rande, einzellige Gebilde, welche ebenfalls ein acidophiles Secret liefern. Diese serösen Drüsenzellen sind von runder, ovaler oder bohnenförmiger Gestalt (Taf. VIII, Fig. 9 u. 10). Ihre Größe wechselt sehr; die größten von ihnen erreichen einen Umfang von 0,05 mm. In mit FLEMMiNGscher Flüssigkeit gehärteten Objekten füllt ein feinkörniger Inhalt diese Zellen völlig aus (Fig. 9), während bei andern Konservierungsmethoden sich das Zellplasma all- seitig von der Membran abhebt und zu einem Ballen koaguliert. An diesen Drüsenzellen kann man sehr gut die einzelnen Secretionsphasen verfolgen. Das Zellplasma erleidet bis zu seiner Ausstoßung morpho- logische und chemische Veränderungen, von denen sich die letzteren durch ihr Verhalten gegen Färbungsmittel charakterisieren. Färbt man mit Hämatoxylin-Eosin, so findet man neben gleichmäßig rot gefärbten Zellen solche, bei denen das Plasma über dem meist basal gelegenen Kern noch eine granulierte Beschaffenheit und blaue Färbung Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoö bucephala. 159 zeigt, während es nach der stets kleinen Zellöffnun"; zu allmählich homogener wird und sich in demselben Maße mit Eosin stärker färbt. Es secernieren diese Zellen häufig schon flammendrote Tropfen, obwohl sich in der Zelle noch unreifes Secret befindet (Fig. 10). Das Secret färbt sich außerdem mit Eisenhämatoxylin schwarz und mit Methylgrün metachromatisch, nämlich' lila; die Metachromasie beim Methylgrün führt P. Mayer (86) auf eine Verunreinigung des Farb- stoffes mit Methylviolett zurück. Auch diese Drüsen stehen stets mit Nerven in Verbindung. Panceri (95) hat übrigens diese serösen Drüsen- zellen der Phyllirhoe als leuchtende periphere Ganglienzellen gedeutet. Die Art des Vorkommens und der Verteilung der Eiweißdrüsen läßt nach Rawitz (106, S. 453) die Vermutung als berechtigt erscheinen, daß sie bei vielen Tieren Giftdrüsen darstellen. Dieselbe Ansicht be- kundet K. C. Schneider auf S. 32 seines Lehrbuchs der vergleichenden Histologie. Hecht dagegen glaubt, daß bei den Nudibranchiern die Schleimzellen ein giftiges Secret liefern, da letzteres dieselben färberischen Eigenschaften zeigt wie der Inhalt der Nesselzellen. Daß die Nudibranchier solche giftige Secrete ausscheiden, lehrt die Be- obachtung CuENOTs. In einem Aquarium befanden sich einige Exem- plare von Aeolis und Tritonia, welche, sobald sie gereizt wurden, von einer dicken Schleimschicht umhüllt wurden; kurze Zeit nach der Ab- sonderung des Schleimes gingen andre in demselben Aquarium be- findliche Tiere zugrunde (zit. nach v. Fürth, 35, S. 317). Die MüLLERSchen Zellen. Im Jahre 1872 hat Panceri beobachtet, daß die Phyllirhoe die Eigenschaft besitzt, im Dunkeln zu leuchten. Und zwar sollen nach ihm an der Lichtentwicklung vor allem die rundlichen, scharf kon- turierten Zellen beteiligt sein, die er nach ihrem Entdecker als Müller- sche Zellen bezeichnet und als peripherische Ganglienzellen deutet. Schon Vogt und Yung (138) erwähnen in ihrem Lehrbuche der ver- gleichenden Anatomie auf S. 817, daß bei Phyllirhoe einzellige Drüsen eine gelbliche, phosphoreszierende Flüssigkeit absondern. Bald darauf hat auch Claus (23) angegeben, daß es sich bei den von Panceri be- schriebenen Zellen, welche der Sitz des Leuchtvermögens sein sollen, nicht um peripherische Ganglienzellen, sondern um Drüsenzellen handelt. Nähere Anoaben über den feineren Bau dieser Drüsenzellen machen jedoch die genannten Autoren nicht. Die MüLLERschen Zellen, von denen die größten 0,04 mm messen, werden in Flemming- Präparaten von einem hellen, oft etwas unregelmäßig konturierten Saume umgeben. 100 Ernst Born, Letzterem liegt häufig eins der bekannten Bindegewebskörperchen an. Nacli Panceri und Bergh (7, S. 216) ist die Membran der MüLLERschen Zellen doppelt; doch ich habe mich davon überzeugt, daß die innere Schicht, welche oft aus rundlichen Ballen besteht, aber nicht querge- streift ist, wie Bergh beschreibt, nicht eine besondere Zellmembran, son- dern das ursprüngliche Zellplasma darstellt (Taf. VII, Fig. 1 bei Mü). Auf Querschnitten erkennt man, daß der fast kugelige Zellleib nur einen sehr kurzen Ausführungsgang besitzt (Taf. VIII, Fig. 11). Die übrigen Details sind am besten an mit Chromsäure gehärteten Totoexemplaren zu erkennen. Man findet dann in den MüLLERschen Zellen einen farblosen Secretballen, der meist kugelig, bisweilen aber auch unregelmäßig gestaltet ist; häufig ist er scharf konturiert; eine besondere Membran habe ich aber entgegen der Behauptung Panceris an diesem Ballen nicht nach- weisen können. Auf dem Zellboden ruht der große, ovale chromatin- arme Kern mit mehreren acidophilen Nucleolen. Der Kern ist von einer kleinen Menge wabig geformten Protoplasmas umgeben. An die MüLLERschen Zellen, und zwar an ihren oberen Teil, tritt stets ein Nerv, der häufig eine ringförmige Schleife um die Zelle bildet. Die Behauptung Panceris, daß der Nerv immer an der Zelle endet, trifft nicht zu. Ich habe nur in wenigen Fällen den Nerven nicht weiter verfolgen können; sonst aber läßt sich einwandfrei feststellen, daß der Nerv weiter läuft, und zwar zu den verschiedensten Elementen der Haut. Diese Drüsen- zellen liefern ein fettiges Secret, denn ihr Inhalt wird bei der Fixierung mit FLEMMiNGscher Flüssigkeit schwarz gefärbt. Nach Panceri und Leydig (77, S. 88) sind an der Phosphorescenz der Tiere vor allem Fettkörper beteiligt. Eadziszewski (1880) weist darauf hin, daß zu den Stoffen, die bei ihrer Oxydation Luminescenz erzeugen, Fette, ätherische öle, Lecithin, Cholesterin u. dgl. gehören. Pütter (102) hält es aber für angebracht, sich über die chemische Natur des Leucht- stoffes keine spezielle Vorstellung zu machen. Er spricht nur allge- mein von »leuchtendem Schleim«. In der Literatur finde ich aber nur zwei Arbeiten, bei denen auf Grund der angewandten Färbemethoden, nämlich Delafields Hämatoxylin bzw. Mucikarmin, angenommen werden kann, daß bei den betreffenden leuchtenden Tieren an der Luminescenz ein schleimiges Secret beteiligt ist, und zwar die Angaben von E AWITZ (107) über die Leuchtorgane von Pliolas dactylus mid die Mitteilungen von Irene Sterzinger (128) »Über das Leucht- vermögen von Arnfhiura squamata«. Nach den Beobachtungen Pan- ceris und Eimers (29) besitzen auch die Tentakel der PhylUrhoe, denen die MüLLERschen Zellen fehlen, Leuchtkraft; es müssen demnach außer Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 161 den MüLLERschen Zellen noch andre Elemente an der Lichtentwicklung beteiligt sein. Vielleicht können die in den Fühlern sich in reich- licher Menge findenden serösen Drüsenzellen leuchten. Leuchtorgane, die ein acidophiles Secret liefern, hat z. B. Johann (60) bei Spinax niger gefunden. Die Angaben Panceris, daß außerdem noch die gan- glionären Anschwellungen der Tentakelnerven, die Fühlerganglien und selbst die Schlundganglien, Licht erzeugen, lassen eine Nachprüfung als erforderlich erscheinen. Die Randzellen. Der Körperrand der PliijUirhoe ist umsäumt von cylindrischen Zellen, die von verschiedener Größe sind. Sie liegen an den mittleren Randpartien in mehreren Schichten übereinander, wobei sie sich meist dachziegelartig decken; bisweilen sind sie aber auch unregelmäßig gruppiert. In dem Photogramm 4 auf Taf. TV tritt dieser Drüsen- streifen leider nicht scharf genug hervor. Der rundliche Kern liegt stets an der Zellbasis; er ist meist von einer geringen Menge vacuoli- sierten Protoplasmas umgeben. Der übrige Zellleib erscheint völlig homogen und läßt oft nur feine Längsstreifen erkennen, die wohl auf Falten in der Zellmembran zurückzuführen sind. Der kurze, sich häufig vom Zellleib scharf abhebende Ausführungsgang mündet in mehr oder weniger großer Entfernung vom Körperrande. Über die Funktion der Randzellen kann ich nichts Bestimmtes aussagen. Nach H. Müller und Gegenbaur sollen sie ein in Tropfen austretendes Secret liefern; es beruht aber vielleicht die Beobachtung auf einer Verwechslung mit den serösen Drüsenzellen. H. MIjller und Panceri vergleichen diese cylin- drischen Zellen mit dem Drüsenstreifen am Rande der Flügel von Cymhulia, welchen Paneth als ein Schwell- und Stützorgan ansieht. Die Blasenzellen, Man findet häufig dicht unter der Haut anscheinend runde, in Wirklichkeit aber eiförmige Zellen, welche einen Durchmesser von 0,035 mm erreichen können; sie haben einen kleinen Kern, der oft der sehr dünnen Zellmembran dicht anliegt (Taf. VIII, Fig. 13). Viel- leicht sind diese Zellen identisch mit den von einzelnen Autoren'als Flemmings Schleimzellen und LANGERsche Blasenzellen bezeichneten Gebilden. Bei Phyllirhoe enthalten diese Zellen bisweilen ein feines, weitmaschiges Netzwerk, das mit sehr kleinen acidophilen Körnchen besetzt ist. Solche Zellen haben dann eine gewisse Ähnlichkeit mit den von List bei den Mytiliden beobachteten und von ihm als LANGERsche Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. H 162 Ernst Born, Blasenzellen bezeichneten Gebilden. Während nun aber diese Zellen von allen Autoren als völlig geschlossene Elemente beschrieben werden, stehen sie bei Phyllirhoe mittels einer sehr kleinen Öffnung mit der Haut- oberfläche in Verbindung. Ich vermute, daß bei Phyllirhoe sich diese Gebilde aus sehr kleinen Zellen entwickeln, welche in den tieferen Schich- ten der Leibessubstanz liegen und noch keine Öffnung haben, sonst aber das gleiche Aussehen wie die eben beschriebenen Elemente zeigen. Die physiologische Bedeutung der Blasenzellen und der in dem folgenden Kapitel noch zu beschreibenden Sternzellen ist mir völlig unklar. Die Sternzellen. Diese Bezeichnung habe ich sehr seltsamen, nur 0,005 — 0,015 mm großen Gebilden gegeben, die sich dicht unter der Basalmembran häufiger finden (Taf . VIII, Fig. 12); von dem runden oder oval ge- stalteten Zellleib gehen einzelne feine, sehr lange Fortsätze aus, die oft nahe ihrem Ursprung Varicositäten zeigen. Die Pseudopodien teilen sich manchmal dichotomisch, werden in ihrem Verlaufe immer feiner und entziehen sich so der weiteren Beobachtung. Sehr häufig sieht man, daß die Zellen mittels eines dünnen Stranges mit der liaut- oberf lache in Verbindung stehen. Findet sich dieser Strang nicht vor, so macht sich doch bei hoher Einstellung in der über der Zelle liegenden Haut eine kleine Öffnung bemerkbar, aus welcher hin und wieder ein kleiner Tropfen hervorquoll von derselben Beschaffenheit wie die im Zellleib eingeschlossene Materie. Bei mit FLEMMiNGscher Flüssigkeit fixierten Präparaten ist das Plasma der kleinen Zellen braun und zeigt eine homogene Beschaffenheit; die größeren Zellen dagegen sind bei dieser Fixationsmethode von hellem, feingekörntem Plasma völlig an- gefüllt. Bei mit Chromsäure gehärteten Objekten bildet den Inhalt dieser Zellen ein homogener Ballen, der sich mit sauren Anilinen stark färbt. Der Zellkern befindet sich meist an der Abgangsstelle des feinen, an die Haut gehenden Ausführungs ganges. Diese Zellen nun haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den von Leuckart (1854), Edinger (1877), Paneth (1885) und List (1902) von verschiedenen Mollusken beschriebenen und oft als multipolare Ganglienzellen gedeuteten Ge- bilden. Auch ich habe diese Zellen bei Phyllirhoe zuerst für Ganglien- zellen gehalten, zumal da sie fast immer mit Nervenfasern verbunden waren. Und zwar geht der Nerv entweder an den Zellkörper, wie es in Fig. 12 der Fall ist, oder ein sehr dünnes Nervenfädchen lehnt sich auf eine o;rößere Strecke einem Ausläufer der Sternzelle an. Wie schon Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 163 erwähnt, besitzen diese Fortsätze oft varicöse Anschwellungen; solche Varicositäten werden nun vielfach — vgl. Hertwig, Lehrbuch der Zoologie, 8. Aufl., S. 80 — als ein Unterscheidungsmerkmal der Nerven von den Bindegewebsfasern angeführt. Es trifft aber dieses Charakte- ristikum anscheinend nicht immer zu, denn z. B. bei den Mytiliden hat List an den langen Protoplasmafortsätzen der Sternzellen ebenfalls knotige Verdickungen beobachtet, und er hält trotzdem diese Gebilde nicht für Ganglienzellen sondern nur für einfache Bindegewebszellen. Auch ich betone nochmals, daß diese interessanten Gebilde bei Ph/Uirhoe ohne Zweifel secretorische Elemente darstellen. Das Circulationssystem. Das Herz der Phyllirhoe ist von H. Müller, Geüenbaur und Leuckart eingehend beschrieben worden; ihre Beobachtungen haben dadurch besonderen Wert, weil sie an lebenden Tieren gemacht sind. Dank der Vervollkommnung unsrer optischen Hilfsmittel habe ich an fixiertem Material noch einige histologische Details beobachtet, die ein allgemeines Interesse beanspruchen dürften. Das Herz der Phylli- rhoe liegt bekanntlich in der Medianebene des Körpers zwischen den Wurzeln der beiden oberen Leberschläuche. Es besteht aus einem birnenförmigen, kräftig muskulösen Ventrikel und einem darüber ge- legenen, dünnwandigen Vorhof. Die Muskelfasern des Ventrikels ziehen von einem den Ursprung der Aorta einschließenden, kräftigen Sphincter nach oben. In den beiden oberen Winkeln der Kammer laufen die Fasern jederseits zusammen und sind hier wiederum durch einen, aber bedeutend schwächeren Muskelring verbunden; letzterer bildet also die Atrioventriculargrenze. Nach Knoll (64) ist die Herzmuskulatur der Gastropoden im Gegensatz zu dem größten Teil der Körpermuskeln reich an Protoplasma und arm an contractiler Substanz. Diese Angabe bestätigt sich auch bei Phyllirhoe an den bandartigen Ventrikelfasern ; an ihnen ist die contractile Rindensubstanz nur als ein äußerst feiner, licht- brechender Streifen bemerkbar; außerdem durchziehen nur noch einige sehr dünne Myofibrillen die körnige Marksubstanz der relativ breiten Fasern (Taf. VIII, Fig. 2 a). Der runde oder längsovale Kern liegt in der Mitte der Faserzelle; bisweilen aber ragt er auch von Protoplasma umgeben bruchsackartig hervor. Die Muskelfasern des Vorhofs da- gegen sind rund, sehr schmal und zeigen deutlich eine fibrilläre Struktur; körniges Protoplasma findet sich nur in Spuren um den Kern. Die wenigen im Vorhof sichtbaren Muskelfasern ziehen von der Atrioven- tricularo-renze in mehr oder weniger geschlängeltem Verlauf nach oben 11* 164 Ernst Born, und lösen sich in feine Fibrillen auf. die in die Körperhaut übergehen. Während die Fasern des Vorhofes nur wenige Verbindungen unterein- ander eingehen, bildet die Ventrikelmuskulatur zahlreiche Anastomosen ; die einzelnen Äste legen sich dabei nicht etwa nur aneinander, sondern sie gehen vielmehr substantiell ineinander über, so daß es nicht mög- lich ist, die Grenzen der einzelnen Faserzellen zu unterscheiden. Diese Anordnung hat eine gewisse Bedeutung für die sj^äter noch zu er- örternde Theorie der muskulären Erregungsleitung im Herzen. An der Herzmuskulatur der Mollusken ist mehrmals, so auch neuerdings von Spillmann (126), eine Querstreifung beobachtet worden. Auch bei Phyllirhoe lassen die Ventrikelfasern häufig eine feine, auffallend regel- mäßige Querstreifung erkennen; doch bei genauerem Zusehen findet man, daß diese nicht durch eine entsprechende Anordnung der contractilen Substanz, sondern durch eine Fältelung der die Muskel- zelle umhüllenden strukturlosen Schicht bedingt wird (Fig. 2 6). Diese Schicht erscheint in der Regel als ein feiner, homogener Saum; jedenfalls infolge der Kontraktion der Faserzelle zeigt er die öfter an ihm beobachtete Querstreifung. Entscheiden kann ich aber nicht, ob diese Schicht eine besondere, die Faserzelle einschließende Hüllmembran vorstellt oder noch zur Muskelzelle selbst gehört. Bis- weilen wölbt sich dieser Saum stärker hervor und zeigt dann eine feinkörnige Struktur; irgendwelche kernartigen Gebilde habe ich aber in dieser Schicht nie angetroffen. Das Vorkommen einer besonderen Hüllmembran wäre deshalb von Interesse, weil vielfach (121 u. 57) behauptet wird, daß bei den Gastropoden das Blut direkt die Muskel- fasern im Herzen bespüle. Spillmann aber weist diese Behauptung entschieden zurück; er hat bei Haliotis beobachtet, daß die Herz- muskelfasern von Bindegewebe umhüllt sind. Auf einen Irrtum, der Spillmann bei dieser Beschreibung untergelaufen ist, möchte ich, da er leicht zu Mißverständnissen führen kann, aufmerksam machen; Spillmann spricht vielfach von »Myolemmkernen « ; Myolemm ist nun das Synonym für die gebräuchlichere Bezeichnung Sarcolemm, wor- unter man bekanntlich das die Muskelfaser umschließende strukturlose Häutchen versteht. Spillmann aber meint, wie aus seinen ganzen Ausführungen und aus seiner Fig. 27 hervorgeht, mit der Benennung » Myolemmkern « den Kern der Muskelfaserzelle selbst und nicht die Kerne des Bindegewebes. Das Herz der Phyllirhoe ist von einem dünnhäutigen Pericard umgeben. Nach Heschelee (57, S. 342) soll bei Phyllirhoe der Vorhof nicht mehr im Herzbeutel liegen. Diese Angabe trifft nicht vollständig Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoc bucephala. 165 ZU. Vielmehr steigt das Pericardium vom Aortenring als äußeres Blatt nach oben bis zur halben Höhe der Vorkammer, schlägt sich dann nach innen um und überzieht nun als inneres Blatt den unteren Teil der Vorkammer und die Kammer. Im oberen Teil des Vorhofes kommuni- ziert also der Hohlraum des Herzens direkt mit der Leibeshöhle, Wäh- rend nach Leuckart in den Seitenwänden der Kammer sich Lücken finden, und auf diese Weise zwischen dem Herzraum und dem Pericar- dialsinus eine direkte Kommunikation besteht, ist nach Müller und Oegenbaur die Höhle des Herzbeutels vollkommen von dem Hohl- raum des Herzens abgeschlossen, und es kommuniziert vielmehr der venöse Pericardialsinus »an mehreren Stellen mit der übrigen, gleich- falls vom venösen Blute gefüllten Leibeshöhle «. Einen solchen direkten Zusammenhang der Perica^rdhöhlimg mit den Bluträumen des Körpers hat Gegenbaur auch für die Heteropoden und Pteropoden behauptet; Meisenfeimer (87) aber tritt auf Grund seiner an den Pteropoden der Valdivia-Expedition gemachten Studien der schon von Johannes Müller, Ihering u. a. vertretenen Ansicht bei, daß das Pericard nach allen Seiten hin gegen die Leibeshöhle geschlossen ist. Erwähnen will ich noch, daß Rywosch (114) neuerdings bei Pterotrachea eine Kom- munikation zwischen dem Herzraum und dem vom Herzbeutel gebildeten Sack festgestellt haben will. Ob bei PhylUrhoe die oben erwähnten Lücken in den Herzwandungen bzw. im Pericard tatsächlich vorhanden sind, darüber können nur Beobachtungen an lebenden Tieren sicheien Aufschluß geben; ebenso lassen sich die Angaben der früheren Autoren über den Klappenapparat des Herzens nur am lebenden Objekt nach- prüfen. Der Herzbeutel stellt übrigens bei PhylUrhoe nicht eine struktur- lose Membran dar, welche sich nach Ansicht Müllers und Gegen- BAURs durch Verdichtung der Leibessubstanz bilden soll; vielmehr habe ich an dem Pericardium in verschieden großen Abständen voneinander kleine runde Kerne beobachtet, die von einer Spur feinkörnigen Proto- plasmas umgeben waren; sonst erschien der Herzbeutel aber völlig homogen. Bei zwei der von mir beobachteten Tiere machten sich auf der Ventrikelwand dichte Kernanhäufungen bemerkbar, und ich glaubte zuerst, eine Pericardialdrüse gefunden zu haben, die ja nach Grobben (43) unter den Opisthobranchiern weit verbreitet ist. Doch bald fand ich, daß diese Kernanhäufung durch die Systole der Kammer bedingt war. Es hatte sich eben bei der Kontraktion des Ventrikels auch das ihm anliegende innere Blatt des Pericards zusammengelegt, und da- durch waren die Kerne des Pericardiums dichter aneinander gedrängt 166 Ernst Born, worden; was eben beim diastolischen Herzstillstand, der ja nach Ry- woscH die Regel ist, nicht zu beobachten ist. Die Innervation des Herzens. Hinsichtlich des Ursprunges der Erregungsleitung im Herzen stehen sich bekanntlich (vgl. Hermann, Lehrbuch der Physiologie. 1905) zwei Lehren schroff gegenüber, - Engelmann hat im Jahre 1875 gezeigt, daß an der Kammer eines Froschherzens, welches in beliebiger Weise in dünne Streifen zer- schnitten war, ein an irgend einer Stelle angebrachter Reiz alle Teile zur Kontraktion bringt, falls diese Streifen, wenn auch nur durch schmale Substanzbrücken, miteinander noch zusammenhängen. Auf Grund dieses Experimentes haben viele Autoren die Ansicht ausge- sprochen, daß der Herzmuskel, dessen Fasern bekanntlich netzförmig untereinander zusammenhängen, die Erregung von Zelle zu Zelle leitet. Die zum Herzen tretenden Nerven sollen nur regulatorisch auf Frequenz und Stärke der Pulsationen wirken. Entgegen dieser Annahme der funktionellen SelbÄtändigkeit des Herzens halten viele Autoren an der älteren Lehre von dem gangiionären Ursprung der Automatie des Herzens fest, nachdem sich herausgestellt hat, daß von zerstückelten Froschherzen nur solche Teile noch kontraktionsfähig sind, welche Nervenzellen enthalten. Zur Stütze der ENGELMANNschen Lehre von der muskulären Erregungsleitung im Herzen wird nun vielfach neben dem nervenlosen embryonalen Herzen der Wirbeltiere das Herz der Schnecken angeführt. Wie auch Rywosch vor kurzem hervorhebt, ist es bis jetzt näm- lich noch keinem Forscher gelungen, irgendwelche Nervenelemente in den Herzwandungen der Schnecken mit Sicherheit nachzuweisen. Der Zoologe SoMOFF, der gleichzeitig mit Rywosch im zoologischen Labo- ratorium zu Villefranche arbeitete, hat auch mit der Methylenblau- methode keine Nerven im Herzen der Pterotrachea auffinden können. Knoll (66), der sich in Neapel an Evertebraten mit der Beein- flussung der Herztätigkeit durch die Temperatur beschäftigt hat, hat bei Crustaceen, Tunicaten und Pterotracheen mit konstantem nega- tiven Erfolg nach nervösen Elementen im Herzen gesucht. Er war von diesem negativen Befund sehr überrascht, weil einige Beobachtungen ihm den Gedanken nahe gelegt hatten, »daß es sich dabei um Reflexe auf Herznerven handelt«. Durch die Beobachtung lebender Pterotracheen hat auch Rywosch den Eindruck gewonnen, daß die Tätigkeit des Herzens unter dem Beiträge zur feineren Anatomie der Pliyllirhoe bucephala. 167 Einfluß des Nervensystems steht. Er hat festgestellt, daß die Ex- stirpation des » ösophaiiealganglions « eine Pnlsverlangsamung hervor- ruft. Rywosch sieht daher in dem ösophagealganglion das Hemmungs- centrum für das Herz der Pterotrachea. Die Funktion dieses Ganglions würde also der des Vaguscentrums bei den Wirkeltieren entsprechen. Auch für Aplysia hat Straub (130) durch das Experiment den Nach- weis erbracht, daß im Herzen dieses opisthobranchiaten Gastropoden ebenfalls die Erregung fortgepflanzt wird. Da sich nun aber Herznerven nicht finden ließen, so hat nach Straub für Aplysia nur die myogene Theorie der Erregungsleitung Geltung. Vor einiger Zeit hat Spillmann die früher von Haller gemachten Mitteilungen über das Vorkommen von Herznerven bei Haliotis, Turbo, Trochus und Fissurella an Trochiden nachgeprüft. Die von Haller beschriebenen Ganglienzellen hat er ebenfalls gefunden. Obwohl Spill- mann selbst auf die große Ähnlichkeit dieser Gebilde mit den von Brock als Plasmazellen bezeichneten Bindegewebszellen hinweist, läßt er doch noch die Frage offen, ob es sich bei diesen bipolaren Zellen um Bindegewebs- oder Ganglienzellen handelt. Wie ich nun aber im nächsten Kapitel ausführlicher erörtern werde, sind von Hecht und Cuenot die Plasmazellen Brocks als excretorische Elemente erkannt worden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch die von Haller und Spillmann im Herzen einiger Prosobranchier gefundenen bipolaren Zellen an der Excretion beteiligt sind, denn Haller hat in ihnen das Vorhandensein von bräun- lichgelben Zelleinschlüssen konstatiert. Bemerken will ich noch, daß Grobben ähnliche concrementhaltige Zellen im Vorhof des Herzens der Lamellibranchier angetroffen und darauf hingewiesen hat, daß diese Zellen von Dogiel (1877) irrtümlicherweise als Nervenzellen gedeutet wurden. Während nun Haller im Herzen einiger Prosobranchier ein Nervennetz angetroffen haben will, ist es Spillmann mit keiner der von ihm angewandten Nervenfärbungsmethoden geglückt, im Herzen der Trochiden specifisches Nervengewebe zu konstatieren. Wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, wird fast allgemein angenommen, daß das Herz der Schnecken ohne Nerven sei. Da in- folge dieses Umstandes das Schneckenherz für die vergleichende Herz- physiologie von großer Bedeutung geworden ist, dürfte es von allge- meinem Interesse sein, daß bei PhyUirhoe bucephala sich einwandfrei eine Innervation des Herzens feststellen läßt. An isolierten Herzen habe ich gefunden, daß auf der Aorta sich ein feiner Nerv einigemal teilt. Seine Zweige umspinnen das Gefäß und dringen am Aortenring, an den feinste Zweige abgegeben werden, 168 Ernst Born, in die Kammer ein; in letzterer gehen die Nervenfädchen mehrere schlingenförmige Verbindungen untereinander ein, in deren Knoten- punkten bisweilen je ein kleiner Kern liegt (Fig. 2 a). Von diesen Nervenfädchen gehen nun die charakteristischen Körnchenreihen, wie sie von der Hautmuskulatur her bekannt sind, an die Muskelfasern des Ventrikels ab. Es war natürlich mein Bestreben, nun auch den Ursprung dieses Herznerven zu finden. An Totoexemplaren habe ich mich davon überzeugen können, daß an die Aorta ein feiner Nerv tritt, der sich bis zum Herzen verfolgen läßt. In letzterem ist aber sein weiterer Verlauf an intakten Tieren nicht zu erkennen, weil die Dicke des Objekts ein Studium des in den tieferen Schichten gelegenen Herzens mit starken Linsen nicht zuläßt. Proximal habe ich den Nerv noch eine längere Strecke am unteren Magenrand entlang ziehen sehen; seinen Ursprung habe ich aber an den mir für diese Untersuchungen zur Verfügung stehenden Tieren, welche mit FLEMMiNGscher Lösung fixiert waren, wegen der starken braunen Verfärbung des Magens leider nicht feststellen können. An der Aorta entsendet übrigens dieser Nerv einen Zweig distalwärts, der aber noch mehr in die Tiefe dringt und sich so der Beobachtung entzieht. Vielleicht steht dieser Nerv zur Niere in Beziehung. Wegen des eigenartigen Verlaufes am Magen und' der Verbindung dieses Nerven mit dem sympathischen Plexus, von dem ich mich einmal glaube überzeugt zu haben, halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß der Herznerv aus dem Buccalganglion stammt. Ein solcher Ursprung hätte allerdings etwas Befremdendes; doch ist zu berücksichtigen, daß die Innervierung der vorderen Aorta durch die Buccalganglien bekannt ist (57, S. 204). Wie Rywosch gezeigt hat, wird bei Pterotrachea der Mechanismus des Herzens vom »ösophagealganglion<( beherrscht. Um Mißverständ- nisse zu vermeiden, hebe ich hervor, daß Rywosch wohl unter »öso- phagealganglion « nicht die am Pharynx gelegenen Buccalganglien, sondern das über dem Oesophagus befindliche Cerebralganglion versteht. Nach Gegenbaur dagegen, auf dessen Untersuchungen über Ptero- poden und Heteropoden Rywosch bezüglich der anatomischen Ver- hältnisse hinweist, soll das Herz der Pterotrachea vom Parietovisceral- ganglion innerviert werden. Ich benenne übrigens die Ganglienknoten der Pterotrachea in der Weise, wie sie in Längs Lehrbuch der verglei- chenden Anatomie auf S. 8 bei der Abbilduncr von Pterotrachea coronata gedeutet werden. Bemerken will ich noch, daß nach Pelseneer (97) bei den Opistho- branchiern Polycera und Goniodoris die Nerven für das Herz und die Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoö bucephala. 169 Niere (<(Ies nerfs reno-cardiaques») aus dem Visceralganglion entspringen. Auch Meisenheimer (S. 246) hat bei einigen gymnosomen Pteropoden vom Visceralganglion aus Nerven bis zum Herzen und zur Niere ver- folgen können. Wie aus meinen obigen Angaben hervorgeht, kann ich zwar über den Ursprung der Herznerven keine bestimmten Angaben machen; jedoch erlaube ich mir, nochmals zu betonen, daß über die nervöse Natur des im Herzen der Phyllirhoe beobachteten Netzwerkes nicht der geringste Zweifel besteht. Das periphere Gefäßsystem weist einen sehr einfachen Bau auf. Die Aorta kreuzt die rechte Seite des hinteren oberen Leberschlauches, steigt dann an der linken Seite des Darmes, und zwar meist an der Übergangsstelle des Mitteldarmes in den Enddarm, weiter nach unten, um sich dann am unteren Rand desselben in einen vorderen und hinteren Ast zu teilen. Die Aorta anterior läßt sich bis zum Kopf verfolgen; die Aorta posterior begleitet den Zwitter- drüsengang ; an der Vereinigungsstelle der beiden Ausführungsgänge der Gonaden teilt sich das hintere Gefäß in einen oberen und unteren Zweig, die bis zum Hilus der dorsalen bzw. ventralen Gonade verlaufen. Damit hat das geschlossene Gefäßsystem sein Ende erreicht, und das Blut wird nun, jedenfalls durch die Bewegungen des Körpers, durch das Lacunen- system, von dem Fig. 1 auf Taf. VIII eine Vorstellung geben mag, ge- drängt. Da keine Venen existieren, muß das Herz sich das Blut wieder aus der Leibeshöhle aufsaugen. Im Eingeweidesinus entzieht das Blut dem Darm die Nährstoffe ; den erforderlichen Sauerstoff muß es wegen des Eehlens besonderer Atmungsorgane beim Durchfließen der feinen Ge- webslücken des Integuments aus dem umgebenden Wasser aufnehmen. Für eine solche Absorption ist die Haut der Phyllirhoe besonders geeig- net, da sie, wie früher (S. 109) bemerkt, zum größten Teil von Epithelien nicht bedeckt ist. Dieser Sauerstoffverbrauch ist übrigens nach den Angaben v. Fürths (35, S. 127) bei den Tieren mit gallertig weicher Konsistenz ein ganz enormer. Berechnet man bei ihnen die respira- torische Aktivität unter Berücksichtigung des Gehaltes an organischer Substanz, »so ergibt sich die überraschende Tatsache, daß den zarten pelagischen Glastieren ein Gaswechsel zukommt, der in seiner Intensität meist denjenigen des Menschen übertrifft« (v. Fürth). Was die feinere Struktur der Gefäße anbetrifft, so bestehen die Arterien aus einer dünnen Membran, in der sich zahlreiche, mehr oder weniger spindelförmige Zellen bemerkbar machen; der rundliche Kern lieo-t meist an dem einen Ende dieser kleinen Zellen; an ihren Polen 170 Ernst Born, entsenden sie feine Fibrillen, welche die Gefäße in den verschiedensten Richtungen umspinnen. Eine besondere Struktur weist der Anfangsteil der Aorta, dicht unter dem muskulösen Sphincter auf. Man beob- achtet hier eine Anhäufung kleiner runder Zellen. Ihr meist wand- ständiger Kern zeigt bisweilen Einschnürungen ; auch kommen mitunter zwei Kerne vor. In dem feinkörnigen Protoplasma kann auch eine Vacuole sichtbar sein, die an mit FLEMMiNGscher Lösung fixierten Präparaten eine homogene, braungrüne Concretion einschließen kann. Zu bemerken ist noch, daß die Aorten wand hier durch circulär ver- laufende Fasern verdickt ist. Es ist möglich, daß die beschriebene Zellenanhäufung eine Drüse vorstellt; nach Heschelee (S. 315) finden sich solche Blutdrüsen bei vielen Opisthobranchiern, und zwar gewöhn- lich am Anfangsteil der Aorta. Das Blut der PhyllirJioe wird von Müller und Gegenbaur be- schrieben als »eine farblose Flüssigkeit mit spärlichen zelligen Ele- menten. Sie sind von verschiedener Größe und messen von 0,003 bis 0,006'". Ihr Kern ist blaß, selten mit einem Nucleolus versehen«. Aus dieser Angabe ist ersichtlich, daß die Blutzellen der PhylUrhoe kein Hämocyanin besitzen. Bekanntlich (v. Fürth) rührt nämlich die bei manchen Mollusken beobachtete blaue Färbung des Blutes von diesem kupf erhaltigen Eiweißkörper her. Da das Hämocyanin erst den- Blut- zellen die Fähigkeit gibt, größere Sauerstoffmengen zu absorbieren, so dürfte den Blutzellen dev PhyllirJioe nur eine phagocytäre Funktion zukommen, wie sie Simroth (S. 588) auch von den Blutzellen des farblosen Prosobranchierblutes annimmt. Die von den obigen Autoren am lebenden Tier gemachte Beobachtung, nämlich das spärliche Vor- kommen zelliger Elemente in der strömenden Hämolymphe, läßt wohl die Schlußfolgerung zu, daß die kleinen runden Zellen, welche oft in Haufen in der Gallerte liegen (S. 110), nicht als Blutzellen anzusprechen sind; sondern als letztere können von den in der homogenen Grund- substanz sich findenden Zellen nur diejenigen gedeutet werden, welche die für die Leucocyten charakteristischen Eigentümlichkeiten zeigen. In der Gallerte der PhylUrhoe finden sich nämlich, und zwar gar nicht so sehr selten, kleine Zellen, welche von einem anscheinend homogenen Saum umgrenzt sind; von letzterem können verschieden gestaltete, meist lappenförmige Forstätze, Lobopodien, ausgehen. Diese Erschei- nung ist auf die den Blutzellen zukommende Bewegungsfähigkeit zu- rückzuführen, welche ja Cuenot zu der Bezeichnung »Amöbocyten« Veranlassung gegeben hat. Diese Zellen enthalten oft verschieden ge- staltete Concretionen, die in Flemming- Präparaten teils tief schwarz Beiträge zur feineren Anatomie der Pliyllirlioö bucephala. 171 gefärbt, teils von glänzender, braungrüner Beschaffenheit sind (Taf. V, Fig. 4 c). Diese Erscheinung, welche schon W. Flemming (32) bekannt war, sieht Knoll (65) als das Produkt eines lebhaften assimila- torischen Stoffwechsels an. Daneben kommt aber den Leucocyten nach Knoll noch eine excretorische Tätigkeit zu; ich bemerke hierzu, daß ich bei den verschiedensten Fixierungsmethoden in den Leucocyten eine bis zwei Vacuolen beobachtet habe. In dem centralen feingekörnten Plasma der Leucocyten liegt der meist runde, selten unregelmäßig gestaltete Kern, der einen oder mehrere Kernkörperchen, wie ich im Gegensatz zu Müller und GeCxEnbaur angeben muß, beherbergt. Die Kerne sind von verschiedener Größe; bedeutende Größenunterschiede aber, welche Knoll als charakteristisch für die Blutkörperchen der Wirbellosen ansieht, weisen sie nicht auf. Schon Griesbach (42) hat in den Blutzellen der marinen Acephalen bisweilen zwei Kerne angetroffen, ohne aber einen Anhaltspunkt dafür zu besitzen, wie dieselben entstanden sind. Auch nach Cattaneo und CüENOT (zit. nach Griesbach) enthalten die Blutzellen der Mollusken bisweilen zwei Kerne. Unter den Leucocyten der Phyllirhoe habe ich nicht nur solche mit zwei Nuclei, sondern selbst mit drei und vier Kernen beobachtet. Die Neubildung von Blutkörperchen während des postembryonalen Lebens ist bei Mollusken noch nicht mit Sicherheit festgestellt (165, S. 588). Auch Knoll hebt hervor, daß blutbereitende Organe bei den Wirbellosen überhaupt noch nicht auch nur einigermaßen sicher nach- gewiesen sind. So wird bei den Mollusken die Pericardialdrüse von Grobben, Spillmann u. a. als ein namentlich excretorisch tätiges Organ aufgefaßt, während Wegmann u. a. (zit. nach Spillmann) ihr für die Blutbildung eine Bedeutung zuschreiben. Knoll fand an den Blutzellen der verschiedensten wirbellosen Tiere lebhafte amitotische Kernteilungen, die ihn zu der Annahme veranlaßten, daß die Neu- bildung der Blutzellen, wenigstens zum Teil, in der Blutflüssigkeit selbst sich abspielt. Eine mitotische Teilung von Blutzellen aber, wie sie nach seiner Angabe Apäthy und Eisig bei Wirbellosen beschreiben, hat er nicht konstatieren können. Bei Phyllirhoe habe ich an den Lymphzellen und an den Kernen des Pericardiums Figuren beobachtet, die meines Erachtens auf indirekte Teilung hinweisen; mit Bestimmt- heit habe ich eine mitotische Kernteilung in dem oben erwäh»ten, am Anfang der Aorta gelegenen Zellhaufen gefunden ; ich will aber nicht ohne weiteres auf Grund dieses Befundes diesen Teil der Aortenwand als Blutbildungsstätte in Anspruch nehmen. 172 Ernst Born, Die excretorischen Elemente. E, Hecht (53) und Cuenot (26) haben durch physiologische Injek- tionen bewiesen, daß bei den Opisthobranchiern außer den Nephridien gewisse Zellen der Leber und des Bindegewebes, letztere als Plasma- zellen oder LsYDiGsche Zellen bekannt, die excretorischen Elemente darstellen. Das Nephridium. Während bei den cladohepatischen Nudibranchiern die Niere in der Regel (53 u. 57) zahlreiche Verästelungen zeigt, bildet das Ne- phridium der Phyllirhoe einen in der Medianebene des Körpers verlau- fenden, unverästelten Sack. Am vorderen Ende kommuniziert die Niere durch einen mit langen Wimpern ausgestatteten Trichter, den Renopericardialgang, mit dem Herzbeutel, während ungefähr auf der Grenze des ersten und zweiten Drittels ihres Längsdurchmessers ein kurzer Harnleiter auf der rechten Körperseite die Verbindung mit dem umgebenden Medium herstellt (vgl. Taf. IV, Fig. 1). Die Funktion dieses Schlauches war den ersten Beobachtern der Phyllirhoe völlig unklar; so wurden diese Gebilde von Eschscholtz (1825) als ein Respirationsorgan, von Quoy und Gaimard (1833) als Uterus und von Souleyt (1840) als Kiemen venenstamm gedeutet. Erst im Jahre 1854 sprachen Müller und Gegenbaur die Vermutung aus, daß dieses Organ excretorisch tätig sei und vielleicht auch noch eine direkte Aufnahme von Wasser ins Blut ermögliche, da es sowohl mit dem Herzbeutel, als auch mit dem umgebenden Wasser kommuni- ziert. Das bald darauf (1855) erschienene Werk Gegenbaurs über Pte- ropoden und Heteropoden, in dem der berühmte Verfasser mit aus- führlichen Argumenten für eine direkte Aufnahme von Wasser ins Blut mittels des contractilen Nierenschlauches eintritt, haben viele Er- örterungen über dieses interessante Problem zur Folge gehabt. Der Auffassung Gegenbaurs trat in späteren Jahren (1883) besonders JoLiET (61) entgegen. Er beschreibt die Tätigkeit des Nierensackes bei Phyllirhoe folgendermaßen: der am Anfang der Beobachtung zu- nächst zusammengefaltete Schlauch beginnt sich allmählich auszu- dehnen, indem durch das Schlagen der Cilien im Renopericardialgang Flüssigkeit aus dem Herzbeutel in die Niere gelangt. Während der ganzen Dauer der Aufblähung bleibt die äußere Öffnung der Niere geschlossen; sobald die Urinkammer aber vollständig gefüllt ist, öffnet sich die äußere Öffnung langsam und bleibt einige Sekunden sichtbar. In dieser kurzen Zeit schrumpft der Sack wieder zusammen und ent- Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllir!u)e bucephala. 173 leert dabei seinen ganzen Inhalt nacli außen. Darauf wiederholt sich dasselbe Spiel. Die AVanduniion der Niere sind bei Phi/Uirhoe nach JoLiET viel zu schwach, um durch ihre diastolischen und systolischen Bewegungen Wasser von außen aufsaugen zu können. Ganz anders aber liegen nach Joliet die Verhältnisse bei Firola: hier ist der Nieren- sack von kräftigen Muskelfasern umsponnen, von deren diastolischer Erschlaffung man a priori annehmen kann, daß sie eine saugende Wirkung ausübt. An diesem Heteropoden hat denn auch Joliet die Beobachtung Gegenbaurs bestätigen können, nämlich die Tatsache, daß fein verteilte Tusche, welche in die Umgebung der äußeren Nieren- öffnung gebracht wird, bei der Diastole des Sackes zusammen mit dem Wasser ins Innere des Organs hineinströmt; aber nach fünf bis sechs Kontraktionen ist die Tusche wieder aus der Niere entfernt, und kein Körnchen ist in den Pericardialraum gedrungen. Joliet kann infolge- dessen der Anschauung Gegenbaurs nicht beitreten. JoLiETs Angaben fanden bald darauf durch Schiemenz (116) in zwei umfangreichen Arbeiten ihre Bestätigung. Auch Schiemenz kommt zu dem Schluß, daß für Phyllirhoe, die Heteropoden und Ptero- poden eine Wasseraufnahme durch Niere und Herzbeutel vollkommen ausgeschlossen ist. Beide Organe besorgen vielmehr die Ausscheidung einer Flüssigkeit aus dem Blute. Vor kurzem hat sich auch Rywosch bei Pterotrachea mit dem- selben Problem befaßt; seine Experimente gestatten ihm bis jetzt jedoch noch keine bestimmte Schlußfolgerung; er betont aber, daß ihm die Beobachtungen Joliets nicht genügen, um die GEGENBAURsche Auffassung der Wasseraufnahme durch die Niere ins Blut widerlegen zu können. Im Anschluß hieran möchte ich noch besonders auf die anscheinend in Vergessenheit geratenen Studien aufmerksam machen, welche Hecht an Nudibranchiern angestellt hat. Dieser Autor hat sich u. a. auch mit der Funktion des Kenopericardialganges befaßt, ohne auf die An- sichten der älteren Forscher näher einzugehen. Hecht vermutet, daß der Nierentrichter eine kräftig saugende Wirkung auf den Inhalt des Herzbeutels ausübt. Er hat bei Eolis beobachtet, daß eine in den Herzbeutel injizierte Lösung von Methylgrün schon nach Verlauf von 8 Minuten in die Niere befördert war und daß ebenso schnell eine grüne Flüssigkeit sich aus der Ausflußöffnung in Wolken entleerte. Bei der bald darauf erfolgten Sektion enthielt der Herzbeutel keine Spur mehr von der injizierten Flüssigkeit, während der Nierentrichter noch grün gefärbt war. Diese Beobachtung darf wohl auch deshalb noch 174 Ernst Born, besonderes Interesse beanspruchen, weil Rywosch bei seiner Kritik des von JoLiET an Firola angestellten Experimentes die Ansicbt ausspricht, daß man für den Nierentrichter von vornherein eine Durchlässigkeit von Farblösungen nicht annehmen könne und daher die von Joliet gemachte Beobachtung, daß die von außen in die Niere eingedrungene Auflösung von Tusche nur bis zum Nierentrichter vordringt, nicht die Annahme ausschließt, daß das von der Urinkammer aufgesogene, von corpusculären Elementen freie Meerwasser auch noch durch den Reno- pericardialgang und somit in den Herzbeutel befördert wird. Meines Erachtens erhält also der JoLiETsche Versuch durch die von Hecht an Nudibranchiern konstatierte Tatsache, daß die Wimperflammen des Nierentrichters auch den Durchfluß von Farblösungen gestatten, eine höhere Beweiskraft für die Annahme, daß sich ein Flüssigkeits- strom vom Herzbeutel aus nach dem Nierensack, und nicht umgekehrt, bewegt. Nach Meisenheimer nmß man diesen Lauf schon allein aus dem Verhalten der an der Kommunikationsstelle zwischen Niere und Pericard befindlichen Cilien die ja stets nach der Niere zu gerichtet sind, folgern. Mit v. Ihering nimmt er an, daß das aufgenommene Wasser nur zur Ausspülung der Niere dient, sonst aber weiter keine Bedeutung für den Stoffwechsel des Tieres hat. Da mir nur konserviertes Material zur Verfügvmg stand, muß ich mich mit der Mitteilung einiger histologischer Befunde begnügen, die aber vielleicht doch das Verständnis für die Funktion dieses inter- essanten Organs etwas erleichtern können. Wie schon die älteren Autoren (Müller, Gegenbaur, Leuckart und Bergh) bemerkt haben, sind auch bei Phyllirhoe die den Epithelien des Nierentrichters auf- sitzenden langen Cilien stets nach der Niere zu gerichtet; ich habe sie oft noch eine ziemliche Strecke in das Lumen des Nierensackes hinein- ragen sehen, wobei sich das Büschel allmählich konisch verjüngte (Taf. VIII, Fig. 4ö); diese Gestalt könnte meines Erachtens dieses Büschel unmöglich annehmen, wenn sich ein Flüssigkeitsstrom von der Niere nach dem Herzen zu bewegen würde, denn dann würden wohl ohne Zweifel die feinen Cilien des in die Urinkammer hinein- ragenden Büschels auseinander geschlagen sein. Mehrmals habe ich mich auch deutlich davon überzeugen können, daß einzelne lange Wimperflammen von der im Pericardium gelegenen Öffnung des Nieren- trichters in den Herzbeutel hineinragen. Ein solches Verhalten des Nierentrichters ist bis jetzt, wie mir eine Durchsicht der einschlägigen Literatur zeigt, noch nie beobachtet worden. Auch in der jüngst er- schienenen Arbeit von Rolle (113) über »Die Renopericardialverbindung Beiträge zur feineren Anatomie der Pliyllirlioe bucepluvla. 175 bei den Nacktschneckeu « finde ich keine ähnliche Angabe. Diese Flimmerbüschel haben vielleicht den Zweck, durch ihre Bewegungen die im Herzbeutel verteilte Flüssigkeit nach der Nierenöffnung zu be- fördern. Nachträglich erwähne ich noch, daß die Basis des Peri- cardiums von einigen Parenchyramuskelfasern imifaßt wird; diese Verbindung mit muskulösen Elementen, die bisher auch noch nicht konstatiert ist, gestattet wohl dem Herzbeutel schneller und leichter seinen Inhalt nach der Niere zu befördern. Daß bei Phyllirhoe eine Flüssigkeit aus dem Pericardium nach der Niere zu sich ergießt, er- scheint mir nach der Beschreibung, die Joliet von der Tätigkeit der Niere gibt, als ziemlich sicher. Was nun die feinere Struktur des eigentlichen Nierensackes der Phyllirhoe anbetrifft, so haben schon die früheren Beobachter erwähnt, daß sich seine dünnen Wandungen aus einer äußeren strukturlosen Membran und an deren Innenschicht sich anlegenden Epithelien zu- sammensetzt. Letztere werden als ziemlich große, feingranulierte, kernhaltige Zellen beschrieben. Außer diesen Zellen von gleichmäßig feinkörniger Beschaffenheit habe ich bei den Nierenepithelien der Phyllirhoe häufig noch einen zweiten Zelltypus beobachtet, der durch das Vorhandensein einer Vacuole charakterisiert ist. Solche vacuoli- sierte Nierenepithelien hat Hecht bei allen Nudibranchiern gefunden; die bei diesem Typus stark abgeplatteten, polygonalen Epithelien der Phyllirhoe schließen stets nur eine scharf konturierte Vacuole ein, welche häufio- fast den tranzen Zellleib einnimmt und dann den bis- weilen unregelmäßig gestalteten Kern in einen Winkel der Zelle drängt (Fig. 4 b). Hecht hat in diesen Vacuolen verschiedenartig gestaltete Concretionen und Kristalle bemerkt, die nach ihm als die Produkte der Excretion anzusehen sind, denn sie werden von den Zellen zugleich mit der Vacuole ausgestoßen. Bei Phyllirhoe habe ich die Vacuolen stets frei von jeglichen Einschlüssen gefunden; es ist nicht ausge- schlossen, daß solche Concretionen auch die Nierenepithelien lebender Phyllirhoen enthalten, bei meinem konservierten Material aber durch die angewandten Fixierungsmittel aufgelöst worden sind. Bei phy- siologischen Injektionen, zu welchen Hecht mit bestem Erfolge Lö- sungen von Methylgrün, Säurefuchsin, Indigokarmin und Ammoniak- karmin benutzte, erschien schon nach wenigen Minuten die betreffende Farbe in den Vacuolen der Nierenepithelien, und oft waren in weniger als 48 Stunden alle Epithelien wieder frei von Farbe. Auch die Urin- kammer der Phyllirhoe scheint eine lebhafte excretorische Tätigkeit 176 Ernst Born, ZU entfalten, denn bei mehreren Individuen war dieses Organ mit Vacuolen förmlich übersät. Wie verschiedene Autoren (Müller, Gegenbaue, Leuckart, Joliet) bestätigen, kontrahiert sich der Nierensack von Zeit zu Zeit. Diese Kontraktionen sind wohl bei PliylUrhoe der Ausdruck der Tätig- keit einiger Parenchymmuskelfasern, welche sich bei ihrem Verlauf durch die Leibeshöhle an die Urinkammer, namentlich in der Um- gebung des Harnleiters, anlehnen, ohne aber hier zu enden; ein zartes Muskelnetz, welches nach Leuckart die Niere umspannt, habe ich nicht gefunden. Eywosch ist übrigens der Ansicht, daß bei diesem contractilen Sack die Diastole die aktive Phase ausmacht. Während er nämlich an toten Pterotracheen das Herz stets in diastolischer Erweiterung ge- funden hat, war das Volamen des Nierenschlauches bei verendeten Tieren viel geringer als es in Diastole ist. An meinen konservierten Phyllirhoen befindet sich die Urinkammer bei einzelnen anscheinend in völlig entwickelter Diastole; in der Regel ist aber die Niere in ihrem vorderen Teil etwas kontrahiert (Taf. IV, Fig. 1); das hinterste Ende dagegen ist stets sackartig aufgebläht. W^as die Innervation des Nephridiums anbetrifft, so hat Rywosch bei Pterotrachea festgestellt, daß durch die Exstirpation des » ösophageal- ganglions« die Tätigkeit dieses contractilen Schlauches gesteigert wird; bestimmtere Angaben aber kann er nicht machen. Nach Vissichelli innerviert bei PhylUrhoe der aus dem pleuralen Abschnitt der dorsalen Ganglienknoten entspringende Seitennerv die Niere. Da Vissichelli genauere Angaben nicht macht, und auch in seiner Fig. 1 nur Zweige dieses Nerven über das blindsackartige Ende der Niere laufen, ver- mutet wohl Vissichelli, daß diese Äste das Nephridium innervieren. Ich habe ebenfalls die letzten Ausläufer des Pleuralnerven häufig über den Blindsack der Urinkammer ziehen sehen; doch ich habe mich nie davon überzeugen können, daß diese an die Haut tretenden Zweige auch Nerven an die Niere abgeben. Auch nach meinen Beobachtungen wird das Nephridium der PhylUrhoe vom Seitennerven innerviert; aber die Innervation liegt an einer andern Stelle als sie Vissichelli einzeichnet. Mehrmals habe ich einwandfrei feststellen können, daß von dem rechten Seitennerven zu dem vordersten Nierenabschnitt ein feiner Nerv läuft, der auf der Niere ein zierliches Nervengeflecht bildet, das die Niere am Ursprung des seitlichen Harnleiters allseitig umfaßt. Von diesem Nervengeflecht, in dem ich einmal eine wohl ausgebildete bipolare Ganglienzelle bemerkt habe, ziehen feine Fäserchen zu dem, Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 177 wie bei den meisten Nudibranchiern, so auch bei Phyllirhoe dicht unter der äußeren Nierenöffnung geleuenen After. Beiläufiii bemerke ich hier, daß ich eine Analdrüse bei Phyllirhoe bucephala nicht gefunden habe. Hecht hat unter den Nudibranchiern ein drüsiges Organ am After bei Proctonotus mucroniphorus konstatiert. In der Abbildung, die Bekgh (7) auf Taf. XXVII, Fig. 1, von dem Analtrichter der Phyllirhoe atlantica gibt, ist in das Analfeld, ein 2;iemlich großes, ovales Gebilde eingezeichnet; man könnte annehmen, daß dieses Organ, von dem Bergh allerdings im Text nichts erwähnt, eine Analdrüse darstellt. Im Analfeld der Phyllirhoe bucephala habe ich dieses ovale Gebilde nicht bemerkt. Die Mitteldarmdrüse. Was den feineren Bau der Leberschläuche, besser Mitteldarmdrüse genannt, anbetrifft, so habe ich hier zwei verschiedene Zellarten be- obachtet. Die einzelnen Drüsenläppchen (Taf. VIII, Fig. 1 L) setzen sich zum größten Teil aus kleinen, keulenförmigen Zellen zusammen. Während in dem basalen, schmalen Teil dieser Zellen sich der sehr kleine Kern befindet, machen sich in dem oberen breiteren Teil des Zellkörpers kleinste Bläschen bemerkbar; letztere können sich zu einer großen Vacuole vereinigen, die kleine körnige Gebilde oder einen großen, feinkörnigen Ballen einschließt. Letzterer ist in HEIDENHAIN-Präpa- laten tief schwarz tingiert; bei Objekten dagegen, die nur mit Flem- MiNGscher Lösung fixiert sind, zeigt er eine braunschwarze Farbe. Ferner finden sich in der Mitteldarmdrüse Zellen, welche m.eist mit breiter Basis der Grenzlamelle aufsitzen und einen relativ großen Kern besitzen. In dem Plasma dieser Zellen machen sich kleine scharf- konturierte Vacuolen bemerkbar, die häufig von einem rundlichen, mit Heidenhains Eisenalaun-Hämatoxylinlösung sich nicht färbenden Körper ausgefüllt sind. Ähnliche Zellen bedecken in einschichtiger Lage auch die Ausführungsgänge der Leber. Es sind also auch diese Abschnitte der Mitteldarmdrüse entgegen der von Bergh (7, S. 223) aufgestellten Behauptung nicht frei von Leberzellen, Beiläufig bemerke ich, daß der Mitteldarm ein einschichtiges Wimperepithel besitzt, das sich im hinteren Teil zu einem kleinen Wulst erhebt. Dieser Epithel wulst läßt sich durch den ganzen, eben- falls mit Flimmerepithel ausgestatteten Enddarm verfolgen. Eine ähnliche Falte im Darm hat Hecht bei Tritonia und Doto und Meisen- heimer bei allen thecosomen Pteropoden beobachtet. Die Bedeutung dieses Längswulstes sehe ich mit den genannten Autoren in der durch ihn hervorgerufenen Vergrößerung der Resorptionsfläche. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 12 178 Ernst Born, Die Plasmazellen. Im Jahre 1883 beschrieb Brock (17) unter dem Namen Plasma- zellen Gebilde, welche er im Bindegewebe verschiedener Mollusken {Aplysia, Pleurobranchus , Limax u. a.) angetroffen hat. Auch bei andern Mollusken sind späterhin ähnliche Zellen vielfach beobachtet worden; so z. B. vermute ich, daß die von Haller (47) als Ganglien- zellen gedeuteten Gebilde im Peritoneum von Doris gleichbedeutend den BROCKschen Plasmazellen sind. Auch in dem Bindegewebe, das das Centralnervensystem der marinen Rhipidoglossen umgibt, hat der- selbe Autor (48) viele mit Vacuolen durchsetzte Zellen angetroffen; wie aus den Fig. 28, 29, 30 und 60 der HALLERschen Arbeit ersicht- lich ist, stimmen diese Zellen hinsichtlich ihrer Struktur völlig mit den Plasmazellen überein. Übrigens hebt Brock hervor, daß die Plasma- zellen namentlich in der Umgebung des Centralnervensystems und der größeren Nervenstämme vorkommen. Unter den Bindesubstanzzellen aus dem Fuße von Tethys, welche List (83) studiert hat, entspricht die in Fig. 12 c abgebildete Form ohne Zweifel den von Brock be- schriebenen Zellen. Desgleichen bin ich der Ansicht, daß, wie schon friiher (S. 167) erwähnt, die von Haller (46) und von Spillmann im Bindegewebe des Herzens der Chitonen und Trochiden gefundenen und von Haller als Ganglienzellen gedeuteten Gebilde Plasmazellen dar- stellen. Hecht und Cuenot haben nun den Nachweis erbracht, daß diesen Zellen, die sie auch im Bindegewebe vieler opisthobranchiaten Gastropoden angetroffen haben, eine excretorische Funktion zukommt. Injizierten sie eine Lösung von Ammoniakkarmin in die Leibeshöhle lebender Opisthobranchier, so fanden sie, daß der Farbstoff bald in den Vacuolen dieser Zellen anzutreffen war; Kern und Plasma der Zellen blieben aber ungefärbt. In diesen Vacuolen fanden sie auch häufig gelblich oder grünlich gefärbte Kristalle von verschiedener Gestalt, auch Fettkügelchen und schwarzes Pigment. Hecht und Cuenot nehmen an, daß alle diese Zelleinschlüsse die Produkte der normalen Excretion sind. Wie Cuenot bei Paludina beobachtet hat, vermehrt sich allmählich die Zahl der mit Concretionen beladenen Vacuolen; schließlich enthält die Zelle keine tätigen Vacuolen mehr, sie degene- riert dann und streut ihren Inhalt in den ganzen Körper aus, aus dem er durch die Phagocyten entfernt wird. In der homogenen Grundsubstanz der Phyllirhoe finden sich nun allenthalben, besonders zahlreich in der Umgebung der Eingeweide, Zellen, welche mit den von Hecht (Fig. 66, 67) bei Elysia viridis und Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 179 von CuENOT bei Paludina (Fiü,. 18) und Pleurobranchus (Fig. 20) be- obachteten Zellen völlig übereinstimmen (Taf. VIII, Fig. 3 h). Die Flasmazellen der Phyllirhoe sind durchschnittlich 0,03 mm groß und in der Regel mehr oder weniger rundlich. Ihr Zellleib schließt meist mehrere kleinere Vacuolen ein, bisweilen enthält er aber auch nur eine einzige, sehr große Vacuole, wie es auch Hecht beobachtet hat. Ebenso kann ich auch mit dem letzteren Autor bestätigen, daß die häufig spindelförmigen Plasmazellen mittels ihrer zu einem feinen Strang sich ausziehenden Enden miteinander in Verbindung stehen. Brock dagegen behauptet, daß die Plasmazellen niemals imter sich zusammen- hängen. Einmal ging ohne Zweifel der feine Ausläufer einer Plasma- zelle in eine Nervenfaser über. Eine Innervierung würde ja gegen die bindegewebige Natur dieser Zellen sprechen und, da ich eine solche wie eine Innervation aussehende Verbindung nur einmal konstatiert habe, dürfte es sich um ein zufälliges Lagerungsverhältnis handeln. Mehrmals habe ich aber, entsprechend der schon erwähnten Beobach- tungen von Beock und Haller, diese Zellen dem Neurilemm dickerer Nervenstämme platt angelagert gefunden; von einer Innervation kann aber hier nicht die Rede sein (vgl. S. 133). Die Plasmazellen der Phylli- rhoe nehmen mitunter sonderbare Formen an; oft zeigt ihre äußere Kontur kleine, spitze Vorsprünge. Die Vacuolen dieser Zellen finde ich fast stets leer, nur einmal habe ich bei einem in Chromsäure ge- härteten und mit Böhmers Hämatoxylin gefärbten Präparat in ein- zelnen Vacuolen einen feingekörnten, blaßblau tingierten Inhalt ange- troffen, und bei zwei weiteren Präparaten, die von mit Sublimatessigsäure bzw. FLEMMiNGscher Lösung fixierten Tieren herrührten, enthielten in manchen Plasmazellen die Vacuolen unregelmäßig gestaltete, homogene Concretionen (Fig. 3 c). Simroth (S. 587) ist der Ansicht, daß die Ex- cretionszellen im Bindegewebe der Mollusken Hippursäure einschließen. Hinsichtlich der Struktur des Kernes und des Plasmas stimmen diese im Bindegewebe der Phyllirhoe frei vorkommenden Zellen völlig mit den schon bei der Beschreibung der Parenchymmuskulatur auf S. 145 erwähnten Gebilden überein. Ich vermute, daß alle diese Zellen auch bei Phyllirhoe excretorisch tätig sind. Mit Sicherheit kann je- doch diese Frage nur durch Injektionen von geeigneten Farblösungen am lebenden Tier entschieden werden. Erwähnen will ich noch, daß Günther (44), wie aus seiner Fig. 26 ersichtlich ist, diese Zellen als die noch nicht befruchteten Eier der Menestra ansieht. In der Gallerte der Phyllirhoe finden sich außerdem noch große, mehr oder weniger eiförmige Zellen, die einen Umfang von 0,08 mm 12* 180 Ernst Born, erreichen können und vielleicht auch zur Excretion in Beziehmis stehen (Fig. 3 a). An der Basis dieser Zellen liegt ein mächtig ent- wickelter, chromatinreicher Kern, der einen großen Nucleolus besitzt. Das um den Kern gelegene, dicht granulierte Zellplasma hebt sich halbmondförmig von dem oberen helleren Zellteil ab; je mehr letzterer an Umfang zunimmt, desto stärker plattet sich der Kern ab. An Objekten, die in FLEMMiNGscher Lösung fixiert sind, besteht der hellere Zellteil anscheinend aus einer mächtigen Vacuole, die bei einem Tier in mehreren Zellen eine große graugrüne Concretion von unregelmäßiger Gestalt einschließt. Bei mit Chromsäure fixierten Präparaten macht sich in dem helleren Zellabschnitt ein weitmaschiges Netzwerk bemerk- bar, das mit acidophilen Körnchen besetzt ist. Ein für die Annahme ihrer excretorischen Funktion wichtiges Aussehen zeigen diese Gebilde bei einem Exemplar, das in Chromessigsäure fixiert und mit Häma- toxylin-Eosin gefärbt ist. Hier hebt sich ein roter körniger Zellab- schnitt von der blau tingierten, den Kern enthaltenden Zellbasis scharf ab; besonders interessant ist es nun, daß diese Zellen häufig in ihrem oberen Teil eine Einschnürung zeigen, die den Eindruck erweckt, als ob die Zellen gerade im Begriff sind, diese rotgefärbten feinkörnigen Massen auszustoßen. Bemerkenswert ist noch, daß gerade bei diesem Tier die Leucocyten rote Konglomerate, bisweilen von beträchtlicher Größe, einschließen, die auch in ihrer sonstigen Struktur mit dem eosinophilen Inhalt der beschriebenen Zellen übereinstimmen. Er- wähnen möchte ich noch, daß der Verlauf der phagocytären Funktion bei den Mollusken, wie auch Simroth (S. 588) hervorhebt, durchaus noch nicht genügend verfolgt ist. Man nimmt an (115, S. 75), daß die Leucocyten die aufgenommenen Excretstoffe entweder an die Nieren abgeben oder mit ihnen ins Darmlumen oder an die Körper- oberfläche auswandern. Am Ende meiner Besprechung der excretorischen Elemente möchte ich noch daran erinnern, daß Bergh (8) die Vermutung ausspricht, daß die mehrzelligen Hautdrüsen der PhyllirJioe (vgl. S. 155) Excretionsorgane sind. Wie aber aus meiner früheren Beschreibung wohl hervorgeht, bietet uns die Struktur dieser Drüsen keine Anhaltspun|rte, um die Annahme einer excretorischen Funktion als berechtigt erscheinen zu lassen. Zum Schluß will ich noch eine interessante Beobachtung erwähnen, die ich an mehreren Phyllirhoen gemacht habe. Auf der Haut dieser Tiere habe ich nämlich sehr kleine, mit bloßem. Auge gerade noch wahrnehmbare Parasiten gefunden, die als Trematoden oder deren Larven zu deuten sind: und zwar habe ich zwei verschiedene Formen Beiträge zur feineren Anatomie der Pliylliiiioe bucephala. 181 beobachtet. Die eine, häufiger gesehene Art hat eine cylindrische, vorn veriüngte Gestalt. Diese Tiere sind von einem durchsichtigen, strukturlosen Oberhäutchen umgeben, unter dem sich eine feinkörnige Schicht bemerkbar macht. Am vorderen Ende befindet sich ein vor- streckbarer Pharynx, mit dem sich das Tier festsaugt (Taf. IV, Fig. 5). Dem Pharyngealapparat schließt sich ein zwiebeiförmiger Oesophagus an, der sich nach hinten zu in einen ungeteilten Darm fortsetzt. In der mittleren Körperregion fällt, von einem hellen Hofe umgeben, ein ovales Gebilde auf, das sich intensiv mit Hämalaun und Karmin färbt. Über die Bedeutung dieses relativ großen Organs kann ich nichts aus- sagen; ich hielt es zuerst für einen Bauchsaugnapf; doch Schnittserien zeigen daß es nicht mit der x4ußenwelt kommuniziert. Während sich diese Tiere als reine Ectoparasiten zeigen, habe ich die andre Trematodenart (Taf. IV, Fig. 4) außer auf der Haut auch in der homogenen Grundsubstanz angetroffen. Sie ist von etwas breiterer und mehr abgeplatteter Gestalt und hat einen deutlich ausgebildeten Hautmuskelschlauch, der aus Längs- und darüber liegenden schwä- cheren Ringfasern besteht. Ferner besitzen diese Parasiten zwei Saug- näpfe, von denen der eine am vorderen Körperende, der andre an der Bauchseite gelegen ist (Taf. VIII, Fig. 14). Beide Arten haben durchschnittlich eine Größe von 0,25 mm. Stellen diese Tiere keine Larven, sondern entwickelte Saugwürmer dar, so würden sie zu den kleinsten bisher gefundenen Trematoden gehören; denn nach Braun (16, S. 586) ist Distomum claviforme, welches von allen Saugwürmern wahrscheinlich die geringste Größe aufweist, 0,3 mm lang. Bemerkenswert ist noch, daß ich alle diese Parasiten außer an dem aus Neapel erhaltenen Material auch an Phyllirhoen gefunden habe, welche mir die zoologische Station zu Villefranche gütigst zur Verfügung stellte. Es sei mir an dieser Stelle geätattet, Herrn Geheimem Rat, Prof. Dr. Chun für die mir zuteil gewordene Unterstützung und für das rege Interesse, mit welchem er meine Arbeiten bis zu ihrer Vollendung verfolgte, meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Desgleichen danke ich den Herren Prof. Dr. zur Strassen und Prof. Dr. Woltereck für die meinem Thema entgegengebrachte Aufmerksamkeit. Besondere Umstände zwangen mich leider, das zoologische Institut in Leipzig nach mehreren Semestern zu verlassen und meine Untersuchungen in Berlin selbständig zu Ende zu führen. Herrn Prof. Dr. Schmaltz und Herrn Stadt. Obertierarzt Bongert, Berlin, bin ich zu großem 182 Ernst Born, Danke verpflichtet für die Liberalität, mit welcher mir die Hilfsmittel der von ihnen geleiteten Institute zur Verfügung gestellt wurden; letzterem Herrn schulde ich noch besonderen Dank für die gütige Anfertigung der auf Taf. IV befindlichen Photograrnme, Nachtrag, Die im letzten Heft (Bd. LXXV, Heft 3) des Archivs für mikrosko- pische Anatomie erschienene Arbeit des Dr. TEOJAN-Prag, betitelt: » Ein Beitrag zur Histologie von Phyllirhoe bucephala Peron u. Lesueur mit besonderer Berücksichtigung des Leuchtvermögens dieses Tieres«, veranlaßt mich, noch einige nachträgliche Bemerkungen zu machen. Zunächst muß ich meine Verwunderung darüber zimi Ausdruck bringen, daß Teojan auf meine schon im Jahre 1907 in der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin gehaltenen Vorträge über Phylli- rhoe (vgl. S. 106 der vorliegenden Arbeit) nur am Schlüsse seiner xVb- handlung mit wenigen Worten eingeht, obwohl schon in dem von der Zoologischen Station zu Neapel herausgegebenen Jahresbericht für 1907 auf meine beiden Mitteilungen hingewiesen wird; Trojan dagegen hat in Neapel erst im Frühjahr 1909 seine Studien an Phyllirhoe begonnen. Da ich schon in meinen vorläufigen Mitteilungen gerade die von Trojan zum Gegenstand seiner Untersuchungen gemachten Gewebs- elemente ausführlich beschrieben habe, w"ürde es sich erübrigen, auf seine Arbeit näher einzugehen, wenn nicht viele seiner Angaben in schroffem Gegensatz zu dem Ergebnis der von den früheren Autoren und mir angestellten Beobachtungen ständen. So behauptet Trojan (S. 502), daß Panceri die Chromatophoren der Phyllirhoe »arg mit den sogenannten MüLLERschen Zellen vertauscht« hat. Dieser Vorwurf ist, wie aus meinen auf S. 111 und S. 159 gemachten Ausführungen hervor- geht, völlig unbegründet ; vielmehr hat sich Trojan einen Beobachtungs- fehler zuschulden kommen lassen, der um so bedauerlicher ist, als da- durch die Schlußfolgerungen, zu welchen er auf Grund seiner physiolo- gischen Untersuchungen der Lichtquellen kommt, zum größten Teile hinfällig werden. Panceri hat, wie die in seiner Fig. 3 abgebildete Chromatophorei zeigt, die wirklichen Pigmentzellen beobachtet; es ist auch seine Angabe zutreffend, daß diese Gebilde am Kopf, an den Fühlern, an der Schwanz- flosse und an den Seitenflächen des Körpers fehlen; sie smd nur nahe 1 Von Trojan als Textfigur auf S. 489 wiedergegeben. Beiträge zur feineren Anatomie der Plnllirhoc bucepliala. 183 dem dorsalen und venti-alen Körperrande zu finden. Als MüLLERsche Zellen hat Panceri Gebilde bezeichnet, welche zuerst von Heinrich ^lÜLLER im Jahre 1853 mit den Worten beschrieben wurden: »Außer- dem kommen fast über die ganze Körperoberfläche zerstreut, und an feinsten Nervenfädchen sitzend, scharf konturierte, rundlichei Zellen vor, welche neben einem Kern eine gröi3ere oder kleinere gelblich glänzende Kugel enthalten. « Letztere hat dann später Panceri durch die Anwendung von Osmiumsäure als einen fettartigen Körper erkannt. An der Luminescenz der PhylUrhoe sind nun nach Panceri haupt- sächlich die MtJLLERschen Zellen beteiligt, welche nach seiner Ansicht besondere gestaltete Ganglienzellen darstellen; außer diesen Gebilden sollen aber nach Panceri auch noch andre periphere Ganglienzellen leuchten, welche im Gegensatz zu den kugeligen und doppelt kon- turierten MüLLERschen Zellen immer einen einfachen Kontur und häufig eine birnenförmige Gestalt zeigen; ferner haben nach Panceri diese >>cellule gangiiari ordinarie« einen homogenen, nach Anwendmig von Reagenzien feingekörnten Inhalt. Wie ich schon auf S. 159 aus- führlicher erwähnt habe, erkannten spätere Autoren, daß es sich bei den von Panceri als Ganglienzellen beschriebenen Gebilden um Drüsen- zellen handelt. Im Jahre 1907 habe ich dann die feineren Details dieser Drüsenzellen eingehend beschrieben und u. a. mitgeteilt, daß die MtJLLERschen Zellen einen Fettkörper ausscheiden, während die übrigen von Panceri beschriebenen Leuchtzellen ein acidophiles Secret liefern und demnach als Eiweißdrüsenzellen anzusprechen sind. Wäh- rend letztere Angabe durch Trojan bestätigt wird, stellen dagegen nach ihm die von Panceri, Bergh und mir unter dem Namen »MtJLLER- sche Zellen« beschriebenen Gebilde kontrahierte Pigmentzellen dar; es sollen zu ihnen radiär Muskelfasern hinziehen, wie wir sie von den Chromatophoren der Cephalopoden her kennen (S. 501); allerdings will er diese Beobachtung nur an den »Pigmentzellen« (Trojan) des Kopfes gemacht haben. Von einer Innervation dieser Gebilde erwähnt übrigens Trojan nichts. Hierzu muß ich bemerken, daß an Totoexemplaren an keiner einzigen Stelle des Körpers von einer Verbindung der MtJLLER- schen Zellen mit Muskelfasern auch nur die geringste Andeutung zu erkennen ist. Dagegen findet man beim Studium ganzer Tiere, welche mit l%iger Chromsäure fixiert sind, bei starker Vergrößerung über jeder MüLLERschen Zelle ein«n kleinen Porus in der Haut, und in 5 i_i dicken Querschnitten läßt die Kommunikation dieser Zellen mit der 1 Von mir durch Sperrdruck 1 ervorgehoben. 184 Ernst Born, Hautoberfläche sich einwandfrei feststellen (vgl. Fig. 11 auf Taf. VIII); übrigens zeigt ja deutlich auch Fig. 26 auf Taf. XX der Arbeit Trojans, wie sich der Inhalt der Zelle nach außen zu schon ein wenig zuspitzt und sich direkt darüber in der Basalmembran die sehr kleine Öffnung findet. In Flemming- Präparaten habe ich auch öfter MtJLLERsche Zellen angetroffen, welche nicht gleichmäßig schwarz tingiert waren, sondern wie es die Fig. 24 und 25 bei Trojan lehren, zahlreiche schwarze, unregelmäßig gestaltete Partikelchen in einer graugrünen, feingekörnten Masse zeigen. Diese Erscheinung habe ich aber nicht weiter erwähnt, weil ich sie auf eine Wirkung der Reagenzien zurückführe; vielleicht stellt sie aber auch, wie ich hier noch nachträglich anführen möchte, die beginnende Fettmetamorphose des Zellplasmas dar. Im übrigen stimmen aber die von Trojan über seine Chromatophoren gemachten Angaben mit der schon von Panceri gegebenen Beschreibung der MüLLERschen Zellen überein. Es stellen diese Gebilde auch nach Trojan (vgl. S. 500 — 502) »ausgeprägt kugelige Zellen« dar, die am ganzen Körper, sehr zahlreich an seinen Rändern sich finden; dagegen kommen sie an den Tentakeln nicht vor; ebenso hat auch Trojan ihre »intensive Schwärzung durch Osmiumsäure« konstatiert. Da nun aber, wie schon erwähnt, Trojan diese Gebilde im Zusammenhang mit Muskelfasern beobachtet haben will, sieht er sie als Chromatophoren im Kontraktionszustand an und legt die von Panceri eingeführte Nomenklatur, MÜLLERsche Zellen, den Eiweißdrüsenzellen bei; letztere hat Panceri im Gegensatz zu den »cellule di Müller« als »cellule gangliari periferiche dell' ordinaria forma« bezeichnet. Auch Trojan (S. 486) hat die schon oben angeführte Beobachtung Panceris be- stätigt, daß der Inhalt dieser Zellen homogen, beziehungsweise sehr feinkörnig ist; auch zeigen in seinen Abbildungen die Eiweißdrüsen- zellen stets eine birnenförmige Gestalt. Dagegen kann ich mich nicht mit der Angabe Trojans einverstanden erklären, daß diese Zellen eine sehr dicke Membran haben; vielmehr ist der Befund Panceris zu- treffend, daß diese Gebilde im ausgewachsenen Zustande von einer dünnen Zellhaut begrenzt sind. In instruktiver Weise lassen dies Chromsäurepräparate erkennen; an ihnen fallen die MüLLERschen Zellen durch ihre auffallend dicke, scharf konturierte Membran sofort dem Beobachter auf, während sich die Kontur der Eiweißdrüsenzellen meist nur schwach abhebt. Was nun die physiologischen Untersuchungen Trojans hinsicht- lich des Leuchtvermögens der PhylUrhoe anbetrifft, so finden wir die Resultate Panceris im wesentlichen bestätigt. Auch Trojan (S. 479) Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 185 fand, daß »der ganze Körper des Tieres, inbegriffen die Tentakeln, leuchtet«, . . . »besonders schön leuchten der Kopf, die Konturen des Körpers und einige Punkte der Seiten«. Leider hat sich aber der Autor nicht mit den Angaben Panceris (1872, S. 7) befaßt, daß bei Phyllirhoe auch die Fühlerganglien und selbst die vier über dem Oeso- phagus liegenden Ganglienknoten Licht erzeugen. Während nun nach Panceri namentlich die MüLLERschen Zellen und die jetzt als acido- phile Drüsenzellen erkannten Gebilde an der Lichtentwicldung beteiligt sind, soll nach Trojan das Secret der mucösen Drüsenzellen (vgl. S. 156 dieser Arbeit) und der mehrzelligen Hautdrüsen (S. 155) leuchten. Daß die Schleimzellen die Luminescenz verursachen, erscheint mir sehr unwahrscheinlich; sie finden sich bei allen Nudibranchiern in reich- licher Menge und haben wohl ohne Zweifel die Aufgabe, durch ihr Secret den schalenlosen Körper vor Beschädigungen zu schützen. Vielmehr halte ich die Ansicht Panceris für zutreffender. Namentlich rührt wohl das Licht von den MüLLERschen Zellen her; sie kommen besonders am Kopf und an den Körperrändern vor, an welchen nach Panceri und Trojan das Licht sehr intensiv ist; ferner stehen Fett- stoffe, wie ja auch Trojan (S. 506) erwähnt, »schon seit langem in Verdacht, der Hauptfaktor des Leuchtphänomens zu sein«. In den Tentakeln, denen die MüLLERschen Zellen fehlen, kommt allem An- scheine nach das Secret der Eiweißdrüsenzellen zum Aufleuchten. Ich habe schon früher (1907, S. 116) erwähnt, daß namentlich der ven- trale Eand der Fühler reich mit diesen Drüsenzellen besetzt ist. Nach- träglich sei mir noch die Bemerkung gestattet, daß in dem Bild, welches Panceri 1 von einer im Dunkeln leuchtenden Phyllirhoe hergestellt hat, die Lichtpunkte in den Tentakeln sich fast ausschließlich an deren unterem Rand finden. Nach Trojan (S. 492) sollen die mehrzelligen Hautdrüsen durch Teilung der vereinzelt vorkommenden Schleimzellen entstehen; dem- gegenüber muß ich den schon auf S. 155 ausführlich beschriebenen Befund wiederholen, daß diese mehrzelligen Drüsen ohne Zweifel acido- phile Secretgranula ausscheiden. Sie können sich also unmöglich aus den mucösen Drüsenzellen entwickeln. Übrigens erwähnt ja auch Trojan, daß an den Kernen der vereinzelten Schleimdrüsen niemals Teilungsstadien zu konstatieren sind. Die Angaben, welche Trojan auf S. 484 über die Entstehung der mucösen Drüsenzellen macht, haben mich zu einer Nachprüfung veranlaßt. Obwohl ich, was Trojan 1 Von Trojan aiif Taf. XIX als Fig. 3 wiedergegeben. 186 Ernst Born, nicht getan zu haben scheint, Tiere aller Größen untersucht habe, sind mir diese Mitteilungen des Autors unklar geblieben. Daß es sich ferner bei den auf S. 483 beschriebenen »Zellen mit einem feinkörni"en Inhalte« immer um in der Regenerationsphase befindliche Schleim- drüsen handelt, erlaube ich mir zu bezweifeln. Zellen mit einer der- artigen Struktur habe ich ebenfalls öfter angetroffen; auch hatten sie sich mit Hämatoxylin intensiv gefärbt; jedoch nahmen diese Gebilde niemals das Mucikarmin an ; war letzteres der Fall, so zeigte sich schon das feine Netzwerk. Es ist ja auch eine bekannte Tatsache, daß die Vorstufen des Drüsenproduktes sich anders fingieren als das reife Secret. Von den histologischen Ergebnissen Trojans erfordert namenthch noch die Angabe (S. 504) eine Berichtigung, daß der Phyllirhoe die beiden relativ großen, an der Unterseite des Pharynx gelegenen Speicheldrüsen fehlen sollen. Sie waren schon den alten Autoren bekannt und sind ziemlich eingehend von Bergh (1870, S. 221) beschrieben worden; ich habe nur auf S. 154 erwähnt, daß die Speicheldrüsen im Gegensatz zur Lippendrüse ein mit sauren Anilinen sich intensiv färbendes Secret ausscheiden. Übrigens findet sich die Abbildung eines Längsschnittes von einer Speicheldrüse auf Taf. IV in Fig. 6 bei Sp. Zum Schlüsse möchte ich noch den Einwand Trojans (S. 486) zurückweisen, daß man bei Totoexemplaren »mit stärkeren Objektiven an das Präparat wegen der Dicke nicht nahe genug herankommt, ein Auffinden feiner Details daher unmöglich ist«. Bei kleineren Exem- plaren ist mir dies vielmehr stets geglückt; bei großen Tieren schnitt ich mit einer feinen Schere die Fühler, die Schwanzflosse und die ventral und dorsal von den Leberschläuchen gelegenen Körperpartien ab und konnte diese Teile dann bei Anwendung von Gasglühlicht mit den stärksten ölimmersionssystemen untersuchen. Hätte Trojan der Beobachtung ganzer Tiere, beziehungsweise isolierter Teile mehr Inter- esse entgegengebracht, so hätte er sich leicht davon überzeugen können, daß an den Schleimzellen der Nerv nie endet, wie er annimmt, viel- mehr sich stets weiter zu den übrigen Elementen der Haut verfolgen läßt. Auch hätte er dann bei genauerer Beobachtung sicher die Inner- vation der MüLLERschen Zellen und der Eiweißdrüsenzellen gefunden, und vor allem wäre ihm nicht der Irrtum mit untergelaufen, die MüLLERSchen Zellen als kontrahierte Chromatophoren anzusehen, während er beim Studium seiner Schnittserien die von mir auf Taf. 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Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 193 140. Waldeybr, Untersuchungen über den Ursprung und den Verlauf des Achsency linders bei Wirbellosen und Wirbeltieren, sowie über dessen Endverhalten in der quergestreiften Muskelfaser. Zeitschr. f. rationelle Medizin. 3. Reihe. Bd. XX. 1863. 141. — Über einige neuere Forschungen auf dem Gebiete der Anatomie des Centralnervensystems. Deutsche med. Wochenschr. Bd. XVII. 1891. 142. Wallengren, Zur Kenntnis der Flimmerzellen. Zeitschr. f. allgera. Phy- siologie. Bd. V. 1905. 143. Zernecke, Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden. Zoolog. Jahrb. Bd. IX. 1896. Erklärung der Abbildungen. Die Zeichnungen sind mit wenigen Ausnahmen angefertigt mit der apo- chromatischen Ölimmersionslinse von 2 mm Äquivalentbrennw'eite und den Kompensationsocularen 4, 6 und 8 von Zeiss. Die Abbildungen entsprechen demnach einer 500-, 750- bzw. lOOOfachen Vergrößerung. Tafel IV. Fig. 1. Phyllirhoe bucephala. In l%iger Chromsäure fixiert. Vergr. 1 : 3- Ph, Pharynx ; Oe, Oesophagus ; M, Mitteldarm ; E, Enddarm mit dem After bei x ; Le, die oberen und unteren Leberschläuche; Z, die beiden Zwitterdrüsen; Ge, die übrigen Geschlechtsorgane mit der gemeinsamen Öffnung bei x x ; G, Gehirn; H, Herz; N, Nephridium mit der äußeren Öffnung bei x x x ; L, Längsmuskel- fasern; Dr, die mehrzelligen Hautdrüsen; F, Fußdrüse. Fig. 2. Eine sich stets im inneren, oberen Teil jedes Cerebralganglions findende Anhäufung dicht aneinander gedrängter Kerne; letztere gehören sehr kleinen Ganglienzellen an { = cellules sensorielles, GuLiRT). Nach Heidenhain gefärbt. Vergr. 1 : 575. Fig. 3. Querschnitt durch die beiden Cerebropleuralganglien und das rechte Pedalganglion. A, Auge; a, ein Ganglienzellfortsatz, welcher direkt in einen peripheren Nervenstamm übergeht, b, Kernhaufen (vgl. Fig. 2); N, Neuropil. Vergr. 1 : 140. Fig. 4 u. 5. Auf der Haut der Phyllirhoe lebende Parasiten; allem An- schein nach handelt es sich um Trematoden. Vergr. 1 : 110. Fig. 6. Sagittalschnitt durch den Kopf. A, Anhäufung einzelliger Schleim- drüsen; K, Kiefer; L, Lippendrüse; Sp, Speicheldrüse; V, Vorraum zur Mund- höhle. Mit Hämalaun-Eosin gefärbt. Vergr. 1 : 35. Fig. 7. Sagittalschnitt durch den unteren Teil des Pharynx. E, Epithel; K, Kiefer; R, Radula; Z, Zotten. Vergr. 1 : 75. Tafel V. Fig. 1. Eine Gruppe von Pigmentzellen. Bei Zelle a konnte nicht mit Sicherheit entschieden werden, ob die eingezeichneten Kerne der Pigmentzelle oder darüber gelagerten Bindegewebszellen angehörten. Mit l%iger Chromsäure Zeitschrift f. wissenseh. Zoologie. XCVII. Bd. 13 194 Ernst Born, fixiert und nach Heidenhain gefärbt. Vergr. 1 : 500. Die Zeichnung ist um ein Drittel verkleinert. Fig. 2. Mehrere Pigmentzellen haben sich zu einem Syncjrtium vereinigt. Fixiert mit FtEMMiNGscher Lösung. Vergr. 1 : 500. Die Zeichnung ist um ein Drittel verkleinert. Fig. 3. Auffallend dunkel gefärbte Pigmentzelle mit einem hellen, fein gestrichelten Saum; die Zelle stand mit Pigmentzellen von gleicher Beschaffen- heit in Verbindung. Fixierung und Vergrößerung wie bei Fig. 2. Fig. 4. a und 6, Bindegewebszellen; c, ein mit Fremdkörpern beladener Leucocyt. Fixation nach Flemming. Vergr. 1 : 500. Fig. 5. Eine Bindegewebszelle. Mit 1% iger Chromsäure fixiert und nach Heidenhain gefärbt. Vergr. 1 : 500. Fig. 6. Teil eines Längsschnittes durch das Gehirn. A, Auge; B, Binde- geweljskörperchen ; Gl, Gliakerne; Cg, Cerebropleuralganglion ; Fg, Pedalganglion; iV, Neurilemm; iVp/, Neuropil; Ä^i, Fühlernerv, der nahe seinem Ursprung noch einen an das Integument tretenden Nerv iV^ abgibt. Bei x x liegt im Fühlernerv ein sehr kleiner Kern, welcher vielleicht mit den Nervenkernen Apäthys ver- glichen werden kann. Mit Chromsäure fixiert und nach Heidenhain gefärbt. Vergr. 1 : .500. Die Zeichnung erstreckt sich über zwei Gesichtsfelder. Fig. 7. o, Neuropil des Cerebropleuralganglions mit einer auffallend großen bipolaren Zelle und zwei sehr kleinen Kernen, fe, ein Teil der im Neui'opil beob- achteten Netzstrukturen, Mit l%iger Chromsäure fixiert und nach Heidenhain gefärbt. Vergr. 1 : 750. Fig. 8. Eine centrale Ganglienzelle mit den Ausläufern eines gelappten Kernes. Gl, Gliakerne; N , Neurilemm. Mit l%iger Chromsäure fixiert und mit verdünntem DELAFiELDschen Hämatoxylin gefärbt. Vergr. 1 : 1000. Fig. 9. Drei große Ganghenzellen aus dem Cerebropleuralganglion; bei a ein gelappter Kern. Gl, Gliakerne; H, gliöse Hüllschicht; 'N , Neurilemm. Fixie- rung nach Flemming und mit Eisenalaunhämatoxylin gefärbt. Vergr. 1 : 75. Fig. 10. Eine Ganglienzelle mit nierenförmigem Kern; das Chromatin bildet an der Einkerbung eine dunkle Leiste. Mit l%iger Chromsäure fixiert und mit Delafields Lösung gefärbt. Vergr. 1 : 750. Fig. 11. Eine Ganglienzelle mit nierenförmigem Kern, letzterer hat an der Einbuchtung einen undeutlichen Kontur. Gl, Gliakern; N, Neurilemm. Fixiert nach Flemming und nach Heidenhain gefärbt. Vergr. 1 : 750. Fig. 12. Eine centrale Ganghenzelle mit ausgewanderten Nucleolen; bei * befindet sich ein Kernkörperchen auf der Grenze zwischen Kern und Zellleib ; N , Neurilemm. Mit FLEMMiNGscher Lösung fixiert und nach Heidenhain gefärbt. Vergr. 1 : 750. Fig. 13. a und h: Zwei Ganglienkerne mit auffallend großen Nucleolen. Vergr. 1 : 750. Fig. 14. Teile eines Nerven bald nach seinem Ursprung aus dem Central - nervensystem. B, Bindegewebskörperchen ; d, bipolare Zelle; 'Neu, Neurilemm. Vergrößerung 1 : 500. Fixierung nach Flemming. Fig. 15. Eine Nervenfaser mit seitlich angelagerter multipolarer Ganglien- zelle; das Fäserchen fc geht anscheinend auch noch von dieser Zelle aus. Neu, Neurilemm. Vergr. 1 : 500. Fixiert nach Flemming. Fig. 16. Teil eines Flossennerven von einem mit Chrouiessigsäure fixierten 1 Beiträge zur feineren Anatomie der Phylürhoe bucephala. 195 und mit Hämatoxylin-Eosin gefärbten Exemplar. G^, -, 3, bipolare Ganglien- zelle. Bei pl~, 3 finden sich die auf S. 132 erwähnten Pigmentanhäufungen. Vergr. 1 : 500. Fig. 17. In dem y^ ist eine große bi})olarc Ganglienzclle G^ eingeschaltet; der Nervenfaser iV 2 ist eine multipolare Ganglienzclle Ö"- angelagert. Vergr. 1 : 500. Die Figuren 1, 2, 3, 4, 5, 14, 15, 10 u. 17 wurden an Totoexemplaren \)z\\, isolierten Hautstücken beobachtet. Tafel VI. Fig. 1. Eine Nervenmasche aus dem Grundplexus. Bei « liegt unter dem Nerven N^ eine große bipolare Ganglienzelle. Die der Faser anliegende Zelle h ist als multipolare Ganglienzelle zu deuten. Bei c^, c^, c^ sind in die Fibrillen- bündel Ganglienzellen eingeschaltet, d^, d~, d^, d^ stellen die auf S. 131 erwähnten bipolaren Zellen dar. B, Bindegewebskörperchen. Die Zeichnung dehnt sich über mehrere Gesichtsfelder aus. Flemmino- Präparat. Vergr. 1 : 750. Fig. 2. Die von den Flimmerzellen F^, F'^, F^ und F^ ausgehenden Fi- brillen umranden die Stomata zweier Hautdrüsen (S^i und St'^). Flächenpräparat mit l%iger Chromsäure fixiert und nach Heidenhain gefärbt. Vergr. 1 : 500. Fig. 3. Dieses Bild wurde ebenfalls an einem Totoexemplar beobachtet; bei der Einstellung zeigte sich zuerst auf dem Integument (/) die Flimmer- zelle F mit dem intracellulären Faserkegel. Der Wimperzelle liegen seitlich noch einige Epithelzellen der gewöhnlichen Art an. Unter der Basalmembran bildet ein feiner Hautnerv N^ eine mächtige ganglionäre Anschwellung G, deren oberes Ende direkt imter der Flimmerzelle liegt. Ich habe aber nicht die Neurofibrillen in die Zelle eintreten sehen. Die Anschwellung G, welche übrigens vom Zeichner etwas zu groß und zu schematisch wiedergegeben ist, entsendet noch einen sehr feinen Nerv N~ zur Hautmuskulatur. B, Bindegewebskörperchen. Fixierung nach Flemming. Vergr. 1 : 750. Fig. 4. Ein Ast des Fühlernerven; a, b, c, d, e sind ohne Zweifel als sensible Nervenendigungen zu deuten. Die Zeichnung rührt von einem Flächen - präparat her und setzt sich daher aus verschiedenen optischen Ebenen zusammen, die mit * gekennzeichneten Stellen sind bei höchster Einstellung sichtbar. Das Präparat ist mit FLEMMiNGscher Lösung fixiert. Vergr. 1 : 750. Fig. 5. Ganglienzellen in einem Nerven der Schwanzflosse. Die beiden bipolaren Zellen a und b anastomosieren vielleicht miteinander, Fixation nach Flemming. Vergr. 1 : 500. Fig. 6. Eine Nervenmasche, Vergr. 1 : 300, Fig. 7. Eine anscheinend apolare Gan- glienzelle Fig. 8. Eine multipolare Ganglienzeilc Fig. 9. Seitlich angelagerte Ganglien- zellen, deren feine Fortsätze an die Muskulatur des Magens gehen. aus dem sympathischen Plexus. Mit FLEMMiNGscher Lösung fi- xiert und mit Ausnahme von Fig. 6 mit 500 f acher Vergröße- rung gezeichnet. Tafel VII. Fig. 1: Die dorsoventralen Muskelfasern D^, D-, D^ liegen auf den nur schematisch dargestellten Längsmuskelfasern. Die Hautnerven N^, N^ und N^ 13* 196 Ernet Born, kreuzen die Muskelfasern an deren Unterfläche. Die Nerven N^ und N^ sind bei X durch eine breite Anastomose miteinander verbunden; außerdem stehen die Hautnerven mittels der auf den dorsoventralen Muskelfasern entlang laufen- den Körnchenreihen in Verbindung; gut sind letztere zwischen iV^ und N^ auf D^ und D^ zu verfolgen. Die Körnchenreihe auf D^ endet allem Anscheine nach bei X X ; kurz davor tritt ein feines Nervenfädchen zu der die Faserzelle D^ inner- vierenden Körnchenreihe ab. Diese nervösen Körnchenreihen stellen den End- plexus (F. B. Hoffmann) dar. Mü, MüLLBRsche Zelle; St, Sternzelle; Schi, Schleimdrüsen zelle. Die Zeichnung dehnt sich über drei nebeinander liegende Gesichtsfelder aus; sie ist jetzt um ein Drittel verkleinert. Fig. 2. Hautmuskulatur, L, Längsmuskelf asern ; D, Dorsoventralf asern ; a, flügelartige Verbreiterung einer Dorsoventralfaser. Bei b ein homogener Saum, welcher die Längsmuskelbündel bisweilen begrenzt. N, Nerv. Bei x geht der Ausläufer einer Parenchymmuskelzelle in ein feines Nervenfädchen über. Bei x x findet sich die Endigung einiger Ausläufer einer Parenchymmuskelzelle an einer Longitudinal- und Dorsoventralfaser, bei x x x eine solche Endigung an einem Nerven. Fig. 3. Zwei miteinander anastomosierende Längsmuskelbündel; bei x eine angelagerte Bindegewebszelle. Fig. 4. Drei Querschnitte von Längsrauskelbündeln. Mit l%iger Chrom- säure fixiert und nach Heidenhain gefärbt. Vergr. 1 : 500. Fig. 5. Die Zellen a, b und c stellen anscheinend multipolare Ganglien- zellen dar; die Zellen a und b sind durch eine Anastomose miteinander verbunden. Um 'ein Drittel verkleinert. Fig. 6. Das periphere Ende eines zerrissenen Nerven. Vgl. den Text auf S. 140. Fig. 7. Ein Stück von einer der auf S. 144 erwähnten Hautmuskelfasern. Fig. 8. Eine Parenchymmuskelfaser. P, Plasmazelle; B, Bindegewebs- körperchen. Um Raum zu ersparen ist die Zeichnung bedeutend verkürzt. Die auf Taf. VII befindlichen Figuren wurden alle mit Ausnahme von Fig. 4 an mit FLEMMiNGscher Lösung fixierten Totoexemplaren beobachtet und bei öOOfacher Vergrößerung gezeichnet. Tafel VIII. Fig. 1. Ein Teil eines Körperquerschnittes. Das die Haut teilweise bedeckende Epithel ist nicht eingezeichnet. L, Leber; a, Grenzlamelle. Mit l%iger Chromsäure fixiert und nach Heidenhain gefärbt. Schwache Ver- größerung. Fig. 2. a, Zwei miteinander anastomosierende Muskelfasern aus der Herz- kammer. N, Nerv, b, eine Ventrikelfaser, bei der eine Querstreifung durch die Fältelung der die Muskelzelle umhüllenden strukturlosen Schicht vorgetäuscht wird. Fig. 3. a, eine der großen im Gallertgewebe sich findenden Zellen, die vielleicht zur Excretion in Beziehung stehen. Mit l%iger Chromsäure fixiert und mit Hämalaun-Eosin gefärbt, b, eine Plasmazelle, c, eine Plasmazelle nach Heidenhain gefärbt; im Protoplasma und in den Vacuolen finden sich einige Concretionen. b und c waren mit FLEMMiNGScber Lösung fixiert. Fig. 4. a, Nierentrichten P, Pericardialsinus. b, Vacuolisierte Nieren- epithelien. Beiträge zur feineren Anatomie der Phyllirhoe bucephala. 197 Fig. 5. Sagittalschnitt durcli die Lippendrüse, a, Ausführungsgang einer Drüsenzelle; b, Bindegewebskörperchen ; c, sehr kleine Kerne, welche vielleicht Stützzellen angehören; £", Epithel; A', Kiefer; 31, Muskulatur; Phl, längsgeschnit- tene; Phq, quergeschnittene Muskulatur des Pharynx; SrJil, Schleimdrüsenzellen. Mit l%iger Chromsäuro fixiert und mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt. Vergr. 1 : 333. Fig. 6. a, eine mehrzellige Hautdrüse, b. Schnitt durch eine solche Drüse. X, zwei Drüsenzellen mit Ausführungsgängen; B, Basalmembran mit Deckepithe- lien. Mit l%iger Chromsäure fixiert und mit Hämalaun-Eosin gefärbt, c stellt das nur selten beobachtete einzellige Stadium dieser drüsigen Organe dar; N, Nerv. Fig. 7. Eine mucöse Drüsenzelle mit dem sehr kleinen Kern bei x . Der Kern N bildet an der Basis der Drüsenzelle eine kleine ganglionäre Anschwellung. Fig. 8. Eine Schleimdrüse mit seitlichem Ausführungsgang, x , Drüsen- kern ; X X , Nervenkern. Die Figuren 7 und 8 sind mit l%iger Chromsäure fixiert und mit Häm- alaun-Eosin gefärbt. Fig. 9 u. 10 stellen seröse Drüsenzellen dar, die mit feinen Nervenfädchen in Verbindung stehen. Beide Figuren wurden an Totoexemplaren beobachtet, die mit FLEMMiNGScher Lösung fixiert waren. Fig. 9 ist ungefärbt, Jlg. 10 mit Hämatoxylin-Eosin tingiert. Fig. 11. Schnitt durch eine MüLLERsche Zelle. B, Basalmembran. Fig. 12. Eine Sternzelle. N, Nerv. ' Fig. 13. Eine Blasenzelle. Fig. 14. Ein Trematode. Dasselbe Exemplar ist schon auf Taf. IV, Fig. 4, abgebildet. Mit Chromessigsäure fixiert und nach van Gieson gefärbt Die Fig. 6 a und c, 7, 8, 9, 10, 12 und 13 stammen von einem Toto exemplar und setzen sich daher aus verschiedenen optischen Ebenen zusammen Die Öffnungen der Drüsenzellen sind durch einen gestrichelten Kreis dargestellt Mit Ausnahme der Fig. 1, 3 o, 5, 6 ft, 7, 8 und 14 sind die Präparate mit FLEMMENGscher Flüssigkeit fixiert und alle, ausgenommen Fig. 1 und 5, bei öOOfacher Vergrößerung gezeichnet. I Beiträge zur Entwicklungsgeschichte und Biologie der Colymbidae. Friedrich Theodor Rosenherg aus Doip.it in Livlar.d. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Leipzig.) Mit 13 Figuren im Text und Tafel IX. Vorliegende Arbeit habe ich im Wintersemester 1907/08 unter der Leitmig meines hochverehrten Lehrers Prof. Chun im Leipziger Zoolo- gischen Listitiit begonnen. Ich wandte mich der Familie der Colymbidae zu, da Aussicht vorhanden war, dieselbe an der Hand eines umfangreichen Älateriales studieren zu können und ich außerdem in der mir zugänglichen Literatur keinen einzigen Hinweis auf diesbezügliche entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen gefunden habe. Es ist mir eine angenehme Pflicht insbesondere Herrn Dr. J. THIENEMANN-Rossitten, Herrn Forstmeister ScHLEiNiTZ-Hubertusburg Anm. Friedrich Theodor Rosenberg starb am 17. Mai 1910. Als Sohn von Prof. Alexander Rosenberg inDorpat entstammte er einer Gelehrten-Familie, deren Name unter Biologen und Morphologen mit Recht geschätzt wird. Er wurde am 31. Juli 1880 in Dorpat geboren und studierte an der dortigen Uni- versität von 1901 bis 1905 Naturwissenschaften, mit x\usnahme des Jaln-es 1903, welches er in Florenz und Viareggio verbrachte. Im Sommer 1906 bereiste er den schwer zugänglichen Daghestan, indem er in diesem Gebiete Sammlungen für das Botanische Institut seiner Vaterstadt anlegte und seiner früh erwachten Neigung für ornithologische Beobachtungen nachging. Ende 1906 setzte er in Leipzig seine zoologischen Studien fort und begann dann die vorliegenden Unter- suchungen über die »Entwicklungsgeschichte und Biologie der Coh-mbidae <<. In der Vorahnung, daß ein tückisches Sarkom ihm verhängnisvoll werden könne, schrieb er kurz vor seinem Tode die vorliegenden Ergebnisse nieder, denen er einen Abriß über den Primordialschädel der Pinguine und Colymbiden wollte nachfolgen lassen. Mit ihm ist ein begabter Beobachter und ein ebenso beschei- dener wie energischer Forschungsreisender von uns geschieden. C. CmjN. Zeitsphrift f. wissenRch. Zoologie. XCVII. Bd. 14 200 Friedrich Theodor Rosenberg, und vielen andern für das Entgegenkommen zu danken, \vek;he3 sie mir bei der schwierigen Beschaffung des Embryonenmateriales erwiesen kaben. Embryonen vom Polartaucher {Urinator arcticus L.) erhielt ich aus meiner Heimat Livlaud durch die Liebenswürdigkeit unsres balti- schen Ornithologen Herrn C. von MiDDENDORFF-Hellensom, auf dessen Besitz dieser prächtige Taucher in einigen Pärchen nistet und als eine Hauptzierde des dortigen Seengebietes streng geschont wird. . Was endlich die Embryonen von Uria troile L., der Trottellumme, anbetrifft, so habe ich sie durch A^ermittelung der Königlichen Biolo- gischen Anstalt Helgoland käuflich erwerben können. Herrn Direktor Prof. Heincke und Assistent Dr. Weigold spreche ich auch hier meinen Dank aus. Herrn Prof. Ciiun bin ich für das fördernde Interesse, welches er meiner Arbeit entgegengebracht hat, zu allergrößtem Dank verpflichtet, ebenso Prof. zur Strassen, Prof. Wolterecp: und Dr. Steche. Was nun das Material anbetrifft, so wird wohl jedem, der sich mit Embryologie beschäftigt, die Schwierigkeit bewußt sein, gut konser- vierte Embryonen mit gewissenhafter Artbestimmung zu erhalten. Dieses gilt besonders für wild- und zum Teil sehr versteckt lebende Vögel, zu welchen z. B. der Zwergtaucher {Colijmhus nigricans Scop.) zu zählen ist. Zwei Bedingungen sind dazu erforderlich: 1) die Mitarbeit von Sachkundigen (ein Nichtsachkundiger schickte mir von der Insel Dago im Baltischen Meere ein vollzähliges, aus zwölf Eiern bestehendes Gelege der Eiderente [Somateria mollissima L.] in der naiven Meinung es handle sich um Urinator arcticus L. Letzterer legt nmi leider nur zwei und dazu stark gefleckte Eier von ganz andrer Form!) in Gegenden, welche man nicht persönlich aufsuchen kann, und 2) selber möglichst viel Sammelexkursionen zu unternehmen. Durch Erfüllung dieser beiden Bedingungen stand mir ein so reiches und schön konserviertes Material zur Verfügung, daß eine ganze Reihe von Embryonen für spätere Untersuchungen aufgehoben werden konnte. Einige Fragen, und zwar insbesondere die Entwicklunu des Primor- dialcraniums habe ich daher in vorliegender Arbeit noch nicht berück- sichtigt. In bezug auf die lateinischen Vogelnamen habe ich mich nach Reichenow (13) gerichtet. Bei den Colymbidae werde ich die Be- zeichnung Steißfuß durch den kürzeren Ausdruck Taucher ersetzen. Beiträge zur Entwicklungsgeschiclitc und Biologie der Colyiiil)id;io. 20 l Wenn ich nini in erster Linie das Genus Colymhus, und zwar Co- h/mbus nigricoUi.s' (Brehni) in den Bei'eicli meiner Betrachtungen ge- zogen habe, so geschah das aus praktischen Gründen. C. nigncollis ist nämlich der einzige Lappentaucher, welcher in Deutschland, man kann sagen ausschließlich, in typischen Kolonien nistet, daher ist- das Embryonenmaterial gerade dieser Art, welche übrigens durchaus nicht die häufigste ist, noch am ehesten in größerer Anzahl zu beschaffen. ]Mein Material erhielt ich zum Teil aus Rossitten auf der Kurischen Nehrung, zum Teil aus Frohburg vom Eschefelder Teich. Letztere Kolonie hatte ich das Vergnügen persönlich aufsuchen zu können; die Anzahl der dort im Mai 1909 nistenden Schwarzhälse taxiere ich auf etwa hundert bis hundertzwanzig Paare. Die Taucher hatten eine Schilfecke des Sees zum Nistplatz gewählt, und hier stand buchstäblich Nest an Nest. Da die Gelege zum Teil schon stark bebrütet waren, schoben sich die alten Taucher zögernd und sichtlich ungehalten erst dann vom Nest, wenn sie sich dicht vor dem Boot befanden. Zur Biologie der Taucher w^ill ich noch erwähnen, daß in Esche- feld die Schwarzhalstaucher in Gesellschaft von Lachmöwen nisteten. Ein Tauchernest war von den Möwen durch einen Pfahlbau gleich- sam überdacht worden. Viele Tauchernester mögen allerdings durch die Bauwut der Möwen vernichtet worden sein, wie das schon Dr. Thienemann von der Rossit- tener Kolonie schildert, so daß hier nur eine scheinbare Symbiose vorliegt. Einen unbestreitbaren Vorteil haben allerdings die Schwarz- es >~ halse von ihren Nachbarn aus der ersten Etage: die kampflustigen Möwen halten ihnen jeden befiederten Tierräuber fern. Ich selber w^ar Zeuge wie zwei Krähen gezwungen wurden das Weite zu suchen. Als Vergieichsmaterial standen mir außer der erwähnten Art noch zur Verfügung Embryonen vom Haubentaucher {Colynibus cristatus L.), vom Rothalstaucher {Colynibus grisegena Bodd.) und vom Zwergtaucher {Colymhus nigricans Scop.). Konserviert wurde größtenteils mit Formol, und zwar anfänglich in Lösungen bis zu 20%, in denen die Objekte einige Tage verblieben, um dann in die 5%ige Lösung übergeführt zu werden. Bei ganz jungen Stadien habe ich mit Erfolg Pikrin-Eisessigsublimat angewandt, und bei einer Anzahl älterer endlich, allmählich verstärkten Alkohol, Für photographische Aufnahmen eigneten sich die Forniol- präparate am besten, da die in Alkohol konservierten Embryonen bei 14* 202 Friedrich Theodor Rosenberg, noch so gewissenhafter Überführung in stärkere Lösungen bisweilen recht beträchtlich zu schrumpfen beliebten. Gefärbt wurde in der Regel in toto. Mir sagt diese Methode sehr zu, erstens wegen der bedeutend leichteren Orientierung gefärbter Embryonen beim Einbetten und zweitens wegen der verschiedenen Unzuträglichkeiten der Schnittfärbung, zu welchen ich das plötzliche Aufschwimmen sämtlicher Schnitte, wenn der Kollodiumüberguß ver- gessen, sowie die ganze zeitraubende Umständlichkeit dieses Ver- fahrens zähle. Von Färbungsmethoden habe ich in erster Linie Hämocalcium Mayer, welches Suschkin (12) in seiner Tinnunculusarbeit für Knorpel- und Knochendifferenzierungen empfiehlt, mit gutem Erfolge benutzt. Die Schnitte ließen sich leicht mikrophotographisch aufnehmen und lieferten sehr instruktive Übersichtsbilder. Außerdem benutzte ich noch Boraxkarmin, Hämatoxylin Ehrlich, Heidenhain usw. Da mir, wie schon erwähnt, Gelegenheit geboten war, eine gTÖßere Anzahl von Tauchereiern zu erhalten, so machte ich den Versuch mit künstlicher Bebrütung, eine kontinuierliche Stadienreihe mit dem kon- stanten Intervall von 24 Stunden zu erzielen. Zu diesem Zwecke bestellte ich mir einen Brutapparat von Sar- TORius in Göttingen, welcher gut funktionierte. Um allzu große äußere Temperaturschwankungen vom Apparat fernzuhalten, ließ ich ihn in einen, eigentlich für einen Thermostaten bestimmten, Glaskasten stellen, dessen Schiebetür bis auf einen Ventilationsspalt geschlossen wurde. Der Apparat wurde mit Hilfe eines an der Mündung etwas ausgebohrten Mikrobrenners geheizt, und zwar fing ich mit einer Temperatur von 39° C an, um dieselbe schließlich bis auf 40 1/2° zu erhöhen. Bei der Gasheizung ist besonderes Gewicht auf die Ventilation zu legen, da sonst die Verbrennungsgase den Keimen leicht verderblich werden können (Dr. Blanke, Landwirtschaftliche Geflügelzucht). Das Heizen mit der Petroleumlampe ist wegen des beständigen Nachfüllens, Blakens usw. zu umständlich und nicht zu empfehlen, da das eventuelle Aus- gehen der Lampe die Vernichtung der ganzen Brut zur Folge hat. Da nun die Tauchereier normalerweise auf einem schwimmenden, nassen Pflanzenklumpen, welchen ein Unkundiger nie für ein Nest halten würde, ausgebrütet werden und von dem alten Taucher vor dem Verlassen des Nestes noch mit Schlamm usw. bedeckt werden, so versuchte ich, ihnen im Brutapparat dieselben Bedingungen zu verschaffen, indem ich sie auf nasse Wattebäusche bettete. Beiträge zur Entwicklungsgcschiolito und Biologie der Colynibidae. 203 Die AVatte wurde tä^iich zweimal, gelegentlich des Kühleus imd Wendens der Eier, angefeuchtet, und zwar mit lauwarmem Wasser, mn eine zu starke Abkühlung der Eier und des Apparates zu vermeiden. Ein Umstand erwies sich leider bei diesen Versuchen als sehr hinderlich. Es gab nämlich kein Mittel die Eier auf Entwicklungs- fähigkeit zu prüfen. Zu diesem Zweck eignet sich der sehr einfache und praktische Eierprüfer von Sartoriüs wohl für Hühnereier, für die er ja auch bestimmt ist, nicht aber für die dickschaligen und schmutzfarbenen Tauchereier, welche sich trotz Blendspiegels und heller Lampe nicht durchleuchten lassen. Ich zog es daher vor iiur eine ganz geringe Anzahl von Eiern im Apparat bebrüten zu lassen, habe daher nicht die erhoffte Anzahl von Altersbestimmungen machen können, dafür allerdings vom Zwerg- taucher {Colymhus nigricans Scop.), von dem mir nur ein Gelege von fünf Eiern zur Verfügung stand, vier wichtige Stadien erhalten. Biologisch interessant war bei einem künstlich erbrüteten Schwarz- halstaucher der sofortige Instinkt bei seiner Mutter unterzukriechen; als solche erschien ihm wohl die auf den Tisch gelegte Hand, unter welche er sich stets mit großer Schnelligkeit auf der Unterseite liegend hinschob. Darauf legte er seinen Kopf auf meinen Daumen und blieb in dieser Stellung zufrieden piepend liegen. Nahm ich die Hand weg, so begann er sofort auf dem Tisch herum zurudern und einen Unter- schlupf zu suchen. Einen merkwürdigen Umstand in bezug ^uf die geographische Verbreitung der Colymbidae muß ich noch erwähnen. Colymhus auritus L., der Ohrentaucher, vertritt bekanntlich den ihm sehr nahe verwandten C. nigricollis im hohen Norden: so brütet er auf Island, ja selbst auf Grönland (13). Die südlichsten Nistplätze von C. auritus L. dürften wohl in den russischen Ostseeprovinzen liegen. Er nistet hier in Livland und Kurland. Seine vorgeschobensten Nistplätze liegen in Südkurland; dort habe ich ihn auf einem Karpfenteiche in Rudden als Nistvogel konstatieren können. Die benachbarte Kurische Nehrung dagegen beherbergt seinen schwarzhalsigen Vetter C. nigricoUis als Brutvogel, welcher hier seine nörd- lichste Verbreitung erreicht. C. auritus ist in Deutschland nur Wintergast und C. nigricoUis in Südkurland sehr seltener Vorgast; so habe ich in Rudden im Sommer 1901 ein vereinzeltes Exemplar letzterer Art beob- achtet und ein zweites, welches vom Libauschen See stammt, befindet 204 Friedrich Theodor Rosenberg, sich in der Sammlung des Herrn C. v. Middendorff. Beide Schwarz- halstaucher hatten sich wohl von der nahen Nehruno verflogen. Was somit die Elbe für die Brutgebiete von Corvus corone L. und Corvus cornix L. bedeutet, trifft also, und zwar noch krasser, da Ver- bastardierungen fehlen, für das Gebiet des Niemen an der deutsch- russischen Grenze in bezug auf die Nistplätze von Colymbus nigricoIUs und Colymbus auritus zu. Textfig. 1. Beim Studium der Entwicklungsgeschichte der Lappentaucher habe ich das Haupt- gewicht auf die Ent- wicklung des Hand- und Fußskelettes ge- legt. Ich werde mir erlauben, zuerst kurz auf das Skelet der vorderen Extremität des alten Vogels, und zwar eines Colymbus cristatus einzugehen (Textfig. 1). Die Flügelknochen der Taucher unterscheiden sich von denen guter Flieger, wie etwa der Kaubvögel, durch die bedeutende Dick- wandigkeit ihrer Knochen, ihre auf ein Minimum reduzierte Pneuma- tizität und ihren Fettgehalt, welcher durch die Fischnahrung bedingt wird. Alle diese drei Umstände tragen dazu bei, das specifische Gewicht des Colymbus und damit seine Tauchfähigkeit zu erhöhen. Das Skelet des Flügels besteht aus dem langen, schlanken und leicht S-förmig gebogenen Humerus, der Ulna, dem Radius, dem Ulnare und Radiale, einem langgestreckten Metacarpale und einer Phalanx des L, zwei des IT. und einer des III. Fingers. Was nun die Embryonalentwicklung der vorderen Extremität an- betrifft, so sind die ersten deutlichen Knorpelanlagen erst am Ttägigen Stadium (Textfig. 2) deutlich zu erkennen. Der abgebildete Längsschnitt (Textfig. 3) durch die vordere Ex- tremität dieses Embryo läßt folgendes nachweisen: Radius und Ulna, welche in diesem Stadium noch ungefähr die gleiche Dicke haben, sowie vier Metacarpalia. Eine deutliche, knorpelige Anlage von Carpal- knochen ist noch nicht vorhanden. Beiträge zur Kiilwiekhingsireschichte und iikildgie der Culymbidae. 205 Die vier ^Metacaipalia diveriiieren beträchtlich, und dadurch er- innert das uanze an eine uespreizte Hand, ein Eindruck, den man schon bei der Betrachtung der intakten Vorderextremität dieses Sta- diums uewirnit. Das Metacarpale IV ist noch klein, aber deutlicli zw erkennen. Die Länge des Schnittes beträgt 2,3 mm. Erich Hillel (U) hat bei seinen Untersuchungen in bezug auf die Vorderextremität von Eudyptes chrijsocome ein embryonal ange- legtes Metacarpale IV gefunden, welches nach der Abbildung zu urteilen unter dem Metacarpale III gelegen ist. JlcuUus Metcocl MettvcM Textfig. 2. Uln^ MetctcLV' MetacM Textfig. 3. Hillel sagt: »Außer diesen drei noch im ausgebildeten Zustande erkennbaren Metacarpalia fand ich am Metacarpale III noch eine kleine Knorpelanlage, welche nach Lage und Form dem von Rosen- berg und Parker als Metacarpale IV gedeuteten Knorpel entspricht. Ich konnte das Stück infolge seiner geringen Dimensionen nur auf Querschnitten deutlich erkennen. Es stellt im Stadium II einen ellipsen- förmigen kurzen Knorpel dar, welcher unterhalb des Carpale 2, 4 auf der Außenfläche des Metacarpale III gelegen ist. In jüngeren Stadien war es noch selbständig und durch Bindegewebe vom JMetacarpale III getrennt. Im Stadium IV begann bereits eine Verschmelzung des ba- salen Teiles mit dem Metacarpale III, welche zunächst nur an der radialen Seite erfolgte. Im ältesten Stadium waren Metacarpale III und IV bereits vollkommen verschmolzen; beide bildeten eine einheit- liche Knorpelmasse. Beim erwachsenen Pinguin ist die Anlage des Metacarpale IV nicht mehr angedeutet.« Das Metacarpale IV habe ich bei einer ganzen Reihe von Stadien 206 Friedrich Theodor Rosenberg, des Cohjmhus nigricoUis gefunden, es scheint somit bei den Tauchern ganz regelmäßig aufzutreten, während das ebenfalls nur transi torische Metatarsale V bedeutend seltener nachzuweisen ist, da es nur bei. dem 11 — 12tägigen Stadium auftritt, um dann zu verschwinden. Das Metacarpale IV dagegen läßt sich schon bei der ersten Knorpeldifferen- zierung erkennen, also beim etwa Ttägigen Stadium und war am stärk- sten bei einem etwa lötägigen Embryo von Colymhus nigricoUis entvi'ickelt (Textfig. 4). Das rudimentäi-e ^Metacarpale IV ist hier auf einer Reihe von acht Schnitten (Schnittdicke = 10//) zu er- kennen. Die Länge des Metacarpale beträgt auf dem abgebildeten Schnitt. 0,145 mm und die Breite 0,06 mm (Textfig. 5). Ein Metacarpale V habe ich bei keinem einzigen Embryo angetroffen, so daß die Frage, ob die embryonalen Metacarpalia als I, II, III und IV oder als II, TU, IV und V zu bezeichnen sind, noch unentschieden ist. Ich persönlich neige zu der Ansicht, daß der Ausfall des einen fehlen- den Metacarpale von der ulnaren Seite erfolgt ist, ein Umstand, für Textfig. 4. Meta.i.J Radiale TtacUiiAS Metif/^.3 Textfig. 5. welchen unter anderm die rudimentäre »Daumen iiiul Biologie der Colymbidae. 217 14. Erich Hillel, Über die Vorderextreinität von Eudyptes clirysocome und deren Entwicklung. Jen. Zeitsclir. Naturw. Bd. XXXVIII. 1904. 15. Paul Grunert, Der Beckengürtel und die lünteren Extremitäten von Eudyptes chrysoconie. Inaugural-Disscrtation. 1906. 16. W. Müller, Zur Entwicklung der .Striges und deren Wendezehe. Zool. Anzeiger. Bd. XXXI. 1907. 17. Graul, Zur Entwicklung von Vanellus cristatus. Arch. f. Naturgeschichte. 73. Jahrg. 1907. Erklärung der Abbildungen. Tafel IX. Fig. I. Colymhus grisegena Bodd. Fig. II. Colymhus nigricans Scop. Fig. III. Colymhus nigricollis (Brehm). A IV. Fig. IV. Colymhus nigricollis (Brehm), Fig. V. Colymhus nigricans Scop. Z^. Fig. VT. Colymhus cristatus L. Wi- Fig. VII. Colymhus cristatus L. TF4. lö" Das Facettenauge der Lepidopteren. Von Wilhelm Johnas ans Illuxt (Kurland). (Aus dem Zoologischen Institut zu Leipzig.) Mit 3 Figuren im Text und Tafel X— XII. Inhalt. , ., Seite 1. Material und Technik 218 2. Einleitung 221 3. Die Cornea 224 4. Von den Kristallkegeln 230 5. Die Retinula 234 6. Pigment und Pigmentwandenmg 243 7. Die Ganglien 251 8. Das Auge von Adela sp. ? 255 Literaturverzeichnis 258 Erklärung der Abbildungen 260 Material und Technik. Das Material zu vorliegender Arbeit wurde im Laufe der Sommer 1908 und 1909 in der näheren und weiteren Umgebung Leipzigs ge- sammelt, besonders waren es die Harth sowie die Elsterwiesen zwischen Zwenkau und Eythra, die mir die mannigfachsten Formen lieferten. Daneben wurde auf den von Herrn Professor zur Strassen geleiteten entomologischen Exkursionen eifrig gesammelt, schließlich verdanke ich einige im Freien schwer zu erlangende Formen der Liebenswürdigkeit einiger Herren aus dem entomologischen Verein »Fauna«. Einige wenige Arten erhielt ich von Herrn Dr. med. Beyerle, der sie von einer Reise nach Südamerika mitgebracht hatte und sie mir liebens- würdigst überließ. Ich möchte es nicht versäumen, ihm an dieser Stelle noch meinen herzlichsten Dank dafür auszusprechen. Bemerkens- wert wäre dabei, daß Herr Dr. Beyerle die gefangenen Schmetterlinge, darunter eine sehr große Pseudosphinx, in toto in denaturierten Alkohol Das Facettenauge der T.eindo))teren. 219 uelegt hatte und die darin konservierten Exemplare sich nicht nur vorzüiilich erhalten hatten, sondern auch das Chitin bei einer derartigen Konservierungsmethode scheinbar erweicht war, da es beim Schneiden nicht den geringsten Widerstand leistete. Vom Prinzip ausgehend, daß nur bei einer genauen Kenntnis der mannigfachsten Formen ein allgemeines Urteil über die Sehorgane der ganzen Gruppe gebildet werden könne, war ich bestrebt, die Vertreter der verschiedensten Familien ins Bereich meiner Untersuchungen zu ziehen, wobei auch die von allen früheren Forschern ganz mit Unrecht vollkommen ver- nachlässigten Micros berücksichtigt wurden; wie es sich später zeigen wird, habe ich gerade an ihnen interessante Befunde feststellen können, finden wir doch unter ihnen die primitivsten einheimischen Lepido- pteren. Leider waren mir die typisch australischen Limacodesarten, in denen Handlirsch die Urschmetterlinge erbhckt, die er direkt von der Panorpatengruppe ableiten will, nicht zugänglich, obgleich ich mich an die verschiedensten Händler um Material aus dieser Gruppe gewandt, konserviertes konnte mir leider keiner beschaffen. Im ganzen habe ich etwa 60 verschiedene Arten geschnitten, wobei ich besonders die interessanten Übergangsformen von Tagfaltern zu den Nachtfaltern, sowie durch ihre Lebensweise besonders auf- fallende Formen, wie die im grellsten Sonnenschein fliegenden Zygäniden berücksichtigte. Ich konservierte das Material, indem ich den frisch gefangenen Schmetterlingen die Köpfe abtrennte und in ein Gemisch von 30 Teilen Aqua destillata, 15 Teilen 96°igen Alkohol, sechs Teilen konzentriertem Formol und drei Teilen Eisessig tat, nur ganz kleine Formen wie Micros und kleine Geometriden wurden in toto konserviert; andre Konser- vierungsmittel wie die FLEMMiNGsche Lösung, die KABLsche Lösung, sowie reines Sublimat und Sublimatalkohol erwiesen sich als nicht günstig. Das Material wvu'de je nach Größe 12 — 24 Stunden in oben erwähntem Gemisch gelassen, worauf ich es i/^, — 1 Stunde unter fließen- dem Wasser wässerte, letzteres hat sich übrigens später als überflüssig erwiesen, sobald man die fertigen Schnitte vor dem Färben länger wässerte, worauf es rasch bis zum absoluten Alkohol emporgeführt wurde (50%, 70% und 96% je 4 Stunden). Im absoluten Alkohol ließ ich das Material meist 24 Stimden, worauf ich dem Alkohol all- mählich Benzol zusetzte; nach weiteren 24 Stunden kam es in reines Benzol. Nachdem ich in einem Schälchen 40°iges Paraffin in Benzol aufgelöst hatte, brachte ich das Material in dieses Gemisch, in dem es 2 X 24 Stunden verblieb, um darauf in ein zweites Schälchen über- 220 Wilhelm Jolinas, führt ZU werden, in dem ,sicli ein Gemisch von 56°igem Paraffin, wiederum aufgelöst in Benzol, befand. Erst nachdem es weitere 48 Stunden in diesem Gemisch gestanden hatte, kam es in geschmolzenes 60°iges Paraffin in den Thermostaten, worauf ich es nach 2 — 3 Stunden ausgoß. Ein derart langsames Überführen des Materiales durch die verschieden- grädigen Paraffine, sowie der kurze Aufenthalt in hoher Temperatur im Thermostaten erwiesen sich fürs Erweichen des starken Chitins äußerst günstig, da derart behandelte Objekte sich meist ohne große Schwierigkeiten schneiden ließen, häufig selbst »Bänder« ergaben, während ich vorher einen jeden Schnitt einzeln auffangen mußte, häufig sogar gezwungen war sie mit Mastixkollodium zu überziehen, um ein Herausspringen der Schnitte zu vermeiden. Um einem Weg- schwimmen der Schnitte vorzubeugen tauchte ich die Tafel mit den Schnitten, nachdem das Paraffin in Benzol aufgelöst worden war, für einige Sekunden in ein Gemisch von absolutem Alkohol und Äther sulfuric, zu gleichen Teilen genommen, dem ich einige Tropfen Photo- xylin zusetzte; der Objektträger überzog sich mit einer feinen Haut, die einerseits das Wegschwimmen verhinderte, anderseits das Färben der Schnitte nicht beeinträchtigte. Nachdem ich die Schnitte wiederum überführt, entfernte ich, bevor ich sie unters Deckglas brachte, den Photoxylinüberzug durch Eintauchen in Äther sulfuric. purum. Ge- färbt wurde meist mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain, eine Fär- bung, die bei Kernuntersuchungen die denkbar günstigsten Kesultate lieferte, während ich für Gesamtbilder der Hämalaunfärbung den Vorzug gab, da sie dem Präparat ein sauberes Gepräge verleiht, sowie auch die natürhche Färbung des Pigments nicht beeinträchtigt. Ein Nach- färben des Plasmas mit Kongorot erwies sich als überflüssig und be- einträchtigte auch vielfach den Gesamteindruck. Zwecks genauer Untersuchung der Retinulaelemente war es not- wendig, aus den Präparaten das Pigment zu entfernen, was mir am besten mit der GRENACHERschen Entpigmentierungsflüssigkeit (70%iger Alkohol und Glyzerin zu gleichen Teilen, dem 2 — 3% Salpetersäure zugesetzt war) gelang; bei kleineren Formen schwand das Pigment meist schon nach 5 — 10 Minuten, während Schnitte größerer Formen meist 4 — 6 Stunden, einige selbst bis 24 Stunden in der Mischung bleiben mußten, ehe eine Aufhellung wahrnehmbar war ; im allgemeinen gewann ich den Eindruck, daß das Pigment der Tagfalter bedeutend resistenter als dasjenige der Nachtfalter ist. Die Schnitte wurden sämtlich mit einem JuNGschen Mikrotom in einer Dicke von 5 a her- gestellt, wenige Übersichtsbilder konnten 10// dick geschnitten werden, Das Facettenauge der Lepidopteren. 221 während die Schnitte durch die Anuen der kUMiisten JMicros, Tineiden und Tortriciden nicht dicker als 2 — 3 n sein durften. Die Schnitte wurden durchweg frontal geführt, da eine derartige Schnittrichtung sowohl Längsschnitte als auch Querschnitte in jedei' beliebigen Höhe der Ommatidien ergibt; in wenigen Fällen wiu'de die Schnittrichtung in die Hauptachse des Auges verlegt, um Sagittalschnitte der Basal- membran zu erlangen. Zur Untersuchung diente ein Mikroskop, System Seibert, mit den Objektiven 2,5 und i/^., homog. Immersion, sowie ein LEITZ-Mikroskop mit den Objektiven 3 und 7. Es ist mir eine angenehme Pflicht an dieser Stelle meinen hoch- verehrten Lehrern meinen herzlichsten Dank auszusprechen für die mannigfache Anregung und Belehrung, die sie mir haben zuteil werden lassen; vor allem gebührt er Herrn 'Geheimrat Professor Dr. Chun, der meine Aufmerksamkeit auf dieses interessante Gebiet lenkte und während meiner Untersuchungen im Zoologischen Institut der Universität Leip- zig mir mit Kat und Tat zur Seite stand, sodann den Herren Professoren ZUR Srassen und Woltereck. In gleicher Weise bin ich zu bestem Danke Herrn Privatdozenten Dr. med. et phil. 0. Steche verpflichtet, der mir speziell bei den Untersuchungen, die Innervation der Retinula betreffend, hilfreich zur Seite gestanden. Einleitung. Grundlegend für die Kenntnis der zusammengesetzten Augen der Arthropoden waren die Untersuchungen des großen Physiologen Jo- hannes Müller, der auch als erster eine exakte physiologische Erklä- rung des Sehvorganges im Facettenauge gab. Er war es, der im Jahre 1826 in seinem berühmten Werk »Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes « die Existenz der Kristallkegel nachwies, die er als »licht- brechende kegelförmige Kristallkörperchen « beschreibt und deren ge- naue Kenntnis ihn zur Aufstellung der Theorie vom musivischen Sehen führte. Er faßte das Facettenauge als einen Komplex von Einzelaugen auf, deren Übergang »in den zu einem scheinbar zusammengesetzten Auge gehäuften einzelnen körnigen Augen der Asseln und Polypoden nicht zu verkennen« ist. Von diesem Prinzip ausgehend, und mit der Erkenntnis, daß das den Kristallkegel umhüllende Pigment das iso- lierende Element repräsentiert, fortschreitend, kommt er zum Schluß, daß lediglich die in die Hauptachse des Kegels einfallenden Licht- strahlen zu einer Perception innerhalb der rezipierenden Elemente des Auges gelangen, während alle schief einfallenden Strahlen absorbiert 222 Wilhelm Jolinas, werden; die geradlinigen Strahlen werden somit an einem Punkt, der an der Spitze des Kegels gelegen ist, gesammelt, wo sie zu einem Punkt vereinigt den Reiz des hier endenden Sehnervs auslösen, »auf diese Weise repräsentiert ein jeder Kegel einen aliquoten Teil des Bildes, und das Bild wird mosaikartig aus so vielen Teilchen zusammengesetzt als Kegel vorhanden sind, daher auch die Deutlichkeit des Bildes mit der Zahl der Kegel zunehmen muß. <( Diese geistreiche Theorie blieb nicht lange unangefochten, schon unter seinen nächsten Nachfolgern erstanden ihm Widersacher, so in Wagner (1835), in Will (1840) und vor allem in Gottsche (1852), der mit Hilfe des Experiments nachzuweisen suchte, daß eine jede Facette als Einzelauge wirke und ein vollkommenes umgekehrtes Bild entwerfe. Selbst Leydig (1855 und 1864), Claparede (1860) und Max Schultze (1868) fechten die Theorie Müllers noch an, und erst Grenacher war es vorbehalten geblieben alle Zweifel zu zerstreuen und der Theorie vom musivischen Sehen, diesem Lieblingskinde des noch jugendlichen Johannes Müller, zum Siege zu verhelfen. In seinen 1878 erschienenen »Untersuchungen über die Sehorgane der Arthropoden« weist er anatomisch die Berechtigung ihres Bestehens nach, während 1891 die physiologische Seite dieses Problems von Exner in seinem bekannten Werke »Die Physiologie der facettierten Augen der Krebse und Insekten« gelöst wird. Seit Erscheinen dieser beiden Werke beginnt für die Erforschung des Facetten auges eine neue Ära, denn erst jetzt ist eigentlich die wissenschaftliche Grundlage geschaffen, auf der fortgearbeitet werden konnte. Wenngleich Patten (1886) nochmals einen durchaus verfehlten Versuch macht, die Theorie Müllers und mit ihr die Befunde Grenachers anzufechten, so haben doch alle folgenden Autoren die Anschauungen dieser beiden Autoritäten voll und ganz angenommen und, auf ihren Schultern stehend, weiter ge- arbeitet, so vor allem Chun, der 1896 die Sehorgane der Tiefseeschizo- poden und Sergestiden in seiner »Atlantis«, Biologische Studien über pelagische Organismen, einer eingehenden Untersuchung unterzog. Im selben Jahr begann Hesse seine Studien über »die Organe der Licht- empfindung bei niederen Tieren« herauszugeben, deren Aufsätze VII und VIII (1901 und 1902) von den Arthropodenaugen handeln. 1897 hatte schon Zimmer das so seltsame Auge der Ephemeriden untersucht, während in den letzten Jahren, 1908 und 1909, Kirchhofer die Augen der pentameren Käfer und Dietrich diejenigen der Dipteren untersuchte. Im Spätherbst 1907 machte mich mein hochverehrter Lehrer, Herr Geheimrat Professor. Dr. Chun auf die Facettenaugen der Lepidopteren, ]^as Facettenauge der Lepidopteren. 223 die, obgleich von den meisten früheren Autoren berücksichti<>t, doch einer eingehenden Revision bedurften, aufmerksam, ein (Jebiet, auf dessen Bearbeitung ich um so freudiger einging, da Dietrich, der erst kürzlich seine Arbeit begonnen, bereits eine Reihe interessanter neuer Tatsachen hatte feststellen können. Leider waren meine Unter- suchungen nicht so von Erfolg gekrönt, da die Lepidopteren seltsamer- weise ganz auffallend gleichmäßig gebaute Augen haben; weder die so interessante Differenzierung in ein Doppelauge, die sich als eine direkte Folge biologischer Anpassung ergibt, noch seltsame Differenzierungen im Bau der Ommatidien, wie sie z. B. Dietrich bei Simulium vorfand, ließen sich nachweisen, vielmehr kehrten die charakteristischen Merkmale in stereotyper Weise wieder, und zwar in zwei große Gruppen gesondert, für die Tagfalter und die am Tage fliegenden Formen der Nachtfalter, als Anpassung an ihre Lebensweise, sowie für die typischen Nachtfalter. Die Augen sämtlicher Lepidopteren. mit Ausnahme einer einzigen, später näher zu beschreibeiiden Species, gehören dem euconen Typus (tRENACHers, d. h. »Augen mit echten Kristallkegeln, wie sie bisher allen Facettenauoen zugeschrieben wurden« >.-». an. Die großen, halbkugeligen, lateral vor- gewölbten Augen bestehen aus einer großen Anzahl einzelner Ommatidien, deren ein jedes einen echten Kristallkegel, der von den vier SEMPERschen Zellen proximal abgesondert wird, besitzt. Diese Kristallkegel variieren sehr in Form und Größe, doch findet sich im allgemeinen die Anschauung Max Schultzes. daß die Kristallkegel der Tagfalter bedeutend kleiner und weniger resistent als diejenigen der Nachtfalter, bestätigt. Distal den Kristall- kegeln, direkt unter der Cornea, finden sich vier Kerne, die SEMPERschen Kerne, wie sie Claparede zu Ehren seines Freundes Semper benannte, sie sondern bei den Lepidopteren auch die Kristallkegelhülle ab, auch die Absonderung der Cornea Avird ihnen zugeschrieben, eine An- schauung, der ich mich, wie aus folgendem er- sichtlich sein wird, nicht anschheßen möchte. Die Kristallkegelhülle geht kontinuierlich in die Retinula über, und letztere ist es, die die Augen sämtlicher Lepi- doptei-en in zwei große Gruppen teilen läßt. Vorstehende Abbildung gibt ii\ Textfig. 1. Sehematisclie Darstellung des Facettenauges a, eines Nacht- selimetterlings; b, eines Tagfal- ters. 224 Wilhelm Johnas, ein etwas schematisiertes Bild zweier Einzelommatidien aus dem Auge eines Tagfalters und eines Nachtfalters. Während die Retinula bei erste- rem fast in ihrer gesamten Ausdehnung gleichstark ist, weist letztere eine bedeutende Differenzierung auf, denn nur in ihrem proximalen Drittel, das das Rhabdom trägt, ist sie stärker, um plötzlich fadenförmig aus- gezogen zu werden. Dieser fadenförmige Teil erleidet aber nochmals eine kolbenförmige Anschwellung, in die die Kerne der die Retinula zusammensetzenden Zellen verlagert sind, sich wiederum fadenförmig verjüngend geht sie sodann kontinuierlich in die Kristallkegelhülle über. Die Anzahl der Retinulazellen schwankt zwischen sieben und zehn, doch fasse ich die Achtzahl, wie sie bereits von Gkenachek und Hesse für die Hymenopteren, von Kirchhofer für die pentameren Käfer, von Dietrich für die Dipteren und schließlich gieichzeiti;;- mit mir für die im Wasser lebenden Hemipteren von Bedau nachgewiesen wurde, für die ursprüngliche auf, die sich auch ontogenetisch auf dem Wege dreimaliger äqualer Teilung einer Urzelle sehr wohl erklären ließ. Die einzelnen Zellen sind stets konzentrisch geordnet, und es findet eine Rhabdombildung statt, indem die Stiftchensäume verschmelzen und auf diese Weise den »Sehstab« Leydigs und den »Nervenstab« Max Schultzes bilden; die Verschmelzung ist eine derart innige, daß man nur in sehr seltenen Fällen auf Querschnitten noch die Trennungs- linien wahrnehmen kann. Dem proximalen Teil der Kristallkegel liegen zwei Zellen an, die Hauptpigmentzellen, die dasjenige Pigment absondern, das dazu be- stimmt ist, die Isolierung des dioptrischen Apparates durchzuführen, da- neben finden sich die Nebenpigmentzellen, oder Pigmentzellen zweiter Ordnung, bei den Lepidopteren mit einer Ausnahme stets sechs, deren Pigment sich sternförmig um die einzelnen Ommatidien anordnet; sie sind spindelförmig und ziehen, an der Cornea beginnend und ihre größte Ausdehnung um ihre proximal den Kristallkegelspitzen gelegenen Kerne erlangend, etwa bis zur Hälfte der Retinula. Das Pigment dieser Haupt- und Nebenpigmentzellen bezeichnen wir als Irispigment im Gegensatz zum Retinapigment, das oberhalb der Basalmembran die proximalen Enden der Ommatidien umgibt und distalwärts etwa bis zu dem Punkt hinzieht, wo das Irispigment aufhört, auf diese Weise für jedes Ommatidium einen Pigmentmantel bildend. Die Cornea. Die gToßen halbkugeligen, lateral vorgewölbten Augen der Lepi- dopteren werden wie diejenigen aller übrigen Arthropoden nach außen Das Facettenaugo der Lepidopteren. 225 begrenzt von der Hornliaut oder Cornea. 8ie erscheint zusaninien- gesetzt ans einer großen Anzahl sich polyediisch aneinander legender Facetten, die der Anzahl der Onimatidien im znsammengesetzten Auge entspricht. In den mittleren Partien haben die einzelnen Facetten rein mechanisch durch gegenseitigen Druck die Gestalt regulärer sechsseitiger Prismen angenommen, an den Rändern dagegen tritt die Prismen- struktur nur an denjenigen Seiten auf, an denen sie mit andern Facetten zusammenstoßen, während sie sonst ki-eisförmig erscheinen. Die Gestalt der ganzen Cornea vergleicht Leydig sehr treffend mit derjenigen eines Uhrglases >;von rundlichem oder ovalem Umriß«, dessen Konvexität sehr verschieden ist; er spricht sie als eine direkte Fort- setzung des Hautpanzers an und beschreibt als erster im Jahre 1864 ihre Zusammensetzvmg aus Chitinlamellen. Die eigenartig gestreifte Struktur ihres Längsschnittes war bereits viel früher andern Forschern aufgefallen, so erwähnt Will 1840 ihres Aufbaues »aus mehreren über- einander liegenden Hornplättchen « und berichtet, daß Sömmering bei Lucanus cervus und Strauss-Dürkheim bei Meloloyitha vulgaris fünf bis sechs Schichten gefunden, doch hatten sie dafür keine Erklärung gefunden, nach Leydig jedoch wurde diese lamellenförmige Schichtung zu einem charakteristischen Merkmal der chitinösen Hornhaut. Die Anzahl der einzelnen Schichten ist sehr variabel, von der Dicke der Cornea abhängig, doch läßt sich stets eine festere äußere, die sich unter dem Einfluß künstlicher Färbemittel weniger färbt, und eine intensiv färbende innere Schicht von geringerer Konsistenz unter- scheiden, letztere ist es, die in eine Reihe einzelner in der Tinktion voneinander abweichender Lamellen aufgelöst sein kann, wie es z. B. Dietrich für Dilophus vulgaris und Kirchhofer für Elater sanguineus nachgewiesen haben. In den Augen der Lepidopteren finden wir diese typische Schich- tung nicht überall gleich deutlich ausgeprägt; da die Cornea der Lepi- dopteren schon im allgemeinen bei weitem nicht so kräftig entwickelt ist wie diejenige der Coleopteren, sie ist auch weicher, so kam es, daß einzelne mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain gefärbte Präparate überhaupt keine Differenzierung aufwiesen, die Cornea vielmehr durch- weg gleichmäßig geschwärzt erschien. Bessere Resultate erhielt ich, als ich Hämalaunfärbung anwandte, wobei bei einer ganzen Reihe von Arten die Schichtung zu erkennen war; sehr charakteristisch trat sie auf bei der gemeinen Kleidermotte, Tinea 'pelionella, in deren Cornea eine dunklere innere und eine fast glashelle äußere Schicht durch eine intensiv gelbe Zone getrennt werden, wir haben es hier mit einer typisch 226 Wilhelm Johnas, dreischichtigen Cornea zu tun, deren mittlere Schicht die dem Chitin eigentümliche gelbliche Färbung aufweist. Weniger deutlich ausgeprägt, wenngleich noch deutlich erkennbar, ist die Dreischichtigkeit an der Cornea von Hepialus sylvanus, welche sich nur dadurch von der vorher- gehenden unterscheidet, daß die gelbliche Schicht nach außen verlagert ist. Eine ganze Reihe andrer Formen wiesen eine Zweischichtigkeit auf (vgl. Fig. 1, 5, 8). Die einzelnen Corneafacetten erscheinen mehr oder weniger plankonvex, der distale Eand ist vorgewölbt, während der proximale in den meisten Fällen durchaus plan ist, nur bei Rhodo- cera rhamni zeigte sich eine Abweichung (Fig. 1): die starke Cornea ist typisch zweischichtig, von denen die äußere, bedeutend stärkere hellere bikonvex, während die innere, schwächere bikonkav und von dunkelblauer Tinktion ist. Im allgemeinen gewann ich den Eindruck während meinen Untersuchungen, daß die Vorwölbung der einzelnen Corneafacetten bei den eigentlichen Nachtfaltern sowie den Schmetter- lingen mit einem typischen Dunkelauge bedeutend intensiver aus- geprägt ist als bei den Tagfaltern. Die Oberfläche der Cornea ist bei den Lepidopteren glatt, nur Vanessa urticae, der gemeine kleine Fuchs, weist einzelne Härchen oder Borsten auf, die stets dort auftreten, wo die Facetten zusammenstoßen, eine Erscheinung, auf die schon frühere Autoren hingewiesen, die aller- dings um so merkwürdiger erscheint als seine nächsten Verwandten nichts derartiges besitzen. Was die Färbung der Corneafacetten anbetrifft, so kann ich nur die Beobachtungen Max Schultzes bestätigen, der sehr genaue Unter- suchungen über die Unterschiede an Tag- und Nachtfaltern angestellt hat. In frischem ungefärbtem Zustande erscheinen die Corneafacetten der Heteroceren fast farblos, glashell und »lassen demgemäß alles sie treffende Licht durch, sofern dasselbe nicht eine Reflexion an ihrer vorderen Fläche erleidet«, während die Facetten der Rhopaloceren eine farbige Umrandung aufweisen, wobei meist eine gelbliche oder selbst intensiv gelbe Färbung vorherrscht; diese Umrandung kann so weit ausgedehnt sein, daß nur eine kleine kreisförmige central gelegene Partie frei bleibt, durch die ein Durchtritt der Lichtstrahlen ermöglicht mrd. In der Abbildung Fig. 3 habe ich eine Partie der ausgebreiteten Cornea von Chrysofhanus hippothoe dargestellt. Diese intensiv gelbe Umrandung der Corneafacetten fand sich bei sämtlichen Lycänideu, sowie einer ganzen Reihe andrer im grellsten Sonnenschein fliegender Formen wieder, während Van essen eine bräunliche Umrandung und Hesperiden {Hesperia comma und tltaumas) eine schwärzliche aufweisen. Das Facettenauge der Lepidopteien. 227 Eine derartige Piumentienuit;" der Cornea bewirkt die Absorbierung .sämtlicher schräg einfallender Lichtstrahlen ehe sie den Kristallkegel erreichen, ein Umstand, der für die im intensivsten Sonnenlicht fliegen- den Formen von entschiedenem Nutzen ist. Die Vermutung wird be- stätigt, wenn wir sehen, daß die sich an ein Taglcben angepaßt habenden Species der Nachtfalter auch in dieser Richtung ihr Auge modifiziert haben. Ich hatte Gelegenheit die Befunde Max Schultzes nachzu- prüfen und konnte feststellen, daß die Corneafacetten von Macroglossa steUatarum, unsres gemeinen Taubenschwanzes, der, obgleich zu den Nachtschmetterlingen gehörend, doch ein vollkommenes Tagtier gewor- den ist, eine gelbe Umrandung aufweisen, während die Facetten unsrer allbekannten Blutsti-öpfchen, die wiederum ein ausgeprägtes Tagleben führen, schwarz umrandet erscheinen; außer Zygaena lonicerae und carniolica untersuchte ich noch einen Vertreter der nah verwandten, ausschließlich tropischen Gruppe der Glaucopiden, wobei ich dieselben Verhältnisse nachweisen konnte. Vielleicht am markantesten ist diese Erscheinung bei Ino statices, wo die gelbe Umrandung der Cornea- facetten so typisch » tagfalterartig « ist, daß man ein abgesprengtes Stück Cornea für dasjenige einer Lycänide zu halten geneigt ist. Was den Bau der Cornea anbetrifft, habe ich einer auffallenden Erscheinung Erwähnung zu tun, die, soweit mir bekannt, bisher in der Literatur nicht berücksichtigt worden ist, ich meine die Ausbildung eines Processus corneae. Bei einer ganzen Reihe von Tagfaltern können wir an der Innenseite der Cornea einen Processus erkennen, der sich proximal bis zu den SEMPERschen Kernen, bzw. der Kristallkegelhülle, in der sie liegen, fortsetzt, am deutlichsten ausgeprägt sah ich ihn bei Coenonympha pam'phihis (s. Fig. 8), wo er eine ganz beträchtliche Länge erreicht; er hat eine fast cylindrische Gestalt und geht kontinuierlich in die innere,, hier ausnahmsweise hellere Schicht der Cornea über. Wenngleich nicht in dem Maße ausgebildet, läßt sich ein Processus corneae bei weiteren Satyriden {Satyrus semele, Efine/phele jurtma) sowie Lycäniden {Chrysophanus hippothoe und pTilaeas, Lycaena icarus) nachweisen, und ich glaube nicht irre zu gehen, wenn ich annehme, daß auch bei Rhodocera rJuimni ein Processus corneae zur Ausbildung ge- langt (s. Fig. 1), da die Pigmentverhältnisse, wie später noch gezeigt werden soll, direkt darauf hinweisen. Wir haben es hier mit einem sehr eigenartigen Gebilde zu tun, das man im ersten Augenblick als Pseudoconus ansprechen könnte, wenn nicht der proximal den SEMPERschen Kernen gelegene Kristall- kegel einen eines besseren belehren würde, doch liegt es nahe diese 228 Wilhelm Johnas, Augen als Zwischenglieder zwischen dem euconen und pseudoconen Typus zu bezeichnen, was um so wahrscheinlicher erscheint, wenn wir in Betracht ziehen, daß Dietkich, sich der Meinung Caerieres an- schließend, zur Überzeugung kommt, der Pseudoconus sei nichts andres als eine »zapf enartige Vorwölbung der Cornea«, entsprechend dem Pro- cessus corneae einer großen Anzahl pentamerer Käfer (Kirchhofer). Wenn Dietrich in seinem Satz: »das peudocone Auge ist demnach, wie Carriere schon betont, lediglich eine besondere Stufe der Aus- bildung des aconen Auges« die Kluft zwischen aconem und pseudo- conem Auge überbrückt und auch Bedau bei Hemipteren eine derart hypertrophe, an einen Pseudoconus erinnernde Ausbildung des Pro- cessus corneae bei Nepa cinerea und Naucoris cimicoides feststellen konnte, so weist uns Hesse darauf hin, daß auch pseudoconer und euconer Typus ineinander übergehen, denn er rechnet das Frontauge von Bibio marci und andern Bibioniden zum euconen Typus, da »die Reste der Kegelzellen im Pseudoconus proximal zu einem echten Kristall- kegel umgewandelt sind, dem die zugehörigen distal, an der Grenze gegen die Secretmasse, anliegen (1908). Was nun bei Dipteren und Hemipteren der Fall, warum sollte es bei Lepidopteren nicht möglich sein? In meiner Vermutung bestärkt mich weiter die Ontogenie des Auges. Alle früheren Autoren waren der Meinung, daß die Cornea ein x4.usscheidungsprodukt der Kristallzellkerne, der sogenannten Sem- PERschen Kerne, wie sie Claparede (1860) zu Ehren seines Freundes Semper bezeichnet, selbst Grenacher (1878) und Carriere (1885) huldigen noch dieser Ansicht, und letzterer behauptet, daß die Tätig- keit der Kristallzellen »in erster Linie die aller Hypodermiszellen, nämlich an der Außenseite die Bildung des Chitinpanzers, der das Auge ebensowohl wie den übrigen Körper bedeckt, und soweit er zum Auge gehört, als Cornea bezeichnet wird«. Ein Jahr darauf (1886) gelang es Patten, im Auge von Decapoden selbständige Corneagenzellen nachzuweisen, als deren einzige Aufgabe die Bildung der Cornea an- zusehen ist. Diese Entdeckung blieb nicht vereinzelt, denn Chun fand (1896) dieselben Corneagenzellen bei einer ganzen Reihe von Tiefsee- crustaceen (Schizopoden und Sergestiden), und nur ein Jahr darauf (1897) wies Zimmer sie für die Ephemeriden nach, doch fand er sie lediglich im sogenannten Turbanauge der Männchen, während sie im Ventralauge des Männchens und im ganzen weiblichen Auge fehlten. Hesse (1901) beobachtete im Auge von Periplaneta »vor den Kristall- zellen zwei freie Bezirke mit darin gelegenen Resten von Kernen«, die er als degenerierte Corneagenzellen anspricht. Derselbe Forscher fand Das Facettenauge der Lepidojitercn. 229 bei Lepisma sacharina gleichfalls Coineagenzelleu, doch erschienen ihre Kerne hier seitlich verlagert, so daß die Kristallzellen in direktem Kontakt mit der Cornea standen. Die Erscheinung, daß überall wo Corneagenzellen auftreten die Hauptpigmentzellen nicht nachweisbar sind, veranlaßten Hesse, Corneagenzellen und Hauptpigmentzellen zu homologisieren. In dieser Anschauung wurde er noch bestärkt durch die Untersuchungen Johansens (1893), der die Entwicklung des Imago- auges von Vanessa urticae eingehend schildert. Er findet, daß in einem bestimmten Stadium der Entwicklung sich deutlich drei Schichten von Kernen unterscheiden lassen, deren distale durch eine kernlose Region von den beiden übrigen getrennt ist. Diese distale Zone, die nur aus einer Schicht von Kernen besteht, gehört denjenigen Zellen an, »die sich im Verbände mit den übrigen Zellen der Augenepidermis an der Aus- scheidung der die Augen überziehenden Puppenhülle beteiligt haben und deren Funktion im Imagoauge, wie es sich erwarten läßt, wenn man vom Bau des ausgebildeten Auges ausgeht, darin bestehen müßte, die Cornealinse und die Kristallkegel zu bilden. Mit andern Worten, die Kerne müßten nach Clapakede als die »SEMPEKschen <( bezeichnet werden «. »Aber «, fährt er fort , »anstatt nun auch weiter in ihrer Lage an der Oberfläche der Augen zu verharren, treten in deutliche Bezie- hungen zur Oberfläche des Auges Zellen, deren Kerne der mittleren Kernzone angehören, die aber im Laufe der Entwicklung vollständig in die distale Zone übergehen, während anderseits die primär in der distalen Zone gelegenen Kerne hinunterrücken und zu Hauptpigment- zellen oder Pigmentzellen erster Ordnung werden. « Die Hauptpigment- zellen sind also entsprechend den Corneagenzellen ursprünglich distal der Kristallzellen gelegen, und auch Dietrich, der gleichfalls eine Ver- lagerung der Hauptpigmentzellen distalwärts (bei Syrphus rihesii) fand, spricht die Vermutung aus, daß sie es sind, die die Cornea absondern. An meinen Präparaten konnte ich nun nachweisen, daß überall wo ein Processus corneae bzw. Pseudoconus zur Ausbildung kommt, eine Verlagerung der Pigmentzellen erster Ordnung statthat; während die Hauptpigmentzellen meist der proximalen Spitze der Kristallkegel anliegen, finden sie sich bei allen vorgenannten Formen distal verlagert, so daß ihre Kerne in gleicher Höhe der distalen Basis der Kristallkegel liegen. Da weiter der innere Zusammenhang zwschen Cornea und SEMPERschen Kernen durchaus kein so inniger zu sein scheint, wie es Leydig annimmt, mir ist es z. B. nie passiert, daß beim Absprengen der Cornea die SEMPERschen Kerne an ihr haften blieben, glaube ich mit Eecht die Vermutung auszusprechen, daß Cornea sowie Processus 230 Wilhelm Johnas, corneae lediglich ein Absonderungsprodukt echter Cor- neagenzellen ist, die erst sekundär zu Hauptpigmentzellen werden. Von den Kristallkegeln. Als charakteristisches Merkmal der zusammengesetzten Augen der Arthropoden galten von jeher die proximal der Cornea gelegenen Kristall- kegel, die »durchsichtigen, kegelförmigen Kristallkörperchen« Müllers, der sie in seinem 1826 erschienenen Werk »Zur vergleichenden Phy- siologie des Gesichtssinnes« noch allen Facettenaugen zuschreibt. Ab- gesehen von seinen eignen Untersuchungen beruft er sich auf seine Vorgänger Haller, Swammerdam und Herrich -Schäfer, die alle bereits diese sonderbaren Gebilde zu Gesicht bekommen und beschrieben haben. * In seinen 1829 erschienenen »Fortgesetzten Untersuchungen über den Bau der Augen bei Insekten und Crustaceen« ist er allerdings gezwungen seinen Satz bis zu einem gewissen Grade einzuschränken. Obgleich Huschke (1827) die Kristallkegel bei Vanessa cardui und Strauss-Dürkheim bei Melolontha vulgaris ihre Existenz nachgewiesen, behauptete Treviranus (1827) ihr Auftreten nicht für allgemein gültig, und auch Müller stimmt dem bei, indem er erklärt: »Ich habe nun- mehr neuerdings meine Untersuchungen an den Insekten und Krebsen meiner Kollektion in noch größerem Maße wiederholt, wenn ich auch einige Beobachtungen gemacht habe, welche sich an die von Trevi- ranus beobachteten Ausnahmen anschließen, so bin ich doch auch jetzt noch der Meinung, daß die von mir beschriebene Bildung, näm- lich die in der Achse durchsichtigen Kristallkörperchen, hinter den Facetten der Hornhaut den wahren zusammengesetzten Augen der geflügelten Insekten und vollkommenen Krebse mit wenigen Aus- nahmen zukommen. « Einen Fortschritt in der Erkenntnis der Kristall- kegelgebilde bedeuten die Untersuchungen Leydigs (1855), der ihre segmentale Zusammensetzung erkannte, er sieht auch schon die distal den Kristallkegeln anliegenden »kernartigen Gebilde«, doch weiß er ihren Ursprung und ihre Bedeutung noch nicht zu deuten, das blieb Claparede vorbehalten, der sie als echte Kerne erkennt, die stets in der Vierzahl auftreten und proximal den Kristallkegel absondern, wie bereits erwähnt, bezeichnet er sie als »SEMPERSche« Kerne. Diesem Forscher gelang es auch, in den Kristallkegeln einiger Lepidopteren Vacuolen nachzuweisen, deren Ursprung er nicht zu deuten vermag, dieses sei hier nur erwähnt, da ich in folgendem über einen ähnlichen Befund zu sprechen haben werde. Erst Grenacher (1878) gibt eine Das Facettenauge der Lepidopteren. 231 genaue Definition der Kristallzellengebilde und unterscheidet an ihnen die drei verschiedenen Typen von Facettenaugen, den aconen, euconen und pseudoconen; daß eine scharfe Grenze zwischen ihnen sich nicht ziehen läßt, sie vielmehr ineinander übergehen, ist bereits im vorher- gehenden Kapitel erörtert worden. Was nun die Kristallkegel der Schmetterlinge anbetrifft, sie sind, da die Schmetterlinge dem euconen Typus Grenachers angehören, bei allen vorhanden, so weisen sie untereinander doch recht beträchtliche Abweichungen auf, im allgemeinen aber finden wir das Prinzip ver- treten, daß die Nachtfalter sich durch größere und resistentere Kristall- kegel auszeichnen als die Tagfalter, deren Kristallkegel meist klein und von gallertartiger Konsistenz sind; auch in ihrer Gestalt weichen sie beträchtlich voneinander ab. Die Gestalt der Kristallkegel bei den Heteroceren vergleicht Gre- NACHER sehr treffend mit derjenigen einer » LängsgTanate der modernen Artillerie «, nebenstehende x\bbildung der Kristallkegel verschiedener Lepi- dopteren wdrd es bestätigen. Gerade an diesen Kristallkegeln läßt sich Textfig. 2. Formen der Kristallkegel aus dem Auge ver- schiedener Lepidopteren. ihre Zusammensetzung leicht studie- ren, es passiert nämlich häufig, daß die Kegel einreißen, doch geht der Riß nur durch die Trennungslinien der einzelnen Segmente, und im günstigsten Fall sieht man auf dem Längsschnitt die vier einzelnen Kegelsegmente nebeneinander liegen. Noch deutlicher erscheint einem die Zusammensetzung am Querschnitt, wo der Kristallkegel als Kreis, aus vier durch deutliche Linien voneinander getrennten Quadranten be- steht, einem jeden sitzt distal ein großer, meist ovaler Kern auf, der SEMPERsche, der den eigentlichen Kegel absondert. Am Kristallkegel der Rhopaloceren liegen die Verhältnisse lange nicht so klar, ihre Gestalt ist teils typisch spitzkegelförmig oder auch birnenförmig, doch läßt sich über ihre Form kaum ein endgültiges Urteil abgeben, da sie infolge ihrer fast dickflüssigen Konsistenz bei der Konservierung nur zu leicht Schrumpfungen, sowie sonstigen Ver- zerrungen unterworfen sind. Ihre Zusammensetzung aus vier kon- gruenten Segmenten läßt sich an mit Hämalaun schwachgefärbten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XGVII. Bd. 16 232 Wilhelm Jolinas, Präparaten leicht nachweiseu, bei stärkerer Hämalaun-, sowie Heidenhain- Färbung tritt nur zu leicht eine intensive Schwärzung ein, die jegliche subtilere Untersuchung zur Unmöglichkeit macht. Wie bedeutend die einzelnen Größendifferenzen der Kristallkegel unter- einander sind, möge wiederum vorstehende Abbildung zeigen, in der a — c unter 360facher, d — g unter 485facher Vergrößerung mit Hilfe des Zeichenapparates entworfen ist. Die Kristallkegel scheinen stets aus einer homogenen Masse zu bestehen, da jedoch die central gelegenen Partien stärker lichtbrechend wirken als die peripheren, macht es den Eindruck als ob sie heller wären, eine scharfe Grenze ließ sich jedoch nie nachweisen. Sehr eigenartige Bilder boten die Kristallkegel von Rhodocera rhamni (Fig. 1), sie waren vollkommen vacuolisiert. Trotz den verschiedensten Konservierungsmethoden traten diese Vacuolen in jedem Präparat auf und machten bei schwächerer Vergrößerung den Eindruck vollkommener Regelmäßigkeit. Erst mit Hilfe eines Apochromaten konnte ich fest- stellen, daß sie im Kristallkegel regellos verstreut lagen; es waren mit- hin Schrumpfungserscheinungen, die hier zutage traten, ein Umstand, der allerdings für die eigenartige Konsistenz dieser speziellen Kristall- kegel spricht. Ich muß daher annehmen, daß jene von Clapaeede be- schriebenen und abgebildeten Vacuolen im Kristallkegel von Deilephila ewphorbiae gleichfalls auf derartige Schrumpfungserscheinungen zurück- zuführen sind, was allerdings um so merkwürdiger erscheint, als die Kristallkegel sich durch eine bedeutende Konsistenz auszeichnen. Entsprechend den Abweichungen in Form und Färbung der Cornea- facetten, finden sich auch an den Kristallkegeln derjenigen Nachtfalter, welche am Tage fhegen, bedeutende Anklänge an die Krista,llkegel der Tagfalter, eine ganze Reihe solcher von mir untersuchter Formen wiesen sogar typische Tagfalterkegel auf, am auffallendsten war es bei den Zygäniden, von denen lonicerae und carniolica zur Untersuchung kamen ; beide Formen haben jedenfalls die kleinsten Kristallkegel, die ich über- haupt bei einem Schmetterling gefunden habe. Den gleichen Befund ergab die Untersuchung von Ino statices, wo die Kristallkegel gleich- falls sehr klein, fast die Form eines Apfelkernes aufwiesen, während andre am Tage fliegende Formen der Nachtfalter, wie Macroglossa Stellatarum, Plusia gamma, Euclidia my und glyphica Kristallkegel be- sitzen, die sowohl ihrer Größe als Gestalt nach den Kristallkegeln der Heteroceren zugezählt werden müssen. Schon Max Schultze macht in seinen »Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse und Insekten« (1868) al^f diesen Das Facettenauge der Lepidopteren. 233 sonderbaren Umstand aufmerksam, nur will er bei den Rhopaloceren eine diffus gelbliche Färbuno; der Kristallkegel gesehen haben, die sich auch bei Macroglossa steUatarum und Plusia gamma wiederfand. Eine derartige gelbe Pigmentierung der Kristallkegel habe ich nie nach- weisen können, vielmehr erschienen sie mir stets farblos, als mehr oder minder stark lichtbrechende Medien, und zwar war die Lichtbrechung in den Kristallkegeln der Nachtfalter eine viel stärkere, als in den- jenigen der Tagfalter. Da auch dieser Umstand bei den oben beschrie- benen Heteroceren, die am Tage fliegen, eintraf, möchte ich feststellen, daß die Zygäniden und Ino statices sich besser an ein Tagleben an- gepaßt haben als die übrigen Formen; der Gedanke liegt nahe, daß erstere von jeher ein Tagleben geführt haben, während letztere sich erst sekundär dem Tageslicht angepaßt haben, wobei bis jetzt nur die Cornea eine Umwandlung erfahren hat. Die Kristallkegel der Lepidopteren sind von einer zarten Hülle umgeben, die gleichfalls von den SfiMPERSchen Kernen ausgeschieden wird, in ihrem distalen Teil umschließt sie sie auch; bei einer ganzen Anzahl am Tage fliegender Formen, bei den meisten Rhopaloceren, sowie wiederum bei den Zygäniden erfährt sie in ihrem distalen Teil eine Verdickung, die bisweilen so stark werden kann und sich so intensiv färbt, daß die SEMPERSchen Kerne dem x4.uge des Beobachters ver- borgen bleiben können; als besonders auffallend erwies sich diese Er- scheinung im Auge der Lycäniden {Lycaena icarus, Chrysophanus hifpothoe und fhlaeas), bei Coenonympha pamphilus, sowie bei Zygaena lonicerae und Ino statices. Proximal setzt sich die Kristallkegelhülle kontinuierlich in die Retinula fort ; bereits Max Schultze weist darauf hin, daß die Kristallkegelhülle bei den Insekten direkt in die » Scheide des Nervenstabes« übergeht, diese Scheide ist nun nichts andres als die Schaltzone Hesses, die sich an der Retinula zwischen dem dunkler plasmatischen Teil und dem aus der Verschmelzung der Stiftchen- säume entstandenen Rhabdom einschiebt, somit haben wir hier einen direkten Zusammenhang zwischen den perzipierenden Elementen und dem dioptrischen Apparat, eine Trennungslinie habe ich auch bei An- wendung stärkster Vergrößerungen nicht finden können, bei Besprechung der Retinula werde ich nochmals darauf zurückzukommen haben. Direkt proximal den Kristallkegeln glaubt Grenacher bei Try- phaena pronuha einen zweiten lichtbrechenden tropfenförmigen Körper gesehen zu haben, den er auch abbildet, der, proximal scharf begrenzt, distal keine scharfe Grenze aufweisend in die Kristallkegelhülle über- geht; obgleich ich dieselbe Form eingehend untersuchte, konnte ich 16* 234: Wilhelm Johnas, keinen derartigen Körper nachweisen, fand lediglich eine Erweiterung der Kristallkegelhülle, wie man sie auch bei andern Eulen und Hespe- riden findet, wo sie sich aus Gründen, die im folgenden Kapitel näher erörtert werden sollen, nicht sofort fadenförmig auszieht, sondern auch noch unterhalb des Kristallkegels ein Stück nur ganz allmählich sich verjüngend verläuft. Die Retinula. Nach Besprechung der Cornea und der Kristallkegel, dieses ledig- lich dioptrischen Apparates, haben wir uns den lichtperzipierenden Elementen des Arthropodenauges, der Retinula, zuzuwenden. Proximal den Kristallkegeln, zwischen diesen und der Basalmembran gelegen, breitet sie sich aus, auf diese Weise die Leitungsbahnen der Licht- wahrnehmung zu den Ganglien repräsentierend. Ihre Zusammen- setzung aus einzelnen Zellelementen war bereits früh den Forschern bekannt, wohl waren sie sich noch nicht über die Zahl der sie zu- sammensetzenden Zellen einig, doch besteht diese Streitfrage bis in die neueste Zeit fort, und erst die Arbeiten der letzten Jahre scheinen in diese Frage Klarheit zu bringen. Während die ältesten Autoren die ganze Retinula als Opticusfaser auffaßten, schuf Leydig als erster den Begiiff eines »Nervenstabes«. Wohl gerät er noch auf Irrwege, indem er ihn den Stäbchen im Verte- bratenauge gleichstellen will, doch dieser Irrtum beeinträchtigt sein Verdienst nicht, war er doch der erste (1855), der die wahre Beschaffen- heit der perzipier enden Elemente erkannte. Sein direkter Nachfolger, Claparede (1858), tritt in gewissen Gegensatz zu Leydig, indem er den inneren Zusammenhang zwischen »Nervenstab« und Kristallzell- gebilde leugnet, doch billigt er vollkommen die von seinem Vorgänger eingeführte Nomenklatur. Er schildert den »Nervenstab« von einem Umhüllungsschlauch umgeben, unter dem er, der Abbildung nach zu urteilen, die Pigmentscheide versteht; von großer Wichtigkeit ist es, daß er bestrebt ist, die Anzahl der den »Nervenstab« zusammen- setzenden Zellen festzustellen, indem er die Zellkerne zählt und für Deilephila euphorhiae ihre Zahl gleich acht angibt. Max Schultze (1868) ersetzt den Ausdruck »Nervenstab« durch »Sehstab« und gibt bereits eine eingehende Schilderung der oft seltsamen Modifikation dieses wichtigen Gebildes, aber erst Grenacher erkennt die wahre Beschaffenheit des »Sehstabes«, indem er ihn lediglich als centrales stark lichtbrechendes Achsengebilde anspricht, das von den es um- gebenden Zellen ausgeschieden wird, er ist es auch, der für den Das Facettenauge der Lepidopteren. 235 » Sehstab « mit den ihn umgebenden Zellen die Bezeichnung » Retinula « einführt. Der Anordnung der die Retinula bildenden Zellen nach imterscheidet er vier Hauptgruppen, und zwar 1) diejenige, »wo die Zellen gut voneinander isoliert und eine derselben, die häufig durch eine stärkere Entwicklung ausgezeichnet ist, in der Mitte steht, die sechs andern palisadenartig herum«; 2) wo »sämtliche Zellen peripher um die Achse gelagert und keine derselben durch ihre Entwicklung eine Ausnahmestellung einnimmt«, in diesem Fall sind die Stäbchen imi einen Hohlraum angeordnet; 3) schließlich »wo die Stäbchensäume sämtlicher Zellen der Retinula zu einem axialen einfachen Strang, dem Rhabdom, verschmelzen, an dem man zuweilen auf Querschnitten noch Spuren der Trennungslinien nachweisen kann «. Die vierte Gruppe erscheint mehr oder weniger als eine Modifikation des dritten Falles, indem es nämlich nur im proximalen Teil der Retinula zu einer Rhabdom- bildung kommt, die gewöhnlich von einer kolbenförmigen Erweiterung derselben in dieser Partie begleitet ist, nach Grenacher soll der Über- gang des Rhabdoms in den Achsenfaden bald plötzlich, bald allmählich stattfinden. Obgleich eine derartige Einteilung durchaus berechtigt erscheint, so müssen wir doch entschieden jener Ansicht entgegentreten, es sei die Retinula nur aus sieben Zellen zusammengesetzt. Bereits Claparede gibt ihre Zahl auf acht an: »Gleichwohl ist bei Sjohinx euphorbiae der Ursprung des Nervenstabes aus mehreren Zellen an einer Ansammlung von Kernen leicht zu erkennen, die etwas oberhalb von der prismatischen Anschwellung regelmäßig angetroffen werden. Diese Kerne sind acht an der Zahl, wie man es bei starker Vergrößerung mit Sicherheit erkennen kann.« Grenacher hat diese Beobachtung Glapakedes außer acht gelassen, kommt jedoch bei der Untersuchung des Auges von Macroglossa stellatarum zum Schluß, es seien acht Zellen vorhanden, obgleich er nur sieben Kerne zählt, die Achtteiligkeit der Retinula oberhalb der Basalmembran weise jedoch darauf hin. Für die Hymenopteren {Apis, Vespa) gibt er acht Retinulazellen als typisch an. Diese Zahl ist es auch, die, wie spätere Untersuchungen ergeben haben, konstant wiederkehrt. Bereits Hesse spricht die Vermutung aus, bei jener so seltsamen basalen Zelle bei Dytiscus hätten wir es mit einer in die Tiefe gesunkenen achten Sehzelle zu tun. Kirchhofer erbrachte 1908 den Beweis, daß sämthche pentameren Käfer eine aus acht Sehzellen aufgebaute Retinula besitzen, von denen eine in die Tiefe sinkt und bei einzelnen Gruppen ein basales Rhabdom, das »Basal- organ « bilde, während von den übrigen häufig nur sechs an der Rhabdom- bilduno- beteiligt sind, die siebente aber Zeichen der Rudimentation 236 Wilhelm Johnas, aufweise. Ein Jahr später wies Dieteich (1909) es für die Dipteren nach: »die Retinula ist stets als ursprünglich achtteilig zu erkennen«. Gleichzeitig mit mir untersuchte Bedau die Augen der im Wasser lebenden Hemipteren und fand bei sämtlichen einheimischen Wasser- wanzen acht Retinulazellen, die allerdings untereinander starke Ab- weichungen aufweisen. Schließlich konnte ich im Verlauf meiner eignen Untersuchungen an den Augen der Lepidopteren feststellen, daß die Retinula stets aus acht Sehzellen zusammengesetzt ist, von denen eine Zeichen der Rudimentation tragen kann; als besonders interessant wäre gleich hier zu erwähnen, daß ich bei einzelnen Formen (Lycäniden, sowie Botis verticalis und Cidaria bilineata) eine deutlich zehnteilige Retinula nachweisen konnte, deren zwei überzählige Zellen sich aller- dings nur im proximalen Drittel der Retinula vorfanden. Darüber jedoch an andrer Stelle. Die ganze Reihe derartiger Befunde müßte wohl endgültig mit dem Bann gebrochen haben, der die Retinula nm- aus sieben Sehzellen zusammengesetzt sein ließ, es dürfte wohl kaum mehr einem Zweifel unterliegen, daß wir auch in der Retinula sich die Plastizität widerspiegeln sehen, die das ganze Facettenauge beherrscht. Die Augen der Lepidopteren gehören ausschließlich der dritten und vierten Gruppe Grenachers an, haben wir es doch bei allen mit einem typischen Rhabdom zu tun, das central gelegen die Retinula durchzieht. Wie schon Grenacher sehr richtig betont, ist auf Quer- schnitten die Zusammensetzung des Rhabdoms schwer zu erkennen und man ist lediglich aufs Zählen der die rosettenförmig umgebenden Zellen angewiesen; überhaupt macht das enge Zusammendrängen der einzelnen Zellelemente im Lepidopterenauge die größten Schwierigkeiten, der Vorteil, daß innerhalb der Retinulazellen sich kein intracelluläres Pigment findet, wird dadurch reichlich aufgehoben ; bei einzelnen Formen bedarf es der stärksten Vergrößerungen und der angespanntesten Auf- merksamkeit, um bloß die einzelnen Rosetten auseinander zu halten, wieviel mehr noch, um die einzelnen Retinulazellen zu erkennen. Betrachten wir zuerst die Retinula eines Tagialters, so werden wir finden, daß sie fast in ihrer gesamten Ausdehnung gleichstark ist, nur in ihrem distalsten Teil zieht sie sich fadenförmig aus, um kontinuierlich in die Kristallkegelhülle überzugehen. Innerhalb der Retinula läßt sich auf Längsschnitten leicht das Rhabdom als axialer starker, licht- brechender Strang erkennen. Das Rhabdom wird umgeben von einer helleren Zone, der Schaltzone Hesses, der sich der granulierte Teil der Retinulazelle, in der die Zellkerne liegen, anschließt. Betrachten wir das Rhabdom unter stärkerer Vergrößerung, so werden wir leicht eine I Das Facettenauge der Lepidopteren. 