“ e ee a a en * Bi - i . en N e ea, De ASCHE Er FEN, Se aa URN Lan 3 ; Hi er Eh £ k ; et n N: Ce N N ) 2 “N Fr ; ge 4 PRR\, ee, A on Ei BEN DR, a 5 th" PER F ß wer Sur a : 6.) il | N hi RR RRT NZ ER‘ H Kal es Gun EEE N 5 h he ON i a | i a io. N a b ) Ei ; f h 0 r 2. nr : H ’ n Seal Be ” iM al en " i | je jr ur Re } il! IT =; Dec Zi a ER P Fb 7 f a , Fa N Di rd, R Bis, a ee be an, Mi a en nd han ee Sm Zi Te, eS Ny b TE We; EN m ? 2) " On 57 Fr © R Kern "NL Ki, „2 Pahle Hi 1. " a N 1 fen “ ra nf . H Lipr h iD Fin ul N Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a. d. Universitätzu Göttingen. HFünfundfünfzigster Band Mit 32 Tafeln und 18 Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1893. A: J sin NORE = % ü = a A SE er k / Ri Ar, 22 $ “ . 7 x 2 1 - \ 5 r Er KT = 2 = ki | : ; \ 2 E r m 4 N © ! Re z geh, ar P 3 g u R E = x e \ b 7 # a “ “ R x ug n 7 i - - 4 . > 2 Inhalt des fünfundfünfzigsten Bandes. III NINNNNIND Erstes Heft. Ausgegeben den 22. November 1892. Seite _ Entwicklungsmechanische Studien. III. Die Verminderung des Furchungs- materials und ihre Folgen (Weiteres über Theilbildungen). IV. Ex- perimentelle Veränderungen des Typus der Furchung und ihre Folgen (Wirkungen von Wärmezufuhr und von Druck). V. Von der Furchung doppeltbefruchteter Eier. VI. Über einige allgemeine Fragen der theo- retischen Morphologie. Von H. Driesch. (Mit Taf. I—-1ll) ..... ...4 Über das Vorderhirn einiger Reptilien. Von A. Meyer. (Mit Taf. IV u.V.) 63 Neue Untersuchungen über den Verlauf der Degenerations- und Regenera- tionsprocesse am verletzten peripheren Nerven. VonA.Frh.v. Notthafft. Bun VE ur > Bio. imalext.an 2 se a a "Zweites Heft. Ausgegeben den 20. December 1892. Pelagische Polycladen. Von L. v. Graff. (Mit Taf. VI—X.) .....2.148 Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II. Über die Molluskenschale. Von BBERRTeben Mit Tal. >xT u 4 Rie. ım' Text) 0... 0 at 990 Die Entwicklung der Wirbelsäule der ungeschwänzten Amphibien. Zweite Abhandlung über die Entwickiung der Wirbelsäule Von C. Hasse. (Mit Taf. XIL) 252 Flagellatenstudien. Von G. Klebs. Theil I. (Mit Taf. XII—XVL)... . . 965 Drittes Heft. Ausgegeben den 30. December 1892, Flagellatenstudien. Von G. Klebs. Theil I. (Mit Taf. XVU—XVIOIL) . . 353 Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der veränderten chemi- schen Zusammensetzung des umgebenden Mediums auf die Ent- wicklung der Thiere. I. Theil. Versuche an Seeigeleiern. Von BEerD Sa NN u RE. a en. de IV Seite Die Entwicklung der Wirbelsäule der Elasmobranchier. Dritte Abhand- lung über die Entwicklung der Wirbelsäule. Von C. Hasse. (Mit Taf. KRISE Ne ee 4 =... 549 Viertes Heft. Ausgegeben den 28. Februar 1893. Die Entwicklung der Wirbelsäule der Dipnoi. Vierte Abhandlung über die Entwicklung der Wirbelsäule. Von C. Hasse. (Mit Taf. XXI.) 533 Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. Von A. Olt. (Mit Taf. XXIIl.) 543 Die Entwicklung von Schale und Schalenhaut des Hühnereies im Oviduct. Von W. v. Nathusius,. {Mit 4 Pie. 7m "Text.).. .. Sr BE WS Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel, untersucht an Sphaerechinus granularis und Dorocidaris papillata. Von F. Leipoldt. (Mit Taf. XXIV BLEND: EEE NEN =, - 585 Die Nephridien der Cristatella. Von C. J. Cori. (Mit Taf. XXVIu. XXVII.) 626 Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. Von A. Goette. {Mit Taf. XXVIHN—XXX1I u. 44 Fig. im Text.) Sr 645 Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. Kin Räderthier ohne Räderorgan. Von.-A.'Wierzej ski. (Mit Tal. XXXIL)- >. 2 1.0.20, Sr Ne: si — Berichtigungen. In dem Aufsatze Ad. Meyer, Über das Vorderhirn einiger Reptilien (Bd. LV, Heft 1) sind folgende Änderungen vorzunehmen: Seite 65, Zeile 17 v. u. lies Celloidin statt Kollodium. RD) » .» » » » Bändern statt Rändern. a), » 43 » » » denselben statt demselben. » 69 » AAv.o. » Bastian statt Bastiani. » 792% » 4» » » so groß statt zu groß. » 73 » 47» » » Einschnürung statt Erscheinung, 2 » 48 v. u. Streiche »als«. » 86 Anm. Zeile 7 v. u. lies p. 124 statt p. 123. » 88, Zeile 20 v. u. lies sowohl statt wohl. » 98 » 5» » » Septum statt System. » 430 » 3» » » ein Corpus callosum statt im Corpus callosum. Entwicklungsmechanische Studien‘. JiI. Die Verminderung des Furchungsmaterials und ihre Folgen (Weiteres über Theilbildungen). IV. Experimentelle Veränderungen des Typus der Furchung und ihre Folgen (Wirkungen von Wärmezufuhr und von Druck). V. Von der Furchung doppeltbefruchteter Eier. VI. Über einige allgemeine Fragen der theoretischen Morphologie. Von Hans Driesch (Zürich). Mit Tafel III. Einleitende Bemerkung. Von den vorliegenden Abtheilungen meiner entwicklungsmecha- nischen Studien schließen sich die beiden ersten (II und IV) eng an das in der Abtheilung I (9) behandelte an. Der Angelpunkt aller dieser Untersuchungen ist die Frage nach der »formalen Evolution oder Epi- genesis« im Aufbau des Organismus, die Frage speciell, wie weit den einzelnen Furchungszellen eine besondere Bedeutung, ein besonderer Werth bezüglich des künftigen Organismus zukomme. Während I und III dieser Frage dadurch nahe treten, dass in ihnen von künstlicher Verminderung des Furchungsmaterials oder Trennung desselben in mehrere Theile (»Theilbildungen «) gehandelt wird, werden in IV Versuche zur Darstellung gebracht, welche auf experimentellem Wege den Typus der Furchung, d.h. die bezügliche Lage der Furchungs- elemente zu einander, sowie theilweise deren Größe (Mikromeren) ver- ändern. Beide Gruppen von Untersuchungen studiren außer den so erzielten Veränderungen an der Furchung selbst namentlich auch deren Folgen. 1 Vgl. diese Zeitschr. Bd. LIII. p. 460. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. A 2 Hans Driesch, Ich bemerke im Voraus, dass alles hier Mitzuelene die Resultate meines Abschnittes Idurchaus stützt. Auf specielle Verhältnisse der Furchungsmechanik, auf hierbei etwa in Frage kommende physikalische und physiologische Probleme gehe ich in den vorliegenden Untersuchungen nur in so weit ein, als es für das Verständnis dessen, was die Hauptsache bilden soll, noth- wendig ist. Die in Abschnitt I angekündigte Frage also, ob Spannungs- häutchen oder dünne, elastische, gespannte Membranen dem Princip der kleinsten Flächen zum Ausdruck verhelfen !, sowie manches Andere wird, obschon mir einiges Material vorliegt, auf spätere Darstellung verschoben und dieses Mal nur hier und da gestreift werden. Die vorliegenden Versuche wurden von Ende September bis Mitte December 1891 und von Mitte Januar bis Anfang April 1892 in der Zoologischen Station zu Neapel angestellt. Der Oberschulbehörde des Hamburgischen Staates bin ich für die Überlassung des Hamburger Arbeitstisches daselbst zu großem Danke verpflichtet. Eben so sage ich Herrn Professor Dourn, Herrn Professor Eısıs, sowie den übrigen Beamten des musterhaften Neapeler Institutes meinen aufrichtigen Dank für die große Bereitwilligkeit und Freundlichkeit, mit der sie auf alle meine Wünsche eingingen; sie haben meine Arbeit dadurch wesentlich gefördert. Die Methode der isolirten Aufzucht der Versuchsobjekte ist in Ab- schnitt I genugsam geschildert. Erwähnen will ich gleich hier, dass (wenigstens vor März) in Neapel die zum Theil doch nicht unbedeutenden experimentellen Ein- griffe von den Eiern weit besser ertragen wurden, als in Triest; dass 1 Ich verwahre mich bei dieser Gelegenheit gegen den Vorwurf der Unklar- heit, den Mancher gegen gewisse Stellen meiner » Mathematisch-mechanischen Betrachtung etc.« (8) erhoben haben mag. Ich habe dort wiederholt ohne nähere Definition von »Kräften« geredet. Angesichts der Schwierigkeit, die dieser Begriff den Physikern bereitet (vgl. KırcHuorr, Vorlesungen über mathem. Physik. I. Ein- leitung; ferner P. vu Boıs-REymonD, »Über die Grundlage unserer Erkenntnis in den exakten Wissenschaften «; sowie LIEBMANN, » Gedanken und Thatsachen.«) erscheint meine nicht näher motivirte Anwendung derselben gewiss unberechtigt. Obwohl mir nun das Kırcanorr'sche Verwahren, in dem Worte Kraft nur ein Wort zu sehen für einen mathematischen Ausdruck und eine Begriffsdefinition gar nicht zu versuchen, als das Richtige erscheint, denke ich doch, wird man in Abhandlungen nicht mathematisch-physikalischen Charakters, der Bequemlichkeit halber von elastischen, elektrischen etc. Kräften reden können, wofern man sich nur der Schwierigkeit, die der Begriff birgt, immer bewusst bleibt. Übrigens wird der Kırcanorr’sche Standpunkt nicht allgemein getheilt (z. B. nicht in VıoLLe’s neuem Lehrbuch der Physik, das aufp. 65 die Kraft definirt, ferner nicht von Hırv nach WINKELMANN’S Handbuch der Physik. p. 20, Anm. A). Entwicklungsmechanische Studien. III. 3 (bis auf die Viertelbildungen) nur ein sehr kleiner Procentsatz vor Er- reichung des Pluteusstadiums starb; es mag das an den Wasserver- hältnissen liegen. | Es wurde experimentirt an denEiern von Sphaerechinus gra- nularis und Echinus microtuberculatus. Die Eier letztge- nannten Seeigels (der übrigens vor December nicht brauchbar war) sind nicht genug für experimentelle Studien zu empfehlen. — Ill. Die Verminderung des Furchungsmaterials und ihre Folgen (Weiteres über Theilbildungen). a. Mehrfachbildungen, hervorgerufen durch erhöhte Temperatur. | Vespovsky hat im zweiten Theil seiner »Entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen« (32) die Vermuthung aufgestellt, es möchten die von ihm bei Allolobophora trapezoides beobachteten Zwil- lingsbildungen eine Folge höherer Temperatur des umgebenden Me- diums sein, er beobachtete nämlich dieselben besonders häufig in war- mer Jahreszeit. Dies führte mich dazu, die betreffende Frage bei Echinideneiern, deren Fähigkeit, unter gewissen Bedingungen Zwillinge zu erzeugen, ich ja studirt hatte, zu prüfen. Nach einem Verfahren, das in Nr. IVa geschildert werden wird, wurden die befruchteten Eier von Sphaer- echinus von etwa Morgens 9 Uhr bis Abends 5 Uhr einer Temperatur von ca. 31°C. ausgesetzt; dieKontrolleier befanden sich meistin Wasser von 14—18° GC. Nachdem sie periodisch aus dem Ofen entfernt waren, da sie theilweise gleichzeitig dem Studium der durch Wärme verän- derten Furchung (IV, 1) dienten, wurden sie um die angegebene Zeit, ‚in beschränkter Anzahl beisammen, isolirt und sorgfältig gezählt. Sie wurden dabei also aus Wasser von der angegebenen in solches von Zimmertemperatur übertragen. Ich werde im nächsten Theil eingehender darstellen, wie die Wärme gerade die beiden ersten Furchungskugeln in eigenartiger Weise von einander trennt. Häufig ist diese Trennung von nachhaltiger Wirkung, indem noch die Zellen des 8- und des 16-Stadiums in zwei deutlich getrennten Haufen daliegen; entfernt man, wie bei den später zu schildernden Versuchen, die Eier auf letztgenanntem Stadium aus dem Ofen, so verschwindet die Trennung im Laufe der Furchung mehr und mehr. Anders wenn die Eier bis 5 Uhr Abends, also etwa bis Ab- lauf der Furchung, im Ofen verblieben. Ein großer Theil der Versuchsobjekte zeigte in diesem Falle sein 4% A Hans Driesch, (aus über 100 Zellen bestehendes) Zellenmaterial in deutliche Haufen geordnet, meist in zwei, sehr selten in vier, nie in mehr. Bei den Kon- trolleiern zeigte sich dies Verhältnis in keinem Falle. Fast alle Eier nun, die am Abend jene Zerfällung des Furchungsmaterials in Portionen zeigten, hatten am nächsten Morgen je zwei kleinen Blastulae den Ursprung gegeben, die zum Theil noch lose zusammenhingen und sich bald trennten, zum Theil schon getrennt waren. Einen organisch zusammen- hängenden Zwilling, wie ich ihn in Theil I abbildete, habe ich nie wieder