237 Plättchenstruktiir^ wie sie schon die älteren Autoren gesehen und abgebildet haben, wahrnehmen; sie erscheint zusammengesetzt aus lamellenförmig übereinander geschichteten Plättchen, die sich durchs ganze Ehabdom verfolgen lassen. Der Liebenswürdigkeit des Herrn Professor Held habe ich es zu verdanken, daß diese subtilen Verhältnisse, die selbst unter Immersion nm* schattenhaft im Gesichtsfeld erscheinen, für mich greifbare Formen annahmen. Es sei mir gestattet noch an dieser Stelle Herrn Professor Held meinen herzlichsten Dank für seine Bemühungen auszusprechen, nicht nur, daß er mir sein ZEiss-Mikroskop mit einem vorzüglichen Apochromaten zur Verfügung stellte, auch während meiner Unter- suchungen hat er mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Da ich diese Kontrolluntersuchungen jedoch erst nach Abschluß meiner Arbeit anstellte, konnte ich die neuen Probleme, die das Facettenauge der Lepidopteren unter einem Apochromaten stellt, nicht mehr berück- sichtigen und werde mich im folgenden darauf beschränken, ihrer Er- wähnung zu tun mit dem Hinweis darauf, daß ich meine Untersuchungen fortsetzen werde, um, wenn möglich, in diese verwickelten Verhältnisse Klarheit zu bringen. Mit Hilfe des Apochromaten konnte ich feststellen, daß die Plätt- chenstruktur des Rhabdoms sich in einen deutlichen Stiftchensaum auflöst, ich möchte dieses besonders betont wissen, da nach Hesse kein Beobachter des Arthropodenauges die Stiftchen gesehen hat, weder KiECHHOFER bei den pentameren Käfern, noch Dietrich bei den Dipteren, noch auch Bedau bei den Wasserwanzen. Ein jedes Stiftchen trägt, wie es Hesse auch schon für Periplaneta orientalis beobachtet und beschrieben, an seinem axialen Ende eine knöpfchenförmige An- schwellung, die von ihr in die Schaltzone ausstrahlenden Fibrillen konnte ich nicht beobachten, ebensowenig auf Längsschnitten die die ganze Retinulazelle durchsetzende Nervenfibrille, die »Retinulaf aser «, wie sie Dietrich beschreibt; auf Querschnitten dagegen sah ich deutlich inner- halb des granulierten Teiles der Retinulazellen kreisförmige hellere Partien, die ich als Querschnitte der Nervenfasern auffassen muß und auch als solche auf den Abbildungen bezeichnet habe. Wichtiger jedoch ist der Umstand, daß ich eine Fortsetzung des Rhabdoms in die Kristallkegelhülle feststellen konnte. Bereits 1835 kam Wagner zu folgendem Resultat : »Ich habe aber zuerst an Sfliinx atropos gesehen wie die Nervenröhre oder das Sehnervenfädchen die Spitze des Kristall- kegels kelchförmig umfaßt und dann als Saum an beiden Seiten des Kegels bis zu seiner vorderen Fläche und zur Hornhaut fortgeht; der 238 Wilhelm Jolinas, Nerv bildet also eine wahre Ketina, welche den Kristallkegel scheiden- artig umgibt.« Leydig vertritt denselben Standpunkt, und Max ScHULTZE beschreibt sehr eingehend die Verhältnisse innerhalb der Region, wo die Nervenfasern an den Kristallkegel herantreten. Nach ihm tritt der >> Sehstab« als knöpf förmiges Gebilde an die Spitze der Kristallkegelhülle; bei stärkerer Vergrößerung zeige es sich, daß diese knopfförmige Anschwellung in einer Divergenz der einzelnen Nerven- fasern, deren er acht zähle, bestehe; die einzelnen Fasern zeigen eine Querstreifung, ähnlich derjenigen der Muskeif ibrillen. Bei einzelnen Arten habe er ein Eintreten der Fibrillen in die Kristallkegelscheide und hier die Spitze des Kristallkegels »schalenartig umfassen«, wahr- nehmen können. Mit Hilfe des Apochromaten bin ich genau zu den- selben Resultaten gekommen: die muskelartige Querstreifung, wie ScHULTZE sie gesehen zu haben glaubt, ist nichts andres als die Stiftchen- säume, die, nachdem sie in die Kristallkegelhülle eingetreten, ihre Ver- schmelzung zum Rhabdom aufgeben und als acht Rhabdomere die Kegelspitze becherartig umschließen, wie es Hesse für Periflaneta Orientalis abgebildet hat, nur daß sie nicht so weit vordringen, sondern nur die Spitze des Kegels umfassen. Die knöpfchenförmigen Anschwel- lungen an ihren axialen Enden ließen sich auch hier nachweisen. Vom letzten Stiftchen aus sah man einen Strang sich bis zu den Semper- schen Kernen fortsetzen; über die Natur dieses Stranges gaben die Präparate keinen Aufschluß, doch ist es nicht ausgeschlossen, daß es sich um Zellgrenzen handelt; weitere Untersuchungen werden diese Frage zu lösen haben, vor allem auch, wie weit eigentlich die Retinula- zellen reichen, da nach diesem Befunde der fadenförmige Teil unter- halb des Kristallkegels unmöglich mehr der Kristallkegelhülie ange- hören kann, wir in ihm vielmehr eine Fortsetzung der Schaltzone Hesses zu erblicken haben; die Verschmelzung dieser mit der Kristall- kegelhülle muß distal der Stelle stattfinden, wo die Stiftchensäume ihren Abschluß erlangen. Man gewinnt fast den Eindruck, daß die alten Autoren recht hatten, indem sie behaupteten, die Kristallkegelhülle setze sich als Nervenstabscheide bis zur Basalmembran fort, doch läßt sich ein definitives Urteil darüber nicht früher fällen, ehe nicht genaue Nachprüfungen in entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht in diesen kom- plizierten Verhältnissen Klarheit geschaffen haben. Am deutlichsten fand ich die geschilderten Verhältnisse bei Botis verticalis (s. Fig. 24) ausgeprägt, nachdem ich sie aber dort sicher erkannt hatte, konnte ich sie auch bei einer ganzen Anzahl andrer Formen nach- weisen. Das Facettenauge der Lepidopteren. 239 An dieser Stelle sei noch eines merkwürdigen Befundes Erwähnung getan, der sich erst bei den Koiitrolluntci-suclunigen mit Hilfe des Apochromaten ergab. Der Zusammenschluß der Khabdomere zum Khabdom erfolgt erst in gewisser Höhe über der Basalmembran, in ihren proximalsten Teilen bilden die Sehzellen keine Stiftchen aus, so daß innerhalb der Retinula ein Hohlraum entsteht, in den, wie wir später sehen werden, Pigment von unterhalb der Basalmembran ein- tritt. Bei Coenonyni'pJia 'pamphilus fand sich in diesem Hohlraum ein central gelegener lichtbrechender Körper von zigarrenförmiger Gestalt, dessen Spitze ins Foramen der Membrana fenestrata hineinragte, ein axialer Strang schien ihn, vom distalen Ende ausgehend, mit dem Rhabdom zu verbinden. Nebenstehende Skizze möge diese selt- samen Verhältnisse, für die ich fürs erste keine Erklärung weiß, veranschaulichen. Was nun die Zusammensetzung der Retinula anbetrifft, so erscheint sie sowohl für Tagfalter, als auch für Nachtfalter die gleiche: ums Rhabdom sind die Retinulazellen rosettenförmig angeordnet, wobei die Achtzahl die vorherrschende ist; im Textfig. 3. distalen Drittel, in dem auch meist die Kerne liegen, erkennt man vielfach nur sieben Zellen, was auch der Anzahl der Kerne entspricht, proximal vorschreitend sieht man sehr bald die achte Zelle sich einschieben; die Stelle, an der sie sich ein- schiebt, läßt sich schwer charakterisieren: bei Dipteren, wie auch bei Hemipteren sind die Zellen nicht gleichwertig, während bei den Lepidopteren die Gleichwertigkeit vollkommen ausgebildet ist und es da- her eine Willkür wäre, eine bestimmte Zelle als erste oder siebente zu be- zeichnen. Die sich einschiebende achte Zelle zeigt keine Spur von Rudi- mentation, sie besitzt einen wohlausgebildeten Zellkörper und schiebt sich als durchaus gleichwertiges Gebilde in den Komplex der sieben übrigen ein; den zu dieser Zelle gehörenden Kern konnte ich stets in dem in der Retinula direkt über der Basalmembran liegenden erkemien. Hesse spricht bereits die Vermutung aus, daß jener oberhalb der Basalmembran gelegene Kern bei Macroglossa stellatarum der achten rudimentären Zelle angehöre. Eine Reduktion der Sehzellen auf sieben fand ich nur bei Satyriden, wo im distalen Teil sich sechs Zellen zur Rhabdombildung zusammen- schließen, während eine siebente, deren Kern oberhalb der Basalmembran gelegen ist, sich einschiebt, bei Satyrus semele fand ich diese Verhältnisse 240 Wilhelm Johnas, am deutlichsten ausgeprägt (s. Fig. 9). Eine sehr eigenartige Ver- mehrung der Sehzellen auf zehn fand ich bei sämtlichen von mir untersuchten Lycäniden {Lycaena icarus, Chrysophanus hippothoe imd fhlaeas), wie ich es im Querschnitt für Chrysophanus hippothoe (s. Fig. 7) wiedergegeben habe. Im distalen Teile der Ketinula bilden acht Zellen das Ehabdom, sowohl auf Längsschnitten als auch auf Querschnitten lassen sich in dieser Kegion acht Kerne zählen, weiter proximal schieben sich zwei Zellen ein, mid zwar korrespondierend; wenn wir nämlich diejenigen Zellen, zwischen denen sich die eine einschiebt, als erste und zweite bezeichnen, so schiebt sich die andre zwischen der fünften und sechsten ein, beide ihnen zugehörenden Kerne können wir, wie der Querschnitt zeigt, oberhalb der Basalmembran erkennen. Die gleiche Vermehrung der Sehzellen auf zehn konnte ich bei Cidnria hilineata und bei Botis verticalis nachweisen. Auch hier im Bau der Retinula finden wir für die meisten Formen der Nachtfalter, welche am Tage fliegen, dieselben Verhältnisse wie im Auge der Tagfalter: die Zygäniden und Ino statices weisen wie diese eine in ihrem ganzen Verlauf gleichstarke Eetinula auf; während bei Ino statices (s. Fig. 10) die Kerne in der ganzen Ketinula verstreut liegen, zeigen sie bei den Zygäniden eine ganz eigenartige Anordnung (s. Fig. 11): an der Grenze des proximalen Drittels liegen, auf Längs- schnitten deutlich erkennbar, sechs Kerne, während der siebente ins distale Drittel verlagert ist, der achte findet sich wiederum oberhalb der Basalmembran. Ganz anders gebaut erscheint die Ketinula von Macroglossa stella- tarum (s. Fig. 4), schon Max Schultze wies darauf hin, daß sie dem Nachtfaltertypus zugezählt werden muß. Wie bei jenen kommt es nur im proximalen Teil zu einer Khabdombildung innerhalb einer kolbenförmigen Anschwellung, während sich distalwärts die Ketinula fadenförmig auszieht, die sieben Kerne liegen im distalen Ende dieser kolbenförmigen Anschwellung; eine Schaltmembran, die diese als kegel- förmige Gebilde sich über sie erheben läßt, wie Hesse sie beschreibt, habe ich nicht nachweisen können; der achte Kern liegt, wie Hesse es sehr richtig erkannt hat, oberhalb der Basalmembran. Dieselbe Aus- bildung der Ketinula fand ich bei einer tropischen Pseudosphinx, von der ich wohl kaum annehmen kann, daß sie beitage fliegt. Ähnlich gebaut ist die Ketinula der Hesperiden, betrachtet man eine solche (s. Fig. 12) unter dem Mikroskop, so glaubt man diejenige eines Nacht- falters vor sich zu haben. Sie ist achtteilig, was man am Querschnitt (s. Fig. 13) leicht erkennen kann, doch ist sie nur in der proximalen Das Facettenauge der Lepidopteren. 241 Hälfte stärker ausgebildet, während die distale sicli fadenförmig aus- zieht, ein Zählen der Kerne ist dadurch sehr erschwert, daß sie in einem Komplex in knollenförmigen Anschwellungen liegen, die das distale Ende des verdickten Teiles der Retinula repräsentieren. Unter- halb dieser Anschwellung sehen \\är hier deutlich eine Schaltmembran ausgebildet, bis zu der sich das Retinapigment hinaufzieht. Im Bezirk zwischen der Schaltmembran und der Membrana fenestrata sondern die Retinulazellen eine chitinöse Scheide ab, die, entsprechend den Retinulazellen, achtteilig vollkommen rosettenförmig ist und auch im gefärbten Präparat die gelbliche Färbung des Chitins aufweist. Es ist dieses der einzige Fall, wo ich eine derartige Scheidenbildung beob- achtet habe. In der Ausbildung der Retinula schließen sich den Tagfaltern an die Hepialiden, von denen ich Hepialus sylvanus (s. Fig. 14) unter- suchte. Obgleich die Kristallkegel und die Verteilung des Pigments derjenigen der Nachtfalter entsprechen, weisen sie, wie bereits beschrie- ben, eine gelbe Umrandung der Corneafacetten auf, eine typische Eigentümlichkeit der Tagfalter, noch deutlicher aber prägt sich das im Bau der Retinula aus; sie ist in ihrem ganzen Verlauf gleichstark, nur an ihrem distalen Ende allmählich kolbenförmig anschwellend, hier liegen auch die sieben großen Kerne, während der achte oberhalb der Basalmembran gelegen ist. Den gleichen Bau der Ommatidien weisen die gleichfalls am Tage fliegenden Noctuen Euclidia my und glyphica auf. Ähnlich dagegen gebaut erscheint die Retinula von Tortrix viridana (s. Fig. 15) und einer, leider nicht näher bestimmten, Tineide (s. Fig. 16). Für den Bau der Retinula der typischen Nachtfalter möge uns Tryphaena pronuha, dieses bereits oft untersuchte Objekt, als Muster dienen. Alle Nachtfalter gehören der vierten Gruppe Gkenachers an, bei der es nur im proximalen Drittel der Retinula zu einer Rhabdom- bildung kommt, die stets mit einer kolbenförmigen Anschwellung der- selben verbunden ist, weiterhin zieht die Retinula sich fadenförmig aus, erfährt jedoch nochmals eine spindelförmige Anschwellung, in der die Sehzellkerne liegen, um dann fadenförmig in die Kristallkegelhülle überzugehen. Hier bei Tryphaena pronuha (s. Fig. 17) erkennen wir deutlich sieben Kerne in der spindelförmigen Anschwellung, jedoch ein Querschnitt oberhalb der Basalmembran (s. Fig. 18) belehrt uns, daß wir es mit acht Sehzellen zu tun haben und daß dieser achte Kern in jenem zu suchen ist, den Grenacher nicht zu deuten vermag. Bei allen typischen Nachtfaltern ist die Ausbildung der Retinula 242 Wilhelm Johnas, die von Tryfhaena pronuha geschilderte, alle von mir untersuchten Spinner, Eulen und Spanner, mit Ausnahme der oben beschriebenen, zeigten dieselbe Struktur, es würde sich nicht lohnen alle von mir geschnittenen und untersuchten Arten namentlich anzuführen, be- merkenswert 'wäre nur, daß ich bei Cidaria biUneata (s. Fig. 19) und bei Botis verticalis (s. Fig. 20) eine Vermehrung der Retinulazellen auf zehn feststellen konnte, wobei jedoch neun Zellen ihre Kerne in der spindelförmigen Anschwellung tragen, während der zehnte oberhalb der Basalmembran gelegen ist; daß aber auch die zehnte Retinulazelle einen wohlentwickelten Zellkörper aufweist, möge Fig. 21 zeigen, die einen Querschnitt durch die proximale kolbenförmige Verdickung der Retinula von Botis verticalis wiedergibt. Ich will das Kapitel von der Retinula nicht schließen ehe ich nicht noch mit einigen Worten der Ausbildung eines Tapetums Erwähnung getan. In erster Linie müssen wir bei den Lepidopteren die ins Auge eintretenden Tracheen als Tapetum auffassen. Das Auge der Lepidopte- ren ist ebenso wie dasjenige vieler übrigen Insekten stark pneumatisiert ; gewaltige Tracheenstämme treten ins Gehirn ein, sich hier verzweigend, vor allem starke Ausläufer nach dem Retinaganglion entsendend. Am deutlichsten erkennt man sie auf Querschnitten dmxh dieses Ganglion, wo kreisrunde und ovale Öffnungen mit chitinösen Wänden ihre Quer- schnitte darstellen. Bisweilen, auf günstig geführten Schnitten, erhält man ihre Ausläufer im Längsschnitt, wo sie uns als dickwandige Röhren mit spiraliger Struktur und peripher aufliegenden Kernen erscheinen. Der Durchtritt durch die Basalmembran erfolgt stets gemeinsam mit dem ans Ommatidium herantretenden Nervenbündel, dasselbe um- hüllend; wieviel einzelne Tracheenstämme an jedem Ommatidium ein- treten und ob ihre Anzahl für die einzelnen Arten konstant ist, konnte ich nicht feststellen, doch nehme ich an, daß es entsprechend der Zahl der Nebenpigmentzellen sechs sind, wie es mir sowohl für Vanessa urticae (s. Fig. 22) wie auch für Rhodocera rhamni (s. Fig. 2) nach- zuweisen gelang. Wie weit sie sich distalwärts erstrecken, konnte ich nicht erkennen, doch nehme ich an, da sie in dieser Höhe noch eine solche Stärke aufweisen, daß sie bis an die Cornea herantreten. Neben den Tracheen, die als Tapetum wirken, gelang es mir eine Beobachtung der alten Forscher der Vergessenheit zu entreißen. Schon Leydig weist darauf hin, daß der »Nervenstab« einen Farbstoff auf- weise, der in vier Strängen angeordnet ein Tapetum bildet. Max ScHULTZE beschreibt diese Verhältnisse genauer: »Innerhalb dieser Scheide (des Sehstabes) sieht man, unmittelbar hinter dem Kristallkegel Das Facettenauge der Lepidopteren. 243 beginnend, vier karmiiu'ote Fäden verlaufen, deren Farbe nach dem hinteren Ende des Schstabes zu allmählich verblaßt, worauf sie, etwa im hinteren Dritteil des letzteren, dem Beobachter überhaupt entschwin- den.« Seit Max Schultze hat kein Forscher diese Beobachtung be- stätigt, weder Grenacher, noch auch Hesse tun ihrer Erwähnung. An jener brasilianischen Zephyrus-Ait, die ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. med. Beyerle verdanke und die ich bei Herstellung der Präparate nicht entpigmentierte, gelang es mir dieses Tapetum wiederzu- entdecken (s. Fig. 23). In vier purpurroten Strängen zog es sich, am Kristallkegel beginnend, proximalwärts, genau wie Schultze es be- schreibt, weiter verlaufend. Zur Ausbildung gelangen diese das Tape- tum bildenden vier Pigmentstränge innerhalb der Retinula stets an der Grenze zweier benachbarten Zellen. Damit waren aber auch die vier purpurroten Punkte, die ich im Querschnitt der Retinula von CJmjsophanus hippothoe gefunden (s. Fig. 6) und nicht zu deuten ver- mochte, erklärt. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß ich die Ursache dessen, daß kein späterer Forscher es gefunden, darin sehe, daß dieses Pigment äußerst vergänglich ist, da ich es an keinem derjenigen Präpa- rate, die ich auch nur für kurze Zeit der Entpigmentierungsflüssigkeit aussetzte, nachweisen konnte. Pigment und Pigmentwanderung. Die Isolierung der einzelnen Ommatidien erfolgt durchs Pigment. Bereits die ältesten Autoren wiesen darauf hin, daß sich innerhalb des Facettenauges Farbstoffe finden, die je nachdem, ob sie um die Kristallkörper oder direkt über der Basalmembran gelagert verschiedene Tmktion aufwiesen, so beschreibt Müller in seinen »Fortgesetzten Untersuchungen « das Auge einer Ranatra, das in seiner vorderen Partie mit gelbbraunem Pigment beldeidet war, während hinten ein dunkles Pigment auftrat. Bei Lepidopteren beobachtete bereits Treviranus an Rhodocera rliamni eine gelbe Pigmentierung. Leydig, der sich ein- gehender mit der Verteilung des Pigments im Arthropodenauge be- schäftigt und in ihm echte mit Pigment überldeidete Muskelstränge erblickt, glaubt eine Übereinstimmung seiner Färbung mit derjenigen des ganzen Körpers zu erkennen: »so ist es schwarz bei vielen Käfern, graulichgelb bei vorherrschend gelben Schmetterlingen (z. B. Colias edusa), bei oTaubraunen Heuschrecken, z. B. Acridium coerutescens, ist es ebenfalls oraubraun.« Die Arbeit Max Schultzes bedeutet auch in dieser Hinsicht einen Schritt vorwärts; er, der, wie bereits darauf hin^rewiesen, zuerst auf die Unterschiede im Auge der Tag- und 244 Wilhelm Johnas, Nachtfalter hingewiesen, stellte fest, daß bei ersteren sich eine viel intensivere Pigmentierung finde als bei den Nachtfaltern. Eine genaue Beschreibung der Pigmentzellen und ihrer Anordnung gab aber erst Grenacher, der sie in Retinapigmentzellen und Irispigmentzellen erster und zweiter Ordnung, letztere auch als Haupt- und Nebenpigment- zellen bezeichnend, einteilte. In den Augen der Lepidopteren ließen sich leicht alle drei Kate- gorien von Pigmentzellen nachweisen, obgleich, was ihren Bau und ihre Ausdehnung anbetraf, sich zahlreiche Abweichungen vom normalen Typus fanden. Im allgemeinen zeigen die Hauptpigmentzellen keine besonders starke Entwicklung, ihr Pigment erscheint diffus, im Farben- ton nicht selten von demjenigen der Nebenpigmentzellen abweichend, ihre Kerne liegen meist der proximalen Basis der Kristallkegel an. Eine Verlagerung der Hauptpigmentzellkerne distalwärts finden wir, wie bereits erwähnt, überall da, wo es zur Ausbildung eines Processus corneae kommt, so bei Coenotiympha famphilus, Chrysophanus hifpo- thoe und andern, in all diesen Fällen liegen die Kerne etwa in halber Höhe der Kristallkegel. Auf fallender weise findet sich eine gleiche Verlagerung bei Macroglossa stellatarum, schon Hesse macht auf ihre Kleinheit und sonderbare Lage aufmerksam. Wichtiger für die Iso- lierung der einzelnen Ommatidien sind ohne Zweifel die Nebenpigment- zellen, die eine spindelförmige Gestalt aufweisen und sich von der Cornea bis zum proximalen Drittel der Retinula erstreckend den eigentlichen Isolator darstellen. Sie treten stets in der Sechszahl auf und sind stets interstitiell angeordnet, d. h. ein jedes Ommatidium ist von sechs Nebenpigmentzellen umgeben, von denen jede einzelne drei benachbarten Ommatidien angehört. Hesse war der erste, der auf die interstitielle Anordnung der Nebenpigmentzellen bei den Arthropoden aufmerksam machte, er wollte diese Eigentümlichkeit auf alle Gruppen der Insekten ausdehnen, wobei natürlich die Anzahl der Nebenpigment- zellen sehr verschieden sein kann, hat doch Dietrich bei Simulium 48 solcher Nebenpigmentzellen nachgewiesen; Bedau ist es jedoch ge- lungen festzustellen, daß bei Ranatra linearis, Corixa Geoffroii und Naucoris cimicoides ein jedes Ommatidium einen Kranz von Neben- pigmentzellen besitzt, wobei ihre Anzahl meist zwölf betrug. Durch diese interstitielle Stellung der Nebenpigmentzellen kommt es auf Querschnitten durchs Lepidopterenauge zu sehr reizvollen Bildern; die einzelnen Pigmentzellen sind stets dreieckig bedingt dm^ch den Druck, ein jedes Ommatidium erscheint somit von einem sechseckigen Pigment- stern umgeben (vgl. Abb. 20 a). Die Kerne der Nebenpigmentzellen Das Facettenauge der Lepidoptcren. 245 variieren sehr in Form und Grtiße, bald kiigcliu-, bald oval oder gar elliptisch, können sie bei einzelnen Formen, speziell bei Tagfaltern, eine sehr beträchtiiche Größe erlangen (man vgl. Abb. 6), sie liegen meist proximaler, in seltenen Fällen in gleicher Höhe mit den Hanptpigment- zellkernen, bei Tagfaltern ließen sie sich meist an der Stelle nach- weisen, wo die verdickte Retinula sich fadenförmig auszieht; bei den Nachtfaltern war ihre Lage verschieden, doch konnte ich nur in einem Falle, bei Hepialus sylvanus, nachweisen, daß sie distaler als die Haupt- pigmentzellkerne, etwa in halber Höhe der Kristallkegel gelegen waren; einen gleichen Befund ergab die Untersuchung der Hesperiden, wo ich sie wegen ihrer Kleinheit anfänglich überhaupt nicht fand, später jedoch zwischen den Kristallkegeln gelegen nachweisen konnte (vgl. Abb. 12). Die Isolierung der einzelnen Ommatidien wäre keine vollkommene, wemi nicht im proximalen Drittel der Retinula die Funktionen der Nebenpigmentzellen die Retinapigmentzellen übernehmen würden. Mit den Kernen der Basalmembran aufsitzend zieht sich ihr Pigment distal- wärts bis zu dem Punkt, wo die Nebenpigmentzellen aufhören, ihnen entsprechend treten sie gleichfalls in der Sechszahl auf. Schon Schultze wies darauf hin, daß das Nachweisen der Retinapigmentzellen mit großen Schwierigkeiten verbunden sei, da namentlich bei den Tagfaltern ihre Kerne so klein und unscheinbar wären, daß sie nur zu leicht dem Auge des Untersuchenden entgehen; diese Behauptung kann ich voll und ganz bestätigen, bei einer ganzen Reihe von Tagfaltern habe ich trotz genauester Beobachtung keine Spur von Kernen nachweisen können; sie müssen vorhanden sein, da das Retinapigment, das ich in den be- treffenden Abbildungen auch stets eingezeichnet habe, für ihre Existenz zeugt, doch ließen sie sich nicht erkennen, obgleich ich das Pigment auf chemischem Wege fast vollkommen entfernt hatte. Deutlich ge- sehen habe ich sie von Tagfaltern nur bei Rhodocera rhamni (vgl. Abb. 1) und bei Hesperia comma (vgl. Abb. 12). Ganz im Gegensatz zu den Kernen der Nebenpigmentzellen, die, wie erwähnt, bei den Nachtfaltern stets kleiner als bei den Tagfaltern und leichter übersehen werden können, sind die Kerne der Retinapigmentzellen stets deutlich aus- geprägt, selbst in unentpigmentiertem Zustande lassen sie sich bei stärkerer Vergrößerung leicht nachweisen, das läßt sich aber wohl darauf zurückführen, daß die Pigmentierung im Auge der Nachtfalter bedeutend weniger intensiv ist als in demjenigen der Tagfalter, vor allem kommt dieses auf Querschnitten zum Ausdruck, wo wir bei Heteroceren stets das entsprechende Sternmuster wiederfinden, während bei Tag- faltern der ganze Grund gleichmäßig getont erscheint (vgl. Abb. 6). 246 Wilhelm Johnas, Eine sehr eigenartige Ausbildung der Nebenpigmentzellen finden wir bei Rhodocera rhamni. Die Cornea erscheint gleichsam abgehoben vom weiteren dioptrischen Apparat, den SEMPEEschen Kernen und dem Kristallkegel, wodurch eine Verlängerung der Ommatidien bedingt ist; in diesen auf diese Weise zwischen den Ommatidien entstandenen Zwischen- raum schieben sich die in der Höhe der SEMPERschen Kerne fadenförmig verjüngten Nebenpigmentzellen, sich hier zu einem kolbenförmigen Ge- bilde erweiternd, ein, mit ihrem distalen Ende der Cornea eng anliegend. Daß mit einer derartigen Ausbildung der Nebenpigmentzellen eine noch weitere Isolierung der Ommatidien verbunden ist, liegt auf der Hand, und muß man annehmen, daß zwischen innerer Corneaschicht und SEMPERschen Kernen ein Processus corneae bzw. Pseudoconus zur Ausbildung gekommen war, der infolge seiner vielleicht fast flüssigen Konsistenz im Verlauf der Konservierung zerstört worden ist. Was die Farbe des Pigments anbetrifft, habe ich meist dunkle Töne feststellen können, wobei ein Unterschied in der Färbung des Iris- und Retinapigments sich nicht nachweisen ließ. Die Behauptung Leydigs, die Färbung des Pigments stimme im allgemeinen mehr oder weniger mit derjenigen des übrigen Körperinteguments überein, kann ich, wenigstens was die Lepidopteren anbetrifft, nicht bestätigen, ich habe zahllose weiße und gelbe Schmetterlinge untersucht, nie jedoch ein helles Pigment gefunden; die bis auf die beiden kleinen gelben Flecken am Innenrande der Vorderflügel reinweiße Porthesia similis weist z. B. ein tief schokoladebraunes Pigment auf, dasjenige von Pieris napi und hrassicae ist dunkel olivengrün. Während die braunen oder schwärzlichen Töne vorherrschten, konnte ich doch bei einigen Arten Abweichungen konstatieren, so zeigte Botis verticalis eine dunkel karminrote Pigmentfärbung, ein gTelles Purpurrot fand ich gar bei Tortrix viridana sowie sämtlichen von mir untersuchten Hesperiden, am schönsten zeigte sich diese prächtige Färbung bei Hesperia comma (s. Fig. 12). Trotz seiner eingehenden Untersuchungen über die Unterschiede im Auge der Tag- und Nachtfalter hat Max Schultze die Unterschiede in der Pigmentierung nicht genügend gewürdigt, allerdings muß man in Betracht ziehen, daß erst der Versuch, das Pigment auf chemischem Wege aus dem Auge zu entfernen eine Vorstellung von der Resistenz des einen und des andern zu geben vermag. Da ich zwecks eingehender Untersuchung des Baues der Retinula den größten Teil meiner Prä- parate entpigmentierte und sie zu diesem Zweck der GRENACHERSchen Entpigmentierungsflüssigkeit aussetzte, kam ich erst in die Lage Das FacetteiKUige der I.epidopteren. 247 Vergleiche anstellen zu kiiiiiieji. Das Pigment der meisten Nachtfalter: Schwärmer, Spinnei- und Eulen schwand meist binnen wenigen Minuten, ich kam schließlich dazu, solche Formen direkt im Glasschälchen unter dem Mikroskop zu entpigmentieren, da häufig in der angegebenen Zeit das Pigment derart geschwunden war, daß sich auch seine Clrenzen nicht mehr feststellen ließen, ganz anders bei den Tagfaltern und den bereits oft erwähnten am Tage fliegenden Nachtfaltern, wobei wieder die Größe des betreffenden Schmetterlings eine Rolle spielte. Einen Schmetterling von der Größe einer Vanessa mußte icli meist 30 — 45 Mi- nuten in der Entpigmentierungsflüssigkeit lassen, kleinere Formen, etwa Lycäniden, waren dementsprechend rascher entpigmentiert. Dasjenige Pigment, das am längsten der Einwirkung der Salpetersäure widerstand, fand ich im Auge der Zygänen und Macroglossa stellatarum. Drei volle Stunden setzte ich Präparate von Zygaena lonicerae der Einwirkung der Chemikalien ohne jeden Erfolg aus, erst als ich die Mischung verstärkte, hatte ich nach weiteren 4 Stunden den gewünschten Erfolg zu verzeich- nen. Es geht daraus hervor, daß das Pigment im Auge der Rhopalo- ceren und einiger bei Tage fliegender Nachtfalter bedeutend resistenter als dasjenige der Heteroceren, somit wohl auch dem Durchtritt abirrender Lichtstrahlen einen bedeutend gTÖßeren Widerstand entgegensetzt. Die einzelnen Retinulazellen der Lepidopteren weisen im Gegensatz zu den- jenigen vieler andrer Arthropoden kein Pigment auf, die pigmentierte und pigmentfreie Zone, wie sie z. B. bei den Wasserwanzen vorhanden ist, läßt sich allerdings auch hier erkennen, indem wir es mit einem äußeren, dunkler plasmatischen Teil und einem zwischen ersterem und Rhabdom gelegenen, heller plasmatischen Teil, der Schaltzone Hesses, zu tun haben, doch habe ich weder in dem einen noch in dem andern eine Spur von Pigment wahrnehmen können. Eine intensive Pigmen- tierung findet sich dagegen unterhalb der Basalmembran, bei stärkerer Vergrößerung erkennt man es im Retinaganglion um die Nervenscheiden herum angeordnet; da nun die Sehzellen, wie im vorhergehenden Kapitel ausgeführt, an der Stelle wo sie der Basalmembran aufsitzen, diver- gieren, ehe sie sich zur Rhabdombildung zusammenschließen, so er- scheint es nicht wunderbar, daß das Pigment von unterhalb der Basal- membran in diesen Hohlraum hineinragt, wie ich es tatsächlich bei mehreren Formen beobachten konnte; am deutlichsten war diese Er- scheinung an denjenigen Augen ausgeprägt, wo wir es mit einer Ver- mehrung der Sehzellen zu tun hatten, so konnte ich z. B. bei Botis verticalis, wo, wie erinnerlich, zehn Sehzellen vorhanden waren, auf Längsschnitten einen deutlichen Pigmentzapfen in die Retinula Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 17 248 Wilhelm Johnas, hineinragen sehen, während auf Querschnitten der ganze Hohlraum mit Pigment erfüllt zu sein schien. Einen sehr interessanten Befund, die Verteilung des Pigments unterhalb der Basalmembran betreffend, ergab die Untersuchung einer im grellsten Sonnenlicht auf einer Blumenwiese gefangenen und daselbst abgetöteten CoenonympJia pam'phüus: das ganze Ketinaganglion, das erste Opticusganghon, das erste Chiasma sowie das zweite Opticus- ganglion waren intensiv pigmentiert, ja selbst im zweiten Chiasma, das das zweite Opticusganghon mit dem Centralganglion verbindet, ließen sich Pigmentkörnchen nachweisen. Einer derart intensiven Pigmen- tierung unterhalb der Basalmembran entsprach auch die Pigment- verteilung zwischen den einzelnen Ommatidien. Retina- und Iris- pigment bildeten ineinander übergehend einen dichten Pigmentmantel, der die vollkommene Isolierung der einzelnen Ommatidien voneinander zur Folge hatte. Dieser auffallende Befund veranlaßte mich nähere Untersuchungen über die Pigmentverschiebung im Schmetterlingsauge anzustellen. Exnee machte als erster in seiner 1891 erschienenen >> Physiologie der facettierten Augen von Insekten und Krebsen « aufdie seltsamen Wanderungserscheinungen des Pigments im Arthropodenauge aufmerksam, er wies nach, daß wir es mit typischen Dunkelaugen und typischen Lichtaugen zu tun hätten, die allerdings, falls die charakteristi- schen Merkmale nicht deutlich genug ausgeprägt wären, durch Pigment- wanderung ineinander überzugehen vermögen. Die Augen der Lepidopte- ren verfügen nun über ein derartiges Accommodationsv ermögen. Das Auge eines in der Sonne fliegenden Tagfalters befindet sich in der oben beschriebenen Lichtstellung, nur die in die Hauptachse der Kristallkegel, bzw. des dioptrischen Apparates einfallenden Strahlen gelangen zu den lichtperzipierenden Elementen und werden, durchaus voneinander gesondert, von ihnen weiter geleitet. Da, wie eben betont, ein jedes Ommatidium nur den in seine Hauptachse einfallenden Strahl auf- nimmt, so können bei einer derartigen Pigmentstellung lediglich Appo- sitionsbilder im Sinne Exners entstehen, im Auge des Tagfalters, der im Sonnenscheine fliegt, werden sich somit scharfe, aber lichtschwache Bilder darstellen, vor allem wird er Bewegungen wahrnehmen können ; ein jeder Lepidopterologe weiß, daß man sich meist imgestraft einem sitzenden Schmetterling nähern darf, sobald man darauf achtet, daß der Schatten ihn nicht trifft, dagegen wird eine an der Sonne vorüber- ziehende kleine Wolke ihn augenblicklich verscheuchen. Betrachten wir nun das Pigment eines über Nacht im Dunkeln gehaltenen und im Dunkeln abgetöteten Tagf alters: es weist keine wesenthchen Das Facettenauge der Lepidopteren. 249 Veränderungen auf, wohl können wir erkoDiien, daß das Irispigment sich distalwärts zurückgezogen, doch nicht genügend, um Superpositions- bilder zustande kommen zu lassen, da das Retinapigment persistiert. Eine Erklärung dieses auffallenden Problems gibt uns wiederum die Biologie der Tagfaltei-. Nur bei klarem Wetter, möglichst in den heißen Mittagsstunden, wo die grellen Sonnenstrahlen am intensivsten sind, fliegen die Tagfaltei-; ein jedei- Sanmiler weiß aus Erfahrung, daß an trüben Tagen eine Exkursion erfolglos, es sei denn, daß er aus dem Grase, oder von Hecken und Zäunen einen dort luheuden Schmetterling auf- scheucht, der nur wenige Schritte taumelnd dahinflattert. um möglichst schnell sein Versteck wieder aufzusuchen; selbst eine zeitweilige Ver- finsterung der Sonne vermag sie verschwinden zu lassen, und der Samm- ler kann ruhig sein Netz fortpacken, ehe die Sonne nicht wieder zum Vorschein kommt, wird kein Tagfalter seinen Weg kreuzen. Auf einen jeden, der mit den Lebensgewohnheiten der Tagialter vertraut ist, macht es den Eindruck als ob der Tagfalter selbst bei geringer Verdüsterung des Himmels unsicher wird, die bei weiterer Verdunkelung in einen Zu- stand vollkommener Hilflosigkeit überzugehen scheint ; ich möchte diese Erscheinung dem Umstände zuschreiben, daß ihr Sehvermögen mit zunehmender Dunkelheit schwindet, die für lichtschwäche Appositions- bilder eingerichteten Augen vermögen sich nicht anzupassen, sie werden in der Dunkelheit »blind«, ein Eindruck, den man unwillkürlich ge- winnt, sobald man die Gelegenheit hat nachts einen Tagfalter anzu- treffen, er läßt sich ohne weiteres mit den Händen ergreifen, läßt man ihn los, so gleitet er zu Boden, hier mit halbausgebreiteten Flügeln mit den Beinen nach einem Haltepunkt tastend. Ganz anders dagegen verhält sich der Nachtfalter am Tage. Das Absuchen von Zäunen, Dächern, Baumstämmen und andern geschützten Orten nach Eulen, wo sie tagsüber zu ruhen pflegen, muß mit der größten Vorsicht verbunden sein; noch eben denke ich daran, wie ich einst vor vielen Jahren diese Vorsicht lernte. An einem alten Zaune mit dachförmig angelegten Flügeln, von der Unterlage kaum unter- scheidbar, hatte ich eine Catocala nwpta erspäht, sie schien fest zu ruhen, ich legte also das Netz beiseite und wollte sie direkt mit dem Glase abheben, ich hatte mich aber kaum um einige Meter genähert als sie plötzlich blitzschnell zur Seite abstrich. Ein andres Mal hatte ich Gelegenheit eine Catocala fraxini im gi-ellsten Sormenschein um einen Telephonmast flattern zu sehen, es war ein W^eibchen, das offenbar seine Eier ablegen wollte. Derartige Beispiele müßten uns schon von vornherein eine besondere Hochachtung vor dem Sehvermögen der 17* 250 Wilhelm Johnas, Nachtfalter bei Tage abnötigen, und wir werden nicht irre gehen, wenn wir die Lösung dieses Rätsels im Bau ihrer Augen suchen. Und in der Tat, sie besitzen ausgesprochene Superpositionsaugen, die infolge ihrer Lichtstärke ihnen ein gutes Sehen in der Dunkelheit ermöglichen, zugleich können sie aber auch diese Superpositionsaugen vermöge der Pigmentwanderung in Appositionsaugen verwandeln. Das Auge der am Köder gefangenen Eulen zeigte die typische Stellung des Pigments im Dunkelauge: das Pigment der Hauptpigmentzellen persistierte, das der Nebenpigmentzellen war distal verlagert, um die Kerne herum hatte es sich in dichten Massen angesammelt, das Pigment der Retinapigment- zellen . hatte sich proximal zur Basalmembran zurückgezogen, hier wiederum die Kerne dicht umlagernd, auf diese Weise den distalen Teil der kolbenförmigen Anschwellung, sowie den fadenförmig ausgezogenen Teil der Retinula freilassend, das Pigment unterhalb der Basalmembran hatte sich direkt unter der Basalmembran angesammelt, damit wären aber alle Bedingungen geboten, die ein Zustandekommen von Super- positionsbildern, wie sie für ein Sehen bei Nacht erforderlich sind, bedingen. Wie lagen nun die Pigmentverhältnisse eines solchen typi- schen Dunkelauges bei Tage? Eine Porthesia simüis, die ich bei Tage fliegend beobachtet hatte, sollte mir darüber Aufschluß erteilen, und siehe, ich hatte mich nicht geirrt, das Pigment war gewandert, das Irispigment proximalwärts, das Retinapigment distalwärts, auf diese Weise einen Pigmentmantel um die einzelnen Ommatidien bildend, selbst das Retinaganglion, erste Opticusgangiion und Chiasma wiesen eine dichte Pigmentierung auf, das Superpositionsauge war zum Appo- sitionsauge geworden. Nun interessierte es mich, festzustellen, wie weit künstliche Lichtquellen die Pigmentwanderung beeinflussen; ich tötete eine am elektrischen Licht oefangene Psilura monacha an Ort und Stelle ab und konnte feststellen, daß das Auge gleichsam ein Mittel- ding zwischen Superpositions- und Appositionsauge darstellte; das Irispigment hatte seine Wanderung begonnen, es zog sich schlauch- förmig etwa bis zum distalen Ende der kolbenförmigen Rhabdomver- dickung herab, während das Retinapigment in seiner primären Lage persistierte. Aus diesem Befunde muß man schließen, daß das Iris- pigment bei wechselnder Beleuchtung reaktionsfähiger ist als das Retinapigment. Einen weiteren Anhalt für diese Vermutung bot mir das Auge einer in den Abendstunden bei Sonnenuntergang gefangenen Hesperia comma, wo das Retinapigment sich in Lichtstellung, das Iris- pigment dagegen in typischer Dunkelstellung befand (vgl. Abb. 12). Dieser Fall ist auch insofern interessant, als es der einzige ist, wo ich Das P"'aoetten;ium'li'.\(renii(iit. 260 uiitei- (ItMi NachktuutiH'n (Ut Hcptilii'ii nicht allein. Die klciiirn Kluim;- saurier, Rh((niphor}ti/nc/H(s, Ptcrodiicti/lu.s, die sich in ganz aiulier Weise aus den eidechseuälinlieheii Foiinen zu flatternden oder fliegenden Formen umgebildet haben, die ganz auffallend an die Fledermäuse erinnern, zeigen gleichfalls die Kückbildung des Daumens, der wahr- scheinlich in dem vSpannknochen zu suchen ist, welcher, abgewendet von den übrigen Fingern dei' Hand, dem Radius parallel stand. Eine zweite Art der Heterochronie war schon K. E. v. Baer be- kannt, nämlich die proximodistale Entwicklungsrichtung in dem freien Teil der Extremität. Mehnert gibt für die Carinaten an, daß beim Verlaiorpelungsprozeß der Carpus und Tarsus übersprungen werden und das dritte Metacarpale und Metatarsale zuerst den prochondralen Charakter verlieren. Bei den Ratiten — Mehnert hat den afrikanischen Strauß untersucht — soll das Basipodium nicht übersprungen werden. Die Angaben desselben Autors, daß bei Emys das Metapodium dem Basipodium in der Verknorpelung voraneilen soll, sind bereits von Rabl und Sewertzoff dahin korrigiert worden, daß zuerst das Ulnare und Fibulare verknorpeln und dann das vierte Basale und Metacarpale bzw. Metatarsale, die in der unmittelbaren Verlängerung der beiden erstgenannten Knorpel gelegen sind. Und auch für die Carinaten soll im folgenden gezeigt werden, daß bei der ersten Büdung von hyaliner Grundsubstanz in proximodistaler Richtung kein Abschnitt der Ex- tremität übersprungen wird. Als ich von 5- und Ötägigen Embryonen der Ente die Serien- schnitte der gleichseitigen Extremitäten desselben Individuums auf denselben Objektträger auflegte, fiel mir bald auf, wie in der histolo- gischen Differenzierung die hintere Extremität der vorderen schon zeitig voraneilt. Nach der Zusammenstellung von Mehnert findet sich bei allen Wirbeltieren, soweit sie Extremitäten besitzen, ein Vor- auseilen in der Entwicklung der vorderen Extremität gegen die hintere. Nm' die Anuren unter den Amphibien und die Ratiten unter den Vögeln zeigen das Umgekehrte. Besonders schön tritt diese Heterochronie bei den Ratiten an einem Embryo hervor, den der jüngere Parker in seiner großen Monographie von einer Afteryx aitstralis abbildet. Der Embryo entspricht nach den Angaben Parkers in seiner Ent- wicklung etwa einem 4 Tage alten Huhn. Der vordere Extremitäten- wulst erstreckt sich über den 17.— 19. Urwirbel, der hintere aber vom 28. — 36. Urwirbel. Sobald sich also die Extremitätenanlagen differen- ziert haben, zeigen sie den auffallenden Größenunterschied, der für das erwachsene Tier so charakteristisch ist. Mehnert macht bei dieser 18' 266 Felix SiegUjaiier, ZiLsanimenstellung keine Angaben über die Caiinaten. Wohl aber zitiert er an einer andern Stelle den Satz v. Baer aus der Entwick- lung des Huhnes: >> Bisher ist die Entwicklung beider Extremitäten einander gleich, mit dem Unterschied jedoch, daß die hintere immer in der Entwicldung zurückbleibt.« Mit dem »bisher« ist gemeint — wie sich aus dem Zusammenhange ergibt — ■ der Zeitpunkt, bis zu dem die Fingerstrahlen sich bilden. Ich habe bei der Hausente nm*, soweit exakte Messungen möglich sind, die gleiche Größe auch in der ersten xVnlage der vorderen und hinteren Extremität finden können. Ich habe direkte Messung und Messungen an genauen Umrißzeichnungen versucht. Die Urwirbelbreiten sind in den verschiedenen Regionen des Rumpfes verschieden, sie können als Maß nicht gut verwendet werden, besonders dann, wenn die Größenunterschiede nicht derart sind wie bei den Ratiten. Beim Huhn habe ich bei Messungen manch- mal die vordere, manchmal die hintere um ein ganz geringes größer gefunden. Es wäre immerhin möglich, daß abgesehen von der Größe der ersten Extremitätenanlage bei den Carinaten infolge der mächtigen Entwick- lung der Schultergürtelmuskuiatur die proximalen Teile der vorderen Extremität in der Entwicklung voraneilten. Unterarm und vor allem die Hand der Vögel, selbst solcher Formen wie der Kolibri und Mauer- segler mit ihren enorm verlängerten Unterarm- und Fingerknochen, sind mit Rücksicht auf die Zahl ihrer Elemente als rudimentäre Gebilde anzusehen. Sie sind nur zur Stütze und zum Hebelwerk einer überreichen Integumentformation geworden. An die Stelle der Phalangen, wie sie den Fledermausflügel stützen, sind stark vergrößerte Hautpapillen, die Schwungfedern, getreten, und die ganze korrelative Wachstumsenergie hat sich gleichsam auf das Corium und die Epidermis konzentriert. Nun werden rudimentäre Organe im allgemeinen auch rudimentär an- gelegt, und damit erklärt es sich, wenn die distalen Skeletteile des Vogelflügels in der Entwicklung zurückbleiben gegen die des ki'äftig entwickelten Beines i. 1 Es wäre das ein »individualisierter Reduktionsprozeß «, wie ihn SßWEETZoFF auch bei Seps tridadyla neben einem die ganze Extremität betreffenden Reduk- tionsprozeß unterscheidet. Sewertzoff findet nämlich anfangs die Extremitäten von Sefs nur sehr wenig kleiner als die von Ascalobotes, später aber bleiben sie auffällig zurück. Die vordere Extremität zeigt dann speziell an der Hand ähn- liche Reproduktionsprozesse wie der Vogelflügel, auf die noch später eingegangen werden soll. Diese Reduktionsprozesse setzen bei Seps mit viel größerer Inten- sität als der allgemeine, ein und Sewertzoff schließt daraus: »Dieser Umstand Zur Kntwirklimi; der VoL'rloxtnMiiität. 267 Nach Angabe dieser divi Können der HottMoclironic, welche die Extremitätenentwicklunu' bestininien. gehe ich zur Mitteihing der spezieUeu Befunde über. Vorauszuschicken habe ich nur noch einige Angaben über das verwendete Material. Die Untoisuchungen gründen sich vor allem auf Embryonen der Hausente. Die Wasservögel, speziell die Anatinae vmd Anserinae, nicht Cygnus. nehmen, wie auch Fürbringer hervorhebt, eine verhältnis- mäßig tiefe Stellung im System ein, und im Zusammenliang damit steht es vielleicht, daß, wie Rabl immer wieder betont, die Ente viel klarer zu embryologischen Untersuchungen als wie das klassische Objekt, das Haushuhn, ist. Und gerade dadurch, daß mir mein Vorstand eine geschlossene Reihe von gut konservierten Entenembryonen ziu- Verfügung stellte, an welchen ich die mikroskopischen Untersuchungen zuerst begami, hatte er mir ein Material gegeben, das, wie die Folge lehrte, immer mehr und mehr sich vor den andern untersuchten Formen bewährte. Nach der Methode von van Wime und Spalteholz hergestellte Total- präparate machten mich zuerst beim Huhn auf die frühe Entwicklung des Ulnare aufmerksam. Dann habe ich selbst eine ganze Reihe von Hühner- und Enten- embryonen konserviert und von Herrn Prof. Held und Herrn Dr. Kose eine Anzahl von Entenextremitäten zur Verfügung gestellt bekommen, wofür ich ihnen auch an dieser Stelle bestens danke. Vor allem habe ich aber Herrn Prof. Erik Müller in Stockholm für das große Entgegenkommen zu danken, mit dem er meine Bitte um Pinguinmaterial erfüllte. Bereitwilligst sandte er mir eine ganze Reihe tadellos fixierter Embryonen vom Pygoscelys fafuci, die mir für die Entwicklung des Skeletsystems der Vogelextremität, vor allem der vorderen, wertvolle Aufklärung brachten. Die Angabe des Alters nehme ich bei der großen Variabilität, die im Brutapparat entwickelte Eier eines domestizierten Vogels zeigen, nur ganz allgemein nach Tagen vor. Ich habe überwiegend linke Extremitäten imtersucht und die meisten Formen horizontal, also von der dorsalen zur volaren, bzw. plantaren Seite der Extremität in einer Dicke von 12 /< geschnitten. Mehnert gibt an, die Serien sollen 20—30/« dick sein, um die Knorpel- centren erkennen zu können. Ich habe daraus keinen besonderen Vorteil gezogen. Die schönsten Bilder bekam ich mit Durchfärbung weist auf eine gewisse Selbständigkeit (Individualität) in der phylogenetischen Entwicklnns: der einzelnen .Skeletelemente hin. 268 Felix .SiegU.auer, der ganzen, in ZENKERscher Flüssigkeit konservierten Extremitäten im ÜELAFiELDschen Hämatoxylin, das ich Herrn Dr. Geäper in einer ganz vorzüglich hergestellten Qualität verdanke. Dadurch war es mir vor allem möglich, die ersten Bildungen hyaliner Grundsubstanz nach- zuweisen und so das Ulnare und Fibulare in seinem ersten Auftreten zu erkennen. Vordere Extremität. 1. Anas boscJias dorn. 5. und ü. Tag. An der Extremitätenanlage sind in der äußeren Form Oberarm einerseits, Unterarm und Hand anderseits durch Ausbildung der gegen- seitigen Winkelstellung deutlich zu erkennen. Während der kurze Oberarmstumpf fast frontal steht, ist der distale Teil der Extremität an der Stelle des künftigen Ellbogengelenkes ventral und zugleich caudal abgebogen, so daß er der Leibeswand in caudaler Kichtung anliegt. Die Handplatte ist an der starken Wölbung des präaxialen Kandes ebenso zu erkennen wie an einer seichten Kerbe, die der ulnare Rand trägt. Das Schnittbild (Textfig. 1) zeigt, daß der Humerus bereits ins Vorknorpelstadium eingetreten ist, während die Anlage des Zeugo- und Autopodiums zwei Säulen dicht gedrängter Zellen bildet, die proxi- mal zusammenhängen, distal aber mit abgerundeten Enden frei in der bindegewebigen Grundmasse der Handplatte enden i. Die beiden Säulen umfassen zangenartig die Art. interossea, deren Durchschnitte näher dem radialen Aste der Zeugopodiumanlage gelegen sind. Dabei ist der radiale Ast dem konvexen präaxialen Rand entsprechend abge- bogen und etwas kürzer und dicker als der gestreckt verlaufende ulnare Ast, dessen distales Ende aufgetrieben ist, im Gegensatz zu dem des radialen. Der Ramus dorsalis der Art. interossea tritt zwischen den beiden Zeugopocüumanlagen hindurch, um dorsal über das distale Ende des radialen Astes hinweg einen ulnar gerichteten Bogen zu bilden, von dem zahlreiche Capillaren in die HocHSTETTERsche Rand- vene führen. Im proximalen Teil des ulnaren Astes läßt die quere Parallel- stellung der Kerne eine kurze prochondrale Anlage der Ulna erkennen, während im gleichen Stück des radialen Astes eine Radiusanlage nur 1 Bereits Meiinert gibt für Huhn und Strauß das freie Ende der beiden Zeugopodienäste an. Rabl hat dasselbe bei Triton, Sewertzoff bei Ascalobotes gefunden. I Zur Enlw ickluii'' dci' Vouelexticmiliil. 2«3l) »-;-f u A.i.---- nanz luuleutlic'h sich differenziert liat. Die distalen ab^ierundeten Enden, die viele Zellteihui^en zeigen. r(>präsentieren die Anlage der Hand, so daß also in den beiden Zellsäulen sowohl Zengo- als Autopodiunian- lage enthalten sind. Textfig. 2 zeigt Radius und Ulnaanlage etwas deut- licher — ■ der Embryo war etwas älter als der zuerst beschriebene — . Vor allem sind die distalen Enden der zangenartigen Skeletanlage nun deutlich aufgetrieben. Das radiale Ende ist ent- sprechend dem konvexen Rand der Extremität abge- bogen und repräsen- tiert die Anlage des zweiten und dritten Fingers, während das ulnare Ende weiter distal vorragt und vor „ allem dem vierten und auch dem fünften Fin- ger entspricht. Das zeigt sehr gut die fol- ( 7> gende Textfig. 3, die \ J von einem viel weiter vorgeschrittenen Sta- dium stammt. Die kurzen breiten An- UmvißzeichmiiiK zn Textfis?. 1 — 3. Textfig. 1. Euto, 6. Tag; linke, vordere Extremität. 35nial vergr. R. 17. /i \ \ - ¥ m Textfig. 3. Textfig. 2. lagen von Radius und '^'f; '■ ^^.f "f •^' ^"°^'i^'-^ ^"*'^; '-""f^; ünke vordere ex- o Extremität. 35mal vergr. tremitat. 35mal vergr. Ulna sind deutlich ins prochondrale Stadium eingetreten, die Anlage der ülna ist etwas breiter. In ihrer distalen Fortsetzung liegt eine breite Zellplatte, die mit vier stumpfen Höckern endet, von welchen der dritte der am deutliclisten hervorragende ist. In diese Gewebsplatte ragt als ein Rest der ihre beiden Anlagen trennenden Spalte ein Zug hellen Mesenchyms hinein, der die Anlage des Z\vischenknochenraumes im 270 Felix Sieglbauer. ulnar wärts offenen Winkel fortsetzt. Diese Abscliwenkung der ganzen Handanlage ist vielleicht das am meisten in die Augen springende in dem Stadium. Sie zeigt, wie die für die Funktion des Vogelflügels so wichtige ulnare Abduktion schon in diesen Stadien beginnt, und aus den weiteren Zeichnungen ist zu entnehmen, wie sie mit der Entwicklung immer mehr und mehr zunimmt, um beim auslaiechenden Vogel einen Winkel von etwa 40 — ^60 "^ zu erreichen. Die während der embryonalen Entwicklimg immer mehr zunehmende ulnare Abduktion im Hand- gelenk ist von bestimmendem Einfluß auf die Ausbildung der Carpal- elemente und auch der Finger. Schon Leighton ist darauf aufmerk- sam geworden und hat die eigentümliche Stellung des Ulnare auf die mechanische Druckwirkung der ulnaren Abduktion zurückgeführt. Maximale ulnare Abduktion im Handgelenk ist vor allem für die Kuhe- stellung des Flügels charakteristisch. Hier ist sie zwangsweise ver- bunden mit der Beugung im Ellbogengelenk. Henke hat bereits auf diese für Reptilien und Vögel eigentümlichen kombinierten Be- wegungen im Hand- und Ellbogengelenk hingewiesen, die zu einer Längenverschiebung zwischen Radius und Ulna führen. Am Vogel- flügel ist am pi'oximalen Ende von Radius und Ulna für diese Bewegung ein Gelenk vorhanden, distal aber nur ein starkes, dehnbares Band. Neben diesem durch die Funktion vererbten Moment könnte man vielleicht als Ursache für die ulnare Abduktion die raumbeengende Eischale anführen, die alle Gelenke zu starker Beugestellung zwingt. Der zum Ruder umgewandelte Flügel des Pinguin zeigt auch in der Ruhelage eine nur geringe ulnare Abduktion im Handgelenk. Während der Entwicklung kommt in gleicher Weise das Moment der ulnaren Abduktion viel weniger zur Geltung. Das zeigt, daß der zuerst oben angeführte Grund der Mächtigste für die eigentümliche Stellungsände- rung in der Handentwicklung ist. Es kommt, vom 12. und 13. Tage angefangen, zu dieser ulnaren Abweichung noch eine volar gerichtete geringe Beugung im Hand- gelenk hinzu, die wohl rein auf die Raumbeengung innerhalb der Schale zurückzuführen ist. Der erwähnte Mesenchymkanal teilt die Handanlage in zwei ganz ungleiche Teile: der radiale ist viel breiter und weniger differenziert, er enthält vor allem die Anlage des dritten Fingers, des stärksten der Hand. Durch die ulnare Abduktion setzt sich von diesem Teil der Handanlage das distale Radiusende etwas schärfer ab; dort entsteht am 7. Tage ein stumpfer Höcker, der von den Autoren als Anlage des sich nicht weiter entwickelnden ersten radialen Finaiers uedeutet Zur KiUw icklunir iler \'(loxtr(Mnit;it. '211 da der erste Finger fehlt, um das luterniedioradiale distal herum und, gedeckt von der Sehne des M. extensor metacarpi radialis' auf die dorsale Seite des dritten Basale, um hier anzusetzen. So kommt die Sehne des rein volaren Muskels infolge Fehlens des ersten Fingers zwischen Radius und der Tuberositas nietacarj)i II hindurch auf die dorsale Seite des Carpus. Der Muskel ist ein Synergist des M. extensor metacarpi radialis, und auch für seine Sehne ist dei- ladiale Hand- wurzelknochen Hebelpunkt. Und weiter ist nicht zu übersehen, daß sich bei vielen Carinaten ein Sesambein, das bei den Eulen z. B. voll- kommen verknöchert, in die Sehne des M. propatagialis longus ein- schalten kann, das gleichfalls am Außenrande des radialen Handwurzel- knochens Lager und Halt findet. Noch ein Knorpel ist in dieser Zeit entwickelt. Er liegt nach außen von der ülna, etwas proximal und vollkommen palmai" vom Ulnare, dasselbe zugleich etwas ulnar überragend. Norsa hat ihn zuerst als Pisiforme erkannt. Das bedeutet in der Auffassung des Vogelcarpus einen großen Schritt vorwärts. Gegenbaur hat das Pisiforme nicht zu den kanonischen Elementen des Carpus gezählt, sondern in die accessorischen Elemente eingereiht i. Vielfach wird es als ein rudi- mentärer Strahl, als ein Postminimus im Sinne Baedelebens auf- gefaßt. Norsa hat im Anschluß an Emery mit allem Nachdruck betont, daß das Pisiforme in seiner palmaren Lage einen typischen Bestand- teil der Handwurzel eines dactylopoden Wirbeltieres bilde und daß aus ihm beim Vogel der ulnare der beiden Handwurzelknochen hervor- geht. Diese Auffassung ist vollkommen richtig, und das überraschende Resultat, daß das Pisiforme zu einem so wichtigen Bestandteil der Handwurzel werden soll, erklärt wohl, warum sich die neueren J^ehr- bücher der vergleichenden Anatomie so abweisend gegen diese Auf- fassung verhalten haben. Wenn man die funktionelle Bedeutung ins Auge faßt, die das Pisiforme im Gelenkmechanismus des Flügels hat, dann läßt sich auch vom physioloischen Standpunkt aus diese Auf- fassung des ulnaren Handwurzelknochens stützen. Die Hauptbewegung im Handgelenk des Vogelflügels ist, abge- sehen von geringen Drehbewegungen, die ulnare Abduktion und die 1 Wühl aber hält Gegenbaur das Pisiforme für ein sehr altes Carpalelement, das seine Konservation hauptsächlich der Einlagerung in die Sehne des M. ulnaris internus verdankt. Fürbringer rechnet das Pisiforme zu den skeletogenen Sesamkörpern, »Sesamgebilde, welche aus ursprünglich bedeutsamen, weiterhin aber einem regressiven Prozeß verfallenden Skeletelementen hervorgegangen sind «. 278 Felix Sieglbauer, ihr lückläufige Bewegung, die nicht bis zur vollkommenen Aufhebung dieser Abduktionsstellung möglich ist. Schon früher wurde erwähnt, daß diese Bewegmigen durch das eigentümliche Schiebegelenk zwischen Radius und Ulna zwangsweise verbunden sind mit der Beugung und Streckung des Ellbogengelenkes. Die Muskeln, welche diese ulnare Abduktion beherrschen, sind der M. flexor carpi ulnaris und sein Anta- gonist, der M. extensor metacarpi radialis (Hoffmann). Der erstere setzt, wie überall, wo ein Pisiforme gut ausgebildet ist, an demselben an. Das Pisiforme articuliert einerseits mit der Ulna, anderseits durch eine schienenartige i Gelenkverbindung mit dem ulnaren Rande des Carpometacarpus. Der letztere steckt wie in einer Scheide mit seinem Außenrande in dem Pisiforme. So wird schon durch die Ge- lenkverbindung verhindert, daß der Luftdruck, der vermittels der Schwungfedern wie mit mächtigen Hebeln an dem Handgelenk wirkt, dasselbe durch Auswärtsdrehen luxiert oder zerreißt. Starke Bänder sichern weiter das Gelenk, und vom M. flexor carpi ulnaris wird schon von Prechtl angegeben, daß er vor allem zum Schutze des Hand- gelenkes zu dienen habe. Er ist in eine derbe Fascie eingehüllt, die mit dem starken Lig. humeroulnare, eigentlich humeropisiforme, dem rudimentären sehnigen Teil des M. flex. digit. subl. verschmilzt. An der Fascie sind die Armschwingen mit ihren Kielen befestigt. Wie mächtig der Druck der Federkiele der Schwungfedern beim Fluge auf den als Unterlage dienenden Knochen ist, zeigen die Riefen am Außen- rande der Ulna, die bei vielen Vögeln stark ausgebildet wie Gelenk- gTuben für die Federkiele erscheinen. Der M. flex. carpi ulnaris faltet bei seiner Zusammenziehung durch die ihn bedeckende Fascie die Schwungfedern des Unterarmes in der Art, daß er die vorderen unter die hinteren schiebt. Der Muskelbauch des M. flex. digitorum sublimis ist bei den meisten Vögeln verloren gegangen oder an seiner Oberfläche in einen sehr starken Bandzug lungewandelt, der vom ulnaren Epicondylus humeri zur volaren Fläche des Os pisiforme (Proc. uncinatus) führt, das Lig. humeroulnare volare der Autoren. Gadow bemerkt, daß die Elastizität des Bandes allein Hand und Flügel in Beugestellung zu halten vermag und daß seine bei der ober- flächlichen Lage leichte Durchschneidung die grausame Flügel Ver- stümmelung unnötig machen würde, welche für Vögel in der Gefangen- schaft angewendet wird. Der Muskelbauch selbst ist bei der Ente 1 Die Schiene wird durch einen Fortsatz erzeugt, den das Pisiforme volar- wärts entsendet und der in der Literatur als Processus uncinatus angeführt wird. Zur Kntw ickluiiü; der Voarelcxtrcmilät. 27!) i2;anz uubedeuteiid luul, vollkoiiiiucn bedeckt vom Lijj;. liuiucioiilnare, an der radialen Seite des M. flex. carpi nlnaris gelegen und zum Teil mit ihm fest verbunden. Daß das Band nm- einen Teil der Fascie des M. flex. carpi ulnaris bildet, wurde oben erwähnt. Das Band setzt an der volaren und radialen Seite des Pisiforme (Proc. uncin.) an und deckt eine schmale Sehne, die einzige Fingersehne, welche der rudi- mentäre M. flex. digit. subl. zum dritten Finger entsendet. Sie liegt N.u ulnar Ram. eilt. - ^^ "^^ Flex.c.u.- -. / Pisiforme . subl. III.- ^ /' ^:^ N.U.. o--':^ volar ^Z';,~r^~^^ Flex. Prof. III. - y "^^v.,. N.int.-'\ /,- Metac.III. -- A.int.d. Metac. u. Tuber metac. II. radial Textfig, 7. Ente, 15. Tag; Querschnitt durch den rechten Carpometacarpus in der Höhe des Proc. ixtusc. Metacarpi III (recte Os. basal 4). Abk.: Flex.c.u., Flexor carpi ulnaris; Ext-c.u., Extensor carpi ulnaris; Flex.subl.III, dritte Fingersehne des M. Flexor digit. sublimis; Flex.prof.III, dritte Fingersehne des M. Flexor digit. profundus; Proc., Processus muscularis metacarpi III (reet^ ossis basalis 4). in ihrem weiteren Verlaufe durch Bandmassen festgehalten in der Furche an der radialen Seite des Proc. imcinatus oss. pisifor. Topographisch sei noch angegeben, daß der N. interosseus (Media- nus der Autoren) unmittelbar radial neben der Fingersehne des M. flexor digit. sublimis verläuft, was am Querschnitt (Textfig. 7) ebenso zu sehen ist, wie die Lage der einzigen Fingersehne des M. flex. digit. profundus, eines starken Unterarmmuskels zum Process. muscularis metacarpi III. Dieser bei manchen Vögeln, z. B. Gallinacei, Rapta- tores, stark ausgebildete Höcker gibt den Hebelpunkt für die Sehne des tiefen Fingerbeugers ab, und hat dieser Ursache wohl auch seine Entstehung zu verdanken. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 19 280 Felix Sieglbauer, Für das Pisiforme und seine funktionelle Bedeutunji kommen noch mächtige Bandmassen an der volaren Seite des Carpus hinzu. Seine palmare Seite ist zunächst mit dem distalen Radiusende durch eine Bandmasse verbunden, welche die Beugesehnen überbrückt und festhält. Ferner strahlen von ihm — und das ist von besonderer Wichtigkeit drei aponeurotische Bandzüge aus gegen den ulnaren Rand des dritten Metacarpus. Sie bedecken den M. ulnametacarpalis dorsalis von der volaren Seite und sind mit den mächtigen Hand- schwingen fest verwachsen. Rechnet man noch hinzu, daß das Lig. carpi internum das Pisi- forme an das Intermedioradiale heftet, so kann man der ganzen Schilde- rung, wie ich glaube, entnehmen, daß es richtig im Centrum all der auf das Handgelenk einwirkenden Kräfte steht. Nach dieser langen Abschweifung, die durch die Bedeutung, welche das Pisiforme in der Handwurzel der Vögel hat, gerechtfertigt er- scheinti, kehre ich zur Beschreibung der Taf. XIII, Fig. 4, zurück. Die vier Metacarpalia sind alle knorpelig. Sie zeigen in ihrer Richtung noch eine leichte Divergenz in Erinnerung an die Vorfahren von eidechsenähnlichem Habitus. Das radiale Metacarpale ist sehr kurz, ebenso die ihm zugehörige Fingeranlage. Im dritten und vierten Finger ist je eine proximale Phalange entwickelt. Während das skeletogene Gewebe des dritten Fingers an der Spitze gegen die Randvene scharf abgegTenzt erscheint, geht die des vierten Fingers dorsal über die Randvene hinweg kontinuierlich in die Cutisanlage der Haut über. Gleiches gilt auch für die ganz kurze fünfte Fingeranlage, nm' geht sie palmar von der Randvene Hochstetters hinweg. Ich habe ähnliches auch an der vierten Zehe des Fußes gesehen. Die vierte Fingeranlage erscheint durch diese Randverbindung länger als die dritte, und doch ist ihr Metacarpale bedeutend schwächer, die proximale Phalange viel kleiner als am dritten, ein Zeichen des schon jetzt einsetzenden Rudi- mentärbleibens des vierten Fingers. Das knorpelige fünfte Metatarsale, das Rosenberg ebenso wie die Basalia an der Vogelhand entdeckte, stellt einen kleinen Knorpelstab dar, der distal vom Basale 4 und 5 gelegen ist in einiger Entfernung vom vierten Metacarpale. Er liegt eingebettet in das das Pisiforme umgebende Perichondrium. 1 Bei den Ratiteu ist im Gegensatz zu den Carinaten das Pisiforme klein oder kann ganz fehlen Avie bei Aptery.v anstralis vind Oweni. Da die Flügel bei den Ratiten wenig oder gar nicht in Funktion treten, so ist auch damit die Bedeutung gekennzeichnet, die das Pisiforme im Carinatenflügel besitzt. Zur Entwiokhiim der X'oiiok'xtr.^mitä'.. 281 9. Tag. Fig. 5, Taf. XIII. Die unregelmäßig vierseitige Form der Handplatte ist noch er- halten. In der Ausbildung der Carpalelemente ist insofern der Höhe- punkt erreicht, als sich von nun an regressive Veränderungen in Form von Eückbildung und Verschmelzung einzelner Carpalia bemerkbar machen. Das Ulnare stellt einen ovalen Knoipelkern dar, der sich gegen das Basale 4 und 5 deutlich abgrenzt und nach außen von dem distalen Uinaende gelegen ist. Radial trennt ihn ein hellerer Ge- websstreifen vom Centrale. Zugleich liegt das Ulnare dorsal vom Pisiforme. In dieser Lage wurde es von Zehntner bei Cyfselus melba erkannt. Die Angabe wurde dann von Norsa in Zweifel gezogen, vielleicht weil Zehntner über den palmar liegenden Knorpelkern des Pisiforme keine weiteren Angaben machte. Er hält den ulnaren Carpalknochen des erwachsenen Tieres für ein Intermedioulnare, ähnlich wie Gegenbaur und Rosenberg. Während aber die beiden letzteren den radialen der bleibenden Handwurzelknochen als einfaches Radiale auffassen, sucht Zehntner in ihm noch ein Centrale. Er gibt ausdrücldich an, daß er in der Deutung der beiden Carpalia sich noch weitere Untersuchungen vorbehalte. Norsa hat das eigentliche Ulnare gar nicht gefunden. Sie erwähnt dessen Zusammenhang mit den Basalia 4 und 5 nicht und hält das Lig. carpi internum für das Ulnare. In der ganzen Entwicklung ist das Ulnare nie an der Stelle des faserigen Meniscus des Lig. carpi internum gelegen, sondern immer ulnar nach außen davon. Leighton hat bei Sterna Wilsoni zuerst angegeben, daß der Knorpel- kern im Ulnare am frühesten auftrete. Er hält aber diesen Knorpelkern zusammen mit dem Pisiforme anfangs für ein einheitliches Stück von keilförmiger Gestalt, das dann in ein proximales und in ein distales Stück zerfällt, von denen das erstere das letztere im Wachstum stark überflügelt. Aus der Beschreibung des Wachstums ist zu erkennen, daß er die beiden Knorpelkerne des Ulnare und Pisiforme bei Sterna Wilsoni deutlich gesehen hat. Nur ist seine Deutung insofern un- richtig, als er in den beiden Knorpeln wie Parker ein Ulnare-Centrale sieht. Und zwar hat er wohl das Pisiforme für das Centrale gehalten, denn vom Ulnare gibt er ganz richtig an, daß es durch den Druck der ulnaren Abduktion kleiner geworden ist. Bezüglich der übrigen Anlage der Carpalia hat sich gegen das vorhergehende Stadium nicht viel geändert. Nur das Basale II hat sich von dem viel breiteren Metacarpale II deutlich gesondert. Im 19* 282 Felix iSieglbauer, vierten und fünften Basale findet sich ein deutlicher Knorpelkern, noch nicht im dritten und nicht im zweiten. Von den Metacarpalia sei nur der zweite hervorgehoben. An der radialen Seite seiner Basis beginnt nun die Entwicklung des Höckers, an welchem die Sehne des starken M. extensor metacarpi radialis (Hoffmann) ansetzt. Dadurch bekommt der Mittelhandknochen die Form, die er schon bei der Ärchaeopteryx besitzt, bei der die drei Metacarpalia noch beweglich waren. Der Höcker ist eine funktionelle Anpassung an den Zug des kräftigsten Antagonisten des M. flexor carpi ulnaris. Der M. extensor metacarpi radialis bewirkt, das Intermedioradiale als Hebelpunkt be- nutzend, die Streckung des Flügels und damit das Ausbreiten der Handschwingen. Ich glaube nicht, daß er, wie manche Untersucher, z. B. Parker, meinen, ein Präpollex oder nach Norsa ein Pollex- rudiment darstellt. Die starke Entwicklung des Höckers am kurzen Metacarpale, z. B. der Raptatores, der Psittaci legt den Gedanken an ein Fingerrudiment ja nahe. Funktionelle Anpassung, wohl durch geschlechtliche Zuchtwahl, ist es auch, wenn sich dieser Höcker beim südamerikanischen Hirtenvogel {Chauna chavaria) zu einem mächtigen Sporn entwickelt, wie sich ein ähnlicher auch an der palmaren Seite des distalen Endes des verwachsenen dritten und vierten Metacarpale findet. Der Sporn muß nicht, wenn er auftritt, immer an derselben Stelle auftreten wie die Sporengans (Plectropterus) zeigt, bei der das Intermedioradiale in einen starken nach vorn gerichteten Sporn aus- gezogen ist. 10. Tag. Taf. XIII, Fig. 6. Die Handanlage läßt immer deutlicher den werdenden Flügel er- kennen. Dadurch, daß die distalen Enden von Radius und Ulna, die anfangs auseinander wichen, sich nähern — mit der Annäherung hängt die konvexe Krümmung der Ulna zusammen — . verschmälert sich die Gegend der Handwm'zel. Durch die Verlängerung der Mittelhandknochen, vor allem des dritten und vierten, und durch ihre zunehmende Parallelstellung wird die Handanlage schmal und lang. Ihr Rand zeigt große Veränderungen. Während ihr radialer Rand früher noch nach außen abbog, geht er nun in der Fortsetzung des Unterarmrandes glatt fort. An der Spitze des zweiten Fingers aber schneidet er tief in die Handanlage ein und läßt, durch eine schmale Schwimmhautanlage mit der übrigen Hand verbunden, zunächst die letzte Phalange frei hervortreten. Später wird auch die Grundphalange des zweiten Fingers in diesen radialen Zur KiUw ic-khincr «lor V(>;jrcl(>\ln niität. 283 klemereii Teil der Handanlage aufgenonuuoii. Indem dann die beiden Phalanoen oleiclisani in Kompensation zur ulnaren Abduktion gesell ihre Metacarpalia immer mehr in die radiale Abduktionsstelluni!; ge- langen. bekommt dieser Finoor eine solche Ausnahmestellung; zur übrigen Hand, daß man sich nur schwei' von der Vorstellung frei- machen kann, hier nicht den Daumen einer fünflingerigen Hand vor sich zu haben. Die Ausbildung und Bedeutung der Alula als Lenk- fittich, wie ihn Prechtl aufgefaßt hat, hat wohl den beiden Phalangen ihre Sonderstellung gegeben. Das Metacarpale reiht sich durch seine Verwachsung den übrigen Metacarpalia ein. Die Spitze des größeren ulnaren Teües der Handanlage, welche die übrigen drei Finger enthält, wird von den Endphalangen des dritten Fingers gebildet. Der ulnare Band der Hand zeigt, wenn wir von der Spitze des Flügels weitergehen, zunächst eine gut ausgebildete Ecke. Auf den Fig. 6 und 7 der Taf . XIII mit X bezeichnet. Proximal davon wölbt er einen stumpfen Höcker vor. In letzterem liegen die rudimentären Phalangen des vierten Fingers, während die distale Ecke eine rudimentäre Krallenanlage dar- stellt, an der die Verhornung früher einsetzt als an den Endphalangen des zweiten und dritten Finoersi. 1 Diese rudimentäre Krallenaiilage am vierten Finger, an dem man noch während der Ontogenese eine Rückbildung der Phalangen und eine Reduktion ihrer Zahl von 3 auf 1 nachweisen kann, ist ein wichtiger Beweis dafür, daß vorhandene Krallen nicht gegen eine Verminderung der Phalangenzahl siirechen. Es brauchen also die an dem ersten und zweiten Finger des Flügels von Archae- opteryx und der recenten Vögel vorhandenen Phalangen keineswegs die ursprüng- liche Zahl zu repräsentieren. Damit fällt weiterhin der etwa aus der Bekrallung und Phalangenzahl gezogene Schluß, daß der erste und zweite Finger der Vogel- hand (und auch schon der von Archaeopteryx) dem Daumen und Zeigefinger einer pentadactylen Hand entsprechen müssen. Eine sehr wichtige Stütze für diese Ansicht liefert, wie ich glaube, die Skelet- entwicklung von Seps chalcides {tridactyla) wie sie Sewertzoff in ausgezeichneter Weise gegeben hat. Die vordere Extremität — • nur auf sie soll hier Rücksicht genommen werden — trägt drei, oft verschieden große Krallen. An der Hand hat ein ausgiebiger Reduktionsprozeß stattgefunden, derart, daß der erste und fünfte Finger vollkommen fehlen — beim Vogel wird der fünfte noch deutlich angelegt — und die Phalangenzahl nur 0, 2, 3, 3, 0 beträgt, während sie bei den Autosau- riern gewöhnlich 2. 3, 4, 5, 3 {Ascalobotes und Tarentola 3, 3, 4, 5, 3) ausmacht. Also trotzdem die Phalangenzahl reduziert ist, haben sich Krallen an den End- gliedern erhalten. Wie bei den Vögeln tritt auch bei Seps die Reduktion der Hand in zwei Richtungen auf: 1) distoproximal und 2) von den Rändern her. Dabei wird die radiale Seite stärker reduziert als die ulnare. Und auch darin läßt sich eine Parallele zwischen den Vögeln und Sejjs finden, daß der vierte Strahl 284 Eelix Sieglbauer, K. Paeker. der in ausgezeichneter Weise die Osteologie der Vögel durchforsclit liat, fand beim Strauß neben den zwei bleibenden Krallen noch im Bereich des ulnaren Fingers eine dritte rudimentäre Anlage. Nassonow, der auch den afrikanischen Strauß untersuchte, konnte diese dritte Krallenanlage nicht finden. Die rudimentäre Kralle am Entenflügel steht im guten Einklang mit den Befunden Parkers, und sie erinnert sofort an die Hand der Archaeopteryx, welche drei wohl ausgebildete Krallen an den frei beweglichen Fingern besaß, mit welchen sie wohl ähnlich, wie es Göldi von jungen brasilianischen Schopfhühnern {Ojyisthocomus) angibt, an den Bäumen klettern konnte. Die drei Krallen, die Beschaffenheit, Form und Größe des zweiten Meta- carpale widerlegen, wie ich glaube, die Ansicht C. H. Hursts, daß die drei Finger der Archaeopteryx nicht denen der Vogelhand ent- sprechen. Die ulnare Abduktion beträgt am 10. Tage etwa 150', ist also schon ganz beträchtlich. Ulna und Radius haben sich mit einer peri- chondralen Knochenhülse umgeben. Die Ulna ist ziemlich stark ulnar konvex gebogen. Dadurch nähert sich ihr distales Ende dem des Radius. Die Ausbildung hyaliner Grundsubstanz hat in allen bleibenden Skeletelementen eingesetzt, und die proximalen Spalten des Hand- gelenkes sind an dem Hellerwerden des Perichondrium zwischen Inter- medioradiale und Radius einerseits. Centrale und Ulnare anderseits zu erkennen. Das Intermedioradiale weist zwei Knorpelkerne auf, von welchen der radiale viel intensiver gefärbt ist als der ulnare. Der letztere entspricht dem Intermedium, von dem Mehnert auch bei Struthio angibt, daß es sehr klein bleibt und zuletzt verknorpelt. Das Ulnare ist zu einem kleinen runden Zellhaufen zusammengeschrumj^ft, in dem sich färberisch keine Knorpelgrundsubstanz mehr nachweisen läßt. Es liegt distal von dem breiter gewordenen distalen Ulnaende und dorsal vom Pisiforme (Textfig. 5 u. 6). Letzteres stellt einen komma- förmigen Knorpel dar, der, nach außen und volar vom distalen Ulna- ende gelegen, sich bis zum vierten Basale nach abwärts erstreckt. Die Basalia sind zu einer Knorpelschale verbunden, welche in ihre Höhlung die Basis des dritten Metacarpale aufnimmt. Es zeigt sich zwischen zuerst auftritt und daß dei' fünfte ,Stiahl .suv.ohl an der Hand als aucli am FuIJe anfangs viel größer ist und dann in der Entwicklung zurückbleibt. Alle diese Momente seien nur hervorgehoben, um den .Schlufi zu stützen, daß an der Vogelhand nur der zweite, dritte und vierte Finger orlialten ge- blieben sind. Zur l'Jit\\i(.'klun<^ (Ut \"ov;t'IPx''t'i" '<••'• 285 l)ei(len nie eine Aiuloutuno- einer dJelenkspaltbildnnu. In eigentümlicher Weise verändert sich das Basale 4 und 5. Es wächst entsprechend der tlistalen Verschiebung des vierten Metacarpale immer mehr in die Länge, die Stelle des letzteren einnehmend, und bald wird es zu einem Knorpelstab, den man bei der ersten Betrachtung selbst füi' das Meta- carpale halten könnte. Und diese Wachstumsenergie entfaltet das Basale jioch in andrer Richtung. Dort, wo es an die Basis des vierten Metacarpale anstößt, entsendet es einen Fortsatz radialwärts, der volar an der Basis des dritten Metacarpale vorbeiwächst, so daß die Basis des dritten Metacarpale wie in einem radial offenen Ring von der ulnaren Seite her eingefaßt erscheint. Über die morphologische Be- deutung dieses Fortsatzes bin ich mir lange im unklaren geblieben. K. Parker, der Totalpräparate untersuchte, hat ihn für einen selbstän- digen Knorpel gehalten und als erstes Basale aufgefaßt. Davon kann mit Rücksicht auf seine Entwicklung keine Rede sein. Sonst finde ich niu- noch in der sorgfältigen Arbeit von Zehntner und auch bei NoRSA den Fortsatz abgebildet, ohne daß auf ihn weiter eingegangen würde. Anfangs glaubte ich in dem Fortsatz eine in die Vola gerückte Fingeranlage erkennen zu können. Ich meinte, daß in der Vogelhand ein mittlerer Finger, etwa der vierte, in die Tiefe gerückt sei durch den Wachstumsdruck der ulnaren Abduktion. In mancher Beziehung erinnert das an Tschans Auffassung der Vogelhand. Er zählte die Finger als 1., 2. und 4. Ich glaube aber, daß der Fortsatz in ähn- licher Weise zu deuten ist, wie Baur den Processus ascendens des Tritibiale am Fuße der Vögel gedeutet hat, als eine mechanische Ver- festigung zwischen den Basalia und den Metacarpalia, vor allem dem stärksten, dem dritten. Man könnte einwenden, Metacarpalia und Basalia verwachsen ohnehin zu einem einheitlichen Knochenstück, einem Carpometacarpale. Es ist daher eine solche Verfestigung nicht nötig. In der Phylogenese sind aber, wie Archaeopteri/x zeigt, Stadien durchlaufen worden, in welchen die Metacarpalia noch frei waren. Eventuell wurde schon in früheren phylogenetischen Stadien dieser Fortsatz ausgebildet und diente zur Sicherung des dritten Metäcarpus in seinen Bewegungen. An der erwachsenen Vogelhand zieht in einer tiefen Furche an der radialen Seite des Fortsatzes die starke Sehne des M. flex. digitorum profundus zum dritten Finger. Ferner entspringen von ihm die Muse, interossei, und daher kommt wohl die Bezeichnung des Fortsatzes als Processus muscularis metacarpi III bei Gadow. Er bildet den Hebelpunkt für diese einzige Sehne, die der M. flex. digitorum profundus der Vögel überhaupt besitzt und der als 286 Felix Sieglbauer, Fingerbeuger kaum in Betracht kommt, sondern zu einem Synergist des M. extensor metacarpi radialis (Gadow) wird, indem er gerade infolge des Stützpunktes an dem Höcker des Mittelhandknochens Streckung des Flügels, also radiale Abduktion im Handgelenk und zugleich Spreizen der Handschwingen bewnkt. Vor allem werden die großen fünf bis sechs letzten distalen Handsch^vingen ausgebreitet durch die radiale Abduktion der Grundphalangen des dritten und vierten Fingers, welche nur im Sinne seitlicher Randbewegungen, nicht der Beugung und Streckung, beweglich sind. Textfig. 7 läßt den volaren Fortsatz des Basale 4 und die Lage der beiden Beugesehnen des dritten Fingers erkennen. Die Zahl der Phalangen beträgt in diesem Stadium noch zwei am zweiten, drei am dritten und zwei am vierten Finger. Dabei ist die zweite am vierten Finger ein kleiner, sehr vergänglicher Knorpel- kern, von dem aus sich die Fingeranlage noch weiter erstreckt und nur undeutlich ausgebildet eine Gruppierung der Zellkerne zu einer dritten Phalangenanlage erkennen läßt. 11. und 12. Tag. Taf. XIII, Fig. G und 7. In der äußeren Form ist weitere Zunahme der ulnaren Abduktion auf 126° festzustellen. Die Endphalangen des zweiten und dritten Fingers umgeben sich mit einer Hornkappe und setzen sich durch eine leichte Einschnüruno gegen die übrige Fingeranlage ab. Der ulnare Rand von Unterarm und Hand ist mit Cutispapillen besetzt, die die Anlage der Federn, vor allem der Hand und Armschwingen, bilden. Es treten ähnlich wie am Skelet die Differenzierungen an der Haut ulnar früher auf als radial. Von der weiteren Entwicldung des Skelettes ist zvmächst hervor- zuheben, daß sich neben den perichondralen Knochenhülsen an Radius und Ulna auch solche am Metacarpale III und IV und an der langen Grundphalange des zweiten Fingers gebildet haben. In dem kurzen, breiten Metacarpus dieses Fingers tritt von allen langen Knochen der Hand die Ossifikation zuletzt auf. Es ist das wieder ein Beispiel für die besonders von Rabl betonte Tatsache, daß die Art der Ossifikation, d. h. Zeit ihres Auftretens, Zahl der Knochenkerne, Auftreten von Peri- oder enchondraler Ossifikation, vor allem von der Form und Größe des Knorpelmodells abhängig ist. das in festen Knochen um- gewandelt werden soll. Auch vererbte funktionelle Beanspruchung kann man für die den Lenkfittich tragenden Phalangen des zweiten Fingers in Anspruch nehmen, um die frühe Verknöcherung in der Grundphalange zu verstehen, eine Funktion, die ja auch zur Absonderung Zur l''!!t\\ifklun 7- » » 12 » » * 8. >> » 15 /> » » 9. SS Länge des E » 10. » '> > 11. » >> > 12. » » R, Radius; U, Ulna; r + i, Radiale u. Intermedium; u, Ulnare; c. Centrale; p, Pisiforme; 2, 3, 4, 5 u. b, Basalia; Pygoscelys. Linke vordere Extremität: 'o 15 mm. Pausrt 18 » 21 » N.r, Nervus radialis; A.i, Arteria interossea; E.d, Ramus dorsalis; E.v, Ramus ventralis; P.m, Processus musculaids metacarpi III; T, Tuberositas metacarpi II. Linke, hintere Extremität: Ente. Embrj'o von 6 Tagen. Pausrekonstruktion. ■•> » 7 » >> >> » 7 » » •> » 8 » » » 10 » Pygoscelys. Fig. 19. SS Länge des Embryo 15 mm. Fig 13. » 14. >> 15. » 16. » 17. » 18. PausrekoDstruktion. ■> 20. » 21. 18 21 Zur Entwickluug der Vogelextremitftt. 31 3 Fig. 22. SS Länge des Embryo 28 mm Pausrekonstruktion. (Spiegelbild des rechten Fußes.) T, Tibia; 2, 3, 4, 5 u. b, Basalia; F, Fibula; N.p, N. peroneus; ir, Tritibiale; N.f, N. fibularis; a, Proc. ascendens des Tritibiale; R.V, Randvene; /, Fibulare; A.i, Ram. dorsal, d. Art. interossea. Für die Figuren im Text sind dieselben Abkürzungen gebraucht wie für die Figuren der Tafeln. 21* Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. Von D. Tretjakoff (St. Petersburg). Mit Tafel XV— XVIII. Nachdem ich im Jahre 1902 meine Untersuchungen über die Nerven der Rüsselhaut des Ferkels (Zur Frage der Nerven der Haut. Diese Zeitschr. Bd. LXXI, Hft. 4) veröffentlicht hatte, unternahm ich die systematische Untersuchung der Nervenendigungen an den Sinushaaren von verschiedenen mir zugänglichen Tieren, Bald konnte ich mich überzeugen, daß die Grundformen der Verteilung der Nerven zwar gleichartig sind, daß jede Tierart doch ihre gut ausgeprägten Eigentümlichkeiten besitzt, die angesichts der funktionellen Bestimmung der verschiedenen Nervenendigungen sicher nicht gering zu schätzen sind. Diese Eigentümlichkeiten treten aber am besten hervor, wenn man nicht einzelne Endverästelungen der Nerven isoliert und für sich allein, wie in der letzten Zeit üblich ist, betrachtet, sondern das Nerven- gewebe in dem Sinushaar als Ganzes mit seinen Beziehungen zu den übrigen Bestandteilen des Haarbalges und mit allen möglichen Modi- fikationen in Betracht zieht. Als Beispiel derartiger bedeutungsvoller Beziehungen kann das Sinushaar des Rindes gelten, da, nach meinen Untersuchungen, sie unerwartet reich an den verschiedenartigsten Nervenendigungen sind, besonders diejenigen Haare, die sich an beiden Seiten des »Filtrum« befinden. Im Vergleich mit dem von mir näher untersuchten Sinushaar des Schweines stellt das Sinushaar des Rindes eine in höchster Weise ausgebildete und differenzierte Vorrichtung zu den Tastempfindungen, die besonders beim Haschen nach Nahrung funktionieren soll und deshalb wahrscheinlich auch sehr wichtig für die Psychologie des Tieres sein muß. Der Sache kann man auch nicht die praktische, landwirtschaftliche und tierärztliche Bedeutung Die Nervenendigungen an clon Sinushaaron des Rindes. 315 absprechen. Den merkwürdigen, für unsre Auffassung sogar noch wenig verständhchen Tastsinn im Schnauzenendc des Rindes, mit dessen Hilfe das Tier ziemHch genau die Arten und Ordnungen der Pflanzen- welt unterscheiden kann, will ich hier nicht ausführlich behandeln. Die Beispiele dafür kennt wohl jeder Zootechniker. Ich widmete meine Aufmerksamkeit dem Sinushaar des Rindes als einem vollkom- mensten Tastorgan in der Hoffnung, hier das Wesentlichste dieser Vorrichtung an das Tageslicht zu bringen. Bei dem ersten Blick auf den Rindskopf könnte man glauben, daß die Tasthaare hier in den verschiedenen Bedingungen zu der Druck- richtung stehen. Man sieht nämlich zwei Arten der Haare, kurze und lange. Die Tasthaare der ersten Art befinden sich auf dem Schnauzen- ende, das immer mit dem Drüsensecret befeuchtet und mit dem sonst haarlosen Epithel bedeckt ist. Diese Schnauzenhaare verteilen sich in drei Gruppen — eine obere, zwei seitliche. Erstere besteht nur aus den wenigen Sinushaaren, die die unmittelbare Fortsetzung der Gruppe solcher Haare der behaarten Haut über die Schnauze darstellen. Jede seitliche Gruppe hat die Form des gleichschenkeligen Dreiecks, dessen Basis lateral, die Spitze medial gerichtet ist. Manchmal be- rühren sich die Spitzen, ein andermal bleibt zwischen ihnen eine weite Strecke. Die Tasthaare sind steif, zugeschärft und gerade nach vorn, senkrecht zu der Epitheloberfläche gewendet. Wahrscheinlich emp- fangen sie normal den Druck, der in ihrer Achsenrichtung wirkt. Sie sind hier wohl eine Avantkolonne, die Spürhaare im engeren Sinne des Wortes. Ihre Bälge stecken zwischen den Bündeln des dichten Bindegewebes und den kompakten Drüsenaggregaten. Die binde- gewebise Platte des Schnauzenendes wird durch die sehnigen Züge allseitig straff gespannt, und die Spannung wird durch den Turgor der Drüsen noch mehr erhöht, so daß man sie in ganz passender Weise mit dem Trommelfell vergleichen kann. Was aber die speziellen Muskeln der Sinushaare anbelangt, so finde ich nur nicht reichliche glatte Muskelfasern, die von der oberen Hälfte des Balges zum Stratum subpapillare ziehen mid höchstens die Spannung des Haarbalges, aber keine eigentliche Bewegung hervorrufen können (Fig. 1, Taf. XV). Die Sinushaare der sonst behaarten Stellen der Schnauzenhaut, der Wangen, der Unterlippe, sind lang und hängen meistens bogen- förmig nach unten. Manchmal finde ich unter ihnen (besonders an der unteren Lippe) eine Anzahl von zwei und drei gespalteten Haaren, dabei erreicht die Spaltung verschiedene Grade. Die Spaltung kann vielleicht biologische Bedeutung haben, indem die Gräser zwischen 316 D. Tretjakoff, die Äste des Haares geraten und damit der Druck noch intensiver werden kann. Soviel ich die gespaltenen Haare untersucht habe, war es immer keine dichotomische Teilung während der Embryonalentwick- lung, sondern einfache Spaltung. Die Bälge der langen Sinushaare stecken in den lockeren Fett- schichten, zwischen den gestreiften Muskelfasern, die aber keine unmittel- baren Beziehungen zu den Sinushaaren zeigen. Die Bälge sind durch überaus feste äußere bindegewebige Scheiden geschützt und oben, in der subpapillaren Schicht, mit glatten Muskelfasern versehen. Sie empfangen wohl den Druck, der ungefähr senkrecht zu der Längsachse des Haares und von den Gräsern bei der Weide streichelnd wirkt. Man konnte eine verschiedene Art der Nervenverteilung in diesen und jenen Bälgen zu finden erwarten, in Wirklichkeit aber unter- scheiden sie sich in dieser Beziehung dm'chaus nicht; was die beson- dere Veranlassung zu der Annahme berechtigt, daß der Blutsinus des Haares einen hydrostatischen Apparat bildet, der nach gewissen physi- kalischen Gesetzen den Druck in jeder Kichtung gleichmäßig in der Flüssigkeit verbreitet. Deswegen brauchen die percipierenden ner- vösen Endorgane gar nicht verschiedenartig in den Beziehungen zu der Stellung des Sinushaares zu sein. Und wenn ich weiter vom Sinus- haar spreche, so verstehe ich in gleicher Weise beide Arten von den Sinushaaren. Die Modifikationen der bestim.mten Nervenendigungen haben aus dem genannten Grunde keine Ursache in der Lage des Sinus- haares. Einige Besonderheiten dieser und jener Haare verdienen jedoch nachträglich erwähnt zu sein. Vorläufig sei gesagt, daß die kurzen Haare größere Mannigfaltigkeit der nervösen Endausbreitung und überhaupt reichere Nervenversorgung zeigen. Literaturangaben. Man hat schon mehrmals versucht die Zusammenfassung verschie- dener Angaben zu machen, doch finde ich jetzt eine derartige Zu- sammenfassung ziemlich unentbehrlich, um die Eigentümlichkeit und den Reichtum an den Nervenendigimgen des Sinushaares des Rindes besser verstehen zu können. Die wichtigsten Angaben habe ich persönlich durch Lesen der zugehörigen Schriften nachgeprüft, die wenigen minder- wertigen Beobachtungen zitiere ich nach den Arbeiten von Bonnet (2) und KsjUNiN (20). Gegenbaur (17) und Leydig (26) brachten die ersten zuverlässigen Angaben über den Gesamtbau des Sinushaares, zu denen folgende Untersuchungen, außer derjenigen von Dietl (9), eigentlich nichts i Die Nervenendigungen an den Sinusliaaron des Rindes. 317 Neues zuzufügen vermochten. Unter den Tieren, die von beiden ersten berühmten JMeistern untersucht worden sind, befand sich auch das Rind. Deswegen halte ich es für angemessen, die betreffenden Unter- suchungen etwas eingehender zu zitieren. Was die Sinushaare von den sinuslosen unterscheidet, ist, nach den An- gaben von GEGENBArR (17), die Größe ihrer Bälge, der Bau und die Verhältnisse der Blutgefäße, der Nerv'enreichtum, die Papille und der Bewegungsapparat. Doch entspricht die Größe des Balges überhaupt der Größe des Sinushaares selbst. Das Rind war unter den zur Untersuchung gelangten Tieren vorhanden, aber die hauptsächlichen Angaben beziehen sich auf die Sinushaare des Kaninchens. Gegenbaur führt die Äußerungen von Eble (»Lehre von den Haaren«) an, daß innerhalb des Haarbalges die Gefäßschicht einen sulzartigen, verschieden rot gefärbten Körper darstellt, der vorwiegend aus unzählbaren feinen Querfäden, ■welche die äußere Wurzelscheide mit der äußeren Balglage verbinden, besteht. Nach den eignen Beobachtungen von Gegenbaur stellt die bezeichnete Schicht ein weitmaschiges Netz des wellenförmig verlaufenden Bindegewebes dar. Die Glashaut war von ihm sehr genau berücksichtigt, ebenso die Wurzelscheiden des Haares. Die äußere Wurzelscheide wird als eine rötliche sulzige Masse beschrieben. In der gefäßhaltigen Schicht werden die inneren und äußeren Nervenfasern nachgewiesen, die zwei Geflechte, das innere und das äußere, bilden. Vom End- geschick der Nervenfasern wird keine bestimmte Auskunft geliefert. Wegen der genauen Messungen der Größe der Bälge und Beschreibung der Eigentümlich- keiten der Haare bleibt die Arbeit immer noch lesenswert. Gegenbaur berichtet zu knapp über die specifische Bildung des Sinushaares, die innere Balglamelle, indem er in gleicher Weise die Sinusbalken und die äußere Wurzelscheide sulzartig nennt. In dieser Beziehung ist die Darlegung von Leydig besonders wichtig (26). Leydig betrachtet die innere Lamelle des Balges als eine gut unter- scheidbare, selbständig differenzierte Schicht, eine sulzartige Schicht in engerem Sinne des Wortes und betont ihre unmittelbare Beziehung zu den Endverästelungen der in den Balg eintretenden Nervenfasern. Die Art der Endigung wird wohl auch von Leydig unbestimmt angegeben. Beim Hund fand er im Sinus eigentümliche knäuelartige Nerven- endigungen, die aber von späteren Forschern nicht wiedergesehen worden sind. Die folgenden Arbeiten von Gurtl (16) und Leo Vaillant (25) bringen nichts Neues, wohl aber ODENnis (32), der auch die Sinushaare bei dem Ochsen untersucht hatte. Besonders wertvoll waren die Angaben, die Odemius über die Nervenendigungen geliefert hatte. Nach seiner Darstellung verlaufen die mark- losen Terminalfasern der Nerven in einer homogenen, von rundlichen Kernen durchsetzten Substanz im konischen Körper und finden ihr Ende in einer läng- lichrunden, feingranulierten Anschwellung auf der Glashaut. Der Ringwulst ist, nach der Meinung von Odenius, nervenlos. 318 D. Tretjakoff, Vom historischen Standpunkt ist es bemerkenswert, daß Odenius die Nervenendigungen irgendwo außerhalb des konischen Körpers zu suchen sehr wenig geneigt ist. Die LEYDiGschen Körper von specifischer Natur beim Hund hält er für keine nervösen Bildungen in erster Linie deshalb, weil sie im Bereich des cavernösen Gewebes liegen. BuBKHABDT (7) verlegt die Nervenendigungen in den Ringwulst; sie sollten sogar mit den Kernen der Ringwulstzellen in Verbindung stehen; Paladino (53) fand beim Pferde keine Endigungen im Ringwulst oder im konischen Körper; wo eigentlich die Nerven enden, konnte er nicht feststellen. Welikys (49) Arbeit war nur russisch veröffentlicht. Die Ergebnisse sind in manchen Beziehungen, beim Vergleich mit andern Veröffentlichungen jener Zeit, sehr interessant. In der Disputation zwischen 8chöbl (38) und Stieda (41) stellt sich Verfasser an die Seite von Stieda und findet an den Haaren der Fledermäuse keinen Nervenring. In den Sinushaaren von Hund, Katze und Maus konnte er nur die intraepithelialen Nervenendigungen in der Form von mark- losen Fädchen iin Epithel der äußeren Scheide feststellen. JoBERT (18) verfolgte beim Maulwurf und Schwein die Nervenfasern bis in den konischen Körper, der nach ihm hyalines Aussehen besitzt. Die marklosen Terminalfasern steigen senkrecht in die Höhe auf und bilden kleine angeschwollene Verbreitungen (»Kerne«). Es bildet sich noch eine andre Vorrichtung, die er als einen Nervenring beschreibt, in der Form des diffusen Geflechtes, welches von den aus den oberflächlichen Schichten der Haut kommenden und unter die Talgdrüsen sich senkenden Nervenfasern entsteht. Jobeet hat also für das Schwein typisches Vorhandensein zweier Formationen festgestellt — die Endigungen im konischen Körper oder Palisade und den Nervenring. Daß diese Formationen beim Schwein wirklich existieren, beweisen die Ai'beiten der letzten Zeit. •i-ir Die Untersuchung von Sertoli und Bizzozero bildet (42) den bemerkens- werten Punkt in der Geschichte der Frage. Beim Pferd und Hund finden die Verfasser, an der Hand der Vergoldungsmethode, Tastscheiben zwischen den Cylinderzellen der äußeren Wurzelscheide. Diese Tastscheiben werden von ihnen in Gestalt von multipolaren Körperchen oder Zellen anerkannt, die untereinander und mit den Nervenfasern zusammenhängen. Nur hatten sie keine Spur des Nervenringes und der Endigungen im konischen Körper gefunden und leugnen ihre Existenz. Da sie die Sinushaare des Pferdes untersuchten, haben sie in diesem speziellen Fall teilweise recht. ' Jetzt folgen die grundlegenden Arbeiten von Dietl (9), die von den Bestrebungen, die Eigentümliclikeiten der Sinushaare bei den ver- scbiedenen Tieren planmäßig vergleichend-anatomisch ernsthaft zu untersuchen und in dieser Weise die früheren Kontroverse zu mildern, die Arten der Sinushaare festzustellen, geleitet sind. Abgesehen von dem Versuch die allgemeine histologische Analyse des Sinushaares zu geben, zu dem wir noch einmal eingehend zurückkehren müssen, enthalten die Untersuchungen von Dietl auch die zahlreichen und vor- sichtigen Angaben über die Nervenverteilung und die Nervenendigungen, Die Nervenendigungen an ilcn Sinusliaarcn des Rindes. 319 weshalb diese Untersuchungen sicher für die neueren Arbeiten mit der Hilfe moderner Methoden einen Ausuang bildeten. Die Verteilung der Nerven wird besonders im zweiten Teil seiner Arbeit (1872) dargestellt, doch auch die erste Abhandlung vom Jahre 1871 ist sehr wichtig, da darin die Auffassung des Gesamtbaues des Sinushaares so ausgedrückt wird, wie sie bis in die neueste Zeit ohne wesentliche Modifikationen sich erhalten hat. Im Verhalten der stärkeren Nervenbündel, die an den Sinus des Haares herantreten, unterscheidet Verfasser zwei Möglichkeiten. Bei einer Keihe von Tieren (z. B. Raub- imd Nagetieren) findet sich ein deutlich entwickelter Ringsinus und Ringwulst. Die Nervenstämmchen durchbohren den Haarbalg, verlaufen im cavernösen Gewebe nach oben und imien, so daß sie sich nach mannigfacher Teilung in die Höhe des Ringwulstes als einfache Nervenfasern (Primitivfasern) begeben; dieselben liegen im Gewebe der inneren Haarbalglamelle, umgeben die äußere Wurzelscheide und liegen sehr nahe der homogenen Glashaut an. Auch tiefer schon sind einige Fasern der inneren Lamelle zuge- zogen, um. in derselben ein Anastomosennetz zu bilden. Bei andern Tieren, z. B. beim Rinde, gibt es keinen Ringsinus und keinen Ring- wulst. Die Bündel der Nervenfasern teilen sich meist schon ziemlich tief, um teils in den Balken des cavernösen Gewebes, teils an der inneren Lamelle des Haarbalges, wo sie auch anastomosieren, teils in cha- rakteristischer Weise an der inneren Fläche der äußeren Balglamelle aufzusteigen. Dieselben Fasern benutzen dann regelmäßig einen der obersten Balken des cavernösen Gewebes, um in demselben wieder abwärts der inneren Lamelle zuzustreben, so daß sie eine starke S-förmige Krümmung beschreiben. Übrigens verlaufen die Nerven- fasern beim Rind überhaupt wenig geschlängelt. In beiden Kategorien der Nervenverteilung umgeben schließlich die Nervenfasern im oberen Teile der inneren Haarbalglamelle die äußere Wurzelscheide rings herum und sind von dem Epithel durch die homogene Glashaut getrennt. Die Glashaut zeigt hier ein eigen- tümliches Verhalten; sie erreicht nämlich bei manchen Tieren, vor- nehmlich beim Rinde und Hund, ungewöhnhche Stärke und Festig- keit, und zwar in ganz bestimmter Ausdehnung. Dies ist nun der Bezirk, in dem es sich am besten beobachten läßt, daß die Primitivfasern (Nervenfasern) sich nach einwärts umbiegen, dabei marklos werden, die Glashaut durchbohren und den Epitlielzellen der äußeren Wurzelscheide zustreben. Jede Faser senkt sich zwischen die Epithelzellen ein oder legt sich in andern Fällen mit einer kleinen oblongen Anschwellung an die 320 D. Tretjakoff, Grenzzellen an. Ob diese Anschwellung als Terminalgebilde zu be- trachten sei, läßt der Verfasser dahingestellt. Wo die Fasern im konischen Körper aufhören, waren sie entweder wirklich durchgeschnitten oder abgerissen, in andern Fällen hatte sich diese Einwendung nicht mit triftigen Gründen von der Hand weisen lassen. Deswegen konnte Dietl die Endigung im konischen Körper nirgends bestimmt nachweisen. ScHÖBLs Arbeiten über die Haare der Flugmäuse (1870) und des Igels (1873) kommen hier wenig in Betracht, diese iVrbeiten enthalten namentlich nach den Erörterungen von Stieda und Weliky wenig zuverlässige Angaben. Redtel (35) (1873) scheint die Palisadenendigungen richtig beurteilt zu haben, indem er beim Rinolophus und Hippocrejns Endknöpfchen im konischen Körper außerhalb der Glashaut beschrieb; doch bestreitet er gegen Dietl und Sertoli das Durchtreten der Nerven durch die Glashaut. Die Arbeit von Moisisowics (30) bringt nur unbestimmte Angaben. Merkel richtete seine Aufmerksamkeit (2) auf die Sinushaare des .Schweins- rüssels, bei welchem er die Nerven in der äußersten Zellenlage der äußeren Wurzel- scheide unter den Talgdrüsen nach Durchbohrung der Glashaut in Tastzellen, wie schon Sertoli und Bizzozero bewiesen hatten, endigen läßt. Lowes Untersuchung (28) schließt die Reihe, in welcher die Erfolge voll- kommenerer technischer Methoden noch wenig zur Geltvmg kommen. Dagegen bringt die Arbeit von Bonnet (2) an der Hand der sehr geglückten Vergoldungs- bilder eine Fülle positiver Angaben, wie über die gewöhnlichen Haare, so auch über die Sinushaare der Katze, der Maus und des Pferdes. Doch hat auch er wenig die Besonderheiten der Haare der verschiedenen Tiere berücksichtigt, in der Bestrebung die allgemein gültigen Schemata zu eruieren. Nach der Darstellung von Bonnet (2) verästeln sich die Nerven- stämmchen als ein kelchf örmiges Geflecht, aus einer oberflächlichen und tiefen Lage zusammengesetzt, in der inneren Balglamelle. Die Fasern des Geflechtes endigen nach Durchbohrung der Glashaut und Verlust ihrer Markscheide in dem einschichtigen Endknospenmantel, der die Wurzelscheidenanschwellung überzieht, die Fasern der tiefen Lage endigen auch in einzelnen zwischen den verzahnten Cylinderzellen zer- streuten Endknospen im tiefer gelegenen Wurzelscheidenteil. Zum Haartaschenhalse kommt bei manchen Tieren ein eignes Stämmchen, bei der Katze und Maus findet sich diese Anordnung zu einem den Hals umspinneuden Geflecht (Nervenring) entwickelt, wo die Nerven- fasern auf unbekannte Weise ihr Ende erreichen. Aus der Zeichnung 10, Taf. XVIII, der Arbeit von Bonnet sieht man, daß der Verfasser eine sehr vollständige Färbung der Nerven- endigungen am Sinushaar des Schweinsrüssels erzielt hatte. Man findet in dieser Zeichnung die intraepithelialen Tastscheiben einerseits und I Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 321 die Endigungeu, die wir jetzt Palisade nennen, anderseits ganz deut- lich und naturgetreu abgebildet. Doch war ein böser Dämon der Wissenschaft sicher dabei, denn Bonnet spricht über die Sache folgendes : »Nur beim Schwein machten mich Goldpräparate (siehe Fig. 10) einen Augenblick schwankend. Ich sah dort nändich einzelnen Fasern in der Nähe des konischen Körpers kleine birnförmige, ebenfalls gefärbte .Anschwellungen aufsitzen, die jedoch viel größer waren als die von Odenius beschriebenen. Der Umstand, daß ich sie auch an den besten Osmiumpräparaten vermißte, mahnte mich jedoch zur Vorsicht, und ich kann ihnen um so mehr als sie nm- eine flächenhafte Ausbreitung besitzen und keinerlei weitere Struktur an ihnen nachzuweisen ist, nur die Rolle von Kunstprodukten zuteilen.« Diese Vorsicht ist mir überhaupt wenig verständlich, da an den gewöhnlichen, sinuslosen Haaren die palisadenförmigen Endigmigen von dem Verfasser richtig aufgefaßt wurden. Unter den positiven Angaben der Arbeit von Bonnet muß man besonders auf die Behauptung der Identität der intraepithelialen Tast- scheiben mit den ähnlichen Gebilden (MERKELschen Tastscheiben) in den Epithelleisten hinweisen. Doch bleibt der Bau der Gebilde noch wenig klar, indem Bonnet die Endigung der Nervenfasern im Innern des hellen Bläschens in der Form einer kolbigen Anschwellung annimmt. Die Endigungen im konischen Körper, denen Bonnet die nervöse Natur absprechen wollte, wurden richtig durch Ranvier (34) verstan- den und beschrieben unter der Bezeichnung »terminaisons en forme de spatule<<. Dadurch war der Weg und Boden für die bedeutenden Untersuchungen von Szymonowicz (43) vorbereitet, der die Sinushaare der weißen Maus, des Schweines und des Maulwurfes untersuchte. Nach den Angaben von Szymonowicz durchdringt das Bündel der markhaltigen Fasern immer an einer Seite des Haarbalges die äußere Wurzelscheide und teilt sich gleichzeitig in zwei bis vier dünnere Bündel. Das Epineurium des Bündels verschmilzt hierbei mit der äußeren Schicht des Haarbalges. Zahlreiche dünnere Bündel entstehen an der inneren Seite des Haarbalges und lagern sich rings um das Haar. An der birnenförmigen Erweiterung der äußeren Haarwurzelscheide angelangt, lagern sich einige derselben tiefer imd gelangen an die Glas- haut am unteren Ende der Scheidenanschwellung. Die Fasern der tieferen Schicht bilden mit ihren marklosen Endverzweigungen, die bald an ein Hirschgeweih, bald an einen reich verzweigten Baumast erinnern, ein förmliches Geflecht,, stellenweise scheinen sie ein Netz(?) zu bilden. Dieses Geflecht liegt jedenfalls unmittelbar an der Glashaut, 322 D. Tretjakoff, es dringt keine Faser dieses Geflechtes durch die Glashaut. Am reich- sten ist das Geflecht bei der Maus entwickelt. Die mehr nach außen liegenden Nervenfasern verlaufen oberhalb des oben erwähnten Geflechts und nehmen sodann ihren Weg unter dem Ringwulste gegen den oberen umfangreicheren Teil der Scheiden- anschwellung. Sie durchbohren in den verschiedenen Höhen die Glas- haut und kommen mit den äui3eren Zellen der Scheidenanschwellung in Berührung, indem sie die Tastscheiben bilden, die über den Tast- zellen liegen. Bei der Maus und dem Maulwurf befindet sich schließlich oberhalb der Scheidenanschwellung im Bindegewebe des konischen Körpers ein ringförmiges Nervengeflecht aus vielen markhaltigen und marklosen Fasern. Szymonowicz ist mit Bonnet über den Ursprung dieses Nervenringes in der Beziehung einverstanden, als er in ihm die Fasern nur von oben herantreten läßt. Nur beim Maulwurf konnte er einmal feststellen, daß zum Nervenring von unten ein Bündel gelangte. Ich habe schon seinerzeit darauf hingewiesen, daß die Endverzwei- gungen auf der Glashaut bereits auf den Figuren von Bonnet abge- bildet sind, nur hat sich der Verfasser über ihre Natur keine richtige Vorstellung gemacht. Szymonowicz ist seinerseits zu der irrtümlichen Vorstellung in der Deutung dieser Endigungen gekommen. Ich brauche nur auf die Stelle der Arbeit von Szymonowicz, wo der Verfasser das Zitat von Ranvier anführt, hinzuweisen: <i;en sich von ihm aus nach oben, die innere und die täußere Schicht der aufsteigenden Nervenstämmchen bildend. Man sieht aber in diesem ringförmigen Geflecht (Fig. 1, 27, Taf. XV) nur selten gerade zum Ziel verlaufende Fasern. Die meisten biegen sich und verflechten sich untereinander, bilden Knickungen, rück- laufende Schlingen und Verflechtungen. Ich möchte sogar sagen, daß die Fasern direkt zum Ziele zu verlaufen zögern und fast alle die maximale Beteiligung an der Zusammensetzung des unteren ring- förmigen Geflechtes entwickeln. Dieses Bestreben, das größte Quan- tum der Nervensubstanz zur Bildung des Geflechtes zu verwenden, äußert sich noch in andrer, recht merkwürdiger Weise, die bisher von keinem Forscher bemerkt wurde. Noch an der Stelle des Durchtrittes durch die äußere Balglamelle findet man einzelne Fasern in eigentümlicher Weise geknickt und geschlängelt, die km'ze Stecke wellen- oder zickzackartig verlaufend. Dazu gesellt sich noch gröbere Biegung und Verflechtung der betreffen- den Fasern. Noch öfters trifft man (Fig. 1, Taf. XV) solche Bildungen an den Stämmchen der unteren Kingplexus an der inneren Fläche der äußeren Balglamelle oder schon im Sinus. Das Aussehen der Bildungen ist sehr variabel. Manchmal sieht man die Erscheinung nur auf den isoliert ver- laufenden Nervenfasern (Fig. 8, Taf. XVI) in der iVrt, daß der Achsen- cy linder innerhalb der Markscheide sich wellenförmig zu biegen be- ginnt, und an den Knickungen und Zickzacken Anschwellungen, Ab- plattungen und Dornen erscheinen. Die Anschwellungen und Dornen, mögen sie maximale Größe erreichen, sind immer von der Markscheide umgeben. Der Durchmesser der plättchenförmigen Anschwellungen kann die Dicke des sie erzeugenden Achsencylinders um vier- bis fünf- mal übertreffen. In andern Fällen trifft man statt der Plättchenbildung und Dornen massive Verdickungen unregelmäßiger Gestalt, die Form der Plättchen ist jedoch auch sehr mannigfaltig. Sehr häufig sind sogar die hinaufsteigenden Fasern an entsprechenden Stellen bogen- oder schlingenförmig gekrümmt. Man trifft auch, aber nicht regel- mäßig, in den betreffenden Bildungen die Teilung der Fasern; die Teiläste sind im Vergleich mit der ursprünglichen Faser fast immer dünner. Da aber sehr häufig die wellenförmige Biegung des Achsen- cylinders entsteht, wobei sich Plättchen und Dornen bilden, ohne jeden Zusammenhang mit der Teilung der Nervenfaser, betrachte ich die entsprechenden Stellen des Achsencylinders als die selbständigen 22* 330 D. Tretjakoff, Bildungen, die ich als die Schaltapparate (Fig. 1, Taf. XV; Fig. 2 — 9, Taf. XVI) bezeichne. Ich unterscheide unter den Schaltapparaten die einfache, komplizierte und kombinierte Form. Oben war die Rede von der einfachen Form des Schaltapparates, die also die wellen- oder zickzackf örmige Verbiegung des Achsencylinders, der dabei seine Markscheide bewahrt, darstellt. Die Markscheide paßt sich an die Veränderungen der Form des Achsencylinders vollkommen an. Die komplizierten Formen der Schaltapparate zeichnen sich da- durch aus, daß keine isolierten Fasern, sondern ein Teil oder sämtliche Fasern des Stämmchens gleichzeitig (Fig. 2, Taf. XVI) und in derselben Stelle die oben geschilderten Biegungen und Knickungen erfahren. Man bekommt dann auf den ersten Blick den Eindruck, als ob an diesem Punkt die echte Nervenendigung vorliege, aber das ist nicht der Fall. Jede Faser zieht nach der Bildung des Schaltapparates weiter hin und findet in verschiedener Weise ihre Endigung in den oberen Teilen des Haares. Man begegnet dann wieder derselben Art der Plättchen und Dornenbildung, die ich bei den isolierten Fasern angegeben hatte, doch sind diese Verbreiterungen und Knickungen des Achsencylinders viel weiter ausgeprägt und bieten manchmal sehr auffallende und ver- wickelte Bilder. Es gelingt in einigen Fällen, ungeachtet der ausge- zeichneten Färbung, nicht die einzelnen Fasern mit allen ihren Biegungen genau durch den ganzen Komplex zu verfolgen. Nach der Apparat- bildung tritt aus dem Schaltapparat die gleiche, oder auch eine größere Zahl der Fasern, niemals aber eine mindere. Die Fasern teilen sich in den verschiedenen Stellen des Schaltapparates, die Aste werden oft mit ähnlichen Verbreiterungen versehen oder sind ganz glatt und dünn, um nachher die normale Größe zu gewinnen. Der ganze Apparat wird konstant mit einem dichten Netz von Capil- larschlingen umflochten, also muß man annehmen, daß dieses Capillar- netz unmittelbare Beziehung zu dem Schaltapparat hat. Der Inhalt der Gefäße, wie die Wand derselben, färbt sich intensiv blau und macht das Gesamtbild der Schaltapparate manchmal noch rätselhafter; man fühlt sich nicht jedesmal imstande, über jedes blaue Pünktchen eine bestimmte Entscheidung zu gewinnen. Da die Verbreiterungen des Achsencylinders sich häufig sehr diffus färben, hilft sogar in diesen Fällen das Immersionssystem wenig. Beim Zeichnen hütete ich mich natürlich vor der Wiedergabe eines solch verwickelten Bildes und wählte die Fälle, wo die Nervenfasern von den übrigen Bestandteilen des Schaltapparates sich gut unterscheiden ließen. Im allgemeinen konnte ich bei den sonderbarsten Bildungen eine ziemlich genaue Auffassung Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 331 gewinnen und mich überzeugen, daß der Hauptsache nach die Schalt- appaiate so zusammengesetzt sind, wie ich sie in den einfacheren Formen gesehen hatte. Von einem Endapparat kann auch hier in keiner Weise die Rede sein. Merkwürdig sind auch in diesem Fall die Verhältnisse der Mark- scheide, die bei allen Biegungen und Knickungen des Achsencylinders bewahrt bleibt und niemals unterbrochen wird. Diese Ergebnisse erzielte ich bei der Färbung der frischen Schnitte mit Osmiumsäure; man bekommt dabei dieselben wellenförmig verlaufenden Nervenfasern, nur schwarz gefärbt. Aber die RANViERschen Schnürringe sind im Bereich des Schaltapparates nur da vorhanden, wo die Teilung der Faser vorkommt, sonst nicht; sie finden sich wohl vor und nach der Apparatbildung, vorher treten sie meistens näher an den Apparat selbst, als nach der Apparatbildung, wo der erste Schnürring nur da auftritt, wo der Achsencylinder seine normale Größe und glattes Aussehen gewinnt. Ich sah die Schaltapparate auf den Schnitten, die nach der Cajal- schen Silbermethode angefertigt waren, hatte aber dabei, wegen der Feinheit der Schnitte, keine Gelegenheit den ganzen Apparat in der Fläche des Schnittes zu bekommen. Es erhalten sich nur kurze Ab- schnitte der gewundenen Fasern, die es aber bestätigen, daß die Ver- breiterungen und Knickungen in erster Linie den Achsencylinder be- treffen und durch das Auseinandertreten der Neurofibrillen und die Anhäufung der iuterfibrillären Substanz bedingt sind. Damit wird der Verdacht widerlegt, daß die Schaltapparate Kunstprodukte, viel- leicht mit dem Rasiermesser verzerrte Achsencylinder seien. Bei der Methylenblaufärbung muß man diese Voraussetzung nicht außer acht lassen, sogar in den Fällen, wenn die Schaltapparate in der Tiefe des Schnittes, ohne Berührung mit der Oberfläche sich färben, da der Druck von dem Rasiermesser, wie ich oft gesehen hatte, sicherlich auch in der Tiefe des Schnittes die Verunstaltung und das Zerreißen der Nerven- fasern hervorbringt. Der Verdacht schien mir früher sehr gerecht- fertigt, da die Schaltapparate überhaupt im derben Bindegewebe liegen. Seitdem ich die Bildungen mit der CAjALschen Methode gefunden hatte, kann keine Rede von dem Artefakt sein, und an der Hand der Methylen- blaupräparate gelingt es immer, das positive Zeugnis zu gewinnen, daß die Schaltapparate keine durch Druck verunstaltete Achsencylinder sind. Dafür spricht schon ihr Auftreten nur in den Grenzen eines Segments z^vischen zwei benachbarten Schnünmgen und die konstante Beziehuno' der komplizierten Formen zu den Blutcapillaren. 332 D- Tretjakoff, Die Verbreitungen des Achsencylinders in den Schaltapparaten sind also als aktive Vergrößerung der Nervensubstanz zu betrachten, deswegen verdienen sie eine genauere morphologische Analyse. Sie können übrigens miteinander anastomosieren in solcher Weise, daß sie innerhalb der Markscheide durchlöchert scheinen. Die einfachste Form der Durchlöcherung tritt manchmal an einzelnen Fasern auf, indem der Achsencylinder sich spaltet; die beiden Teiläste verdicken sich beträchtlich, und bald darauf verschmelzen sie wieder zu einer Faser; gewöhnlich geschieht die Spaltung und Vereinigung dicht vor der KANViERschen Unterbrechung. Ähnliche Spaltungen und Durch- löcherungen der plättchenförmigen Verbreiterungen findet man an den Fasern der komplizierten Schaltapparate, aber niemals konnte ich sehen, daß die Ästchen einer Faser in die Bahn andrer Fasern übergehen. Das äußere Aussehen des komplizierten Schaltapparates ist so verschiedenartig, daß niemals zwei solche ganz ähnliche Bildungen zu finden sind, doch nur was die Art des Zusammenfindens der veränderten Nervenfasern betrifft. Die Veränderung selbst geschieht wie bei isolier- ten Fasern der einfachsten Schaltapparate, so auch bei einzelnen Fasern der komplizierten Formen immer der Hauptsache nach in derselben Weise. Die einzelnen Fasern des Apparates können Bogen und Schlingen bilden, dabei sind die Einzelapparate des Stämmchens in derselben Höhe und in dichte Massen zusammengedrängt, oder sie weichen auseinander und treten in verschiedenen Höhen auf. Die höchste Entwicldung der plättchenförmigen Verbreiterungen findet man in den zusammengedrängten Formen der Schaltapparate. Die Fasern, die in den komplizierten Apparaten verlaufen und dabei ganz normal bleiben, zeichnen sich meistens durch ihre Zartheit aus; es sind immer die dünnsten Fasern des Stämmchens, oft nur die Äste der mit den Appa- raten versehenen dickeren Fasern. Die Schaltapparate, mögen sie einfach oder kompliziert sein, zeichnen sich noch durch besonders mächtig entwickelte, die Nerven- fasern begleitende bindegewebige Hüllen aus, was schon an den Methylenblaupräparaten zu bemerken ist. Dadurch kommt es, daß die Bildung nicht einfach in dem lockeren Bindegewebe liegt, sondern mit einer scharf kontmierten Kapsel umgeben zu sein scheint. Die eigentliche Kapsel fehlt ihm wohl, und die entsprechende Umhüllung stellt nichts weiter als die endoneurale Scheide dar. Jetzt muß man die Grenzen des Gebietes, wo die Schaltapparate vorkommen, die dem unteren ringförmigen Geflecht gehören, genauer Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 333 bestimmen. Sie sind immer nur innerhalb des Balges zu finden, außer- halb desselben fehlen sie vollständig, ungeachtet der verschiedenartigen Biegungen der heranlcommenden Nervenfasern in den Stämmchen, die das tiefe Geflecht der Haut zusammenstellen. Sehr selten finde ich die Schaltapparate in dem Gang, diu-ch welchen die Nervenstämmchen die äußere Balglage durchsetzen, in den meisten Fällen beginnt ihre Bildung erst nach dem Eintreten in das Gewebe des cavernösen Raumes, beson- ders unmittelbar auf der inneren Fläche der äußeren Balglage, wo das straffe, scleraähnliche Bindegewebe durch lockeres und an elastischen Fasern reiches Bindegewebe ersetzt wird. Diese Schicht scheint den Balken des Sinus in vielen Beziehungen, ihrem Bau nach, sehr ähnlich zu sein. Die größeren und kompliziertesten Schaltapparate sah ich am meisten unterhalb des unteren ringförmigen (Fig. 1, 4, Taf. XV) Ge- flechtes; die zu ihrer Bildung bestimmten Fasern steigen bogenförmig hinab und nach den Veränderungen in dem Schaltapparat verlaufen sie wieder nach oben, um sich zu den Bündeln des ringförmigen Geflechtes zu gesellen. In den horizontal verlaufenden Stämmchen des unteren Xervenringes trifft man die Schaltapparate niemals, darin besteht ihre sehr konstante topographische Besonderheit. Sie erscheinen aber sehr oft, doch meistens in einfacheren Formen, an den Stämmchen, die ober- halb des Ringes und senkrecht zu ihm hinaufsteigen, und zwar wie unmittelbar in der inneren Balglage, so auch in dickeren Balken des cavernösen Gewebes oder an der inneren Fläche der äußeren Balglage. Manchmal sind sie an den Nervenfasern, die in die äußere Balglage allseitig geschlossen hinaufsteigen, entwickelt. Solche Nervenfasern in der Zahl von 2 — 5 durchbohren (Fig. 1, 6, Taf. XV) die bindegewebige Masse der äußeren Balglage noch vor dem Eintritt des dicken Stämm- chens in dieselbe Balglage, oder sie entspringen und durchbohren die Balglage schon innerhalb des Eintrittsganges und verlaufen innerhalb des dichten Bindegewebes in einem schief aufsteigenden engen Kanal, der mitunter auch die Arterienästchen und Blutcapillaren enthalten kann. Die Nervenfasern sind hier gewöhnlich mit Schaltapparaten von einfacheren Formen versehen. Das Endgeschick der Nervenfasern kann verschieden sein : manchmal endigen die Fasern mit den Endbäumchen in der äußeren Balgiage selber (Fig. 1, 7, Fig. Taf. XV). Man darf also im Gebiet des unteren Nervenringes zwei topo- graphisch verschiedene Gruppen der Schaltapparate unterscheiden: 1) unterhalb des Nervem^inges, 2) oberhalb des Nervenringes. Letzte Gruppe hat wieder zwei Untergruppen: a. die Schaltapparate der 334 D. Tretjakoff, äußeren 'Balglage (Fig. 1, Taf. XV), b. dieselben im cavernösen Gewebe, also auch an der inneren Fläche der äußeren Balgiage und in der inneren Balglage. Solch eine bestimmte topographische Gruppierung und das Fehlen der Schaltapparate an den Bündeln des unteren Nervenringes spricht immer für ihre ganz bestimmte funktionelle Bedeutung. Im unteren Gebiet (unterhalb des Nervenringes) fand ich noch andre Formen der Schaltapparate, die auf den ersten Blick eher heterogene Bildungen darzustellen scheinen, nur nach der Bekannt- schaft mit den kombinierten Schaltapparaten der mittleren und oberen Regionen des Nerveneintrittes kann man sie zu den kombinierten Formen zählen. Es ist nämlich die Kombination des Schaltapparates mit den Endkolben. Sie haben aber eine ganz andre Lagerurig, als die kombinierten Formen andrer Gebiete, denn sie liegen vollkommen im cavernösen Gewebe. Das Beispiel stellt die Fig. 6, Taf. XVI dar. Man sieht hier die markhaltige Faser, die unterhalb des unteren Nervem-inges horizontal verläuft; sie teilt sich, und ein Teilast setzt sich fort, um an einer Stelle den Schaltapparat zu bilden, dann kehrt sie wieder zum Nervenring. Andre Äste teilen sich wiederholt in die End Verzweigungen, die sich in eigentümlicher Weise untereinander verflechten und rückwärts verlaufen, um in den Endkolben, die um die markhaltige Faser herum liegen, zu endigen. Es entsteht ein dichter Komplex von markhaltigen Nervenfasern und drei End- kolben, der ein sehr eigentümliches Bild darstellt. Aber der andre Teilast ist damit nicht erschöpft; er verliert die Markscheide und verläuft in Gestalt des feinen varicösen Fädchens parallel der mark- haltigen Faser, die mit dem Schaltapparat versehen ist. Die Art der Endigung des marklosen Ästchens konnte nicht festgestellt werden, da das Ästchen in den unteren Nervenring hineintritt und sich zwischen andern Fasern verliert. Da in andern Fällen die Kombination von Schaltapparaten und Endkolben sehr gewöhnlich ist, wie ich gleich unten beschreiben werde, nur zeigen die genannten Bildungen engere topographische Beziehungen, glaube ich die Kombination der Fig. 6 als einheitlichen Apparat auf- fassen zu dürfen, besonders in der Beziehung, daß der Schaltapparat und der Kolbenkomplex von derselben Nervenfaser entspringen und mit derselben Art von Bindegewebe, also mit gleichen topographischen Bedingungen umgeben sind. Deswegen betrachte ich diese Form des Schaltapparates als die kombinierte Form desselben. Das mittlere Gebiet des Eintrittes der Nervenstämmchen in die Die Nervenendigungen an den SiniiHliaaren des Rindes. 33o äußere Balglage stellt die Eigentümlichkeit des Sinushaares des Rindes vor, die bisher von niemandem in genügender Weise beschrieben wurde. Es ist aber ein sehr konstantes Verhalten. Vor dem Eintritt in den Balg trennen sich von den Stämmchen der Nervenfasern die feinen Bündel. Dieselben enthalten anfangs nicht mehr als zwei bis fünf Fasern, die aber unterwegs sich teilen und in vermehrter Zahl in der äußeren Balglage an der Höhe der Wurzelscheidenanschwellung sich umbiegen. Hier treten sie in einen Gang, der sonst mit lockerem Bindegewebe und mit Blutgefäßen angefüllt wird und horizontal oder schief ab- oder aufsteigend die äußere Balglage durchbohrt. Da die Balken des Sinus an der betreffenden Höhe sehr spärlich sind, müssen die Fasern im Sinus meistens erst an der inneren Fläche der äußeren Balglage absteigen, dann treten sie auf irgendwelchen Balken über und ziehen in der aufsteigenden Richtung in die innere Lamelle des Haarbalges zum Hals der Haartasche (Fig. 1, Taf. XV). In den Gängen der äußeren Balglage kommen an den Nerven- fasern die Schaltapparate (Fig. 1, 8, Taf. XV) am häufigsten vor. Dabei muß man auch hier die allmählichen Stufen der Zusammensetzung unterscheiden. Im allgemeinen kann gesagt werden, daß die einfachsten Schaltapparate des Mittelgebietes den komplizierten Formen des unteren Gebietes entsprechen. Eine Anzahl der durchtretenden Fasern zeigen die Biegungen und Plättchenbildung an den Achsencyhndern, die ihrer Gesamtheit nach wieder den Eindruck vollständiger Struktur dar- stellen und durch die konstante topographische Beziehung zu der äußeren Balglage ihre specifische funktionelle Bedeutung vermuten lassen. Die Entwicklung des Schaltapparates beginnt aber niemals außerhalb der äußeren Balglage, sondern immer innerhalb derselben, und kann sich eventuell ins cavernöse Gewebe des Sinus fortsetzen. Die Nerven- fasern erhalten dabei ihre parallele Lagerung oder verflechten sich untereinander, bilden die rückläufigen Schlingen, bleiben ungeteilt oder teilen sich und werden nach der Bildung des Schaltapparates dünn; sie nehmen die normale Größe wieder nur in den Balken des Sinus- gewebes an. Zwei Abarten lassen sich unter den Schaltapparaten des mittleren Gebietes unterscheiden. In den Schaltapparaten einer Art (Fig. 7, Taf. XIV) prävaliert die Ausbildung von Verdickungen und Plättchen, die das wesentlichste Merkmal des Apparates darstellen. Ihre Ausbildung können wir also als die Umgestaltung des Achsency linders, um die Vergrößerung der Ober- fläche der Nervensubstanz zu erreichen, auffassen. Die Fasern dieser 336 D. Tretjakoff, Art verlaufen ziemlicli einfach, oline die großen Biegungen und Verflech- tungen auf ihrem Wege zu machen. Diese Art der Schaltapparate nähert sich am deutlichsten den Formen, die Avir im unteren Gebiet gesehen hatten, obgleich die Umbildung des Achsencylinders niemals in dem Grade ausgesprochen ist, wie es im unteren Gebiet vorkommt. Die Nerven- fasern der Schaltapparate werden oft von den ganz unveränderten Fasern begleitet. Manchmal sind die Fasern dicht aneinander gedrängt, in andern Fällen weichen sie stark voneinander in einem oder dem andern Punkt des Schaltapparates ab, es gibt also in dieser Beziehung keine Eegelmäßigkeit, der Schaltapparat bewahrt aber seine Einheit- lichkeit, da die Fasern in demselben Gange in der äußeren Balglage bleiben. In den Schaltapparaten andrer Arten (Fig. 2, Taf. XVI), die im unteren Gebiet recht selten in komplizierten Formen hervortritt, wird der Achsencylinder wenig oder gar nicht verdickt, legt sich aber in eine Unmasse scharfer Biegungen imd Knickungen, dabei sind ge- wöhnlich alle Fasern des Bündels daran beteiligt. Die Nervenfasern in diesen Schaltapparaten verflechten sich eng miteinander, oft ein ganz unentwirrbares Bild darstellend. Sie verflechten sich auch mit den Blutcapillaren und sind von spärlichen bindegewebigen Bestandteilen umgeben. Der wellenförmige Verlauf des Achsencylinders macht dabei keinen Eindruck des einfachen Zusammenziehens der Nervenfasern, da der Durchmesser des Achsencylinders keinesfalls gleichmäßig ist rmd keine glatten Grenzen besitzt; manchmal läuft die Spitze des Winkels in einen Dorn oder wird leicht erweitert, an andern Stellen verdünnt sich der Achsencylinder plötzlich zwischen zwei verdickten Stellen und so weiter, immerhin aber äußert sich hier die Vermehrung der nervösen Substanz durch die Verlängerung des Achsencylinders sehr deuthch (Fig. 2, Taf. XVI), und es gibt keine Schwierigkeit, die Art der Schaltapparate von der erstgenannten zu unterscheiden. Man wird wohl zugeben, daß im Vorhandensein dieser zwei Arten der Schalt- apparate die Vergrößerung der Oberfläche und der Masse der Nerven- substanz als das Prinzip des Baues des Apparates besonders hervor- tritt, und nun, wie immer, erkennt man, daß die Natm- ihre Zwecke auf verschiedenen Wegen erreichen kann. Die Bildung der Verbreiterungen imd das Zusammenfalten des Achsencylinders ermöglichen in gleichem Grade das größere Quantum von Nervensubstanz im bestimmten Kaum zu entwickeln. Die Ähnlichkeit im Bau mit gewissen elektro- technischen Apparaten ist wohl sehr auffallend, wenn sie auch nur äußerlich sein masr. Die Xervenendigungen an den Sinushaaron des Rindes. 337 Weitere Stufen der Ausbildung des Schaltapparates stellen die kombinierten Formen (Fig. 3, Taf. XVI) derselben vor, die im mitt- leren Gebiet sich finden. Sie sind ebenfalls in die äußere Balglage eingeschlossen und bestehen aus dem eigentlichen Schaltapparat in Verbindung mit echten Endbäumchen. Die Grundlage wird immer durch die marlchaltigen Nervenfasern mit dem umgebildeten, geknickten Achsencylinder dargestellt, der in der oben geschilderten Weise die Gesamtmenge der nervösen Substanz vermehrt; diese Nervenfasern verflechten sich untereinander und bilden den komplizierten Schalt- apparat. Dazu gesellen sich noch die feinen marklosen Astchen, die von den Schnürringen derselben Fasern entspringen, in dem lockeren Bindegewebe zwischen den Faserscheiden verlaufen und sich verteilen, an der Peripherie der ganzen Bildung sich verästeln und in die feinen Astchen, die mit den kleinen Knötchen besetzt sind und die traubenförmigen Endbäumchen bilden, zerfallen. Wenn im Apparat nicht veränderte markhaltige Fasern vorkommen, entspringen die marklosen Ästchen, die zu der Bildung der Endbäumchen beitragen, auch von diesen unveränderten Fasern. Mitunter kann die ganze Faser sich bei der Endbäumchenbildung erschöpfen, findet also ihr Ende im Schaltapparat. In einigen Fällen beginnt die Abgabe der marklosen Ästchen noch weit außerhalb der äußeren Balglage, die marklosen Ästchen verlaufen dann im Bündel der marklosen Fasern nach oben bis zum Schaltapparat und endigen in ihm. Aus dem Schaltapparat treten die marklosen Äste in das cavernöse Gewebe nur sehr selten aus. Die unveränderten markhaltigen Teile des Schaltapparates zeigen übrigens von ihrer Seite verwickelte Bogen und Schlingen so, daß der ganze Apparat ein Konvolut von markhaltigen Fasern darstellt, das von Endbäumchen durchsetzt und umgeben wird. Die kombinierte Form des Schaltapparates nimmt wohl einen größeren Raum ein und wird immer reich mit Blutcapillaren ver- sorgt. Die Umgestaltungen des Achsencylinders zeigen keine große Ausdehnung, sind aber immer sehr deutlich und bestehen wie aus Faltungen, so auch aus plättchenförmigen Verbreiterungen. Nach der Bildung des Apparates setzen die Nervenfasern ungestört ihren Weg fort, biegen sich in die innere Balglage um, steigen bis zur Anschwellung der Wurzelscheide und nehmen da an der Bildung verschiedenartigster unzweifelhafter Nervenendigungen, insbesondere der palisadenförmigen Endplatten teil. Die Gesamtform der Art des kombinierten Schaltapparates unter- scheidet sich von der folgenden Art nur durch das Fehlen von 338 D. Tretjakoff, Endkolben, deswegen gebe ich keine Abbildung der eben beschriebenen Kombination. Sie zeigt aber in der Beziehung die wichtige Bildung, daß an derselben Stelle in den gleichen äußeren Bedingungen der Schaltappa- rat und die unstreitigen Nervenendigungen sich finden; man bekommt also an der Hand des kombinierten Schaltapparates die Vorstellung, als ob der Schaltapparat nicht nur in noch nicht bekannten funktio- nellen Beziehungen zu der Nervenleitung stehe, sondern auch zu der Perzeption, was die folgende Art der kombinierten Schaltapparate noch wahrscheinlicher macht. Es ist also im mittleren Gebiet noch eine andre Form des kom- binierten Schaltapparates vorhanden. Sie stellt die Kombination von dem komplizierten Schaltapparat im engeren Sinne des Wortes vor, den Endbäumchen und der kapsulierten Nervenendigung, die unter dem Namen des Endkolben längst bekannt ist. In sehr schöner Ausbildung zeigt eine ähnliche Kombination drei- facher morphologischer Bedeutung die Fig. 3, Taf . XVI, mit deren Hilfe ich die gegenseitigen Beziehungen der hierzu gehörigen Elemente zu schildern versuchen werde. Zu der äußeren Mündung des Ganges in der äußeren Balglage tritt das Bündel (Nu) von markhaltigen Fasern, die ziemlich paral- lel und dicht nebeneinander verlaufen. Neben der Mündung, noch außerhalb des straffen Bindegewebes der äußeren Balglage, teilen sich die Fasern, bleiben dabei markhaltig, trennen sich gruppenweise von- einander ab und zeigen auf den ersten Blick ganz mmützliche und ziellose Umbiegungen und Schlingungen. Eine von den Fasern tritt darauf in den inneren Raum des Endkolben, verliert vorher die Mark- scheide imd setzt sich in Gestalt eines nackten Achsencylinders, der anfangs sogar etwas verjüngt scheint; dann aber wird er wieder breit, verläuft bis zur Kappe des Körperchens und endigt mit der Terminal- verbreitung. An der Oberfläche ist die nackte Partie des Achsencylin- ders nicht glatt, sondern zeigt kurze zackige Dörnchen. Der Kolben besteht sonst aus mehreren, dicht aneinander liegenden Kapseln, die aus acidophilen Fasern gewoben werden; sie hat also dasselbe Aus- sehen, was ich im Schweinsrüssel gefunden hatte, nur konnte ich nicht die Fasern zweiter Art im Raum des Kolbens auffinden. Ahnliche Kolben wurden auch in der Haut der Rinderschnauze von Cybulskij (8) seinerzeit vorgefunden, sie sind also hier das morphologische Element, das mit der Feinheit der Tastempfindungen in unmittelbarer Beziehung steht. Im Schaltapparat schmiegt sich der Endkolben dicht an den übrigen Komplex und bietet damit den Eindruck, als ob er einen Die Nervenendigungen an den Sinusliaaren des Rindes. 339 integrierenden Bestandteil des kombinierten Schaltapparates darstellt. In andern Fällen trifft man mehr als einen Endkolben, oder er ist nicht, wie in der Fig. 3, an der Oberfläche des Komplexes, sondern ganz inner- halb desselben gelegen. Natürlich muß man sich dabei hüten, die abge- schnittene Nervenfaser für den Achsencylinder des Kolben anzunehmen. Die übrigen markhaltigen Fasern teilen sich wiederholt in mark- haltige Aste, mid in dem verwickelten Geflecht ihrer Zweige erfolgt an den km-zen Strecken die Faltenbildung oder Plättchen- und An- schwellungentwicklung, die jedenfalls mit der Markscheide bedeckt bleiben. Um Wiederholungen zu vermeiden, möchte ich nur sagen, daß die Umgestaltung des Achsencylinders dieselbe kolossale Ver- schiedenartigkeit zeigt, wie überhaupt in den früher beschriebenen Schaltapparaten. Einige Fasern durchziehen den Apparat ohne um- gebildet zu sein. Was die Nervenfasern mit der Schaltumbildung betrifft, so ver- läuft ein Teil derselben ganz ungestört in das cavernöse Gewebe; die Fasern werden nur feiner, um im cavernösen Gewebe wieder die normale Stärke zu gewinnen. Andre Fasern im Schaltapparat geben feine Astchen ab, die im Gange der äußeren Balglage unter den endoneuralen Scheiden sich verteilen und mit zarten Endbäumchen versehen sind. In der Entstehungsweise der Endbäumchen und ihrer Verbreitung w^iederholen sich die Verhältnisse der vorigen Art der kombinierten Schaltapparate und ebenso, wie damals, treten die Endbäumchen niemals aus dem Gebiet des Schaltapparates; seine morphologische Einheitlichkeit wird von dieser Seite niemals gestört. Deswegen halte ich für sicher, daß die Endbäumchen in den kombinierten Schalt- apparaten ebenso wie Endkolben den integrierenden Bestandteil des Apparates darstellen. Die höchste Art der Kombination zeigt nach dem Geschilderten die Verflechtung der markhaltigen Nervenfasern und der Endkolben, die mit den Endbäumchen durchsetzt und um- flochten wird. Das obere Gebiet, wo noch die Nervenstämmchen in die äußere Balglage eintreten können, liegt unterhalb der Talgdrüsen, wo die äußere Balglage ihre Selbständigkeit gegen die subpapilläre Schicht der Cutis noch gut bewahrt. Die Nervenstämmchen kommen dahin schon nicht vom tiefen Geflecht des Stratum subcutaneum, sondern aus dem subpapillären Geflecht und sind wohl dünn und spärlich; sie steigen aus dem subpapillären Geflecht hinab, dringen in die äußere Balgiage hinein in ungefähr horizontaler Richtung und senken sich steil in das . Gebiet der Scheidenanschwellung, indem sie selten durch 34:0 D. Tretjakoff, den konischen Körper, sondern gewöhnlich erst auf der inneren Fläche der äußeren Balglage ihren Weg nehmen, um nachher in die Balken des Sinusraumes hineinzudringen. Es muß dann noch bemerkt werden, daß das obere Gebiet des Eintrittes der Nervenstämmchen nicht immer und nicht auf jedem Haar zu finden ist. Wenn aber an der betreffenden Stelle das Bündel der markhaltigen Fasern verläuft, wird es meistens mit dem Schaltapparat versehen, und zwar in der kombinierten Form. Zu demselben Gebiet möchte ich noch andre Nervenfasern zu- zählen, die (Fig. 1, 10, Taf. XV) zwischen der äußeren Balglage und den Talgdrüsen aus dem subpapillären Geflecht in den konischen Körper hineintreten oder aus dem letzteren Körper sich nach oben begeben. Sie verlaufen auch in den Dellen zwischen den einzelnen Talgdrüsen und gehen durch die Verbindungsstelle der äußeren Balglage und des subpapillären Bindegewebes, oder sie durchbohren die äußere Balglage unmittelbar unter den Talgdrüsen. Es sind hier markhaltige und marklose Fasern vorhanden, und die markhaltigen können wieder dick oder fein sein. Dicke Fasern treten in geringer Zahl auf und sind die Fasern, die nach unten absteigen und auf der Wurzelanschwellung sich wieder scharf nach oben umbiegen und in die Palisadenplättchen oder die intraepithelialen Endigungen sich fortsetzen. Feinere Fasern entspringen von dem unteren Nervenring; sie vereinigen sich zu Bündeln, die am Halse der Wurzelscheide unter den Talgdrüsen sich rings um das Haar umbiegen und hier eine Art des (unvollständigen) ring- förmigen Geflechtes, also des oberen Nervenringes darstellen. Es gibt also an dem Sinushaar des Rindes ein oberes ringförmiges Geflecht (Fig. 1, 9, Taf. XV), das aber in keiner Weise mit dem Nerven- ring, z. B. des Schweinshaares, zu vergleichen ist. Erstens liegt beim Eind das Geflecht im konischen Körper, zweitens besteht es aus mark- haltigen Fasern, deren terminale Äste hier nicht vorkommen. Sie begeben sich nämlich in das Gebiet über den Talgdrüsen, wo die mark- losen Terminaläste um die Haarscheide ein Geflecht bilden. Die Unter- schiede von dem Nervenring bei andern Tieren muß man deshalb konsequent durchführen. Der von mir gefundene Nervenring im oberen Gebiet des Sinushaares des Rindes dient ausschließlich für die gleichmäßige Verteilung der Nervenbündel des oberen Teiles des Haares und wm^de kaum von jemandem bei anderen Tieren gesehen. Am Sinushaar des Rindes entspringen vom oberen Nervenring die Stämmchen der markhaltigen Fasern, die sich nach oben zwischen den Talgdrüsen begeben, und, wie ich schon gesagt hatte, in dem obersten Gebiet des Haarbalges das Geflecht bilden. Ihr Endschioksal konnte Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 341 ich aber nicht vollständig verfolgen, da sie sich oberhalb der Talg- drüsen mit den andern, subpapillären Fasern verflechten. Auf wenigen gut gelungenen Präparaten sieht man im Bestand der Bündel auch die Fasern für die Talgdrüsen, also wahrscheinlich von sympathischer Natur. Für die endgültige Bestimmung hatte ich zu wenig Material erhalten, und ebensowenig kann ich genaue An- gaben über die reichlichen, in diesem Gebiet vorkommenden marklosen Fasern liefern. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehören die marklosen Fasern den Blutcapillaren an, ich suchte nämlich ihre näheren Bezie- hungen zu den vorhandenen Palisadenplättchen zu eruieren, kam aber zu negativen Ergebnissen. Damit schließe ich die Beschreibung der Nervenstämmchen, die in den Balg des Sinushaares des Rindes hineintreten und erlaube mir noch eine kurze Wiederholung der beobachteten Tatsachen. Das Sinushaar des Rindes unterscheidet sich scharf von den Sinus- haaren der übrigen, bisher untersuchten Sinushaare im Vorhandensein zahlreicher Eintrittsstellen für die sensiblen Nervenfasern. Die be- deutende Zahl der eintretenden Nervenfasern, die überwiegend mark- haltig sind, verteilt sich im Bindegewebe des Balges in solcher Weise, daß man das Bindegewebe des Balges mit einer viel größeren Menge von Nervensubstanz angefüllt findet, als es eigentlich nach den laufenden Vorstellungen über die Bedeutung der Nervenendigungen, und zwar mit Rücksicht auf die reichste Entwicklung der Nervenendigungen im Sinushaar des Rindes zu erwarten ist. Dabei sind die markhaltigen Nervenfasern in solcher Weise geordnet und umgebildet, daß sie wahr- scheinlich neben ihren Nervenendigungen zu dem Druck und der Druckperzeption in direkten Beziehungen stehen, und das äußert sich in dem Erscheinen der Schaltapparate, die eigenthch nach dem Prinzip der Nervenendigungen gebaut sind, also dieselbe Vergrößerung der Masse und der Oberfläche des Achsencylinders nur innerhalb der Markscheide darstellen. Nach den Besonderheiten der Struktur unter- scheide ich einfache, komplizierte und kombinierte Formen der Schalt- apparate. Der einfache Schaltapparat stellt die Umbildung des Achsen- cylinders einer Faser, der komphzierte mehr als einer, und die kom- binierte Form besteht aus dem komplizierten oder einfachen Schalt- apparat in Verbindung mit den Endkolben und den Endbäumchen. Man darf wohl einwenden, daß der Schaltapparat, die lokale Ver- änderung des Achsencylinders durch die Notwendigkeit, die äußere Baldage und die Balken des cavernösen Gewebes zu durchdringen, 342 D. Tretjakoff, hervorgerufen wird, also in irgendwelcher Beziehung zu den specifischen topographischen Bedingungen steht. Daß dies hier aber nicht der Fall ist, beweisen die Schaltapparate, die wir konventionell als verirrt bezeichnen können, die nämlich in der äußeren Balglage liegen, aber deren Nervenfasern die Balglage nicht durchbohren. Ich will diese Fälle gleich besprechen, um die Schaltapparate endgültig zu charakteri- sieren. Man findet nämlich feine Bündel der markhaltigen Fasern, die vom unteren ringförmigen Geflecht nach oben ziehen und dabei auf der langen Strecke der inneren Fläche der äußeren Balglage an- liegen und in die innere Balglamelle irgendwo in der Höhe der Wurzel- scheidenanschwellung übergehen. Unterwegs biegt das Bündel in die äußere Balglage um und bildet in ihr einen komplizierten Schaltapparat, welcher also in einer Aushöhlung der äußeren Balglage in dem lockeren Bindegewebe hegt. Nach der Bildung des Schaltapparates gehen die Fasern wieder aus der äußeren Balglage auf ihre innere Fläche und verlauf^i ungestört weiter. Hier ist wohl die Ausbildung des Schalt- apparates durch keine topographischen Verhältnisse erzwungen; das Eindringen der Nervenfasern von innen her in die äußere Balglage scheint die aktive Einrichtung zu sein, um die gegebenen mechanischen Verhältnisse, die in der äußeren Balglage beim Druck oder in andern Beziehungen vorhanden sind, auszunutzen. Dasselbe sieht man mitunter an den Stämmchen, die auf der äußeren Oberfläche der äußeren Balglage verlaufen, besonders im obersten Gebiet, in der Höhe der Talgdrüsen. Hier biegt also das Nerven- bündelchen von außen her in die äußere Balglage, träot dabei den Schaltapparat, der auch kombiniert werden kann, dann geht es wieder aus der Balglage und setzt ungestört seinen Weg bis zum subpapillären Plexus fort. In diesem Fall muß man natürlich ebensowenig von der Verirrung des Nervenbündels, wie im vorigen Fall sprechen, sondern immer nur die aktive Entwicklung sehen, deren nähere Bedeutung jedenfalls noch sehr rätselhaft ist, aber als Beziehung zur Perzeption der Druckempfindungen doch am wahrscheinlichsten zu sein scheint. Ich besitze noch ein Präparat, wo der Schaltapparat an dem Nerven- bündel, das nicht in den Balg eindringt, in noch auffallenderer Weise entwickelt ist. Das Bündel steigt hier nicht nach oben, sondern ver- läuft horizontal außerhalb des Balges, einen Bestandteil des Haut- plexus darstellend. An dem Balg angekommen, dringt das Bündel tangential durch die äußere Balglage an einer Stelle und geht ohne die Richtung zu wechseln an andre Stelle, und genau an dem Punkt, wo Die Ne^^•t'ncndigungen an den Sinushaaren des Rindes. 343 das Bündel die innere Fläche der äußeren Balglage berührt, liefert es den einfachen Schaltapparat. Da wir aber den Schaltapparat und die Endkolben an derselben Faser finden können, betrachte ich ihre Teilnahme in der Perzeption der Druck- und Tastempfindungen als gleichwertig, besonders nachdem ich in den baumförmigen Endigungen des Sinushaares die markhaltigen Fasern als wesentlichen Bestandteil der Endigung feststellen konnte. Innere Balglamelle und ihre baumförmigen Endigungen. Das Gebiet, wo die baumförmigen Nervenendigungen am Sinus- haare des Rindes vorkommen, umfaßt die untere Hälfte der inneren Balglamelle und die äußere Balglage. Ich werde zunächst nur die Endigungen in der inneren Balglamelle beschreiben, da die baum- förmigen End Verzweigungen der äußeren Balglage erst dann richtig aufgefaßt werden können, wenn wir die Reihe der Varianten derselben Endigungen in der inneren Balglamelle verfolgen. Vor allem ist es notwendig, das Gewebe der inneren Balglamelle näher zu bestimmen. Seine sehr auffallenden und von den gewöhnlichen Bindegewebsarten abweichenden Merkmale sind schon von älteren Autoren wahrgenommen worden. Leydig (im Jahre 1859) nennt die innere Balglamelle sulzige Schicht. Eingehender behandelte ihren Bau DiETL (9) in seinen Abhandlungen, in welchen er nicht nur die schematischen strukturellen Verhältnisse betrachtet, sondern streng auf dem vergleichend -histologischen Boden bleibt und jede Tier- gruppe für sich in Betracht zieht. Jedenfalls hat der Verfasser die Aufmerksamkeit hauptsächlich dem Sinuskissen (Ringwulst, schildförmiger Körper) gewidmet und die gewebliche Differenzierung vorzugsweise in dieser Bildung, die jedenfalls nicht bei allen Tieren .sich findet, genauer verfolgt. Er weist aber darauf hin, daß im Sinuskissen der Bau der inneren Lamelle in hauptsächlichen Zügen sich wiederholt. Nach den Angaben von Dietl entsteht die innere Balglamelle an der Kuppe des Sinus und legt sich an die Glashaut an, begleitet die- selbe wie eine accessorische Scheide, schlägt sich um den Bulbus des Haares und biegt sich nachher wieder in die äußere Lamelle des Balges um. Während bei den Fleischfressern und Nagern die innere Lamelle in dem obersten venösen Ringsinus zu einem Sinuskissen anschwillt, fehlt beim Rinde der Ringsinus vollständig, aber die verschiedenen Übergangsstufen wurden von Dietl gefunden. Beim Pferd nämlich zeigt die voluminöse innere Lamelle des Haarbalges eine leichte Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 23 344 I>- Tretjakoff, Anschwellung, die in größerer Ausdehnung laufend die Andeutung eines gewissermaßen sehr breit aufsitzenden Ringwulstes darstellt. In der inneren Lamelle wie im Sinuskissen (das ich Sichelkissen zu nennen vorschlage, Anat. Anz. Bd. XXXVII, S. 272) hat Dietl die eigentümhche homogene Bindesubstanz festgestellt. Zu ihren Be- standteilen zählt er die homogene Grundlage, die strahligen Zellen, die collagenen und elastischen Fasern. Wenn die Angaben von Dietl für seine Zeit sehr exakt erscheinen, sind sie wohl von technischer Seite wenig befriedigend. Es brachten erst die späteren Untersuchungen von Ksjunin (21) und Feitz (15) manche wichtige Angaben über die elastischen Fasern, mit Hilfe der specifischen Färbungsmethoden. Letztere Verfasser zeigten, daß im Sinusbalge die elastischen Fasern nur in den Sinusbalken und un- mittelbar an der Glashaut liegen. In der inneren Balglamelle liegen also nur sehr spärliche elastische Fasern. Dieselben haben also keine große Teilnahme an dem Bau der irmeren Balglamelle. In den rein neurologischen Untersuchungen und in den Lehr- büchern hat die innere Balglamelle keine große Beachtung gefunden, man begnügte sich mit den Angaben von Odenius und Dietl. Szymono- wicz (43) hält sie für einfach schleimiges Bindegewebe, ohne auf die Frage einzugehen, ob Bindegewebe von der Art des embryonalen Binde- gewebes vorliegt. Ich habe die Beobachtungen andrer Forscher nachgeprüft und nachgewiesen, daß die innere Balglage wie auch das Sichelkissen (Ring- wulst) aus einem besonderen basophilen Gallertgewebe gebildet wird. Näheres darüber siehe Anat. Anz. Bd. XXXVII Nr. 10 u. 11. Speziell für die Eigenschaften der bindegewebigen Bestandteile des Sinusbalges vom Rind möchte ich manches hervorheben, da die Sinushaare des Rindes in dieser Beziehung am wenigsten untersucht worden sind. Außerdem bildet das Gallertgewebe der inneren Balg- lamelle die Gnmdlage für die Nervenendigungen verschiedenster Arten und verdient deswegen eingehendste Behandlung. Um die Struktur der inneren Balglage richtig zu erhalten, emp- fehle ich die säurehaltigen Fixierungsmittel auszuschließen und mög- lichst neutrale Reagenzien zu benutzen. Dann überzeugt man sich, daß die innere Balglamelle außerhalb der Glashaut hauptsächlich aus der homogen aussehenden basophilen Substanz besteht, was schon bei der einfachen Hämatoxylin-Pikrofuchsinfärbung sehr deutlich hervor- tritt. Während diese Grund- oder Kittsubstanz bei andern Tieren ge- wisse leichte Faserung zeigt, sieht sie beim Rind homogen aus. In der Die Nervenendigungen an den Simishaaren des Rindes. 345 basophilen Substanz liegen Zellen mit einem System der feinsten, leicht varicösen Fortsätze, die die Zellen untereinander verbinden. Die basophile Kittsubstanz wird weiter durch collagene (acidophile) und elastische Fasern durchsetzt, die teils isoliert, teils in Bündeln bis zur Glashaut verlaufen. Den früheren Angaben von Bonnet (2) über den Bau der Glas- haut kann ich im großen und ganzen zustimmen, möchte aber hinzu- fügen, daß die Glashaut des Sinushaares keine selbständige Bildung ist, sondern von den feinsten Verzweigungen der acidophilen Fasern der inneren Balglamelle zusammengesetzt wird. Die Enden der acidophi- len Fasern wenden sich schließlich zu der Glashaut und werden in außerordentlicher Weise fein zerspalten, wobei sie eine Schicht kurzer Fibrillen bilden, die eng aneinander liegen und dadurch die Glashaut, die immer stark acidophil ist, darstellen. Diese Struktur der Glashaut tritt, nach meinen Beobachtungen, am deutlichsten bei der Anwendunge der Methode von Bielschovsky hervor, und zwar tritt dabei die fibrilläre Schichtung sowohl in der unteren, porösen Hälfte der Glashaut und in der oberen kompakten Hälfte, die die Wurzelscheidenanschwellung umhüllt, zutage. Bei der letzteren Partie der Glashaut konnte ich die unmittelbaren Be- ziehungen zu den dicken Bündeln der acidophilen Fasern der inneren Balglamelle feststellen. Die obere Hälfte der Glashaut stellt, nach meiner Auffassung, die feste Manschette dar, die an ihrem unteren Rande (Fig. 1 F, Taf. XV) mit Faserbündeln verbunden wird, die aus den untersten Sinusbalken in die innerste Balglamelle übergehen. Die Anordnung der Fasern erinnert vollständig an die Befestigung des Mastbaumes durch Kabel, aber nicht auf dem Schiff, sondern auf dem Festlande. Wahrscheinlich haben hier im Sinushaar mecha- nische Bedingungen ihren Ausdruck gefunden, und das Haar mit seinen epithelialen Scheiden wird durch die Glashautmanschette gründlich befestigt. Nun komme ich wieder zu der homogenen Kittsubstanz. Mit dem Auftreten der dicken Bündel acidophiler Fasern wird die Kittsubstanz in einzelne Stücke verteilt, die in der Form selbständiger Kissen in dem Sinusraum hervorragen. Die basophile Substanz fehlt niemals, auch zwischen den dicht gedrängten Fasern der Bündel; sie klebt die Fasern fest zusammen, stellt also echte Kittsubstanz dar. Sie begleitet die collagenen Fasern bis in die Sinusbalken, wo sie manch- mal eine sehr deutliche Deckschicht, die die Fasern vom Endothel trennt, bildet. 23* 346 ^- Tretjakoff, Sie tritt auch noch mit ihren basophilen Eigenschaften in den imier- sten lockeren Faserfilz der äußeren Balglage und verliert ihre Baso- philie erst zwischen den Bündeln des straffen Bindegewebes der letzteren Bal(^lao-e. In den Kissen der inneren Balglamelle bietet die basophile Substanz ihre Eigenschaften in der reinsten Form dar. Spärliche elastische Fasern durchsetzen sie nach allen Eichtungen, doch bleibt ihre Anzahl gering im Vergleich mit dem Netz der feinsten, deutlich varicösen, Zellfortsätze, die in der basophilen Substanz nach allen Seiten verlaufen und die Zellen miteinander verbinden. Die basophile Kittsubstanz erscheint in der inneren Balglamelle immer da, wo die Nervenendigungen am deutlichsten entwickelt sind, also in der unteren Hälfte der inneren Balglage und in dem. konischen Körper. Dieses Zusammenfinden ist wohl von vornherein eine sehr wichtige Tatsache und nicht ohne Bedeutung für die Frage von dem Zusammenhang zwischen den nervösen Endorganen und dem Binde- gewebe. Ich möchte aber gleich angeben, daß die Bälge an der nassen Schnauze des Rindes die basophile Substanz in größter Masse in ihrer inneren Balglamelle enthalten; dagegen sind die Sinushaare der Wangen und der unteren Lippe manchmal mit der basophilen Substanz ganz dürftig versehen; nur im konischen Körper zeigen alle Sinushaare des Rindes gleiche Entwicklung der basophilen Substanz, der konische Körper aber beherbergt in sich die paHsadenförmigen Endigungen, die bei allen Sinushaaren des Rindes gleich entwickelt sind. So viel über das Bindegewebe, welches die baumförmigen Endi- gungen unterstützt. Was die Endigungen selbst anbelangt, so erlaube ich mir einige vorläufige Bemerkungen über diesen Gegenstand zu bringen. In seiner Zusammenstellung (37) der bisherigen Kenntnisse über die Nervenendigungen in der Haut der Säugetiere — <- Tretjaküff, Wesen der Nervenerregung und des Nervenstromes vorläufig keine Ahnung haben. Was wir uns als einheitliche Erscheinung der Nerven- erregung vorstellen, ist vielleicht der verwickeltste Vorgang, und der Bau der Nervenendigungen ist nur die morphologische Äußerung der vielseitigen physiologischen Arbeit. Ich bin überzeugt, daß das Stu- dium der Formen der Nervenendigungen die notwendige Vorstufe zu weiterer Erforschung im Wesen der Nervenerregung und des Nerven- stromes geben wird. Man darf wohl hoffen, daß bei dieser Arbeit die alte Sünde der physiologischen Forschung nicht wiederholt werden wird und die rätselhafteste der Lebenserscheinungen, der Nervenstrom, nicht nur »physiologisch«, sondern morphologisch - physiologisch aufgefaßt wer- den wird. Von dem Standpunkt aus gewinnt an Interesse und an Wichtigkeit nicht nur die Beschreibung der typischen Formen der Nervenendigungen, sondern in hohem Maße auch die Darstellung der Varianten. Das Sinushaar des Rindes bietet in dieser Beziehung die bequemste Ge- legenheit. Die Ergebnisse, die ich jetzt zu beschreiben habe, sind auf Untersuchungen begründet, zu deren technischer Seite ich außer den allgemeinen technischen Angaben noch manche Winke hinzufügen muß. Die ursprüngliche ÜAjALsche Methode mit dem Einlegen des frischen Objekts direkt in die Silberlösung gab mir bessere Resultate, als die vorherige Fixation im Alkohol- Ammoniak. Was die Vergoldung anbelangt, benutzte ich neben der prachtvollen Färbung mit Methylen- blau auch jene altbewährte Methode, da ungeachtet der vollständigen Färbung mit dem Methylenblau einzelner Endigungsformen, immer ein Raum für die Vermutung blieb, daß die Färbung sehr wiilkür- lich war und keine Vorstellung von der Menge der baumförmigen Endverzweigungen in der gesamten inneren Balglage lieferte. Die Vergoldung brachte mir auch andre Vorteile, da ich die halboffenen vergoldeten Bälge in Celloidin eingebettet in dünne Schnitte zer- legen konnte. Deswegen war die genaue Orientierung über die Lage und die Beziehungen zu andern. Geweben viel leichter, als an den Methylenblaupräparaten. Doch muß ich gestehen, daß die Ergebnisse der Vergoldung, besonders was die marklosen Verzweigungen anbetrifft, nicht immer mit denen der Methylenblaubilder übereinstimmen. Es ist wahrscheinlich, daß die Vorbehandlung mit der Säure auf das Proto- plasma anders als molybdänsaures Ammonium wirkt und gewisse Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 349 strukturelle Veränderungen in den Endigungen hervorbringt. Jeden- falls bleibt, wenn man den Bau der Verzweigungen selber, nicht aber nebensächliche Einzelheiten verfolgen muß, die Methylenblaufärbung die herrschende und leitende. Die nachherige Färbung mit Alaunkarmin bringt die Beziehungen zwischen den blaugefärbten Endverzweigungen und den Bestandteilen hell zutage. Ich habe keine Unterschiede in den Bedingungen der Methylenblau- färbung für die verschiedenen Formen der baumförmigen Endigungen bemerkt. Wenn die verschiedensten Formen in dem Haarbalg zusam- men vorhanden sind, färben sie sich gleichzeitig und in demselben Grade der Intensivität. A. Typische baumförmige Endigung. Ich finde sie in der inneren Balglamelle immer durch eine markhaltige Nervenfaser nach dem vielfach beschriebenen Typus gebildet. Doch möchte ich einige Besonderheiten hervorheben. Sie finden sich konstant in der inne- ren Balglamelle oberhalb des unteren Nervenringes. Sie kommen aber nicht in der oberen Hälfte des Balges und selten in dem Gebiet miter- halb des unteren Nervenringes vor. Die Fasern, die für ihre Bildung bestimmt sind, kommen direkt aus dem Nervenring, oder sie laufen in den aufsteigenden Bündeln nach oben hin, um dann umzukehren und zu dem betreffenden Gebiet abzusteigen (Fig. 1, 17, 18, Taf. XV). Nach der Bildung des letzten RANViERschen Schnürringes fängt die Verästelung der marklos gewordenen Nervenfaser sogleich an, oder sie läuft eine Strecke nackt und ungeteilt. Im zweiten Fall sieht man immer an der nackten und ungeteilten Partie des Achsencylinders die neuroplasmatischen Höckerchen und Hervorragungen (Fig. 10 Nn, Taf. XVII), die manchmal dorn- oder sogar schlingenartig erscheinen können. Sie sind ähnlichen Hervorragungen an dem Achsencylinder in den typischen Vater- PACiNischen Körperchen dem Aussehen nach völlig homolog. An meinen Präparaten zeichnen sich die Hervorragungen durch die starke Färbung mit dem Methylenblau aus. Schließlich teilt sich die Nervenfaser in eine größere oder geringere Menge sich wiederholt teilender, aber selten anastomosierender Astchen, die in den verschiedenen Flächen und in den verschiedensten Richtungen verlaufen. Die ganze Endverzweigung stellt also keine abgeflachte Bildung dar, sondern ein Körperchen von drei Dimensionen. An den Teilungsknoten und an den Astchen, besonders an den Enden derselben sitzen die vieleckigen Plättchen, die wieder an den Ecken mit den sekundären und tertiären gestielten Plättchen und den mannig- faltigen Dörnchen besetzt werden. Es entstehen in solcher Weise die 350 D. Tretjakoff, zierlichsten sternförmigen Verbreiterungen, die selten in den Zeichnungen andrer Forscher zu treffen sind; am passendsten konnte man sie mit Blättchen vergleichen, da die ganze Verzweigung lebhaft an den Ahorn- oder Kastanienbaumast erinnert (Fig. 10, Taf. XVII). Sehr auffallend sind die beschriebenen Endverzweigungen, wenn die Zahl der Endäste sehr gering, die Größe der Blättchen aber normal bleibt. In dieser Form nähert sich die Endverzweigung den End- platten der Palisade an der Wurzelscheidenanschwellung. Die Endverzweigungen und ihre Blättchen liegen in der Kitt- substanz des basophilen Gallertgewebes, aber bieten keine besonderen Beziehungen zu den Zellen des Gewebes. In gleicher Weise gibt es keine besondere Hülle um die End Verzweigung. Die Fortsetzung der perineuralen Scheide, die in den feinen Bündeln der Nervenfasern voll- kommen mit den acidophiien Fasern der inneren Balglamelle ver- schmilzt, ist an den einzelnen Nervenfasern im Gallertgewebe nicht vorhanden. Die Endfäden verlaufen nach allen oder nur in zwei Kichtungen, oder sind besenförmig einseitig gesammelt; sie biegen und verflechten sich untereinander. Dabei behalten sie keinenfalls die gleichmäßige Dicke, verdicken oder verfeinern sich plötzlich oder allmählich. Die End- und Knotenblättchen bilden den wesentlichsten und cha- rakteristischen Bestandteil der Endigung. An den Methylenblau- präparaten sieht man aber ihren fibrillären Bau sehr selten, es treten meistens die neuroplasmatischen Microsomen auf, die besonders scharf tingiert erscheinen und dadurch die fibrilläre Struktur maskieren. Doch von den andern plättchentragenden Endverzweigungen der Nerven im Balge der Sinushaare unterscheiden sich die Blättchen dadurch, daß die Microsomen in ihnen sehr gleichmäßig gelagert sind und die Blättchen sich immer sehr gleichmäßig färben. Man findet in ihnen keine randständige Verteilung der Microsomen, wie z. B. an der Centralf aser der Endkolben. Wenn die Anastomosen der Ver- zweigungen sich bilden, geschieht das immer an den Blättchen: in manchen Fällen sind dieselben durchlöchert, bzw. ihre sekundären Randdörnchen und Hervorragungen anastomosieren untereinander. Die Plättchenendigung stellt also nach dem oben Gesagten die Endverzweigung in der inneren Balglamelle vor, die durch die mark- haltigen Fasern gebildet wird, aus marklosen Endästen besteht und mit den End- und Knotenblättchen besetzt ist. B. Typische baumförmige Endigung, Spindelendigung. Sie bildet die zusammengesetzte Form der typischen baumförmigen r Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 351 Eiid Verzweigung. An der Bildung dieser Form nehmen mehrere Nervenfasern teil, dabei wird auch eine gewisse Modifikation im Aus- sehen der Endäste bemerkbar (Fig. 11, Taf. XVII; Fig. 1, 18, Taf. XV). Endverzweigungen dieser Art in gut entwickelter Form sind den RuFFiNischen Körperchen bzw. Endverzweigungen ähnlich; Ruffini hält jedoch die Lagerung seiner Körperchen im dichten Bindegewebe, das dazu noch an elastischen Fasern reich ist, füi' sehr charakteristisch. Die spindelförmigen Endigungen liegen immer in dem basophilen Bindegewebe, deshalb möchte ich sie vorläufig nicht als RuFFiNische Körperchen bezeichnen. Die spindelförmigen Nervenendigungen finden sich hier im Gebiete zwischen dem unteren Nervenring und der Wurzelscheidenanschwellung und gehören zu den gewöhnlichsten Endigungen im Sinushaar des Rindes. Die an diesen Endverzweigungen beteiligten Nervenfasern ge- hören gewöhnlich den aufsteigenden Nervenstämmchen an, von welchen sich die Bündel aus drei und mehr Nervenfasern ohne perineurale Hülle in horizontale Lage sich umbiegen, die Markscheide verlieren und in die Endverzweigung übergehen. Die Fasern teilen sich hart an der Endverzweigung in die Menge der sich wiederholt teilenden Endäste, die sich untereinander verflechten, anastomosieren und in ihrer Gesamtheit den mehr oder minder spindelförmigen Komplex der marklosen Verzweigungen darstellen. Aber die bei A. so gut differen- zierten Blättchen fehlen hier vollständig, und an ihrer Stelle werden die Endäste mit spindeligen Verbreiterungen und Anschwellungen versehen, wohl auch an den Knotenpunkten und Enden, die kleine und einfach umrandete Plättchen tragen; die Verbreiterungen und Plättchen haben dabei einen sehr deutlich ausgebildeten fibrillären Bau, der durch keine Microsomen maskiert wird. Im großen und ganzen sieht diese Form der Endigung im Vergleich mit der Blättchenendigung immer dichter aus. Die Bezeichnung Spindelendigung hat also doppelten Grund : wegen der Spindelform der ganzen Bildung und wegen des Vorhandenseins der spindeligen Anschwellungen, Daß die spindelförmigen Endverzweigungen keine bindegewebige Kapsel besitzen, ist hier leicht zu beweisen wegen der Entwicklung des basophilen Gewebes. Es lassen sich keine intimeren Beziehungen der Nervenverzweigungen zu den Zellen des Bindegewebes oder zu den andern Bestandteilen der inneren Balglamelle finden, und in gleicher Weise spielt die Verteilung der elastischen Fasern dabei keine Rolle. 352 D. Tretjakoff, Die kompliziertesten Formen der Spindelendigungen sind zu gleicher Zeit am meisten typisch für diese Art der baumförmigen End- verzweigungen. Man findet nämlich in manchen Fällen, daß ganze Bündel von aufsteigenden Fasern zur Bildung der Spindelendigungen verwendet werden, dadurch entsteht dann eine Gruppe von zwei und mehr (Fig. 11, Taf. XVII) einzelnen Spindelendigungen, die nicht weniger als die Hälfte des Umfanges der inneren Balglamelle ein- nehmen können. Aus der aufsteigenden Lage gehen die Fasern in die horizontale über, und das geschieht für alle zugehörigen Endigungen an derselben Stelle so, daß die Fasern zu den distalen Spindelendi- gungen in horizontaler Richtung eine mehr oder minder weite Strecke verlaufen, die Haarscheide umfassend. Die einzelnen Spindel- endigungen können dabei alle gleich groß oder von verschiedener Große sein, die distalen nleistens kleiner als die proximalen. Die Art der Nerventeilung und der Geflechtbildung bleibt dieselbe wie bei ein- facheren Formen, es bildet sich die dichte Menge der unregelmäßig ver- dickten oder verjüngten marklosen Aste, die auf ihrem Laufe sich mehrfach teilen und untereinander anastomosieren. Ob die Anasto- mosen nur dem System derselben Faser gehören, oder Verzweigungen verschiedener Fasern durch Anastomosen miteinander verbunden werden, ist schwer zu verfolgen; die letzte Möglichkeit bleibt wohl sehr wahrscheinlich. Nur die Enden der Verzweigungen laufen manch- mal mehr oder minder selbständig, von dem übrigen Komplex sich trennend, meistens wird die Endigung streng und scharf um- grenzt. Die besondere bindegewebige Hülle fehlt auch hier, und zwischen den Endfäden des Geflechtes liegen nur die bindegewebigen Zellen; dieselben zeigen aber keine Besonderheiten in der Lagerung und in den Beziehungen zu den Nervenästchen, die basophile Kittsubstanz behält vollkommen ihre Eigenschaften. Man trifft manchmal unter den sich verflechtenden Astchen auch die langen marklosen nicht geteilten Äste, die gerade von der Stelle des letzten Schnürringes bis zu irgendwelchem Ende des Komplexes verlaufen und erst da ihrer- seits sich teilen. Manchmal laufen solche oder überhaupt dickere sich teilende Aste am Rande der Bildung, und die letztere wird durch die- selben scharf umrahmt, im andern Fall strahlen die Enden der Aste mit den Blättchen besetzt von der Peripherie des Komplexes aus. Die Spindelendigungen dieser oder jener Form hatte ich besonders mit Hilfe der Goldmethoden studiert. x4n den dünnen Schnitten bewahren sie ihre hauptsächlichen Züge, wenn man auch natürlich ihr Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 353 Gesamtaussehen nur an der Hand der Serienschnitte rekonstruieren konnte. Die Goldpräparate zeigen speziell die Verhältnisse zwischen den spindelförmigen Endigungen und den Blutgefäßen. Ich finde die spindelförmigen Endigungen, wie überhaupt die baum- förmigen Endigungen, immer von dem Capillarnetz der inneren Balglage umsponnen, und wird hier das Netz der Blutcapillaren nicht dichter, als überhaupt in der inneren Balglage so, daß ich keine Notwendigkeit sehe, hier spezielle Netze für die Nervenendigungen zu unterscheiden. In die Spindelendigung selbst tritt aber kein Blutgefäß hinein. Die Goldpräparate bringen bestimmtere Angaben über die Topo- graphie der spindelförmigen Endigungen und ihre verhältnismäßige Quantität. Sie stellen an einigen Haaren eine fast ununterbrochene Schicht zwischen dem unteren Nerv^enring und dem Gebiet der Wurzelscheidenanschwellung dar. In der Dicke der inneren Balgla- melle liegt nur eine spindelförmige Endverzweigung, der Länge aber von unten nach oben hin manchmal zwei bis drei Reihen von Endi- gungen, die unteren sind dabei die größeren. Die Endzweige gelangen selten bis zur Glashaut, meistens liegen die Endigungen mehr oder minder entfernt von der letzteren. Wenn nach dem Durchsehen der Gold- und Methylenblaupräparate immer noch ein Zweifel bleibt, ob echte Anastomosen von einzelnen Fädchen vorkommen, wird das klar gemacht durch Präparate, die nach dem Verfahren von Ramon y Cajal angefertigt worden sind. Man bekommt dabei natürlich nur einen dünnen Ausschnitt aus der ganzen Menge der Verästelung, an dem man sich leicht überzeugen kann, daß die Anastomosen das Geflecht der Endverzweigungen in echte Netz- bildung verwandeln. Was die Plättchen und spindelförmigen Anschwel- lungen der Fasern anbelangt, tragen sie immer dichte Netzchen von Neurofibrillen, die auch von einer Menge der Perifibrillarsubstanz be- gleitet werden. In der angegebenen Form der komplizierten spindelförmigen Endigung spricht sich ihr Unterschied von der Blättchenendigung am schärfsten aus, obgleich beide Modifikationen untereinander durch Übergangsstufen verbunden sind. Konventionell möchte ich beide Formen als Grundformen bezeichnen. Genau in derselben topogra- phischen Lage dieselben geweblichen Beziehungen zeigend, also ohne Zusammenhang mit den äußeren Bedingungen, finden sich in der inneren Balglamelle die Nervenendigungen, die man nur als die Modi- fikationen der genannten Grundformen auffassen kann. Die Umbil- dung des Baues der Grundformen geschieht nach zwei Richtungen. 354 D. Tretjakoff, Eine Riclitung schlägt die C. diffuse Nervenendigung, die ich lieber Körnchenendiffunc^ nennen werde (Fig. 12, Taf. XVII), ein. An ihrer Bildung können eine oder mehrere markhaltige Nervenfasern teilnehmen, die ihre Mark- scheiden meistens an der gleichen Stelle verlieren; die marklosen End- verzweigungen verbreiten sich genau in derselben Weise, wie in den Grundformen und sind manchmal mit spindelförmigen Anschwellungen versehen (Fig. 12, Taf. XVII), tragen aber niemals die Knoten oder Endplättchen oder Blättchen, sondern sind höchstens mit kleinen Verr dickungen besetzt und spalten sich in feinste Nervenfädchen, die wieder mit den feinsten Körnchen oder Varicositäten versehen sind. Die Spaltung in die Endfädchen erreicht den höchsten möglichen Grad, man verliert sogar die kurzen Verbindungsfädchen zwischen den dickeren Verzweigungen und Körnchen aus dem Auge, da sie so winzig sind, daß sie sich bei der Spiritusbehandlung entfärben. Manchmal liegen die Körnchen sehr gleichmäßig zerstreut, höchstens Trauben an den Enden der dickeren Verzweigungen bildend; in andern Fällen sammeln sie sich gruppenweise, so daß man den Eindruck bekommt, daß sie in Körnchen aufgelöste Blättchen der Form A darstellen. Diese Beobachtung erweckte in mir den Verdacht, daß die Körnchen von den Blättchen der Form A durch postmortale Zerfallserscheinungen entstehen. Die nachherige Untersuchung ließ aber keinen Zweifel darüber, daß hier eine ganz normale Modifikation der baumförmigen Nervenendigung vorliegt, die man an den Präparaten gleichzeitig mit den übrigen Arten der genannten Endigungen zu sehen Gelegen- heit hat. Die Körnchenbildung mag ihr Maximum erreichen, wenn sie schon von der Stelle des letzteren Schnürringes beginnt, wenn also die dicken marklosen Äste vollständig fehlen und mit ihnen die spindel- förmigen Anschwellungen ; die ganze Endigung stellt dann einen Haufen kleiner bis auch kleinster rundlicher Körnchen dar, der dem Bündel der marklos gewordenen Nervenfasern anliegt. Dabei geschieht es niemals, daß die Verzweigungen einer von den Fasern des Bündels von dem System der Verzweigungen andrer Fasern durch irgendwelche Be- sonderheiten sich unterscheiden, immer sieht die ganze Bildung ein- heitlich aus. Deswegen verdient diese Form als die höchste Stufe der Variation in dieser Richtung betrachtet zu werden. Ungeachtet der scharfen Abgrenzung von dem Bindegewebe fehlt der Endigung jegliche Kapsel vollständig, und das sie tragende basophile Gallertgewebe verliert seine typischen Eigenschaften in keiner Weise. In einigen Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 355 Fällen konnte ich jedoch feststellen, daß die Körnchenendigungen an solchen Stellen entwickelt wurden, wo die acidophilen Fasern am dichtesten waren, aber es war nicht die Regel. Was die Beziehuno;en zu den Bindegewebszellen oder zu den Blut- capillaren anbetrifft, so gilt hier alles, was darüber schon oben gesagt wurde. Wenn die Körnchenendigung auf den ersten Blick als eine sehr differente Form der baumförmigen Endigung erscheinen mag, so wird sie doch immer durch die Zwischenstufen mit den Grundformen ver- bunden und kann von ihnen als ihre Modifikation abgeleitet werden. Doch die äußere Umgrenzung der Körnchenendigung nimmt selten die spindelige Form an, sie bewahrt meistens der Fläche nach gleichen Durchmesser nach allen Richtungen. Sie stellen keine großen Kom- plexe zusammen und treten auf dem Haar gleichzeitig mit den Grund- formen, aber immer in geringerer Zahl auf. Die Körnchenendigung stellt also die baumförmige Endigung vor, die aus den marklosen Verzweigungen der markhaltigen Fasern und den feinsten Endfädchen, die mit den feinsten Körnchen versehen werden, besteht. Eine andre Richtung in der Modifikation, die ich Knäuel- endigungen nennen will, schlagen die End Verzweigungen ein. Hier sind auch die Formen zu unterscheiden, die von einer oder von mehreren Fasern gebildet werden, deshalb stellen sie eine den For- men A und B parallele Reihe dar. Die typische Form hat ein sehr auffallendes Aussehen, sie stellt nämlich einen dichten Knäuel von markhaltigen Fasern dar, der nur mit spärlichen marklosen Endästchen versehen wird. Um aber die Zusammensetzung der Knäuelendigung richtig zu verstehen, wird geraten mit den Übergangsformen anzu- fangen. Für eine solche Form halte ich D. die Präterminalendigung, mit welchem Namen ich die Formen der baumförmigen Endverzweigungen bezeichnen möchte, die sich dadurch von den andern unterscheiden lassen, daß die Abgabe der marklosen varicösen Ästchen nicht ausschließlich an der marklosen Terminalpartie vorkommt, sondern die marklosen Endverzweigungen entspringen schon von den vorletzten Schnürringen. Von andern Forschern wurde die Form der Endigungen mehrmals beschrieben, immer aber der Fläche nach verbreitet. Im Sinushaar des Rindes finde ich diese Form der Endigungen knäuelartig entwickelt, und unter andern Varianten der baumförmigen Nervenendigungen hat sie voll- kommen bestimmte Merkmale (Fig. 13, Taf. XVII). 356 D. Tretjakoff, Die präterminalen Endäste bilden also keine selbständigen Bäum- chen, verflechten sich aber eng mit den Terminalästen in das einheit- liche Geflecht, indem die markhaltig bleibenden Segmente der Nerven- fasern sich mannigfaltig umbiegen. Dementsprechend stellen die markhaltigen Segmente nicht nur die Vorrichtung, um die marklosen Endäste zu verteilen, sie sind vielmehr als der integrierende Teil der ganzen End Verzweigung aufzufassen. Das Einschließen der markhaltigen Segmente verleiht der Art der Endigung immer das charakteristische Aussehen, demzufolge sie niemals mit den vorherigen Arten verwechselt werden können. Die Bezeichnung »die Präterminalendigung« wird durch die überwiegende Teilnahme der präterminalen Endverzweigungen berechtigt. Die präterminale Endigung in der einfachen Form entsteht von einer einzigen Faser. Die zusammengesetzte Präterminalendigung zeichnet sich durch die Teilnahme mehrerer markhaltiger Nervenfasern aus. An den Methylenblaupräparaten ist man dabei nicht immer in der Lage zu entscheiden, ob an jener oder dieser Partie der Nerven- faser innerhalb der Endverzweigung die Markscheide verloren ge- gangen ist oder nicht. Doch auch in solchen Fällen bewahrt die Präterminalendigung ihr merkwürdiges Aussehen, da innerhalb der Endverzweigungen die langen Strecken ohne sekundäre Verzweigung verlaufen. Mit dieser Reserve möchte ich die folgende Beschreibung geben. Die markhaltigen Fasern, die für die Bildung des zusammenge- setzten Präterminalapparates dienen, verlieren ihre Markscheide nicht gleichzeitig, und während ein Teil der Fasern schon marklos erscheint, erhält der andre Teil seine Markscheide in verschiedener Ausdehnung, schlängelt sich in den Grenzen der Endverzweigung und wird an seinen EANviERschen Schnürringen mit den marklosen varicösen Verzwei- gungen, also sekundären Enclbäumchen versehen. Es kann auch vor- kommen, daß die sekundären Endbäumchen nur in sehr geringer Zahl entstehen, dann umflechten die markhaltigen Fasern die ganze Endi- gung einfach. Oft aber bekommt die marklos gewordene Faser, die für eine Terminalfaser gehalten werden konnte, nach ihrem Verlauf wieder die Markscheide, die bald wieder verschwindet. Dadurch ent- steht die große Mannigfaltigkeit der Präterminalendigungen. Was die marklosen Ästchen anbetrifft, so zeigen sie fast immer die spindelförmigen Anschwellungen wie bei Form B, und werden mit feinen varicösen Verzweigungen versehen. Die größeren Plättchen bilden sich selten aus. Die Xervenencligun<:jcn an ilon Sinushaaren des Rindes. 357 Alle Formen der Präterminalendigungen entbehren der binde- gewebigen Kapsel und liegen meistens in den oberflächlichsten Schichten der inneren Balglamelle, die Kissen von Gallertgewebe ausfüllend. Ebenso wie die Spindelendigungen können sie eine beträchtliche Größe erreichen, bilden aber selten die mehrfachen Formen wie die Spindel- endigungen der Fig. 11. Ich habe schon früher (s. Nervenstämmchen) gesagt, daß die markhaltigen Fasern im Haarbalge selten direkt zu ihrem Ziele ver- laufen, sondern verschiedenartige, scheinbar ganz unnötige Schlingen- bildungen darstellen. Dieselbe Erscheinung läßt sich bis zu den Nerven- endigungen verfolgen, deswegen ist es manchmal recht schwierig zu bestimmen, ob irgendwelche Verflechtung der markhaltigen Nerven- fasern der Nervenendigung gehört oder selbständige Bedeutung besitzt. Zum Beispiel trifft man Fälle, wo das Konvolut der markhaltigen Segmente und die terminale marklose Endverzweigung voneinander unabhängig und an verschiedenen Stellen desselben Nervenbündels vorkommen. Die markhaltigen Fasern biegen sich dabei schlingen- artig und bilden einen kleinen markhaltigen Knäuel, dann laufen sie unverändert weiter, und nach zwei bis drei weiteren Schnürringen bilden sie die Spindelendigung oder lösen sich in die Körnchenendigung auf. In dieser Beziehimg muß wohl an die kombinierten Formen der Schaltapparate erinnert werden, wo die Kolben an einer Stelle der markhaltigen Faser erscheinen, der Schaltapparat an einer andern, und die Nervenfaser noch am dritten Platz irgendwelche Endigung bildet. Deswegen gehören die schlingenartigen Umbiegungen, ungeachtet ihrer unabhängigen Herausbildung, vielleicht dem System der Vorrichtun- gen der Nervenfasern an, die wir als Nervenendigungen annehmen, und die letztgenannte Form mit getrenntem markhaltigen Knäuel und markloser terminaler Verzweigung gehört demzufolge als Übergangs- form zur echten E. Knäuel endigung. Die Knäuelendigung stellt die auf- fallendste Art der baumförmigen Endigungen dar, die bisher von nie- mandem bemerkt worden ist (Fig. 14, 15, 16, Taf. XVII). An ihrer Bildung sind wieder eine oder auch mehrere Nerven- fasern beteiligt, die alle markhaltig sind. Bei dem höchsten Grade der Differenzierung nimmt die Endigung das ganze Stämmchen in Anspruch. Das Vorhandensein der Markscheide an dem Knäuel kann man leicht an den osmierten Präparaten feststellen, für das geübte Auge lassen die Methylenblaupräparate keinen Zweifel darüber. 358 D- Tretjakoff, Betracliten wir erstens die einfache Form, die von einer einzigen markhaltigen Faser abstammt (Fig. 14). Die ihr gehörige Faser zeichnet sich immer durch ihre beträchtliche Dicke aus. An der Endigung an- gelangt, beginnt die Faser schlingenartige Umbiegungen zu beschreiben, die sich zu einem dichten Knäuel verflechten, wo die Verfolgung des Verlaufes der Faser in hohem Maße dadurch erschwert wird, daß an den E-ANViERschen Schnürringen die Teilung in die markhaltigen Ästchen vorkommt, die Astchen aber ihrerseits wieder in dem Knäuel sich verflechten. Schließlich verlieren die Endverzweigungen die Markscheide und lösen sich in die sehr spärlich vorhandenen varicösen Ästchen, die die traubenförmigen Endbäumchen bilden, auf. Dabei bleibt die Menge der Endbäumchen auffallend gering im Vergleich mit den markhaltigen Bestandteilen des Nervenknäuels. Die Endbäum- chen treten gewöhnlich nur an einem Ende des Knäuels auf und werden immer weniger intensiv als die markhaltigen Schlingen gefärbt, weshalb der Knäuel im Gegensatz zu den Endbäumchen immer sehr scharf hervortritt. Die gesonderte bindegewebige Hülle fehlt auch diesen Endigungen, die gewöhnlich in der oberflächlichsten Schicht der inneren Balgiamelle liegen. Sie treten im Balge des Sinushaares des Rindes immer in Ge- sellschaft mit den Endigungen andrer Arten, gewöhnlich aber nicht einzeln, sondern in Verbindung mit den komplizierteren Formen der Knäuelendigungen auf. Die höchste Ausbildung gewinnt die Knäuelform bei der Abstam- mung von vielen Nervenfasern, dabei bildet jede Faser keinen Knäuel für sich, sondern sie verflechten sich untereinander zu dem gleich- artigen Knoten aus den markhaltigen Verzweigungen der daran be- teiligten Nervenfaser. Es bewährt sich als Gesetzmäßigkeit, die den übrigen oben beschriebenen baumförmigen Endapparaten eigen ist; der Knäuel stellt die einheitliche Masse der markhaltigen sich ver- flechtenden Verästelungen mehrerer Nervenfasern, das zusammen- hängende Ganze dar. Die Fig. 16, Taf. XVII, gibt die häufigste Form dieser Knäuel- endigungen wieder. Um den vorhandenen Raum am produktivsten auszunutzen, biegen die Fasern des ankommenden Stämmchens nach beiden Seiten hin, laufen von einem Ende der Endigung bis zum andern, teilen sich dabei unterwegs in die ebenfalls markhaltigen Äste, die wieder in dem Raum des Knäuels sich verflechten, so, daß ein kolossal verwickeltes Geflecht von markhaltigen Ästen entsteht, das im all- gemeinen scharf von dem umgebenden Bindegewebe abgegrenzt wird. Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 359 Hier und da werden die markhaltigen Segmente feiner oder dicker, oder entstehen in sehr geringer Zahl marklose Astchen, die mit den traubenförmigen Endbäumchen versehen werden. Die Endbäumchen verschwinden aber fast vor dem kolossal entwickelten markhaltigen Knäuel. Die Fig. 16 gibt auch die sehr häufig auftretende Form der Knäuelendigung wieder, die sich dadurch in sehr bestimmter Weise aus- zeichnet, daß die Fasern des Bündels sich fächerartig nach beiden Seiten verteilen. Die Schlingen der markhaltigen Fasern liegen wohl nicht in einer Fläche, die Knäuelendigung nimmt manchmal die Hälfte der Dicke der inneren Balglamelle ein, doch wird die ganze Bildung einigermaßen flächenartig (also in der cylindrischen Fläche) verbreitet. Die einzelnen Schlingen laufen wiederholt von einem Ende des Knäuels bis zum andern. Die varicösen marklosen Endästchen, die die Endbäumchen tragen, sind selten in den Knäuel selbst ein- geschlossen, sie erscheinen irgendwo an der Peripherie des Knäuels, häufig nur an einem Ende. Die Knäuelendigungen liegen immer in dem Kissen des basophilen Gallertgewebes. Wie in dem Schema der Fig. 1, 19, Taf. XV ange- geben worden ist, haben die Knäuelendigungen manchmal eine sehr reiche Entwicklung, so daß längs des Haares nicht weniger als drei solche Endigungen den Platz im Gebiete zwischen der Scheiden- anschwellung und dem Nervenring finden, aber niemals sind sie aus- schließlich allein entwickelt. Häufig fand ich sie in Begleitung von spindelförmigen Endigungen, und wenn sie vorhanden sind, kommen sie selten einzeln, sondern meistens in der Mehrzahl vor. Die eigentüm- liche Lagerung übereinander und an einer Seite, wie es die Fig. 1 zeigt, wurde nicht rekonstruiert, sondern entsprechend der Wirklichkeit nach einem Präparat gezeichnet. Am häufigsten trifft man sie aber in der Nähe des unteren Nervenringes, doch immer oberhalb desselben. Die erwähnte Reihe von den baumförmigen Endverzweigungen bereichert meiner Meinung nach in hohem Grade unsre Kenntnisse über die Arten der Endigungen in den Balglamellen des Sinushaares. Bis in die letzte Zeit galten diese Endigungen als Endigungen an der Glashaut. Das scheint mir im Zusammenhang mit den von andern Autoren angewandten Methoden (Schnitte nach Vergoldung) zu stehen. Nach den von mir beobachteten Formen ist es ersichtlich, daß die Endverzweigungen keine direkte Beziehung zu der Glashaut zeigen. Ich möchte ausdrücklich eine andre Seite der Erscheinung betonen: es treten nämlich die beschriebenen Formen in ganz gleichen äuße- ren Bedingungen auf, eine beliebige Form vermag die Stelle einer Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 24 360 D- Tretjakoff, andern ohne merklichen äußeren Zwang dazu einnehmen. Jede Form wird mit andern durch Zwischenformen verbunden, und doch prägen sich in dieser ununterbrochenen Reihe von Formen die typischen Züge einzelner Stufen scharf genug aus. Was jedenfalls am auffallend- sten erscheint, ist die kolossale Teilnahme seitens der markhaltigen Fasern bei der Endverzweigung, die samt den Schaltapparaten die Gelegenheit bietet, die geläufigen Vorstellungen vom Verhalten der Nervenfasern zu der Aufnahme der äußeren Reize wesentlich zu modi- fizieren. Es ist wahrscheinlich, daß die knäuelartige Anordnung der markhaltigen Fasern keinen rein baukünstlerischen Sinn hat, im Ver- gleich mit der Gesamtmasse der marklosen Blättchen und Spindel- endigungen möchte man den markhaltigen Knäuel bild an gen ähnliche perceptorische Bedeutung wie den marklosen zuschreiben. Man muß dabei die altbekannte Erscheinung der Sensibilität der markhaltigen Nervenstämmchen zu den mechanischen und elektrischen Reizen in Erinnerung bringen. Von diesem Standpunkt aus erldärt sich auch die Bedeutung der Schaltapparate, als perceptorische Vorrichtung sui generis, was sich übrigens in ihrer Kombination mit den sensiblen Endverzweigungen und Endapparaten äußert. Daß hier aber keine Ausnahme, sondern eine direkte Anschließung an die vorhandenoi Beziehungen vorliegt, glaube ich nach den Angaben über den Bau der MEissNERschen Körperchen zu schließen. Dazu benutze ich die neueste Beschreibung von Prof. A. S. Dogiel (13) In den Papillen mit typischen MEissNERschen Körperchen ver- laufen viele von den dicken markhaltigen Fasern zu diesen, wobei an jedes Körperchen je nach dessen Größe entweder eine, häufiger jedoch mehrere, zwei bis drei, viel', fünf und mehr Fasern herantreten. In günstigen Fällen läßt es sich bisweilen erkennen, daß zwei bis drei dieser Fasern aus der Teilung einer Stammfaser hervorgegangen sind. . . Gewöhnlich treten die Fasern entweder an den unteren Pol des Körper- chens oder seitwärts nahe dem Pol, oder aber in dem oberen Abschnitt desselben (an das obere Drittel) heran. . . . Nicht selten verliert die an das Körperchen von unten oder seitwärts herantretende Faser nicht ihre Markscheide, sondern teilt sich in zwei Fasern, von welchen die eine sich an der Oberfläche des Körperchens windet und nach Verlauf einer gewissen Strecke von neuem in zwei bis drei Fasern teilt, oder aber die ganze Faser windet sich vor dem Eintritt in das Körperchen an der Oberfläche desselben, wobei sie sich bisweilen teilt und darauf erst nach »einer oder zwei Windungen« die Scheide verliert und in den Hohlraum eindringt (S. 68). Hier sieht man wieder das Dasein Die Nervenendigungen an ilcn Sinushaaren des Rindes. 361 markhaltiger Segmente in der Endverzweigung. Die Ähnlichkeit mit den von mir beobachteten Tatsachen wird noch deutlicher hervor- treten, wenn wir die Ansichten von Dogiel über die Struktur der Unter- lage des MEissNERschen Körperchens, speziell über den von ihm vermuteten >> Hohlraum« des Körperchens durch die Angaben von RuFFiNi verbessern. Ruffini (37) zeigt nämlich, daß das MEissNERsche Körperchen eigentlich keinen Binnenraum im wahren Sinne des Wortes besitzt, sondern von Bindegewebe zusammengesetzt wird. Dann haben wir wohl keine Veranlassung die markhaltigen Segmente streng von den marklosen zu trennen, da diese und jene in gleicher Weise in der bindegewebigen Unterlage des Körperchens sich finden, also zu demselben Endkomplex gehören. Prinzipiell bewährt sich hier die Eigentümlichkeit der Knäuelendigungen, erreicht aber nicht im minde- sten die kolossale, Entwicklung, die ich in den letzteren Nerven- endigungen feststellen konnte. Auch sonst findet sich, wenn wir die Zeichnungen von Dogiel (11) genauer studieren, in den MEissNER- schen Körperchen immer die Neigung bald- mehr blättchenförmige (Fig. 17), bald spindelförmige (Fig. 15, 20) Verbreiterungen zu zeigen, oder es treten sogar meinen Körnchenendigungen nicht unähnliche Formen hervor (Fig. 22) ; doch schreibt der Verfasser die mit kleinen Varicositäten besetzten Astchen den Fasern der zweiten Axt zu, die in demselben Körperchen endigen. Es wäre möglich, daß diese Fasern der zweiten Art den dicken markhaltigen Fasern ganz homolog sind, also nicht den Fasern der zweiten Art in den echten kapsulierten Nerven- endapparaten entsprechen. Dann wird das MEissNERsche Körperchen, in welchem die Fasern mit großen und kleinen, körnchenförmigen Ver- dickimgen sich befinden, eine gut mögliche Kombination der Spindel und Körnchenendigung darstellen, also in die Reihe der baumförmigen Endigungen passen. Die eingekapselten Apparate der inneren Balglamelle. A. Die Endkolben (Krause, Ruffini, 37). Die Endkolben der typischen Art, also mit einem marklosen centralen Nervenfaden im inneren Kolbenraum, sind in geringer Zahl außer in den kom- binierten Schaltapparaten in der inneren Balglamelle vorhanden (Fig. 1, 14, Taf. XV). Ihr Verbreitungsgebiet ist größer als das der End- bäumchen. Sie finden sich unter- und oberhalb des unteren Nerven- ringes, treten auch an der Scheidenanschwellung auf und sind manch- mal im konischen Körper, sogar dicht unter den Talgdrüsenlappen eingeschlossen. Ihr Bau ist immer gleich, sie besitzen eine geringe Zahl 24* 362 D- Tretjakoff, eng aneinander liegender konzentrischer Kapseln, einen engen Binnen- raum und die marklos gewordene Nervenfaser, die in Gestalt des centralen Fadens bis zum entgegengesetzten Pol des Kolbens reicht und da mit der Anschwellung, manchmal aber zugespitzt sich erschöpft. Mit der Kuppe sind die Endkolben, wenn sie unabhängig von den Schaltapparaten vorkommen, nach oben oder nach unten gerichtet und sind mit ihrer längsten Achse immer der Längsachse des Haares parallel. In letzter Zeit hatte man die Endkolben mit den modifizierten Vater- PACiNischen Körperchen identifiziert, mit der Vermutung, daß der Centralfaden der ersteren nur das unvollständig gefärbte Bild der Endigung darstellen sollte, die wahre Endigung aber ebenso verwickelt sei, wie in den GoLGi-MAZZONischen Körperchen. Deshalb widmete ich den Endkolben besondere Aufmerksamkeit und habe viel Mühe angewendet, um die vorausgesetzte >> vollständige « Färbung zu erhalten, — aber umsonst. Das Bild bleibt ganz gleich auf Methylenblaupräpa- raten und nach dem Verfahren von Ramön y Cajal, das nach meiner Erfahrung die verflechtenden Endzweige in den GoLGi-MAZZONischen Körperchen sonst ganz gut färbt. Deswegen halte ich hier die Mög- lichkeit einer unvollständigen Färbung für ganz ausgeschlossen, und m dieser Beziehung schließe ich mich Ruffini an, daß die Endkolben mit einem centralen Endfaden unbedingt von den GoLGi-MAzzoNischen Körperchen oder von sogenannten modifizierten Vater- PACiNischen Körperchen zu trennen sind. Übrigens halte ich die Bezeichnung »modi- fizierte Vater- PACiNischen Körperchen« nicht für glücklich gewählt, da sie typische Vater- PACiNische Körperchen als eine Ausgangsform präjudiziert, was jedenfalls noch von niemandem bewiesen wurde. Was den Bau der Kapsel anbetrifft, so wird sie von feinen acido- philen Fasern zusammengesetzt, wie es schon oben berichtet wurde. Die dazu gehörigen Zellen finden sich nicht zwischen je zwei benach- barten Kapseln, sondern sind meistens an der Peripherie des Kolbens angehäuft und immer in sehr geringer Zahl vorhanden. Es sind aber in der inneren Lamelle sehr selten eingekapselte Endapparate zu finden, die mehr den Körperchen von Golgi-Mazzoni, und zwar deren einfachsten Formen ähneln. Im Sinusbalge des Rindes haben sie meistens ovale bis wurstförmige Gestalt, und sind immer sehr klein. Die marklos gewordene Nervenfaser, die in den inneren Hohlraum hineintritt, spaltet sich in zwei oder mehr Aste, die sich untereinander verflechten, und jede hat ein freies Ende, wo sie manchmal leicht verbreitert (Fig. 1, 15, Taf. XV) werden. Dabei Die Nervenendigungen an den yinushaaren des Rindes. 363 liegen die Endäste im gemeinsamen Hohlraum, erinnern also sehr an das vonDoGiEL abgebildete GoLGi-MAZzoNische Körperchen (Taf.XVI, Fig. 4 h) in der Haut des Menschen, weshalb ich hier keine entsprechende Abbildung gebe. Zu der Bildung eines verwickeiteren Geflechtes kommt es nicht, manchmal ist auch die Kapsel sehr mangelhaft entwickelt, indem sie nur, der Kuppe des Körperchens entsprechend, wo die an- geschwollenen Enden der Äste endigen, eine deutlich lamellöse An- ordnung zeigt ; näher aber zur Teilungsstelle der Hauptfaser verschmilzt sie vollständig mit den umgebenden acidophilen Fasern des Binde- gewebes. Die Kolben liegen meistens in tieferen Schichten der inneren Balglamelle, also zwischen den dicht gedrängten Bündeln der acido- philen Fasern; man trifft sie aber gelegentlich im Gallertgewebe, wo sie durch die Acidophilie ihrer Kapseln recht scharf von der baso- philen Kittsubstanz sich unterscheiden. B. Körperchen mit plättchenförmigen Endverbreite- rungen. Im Sinusbalge des Rindes finde ich solche Körperchen immer scharf von dem umgebenden Bindegewebe abgegrenzt. Mit dem be- stimmten, schon beschriebenen Endapparat sie zu identifizieren, ist sehr schwer, zudem treten sie sehr selten auf und haben kleine Dimen- sionen (Fig. 21, Taf. XVIII). Die Körperchen mit plättchenförmigen Endverbreiterungen sind von Prof. A. S. Dogiel aus dem Stratum reticulare corii der Finger- kuppe des Menschen beschrieben worden, sonst von niemandem, A. S. Dogiel (11) meint, daß diese Körperchen nur im Fall einer aus- gezeichneten Färbung der in ihnen endigenden Nerven deutlich hervor- treten und bemerkbar sind, weshalb sie auf Präparaten verhältnismäßig nicht häufig zum Vorschein kommen. Sie haben nach seiner Beobach- tung gewöhnlich die Gestalt eines mehr oder weniger engen Cylinders und sind nicht selten in geringerem oder stärkerem Maße gebogen; ihr Längsdurchmesser beträgt 0,062 — 0,080 mm, der Querdurchmesser 0,018 — 0,022 mm. Jedes Körperchen ist von einer dünnen bindegewe- bigen, aber nicht geschichteten Hülle umgeben, die einen Hohlraum umfaßt. An dem unteren Pol jedes Körperchens tritt eine sehr dicke, mark- haltige Nervenfaser auf. In geringer Entfernung vom Pol des Körper- chens verliert die Faser ihre Markscheide, der breit abgeplattete Achsen- cylinder dringt in den Hohlraum ein, woselbst er alsbald einen oder zwei abgeplattete Äste abgibt, alsdann sich wellenförmig windend zum blinden Ende des Kolbens hinzieht und sich abermals in Äste teilt. Die Äste winden sich im Hohlraum des Körperchens und 364 D. Trejtakoff, zerfallen schließlich in sekundäre Astchen. Jedes Astchen endigt alsdann nach Verlauf einer gewissen Strecke im Hohlraum des Körperchens mit einem besonderen Plättchen. Die Bänder der Plättchen sind mit Dornen besetzt, stellenweise ausgeschnitten. Einige der Dornen sind dermaßen verlängert, daß sie sich in feine, sich nicht selten teilende Fädchen ausziehen, mittels welcher die benachbarten Plättchen sich untereinander verbinden. In der Mehrzahl der Fälle ist die Fläche des Plättchens nach oben gerichtet. Im Hohlraum zwischen den Plättchen vermutet Verfasser unge- färbt gebliebene ebensolche Plättchen, da die Abwesenheit der Zellen im Hohlraum von ihm ganz bestimmt festgestellt wurde. Äußerlich bieten die Körperchen in der inneren Balglamelle des Sinushaares des Rindes viel ähnliches mit den von Dogiel beschrie- benen, aber bei eingehender Untersuchung fand ich manche Verschieden- heiten, über deren Bedeutung ich vorläufig nur sehr vorsichtig Ant- wort geben möchte. Die Körperchen am Sinushaar messen nur 0,04 mm, wenn wir den längsten Durchmesser in Rücksicht nehmen; sie sind rundlich. Ich habe volles Recht von einer Hülle des Körperchens zu sprechen, da dieselbe ganz deutlich wie auf Methylenblaupräparaten, so auch nach dem Verfahren von Cajal hervortritt, aber nicht in der Form einer Schicht, wie es Dogiel in seinem Fall bemerkt hatte, sondern wie ein System von konzentrischen Lamellen ebenso fein und dicht gedrängt, wie in den Endkolben. Von der Anwesenheit irgendwelchen Hohlraumes konnte ich mich nicht überzeugen; im Gegenteil, auf den Präparaten nach Cajals Methode, sieht man die konzentrische Schichtung deutlich nur an der Peripherie des Körperchens, während die Mitte desselben, mit den nervösen Endverzweigungen angefüllt, keine Schichtung aufweist, sondern aus einer dichten, scheinbar struk- turlosen Masse besteht, die dunkelgelb gefärbt ist. Dieselbe centrale Masse färbt sich mitunter leicht mit Methylenblau, jedenfalls so wenig intensiv, daß die nervösen Verästelungen immer sehr scharf hervor- treten. Jene Masse für ein Gerinnsel irgendwelcher Flüssigkeit in dem vorhandenen Raum zu halten habe ich keine Veranlassung, da die Masse allmählich in die geschichtete oberflächliche Laoe übergeht und kein körniges Aussehen zeigt. Es ist vielleicht am geeignetsten sie für die u/ngewandelte Partie der Hülle selber zu halten, aber die Umwand- lung näher zu bestimmen, hatte ich bisher noch keine Möglichkeit. Die geschichtete Lage der Hülle entspricht der Kapsel des End- kolbens auch in der Beziehuno;, daß die Zellen hier sehr selten und nur Die Nervenendigungen an den Sinushaarcn des Rindes. 365 überfiäclilicli vorhanden sind; in der centralen Masse gibt es keine Zellen mehr. An das Körperchen treten meistens zwei Nervenfasern, seltener eine; sie sind markhaltig, verlieren aber die Markscheide nicht^weit vom Körperchen. Sie treten manchmal an den oberen Pol des Körper- chens, so daß letzteres wie eine Beere auf der Nervenfaser hängt; wenn zwei Fasern vorkommen, scheinen sie keine Aste derselben Faser zu sein, bewahren aber ihre Selbständigkeit, solange es möglich ist, sie zu verfolgen. Die marklos gewordenen Fasern verjüngen sich und dringen in das Gewebe des Körperchens ein und verästeln sich; dann verflechten sich die Aste schlingenförmig miteinander und füllen den ganzen Um- fang des Körperchens mit Verzweigungen, die mit plättchenförmigen Verdickungen versehen sind. An den Enden der Astchen bilden sich, soviel es zu sehen möglich war, wieder die terminalen Verbreiterungen. Im Gewirr der Verzweigungen, die dicht aneinander liegen, ist es recht schwer zu entscheiden, ob die Ästchen und Plättchen beider Fasern miteinander in Verbindung treten. Meistenteils stehen die Plättchen in dem Körperchen senkrecht zu der Längsachse des Körperchens, also parallel der Oberfläche der Schnauze, man trifft übrigens auch jede mögliche Kichtuns;. Entsprechende Körperchen mit plättchenförmigen Verbreiterun- gen finden sich immer oberhalb des unteren Nervenringes, sie erreichen aber niemals die Höhe der Wurzelscheidenanschwellung. Ihre Zahl ist sehr gering, man trifft nicht mehr als ein solches Körperchen auf dem Längsschnitt des Balges. In sehr auffallender Weise lagern sie manchmal mit dem Endkolben zusammen an derselben Stelle, so daß Körperchen und Kolben sich mit ihren Flächen berühren und dabei mit ihren Längsachsen ziemlich parallel gerichtet sind. In diesem Fall äußert sich die Ähnlichkeit der geschichteten Lage des Körperchens und der Kapseln des Kolbens vorzüglich, dabei bietet sich die Gelegen- heit zu bemerken, daß die centrale Masse des Körperchens ganz anders aussieht, als der innere Raum des Endkolbens. Wenn die Körperchen mit plättchenförmigen Endigungen in der Haut der Fingerkuppe des Menschen wirklich einen Hohlraum besitzen, dazu noch ihre Hülle ungeschichtet ist, so muß ich die von mir aufgefun- denen Körperchen mit sehr ähnlichen Nervenendverzweigungen immer- hin für eine selbständige und neue Form der Nervenendapparate halten, die für das Sinushaar des Rindes specif isch ist. Ihre Lage in der inneren Balglamelle und die Beziehungen zu dem basophilen Bindegewebe 366 D. Tretjakoff, wiederholen das, was über die Endkolben gesagt wurde. Wegen ihrer Seltenheit konnte ich ihre Hülle mit andern Methoden nicht untersuchen. Die eingekapselten Körperchen mit den plättchenförmigen Ver- breiterungen bilden sich also in der inneren Balglamelle des Sinus- haares des Rindes aus zwei Bestandteilen — einer Hülle und einer nervösen Endverzweigung. Die Hülle besteht aus einer nicht näher bestimmten Masse, die nach außen in das System der konzentrischen Lamellen nach der Art der Endkolben übergeht; die nervöse End- verzweigung besteht aus einem Geflecht der marklosen Ästchen, die plättchenförmige Verbreiterungen tragen. Ich möchte hier noch von den Endkolben erwähnen, die in den Schaltapparaten eingeschlossen sind und von den Endkolben, die über- haupt in den Nervenstämmchen innerhalb des Balges vorkommen und keine Enden, sondern nur Collaterale der Fasern darstellen, um zu zeigen, daß im großen und ganzen die Menge der eingekapselten Körperchen oder Apparate im Sinushaar des Rindes sehr beträchtlich ist. Ich muß dabei hinzufügen, daß überhaupt bisher das Vorhanden- sein der eingekapselten Apparate im Balge des Sinushaares von nie- mandem bemerkt worden ist, und in dieser Beziehung bietet das Sinus- haar des Rindes neue Data für die Charakteristik der Sinushaare als Tastapparate. Dieses Vorhandensein von eingekapselten Apparaten steht wohl in keiner Beziehung zu dem massenhaften Vorkommen derselben in der Schnauze unter den Cutispapillen, da sie beim Schwein auch unter den Cutispapillen in großer Zahl vorhanden sind; in den Bälgen der Sinushaare des Schweines hatte ich sie niemals getroffen, über die Kombinationen der Endkolben mit den Endigungen an den Balken des cavernösen Gewebes siehe unten. Die palisadenförmigen Endigungen sensibler Endplatten. Nach meinen Beobachtungen stellen die geraden Nervenfaser- endigungen am Hals der äußeren Wurzelscheide keinen so einheitlichen Zaun bzw. Palisade, wie es von den Sinushaaren andrer Tiere be- kannt ist, dar. Ranviers Beschreibung und Bezeichnung (34) der geraden Faserenden in der Palisade als »terminaisons en forme de spatule« gibt die Besonderheiten dieser Bildungen beim Rind nicht wieder, weshalb ich es für angemessen halte, hier eine detaillierte Beschreibung davon zu liefern, wobei ich sie lieber als sensible End- platten bezeichnen möchte. Wie schon früher in meiner Mitteilung gesagt wurde, haben die geraden Fasern, die die sensiblen Endplatten im Gebiete des Halses \ Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 3G7 lind der Auschwellmig der äußeren Wurzelscheide bilden, beim Rind den Ursprung aus den aufsteigenden Bündeln, die vom unteren Nerven- ring entstehen, oder aus den Fasern, die unterhalb der Talgdrüsen in die obere Hälfte des Balges hineintreten, oder aus den Fasern des mittleren Gebietes. Die Bildung der sensiblen Endplatten beginnt schon unterhalb der Wurzelscheidenanschwellung, was ich übrigens auch beim Schwein bemerkt hatte. Beim Rind finde ich hier die ein- fachsten Formen der sensiblen Platten, die sich jedoch von den Blätt- chen der baumförmigen Endigung immer gut unterscheiden lassen. Die reichste und höchste Ausbildung zeigen die sensiblen End- platten an der Grenze zwischen der Wurzelscheidenanschwellung und dem Hals der Haarscheide, aber sie sind auch höher zu finden, in den Grenzen des konischen Körpers bis zur Talgdrüse. Ich möchte sie des- halb als specifische Endigungen des konischen Körpers betrachten, da sie erst hier in der Form erscheinen, die eine ziemlich große Variations- breite zeigen. Um diese Variationen in geeigneter Weise zu beurteilen, muß man die betreffenden literarischen Angaben anführen. Ranvier hat sie als » terminaisons en spatule« bezeichnet und war damit fertig. Nach ihm hat Ostroumow-Arnstein (1) diese Art der Endigungen unter dem Namen der geraden Terminalfasern be- schrieben. Dieselben umgeben nach seiner Beschreibung den Hals der Haartasche und endigen abgeflacht, ungefähr in einem Niveau, löffei- förmig oder keulenförmig. Sie sind nach der Meinung des Verfassers den freien Nervenendigungen der sinuslosen Haare homolog. Weitere Arbeiten berücksichtigten wenig diese Endigungen, wahrscheinlich deshalb, weil sie bei den meisten Tieren sehr einförmig aussehen. Beim Rind ist das nicht der Fall. Die Variabilität spricht sich schon in den einfachsten Formen, die unterhalb der Wurzelscheidenanschwellung auftreten, aus. Gewöhn- lich verliert die aufsteigende marldialtige Faser, die der Glashaut nahe liegt, ihre Markscheide und schwillt i^leichsam in die ovale oder zungen- förmige Platte an, die sich der Glashaut eng anschmiegt. Die Platten sind hier ganzrandig, einfach, ihre Breite überragt den Durchmesser des Achsencylinders, auf dem sie sich herausbilden, nicht mehr als zehnmal. Ähnliche Platten treten keinesfalls gruppenweise auf, sondern immer einzeln, auf verschiedenen Höhen, meistens an den Stellen, wo die baumförmigen Endigungen fehlen. An der AYurzelscheidenanschwellung finden sich solche einfache Formen nur selten. Ihre Stelle nehmen Endplatten von komplizier- terer Gestalt ein. 368 D- Tretjakoff, Sternförmige Endplatten (Fig. 18, Taf . XVII) und alle Übergangs- stadien zu ihnen von den ganzrandigen rundlichen Endplatten bilden sich terminal oder präterminal, im letzteren Fall aber immer so, daß die Platte unmittelbar auf der nicht verästelten Faser sitzt. Die auf- fallendste Form sieht man auf der Fig. 18, Taf. XVII, wo die termi- nale Endplatte mit feinsten Fortsätzen versehen ist; diese Fortsätze haben teilweise die Gestalt von spitzigen Dornen, teilweise sind sie fadenförmig, lang und geknickt, einige verästeln oder verbreitern sich, sekundäre Astchen oder Plättchen bildend. Die geraden markhaltigen Fasern, die sternförmige Platten tragen, verlieren ihre Markscheide noch unterhalb der Wurzelscheidenanschwel- lung und verlaufen weiter als nackte Achsency linder. Doch sind auch Ausnahmen möglich, manchmal erhält sich die Markscheide dicht bis zu der Endplatte. Hängende Endplatten (Fig. 20, Taf. XVII) kommen dadurch zu- stande, daß die marklose Partie der Faser sich knickt und nach unten umbiegt, immer unter scharfem Winkel. Die hängende Endplatte ist gewöhnlich ausgezogen und nicht selten ebenfalls, wie sternförmige Platten, mit feinen Fortsätzen versehen. Auf der Fig. 20 ist der Fall gezeichnet, wo die meisten Fortsätze knopfförmig an ihrem Ende ver- dickt sind. Dabei sei auf Ungleichheit der markhaltigen Segmente die Aufmerksamkeit gerichtet. Endlamellen (Fig. 28, Taf. XVII) stellen die langen und maxi- mal abgeplatteten Endplatten vor, die sich wieder auf dem langen feinen marklosen Endstück der Faser bilden. Sie haben sehr selten einen glatten Rand, meistens sind sie gezackt, ausgeschnitten usw. Auf den Methylenblaupräparaten sieht man in ihnen selten die fibrilläre Struktur, da sie mit intensiv färbbaren Microsomen angefüllt werden. Die Dicke der Lamellen ist nicht überall gleich, meistens sind sie in der Mittellinie verdickt, färben hier sich also dunkler als an den Rändern. Keulenförmige Endigungen der geraden Terminalfasern sind allseitig verdickt, deshalb paßt für sie die Bezeichnung »die End- platte << nur schlechtweg. Sie sind (Fig. 19, Taf . XVII) auch mannig- faltig gestaltet, indem sie sich umbiegen oder im Verlaufe des mark- losen Endstückes der geraden Faser mit Schaltverdickungen oder Schaltplatten versehen sein können. Sie ähneln manchmal ganz auf- fallend den Endigungen an den typischen Endkolben, aber bei aller Mühe konnte ich an ihnen die lamellösen Kapseln nicht feststellen. Manchmal sind ihre Konturen ganz glatt, in andern Fällen sind Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 3G9 sie mit feinsten Dörnchen und Höckerchen versehen, wenn auch diese Unebenheiten lange nicht die Größe der beschriebenen Rand- fädchen der Endplatten erreichen. Die keulenförmigen Endigungen zeigen in der Endverdickung keine fibrilläre Struktur- nach der Behand- lung mit Methylenblau, werden aber dicht von sich stark färbenden Körnchen angefüllt. Wenn man die beschriebenen Formen der End- platten und Endkeulen nach dem Verfahren von Cajal untersucht, so bekommt man keine Ahnung von den Randdornen und Randfädchen, wie es auch aus der Arbeit von Tello (45) ersichtlich ist. Soweit ich die Angaben von Tello nachgeprüft habe, finde ich nach der Behand- lung des frischen Objekts mit Silber, oder nach der Vorbehandlung mit ammoniakalischem Alkohol, den fibrillären Bau immer gut aus- geprägt; die Fibrillen bilden das Bündel, welches nur entsprechend den gröberen Biegungen der Endplatte sich knickt, aber keine frei- endigenden Fibrillen oder Fibrillennetzchen, die in die Randfädchen eintreten könnten, abgibt. Ich halte die Randfädchen und Randdornen für rein neuroplasmatische Bildungen, die also keine Neurofibrillen in sich enthalten, wenn auch ihre Dicke derjenigen einer feinsten Fibrille entsprechen kann. Da diese Erscheinung von mir gewissenhaft nach- geprüft wurde und mit der Beschreibung von Tello im guten Einklang steht, halte ich dies Verhältnis für sehr wichtig, da es zeigt, daß die Oberflächenvergrößerung, die sicher in unmittelbarer Beziehung zu der Perception der Reize sich gestaltet, hier ohne Beteiligung von Neuro- fibrillen vorkommt. Ein andres Merkmal ist allen oben genannten Formen der End- platten gemeinsam, das ist nämlich die Anhäufung der stark färb- baren Microsomen. Da die Erforschung der fibrillären Struktur in letzter Zeit allein herrschend war, wurden die neuroplasmatischen Bestandteile nur wenig berücksichtigt; deswegen sind nur zufällige Angaben über die Gesamtstruktur der Nervenendigungen, aber keine systematischen Untersuchungen gemacht. Dazu, kommt noch, daß die prachtvollen Bilder der Nervenendigungen, die die Methylenblau- methode liefert, meistens nur topographisch-anatomisch, aber nicht cytologisch verwertet werden; man versucht nämlich selten, die fei- nere Struktur der nervösen Endausbreitungen mit unsern übrigen Kenntnissen von plasmatischen Strukturen in Verbindung zu bringen. Wenn man aber bei vitaler Färbung diese oder jene nervöse Bildung vom ersten Moment des Auftretens der Färbung verfolgt, bekommt man die feste Überzeugung, daß die Methylenblaumethode ein volleres Bild der Bestandteile der nervösen Endausbreitung als jede andre Methode 370 "D- Tretjakoff, wiedergibt. Ich will zwar in keiner Weise die Wichtigkeit der Fest- stellung des fibrillären Baues der Nervenendigungen unterschätzen, möchte aber vor der Einseitigkeit künftiger Untersuchungen warnen, wenn man die Neurofibrillen nur allein für einen der Untersuchung werten Bestandteil der nervösen Ausbreitung hält. Ich fand die färbbaren (also basophilen) Microsomen im Neuro- plasma der sensiblen Endplatten und in den centralen Fasern der Endkolben, desgleichen auch in den Blättchen der baumförmigen Endigungen immer, wenn die Blättchen oder Plättchen eine beträcht- lichere Größe erreichten. Aus diesem Grunde kann ich, die Bedingungen ihres Vorkommens verallgemeinernd, sagen, daß die basophilen Micro- somen sich konstant in der nervösen Endausbreitung befinden, wo das Neuroplasma größere Anhäufungen zeigt; sie sind da meistens so kolossal entwickelt, daß der fibrilläre Bau von ihnen vollständig maskiert wird. Ich kann noch hinzufügen, daß man auf Silber- präparaten, besonders nach der unmittelbaren Behandlung des frischen Gewebes mit Silber (erste Methode von Cajal), die Endplatten und die Centralfaser in den Endkolben auch mit dunklen Körnchen an- gefüllt findet, so daß die fibrilläre Struktur von ihnen maskiert wird, wenn sie auch unten in der Nervenfaser selber recht deutlich zu sehen war. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die genannten Microsomen einen konstanten Bestandteil der Endigungen bilden, welche aus breiteren neuroplasmareichen Plättchen oder Anschwellungen bestehen. Beim Mangel diesbezüglicher Beobachtungen in der Literatur können die oben stehenden Erörterungen höchstens nur für die Auf- gaben künftiger Zeit gelten. Ich möchte jedoch gleich bemerken, daß in den Zeichnungen von Prof. Dogiel, die, soviel ich weiß, höchst naturgetreu sind, die stark färbbaren Körnchen immer da in den Endigungen in der Hand der Fingerkuppe des Menschen (11) zu treffen sind, wo die Endigung mit breiteren Endplatten versehen ist. So bewahrt das Vorhandensein der Körnchen ein besonders charakte- ristisches Aussehen dem eingekapselten Körperchen mit blattförmigen Nervenendigungen (Fig. 11, 12, Taf. VI). Sie werden auch vom Ver- fasser in den Verbreiterungen des zusammengesetzten MEissNERschen Körperchens (Fig. 17, Taf. VII) abgebildet. Ich kehre zu den Formen der Endplatten zurück und werde die sich verzweigenden Endplatten als den Ausgangspunkt weiterer Vari- anten in Betracht ziehen; dabei verstehe ich unter den sich ver- zweigenden Endplatten die Teilung der schon ausgebildeten, erweiterten Endplatten, keine Verzweigung der feinen marklosen Faserstücke, der Die Nervenendigungen an den Siniishaaren des Rindes. 371 die Endplatte aufsitzt. Letzterer Fall kommt auch vor, <2;ibt aber wenig charakteristische Bilder, die den oben angegebenen Formen sich an- schließen. Wenn aber die eigentliche Endplatte sich teilt, entstehen Endigungen, die von niemandem bisher beschrieben oder gesehen wurden. Das Vorkommen solcher geteilter Endplatten, ein Beispiel davon gibt die Fig. 29, Taf . XVIII, ist auf das Gebiet der Wurzel- scheidenanschwellung beschränkt, oben im konischen Körper habe ich sie nicht bemerkt. Außer der Teilung bieten solche Endplatten alle Merkmale, die ich oben geschildert habe. Sie können auch ein eigentümlicheres Aussehen erreichen, wie es die Fig. 24, Taf. XVIII, zeigt. Die nach dem Verlust der Markscheide dünn gewordene Nervenfaser verbreitert sich bandartig und nimmt deutlich fibrilläre Struktur an, da die in ihr eingeschlossenen Neuro- fibrillen auseinander weichen und weiter parallel verlaufen. Die band- artige Faser teilt sich in drei Äste an zwei Stellen ihres Verlaufes; zwei obere Aste endigen in Gestalt von knäuelförmigen Anschwellungen, die prall mit stark färbbaren Microsomen gefüllt werden, weswegen ihre Neurofibrillen der weiteren Verfolgung sich entziehen. Der untere Ast biegt sich nach unten, liefert kleine Nebenäste und bewahrt die fibrilläre Strichelung auf längerer Strecke, sogar noch in der prä- terminalen Anschwellung, nicht aber in dem intensiv gefärbten Ende. Die ganze Endigung ähnelt sehr der Endigung im Endkolben, hat aber keine Hülle, gehört also zu den übrigen Formen der Endplatten. Es finden sich noch an der Wurzelscheidenanschwellung ver- zweigte Endplatten, die bei andrer topographischer Lage entschieden den gewöhnlichen 2,ut bekannten, nach den zahlreichen Unter- suchungen, baumförniigen Endigungen zugezählt werden sollten. Hier am Sinushaar des Rindes, an der Hand der von mir beobachteten Übergangsformen, dürfen sie nur als maximal verzweigte sensible Endplatten, die palisadenförmige Endigungen andrer Forscher, be- trachtet werden (Fig. 25, Taf. XVIII). Die markhaltige Faser, die mit der maximal verzweigten End- platte endigt, gehört dem System der aufsteigenden geraden Fasern an, erhält aber gewöhnlich ihre Markscheide im größeren Grade als in vorigen Fällen. An der Wurzelscheidenanschwellung angekommen, verliert die Faser ihre Markscheide und gleich darauf verzweigt sie sich in eine beschränkte Anzahl von feinen, sich vorwiegend senkrecht verbreitenden Ästen, die mit kleinen Anschwellungen und Plättchen besetzt sind. So bildet sich eine Endverzweigung, die sehr der baum- förmigen Endigung an den Balken des cavernösen Gewebes im 372 r>- Tretjakoff, Simisraiim ähnlich ist (siehe unten). Der Unterschied äußert sich haupt- sächHch in der gleichen Richtung der Endzweige und in der Tendenz, auf den Enden der aufsteigenden Aste größere Endverbreitungen zu bilden. Alle die beschriebenen Formen der sensiblen Endplatten treten auch über der Wurzelscheidenanschwellung im Gewebe des konischen Körpers auf, und teilweise entwickeln sie sich hier in neue Varianten, teilweise wiederholen sie die Formen, die wir an der Wurzelscheiden- anschwellung gesehen hatten (Fig. 1, 23, Taf. XVII). In dieser Be- ziehung zeigen die Haare weitgehende Differenzen, die keine Regel- mäßigkeit bieten. In gleichem Grade bilden die Endplatten im koni- schen Körper keine ununterbrochene Palisade, sondern stehen hier und da, in nicht großer Zahl, in der Reihe der Endplatten an der Wurzelscheidenanschwellung. Die einzelnen Endplatten reichen bis an die Talgdrüsenkörper und endigen dicht unterhalb derselben, immer in dem basophilen Bindegewebe bleibend, andre liegen auf verschie- denen Höhen im Raum, zwischen den Talgdrüsen und der Haar- scheidenanschwellung, manchmal, wie auf der Fig. 29, Taf. XVIII, eine ununterbrochene Längsreihe bildend. Ich muß noch die Verschiedenheiten des Abstandes vom Haar, die die Endplatten im konischen Körper aufweisen, erwähnen. Während in der mehr oder weniger vollständigen Palisade an der Wurzelscheiden- anschwellung alle Endplatten ungefähr im gleichen Abstand von der Glashaut bzw. von der Wurzelscheide selber oder der Haarachse stehen, ist das im konischen Körper nicht der Fall, die meisten behalten ihren Abstand von der Achse des Haares, andre nähern sich ihr, oder öfters noch neigen sie sich weiter nach außen, so daß sie in der äußersten Schicht des konischen Körpers liegen. Selten aber kommen sie nach innen von den Talgdrüsen zu liegen; wenn die Endplatten unmittelbar unter den Talgdrüsen zu sehen sind, liegen sie meistens unter dem untersten Pol der Drüse oder ein wenig nach außen von ihm. Die Endplatten im konischen Körper kombinieren sich manchmal miteinander, verwickelte Gruppen zusammenstellend. Ein Beispiel von solchen verwickelten Gruppen liefert die Fig. 26, Taf. XVIII, wo die Endigungen in eigentümlicher Weise sich verflechten und an den Enden Plättchen oder keulenförmige Anschwellungen tragen. Einige Fasern der Gruppe endigen mit den aufsteigenden marklosen Terminalfasern, andre verlaufen nach dem Verlust der Markscheide erst nach oben und biesen sich darauf nach unten, um mit ihren Die Xervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 373 verbreiterten oder angeschwollenen Enden ungefähr in einer Höhe mit ersteren zu endigen. Dabei sind die Fasern in ihrer marklosen Partie mit Knickungen versehen, die den Knickungen an dem Achsen- cylinder in den Schaltapparaten nicht unähnlich sind. Man findet mitunter in den genannten Gruppen, daß die Endplatte nur den Zweig der Faser darstellt, die letztere aber verläuft weiter nach oben zu dem subpapillären Geflecht, wo ihr Schicksal nicht bestimmt werden konnte. Es fehlt auch hier nicht an den verschiedenartig verzweigten Formen der Endplatten. Eine derartige Form wird auf der Fig. 17, Taf. XVIII, abgebildet. Die markhaltige Faser verliert hier ihre Mark- scheide schon oberhalb der Wurzelscheidenanschwellung und teilt sich sogleich in den ab- und aufsteigenden Ast. Der absteigende Ast teilt sich wieder in zwei keulenförmige Endäste, die ungefähr in der Höhe der Wurzelscheidenanschwellung liegen und also der Palisade zugehören. Der aufsteigende Ast reicht bis an die Talgdrüsen, unterhalb welcher er sich in keulenförmige Endäste teilt, die einen Knäuel bilden, indem sie sich schlingenartig umbiegen und verflechten. In andern Fällen tritt die plattenförmige End Verbreiterung deut- lich auch in den verzweigten Fasern hervor (Fig. 27, Taf. XVIII). Die betreffenden Nervenfasern verlieren gewöhnlich ihre Markscheide erst hoch im konischen Körper, die marklosen Fasern, die nicht gleichmäßig dick sind, teilen sich, und ihre Endverzweigungen tragen Platten, die zusammen eine wohl abgegrenzte Gruppe bilden. In dem auf der Fig. 27 abgebildeten Fall gesellt sich zu der Verzweigung mit den Endplatten noch eine einzige Platte von der zweiten Faser, die An- sehnlichkeit der Gruppe vergrößernd. Schließlich muß man noch Fasern berücksichtigen, die mit den andern nach oben von der Wurzelscheidenanschwellung aufsteigen, sich dann im konischen Körper umbiegen (Fig. 29, Taf. XVIII) und sich wieder nach unten begeben, wo sie in der Palisade mit einer End- platte endigen. Nach dem oben Gesagten wird es klar, daß die Bezeichnung »sen- sible Endplatte << sehr wenig die Formen dazu gehöriger Endigungen umfaßt und höchstens nur ihrem typischen Aussehen entsprechen kann. Wenn wir die fein verästelte Form (Fig. 25, Taf. XVIII) als eine Über- gangsstufe zu den Endbäumchen betrachten wollen, dann reiht sich die ganze Menge von den Varianten der Endplatten den baumförmigen Endigungen an und vergrößert dadurch bis zur Unendlichkeit das Variationsvermögen der letzteren. Nach meiner Meinung aber bedeutet diese Mannigfaltigkeit nicht im mindesten die Wertlosigkeit der 374 D- Tretjakoff, Gestaltung der einzelnen Formen, sondern entspricht nur den höchst verwickelten Prozessen der Perception der Eeize. In den Beziehungen zum Bindegewebe verhalten sich alle Formen der Endplatten gleich. Sie entbehren jeder gesonderten Hülle und liegen unmittelbar im Bindegewebe, und zwar im ausgesprochen baso- philen Bindegewebe, in der basophilen Kittsubstanz. Von dieser Seite stehen sie den baumförmigen Endigungen sehr nahe. Besonders deutlich äußern sich die Beziehungen des Bindegewebes zu den End- platten im konischen Körper, da in demselben die basophile Kitt- substanz sehr reichlich entwickelt wird und in reiner Form hervortritt. Wie die Sinuskissen unterhalb der Wurzelscheidenanschwellung, ent- hält der konische Körper nur spärliche bindegewebige acidophile und fast keine elastischen Fasern. An der Wurzelscheidenanschwellung sieht man auch die dünne Schicht der basophilen Kittsubstanz gerade an der Glashaut, also genau zwischen den Endplatten der Palisade, die dichtere Lage acidophiler Fasern aber verläuft nach außen von der basophilen Schicht und strahlt hauptsächhch an der äußeren Ober- fläche des konischen Körpers aus. Nach allen berücksichtigten Merkmalen stellen die sensiblen End- platten, die wir in der inneren Balglamelle der Sinushaare finden, die nervösen Endverbreitungen dar, die von den gewöhnlichen in allen möglichen bindegewebigen Bildungen sich durch die strengere Kon- zentration des Neuroplasmas unterscheiden, der Hauptsache nach dürfen sie aber nur als die Vorrichtungen betrachtet werden, um die percipierende Fläche der Nervenendigung zu vergrößern. So schreitet die Natur durch verschiedene Wege zu demselben Ziel. Die sensiblen Endplatten verdienen jedenfalls ihren Namen mehr als die motorischen Endplatten. Sie sind aber nicht ausschließ- lich an den Haaren zu finden. Dogiel beobachtete plattenförmige Endigungen in der Hornhaut (10) zwischen den Bündeln der binde- gewebigen Fasern. Da die Lehre von der »Bedeutung« der verschie- denen Formen der sensiblen Endigungen subjektiv ausgearbeitet wird, müssen wir jede morphologische Kleinigkeit als ungemein wichtig betrachten, wenn sie nur regelmäßig und konstant sich wiederfindet. In dieser Beziehung gibt die konstante, der Längsachse des Haares parallele Lagerung der Endplatten an den Sinushaaren und an den sinuslosen Haaren sicher Gelegenheit die Lösung der Frage zu bringen, was für ein Zusammenhang zwischen der Druckrichtung und der Lage der percipierenden Endausbreitungen vorhanden ist. Die auffallende Eichtung der Endplatten am Sinushaare steht wieder nicht Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 375 isoliert da, in den Sehnen der Augenmuskeln beschrieb nämlich Prof. A. S. DoGiEL Endverzweigungen, deren Äste das Ende der Muskel- faser in der Form der Palisade umgeben. Hier, in der Sehne, wie am Haare, legen sich die Endverbreiterungen längs des Gebildes, die ihnen die Druckreizung liefert. Diese Regelmäßigkeit scheint mir überhaupt sehr wichtig und verdient weiterer Forschung. Da der konische Körper am Sinushaar des Rindes als die Stelle der Nervenendigungen erscheint, will ich gleich die eigentümliche Ge- staltung der Wurzelscheiden, die sie im konischen Körper darbieten und in der Literatur keiner Beachtung genießen, erwähnen. Die äußere Wurzelscheide im konischen Körper unterhalb der Talg- drüsen wird mit einem Fortsatz versehen, der auf den Längsschnitten wie eine rudimentäre Talgdrüse aussieht. Die eingehendere Unter- suchung belehrte mich, daß hier die äußere Wurzelscheide einen schirm- artigen Vorsprung bildet, der aber keinem vollen Kreise, wohl aber drei Vierteln desselben und weniger entspricht. Dieser Vorsprung (Fig. 1 Seh, Taf. XV) besteht aus Zellen, die von den übrigen Zel- len der äußeren Wurzelscheide durch nichts sich unterscheiden. Es kann auch keine Rede von supplementären Talgdrüsen sein, höch- stens ist es eine supplementäre Vergrößerung der Oberfläche, die die Druckoscillationen dem umgebenden Bindegewebe und den in ihm befindlichen Nervenendigungen zu übergeben bestimmt ist. Zudem können wir solche Übergabe von Oscillationen des äußeren Druckes auch den straffen Talgdrüsen nicht absprechen, sonst wird die Be- strebung der Nervenendigungen im konischen Körper, sich an die Talgdrüsen anzuschließen, unverständlich. Unterhalb der Wurzel- scheidenanschwellung hat die innere Wurzelscheide kein gewöhnliches Aussehen. Sie hebt sich hier vom Haarschaft ab und legt sich in circuläre Falten, die manchmal sehr tief in die Dicke der gesamten Wurzelscheide eingreifen. Da die innere Wurzelscheide hier vollständig keratinisiert wird, läßt ihre Faltung vermuten, daß sie an dieser Stelle stark federt, und daß dadurch das Haar ungemein empfindlich (im physikalischen Sinne) für Druck erscheint. Sehr beachtenswert dabei ist, daß die feder artige Faltung der inneren Scheide genau der Wurzel- scheidenanschwellung entspricht, also der Stelle mit dem höchst ent- wickelten Perceptionsapparat. Etwas ähnliches wurde bisher an keinem Sinushaar beobachtet, was selbstverständlich zugunsten meiner schon früher gemachten Auf- stellung spricht, daß das Sinushaar des Rindes die differenzierteste Bil- dung dieser Art ist. Doch will ich nun in der vorliegenden Mitteilung Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 25 376 D- Tretjakoff, die letztgenannten Vorrichtungen keiner weiteren Analyse unterwerfen, da ich ähnliche Vorrichtungen, vielleicht in mehr rudimentärer Form, bei andern Tieren bald zu finden hoffe. Ihre etwaigen Beziehungen zu der receptorischen Funktion des Sinushaares können überhaupt nur durch vergleichende Untersuchung festgestellt werden, da meine Voraussetzungen sicherlich nur »bloße Vermutungen« sind. Da die betreffenden Bildungen sehr konstant erscheinen, müssen wir jedenfalls die Arbeitshypothese über ihre mögliche Bedeutung schon jetzt schaffen. Die Nervenendigung in der äußeren "Wurzelscheide. Meine Beobachtungen über die Nervenendigungen in der äußeren Wurzelscheide des Sinushaares des Rindes schließen sich eng an die Tatsachen an, die ich in meiner Arbeit über die Sinushaare des Schweines mitgeteilt habe und die ich hier kurz rekapitulieren möchte, da ich damals manche Kontroverse von andern Verfassern versöhnen konnte. In der äußeren Wurzelscheide des Haares des Schweines haben die Tastscheiben das Aussehen von sternförmigen, in tangentialer Richtung ausgezogenen Plättchen, welche mit ihrer konkaven Fläche schräg zum Haar und nach unten gerichtet sind. Jede Scheibe bedeckt eine ellipsoidische schwach körnige Zelle, wobei der Zellkern in der Seitenansicht als ein dünner, in der Mitte eingeschnürter Streifen er- scheint. Die zur Bildung der Tastscheiben bestimmten Nervenfasern durchbohren die Glashaut nur an einer Stelle und verzv/eigen sich im Epithel. Manchmal bilden sich die Tastscheiben an dem Seitenast der Faser, die weiter längs der Oberfläche der Wurzelscheidenanschwellung nach oben zieht und die Endplatte, die der Palisade gehört, liefert. Die intraepithelialen Nerven von Ksjunin oder die intraepithelialen Netzchen um die Tastkörperchen in der äußeren Wurzelscheide zu färben gelang mir nicht. Wohl aber fand ich intraepitheliale Nerven- endigungen in der Form feiner varicöser Fädchen in der äußeren Wurzel- scheide oberhalb der Talgdrüsen, wo ich auch die MERKELschen Körper- chen feststellen konnte. Tello (45) hat in den Tastscheiben an den Sinushaaren Netze von Neurofibrillen gefärbt. Im Vergleich mit dem Schwein finde ich beim Rind manche Be- sonderheiten, die MERKELschen Körperchen im Gebiet oberhalb der Wurzelscheidenanschwellung kommen hier nicht mehr vor. Die Tast- scheiben liegen wieder schief, aber nicht immer oberhalb der Tastzelle, manchmal, wie es auch nach dem Verfahren von Cajal leicht bemerkbar ist, befindet sich die Tastscheibe imterhalb der Zelle. Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 377 Die Nervenfasern, die im Epithel mit Tastscheiben (Fig. 1, 25, Taf. XV) versehen sind, erscheinen auch beim Rind sehr oft nur als Seitenzweige der markhaltigen aufsteigenden Fasern, die weiter nach oben die sensiblen Endplatten an der Wurzelscheidenanschwellung und im konischen Körper bilden, wie es schon von Ostroumow-Arnstein beim Schwein gefunden und von mir bestätigt wurde. Das spricht also für die gleiche funktionelle Bedeutung der sensiblen Endplatten im konischen Körper oder im allgemeinen in der inneren Balglamelle und der Tastscheiben, was eigentlich nicht unerwartet ist, da nach dem Bau die Tastscheiben nichts andres darstellen, als die baumförmiae Endverzweigung mit plättchenförmigen Verbreiterungen, die aber nicht im Bindegewebe, sondern im Epithel liegt. Wenn bei den baumförmi- gen Endigungen im Bindegewebe kein Grund vorhanden ist, um eine intimere Verbindung der plättchenförmigen Verbreiterung mit der Tastzelle anzunehmen, glaube ich, daß auch für die Tastscheiben keine ähnhche Verbindung zulässig ist. In dieser Beziehung steht die Beobachtung von Dogiel und WiLLANEN (14), der zufolge in den GRANDRYschen Körperchen die Fädchen der Tastscheibe in die Tastzelle eindringen sollen, ziemlich isoliert, obwohl sie angesichts der gesteigerten Kontinuitätslehre hoch- modern klingt. In den MERKELschen Körperchen konnte Dogiel derartige Fädchen auch wahrnehmen (11), wenn auch nicht so deut- lich infolge, wie er sagt, der geringen Größe der Zellen. In einer späteren Arbeit spricht Dogiel die Vermutung aus, daß die von ihm und WiLLANEN (14) abgebildeten intracellulären Fädchen vielleicht einfach die Reihen der mit Methylenblau färbbaren Körnchen darstellen, da nach dem Verfahren von Ramon y Cajal keine solchen nervösen Fädchen sichtbar sind (12). Van der Velde (51) bemüht sich aber wieder die intracelluläre Endigung der einzelnen Neurofibrillen der Tastscheibe zu beweisen. Nach seiner Meinung lassen schon die Abbildungen von Geberg und ScYMONOWicz einen Raum für solche Voraussetzung. Auf eignen Präparaten, die nach der BiELSCHOWSKYschen Methode hergestellt wurden, konnte er sehen, daß, obgleich die Tastscheibe einen deut- lichen Randring zeigte, die Ästchen von ihm, wie es scheint, hier in das Protoplasma der Zellen gehen, um in demselben wieder Netze zu bilden. Verfasser empfiehlt jedoch bei der Entscheidung der Frage die allergrößte Vorsichtigkeit, da die Silberimprägnation keine absolut elective Methode ist. Da ich bei der schärfsten Färbung keine solchen Fädchen gesehen 25* 378 D. Tretjakoff, hatte, halte ich ihr Vorhandensein der Revision wert. In gleicher Weise finde ich keine Veranlassung die MERKELschen Körperchen und die Körperchen von Grandry für Bildungen gleicher Abstammung vom Epithel oder Bindegewebe, wie es von andern zu beweisen versucht worden ist, zu betrachten. In letzter Zeit glaubt Frl. N. Nowik (31) die Zugehörigkeit der Tastzellen zu den Epithelzellen dadurch beweisen zu können, daß, nach ihren Untersuchungen, die in den Bestand der Tastzellen eingehenden Fibrillen sich mit denselben Farbstoffen tin- gieren lassen, wie die Fibrillen der Epithelzellen in der Haut, miteinander durch Intercellularbrücken verbunden werden und den Tastscheiben nur anliegen. Aber sind denn die bindegewebigen Zellen nicht mit- einander verbunden? oder zeigen sie keine Fibrillen, die später aus- gesprochen acidophil sind? oder wie kann das Anliegen der Tastscheibe zugunsten der epithelialen Natur der Zelle sprechen? Die Nervenendigung betrachte ich in dem MERKELschen und GRANDRYschen, so wie auch in jedem andern Apparat als primär, die Zellen, die Hüllen für sekundär, wie es auch phylogenetisch sich nach- weisen läßt. Deswegen sehe ich kein Hindernis, daß die Tastzellen, die der Nervenendigung sicher nur die angepaßte mechanische Vor- richtung, wie aus der Arbeit von Nowik klar zu schließen ist, liefern, sich in einem Fall aus den Epithelzellen, im andern aus den Binde- gewebszellen differenzieren können. Die mit den Endplatten im Bindegewebe verbundenen Nerven- fasern, die zur Bildung der Tastscheiben im Sinushaar des Rindes bestimmt sind, ausschließend, bemerkt man an den übrigen Fasern manche Erscheinungen, die bisher von niemandem beschrieben sind. Die Fasern verlieren die Markscheide dicht vor dem Eintritt in die Glashaut, dabei zeigt sich sehr oft an dem markhaltigen Ende des Achsencylinders eine Anhäufung von Neuroplasma, so daß die Faser vor dem letzten Schnürring unter der Markscheide manchmal wie ein Schaltapparat aussieht, ohne aber das verwickelte Bild des letzteren zu erreichen. Diese angeschwollene Partie des Achsencylinders zeigt dabei immer Biegungen so, daß man (Fig. 1, Taf. XV) sie im Ge- wirr der aufsteigenden Fasern und der Endplatten an der Wurzel- scheidenanschwellung immer noch gut unterscheiden kann. Andre Fasern zeigen keine solche Anschwellung, sie teilen sich aber gleich nach dem Verlust der Markscheide, meistens noch außerhalb oder inner- halb der Glashaut, in verschiedenartig verbreiterte marklose Aste, die sich mannigfaltig biegen und knicken und erst darauf in das Epi- thel eintreten. Hier sind Gruppen von Tastscheiben, die derselben Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 379 Faser angehören, meistens sehr deutlich von Gruppen andrer Fasern abgetrennt (Fig. 1, 25, Taf. XV), in andern Fällen lagern sich die Tastscheiben sehr gleichmäßig in der äußeren Wurzelscheide. Die Beziehungen der Tastscheiben zu den Tastzellen beim Rind untersuchend, mußte ich der Meinung von Ostroumow-Arnstein recht geben, daß die Tastzellen nicht immer typisch differenziert werden; die Tastscheiben liegen oft Zellen an, die sich von den übrigen Epithelzellen der Reihe durch nichts unterscheiden. Dies spricht auch zugunsten meiner Auffassung, daß die Gruppe der Tastscheiben der baumförmigen Endigung entspricht. Wenn wir die Form der Tast- scheiben genauer untersuchen, finden wir die verschiedensten Grade ihrer Ausbildung von dem rundlichen Knöpf chen, das nur einen kleinen Teil der Zellenoberfläche bedeckt, bis zu den stattlichen rundlichen Menisken, die in der Form eines Kelches die Hälfte der Zelle umgeben. Die Behauptung von Dogtel (11), daß von den Tastscheiben keine sekundären intraepithelialen Nervenfädchen entspringen, kann ich gegen Botezat (3) nur bestätigen, da ich schon in der Arbeit über die Nervenendigungen der Schnauze des Schweines (47) die früheren dies- bezüglichen Angaben von Szymonowicz als richtig anerkannt hatte; SzYMONOWicz aber hat keine freien Endigungen an den Rändern der Scheiben gesehen (43). Ein eigentümliches Verhalten zeigen die Tastscheiben im unteren Gebiet der Wurzelscheidenanschwellung, was ich übrigens bisher nur beim Rind beobachten konnte. Hier liegen die Tastscheiben nicht schief, sondern parallel der Oberfläche der Scheide, sie sind an den Längsschnitten von der Fläche zu sehen, und diese Tastscheiben er- scheinen in einer Form, die sie scharf von den oben erwähnten unterscheidet (Fig. 1, 26, Taf. XV; Fig. 22, Taf. XVIII). Sie stellen hier sternförmige Platten mit spitzen dreieckigen Forsätzen vor, die voneina^der durch tiefe Einschnitte getrennt werden; dabei ver- schmelzen die Platten zu längeren zackigen Lamellen, wodurch das typische Bild der Gruppe der Tastscheiben verloren geht und eine Endigung entsteht, die der blättchenförmigen Endigung in der inneren Balglamelle (Form A) nicht unähnlich ist. Die Zwischenfäden, die den Zusammenhang der Scheiben bewirken, stellen hier nicht mehr feine glatte Fäserchen vor, wie bei typischen MERKELschen Körperchen, sondern verdicken sich hier und da in der Form von Körnchen oder Spindeln. Natürlich zeigen die genannten Scheiben keine strengen Beziehungen zu Zellen, wenn auch einige von ihnen den typischen Tastzellen anliegen. 380 !>• Tretjakoff, Eine entsprechende Umbildung geschieht nicht nur in den Grenzen der Endverzweigung einer Faser mit allen Tastscheiben. Ich beobachtete sehr oft, daß in irgendwelcher Gruppe der Tastscheiben dieselben Fasern der oberen Scheiben die normale Lagerung und Gestalt besitzen, dabei aber die unteren Scheiben schon im bezeichneten Sinne verändert werden. Manche Äste derartiger Verzweigungen verlieren vollständig die Gestalt der Scheiben und bilden sich in einfache varicöse oder mit kleinen Plättchen und Verdickungen versehene Fädchen aus. Auch diese Form der Tastscheiben beweist, nach meiner Meinung, nähere genetische Beziehungen zwischen den Tastscheiben und den baumförmigen Endigungen im Bindegewebe. Die Tastscheiben möchte ich als eine baumförmige Endigung betrachten, deren blättchenförmige Verbreiterungen in den Tastzellen, die von epithelialer Herkunft sind, mechanisch besonders günstige Vorrichtungen für die Perception der Reize gefunden hatten. Die Tastzellen stellen aber keinen unent- behrlichen Teil der scheibenförmigen Endigung dar, und wo die Druck- oscillationen durch andre Vorrichtungen zu den Tastscheiben gelangen, können die Tastzellen auch nicht zur Ausbildung gelangen. Eine andre Beobachtung bezieht sich auf die intraepithelialen Nervenfädchen in der äußeren Wurzelscheide, diejenigen Fädchen, die ich beim Schwein nicht zu färben vermag. Sie entstehen aber beim Rind ganz anders, als es von Ksjunin (20) auf seinen Objekten (Hund) ge- funden wurde. Beim Rind entspringen die feinen marlchaltigen Nerven- fasern von dem oberen Nervenring und steigen wieder bündelweise nach unten ab, um im Gebiete der Wurzelscheidenanschwellung nach dem Verlust der Markscheide die Glashaut zu durchbohren und im Epithel in eine Menge varicöser und feiner Endäste zu zerfallen. Es kommen auch einzelne absteigende Fasern vor, und schließlich stei- gen auch vom unteren Nervenring im Bestände der hinaufziehenden Stämmchen feinere markhaltige Nervenfasern, die an die Wurzel- scheidenanschwellung gleichfalls durch die Glashaut in das Epithel ein- treten. Alle drei Arten der feineren markhaltigen Fasern teilen sich vor dem Eintritt in die Glashaut in mehrere Äste, und diese erst verlieren die Markscheide und durchbohren die Glashaut. Die Feinheit ist das allgemeine Merkmal der genannten Fasern. Im Epithel der Wurzel- scheidenanschwellung teilen sich die marklosen Äste wieder und bilden die feinsten varicösen Endfäden, die erstens in der Schicht der äußer- sten Zellen die MERKELschen Tastkörperchen eng mit ihren Seitenäst- chen umflechten, dann tiefer nach innen bis in die innere Wurzelscheide verlaufen; in letztere treten sie aber nicht ein und endigen an ihrer Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindc.=!. 381 Grenze frei. Die Umflechtung der Tastscheiben samt den Tastzellen scheint keine dm-eh Verlauf im Stratum cylindricum gezwungene zu sein, da die MERKELschen Körperchen dichter mit feinsten Äst- chen bedeckt sind, als die übrigen Zellen. Wahrscheinlich handelt es sich um die Netze, die aber lieber als Geflechte zu bezeichnen sind, die von Dogiel und Willanen (14) an den GEANDRYschen Körper- chen beobachtet, weiter von mir (47), Botezat (3) und Dogiel (U) an den MERKELschen Körperchen in den Epithelleisten festgestellt wurden. Im Schweinsrüssel beobachtete ich, daß die varicösen Fäd- chen das MERKELsche Körperchen mit einem feinen Netzwerk um- flechten, darauf auf benachbarte Körperchen sich fortsetzen, sie gleich- falls mit einem ähnlichen Netz bedecken usw. Die Varicositäten, mit denen diese Fädchen besetzt erscheinen, sind im allgemeinen größer als die Varicositäten der intraepithelialen Endigungen gewöhnlicher Alt. Die die genannten Netze bildenden Nervenfädchen stammen von einer markhaltigen Nervenfaser her. Die einzelnen Gruppen der Körperchen werden entweder von einer einzelnen markhaltigen Nerven- faser mit Netzen versorgt oder von mehreren. Da ich hauptsächlich Flächenschnitte studierte, konnte ich nicht das weitere Schicksal der Nervenfaser, die das System der Netze liefert, genauer verfolgen. Dogiel (11) sah die Netzchen an den Tast- körperchen in der Haut der Fingerkuppe des Menschen, wo sie nach seiner Beschreibung wie ein Korb das Körperchen umgeben. Nach der Abbildung zu schließen, schicken die Netzchen keine freien intra- epithelialen Fädchen aus. Man darf also annehmen, daß in der Wurzelscheidenanschwellung des Sinushaares vom Kind die neue Eigenschaft der oberflächlichen Netzchen bzw. Geflechte der MERKELschen Körperchen sich offenbart. Die Netzchen gehören hier nach dem oben Gesagten den intraepithe- lialen Nervenfäden gewöhnlicher Art an, gehören also demselben System des somatischen Gefühles, wie die gewöhnlichen intraepithelialen Nerven. Danach wird vielleicht darauf hinzuweisen sein, daß die in der letzten Zeit von manchen Verfassern, zuerst von Timofeeff, angegebenen Nervenfasern »zweiter Art« sicher nicht zu den sym- pathischen zuzuzählen sind. Was die intraepithelialen Endfädchen in der Wurzelscheide des Sinushaares des Rindes anbelangt, so zeigen sie alle Merkmale der >>Fasern zweiter Art«; sie entspringen nämlich von den feineren markhaltigen Fasern und bilden um die MERKELschen Körperchen die Netze. Die intraepithelialen Fäden unterhalb der Wurzelscheiden- 382 D- Tretjakoff, anschwellung konnte ich nicht mit Sicherheit feststellen, sie färben sich aber manchmal im Halse der Wurzelscheide und überhaupt in dem oberen über den Talgdrüsen gelegenen Teil der Wurzelscheide. Die Quelle bilden wieder die feinen markhaltigen Nervenfasern, die dem oberen Nervenring gehören, der also hauptsächlich zur Verteilung der intraepithelialen Nervenfasern bestimmt ist. Ich möchte aber hier wieder das von mir schon früher Gesagte wiederholen, nämlich, daß das Schicksal einiger Fasern des oberen Ringes von mir nicht verfolgt wurde und daß von ihm vielleicht die sympathischen Fasern zu den Talgdrüsen gehen. Jedenfalls zeigt hinsichtlich der intraepithelialen Nerven das Sinushaar des Rindes weitere Differenzierung und reichere Formen- entfaltung, als es bisher bei andern Tieren beobachtet wurde. Wenn wir aber die Menge der Nervensubstanz, die zur Bildung der intra- epithelialen Nerven mit der kolossalen Verschwendung derselben Sub- stanz in den Schaltapparaten und im Bindegewebe der im Sinus liegenden Endverzweigungen und Endplatten vergleichen, bekommen die intraepithelialen Nerven nur eine bescheidene Stelle und erscheinen eher als Rudiment vom Gesamtbau des Sinushaares bei andern Tieren. Die Vergrößerung des Tastgefühls, die wir in den Sinushaaren des Rindes vermuten dürfen, fordert in erster Linie die Entwicklung der Endverzweigungen im Bindegewebe, was im allgemeinen auch sonst in den Hautgebilden, wie zum Beispiel in der Fingerkuppe des Menschen, sich äußert. Was aber die Funktion jeder Variante der Endigungen be- trifft, können nur künftige vergleichende Untersuchungen beweisen, unter der Bedingung, die Beziehungen der Endigungen zum Gesamt- bau des Gebietes nicht aus dem Auge zu lassen. Die Nervenendigungen an den Sinusbalken und in der äuEeren Balglamelle. In der äußeren Balglamelle hat man bisher keine Endigungen beobachtet. Über die Endigungen an den Sinusbalken machte erst OsTßOUMOW-ARNSTEiN Mitteilung (1). Leider berichtet der Verfasser nicht, von welchem Tier er die betreffenden Endigungen abgebildet hat. Nach meiner Meinung war es das Sinushaar der Katze. Von den Endigungen selber wird jedenfalls nicht viel berichtet, nur gesagt, daß sie immer in die Länge ausgezogen werden. Ich meinerseits war imstande das Vorhandensein von solchen Endigungen an den Balken des Sinus des Sinushaares beim Schwein festzustellen. Ich behauptete damals, daß die Nervenendigungen auf den Balken des Venensinus Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 383 sich durchaus nicht von den typischen Endigungen im derben Binde- gewebe unterscheiden. Dabei war an die Angaben von Iwanoff (19), die aber ziemlich schematisch dargestellt sind, gedacht. Beim Schwein bestehen die in der Frage stehenden Endigungen aus einer geringen Zahl eng aneinander gelagerter, mit Plättchen besetzter Fäden. Aber ich fand keine so massenhafte Entwicklimg dieser Form der Nerven- endigungen, wie es nach den xYngaben von Ostroumow-Arnstein bei der Katze zu erwarten wäre. Beim Rind treten an den Balken des Sinus selten Endver- zweigungen auf, die auf den ersten Blick zu den Endbäumchen ge- hören. Man findet auf dem Längsschnitt nicht mehr als eine solche Endigung im ganzen Sinuslängsschnitt (Fig. 1, 20, Taf. XV). Von den baumförmigen Endigungen in der inneren Balglamelle unterscheiden sich die Endverzweigungen auf den Balken des Sinus (Fig. 5, Taf. XVI) durch regelmäßig abgerundete Plättchen, die niemals die Größe der Plättchen der ersten erreichen. Die ganze Verzweigung an dem Balken erreicht nicht die Dichtigkeit, die wir bei den spindelförmigen Endigungen in der inneren Balglamelle sehen können. Die Äste der Verzweigungen verlaufen in allen möglichen Richtungen, sind aber in keiner Weise den längsverlaufenden bindegewebigen Fasern an- gepaßt, wenn auch die ganze Endigung wirklich der Form des Balkens entsprechend etwas ausgedehnt wird. Die Äste sind wohl marklos, glatt, sehr selten steilen weise spindelförmig angeschwollen. Sie werden mit kui'zen sekundären Ästchen versehen, die gewöhnlich in der Form rundlicher Verdickung oder Platte endigen; solche Platten sind übri- gens auch in den Verlauf der Äste eingeschaltet. Die zu ihrer Bildung bestimmte markhaltige Nervenfaser kommt aus dem unteren Nervenring durch die innere Balglamelle. Es kommen auch Fälle vor, daß eine Nervenfaser in der inneren Balglamelle in dem Endkolben endigt, während ein andrer Endast von ihr in den Balken eindringt und hier in der beschriebenen Weise die baum- förmige Endverzweigung liefert. Die Fig. 5, Taf. XVI, stellt eigentlich einen solchen Fall vor, aber der Ast zu der inneren Lamelle wurde wegen Mangel an Raum fortgelassen. Er endigt mit den centralen Endfasern in den zwei Endkolben, die mit ihren Kuppen nach unten gerichtet sind. Das Auftreten der Endigungen von ganz heterogenen Formen in den End Verzweigungen derselben Nervenfasern, wie die eingekapselten und nicht eingekapselten Endigungen, ist schon von mehreren Beobachtern beschrieben worden (siehe darüber Ruffini 37). Soll aber daraus geschlossen werden, daß die Form der Endigung etwas 384 D. Tretjakoff, Minderwertiges sei? Ich glaube, der bezeichnete Fall weist höch- stens nur auf die gleiche Bahn, nicht aber auf gleiche Art der Per- ception der Eeize, da es wohl eine wenig begründete Hypothese ist, wenn man annimmt, daß jede Nervenfaser nur eine Art von Reizen leiten soll. Nach den topographischen Beziehungen können wir, angesichts der massenhaften Verbreitung der Endkolben in den Stellen mit dem äußerst feinen Tastgefühl, den Endkolben die unmittelbare Teil- nahme an der Perception der mechanischen Reize nicht absprechen. Ob aber in den Balken des Sinus dieses feine Tastgefühl entsteht, ist zweifelhaft, sonst müßten alle Balken mit ähnlichen Endigungen ver- sehen werden, was aber nicht der Fall ist. Indirekt, durch die Blut- flüssigkeit, können wohl auch sie an der gesamten percipierenden Tätigkeit des Sinushaares teilnehmen, wie wir es von dem folgenden Vertreter der baumförmigen Endigungen, in der äußeren Balglage, erwarten dürfen. Über die Nervenendigungen in der äußeren Balglamelle des Sinus- haares sind keine Angaben vorhanden. Ich finde aber die äußere Lamelle des Balges des Sinushaares vom Rind außerordentlich reich innerviert. Die Art der Nervenendigungen in der äußeren Balglamelle bietet wieder etwas verschiedenes von den übrigen, im Balge Hegenden Nerven- endigungen. Als ein sehr konstantes Merkmal der Endigungen der äußeren Balglage bemerke ich ihre sehr bestimmte äußere Umgrenzung. Unabhängig von der Menge der Endäste bildet die Endigung, von der äußeren Oberfläche der äußeren Balglamelle betrachtet, eine kreisförmige oder ellipsoidische Figur; dabei lagern sich die Endverzweigungen streng in den Grenzen der entsprechenden Figur (Fig. 23, Taf. XVIII). In dem Querschnitt der Lamelle wird eine solche Regelmäßigkeit an der äußeren oder inneren Grenze bemerkbar (Fig. 1, Taf. XV), aber die Endigung wird immer vollständig in die Lamelle eingeschlossen, kein Ast kommt aus dem dichten Bindegewebe an die äußere oder innere Fläche der Lamelle. Die Endigung nimmt aber nicht die ganze Dicke der Lamelle in Anspruch, sie liegt meistens näher an der äußeren Fläche derselben. Ich suchte nach Abänderungen im Bestände oder der Zusammensetzung der äußeren Balglamelle an den Stellen der Endigungen, aber umsonst, sie ist überall gleichartig gebaut. Man hat schon lange ihren Bau mit dem der Sclera verglichen, nach meinen Kontrolluntersuchungen paßt dieser Vergleich im großen und ganzen. Sie wird also durch dicht aneinander liegende, in ver- Die Nervenendigungen an den Öinushaaren des Rindes. 385 schiedenen Richtungen sich miteinander verflechtende Bündel der acidophilen Fasern mit spärlichen elastischen Fasern gebildet. Die basophile Kittsubstanz fehlt hier, man sieht auch eigentlich keine be- merkbaren Spuren von irgendwelcher Kittsubstanz. Der Verlauf der Aste in der Nervenendigimg entspricht aber in keiner Weise den Richtungen der bindegewebigen Fasern, erstere gehorchen nur eignen Gesetzen. Da die äußere Balglamelle jedenfalls sehr dicht und fest ist, muß man auch in den nervösen Endverzweigungen die Festigkeit des protoplas- matischen Gerüstes, soviel es vielleicht in den Neurofibrillen sich vor- stellt (Lenhossek, 1910), wie zum Beispiel in den wandernden Leuco- cyten, voraussetzen. Die äußere Lamelle ist gefäßlos, ausschließlich der Stellen, wo die Arterien oder Nervenstämmchen in sie eintreten. Es ist deswegen sehr merkwürdig, daß die Nervenendigungen in der äußeren Balg- lamelle immer in der Nähe der Eintrittsstellen der Nervenstämmchen, besonders der mit den Schaltapparaten versehenen, gelegen sind ; eigne Blutgefäße fehlen ihnen aber vollständig. Die strahligen, bindegewebigen Zellen der äußeren Balglamelle sind sehr gleichmäßig zwischen den Faserbündeln zerstreut, sie zeigen auch keine Änderung dieser gleichmäßigen Lagerung an den Stellen der Nervenendigung. Die letzte steht also in keiner Abhängigkeit von den geweblichen Bestandteilen der Balglamelle; anders steht die Sache mit den räumlichen Verhältnissen, die Endigung wird abgeflacht, entsprechend der Krümmung der Balglamelle und der Fläche nach geometrisch streng abgegrenzt. Man bekommt den Eindruck, als ob die Endigung die vom Haar durch die Blutflüssigkeit im Sinusraum herkommende Welle belauscht. Die Entstehung der Endigung geschieht in folgender Weise. Im einfachsten Fall, der z. B. auf der Fig. 23, Taf. XVIII, abgebildet wird: tritt die dicke markhaltige Nervenfaser in die äußere Balgiage ein, verliert die Markscheide oder nicht und beginnt sich zu teilen. Zuerst bilden sich wenige dickere Aste, die aber wieder Markscheide be- kommen können, nach verschiedenen, meistens entgegengesetzten Rich- tungen verlaufen und in mehrere sekundäre Aste zerfallen, die ihrer- seits teils marklos werden, teils ihre Markscheide ununterbrochen bis zur Endverzweigung oder nur stellenweise behalten. Es entsteht also ein Knäuel von markhaltigen und marklosen Ästen, der schon die Form der ganzen Endigung bestimmt. Die markhaltigen und mark- losen Äste können von einem Pol der Endigung zum andern verlaufen. Schließlich verlieren alle Äste ihre Markscheide und zerfallen in die 386 D. Tretjakoff, büschelförmigen varicösen Endästchen, die die Endbäumchen bilden, deren Bestandteile meistens an der Peripherie bzw. am Kande der der Fläche nach abgeplatteten Endigung verlaufen, deren Grenze von ihnen nicht überschritten wird. Die Endbäumchen sind aber keinenfalls reich entwickelt zu nennen, im Vergleich mit der Menge der Stammäste scheinen sie sogar spärlich vorhanden zu sein und färben sich dabei wenig intensiv, so daß der Knäuel besonders scharf zur Ansicht hervortritt. Ähnliche Verhältnisse bemerkte ich bei den präterminalen und Knäuelendigungen in der inneren Balglamelle. Ich möchte aber nicht die Endigungen in der äußeren Balglamelle mit den präterminalen oder mit den Knäuelendigungen zu einem Haufen zusammenwerfen, da die komplizierteren Formen der ersteren wieder ihre Besonderheiten nicht nur in der Gesamtform, sondern auch im Aussehen der Verzweigungen zeigen. Kompliziertere Formen entstehen bei der Teilnahme mehrerer Nervenfasern an der Bildung der Endigung. In diesem Fall ist wieder bemerkenswerte Harmonie unter den daran beteiligten Fasern zu sehen, da die Endäste verschiedener Fasern vollkommen einheitliche Endigungs- formen hervorbringen. Die Teilung in markhaltige und marklose Aste geschieht wie im vorhergehenden Fall, die Äste verteilen sich wieder in dem streng umgrenzten Raum so, daß die ganze Endigung eine, der Fläche der äußeren Balglage nach, abgeplattete rundliche Bildung darstellt. In gleicher Weise spalten sich endlich die Äste in die mark- losen, feinen varicösen Endästchen, die aber sehr spärlich, fein und verstreut an der Peripherie der Bildung sind. Die Größe der ganzen Bildvmg übertrifft manchmal drei- bis viermal die Größe der vorher- gehenden Form, erreicht also bis 1,2 mm. Neu sind in dieser Form der Endigung die Bildungen mid Knickungen des markhaltigen Achsencylinders, die sehr den Schalt- apparaten ähnlich sind. Sie entwickeln sich aber nicht an den langen Strecken, wenn auch einzelne plättchenförmige Verbreiterungen an den Knickungsstellen jedenfalls sehr ausgesprochen werden. Besonders merkwürdig und sehr wichtig scheint zu sein, daß an den stärkeren marklosen Ästen genau die gleichen Knickungen und die plättchen- förmigen Verbreiterungen sich ausbilden, die aber nicht als die ter- minalen Bildungen betrachtet werden können, da der betreffende mark- lose Ast weiter zieht und schließlich sich in die erwähnten varicösen Endfädchen verzweigt. Wollen wir diese Form näher analysieren. Hier nämlich werden die Schaltapparate in eine unzweifelhafte Nervenendigung eingeschlossen, Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 387 stellen also deu integrierenden Teil des Perceptionsapparates vor. Hier auch entwickeln sich ähnliche neuroplasmatische Umbildungen, wie wir am x4.chsencylinder des Schaltapparates bemerken, an den marklosen Asten, stellen also den ebenfalls integrierenden Teil der Endverzweigung vor. Daneben findet sich noch die Entwicklung von varicösen Astchen, die in demselben Raum liegen. Alle drei Strukturerscheinungen stellen zusammen die Endverzweigung dar und müssen deswegen als die Bestandteile von gleicher perceptorischer Be- deutung betrachtet werden, da wir keine Veranlassung haben, den verschiedenen Asten derselben Endigung verschiedene Funktionen zuzuschreiben. Die Schaltapparate bieten also hier in gleicher Weise, wie die varicösen Endäste, die notwendige Vergrößerung der Ober- fläche der nervösen Substanz. Daraus läßt sich schließen, daß den Schaltapparaten die perceptorische Bedeutung nicht abgesprochen werden kann, was ich schon früher, bei selbständig vorkommenden Schaltapparaten vorausgesetzt hatte. Bei dieser Voraussetzung wird es verständlich, daß die Endigungen in der äußeren Balglage mit den typisch entwickelten Schaltapparaten kombiniert werden können, und solche Fälle gehören sogar nicht zu den seltenen am Sinushaare des Rindes. Sie sind (Fig. 1, 7, Taf. XV) noch in der Beziehung der Erwähnung wert, als sie präparatorisch am bequemsten die Gelegenheit bieten, die unterbrochene Weiterverbreitung der Nervenfaser nach der Bildung des Schaltapparates bis zu der End- verzweigung zu verfolgen; die Endverzweigungen sind dabei nicht sehr von dem Schaltapparat entfernt, meistens sogar beginnt gleich nach dem Schaltapparat die Teilung in Äste der Endverzweigung. Die Kombination der Endverzweigung und des Schaltapparates entsteht gewöhnlich an den Bündeln, die von dem Nervenstämmchen, welches im unteren Gebiet in den Haarbalg eintritt, nach oben ziehen, dabei aber in der äußeren Balglamelle liegen bleiben und natürlich hier auch die Endverzweigung eingehen. Das betreffende Bündel entspringt dem Stämmchen vor dem Eintritt desselben in die äußere Balglamelle oder schon im Kanal der letzteren ; niemals aber habe ich sehen können, daß die Nervenfasern aus dem Sinus in die äußere Balglage der Bildung der End Verzweigung wegen eintreten. Sonst bekommen die Endverzweigungen in der äußeren Balglage ihre markhaltigen Nervenfasern in sehr verschiedener Weise. Die Endigungen im unteren Gebiet des Balges entstehen von den Nerven- fasern des unteren Nervenringes, indem dieselben erst aus dem Nerven- rinw in den Eintrittsgang des großen Stämmchens hineingehen und 388 D- Tretjakoff, hier sich in die äußere Balglamelle absteigend umbiegen. Oberhalb des Eintrittsganges des großen Nervenstämmchens bekommen die Endigungen ihre Nervenfasern direkt vom Stämmchen, dieselben trennen sich vom Stämmchen vor ihrem Eintritt in die äußere Balglage und begeben sich nach ihrem Ziel außerhalb der Balglage, aber auf ihrer äußeren Fläxhe. Der Verlauf der Nervenfasern, die erst in der äußeren Balglage den Schaltapparat liefern und dann die Endverzweigung ein- gehen, wurde schon vorher beschrieben. Die Endigungen in der äußeren Balglamelle zeichnen sich also nach dem oben Gesagten durch das Fehlen jeglicher Hülle aus, durch die strenge Umgrenzung der Fläche der Lamelle nach und durch die Teilnahm^e an der Bildung der Endigung bzw. des Geflechtes der mark- losen varicösen Ästchen einer größeren Menge der markhaltigen Ver- zweigungen, die dazu noch die mannigfaltigen Knäuelformen darbieten, weiter die Umbildungen eingehen, die den Schaltapparaten ähnlich sind und endlich mit den selbständigen Schaltapparaten verbunden werden. An der Hand dieser Merkmale zeigen sie eine von den übrigen Endigungen des Balges des Sinushaares des Rindes deutlich unter- scheidbare Form. Zusammenfassung. Die Schaltapparate und die markhaltigen Knäuelbildungen in den Endverzweigungen der sensiblen Nerven im Balge des Sinushaares vom Rind sind ohne Zweifel die wichtigsten Ergebnisse vorliegender Untersuchung. Demzufolge halte ich für angemessen, die Reihe der diesbezüglichen Tatsachen unabhängig von ihrer systematischen Be- schreibung hier noch einmal zusammenzustellen. In den Endbäumchen, die sich in der äußeren wie in der inneren Balglamelle finden, tritt die scharf bestimmte Teilnahme der mark- haltigen Segmente an der Bildung der Endverzweigungen hervor. Da wir vorläufig keine andre Veranlassung dazu finden können, als die- jenige, daß die Beteiligung der markhaltigen Segmente die für die äußeren Reize empfindliche Oberfläche und die Menge der nervösen Substanz vergrößern soll, müssen wir notwendigerweise dem mark- haltigen Segment die unmittelbare Beziehung zu der Aufnahme oder Verstärkung der Leitung der Reize zuschreiben. Im Sinushaar des Rindes erkennen wir die ununterbrochene Reihe der Endigungen, die zeigt, wie allmählich die markhaltige Strecke der Nervenfaser zu der Bildung der Nervenendigung herangezogen wird. Während in den Endigungen der äußeren Balglage oder in der Präterminalendigung Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 389 nur spärliche markhaltige Schlingen bemerkt werden, verdrängt in den Knäuelendigungen der marldialtige Teil der Endigung den marklosen bis auf spärliche Reste. Wir haben sicher kein Recht, die letzteren Endigungen minder leistungsfähig als die gewöhnlichen baumförmigen Endigungen zu be- trachten, also müssen wir in den markhaltigen Segmenten dieselbe Tätigkeit als in den von ihnen verdrängten marklosen Verzweigungen vermuten. Man bekommt den Eindruck, als ob die Tätigkeit der Endigung eine zweifache sei, eine Seite gehört der marklosen Strecke, die andre der marlchaltigen. Wenn bei dem höchst entwickelten Tast- sinn der marklose Teil bis zum Minimum verdrängt werden kann, liegt es nahe, ihm überhaupt keine ausschließliche Bedeutung für die Auf- nahme der Reize zuzuschreiben; diese Bedeutmig kommt aber den markhaltigen Segmenten zu, sonst bleibt ihr Auftreten gleichzeitig mit der Entfaltung des Tastsinnes unverständlich. Man darf sich vor- stellen, daß den gewöhnlichen marklosen Endverzweigungen eine sen- sorische gleichzeitig mit der nutritorischen Funktion zukommt ; bei der Vergrößerung des Tastgefühls geht die sensorische Funktion haupt- sächlich zu den markhaltigen Schlingen über, während von den marklosen nur so viel bleibt, wie für die nutritorische Tätigkeit not- wendig ist. Also ist es in hohem Maße wahrscheinlich, daß den markhaltigen Segmenten die sensorische Funktion par excellence gehören muß. Ein regelrechter Syllogismus läßt uns den Schluß ziehen, daß den Schalt- apparaten dieselbe Tätigkeit gehört. Warum könnten sie nicht den Druck oder die Berührung fühlen, wenn zu demselben Zweck in derselben Lage, in der äußeren Balglamelle die unzweifelhaften sen- siblen Endverzweigungen vorhanden sind. Der Druck aber gelangt sicher bis zu der äußeren Balglamelle, sei es von der Seite des Coriums, sei es von dem Haar durch die Blutflüssigkeit des venösen Sinus. Eine andre Reihe morphologischer Tatsachen, die ich an den End- verzweigungen der Nerven des Sinushaares beobachtete, führt zu dem- selben Gedanken. In den baumförmigen Endigungen begegnen wir außer typischen, für den gegebenen Fall kleinkörnigen Verzweigungen auch größeren Anschwellungen und Plättchen, die an den marklosen Ästchen entstehen. Genau dieselben Anschwellungen und Plättchen sind an den markhaltigen Achsencylindern vorhanden, in den Endbäum- chen der äußeren Balglamelle sogar an demselben Faden, dessen mark- loser Teil die Plättchen und darauf einige varicöse Ästchen besitzt. Mit diesen Anschwellungen und Plättchen wird wieder die 39Ö ü. Tretjakoff, Vorstellung von der Vergrößerung der Oberfläche verbunden, also die Einrichtung, die der Vergrößerung der sensiblen Tätigkeit parallel steht und auf die Beteiligung der Schaltapparate in der gesamten percipierenden Tätigkeit des Sinushaares hinweist. Da aber in den markhaltigen Segmenten nur eine Seite des Prozesses der Empfindung sich ausspricht, wird die andre durch die Kolbenendigungen oder End- bäumchen mit den feinkörnigen marklosen Astchen ausgefüllt. So entstehen die kombinierten Formen der Schaltapparate. Ich empfehle also wiederholt die Perception als keine einheitliche, sondern als eine vielseitige Tätigkeit des Nerven zu betrachten. Von diesem Standpunkt aus ist es möglich, die literarischen Data im Suchen nach ähnlichen Verrichtungen nicht umsonst durch- zumustern. Sie sind wirklich vorhanden. Henle, Kölliker, Golgi, Kanvier, SfAxMeni, Sala usw. haben über die typischen Vater- PACiNischen Körperchen berichtet, daß sie manchmal reihenweise an derselben Nervenfaser mehrere Körperchen hängen gefunden hätten, dabei durchbohrt die Nervenfaser alle Körperchen der Reihe nach und endigt nur im letzteren in gewöhnlicher Weise. Leider sind die Angaben über das Vorhandensein der Markscheide bei der Durch- bohrung der Körperchen nicht bestimmt. In der Mehrzahl der Fälle wurden solche Körperchen in dem Gekröse der Katze festgestellt. Sfameni (40) fand ein solches Verhalten in den Körperchen der Affen- haut. Eine Nervenfaser auf der Zeichnung von Sfameni zieht ohne Veränderung des Achsencylinders durch zwei Körperchen, um im dritten mit der Endanschwellung sich zu erschöpfen. Beim Menschen hatte derselbe Verfasser vier Körperchen in derselben Weise zusammenge- funden. RuFFiNi (37) hat es bestätigt, indem er die ans Terminale anschließenden Körperchen Schaltkörperchen nannte. Man darf aber, nach meiner Meinung, die Schaltkörperchen nicht als zwecklos betrach- ten. Aus den neuesten Untersuchungen von Prof. Dogiel (13) über die Kapseln der Endapparate folgt, daß hier durch die günstigsten Be- dingungen und die kunstvolle Struktur die Einwirkung des Druckes auf irgend einen Punkt des Körperchens nach dem Gesetz von Paskal rasch mit gleicher Intensivität weitergegeben wird und daher gleich- mäßig auf den Nervenapparat wirkt. Damit wird die frühere, W. Krause gehörende Annahme, daß die VATER-PAcmischen Körper- ehen für die Perception des Druckes bestimmt sind, gerechtfertigt. In den Schaltkörperchen ist das System von Kapseln vorhanden, und damit werden alle von Dogiel erörterten Bedingungen für Druck- empfindungen gegeben, weshalb der Achsencylinder in ihnen als ebenso Die Nervenendigungen an den Siniishaaren des Rindes. 391 empfindungsfähig anzunehmen ist, wie in dem letzten Körperchen der Reihe. Das Empfindungsvermögen steht also nicht im ausschließ- lichen Zusammenhang mit den Endigungen der Nervenfaser. So häufen sich die Tatsachen zugunsten meiner Auffassung der Schaltapparate als Perceptionsapparate. Jedenfalls zeichnet Sfameni (40) am Achsencylinder in den PACiNischen Schaltkörperchen keine Deformationen, doch den Untersuchungen von Dogiel zufolge wird das vielleicht durch die mangelhafte Färbung hervorgerufen. ScHKLUTKOwsKY (39) (auch ScHLUTKOWSKY in dem Jahresbericht f. Anat. von Schwalbe genannt, Ref. Schmidt) hat in dem Vorhof der Nase des Pferdes und des Rindes Apparate gefunden, die den Schalt- apparaten vielleicht sehr nahe stehen. Leider wurden die Ergebnisse vom Verfasser etwas verworren beschrieben, deshalb erschien die Arbeit nicht in deutscher Sprache. Einige Stellen möchte ich aber hier aus dem Russischen übersetzen. In den Cutisschichten bildet die markhaltige Faser, die dem Bündel von solchen Fasern angehört, die marklose Endanschwellung. Nun nimmt aber sonderbarerweise der Verfasser an, daß diese Anschwel- lung nur aus der Markscheide besteht und der Achsencylinder noch früher aufhört. Wenn wir aber der in der russischen Arbeit vorhan- denen Zeichnung folgen, werden wir nur eine marklose Endanschwellung ungefähr wie in den Endkolben finden. Andre Nervenfasern desselben Bündels umgrenzen nach den An- gaben von ScHKLUTKOWSKY neben der Anschwellung einen bestimmten spindelförmigen Raum, in dem sich die Verzweigungen der übrigen Nervenfasern befinden. Nach der Bildung des Geflechtes in dem ge- gebenen Raum gehen die Fasern um die Endanschwellung der ersten Faser, soviel an der Zeichnung bemerkbar ist, und sammeln sich wieder zu einigen Fasern, um ihren Weg ungestört weiter fortzusetzen. Die Verästelungen sind marklos und spindelförmig verbreitert. Da die Beschreibung des Verfassers in keiner Weise dem Tat- bestand, der sich in seinen Zeichnungen widerspiegelt, entspricht, halte ich dies Gebiet einer neueren Untersuchung wert. Aus dem Gesagten folgt aber, daß hier wahrscheinlich der ausgebildete Schaltapparat in der Kombination mit dem Endkolben vorliegt. Es kommt aber noch ein andres Gebiet in Betracht, über wel- ches wir jetzt die sichersten Kenntnisse aus den Untersuchungen von A. S. Dogiel besitzen. Ich meine das der Spinalganglien, wo der Knäuel der markhaltigen Faser schon längt bekannt ist. Dies Gebiet beweist am deutlichsten, daß wir in den Schaltapparaten über keine Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVIL Bd. 26 392 D- Tretjakoff, einzeln dastehende Erscheinung verfügen, sondern daß wir in den Fort- sätzen der Spinalganglienzellen sehr ähnliche Deformationen des Achsen- cylinders zu sehen vermögen, die Prof. Dogiel Gelegenheit gaben, nicht weniger als elf Typen von Zellen zu unterscheiden. Es muß zunächst auf das häufige Vorhandensein von Endigungen in der Form von Endplatten in den Spinalgangiien eingegangen werden, die wieder eine Reihe von Umbildungen bis zu den baumf örmigen Endigungen zeigen. Dogiel hatte nämlich die Endplatten als die Endigungen der Collateralen des Nervenfortsatzes beschrieben. Diese Endplatten sind gewöhnlich vieleckig und von unregelmäßiger Gestalt. Einige Plättchen sind sehr klein, andre wiederum beträchtlich groß und dick. Von den Ecken vieler Endplättchen entspringen kurze und feine Ästchen und Fäden, welche in der Nähe des Plättchens sich ver- breitern oder an Dicke zunehmen und neue sekundäre, manchmal darauf tertiäre Plättchen oder kleine Anschw^ellungen bilden, so daß Endapparate entstehen, die fast vollkommen denen analog sind, nach der Meinung von Dogiel, welche in verschiedenen Organen (Haut usw.) unter der Bezeichnung der baumförmigen Endigungen beobachtet worden sind. Sämtliche Endplatten, mit Ausnahme der größten, sind voi\ keiner Kapsel umgeben und liegen unmittelbar den bindegewebigen Fasern an. Bisweilen verläuft jedoch ein Teilästchen eines der Seitenäste des Hauptfortsatzes geschlängelt eine verschieden lange Strecke, worauf es sich rasch in eine dicke Faser umwandelt, welche in einer großen oder unregelmäßig gestalteten Anschwellung endigt. Letztere ist sehr häufig leicht komprimiert, und in ihr sind, wenn sie mit Methylenblau intensiv blau gefärbt wird, die »stark tingierten Körnchen« sichtbar. Alle diese Merkmale, die von Dogiel in den Spinalganglien von Säugetieren beobachtet worden sind, wiederholen sich fast buchstäb- lich in den Endigungen am Sinushaar des Rindes. Man braucht nur die Fig. 74 B der DoGiELschen Untersuchung anzusehen, die nach der Figm-enerklärung eine markhaltige Faser, welche in der binde- gewebigen Hülle des Ganglions endigt, darstellt, um dieselbe Art der verzweigten Endplatte zu sehen, die ich im konischen Körper unterhalb der Talgdrüsen gefunden habe (Fig. 27, Taf. XVIII). Noch wichtiger sind die multipolaren Zellen des Ganglions, deren dendritenähnliche (nach der Bezeichnung von Dogiel, Seite 95) Fortsätze mit End- platten im Bindegewebe des Ganglion endigen. Hier sieht man ganz ähnhche Endplatten, wie an der Wurzelscheidenanschwellung des Sinushaares des Rindes. Endplatten, die eher Endanschwellungen Die Nervenendigungen an den Sinusluiarcii des Rindes. 393 genannt werden müßten (Fig. 24, Taf . XVIII), finden ihre Homologa in den Ganglien in Anschwellungen der Fortsätze der Zellen, die von Cajal und andern für Wachstumskeulen gehalten sind, von Dogiel aber als reife Endiouni2;en betrachtet werden. Ich möchte hier aber eine Bemerkung machen. Die Endan- schwellungen in den Ganglien und im Sinusbalge sind wohl keine Wachstumskeulen, aber jedenfalls die am wenigsten veränderten Wachs- tumskeulen, die zu reifen Endigungen geworden sind. Sie stellen in dieser Beziehung ein der embryonalen Form des Endes der wachsen- den Nervenfaser am nächsten stehendes Gebilde dar und wenn wir von der Phylogenie der Nervenendigungen zu sprechen die Möglichkeit hätten, müßten wir die Endplatten und Endanschwellungen als primitivste Formen aller Nervenendverzweigungen ansehen. Es darf uns nicht wundern, daß im Spinalganglion dieselben Ein- richtungen sich finden, wie in den Endverzweigungen des Sinusbaiges, um die percipierende Menge der Nervensubstanz und ihre Oberfläche zu vergrößern. Die Umwindung der Collateralen um die Nervenfort- sätze, die Knäuelbildung (Glomerulus) an den markhaltigen Segmenten des Nervenfortsatzes stellen die charakteristischen Züge der Spinal- ganglienzellen dar. Freilich geschieht hier noch eine weitere Umbil- dung, die Spaltung des Nervenfortsatzes und die Wiedervereinigung der Aste, als eine höhere Stufe der Massen und Oberflächenvergröße- rung. Typus VI, Varietät c der Spinalganglienzellen zeigt aber, daß in dieser Spaltung kein grundsätzlicher Unterschied vorliegt, da an den Teilungsstellen der Aste des Schaltnetzes dreieckige oder unregel- mäßig eckige Verbreiterungen oder Anschwellungen liegen. Dieselbe Neigung, Schalterweiterungen zu bilden, erzeugt die Schaltapparate im Balge des Sinushaares. Hier bietet sich also wieder die fast voll- kommene Homologie in der Struktur der nervösen Gebilde, die viel- leicht von sehr großer Bedeutung für die neurologische Forschung sein wird. Die Reihe der Variationen unter den baumförmigen Endigungen in der Richtung von den typischen Formen der Blättchen oder Spindel- endigungen bis zu den Körnchenendigungen wirft, nach meiner Meinung, ein Licht auf die in der letzten Zeit von vielen Verfassern beschriebenen Nerven der zweiten Art an den verschiedenen, besonders eingekapselten sensiblen End Verzweigungen. Nach den Angaben von Ruffini und Dogiel endigen in den MEissNEKschen Körperchen außer den Endverästelungen des iVchsen- cylinders der dicken markhaltigen Fasern noch die Fasern andrer Art. 26* 394 D. Tretjakoff, RuFFiNi (37) bezeichnete diese zweite Endigung als Apparat von TiMOFEEFF (Cuppia reticulare). Dieser Apparat setzt sich aus dem zweiten Netz zusammen, welches aus feinen marklosen Fädchen be- steht und sich mit den spiralförmig gewundenen Asten der Grund- endigung verbindet. DoGiEL (11) stellte das Vorhandensein zweier selbständiger, sich voneinander unterscheidender Nervenapparate in dem MEissNERschen Körperchen fest. Das Netz von Nervenfädchen findet sich, nach seinen Beobachtungen, nicht nur an der Peripherie, sondern auch im Innern des Körperchens. Es umgibt die verhältnismäßig dickere Spirale Verzweigung der Grundendigung, die von der dicken mark- haltigen Faser entspringt. Das feine Netz entsteht aber, von dün- nen markhaltigen Fasern, die ihre Markscheide in der Mehrzahl der Fälle in einer beträchtlichen Entfernung von den Papillen verlieren und, in verschiedene dicke, varicöse, also mit kleinen Körnchen ver- sehene Fasern zerfallen; diese treten in die Papillen entweder in Bün- deln vereinigt oder einzeln ein, wobei einige von ihnen in den Papillen endigen, andre in die MEissNERschen Körperchen eintreten. Von dem Netz des Körperchens entspringen die Fädchen, die aus dem Körperchen vom oberen Pol aus austreten und in das Epithel ziehen. Wenn ich das Netz mit der Körnchenendigung im Balg des Sinushaares vergleiche, sind sie durch die feinkörnigen Ästchen einander durchaus ähnlich. Es liegt also auf der Hand anzunehmen, daß im MEissNERschen Körperchen, ungeachtet seiner Hülle, die Kombination der spindelförmigen und körnchenförmigen Endigung vorliegt, der Formen also, die im Balge des Sinushaares getrennt, aber dabei kon- stant erscheinen. Von demselben Standpunkt aus wird es möglich auch in ein- gekapselten Endigungen ähnliche Verhältnisse zu finden. Die von TiMOFEEFF, DoGiEL, Sala, Sokoloff und mir entdeckten Netze im mneren Kolben eingekapselter Körperchen entsprechen vielleicht auch der Körnchenendigung. Dafür sprechen die neueren Beobachtungen von Prof. A. S. Dogiel (11), denen zufolge die Verzweigungen der feineren Faser in den Vater- PACiNischen Körperchen nicht an der Peripherie des Innenkolbens liegen bleiben, sondern tiefer in den Hohlraum desselben eindringen und zwischen den Ästen der Grund- endigung verlaufen. Ich halte dafür, daß Prof. A. S. Dogiel (11) das Richtige getroffen hat, wenn er die sympathische Natur des Netzes verneint. Es stellt, nach den Verhältnissen beim Sinushaar zu schließen, eine somatische Die Nervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. 395 Endigung in der Form von Körnchenendigung vor, also kann die ein- gekapselte Endigung ebenfalls die Kombination von zwei somatisch- sensiblen Endigungen darstellen. Der Umstand, daß die betreffende feinkörnige Endigung von feinen Nervenfasern entspringt, beweist in diesem Fall soviel als nichts, da die intraepithelialen Nervenendigungen in der Wurzelscheidenanschwellung und im Epithel der Schnauze des Rindes (siehe Anhang) ebenfalls von feinen markhaltigen Fasern ent- springen, sie sind aber von den meisten Verfassern als unzweifelhaft somato-sensible Endioungen betrachtet worden. In dieser Beziehung sind die letzten Beobachtungen von Szymo- Nowicz über die Nervenendigungen an den Haaren des Menschen (44) geradezu beweisend. Verfasser hat hier das ringförmige >>circuläre << Geflecht an den marklosen Ästen festgestellt und dabei bemerkt, daß an der Zusammensetzung dieses Geflechtes Nervenfasern von zweierlei Herkunft sich beteiligen, die einen rühren von dicken markhaltigen Fasern her und zeichnen sich durch die Stärke ihrer Verästelungen aus, die andern sind sehr fein, mit zahlreichen kleinen Varicositäten versehen und entstammen den Fasern, die schon früh ihre Mark- scheide verloren hatten. Die Endäste zweiter Art sind so dünn, daß sie an den Präparaten häufig Unterbrechungen zeigen und manchmal so reichlich und zart sind, daß es fast unmöglich ist sie in der Zeichnung wiederzugeben. Es ist möglich, sagt Szymonowicz, daß die letzteren Fasern den bei andern Aiten von Nervenendigungen beschriebenen entsprechen, näm- lich von TiMOFEEFF Und DoGiEL in den Endkolben, von Dogiel in den MEissNERschen Körperchen usw. »Die Natur und Herkunft dieser Fasern bin ich, ebenso wie die genannten Autoren, in jenen Endigungen nicht imstande, mit voller Sicherheit zu bestimmen« (S. 633). Da das circuläre Geflecht an den sinuslosen Haaren außer den Endplatten die einzige Art der Endigung in dem Bindegewebe um das Haar darstellt, können wir es bis zu einem gewissen Grad als eine baum- f örmige Endigung des sinuslosen Haares betrachten und mit der gesam- ten Menge der baumförmigen Endigungen am Sinushaar vergleichen. Anhang. Die Nervenendigungen im Epithel und im Corium der Schnauze. Die Nerven Verteilung und die Nervenendigungen an den haarlosen Stellen der Schnauze des Eindes sind von I. B. Cybulsky (8) in dieser Zeitschrift beschrieben worden. 396 D. Tretjakoff, Verfasser brauchte eine Goldmethode, die in manchen Beziehuno^en von den üblichen Goldmethoden abweicht. Er untersuchte die Epithel- nerven wie auch die Nerven im Corium. Nach seinen Beobachtungen werden von den Nerven des Coriums an einigen Stellen in der Unterpapillarschicht plexusartige Verflechtun- gen gebildet. Die Balken des Plexus werden von dicken Nerven- bündeln zusammengesetzt. An manchen Orten treten starke Stämme aus der Tiefe hervor, teilen sich in drei bis vier dünnere und diese gehen nicht in das Geflecht, sondern jeder begibt sich zur Papille. Die Nerven, die zu Bündeln vereinigt sind oder auch solche, die allein in der dicken Scheide liegen, zeigen spindelförmige Anschwellungen, die in regelmäßigen Abständen sich wiederholen und durch ganz dünne, kaum markhaltige Stellen geteilt sind, aber es sind nicht alle Nerven, die diese Ungleichheiten in der Dicke zeigen. Das Corium ist sehr reich an Endkolben, die eine aus zwei bis drei Blättern bestehende Kapsel besitzen. Der eintretende Nerv verläuft in der Mitte des Innenkolbens, als dunkler, manchmal abgeplatteter Streifen von verschiedener Breite, der zugespitzt oder auch oft mit einer kolbigen, nicht ganz regelmäßig konturierten Anschwellung endigt. Verfasser unterscheidet dreierlei Arten der Kolben. Die kleinsten liegen oft gruppenweise, die größten entsprechen den von Krause in der Palpebra tertia vom Schwein beschriebenen, sind lang und schmal, die dritte Art ist am häufigsten zu sehen und unterscheidet sich durch ihre schöne Birnenform mit ziemlich langem Stiel. Die kleinsten Kolben legen sich sehr nahe den Nervenbündeln an, so daß sie sogar in den Scheiden dieser eingeschlossen sind. Es kommen auch zu- sammengesetzte Formen vor. In der Schnauze sind die Endkolben augenscheinlich viel zahl- reicher als in der Oberlippe. Es scheint auch, daß die den äußeren Furchen entsprechenden Stellen nur wenige Kolben haben. Besonders reichlich kommen die Kolben an den Ausführungsgängen der Drüsen vor, wo man sie gruppenweise und vereinzelt trifft; sie nähern sich mehr oder weniger dicht dem Epithel des Ganges. Die Nerven der Papillen treten meistens in dieselbe vereinzelt ein, sind gewöhnlich markhaltig in dem Fuß der Papille und zeigen die früher erwähnten Ungleichheiten in der Dicke deutlicher ausgesprochen. Einige treten bald ins Epithel, andre verlaufen bis zu der Papillen- spitze fort, um dort nach dem Verlust der Markscheide ins Epithel einzutreten. Manchmal verfolgt man einen Nerv vom Fuß der Papille Die Nervenendigungen an den Sinusliaaren des Rindes. 397 bis hoch hinauf als eine sehr feine, sicher marklose Faser, und dann schwillt plötzlich diese Faser zu einer beträchtlichen Dicke an. Nun behauptet der Verfasser, daß er sogar den Übergang eines markhaltigen Nerven ins Epithel gesehen hatte. Unter den intraepithelialen Verzweigungen, die gewöhnliche Ver- hältnisse zeigen, bemerkte der Verfasser eine Art der Verzweigung, die bestimmt an solchen Nerven vorkommt, die tief im Epithelzapfen dünn sind, und die erst hinaufsteigend sich stark verdicken und dann Zweige abgeben, die in eine ungeheure Zahl von Ästen sich teilen. Nun behauptet der Verfasser, daß die Stellen des Epithels, die den Fm'chen der Oberfläche entsprechen, ganz der Nerven entbehren, und die Lippe viel reicher an Epithelnerven als die Schnauze ist. In keinem Zusammenhang mit den Nervenendigungen im Epithel vermutet der Verfasser die von ihm an Goldpräparaten entdeckten Körperchen oder verästelten Zellen, die aber weder in ihrer Form noch in der Eichtung ihrer Fortsätze, noch in andern Eigenschaften mit den LANGERHANSschen Körperchen übereinstimmen. Aber diejenigen von ihnen, die den Spitzen der Papillen an bestimmten Stellen aufliegen, sind doch den LANGERHANSschen Zellen ähnlich und werden mit der marklosen Nervenfaser verbunden. Doch spricht sich der Verfasser über diesen Zusammenhang der Körperchen mit den Nerven jedenfalls nicht rückhaltlos aus. Andre bis in die letzte Zeit wenig aufgeklärte Arten der Zellen hat Cybulsky in der Schicht über den Papillenspitzen gefunden. Die Spitzen von vielen Papillen sind von eigentümlichen Zellen überlagert, deren hervortretendste Eigenschaft darin besteht, daß sie in Gold- chlorid sich intensiv färben. Die Zellen lagern sich so aneinander, daß sie eine Säule bilden, die in ihrer Richtung die Richtung der Papille einhält. Diese Säulen haben in den unteren Schichten oft zwei bis vier Zellen in einer Höhe, nach oben verjüngen sie sich und bestehen aus einer, höchstens zwei Zellen. Oft besteht die Säule nur aus einer Reihe dicht aneinander gelagerter Zellen. Die Säulen reichen gewöhn- lich bis zur Hornschicht, oft auch in diese hinein, bisweilen sogar bis zur freien Oberfläche. Manchmal stemmt sich die Säule an die untere Fläche der Hornschicht und hebt diese spitzig hervor, so daß die Epithel- zellen der Hornschicht dachziegelförmig über die Zellen der Säule hinablaufen. Aber auch sonst ist oft die Oberfläche des Epithels an der der Säule entsprechenden Stelle mehr oder weniger erhaben. Liegen die Zellen weit voneinander, so sind sie rund oder oval; lagern sie sich dicht aufeinander, so werden sie abgeplattet. Die 398 D- Tretjakoff, Zellen sind durchweg kleiner als die der nebenliegenden Epithelien und besitzen im Verhältnis zum Körper einen großen Kern; nicht fern von der äußeren Fläche der Hornschicht liegen manchmal Zellen mit zwei Kernen. Von den Epithelzellen unterscheiden sich diese Zellen dadurch, daß sie nicht so wie die ersteren in dieser Höhe abgeplattet und in die Breite ausgezogen sind. Sie haben auch einen größeren Kern und kleineren Körper. Nun zeigen die Zellen dieser Art die unmittelbare Beziehung zu den Nerven und zu den verästelten Körperchen. Die zwischen den Zellen liegenden Nerven und Fortsätze entlassen bisweilen in regelmäßigen Abständen Fortsätze, die im Bogenverlauf zu den höher als ihr Ur- sprung liegenden Zellen sich begeben. Oft legt sich der Nerv der Zelle fest an, folgt der Kontur derselben eine Strecke weit und ver- schmilzt dann mit ihr. Manchmal nähert sich ein Nerv, der schon tief aus der Papille herausgetreten ist, der Säule und gibt nur Aste ab, die auf dieselbe Weise sich zu den Zellen verhalten. Das häufigste Vorkommnis ist aber das, daß sich mehr oder weniger dicke schwarze Fasern, die aus den Papillen heraustreten und von denen man nicht angeben kann, ob sie Nerven oder Fortsätze von den Körperchen sind, daß diese Fasern mit einer länglichen leichten Anschwellung so an den Zellen der Säule endigen, daß die Konturen des Kernes von der Zelle und diese Anschwellung sehr nahe nebeneinander liegen. Verfasser nimmt an, daß die Zelle innig mit dem Nerv verbunden ist. Sie sind auch mit den Fortsätzen der verzweigten Körperchen ebenso innig verbunden. Die Säulen sind an der Schnauze am reichlichsten ent- wickelt, an der Lippe sind sie nicht so hoch und vielleicht entsprechend den Furchen besonders entwickelt. Es können auch individuelle Schwankungen in der Größe der Säulen vorkommen. Die Beobachtungen von Cybulsky gewinnen jetzt wieder an Inter- esse, nachdem Lobenhoffer (27) etwas ähnliches über die Zellensäule oberhalb der Papillen beim Schaf gefunden hatte. Die Reihen der LoBENHOFFERschen Zellen erstrecken sich von den Papillenspitzen bis in die Hornschicht und unterscheiden sich durch bestimmte färberische Eigenschaften von den gewöhnlichen Epithel- zellen. Sie sind auch dicker als ihre Nachbarn, ihre Ränder erscheinen öfters wie eingezackt. Die periphere Schicht der Zelle färbt sich blau mit Wasserblau, um den Kern aber entsteht ein heller, perinucleärer Hof, der häufig gelbbräunliche Pigmentkörnchen führt. Mit den Nervenfasern haben die Reihenzellen nichts zu tun, letztere liegen an Die Nervenendigungen an den Sinnshaaren des Rindes. 399 der Spitze von Papillen, während Nervenfasern zwischen den Papillen in das Epithel eintreten. Beim Schaf sind die Zellen nur zu einer oder zwei Platten an<2;eordnet. Ähnliche Zellen fehlen dem Schwein, Hund, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte, Affe, Igel, Mensch, Delphin. Beim Pferd sind sie vorhanden, sind aber achromatisch und liegen in den Wellentälern. Ungeachtet der Beobachtungen von Lobenhoffer, enthält die Arbeit von Cybulsky manches, was mir nach den Befunden an den Sinushaaren, einer Prüfung zu unterwerfen würdig erschien, so z. B. die Unregelmäßigkeiten in der Dicke und in der Verteilung der Mark- scheidensegmente. Von der andern Seite suchte ich die von mir fest- gestellten Tatsachen über die Epithelnerven beim Schwein auch beim Rind genauer zu untersuchen. Da ich aber keine Gelegenheit hatte, die vitale Injektion mit Methylenblaulösung zu unternehmen, be- trachte ich die betreffenden Angaben noch nicht für erschöpfend und veröffentliche dieses hier nur als Anhang zu meinen Ergebnissen über die Nerven der Sinushaare. Die Beschreibung vom Geflecht des Coriums, die sich in der Arbeit von Cybulsky findet, kann ich im großen und ganzen unterstützen, möchte aber einige Züge mehr in den vorderen Plan ziehen und in manchen Beziehungen erweitern. Die Verteilung der Nervenbündel, die sich nach der Bildung des Geflechtes zum Epithel bzw. in die Papillen begeben, entspricht nach meiner Beobachtuno; streng der äußeren Felderung in solcher Weise, daß die Nervenbündel unter der Epithelschicht, die dem äußeren Feld entspricht, dichter als unter den Furchen aneinander gedrängt sind, so daß auf dem Querschnitt durch die Haut unter dem Feld die fächer- förmige Anordnung der Nervenbündel entsteht. Zu den Papillen unterhalb der Furchen begeben sich die Fasern selten direkt aus dem Geflecht, sondern ziehen meistens von den nächsten Stämmchen, die den Papillen des Feldes gehören, die horizontalen dicht unterhalb der Epithelleisten verlaufenden Fasern. Man bekommt daher den Eindruck, als ob die Furchenpapillen spärlich innerviert werden, und in Wirklichkeit vermag ich nur außerordentlich selten die intraepithelialen Nerven im Furchengebiet zu färben; sie bleiben ungefärbt, wenn die benachbarten unmittelbar an sie anschließenden Feldergebiete einen dichten blauen Wald darstellen. Doch sind hier Nerven nur ungefärbt geblieben, sie fehlen aber nicht, wenn auch hier in die Papillen nur eine sehr beschränkte Anzahl von Nervenbündeln eindringt. Die Felder sind also reicher an Nerven. Dasselbe ist richtig in bezug auf die Ver- teiluno- von Endkolben; sie sind unter den Epithelleisten massenhaft 400 D. Tretjakoff, angehäuft, besonders, wie es Cybülsky ganz richtig angegeben hat, in der Nähe der Ausführungsgänge der Drüsen, während sie unter den Furchenpapillen vollständig fehlten. Dasselbe finde ich in betreff der Erscheinung der MERKELschen Tastkörperchen in den Epithelleisten, sie sind überall in den Felderleisten entwickelt, in den Furchenleisten fehlen sie. Es gliedert sich also, nach meiner Meinung, die Haut der Rinder- schnauze in die nervenreichen und ner venarmen Stellen, und diese sind sehr leicht von außen zu bestimmen. Die Furchen bezeichnen die nervenarmen und die Felder die nervenreichen Stellen, damit wird der physiologischen Forschung eine sehr günstige morphologische Grund- lage gegeben. Die Methylenblaupräparate bieten hier keine überzeugenden Bilder von regelmäßig verdickten Fasern, oder von ungleichmäßiger Verteilung der Markscheidensegmente, und nur selten konnte ich die von Cybülsky beschriebenen, bald verjüngten, bald verbreiterten Nervenfasern im Corium sehen. Ich bemerkte aber eine andre sehr eigentümliche Eigenschaft, nämlich die, daß schon im Coriumgeflecht sich recht deutlich zwei Arten von Nervenfasern unterscheiden lassen. Die meisten sind im Vergleich mit den markhaltigen Fasern im Haarbalg außerordentlich dünn, wenn sie auch mit einer Markscheide versehen sind. Diese Fasern endigen ausschließlich in der Form der intraepi- thelialen End Verzweigungen. Dickere Fasern bilden die Endkolbenendigungen oder die Tast- scheiben an den MERKELschen Körperchen. Ich werde zuerst über die Endkolben sprechen. Cybülsky hat jedenfalls recht, wenn er über den Reichtum des Coriums an Endkolben spricht. Ich glaube jedoch, daß die volle Vorstellung davon nur an der Hand der Methylenblaupräparate zu gewinnen ist. Ich finde auf nicht zu dicken Schnitten in der Mitte des Feldergebietes eine fast ununterbrochene Lage der Endkolben, die voneinander durch unbeträchtliche Mengen des Bindegewebes getrennt werden. Die Schilderung des Kapselbaues, die Cybülsky gibt, finde ich nicht ganz richtig. Bei der Färbung nach dem Verfahren von Unna mit Wasserblau- Orcein-Eosin-Gemisch läßt sich die Kapsel des Endkolbens von dem umgebenden Gewebe gut unterscheiden. Sie ist blau, die Fasern des Corium eosinrot. Dieses Verhalten zeigt sich nach meinen Unter- suchungen auch bei einfacher Wasserblau-Eosinfärbung, es ist nur sehr schwierig die entsprechende Mischung richtig herzustellen. Die Nervenendigungen an den Sinushauren des Rindes. 401 Auf gut gelungenen Präparaten sehe ich, daß jedes Nervenbündel in eine blaue perineurale Scheide eingeschlossen ist, und diese Scheide geht auf die einzelnen Fasern über, die mit Endkolben enden, indem sie in die äußere, stärker färbbare Schicht der Kapsel sich fortsetzt. Die ScHWANNsche Scheide geht mit dem letzten RANViERschen Schnür- ringe verloren. Den Innenraum des Kolbens darf man nicht als eng bezeichnen, er färbt sich, wie die in ihm verlaufenden Endfäden des Nerven, blau, so wie das ganze System der Kapseln, die zahlreich und dicht aneinan- der gelegen sind. Mit Hilfe der Wasserblaufärbung tritt der fibrilläre Bau der Scheide hervor, sie wird vorwiegend aus quer verlaufenden Fibrillen zusammengesetzt, nicht so wie es Dogiel an den typischen Vater- PACiNischen Körperchen nachgewiesen hat (13). In den Kapseln der Endkolben fehlen die Fensterchen, die sich bei Vater- PACiNischen Körperchen finden, und die Längsfaserung ist sehr undeutlich. Die Zellen liegen zwischen den Kapseln in ziemlich reichlicher Zahl. Es hat eigentlich keinen Zweck diese Endkolben der Größe oder der Form nach zu klassifizieren, denn in diesen Beziehungen waltet volle Unregelmäßigkeit. Zu bemerken ist jedoch, daß die Endkolben zu den typischen Gebilden dieser Art gehören, nicht aber zu den modi- fizierten Vater- PACiNischen Körperchen, die Nervenendigung in ihnen bildet niemals die Gestalt eines komplizierten Geflechtes, höchstens teilt sich die Endfaser in wenige gleich dicke Aste. Sehr häufig aber ent- stehen mehrere Endkolben an den Verzweigungen derselben Faser. Was aber das häufige Vorhandensein der Endkolben in der Nähe der Ausführungsgänge der Drüsen anbelangt, so konnte ich hier wirk- lich verblüffende Bilder sehen, indem der Ausführungsgang ganz in eine Palisade von Endkolben eingeschlossen erscheint; diese reichen auf seiner Wand tiefer nach unten als sonst in der Schicht unterhalb der Papillen. Im allgemeinen sind die Formen der centralen Endfäden innerhalb der Kolben dieselben, wie ich in den Endkolben des Sinushaares be- schrieben habe, aber hier im Corium trifft man größtenteils gebogene und ofeknickte Endkolben in der unmittelbaren Berührung mit dem Epithel oder etwas tiefer. Von den gewöhnlichen birn- mid wm'stförmigen Endkolben unter- scheiden sich am meisten die lang ausgezogenen, die in die Papille rasten ; die centrale Nervenendigung hat in ihnen nicht die Form des verdickten Bandes, sondern eher die eines fein varicösen Astes mit 402 D. Tretjakoff, sekundären Astchen. Der Endkolben hat dabei keine geradlinige Ge- stalt, sondern biegt sich imbeträchtlich. Ungeachtet der vollendetsten Eärbung der centralen Endfaser, gelang es mir niemals, die Nerven der zweiten Art, wie ich es im Schweins- rüssel bekommen hatte, zu färben; keine Spur von solchen Nerven konnte ich in den Endkolben des Kindes wahrnehmen. Bei der Färbung nach dem Verfahren von Kamon y Cajal be- kommt man dasselbe Bild von den einfachen oder schwach verästel- ten Centralendigungen wie auf Methylenblaupräparaten. Aus dem Grunde schließe ich mich dem Vorschlage von Ruffini (37) an und habe keine Veranlassung die Endkolben vom Rinde wie diejenigen von der Katze mit der Benennung modifizierter Vater- PACiNischen Kürperchen zu bezeichnen. Es finden sich aber beim E,ind, wenn auch sehr selten, Endapparate, die vielleicht vollkommen zu den GoLGi-MAzzoNischen Körperchen zugezählt werden können (Fiir. 30, Taf. XVIII). Sie bestehen aus einer dünnen Hülle, deren Schichtung sehr un- deutlich ist, und einer nervösen Endverzweigung im Körperchen. Die nervöse Endverzweigung hat keine Ähnhchkeit mit der centralen Faser des Endkolbens. Sie entspringt nicht einer dickeren Faser aus dem Geflecht, sondern von den Bündeln, die schon unterhalb der Epithel- leisten zu den Papillen verlaufen ; während die Faser die Markscheide ver- liert und in die feine Faser sich umwandelt, dringt sie in den Hohlraum des Körperchens, teilt sich in mehrere Äste, die sich wieder teilen und, sich miteinander verflechtend, kleine Plättchen tragen. Auf diese Weise entsteht ein kleines Körperchen, vier- bis dreimal kleiner als der typische Endkolben. Ich wählte für die Zeichnung (Fig. 30, Taf. XVIII) die reichste Endverzweigung der Art, sonst trifft man einfachere Formen, die aber durch rundliche Gestalt, durch den Ursprung von feinen markhaltigen Fasern und die Teilung in feine Ästchen deutlich unterscheidbar sind. Leider treten sie sehr selten auf, und deshalb konnte ich ihre Hülle nur an den Methylenblaupräparaten berücksichtigen. Sie könnten vielleicht mit den Körperchen mit blättchenförmigen Verbreiterungen, die ich im Balge des Sinushaares gefunden hatte, homolog sein, doch erreichen ihre Plättchen die Größe und die Glattrandigkeit der letzteren lange nicht. Der Form der Endverzweigung nach nähern sie sich eher den GoLGi-MAzzoNischen Körperchen. Im Schweinsrüssel unter dem Epithel auf der Basalmembran breitet sich ein Netz markloser Fäden aus, welches von Ranvier (34) »termi- Die Xcrvenendigungen an den Sinushaarcu des Rindes. 403 naisons hederif ormes « benannt würden ist. Ich habe 12, 18, sowie mit der ZEissschen Apochrom. homog. Immers. 2 mm und den Ocularen 6, 8, 12, 18 bei günstigem Tageslicht beobachtet und stand immer unter dem Eindruck, daß die betreffenden Knöpfchen intra- cellulär liegen << (S. 59). Nach der Angabe vom Verfasser ist das Knöpfchen am deut- lichsten zu sehen, wenn bei derselben Einstellung auch die gerippte Membran und der zugehörige Kern deutlich unterscheidbar waren. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 27 408 ü. Tretjakoff, Aus der Tatsache, daß der Zellkern, Knöpfclien und Membran in dem- selben Niveau am deutlichsten zum Vorschein kommen, geht aber wohl unbedingt hervor, daß das Knöpfchen im Protoplasma der Zelle ge- legen sein muß! Es ist sicher leichter in einem guten Laboratoriumshaushalt die notwendigen optischen Mittel herbeizuschaffen, als die feinsten Schnitte aus dem mit Methylenblau gefärbten Objekt zuzubereiten. Wenn uns BoTEZAT auf solchen Schnitten die intracelluläre Lage des Knopfes zeigen möchte, wäre das überzeugend, die Schlüsse aber aus den Beobachtungen an dicken Schnitten beweisen überhaupt in dieser Frage wenig. Das Knöpfchen kann auch tief in die Zellmembran ein- gedrückt werden, ohne im Protoplasma der Zelle zu liegen; zudem ist der Begriff des »am deutlichsten unterscheidbaren« sehr subjektiv, und der Stift des Zeichners ist wohl dem Verstand desselben allzu gehorsam. Die entsprechende Arbeit von Botezat enthält unter anderm noch die Beschreibung von vielen Arten intraepithelialer Nerven, die Verfasser in der Hundeschnauze unterscheiden will. Verfasser glaubt in der Mannigfaltigkeit des Aussehens der intraepithelialen Ner- ven die anatomischen Grundlagen für die verschiedenen Gefühlsquali- täten der Haut zu finden. Die einzelnen Arten sind in ihrem Verlauf, in der Beschaffenheit, in der Art der Endigung und der Verzweigungen voneinander so verschieden, daß man nicht weniger als sieben Typen unterscheiden kann. Verfasser liefert folgende Beschreibung dieser Typen: 1) Dendriten (?) mittlerer Dicke mit intracellulären Endknöpfen; 2) dünne Dendriten mit intracellulären Knöpfchen; 3) breite intercelluläre Dendriten; 4) Horizontalfasern mit intercellulären Büscheldendriten; 5) pericelluläre Fibrillennetze : 6) Schleifenverästelung ; 7) dicke Achsenfasern mit lateralen Fibrillennetzen. Einige von diesen Typen glaubt Verfasser bei andern Tieren fest- gestellt zu haben. Er nimmt deswegen an, daß sich im Epithel bei weitem mehr Arten von Nervenendigungen vorfinden, als bisher be- kannt war, und daß die bisher unter dem Namen der freien oder ein- fachen Intraepithelialnerven bekannten Endapparate sich in mehrere voneinander durch charakteristische Merkmale kennzeichnende Formen werden auflösen lassen. Und damit im Zusammenhang wird es wohl möglich werden, für die unter dem Namen des Allgemeingefühls ver- Die Ncrvenoiuli^iingm an den Simislianren des Rindes. 409 einigten verschiedenen Gefühlsqüalitäten, deren Sitz in die oberfläch- lichen Hautteile verlegt werden muß, die zugehörigen Gefühlsapparate festzustellen. So schließt sich Botezat der Reihe andrer Forscher an, die iii den Formen der Nervenendigung ihre Spezifität den Reizen gegenüber erschließen wollen. Leontowitsch (29), Lefebure (23) suchten aus der Voraussetzung wichtige Mahnungen zu bekommen; Lefebure im allgemeinen theoretischen Sinne, Leontowitsch in den engen Grenzen der Endapparate der menschlichen Haut. Demgegenüber finden wir schon bei Wundt (50) keine große Wertlegung auf solche Voraussetzung und sogar die Vermutung, daß die Endapparate und Endverzweigungen überhaupt wenig specifisch wirken; sie übergeben nur die Reize bestimmten centripetalen Fasern. Die tatsächlichen Befunde von DoGiEL, RuFFiNi Und mir geben aber keine Rechtfertigung der Speci- fizität, wenigstens im strengen Sinne, für die Formen der Nervenendigun- gen. Wir haben doch verschiedene Formen der Endigungen, die von derselben Faser entspringen. Wir finden für die Druckempfindung im Balge des Sinushaares eine verblüffende Mannigfaltigkeit der Formen vor. Wie soll man in diesen Fällen die Specifizität bestimmen. Ich glaube, daß unsre subjektiven Empfindungen wie Kälte, Nässe usw. -Empfindungen überhaupt keine primären Elemente der entsprechen- den nervösen Tätigkeit darstellen, und nach der bloßen alltäglichen Empfindung der Kälte die ihr specifische Nervenendigung zu suchen ist als einer der gröbsten Anthropomorphismen der modernen Physio- logie zu bezeichnen. Man muß erstens diese Empfindung als die Wirkung gewisser elementarer physikalischer Kräfte auslösen, in erster Linie der Molecularkräf te , und dann nach einem Parallelismus mit dem Bau der Nervenendigungen zu spüren. Zum Beispiel wird sich bei der Erwärmung der Hornschicht unsrer Haut ihr Umfang nach dem physikalischen Gesetz vergrößern, was mit einem Druck auf die MALPiGHische Schicht in Zusammenhang gebracht wird. Bei der nassen Haut quillt die Hornschicht, es muß also die Druck- wirkung wieder erscheinen. Warum aber diese Druckwirkungen speci- fisch empfunden werden, hängt vielleicht gar nicht mit der Form der Endigung zusammen, sondern von ganz andern Eigenschaften des Nervengewebes oder sogar vom centralen Nervensystem ab. Wie ich oben ausführlich darlegte, hängt die Form der Nervenendigung eher mit dem Nervenreiz und der Leitung, nicht aber mit der Specifizität der Reize zusammen. Wenn wir uns aber zu dem tatsächlichen Bestand der Beobachtungen 27* 410 D- Tretjakoff, von BoTEZAT wenden, so finden wir hier nichts, was eben seine An- schauung unterstützen könnte. Es handelt sich nicht um streng voneinander strukturell und topographisch unterschiedene Nerven- arten, sondern um Variationen einer und derselben Form. Ohne den Text zu lesen, findet das vorurteilslose Auge in den Textfiguren keine weitgehenden Unterschiede, die wir bei den Endigungen im Binde- gewebe zu sehen gewöhnt sind, überall treten die einförmigen varicösen Verästelungen auf, die sich so oder anders im Epithel verteilen; wenn wir nach dem oben Gesagten die intracelluläre Endigung einiger Fasern in Abrede zu stellen ein volles Recht haben, müssen wir die Frage stellen, was eigentlich von der vom Verfasser gelieferten Diagnose bleibt, außer dem Unterschied zwischen dicken und dünnen Fasern? Nur der siebente Typus, den der Verfasser mit der von mir in der Rüsselscheibe des Schweines vorgefundenen intraepithelialen Endigung »zweiter Art« für homolog hält, besitzt wirklich ein vom gewöhnlichen deutlich unterscheidbares Aussehen. Wenn aber eine ähnliche Klassifikation der Endigungen die voraus- gesetzte physiologische Specifizität derselben nicht beweisen kann, bewahrt die Untersuchung von Botezat in andern Beziehungen ihre Wichtigkeit, da sie einen Versuch macht, die Mannigfaltigkeit der intra- epithelialen Nerven jedenfalls als bedeutungsvolle Erscheinung ernst ins Auge zu fassen und dieses ziemlich stiefmütterlich behandelte Gebiet der Neurologie zu vollendeter Darstellung zu bringen. St. Petersburg, im November 1910. Literaturverzeichnis. 1. AnNSTEiisr (Ostboumoff), Die Nerven der Sinusliaare. Anat. Anz. Bd. X. 1895. 2. R. Bonnet, Studien über die Innervation der Haarbälge der Haustiere. Morph. Jahrb. Bd. IV. 1878. 3. E. Botezat, Die Nervenendigungen in den Tasthaaren von Säugetieren. Ai'ch. f. mikr. Anatom. Bd. L. 1897. 4. — Die Innervation des harten Gaumens der Säugetiere. Diese Zeitschr. Bd. LXIX. 1891. 5. — Die Nervenendigungen in der Schnauze des Hundes. Morph. Jahrb. Bd. XXIX. 1902. 6. — Die Nerven der Epidermis. Anat. Anz. Bd. XXXIII. 1908. 7. BuRKABDT, Über die Nervenendigung in den Tasthaaren der Säugetiere. 1870. 8. Ivan B. Cybulsky, Das Nervensystem der Schnauze und OberUppe vom Ochsen. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883. Die Nervenendigungen an rleii Sinushaaren des Rindes. 411 9. DiETL, Untersuchungen über die Tastliaare. Sitzungsbericlite der k. k. Akademie der Wissensch. Wien. Bd. LXIV. Juliheft 1871, Juliheft 1872, Dezemberheft 1873. 10. DoGiEL, Die Nervenendkörperchen in der Cornea und Conjunctiva bulbi. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. XXXV. 11. — Über die Nervenendapparate in der Haut des Menschen. Diese Zcitsclu-. Bd. LXXV. 1903. 12. — Der fibrilläre Bau der Nervenendapparatc in der Haut des Menschen und der Säugetiere und die Neurouentheorie. Anat. Am. Bd. XXVII. 1905. 13. — Zur Frage über den Bau der Kapseln der Vater PACiNischen und Herbst- schen Körperchen und über das Verhalten der Blutgefäße zu denselben. Folia neurobiolügica. Bd. IV. 1910. 14. — und WiLLANEN, Die Beziehungen der Nerven zu den GRANDRYschen Körperchen. Diese Zeitschr. Bd. LXVII. 1900. 15. Fritz, Über einen Sinnesapparat am Unterarm der Katze nebst Bemer- kungen über den Bau des Sinusbalges. Diese Zeitschr. Bd. XCII. 1909. 16. GuRLT, Untersuchungen über d. hornigen Gebilde des Menschen u. d. Haus Säugetiere. Müllers Archiv. 1862. 17. Gegenbaur, Untersuchungen über die Tasthaare einiger Säugetiere. Diese Zeitschr. Bd. III. 1851. 18. JoBERT, Recherches sur les poils du Tact. Ajinales des sciences natur. V. Serie. Zool. Tom. XVI. 1870—1871. 19. IwANOFF, Die Nervenendigungen in den Bindegewebsmembranen bei Säuge- tieren. (Russisch.) Kasan 1893. 20. P. KsJüNiN, Zur Frage über die Nervenendigungen in den Tast- oder Sinus- haaren. Arch. f. mikr. Nnat. Bd. LIV. 21. — Über das elastische Gewebe und die Blutgefäße der Sinushaare. Nach- richt. Kaiserl. Universität Tomsk. Bd. XIX. 1902. 22. M. Lawdowsky und Ph. Owsjannikow, Lehrbuch der mikroskopischen Anatomie. Bd. II. 1888. (Russisch.) 23. M. Leföbure, Considerations sur la physiologie des terminaisons nerveuses sensitives de la peau. Journ. de l'anat. et de la physiol. Annee XLIV. 1908. 24. Leontowitsch, Die Innervation der menschlichen Haut. Internat. Monats- schrift für Anat. u. Phys. Bd. XVIII. 1901. 25. Leo Vaillant, Note sur les poils du Tact des mammiferes. Gaz. med. Paris 1862. 26. Leydig, Studien über die äußere Bedeckung der Säugetiere. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1859. 27. LoBENHOFFER, Über eigentümliche Zellen in der Gaumenschleimhaut des Schafes. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. LXX. 1907. 28. Löwe, Bemerkungen zur Anatomie der Tasthaare. Arch. f. mikrosk. Anatom. Bd. XV. 1878. 29. J. Mayer, Beitrag zur Lehre vom Bau der Sinushaare. Bd. XXXV. 1890. 30. Moisisowics. Über die Nervenendigungen in der Epidermis der Säuger. 1875. 412 !>• Tretjakdff. 31. NowiCK, Zur Frage von dem Bau der Tastzellen in den GRAisiDKyschen Körerchen. 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Teile des Haarbalges: A, äußere Balglamelle; Ar, Arterie; B, Sinusbalken; G, Glashaut; F, bindegewebige Fasern, die in die dich- teste Partie der Glashaut einstrahlen; H, Haar; /, innere Balglamelle; K, konischer Körper; Ki, Sinuskissen; P. Papille; S, Sinusraum; ScÄ, schirmförmige Verbrei- terung der äußeren Wurzelscheide im konischen Körper; y, Talgdrüse ; F.Vene; W, Anschwellung der äußeren Wurzelscheide. Nervöse Gebilde: 1, in den Balg eintretende Nervenbündel; 2, unteres ringförmiges Geflecht; .5. einfacher Schalt- apparat unterhalb des ringförmigen Geflechtes an der (abgeschnitten gedachten) inneren Fläche der äußeren Wurzelscheide; 4, komplizierter Schaltapparat in derselben Lage; 5, Schaltapparat auf dem längs der inneren Fläche der äußeren Balglamelle aufsteigenden Bündel; 6, Schaltapparat in der äußeren Balglamelle; 7, Schaltapparat in Verbindung mit der baumförmigen Endigung in der äußeren Balglamelle; S, Schaltapparat des mittleren Gebietes des Haarbalges; 9, oberes ringförmiges Geflecht — oberer Nervenring; 10, Fasern, die nach außen von den Talgdrüsen in das subpapilläre Bindegewebe nach oben verlaufen; 11, End- verzweigung in der äußeren Balglage unterhalb des unteren ringförmigen Ge- flechtes; 12, dieselbe Endigung in dem mittleren Gebiet des Haarbalges; 13, die- selbe Endigung im oberen Gebiet der äußeren Balglamelle; 14, Endkolben mit einem centralen Endfaden; 15, Endkolben mit verzweigtem Endfaden (Golgi- MAZZOi^isches Körperchen): 16, eingekapselte Endverzweigung mit den plätt- chenförmigen Verbreiterun gen; 17, baumförmige Endigung, präterminale Endigung; 18, dieselbe Endigung, Spindelendigung; 19, dieselbe Endigung, Knäuelform; 20, Endigung auf dem Sinusbalken; 21, sensible Endplatte unterhalb der Wurzel- scheidenanschwellung; 22, sensible Endplatte an der Wurzelscheidenanschwel- lung; 23, sensible Endplatte im konischen Körper; 24, verzweigte Endplatte, die dem Boden der Talgdrüse anliegt; 25, Tastscheibe in der oberen Hälfte der Wurzel- scheidenanschv/ellung; 26, Tastscheibe in der unteren Hälfte der Wurzelscheiden- anschwellung; 27, unteres ringförmiges Geflecht oder unterer Nervenring. Ver- größerung 75mal. Tatel XVI. Fig. 2. (Tai XV, Fig. l, S.) Schaltapparat aus dem mittleren Gebiet des Haarbalges. Drei markhaltige Fasern bilden, ohne ihre Markscheide zu verlieren, den Schaltapparat und teilen sich in demselben oder gleich darauf, so daß aus dem Apparat sechs markhaltige Fasern abgehen. Der Schaltapparat liegt in schräg aufsteigender Richtung in einem Gange der äußeren Balglamelle. Nn, die außerhalb der äußeren Balglamelle von unten ziehenden markhaltigen Nerven- fasern ; V, Schaltapparat, der hier mehr durch Knickungen des Achsencylinders, 414 D- Tretjakoff, als durch Verbreiterungen desselben gebildet wird; No, die aus dem Schalt- apparat austretenden markhaltigen Nervenfasern, die bis in die innere Balg- lamelle sich fortsetzen. Vergr. 400mal. Fig. 3. Kombinierter Schaltapparat aus dem mittleren Gebiet des Haar- balges, er liegt in fast horizontalem Gang der äußeren Balglamelle. B, End- bäumchen im lockeren Bindegewebe des Ganges; K, Endkolben, bzw. Endfaden desselben; Nu, markhaltige Fasern, die von außen her in die äußere Balglage hineintreten; No, markhaltige Fasern, die aus dem Schaltapparat heraustreten und durch die Sinusbalken in die innere Balglamelle ziehen; F. Verbreiterungen am Achsencylinder der markhaltigen Faser. Vergr. 400mal. Fig. 4. (Fig. 1,5.) Schaltapparat auf den längs der inneren Fläche der äußeren Balglamelle aufsteigenden markhaltigen Nervenfasern. l)ie Zeichnung sollte eigentlich senkrecht stehen, aus Mangel an Raum liegt sie horizontal. Nti, markhaltige Fasern, die aus dem unteren Nervenring nach oben ziehen; No, die aus dem Schaltapparat austretenden Nervenfasern; V. Verbreiterungen am Achsencylinder der markhaltigen Faser im Schaltapparat. Vergr. 400mal. Fig. 5. (Fig. 1, 20.) Endbäumchen am Sinvisbalken. N, markhaltige Nervenfaser, ein markloser Ast derselben bildet das Endbäumchen, ein andrer ebenso markloser Ast E zieht in die innere Balglamelle, um die Endfäden den zwei Endkolben zu liefern, dieser zweite Ast ist aber wegen Mangels an Raum in der Zeichnung abgeschnitten. Vergr. 40Ümal. Fig. 6. Schaltapparat und Endkolben an derselben Nervenfaser. Nu, aus dem unteren Nervenring entspringende Nervenfaser, die sich teilt. E, End- kolben bzw. Endfäden derselben; F, Schaltapparat; F, feiner markloser Ast. Vergr. 600mal. Fig. 7. (Fig. 1, 4.) Schaltapparat aus dem Gebiet unterhalb des unteren ringförmigen Geflechtes. Nu, markhaltige Nervenfasern, die vom unteren Nerven- ring zum Schaltapparat hinabsteigen; No, aus dem Schaltapparat austretende markhaltige Nervenfasern ; V, Verbreiterungen am Achsencylinder der Fasern im Schaltapparat. Vergr. 400mal. Fig. 8. (Fig. 1, 6.) Schaltapparat an den Fasern, die vom unteren Nerven- ring in der äußeren Balglamelle hinaufsteigen. Nu, aufsteigende Fasern; No, aus dem Schaltapparat ausgehende Fasern ; V, Verbreiterungen am Achsencylinder der markhaltigen Fasern im Schaltapparat. Vergr. 600mal. Fig. 9. (Fig. 1, 3.) Einfacher Schaltapparat aus dem Gebiet unterhalb des unteren Nervenringes. No, aus dem Schaltapparat austretende Faser, die sich wieder zum unteren Nervenring begibt. Vergr. 400mal. ^ Tafel XVII. Fig. 10. Blättchenförmige Endverzweigung aus dem Sinuskissen der inneren Balglamelle. N71, marklos gewordene Strecke der Nervenfaser. Vergr. 400mal. Fig. 11. (Fig. 1, 18.) Spindelendigung, die komplizierte Form. Die Endi- gungen liegen ebenfalls in den Sinuskissen der inneren Balglage. Vergr. 400mal. Fig. 12. Körnchenendigung aus dem Sinuskissen der inneren Balglage. Vergr. 400mal. Fig. 13. Präterminale Endigung aus dem Sinuskissen der inneren Balglage, Vergr. 400mal. Fig. 14 und 15. Knäuelendigungen, die eigentlich vom gemeinsamen Stamm- Die NervenendigungCMi an den Siniisliaarcn des Rindes. 41^") rlien ebenso wie die präterminale Endigung entspringen, mußten aber horizontal gelagert werden, da sonst der Raum in der Tafel fehlte. E, winzige Endbäum- chen. Vergr. 4Ü0maI. Fig. 16. (Fig. 1, 19.) Komplizierte Knäuelendigung, fast ausschließlich aus markhaltigen Schlingen bestehende Form. Sie liegt in dem Sinuskissen der inneren Balglamelle. Die Gesamtform und die Art der Verteilung der Schlingen entspricht ziemlich genau der Spindelendigung der Fig. 11 mit dem Unteiscliied, daß dort die marklosen Verzweigungen dominieren. E, marklose Endverzwei- gungen, die die Endbäumc)\en bilden. Vergr. 400mal. Tafel XVIII. Fig. 17. (Fig. 1, 24.) Verzweigte sensible Endplatte aus dem konischen Körper. A, Verzweigungen unterhalb der Talgdrüsen; B, Verzweigungen im unteren Teil des konischen Körpers, näher zu der Wnrzelscheidenanschwellung. Alle Verzweigungen sind, marklos. \'ergr. 400mal. Fig. 18. Sternförmige Endplattcn in der inneren Balglamelle an der \\'urzel- scheidenanschwellung. V, marklose Fortsetzungen der aufsteigenden niaiklialtigen Fasern. P, Endplatte. Vergr. 400mal. Fig. 19. Zusammengesetzte Endplatte aus dem konischen Körpei'. Vergr. 400mal. Fig. 20. Hängende Endplatte aus dem konischen Körper. Vergr. 400mal. Fig. 21. (Fig. 1, 16.) Eingekapselte Endverzweigung mit den plättchen- förmigen Verdickungen am Geflecht der Endzweige von zwei Nervenfasern. K, Kapsel; N, markhaltige Strecke der Nervenfasern. Vergr. 600mal. Fig. 22. (Fig. 1, 26.) Sternförmige Tastscheiben aus der unteren Hälfte der Wurzelscheidenanschwellung. P, sensible Endplatte außerhalb des Epithels und der Glashaut, also in der inneren Balglamelle. T, Tastscheiben unter dem Stratum cylindricum der äußeren Wurzelscheide; U, Umbiegung und Durcli- trittsstelle des marklosen Astes in die Glashaut. Vergr. 400mal. Fig. 23. (Fig. 1, 12.) Endverzweigung in der äußeren Balglamelle, von der Fläche gesehen. B, marklose Endästchen; V, Verbreiterungen am Achsen- cylinder der markhaltigen Aste. Vergr. 400mal. Fig. 24. Verzweigte sensible Endplatte an der Wurzelscheidcnanschwellung. N, marklose Fortsetzung der aufsteigenden markhaltigen Faser. Vergr. 400nial. Fig. 25. Verzweigte Endplatten in der Form von feinen senkrechten Ästen. Die Wurzelscheidenanschwellung. Vergr. 400mal. Fig. 26. Geflecht von Endplatten im konischen Körper gelegen. V, zick- zackförmige, wie in den Schaltapparaten, Strecke des Achsencylinders der mark- haltigen Äste. 0, Ast, der sich nacli oben in die subpapilläre Schicht begibt. Vergr. 400mal. Fig. 27. Zwei verzweigte Endplatten, die dem Boden der Talgdrüsen an- liegen. Vergr. 400mal. Fig. 28. Lamellöse Endplatten an der Wurzelscheidenanschwellung. Vergr. 400mal. Fig. 29. Reihe von Endplatten, die im konischen Körper von der Wurzel- scheidenanschwellung bis zu den Talgdrüsen reicht. A, Endplatten, die im koni- schen Körper liegen; B, Endplatten an der Wurzelscheidenanschwellung; die- selben sind dichotomisch verästelt. Vergr. 400mal. 416 D. Tretjakoff,, Die Xervenendigungen an den Sinushaaren des Rindes. Fig. 30. Querschnitt der Haut der nicht behaarten Stelle der Schnauze des Rindes. E, Epithelleiste; K, eingekapseltes Körperchen; N, Nervenfasern unterhalb der Epithelleisten; P, intraepitheliales Geflecht um die MERKELschen Körperchen; S, vom Geflecht entspringende intraepitheliale Nervenf ädchen , die wie die gewöhnlichen intraepithelialen Nerven zwischen den Zellen der Mal- PiGHischen Schicht verlaufen. Vergr. 600mal. Sämtliche Zeichnungen auf den Tafeln XV — XVIII sind Präparaten ent- nommen, die mit Methylenblau intra vitam gefärbt worden sind. Sie stellen ausschließlich die Nervengebilde in der Schnauze des Rindes dar. ! Das Facettenauge der Wasserwanzen. Von Zahnarzt Kurt Bedau aus Magdeburg. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Leipzig.) Mit 5 Figuren im Text und Tafel XIX— XX. Inhalt. Seite Material und Technik 418 I. Morphologischer Teil 420 A. Der Bau des Facettenauges der Wasserwanzen 420 1. Notonecta glauca 420 2. Banatra linearis 428 3. Hydrometra 'palustris 431 4. Nepa cinerea' 434 5. Naucoris cimicoides 436 6. Corixa Geoffroyi 438 B. Die Innervation der Retinula und die Ganglien 440 II. Physiologisch-biologischer Teil: Die Funktion der im morphologischen Teile beschriebenen Facettenaugen und ihre biologische Bedeutung . . 446 Hauptergebnisse 453 Literaturverzeichnis 454 Erklärung der Abbildungen 455 Die vorliegende Arbeit wurde im zoologischen Institut der Uni- versität Leipzig angefertigt. Es sei mir gestattet, meinem hochver- ehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Professor Dr. C. Chun, auf dessen Anregung und unter dessen Leitung diese Arbeit entstand, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen für die Liebenswürdigkeit, mit der er mir bei meinen Untersuchungen ratend und helfend zur Seite ge- standen hat. In gleicher Weise bin ich zu bestem Danke verpflichtet den Herren Professoren 0. zur Strassen und R. Woltereck und dem Herrn Privatdozenten Dr. med. et phil. 0. Steche. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 28 418 Kurt Bedau, Material und Technik. Das Material habe ich in der näheren und weiteren Urnsebung von Leipzig in der Hauptsache im Sommer 1908 gesammelt. Noto- necta glauca, Hydrometra 'palustris, Nepa cinerea, Naucoris cimicoides und Corixa Geoffroyi ließen sich mühelos beschaffen; Ranatra linearis zu finden, bot Schwierigkeiten. Schließlich gelang es mir aber doch, vier Exemplare der gesuchten Art in der Nähe von Grimma zu fangen. Zum Konservieren meines Materiales habe ich vier verschiedene Flüssigkeiten angewandt: 70% igen i\_lkohol, Chromosmiumessig- säure, ein Gemisch von Pikrinsäure, gesättigt in kochendem destil- liertem Wasser, und von Sublimat, ebenfalls in gesättigter Lösung zu gleichen Teilen, wie es Rabl angegeben hat, und endlich ein Ge- misch von 15 Teilen 96%igem Alkohol, 30 Teilen destilliertem Wasser, 6 Teilen konzentrierten Formols und 2 Teilen Eisessigs. Mit dem zuletzt angeführten Konservierungsmittel habe ich die besten Resultate erreicht. Alkohol härtete die Objekte, Chromosmiumessigsäure färbte sie auffallend dunkel, zuweilen fast schwarz, und die von Rabl ange- gebene Konservierungsflüssigkeit war für feine histologische Studien nicht sonderlich geeignet. Ehe ich die gefangenen Tiere in die Konservierungsflüssigkeit legte, habe ich — um ein schnelleres Eindringen des konservieren- den Mittels in das Objekt zu ermöglichen — in das Chitin des Thorax und Abdomens mit einer Nadel eingestochen. In der Konservierungs- flüssigkeit habe ich die Präparate 6 — 12 Stunden liegen lassen. Das harte Chitin bot dem Messer des Mikrotoms einen außerordent- lich großen Widerstand. Herrn Zahnarzt F. Carls in Leipzig habe ich es zu danken, daß ich die hieraus resultierenden technischen Schwie- rigkeiten nach einigem Experimentieren leicht überwand. Es ist mir eine angenehme Pflicht, meinem lieben Kollegen Carls auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen für den mir gegebenen Rat. Da das Chitinschneiden von jeher bei der Anfertigung mikrosko- pischer Präparate Schwierigkeiten bereitet hat, sei es mir gestattet, die von Carls angegebene, im zoologischen Institut der Universität Rostock bereits mit Erfolg angewandte, aber bislang noch nicht ver- öffentlichte und von mir nur wenig modifizierte Methode eingehend zu besprechen: Aus der Konservierungsflüssigkeit bringt man die Objekte in 70%igen Alkohol, wäscht sie in diesem gut aus und läßt sie in ihm 6 Stunden liegen. Vom 70%igen Alkohol führt man die Das Facettenauge der Wasserwanzen. 419 Präparate über in Seifenspiritus, wie er in jeder Apotheke zu kaufen ist. In Seifenspiritus habe ich meine Objekte 24 — 48 Stunden auf- bewahrt. Seifenspiritus hat die Wirkunii; von Eau de Javelle und Eau de Labarraque, er erweicht das Chitin. Im Gegensatz zu den beiden andern Chitin erweichenden Flüssigkeiten hat er den großen Vorzug, die Gewebe nicht anzugreifen. Zellplasma, Zellkerne, Tracheen, Nerven, kurz, alles bleibt wohl erhalten mit Ausnahme des Fettgewebes, das bei der Behandlung mit Seifenspiritus nach meiner Erfahrung leidet. Wenn ich meine Objekte je nach der Härte und Stärke des Chitins 24 — 48 Stunden in Seifenspiritus liegen ließ, so ergibt sich hieraus von selbst, daß Präparate mit schwächerem Chitin ungleich kürzere Zeit in der genannten Flüssigkeit aufzubewahren sind. Vom Seifenspiritus führte ich die Objekte über in 70%igen Alkohol. In diesem präparierte ich den Kopf des Tieres vom Thorax ab, nach- dem ich zuvor unter der binoculären Lupe den Genitalapparat des betreffenden Tieres freigelegt und mit Sicherheit das Geschlecht des Tieres bestimmt hatte. Im 70%igen Alkohol ließ ich das Präparat 6 Stunden liegen, dann brachte ich es in 96%igen und hierauf in 100%igen. Im 96%igen wie im absoluten Alkohol bewahrte ich das Objekt 6 Stunden auf. Dann kam es in ein Gemisch von 100%igem Alkohol und Cedernholzöl zu gleichen Teilen und danach in reines Cedernholzöl. In jeder dieser Flüssigkeiten ließ ich das Präparat 24 Stunden liegen. Benzol und Xylol habe ich beim Überführen der Objekte nie verwandt, da sie in diesen Flüssigkeiten härten. Vom reinen Cedernholzöl brachte ich die Präparate in Cedernholzöl + 40grädiges Paraffin und hierauf in Cedernholzöl + 58grädiges Paraffin, jedesmal auf 24 Stunden. Schließlich führte ich das Präparat über in reines geschmolzenes 60grädiges Paraffin und ließ es 3 — 4 Stunden im Ther- mostaten stehen. In dieser relativ kurzen Zeit drang das Paraffin in die sorgfältig vorbereiteten Objekte vollkommen ein und verhütete — was eintritt, wenn man die Präparate längere Zeit in flüssigem 60srädio;em Paraffin läßt — das Hartwerden derselben. Die so behau- delten Objekte boten dem Messer des Mikrotoms minimalen Wider- stand, und es ließen sich leicht 5 und 3 /< starke Schnitte anfertigen. Ein Überziehen derselben mit Mastixkollodium vor dem Auffangen war nicht erforderlich. Meistens schnitten sich sogar »Bänder«. Zum Färben meiner Präparate habe ich angewandt Eisenfärbung nach Heihendain und Hämalaun, bzw. Hämalaun mit einer Nach- färbung mit Eosin. Die Eisenfärbung nach Hetdenhain ist für Kern- färbung vortrefflich, zeigte aber bei meinen Objekten zwei große 28* 420 Kurt Bedau, Nachteile. Einerseits schwärzte es die Präparate intensiv, anderseits ver- änderte es die Farbe des Pigments. Die Hämalaunfärbung bewährte sich — auch was die Kerne anbetrifft ! — ganz vorzüglich. Eine Nach- färbung mit Eosin wandte ich nur an, wenn es mir darauf ankam, Plasmastrukturen in ihren Details zu untersuchen. Zum Entpigmentieren benutzte ich zwei Flüssigkeiten: 150,00 Aqu. dest., Acidi muriatici, Acidi nitrici aa 3,0, ein Gemisch, wie es Rosen- stadt 1896 angegeben hat, und ein Gemisch von 2 Teilen 96%igen Alkohol und 1 Teil Glyzerin mit geringerem oder stärkerem Zusatz von Salpetersäure. Die erstgenannte Entpigmentierungsflüssigkeit wandte ich an, wenn das Pigment nicht sehr resistent war — so z. B. bei Tieren, die kurze Zeit nach der Häutung gefangen waren, und durch- weg bei Hydrometra palustris — oder wenn es nur zum Teil zerstört werden sollte. In all den andern Fällen benutzte ich die an zweiter Stelle angeführte Entpigmentierungsflüssigkeit. I. Morphologischer Teil. A. Der Bau des Facettenauges der im Wasser lebenden Hemipteren. 1. Notonecta glauca. Von fundamentaler Bedeutung für die Kenntnis der Facetten- augen der Arthropoden und Crustaceen sind in morphologischer Hinsicht die im Jahre 1879 erschienenen »Untersuchungen über das Sehorgan der Arthropoden, insbesondere der Spinnen, Insekten und Crustaceen ^< Grenachehs und in physiologischer Beziehung die 1891 erschienene »Physiologie der facettierten Augen von Krebsen und Insekten« Exners. Grenacher miterscheidet folgende drei Gruppen von Facettenaugen: 1) »Acone Augen, d. h. solche, in welchen Kristall- kegel nicht nachzuweisen sind, sondern diese zeitlebens durch typische Zellen vertreten werden«; 2) »Pseudocone Augen, d. h. solche, bei welchen zwar ein besonderes kegelförmiges und lichtdurchlassendes Medium vorhanden ist, das aber nicht mit den typischen Kristall- kegeln morphologisch in die gleiche Linie gestellt werden kann. « 3) » ,Eu- cone Augen', mit echten Kristallkegeln, wie sie bisher allen Facetten- augen zugeschrieben wurden.« Zu den aconen Augen gehören die der Hemipteren. Von den Wasserwanzen hat Grenacher Notonecta glauca, Nepa und Ranatra untersucht, von den Landwanzen Pyrrhocoris, einige Pentatomiden und Lygaeus. Nur von Notonecta glauca gibt Grenacher eine ein- gehende Beschreibung, da er bei all den andern von ihm untersuchten Das Facettenaugo der Wa«ser\\aii/,oii. 421 Hemipteren ihren Augenbau mit dem von Notonecta qlauca >>bis auf untergeordnete Differenzen in Größe usw.« so übereinstimmend ge- funden hat, daß er sich einer eingehenden Berichterstattung über sie für enthoben hält. Aus doppeltem Grunde begann ich meine Facettenaugenstudien an Notonecta glauca. Erstens ließ sich das Material ohne jede Mühe beschaffen — denn in welchem Teiche bei uns ist die Notonecta nicht zu finden? — und zweitens — und das war der Hauptgrund! — hatte ich ja an den GKENACHERschen Untersuchungen die denkbar beste Handhabe, mich in mein Thema einzuarbeiten. Wenn ich auch in der Hauptsache die Anschauungen Grenachers teile, kann ich doch nicht umhin, in einzelnen Punkten von ihnen abzuweichen, wie ich das an der Hand meiner Untersuchungen zeigen werde. Betrachtet man die Cornea von Notonecta glauca bei schwacher Vergrößerung (siehe Fig. 1), so sieht sie plankonvex aus; bei starker Vergrößerung zeigt sich jedoch, daß die äußere Begrenzungslinie der Cornea nicht vollkommen plan ist, vielmehr setzt sich diese scheinbar gerade Linie auf dem Längsschnitt durch das Auge aus so vielen kon- vexen Abschnitten zusammen, als eben Onmiatidien angeschnitten sind (s. Fig. 2). Die innere Begrenzungslinie ist stark konvex. Die Cornea- linsen, die am Rande des Auges gelegen sind, sind an ihrer Außenseite rmid, an ihrer Innenseite eckig, d. h. nur dort, wo sie an die Facetten der benachbarten Ommatidien anstoßen. Alle andern Facetten sind regelmäßig sechseckig. Ursprünglich sind also die Corneafacetten rund gewesen, aber durch den gegenseitigen Druck, den sie aufeinander ausüben, vnrd die polygonale Form der Facetten hervorgerufen. Die Cornea ist aus zarten, einzelnen chitinösen Lamellen aufgebaut und läßt deutlich zwei Schichten unterscheiden, verschieden in Dicke und Tinktions vermögen. Die innere ist die dunklere und ungefähr noch einmal so dick als die äußere, die hellere. Der Tinktion entsprechend ist also die äußere Schicht, was die Konsistenz anbetrifft, die härtere. Der inneren, stark konvexen Begrenzungslinie der Cornea liegen die vier Kristallzellen eng an. Die Tätigkeit dieser Zellen — sie sind ja Hypodermiszellen — besteht in erster Linie darin, an der Außen- seite die Cornea zu bilden. Cornea und Kristallzellen zusammen repräsentieren den dioptrischen Apparat des Facettenauges. Die vier Kristallzellen, für welchen Zellkomplex Carriere den Ausdruck Vitrella eingeführt hat, sind eng aneinander gelegen und bilden einen Kegel. Die Basis dieses Zellkegels sitzt der konvexen Innenseite der Cornea auf und die Spitze ist der Retinula zugewandt. 422 Kurt Bedau, Die wabenförmige Struktur der Kristallzellen läßt sich an Präparaten, die mit Hämalaun-Eosin gefärbt sind, am besten erkennen. Mitten in das helle Plasma der Kristallzellen eingebettet liegen die vier Zell- kerne. Diese sind kugelig, führen reichlich Chromatin und sind homolog den SEMPERschen Kernen im euconen Auge. Die vier Kristallzellen sind becherförmig von einer Pigmenthülle (s. Textfig. 1) umgeben, die von den beiden Hauptpigmentzellen ge- bildet wird. Diese Hauptpigmentzellen sind nach Hesse mit den Corneagenzellen im Auge der Crustaceen zu homologisieren. Die Kerne der Hauptpigmentzellen liegen der Vitrellaspitze eng an, haben beträcht- liche Größe und repräsentieren auf dem Querschnitt ungefähr die Form einer Bohne (s. Fig. 3). Das Pigment der Hauptpig- mentzellen ist intensiv braun gefärbt, und die einzelnen, sehr großen, kugeligen Pig- mentkörner sind in regulären Querreihen angeordnet. Zwischen den einzelnen Vitrellen liegen die distalen Teile der spindelförmfgen Nebenpigmentzellen. Die eine Spitze der Spindel liegt direkt unter der inneren Be- grenzungslinie der Cornea, die andre unge- fähr an der Stelle, an der das erste, das distalste Drittel derKetinula sein Ende erreicht hat. Die Kerne der Nebenpigmentzellen sind oval, stark mit Chromatin ausgestattet, und liegen in derselben Höhe wie die Kerne der Kristallzellen, die weniger reich an chromatischer Substanz sind. Die Lage der Kerne der Vitrella, der Haupt- und Nebenpigmentzellen veranschaulicht uns am besten ein Querschnitt durch das Auge, der mit seinem, einem Tapetenmuster vergleichbaren Bilde einen außer- ordentHch reizvollen Anblick darbietet (s. Fig. 3). An diesem Quer- schnitt erkennt man auch deutlich, daß die Nebenpigmentzellen inter- stitiell sind. Jedes Ommatidium wird von 18 Nebenpigmentzellen umgeben, von denen aber zwölf je zwei benachbarten Ommatidien angehören und die übrigen sechs je drei benachbarte Ommatidien be- grenzen. Dem dioptrischen Apparate, der sich aus der lamellös aufgebauten, chitinösen und deutlich zwei Schichten zeigenden Cornea und der plas- matischen Vitrella mit ihrer becherförmigen Pigmenthülle zusammen- ♦ * » • * * 'j ' # « i» jr * • «') \«*»* • t ^ Textfig. I. Pigmeuthülle der Vitrella von Noto- nccta glauca. S. III, 1. 1/12 Immers. Das Fiicettenauge der Wasserwanzen. 423 setzt, grenzen die percipierenden Elemente eng an: die Ommen, die in ihrer Gesamtheit die Retinula ausmachen, die »Nervenbündelschicht« und das erste (periphere), zweite und dritte (centrale) Opticusganglion. Jedes Omnia besteht aus acht Sehzellen. Grenacher hat bei Notonecta glauca deren nur sieben nachzuweisen vermocht. Von Arthro- podenfacettenaugen mit acht Sehzellen in jedem Omma waren ihm nur die der Hymenopteren und Cicaden bekannt. Auf das Vorhanden- sein von acht Sehzellkernen macht Claparede in seiner >> Morphologie der zusammengesetzten iVugen bei den Arthropoden« im Jahre 1859 zum erstenmal in der Literatur aufmerksam: >> Gleichwohl ist bei Sphinx euphorbiae der Ursprung des Nervenstabes aus mehreren Zellen an einer Ansammlung von Kernen zu erkennen, die etwas oberhalb von der prismatischen Anschwellung regelmäßig angetroffen werden. Diese Kerne sind acht an der Zahl, wie man es bei starker Vergrößerung mit Sicherheit erkennen kann.« Die Ansicht, daß die Achtzahl der Sehzellen in jedem Omma die ursprüngliche ist und daß die Siebenzahl — wie sie Grenacher und Carriere mit nur wenigen Ausnahmen angeben — durch Rudimentärwerden der achten Zelle, durch Reduk- tion, zustande kommt, bricht sich mehr und mehr Bahn. Nachdem es Hesse gelungen ist, bei einer ganzen Reihe von Arthropoden die Achtzahl der Sehzellen in jedem Omma mit Sicherheit festzustellen, kommt er schließlich zu dem Satze, daß »weiteres Suchen noch mehr Anhaltspvmkte dafür bringt, daß die Achtzahl der Sehzellen die ur- sprüngliche ist, die Siebenzahl auf Reduktion beruht «. (Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Tieren. VIL Von den Arthropodenaugen. 1901.) Daß Hesse die Verhältnisse richtig beurteilt, geht zunächst aus den 7 Jahre später erscheinenden »Unter- suchungen über die Augen pentamerer Käfer« Kirchhoffers hervor, der zu dem Resultate kommt : »Die Retinula besteht aus acht Sehzellen. « Nur ein Jahr später erscheinen: »Die Facettenaugen der Dipteren« Dietrichs und bestätigen die Behauptung Hesses und Kirchhoffers vollauf. Durch meine Untersuchungen an Notonecta glauca — wie an den andern von mir untersuchten im Wasser lebenden Wanzen, was später noch auszuführen sein wird — dürften die Angaben Hesses, Kirchhoffers und Dietrichs eine weitere Stütze finden. Zu der gleichen Zeit, als ich diese Untersuchungen im Zoologischen Institut der Universität anstellte, studierte W. Johnas ebendaselbst den Bau der Facettenaugen der Lepidopteren. Auch Johnas erkennt die Acht- zahl der Retinulazellen im allgemeinen an, vermag jedoch in drei Fällen die interessante Tatsache nachzuweisen, daß Ommen mit sogar zehn 424 Kurt Bedau, Sehzellen vorkommen, nämlich bei Lycaena icarus, Chrysophanus hippothoe imd Botis verticalis. Geenacher hat bei Notonecta glauca sieben Sehzellen in jedem Omma nachgewiesen, von denen sechs im Kreise um die siebente stehen. In der Tat sind sechs Sehzellen ungefähr kreisförmig angeordnet. Der Kreis ist jedoch nicht ganz geschlossen. In der Mitte dieses an einer Stelle offenen Kranzes der sechs Sehzellen stehen zwei weitere, die von unten her, von der Basalmembran aus, sich in die oberen einschieben. Die Basalmembran oder Membrana fenestrata, die aus der Basal- membran der embryonalen Hypodermiszellen hervorgegangen ist, liegt der Cornea genau konzentrisch, grenzt die Retinula gegen den Ganglienapparat ab und ist für den Durchtritt ^ Textfig. 2. Textfig. 3. Querschnitt diireh die Unimatidien von Notonecta glauca in Querschnitt durch ein Omniati- Höhe « von Fig. 2, S. I, 1/12 Immers. dium von Notonecta glauca in Höhe a, b und c von Fig. 2. L. III, 7. der Nerven, die vom Ganglion kommen und in die Ommatidien gehen, mit feinen Löchern, Foramina membranae fenestratae, versehen. Die sechs oberen Sehzellen sind morphologisch nicht gleichwertig. Die größten sind die »Torzellen«, d. h. die Zellen, die an den Enden des offenen Kranzes stehen. Die nächst größten sind die Nachbar- zellen und die kleinsten demzufolge die den »Torzellen« gegenüber- stehenden (Textfig. 2). Auch die sich von unten her einschiebenden Zellen sind nicht gleichwertig (vgl. Textfig. 3). Das Rhabdomer der siebenten Zelle reicht distal fast bis zum Beginn der Retinula; der l)a«< FacfltiMUiugc ilcr Was.-^i'rwanzon. 425 pigmentierte Teil der Zelle ist nicht so iiut entwickelt. Die achte Zelle trägt noch stärkere Zeichen der Rudimentation. Sie ist auffallend klein. Immerhin lassen sich auch an ihr noch deutlich die zwei für die Sehzellen des aconen Facettenauges typischen Teile unterscheiden: der pigmentierte und pigmentfreie Teil oder der Rhabdomerträger und das Rhabdomer selbst. Im pigmentierten Teil jeder Sehzelle liegt der Zellkern. Die Seh- zellkerne haben ovale Form, sind relativ groß, führen reichlich Chro- matin und lassen sich auf Quer- imd Längsschnitten leicht nachweisen, sofern die Präparate für diesen Zweck genügend entpigmentiert sind (s. Fig. 2). Noch besser sichtbar sind die Kerne im »Dunkelauge«, um den Ausdruck Exners zu gebrauchen. Das Dunkelauge, dessen Mitte der Retinula frei von jedem Pigment ist — von »Dunkel- und Lichtauge << wird später noch eingehend gesprochen werden — , zeigt die acht Sehzellkerne in aller Deutlichkeit. Sechs dieser Kerne liegen der Cornea zu und zwei — und das sind die Kerne der Zellen, die sich von der Membrana fenestrata aus in den oberen Kranz der andern Seh- zellen einschieben — der Basalmembran zu. Grenacher hat also die allerdings Zeichen der Rudimentation tragende achte Sehzelle übersehen. Desgleichen hat er nicht beobachtet, daß die Ommen im dorsalen Teil des Auges anders angeordnet sind als im ventralen. Im dorsalen Teil liegt das »Tor« proximal-dorsal und im ventralen Teil proximal-ventral, also gerade entgegengesetzt, so daß wir es mit zwei spiegelbildlich gleichen Hälften zu tun haben. Eine der eben besprochenen ähnliche asymmetrische Anordnung der Sehzellen jedes Ommas im dorsalen und ventralen Teil des Auges hat zuerst Dietrich beschrieben. Als er in seiner Arbeit auf die bei den Dipteren »konstante asymmetrische« Anordnung der Sehzellen jedes Ommas — ich habe sie nur bei Notonecta glauca konstatieren können — zu sprechen kommt, gibt er seiner Verwunderung dar- über Ausdruck, daß das von ihm zuerst erwähnte Faktum noch nicht eher in der Literatur betont worden sei. Ich kann Dietrich in dieser Beziehung nur beistimmen, denn auch bei Notonecta glauca ist es wie bei den Dipteren, »ein Moment, das sich beim Studium der Retinula geradezu aufdrängt«. Der asymmetrischen Anordnung der Ommen im ventralen und dorsalen Teil des Auges möchte ich eine Bedeutung in physiologischer Hinsicht nicht beimessen. Auch ich sehe — wie Dietrich — diese asymmetrische Anordnung an als das zufällige Resultat organogenetischer Prozesse. Weist die asymmetrische Anordnung der Ommen im dorsalen und 426 Kurt Bedau, ventralen Teil des Auges schon auf eine Differenzierung des Notonecta- Auges in ein Doppelauge hin, so sind hierfür noch drei weitere Belege anzuführen, die sich aus einem Längsschnitt durch das Auge (s. Fig. 1) sozusagen ablesen lassen, bislang aber in der Literatur nicht konstatiert worden sind, selbst von Gren acher nicht. Im dorsalen Teil des Auges zeigt das Pigment der Nebenpigmentzellen eine typisch braune Farbe, im ventralen eine intensiv purpurrote. Eine scharfe Grenze zwischen den beiden Teilen zu ziehen, ist nicht möglich, im Gegenteil, das braune Pigment geht ganz allmählich in das purpurrote über. Das Pigment der Zellen, die mit ihren Kernen der Membrana fenestrata direkt auf- sitzen, ist im dorsalen Teil des Auges viel spärlicher vorhanden als im ventralen. Aber auch hier lassen sich die beiden voneinander ver- schiedenen Bezirke nicht abgrenzen. Drittens endlich stehen die Omma- tidien im dorsalen Teil des Auges viel weiter auseinander als im ventralen. Der ventrale Teil des Notonecta- Auges ist also anders differenziert als der dorsale, und zwar im männlichen wie im weiblichen Geschlecht. Wie bei Notonecta glauca, so habe ich auch bei keiner andern Wasser- wanze irgend einen — auch nicht den kleinsten — Unterschied finden können zwischen dem Auge des Männchens und dem des Weibchens. Die Frage, weshalb hat der dorsale Teil des Notonecta- Anges seine Cha- raktere gewahrt und weshalb ist der ventrale Teil differenziert, soll mit allen ihren Nebenfragen im physiologisch-biologischen Teil dieser Arbeit ihre Antwort finden. Ln Längsschnitt betrachtet, repräsentiert das Notonecta-Omma, die Form einer Keule. Die kolbenförmige Verdickung des Ommas liegt der Spitze des Kristallzellengebildes eng an. Proximal verjüngt sich das Omma, läuft aber nicht etwa direkt spitz zu, sondern sitzt in immerhin noch ziemlich breitem Umfange der Basalmembran auf. Die Ommen sind der ganzen Länge nach stark pigmentiert. Be- sonders intensiv ist die Pigmentanhäufung nahe der Vitrella und nahe der Membrana fenestrata. Der mittlere Teil der Retinula ist nicht so stark pigmentiert. Dieses Faktum findet leicht seine Er- klärung. Die sechs oberen Sehzellen sind an ihrem distalen Ende am stärksten, folglich muß auch hier die Pigmentanhäufung beträchtlich« sein. In die oberen sechs Sehzellen schieben sich von unten her, von der Basalmembran aus, die beiden andern Sehzellen ein. Diese sind in ihrem proximalen Teil am besten entwickelt, demzufolge direkt oberhalb der Membrana fenestrata eine starke Pigmentanhäufung. Das intracelluläre Pigment der Sehzellen ist feinkörnig. Das^ Pigment der Nebenpigmentzellen und der Zellen, die mit ihren Kernen der Basal- Das Facettenauge tler Wasserwanzen. 427 membran eng aufliegen, ist grobkörniger als das intracelluläre Retinula- pigment, aber auch noch feinköinig im Verhältnis zu dem Pigment der Hauptpigmentzellen. Außer dem Pigment habe ich iniieilialb der Retinula noch eine außerordentlich große Zahl von unregelmäßig geformten, bald größeren, bald kleineren Körpern nachweisen können. Diese Körper färben sich mit Eisenfärbung nach Heidenhain intensiv schwarz und sind in hohem Grade lichtbrechend. Allem Anschein nach handelt es sich — dieser Ansicht ist auch Grenacher — um Fettansammlungen. Die Neben- und Retinapigmentzellen, bilden regelrechte Scheiden um die einzelnen Ommatidien, so daß jedes Omma nur von dem ihm zugehörigen Kristallzellengebilde Licht empfangen kann und das Zustandekommen eines Appositionsbildes gesichert ist. Ob im aconen Auge der Wasserwanzen unter Umständen auch Superpositionsbilder entstehen können, darüber soll im letzten Kapitel dieser Arbeit ge- sprochen werden. Zwischen den Pigmentscheiden der einzelnen Ommatidien ist im proximalen Teil der Retinula — im distalen und zwischen den Vitrellen nicht — eine größere Zahl von Tracheen nachweisbar. Diese Tracheen entstammen den Tracheenästen, die sich in dem Raum zwischen der Membrana fenestrata und der Ganglienzellkernschicht des peripheren oder ersten Opticusganglion, in der sogenannten » Nervenbündelschicht «, in großer Zahl und reicher Verzweigung ausbreiten. Die Tracheen müssen, um zwischen die einzelnen Ommatidien zu gelangen, durch die Basalmembran in das Auge im engeren Sinne distal eintreten. Mir ist es jedoch nicht möglich gewesen, eine solche Durch trittsstelle einer Trachee durch die Membrana fenestrata in die Retinula nach- weisen zu können. »Ihr (der Tracheen) Durchtritt durch die Membran <<, so führt Dietrich aus, »ist nur an wenigen Stellen zu beobachten, und dabei zeigt sich, daß sie unmittelbar danach ihrer Chitinspirale ver- lustig gehen und daß nur eine äußerst dünne Lamelle wie ein Hand- el o Schuhfinger vorwärts geschoben wird. « Während sich unterhalb der Basalmembran an den Tracheen stets die drei für sie typischen Bestandteile unterscheiden lassen, Hülle, Kern und Chitinspirale, sind an den Tracheen innerhalb der Retinula — wie bei den Dipteren — Chitinspiralen nicht zu beobachten. Wenn auch die zwischen den einzelnen Ommatidien gelegenen Tracheen nicht regelmäßig angeordnet sind — für viele Arthropoden ist das Gegenteil bekannt — , so möchte ich doch der Ansicht Grenachers nicht beipflichten, der auf eine Besprechung der Tracheen iimerhalb des Auges nicht eingeht, weil 428 Kurt Bedau, »sie mit dem Sehorgan als solchem direkt nichts zu tun haben und ihr Vorkommen und Verhalten äußerst wechselnd ist<<. Da die Tra- cheen in mehr als einem Punkte für das Auge von Bedeutung sein können, werde ich auf das unregelmäßige und relativ spärliche Vor- kommen von Tracheen im Auge von Notoneda — wie auch der andern noch zu beschreibenden Hemipteren — im physiologisch-biologischen Teile dieser Arbeit ausführlich zurückkommen. 2. Ranatra linearis. Bei der Beschreibung des Auges von Notonecta ghuca sagte ich schon, daß Grenacher außer der eben genannten Wasserwanze auch noch Ranatra und Nepa untersucht hat, aber den Bau dieser drei Augen bis auf »untergeordnete Differenzen in Größe usw.<< so über- einstimmend gefunden hat, daß er nur das Auge von Notonecta glauca eingehend schildert. Da ich bei meinen Untersuchungen dieser drei Augen zu dem Ergebnis gelangte, daß sie durchaus nicht nur in unter- geordneten Merkmalen sich unterscheiden, möchte ich zunächst das Auge von Ranatra linearis eingehend beschreiben. Betrachten wir das eben genannte Auge auf einem Längsschnitt, so fällt uns zunächst die fast kugelige Form dieses Auges auf (s. Fig. 4). Die beiden Kugelhälften sind streng voneinander zu scheiden. Der dorsale Teil des Auges ist bei weitem größer als der ventrale. Im dorsalen Teil sind die Ommatidien dicht aneinander gedrängt, während sie im ventralen Teil relativ weit auseinander stehen. Das Pigment der Nebenpigmentzellen im dorsalen Teil zeigt eine typisch gelbe Farbe, im ventralen ist es purpurrot. Das Pigment der Zellen, die das Ketinapigment führen, ist im dorsalen Auge in viel reicherem Maße vorhanden als im ventralen. Während sich bei Notonecta glauca der dorsale Teil des Auges vom ventralen nicht streng abgrenzen läßt, kann man im Auge von Ranatra linearis eine scharfe Scheide zwischen Dorsal- und Ventralteil ziehen. Das Auge von Ranatra ist ein typisches Doppelauge. Das Dorsalauge ist bei weitem mehr differenziert als das Ventralauge, also gerade entgegengesetzt den Verhältnissen im Notonecta- Auge, in dem der ven- trale Teil besser differenziert ist als der dorsale. Eine Erklärung für dies eben beschriebene und so seltsam klingende Faktum werde ich im physiologisch-biologischen Teil meiner Arbeit geben. Ein zweites Moment, das sich jedem, der sich überhaupt je mit dem Studium des Facettenauges beschäftigt hat, geradezu aufdrängen muß, ist das Verhalten der Pigmentzellen, die direkt oberhalb der Basal- Das Facettenauge der Wassei\\;iiizcMi. 429 membran liegen. Während sie im Auge von Notonecta der ganzen Länge des Auges der Membrana fenestrata mit ihren Kernen aufliegen, ist dies bei Ranatra nicht der Fall. Die Retinapigmentzellen sitzen der Basalmembran dorsal und ventral nur ein Stück auf, dann aber weichen sie in einer gegen die Membran offenen Kurve aus (s. Fig. 4). Der höchste distale Punkt dieser Kurve liegt genau auf der idealen Scheide zwischen dem Dorsal- und Ventralauge. Audi für dieses Faktum werde ich im physiologisch-biologischen Teil meiner Abhand- lung eine Erklärung geben. Ist das Auge von Ranatra linearis in toto betrachtet in seinem Bau durchaus verschieden von dem von Notonecta glauca, so sehen wir auch bei der Untersuchung der einzelnen das Auge zusammen- setzenden Teile, daß verschiedene von ihnen anders geformt und anders angeordnet sind als bei Notonecta glauca. Die Cornea von Ranatra (s. Textfig. 4) ist außerordentlich stark entwickelt und läßt deutlich zwei Schichten unterscheiden. Die äußere, heller gefärbte ist winzig im Verhältnis zu der innern, auffallend stark entwickelten, dunkleren. Die Cornea ist plankonvex und läßt den Chitinlamellenaufbau deutlich erkennen. Die vier Kristallzellen und die beiden sie umgebenden Haupt- pigmentzellen sind genau so gebaut und angeordnet wie bei Notonecta. Anders die Nebenpigmentzellen. Ihre Form ist zwar die der Notonecta- Nebenpigmentzellen, Spindelform; aber ihre Anordnung ist eine andre. Während bei Notonecta 18 Nebenpigmentzellen um jedes Ommatidium stehen, von denen zwölf zu je zwei benachbarten Ommatidien ange- hören, während die übrigen sechs je drei benachbarte Ommatidien begrenzen, hat bei Ranatra linearis jedes Ommatidium seinen eignen Kranz von Nebenpigmentzellen. Um jedes Ommatidium sind zwölf Nebenpigmentzellen in Kreisform angeordnet (s. Fig. 5). Daß ein Ommatidium seinen eignen Kranz von Nebenpigmentzellen hat, ist ein in der Literatur — soweit ich sie überblicke — bislang noch nicht erwähntes Faktum. Noch im Jahre 1901 sagt Hesse in seinen »Unter suchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Tieren«: »Die Nebenpigmentzellen sind in ihrer Zahl wechselnd; ich möchte betonen, daß man sie den einzelnen Ommen nicht zurechnen kann, sie sind indifferente Zellen, die zAvischen den Ommen stehen, aber nicht etwa so, daß jedes Omma seinen eignen Kranz von Pigmentzellen hätte.« Wie bei Ranatra linearis^ so habe ich noch bei zwei andern Wasserwanzen, Nefa cinerea und Corixa Geoffroyi — was später noch geschildert werden wird — deutlich für jedes Ommatidium einen eignen 430 Kurt Bedau, Kranz von Nebenpigmentzellen nachweisen können. Der Satz Hesses von den interstitiellen Nebenpigmentzellen der Ommatidien läßt sich nach den eben geschilderten — beziehungsweise bei Neya und Corixa noch zu beschreibenden — Fakten nicht mehr in seiner ganzen Trag- weite aufrecht erhalten. Die Kerne der Nebenpigmentzellen liegen auffallend tief, in der Höhe, in der die noch zu schildernden, von der Basalmembran her- kommenden beiden Sehzellen distal j A enden. Jedes Ranatra -Omina, hat die Form einer Keule und setzt sich aus acht Sehzellen zusammen. An jeder dieser Sehzellen können wir die beiden für sie typischen Teile unterscheiden, den pigmentier- ten und den pigmentfreien. Sechs Sehzellen sind in Kreisform ange- ordnet und liegen distal, während sich die beiden andern Sehzellen von der Basalmembran aus in den Kreis der oberen sechs Zellen einschieben, also proximal gelegen sind. Die sechs distalen Sehzellen sind mor- phologisch gleichwertig; von den beiden proximalen gilt das gleiche. Sind die letzteren auch nicht so mächtig entwickelt als die ersteren, so tragen sie doch durchaus keine Zeichen der Rudimentation. Die Rhabdomere der proximalen Zellen sind genau so gut entwickelt als ihre pigmentierten Teile, während wir doch an der siebenten Sehzelle von Notonecta glauca haben konsta- tieren können, daß hier das Rhab- domer ungleich besser ausgebildet ist als der pigmentierte Teil der Zelle. Die Existenz der acht Sehzellen in jedem Omma läßt sich auf Quer- und Längsschnitten (s. Fig. 5 u. Textfig. 4) in aller Deutlichkeit nachweisen. Auf Längsschnitten sehen wir an Präparaten, deren Pig- ment durch ein chemisches Reagens nur mäßig zerstört ist, starke bm. Textfig. 4. Zwei Einzelommatidien aus dem Auge von Ra natra linearis. S. III, 5. Das Facettenauge der Wasserwanzen. 431 Pigmentansammlungen im kolbenförmigen, distalen Ende des Onunas und im proximalen Ende, also oberhalb der Membrana fenestrata. Außerdem aber können wir noch, schon bei schwacher Vergrößerung, beobachten, wie sich, aus der basal gelegenen Pigmentanhäufung kom- mend, in der Mitte des Ommas zwei Pigmentstränge in das distale Pig- ment einschieben. Das sind die pigmentierten Teile der an der Basal- membran beginnenden beiden proximalen Sehzellen. Die eben er- wähnten zwei Pigmentstränge sind schon bei so schwacher Vergrößerung wahrnehmbar, daß sie in das Übersichtsbild (s. Fig. 4) des Auges mit eingezeichnet werden müssen, wenn es überhaupt Anspruch auf Ge- nauigkeit und Richtigkeit erheben will. An stark entpigmentierten Längsschnitten (s. Textfig. 4 h) sind die acht Kerne der Sehzellen in jedem Onima deutlich nachweisbar. Der Lage der Sehzellen entsprechend liegen sechs ihrer Kerne distal und zwei proximal. Die Kerne der distalen Sehzellen liegen ungefähr in der Mitte des Ommas, die der proximalen — wie schon gesagt — ein wenig proximal hiervon. Auch auf Querschnitten läßt sich die Anordnung der Sehzellen recht gut erkennen (s. Fig. 5). Hier sehen wir, daß die beiden proxi- malen Sehzellen sich in den Kranz der distalen Zellen sozusagen ein- pressen. Es darf uns daher nicht wundernehmen, daß die zwei von der Basalmembran herkommenden Zellen auf Querschnitten die Form eines regulären Sechsecks zeigen. Daß die beiden proximalen Sehzellen zusammen Sechseckform annehmen, erklärt sich auf rein mechanischem Wege, genau wie das Faktum, daß nur die Cornealinsen polygonale Form zeigen, die an benachbarte anstoßen. (Die am Rande der Cornea gelegenen Linsen sind bekanntlich an ihrer Außenseite rund.) Die sechs distalen Sehzellen stehen kreisförmig, so daß jede der Zellen einen Kreissektor mit abgerundeter Spitze bildet. Es kann also die Form der zwei sich einschiebenden proximalen Zellen — wenn wir die hier obwaltenden Druckverhältnisse bedenken — keine andre als Sechseckform sein. 3. Hydrometra 'palustris. Wie das Auge von Ranatra linearis, so ist auch das von Hydrometra palustris ein typisches Doppelauge, das beiden Geschlechtern, Männchen und Weibchen, in gleicher Weise zukommt. Wiewohl das Ventralauge kleiner ist als das Dorsalauge, ist es doch das besser differenzierte. In ihm stehen die Ommatidien dicht aneinander gedrängt, im Dorsalauge stehen sie in relativ weiten 432 Kurt Bedau, Abständen voneinander entfernt. Während bei Ranatra die Nebenpig- mentzellen im Dorsalauge gelbes und im Ventralauge rotes Pigment aufweisen, sind die Nebenpigmentzellen im Hydrometra- Auge dorsal und ventral mit Pigment gleicher, brauner Tinktion ausgestattet. Auch die Quantität des Pigmentes ist in den Nebenpigmentzellen bei Hydro- metra dorsal und ventral die gleiche, anders in den Retinapigmentzellen. Diese Zellen sind im ventralen Auge viel reicher mit Pigment versehen als im dorsalen. Die Farbe des Pigmentes der Retinapigmentzellen ist dorsal und ventral gleich, braun. Das zweite Moment, das bei dem Studium des Ranatra- AMge^ auffällt, ist das seltsame Verhalten der Pigmentzellen oberhalb der Membrana fenestrata, die dorsal und ventral nur ein Stück der Basal- membran aufsitzen, ihr aber dann in einem zu offenen Bogen aus- weichen, dessen höchster distaler Punkt genau auf der idealen Scheide zwischen dem Dorsal- und Ventralauge liegt. Das Abrücken der Pig- mentzellen von der Basalmembran finden wir bei Hydrometra zum Extrem ausgebildet. Keine einzige der Pigmentzellen, die im Notonecta- Auge der Membrana fenestrata direkt aufsitzen und im Ranatra-Auge wenigstens zum Teil, liegt im Hydrometra- Auge mit ihrem Kern der Basalmembran auf. In einem zu ihr offenen Bogen weichen sie ihr aus. Im Ranatra-Auge hat dieser Bogen ungefähr die Form einer Parabel, im Hydrometra- Auge, weist er — an dem einen Ende der Membran be- ginnend und an dem andern aufhörend — einen aufsteigenden und einen absteigenden Ast auf, zwischen welchen beiden die Kurve ein Stück fast parallel der Basalmembran verläuft. Ihren höchsten distalen Punkt erreicht die Kurve in dem Augenblick, in dem sie, von der Ventralseite des Auges kommend, dorsal umbiegt und so den ersten Knick des Bogens beschreibt (s. Fig. 6). Dieser höchste distale Punkt der Kurve hegt wie bei Ranatra so auch bei Hydrometra genau auf der idealen Scheide zwischen dem Ventral- und Dorsalauge. Von dem eben erwähnten Knick an läuft die Kurve ein gut Stück der Basalmembran fast parallel, um dann schließlich, im lateral-dorsalen Teil des Auges einen zweiten Knick ausführend, wieder der Membrana fenestrata zuzustreben. Während bei den bisher beschriebenen Wasserwanzen und später noch zu schildernden die Ommatidien im dorsalen und ventralen Teil des Auges dieselbe Länge besitzen, sind die ventral stehenden Omma- tidien im Dorsalauge von Hydrometra ungleich länger als all die andern (s. Fig. 6). Fig. 7 a gibt ein Ommatidium aus dem ventralen Teil des Dorsalauges wieder, Fig. 7 h ein nicht im genannten Teil stehendes. Aus den beiden Abbildungen ist ersichthch, daß ein Ommatidium Das Facettenauge der Wasserwanzen. 433 einschließlich der zugehörigen Corneafacette, das nicht im ventralen Teil des Dorsalaiiges steht, genau so groß ist als das Omma eines Facettcngliedes, das eben in besagter Region des Auges liegt. Be- denkt man ferner, daß die Vitrella eines Ommatidiums aus dem ven- tralen Teil des Dorsalauges beinahe dreimal so lang ist als das Kristall- zelleugebilde eines andern, nicht in diesem Bezirk des Auges gelegenen Facettengiiedes, so resultiert hieraus, daß ein Ommatidium aus dem ventralen Teil des Dorsalauges um ein Beträchtliches länger ist als ein solches, das nicht im besagten Teile steht. Dadurch, daß die ventral stehenden Ommatidien des Dorsalauges, also die central gelegenen des Gesamtauges, bedeutend länger sind als ihre Nachbarommatidien, macht das Auge von Hydrometra palustris, auf dem Längsschnitt in toto betrachtet, den Eindruck der Dreiteilig- keit: Ventral- und Dorsalauge, letzteres aus dorsaler und ventraler Region bestehend. Das Faktum, daß die central gelegenen Omma- tidien im Facettenauge eine Verlängerung erfahren können, wobei es sich nicht nur um eine Differenzierung zum Doppelauge zu handeln braucht, hat bereits Dietrich bei Laphria flava nachgewiesen. Dadurch, daß sich die ventral stehenden Ommatidien im Dorsal- auge so außerordentlich langgestreckt haben, hat ein Teil der Kristall- zellkerne seine ursprüngliche Lage aufgeben müssen. Während sonst die Kerne der Vitrella in einer Ebene liegen, sind zwei Kerne der Kristall- zellen im ventralen Teil des Dorsalauges tiefer, d. h. mehr distal als die beiden andern gelegen. Dies in die Tieferücken der zwei Zellkerne erklärt sich also auf rein mechanischem Wege. Die Ommatidien haben sich in der Längsrichtung kräftig entwickelt, und bei dieser Entwicklung ist eben ein Teil, die Hälfte der Vitrellakerne in der Längsrichtung verlagert und in die Tiefe gerückt. Die Differenzierung zu einem Doppelauge, das seltsame Verhalten der Retinapigmentzellen und die beträchtliche Länge der ventral- stehenden Ommatidien des Dorsalauges, das alles sind Momente, die uns sofort auffallen müssen, zumal das an letzter Stelle angeführte. Denn gerade durch dieses Moment erhält das acone Hydrometra- Auge ein außerordentlich schlankes Aussehen. Wir werden, wenn wir das Auge von Hydrometra in toto auf einem gut geführten Längsschnitt betrachten, unwillkürlich an das eucone Auge erinnert mit seinen — im Verhältnis zu den Vitrellen — schlanken Kristallkegeln und seinen schlanken Ommen. Studieren wir den anatomischen Bau des Hydro- metra-Auges näher, so werden wir bei der Betrachtung der Neben- pigmentzellen von neuem an das eucone Auge denken. Bei Hydrometra Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 29 434 Kurt Bedau, sind um jedes Ommatidium sechs Nebenpigmentzellen in Form eines sechszackigen Sternes gruppiert, so daß je eine Zelle drei Omma- tidien angehört. Es ist dies dasselbe Bild, wie es so typisch und durch- gehend bei sämtlichen Lepidopteren, den Tag- und den JS'achtschmetter- lingen, auftritt. Die Kerne der spindelförmigen Nebenpigmentzellen hegen in der Höhe der Vitrellakerne (s. Fig. 8). Wie bei Notonecta glauca und Ranatra linearis, so setzt sich auch bei Hydrometra palustris jedes Omma aus acht Sehzellen zusammen, von denen sechs distal und zwei proximal gelegen sind. Die sechs distalen Zellen sind — wie bei Ranatra — in Kreisform angeordnet und morphologisch gleichwertig (s. Fig. 9). In diesen Kreis der sechs distalen Sehzellen schieben sich von der Basalmembran aus die beiden morphologisch gleichwertigen proximalen Zellen ein. An ihnen sind die nicht pigmentierten Teile weit besser entwickelt als die pigmentierten. Während die letzteren nur halbe Ommalänge besitzen, lassen sich die Rhabdomere der beiden proximalen Zellen distal fast bis zum distalen Retinulaende verfolgen. Daß Querschnitte in Höhe des distalen Re- tinulaendes einen weiten freien Raum zwischen den sechs distalen Seh- zellen und den Rhabdomeren der beiden proximalen Zellen erkennen lassen (s. Fig. 9), ist offenbar auf Schrumpfungserscheinungen der Ge- webe zurückzuführen. Aller Wahrscheinlichkeit nach liegen die zwei proximalen Zellen den sechs distalen eng an. Auf Längsschnitten (s. Fig. 7) sind von der Cornea aus gerechnet sechs Sehzellkerne im ersten und zwei weitere im dritten Viertel der Retinula gelegen. In den proximalen wie in den distalen Hydrometra- Sehzellen sind demzufolge die Kerne im distalen Teil der Zelle gelegen. 4. Nepa cinerea. Das iVe^^a-Auge ist das dritte — die beiden andern sind die von Notonecta und Ranatra — von Gkenacher untersuchte Wasserwanzen- facettenauge. Da ich das iVe^^a-Auge in mehr als einem Punkt durch- aus verschieden von dem Notonecta- und Äona^ra-Auge gebaut gefunden habe, will ich es, sofern wesentliche morphologische Abweichungen den andern beiden Augen gegenüber bestehen, eingehend besprechen. So typisch wie bei Ranatra linearis und Hydrometra palustris ist die Differenzierung des Auges ins Doppelauge bei N&pa cinera nicht (s. Fig. 10). Immerhin läßt es sich sehr wohl nachweisen, daß der dorsale Teil des Nepa-Auges besser differenziert ist als der ventrale. Das Dorsalauge von Nepa macht beinahe drei Viertel des gesamten Auges aus. Die Ommatidien stehen im dorsalen Teil des Auges viel Das Facettenaupe der Wasserwanzen. 435 enger aneinander als im ventralen, und auch die optische Isolierung der einzelnen Facettenglieder, bewerksteüigt durch das Pigment der Neben- und Retinapigmcntzellen, ist dorsal besser als ventral. Die Pigmentzellen des gesamten iVe^a- Auges führen braunes Pigment. Im Dorsalauge sind die Neben- und Retinapigmentzellen viel stärker mit Pigmentkörnchen ausgestattet als im Ventralauge, und so läßt sich eine genaue Grenze zwischen Dorsal- und Ventralteil des Auges ziehen im Gegensatz zu Notonecta. Im Auge dieses Tieres geht — wie früher gezeigt — das rote Pigment der Nebenpigmentzellen des Ventral- auges ganz allmählich über in das braune des Dorsalauges, und die intensive Pigmentierung der ventralen Retinapigmentzellen nimmt dorsal ganz allmählich ab. Anderseits läßt sich die ideale Scheide zwischen Dorsal- und Ventralauge bei Nej)a cinerea nicht auch noch dadurch markieren, daß etwa die Retinapigmentzellen, wie bei Ranatra und Hydrometra, der Membrana f enestrata in einem zu ihr offenen Bogen dorsal und ventral ausweichen, und daß dann der höchste distale Punkt der erwähnten Kurve gerade auf die Dorsal- und Ventralauge trennende Linie zu liegen kommt. Wie bei Notonecta, so liegen auch bei Nepa die Retinapigmentzellen der Basalmembran in ihrer vollen Ausdehnung, ventral und dorsal, mit ihren kugeligen Kernen auf (s. Fig. 10). Ein zweites morphologisches Moment, das das gesamte Auge von N&pa betrifft und physiologisch sicher von großer Bedeutung ist, ist die außerordentlich kräftige Entwicklung der Cornea und die damit verbundene auffallende Verkleinerung des Kristallzellengebildes. Wie bei all den andern Wasserwanzen, so haben wir auch bei Nepa an der Cornea zwei Schichten zu unterscheiden, eine äußere, hellere und eine innere, dunklere. Die Cornea von Nepa ist nach außen leicht konvex gewölbt über jedem Facettengliede, nach innen außerordentlich konvex, so daß sich die Cornea zapfenförmig in das Kristallzellengebilde eines jeden Ommatidiums einschiebt. Wir haben, analog den Befunden Kirchhoffers bei pentameren Käfern, eine mit Fortsätzen, Processus corneae, versehene Cornea vor uns (s. Fig. 11). Dadurch, daß sich in das Kristallzellengebilde eines jeden Ommatidiums ein Processus cor- neae einschiebt und komprimierend auf das Plasma der Vitrella wirken muß, bekommen die Kristallzellgebilde ein plumpes Aussehen. Auf Längsschnitten hat es zuweilen den Anschein, als füllten die Kerne der Kristallzellen beinahe den ganzen Raum der Vitrella aus. Das plumpe Aussehen der Kristallzellengebilde wird noch unterstützt durch die auf- fallend mächtige Entwicklung der Hauptpigmentzellen, deren Pigment- körnchen wie bei den andern Wasserwanzen kugelig und in regulären 29* 436 Kurt Bedau, Querreihen angeordnet sind. Schon im Verhältnis zur Notonecta- Vitrella ist das Kristallzellengebilde von Nepa plump gebaut zu nennen, in wieviel höherem Maße im Verhältnis zu der so grazil geformten Vitrella von Hydrometra. Während wir bei Betrachtung eines Längs- schnittes durch das Hydrofnetra-Auge mit seinen schlanken Vitrellen und seinen schlanken Ommen an das eucone Auge erinnert werden, haben wir es in dem Auge von Nepa mit dem gerade entgegengesetzten Extrem zu tun. Das Nepa-Auge ist kein typisch acones, es repräsen- tiert vielmehr eine Übergangsform vom aconen zum pseudoconen Auge. Wie bei Ranatra linearis, so hat auch bei Nepa cinerea jedes Fa- cettenglied seinen eignen Kranz von Nebenpigmentzellen (s. Fig. 12). Um jedes Ommatidium sind zwölf Nebenpigmentzellen kreisförmig angeordnet. Die Kerne dieser Nebenpigmentzellen sind oval und liegen in Höhe der Hauptpigmentzellkerne, zuweilen ein wenig tiefer, in Höhe des distalen Eetinulaendes. Wie bei den andern vorher beschriebenen Wasserwanzen besteht auch bei Nepa jedes Orama aus acht Sehzellen, sechs distal und zwei proximal gelegenen. Die sechs distalen Sehzellen bilden einen Kreis, in dem sich die beiden proximalen von der Basalmembran aus einschie- ben. Von den distalen Sehzellen sind zwei Paar morphologisch gleich- wertig. Diese beiden Paare stehen sich gegenüber; zwischen ihnen liegen die ungleich größeren, beiden andern Sehzellen. Die letzteren sind ungefähr doppelt so groß als die ersteren (s. Fig. 12). Die ovalen Kerne der sechs distalen Sehzellen liegen an der Stelle, an der die proximale Hälfte des Ommas ihren Anfang nimmt. Wiewohl die beiden proximalen Sehzellen ungefähr nur ein Drittel so groß sind als die distalen, lassen sich an ihnen doch sehr wohl die für jede Sehzelle des aconen Auges typischen zwei Teile unterscheiden, der pigmentierte und der pigmentfreie. Die beiden proximalen Sehzellen sind morpho- logisch gleichwertig. Ihre Kerne, die gleich denen der andern Sehzellen ovale Form haben, liegen am distalen Ende der Zellen. 5. Naucoris cimicoides. Während das Auge von Notonecta auf dem Längsschnitt fast lang- gestreckt erscheint, das Auge von Hydrometra und Nepa eine mehr oder minder stark gewundene Kurve beschreibt und das Auge von Ranatra beinahe kugelig ist, gleicht das Auge von Naucoris cimicoides auf dem Längsschnitt einer flachen Schale. Die Ommatidien in ihrer Gesamtheit sitzen der inneren Begrenzungslinie der Cornea fast eben auf (s. Fig. 13). Das Facettenauge der Wassor\Minz,cn. 437 Wie bei den früher beschriebenen Wasserwanzen, so ist auch bei Naucoris eine Differenzierung ins Doppelauge deutlich nachweisbar. Was den Grad der Differenzierung anbetrifft, so möchte ich Naucoris mit Notonecta auf die gleiche Stufe stellen. Während bei Notonecta und Hi/drometra der ventrale Teil des Auges der differenziertere ist, ist es bei Naucoris, in Übereinstimmung mit Ranatra und Nepa, der dorsale. In ihm stehen die Ommatidien enger zusammen als im ven- tralen. Auch die optische Isolierung der einzelnen Facettenglieder ist im dorsalen Auge besser als im ventralen. Während das Pigment der Neben- und Retinapigmentzellen im dorsalen Teil des Auges purpur- rot ist, hat es im ventralen Teil eine typisch braune Farbe. Jedoch läßt sich — genau den Verhältnissen bei Notonecta entsprechend — eine scharfe Grenze zwischen dem purpurroten und braunen Pigment nicht ziehen. Das rote Pigment geht ganz kontinuierlich über in das braune. Auch was die Quantität der einzelnen Pigmentkörnchen in den Zellen anbetrifft, sind die Neben- und Retinapigmentzellen des dorsalen Augenteils denen des ventralen nicht gleich. Die Pigment- zellen im Dorsalauge enthalten bei weitem mehr Pigmentkörnchen als die im Ventralauge. Bei der Betrachtung des A'^a^^com-Längsschnittes drängt sich uns noch ein zweites Moment sofort auf. Bei den bisher beschriebenen Wasserwanzen haben wir die Basalmembran der Cornea stets konzen- trisch — oder wenigstens fast konzentrisch — laufend gesehen, bei Naucoris ist dies nicht der ^all. Sie beschreibt einen, wenn auch minimalen, der Cornea zu offenen Bogen. Dieser ist mit seiner ge- ringen Krümmung natürlich nicht entfernt etwa mit der Kurve zu vergleichen, in der z. B. bei Ranatra ein Teil der Retinapigmentzellen der Membrana fenestrata ausweichen. Die Krümmung der Basal- membran von Naucoris ist klein, immerhin aber so groß, daß die Omma- tidien, die den mittleren Partien der Membrana fenestrata aufsitzen, deutlich länger erscheinen als ihre Nachbarommatidien. Der am meisten proximal gelegene Punkt der Basalmembran liegt im dorsalen Teil des Auges, ein wenig dorsal von der Mediane des Gesamtaüges. Bei dem Studium des einzelnen Facettengliedes aus dem Naucoris- Auge erkennt man, daß dieses in seinem morphologischen Aufbau dem von Nepa cinerea außerordentlich nahe steht. Haben wir schon in Ne^M den Repräsentanten einer Übergangsform vom aconen zum pseudoconen Auge gesehen, so haben wir im iVawcom- Auge das Extrem vor uns. Das Naucoris- Xvige, ist eine Übergangsform vom aconen zum pseudoconen Auge, wie wir sie uns typischer kaum vorstellen können (s. Fig. 14). 438 Kurt Bedau, Die Cornea ist geradezu gewaltig entwickelt. Von ihrem distalsten bis zu ihrem proximalsten Punkte gemessen ist sie genau ein halbmal so lang wie das ihr zugehörige Omma mit der Vitrella. Wie bei den vorher geschilderten Corneae, so lassen sich auch bei der Cornea von Naucoris deutlich zwei Schichten unterscheiden. Die äußere, hellere ist winzig im Verhältnis zu der inneren, dunkleren, die einen wohl- entwickelten Fortsatz, Processus corneae, in jedes einzelne, von einer mächtigen, von den beiden Hauptpigmentzellen gebildeten, Pigment- hülle umgebene Kristallzellengebilde entsendet. Erhält das Naucons-Aug,e schon durch seine gewaltig entwickelte Cornea und seine relativ kleinen, von außerordentlich starken Pigment- hüllen umgebenen Vitrellen ein plumpes Aussehen, so wird dieses noch erhöht durch die auffallend kurz und breit gebauten Ommen. Das Naucoris-Om.m2i verjüngt sich proximal nur um weniges; es ist an seinem proximalen Ende fast so breit wie an seinem distalen. Wie bei den andern Wasserwanzen, so setzt sich auch bei Naucoris jedes Omma aus acht Sehzellen zusammen. Von diesen sind sechs distal und zwei proximal gelegen. Die sechs distalen Sehzellen sind in Kreisform angeordnet und morphologisch gleichwertig. In diesen geschlossenen Kranz der sechs distalen Sehzellen, schieben sich von der Basalmembran aus die gleich großen beiden proximalen Sehzellen ein. Die letzteren sind relativ klein ; ihre Länge beträgt nur den dritten Teil der Ommalänge (s. Fig. 14). Trotzdem lassen sich an ihnen sehr wohl pigmentierter und pigmentfreier Teil in gleich guter Entwicklung nachweisen. Wie bei Ranatra und Nepa, so hat auch bei Naucoris jedes Omma- tidium seinen eignen Kranz von Nebenpigmentzellen. Um jedes Omma- tidium sind 18 Nebenpigmentzellen in Kreisform angeordnet (s. Fig.l5). Die Kerne dieser Zellen liegen in Höhe der Kristallzellenkerne. 6. Corixa Geoffroyi. Wenn ich nicht zuerst Notonecta glauca eingehend untersucht und demzufolge von ihr Zeichnungen angefertigt hätte, die auch für die andern Wasserwanzen — cum grano salis — Geltung haben, so würde ich die Beschreibung des Auges von Corixa Geoffroyi, die nunmehr den Schluß des ersten Kapitels des morphologischen Teiles dieser Arbeit bildet, an die Spitze desselben gestellt haben. Denn das Auge von Corixa ist der Typus des aconen Auges, ohne die geringste Differen- zierung ins Doppelauge aufzuweisen. Während das Auge von Notonecta, Nepa und Naucoris in ihrem Bas Facettenauge der Wasserwanzen. 439 anatomischen Bau die Tendenz erkennen lassen, sich in ein Ventral- und Dorsalauge zu differenzieren, und Ranatra und Hydrometra typische Doppelaugen besitzen, ist bei Corixa im männlichen wie im weiblichen Geschlecht der dorsale Teil des Auges genau so gebaut wie der ven- trale. In beiden Teilen stehen die einzelnen Facettenglieder in gleich großen Abständen voneinander entfernt (s. Fig. 16). Das Pigment der Neben- und Retinapigmentzellen — die letzteren liegen mit ihren rundlichen Kernen der Basalmembran in ihrer vollen Ausdehnung auf — ist im dorsalen und ventralen Teil des Auges gleicher Tinktion: prächtig purpurrot. Auch die Quantität der Pigmentkörnchen in den einzelnen Zellen ist dorsal und ventral durchaus die gleiche. So steht also das Auge von Corixa Geoffroyi als Typ des aconen Auges ohne jede Differenzierung zu einem Doppelauge zu sämtlichen andern vorher beschriebenen Wasserwanzenaugen im Gegensatz. Wenn ich auf den dioptrischen Apparat von Corixa Geoffroyi, der, abgesehen von untergeordneten Größedifferenzen, dem der andern Wasserwanzen durchaus gleich gebaut ist, mit wenigen Worten ein- gehe, so geschieht es lediglich darum, um am Schlüsse des ersten Ka- pitels des morphologischen Teiles dieser Arbeit das zu rekapitulieren, was wir vom dioptrischen Apparat des aconen Auges wissen : die Cornea ist aus einzelnen Chitinlamellen aufgebaut und läßt deutlich zwei Schichten erkennen, eine dünne, helle und eine dicke, dunkle. Der Tinktion entsprechend ist die äußere Schicht — was die Konsistenz anbetrifft — die widerstandsfähigere. Der Cornea liegen proximal die Vitrellen mit ihren — den SEMPERschen Kernen im euconen Auge homologen — Kernen eng an. Die einzelnen Kristallzellengebilde sind von einer Pigmenthülle umgeben, die von den beiden Haupt- pigmentzellen gebildet wird, die mit den Corneagenzellen der Crusta- ceen zu homologisieren sind. Die Kerne der Hauptpigmentzellen liegen lateral der Spitze des Kegels, den das Plasma der vier Ki-istall- zellen bildet. Die Zahl und Anordnung der Nebenpigmentzellen ist bei Corixa genau so wne bei Notonecta. Um jedes Facettenglied stehen 18 Nebenpigmentzellen, von denen zwölf je zwei benachbarten Omma- tidien angehören und die übrigen sechs je drei benachbarte Omma- tidien begrenzen. Die Kerne der Nebenpigmentzellen sind länglich und nur um weniges tiefer gelegen als die Kerne der Kriställzellen. Zwar ist die Zahl der Sehzellen in jedem Omma bei Corixa genau die gleiche wie bei den andern Wasserwanzen, aber ihre Anordnung ist eine andre. Während im Omma von Notonecta und den andern beschriebenen Hemipteren sechs Zellen distal und zwei proximal liegen, 44:0 Kurt Bedau, sind bei Corixa vier distal und vier proximal angeordnet (s. Fig. 17). Die vier distalen Sehzellen sind besser entwickelt als die vier proxi- malen ; sie sind länger und auch dicker. Die vier distalen Zellen bilden einen offenen Kranz, an dessen Enden die größten Zellen stehen. Wie bei Notonecta, so sind auch bei Corixa die Nachbarzellen der beiden »Torzellen« die zweitgrößten. Den offenen Kranz der vier distalen Zellen schließen die in ihn von der Membrana fenestrata aus eindrin- genden vier proximalen Zellen. Auch diese sind morphologisch nicht gleichwertig. Während zwei von ihnen ungefähr drei Viertel Länge des Gesamtommas besitzen und dicker sind, sind die beiden andern ein wenig kürzer und dünner. Die Kerne der vier distalen Sehzellen liegen am Ende des distalen Drittels des Ommas, die der vier proximalen am Ende des proximalen Drittels (s. Fig. 18). B. Die Innervation der Retinula und die Ganglien. Im Jahre 1869 hat Max Schultze in seiner Arbeit »Über die Nervenendigung in der Netzhaut des Auges bei Menschen und Tieren« eine treffende Definition für den Vorgang des Sehens im weitesten Sinne unter Ausschluß der psychischen Parallelvorgänge gegeben: »Sehen ist die Umwandlung derjenigen Bewegung, auf welcher das Licht beruht, in eine andre Bewegung, die wir Nervleitung nennen.« Das Sehen im tierischen Organismus bewerkstelligen die für diesen Zweck eigens angelegten und typischen Sehzellen. »Allen Sehorganen, die wir mit Sicherheit als solche kennen, ist ein Bestandteil gemeinsam: das sind die recipierenden Sinneszellen, die Sehzellen. Die Sehzellen sind stets primäre Sinneszellen, d. h. jede Zelle steht in ununterbro- chenem Zusammenhange mit einer Nervenfaser, die ein Fortsatz dieser Zellen ist.« (Hesse 1908.) Abgesehen von dem Farbensehen — ein Kapitel, über das die Akten durchaus noch nicht geschlossen sind — haben wir Hell-, Dunkel-, Eichtungs-, Bewegungs-, Entfernungs- und Form- oder Bildsehen zu imterscheiden. Im Facettenauge können — je nach der Lage des Pigments — Appositions- und Superpositions- bilder entstehen. Welche Art von Bild aber auch im Facettenauge zustande kommen mag, so steht doch das eine fest, es wird stets von primären Sinneszellen, von den Sehzellen recipiert. Bei sämtlichen Wasserwanzen ließen sich — wie aus dem ersten Kapitel des morpho- logischen Teiles dieser Arbeit ersichtlich ist — in jedem Omma acht Sehzellen nachweisen. Diese Achtzahl der Sehzellen ist ja auch ent- wicklungsmechanisch leicht begreiflich. Durch dreimalige Zweiteilung der Urzelle sind in jedem Omma acht Zellen entstanden, ein Faktum, Das Faceltciiaugo der Wasserwanzen. 441 auf das in der neueren Literatur vielfach hingewiesen worden ist (Hesse, KiKCHHOFFER, Dietrich). An jeder dieser Sehzellen sind bei dem aconen Auge der im Wasser lebenden Wanzen stets zwei Teile streng voneinander zu unterscheiden: der pigmentierte und der pigmentfreie Teil. Der letztere repräsentiert auf Längs- und Querschnitten eine durch aUvS homogene Masse und führt nach Ray Lankester auch die Benennung Rhabdomer. Verschmelzen die Rhabdomere eines Omma zu einem einheitlichen Gebilde, so spricht man von dem Zustandekommen eines Rhabdoms. Die acht Rhabdomere und die acht pigmentierten Teile der Sehzellen zusammen machen das Omma Grenachers aus. Sie repräsentieren den »Nervenstab « Leydigs und den >>Sehstab<< Max Schultzes. Die Onimen sind die percipierenden Elemente im Fa- cettenauge und sind streng vom dioptrischen Apparat, der Cornea und den Vitrellen, zu unterscheiden. Nach Hesse sind die Rhabdomere »nichts andres als Stiftchen- säume, deren Stiftchen oft zu einem einheitlichen Stab von nahezu cuticularer Konsistenz verbacken sind<<. Unter den Stiftchen versteht Hesse besonders differenzierte Fibrillenenden. Dietrich konstatiert in seiner Arbeit über »Die Facettenaugen der Dipteren« die Existenz von »Ganglien«- und »Retinulaf asern «. Er kommt schließlich zu dem Satze: »durch die Befunde gewinnt es an Wahrscheinlichkeit, daß bei den Dipteren nicht, wie bisher allgemein für die Insekten ange- nommen wurde, ein imd dieselbe Nervenfaser von der Retinulazelle direkt nach dem Gehirn verläuft, sondern daß die Reizleitung vom Ommatidium aus zunächst nur bis zum äußeren Opticusganglion erfolgt, daß dort eine gesetzmäßige Umordnung der Fasern einer Retinula stattfindet und daß von da aus andre Fasern die Nervleitung nach dem Gehirn übernehmen.« Soweit es die von mir angewandten ein- fachen Methoden gestatteten, habe ich mich bemüht, zu ergründen, in welcher Beziehung Rhabdomer, Stiftchensaum, Ganglien- und Re- tinulaf aser zueinander stehen. Leider mußte ich jedoch sehr bald ein- sehen, daß meine L^ntersuchungen, die Innervation der Retinula be- treffend, nicht von Erfolg begleitet sein sollten. Selbst bei Benutzung von Kompensationsocular 18, 1/16 ölimmersation und Apochromaten (System Zeiss, Jena) ist es mir nicht gelungen, die durch die Foramina der Membrana fenestrata in die Ommatidien eintretenden Nervenfasern innerhalb der Retinula nachweisen zu können, nicht einmal an Präpa- raten, die nur 2 n dick und fast vollkommen entpigmentiert waren, ohne daß sie dabei etwa wesentlich geschrumpft oder gar maceriert gewesen wären. Ich habe weder die Retinulaf aser Dietrichs, noch die 442 Kurt Bedau, Stiftchensäiime Hesses sehen können. Nur das eine habe ich mit Sicherheit konstatieren können, daß in jedes Omma der Zahl der Seh- zellen entsprechend acht Nervenfasern eintreten. Direkt unterhalb der Membrana fenestrata kann man diese acht Nervenfasern innerhalb der sie gemeinsam umgebenden Hülle deutlich getrennt liegen sehen. Als ich die Präparate von Hydrometra 'palustris auf die Innervation der Retinula hin prüfte, fiel mir innerhalb einer jeden der sechs distalen Sehzellen ein Gebilde auf, das — soweit ich die Literatur überblicke — bislang noch nicht beschrieben worden ist. Dieses Gebilde liegt central im plasmatischen Teil der Sehzellen und hat auf dem Querschnitt die Form eines Stäbchens mit knopfartiger Anschwellung. Auf dem Längsschnitt erscheint es als heller Streifen, der am distalen Ende einer jeden der sechs distalen Retinulazellen beginnt und sich bis zur Basalmembran hermiter deutlich verfolgen läßt. Auf dem Querschnitt (s. Fig. 9) sehen wir der knopfartigen Anschwellung des Stäbchens central im pigmentierten Teil einer jeden der sechs distalen Sehzellen ein Gebilde gegenüber liegen von der Form, wie sie sie Fig. 9 ver- anschaulicht. Eine Verbindung des Stäbchens mit dem Gebilde im pigmentierten Teil der Sehzelle habe ich nicht nachweisen können, anderseits habe ich ebensowenig eine scharfe Grenze ziehen können zwischen den beiden eben beschriebenen Gebilden. Der zwischen ihnen liegende Bezirk bietet ein durchaus verschwommenes Bild dar. Das Stäbchen mit der knopfartigen Anschwellung im plasmatischen Teil einer jeden der sechs distalen HydrometraSehzeWen ist von hohem Lichtbrechungskoeffizienten und hat vielleicht die Bestimmung — wie auch Herr Professor Held, der mir einen trefflichen ZEiss-Apo- chromaten zur Verfügung stellte, es nicht für ausgeschlossen hält — licht- sammelnd zu wirken. Ich gedenke, noch in der nächsten Zeit dies- bezügliche Untersuchungen anstellen zu können und behalte mir dem- zufolge eine weitere Veröffentlichung hierüber vor. Am Schlüsse des ersten Teiles von dem Kapitel, das von der Inner- vation der Retinula und den Ganglien handelt, sei es mir noch ge- stattet, auf ein Moment einzugehen, das nur indirekt in diesen Ab- schnitt meiner Abhandlung gehört. Als ich an einem Notonecta-Viä,- parat, das zweimal 24 Stunden in der von Grenachee angegebenen Entpigmentier ungsflüssigkeit gelegen hatte, den Bau der Vitrella stu- dierte, wurde ich lebhaft an die im Jahre 1886 veröffentlichten "Eyes of Molluscs and Arthropods" Pattens erinnert. Schon 10 Jahre nach dem Erscheinen dieser Arbeit bezeichnet sie Chun in seiner »At- lantis« als »Blendfeuerwerk«. Hesse kommt 1901 zu dem Schluß, Das Faoettenauge der Wasepiwanzen. 443 daß Patten gut daran getan hätte, wenn er »mit weniger Aufwand überlegenen Triumphierens sein bescheidenes Ergebnis — er wies nämlich als erster Cornea genzellen bei Decapoden nach — in ein be- bescheidenes Gewand gekleidet hätte«. Wenn ich trotzdem noch ein- mal auf die PATTENsche Arbeit zurückkomme, so tue ich es, lediglich um zu zeigen, was Patten vielleicht als Nervenfibrillen im dioptrischen Apparat Grenachers angesprochen hat. Betrachtet man eine Vitrella, deren Pigmenthülle mit Hilfe eines chemischen Keagens zerstört worden ist, die aber trotzdem in ihrer Plasmastruktur — abgesehen von mini- malen Schrumpfungen — nicht verletzt ist, so sieht man auf dem Längsschnitt die Plasmagrenzen der vier Kristallzellen intensiv gefärbt längs verlaiifend. Außer- dem beobachtet man noch Linien, die die schon erwähnten kreuzen (s. Textfig. 5). Bei meinen Hämalaunpräparaten sind sie tiefblau gefärbt und können so bei ober- flächlicher Betrachtung den Eindruck von Nervenfibrillen vortäuschen. Offenbar hat Patten theoretischen Vorstellungen zu- liebe diese Konturen und sich kreuzende Linien als Nerven fibrillen gedeutet, so daß er in dem Kapitel "Vision in the Textfig. 5. Vitrella von yotonecta glauca im Längs- schnitt, die Plismastruktur der Kri- CompOUnd Eye" zu dem Satze kommt: stallzellen zeigend. S. III, 1/12 Immers. "A series of cross nerve-fibrillae can be traced in the crystalline cone or in the place, where the cone should be, when it is absent, exactly similiar to those nerve endings in the rods, or percipient Clements, of all other animals." Eine dünne, chitinöse, für den Durchtritt von Nerven und Tra- cheen durchlöcherte Membran, die aus der Basalmembran der em- bryonalen Hypodermiszellen hervorgegangen ist, grenzt als Boden das Auge gegen das Gehirn zu ab. Von dieser Membrana fenestrata aus ziehen, der Anzahl der Ommatidien entsprechend, aus denen sich das Auge zusammensetzt, Nervenbündel zum Centralhirn. Die Partie von der Basalmembran bis zur Ganglienzellkernschicht des peripheren oder ersten Opticusganglion ausschließlich möchte ich mit dem Namen »Nervenbündelschicht« belegen. Dadurch bekunde ich schon äußer- lich, daß ich den besagten subocularen Raum als der Retina, dem Facettenauge im engeren Sinne, zugehörig betrachte und ihn nicht — im Gegensatz zu Haller z. B. — als einen Teil des peripheren Ganglions 444 Kurt Beclau, betrachte. Die »Nervenbündelschicht« als einen Teil der Retina selbst anzusehen, halte ich mich für durchaus berechtigt, in Übereinstimmung mit Beegee, Claus, Loven, Radl und Dieteich. Bei den Wasser- wanzen sind die den Ganglienapparat aufbauenden Elemente »durch- aus nicht so subtiler Struktur und schließen sich durchaus nicht zu so einer verwirrenden Menge gleichartiger Elemente von geringsten Dimensionen zusammen, daß ihre gegenseitigen Beziehungen schwer festzustellen wären« (wie bei den Dipteren), so daß wir sehr gut unter- scheiden können, wie weit die Retina reicht und wo das eigentliche Opticusganglion beginnt. Wiewohl ich die Ansicht Beegees teile, daß die »Nervenbündelschicht« dem Facettenauge im engeren Sinne zuzurechnen ist, werde ich es vermeiden, doch die alte Nomenklatur (Sehstab-, Nervenbündel-, Körner-, Molecular- und Ganglienzellen- schicht) beizubehalten. Sie ist meiner Ansicht nach viel zu kompliziert und nur dazu angetan, eine an sich klar liegende Tatsache zu ver- wirren. Ich habe im Laufe meiner Untersuchungen die Überzeugung gewonnen, daß viele der früheren Autoren die Ganglien für viel kom- plizierter gebaut halten, als sie es in Wirklichkeit sind. So kann ich es mir beispielsweise nicht erklären, wie Rädl an einem einzigen Gan- ghon (am zweiten Opticusganglion von AescJina grandis) nicht weniger als 18 Schichten, verschieden in Dicke und Tinktion erkennen kann. Die »Nervenbündelschicht« erstreckt sich von der Basalmembran bis zur Gangiienzellkernschicht des peripheren Ganglions. Innerhalb dieses Bezirkes sehen wir der Anzahl der das gesamte Auge aufbauenden Ommatidien entsprechend Nervenbündel aus den Foramina der Membrana fenestrata austreten und radiär angeordnet auf direktem Wege, also ohne jede Kreuzung, zum peripheren Ganglion ziehen. Konzentrisch laufende Nervenfasern habe ich innerhalb der Nerven- bündelschicht nicht nachweisen können. (Für einige andre Arthropoden- augen ist es bekannt.) Die von der Retinula kommenden Nerven- bündel gehen teils völlig getrennt voneinander, teils Anastomosen imtereinander bildend, zu größeren Bündeln vereinigt, zum ersten Opticusganglion. Die Nervenbündel sind von einer deutlich wahrnehm- baren Hülle umgeben (s. Fig. 19). Während die Kerne der Zellen, die diese Hülle bilden, langgestreckt sind, haben die Kerne der Nervenfasern selbst rundliche, fast kugelige Form. Zwischen den Nervenbündeln innerhalb der »Nervenbündelschicht« können wir eine große Zahl von Tracheen nachweisen. An allen diesen Tracheen sind die drei für sie typischen Teile zu unterscheiden: die Matrix, der Kern und die Chitin- spirale. Außer den Tracheen finden wir in der »Nervenbündelschicht« Das Facetten ;iuü;(' dci- Wasserwan/on. 445 noch eine Menge von Blut- und Stützzellen vor. Die Stützzellen be- sitzen einen kleinen Körper und kurze Fortsätze, die sich nicht ver- ästeln, dünn und starr sind, oder schwach gewunden verlaufen. Die Kerne der Stützzellen sind im Verhältnis zum Zellkörper auffallend groß, haben ovale Form und führen außerordentlich viel Chromatin. Die in der »XervenbündeLschiclit << in reicher Zahl vorhandenen Blut- zellen sind Avohl entwickelt, und ihre Kerne sind bald von einem hellen und bald von einem dunklen Plasmahof umgeben. Die Kerne, die im dunklen Plasma eingebettet sind, sind chromatinarm, die andern chromatinreich, ein Faktum, für das ich eine Erklärung nicht zu geben vermag. Die von der »Nervenbündelschicht << proximal gelegenen drei Opticusganglien sind von einer Membran umgeben (s. Fig. 20). Diese ist kräftig entwickelt, bindegewebigen Charakters und weist in ihrem Innern kleine, vorzüglich längliche, zuweilen auch rundliche Zellkerne auf. Diese eben charakterisierte Membran liegt dem Ganglienapparat nicht eng an, und so darf es uns nicht wundernehmen, daß der proxi- male Teil der »Nervenbündelschicht« von ihr durchzogen wird. Im Gegensatz zu den Vertebratenganglien, deren Zellkerne stets central gelegen sind, sind im Arthropodenganglion die Zellkerne stets peripher angeordnet. Auf geeigneten Schnitten (s. Fig. 20) sehen wir, daß die Ganglienzellkerne des zweiten Ganglions am kleinsten und am dichtesten angeordnet sind. Die Kerne des peripheren und centralen Ganglions sind ungefähr zwei- bis dreimal so groß als die des zweiten Ganglions und liegen viel weiter auseinander als die letzteren. Die Ganglienzellkerne eines jeden Ganglions sind nicht durchgehend gleich groß und sind in verschiedenen Ebenen gelegen. Bei sämtHchen von mir untersuchten Wasserwanzen hat das periphere Ganglion Nierenform; das zweite Ganglion hat die Gestalt eines Kegels und das centrale Ganglion ist bohnenförmig. Die kon- vexe Seite des ersten Ganglions ist der Membrana fenestrata zuge- wandt, die konkave dem zweiten Ganghon. Dieses hat, wie schon ge- sagt, die Form eines Kegels. Die Basis des Kegels liegt der konkaven Seite des peripheren Ganglions zu, die Spitze ist proximal gerichtet. Nachdem die aus den Ommatidien kommenden Nervenbündel zusammen mit Tracheen, Stütz- und Blutzellen die »Nervenbündel- schicht« gebildet haben, durchsetzen sie die Ganglienzellkernschicht des peripheren Ganglions — innerhalb derer ebenso wie innerhalb der Zellkernschichten der beiden andern OpticusgangHon vereinzelt Blut- zellen nachzusweisen sind — , den ganzen Komplex der Zellkerne in 446 Kurt Bedau, eine Anzahl Einzelkomplexe teilend, das Ganglion selbst. Im peri- pheren Ganglion sind die einzelnen Nervenbündeln voneinander ge- trennt. Ehe die Nerven vom ersten Ganglion in das zweite eintreten, kommt es zu einer Nervenkreuzung, zu einem Chiasma nervorum opticorum (s. Fig. 20). Die aus dem ventralen Teil des ersten Gan- glions kommenden Nervenfasern laufen dorsal, treten also in den dorsal gelegenen Teil des zweiten Ganglions ein. Und umgekehrt ziehen die Nervenfasern aus dem dorsalen Teil des ersten Ganglions ventral, gehen demzufolge zu dem ventralen Teil des zweiten Ganglions. Wenn ich soeben von einem ventralen und einem dorsalen Teil des Ganglions gesprochen habe, so darf deshalb nicht angenommen werden, daß diese beiden Teile morphologisch voneinander in irgend einer Weise getrennt sind. Dorsaler und ventraler Teil des Ganglions ist in diesem Falle eine von mir willkürlich, lediglich der besseren Verständigung wegen, angenommene Bezeichnung. Die Differenzierung des Facettenauges ins Doppelauge greift bei den im Wasser lebenden Hemipteren nicht über in die Ganglien, wie dies bei einer ganzen Reihe doppeläugiger Dipteren, z. B. bei Bibiouiden und Simuliiden, nachgewiesen worden ist. Innerhalb des zweiten Opticusganglions, das die aus dem ersten Ganglion kommenden Nervenfasern allem Anschein nach unverändert durchsetzen, lassen sich die einzelnen Nervenbündel nur auf solchen Längsschnitten getrennt verlaufend sicher nachweisen, die mit Hilfe irgend eines chemischen Reagens ein wenig maceriert sind. Ehe die Nerven vom zweiten Ganglion in das dritte oder centrale eintreten, kommt es wiederum zu einem Chiasma. Dadurch, daß die Nerven vom Übertritt aus dem ersten Ganglion in das zweite und dann wieder vom zweiten in das dritte einem Chiasma unterworfen sind, erhalten sie im centralen Ganglion wieder ihre primäre Lage, d. h. die Lage, die sie innerhalb der Ommatidien, der Nervenbündelschicht und des peripheren Ganglions haben. Bevor die Nerven vom dritten Opticusganglion in das Centralhirn eintreten, kommt es zu einer dritten Nervenkreuzung. Im Centralhirn endlich lösen sich die Nervenafsern fibrillär auf. II. Physiologisch-biologischer Teil: Die Funktion der im morphologischen Teile beschriebenen Facettenaugen und ihre biologische Bedeutung. Das Auge von Corixa Geoffroyi ist das einzige von mir unter- suchte und beschriebene Wasserwanzenauge, das in seinem Bau keine Differenzierungen ins Doppelauge erkennen läßt. Bei Corixa stehen die Ommatidien im dorsalen wie im ventralen Teile des Auges in gleich Das Facettenauge der Wasserwanzen. 447 weiten Abständen voneinander entfernt. Das Pigment der Neben- nnd Retinapigmentzellen ist im dorsalen Teil des Auges in Farbe und Quantität dem im ventralen Teil durchaus gleich. Anders liegen die Verhältnisse bei den andern Wasserwanzen. Notonecta glauca, Nepa cinerea und Naucoris cimicoides weisen Differenzierungen zu einem Doppelauge auf, Ranatra linearis und Hydrometra palustris besitzen typische Doppelaugen, an denen in aller Deutlichkeit das Dorsalauge zu unterscheiden ist von dem Ventralauge. Da Corixa eine Lebens- weise führt, die von der der andern Wasserwanzen nicht abweicht, können wir die Tatsache, daß das Auge von Corixa — im Gegensatz zu den andern Wasserwanzenfacettenaugen ■ — keine Differenzierungen zu einem Doppelauge aufweist, biologisch nicht erklären. Ebenso- wenig ist eine genetische Erklärung dieses Verhaltens möglich, da die früher allgemein verbreitete Anschauung Börners, daß die Corixiden die ältesten Vertreter der Hemipteren darstellen, neuerdings von Handlirsch umgestoßen worden ist. »Diese Familie (die Corixiden) als Unterordnung allen andern Hemipteren zusammen gegenüberzu- stellen und noch dazu als tiefer stehende Gruppe, wie es Börner durch Errichtung der Unterordnung Sandaliorrhyncha tut, halte ich für einen systematischen Mißgriff sondergleichen. Aber das kommt davon, wenn man von- vorgefaßten Meinungen ausgeht und nur ein einzelnes Merkmal, wie die Mundteile berücksichtigt.« (A. Handlirsch, 1906.) Da allen Wasserwanzen — bis auf Corixa, die in den folgenden Ausführungen außer acht zu lassen ist, da sie keine Doppelaugen be- sitzt — Doppelaugen beiden Geschlechtern in gleicher Weise zukommen im Gegensatze z. B. zu den Ephemeriden und einem großen Teil der Dipteren, bei denen nur die Männchen Doppelaugen besitzen, kommt das Auftreten von Doppelaugen bei den im Wasser lebenden Hemi- pteren als Sexualcharakter nicht in Betracht. Der Trieb der Arterhal- tung spiegelt sich im feineren Bau des Wasserwanzenauges nicht wieder, wohl aber das andre Grundprinzip alles organischen Lebens: der Trieb der Selbsterhaltung. Das Auftreten von Doppelaugen bei den Wasser- wanzen ist biologisch leicht erklärlich. Sämtliche Wasserwanzen sind typische Raubtiere: sie ernähren sich ausschließlich von kleineren Mitbewohnern ihres Aufenthaltsortes. Der Schnabel, der sich aus dem zu Stechborsten umgewandelten Ober- und Unterkiefer und einer von der Unterlippe gebildeten Rinne, der sogenannten Schnabelscheide, die von der kurzen Oberlippe an ihrem Anfang gedeckt wird, zusammen- setzt, und das erste, beziehungsweise die beiden ersten Beinpaare re- präsentieren die Waffen der Wasserwanzen. Mit den Beinen ergreifen 448 Kurt Bedau, sie ihre Opfer, mit dem Schnabel stechen sie ihre Beute an und saugen sie aus. Während bei Ne'pa und Ranatra nur das erste Beinpaar zum Ergreifen der Beute ausgebildet ist, sind es bei Notonecta die beiden vorderen. Bei Naucoris lassen sich an den Vorderbeiden die gebogenen Schienen in der Art eines Taschenmessers gegen die verbreiterten und verflachten, filzigen Schenkel einschlagen und bilden so das Fangwerk- zeug dieses räuberischen Tieres. Neben ihrem Schnabel und ihrem ßaubbeinpaar — beziehungsweise ihren zwei Raubbeinpaaren — haben die räuberisch lebenden Wasserwanzen im differenzierten Auge eine gewissermaßen dritte und nicht zu unterschätzende Waffe. Bei Notonecta und Hydromeira ist das Ventralauge differenzierter als das Dorsalauge; von Ranatra, Nepa und Naucoris gilt das gerade Entgegengesetzte. Gibt uns nun die Biologie nicht die treffendste Antwort auf die Frage: weshalb ist bei Notonecta und Hydrometra das Ventralauge das differenziertere und bei den andern Wasserwanzen das Dorsalauge? Das differenzierte Auge soll dem Tiere dazu dienen, die Beute möglichst detailliert zu sehen. Erblicken nun Notonecta und Hydrometra die Beute tatsächlich mit dem differenzierten, ventral gelegenen Auge, erblicken tatsächlich die andern Wasserwanzen mit dem differenzierten, dorsal gelegenen Auge ihr Opfer? Notonecta ist die einzige aller Wanzenformen, die sich auf dem Rücken schwimmend fortbewegt, und Hydrometra ist die einzige aller Wanzenformen, die auf dem Wasser lebt. Infolgedessen muß bei Notonecta und Hydro- metra das differenzierte Auge gerade entgegengesetzte Lage haben wie bei den andern Wanzenformen; es muß ventral gelegen sein. Die Differenzierung des Wasserwanzenauges in ein Doppelauge steht mit der Lebensweise der Tiere in engstem Zusammenhang. Aus den Untersuchungen Dietrichs wissen wir, daß das Retina- pigment bei Dipteren im differenzierten Auge — sei es ein Doppelauge sexualen Charakters, sei es ein Doppelauge, das beiden Geschlechtern zukommt — spärlicher auftritt, als im nichtdifferenzierten. Das Retinapigment hat mit dem Pigment der Nebenpigmentzelleu zusam- men die Bestimmung, die einzelnen Ommatidien optisch zu isolieren und ein möglichst scharfes Bild im Auge zu erzielen. Das Pigment kann in seiner isolierenden Funktion ersetzt werden durch Tracheen. Dies scheint bei Syneches z. B. der Fall zu sein, denn bei diesem Tiere sind die Tracheen in einer geradezu gewaltigen Zahl vorhanden. Anders liegen die Verhältnisse bei Dilo'phus und Bicellaria, bei denen trotz des Pigmentmangels Tracheen kaum nachzuweisen sind. Dietrich kommt daher zu dem Schlüsse, daß bei den Dipteren sich im Auge Das Facettenauge der Wasserwanzen. 449 zwei Prinzipien widersprechen: »Die Vervollkommnung der Sehschärfe durch den dioptrischen Apparat und die teilweise Aufhebung dieses Vor- teils durch Begünstigung der Bildung von Zerstreuungskreisen inner- halb der Retina. << Bei sämtlichen von mir untersuchten Wasserwanzen ist das Retinapigment im differenzierten Auge — liege es nun ventral oder dorsal — in viel reicherem Maße vorhanden als im nicht differen- zierten oder »Normalauge«, wie es Dietrich nennt. Im differenzierten Auge ist die optische Isolierung, obgleich nur durch verschwindend wenige Tracheen unterstützt, eine vollkommenere als im nicht diffe- renzierten. Im differenzierten Auge der Wasserwanzen ist ein Abirren der Lichtstrahlen und die Bildung von Zerstreuungskreisen durch die mächtige Entwicklung der Retinapigmentzellen zur Unmöglichkeit gemacht. Noch ein zweites Moment zeigt uns, daß im Auge der Wasserwanzen die Tendenz vorhanden ist, die einzelnen Ommatidien optisch zu iso- lieren. Betrachten Avir das Auge von Ranatra linearis und Hydrometra 'palustris auf dem Längsschnitt, so sehen wir, daß die Retinapigment- zellen zum Teil, beziehungsweise insgesamt, der Basalmembran in einem ihr offenen Bogen ausweichen, dessen höchster distaler Punkt genau auf der idealen Scheide zwischen dem Ventral- und Dorsalauge liegt. Wenn die Retinapigmentzellen nicht die eben beschriebene Kurve ausführen würden, würden die mittleren Teile der Ommen, die dorsal und ventral von der idealen Scheide zwischen den beiden Teilen des Doppelauges stehen, nur umrahmt von den feinen, fadenförmigen Enden der Neben- und Retinapigmentzellen. Dadurch wäre aller Wahrscheinlichkeit nach die Möglichkeit gegeben, daß ein Lichtstrahl, der unter einem bestimmten Winkel in ein ventral von der idealen Scheide des Doppelauges stehendes Ommatidium einfällt, durch Re- flexion in ein dorsal von der besagten Scheide stehendes Ommatidium gelangen könnte. Und umgekehrt könnte ein Lichtstrahl aus dem Dorsalauge in das Ventralauge gelangen. Hierdurch würde natürlich das vom Auge percipierte Bild in seiner Schärfe erheblich beeinträchtigt sein. Dies wird dadurch verhindert, daß die Retinapigmentzellen dorsal und ventral von der idealen Scheide des Doppelauges der Mem- brana f enestrata ausweichen und mit den Nebenpigmentzellen zusammen die Ommatidien des betreffenden Bezirkes treffHch optisch isolieren, so daß es eben zur Bildung von Zerstreuungskreisen nicht kommen kann. Im Auge der Lepidopteren und Dipteren z. B. finden wir zwischen den einzelnen Ommatidien liegend eine große Zahl von Tracheen. Bei einzelnen Tierformen sind die Tracheen regelmäßig angeordnet Zeitsclirift f. wiäsensch. Zoologie. XCVII. Btl. 30 450 Kirrt Bedau, um die einzelnen Ommatidien — wie bei Oxycera und Pieris ra'pae — und durchsetzen das Auge in seiner ganzen Ausdehnung. Diese Augen sind durch die Tracheen sozusagen pneumatisiert. Im Gegensatz hierzu stehen die Augen sämtlicher Wasserwanzen. Wiewohl sich unterhalb der Membrana fenestrata Tracheenäste in großer Zahl und reicher Verzweigung ausbreiten, können wir zwischen den Ommatidien nur wenige und durchaus irregulär angeordnete Tracheen nachweisen. Die Frage, weshalb die Facettenaugen der im Wasser lebenden He- mipteren im Gegensatz zu denen der Dipteren und Lepidopteren mit nur wenigen Tracheen ausgestattet sind, können wir leicht unter Be- rücksichtigung der Funktion der Tracheen innerhalb des Auges be- antworten. Für das Auftreten von Tracheen innerhalb des Auges können drei Momente bestimmend sein. Zunächst können sie dazu dienen, ähnlich wie das Pigment, die einzelnen Ommatidien optisch voneinander zu isolieren. Dies Moment kommt für die Wasserwanzen nicht in Betracht. Einerseits sind die Tracheen in viel zu geringer Zahl imd viel zu unregelmäßiger Anordnung im Wasser wanzenauge vorhanden, als daß sie durch ihr Zwischentreten zwischen die einzelnen Ommatidien diese wirklich optisch voneinander isolieren könnten, anderseits wird die Isolierung durch die kräftig entwickelten Neben- und Retinapigmentzellen hinreichend bewerkstelligt. Weiterhin können die Tracheen dazu bestimmt sein, das Auge, insbesondere die licht- einlassende Oberfläche, zu vergrößern, ohne daß dadurch das Gewicht der Tieres vergrößert und sein Schwerpunkt wesentlich verändert wird. Da ich zwischen den Vitrellen Tracheen nie habe nachweisen können, kommt auch dieses zweite Moment hier nicht in Betracht. Endlich können die Tracheen im Auge, wie im übrigen Körper, den respira- torischen Gasaustausch vermitteln. Und, dieses dritte physiologische Moment betrachtend, werden unsre Gedanken gelenkt auf die — Bio- logie. Können im Auge der im Wasser lebenden Hemipteren — nach- dem die beiden ersten angeführten Momente die Existenz von Tracheen wesentlicher Funktion nicht haben erklären können — überhaupt Tracheen vorkommen, denen funktionell eine essentielle Bedeutung beizumessen ist? Bei sämtlichen im Wasser lebenden Tierformen ist der Stoffwechsel ein nicht so reger als bei den Landformen. Man muß nur einmal beobachten, in welchen Zeitabständen z. B. eine Ra- natra, die für gewöhnlich auf dem schlammigen Boden der Gewässer sitzt, sich an die Oberfläche des Wassers begibt, um zu atmen. Das geschieht ungefähr alle 5 — 10 Minuten einmal, ein Zeichen eines tat- sächlich reichlich reduzierten Stoffwechsels. Kann es uns da wunder- Das Facettenauge der Wasserwanzen. 451 nehmen, daß bei dem so minimalen Austausch der durch den Stoff- wechsel erzeugten Gase eine nur winzig kleine Zahl von Tracheen im Auge der Wasserwanzen nachzuweisen ist? Dem eben Ausgeführten kann man noch das Faktum entgegenhalten, daß die Wasserwanzen nicht an das Wasser gebunden sind, daß sie es verlassen können. In der Tat unternehmen z. B. die Naucoriden sehr gern nächtliche Aus- flüge. Aber sollten dieses Faktums wegen die Augen des Tieres dem Leben auf dem Lande mehr angepaßt sein als dem im Wasser? Das eigentliche Heim der Wasserwanzen ist — wie das der Name schon sagt — das Wasser, und dem Leben in diesem Medium haben sich auch demzufolge die Augen dieser Tiere angepaßt. Das Moment, daß die Wasserwanzen nicht an das Wasser ge- bunden sind, daß sie nachts Ausflüge zu unternehmen imstande sind, spiegelt sich in der Morphologie, beziehungsweise Physiologie des Auges dieser Tiere wieder. Exner hat in seiner »Physiologie der facettierten Augen von Krebsen und Insekten« die Lehre von der Pigmentwande- rimg im Facettenauge begründet. Da das Pigment in einem Auge, das gewisse Zeit der Dunkelheit ausgesetzt gewesen und auch in der Dunkel- heit abgetötet worden ist, zum Teil eine andre Lage einnimmt als in einem Auge, das gewisse Zeit dem Sonnenlicht exponiert und auch im Sonnenlicht abgetötet worden ist, so unterscheidet Exner ein »Dunkel«- und ein »Lichtauge«. Im Dunkelauge entstehen die Super- positionsbilder, im Lichtauge die Appositionsbilder nach der im Jahre 1826 von Johannes Müller aufgestellten und jetzt fast allgemein anerkannten Theorie vom musivischen Sehen: »Die Gesamterregung entsteht durch Nebeneinanderreihen der zahlreichen, in den verschie- denen Ocellen entstehenden einheitlichen Einzelerregungen, wie sich ein Mosaikbild aus einzelnen einfarbigen Steinchen zusammensetzt.« Zuerst hat Exner das Faktum, daß das Pigment im Dunkelauge zum Teil anders gelegen ist als im Lichtauge bei Lamfyris konstatieren können, dann hat er noch an einer großen Reihe andrer Tiere die Pig- mentwanderung im Facettenauge experimentell nachzuweisen ver- mocht. In der neuesten Zeit findet Exners Lehre von der Pigment- wanderung ihre Bestätigung in Kirchhoffers »Untersuchungen über die pentameren Käfer«, der bei Geotrupes und Melolontha im wesent- lichen zu Ergebnissen kommt wie Exner bei Cantharis fusca, Dyticus inarginalis und Hydrophilus piceus. Auch ich kann durch die Unter- suchungen, die ich an Notonecta glauca und Corixa Geofjroyi in bezug auf die Pigmentwanderung im Auge dieser Tiere angestellt habe, nur die Resultate Exners bestätigen. 30* 452 Kurt Bedau, Das eine Exemplar ist 3 Stunden direkt dem Sonnenlicht aus- gesetzt gewesen und aucli im Sonnenlicht mit derselben Konser- vierungsflüssigkeit (Formol, Alkohol, Eisessig, destilliertem Wasser) ab- getötet worden als das andre, das 3 Stunden der Dunkelheit exponiert gewesen und auch in der Dunkelheit getötet worden ist. Fig. 21 a stellt ein Ommatidium von Notonecta glauca aus dem Lichtauge, Fig. 21 b ein solches aus dem Dunkelauge dar. Im Lichtauge ist die Eetinula der ganzen Länge nach stark pig- mentiert. Das Pigment der Nebenpigmentzellen erstreckt sich vom inneren Rande der zweischichtigen Cornea bis ungefähr zu der Stelle, wo das erste Drittel des Ommas sein Ende erreicht. Das Retina- pigment reicht distal genau bis zu dem Punkte, wo das Pigment der Nebenpigmentzellen proximal aufhört. Das Pigment der Haupt- pigmentzellen umhüllt becherförmig das Kristallzellengebilde und ist in regelmäßigen Querreihen angeordnet. So die Lage des Iris-, Retina- und Retinulapigmentes im Lichtauge. Anders im Dunkelauge. Nur das Pigment der Hauptpigmentzellen ist im Dunkelauge genau so angeordnet wie im Lichtauge. Das Pigment der Nebenpigmentzellen sammelt sich in der distalen Hälfte der Zellen an, wo die Kerne dieser Zellen gelegen sind. Die proximale Hälfte der Nebenpigmentzellen ist frei von Pigment. Ähnlich das Verhalten des Retinapigments. Die Hälfte der Retinapigmentzellen, die der Basalmembran aufliegt und den Zellkern enthält, ist intensiv pigmentiert, die andere Hälfte, die distale, weist kein Pigment auf. Das Retinulapigment konzentriert sich au zwei Punkten, am kolbenförmig verdickten distalen Ende der Retinula und an der Basis, dem proximalen Ende der Retinula, so daß die acht Sehzellkerne auf dem Längsschnitt deutlich sichtbar sind. (Bei einem nicht oder nur gering entpigmentierten Präparate sind im Lichtauge die Sehzellkerne nicht zu sehen.) Schließlich wäre noch von dem Pigment zu sprechen, das wir in den Nervenbündeln antreffen. Im Lichtauge sind diese Nervenbündel von der Membrana fenestrata an bis zur Ganglienzellkernschicht des peripheren Opticusganglions hin pigmentiert. Im Dunkelauge sammelt sich das Pigment in den Nervenbündeln direkt unterhalb der Basalmembran an, wandert also in distaler Richtung. Dadurch, daß das Pigment der Nebenpigment- zellen distal und das Retinapigment sich proximal verschiebt, ent- steht im centralen Teil der Retinula zwischen den einzelnen Ommen ein pigmentfreier Raum und gestattet so — das intracelluläre Pigment der Ommatidien hat sich ja distal und proximal angesammelt, den medianen Teil des Ommas freilassend — das Zustandekommen eines Das Facettenauge der Wasserwanzen. 453 lichtstarken Superpositionsbildes, während doch sonst dadurch, daß das zwischen den Onmiatidien gelegene Pigment regelrechte Scheiden um die einzelnen Ommatidien bildet und so lichtsondernd wirkt, nur Appositionsbilder zustande kommen können. Die eben gegebene Schilderung von der Pigmentwanderung im Notonecta- Aime — für Corixa habe ich genau dieselben Verhältnisse experimentell nachweisen können — ist ein Beispiel dafür, daß dap Auge der Wasserwanzen, je nachdem es der Dunkelheit oder dem Lichte exponiert ist, Superpositions- beziehungsweise Appositionsbilder aufzunehmen vermag. Am Tage werden von den Augen der Wasser- wanzen vorzüglich Appositionsbilder percipiert, in der Nacht Super- positionsbilder. So sehen wir, daß auch das biologische Moment, daß die im Wasser lebenden Hemipteren nachts die Gewässer verlassen und ausfliegen, sich in der Morphologie und Physiologie des Auges dieser Tiere widerspiegelt. Hauptergebnisse . 1) In jedem Omma sind acht Sehzellen nachweisbar, von denen — abgesehen von Corixa Geoffroyi, wo vier distal und vier proximal liegen — sechs distal und zwei proximal angeordnet sind. 2) Die Augen sämtlicher Wasserwanzen — nur die von Corixa Geoffroi/i nicht — weisen im männlichen wie im weiblichen Geschlecht Differenzierungen ins Doppelauge auf. 3) Am ausgeprägtesten sind diese Differenzierungen bei Ranatra linearis und Hydrometra palustris. 4) Bei Ranatra linearis, Neya cinerea und Naucoris cimicoides hat jedes Ommatidium seinen eignen Kranz von Nebenpigmentzellen. 5) Die Augen von Nepa cinerea und Naucoris cimicoides sind nicht tvpisch acon. Sie repräsentieren Übergangsformen vom aconen zum pseudoconen Auge. 6) Bei Ranatra linearis und Hydrometra palustris weichen die Ke- tinapigmentzellen der Basalmembran in einem ihr offenen Bogen aus. Der am weitesten distal gelegene Punkt dieser Kurve liegt genau auf der idealen Scheide zwischen Dorsal- und Ventralauge. 7) In der Morphologie und Physiologie der Augen spiegelt sich die Biologie ihrer Träger in evidenter Weise wider. Notonecta glauca schwimmt auf dem Rücken, Hydrometra palustris bewegt sich auf dem Wasser fort. Bei den eben genannten beiden Hemipteren ist der ven- trale Teil des Auges besser differenziert als der dorsale. Bei Ranatra linearis, Nepa cinerea und Naucoris cimicoides, die auf dem Bauche 454 Kurt Bedau, schwimmend sich fortbewegen, ist der dorsale Teil des Auges besser differenziert als der ventrale. 8) Für Notonecta glauca und Corixa Geofjroyi ist experimentell nachgewiesen worden, daß Pigmentverschiebungen bei Belichtung und Verdunkelung eintreten. Leipzig, Weihnachten 1909. Literaturverzeichnis. E. Bergeb, 1878, Untersuchungen über den Bau des Gehirns und der Retina der Arthropoden. Wien. J. Cabriebe, 1885, Die Sehorgane der Tiere. München. — 1886, Kurze Mitteilungen aus fortgesetzten Untersuchungen über die Sehorgane. Zool. Anz. Bd. IX. Nr. 217. 230. C. Chun, 1896, Atlantis. Zoologica. 19. Heft. E. Claparede, 1859, Zur Morphologie der zusammengesetzten Augen bei den Arthropoden. Diese Zeitschr. Bd. X. W. DiETEiCH, 1909, Die Facettenaugen der Dipteren. Diese Zeitschr, Bd. XCII. S. 465. S. ExNER, 1891, Die Physiologie der facettierten Augen von Krebsen und In- sekten. Leipzig und Wien. H. Grenacher, 1879, Untersuchungen über die Sehorgane der Arthropoden. Göttingen. C. W. Hahn, 1831, Die wanzenartigen Insekten. Nürnberg. A. Handlirsch, 1907, Die fossilen Insekten und die' Phylogenie der recenten Formen. Leipzig. R. Hesse, 1901, Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Tieren. VII. Von den Arthropodenaugen. Diese Zeitschr. Bd. LXX. Hft. 3. — 1908. Das Sehen der niederen Tiere. Jena. O. KiRCHHOFFEB, 1907, Untersuchungen über die Augen pentamerer Käfer. Dissertation. K. 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Diese Zeitschr. Bd. LXXII. 1. Hft. S. 31—99. — 1906, fitude sur les yeux doubles des Arthropods. Acta societatis Entomolog. Bohem. III. C. Schneider, 1908, Histologisches Praktikum der Tiere. Jena. M. ScHULTZE, 1868, Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse und Insekten. F. Will, 1835, Beiträge zur Anatomie der zusammengesetzten Augen mit fa- cettierter Hornhaut. Leipzig. C. Zimmer, 1897, Die Facettenaugen der Ephemeriden. Diese Zeitschr. Bd LXIII. S. 236—263. Erklärung der Abbildungen. Abkürzungen: hm, Basalmembran; hz, Blutzelle; c, Cornea; G.I, Erstes oder peripheres Opticus- ganglion ; G.II, Zweites Opticusganglion ; O.III, Drittes oder centrales Opticus- ganglion ; gzic, Ganglienzellkern ; Ä-, Kristallzellengebilde; kk, Kristallzellkern ; h lichtsammelnder Körper?; mg, Muskelgewebe; nh, Nervenbündelschicht; nf, Xervfaser; P, Hauptpigmentzelle; f, Nebenpigmentzelle ; pt, pigmentierter Teil der iSehzelle: Pzk, Hauptpigmentzellkern ; fzk, Nebenpigmentzellkern ; rh, Rhabdomer; rj), Retinapigment; r'pzk, Retinapigmentzellkern ; stz, Stützzelle; szk, Sehzellkern; tr, Trachee; trk, Tracheenkern. Tafel XIX und XX. Die Abbildungen wxirden teils mit einem Seibert-, teils mit einem Leitz- Miki'oskop unter Zuhilfenahme des AsBEschen Zeichenapparates angefertigt. Fig. 1. Totalbild des Auges von Notonecta glauca. S. III, 2. Fig. 2. Drei Einzelommatidien aus dem Auge derselben Art im Längs- schnitt. L. III, 7. Fig. 3. Querschnitt durch die Vitrella derselben Art. S. I. 1/12 Imm. Fig. 4. Totalbild des Auges von Ranatra linearis. S. I, 5. Fig. 5. Querschnitt durch die Ommatidien derselben Art in Höhe des distalen Retinulaendes, die Anordnung der Nebenpigmentzellen veranschau- Uchend. S. L 1/12 Imm. 45G Kurt Bedau, Das Facettenauge der Wasserwanzen. Fig. 6. Totalbild des Auges von Hydrometra palustris, L. III, 3. Fig. law. h. Zwei Einzelommatidien derselben Art im Längsschnitt, a, aüiS dem ventral gelegenen Teile des Dorsalauges und h, aus dem Ventralauge. S. I, 1/12 Imm. Fig. 8. Querschnitt durch die Vitrella derselben Art in Höhe der Neben- pigmentzellkerne. S. I, 1/12 Imm. Fig. 9. Querschnitt durch die Ommatidien derselben Art in Höhe des distalen Retinulaendes. S. III, 1/12 Imm. Fig. 10. Totalbild des Auges von Nepa cinerea. S. I, 2. Fig. 11. Zwei Einzelommatidien aus dem Auge derselben Art im Längs- schnitt. S. I, 5. Fig. 12. Querschnitt durch die Ommatidien derselben Art in vei'schiedener Höhe. S. I, 1/12 Imm. Fig. 13. Totalbild des Auges von Naucoris cimicoides. L. I, 3. Fig. 14. Zwei Einzelommatidien derselben Art im Längsschnitt. S. III, 1/12 Imm. Fig. 15. Querschnitt durch die Vitrella derselben Art, die Anordnung der Nebenpigmentzellen zeigend. S. III, 1/12 Imm. Fig. 16. Totalbild des Auges von Corixa Geoffroyi. S. III, 2. Fig. 17. Querschnitt durch den mittleren Teil der Ommatidien derselben Alt, das Sich-Einschieben der proximalen Sehzellen veranschaulichend. S. I, 1/12 Imm. Fig. 18. Zwei Einzelommatidien derselben Art im Längsschnitt. S. 1, 5. Fig. 19. Partie aus der Nervenbündelschicht von Notonecta glauca. S. I, 5. Fig. 20. Längsschnitt durch den Ganglienapparat von Notonecta glauca. S. I, 5. Fig. 21 a u. b. Zwei Ommatidien von Notonecta qlauca auf dem Längs- schnitt, a, in Licht-, b, in Dunkelstellung. L. III, 7. Beitrag zur näheren Kenntnis der Häutung und der Häutungsdrüsen bei Bombyx mori. Von E. Verson. Mit Tafel XXI und XXII. Die Exuvialdrüsen der Insekten sind in letzter Zeit wiederholt Gegenstand sorgfältiger Untersuchungen gewesen. Aber abgesehen von der ihnen unbedingt zuerkannten Primärwirkung: durch periodi- sche Abhebung der älteren erhärteten Cuticularbildungen ein sonst unüberwindliches Hemmnis progressiver Gewebsevolution zu beseitigen, sind die Ansichten über Herkunft, Entstehungsweise, Struktur und Funktionsweise derselben noch ziemlich weit von einer befriedigenden Übereinstimmung entfernt. Und da es mir vergönnt war, zuerst — 1889 — , und zwar speziell für Bombyx mori die genannten Drüsen anzeigen und beschreiben zu dürfen i, — mag es nicht ungerechtfertigt erscheinen, daß ich den seitdem mehrfach geäußerten Divergenzen gegenüber, endlich Stellung zu nehmen gedenke. Zunächst die allgemeinen Charaktere der zu besprechenden Gebilde. Ich habe die Exuvialdrüsen von Bombyx mori als beutelartige Organe bezeichnet, welche mit einem rundlichen, oder ovalen, oder mehr abgeplatteten Bauche in die freie Leibeshöhle sich einsenken, und mit einem hohlen Halse das Hypoderm bis zur basalen Grenze seiner Cuticula durchsetzen. Die Entfaltung der verdickten Partie nach verschiedenen Kichtungen hängt wesentlich von der nächsten Umgebung ab, welche durch Stränge, Muskelfasern, Tracheen und 1 E. Verson, Hautdrüsensysteni bei Bombyciden. Zoolog. Anzeiger 1889. S. 118. — E. Verson, Di una serie di nuovi organi secretori scoperti nel filugello. Ricerche anatomiche della R. Stazione Bacol. Specimentale V. Pa- dova 1890. Con 4 tavole. 458 E. Verson, dergleichen die anwachsende Drüsenmasse aufhält, um sie nach einer andern Seite zu verschieben. So kommt es nicht selten vor, daß der verschmälerte Teil vom Drüsenkörper sogar winkelig abgeht. Aber während der ersten Larvenperioden herrscht doch im allgemeinen eine rundliche Gestalt vor; und nur zuletzt ergeben sich — durch ungleich- mäßiges Wachstum — scharfe Einbuchtungen, welche sich zu langen, zuweilen noch verästigten Lappen strecken können. Bis zur Verpuppung finden sich die Exuvialdrüsen in der ständigen Zahl von 15 Paaren vor. Es gibt deren zwei Paare für jeden Brust- ring; ein Paar für je einen der sieben ersten Bauchringe, während der achte Bauchring wieder zwei Paare aufweist. Daher unterscheide ich je zwei obere pro-, meso-, metathoracale Drüsen, und ebenso viele untere. Die ersteren münden, zwischen Hypoderma und Guticula, an einer Stelle, welche etwas nach vorn und oben vom Stigma oder von dessen mutmaßlicher Lage zu suchen ist ; die letzteren richten ihren Ausführungsgang gegen die äußere Basalfläche der betreffenden Brust- beine. Am ersten bis siebenten Bauchsegment sind die Exuvialdrüsen ganz ähnlich orientiert Avie die analogen Dorsalgebilde der Brustringe; und nicht anders verhält sich das eine der zwei Drüsenpaare, welche dem achten Bauchsegment eigen sind: während das andre in gleicher Höhe mit dem letzten, dem neunten Stigma, aber etwas hinter dem- selben verrückt erscheint. Ich habe auch gefunden, daß bei der Verpuppung nur die zwei letzten Drüsenpaare vollständiger Involution anheimfallen und — ohne Beste zu hinterlassen — sofort verschwinden, während alle übrigen sich noch längere Zeit an ihrem ursprünglichen Platze behaupten i. Aber dieser meiner Angabe ist nicht Rechnung getragen worden. Plotnikow behauptet in der Tat, daß die Exuvialdrüsen ausschheßlich dem Larvenleben zukommen, und leugnet demgemäß, daß die bei der Puppenhäutung entstehende Exuvialflüssigkeit unsern Drüsen ent- stamme^. Auch Philiptschenko nimmt die Abwesenheit von Exuvial- drüsen in der Puppe als bewiesen an^ ; und Deegenek nimmt aus der angeführten »Tatsache: daß bei der Puppe die Exuvialdrüsen nicht mehr entwickelt sind« — Anlaß, zu folgern, »daß auch in geringfügigen 1 E. Vebson, Ricerche Anatomiche della Stazione Bacologica di Padova. V. p. 5. 2 W. PLOTiiiKOW, Über die Häutung und über einige Elemente der Haut bei den Insekten. Diese Zeitsehr. Bd. LXXVI. 1904. 3 Jtjb. Philiptschenko, Anatomische Studien über Collembola. Diese Zeitsehr. Bd. LXXXV. 1907. Beitrag zur iiähcriMi Kiuiitnis der Htäulung usw. 459 Organisationseigentümlichkeiten die Puppe der Imago näher steht als die Larve«!. Dieser Verallgemeinerung muß ich mich nun entschieden wider- setzen. Ist es mir nicht gelungen in der fertigen Puppe von Bomhyx mori auch nur Spuren von den vier Exuvialdrüsen wiederzufinden, welche dem achten Bauchsegment der Larve angehörten, so bleiben doch immerhin andre ,26 noch in unversehrtem Zustand, wie Fig. 24 und 25 zeigen; und es ist gar kein Zweifel — nach meiner Ansicht — , daß bei der Verwandlung der Puppe in den Schmetterling die vorhandene Exuvialflüssigkeit ebenfalls jenen Drüsen, und nur jenen Drüsen ent- stammt, welche dieselbe bei den Larvalhäutungen bereiten. Freilich, die Modifikationen, denen das Integument bei Larvenhäutung einer- seits, und anderseits bei Puppenhäutung entgegengeht, sind mitein- ander gar nicht zu vergleichen. Denn die eigentliche Häutung der Larve besteht wesentlich in einer ziemlich raschen Abhebung der gespannten Cuticula vom Hypoderm, welches unterdessen nur die Zahl seiner Elemente, nicht den Bau und die Natur derselben ge- ändert hat: sogar die Größe derselben bewahrt in allen Larvenperioden annähernd gleiche Mittelwerte. Bei der Puppe dagegen verläuft der Prozeß weit eingreifender. Statt sich gleich zu bleiben, verwandeln sich hier die Elemente des Hypoderms — bei der zunächst erfolgenden Teilung — in zwei Gruppen, von welchen die eine zur Herstellung einer dünnen, sehr zarten Integumentalmembran dient, während in der andern große bläschenartige Zellen verbleiben, mit einem Fort- satze, der das eigentliche Hypoderm nach außen durchbricht und sich jenseits desselben allmählich zu einer jener zahllosen Schuppen ent- faltet, aus welchen das neue Kleid der Imago bestehen wird^. Der ganze Vorgang nimmt aber geraume Zeit in Anspruch. Die ersten Schüppchen welche, noch unansehnlich, mit ihrer freien Spitze das verjüngte Hypoderm durchsetzen, um sich unter der Puppen- hülle (Cuticula) nach und nach breitzumachen, erscheinen schon 8 und mehr Tage bevor der Schmetterling ausschlüpfen soll. Daraus ergibt sich unmittelbar die Annahme, daß zu dieser Zeit auch die Loslösung und die Abhebung der Puppenhülle in Gang gekommen sein muß; und da die einzige Veranlassung dazu in der Exuvialflüssigkeit zu suchen ist, so darf ohne weiteres gefolgert werden, daß in der Puppenperiode die Tätigkeit der Exuvialdrüsen nicht — wie bei der Larve — erst 1 P. Deegeneb, Die Metamorphose der Insekten. Leipzig n. Berlin. Teubner 1909. 2 Vebson, e QuAJAT, II Filugello e l'Arte Sericola. p. 276. Padova 1896. 460 E. Verson, kurz vor jeder Häutung angeht, um sofort nach derselben aufzuhören. Man findet in der Tat schon bei der jungen Puppe eine dünne Schicht Exuvialflüssigkeit zwischen Cuticularhülle und Hypoderm angesammelt. Damit, d. h. mit der Lubrifikation der abzuwerfenden Puppenhülle, haben die Exuvialdrüsen aber auch ihre letzte Aufgabe erfüllt; und darf es nicht befremden, daß nach vollbrachtem Tagewerk sie den Platz in raschem Schwunde räumen. Daß die Exuvialflüssigkeit übrigens eine andre Quelle als die hier behandelten Drüsen haben möge, davon kann wahrlich keine Rede sein. Zwar hat Tichomirow die Vermutung ausgesprochen!, daß die unter der Cuticula angesammelte Flüssigkeit von den MALPiC4Hischen Gefäßen abzuleiten sei, indem dieselbe zwischen das Epithel des Hinter- darmes und dessen Chitinintima eindringen und auf diesem Wege auch unter die äußere Integumentalcuticula gelangen dürfte. Die Hypo- these ist nicht neu. Schon im Jahre 1872 hatte A. Vasco die Vor- stellung wahrscheinlich zu machen gesucht, daß die Darmsäfte bei der Seidenraupe unter die abgehobene und gefaltete Intima des hinteren Intestinaltractus leicht gelangen, und von hier aus zwischen alte und neue Dermalcuticula vordringen könnten^. Die spekulative Betrach- tung widersteht aber nicht dem Prüfstein des Experimentes. Nimmt man — zur leichteren Übersicht — eine größere Raupe, welche zum sogenannten Schlafe sich anschickt (also 10 — 20 Stunden — je nach der Temperatur — vor der eigentlichen Häutung), und umschlingt deren Hinterende mit einem mehrfachen fest zugezogenen Faden, so sollte die gelungene Unterbindung jeder Kommunikation zwischen Darmlumen und intercuticularem Raum des Integumentes sicher vor- beugen. Und doch kann man sich leicht überzeugen, daß — trotz der vorausgeschickten Unterbindung — Exuvialflüssigkeit sich in nor- maler Menge unter der Haut ansammelt; und nur das Vorhandensein einer straffen Schlinge die Abstreifung der isolierten Exuvie zu ver- hindern vermag! Außerdem dürfte noch eine sehr einfache Betrachtung geeignet sein, ähnliche Auslegungen endgültig zu widerlegen. Bekanntlich ist während der Puppenperiode von Bombyx mori die Secretion von Darm- säften fast gänzlich sistiert; und beginnt während derselben, vom Vorderdarm aus, die Entwicklung des früher nicht vorhandenen Saug- magens, der, kurz vor dem Ausschlüpfen der Imago, mit einer klaren, 1 A. Tichomirow, Praktischer Seitenbau. Moskau 1895 (russisch). 2 A. Vasco, Nuove considerazioni sul processo delle mute. Accad. di Agricolt, Torino 1872, Beitrag zur näheren Kenntnis der Häutung usw. 461 ungefärbten, stark alkalischen Flüssigkeit sich füllt i. Diese Flüssig- keit dient dem fertigen Insekt teilweise zur Durchweichung des noch geschlossenen Kokons dort, wo die Mundöffnung demselben gerade gegenübersteht ; zum übrigen Teile befreit sie den Mitteldarm von den Überresten des abgestoßenen larvalen Epithels, welches unterdessen zu einer rötlichen, harzartigen Masse zusammengebacken ist. Die rotbraune Emulsion, welche im Ventrikel aus der Mischung von un- gefärbter Flüssigkeit mit farbigem Rückstande hervorgeht, gelangt so in den Hinterdarm (Cöcalblase), um schließlich mit den ersten Dejektionen des Schmetterlings nach außen befördert zu werden^. Aber offenbar dringt auch keine Spur davon zwischen Puppenhülle und Imaginalintegument ; denn in solchem Falle müßte auch das Schuppenkleid des vollkommenen Insekts damit besudelt erscheinen, was tatsächlich nie wahrgenommen wird. Die Größe der Exuvialdrüsen variiert beim Seidenspinner je nach ihrer Ubikation, nach dem Alter, das sie erreicht haben, nach dem Zustand der Ruhe oder der Tätigkeit, in dem sie sich befinden. Am kleinsten ergeben sich bei jungen Raupen die unteren Thoracal- drüsen, während alle übrigen, vom Prothorax an bis zum achten Bauch- segment, in regelmäßiger Progression an Volumen zunehmen. So fand ich an einem und demselben Thiere (vom Ende des dritten Larven- alters) die Dimensionen der einzelnen Segmentalorgane wie folgt: untere Prothoracaldrüse , . . . 0,1 X 0,1 mm Exuvialdrüse des 3. Bauchsegments 0,075 X 0,18 >> » » 4. » 0,087 X 0,2 » » » 5. » 0,10 X 0,21 » » » 6. » 0,175 X 0,237 » » » 8. » 0,375 X 0,4 » Wie aus diesen Zahlen schon zum Teil ersichtlich, sind die unteren Thoracaldrüsen mehr in die Breite gezogen. Die oberen strecken sich lappig in längliche Form; runden sich aber ab, indem sie gleichzeitig an Gesamtgröße zunehmen, je mehr sie caudalwärts zu liegen kommen. Deshalb kann ich auch die Behauptung Plotnikows für Boynhyx ynori nicht unterschreiben, derzufolge die Exuvialdrüsen des dritten Thora- cal- und des ersten Abdominalsegments am größten sein sollen, um 1 E. Vekson, Zur Entwicklung des Verdauungskanals bei Bomhyx mori. Diese Zeitschrift. Bd. LXXXII. S. 563. 2 E. Verson, Chemisch-analytische Untersuchungen an lebenden Raupen, Puppen und Schmetterlingen. Zoolog. Anzeiger. Bd. XIII. Nr. 346. 462 E. Verson, von hier aus sich allmählich nach vorn und nach hinten zu verkleinern. Daoegen muß hervorgehoben werden, daß, nach der vierten Häu- tung, die Tätigkeit der Exuvialdrüsen in den vorderen Somiten sehr auffallend zu steigen beginnt; und daß diese nachträgliche Intensifi- kation allerdings so bedeutend werden kann, daß die früher erwähnten Größenunterschiede zwischen vorderen und hinteren Drüsen dann in wenigen Tagen meist vollständig ausgeglichen werden. Was das Wachstum anlangt, dessen die Drüsen fähig sind, habe ich gleich anfangs angegeben, daß dieselben im reifen Embryo kaum 0,02 X 0,03 mm maßen, während bei voller Entwicklung sie einen größten Durchmesser von 3 mm und darüber erreichen können. Und man muß zugeben, daß sie in den aktiven Phasen um das Mehrfache des initialen Volumens anschwellen, um darauf noch rapider zu einem unförmlichen Klümpchen zusammenzuschrumpfen. Aber das Merkwürdigste an ihrem Verhalten liegt doch darin, daß, wie in den folgenden Seiten besser dargelegt werden soll, ihr Ausfüh- rungsgang nie an der äußeren Oberfläche des Integumentes frei mündet : insofern eine kontinuierliche Cuticularschicht dessen Öffnung ausnahms- los überbrückt. Daher kann ich mich auch mit den Angaben späterer Forscher nicht befreunden, welche einerseits zugeben »einen ver- stopften Ausführungsgang vor sich zu haben« (Plotnikow, I.e., p. 350); anderseits jedoch glauben lassen, daß »die Mündung des Ausführungsganges nach der Häutung entweder ge- öffnet bleibe, oder aber sie werde durch eine besondere braune, sehr harte Substanz verstopft, welche offenbar ein Drüsensecret sei: so daß bei deren Entfernung die weichen Wände des Ausführungsganges zusammenfallen und Verschluß herstellen« (ebenda S. 352). Ich werde später zeigen, daß in den Lücken des Drüsengewebes selbst, bei der mikrosko- pischen Prüfung nicht selten die Gegenwart von festen, leicht färbbaren Contentis ins Auge fällt, welche sehr wohl mit Gerinnseln des eiweiß- haltigen Secretionsproduktes durch die angewandten Fixationsmittel identifiziert werden dürften. Und so kann es wohl vorkommen, daß in manchen Präparaten eine ähnliche Substanz auch den Mündungs- kanal mehr oder weniger auszufüllen scheint. Aber ich könnte nicht zugeben, daß die »weichen« Cuticularwände des Ausführungsganges bei der Häutung zusammenfallen und dadurch das Ausfließen des Secretes nach außen verhindern. Diese sogenannten weichen Cuti- cularwände besitzen regelmäßig aufeinander folgende Verdickungsringe, welche — durch Runzelung der eintrocknenden, noch frischen Aus- Beitrap 7,ur näheren Kenntnis der Häutung xisw. 463 schwitzung bedingt — ebenso wie die Chitinspiralen bei den Tracheen einer Quetschung der Röhren bestimmt vorbeugen. Eine wirkhche Verstopfung des Kanals erfolgt nur dadurch, daß die Hypodermzellen der Mündungslippen an ihrem freien Rande chitinogene Substanz in genügender Menge ausscheiden, um an dieser verengten Stelle das ganze Lumen auszufüllen, \md darauf zu einem festen Pfropfen zu erhärten. Eine letzte Betrachtung allgemeinen Charakters soll nicht unter- lassen bleiben, bevor ich zu den ersten Anfängen und zur Struktur der eigentlichen Drüsen übergehe. Es ist wohl selbstverständlich — und bedarf es keines weiteren Beweises, daß — nach Lage und Verteilungsweise — die Exuvialdrüsen so eingerichtet sein müssen, daß sie am besten ihrer Bestimmung entsprechen, den Häutungsprozeß zu erleichtern und zu vereinfachen. Nmi weiß man, daß die Exuvialflüssigkeit an alle Stellen der Körper- oberfläche gelangen muß, damit die bezweckte Abtrennung der Cuticula vom Hypoderm nicht unvollständig bleibe; daß nach gelungener Ab- hebung der abgetragenen Cuticula die entblößten Zellen des Hypo- derms sich beeilen eine neue chitinogene Secretion zu veranlassen, welche eine verjüngte, der Matrix anhaftende Cuticula schafft; daß genau an der kreisförmigen Grenzlinie zwischen Kopf und erstem Leibes- ringe die bezüglichen Cuticulae auseinander reißen, so daß einerseits die alte Kopfmaske von selber abfällt, anderseits die schlauchartige Exuvie nach vorn mit einer offenen Mündung endet, in welche die erweiterte Kopfblase der wiedererwachten Larve sich sogleich einkeilt. Aber niemand hat noch daran gedacht, zu fragen, warum bei jedem angehenden Schlafe die häutungsbedürftigen Larven eine scheinbar so mmatürliche Stellung annehmen, indem sie — nach Anheftung der Bauchfüße an die nächste Umgebung durch feine Seidenfäden — den Thorax in die Höhe recken, den Kopf leicht nach unten rotieren, und in dieser Haltung unbeweglich verharren bis zum Augenblicke, wo die Trennung der starren Kopfmaske vom nachgiebigen Cuticularschlauche eine vollendete Tatsache geworden ist. Daß mm dieser gewaltsame Riß wirklich, und immer an derselben Stelle stattfindet, — das dürfte wohl mit der eignen Lage in sehr enger Beziehung stehen, welche die Exuvialdrüsen einnehmen. Käme die schlafende Raupe auf horizontalem Lager einfach ge- streckt zu liegen, so läßt sich annehmen, daß der mehr oder weniger abgehobene Cuticularschlauch in seiner ganzen Ausdehnung von der darin angesammelten Exuvialflüssigkeit benetzt und durchdrungen 464 " E. Verson, sein würde. Auch bei aufgerichtetem Thorax wird sich am ganzen Abdomen der Raupe eine ausgiebige Durchweichung geltend machen, weil das ausfließende Secret aller Drüsen — welch auch immer ihre Lage sei — dem Gesetz der Schwere folgend, allmählich von oben nach unten sinkt. Nicht ebenso ausgedehnt wird aber die Lubrifikation des Thoracalschlauches erfolgen. Denn obgleich der größte Teil des- selben von den Secrettropfen sehr leicht erreicht wird, welche aus den Mündungen der zwölf hier verfügbaren Drüsen herunterrieseln, so ist eine Durchfeuchtung der Cuticula an ihrem obersten Saume — d. h. an der Grenze zwischem erstem Brustring und Kopfmaske — ganz un- denkbar. An dieser Stelle trocknet daher die Cuticula in einer ring- förmigen Zone vollständig aus, verliert ihre Zähigkeit, und gibt ein Punctum minoris resistentiae ab, welches der verjüngten Raupe die Möglichkeit gewährt, sich von einem Hemmnis zu befreien, das mit ihrer weiteren Entwicklung ganz unvereinbar ist. Und vom Kopfe selbst wird die Vorbereitung zum entscheidenden Riß ausgelöst. Wie bei allen angehenden Häutungen die Elemente des Hypo- derms überall in lebhafte Teilung geraten, ebenso vermehren sich gleichzeitig die Zellen, durch welche die Schädelhöhle begrenzt wird. Dabei erfährt natürlich die ganze Kopfblase eine bedeutende Erweite- rung ihrer Oberfläche. Nachdem aber dieselbe vor dem Widerstände der äußeren starren Chitinkapsel nicht zur Geltung kommen kann, legt sie sich zunächst faltig ein; und weil die innere Spannung trotzdem nicht nachläßt, so schnellt endlich die schwellende Kopfblase aus der alten Nische heraus und zieht sich innerhalb des Exuvialsackes des ersten Brustringes zurück, dessen größere Kapazität ihr eine bequeme Zuflucht gestattet. Die somit erfolgte Versetzung der erweiterten Kopfblase wird auch äußerlich an einem grauen Fleck erkennbar, welcher hinter dem Scheitel der verlassenen Kopfkapsel durchscheint und ein Vorzeichen imminenter Häutung bedeutet. Unterdessen hat sich also der Körper der Raupe von jeder orga- nischen Verbindung mit dem umhüllenden Exuvialsacke losgemacht. Nach Räumung der alten, starren Chitinkapsel von selten der zelligen Kopfblase ist aber die Larve nun bemüßigt, ihre Gesamtheit in eben denselben Cuticularschlauch einzuzwängen, welcher noch kurz vorher nur die Leibesringe, ohne den Kopf, zu beherbergen hatte. Brust- und Bauchringe, teilweise auch durch die vorausgegangene Emission reichlichen Exuvialsaftes erschlafft, passen sich dem unver- meidlichen Platzmangel an, indem sie eine leichte S-artige Krümmung Beitrag /ur nälioion Kenntnis der Häutung usw. 465 innerhalb des nun ausgeweiteten Schlauches erleiden. Dabei steift sich wieder die weiche Körpermasse; die verjüngte Kopfblase drängt hebelartig gegen den vorspringenden oberen Rand der geräumten und nun leerstehenden Chitinkapsel, welche noch mehr nach unten rotiert und dabei den dorsalen Anteil des anhängenden Exuvialsackes in die Länge zerrt. Die betreffende Cuticula, durch die erigierte Haltung der schlafenden Raupe aus dem Bereiche der Exuvialdrüsen gerückt, ist jedoch ausgetrocknet und hat ihre Widerstandsfähigkeit vollständig eingebüßt: kein Wunder daher, wenn sie längs der circulären Ver- bindungslinie zwischen Kopf und Prothorax auseinander reißt, wobei die Maske abfällt und an ihrer Stelle eine runde öffnvmg hinterläßt! Letztere wird aber sogleich durch den verjüngten Kopf der erwachten Larve ausgefüllt, welcher, mit einem einzigen Rucke vorgetrieben, eine vorzeitige Dispersion der lubrifizierenden Flüssigkeit verhütet. Durch wurmartige Kontraktionen des Leibes schiebt nun die Larve ihren Kopf vollends aus der vorderen Öffnung des Exuvial- sackes; dem Kopfe folgt das erste Beinpaar unmittelbar nach, und strebt den nächsten Widerstand zu erfassen, dem es begegnet; schließ- lich wird der ganze Körper allmählich aus dem abgetragenen Futteral nachgezogen, welches, durch Seidenfäden am Lager festgeheftet, auch einem anhaltenden Zuge nicht folgen kann. Zum besseren Verständnis der etwas sonderbaren Verhältnisse, welche ich im folgenden über Anlage und Entwicklung der Exuvial- drüsen bei Bomhyx mori berichten muß, mag mir gestattet sein, zu- nächst eine kurze Beschreibung dieser Organe vorauszuschicken, wie sie einer mittleren Altersperiode der Larve angehören und dem Zu- stand voller Tätigkeit entsprechen. Ich verweise den Leser speziell auf Fig. 17, welche das getreue Bild eines Schnittes durch eine untere Prothoracaldrüse wiedergibt. Der Körper der Drüse zeigt in seinem Innern einen weiten Hohl- raum von unregelmäßig zackiger Begrenzung der teilweise, besonders wandständig, von einer körnigen, stark lichtbrechenden und leicht färbbaren Substanz eingenommen wird; rings um den Hohlraum er- streckt sich eine breite Rinde von anscheinend schaumiger Struktur, in welcher kleinere oder größere Vacuolen sich eng aneinander reihen. Ein konischer Ansatz — zuweilen aus einer einzigen, häufiger aber aus zwei oder selbst drei zusammengefügten Riesenzellen bestehend — reicht bis an die Oberfläche des Hypoderms und umfaßt einen kurzen Ausführungsgang, der im angeführten Bilde nach innen zu blind endigt, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 31 466 E. Verson, nach außen offen mündet. Dabei besitzt der Ausführungsgang selbst einen dünnen, chitinösen Überzug mit circulären oder spirahgen Ver- stärkungen, der in die Cuticula des Integumentes ctn immittelbar über- geht. Wie leicht zu ersehen, stellt ctn eine neue Cuticularemission von Seiten des Hypoderms vor, während die alte schon abgehobene Cuticula — der Einfachheit halber in der Zeichnung weggelassen — ohne Unterbrechung über die offene Mündung des Ausführungsganges wegstreicht. Im wesentlichen muß man also an der in Fig. 17 abgebildeten Exuvialdrüse folgende typische Bestandteile unterscheiden: einen eigenthch secernierenden Drüsenkörper — im betrachteten Falle voll- ständig vacuolisiert ; einen Hohlraum mit partiellem körnigen, stark lichtbrechenden Inhalt; einen Ausführungsgang mit intercuticularer Mündung; eine, zuweilen zwei, oder sogar drei riesige Deckzellen, welche besagten Gang umgeben und begrenzen. Aus Fig. 15 geht noch deutlicher hervor, wie unter der schon abgelösten, aber noch nicht abgestreiften Exuvie et die Hypodermzellen if eine neue chitinogene Ausschwitzung ctn schon nach außen befördert haben ; und wie letztere, bei ihrer rasch zunehmenden Dicke, sehr bald die noch klaffende Mün- dung der Drüse vollkommen verstopft haben wird. Diese allgemeinen Merkmale vorausgeschickt, will ich ganz kurz die wichtigsten Entwicklungsphasen darstellen, wie dieselben sich mir — bei Durchsuchung von Präparaten in steigendem Lebensalter — ausnahmslos gezeigt haben. Die ersten erkennbaren Anlagen reichen noch in die embryonale Periode zurück; und schon 3 oder 4 Tage vor ihrem Ausschlüpfen aus dem Ei, weist die fast fertige Larve — an jenen bestimmten Stellen, welche dem Sitze einer angehenden Drüse entsprechen — eine außer- ordentlich gewachsene, modifizierte Hypodermzelle auf, welche ihren abgerundeten Leib in die Körperhöhle versenkt und mit einem langen konischen Hals bis zur Dermalcuticula vordringt (Fig. 1). Im frisch ausgekrochenen Räupchen scheinen die besprochenen birnförmigen Zellen — besonders in den vorderen Somiten — an Größe keine besonderen Fortschritte gemacht zu haben. Hier erreichen sie höchstens eine Breite von 0,015 mm auf eine Länge von 0,025 mm, während in den hinteren Bauchsegmenten äußerste Durchmesser von 0,027 auf 0,04 mm bei derselben nicht selten angetroffen werden. Die Aufmerksamkeit des Beobachters wird aber sogleich von den aus- giebigen Veränderungen in Anspruch genommen, welche die einzelnen Bestandteile der Zelle unterdessen erlitten haben (Fig. 2). Der konische Beitrag zur nälieren Kenntnis der Häutung uhvv. 467 Fortsatz, der mit dem Hypoderm zusammenhängt, hat sich länger gestreckt und ist allmähhch hohl geworden, wie es aus geeigneten Schnitten hervorgeht, welche ein rundliches Lumen an Ort und Stelle erkennen lassen {cn); die zwei oder drei nächstliegenden Hypoderm- zellen (c), zwischen welche der Fortsatz fest eingezwängt verläuft, sind — vielleicht durch den ausgestandenen Druckreiz — weit über die Größe der Nachbar- und Schwesterzellen gewachsen; das Protoplasma stellt eme feinkörnige breite Kindensubstanz um den Kern, welcher unregelmäßige, wenn auch noch blasige Form angenommen hat und dabei eine gewisse Menge klumpigen Chromatins — meist wandständig — in sich einschließt. Ist die erste Altersperiode der Larve so weit vorgeschritten, daß ihre Freßlust schon bedeutend nachläßt, so beginnen unsre Drüsen- zellen zusehends dicker und gespannter zu werden, wobei die von Anfang schon erkennbaren Größenunterschiede derselben, zwischen vorderen und hinteren Segmenten, noch viel schärfer hervortreten. Es wäre aber ein Irrtum, wollte man die ganze Volumenzunahme auf Rechnung eines bleibenden substantiellen Wachstums des Zellkörpers setzen. Denn ein Blick ins Mikroskop genügt, um uns sofort aufzu- klären, daß die plötzliche Anschwellung des Protoplasmas wesentlich auf rundliche Vacuolen zurückzuführen ist, welche, zuerst vereinzelt, gleich darauf immer zahlreicher auftreten, bis die ganze Rindensubstanz das Aussehen einer rein schaumigen Struktur darbietet (Fig. 3, 4, 5, 6). Diese kleinen, mit Flüssigkeit erfüllten Lücken sind in einer und derselben Drüse meist alle von ziemlich gleicher Größe, können aber in zwei verschiedenen Drüsen einer und derselben Raupe auch um den mehrfachen Durchmesser voneinander abweichen; und es scheint im ganzen die Regel vorzuwalten, daß sie mit den Dimensionen des zu- gehörigen Organs eng zusammenhängen: so zwar, daß die Thoracal- drüsen, welche in der Larvenperiode am kleinsten zu sein pflegen, auch nur einen feinschaumigen Bau zur Ansicht bringen; während sich die viel voluminöseren Drüsen der hinteren Bauchsegmente ohne Ausnahme grobschaumig erweisen. Ich habe auch in meiner ersten Mitteilung über Hautdrüsen (1. c. 1890) schon hervorgehoben, daß im Innern der Vacuolen nicht selten — und gegebenenfalles nicht bloß in einzelnen, sondern meist in der großen Mehrzahl deselben — ein festes, leicht mit Karmin färbbares, unregelmäßig geformtes Körperchen gefunden wird (Fig. 4, 5). Ich kann jedoch PlotnikowI nicht beipflichten, der dieselben im Jahre 1904 als Chromatinkörnchen 1 Diese Zeitschr. Bd. LXXVI. 31* 468 E. Verson, beschreibt, die \ oni Kern sich abtrennen und Ausgangspunkt einer Vacuole werden sollen. Ich glaube eher, daß es sich dabei einfach um Rückstände von Drüsensecret handelt, welche durch Fixation und Härtung der Präparate im Innern der Vacuolen lokahsiert wurden. Und will ich die Bemerkung nicht unterlassen, daß die zuerst auftretenden noch spärlichen Vacuolen meistens am äußersten Rande des DrüseD- körpers angetroffen werden; während bei vorgeschrittener Vacuoli- sierung die Lücken im Gegenteil am Rande der Centralhöhlung — des Kernes — dichter beieinander stehen (Fig. 5, 6). Wie dem aber auch sein mag, wer — bei dieser Phase angelangt — die mikroskopische Beobachtung auch nur für einen Tag unterbrechen wollte um sie darauf am frisch gehäuteten Räupchen wieder aufzu- nehmen, der müßte wahrlich seine Not haben in Fig. 7, 8, 9, 10 jene selben Gebilde zu erkennen, welche noch wenige Stunden vorher von unzähligen prallgefüUten Vacuolen strotzten! Wir werden sehen, daß bei den nächstfolgenden Häutungen die hier erst angedeuteten Veränderungen noch bei weitem ausgeprägter in Erscheinung treten. Nichtsdestoweniger fällt aber schon gegenwärtig der plötzliche un- erwartete Schwund aller Vacuolen aus der Substanz des Drüsenkörpers auf; die Umwandlung des centralen Spaltraumes (Kern) zu einer ge- waltsam erweiterten Höhlung, wie aus der Verteilung des darin noch vorhandenen Chromatins und der auseinander gezerrten Lininstränge gefolgert werden darf; die unregelmäßigen, wie zerrissenen Wände der Centralhöhle selbst. Kaum ist die erste Häutung vorüber, bleibt also nicht bloß jede weitere Volumzunahme der Exuvialdrüsen für den Augenblick sistiert; sondern, im Gegenteil, dieselben erfahren eine sehr bedeutende Ver- kleinerung, infolge des raschen Schwundes, dem die Vacuolen selbst unterliegen, und geben für einige Zeit kein andres Lebenszeichen von sich. Dieser scheinbare Ruhezustand ist aber von sehr kurzer Dauer. Schon wenige Tage darauf zeigen sich wieder in der Rindensubstanz vereinzelte Vacuolen imd werden von Moment zu Moment zahlreicher; die Rindensubstanz selbst schwillt mächtig an und beengt mit vor- fallenden Buckeln den centralen Kernraum; an ihrem konvexen Rande bringen solche Vorfälle im optischen Durchschnitt einen streifigen Saum zur Ansicht, der, viel weniger ausgesprochen, auch an der Peri- pherie des Organs sich bemerkbar macht, ohne jedoch dessen allge- meine Umrisse sichtHch zu beeinflussen (Fig. 11, 12). Die Vermutung, die sich dabei dem aufmerksamen Beobachter aufdrängt, es möge die vergängliche Streifung von der ebenso temporären Vacuolisierung des Beitrag v.nv näheren Kenntnis der Häutung uhw. 469 Cvtoplasiuas nicht iinabhiingig sein, dürfte auch wirklich der Begrün- dung niclit entbehren. Abgesehen von dem optischen Verhalten, welches zwischen Sanmstreifen und Vacuolenwänden nicht wesentlich abweicht, können die Plasmabuckel, welche gegen den Kernraum sich erheben, offenbar nur in dem Sinne gedeutet werden, daß hier eine negative Oberflächenspannung zur Geltung kommt. Der durch dieselbe ausge- übten Anziehung können die schon entstandenen Vacuolen sich nicht entziehen und bewegen sich in dichten Massen gegen den freien Kern- rand, wo sie, aufs engste zusammengepfercht, nur gegen die Oberfläche desselben offenen Spielraum finden und demgemäß sich so in die Länge strecken, daß die einzelnen verzerrten Bläschen sich wie Palisaden aneinander reihen und den Eindruck eines streifigen Saumes erzeugen. Nach überstandener zweiter Häutung sind unsre Drüsen wieder in einen Zustand äußerster Erschöpfung zurückverfallen, die noch dazu mit schw^erer traumatischer Beschädigung kompliziert erscheint (Fig. 13), wie die jetzt günstigeren Größen Verhältnisse leicht festzustellen er- lauben. Ihr Volumen ergibt sich mehrfach reduziert, im Vergleich zu dem unmittelbar vor der Häutung erreichten ; die Vacuolen sind spurlos verschwunden, die Rindensubstanz gibt Zeichen einer krampfhaften Retraktion, und begrenzt mit zerfetzten Rändern den Kernraum, der noch gewisse Mengen Chromatin und strangartig ausgezogene Linin- substanz in sich birgt (Fig. 9, 10, 12, 13). Nach diesem Befunde sollte man eigentlich den Schluß nicht für ungerechtfertigt halten, daß so tief verkümmerte Organe ihre Funk- tionsfähigkeit vollständig eingebüßt haben und endgültiger Involution entgegengehen. Und doch genügen vollauf 2 oder 3 weitere Tage, um das ganze Bild wie mit einem Schlage zu ändern, und das scheinbar unaufhaltsame Siechtum in das Licht einer wahrlich fabelhaften Neu- erw eckung zu versetzen. Denn nun sehen wir, wie — gewissermaßen unter unser n Augen — Risse und Schrammen vernarben, wie hängende Fetzen sich abrunden und anheilen, wie die Rindensubstanz allmählich turgesziert und schwielige Beulen treibt, welche den Kernraum von allen Seiten beengen (Fig. 14). Dabei treten spärliche Vacuolen auf, zuerst an der Peripherie des Drüsenkörpers; dieselben werden darauf immer zahlreicher, immer dichter gedrängt; und schließlich wird auch der streifige Saum an den Plasmabuckeln sichtbar, welche dem centralen Kernraume zugekehrt stehen. Ist einmal die dritte Häutung vorüber, so sind auch die Vacuolen unserm Auge entschwunden, ist das noch eben secernierende Proto- plasma eingeschrumpft, verhärtet, von rissigen Defekten nur am Rande 470 E. Verson, des Kernraumes noch unterbrochen: und so wechselt — bei jedem neu angehenden Larvenalter — spannende Turgescenz mit einfallendem Collapsus periodisch ab, ohne daß ein proportionales Massenwachstum der eigentlichen Drüsensubstanz deshalb angenommen zu werden brauchte. Denn die Extreme, zu welchen die angeführten regelmäßigen Übergänge führen, sind vorwiegend auf Kechnung der Secretions- produkte zu setzen, welche mit typischer Rekurrenz sich ansammeln, um dann sogleich nach außen befördert zu werden. Jedenfalls will ich aber nochmals hervorheben, daß diese alter- nierenden Ebbe- und Flutperioden, welche die Häutungsdrüsen durch- machen, in den hinteren Abdominalsegmenten vorzeitiger und aus- geprägter auftreten, im Vergleich zu den vorderen, dem Kopfe näheren Segmenten. Hier findet man nach jeder Larvenhäutung die Verkleine- rung und die unverkennbare mechanische Beschädigung der entleerten Exuvialdrüsen viel weniger weit gediehen. Mag es nun Folge der größeren Schonung sein, welche anfänglich denselben zuteil gew^orden, mag es von andern noch unbekannten Ursachen abhängen, — Tatsache ist es jedoch, daß, von der vierten Häutung an, die Drüsen der vorde- ren Somiten (wie schon vorhin erwähnt) umgekehrt viel schneller und intensiver zu wachsen beginnen als jene der hinteren Somiten: und daß somit in wenigen Tagen jene Größenunterschiede ganz ausgeglichen erscheinen, welche vorher zugunsten der abdominalen Segmente ein- getreten waren. Gleichzeitig werden die streifsaumigen Buckel, welche das Cyto- plasma in seiner tätigen Phase nach innen treibt, so zahlreich und dicht gedrängt, daß der Kernraum mäanderartig sich dazwischen durch- winden muß, bis es schließlich zu einem lappigen Zerfall des ganzen Drüsenkörpers kommt (Fig. 20, 21, 23). Und diese gelappte Form ist es, welche während der Puppenperiode allgemein vorherrscht (Fig. 22, 23, 24, 25). Es ist allerdings richtig, daß die Exuvialdrüsen noch vor dem Ausschlüpfen des fertigen Schmetterlings einer Involution an- heimfallen, welche sie dann zu raschem Schwunde bringt. Aber es darf andernteils nicht vergessen werden, daß in dieser Evolutionsphase auch ihre Secretionstätigkeit entsprechend verfrüht beginnt. Deshalb bedeutet ihr Untergang keinesfalls Abwesenheit von Exuvialflüssigkeit, insofern letztere sehr zeitig in Form eines farblosen Ergusses zwischen Puppenhülle und Imaginalintegument sich ergießt, und die Drüsen überdauert, von welchen sie erzeugt worden war. Beitrag zur näheren Kenntnis der Häutung usw. 471 Der vorausgegangenen Darstellung ist es leicht zu entnehmen, daß ich die gewöhnlichen Häutungs- oder Exuvialdrüsen, wie sie nachträg- lich von verschiedenen Autoren benannt worden sind, im wesentlichen als einzellige Gebilde ansehe, welchen Deck- oder Schutzelemente in beliebiger Anzahl sich anschließen können ; daß, meiner Meinung nach, der Kern der eigentlichen Drüsenzelle die Secretion erregt und sie ge- wissermaßen als Behälter in sich aufnimmt, vielleicht noch weiter be- arbeitet; daß im Ruhezustand zwischen Kern und Ausführungsgang keine präformierte Kommunikation besteht, wohl aber eine solche ge- waltsam sich ausbildet, sobald die Secretion ihre höchste Intensität erreicht hat. Daß man nach dem Vorgange Philipschenkos aus dem Vorhanden- sein einer einzigen oder mehrerer Zellen in einer und derselben Drüse Anlaß nehmen sollte, verschiedene Kategorien aufzustellen, darf wohl als überflüssige Komplikation bezeichnet werden, nachdem in allen bisher bekannt gewordenen Fällen die secernierende Zelle in der Ein- zahl vorkommt und die Deckzellen — bei Bombyx mori wenigstens — ganz unregelmäßig in variabler Anzahl von 1 bis 3 angetroffen werden. Sollte es sich dagegen bestätigen, daß die von Philipschenko unter dem Hypoderm von Collembolen gefundenen, mehr oder weniger reichlich vacuolisierten Zellen wirklich Exuvialdrüsen vorstellen, so wäre es meiner Ansicht nach eher angezeigt, solche Gebilde ganz all- gemein in zwei Gruppen einzuteilen, je nachdem sie mit Ausführungs- gang versehen sind, oder desselben entbehren. Man wolle aber nicht zu beachten unterlassen, daß die bloße Vacuolisierung eines Cyto- plasmas keinesfalls als ausschließliche Attribution der Exuvialdrüsen anzusehen ist. Ähnliche Erscheinungen, nämlich das Auftreten von Vacuolen im Cytoplasma bei gleichzeitiger Volumenverkleinerung des Kernes mit darauf folgender Exsudation eines am Mikroskop leicht erkennbaren Secretes, habe ich schon vor langer Zeit bei einzelligen Drüsen soge- nannter innerer Secretion von Bomhyx mori nachgewiesen und be- schrieben (s. Fig. 29, 30, 31, 32)i. Beim Übergange vom Puppen- zum Imaginalstadium erfahren auch die Integumentalzellen eine tiefe A^eränderung, indem durch einen ähn- lichen Vacuolisierungsprozeß die basale Partie derselben durchbrochen und netzartig zerfasert wird, während ihr Kern gleichzeitig der freien Oberfläche sich nähert und hier jene merkwürdige Fraktionierung 1 E. Vebson und E. BissoN, Cellule Glandulari Ipostigmaticlie nel Bom- hyx mori. R. Stazione Bacologica di Padova. 1891. 472 E. Verson, eingeht, welche einesteils zur Abspaltung eines neuen, sehr dünnen Hypoderms, andernteils zur Bildung der eigentlichen Schuppenzellen führt. Dagegen will ich gern zugeben, daß gerade in der Vacuolisierung von secernierendem Protoplasma die erste Veranlassung vorliegen dürfte, ein andres Organ von Bomhyx ynori, über dessen Finalität kein Naturforscher bisher befriedigenden Aufschluß zu verschaffen ver- mochte, unter die echten Exuvialdrüsen einzureihen. Es handelt sich nämlich um die sogenannten De FiLippischen Anhangdrüsen des Sericteriums, welche im Jahre 1854 zum erstenmal eine sehr kurze und unzulängliche Beschreibvmg gefunden habend. Helm 2 unternahm es darauf, im Jahre 1876, viele irrtümliche .Angaben über die Spinndrüsen der Lepidopteren überhaupt zu be- richtigen; und hat das unleugbare Verdienst, durch seine Untersuchungen festgestellt zu haben, daß jenseits der von Cornalia und Maestri abgebildeten Ausführungsgänge erst die rechten Drüsenlappen folgen, »welche zumeist von birnförmiger Gestalt, nach den ver- schiedensten Seiten gerichtet sind«. Aber die wahre Bedeutung dieser Drüsenlappen, welche durch ein feines, im Innern verlaufendes Kanälchen mit einer blasenförmigen Erweiterung der Tunica intima am Ende des eigentlichen Ausführungsganges in Verbindung stehen sollten, konnte Helm nicht erfassen. >>In situ« — so liest man in der zitierten Abhandlung — »liegen die einzelnen Drüsenlappen so dicht an- und aufeinander, daß die Vereinigungsstelle ihrer Ausführungsgänge nicht gesehen werden kann.« In Wirklichkeit finde ich aber bei näherer Besichtigung, daß die soge- nannten Lappen ein Bündel riesiger secernierender Zellen vorstellen, welche periodisch durch Vacuolisierung ihres Protoplasmas in tätigen Zustand übertreten; die vermeintlichen Kanälchen entlarven sich als große verästigte Kerne mit Chromatin und Lininsubstanz ; die Intima des gemeinsamen Ausführungsganges erscheint in ihrem ganzen Ver- laufe durch spiralige Verdickungen erstarrt, welche nur an der blasigen 1 De FiLiPPi, Memorie della Soc. clelle Scienze zoologiche e biologiche di Torino. 1854. In seinen Frammenti Anatomici, Fisiologici e Patologici sul baco da seta (Pavia 1856) gibt Angeld IVIaestri an, besagte Anhangdrüsen noch früher in einem Wachsniodell dargestellt zu haben, welches im Februar 1853 in Mailand öffentlich ausgestellt wurde. Aus den begleitenden Abbildungen geht es übrigens zur Genüge hervor, daß, wie von Helm schon vermutet worden, sowohl Cobnalia als Maestri nur die Ausführungsgänge gesehen hatten. - F. E. Helm, Über die Spinndrüsen der Lejüdopteren. Diese Zeitschr. Bd. XXVI. I Beitrag zur nahcnvii Kenntnis der Häutung usw, 473 Erweiterunü, des blinden Grundes fehlen, wo die secernierenden Zellen mit den letzten Ausläufern ihres verästigten Kernes ansetzen (s. Fig. 26, 27,28)1. Freilich ist es bis zum heutigen Tage nicht gelungen, festzustellen, welches aktive Prinzip diese flüssige Secretion eigentlich enthalte; und konnten a priori Vermutungen nicht ausgeschlossen werden, welche in ihr eine Quelle fettiger Substanz zum oberflächlichen Schutze des Seidenfadens (Firnis!) oder zur Lubrifikation der eigentlichen Faden- presse suchten. Bedenkt man aber, daß in den Anhan'gdrüsen des Sericteriums die secernierenden Zellen denselben Habitus zur Schau tragen wie jene der Exuvialdrüsen ; daß die Funktionaltätigkeit der ersteren sowohl wie der letzteren mit den Häutungsperioden zusammenfällt; daß bei verschie- denen Insektenlarven (Chrysomeliden, Tenthrediniden) Plotnikow die Gegenwart von Exuvialdrüsen auch im Kopfe nachgewiesen hat, wo sie bei Lepidopteren sonst gänzlich fehlen; daß Helm schließlich an der im Innern des Kokons von den Raupen abgestreiften Haut — der Unterlippe anhängend — den vorderen chitinigen Teil der Spinndrüsen und somit die Häutung derselben ganz richtig nachgewiesen hat, so kann man sich der Überzeugung wahrhch nicht erwehren, daß die rätselhaften Anhangdrüsen von De Filippi und Maestri eben nichts andres als Exuvialdrüsen vorstellen müssen, denen die Bestimmung zufällt, die Ablösung der so abgelegenen Cuticularbildungen der Faden- presse zu ermöglichen und zu erleichtern. In der Tat wäre es nicht recht einzusehen, wie, ohne solch unver- hoffte Hilfe, die Larve es zustande bringen sollte, sich dieses mäch tigen, tief eingestülptencuticularen Überzuges zu entledigen. Und was- die Konfigurationsabweichungen von den übrigen bisher bekannt 1 Verson e Qfajat, II filugello e l'Arte Sericola. Trattato teorico- pratico. Padova 1896, p. 151- »II canale escretore delle ghiandole De Filippi va contrassegnato da ispessimenti cuticolari che rendono la imagine di tili ravvolti a circolo od a spirale; e termina da ultimo a fondo apparentemente cieco. Le cellule ghiandolari ond 'esso e cinto rassomigliano dapprincipio all' epitejio della porzione anteriore del seritterio; ma poi acquistano un' aspetto sui generis per numerosi ed ampi vacuoli che ne scavano e ne bucherano 11 citoplasma, riducen- dolo in sottili frangie distese fra la tunica propria e la intima. Presso e intorno alla terminazione cieca del canale escretore, le medesime cellule raggiungono iufine un enorme allungamento irregolare, da simulare un mazzo di lobi varia- mente grandi che ne uscissero fuori. Ma ciascuno di essi lobi in veritä non e altro che uua sola cellula, munita di nucleo allungato e racemoso, di protoplasma riccamente vacuolizzato «. 474 E. Verson, gewordenen Exuvialdrüsen betrifft, wäre die Anhangdrüse des Sericte- riums (Fig. 26) eben nur als eine zusammengesetzte Bildung aufzufassen, in welcher sowohl secernierende als einfach deckende oder leitende Zellen — sämtlich Derivate des Hypoderms — in ansehnlicher Mehr- zahl zu einer gemeinsamen, zu einer verstärkten Wirkung sich ver- einigt haben. — Wie dem übrigens auch sein mag, komme ich noch zu einer kurzen Besprechung des Kernes der Secretzelle, welche — meiner Ansicht nach — am Absonderungsprozesse selbst nicht nur als direkter Erreger des- selben beteiligt ist, sondern auch als Sammelort der produzierten Flüssigkeit betrachtet werden muß. »Nach Versons Meinung« — so drückt sich Plotnikow in seiner zitierten Arbeit aus — .»fließt der Inhalt der Vacuolen in die Centralhöhlung der Drüse« . . . und »soll sich die Centralhöhle an der Stelle des ursprüng- lichen Kernes bilden. Sowohl die erste als die zweite Mei- nung sind aber nicht richtig. Die Secretzelle hat immer den Kern.« Diesem Ausspruch gegenüber kann ich meine Verwun- derung nicht unterdrücken; und bleibt mir nur die Annahme übrig, Herr Plotnikow habe von meiner ausführlichen Arbeit nur durch unzulängliche Auszüge oder Berichte Kenntnis genommen. Wo hätte ich je behauptet, daß die Secretzelle keinen Kern besitzt? . . . Ich habe vielmehr dieselbe Schritt für Schritt in allen ihren Evolutionen verfolgt, — vom ersten embryonalen Anfang an, wo ihre Ableitung von einer modifizierten Hypodermalzelle zweifellos einleuchten muß (und dies noch im Jahre 1889, während der Nachweis der Entstehung der Drüsen aus dem Hautepithel durch Nassonow^ jedenfalls nur dem Jahre 1903 angehören kann); ich habe gezeigt wie der Kern derselben allmählich die rundlich blasige Form verläßt, um sich im Cytoplasma reichlich zu verästigen; wie bei beginnender Vacuolisierung des Proto- plasmas die ersten Lücken in der Corticalzone auftreten und sich von hier aus gegen das Centrum rasch bewegen; wie diese centripetale Strömung der Vacuolen die Bildung streifiger Säume verursache; wie bei steigender Turgescenz des Protoplasmas der verästigte Kern zunächst durch aufsteigende Protuberanzen allseitig bedrängt wird ; wie 1 H. Nassonow, Zur Morphologie der VERSONschen und STEiNschen Drüsen der Insekten. Warschau 1903. Durch die Zuvorkommenheit Herrn Nassonows selbst bin ich zwar im Besitze dieser sicherlich sehr interessanten Arbeit. Bei der Schwierigkeit, mir eine verläßliche Übersetzung der russisch verfaßten Schrift zu verschaffen, muß ich aber leider dem Vergnügen entsagen, mich mit deren Inhalt näher zu beschäftigen. Beitrag zur iialiercn Kenntnis der Häutung usw. 475 schließlich — nach vollendeter Entleerung des Secretes — der Kern für kurze Zeit das Aussehen einer erweiterten, schlaffwandigen und unregelmäßigen Centralhöhlung behalte, in welcher ich aber die Anwesenheit reichlichen Chromatins und auseinander gezerrter Linin- stränge nicht bloß angegeben, sondern auch bildlich dargestellt hatte i (Fig. 9, 10, 12, 13, 14): ist da ein ernstlicher Zweifel noch zulässig, ob ich die Existenz des Kernes in der secernierenden Zelle anerkenne oder leugne? . . . Für mich ist also, wie für jedermann, der Kern integrierender Bestandteil der Secretzelle. In bestimmten biologischen Phasen er- weitert sich aber derselbe infolge Aufnahme von flüssigem Vacuolen- inhalt und gibt sich gewissermaßen zum Nebendienst eines Reservoirs her, der im nächsten Augenblick — bei erreichtem Zwecke — natür- lich unterbrochen bleibt. Soweit meine Kenntnisse reichen, liegt nicht ein einziger streng nachgewiesener Tatbestand vor, der mit einer ähn- lichen Intervention von seiten des Zellkernes in offenem Widerspruch sich befände. Und für diejenigen, denen meine Argumente nicht hin- reichend beweiskräftig erscheinen sollten, ziehe ich das Beispiel der Drüsenzellen interner Secretion heran, in denen — wie von mir auch im Zool. Anzeiger Nr. 328, schon gezeigt wurde — der Kern bestimmte Produkte periodisch absondert, die das Protoplasma durchsetzen, um es temporär mit einem deutlichen kontinuierlichen Hof körniger Substanz zu umhüllen (Fig. 29, 30, 31, 32); berufe ich mich auf die gleichzeitigen Befunde von Gilson (La Cellule, Tome VI, p. 152), welcher für die Spinn- drüsen von Bombyx mori Infarcte von Fibroin im Innern der Zellkerne selbst beschreibt^. Einen präformierten Weg, der dauernde Verbindung zwischen Kern und Ausführungsgang vorstellen könnte, gibt es freilich nicht. Während der aufsteigenden Tätigkeitsphase der Drüse finde ich den Ausführungs- gang stets blind endigend, indem die Intima desselben zu einer blasen- artigen Abrundung dort verschmilzt (Fig. 17). Hat die Vacuolisierung des Zellenkörpers ihren höchsten Grad erreicht, so begegnet man nicht selten Bildern, welche — wie Fig. 15 und 16 — einer bevorstehenden Dehiscenz zwischen schaumigem Gewebe und Ausführungsgang das Wort reden. Von entscheidender Bedeutung sind aber für mich Serienschnitte 1 Emil Holmgren — Hudens och de Kortelartade Hudorganens Morfologi, Stockholm — hat im Jahre 1895 denselben Befund hervorgehoben. 2 »Cette presence donne plus d'interet encore ä une question qui depuis longtemps se pose aux cytologistes : la question du role du noyau dans la cellule et en particulier dans les phenomenes chimiques de la vie. » 476 E. Verson, von eben entleerten Drüsen aus Larven, deren Exuvie noch an Ort und Stelle sitzt, also noch nicht abgestreift wurde. Hier konnte ich mehrmals die Zeichen eines direkt erfolgten Durchbruches des Kernes nach dem Ausführungsgange beobachten, indem eine klaffende Spalte mit meist unebenen rissigen Wänden eine vergängliche Kommimikation zwischen beiden noch unterhält (Fig. 7, 10). Man muß aber annehmen, daß dieselbe unverzüglich wieder unterbrochen bleibt, sobald der Ab- sonderungsprozeß zu Ende ist; und im Einklänge mit der allgemeinen Vernarbung der eben noch zerfetzten Kernwand, auch der Grund des Ausführungsganges durch erneuerte Cuticularausschwitzung verklebt wird. — Wir haben bisher auch nicht die entfernteste Ahnung wo und wie die ersten Ursachen zu suchen seien, welche in den organisierten Ele- menten der metabolischen Insekten eine ganze Keihe von verjüngenden morphologischen und biologischen Veränderungen — als Vorspiel ge- wissermaßen zur eigentlichen definitiven Metamorphose — hervor- rufen. Einzelne Erscheinungen sind aber jedenfalls bekannt, welche mit Beginn und Ende jener Veränderungen aufs engste verbunden sind; und es dürfte nicht überflüssig sein an dieser Stelle des grund- verschiedenen Aussehens besonders zu gedenken, welches die Mal- PiGHischen Gefäße annehmen, je nachdem eine Häutung herannaht oder eben überstanden ist. Im letzteren Falle findet man dieselben schmal, durchscheinend, glatt konturiert; je weiter dagegen eine be- gonnene neue Larvenperiode vorschreitet und die successive Häutung sich allmählich vorbereitet, — um so breiter, knotiger und kreidiger erweisen sich die Renalgefäße infolge rasch steigender Absonderungs- intensität, welche immer reichlicher kristallinische und kristalloide Produkte in das Lumen ihres Kanales entleert. Ich habe schon vor vielen Jahren gezeigt, daß in den ersten Larvenperioden die Renal- gefäße ausschließlich Oxalsäuren Kalk in Form von rechteckigen Täfel- chen mit abgestumpften Winkeln produzieren, welche durch Dehiscenz von Vacuolen aus dem Cytoplasma der drüsigen Tubuli frei werden; während in der letzten, fünften Larvenperiode, neben dem Oxalsäuren Kalk auch braune Sphärokristalle von reiner Harnsäure auftreten, denen während der Puppenperiode sich harnsaures Ammoniak substituiert i. 1 Diese Aufeinanderfolge verschiedener Ersatzprodukte findet leiclite Er- klärung, wenn man bedenkt, daß die Harnsäure, welche nur während der sog. Freßperiode der Raupen sich bemerkbar maclit, im Vergleich zur Oxal- säure eine niedrigere Oxydationsstufe darstellt und somit einem ungünstigeren Beitrag zur näheren Kenntnis der Häutung usw. 477 Zuletzt, d. h. bei schon angehendem Häutungsschlafe, wird die Pro- duktion der Renalgefäße dermaßen gesteigert, daß sie im Vergleiche zur Excretion bei weitem überwiegt und das Lumen der Kanäle zu seinem größten Teil vom kristallinischen Secret vollkommen obstruiert erscheint. Eine längere Unterbrechung der üblichen Funktionen ist dann ganz unvermeidlich. Aber in demselben Moment als die MALPiGHischen Gefäße durch ein mechanisches Hindernis gezwungen werden ihre Tätigkeit einzu- stellen, — in demselben Moment beginnen die Exuvialdrüsen die eben noch in vollem Ruhezustande sich befanden, in lebhafte Erregung zu geraten. Ein solches Zusammentreffen von Unterdrückung jeder Tätigkeit in einem bestimmten Organ und Wiederaufnahme derselben von Seiten eines andern benachbarten wäre an und für sich ganz gewiß nicht hinreichend, um die Annahme gegenseitiger funktioneller Beziehungen zu rechtfertigen. Zieht man jedoch den Umstand heran, daß frisch gehäutete Raupen bei sorgfältiger Bepinselung ihres Integumentes zahllose Täfelchen von oxalsaurem Kalk nebst spärlichen Harnsäure- kristallen abgeben, wie sie sich ganz ähnlich in den Renalgefäßen vor- finden; imd erwägt man ferner, daß beim Eintrocknen auf einem Ol- jektträger die Exuvialflüssigkeit selbst Kristallbildungen in gleicher Form und Größe hinterläßt, — so muß zugegeben werden, daß die Vermutung einer solchen Reziprozität schon viel zulässiger geworden ist. Und die Schlußfolgerung dürfte nicht mehr gewagt erscheinen, daß den Exuvialdrüsen nicht bloß die Aufgabe zufällt, abgetragene Cuticularbildungen abzuheben ui;id zu elimiminieren ; sondern man müsse denselben auch eine vicariierende Bedeutung zu den Renal- gefäßen anerkennen, für jene kurzen Arbeitspausen, deren letztere periodisch bedürfen, um sich einer allmählich angehäuften und mit der Ökonomie des Organismus unvereinbarenden Last gründlich zu entledigen. Padua, den 25. August 1910; R. Stazione Bacologica Sperimentale. Respirationsquotienten entspricht. Puppe und Imago, welche bei Bomhyx mori keine Nahrung von außen melir aufnehmen und an ihren eignen Geweben zeh- ren, entleeren aus ihren Renalgefäßen nur harnsaures Ammoniak. 