erhalten. | : Nicht alle Eier, wie erwähnt, ließen der Zerfällung des Furchungs- materials Zwillinge folgen. Einige gaben Blastulen von wurstartiger Form, theilweise mit einer Einschnürung versehen, den Ursprung. Die Weiterentwicklung zeigte, dass diese Gebilde nicht als verbundene Zwillinge, sondern als verzerrte Einfachbildungen aufzufassen sind, denn sie erhielten (und zwar, wenn eine Einschnürung vorhanden, stets von dieser aus) einen Urdarm, waren als Gastrulae noch sehr verzerrte Gebilde, doch glich sich die Verzerrung immer mehr aus, und einige waren als Plutei nur schwer von normalen zu unter- scheiden. Die Theilbildungen wurden, wofern sie nicht bald starben — die Schädigung der Konstitution der Zellen durch Wärme ist eine ziemlich große; die Eier von Echinus vertrugen die hier geschilderten Wärmeversuche überhaupt nicht — jede zu einer typischen Gastrula, Prismenform und Pluteus, nur durch ihre Größe unterschieden sie sich von normalen Larven. Etwa 30 Theilplutei habe ich immerhin er- halten. Die wenigen Eier, welche je vier Blastulae den Ursprung gaben, waren wohl histologisch stark geschädigt; von diesen entwickelte sich keine weiter. Wir werden bald sehen, dass dies nur Folge der Schädi- gung, und nicht tiefer begründet war. Ich muss am Schlusse dieses Abschnittes noch auf die große Verschiedenheit aufmerksam machen, welche sowohl die Eier ver- schiedener Weibchen, dem Durchschnitt nach bemessen, als auch desselben Weibchens Eier, bezüglich ihrer Beeinflussbarkeit durch Wärme zur Mehrfachbildung darbieten!. Kleine Schwankungen in den Verhältnissen der Hyaloplasmaschicht? mögen vielleicht der Grund dazu sein. | 1 .Analoge Verhältnisse geben die Gebrüder Herrwıe (17) an. 2 Nach Bürscauı’s neuen Forschungen: »Alveolarschicht«. Entwicklungsmechanische Studien. IIE 5 - Während bisweilen drei Viertel der Versuchseier Mehrfachbil- dungen oder doch wurstförmige Larven producirten und gleichwohl in der Kontrolle solche durchaus fehlten, entwickelten sich bisweilen alle dem Ofen entnommenen Eier einfach. Eine, wie gesagt, wohl in den physikalischen Verhältnissen begründete Disposition muss also bei dieser Art der Zwillingserzeugung zu dem veranlassenden Faktor, der Wärme, dazukommen. Wenn wir uns also einem. bei Loxs (19) häufig durchklingenden Gedanken auf einen Augenblick anschließen wollen, dass nämlich das Ziel der Naturwissenschaft gewissermaßen ein technisches sei, nämlich die Erscheinungen zu beherrschen, so müssen wir das Anstellen von Versuchen mit Wärmewirkung zur Erzeugung von Mehrfachbil- dungen als ein ziemlich schlechtes Verfahren bezeichnen. Es liegt hier eben der Erfolg des Versuches weit weniger in unserer Hand als bei meinen beiden anderen Methoden zur Erzeugung von Theilbil- dungen. Immerhin ist durch die große Zahl gelungener Versuchsreihen, sowie durch das Fehlen von Zwillingen in den betreffenden Kontroll- gefäßen (mit ganz seltenen Ausnahmen bei schlechtem Material) die Beziehungzwischen Wärmewirkung und Produktion von Mehrfachbildungen sichergestellt. -b. Der Werth der vier ersten Furchungszellen der Echiniden. Dreiviertel- und Vierteltheilbildungen. Die Überschrift deutet bereits an, dass es sich in diesem Abschnitt um eine Fortsetzung meiner ersten Studie handelt. Naturgemäß regte die Entdeckung selbständiger Entwicklungs- fähigkeit der ersten beiden Furchungszellen zu normalen, lediglich durch ihre Größe charakterisirten Larven die Frage nahe, ob diese Selbständigkeit der Furchungszellen noch weiter geht, ob, kurz ge- sagt, die Furchungszellen überhaupt ein gleichartiges Bildungsmaterial darstellen, das durch Entnahme eines Theiles nur qualntitativ geschädigt wird. Die Aufgabe zerfällt in Rücksicht auf das vierzellige Stadium offen- bar in mehrere Theile: man kann dem Gebilde ein Viertelnehmen, oder man kann ihm ein Viertel lassen. Die dritte Möglichkeit, ihm zwei Viertel also die Hälfte zu lassen, deckt sich offenbar (und zwar habe ich auch den Versuch mit zwei neben einander gelegenen Vierteln — an gegenüberliegenden dürfte er wenigstens mit meinen Methoden unausführbar sein — thatsächlich mit Erfolg. durchgeführt) mit dem früher beschriebenen. Die Methode des»Schüttelns der Eier auf dem Vierzellenstadium erwies sich für die Versuche mit Dreiviertelstücken recht gut; es ge- lingt leicht hierdurch nach Platzen der Membran ein Viertel völlig zum Zerfließen zu bringen oder doch abzutödten. Sehr schwierig ist es jedoch, auf diese Weise ein Viertel lebend zu isoliren und zwar ist mir das nur mit Hilfe einer anderen Methode gelungen, die im Ab- schnitt IVb eingehender dargelegt werden soll: es wurden die Eier auf dem Vierzellenstadium stark gedrückt, so stark, dass die Eihaut zum Platzen gebracht wurde, es isoliren sich dann bei einem nicht geringen Theile derselben einige Furchungszellen von selbst. Beginnen wir jetzt mit der Darlegung der Phänomene, welche die Dreiviertelstücke in ihrer Entwicklung darbieten. Fig. 1 stellt ein gut gelungenes Versuchsobjekt dar; das eine Viertel ist bis aufs letzte durch das Schütteln fortgeschafft. Man sieht, dass die drei Zellen sich nicht etwa engan einander legen, vielmehr be- halten sie ihren Platz; der Anschluss der Zellen ist ja überhaupt, wie schon in I betont wurde, bei Echinus microtuberculatus, meinem Objekt für diese Versuche, nicht groß, schon bei Sphaerechinus ist er stärker ausgeprägt, bei anderer Thiere Eiern (Ascidien, Frosch etc.) be- kanntlich noch weit auffälliger. Ich erwähne jedoch, dass bisweilen auch bei den Dreiviertelgebilden von Echinus jede Zelle jede andere berührt. Zunächst theilt sich nun jede Zelle in zwei gleiche: das typische Achtzellenstadium, dem ein Viertel (=?/;) genommen; darauf schnürt von jezwei einem Viertel entstammenden Zellen die eine eine Mikromere ab, während die andere sich gleich theilt: wir erhalten die Fig. 2, wieder das Serenka’sche Bild, dem ?/,, fehlen (vergleiche wie überhaupt im Folgenden, die nach SerenkA [30] kopirten Bilder A—(0). Ich bin in dieser Untersuchung, wie in den folgenden, über das Studium des 16- (resp. bei doppelt befruchteten Eiern 32-) Stadiums nur hinausgegangen, wenn etwas wesentlich Neues dadurch zu eru- iren war. Hier beschließen wir unsere Betrachtung der normalen Furchung der Dreiviertelstücke mit dem 16-Stadium, in dem wir kurz zusammen- fassen: in der großen Mehrzahl der Fälle furchen sich die Zellen des Dreiviertelgebildes, wie sie sich gefurcht haben würden, wäreihreMembranintakt und das fehlende Viertel zugegen gewesen. In der Mehrzahl der Fälle ist dies so, nicht in allen. Ich habe im Theil I die Erscheinung beschrieben, dass im Halbsechzehnstadium oft nicht das typische Halbschema Serenka’s sondern acht gleiche Zellen 6 Hans Driesch,. Entwicklungsmechanische Studien. II, 7 auftraten. Dasselbe gilt hier: besonders hei solchen Objekten, deren drei Zellen sich enger berühren, kommt es bisweilen vor, dass das 12-Zellenstadium (—=°/, vom 16-Stadium) lauter gleiche Zellen auf- weist, oder ein Mikromere oder zwei, sowie dass Abweichungen von der typischen in Fig. 2 dargestellten Lage auftreten. Es dürfte jedoch nicht lohnend sein auf diese Verhältnisse nähen einzugehen, und zwar aus folgenden Gründen: Im TheilI habe ich den eben geschilderten Fällen zu Liebe die Hypo- these aufgestellt, es möge die erste Furche hier eine andere Bedeutung gehabt, sie möge, kurz gesagt, nicht rechts und links, sondern animalen und vegetativen Pol geschieden haben. Derselbe Glaube an die Unver- änderbarkeit des Typus der Furchung ließ mich damals auch auf die Art des Schlusses der Blastula (ob die Pole erhalten blieben etc.) be- sonderes Gewicht legen; ich dachte unter Anderem: wenn auch nicht die einzelnen Zellen, so hätten doch wohl die einzelnen der bei der »normalen« Furchung auftretenden koncentrischen Zellenkreise eine be- stimmte Beziehung zum künftigen Organismus. Kurz, dies Alles dachte ich ; nachdem ich mich aber, wie weiterhin zu schildern sein wird, über- zeugt habe, dassman die Furchung ohne Störungder späteren Entwicklungin jeder Hinsicht ganz gründlich modificiren kann, wird meine ganze Auseinandersetzung hinfällig und abweichende Furchungsbilder am Dreiviertelgebilde erheischen weder eine be- sondere Hypothese noch ein besonderes Interesse. Welches hier die die Furchung modifieirenden Faktoren sind, wissen wir zwar nicht, dass aber deren vorhanden, ist Angesichts des doch immer ziemlich kräftigen Eingriffs wohl einzusehen. Am nächsten Morgen ist aus den Dreiviertelgebilden eine muntere Blastula geworden, sie stülpt sich ein, ist am dritten Tage schon typisch dreieckig und wird bald ein typischer Pluteus, der sich nur durch etwas geringere Größe vom normalen unterscheidet. Ich habe mir jeden dieser Plutei besonders genau angesehen auf seinen dreigliedrigen Darm und sein Skelett hin; beides war stets ganztypisch, namentlich auch das Skelett an beiden Seiten völligsymmetrisch ausgebildet, also nicht etwa eine Seite schwächer als die andere. Die einzige scheinbare Ausnahme von dieser Regel bestand darin, dass in einigen wenigen Fällen der eine der beiden langen Arme etwas kürzer war als der andere. Die gleich mitzutheilenden Zahlen werden zeigen, .wie wenig solcher Fälle auf die Zahl der Plutei kommt, die auch hinsichtlich der Arme völlig symme- trisch waren. Abgesehen davon aber ist gar nicht selten auch bei nor- malen Larven ein Arm kürzer als der andere, oft auch eilt ein Arm dem 8 Hans Driesch, anderen im Wachsthum voraus, so dass Längenunterschiede nur zeit- weilig bestehen. Wenn ich nur die Fälle aufzähle, in denen ich Dreiviertelgebilde über die Gastrula hinaus brachte, so sind dies 24. Von diesen 24 Larven starben vier auf dem Stadium der Prismaform (Skelett beiderseits gleich angelegt, Mundfeld völlig symmetrisch), von den übrigen 20, welche sämmtlich die Pluteusform erreichten, war bei fünf der eine Langarm kürzer als der andere, während 15 in jeder Hin- sicht typische Plutei lieferten. Dies Resultat, ganz wesentlich günstiger als das meiner Triester Versuche, wird lediglich durch die bessere Qualität des Wassers bedingt sein (weniger Bakterien, wenig- stens vor März), andererseits benutzte ich nur filtrirtes Seewasser. Die Entnahme einer Zelle des Vierzellenstadiums hindertalso beiEchinus die Entstehung einer normalen Larve durchaus nicht. Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung isolirter Viertelstücke. Wie schon erwähnt, kam hier ganz vorwiegend die Methode der Druckwirkungen (Dauer des Druckes 15—20 Sekunden) zur Anwen- dung. Über die Furchung brauche ich nicht viel zu sagen, da ich schon Gesagtes wiederholen müsste: in der großen Mehrzahl der Fälle furcht sich das isolirte Viertel gerade so, als ob es im normalen Zellverband läge; die Fig. 3—6, Stadien desselben Eies dar- stellend, geben eine gute Vorstellung davon, Fig. 6 repräsentirt das 1/,32-Stadium (vgl. Serenka). Auch hier kommen Abweichungen der Furchung bisweilen vor, Fig. 7 z. B. stellt ein Stadium von vier gleichen Zellen dar (1/, 16-Stadium) anstatt des in Fig. 5 dargestellten Bildes, auch hier sind diese Abweichungen ohne große Bedeutung. Recht interessant ist das in Fig. 8—10 dargestellte Phänomen; Fig. 8 bringt zwei Achtel zur Anschauung, die sich von einem auf dem Achtstadium gepressten Ei isolirten; das Folgende zeigt dass beide Achtel dem Mikromerenpol angehörten, dann in Fig. 9 haben beide Mikromeren gebildet; in Fig. 10 haben sich die Mikromeren ein- mal (in eine größere und eine kleinere Mikromere) getheilt, während sich jede der großen Zellen zweimal theilte: der Vergleich mit den Abbil- dungen Srrenka’s ergiebt, dass die betreffenden Zellen sich im Verband ganz eben so verhalten haben würden. Was nun die aus den Viertelstücken hervorgehenden Larven be- trifft, so liegen hier. die Verhältnisse ganz wesentlich ungünstiger als in den anderen Fällen. Ich habe 40 Versuche zu verzeichnen, in denen das Objekt nicht schon von Anfang der Isolirung an todt war; von ne Ze u a hi Eee a 0 Entwicklungsmechanische Studien. Ill. 9 diesen 40 starben während der Furchung 14, die übrigen 26 brachten es zu typischen kleinen munteren Blastulen, aber das war in der ganzen ersten Zeit meiner Versuche Alles. Auffallend war dieErscheinung, dass manche dieser Blastulae sehr lange lebten ohne sich zu verändern, so habe ich ein solches Gebilde vom 24. Januar bis zum 5. Februar gezüchtet; es bekam an einem umschriebenen Bezirk auffallend lange Wimpern, aber nichts weiter. Endlich jedoch, als ich schon annehmen zu müssen glaubte, es sei hier etwa der selbständigen Entwicklungsfähigkeit der Furchungszellen ein Ziel gesetzt, gelang es mir doch noch, auch hier dieselbe zu kon- statiren und zwar in acht von den erwähnten 26 Fällen. Eine Larve ' hatte den Urdarm etwa halb gebildet und starb dann, zwei wurden typische Gastrulae, eine zeigte bereits die Prismenform, als sie starb, zwei zeigten dieselbe und zugleich den Beginn der typischen Darm- gliederung und zwei Larven endlich gelangten zum Beginn der Pluteus- form, indem ihr Mundfeld, Skelett und Darm in typischer Weise aus- gebildet waren, wenn auch ihre Arme. sehr kurz blieben. Aber auch in diesen Fällen war die Entwicklung (im Gegensatz zu den Dreiviertel- stücken) auffallend gegen die normale verzögert. Es mag hier doch ein tieferer Grund für diese Erscheinung vor- liegen; zumal ich die Versuche gleichzeitig mit den so glücklich ver- laufenen Dreiviertelversuchen ausführte (in eben so behandeltem, also etwa eben so viel Bakterien etc. bergendem Wasser), vermag ich die- selbe äußerlich nicht zu erklären. Sollte man vielleicht in Erwägung ziehen, dass mit abnehmender Größe der Krümmungsradius der Bla- stula immer kleiner, also die Spannung ihres Epithels immer größer wird? Allgemeine Erörterungen auf einen besonderen Abschnitt ver- _ sparend, schließe ich diesen Theil meiner Studien mit dem Hinweis auf entsprechende Versuche CHagry’s (3). Dieser Forscher beobachtete sowohl solche Dreiviertelstadien, deren vierte Zelle spontan abgestorben war, als auch solche, bei welchen er sie nach seiner sinnreichen Methode getödtet hatte. Wenn wir von Nebensachen absehen, so erhielt CGmaury in der Mehrzahl der Fälle Larven, deren ganzer Aufbau durchaus typisch ge- nannt werden muss. Ich eitire ein Beispiel (p. 308): La larve possede une queue longue et bien developpee, une corde dorsale parfaitement normale et anim&e de mouvements. Il existe une tache pigmentaire superficielle situ&e sur le tronce A la base de la queue, et un organe de fixation. Get animal rejeta les enveloppes de l’oeuf, A l’exception de la membrane du teste dans laquelle il demeura enferme&, il secreta une 10 Hans Driesch, tunique de cellulose qui, au moment de la mort, etait deja parsemee de cellules migratrices. La forme generale de la larve £taig satisfaisante. Einzelne Viertel hat Cuasry (wie häufig, sagt er nicht) bis zur Gastrula gebracht: le developpement ne va pas au delä. Wie ich schon seiner Zeit hervorhob, lehren also die Versuche des französischen Forschers, obschon er das nicht besonders betont, das- selbe wie die meinigen. ©. Herrwıe (16) stimmt mir in dieser An- sicht bei. Wir haben also gesehen, dass ein Viertel, ‘die Hälfte und Drei- viertel des Furchungsmaterials bei den Echiniden je eine völlig ent- wickelte Larve erzeugen können. Wir werden im Verlauf des Folgenden noch nebenbei Fälle kennen lernen, die dies Resultat erweitern, die erlauben, es nicht auf diese bestimmten Brüche einzuschränken; nur scheint es, als sei mit abnehmender Größe (Spannungsverhältnisse?) der Fähigkeit eines beliebigen Furchungszellenhaufens zur normalen Ent- wicklung eine Grenze gesetzt. IV. Experimentelle Veränderung des Typus der Furchung und ihre Folgen (Wirkungen von Wärmezufuhr und von Druck). a. Von der Veränderung der Furchung durch Wärmezufuhr. Eine Bemerkung in SeLenka’s »Seeplanarien« (29), dass er bei ab- norm hoher Temperatur geringe Abweichungen der Furchung beobachtet habe, führte mich dazu, das genauere Studium dieser Frage in mein Arbeitsprogramm aufzunehmen. Ich beschreibe meiner obigen Ankündigung gemäß zunächst, wie ich dabei vorging. Als Objekte dienten wieder die Eier von Sphaer- echinus granularis und Echinus microtuberculatus (viel geeigneter als der andere); da beide im’Wesentlichen gleiche Resultate ergaben, wird es später nicht nöthig sein, sich auf einen von ihnen besonders zu beziehen. Etwa 10 Minuten nach der Befruchtung wurden die Eier folgen- dermaßen untergebracht: auf einen gewöhnlichen Objektträger ward ein I—2 mm dicker, 10 mm weiter Glasring mit etwas Süßwasser festgelegt, zwei höchstens drei gut befruchtete Eier wurden dann mit der Pipette auf ein Deckglas mittlerer Größe in einen kleinen Tropfen Wasser gebracht, das Deckglas ward umgedreht und auf den Ring gelegt; durch leichtes Stoßen gelingt es nun leicht, den im Fall zu großer Kleinheit hängenden Tropfen auch mit dem Objektträger in Berührung zu bringen. War das geschehen, so wurde der außerhalb u WERD BES ne ri Serra u 2 a ni karl 1 TE a a a u Entwieklungsmechanische Studien. IV. 11 des Ringes befindliche Raum zwischen Objektträger und Deckglas mit Süßwasser ausgefüllt und das nunmehr fertige Präparat auf einem Schachteldeckel in den Paraffinofen gesetzt. Dieser war für Sphaer- echinus auf 30— 31° GC., für Echinus auf 26°C. erhitzt. In Intervallen, die ich allmählich praktisch zu bemessen lernte, wurden die Eier für Besichtigung und Zeichnung dem Ofen entnommen und möglichst bald wieder hineingehracht. Der Flüssigkeitstropfen, in welchem sich die Eier befinden, stellt also einen Cylinder von sehr geringer Höhe mit kapillar gekrümmter Seitenwand dar; die Verdunstung von letzterer in den kleinen Innen- raum des Ringes hinein, welcher außerdem durch das umgebende Süß- wasser mit Wasserdampf versorgt wird, kann nur minimal sein. Um aber ganz sicher zu konstatiren, dass die im Folgenden mitzutheilenden Erscheinungen durch die Wärme und nicht etwa durch stärkere Kon- centration in Folge von Verdunstung oder durch Sauerstoffmangel her- vorgerufen sind, habe ich eine Reihe Kontrollversuche in Präparaten gleicher Art aber außerhalb des Ofens vorgenommen und weder wenn ich gewöhnliches Seewasser benutzte (ein solches Kontrollpräparat ward übrigens zu jedem Versuch gemacht), noch auch mit ziemlich stark, jedenfalls viel stärker, als es im Ring möglich war, verdampftem Wasser die nun gleich zu schildernden Phänomene beobachtet. Da die Wärme nicht nur die Furchung verändert, sondern auch die einzelnen Furchungskugeln schädigt, ist es im Interesse der Auf- zucht der Larven geboten, die Präparate nicht unnöthig lange der Wärme auszusetzen; sowie daher der Moment der (anormalen) 16-Theilung zu erwarten stand, wurde das Präparat definitiv aus dem Ofen entfernt, die Theilung noch genau beobachtet und gezeichnet, und das oder die betreffenden Eier, die sich interessant erwiesen, nach vorsichtigem Rückgängigmachen aller oben geschilderten Präparatmanipulationen in Salznäpfchen mit gut filtrirtem Seewasser von Zimmertemperatur über- tragen. Für Erzielung von Zwillingen durch Wärme ist es, wie gesagt, rathsamer, die Eier wesentlich länger der Wärmewirkung auszusetzen; freilich ist ein nicht geringer Bruchtheil derselben dann stark ge- schädigt. Fast jedes Ei furcht sich unter Wärmewirkung etwas anders, doch lässt sich ein gemeinsames als »in Wärme normal« zu bezeichnendes Schema oder vielmehr eine Reihe von solehen Schemen auffinden. Im Gegensatz zu diesen stehen dann Furchungsbilder von typisch patholo- gischem Habitus (Wiederverschmelzungen von Zellen, Kern- ohne Zelltheilung ete.), auf die ich hier nur beispielsweise eingehen werde. Gerade die Erscheinungen der Furchung in höherer Temperatur 12 ’ Hans Driesch, werden vielleicht einst der Erforschung der eigentlichen Furchungs- mechanik dienstbar sein können; ich betone aber nochmals, dass in dieser Arbeit die angeregten Fragen Nebensache, das Morpholo- gische dagegen Hauptsache sein soll. Die Zweitheilung der Versuchsobjekte, die, wie in einem An- hang etwas näher zu erörtern sein wird, wesentlich früher eintritt als bei niederer Temperatur, bietet meist folgendes Bild (Fig. 41 und 14). Es gewähren, kurz gesagt, die einander zugewandten Flächen bei- der Furchungszellen den Eindruck, als wären sie aus einander gerissen worden; sie berühren sich nicht, lassen vielmehr einen deutlichen Zwischenraum frei, erscheinen von der Kante gesehen unregelmäßig zackig, und oft ist selbst von einer der Zellen ein Stück Protoplasma in Tropfenform abgerissen, das jedoch wieder mit ihr verschmelzen kann. Bei der normalen Zweitheilung der Echiniden pflegt, was hier nur kurz erwähnt sei, eine Reihe wohl charakterisirter Stadien auf einan- der zu folgen; einem Trennungsstadium mit lockerer Berührung der Kugeln, das unmittelbar nach der Theilung erscheint, folgt ein Stadium engen Anschlusses (resting stage: Wırson bei Renilla[35]; auch sonst), während dessen der Kern sich ordnet, größere Abrundung und Tren- nung der einzelnen Zellen geht dann wieder der nächsten Theilung vorher. Diese Perioden, welche jede Furchungsepoche des normalen Echi- nideneies kennzeichnen, fehlen ihm in höherer Temperatur in den allermeisten Fällen; die zerrissene Trennung bleibt während des ganzen Zweizellenstadiums bestehen. Wohl giebt es individuelle Unterschiede, aber diese beziehen sich doch mehr auf die Reizschwelle, wenn man so sagen soll, als solche, d. h. Eier, die genannte Erscheinung nicht dar- bieten, würden sie zeigen bei etwas erhöhter Temperatur; bei einer Temperatur, bei der jene vielleicht schon abstürben. Das vierzellige Stadium kann ganz normalen Habitus besitzen, meist aber treten gewisse Verschiebungen der Zellen ein, gleichsam Versuche zur Tetraederstellung, zu der es jedoch fast nie kommt; die Abbildungen 12 und 15 ersetzen hier den Text. Die Trennung der Zellen mit zerrissenen Flächen, beim Zweistadium so typisch, Kehrt nicht oder doch nur undeutlich wieder: Fig. 19 zeigt ein Objekt, bei welchem die Zweiertrennung geblieben ist, die Viererzellen unter sich aber ein typisches » resting stage« durchmachen. Mit dem Gesagten hängt es, wie gesagt, wohl zusammen, dass Zwillinge in Wärme so häufig sind, Vierlinge sehr selten und Mehrlinge überhaupt nicht vorkommen. Entwicklungsmechanische Studien. IV. 13 Vom achtzelligen Stadium an beginnen die Abweichungen vom normalen weit interessanter zu werden. Nur in einem sehr kleinen Bruchtheil der Fälle ist dasselbe bei den angewandten Temperaturen normal. Fig. 18 zeigt die geringste der vorkommenden Abweichungen: drei der Spindeln stehen einander parallel, die vierte bildet mit ihren Richtungen einen Winkel von etwa 45°. Die Folge ist eine abweichende Lage eines Zellenpaares, kurz charakterisirt dadurch, dass der eine der beiden vierzelligen Ringe (der untere, matt gezeichnete der Figur) zwar geschlossen ist, der andere aber nicht. | Gehen wir zu Fig. 24 über, so sehen wir den Winkel, den eine Spindel mit den drei anderen bildet, 90° betragen: das eine Zellen- paar hat sich senkrecht zu den anderen getheilt; in Fig. 22 und (be- sonders typisch) 23 ist das mit zwei Zellenpaaren der Fall, ähnlich Fig. 13, und bei den Abbildungen 16 und 21 endlich ist die anor- male Theilungsweise bei allen vier Zellenpaaren auf- ‘getreten. Die Spindeln sind einander nicht mehr im Raume parallel, sondern sie bilden Winkel mit einander, mehr oder weniger mit der Tendenz sich alle in dieselbe Ebene zu stellen. Anstatt der zwei über einander liegenden Viererkreise, die das Achtzellen- stadium normalerweise darstellt, finden wir nahezu einen Achter- kreis, allerdings durch geringe Verschiebungen gestört. Wir können der Thatsaehe auch folgenden Ausdruck geben: die vier Zellen des einen Poles liegen typisch beisammen (z. B. die vier mittleren der Fig. 21); diejenigen aber, welche den anderen Pol bilden sollten, liegen überhauptnicht am Polund noch weniger zusammen, sondern zu je zweien an den Seiten des ganzen Gebildes. Das sechzehnzellige Stadium soll normalerweise durch das Auftreten von vier Mikromeren an einem Pol gekennzeichnet sein; es hat in der That ein sehr typisches, wohl ausgeprägtes Aussehen ; was wird in unserem Falle daraus? Dass nach Achtstadien, wie die in Fig. 22, 23, 21, 16 dargestellten ein 16-Stadium mit typischer Lagerung nicht mehr herauskommen kann, wird nicht Wunder nehmen, aber die Abweichungen vom nor- malen gehen noch viel weiter. Es unterbleibt in erhöhter Temperatur die Mikro- merenbildung ganz oder theilweise. Bei Echinus ist überhaupt nie, bei Sphaerechinus ganz außer- ordentlich selten, ein Stadium mit vier Mikromeren (ganz abgesehen von sonstiger atypischer Lage) aufgetreten. 14 Hans Driesch, Es können drei Mikromeren auftreten, die vierte Zelle aber, die eine Mikromere liefern sollte, theilt sich zu gleichen Theilen, oder es bilden sich zwei Mikromeren (Fig. 26, 27) oder nur eine (Fig. 25) oder endlich keine, vielmehr entsteht ein Zellenhaufen von 16 völlig oder nahezu gleichen Elementen (Fig. 17, 28, 30). Auf Fig. 30 weise ich besonders hin, da sie die 16 Zellen typisch in vier Portionen geordnet zeigt, ein Bild, das wir bei doppelt befruch- teten Eiern wieder antreffen werden; es ging hier ein nahezu tetra-. edrisch geordnetes Vierzellenstadium voraus. Im Übrigen ist es zwecklos näher auf die Lagerungsverhältnisse einzugehen; sie sind natürlich im Großen und Ganzen eine Folge der Lagerung des Achtzellenstadiums. Unter den mehreren Hunderten von Eiern, die ich in erhöhter Temperatur untersuchte, habe ich kaum zwei völlig identisch gelagerte Stadien gefunden. Es ist seltsam, dass einem, wie gesagt bisweilen vorkommendem, normal gelagerten Achterstadium, durchaus nicht ein typisches 16-Sta- dium zu folgen braucht, dass vielmehr, nachdem die Wärme bisher, wenn man so sagen soll, ihren Einfluss noch nicht geltend machte, jetzt sogar ein Stadium von lauter gleichen Zellen resultiren kann. Über das 16-Stadium wollte ich nicht hinausgehen; ich weise nur kurz auf Fig. 29 hin, die den einen Pol eines 32-zelligen Gebildes dar- stellt; es sind (das zugehörige 16-zellige Stadium — Fig. 28 — zeigte 16 gleiche Elemente) sechs Mikromeren und eine (vorn links) mittelgroße Zelle vorhanden; alles Übrige ist von gleicher Größe. Ehe wir auf ein Paar theoretische Punkte eingehen, und dann das weitere Schicksal der so abnorm gefurchten Eier verfolgen, theile ich als Beispiel ohne eingehendere Diskussion eine völlig pathologische Fur- chung mit: Auf normale Theilung (Fig. 31) folgte ein nicht zerrissenes, vielmehr eng geschlossenes Zweizellenstadium, die Zellgrenze ver- schwand (Fig. 32), zugleich mit der Viertheilung trat sie wieder auf (Fig. 33), die Viererzellen verschwanden nunmehr (Fig. 34), wir haben scheinbar zwei Zellen mit je zwei Kernen; in jeder der Scheinzellen thei- len sich die Kerne (Fig. 35), darauf simultaner Zerfall in vier und drei Zellen (also noch eine zweikernige Scheinzelle) (Fig. 36); nun folgt wieder Verschmelzung zu vier Scheinzellen, deren zwei vier Kerne enthalten, während die beiden anderen sechs resp. zwei besitzen (Fig. 37); die Kern- zahl repräsentirt zugleich den Werth in Sechzehnteln. Nun zerfällt Alles in gleich große Zellen bis auf die $/,.-Scheinzelle (Fig. 38); diese folgt bald nach und es resultirt somit ein Stadium von 16 gleichen Zellen. Ähnliches, immer etwas abweichend, habe ich, zumal bei Echi- nus, sehr häufig beobachtet. EN \ Entwicklungsmechanische Studien. IV. 15 Ich betonte schon oben die Wichtigkeit, welche diese Ermitte- lungen des Einflusses von Wärmezufuhr auf die Furchung für die dabei in Frage kommenden physikalisch-physiologischen Probleme besitzt. In dieser Hinsicht muss man sich bewusst sein, dass unser Gegenstand streng genommen zwei Probleme umfasst, die kurz formulirt etwa lau- ten würden: erstens: der Furchungstypusist veränderbar, zweitens: die Wärmeistein verändernder Faktor. Verzichten wir für diesmal auf nähere Diskussion des zweiten Problems und beschränken wir uns auf das erste. Die Furchung ist veränderbar in zwiefacher Hinsicht: nach La- gerung der Elemente und nach Habitus (Größenverhältnisse) der einzelnen Theile; der erste Punkt ist hier nicht so frappant, wie bei später zu schildernden Versuchen, der zweite dürfte den großen »morphologischen« Werth der »Mikromeren« zunächst wenigstens bei Echiniden doch etwas bedenklich erscheinen lassen. Doch da wirin diesem Abschnitt nicht theoretisiren wollen, so inter- essirt uns zunächst die Frage: was wird denn aus den so gänzlich ab- weichend gefurchten Eiern? Wofern die Wärme nicht auch histologische Schädigungen hervor- rief, die ein frühzeitiges Absterben der Gebilde bedingen, entwickeln sieh die abnorm gefurchten Eier zu ganz typischen Plutei, denen ihre eigenartige Entstehung auch nicht im gering- sten anzusehen ist. Meine positiven Versuche in dieser Hinsicht zählen nach vielen Dutzenden. Wenn wir uns also möglichst vorsichtig ausdrücken wollen, können wir sagen: Es ist durch die vorstehend mitgetheilten Versuche der Beweis geliefert, dass geringeLageveränderungender Furchungszellen und ein modifieirter Typus der Furchung die Entstehung eines normalen Organismus in keiner Weise beeinträchtigt. Wir werden im nächsten Abschnitt er- kennen, dass der hier in strenger Folgerichtigkeit angewendete vor- sichtige Ausdruck durchaus unnöthig ist, dass es uns vielmehr erlaubt ist, diesem Satze die allerkrasseste Form zu ertheilen. Mit zwei Bemerkungen will ich diesen Abschnitt schließen. Man könnte geneigt sein, anzunehmen, dass die Produktion von Zwillingen etwa stets eine Folge des Stadiums von 16 gleichen Zellen sei und dass umgekehrt aus normalen 16-Stadien nie Zwillinge hervor- gingen. Beide Vermuthungen sind unrichtig: jeder der mitgetheilten 16 Hans Driesch, sechzehnzelligen Typen (Fig. 25, 26, 30) kann einfachen Gebilden und jeder (auch die »normale« Furchung, wie ja übrigens meine früheren Versuche zeigen) kann Zwillingen den Ursprung nehmen. Eine beson- dere »Zwillingsfurchung« wie sie Vepovskyv für Allolobophora trapezoides annehmen zu müssen glaubt, existirt bei Echiniden jedenfalls nicht. Die Modifikationen der Furchung durch Wärme sind nicht etwa Druckwirkungen, derart, dass die lebende Masse stärker durch die Wärme ausgedehnt würde, als die Eimembran. Ich habe an im Ofen abgefurchten Eiern in großer Zahl Messungen des größten Membran- durchmessers und des größten Durchmessers der lebenden Masse an- gestellt und durchaus keinen Unterschied von den Maßverhältnissen an Eiern derselben Befruchtung, die in Zimmertemperatur sich gefurcht hatten, konstatiren können. Die Wärmeausdehnung der fraglichen Gebilde kann nur eine außerordentlich geringe sein. Wie aber nun die Wärme wirken mag, darüber wollen wir diesmal nicht spekuliren. Anhang zu IVa. Über die beschleunigende Wirkung der Wärme auf die Entwicklung des thierischen Eies. | Dass die thierische Entwicklung in höherer Temperatur schneller vor sich geht, als in niederer, ist zwar eine bekannte und oft nebenbei geäußerte Thatsache, trotzdem dürfte es nicht überflüssig sein, einen genau durchgeführten Versuch dieser Art mitzutheilen: Tabelle (Sphaerechinus) 13/, p. befruchtet. Zeit | Zimmer ca. 19° C. | Ofen 31°C. 26./X. 3 p. Kerntheilung im Beginn - Alle Eier in 2 3,20 in 2 Kernspindeln zur Vierthei- lung deutlich 4,25 | in 4 in 8 4,55 meist in 8, einige noch in 4 in 46 27./X. 91/1 a. Blastula Gastrulation begonnen 2 p. Gastrulation beginnt eben Typische Gastrula 28./X. 9a. Prismenform, Darm noch | Typischer Pluteus mit ungegliedert | langen Armen Die Versuche sind in größeren Gefäßen angestellt, in kleinen Näpfchen oder gar in den Präparaten würden sich die Larven im Ofen nicht halten. Es wird also sowohl die Furchung, als auch die nachfolgende Faltenentwicklung beschleunigt. Beide verhielten sich (Studie II) be- Entwieklungsmechanische Studien. IV. 17 kanntlich hinsichtlich der Geschwindigkeit ihres Verlaufes gegen alle Lichtsorten gleich. Dass auch die Faltenentwicklung allein, ohne vorherige Beschleu- nigung der Furchung, in ihrem Verlaufe durch Wärmezufuhr gefördert wird, haben mir andere Versuche gezeigt, bei welchen Blastulae, die vorher gemeinsam aufgezogen waren, zum Theil in den Ofen gebracht, zum Theil im Zimmer gelassen wurden. b. Von der Veränderung der Furchung durch Druckwirkungen. Angesichts der Bedeutung, welche dieser Abschnitt für die Be- urtheilung des Wesens der thierischen Entwicklung besitzt, will ich die Darstellung etwas mehr, als es bisher zu geschehen brauchte, spe- eialisiren. 1. Methode. Ich will zunächst mittheilen, wie ich auf diese Versuche kam. Anderer Zwecke halber, in denen ich bisher noch kein Resultat erhielt, lag mir daran, Eier Druckwirkungen auszusetzen; mir waren ferner die von Roux (27) und Prrücer (22) beobachteten Folgewirkungen von Drucken bekannt. Als ich dann an meinen Versuchsobjekten die gleich mitzutheilenden Erscheinungen auftreten sah, wurde mir die Bedeutung, welche ein näheres Studium gerade dieser für die Frage nach der Prä- disposition der Furchungszellen habe, klar und ich widmete ihnen etwa die letzten sechs bis acht Wochen meines Neapler Aufenthaltes. Die Ausführung der Versuche ist sehr einfach: ich legte ein Stück von einer mittelstarken Borste quer auf den Objektträger, dem einen Ende des letzteren genähert; brachte einen Haufen Eier mit nicht zu wenig und nicht zu viel Seewasser etwa in die Mitte desselben und legte ein rechteckiges Deckglas auf Eier und Borste. Die so herge- stellten Präparate kamen dann unter eine mit Wasserdampf möglichst gesättigte Glocke, um die Verdunstung einzuschränken. 2. Orientirende Vorversuche. Man wird sich von vorn herein vergegenwärtigen können, welch’ eine Reihe von Bildern die Eier beim Längsabstreifen des Präparates mit dem Mikroskope gewähren. In der Nähe der Borste sind die Eier gar nicht beeinflusst (Fig. 39), weiter von ihr entfernt wird der Hori- zontaldurchmesser des Eies bereits stark vergrößert, derjenige derMem- bran nur mäßig: die Folge ist eine Verkleinerung des Zwischenraumes zwischen Ei und Membran (Fig. 40 und 41); bald sind diese zu enger Berührung gekommen (Fig. 42), und nun dehnen sie sich gemeinsam Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. LV. Bd. 9 18 Hans Driesch, bis zu beträchtlichem Durchmesser aus (Fig. 43, 44) bis endlich, der Borste entgegengesetzt, völlig zerflossene Eier angetroffen werden. Diese Beschreibung gilt jedoch nur, so lange die Eihaut intakt bleibt. Das ist nun durchaus nicht immer der Fall, und zwar herrschen bezüglich der Resistenzfähigkeit derselben die allergrößten individuellen Unterschiede. Zunächst kommen häufig partielle Berstungen der Eihaut vor; das Ei quillt aus der entstandenen Öffnung heraus, es zwängtsich hin- durch (Fig. 45 und 46, der Lage nach etwaFig. 