478 E. Verson, Erklärung der Abbildungen. Allgemeine Bezeichnungen: c, Deckzellen am Ausführungskanälchen d.e, Ausführungsgang der de Filippi- der Exuvialdrüsen : sehen Drüsen; c.ef, Zerfaserte Epithelzellen des Aus- D.F, Anhangdrüsen des Sericteriums ; führungsganges de Filippis; cjli. Rudimentäre Drüsenzelle; cn, Ausführungskanälchen der Exuvial- ip, Hypoderma; drüsen; ms, Muskelfasern; CS, Secernierendes Cytoplasma; nc. Kern der secernierenden Exuvial- ct, Cuticula; zelle. ein, Cuticula neuer Bildung; Von den folgenden Figuren sind viele meiner ersten Mitteilung über »Nuovi organi escretori scoperti nel filugello« aus dem Jahre 1890 entlehnt. Tafel XXI. Fig. 1. Eine Häutungsdrüse {gh) aus neugeborenem Räupchen, mit ver- schmälertem Halse bis an die Oberfläche des Hypoderms reichend. Geneigter Flachschnitt. Hartnack VIII, 3. Fig. 2. Obere Mesothoracaldrüse am 3. Tage der ersten Larvenperiode. Der Ausführungskanal cn ist vom Messer schief getroffen und erscheint durch zwei Deckzellen c beschützt. Der Kern nc beginnt seine blasige Form einzu- büßen. Haktnack VIII, 3. Fig. 3. Häutungsdrüse des vierten Bauchsegments, kurz vor dem ersten Larvenschlafe. Das Protoplasma der secernirenden Zelle ist stark angeschwollen von zahlreichen Vacuolen, deren viele je ein winziges Körnchen einschließen. Hartnack VIII, 3. Fig. 4. Häutungsdrüse des siebenten Bauchsegments, vom gleichen Alter wie Fig. 3. Der Kern nc ist durch vorspringende Buckel des Cytoplasmas ein- geengt, das viel größere Vacuolen mit voluminösem fixen Inhalt aufweist. Hart- nack VIII, 3. Fig. 5. An einem andern Schnitte derselben Drüse (Fig. 4) ist ersichtlich, daß der körnige Rückstand im Innern der Vacuolen stellenweise auch ganz fehlen kann. Hartnack VIII, 3. Flg. 6. Schiefer Längsschnitt durch die untere Häutungsdrüse des achten Bauchsegments einer Raupe, die zum ersten Schlafe sich anschickt. Der Aus- führungsgang ist außer der Schnittebene geblieben. Hartnack VIII, 3. Fig. 7. Obere Mesothoracaldrüse, aus einem Räupchen, welches die erste Häutung eben überstanden hat. Das Protoplasma der secernierenden Zellen- drüse hat alle Vacuolen verloren, und ist rings um den noch erweiterten Kern zusammengeschrumpft. Letzterer scheint mit dem nur partiell getroffenen Aus- führungsgang zu kommunizieren. Hartnack VIII, 3. Fig. 8. Häutungsdrüse des ersten Bauchringes aus einer Larve gleichen Alters wie in Fig. 7. Die Risse und Fetzen der Kernwände nc sind hier noch Beitrag zur näheren KeniitniH der Häutung usw. 479 tiefer markiert; der Ausführungsgang cn verläuft zwischen zwei Deckzellen c eingegraben. Hartnack VIII, 3. Fig. 9. Untere Drüse des achten Baucliringcs, kurz nach der ersten Häutung. Der Drüsenkörper enthält noch einzelne Vacuolen, die im Begriffe stehen sich centralwärts zu öffnen. Der dilatierte Kern nc ist von zahlreichen Lininsträngen durchzogen, welche mit reichlichem Chromatin wie inkrustiert ersclieincn. Der Ausführungsgang wurde vom Schnitte nicht getroffen. Hartnack VIII, 3. Fig. 10. Obere Drüse des achten Bauchsegments, aus derselben Raupe wie in Fig. 9. Der unregelmäßig verzogene und verrissene Kern enthält auch hier viele Lininstränge und kommuniziert offen mit dem Ausführungsgang. Sehr beachtenswert ist der glattrandige Durchschnitt des zwischen Deckzellen verlaufenden Kanalabschnittes, im Vergleich zur Fortsetzung desselben, die sich innerhalb des secernierenden Cytoplasmas Bahn bricht. Hartnack VIII, 3. Fig. 11. Häutungsdrüse des siebenten Bauchringes aus einer Larve, die dem zweiten Schlafe sich nähert. Das secernierende Cytoplasma, von Vacuolen strotzend, treibt gegen den Kernraum Buckel und Beulen vor, welche von einem streifigen Saume gekrönt erscheinen. Der Ausführungskanal cn ist schief-, fast quergeschnitten. Hartnack VIII, 3, Fig. 12. Obere Drüse des achten Bauchsegments vor dem zweiten Larven- schlafe. Das secernierende Cytoplasma wie in Fig. 11; dank dem im Kerne sich ansammelnden Fluidum werden aber die Protuberanzen zurückgedrängt, bfs die gezerrten Lininstränge In wieder zutage treten. Der ausführende Teil der Drüse liegt außerhalb der Schnittebene. Hartnack VIII, 3, Fig. 13. Untere Mesothoracaldrüse, unmittelbar nach der zweiten Häutung. Das Cytoplasma vacuolenfrei, ganz eingeschrumpft. Der Kernraum nc, von zer- fetzten Wänden begrenzt, erscheint dilatiert und von Lininfäden reichlich durch- setzt. Der Ausführungsgang cn ist von zwei Deckzellen umschlossen. Hart- nack VIII, 3. Fig. 14. Exuvialdrüse des siebenten Bauchringes, 3 Tage nach der zweiten Larvenhäutung. Das Cji;oplasma der secernierenden Zelle enthält noch keine Vacuolen, zeigt sich aber überall vernarbt und turgeszierend. Der Ausführungr- gang cn schließt mit blindem Grunde ab. Hartnack VIII, 3. Fig. 15. Proximaler Abschnitt einer unteren Prothoracaldrüse bei be- ginnendem dritten Larvenschlafe. Der von drei Deckzellen zusammengefügte Ausführungsgang mündet frei zwischen der alten abgehobenen Cuticula et und der neuen ctn, welche das Hypoderm an seiner entblößten Oberfläche wieder ausgeschwitzt hat. Vom Kernraum nc aus, scheint eine Kommunikation nach dem blinden Grunde des Ausführungsganges schon angebahnt. Hartnack VIII, 3. Fig. 16. Offene Mündung mit entstehenden chitinogenen Verschlußlippen, einer unteren mesothoracalen Drüse aus dem dritten Larvalschlafe. Der Aus- führungsgang ist von zwei Deckzellen begleitet. Hartnack VIII, 3. Fig. 17. Gesamtansicht einer unteren Prothoracaldrüse, in gleicher Ent- wicklungsphase wie Fig. 15 und 16. Der noch blinde Ausführungsgang besitzt nur eine einzige Deckzelle. Hartnack VIII, 3. Fig. 18 u. 19. Verschiedene Durchschnitte von Ausführungsgängen. In Fig. 19 scheint eine seitliche Kommunikation mit dem Kernraum sich ausgebildet zu haben. Hartnack VIII, 3. Fig. 20. Secernierender Körper einer oberen mesothoracalen Drüse, aus 480 E. Verson, Beitrag zur näheren Kenntnis der Häutung usw. einer Larve, die sich zum vierten Schlafe vorbereitet. Die Rindensubstanz (Cyto- pUxsma) CS ist dicht vacuoHsiert; der Kernraum nc durch zahlreiche Buckel und Beulen beengt, welche allseits von den Plasmawänden sich erheben und deutlich streifsaumig erscheinen. Haktnack VIII, 3, Fig. 21. Exuvialdrüse des siebenten Bauchringes, kurz vor dem vierten Larvalschlafe. Durch den gleichzeitigen Vorfall zahlloser vacuolisierter Protu- beranzen, welche der Rindensubstanz entsteigen, ist der Kernraum in eine reiche Verzweigung sinuöser, mäanderartig sich durchwindender enger Gänge verwandelt worden. Habtnack IV, 3. Fig. 22. Untere pi'othoracale Drüse aus einer Larve, welche eben ihre vierte Exuvie abgestoßen hat. Das lappig ausgewachsene Organ hat eine enorme Volumreduktion erfahren, enthält aber dennoch eine gewisse Anzahl von Vacuolen in ihrer Rindensubstanz, während der Kern ganz ästig zerfallen ist. Hartisiack IV, 3. Fig. 23. Obere prothoracale Drüse, mit vacuolisiertem Cytoplasma und verästigtem Kerne, aus einer Puppe, die im Begriff steht ihre letzte Larvalexuvie abzuwerfen. Hartnack IV, 3. Fig. 24. Obere prothoracale Drüse, mit vacuolenfreiem geschrumpften Cytoplasma und reich befiedertem Kern aus einer jungen Puppe. Der Aus- führungsgang cn ist durch den Schnitt schief getroffen worden. Hartnack IV, 3. Fig. 25. Exuvialdrüse des sechsten Bauchringes aus einer älteren Puppe. Das secernierende Cytoplasma geht allmählich ein. aber einzelne Vacuolen per- sistieren noch längs den Seitenwänden des nach Art einer Blattrippe gestreckten Kernes. Hartnack IV, 3. Tafel XXII. Fig. 26. Fadenpresse mit Anhangdrüsen D.F, welche das Secretionsi^rodukt großer secernierender Zellen es durch bilaterale Ausführungsgänge d.e ins Seric- terium entleeren. Das Präparat gehört einer Raujic an, welche 3 Tage vorher die vierte Häutung überstanden hatte, und erscheinen demnach die secernieren- den Zellen noch vacuolenfrei. Hartnack IV, 3. Fig. 27. Ein kvxrzer Tractus Ausführungsgang der Anhangdrüsen aus einer spinnenden Rau])c, stärker vergrößert. Die Epithelzellen des Ductus d.e. zerfasern zu einem dünnen Netzwerke, welches mit der Intima in vollem Zusammenhange bleibt. Habtnack XIII, 3. Fig. 28. Secernierende Zellen der Anhangdrüsen aus einer spinnenden Raupe, im vacuolisierten Zustande. Hartnack VIII, 3. Fig. 29 — 32. Hypostigmatische Drüsenzellen in verschiedenen Phasen ihrer Secretemission. Hartnack VIII, 3. Histologische Studien über Insekten. I. Das Herz der Aeschnalarven. Von Alexius Zawarzin. (Aus dem anatomiscli-histologischen Laborutoriuin der Universität St. Petersburg; Vorstand Prof. Dr. A. S. Dogiel.) Mit il Figuren im Text und Tafel XXIII, XXIV. Ungeachtet Jessen, daß jährlich Hunderte, sogar Tausende von Arbeiten aus dem Gebiete der Entomologie erscheinen, ist der Orga- nismus der Insekten dennoch noch lange nicht genügend studiert. In dieser Hinsicht ist besonders das Nervensystem hervorzuheben, über dessen feineren Bau sowie über das gegenseitige Verhalten seiner Elemente so gut wie nichts bekannt ist. Sämtliche neuere neurolo- gische Untersuchungsmethoden sind für das Studium des Nerven- systems der Insekten fast nicht angewandt worden. Alles was bisher über dasselbe bekannt ist, verdanken wir fast ausschließlich Unter- suchungen, die vermittels der gewöhnlichen Untersuchungsmethoden ausgeführt worden sind. Ich habe mir daher die Aufgabe gestellt das Nervensystem der Insekten, soweit es möglich ist, vermittels der neuen Methoden zu studieren. Vorliegende Arbeit ist der Anfang dieser Untersuchungen. Auswahl des Materials und Untersuchungsmethoden. Eine der Bedingungen für den Erfolg einer jeden histologischen Arbeit ist die günstige Auswahl des Materials; besonders wichtig ist dieses für die neueren neurologischen Methoden, da bei weitem nicht alle Tiere, selbst nahe verwandte, in dieser Beziehung gleich gute Resultate ergeben. Diese Auswahl ist besonders schwierig für die Methode der vitalen Färbung der Nerven mit Methylenblau, welche ich vorwiegend angewandt habe, und welche von sämtlichen neuen Untersuchungsverfahren die besten Resultate ergibt, da das Material folgenden Anforderungen genügen muß. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 32 4:(*(2 Alexins Zawaizin. Zunächst muß es womö>Pericardium« ordnen sich zwischen den Fasern des letzteren die Pericardzellen sowie gegenüber den Ostien zwei Paar lymphoider Organe, welche bereits von Metalnikoff beschrieben worden sind, an. Der vordere Abschnitt des Stützapparates ist durch ein schwach entwickeltes Septuni mit wenigen Muskelfasern vertreten, die mehr oder weniger senkrecht zum Herzen verlaufen und nicht weit von 486 AJexius Zawarzin, demselben in sogenannte elastische Fasern übergehen, welche ihrer- seits sich in die Herzwand einflechten. Diese Fasern können, wie es mir scheint, als reduzierte Fliiuelmuskeln angesehen werden, mit denen sie ihren Beziehungen zum Herzen nach in vielem übereinstimmen. Der Stützapparat des Herzens der Aeschna-harve ist somit normal nur im hinteren Ende entwickelt; das vordere Ende ist stark reduziert und stellt eine Reihe interessanter Besonderheiten dar. Histologie des Herzens (\ev ^Leschna-havve. Literatiirangaben. Die ersten Angaben über die Histologie des Herzens der Insekten finden sich bei Leydig (Larve von Corethra); es folgendarauf die .Arbeiten von Weissmann. J. Dogiel und einer Reihe andrer Forscher. Die wertvollsten Angaben, welche bis jetzt ihre Bedeutung bei- 1)ehalteii hallen, enthält jedoch die Arbeit von Graber. welcher an einer Reihe von Objekten fast aus sämtlichen Ordnungen der Insekten den histologischen Bau des Herzens studiert hat. Nach Graber besteht die Herzwand aus diei Häuten: Intima, Muscularis und Adventitia. Die Intima eiithält keine Kerne und gleicht einer Cuticula; die sich an diese anschließende Muscularis wird von ringförmigen, quergestreiften Muskelfasern — Zellen gebildet. Die Adventitia besteht aus Bindegewebe, welches an die Membrana fene- strata der Wirbeltiere erinnert und zahlreirhe Kerne enthält. Im Septum sind dreierlei Arten von Bindegewebe enthalten: streifiges Bindegewebe, elastisches Fasernetz und reticuläres Binde- gewebe. Das erstere Gewebe hat die gn'ißte Bedeutung für den Auf- bau des Septums. Die Flügelmuskeln bestehen aus echten (juergestreiften, von einem Sarcolemm bekleideten Muskelfasern, welche nicht weit vom Herzen in »elastische« Sehnen übergehen, die ihrerseits dem elastischen Fasernetz den Ursprung geben. Vosseler (1891) ist mit den Beobachtungen von Graber in einer Reihe von Fragen nicht einverstanden. Zunächst findet er, daß die Intima ebenso gebaut ist wie die Adventitia und daß beide Häute zahlreiche, longitudinale, glatte Muskelfasern erhalten. Ferner hält er das ganze elastische Fasernetz von Graber für glatte Muskelfasern. Schließlich hält er sowohl die Muskeln des Herzens als auch die Flügel- muskeln für atypische quergestreifte Fasern, die leicht ihre Quer- streif unii- einbüßen können. Histologische Sltulieii iil)iM- liisektiMi. I. 4^7 Pantkl (liKH») berülut in seiner Monouiaphie iil)er ilie Larve von Thrixion halidauanutti ilesgleiclien auch den Bau de« Hei'zeiis dieser Larve. Dieses zeichnet sich dadurch aus, daß es wie hei sämthchen kkMuen Larven (Levdig. Doctkl — Corethm: Jawokowskv. Popowici Baznüzanu — ('Iurono)iiui!i. Ephenieriden), eine äußerst mangelhaft entwickelte, der Intinia gleichende, Adventitia hat. Nur die Muscularis ist entwickelt, welche große, von Protoplasma umgebene Kerne und eine Reihe von ringförmigen (typisch quergestreiften) Myofibrillen- bündeln zwischen ihnen enthält. Bergh (1902) hat im allgemeinen die Beobachtungen von (Irabek bestätigt; infolge der Bearbeitiuig der Präparate mit Silber ist es ihm jedoch außerdem gelungen im Herzen eine Reihe sogenannter Nähte oder Grenzlinien darzustellen, die sich folgendermaßen anordnen: zwei mediane Längsnähte teilen das Herz in zwei Hälften; eine Reihe von queren (ringförmigen) Nähten, die von ersteren abgehen, teilen das Herz in eine Reihe von Abschnitten, welche Bergh für Muskeleinheiten hält. — Im Zusammenhang damit sieht er die Intima als ein Sarco- lemmgebilde an. Eine Reihe von embryologischen ]3efunden bestätigt die angeführten Beobachtungen von Bergh. Durch die Arbeiten von Bütschli, Weissmann. Viallanes. Cho- LODKOWSKY, Heymons Und einer Reihe andrer Forscher ist es fest- gestellt, daß das Herz in zwei Zellplatten angelegt wird, die zu beiden Seiten der Medianlinie angeordnet sind. Die Zellen dieser Platten oder Cardioblasten (Myoblasten) bilden das Herzrohr (die Muskelschicht desselben). Diese auf dem Querschnitt halbmondförmigen Cardioblasten wachsen mit ihren Enden aus (Jaworowsky), berühren sich hierbei in den Medianlinien und bilden auf diese Weise ringförmige oder richtiger halbringförmiue Muskeln dei- Muscularis. — Die Abschnitte, deren Grenzen bereits Viallanes zu färben gelungen war und die besonders deutlich Bergh eihalten hat, hält letzterer für Muskelzellen, welche aus diesen Cardioblasten hervorgegangen sind. Eigne Beobachtungen. Das Herz der Larven von Wasser- jungfern hat wie dasjenige sämtlicher großer Insekten eine gut ent- wickelte Adventitia, Muscularis und Intima. Die Adventitia besteht, wie es bereits Graber gezeigt hat, aus einem besonderen, faserigen Bindegewebe, welches seinem Aussehen nach an gefensterte Membranen erinnert. Außer den Fibrillenbündeln dieses Gewebes sind in der Adventitia stets aus dem Septum und aus dem » Pericardium« in dasselbe eintretende soaenannte »elastische 488 Alexius Zawarzin, Fasern «1 vorhanden (Textfiu. 2 e/). Diese Fasern sind zweierlei Art: die einen verzweigen sich fast gar nicht und erstrecken sich im Herzen in der Längsrichtiuig desselben (Textfig. 3 lef) ; die andern sind stark verzweigt, anastomosieren miteinander und ordnen sich in der Quer- richtung an (Textfig. 3). Beiderlei Faserarten sind besonders zahlreich in den hinteren Herzkammern vorhanden; nach vorn hin nimmt ihre Menae allmählich ab. Textfig. 2. Querschnitt diu'ch die Herzwaiid der Larve von Aeschna sp.? Vitale Metliylenblaufärbung, fixiert mit niolybdänsaurem Ammonium, Alaunkarmin. Vergr. 1100. /«?, Intima; Gw, Xalitquerleiste; -l/.fW, Muscularis: Gm. (irenzmembran zwisciien Muscularis und Adventitia {adv.); EF, »elastische Faser ♦. Außer den Fasern sind in der Adventitia noch spindelförmige Zellen in der Längsrichtung des Herzens angeordnet, welche bereits von Graber und Bergh beschrieben worden sind. Außerdem werden in der Adventitia konstant noch Leucocyten angetroffen. Auf Schnitten ist die Adventitia von der Muscularis durch eine scharfe Linie geschieden. Hier liegt meiner Meinung nach eine feinste Membran vor, welche jedoch bereits der Muskelschicht angehört. In der Adventitia sind keinerlei glatte Muskeln vorhanden; Vosseler hält für dieselben, wie es mir scheint, »elastische Fasern«. Die Muskelschicht des Herzens ist sehr eigenartig aufgebaut; sie besteht aus einer Reihe komplizierter Muskelzellen, die teilweise zu Syncytien verschmelzen . Auf Methylenblaupräparaten. die etwas überfärbt sind, treten sehr scharf grellblaue Linien hervor; sie stellen die Grenzlinien dar, welche Bergh gelungen war mit Silber zu imprägnieren. Auf derartigen Präparaten können zwei Längsnähte erkannt werden (Textfig. 4 Ln), die sich längs der ventralen und dorsalen Seite des 1 Diese Fasern können nicht als elastische in dem Sinne bezeichnet werden, wie es in der Histologie der Wirbeltiere angenommen ist, da sie offenbar (vgl. unten) einen vollkommen andern chemischen Bestand aufweisen. Ich lasse diese Bezeichnung, da diese Fasern ihrer Bedeutung und ihren physikalischen Eigen- schaften nach den elastischen Fasern der Wirbeltiere entsprechen. Histologische Studien über Insekten. 1. 489 Herzens in Form von Zickzacklinien erstrecken. Diese Nähte teilen das Herz in eine rechte und linke Hälfte. Ler. Lef. £^£ Textfig. 3. Herz einer ^escÄ»o-Larve. Methylenblau. Totalpräparat. Vergr. 260. Kiu Bündel »elastischer " Fasern, die aus dem Septum ins Herz eindringen. Lef. Faseni, die weiter in Längsfasern übergehen. In der Querrichtung wird das Herz von Eingnähten durchzogen (Textfig. 4 Qn), die von einer Längsnaht zur andern verlaufen. Jede 490 Alexius ZaMarzin. Quernaht erstreckt sich nur auf einer Herzhälfte. Die Queruähte sind niemals einander gegenüber angeord- net, sondern alternieren mehr oder weniger. X ^**''**^ Sämtliche Nähte, sowohl die Längs- I als auch die Quernähte, teilen das \ y Herz in zwei Reihen mehr oder weni- Y*-'"r*-"--'^ ger regelmäßiger sechseckiger Bezirke. I In dieser Hinsicht bestätigen meine I Beobachtungen somit v'ollkommen die / ■■ »^ ./ Beobachtungen von Bergh. Infolge "^ der Anwendung einer gröberen Methode \ ,>- (Versilberung) ist es jedoch Bergh '""'-•'^^y''^ nicht gelungen, die Struktuj- dieser § Nähte zu beobachten. Dank einer %^ / feineren Methode (Methylenblau) habe ich hier einige interessante Details wahrnehmen können. Wird das Herz \ dermaßen in Methylenblau gefärbt, I ,,,,.».—*' daß in iiini die Nähte scharf hervor- ß""" treten, dai'auf in Paraffin eingebettet ?' inicl in Schnitte zerlegt, so ist voll- kommen deutlich zu erkennen, daß V,,.„. ""'^ ^ die Nälite sich in die Tiefe nui" von ; der Intima der Autoren bis zur Mem- ;' brau, welche die Muscularis von der / ^ Adventitia trennt, erstrecken (Text- / / gn. fig. 2 Gn). Hierbei offenbart es sich, ") — ~.m^^^ daß die Nähte nicht durchgängig sind, ' sondeiii von einer Reihe von drei- eckigen Querleisten gebildet werden, t welche mit ihrer Basis an die Intima X 5 angrenzen und in dieselbe übergehen, \ ; \^ ; . f "^w \ ^i^it ihrem Gipfel jedoch an die Mem- I ''^-,>.-..^.„^,^ ", P^ brau zwischen Muscularis und Adven- ; ^ titia stoßen. Bisweilen sind einzelne 'Ln-:" derartige Querleisten nicht in der Textfig. 4, Naht, sondern abseits derselben an- He,v duor A,-sckna-Lavye. Meti^ylenbhu,. oßOrduet (tt, Textfig. 5). Auf TeXtfig. 5, Qn. (jiu-niiiiite. Welche einen Flachschnitt durch eine / Hist()liit;iscln- Studien üUw Insekten. 1. V.)\ in ^lethyleiiblaii getai'hte Hei/Avaucl ilarstellt. tix-tni diese N'eihältnisse besonders deutlich hervor. Über die Form dov Querleisten gibt Fig. 11 auf Taf. XXiV eine Vorstelluuii. welche eine in Methylenblau gefärbte Naht bei einer sehr starken Vergi-ößerung darstellt, in beiden Fällen treten die Querleisten besonders scharf hervor, da sie allein intensiv lilau uefäil)t sind, während -Jnt Msk. ■ ad f. Textfig. 5. Klachscliiütt durch die Herzwand einer Larve von Aechna sp.? Vitale l'ärlnmg in Metliylenblaii luid Alaimlcarmin. Vergr. 1100. Qn, N^alit von Querleisten gebildet; a, eine einzelne Querleiste, die außerhalb der Xaht gelegen ist. Int, Intima; MhI\ Muscularis; mli\ Adventitia. die übrigen Teile (mit Ausnahme der sogenannten elastischen Fasern) ungefärbt erscheinen. An den Verlaufsstellen der Naht sind keine Muskelbündel vorhanden; durch die Querleistenreihen werden somit im Herzen die einzelnen Muskeleinheiten abgegrenzt; was auch Bergh annahm und was ich folglich bestätigen kann. Von den Nähten einerseits, anderseits von der Intima und der Grenzmembran werden im Herzen die von den Abschnitten der eigent- lichen Muscularis der Autoren (mit Ausnahme von Bergh) eingenom- menen Bezirke bestimmt. Die Muscularis der Autoren setzt sich aus folgenden Elementen zusammen: zunächst werden in ihr Myofibrillenbündel unterschieden, 4*)2 Alexius Zawarzin. die hiiisichtlicli des Herzens in der (jueiriohtung (ringförmig) angeordnet sind. Diese Bündel weisen stets eine typische Querstreifung auf, mit der Besonderheit, daß die Linie Z fast nie wahrnehmbar ist, was seine Erklärung in der geringen Größe der Elemente findet (Text- fig. 6 Fh). Die Behauptungen von Vosseler, der daran zweifelt, können nur durch eine ungenügende Fixierung der Präparate erklärt werden . Textfig. 6. Flacliscliiiitt (lureli das Herz einer Larve von Aeschna sp. auf der Hölie der Miiseularis. Sublimat und Essigsäure. Färbung nach Heidenhaix mit Hämatoxylin und Bordeaux ß. Vergr. llüO. Fb. Myofibrillenbündel ; Sj). Sareoplasnia : ^fl,■, Kerne. Zwischen den Fibrillen})üi]delii ist Protoplama (Fig. 6 Sp) vor- handen, welches, wie weiter unten ersichtlich sein wird, vollkommen dem Sareoplasnia der cjuergestreiften Muskelzellen des Skelettes ent- spricht; in dem Sarcoplasma sind vollkommen unabhängig von den Fibrillenbündeln Kerne gelegen. Eine derartige Ansicht über den Bau der Muscularis entspricht vollkommen den Befunden von Bergh, Pantel und Ja-vvorow.sky. Da jedoch in der Muscularis der Autoren nicht alle den Muskelzellen zukommenden Elemente vorhanden sind, es fehlt nämlich das Sarcolemma, so entsteht unwillkürlich die Frage ob nicht die Intima, die (Irenzmembran zwischen Adventitia und Muscularis und die Querleisten der Nähte, Abkömmhnge dieses sind. Eine derartige, teilweise von Bergh ausgesprochene Hypothese, wird. Histolocisi'lu" Studit'ii üIhm' Inscklcn. I. 4^)3 ady. Msk. Lct.-- meiner Ansicht naeli. vollkoinnien diii'ch tlie enil)n i)l<),ui.sclicn nnd histogenetischen Befunde von J.wvo- ROWSKV und andr(M' KorscluM- (vul. oben) bestätigt. In Berücksichtigung dei' oben an- geführten Befunde über den Bau des Herzens der Insekten (darunter auch der Wasserjungfern) ist hinsichtlich desselben nur eine Vorstellung möglich : das eigentliche Herz entwickelt sich ausschließlich aus Cardioblasten und besteht nur aus Muskelzellen, deren Sarcolemma die Rolle sowohl enier inne- ren (Intima) als auch teilweise einer äußeren Haut derselben ausübt. In dieser reinen Form findet sich das Herz nur bei verhältnismäßig wenigen Insek- ten {Corethra, Chironomus, Larven eini- ger Fliegen u. dgl.). Bei den größeren Insekten ist das ausschließlich musku- löse Herz von einer bindegewebigen Adventitia umgeben, welche ihren Ur- sprung aus dem Stützapparat nimmt. Es ist daher notwendig, die von den Wirbeltieren entnommene Terminologie Grabers in dem Sinne abzuändern, daß die Intima als eine selbständige Haut vollkommen ausgeschlossen imd nur eine Adventitia und eine IVIuscularis unterschieden werden. — - Diese Ände- rung wird sowohl durch embryologische (hauptsächlich Jaworowsky), als auch durch histologische Untersuchungen der letzten Zeit (Bergh, Pantel) gerecht- fertigt. Ostiumorgane. An den Stellen der Ostien, in der Wand des vorderen Herzabschnittes der Äeschna-ljSiTve lie- gen, worauf oben hingewiesen worden ist, besondere Gebilde, die ich Ostiumori»ane Qiier.scliiütt Textlig. 7. durch ein üstiiiniorgaii. Hermaxxs Flüssigkeit; Safraniii, Licht- grün. Vergr. 750. adv, Adventitia; Msk, Muscularis; Lct, Leueoeyten; RIkg, reti- culäres Gewebe; Rs, Ringschicht von Kernen, lirli, Karyokinese in Leueo- eyten. 4'.)4: Alexius Zawarzin. beiiaiint habe. An diesen Stellen sind in der Muskelhant des Herzens Öffnungen 1 vorhanden, welche durch ein besonderes, aus dem Gewebe der Adventitia entstehendes reticuläres Gewebe erfüllt sind (Textfig. 7 Rtkg). Das Bindegewebe der Adventitia spaltet sich an deii Stellen der Ostium- organe in eine große Anzahl feinere]' ]5ündel. welche sich teilweise mit- einander verflechten, teilweise miteinander verschmelzen und das Netz dieses >>reticulären« Gewebes bilden. Jn seinen Maschen liegen zahl- reiche Zellelemente (Leucocyten). Auf Schnitten durch ein Ostiumorgan (Fig. 7) ist an der Peripherie dieses Organs, an den Stellen, wo das leticuläre Gewebe an die Muskelschicht grenzt, eine große Anhäufung \'on Kernen sichtbar (Fig. 7 Ks), während die Zellen selber (das Proto- plasma) nicht wahrnehmbar ist, weil dasselbe nur einen schmalen Saum lun den Kern bildet; diese Zellen erinnern lebhaft an die Lympho- cyten der Wirbeltiere. Im centralen Teil des Ostiumoigans, in den Maschen des reticulären Gewebes, liegen zahlreiche Leucocyten (Lct). An der Grenze zwischen der Randzone und dem centralen Teil werden beständig karyokinetische Figuren beobachtet. Hinsichtlich der morphologischen und besonders der physiologischen. Bedeutung dieser Organe kann ich nur Annahmen anführen, für deren Bestätigung oder Berichtigung es zahlreicherer Beobachtungen bedarf, als ich sie ausführen konnte. In den beiden hinteren Kammern des Herzens der Aeschnd-Lavve sind echte Ostien vorhanden, es fehlen jedoch Ostiumorgane ; dafür finden sich jedoch entsprechend den Ostien zwei Paar phagocytäre Organe (Metalnikoff), die aus einem reticulären Gerüst, das von Leucocyten erfüllt ist. bestehen. Diese Organe liegen an den Stellen des intensivsten Blutstromes und sondern verschiedene feste ins Blut eingeführte Substanzen (Tusche, Karmin, Sepia u. dgl.) aus. In den Kammern des vorderen Herzabschnittes der Aeschna-Ij&rve sind weder Ostien noch phagocytäre Organe, dafür jedoch Ostiumorgane vorhanden, die ihrem Bau und ihrer Lagerung nach den phagocytären Organen der hinteren Segmente entsprechen. Es kann somit ange- nommen werden, daß erstere ebensolche phagocytäre oder besser lym- phoide, jedoch in die Ostien eingewachsene, Organe sind. Ich habe Tusch- und Karmininjektionen ausgeführt; während die ])hagocytären Organe der hinteren Segmente von diesen Substanzen dicht angefüllt waren, war in den Ostiumorganen nur eine dermaßen unbedeutende Menge derselben vorhanden, daß es bisweilen schwer fiel sie auf Schnitten wahrzunehmen. Injektionen ergaben somit ein mehr 1 Das Vorhandensein von Öffnungen bestätigt noch nielir meine Annalinie, daß diese Organe sicli aus Ostien entwickelt liaben. Histolouisc-Iu' StiidiiMi iil)er Insekten. I. 495 oder weniger neu;atives Resultat, welches jedoch, wie jedes negative Resultat, nocli nichts beweist. Aul (Innul dieses Resultates kann Flgm Textfig. 8. Übergangsstelle eines Flügelmuskels (es ist nur ein Teil desselben abgebildet) in das sog. elastische Xetz. Äeschnti-ljAXve. Totalpräparat. Vitale Methylenblaufärbiing. Vergr. 525. Flgm, Fasern eines Flügelmuskels; Es, elastisches Sehnengewebe von Graber. lifn, elastisches Fasernetz von Geabek. dennoch folgende Annahme gemacht werden. Wird zugegeben, daß bei der Larve von Aeschna die phagocytäre Tätigkeit nur in den 41) (3 xYlexius Zawarzin, VIII VII Lef Textfig 9. Ligamentum anterior. Larve von Äeschna sp.? Vitale Me thylenblaufärbung. Vergr. 220. ff, Herz; VIII und VII, das soocnanilte entsprechende aclite und siebente Segement; Lga, Ligamen " tum ant.; Lef, »elastische« Längsfasern der Adventilia. Organen der hinteren Kammern beibehalten worden ist, während die Ostiumorgane blutbil- dende Organe darstellen, so wird hiermit mehr oder weniger der Bau dieser sowie die negati- ven Resultate der Injek- tionen erklärt. Stützapparat. Der hintere Abschnitt dessel- ben wird durch die Flügelmuskeln und das mit ihnen verbundene >> elastische Pericardium << (elastisches Fasernetz von C4raber) vorgestellt. Die Flügelmuskeln bestehen aus typischen querge- streiften Fasern; Vosse- LEE, der dieselben nicht für typisch quergestreift erklärt, ist auch in diesem Falle nicht im Recht. Die Fasern der Flügel- muskeln beginnen von den Hautdecken und gehen am Herzen nicht in das Netz von glatten Muskelfasern über, wie VossELER behauptet, son- dern, wie es seinerzeit vollkommen richtig Gra- ber beschrieben hat, zu- nächst in die sogenannten elastischen Sehnen, die, sich verzweigend, das elastische Fasernetz ergeben. Auf Histologische Studien über Insekten. I. 497 Methylenblaupräparaten treten diese Beziehungen besonders deutlich hervor, da die >>elastischen << Fasern hierbei eine intensiv blaue Farbe annehmen, während die Muskeln ungefärbt bleiben (Fig. 8). Die Enden der Muskelfasern sind an der Übergangsstelle abgerundet, und lagern sich in entsprechende Vertiefungen der Sehnenenden. Die letzteren erscheinen gleichsam ausgefasert und umfassen die Enden der Muskel- zellen (Textfig. 8). Im allgemeinen liegen hier dieselben Verhältnisse vor wie in den Chitinsehnen der Skeletmuskeln. Die Sehnen verzweigen sich weiterhin (Textfig. 8), anastomosieren mit ihren Fortsätzen und bilden das Netz des Pericardiums (Efn). Die Fasern dieses Netzes flechten sich in der Mittellinie in das Gewebe der Adventitia ein, wobei sie da ein Längs- und Quernetz bilden (Textfig. 9). Diese Fasern stellen die oben beschriebenen »elastischen Fasern« der Adventitia vor. Nach hinten geht das Pericardiumnetz in die Ligamenta posteriora (Taf . XXIV, Fig. 6), am Ende der zweiten Kammer in die Ligamenta anteriora über (Taf. XXIV, Fig. 6 und Textfig. 9 Lga) ; die Fasern dieser Ligamenta verschmelzen direkt mit der Chitindecke. Der vordere Abschnitt des Stützapparates wird hauptsächlich von dem Septum und den in ihm gelagerten wenigen Muskelzellen, die am Herzen in Sehnen übergehen, gebildet. Über den Bau des Septums kann ich nichts aussagen. Die Muskeln und Sehnen desselben, die sich verzweigen und in das Gewebe der Adventitia einflechten, haben denselben Bau wie die entsprechenden Gebilde des hinteren Abschnittes. Zum Schluß möchte ich noch einiges über den Charakter des soge- nannten »elastischen« Apparates des Herzens (Sehnen und Netz) aus- sagen, der bereits lange die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich zieht. Er wird bald für elastisches (Graber), bald für Muskelgewebe gehalten. Dieses Gewebe ist jedoch im Organismus der Insekten weit verbreitet und wird in fast allen Organen angetroffen; überall färbt es sich aus- gezeichnet mit Methylenblau, ist hinsichtlich der Einwirkung von Säuren und Alkalien konstant und steht entweder mit den Tracheen oder mit andern Chitingebilden im engsten Zusammenhang. Das Mitgeteilte, besonders jedoch der Übergang der Fasern des Lig. anterius unmittelbar in 'die Chitindecke, die auffallende Ähnlich- keit der Sehnen der Flügelmuskeln mit den Chitinsehnen der Skelet- muskeln und viele andre Tatsachen veranlassen mich, mich der Ansicht von N. A. Cholodkovsky (1886) anzuschließen, daß dieses Gewebe ein Chitingewebe ist und seinen Ursprung von den Tracheen nimmt. Dieses Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 33 498 Alexius 2awarzin, ist natürlich zunächst nur eine Annahme, die jedoch, wie mir scheint, durch die angeführten Tatsachen genügend begründet ist. B. Das Nervensystem des Herzens der Larven von Aeschna sp. Literaturangaben. Hinsichtlich der Nerven des Herzens selber ist bisher fast nichts bekannt. Angaben habe ich nur bei Graber ge- funden, welcher auf Präparaten, die mit Gold behandelt worden waren, sich auf dem Herzen verzweigende Nervenfasern gesehen hat. Hinsichtlich der Herkunft der Herznerven ist durch die Arbeiten von Brandt, Pawlowa, Sinety und vieler andrer Forscher festgestellt, daß das Herz von dem ersten Ganglienpaar im Mundmagensystem innerviert wird, welches somit als Herzganglien bezeichnet werden kann. Auf diese wenigen Befunde beschränken sich im wesentlichen unsre Kenntnisse über die Innervation des Insektenherzens. Eigne Beobachtungen. Meine Beobachtungen über das Nerven- system des Rückengefäßes der Aeschna-Laive beschränken sich nur auf das Gebiet des Herzens und seines Stützapparates. Die Aorta und deren Kopfabschnitt in dem Teil derselben, wo sie mit dem Mund- magennervensystem in Zusammenhang steht, habe ich infolge rein technischer Schwierigkeiten nicht untersuchen können. Für die Me- thylenblaufärbung ist nämlich eine rasche Präparation erforderlich, die daher zu grob ist, um den Brust- und Kopfteil des Rückengefäßes ge- nügend sorgfältig abzuscheiden. Im eigentUchen Herzen verteilen sich die Nerven folgendermaßen: seitwärts erstrecken sich am Herzen zwei Nervenstämmchen, die aus einer verhältnismäßig geringen Anzahl (etwa 10) markloser Nervenfasern bestehen; diese weisen auf ihrem Gesamtverlauf große, mehr oder weniger spindelförmige Varicositäten auf (Fig. 1, 3, 4, 9, 10 auf Taf. XXIII und XXIV hn), in denen häufig das Fibrillennetz ausgezeichnet hervortritt. Diese zwei Nerven, welche als Herznerven bezeichnet werden können, entspringen wahrscheinlich aus den HerzgangHen des Mundmagennervensystems; sie erstrecken sich längs des gesamten Rückengefäßes bis zu den hinteren Kammern, wo sie den Flügelmuskeln dicke Äste abgeben und allmählich gegen die Ligamenta posteriora hin verschwinden. Im Gebiet des Herzens treten in die Herznerven aus den moto- rischen Nerven (Mn), welche die intersegmentalen Muskeln innervieren und aus den Ganglien der Bauchkette entspringen, feinste Nerven ein, welche aus drei bis vier marklosen Fäserchen bestehen (Fig. 5, Taf. XXIII Mn). Beim Eintritt in den Herznerven verzweigen sich letztere T-förmig Histologische Studien über Insekten. I. 499 (Fig. 9, Taf. XXIV), wobei an der Teilungssteile eine dreieckige varicöse Verdickung entstellt. Diese Seitennerven treten in die Herznerven mehr oder weniger segniental und paarweise ein. Diesen segmentalen Eintritt habe ich freilich bei der Jeschna-ltsuve nicht sicher feststellen können, wahr- scheinlich infolge ihrer Feinheit und unrei2;elmäßio;en Färbung. Auf meinen Präparaten treten diese Nerven bald paarweise, bald alter- nierend, bald in jedem Segment, bald nicht in jedem ein. Kurz, es wird ein derartiges Bild erhalten, daß in Berücksichtigung der Methode, mehr oder weniger bestimmt von einer segmentalen und paar- weisen Anordnung der Seitennerven gesprochen werden kann. — Außer- dem konnte ich bei andern von mir untersuchten Insekten (Cordulia aenea, Periplaneta americana, Gryllus domesticus) unzweifelhaft die paarweise und segmentale Anordnung der Seitennerven feststellen. Der Charakter dieser Seitennerven wird durch ihre Herkunft aus moto- rischen Nerven sowie aus ihren Endigungen bestimmt. Bisweilen, wenngleich verhältnismäßig sehr selten, geben die Nervenfasern der seitlichen Nerven unweit von ihrer Eintrittsstelle in den Herznerven End Verzweigungen für die Herzmuskeln ab. Die Seiten- nerven müssen somit für motorische Nerven gehalten werden. Dieses entspricht auch vollkommen den von der Innervation des Herzens bei Crustaceen und Xiphosura bekannten Tatsachen (Carlson, vgl. unten). Die soeben beschriebenen Verhältnisse sind sowohl auf dem Schema (Fig. 6, Taf. XXIV), auf welchem hn den Herznerven, mhn die Seiten- nerven und Mn den motorischen Nerv darstellt, sowie auf den Fig. 5, der Taf. XXIII und Fig. 9 der Taf. XXIV (die Bezeichnungen sind dieselben wie auf dem Schema) gut sichtbar; auf der Fig. 9 sind mit a motorische End Verzweigungen auf den Herzmuskeln bezeichnet. Bei der Beschreibung der Nervenendverzweigung, auf die ich nun übergehe, werde ich dieselbe Ordnung einhalten, wie bei der Beschrei- bung der Anatomie und Histologie des Herzens, d. h. ich werde zu- nächst eine Schilderung der Endigungen im Herzen und darauf im Stützapparat geben. Herz. Motorische Endigungen. Auf dem Herzen fallen zu- nächst zahlreiche motorische Endverzweigungen auf. Auf ihre moto- rische Funktion weist erstens ihre Herkunft aus den Seitennerven (vgl. oben) hin und zweitens ihr morphologischer Charakter: besonders gestaltete (rosenkranzförmige) Varicositäten, der Charakter ihrer Ver- zweigungen (vgl. unten), und schließlich ihre Lagerung, da sie stets unterhalb der Adventitia direkt auf den Muskeln liegen. 33* 500 Alexius Zawarzin, Sämtliche motorische Endverzweigungen können in drei Arten geteilt werden. Eine derartige Teilung ist freilich eine recht künstliche, jedoch für eine Beschreibung durchaus erforderlich. Endigungen erster Art (Fig. 10, Taf. XXIV). Von einer Faser des Herznerven (/m) entspringt T-förmig ein Seitenästchen , welches sofort stark varicös wird; diese Varicositäten unterscheiden sich scharf von den Varicositäten der Fasern des Herznerven, die letzteren sind stets spindelförmig, wobei die Faser unter allmählicher Verdickung in die Varicosität übergeht. Auf den Endverzweigungen ist die Faser selber äußerst fein, besteht nur aus einigen Fibrillen, wähernd die Varicositäten im Vergleich zu ihr sehr groß, rundlich und von der Faser scharf abgegrenzt sind. Ein derartiges Endästchen erinnert seinem Aussehen nach lebhaft an einen Rosenkranz. Derartige rosen- kranzförmige Varicositäten sind auf sämtlichen Endverzweigungen auf den Muskeln vorhanden. In den Endigungen der ersten Art beginnt somit die rosenkranzförmige Faser unmittelbar vom Herznerven ; indem sie sich teilt, bildet sie eine kleine Endverzweigung (Fig. 10, Taf. XXIV). Derartige Endigungen erster Art sind längs dem ganzen Herznerven zerstreut, wobei ihre Zahl größer ist als diejenige der andern. Diese kurzen End Verzweigungen umfassen natürlich nur diejenigen Herz- gebiete, welche in unmittelbarer Nachbarschaft mit den Herznerven gelegen sind (vgl. Schema Fig. 6, Taf. XXIV Mne /). Endigungen zweiter Art (Fig. 8, Faf. XXIV und Fig. 6, Taf. XXIVilfwe2). Diese Endigungen sind hauptsächlich, man könnte sogar sagen, ausschließlich in den hinteren Herzkammern verbreitet. Sie stellen sich folgendermaßen dar: von der Faser des Herznerven entspringt ein äußerst feiner Seitenast, der stets schräg verläuft und der Varicositäten entbehrt (Fig. 8 a). Diese Faser ist dermaßen fein, daß sie bei mittleren Vergrößerungen kaum zu erkennen ist. In einer gewissen Entfernung vom Herzen verdickt sich diese Faser be- deutend, teilt sich in zwei oder drei rosenkranzförmige Endfäserchen, die sich in der Längsrichtung des Herzens ausbreiten. Von diesen Fäserchen entspringen stets ebenso kurze und varicöse Ästchen. — Die Endigungen der zweiten Art bestehen somit aus langen, varicöseu Endfasern; diese geben varicöse Verzweigungen ab, welche den allge- meinen gestreckten Verlauf der Faser nicht alterieren. Mit dem Herz- nerven verbindet sich eine derartige Endigung vermittels einer äußerst feinen varicösen Faser. Endigungen dritter Art (Fig. 6, Taf. XXIY Mne S, Fig. 3, Taf. XXIII Alne 3). Diese Endigungen werden ausschheßlich in den Histologische Studien über Insekten. I. 501 Kammern angetroffen, in denen Ostiumorgane vorhanden sind. Sie ähneln sehr den Endigungen zweiter Art und unterscheiden sich von denselben nur in wenigem. Sie entspringen desgleichen als feinste, nicht varicöse Fädchen von den Fasern des Herznerven; in einiger Entfernung vom Herzen nehmen sie an Dicke zu, werden varicös, verzweigen sich hierselbst und bilden Endigungen. Der Charakter dieser Verzweigungen ist jedoch ein andrer als derjenige der Verzwei- gungen zweiter Art: die Endästchen sind nicht wie dort in die Länge gestreckt; in ihrer Anordnung wiegen zwei Richtungen vor: eine der Längsachse des Herzens parallele und eine zu dieser senkrechte (Fig. 3, Taf. XXIII). Mit ihren Verzweigungen umfassen sie desgleichen, wie die Endigungen der zweiten Art, fast ein ganzes Herzsegment. Von dem letzteren Typus unterscheiden sie sich noch durch eine wichtige Be- sonderheit. Eins der varicösen Endästchen des dritten Typus verzweigt sich verhältnismäßig weniger als die andern und begibt sich zum Ostium- organ (Fig. 3, Taf. XXIII na), wo es in das ostiale Nervengeflecht, (vgl. unten) eingeht. Endigungen in den Zwischenkammerklappen. Die Endi- gungen in den Zwischenkammerklappen sind wahrscheinlich desgleichen von motorischem Charakter (Fig. 4, Taf. XXIII; Fig. 6, Taf . XXIV Klne). Diese Endigungen färben sich verhältnismäßig schwer; das Herz legt sich außerdem unter das Deckglas nur zufällig so, daß die Klappen gut sichtbar sind, infolgedessen habe ich diese Endigungen auch nur selten beobachten können. Sie haben vieles mit den Endi- gungen der zweiten und dritten Art gemein. Sie entspringen ebenso von den Fasern der Herznerven als feine, nicht varicöse Astchen, welche an der Klappe rosenkranzförmig, varicös werden und sich verzweigen; ihre Aste bilden ein knäuelförmiges Geflecht, von welchem, sowie auch von der varicösen Faser selber, nach verschiedenen Seiten lange, varicöse Ästchen abgehen (Fig. 4, Taf. XXIII). Die varicösen Astchen dieser Endigungen sind etwas dicker als diejenigen der Ver- zweigungen des ersten, zweiten und dritten Typus; im allgemeinen ist ihr Charakter jedoch derselbe. In sämtHchen Endigungen halte ich für den Anfang der Verzwei- gungen die Stelle, wo die rosenkranzförmigen Varicositäten beginnen. Irgendwelche andre Grenzen können hier, wie mir scheint, nicht fest- gestellt werden, da dafür jegliches Kriterium fehlt. In sämtlichen Endverzweigungen fällt ihr allgemeiner diffuser Charakter auf, der be- sonders deutlich in den Endigungen der zweiten und dritten Art aus- geprägt ist. Hier fehlen jegliche lokalisierte Gebiete, wie z. B. die 502 Alexius Zawarzin, DoYERSchen Hügel, in denen die Endigungen zusammengfaßt wären. Hier sind sie im Gegenteil im ganzen Herzen zerstreut und bedecken dasselbe mit einem diffusen Netze. Dieser Charakter der Endigungen muß, wie mir scheint, in Zusammenhang gesetzt werden mit dem Bau der Muscularis des Herzens. Letztere weist desgleichen keine scharf begrenzte Muskelzellen auf. Die ganze Muscularis erscheint gleichsam als ein unvollständiges Syncytium, in welchem sich nur Spuren der Zellgrenzen in Form von Nähten erhalten haben. Der diffuse Charakter der Nervenendigungen harmoniert außerdem mit den Bewegungen, die das Herz ausführt. Die Pulsation des Herzens bei Insekten kann am besten mit der Darmperistaltik verglichen werden, d.h. mit einer Bewegung, die sich aus einer großen Zahl von. Einzel- bewegungen zusammensetzt, die nur dann eine Bedeutung haben, wenn eine Summierung derselben erfolgt. Schließlich muß ich noch einiges hinsichtlich der Einteiluns der Endigungen in Arten vermerken : diese Teilung ist zunächst eine morpho- logische; ich bin weit entfernt derselben irgendwelche physiologische Bedeutung zuzusprechen. Bei der Schilderung dieser Endigungen sind natürlich Irrtümer, die von der Methode abhängen, möglich. Nicht immer kann sicher behauptet werden, daß die ganze Endigung gefärbt ist, infolgedessen muß auch ihre Klassifizierung mit diesem Vorbehalt verstanden werden. Das Herz der Insekten stellt außerdem ein äußerst schwieriges Untersuch ungsobjekt dar, an dem nur verhältnismäßig schwer gute Resultate erzielt werden. Jedenfalls kann, wie mir scheint, der allgemeine Charakter der Endigungen, ihre nicht lokalisierte An- ordnung auch mit diesem Vorbehalt angenommen werden, da die Fär- bung auf meinen Präparaten eine genügend vollständige war, wie es z. B. die Fig. 3 auf Taf. XXIII zeigt, auf welcher die Nerven fast im ganzen Herzsegment gefärbt sind. Endverzweigungen in den Ostiumorganen (Fig. 1 und 3, Taf. XXIII; Fig. 6, Taf. XXIV oonp). Ich gehe nun zur Beschreibung der Nervengeflechte über, welche auf den Ostiumorganen gelegen sind und welche vor allen andern meine Aufmerksamkeit auf meinen ersten Präparaten vom Herzen der ^esc/ma-Larve auf sich gezogen haben. Sie sind nur auf den Ostiumorganen angeordnet und fehlen folglich in den hinteren Herzkammern. Sie entspringen wie sämtliche End- verzweigungen des Herzens aus den Herznerven. Gegenüber dem Ostiumorgan entspringen von zwei verschiedenen Fasern (Fig. 1, Taf. XXIII) des Herznerven feine Seitenästchen {nb und nc; Fig. 1 und Fig. 2, Taf. XXIII). Von einer dritten Faser des HiBtologische Studien über Insekten. I. 503 Herznerven entspringt mehr oder weniger weit vom Ostiumorgan ein drittes derartiges Astchen {na) und tritt an das Ostiumorgan heran. Eins der zwei ersten Ästchen (nb) ist gewöhnhch dicker als die andern, weist einige spindelförmige Varicositäten auf und gibt noch vor dem Ostiumorgan einen oder zwei feinste Nervenfäden ab, welche mit ihr zusammen in das Ostiumorgan eintreten. Das ursprüngliche Äst- chen verdickt sich fast immer stark am Ostiumorgan und verwandelt sich in eine bandförmige Faser, die sich in eine große Anzahl varicöser Endfäden verzweigt, welche teilweise miteinander anastomosieren, teil- weise sich miteinander verflechten und sich auf dem ganzen Ostium- organ ausbreiten. Der zweite (von den ersten zwei) Seitenast (ne) ist sehr fein, varicös, verzweigt sich nach dem Eintritt in das Ostiumorgan ; seine Endfäden breiten sich auf dem Organ aus und verflechten sich mit den Verzweigungen des ersten Seitenastes. Der dritte Seitenast {na, Fig. 1 und 3, Taf . XXIII) weist einen vollkommen andern Charakter auf; er stellt die Faser dar, welche in das Ostiumorgan aus den moto- rischen Verzweigungen des dritten Typus eintritt (vgl. oben und Fig. 3, Taf. XXIII). Dieses Ästchen {na) gibt noch vor dem Ostiumorgan zahlreiche (wie sie selber) varicöse Zweige ab, falls ihr Anfang weit entfernt von dem Organ ist (Fig. 3, Taf. XXIII) und natürlich weniger zahlreiche, wenn sie in der Nähe desselben entspringt (Fig. 1, Taf. XXIII). Nach dem Eintritt in das Ostiumorgan verzweigt sich dieses Ästchen seiner- seits in eine große Anzahl Endfäden, die sich mit den Endfäden der ersten zwei Seitenästchen {nb und nc) verflechten. An dem Ostium- geflecht beteiligen sich somit mindestens drei Nervenästchen, die von drei verschiedenen Fasern der Herznerven entspringen. Einer dieser Ästchen ist wahrscheinlich motorisch. — Wie ist nun der Bau des Ostium- geflechtes selber? Wie verhalten sich in ihm die Endfäden der ver- schiedenen Nervenästchen zueinander? Eine absolut bestimmte Ant- wort ist natürlich schwer auf diese Fragen zu geben; es kann jedoch recht sicher festgestellt werden, daß, wenn auch Anastomosen und Ver- schmelzungen beobachtet werden, so nur zwischen Fäden einerlei Her- kunft, obgleich es natürlich schwer fällt, ein derartig kompliziertes Geflecht wie in den Ostiumorganen zu entwirren. Das Ostiumgeflecht liegt, worauf ich bereits oben hingewiesen habe, stets seitwärts vom Herznerven. Auf einem Präparat habe ich einmal ein originelles Geflecht, welches dem Herznerven angehörte, beobachtet. Dieses spaltete sich in der Nähe des Ostiumorgans in zwei vollkommen gleich dünne Äste, welche das Organ umkreisten, dabei Seitenäste an 504 Alexius Zawarzin, dessen Geflecht abgaben und sich abermals zu einem gemeinsamen Stamm vereinigten. Es ist natürlich recht schwer irgend etwas über die Bedeutung dieser Nervenapparate ohne sichere Kenntnis der Centren, aus denen sie entspringen, auszusagen. Von den drei Fasern, welche dieses Geflecht bilden, kenne ich nur den wahrscheinhch motorischen, Charakter der einen, hinsichtlich der beiden andern kann ich nur die Vermutung aus- sprechen, daß sie aus den Herzganglien des Mundmagennervensystems ihren Ursprung nehmen. Das Ostiumgeflecht hat jedenfalls für die Herztätigkeit eine größere Bedeutung als bloß die Innervation des Ostiumorgans. In der nächsten Zeit hoffe ich den Bau der Herz- ganglien feststellen zu können, sowie im Herzen andrer Insekten Nerven- apparate zu finden, welche den Ostiumgeflechten der AescJipa-IjSiive entsprechen, dann wird es vielleicht möglich sein die Funktion dieser Apparate zu bestimmen. Die Nerven des Stützapparates. Sowohl im Septum als in den Flügelmuskeln verzweigen sich und endigen zahlreiche, wahr- scheinlich motorische Nerven. Die Nerven des Septums. Dieselben entspringen von den motorischen Nerven, die ins Herz eintreten {mJin, Fig. 5, Taf. XXIII und Fig. 6, Taf. XXIV) sowie von den motorischen Nerven (Mn) der intersegmentalen Muskeln. Von den Seitennerven (mJm) des Herzens sondert sich ein äußerst feines, nicht varicöses Ästchen (Sptn) ab, das sich bald verzweigt, dabei rosenkranzförmig varicös wird und eine große in die Länge ausge- zogene End Verzweigung bildet. Von der Gestalt dieser Endigung gibt Fig. 2 der Taf. XXIII und Fig. 6 der Taf. XXIV Sptne, eine Vor- stellung. Dem Aussehen nach gleicht sie den Endigungen zweiter und dritter Art im Herzen. Andre Nerven habe ich im Septum nicht offen- baren können. Für das Studium der Nerven stellt das Septum über- haupt ein schwieriges Objekt dar. Nerven der Flügelmuskeln (Fig. 6 und 7, Tai. XXIY Fgmti 1 und Fgmn 2). Bei der Annäherung an das erste Paar von Flügelmuskeln geben die Herznerven jedem Muskel zwei Nervenstämmchen, ein vorderes {Fgmn 1) und ein hinteres {Fgmn 2) ab. Das erste Stämmchen ist bedeutend dünner als das zweite, welches den Hauptnerven des Flügelmuskels darstellt. Dasselbe erstreckt sich längs des letzteren und verschwindet, allmählich feiner werdend, in der Richtimg zu einem proximalen, spitzen Ende. Auf dem Gesamtverlauf dieses Nerven entspringen von ihm Endästchen, die sich auf dem Flügelmuskel in Histologische Studien über Insekten. I. 505 varicöse Endfäden spalten. — Der vordere Nerv gibt desgleichen auf seinem Verlaufe varicöse Endfäden ab und verschmilzt in der distalen Hälfte des Flügelmuskels mit dem Hauptnerven. Das zweite Paar Flügelmuskeln weist dieselben Verhältnisse mit dem Unterschied auf, daß für die Bildung der hinteren Nerven der- selben der Herznerv fast in toto umbiegt und auf den Muskel übergeht, während nach hinten zu den Ligamenta posteriora nur einige feine Fäserchen ziehen, die außerdem auf dem Herzen rasch schwinden, ohne auf die Bänder überzugehen. Die Flügelmuskeln werden somit stets von zwei Nerven, die aus dem Herznerven entspringen, innerviert. Irgendwelche Abweichung von dieser Regel habe ich auf meinen Prä- paraten kein Mal beobachten können. Indem ich alles hinsichtlich des Nervensystems des Herzens der Äeschna-Ls^iye Mitgeteilte resümiere, muß ich zunächst hervorheben, daß dasselbe ausschließlich von peripherischen Nervenfasern und deren Endverzweigungen dargestellt wird. Niemals habe ich auf dem Herzen oder in den ihm benachbarten Körperabschnitten irgendwelche Nerven- zellen oder Ganglien gefunden. Da ich eine verhältnismäßig große Zahl (mehr als 100 Exemplare) von Larven untersucht habe, und da die Nervenfärbung in der Mehrzahl der Fälle mehr oder weniger voll- ständig war, so ist es für mich mehr als wahrscheinlich, daß im Gebiete des Herzens keine Nervenzellen vorhanden sind. Die Nerven, welche sich im Herzen mid im Stützapparat ausbreiten, entspringen einerseits aus paarigen Ganglien (Herzganglien) des Mundmagennervensystems, anderseits aus den Ganglien der Bauchganglienkette. — Die aus den Bauchganglien entspringenden Nerven sind höchstwahrscheinlich mo- torisch; sie dringen segmental und paarweise in den Herznerven ein, der seinerseits aus den Herzganglien entsteht. Auf dem Herzen und dem Stützapparat geben diese Nerven eine Reihe von Endverzweigungen ab, die ihren morphologischen Kennzeichen nach bequem in zwei Kate- gorien geteilt werden können. a. Endigungen, wahrscheinlich motorischer Natur, sind auf der Herzwand in den metameren Klappen, auf dem Septum und auf den Flügelmuskeln angeordnet. Charakteristisch für diese End Verzwei- gungen ist eine besondere rosenkranzförmige Varicosität ihrer Endfäden, _^owie das Fehlen von Anastomosen zwischen letzteren. b. Endgeflechte auf den Ostiumorganen. An der Bildung dieser Geflechte beteiligen sich mindestens drei Fasern, von denen eine wahr- 506 Alexius Zawarzin, scheinlich motorisch ist. Die Zahl dieser Geflechte ist ebenso groß wie die Zahl der Ostiumorgane. Irgendwelche Aussagen über die Bedeutung dieser Geflechte zu machen, wenn nur die Tatsachen bestimmt sind, die ich hier nieder- gelegt habe, ist jedenfalls verfrüht. Mir scheint es jedenfalls, daß sie nicht nur die Ostiumorgane versorgen, sondern auch noch eine andre Bedeutung für die Tätigkeit des Herzens haben. Schlußbetrachtungen. In der vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens finden wir leider nicht genügendes Material für weitgehende Schlüsse. Über die Herznerven der Würmer ist nur einiges von deij Anne- liden {Ärenicola, Carlson) bekannt. Das Nervensystem des Herzens dieser Tiere setzt sich aus zwei Abschnitten zusammen : aus Nervenzellen und deren Fortsätzen, welche diffus im Herzen zerstreut sind und aus Nervenfasern, die sich im Herzen verzweigen und aller Wahrschein- lichkeit nach aus den Bauchganglien entspringen. Bei den Crustaceen liegen dieselben Verhältnisse vor (Carlson). Von allen Wirbellosen ist bei den Xiphosura (Limulus) und den Arachniden (Scorpio) die Innervation des Herzens am besten studiert: Im Herzen fehlen bereits die Nervenzellen, dafür ist oberhalb des Herzens ein Herzganglion vorhanden, aus welchem Nerven aufs Herz über- gehen; außerdem wird das Herz noch vom Bauchmark aus innerviert (Carlson). Bei den Insekten übernimmt die Rolle der Herzgangiien das erste Paar der Mundmagenganglien; in der Herzwand sind keine Nerven- zellen vorhanden; außerdem wird das Herz von den Bauchganglien aus innerviert. Bei den Echinodermen und Tunicaten ist hinsichtlich der Inner- vation des Blutgefäßsystems nichts bekannt. Bei den Mollusken liegen bereits verwickeitere Verhältnisse vor (Carlson): als Regel kann jedoch angesehen werden, daß außer den Nerven, die aus dem Centralnervensystem (größtenteils aus den Visceral- ganglien) stammen, im Herzen noch eigne Ganglien vorhanden sind. Wir besitzen somit ein mehr oder weniger allgemeines Bild von der Innervation des Herzens bei sämtlichen Wirbeilosen. Überall ist die doppelte Herkunft der Nerven charakteristisch. Einerseits ent- springen sie von Ganglien des Centralnervensystems, anderseits von eigentlichen Herznervenzellen, welche auf den niederen Entwicklungs- stufen diffus im Herzen zerstreut sind (Anneliden, Crustaceen), auf Histologische »Studien über Insekten. I. 507 höheren Stufen sich in Herzganglien lokaUsieren {Limulus, Scorpio, Insekten, Molhisken). Die aus den Ganghen des Centralnervensystems abgehenden Nerven sind wahrscheinlich motorisch; die Nerven der Herzganglien haben wahrscheinlich einen regulatorischen Charakter. Hinsichtlich der Endigungen der Nerven im Herzen sind außer meinen oben geschilderten Befunden, so viel mir bekannt, keine weiteren vorhanden, infolgedessen auch kein Vergleich möglich ist. Die freilich äußerst wenigen physiologischen Untersuchungen (Brandt, J. Dogiel, Plateaux, Carlson), die hauptsächlich an Cru- staceen und Xiphosuren ausgeführt worden sind, bestätigen im allge- meinen die hier geschilderten morphologischen Tatsachen, gestatten jedoch, da sie bei Insekten gering an Zahl und nur bruchstückweise ausgeführt sind, keinerlei allgemeine Schlüsse. Eine ausgezeichnete Über- sicht der physiologischen Untersuchungen der Tätigkeit und Innervation des Herzens bei Wirbellosen hat im vorigen Jahre Carlson gegeben; auf diese verweise ich alle, die sich für diese Frage interessieren. Am Schlüsse meiner Mitteilung muß ich bemerken, daß eine Keihe von Fragen, die unmittelbar mit der Innervation des Herzens zu- sammenhängen, unaufgeklärt geblieben ist ; ich habe mich entschlossen, meine Befunde zu veröffentlichen in der Hoffnung, daß es mir in der nächsten Zeit gelingen wird, meine Resultate über eine Untersuchung des Baues des Mundmagen- und Centralnervensystems zu berichten, mit welcher ich zurzeit beschäftigt bin. Zum Schluß halte ich es für meine Pflicht Herrn Prof. Dr. A. S. Dogiel, meinem hochverehrten Lehrer, meinen aufrichtigen Dank für seinen Beistand und seine Ratschläge, die mir im Verlaufe meiner Arbeit in hohem Maße zuteil geworden sind, auszusprechen. St. Petersburg, Juli 1910. Literaturverzeichnis, 1. BuBMEisTEB, Handbuch der Entomologie. Bd. I. Berlin 1832. 2. Bebg, Über die Gefäßwandung bei Arthropoden. Anat. Hefte. Bd. XIX. 1902. 3. O. BüTSCHLi, Zur Entwicklungsgeschichte der Biene. Diese Zeitschr. Bd. XX. 1870. 4. Berlese, Gli Insetti. 1909. 5. A. 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Zwei andre Nerven des Ostium- Fk, Fettkörper; geflechtes; H, Herz; 0, Ostium; hn, Herznerv; 00, Ostiumorgan; Kl, Klappe; OOnp, Ostiumnervengef lecht ; Klne, Nervenendigung in der Klappe; Sptn, Nerv des Septums; Iga, Ligamentum anterius; Sptne, Nervenendigungen im Septum; Igp, Ligamentum posterius; tr, Trachea; M, Skeletmuskeln ; 4, 5, 6, 7, 8, die entsprechende 4., 5.,' 6., Mn, Motorischer Nerv eines Skelet- 7., 8. Herzkammer; muskels; V, VI, VII, VIII, IX, X, die ent- mhn, Motorischer Seitennerv des Her- sprechenden 5., 6., 7., 8., 9., 10. zens; Segmente. mnel. Motorische Endigung I. Art; Als Objekt für sämtliche Präparate, deren Zeichnungen auf Taf. XXIII und XXIV wiedergegeben sind, diente die Larve von Aeschna sp. ? Tafel XXIII. Fig. 1. Geflecht auf den Ostiumorganen. Vergr. 525. Methylenblau. Molybdänsaures Ammonium. Auspräpariertes Herz. Fig. 2. Endigungen im Septum. Vergr. 220. Methylenblau. Molybdän- saures Ammonium. Das Präparat ist aus der ganzen dorsalen Hälfte des Ab- domens angefertigt. Die Nerven sind etwas dicker gezeichnet als sie sich bei der Vergrößerung darstellen. Fig. 3. Motorische Endigung III. Art und deren Beziehungen zum Ostium- geflecht. Vergr. 220. Methylenblau. Auspräpariertes Herz. 510 Alexius 2a warzin, Histologische Studien über Insekten. I. Fig. 4. Motorische Nervenendigung in einer Klappe. Methylenblau. Aus- präpariertes Herz. Vergr. 525. Fig. 5. Der Eintritt des motorischen Nerven in den Herznerven und dessen Beziehungen zum Septumnerv. Vergr. 125. Methylenblau. Präparat der ganzen dorsalen Hälfte des Abdomen. Tafel XXIV. Fig. 6. Schema der Nervenverteilung im Herzen und im Stützapparat. Fig. 7. Motorische Endigungen in einem Flügelmuskel. Vergr. 90. Me- thylenblau. Das Präparat ist aus der dorsalen Wand des Abdomens angefertigt. Fig. 8. Motorische Nervenendigung II. Art. Vergr. 125. Methylenblau. Auspräpariertes Herz. Die Nerven sind etwas dicker gezeichnet, als sie sich bei der Vergrößerung darstellen. Fig. 9. Eintrittsstelle des motorischen Nerven in den Herznerven. Vergr. 735. Methylenblau. Auspräpariertes Herz. Fig. 10. Motorische Endigung I. Art. Vergr. 300. Methylenblau. Aus- präpariertes Herz. Fig. 11. Quernaht des Herzens. Totalpräparat. Methylenblau. Vergr. 1500. über Geruchsorgane bei decapoden Krebsen aus der Gruppe der Galatheiden. Von Kurt Marcus. (Aus dem zoologischen Institut der Universität München.) Mit 18 Figuren im Text und Tafel XXV, XXVI. Einleitung. In seinem Brachyurenwerk aus den »Ergebnissen der Deutschen Tiefseeexpedition<< (04) behandelte Doflein als erster die Geruchsorgane einer Gruppe von Decapoden im Zusammenhang, nachdem dies vorher nur bei niederen Crustaceen ausgeführt worden war, und über Podoph- thalmen nur wenige Einzeluntersuchungen vorlagen. Einige Fragen, die Dofleins Untersuchungen noch offen ließen, und unsre mangelnden Kenntnisse über die Geruchsorgane der ge- samten Macruren und Anomuren, ließen es wünschenswert erscheinen, an einer Gruppe dieser Crustaceen das Geruchsorgan zu untersuchen. Als solche wählte ich, da mir davon genügend Material zur Verfügung gestellt werden konnte, die Familie der Galatheiden. War es mir auch leider nicht möglich, eine sehr große Anzahl von Arten zu untersuchen, so hoffe ich doch, über die verschiedenen Bautypen von Geruchsorganen einen allgemeinen Überblick erhalten zu haben. Anschließend an diese anatomischen und histologischen Untersuchungen habe ich ver- sucht, mir Vorstellungen über den Zusammenhang zwischen der ge- ringeren oder größeren Kompliziertheit dieses Sinnesorgans und der gesamten Lebensweise der untersuchten Formen zu bilden. Für die Anregung zu dieser Arbeit und die ständige Hilfe und viele wertvolle Ratschläge bin ich Herrn Prof. Doflein zu großem Danke verpfhchtet. Ferner ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Dr. Julius ScHAXEL-Villefranche meinen Dank dafür abzustatten, daß er mich mit vorzüglich fixiertem Material für die histologischen Unter- suchungen versorgte. 512 Kurt Marcus, Historisches. 1883 konnte Kraepelin in einer ausgezeiclineten kritisch-histo- rischen Abhandlung die vielumstrittene Frage über die »blassen Kolben und Haare an den inneren Antennen « der Crustaceen dahin entscheiden, daß sie dem Geruch dienten. Damals kannte man jedoch nur den feineren Bau des Geruchsorgans bei den leichter zu untersuchenden niederen Krebsen und den Edriophthalmen, worauf erst in den neunziger Jahren sich unsre Kenntnis allmählich auf die Podophthalmen aus- dehnte. So untersuchte May (87) Carcinus maenas, Palaemon squilla und Mysis flexuosa. Vom Eath (91, 92, 94) machte uns hauptsächlich mit den Verhältnissen beim Flußkrebs genau bekannt. Auf die Unter- suchungen von Milne-Edwards und Bouvier (94), die rein morpho- logisch-systematischer Natur waren, habe ich an andrer Stelle noch einzugehen. Nagel (96) untersuchte eine Anzahl von Crustaceen experimentell-physiologisch, berücksichtigte aber die höheren Krebse nur wenig. Eine Arbeit, die mit den Mitteln der modernen Technik ausgeführt wurde, ist die von Kotte (02) über Plesionika , deren Geruchs- organ eine interessante Variante zu dem von mir untersuchten der Galatheiden darstellt. Endlich ist das DoFLEiNsche Werk (04) von größter Wichtigkeit für vorhegende Arbeit, da meine Untersuchungen ihr ständig parallel laufen und ich vielerorts Gelegenheit haben werde, auf sie zu verweisen. Material und iVlethoden. Das sehr wertvolle Material zu meinen Untersuchungen stammt zum größten Teil von der Deutschen Tiefseeexpedition, zum Teil auch von der Japanreise Prof. Dofleins. Einzelne Tiere wurden der Samm- lung des Münchener Museums entnommen. Die Objekte waren sämtlich in starkem Alkohol fixiert worden, welcher die Lagerung der Gewebe und deren Natur vorzüglich erhalten hatte. Ich untersuchte und zeichnete zuerst die Antenne als Ganzes; dann wurde mit Boraxkarmin gefärbt, in Nelkenöl aufgehellt und von dem so erhaltenen Präparat sofort eine Skizze entworfen. Danach wurde die Antenne geschnitten. In allen neueren Arbeiten klagen die Autoren über die Schwierigkeiten, die ihnen das Chitin beim Schneiden bereitet habe. Ein vorzügliches Mittel zum Erweichen desselben ist die schon von Doflein bei seinen Untersuchungen an- gewandte PERENYische Flüssigkeit, die sich auch bei mir ausgezeichnet über Geruchsorgane bei decapoden Krebsen usw. 5 ] 3 bewährte. Eine Einwirkungsdauer von 2 — 3 Stunden genügte, um selbst Schnitte von 5 it möglich zu machen. Dabei zeigten die Gewebe nie auch nur die geringste Veränderung. Für die feineren histologischen Untersuchungen konnte ich leider kein Galatheidenmaterial verwenden, da das vorhandene für solche Zwecke in seiner Erhaltung nicht genügte. Einige Exemplare waren zwar auf der Valdivia-Expedition eigens für solche Untersuchungen in Sublimat fixiert worden, doch erwiesen sie sich leider als nicht brauchbar, standen sogar zum Teil hinter dem Alkoholmaterial zurück. Durch den Vergleich der cellulären Elemente von besonders gut erhaltenen Galatheidenexemplaren mit einigen Brachyuren, kam ich — auch gestützt aiff die Untersuchungen Dofleins an Krabben — zu der Überzeugung, daß der histologische Aufbau der Geruchsorgane bei allen Decapoden im wesentlichen übereinstimmend sei. Infolgedessen verwandte ich zvmi Studium der feineren Einzelheiten des Geruchs- apparates zwei Krabben: Stenorhynchus phalangium und Inaclms scorpio aus der Gruppe der Oxyrhynchen. Diese erhielt ich durch die Güte des Herrn Dr. Schaxel, der sie zum Teil in starker FLEMMiNGscher Flüssigkeit, zum Teil in Subhmat + 5%igem Eisessig fixiert hatte. Die aus dem Sublimat-Eisessig stammenden Exemplare wurden der Vergoldung nach Apäthy unterworfen und mit DELAFiELDschem Hämatoxylin nachgefärbt. So unsichere Kesultate die Vergoldung bekanntermaßen liefert, war der Erfolg doch zum Teil recht befrie- digend. Die in Flemming fixierten Exemplare wurden mit Heiden- HAiNschem Hämatoxylin nachgefärbt. Der Bau der Geruchsorgane und seine Haupttypen. Bevor ich an eine Schilderung des Baues der Galatheiden-Geruchs- organe gehe, muß ich mich gegen einen Vorwurf verwahren, den man mir vielleicht machen könnte. Es ist in neuerer Zeit verschiedentlich darauf hingewiesen worden [vom Rath (94), Nagel (96), Kotte (02)], daß ein Vorgang analog dem Riechen der Landtiere bei Wassertieren unmöglich sei; hier könne das Organ, das man früher als Geruchsorgan bezeichnet habe, nur analog dem Geschmacksorgan der Landtiere wirken. Konsequenterweise wenden daher diese Autoren nur den Namen Geschmacksorgan an. Nur vom Rath stellt den Gebrauch dieses oder jenes Namens in das Belieben des Autors. Daß ich trotzdem vom Riechen spreche, hat seine Ursache darin, daß es sich um ein für be- sondere Zwecke differenziertes >>chemoreceptorisches<< Sinnesorgan Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 34 514 Kurt Marcus, handelt. Da außerdem nach Kesultaten von Experimenten Nagels (96) an den Mundgliedmaßen und in der Mundhöhle besondere Schmeck- organe vorhanden sein müssen, muß man einen Unterschied zwischen dem in den inneren Antennen untergebrachten »Fernschmeckapparat« und diesem »Nahschmeckapparat« machen. So folge ich dem Beispiel DoFLEiNs und spreche von Geruchsorganen, mit dem Vorbehalt, daß sie analog Geschmacksorganen wirken. Die wesentlichen Bestandteile des Geruchsorgans sind die Riech- haare, die Terminalnerven, die Riechspindeln und der Geruchsnerv (s. Taf. XXV, Fig. 1). Die innere Antenne, die diesen ganzen Appa- rat beherbergt, besteht -^ wenig- stens bei den Galatheiden — aus drei Gliedern, an deren Ende zwei Geißeln sitzen (s. Textfig. 1). Die längere Außengeißel trägt auf ihrer Innenseite die Riechhaare; von diesen führen die Terminalnerven zu den Riechspindeln, Ansamm- lungen von Sinneszellen. Die Spin- deln können zu einer größeren Masse zusammengelagert sein, die DoFLEiN Lobus osphradicus ge- nannt hat. Aus den Spindeln sammeln sich die einzelnen Nerven- fäden und vereinigen sich zum Geruchsnerv, der durch die An- tenne zum Centralorgan zieht. DoFLEiN (04) unterscheidet nach Lage und Anordnung der Riechspindeln drei Typen von Geruchsorganen. » Bei dem ersten Typus sind die Riechspindeln in einfachen Reihen angeordnet, ähnhch dem schon von vom Rath geschilderten Verhalten beim Flußkrebs. Jede Riechpapille sitzt unmittelbar unter dem Riech- haar, zu welchem sie gehört. Die aus den Papillen (proximal) aus- tretenden Nervenfäden vereinigen sich zu einem kräftigen Nerven- strang, dem jeder einzelne Bestandteil unmittelbar hinter der zuge- hörigen Papille zufließt.« Beim zweiten Typus befinden sich die Geruchsspindeln zum Textfig. 1. Innere Antenne von Uroptychtis nitidus über Geruchsorfmnp hei clecapoden Krebsen usw. 515 größten Teil nicht mehr in der Aiißengeißel, sondern sind in das dritte Stielglied gerückt, wo sie den Lobus osphradicus bilden. Beim dritten Typus endlich »liegen sämtliche Riechspindeln in dem dritten Stielglied der Antenne«. »Die einzelnen Riechspindeln sind so dicht zusammengedrängt, daß man meist ibre Grenzen nicht mehr erkennt«, und der Lobus »eine mehr oder weniger einbeitliche Masse bildet«. Bei den von mir untersuchten Formen der Galatheiden fehlt der erste und einfachste Typus ganz, dagegen kommen der zweite und dritte etwa in gleicher Anzahl vor. Dabei ist jedoch allein die Größe der Außengeißel maßgebend. Bei einer gleichen Anzahl von Riechspindeln würde in einer Antenne mit großer Außengeißel der Typus II, mit kleiner Außengeißel der Typus III entstehen. Um die Schilderung des Baues der Geruchsorgane übersichtlich zu gestalten, habe ich sie in drei Gruppen geteilt, die sowohl in den morphologischen und anatomischen Verhältnissen, als auch speziell in der Ausgestaltung des Schutzapparates vom Einfacheren zum Kom- plizierteren aufsteigen. Ich habe sie nach den typischen Vertretern genannt: 1) der Uroptychus-Tyipus, 2) der Munida-Ty\)\\s, 3) der Petro- listhes-Tji^ns. Ich beginne mit der Schilderung des einfachsten von diesen dreien, des Uroptychus-Typus,- i. Der Uroptychustypus. a. Der äußere Habitus. Die innere Antenne der hierher gehörenden Formen ist sehr schlank gebaut. Das erste und das zweite Glied ist klein; jenes ist nur selten mit kleinen Stacheln versehen. Dagegen ist das dritte Glied bedeutend länger. Die Geißeln zeigen eine wechselnde Zahl von Gliedern, welche bei der Außengeißel mit Ausnahme der letzten, mit je zwei Reihen von Riechhaaren versehen sind, während die Innengeißel nur verein- zelte Tasthaare trägt. Auch die Spitzen der Geißeln laufen in oft sehr lange Tastborsten aus. Irgendwelche besondere Furchungen oder Skulpturen des Chitins sind meist nicht vorhanden. b. Die anatomischen Verhältnisse. Wie früher schon erwähnt, wird die mehr oder weniger starke Ausbildung eines Lobus osphradicus bedingt durch die Raumverhält- nisse innerhalb der Antenne. Abgesehen von den zum Geruchsapparat gehörenden Nerven usw., sind in der Antenne noch von wesentlicher 34* 516 Kurt Marcus, Bedeutung die sie bewegenden Muskeln und die »Statocyste. Diese ]iimmt den größten Teil des Eaumes im Basalglied ein, das außerdem noch von Muskeln erfüllt ist. Es läßt sich eine große Gleichförmigkeit in der Anordnung der Muskeln in der Antennula sämtKcher Galatheiden beobachten (s. z. B. Taf. XXV, Fig. 3, 5, 11). Im Basalglied sind zwei Muskelzüge vorhanden, die einerseits an der Wandung dieses Gliedes, anderseits am proximalen Ende des zweiten Gliedes ansetzen, und so dieses beugen und strecken können. Im zweiten Glied liegt ein meist ziemlich starker Muskel, der das dritte Glied an einer Art Chitinstift, den dieses in das Lumen des zweiten Gliedes bineinsendet, bewegt, bzw. heranzieht. Die Streckung des dritten Gliedes scheint durch ein elastisches Band zu geschehen, welches sich in vielen Fällen findet, aber doch nicht immer feststellen läßt; manchmal ist es auch durch einen schwachen Muskel ersetzt. Endlich findet sich im dritten Glied noch ein ziemlich starker Muskel, der mit seinem peripheren Ende an der Innenseite der Außengeißel ansetzt Selten findet sich ein ent- sprechendes Muskelchen zur Bewegung der Innengeißel (s. Taf. XXV, Fig. 7). Auffallend ist — wie auch Kotte (02) betont — , daß sich inner- halb der Geißeln nicht die geringste Spur von Muskelfasern nachweisen läßt. Der Geruchsnerv tritt, manchmal noch mit dem Statocystennerv vereinigt, in das Basalglied der inneren Antenne ein (s. Taf. XXV, Fig. 5, 7, 10), durchzieht dieses und das zweite Glied in einem Bündel von gleichförmiger Dicke, von Neurilemmzellen eingehüllt. Auf allen Präparaten erkennt man die Neurilemmzellen an ihren stark färbbaren und sehr in die Länge gestreckten Kernen, die mit keinen andern vor- kommenden Kernformen verwechselt werden können. Erst im dritten Glied beginnt das Nervenbündel sich aufzuspalten, und zwar wird zuerst ein Nervenast — ein Tastnerv — für die Innen- geißel abgegeben. Dann spaltet sich der Rest, der eigentliche Riech- nerv, völlig auf und tritt in einzelnen Fäden in den Lobus osphradicus ein (s. Taf. XXV, Fig. 1). Dieser besteht aus der Gesamtzahl der Riechspindeln, und zwar führt jeder einzelne Nervenfaden zu einer Spindel. Diese Ansammlung nervöser Bestandteile wurde von früheren Beobachtern als Ganglion gedeutet, da man sich über die Struktur der einzelnen Teile nicht im klaren war. Vom Rath (94) gebührt das Verdienst, darauf hingewiesen zu haben, daß sämtliche in den Spindeln enthaltenen Zellen nur Sinneszellen mit einem proximalen und einem distalen Nervenfortsatz sind. Jeder Nervenfaden, der in eine Spindel eintritt, verästelt sich in die Nervenfibrillen, von denen jede in eine über Gcruchaoigane bei clccapudcn Krebsen usw. 517 Sinneszelle eintritt und sie an dem distalen Pol wieder verläßt. Die J^'asern vereinigen sich wieder zu den Terminalnerven, die getrennt voneinander verlaufen und bis zu ihrem Eintritt in das zugehörige Riechhaar mit Neurilemmzellen bekleidet sind, worauf der nackte Terminalstrang das Haar bis zu seiner Spitze durchzieht. KoTTE (02) beschreibt für Plesionika diese Verhältnisse zum Teil anders. Dort soll der Terminalnerv nicht von einer bindegewebigen Hülle umschlossen sein, vielmehr soll an dieser Stelle jede Nerven- faser noch eine zweite eingeschaltete Zelle tragen. Demnach passiert jede Nervenfaser zwei Zellen: eine mehr peripher gelegene »Sinnes- zelle« und eine mehr central gelegene »Ganglienzellen. Vom Rath (94) fand auf den Terminalnerven, »wenn die Gruppen der Sinneszellen in größerer Zahl nebeneinander liegen und eine Strecke weit von der Hypodermis und den Sinneshaaren entfernt sind, längliche, dunkel tingierte Kerne, welche langgestreckten Hypodermiszellen angehören. Diese letzteren Zellen haben einige Autoren zu der unrichtigen Auf- fassung von zwei hintereinander liegenden Gruppen von Ganglienzellen verführt; in Wirklichkeit findet man stets nur eine Gruppe von Sinnes- zellen, und die zwischen dieser Gruppe und dem Sinneshaar gelegenen Zellen sind nichts andres als gewöhnliche Hypodermiszellen (Stütz- zellen) <<. KoTTE scheint, obgleich er diese wichtige Arbeit vom Raths im Literaturverzeichnis anführt, diese Bemerkung übersehen zu haben, jedenfalls versäumt er, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Vergleicht man die Abbildung 2 vom Raths mit der Figur 31 Kottes, so wird einem wohl kein Zweifel über die Identität von Kottes Sinnes- bzw. Ganglien- zellen mit vom Raths Hypodermis- bzw. Sinneszellen bleiben. Das allein würde aber nicht zugunsten der Ansicht vom Raths sprechen. Die Kerne der » Sinneszellen << Kottes sind bei meinen Objekten von ganz andrer Gestalt, als er sie zeichnet ; sie sind sehr lang gestreckt, stark färbbar und unterscheiden sich in keiner Weise von den Kernen der Neurilemmbekleidung andrer Nerven. Dagegen haben meine »Sinneszellen« absolut das Aussehen von Kottes »Ganglienzellen«. Wenn nach seiner Ansicht in den Verlauf jeder Nervenfaser je eine Sinneszelle und eine Ganglienzelle eingeschaltet sein sollen, so müßte sich bei einer Zählimg genau die gleiche Zahl beider Kernarten fest- stellen lassen. Leider hat Kotte an seinem Objekt diese Probe nicht gemacht. Bei meinen Präparaten fand ich, besonders bei kurzen Terminalnerven, stets eine bedeutend größere Zahl von Sinneszellen gegenüber den Neurilemmzellen. 518 Kurt Marcus, Es läßt sich endlich noch ein andrer Clrund gegen die Behauptung KoTTEs ins Feld führen. Nach unsrer bisherigen Kenntnis des Nerven- systems der Crustaceen enthält jede Nervenfaser nur eine Zelle: ent- weder liegt sie peripher an oder in der Nähe der Körperoberfläche und entsendet einen sensiblen Fortsatz zum Centralorgan, wo er sich verästelt, oder sie liegt als Ganglienzelle im Centralnervensystem und entsendet einen motorischen Fortsatz an die Muskeln. Eine Ausnahme machen nur die Sehnerven, die das Ganglion opticum zu passieren haben. In jedem Fall hat man bisher immer nur eine Zelle im Nerven- verlauf beobachtet, so daß die Angabe Kottes ein völliges Unikum darstellen würde, was sie sehr unwahrscheinlich erscheinen läßt. DoFLEiN weist, wie mir scheint mit großem Eecht, auf die Analogie zwischen Geruchsorgan und Auge bei den Crustaceen hin. Er hebt hervor, daß der Lobus osphradicus der Gesamtretina des Auges nicht etwa dem Ganglion opticum entspreche. Die Frage, ob im Gehirn »dem Geruchsorgan eine komplizierte Bildung entspricht« läßt Doflein offen. Ich habe versucht, mir an Stenorhynchus darüber ein Urteil zu bilden. Wie nicht anders zu erwarten war, hat dessen Gehirn große Ähnlichkeit mit dem von Bethe (95, 97, 98) so vorzüglich unter- suchten Centralnervensystem von Carcinus maenas. Da ich hier nur einen Auszug aus den BETHEschen Arbeiten geben könnte, verweise ich auf die Originale. Ich will nur ganz kurz auf das Geruchscentrum eingehen und auf einen Unterschied zwischen Bethes und meinen Be- funden hinweisen. Nach Bethe besteht der An- tennarius primus (wie er das von der ersten An- tenne kommende Ner- venbündel nennt) zum größten Teil aus den von der Statocyste kommen- den Nervenfasern, und nur ein kleiner Teil stammt von den peripheren Sinnesorganen der Antennula (s. Textfig. 2). Bei Stenorhynchus pha- langium fand ich die Verhältnisse gerade umgekehrt. Die Hauptmasse des Antennarius primus wird von den Geruchsnerven gebildet, während der Statocystennerv stets erst nach langem Suchen zu finden ist. I Textfig. 2. Schema des Gehirns von Carcinus maems (nach BETHE). Riech nerven punktiert, Statocystennerven ausgezogen. über Geruchsorgaue bei decapoden Krebsen usw. 519 Tegume/itaiius Textfig. 3. Schema des Gehirns von Stenorhynchus phalangium. Xervenver- lauf schematisch. Riechnerven punktiert, Statocysitennerveii ausgezogen. Dadurch findet auch eine Änderung der Centren im Gehirn statt. Nach Bethe sollen die von der Statocyste kommenden Fasern in den Globulus und das Neuropihnu antennarii primi laterale gehen, während die Geruchsnerven zum Neuropilum antennarii primi mediale ziehen. Ich sah dagegen die vom Geruchsorgan kommenden Nervenfasern in den Globulus, sowie einige auch in das Neuropilum antennarii primi mediale eintreten, während der Rest, der Statocysten- nerv, zum Neuropilum antennarii primi laterale geht (s. Textfig. 3). Es ist nicht nötig, aus diesen abweichenden Befunden einen Wider- spruch zu Bethes Dar- stellung zu konstruieren. Carcinus maenas ist be- kanntlich ein Tier, wel- ches an der Ebbe- und Flutgrenze lebt und starken Strömungen und lebhaftem Wellenschlag ausgesetzt ist. Es ist klar, daß für ein Tier mit solcher Lebensweise eine sehr gut ausgebildete Statocyste von ganz andrer Bedeutung ist, als für Stenorhynchus fhaUmgium, der trag und wenig beweglich in ge- ringen Tiefen auf den Algen des Meeresbodens lebt, wo ihm die Wellen- bewegung nicht viel anhaben kann. Daß einem stärker ausgebildeten Sinnesorgan ein starker Nerv und ein größeres Centrum im Gehirn ent- spricht, braucht nicht weiter wunder zu nehmen. Immerhin ist es von großem Interesse, feststellen zu können, daß der Globulus in seiner Be- ziehung zum peripheren Nervensystem, selbst innerhalb der gleichen Unterordnung der Brachyuren, einen völligen Wechsel durchmacht, indem er in dem einen Fall (Carcinus) den Nerven der Statocyste, in dem andern Fall {Stenorhynchus) den Geruchsnerven als Centrum dient. Die Riechhaare sind schon so oft geschildert worden, daß ich mich hier ganz kurz fassen kann. Es sind zartwandige Chitinschläuche, die, wohl um leichter beweglich zu sein, in ihrem distalen Teil gegliedert sind. Irgendwelche Versteifungseinrichtungen, wie sie vielfach sonst im proximalen Teil der Riechhaare vorkommen, konnte ich bei den Gala- theiden nie beobachten. Ein spezielles Augenmerk habe ich der seit jeher strittigen Frage zugewandt, ob die Riechhaare an ihrem Ende 520 Kurt Marcus, geöffnet oder geschlossen sind. Eine Reihe von Autoren (z. B. Leydig, RouGEMONT, Kraepelin) sprechen sich für eine Öffnung, andre (wie Claus, Nagel, Kotte, Doflein) dagegen aus, während dritte (wie z. B. VOM Rath) beides für möglich halten. Ich fand bei sämtlichen von mir untersuchten Formen die Haare immer geschlossen, und ich schließe mich der Ansicht von Claus an, der meint, daß eine Öff- nung der Haare immer auf eine nachträgliche Beschädigung zurück- zuführen sei. Über den Inhalt der Haare gehen die Angaben weit auseinander. Nur in der Schilderung des Nerven verlauf es innerhalb des Haares stimmen die neueren Autoren ziemlich überein. Der von der Riech- spindel kommende Terminalnerv verliert beim Eintritt in das Haar seine Neurilemmbekleidung. In kurzer Entfernung vom proximalen Haarende beobachtete ich, wie auch Doflein bei seinen Brachyuren, im Nerven »eine Stelle, wo die Fasern aufgelockert sind und sich durcheinanderflechten«. Ebensowenig wie diesem Autor, ist es mir möglich gewesen, mir irgend eine Vorstellung über die Bedeutung dieser Verflechtung zu machen. Danach zieht der Terminalstrang, allmählich schwächer werdend, bis zur Spitze des Haares. Außer dem Nerven beschreiben einige Autoren noch andre Gebilde als Inhalt des Haares. So fand Kotte (02) »zahlreiche, kleine, längliche, dunkel tingierte Kerne«, die »der Matrix des Haares ange- hören«. Außer ihm hat jedoch kein Autor diese Kerne gesehen, und es ist wenig wahrscheinlich, daß sein Untersuchungsobjekt, Plesionika, in dieser Hinsicht so bedeutend von allen übrigen Decapoden abweichen sollte. Es wäre ein solches Verhalten nach den Angaben von Hensen (63) und May (87) über den Haarwechsel bei Crustaceen ganz unmöglich. Nach diesen zwei Autoren liegt vor der Häutung das neue Haar schon ganz fertig, nur doppelt eingestülpt wie ein Handschuhfinger, im Innern der Antenne, umgeben von den Haarbildungszellen (Hensen, Abbil- dung 43 ^). Wird nun dies neue Haar bei der Häutung zu seiner vollen Länge ausgezogen, so löst es sich von den Bildungszellen ab, die im Innern der Antenne liegen bleiben. Demnach wäre auch die An- gabe von Claus (79) unhaltbar, nach welcher Ausläufer von Matrix- zellen in das Haar eintreten sollen. Beobachtete ich also nie Matrixzellen im Haar, so habe ich doch außer den Nervenfasern ab und zu einen Kern der Neurilemmzellen im proximalen Teil eines Haares gefunden. Da ich dies nur auf Schnitten beobachtete, könnten möghcherweise die Kerne durch die Schneide des Messers in das Haar hineingedrückt worden sein; anderseits wäre über (icruchsorgane bei decapoclen Krebsen usw. 521 es auch nicht weiter verwunderhch, wenn sich die Neurilemmbekleidung der Nerven noch ein Stück weit in das Haar hinein fortsetzte. Der Zwischenraum zwischen den Nervenfasern und der Chitin- wandunt»; des Haares ist durch eine bei konserviciten Exemplaren fein granulierte Masse ausgefüllt, die nach May (87) beim lebenden Tier flüssig sein und erst bei der Fixierung gerinnen soll. Beschreibung des Baues einiger zum Uroptycluistypus geliöriger Formen. Uroptychus nitidus A, Milne-Edwards. (Textfig. 1, Taf. XXV, Fig. 2.) Die Antenne ist sehr schlank gebaut, und speziell die Außengeißel ist sehr schlank und lang. Sie besteht aus 16 Gliedern, von denen das zweite bis zwölfte je zwei Reihen von Riechhaaren tragen, die letzten vier nur Tasthaare. Basalglied unbehaart. Im ganzen 60 Riech- haare mit 1,5 mm Durchschnittslänge bei 16 /.t Dicke. Letztes Geißel- glied in lange Tastborste auslaufend, jedes Glied auf Außenseite mit kurzem Tasthärchen. Innengeißel lang und schlank, aus fünf ge- streckten Gliedern bestehend, mit wenigen kurzen Tasthaaren. Da Außengeißel im Verhältnis zu den Antennalgliedern relativ groß, in ihr Platz für viele Riechspindeln; daher kleiner Lobus osphra- dicus im dritten Glied. Nerven verlauf wie in der Typenschilderung beschrieben. Im dritten Glied Spaltung des Nerven: ein Teil für Innen- geißel, der andre tritt, sich aufsplitternd, in den Lobus ein. Terminal- nerven sehr kurz. Uroptychus gracilimanus Henderson. (Textfig. 4; Taf. XXV, Fig. 3.) Antenne kurz, Außengeißel lang, bestehend aus 21 Gliedern. Basalglied haarlos, 2. — 10. Glied mit je zwei, 10. — 15. mit je einer Reihe von Riechhaaren, 16. — 21. mit wenigen Tastborsten. Zahl der Riechhaare etwa 100. Länge im Verhältnis zur Größe des Tieres sehr groß: 2 mm; durchschnittliche Dicke 19 f.i. Innengeißel ebenfalls sehr schlank, bestehend aus sechs langgestreckten Gliedern mit je einer kurzen Tastborste. Lobus osphradicus sehr groß, fast das ganze dritte Glied ein- nehmend, doch — wie auch die Spindeln — stark von Bindegewebe durchsetzt. Terminalnerven sehr lang, den ganzen Raum der Außen- geißel einnehmend, 522 Kurt Marcus, Ptychogaster investigatoris Alcock. (Textfig. 5; Taf. XXV, Fig. 4.) Antennalglieder sehr schlank, das dritte sehr iu die Länge ge- streckt. Basalglied mit zwei kurzen Stacheln. Außengeißel relativ plump mit 16 Gliedern. Basalglied haarlos, 2. — 11. mit je zwei, 12. V. ^ >a-t Textfig. 4. Innere Antenne von Uroptyehus gracilimanus. Textfig. 5. Antenne von Ptychogaster investigatoris. bis 16. mit je einer Reihe von Riechhaaren. Gesamtzahl der Haare etwa 100, Länge 1 mm, Dicke 10 /<. Innengeißel aus vier langen Gliedern bestehend, mit kurzen Tastborsten. Einzelne Tasthaare auf der ganzen Antenne verteilt. Ziemlich viele Spindeln in der Außengeißel, daher Lobus ziemlich klein. Nerv für die Innengeißel in der Mitte des dritten Gliedes vom Hauptnerven abzweigend. Terminalnerven sehr kurz. II. Der Munidatypus. In der Schilderung dieses und des Petrolisthes-Typns kann ich mich wesentlich kürzer fassen, da der gesamte nervöse Apparat demjenigen des Uroptyehus -Typus sehr ähnelt. Eine Komplikation tritt hier infolge des durch die Lebensweise bedingten höheren Schutzbedürfnisses des Geruchsorgans ein. Dieses äußert sich sowohl in der äußeren Gestalt der Antennula, also auch in ihrem inneren Aufbau. über Geruchsorgauc bei decupotlen Krebsen usw. 523 k<^. a. Der äußere Habitus. Der Munida-Typiis der inneren Antenne unterscheidet sich sofort vom Uroptychus-Typiis durch die mächtige Ausbildung des Basal- gliedes. Es ist sehr dick und breit, und stets mit mächtigen Stacheln, meist zwei an der Zahl, versehen, zwischen die das dritte Glied mit seinen Geißeln — wenigstens bei den der Gattung Munida nahestehen- den Formen — eingeklappt werden kann (s. Textfig. 6 — 8). Stets findet man auf dem Basalglied auch kleinere oder größere Gruppen von mehr oder min- der langen Tasthaaren. Das zweite Glied ist cylindrisch, das dritte gegen das distale Ende hin keulig verdickt. Bei der Außengeißel sind die proxi- malen Glieder von relativ großem Durchmesser und flach, umgekehrt ist es bei den dista- len Gliedern, die mehr Stäbchen- form besitzen. Die Riechhaare stehen nur auf den scheiben- förmigen Gliedern, während die Endglieder meist nur einzelne Tasthaare tragen. Die Innen- geißel ist gegenüber der Außen- geißel kurz und dünn, und spär- lich mit kurzen Tasthaaren be- setzt. Im Vergleich mit dem Uroptychus-Typns fällt auf, daß auf dem dritten Antennalglied, rings um die Außengeißel herum, ein Kranz starrer Borsten steht. Nach Dofleins Vorgang nenne ich diese Borsten in ihrer Gesamtheit Stachelkörbchen, obgleich dieser Name nach später noch zu gebenden Ausführungen eigentlich nicht genau ist. b. Das anatomische Verhalten. Im ganzen sind die anatomischen Verhältnisse ähnlich wie beim Uroptychus-Typns. Doch sind alle im Basalglied gelegenen Teile be- deutend mächtiger entwickelt. So nimmt die Statocyste und die starken, Textfig. 6. Antenne von Munida subrugosa cS- 524 Kurt Marcus, zur Bewegung des zweiten Gliedes dienenden Muskeln den größten Teil des vergrößerten Basalgliedes ein (s. Taf. XXV, Fig. 5, 10). Auch die übrigen Muskeln sind wesentlich stärker entwickelt, was mit der größeren Massigkeit der ganzen Antenne zusammenhängt. Bemerkens- wert ist eine Chitinplatte, die häufig in das Innere des zweiten Gliedes vorspringt und meistens dem das dritte Glied bewegenden Muskel als Ansatzstelle dient. Der Verlauf des Nerven hat ebenfalls eine gewisse Ähnlichkeit mit dem von UroftycJius. Meist tritt er gemeinschaftlich mit dem Statocystennerv in die Antenne ein, durchzieht dann das erste und zweite Glied, um sich im dritten Glied in drei Aste aufzuspalten : einer zieht zur Innengeißel, der zweite und mächtigste ist der eigentliche Geruchsnerv und geht zum Lobus osphradicus, während der dritte das Stachelkörbchen innerviert. Die histologischen Verhältnisse im Lobus osphradicus und in den Terminalsträngen, sowie der Bau der Riechhaare sind selbstverständlich denen bei Uro'ptychus völlig gleich. Neu tritt hier das Stachelkörbchen hinzu. Doflein (04) gibt für seine ßrachyuren an, daß deren Borsten solid seien und zum mechanischen Schutz der Außengeißel und der Riechhaare dienen sollten. Dem- gegenüber hatten schon Milne-Edwaeds und Bouvier (94) behauptet, daß bei den Galatheiden diese Borsten hohl seien und von einem Nerven durchzogen würden. Diese Angaben kann ich durchaus bestätigen. Der an der Basis des dritten Gliedes abzweigende, für das Stachel- körbchen bestimmte Nerv fasert sich gegen das Ende des Gliedes hin aus; jede Fibrille zeigt in ihrem Verlauf eine Sinneszelle und tritt dann in das zugehörige Tasthaar ein, um es in einem Kanal bis fast zu seiner Spitze zu durchziehen. Die Haare haben eine enorm dicke Wandung und zeigen einen central gelegenen, sehr engen Kanal, der eben für die Nervenfaser ausreicht. Besonders auf Schnitten kann man sich leicht über das Vorhandensein dieses Kanals täuschen. Oft zeigt sich statt der einen Sinneszelle unterhalb des Haares eine ganze Gruppe, so daß man manchmal von richtigen accessorischen Tastspindeln sprechen kann (s. z. B. Taf. XXV, Fig. 5, 10). In solchem Falle sind in dem Tasthaarkanal eine der Zahl der in den Spindeln enthaltenen Sinnes- zellen entsprechende Zahl von Nervenfasern vorhanden. Es ist wohl klar, daß dieser Vermehrung der Sinneszellen für ein Haar eine Ver- feinerung der Tastempfindung parallel geht. Diese Tasthaare des Stachelkörbchens zeigen auch insofern noch etwas Besonderes vor den übrigen Tasthaaren der inneren Antenne, als sie zweizeilig gefiedert sind. Ob diese Fiederhärchen dazu dienen, die Tasthaare gegenseitig über Geruclisorgane bei decapoden Krebspii visw. 525 ZU stützen und so den ganzen Stachelkorb fester und gitterartiger zu machen, oder aber, ob sie die Haare auch gegen die feinsten Berührungen möglichst empfindlich machen sollen, lasse ich dahingestellt. Wahr- scheinlich dienen sie gleichzeitig beiden Zwecken. Wie ich oben schon sagte, ist es eigentlich ungenau, von einem »Stachel <>. Daß dieses Organ eine Kappe bilden soll, bestärkt mich noch in der Auffassung, daß es sich bei dem Stachel- körbchen nicht um ein besonderes Sinnesorgan, sondern rein um einen Schutzapparat mit Tastfunktion handelt, der je nach der Lebensweise entstanden ist, sobald sich — bei Schlammbewohnern usw. — ein Bedürfnis dafür zeigte. Im übrigen befinden sich Milne-Edwards und Bouvier im Irr- tum, wenn sie nur den Galatheiden den Besitz eines solchen Stachel- körbchens zuschreiben, da inzwischen Doflein es auch vielfach bei Brachyuren gefunden hat. Beschreibung des Baues einig-er zum Muuidatypus gehöriger Formen. Munida suhrugosa White. (Textfig. 6 u. 7; Tai XXV, Fig. 5 u. 6.) Männchen und Weibchen lagen zur Untersuchung vor. In der äußeren Form ähnlich, zeichnet sich bei annähernd gleicher Größe der untersuchten Tiere die männliche Antenne gegenüber der weiblichen durch eine geringe Vergrößerung aus. Basalglied mächtig ausgebildet, von rechteckigem Querschnitt (auf den Ab- bildungen Schmalseite dem Beschauer zugekehrt). An seinem distalen Ende Eintiefung als Gelenkpfanne für das zweite Glied. Auf einer Seite kleiner Stachel auf Pfannenrand, etwas tiefer ein zweiter dünner. Auf gleicher Seite Chitinplatte, distal in einen kurzen Stachel auslaufend. Auf der andern Seite der Gelenkpfanne mächtiger Stachel, speziell beim Männchen sehr stark ausgebildet. Auf seiner Innenseite Zacken, durch Höckerchen allmählich zu glatter Schneide übergehend. Beim Weibchen Zacken nur sehr schwach her- vortretend. Höckerchen mit Tasthaaren versehen, ebenso Gelenk- pfannenrand, die übrigen Stacheln usw. (s. Textfig. 6 u. 7). Zweites Antennalglied langgestreckt und walzenförmig. Das dritte Glied keulen- förmig, beim Weibchen plumper als jbeim Männchen. Am Ende ovale Platte, Textfig. 7. Antenne von Munida subrugosa £. über Geruchsorgane bei decapoden Krebsen (ift\\-. auf welcher Geißeln und Stachelkörbchen stehen. Außengeißel proximal mit einem sehr großen Glied beginnend, folgende Glieder flach und scheibenförmig, gegen das Ende langgestreckte, schmale Glieder. Zahl bei Männchen und Weibchen 19. Basalglied haarlos, 2. — 14. Glied mit Kiech- haaren von annähernd gleicher Länge. Zahl in beiden Geschlechtern etwa 100, Dicke 17,5 /<; Länge bei Männchen 1,2 mm, bei Weibchen 0,9 mm. Innengeißel kurz, fünf mit Tasthaaren versehene GHeder. Um die Innengeißel herum auf Endplattenrand wenige kurze Borsten, vielleicht als Analogon zum Stachelkörbchen der Außen- geißel aufzufassen. Dieses auf dem Endplattenrand in etwas über Halbkreis stehend. Borstenzahl etwa 35. Tasthaare sind kurz, daher nur ungenügender Schutz; Länge nur 1 mm, Dicke 17 — 18 /.i. Außengeißel ziemlich groß, so daß Platz für einige Spindeln. Größerer Teil ziemlich kompakten Lobus bildend. Hauptnerv an Basis des dritten Gliedes Nerven für Innengeißel abgebend, in der Mitte dagegen Ast zur Inner- vierung des Stachel- körbchens. Jeder zu der Borste ziehende Nervenfaden mit kleiner accessorischer Tastspin- del aus wenigen Sinnes- zellen. |/\ l^ % l a Cervitnunida frin- \}!M \/' cejis Benedict. (Textfig, 8; Taf. XXV, Fig. 7.) Äußerlich gewisse Ähnlich keit mit Antenne von Munida subrugosa, doch Stachelbildungen am Basalglied noch be- deutend mächtiger ent- wickelt. Der große Sta- chel von Munida auch hier mächtig entwickelt, doch glatt und kegelförmig. Der auf der andern Seite der Gelenkpfanne gelegene Stachel ähnlich wie bei Munida; der mehr proximale mächtig ausgewachsen. Zwei kolossale Stachelbildungen, zwischen die drittes S^ Textfig. 8. Alltenne von Cervimunida princeps. 528 Kurt Marcus, Glied mit Geißeln einklappt. Zweites Glied gerade und rund, drittes proximal schwach gebogen, distal keulig verdickt, so daß ovale End- platte entsteht. Außengeißel Ähnlichkeit mit der von Munida auf- weisend. Basalglied mit wenigen Riechhaaren. Ganze Geißel mit 24 Gliedern, letzte acht mit Tast-, alle übrigen mit Riechhaaren. Länge der Riechhaare durchschnittlich 1,5 mm, Zahl etwa 300, Dicke 24 ii. Innengeißel relativ lang, aus neun Gliedern bestehend, von denen erstes und letztes vergrößert; auf allen vereinzelte Tasthaare. Stachel- korb sehr gut ausgebildet, bestehend aus 25 Haaren von 2,25 mm Länge und 40 // Dicke. Bemerkenswert sind zwei kleine Muskeln, einer als Strecker des dritten Gliedes, einer zur Bewegung der Innengeißel. Nerventeilung im proximalen Teil des dritten Gliedes. In Außengeißel Platz für sehr viele Riechspindeln, daher nur sehr kleiner Lobus osphradicus. Jeder Nerv für eine Stachelkörbchenborste mit nur einer Sinneszelle. Galathea australiensis Haswcll. (Textfig. 9; Taf. XXVI. Fig. 1.) Innere Antenne ganz symmetrisch gebaut, da auf Gelenkpfannen- rand jederseits ein langer Stachel, zwischen die das dritte Glied ein- ■s geklappt werden kann. Basal- und zweites Glied schwach mit Tasthaaren besetzt. Drittes Glied kurz und distal keulig ver- dickt. Außengeißel zeigt Sonderung in zwei Abschnitte: sieben kurze, flache Glieder mit Riechhaaren (abgesehen vom Basalglied), und sechs langgestreckte, dünne Glieder mit je einem Tasthaar auf der Innenseite. Riechhaare auf den Gliedern in zwei Reihen. Zahl etwa 85 bei 0,95 mm durchschnittlicher Länge und 14 /i Dicke. Differenzen in der Länge der Riechhaare nur sehr gering. Innengeißel mit vier ganz dünnen, langen Gliedern. Stachelkorb wohl entwickelt, Borstenzahl 20 bei 0,95 mm Länge und 16 /« Dicke. Eine Anzahl Spindeln im proximalen Teil der Außengeißel lagernd, der Rest einen umfangreichen Lobus osphradicus bildend, den größten Teil des dritten Antennalgliedes einnehmend. Auch hier Dreiteilung des Nerven. Zweig für die Innengeißel nur sehr schwach ; auch nervöser Textfig. 9. Antenne von Galathea australiensis. über Geruclisorgane bei decapoden Krol).sen usw. 529 Apparat des Stachelkörbchens schwach entwickelt, da jede Nervenfaser nur eine Sinneszelle zu passieren hat. ■ Munidofsis {Galathodes) regia. (Textfig. 10; Taf. XXV. Fig. 10.) Die von mir untersuchten Arten der Gattung Munidopsis haben imtereinander im Bau der inneren Antennen eine gewisse Ähnlichkeit, und unterscheiden sich in mancher Hinsicht von den übrigen, im Bau mit Munida. übereinstimmenden Formen. Auch hier mächtige Stachel- bildungen auf dem Basalglied, jedoch sämtlich, auf der gleichen Seite der Gelenkpfanne. Der innere Stachel stark entwickelt, der äußere dünner und säbelartig gekrümmt. Auch der innere Abschluß der Gelenkpfanne zu stumpfer Spitze ausgezogen. Sämt- liche Glieder schwach mit Tasthaaren besetzt. Das dritte Glied lang, von regelmäßigem Umriß, sich gegen das distale Ende allmählich verdickend. Außengeißel lang. Sonderung in zwei Abschnitte wie bei Galathea australien- sis, doch nicht mit gleicher Deutlich- keit. Die 15 proximalen Glieder sehr flach und scheibenförmig, alle mit Ausnahme des vergrößerten Basalglie- des, in zwei Reihen angeordnete Riech- haare tragend. Die letzten sieben Glieder langgestreckt und dünn, mit in Gruppen angeordneten Tasthaaren versehen. Die zwei Formen von Ghedern der Außengeißel durch allmähliche Übergänge miteinander verbunden. Riechhaarlänge nicht unbedeutend schwankend, im Durch- schnitt 1,2 mm bei 17,5 t.i Dicke; ihre Zahl: 180 — 190. Innengeißel be- stehend aus vier Gliedern mit einigen kurzen Tastborsten. Stachel- körbchen nicht ganz einen Halbkreis bildend, Haare besonders in der Mitte sehr lang. Durchschnittslänge etwa 1,3 mm bei 15 a Dicke, Borstenzahl etwa 35. Riechspindeln zu kleinem Teil in den Basalgliedern der Außen- geißel, Hauptmasse einen Lobus osphradicus bildend, der in zwei Lappen gespalten. Dies Verhalten, sonst bei Galatheiden nicht beobachtet, von DoFLEiN (04) vielfach für Brachyuren beschrieben. Antennalnerv in drei Teile spaltend : einer für Stachelkörbchen, dessen Nervenstränge Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 35 Textfig. 10. Antenne von Munidopsis regia. 530 Kurt Marcus, ^S^ f vor dem Eintritt in ihr Haar relativ große accessorische Tastspindeln tragen; mittlerer Teil für einen Lappen des Lobus, dritter Ast für andern Lappen und Innengeißel. Munidofsis (Galathodes) tridentata Esmarch. (Textfig. 11; Taf. XXVI, Fig. 2.) [Die untersuchten Exemplare stammen aus dem Indischen Ozean und weichen in Kleinigkeiten von der atlantischen Form ab.] Basalglied der Antenne relativ klein im Verhältnis zu den End- gliedern. Auch hier zwei Stacheln in ähnlicher Ausbildung wie bei Munidopsis regia, doch fehlt der ausgezogene Gelenkpfannenrand. ^ Zweites Glied gebogen, drittes gerade, plump und keulig zulaufend. Auf allen Gliedern mehr oder minder starker Tasthaarbesatz. Auch hier Sonderung der Außengeißel in zwei Abschnitte: acht proximale scheiben- förmige Glieder mit Riechhaaren und sieben stäbchenförmige Glieder mit Tasthaaren. Zahl der Riechhaare etwa 125 bei 0,8 mm Länge und 10 /t Durchmesser. Innengeißel aus vier kurzen Gliedern mit wenigen Tast- haaren bestehend. Zahl der Borsten im Stachelkörbchen 30, bei 0,8 mm Durchschnittslänge und 16 ,« Durch- messer. Die Riechspindeln bilden einen großen Lobus, der den größten Teil des dritten Gliedes einnimmt. Eine kompakte Masse bildend, zeigt er proximal einen anschließenden Fort- satz von Spindeln. Gleiche Dreiteilung des Nerven, wie schon öfter beschrieben. Nerv für die Innengeißel sehr schwach, stark dagegen der für den Stachelkorb, dessen einzelne Nervenstränge accessorische Spindeln zu passieren haben. Munidopsis (Galathodes) stylirostris Wood-Mason. (Textfig. 12 u. 13; Taf. XXV, Fig. 8 u. 9.) Stachelbildungen am Basalglied in beiden Geschlechtern bedeutend schwächer als bei Munidopsis regia, obwohl in gleicher Lagerung auf ^ Textfig. 11. Antenne von Munidopsis tridentata. über Geruchsorgane bei decapoden Krebsen usw. 531 Gelenkpfannenrand. Das dritte Glied plump und stark keulig ange- scli wollen. Nur Gelenkpfannenrand stark mit Tasthaareüi besetzt. Die Antenne des Männchens im ganzen der des Weibchens um ein geringes an Größe überlegen. Bei diesem nicht so scharf wie beim Männchen Sonderung der Außengeißel in zwei Abschnitte: neun -^^|c:^äto Textfig. 12. Textfig. 13. Antenne von Munidopsis siylvrostris Q. Endglied mit Geißeln der Antenne von Munidopsis stüirostris (5 flache Glieder mit Riechhaaren in unregelmäßiger Anordnung, und acht stäbchenförmige, zum Teil sehr lange Glieder. Beim Männchen sind die entsprechenden Zahlen 10 und 9. Beim Weibchen alle Riechhaare etwa von gleicher Länge, beim Männchen dieselbe bis zum sechsten Glied zu-, dann sehr rasch abnehmend. Zahl der Riechhaare beim Männ- chen etwa 130, Weibchen etwa 115, ihre Länge 0,95 bzw. 1 mm, die Dicke bei beiden 16 //. Innengeißel aus vier kurzen Gliedern mit spärlichen Tasthaaren bestehend. Stachelkörbchen gut ausgebildet, Borstenzahl in beiden Geschlechtern gleich, etwa 30, die Durchschnitts- länge 1,8 mm, die Dicke beim Männchen etwas größer als beim Weib- chen, dort 19 /<, hier 17,5 /<. Der Lobus erscheint sehr kompakt; die Außengeißel enthält nur Terminalnerven. Auch hier die bekannte Dreiteilung des Nerven. Die Nervenstränge des Stachelkörbchens mit accessorischen Tastspindeln versehen. 35* 532 Kurt Marcus, III. Der Petrolisthestypus. a. Der Habitus. Das Basalglied der inneren xVntenne hat hier eine ganz enorme Größe, so daß das zweite und dritte Glied mit den Geißeln als bloße An- hängsel erscheinen (siehe Textfig. 14). Von seiner Breitseite betrachet, ist das erste Glied etwa rechteckig, wäh- rend es von der Schmalseite gar nicht A^WJeTNi^ \\\ sonderlich groß aussieht. Es trägt nur \\^^^'\\i\' kleine Zacken und wenige Tasthaare. Auf Textfig. 14. Innere Antenne von PetroHsthes Lamarcki /, Furche für die Endglieder. Textfig. 15. Antenne von Petrolütlies Lamarcki. der Außenseite ist häufig eine Furche zu erkennen, in die die beiden äußeren Glieder mit den Geißeln geborgen werden können (s. Textfig. 14 /). Interessant ist bei diesen Formen die Gestaltung des dritten Gliedes mit den Geißeln (s. Textfig. 15). Es ist kurz, dick und läuft keulenförmig zu; auch die Außengeißel ist häufig sehr plump. Die Riechhaare zeigen die gewöhnliche Anordnung, und auch ein Stachelkörbchen ist wie bei der Munida ähnlichen For- men vorhanden ; nur zeigt dieser manchmal die Beson- derheit, daß er nicht einheitlich, sondern in mehrere Portionen geteilt ist, die durch borstenlose Stellen voneinander getrennt sind (s. Textfig. 15). Das Basalglied der Innengeißel ist häufig bedeu- tend vergrößert und verdickt, und trägt auf der der Außengeißel zugewandten Seite zwei oder mehr Längs- reihen von Haaren (s. Textfig. 16). Diese bilden zu beiden Seiten der Außengeißel und der Riechhaare Textfig. 16. Endplatte des dritten Gliedes der Antenne von PetroHsthes sp. a, Ausatzstelle d. Außen- seißel ; b, Basalglied der Innengeißel mit den Tastborsten (z. T. nur ihre Insertion ange- deutet). über Geruclisoi'gane l)ei dcca|)(Kieii Krebsen usw. 533 eine Art schützendes Gitter (s. Textfit;-. 15, 17). Oft hat dann anch diese Innengeißel ein Stachelkörbchen, das sogar mit dem der Außen- geißel verschmelzen kann, so daß dann das dritte Antennalglied einen vollen Kreis von Haaren trägt. b. Die anatomischen Verhältnisse. Trotz seiner relativen Größe wird auch hier das Basalglied der Antenne im wesentlichen von der Statocyste und den Muskeln aus- gefüllt. Der Lobus osphradicus ist meist groß und nimmt oft den größten Teil des dritten Gliedes ein. Manchmal, wenn sie sehr plump ist, bietet jedoch auch die Außen geißel Platz genug, um einen Teil der Spindeln aufzunehmen. Auch bei Petrolisthes findet sich die schon vom Munida-Typwfi her bekannte Dreiteilung des Nerven im basalen Teil des dritten Gliedes. Der von der Teilungsstelle zur Innengeißel ziehende Nerv ist meist ziemlich stark, da er außer den oft sehr zahl- reichen Haaren auf dem Basalglied der Innengeißel auch noch den Stachelkorb derselben zu versorgen hat. Jeder Nervenstrang trägt vor seinem Eintritt in das Haar (und zwar gilt das sowohl für die Haare des Stachelkörbchens, als auch für die auf dem Basalglied der Geißel) eine kleinere oder größere accessorische Spindel von Sinnes- zellen (s. Taf. XXV, Fig. 11). Der mittlere, stärkste Nervenast inner- viert, wie auch sonst, den Lobus osphradicus, und der dritte Ast wiederum das Stachelkörbchen der Außengeißel, dessen Nervenstränge auch hier je eine accessorische Spindel zu passieren haben. In ihrem Bau gleichen die Borsten der Stachelkörbchen und die Haare auf dem Basalglied der Innengeißel einander völlig, so daß an ihrer Tastfunktion nicht zu zweifeln ist. Hervorzuheben ist, daß sämtliche Tastborsten, im Gegensatz zu denen des Munida-Typus, ohne Fiederhärchen sind. Beschreibung des Baues einiger zum Petrolisthestypus gehöriger Formen. Petrolisthes Lamarcki Leach. (Textfig. 15; Taf. XXVI, Fig. 3.) Basalglied der Antenne sehr mächtig entwickelt (s. Textfig. 14), hat ovalen Querschnitt und zeigt eine Reihe von Vertiefungen, Rippen und Linien im Chitin. Wichtig ist nur eine Vertiefung zur Aufnahme der Endglieder der Antenne. Auf dem distalen Kamm des ersten Gliedes Höckerchen und Zacken, doch für den Schutz des Geruchsapparates ohne Bedeutung. Von der Schmalseite erscheint das Basalglied klein. Das dritte Glied kurz und stark keulig zulaufend. Die 534 Kurt Marcus, 14 Glieder der Außengeißel einen allmählichen Übergang von flach- scheibenförmiger Gestalt zu Stäbchenform. Zweites bis zehntes Glied mit Riechhaaren, deren Zahl 80 — 90 bei durchschnittlich 0,75 mm Länge und 12 — 13 u Dicke. Bei Innengeißel Basalglied enorm verdickt und verlängert, außerdem noch fünf kleine Glieder. Basal- glied mit Tasthaaren, anscheinend in sechs Längsreihen angeordnet. Die Haare von drei Reihen schließen die Außengeißel auf der einen, die der übrigen drei auf der andern Seite ein (hierzu auch der Grundriß für Petrolisthes sp. in Textfig. 16). Die Zahl dieser Haare etwa 40 bei 0,8 mm Länge und 8 /t Dicke. Die kleinen Glieder der Lmengeißel mit wenigen kurzen Tasthärchen. Um die Außengeißel Stachelkörb- chen, in drei Teile geteilt (s. Textfig. 15). Borstenzahl etwa 40 — 45, bei 0,8 mm Länge und 5 i^i Dicke. Ebenso Stachelkörbchen um Innen- geißel mit etwa 60 außerordentlich dünnen (2 ^tt), im Durchschnitt 0,5 mm langen Haaren. Sämtliche Tasthaare ungefiedert. Lobus osphradicus sehr groß, fast den ganzen Raum des dritten Gliedes ausfüllend. Bei der Dreiteilung ein Ast, accessorische Spindeln bildend, zum Stachelkörbchen der Außengeißel, der mittlere zum Lobus, der dritte, relativ stark, zum Stachelkörbchen der Innengeißel und zu den Haaren auf dem Basalglied derselben; für beide werden accessorische Tastspindeln gebildet. Petrolisthes sp. (Textfig. 17; Tal. XXV, Fig. 11.) Die Antenne dieser noch unbestimmten Form hat gewisse Ähn- lichkeit mit der von Petrolisthes Lamarcki, so in der Form des Basal- giiedes usw. Außengeißel außerordentlich dick und plump, mit 18 scheibenförmigen Gliedern, von denen die letzten sechs ohne Riechhaare. Diese auf den Gliedern in unregelmäßigen Gruppen angeordnet. Riech- haarzahl etwa 175, Länge fast 1 mm, Dicke 12 /<. Basalglied der Innen- geißel ebenfalls stark vergrößert, zeigt zehn Reihen von Tasthaaren (s. Textfig. 16). Ihre Zahl etwa 80, Länge 1,5 mm, Dicke 8//. Außer- dem noch sechs kurze Glieder zur Innengeißel gehörend. Stachel- körbchen der Außengeißel in mehreren Reihen angeordnet, Zahl der Borsten etwa 50, bei 0,9 mm Länge und 8 /i Dicke. Sehr nahe an ihn das Stachelkörbchen der Innengeißel anschließend, dessen Haare be- deutend kürzer, 0,2 mm Länge bei 8 u Dicke; ihre Zahl etwa 30. Bei einzelnen Exemplaren Verschmelzung beider Stachelkörbchen zu vollem Haarkranz. Wegen Größe und Plumpheit der Außengeißel in ihr Platz für über Geruchsorgane bei decapoden Krebsen usw. 535 viele Spindeln, der Rest einen ziemlich ansehnlichen Lobus osphradicus bildend. Der nervöse Apparat mit dem von Petrolisthes Lamarcki übereinstimmend, um die Spindeln der Tasthaare auf dem Basalglied der Innengeißel einen eignen kleinen Lobus bildend, der noch ein Stück in das dritte Glied der Antenne hinein ragt. Petrolisthes sp. (Textfig. 18; Taf. XXVI, Fig. 4.) Eine noch unbestimmte Form. Basalglied der Antenne mit mehr rechteckigem Durchschnitt, am distalen Ende mit einem kurzen Stachel versehen. Außerdem eine runde, muldenförmige Vertiefung auffallend. Zweites und drittes Glied ziemlich kurz, Außengeißel lang und schlank, bestehend aus 15 Gliedern, von denen das zweite bis elfte mit Riechhaaren versehen. Ihre Zahl ist etwa 160 bei einer Durchschnitts- länge von 0,75 mm und 8 // Dicke. Innengeißel mit fünf Gliedern, von denen das Basalglied bedeutend :^f Textfig. 17. Antenne von Petrolisthes sp. Textfig. 18. Antenne von Petrolisthes sp. in die Länge gestreckt und mit zwei Längsreihen von langen Tast- haaren versehen. Ihre Zahl 22 bei 8 /t Dicke und 0,65 mm Länge. Die Stachelkörbchen sehr schwach entwickelt, nur um die Außengeißel 16 Haare von 0,4 mm Länge und 6,5 fi Dicke, um die Innengeißel nur ein paar ganz kurze Härchen. Riechspindeln zum kleinsten Teil in Außengeißel, der Rest einen großen, fast das ganze dritte Glied einnehmenden Lobus osphradicus bildend. Wegen schlechter Konservierung ist nicht zu entscheiden, 536 Kurt Marcus, ob die Stachelkorbnerven accessorische Spindehi tragen. Doch ist dies sicher für die Haare auf dem Basalghed der Innengeißel, also auch für jene wahrscheinlich. Wechselbeziehungen zwischen der anatomischen Beschaffenheil des Geruchsorgans und der Lebensweise. Überblickt man die in den vorhergehenden Kapiteln niederge- legten anatomischen Befunde über den Bau des Geruchsorgans, so läßt sich ohne Schwierigkeit eine Keihe verfolgen, die mit den sich an Uroftychus anschließenden Formen beginnt und über die Munida- ähnlichen Galatheiden und die Arten der Gattung Munidopsis zu den Petrolisthes- Arten führt. Nach dem, was man bisher über Sinnesorgane weiß, geht mit der Höherentwicklung eines solchen eine anatomische Differenzierung Hand in Hand. Da uns leider erst sehr wenige experimentelle Untersuchungen über das Geruchsvermögen vorliegen, erscheint es gerechtfertigt, auf Grund anatomischer und histologischer Befunde sich ein Urteil über die Höhe in der Entwicklung eines Geruchsorgans zu bilden. Man darf dabei jedoch nicht aus dem Auge lassen, daß das nur ein Not- behelf ist, so lange uns nicht genaue physiologische Experimente über das Geruchsvermögen aufgeklärt haben. Die Schlüsse, die man aus den Befunden über die Organisationshöhe des Geruchsorgans ziehen kann, erlauben es uns, die untersuchten Formen in eine Reihe einzuordnen. Ferner liefern uns unsre Kenntnisse über die Biologie dieser Formen, so spärlich sie bis jetzt auch leider noch sind, Material zur Aufstellung einer zweiten Reihe. Ein Vergleich dieser zwei Reihen untereinander wird uns zu gewissen Schlüssen über das Geruchsvermögen berechtigen. Zur Verwertung anatomischer Befunde zur Beurteilung des Ge- ruchsorgans, wie es in der ersten Reihe geschehen soll, bedarf es der Klarheit über die Art und Weise der Geruchsperception. Dazu muß ich an das anknüpfen, was ich über die Geruchshaare gesagt habe. Ich betonte ausdrücklich, daß die Riechhaare an ihrem Ende geschlossen sind, so daß keine direkte Berührung der riechenden Substanz mit den Nervenenden möglich ist. Auch läßt sich nicht nachweisen, daß die Nervenendigungen des Terminalstranges an das Chitin heran, oder durch dasselbe hindurchtreten. Es bleibt also nichts übrig, als mit KoTTE (02) anzunehmen, daß eine Diffusion der riechenden Substanz durch die Chitinlamelle hindurch ins Innere des Haares hinein statt- findet, wo dann die Reizung der Nervenenden erfolgt. über Geruchsorgane bei decapoden Krebsen usw. 537 Gilt es nunmehr zu untersuchen, welcher Faktor für eine Er- höhung des Geruchsvermögens von Bedeutung ist, so hat ein Versuch große Wichtigkeit, den Nagel (94) mit Asellus aquaticus und Asellus cavaticus vornahm. Dieser blinde Höhlenbewohner erwies sich bei einer großen Anzahl von mit verschiedenen Substanzen vorgenommenen Versuchen als bedeutend besser riechend als die gewöhnliche Wasser- assel. Bei der näheren Untersuchung der Geruchsorgane dieser Tiere stellte sich heraus, daß die an den inneren Antennen sich befindenden Riechschläuche von Asellus cavaticAis bedeutend größer waren als bei Asellus aquaticus. Es geht daraus hervor, daß mit der höheren Aus- bildung des Geruchsorgans eine Vergrößerung der percipierenden Oberfläche Hand in Hand geht. Leider hat Nagel nicht die genaueren anatomischen Verhältnisse der inneren Antenne beider Arten unter- sucht, und mir war es leider nicht möglich, eine Nachprüfung vor- zunehmen. Trotzdem lassen Nagels Befunde einige Schlüsse zu. Der Satz, daß die Größe der percipierenden Oberfläche für das Geruchs- vermögen von ausschlaggebender Bedeutung ist, läßt sich wohl mit vollem Recht auch auf die von mir untersuchten Galatheiden übertragen. Es wird deshalb von Wichtigkeit sein, die gesamte percipierende Ober- fläche des Geruchsorgans bei den einzelnen Formen zu ermitteln. Dazu muß man die Zahl der Riechhaare und ihre Dimensionen berück- sichtigen. Ich betrachte jedes Haar als Cylinder, und berechne die Gesamtoberfläche nach der Formel: 7t • d -l ■ z, wo d der Durchmesser, l die Durchschnittslänge der Haare und z ihre Zahl ist. Ferner ist sicher, daß die Größe des Tieres von gewissem Einfluß auf die Ausbildung des Geruchsorgans ist. Ein größeres Tier wird eine größere percipierende Oberfläche haben als ein kleineres. Wie aber diese verschiedene Größe in Rechnung zu setzen ist, ist außer- ordentlich schwer abzuschätzen. Ich setze die ganze Masse des Tieres in Rechnung und erhalte dann als Geruchsquotient die gesamte per- cipierende Geruchsoberfläche dividiert durch die Größe des Tieres. Auf diese Weise sind die in beigegebener Tabelle (S. 538) enthaltenen W^erte für den Geruchsquotienten entstanden. Ich muß ausdrücklich hervor- heben, daß dieselben sehr ungenau sein müssen und nur annähernd ein richtiges Bild geben können, da sow^ohl die Berechnung der Haar- oberfläche aus den einzelnen Faktoren, als auch die Feststellung der 538 Kurt Marcus, Art Riechhaar- länge Riechhaar- dicke Riechhaar- zahl Gesamt- oberfläche der Riechhaare Gewicht in g Geruchs- ctuotient Uroptychus nitidus . Uroptychus gracili- inanus Ptychogaster investi- gatoris Galathea australien- sis 1,5 mm 2 mm 1 mm 0,95 mm 16 ,a 19 ^i 10 ,u 14 ^ 60 100 100 85 4,52 11,94 3,14 1,67 1,25 0,385 0,30 0,23 3,58 21,25 10,53 7,27 Mtmida subrugosa (5 Munida subrugosaQ Cervimunida prin- ceps 1.2 mm 0,9 mm 1,5 mm 17,5,M 17,5 ,w 24 ^ 100 100 300 6,60 4,95 33,93 9,05 7,15 58,5 0,73 0,69 0,58 Munidopsis regia . Munidopsis triden- tata Munidopsis styliros- tris (5 Munidopsis styliros- trisQ 1,2 mm 0,8 mm 0,95 mm 1 mm 17,5,M 10 /LI 16 /i 16 fi 185 125 130 115 13,29 4,02 7,04 6,95 4,55 0,75 1,25 2,20 2,95 5,56 5,56 3,28 PetrolisthesLamarcki Petrolisthes sp. . . . Petrolisthes sp. . . . 0,75 mm 1 mm 0,75 mm 12,5/u 12 /u 8 fi 85 175 160 2,61 6,59 2,17 1,77 2.92 0,71 1,48 2,26 3,04 Größe — durch Wägung der Spiritusexemplare in Luft — unvermeid- lichen Fehlern unterworfen ist. Percipierende Oberfläche und Größe des Tieres sind aber nicht die einzigen Faktoren, die von Einfluß auf die Ausbildung des Geruchs- organs sind; selbstverständlich spielt auch die Zahl der Nervenendi- gungen in einem Haar eine große Rolle. Denn je mehr Nervenendi- gungen vorhanden sind, um so feiner ist der Geruch. Eine Voraus- setzung ist dabei aber unumgänglich notwendig, die der gleichen Qualität sämtlicher im Haar endigender Nervenfasern. Ohne dieselbe wäre dieser Teil der Untersuchung völlig zwecklos. Die Zahl derselben muß nach dem, was im allgemeinen Teil darüber gesagt wurde, genau mit der Zahl der in einer Eiechspindel enthaltenen Sinneszellen überein- stimmen, so daß man diese nur zu zählen braucht. Leider ist das mit großen Schwierigkeiten verbunden, da häufig die Spindeln im Lobus so eng aneinander gedrängt liegen, daß die Grenzen zwischen ihnen unerkennbar sind. x4nderseits liegt jede Spindel auch in einer größeren Anzahl von Schnitten, in denen sie schwierig zu identifizieren ist, J^s über Geruclisorgcane bei dccapüden Krebsen usw. 539 ist mir deshalb auch nur in relativ wenigen Fällen möglich gewesen, die Zahl der Nervenendigungen festzustellen. Ich greife nur wenige Formen heraus. 1) Uroptychus gracilimanus ist ein Tier, welches nach an andrer Stelle zu gebenden Ausführungen aller Wahrscheinlichkeit nach gut riecht; seine Riechhaare sind von sehr großen Dimensionen: 2 mm lang, 19/^ dick. Dabei beträgt die Zahl der Spindelzellen etwa 350. 2) Ptychogaster investigatoris riecht wahrscheinlich ebenfalls sehr gut; die Riechhaare sind klein: 1 mm lang, 10 ti dick. Die Zahl der Sinneszellen ist etwa 250. 3) Munida subrugosa riecht schlecht; ihre Riechhaare sind 1,2 mm lang und 17,5 fi dick, also relativ groß; die Zahl der Sinneszellen ist etwa 275. 4) Pe- troUsthes Lamarcki riecht relativ schlecht; die Riechhaardimensionen sind gering: Länge 0,75 mm, Dicke 13 ii; die Zahl der Sinneszellen ist etwa 200. Man findet also die meisten Nervenendigungen für ein Haar bei gut riechenden Tieren mit großen Haaren {Uroptychus gracili- manus); eine mittlere Zahl einerseits bei gut riechenden Tieren mit kleinen Haaren {Ptychogaster investigatoris) und anderseits bei schlecht- riechenden Tieren mit großen Haaren {Munida subrugosa) ; endlich eine geringe Zahl bei schlechtriechenden Tieren mit kleinen Haaren {Petro- listhes Lamarcki). Bei zwei Tieren mit gleichem Geruchsvermögen muß das eine mit längeren, dickeren Riechhaaren in denselben mehr Nervenendigungen haben, als das andre mit Riechhaaren von kleineren Dimensionen. Haben anderseits zwei Tiere gleichgroße Riechhaare, so muß das besser riechende in ihnen mehr Nervenenden besitzen als ein schlechtriechendes. Es zieht also eine Vergrößerung der Geruchs- oberfläche mit Notwendigkeit eine Vermehrung der Nervenenden nach sich, soweit nach den Befunden ein Urteil darüber überhaupt möglich ist. Da beide Faktoren stets gleichzeitig und im gleichen Sinne das Geruchsvermögen beeinflussen, genügt es für die Betrachtung der Orga- nisationshöhe desselben nur einen heranzuziehen, wozu ich die perci- pierende Oberfläche gewählt habe, da die Zahlen für sie genauer und vollständiger sind. Nach der Tabelle lassen sich leicht vier Gruppen trennen: die erste mit dem größten Geruchsquotienten umfaßt die sich an Uroptychus anschließenden Formen und Galathea australiensis, die man eigentlich in der Gruppe der Munida-ähnlichen Formen erwarten sollte. Die dritte hat einen mittleren Geruchsquotienten; sie umfaßt die Arten der Gattung Munidopsis. Bei der vierten ist er schon recht klein: der Gattung Petrolisthes. Am kleinsten ist er bei der an zweite Stelle gestellten Munida und Cervimunida, 540 Kurt Marcus, Ehe ich auf dies Ergebnis Aveiter eingehen kann, muß ich mich noch der zweiten Keihe zuwenden, in der versucht werden soll, aus biologischen Befunden einen Rückschluß auf die Höhe der Ausbildung des Geruchsorgans zu machen. Die erste Gruppe umfaßt Uroptychus gracilimanus, Uroptychus nitidus, Ptychogaster investigatoris und Galathea australiensis . Abge- sehen von dieser Form, zeichnet sich die Gruppe in ihrem Bau vor allem durch die enorme Entwicklung der Scheren aus, gegen die die Masse des Körpers ganz zurücktritt. Sie leben kletternd auf Gorgo- niden- und Pennatulidenrasen und wohl auch auf andern sessilen Tier- formen am Grunde des Meeres. Das Vorkommen dieser Galatheiden- gruppe der Tiefe nach schwankt zwischen 300 und 800 m, also Tiefen, in die das Tageslicht nur mehr unvollkommen eindringt. Bekanntlich stößt man bei allen Tieren im Meer mit zunehmender Tiefe einerseits auf solche, die, um aus den geringen noch vorhandenen Lichtmengen Nutzen zu ziehen, ihre Augen excessiv vergrößern; andre lassen sie dagegen in gleicher Tiefe verkümmern. Bei den Uroptychus-¥orm.en erblicken wir den Beginn des Rudimentärwerdens. Die Augen sind wahrscheinlich nicht in dem Maße funktionsfähig, wie ein normales Crustaceenauge, da meist Pigmentmangel vorliegt. Das Auge hat nicht die bekannte samtschwarze Farbe, sondern zeigt ein lichtes Braun oder Gelb. Es sind sogenannte Dämmerungsaugen. Da das Auge nicht leisten kann, was ein normales Auge zu leisten vermag, muß man eine höhere Ausbildung der übrigen Sinnesorgane erwarten. Die lebhafte Bewegung dieser Tiere in einer Umgebung, zu der das Wasser freien Zutritt hat, wird speziell die höhere Ausbildung des Geruchsorgans begünstigen. Daß es sich um sehr gut ange- paßte Formen handelt, geht daraus hervor, daß sie meist in großen Mengen gefangen werden. Eine Ausnahmestellung nimmt Galathea australiensis ein. Die Gattung Galathea gleicht in ihrem Habitus sehr den nachher zu be- sprechenden Munida-ähnlichen Formen, und ihre Arten führen sämt- lich die gleiche Lebensweise, unter Steinen, auf Spongien usw., oder auch im Schlamm eingewühlt. Von den genauer bekannten Formen macht einzig und allein Galathea australiensis eine Ausnahme, indem sie in ihrer Lebensweise fast genau mit Uroptychus übereinstimmt. Infolgedessen mußte in diesem Falle auch das Geruchsorgan sich dieser veränderten Lebensweise anpassen. Die Gattungen Munida und Cervimunida, die die zweite Gruppe bilden, haben einen plumpen Körper, aber gut entwickelte Scheren. über Geruchsorgane bei decapoden Krebsen usw. 541 Sie leben auf felsigem Boden, unter Steinen usw. Ihr Vorkommen reicht von der Küste bis in Tiefen von ein paar hundert Metern. Die Augen von Munida suhrugosa aus 10 m Tiefe sind normal, diejenigen von Cervimunida pri7iceps aus 200 m dagegen bedeutend vergrößert. Das gleiche weiß man von einer Reihe andrer hierher gehöriger Formen. So zeigt nach einer mündlichen Mitteilung Herrn Prof. Dofleins die mit vergrößerten Augen versehene Muyiida hamjfica ein außerordent- lich feines Lichtreaktionsvermögen. Das weist darauf hin, daß diese Tiere zur Orientierung im wesentlichen den Gesichtssinn benutzen. Man muß demnach ein nicht sehr stark entwickeltes Geruchsorgan erwarten. Daß es trotzdem von relativ hoher Bedeutung für das Tier sein muß, geht daraus hervor, daß es durch das Stachelkörbchen und die Stacheln am BasalgHed. der Antenne geschützt ist. Es ist klar, daß bei solchen Formen, die unter Steinen leben und auf dem felsigen Meeresgrunde herumkriechen, die Gefahr, daß die überaus zarten Riechhaare verletzt werden, ungleich größer ist, als bei den üroftychus- artigen Formen. So hat hier das Schutzbedürfnis dahin gewirkt, daß ein Schutzapparat entstanden ist. Kommen wir nunmehr zu der dritten Gruppe, den Arten der Gattung Munidopsis, so finden wir plumpe Körper mit relativ schwa- chen Beinen und Scheren, verglichen mit denen von TJroptychus. Die Tiere führen ein fast sessiles Leben, im Schlamm eingewühlt. Da auch sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach von dem sogenannten organischen Regen nähren, d. h. Resten von in höheren »Wasserschichten abge- storbenen Lebewesen, kann man sie in ihrer Ernährungsbiologie ent- fernt mit festgewachsenen Tieren vergleichen. Die von mir unter- suchten Vertreter der Gattung Munidopsis stammen aus 600 bis 1840 m Tiefe. Sie zeigen völlig pigmentlose Augen, die zum Teil sogar rudimentär sind, woraus man wohl den Schluß auf totale Blindheit oder wenigstens sehr geringes Lichtwahrnehmungsvermögen ziehen darf. Sollte man einerseits bei einer blinden Form ein höheres Ge- ruchsvermögen zu finden erwarten, als z. B. bei den Uroptychus-FoTmen, so kann man anderseits nicht verkennen, daß die träge Lebensweise der Verbesserung des Geruchsorgans entgegenarbeitet. Man darf also nicht darauf rechnen, ein besonders hoch entwickeltes Geruchsorgan zu finden. Eine große Rolle wird dagegen der Geruch bei diesen blinden Formen im. Geschlechtsleben spielen, denn er allein läßt die Geschlechter sich finden. So wird man eine Differenz im Geruchsvermögen zwischen Männchen und Weibchen erwarten dürfen, während das bei gut sehen- den Formen, wie Munida nicht der Fall zu sein braucht. 542 Kurt Marcus, Was endlich die letzte Gruppe der zur Gattung Petrolisthes gehörigen Arten anbetrifft, so zeigen sie in ihrem Habitus bedeutende Abwei- chungen von den übrigen Galatheiden, und nähern sich viel mehr den Brachyuren. Der Körper ist breit und flach, der Schwanz ist vSchwach entwickelt und wird unter dem Kumpf eingeschlagen getragen. Da diese Krebse nahe der Oberfläche leben, haben ihre Augen normale Ausbildung. Infolgedessen wird man auch ein mittleres Geruchsver- mögen erwarten können. Die Tiere kommen meist in Riffgegenden vor, wo sie manchmal sich im Kalksand und unter den von der Bran- dung abgebrochenen Korallenstücken einwühlen, manchmal auch in den Löchern der Korallenfelsen leben. Bei solcher Lebensweise, und da sie außerdem noch häufig starkem Wellenschlag ausgesetzt sind, ist die Gefahr der Verletzung der Riechhaare außerordentlich groß; daher ist es zu erklären, daß die Schutzhaare eine so enorm starke Entwicklung aufweisen, wie im speziellen Teil geschildert wurde. Überblickt man die zwei Reihen, deren eine die aus den anato- mischen Befunden auf das Geruchsorgan gezogenen Schlüsse enthält, während wir bei der andern von der Biologie ausgingen, so findet man Zug für Zug eine große Übereinstimmung. Bei den Uroptychus-ähnlichen Formen ist im allgemeinen der Ge- ruchsquotient sehr hoch, was mit der guten Ausbildung des Geruchs- organs nach der Lebensweise dieser Formen übereinstimmt. In beiden Reihen mußte Galathea australiensis zu dieser Gruppe gestellt werden. . Bei der zweiten Gruppe — Munida und Cervimunida umfassend — zeigt der kleine Geruchsquotient tatsächlich die geringe Höhe in der Organisation des Geruchsorgans an, wie sie nach den biologischen Befunden zu erwarten war. Auch in der dritten Gruppe ist die Übereinstimmung eine vor- zügliche. Als Ersatz für den Verlust des Auges zeigt das Geruchs- organ eine relativ hohe Stufe der Ausbildung, doch wäre sie noch höher, wenn nicht die träge Lebensweise dem entgegenwirkte. Der Geruchs- quotient läßt einen deutlichen Unterschied im Geruchsvermögen zwi- schen Männchen und Weibchen erkennen, was z. B. bei Munida sub- rugosa nicht der Fall ist. Auch die letzte Gruppe der Petrolisthes- Arten zeigt tatsächlich nach Angabe des Geruchsquotienten die nach den biologischen Be- funden zu fordernde mittlere Ausbildung. Diese vorzügliche Übereinstimmung zwischen den biologischen Verhältnissen und den aus den anatomischen und histologischen über Geruchsorgane bei decapoden Krebsen usw. 543 Befunden gezogenen Schlüssen, rechtfertigen diese und geben ihnen einen hohen Grad von WahrscheinUchkeit. Zum Schhiß fasse ich kurz die Ergebnisse meiner Untersuchung zusammen : Kann ein in der Tiefsee lebendes Tier die ihm zu Gebote stehende geringe Lichtmenge nicht ausnutzen, und degeneriert das Auge infolge- dessen, so tritt als Ersatz dafür das Geruchsorgan ein und erfährt dann eine um so höhere Ausbildung. Es läßt sich jedoch nachweisen, daß auch bei nicht ständig im Dunkeln lebenden Formen besondere Lebensgewohnheiten ebenfalls eine erhöhte Ausbildung des Geruchsorgans bedingen können. Ln Falle besondere biologische Bedingungen eine große mecha- nische Gefährdung des Geruchsorgans veranlassen, wird ein mehr oder minder komplizierter Schutzapparat ausgebildet. Nach Abschluß vorliegender Arbeit wurde ich durch eine Mitteilung Kapterews (Biol. Centralblatt 1910, Bd. XXX, Nr. 7) auf eine Arbeit von A. ViRE, La faune souterraine de France, Paris 1900, aufmerksam gemacht. Leider war mir das Buch nicht zugänglich, so daß ich auf die knappe Angabe Kapterews angewiesen bin. Vire hat Asellus aqua- ticus 15 Monate lang im Dunkeln gehalten und fand, daß nach Ab- lauf dieser Zeit die Riechkolben etwa dreimal länger geworden waren. Es ist mir diese Angabe eine willkommene Bestätigung meiner Auf- fassung, daß eine Verbesserung des Geruchsorgans mit einer Ver- größerung der percipierenden Oberfläche Hand in Hand geht. Außer- dem ist hierdurch der experimentelle Beweis dafür geliefert, daß bei Aufhören der Funktion des Auges das Geruchsorgan an seine Stelle tritt und eine um so höhere Ausbildung erfährt. München, im September 1910. Literaturverzeichnis. A. Bethe (95), Studien über das Centralnervensystem von Carcinus maenas, usw. Archiv für mikr. Anat. Bd. XLIV. — (97), Das Nervensystem von Carcinus maenas. I. Teil, 1. u. 2. Mitteilung. Ebenda Bd. L. — (98), Dasselbe II. Teil, 3. Mitteilung. Ebenda Bd. LI. 544 Kurt Marcus, C. Claus (60), Über cüe blassen Kolben und Cylinder von Cyclops. In: Würz- burger naturw. Zeitschr. Bd. I. — (76), Zur Kenntnis der Organisation und des feineren Baues der Daphniden. Diese Zeitschr. Bd. XXVII. — (79), Der Organismus der Phronimiden. In: Arbeiten aus dem zoolog. In- stitut Wien. Bd. II. — (91), Über das Verhalten der nervösen Endapparate an den Sinnesliaaren der Crustaceen. In: Zool. Anz. Bd. XIV. C. Chun (89), Das Männchen der Phronima sedentaria usw. In: Zool. Anz. Jahrg. XII. — (96), Atlantis. Bibliotheca zoologica. Bd. VII. Hft. 19. F. DoFLEiN (04), Brachyura. In: Wissenschaftl. Ergebn. der Deutschen Tiefsee- Exped. 1898—99. Bd. \T:. J. R. Henderson (88), Report on the Anomura. In: Challenger Report, Zoology. Vol. XXVIJ, V. Hensen (63), Studien über das Gehörorgan der Decapoden. Diese Zeitschr. Bd. XIII. E. KoTTE (02), Beiträge zur Kenntnis der Hautsinnesorgane usw. Zool. Jahrb. Bd. XVII. K. Kraepelin (83), Über die Geruchsorgane der Gliedertiere. Oster- Programm des Realgymnasiums des Johanneums, Hamburg. F. Leydig (60), Über Geruchs- und Gehörorgane der Krebse und Insekten. Archiv für Anat. u. Physiol. — (86), Die Hautsinnesorgane der Arthropoden. Zool. Anz. Bd. IX. K. May (87), Über das Geruchsvermögen der Krebse usw. Inaug.-Diss. Kiel. A. Milne-Edwards et E. L. Bouvier (94), Considerations generales sur la Familie des Galatheides. Annales des Sciences nat., Zoologie. 7'^™® Ser. Tome XVI. W. Nagel (94), Vergleichend-physiologische und anatomische Untersuchungen über Geruchs- und Geschmackssinn usw. Bibl. Zool. Vol. VII. Hft. 18. RouGEMONT (75), Naturgeschichte des Gammarus puteanus. Diss. München. 0. VOM Rath (91), Zur Kenntnis der Hautsinnesorgaue der Crustaceen. Zool. Anz. Bd. XIV. — (92), Über die von Claus beschriebenen Nervenendigungen in den Sinnes- haaren der Crustaceen. Ebenda. Bd. XV. — (94), Über Nervenendigungen der Hautsinnesorgane der Arthropoden usw. Ber. d. naturf. Ges. Freiburg i./Br. Bd. IX. Hft. 2. Erklärung der Abbildungen. Sämtliche Figuren sind bei schwacher Vergrößerung mit dem Zeichen- apparat entworfen. Die Farben sind schematisch. Gemeinsame Bezeichnungen: h, Riechhaar; tn, Terminalnerv; ts, Terminalstrang; n. Kern einer Neurilemmzelle; über Geruchsorgane bei deca|)üden Krebsen usw. 545 s. Riechspindeln; rus, Muskeln; l. Lobus osphradicus; st, Statocyste; rn, Riechnerv; t, Tastspindel; 7rt, MatrixzcUe; sk, Stachelkörbchen. ch, Chitin; Tafel XXV. Fig. 1. Schnitt durch die innere Antenne von Stenorhynclius phalangiuw (das Bindegewebe ist fortgelassen). Fig. 2. Totalpräparat der Antenne von Uroptychus nitidus, Fig. 3. Ebenso von Uwpfychiis gracilimanus. Fig. 4. Ebenso von Ptychogaster investigatoris. Fig. 5. Ebenso von Munida subrugosa d. Fig. 6. Ebenso von Munida subrugosa Q. Fig. 7. Ebenso von Cervimunida princeps. Fig. 8. Ebenso von Munidopsis stylirostris Q. Fig. 9. Ebenso von Munidopsis stylirostris d. Fig. 10. Ebenso von Munidopsis regia. Fig. 11. Ebenso von Petrolisthes sp. Tafel XXVI. Fig. 1. Totalpräparat der inneren Antenne von Galathea australiensii. Fig. 2. Ebenso von Munidopsis tridentata. Fig. 3. Ebenso von Petrolisthes Lamarcki. Fig. 4. Ebenso von Petrolisthes sp. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 36 über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. Von Iwan Sokolow (St. Petersburg). (Aus dem Zootomischen Laboratorium der Universität St. Petersburg.) Mit Tafel XXVII— XXIX. Während meines Aufenthaltes an der Neapler Stazione zoologica im Herbst 1909 beschäftigte ich mich mit der mikroskopischen Fauna des sogenannten AriipMoxus-^a,ndes und stieß zufäUig auf einen inter- essanten chätopoden Wurm, welcher sich bei genauerer Bestimmung als eine neue Art von der Gattung Ctenodrüus Clap. erwies. Diese Gattung wurde zunächst von Claparede (63) aufgestellt und ist seitdem Gegenstand einer ganzen Reihe von Untersuchungen geworden. Ich werde nur die wichtigsten erwähnen. An erster Stelle sei die Arbeit v. Kennels genannt, welcher 1882 die Art Ctenodrüus fardalis (= serratus 0. Schm.) einer eingehenden Untersuchung unterzog, und dem wir die einzigen, bis jetzt gemachten, Beobachtungen über deren Teilung verdanken. Sodann kommt für uns der Aufsatz von Graf Max Zeppelin (83) über eine andre Art, Ct. {Zep'pelinia Vaillant) monostylos Zepp. in Betracht; er behandelt aus- führlich die Anatomie und die eigenartigen Teilungserscheinungen der neuen Art. Schließlich unterzog 1903 Egon Galvagni die v. Kennel- sche Art Ct. fardalis und den von Scharfe 1887. entdeckten Ct. par- vulus Scharf f einem genaueren histologischen Studium. Auf andre kleinere Arbeiten werde ich hier nicht weiter eingehen, sondern verweise auf den letztgenannten Aufsatz Galvagnis, bei dem man eine Zusammenstellung der ganzen Literatur des Gegenstandes findet. Monticelli (93) hat das Verdienst, die sehr verwickelte Nomen- klatur — da fast jeder Autor einen besonderen Namen für die be- schriebene Form einführte — geklärt und die Synonymie festgestellt über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 547 zu haben. Hierbei ergab sich, daß sämtliche Beschreibungen sich auf nur drei verschiedene Arten beziehen. Diese sind: 1) Ct. serratus 0. Schm., 2) Ct. 'parvulus Schärft" und 3) Ct. (Zeppelinia) monostylos Zepp. Zu diesen drei oder, richtiger gesagt, vier Arten, wenn man die von MoNTiCELLi in einer andern Arbeit kurz erwähnte Z. dentata mit- rechnen willi, möchte ich nun noch eine neue hinzufügen, die ich, aus später zu ersehenden Gründen, >>branchiatus « zu benennen vorschlage. Ich fand sie, wie gesagt, im Oktober im Äm'phioxus-^ande. Die erste Sandprobe, von der ich nicht genau sagen kann, woher sie stammte, enthielt eine große Menge von Ct. branchiatus in verschiedenen Ent- wicklungsstadien nebst einer viel geringeren Anzahl von Ct. serratus. Die folgenden Sandproben von »Cenito« und »San Pietro e due Fratti« entbehrten der Ctenodrilen vollständig. Erst kurz vor meiner Abreise fand ich sie wieder, diesmal im Amphioxus-^&nde von »Donna Anna«, fast ebenso massenhaft. Da die Objekte ziemlich winzig sind (nicht über 4 mm), so pflegte ich mit einer Pipette eine gewisse Portion des feinen Sandes, womöglich noch mit kleinen Pflanzenbruchstückchen, unter die liupe zu bringen, wo die Tierchen sich durch ungeschickte kriechende Bewegungen kennt- lich machten. Dann wurden sie mit einer Nadel vorsichtig vom Objekt- träger abgenommen und in einem Uhrgläschen isoliert. Es wurden zu gleicher Zeit folgende Formen gefunden: 1) Formen mit einer großen Anzahl Segmente, ohne jegliche Körperanhänge und ohne Augen; oft mit Gonaden oder Embryonen im Körper. Sehr oft befinden sie sich im Beginn der Autotomie. Solche Individuen werden wir kurz als Form A bezeichnen. 2) Formen mit großer Segmentzahl, mit besonderen Wimperreifen und mit langen paarigen Anhängen an fast jedem Segment, sowie mit Augen. Teilungserscheinungen sind nicht nachzuweisen. Form B. 3) L^bergangsformen zwischen A und B, ohne Wimpern, oder auch ohne Augen und mit teilweise verloren gegangenen, also in sehr ver- schiedener Anzahl vorhandenen Anhängen. 1 MoNTiCELLi schreibt folgendes: » Questo Ctenodrihde appartiene al genere Zeppelinia, . . . ma da questo differisce essenzialmente per grandezza, numero di segmenti ed altre caratteristiche anatomi che, nonche per la forma delle setole. Sieche esso representa una nuova specie che dalla dentatura delle setole chiamo Zeppelinia dentata. « (» Adelotacta zoologica «. Mitt. Zool. St. Neapel. Bd. XII. 1895. S. 451.) 36* 548 Iwan Sokolow, 4) Formen mit wenigen Segmenten, zuweilen mit einem oder zwei Anhängen. Sie sind als Produkte der Teilung anzusehen, bei denen am vorderen oder am hinteren Ende die entsprechenden Körperteile sich in Regeneration befinden. 5) Übergangsformen zwischen ersten und vierten, je nachdem'die ganze sich teilende Kette in die einzelnen Zooide zerfallen ist, oder nur zum Teil. Ich werde nun zur Darstellung der einzelnen Hauptformen über- gehen und nachher ihre Beziehung zueinander aufzuklären versuchen. Form A. Bei der mikroskopischen Betrachtung (Fig. 1) erscheint die Form A in der Gestalt eines Wurmes, an dem man den Kopf mit dem mächtigen Schlundkopfe von dem geringelten Körper deutlich unterscheiden kann. Der Körperteil, in dem der dickere Magendarm zu liegen kommt, ist etwas angeschwollen. Das Tier ist durchsichtig und hat eine schmutzig grün-gelbliche Färbung. Der Magendarm ist auffallend orange gefärbt, jedoch nicht so tief, wie bei Ct. serratus. Noch schärfer tritt das »rätsel- hafte Organ«, der Herzkörper, hervor, wegen seiner grellen, meistens scharlachroten Farbe. Hinter dem Schlundkopf schimmern zwei ovale bräunliche Gebilde durch die Haut: das sind die beiden Nephridien. Die Zahl der Segmente beläuft sich gewöhnlich auf 25 — 30; oft kann sie aber kleiner sein (ob bei den durch Teilung entstandenen Indivi- duen?). Die Länge der Tiere beträgt niemals mehr wie 4 mm und ist ziemlich schwankend. Der Durchmesser des Körpers ist etwa 0,15 mm. Der von unten betrachtete Kopf erscheint an der Stelle, wo die breite Öffnung des sogenannten Atriums liegt, am meisten erweitert. Weiter nach vorn erstreckt sich der dreieckige Kopf läppen (Prosto- mium), in dem das Kopfganglion durchschimmert. An der ventralen Fläche des Kopflappens befindet sich eine tiefe, flimmernde Rinne. Augen und sonstige Sinnesorgane fehlen gänzlich, ausgenommen die zwei Riechgruben zu beiden Seiten des Kopfes. Integument. Der Körper ist von einer feinen Cuticula über- zogen, welche an Schnitten doppelt konturiert erscheint. Die Epidermis besteht aus platten Zellen, welche ein einschichtiges Epithelium bilden. Am Kopflappen verdickt sich das Epithel stark und wird mehrschichtig. Ähnliche Verdickungen sehen wir an den Stellen der Segmente, wo die Bauchganglien liegen. Besondere »epi- theliale Verdickungen der Haut an der basalen Fläche der Kopfhöhle, über eine neue Ctenodrihisarl und ilue Vermehrung. 549 welche als Wülste oder Zapfen in das Cölom des Kopflappens vor- springen«, wie es Galvagni bei Ct. serratus und Ct. parvulus beschreibt, habe ich bei Ct. branchiatus nicht gefunden. An lebenden Exemplaren wird man zuweilen auf die ziemlich "auffallende Punktierung der Haut aufmerksam, welche von kleinen Pigmentzellen herrührt. Das Pigment hat eine fuchsrote bis dunkel- braune, ja fast schwarze Farbe und scheint wenigstens in Alkohol unlöslich zu sein. Auf Fig. 2 sieht man die unregelmäßigen Anhäu- fungen von Pigment in der Epidermis. Ich muß hervorheben, daß diese Pigmentierung nur in wenigen Fällen gefunden wurde (vgl. das ständige Vorkommen des schwarzen Pigmentes bei Ct. parvulus nach Galvagni). öfters fand ich Exemplare, bei denen der Kopf läppen allein deutlich pigmentiert war. Andre Individuen waren dagegen vollkommen farblos. Die sogenannten » öldrüsenzellen « (Galvagnis) scheinen auch nicht immer vorzukommen, oder sind jedenfalls sehr schwer zu finden. Viel zahlreicher sind sie bei der Form B, von der weiter unten die Rede sein wird, vorhanden. Intra vitam haben sie eine gelbgrüne oder grün- lich-braune Farbe und sind hauptsächlich am vorderen und am hinteren Körperende und auch auf den Spitzen der Anhänge (bei der Form B) angeordnet. Sie färben sich schwach mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain. Im Kopflappen zeigen sie eine längliche Gestalt, an den übrigen Körperstellen nähern sie sich in ihrer Form den sogenannten »Ballonzellen« (Fig. 3 u. 67 ODZ). Ähnliches fand Zeppelin bei Ct. monostylos (vgl. S. 617). Er unterscheidet »gelbe Pigmentkörnchen«, welche der eigentlichen Pig- mentierung entsprechen, und >> dimkelgrüne, größere Pigmentflecke«, welche zweifellos den öldrüsenzellen Galvagnis gleich gesetzt werden müssen. Noch seltener findet man die sogenannten >> Klebdrüsenzellen « (Galvagnis), und zwar immer in geringer Anzahl. Sie sind ziemlich groß und erstrecken sich durch die ganze Dicke der Epidermis. Ihr Inhalt besteht aus zahlreichen Körnchen, die sich mit Eisenhämatoxylin grau färben (Fig. 4). Was die Cilienbekleidung angeht, so fehlt sie bei Form A gänzlich, abgesehen von der Flimmerrinne des Kopflappens. Dieselbe zieht sich fast von der äußersten Spitze des Kopflappens ventralwärts und nach hinten, immer breiter werdend, bis sie an die Mundöffnung herantritt und weiter in den flimmernden Vorderdarm übergeht. Bei Ct. serratus fandeii dagegen v, Kennel und Galvagni Flimmern noch 550 Iwan Sokolow, an der Unterseite des ersten und dem Anfang des zweiten Segmentes, was auch mit meinen Beobachtungen an derselben Form übereinstimmt. Dasselbe beschreibt Zeppelin bei Ct. monostylos. Die Borsten sind lang (bis 0,26 mm), gerade, proximal dicker, distalwärts sich allmählich verjüngend (Fig. 6). Sie sind sehr elastisch, was man daraus ersieht, daß sie, an ein Hindernis stoßend, sich leicht biegen können. Gegen das Hinterende des Wurmes zu werden sie immer kürzer und feiner. Bei Ct. tnonostylos hat Zeppelin Borsten von zweie7:lei Art be- schrieben: die einen mit angeschwollenem äußeren Ende, während die andern sich gegen dasselbe gleichmäßig verdünnen. Wenn diese letzteren auch etwas gekrümmt erscheinen, so ist ihre i^hnlichkeit mit den Borsten von Ct. branchiatus nicht zu verkennen. Dagegen haben die gezähnelten Borsten des Ct. serratus mit ihnen nichts ge- meinschaftliches. Die Borsten sind zu Bündeln vereinigt, von denen vier in je einem Segment liegen: zwei dorsale und zwei ventrale. Der Abstand zwi- schen einem Dorsal- und einem Ventralbündel jeder Seite ist kleiner, als der Abstand zwischen den rechten und linken Bündeln (Fig. 10). Der Kopf entbehrt der Borsten. Im ersten Rumpfsegment (eigent- lich im zweiten, wie wir später sehen werden) und in fast allen folgenden treten regelmäßig die vier Borstenbündel auf; nur den drei bis vier letzten Segmenten fehlen sie. Jedes Borstenbündel enthält gewöhnlich zwei lange Borsten, zu- weilen drei (besonders gilt das für die ersten Segmente), oder nur eine (in den hinteren Segmenten). Zu ihnen gesellen sich eine oder zwei kurze, deren Aufgabe es zweifelsohne ist, die abgenutzten alten mit der Zeit zu ersetzen. Die Borsten sitzen mit ihren basalen Enden in besonderen Borsten- follikeln, die nahezu cylindrisch erscheinen. Mit dem einen Ende tritt der Borstenfollikel an die Körperwand und läßt hier die Borsten nach außen frei hervortreten. Der übrige Teil ragt in die Körperhöhle hinein. An das freie Ende jedes Borstenfollikels sind Muskelzüge an- geheftet, und zwar so, daß sie radial gegen die Körperwand ausstrahlen, an die sie sich befestigen (Fig. 10 u. 13 MZ). Dadurch ist jedes Borsten- bündel in seiner Lage mehr oder weniger fixiert und kann nach ver- schiedenen Richtungen bewegt werden, je nachdem, welcher Muskel sich kontrahiert. Zwischen dem dorsalen und ventralen Borstenfolhkel jeder Seite existiert auch eine Verbindung. Diese wird durch ein ähnliches Muskel- über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 551 band hergestellt, das ihre inneren Enden vereinigt (Fig. 10 Mh). Wenn das Band erschlafft ist, bleiben die Borsten einander mehr oder weniger parallel; wenn der Muskel sich kontrahiert, so rücken die inneren Enden der Follikel in verschiedenem Grad gegeneinander. So wirken die Borstenbündel jeder Seite gewissermaßen wie ein System. Ahnliche Verhältnisse fand Zeppelin bei Ct. monostylos, wo in jedem Segment jederseits zwei Borstensäckchen »durch einen feinen Muskelzug miteinander verbunden zu sein scheinen (S. 619) <<. Die Borstenfollikel sind lang und nicht überall gleich breit, sondern erweitern sich etwas gegen ihr freies Ende. Im Querschnitt sind sie oval (Fig. 15). Die Borsten liegen nicht axial, sondern haben sich einer Seite genähert; im übrigen Teil liegt die Hauptmasse der Zellen mit ihren großen Kernen. Letztere sind in wenigen Längsreihen ange- ordnet, parallel zu den Borsten (Fig. 13). Jeder der Muskelzüge, welche die Follikel bewegen, ist mit einem Kern, der seiner Oberfläche auf- liegt, versehen. Die äußersten Muskeln erstrecken sich bis zu den Dissepimenten. Zuweilen verzweigt sich ein Muskelzug kurz vor der Insertionsstelle in mehrere dünnere Fäden, die sich einzeln an die Körperwand befestigen. Ein innigerer Zusammenhang zwischen den Borstenmuskeln und der Körpermuskulatur, etwa so, daß man die ersteren als einfache Abzweigungen der letzteren entstanden denken könnte, wie das gewissermaßen Zeppelin (>>mit der Längsfaserschicht zusammenhängender Muskelapparat«) meint, scheint nicht zu bestehen. Erstens unterscheiden sich die gröberen und mit je einem großen Kern versehenen Borstenmuskelfasern histologisch von den zarten Körper- muskelfasern, bei denen die Kerne noch nicht nachgewiesen sind ; zwei- tens entstehen sie bei der Ontogenese unabhängig voneinander. Auch bilden die Muskeln über dem Follikel kein sogenanntes Muskelgitter, wie das Zeppelin bei Ct. monostylos abbildet. Muskulatur. Die Körpermuskulatur ist schwach ausgebildet und daher schwer zu untersuchen. Nur an Schnitten, welche tangential zur Körperwand geführt wurden, konnte man sie mehr oder weniger gut verfolgen. Zunächst fallen die gröberen Längsmuskeln in die Augen, welche bei allen Ctenodrilen aufgefunden wurden. Sie verlaufen in langen parallelen Zügen längs durch den Körper. Weniger auffallend sind die sehr feinen Ringmuskeln, welche in senkrechter Richtung zu den Längsmuskeln und nach innen von denselben hinziehen (Fig. 7). An Längsschnitten, die mit Safranin oder Eosin (auch Eisenhämatoxylin nach Heidenhain) gefärbt waren, konnte man die Ringmuskelfasern 552 Iwan iSokolow, quer durchschnitten beobachten. Sie lagen als eine Reihe feiner Punkte zwischen der Membrana basilaris des Hautepithels und der Längs- muskelschicht. Die Ringmuskelfasern sind von den früheren Autoren, wahrschein- lich ihrer Zartheit wegen, übersehen und erst von Galvagni in Über- einstimmung mit meinen Befunden beschrieben worden. Über die feinere Struktur der Körpermuskeln vermag ich nichts zu sagen. Kerne wurden von mir, ebenso wie von den früheren For- schern, nicht beobachtet. Wegen der schwachen Muskulatur sind die Ctenodrilen keiner lebhafteren Bewegung fähig, was übrigens bei ihrer ruhigen Lebens- weise zwischen modernden Pflanzenresten des Amphioxus-^a.ndes keine Nachteile hat. Sie besitzen die Fähigkeit, sich verschiedenartig zu krümmen, was hauptsächlich durch die Kontraktion der Längsmuskeln an den entsprechenden Seiten bewirkt wird. Wenn man die Tiere auf den Objektträger mit wenig Wasser überträgt, so strecken sie die einzelnen Segmente recht erheblich, wobei wahrscheinlich die feinen Ringmuskeln eine Rolle spielen (vgl. Fig. 1, wo ein Exemplar mit zum größten Teil ausgestreckten Segmenten abgebildet ist). Die Verdauungs Organe sind im wesentlichen ebenso wie bei Ct. serratus (Galvagni) gebaut. Der Verdauungstractus beginnt mit einem sogenannten Atrium, in dem der Schlundkopf und die beiden Falten, die dorsale und die ventrale, sich befinden. Der massive Schlundkopf hat eine ähnliche Form wie bei andern Ctenodrilen. Seine Grundmasse ist homogen und färbt sich nicht. Sie wird von Muskelfasern durchzogen, welche in verschiedenen Rich- tungen einander durchkreuzen, wobei aber die Richtung senkrecht zum Epithel vorherrscht. Unmittelbar unter dem Epithel ordnen sich die Muskelzüge derart, daß man in Längsschnitten ein regelmäßiges Band von Säulen, die in gleichen Abständen voneinander angeordnet sind, bekommt (Fig. 9 MZ). Weitere histologische Details im Bau der Muskulatur stimmen vollkommen mit Galvagnis Angaben für Ct. serratus überein. Gebilde, welche den » ependymatischen Fasern << Galvagnis ent- sprechen könnten, fand ich jedoch nicht, obgleich ich die Färbung mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain anwandte. Wohl aber entdeckte ich sonderbare dicke und, ich möchte sagen, stäbchenähnliche Gebilde, welche ungefähr parallel den eben besprochenen Muskelsäulen den Schlundkopf durchzogen, also senkrecht zum Schlundkopf epithel über eine neue Ctonodiilusart uiul ihre Vennelirung. 553 ferichtet waren (F'w. 8, 9 u. 12 sf). Sie sind lichtbrechend und färben sich mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarz (Fig. 8), mit Safranin tief rot nnd in gewissen Fällen mit Boraxkarmin (nur in überfärbten Prä- paraten). Eosin färbt sie gar nicht. Die Natur dieser Stäbchen blieb mir unbekannt. Vielleiclit sind es besondere schlauchartige Drüsen. Dagegen spricht aber das voll- kommene Fehlen eines Ausführungsganges, der doch das Epithel durch- brechen müßte; ich fand aber diese Gebilde nur ausschließlich im muskulösen Teile des Schlundkopfes. Richtiger wäre es, sie als eigen- artige Stützelemente anzusehen, welche dem Schlundkopf, da er ein Bewegungsorgan sein soll, größere Festigkeit geben. Das Epithel, welches den Schlundkopf überzieht, bildet in seinem weiteren Verlauf, mehrmals umbiegend, zwei Falten: eine untere und eine obere. Die obere ist sehr massiv und dient zum Schließen der Mundöffnung, was dadurch erreicht wird, daß sie sich fest an den Kopf- lappen, besser gesagt, an die Flimmerrinne, andrückt (Fig. HOF). Die untere Falte, welche zwischen dem Schlundkopf und der oberen Falte liegt, spielt eine Rolle beim Ausstrecken des Schlund- kopfes, indem sie dies in weit größerem Maße gestattet, als es ohne ihre Anwesenheit möglich wäre (Fig. 14 UF). Wenn wir das Schlundkopfepithel in einer andern Richtung ver- folgen, nämlich nach unten und ventralwärts, so bemerken wir da, wo der Schlundkopf zu der Körperwand hinzutritt, noch eine kleine Falte, die aber nach innen vorspringt (Fig. 14 uf). Sie dient als In- sertionsstelle für eine Reihe von Muskeln (MZ), unter andern für das Ende des Protractors. Obgleich sie auch früher beobachtet wurde, wie es z. B. aus den Zeichnungen Galvagnis (Fig. 4 u. 36) zu ersehen ist, hat man doch ihre Funktion nicht besonders hervorgehoben. Sowohl das Schlundkopfepithel, als auch das der unteren und der oberen Falte, bis zu der Stelle der letzteren, wo sie die eigentliche Mundöffnung bildet, also diejenigen Teile des Vorderdarmes, welche die Wandung des Atriums vorstellen, sind wimperlos (Fig. 12). Der Muskelapparat, welcher das ganze System bewegt, ist in Kürze folgender. Der Schlundkopf liegt auf einem massiven Muskel (Pro- tractor). Von ihm gehen zwei Schenkel ab, die sich an den Oesophagus befestigen (die beiden Retractoren). An der dritten, untersten Falte sind außer dem Protractor zahlreiche fadenförmige Muskeln befestigt (Fig. 14 MZ), welche mit ihrem andern Ende an der Stelle inserieren, wo das erste Dissepiment mit der Körperwand verschmilzt, also gerade vor den beiden Nephridien. Außerdem treten zahlreiche ähnliche 554 Iwan Sokolow, Muskeln an die beiden Seiten des Schlimdkopfes an verschiedenen Stellen heran. Sie sorgen wahrscheinlich dafür, daß die Streckung des Schlundkopfes regelmäßig vor sich geht, daß nicht etwa irgendwelche Verschiebungen 2;ur Seite eintreten können. Wie weit ein Ct. branchiatus seinen Schlundkopf hervortreten lassen kann, läßt sich auf Grund meiner Untersuchungen nicht bestimmt sagen. Wahrscheinlich geht die Streckung nicht allzu weit. Aber in einem Falle gelangte ich zur Untersuchmig eines Exemplares, bei welchem, wahrscheinlich künstlich, der ganze Schlundkopf aus dem Atrium hervorgetreten und stark kontrahiert war. Die beiden Falten waren nicht mehr zu erkennen : sie bildeten einen weit hervorgewölbten Bogen. Hierbei gewahrte man deutlich die feinen Lateralmuskeln. Wie gesagt, zieht sich ventral am Kopflappen eine Flimmerrinne, immer breiter werdend, nach hinten und geht allmählich in den Oeso- phagus über. Derselbe beschreibt in seinem Verlauf einen Bogen, indem er zunächst gegen den Rücken hin aufsteigt ; hinter dem Schlund- kopf macht er eine Biegung und senkt sich etwas ventralwärts, um weiterhin in der Körperachse zu verlaufen. Der Oesophagus erstreckt sich bis zum fünften oder sechsten Segment (bei Ct. monostylos bis zum fünften bis neunten), wo er mit dem Mitteldarm verschmilzt. Der Mitteldarm differenziert sich in zwei Teile : einen vorderen, den sogenannten Magendarm, und einen hinteren, das Intestinum. Der Magendarm ist am lebenden Ct. branchiatus orange gefärbt — ein ge- meinsames Merkmal aller Ctenodrilen — was daher rührt, daß die Darmzellen mit feinen orangefarbenen Körnchen angefüllt sind. Ob dieselben ein besonderes Pigment darstellen, oder ob sie irgendwelche Beziehung zur verdauenden Tätigkeit der Zellen haben, läßt sich zurzeit nicht bestimmt sagen. Diese Färbung kommt jedoch nicht allen Individuen zu. Zuweilen findet man solche, deren Magendarm ganz ungefärbt erscheint. Nachdem der Magendarrn etwa zehn oder auch mehr Segmente — die Zahl ist sehr variabel — durchzogen hat, wird er enger und geht in das Intestinum über. Letzteres verläuft, etwas geschlängelt, bis fast zum Hinterende des Körpers, wo es in den kurzen Enddarm mündet. Die Grenze mit dem letzteren ist nicht deutlich. Aber, wie wir nachher im embryologischen Teil des Aufsatzes sehen werden, ist nur der kurze Endteil des Darmkanals ectodermaler Herkimft und nicht das ganze Intestinum, wie es von den früheren Forschern angenommen wurde (vgl. bes. V. Kennel). Per Enddarm schließt hinten mit der Analöffnung ab. Diese letztere über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 555 liegt nicht terminal, sondern ist etwas dorsal wärts verschoben, so daß nnter ihr ein ovaler Lappen gebildet wird (Fig. 11 u. b2 ÄnL). Der Lappen ist oft pigmentiert bzw. mit gefärbten öldrüsenzellen versehen (was insbesondere für die Form B gilt). Der ganze Verdanungskanal ist mit Wimpern ausgekleidet, deren lebhafte Bewegmig an lebenden Ctenodrilen sehr gut zu beobachten war. Außen ist der Darmtractus mit einer Splanchnopleura bedeckt, welche sich in eine äußerst zarte innere Längs- und eine ebensolche äußere Ringmuskelschicht gliedert (dasselbe bei Galvagni). Das Blutgefäßsystem ist geschlossen. Es besteht seinem Haupt- plaue nach aus einem dorsalen und einem ventralen Gefäß, welche vorn durch einen Gefäßring verbunden sind. Außerdem finden wir in jedem Segment eine ähnliche Verbindung zwischen den beiden Hauptstämmen. Meine Untersuchungen des Blutgefäßsystems stellte ich einerseits am lebenden Material an, was dadurch ermöglicht ist, daß die Blutflüssigkeit zuweilen genügend gelb gefärbt war, um den Verlauf der Blutgefäße zu verfolgen; anderseits machte ich Rekonstruktionen an Schnittserien. Bei beiden Methoden aber war es sehr schwer, ein klares Bild von dem Verlaufe derjenigen Blutgefäße zu erhalten, welche ein enges Lumen hatten und zudem noch in verschiedenartigen Krümmungen verliefen. Das Rückengefäß beginnt in der Kopf höhle, unmittelbar hinter dem vorspringenden Kopf ganglion ; dann verläuft es über dem Ver- dauungskanal bis an das Hinterende des Körpers. Sein Lumen ist über der Krümmung des Oesophagus sehr schmal; weiter nach hinten erweitert es sich und erreicht seinen größten Durchmesser da, wo die hintere Hälfte des Herzkörpers in ihm liegt. In dem hinteren Körper- abschnitt geht es oft, aber durchaus nicht immer, in einen geräumigen Darmsinus über. In diesem Fall umspült die Blutflüssigkeit das Darm- epithel unmittelbar. An der Grenze zwischen dem fünften und sechsten Segment zweigt sich gewöhnlich von diesem Gefäß ein dorsaler Ast ab, welcher stark contractu ist und die vordere, größere Hälfte des Herzkörpers in sich birgt. Er zieht sich nach vorn bis zum ersten Dissepiment (Fig. 14 RVD) und spaltet sich hier in zwei Äste, welche, ventralwärts rechts und links herablaufend, in das Bauchgefäß münden und so den vor- deren Gefäßring bilden (Fig. 14 GRi). Dieser Ring ist immer von dicken Blutgefäßen gebildet und daher leicht zu beobachten. Besonders gut zu sehen ist die untere Gabelung des Bauchgefäßes, welche gerade vor den beiden Nephridien liegt. 556 Iwan iSükolüw, Vom vorderen Gefäßring entspringen zwei zarte Gefäße, das eine rechts, das andre links. Diese beiden lateralen Gefäße (LG) umfassen den Schlmidkopf und den Vorderdarm und verlaufen nach vorn bis fast an das Kopfganglion, wo sie sich mit dem Anfangsteil des Rücken- gefäßes vereinigen und somit die Blutbahn schließen. Parallel dem Rückengefäß verläuft ventral das Bauchgefäß, welches etwas dünner ist und sich der Körperwand näher anlegt. Es verläuft von dem eben besprochenen Gefäßringe bis an das hintere Körperende. In jedem Segment sind Rücken- und Bauchgefäß durch je einen Ring miteinander verbunden, wie es auch bei Ct. serratus der Fall ist. Nur sind bei Ct. branchiatus diese Ringe äußerst zart und wurden von mir selten deutlich beobachtet. Das Blutgefäßsystcm von Ct. serratus scheint einfacher gebaut zu sein; w^enigstens ist aus der sehr undeutlichen Beschreibung Gal- VAGNis (S. 69) zu ersehen, daß dieser Art ein dorsaler Ast des Rücken- gefäßes und die zarten Lateralgefäße fehlen. Die Gefäße sind mit einer schwach gelben Flüssigkeit angefüllt. Ihre Färbung ist von verschiedener Intensität: zuweilen ist sie tief genug, um, wie gesagt, den Gefäßverlauf an lebenden Individuen ver- folgen zu können; zuweilen ist das Blut jedoch vollkommen farblos. Irgendwelche Blutkörperchen oder sonstige Gebilde konnte ich in dem Blut nicht wahrnehmen. Der Bau der Gefäße ist ein einfacher (vgl. Bergh, 1900). Es ist eine sehr dünne Gefäßwand vorhanden, deren Struktur daher nicht näher zu erkennen war. An ihrer Außenseite findet man Zellen mit ziemlich großen Kernen, welche nach außen vorgewölbt sind, also nicht in das Gefäßlumen hineinragen. Wahrscheinlich sind das Peritoneal- zellen, welche ja alle Organe, die in der Cölomhöhle gelegen sind, über- ziehen (Fig. 21 Per). Ein Endothel (Vasothel), welches Galvagni bei Ct. serratus im Bauchgefäß fand, muß ich bei meiner Art entschieden verneinen. Der Herzkörper liegt gewöhnlich in zwei Segmenten, nämlich im vierten und fünften, bzw. im fünften und sechsten, oder erstreckt sich durch drei Segmente: das vierte bis sechste (Fig. 1 HzK). Er hat die Gestalt eines langen wurstförmigen Gebildes mit stielrundem und überall gleich breitem Querschnitt und abgerundeten Enden. Er ist sehr selten gerade, sondern meist schlangenartig gewunden und gebogen. Zuweilen wird er von dem Dissepiment in zwei Teile zerlegt (Fig. 22 Ds). In einem Fall war er sogar in vier isolierte, ungleich große Teile zerfallen. über eine neue Ctenotlrilusait und ihre Vcrniohrung. 