42 entsprechend), was uns die Membran als ein relativ starres Gebilde erscheinen lässt. Oder aber — und zwar wie auch das vorige bei Eiern bestimmter Weibehen fast ganz allgemein, bei denen anderer fast gar nicht — die Membran reißt weit auf, entlässt das Ei sofort ganz und liegt wie ein Stück Wursthaut gefaltet daneben. Für die Kenntnis der Natur der Membran sowie des Aggregat- zustandes des Eies sind derartige Versuche natürlich von Interesse, ich unterlasse aber, als unserem diesmaligen Zwecke fernliegend, ein näheres Eingehen auf dieselben und will sie nur als orientirende Ein- leitung zum Folgenden betrachtet wissen. Die Fragen also, wie das Geschilderte, namentlich die Berührung von Ei und Membran zu Stande kommt, wo die Zwischensubstanz zwischen beiden (gleichgültig welcher Natur) bleibt u. s. w., überlassen wir späteren Studien. Nur Eines interessirt uns noch hier: ist das Ei mit erhaltener Membran gequetscht, so wird durch Aufheben des Druckes die Defor- mation sofort oder allmählich (je nach Dauer der vorausgegangenen Wir- - kung) rückgängig gemacht; ja man kann durch abwechselndes Verstär- ken und Nachlassen des Druckes, etwa durch Daraufschlagen mit einer Nadel, das Ei gummiballartig seine Dimensionen verändern sehen. Der Leser wird über diese Auseinandersetzung, die uns scheinbar ganz fern liegt, vielleicht schon ungeduldig geworden sein, er wird sich fragen, was diese Versuche mit völlig linsenförmig gequetschten, also doch wohl todten Eiern hier sollen; aber das ist gerade das Wichtige für uns: Selbst Eier wie das in Fig. 44, jain A5 und 46 darge- stellte sind nicht todt, sondern können mehrere Stunden dem Druck ausgesetzt sein und sich unter seiner Wirkung furchen und später, von ihm befreit, weiter entwickeln. Jadasselbegilt von Eiern, deren Membran völlig beseitigt ist: die Membran ist also für den Mechanismus der Furchung überflüssig, was ja übrigens meine Versuche über Theilbildungen ebenfalls lehren. Gerade die Eier ohne Membran werden uns die interessantesten Resultate geben. Entwicklungsmechanische Studien. IV, 19 Beginnen wir, um die Abnormitäten in steigernder Progression darzu- stellen, mit Betrachtung der Entwicklung der 3. Eier mit erhaltener Membran, Verfolgen wir zunächst ein Ei vom Typus etwa der Fig. 42; die Membran, nur schwer erkennbar, liegt dem Ei eng an; sein Durch- messer in horizontaler Richtung ist etwa verdoppelt; natürlich nimmt im Laufe der Zeit der Einfluss der Druckwirkung, da allmählich mehr Wasser ausgepresst wird und auch zum Theil verdunstet, zu, wie die Dimension der beiden gleich genannten Figuren, die bei derselben Ver- größerung gezeichnet sind, lehren. Über die Zweitheilung ist wenig zu sagen; die Furche ist scharf, eine Unterscheidung verschiedener Etappen äußerlich unmöglich; das vierzellige Stadium (Fig. 47) zeigt die Querfurche sehr deutlich, den Ausdruck des Prineips der kleinsten Flächen. Das Fundamentale, das die ganzen folgenden Erscheinungen, wie die soeben geschilderten, beherrscht, tritt nun jetzt schon hervor: bei allen Eiern dieser Drucksphäre, so wie auch in Sphären schwächeren Druckes, wofern er nur überhaupt merklich ist, stehen die Kern- spindeln horizontal, also die Furchen vertikal. Die Spin- deln stellen sich also senkrecht zur Druckrichtung, dass ihnen noch eine unendliche Mannigfaltigkeit der Stellung offen bleibt, ist ja klar, aber eine der Variablen, welche dieselbe bestimmen, ist konstant geworden. Man sieht also in den Drucksphären alle Furchungszellen neben einander, nicht über einander. Dass dies nicht ein Einfluss der Schwerkraft ist, ist von O. HerrwıG überzeugend nachgewiesen (14) und auch von mir wiederholt bestätigt. Die erwähnte Regel, deren Diskussion wir einstweilen aufschieben, gilt in der Drucksphäre der Fig. 42 für Eier mit Membran streng bis zum 16-Stadium, sie gilt für die Sphäre der Fig. #0 und A1 ebenfalls bis zum 4-Stadium stets und bis zum 8-Stadium meist. Hieraus ergiebt sich das Nächste als Folge: Im Vierstadium stellen sich in den allermeisten Fällen die Spindeln tangential (Fig. 47), es resultirt ein eng gepresster Kranz von acht Zellen (Fig. 48), doch giebt es Ausnahmen, in denen eine Spindel radial steht (Fig. 50), es wird dann eine Zelle eingeschlossen. | Beim 16-zelligen Stadium gesellt sich dem einen Erfahrungs- gesetze der Theilung in der jetzt betrachteten Drucksphäre (Fig. 42) noch ein Weiteres hinzu: die Unterdrückung der Mikromeren, und zwar allermeist die völlige, doeh kommen auch (namentlich zwei) 9%* En TER ne 20 Hans Driesch, Mikromeren bisweilen vor. Sage ich nun noch, dass sich die Spindeln für das 16-Stadium mit nicht häufigen Ausnahmen (Fig. 49) sämmtlich radiär stellen, so ist die Fig. 51 eine nothwendige Folge des Gesagten: ein äußerer und ein innerer Kranz von je acht Zellen: das ganze Gebilde eine Platte. Ehe ich zu Sphären geringeren Druckes übergehe, sei noch einer Erscheinung kurz gedacht, die auch Caasry (4) bei Druckwirkungen an Ascidien beobachtete ; ich meine seine »segmentation born&e au noyauc; das Entstehen vielkerniger Zellen. Fig. 54 zeigt ein Ei, bei dem trotz Vorbereitung zur 16-Theilung die Wandbildung ganz, Fig. 55 ein sol- ches, bei dem sie theilweise unterdrückt ist. Also die zweite Analogie mit den Wärmeversuchen (cf. Fig. 35 etec.). In Zonen schwächeren Druckes ist, wie gesagt, das Spindel- stellungsgesetz nur bis gegen das achtzellige Stadium hin streng; die Mikromeren sind meist ganz, bisweilen theilweise unterdrückt, die Bilder (Fig. 52 und 53, bei letzterer die Membran nicht gezeichnet) haben große Ähnlichkeit mit denen der Wärmeversuche. Ähnliche Bilder gewähren nun auch die in den Fig. 49 und 51 dargestellten Eier, wenn man die Druckwirkung aufhebt und die Ob- jekte in einen Wassernapf spült; die Deformation wird im Laufe kurzer Zeit rückgängig gemacht (oft nicht völlig), und die Eier sind, wie gesagt, von solchen, die unter mittelstarkem Druck gelegen hatten, oft schwer unterscheidbar; meist wird man sagen können: sie stellen zwei Kreise von je acht Zellen dar. Wir haben also als Resultat unserer Versuche — bei denen, das beachte man wohl, die Membran intakt war — 16-zellige Stadien erhalten mit oft ziemlich erheblichen Lageveränderungen der Zellen und ohne Mikromeren; immerhin Stadien von ganz wesentlich anderem Habitus als dem normalen. Nach dem früher Gesagten wird man nun auch hier eine normale Entwicklung vermuthen, und nicht mit Unrecht: sind durch die nament- lich während der häufigen Besichtigung nicht zu vermeidende Verdun- stung die einzelnen Zellen nicht gar zu sehr geschädigt, so dass bald der Tod eintritt (auch das Aufheben des Druckes und die folgende Ge- staltsänderung ist oft eine Todesursache), so entwickeln sich die wie beschrieben abnorm gefurchten Eier zu typischen Plutei. Isolirte Aufzucht einer sehr großen Zahl derselben stellte dies absolut sicher. Mit der Bemerkung, dass auch, falls man Eier erst im ruhenden Vierstadium dem Drucke aussetzt, die nächsten Theilphasen, wenigstens in der starken Druckzone, von dem erwähnten Stellungsgesetz der Entwicklungsmechanische Studien. IV. 21 Spindeln beherrscht werden, schließe ich die Betrachtung derjenigen Eier, deren Membran während der Druckwirkung intakt blieb, und wende mich der Betrachtung derjenigen Fälle zu, in denen das Ei sich ganz oder theilweise von seiner Membran befreite. 4, Eier ohne Membran. Das vierzellige Stadium dieser Eier gewährt, abgesehen von den Unregelmäßigkeiten seines Umfanges, in der Mehrzahl der Fälle kein besonders abweichendes Bild. Bisweilen jedoch tritt eine auffallende Erscheinung ein: die vier Zellen liegen statt im Kreise zusammen in einer Reihe (Fig. 56), oder nur drei liegen zusammen, die vierte abseits, wie es Fig. 65, auf die wir noch näher zurückkommen werden, zeigt. Hebt man die Druckwirkung auf, so ordnen sich die einzelnen, vorher gedrückten, Furchungszellen solcher Eier zu Kugeln, der vorher enge Anschluss wird sehr locker und es resultirt ein viergliedriges rosenkranzartiges Gebilde (Fig. 57). Wenden wir uns nunmehr gleich dem achtzelligen Stadium zu, welches dasjenige, worauf es hier ankommt, noch besser illustrirt, jedoch mit dem Vorbehalt auf Fig. 65 zurückzukommen. Die Fig. 58 ist aus einem ziemlich normal gelagerten Viererstadium hervorgegangen; von ihrer gestreckten Form abgesehen unterscheidet sie sich im Princip der Lagerung ihrer Elemente nicht von gepressten Eiern mit Membran, etwa von Fig. 48. Während aber Eier der letzterwähnten Kategorie nach Aufheben des Druckesdie abnorme Lagerungihrer Zellen mehr oder minder rück- gängig machen, tritt bei den membranlosen Gebilden gerade das Gegentheil ein; meist unter Abrundung der Elemente (Fig. 59), auf die allerdings wieder ein Ruhesta- dium in Form engeren Anschlusses folgen kann (Fig. 60), behalten dieselbenihre abnorme Lagerung bei,japrägen sie wohl gar schärfer aus. So sehen wir auf beiden citirten Ab- bildungen zwei Reihen zu je vier Zellen neben einander liegen, eine achtzellige Platte. Die nächste Theilung dieser vom Druck befreiten Gebilde — ihre Lebensfähigkeit vorausgesetzt — geschieht nun, wofern nicht die Kern- spindel bereits unter Druck horizontal angelegt war, stets senkrecht zu der Fläche, welche die Mittelpunkte ihrer Kerne bil- den: es resultirt eine zweischichtige Platte, in jeder Schicht liegen acht Zellen. In den meisten Fällen ergiebt diese Theilung gleiche Zellen, bisweilen finden sich eine oder zwei Mikromeren; so haben sich ee ER er »2 = ap) Hans Driesch, zum Beispiel die in der Fig. 60 mit & bezeichneten Zellen in gleiche Theile über einander getheilt, während die beiden anderen dort, wo angedeutet, je eine Mikromere abschnürten. | Waren andererseits die (horizontalen) Kernspindeln auf dem 8-Stadium unter Druck schon angelegt, so geschieht auch nach Auf- hören desselben die Theilung in der durch sie vorgeschriebenen Rich- tung, so in Fig. 64, deren Objekt aus einem der Fig. 59 ähnlichen Achterstadium hervorging, bei der Mehrzahl der Elemente (NB. es ist eine Mikromere vorhanden!). Das Resultat ist also in diesem Falle eine Vergrößerung der in derselben Ebene liegenden Zellenanzahl, man erhält Bilder, die mit später zu erörternden (Fig. 61, 63) große Ähn- lichkeit besitzen und sich auch eben so verhalten. Die Thatsache nun, dass sich Stadien, wie diein Fig.59 und 60 dargestellten, welche sich senkrecht zu der durch sie bestimmten Ebene theilen und so eine doppelschich- tige Platte von je acht Zellen in einer Schicht bilden, dass sich diese zu normalen Plutei zu entwickeln vermögen, widerlegt für die Echiniden die Lehre von der speecifi- schen Bedeutung der einzelnen Furchungszellen, oder anders gesagt, das Hıs’sche Prineip der Keimbezirke de- finitiv. Ich gehe gleich hier, die Besprechung des 16-Stadiums einstweilen verschiebend, auf eine kurze Erörterung dieser fundamentalen That- sache ein, da die Verhältnisse bei Eiern von acht Zellen weit leichter zu überschauen sind, als bei jenem Stadium, ohne dass durch die größere Komplikation bei ihm etwas Neues gewonnen würde. Wir nehmen Fig. 59 als Beispiel: ohne Druckwirkung würden die vier mittleren Zellen einen Kranz bilden, sagen wir den oberen; die je zwei seitlichen Zellen würden unter ihm sich zum Kranze ordnen und den unteren Pol bestimmen: es ist also zunächst klar, dass das- jenige, was unten hingehört, seitlich liegt, sowie ferner, dass das, was zusammengehört, getrennt liegt. Die nun folgende Theilung, welche die zweischichtige Platte schafft, bewirkt, dass diese fundamentale Verlagerung unter keinen Umständen rück- gängig zu machen ist: Im Stadium der einschichtigen achtzelligen Platte werden beide Pole des ganzen, wenn der Ausdruck erlaubt ist, durch obere und untere Seite derselben vier Mittelzellen gebildet. Indem sich diese nun, wie ja alle Zellen, senkrecht zur Platte theilen, bestimmen an der zweischichtigen Platte _vier der Theilprodukte den einen, die übrigen vier den anderen Pol. Die erwähnte Theilung aber bestimmt zugleich die Lage der Fürchungshöhle, denn alle nun folgenden a N Entwicklungsmechanische Studien. IV. 33 Theilungen geschehen tangential, das Gebilde wird nie kompakt, wie ja auch in normaler Entwicklung nie; alle Zellen betheiligen sich an Bildung der Oberfläche. Somit aber bestimmt die zweischichtige Platte schon den Umfang der Blastula und die Persistenz der großen Verlagerung auch an ihr ist bewiesen. WaseinenPolbilden sollte, bildet die beiden Seiten, und was den anderenPol bilden sollte, das bildet beide Pole. Auf die klare Erkenntnis dieser Verhältnisse kommt Alles an. ‘Was die Larvenbildung aus abnormen 8-Stadien von der ange- gebenen Form betrifft, so ist sehr viel Besonderes darüber nicht zu sagen. Wenn die Eier nicht schon während der Furchung (dann meist bald nach Aufheben des Druckes) sterben, kommen sie auch fast stets zum Pluteus. Die Blastula ist zuerst, der Form des 8-Stadiums ent- sprechend, ausgeprägt wurstförmig, doch vollzieht sich der Ausgleich zur Kugelform, mit geringen Ausnahmen, bald, noch vor Beginn der Einstülpung; wie derselbe zu Stande kommt, welche Kräfte hier wir- ken, vermag ich nicht zu sagen. Die Plutei werden sämmtlich sehr genau studirt und (Darm, Skelett, Arme) durchaus normal befunden. Die nähere Betrachtung des 16-zelligen Stadiums gepresster Eier ohne Membran wird uns nunmehr dazu dienen, das Gesagte aufs Neue zu bestätigen. | Entsprechend dem von uns aufgestellten Erfahrungssatze, dass di Stellung der Kernspindeln stets senkrecht zur Druckrichtung erfolgt, stellt das 16-zellige Stadium unserer Untersuchungsobjekte eine aus 16 Zellen bestehende Platte dar; einzelne Zellen rücken bisweilen, aber selten, nach einer Seite hin aus dem Plattenverbande heraus (Fig. 63). Während der Wirkung des Druckes mehr oder minder aus einander gepresst (Fig. 61, zwei Mikromeren), runden sich die Elemente bei Nach- lassen derselben kugelförmig ab, und wir erhalten Bilder, wie sie die Fig. 62 und 63 darstellen: im Großen und Ganzen Platten von 16 neben einander liegenden Gebilden. Sofern nicht schon unter Druck die folgenden Spindeln horizontal (in Richtung der Platte) angelegt waren, gehen analog den Verhältnissen beim achtzelligen Stadium, die nächsten Theilungen senkrecht zur Richtung der Platte vor sich: es resultirt ein aus zwei Schichten be- stehendes Gebilde. Von den Zellen der Fig. 62 zum Beispiel haben sich diejenigen, deneni die Spindel eingezeichnet ist, ihrer-Richtung ent- sprechend getheilt, alle mit & bezeichneten Elemente dagegen theilten sich senkrecht zur Platte. Auch aus diesen nunmehr zweischichtigen Platten 7 . 2 24 Hans Driesch, gehen typische Pluteihervor; die Blastula ist zunächst der Form der Furchungsstadien entsprechend linsenförmig gestaltet, eine Defor- mation, die sich eben so wie die oben erwähnte wurstförmige Gestalt noch vor der Urdarmbildung ausgleicht. Dieselben theoretischen Erörterungen, welche oben angestellt wurden, zu wiederholen, hat keinen Zweck. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass hier die Materialverwendung nun wieder eine andere wird als bei denjenigen Eiern, die ich im Achterstadium vom Druck befreite, oder mit anderen Worten: wäre das Ei, das im 16-Stadium der Druckwirkung ent- zogen ward, ihr schon im Achtstadium entzogen worden so würden seine Elemente andere Rollen zu spielen be- rufen sein, als sie es jetzt sind und natürlich erst recht andere, als dann, wenn man sich das ganze normal hätte entwickeln lassen. Die Zellen zum Beispiel, die bei Befreiung auf dem Achtstadium den oberen Pol gebildet hätten, indem sich bei Zu- standekommen des 16-Stadiums alle Zellen senkrecht zur Ebene des ganzen! getheilt hätten, kommen jetzt, indem sich bei Zustandekommen des 16-Stadiums alle Zellen in der Ebene des ganzen theilen, neben den unteren, und diejenigen Zellen, die jetzt den oberen Pol bilden, wären sonst neben den unteren zu liegen gekommen, da ja alle wei- teren Theilungen tangential verlaufen, und so fort, wie einfache Über- legungen zeigen. Ich beschließe dieses Kapitel, indem ich noch auf eine nähere Er- örterung der besonders instruktiven Fig. 65—68 eingehe. Fig. 65 zeigt uns, bereits vom Druck befreit, ein Viererstadium von seltsamem Habitus; die Membran ist an einer Stelle geplatzt, im Übrigen gefaltet, und hat vermuthlich (beobachtet ist dies hier nicht) schon vor den Theilungen einem Theile des Eies den Austritt gewährt: jetzt jedenfalls sind drei zusammenliegende Viertel des Eies noch von der (wohl ziemlich lockeren) Membran umgeben, das vierte liegt für sich, allerdings mit einem der anderen in Kontakt. Da die Spindeln für die nächste Theilung noch unter Druck angelegt waren, ergiebt dieselbe als Achterstadium nahezu eine Platte (Fig. 66). Die nächste Theilung ergiebt nun ein seltsames Bild: indem im Großen und Ganzen die Theilungen senkrecht zur Ebene des Ganzen erfolgen, bilden sich im Inneren der Membran zwei Mikromeren, während alle anderen Theilungen gleiche Portionen ergeben. | Nun mache man sich wieder klar, welche fundamentalen Ab- 1 Wenn man will: radiär, falls man nämlich die Platte als Kugel mit unend- lich großem Radius auffasst, Be 3 L Entwicklungsmechanische Studien. IV. 25 weichungen dieses Bild von der entsprechenden Figur SeLEnka’s (0) darbietet, und wenn ich mittheile, dass gerade auch aus diesem Ge- bilde zunächst zwar eine etwas verzogene Blastula (Fig. 68), dann aber ein typischer Pluteus hervorging, wird man gestehen müssen, dass schon dieser eine Fall genügen würde, die Lehre von der specifischen Bedeutung der Furchungszellen bei den Echiniden zu widerlegen. Ich hatte erwartet, aus dem soeben beschriebenen Gebilde Zwil- linge (!/; + ?/s) hervorgehen zu sehen, war aber in dieser Erwartung getäuscht worden. Es ist mir aber sonst in einer kleinen Zahl von Fällen begegnet, dass die plattenförmigen 16-Stadien mehrfachen Blastulen (zweien oder dreien) den Ursprung gaben: so war das in Fig. 64 dargestellte Ei Abends typisch in zwei Portionen geordnet, abgefurcht, und gab zwei getrennte Blastulae, die beide zu typischen kleinen Plutei wurden. In anderen Fällen fand sich im Gefäß, das ein solches 16-Stadium auf- genommen hatte, am anderen Morgen eine große und eine kleine Bla- stula, letztere oft höchstens ein Achtel repräsentirend; weiter ent- wickelt haben sich diese kleinen Stücke nie, als muntere Blastula allerdings zwei bis drei Tage gelebt. Das größere Theilstück jedoch wurde in solchen Fällen stets zum normalen Pluteus, falls es nicht starb. Es liegt natürlich gar kein Grund vor anzunehmen, dass das kleine abgetrennte Stück nun gerade !/, oder !/; des Ganzen gewesen sei, es kann doch wohl eben so gut ?/ig oder ?/3, oder andere Brüche repräsentirt haben. Dass Eier, denen man !/, nimmt, sich normal entwickeln, wissen wir bereits (III); wir werden das dort Gelernte also wohl dahin er- weitern können, dass wir sagen: Man kann, ohne die Entwicklungsfähigkeit aufzuheben, dem Furchungsmaterial beliebige Bruchtheile nehmen, wenn nur der bleibende Rest eine gewisse Größe, die kleiner oder gleich !/, ist (), nicht unterschreitet. Und wenn wir weiter dasjenige kurz zusammenfassen wollen, was wir über die Bedeutung der Furchung in diesen letzten Abschnitten lernten, werden wir, damit zugleich den vorsichtigen Ausdruck, den wir am Schlusse des Wärmekapitels gebrauchten, erweiternd, zu dem Schlusse kommen: dass die Furehungskugeln der Echiniden als ein gleichartiges Material anzusehen sind, welches man in beliebiger Weise, wie einen Haufen Kugeln durch einander werfen kann, ohne dass seine normale Entwick- 26 Hans Driesch, lungsfähigkeit darunter im mindesten leidet. Fälle, in denen ein vom Normalen fundamental abweichender Furchungstypus experimentell erzeugt oder auch nur nebst nachfolgender Entwicklung beobachtet worden wäre, sind bisher nicht bekannt gewesen; was sich bei Rovx (26), Rauser (24), Harzez (43) und Cuasry (3) über Fur- chungsmodifikationen findet, betrifft doch nur Verschiedenheiten im Aneinanderstoßen der Theilwände unter steter Wahrung des Prineips der kleinsten Flächen. Fundamentale Lageänderungen des Materials, namentlich der Zellkerne und ihrer Umgebung, worauf es wohl, wie wir später noch erörtern werden, vor Allem ankommt, wurden dabei nicht beobachtet. Es mag daher dieser kurze Hinweis auf die genannten Arbeiten genügen. Was andererseits die von Wııson (35) beobachteten Furchungsmodifikationen bei Renilla betrifft, so ist in erster Linie das zeitweilige Unterbleiben der Wandbildung mit dann folgendem simul- tanen Zerfall zu nennen, und zwar in allen möglichen Variationen. Auch bildet Wırson einige Stadien ab, in denen analog meinen Wärme- versuchen die Form und Lagerung der Zellen wohl nicht ganz normal ist; doch werden gerade diese Verhältnisse mehr beiläufig behandelt, auch über etwa ermittelte Veranlassungen nichts mitgetheilt. Da zudem etwaige Materialverlagerungen, wenn vorhanden, nur sehr gering ge- wesen sein dürften, so können wir es auch hier bei diesen wenigen Worten bewenden lassen. Anhangsweise Bemerkung. Von dem Einfluss der Druckwirkung auf die Stellung der Kernspindeln und von dem Prineip der kleinsten Flächen. Ich gehe hier noch mit einigen Worten auf die bereits im vorigen Hauptabschnitt berührten Stellungsverhältnisse der Kernspindeln unter Druck ein, wobei ich das Wenige, das in der Litteratur über Ähnliches existirt, kurz würdigen will. Ich setze diese Betrachtung außerhalb des Rahmens meiner diesmaligen Studien, da sie, wie ich des öftern betonte, dem jenen von mir absichtlich gegebenen Plane fern liegt, ich aber doch die Aufmerksamkeit schon jetzt gern auf diesen Punkt lenken möchte. Die sämmtlichen im Vorstehenden beschriebenen, so überaus vom Normalen abweichenden Furchungsbilder, waren im Wesentlichen da- durch bedingt, dass sich die Kernspindeln parallel der drückenden Platte oder, anders ausgedrückt, senkrecht zur Druckrichtung stellte. Nach einem von O. Herrwıs gefundenen, allgemein bestätigten Satze, ist dann die Theilungswand in ihrer Richtung ebenfalls bestimmt, indem sie auf der Spindelrichtung wenigstens annähernd senkrecht , 2 vy Man Entwicklungsmechanische Studien. IV. 27- steht. Während also alle Spindeln in unserem Falle einer Ebene parallel sind, sind alle Wände einer Geraden, und zwar der Resultanten der Druckwirkung parallel. | Es liegen zwei hierher gehörige Beobachtungen in der Litteratur vor, die eine von Prtüser (22), die andere von Roux (27), beide be- ziehen sich auf Froscheier. PrLüger hat Froscheier zwischen vertikale Glasscheiben gepresst; es stellte sich sodann die erste Theilungswand stets senkrecht auf die drückenden Platten, also parallel der Druckrichtung; bisweilen standen die beiden zweiten Furchen der ersten parallel, wo nicht, so doch auch senkrecht auf die Platten gerichtet. Weiter gehen die Beobachtungen nicht. Prrücer schließt aus ihnen, dass die Kernspindel sich in Rich- tung des geringsten Widerstandes einstelle. Rovx andererseits beobachtete an Froscheiern, welche in eine enge Glasröhre aspirirt waren, zum Theil starke Verlängerung, zum Theil linsenförmige Abplattung in Richtung der Röhre (wenn wir von kegel- förmig deformirten Eiern absehen). Die erste Furche stand nun bei fast allen Eiern senkrecht zur Röhre, »so dass