557 Mit seiner vorderen Hälfte liegt der Herzkörper im dorsalen Ast des Rückengefäßes; die hintere Hälfte befindet sich schon im Haupt- stamni desselben. In diesem Teile legt sich der Herzkörper dicht an die Darmwand an, weil auch das Rückengefäß unmittelbar über dem Darm verläuft (Fig. 18). Wahrscheinlich hat letzterer Umstand v. Ken- NEL eine Verwachsung des Herzkörpers mit dem Magendarm vorge- täuscht. Das Organ ist außen von einer zarten Membran überzogen. Im Innern findet man beim lebenden Ct. branchiatus zahlreiche runde Kügelchen von verschiedener Größe, welche meist hübsch scharlach- rot sind, weshalb das Organ sehr auffällt (Fig. 22). Bei einigen Indivi- duen geht die Farbe ins Bräunliche oder Hellrosa über. Bei ziemlich vielen Individuen waren die Körnchen dagegen olivengrün gefärbt. Sehr selten ist der Herzkörper farblos. Für den Herzkörper des Ct. serratus geben Galvagni und v. Ken- NEL eine gelbliche, Zeppelin für Ct. monostylos eine schwärzliche Farbe an. Beim Zerdrücken des Tieres treten die Körnchen isoliert durch die zerrissene Wand des Herzkörpers hervor. An Schnitten gewahrt man, daß der Herzkörper aus einer kompakten Zellmasse besteht, in der man die kleinen Zellkerne, die sich intensiv färben, unterscheidet (Fig. 17 HzkN). Die pigmentierten Körnchen erweisen ,sich als Zell- einschlüsse. Bei Behandlung mit verschiedenen Reagenzien (welche es gerade sind, läßt sich schwer sagen) werden sie zerstört und an ihren Stellen bleiben vacuolenähnliche Räume verschiedener Größe zurück (Fig. 17 Jcr). Ähnliche Verhältnisse existieren wahrscheinlich auch bei Ct. monostylos, denn Zeppelin beschreibt den Herzkörper nicht als solid, sondern als von »verschiedenen Hohlräumen durchzogen«. Bei sehr jungen Tieren ist der Herzkörper anders gebaut. Hier erkennt man recht scharfe Zellgrenzen. Die Zellkerne sind größer und mit deutlichem Chromatinnetz versehen. In diesen Fällen fand ich weder irgendwelche Einschlüsse, noch leere Räume im Zellplasma (Fig. 18 u. 19). Über die Natur der Körnchen vermag ich nichts Bestimmtes zu sagen, glaube jedoch, daß Guido Schneiders Meinung (99) der Wahr- heit am nächsten kommt. Er schreibt (S. 511): »Es will mir nämlich scheinen, daß die grünlichgelben, die eisenhaltigen und andern Körn- chen in den Herzkörperzellen nichts andres als aufgespeicherte Reserve- nahrung sind, ebenso wie die fetthaltigen Körnchen, die sich durch Osmiumsäure schwarz färben, und daß alle diese Körnchen, ebenso 558 Iwan iSükolow, wie in den Cliloragogenzellen, direkt von dem Protoplasma gebildet werden aus flüssigen Substanzen, die aus dem Blute bezogen werden. Das Aussehen und gegenseitige Verhältnis der Körnchen bei verschie- denen Individuen ist nämlich ungleich, was aus verschiedenen Er- nährungszuständen erklärt werden kann. Auch die Farbe des Herz- körpers wechselt bei derselben Art.« Nephridien. Wie bei den andern Ctenodnlus- Alten, findet man auch hier ein Paar Nephridien, und zwar ventral und unmittelbar hinter dem ersten Dissepiment, wie gewöhnlich (Fig. 14 Nf). An lebenden Tieren sind sie durch schwach grünlichbraune Färbung kenntlich. Sie stellen kleine Säckchen mit kurzem Ausführungsgang dar. Ihre Wände erscheinen ziemlich dick, besonders im Vergleich zu den dünnen Wänden der Nephridien von Ct. serratus. Die Zellen, welche die Ne- phridien bilden, sind mit deutlichen Kernen versehen, ihre Grenzen aber vollkommen verwischt. Gewöhnlich sieht man in ihnen kleine Excretkörnchen, welche die braune Färbung bedingen (Fig. 16). Das Nephrostom ist mit Wimpern versehen, deren Bewegung nach dem Innern des Säckchens ich mehrmals beobachtet habe. Das Nephrostom führt in einen Kanal, der sich im Nephridium verschieden- artig krümmt und daher an Schnitten immer an mehreren Stellen ge- troffen wird (Fig. 16 Nfk). Die Kanalwände sind von einem festeren Gewebe, welches durch intensivere Färbung hervortritt, umgeben. Den Nephroporus glaube ich in einem Falle gesehen zu haben. Überhaupt sind die Einzelheiten im Bau der Nephridien wegen der Feinheit und Zartheit der Organe sehr schwer zu untersuchen. Immer- hin bleibt der allgemeine Bauplan derselbe, wie bei andern Arten. Segmentierung und Cölom. Bei Tieren, die sich nicht ge- teilt haben, beträgt die Zahl der Segmente etwa 25 — 30, zuweilen auch mehr (bis 36). Sie nähert sich also der Segmentenzahl von Ct. mono- stylos (20 — 25) und ist ungefähr doppelt so groß, als diejenige der beiden andern Arten. Am breitesten und größten sind die Segmente, welche den Magendarm einschheßen. Gegen das Hinterende werden sie schmäler und kürzer; dementsprechend nehmen auch die Borsten an Zahl und Größe ab, bis sie schließlich in den letzten drei bis vier Segmenten, die sozusagen verkümmert bleiben, vollständig fehlen. Der Kopf besteht aus zwei Segmenten, welche innig miteinander verschmolzen sind: dem eigentlichen Kopfsegment und dem ersten Rumpfsegment. Im Kopfsegment unterscheidet man deutKch den prostomialen und den metastomialen (im Sinne Hatscheks) Teil. Im Abschnitt über die Embryologie werden wir sehen, daß die Segmen- über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 559 tierung des Kopfes in der Ontogenie deutlich zutage tritt, da die Seg- mente durch ein Dissepiment, welches nachher gänzlich schwindet, voneinander getrennt erscheinen. Bei erwachsenen Individuen ist die Kopfsegmentierung noch teil- weise nachweisbar, trotz des Schwindens des Dissepiments. Erstens finden wir einen schroffen Übergang vom mehrschichtigen Hautepithel des Kopflappens in das einschichtige der Dorsalseite des Kopfes, welche Stelle, meiner Ansicht nach, gerade auf die Grenze zwischen den beiden Segmenten hindeutet. Sodann kommen dem Kopfe zwei Ganglien zu. Über das eine, welches im Kopflappen liegt und das obere Schlund- ganglion vorstellt, kann kein Zweifel sein, daß es dem Kopfsegment angehört. Das andre Ganglion befindet sich auf der ventralen Seite immittelbar vor dem ersten erhalten bleibenden Dissepiment. Gerade diese ventrale Lage, die Entstehung und der ähnliche Bau (es besteht eigentlich aus zwei Paaren von Ganglien) mit den übrigen Ganglien der Bauchnervenkette, veranlassen uns es als das erste Ganglion (-Paar) der Bauchnervenkette anzusehen und somit zum ersten Rumpfseg- ment zu rechnen. Dasjenige Segment, in welchem nun die beiden Nephridien liegen, wäre dann das zweite Rumpfsegment. Derselben Meinung ist auch Galvagni (vgl. S. 67, wo man auch eine Kritik der Ansichten andrer Autoren über die Kopf segmentierung der Ctenodrilen findet). Die Cölomhöhle ist mit Peritonealzellen ausgekleidet. Diese Zellen überziehen die Dissepimente und alle Organe, welche in der Cölomhöhle liegen. Von irgendwelchen Cölomkörperchen, welche bei allen andern Ctenodrilen so zahlreich vorkommen, konnte ich bei Ct. branchiatus keine Spur finden. Nur für den einen Fall bin ich nicht ganz sicher, wo ich beim Zerdrücken eines Individuums runde Zellen aus dem Körper hervortreten sah, welche eine große Älmlichkeit mit den Cölom- körperchen hatten. Das Cölom des Kopflappens wird von zahlreichen Muskelfasern in verschiedenen Richtungen durchzogen, ganz wie bei andern Cteno- drilen. Diese Stränge sind mit deutlichen Kernen versehen (Fig. 20 u. 6QMZ). Das Nervensystem. Der Bau des Nervensystems ist bei Ct. branchiatus in manchen Beziehungen ein andrer, als bei den bisher beschriebenen Arten, obgleich es im allgemeinen nach demselben Schema entwickelt ist. Wir finden ein unpaares oberes Schlundganglion, welches im 560 Iwan Sokolow, Längsschnitt ungefähr oval (Fig. 14 u. 66 KG), im Querschnitt läng- lich-halbmondförmig erscheint (Fig. 20 K G) und zu beiden Seiten längs der Kopf wand je eine Commissur bis zum ersten Bauchganglion schräg nach unten entsendet. Das Cerebralganglion liegt nicht, wie bei andern Ctenodrilen vollständig in der Hypodermis, sondern ist mit derselben nur dorsal vereinigt, so, daß seine ganze Masse frei in die Kopf lappen- höhle hineinragt. Deshalb schimmert es bei lebenden Exemplaren sehr deutlich durch die Haut des Kopflappens durch (Fig. 14). Das erste Bauchganglion liegt unmittelbar vor dem ersten Disse- piment und fast völlig in der Hypodermis. Caudalwärts finden wir in jedem Segment, und zwar immer in dem hinteren Teil, je ein Bauch- ganglion. Die Bauchgangiien sind eigentlich jedes aus einem Knoten- paar hervorgegangen, denn erstens findet sich in ihrer Medianebene stets eine Einschnürung, zweitens ist jedes Ganglion mit dem vorher- gehenden und dem nachfolgenden immer durch zwei Commissuren verbunden. Diese Commissuren können oft sehr weit voneinander abstehen (Fig. 10 u. 60 N S). Somit haben wir es hier mit einem soge- nannten Strickleiternervensystem zu tun. Auch das Nervensystem von Ct. serratus scheint nach demselben Plan gebaut zu sein. Die »ependyma tischen Fasern« Galvagnis, welche den Nervenstrang auf Querschnitten in zwei bzw. drei Teile zerlegten, stellen meiner Meinung nach sehr wahrscheinlich Grenzen zwischen den Commissuren dar. Außerdem habe ich an meinen Präpa- raten von Ct. serratus deutlich die beiden Längscommissuren, zwischen denen jedoch nur ein sehr kleiner Zwischenraum blieb, beobachtet. Auch Zeppelin beschreibt derartiges bei Ct. moyiostylos : >> auf einigen sehr dünnen Schnitten schien es mir, als ob das Bauchmark aus zwei Strängen zusammengeschmolzen wäre, in der Mitte war eine feine Membran sichtbar« (S. 631). Wenn im vorigen die Rede von Ganglien war, so sind es doch nur Verdickungen des doppelten Bauchnervenstranges, in denen aber keinerlei weitere Differenzierungen vorkommen. Das ganze Nerven- system besteht aus einer >>f ibrillären Punktsubstanz <<, wie sie Galvagni zutreffend charakterisiert hat. Ependymatische Fasern aber, welche er beschreibt, konnte ich nicht einmal bei der Färbung mit Eisen- hämatoxylin nach Heidenhain auffinden. Was den Ganglienbelag betrifft, den v, Kennel (S. 381) und Zep- pelin (S. 631) erwähnen, so vermochte ich ihn ebenfalls nicht nach- zuweisen. Zellen, welche das Nervensystem unmittelbar umgeben, unterscheiden sich durch nichts von den gewöhnlichen Hypodermiszellen. über eine neue Ctenodrihisavt und ihre Vermehrung. 5()1 Sinnesorgane. Sehr charakteristisch ist für die Form Ä, im Gegensatz zu B, das vollkommene Fehlen der Augen, wie das bei allen Ctenodrilus-Arten die Regel ist. Auf jeder Seite des Kopflappeus findet sich eine Vertiefung, welche im Grunde mit Cilien besetzt ist. Das sind die sogenannten Riech - gruben. Sie liegen sehr nahe bei der Stelle, wo die beiden Schlund- commissuren sich vom Cerebralganglion abzweigen. Sie stellen ziemlich tiefe Einsenkungen im Kopfepithel dar (Fig. 24). Dem Boden der Vertiefung sitzen lange Wimpern auf, welche aber die Höhe der Wand nicht übertreffen. Von dem Boden ziehen sich durch das Epithel be- sondere Stränge, welche an Präparaten dunlder tingiert, aber im all- gemeinen sehr undeutlich erscheinen (Fig. 24 n). Sie treten wahrschein- lich an das Kopfganglion heran und sind als Nerven im Dienste dieser Sinnesorgane zu deuten. Gonaden. Den früheren Forschern gelang es nicht irgendwelche Andeutungen von Geschlechtsorganen zu finden. Dies erklärt sich dadurch, daß die Gonaden keine ständigen Organe der Ctenodriliden sind, sondern höchstwahrscheinlich nur in einer bestimmten Lebensperiode und in einer bestimmten Jahreszeit auf- treten. Außerdem war über die Hälfte der Beobachtungen an Tieren gemacht, welche unter künstlichen Bedingungen lebten und dabei die Autotomie der geschlechtlichen Vermehrung bevorzugten. Nur Monti- CELLi glückte es 1907, bei Ct. serratus nicht nur geschlechtsreif e Indi- viduen, sondern auch die embryonale Entwicklung zu beobachten. Leider gab er in seiner vorläufigen Mitteilung eine zu kurze Beschrei- bung, als daß man sich von der Sache ein klares Bild machen könnte. Er fand nämlich gleichzeitig: 1) dicke, schwangere (grossi) und kurze, angeschwollene Individuen, die mit Larven auf verschiedenen Entwicklungsstadien völlig angefüllt waren. 2) etwas kleinere, die in reger Autotomie begriffen waren. 3) kleine Individuen und junge (giovani). 4) solche, welche ähnlich 1) und verschieden von 2) waren, aber ohne Larven. Diese waren geschlechtliche Individuen mit ziemlich großen Gonaden und den Anfangsstadien der Eibildung (sessuati). Sowohl 4) als auch 1) waren auf ihrem ganzen Körper bewimpert, was bis jetzt weder bei Ct. serratus noch bei den andern Arten konsta- tiert war. Bei 2) und 3) fehlte das Wimperkleid. Monticelli meint, daß dieser Umstand wahrscheinlich in Beziehung zur Sexualität steht. Vergleicht man nun das Gesagte mit meinen Befunden an Ct. hranchiatus, so muß ich zunächst jegliches Wimperkleid bei dem Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 37 562 Iwan Sokolow, letzteren vollkommen leugnen. Bei Ct. hrancliiatus fehlt sogar, wie wir schon gesehen haben, das Wimperfeld an der ventralen Fläche des ersten und des zweiten Segmentes, was für andre Ctenodrilen von den Autoren übereinstimmend beschrieben wird (v. Kennel, Zeppelin, Galvagni). Unsre Art verliert beim Übergang in die Form A, die allein sexuell sein kann, sogar die Wimperreife, welche sie als Form B, besitzt. Außerdem sagt Monticelli nichts Näheres von den Gonaden, weder von ihrer Beschaffenheit, noch von ihrer Lage im Körper. Ob sich ihr Bau demjenigen von Ct. hranchiatus als ähnlich erweisen wird, dürfte man erst aus der ausführlicheren Beschreibung von Monticelli schließen können. Zunächst werde ich die Tiere mit männlichen Gonaden und die mit weiblichen gesondert betrachten, da ich auch nur eingeschlecht- liche Individuen fand. Da jedoch Monticelli Ct. serratus als einen protandrischen Hermaphroditen beschreibt, bei dem die männlichen Geschlechtsprodukte sich zuerst entwickeln, so ist dasselbe auch für unsre Form höchst wahrscheinlich, obgleich mir die nötigen Beobach- tungen vollkommen fehlen. Bei Ct. hranchiatus haben die Gonaden den möglichst einfachen Bau. Wir finden hier weder differenzierte Geschlechtsdrüsen, noch Geschlechtswege, geschweige Copulationsorgane. Es sind einzelne Zellen im Peritoneum, welche durch Heranwachsen und entsprechende Teilungen die Geschlechtsprodukte liefern, die dann frei im Cölom Hegen. Hierbei ist eine Regel zu beobachten. Nicht ein jedes Segment kann Gonaden bilden, sondern man findet eine strenge Lokalisation, indem das siebente Rumpfsegment vorwiegend zur Bildung der Sexual- produkte bestimmt ist. Natürlich kommen auch hier gewisse Schwan- kungen vor. So fand ich z. B. verschiedene Stadien der Spermatogenese auch in den angrenzenden Segmenten, also im sechsten und im achten. Die weibliche Gonade kann zuweilen auch ihre Lage ändern und im achten Segment (oder bei größerer Ausdehnung gleichzeitig im siebenten und achten) auftreten. Im allgemeinen aber bleibt doch das siebente Segment der Hauptherd für die Bildung der Geschlechtsprodukte. Irgendwelche Veränderungen am Körper derjenigen Individuen, welche Gonaden in sich bargen, ließen sich nicht nachweisen. Doch standen solche Formen (A) gewöhnlich auf dem Höhepunkt ihrer Ent- wicklung, zeigten nämlich die maximale Länge und die volle Segmenten- zahl. (Vom Fehlen der Bewiraperung war vorher die Rede.) Die über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 563 Umkehrung des Falles ist aber niclit immer richtig: man kann typische, wohl entwickelte Individuen der Form A finden, bei welchen keine Spur von Gonaden zu erkennen ist. Männliche Gonaden und Spermatogenese. Die Zahl der männlichen Tiere, die ich fand, blieb hinter der weiblichen sehr zurück: auf 50 Weibchen kamen nur etwa sechs bis sieben Männchen. Wenn wir zwar viele Organismen kennen, bei welchen die Zahl der Weibchen diejenige der Männchen weit übertrifft, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, daß Ct. hranchiatus ebenso wie Ct. serratus (Monti- CELLi) protandrisch-hermaphroditisch ist und daß zur Zeit meiner Beobachtung (Oktober) die Bildung der männlichen Geschlechtspro- dukte schon beinahe aufgehört hatte. Für letztere Annahme spricht auch der Umstand, daß es ganz unbegreiflich bleibt, wie die Befruch- tung bei vollkommenem Fehlen der Geschlechtswege anders zustande kommen könnte, als durch Zusammentreffen der Geschlechtsprodukte eines und desselben Individuums. Da man in einem männlichen Ct. hranchiatus gleichzeitig fast alle Stadien der Spermatogenese vorfindet, so konnte ich letztere in ihren Hauptzügen verfolgen. Im Peritonealepithel findet man größere (6 u) Zellen von ovaler Gestalt, mit einem großen Kern. Sie können an verschiedenen Stellen der Somatopleura entstehen: dorsal, lateral, vorwiegend aber ventral. Auch am ventralen Teil der beiden Dissepimente, welche das siebente Segment begrenzen, wurden sie von mir aufgefunden (Fig. 27 S). Diese Zellen sind Spermatoblasten. Durch Teilung bilden sie eine kleine Gruppe von Zellen, die sich jedoch nicht gänzlich voneinander trennen, sondern in der Mitte vereinigt bleiben (Fig. 28). Man bekommt somit eine Spermatogemme, deren periphere Zellen Spermatogonien und der centrale Teil ein Cytophor darstellt. Die Bildung des Cytophors wurde bei manchen Anneliden {Lumbricus, Branchiohdella, CliteUio, Enchy- traeoides u. a.), Turbellarien, einigen Mollusken u. a. beobachtet und steht in Einklang mit dem, was auch bei Ct. hranchiatus vor sich geht (vgl. u. a. Jensen, Calkins, Voigt, Roule). Die Spermatogonien, welche einen unregelmäßigen, meist einen länglichen Kern, der sich sehr intensiv färbt, besitzen (Fig. 28 u. 29), teilen sich weiter und werden schließlich zu Spermatocyten (Fig. 31). Unterdessen hat sich das Cytophor beträchtlich vergrößert, und die ganze Spermatogemme mißt ungefähr 20 ii im Durchschnitt. Durch weitere Vermehrung der Spermatocyten erreicht sie bis über 30«. Es kann zuweilen auch vorkommen, daß die Spermatogemme sich teilt 37* 564 Iwan Sokolow, und in mehrere selbständige zerfällt. Eine solche Zweiteilung sieht man auf der Fig. 30. Die Spermatocyten sind ursprünglich oval imd verhältnismäßig reich an Protoplasma, sowie mit einem großen Kern versehen. Mit der weiteren Vermehrung werden sie immer protoplasmaärmer; ihr Kern wird nach und nach immer länglicher, worauf sie anfangen sich vom Cytophor allmählich abzuschnüren. Die Protoplasmaschicht um den Kern wird äußerst dünn, und die Spermatocyten sind im Umwandlungs- prozeß in die Spermatozoen begriffen. Mit ihrem proximalen Ende bleiben sie an die Oberfläche des Cytophors befestigt, der nunmehr eine vollkommen runde Gestalt angenommen und eine dünne Membran erhalten hat. Das distale Ende der Spermatocyten zieht sich in eine Spitze aus (Fig. 32), welche immer dünner imd länger wird (Fig. 33 VI. 34), je mehr sich der ganze Körper verdünnt. Schließlich wird der letztere fadenförmig und zum Spermatozoon. Die Spermatozoen bleiben noch einige Zeit mit dem Cytophor ver- bunden, indem sie in der Art einer dichten Quaste an einem Teil des Cytophors haften (Fig. 35). Dann fallen sie ab und bewegen sich frei in der Leibeshöhle. Das Cytophor degeneriert hierauf wahrscheinlich. Ich möchte noch zufügen, daß das Cytophor mit Kernsubstanz ver- sehen zu sein scheint, da ich in mehreren Fällen mit Safranin dunkel (andre Färbungen konnte ich wegen Materialmangel nicht vornehmen) gefärbte Massen in ihm deutlich gesehen habe (Fig. 36). Lebende Spermatozoen habe ich nicht beobachtet, so daß ich weder ihre Größenverhältnisse noch ihre Gestalt genau beschreiben kann. Soweit es mir aber gelang, an Schnitten Messungen vorzunehmen, taxiere ich die Länge eines Samenfadens auf ungefähr 40 //. Das Köpf- chen ist von dem Schwanzfaden nicht scharf geschieden, sondern bildet nur eine Verdickung am vorderen Ende (Fig. 37). Weibliche Gonaden. Es gelang mir nicht die Ovogenese ebenso ausführlich zu verfolgen, wie die Spermatogenese. Es muß eine ganze Anzahl von Ovoblasten entstehen, welche bei ihrer fortgesetzten Teilung zahlreiche Oogonien bilden. Als solche fasse ich Zellen auf, die mit einem größeren Kern versehen sind, und mit einem langen Fortsatz am Peritoneum befestigt bleiben (Fig. 23 Og). Ihre Verteilung ist eine derartige, daß sie hauptsächlich den ventralen Teil des Cöloms erfüllen und mehr oder weniger symmetrisch um das Bauchgefäß gelagert sind. Sie nehmen zuweilen die ganze Cölom- höhle des siebenten Segmentes ein und sind oft nachzuweisen, wenn schon der Embryo sich zu entwickeln begonnen hat. über eiue neue Cteuodrilusart und ihre Vermehrung. 565 Wie die Ovogenese weiter verläuft, vermag ich nicht zu sagen. Wie das auch sein mag, ich fand neben den Oogonien sehr große Zellen, welche sich als Eier ergaben. Letztere haben eine unregelmäßige, meist ovale oder etwas eckige Gestalt. Ihre Kerne sind oval, sehr groß, bis 14 u lang und 11 // breit, und mit einem deutlichen Chromatinnetz versehen. Außerdem ist immer ein homogener und sich stark färbendei Nucleolus, von etwa 4 u Durchmesser, anwesend (Fig. 25). Das Plasma erscheint fein granuliert. Die Zahl der Eier in einem Individuum ist verschieden; zuweilen beläuft sie sich auf nur 3 — 4, zuweilen bis auf etwa 20. Niemals aber treten sie so massenhaft auf, wie das Monticelli bei Ct. senatus be- schreibt. Individuen, welche einen Embryo enthalten, zeigen daneben ge- wöhnlich auch unbefruchtete Eier (Fig. 60 u. 62 £'Z). Anderseits scheinen Fälle vorzukommen, wo nur eine einzige Eizelle gebildet wird, was wir daraus schließen müssen, daß man zuweilen sehr junge Embryonen in der Körperhöhle findet, an deren Wänden keine Spur von weiteren Eizellen zu sehen ist. Sehr charakteristisch erscheint, daß die Eier, wie erwähnt, in unmittelbarer Nähe des Bauchgefäßes gelagert sind, und zwar so, daß sie dasselbe meist allseitig umfassen (Fig. 26). Form B. Im allgemeinen bietet diese Form fast dieselben anatomischen Verhältnisse, wie die Form A dar. Doch läßt sie sich durch nach- folgende Eigentümlichkeiten sofort von den übrigen Formen unter- scheiden. 1) besitzt sie ein Paar Augen; 2) finden sich an ihren Rumpf Segmenten besondere lange Anhänge, zu zwei auf den meisten Segmenten; 3) trägt jedes Segment auf seinem vorderen Rande einen Kranz langer Wimpern. Ein andrer, weniger mchtiger Unterschied besteht darin, daß die Borsten bei B im allgemeinen kürzer, auch etwas gröber und schwach S-förmig gekrümmt sind. Noch möchte ich hinzufügen, daß die öldrüsenzellen bei B häufiger zu beobachten sind als bei A. Sie haben eine hübsche grüne oder braune Farbe, liegen zerstreut über den ganzen Körper und • bilden reichere Anhäufungen an den Kiemenanhängen, dem Anallappen und am äußersten Ende des Kopflappens. 566 Iwan Sokolow, Wenn ich noch bemerke, daß der Körper der Form B etwas kürzer und schlanker ist als der von A, so sind alle ihre Unterschiede erwähnt, und es bleibt mir im nächsten, um Wiederholimgen zu vermeiden, nur nötig, auf die obengenannten drei Hauptpunkte etwas näher einzugehen. Die Augen, deren Fehlen bei unsrer Form A und bei allen andern Ctenodrilen, wie ich es schon hervorhob, eine feste Regel ist, treten bei der Form B als konstantes Merkmal auf. Sie liegen in Form von ziemlich großen (12 /t), etwas ovalen schwarzen Flecken zu beiden Seiten des Kopflappens, und zwar fast auf demselben Querschnitt mit dem Kopfganglion (Fig. 14 Au). Jedes Auge besteht aus einer Anhäufung von dunkelbraunen oder schwarzen Pigmentkügelchen, die beim Zerdrücken leicht auseinander gehen. Weitere histologische Details blieben mir unklar. Wahrscheinlich stehen die Augen durch besondere Nerven mit dem Cerebralganglion in Verbindung. Hier möchte ich noch erwähnen, daß die beiden Riechgruben auch der Form B zukommen. Wimperkränze. Die Wimpern sind in einen ziemlich breiten Streifen angeordnet, welcher den Vorderrand jedes Körpersegmentes in der Art eines Gürtels umzingelt. Der Gürtel ist eigentlich nicht vollständig, da er am Rücken unterbrochen ist. Die Wimpern sind ziemlich dick und lang (Fig. 50) imd in steter, jedoch nicht sehr rascher Bewegung. Bei einem gesunden Tier sind sie gewöhnlich nach vorn gerichtet, dabei S-förmig gebogen (Fig. 52) und schlagen nach hinten. Bei absterbenden Individuen hört die Be- wegung allmählich auf, und die Wimpern sind erschlafft nach hinten gerichtet (Fig. 49). An Schnitten sieht man, daß die Epithelzellen, welche die Wimpern tragen, stark verändert sind im Vergleich mit den übrigen Hypodermis- zellen. Sie sind viel größer, höher und mit einem entsprechend großen, meist ellipsoiden Kern, in dem man einen Nucleolus sieht, versehen (Fig. 51). Das Chromatinnetz des Kernes bildet wenige, aber große Maschen. Zwischen den basalen Teilen der Wimpern-tragenden Zellen findet man große Vacuolen. Letztere sieht man bei absterbenden Tieren in Form von hellen Bläschen zu beiden Seiten jedes Segmentes (Fig. 49 Vac). Diese Vacuolen erinnern lebhaft an ähnliche Gebilde der Wimper- kränze der TrocJwphora-Laxven (vgl. Hatschek, 78) und sind wahr- scheinlich auch mit einer Nährflüssigkeit erfüllt, die für die Wimpern gewissermaßen einen Energievorrat darstellen. über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 507 Beim Vergleich der Arbeit Haeckers über >> Pelagische Polychäten- larven« (96) fiel mir sofort eine große Ähnlichkeit im histologischen Bau der Kerne der Wiraperzellen von Ct. branchiatus mit solchem der Wimperzellen mancher pelagischen Polychätenlarven aufi. Überhaupt ist eine Ähnlichkeit der Wimperkränze von Ct. bran- chiatus mit denen mancher Annelidenlarven nicht zu verkennen. Wie wir wissen, existiert eine ganze Reihe polytrocher AnneHdenlarven, bei denen die Anordnung der AVimperreife ungefähr dieselbe ist wie in unserm Fall. Anderseits kennt man auch Formen, so Ophryotrocha piierilis (Clp. u. Metschn.), Dinophilus usw., welche dauernd Wimper- reife besitzen. Solche Formen werden von manchen Forschern, u. a. von A. Lang (03) als neotenische angesehen, d. h. als solche, die trotz der Geschlechtsreife in vielen Beziehungen die larvalen Charaktere er- halten haben. Dies alles veranlaßt uns, auch die Wimperreife des Ct. branchiatus als von larvaler Natur anzusehen, zumal sie schon ver- hältnismäßig frühzeitig am Embryo auftreten und außerdem beim Übergang in die Form A rückgebildet werden. Die Kiemen anhänge (Fig. 38 KA) sind besondere lange Gebilde, welche gegen das distale Ende etwas kolbenartig erweitert sind und mit dem dünneren proximalen sich an die Körperwand befestigen. An einem Segment sitzt immer ein Paar. Ihre Anzahl variiert je nach dem Alter des Tieres, indem bei jüngeren Individuen die Anhänge der hinteren Segmente erst in Bildung begriffen sind, bei den älteren, wiederum, allmählich vom Körper ab- zufallen beginnen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen vermehrt sich aber die Zahl der Kiemenanhänge bis auf 15 — 21 Paar. Die Kiemenanhänge sitzen subdorsal zu beiden Seiten jedes Segmentes, vom dritten oder vierten Rumpfsegment angefangen. Dem zweiten Rumpfsegment und den hinteren fehlen sie immer. Die An- heftungsstelle liegt in der hinteren Hälfte der Segmente. Die Größe der Kiemenanhänge ist, je nach der Lage in verschie- denen Segmenten, verschieden. Die größten von ihnen tragen die vordersten Segmente (am längsten ist jedoch nicht das erste Paar, 1 Ich erlaube mir, die Stelle zu zitieren: »Die Kerne dieser Elemente zeigen im großen Ganzen den oben geschilderten Vollkernhabitus, sie sind von beträcht- licher Größe und regelmäßiger kugeliger oder ellipsoidischer Form, der Kernsaft ist schwach tingierbar, der in Einzahl vorhandene Kernkörper ist von runder Gestalt, dunkel färbbar und »vacuolen «-haltig und zeigt so das Aussehen eines Hauptnucleolus «, die chromatische Substanz endlich ist häufig auf einige wenige lange, den Hauptnucleolus einschließende Fadenzüge verteilt (S. 128)«. 568 Iwan Sokolow, sondern das dritte oder vierte). Je weiter nach hinten, desto kürzer werden sie. Ein mittelgroßer Kiemenanhang mißt gewöhnlich nicht ganz 1 mm; doch beobachtete ich einmal einen, der im gestreckten Zustande 1,3 mm lang war (ein Drittel der maximalen Länge eines Ct. branchiatus, Fig. 74), Jeder Anhang ist ein Auswuchs der Körperwand, worüber ich weiter genauer sprechen werde. Seine Oberfläche besteht aus hohen cylindrischen Epithelialzellen, die mit Cuticula bedeckt sind. Die Zellen sind auch an lebenden Tieren deutlich erkennbar und zeigen in Flächenansicht ein Mosaikbild (Fig. 41). Zwischen ihnen sind kleinere Zellen eingeschaltet, nämlich öldrüsenzellen. Unter der Basalmembran sind Längsmuskelfasern gelagert, welche sehr fein sind, wie alle Muskel- fasern des Tieres, und daher nicht immer gut erkennbar. Gewöhnlich beobachtet man sie gut an teils zerquetschten oder halbabgerissenen (Fig. 48 MZ) Kiemenanhängen. Die Anzahl der Längsmuskelfasern ist nicht groß. In einem Fall zählte ich deren vier. An Querschnitten sieht man gewöhnlich nur zwei (Fig. 43 MZ). Diesen Muskeln verdanken die Kiemenanhänge das Vermögen, gewisse Bewegungen auszuführen. Sie können sich nach verschiedenen Seiten biegen (Fig. 40, wobei an der Oberfläche Falten entstehen), sich bis zu einem gewissen Grade zusammenrollen, leicht zucken, sich schwach strecken und verkürzen usw. Während der Bewegungen des Tieres werden sie nach hinten zurückgebogen und legen sich an die Körper- wand, um der Bewegung kein Hindernis zu bieten. Im Innern des Kiemenanhanges findet sich ein Hohlraum (Fig. 43 u. 46 Cöl), dessen Wand mit Zellen belegt ist. Letztere stellen eigent- lich nichts andres dar, als Peritonealzellen, welche in den Kiemenanhang eingewandert sind (Fig. 46 Per). Am distalen Ende jedes Kiemenanhanges, und zwar nur an einer Seite (dorsal?) findet man eine Anhäufung von öldrüsenzellen, welche eine lebhafte grasgrüne, zuweilen auch bräunliche Farbe aufweisen und ziemlich lichtbrechend sind (Fig. 39 ODZ). Hier befinden sich auch Pigmentzellen, welche übrigens auf dem ganzen Kiemenanhang zerstreut sind. An derselben Seite, jedoch weiter basal wärts, befindet sich eine Zone besonderer Gebilde, welche sofort durch ihr starkes Lichtbrechungs- vermögen auffallen. Sie sind in der Zahl von 25 — 40 auf einem ovalen Räume zerstreut. Ihre Gestalt ist verschieden, meist länghch oder birnförmig. Sie stellen besonders modifizierte Drüsen dar, deren äußere Enden, besser gesagt, ihr Secret oft weit nach außen hervorragt über eine neue Ctenodrilusari und ihre Vermehrung. 569 (Fig. 39 KD). Das Innere besteht, an lebenden Tieren untersucht, aus einer Anzahl einzelner Teilchen von unregelmäßiger Form und verschiedener Größe. Auch an Schnitten sieht man die unregelmäßigen und eckigen Umrisse der einzelnen Partikelchen (Fig. 43 KD). Borax- karmin tingiert letztere ziemlich gut, am besten eignet sich dazu jedoch reines Eosin, das die Zwischenräume zwischen den einzelnen Körnchen besonders deutlich färbt (Fig. 44 KD). An der gegenüberliegenden Seite des Kiemenanhanges sind sehr feine Wimpern zu sehen, die aber nur auf den distalen Teil beschränkt sind (Fig. 39 w). Sehr lange war ich im Zweifel, welche Funktion man den Kiemen- anhängen zuschreiben dürfte. Ursprünglich wollte ich ihnen die re- spiratorische Funktion völlig absprechen, da ich an lebenden Tieren niemals Blutgefäße in ihnen fand. Schließlich aber mußte ich mich doch entscheiden, sie als Kiemen zu betrachten. Als ich meine sämt- lichen Präparate sorgfältig durchsah, bemerkte ich an vielen Quer- schnitten durch die Kiemenanhänge zwei, deutlich mit einer Membran abgegrenzte runde Räume, welche nicht anders, als als durchschnittene Kiemengefäße zu deuten sind. Der Raum zwischen den Gefäßen war von Peritonealzellen ausgefüllt (Fig. 45). Da die Blutgefäße bei Ct. branchiatus überhaupt sehr zart sind, ist es nicht wunderzunehmen, daß ich sie nicht sofort gefunden habe. Ihr Fehlen in vielen Kiemen- anhängen ist dadurch zu erklären, daß sie bei der vollkommenen Ab- schnürung der Kiemenanhänge von der Körperhöhle, worauf ich noch zu sprechen komme, wahrscheinlich degenerieren. Somit erweisen sich die Anhänge des Ct. branchiatus als echte Kie- men, die zwei Gefäße, ein zuführendes und ein abführendes besitzen und so an den Bau der Kiemen mancher Anneliden erinnern. Leider konnte ich wegen der Feinheit der Blutgefäße weder ihren ganzen Verlauf in der Kieme, noch ihre Abzweigung von den Hauptblutbahnen verfolgen. Übrigens besteht eine Verbindung mit den letzteren nicht lange, denn mit der Zeit wird die Kommunikation der Höhle der Kiemenanhänge mit dem Cölom vollkommen aufgehoben, indem die Anhänge sich vom Körper abschnüren. Entwicklung der Kiemenanhänge. Wenn man die ganze Reihe der Kiemenanhänge an einem beliebigen Tier verfolgt, so kann man an ihm, wenn man successive, von hinten anfangend, von einem Segment zu dem vorhergehenden schreitet, fast alle Entwicklungs- stadien der Kiemenanhänge beobachten. An einem der hintersten Segmente, gewöhnlich im sechsten, achten bis zehnten von hinten, 570 Iwan Sokolow, bemerkt man hinten und dorsal jederseits eine kleine Wucherung der Körperwand. Im nächstfolgenden findet man an der entsprechenden Stelle schon einen Zapfen; im dritten wird der Zapfen länger usw., bis schließlich schon ■ wahre Anhänge, die fortgesetzt an Länge zu- nehmen, auftreten. Wenn man durch einen solchen Zapfen einen Längs- schnitt legt, so erscheint das Körperepithel an dieser Stelle nach außen ausgestülpt (Fig. 46 Ef). Der Peritonealüberzug folgt ihm und kleidet die so sich bildende Höhle des jungen Anhanges aus. Hierbei werden jedenfalls auch die Kiemenmuskeln und die Kiemengefäße angelegt (was übrigens wegen der Zartheit des Objekts meinen Beobachtungen entgangen ist). Der Umstand, daß die hintere Wand eines jungen Kiemenhananges an einigen meiner Präparate eine unmittelbare Fort- setzung des Dissepiments zu sein schien, d. h. sich mit demselben in einer Querfläche befand, veranlaßt mich anzunehmen, daß die Kiemen- gefäße Abzweigungen der segmental, und zwar in den Dissepimenten gelegenen Gefäßringe sein dürften. Beim weiteren Wachstum des Anhanges wird die Verbindungs- stelle seiner Höhle mit dem Cölom allmählich eingeengt und schließ- lich vollkommen geschlossen. Hierbei werden wahrscheinlich auch die Kiemengefäße vom Hauptblutgefäßsystem abgetrennt. Es ist zu vermuten, daß die Wände der beiden Kiemengefäße nach dieser Tren- nung allmählich resorbiert werden und so ein freier Raum entsteht, weshalb ich zunächst die Kiemennatur der Anhänge verneinen wollte. Der Kiemenanhang ist jetzt nur noch oberflächlich an die Hypo- dermis befestigt. Die Anheftungsstelle ist zunächst eine Vertiefung in der Oberfläche des Segmentes. Diese kleine Vertiefung verschwindet bald, so daß an ihrer Stelle sogar ein kleiner Höcker sich bildet (Fig. 47). Dementsprechend wird die Verbindung des Kiemenanhanges mit dem Körper immer lockerer. Ganz zuletzt reißt das Epithel des Anhanges von dem des Körpers ab, und man sieht, daß nur die wenigen Längs- muskeln noch die Verbindung unterhalten (Fig. 48 MZ). Aber sehr bald reißen auch diese durch, und der Kiemenanhang fällt vom Körper ab. Was mit ihm weiter geschieht, blieb unbekannt. Vergleicht man die Kiemenanhänge des Ct. hranchiatus mit dem Tentakel des Ct. monostylos, so kann man folgende gemeinsame Punkte hervorheben : 1) Beide liegen subdorsal. 2) Beide besitzen eine gewisse Contractilität, die aber dem Ten- takel des Ct. monostylos in höherem Maße zukommt. 3) Beide entstehen als Auswüchse der Körperwand, über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 571 4) Vorkommen von >>gelben und grünen Pigmentflecken << bei Ct, monostyhs, welche doch den Pigment- mid den Oldrüsenzellen des Ct. branchiatus entsprechen. 5) Ähnliche Drüsenzellen mit lichtbrechendem Inhalt, wie wir sie für Ct. branchiatus beschrieben haben, hat wahrscheinlich auch Zep- pelin an dem Tentakel seiner Art beobachtet. Er fand nämlich »in der Haut des Tentakels einzelne, eigentümliche, größere Zellen, welche stärker lichtbrechend sind, als die andern Hypodermiszellen« (S. 628). Über ihre Bedeutung vermochte Zeppelin nichts Bestimmtes zu sagen und »hielt sie ursprünglich für Nervenzellen« (!), hat aber »bei Be- handlung mit Osmiumsäure keine Nervenelemente in denselben ent- decken können.« 6) Die Anwesenheit der Blutgefäße, mit dem Unterschiede, daß wir bei Ct. monostylos nur ein Gefäß, in unserm Fall aber zwei vor- finden. Gegen die »sehr dicke, aus großen Zellen bestehende Wan- dung«, durch welche sich das Tentakelgefäß des Ct. monostylos nach Zeppelin auszeichnen soll, kann ich nur das einwenden, daß die ge- nannten Zellen wahrscheinlich Peritonealzellen sind und sich nur eng um das Gefäß gelagert haben in der Weise, daß sie eine Wand des letzteren leicht vortäuschen könnten. 7) Wenn den Kiemenanhängen des Ct. branchiatus eine Flimmer- rinne auch fehlt, so haben sie anstatt dieser doch ein distales Flimmer- feld, das auch mit »sehr feinen« Wimpern besetzt ist. Somit sehen wir, daß in vielen Beziehungen zwischen den Gebilden beider Art große Ähnlichkeit besteht. Aber die Lage des Tentakels am Kopf Segment, sein spätes Auftreten, und zwar in Ein- oder Zweizahl und noch manche minderwertige Unterschiede (Regenerationsfähigkeit des Tentakels usw.) erlauben die Homologie nicht ohne weiteres durch- zuführen. Auch die physiologische Rolle scheint eine verschiedene zu sein. Während die Kiemenanhänge wohl sicher als respiratorische Organe funktionieren, ist dasselbe beim Tentakel des Ct. monostylos nach Zeppelin »nicht anzunehmen«. Bei der Form B fand ich nie Geschlechtsorgane. Auch glaube ich nicht, daß sie sich zu teilen vermag. Die Teilungserscheinungen be- ginnen bei ihr erst dann, wenn sie schon im Umwandlungsprozeß be- griffen ist. 572 Iwaii Sokolow, Übergangsformen. Wie ich am Anfang bemerkte, fand ich zusammen mit den beiden Formen A und B auch solche Individuen, welche ihrer Organisation nach zwischen A und B gestellt werden müssen. So kamen solche vor, bei denen die Augen und die Wimperreife vollkommen fehlten, also Verhältnisse, welche sie der Form A nähern, bestanden, die Kiemen- anhänge dagegen fast in Vollzahl vorhanden waren. Andre wiederum zeigten außerdem eine mehr oder weniger weit gehende Verminderung der Kiemenanhänge; endlich wurden auch solche beobachtet, die nur einen einzigen rechten oder linken Kiemenanhang an irgend einem Segment, meist am fünften oder sechsten, trugen. Diese Beobachtungen zeigen uns, daß Ct. branchiatus einer Um- wandlung fähig ist. Diese besteht darin, daß die Form B sich in A umgestaltet, was mir durch das Auffinden einer successiven Reihe von Übergangsformen festzustellen gelang. Zunächst verliert B die Wimper- kränze (Fig. 38), dann die Augen und schließlich auch die Kiemen- anhänge. Der Kiemenverlust geht nur allmählich vor sich, indem die vorderen Kiemen, als die stärksten, längere Zeit mit dem Körper in Verbindung bleiben. Inzwischen können diese Übergangsformen einem Autotomieprozeß unterliegen und in kleinere, aus wenigen Segmenten bestehende Indi- viduen zerfallen. Sogar bei letzteren findet man nicht selten noch vereinzelte Kiemenanhänge, welche aber schon sehr lose an dem Körper befestigt sind (Fig. 74). Welche Umstände den Übergang der höher organisierten Form B in die niedriger organisierte Form A bedingen, läßt sich schwer be- stimmt sagen. Jedenfalls haben wir es hier nicht mit einem Einfluß des umgebenden Mediums zu tun, denn beide Formen, A und B, wurden von mir unter gleichen Lebensbedingungen, zu derselben Zeit und in ungefähr gleichem Zahlenverhältnis gefunden. Meiner Ansicht nach muß die eben besprochene Verwandlimg irgend eine Beziehung zu der auftretenden Sexualität haben und erinnert somit an solche Erschei- nungen, welche unter dem Namen der Epitokie bekannt sind. Darauf kommen wir noch weiter zu sprechen. Parasiten. Mehr als die Hälfte unsrer Ctenodrilen war mit einer monocystiden Gregarine infiziert. Schon an lebenden Exemplaren sind diese Gregarinen in Form ovaler flacher Gebilde, die in der Mitte mit einem hellen runden Fleck versehen sind, zu beobachten. Sie über eine neue Ctenodrihisarl und ilup \'e]uiehrung. 573 zeichnen sich durch ihre Größe aus (bis über 50 // Länge und 20 fi Breite) und sind mit einem großen Kern und einem Nucleolus ver- sehen. Sie finden sich in den Zellen des Darmepithels, sind also intra- celluläre Parasiten. Da sie die Größe der Darmzellen weit übertreffen, so sind die letzteren stark aufgebläht; ihr Protoplasma umgibt nur in Form eines dünnen Saumes die Gregarine, und der abgeflachte Kern ist ganz an die Oberfläche gedrängt. In einem Ctenodrüus kann man bis 20 und mehr Parasiten finden. Embryonale Entwicklung. Die geschlechtliche Vermehrung der Ctenodi'ilen ist, wie wir wissen, den Beobachtungen früherer Forscher gänzlich entgangen. Nur Monti- CELLi gab 1907 in seiner vorläufigen Mitteilung eine kurze Beschreibung der Entwicklung von Ct. serratus. Die Hauptresultate seiner Beob- achtungen lassen sich folgendermaßen resümieren. Zu einer bestimmten Jahreszeit (Sommer, August) verwandelt sich Ct. serratus in eine geschlechtliche Form und bekommt Wimpern (ob dieselben den ganzen Körper, und zwar gleichmäßig, bedecken, oder in Zonen angeordnet sind, davon spricht der Autor nichts). Die Art ist proterandrisch-hermaphrodi tisch. Die Befruchtung erfolgt in der Leibeshöhle, wo die Eier sich rasch entwickeln und zu Larven werden, welche eine charakteristische Bildungs weise der Gastrula, eine eigen- artige Form und ein Wimperkleid haben sollen. Näheres wird nicht darüber berichtet. Die Larven verwandeln sich rasch in junge (giovanis- simi) Ctenodrilen, die ebenfalls mit Wimpern versehen sind. Nachdem sie sich gänzlich entwickelt und Borsten bekommen haben, fangen sie an, einzeln aus einer bestimmten, aber dennoch variierenden Stelle des Körpers auszuschlüpfen, indem sie die Leibeswand durchbrechen, wobei letztere rasch durchreißt. Die jungen Larven verlieren sehr bald ihr Wimperkleid und nehmen die charakteristische Gestalt und Farbe der ungeschlechtlichen Form an. Nachdem sie erwachsen sind, teilen sie sich durch Autotomie. Es glückte mir im Oktober 1909 die geschlechtliche Vermehrung der neuen Ctenodrüus- Alt zu entdecken und manche interessante Ent- wicklungsmomente zu beobachten. Leider blieben meine embryologischen Beobachtungen sehr lückenhaft, da ich Neapel verlassen mußte, ehe ich genügend embryologisches Material sammeln konnte. Von mehreren hundert Exemplaren, die ich untersuchte, enthielten nur etwa 50 Em- bryonen. Die größte Zahl der Embryonen war schon in der Entwick- lung weit vorgeschritten und besaß daher geringeres Interesse. Über 574 Iwan Sokolow, die ersten Anfänge der Entwicklung blieb ich gänzlich im unklaren. Trotzdem will ich die Ergebnisse meiner Untersuchungen auseinander- setzen, weil sie, wie ich glaube, ein gewisses Interesse bieten. Blastula und die drei Embryonalschichten. Mesodermanlage. Über die Befruchtung und die ersten Furchungserscheinungen vermag ich gar nichts zu berichten, da mir das entsprechende Material leider vollkommen fehlte. Das früheste Entwicklungsstadiura, das ich fand, war eine höchst eigentümliche Blastula, wenn ich sie überhaupt so nennen darf, bei der aber schon manche Differenzierungen eingetreten waren. Diese Bla- stula war verhältnismäßig dünnwandig und von ungefähr ovoider Form (Länge 78, Breite 63 fx). Im Innern befand sich ein geräumiges Blastocöl. Mit demjenigen Ende, an dem später der Blastopor liegt und das zum Vorderende des Tieres wird, war die Blastula an die Go- nade, d. h. an jenes Häufchen von Eizellen befestigt, welches, wie wir bereits wissen, um das ventrale Blutgefäß des siebenten Rumpfseg- mentes gelegen ist (Fig. 53). Die Befestigung geschah derart, daß die Zellschicht, welche die Wand der Blastula bildete, keine vollständige Blase darstellte, sondern an der Befestigungsstelle unterbrochen war. Hier bestand also, sozusagen, eine Öffnung in der Blastula, mit der sie jedoch fest an den Eizellenkomplex geheftet war. Die Zellen, welche die Blastulawand bildeten, waren alle von gleicher Beschaffen- heit und bildeten eine Art Plattenepithel, welches das Ectoderm re- präsentierte. Die Entodermzellen waren nur spärlich entwickelt, und zwar nur an einer bestimmten Stelle am Rand der Blastulaöffnung, indem sie mit den Eizellen scheinbar in Verbindung standen. Diese Entodermzellen (Ent), welche viel größer als die Ectodermzellen und außerdem stark vacuolisiert waren, kann man auf der Fig. 54 sehen, welche einen mehr tangentialen Längsschnitt durch die Blastula dar- stellt (man stelle sich vor, daß er über dem Längsschnitt, der auf Fig. 53 abgebildet ist, gelegen ist). Da die Entodermzellen bei allen Embryonen, auch auf weit vorgeschrittenen Stadien, immer mit Vacuolen versehen waren, möchte ich annehmen, daß letztere einen ernährenden Stoff enthalten, der für den Aufbau des Embryos verwendet wird. Was an dem in Rede stehenden Blastulastadium besonders auf- fällt, ist die sehr frühe Mesodermanlage. Es sind aller Wahrschein- lichkeit nach zwei Urmesodermzellen, welche das gesamte Mesoderm liefern, wie es ja so häufig vorkommt. Die Mesodermanlage zeigt sich hier schon in Form zweier ziemlich entwickelter Streifen, die doch über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 575 wohl nur aus zwei Urmesodermzellen entstanden sein können (Fig. 53 u. 54:Mes). Das sonderbare Vorkommen der Mesodermstreifen auf einem so frühen Stadium schien mir lange Zeit im Widerspruch mit dessen Auffassung als Blastula. Aber die überall einschichtige Wand, die große innere Höhle und die noch sehr geringe Entfaltung der Ento- dermzellen, wobei von einer eigentlichen Gastrulation noch gar keine Rede sein kann, veranlassen mich, dieses Stadium doch als eine, wenn auch sehr eigentümliche Blastula zu deuten. Wegen der Mesoderm- streifen besitzt der Embryo schon auf dieser Entwicklungsstufe eine bilaterale Symmetrie. Man kann auch die rechte und linke Seite unter- scheiden, weil die Entodermzellen nur an einer Stelle, am Rande der Blastulaöffnung, und zwar dorsal in der Sagittalebene angesammelt sind. Die Verbindung des jungen Embryos mit der Gonade und mittels dieser auch mit dem Blutgefäßsystem hat wahrscheinlich den Sinn, daß dem sich entwickelnden Embryo dadurch Nahrungsstoffe geliefert werden. Ob wir es hier aber mit einer eigentlichen Placentarbildung zu tun haben, läßt sich nicht bestimmt sagen, da ich nur wenige solche Fälle untersuchen konnte. Jedenfalls ist eine derartige Verbindung des Embryo mit den Eizellen, soweit es mir bekannt ist, ein einzig dastehender Fall bei den Würmern. Eine große Bedeutung für die Ernährung der Embryonen scheint aber diese Erscheinung nicht zu haben, weil die Verbindung schon auf den jüngsten Stadien aufhören kann. Außerdem findet man neben den eben beschriebenen Fällen auch solche, wo die Embryonen sich frei in der Leibeshöhle, d. h. ohne jegliche Kommunikation mit den Eizellen entwickeln. Fig. 55 stellt eine solch freie Blastula dar. Sie war auch ovoid, bestand aus geringerer Zahl von Zellen und hatte folgende Größen- verhältnisse: Länge 67, Breite 37 f.i. Die Größe blieb hier geringer als im vorhergehenden Falle, obgleich fast gleich weit vorgeschrittene Stadien vorlagen. Den größeren Teil der Blastulawand bildeten auch hier etwas abgeplattete Ectodermzellen. Das Vorderende, mit dem die früher beschriebene Blastula an die Gonade befestigt ist, wird von wenigen, aber sehr großen und stark vacuolarisierten Entodermzellen gebildet. Die beiden Mesodermstreifen sind an der Rückenseite gegen- einander gerückt ; in der Fig. 55 Mes ist das Mesoderm längs durch- schnitten. Diese Blastula hatte gleichfalls eine bilateral-symmetrische Form, wobei die gewölbte Rücken- und die flache Bauchseite deutlich zu unterscheiden waren. Die verschiedenen Größenverhältnisse zweier offenbar gleich 576 Iwan Sokolow, alter Stadien lassen sich wahrscheinlicli dadurch erklären, daß im ersten Falle der Embryo, dank seiner » Placenta «, mehr Nahrvmgsstoff e bekommen hat, als der frei entwickelte. Außerdem muß ich schon jetzt hervorheben, daß bei der Entwicklung des Ct. hranchiatus die Größenverhältnisse der Embryonen und auch die Aufeinanderfolge einzelner Entwicklungsmomente recht erheblichen Schwankungen unter- liegen, was wir in der Folge noch öfters finden werden. Man erhält den Eindruck, daß die Tiere noch keine fest bestimmte Entwicklungs- bahn erlangt haben. Vielleicht findet dieser Umstand in der ver- einfachten Organisation der Ctenodrilen seine Erklärung. Weshalb finden wir aber die analogen Stadien in einem Falle frei, im andern befestigt? Wahrscheinlich hängt dies mit der Menge der Eizellen in der Gonade zusammen. Wie wir sahen, stehen die Eizellen miteinander in inniger Verbindung. Wenn sich nun ein befruchtetes Ei zu teilen beginnt, bleibt diese Verbindung mit seinen unbefruchteten Nachbarn eine mehr oder weniger lange Zeit bestehen. Wenn aber in der Gonade nur ein einziges Ei enthalten ist, so findet es bei seiner weiteren Entwicklung kein Substrat, woran es haften kann, und muß sich frei in der Leibeshöhle entwickeln. Damit stimmen auch meine Beobach- tungen überein. Bei Tieren, deren jüngste Embryonen frei in der Leibeshöhle lagen, fand ich keine Andeutungen von Eizellen mehr. Außerdem waren, wie gesagt, die betreffenden Embryonen viel kleiner. Gastrulation. Schließung des Blastoporus. Der nächste Entwicklungsschritt, über den ich mehr oder weniger Klarheit gewonnen habe, ist die Gastrulation. Da sie bei den freien Embryonen einfacher verläuft, werde ich mit diesen beginnen. Die wenigen großen und stark vacuolisierten Entodermzellen, die am Vorderende der Blastula liegen, beginnen sich stark zu vermehren. Lidem ihre Zahl zunimmt, dringt der ganze Zellkomplex in das Blasto- cöl ein (Fig. 57). Die innersten Zellen lösen sich oft ab und gelangen bis zum hinteren Ende des Blastocöls. Es liegt auf der Hand, daß wir es hier mit einem typischen Immigrationsprozeß zu tim haben. Die Vermehrung der Zellen geht so weit, bis das ganze Blastocöl ausgefüllt ist. Jetzt schließt sich der Blastoporus. Als solchen muß man ja die Stelle des Embryos deuten, wo die Entodermzellen noch entblößt sind. Die Ectodermzellen, welche diese Stelle von allen Seiten umgeben, wachsen gegeneinander (Fig. 57) und überdecken schließlich die Ento- dermzellen vollkommen. Wenn der Embryo in Verbindung mit der Gonade steht, verläuft über eine neue Ctenodrilusart und ilu'c Vernichrung. 577 der Prozeß etwas anders. Hier ersetzt der Eizellenkomplex sozusagen die Anhäufung der Entodermzellen am oralen Pole. Demnach ist die Blastula nicht geschlossen, sondern sitzt mit ihrer Öffnung den Eizellen auf. Diese Öffnung muß bei der Gastrulation morphologisch dem Blastoporus entsprechen. Die Entodermzellen, welche ursprünglich nur an einer Stelle, am Rande der Öffnung lagen und so unmittelbar in Berührung mit den Eizellen standen, vermehren sich auch hier rege und erfüllen, wie im vorhergehenden Fall, das ganze Blastocöl. Die so entstandene Immi- grationsgastrula besitzt noch eine breite Öffnung (Blastoporus) am vorderen Ende, mit der sie noch einige Zeit an die Eizellen befestigt bleibt. Das Entoderm steht somit auch mit den letzteren in Zusammen- hang (Fig. 62 x). Auf Fig. 62 habe ich einen Querschnitt durch zwei solcher Embryonen, die sich im gleichen Gastrulastadium befanden und die eben geschilderten Verhältnisse klar zeigen, abgebildet. Hierauf wachsen die Ränder des weiten Blastoporus gegeneinander, wobei sich der Embryo von der Gonade loslöst. Der Zeitpunkt der Ablösung scheint großen Schwankungen zu unterliegen. Ich möchte hier lairz bei einem Fall verweilen, wo ich noch eine Verbindung mit der Gonade bei einem Embryo fand, der schon eine gut entwickelte Darmhöhle, ein segmentiertes Cölom und Augenpigment gebildet hat. Fig. 60 zeigt einen Sagittalschnitt durch den vorderen Teil eines solchen Embryos. Man kann deutlich sehen, wie die Ectodermzellen in un- mittelbarem Zusammenhang mit den Eizellen stehen; diese Verbindung jedoch findet sich hier nur oben {Ect.o); der untere Rand der ur- sprünglichen Blastulaöffnung (Ect.u) ist schon abgelöst. Letzterer Rand wächst jetzt dem oberen entgegen, und der Embryo verändert dabei die Richtung seiner Längsachse im Körper der Mutter. Bei BIP ist noch eine Öffnung vorhanden. Sie muß trotz des sehr alten Sta- diums dem Blastoporus (! ) homologisiert werden. - Nach der Blastoporschließung hat der Embryo im allgemeinen eine längliche Gestalt und besteht aus einer äußeren Wand, dem Ecto- derm und einer inneren Zellmasse, dem Entoderm, in der keine Spur von Höhle wahrzunehmen ist; zwischen beiden liegt das Mesoderm in Form von zwei Streifen, die in der Dorsallinie zusammenhängen. Ein Querschnitt durch ein solches Stadium ist auf der Fig. 59 abgebildet. Weitere Differenzierung bis zur Bildung des Cöloms. Eine weitere Differenzierung zeigt sich zunächst darin, daß bei dem zuletzt geschilderten Stadium das Ectoderm am vorderen Ende Zeitschrift f. wiasensch. Zoologie. XCVII. Bd. 38 57$ Iwan Sokolow, mehrschichtig wird, wodurch die sogenannte Scheitelplatte entsteht. Im tieferen Teil der letzteren tritt bald das erste Anzeichen des Cerebral- ganglions in Form eines halbmondförmigen Fleckes auf, der noch ganz im Ectoderm liegt und schon aus einer »fibrillären Punktsubstanz« (Galvagni) besteht. An der Bauchfläche verdickt sich das Ectoderm gleichfalls und wird mehrschichtig (Bauchplatte). Die Bauchgangiien, welche auf dieselbe Weise entstehen, werden erst viel später angelegt. Da das Cerebralganglion und die Bauchnerv enkette unabhängig von- einander entstehen, treten sie erst später durch die beiden Schlund- commissuren miteinander in Verbindung. Mit der Anlage des Cerebralganglions tritt auch die Augenbildung auf. Man kann schon auf sehr jungen Entwicklungsstadien zu beiden Seiten des Vorderendes kleine Anhäufungen von dunkelbraunen bis schwarzen Pigmentkörnchen wahrnehmen. Ungefähr um die Zeit der Cölombildung, meist aber noch vor der- selben, beginnt das Ectoderm an der ventralen Seite des Vorderendes sich einzustülpen. Auf diese Weise wird der Vorderdarm mit der Mundöffnung angelegt. Die Einstülpung erhebt sich zunächst gegen die Dorsalseite, folglich unter rechtem Winkel zur Längsachse des Körpers (Fig. 63 M). Zuweilen kann die Vorderdarmbildung sehr spät auftreten. Auf Fig. 60 ist das Vorderende eines Embryos abgebildet, der noch keine Spur der Einstülpung besitzt, obgleich der Mitteldarm und das Cölom in ihrer Entwicklung weit fortgeschritten sind. Inzwischen wachsen die beiden Mesodermstreifen auch ventral gegeneinander, so daß sie schließlich auch ventral verwachsen. So entsteht eine ununterbrochene Mesodermschicht zwischen Ecto- und Entoderm. Im Zwischenraum zwischen der Vorderdarmeinstülpung und der Scheitelplatte bildet das Mesoderm einen dorsalen Auswuchs, der für den Kopf bestimmt ist und den Peritonealüberzug der Kopflappen- höhle erzeugt. Anfangs muß dieser Auswuchs die Gestalt einer ein- schichtigen Platte haben, welche nachher zweischichtig wird, wie wir es auf Fig. 63 KMes sehen können. Ventral und hinter der Vorderdarmeinsenkung bemerkt man eine Mesodermverdickung (Fig. 63 Schk), die bald näher zur Mittel- achse des Körpers rückt und sich dem Vorderdarm hinten in Form von einer Platte anlegt. Dies ist die Anlage des Schluudkopfes (Fig. 65 Schk). über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 579 Noch vor der Bildung des Cöloms sondert sich im vorderen Rücken- teil des Embryos vom Mesoderm ein besonderer Zellkomplex ab. Diese Zellen sieht man deutlich auf Fig. 63 HzK. Sie liegen dem Entoderm dicht an und bleiben auch später mit ihm, wenngleich nur mit ihrem hinteren Teil, in Berührung. Dagegen trennen sie sich vom Mesoderm vollständig ab. Dieser Zellkomplex ist nichts andres als der Anfang des Herzkörpers. Dies Gebilde ist sogar schon auf den Stadien histo- logisch zu unterscheiden, wo es sich vom Mesoderm noch nicht ab- gelöst hat. Seine Zellen besitzen nämlich größere Kerne, und ihre Grenzen treten sehr deutlich hervor. Auch im Entoderm treten gewisse Veränderungen auf. Seine Zellen sind ursprünglich ohne eine bestimmte Ordnung als eine kompakte Masse zusammengefügt. Mit der Zeit fangen sie an, sich in ein ein- schichtiges Epithelium, sozusagen, um die Längsachse des Körpers zu ordnen. Dabei wird wahrscheinlich eine große Zahl der Entoderm- zellen resorbiert. Erst viel später entsteht in dieser massiven Zellmasse ein Spaltraum, die zukünftige Darmhöhle. Auch diese Differenzierung kann zu recht verschiedener Zeit auftreten: manchmal schon ziemlich früh (Fig. 60), manchmal verhältnismäßig spät, wie aus der Fig. 66 zu ersehen ist. Die Spaltung, welche die Bildung der Darmhöhle be- wirkt, beginnt nicht vom vorderen Ende des Embryos, sondern beginnt zuerst etwa in der Mitte des Entoderms und schreitet von hier zunächst gegen den Vorderdarm und viel später nach hinten bis zum Enddarm fort. Bildung des Cöloms. Wenn ich die einzelnen Phasen der Entwicklung schildere, so soll das nicht etwa bedeuten, daß der Entwicklungsprozeß streng in der Aufeinanderfolge verlaufe, wie ich sie darstelle. Wie ich schon mehr- mals hervorhob, finden wir auf jeden Schritt und Tritt zahlreiche zeitliche Abweichungen im Auftreten und der Aufeinanderfolge ver- schiedener Differenzierungen. Ebenso steht es mit der Cölombildung. Wenn wir einerseits auf dem Stadium, welches die Fig. 63 darstellt, noch keine Andeutungen der Leibeshöhlenbildung finden können, sehen wir anderseits bei dem Embryo der Fig. 58, dessen Blastoporus nicht einmal geschlossen ist, schon eine weit fortgeschrittene Cöloment- wicklung. Die Cölombildung wird zunächst dadurch eingeleitet, daß das Mesoderm, welches in der Art einer einschichtigen Zelllage das Ento- derm vöUig umfaßte, zweischichtig wird. Die äußere Schicht stellt 38* 580 Iwan Sokolow, die zukünftige Somatopleura, die innere die Splanchnopleura dar. Beide weichen im Verlauf der Entwicklung auseinander zur Bildung der Cölomhöhle. Die Cölomausbildung geht segmental vor sich, d. h. es bildet sich keine gemeinsame Höhle, sondern in jedem Segment tritt gesondert eine paarige, rechte und linke Cölomhöhle auf, die durch die Längsmesenterien von Anfang an voneinander getrennt sind. Die aufeinander folgenden Cölomabschnitte werden durch Dissepimente geschieden (Fig. 58). Die Entwicklung der einzelnen Somite erfolgt nicht gleichzeitig. Zuerst bilden sich die mittleren aus, und zwar diejenigen, welche weiter vorn liegen. Von da aus schreitet die Cölomausbildung nach vorn und nach hinten fort. Das Cöloni des Kopflappens entsteht folgendermaßen. Wir sahen schon oben, daß sich zwischen das Stomodäum und die Scheitelplatte eine Mesodermplatte eingeschoben hat. Sie ist ein dorsaler Auswuchs des vorderen Somitenpaares. Ob diese Mesodermplatte selbst paarig ist, konnte ich nicht entscheiden. Auf Fig. 63 ist ein Längsschnitt durch sie abgebildet, der zeigt, daß die Platte sich schon gespalten hat, ebenso wie die Körpersomite. Durch Auseinanderweichen der beiden Wände entsteht die Höhle des Kopflappens, die also mit einem echten Peritoneum ausgekleidet und folglich ein Cölomanteil ist. Unsre Beobachtung steht im Einklang mit den Resultaten, zu denen Ed. Meyer (Ol) nach seinen Untersuchungen über die Anneliden gekommen ist. Bei ihm heißt es also: »Bei den Anneliden besitzt der Kopf läppen keine eignen Mesodermsegmente, sondern erhält seine peri- toneale Auskleidung durch Ausdehnung der Wandungen des ersten postoralen, also Rumpfsomitenpaares nach vorn<< (S. 522). Das Problem, wie eigentlich der Kopf von Ctenodrilus aufgebaut ist, besitzt großes Interesse. Galvagni hält (S. 67) es für wahrschein- lich, »daß bei Ctenodrilus das erste nach hinten abgegrenzte Segment als Peristomium oder Mundsegment zu bezeichnen ist, d. h. dem Meta- stomium nebst erstem Rumpf segment entspricht« (im Sinne Hat- scHEKs). Ich kann diese Meinung nur bestätigen. Meiner Ansicht nach spricht für diese Annahme zunächst die Lage des ersten Bauch- ganglienpaares vor dem ersten definitiven, den Kopf abgrenzenden Dissepiment. Dieses erste Gangiienpaar entwickelt sich aus einer ein- heitlichen Anlage mit den andern Bauchganghen und gehört somit dem ersten Rumpfsegment an (vgl. S. 20 ff). Anderseits fand ich an meinem allerdings sehr spärlichen embryologischen Material auf ge- wissen Entwicklungsstadien ein Dissepiment im Kopf, welches viel- über eiue neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 581 leicht gerade die Grenze zwischen dem eigentlichen, aus Pro- und Metastomium bestehenden und mit einem Cerebralganglion versehenen Kopfsegment und dem ersten Rumpfsegment andeutet. Diese Ver- hältnisse werden deutlicher bei der Betrachtung der Fig. 64, 65 u. 66 (KDs). Fig. 65 ist ein Sagittalschnitt durch einen Embryo, der sich gekrümmt hat, und zwar so, daß hier die Insertionsstelle des Ento- derms an den sich bildenden Vorderdarm nicht getroffen ist. Um so deutlicher aber treten die Dissepimente hervor. Dsi ist das defini- tive Dissepiment zwischen Kopf und Rumpf; KDs dagegen das eben erwähnte Kopf dissepiment. Man muß bei der Beurteilung dennoch sehr vorsichtig sein, denn neben dem erwähnten Dissepiment fand ich bei Embryonen noch gewisse Mesodermzüge im Kopfcölom, welche eigentlich die .Vnlage der Kopflappenmuskelzüge sind, sich aber histologisch sehr wenig vom Bau der dünnen Dissepimente unter- schieden (vgl. Fig. Q6MZ; ein breiterer Zug bei y stellt vielleicht die Anlage der Kopf gef äße vor?). Bei der weiteren Entwicklung ver- schwindet das Dissepiment KDs im Kopfe gänzlich. Das erste, hinter dem ersten Bauchgangiienpaar gelegene Disse- piment (Dsi) bleibt sowohl bei Embryonen, als auch bei erwachsenen Individuen dauernd erhalten und ist im Vergleich mit dem von Ct. serratus und farvulus kein halbes, sondern ein ganzes. Es durchzieht gewöhnlich den Körper nicht ganz quer, sondern verläuft in seinem dorsalen Teile etwas schräg nach hinten. Ich hebe hervor, daß in dem Embryo noch vor dem Durchbruch des Afters, der allerdings spät auftritt, alle 20 — 25 Segmente, oder auch mehr, schon angelegt sind. Wie wir sehen werden, ist diese Tat- sache wichtig für die richtige Deutung des sogenannten Enddarmes. Weitere Differenzierung nach der Bildung des Cöloms. Schon auf den jüngeren Entwicklungsstadien fanden wir, daß das Ectoderm, außer am Kopf, auch an der Ventralfläche des Embryos mehrschichtig wurde (Bauchplatte). Jetzt beobachtet man, daß unter der Anheftungsstelle jedes Dissepiments und etwas vor denselben sich die Bauchganglien allmählich differenzieren. Indem sie durch Com- missuren verbunden werden, bilden sie die Bauchnervenkette. Vorn tritt letztere durch die Schlundcommissuren mit dem Cerebralganglion in Verbindung. Der Kopflappen wächst unterdessen ziemhch stark nach vom und bekommt allmählich sein definitives Aussehen. Das Cerebral- ganglion verliert seine ursprüngliche, an die Verhältnisse der andern 582 Iwan öokolow, Ctenodrilus- Arten erinnernde, vollkommen (basi)epitheliale Lage und senkt sich in die Kopflappenhöhle. Die Augen, die schon viel früher angedeutet waren, erscheinen nun als zwei schwarze Flecken zu beiden Seiten des Kopfes (Fig. 64 Au). Die ursprünglich im Körperinnern nur angedeutete Segmentierung (Fig. 69) wird jetzt auch äußerlich kenntlich: 1) bekommt der Körper ringförmige Einschnürungen, welche genau den Anheftungsstellen der Dissepimente entsprechen; 2) beginnt die Bildung der Kiemenanhänge, welche auf die, bereits auf S. 570 geschilderte Weise vor sich geht; 3) erscheinen am Vorderrande der ventralen Hälfte jedes Segmentes quere Streifen ursprünglich zarter Wimpern, die jedoch allmählich länger und dicker werden. Natürlich erleidet das Epithelium, welches sie trägt, die entsprechende Umdifferenzierung (Fig. 66 WR). Nicht alle Segmente erlangen gleichzeitig dieselbe Ausbildung. Ungefähr im fünften bis achten Segment verläuft der Entwicklungs- prozeß am raschesten und verzögert sich in der Richtung nach vorn bzw. nach hinten um so mehr, je weiter das betreffende Segment von dieser Stelle entfernt ist. Deswegen befinden sich auch bei erwachsenen Tieren die längsten Kiemenanhänge, wie wir es schon wissen, nicht an den vordersten Segmenten, sondern etwas weiter nach hinten. In bezug auf die Wimperreife möchte ich noch hinzufügen, daß es dieselben Wimperreife sind, welche wir bei der Form B antrafen. Die Larven von Ct. serratus sollen nach Monticelli ein Wimperkleid be- sitzen. Ob dabei die Wimpern in Gürtel angeordnet erscheinen, wissen wir nicht. Jedenfalls besteht aber ein Unterschied darin, daß die jüng- sten Individuen (giovanissimi) von Ct. serratus ziemlich schnell nach dem Verlassen der Leibeshöhle ihre Cilien verlieren und in eine wimper- lose ungeschlechtliche Form übergehen, bei Ct. branchiatus dagegen gerade die ungeschlechtliche Form B mit Wimpern versehen bleibt. Die ectodermale Einsenkung am Kopfende, der Anfang des Vorder- darmes, wächst ziemlich stark in die Länge, indem sie fast unter einem rechten Winkel eine Biegung nach hinten macht. Jetzt kann man an der Anlage zwei Abschnitte unterscheiden : einen vertikalen Schenkel, von der äußeren Öffnung bis zur Umbiegung, und einen horizontalen, von da bis zur Insertion an den Mitteldarm (Fig. 66). Da der weiter wachsende horizontale Abschnitt Raum brauchte, wurde der Mittel- darm um ein Paar Segmente nach hinten geschoben und hat bei dieser Gelegenheit vielleicht seine ersten Windungen erhalten. Aus dem horizontalen Schenkel entsteht der Oesophagus, dessen Epithel bald zu wimpern anfängt. über eine neue Ctenodiiiusart und ihre Vermehrung. 583 Der vertikale Abschnitt bildet den ganzen Mvmdapparat. Auf Fig. 66 sehen wir bei z eine tiefe Einsenkung. Der Teil des Ectoderms, welcher ventral von derselben liegt, wird zum Epithel des Schlund- kopfes. Aus der dorsalen Hälfte entstehen die beiden Falten : die untere und die obere, welch letztere durch die besondere Anordnung der Kerne bei OF schon angedeutet ist. Zu derselben Zeit nähert sich der Aushöhlungsprozeß im Entoderm, d. h. die Bildung der Darmhöhle, in der Richtung nach vorn seinem Ende, so daß schließlich eine volle Kommunikation zwischen dem Oesophagus und dem Mitteldarm eintritt. (Auf Fig. 66 ist diese Ver- bindung noch nicht erfolgt.) Der Schlundkopf differenziert sich aus einem Teile derjenigen Mesodermverdickung, die wir hinter der Vorderdarmeinstülpung finden. Auf Fig. 66 erscheint diese Mesodermverdickung schon oval, ist aber noch recht klein und ein Komplex von gleichartigen Zellen. Ihre Differenzierung tritt viel später ein {Sclik). Nicht alle Zellen der er- wähnten Mesodermverdickung beteiligen sich am Aufbau des Schlund- kopfes, vielmehr dient ein großer Teil von ihnen zur Bildung des Muskelapparates des Schlundkopfes (Fig. 66 SchM). Der Zellenhaufen, welcher schon auf sehr jungen Stadien die An- lage des Herzkörpers bildete, sondert sich vom Mesoderm ab und senkt sich in das Körperinnere (Fig. 66 HzK). Hinten steht der Herz- körper, auch bei erwachsenen Ctenodrilen, mit dem Mitteldarm in Berührung. Die Cölomtaschen, welche sich ungefähr gleichzeitig ent- wickeln, umwachsen den Herzkörper von beiden Seiten derart, daß sie um ihn einen freien Raum offen lassen. Letzterer stellt das Rücken- gefäß, oder präziser gesagt, dessen Dorsalast vor (Fig. 66 RVD). Die histologische Beschaffenheit der Herzkörperzellen hat sich gar nicht geändert, und die Deutlichkeit der Zellgrenzen blieb erhalten. Erst gegen das Ende der ganzen Entwicklung muß der Herzkörper seine definitive Beschaffenheit bekommen. Die scharlachroten oder grünen Körncheneinschlüsse treten erst bei der erwachsenen Form B auf. Als das Wichtigste erscheint, daß es gelungen ist, die Entstehung des Herzkörpers aus dem Mesoderm bestimmt nachzuweisen. Dies ist insofern von Interesse, als bis jetzt sehr verschiedene Ansichten hier- über geäußert wurden, ohne immer das Richtige zu treffen. Ich werde nicht näher auf die geäußerten Meinungen eingehen, will aber erwähnen, daß direkte Beweise für die Herzkörperbildung bis jetzt so gut wie gänzlich fehlten. Es gelang eigentlich nur Picton (98) (abgesehen von einer älteren Angabe von Salensky [83]), den mesodermalen 584 Iwan Sokolow, Ursprung des Herzkörpers zu beobachten. Picton schreibt darüber folgendes: "From the first it shows signs of pigmentation. Even in the hving state a cavity can be recognized in it, whilst sections show that part at least of this cavity opens directly into the coelom on the ventral side of ' the heart just anterior to its origin. In other words, the heart-body is an in-pushing of the heartwall. It shows no connection whatsoever with the hypoblast. Later the open con- nection with the coelom appears to be narrowed, and finally obliterated" (S. 293; beobachtet an Polymnia nebulosa). Wie man sieht, unterscheidet sich hier der Vorgang von unserm Fall darin, daß der massive Herzkörper von Ct. branchiatus sich zu- nächst vom Mesoderm abtrennt und erst dann von den Cölomtaschen, die um ihn das Rückengefäß bilden, umwachsen wird. Bei Polymnia nebulosa aber tritt sekundär eine Einstülpung der Gefäßwand ein. Wie das auch sein mag, beide Fälle haben das gemeinsam, daß sie die mesodermale Natur des Herzkörpers feststellen. Die Ansichten Horsts (85) und Beddards (95), welche den Herz- körper als einen Divertikel des Darmes entstehen lassen, sind unhaltbar, denn der Herzkörper steht mit dem Mitteldarm nur in Berührung, hat aber genetisch mit ihm gar nichts zu tun. Die Entstehung des Blutgefäßsystems war schwer zu verfolgen. Nach der Blastoporschließung war im Embryo keine Spur von einer primären Leibeshöhle nachzuweisen: das Mesoderm legte sich eng an das Entoderm an. Erst, nachdem die Cölomhöhle entstanden ist, kann man auch von der Bildung der Blutgefäße reden. Die beiden Cölomtaschen eines Segmentes stehen dorsal und ventral von dem Darm miteinander in Berührung. Nun fangen sie an, allmählich aus- einander zu weichen, indem z^vischen ihnen freie Räume auftreten. Da sich derselbe Prozeß in allen Segmenten abspielt, kommen schließlich in der Längsrichtung des Körpers zwei langgestreckte Räume zustande, der eine dorsal, der andre ventral vom Darm, das Rücken- und das Bauchgefäß (Fig. 61 FF und Fig. 66 VV, RVD). Der breite Darm- sinus, der übrigens nicht immer vorkommt, entsteht dadurch, daß die Splanchnopleura sich von dem Darm abhebt und so ein freier Raum um das Darmentoderm sich bildet. Die Nephridien werden verhältnismäßig spät angelegt. Im zweiten Rumpfsegment sieht man anfangs an der ventralen Wand der Somatopleura zwei Knötchen, die aus wenigen Zellen bestehen. Zunächst läßt sich in diesem Komplex kein Lumen nachweisen über eine neue Cteuüdrilusart und ihre Vermehrung. 585 (Fig. 70 a). Nur erst bei fast vollkommen erwachsenen Individuen bildet sich im Innern ein feiner Kanal (Fig. 70&, NfK). Die Borstenfollikel entstehen durch Einsenkung des Ectoderms an vier Stellen jedes Segmentes. Es bilden sich tiefe Taschen mit eng aneinander stoßenden parallelen Wandungen, aus deren Grunde die Borsten hervorwachsen. Was die Muskeln, welche die Borsten- follikel bewegen, angeht, so bilden sie sich aus besonderen Peritoneal- zellen. Einzelne solche Zellen treten etwas hervor, gruppieren sich um das sich bildende Borstensäckchen und erfahren eine Umbildung. Ihr Körper wird spindelförmig und zieht sich hierauf nach beiden Kich- tungen in die Länge aus; es entstehen so vollkommene Muskelfasern, die sich an den Borstenfollikel befestigen. Der Kern bleibt ungefähr in der Mitte auf je einem. Muskelzuge außen liegen. Bildung des Enddarmes. Wir sind nun bei einem Entwicklungsstadiuni angelangt, auf dem alle Organe angelegt sind und ihr definitives Aussehen mehr oder weniger angenommen haben. Doch fehlt der Enddarm mit der Analöffnung noch völlig. In Fig. 71 habe ich das Hinterende eines älteren Embryos abgebildet. Man sieht, wie nahe das Entoderm dem Ectoderm liegt ; sie stehen aber noch in keiner Verbindung. Im Ectoderm hat sich schon, etwas dorsal, eine schwache Einsenkung gebildet, das erste Anzeichen des Enddarmes ; die Einsenkung gibt schon ziemlich genau die Lage des zukünftigen Anus an. Auf Fig. 67 sieht man, daß eine Kommunikation zwischen dem End- und dem Mitteldarm schon besteht. Der Enddarm liegt hier in dem letzten und in der hinteren Hälfte des vorletzten Segmentes. Da zu dieser Zeit schon fast die volle Segmentenzahl vorhanden ist, so muß man annehmen, daß beim weiteren Wachstum des Tieres der eigent- liche ectodermale Enddarm nur in die allerletzten Segmente zu liegen kommt. Genau anzugeben, wo bei einem erwachsenen Tier die Grenze zwischen End- und Mitteldarm verläuft, ist wegen der ziemlich gleich- artigen histologischen Beschaffenheit ihrer Zellen unmöglich. Die Bildung des Enddarmes kann in einigen Fällen auch früher eintreten, aber in den meisten von mir beobachteten Fällen bildete sich der Enddarm in der Regel sehr spät aus. Nach der Bildung des Enddarmes ist der Entwicklungsprozeß vollendet und der Embryo bereit, die Mutter zu verlassen. 586 Iwan Sokolow, Entsprechend der Lagerung der Gonaden im siebenten Rumpf- segment, findet man auch die Embryonen in demselben. Sehr selten liegen sie im sechsten oder im achten Segment. Diese Regel gilt aber nur für die jungen Embryonen, die noch verhältnismäßig klein sind. Mit zunehmender Körperlänge finden sie zuwenig Platz in ihrem ursprünglichen Brutraum. Sie durchbrechen daher das dahinterliegende Dissepiment, was übrigens bei der Zartheit der letzteren nicht schwer fällt. Jetzt nimmt der Embryo zwei Segmente ein. Beim weiteren Wachstum wiederholt sich dasselbe an dem nächstfolgenden Disse- piment, wodurch der Brutraum weiter vergrößert wird; zuweilen kann er noch weiter vordringen. Auf diese Weise durchzieht ein Embryo vor dem Ausschlüpfen mehrere Segmente, gewöhnlich drei oder vier, oder noch mehr. Das Muttertier ist in solchen Fällen an der entsprechenden Stelle merklich angeschwollen. Im Innern sieht man, daß der Embryo den Magendarm bis zu einem gewissen Grade zusammenpreßt. Was die Anzahl der Embryonen in einem trächtigen Tier betrifft, so findet man in der Regel nur einen einzigen. In drei oder vier Fällen beobachtete ich zwei (Fig. 62), niemals aber mehr. Einmal fand ich einen Embryo, der zwei Segmente durchzog und an der Stelle des Disse- pimentes, von demselben in der Mitte stark eingeschnürt, erschien. Es ist nicht unmöglich, daß die Embryonen sich schon zuweilen in der Mutter teilen können. Bei Ct. senatus bildet sich nach Monticelli eine große Zahl von Larven, welche den Mutterkörper gänzlich erfüllen und ihn später einzeln verlassen. Die Orientierung der Jungen in der Leibeshöhle der Mutter ist die, daß sie mit ihrem Kopfende meist nach dem der Mutter schauen. Oft aber liegen sie auch gerade umgekehrt. Das ist nicht erstaunlich, da die älteren Embryonen sich im Brutraum rege bewegen, sich um- drehen und hin und her wandern können. Ausschlüpfen. Da die Ctenodrilen keine Geschlechtsöffnung besitzen, so bleibt den Jungen nur die Möglichkeit durch Zerreißen der Körperwand der Mutter auszutreten. Die so entstehende ventrale Öffnung liegt an dem vorderen oder hinteren — je nach der Orien- tierung des Embryos — Ende des Brutraumes, und zwar unmittelbar hinter bzw. vor dem entsprechenden Dissepiment. Die zarte Körperwand der Mutter gibt dem starken Druck des großen Embryos nach, es entsteht ein Riß, durch den zunächst das Kopfende, dann der ganze Körper in kurzer Zeit herausbefördert wird über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 587 (Fig. 77). Die Kiemenanhänge, welche zu dieser Zeit schon recht groß sind, legen sich an den Körper, um beim Herausschlüpfen kein Hindernis zu bieten. Die Öffnung zieht sich nachher wieder zusammen. Einmal fand ich einen Ct. branchiatus, bei dem der riesige Embryo, welcher 32 (!) Segmente und über 20 Paar Kiemen hatte, also eine gut entwickelte Form B vorstellte, zwei Öffnungen durchbrochen hatte und aus der einen sein Vorder- aus der andern sein Hinterende heraus- streckte; der dazwischen liegende Teil des Mutterkörpers war drei Segmente lang (Fig. 78). Das Alter, in welchem die Embryonen den Mutterschoß verlassen, scheint nicht fest bestimmt zu sein. Wenn wir einerseits einen so hoch entwickelten Ct. branchiatus, wie das eben angeführte Beispiel zeigte, herausschlüpfen sahen, so fand ich anderseits auch schon freilebend ziemlich wenig ausgebildete Individuen, bei denen sogar die Kiemen- anhänge nur schwach entwckelt waren (Fig. 68). Es ist wahrschein- lich, daß auch verschiedene äußere Umstände, wie z. B. mechanische Reize, ein zarter Druck u. a. m., dazu beitragen, um die frühzeitige Geburt hervorzurufen. Über das Schicksal der Mutter vermag ich nichts zu sagen. Wahr- scheinlich geht sie unter Degeneration zugrunde. Es scheint aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß bei dem intensiven Autotomie- vermögen aller Ctenodrilen, die unversehrt gebliebenen Mutterteile sich abtrennen und zu neuen Individuen regenerieren. Teilungsvorgänge. Da die Untersuchung der Teilungsvorgänge nicht das Hauptziel meiner Arbeit war, so achtete ich weniger auf das Sammeln entspre- chenden Materials. Dies ist insofern zu bedauern, als sich bei ge- nauerer Untersuchung herausstellte, daß die Teilungsvorgänge bei unsrer neuen Species verschieden von denen der übrigen verlaufen. Ich kann aber nicht umhin, das Wenige, was mir zu beobachten ge- lungen ist, hier mitzuteilen. v Wie wir uns erinnern, treten nach v. Kennel bei Ct. serratus in jedem Segment — die drei (nach unsrer Auffassung vier) vordersten ausgeschlossen — Knospungszonen auf. Jede Knospungszone wird durch eine Teilungsebene so zerlegt, daß vor der letzteren die Anlage des Hinterendes des da vorliegenden, hinter ihr eine solche des Vorder- endes des dahinterliegenden Sprößlings zu liegen kommt. Wenn die Neubildung schon ziemlich weit fortgeschritten ist, zerfällt die ganze Kette in einzelne segmentgroße (in Wirklichkeit bestehen sie aus Teilen 588 Iwan 8okoluw, zweier Segmente) Stücke, die nachher zu ganzen Individuen regene- rieren. Bei Ct. monostylos teilt sich der Körper ungefähr in der Mitte in zwei Stücke, welche erst nach der Trennvmg die entsprechenden Enden regenerieren. Ct. hranchiatus nimmt nun in bezug auf seine Teilungsvorgänge gewissermaßen eine mittlere Stellung zwischen den beiden genannten Arten ein. Bei Individuen der typischen Form Ä oder solchen, bei denen nur wenige Kiemenanhänge nachgeblieben (die Augen und Wimperkränze dagegen gänzlich verschwunden) sind, machen sich zunächst am Körper mehrere Einschnürungen kenntlich. Sie teilen den Wurm in mehrere Abschnitte, welche gewöhnlich aus ungleichen Zahlen von Segmenten bestehen (vgl. Fig. 75). Die geringste Segmentenzahl im vorderen, also mit dem Kopfe versehenen Abschnitt scheint 6 (oder 7) zu sein (Fig. 76) ; in den mittleren beträgt sie drei bis sechs (Fig. 74) ; auf den hinteren Abschnitt kommen mehr Segmente (5 — 13), da dieselben noch zu jung, also nicht immer teilungsfähig sind. Die Teilungsebene, in welcher je eine Einschnürung erfolgt, fällt nicht mit der Ebene der Dissepimente zusammen, sondern liegt unmittel- bar hinter derselben (Fig. 79). Dasselbe gilt auch für die andern Cteno- drilen. Noch vor der gänzlichen Abschnürung einzelner Zooide bemerkt man zu beiden Seiten der Teilungsebene eine starke Vermehrung der Epidermis- und der Peritonealzellen. An Totalpräparaten sind diese Stellen, welche ja später das Vorderende mit allen seinen Organen, sowie das Hinterende entstehen lassen, dadurch kenntHch, daß sie sich viel intensiver färben (Fig. 74). Der ganze Vorgang erinnert an den bei Ct. monostylos, wo man auch »noch während des Zusammenhanges beider Tiere an der Stelle, wo die Teilung erfolgen wird, eine Zellwucherung << bemerkt, v. Kennel spricht ebenfalls von einer starken Vermehrung der Epidermis- und der Mesodermelemente in der Knospungszone. Nun können sich die entstehenden Sprößlinge schon ohne weitere Differenzierung trennen und dann die fehlenden Teile regenerieren, wie es auch gewöhnlich geschieht (Fig. 74 u. 76). Eine Modifikation besteht aber darin, daß bei manchen Ct. hranchiatus, noch während sie im Zusammenhange mit der ganzen Kette stehen, die Anlage des Vorderdarmes beginnt. Letzteres wird dadurch eingeleitet, daß an dem Segmente, welches unmittelbar auf die Teilungsebene folgt, sich über eine neue Cltenorlrilusaii und ihre Vermolnung. 589 eine Wucheruiij;' der Epidermiszellen nach außen, und zwar an seiner ventralen Seite, kenntlich macht. Bald nachher beginnen die Epi- dermiszellen an der Spitze des so entstandenen Höckers ungefähr unter einem rechten Winkel zur Körperlängsachse sich nach innen einzustülpen (Fig. 79 VDM). So entsteht der Vorderdarm, der erst viel später mit dem Mitteldarm in Verbindung tritt. Gleichzeitig mit der Einstülpung des Vorderdarmes schreitet auch die Vermehrung der Peritonealzellen fort, die insgesamt die Beschaffen- heit der undifferenzierten Mesodermzellen erhalten. Aus ihnen entsteht der Schlundkopf und andre Organe, aber erst nach der Trennung der einzelnen Sprößlinge. Wenn die Neubildung so weit vorgerückt ist, fallen die einzelnen Sprößlinge auseinander. Der Zerfall der ganzen Kette findet meist nicht gleichzeitig statt, denn die Einschnürungen sind nicht überall gleich weit fortgeschritten. Daher findet man oft mehrere Sprößlinge verschieden kombiniert zusammen, z. B. zwei vordere, oder zwei bis drei hintere, oder mittlere (Fig. 73) usw. Zuletzt trennen sich auch diese voneinander. Man vergleiche hierzu die Teilungsprozesse mit denen von Ct. monostylos. Hier kann ein Tier auch in mehrere Teil- stücke zerfallen; nur geschieht das aber allmählich nacheinander. Zunächst teilt sich ein Ct. monostijlos in der Regel in zwei Teile, und erst dann besinnen die beiden Hälften weitere Teilstücke abzuschnüren. Letztere können sogar aus einem einzigen Segment bestehen, welches schließlich zu einem ganzen Tiere regeneriert. Bei Ct. hranchiatus um- fassen nach meinen Beobachtungen die kleinsten Teilstücke nicht weniger als drei Segmente. Die weiteren Regenerationsprozesse gelang es mir nicht zu ver- folgen. Es sei hier nur auf einige Verhältnisse und zugleich Unterschiede im Vergleich mit Ct. serratus, bei dem ja allein die Organbildung einiger- maßen verfolgt wurde, hingewiesen. Der Vorderdarm bildet sich, wie oben beschrieben, durch Einstül- pung der Epidermis an der ventralen Wand, d. h. es wiederholt sich hier derselbe Vorgang wie bei der Ontogenese. Ganz anders verhält sich dagegen Ct. serratus. Bei ihm entsteht hinter ieder Teilungsebene zwar auch eine Vorwölbung der Epidermis, aber nur auf der dorsalen Seite; daher ist sie nicht derjenigen von Ct. hranchiatus homolog. Sie entspricht dem Teil, aus welchem später der Kopflappen wird. Der Schlund dagegen bildet sich ganz anders, indem er sich »paarig jeder- seits<< anlegt. Diese verschiedene Bildung des Vorderdarmes bei zwei ziemlich nahe verwandten Arten muß als ein wichtiger Unterschied 590 Iwan SokolüW, hervorgehoben werden. Mit der Stelle, welche ihrer Lage nach un- gefähr der Vorderdarmeinstülpung des Ct. branchiatus entspricht, hängen die knospenden Zooide des Ct. serratus zusammen. Vielleicht ist serade dieser Umstand die Ursache, daß der Vorderdarm sich hier paarig anlegen muß. Der Schlundkopf mit seinem Muskelapparat bildet sich ebenso wie bei der Ontogenese, aus denjenigen Peritonealzellen, welche hinter der Vorderdarmeinstülpung sich so reichlich vermehrten (Fig. 79 Sch.K). Das Cerebralganglion tritt vorn und dorsal in der Epidermis auf. Ob es aus einer paarigen Anlage entsteht, wie es v. Kennel für Ct. serratus behauptet, konnte ich nicht entscheiden. Der Enddarm entsteht als eine kurze Einstülpung der Epidermis am hinteren Ende des abgelösten Zooids (Fig. 72 EdD). Wie die übrigen Organe bei der Teilung angelegt werden, konnte ich nicht verfolgen. Besonders bedauere ich dies in betreff des Herz- körpers, über dessen Bildung auch v. Kennel nichts Sicheres mitzu- teilen vermochte 1. Es wäre von großem Interesse, noch eine Frage, nämlich wie die weitere Segmentbildung der jungen Individuen vor sich geht, zu ent- scheiden, aber auch hier reichte mein Material nicht aus, um darüber etwas Genaueres zu sagen. Wie gering unsre Beobachtungen auch sein mögen, so lassen sie doch schließen, daß die Regeneration einzelner Organe der knospenden Tiere im großen und ganzen nach demselben Plan erfolgt, wie ihre Entstehung bei der Ontogenese. Ich möchte zum Schluß noch darauf aufmerksam machen, daß die Teilungserscheinungen des Ct. hrmichiatus der Theorie der Konstanz der Keimblätter in keiner Weise widersprechen. Wie wir sahen, besteht das vordere Zooid immer aus mindestens fünf bis sechs Segmenten. Dies hat den Sinn, daß bei der Teilung dieses vordere Zooid immer ein, wenn auch ganz kleines Stück Magen- darm erhält, welches nachher bei der Regeneration des ganzen Mittel- darmes das entodermale Material liefert. Was die andern Teilstücke betrifft, so bekommen auch sie (auch 1 Die Organe, welche durch die Teil'ungsebene, sozusagen zerschnitten werden, l)ilden sich nachher durch weiteres Wachstum aus. v. Kennel sagt darüber: »Offenbar zeigen alle diejenigen Organe, die bei der später erfolgenden Teilung zerreißen müssen, von Anfang an keine Vermehrung ihrer Elemente, sondern eine Dehnung der vorhandenen, während dias Material für das neu zu bildende in voller Vermehrung begriffen ist« (S. 40 5). über eine neue Ctenndrilusart und ihre Vcnnohning. 591 das letzte, weil es aus zahlreichen Segmenten besteht) alle drei Keini- schichten. Nicht so instruktiv dagegen ist der Fall bei Ct. serratus, wo v. Ken- NEL behauptet, daß »das hinterste und selbst das vorletzte Zooid sich zu vollständigen Individuen ausbilden, ohne eigentliches echtes Ento- derm zu besitzen«. Ich stelle mir aber die Sache anders vor. Wenn wir uns an die embryonale Entwicklmig des Ct. branchiatus erinnern, so entsteht bei ihm der Enddarm als eine kurze Einstülpung des Ecto- derms, die nachher mit dem Mitteldarm in Verbindung tritt. Da aber diese Vereinigung verhältnismäßig spät geschieht, wo schon ungefähr die volle Segmentenanzahl beim Embryo sich angelegt hat, so ist anzunehmen, daß der Enddarm beim weiteren Wachstum des Tieres nicht weiter in den Körper vordringt. Genau anzugeben, wo beim erwachsenen Tier die Grenze zwischen den Enddarm- und den Mittel- darmzellen liegt, ist wegen der nahezu gleichen histologischen Struktur ihrer Zellen nicht möglich. Ich meine, daß auch bei Ct. serratus als eigentlicher, d. h. ecto- dermaler Enddarm, nur ein kurzes Endstück des Verdauungskanals zu deuten ist. Denn erstens, denke ich, wird es erlaubt sein, einen Analogieschluß aus der Entwicklung des Enddarmes des Ct. bran- chiatus zu ziehen, zweitens finden wir selbst bei v. Kennel gewisse Andeutungen hiervon. Wenn er einerseits »beim Übergang des Darmes in den Enddarm eine ziemlich starke Knickung des ersteren« beschreibt (S. 376), sagt er an einer andern Stelle: »während die braunen Zellen des Darmes sich gegen die farblosen des Schlundes scharf absetzen, ist eine derartige Grenze nach dem Enddarm zu nicht zu konstatieren, hier verlieren die Zellen allmählich ihre braunen Körnchen und gehen in die hellen über, und je nach der Größe des Tieres erstrecken sie sich mehr oder weniger weit in den Enddarm hinein, bzw. entwickeln sie sich aus letzteren« (S. 383). Der Umstand, daß solche Zellen mit braunen Körnchen, die ja sicher eine Beziehung zur Verdauung haben und die doch ein speci- fisches Merkmal des Mitteldarmes sind, von v. Kennel in dem »End- darm« gefunden wurden, spricht meiner Ansicht nach dafür, daß ein großer Teil dieses sogenannten »Enddarmes« entodermalen Ursprunges sein dürfte. Wenn dies aber der Fall ist, so stellen sich auch die Kegenerations- erscheinungen bei Ct. serratus nicht als so kompliziert heraus, wie es V. Kennel zu erklären versucht hat. Denn wenn nur der kurze End- teil des Darmtractus den ectodermalen Enddarm bildet, so wird wohl 592 Iwan Sokolow. bei der Teilung" auch das hinterste Zooid einen Teil des Mitteldarmes erhalten, und die Annahme einer Umwandlung des Enddarm- in das Mitteldarmepithel fiele dann gänzlich fort. Systematisches. Am Ende unsrer Untersuchung wäre es von Interesse, die bis jetzt noch ziemlich schwankende systematische Stellung der Ctenodriliden näher zu begründen. Über diese Frage werden sehr verschiedene Ansichten geäußert. Kennel und Zeppelin stellten die Ctenodrihden als Kollektivtypus an den Ausgang der Oligochäten und Polychäten. Andre, wie Monti- celli, reihten sie den Archianneliden, andre den Oligochäten (Cla- parede [63], Vaillant [90], Vejdovsky [84]) und schließlich auch den Polychäten (Caullery u. Mesnil [97, 98] und Galvagni) an. Ich werde hier nur auf die wichtigsten Punkte näher eingehen. Wenn die Ctenodrilen im ganzen in ihrer Organisation nicht viel Gemeinsames mit den Archianneliden — abgesehen von dem ganz in der Epidermis liegenden Nervensystem und andern wenigen Über- einstimmungen — haben, so ist doch die Ähnlichkeit der Wimper- ringe des Ct. hranchiatus mit solchen der Archianneliden sehr auffallend. Da man aber derartige Wimperreife auch bei Dinophüus und bei der von Clap AREDE Und Metschnikoff 1869 entdeckten Polychätenart Ophryotrocha puerilis vorfindet, so ist ims ihre Bedeutung nicht ohne weiteres einleuchtend. Anderseits findet man gewisse Anhaltspunkte, welche die Cteno- drilen in nähere Beziehung zu den Oligochäten zu bringen scheinen. Dafür zeugen z. B. : die Art und Weise der Befestigung der Borsten- follikel durch Muskelbänder an die Körperwand, das Vorkommen des Herzkörpers u. e. a., besonders aber die Teilungserscheinungen (vgl. mit den Teilungsvorgängen bei Nais [M. Schultze, Leuckart, Per- rier u. a.], bei Chaetogaster [M. de Bock, 98] und andern Oligochäten. Ich will hier nicht näher auf diese Erscheinungen eingehen). Es sind wenige Fälle bekannt, wo Oligochäten mit zahlreichen Körperanhängen gefunden wurden, wie z. B. Alma nilotica (Grube, 55), Chaetobranchus (Bourne, 90) und Branchiura Sowerbyi (Beddard, 92). Diese Körperanhänge erwiesen sich in allen Fällen als echte Kiemen, da sie mit Blutgefäßen versorgt waren. Wenn man sie aber mit den Kiemen des Ct. hranchiatus vergleicht, so erweisen sich, trotz manchen Übereinstimmungen, doch wichtige Unterschiede, die eine Homologi- sierung der in Rede stehenden Organe nicht ermöglichen. Wenn man über eine neue Ctenodriliisart und ihre Vermehrung. 093 von der schlecht beschriebenen Alma nilotica absieht, sind die Kiemen von Branchiura Sou-erhyi, obgleich zu zwei in jedem Segment, dorsal und ventral in der Körpermittellinie angebracht; bei Chaetobranchus findet man wiederum Borsten, die, von dorsalen Bündeln stammend, gänzlich in den Kiemenanhängen gelegen sind. Der komplizierte Bau der Geschlechtsorgane der Oligochäten steht auch nicht mit den einfachen Gonaden des Ct. hranchiatus im Ein- klang. Diese und noch zahlreiche andre, hier nicht weiter zu erwähnende, Unterschiede machen uns klar, daß von einer Anreihung der Cteno- driliden an die Oligochäten nicht die Rede sein kann. Es bleibt uns noch eine Möglichkeit, nämlich, die Verwandtschafts- verhältnisse der Ctenodriliden mit den Polychäten zu diskutieren. Und wir werden sehen, daß die Parallele in diesem Falle sich viel leichter ziehen läßt, wie in beiden vorhergehenden. Ich habe zunächst die Arbeit von Caullery und Mesnil (98) im Auge, wo eine ganze Reihe von Punkten angeführt wird, welche die Ctenodriliden mit den Cirra- tuliden und speziell mit dem Vertreter dieser Polychätenfamilie, Dode- caceria concharum haben. Wenn man einigen von ihnen auch keine allzu große Bedeutung zuschreiben kann, wie u. a. der Gestalt der Borsten, die doch überhaupt, auch bei nahe verwandten Formen, sehr variabel ist (verschiedene Ctenodrilus- Alten zeugen ja selbst dafür) und daher nicht als fester Vergieichspmikt dienen kann, so hat man gegen die andern durchaus nichts einzuwenden. Ich werde kurz die- jenigen Punkte aufzählen, auf welche die genannten Forscher hin- gewiesen haben. 1) Das Prostomium besitzt hier wie dort keine Anhänge und ist mit Riechgruben versehen. 2) Dem ersten metastomialen Segment fehlen in beiden Fällen die Borsten. 3) Der Bau des Blutgefäßsystems ist, sogar in seinen Einzelheiten, fast vollkommen derselbe: «L'intestin est sauf dans la region oeso- phagienne, entoure par un sinus sanguin qui, anterieurement, se continue avec le vaisseau dorsal. Celui-ci est contractile. II est assez sinueux, II renferme un corps cardiaque, forme par une bände cellulaire massive, dans laquelle s'accumule graduellement un pigment concretionne, inso- luble dans les reactifs ordinaires. Un vaisseau ventral court tout le long du Corps dans l'epaisseur du mesentere. Dans chaque segment des branches du vaisseau dorsal ou du sinus sanguin vont se ramifier ä la peau — bei Ct. hranchiatus verzweigen sie sich nicht — puis Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 39 594 Iwan Sokolow, reviennent au vaisseau ventral. Les branchies regoivent du sang du vaisseau dorsal. — (Das ist bei Ct. branchiatus noch nicht aufgeklärt.) — EUes renferment un vaisseau afferent et un efferent, relies par des anses transverses; les palpes renferment un vaisseau aveugle» (S. 69). 4) Das Nervensystem zeigt sehr viele Analogien. 5) Die Lage und der Bau des vorderen Paares der Excretions- organe ist bei den beiden Formen vollkommen derselbe. Wenn die Annahme der erwähnten Forscher, daß vielleicht bei der geschlecht- lichen Form von Ctenodrilus sich in mittleren und hinteren Segmenten des Körpers noch Nephridien finden werden, sich auch nicht bestätigt hat, so kann man sich doch das Fehlen der entsprechenden Segmental- organe bei Ctenodrilus als eine vollkommene Reduktion aller Segmental- organe der Dodecaceria mit Ausnahme des ersten Paares erklären. Wahrscheinlich hat gerade die Viviparität, bei der die Rolle der Seg- mentalorgane, als Leitungswege für die Geschlechtsprodukte, wie es bei Cirratuliden die Regel ist, bei der Geburt von so riesigen Jungen keinen Sinn mehr hatte, das vollkommene Schwinden der Segmental - Organe verursacht. 6) Caullery und Mesnil fanden eine vollkommene Homologie des Tentakels von Ct. monostylos mit den Palpen der Dodecaceria: <>. Er erscheint sehr spät (wie die Palpen der Dodecaceria) ; außer- dem tritt zuweilen noch ein andrer, symmetrisch gelegener, d. h. paariger Tentakel auf. Meine Beobachtungen, nun, an Ct. branchiatus haben nicht nur die Ansicht Caullery und Mesnils vollständig bestätigt, sondern auch noch einige wichtige Tatsachen, welche für eine noch nähere Verwandtschaft der Ctenodriliden mit den Cirratuliden sprechen, er- geben. An erster Stelle möchte ich der Kiemenanhänge des Ct. branchiatus gedenken, die ja natürlich homolog den Kiemen der Cirratuliden sind (vaisseau afferent, vaisseau efferent). Wenn Caullery und Mesnil noch Bedenken trugen, die Ctenodriliden an die Familie der Cirratu- liden ohne weiteres anzureihen, indem sie sagten: <> Ct.hran- rliiatus erweist sich somit als ein typisches Mitglied dieser Familie, denn er macht sogar während seiner Ontogenese die «reduction de l'appareil branchial» durch. Caullery und Mesnil haben bei Dodecaceria concharum einen stark ausgeprägten Polymorphismus gefunden und drei Formen be- schrieben, von denen die eine sedentär und atok, die andre freilebend und epitok, die dritte sedentär und auch epitok war. Außerdem führen sie in ihrer Arbeit eine ganze Reihe von Beispielen der Epitokie bei den Polychäten an. Meiner Ansicht nach könnte diese Reihe noch insofern verlängert werden, als man ihr noch den Fall bei Ct. hranchiatus und serratus hinzufügen könnte. Ehlers (68), welcher zuerst den Begriff der »Epitokie« eingeführt hat, verstand darunter eine besondere Erscheinung bei manchen Tier- formen, speziell bei den Polychäten, welche darin besteht, daß die Organismen zu der Zeit der Geschlechtsreife eine gewisse Veränderung in ihrer Gestalt und ihrem Bau erleiden. Er bezeichnete nun »diejenige Form, welche die . . . Veränderungen trägt, als 'epitoke Form' (l/r/roxog — der Geburt nahe) . . . , die nicht umgestaltete dagegen als 'atoke Form' {aroyiog — unfruchtbar)«. Demnach muß Ct. hran- chiatus einen neuen Fall der Epitokie darstellen. Die Form B, bei der niemals Geschlechtsorgane aufgefunden wurden, muß nun als die atoke bezeichnet werden. Wenn sie sich aber der geschlechtlichen Periode nähert, erleidet sie gewisse Umgestaltungen, wie den Verlust der Wimperringe, der Augen und der Kiemenanhänge und verwandelt sich in die epitoke Form A. Eine Epitokie dürfte es auch bei Ct. serratus geben, denn Monti- CELLi (07) beschreibt Formen mit Wimperbekleidung und solche ohne Wimpern. Bei den ersteren waren immer entweder Gonaden oder auch Larven im Körper vorhanden, bei letzteren aber nie. Jene könnte man wohl als epitoke, diese als atoke Formen bezeichnen. Die letzte Ähnlichkeit besteht darin, daß die Cirratuliden ebenso wie die Ctenodriliden vivipar sind. Diesem Umstände, da er eine so seltene Erscheinung bei den Anneliden vorstellt, ist ein besonderes Gewicht beizulegen. Auch hier wenden wir uns zu den beiden fran- zösischen Forschern. Nachdem sie die wenigen Fälle der Viviparität bei den Polychäten aufgezählt haben, schreiben sie: «des lors, il est interessant de noter que le petit nombre des cas connus sont repartis 39* 596 Iwan Sokolow, . dans des familles, oü se presente l'epitoquie ou la schizogenese ; nous sommes portes ä croire d'ailleurs, que chez les Syllidiens et les Cirratu- liens en particulier, si l'attention des zoologistes se porte de ce cote, on trouvera ime certaine generalite a la viviparite >>. Diese Vermutung hat sich mit dem Auffinden der Viviparität bei Ct. hranchiatus und Ct. serratus, bestätigt. Zugleich ist die Erscheinung der Viviparität bei den Ctenodrilen, gerade dank ihrer Seltenheit, einer der besten Beweise für ihre nahe Verwandtschaft mit den Cirratuliden, unge- achtet dessen, daß die Entwicklung in beiden Fällen nicht ganz gleich verläuft!. Unser ganzer Vergleich der Ctenodriliden mit den Cirratuliden hat nun ergeben, daß diese Formen in vielen Beziehungen einander sehr nahe stehen. Daraus läßt sich nur ein logischer Schluß in betreff der systematischen Stellung der Ctenodrilen ziehen, daß sie nämlich nichts andres, als regressiv umgestaltete Repräsentanten der Familie der Cirratuliden darstellen. Es erübrigt nur noch die Stellung des Ct. hranchiatus innerhalb der Gruppe der Ctenodriliden selbst zu ermitteln. Wie wir wissen, hat MoNTiCELLi 1893 die drei (vier) bis jetzt beobachteten Ctenodrilus- Arten in zwei Gruppen gesondert: a. Am Kopfsegment ein Tentakel, Borsten von zweierlei Art und in Gruppen zusammengestellt, nicht gekämmt. Gen. Zeppelinia Vaillant {= Monostylos Vejd.). 1. Z . monostylos (= Ct. moyiostylos Zepp. = Monostylos tenta- culifer Vejd.). (2. Z. dentata Mont.) b. Ohne Tentakel, nur Borsten von einer Art. Gen. Ctevwdrilus Clap. {= Parthenope O.Schm.). 3. Ct. serratus 0. Schm. 4. Ct. parvulus Scharff . Als einen wichtigen Unterschied zwischen beiden Gruppen müßte man noch die verschiedene Art und Weise der Teilung bei Zeppelinia und Ctenodrilus hinzufügen, was übrigens schon von Caullery und Mesnil hervorgehoben wurde. Zu welcher der beiden Gruppen muß nun unsre neue Art gestellt werden? Vielleicht muß man für sie eine neue Gattung aufstellen? 1 Bei Dodecaceria concharum ist die Larve von einer zarten Hülle umgeben, hat viel Ähnlichkeit mit der typischen Trochophora und verläßt die Mutter in einem noch jungen Stadium, über eine neue Ctenudi-ilusart und ihre Vermehrung. 597 Wenn wir zunächst auf ihre Organisation näher eingehen, so finden wir, daß sie mehr ÄhnUchkeit mit ZeppeUnia, als mit Ctenodrilus aufweist. Erstens erinnert ihre äußere Form mehr an die schlanke Gestalt von ZeppeUnia als an den gröberen Körperbau von Ctenodrilus, imd ihre Größenverhältnisse stimmen mehr oder weniger überein. (Die maximale Länge von Ct. hranchiatus ist 4 mm, von ZeppeUnia in der Regel auch 3 — 4 mm, bei Ct. serratus beträgt sie aber 6 — 7, mitunter sogar 8 — 9 mm.) Sodann steht Ct. hranchiatus in bezug auf die Borstenform der ZeppeUna viel näher. Obgleich die Borsten der letzteren von zweierlei Art sind, so sind sie doch im ganzen einfach, lang und nicht gezähnelt, also wie bei unsrer Form. Ein noch wichtigerer Anhaltspunkt besteht darin, daß die Seg- mentzahl bei Ct. hranchiatus fast dieselbe wie bei ZeppeUna ist. Dort besteht der Körper aus rund 25 — 30 Segmenten, hier aus 20 — 25. Interessant ist noch, zu notieren, daß das Maximum der Segment- zahl, das ich beobachtete, 36 betrug und auch Zeppelin an größten Exemplaren seiner Art fast ebensoviel, nämlich 35, zählen konnte. Dagegen besitzt Ct. serratus nur 12 — 14 Segmente. Schließlich will ich noch von den Teilungsprozessen sprechen. Obgleich die Teilungsvorgänge des Ct. hranchiatus, wie aus dem früher Gesagten zu ersehen ist, eine mittlere Stellung zwischen denen des Ctenodrilus und denen der ZeppeUnia einnehmen, stehen sie doch in manchen Beziehungen denen der letzteren näher. Bei Ct. serratus regeneriert zunächst jedes Segment das vordere und hintere Ende des Sprößlings, und erst hierauf tritt der Zerfall der Kette in einzelne In- dividuen ein. Bei ZeppeUnia und Ct. hranchiatus werden die neuen Individuen meist von mehreren mütterhchen Segmenten gebildet. Ferner beginnt die Neubildung des vorderen und des hinteren Endes bei ZeppeUnia stets, bei Ct. hranchiatus meist nach der Lostrennung der Sprößlinge. (Man muß natürlich mit Verallgemeinerungen sehr vorsichtig sein, da meine Beobachtungen sich nur auf ein sehr spärliches Material stützen.) Nach dem Gesagten glaube ich, daß die beschriebene neue Form in näherer Beziehung zu der Gattung ZeppeUnia steht, als zu Cteno- drilus und daher richtiger als ZeppeUnia hranchiata zu bezeichnen ist. Ob es angezeigt wäre für sie ein neues Genus wegen ihres Besitzes von Kiemen, Augen und der Wimperreifen in einer gewissen Lebens- periode zu errichten, lasse ich einstweilen unentscheiden, da wir ja 598 Iwan Sokolow, die Entwicklung der Z, monostylos und, wie ich wohl sagen darf, auch der beiden Otenodrilus- Avten gar nicht kennen. Vielleicht macht Z. monostylos während ihres Lebenscyclus auch ein kiementragendes Stadium B durch. Wenn man aber nur die Form A berücksichtigt, so erscheint es sicher, daß sie sich eigentlich in keiner prinzipiellen Beziehung von dem echten Zeppelinia-Ty^us unterscheidet. Zeppelinia Vaillant. Segmentzahl größer als 20. Am Körper, wenigstens in einer gewissen Lebensperiode, Kiemenanhänge oder Tentakel vorhanden. Neubildung des Vorder- und Hinterendes der durch Teilung entstandenen Zooide gewöhnlich erst nach dem Zerfall der ganzen Kette. Z. branchiata n. sp. 25 — 30 Segmente. Borsten lang fadenförmig, zu zwei bis drei in je einem Bündel. Herzkörper intensiv scharlachrot oder olivengrün gefärbt. Oberes Schlundganglion in die Kopflappen- höhle stark vorspringend. Die atoke Form besitzt zwei Augen, einen Wimperkranz an allen Rumpf Segmenten, sowie Kiemenpaare an vielen. Damit diese Arbeit abschließend, möchte ich bei dieser Gelegen- heit meinen innigen Dank der Verwaltung der Zoologischen Station zu Neapel, sowie Herrn Prof. W. T. Schewiakoff, in dessen Labora- torium der Stoff größtenteils verarbeitet wurde, aussprechen. Zu ganz besonderem Dank aber fühle ich mich Herrn Prof. 0. Bütschli verpflichtet, der die Liebenswürdigkeit hatte meine Arbeit durchzusehen. St. Petersburg, im September 1910. Verzeichnis der benutzten Literatur, 92. Fb. E. Beddard, A new branchiate Oligochaete (Branchiura Sowerbyi). Q. J. M. Sc. Vol. XXXIII. 95. — A monograph of the order Oligochaeta. Oxford. 00. R. iS. Bergh, Beiträge zur vergl. Histologie. II. Über den Bau der Gefäße bei den Anneliden. Anat. Hefte, 1. Abt. Bd. XIV. 2. Hft., und Bd. XV. 3. Hft. (45. u. 49. Hft.). 98. M.VX VON Bock, Über die Knospung von Chaetogaster diaphanus Gruith. Jena. Z. Naturw. Bd. XXXI. 90. — Le Corps cardiaque et les amibocytes des Oligochaetes limicoles. Rev. suisse Zool. Tom. VIII. 90. A. G. BouRNE, On Chaetobranchus a New Genus of Oligochaetous Chaeto» poda. Q. J. M. Sc. Vol, XXXI. über eine ueuo Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 599 95. N. G. Calkins, Tho spermatogenesis of Lumbricus. Juurn. Morph. Vol. XI. 97. Caullery et Mesnil, Sur hx position systematique du genrc Ctenodrilus Clap. ses affinites avec les Cirratuliens. C. R. Ac. Sc. Paris. CXXV. (p. 542—544). 98. — Les formes epitoques et l'evolution des Cirratuliens. Annales de l'Uni« versite de Lyon, Faso. XXXIX. 63. Edouard Claparäde, Beobachtungen über Anatomie und Entwicklungs- geschichte wirbelloser Tiere an der Küste der Nomandie. 68. Ernst Ehlers, Die Borstenwürmer. 1864 — 68. Leipzig. (S. 453). 05. H. Freüdweiler, Studien über das Gefäßsystem niederer Oligochäten. Jena. Z. Naturw. Bd. XL. 03. Egon Galvagni, Histologie des Genus Ctenodrilus Clap. Arb. Zool. Inst. Wien. Bd. XV. 96. V. Haecker, Pelagische Polychätenlarven. Zur Kenntnis des Neapler Frühjalu-s- Auftriebs. Diese Zeitschr. Bd. LXII. 78. Berthold Hatschek, Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Ein Beitrag zur Morphologie der Bilaterien. Arb. Zool. Inst. Wien. Bd. I. 93. — System der Anneliden, ein vorläufiger Bericht. Lotos. XIII. 85. R. Horst, Über ein rätselhaftes Organ bei den Chlorämiden. Zool. Anz. Bd. VIII. 83. O. S. Jensen, Recherches sur la Spermatogenese. Arch. de Biol. Vol. IV. 82. J. V. Kennel, Über Ctenodrilus pardalis Clap. Ein Beitrag zur Kenntnis der Anatomie und Knospung der Anneliden. Arb. zool. Inst. Würz- burg. Bd. V. 03. A. Lang, Beiträge zu einer Trophocöltheorie. Jena. Z. Naturw. Bd. XXXVIII. Ol. Eduard Meyer, Studien über den Körperbau der Anneliden. Mitt. Zool. Station. Neapel. Bd. XIV. 92. Fr. Sav. Monticelli, Notizia preliminare intorno ad alcuni inquilini degli Holoturioidea del golfo di Napoli. Monitore Zoologico Italiano. HL Nr. 12. 93. — Sullo Ctenodrilus serratus O. Schm. Boll. Soc. Nap. VII. 07. — Sessualita e gestazione nello Ctenodrilus serratus 0. Schm. (Communi- cazione preliminare). Atti Congr. Natur. Italiani (Milano). 98. L. J. Picton, On the Heart-body and coelomic fluid of certain Polychaeta. Q. J. M. Sc. Vol. XLI. 89. Dan. Rosa, II Ctenodrilus pardalis Clap. a Rapallo. Boll. Musei Zoolog. Anat. Comp. Torino. Vol. IV. 89. L. Roule, Etudes sur le developpement des Annelides. Ann. Sc. Nat. Tom. VII. 83. W. Salensky, Etüde sur le developpement des Annelides. Arch. Biol. Tom. IV. 87. RoB. ScHARFF, On Ctenodrilus parvulus n. sp. Q. J. M. Sc. Vol. XXVII. 57. Oskar Schmidt, Zur Kenntnis der Turbellaria rhabdocoela und einiger andrer Würmer des Mittelmeeres. Sitzber. d. k. Akad. Wiss. Wien. 99. Guido Schneider, Über Phagocytose und Excretion bei den Anneliden. Diese Zeitschr. Bd. LXVI. 90. Väillänt, Histoire naturelle des Annelides marins et d'eau douce. T. III, Part. 2. Collection des Suite« ä Buffon. 600 Iwan Sokolow, 84. Fr. Vejdovsky, System und Morphologie der Oligochäten. Prag. 85. W. Voigt, Über Ei- und Samenbildung bei Branchiobdella. Arb. Zool. Inst. Würzburg. Bd. VII. 83. äIax Graf Zeppelin, Über den Bau und die Teilungsvorgänge in Cteno- drilus monostylüs n. sp. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. Erklärung der Abbildungen, Die Abbildungen wurden teils mit einem ÄBBEschen Zeichenapparat von C. Zeiss, teils auf Grund der in Neapel nach dem Leben entworfenen Skizzen gezeichnet. Allgemein gültige Bezeichnungen: Au, Auge; BF, Borstenfollikel; Cöl, Cölom; Cut, Cuticula; Ds, Dissepiment; Ect, Ectoderm; EdD, Enddarm; Eni, Entoderm; Ep, Epidermis; EZ, Eizelle; Hzk, Herzkörper; KCöl, Kopf cölom; KD, Drüsen an den Kiemen; KDs, Kopfdissepiment ; KO, Kopf ganglion ; KPl, Seheitel platte; MD, Mitteldarm; Mes, Mesoderm; MZ, Muskelzug; Nf, Nephridium; N S, Nervenstrang; ODZ, üldrüsenzelle; Oes, Oesophagus; OF, obere Falte des Schlundkopfes; Per, Peritoneum; RVD, Rückenast des Dorsalgefäßes; Schk, Schlundkopf; UT, untere Falte des Schlundkopfes; VDm, Vorderdarm; VD, Dorsalgefäß; VV, Ventralgefäß; WR, Wimperring. Tafel XXVII. Fig. 1. Gtenodrilus branchiatus. Form A. 71/1. Fig. 2. Querschnitt durch die Epidermis. Pigment (ungefärbt). 940/1. Fig. 3. Dasselbe. Drei Öldrüsenzellen (erwachsener Embryo). 940/1. Fig. 4. Dasselbe. Klebdrüsenzelle. 940/1. Fig. 5. Zwei Borsten von der Form B. 600/1. Fig. 6. Zwei Borsten und eine Ersatzborste von der Form A. 600/1. Fig. 7. Tangentialer Schnitt durch die Hautmuskelschicht. Im, Längs- muskeln; rm, Ringmuskeln. Safranin. 940/1. Fig. 8. Teil eines Längsschnittes durch den Schlundkopf, pr, Protractor; sf, Stützgebilde. Eisenhämatoxylin nach Heidenhain. 940/1. Fig. 9. Dasselbe; Safranin. 940/1. Fig. 10. Querschnitt durch den vorderen Teil des Körpers. Mb, Muskel- verbindung zwischen je zwei Borstenfollikeln. 390/1. Fig. 11. Optischer Längsschnitt durch das Hinterende. An, Anus; AnL, Anallappen. 142/1. über eine neue Ctenodrilusart und ihre Vermehrung. 601 Fig. 12. Querschnitt durch den Kopf im Bereich des Schlundkopfes ( SchK). öf, Stützgebilde desselben. 390/1. Fig. 13. Schnitt durch ein Borstenfollikel {BF) mit seinen Muskelzügen (MZ). 530/1. Fig. 14. Vorderende der Form B; zeigt die Verteilung des Blutgefäße. VD, Vas dorsale; VV, Vas ventrale; RVD, Rückenast des Dorsalgefäßes; LG, Lateralgefäße; GBi, vorderer dicker Gefäßring; GB^, der zweite Gefäßring; MB, Retractor des Schlundkopf es; vf, dritte unterste Falte. Halbschematisch. 390/1. Fig. 15. Querschnitt durch ein Borstenfollikel. B, Borsten; BFK, Kerne der Follikelzellen. 940/1. Fig. 16. Längsschnitt durch ein Nephridium. NfK, Nephridialkanal ; NfN, Kerne der Nephridialzellen. 530/1. Fig. 17. Teil eines Längsschnittes durch den Herzkörper. HzkN, Kern der Herzkörperzellen; kr, freie Räume nach dem Auflösen der Körnchenein- schlüsse (Form A). 940/1. Fig. 18. Querschnitt durch das Vas dorsale eines erwachsenen Embryos. Hzk, Herzkörper. 940/1. Fig. 19. Teil eines Schnittes durch den Herzkörper einer Übergangsform. 940/1. Fig. 20. Querschnitt durch den Kopflappen. KG, Kopfganglion ; FIB, Flimmerrinne; 3IZ, Muskelzüge in der Kopflappenhöhle. 530/1. Fig. 21. Längsschnitt durch das Ventralgefäß. 940/1. Fig. 22. Totalbild des Herzkörpers. Nach dem Leben. 300/1. Fig. 23. Teil eines Querschnittes diirch das siebente Segment. Og, Oogo- nien; EZ, Eizellen. 940/1. Fig. 24. Schnitt durch die Riechgrube, n, Nerven derselben. 940/1. Fig. 25. Ei. 940/1. Fig. 26. Querschnitt durch das Ventralgefäß mit den um dasselbe ge- lagerten Eizellen. 530/1. Tafel XXVIII. Fig. 27. Schnitt durch den unteren Teil des siebenten Dissepiments. s, Sper- matoblast. 940/1. Fig. 28. Kleine Spermatogemme mit sechs Spermatogonien. 940/1. Fig. 29. Größere Spermatogemme. Cyt, Cytophor. 940/1. Fig. 30. Spermatogemme in Teilung. 940/1. Fig. 31. Spermatocytengruppe am Cytophor {Cyt). 940/1. Fig. 32 — 34. Umwandlung der Spermatocyten in Spermatozoide. 940/1. Fig. 35. Gruppe von Samenfäden am Cytophor. 940/1. Fig. 36. Cytophor. Safranin. 940/1. Fig. 37. Zwei Spermatozoide (kombiniert nach Schnitten). 940/1. Fig. 38. Ctenodrilus branchiahis. Form B. KA, Kiemenanhänge. 71/1. Nach dem Leben. Fig. 39. Distales Ende eines Kiemenanhanges. KD, Drüsen; w, Wimper- feld. 600/1. Nach dem Leben. Fig. 40. Mittlerer Teil eines Kiemenanhanges. /, Falten. 60/1. Nach dem Leben. 602 Iwan iSokolow, Fig. 41. Stück der Oberfläche desselben. Nach dem Leben. 600/1. Fig. 42. Stück der Drüsenregion eines Kiemenanhanges. Nach dem Leben. 600/1. Fig. 43. Querschnitt durch die Drüsenregion des Kiemenanhanges. 31 Z, Muskeln. 940/1. Fig. 44. Längsschnitt durch dieselbe. Eosin. 940/1. Fig. 45. Querschnitt durch den mittleren Teil des Kiemenanhanges. VBr, Kiemengefäße. 940/1. Fig. 46. Längsschnitt durch einen sehr jungen Kiemenanhang. 940/1. Fig. 47. Anheftung eines Kiemenanhanges kurz vor dem Abfallen. Nach dem Leben. 600/1. Fig. 48. Dasselbe (ein späteres Stadium). Befestigung durch Muskeln (31 Z). Nach dem Leben. 600/1. Fig. 49. Di'ei Wimperreife eines absterbenden Ct. branchintvs yon der Seite. Vac, Vacuolen. Nach dem Leben. 300/1. Fig. 50. Seitliche Ansicht eines Wimperreifes. Nach dem Leben. 600/1. Fig. 51. Längsschnitt durch die Wand eines Segmentes. WR, Wimperreif; Vac, Vacuolen; WZN, Kerne der Wimperzellen. 530/1. Fig. 52. Hinterende der Form B. An, Anus; AnL, Anallappen. Halb- schematisch. 300/1. Fig. 53. Lateraler Längsschnitt durch eine festsitzende Blastula. BIC, Blaetocöl; EZ, Eizellen; 3Ies, Mesodermstreifen. 800/1. Fig. 54. Dasselbe. Schnitt etwas höher geführt. Ent, Entodermzellen. 800/1. Fig. 55. Sagittaler Längsschnitt durch eine freie Blastula. 800/1. Fig. 56. Das siebente Rumpfsegment mit einem Embryo (E) auf dem Stadium, welches auf Fig. 55 dargestellt ist. 142/1. Fig. 57. Sagittaler Längsschnitt durch das Vorderende einer Gastrula. BIP, Blastoporus. 800/1. Fig. 58. Schnitt durch das Hinterende desselben Embryos. Bildung der Cölomsäcke. 800/1. Fig. 59. Querschnitt durch einen Embryo vor der Cölombildung. 800/1. Fig. 60. Sagittaler Längsschnitt durch einen Embryo, um die Befestigungs- stelle zu zeigen. Edo, oberer, Ectii, unterer Rand der ursprünglichen Blastula; EZ, Eizellen; BIP, Blastoporus (?); 31 D, Mitteldarm; N 8, die beiden Com- missuren des Nervensystems der Mutter (hier quer getroffen); VV, Ventral- gefäß. 800/1. Fig. 61. Querschnitt durch denselben Embryo, welcher gebogen im Brut- raume lag. VV, Ventralgefäß. 600/1. Tafel XXIX. Fig. 62. Querschnitt durch das siebente Segment. EZ, Gonade mit zwei daran befestigten Embryonen, die auch quer getroffen sind; bei x Zusammenhang zwischen Eizellen und Entoderm. 450/1. Fig. 63. Sagittaler Längsschnitt durch einen Embryo, an dem schon die Vorderdarmeinstülpung (31) zu sehen ist. K3Ies, Kopf mesoderm ; Hzk, Anlage des Herzkörpers; Schh, Anlage des Schlundkopfes. 450/1. t^ber eine neue Ctcnodrilu.sart und ihre Vennehriuig. (503 Fig. 64. Lateraler Längsschnitt durch einen alteren Enibr\ u. ües, Vorder- darni. 450/L Fig. 65. Sagittaler Längsschnitt durch einen ähnlichen Embryo (etwas schief getroffen). KDs, Kopfdissepinient; *SV7(^% Anlage des ychlundkopfes. 450/L Fig. 6(1. Sagittaler Längsschnitt durch einen erwachsenen Embryo. Ent- wicklung fast sämtlicher Organe; Anlage der Falten {OF u. UF), der Bauchnerven- kette (.V/S), der Schlundkopfmuskulatur {SchM); bei y Anlage der Kopfgefäße (?). 450/L Fig. 67. Sagittaler Längsschnitt durch das Hinterende eines Embryos kurz vor der Verbindung des End- mit dem Mitteldarm. 530/L Fig. 68. Früh herausgeschlüpfte junge Form B. Nach dem Leben. 71/L Fig. 69. Optischer lateraler Längsschnitt durch einen nicht zu jungen Em- bryo. Nach dem Leben. 300/ L Fig. 70. Bildung des Nephridiums: a, ohne, v, mit Nephridialkanal. 940 /L < Fig. 71. Anfang der Enddarmeinstülpmig {EdD). Sagittaler Längsschnitt. 450/1. Fig. 72. Entstehung des Enddarmes bei der Regeneration nach der er- folgten Teilung. 450/1. Fig. 73. Mittelstück der nach der Teilung zerfallenen Kette, aus zwei Zooiden bestehend, v. Vorder-, h, Hinterende in Regeneration; v^, Regeneration des Vorderendes vor der Teilung (vgl. Fig. 79). 91/1. Nach einem Totalpräparat. Fig. 74. Zooid, aus der Mitte der Kette entstanden, mit einem sehr langen Kiemenanhang. 91/1. Nach einem Totalpräparat. Fig. 75. Form A in Teilung begriffen. Ci — c^, vier Einschnürungen. 91/1. Nach einem Totalpräparat. Fig. 76. Das vorderste losgelöste Zooid. 91/1. Nach einem Totalpräparat. Fig. 77. Herausschlüpfen der Form B aus der Form A. Umgekehrte Orientierung des Embryos. Br, Brutraum. Nach einer Skizze. 71/1. Fig. 78. Dasselbe. Der Embryo hat die Wände des Brutraumes {Br) vorn und hinten durchbohrt. Nach einer Skizze. 71/1. Fig. 79. Sagittaler Längsschnitt durch das Vorderende eines Zooids, welcher noch vor der Abtrennung in Regeneration begriffen ist. VDM, Vorderdarmein- stülpung; Schk, Anlage des Schlundkopfes. Die Teilungsebene (te) liegt hinter dem Dissepiment {Ds). 390/1. Fig. 80. Schiefer Querschnitt durch das Vorderende eines in Regeneration begriffenen Zooids. 450/1. Oxyrrhis, Nephroselmis und einige Euflagellaten, nebst Bemerkungen über deren System. \ on G. Seuii (Hnsch. Mit S Figuren im Text und Tafel XXX, XXXI. Obwohl die Flagellaten zu einem Grenzgebiet uehören. an dessen Erforschung nicht nur Zoologen und Botaniker, sondern auch Medi- ziner arbeiten, giljt es noch viele ungenügend bekannte Formen und manche Fragen allgemeiner Natur, die noch der Beantwortung harren. Bei der Bearbeitung der Flagellaten für Engler und Prantls »Natürliche Pflanzenfamilien« (Senn, 1900) hatte ich die beste Gelegenheit, die Lücken in unsern Kenntnissen festzustellen; ich be- mühte mich auch, die Kenntnis einzelner Formen zu vertiefen ruid in die Verwandtschaftsbeziehungen der Flagellaten zu andern Organis- mengruppen und der einzelnen Gruppen innerhalb der Ordnimg selbst mehr Klarheit zu bringen. Meine Beobachtungen mu(3ten in den »Natürlichen Pflanzenfamilien« der ganzen Darstellung entsprechend so knapp behandelt werden, daß manche Details nicht erwähnt werden konnten. Ich wartete aber mit der Publikation dieser Detail- untersuchungen, bis ich auch einige prinzipielle Fragen, deren Be- antwortung in meiner umfassenden Flagellatenarbeit noch nicht mög- lich war, unter neuen Gesichtspunkten erörtern konnte. Ich ergriff auch nach dem Erscheinen dieser Arbeit jede Gelegenheit, bei der ich auf ungenügeTid bekannte Formen stieß, um die Lücken in unsern Kenntnissen auszufüllen. Von meinen Beobachtungen sind diejenigen über Heteronema Klehsii Senn, Tropidoscyphus cyclostomus Senn und Notosolenus apo- camptus Stokes schon in der genannten Flagellatenarbeit verwertet worden. Im folgenden gebe ich die ausführliche Beschreibung und genaue Abbildung dieser Organismen. Zeitschrift f. «issensch. Zixilogie. Xt'VII. Bd. 40 G0() ^- Senn- Die Untei'suchunyen an Oxyrrhis. über die ich in der botanischen Sektion der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft kurz be- richtet habe (Senn. 1909, S. 85 ff.), sowie diejenigen an Nephroselmis und Helcomastix wurden dagegen erst nach Abschluß meiner Bearbeitung der Flagellaten angestellt. Da sie verschiedene damals noch offene .systematische Fragen beantworten und auf den systematischen Wert einiger Merkmale neues Licht werfen, sehe ich mich veranlaßt, am Schluß dieser Arbeit die Systematik der Flagellaten einer kurzen Besprechung zu unterziehen, unter besonderer- Berücksichtigung der Änderungen, welche in den letzten Jahren am System der Flagellaten vorgenommen worden sind. 1. Oxyrrhis marina Duj. (Taf. XXX. Fig. 1-24.) Oxyrrhis marina Duj. ist schon wiederholt beschrieben und ab- gebildet worden, was bei ihrer auffallenden Gestalt und noch auf- fallenderen, ungemein raschen Bewegung nicht zu verwundern ist. Gerade die letztgenannte Eigenschaft hat aber offenbar die richtige Erkenntnis vom Bau dieses Organismus sehr erschwert. Darauf ist es wenigstens zum Teil zurückzuführen, daß die Beschreibungen recht bedeutende Verschiedenheiten zeigen, und daß dieses marine Flagellat bald als Oxyrrhis Duj., bald als Glyphidium Fresen. bezeichnet wurde. Aus den Angaben über Größe, Zellgestalt und Vorkommen zu schließen, hat aber allen Forschern derselbe Organismus vorgelegen, der jetzt allgemein mit dem älteren, von Dujardin (1841. S. 346) stammenden Namen Oxyrrhis belegt wird. Die Angaben über die Begeißelung könnten allerdings zu der Auffassung führen, daß es zwei in der Gestalt ähnliche, in der Be- geißelung aber vollständig verschiedene Organismen gebe, die dann nicht nur verschiedene Species derselben Gattimg, sondern V^ertreter verschiedener Gattungen wären. Ich konnte es deshalb bei der Be- arbeitung der Flagellaten für Engler und Prantls Natürliche Pflanzenfamilien nicht wagen (Senn, 1900, S. 136 u. 186), die von Dujardin (1841, S. 346 f.) und Gourret et Roeser (1886. S. 522 ff.) beschriebene, vier -bis sechsgeißelige Form (Textfig. 2) mit der von Fresenius (1865, S. 83 f.), Cohn (1866, S. 295f.), Kent (1880—81, S. 426ff.), Blochmann (1884, S. 47ff.), Schaudinn (1896, S. 129) und Keysselitz (1908, S. 334 ff.) (Textfig. 3 u. 4) beschriebenen zwei- geißeligen ohne weiteres zu identifizieren. Ais ich aber den Organismus Oxyrrliis. Xcplirnsolinis und oinieo Kuflagollatoii iisw. (i07 lebend zu beobachten GeJeüenheit hatte, wurde es mir wie Kent (1880, 8. 427) sofort klar, daß die vermeintliche Mehrgeißeligkeit auf einer Täuschung beruhe, welche duich die rasche Bewegunu und die kom- plizierte LageruuLi der zwei alltMii voihandenen Geißeln verursacht worden war. Die schon von (}orRKp:T et Roeser (188G, 8. 523) er- wogene, aber als ausgeschlossen bezeichnete Möglichkeit, daß im Mittel- meer eine vielgeißelige, in den iK'irdlichen Meeren dagegen eine zwei- geißelige Form vorkomme, wird durch die Tatsache widerlegt, daß die von mir untersuchte zweigeißelige Form aus dem Mittelmeer stammt. 1. Größe der Zelle. Die Länge der Oxyrr/us-ZeWe bestimmte ich zu 22,5 — 32 /^ was mit den Angaben von Fresenius (25 — 33«), Cohn (25 a), Bloch- MANN (25 — 32//) und Keysselitz (lü — 34/0 gut übereinstimmt. DujARDiN gibt allerdings die Länge zu 50 /< an, abei- wenn man sie aus der Vergrößerung seiner Figuren berechnet, so kommt man nur auf 36,5 //, eine Größe, die auch Fresenius (37 //) ab und zu be- obachtet hat. GouRRET et Roeser teilen weder über die Größe der Zellen noch über die Vergrößerung ihrer Figuren irgend etwas mit. so daß jegliche Anhaltspunkte fehlen. Auch die Breite von 18,5 ii der von mir untersuchten Zellen deckt .sich mit den nur durch Fresenius gemachten Angaben (15 — 20 /<). Aus diesen Größenangaben geht somit so viel mit Sicherheit hervor, daß alle Forscher einen gleich großen Organismus untersucht haben. 2. Orientierung des Körpers, Vorder- und Hinterende. Die Untersuchung dei- gewöhnlich sehr rasch und unstet hin und herschwämmenden Zellen ist nur möglich, wenn sie ihre Bewe<'uno ein- stellen. Dies tritt ziemlich bald ein, wenn die Zellen in der für die Beobachtung mit starken Vergrößerungen nötigen Lichtintensität (Querlicht mit Schusterkugel) gehalten werden. Die Individuen bleiben unter diesen Umständen längere Zeit ruhig liegen und führen mit ihren Geißeln nur sehr schwache Bewegungen aus. Ab und zu schwimmen sie wieder umher, kommen aber bald wieder zur Ruhe. Li solchen Ruhepausen ist es nun möglich, die Zellen zu betrachten. Die allgemeine Gestalt der Zelle wurde durch Dujaedix (1841, 8. 346 f.) als länglich eiförmig bezeichnet. Nach diesem Forscher ist das Vorderende schief abgestutzt und läuft in eine Spitze aus, während das Hinterende abgerundet ist. Somit bezeichnet Dujardin, und 40* ()0S (;. Senn. nach ihm auch Cohn (1866, S. 295). Kent (1880, 8. 426), Bütschli (1884. S. 845), GouRRET et Roeser (1886, S. 542) und Keysselitz (1908, S. 334) das ausgerandete Ende als das Vorderende, während Fresenius (1865, S. 83) und Bütschli (1885, S. 559) das beim Schwim- men vorangehende konvexe Ende Vorderende nennen. Die von Du- JARDIN gewählte Bezeichnungsweise war es auch, welche Fresenius (1865, S. 83f.) verhinderte, sein »Glyphidium« mit Oxijrrhis zu identi- fizieren. Es erhebt sich also schon hier die Frage, ob die beiden For- men identisch seien oder nicht. Weder Du.jardin noch Gourret et Roeser machen über die Schwimmbewegung nähere Angaben. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß sie wie Bütschli (1884, S. 845) und Keysselitz (1908, S. 336) ihre Bezeichnungsweise in Analogie mit den übrigen Flagellaten gewählt haben. Diese tragen bekanntlich ihre Geißeln meist an dem beim Schwimmen vorangehenden Ende, welches z\;dem in vielen Fällen ausgerandet ist. Kent (1880. S. 426 ff.) dagegen, der die Schwimmbewegung genau beschrieben hat. erblickt in der Orientierung der Zelle während des Schwimmens keinen Grund, das nachgeschleppte, mit der Mundstelle versehene Ende als Hinterende zu bezeichnen; tue man dies doch mit Recht weder beim Hummer noch beim Tintenfisch. Wenn man aller- dings mit Kent von vornherein annimmt, daß Oxyrrhis zu den Flagel- laten im engeren Sinne uehöre. so hat er ohne Zweifel recht. Aus dem- selben Grunde sind auch Kents (1880, S. 247) Ancyrotnonas, Klebs" (1892, S. 305) Phyllomonas und Massarts (1900, S. 133) Clautriavia, sowie meine Helcomastix (vgl. S. 648) wie die übrigen Flagellaten zu orientieren, obwohl in diesen Gattungen die Geißeln nachgeschleppt werden. Bei Oxyrrhis liegt aber die Sache anders. Zur Zeit aller- dings, als Kent seinen Manual of Infusoria herausgab (1880—81), waren die einzelnen Gruppen von Flagellaten im weiteren Sinne noch nicht so gut bekannt, daß man sie scharf voneinander hätte ab- grenzen können. Nichts hinderte deshalb, die Oxyrrhis, so wie sie damals bekannt war, zu den Flagellaten im engeren Sinne, zu den Euflagellaten, neben Chüomonas zu stellen. Da aber auf Grund der seither von den Flagellaten und ihren Verwandten gewonnenen Kenntnisse Bedenken über die Zugehörigkeit von Oxyrrhis zu den Euflagellaten aufgestiegen sind, darf die Terminologie nicht ohne weiteres in Analogie mit derjenigen der Euflagellaten gewählt werden. Ich bezeichne deshalb, vorläufig ohne theoretische Voraus- setzung, das nicht ausgerandete, beim Schwimmen vor- Oxvirliis, No|)l\i(i.solniis uiid einige Eutlagellateii usw. (iOi) ausgehende Ende als das vordere, das nachgeschleppte, schief ausgerandete dagegen als das hintere. Da sich die Ausrandung des Hinterendes in zwei die Geißeln tragenden EinsenkungeTi fortsetzt, in deren einer die festen Nahrungs- stoffe aufgenommen werden, ist die Orientierung der Zelle auch in den beiden Richtungen senkrecht zur Längsachse gegeben. Die durch lue Mundstelle ausoezeichnete Seite bezeichne ich deshalb als Bauch- Textfig. 1. I'liotoiiiiniliii'ii nach dem (;ipsab'j:uß des Wachsmodells von Oxyrrhis •nuirina. Vcrgr. lnüd. ir, Ventralseitp; b, Uorsalseite; t; linke Flanke; d, rechte Flanke. oder Ventralseite (Taf. XXX, Fig. 1, Textfig. 1«) (Vorderseite bei Keysselitz, 1908, S. 334), die gegenüberliegende als Rücken- oder Dorsalseite (Taf. XXX, Fig. 2, Textfig. 16) (Hinterseite bei Keysse- litz), wodurch gleichzeitig auch die rechte (Taf. XXX, Fig. 4; Text- fig. k/) und die linke Flanke (Taf. XXX, Fig. 3; Textfig. Ic) der Zelle bestimmt sind. Die von Bütschli (1885, S. 559) gewählte Orien- tierung, w^onach die die schief verlaufende Querfurche enthaltende Seite als die linke, unsre rechte Flanke somit als Dorsalseite bezeichnet wird, scheint eines tieferen Grundes zu entbehren. 3. Gestalt der Zelle. Die Zellgestalt muß an lebenden Zellen studiert werden, da sie sich beim Fixieren meist mehr oder weniger verändert. So konsta- tierte ich nach der Anwendung von Osmiumsäuredämpfen eine ge- linde Abrundung der Konturen, wodurch die im Leben stark hervor- tretenden charakteristischen Ecken und Kanten zu einem guten Teil verwischt werden (Taf. XXX, Fig. 5). Bessere Dienste leistete eine schwache, mit Meerwasser gemischte Jod - Jodkalinmlösunii. Bei (510 G. iSenn. ihrer Anwendung behielten die Zellen ihre Gestalt wenigstens in der vorderen Partie bei, dagegen traten im hinteren Teil der Ventralseite häufig Ausstülpungen hervor, welche Nahrungsvacuolen glichen, am lebenden Objekt aber nicht beobachtet wurden. Durch eine Mischung von 1 Teil starker FLEMMiNGscher Lösung mit 15 Teilen Meerwasser oder durch 0.25%iges Platiuchlorid in Meer Wasser wurden die Zellen gut und fast ohne Gestaltsverän- derung fixiert. Trotzdem beziehen sich alle meine Angaben, insofern nichts andres bemerkt ist, auf lebende Zellen, die während ihrer Ruhe- pausen (vgl. S. 607) unter Anwendung von Olimmersion beobachtet und gezeichnet wurden. Die stark asymmetrische Gestalt der Zelle bringt es mit sich, daß der Organismus je nach seiner Orientierung dem Beobachter sehr ver- schiedene Bilder zeigt. Es ist deshalb nicht so leicht, die von ver- schiedenen Seiten aufgenommenen Skizzen lediglich in Gedanken zu einem körperlichen Gebilde zu kombinieren. Um deshalb meine zahl- reichen, mit dem Zeichnungsapparat angefertigten Abbildungen zum körperlichen Zellgebilde zusammenzustellen und sie dadurch auch unter- einander auf ihre Richtigkeit zu prüfen, fertigte ich mir aus Wachs ein Modell der Zelle an. Durch dieses wurden meine Skizzen in ihren gegenseitigen Beziehungen ohne weiteres klar (Textfig. 1). Die die vier Zellseiten darstellenden Fig. 1 — 4 der Taf. XXX machen eine detaillierte Beschreibung jeder einzelnen Seite über- flüssiti. Von diesen wurde nur die Ventralseite (Taf. XXX, Fig. 1) durch alle früheren Beobachter beschrieben. St) finden wir sie bei DtTjABDiN (1841, Taf. V, Fig. 4, meine Textfig. 2 a). wo die rechte Zellflanke nach der oberen, das Vorderende nach der rech- ten Kante der Tafel gerichtet ist. Bei Fresenius (1865) stel- len die Fig. 5 und 7 die Ven- tralseite dar, ebenso beide Abbildungen von Cohn (1866, Taf. XV, Fig. 36 u. 37, meine Textfig. 3 d). Bei Kent (1880—81) ist sie auf Taf. XXIV in Fig. 54 (meine Textfig. 3 e), bei Blochmanx (1884), der überhaupt nur diese Seite Textfig. 2. Oxyrrhis mariiM Du], a, nach DTJJAKDIN (1841, Taf. V, Fig. 4). Ventralseite. 320nial vergr. & u. c nach GouK- RET et ROESER (1886, Taf. XXXIV, Fig. 12 und 13). b, Ventral.seite und linke Flanke (Fig. 13). c, Borsal- seite ? (Fig. 12). Ownliis, Xcpliiosclinis uiul einige Euflagellaten usw. Oll abbildet, in Fig. 14 — 17 (meine Textfig. 4 a — c), bei Keysselitz (1908) auf Taf. XIX, Fig. 21 (meine Textfig. 4 d) wiedergegeben. Abbildungen der linken Zellflanke (Taf. XXX, Fig. 3) kann man in Fig. 6 vim Kbesexius (Textfig. '3 n). in den Fig. 57 und 59 von Kent (Textfig. .'i /), in Oxyrrhis matina Duj. a — c nach FnESENlPS 1865. a (Fig. 6), linke Flanke; b (Fig. 9), Uorsal- seite; c (Fig. 10), reclite Flanke einer Zelle in Querteilung; d, nach COHX (1866, Taf. XV, Fig. 36). Ventralseite bei M mit »flimmernder Schlinge im Mund« (Flimmergeißel), 250 mal vergr.; e — f, nach KKNT (1881, Taf. XXIV); e (Fig. 54), Ventralseite, 800 mal vergr.; / (Fig. 59), leere Zellhaut, Ventralselte und linke Flanke. Fig. 13 (meine Textfig. 2 6), vielleicht auch in Fig. 11 und 12 (Textfig. 2 c) von GouRRET et Roesek (1886, Taf. XXXIV) erkennen, ebenso in Fig. 20 auf Taf. XIX von Keysselitz (1908) (Textfig. 4 e). Der Verlauf der sich über die linke Flanke hinziehenden Kante ist in den meisten dieser Figuren richtig dargestellt. C Textfig. 4. Oxyrrhis marina Duj. a—c nach Blochjianx (1884, Taf. II, Fig. 15—17). Ventralseite, a (Fig. 15), Andeutung des lapppnartigen Vorsprunges; b (Fig. 16), Ausstoßung eines Excretballens aus dem Hintereude; c (Fig. 17), Querteilung; d—e nach Keysselitz (1908, Taf. XIX, Fig. 20, 21); d, Ven- tralseite, Längsfurche nicht eingezeichnet (Fig. 21); e, linke Flanke mit lappenartigem Vorsprung links unten (Fig. 20). Die Dorsal Seite \\-urde dagegen nur durch Fresenius (Fig. 8 und 9, erstere mit Einzeichnung der Ventralseite, letztere Textfig. 3 h) und durch Kent (1880, Fig. 55 und 56) abgebildet. Der Verlauf der annähernd quer verlaufenden Kante ist aber an diesen Figuren nicht zu sehen. ni2 G. Senn, JJie r e c li t e Z e 1 1 i 1 a n k e endlich erkennen wir nur in Fig. 10 von Fresenius (1865), in welcher ein in Teilung begriffenes Exemplar dargestellt ist (Textfig. 3 (•). Fresenius ist also der einzige unter den früheren Beobachtern, der alle vier Seitenansichten der Oxi/rrhis-Ze\le abgebildet hat. Da wir .somit in sämtliclien, unter sich so verschiedenen Oxyrrhis- Abbildungen der früheren Forscher Darstellungen von verschiedenen Zellseiten desselben Organismus erkennen können, ergibt sich der wichtige Schluß, daß, wenn sich die Abweichungen in der (4eißelzahl ebenfalls aufklären lassen, allen Forschern derselbe Organismus vorgelegen hat. Aus den vier Zellansichten ergibt sich folgende körperliche Gestalt der Oxyrrhis -ZeWe. Ihr größerer vorderer Teil ist kurz cylindrisch mit spitz-eiför- migei' Abrundung am Vorderende. Die Cylinderoberfläche geht aber luir auf der rechten Zellflanke direkt in die kegelförmige Spitze des Zellhinterendes über. Über Ventralseite, linke Flanke und Dorsal- seite zieht sich nämlich eine nach dem Hinterende abfallende Kante (Keysselitz" [1908, S. 334] Höcker) hin. Diese verläuft auf der Ventral- seite von der rechten Flanke bis in die halbe Zellänge schräg nach vorn, biegt dann etwa um 70 nach rückwärts um. und zieht sich nach noch- maliger sanfterer Biegung an der flrenze vom dritten zum vierten hin- teren Körperviertel quer über die bnke Flanke und über die halbe Dorsalseite hin. Der hinter dieser (zuweilen etwas überhängenden) Kante liegende Teil der Zelle ist gegenüber dem vorderen be- deutend schmächtiger und erscheint wie abgetragen. Cohn (1866, S. 295) und nach ihm Kent (1880, S. 427) vergleichen deshalb die vordere Zellpartie mit einem Helm, der übei- die hintere übergestülpt ist. Der Helmrand würde durch die querverlaufende Kante gebildet. In den nach hinten geöffneten Winkel, welchen diese Kante auf der Ventralseite bildet, springt eine im Umriß birnförmige Partie der vorderen, höher liegenden Zelloberfläche über den hinteren abge- tragenen Teil vor. Ihre schmale Basis steht an der rechten Kante der ventralen Einbuchtung mit der vorderen Zellpartie in Verbindung. Das ganze Gebilde erstreckt sich schräg links rückwäi'ts. etwa bis zum letzten Viertel der Zelllänge, und geht dort mit ziemlich scharfer Kante in die tiefer liegende Oberfläche des Zellhinterendes über. Dieser 8 — 10 n lange und an seiner breitesten Stelle 3 — 4 ti breite Vorsprung ist auf fast allen früheren Abbildungen angedeutet (so bei Dujardin, 1841. Taf. V. Fig. 4; Fresenius, 1865, Fig. 5, 7u. 8; Cohn, 1866, Fig. 36 u. 37; Kent, 1880—81, Fig. 54 u. 58). Er ist aber fast immer Oxvnhis. Nt'plirosclini.s iinI3 wie eine V^acuole oder wie ein Inlialtsbestaiidteil gezeichnet. Als ober- flächlich liegenden Vorsprunii; haben ihn ei'st Blochmann (1884. S. 47) und Keysselitz (1908, S. 335) beschrieben. Durch dieses Gebilde, das man als läppen artigen, birnför- mioeu Vorsprunii bezeichnen kann, luid dessen rechter Rand mit der Längsachse der Zelle parallel läuft, wird der vertiefte, einspringende Winkel der Ventralseite in zwei Fiirchen zerlegt, wovon die eine, rechte, nach hinten und nach der rechten Zellflanke geöffnet ist: die Längsfurche, die linke sich dagegen schräg links rückwärts und dann (pier über die linke Flanke nach der Dorsalseite hinüberzieht, wobei sie einen zuerst steilen, dann immer flacher werdenden halben Schraubenumgang beschreibt; sie ist als Quer furche zu be- zeichnen. Bekommt man durch Zufall die Zelle von vorn oder von hinten zu sehen, so zeigt es sich, daß sie cylindrisch, höchstens auf der Ventral- und Dorsalseite etwas abgeplattet ist (so auch Cohn. 1866. S. "295 und Keysselitz. 1908, S. 334). Die halb um die Zelle sich hinziehende Kante und Furche, sowie dei- lappenartige Vorsprung und das schief zugespitzte Hinterende verleihen der Zelle, wenigstens in ihrer hinteren Partie, ein scharf- kantig eckiges Aussehen, wie dies besonders in den Abbildungen von Dujardin, Fresenius, Cohn, Kent und Keysselitz deutlich zum Ausdruck kommt. Eine >> Ausrandung« des Hinterendes, wie sie von den meisten Forschern angegeben wird, und wie sie am Vorderende der eigentlichen Fla gel - laten durch die trichterartige Einsenkung der JMundstelle gebildet wird, ist bei Oxi/rrhis nicht vorhanden. Eine solche wird nur bei oberfläch- licher Betrachtung durch die scharfe Kante und die plötzliche Verjüngung des Zellhinterendes voi- getäuscht. Ebensowenig besitzt Oxyrrhis einen Schlund, wie er bei den Cryptomonadinen vorkommt, zu denen Oxyrrhis früher allgemein gestellt wurde. Dieser Schlund, mit dem übrigens die Crypto- monadinen nur gelöste Stoffe aufzunehmen vermögen, ist nur am vorderen Zellende geöffnet, sonst aber ringsum geschlossen (Textfig. 5). Die mit diesem Schlund in Beziehung gebrachte Textfig. ö. Chilomonas Paramaecium Ehrenb. Hinter d. Geißel- insertion der Schlund, dahinter der bläsclien- förmige Kern. Verpröße- ruuti 1500. 614 (J. iSenn, Furche von Oxyrrhis ist dagegen in ihrer ganzen Länge offen und birgt eine Miindstelle, die feste Nahrung aufnimmt. Die Abweichung der Oxyrrhis vom Zellbau der Cryptomona- dinen besteht aber außer dem Fehlen eines geschlossenen Schlundes im Vorhandensein einer zweiten, von der ersten durch den lappenartigen Vorsprung getrennten Furche, die bisher allgemein übersehen worden ist. Zwei offene Furchen, die mehr oder weniger senkrecht zu- einander verlaufen, kommen bei den Euflagellaten nirgends vor, wohl aber ganz allgemein bei den Peridineen, deren Zellen außerdem beim Schwimmen gleich orientiert sind, wie diejenigen von Oxyrrhis. Man ist deshalb schon auf Grund dieser Tatsachen genötigt, Oxyrrhis von denFlagellaten zu entfernen und zu den Peridineen zu stellen, und zwar nicht etwa als eine Zwischenform, als die sie Bütschli (1885, S. 559) auffaßte, sondern als typische, allerdings hochdifferenzierte Gattung. Ihre äußere Ähnlichkeit mit den ebenfalls relativ hoch differenzierten Cryptomonadinen beruht gerade auf ihrer hohen, jedoch ganz anders gerichteten Differenzierung. Oxyrrhis und die Cryptomonadinen sind Endglieder durchaus verschiedener Ent- wicklungsreihen und kommen als solche bei dem Suchen nach den (tatsächlich vorhandenen) Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Fla- oellaten und Peridineen nicht in Betracht. Textfig. 6. Heinidinium nasutwm Stein, a, Ventralseite (naoli Klebs, 1883, Tat. II, Fig. 27?*); b, JJor- salseite (ebenda, Fig. 27a); c, Zelle in Querteilung. Statt der Flimmergeißel ist der frühe- ren irrtümlichen Auffassung entsprechend ein Wimperkranz gezeichnet (nach STEIN, 1883, Taf. II, Fig. 26). Durch die Zugehörigkeit der Oxyrrhis zu den Peridineen wird nun auch die Natur des läppen artigen Vor Sprunges aufgeklärt. Vergleicht man nämlich die Ventralseite von Oxyrrhis mit derjenigen von Hemddinium nasutum (Textfig. 6 a), welches wie Oxyrrhis auch eine nur halb um die Zelle herumlaufende Querfuche besitzt, so ergibt Oxyrrhis. Xepluust'lmis und rinige EuflagollattMi usw. (515 sich ohne weiteres, daß der lappenartiye Vorspruug nichts andres ist. als die hinter der Querfurche und links neben der Längsfurche lieirende (also hintere linke) Partie der Ventralseite, welche sich stark verkürzt und dadurch die Querfurche nach hinten geöffnet hat. Außer- dem sind die Doi'salseiten beider Organismen fast identisch (vgl. Taf. XXX, Fig. 2 und Textfig. (i6). Die Gestalt der Ox;yrr/w6--Zelle läßt sich somit ohne weiteres aus dem Bau])lan der Peridineen — speziell der Honidinium-ZeWe — ableiten, nicht jedoch aus irgend einer bei den Euflagellaten vorkommenden Zellgesta.lt. Oxyrrhis marina stimmt somit in der Orientierung und speziellen Gestalt der Zelle (Vorhandensein von zwei offenen Furchen) mit dem den Peridineen eignen Bauplan voll- kommen überein, zeigt aber zu den Zellformen der Eufla- gellaten keinerlei Beziehungen. 4. Geißeln. Die Begeißelung von Oxyrrhis wurde bisher in der widerspre- chendsten Weise beschrieben. Duj ardin (1841, S. 346f.) und Gourret et RoESER (1886, S. 523) gaben mehrere Geißeln an (Textfig. 2) — und zwar bezeichnenderweise in unbestimmter Zahl (Gourret et RoESER, 1886, S. 524, sagen 5 — 6) — , während alle übrigen Forscher nur deren zwei konstatiert haben. Die Beobachtung von Oxyrrhis im lebenden Zustande läßt aber solche abweichende Angaben ver- .ständlich erscheinen. Geißellage bei ruhenden Zellen. Wie man sich an Indivi- duen, die in ihrer Schwimmbewegung plötzlich innehalten und eine Zeitlang ruhig liegen bleiben, leicht überzeugen kann, besitzt Oxyrrhis nur zwei Geißeln. Blochmann (1884, S. 47) und Keysselitz (1908, S. 335) geben richtig an. daß diese zu beiden Seiten der Basis des lappenartigen Vorsprunges inseriert und bei der ruhenden Zelle in der linken Furche gelagert sind (Taf. XXX, Fig. 1 u. 11). Diejenige Geißel, welche im Grunde der Längsfurche auf der rechten Seite des lappenartigen Vorsprunges inseriert ist, legt sich zuerst dessen rechtem Rande an, biegt dann um seinen hinteren Rand nach vorn um und folgt ihm bis in den Grund der Querfurche. Daselbst wendet sie sich nach hinten, und steht, in verschiedener Weise gebogen, mit einem kurzen Stück an der rechten Zellflanke vom Körper ab, wie dies Blochmann (1884, Fig. 15 u. 17) andeutet und Keysselitz (1908, S. 336) richtig beschreibt. Kent (1880, S. 428) bezeichnet sie als obere Geißel. OK) <^ü. Senn. Die im Grunde der Querfurche auf der linken »Seite des lappen- artigen Vorsprunges inserierte Geißel liegt mit ihrem proximalen Teil in dieser Furche. Da, wo diese nach der linken Zellflanke umbiegt, ist die Geii3el in Form einer niederen Schraube mit etwa drei Um- gängen aufgerollt. Sie ist deutlich kürzer als die andre und übertrifft die Zelllänge nur wenig (nach Keysselitz. 1908, S. 335, ist sie IV5 körperlang). Es ist dieselbe Geißel welche Kent (1880, Taf. XXIV, Fig. 56) und Blochmann (1884, Fig. 15 u. 17) in ihren Figuren in Form einer geringelten Linie angedeutet haben, und welche Kent (1880. 8.428) »untere Geißel« nennt. Nach diesem Forscher soll sie bei der ruhenden Zelle mit ihrem distalen Ende auf der Unterlage befestigt sein; ich habe jedoch nie etwas beobachtet, was auf eine solche Verankerung schließen ließe. Geißellage bei schwimmenden Zellen. Die Geißeln während des Schwimmens in Funktion zu beobachten, ist weaen der großen Schnelligkeit ihrer Bewegungen mit Schwierigkeiten verbunden. Das einzige, was man dabei feststellen kann, ist die Tatsache, daß die eine Geißel nachgeschleppt wird, wobei das vom Hinterende abstehende Geißelstück mindestens so lang als die ganze Zelle ist. Ihre Gesamt- länge beträgt somit, wie auch Keysselitz (1908. S. 335) angibt, un- gefähr li/gi^^l diejenige der ganzen Zelle. Von der zweiten Geißel ist, wie Kent (1880, S. 428) richtig angibt, nichts zu sehen; sie wird also nicht, wie Keysselitz (1908. S. 336) angibt, in der Schwimm- richtung nach hinten gestreckt. Die Details der Lage und Bewegung dei' Geißeln können erst be- obachtet werden, wenn die Zellen aus irgend einem Grunde langsamer schwimmen. Man kann dies durch Erniedrigung der Temperatur (z. B. von 22 auf etwa 15"" C) hervorrufen. Die Anwendung von 20/oQigeni Kokain in Meerwasser, die behufs Beob- achtung der Geißeln von Aigenschwärmern empfohlen wird, war bei Oxyrrhis nicht iwaktisch. Die Zellen schwammen anfangs mit der ursprünglichen Ge- schwindigkeit weiter, lüelten dann aber plötzlich an. rundeten sich ab und gingen zugrunde. Die Schleppgeißel ist nun bis zu ihrer Basis leicht zu erkennen. Sie entspringt im Grunde der Längsfurche und ist in ihrer ganzen Länge nach hinten gestreckt (Taf. XXX, Fig. 9). Wohl infoige der Rotation der Zelle führt sie mit ihrer Mitte schwache kreisförmige Schwingungen aus, während sie an ihrem proximalen und dem distalen Ende sozusagen keine Ausschläge erkennen läßt. Kommt sie all- mählich zur Ruhe, so erkennt man an ihr scheinbar wellenförmige, ()x\ irlii>, N'f|)linisi-|mis imd ciiiim- Kiifla»ri>ll;itt-n usw. 617 in Wirklichkeit sohiaul)iü, verlaiifeiido Bevve<:;ungen, die man leicht bis zu ihrer Insertioni^stelle verfolgen kann. Es ist somit die in der Ruhe um den Geißelhöcker her umgelegte und mit ihrer Mitte in der Querfurche liegende Geißel, welche als Schleppgeißel funktioniert, und nicht die während doi- Ruhe spiralig aufgerollte, wie Kent (1880, S. 428) angibt. Diese in der Querfurche entspringende, während der Ruhe spiralig aufgerollte Geißel ist au der in Bewegung befindlichen Zelle erst zu erkennen, wenn diese ihre Lage nicht mehr verändert. Man kann dann in der Querfurche ein Flimmern bemerken, das schon Cohn (1866, S. 295) aufgefallen ist. und das er in Form einer »im Munde« — eben in der Querfurche — liegenden Schlinge abgebildet hat (Text- fig. 3d). Allmählich wird nun dieses Flimmern schwächer, und dann sieht man, daß es durch die Bewegungen einer Geißel hervorgerufen ist, die im Grunde der Querfurche, an der linken Seite des Geißel- höckers, und zwar an dessen Basis entspringt (Taf. XXX, Fig. 9). Die proximale Partie der Geißel hebt sich etwas vom Körper ab und schnellt dann wie eine Peitsche wieder in die Tiefe der Furche hinein, wodurch eine WellenbeweiJunü entsteht, die sich von der Basis ^Jic^en die Spitze der Geißel fortpflanzt und eine Drehung der Zelle gegen ihre rechte Flanke hin zur Folge hat. Auch Keysselitz (1908, S. 336) hat an der kürzeren Geißel »sehr rasche Schlängelungen« bemerkt. Diese Flimmergeißel legt sich um die linke Flanke der Zelle herum und verläuft vermutlich bis ans Ende der Querfurche. Ob ihr freies Ende ebenfalls das Wasser schlägt, oder, wie es zuweilen den Anschein hatte, neben der ausgestreckten Geißel nachgeschleppt wird, oder gar um sie herumgeschlungen ist. konnte ich nicht sichei' fest- stellen. Die Bewejiuu*ien dieser Flimmerueißel machen nun auch die An- gäbe DujARDiNs (1841, S. 346) und Gourret et Roesers (1886, S. 524) verständlich, w'elche der Oxyrrhis mehrere, zwei lange imd drei bis vier kurze, Geißeln zugeschrieben haben. Ist es doch schon bei der Ruhelage der Geißeln und bei Anwendung homogener Immersion wegen der Durchsichtigkeit aller Zellorgane nicht leicht, die Geißeln von den Kanten der Zelle zu unterscheiden und ihren Verlauf genau festzustellen. Wenn sich dann die Zelle noch dreht, und infolge ihrer asymmetrischen Gestalt dem Beobachter jeden Augenblick ein andres Aussehen zeigt, so ist ein Irrtum sehr leicht möglich. Es schien auch mir bisweilen - — nachdem ich längst festgestellt hatte, daß Oxyrrhis nur zwei Geißeln habe — als ob wenigstens noch eine dritte, kürzere 018 O. 8enn, vorhanden sei. Diese Täuschung wurde aber jeweilen durch die Be- wegungen und scharfen Biegungen der Flimmergeißel hervorgerufen. So hat also auch Oxyrrhis als einzelner Organismus — wie ihre Ver- wandten, die Dinoflagelleten. in ihrer Gesamtheit — durch ihre Flimmergeißel eine größere, und zwar bezeichnenderweise unbe- stimmte Zahl von Geißeln vorgetäuscht. Sehr oft kann man beobachten, daß die Zellen ihre Geißeln mit einem Ruck abwerfen, was schon Cohn (1866, S. 295) und Keysselitz (1908, S. 335) beobachtet haben. In allen von mir beobachteten Fällen starben die Zellen bald nachhei- ab. An den Geißeln selbst waren, wie dies ja auch sonst wiederholt beobachtet worden ist. bald nach ihrer Abstoßung öfters noch ruckweise Bewegungen zu sehen. Nach den Angaben von Keysselitz (1908, S. 335) sind die Geißeln etwas abgeplattet und bestehen aus einem gleichmäßig starken, stumpf endenden Achsenstrang und einer plasmatischen Hülle, die jedoch nicht bis unmittelbar an das Ende der Geißel reicht, sondern eine kleine Strecke vor demselben aufhört. Der Achsenstrang wird nach diesem Autor in seiner letzten Strecke frei; auch soll er nicht in der Achse, sondern im Rande der Geißel liegen. Vom Vorhandensein eines inneren Stranges habe ich mich ebenfalls überzeugen können; ob er aber axial oder seitlich lag, vermag ich nicht anzugeben^. Dagegen habe ich wie Keysselitz bei gefärbten Zellen an der Basis jeder Geißel ein Basal körn beobachtet, dessen direkte Verbindung mit der Geißel allerdings nicht immer deutlich zu sehen war (Taf . XXX, Fig. 11). Aus der Insertion der Geißeln zu beiden Seiten des lappenartigen Vorsprunges, besonders aber aus ihrer Lage- rung in zwei getrennten Fui-chen der Zelle, sowie aus der Flimmerbewegung der in der Querfurche befindlichen geht unzweifelhaft hervor, daß sich Oxi/rrhis von allen andern Euflagellaten — sowohl von den Cryptomonadinen als auch von den Bodonadaceen, zu denen sie bisher gestellt wurde — weit entfernt, dagegen mit den Peridineen übereiiistimmt, deren Geißeln von der ruhenden Zelle bisweilen in gleicher Weise ein- gezogen und bewegungslos in die Furchen gelagert werden (Bütschli, 1884, S. 960). 1 Ein Kunstprodukt liegt in dieser Geißelstruktur offenbar nicht vor. da die Zellen samt ihren Geißeln rasch getötet worden waren. Es kann also keine Quellung eingetreten sein, wie A. Fischer (1894, S. 192 ff.) eine solche bei ge- schädigten Geißeln von Euglena beobachtet hat. Oxynhis. Nej>lu(iM'liiiis iiiid einige iMitlagelluteii usw. ()I9 5. Zellumhüllung iPeriplast und Gallerte). Die Zelle von Oxi/rrliis wiid (liireli eine deutliclie. hei starker Verurößerunu dopi)elt koiituriert erscheinende Haut unischh)s.sen, welche die Reaktionen der plasmatischen Körper zeigt. Mit Chlor- zinkjod wird sie wie mit Jod- Jodkalium gelbbraun; sie besteht also sicher nicht aus Cell u lose. Damit stimmt auch der weitere Befund, daß das Plasma durch Plasmolyse (z. B. mit 5,5% oder 7,5% NaCl in Aq. dest., was einem Zusatz von 'l^^ bzw. 4% NaCl zum Meerwasser entspricht) nicht von ihr uetrennt werden kann. Ebensowenifi tritt Plasmolyse ein. wenn man das Meerwasser durch allmähliche Yei'dunstunu sich konzentrieren läßt. Wurden z. B. Zellen in hängenden Tropfen über einem mit Meerwasser getränkten Papprahmen beobachtet, so zeigten sich nach einiger Zeit an der Zell- hülle mehrere Längsstreifen, die vom vorderen Körperende bogen- förmig nach hinten verliefen (Taf. XXX. Fig. 8). Die genaue Beobach- tung ergab, daß es sich um Einknickungen des Periplasten handelte, die durch den Wasserentzug verursacht worden waren. Die Zellen sahen dabei merkwürdig schmächtig aus; besonders das spitze Hinterende war auffallend dünn geworden. Dabei waren auch die gegenseitigen Lagerungsverhältnisse der Zellpartien verändert, so daß z. B. der lappenartige Vorsprung fast gegenüber der linken Flanke lag. Wurde nun der hängende Tropfen über einen mit Süßwasser getränkten Papprahmen gebracht, so kehrte die normale Zellgestalt wieder zurück (Taf. XXX, Fig. 7). Während des ganzen Versuches behielten die Zellen unter sonst günstigen Verhältnissen ihre Beweglichkeit bei. Auf die abnorme Homogeneität und Durchsichtigkeit der Zellen während des Wasserentzuges werde ich im folgenden Abschnitt zu sprechen kommen. Die Zellumhüllung ist somit als Periplast zu bezeichnen, der, wie die gerade verlaufenden Einknickungen zeigen, eine gewisse Festig- keit besitzt. Eine differente, vom Plasma ausgeschiedene Membran, bzw. ein Panzer, ist aber nicht vorhanden. Nun gibt allerdings Kent (1880, S. 428) an, daß er zuweilen leere Periplasten des Vorderendes gefunden habe. Daran, daß diese zu Oxyrrhis gehören, ist nicht zu zweifeln, da seine Abbildungen (Taf. XXIV, Fig. .58 u. 59) dieser Hüllen die Eigentümlichkeiten dei- Gestalt von Oxyrrhis viel besser wiedergeben, als seine Zeichnungen der intakten Zelle (Textfig. 3/). In meinem Material habe ich übrigens ähnliche 620 ('• yenn. Gebilde lieiuiiden; da sie aber deformiert waren, konnte ihre Zuge- hörigkeit zu Oxyrrhis nicht einwandfrei festgestellt werden. Es erhebt sich nun die Frage, wie diese leeren Periplasten ent- standen sind. Jedenfalls nicht beim Absterben der Zellen, denn dabei lösen sich diese samt dem Periplasten auf, wie dies auch Kent (1880, S. 428) angibt; er vergleicht den Vorgang treffend mit einem Ab- schmelzen. Nun berichtet aber Bütschli (1885, S. 559 Anm.), daß einige in seinem Aquarium aufgetretene Exemplare eine Umhüllung iiiemlich sicher wahrnehmen ließen. Man kann sicli die Sache vielleicht so erklären, daß die leeren Periplasten bei Häutungen der lebenden Zellen entstehen. Ob diese an gewöhnlichen vegetati- ven Zellen vorkommen oder nur an jungen, eben aus der Teilung hervorgegangenen Individuen, wie z. B. bei manchen D e s m i d i a c e e n , kann ich nicht sagen. Bei den Peridineen kommen solche Häutungen zwar sehr oft vor (Klebs, 1883, .S. 740, 744; Pouchet, 1885, iS. 42 f. usw.), doch werden dort jeweilen richtige, durch Plasmolyse isolierbare Zellhüllen erneuert. Immerhin wäre es denkbar, daß etwas ähnliches auch bei der wenigstens vorn mit einem relativ festen Peri- jilast vei'selienen Oxyrrhis stattfindet. Durch GouRRET et Koeser (1886, 8. 524) wurde festgestellt, daß der Periplast iii der hinteren Zellpartie fehlt oder doch viel weniger fest ist als vorn. Wohl deshalb verändert das hintere Ende seine Gestalt viel leichter als das vordere. So rundet es sich z. B. bei Indi- viduen, die im hängenden Tropfen Osmiumsäuredämpfen ausgesetzt werden, so ab, daß der lappenartige Vorsprung deplaciert wird und kaum mehr erkennbar ist (so auch Kent, 1880, S. 428). Dabei be- wahrt aber das Vorderende wenigstens anfänglich seine ursprüngliche Gestalt (Taf. XXX, Fig. 5). Bei Behandlung der Zellen mit schwacher Jod-Jodkaliumlösung in Meerwasser wölben sich aus der Querfurche mehrere Vacuolen vor, während das Hinterende sonst nicht deformiert wird. Sehr schön trat diese Vacuolenbildung bei Zusatz von 0,5% Tannin in Meerwasser bzw. 3,48% NaCl, auf. Zu Beginn der Wirkung lagen die Zellen wie fixiert auf dem Obj ektträger : erst nach 2 — 5 Minuten traten dann die Vacuolen heivor. In einzelnen Fällen vergrößerten sie sich nur bis zu einem gewissen Grade (Taf. XXX, Fig. 13 u. 15), bisweilen nahmen .sie rasch an Größe zu und kamen schließlich zum Platzen. An solchen Blasen waren gewöhnlich zwei bis drei mutzen- oder bogenförmige, verschieden große Gebilde von offenbar festerer Kon- sistenz zu sehen, welche der zarten Blasenhaut aufsaßen (Taf. XXX, Fig. 13). Die Länge des einen bestimmte ich zu 8 u, was mit der Länge des lappenartigen Vorsprunges übereinstimmt. Dieser gleicht Ox5Trhis, Nephroselinis und einige Euflagellaten usw. 621 auch tatsächlich in seiner Konsistenz viel eher dem Vorder- als dem Hinterende der Zelle. Was die ein bis zwei andern bogenförmigen Gebilde sind, von denen das eine 4,5 ,« maß, kann ich nicht mit Sicher- heit angeben. Es scheint, daß auch sie lokale Verdickungen des auf der Ventralseite des Hinterendes sehr zarten Periplasten sind, Organe, welche möglicherweise die Stellen geringster Konsistenz, also Cyto- stom und Cytopyge, wenigstens einseitig begrenzen. Es war nämlich zuweilen eine seichte Rinne zu sehen, die sich vom Hinterende bis in die Querfurche hinein zog. Die Rinne ist wahrscheinlich als die Stelle geringster Festigkeit aufzufassen, aus welcher auch die beschriebenen Vacuolen austreten. Meine Beobach- tungen über die Nahrungsaufnahme haben allerdings ergeben, daß wenigstens die kleineren Nahrungskörper in der Nähe der Geißelinser- tion zwischen dem lappenartigen Vorsprung und dem Rand der Quer- furche aufgenommen werden. Da ich aber auch eine Oxijrrhis gesehen habe, die in ihrem Innern eine Navicula enthielt, welche vom vorderen bis zum hinteren Zellende reichte, muß ich wie Kent (1880, S. 427) schließen, daß die Mundöffnung elastisch ist und wahrscheinlich längs der erwähnten Rinne bis ans Hinterende verlängert werden kann. In diesem Falle vereinigt sie sich wohl mit der Cytopyge, die, wie auch Blochmann (1884, S. 48) angibt, stets an der Spitze des Hinterendes liegt. Ich habe daselbst nicht nur die Ausstoßung von Nahrungsresten und das nachherige Schließen der Cytopyge in der von Blochmann beschriebenen Weise beobachtet (Textfig. 