die verlängerten Eier ihrer kleinsten und ein Theil der linsenförmigen Eier ihrer größten Durchsehnittsfläche nach halbirt wurden. Bei nur wenigen Eiern stand die erste Furche in Längsrichtung der Röhre. ... . am häufigsten bei den linsenförmigen Eiern, so dass also, wie bei allen stark in Richtung der Röhre verlängerten Eiern, längs der kleinsten Dimensionen getheilt wurde«. Eine bestimmt formulirte Hypothese für diese Erscheinung giebt Roux nicht; er weist nur die Ansicht zurück, den deformirenden Druck ohne Weiteres als direkte Ursache in Anspruch zu nehmen, »da er bei den länglichen und linsenförmigen Eiern in verschiedenen recht- winklig zu einander stehenden Richtungen wirken muss, während die Theilung beider oft parallel erfolgte«. Ferner »könnte der kleinste Theilungswiderstand eine Prädisposi- tion abgeben, wogegen aber spricht, dass bei der zweiten Theilung der zuerst quer getheilten linsenförmigen Eier die Theilungsebene der größten Fläche folgte «. Meine eigenen Versuche haben in Analogie mit den PrLüser’schen so unzweideutig die Einstellung der Spindeln (und zwar der acht ersten Spindeln) senkrecht zur Druckrichtung und das Auftreten der Wände senkrecht zur drückenden Platte ergeben, dass ich doch nicht umhin kann, hier eine tiefere Beziehung zu erblicken, wennschon ich die Schwierigkeit derjenigen linsenförmigen Eier in Roux’s Versuchen, deren Theilwand senkrecht zur Röhre stand, nicht verkenne; vielleicht be- seitigt eine nähere Untersuchung, die unter Anderem auf die Anwesen- 28 Hans Driesch, heit von Substanzen erheblich verschiedenen specifischen Gewichts im Froschei Rücksicht nimmt, dieselben. O. Herrwic (1%) hat bekanntlich den Satz aufgestellt, die Lage der Kernachse stehe »in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Form und Differenzirung des ihn umhüllenden protoplasmatischen Körpers«, derart, dass sie sich einstellt „in der Richtung der größten Protoplasmaansammlungen der Zelle« Wir wollen dieses empirische Gesetz als Satz I, das oben erwähnte, welches von der Stellung der Wand zur Spindel handelt, als Satz II bezeichnen. Ich möchte nun darauf hinweisen: dass, wenn die Spindel dem größten Protoplasmadurchmesser folgt (Satz I), die Wand ferner auf der Spindel senkrecht steht (Satz II), und endlich größter und kleinster Protoplasmadurchmesser zu einander normal sind, sich ohne Weiteres ergiebt, dass die Theilwand eine Fläche minimaeareae sein muss, d. h. specialisirt: von allen Flächen die das gegebene Gebilde zu gleichen Portionen theilen können, die kleinste. So wäre also das von BErTHoLD (2) in die Biologie eingeführte, von mir (8, 9) und neuerdings von Dreyer (5) in seiner Wichtigkeit für die thierische Eifurchung betonte Princip der kleinsten Flächen, unter bestimmten (bei symmetrischen Gebilden realisirten) Voraus- setzungen eine Folge der Herrwıe’schen Sätze. Aber wird dadurch nicht eine Schwierigkeit geschaffen? Das ge- nannte Prineip sollte doch die Äußerung physikalischer Kräfte sein, sei es nun von Oberflächenspannung bei flüssigen Gebilden wie den Furchungszellen oder von Druckwirkungen bei den elastischen Pflanzenzellmembranen (Gewebespannung); und nun weisen wir es als Folge eines Vorganges nach, der doch zunächst (siehe VI. 1) jeden- falls als physiologisch zu bezeichnen ist? Die Spindel stellt sich nach Herrwıc so, dass die Fläche, weil sie auf ihr senkrecht steht (Satz II) ein Minimum wird. Schon Zimmermann hat das Bestimmtsein der Wandrichtung durch die Spindelstellung gegen den physikalischen Charakter des fraglichen Princips verwerthet, ohnefreilich die Beziehung des Herrwie’schen Satzes I zu der Minimalleistung zu bemerken. Auf folgende Weise dürften wir aus dem Dilemma herauskommen: Der Satz der rechtwinkligen Stellung der Spindel und Wand (Satz II) bedingt die Lage der einzelnen Wand; je nach Gültigkeit des Satzes I wird diese ein Minimum oder nicht; wir können vielleicht sagen, sie wird immer ein Minimum, so weit die Bedingungen es ge- statten, sofern wir nämlich Ausnahmen (Roux’s linsenförmige Eier; siehe ferner BerruoLo [2] p. 230) nicht auf Rechnung der Ungültigkeit der Herrwıg’schen Sätze, sondern auf Rechnung dessen setzen, dass Entwicklungsmechanische Studien. V. 29 größter und kleinster Durchmesser der plasmatischen Masse in solchen Fällen nicht auf einander senkrecht stehen. Das wäre der physiologische Theil des Princips; er bezieht sich, wie gesagt, auf die einzelne Wand. Der physikalische Theil dagegen bezieht sich auf die Gesammt- heit der Wände. Indem wir für die Konfiguration dieser wenigstens, was die Furchung angeht, wohl Oberflächenspannung! verantwortlich machen, können wir sagen: unter dem Einfluss dieses Organs wird die Summe der Flächen ein Minimum, so weit es die Bedingungen des Systems gestatten, wobei wir unter den Bedingungen die er- wähnte Stellung von kleinstem und größtem Durchmesser sowie even- tuell die Gültigkeit der Sätze I und II verstehen. Sind letztere erfüllt, ‚sind sie also wirklich »Gesetze«, so ist bei stetem Senkrechtstehen der betreffenden Durchmesser der zu theilenden Zelle das Minimum abso- lut, sonst ist es relativ. Gerade bei Pflanzenzellnetzen dürfte die Konfiguration des Protoplasmas häufig Gelegenheit zu relativen Mini- mis bieten; auch ist hier die sekundäre Bildung eines absoluten Mini- mums wegen der festen Natur der Zellwände wohl unmöglich oder doch nur in jungen Gebilden ausführbar; bei Kapillaritätswirkung dagegen ist sie nothwendig, so dass hier relative Minima nicht stabil sein können. Das durch die »Bedingungen« entstandene Relativmini- mum kann hier streng genommen nur unendlich kurze Zeit bestehen. Wir glauben somit das Princip der kleinsten Flächen in zwei Kom- ponenten verschiedener Natur aufgelöst zu haben. Sollte sich einst diejenige, welche wir der Vorsicht halber jetzt noch als physiologische bezeichneten (Satz I und II) ebenfalls physikalisch auffassen lassen, so dürften die beiden Komponenten vielleicht wieder zusammenfallen. Auch jetzt schon aber dürfen wir in den erörterten Erscheinungen einen physikalischen Kern und jedenfalls mehr als eine bloße Regel des Erscheinens vermuthen. V. Von der Furchung doppelt befruchteter Eier. Der Titel dieses Abschnittes ist in so fern inkorrekt, als das Ein- dringen zweier Spermatozoen in die Versuchsobjekte nicht beobachtet wurde; es wurden vielmehr solche Eier zum Studium ausgewählt, ! Die neuen Forschungen BürtscaLr's, sowie die Erscheinungen des Gleitens der Zellen an einander (wie bei Seifenblasen) u, v. a. sprechen entschieden dafür. Eine eingehendere Behandlung, wie gesagt, behalten wir uns vor. An meinen Fig. 48, 49, 50, 54, 55, 58, 60 etc. kann der Leser das Zusammenstoßen von nie mehr als drei Flächen in einer Kante deutlich wahrnehmen, was nach PLATEAU (23) und LAmArLE (18) eine mathematische Folge des Princips der Minimalflächen ist. 30 Hans Driesch, welche simultanin vier Theile zerfielen. Nach den Unter- suchungen von For (10) und den Gebrüdern Herrwıc (17) ist man be- rechtigt, solche Eier als doppelt befruehtet anzusprechen!. Die Furchungserscheinungen doppelt befruchteter Seeigeleier haben, obschon dieselben häufig gesehen sind, seltsamerweise noch nie eine eingehende Behandlung erfahren; aus diesem Grunde, und um die Frage der Beziehung der Doppelbefruchtung zur Mehrfachbildung noch- mals zu prüfen, nahm ich die vorliegende Untersuchung in die Hand. Zuerst operirte ich lediglich mit den Eiern von Sphaerechinus, einem wegen seiner relativen Dunkelheit wenig geeigneten Objekt. Sehr erschwerend ist dazu noch der Umstand, dass nicht zwei der Objekte sich völlig gleich verhalten. Man kommt mit Sphaerechinus wohl bald bis zum 16-Stadium (Doppelachtstadium) ins Reine, aber gerade der interessanteste Punkt, das Doppelsechzehnstadium, entzieht sich der genauen Beobachtung (Konstatirung der Theilungsart jeder Zelle) fast immer. So war es mir denn sehr lieb, als ich auch den Echinus für meine Zwecke verwenden konnte und hier Gelegenheit fand, die Resultate, zu denen ich beim Studium der Eier des anderen successive gekommen war, beinahe an einem Tage mit Sicherheit zu bestätigen. Je nach der Lagerung, welche die vier aus der ersten Theilung hervorgehenden Zellen einnehmen, danach, ob sie im Kreise mit einem kleinen Kanal zwischen sich (wie normale 4-Stadien), oder ob sie mehr oder minder tetraedrisch geordnet sind, lassen sieh zwei Typen der Furchung unterscheiden. Beginnen wir mit der Behandlung desjenigen Modus, der sich dem 1 Zwar haben die Gebrüder Herrwıc (47) simultane Viertheilungen auch an solchen Eiern beobachtet, welche sie »nach Ablauf der Befruchtung« mit Chinium sulfuricum behandelten. Nach der näheren Schilderung dieses Verhaltens, welche genannte Forscher mittheilen, werden wir jedoch mit Recht solche Fälle in unserem Untersuchungsmaterial nicht vermuthen dürfen, abgesehen davon, dass man nicht einsehen könnte, woher hier eine so specifische Wirkung rühre, während »Schwä- chung« einzelner Eier, wie sie zur Doppelbefruchtung benöthigt ist, sich bei den großen Differenzen, welche die einem Weibchen entnommenen Eier darbieten, stets mit Wahrscheinlichkeit voraussetzen lässt. Was die speciellen Angaben über die mit Chinin behandelten Eier betrifft, so sollen dieselben »in vier unregelmäßige Stücke« zerfallen sein, was bei meinen Objekten nie der Fall war, ferner »wurde der weitere Entwickilungsgang immer mehr unregelmäßig, indem die Theilprodukte sehr ungleiche Größe erhielten«, während meine Beobachtungen ein so einfaches ‚Gesetz erkennen lassen; die Blastulae waren »monströs«, meine zuerst stets glashell und munter; namentlich aber theilte sich bei meinen Objekten der Kernnicht»wesentlich verspätet«,sondernstets zu derselbenZeit, zu welcher die anderen Eier desselben Weibchens in zwei Stücke zerfielein etc. etc, “= Be T Er Entwicklungsmechanische Studien. V. 31 kreisförmigen 4-Stadium anschließt, und den ich aus bald ersichtlichen Gründen, obschon er bei Weitem der seltenere ist, den normalen Modus der Doppelfurchung nennen will. Auf die meridionalen Furchen, die simultan das 4-Stadium en vorgehen ließen, folgen wiederum meridionale: das Resultat ist ein achtzelliger Kranz (Fig. 69), wie ihn etwa F. E. Scauze für Sycandra abbildet. Durch eine äquatoriale Trennungsebene entsteht dann das 16-zel- lige Stadium: es stellt zwei über einander liegende Kränze von je acht gleichen Zellen dar (Fig. 70), wenn man von geringen Verschie- bunsen der Elemente absieht z. B. im unteren Kranz der Figur). 5 \ 5S Was lehrt das bisher Beschriebene? aus folgender Übersicht ersehen. Wir werden das am besten | Normales Ei Doppelt befruchtetes Ei 41. Phase Eine meridionale Furche!. 2. Phase |Eine meridionale Furche senk- recht zur ersten (halbirt den von dieser bestimmten — gestreck- | ten — Winkel). 