4 b), sondern auch an Individuen, die sozusagen auf dem Kopfe standen, eine ziem- lich deutlich umschriebene Stelle von der Gestalt eines Hufeisens ge- sehen, dessen Öffnung gegen die in der Querfurche gelegene Mundöffnung gerichtet war (Taf. XXX, Fig. 12). An fixierten Individuen ragte diese Stelle zuweilen löffelartig über die Fläche des Hinterendes heraus. Demnach wären Cytostom und Cytopyge wohl lokalisiert, aber durch einen Streifen so zarter Plasmahaut verbunden, daß die Mund- öffnung bis zur Cytopyge erweitert werden kann. Nach meinen Beobachtungen ist der Periplast an lebenden In- dividuen glatt, was auch Kent (1880, S. 427) und Gourret et Roeser (1886, S. 524) angeben. Duj ardin (1841, S. 347) beschreibt ihn aller- dings als raiih bzw. warzig. Er ließ sich aber offenbar durch die im Plasma enthaltenen Körnchen zu dieser Auffassung verleiten; macht doch auch Fresenius (1865, S. 84) darauf aufmerksam, daß die oft in Längsreihen angeordneten Kügelchen des Zellinhaltes die Oberfläche streifig erscheinen lassen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 41 622 G. Senn, All Zellen aber, welche durch Osmiumsäure fixiert worden waren, konnte ich wiederholt eine Punktierung und Strichelung des Peri- plasten feststellen (Taf. XXX, Fig. 5 u. 6). Möglicherweise sind diese Punkte und kurzen Doppelstriche Trichocysten-artige Gebilde, welche infolge der Wirkung schädlicher Einflüsse zarte Fäden aus- stoßen. Schon Kunstler (1888, S. 139) hat nämlich beobachtet, daß die Zellen von Oxyrrhis marina nach Fixierung mit konzentrierter Osmium- säurelösung und nachheriger Behandlung mit >)noir Collin<< (das mit Chromsäure angesäuert und dem etwas Glyzerin zugefügt war) mit einer mehr oder weniger dichten Hülle von unregelmäßigen Fäden bedeckt sind, die nach allen Richtungen ausstrahlen. Ich' kann diese Beobachtung durchaus bestätigen. Besonders schön waren die feinen Fäden (die viel zarter sind als die Geißeln) bei Behandlung der Zellen mit 0,5%iger Gerbsäure in Meerwasser, bzw. isotonischer Kochsalz- lösung (3,48%) zu sehen (Taf. XXX, Fig. 15). Sie erscheinen zuweilen an ihrem distalen Ende etwas verdickt und können so lang werden wie die Zelle selbst; als maximale Länge habe ich 31 /t festgestellt. Ließ ich Chlor zinkj od in verdünnter Lösung auf lebende Zellen wirken, so erfolgte eine viel schwächere Fadenbildung (Taf. XXX, Fig. 14), offenbar, weil die Zelle zu rasch getötet worden war. In diesem Falle schien es, als ob das Hinterende keine Fäden trage. Diese Tatsache hängt möglicherweise damit zusammen, daß in der hinteren Körperhälfte auch keine Strichelung der Membran vorhanden ist. Dadurch gewänne die Deutung dieser Striche als Trichocysten sehr an Wahrscheinlichkeit. Leider versäumte ich, die chemischen Keaktionen dieser Fäden festzustellen. Immerhin spricht die Tatsache, daß sie von Hämatoxylin nicht gefärbt werden, gegen ihre plasmatische Natur. Sie bestehen offenbar aus Gallerte, was mit Kunstlers Auf- fassung (1888, S. 139), nach der es Produkte von Trichocysten sind, gut stimmen würde. Da bei Fixierung mit Platinchlorid oder FLEMMiNGscher Lösung die Gallertausscheidung unterbleibt, muß gescklossen werden, daß die freischwimmende Zelle keine Gallerthülle trägt, sondern daß diese erst infolge eines äußeren Reizes ausgeschieden wird, und zwar in um so reichlicherem Maße, je langsamer der Organismus zugrunde geht. Durch äußere Reize verursachte Gallertausscheidungen kom- men in verschiedenen Gruppen der Flagellaten und ihrer Verwandten vor. So hat sie Klebs (1883, S. 274f.) für Euglena velata und san- guinea beschrieben. Hier werden zarte, radial gerichtete Gallertfäden Oxynliis, Kepliro-selnüs uiul einige Eiitlagelluten usw. (523 oder -Stäbchen ausgeschieden, die bald zu einem unregelmäßigen Netz- werk verquellen. Bei Gymiwdinmm, juscum dagegen bleiben die radial gerichteten Stäbchen erhalten; die Gallerthülle dieser Peridinee stimmt deshalb mit ihren regelmäßig radialstrahligen Stäbchen (Klebs 1883, Taf. II, Fig. 26) mit der bei Oxyrrkis durch Chlorzinkjod hervor- gerufenen völlig überein. Die langen, durch Gerbsäurebehandlung erzeugten Fäden hat Schutt (1899, S. 618ff.) genau in derselben Ausbildung für Ceratium furca und Podolampas hipes und neuerdings Krause (1910, S. 182) an Ceratium hirundinella beschrieben und abgebildet. Sie traten ebenfalls infolge einer Schädigung der Zellen auf. Schutt (S. 621) vermutet allerdings, diese Fäden seien plasmatisch er Natur und ihre Substanz sei derjenigen der Geißeln ähnlich. Doch haben auch Schutt und Krause die Reaktionen dieser Substanz nicht festgestellt. Ihre hyaline Beschaffenheit scheint mir viel eher für ihre Gallert- als ihre Plasma- natur zu sprechen. Somit schließt sich Oxyrrhis auch durch ihre Fähig- keit, auf äußere Reizung mit intensiver Ausscheidung zarter Fäden zu reagieren, eng an andre, sowohl marine als auch im Süßwasser lebende Peridineen an. Die ähnliche, wenn auch nicht mit gleicher Inten- sität erfolgende Gallertausscheidung mehrerer Euglenen hat für die Verwandtschaftsbeziehungen von Oxyrrhis keine Bedeutung, da diese mit den Eugleni^ien sonst nichts gemein hat. In bezug auf den Perlplasten unterscheidet sich Oxyrrhis allerdings nicht von den Flagellaten, schließt sich darin aber auch an Peri- dineen, z. B. an Gymnodinium an, dessen Periplast ebenfalls keine Cellulosereaktion gibt. Die verschiedene Konsistenz des Periplasten in den verschiedenen Körperpartien spricht dagegen durchaus für die Zugehörigkeit von Oxyrrhis zu den Peridineen, da nach Schutt (1899, S. 625f.) bei Podolampas hipes aus der Geißelspalte große Pseudo- podien austreten und wieder eingezogen werden, und auch bei fixierten Ceratien häufig ein Plasmapfropf aus der Geißelspalte austritt — alles Verhältnisse, welche an die auf der Ventralseite von Oxyrrhis erfolgende Ausstülpung von blasigen Vacuolen erinnern. Somit weist auch die Ausbildung des Periplasten von Oxyrrhis klar auf ihre Zugehörigkeit zu den Peridineen, und zwar, da eine Panzerung fehlt, zu den Gymnodiniaceen. 6. Plasma und Vacuolen. Das Protoplasma kleidet in ziemlich dickem Wandbeleg den Periplasten aus und umschließt den von zahlreichen stärkeren oder 41* 624 G. Senn, schwächeren Plasmasträngen durchzogenen Zellsaftraum (Taf. XXX, Fig. 21). Normalerweise erscheint das Plasma körnig (Taf. XXX, Fig. 7). Wird aber der Zelle durch allmähliche Verdunstung des Meerwassers oder durch Zusatz konzentrierter Salzlösungen Wasser entzogen, so wird das Plasma, bald nachdem am Periplast die S. 619 erwähnten Einknickungen aufgetreten sind, vollständig homogen und mit Aus- nahme der von den Nahrungsballen eingenommenen Stellen durch- sichtig; auch der vorher deutlich sichtbare Zellkern scheint verschwun- den zu sein (Taf. XXX, Fig. 8). Dieses Verschwinden der farblosen körnigen Inhaltsbestandteile infolge starken Wasserentzuges beruht offenbar darauf, daß alle Wasser enthaltenden Käume (Vacuolen) ver- schwunden sind, so daß nun die Plasmabestandteile samt dem Kern lückenlos zusammenschließen. Da sie alle annähernd denselben Bre- chungsindex haben (Senn, 1908, S. 369), durchsetzt das Licht die Zelle geradlinig, so daß sie homogen erscheint. Wenn man nun den hängenden Tropfen von dem mit Meerwasser getränkten Papprahmen auf einen mit Süßwasser getränkten überträgt, so nehmen die Vacuolen infolge der Verdünnung des Mediums Wasser auf. Das die Zelle durch- setzende Licht erfährt nun wieder an den unebenen Grenzflächen von Plasma und Zellsaft mehrfache unregelmäßige Brechungen, so daß alle in den Saftraum vorragenden Körnchen, sowie der Kern sichtbar werden. Die farblosen Körnchen und Tröpfchen bestehen teilweise aus Fett, da sie durch Äther und Alkohol gelöst und durch Osmiumsäure gebräunt werden (Blochmann, 1884, S. 47). Vielleicht sind auch die Körner, welche nach Fixierung der Zelle mit Platinchlorid und nach- heriger Behandlung mit gerbsaurem Vesuvin dunkelbraun bis schwarz gefärbt wurden, nichts andres als Fetttröpfchen. Ich beobachtete solche nur in der vorderen Körperhälfte, in der Nähe des Zellkernes. Außer diesen farblosen, körnigen Plasmabestandteilen und dem Kern finden sich, in größere oder kleinere Vacuolen eingebettet, meist zahlreiche Nahrungsballen, die, wenn noch nicht stark angegriffen, ihre Natur und Herkunft deutlich erkennen lassen. So hat Cohn (1866, S. 295) Reste von Spirulina versicolor darin beobachtet, Fre- senius (1865, S. 84) ebenfalls Spirulinen und in selteneren Fällen chlorophyllhaltige Reste. Keysselitz (1908, S. 339, Fig. 16—19) endlich fand darin ganjze Knäuel von Algenfäden (wohl Spirogyra, Textfig. 7). Meine Exemplare nährten sich außer von Bakterien auch von grünen, stärkehaltigen Organismen und besonders von Diato- Oxyrrhis. Nephrosclniis und einige Euflagellaten usw. 625 meen (Pinnularia). Daß einmal eine Navicula verschluckt wurde, die fast ebenso lang war wie die Oxyrrhis-ZeWe selbst, habe ich S. 621 erwähnt. In diesem Fall reichte natürlich die Nahrungsvacuole von einem Zellende zum andern. Gewöhnlich liegen aber die kleineren Nahrungskörper nur in der hinteren Körperhälfte, was schon Cohn (1866, S. 295) angibt. Infolgedessen erhält bei der Querteilung der Zelle das aus der vorderen Hälfte der Mutterzelle hervorgegangene Exemplar keine, das andre dagegen alle Nahrungsballen. Offenbar nach vollendeter Verdauung werden die Ballen in das Hinterende befördert und aus dessen Spitze spontan ausgestoßen, wie dies Blochmann (1884, S. 48, Fig. 16) beschrieben und abgebildet hat (Textfig. 4&). In einem fixierten und gefärbten Individuum schien sogar eine aus Plasma bestehende röhrenförmige Differenzierung vorhanden zu sein, welche vielleicht die Nahrungsreste aus der Mitte der Zelle zu der Cytopyge dirigiert. Daß Oxyrrhis einen Saftraum besitzt, wurde schon festgestellt. Von einer regelmäßigen Gestalt der Vacuolen mit einem nach der Geißelinsertion führenden Kanal — also einer Anordnung und Organi- sation, welche die Anwendung von Schutts Ausdruck »Pusule« rechtfertigen würde — war aber nichts zu sehen. Ebensowenig konnte ich in irgend einer Zellpartie Pulsationen konstatieren; ich stimme darin mit Blochmann (1884, S. 48) überein, der an den zuweilen zahlreichen Vacuolen trotz langer Beobachtung keine Veränderimgen entdecken konnte. Cohn (1866, S. 295), Kent (1880, S. 427 f.) und Gourket et Roeser (1886, S. 524) dagegen sprechen von einer — nach unsrer Orientierung — im Hinterende befindlichen contractilen Vacuole, deren Bewegungen nach Kent allerdings nicht sehr kräftig sein sollen. Da bisher bei keinem marinen Flagellat oder einem verwandten Organismus Vacuolenpulsationen beobachtet worden sind, ist es sehr wahrscheinlich, daß die Angaben dieser drei Forscher auf Irrtum beruhen. Da Oxyrrhis in der Verteilung ihres Protoplasmas und seiner Vacuolen von dem allgemeinen Bauplan der Zelle pflanzlicher Pro- tisten nicht abweicht, können daraus naturgemäß keine Schlüsse über ihre speziellen Verwandtschaftsbeziehungen gezogen werden. 7. Kern und Kernteilung. Über Kernstruktur und Kernteilung von Oxyrrhis liegen außer GouRRET et Roesers (1886, S. 524) bloßer Erwähnung eines Kernes genauere Angaben von Blochmann (1884, S, 47) und besonders von 626 G. Senn, ScHAUDiNN (1896, S. 129) und Keysselitz (1908, S. 336f.) vor, welch letzterer auch die von Schaudinn hinterlassenen Präparate ver- wertet hat. Da meine Resultate mit denjenigen dieser Forscher im allgemeinen übereinstimmen, werde ich kleinere Differenzen im Anschluß an die Darstellung meiner Befunde erwähnen. Vor allem fällt die bedeutende CTröße des ellipsoidischen, etwas vor der Zellmitte liegenden Kernes auf; mißt er doch in der Ruhe 9 — 11// Länge (seltener bis 15//) und 6 — 7,5 /< Breite. Er ist also ungefähr 1/3, seltener sogar 1/2 so lang als die ganze Zelle! Seine Läjigsachse liegt zu derjenigen der Zelle parallel oder etwas schief (Taf. XXX, Fig. 5, 7, 14, 15, 18 u. 19). Zum Studium seiner feineren Struktur habe ich die Zellen mit 0,25 oder 0,5% Platinchlorid in Meerwasser oder mit Flemmings Chrom- Osmium-Essigsäure fixiert, die mit 10 — 15 Teilen Meerwasser oder isotonischer (3,4%) NaCl-Lösung verdünnt worden war (Swingle, 1897, S. 299). Schon ohne Färbung war mit homogener Immersion an den Kernen, die schon von Blochmann (1884, S. 48) beobachtete netzförmige, bzw. körnig-fädige Struktur zu erkennen, die durch schwache Hämatoxylinlösung (nach Delafield oder Heidenhain) noch bedeutend klarer wurde. Es lassen sich dann im Kern relativ große Körner unterscheiden, die zuweilen etwas unregelmäßig ange- ordnet sind, meist aber in bogigen Reihen verlaufen, welche von andern senkrecht oder etwas schief zu ihnen verlaufenden Reihen gekreuzt werden (Taf. XXX, Fig. 18 u. 19). Schaudinn (1896, S. 129) und Keysselitz (1908, S. 336) sprechen deshalb von einer Alveolarstruktur. Obwohl ich nicht feststellen konnte, ob die Körner nur in einer Rich- tung der Kernoberfläche, also zu rosenkranzartigen Fäden, oder in allen Richtungen des Raumes verbunden sind, glaube ich, daß die Bezeichnung Alveolarstruktur hier durchaus gerechtfertigt ist. Denn die Körner lassen sich bei jeder Einstellung des Kernes beobachten, woraus hervorgeht, daß die ganze das Karyosom umgebende Masse des Kernes gleich gebaut ist, mit Ausnahme der Kernmembran, die, wie auch Keysselitz (1908, S. 336) angibt, die alveoläre Partie in Form einer doppelt konturierten, weniger leicht färbbaren Haut um- gibt (Taf. XXX, Fig. 18). Im Innern des Kernes ist stets ein im Leben stärker lichtbrechender, an gefärbten Präparaten dunkler erscheinender kugeliger Binnenkörper, ein Karyosom, zu sehen, das Schaudinn (1896, S. 129) noch mit dem älteren, jetzt in andeim Sinne verwendeten Namen Nucleolo- Oxyrrhis, Nephroseliuis iiiui einige Euflagellaten usw. 627 Centrosom bezeichnet. Es liegt häufig etwas exzentrisch. In einem Falle beobachtete ich in einem ruhenden Kern auch deren zwei; mög- licherweise war aber das eine davon nur ein Nucleolus (Jollos, 1910, S. 194). Keysselitz (1908, S. 336) gibt ferner an, daß innerhalb des Karyo- soms ein stärker färbbares Korn, ein Centriol, enthalten sei. In der Tat habe auch ich ein solches, zwar nicht in allen, aber doch in zahl- reichen Fällen gesehen. Sehr oft konnte ich bei genauerer Beobachtung feststellen, daß der dunkle Fleck nicht ein kugeliger Inhaltskörper, sondern der Kreuzungspunkt von drei oder vier Spalten oder Furchen sei, welche die weniger dunkel gefärbte Partie des Karyosoms durch- ziehen (Taf. XXX, Fig. 17). Besonders deutlich waren diese stern- artigen Gebilde in den nach Heidenhain gefärbten Präparaten zu sehen, weniger klar oder gar nicht an den mit DsLAFiELDschem Hämatoxylin behandelten. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß die sternförmi- gen Gebilde auf eine Quellung des Karyosoms zurückzuführen sind. Auf Grund dieses Baues bezeichnet nun Keysselitz (1908, S. 336) den Oxyrrhis-Kevn als »bläschenförmig«. Dieser Ausdruck wird allge- mein für die Kerne der Flagellaten (im engeren Sinne) mit Aus- nahme der höheren Formen (Eugleninen, vielleicht auch der Chloro- monadinen) gebraucht. Bei jenen sucht man aber zwischen Kern- membran und Karyosom, in der sogenannten Kernsaftzone, vergeblich nach Chromatin bzw. stärker färbbaren Körnern. Die Kernsaftzone tritt daher in gefärbten Präparaten oft so wenig hervor, daß Awerin- ZEW (1907, S. 837) für Chilomonas einen kleinen kugeligen Kern angab, der aber, wie Prowazek (1907, S. 380) richtig bemerkte, nur das Karyosom des viel größeren bläschenförmigen Kernes ist, dessen Kern- saftzone Awerinzew übersehen hat. Bei dem Kern von Oxyrrhis wäre ein solches Versehen nicht möglich. Es besteht somit zwischen dem Oxyrrhis-Kexn und dem bläschenförmigen der niederen Flagellaten ein so wesentlicher Unterschied, daß die Anwendung derselben Bezeich- nung nicht am Platze ist. Der Kern von Oxyrrhis hat aber auch, ent- gegen ScHAUDiNNS (1896, S. 129) Angaben, nicht dieselbe Struktur wie derjenige der Eugleninen^ indem dort, wie ich in Übereinstim- mung mit Keuten (1895, S. 219) festgestellt habe (Senn, 1900, Fig. 64 Dl), das Chromatin in Form von radialstrahligen Fäden an- geordnet ist (Taf. XXXI, Fig. 38). Dagegen weist schon Bütschli (1885, S. 558) darauf hin, daß sich der Kernbau von Oxyrrhis dem- jenigen der Peridineen anschließe. Wie wir sehen werden, trifft dies auch in bezug auf seine Teilungsweise durchaus zu. 628 G. Senn, Um die schon durch BlocThmann (1884, S. 49) in großen Zügen beobachtete, durch Schaudinn (1896, S. 129) und besonders durch Keysselitz (1908, S. 337, Taf. XIX, Fig. 4—15) genau beschriebene Kernteilung zu sehen, habe ich 1 — 2 Tage alte Heuinfuskulturen (Lauterborns 1895, S. 177 Erfahrungen an Ceratium entsprechend) nachts 10.30 und 1.30 Uhr fixiert. Die erste Vorbereitung zur Teilung besteht in einer Viertelsdrehung des Kernes, der zufolge seine Längsachse zu derjenigen der Zelle senkrecht zu stehen kommt (Taf. XXX, Fig. 20). Auch Keysselitz (1908, Fig. 4) bildet einen solchen quergestellten Kern ab, in dem sich das erste Stadium der Karyosomteilung erkennen läßt. Auf die Querstellung des ganzen Kernes weist er zwar nicht ausdrücklich hin und bildet auch in Fig. 2 und 11 scheinbar ruhende Kerne ab, die quergestellt sind. Obwohl an solchen Stadien meines Materials zu- weilen noch keine Streckung des Karyosoms zu sehen war, muß ich die Querstellung des Kernes doch als erste Vorbereitung für seine Teilung auffassen, da sich an ihm schon eine deutliche Anordnung des Chromatins in parallelen Reihen erkennen läßt, die senkrecht zur Längsachse des Kernes, also in der Richtung der Längsachse der Zeile verlaufen. Auf diesen parallelen Verlauf der Chromatinelemente hat bereits Schaudinn (1896, S. 129), allerdings erst für das spätere Sta- dium, hingewiesen, während Keysselitz (1908) nichts von demselben erwähnt und ihn auch in seinen Figuren nicht hervorhebt. Im nächsten von mir beobachteten Stadium war außer der paral- lelen Anordnung des Chromatins eine in derselben Richtung erfolgte Streckung des Karyosoms zu erkennen (Taf. XXX, Fig. 21). Letzteres ließ allerdings vom Centriol, das sich nach Keysselitz (1908, S. 387) zuerst teilt, nichts erkennen ; es war in der Mitte etwas dicker als an den Enden und zeigte also noch keinerlei Andeutungen einer Einschnürung. Die folgenden Stadien, in welchen eine solche nach den überein- stimmenden Angaben Schaudinns (1896, S. 129) und Keysselitz' (Taf. XIX, Fig. 5 — 7) erfolgt, habe ich zwar nicht gesehen, zweifle aber nicht an der Richtigkeit dieser Beobachtungen. Im nächsten Stadium, das ich sah, waren die Chromatinfäden in der Mitte quer, also senkrecht zur Längsachse der Zelle, durchgeschnürt, so daß nun zwei nierenförmige, dicht hintereinander liegende Tochter- kerne vorhanden waren, welche noch von der Membran des Mutter- kernes umschlossen wurden. Bemerkenswert war bei dieser Zelle, daß das Karyosom, wie dies auch Keysselitz in einem Fall beobachtet hat, Oxyrrhis, Nephrosclniis und einige Euflagellaten usw. 629 noch nicht geteilt wai', sondern noch zwischen den beiden Tochter- kernen lag (Taf. XXX, Fig. 22). Diese runden sich allmählich ab, immer noch durch die schlauch- artigen Reste der Kernmembran verbunden (Taf. XXX, Fig. 23). In diesen Stadien liegen die Karyosome stets in den einander zugekehrten Polen der Kerne, woraus ich mit Keysselitz (1908, S. 338) schließe, daß das Karyosom stets durch Teilung entsteht und nie frisch gebildet wird. Da es sich aber, wie auch dieser Forscher angibt, zuweilen erst nach der Teihmg des Chromatins teilt, kann ich ihm die ihm duich Keysselitz (1908, S. 337 f.) zugesprochene Funktion als Teilungsorgan des Kernes nicht zuerkennen. Beim Beginn der Abrundung der Tochterkerne verschwindet die parallele Anordnung der Chromatinelemente, und gleichzeitig entfernen sich die Karyosome voneinander, wahrscheinlich infolge einer Drehung der beiden Tochterkerne in entgegengesetzter Richtung (Keysselitz, 1908, S. 337) (Taf. XXX, Fig. 24). Mit allen diesen Befunden über die Kernteilung von Oxijrrhis lassen sich auch die allerdings nur summarischen Angaben Blochmanns leicht in Einklang bringen. Seine Vermutung, die Kernteilung ver- laufe indirekt, ist wohl dahin zu modifizieren, daß sie ein Zwischen- ding zwischen der direkten Teilung oder gewöhnlichen Durchschnürung und der komplizierten indirekten Teilung ist, wie sie bei den höheren Organismen verbreitet ist (vgl. Oltmanns, 1904, S. 48). Sehen wir uns nun unter den Protisten nach einem ähnlichen Teilungsvorgang des Kernes um, so springt die Übereinstimmung mit der durch Lauterborn (1895) untersuchten Kernteilung von Cemtium MrundineUa sofort in die Augen, worauf auch Schaudinn (1896, S. 129) hinweist. Das Karyosom ist zwar bei dieser Peridinee nicht so deut- lich wie bei Oxyrrhis, doch hat Jollos (1910, S. 193) neuerdings nach- gewiesen, daß es sich in derselben Weise teilt wie bei Oxyrrhis und Gymnodinium. Überhaupt geht aus den Untersuchungen dieses For- schers klar hervor, daß die Kernteilung von Oxyrrhis mit derjenigen der Peridineen völlig übereinstimmt. Somit weisen die Kernverhältnisse von Oxyrrhis, was auch Jollos (1910, S, 202) betont, ebenfalls auf ihre nahe Verwandtschaft mit den Peridineen hin, die sich ja durch dife bedeutende Größe und be- sondere Struktur des Kernes von den übrigen Protisten, nicht zum mindesten von den Euflagellaten, scharf unterscheiden. Oxyrrhis ist deshalb auch auf Grund ihrer Kernverhältnisse von den Flagejlaten zu entfernen und zu den Peridineen zu stellen. 630 G. Senn, 8. Zellteilung. Bald nachdem die Kernteilung vollendet ist und jede Zellhälfte einen Tochterkern enthält, erfolgt die Teilung der Zelle. Dabei streckt sich die Mutterzelle etwas und lagert — bald früher, bald später — zwischen den beiden Kernen eine Plasmaschicht ein, welche die Proto- plasten der beiden Tochterzellen voneinander trennt (Taf . XXX, Fig. 24). Die Zellteilung macht sich nun auch bald in der äußeren Gestalt der Zelle bemerkbar, indem rings um die Mitte der Mutterzelle eine Furche auftritt, welche immer tiefer wird und schließlich die fast zu normaler Gestalt und Länge herangewachsenen Tochterzellen voneinander trennt (Taf. XXX, Fig. 16). Diese Durchschnürung habe ich einmal an einem Individuum im Zeitraum von etwa 2 Stunden von Anfang bis Ende beobachten können; die Zellen schwammen dabei stets herum, allerdings etwas schwerfälliger als die Einzelindividuen. Solche Zellteilungsstadien sind von mehreren früheren Beobachtern beschrieben mid teilweise auch abgebildet worden, so von Fresenius (1865, S. 84, Fig. 10; meine Textfig. 3 c), Cohn (1866, S. 296), Kent (1880, S. 428, Taf. XXIV, Fig. 57) und Blochmann (1884, S. 48, Fig. 17—20). Bei dieser Teilung erhält die hintere Tochterzelle die hintere Hälfte der Mutterzelle samt allen Nahrungsvacuolen. Über das Verhalten der Geißeln kam ich ebensowenig ins klare wie Keysselitz (1908, S. 339). Nach diesem Autor scheint zuerst eine Verdoppelung der Geißeln und dann ein Hinaufrücken des einen Paares nach dem vorderen Indivi- duum zu erfolgen. Tatsächlich haben alle Individuen, an denen man etwas von der Teilung erkennen kann, bereits zwei Geißelpaare. Ob die Furchen und der birnförmige Vorsprung geteilt werden oder auf das eine Individuum übergehen, konnte ich nicht feststellen. Die geringe Länge der birnförmigen Vorsprünge beider Tochterindividuen scheint eher auf eine Teilung dieser Körperpartie hinzuweisen. Ich kann also die von allen früheren Forschern gemachte Angabe bestätigen, wonach Oxyrrhis sich durch Querteilung vermehrt. Und zwar ist es eine ursprüngliche Querteilung und entsteht nicht etwa, wie bei einigen Chlamydomonaden, durch nachträgliche Umlage- rungen aus ursprünglicher Längsteilung; liegt doch schon die Teilungs- ebene des Kernes senkrecht zur Längsachse der Zelle. Immerhin deutet vielleicht gerade seine vor der Teilung erfolgende Drehung um 90° darauf hin, daß auch bei seinen Vorfahren ursprünglich eine Längsteilung vorhanden gewesen ist. Oxyrrliis, Nepliroseliuis und einige Euflagellaten usw. 631 Somit unterscheidet sich Oxyrrhis auch durch ihre Vermehrungs- weise prinzipiell von den Flagellaten im engeren Sinne, bei denen, mit nur zwei, übrigens keineswegs einwandfreien Ausnahmen i {Uro- glcnopsis americana (Moore) Lemmermann und Stylococcus lacustris Chodat; siehe S. 659 dieser Arbeit) die Teilungsebene von Zelle und Kern mit der Längsachse der Zelle parallel verläuft. Seitdem dies Klebs (1883, S. 359) festgestellt hatte, bildete Oxyrrhis im System der Flagellaten einen Fremdkörper, der nun auf Grund meiner Be- funde definitiv ausgeschieden werden muß. Denn wie die Kernteilung, so weist auch die Zellteilung von Oxyrrhis zu den Peridineen, bei welchen neben Längsteilung {ExuviaeUa, Ämphidinium und Dino- physiden) und schiefer Teilung (Ceratium) auch Querteilung vorkommt, und zwar bei Polykrikos und Hemidinium. Diese beiden Gattungen sind allerdings in bezug auf ihre Kernteilung noch nicht untersucht worden. Das von Stein (1883 III 2, Taf. II, Fig. 26; meine Textfig. 6 c) abgebildete Zellteilungsstadium von Hemidinium unterscheidet sich aber von den bei Längs- und Schiefteilung vorkommenden so vollständig, daß wir auch für die Richtung der Teilungsebene des Kernes einen durchgreifenden Unterschied von den andern Formen annehmen müssen, ebenso wie bei Polykrikos, dessen Zellteilungsstadium dem- jenigen von Hemidinium durchaus ähnlich ist. Somit schließt sich Oxyrrhis auch auf Grund ihrer Zell- teilung an Peridineen, und zwar an die sich ebenfalls durch echte Querteilung auszeichnende Gattung Hemidinium an. 9. Bewegung. Während Dujardin und Gourret et Roeser über die Schwimm- bewegung von Oxyrrhis keine Angaben machen, berichten Fresenius (1865, S.84), Kent (1880, S. 428), Blochmann (1884, S. 48) und BüTSCHLi (1884, S. 846, 852) übereinstimmend und richtig, daß beim Schwimmen das abgerundete apicale Zellende vorwärts gerichtet sei. Nur CoHN (1866, S. 295) läßt irrtümlicherweise das Hinterende vor- ausgehen. Auch darüber sind die vier genannten Forscher einig, daß wenigstens eine Geißel während des Schwimmens nach hinten gerichtet sei und hier undulierende oder peitschenförmige Bewegungen ausführe, welche die Zelle vorwärts treiben. 1 Die Angabe von Keysselitz (1908, S. 339), daß sich Codosiga durch Querteilung vermehre, beruht auf einem Irrtum (vgl. Cläeks Abbildungen der Zellteilung in Senn, 1900, Ö. 123, Fig. 81). 632 G. Senn, Über die Tätigkeit der zweiten Geißel herrscht aber völhge Un- sicherheit. Fresenius erwähnt sie bei der Beschreibung der Schwimm- bewegung überhaupt nicht, Kent (1880, S. 428) glaubt, sie sei noch vollständiger als bei der ruhenden Zelle in der Furche aufgerollt — also funktionslos — , während Bütschli (1884, S. 852) und Keysselitz (1908, S. 336) beide Geißeln nach hinten gerichtet sein lassen. Wie ich schon auf S. 616 angab, wird die eine Geißel, und zwar die in der Längsfurche liegende, nachgeschleppt, während die in der Querfurche verlaufende wellenförmig-flimmernde Bewegungen ausführt, welche wegen ihrer außerordentlichen Schnelligkeit den früheren Be- obachtern mit Ausnahmen von Cohn und Keysselitz entgangen sind. Durch die von der Flimmergeißel ausgehenden Stöße wird die Basis der Geißel nach der vorderen Partie der rechten Zellflanke ge- trieben. Es resultiert daraus eine Botation, welche, wenn wir die Zelle von vorn betrachten, im Sinne des Uhrzeigers verläuft. Dabei er- leichtert offenbar die tiefe, nach links rückwärts, also in gleichem Sinne verlaufende Furche die Rotation und bedingt die Steilheit der Schraubengänge, während die Rotationsachse, die vom vorderen zum hinteren Zellende verläuft, durch die Schleppgeißel nach hinten ver- längert und dadurch stabilisiert wird. Wie ich schon hervorgehoben habe, führt die Schleppgeißel mit der Mitte ihres vom Körper frei abstehenden Teiles kreisende, von der Seite gesehen pendelnde Bewegungen aus, während Basis und Spitze relativ ruhig liegen blieben. Außer der Festlegung der Rota- tionsachse hat die Schleppgeißel auch die Steuerung zu besorgen (so auch Keysselitz, 1908, S. 336). Wenn nämlich die Zelle eine Wendung vollzieht, so zieht sich eine der Wendung entsprechende Biegung über die ganze Schleppgeißel nach deren distalem Ende hin. Dieses behält also die ursprüngliche Richtung bei, wenn das proximale Ende und die Zelle selbst bereits die neue Richtung eingeschlagen haben. Bei solchen Wendungen tritt häufig auch eine Änderung der Rotationsrichtung ein, indem sich nun die Zelle statt rechts-, linksherum dreht. Dieser Wechsel kann allerdings auch beim Gerade- ausschwimmen beobachtet werden. Wie diese Bewegung zustande kommt, vermag ich nicht zu sagen; doch wird sie offenbar durch eine Änderung in der Bewegung der Flimmergeißel verursacht, welche nun die Zelle in der Richtung der rechten, etwas schief nach links vorwärts verlaufenden Längsfurche bewegt. Diese linksläufige Rotation dauert gewöhnlich nicht lange, indem die normale Rechtsdrehung meist bald zurückkehrt. Oxyrrhis, Nephroselmis und einige Euflagellaten usw. 633 Wie schon Fresenius (1865, S. 84) angibt, kommt aber außer der Rotationsbewegung nach rechts oder links auch eine schau- kelnde Bewegung nach rechts und links vor, wobei die Zelle jedes- mal nur eine halbe Drehung um die Längsachse nach der einen Seite ausführt. Wie diese Bewegung erzeugt wird, konnte ich nicht fest- stellen. Bei allen diesen mit völliger oder teilweiser Rotation verbundenen Bewegungen ist die im Profil ausgerandet erscheinende Partie der linken Körperflanke abwechselnd rechts und links sichtbar, woraus die für Oxyrrhis so charakteristische, scheinbar unruhig wackelnde Rotationsbewegung resultiert. Zuweilen sieht man die Zellen auch ohne Rotation daherschwimmen, wobei die Schleppgeißel peitschenförmige Bewegungen ausführt. Kent (1880, S. 428) glaubt zwar, daß dies die normale Schwimmbewegung von Oxyrrhis sei ; doch ist das, wie sich aus dem Vorhergehenden ergibt, nicht der Fall. Aus dem Fehlen der Rotation muß geschlossen werden, daß hierbei die Flimmergeißel, offenbar wie während der Ruhe der Zelle, in der Querfurche aufgerollt bleibt (so auch Kent). Wir werden dieser Bewegungsart bei der Besprechung der Nahrungsaufnahme wieder begegnen. W^enn wir die bei Oxyrrhis beobachteten Schwimmbewegungen mit den für die Peridineen, z. B. bei Bütschli (1884, S. 961 f.) be- schriebenen vergleichen, so ergibt sich, daß Delages Angabe (1896, S. 336), Oxyrrhis bewege sich nach Art der Peridineen, in jeder Beziehung richtig ist. Auch dort ist die Schleppgeißel während des Schwimmens entweder ruhig ausgestreckt, bzw. in ihrer Mitte in schwach pendelnder Bewegung, und überläßt der Flimmergeißel die Fortbewegung der Zelle, oder aber sie treibt die Zelle, offenbar wenn die Flimmergeißel ruht, durch peitschende Bewegungen vorwärts. Die auf Gleichartigkeit der Zellform und der Geißelfunktion beruhende Übereinstimmung in der Schwimmbewegung ist ein weiterer Grund dafür, Oxyrrhis zu den Peridineen zu stellen und von den Euflagellaten zu entfernen, da bei diesen Flimmergeißeln nicht vorkommen. 10. Nahrungsaufnahme. Über die Nahrungsaufnahme von Oxyrrhis liegen keine genauen Angaben vor. Darin sind zwar die früheren Forscher einig, daß dieser Organismus fähig ist, feste Nahrungskörper aufzunehmen. Kent (1880, S. 428) berichtet auch, daß ihm Fütterung mit Karmin gelungen 634 G. Senn, sei, während Blochmann (1884, S. 48) bei diesen Versiiclien nur negative Resultate erhielt. Über den eigentlichen Vorgang der Nahrungsauf- nahme fehlte aber noch jegliche Angabe. Kent (1880, S. 428) berichtet zwar, die Aufnahme fester Nahrung erfolge während der Ruhe der Zellen; dabei soll die vibrierende Be- wegung seiner »primären« Geißel, also der Flimmergeißel, die Nahrungs- körperchen in die Nähe der Zelle bringen, während die schlingenartigen Windungen der basalen Partie der Schleppgeißel offenbar helfen, die Nahrungskörper in die Mundhöhle hineinzustoßen. Obwohl ich an ruhenden Individuen die Schleppgeißel wiederholt aus der Querfurche stoßweise ein- und austreten sah, konnte ich dabei doch nie eine Auf- nahme fester Nahrung konstatieren, und doch habe ich natürlich weit mehr rvihende als sich bewegende Zellen beobachtet. In beiden Fällen jedoch, in welchen ich die Nahrungsaufnahme sah, schwamm die Zelle ohne zu rotieren — also während die Flimmer- geißel ruhte — sehr rasch in immer kleinerem Kreise um den Nahrungs- körper herum, wobei sie diesem die Ventralseite zuwandte und die linke Flanke nach oben kehrte. Dadurch geriet der Nahrungskörper selbst in rasche Rotation und wurde wie ein Kreisel an Ort und Stelle festgebannt. Sobald ihn die Zelle berührte, hielt sie ihn fest. Auf welche Weise sie dies erreichte, ob etwa durch die Ausstülpung einer zarten Nahrungsvacuole, konnte ich nicht feststellen. Sobald der Fang gelungen war, schwamm die Zelle wieder unter Rotation davon, wobei ein Teil der Beute aus der Mundstelle hervorragte. Das eine Mal war es eine Bakterien-Zooglöa von imgefähr dem halben Volum der Oxyrrhis-TieWe, das andre Mal eine kleine Pinnularia. Als diese von der Oxyrrhis erfaßt worden war, lag sie quer zu deren Längsachse; während des Schwimmens wurde sie aber um 90*^ gedreht, so daß sie die Richtung der Längs- achse annahm. Trotzdem ragte das eine Ende der Diatomee noch einige Zeit neben dem lappenförmigen Vorsprung hinten aus der Zelle heraus, bis es zuletzt ebenfalls ins Innere ge- Oxyrrhismarina, na.ch K^YSSE- , LITZ (1908, Taf. XIX, Fig. 16). ^Og^n WUrdC. Ventralseite, Aufnahme einer Alge, wahrscheinlich Spirogyra- Diese Fähigkeit zum Einziehen der Nahrungs- faden, körper kommt bei der von Keysselitz (1908, S. 339, Taf. XIX, Fig. 16—18) dargestellten Aufknäuelung von Algenfäden in frappanter Weise zur Geltung. Leider hat dieser Forscher den Vorgang selbst nicht gesehen, doch wird die Aufnahme wohl in der Weise Textfig. 7. OxjTrhis, Nephroseliuis und einige Euflagellatcn usw. 635 erfolgt sein, daß der Algenfaden an einem Ende erfaßt und dann sozusagen liin- cingeliaspclt wurde. Bei dem in seiner Fig. 16 abgebildeten Exemplar schaut das Fadenende noch heraus (Textfig. 7). Ein solches Umkreisen fester Nahrung ist meines Wissens noch nicht beobachtet worden. Bei den Fiagellaten wie bei den Ciliaten wird die Beute durch die Bewegungen der Geißeln bzw. Cilien zur Muudstelle herangestrudelt, und bei den Peridineen ist die Auf- nahme fester Nahrung erst an Amöbenzuständen (Schilling, 1891, S. 203), nicht jedoch an freischwimmenden Individuen beobachtet worden. Deswegen kann jedoch die Zugehörigkeit von Oxyrrhis zu den Peridineen keineswegs in Zweifel gezogen werden; die Zahl der genau bekannten tierisch sich ernährenden Peridineen ist vielmehr durch meine Befunde an Oxyrrhis vermehrt und ein neuer Modus des Ergreifens fester Nahrung festgestellt worden. 11. Lebensweise. Wie ihr Speciesname sagt, lebt Oxyrrhis marina im Meere, doch kann sie mit dem Meerwasser leicht auch ins Binnenland trans- portiert und daselbst kultiviert werden. Mit Ausnahme von Kent, GouRRET et RoESER uud wohl auch Schaudinn haben denn auch alle Forscher den Organismus in großer Entfernung vom Meere beobachtet, so z. B. DujARüiN (1841, S. 347) in Paris, und zwar während zweier Jahre in einer Kultur von Ulva lactuca, Fresenius (1865, S. 81) im Seewasseraquarium des Frankfurter zoologischen Gartens, Cohn (1866, S. 253) in einem marinen Zimmeraquarium in Breslau, und Bloch- mann (1884, S. 47) im Seewasseraquarium des zoologischen Instituts Heidelberg. Ich selbst traf den Organismus in Basel in einer Kultur von Bryopsis an, welche ich mir zu physiologischer Untersuchung aus Neapel hatte kommen lassen. Kent (1880, S. 427) dagegen beobachtete Oxyrrhis auf der Insel Jersey im frischen Meerwasser, allerdings auch in lange stehenden Heuinfurdonen. Gourret et Roesers Material (1886, S. 443) stammte aus dem alten Hafen von Marseille, der zu jener Zeit die Abwässer der Stadt aufnahm und infolge seines schmalen Ausganges sehr schmutzi- ges und mehr oder weniger faules Wasser enthielt, in dem höhere Tiere nicht zu leben vermochten, in dem es aber von Mikroorganismen wim- melte. Wohl deshalb haben die beiden französischen Forscher Oxyrrhis nur einmal und auch da nur in wenigen Exemplaren gefunden (vgl. 1886, S. 457). Oxyrrhis macht somit an die Reinheit des Meerwassers gewisse Ansprüche, indem sie in faulem Wasser nicht gedeiht; sie ist 6S6 G- Senn, aber wenigstens bei nicht zu warmem Wetter in Rohkultur leicht erhältlich. Um eine für die morphologische Untersuchung und besonders für die Fixierung und Färbung genügende Menge von Zellen zu erhalten, stellte ich die Kulturen ins Grewächshaus (20 — 25° C) ; in der Tat erfolgte eine rasche Vermehrung, die aber nur etwa einen Tag anhielt. Durch Fleischzugabe, die Blochmann (1884, S. 48) anwandte, geriet die Kultur bald in einen schlechten Zustand, ohne daß sich Oxyrrhis vorher rasch vermehrt hätte. Zu sehr guten Resultaten führte dagegen der von Kent angewandte Zusatz von Heu. Brachte ich solches, nachdem es in angefeuchtetem Zustande sterilisiert worden war, in die Kulturen, so wimmelten diese bei günstiger Temperatur (20 — 25 ° C) am zweiten und dritten Tag förmlich von Oxyrrhis-ZeWen, unter denen auch Teilungsstadien nicht selten waren. Ob diese günstige Wirkung des Heues auf einer raschen Vermehrung der für Oxyrrhis vorteil- haften Nährorganismen beruht, oder ob die aus dem Heu heraus- diffundierenden Stoffe Oxyrrhis besonders zusagen, kann ich nicht entscheiden. Jedenfalls scheint auch einfe rein saprophytische Er- nährung zu genügen, da die Zellen der Heuinfusionen an Nahrungs- ballen arm waren. In diesen Kulturen traten erst später Ciliaten auf, welche ihrerseits die Oxyrrhis wieder verdrängten. In alten Kulturen, welche keine frei schwimmenden Oxyrrhis- Zellen mehr enthielten, durch Auffrischung des Wassers eine neue Entwick- lung hervorzurufen, gelang mir nicht. Unter den in einem 3 — 41iterigen Kulturgefäß herrschenden Bedingungen scheinen somit keine Dauer- stadien gebildet zu werden; ob solche im freien Meere entstehen, ist wahrscheinlich, doch fehlen hierfür noch jegliche Anhaltspunkte. Wie bereits Cohn (1866, S. 295) angibt, lebt Oxyrrhis stets in der Nähe der Wasseroberfläche. Ob sie durch den höheren Sauerstoff- gehalt oder durch die Anwesenheit ihrer Nährorganismen hierher ge- lockt wird, kann ich nicht sagen. Oxyrrhis ist somit ein Organismus, der an die Qualität des Meerwassers keine großen Anforderungen stellt und sich deshalb bei relativ hoher Temperatur (20 — 25 °C) und Zugabe von Heu leicht kultivieren läßt. Faulendes^ bak- terien- und ciliatenreiches Wasser sagt ihm jedoch nicht zu. 12. Systematisches. Oxyrrhis marina Duj. wurde bis 1909 ganz allgemein zu den Fla- gellaten im engeren Sinne gerechnet, und zwar ohne daß bis dahin Oxyrrhis. Nephrose! mis niid einige Eut'lagellateii usw. (»37 iruendwelclie Zweifel an dieser ihrer systematischen Stellung geäußert worden wären. Und doch unterscheidet sie sich durch ihre typische Querteilung wesentlich von allen andern Flagellaten. Denn während bei Oxi/rrhis die Querteilung der Zelle schon in der Richtung der Kernteilung zum Ausdruck kommt und daher über jeden Zweifel erhaben ist, beruht die für die Euflagellaten Uroglenopsis americana (Calk.) Lemmerm. luid Stylococcus Chodat, beschriebene Querteilung offenbar auf fehlerhafter oder unvollständiger Beobachtung (vgl. S. 659). Aber selbst wenn man die Querteilung von Oxyrrhis als eine die Regel bestätigende ^Ausnahme hinnehmen wollte, wie man dies bisher allgemein getan hat, so sind die Schwierigkeiten, welche sich einer befriedigenden Einordnung dieser Form in das System der Flagel- laten entgegenstellen, keineswegs gehoben. Die von Dujardin (1841, S. 126) der Oxyrrhis angewiesene Stel- lung unter seinen Thecomonadiens, welche Eugleninen, Chla- mydomonadinen und Cryptomonadinen enthalten, kommt für uns nicht mehr in Betracht; immerhin ist es bemerkenswert, daß auch Cryptomonas hierher gezählt wird, welcher — bzw. ihrer farblosen Verwandten Chilotnonas — Oxyrrhis durch Kent (1880, S. 426), BüTSCHLi (1884, S. 844f.) und Goueret et Roeser (1886, S. 448) an die Seite gestellt wurde. Aber die genaue Kenntnis von Chilomonas und den Crypto- monadinen überhaupt hat Delage schon 1896 (S. 336) verhindert, Oxyrrhis bei den Cryptomonadinen zu lassen. Von der Querteilung abgesehen, unterscheidet sie sich nämlich von diesen durch die offene Furche (die Cryptomonadinen haben einen ringsum geschlosse- nen Schlund) und den Besitz einer Schleppgeißel. Delage hat sie deshalb zu den Heteromastiginen und ich (Senn, 1900, S. 134, 136) dementsprechend zu meinen Bodonaceen neben Phyllomitus und Colponema gestellt, unter denen die letztgenannte Gattung auch in der Zellform einige Ähnlichkeit mit Oxyrrhis aufweist. Durch die eingehende Untersuchung dieses Organismus, welche das Vorhandensein einer Längs- und einer Querfurche, einer Flimmergeißel, sowie einer durchaus abweichenden Kern- struktur gezeigt hat, ist aber auch die Einreihung von Oxyrrhis unter die Bodonaceen unhaltbar geworden. Alle systematisch über- haupt in Betracht kommenden Eigenschaften weisen diese Gattung zu den Peridineen, und zwar zu den Gymnodiniaceen, in nächste Nähe von Hemidinium. Mit letzterem wurde sie ja schon durch Zeitschrift f. wisaenacb. Zoologie. XCVII. Bd. 42 638 G. Senn, BüTSCHLi (1884, S. 559, Fig. 1 u. 2) eingehend verglichen. Da auch die Kernstruktur von Oxyrrhis auf Verwandtschaft mit den Peri- dineen hinweise, ist er der Ansicht, »daß sich auch in den sonstigen Bau Verhältnissen dieser Form Beziehungen zu den Cilioflagellaten erkennen lassen, welche die Oxyrrhis noch bestimmter als eine zwi- schen den Cryptomonaden und Cilioflagellaten vermittelnde Form aufzufassen gestatten«. Weil diesem Forscher auf Grund von Blochmanns Untersuchungen das Vorhandensein einer Längsfurche nicht bekannt war, mußte er Oxyrrhis zu den Cryptomonaden stellen, unter dem Hinweis, daß ihre Ähnlichkeit mit Hemidinium die Ableitung der Dinoflagellaten aus den Cryptomonadinen mög- lich erscheinen lasse. Durch die Kesultate meiner Untersuchungen über Gestalt und Organisation der Zelle sah ich mich genötigt, Oxyrrhis in meiner vor- läufigen Mitteilung (Senn, 1909, S. 86) als typische Peridinee zu bezeichnen, was neuerdings auch Jollos (1910, S. 202), wohl unab- hängig von mir tut, allerdings nur auf Grund der Übereinstimmung im Kernbau. In der Keihe: Chilomonas, Oxyrrhis, Hemidinium, Peridinee n ist somit der trennende Strich nicht rechts, sondern links von Oxyrrhis zu ziehen; und zwar ist diese Trennung der Oxyrrhis von Chilomonas und den Cryptomonadinen eine absolute, also viel schärfere, als die von Bütschli zwischen Oxyrrhis und Hemidinium vollzogene. Die Berechtigung dieser Trennung ergibt sich aus einer Zusammen- stellung der systematisch wichtigsten Merkmale ohne weiteres: Oxyrrhis Cryptomonadinen Zell g estalt offene, rückwärts gerich- ein vorwärts gerichteter, tete Quer- und Längs- rings umschlossener, nur furche. vorn geöffneter Schlund. Begeißelung Flimmer- und Schleppgeißel, zwei gleich fungierende, vorwärts gerichtete Gei- ßeln. Kern fädig-körnig, alveolär. bläschenförmig. Zellteilung Querteilung. Längsteilung. Schwimm- Mundstellung nach hinten Schlundöffnung nach vorn bewegung gerichtet. gerichtet. Ernährung tierisch und wohl auch sapro- und holophytisch, saprophy tisch. nie tierisch. Die Cryptomonadinen haben also mit Oxyrrhis lediglich eine Oxyrrhis, Nophroseliiüs und einige Euflagellaten usw. (53'.) entfernte äußere Ahnliclikeit. Dasselbe gilt für alle andern Eiifla- gellaten, speziell auch für die Gattung Cyathomonas, die Jollos (1910, S. 202) auf Grund der Kernstruktur mit den in ihrer Natur noch fraglichen Schwärmern von Gi/mnodmium fucorum in verwandt- schaftliche Beziehungen bringt. Bau und Entwicklung von Oxyrrhis beweisen, daß sie eine Peridinee ist, und zwar eine weitere Diffe- renzierungsform des ebenfalls durch Querteilung ausgezeichneten He- midinimn, dessen Querfurche bei Oxyrrhis bedeutend erweitert und dessen Hinterende demzufolge auf den lappenartigen Vorsprung redu- ziert worden ist. In morphologischer Beziehung repräsentiert somit Oxyrrhis das dem Ämphidinium entgegengesetzte Extrem der Zell- gestalt; bei letzterem ist die vor der Querfurche gelegene Zellpartie sehr klein, die dahinter gelegene dagegen sehr groß. Es ist jedoch nicht möglich, diese Gattung mit Oxyrrhis und Hemidinium in direkten genetischen Zusammenhang zu bringen, da sie sich nach Pouchet (1885, S. 54) wie Exuviaella durch Längsteilung vermehrt. Angesichts dieser Unterschiede ist es auch nicht mehr möglich, BüTSCHLis (1885, S. 559) Ausführungen über die Ableitung der Peridineen von Oxyrrhis zu folgen. Diese Gattung ist als etwaige Übergangsform von den Flagellaten zu den Peridineen viel zu hoch differenziert. Der lappenartige Vorsprung ist nur als stark redu- zierte, linke hintere Ventralpartie von Hemidinium verständlich, nicht jedoch als erster Beginn einer Teilung der ursprünglich einheitlichen, flagellatenhaften Mundstelle in die Längs- und Querfurche der Peri- dineen. Man wird die Wm'zel der Peridineen viel eher bei den Proro- centricae zu suchen haben, wie dies auch Oltmanns (1904, S. 40f.) tut, da speziell Exuviaella durch ihre Längsteilung und den Besitz von nur zwei Chromatophoren deutliche Anklänge an die Cryptomo na- dinen zeigt. Immerhin können diese Organismen höchstens als Ab- kömmlinge derselben Stammform betrachtet werden, da die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede zu groß imd beide Formen schon viel zu sehr differenziert sind, als daß man die einen von den andern ab- leiten könnte. Nicht nur fehlt bei Exuviaella das für die Crypto- mo nadinen charakteristische Schlundorgan, sondern diese Organismen unter,scheiden sich voneinander auch durch die Bewegungsweise der Geißeln, sowie durch die Kernstruktur, also durch die beiden durchgreifenden Unterschiede zwischen Flagellaten und Peri- dineen. Außer der durch Dujardin (1841, S. 34G) aufgestellten Species 42* 640 G. Senn, Oxyrrhis marina ist keine andre bekannt geworden. Neuerdings wurden zwar zwei Formen zu der Gattung Oxyrrhis gezählt, die aber mit dieser Gattung, so wie wir sie jetzt kennen, nichts zu tun haben. Das gilt in erster Linie für die von Scherffel (1900, S. 3) be- schriebene Oxyrrhis phaeocysticola Scherffel, die ein ausgerandetes Vorderende mit plastisch beweglichem Rüssel besitzt; dieser geht im Gegensatz zu Oxyrrhis marina beim Schwimmen voraus. Während der Autor über die Funktion der beiden gleich langen Geißeln und über die Zellteilung keine Angaben macht, bildet er den Kern als kleines kugeliges Körperchen ab, das etwa einem Protomastiginen-Kern oder dessen Karyosom ähnlich sieht. Auch die leichte Trennung von Plasma und Periplast bei der Osmiumfixierung ist ein Merkmal, das der Oxyrrhis marina nicht zukommt. Die positiven Angaben Scherffels genügen übrigens, um eine Streichung seiner Oxyrrhis phaeocysticola aus der Gattung Oxyrrhis Duj. zu veranlassen. Wo sie in Wirklich- keit hingehört, ist bei dem Mangel einer Angabe über die Geißel- funktion schwer zu sagen. Vielleicht gehört sie zu den Amphimona- daceen, bei welchen beide Geißeln gleich lang und beim Schwimmen vorwärts gerichtet sind. Wenn jedoch die eine nachgeschleppt wird, so würde nichts hindern, Scherffels Oxyrrhis 'phaeocysticola bei den Bodonaceen, und zwar in der Gattung Phyllomitus Stein unterzu- bringen. Bis aber die Geißelverhältnisse aufgeklärt sind, muß sie zu den Formen incertae sedis gestellt werden. Die von Poche (1903, S. 344) zu Oxyrrhis gestellte Form 0. para- sitica Poche hat mit der DujARDiNschen 0. marina allerdings mehr gemeinsame Züge. Sie ist etwas nierenförmig gebogen und besitzt an ihrer konkaven Seite eine tief eingesenkte Mundtasche, an der je- doch kein lappenförmiger Vorsprung vorhanden ist. Je nach ihrer Stellung ist ihre Gestalt sehr verschieden, eine Eigentümlichkeit, die wir ja auch für Oxyrrhis marina festgestellt haben. Die Geißeln zeigen verschiedene Länge: die Schleppgeißel ist etwa körperlang, die gegen das Vorderende peitschende, stets in Bewegung befindliche Flimmer- geißel dagegen 1^/4 mal so lang als die Zelle. Wie bei Oxyrrhis marina geht das von der Mundstelle abgekehrte Zellende beim Schwimmen voraus. Diese Angaben deuten wenigstens darauf hin, daß Poche eine Peridinee vorgelegen hat. Immerhin läßt die Beschreibmig der Kernstruktur eher auf einen bläschenförmigen Protomastiginen- Kern, als auf einen alveolären Peridineen-Kern schließen. Da ferner weder der für Oxyrrhis charakteristische lappenartige Vorsprung vor- handen ist, noch zwei distinkte Furchen angegeben werden, kann die Ox5'rrhi8, Nephroseluiis und einige Euflagellaten usw. 641 von Poche beschriebene Art ebenfalls nicht zu Oxyrrhis gestellt werden. Je nach dem Ergebnis neuer Untersuchungen über die Kernstruktur wird man die PocHEsche Art bei den Peridineen oder bei den Fla- gellaten einreihen müssen. Die Gatt u n g Oxyrrh is 1) u j . umfaßt somit i m m e r n och nur eine einzige Species, 0. fiiarina Duj. Zusammenfassung. Oxyrrhis warina Duj. Zelle länglich eiförmig, auf ihrer Ventralseite mit zwei etwa in der Zellmitte beginnenden, nach dem (beim Schwim- men) hinteren Zellende gerichteten Furchen. Die schmälere davon, die Längs für che, ist gerade rückwärts und ein wenig nach der rechten Zellflanke gerichtet. Die andre, breitere, die Querfurche, zieht sich zuerst schräg nach der linken Zellflanke, biegt auf dieser scharf um, verläuft nun fast quer zur Körperachse und endigt auf der Dorsalseite. Längs- und Querfurche durch einen an der Basis schmalen, von der vorderen, weiteren Körperpartie gegen das engere Hinterende vorspringenden birnförmigen Lappen getrennt; dieser stellt die reduzierte linke hintere Ventralpartie der Peridineen-, speziell der Hemidinium-ZeWe dar. Das beim Sch%vimmen vorn gelegene Ende der Zelle stumpf ab- gerundet, das Hinterende spitz, etwas nach der linken Zellflanke ge- neigt. Diese erscheint infolge des Verlaufs der Querfurche wie aus- gerandet; die rechte Flanke dagegen verbindet in einheitlich kon- vexem Bogen Hinter- und Vorderende. Zelle dorsiventral schwach abgeplattet. Länge der Zelle meist 22 — 32 n; seltener nur 10 oder bis 37 ^t. Zellbreite 15— 20jK. Zelle von einem nicht plasmolysierbaren Periplast umhüllt, der in der vorderen Zellhälfte, sowie im lappenartigen Vorsprung fester ist, als in der hinteren ventralen Partie. Im Grunde der Querfurche die Mundstelle, das Cytostom, das sich unter Umständen bedeutend erweitern kann. Cytopyge ebenfalls auf der Ventralseite, zunächst dem Hinterende. Unter dem Einfluß schädlicher Agenzien scheidet die Zelle zarte Fäden, wohl gallertiger Natur aus, welche die Länge der Zelle er- reichen köimen. Zu beiden Seiten des birnförmigen Vorsprunges sind die zwei Geißeln inseriert; im Grunde der Längsfurche die etwa 11/2^*^ körperlange Schleppgeißel, die sich an der ruhenden Zelle rings 642 G. Senn, um den lappenartigen Vorsprung herumschlingt, im Grunde der Quer- furche sich nach hinten wendet und nur wenig über das Hinterende der Zelle hinausragt. Die im Grunde der Querfurche inserierte Flim- mergeißel wird, wenn die Zelle ruht, nach hinten gestreckt und auf der linken Zellflanke spiralig aufgerollt; nur etwa IV^mal körperlang. Ihre raschen Wellenbewegungen haben Dujardin und Goureet et RoESEB das Vorhandensein von drei bis vier kurzen Nebengeißeln vorgetäuscht. Plasma einen geschlossenen Wandbeleg und zahlreiche, das Zell- innere durchsetzende Stränge bildend, darin Fetttröpfchen und mehr oder weniger große Nahrungsvacuolen. Zellsaftraum ohne Diffe- renzierung; pulsatile Vacuolen fehlen. Zellkern relativ groß, meist ellipsoidisch, gewöhnlich etwas vor der Zellmitte gelegen, seine Längsachse zu derjenigen der Zelle un- gefähr parallel. In fixiertem und gefärbtem Zustand zeigt er eine deutliche Membran und eine häufig regelmäßig alveoläre Struktur des Chromatins. Meist etwas exzentrisch das Karyosom, in dessen Innerm gewöhnlich ein Centriol. Bei der Teilung Längsachse des Kernes senkrecht zu derjenigen der Zelle gerichtet.. Chromatin demente parallel zur Längsachse der Zelle in Reihen angeordnet. Das Karyosom streckt sich meist gleich- zeitig, zuweilen aber erst nach dem Kern, in der gleichen Richtung und teilt sich dann wie die Chromatinfäden in der zur Zellachse senk- rechten Richtung. Die Tochterkerne rücken allmählich auseinander. Bildung einer zur Zellachse ebenfalls senkrecht gerichteten Plasma- lamelle, welche die beiden Tochterzellen voneinander trennt. Während der Teilung schwimmt die Zelle mit zwei Geißelpaaren herum. Oxyrrhis zeigt drei Arten der Bewegung. 1) Meist gleichmäßige Rotation, wobei die Flimmergeißel in der Querfurche so rasche wellenförmige Bewegungen ausführt, daß sie unter gewöhnlichen Ver- hältnissen unsichtbar ist, während die Schleppgeißel fast unbeweglich nach hinten gestreckt wird und die Steuerung der Zelle besorgt. 2) Die Schleppgeißel schlägt sehr lebhaft, während die Flimmergeißel ent- weder untätig ist oder ebenso unregelmäßig schlägt wie die andre: stoßweise Bewegung ohne Rotation. 3) Wackelnde Bewegung, wobei die Schleppgeißel ruhig nach hinten gestreckt wird. Ernährung von Oxyrrhis tierisch, durch Aufnahme von lebenden Algen und Bakterien, sehr wahrscheinlich aber auch saprophy tisch. Aufnahme der Nahrungskörper im beweglichen Zustand, wobei sich die Zelle, ohne selbst zu rotieren, im Kreis um die Beute dreht. So- Oxyrrhis, Nephroselinis und einige Euflagellaten usw. 643 bald sie diese mit der Mimdstelle berührt hat, schwimmt sie unter Rotation davon und zieht den Nahrungskörper ins Innere. Unver- daute Speisereste aus der Cytopyge ausgestoßen. Oxi/rrhis lebt in Meer was s er, das organische Stoffe enthält, aber weder faul, noch an Ciliaten reich sein darf. Bei etwa 20^ C und Zusatz von sterilisiertem Heu entwickelt sie sich sehr rasch. Dauerstadien unbekannt. Auf Grmid: 1) der Zellgestalt (Quer- und Längsfurche, lappenartiger Vor- sprung), 2) der Insertion und Bewegung der Geißeln (Fimmergeißel) und die dadurch bedingte Bewegung der Zelle, 3) der Struktur und Teilungsweise des Zellkernes, 4) der Querteilung der Zelle und 5) der Fähigkeit, bei schädlichen Einflüssen lange Fäden aus- zuscheiden, muß Oxyrrhis niarina von den Flagellaten im engeren Sinne entfernt und zu den Peridineen, und zwar speziell zu den Gymnodiniaceen gestellt werden, unter denen sie sich als höhere Differenzierungsstufe zunächst an Hemidinium anschließt. Die von Scherffel und Poche als Species von Oxyrrhis beschriebe- nen Formen sind aus der Gattung Oxyrrhis zu entfernen. Die Gattung Oxyrrhis Duj. enthält deshalb nur eine einzige Species: 0. marina Duj. 2. Nephroselmis olivacea Stein. (Taf. XXXI, Fig. 25—27.) In seiner Beschreibung der Geißel- und Schwimmbewegung der Flagellaten (im weiteren Sinne) erwähnt Delage (1896, S. 306) Oxyrrhis und Nephroselmis als die einzigen Formen, deren Geißeln beim Schwim- men nicht vorangehen 1. Wie es sich in dieser Beziehung mit Oxyrrhis verhält, haben wir im vorhergehenden gesehen. Im Anschluß hieran seien die in dieser Richtung angestellten, allerdings nicht vollständigen Beobachtungen an Nephroselmis olivacea Stein mitgeteilt, einer Gat- tung, die seit ihrer Entdeckung durch Stein (1878, Taf. XIX, Fig. 32 bis 37) nur noch einmal, aber ebenfalls nicht eingehend, durch Klebs (1892, S. 420) untersucht worden ist. Steins Angaben über den Zellbau, die ja nur in seinen Abbil- 1 Diese Aufzählung ist allerdings nicht vollständig, indem schon solche Formen beschrieben wurden, so von Kent (1880, S. 247) Ancyromonas, von ELlebs (1892, S. 305) Phyllomonas, sowie von Massabt (1900, S. 133), allerdings bedeutend später, Clautriavia, 644 G. Senn, düngen zum Ausdruck kommen, kann ich im allgemeinen bestätigen. Zwar waren meine Zellen bei einem größten Durchmesser von 13 ^^ ziemlich viel kleiner als die von Stein beobachteten, welche, wie die Berechnung aus der Figurenvergrößerung ergibt, in der gleichen Rich- tung 18 — 20 /i maßen. Sei es nun, daß diese Vergrößerungsangabe nicht ganz genau ist, oder daß Stein größere Exemplare untersucht hat, jedenfalls habe ich keinen Grund, an der Identität unsres Materials zu zweifeln. Auch die von mir beobachteten Exemplare zeigten eine deutlich bohnen- oder nierenförmige Gestalt (Taf. XXXI, Fig. 25 u. 26), wenn auch die bei der Geißelinsertion befindliche Einsenkung nicht immer so tief war, wie sie Stein abbildet. Dagegen habe ich die starke seitliche Abplattung der Zelle ebenfalls konstatieren können. Wie auch Klees (1892, S. 420) bemerkt, ist die Zelle von einer deutlichen, wie mir schien, nicht metabolischen Membran umgeben, die aber mit Chlorzinkjod keine Cellulosereaktion gibt. Außer dem Plasma enthält jede Zelle ein großes, schalen-, nicht bandförmiges (wie Blochmann, 1895, S. 60 angibt) Chromatophor, das die ganze der Geißelinsertion gegenüberliegende Partie einnimmt und mit Ausnahme der nächsten Umgebung der Geißelinsertion die Zellhaut in relativ dicker Schicht auskleidet. Seine Farbe ist zwar nicht rein grün, sondern, wie der Speciesname sagt, oiiven- oder bräun- lichgrün, eine Nuance, wie sie bei Cryptomonas häufig vorkommt. Braun, wie Blochmann (1895, S. 60) »olivacea« übersetzt, ist das Chromatophor aber nicht. In seiner Mitte liegt ein großes Pyrenoid, dessen Stärkehülle in meinen Exemplaren oft weit in den Zellsaftraum hineinragte (Taf. XXXI, Fig. 25). An einem Exemplar konnte ich am Rande des Chromatophors einen roten Fleck beobachten (Taf. XXXI, Fig. 27), wie solche auch Stein (1878, Taf. XIX) in seinen Fig. 32, 36 und 37, allerdings in der Zweizahl, durch dunkle Punkte anzudeuten scheint. Ob dies ein wirklicher Augenfleck ist, oder ein gewöhnliches rotes öltröpfchen, wie solche z. B. bei Haematococcus in großer Menge vorkommen, kann ich nicht sagen. Für letztere Möglichkeit spricht der Umstand, daß ich den roten Fleck nicht an allen Individuen sah, und daß ich bei Nephroselmis keine Phototaxis feststellen konnte. Im Raum zwischen Geißelinsertion und Pyrenoid liegt ein bläschen- förmiger Kern, den schon Stein (Fig. 32) abgebildet hat. Die von ihm ebenfalls eingezeichnete contractile Vacuole (Fig. 32) habe ich jedoch, vielleicht wegen der großen Beweglichkeit der Zellen, nicht gesehen. OxjTrhis, Nephroseluüs luul einige Euflagellaten usw. 645 Aus dieser Darstellung des Zellbaues ergibt sich — worauf schon Klebs (1892, S. 420) hinwies — ohne weiteres, daß wir in Ne^hro- sehnis eine Angehörige der Volvocales vor uns haben. Demgemäß muß nun die Zelle auch orientiert werden. Wie bei einer Polyblepharis oder Chlamydomonas verläuft die Symmetrie- oder Längsachse von der Geißelinsertion (Apicalende) durch den Zellkern nach dem Pyrenoid (Antapicalende). Im Gegensatz zu Chlamydomonas ist aber diese Achse kürzer als der senkrecht dazu verlaufende Zelldurchmesser. Die Bewegung der Zelle erfolgt, wie schon aus Steins Zeich- nungen und den Angaben von Klebs (1892, S. 420) hervorgeht, nicht in der Kichtung der Symmetrieachse, sondern in der Kichtung der Breitenachse, bzw. des größten Zelldurchmessers. So abweichend von allem Bekannten dies auch ist, so wird es durch die Stellung und Tätig- keit der Geißeln ohne weiteres erklärt. Diese werden nämlich beim Schwimmen in der Abplattungsebene der Zelle senkrecht zu ihrer Symmetrieebene ausgestreckt, und «war die kürzere nach vorn, während die längere als Schleppgeißel nach hinten gerichtet ist (Taf. XXXI, Fig. 26). Die pendelnden Bewegungen der vorderen Geißel sind es offenbar auch, welche beim ruhigen Schwimmen bzw. Kriechen die Zelle vorwärts treiben. Beim Kriechen liegt das apicale Ende stets dem Substrat an, während das antapicale Ende sich abwechselnd nach rechts und nach links neigt, wodurch eine gleichmäßig wackelnde Kriechbewegung zustande kommt (Taf. XXXI, Fig. 26). Zuweilen sieht man aber auch die Zellen auf der flachen Seite, also horizontal liegend (so auch bei Stein) und mit beiden Geißeln schlagend, hüpfende, vom Substrat unabhängige Bewegungen aus- führen (Taf. XXXI, Fig. 25). Sie beschreiben dann meistens bogen- oder kreisförmige Bahnen und gleichen in ihrer Bewegung auffallend den farblosen Bodonen, deren Geißelinsertion ja ebenfalls hinter dem vorderen Zellende liegt. Endlich soll Nephroselmis nach Stein (1878, Taf. XIX, Figuren- erklärung), offenbar aber seltener, auch unter Rotation um ihre Längs- achse frei umherschwimmen. Daß die Vermehrung in einer Zweiteilung besteht, bei wel- cher die Teilungsebene von der Geißelbasis nach dem antapicalen Ende, und zwar senkrecht zu den abgeflachten Zellseiten verläuft, habe ich in Übereinstimmung mit Stein ebenfalls beobachtet, allerdings nur an vorbereitenden Stadien, in denen erst das Chromatophor geteilt war (Taf. XXXI, Fig. 27). Stein bezeichnet den Vorgang als Querteilung, 646 G. Senn, was aber auf Grund der morphologischen Verhältnisse (vgl. S. 645) nicht gerechtfertigt ist, da ja bei der Zellteilung die Bewegungsrichtung nicht in Betracht kommt. Dementsprechend gibt auch Bütschli (1884, S. 833) für Nephroselmis Längsteilung an. Auf Grund dieser Ergebnisse muß nun die systematische Stellung von Nefhroselmis einer erneuten Prüfung unterzogen werden. Stein (1878, S. X) stellte sie neben Cryptomonas und Chilomonas zu den Cryptomonadinen. Mit einigen Vertretern dieser Familie hat sie die mattgrüne Färbung des Chromatophors, mit allen aber die Fähigkeit der Stärkebildung gemein. Im Zellbau weicht sie aber durchaus von ihnen ab; besitzt sie doch nur ein Chromatophor (statt zweien) mit Pyrenoid, und keine schlundartige Höhlung. ' Diese Unterschiede haben offenbar Bütschli (1884, S. 833) ver- anlaßt, Nephroselmis von den Cryptomonadinen zu entfernen und zu den Chrysomonadinen zu stellen, obwohl er sich der nicht un- wesentlichen Abweichungen von diesen Organismen bewußt war. Die wichtigste Abweichung, welche die Placierung unter den Chryso- monadinen unmöglich macht, nämlich die Stärkebildung, war aller- dings Bütschli nicht bekannt. Die Stärkebildung, Gestalt und Farbe des Chromatophors, sowie der übrige Zellbau weisen Nephroselmis mit Sicherheit zu den Volvocales, zu denen sie übrigens schon durch Klebs (1892, S. 420, vgl. S. 645) gestellt wurde. Darin sind ihm Delage (1906, S. 364), ich selbst (Senn, 1900, S. 187) und Wille (1909, S. 18) gefolgt, während Blochmann (1895, S. 59), wie Bütschli, ebenfalls unter Vorbehalt, diese Form bei den Chrysomonadinen läßt. Unter den Volvocales ist Nephroselmis offenbar neben Chlamy- domonas aus zweigeißeligen, isomastiginen Polyblepharidaceen ent- standen, von denen wir heutzutage allerdings, wenn Chlamydomonas mikroplankton Reinke nicht zu ihnen gehören sollte, nur vielgeißelige Formen kennen. Wie Chlamydomonas besitzt Nephroselmis eine feste Haut, hat aber wie deren ursprüngliche Formen die Längsteilung bei- behalten. Ob sie dagegen auch eine geschlechtliche Fortpflanzung besitzt, ist noch nicht bekannt. Durch ihre Gestalt und besonders durch ihre Begeißelung und Bewegung vertritt sie aber unter den Volvocales einen besonderen Typus, nämlich dieHeteromastigini, wie dieser ja auch in allen Ver- wandtschaftsgruppen der Flagellaten im engeren Sinne — mit Aus- nahme der Distomatinen und Cryptomonadinen — vorkommt und zur Bildung besonderer Familien (Bodonaceen^ Ochromonar Oxyrrhis, Nephroselniis uiui einige Euflagellaten usw. ()47 daceen, Heteronemeen und Anisonemcen) geführt hat. Die völlige Symmetrie im Zellbau beweist, daß sich Nephroselniis aus symmetrischen, also isomastiginen, mit zwei gleichen Geißeln ver- sehenen Vorfahren entwickelt hat. Offenbar infolge der abweichenden und zum Vorwärtsschwimmen ungeeigneten Gestalt der Zelle wurden die beiden Geißeln zu verschiedenen Zwecken verwendet. Für eine solche selmndäre Differenzierung der Geißeln spricht auch deren ge- ringer Längenunterschied. Daraus folgt, daß eine isomastigine Form zu einer heteromastiginen werden kann. Man könnte nun daran denken, für Nephroselmis, als eine hetero- mastigine Form, eine besondere, den Polyblepharideen, Chlaniy- domonadaceen und Phacotaceen gleichwertige Familie zu grün- den. Dies würde gerade auch durch die Tatsache gerechtfertigt, daß Nephroselmis von vielen Systematikern zu keiner der genannten Fa- milien und darum überhaupt nicht zu den Volvocales gestellt wurde. Da wir aber soeben festgestellt haben, daß sich Nephroselmis, abgesehen von der Heteromastigie, im Zellbau von einer isomastiginen Stamm- form nicht weit entfernt hat, kann man von der Bildung einer be- sonderen Familie absehen und Nephroselmis, wie Wille (1909, S. 18), neben Chhmydomonas stellen. Zusammenfassung. Nephroselmis olivacea Stein erweist sich durch ihren symmetrischen Zellbau und die Ausbildung des muldenförmigen, allerdings matt- grünen Chloroplasten, der ein Pyrenoid enthält und Stärke bildet, als typische Volvocinee. Unter diesen nimmt sie aber durch ihre Fähig- keit zu kriechend-wackelnder oder Bodo-artig hüpfender Bewegung, welche mit der besonderen Zellgestalt und der Ungleichheit der Geißeln (vorgestreckte Geißel und Schleppgeißel) zusammenhängt, eine be- sondere Stellung ein. Immerhin bildet sie nicht etwa eine von farb- losen, asymmetrisch gebauten Bodonaceen abzuleitende Parallellinie der isomastiginen Volvocineen, sondern ist von solchen abzuleiten — mid zwar entweder aus Chlamydomonas- oder zweigeißeligen Poly- blepharideen- artigen Formen. Puncto Ausbildimg der Zellhaut steht sie auf derselben Stufe wie Chlamydomonas, an deren weniger hoch differenzierte, sich ebenfalls noch durch Längsteilung vermehrende Arten sie sich anschließt. Eine sexuelle Fortpflanzung wurde bei ihr noch nicht festgestellt. Da sie sich nur durch Begeißelung und Bewegungsweise von den Volvocaceen unterscheidet, kann sie zu diesen neben Chlamydomonas gestellt werden, 648 G. Senn, 3. Helcomastix globosa Senn. (Taf. XXXI. Fig. 28.) Im Auftrieb des Golfes von Neapel fand ich im März 1900 ein farbloses Flagellat, das mir dadurch auffiel, daß es bei der Bewegung seine beiden Geißeln nachschleppte, ähnlich wie dies bei Phyllomonas, Ancijromonas (Senn, 1900, S. 119f.) und Clautriavia (Massart, 1900, S. 133) der Fall ist. Während aber diese drei Gattungen nur eine Geißel besitzen, hat Helcomastix deren zwei. Obwohl ich den Organis- mus nicht so eingehend untersuchen konnte, wie es wünschenswert gewesen wäre, will ich meine Beobachtungen mitteilen, da sie trotz ihrer Lücken manches Interessante bieten. Die Zelle von Helcom,nstix ist völlig farblos, kugelig; ihr Durch- messer beträgt etwa 8 /*. Der Periplast ist so zart, daß er von den peripher gelegenen Körnchen des Plasmas oft nach außen vorgewölbt wird und seine Oberfläche infolgedessen höckerig erscheint (Taf. XXXI, Fig. 28). Das Plasma ist hyalin und enthält kleine Tröpfchen, die wohl aus festem öl bestehen. Daneben zeichnen sich einige eckige Körper durch ihre starke Lichtbrechung aus; wahrscheinlich sind es Nahrungsbestand- teile. Etwas vor dem Centrum der Zelle liegt der etwa 2,5 i^i große bläschen- förmige Kern. Eine contractile Vacuole ist nicht vorhanden. Die beiden Geißeln entspringen nebeneinander auf der Ventral- seite der Zelle. Sie sind ungleich lang; die längere mißt 20,5 ^it, übertrifft somit den Zelldurchmesser 21/2 — 3 mal; die kürzere ist 8 ji/ lang, wie die Zelle selbst. Bei der Vorwärtsbewegung, welche in einem lang- samen gleichmäßigen Kriechen auf festem Substrate besteht, werden beide Geißeln nachgeschleppt. Die längere liegt, wie diejenige von Cercobodo und Anisonema, dem Substrat in der Art einer Schleppgeißel an und besorgt als solche die Steuerung der Zelle. Über die Tätigkeit der kurzen Geißel kam ich nicht ganz ins klare. Sie wird ebenfalls nach hinten gestreckt, doch bemerkte ich an ihr keine Pendelbewegung wie bei der kurzen Geißel der Heteronemeen. Es erhebt sich nun die Frage, auf welche Weise diese beiden während des Kriechens völlig passiv erscheinenden Geißeln die Zelle vorwärts treiben. Da von einer Amöboidbewegung der Zelle auch nichts zu sehen war, müssen doch die Geißeln als Locomotionsorgane dienen. Es wäre nun denkbar, daß hier Peitschengeißeln vorliegen, deren dicke proximale Partie ruhig bleibt, während die zarte, gewöhnlich nicht Oxjnrrhis, Nephroselniis und oinigo Kul'lagellaten usw. 649 sichtbare distale Partie hin- und herpeitscht. Ob dies wirklich der Fall ist, oder ob hier eine andre, bisher nicht beachtete Art der Be- weguno; vorliegt, konnte ich nicht feststellen. Ebensowenig konnte ich Zellteilung und Nahrungsaufnahme beobachten. Ungünstige Witterung hatte Materialmangel verursacht, so daß ein Abschluß der Untersuchungen leider nicht möglich war. Systematik. Kernstruktur und Beschaffenheit des Periplasts beweisen, daß der beschriebene Organismus eine Protomastigine ist, doch bleibt seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie dieser großen Gruppe zweifelhaft. Wenn man der Tatsache, daß auch die kurze Geißel nachgeschleppt wird, keine allzu große systematische Bedeutung beimessen will, da ja auch Phyllomonas und Ancyromonas zu den Oicomonadaceae gerechnet werden, so läßt sich Helcomastix bei den Bodonaceen unterbringen, vorausgesetzt, daß die Nahrungs- aufnahme wie bei dieser Familie durch Vorwölben eines Plasmaschnabels erfolgt. Je nach dem Resultat weiterer Forschungen wird daher Helcomastix bei den Bodonaceen oder in einer neu zu gründenden Familie der Protomastiginen untergebracht werden müssen. Zusammenfassung. Hehonuistix globosa Senn nov. gen. nov. spec, kugelig, 8 /< groß. Periplast sehr zart, daher oft höckerig vorgewölbt. Kern bläschen- förmig, contractile Vacuole fehlt. Zwei Geißeln entspringen neben- einander auf der Ventralseite der Zelle. Bei der Kriechbewegung beide Geißeln rückwärts gerichtet, ohne deutliche Bewegung. Lange Geißel 20,5 u lang, besorgt die Steuerung, kurze Geißel 8 /< lang. Helcomastix gehört zu den Protomastiginen, entweder in eine besondere, neue Familie derselben oder zu den Bodonaceen. Marin, Auftrieb der Bucht von Neapel. 4. Heteronema Klebsii Senn. (Taf. XXXI, Fig. 29—31.) Dieses Flagellat fand sich (Sommer 1899) im Schlamm eines kleineren Torfmoortümpels bei »Torfhaus << im Harz. Die Individuenzahl war allerdings nicht groß, doch genügte sie, um Gestalt und Organisation der Zelle eingehend untersuchen zu lassen. Schon in meiner Systematik der Flagellaten (Senn, 1900, S. 182f.) habe ich von ihr zwei Skizzen publiziert (Fig. 133 ^). Hier möchte ich die detaillierte Beschreibung folgen lassen. Wenn die Zelle ruhig sich selbst überlassen ist, erinnert ihre 650 G. Senn, Gestalt im allgemeinen an diejenige von Heteronema acus; während aber die Zelle dieser Species walzenförmig abgerundet ist, lassen sich bei H. Klebsii deutlich drei Seiten erkennen, welche durch ziemlich scharfe Kanten voneinander getrennt sind. Die Zelle hat somit die Gestalt eines Prismas, das sich beidendig allmählich verjüngt und nach rechts (in mathematischem Sinne) tordiert ist. Jede Prismenseite macht nur un- gefähr einen halben Schraubenumgang (Taf. XXXI, Fig. 30). Diese normale Gestalt wird aber sofort aufgegeben, wenn die Zelle in irgendwelcher Weise gestört wird. Sie zeigt dann sehr starke Meta- bolie, deren Extrem in der Annahme einer kurz kreiseiförmigen Ge- stalt besteht, wobei Vorder- und Hinterende als dünne Stummel aus einer tellerartig verbreiterten Mittelpartie hervorragen (Taf. XXXI, Fig. 29). Da sich auf der beim Kriechen dem Substrate zugekehrten Seite der Zelle die Mund stelle befindet, ist die Orientierung der Zelle ge- geben. Die die Mundstelle tragende Seite muß als Ventralseite be- zeichnet werden; ihr liegt die Rückenkante gegenüber. Die Zelle ist 52 — 58 /^i lang und in der Mitte 13 ii breit. Der deutlich doppelt konturiert erscheinende Periplast ist ähnlich wie derjenige mancher Euglenen und Peranemeen spiralig gestreift, und zwar parallel zur Torsionsrichtung der Zelle, von links nach rechts. In verdünnter Methylgrün-Essigsäure färbt er sich leicht; in 50%iger Essigsäure verquillt er dagegen, während der Kern erhalten bleibt. Das feinkörnige Protoplasma liegt dem Periplasten in dichter Schicht an und sendet strangartige Fortsätze ins Zellinnere. Es schließt neben Resten fester Nahrung auch Paramylon körne r ein, die zu- weiler^ länglich ringförmige Gestalt haben. Der etwa in der Zellmitte liegende Zellkern ist ein ovaler Körper, dessen lange Achse 12 /t mißt. Er enthält ein centrales Karyosom, von welchem das nach dem Euglena-Tjpus strahlig angeordnete Chro- matin ausgeht (Taf. XXXI, Fig. 30). Besonders eingehend habe ich das Vorderende der Zelle unter- sucht. Es hat allerdings einen sehr komplizierten Bau, der aber dank den relativ großen Dimensionen der Zelle der Beobachtung zugänglich war (Taf. XXXI, Fig. 31). Das Vacuolensystem ist nach dem Euglena-Tyi^vis gebaut. Eine ziemlich tief im Körper liegende contractile Vacuole ergießt ihre Flüssigkeit in regelmäßigen Pulsationen in eine längliche nicht pul- sierende Sammelvacuole, die nach vorn in einen engen Kanal ausläuft. OxjTrhis, Nephrosclniis und einige Eutlagellaten usw. 651 Dieser endigt aber nicht, wie für die Euglenen angegeben wiitl, im Mundtrichter, sondern zu äußerst am Vorderende des Körpers, und zwar dorsal neben der nacli vorn gerichteten Geißel. Die Mundöffnung erscheint als längliche Spalte, die in der Mitte etwas verengt ist. Aus dieser Öffnung treten die beiden Geißeln heraus. Die vordere, scheinbar in einem Kanal eingebettet, kann im Körper fast bis zu der bogenförmig verlaufenden Linie bzw. Fläche verfolgt werden, welche den Schlundapparat nach vorn abschließt (Taf. XXXI, Fig. 31). Diese vordere Geißel ist beim Vorwärtskriechen der Zelle in der Bewegungsrichtung ausgestreckt und führt nur mit dem vorderen, sich allmählich zuspitzenden Ende schlängelnde Be- wegungen aus. Ihre Länge übertrifft diejenige des Zellleibes; sie be- trägt 60—70 //. Die hintere, nur 30 — 40 a lange Geißel ist im Gegensatz zur vor- deren in ihrer ganzen Länge gleich dick. Sie tritt in einem Bogen am Hinterende der Mundöffnung aus, scheint aber in der Nähe der vorderen Geißel zu entspringen. Da sie während des Kriechens der Zelle kräftig hin und herpendelt, nimmt sie offenbar an der Vorwärts- bewegung der Zelle regen Anteil und kann deshalb nicht als bloße Schlepp- oder Steuergeißel bezeichnet werden. Ich muß übrigens da- hingestellt sein lassen, ob diese Geißeln, wie die von A. Fischer (1894, S. 230) beschriebenen, noch feinere, erst nach einer Beizung sichtbare Anhängsel tragen. Immerhin scheint wenigstens die vordere, wie diejenige von Bodo, zum Typus der Peitschengeißeln zu gehören. In einigen Fällen bemerkte ich an fixierten Individuen innerhalb der schon erwähnten, unter der Geißelbasis bogig verlaufenden Linie, ein Gebilde, das einem zarten Staborgan, wie es bei Peranema vor- kommt, auffallend ähnlich sah. Der umgebogene Stab schien in den vor ihm liegenden hellen Raum, der wohl den Schlimd vorstellt, hinein- zupassen, so daß er sich darin wie ein Pumpenkolben im Stiefel bewegen und die Nahrungsbestandteile in den Schlund hineinsaugen konnte (Taf. XXXI, Fig. 31). Obwohl ich dieses Staborgan nicht bei allen Individuen sah, ist es doch wahrscheinlich, daß es bei allen vorhanden war. Da auch Stein (1878, Taf. XXIII, Fig. 2) bei seiner Zygoselmis nebidosa, die zweifellos zu Heteronema gehört, ein schwach entwickeltes Staborgan abgebildet hat, ist es sehr wohl möglich, daß mehrere, ja vielleicht alle Species der Gattung Heteronema ein allerdings nur wenig ausgebildetes Staborgan besitzen. Die Bewegung der Zelle besteht gewöhnlich in einem lang- samen Davongleiten auf fester Unterlage, wobei die Mundstelle samt 652 G. Senn, Geißeln dem Substrat anliegt. Über die Tätigkeit der Geißeln habe ich vorhin schon berichtet. Die Zelle selbst steht dabei in der für die Heteronemeen charakteristischen Weise schief zur Bewegungsrich- tung, und zwar schräg nach links rück- und aufwärts, wenn sich die Zelle vom Beobachter fortbewegt. Ob Heteronema Klebsii auch des freien Schwimmens fähig ist, kann ich nicht angeben. Über Nahrungsaufnahme, Vermehrung, Dauerstadium usw. haben meine Untersuchungen zu keinem Resultate geführt. Zusammenfassung. Heteronema Klebsii Senn. Zelle 52 — 58 /t lang, in der Mitte 13 /< dick, dreiseitig prismatisch, beidendig zugespitzt, nach rechts tordiert, stark metabolisch. Periplast in der Torsionsrichtung der Zelle gestreift. Zellkern mit centralem Karyosom und radial angeordneten Chromatinfäden {Euglena- Typus!) Sammelvacuole im Vorderende, dahinter pulsierende Vacuole. Vordere Geißel 60 — 70 // lang, proximaler Teil bei der Kriechbewegung gerade vorgestreckt ; das allmählich zugespitzte Ende führt schlängelnde Bewegungen aus. Hintere Geißel 30 — 40 /t lang, überall gleich dick, pendelt beim Kriechen lebhaft hin und her; Zelle dabei zur Bewegungs- richtung schief nach links rück- und aufwärts gerichtet. Hinter der Mundstelle schwach entwickeltes Staborgan. Torfmoortümpel im Harz. 5. Tropidoscyphus cyclostomus Senn. (Taf. XXXI, Fig. 32—35.) Im Tümpel eines Porphyrsteinbruches südlich des Petersberges bei Halle a. S. fand ich im Sommer 1899 unter vielen andern ein- zelligen Algen und Flagellaten eine zierliche Form, die dem von Stein (1878, Taf. XXIV, Fig. 1 — 5) abgebildeten und als Tropidoscyphus octocostatus bezeichneten Organismus sehr ähnlich war. Die neue Form gehört offenbar in dieselbe Gattung, obgleich das Vorderende der Zelle bei der STEiNschen Species anders ausgebildet ist als bei meiner Form, die ich Tr. cyclostomus nenne. Die Zelle dieser Species zeigt deutlich dorsiventralen Bau. Die Ventralseite, welche die Mundöffnung mit den beiden Geißeln ent- hält, wird von einer scharfen Kante begrenzt. Diese umgibt die am Vorderende flache Ventralseite in Form eines Halbkreises, der als wulstige Lippe nach der Dorsalseite zurückgeschlagen ist (Taf. XXXI, Fig. 32, 33, 35). Dann verläuft die Kante in einem zuerst nach oben, Oxyrrhis, Nephroselmis und einige P^uflagellaten usw. 653 (laun nach unten geöffneten Bogen zum Hinterende, wo sie sich mit der gegenüberliegenden ebenfalls in einem Bogen vereinigt (Taf. XXXI, Fig. 33). Während die Ventralseite in ihrer vorderen Partie flach oder sogar etwas konkav ist, erhebt sie sich in ihrem zweitvorderen Drittel zu einem Kiel, welcher sich zu Beginn des hinteren Körper- drittels in zwei Rippen teilt, die in flachem Bogen nach hinten ver- laufen und sich dort in einer Rundung vereinigen (Taf. XXXI, Fig. 33). Die zwischen diesen beiden Rippen befindliche erhabene Partie der Ventralseite ist oben schwach ausgehöhlt. Der hintere Teil der Ventral- seite, welcher diese Erhebung umgibt, ist dagegen stark konkav und geht erst im vorderen Drittel in die schwach konkave einheitliche Fläche des Vorderendes über. Die der Ventralseite gegenüberliegende Dorsalseite ist in ihrem vorderen Teil auch leicht konkav und wird ebenfalls von zwei scharfen Rippen begrenzt (Taf. XXXI, Fig. 32). Diese entspringen unter dem wulstartig zurückgebogenen Vorderende der Bauchseite, entfernen sich zunächst voneinander, laufen nach einer ersten Biegung miteinander parallel, um nach nochmaliger Biegung im hinteren Körperdrittel zu einer einzigen scharfen Kante zu verschmelzen, die bis zum spitzen Hinterende der Zelle verläuft (Taf. XXXI, Fig. 32, 34). Die beiden zwischen Dorsal- und Ventralseite gelegenen Seiten der Zelle werden durch je eine Mittelrippe halbiert, welche ebenfalls unter dem Wulst des Vorderendes entspringt, der Kante der Ventral- seite ungefähr parallel läuft und in der Spitze des Hinterendes aus- läuft (Taf. XXXI, Fig. 32—35). Die beiden ober- und unterhalb dieser seitlichen Rippe gelegenen Partien der Zellflanken sind ebenfalls stark konkav; sie werden auf der Zellhinterseite durch die Kante von- einander getrennt, welche sich von der Dorsalseite über die Spitze des Hinterendes nach der die Ventralseite begrenzenden Kante hinüber- zieht (Taf. XXXI, Fig. 34). Somit besitzt Tropidoscyphus cyclostomus, wie Tr. octocostatus, beiderseits vier, also auch acht Rippen, zwischen welchen die Ober- fläche der Zelle so stark eingesenkt ist, daß die Zelle von hinten be- trachtet wie aus drei durch scharfe Rippen getrennten schmalen Stock- werken zusammengesetzt erscheint (Taf. XXXI, Fig. 34). Im Gegensatz zu den Vertretern der verwandten Gattung Hetero- nema ist Tropidoscyphus cyclostomus nur schwach metabolisch. Seine Gestaltsveränderungen beschränken sich auf ein Zusammenneigen oder Auseinandertreten der starren Rippen, so daß diese oft dicht neben- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 43 654 G. Senn, einander zu liegen kommen, was die Erkennung der eigentlichen Zellgestalt recht erschwert (Taf. XXXI, Fig. 35). Am Periplast, der stets doppelt konturiert erscheint, konnte keine feinere Struktur, auch keine Streif ung festgestellt werden. In konzentrierter Essigsäure verquoll er rasch bis zur Unkenntlichkeit. Die Größe des Organismus war bei den von mir untersuchten Individuen ziemlich konstant. Die Länge betrug etwa 16, die Höhe 14, die Breite 10/<. Das Plasma war in der vorderen Körperhälfte meist hyalin, in der hinteren dagegen konnte ich häufig gelbbraune Körper, wohl Reste verschluckter Chrysomonadinen, beobachten, was auch Stein (1878, Taf. XXIV) für seine Species angibt. Der kugelige Zellkern liegt ventral und mißt etwa 4 /< im Durch- messer. Im Centrum enthält er ein kugeliges Karyosom, von dem nach der Peripherie hin dicke Chromatinfäden ausstrahlen (Taf. XXXI, Fig. 35) ; der Kern ist somit nach dem Euglena-Typus gebaut. Das Vacuolensystem besteht aus einer dorsal gelegenen Sammel- vacuole, die mit engem Ausfuhrgang am Vorderende mündet, und aus 1 — 2 ziemlich großen pulsierenden Vacuolen, die ihren Inhalt in die Sammelvacuole entleeren (Taf. XXXI, Fig. 35). Ein Staborgan konnte ich nicht feststellen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß ein solches vorhanden ist, aber von den zahlreichen, am Vorderende zusammenlaufenden Rippen des Körpers verdeckt wird. Die Geißeln sind wie diejenigen von Heteroncma Klehsii aus- gebildet; sie scheinen beide in der Mundstelle zu entspringen, welche hinter dem wulstartigen Vorderende der Ventralseite liegt. Die vor- dere Geißel ist etwas länger als die Zelle; sie wird beim Kriechen mit Ausnahme des zugespitzten, schlängelnden Endes starr vorwärts ge- streckt (Taf. XXXI, Fig. 32, 33). Nahe hinter ihr entspringt die kürzere, nur etwa 2/3 körperlange Geißel, die überall gleich dick und am äußeren Ende kurz abgerundet ist. Sie wird bei der Bewegung ge- wöhnlich nach hinten gerichtet und pendelt in der unterhalb der rechten ventralen Rippe gelegenen Furche hin und her. Beim Absterben zeigt sie an ihrem Ende die typische Plasmakugel, welche nach A. Fischer (1894, Taf. IX, Fig. 3, 7, 8) durch Einrollung und Verquellung des Fadens entsteht. Die Spärlichkeit des Materials erlaubte keine Fixie- rung und Färbung der Zellen; doch vermute ich, daß die hintere der Geißeln eine Flimmergeißel, die vordere eine Peitschengeißel ist. Die Bewegung besteht in einem ruhigen Gleiten auf festem Substrat, wobei die Geißeln diesem anliegen und sich in der soeben Oxyrrhis, Nephroselniis und einige Euflagellaten usw. 655 iieschilderten Weise verhalten. Dabei ist die Längsachse der Zelle 7Air Bewegiingsrichtung schief nach rechts gerichtet; auch die ihre Ventral- und Dorsalseite verbindende Achse neigt nach rechts und bildet mit der Vertikalen einen Winkel von etwa 20°. In dieser Schiefstellung der Zellachsen stimmt Tropidoscyphus cyclostomus mit den übrigen Gattungen der Heteronemeen völlig überein. Aus unbekannten Ursachen tritt zuweilen an Stelle des langsamen Kriechens eine heftig wackelnde Bewegung, wobei die hintere Geißel oft nach vorn geschlagen wird, wie dies Stein (1878, Taf. XXIV, Fig. 1 und 2) auch bei seiner Species Tr. octocostatus abbildet. Das Vorhandensein von braungefärbten Nahrungsresten im Innern des Plasmas beweist, daß sich Tropidoscyphus tierisch ernähren kann; die Aufnahme fester Nahrung habe ich allerdings nie beobachtet. Anderseits kann dieser Organismus auch saprophytisch leben, da ver- schiedene isolierte Individuen in Decocten der am natürlichen Stand- orte des Flagellats gewachsenen Pflanzen mehrere Tage aushielten, allerdings ohne sich zu teilen. Ich kann deshalb auch über die Ver- mehrungsweise dieses Organismus keinen Aufschluß geben. Obwohl Tropidoscyphus prinzipiell gleich gebaut ist wie Hetero- nema, wird die Aufrechterhaltung jener Gattung durch die eigentüm- liche Gestalt der Zelle, das Fehlen einer Streifung des Periplasten und den fast völligen Mangel einer Metabolie gerechtfertigt. Da die von Stein (1878, Taf. XXIV, Fig. 1 u. 2) abgebildete Art ein spitzes Vorderende besitzt und, nach seiner Vergrößerungsangabe (650 mal) zu schließen, 57 /< lang ist, ist sie offenbar von der meinigen specifisch verschieden. Immerhin wäre ein Irrtum in Steins Vergrößerungsangabe nicht aus- geschlossen, da sein Entosifhon sulcatum laut Angabe auch nur 650mal vergrößert sein soll, tatsächlich aber 1200mal vergrößert ist. Wenn aber auch seine TropidosGyphus- Avt doppelt so stark, also 1200mal vergrößert wäre, so würde sie die von mir untersuchte Species immer noch an Größe fast um das Doppelte übertreffen. Zusammenfassung. Tropidoscyphus cyclostomus Senn, 16 ^it lang, 14 /< hoch, 10 ^tt breit, dorsi ventral gebaut, jederseits mit vier starken, von vorn nach hinten verlaufenden Rippen, von denen sich die beiden oberen Paare im spitzen Hinterende, die beiden unteren paarweise in je einem Bogen hinten vereinigen. Vorderende der Ventralseite als wulstige Lippe nach der Dorsalseite zurückgebogen. Schwach metabolisch. Periplast zwischen den Rippen glatt. 43* 656 G. Senn, Kern ventral gelegen, nach dem Euglena-Typns gebaut. Vacuolen- system dorsal gelegen, Sammelvacuole , dahinter 1 — 2 pulsierende Vacuolen. Vordere Geißel etwas mehr als körperlang, beim Kriechen vor- gestreckt, nur mit dem zugespitzten Ende schlängelnde Bewegungen ausführend. Hintere Geißel 2/3 körperlang, überall gleich dick, pendelt lebhaft hin und her. Zelle beim Kriechen schief nach rechts gestellt. Ernährimg tierisch und saprophytisch. Tümpel eines Porphyrsteinbruches beim Petersberge, nördlich von Halle a. S. 6. Notosolenus apocamptus Stokes. (Taf. XXXI, Fig., 36, 37.) In demselben Steinbruchtümpel des Petersberges nördlich von Halle a. S. fand sich ein Flagellat, das ich als Petalomonas inflexa Klebs glaubte bestimmen zu müssen. Besonders bestärkte mich hierin auch die Bemerkung von Klebs (1892, S. 379 u. 382), daß bei seiner Sub- species obliqua die Achse des Körpers zur Kichtung der Geißel und der Vorwärtsbewegung schief stehe, was auch bei meiner Form der Fall war. Außerdem befand sich in der einen Zellseite der Kern, in der andern das Vacuolensystem, die Länge von 10,5 jft stimmte ebenfalls, auch zeigte der platt zusammengedrückte Körper eine sanfte Krüm- mung, so daß die Bauchfläche konvex, die Rückenfläche konkav war. Als jedoch die Form am Deckgläschen kriechend ihre Bauchseite nach oben kehrte, konnte ich deutlich eine zweite Geißel erkennen, die, hinter der nach vorn gerichteten entspringend, wie diese nach hinten gerichtet war und in der Art der hinteren Heteronema-Geißel hin- und herpendelte (Taf. XXXI, Fig. 36). Da sie jedoch nur etwa halb so lang ist als der Körper, kann man sie in der Dorsalansicht der Zelle kaum sehen, wird sie doch vom Körper fast völlig verdeckt (Taf. XXXI, Fig. 37). Während die vordere Geißel in ihrem proximalen Teil starr ausgestreckt war und nur mit ihrem spitz zulaufenden Vorder- ende schlängelnde Bewegungen ausführte, war die hintere Geißel cylin- drisch, am Ende kurz abgerundet und zeigte eine schwache, pendelnde Bewegung, Der Periplast erschien zart und nach der Art von Petalomonas ohne erkennbare Streifung. Über den Bau des Kernes kam ich zu keinem sicheren Schluß; er schien bläschenförmig zu sein, was allerdings bei einer mit Hetero- nema und Twpidoscyphus nahe verwandten Form etwas auffallend Oxyrrhis, Nephroselmis luul einige Euflagellaten usw. 657 wäre. Dagegen besteht das Vacuolensystem, wie allgemein in dieser Gruppe, aus einer unveränderlichen Sammelvacuole, deren enger Ausfuhrkanal in der Mundstelle zu enden scheint. In diese Sammel- vacuole entleert sich eine hinter ihr liegende pulsierende Vacuole. Alle angeführten Eigenschaften der von mir untersuchten Form beweisen, daß es dasselbe Flagellat war, das Stokes (1888, S. 109 f.) als Notosolenus apocamptus beschrieben hat. Dieses Genus steht Heteronema sehr nahe, unterscheidet sich aber von dieser Gattung durch den Mangel an Metabolie und einer Streif ung des Periplasten; von einem Staborgan ist ebenfalls nichts zu sehen. Da auch die Zell- gestalt mit ihrer stark dorsi ventralen Abplattung so sehr von der- jenigen aller Heteronem.aSipecieB abweicht, ist man berechtigt, die von Stokes aufgestellte Gattung Notosolenus aufrecht zu erhalten. Eine andre Frage ist es, ob Petalomonas abscissa Duj. und P. mjlexa ß obliqua Klebs wirklich nur eine Geißel haben. Die zur Geißel- richtung schiefe Stellung der Zelle wäre dann höchst auffallend und nicht ohne weiteres erklärlich. Bei der Kleinheit der Objekte und der Lage der hinteren Geißel wäre es denkbar, daß diese übersehen worden wäre. In diesem Falle müßte die Gattung Notosolenus um die schief zur Bewegungsrichtung gestellten Peto^omo was- Species bereichert werden. Zusammenfassung. Notosolenus apocamptus Stokes 10,5 (x lang, dorsiventral stark abgeplattet, schwach gewölbt, Dorsalseite konkav, Ventralseite konvex, Zelle vorn zugespitzt, hinten abgerundet, mit fast geraden, parallelen Seiten, nicht metabolisch. Periplast glatt. Kern in der linken Zellseite, erscheint bläschenförmig. Vacuolen- system in der rechten Zellseite, mit Sammelvacuole, dahinter pul- sierende Vacuole. Vordere Geißel fast zweimal körperlang, beim Kriechen gerade vorgestreckt, nur mit dem allmählich verjüngten distalen Ende schlängelnd. Hintere Geißel überall gleich dick, pendelt bei der Kriechbewegung in ihrer ganzen Länge hin und her; Zelle dabei schief nach rechts gestellt. Ernährung wahrscheinlich tierisch und saprophy tisch. Tümpel eines Porphyrsteinbruches beim Petersberg, nördlich von Halle a. S. Möglicherweise ist Petalomonas injlexa ß obliqua Klebs damit iden- tisch, und gehört P. abscissa Duj. ebenfalls zur Gattung Notosolenus. 658 G. Senn, 7. Die Systematik der Flagellaten. Da die an Oxyrrhis, Nephroselmis und Helcomastix ausgeführten Beobachtungen neue Anhaltspunkte über den systematischen Wert verschiedener Organe des Flagellatenkörpers geliefert haben, ist es nötig, das System der Flagellaten, wenigstens in großen Zügen, zu revidieren. I. Abgrenzung der Euflagellaten von andern Protistenordnungen. Während noch Duj ardin (1841) alle geißeltragenden Protisten, Volvocineen und Peridineen inbegriffen, in seiner dritten Ordnung vereinigte, schied Bütschli (1884, S. 877) die Choanoflagellaten (S. Kent) und Dinoflagellaten oder Peridineen als besondere Gruppen aus, ließ aber die Volvocineen bei den Euflagellaten. Klebs (1883, S. 338ff.) entfernte dann auch diese als typisch pflanz- liche Gruppe und definierte die Euflagellaten als geißeltragende Protisten, die sich durch Längsteilung fortpflanzen, wo- durch sie sich von den Peridineen und Volvocineen unterscheiden. Es hat sich allerdings in der Folge gezeigt, daß auch bei diesen Gruppen Längsteilung vorkommt, doch stets bei den auch sonst nicht hoch differenzierten Formen, weshalb man ihre Längsteilung als alte, von flagellatenartigen Vorfahren ererbte Eigentümlichkeit auffassen muß. Etwas bedenklicher war dagegen die Tatsache, daß auch unter den Euflagellaten Formen bekannt waren, die sich durch Querteilung fortpflanzen. Als solche Formen galten Oxyrrhis marina Duj., Uro- glenopsis americana (Calk.) Lemm. und Stylococcus aureus Chodat. Während man, wie wir bald sehen werden, an der Querteilung der beiden zuletzt genannten Formen zweifeln konnte, war dies bei Oxyrrhis völlig ausgeschlossen. Immerhin mußte es auffallen, daß dieser Orga- nismus nicht nur wegen seiner Teilungsweise, sondern auch wegen seiner Zellgestalt und Bewegung der Eingliederung unter die Euflagel- laten Schwierigkeiten bereitete; so war die Vermutung berechtigt, daß Oxyrrhis überhaupt nicht zu den Euflagellaten gehöre. Diese Ver- mutung hat sich denn auch durch meine genaue Untersuchung als richtig erwiesen, da es sich herausgestellt hat, daß Oxyrrhis auf Grund ihrer asymmetrischen Zellgestalt, des Besitzes einer Längs- und einer Querfurche, einer Schlepp- und einer Flimmergeißel, sowie wegen ihrer Kernstruktur und Teilungsweise zu den Peridineen gehört, unter denen sie neben Hemidinium ihren natürlichen Platz findet. Dadurch ist die Ordnung der Euflagellaten ihrer abweichendsten Form entledigt. Oxyrrhis, Nephroselmis und einige Euflagellaten usw. 659 Die beiden andern Organismen, für welche Querteilung angegeben wurde, passen im Gegensatz zu Oxyrrhis auf Grund aller übrigen Eigen- schaften so gut zu den Euflagellaten, speziell zu den Chrysomona- dinen, daß an ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe nicht gezweifelt werden kann. Hier ließen aber die Angaben über die Querteilung dem Zweifel Raum, ob nicht vielleicht Ungenauigkeit oder Unvoll- ständigkeit der Beobachtung im Spiele gewesen sei. Jedenfalls beruht die Angabe G. T. Moores (1897, S. 108 f.), nach der sich Uroglenopsis americana (Calk.) Lemmerm. durch Querteilung vermehrt, auf einem Beobachtunsfsfehler. Die auffallende Viertels- drehung, welche die Individuen, deren Längsachse in der kugeligen Kolonie radial gerichtet ist, vor ihrer Teilung ausführen und durch welche sie ihre Längsachse parallel zur Koloniequerfläche orientieren sollen, ist offenbar darauf zurückzuführen, daß sich die Zelle in ihrer normalen, radialen Lage der Länge nach teilt, wobei die Vorderenden der beiden Tochterzellen auseinander weichen. Dadurch erscheint die Zelle bei Scheitelansicht natürlich länger als vorher und trägt scheinbar an jedem Ende ein Geißelpaar. Die von Mooee auf Taf. X, Fig. 3, abgebildete Zelle befände sich demnach nicht im ersten, sondern in einem relativ weit fortgeschrittenen Stadium der Längsteilung. Darauf, daß tatsächlich eine Längsteilung senkrecht zur Kolonieoberfläche vorliegt, deutet auch Moores Bemerkung (S. 109 oben), daß das ein- geschnürte Verbindungsstück der beiden Tochterzellen vor ihrer völligen Trennung stets am tiefsten, nach dem Innern der Kolonie zu liege. Auch die Angabe einer nach der Teilung erfolgenden Rück- drehung der Tochterindividuen in die radiale Lage ist offenbar eben- falls durch die ausschließliche Beobachtung der Zellen in Scheitelansicht verursacht. Ich würde es nicht wagen, Moores Darstellung in Zweifel zu ziehen, wenn nicht ähnliche Angaben für andre Flagellaten von zahlreichen früheren Beobachtern nachgewiesenermaßen auf Irrtum beruhten. Bei Stylococcus, für den Chodat (1898, S. 474) ebenfalls Quer- teilung angegeben hat, liegt die Sache anders. Hier erfolgt die Teilung zweifellos senkrecht zur Längsachse des die Zelle umschließenden, ge- stielten Gehäuses (Textfig. 8,3). Es ist aber auffallend, daß in Chodats Abbildungen (Fig. 15 c — /, meine Textfig. 8, 3 u. 4) der Teilungsstadien der geißelartige Faden des Vorderendes stets fehlt. Wenn die Teilung der Flagellaten in ruhendem Zustand — nach Abrundung der Zelle und Verlust der Geißeln — erfolgt, ist es nur in den seltensten Fällen möglich, an den bereits geteilten Zellen (Textfig. 8, 3) die ursprüngliche 660 G. Senn, Teilungsrichtung festzustellen. Nun hat aber Chodat, aus seinen Abbildungen zu schließen, die Beobachtung erst an einer geißellosen Zelle begonnen; er konnte deshalb nicht feststellen, ob die Teilungsr ebene zur Längsachse der Zelle — die Achse des Gehäuses kommt natürlich nicht in Betracht — ursprünglich senkrecht stand, oder ob sich nicht etwa schon die Mutterzelle vor oder nach erfolgter Kernteilung gedreht hatte, so daß die Teilungsebene erst sekundär zur Längsachse der Zelle quer zu liegen kam. Dieser Vor- gang wurde ja bei den mit einer Membran umgebenen Zellen der Chlamydomonaden wiederholt beobachtet. Somit kann auch die für Stylococcus beschriebene Querteilung nicht als einwandfreie Tatsache betrachtet werden. Da von den zwei Fällen, in welchen für Angehörige der Euflagellaten Querteilung angegeben worden ist, der eine offenbar auf einem Fehler, der andre wahrscheinlich auf einer Unvollständigkeit in der Beobachtung beruht, gilt der von Klebs (1883, S. 359) aufgestellte Satz ausnahmslos, daß sich alle Flagellaten im engeren Sinne, die Euflagellaten, durch Längsteilung vermehren. Für die Abgrenzung der Euflagellaten von andern verwandten Gruppen, sowie für die systematische Stellung von Oxyrrhis, haben sich auch Bau und Teilungsweise des Zell- kernes als wichtig erwiesen. So hat schon BüTSCHLi (1885, S. 558) hervorgehoben, daß die Kernstruktur von Oxyrrhis mit derjenigen der Peridineen übereinstimme. Ich (Senn, 1909, S. 87) habe dann konstatiert, daß die Kernteilung ähnlich wie bei Ceratium verläuft und daß Oxyrrhis aus diesem wie aus andern Gründen zu den Peridineen gehört. Endlich haben JoLLOs (1900, S. 202) sowie Haetmann und Chagas (1910, S. 118f.) auf Grund der Vergleichung der von Jollos an den Kernen von Gym- nodinium und Ceratium gewonnenen Resultate mit Keysselitz' An- gaben über die Kernteilung von Oxyrrhis diese zu den Peridineen gestellt, offenbar ohne von meiner schon im November 1909 erschiene- nen vorläufigen Mitteilung Kenntnis gehabt zu haben, Textfig. 8. Stylococcus aureus Chodat. 1 u. 2, verschiedene Zellformeu ; 3, Zellteilung; 4, Vorbereitung zum Austritt eiuer Tocliter- zelle. Vergr. ? Nach Chodat (1898, S. 474). Oxyrrhis, Nephrosclmis und einige Euflagellaten usw. 661 Die Untersuchungen über die Kernverhältnisse haben aber nicht nur die Ausscheidung der Oxijrrhis aus den Euflagellaten zur Folge gehabt, sondern auch die Einreihung der Trichonymphiden in diese Unterordnung. Obwohl noch nicht gesagt werden kann, an welche andre Ordnung oder Familie der Euflagellaten diese Parasiten ange- gliedert werden müssen — in Betracht kommen die Pantostoma- tinen und Trichomonas — , so steht jetzt wenigstens so viel fest, daß sie Euflagellaten sind (vgl. Janicki, 1910), die offenbar infolge ihrer parasitischen Lebensweise manche eigentümliche Differenzierungen erfahren haben, wie solche auch bei andern parasitischen Flagellaten vorkommen (Achsenstab bei Lophomonas und Trichotnonas). Die Struktur und Teilungsweise des Zellkernes ist so- mit für die Abgrenzung der Euflagellaten gegen andre Protistenordnungen sehr wertvoll. II. Die systematische Gliederung der Euflagellaten. Die Kernverhältnisse sind in letzter Zeit mit Recht auch für die Abgrenzung der verschiedenen Verwandtschaftsgruppen innerhalb der Euflagellaten herangezogen worden (vgl. Prowazek, 1903, S. 196; Hartmann, 1907, S. 153; Hartmann und Chagas, 1910, S. 65). Meine Beobachtungen über die Kerne von Heteronema Klehsii und Trofi- doscyphus cyclostomus scheinen dafür zu sprechen, daß z. B. für eine Anzahl von Eugleninen in der Tat ein gleichartig ausgebildeter Kern mit radialstrahligem Chromatin (Taf . XXXI, Fig. 38) charakteristisch sei. Bei der von Steuer (1904, S. 128) untersuchten Eutreptia Lanowi ist die Kernsaftzone, bzw. der Außenkern, ebenfalls reich an Chromatin; aus Steuers Abbildung (Fig. 2) scheint allerdings hervorzugehen, daß der Außenkern keine radialstrahlige, sondern alveoläre Struktur besitze, wie sie auch Hartmann und Chagas (1910, S. 99) für Peranema tricho- fhorum angeben. Nach Prowazek (1903, S. 326) hat aber das eben- falls zu den Eugleninen gehörende Entosiphon einen bläschenförmigen Kern, wie wahrscheinlich auch Notosolenus (vgl. S. 656). Man ist deshalb noch im Zweifel, ob die jetzt bei den Eugleninen untergebrachten Formen mit verschiedener Kernstruktur verschiedenen Entwicklungs- reihen angehören, oder ob die innerhalb dieser Unterabteilung vor- kommenden Unterschiede in der Kernstruktur durch allmähliche Über- gänge miteinander verbunden sind. Jedenfalls darf man den systematischen Wert der Kernverhältnisse auch nicht zu hoch anschlagen und deshalb den Wert aller übrigen Eigentümlichkeiten der Zelle unterschätzen, wie dies nach meiner 662 G. Senn, Ansicht Doflein, sowie Hartmann und Chagas (1910) tun. Denn die Berechtigung der von Doflein (1909, S. 342) vertretenen Auf- fassung, daß man vor genauer Kenntnis der Kernstruktur und der Fortpflanzungsweise nicht daran denken könne, ein definitives System der Flagellaten aufzustellen, wird durch die Arbeit von Hartmann und Chagas (1910) etwas zweifelhaft. Der in dieser enthaltene, auf der Kernstuktur beruhende Entwurf eines Flagellatensystems deckt sich nämlich, abgesehen von einigen sogleich zu erwähnenden Aus- nahmen, mit dem durch mich (Senn, 1900) auf Grund des allge- meinen Zellbaues aufgestellten System vollständig. Das ge- nauere Studium der Kernverhältnisse hat also wenigstens bis jetzt keine wesentliche Änderung des Flagellaten- systems nötig gemacht. Es könnte allerdings den Anschein haben, als ob durch die Zu- sammenfassung der flagellaten Blutparasiten ^ zu der neuen Unter- ordnung der Binucleaten (Hartmann, 1907) das System der Flagel- laten eine wesentliche Veränderung erfahren habe. Das ist aber nicht der Fall. Hartmann und Jollos (1910, S. 101) geben nämlich selbst zu, daß die zu dieser Unterordnung gerechneten Gattungen biphyle- tischen Ursprung haben (ein- und zweigeißelige Gattungen). Wenn nun der Blepharoblast tatsächlich einen zweiten Kern repräsentiert, so ist diese Zweikernigkeit gleichzeitig an verschiedenen Ästen des Flagel- latenstammbaumes, offenbar infolge der Lebensweise in dem dick- flüssigen Medium des Blutes, als Konvergenzerscheinung entstanden. In einem phylogenetischen System darf aber diese biologische Gruppe nicht in einer systematischen Einheit untergebracht werden. Man müßte vielmehr zwei Unterordnungen gründen, die eine für die eingeißeligen, die andre für die zweigeißeligen Formen. Da man jedoch die eingeißeligen Trypanosomaceae ohne Schwierigkeit an die Oico- monadaceen und die zweigeißeligen Trypanoplasmaceae an die Bodonaceen anschließen kann, ist die Aufstellung von zwei neuen Unterordnungen nicht gerechtfertigt. Es ist richtiger, die beiden Gruppen von Blutparasiten als besondere Familien in die Unter- ordnung der Protomas tiginen einzugliedern. Daß Hartmann und Chagas (1910) auf der einen Seite für die zweikernigen flagellaten Blutparasiten eine neue Unterordnung bilden, 1 Daß die bisher zu den »Sporozoen gerechneten Blutparasiten, z. B. auch Plasmodium, mit den Trypanosomen tatsächhch verwandt sind, scheint mir möghch zu sein, doch erlaube ich mir darüber kein definitives Urteil, • Oxyrrhis, Nephroselmis und einige Euflagellaten usw. 663 dagegen die mit zwei Kernen, zwei Mundstellen und paarig ange- ordneten Geißeln ausgerüsteten Distomatinen zu den im allgemeinen einkernigen und asymmetrischen Protomastiginen zählen, scheint mir nicht konsequent zu sein. Die von mir vorgenommene Abtrennung der Distomatinen als besonderer Unterordnung ist um so mehr gerechtfertigt, als sich diese zweifellos monophyletischen Formen auch in ihren Stoffwechselprodukten (Vorhandensein von Glykogen) von den übrigen Protomastiginen unterscheiden. Wenn also auch den Kernverhältnissen bei der sysie- matischen Gliederung der Euflagellaten große Bedeutung zukommt, so darf darüber der übrige Zellbau doch nicht vernachlässigt werden, will man nicht Gefahr laufen, auf einer neuen Grundlage ein neues, aber, weil nur auf einem einzigen Merkmal fußend, wiederum künstliches System aufzubauen. Aus meinen Untersuchungen ergibt sich ferner, daß auch der Art der Begeißelung großer systematischer Wert zukommt, erweist sich doch Oxyrrhis nicht nur durch ihre Kernstruktur, sondern ebenso klar durch den Besitz einer Schlepp- und einer Flimmergeißel als typische Peridinee. Von systematisch-phylogenetischem Interesse sind auch die bei Nephroselmis festgestellten Beziehungen zwischen Zellbau und Be- geißelung. Die ausgesprochene Symmetrie der Zelle und der geringe Längenunterschied der Geißeln beweisen, daß Nephroselmis aus einer symmetrischen, mit zwei gleichen Geißeln ausgerüsteten Chlamydo- monas-avtigen Stammform entstanden ist. Dieser Fall zeigt, daß ein Übergang von der Iso- zur Heteromastigie möglich ist, daß aber dieser Übergang keineswegs auch eine Änderung in den Symmetrieverhält- nissen der Zelle, also z. B. die Entstehung einer Bodo-artigen Form, zur Folge haben muß. Bei der Gruppierung der Flagellaten in Unter- ordnungen darf deshalb nicht die Begeißelung entscheiden, wie dies in den älteren Systemen, teilweise auch in demjenigen Bütschlis (1884) der Fall war, sondern der allgemeine Bau der Zelle (Vacuolen- system, Kernstruktur, Nahrungsaufnahme, Periplast). Wenn man somit aus den bei Nephroselmis konstatierten Tat- sachen einerseits den Schluß ziehen muß, daß die Symmetrieverhält- nisse der Zelle zäher festgehalten werden als die Art der Begeißelung, so erscheint anderseits die Möglichkeit doch nicht ausgeschlossen, daß die asymmetrischen heteromastiginen Flagellaten von symmetrischen isomastitiinen Formen abstammen, Ob sich diese durch Reduktion aus 664 G. Senn, vielgeißeligen Formen entwickelt haben oder durch frühzeitige Ver- doppehmg einer Geißel aus eingeißeligen Formen entstanden sind (wie Hartmann und Jollos, 1910, S. 99 für Herpetomonas annehmen), wage ich nicht zu entscheiden. Ebenso müssen neue Untersuchungen zeigen, ob für diejenigen Formen, welche, wie Ancyromonas, Clautriavia und Helcomastix, nur Schleppgeißeln besitzen, je nach Zahl und Ausbildung der Geißeln neue Familien gegründet werden müssen, oder ob diese Formen wie bisher in den bestehenden Familien untergebracht werden können. Obwohl somit eine Änderung in der Art der Begeißelung im Laufe der phylogenetischen Entwicklung erfolgt ist (vgl. Hartmann und Chagas, 1910, S. 98), muß der Begeißelung systematischer Wert zu- geschrieben werden, und zwar ein größerer, als dem Vorhandensein oder Fehlen eines Panzers oder Gehäuses. Denn die Tatsache, daß die eine der bei der Teilimg bepanzerter Arten entstandenen Zellen das Gehäuse der Mutterzelle als normal begeißeltes, aber nacktes Individuum verläßt, beweist, daß die Gehäusebiidung etwas sekmidär Erworbenes, und zwar später Erworbenes ist, als die Art der Begeiße- lung. Jedenfalls ist auch die Gehäuse-, wie die Koloniebildung in viel höherem Maße von äußeren Einflüssen abhängig als die Be- geißelung. Der scherzweise Vergleich, welchen Oltmanns (1904, S. 6) zwischen meiner Gliederung der Chrysomonadinen und Linnes Staubfadensystem zieht, enthält deshalb keinen ernsteren Kern, weil die Zahl der Staubgefäße im Gegensatz zu derjenigen der Geißeln sehr variabel ist. Ich muß deshalb an dem in meiner Flagellatenbearbei- tung (Senn, 1900) durchgeführten Prinzip festhalten, nach welchem in einer Flagellatenfamilie nur gleichartig begeißelte, dagegen nackte und bepanzerte, sowie einzeln und in Kolonien lebende Gattungen vereinigt werden können. Demzufolge sind die durch Lohmann (1902, S. 89ff.) untersuchten Coccolithophoriden (mit Kalkpanzern versehene Chrysomona- dinen) wohl als biologisch, nicht jedoch als phylogenetisch einheit- liche Gruppe zu betrachten. Sie müssen deshalb, obwohl es viel ein- facher wäre, sie, wie das Lohmann getan hat, zu der KLEBSschen Unterfamilie derLoricata zu stellen, als ein- und zweigeißelige Formen auf die Chromulinaceen und Hymenomonadaceen verteilt werden. Daß den von Hartmann unter dem Namen Binucleata zusam- mengefaßten flagellaten Blutparasiteu- aus demselben Grunde biphy- letischer Ursprung zuzuschreiben ist, und daß ihre Zusammenfassung Oxyrrhis, Nephroselrais und einige Euflagellaten usw. 665 ZU einer systematischen Einheit deshalb unzulässig ist, wurde auf S. 662 schon dargelegt. III. Die neueren Flagellatensysteme. Aus allen diesen Erwägungen ergibt sich, daß die in den letzten 10 Jahren erschienenen zahlreichen Arbeiten über Flagellaten keinerlei wesentliche Veränderungen an dem von mir im Jahre 1900 aufgestellten Systeme notwendig machen. Abgesehen von neuen Gattungen und Arten, die in den bisherigen Familien untergebracht werden können, sind, wie wir gesehen haben, die eingeißeligen und die heteromastiginen flagellaten Blutparasiten als besondere Familien an die Oicomona- daceen und Bodonaceen anzuschließen. Wohl als besondere Ord- nung ist die Gruppe der Trichonymphiden zu betrachten, deren Organisation in letzter Zeit durch Grassi und seine Schüler (vgl. Janicki, 1910) festgestellt worden ist. In der Hauptsache bleibt aber meine Flagellateneinteilung be- stehen, die übrigens eine Weiterentwicklung des von Klees (1892) konstruierten Systems darstellt. Letzteres erfreute sich mit Recht allgemeiner Annahme, wird aber fast immer als BLOCHMANNsches System bezeichnet (Hartmann, 1907, S. 156; DoFLEiN, 1909, S. 342; Hartmann und Chagas, 1910, S. 115). Diese Bezeichnung ist jedoch nicht gerechtfertigt, da Blochmann (1895) im Vorwort zur zweiten Auflage seiner »Mikroskopischen Tier- welt des Süßwassers« ausdrücklich bemerkt, daß er in der Systematik der Flagellaten Klees (1892) gefolgt sei. Ebensowenig Berechtigung hat Dofleins (1909, S. 342) Äußerung, daß mein System die Verwandtschaftsverhältnisse der Flagellaten mit pflanzlicher Ernährung besser ausdrücke, während das Bloch- MANNsche (d. h. das KLEESsche) die echt tierischen Flagellaten besser gruppiere. Demgegenüber muß ich feststellen, daß durch die von mir vor- genommene Anordnung der allgemeine Zellbau gerade der tierisch sich ernährenden Formen (der Protomonadina und Polymastigina nach Klebs) viel besser zur Geltung kommt, daß also meine Gruppie- rung eine natürlichere ist als im KLEESschen System. Die Abgrenzung der Pantostomatinen (ohne differente Mund- stelle) von den Protomastiginen hat sich auch auf Grund der Kern- untersuchungen von Goldschmidt (1907, S. 83 — 168) als gerechtfertigt herausgestellt, was auch Hartmann und Chagas (1910, S. 114) zugeben. Daß eine Trennung der ein- und zweigeißeligen Protomastiginen 666 G. Senn, von den drei- und viergeii3eligen Trimastiginen und Tetramitinen, sowie eine Vereinigung dieser beiden Familien mit den Distomatinen unnatürlich war, brauche ich, nachdem auch Hartmann und Chagas (1910, S. 115) diese Familien auf Grund der Kernstruktur mit den Protomastiginen vereinigt haben, hier nicht nochmals zu begründen. Daß man die sich in ihrem Zellbau von allen andern Euflagellaten unterscheidenden Distomatinen den Protomastiginen koordiniert (Senn, 1900, S. 110), scheint mir richtiger, als sie ihnen zu subordi- nieren; sie jedoch allen übrigen Protomastiginenfamilien gegenüber- zustellen, wie das Hartmann und Chagas tun, ist kaum gerechtfertigt. Übrigens ist das zum Teil Geschmackssache. Zu der durch Hartmann und Chagas (1910, S. 117) vorgenommenen Streichung der Phalansteriaceen und Bicosoeceen muß ich be- merken, daß bei diesen beiden koloniebildenden Familien die Sache anders liegt, als bei den Spongomonaden. Die genannten Familien habe ich nicht wegen ihrer Koloniebildung von den Craspedomona- daceae, bzw. Bodonaceae oder Oicomonadaceae getrennt, son- dern wegen der Abweichungen im Bau des Vorderendes. Daß die Phalansteriaceae mit den Craspedomonadaceae nahe verwandt sind, ist klar; ich habe dies dadurch ausgedrückt, daß ich sie unmittelbar auf jene Familie folgen ließ. Wenn man sie trotz der Abweichung in der Gestalt des Kragens mit den Craspedomo- nadaceae vereinigt, wird das System allerdings vereinfacht; prinzi- pielle Bedeutung hat das aber nicht. Die Bicosoecaceae wegen der gleichartigen Begeißelung ein- fach zu den Bodonaceae zu stellen, geht jedoch — vorläufig wenig- stens — nicht an, da bei den Bodonaceae zwar Rüssel und Schnäbel, jedoch keine Kragenbildungen vorkommen, wie sie für die Bicosoe- caceae beschrieben worden sind. Hartmann und Chagas' Angabe (1910, S. 117), daß Prowazek (1903, S. 199) diese Familie für Bodo- naceen halte, ist übrigens nicht richtig; im Gegenteil bezeichnet sie dieser Forscher als nahe Verwandte der Monadaceen^ während er für die Bodonaceen eine »ganz eigenartige Insertionsweise der Geißel« beschreibt, die zu einer schärferen Trennung dieser Familie von den Protomastiginen berechtigen würde. Nach unsern jetzigen Kennt- nissen der Bicosoecaceae ist somit ihre Vereinigung mit den Bodo- naceae nicht zulässig. Bei den pflanzlich sich ernährenden Flagellaten habe ich die Chrysomonadinen und Cryptomonadinen, die Klees (1892, S. 394) unter dem Namen der Chromomonadinen zusammengefaßt Oxyrrhis, Nephroselniis und einige Euflagellaten usw. 667 hatte, als voneinander unabhängige Unterordnungen behandelt. In der Tat weichen die Cryptomonadinen im Zellbau (Schlundapparat), sowie in ihren Stoffwechselprodukten (Stärke) von den Chrysomo- nadinen so sehr ab, daß die bei beiden in gleicher Weise vorhandene Ausbildung des Vacuolensystems — die sich übrigens auch bei den Protomastiginen findet — eine Einordnung in dieselbe Unterord- nung nicht rechtfertigt. Meine von der KLEBSschen abweichende, auf der Begeißelung beruhende Einteilung der Chrysomonadinen und Eugleninen habe ich schon auf S. 664 besprochen; eine nochmalige Begründung ist deshalb überflüssig. Wenn Hartmann und Chagas (1910, S. 114) einige der von mir systematisch verwendeten Merkmale für die Abgrenzung von Ver- wandtschaftsgruppen als >>unzureichend « bezeichnen, gleichwohl aber auf Grund der neuen Untersuchungen über die Kernstruktur meine Einteilung beibehalten, so beweist das nur die Richtigkeit der von mir angewandten Einteilungsprinzipien. Deshalb brauche ich mein System keineswegs zugunsten des von diesen beiden Autoren aufgestellten preiszugeben, sondern kann ihre Arbeit vielmehr als wichtige Stütze für die Natürlichkeit und Berechtigung meines Systems betrachten. Trotzdem bin ich weit davon entfernt, dieses System in allen Teilen als definitiv zu betrachten. Dazu sind die Lücken in unsern Kennt- nissen noch zu groß. Immerhin ist das kein Grund, wie Doflein (1909, S. 342) bei dem seinerzeit vorzüglichen, nun aber veralteten System von Klebs (1892) zu verharren. Zusammenfassvmg. 1) Unter den Euflagellaten sind keine Formen mit einwand- freier Querteilung bekannt; es herrscht allgemein die Längst eilung. 2) Die Struktur und Teilungsweise des Zellkernes ist für die Abgrenzung der Euflagellaten von andern Protisten - Ordnungen sehr wertvoll. Sie kann auch zur systematischen Gliede- rung der Euflagellaten verwendet werden, doch ist dabei stets auch der allgemeine Zellbau zu berücksichtigen. 3) Die Art der Begeißelung ändert leichter als die allgemeinen Symmetrieverhältnisse der Zelle. Diese haben also höheren systematischen Wert als die Begeißelung. Letztere dagegen ist kon- stanter als die Gehäuse- und Koloniebildung und kann daher zur Abgrenzung der einzelnen Flagellatenfamilien benutzt werden, 668 G. Senn, während nackte und gehäusebildende Gattungen in derselben Familie vereinigt werden können. 4) Das bisher meist als das BLOCHMANNsche (1895) bezeichnete Flagellatensystem ist von Klebs (1892) aufgestellt worden. Dieses wurde durch mich (1900) weiter ausgebaut, wodurch die natürlichen Verwandtschaftsbeziehungen noch besser zum Ausdruck kamen. Die seither erfolgte eingehende Untersuchung der Flagellaten hat die Richtigkeit meines Systems erwiesen. Abgesehen von der notwendig gewordenen Angliederung einer neuen Unterordnung (Trichonym- phiden) und zweier neuer Familien (Trypanosomaceae und Try- panoplasmaceae) bleibt die von mir vorgenommene systematische Gliederung unverändert. Basel, Botanisches Institut der Universität, im September 1910. Literaturverzeichnis. 1907. S. AwEEiNZEW, Beiträge zur Kenntnis der Flagellaten. Zoolog. Anzeiger. Bd. XXXI. S. 834 ff. 1884. F. Blochmann, Bemerkungen über einige Flagellaten. Diese Zeitsclir. Bd. XL. S. 42 ff. 1895. — Die mikroskopische Tierwelt des Süßwassers. Abt. I. Protozoa. In: Mikroskop. Pflanzen- und Tierwelt des Süßwassers v. O. Kjechner u. F. Blochmann. II. Aufl. Hamburg, Lucas Gräfe & Sillem. 1884. O. BüTSCHLi, Die Protozoen. In: Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Bd. I, Abt. IL Mastigophora. 1883—1885. 1885. — Einige Bemerkungen über gewisse Organisationsverhältnisse der sog. Cilioflagellaten und der Noctiluca. Morphologisches Jahrbuch (Carl Gegenbaur). Bd. X. 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Wo nichts besonders bemerkt ist, sind die Figuren nach lebenden Zellen hergestellt und sind die Objekte lOOOmal vergrößert. Fig. 1. Ventralseite einer ruhenden Zelle mit Längsfurche (links) und Querfurche (rechts), dazwischen der lappenartige, birnförmige Vorsprung. Fig. 2. Dorsalseite mit dem Ende der Querfurche (links). Oxyrrhis, Nephrüselmis und einige Euflagellaten usw. 671 Fig. 3. Linke Flanke mit lappenartigeni Vorspruug (links) und Querf'urelie. Fig. 4. Rechte Flanke mit dorn Ende der Queit'urche (links), mit i^ängs- turche und lappenartigem Vdrsprnng (rechts). Fig. 5. Rechte Flanke einer mit Osmiumsäuredämpfen getöteten Zelle; Hinterende deformiert, vorn Zellkern, hinten Nahrungsvacuole. Periplast fein punktiert bzw. zart gestreift. Fig. 6. Dorsalseite eines mit 1 %iger Osmiumsäurelösung fixierten Exem- plars. Perijilast mit deutlicher Streif ung: Trichocysten ? Fig. 7 u. 8. Ventralseite und linke Flanke derselben Zelle. Vergr. 1350. Fig. 7. Aus normalem Meerwasser mit körnigem Inhalt. Fig. 8. Aus konzentriertem Meerwasser. Infolge des Wasserentzugs ist der Zcllsaftraum verschwunden, der Inhalt erscheint homogen durchsichtig, der Periplast ist in der Längsrichtung eingeknickt (rechts) und deshalb die Zelle bedeutend schmäler. Fig. 9. Ventralseite einer zur Ruhe kommenden Zelle. Schleppgeißel aus- gestreckt, Flimmergeißel in allmählich sich verlangsamender Wellenbewegung. Fig. 10. Rechte Flanke und Ventralseite einer ruhenden Zelle. Fig. 11. Lappenartiger Vorsprung mit der Geißelinsertion. Basalkorn der Flimmergeißel schien nicht in direkter Verbindung mit der Geißel zu sein. Fixie- rung mit Chromosmiumessigsänre, Färbung mit Delafields Hämatoxylin. Fig. 12. Rechte Flanke, stark verkürzt von hinten gesehen; links: Ende der Querfurche, rechts: Längsfurche und lappenartiger Vorsprung; im Hinterende C\i:opyge. Vergr. 1350. Fig. 13. Zelle mit großer, aus der Ventralseite heraustretender Blase nach Behandlung mit 0,05%igem Tannin in Meerwasser. Die der Vacuole rechts unten aufsitzende Kappe ist vermutlich der birnförmige Vorsprung, die kleinere obere vielleicht die Begrenzung der IMundstelle. Fig. 14. Zelle nach Behandlung mit verdünnter Chlorzinkjodlösung und gerbsaurem Vesuvin. Unsicher, ob die radialstrahlige Hülle am Hinterende auch vorhanden war. Fig. 15. Dorsalseite einer Zelle nach Behandlung mit gerbsaurem Vesuvin. Ventralseite mit Vacuole; Periplast mit dicker Hülle aus zarten, am Ende leicht verdickten Fäden. Fig. 16. Ventralseite einer in Querteilung begriffenen Zelle. Fig. 17. Karyosome nach Fixierung mit Platinchlorid imd Färl^ung mit Hämatoxylin nach Heidenhain. Vergr. etwa 2000. Fig. 18—24. Zellen nach Fixierung mit Chromosmium-Essig- säure und Färbung mit verdünntem DELAFiELDschen Hämatoxylin. Fig. 18. Dorsalseite; ruhender Kern mit Karyosom und Kernmembran. Fig. 19. Rechte Flanke; ruhender Kern, zwei Karyosome, das eine vielleicht ein Nucleolus. Fig. 20. Rechte Flanke; Kern quergestellt. Chromatin parallel zur Zell- achse orientiert, Karyosom noch kugelig. Fig. 21. Linke Flanke; Kern quergestellt, Chromatin parallel zur Zell- achse orientiert, Karyosom in derselben Richtung gestreckt. Fig. 22. Ventralseite. Chromatin geteilt, Karyosom noch nicht. Tochter- kerne durch die Mutterkern membran verbunden. Fig. 23. Dorsalseite. Kern völlig geteilt. Karyosome hinter farbloser 44* 672 G. Senn, Oxjrrrhis, Nephroselmis und einige Euflagellaten usw. CalottP einander zugekehrt. Tochterkerne durch Reste der Muttermembran ver- bunden. Chromatin 7au- Zellachse noch parallel orientiert. Dem hinteren Kern scheint das Basalkorn einer Geißel an/Ailiegen. Zellteilung hat noch nicht be- gonnen. Fig. 24. Dorsalseite. Kernteilung vollendet. Chromatin wieder alveolär. Verbindung der Tochterkerne noch deutlich. Beginn der Querwandbildung. Vergr. etwa 1400. Tafel XXXr. Fig. 25 — 27. Kephroselmis olivacea Stein. Fig. 25. Abgeflachte Seite der Zelle. Hinter der Geißelinsertion der bläs- chenförmige Kern. Das bei der Bewegung vorangehende Ende dem oberen Tafel- rand zugekehrt. Geißeln wie bei hüpfender Bewegung ohne Rotation ausge- streckt. Vergr. 1000. Fig. 26. Ein Individuum in Dorsalansicht während seiner wackelnd-krie- chenden Bewegung. Vergr. 1000. Fig. 27. Individuum mit längsgeteiltem Chromatophor, die linke Hälfte mit rotem Augenfleck. Geißeln im Tode verschlungen. Vergr. 1500. Fig. 28. Helcomastix globosa Senn. Ventralseite der Zelle. Beide Geißeln nachgeschleppt; vor der Geißelinsertion der bläschenförmige Kern; rechts einige Nahrungskörper. Vergr. 1500. Fig. 29 — 31. Heteronema Klebsii Senn. Fig. 29. Metabolische Kontraktion der Zelle zur Kreiselgestalt. Vergr. 750. Fig. 30. Ventralseite der ausgestreckten Zelle mit Kern und Schlund- apparat. Vergr. 1000. Fig. 31. Vorderende von der linken Seite gesehen. Links Mundöffnung; in der Mitte Schlundhöhlung mit Staborgan, davor die Insertion der vorderen Geißel; rechts Sammelvacuole mit Ausführgang, dahinter pulsierende Vacuole. Vergr. 2000. Fig. 32 — 35. Tropidoscyphus cydostoinus Senn. Vergr. 2000. Fig. 32. Linke Zellseite, etwas von oben gesehen, Dorsalseite sichtbar. Fig. 33. Linke Zellseite, etwas von unten gesehen, Ventralseite sichtbar. Tig. 34. Zelle von hinten gesehen. Fig. 35. Zelle mit dem ventral gelegenen Kern und dem Vacuolensystem : Sammelvacuole und zwei pulsierende Vacuolen. In der hinteren Zellhälfte Nahrungsreste. Fig. 36 u. 37. Notosolenus apocamptus Stokes. Vergr. 2000. Fig. 36. Konvexe Ventralseite _. „_ ^^ , -^ , . , mit Kern und Vacuolensystem. ±ig. 37. Konkave Dorsalseite Fig. 38. Euglena viridis Ehrenb. Vergr. 1000. Fixierte und mit Häma- toxylin gefärbte Zelle. Kern mit radialstrahligem Chromatin. Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella grossa (Müll.). Von Gustaf Gering ans Ha'lf a. S. Mit 1 Figur im Text und Tafel XXXII. I. Einleitung. Unter den Nemertinen, um deren systematische Stellung mancher- lei Kontroversen entstanden, finden wir nur wenige Formen, die starke Abweichungen vom Typus zeigen. Außer den wunderbaren Tiefsee- bewohnern, über die wir durch das Material der deutschen Tiefsee- expedition jüngst wertvolle Aufschlüsse erlangt haben, sind nur zwei Gattungen zu nennen, in denen starke Habitusänderungen aufgetre- ten sind, in der Gattung Cephalothrix die Art C. galatMae'^ und in der Gattung Malacobdella alle drei bekannten Arten : M. grossa, M. jafonica und M. auriculae. Während die parasitische Cephalothrix galatheae den Besitz »fingerförmiger Greif- oder Haftorgane« [44] 2 noch mit der pelagisch lebenden Tiefseeform Nectonemertes mirabilis teilt, steht Malacobdella mit ihrem terminalen Saugnapf unter den weit über 400 Arten zählenden Nemertinen einzig da. Durch einen längeren Studienaufenthalt in Kiel wurde mir die günstige Gelegenheit zuteil, mich mit der auch in der östlichen Ostsee heimischen Malacobdella grossa (Müll.) eingehender zu beschäftigen. Die Untersuchungen zu der vorliegenden Arbeit wurden im Kgl. zoologischen Institut zu Kiel ausgeführt. Es wurde mir hier in liebens- 1 Die Angaben Diecks [44] über diese seit ihrer Entdeckung durch Diek nicht wieder aufgefundene Art bedürfen dringend einer Nachprüfung und Er- gänzung, zumal hier systematische, anatomische, embryologische und biologische Fragen zu klären sind. 2 Die in eckigen Klammern stehenden Zahlen verweisen auf das Literatur ^ Verzeichnis am Schluß dieser Arbeit. 674 Gustaf Gering, würdigster Weise die Benutzung mehrerer Aquarien, Dreggen und andrer Fanggeräte gestattet. Hierfür spreche ich meinem hochver- ehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Beandt, meinen tiefgefühlten Dank aus. Gleichfalls schulde ich ihm Dank für die Beschaffung eines großen Teiles meines Untersuchungsmaterials und die leihweise Überlassung einschlägiger Literatur. Auch den Herren Professor Dr. Lohmann und Professor Dr. Reibisch habe ich zu danken für freundliche Ratschläge und stete Förderung bei der Ausführung meiner Unter- suchungen. II. Historischer Rückblick. Malacobdella grossa (Müll.) wurde zuerst von 0 F. Müller [1] 1776 entdeckt und als Hirudinee in seinen späteren Arbeiten [2 — 6] genauer beschrieben. Seit dieser Zeit finden wir Malacobdella jahr- zehntelang immer wieder in der Literatur als Egel aufgeführt, zum Teil nach den Angaben Müllers, zum Teil nach eignen Beobachtungen der betreffenden Autoren^. Blainville [11] diskutierte als erster die systematische Stellung dieses Tieres, ebenso beschäftigten sich Blan- CHARD [13 — 16, 18, 19], Dalyell [22], van Beneden and Hesse [23, 24] mit dieser Frage. Erst Semper [27] gelang 1876 — also genau 100 Jahre nach der Entdeckung — der Nachweis, daß Malacobdella eine Nemertine sei. Trotzdem haben uns auch schon vor dieser Zeit einige Arbeiten wertvolle Aufschlüsse über die Anatomie von Malacobdella gebracht. In diesem Sinne sind zu nennen die Arbeiten von Blanchard [13 — 16, 18,19], der eine in vielen Punkten richtige Beschreibung des Nerven- systems 2, der Blutgefäße und der Geschlechtsorgane gibt, und die- jenigen von VAN Beneden und Hesse [23, 24]. Nach diesen Forschern haben sich nur noch Hoffmann [28] und v. Kennel [29] eingehend mit Malacobdella beschäftigt. Erstercr zog auch die Ontogenie in den Kreis seiner Untersuchungen, letzterer machte sehr eingehende ana- tomisch-histologische Studien und konnte auf Grund dieser manche Angaben Hoffmanns berichtigen und wesentlich ergänzen, 1 Da ich nirgends ein vollständiges Literaturverzeichnis über Malacobdella grossa fand, habe ich mich bemüht, alle einschlägigen Arbeiten zusammenzubringen und nach Möglichkeit selbst einzusehen. Alle zu meiner Kenntnis gekommenen Arbeiten finden sich in meinem Literaturverzeichnis chronologisch zusammen- gestellt. 2 Eine hinsichtlich des Nervensystems in verschiedenen Punkten falsche Abbildung Bläncuards — schon iSempeb, [27], Hoffmann [28] und v. Kennel [29] haben darauf hingewiesen — druckt sonderbarerweise Joubin [34] als Beispiel für das Nervensystem der Nemertinen in der »Faune fran9aisc^< wieder ab. Beiträge zur Kenntnis von MalacDlxlella grossa (Müll.). 675 III. Biologie, a. Herkunft des Materials. Die Malacobdellen, die ich zu meinen Untersuchungen benutzte, stammen ausschließlich aus Cijprina islandica L. Da ich mich ur- sprünglich nur mit der Entwicklungsgeschichte von Malacobdella grossa beschäftigen wollte, lag mir daran, dieses Tier stets in genügender Menge zu erhalten. Da aber v. Kennel [29] im Kieler Hafen nur in Cyprina, niemals in Mya arenaria L. unsre Nermertine fand, hielt ich mich nur an den ersteren Lamellibranchier. Ein großer Teil der von mir untersuchten Cyprinen wurde durch die liebenswürdige Ver- mittlung des Herrn Geheimrat Brandt vom Forschungsdampfer »Poseidon« während der Ostseefahrten auf verschiedenen Stationen für mich gefangen. Das übrige Material dreggte ich selber in der Kieler Außenföhrde. Das Poseidon-Material stammte von folgenden Stationen: Stat. 0 II (November 1908) 54°30' n. Br. 10°2' ö. L. : 53 Cyprinen, Stat. 0 V (Febr. u. Mai 1909) 55°9' n. Br. 9%T ö. L. : 16 Cyprinen, Stat. 0 2 (Mai 1909) 54^53' n. Br. 10°10' ö. L. : 102 Cyprinen, Stat. 0 IX (November 1909) 54^18' u. Br. Wb'd' ö. L. : 4 Cyprinen. b. Häufigkeit des Vorkommens. Diese Cyprinen wurden also sämtlich wie das von mir gefischte Material in der westlichen Ostsee gefangen. Ich kann daher alle von mir untersuchten Muscheln benutzen, um die Häufigkeit des Vor- kommens von Malacobdella grossa in Gyprina islandica für dieses Gebiet festzustellen. Da große Cyprinen wesentlich häufiger unsre Nemertine beher- bergen als kleine — die Gründe hierfür hat bereits v. Kennel [29] ausführlich dargetan — ■, habe ich die Cyprinen nach der Größe in drei Gruppen geteilt. Die erste umfaßt Muscheln von über 5,5 cm Durch- messer, die zweite solche von 3,5 — 5,5, die dritte solche von 2 — 3,5 cm Durchmesser. Cyprinen, die einen Durchmesser von 2 cm noch nicht erreicht hatten, gab ich stets ungeöffnet ihrem Elemente zurück. Unter Zugrundelegung dieser Einteilung ergeben sich folgende Werte : von 158 großen Cyprinen waren von Malacobdella bewohnt 113 = 71,5% » 68 mittleren » » » » » 47 = 69 % •> 150 kleinen » » > » » 48 = 32 %. Demnach sind durchschnittlich ungefähr 55% aller Cyprinen der westlichen Ostsee mit Malacobdella behaftet. 676 Gustaf Gering. Beschränke ich mich aber auf die aus der Kieler Föhrde erhaltenen Cyprinen, so finde ich von 201 Cyprinen 95 von Malacobdella bewohnt, also 47%. Aus den Zahlen, die v. Kennel gibt, berechne ich, daß zur Zeit seiner Untersuchungen 58% der Cyprinen Malacobdellen ent- hielten. Danach scheint Molacohdella grossa im Verlauf der verflossenen 32 Jahre in der Kieler Föhrde seltener geworden zu sein; diese Nemertine gehört aber auch dann noch zu den häufigen Formen des Gebietes. Nach RiCHES [33] scheinen an der englischen Küste andre Ver- hältnisse zu herrschen. Er schreibt "In only one case have I exa- mined onc of these molluscs {Cyprina islandica) without finding a specimen". RiCHES hat aber vielleicht nur große Cyprinen untersucht. Wie ich schon oben kurz erwähnte, habe ich zuweilen auch Cyprinen gefunden, die mehr als einen » Commensalen << beherbergten. Viermal enthielt eine Muschel jederseits eine junge Nemertine, einmal enthielt eine Muschel eine erwachsene und eine ganz junge, einmal fanden sich auf der einen Seite zwei ganz kleine, auf der andern Seite eine große Nemertine, und einmal entdeckte ich in einer großen Cyprina sogar vier junge AVürmer, und zwar an dem einen Mantellappen einen, an dem andern zwei und den vierten am Fuße des Wirtes i. Es ist mir ebensowenig wie v. Kennel ein Fall vorgekommen, wo mehr als eine ausgewachsene Malacohdella dieselbe Muschel bewohnte 2. An ähn- liche Befunde wie die meinigen knüpft v. Kennel die Vermutung, daß, wenn mehrere Würmer sich in einer Muschel festgesetzt haben, schließlich der stärkste die andern vernichtet und so der alleinige In- haber des Hauses wird. c. Benutzung des Rüssels. Daß diese Vermutung v. Kennels richtig ist, kann ich durch ein von mir angestelltes Experiment beweisen. Es handelt sich gleich- 1 Ich habe weit häufiger Cyprinen mit mehr als einem Wurm gefunden als V. Kennel. Dieser beobachtete bei etwa 550 Muscheln sieben Fälle = 1,3%, ich bei 376 Muscheln sieben Fälle = 1,9%. Im Gegensatz hierzu steht die Angabe von RiCHES [33] "in no case has more than one been found in a single Cyprina'". 2 Blanchard [19] schreibt allerdings, daß sich mitunter zwei oder drei Malacobdellen in einer Muschel {Mya truncata) finden, und bald darauf in der- selben Arbeit, daß er die Malacobdellen immer geschlechtsreif gefunden habe. Nach dem bisher Bekannten halte ich es für sehr unwahrscheinlich, daß Blan- chard mehr als ein geschlechts reifes Tier in einer Muschel beobach- tete. Die Bildung der Geschlechtsprodukte findet bei dieser Nemertine ja schon sehr früh statt, Blanchard hatte also wohl stets solche Tiere vor sich, bei denen er allerdings Geschlechtsprodukte erkennen konnte; diese waren aber noch nicht reif. Beiträge zur Keuutiiiti von Mvilacobdella grossa (Müll.). 677 zeitig lim einen Vorgang, den bisher noch niemand gesehen zu haben scheint, nämlich den Gebrauch des stilettlosen Nemertinenrüssels als Waffe. Schreibt doch Bürger [37] noch vor wenigen Jahren über den »unbewaffneten« Eüssel: »"Wahrscheinlich wird auch der Rüssel der Proto-, IMeso- und Heteronemertinen zum Angriff gebraucht und der Stilettapparat durch die Masse von Rhabditen- und Nesselzellen ersetzt«. Malacohdella ist allerdings eine Metanemertine, aber eine von den wenigen, die des Stilettapparates entbehren. Ich berichtete eben, daß ich einmal vier junge Malacobdellen in einer Cyprinu beisammen fand. Zwei von ihnen maßen unausgestreckt 6 mm, eine 3 mm und die vierte 1,5 mm. Diese vier Tiere setzte ich in ein mit Seewasser gefülltes kleineres Glasgefäß und beobachtete nun folgendes: jedesmal, wenn beim lebhaften Umherwandern (die Lebhaftigkeit der Bewegungen nimmt bei Malacohdella mit zunehmen- dem Alter stark ab) ein Tier mit der Vorderseite des Kopfes auf das angeheftete Hinterende eines andern Tieres traf, schnellte es seinen Rüssel hervor, diesen in die Haut des Gegners scheinbar einbohrend. Der Angreifer hatte nämlich Mühe, seinen Rüssel wieder loszubekommen, so fest hafteten dessen Papillen an der Haut des angegriffenen Tieres. Dieses ließ sofort die Glaswand, an der es sich festgesaugt hatte, los und wand sich unter lebhaften Zuckungen hin und her, deutlich Schmerz- empfindungen zeigend. Dies glaube ich daraus schließen zu dürfen, daß sich diese Bewegungen durchaus von denen unterschieden, die Malacohdella ausführt, wenn man sie (etwa mit einer Pinzette) am festhaftenden Hinterende kräftig berührt. Auch wird ein so be- unruhigtes Tier niemals seine Saugscheibe lösen. Nach kurzer Zeit schien die Wirkung eines derartigen Angriffes aber überstanden zu sein, und bei Gelegenheit wurde aus dem Angegriffenen ein Angreifer. Ich ließ deshalb die vier Tiere über Nacht zusammen. Am andern Morgen waren alle tot. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß die Würmer an den Folgen der gegenseitigen Attacken mit dem, giftiges Drüsensecret absondernden Rüssel eingegangen sind, da ich die Mala- cobdellen stets tagelang in Seewasser lebend halten konnte, ältere Tiere, namentlich Weibchen, mitunter sogar 8 — 14 Tage^. Riches [33] be- richtet sogar, daß er eine Malacohdella in einem Glasgefäß über drei Monate lebend gehalten hat. 1 Innerhalb der lebenden Cyprinen konnte ich die Malacobdellen im Aqua- rium über ein halbes Jahr lang am Leben erhalten, auch wenn das Wasser lange Zeit hindurch nicht erneuert wurde. 678 Gustaf Gering, Rhynchocölomkörper. Da es sich hier am ungezwungensten einfügt, möchte ich noch ein Wort über den Inhalt der Rüssel scheide sagen, v. Kennel [29] gibt an, daß das Rhynchocölom eine Flüssigkeit enthalte und fährt fort, >>ob in dieser Flüssigkeit zellige Elemente vorkommen, weiß ich nicht, ich habe dergleichen nie mit Sicherheit erkennen können <<. Bürger [35] gibt jedoch schon an: >>Das Rhynchocölom führt freie Zellkörper. << Auch ich fand sie stets, und zwar besonders zahlreich im hinteren Ende der Rüsselscheide. Sie stellen unregelmäßig elliptische Scheiben dar, deren größter Durchmesser 5,3 — 8,7 u beträgt. Ihr Kern hat einen Durchmesser von 2,5 — 3,5 /.i. Sein Chromatin ist aber nicht, wie es Bürger [37] für Carinella polymorfha angibt, auf die Peripherie beschränkt, sondern überall im Innern verteilt. Blutkörper. Auch die von v. Kennel vergebens gesuchten Blutkörperchen gelang es mir an besonders günstigen Präparaten aufzufinden. Sie haben die Form runder, in der Mitte verdickter Scheiben von 7 — 8,7 /t Durchmesser. Ihr mehr oder weniger peripher gelegener Kern ist kugelig oder ellipsoidisch und hat einen Durchmesser von 3,5 u. Das Chromatin durchzieht in einem feinen Netzwerk, in dem zahlreiche Brocken ein- gelagert sind, den ganzen Kern. Nicht selten fand ich im Plasma ein bis vier dunkle Körner von ungefähr 0,87 u Durchmesser, die sich mit Hämatein blau gefärbt hatten wie das Chromatin des Kernes. Es ist auffallend, daß Rhynchocölom- und Blutkörper bei Malacobdella ungefähr die gleiche Größe haben, während sonst bei den Nemertinen die letzteren >>im Vergleich zu den Rhynchocölomkörpern klein zu nennen sind« [37]. d. Anheftungsstelle von Malacobdella in Cyprina. Was die Stelle anbetrifft, an der sich Malacobdella in Cyprina festsaugt, kann ich die Angaben v. Kennels im allgemeinen bestätigen. In der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle wurde die Nemertine zwi- schen Mantel und äußerem Kiemenblatt, an ersterem haftend, ge- funden, in ganz seltenen Ausnahmen zwischen innerem Kiemenblatt und Eingeweidesack, an letzteren angeheftet. Zwischen den Kiemen- blättern fand ich sehr selten Malacobdellen und dann waren es stets ganz junge Tiere. Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella grosaa (Müll.). 679 IV. Das erwachsene Tier. In den meisten Beschreibungen von Malacobdella grossa, auch wenn sie noch so dürftig sind, treten uns Angaben über die Größe des Tieres entgegen. Die sich in der Literatur findenden Zahlen sind aber mit einer gewissen Vorsicht aufzunehmen. In den allermeisten Fällen hat den Autoren nur eine geringe Zahl oder gar nur ein Exemplar vorgelegen, und häufig wurden die Messungen an konservierten Tieren vorgenommen. So gewonnene Zahlen sind natürlich für die Bestim- mung der Größe der Species nicht maßgebend, zumal gerade die Nemer- tinen im fixierten Zustande häufig stark veränderte Formen zeigen. Von einem einzigen Fundort stammendes Material kann aber, auch wenn es reichlich ist, nicht unter allen Umständen als Grundlage für Speciesdiagnosen genügen, da örtliche Einflüsse der verschiedensten Art sich geltend machen können. Gerade bei Malacobdella grossa war es nun wohl nicht ganz glücklich, daß Bürger im »Tierreich« [38] die Größenangaben zitiert, die v. Kennel ausdrücklich als nur auf Mala- cobdella grossa aus dem Kieler Hafen bezüglich angibt. Denn im Kieler Hafen und der westlichen Ostsee überhaupt ist bekanntlich der Salzgehalt bedeutend geringer als in Atlantik und Nordsee. Trotz- dem erhielt ich — unter andern sogar aus der Gegend von Warne- münde, wo der Salzgehalt nur ganz selten über 20 pro Mille steigt — Exemplare, welche die von v. Kennel beobachteten nicht unwesent- lich an Größe übertrafen. In Atlantik und Nordsee wird Malacobdella aber noch größer, wie die Angaben v. Kennels [29], Verrills [26] und Hesses [24]i zeigen. Die im »Tierreich« gegebenen Zahlen sind also wohl zu niedrig gegriffen, Malacobdellen von 30 — 40 mm Länge und 15 — 20 mm Breite (kontrahiert gemessen) gehören vielmehr durch- aus nicht zu den Seltenheiten. V. Entwicklung und Form der Geschlechtsprodukte, a. Die weiblichen Geschlechtsprodukte. Bürger [35 u. 37] unterscheidet zwei Typen der Entwicklung der weiblichen Geschlechtsprodukte bei den Nemertinen und teilt dem- entsprechend die Nemertinen in zwei Gruppen ein. Bei der einen 1 JoTJBiN [34] befindet sich in einem Irrtum, wenn er angibt, Hesse habe eine 10 cm lange Malacobdella beschrieben. Dieser Autor gibt vielmehr aus- drücklich an, daß sein Tier 5 cm lang und 2 cm breit war. Joubin hat vielleicht geglaubt, das von Hesse gegebene vergrößerte Habitusbild stelle das Tier in natürlicher Größe dar. 680 Gustaf Gering, Gruppe, für die Bükger Carinella als Beispiel wählt, »entwickeln sich die Geschlechtssäcke erst mit den Geschlechtsprodukten, sie sind aber niemals vor ihnen da«. . . . >>Bei der zweiten Entwicklungsweise«, die Bürger an Drepanophorus schildert, »sind die Geschlechtssäcke das Primäre. « Bei Carinella entstehen nach Bürger [37] die Geschlechtsprodukte aus Zellen des völlig soliden Körperparenchyms am Grunde der radialen Muskelzüge und stellen hier Häufchen von Kernen dar, die ein Hof feinkörnigen Plasmas umgibt. Im Laufe des Wachstums dieser Zellen, das anfänglich hauptsächlich an Kern und Kernkörperchen wahr- nehmbar ist, bildet sich um den Zellhaufen eine feine Membran. Aus einem Teil der Zellen, besonders aus den nach außen gelegenen, bildet sich ein Plattenepithel als Wandbelag der Gonade, die in der Tiefe gelegenen Zellen wachsen mächtig heran und werden zu Eiern, die zunächst mit der Gonaden wand in Verbindung bleiben, dann immer mehr ihre definitive Form erhalten und sich schließlich, einander gegen- seitig bedrängend, abplatten. Der Zellsack dehnt sich durch einen schmalen Gang nach außen hin aus, und dieser feine Kanal gewinnt schließlich mit Hilfe einer entgegenkommenden Hautepitheleinstül- pung eine Kommunikation mit der Außenwelt. Nach dieser, hier in extenso gegebenen Schilderung fährt Bürger unmittelbar fort: »Die geschilderte Bildungsweise der weiblichen Ge- schlechtsprodukte vollzieht sich ebenso z. B. bei Malacobdella, was früher V. Kennel anschaulich geschildert und wovon ich mich auch selbst überzeugt habe. Bei Malacobdella tritt bald ein Lumen im jungen Ovarium auf, dessen Epithel zurückgebliebene Eichen bilden, und in das die heranwachsenden als langgestielte Birnen hineinragen.« Trotz der Hinzufügung dieses letzten Satzes ist das nicht ganz richtig. Bür- ger hat vorher die bei Carinella vorliegenden Verhältnisse schon so eingehend geschildert, daß sie nicht mehr in dieser Weise verallgemeinert und wenigstens für Malacobdella nicht als gültig hingestellt werden können. Dies zeigt schon die Darstellung, die v. Kennel [29] von der Entwicklung der weiblichen Geschlechtsprodukte bei Malacobdella gibti. Ich muß es mir aus Raummangel versagen, hier auf v. Kennels Schilderung der Ovogenese bei Malacobdella einzugehen, da ich den ganzen Passus dieses Forschers wörtlich zitieren müßte. Im allgemeinen kann ich die Befunde v. Kennels bestätigen, wo 1 Auf die wenigen ungenauen Angaben ' Hoffmanns [28] und seine ganz falsche Vorstellungen erweckende Fig. 17 brauche ich nicht einzugehen, da sie schon durch v. Kesnels Untersuchungen berichtigt und überholt sind. Beiträge zur Kenntnis von Mallacobdella grossa (Müll.). 681 ich auf Grund meiner Untersuchungen zu andern Ergebnissen ge- kommen bin, werde ich dies in der weiter unten folgenden zusammen- hängenden Darlegung meiner Beobachtungen ausdrücklich erwähnen. Bevor ich aber hierzu übergehe, muß ich noch auf die Ovogenese bei einigen andern Nemertinen eingehen, da in den dabei in Betracht kom- menden Arbeiten auch auf die Ernährung der Eizelle eingegangen wird. Es handelt sich hier um folgende Arten: 1) Prostoma^ {Stichostemma) graecense (Böhmig), '' 2) Prostoma {Stichostemma) eühardi (Montg.), 3) Prostoma { Stichostemma) {asensoriatum [Montg.]!)^, 4) Geonemertes chalicofhora Graff, 5) Geonemertes agricola (Will.-Suhm), 6) Prosorhochmus (Monopora) viviparus (Ulj.), 7) Cerebratulus lacteus (Leidy). Von diesen Arten sind 1, 2, 3 und 5 hermaphroditisch, die andern getrennten Geschlechts, 5 und 6 sind vivipar. Bei Prostoma graecense verläuft die Ovogenese nach Böhmig [40] (ich fasse die Befunde dieses Forschers ganz kurz zusammen) in fol- gender Weise: In der jungen Gonade lassen sich außer Spermatogonien Ovogonien und Dotterzellen unterscheiden. Die Ovogonien sind groß, plasmareich und haben einen großen Nucleus mit oft maulbeerförmigem Nucleolus, die Dotterzellen sind größer als die Keimlagerzellen (die dorsal auf den Seitenstämmen liegen) und haben eine unregelmäßige Gestalt und ein stärker färbbares Cytoplasma. Die Dotterzellen liefern auch das Gonadenepithel. Das Cytoplasma der jungen Ovogonie ist sehr feinkörnig und mäßig stark tingierbar. Mit dem Wachstum der Zelle wächst auch der Nucleolus. Er zerteilt sich dann in zwei oder mehr Stücke. Die Teilprodukte bleiben meist vorläufig durch Fäden eng untereinander verbunden. Schließlich ist eine große Zahl kugeliger Körper in ein oder zwei Haufen vorhanden. Diese Körper trennen sich dann, wandern nach der Kernperipherie, bilden hier eine einfache Schicht unter der Kernmembran und vergrößern sich, meist durch Quellung. In größeren Ovogonien ist das Cytoplasma grobkörniger und stärker tingierbar. Früher oder später tritt die Dotterbildung ein. Das Plasma der Ovogonie ist dann fein vacuolisiert. In und an diesen Vacuolen liegen etwas größere, aber noch recht feine Körnchen, 1 Ich folge der Nomenklatur Bürgers im »Tierreich« [38] und füge nur in dieser Aufzähhing den von dem betr. Autor benutzten Namen in Klam- mern bei. 2 Der Autor, Child, schreibt "probably S. asensoriatnm Montg." 682 Gustaf Gering, aus denen die 2,56 — 3,2 /.i großen Dotterkörner (Dotterschollen) sich bilden. Diese sind später so zahlreich, daß nur noch dünne Stränge der plasmatischen Substanz und an der Peripherie eine schmale dotter- freie Zone übrig bleiben. Außerdem liefern die Dotterzellen Dotter- substanz. Sie sind in jeder Ovocyte in großer Zahl vorhanden, sind mit Nucleus und Nucleolus ausgestattet, gruppieren sich allmählich um die Ovogonie und wachsen bis zu einer Größe von 6,4//. Das Cytoplasma der Dotterzellen wird immer grobkörniger, intensiver färb- bar, und Deutoplasmakörner treten in ihm ebenso auf wie in den Ovo- gonien. Sind die Dotterzellen mit Dotter angefüllt, so wird der Kern resorbiert, Dotterzellen und Ovogonie treten miteinander in Berührung, die Randpartien verschmelzen, und schließlich werden die .Dotterzellen ganz in die Ovogonie aufgenommen. Am Ende der Entwicklung ist in jeder Gonade nur eine, mit Dotterhaut versehene Eizelle vorhanden. Über die Ovogenese bei Prostoma eilhardi bringt Montgomery jun. [52] nur folgendes: Das Chromatin des Kernes der jungen Eizelle ist anfangs central angehäuft und wandert dann an die Kernperipherie. Dort stellt es Kugeln dar, die später zu größeren verschmelzen. In diesem Stadium tritt die Dotterbildung ein. Im Plasma um den Eikern herum treten zuerst wenige rundliche karminophile Ballen auf, diese vermehren sich und schließen den Eikern zuletzt ganz ein. In diesem Stadium ist das Ei bereits vom Keimepithel losgelöst und der Kern beträchtlich angewachsen. Dann tritt innere und äußere Eimembran (Dottermembran und C'horion) auf, und das inzwischen ausgewachsene Ei zeigt (nach Montgomerys Fig. 41 auf Taf. IX) innerhalb seiner Hüllen ein gleichmäßiges körniges Deutoplasma und in diesem das Keimbläschen, an dessen Peripherie spärlich größere Chromatin- kugeln liegen. Ganz anders verläuft die Ovogenese nach Child [41] bei der von ihm beobachteten Prostorna, die er für Prostoma asensoriatum hält. Nach den Angaben dieses Autors ist man sogar geneigt, diese Nemer- tine eher zu denjenigen zu rechnen, bei denen die Eibildung nach dem Typus Drejoanophorus verläuft. Hier soll nämlich die Gonade aus einem Follikel bestehen, dessen Wand das Keimlager bildet, von welchem aus die meist nur in Einzahl sich bildende Eizelle in das Lumen der Gonade sich vorwölbt. Dotterkugeln entstehen sowohl innerhalb der Oocyte als auch im Protoplasma um den Eistiel herum. Der größte Teil des Keimplasmas geht scheinbar in die Oocyte über. Das wach- sende Ei umgibt sich mit einer Membran und reißt erst sehr spät von seinem Stiel ab. Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella grossa (Müll.). 683 Über die folgende Art, Geonemertes chalicophora , kann ich mich kurz fassen. Bei Böhmig [40] finde ich folgende Angaben über die Eibildung: Die Bildung der Ovarien geht von Zellanhäufungen im Parenchym dorsal von den Seitenstämmen aus. Die größeren dieser Zellen stellen junge Ovogonien dar, haben »ein scharf ausgeprägtes, intensiv tingierbares Kerngerüst und ein ansehnliches Kernkörperchen <<. Die kleineren Zellen behalten ihren mesenchymatösen Charakter. In den Ovogonien wachsen die Kerne und die Kernkörperchen rasch. Einige Ovogonien und eine größere Zahl indifferenter (mesenchyma- töser) Zellen löst sich vom Keimlager ab, worauf die letzteren zum Teil zur Bildung der Gonadenhülle verwandt werden, zum Teil sich in Dotterzellen umwandeln. Nur eine Ovogonie gelangt zur vollen Aus- bildung, die übrigen werden von ihr resorbiert. Die Veränderungen im Kern sind im wesentlichen dieselben wie die von Böhmig für Pro- stofna graecense beschriebenen (vgl. oben). Die Bildung der Dotter- substanz im Cytoplasma der Ovocyten, sowie die Veränderungen, welche sich an den Dotterzellen abspielen, sind die gleichen wie bei Prostoma graecense. Die Bildung einer Dottermembran oder eines Chorions wurde von Böhmig nicht beobachtet. Auch bei Geonemertes agricola nimmt nach Coe [43] die Gonade ihren Ursprung aus einem unmittelbar über den Seitenstämmen im Parenchym gelegenen Zellhaufen. Diese Zellen sind zunächst alle einander gleich, bald aber lassen sich drei Arten unterscheiden, Eizellen, Dotterzellen und Follikelzellen. Letztere bilden das abgeplattete Follikel- ^ epithel. Die Dotterzellen sind vermutlich Abortiveier, füllen sich mit Dotterkörnern und werden scheinbar ganz (also auch Kern und Cyto- plasma) von dem einzigen Ei absorbiert, das schließlich nach Rück- bildung der andern, anfänglich angelegten Eizellen übrig bleibt. End- lich reißt der Eistiel ab und das Ei liegt frei im Ovar, umhüllt mit einer feinen Membran von Follikelzellen und angefüllt mit Dotter- kugeln verschiedener Größe (höchstens 0,013 mm im Durchmesser). Ich habe jetzt nur noch auf zwei Nemertinen einzugehen, von denen die eine, Prosorhochmus viviparus, wie alle vorigen zur Ordnung der Metanemertinen gehört. Diese ProsorJiochmus- Art wurde von Sa- LENSKY [53] unter dem Namen Monopora vivipara eingehend be- schrieben. Die Angaben des genannten Autors über diese Nemertine sind, kurz zusammengefaßt, folgende: Oben auf den Seitenstämmen tritt eine kleine Zellanhäufung von zunächst drei, dann mehr Zellen auf. Bald lassen sich hier zwei Arten von Zellen unterscheiden. Die eine Art bleibt klein und bildet in Zukunft ein hohes einschichtiges 684 Gustaf Gering, Cylinderepithel der Gonade, die andre Art wächst stark, ihr Kern wird bläschenförmig und Nucleolen treten in diesem auf; dies sind junge Eizellen. Die am Grunde des bauchigen Teiles der später flaschen- förmigen Gonade liegende Eizelle wächst am raschesten und wird schließlich die einzige definitive Eizelle der Gonade, die übrigen wachsen nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt, wölben auch wohl, zwischen den Epithelzellen liegend, dieses etwas vor, degenerieren dann aber, sind also Abortiveier. Mit zunehmendem Wachstum des Ovars wächst der sich bildende Ausführgang dem Körperepithel zu, es tritt eine Spalte im Ovar auf, die sich zu einem Lumen entwickelt, und der Aus- führgang erstreckt sich weiter, wahrscheinlich durch die Flüssigkeit, die sich dort ansammelt. Die große Eizelle bleibt zunächst der Wand der Gonade, die hier ein niedriges Epithel besitzt, ganz angeschmiegt. Das Protoplasma der Eizelle ist feinkörnig, der bläschenförmige Kern mit Nucleoplasma und Nucleolus ausgestattet. Später löst sich die Eizelle ab; sie ist (nach Salenskys Figuren) anfänglich unregelmäßig kugelig, aber keinesfalls birnf örmig, und im Keimbläschen liegen mehrere, aber nicht sehr zahlreiche Nucleolen der Peripherie genähert. Cerebratulus lacfeus, die letzte Nemertine, auf deren Ovogenese ich einen kurzen Blick werfen muß, steht nicht nur im System weit von den bisher behandelten entfernt, es verläuft bei dieser Art die Aus- bildung der weiblichen Geschlechtsprodukte auch durchaus nicht nach dem Typus Carinella, sondern nach dem Typus Drepa7io'pliorus. Wenn ich trotzdem auf diese Heteronemertine eingehe, so geschieht es des- halb, weil CoE [42] hinsichtlich der Ovogenese dieser Form Verhält- nisse beschreibt, die, wie sich erweisen wird, eine auffallende Ähnlich- keit zeigen mit einigen meiner an Malacobdella grossa gemachten Be- obachtungen. Die Eier entstehen bei Cerebratulus lacteus an der Wand des primär vorhandenen Geschlechtssackes und bilden bald gestielte Birnen, die sich schließlich von ihrer Unterlage, der Bindegewebshülle der Gonade, loslösen. "Interspersed among the ova and scattered through the jelly which fills the central cavity are small spherical highly pigmented bodies, granulär in structure. These are probably the same as those described by Hubrecht i for Drepanophorus and Cerebratulus margi- 1 Ich habe in der betreffenden Arbeit Hubrechts [Report Challenger Zool., Vol. XIX] vergebens nach einer diesbezüglichen Angabe gesucht. Cerebra- tulus marginatus befand sich überhaupt nicht unter dem Challenger-Material. Auch in verschiedenen andern Arbeiten Hubrechts konnte ich nichts finden, worauf sich die Angabe Coes beziehen könnte. \ Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella grossa (Müll.). 685 natus, and like tlieni they disappear gradually as the ova ripen. Hence they must contribute to the development of the egg, and undoubtedly furnish the yolk material. There are also other cellsi, slightly smaller and lighter in colour, but staining more deeply, which are scattered all through the central cavity. From these comes the gelatine which fills all the space not occupied by eggs." Ich komme jetzt zur Ovogenese bei Malacobdella grossa und werde zunächst den allgemeinen Verlauf dieses Prozesses in großen Zügen darlegen, mich in einem zweiten Abschnitt mit dem Verhalten der Nucleolen und der chromatischen Substanz in den sich bildenden Eiern und in einem dritten mit der speziellen Ausbildung der Eier und ihrer Ernährung zu beschäftigen haben. Die Geschlechtsprodukte nehmen bei ' Malacobdella wie bei allen Nemertinen, bei denen nicht primär Geschlechtssäcke auftreten, ihren direkten Ursprung aus Bindegewebselementen. Es ist aber bemerkens- wert, daß bei der vorliegenden Form durchaus keine Beziehung besteht zwischen den Geschlechtsprodukten und den Lateralnerven. Es tritt bei Malacobdella kein den Seitenstämmen aufgelagertes Keimlager auf, wie bei Prostoma, Geonemertes und Prosorhochmus (vgl. S. 679 — 681). V. Kennel faßt die Geschlechtsprodukte von Malacobdella als »Tei- lungsprodukte großer protoplasmareicher Parenchymzellen « auf und glaubt dies dadurch beweisen zu können, daß diese mit der Bildung der Gonadenanlagen an Zahl abnehmen und sich besonders zahlreich im hinteren Ende des Körpers der jungen Tiere finden, wo später massenhaft Geschlechtsprodukte entstehen. Ich habe diese »proto- plasmareichen Zellen« allerdings in der von v. Kennel beschriebenen Form und Lage auch gefunden, glaube aber auf Grund meiner an vielen Hunderten von Querschnitten durch junge Malacobdellen an- gestellten Untersuchungen einen direkten genetischen Zusammen- hang zwischen diesen Zellen und den Geschlechtsprodukten in Abrede stellen zu müssen. Meine Gründe hierfür sind folgende. Ich habe niemals Übergangsstadien zwischen derartigen Parenchymzellen und den Zellkomplexen, die sich deutlich als zukünftige Gonaden repräsen- tieren, gefunden^, die Zellen der jungen Gonadenanlagen sind stets protoplasmaarm, wo sie neben den »protoplasmareichen Zellen«, auf- treten, unterscheiden sie sich scharf von diesen, besonders aber der 1 CoE nennt sie" glycerine cells". 2 Auch V. Kennel scheint dieses sicherste Beweisstück für seine Annahme zu fehlen, da er es sonst doch nicht unterlassen haben würde, ausdrücklich darauf hinzuweisen. Zeitschrift f. wi-:sensch. Zoologie. XCVII. Bd. 45 686 C4ustav Gering, Reichtum des Hinterendes der jungen Malacohdella an derartigen »protoplasmareichen Zellen« scheint mir nicht in der geschehenen Weise gedeutet werden zu dürfen. Dieser Körperteil trägt bei jugend- lichen Tieren durchaus einen embryonalen Charakter, entsprechend dem Verlaufe der Entwicklung des Tieres und dem Umstände, daß zur definitiven Ausbildung hier noch das stärkste Wachstum nötig ist. Trotzdem setzt auch im Hinterende die Bildung von Geschlechtspro- dukten schon sehr früh ein, unabhängig von den »protoplasmareichen Zellen« des Parenchyms. Die ersten Anzeichen dieses Vorganges machen sich dadurch geltend, daß man im Parenchym^ hier und dort ein Häufchen von zunächst wenigen, bald aber schon zahlreichen Kernen trifft, deren Chromatin und Nucleolus peripher gelagert ist. Es tritt an diesen Stellen eine starke Zellvermehrung ein, und nicht selten hat man den Eindruck, als ob die Vermehrung der Kerne rascher vor sich ginge als die der Zellen, so dicht und zahlreich liegen erstere, und Zellgrenzen sind zwischen ihnen nicht immer zu unterscheiden. Nur selten be- merkt man um den einen oder andern dieser Kerne eine Anhäufung dunkler tingierten Plasmas, einen solchen Plasmamantel, wie ihn V. Kennel in seiner Fig. 1, Taf. XVIII zeichnet und wie er von Büe- GER [37] für Carinella als ein »Hof von feinkörnigem Plasma« beschrie- ben wird, habe ich nie beobachtet. Bemerkenswert ist auch, daß V. Kennel schon in seiner Fig. 2 derselben Tafel nur die Kerne zeichnet, aber weder Protoplasma noch Zellgrenzen. Letztere sind aber stets zu sehen, wenn sich auch nicht immer für jeden Kern eine Zelle nach- weisen läßt. Anfänglich unterscheiden sich diese Kerne in keiner Weise von denen des umliegenden Bindegewebes, bald aber macht sich eine deutliche Differenzierung bemerkbar, indem die peripher gelagerten Kerne des Zellhäufchens — die Wände seiner Zellen rufen das Bild einer unregelmäßig polyedrischen Felderung hervor — stärker wachsen. Es macht sich dies einmal dadurch bemerkbar, daß sie bald einen Durchmesser von 5,2 u erreicht haben, während die central gelegenen Kerne wie alle übrigen Bindegewebszellkerne nur etwa 3,5 /« messen, außerdem sind aber auch die Chromatinbrocken in den peripheren Kernen größer geworden (allerdings nicht im Verhältnis zum Wachstum des Kernes, so daß diese bei schwacher Vergrößerung jetzt heller er- scheinen als die kleinen Kerne) und der Nucleolus hat einen Durch- messer von 1 — 1,4// erreicht. Alle Kerne des Zellhäufchens sind mehr 1 Alle Parenchymzellen besitzen bei Malacobdella einen Nucleolus. Beiträgo zur Kenntnis von Malacobdella grossa (Müll.). 687 oder weniger kugelig und zeigen nie eine so gestreckte Form, wie sie bei den Bindegewebszellkernen nicht selten zur Beobachtung gelangt. Sehr früh werden diese Zellhäufchen von dem umliegenden Binde- gewebe auch äußerlich schärfer getrennt; die Bindegewebsfasern ord- nen sich allmählich bogenförmig um das Häufchen an, und es entsteht im weiteren Verlauf der Entwicklung eine immer dickere Bindegewebs- hülle, die später durch Muskelfasern wesentlich verstärkt wird. Sch(m bedeutend zeitiger, als es nach v. Kennels Schilderung den Anschein hat, tritt in der jungen Gonade ein Lumen auf. indem die in der Mitte gelagerten Zellen auseinander weichen. In einem älteren Stadium läßt sich an der Gonade deutlich ein dorsales und ventrales Ende unterscheiden, ersteres ist verjüngt, letzteres bauchig erweitert. Es kommt aber weder jetzt noch später zur Aus- bildung eines Ausführganges, vielmehr hat die junge Gonade stets die Gestalt eines schlanken Eies. Die größeren Kerne liegen jetzt am ventralen Ende und sind bedeutend zahlreicher geworden, hier ent- stehen also zuerst Eier. Allmählich schreitet die Bildung von Eiern dorsal wärts fort, so daß man nicht selten in einer Gonade eine hübsche Serie von Entwicklungsstadien beobachten kann. Ein >>Nachschub neuer Zellen an Stelle der zu Eiern umgewandelten« ventralwärts,wie v. Kennel vermutet, scheint mir nicht stattzufinden. Mit zunehmen- dem Wachstum des Tieres werden die Gonaden immer zahlreicher, man findet in einem Schnitt immer mehr nebeneinander, später sogar zwei bis drei untereinander, und ein Querschnitt durch das hintere Körperdrittel einer geschlechtsreifen weiblichen MalacohdeUa gewährt schließlich folgendes Bild. Die größte Entfernung der dorsalen von der ventralen Körperfläche beträgt nicht viel mehr als ein Drittel der Entfernung der beiden Seitenrän- der voneinander. Innerhalb von , , . . ^.. . ... , Querschnitt aus dem letzten Korperdnttel von Cutis und Muskelschichten lassen Malacobdella Q . Es sind nur Dann, Rüssel, sich drei annähernd gleich große Seitennerven und die Lumina der Ovarien ein- - ' _ getragen. 5 x . Bezirke unterscheiden. Der mitt- lere ist der Bezirk des Darmes. Dieser ist von den Ovarien ganz zusammengedrängt und infolgedessen so stark gewunden, daß er in einem Schnitt zwei- bis dreimal getroffen werden kann. Die seitlichen Bezirke sind die der Ovarien. Sie sind so zahlreich ge- worden (ich zählte zuweilen in einem Schnitt über 30 Ovarien links und rechts zvisammen) und liegen so dicht gedrängt, daß zwischen 45* 688 Gustaf Gering, ihnen nur noch die zugehörigen Bindegewebs- und Muskelfibrillen Platz haben, die nur eine dünne Wand zwischen den Säcken bilden. Das eigentliche Körperparenchym ist auf eine nicht allzu dicke Schicht auf der Ventralseite des Tieres beschränkt. Die Form der Ovarien ist eine sehr mannigfache, häufig sind sie unregelmäßig bohnen- oder eiförmig, wobei das schlanke Ende bald dorsal- bald ventralwärts gerichtet ist. Gegen die dorsale Körperwand hin zeigen sie eine breite, etwas ge- wölbte Fläche und nur selten eine schärfere Spitze. Von einem Aus- führgang kann auf keinen Fall die Rede sein, vielmehr reißt an der Stelle, wo der Geschlechtssack schließlich am stärksten der Körperwand genähert ist, die dann nur noch ganz dünne Gewebsschicht durch und läßt die reifen Eier nach außen gelangen. Der Durchbruch findet stets erst unmittelbar vor der Ablage der Eier statt, eine )> entgegenkommende Hautepitheleinstülpung«, wie sie Bükger [37] für CarineUa beschreibt und- wie sie nach diesem Autor bei allen Nemertinen von diesem Typus (auch bei Malacobdella) eintreten soll, tritt hier nicht auf. Was die chromatische Substanz und den Nacleolus der jungen Ovocyten anbetrifft, so wurde schon oben bemerkt, daß die erste Ver- änderung in einem Wachsen der Chromatinbrocken und des Nucleolusi besteht. Dieser bleibt aber bald im Wachstum zurück, wenn er auch bei Kernen von 8,7 f^i Durchmesser schon eine Größe von 1,7 /< erreichen kann. Schon in Kernen von 5 — 6 ,*/ Durchmesser trifft man oft zwei Nucleolen an. Ihre Lage zueinander ist sehr wechselnd, häufig aber liegen sie weit voneinander entfernt. Ob sie durch Teilung des ursprüng- lichen entstanden sind, kann ich nicht sagen; jedenfalls habe ich nie- mals einen derartigen Prozeß beobachtet. Die Vermutung v. Kennels, daß das Auftreten zweier Nucleolen auf eine bevorstehende Zellteilung hinweise, kann ich nicht teilen. Die weitere Entwicklung des Keim- bläschens spricht dagegen, und auch die von Montgomery jun. [60] ^ an andern Nemertinen diesbezüglich gemachten Beobachtungen stützen meine Auffassung. Mit dem zunehmenden Wachstum der Kerne geht nämlich eine Vermehrung der Nucleolen einher, während das Chromatin wie vorher in dem chromatischen Netzwerk in Brocken suspendiert 1 Bei Malacobdella nehmen die Nucleolen bei den verschiedensten Doppel- färbungen stets den Kernfarbstoff an, was die Annahme eines extranucleären Ursprunges, wie ihn Montgomery jun. [60] und andre allgemein für die Nucleolen annehmen, erschwert. 2 Als dieser Aufsatz in meine Hände kam, war die vorliegende Arbeit zum größten Teil schon abgeschlossen. Ich konnte daher in den folgenden Ausfüh- rungen nur an geeigneten Stellen nachträglich noch kurz darauf Bezug nehmen. BiMti-äiZr /MV Kennt iiis \ mi Malacululclla «jrossa (Müll.). (')S<) ist. In Kernen vt)n lU — 11 n JJurchnics.ser kann man schon vier bis sieben Nucleolen beobachten, in solchen von Ki // Durchmesser schon 20 und mehr. Ihre Gi'öße sdiwankt zwischen (t.(S und 1,7 u, wobei aUe Größen in dem »gleichen Kern vertreten sein können. Im \'er- laufe dieses Prozesses verschwinden alhnäldich an dem Chromatin- lierüst die größeren Brocken, bis schließlich den yanzeii Kern nur ein feines Netzwerk durchzieht, in dem die zahlreichen, mit Hämatein stark dunkelblau tingierten, homogenen kugeligen Nucleolen überall verteilt liegen. Zeitweilig rücken die Nucleolen im Verlauf der Ent- wicklung des Eies wohl mehr an die Peripherie des Kernes, doch ist dies in früheren Stadien keineswegs eine reüelmäßise Erscheinuno'. Häufiger beobachtet man, daß ein Teil der Nucleolen zu einem, seltener zwei größeren Haufen zusammengedrängt liegt. Montgomery jun. [()()] fand auch derartige Nucleolenanhäufungen im Keimbläschen des Eies von Amphiponis glutinosus. Niemals aber sah ich die Komponenten dieser Haufen durch Chromatinfäden verbunden, wie es Böhmig [40] für Prostoma und Geoneniertes beschreibt. Nicht allzu selten trifft man allerdings auch Kerne an, die bereits einen Durchmesser voii 10 n und mehr erreicht haben, ohne daß es zur Nucleolenvermehrung gekommen wäre. In solchen Fällen sind das Chromatingerüst und die darin ver- streuten Chromatin brocken entsprechend kräftiger geworden. Da in den größeren Eikernen stets die typischen Nucleolen angetroffen werden, darf man wohl annehmen, daß hier die Nucleolenvermehrung nur ver- zögert ist, um dann desto rascher vor sich zu gehen. Wenn die Eier schon eine beträchtliche Größe erlangt, ja zuweilen selbst dann noch, wenn sie sich vom Gonadenepithel bereits losgelöst haben, sieht man die Nucleolen in großen Mengen durch den ganzen Kern verstreut. Dann tritt aber, zuweilen vielleicht auch schon früher, eine Verminderung der Nucleolenzahl ein; kleinere verschmel- zen zu zweien oder dreien zu einem größeren, wahrscheinlich hat auch eine Auflösung einiger Nucleolen statt. Letzteres glaube ich dar- aus schließen zu dürfen, daß ich bisweilen in einzelnen Nucleolen Va- cuolen beobachtete, die manchmal schon so groß geworden waren, daß die gänzliche Auflösung dieses Nucleolus nahe bevorzustehen schien. Vereinigung und Auflösung von Nucleolen beschreibt auch Mont- GOMERY jun. [52] für Prostoma und später [60] noch für verschiedene andre Nemertinen. Mit der Verminderung der Zahl der Nucleolen, die aber nicht so weit geht wie bei Prostoma eilhardi, geht ihre Ver- lagerung an die Peripherie des Kernes einher, so daß man in zur Ablage reifen Eiern nur eine beschränkte Zahl von Nucleolen findet, die sämtlich 690 Gustaf Gering, an der Peripherie des Keimbläschens liegen. Dies scheint überhaupt ein bei Nemertineneiern recht häufig auftretendes Bild zu sein, es wird nämlich außer für Prostoma eilhardi noch für Geonemertes chalicophora [40], Prostoma ( Tetrastemm^) vermiculus [49], P. catenulatum [60], Dre- 'panophorus spectahilis [49], Amphiporus glutinosus [60], Prosorhochmus viviparus [53] und Zygonemertes virescens [60] beschrieben. Das Keim- bläschen ist kugelig oder mehr eiförmig und zeigt niemals Fortsätze, die auf eine amöboide Bewegung schließen lassen, wie dies für ver- schiedene Nemertinen angegeben wird [60]. Im Verlaufe meiner Untersuchungen habe ich mich davon überzeugt, daß die Entwicklung und das Verhalten der Nucleolen im Malacobdellenei andre sind, als sie von Böhmig [40] für Prostoma graecense so ausführlich beschrieben wurden, und daß Malacohdella auch mit keiner der von Montgomery jun. [60] untersuchten Nemertinen in diesem Punkt übereinstimmt. Um die bei Malacobdella vorliegenden Verhältnisse im einzelnen kennen zu lernen, bedürfte es aber noch spezieller eingehender Studien, die ich aus Mangel an Zeit leider noch nicht ausführen konnte. Es sei noch erwähnt, daß ich zuweilen im Kern ziemlich weit aus- gebildeter Eier feine Fäden fand, die in größeren oder kleineren Ab- ständen mit dunklen Körnchen besetzt sind. Diese Körnchen sind bedeutend kleiner als die Nucleolen und auch wegen ihrer Form nicht mit diesen zu identifizieren. Stellenweise beobachtete ich eine An- häufung solcher Körnchen, ob sie aber die Folge einer Aufknäuelung des Fadens ist, konnte ich nicht deutlich erkennen. Diese Fäden zeigen eine große Ähnlichkeit mit den Gebilden, die Böhmig [40] für Pro- stoma graecense erwähnt und in seiner Fig. 42 abbildet. Dieser Autor bemerkt darüber, daß sie »möglicherweise Anlagen von Chromosomen« darstellen. Ob diese Vermutung berechtigt ist, wage ich nicht zu ent- scheiden; die definitive Ausbildung der Chromosomen findet bei Mala- cohdella auf jeden Fall erst in den abgelegten Eiern statt. Aber auch Montgomery jun. [60] beschreibt derartige >>Chromatinfäden<< für das Ovarialei von Prostoma catenulatum und das von Prostoma eilhardi. Ich komme nunmehr zur Ausbildung der Eier im speziellen und zur Dotterbildung. Dazu muß ich zu einem sehr frühen Stadium zurückkehren. Ich hatte oben dargetan (S. 687), wie in der jungen Gonade ein Lumen auftritt und am ventralen Ende des Geschlechts- sackes die Zellkerne rascher wachsen. Durch das Auftreten mehrerer Nucleolen und das allmähliche Verschwinden der Chromatinbrocken erhalten die Kerne bald ein bläschenförmiges Aussehen und doku- mentieren sich schon jetzt als junge Keimbläschen. Mit dem Größer- Beiträge zur Kenntnis vim Malacohdella grossa (Müll.)- 691 werden des Kernes wächst natürlich auch der Zellleib, aber wesentlich langsamer, so daß die jungen Eizellen in diesem Stadium einen un- verhältnismäßig großen Kern haben, der zuweilen den basalen Teil der Zelle fast ganz von dem übrigen Teil tiennt. Sie sitzen mit breiter Basis der Bindegewebshülle der Gonade auf und wölben sich anfangs mehr halbkugelig oder pai'aboloidisch oder in Form einer Granate vor (Fig. 1). Schon in einem sehr frühen Stadium — der Kern ist zuweilen kaum größer als die Bindegewebskerne — setzt eine Ab- lagerung von ganz kleinen Dotterkörnern in der jungen Eizelle ein, und zwar stets am peripheren, der Basis abgewandten Ende^. Hier sammelt sich der Nahrungsdotter oberhalb des Kernes bald in solcher Menge an, daß die mit Hämatein dunkelblau gefärbte Deutoplasmamasse das Cytoplasma vollständig verdeckt. Ein gleiches berichtet Munson [61] vom Ei von Limulus und MontC40MERY jun. [60] vom Ei von Zygo- nemertes. In diesem Stadium und auch noch etwas später ist die Eizelle von den nicht zu Eiern sich umbildenden Gonadenzellen eingeschlossen, bald aber streckt sie sich, wird birnförmig und ragt frei in das Lumen des Geschlechtssackes vor. '■*'- An den Zellen der Gonade, die nicht zu Ovocyten werden, macht sich etwas bemerkbar, das es verbietet, sie als indifferente oder als Gonadenepithelzellen schlechtweg zu bezeichnen. Es kommt in diesen Zellen nämlich gleichfalls zur Bildung von Deutoplasma. Dieser Dotter scheint aber andrer Natur zu sein, als der eben für die Eizellen erwähnte. Man sieht nämlich in den Gonadenzellen kugelige Dotterballen. Sic sind anfangs nur klein, wachsen aber rasch heran, hauptsächlich schein- bar in der Nachbarschaft junger Eier, und erreichen nicht selten einen Durchmesser von 25/<, bisweilen sogar von 38 /< (Fig. 2). Sie setzen sich aus feinen, unmeßbar kleinen Körnchen zusammen und zeigen früh bläschenförmige Einlagerungen (Fig. 2, 3, 6). Diese Bläschen, die sich mit Eosin gleichmäßig blaß rosa färben und homogen sind, treten entweder in großer Menge auf und sind dann ganz klein, oder man findet eine geringe Anzahl etwas größerer im Ballen verstreut, in andern Fällen wieder nur eins oder wenige, die dann einen großen Teil der Dotterkugel ausfüllen können, so daß zuweilen nur ein schmaler Rand für die Dotterkörnchen übrig bleibt. In letzterem Falle pflegen die Bläschen an einer Seite hart an der Peripherie des Ballens zu liegen. 1 Solche große Dotterballen, wie sie Montgomeby jun. [60] für Amphi- porus glutinosus, Prostoma catenulatum und einige andre Nemertinen beschreibt, treten innerhalb des Malacobdelleneies nicht auf. Woher die Dotterkörnchen ihien Ursprung nehmen, vermag ich ebensowenig anzugeben wie Montgomery jun. 692 Gustaf Gering, (Ganz ebenso strukturierte Dotterballen fand Montgomery jun. [60] in den Eiern von Prostoma catenulatum, Amphiporus glutinosus und Polydora.) Diese Dotterballen werden meist in enormer Menge pro- duziert, liegen oft Zu mehreren von verschiedener Größe in einer Zelle und können hier zu gröi3eren verschmelzen. Sie zeigen stets eine kugelige Form, die nur durch die Zellwände bisweilen beeinträchtigt wird, und drängen, falls sie sehr groß werden, den Kern dicht an die Wand der Zelle. Mit den Dotterballen ist aber der Inhalt dieser Gonadenzellen meist noch nicht erschöpft. Man findet vielmehr häufig noch andre CJebilde, die unbeeinflußt durch die angewandten Tinktionsmittel (vgl. S. 694) stets bernsteinfarbig sind. Eine einzige Zelle kann einen oder mehrere derartige Körper enthalten (Fig. 2, 4 — 7). Sie sind meist unregelmäßig kugelig, doch kommen zuweilen auch andre Formen vor, und sind aus stark lichtbrechenden Körnern verschiedener Größe und Form zusammengesetzt. Daß diese Gebilde Kunstprodukte seien, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil ich sie in den verschiedenst fixierten und gefärbten Präparaten regelmäßig beobachtete luid nur in den Gonaden in solcher Menge auftreten sah. Ahnliche Körper scheint auch Montgomery jun. [52] bei Prostoma eilhardi beobachtet zu haben. Leider schreibt er darüber nur: >>ln den Gonaden kommen auf allen diesen Stadien häufig körnige, unfärbbare, gelbliche Einschlüsse vor, die auch im Körperparenchym, Gehirn, Rhynchocöloni und den Blut- gefäßen zu finden sind; sie sollen in einem späteren Kapitel behandelt werden«^. Diese kurze Notiz enthält nichts, was einer Identifizierung der von Montgomery jun. und mir beobachteten Gebilde im Wege stände. Anders verhält es sich mit den "glycerine cells", die Coe [42] beschreibt. Diese sind nämlich stark färbbar, meine bernsteinfarbigen Einschlüsse aber nicht, außerdem liegen erstere (nach Coes Fig. 65) frei im Lumen des Ovars, letztere unzweifelhaft innerhalb der Zellen. Über den Ursprung und die Schicksale dieser Zelleinschlüsse (es sind nicht Zoochlorellen) vermag ich keine bestimmten Angaben zu machen, eine Funktion wie die "glycerine cells" haben sie zweifellos nicht, da ich niemals etwas beobachtete, das auf das Vorhandensein einer das Lumen der Gonade ausfüllenden Flüssigkeit^, wie sie Salensky [53] 1 Ich habe in der zitierten Arbeit und verschiedenen andern desselben Autors vergebHch nach weiteren Angaben über diese Gebilde gesucht und fand auch keine diesbezügliche Abbildiing. - Nach Bürger [35] soll eine solche Flüssigkeit allgciuein den Xenierlincn xukonuuen. Beiträge zur Kfimtnis von Malacobdella grossa (Müll.). 693 für Prosorhochmus beschreibt, oder Gelatine, wie sie Coe für Cerebra- tulus angibt, schließen ließe. Kehre ich nun zu den Eizellen zurück, so muß ich oleich bemerken, daß ihre weitere Entwicklung ,sich jetzt nicht mehr trennen läßt von den .soeben beschriebenen Gonadenzellen, denn diese treten zu den Eizellen in eine Beziehung, die es nötig macht, sie als Nährzelleu zu bezeichnen. Haben nämlich die Eier den sie umgebenden Zellbelag durchbrochen und ragen sie dann als gestielte Birnen frei in das Lumen des Ovars, so bemerkt man, wie sich die der Stielbasis benachbarten Zellen strecken, schlank werden und sich am »Stiel des Eies in die Höhe ziehen (Fig. 4 — 7). Ihr Kern rückt dabei meist in den oberen Teil der Zelle. Die dem Eistiel anliegenden Zellwände werden dann aufgelöst, und der Inhalt der Nährzellen fließt in das Ei über (Fig. 5—8). In seltenen Fällen scheinen direkt Dotterkugeln in den Stiel des Eies einzudringen, in der Regel aber lösen sie sich auf, und die so entstehende feinkörnige Deutoplasmamasse wird dem Ei zugeführt. Der Zeitpunkt der Aufnahme dieses Dotters ist für die einzelnen Eier verschieden und hängt von der Ausbildung und Lage der Nährzellen ab. Während dieses ganzen Vorganges macht sich die verschiedene chemische Be- schaffenheit des innerhalb der Eizelle gebildeten Dotters und des von den Nährzellen stammenden in augenfälliger Weise bemerkbar imd ist auch in späteren Stadien, wenn das Ei schon am Ende seines AVachs- tums ist, ja bisweilen noch an losgelösten Eiern sichtbar. Es lassen sich nämlich an einer größeren Eibirne drei Bezirke unterscheiden, die sich vor allem durch ihr Verhalten zu verschiedenen Farbstoffen scharf gegeneinander absetzen. Der erste Bezirk ist der des von der Eizelle produzierten Dotters. Er bildet eine Kappe von verschiedener Mächtigkeit am bauchigen Teil der Birne und kann sich zuweilen als ein düimer Mantel noch ein Stück nach dem Stiel zu hinabziehen. Der zweite Bezirk ist der des von den Nährzellen gelieferten Dotters. Dieser Bezirk umgibt das Keimbläschen, dessen Kontur wiederholend, sich also in den ersten Bezirk nach oben vorwölbend, und füllt nach unten zu einen großen Teil des Eistieles aus. Nur der centrale Teil des Stieles bleibt frei und eine sich daran anschließende Zone, die am besten als ein Trichter bezeichnet werden kann, auf dessen oberer weiter Öffnung das Keimbläschen aufsitzt. Dieser Trichter und das centrale Rohr des Stieles bilden den dritten Bezirk (Fig. 8 — 11). Auf diesen dritten Be- zirk komme ich weiter unten zu sprechen. Eidotter und Nährzellen- dotter unterscheiden sich, wie eben bemerkt, in verschiedener Hinsicht. Ihr Verhalten zu Farbstoffen zeigt am besten die folgende Tabelle: 694 Gustaf Gering, Angewandte Färbung Farbe des Eidotters Farbe des Nährzellendotters Hämatein-Eosin blau\'iolett blaurot Hämatein-Fuchsin säure blau rotviolett Alaunkarmin-Eosin blaßkirschrot orange Boraxkarmin - Pikrinsäure kräftig rosa blaß orange Hämatein-Boraxkarmin blauviolett rotviolett Hämatein- Pikrinsäure violett dunkelgelb bis urangeviolett Hämatein-Pikrinsäure-Fuclisinsäure violett hellrotviolett Bleu de Lyon-Boraxkarmin karminrot blau grau Diese Zusammenstelhmo; zeigt deutlich, daß der Eidotter vor- nehmlich durch Kernfarbstoffe imbibiert wird, während der Nähr- zellendotter Plasmafarbstoffe bevorzugt i. Ein weiterer Unterschied ist der, daß der aus den Nährzellen stammende Dotter etwas feiner gekörnelt ist und meist, wie die Dotterballen, aus denen er hervorgeht, zahlreiche Bläschen von verschiedener Größe enthält. Bisweilen sieht man noch im Stiel eines Eies eine der großen Blasen, wie sie oben für die Dotterballen beschrieben wurden (Fig. 4). Ob die bernsteinfarbigen Einschlüsse gleichfalls dem Ei als Nahrungsbestandteile zugeführt werden, vermag ich nicht mit Sicherheit anzugeben. Ich habe in den Eiern niemals etwas gefunden, das diesen Gebilden ähnlich sähe. Nach der ganzen Art, wie sich der Prozeß der Aufnahme des Nährzellen- dotters abspielt, ist aber wohl anzunehmen, daß die bernsteinfarbigen Einschlüsse — vermutlich in aufgelöstem Zustande — gleichfalls ins Ei gelangen. Das gleiche glaube ich für die Kerne der Nährzellen annehmen zu müssen, denn zuweilen haben sie eine gestreckte und etwas unregelmäßige Form angenommen und scheinen auch wohl ein- mal etwas gequollen zu sein (Fig. 7). Besonders aber scheint mir der Umstand dafür zu sprechen, daß man später an dem aus den ausge- sogenen Nährzellen (wenn ich mich so ausdrücken darf) zusammen- gesetzten Stiel keine Kerne mehr wahrnehmen kann 2. Wenn nämlich aller Dotter aus den Nährzellen in das Ei aufgenommen ist, tritt ge- wissermaßen ein Kollabieren ihrer äußeren Zellwände ein; man kann diesen Vorgang wohl am besten mit dem Zuziehen eines an der Öffnung init Zugschnüren versehenen Beutels vergleichen, das Ei stellt dann also einen solchen an der Mündung eingezogenen Beutel dar, dessen 1 Daß V. Kennel diese Verschiedenheit im Dotter der Eibirnen nicht be- obachtet hat, erklärt sich wohl daraus, daß er keine Doppelfärbungen angewandt zu haben scheint. 3 Bei Geonemertes agricola soll nach Coe [4.3] gleichfalls auch der Kern der Dotterzellen aller Wahrscheinlichkeit nach ins Ei aufgenommen werden. Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella grossa (Müll.)- 695 Falten die äußeren Wände der Nährzellen sind. Hat das Ei solcher- weise seine definitive Größe erlangt, so reißt der Stiel an der dünnsten Stelle durch und das Ei liegt frei im Lumen des Ovars. Ich muß jetzt noch auf den oben erwähnten dritten Bezirk in der Eibirne eingehen. Wenn, wie eben geschildert, den Eistiel ein dichter Mantel von Nährzellen umgibt, die fortschreitend ihren Inhalt an das Ei abgeben und selber zum Aufbau des Stieles verwandt werden, bleibt stets der ursprüngliche Eistiel zwar nicht als ein festwandiger Schlauch, wohl aber als ein Rohr erhalten (Fig. 7 — 11). Dieser Teil des Eies hebt sich dadurch von dem zweiten Bezirk ab, daß sein Inhalt in der Regel aus etwas gröberen Körnern besteht, die viel lockerer und in unregel- mäßig gestalteten Haufen gelagert sind. Außerdem unterscheiden sich diese Körner durch ihr Verhalten zu Farbstoffen von dem sie um- schließenden Rohr von Nährzellendotter. Während letzterer nämlich z. B. bei Hämatein-Eoainfärbung blaurot erscheint, haben die Körner des dritten Bezirkes einen mehr bläulichen Ton angenommen, der aber nicht so ausgesprochen blauviolett ist, wie der des Eidotters. Nicht allzu selten sind die Körnchen dieses dritten Bezirkes strecken- weise in Reihen angeordnet, und zuweilen kann man diese Reihen bis zu der parenchymatösen Gonadenumhüllung verfolgen. Aus allem diesen glaube ich sf^hließen zu dürfen, daß das Ei auch von hier aus Nahrungsbestandteile empfängt. Dieser Annahme scheint mir auch die auffällige Lage des Keimbläschens in der jungen Eibirne günstig zu sein. Das Keimbläschen liegt nämlich für gewöhnlich nicht in dem weitesten Teil der Birne, wie man vermuten sollte, sondern an der Stelle, wo der Birnenkörper in den Stiel übergeht. Von hier aus kann offenbar das Keimbläschen am besten die Aufnahme von Dotter be- herrschen und Nahrungsteile heranziehen i. Ich möchte es nicht ver- säumen noch auf seltsame Gebilde hinzuweisen, die ich mir allerdings nicht recht zu erklären vermag. Ich fand sie am häufigsten, wenn auch natürlich nicht regelmäßig, im dritten Bezirk unterhalb des Keimbläschens (Fig. 8), zuweilen auch an andrer Stelle im peripheren Dotter, auch bei schon losgelösten Eiern. Diese Gebilde stellen kleine Bläschen von verschiedener Größe dar. Ihr Inhalt, der bisweilen nicht das ganze Bläschen ausfüllt, was ich für ein Fixierungsprodukt halte, ist entweder gekörnelt oder mehr homogen und dann zuweilen nur schwach tingiert. In ersterem Falle machen sie mehr den Eindruck von Dottersubstanz von besonderer chemischer Beschaffenheit, im 1 Eine gleiche Erscheinung tritt ntich Korschelt [59] bei Cölenteraten und nach Ü. und R. Hektwic; [58] bei Actinien auf. 696 Gustaf Gering, letzteren ist man geneigt, den Inhalt als gallertig oder flüssig anzu- sehen. Stets aber findet man Stadien, die eine allmähliche Auflösung dieser Gebilde in den Dotter erkennen lassen (Fig. 8). Sind die Eier durch Zerreißen des Stieles frei geworden, zuweilen allerdings auch schon vorher, so verdickt sich die Zellwand des Eies^ zu einer immer stärker werdenden Membran (Fig. 11). Dieser Prozeß schreitet vom bauchigen Teil nach dem Stiel zu fort, und hier bleibt schließlich eine runde Stelle frei, die Micropyle. Selbstverständlich rundet sich das anfangs an einer Seite zugespitzte Ei im Verlaufe dieses Vorganges mehr und mehr ab, bis das ablagereife Ei eine gleichmäßige Kugelform hat. Eine überaus willkommene Stütze und Parallele für meine Be- obachtungen über die Aufnahme von Dotter durch die Nährzellen und von andrer Einahrung durch den Stiel fand ich kurz vor dem Abschluß meiner Untersuchungen in einer Arbeit von Stauffacher [G3], der die Eibildung bei Cyclas Cornea studierte. Seine Bilder zeigen, natürlich mutatis mutandis, die gleiche Art der Eiernährung. Auch bei Cyclas strecken sich Nährzellen am Stiel des Eies in die Höhe und geben ihren Inhalt an das Ei ab, auch bei Cyclas tritt unterhalb des Keim- bläschens, das gleichfalls in früheren Stadien an der Mündung des Stieles liegt 2, eine »fädige« Struktur auf. Auch die Eimembran- und Micro pylenbildung zeigt auffallende Älmlichkeit mit den Verhältnissen, wie ich sie bei Malacobdella fand. Allerdings sollen bei Cyclas die Kerne der Nährzellen nicht mit in das Ei gelangen, und die Membranbildung beginnt schon, sobald das Ei die Gonadenepithelzellen durchbrochen hat und nur mit einem geringen Teil seiner Oberfläche frei ins Lumen der Gonade vorragt. Bemerken möchte ich noch, daß nach Stauf- FACHERs Abbildungen die Verhältnisse bei Cyclas viel klarer und deutlicher sind, während bei Malacobdella die Untersuchungen durch die Masse der gleichzeitig gebildeten Geschlechtsprodukte, durch den Zellreichtum der Gonaden, durch das massenhafte Auftreten von Dotterballen und andres bedeutend erschwert sind, so daß mir Stauf- FACHERs Abbildungen fast wie Schemata erschienen. Vergleiche ich die Dotterbildung, wie ich sie oben für Malacobdella beschrieben habe, mit der Bildung des Dotters, wie sie bei andern Nemer- tinen nach den Untersuchungen von Böhmig [40], Child [41], Coe [42, 43] 1 V. Kennel bezeichnet die Eibirnen irrtümlicherweise als völlig mem- branlos. 2 Ein gleiches berichtet C. B. Wilson [54] für das Ovarialei von Cere- bratulus lacteus. Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella groaaa (Müll.). 697 und MoNTGOMERY juii. [52 und 60] vor sich geht, so läßt sich folgendes sagen : Bei Prostoma graecense, Geonemertes chalicophora und G. agricola wird außer in der Eizelle noch von besonderen Dotterzellen Deutoplasnia gebildet 1. Diesen Dotterzellen wären die Nährzellen von Malacobdella wohl funktionell, aber keinesfalls morphologisch gleich zu setzen; letztere werden ja gleichfalls auch zur Bildung des Gonadenepithels verwandt. In letzterem Punkte besteht aber der große Unterschied, daß bei den erstgenannten Nemertinen schon früh ein Teil der indifferenten Zellen zu flachen Epithelzellen wird und damit für irgend eine weitere Ver- wendung nicht mehr in Betracht kommt, während bei Malacobdella alle Zellen, soweit sie nicht zu Eizellen werden, Dotter produzieren, und erst wenn die Eibildung sistiert, bilden die nicht als Nährzellen verbrauchten Zellen ein flaches Epithel an der Innenwand der Gonade. Bei andern Nemertinen muß die Eizelle allen Dotter selbst produzieren, und sie tut dies, indem sie entweder zunächst Dotterballen von ver- schiedener, zum Teil recht beträchtlicher Größe bildet, die dann in die definitiven Dotterkörnchen zerfallen (dies hat statt bei Prostoma eil- Jiardi, Arnfhiforus glutinosus, Prostoma, catenulatum. und Lineas ruber), oder es treten gleich die Dotterkörnchen auf {Prostoma elegans und Zygonemertes virescens). Bei Prostoma asensoriatum werden innerhalb des Eies Dotterkugeln gebildet und außerdem noch im Protoplasma um den Stiel herum. Wahrscheinlich liegen die Verhältnisse hier ähn- lich wie bei P. graecense und P. eilhardi, doch läßt sich dies aus dem kurzen Aufsatz Childs nicht entnehmen. Bei Cerebratulus lacteus schließlich sollen Dotterballen, deren Struktur den von mir bei Mala- cobdella gefundenen auffallend ähnelt, im Lumen der Gonade verstreut liegen und mit zvmehmendem Wachstum der Eier schwinden. Über die Herkunft dieser Dotterballen sagt Coe leider nichts, man darf aber wohl annehmen, daß sie Produkte der Gonadenepithelzellen sind. Die Beobachtung, daß die Zahl der Dotterballen im gleichen Verhältnis abnimmt wie die Eier reifen, läßt sich bei Malacobdella nicht so leicht machen, da hier die Bildung und das Heranwachsen von Eiern sich auf eine sehr lange Zeitspanne erstreckt. Trifft man aber einmal ein Ovarium, in dessen Lumen nur reife Eier liegen und an dessen Wand keine mehr in Bildung sind, so bemerkt man, daß hier die Gonaden- zellen keinen Dotter mehr produzieren, sondern sich als ein flaches. 1 Daß Dotter außerhalb des Eies gebildet und diesem dann zugeführt wird, ist ja eine häufig beobachtete Erscheinung; ich erinnere nur an die Verhältnisse, wie sie bei Insekten vorliegen. Auch für Lijnulus glaubt Munson [61] einen extraovalen Ursprung eines Teiles des Dotters annehmen zu müssen. 698 Gustaf Gering, einschichtiges Epithel der Gonadenwand angelegt haben, wie es v. Ken- NEL in seiner Fig. 4 auf Taf . XVIII richtig zeichnet. Das befruchtungsfähige, abgelegte Ei von Malacohdella grossa hat, wenn es einige Zeit im Wasser gelegen hat, meist die sehr regelmäßige Form einer Kugel von 400 — 500 u Durchmesser. Diese Kugel setzt sich zusammen aus einer ungefähr 1,7 // dicken äußeren Membran, der Eihaut, aus einer von ihr aus nach innen folgenden Schicht von etwa 80 fi Mächtigkeit, die sich als eine eiweißhaltige Flüssigkeit repräsentiert, diese wird nach innen begrenzt von der Dotterhaut, einem dünnen Ge- bilde von etwa 0,8 /< Mächtigkeit, das sich nur zu gewissen Zeiten von der in ihm liegenden Dotterkugel ein wenig abhebt, welch letztere, eine Kugel von etwa 320 /v Durchmesser, stets mehr oder weniger peripher das kugelige Keimbläschen von etwa 65 u Durchmesser birgt. In der Eihaut ist bei günstiger Beleuchtung stets eine runde, ziemlich große Öffnung von 42 — 57 // Durchmesser wahrnehmbar, die Micropyle, deren Vorhandensein Hoffmann [28] sonderbarerweise in Abrede stellt (Fig. 13). Besonders deutlich trat diese Öffnung bei Eiern hervor, die schon mit Sperma tozoen gemischt waren und einige Zeit im Wasser gelegen hatten. Es hatten sich dann nämlich die Spermatozoon be- sonders zahlreich am Rande der Micropyle angesammelt und bildeten solchermaßen einen Ring dunkler Körnchen, der die helle Öffnung besonders stark hervortreten ließ (Fig. 12). Die Ränder der Micropyle sind weder verdickt, wie es Stauffacher [63] für Cyclas beschreibt, noch röhrenförmig nach außen ausgezogen und etwas umgebogen, wie es Lebedinsky [49] bei dem Ei einer einzigen der von ihm untersuchten Metanemertinen beobachtete. Leider gibt dieser Autor den Namen der betreffenden Nemertine nicht an. b. Die männlichen Gesehlechtsprodukte. Über die Entwicklung der männlichen Geschlechtsprodukte vermag ich leider keine auch nur annähernd dem heutigen Standpunkt unsrer Kenntnis von der Spermatogenese gerecht werdende Darstellung zu geben. Es reichten dazu weder meine für andre Zwecke hergestellten Präparate noch die mir zu Gebote stehenden optischen Hilfsmittel aus. Ich mußte mich deshalb darauf beschränken, die Angaben v. Kennels auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Ich gewann hierbei den Eindruck, daß die Spermatogenese etwas anders verläuft, als sie der genannte Autor schildert. Die erste Um- wandlung macht sich an den Kernen der jungen Gonade in der Weise geltend, daß die im Chromatinnetz suspendierten Chromatinbrocken Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella grossa (Müll.). 699 an Masse stark zunehmen und geradezu eine Konzentration der chro- matischen Substanz in diesen Brocken stattfindet. Die Zelle scheint dann in eine der Zahl der Chromatinbrocken entsprechende Anzahl Teile zu zerfallen, wobei jeder Teil von einem Plasmahof umgeben ist. Diese Teilungsprodukte zerfallen dann rasch noch einmal in entsprechend kleinere Stücke, die nicht viel Plasma mehr erkennen lassen, und diese Stücke wandeln sich dann in die Spermatozoen um. Ein Stadium, wie es v. Kennel in Fig. 9 b abbildet i, habe ich nie beobachtet. Das entsprechende Stadium zeichnet sich vielmehr durch große, dunkel tingierte Chromatinbrocken aus, die durch breite Plasmastreifen von- einander getrennt sind. Die kugelige Form des ganzen Gebildes tritt hauptsächlich durch die Lagerung der Chromatinbrocken hervor, die meist nach außen zu mehr abgerundet, nach dem Mittelpunkt der Kugel zu mehr zugespitzt sind. Die Zahl der in einer solchen Kugel enthaltenen Chromatinstücke ist sehr verschieden, ob dies aber von irgendwelcher Bedeutung für den ganzen Entwicklungsprozeß ist, ver- mag ich nicht anzugeben. Das ausgebildete Spermatozoon ist weder von V. Kennel noch von Hoffmann [28] richtig dargestellt, und auch die aus ihren Abbildungen gewonnenen Maße stimmen nicht genau. Erst Ketzius [38a] gelang es, eine richtige, von vorzüglichen Abbil- dungen begleitete Beschreibung der Spermatozoen von Malacobdella zu geben. Nach seinen in 4500facher Vergrößerung dargestellten Bildern ist das ganze Spermatozoon 60 /< lang, der Kopf allein 7,7 ,« bei einer mittleren Breite von 0,67 f^i. Der Kopf ist demnach sehr schlank, fast cylindrisch und mit einem »kurz tutenförmigen Perfora torium << versehen. Das hintere Drittel oder etwas mehr ist mit einer » dünnen, feinkörnigen Hülle« bekleidet, die Ketzius mit den bei Polychäten, Mol- lusken, Echinodermen und auch einigen Nemertinen von ihm gefun- denen Körnergruppen (»Nebenkernorgan«) homologisiert. Der Schwanz hat ein >> deutlich abgesetztes Endstück von etwa der halben Länge des Kopfes«. Am Ansatz des Schwanzes einen Centralkörper nachzuweisen gelang mir nicht, und auch Eetzius konnte trotz Anwendung sehr starker Vergrößerungen seine Existenz nicht mit Sicherheit feststellen. Vi. Embryologie. a. Besprechung der Literatur. Bei den Nemertinen treten bekanntlich drei Typen der Entwick- lung auf, die durch das Pilidium, die durch die Desorsche Larve und 1 V. Kennel hatte das betreffende Präparat durch Macerierung mit Essig- säure erhalten! 700 Gustav Gering, endlich die direkte Entwicklung. Um über die systematische Stellung der Nemertinen Klarheit zu schaffen, sind diese drei Typen von den verschiedensten Forschern untersucht worden, denen es meist auf die Hauptzüge, die Entwicklung der Keimblätter — vor allem des Meso- derms — und der Organe ankam. Da ich in dieser Abhandlung die Entwicklung des Eies von Malacohdella nur bis zur Bildung der ersten Furche darstellen will, kann ich die Mehrzahl der über die Embryologie der Nemertinen vorliegenden Arbeiten unberücksichtigt lassen oder brauche sie nur dort anzuziehen, wo von den Beobachtungen am lebenden Material die Rede ist. Eine eingehende, auf Schnittserien gestützte Beschreibung der Reifungs- und Befruchtungsvorgänge imd der ersten Furchungsstadien des Nemertineneies geben nur wenige Autoren, und von diesen kommen natürlich nur die in Betracht, die ovipare Arten untersuchten. Es sind dies Coe [42] {Cerebratulus marginatus, C. leidyi, Micrura caeca), Kostanecki [46] [Cerebratulus marginatus), Lebe- DiNSKY [47, 48, 49] {Prostoma vermiculus, Drefanophorus spectahilis), C. B. Wilson [54] {Cerebratulus lacteus). Es muß aber bemerkt werden, daß die Arbeiten der beiden letztgenannten Autoren die in Rede stehen- den Vorgänge nur in großen Zügen darlegen, so daß ich in bezug auf Einzelheiten ganz auf die Arbeiten von Coe und Kostanecki an- gewiesen bin. Die Ergebnisse dieser beiden Forscher hier darzulegen, muß ich mir versagen, da ich dabei zu sehr ins Detail gehen müßte. Ich werde deshalb am Schlüsse meiner Darlegungen einen kurzen Ver- gleich zwischen dem Ei von Cerebratulus imd dem von Malacobdella ziehen. b. Die Zeit der Geschlechtsreife. Über die Zeit der Geschlechtsreife von Malacobdella grossa finde ich nur bei Hotfmann [28] die Angabe, daß seine Nordseeexemplare »von November (vielleicht noch früher) bis März<< geschlechtsreif waren, und bei Riches [33] die Notiz » in the autumn many ripe f emales were found, which subsequently laid unfertilized eggs«. (Sonderbarerweise fügt Riches hinzu »but no ripe males have been seen«.) Wenn mein Material auch nicht aus der Nord-, sondern aus der Ostsee stammt, so glaube ich doch, Hoffmanns Behauptung anzweifeln zu müssen. Nach der Tabelle, die Bürger [37] gibt, fällt die Geschlechtsreife der Nemertinen in der Nordsee und im Kanal mit wenigen Ausnahmen in die Monate März — Oktober, in seltenen Fällen beginnt sie schon im Januar, und nur Micrura fasciolata (Ehrbg.) ist nach McIntosh und Riches von Oktober — Dezember oeschlechtsreif. Wäre also die Angabe Beiträge zur Komitnis vdii MalacohdoUa grossa (Müll.). 701 Hoffmanns richtig, so wüvde MalacobdeUa eine Sonderstellung einnehmen. Dies ist aber unwahrscheinlich, da diese Nemertine kein Parasit ist, wie es neuerdings noch wieder von Joubin [34, 36] behauptet wird, sondern als »Commensale« von Cyfrina (schon v. Kennel [29] hat dies richtig erkannt) dem Wechsel der Jahreszeiten ebenso wie jedes freilebende Tier unterworfen ist. Abgesehen von diesen mehr theo- retischen Betrachtungen führen mich aber auch meine eignen Beob- achtungen zu der Überzeugung, daß die Angabe Hoffmanns nicht zu Recht besteht. Allerdings gelang es mir nur einmal, die Ablage der Geschlechts- produkte genau in der Weise, wie sie in der freien Natur vor sich geht, zu beobachten. Ich hatte gerade frisches Cyprinenmaterial erhalten und setzte einige recht große Muscheln in ein besonderes Aquarium. Am folgenden Tage fand ich auf dem Boden des Glashafens eine große Menge von Malacobdelleneiern, die bereits befruchtet waren und sich in den ersten Furchungsstadien befanden. Die Geschlechtsprodukte waren also von den männlichen und weiblichen Nemertinen, welche die verschiedenen Muscheln beherbergten, abgelegt und mit dem Wasser- strom ins Freie gelangt. Dies fand im August statt. Nun habe ich allerdings ausgebildete Eier und Spermatozoen in erwachsenen Mala- cobdellen zu jeder Jahreszeit gefimden^. Die Geschlechtsprodukte werden aber freiwillig durchaus nicht zu jeder Jahreszeit abgelegt. Nach meinen sich über 2 Jahre erstreckenden Beobachtungen an Ostsee-Malacobdellen scheint dies vielmehr hauptsächlich in den Monaten Juli — September stattzufinden und vor allem in den Wintermonaten und denen des zeitigen Frühjahrs (also mindestens Dezember — März) eine Pause einzutreten. Die oben zitierte Beobachtung von Riches stimmt hiermit überein. c. Die Eiablage. Die Art der Eiablage schildert Hoffmann [28] wie folgt: »Die geschlechtsreifen Eier werden entweder einzeln oder in Häufchen ab- gesetzt, im letzteren Falle gewöhnlich durch eine zähe Schleimmasse, das Produkt der einzelligen Drüsen der Haut, lose aneinander ver- bunden. « Nach meinen Beobachtungen spielt sich dieser Vorgang etwas anders ab. Wenn eine MalacobdeUa zur Eiablage schreitet, so wird 1 Es erklärt .sich dies daraus, daß, wie schon oben (vgl. S. 687) erwähnt, zunächst am ventralen Ende der Ovarien sich Eier bilden und heranwachsen und dieser Vorgang dann an den Wänden der Ovarien von unten nach oben fort- schreitet. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 46 702 Gustaf Gering, niemals der Inhalt sämtlicher Ovarien entleert. Das verbietet sich schon daher, weil einmal allgemein — wie schon v. Kennel [29] richtig erkannt hat — in den am weitesten nach vorn gelegenen Ovarien die Eier stets weniger weit in der Entwicklung vorgeschritten sind als in den hinteren und außerdem sich überall zwischen Ovarien mit reiferen Eiern neue Ovarien bilden (vgl. S. 687). In dieser Hinsicht unter- scheidet sich Malacobdella wesentlich von manchen andern Nemertinen, wie z. B. Lineus ruber, wo, wie ich es auch selbst beobachtete, das >>Gelege«, wenn ich es so bezeichnen darf, eine wurstförmige Gallert- raasse darstellt, in der in gleichmäßigen Abständen paarweise Eier- klumpen, jeder der Inhalt eines Ovars, eingelagert sind: Hier tritt also ein Zeitpunkt ein, wo alle Eier fertig ausgebildet smd, um dann gleichzeitig abgesetzt zu werden. Bei Malacobdella aber werden selbst die voll ausgebildeten Eier meist nicht auf einmal abgelegt, sondern haufenweise in Zwischenräumen von Stunden bis zu Tagen. Es kommen bei diesem Vorgange die Eier allerdings aus den sich dann bildenden Öffnungen der Ovarien wohl stets einzeln heraus, daß sie aber »einzeln abgesetzt« würden, habe ich nie beobachtet. Da die Öffnung sehr eng ist, müssen sich die Eier, um sie passieren zu können, in die Länge strecken, wie es schon v. Kennel [29] sah. Ein gleiches berichtet u. a. Child [41] für Prostoma asensoriatum und Smallwood [62] für Montagua und Doris. Waren die Ovarien mit einer größeren Anzahl reifer Eier gefüllt, was meist der Fall ist, so platteten sich diese gegen- einander mehr oder weniger ab. Solche Eier zeigen dann auch noch nach dem Austritt aus dem Ovar eine polygonale Form, die aber recht bald in die einer Kugel übergeht. Dies hat nach C. B. Wilson [54] auch bei Cerebratulus lacteus und sicherlich auch noch bei vielen andern Nemertinen statt. Zuweilen beobachtet man an frisch abgelegten Eiern von Mala- cobdella, daß der Dotter i an der vor der Micropyle liegenden Stelle in eine schärfere oder stumpfere Spitze ausgezogen ist, die aber all- mählich verschwindet. Es ist dies noch ein Überbleibsel des Stieles, an dem das Ei im Ovarium befestigt war. Diese Reminiscenz an die Bildungsweise ist aber keinesfalls eine häufige Erscheinung und geht nie so weit, daß die äußere Hülle des abgelegten Eies noch in einen Stiel ausgezogen ist, wie es nach C. B. Wilson [54] und E. B. Wilson [55] beim Ei von Cerebratulus lacteus stets der Fall ist und hier bei ent- 1 Ich gebrauche hier und in den folgenden Ausführungen der Bequemhch- keit wegen das eigenthch unrichtige Wort »Dotter« zur Bezeichnung der Plasma- kugel des Eies im Gegen.^atz zu den Eihüllen. Boiträii'.' y.m Kcniiliiis \(,ii MalacilMlclIa s^rossa (Müll.). 703 wicklung'smechanischen Experiinenten ziu' Oiieiitiei-imii des Eies vor- trefflifh vorwandt weiden kann. Stets werden die Eier mit einer schleimigen Masse umhüllt. Ob diese ausschließlich das Produkt der Cutisdrüsen ist, oder ob ihr eine Flüssigkeit beigemengt ist, die sich etwa in den Ovarien befindet (vgl. S. 692 Anm.), vermag ich nicht sicher zu entscheiden, doch schien es mir zuweilen bei der Beobachtung der Eiablage, als ob zugleich mit den Eiern aus den Ovarien eine schleimige Masse austrete. Meistens ist der einhüllende Schleim nicht sehr dicht und hält die Eier nur locker zusammen, so daß eine tierince Bewegung des Wassers genügt, um die Eier zu zerstreuen. Das gleiche ist nach C. B. Wilson [54] bei den Eiern von Cerebratulus lacteus und nach McIntosh [51] bei denen von Amphiporus lactifloreus der Fall. Zu- weilen jedoch, besonders wenn nur aus wenigen Ovarien Eier entleert werden, hält die Schleimhülle die Eier fester zusammen, und wenn das Tier bei der Ablage ruhig saß und auch nachher nicht umherkroch, behielt der Eierklumpen seine natürliche abgerundete Form. Zweimal gelang es mir, einen solchen Eiklumpen zu erhalten und ihn vorsichtig mit einem Löffel in Formollösung zu übertragen. In dem scheinbar fadenziehenden, zähflüssigen Schleim bemerkt man zahlreiche bräunlich- gelbe Körnchen, deren Ursprung und Konsistenz ich leider zu unter- suchen versäumte. Ich kann daher nicht entscheiden, ob sie mit den oben (S. 692) beschriebenen »bernsteinfarbigen Einschlüssen« der Go- nadenzellen etwa zu identifizieren sind, halte es aber nicht für wahr- scheinlich. d. Zuchtversuche. Bevor ich zur Darlegung der Reifungs- und Befruchtungserschei- nungen am Ei von Malacohdella grossa schreite, sei es mir gestattet, einige Worte über meine Zuchtversuche voranzuschicken. Ursprüng- lich war es meine Absicht, die zum Teil offensichtlich unrichtigen Angaben Hoffmanns [28] über die Ontogenie von Malacohdella nach- zuprüfen und zu berichtigen und eine dem heutigen Standpunkt unsrer Kenntnis von der Embryologie der Nemertinen entsprechende Dar- stellung der Entwicklung von Malacohdella zu geben. Ich versuchte zu diesem Zwecke Malacohdella zu züchten, da bei den jüngsten von mir in Cyprina gefundenen Tieren die Embryonalentwicklung bereits abgeschlossen war. Nach Möglichkeit benutzte ich zur Zucht natürlich abgelegtes Eiermaterial. Schritt ich nämlich zu dem schon von Hoff- mann und andern angewandten Mittel, ein Weibchen zu verletzen, um Eier zu erhalten, so wurden durch die heftigen Muskelkontraktionen 46* 704 Gustaf Gering,- allerdings Eier in geringer Zahl ausgepreßt, diese waren aber meist nicht entwicklungsfähig, was sich schon darin kundgab, daß sie sich auch bei längerem Verweilen im Wasser nicht abrundeten, was reife Eier stets tun. Nicht selten konnte ich Weibchen, die bereits längere Zeit innerhalb der Gyprina im Aquarium gelebt hatten, dadurch zur freiwilligen Eiablage veranlassen, daß ich sie in frisches Seewasser und ans Licht brachte. Oft schritten auch in Glasschalen aufbewahrte Malacobdellen während der Nacht zur Eiablage. Befruchtungsfähige Spermatozoen wurden stets von erwachsenen Männchen in reichlichen Mengen abgesetzt, im Notfalle regte ich die Absonderung dadurch an, daß ich das Tier mit einem Instrumente leicht strich. War die Be- fruchtung erfolgt, so begann fast stets die Furchung in regulärer Weise. Meistens stellten sich aber schon in verhältnismäßig frühen Furchungs- stadien, Unregelmäßigkeiten ein, die dann stets eine Sistierung des Furchungsprozesses und ein Absterben der Eier zur Folge hatten. Ich stellte die verschiedensten Experimente an, um meinen Zuchtversuchen zum Erfolge zu verhelfen. Ich ging zu größeren Glasschalen über, brachte die Eier in große, tiefe Glashäfen, übertrug sie ins Aquarium, wo sie auf Mud, ihrer Matrix, lagen, benutzte stärker salziges Wasser vom Meeresboden, wandte filtriertes und unfiltriertes Seewasser an und probierte es mit einer vorsichtigen Durchlüftung des Gefäßes; trotz alledem waren die Ergebnisse so selten die gewünschten, daß ich nach zweijährigem Bemühen noch nicht genügend Material besaß, um damit das gesteckte Ziel erreichen zu können. Ich habe deshalb alle Prä- parate mit älteren Entwicklungsstadien für später zurückgelegt und will hier nur die Reifungs- und Befruchtungserscheinungen und die Bildung der beiden ersten Blastomeren schildern. Über Parasiten in Eiern. Es mag noch erwähnt werden, daß eine Zeitlang meine Zuchten durch holotriche Ciliaten zerstört wurden. Bei genauerer Untersuchung ergab sich, daß eine Anzahl der soeben abgelegten Eier eine große Menge dieser Infusorien enthielt, die den Dotter zum großen Teil oder ganz verzehrt hatten, dann die Eihäute durchbohrten und noch nicht infizierte Eier anfielen. Da sich in erst soeben abgelegten Eiern die Parasiten bereits fanden, müssen diese schon im Ovarium der Malacobdella ge- haust haben. Ich konnte drei Formen solcher Infusorien unterscheiden, die ich aber nicht näher zu bestimmen vermochte. Beiträge zur Kenntnis von .Maiacolxiella «rrussu (iMüll ). JO;") e, Lebendbeobachtungen. Oben (S. 698) habe ich tleii Bati des abgelegten lebenden Mala- cobdelleneies beschrieben. Die dort aufgefülirten Teile sind aber nicht alle oder nicht zu jeder Zeit sichtbar. Die Dottcrhaiit ist nur dann zu sehen, wcmi sie sich, was zeitweise geschieht, vom Dotter abhebt, das Keimbläschen aber kann man nur dadurch deutlich zur Anschauung bringen, daß man das Ei einem gelinden Druck aussetzt, denn sonst ist der Dotter so undurchsichtig, daß man nur bei starker Durch- leuchtung die Kontur des Keimbläschens und eventuell die im Leben hell öltröpfchenähnlichen Nucleolen undeutlich erkennen kann. Die ersten Veränderungen am abgelegten Ei machen sich schon sehr bald nach dem Austritt aus dem Ovar bemerkbar, und zwar imabhängig davon, ob das Ei befruchtet ist oder nicht. Die gleiche Erscheinung, nämlich der Beginn der Reifung vor dem Eindringen des befruchtenden Spermatozoons, w^urde auch für die Eier andrer Nemertinen beschrieben ; Hoffmann [45] erwähnt dies für Prostoma varicolor, Lebedinsky [49] für P. vermiculus, Coe [42] für Cerebmtulus leidyi, E. B. Wilson [55] für C. Jacteus. Die gleiche Beobachtung hat man ja auch an den Eiern mancher andrer Tiere gemacht. Was am lebenden Ei von Malacohdella von diesem Vorgang sichtbar ist, ist folgendes: Das zunächst an be- liebiger Stelle etwas exzentrisch gelegene Keimbläschen entzieht sich, scheinbar sich auflösend, immer mehr dem Auge, wobei es mehr und mehr nach der Seite des Eies rückt, die der Micropyle entgegengesetzt liegt. Schließlich ist selbst bei stärkster Durchleuchtung von dem Keimbläschen nichts mehr zu sehen, bei teilweiser Abbiendung bemerkt man aber an der Seite des Eies, wohin der helle Hof des Keimbläschens wanderte, unter der Dotterhaut eine schmale helle Zone, deren Kon- turen nicht konstant sind. Ist inzwischen die Befruchtung eingetreten, so macht sich nach einiger Zeit an der hellen Stelle des Dotters eine dellenförmige Einbuchtung bemerkbar. Aus dieser wölbt sich dann das Plasma ein wenig vor, und es kommt hier schließlich zur Abschnürung des ersten Richtungskörperchens. Der Befruchtungsvorgang spielt sich in der Weise ab, daß das Spermatozoon durch die Micropyle eindringt und sich durch kräftig schlängelnde Bewegungen mitsamt seinem Schwänze in den Dotter ein- bohrt. Wahrscheinlich wird sofort nach dem Eindringen des Sperma- tozoons die Micropyle durch ein feines Häutchen geschlossen, was ich allerdings nicht zu beobachten vermochte. Haben die Eier bereits längere Zeit im Wasser gelegen, so scheint ihre Lebenskraft geschwächt 706 Gustaf Gering, ZU sein, eine Erscheinung, die ja auch 0. und R. Hertwig und andre an den Eiern von Echinodermen und andern Tieren festgestellt haben. Es dringen dann zahlreiche Spermatozoen in das Ei ein, und es kommt zu dem für den Embryologen so störenden Fall der Polyspermie. An der gleichen Stelle wie der erste wird einige Zeit darauf der zweite Richtungskörper gebildet, der dem ersten an Gestalt und Größe sehr ähnlich ist. Beide sind hell, durchscheinend, enthalten eine Anzahl stark lichtbrechender Tröpfchen und sind im Durchmesser 15 — 20 /.t groß. Es kommt bei ihnen niemals zur Ausbildung amöboider Fort- sätze, der sogenannten >>Filartätigkeit «, wie sie Andrews [39] und Ch. B. Wilson [54] für die Richtungskörper von Cerehratulus lacteus beschreiben. In der Regel bleiben die beiden Richtungskörperchen im Verlaufe der weiteren Entwicklung des Eies nebeneinander liegen. Eine Teilung eines der beiden oder gar beider Richtungskörper habe ich nicht beobachtet. Im Verlaufe der Richtungskörperbildung hat sich das Eiplasma kontrahiert, so daß die Dotterhaut jetzt abgehoben und be- sonders bei den innerhalb von ihr liegenden Richtungskörperchen gut sichtbar ist. Wie aus obigem hervorgeht, zeigt das Ei von MaJacobdella eine ausgesprochene Bipolarität, die zwar nicht in der Verteilung von Cyto- und Deutoplasma begründet ist, aber durch die Lage der Micro- pyle und später der Richtungskörperchen sich kund gibt. Es ist inter- essant, daß Ch. B. Wilson [54] ein gleiches für das auch mit einer Micropyle ausgestattete Ei von Cerehratulus lacteus angibt, was von E. B. Wilson [55] bestätigt wird. Sind die Richtungskörperchen abgeschnürt, so tritt eine Pause ein, während welcher man keine Veränderungen am Ei wahrnehmen kann. Dann beginnt das Ei sich in die Länge zu strecken und die Form eines kurzen gedrungenen Rotationsellipsoids anzunehmen. Hierauf tritt bald an der einen, bald an der andern Längsseite eine seichte Einbuch- tung auf, die bald wieder verschwindet, schließlich kommt es aber zu einer regelrechten Einschnürung, die schnell zur vollständigen Durch- schnürung des Eies, also zur Bildung der beiden ersten gleich großen Blastomeren führt. Ich habe es in der obigen Darlegung vermieden, bestimmte Zeitangaben zu machen, innerhalb welcher sich die einzelnen Phasen der Entwicklung abspielen. Ich überzeugte mich nämlich im Verlaufe meiner Untersuchungen davon, daß dieser Prozeß bald schneller, bald langsamer abläuft. Er ist ja von mancherlei inneren und äußeren Faktoren (von letzteren erwähne ich nur Temperatur und Druck der Luft, Temperatur und Salzgehalt des Wassers) abhängig, es lag aber nicht in meiner Absicht, nach dieser Richtung hin experimentelle Beiträge zur Kenntnis von Malacolnli-lla ijrossa (Müll.). 707 Studien zu machen. Erwähnen muß ich aber, daß die Entwicklung gewöhnlich schneller verläuft, als es nach Hoffmann [28] geschehen soll, daß z. B. das Zweizellstadium oft schon nach 3 Stunden erreicht ist, während es Hoffmann erst nach 4 Stunden vollendet sein läßt. Trotzdem werde ich unten bei der Besprechung der Befunde an Schnitt- serien bei jedem Stadium hinzufügen, nach wieviel Minuten nach der Befruchtuno es im allgemeinen erreicht wurde. f. Untersuchungsmethoden. Die zur Herstellung von Schnittserien bestimmten Eier wurden gleich und dann innerhalb der ersten Minuten nach der Ablage und darauf in Intervallen von 5 oder 10 Minuten fixiert, und zwar sowohl unbefruchtete wie befruchtete Eier. Zum Fixieren wurden benutzt: Sublimat- Alkohol (nach Apäthy, Mikrotechnik S. 111), Sublimat-Eis- essig, Pikrinessigsäure nach Boveri, Pikrinschwefelsäure nach Klei- nenberg, Chrom-Osmium-Essigsäure nach Fol, Chromessigsäure nach Flemming. Meistens beschränkte ich mich jedoch auf die vier erst- genannten Flüssigkeiten und fixierte tunlichst jedes Stadium mit allen vier Reagenzien. Die fixierten und in iVlkohol gehärteten Eier wurden in einem kleinen Färbetrichter mit Boraxkarmin in toto gefärbt, da sie sonst beim Einbetten nicht zu sehen waren. Die Färbetrichter stellte ich mir in der Weise her, daß ich den Mündungsteil eines Reagenz- glases abschnitt und an der ausgebogenen Seite mit Zwirn ein Stück Müllergaze vorband. In diesem Trichterchen wurde auch ausgewaschen, darauf die Müllergaze abgenommen und die darauf liegenden Eier vor- sichtig abgehoben. Eingebettet wurde in Uhrschälehen in Paraffin von steigendem Schmelzpunkt, das weichere Paraffin mit erwärmter Pipette abgesogen und härteres auf gleichem Wege zugesetzt. Ich fand diese Methode recht praktisch, da die Eier so nur allmählich in härteres Paraffin kämmen und außerdem in dem gleichen Uhrglas ver- bleiben konnten. Vor der Färbung der Schnittserien, die 7,5, 5 und 4 /< dick an- gefertigt wurden, zog ich das Boraxkarmin mit angesäuertem Alkohol aus. Zur Schnittfärbung probierte ich die mannigfachsten Farblösungen. Die besten Resultate lieferten Hämatein-Eosin, HEiDENHAiNsches Eisen- alaunhämatoxylin und Hämatein- Pikrinsäure. g. JDie Reifeteilangen. Ich hatte oben (S. 698) den Bau des fertig ausgebildeten (lebenden) Eies von Malacohdella, nachdem ich seine Entstehung dargelegt, 708 Gustaf Gering, beschrieben. Ich knüpfe dort wieder an, zunächst den Bau des eben abgelegten Eies, wie es sich in Schnitten präsentiert, rekapitulierend. Das eigentliche Ei ist von zwei Hüllen umgeben: die äußere, dickere ist die Eihaut, die innere, dünne die Dotterhaut. Der Raum zwischen beiden, der im Leben von einer wässerigen Flüssigkeit ausgefüllt war, erscheint, falls die Eihäute nicht dicht aneinander gepi'eßt sind, oft leer, doch kann man zuweilen (es hängt dies wohl von der Fixierung ab) stellenweise eine Ansammlung einer mit Eosin blaßrosa gefärbten homogenen Masse beobachten, die ich als ein Gerinnungsprodukt der — nach den Reaktionen zu urteilen — wahrscheinlich eiweißhaltigen Flüssigkeit auffasse. Häufig sieht man auch feine Fäden sich zwischen l)eiden Eihäuten ausspannen. Innerhalb der Eihäute liegt dann das eigentliche Ei. Sein Cytoplasnia stellt ein überaus feines, sehr gleich- mäßices Netzwerk ^ dar, in dessen Maschen die Dotterkugeln liegen. Etwas exzentrisch sieht man das von einer kräftigen Membran um- hüllte Keimbläschen. Das Chromatin durchzieht in einem feinen Netz- werk, das dicht mit kleinen Körnchen besetzt ist, das ganze Keim- bläschen, an dessen Peripherie die kugeligen, stark tingierten Nucleolen sich angesammelt haben, wie es oben (vgl. S. 689 u.) beschrieben wurde. Schon in Eiern, die innerhalb der ersten Minuten nach der Ablage fixiert wurden (aber keinesfalls schon in solchen, die das Ovarium noch nicht verlassen haben), findet man zwei kleine Strahlenfiguren. Diese Sterne liegen mit ihrem Centrum hart an der Membran des Keim- bläschens und besitzen zunächst nur von dieser aus in den »Dotter« ziehende Strahlen. Das Centrum der Strahlung bildet eine feines Cen- triol^. Ein Centrosom ist in diesem Stadium noch nicht bemerkbar. Die jüngsten von mir beobachteten Sterne waren durch einen Winkel von etwa 20° voneinander getrennt. Man muß aber wohl annehmen, daß sie einem Centriol, das sich dann teilte, ihren Ursprung verdanken. Frühere Stadien entgehen wahrscheinlich deshalb dem Auge des Be- obachters, weil ein Centriol ohne Strahlung sich von den übrigen Be- standteilen des Eies nicht unterscheiden läßt. Sehr bald macht sich an der Stelle, wo die Sterne der Keimbläschenmembran anliegen, eine 1 Wenn ich hier von »Netzwerk« und weiter unten von '>Fäden<« der Spin- deln usw. rede, so gebe ich damit an, wie die betreffenden Gebilde bei etwa 5)00facher Vergrößerung aussehen, ohne etwa beluiupten zu wollen, daß es sich hier um wirkliche Fäden usw. handle. 2 Ich schließe mich in der Anwendung der Begriffe »Centrosom« und »Cen- triol« der Ternüuologie Bovebis an (vgl. O. Hertwk;, Allgem. Biologie, 111. Aufl. S. 51). Beiträge von Kenntnis 7,ur Malacobdella grossa (Müll.). 709 Einbuchtung oder Einkerbung- von verschiedenster Form bemerkbar (etwa 10 Minuten nach Befruchtung), und in diese Vertiefung ziehen nun auch Strahlen der Sterne hinein, gewissermaßen auf die Kernmembran drückend. Während die Sterne noch nahe beieinander liegen, kommt es mit ihrem zimehnienden Wachstum bald zu einer Durchkreuzung ihrer Strahlen, keinesfalls aber schon zur Bildung einer Spindel. Schließlich sind die Sterne so mächtig geworden, daß ihre Strahlen sogar die Peri- pherie des Eies erreichen können. Schon bedeutend frühoi- löst sich die Membran des Keimbläschens an den Stellen, die von den Sternen berührt werden, auf, und die übrige, vorher glatte Membran — nunmehr ihres Haltes beraubt — wird etwas wellig und faltig. Indem die Strahlen der Sterne jetzt in das Keimbläschen selbst eindringen (etwa 20 Minuten nach Befruchtung), setzen sie sich mit dessen chromatischem Netzweik in Verbindung, so daß die extranucleären Teile allmählich in die Cliro- matinfäden des Kernes übergehen. Während aber die Strahlen aulk'r- halb des Keimbläschens einen schnurgeraden Verlauf nehmen, ist dies innerhalb desselben nicht mehr der Fall. Wohl ordnen sich die dem Stern zunächst liegenden Fäden des Chromatinnetzes so an, daß sie die geradlinige Fortsetzung der Sternstrahlen bilden, in den inneren Partien des Keimbläschens verliert sich aber diese radiäre Anordnung rasch. Mit zunehmendem Wachstum der Sterne tritt immer deutlicher eine stetig wachsende helle Zone um das Centriol auf, die sich durch ilue Färbung deutlich von den umgebenden Partien des Eies, also vor allem von der Strahlenfigur, abhebt. Es kommt also zur Ausbildung eines Centrosoms, von dem die Strahlen ihren Ausgang nehmen. AVas ge- schieht nun mit den Nucleolen, die der Keimbläschenmembran dicht anlagen? Über das Schicksal und die Natur der Nucleolen sind die Meinungen noch sehr geteilt. Eine Anzahl Forscher sieht z. B. in ihnen Gebilde, in denen chromatische Substanz als Eeservematerial angehäuft ist, so Böhmig [40], Lebedinsky [49] und viele andre i. Demgegenüber ver- tritt MoNTGOMERY [60] die Ansicht, daß die Nucleolen extranucleären Ursprunges wären und in Eiern in inniger Beziehung zur Dotterbildung ständen. Sie sollen nämlich die Bildung und Ansammlung der Dotter- kugeln hervorrufen, dann, wenn diese ihre Tätigkeit abgeschlossen ist, an der Kernperipherie sich auflösen und in gelöstem Zustand aus dem Kern wieder austreten. Bei meiner oben (vgl. S. 688 ff.) gegebenen Darstellung des Entstehens und Verhaltens der Nucleolen im sich ent- wickelnden Malacobdellenei habe ich bereits darauf hingewiesen, daß J^ Vgl. hierüber BijWiG [40], S. 552 ff. 710 Gustaf Gering, die Verhältnisse hier anders liegen als bei den von Montgomeky unter- suchten Nemertinen, habe mich aber an jener Stelle eines Urteils über die Natur dieser Gebilde enthalten, da man ein solches nur fällen kann, wenn man diese Nucleolen von ihrem Auftreten bis zum Verschwinden verfolgt hat. Montgomery hat, wie mir scheint, nur Ovarialeier unter- sucht. Ich aber habe das Schicksal der Nucleolen in den abgelegten Eiern weiter verfolgt und bin auf Grund meiner Untersuchungen zu der Überzeugung gekommen, daß die Nucleolen zu den Chromosomen in inniger Beziehung stehen. Dank ihrer Lage dicht unter der Membran des Keimbläschens müssen sie bei Auflösung derselben früh mit den Strahlen der beiden oben beschriebenen Sterne in Berührung kommen. Sie tun dies in geradezu auffallender Weise, indem sie sich an den Stellen, wo die Sterne in das Keimbläschen eindringen, besonders zahlreich an- sammeln. Doch nicht genug hiermit. Verfolgt man die Ausbildung der Sterne und der sich entwickelnden ersten Richtungsspindel weiter, so bemerkt man, daß mit dem allmählichen Auftreten der Chromosomen ein Schwinden der Nucleolen Hand in Hand geht. Zuweilen hat es den Anschein, als ob aus einem Nucleolus unter Gestaltsveränderungen direkt ein Chromosom entstünde. Eine derartige Annahme ist aber meines Erachtens nicht berechtigt, schon die bedeutend größere Zahl der Nucleolen als der Chromosomen steht dem im Wege. Daß aber die Substanz der Nucleolen zum Aufbau der Chromosomen zum großen Teil verwandt wird, steht für mich nach den an einer großen Zahl von Präparaten angestellten Untersuchungen außer allem Zweifel. Ab und zu beobachtet man noch einen oder zwei Nucleolen, wenn die Chromo- somen bereits ausgebildet sind. Solche nicht verbrauchte Nucleolen persistieren aber nicht lange und sind, wenn das Ei sich zur Ausstoßung des ersten Polkörperchens anschickt, nicht mehr zu finden, haben sich also aufgelöst. Die sich solcherweise bildenden Chromosomen stellen zuweilen typische Tetraden dar, meistens sind sie aber etwas längliche, nicht sehr regelmäßige Körner von verschiedener Gestalt. Da schon die Nucleolen im Bereich der stetig wachsenden Strahlen lagen, tun es natürlich auch die Chromosomen, die zu den Fäden in direkte Beziehung zu treten scheinen. Sie kommen dann an die Stelle zu liegen, wo die Strahlen der beiden Sterne sich überkreuzen, werden von diesen Strahlen dann allmählich in die Region zwischen beiden Sternen gezogen und es kommt jetzt zur Ausbildung einer regulären Spindel, deren Elemente -rein intranucleären Ursprunges sind (etwa 30 Minuten nach Befruchtung). Im Laufe dieses Prozesses ist allmählich das ganze Keimbläschen auf- Beiträge zur Kenntnis vdu Malaoohdella grussa (Müll.)- 7J1 gelöst, und der von ihm zuvor eingenommene Raum wird von den Polstrahlungen und der Spindel eingenommen. Die nicht zum Aufbau der Spindel verwandten Elemente des Keim- bläschens bilden jetzt nicht mehr ein Netzwerk, sondern sind in kleine Körnchen zerfallen, die durch ihre Affinität zu Kernfarbstoffen sich deutlich von dem übrigen Plasma der Eizelle abheben. Die Zahl der Chromosomen beträgt 16. Die Spindel hat zunächst eine ganz beliebige Lage im Ei, hat mitsamt den Polstrahlungen eine Ausdehnung von etwa zwei Drittel Eidurchmesser und rückt nun allmählich innerhalb des körnigen Hofes und mit diesem mit ihrer Breitseite der Peripherie des Eies zu. Je näher die erste Richtungsspindel der Eioberfläche kommt, um so kleiner wird sie ; die Strahlen nehmen sichtlich an Länge ab und auch die Spindel erleidet eine geringe Verkürzung und Verbrei- terung. Ihre Länge beträgt jetzt 15 — 20//, ihre Breite kaum mehr als 10«. Hat die Richtungsspindel die Peripherie des Eies erreicht, so dreht sie sich allmählich um 90° und stellt sich in einen Eiradius ein (etwa 45 Minuten nach Befruchtung). Jetzt nimmt die ganze Figur nur noch etwa ein Drittel des Eidurchmessers ein, wobei zu bemerken ist, daß die dem Eicentrum zugewandte Strahlung bedeutend mächtiger ist als die periphere, da diese, je näher sie der Eioberfläche kam, unter Verkürzung ihrer Strahlen immer kleiner und kleiner wurde. In diesem Stadium ist die Richtungsspindel immer noch von dem körnigen Keim- bläschenplasma umgeben. Die inzwischen in einer Aquatorialplatte angeordneten Chromosomen haben eine Gestaltsveränderung erfahren, sie sind nämlich schlanker geworden und stellen nun aus einer Anzahl ungleichmäßiger Körnchen zusammengesetzte, zum Teil gebogene Stäb- chen von 1,7 — 2,2 j« Länge dar. Jetzt spalten sich die Chronaosomen der Länge nach und die Teilungsprodukte werden auf zwei Tochter- platten verteilt. An der Stelle, wo die Richtungsspindel die Eiober- fläche berührt, macht sich eine dellenförmige Einbuchtung derselben bemerkbar. In dieser Vertiefung kommt es dann rasch zu einer halb- kugeligen Vorwölbung des Plasmas, in sie rückt die äußere Tochterplatte hinein, und der erste Polkörper, in dem man deutlich 16 Chromosomen unterscheiden kann, wird abgeschnürt (etwa 60 Minuten nach Be- fruchtung). Die im Ei verbleibenden Chromosomen werden jetzt etwas kom- pakter. Das Centriol des inneren Poles der ersten Richtungsspindel hat sich schon während der Ausstoßung des ersten Polkörperchens geteilt, jetzt rücken die Tochtercentriolen auseinander, es entstehen 712 Gustaf Uering. zwei getrennte Strahlungen und zwischen ihnen eine Centralspindel, in welche die inzwischen wieder etwas wachsenden Chromosomen zu liegen kommen. Rasch stellt sich dann die so gebildete zweite Rich- tungsspindel in einen Eiradius ein, und es kommt an der gleichen Stelle zur Ausstoßung des zweiten Polkörperchens, der auf diese Weise unter oder unmittelbar neben den ersten zu liegen kommt (etwa 120 Minuten nach Befruchtung). Die auch jetzt noch vorhandene Einbuchtung der Eioberfläche, in der die Polkörperchen liegen, gleicht sich dann all- mählich aus. Die nach der Ausstoßung der beiden Polkörperchen im Ei ver- bleibenden 16 Chromosomen schwellen nun zu ebensoviel Bläschen an, die zu mehreren größeren Bläschen verschmelzen, welch' letztere dann durch Vereinigung schließlich den definitiven bläschenförmigen weiblichen Vorkern bilden. Während dieses Prozesses rückt die noch vorhandene innere Polstrahlung der zweiten Richtungsspintlel mit dem sich bildenden weiblichen Vorkern der Mitte des Eies zu, wobei die Strahlung allmählich einem immer deutlicher zutage tretenden Zerfall anheimfällt. Gleichzeitig verschwindet auch langsam das körnige Plasma, in dem die Richtungsspindeln lagen (etwa 180 Minuten nach Befruchtung). h. Die Befruchtung. Während die erste Richtungsspindel gebildet wurde, ist das Sperma- tozoon in das Ei eingedrungen. Welche Beziehungen zwischen diesem Vorgange und der Polkörperbildung bestehen, geht schon aus dem oben (vgl. S. 705) Gesagten hervor. Eingeleitet wird die Bildung der ersten Richtungsspindel nämlich ohne vorhergehende Befruchtung, zur Aus- stoßung der Polkörper schreitet das Ei aber nur und erst dann, wenn ein Spermatozoon eingedrungen ist. Auch bei Nematoden, besonders bei Ascaris, und bei Tardigraden bestehen dieselben Beziehungen zwischen beiden Vorgängen, wie die Untersuchungen von Bütschli, Ziegler und V. Erlanger ergeben haben [56]. Das eingedrungene Sperma- tozoon bleibt zunächst an der Stelle i, wo es eingedrungen ist, liegen und erleidet nur geringe Veränderungen. Der Schwanz verschwindet und der Kopf quillt etwas auf, so daß er jetzt ein dickeres, aber immerhin noch längliches Gebilde darstellt. Eine Strahlung ist in diesem Stadium noch nicht wahrnehmbar. Steht das Ei kurz vor der Ausstoßung des ersten Polkörperchens, 1 Die Stelle des Eindringens des Spermatozoons in das eigentliche Ei ist scheinbar nicht abhängig von der Lage der Micropyle. Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella gro88a (Müll.). 713 SO machen sich auch am Spermatozoon rasch fortschreitende Um- bildmigen bemerkbar. Der immer noch gleichmäßig dunkel gefärbte Körper rundet sich noch mehr ab und zerfällt dann in eine große Zahl kleiner Körnchen. Aus diesen entsteht dann durch teilweise Auflösung, Aufnahme von flüssiger Substanz aus dem Ei und Bildung einer Mem- bran ein kleiner, bläschenförmiger männlicher Vorkern, in dem eine Anzahl Chromatinbröckchen zu sehen sind. Nicht lange bevor dieser Prozeß abgeschlossen ist, tritt neben dem Spermakern eine kleine Strahlung auf, in deren Mitte man bei ihrem weiteren Wachstum ein Centriol und darum ein kräftiges Centrosom unterscheiden kann. Wäh- rend der bläschenförmige männliche Vorkern anfangs meist noch an der Eiperipherie liegen bleibt, rückt gewöhnlich die Strahlung schon gegen die Eimitte vor. Im Verlaufe dieser Wanderung, an der sich aber der männliche Vorkern auch sofort beteiligen kann, teilt sich das Centriol und das Centrosom wird länglich oval. Zwischen den Cen- triolen kommt es dann zur Bildung einer Centralspindel. Der anfänglich etwa 5 u große männliche Vorkern wächst währenddes, zuweilen amö- boide Fortsätze zeigend, und hat bald einen Durchmesser von 8 — 9 ii, schließlich von 15 u erreicht. Haben Strahlungen und männlicher Vorkern entweder zusammen oder nacheinander die Mitte des Eies erreicht, so treffen sie hier mit dem weiblichen Vorkern zusammen (etwa 180 Minuten nach Befruch- tung). Hierbei gerät die Spindel zwischen beide Kerne, da die Centriolen sich links und rechts in die Berührungsebene einstellen. In dem weib- lichen Vorkern sind inzwischen, ebenso wie in dem männlichen, einige Nucleolen aufgetreten, außerdem ist in beiden Vorkernen ein chroma- tisches Netzwerk bemerkbar. Hier kann das Auftreten von Nucleolen doch keinesfalls mit Dotterbildung in Zusammenhang gebracht werden, zumal sie während der Bildung der ersten Furchungsspindel wieder verschwinden. Will man also die Auffassung Montgomeeys [60] (vgl. S. 709) von der Natur der Nucleolen zu Recht bestehen lassen, so muß man schon annehmen, daß es Nucleolen von sehr verschiedener Art, Zusammensetzung und Bestimmung gibt. Diese Auffassung vertritt auch Böhmig [40]. Daß aber in den Eiern sämtlicher von Montgomery untersuchten Nemertinen (vgl. S. 690) die Nucleolen so ganz andrer Natur sein sollten als die im Malacobdellenei, will mich unwahrscheinlich dünken. Ich hoffe noch einmal Gelegenheit zu haben, andre Nemertinen daraufhin untersuchen zu können. Die Strahlen der Spermasterne haben im Verlaufe der Wanderung zur Eimitte eine gewaltige Ausdehnung erfahren und reichen schließlich 714 Gustaf Gering, bis zur Eiperipherie. Dann aber fallen sie einer schnell zunehmenden Auflösung anheim. Die zunächst geradlinig verlaufenden Strahlen werden wellig und zerfallen in einzelne Stücke, die dann in dem Proto- plasma des Eies verschwinden. Dieser Zerfall setzt ein, sobald die Vorkerne nahe aneinander gerückt sind und führt rasch zu einem vollständigen Verschwinden der ganzen Sterne. Die Vorkerne flachen sich an der einander zugekehrten Seite ab und verschmelzen schließlich unter Bildung mannigfacher amöboider Ausläufer (etwa 210 Minuten nach Befruchtung). Vor der Fusion ist es oft schwer, die beiden ganz gleich gebauten Vorkerne zu unterscheiden, nur die Lage der Pol- körperchen läßt bei günstiger Schnittführung erkennen, welches der weibliche Vorkern ist. i. Die weitere Entwicklung bis zur Bildung der ersten Furche. Ist die Verschmelzung der beiden Vorkerne erfolgt, so treten an gegenüberliegenden Stellen des nunmehrigen, bläschenförmigen Fur- chungskernes neue, anfangs kleine Sterne auf, und zwar dort, wo vorher die Spermasterne lagen. Es gelang mir nicht festzustellen, ob die Centriolen der neuen Sterne mit denen der alten identisch sind, ich kann daher auch nicht entscheiden, ob die beiden Centriolen der ersten Furchungsspindel vom Spermatozoon in das Ei eingeführt sind, oder ob vielleicht das eine Centriol von der Eizelle stammt. Unter dem Einfluß der rasch wachsenden Strahlungen löst sich die Kern- membran auf und es differenzieren sich 16 brockenförmige Chromo- somen. Unter fortschreitender Auflösung des Kernes entsteht dann in ganz ähnlicher Weise, wie es bei der Polkörperbildung beschrieben wurde, eine Centralspindel, in deren Mitte sich die Chromosomen in einer Aquatorialplatte anordnen. Diese teilt sich dann und die Tochter- platten rücken auseinander. Die Sterne haben inzwischen eine recht große Ausdehnung erreicht und können sogar die Eiperipherie berühren. In der Ebene der Aquatorialplatte stoßen sie im Umkreis um die Central- spindel winkelig aufeinander. Aus den je 16 Tochterchromosomen bilden sich ebenso viele kleine Bläschen, diese verschmelzen allmählich miteinander und es entstehen so die Kerne der ersten beiden Blasto- meren. Während dieser Verschmelzung haben sich die Centriolen ge- teilt, rücken auseinander und stellen sich an die Enden der sich bildenden länglichen Tochterkerne, so die zweite Furchung schon vorbereitend. Währenddessen zerfallen allmählich die Strahlen der Sterne der ersten Furchungsspindel. Die Furchung selbst geht in der Weise vonstatten, daß zunächst peripher eine Einkerbung der Eioberfläche eintritt, von Reilräge zur Kenntnis von M.ilaoohdelljv j^rossa (Müll.). 715 dieser aus schiebt sich dann scheiidjai' eine Scheidewand nach der Mitte zu vor, bis die iin_ut"öiniiue Einschnüruno; die Centralspindel ei'i'eicht hat. und schließUch wird auch diese durchschnüit (etwa 240 Minuten nach Befruchtunu). Hierbei kann es zur ßikluiiii eines Zwischen- körpers kommen. Reoehuäßii;' scheint er mir jedoch nicht aufzutreten. Bei der Polkörperbildung habe ich niemals einen Zwischenkörper beob- achtet, es ist aber möglich, daß auch dort ein solcher sich bilden kann. k. Vergleich zwischen dem Ei von Malacobdella und dem von Cerebratulus. Vergleiche ich die hier beschriebenen ersten Entwicklungsvorgänge im Ei von MalacohdeJIa mit denen, die im Ei von Cerebratulus von CoE [42] und Kostanecki [46] beobachtet sind, so fällt auf den ersten Blick eine große Übereinstimmung auf. Wenn man von gewissen Einzelheiten absieht, können die von den genannten Forschern ge- gebenen Abbildungen auch für das Ei von Malacobdella gelten. Be- sonders KoSTANECKis treffliche Bilder weisen oft eine geradezu frappante Ähnlichkeit mit denen, die meine Präparate bieten, auf. Die Haupt- unterschiede sind die, daß es bei Malacobdella einmal nie zur Teilung eines Polkörperchens kommt, was bei Cerebratulus sehr häufig eintritt, und zweitens, daß die Chromosomen bei Malacobdella nur selten die Form von Tetraden haben, was bei Cerebratulus in der ersten Richtungs- spindel die Regel zu sein scheint. Durch die Tatsache, daß das Ei von Cerebratulus einen einzigen großen Nucleolus besitzt, das von Malacobdella aber eine große Zahl kleiner Nucleolen aufweist, kommt es zu weiteren Verschiedenheiten, die sich z. B. in der Art der Entstehung der Chromosomen kund tun. Bei einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Eiern, die innerhalb der ersten Stunde nach der Mischung mit Sperma fixiert waren, beob- achtete ich eine auffallende Erscheinung. Es trat hier ein immer weiter fortschreitender Zerfall des Keimbläschens ein. Zunächst teilte es sich in wenige große, zum Teil etwas gelappte Stücke, die gewöhnlich ab- gerundete Konturen angenommen hatten. In diesen ließen sich noch Reste der Chromatinbrocken nachweisen. In späteren Stadien waren dann die größeren in eine Anzahl kleinerer, mehr oder weniger kugeliger Stücke zerfallen, und dieser Prozeß ging so weit, daß schließlich das ganze Ei mit einer großen Zahl (in einem Schnitte 30 — 40 Stück) kleiner kugeliger Gebilde erfüllt war. Diese zeigten eine körnige Struktur und auffallende Affinität zu Kernfarbstoffen, wodurch sie sich von dem Protoplasma des Eies deutlich abhoben, falls sie nicht gar von einem 716 Gustaf Gering, hellen Hofe umgeben waren. Von Chromatinbrocken war jetzt nichts mehr zu sehen, ebensowenig von Nucleolen. Anfänglich glaubte ich es hier mit etwas ähnlichem zu tun zu haben, wie es Goldschmidt [57] für Polystomum integerrimum beschreibt und als Caryomeritenbildung bezeichnet. Da aber alle diese Eier einer Zucht entstammten und ich in den vielen Tausenden von Eiern, die ich auf Schnitten untersuchte, niemals wieder etwas derartiges beobachtete, glaube ich annehmen zu dürfen, daß es sich hier um eine abnorme Erscheinung handelt, die eine Entwicklung der Eier wohl verhindert haben würde. Leider besitze ich keine älteren Stadien aus dieser einen Zucht. Kiel, im Juh 1910. Literatur. I. Malacobdella grossa (Müll.). 1. 1776. O. F. Müller, Zoologiae danicae prodromus etc. Kjöbenhavn 1776. p. 220. Nr. 2668. 2. 1779. — Zoologia danica seu etc. Vol. primum, explicationi Iconum fasc. primi ejusdem operis inserviens. Havniae et Lipsiae 1779. 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Smallwood, Some observations on the chromosome vesicles in the maturation of Xudibranchs. Morph. Jahrb. Bd. XXXIII. 1905. 63. 1894. H. Statjffacher, Eibildung und Furchung bei Cyclas cornea L. Jen. Zeitschr. f. Xaturw. Bd. XXVIII. 1894. S. 196—246. Taf. XI bis XV. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXn. Die Zeichnungen sind nach mit warmer konzentrierter Sublimatlösung fixierten Schnittpräparaten von 5 n Dicke mit Hilfe des AsBEschen Zeichen- apparates hergestellt unter Benutzung der homogenen Immersion 1/12 mm. Apert. 1, 3 und der Oculare 1, 3 und 4. Fig. 9 ist mit Objektiv C, Ocular 4 gezeichnet. 47* 720 Gustaf Gering, Beiträge zur Kenntnis von Malacobdella grossa (Müll.). Gebraucht wurde ein ZEisssches Mikroskop. Über die angewandten Färbungen vergleiche S. 694. Da die Zeichenfläche nicht in der Höhe des Objekttisches lag, ist für jede Figur die berechnete Vergrößerung angegeben. Fig. 1. Junge Eier mit primärem Dotter, noch eingeschlossen vom Gonaden- epithel. 620 X . Fig. 2. Gonadenepithelzellen mit großen Dotterballen, x, ein unter der Bildebene liegendes junges Ei. 1120 x. Fig. 3. Gonadenepithelzellen mit zahlreichen bernsteinfarbigen Einschlüssen und Dotterkugeln. 1350 x . Fig. 4. Ein älteres Ei. Man sieht die langgestreckten Nährzellen und die durch Schattierung hervorgehobene Farbdifferenz zwischen primärem und Nähr- zellendotter. 620 x . Fig. 5. Unterer Teil eines noch weiter entwickelten Eies^ Zahlreiche Nährzellen strecken sich am Stiel in die Höhe. 620 x . Fig. 6. Stielbasis eines älteren Eies. In den Nährzellen bernsteinfarbige Einschlüsse und Dotterkugeln. Ein Teil der Nährzellen ist bereits zum Aufbau des Stieles verbraucht. 1120 x. Fig. 7. Unterer Teil eines Eies. Die Kerne der Nährzellen in Auflösung begriffen. 1120 x. Fig. 8. Unterer Teil eines noch weiter entwickelten Eies. Im inneren Teil des Stieles in Auflösung begriffene Gebilde (wahrscheinlich Dottersubstanz be- sonderer Beschaffenheit). Einige nicht direkt in der Bildebene liegende Kerne wurden blaß eingezeichnet. 1120 x. Fig. 9. Eibirne, in der die drei Bezirke die typische Ausbildung zeigen. Die Farbdifferenzen wurden durch verschiedene Schattierung wiedergegeben. 300 x . Fig. 10. Unterer Teil eines Eies. Im Stiel ist der dritte Bezirk als röhren- förmiger Teil gut erkennbar. 620 x . Fig. 11. Untere Hälfte eines eben abgelösten Eies. Um die Farbdifferenz zu zeigen, wurde der zweite Bezirk, der ebenso gekörnelt ist wie der dritte, flächen - haft angelegt. Man sieht die Eimembranbildung. 1120 x. Fig. IIa. Das ganze Ei. 140 X . Fig. 12. Abgelegtes und befruchtetes Ei. Fixiert durch langsame Über- führung aus Seewasser in Sublimateisessig, worauf das Ei durch langsam zuge- setzten Alkohol gehärtet wurde. Die Micropyle tritt durch zahlreiche dort an- haftende Spermatozoen deutlich hervor. Fig. 13. Frisches, soeben abgelegtes, unbefruchtetes Ei. Man sieht die große Micropyle. w Beiträge zur Kenntnis der Biologie und Anatomie der Tardigraden (Macrobiotus macronyx Duj.). Von J. Henneke. (Aus dem zoologischen Institut in Marburg.) Mit 20 Figuren im Text und Tafel XXXIIT. Dem Studium der Tardigraden wandte ich mich zu in der Absicht, die Entwicklimgsgeschichte dieser in vieler Hinsicht so interessanten Tiergruppe zu verfolgen. Jedoch erwiesen sich die technischen Schwie- rigkeiten in der Behandlung der recht kleinen Eier als so groß, daß ich einstweilen diese Arbeit zurückstellen mußte, hoffe aber, dieselbe in nicht allzu langer Zeit der vorliegenden folgen lassen zu können. Zu der nachfolgenden Untersuchung veranlaßte mich der Umstand, daß wir über den anatomischen und histologischen Bau der männlichen Tiere der Tardigraden noch so gut wie gar nicht orientiert sind. Wesent- lich unterstützt in meinen Bemühungen wurde ich dadurch, daß ich in meinem Material, das ich zum Zwecke des Studiums der Entwick- lungsgeschichte gesammelt hatte, eine große Menge von Männchen der Species Macrobiotus macronyx Duj. auffand. Meine Untersuchungen erstrecken sich aber nicht allein auf die männlichen Tiere, sondern es wurden auch die weiblichen derselben Species zum Vergleich heran- gezogen, so daß also diese Arbeit gewissermaßen eine Ergänzung zu der erst kürzlich aus dem hiesigen Institut hervorgegangenen Arbeit von Basse (1905) >>Über den Bau der Tardigraden« bildet. Material. Zu den Untersuchungen wurde die im Süßwasser lebende Art Macro- biotus macronyx verwandt. Das Material, bei dessen Aufsuchung mir Herr Professor Dr. Lauterborn mit Rat und Tat zur Seite stand, und dem ich für seine liebenswürdige Hilfe an dieser Stelle nochmals meinen 722 J. Henneke, verbindlichsten Dank ausspreche, stammt aus einem Graben mit stehen- dem Wasser, der sich zwischen Mundenheim und Maudach (bei Lud- wigshafen am Rhein) hinzieht. Hier fand ich, wie das v. Erlanger schon beschreibt, die Tiere unter Diatomeen und Oscillarien an der Oberfläche des Wassers in den Monaten März bis Mai in ganz unge- heuren Mengen. Ich schöpfte den Schlamm mit einem Netz und goß ihn zu Hause in Schalen. Die Tiere sammelten sich dann an der Lichtseite des Gefäßes und konnten zu Tausenden gefangen werden. Methodik. Die Tiere wurden lebend und konserviert studiert. Als Konser- vierungsflüssigkeit wurde heiße ZENKERsche Lösung, heißer Sublimat- alkohol und HERMANNsche Lösung verwandt. Letztere erwies sich als unentbehrlich für das Studium der cytologischen Verhältnisse des Hodens, während die ersten beiden sich besser eigneten zum Studium der übrigen anatomischen Verhältnisse in Schnitten und Totalpräpa- raten. Gefärbt wurde nach Heidenhain und mit Hämatoxylin-Eosin. Die Totalpräparate wurden mit Hämatoxylin oder besser mit Borax- karmin gefärbt und in Nelkenöl untersucht, worin sie sich sehr gut hielten. Der besseren Orientierung wegen wurden die Tiere nach der HoFFMANNschen Nelkenölkollodiummethode eingebettet. Bevor sie in Nelkenöl gebracht wurden, mußte die Chitinhaut an einer Stelle geöffnet werden und die Tiere dann nach der Senkmethode aus absoluten^ Alkohol überführt werden. Die Dicke der Schnitte betrug 2 f^i. Ich möchte nicht versäumen, an dieser Stelle meinem hochver- ehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Korschelt, für das jederzeit meiner Arbeit entgegengebrachte Interesse meinen verbindlichsten Dank aus- zusprechen. Auch Herrn Prof. Dr. Meisenheimer und Herrn Dr. Tönniges möchte ich hier noch einmal für ihre Unterstützung, be- sonders bei Überwindung der nicht unerheblichen technischen Schwierig- keiten, danken. Biologisches. Im Gegensatz zu den landlebenden Formen kommen bei den wasserlebenden Männchen ebenso häufig vor wie Weibchen, wenigstens in den Monaten Februar bis Mai. Ja, es schien mir sogar, als wenn sie in den ersten warmen, regenlosen Tagen des Frühlings, also etwa Anfang März in der Überzahl da wären. Jedoch scheint dies Verhältnis sich im Laufe des Jahres zu ändern, da nach den übereinstimmenden Mitteilungen von Rywosch u. a. die Männchen in den späteren Monaten Beiträge zur Kenntnis der Biologie und Anatomie der Tardigraden usw. 723 des Jahres ganz verschwinden sollen, während die Weibchen doch ent- wicklungsfähige Eier legen. Ich vermute daher, daß hier ein ähnlicher Wechsel von parthenogenetischen und befruchtungsbedürftigen Gene- rationen vorliegt, wie er für Rotatorien, Aphiden u. a. Tiere beschrieben ist. Doch wäre das noch näher zu untersuchen. ]\Ian kann bei einiger Übung die beiden Geschlechter schon bei oberflächlicher Betrachtung voneinander unterscheiden. Ich kann mich hier der Beschreibung v. Erlangeks vollkommen anschließen: »Die Männchen, schreibt er, sind durchschnittlich um die Hälfte kleiner als die Weibchen, beweglicher, viel durchsichtiger und farblos, während die Weibchen durch die im Ovar enthaltenen Eier eine gelbe bis braune Färbung aufweisen, welche vom Eidotter herrührt.« Ein ganz un- zweifelhaftes Erkennungsmerkmal dafür, ob man es mit einem Männ- chen oder Weibchen zu tun hat, bietet sich außer in dem Inhalt der Gonaden in einem von Rywosch entdeckten »eigentümlichen Häk- chen an dem vorderen Fußstummel; neben den drei normalen findet sich hier ein kleineres, welches stärker als die andern gekrümmt ist und an seiner konvexen Seite einen kleinen Vorsprung besitzt« (Textfig. 1). Dieses kleine Häk- exd' chen erweist sich als außerordentlich zweck- mäßig bei dem Begattungsvorgang, öfters fischte ich mit der Pipette Weibchen heraus, an denen ein bis mehrere Mann- Textfig. 1. chen fest angeklammert waren. Ich beob- Erste Extremität eines männlichen 1 1 1 o • • Individuums von Macrobiotus niacro- achtete diese genauer und sah, daß em, ja nyx. mitunter vier Männchen an einem Weibchen saßen oder auf demselben herumkrochen, indem sie sich mit den Häk- chen an der Chitinhaut des Weibchens festhakten. Das Weibchen zog sich bald zusammen und löste sich auf diese Weise von der alten Chitinhaut. In dieser arbeitete es mit Zähnen und Füßen heftig herum, bis es ihm gelungen war, die alte Hülle zu durchbohren. Es wird dieser Vorgang der Häutung schon in ganz ähnlicher Weise von andern Autoren, z. B. Kaufmann, Richters u. a. beschrieben. Die alte Hülle wird jetzt bis zwischen die beiden hintersten Extremi- täten abgestreift; hier bleibt sie hängen, so daß also die Cloake noch in sie hineinmündet. Die Männchen versuchen nun mit den Zähnen die hinten hängende Haut anzubohren, was einige Zeit in Anspruch nimmt. Ist ihnen das gelungen, so legen sie sich quer über die Hülle, ihre Cloake über dem gebohrten Loch, klammern sich an der 724 J. Henneke, Haut fest und entleeren den Samen in die abgestreifte Hülle des Weibchens. Von einem Copulationsglied, wie es Greeff angibt, ist nichts vorhanden. Was er als solches anspricht, möchte ich nach seiner Zeichnung für die Chitinauskleidung der Cloake halten. Da er niemals eine Begattung gesehen hat, ist seine Deutung dieses von ihm ange- gebenen Fortsatzes wohl auch lediglich nur eine Vermutung. Ist der Samenerguß erfolgt, so sieht man Spermatozoen in großer Menge in der Hülle herumwimmeln. Auch Kaufmann hat eine ähnliche lebhafte Bewegung in der alten Chitinhaut bei der Eiablage beobachtet und schreibt darüber: »Mit dem Ei trat zugleich eine Menge von Ele- mentarkörnchen hervor, die sich in dem von der alten Hülle einge- schlossenen Eaum verbreiteten und so lebhafte Bewegungen ausführten, daß der Gedanke an Spermatozoidengewimmel sehr nahe lag. Es war aber eine mit Spermatozoiden zu vergleichende Form an diesen Körper- chen nicht zu erkennen. << Er nimmt dann weiter an, daß die Befruchtung schon im Ovar stattfindet. Mir gelang es, auf Schnitten direkt Sper- matozoen in der alten Hülle, die auf die vorhin beschriebene Weise dorthineingelangt waren, nachzuweisen. Von diesen rührte jedenfalls auch die lebhafte Bewegung her, denn von »Elementarkörnchen« war nichts zu sehen. Die Spermatozoen dringen bisweilen in die Cloake ein und waren im Enddarm festzustellen. In demselben Moment, wo die Ejaculation erfolgt ist, fängt auch das Weibchen an seine Eier abzulegen, und zwar entledigt es sich der- selben ziemlich schnell (bis zu 15 Eier in 5 Minuten); die Eier zwängen sich durch Oviduct und Cloake, indem sie ihre Form den Ausführgängen anpassen. Die Abbildung, die Kaufmann von dem Vorgang gibt, ist im großen und ganzen richtig. Jedoch läßt er die Weibchen mit der Ablage der Eier schon beginnen, während sie noch ganz in ihrer alten Hülle darinstecken, was wohl auch bisweilen vorkommen mag. v. Erlanger stellt den Begattungsprozeß etwas anders dar. Er gibt an, daß das Männchen sein Sperma an der Afteröffnung der ab- gestreiften Chitinhaut ausstößt, und daß dasselbe durch die Bewegungen des Weibchens gewissermaßen in dieselbe hineingepumpt wird. Ich halte diese Beschreibung nicht für richtig; denn ich habe den Vorgang nicht dreimal wie er, sondern viel öfter sich abspielen sehen und immer in der von mir angegebenen Weise. Auch konnte ich ihn willkürlich herbeiführen, indem ich Weibchen mit reifen Eiern absonderte, bis sie ihre Hülle abgestreift hatten, und dann Männchen dazusetzte. Die Hülle mit den Eiern schleifen die Weibchen im allgemeinen Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigraden usw. 725 bis zum Ausschlüpfen der Jungen mit sich herum. Doch scheinen sie bisweilen ganz aus der Hülle herauszuschlüpfen und die Eiersäcke sich selbst zu überlassen, da v. Erlanger angibt, daß er in einem Jahre die Weibchen mit den Eiersäcken im Zusammenhang, im andern getrennt voneinander gefunden habe. Auch Kaufmann spricht von einem voll- ständigen Herausschlüpfen der Weibchen aus ihrer alten Haut. Anatomisches. Integument. Der ganze Körper der Tardigraden ist von einer Chitinhülle um- geben, die von den unter ihr liegenden Matrixzellen ausgeschieden wird. Am vorderen Ende, etwas ventral, liegt die runde Mundöffnung, die von mehreren chitinigen Papillen umstellt wird. Am hinteren Ende liegt der spaltförmige After, in den eine Strecke weit das Chitin hinein- ragt. Die Chitinhülle ist glatt, weist also keine Ringelung und Fort- sätze auf, wie man sie bei landlebenden Formen vielfach findet. An den Enden der acht Extremitäten sitzen je vier Krallen, zu Paaren angeordnet, von denen das eine Paar länger, aber dünner ist als das andre. Die Doppelkrallen stehen etwas schräg zur Längsachse des Tieres, und zwar so, daß bei den ersten drei Extremitäten die kürzeren weiter nach außen stehen als die längeren, bei der letzten Extremität umgekehrt. Die Krallen sind gebogen, und zwar zeigen die der drei vorderen Extremitätenpaare mit ihrer konkaven Seite nach hinten, die des vierten Paares nach vorn. Beim Weibchen sind die Krallen des vorderen Fußstummels bis auf den erwähnten Unterschied in der Größe einander gleich, während beim Männchen die hinteren nach innen stehenden Krallen des ersten Extremitäten paares die oben beschriebenen Eigentümlichkeiten zeigen (Textfig. 1). Einen Porus in der Chitinhaut, wie ihn Basse bei landlebenden Formen zwischen den Krallen gefunden hat, konnte ich nicht fest- stellen. Die Hypodermiszellen der Chitincuticula sind sehr flach, ver- hältnismäßig groß, mit kleinem chromatinarmen Nucleus, der einen kleinen Nucleolus einschließt. Die regelmäßige Anordnung der Zellen auf der Dorsalseite, wie sie von vielen Autoren für die Landarten an- gegeben wird, und welche darin zum Ausdruck kommt, daß rechts und links von der Medianlinie die Zellen in je zwei Längsreihen stehen, tritt nicht deutlich hervor. Pigment in den Hypodermiszellen, wie es für die landlebenden Formen fast regelmäßig angegeben wird, findet sich gar nicht. An verschiedenen Stellen finden sich, wie auch bei andern 726 J. Henneke, Arten, Verdickungen der Hypodermis. Zwei derselben finden sich dorsal und ventral von der Mundöffnung (Textfig. 2) ; Zellgrenzen konnte ich ebensowenig wie Basse in ihnen finden; ein Lumen war nicht zu kon- statieren. Wahrscheinlich dient diese Anschwellung, wie schon Basse u. a. vermuten, der stärkeren Chitinproduktion in der Gegend des Mundes. Ferner liegt an den Enden der Fußstummel je eine Verdickung der Hypodermis, über deren Bedeutung die Ansichten der Autoren auseinander gehen. Die Verdickungen sind halbkugelförmig und be- stehen aus radiär gestellten keilförmigen Zellen, die in der Mitte einen Hohlraum umschließen (Textfig. 3). Basse hält diese mit v.' Erlanger kr~\ Textfig. 2. Medianschnitt durch Mundhölüe und Mundröhre. Textfig. 3. Extremität eines sich häutenden Weibchens. für Extremitätendrüsen, besonders weil er einen Porus in der Chitin- haut unter dem Lumen der Hypodermisverdickung gefunden hat und vor demselben öfters ein Pfröpfchen von ausgetretenem Secret be- obachtete. Dagegen sind Plate und Lance der Ansicht, daß diese Zellanhäufung eine Ursache der stärkeren Chitinproduktion an den Extremitäten bei den Häutungen ist. Ich fand, daß bei Tieren, die sich eben von ihrer alten Chitinhaut zurückgezogen hatten, aber noch in ihr darinlagen, die Basalplatte der neuen Krallen den Wänden des Hohlraumes der sogenannten Extremitätendrüsen dicht angelagert war und daß die neuen Krallen in ihr Lumen hineinragten (Textfig. 3). Die Basalplatte mit den Krallen wird dann anscheinend ausgestülpt. Es scheint daher nicht unwahrscheinlich, mit Plate und Lance anzu- nehmen, daß die Basalplatte und die Krallen von den sogenannten Extremitätendrüsen ausgeschieden sind und, da die Krallen innen hohl Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigraden usw. 727 sind, so wäre es nicht immöglicli, daß sie von einem Zellfortsatz aus, der in sie hineinragte und später zurückgezogen wird, gebildet werden, doch gelang es mir nicht einen solchen nachzuweisen. Die Organe der Nahrungsaufnahme und Verdauung. Was die Organe der Nahrungsaufnahme und Verdauung anbetrifft, so kann ich im großen und ganzen bis auf einige unbedeutende Ab- weichungen die BASSEschen Ausführungen bestätigen. Die Mund- öffnung ist rund, von Chitinpapillen umstellt und liegt auf der ventralen Textfig. 4. Frontalschnitt durch das vordere Körpereude (kombiniert i. Seite. Die Mundhöhle besteht nach früheren Autoren aus nach hinten enger werdenden Chitinringen. Diese sind bei Macrohiotus macronyx nicht vorhanden, sondern wir finden eine einheitliche, überall gleich- weite Mundhöhle, an die sich sehr scharf abgesetzt die Mundröhre an- schließt (Textfig. 2 u. 4). Dieselbe ist in ihrem vorderen Abschnitt in dorso ventraler Richtung etwas aufgetrieben, wie das der Medianschnitt 728 J. Henneke, (Textfig. 2) und der Querschnitt (Textfig. 5 b), der durch diese Gegend geführt ist, sehr deuthch erkennen lassen. An der höchsten und tiefsten Stelle dieser Auftreibung ist das Chitin der Mundröhre etwas verdickt; eine stärkere Verdickung findet sich weiter nach hinten dort, wo die Auftreibung sich allmählich verliert (Textfig. 2 und Querschnitt Text- fig. 5 h). Der ganze vordere Abschnitt der Mundröhre wird umfaßt von einem kleinen chitinigen Becher, dessen Boden von der Mundröhre durchbohrt wird und hier an ihr befestigt ist. Dorsal und ventral liegt seine Wand direkt der Mundröhre auf. Lateral befindet sich zwischen ihr und der Mundröhre ein Zwischenraum, in dem Gebilde liegen, auf die wir gleich noch zu sprechen kommen (Text- mr—jK ^^^- ^' ^ ™^ Querschnitt Textfig. 5 a). Der Mund- ^-^sL J©-^ apparat kann über die Körperoberfläche vorge- ^^ ^ .streckt und wieder eingezogen werden. Textfig. 4 zeigt ihn im eingezogenen Zustand. Die cylin- drische, chitinige Mundröhre zieht in schwachem Bogen nach hinten und ragt noch ein Stück in den Scblundkopf hinein, sich hier allmählich Textfig. 5. trichterförmig verengernd. In dieselbe hinein ragen Zwei Querschnitte durch y^j-^ uuten scitwärts die beiden etwas gebogenen die Mundröhre, a, gleich ... . ^ hinter der Mundhöhle, Zähne. Dicse siud ihrer chemischen Natur nach b, hinter dem aufgetne- y^[q]^i ^us Chitin zusammengesetzt, da sie sich gegen benen Teil der Mund- ^^ , .» -r> tt ?• -i i -, röhre. Farbstoffe, z. B. Hämatoxylin, durchaus anders ver- halten wie das übrige Chitin des Tieres. Vielleicht bestehen sie aus einer organischen Grundmasse, in die Kalksalze ab- gelagert sind, wie das Doyere für das vordere Ende der Zähne vieler Macrobioten angibt (Textfig. 4). Eine Chitinleiste, welche Basse als Führungsleiste bezeichnet hat, und auf der die Zähne hingleiten sollen, war bei Macrohiotus macronyx nicht vorhanden. Statt dieser fand sich ein andrer Gleitapparat. Rechts und links vom vorderen Ende der Mundröhre sind an diese kleine Röhrchen angesetzt (Textfig. 5). Mit ihrem vordersten Ende reichen dieselben bis an den Boden der Mundhöhle. Auf dem Frontalschnitt (Textfig. 4) sind sie nicht bis vorn hin dargestellt, um die Einmündung der Speicheldrüse einzeichnen zu können; aber auf dem Querschnitt (Textfig. 5 a), der direkt hinter der Mundhöhle geführt zu denken ist, sind sie im Durchschnitt rechts und links von der Mundröhre deutlich zu sehen. Der Querschnitt der Röhrchen ist hinten rund, vorn platt. Vorn liegen die Röhrchen in dem vorhin erwähnten Zwischenraum zwischen der Mundröhre und der Wand des kleinen, chitinigen Bechers, Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigraden usw. 729 sich an dieser befestigend (Textfig. 5 a). Mit der Mundröhre stehen die Röhrchen jederseits durch eine Öffnung in Verbindung. In den Röhrchen gleiten die Zähne (Textfig. 5 b) und kommen durch die Öffnungen in die Mundröhre (Textfig. 4). Jeder Zahn sitzt mit einem Gelenkkopf in einer Gabel des sogenann- ten Zahnträgers. Derselbe stellt eine S-förmig gekrümmte Chitinspange dar, welche mit dem einen Ende an der Mundröhre befestigt ist, deren Wand an der Befestigungsstelle etwas verdickt ist (Textfig. 4). »Durch zwei Muskeln, welche dorsal und ventral über bzw. unter der Mundröhre hinziehen, werden die beiden Gelenke miteinander verbunden (Textfig. 4 u. 6). Außerdem setzen sich an die Enden der Zahnträger noch drei Muskelstränge jederseits an, von denen die beiden ersten zum Schlundkopf ziehen und sich an dessen Peripherie dicht übereinander ansetzen, der dritte iexttig, b. , _, -, Muiidröhre mit Zahnträgern und deren zum vordersten Ende der Mundrohre << Muskeln im Querschnitt. (Textfig. 4). Von diesem konnte ich nachweisen, daß er an jeder Seite paarig vorhanden ist, also aus einem dorsalen und ventralen Muskelstrang besteht, zwischen denen der Zahn liegt. Der dorsale inseriert an dem dorsalen Ast der Gabel des Zahnträgers, der ventrale an dem ventralen. Vorn setzen sie an der Mundröhre an, und zwar der dorsale Strang oberhalb, der ven- trale unterhalb der Eintrittsstelle der Zähne in dieselbe zwischen den beiden vorhin erwähnten chitinigen Verdickungen (Textfig. 2, 4 und Querschnitt Textfig. 5 &). Zwischen Schlundkopf, Zahnträger und Mundröhre liegen ober- und unterhalb der Mundröhre zwischen den nach vorn ziehenden Muskeln, nicht zwischen Zähnen und Mundröhre Matrixzellen, welche die chitinigen Teile des Zahn- und Mundapparates liefern (Textfig. 4). Der Schlundkopf hat die Form eines EUipsoids. >>Er besteht aus radiär angeordneten Muskelbündeln und ist durch drei radiäre Spalten von der Mitte bis zur Peripherie in drei Segmente zerlegt. << Eine derart regelmäßige Anordnung der Muskelbündel, wie sie Basse angibt, nämlich, daß in jedem Segment zwei seitliche Bündel sich an die gleich zu erwähnen- den Chitinstäbe, ein mittleres sich an den mittelsten vorspringenden Teil des Segments anheften, besteht bei Macrobiotus marconyx nicht. Die Fibrillen ziehen von der Peripherie des Schlundkopfes zur Mitte (Text- fig. 4 u. 7) und erweitern durch ihre Verkürzung das Lumen desselben; auf diese Weise ist derselbe imstande, eine saujrende Wirkuno auszuüben. 730 J. Henneke, Textfig. 7. Querschnitt durch Schlundkopf und Speicliel- Q, drüsen. g Im Schlundkopf finden sich Chitineinlagerungeu, welche jedoch nicht wie bei andern Arten der Gattung Macrohiotus ziemhch dicke Leisten darstellen, sondern nur dünne und nur nach geeigneten Färbe- methoden genau festzustellende Stäbchen sind. Es sind drei Doppellängsreihen von Stäbchen vorhanden. Jede Doppellängsreihe besteht aus zwei hintereinander gelegenen Paaren, jedes Paar aus zwei Stäbchen, die einander gegen- Über in benachbarten . Segmenten des Schlundkopfes liegen (Text- fig. 4 u. 7). Ich möchte auf die Form und Zahl der Chitineinlage- rungen vom systematischen Stand- ' punkt ein besonderes Gewicht legen. Man hatte bisher immer mit Plate und Greeff angenommen, daß es nur einen Süß- wasser-Macrobiotus, den 31. inacronyx, gäbe. Ich war nun sehr erstaunt, als ich kürzlich einen Macrohiotus im Süßwasser fand, der zwar auf den ersten Blick dem M. macronyx sehr ähnlich sah, sich von demselben aber außer in einigen weniger in die Augen fallenden Merk- malen, besonders durch Form und Zahl der Chitineinlagerungen unterschied. Es fanden sich bei ihm in jeder Längsreihe drei ziemlich dicke Leistchen. In einer mir in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellten, eben im Druck befindlichen Arbeit von Professor Richters fand ich diese Angabe voll bestätigt. Ich möchte den von mir gesehenen Macrohiotus mit dem von ihm dort beschriebenen Macrohiotus la- custris identifizieren. An den Schlundkopf schließt sich der Schlund an, der sehr eng ist und aus verhältnis- mäßig niedrigen Zellen besteht (Textfig. 8). In das Mundrohr münden vorn beiderseits die beiden Speichel- drüsen. Sie schmiegen sich dem Schlundkopf dicht an; jedoch be- decken sie ihn dorsal nicht ganz, wie Basse dieses von ihnen angibt. Das Textfig. 8. Frcntalschnitt durch den Schlund und vorderen Teil , des Magens. Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigraden usw. 731 Lumen der Drüsen ist nicht so weit wie bei andern Species, sondern nur spaltf örmifj ; Secretballen in demselben habe ich niemals konsta- tieren können. Die Zellen sind sehr deutlich abgegrenzt und zeigen in ihrem Innern Vacuolen (Textfig. 4 u. 7), in denen wahrscheinlich Secrete enthalten sind. Form und Anordnung der Zellen, die von der bei Macrobiotus hufelandi etwas abweichen, sind am besten aus Textfig. 4 und 7 ersichtlich. An den Schlund schließt sich ein ziemlich weiter Sack, der Magen, an (Textfig. 8). Nach Basse erfolgt der Übergang zum Magen >> durch eine Anzahl sehr regelmäßig angeordneter Zellen, die nach vorn mehr, die hinteren weniger halbmondförmig gekrümmt sind und nach und nach in die kubischen großen Magenzellen übergehen«. Ich habe dieses Verhalten bei M. macronyx nicht konstatieren können. Der Übergang war ein allmählicher, ohne die halbmondförmig gekrümmten Zellen. Die Zellen des Schlundes bleiben bei der Färbung heller als die Magenzellen. Wie Basse sehr richtig bemerkt, hängt die Höhe der Magenzellen von Alter und Ernährungszustand des Individuums ab. Namentlich bei ganz jungen Tieren sind die Zellen ungewöhnlich hoch, so daß sie fast das ganze Lumen ausfüllen. In ihnen bemerkt man ebenfalls besonders bei jungen Tieren, doch auch öfters bei aus- gewachsenen kleine Tröpfchen, die sich nach Osmiumsäurebehandlung intensiv schwärzen und demzufolge wohl Fett oder fettähnliche Sub- stanzen sind. Im allgemeinen sind bei erwachsenen Tieren die Magen- zellen mit einer gelbbraunen Masse von Nah- rungssubstanz erfüllt, so daß das Protoplasma oft ganz zur Seite gedrängt ist und nur einen dünnen Wandbeleg bildet oder die Masse netz- artig durchzieht. Die Einlagerung derartiger Massen in die Magenzellen beginnt gewöhnlich erst im zweiten Drittel des Magens und reicht bis kurz vor die Einmündung der in den Enddarm Textfie 9 mündenden Drüsen. Kristalle, wie bei M. hufe- Querschnitt durcii den Ma-jen. landi, sind in den Magenzellen nicht vorhanden. Die Angabe von Lance, daß die Zellen bei M. macronyx an der Innenseite Cilien tragen, hat schon Basse als unrichtig nachgewiesen. Die Kerne sind ziemlich groß und besitzen außer einem Nucleolus zahlreiche, meist randständige Chromatinkörner. Auf der Außenseite des Darmes läuft eine Muscularis, und zwar besteht dieselbe bei M. macronyx nur aus sieben Muskelsträngen, wäh- rend Basse für landlebende Formen acht bis zehn angibt (Textfig. 9). 732 J. Henneke, Die Zellen des Enddarmes sind kleiner wie die Magenzellen und enthalten keine Nahrungssubstanzen. Ein Stück vor der Ausmündung des Enddarmes durch den After inserieren an seiner dorsalen Fläche ve Textfig. 10. Sagittalschnitt durch den Enddarm mit dorsaler Drüse und den Oviduct. kurz hintereinander zwei Muskeln (Textfig. 10), welche nach dem Rücken des Tieres ziehen und vielleicht durch ihre Kontraktion das öffnen des Afters zu bewirken haben, gleichzeitig aber wohl auch als Auf- hängebänder für den Enddarm fun- gieren. Sie werden bereits von Plate angegeben, während Basse nichts von ihnen erwähnt. Rechts und links und dorsal mündet in den Enddarm dicht hinter dem Magen je eine Drüse, die ganz gleichartigen Bau zeigen und sich auch in dem Aussehen ihrer Secrete nicht voneinander unter- scheiden (Textfig. 10, 11, 13, 14). Früher sah man die Drüsen rechts und links vom Enddarm, die bei den meisten Macrobioten zwei weit nach vorn reichende Schläuche dar- stellen, als Hoden an, während die dorsal gelegene, welche im allgemeinen ein kleines Säckchen repräsentiert, als Samenblase angesprochen wurde. Plate deckte zunächst diesen Textfig. 11. Krontalschnitt durch den hinteren Abschnitt des Magens und den Enddarm mit den seit- lichen Drüsen (weibliches Tier). Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigraden usw. 733 Irrtum auf, indem er erkannte, daß die Tardigraden getrenntgeschlecht- lich seien, imd sprach die beiden seitlichen Drüsen als Excretionsorgane an, entsprechend den MALPiGHischen Gefäßen der Milben. Die Be- deutung der dorsalen »Anhangsdrüse des Geschlechtsapparates« läßt er dahingestellt. In der Deutung der seitlichen Drüsen als Excretions- organe herrscht jetzt ziemliche Übereinstimmung. Die dorsale An- hangsdrüse, die übrigens, nebenbei bemerkt, nicht, wie frühere Autoren annahmen, in den Genitalapparat, sondern, wie Basse richtig erkannt hat, in den Enddarm mündet, hat verschiedene Deutungen erfahren. Greeff hält sie für eine Samenblase, Lance für eine >> germigene «, Basse spricht sie als Rectaldrüse an, »ein Organ, welches wir ja bei sehr vielen Arthropoden wiederfinden«. Ich bin der Ansicht, daß alle drei Drüsen morphologisch und physiologisch gleichwertig sind, und zwar auf Grund ihres übereinstimmenden Baues bei M. macronyx. Jede der Drüsen besteht aus drei, die Ecken eines Dreiecks ein- nehmenden Zellen, die, von oben gesehen, wie drei nebeneinander liegende Kugeln aussehen — bei den seitlichen Drüsen sind es nicht ganz Kugeln (Textfig. 13 u. 14) — , nach unten laufen sie kegelförmig aus und um- schließen ein kleines Lumen, das mit einem sehr engen Ausführgang in den Darm mündet. Alle ihre Zellen sind gleichartig gebaut und zeigen die Beschaffenheit secernierender Zellen. Sie sind relativ groß, die Kerne sind ebenfalls groß und zeigen oft Fortsätze (Textfig. 10 u. 11). In den Zellen konnte ich ebenso wie in dem Lumen Excrete nachweisen. Ich glaube, daß der Unterschied im Bau der dorsalen und lateralen Drüsen bei den übrigen Macrobioten nicht unschwer aus den Verhältnissen bei 31. macronyx zu erklären ist. Die Drüsen nahmen bei den landlebenden Formen aus irgend einem Grunde an Größe zu; den lateralen war hierzu Raum gegeben, während die dorsale durch den Geschlechtsapparat daran verhindert war und deshalb ihren ursprüng- lichen Bau bewahrte. Blut. Das Blut stellt eine wasserklare Flüssigkeit dar, in der die soge- nannten Blutkörperchen herumschwimmen. Sie sind nicht so zahlreich wie bei den landlebenden Macrobioten und stellen Zellen mit Kern und Nucleolus dar. Trotz eifriger Bemühungen habe ich über Entstehung und Vermehrung nichts Sicheres feststellen können. In dem Plasma der Blutkörperchen liegen bei gut genährten und immer bei jungen Tieren kleine Körnchen und Tröpfchen, die sich hinsichtlich ihrer Färbung ähnlich verhalten, wie die vorhin erwähnten Einschlüsse in den Zeitsdirift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 48 734 J- Henneke, Magenzellen. Basse schreibt darüber: »Der Reichtum der Blutkörper- chen an Körnchen sowie auch die Farbe der Körnchen geht Hand in Hand mit der Ernährung, d. h. mit dem Reichtum und der Farbe der Nahrungskörn- chen in den Magenzellen. Läßt man ein Tier, welches mit reich granulierten Blutkörper- chen vollgepfropft ist, hungern, so nimmt die Granulation ab, die Blutkörperchen verlieren an Volumen und ebenso werden die Magenzellen flacher. << Diese Beobach- iexttig. 1 . tungen kann ich voll bestätigen und möchte Blutkörperchen mit und ohne • i i i i i » • t -r» Reservestoffen. mich daher auch der Ansicht von rLATE, Richters, Basse u. a. anschließen, daß wir es in den erwähnten »Blutzellen << mit Reservestoff trägern zu tun haben (Textfig. 12). Geschlechtsorgane . Wie Plate feststellte, sind die Tardigraden getrennten Geschlechts. Nach Lance besteht der Geschlechtsapparat aus «une sort de long sac dorsal et une glande. La glande represente pour nous le germi- gene ou l'ovaire et le grand sac un uterus». Diese Ansicht wurde be- reits von Basse widerlegt. Die Geschlechtsorgane liegen dorsal über dem Magen wie ein Sack, reichen im prall gefüllten Zustand vorn bis fast an den Schlundkopf und sind in der Höhe des zweiten Beinpaares mit zwei Aufhängebändern am Rücken befestigt. Von einer Gabelung dieser Ligamente, die Doyere angibt, ist bei der von mir untersuchten Art nichts vorhanden. Die Wand der Sexualorgane wird von einer dünnen Haut gebildet, die aus sehr flachen Zellen besteht. Dieselben springen an den Stellen, an denen die Kerne liegen, nach innen vor. Basse glaubt feststellen zu können, daß die Form des Sackes nicht den früheren Abbildungen entspricht. Er ist nach seiner Ansicht vorn in zwei Zipfel ausgezogen. Diese hält er gewissermaßen für ver- gleichbar den Endkammern im Ovar der Insekten. Ich konnte die Zipfel auch feststellen, jedoch nur bei wenig gefüllten Geschlechts- drüsen, während sie bei stark gefüllten nicht vorhanden waren. Sie haben wohl keine Bedeutung und werden nur durch den Zug der Auf- hängebänder hervorgerufen. Nach hinten verjüngt sich das Ovar nicht einfach in den Oviduct, wie alle früheren Autoren annahmen, sondern, wie Basse richtig er- kannt hat, besitzt der Sack »nach hinten zwei symmetrische Zipfel, nhb Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigraden usw. 735 die rechts und links von dem Kanal der Rectaldrüse liegen«. Von diesen läßt er den linken blind endigen, während er den rechten zum Oviduct ausgebildet sein läßt. In diesen Verhält- nissen ließ sich bei M. macronyx ein Unterschied zwischen Männchen und Weibchen feststellen, der bisher den Forschern entgangen ist. Es ergab sich, daß bei den Weibchen bald der rechte, bald der linke blind endigte, während der andre zum Oviduct ausgebildet war (Textfig. 10 u. 11); dagegen mün- deten beim Männchen immer beide Zipfel dicht nebeneinander in den Enddarm (Textfig. 13 u. 14). Die Einmündungssteile der Ausführgänge in das Rectum liegt weder dorsal, wie frühere Autoren an- geben, noch seitlich, wie Basse schreibt, wenig- stens nicht bei M. macronyx (Textfig. 10). Die Aus- führgänge ziehen zwischen den lateralen und der dorsalen Drüse hin, beschreiben um den Enddarm einen Bogen und münden ventral in denselben kurz vor dem After (Textfig. 13 u. 14). Schon Lance wurde durch das Vorhandensein der beiden Aufhängebänder zu der Annahme ver- anlaßt, daß die Keimdrüse sich phylogenetisch durch teilweise Aneinanderlagerung von zwei «tubes, dont la paroi mediane se serait resorbee», gebildet habe. do Textfig. 13. Ansicht eines Hodens und der unter ihm liegen- den Teile von der Dor- salseite des Tieres. Die verdeckten Teile sind punktiert gezeichnet (sehematisch). Textfig. 14. Seitenansicht des Hinterendes eines männlichen Tieres (schematisch). Dieselbe Ansicht vertritt Basse, indem er sich ebenfalls das Ovar aus zwei symmetrischen Teilen entstanden denkt, die in der Mitte verschmolzen und deren einer Ausführgang sich zurückbildete. Durch 48* 736 J. Henneke, den Vergleich des Verhaltens der Ausmündungskanäle von Männchen und Weibchen bei M. macronyx kann es wohl kaum noch zweifelhaft sein, daß wir mit Eecht den blind endigenden Zipfel der Keimdrüse beim Weibchen als reduzierten Ausführgang auffassen dürfen. Die Tatsache, daß bei den einzelnen weiblichen Individuen bald der rechte, bald der linke Oviduct reduziert ist, macht es sogar im höchsten Grade wahrscheinlich, daß die Eeduktion nicht schon in der Phylogenese erfolgt ist, sondern ontogenetisch erfolgt, indem zunächst, wie beim Männchen, auch beim Weibchen zwei Ausführgänge vorhanden sind. Fragt man nach dem Grunde der Rückbildung des einen Ausführ- ganges beim Weibchen, so ist derselbe meiner Ansicht nach in^er Größe der auszuführenden Geschlechtsprodukte zu suchen. Denn nehmen wir an, das Weibchen besäße zwei wohl ausgebildete Oviducte, dann wäre die Möglichkeit vorhanden, daß durch jeden gleichzeitig ein Ei nach außen träte. Bei der im Verhältnis zum Tier gewaltigen Größe des Eies würde wahrscheinlich ein derartiger Vorgang eine Zerreißung der Ausführgänge herbeiführen, die den Tod des Tieres zur Folge haben würde. Diese Gefahr wurde durch Rückbildung des einen Ausführganges vermieden. Bei den männlichen Individuen bestand infolge der geringen Schwierigkeit bei der Ausführung der Geschlechts- produkte eine derartige Gefahr nicht, und deshalb blieb der ursprüng- liche Zustand bestehen. Wie schon erwähnt, lassen Lance und Basse die Geschlechtsorgane phylogenetisch durch Verschmelzung zweier paariger Gebilde entstehen. Die Gründe, die von ihnen für diese Anschauung ins Feld geführt werden, die Paarigkeit der Aufhängebänder und Ausmündungsgänge, sind für sich, wie ich glaube, nicht imstande die Ansicht zu stützen. Denn wie sollte ein dorsal über dem Darm liegender Sack anders aufgehängt sein als mit zwei Bändern, wie sollte er anders ausmünden als mit zwei Kanälen, wo eine unpaare dorsale Ausmündung durch die dorsale Anhangsdrüse verhindert wird! Die beiden vorderen Zipfel der Keimdrüse können aber nicht für eine ursprüngliche Paarigkeit derselben sprechen, da sie, wie oben schon erwähnt wurde, lediglich Produkte der Zugwirkung der Aufhänoebänder bei entleerter Keim- drüse sind. In der inneren Anatomie der Geschlechtsorgane spricht nichts für eine Entstehung derselben aus paariger Anlage, wie wir bei Besprechung der Histogenese des Hodens sehen werden, und so dürfen wir nur von der Entwicklungsgeschichte oder der vergleichenden Ana- tomie eine Aufklärung in dieser Frage erwarten. Ich betone übrigens ausdrücklich, daß eine ursprüngliche Paarigkeit der Sexualorgane durch- ij Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigradcn usw. 737 aus möglich ist, nur scheinen mir die bisher bekannten Tatsachen nicht hinreichend, um eine derartige Auffassung auch nur wahrscheinlich zu machen. "* Hoden. Was den histologischen Bau des Hodens und seiner Elemente be- trifft, so haben wir über denselben nur höchst dürftige, über die Genese der Spermatozoen überhaupt keine Mitteilungen. Nach Plate ist das Sperma bei manchen Individuen derartig verteilt, daß die Köpfe und die zugehörigen Schwänze zu besonderen Gruppen angeordnet sind, bei andern durchkreuzten sich die Spermatozoen wirr; ferner beob- achtete er »kleine rundliche Gebilde << im Hoden, die er für Sperma- mutterzellen hielt. Lance gibt an, daß aus der dorsalen Drüse in- differente Zellen in die Geschlechtsdrüse eintreten, von diesen sollen sich einige auf Kosten andrer zu Spermatozoen entwickeln. Es hängt diese Ansicht mit seiner Auffassung der dorsalen Drüse als Keimdrüse und der Geschlechtsdrüse als eine Art Samenblase zusammen. Er schreibt dann weiter von den Spermatozoen. «Ils sont accoles en boule, les tetes au centre et les queus ä peripherica Nach Basse liegen die Samenfäden in Bündeln dicht aneinander im Hoden. Nach meinen Beobachtungen an M. macronyx kann ich keine dieser drei Angaben bestätigen. Doch bevor ich auf die Darstellung der Entstehung und Lagerung der Hodenelemente eingehe, will ich eine Beschreibung der Spermato- genese vorauf schicken und beginne zu dem Zweck mit einer Beschrei- bung des fertigen Spermatozoons. Die Spermatozoen sind diejenigen Elemente des Tardigraden- körpers, welche noch am wenigsten bekannt sind. Zuerst beschreibt sie DoYERE, danach Greeff und Plate bei Landformen; nach allen dreien stellen dieselben einen spindelförmigen Körper dar, der vorn und hinten einen protoplasmatischen, fadenförmigen Anhang besitzt. Lance stellt sie als rundliche Gebilde dar, die mit einem langen Flagel- lum versehen sind und am Kopf oft einen kleinen Auswuchs tragen, den er in Parallele stellt mit dem vorderen fadenförmigen Anhang der früheren Autoren. Basse schreibt: »Jedes Spermatozoon hat Spitzen- stück, Kopf, Mittelstück und einen langen fadenförmigen Schwanz. Die zweite Geißel besteht nicht.« Da er jedoch nur sehr wenige männ- liche Tiere zu Gesicht bekommen hat, auch keine Abbildung des Sper- matozoons gibt, so braucht auf diese Mitteilung wohl kein so großes Gewicht gelegt zu werden. Die einzige Möglichkeit, die verschiedenen 738 J. Henneke, Angaben mit meinen Beobachtungen an M. macronyx in Einklang zu bringen, erblicke ich darin, anzunehmen, daß die Landformen andre Spermatozoen haben wie M. macronyx. Da die Männchen der Land- formen zu dieser Jahreszeit nur schwer zu haben sind, so ist es mir leider nicht möglich, durch die Beobachtung diese Sache zu klären. Doch hoffe ich im Frühjahr, wo nach den Angaben von Rywosch die Männchen auch bei den landlebenden Species häufiger sind, auch über diese Spermatozoen die Beobachtungen nachholen zu können. Bei M. macronyx sind die Spermatozoen, wie schon v. Eklanger angibt, fadenförmige Gebilde und nach dem Flagellatentypus gebaut, d. h. sie besitzen einen Kopf und einen geißeiförmigen Schwanzanhang. Ihre Länge beträgt 80 — 90/<. Ihre Dicke ist sehr unbeträchtlich. Der Kopf besteht nur aus chromatischer Substanz. Er ist spiralig ge- wunden. Die Windungen, sieben bis acht an der Zahl, werden nach hinten zu etwas weiter. Nach vorn zu wird der Kopf schmäler und läuft in ein kleines Spitzchen aus, das immer nach einer Seite gestellt ist und vielleicht ein Spitzenstück darstellt. Die Länge des Kopfes beträgt 11 — 12 f^i (Fig. 20). Doch habe ich auch einmal ein Spermato- zoon gefunden, dessen Kopf eine Länge von 16 /t besaß (Fig. 21). Es stellte dies jedenfalls eine sogenannte Riesenform dar, wie sie ja für viele Tiere beschrieben sind. Zwischen Kopf und Schwanz sah ich bisweilen ein kleines Korn liegen. Man wird hierbei möglicherweise an das Mittelstück denken. Immerhin aber ist das zweifelhaft (Fig. 21). Der Schwanz stellt einen äußerst dünnen Faden dar, der eine Länge von 70 — 80 f.i besitzt. Am Ende sah ich denselben oft in ein Büschel von Fäden aufgespalten; doch möchte ich dies Verhalten nicht als normal ansehen, da es bei vielen fehlte, vielmehr als eine Macerations- erscheinung betrachten, hervorgerufen durch die physiologische Koch- salzlösung, in der die Tiere zerzupft wurden (Fig. 22). Es würde sich also der Schwanzfaden aus einer ganzen Reihe von Fibrillen zusammen- setzen, wie das Ballowitz für eine große Anzahl von Spermatozoen erwiesen hat. Bekanntlich hält er diese Erscheinung für die Voraus- setzung der Contractilität aller contractilen Substanzen. Über die Herkunft der Keimzellen sichere Angaben zu machen, ist schwer. Bei ganz jungen Tieren, bei denen noch keine Geschlechts- unterschiede festzustellen waren, war die Keimdrüse bereits mit deut- lich abgegrenzten zelligen Elementen erfüllt (Textfig. 17). Ob nun alle späteren Zellgenerationen von diesen abstammen, erscheint mir einigermaßen zweifelhaft. Wahrscheinlich treten später noch vom »Wandepithel <( der Keimdrüse her Zellen ins Innere und werden zu Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigraden usw. 739 Keimzellen. Fast in jedem Hoden, und zwar dicht an der Wand des- selben fand ich nämlich Zellengruppen (Textfig. 15 und Fig. 23 spc), deren Plasma sich mit HEiDENHAiNschem Hämatoxylin besonders dunkel färbte. Diese Zellen erweckten den Anschein, als wenn sie zum Teil direkt noch zur Hodenwand in Beziehung ständen, zum Teil aber aus dem Zell verband derselben herausgetreten wären. Man würde sie dann wohl als Keimzellen und die betreffende Stelle der Hoden- wand als Keimepithel ansprechen dürfen. Es gelang mir, derartige Keimpunkte an den verschiedensten Stellen der Hodenwand festzu- stellen, und zwar in einem Hoden oft an mehreren, so daß demnach keine besondere Stelle als Keimbezirk prädestiniert zu sein scheint und derselbe nicht etwa in den vorher besprochenen Zipfeln der Keim- drüse liegt, wie Basse schreibt, ein Verhalten, welches gewisse Ana- logien zu den Keimdrüsen der Insekten bieten würde. Übrigens konnte ich eine Entstehung von Keimzellen in den angeblichen Zipfeln auch beim Ovar nicht feststellen, für welches die BASSEsche Angabe eigent- lich gilt. Doch komme ich darauf noch etwas ausführlicher zurück. Die Spermatogonien stellen sich dar als relativ kleine Zellen, deren Kerne eine deutliche Kernmembran besitzen und einen großen, starK: färbbaren Nucleolus enthalten (Textfig. 16 spg). Sie sind meist in lebhafter Teilung begriffen und wachsen allmählich zu den großen Spermatocyten erster Ordnung heran (Fig. 23 s^^c). Spermatogonien und Spermatocyten sind in dem Hoden sofort durch ihre von den Spermatiden differente Färbbarkeit zu erkennen. Ihr Plasma färbt sich nämlich mit HEiDENHAiNschem Hämatoxylin viel dunkler als das der Spermatiden. Voneinander unterscheiden sie sich nur durch ihre verschiedene Größe. Haben die Spermatocyten eine gewisse Größe erreicht, so voll- ziehen sich die Keifungsteilungen. Dieselben sind von den Teilungen der Spermatogonien sehr gut zu unterscheiden durch die verschiedene Größe der sich teilenden Zellen und durch die verschiedene Größe der Chromosomen. Diese sind größer bei den Reifungsteilungen als bei den Teilungen der Spermatogonien. Centrosomen ließen sich nach- weisen. Eine genaue Verfolgung des Reifungsprozesses war wegen der Kleinheit der Elemente leider nicht möglich. Was die Anzahl der Chromosomen betrifft, so spielt bei ihr sicherlich die Zahl fünf eine Rolle, die auch bei der Reifung der Eier (Textfig. 20) auftritt. Doch ließ sich nicht zeigen, ob dies die reduzierte oder die volle Zahl der Chromosomen ist. Die beiden Reifungsteilungen folgen jedenfalls sehr schnell aufeinander, da sie nur sehr selten anzutreffen sind. Meist 740 J- Henneke, fehlen sie in den Entwicklungsreihen, die wir später kennen lernen werden, zwischen dem Stadium der Spermatocyte und den jüngsten Stadien der Spermatide ganz. Als Produkt der Keifungsteilungen stellt sich uns eine Zelle dar mit großem Kern und deutlicher Kernmembran. Das Chromatin ist in größeren Brocken im Kern verteilt und verrät noch mehr oder minder deutlich durch seine Verteilung seine Herkunft von mehreren Chromosomen. Ich bezeichne dieses Stadium als Stadium 1 der Sperma- tide (Fig. 1). Die Brocken verschwinden auf dem nächsten Stadium und lösen sich in kleine Körnchen auf. Auf diesem Stadium habe ich auch an der Zellwand einen kleinen Faden entspringen sehen, der anscheinend mit einem kleinen Korn begann. Möglicherweise ist dieses Korn das Centrosoma oder Mittelstück (Fig. 2). Auf späteren Stadien wollte es mir nicht gelingen, ein solches festzustellen, woran wahrscheinlich die Kleinheit der Objekte die Schuld trägt. — Die Größe der Zellen auf diesem Stadium beträgt etwa 3 — 3,5 it. Allmählich findet jetzt eine Zusammenballung des Chromatins statt, indem zunächst ein größeres Chromatinklümpchen im Kern auf- tritt, an das sich das übrige Chromatin, wenn ich so sagen darf, an- kristallisiert. Den Beginn dieses Prozesses zeigt Fig. 2. Das End- resultat desselben ist eine Zelle, deren Chromatin zu einem Klumpen zusammengeflossen ist (Fig. 3). — Um den Chromatinklumpen liegt auf diesem Stadium ein heller Hof. Eine Kernmembran ist nicht mehr nachweisbar. Sei es, daß die- selbe sich dem Chromatin dicht angelegt, sei es, daß sie sich aufgelöst hat. Im ersten Fall würden wir vielleicht berechtigt sein, den hellen Hof um das Chromatin auf ausgepreßten Kernsaft zurückzuführen, im zweiten Falle vielleicht auf einen Rest von Kernsaft oder auch möglicherweise auf Stoffwechselvorgänge im Chromatin. Auf einem derartigen Stadium konnte ich an Strichpräparaten einen relativ langen (10 ^i) Schwanzfaden nachweisen. Auf den Abbildungen wurde der Schwanzfaden nicht dargestellt, weil er auf den Schnittpräparaten nur äußerst selten in Verbindung mit der zugehörigen Zelle beobachtet wurde. Es folgt nunmehr ein Stadium, auf dem der kugelige Chromatin- klumpen einen kleinen Fortsatz erhalten hat, und nun das Aussehen eines Kommas besitzt. Er liegt mit seiner dickeren Basis noch mitten in der Zelle, wird nach der Spitze schmäler und reicht mit derselben bis an die Zellmembran (Fig. 4). Nach der einen Seite ist das Gebilde Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigraden usw. 741 etwas gekrümmt. Der helle Hof um das Chromatin besteht weiter. Der- selbe nimmt an Breite auf den folgenden Stadien allmählich ab, ver- schwindet aber erst, wenn der Kopf vollkommen ausgebildet ist. Jetzt streckt sich die chromatische Substanz etwas, erhält einen neuen kleinen Fortsatz an der Spitze, der aber diesmal mit einer Konkavität nach der andern Seite wie der erste zeigt (Fig. 5). Basis und Spitze sind auch weiterhin durch einen Unterschied in der Dicke voneinander zu unterscheiden. Die Krümmungen, die auf Schnitten in einer Ebene zu liegen scheinen, sind wahrscheinlich der Ausdruck einer spiraligen Drehung des Chromatins. Doch war dies nicht mit Sicherheit fest- zustellen. Allmählich treten jetzt mehr Windungen auf. Wir sehen auf dem nächsten Stadium schon drei (Fig. 6). Auf dem folgenden (Fig. 7) hat der Chromatinkörper an Dicke abgenommen und sich noch etwas gestreckt. Er beginnt mit einem Knopf, der noch fast mitten in der Zelle liegt. Darauf setzt sich der gewundene Chromatinfaden, dessen Windungen sich auf sechs vermehrt haben. Dieselben sind natur- gemäß, weil sie ungefähr auf dieselbe Strecke zusammengedrängt sind wie die vorigen drei, viel enger. Hieran reiht sich ein Stadium, auf dem die Streckung des Chroma- tinfadens noch weitere Fortschritte gemacht hat, so daß er auch mit seiner Basis fast bis an die Zellmembran reicht (Fig. 8 u. 9). Die Zahl der Windungen hat sich weiter vermehrt und war nicht mehr genau festzustellen. Jedenfalls war sie größer als beim ausgebildeten Sperma- tozoon. Auch die Zelle selbst hat sich etwas in die Länge gestreckt. Das nächste Stadium bietet keine großen Besonderheiten gegen- über dem vorhergehenden (Fig. 9). Der chromatische Faden erstreckt sich durch die ganze Zelle, die birnförmig geworden ist. Die Anzahl der Windungen hat sich noch um einige vermehrt. Dieselben besitzen eine sehr geringe Höhe. Auf dem folgenden Entwicklungsstadium hat sich die Zelle und mit ihr die chromatische Substanz bedeutend gestreckt (Fig. 10). Die Länge der Zelle beträgt 5 — 7 fi. Die Zahl der Windungen ließ sich auch hier nicht genau feststellen, da dieselben sehr flach geworden sind. Jedenfalls war sie aber kleiner als auf dem vorherigen Stadium. Die Höhe der Windungen hat ganz bedeutend zugenommen. Ob nun die Abnahme in der Zahl und die Zunahme in der Höhe der Windungen allein durch die Längenzunahme der Zelle und der chromatischen Substanz bedingt ist, oder ob noch andre Ursachen dabei mitwirken, vermag ich nicht zu sagen. Der helle Hof um den Chromatinteil ist 742 J. Henneke, hier noch deutlich nachweisbar sowohl an Längs- wie auch an Quer- schnitten. Das folgende Stadium unterscheidet sich von dem vorhergehenden durch weitere Längsstreckung der Zelle und des Chromatins, vor allem aber dadurch, daß der helle Hof um den Chromatinteil verschwunden ist. Auch auf Querschnitten ist keine Spur mehr von ihm zu sehen (Fig. 11 u. 12). Was nun die Entstehung der spiraligen Drehung des Kopfes be- trifft, so scheinen eingehendere Untersuchungen darüber nicht zu existieren. Die Angaben, die wir besitzen, weichen aber wesentlich von den Verhältnissen bei M. macronyx ab. So läßt Tönniges bei Lithobius forficatus die spiralige Drehung erst nach vollkommener Ausbildung des Kopfes von hinten nach vorn fortschreitend entstehen, ebenso Hermann bei Scyllium catulus, während Meves bei den faden- förmigen Spermatozoen von Paludina vivipara die ersten Schrauben- windungen in der vorderen Hälfte des fertig ausgebildeten Kopfes auftreten läßt, von wo sie nach dem Mittelstück zu fortschreiten. Gerade diese Verhältnisse waren jedoch bei meinen Objekten so klar, und es konnten die einzelnen Stadien recht lückenlos miteinander ver- bunden werden, daß es nicht zweifelhaft sein kann, daß die spiralige Drehung des Kopfes sich schon während seiner Entwicklung allmählich ausbildet. Kopf und Schwanz sind jetzt vollkommen fertig. Um den Kopf liegt nur noch ein Plasmamantel. Ob ein Teil des Plasmas zum Aufbau des Schwanzes verwandt wird, konnte ich nicht feststellen. Sollte es aber der Fall sein, so kann das nur ein ganz kleiner Teil sein; die Haupt- masse geht in folgender Weise zugrunde. In dem Plasma, das auf dem vorhergehenden Stadium noch ganz homogen war (Fig. 13), treten kleine, sich mit HEiDENHAiNschem Hämatoxylin schwarz färbende Körnchen auf. Diese werden allmählich größer, vielleicht durch Zu- ammenfließen, so daß man schließlich neben den kleinen Kömchen einige große, sich intensiv schwarz färbende Tropfen findet (Fig. 14 u. 15). Der chromatische Faden oder Kopf des Spermatozoons wird jetzt randständig, indem alles Protoplasma an eine Seite rückt (Fig. 16). Die Körnchen sind alle zu zwei sich schwarz färbenden Tropfen zu- sammengeflossen. Das Protoplasma ist also wieder homogen. Außer- dem liegt im Protoplasma noch ein sich gelblich färbender Körper, über dessen Bedeutung und Entstehung ich nichts auszusagen vermag, wahrscheinlich ist er auch ein Produkt des allgemeinen Degenerations- prozesses. Die zwei schwarzen Tropfen treten bald zu einem zusammen. Beiträge zur Kenntnis der Biologie ii. Anatomie der Tardigraden usw. 743 Das Stadium Textfig. 16 besteht also aus einem geraden randstän- digen Chromatinfaden, daran sitzt eine homogene Protoplasmamasse, in derselben liegt ein größerer nach Heidenhain sich schwarz und ein kleinerer sich gelblich färbender Tropfen. Jetzt beginnt sich der Kopf nach der Seite einzukrümmen, wo an ihm die Plasmamasse sitzt (Fig. 17). Die Einkrümmung schreitet bald so weit fort, daß der Kopf des Spermatozoons fast einen Kreis bildet. In demselben liegt das Protoplasma (Fig. 18). Man kann diese Verhältnisse ganz deutlich an Quer- und Längsschnitten durch dies Stadium verfolgen. Auf Längsschnitten stellt dann der Kopf einen gebogenen, nur schwach spiralig gedrehten Faden dar, an dessen konkaver Seite die homogene Cytoplasmamasse mit schwarzem und gelblichem Tropfen liegt. Auf Querschnitten ist die Spermatide fast elliptisch. An der einen Seite der großen Achse sieht man ein kleines Korn, den Querschnitt des Kopfes, an der andern liegt die große, sich schwarz färbende Kugel, dazwischen homogenes Cytoplasma, oder man sieht auch an beiden Enden der großen Achse Querschnitte des Kopfes und dazwischen den schwarzen Körper (Textfig. 15). Das Cytoplasma löst sich jetzt oben oder unten vom Kopfe los und trennt sich schließlich ganz von ihm (Fig. 19). Der Kopf streckt sich wieder, und in ganz reifen Hoden findet man nur ganz gerade Köpfe. Ganz genau dieselben Resultate über das Abwerfen des Cytoplasmas erzielte ich bei Untersuchung von Strichpräparaten, die mit DELAFiELDschem Hämatoxylin gefärbt waren. Worauf die Einkrümmung zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht auf ein Zusammenziehen des Cytoplasmas in der Längsrichtung, vielleicht aber auch auf eine sich abwechselnd ein- krümmende und wieder streckende Bewegung des Kopfes, die auf das Bestreben desselben, sich von der Cytoplasmamasse aktiv zu be- freien, zurückzuführen ist, wie das z. B. Bösenberg bei Arachnoiden- spermien beobachtet hat. Doch Beweise habe ich für diese Anschau- ung nicht. Während man früher annahm, daß das bei der Bildung des Sperma- tozoons nicht verbrauchte Cytoplasma durch Zerfließen von demselben verschwindet, mehren sich in neuerer Zeit die Beobachtungen, welche einen Modus der Abstoßung des Cytoplasmas wahrscheinlich machen, wie er soeben von M. macronyx beschrieben wurde. So sprechen Wey- GANDT bei Plagiostoma Girardi, Depdolla bei Lumbricus, Struckmann bei Strongylus, Meves bei Paludina von einer Abstoßung der Cyto- plasmasubstanz. Ausführlich berichtet Meves beim Meerschweinchen 744 J- Henneke, über diesen Vorgang. Der Prozeß stimmt im großen und ganzen mit dem von M. macronyx angegebenen überein. Im Cytoplasma treten auch hier Körnchen auf, die schließlich zu einem Klumpen zusammen- fließen. Die schließliche Abstoßung des Cytoplasmas erfolgt allerdings nicht unter Einkrümmung des Kopfes. Überhaupt scheint in der Literatur nichts angegeben zu sein, was sich mit einer derartigen Einkrümmung vergleichen ließe, wenn wir nicht hier die Beobachtungen von BöSENBERG bei Arachnoidenspermien heranziehen wollen, nach denen dieselben in zusammengerolltem Zustand im Hoden verharren und sich erst wieder aufrollen, wenn sie in das weibliche Tier kommen. Hinsichtlich der Körnchen schreibt Meves, daß sie nach starker Osmierung; verschwinden. Dagegen habe ich dieselben immer be- sonders schön auf Präparaten gefunden, die mit Osmiumgemischen konserviert waren. Über die chemische Beschaffenheit der Körnchen vermag ich nichts zu sagen, v. Ebner, der ganz ähnliche Gebilde bei der Katte beschreibt, unterscheidet zwei Arten, die einen hält er für Fetttropfen, die andern bezeichnet er kurz als tingierbare Körnchen und läßt ihre chemische Zusammensetzung offen. Was das weitere Schicksal der abgestoßenen Cytoplasmamassen betrifft, so schreiben ihr die meisten eine Rolle bei der Ernährung der fertigen Spermatozoen zu, sei es, daß sie in ihre chemischen Bestand- teile zerfallen und in diesem Zustand wieder assimiliert werden, sei es, daß sie sich zu einem Cytophor ausbilden. Was den ersten Fall betrifft, so könnte man ihn in zwei Unterabteilungen zerlegen, indem einige Autoren von einem Zerfall der Protoplasmabalien zwecks Wiederver- wertung derselben innerhalb des Hodenlumens sprechen, andre eine intracelluläre Verdauung derselben angeben. In dieser Hinsicht sind die Angaben wichtig, die v. Ebener von der Ptatte macht. Er be- schreibt, wie die tingierbaren Körnchen, die ursprünglich in einer Schicht, der Detritusschicht v. Lenhosseks, angeordnet sind, all- mählich in die SERTOLischen Zellen des Hodens eintreten und hier nach und nach verschwinden. Ebenso hält Meves einen derartigen Vorgang nach seinen Untersuchungen am Meerschweinchen für durch- aus wahrscheinlich. Auch ich konnte bei M. nmcronyx einige Be- obachtungen machen, welche gewisse Analogien zu dem Verhalten bei Ratte und Meerschweinchen bieten. Die schwarzen Cytoplasma- ballen lagen in geeigneten Hoden in großer Menge im Lumen desselben (Textfig. 15). Es fiel mir nun auf, daß sich in solchen Hoden in den Zellen der Hodenwand ähnlich sich färbende Cytoplasmakugeln vor- fanden, und zwar meist mehrere in einer Zelle, die Zerfallserscheinungen Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatomie der Tardigraden usw. 745 zeigten. Doch kam ich erst darauf diese mit den Cytoplasmaballen im Lumen des Hodens in Beziehung zu setzen, als ich öfter beobachtete, daß Hodenwandzellen, die eine Einlagerung von solchen schwarzen Ballen besaßen, an ihrer dem Hodenlumen zugekehrten Seite von ganz gleichen Kugeln umlagert wn^irden, die sich auf abge- stoßene Protoplasmabal- len zurückführen ließen und gewissermaßen auf die Zelle zuzuwandern schienen (Textfig. 15 c). Ich bin nun geneigt, anzu- nehmen, daß diese Cyto- plasmaballen in die Zellen der Hodenwand aivfge- nommen werden . wie, konnte ich nicht feststel- len, und hier zwecks wei- terer Nutzbarmachung verdaut werden. Ich stütze mich in dieser Ansicht auf die ganz ähnlichen Angaben von V. Ebner und Meves. Ich komme jetzt hier auf die oben verschobene Besprechung der Lage- rung der Elemente im Hoden zurück. Wenn man einen Schnitt durch einen Hoden betrachtet (Textfig. 15 und Fig. 23), so gewinnt man zunächst den Eindruck, daß die Elemente desselben ziem- lich ungeordnet durch- einander Hetzen. Nur findet man auf gleichen Stadien befindliche Elemente zu kleinen Häufchen zusammengeordnet. Bei Betrach- tung von Schnittserien und bei Berücksichtigung der einzelnen Sta- dien ändert sich dieser erste Eindruck jedoch. Es zeigt sich nämlich sjit.1.2 — ~ Sagittalschnitt durch einen in der Entwicklung schon ziem- lich weit vorgeschrittenen Hoden. Nat. Länge 0,17 mm. 746 J. Henneke, dann, daß man in jedem Hoden mehrere bald mehr, bald weniger vollständige Entvväcklungsreihen verfolgen kann. Jede Entwicklungs- reihe oder Suite bildet meist eine krumme, oft vielfach ineinander ver- schlungene Linie, so daß sie meist schwer festzustellen ist. Auf späteren Entwicklungsstadien des Hodens werden diese Reihen meist derartig verwischt, daß sie überhaupt nicht mehr festzustellen sind. Beim fertig ausgebildeten Ho- den verschwinden sie ganz (Textfig. 16). Derselbe zeigt neben den fertigen Spermato- zoen nur noch einige Grup- pen von Spermatogonien und Spermatocyten, die sich viel- fach im Degenerationszustand befinden. Die einzelnen Suiten der weniger entwickelten Hoden sind in ihren Stadien bald mehr, bald minder vollständig. So findet man Reihen, die eine ganze Entwicklungsserie des Spermatozoons von der Sperma- togonie bis fast zum fertigen Spermatozoon repräsentieren, meist aber solche, bei denen ein oder mehrere Zwischen- stadien ganz fehlen. Es ist klar, daß wir in diesen Reihen eine bequeme Handhabe be- sitzen, um, wo andre Mittel versagen, durch Vergleich mit Sagittalschnitt durch einen reifen Hoden. Xat. Länge ^^^^ aufeinander folgenden Zell- 0,25 mm. ^ Stadien der Reihe zu ent- scheiden, welcher Platz einer bestimmten Zelle in der Entwicklung zukommt. Die Reihen weisen immer auf die schon vorher erwähnten Keim- punkte hin, die ihre Lage an der Wand des Hodens haben. In jedem Hoden gibt es immer mehrere derartige Keimbezirke. Zweifelhaft bleibt es noch, ob die Hodenelemente nur von diesen Keimbezirken spff.a.sjic.- Beiträge zur Kenntnis der Biologie und Anatomie der Tardigradcn usw. 747 ihre Herkunft herleiten, oder ob vielleicht von der ganzen Innenfläche des Hodens Zellen in das Hodenlumen treten und die Keimpunkte nur die letzten Überreste dieses Auswanderungsprozesses sind. Dieses würde an jüngeren Hoden festzustellen sein. Immerhin erscheint mir das erstere wahrscheinlicher, da die Entwicklungsreihen immer auf diese Keimpunkte hinweisen und dadurch gewissermaßen dokumen- tieren, daß sie von dorther ihre Entstehung genommen haben und daß von dort ihre Elemente herstammen. Auf keinen Fall dürfen wir die Hodenelemente aus den beiden angeblichen Zipfeln der Keimdrüse herleiten. Dagegen spricht schon der Umstand, daß wir im Hoden meist mehr als zwei Entwicklungsreihen antreffen, vor allem aber die Tatsache, daß die Keimbezirke nicht nur vorn im Hoden liegen, sondern daß regelmäßig sich auch am Hinterende und in der Mitte ein bis mehrere Keimpunkte finden. So ließen sich in dem Hoden der Fig. 23 vier Keimbezirke fest- stellen, einer vorn, einer hinten, einer in der Mitte dorsal und einer ventral. Diesen entsprechen vier Entwicklungsreihen, die in der Mitte zusammentreffen. Auf dem einen Schnitt sind diese Verhältnisse einigermaßen zu erkennen. So haben wir im hinteren Keimbezirk Spermatogonien und Spermatocyten {spg und spc). Die Zellen zeigen durch Form und Lagerung, daß sie in Auswanderung begriffen sind. An sie schließen sich an Spermatiden Stadium 3 {spt.3). Stadium 1 und 2 waren auf vorhergehenden Schnitten festzustellen, Reifungs- teilungen fehlten. Daran reiht sich Stadium 9 {spt.9) der Spermatide; auch zwischen diesen waren die Zwischenstadien nachweisbar. Vorn liegt auch ein Keimcentrum, das jedoch auf diesem Schnitt nicht getroffen ist. Auf dieses folgt Spermatide 1 dann 3, 4, 5, 6, 11; auch hier waren die fehlenden Stadien auf vorhergehenden und nachfolgenden Schnitten feststellbar. Das dorsale und ventrale Keimcentrum, das auf dem Schnitt gleichfalls nicht getroffen ist, dokumentiert sich auf demselben ventral durch eine Gruppe von Zellen, Spermatide Stadium 1 , dorsal durch eine solche von Spermatiden Stadium 2. Ähnliches zeigt in dieser Beziehung Textfig. 15. Wir haben hir zwei Keimbezirke, einen vorn, der durch die dunklen Zellen (spc) reprä- sentiert wird, einen hinten ventral, der allerdings auf diesem Schnitt nicht getroffen ist. Wir sehen sich aber daran reihen die jüngsten Stadien der Spermatiden {spt. 1, 2, 3). Im übrigen ist der Hoden schon so weit vergeschritten, daß wir fast nur noch die letzten Stadien der Spermatide teils längs, teils quer getroffen in ihm finden. 748 J. Henneke, Ovarium. An Tieren, die so klein waren, daß ich annehmen möchte, sie wären eben erst aus der Eihülle geschlüpft, war die Keimdrüse von ziemlich gleichartigen Zellen erfüllt (Textfig. 17). Dieselben waren in den angeblichen Zipfeln des Ovars absolut nicht kleiner wie an den Ausführgängen, woraus man eventuell auf eine Entstehung des Zell- materials in den Zipfeln hätte schließen können, wie das Basse tut. Über ihre Herkunft vermag ich jedoch nichts zu sagen, da sich meine Studien nicht auf jüngere Stadien erstreckten. Daher kann ich auch nicht entscheiden, ob wir vielleicht zwischen propagato^'ischen und somatischen Zellen zu unterscheiden haben. Vermuten möchte ich jedoch auf Grund des absolut gleichartigen Aussehens der Zellen, wie auch auf Grund ihrer späteren Entwicklung, daß dies nicht der Fall ist, sondern daß sich aus einem vollkommen gleichartigen Keim- material sowohl die Eizellen als auch die spä- ter noch zu erwähnenden Nährzellen entwickeln. Es liegt ja dies insofern nahe, als Nährzellen ja meist abortive Eizellen sind. Übrigens ließ sich eine Entscheidung, ob die vorhin erwähnte Keimdrüse (Textfig. 17) ein Ovar oder einen Hoden geben würde, nicht treffen. Dieselbe ist von einem deutlich sichtbaren Plattenepi- thel bekleidet. In ihr finden sich Zellen, welche voneinander getrennt und abgerundet sind. Der Kern der Keimzellen ist ungewöhnlich groß und enthält in einem Chromatinnetz aufgehängt einen Nucleolus. Das Protoplasma umgibt in verhältnismäßig dünner Schicht den Kern und besitzt noch keine Dottereinschlüsse. Weiter sehen wir, wie sämtliche Zellen des jetzt deutlich als solches gekennzeichneten Ovars Dottereinschlüsse zeigen, die kleine Körnchen und Schollen darstellen und sich mit HEiDENHAiNschem Hämatoyxlin lebhaft tingieren (Textfig. 18); ihr Aussehen und ihre Färbung gleicht ganz und gar den Einschlüssen in Blut -und Magenzellen, die oben schon erwähnt wurden, so daß, wie ich glauben möchte, über die Natur dieser Stoffe als Eeservestoffe ein Zweifel wohl nicht mehr bestehen kann. Die Zellen haben an Volumen sanz bedeutend zugenommen Textfig. 17. Sagittalschnitt durch eine ganz junge Keimdrüse. Beiträge zur Kenntnis der Biologie n. Anatomie der Tardigraden usw. 749 und weisen einen großen, mit Membran abgeureiizten Kern auf, der einen Nucleolus einschließt. Einige Zellen zeichnen sich vor andern jetzt bereits durch ihre Größe aus und geben sich dadurch als werdende Eizellen zu erkennen. Die in dieser Weise zuerst sich als solclie darstellenden Oocyten nehmen jetzt an Größe immer mehr zu (Textfig. 19); aber auch die Nährzellen wachsen noch ziemlich beträchthch. Die Dottereinlagerung vnvd noch sowohl bei den Oocyten, wie auch bei den Nährzellen vermehrt. Die Nährzellen liegen ganz un- regelmäßig im Ovar verteilt meist so, daß sie die Oocyte an drei Seiten umgeben, welche mit der vierten an die Hodenwand stößt. Oft liegen die Oocyten in zwei Längsreihen hintereinander. Eine ab- w^echselnde Anordnung in Eifach und Nährfach, wie sie Basse bei landlebenden Species angibt, kommt wohl bisweilen vor, ist aber durchaus nicht die Regel. Wenn daher Basse den Vergleich mit einem Insektenovar zieht, kann ich dies für M. ma- Textfig. 18. stück eines Längsschnittes durch ein junges Ovarium. dz. Textfig. 19. Teil eines Längsschnittes durch ein Ovarium. cronyx nicht. Ich will hier bemerken, daß in der Textfig. 19 die Nähr- und Eizellen oft eckige Konturen zeigen und daß zwischen den Ele- menten oft Zwischenräume sich befinden; dies Verhalten ist wohl auf Schrumpfung, hervorgerufen durch die Konservierung, zurückzuführen, da es bei andern Präparaten und beim lebenden Tier nicht festzu- stellen war. Es waren dort die Elemente im allgemeinen rund, höch- stens durch gegenseitigen Druck etwas abgeplattet, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XCVII. Bd. 49 ä 750 J- Henneke, Die Größenziuiahnie der Oocyteii wird jetzt relativ eine ganz enorme. Der Kern stellt ein großes, bei der Färbung hell bleibendes Bläschen dar mit schwachem chromatischen Netz und großem Nucleolus. Wie die Größenzunahme der Oocyten erfolgt und welches die Rolle der Nährzellen dabei ist, ist schwer zu sagen. Tatsache ist, daß die Zahl der Nährzellen im reifen Ovar verhältnismäßig geringer ist als im unreifen. Einen ausgesprochenen Zerfall von Zellen habe ich frei- lich nie mit Sicherheit konstatieren können. Aber man wird wohl nicht darum herumkommen, einen solchen anzunehmen, wenn man eben bedenkt, daß die Zahl der Zellen eine geringere geworden ist. Ferner beobachtet man im reifen Ovar, daß die Nährzelleü an Größe abgenommen haben, und daß ihnen die Dottereinschlüsse vollständig verloren ge- gangen sind, jedenfalls indem sie dieselben .*:'^r*^*'V'*4;iV;A';;Vv':-/ in irgend einer Weise an die Eizellen abge- "%.^- - ß^0'^ c®^^^ haben. l^f^-:^S^^':^''^v'i'j D^'^ Wachstum der Oocyte ist jetzt im wesentlichen beendet, die weiteren Verände- rungen betreffen nur noch den Kern. Man Textfig. 20. sieht, daß der Nucleolus in Brocken zerfällt Schnitt durch eine befruchtungs- -i t,t or i, i, • j ^ t^- tt f M • 17- ,1 r>- T- 1, und schließlich ganz verschwindet. Die Kern- fahige Eizelle. Die Kernmembran •- ist aufgelöst, im Kern liegen fünf membi'an löst sich auf. Dotterkörner, die im ChromoBome, das Plasma ist mit p^-^toplasma sehr reichlich enthalten sind, Dotterschollen überladen. ^ ' finden sich gar nicht in der vorher vom Kern eingenommenen Partie, lagern sich aber der Oberfläche derselben besonders reichlich auf (Textfig. 20). In dieser Kernpartie zeigen sich in der Nähe des Randes derselben gelegen stark färbbare Körner, die ich als Chromosome ansprechen möchte, wozu ich mich um so mehr für berechtigt halte, als die Körner immer in der Zahl fünf vorhanden wären. Es scheinen hiermit die Reifungsteilungen eingeleitet; dieselben finden erst nach der Ablage des Eies ihren Abschluß. Wie die Chromo- somen sich bilden, imd ob wir es in der Zahl fünf mit der reduzierten oder vollen Anzahl von Chroniosomen zu tun haben, vermag nur eine Untersuchung der Reifungserscheinungen des Eies zu entscheiden. Marburg, im September 1910. Beiträge zur Kenntnis der Biologie u. Anatumie der Tardigraden usw. 751 Literaturverzeichnis, 183S. F. 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Abt. für Anat. Bd. XXII. 1907. C. Weygandt, Beiträge zur Kenntnis der Spermatogenese bei Plagio- stoma Girardi. Diese Zeitschr. Bd. LXXXVIII. Hft. 2. Erklärung der Abbildungen. Verzeichnis der Abkürzungen: ö, After; m, Muskeln; ahb, Aufhängebänder des Hodens; 7na, Magen; h, Bauchganglien; mb, der chitinige Becher unter der c, Hoden wandzelle mit Einlagerung von Mundhöhle ; abgestoßenen Protoplasmakugeln; mh, Mundhöhle; ch, Chromosom; mr, Mundröhre; chst, Chitinstäbchen; ms, Muscularis des Magens; dd, dorsale Anhangsdrüse des Darmes; nz, Nährzellen; do, dorsal; ov, Oviduct; ds, seitliche Anhangsdrüsen d. Darmes ; r, Röhrchen, in denen die Zähne gleiten; du, Ausführgang des Hodens; seh, Schlund; ed, Enddarm; sk, Schlundkopf; eiz, Eizelle; sp, Speicheldrüse; exd, sog. Extremitätendi'üse ; spc, Spermatocyte; h, Hoden; spg, Spermatogonie ; hi, hinten ; spt.1,2. . ., Spermatide, Stadium 1,2...; /iv, Hypodermisverdickung an d. Mund- ve, ventral; Öffnung; vo, vorn; kh, Keimbezirk; z, Zahn; kr, Krallen; zt, Zahnträger. Tafel XXXIII. Fig. 1 — 19. Entwicklung der Spermatide zum Spermatozoon. Stadium 1 bis 19. Fig. 20. Spermatozoon. Fig. 21. Spermatozoon. Ende des Schwanzfadens in Fibrillen aufgelöst. Fig. 22. Spermatozoon, Kopf, Riesenform. Fig. 23. Sagittalschnitt durch einen jüngeren Hoden. Nat. Länge 0,14 mm. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. XCVII. Taf. I. Ö7 Ö^(&^ q: O 5 Verlag "O" f^'ilh,•lm £jfe,^ Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. XCVII. Taf. IL i-^ ,in>'^ ' ■ . ..--'■ ^'^c;* 'Zlh~^'^^ 21 "^■, ScAa^, Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Zeitschrift f. iciss. Zool. Bd. XCVII. Taf. III. Verlas 'on Wi»-'"^h>hann ,n L. Zeitschrift f wiss. Zoologie. Bd. XCVII. Taf. IV. .:v-T;; VSl ii^fV/. /. /'^. Fig. 3. ^'^ . F/;/. /. Fif/. ö. Fig.G. Fig. Verlag von »■"" ^«na„„ ,„ ^^ Zeitschrift f. iviss. Zoologie. Bd. XCVII. Taf. V. i\l. 1/ ^f"- / / \ \\^ iwy. ;. w& Fiy. /... i Fhi.il Fig. 2. Fi'J. 11. Neu Flg. 12. Fh- 1.3. Fig. 14. Fig. U Born u. Heibig gez. Verlag vor. ••'''*""' "«"™«™„ ,„ Le Zeitschrift f. iciss. Zoologie. Bd. XCVII. Taf. VI. '.i^-r^^yL"' Born u. Heibig gez. Zeitschrift f. iviss. Zoologie. Bd. XCVII. Taf. VII. ' P. Born u. Heibig gez Wilhelm f"?«'ma„n -^ ^^ Zeitschrift f. uiss. Zoolo(jic. Bd. XCVII. Taf. VIII. r\ V ^■ m\ \- \ Fig. 1. Fig. 13. Fig. 3. Born u. Heibig gez. Verlas von WüheW &W..„„ ,„ ^^.^^.^^ Fig. U. Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. XCVII. Taf. IX. Fig. 5 Fig. 4 Fig. 7 Rosenberg. Vilhel'^ htln,a„„ ,.„ ^^ Zeüschnft;: niss. Zoologie Bd. XCVK Taf.X. ütLAnst vIAFunkcInpSiT Zeitschrift f.-i\iss. Zoologie Bd. XCVIT. Taf.XI. Verlag 7\\mielmEii94nartninIeipzig liäLAiist vEAfüiikFl«^ Zeüscknßf.wiss.ZoölogieBd.X( VlI. Taf.Xn. Verlag >r WüheJm EiiSäin«ni, u, ^^. lidLAnst.vEAJbilttXs^aj leü^idiriyt Jlmsa. Zoulxigia Bd.XClll. 4-. Taf.Xm. Verlag v. WilhehnEngelmarm inleipzig . ifthJturtviiArwikEXeipzig Zeüschrift /:mss. Zoologie Bd.XCm. ra/:xiv. Verlag Wfflhetoi^ l*i«>nn-j,Ieipag. iiÜiAnst vE-AJurikcIe^ Zcilschrift fAsi^s. Zoolfif/ie Bd.XCVE Taf.W. Inh Ans'. vLAFunkElfipnji Zeitschrift fuiss. Zoologie Bd. XCVIf. Taf:m. Verlag v-WiBielm Engelmann mieif.zig Lith,A,i5t vE ArurJ-E.lq,-iij Zeiischnft fviss.Zuoloffie Bd.XCVE TupWL D Tretjd^iuff j. LiL^iAnsivEAFunJcLeipiig- ZeilscTirifl /.' niss. Zoologie Bd. XCl-JT. Ta/.-XVm. rt:;aiofVi,i./ Verlagv.^'ai^*"^*^aimiiileip: LiÜiAns: vl\y'iri;?Iffsg Zeitschrift /.' niss. Zoologie Bd. XC\'I1. Tnf.XIX. Verlag r Wühelrafiigebnarm inleii IitKAnstvOTunkElopaj ZeOschrift f.wiss. Zoologie Bd. XCVK Taf.XX. Verlag v'Wlhelningelmannirlei, lithAnst vEATuiikilqaj Zeitschrift /.' iits.v. Zoolocjic Bd.XCVU. 'Ihf.Xn. Li"Ji A-is*. vLATunkelopcti ZviLschvift /:mss. Zoologie Bd. XC\71. TarXM. Verson . Verlag vWilhehnErLgelmaim irleipzig. M.Aiistvi.Af™fejap^3 Zettsrhrin finss. Zoolofiif . B(i XCVJI. Taf.XM. wAS? J -^i Sptn. ^C V ,ii. „^- ^ ^/^ A Zay/arziA del. Vtrlo^ nn Wüli^^tlnuun m Leipzig lUhAnsir Johannes Amdijvjj. Zeitschnll f.wiss. Zoologie. ßd.XCVH. Taf.Xm. ''"■-■--.. .^'^ A 7fiwoj-?M dii liih.AnstYJohajmaÄrndt,JeitOL. ZeiVichrift /.'niss. Zoolo(]ie BdlCW. Taj:\XV. Kur l Marcus t^t; Yerlaq vWilhelinEilgelmaim inleii l-.ilJhst vrAFmättlftp; Zeitsclirift /:i\iss. ZoologiP. Bd.XCVn. Taf.XXVT. ZurtMarcu-S qez Verlag v. WillielinEngelmaim inleipzig . lith.Anst vH ATurikEleipzig Zätschrifl f. wiss. Zoolof/if Bd. XCill Taf. XXVII. VtrUM von Willidm En^ebncm n Leipzig. litkAnst. v.JoluuultsArriitiJBia. Zälschrifl f.ims. Zoologk. Bd. XCVl Taf.XWn. Verlag von.Wülulm.i'Viimmnmltifzig. lüh.Anst V. Jchames ArnMJena. Zeitschrift fiviss. Zoologie. Bd. XCW. Taf. XXfX. Vtrlag von WUMm Cngebiuuui inleipilg Litk-AnstvJokanna Arndt, Jmu Zeibicliiifl /.' n75.s-. Zoohgir Bd.XCni Tat: XXX. VerldivWilhelinEngplmarmirileipzig. luK h-.^. vI^rinweleipDg Zeitsclirift /.'niss. Zcmlof/ie Bd.XCW. 7a/:XXXI. ^o. 26. ■...-■/ 28. ft.«o<^®KWi\ 29. \j \ Senn . Yeriaa v WilhdinEnqelmann -Jileipzia U liih. An st vE.Arui\feXei|2ig Zeitschrift fwiss. Zoologie Bd.XCW. Thf.XKin. G Gennq c Verlag v.WilhelniEngebnaim inleipzig litK Anst vHAFunltcIdpa tf Zeitschrift f. Miss. Zoologie Bd. XCVJI. Taf.XXXW. Q z. I~^ ] 72. 16. ^ Henneke gez. 3. 10. / / 13. 17. v/>f. I. spt.l. sptS. ^„ ' -»j •■ •/, n. 15. I i Äi. .2>2. £7. 7Ä 7Ä « # 20. Verlag vWilhelmEngelmarm inleipzig litt Anst vILAFuiikE Jeipä j MBL WHOI Library - Serials 5 WHSE 01446 I ^ 0' X .v^.^^. m-^f ^2*\