3. Phase | Eine äquatoriale Furche zerfällt jede Zelle in zwei gleiche; es re- sultiren acht gleiche Zellen, in einander liegend. Zweizu einander senkrechte meri- dionale Furchen. Zwei zu einander senkrechte meri- dionale Furchen ; halbiren die von den beiden ersten bestimmten — rechten — Winkel. Eine äquatoriole Furche zerfällt jede Zelle in zwei gleiche; es re- sultiren 46 gleiche Zellen, in zwei Kreisen zu je acht über einander liegend. | zwei Kreisen zu je vier über Der Rhythmus der ganzen Theilung ist also in streng- ster Weise doppelt aufgetreten: das 16-Stadium der zwei- fach befruchteten Eier ist also nicht das 16-Stadium der normalen Furchung (mit vier Mikromeren), sondern es ist das Doppelte ihres 8-Stadiums. Zur Entstehung des normalen 16-Stadiums nun theilt sich der eine Kranz (nicht genau durch einen Breitenkreis, sondern etwas schräg) in gleiche Theile, der andere schnürt nach einem Pol zu vier Mikromeren ab. Die Fig. 71 zeigt uns, dass auch hier die doppelt befruchteten Eier die von uns ausgesprochene Regel befolgen: der eine Kreis des 16-Sta- diums hat sich schräg in gleiche Theile getheilt, der andere schnürt nach einem Pol zu acht Mikromeren ab. Es ist nun eine eigenartige Erscheinung — und damit gehe ich zur Darstellung des anormalen Modus der Doppelfurchung über — dass Lageverschiebungen der vier ersten Zellen diese so über- i Ich beziehe das Wort Furche hier auf das ganze Gebilde, nicht auf die ein- zelne Zelle. ee ee EEE. VE SER 32 Hans Driesch, sichtliche Regel stören. Fig. 72 (Echinus) und 76 (Sphaerechinus) stellt uns typisch tetraedrische Stadien dar. Durch eine radiäre Wand nun (tangentiale Spindel) theilt sich jede der Zellen in zwei: das 8-Stadium wird also von vier tetraedrischen Packeten zu je zwei Zellen gebildet (Fig. 73). Das 16-(Doppelacht-)Stadium, beim normalen Modus 16 gleiche Zellen in zwei Kränzen, setzt sich hier zwar auch aus gleichen Elementen zusammen ; indem es sich aber dadurch bildet, dass jede Zelle der vier Zweierpackete durch eine Wand senkrecht zu der bereits im Packet vorhandenen halbirt wird, stellt es sich als vier tetraedrisch geordnete Haufen ä& vier Zellen dar, und gewährt einen wesentlich anderen höchst charakteristischen Anblick (Fig. 74, 77); je nach Ausprägung der tetraedrischen Lagerung des vierzelligen Stadiums ist auch diejenige der vier Packete mehr oder weniger (z. B. Fig. 75) deutlich. Es wurde im Abschnitt Illa, als ich von der Mehrfachbildung durch Wärmewirkung handelte, hervorgehoben, dass, falls das Furchungs- material sich unter ihrem Einfluss in Portionen sonderte, woraus dann meist die Mehrlinge hervorgingen, diese Sonderung mit seltenen Ausnahmen in zwei Abtheilungen stattfand; es waren dort selbst- verständlich nur einfach befruchtete Eier verwendet worden. Es ist nun hier eine beachtenswerthe Erscheinung, dass, falls (aus unbekannten Gründen) eine Portionensonderung statthat, dieselbe sich stets, der Tetraederordnung entsprechend, in vier Theile gliedert. Diese durch Fig. 77 gut illustrirte Erscheinung ist, zumal bei Sphaer- echinus, ziemlich häufig, hat jedoch, wovon unten Weiteres, nur einmal zur Mehrfachbildung geführt. Kurz sei hier auch darauf hingewiesen, dass enger Anschluss der Zellen — vorwiegend bei Echinus — bis- weilen zu völliger Wiedervereinigung der Zellen, zur Bildung mehr- kerniger Scheinelemente führen kann, wie wir es gelegentlich der Wärmeversuche geschildert haben. Dieses Phänomen tritt besonders am 4-Stadium und 8-Stadium auf, in dem etwa am ersten eine große, zweikernige, und zwei normale Zellen auftreten. Näheres Eingehen auf diese Dinge dürfte jedoch zunächst wenig Interesse bieten. Was nun die Bildung des Doppelsechzehn-Stadiums bei unseren Objekten angeht, so sollte man erwarten, dass von jedem der vier vierzelligen Packete zwei Zellen sich zu gleichen Theilen furchten, während die beiden anderen Mikromeren abschnüren würden; es wäre dann, abgesehen von der Lagerung, doch nach Zahl und Art der Zellen der Typus der normalen Doppelfurchung gewahrt. Dies ist aber nicht der Fall; so weit meine ziemlich zahl- reichen Beobachtungenreichen, bildet kein tetraedrisches Objekt Entwicklungsmechanische Studien. V. 33 acht Mikromeren, sondern vier oder sechs, und zwar möchte ich den Thatbestand in folgendem Satz zusammenfassen: Von den Zellen jedes der vier Packete sind zwei be- fähigt Mikromeren zu bilden; sie thun es (eine oder beide) nur dann, wenn es vermöge der Lageordnung möglich ist, dass ihre Mikromeren sich mit den von denanderen Packeten gebildeten zusammenlagern können; nie liegen Mikro- merenandifferenten Stellen. | Es soll dieser etwas teleologisch klingende Satz nichts weiter sein, als ein möglichst knapper Ausdruck für die sämmtlichen verschiedenen Fälle, die ich zur Beobachtung bekam. So entstanden in Fig. 7% z. B. sechs Mikromeren, von denen die zwei des roth markirten Packetes durch geringe Verschiebung sich den. anderen vier zugesellten, so dass alle sechs, in zwei Reihen geordnet, beisammen lagen; es ist hier klar: hätte das (untere) blaue Packet Mikromeren gebildet, anstatt sich in gleiche Theile zu spalten, so hätten dieselben vermöge der Anordnung des Ganzen die übrigen auch durch (doch stets nur geringe) Verschiebungen nicht zu erreichen vermocht, wären vielmehr durch andere Zellen von ihnen getrennt geblieben. In Fig. 75 entstanden nur vier Mikromeren, und zwar von jedem Packet (jeder Farbe) eine; auch hier sieht man mein Princip ohne Weiteres bestätigt. Beobachteten wir nicht auch bei den Versuchen mit Wärme und Druck, dass, falls Mikromeren vorhanden, sie immer beisammen lagen? Mit dem Satze: bei der Furchung doppelt befruchteter Eier tritt jede Zellenkategorie doppelt auf, sofern nicht Einflüsse der Lage störend eingreifen, beschließe ich die Dar- stellung dieser Furchungserscheinungen und wende mich zu einigen kurzen Bemerkungen über die weitere Entwicklung der im Vor- gehenden betrachteten Gebilde, welche nach der Methode der isolir- ten Züchtung studirt wurde. Zunächst die Mehrfachbildungen anlangend, so ist hier nur ein Fall zu verzeichnen: jenes in Fig. 77 dargestellte Ei, am Abend typisch in vier tetraedrische Abschnitte geordnet (Fig. 78), ließ vier Blastulae aus sich hervorgehen, welche einige Tage als solche lebten und dann körnig zerfielen. Im Übrigen habe ich die Entwicklung von 82 doppelt befruchteten Eiern (beide Species zusammen gerechnet) beobachtet: alle waren am nächsten Morgen schöne glashelle Blastulae; am anderen Tage wurden sie trübe, es kam zu Körneransammlungen im Inneren (Stereoblastula — Herrwis). 61 Exemplare starben am zweiten oder dritten Tag als Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 3 34 Hans Driesch, ' solche, bei den übrigen 21 zeigte sich der Beginn einer Einstülpung, jedoch höchstens einmal über 1/, des Larvendurchmessers hinreichend. Dann starben auch sie. Zu einer auch nur einigermaßen ausgeprägten Gastrula kam es nie. Unter gleichen Umständen, wie die trotz starker Affektion doch entwicklungsfähigen Theil-, Druck- und Wärmeobjekte gezüchtet, können diese pathologischen Erscheinungen Äußerlichkeiten nicht ihren Ursprung verdanken. Eine doppelte Gastrulaeinstülpung bildete sich bei meinen Objekten also nie; dieselben waren entwicklungs- unfähig. O. Herrwie hat nun zwar beim Frosch (16) mit Sicherheit, und _ will, wie ebenfalls For (14, 42), auch beim Seeigel (17) weiter ent- wickelte, allerdings pathologische, Bildungen aus mehrfach befruchteten Eiern gezogen haben. Isolirte Züchtungen hat er mit Seeigeleiern nicht angestellt, und wie leicht die Schätzung dabei täuscht, weiß ich aus eigener Erfahrung. Immerhin wäre es ja möglich, dass gerade die zwiefach befruchteten Eier nicht fähig wären zur Entwicklung, dass mehrfach befruchtete es wieder würden. An der Hand der Kernver- verhältnisse könnte man hier vielleicht eine Hypothese konstruiren, doch will ich das nähere Eingehen darauf auf den nächsten Abschnitt verschieben. VI. Über einige allgemeine Fragen der theoretischen Morphologie. Vorwiegend diejenigen positiven Ergebnisse, zu denen meine bis- herigen entwicklungsmechanischen Studien geführt haben, und welche jeweils am Ende eines Abschnittes zusammengefasst und besonders hervorgehoben worden sind, sollen in diesem Theile einer etwas ein- gehenderen Diskussion unterzogen werden, unter Berücksichtigung entsprechender Ansichten anderer Forscher. Auf konkretem, wenn- gleich allgemeinem Boden sollen zunächst die gewonnenen Resultate in ihrer Bedeutung für die theoretische Morphologie gewürdigt werden; es soll aber dann auch eine kurze Untersuchung darüber folgen, in wie weit überhaupt aus derartigen Versuchen der Morphologie Nutzen er- wachsen kann. Hier werden wir in abstrakter Weise vorgehen und die allgemeine Erkenntnislehre streifen müssen. Gleichsam um die Tren- nung des konkreten und des abstrakten Abschnittes auch äußerlich zu markiren, wird die Mittheilung einer speciellen Hypothese sich zwischen beiden einreihen. * 1. Indem ich zunächst an die großen Verlagerungen des Materials an- knüpfe, welche durch Druckwirkungen hervorgerufen werden können Entwicklungsmechanische Studien. VI. 35 (IV, b A), wäre vielleicht die Frage etwas zu präcisiren, was hier das eigentlich Verlagerte ist; mit Absicht habe ich mich am ange- gebenen Orte hierüber sehr allgemein geäußert. Es ist von den meisten Forschern der Kern der Zelle als ihr eigentliches Centrum, als das- jenige, was ihre wesentlichen Eigenschaften, zumal bei den Ge- schlechtszellen, bestimmt, angesehen worden. Bei der Zelltheilung zumal sollte der Kern, der sich so komplicirt theilt, im Gegensatz zum Protoplasma, das sich einfach durchschnürt, bei Weitem die wesent- lichste Rolle spielen. Sollte man aber auch Ansichten, wie sie kürzlich Verworn (33) und Beren (1) äußerten, dass man in der Wechsel- wirkung von Kern und Plasma das Wesentliche zu sehen habe, zu- neigen und sich hierin etwa durch die For’sche Entdeckung der CGentrosomenquadrille (12) noch bestärkt fühlen, so geht doch aus diesen Ansichten und Fakten, die die Rolle des Kernes einzu- schränken suchen, nicht hervor, dass sie dieselbe aufheben wollen: der Kern muss auch nach der Verworn-Beren’schen Ansicht da sein, wenn auch vielleicht speciell die Zone, die ihn peripher umgiebt, das Wesentliche wäre, eine Zone, die also jedenfalls durch ihn ört- lich bestimmt wird. Eben auf diese örtliche Bestimmung kommt es uns hier allein an; bezüglich unserer Versuche über Verlagerung des Keimmaterials können wir uns also dahin äußern, dass die Kerne (oder Kernplasma- Wechselwirkungen) durch dieselben an andere Punkte des ganzen (der Keimblase) befördert wurden, als sie im »normalen« Entwicklungsverlauf eingenommen hätten. Nach dieser nothwendigen Voruntersuchung gehe ich nun dazu über, möglichst allgemein zu erörtern, was Alles die von uns gewon- nenen Resultate lehren, und zwar will ich, um recht klar zu sein, die verschiedenen Punkte scharf sondern. »Die Frage nach der Bedeutung eines biologischen Vorganges kann in zweifacher Beziehung gestellt werden. Einmal in Beziehung auf die Funktion desselben für das biologische Gebilde, an welchem er vor- kommt, zweitens aber kann die kausale Bedeutung, können die Ur- sachen, denen es seine Entstehung und seinen Fortgang verdankt, Gegenstand unseres Interesses und unserer Forschung sein (Roux [25]). Ich will die erste Art der Beziehung die prospektive, die zweite die retrospektive nennen; "die prospektive Beziehung setzt also das Betrachtete als Anfang, die retrospektive als Ende einer Wirkungs- reihe. Wir wollen zuerst von der prospektiven Beziehung der Furchung handeln, und zwar erstens von derjenigen der einzelnen 3* 36 Hans Driesch, Furchungszelle, zweitens von derjenigen des Furchungstypus, als eines Ganzen. Was die prospektive Beziehung der einzelnen Fur- chungszellen angeht, so ergiebt sich aus der Thatsache, dass trotz so mannigfach variirter Verlagerungen der Elemente (Kerne) stets der gleiche typische Organismus hervorgeht, dass durch die Theilung beider Furchung völlig gleichwerthige, zu Allem fähige (indifferente) Stücke geschaffen werden!. Wir müssen da- her die Ansicht Roux’s abweisen, dass das Wesen der Furchung darin bestehe, » dass sie das Keimmaterial qualitativ scheide, und es zugleich in einer Weise ordne, welche die Lage der späteren differenzirten Organe des Embryo im Voraus bestimmt«, sowie dass »diese qualita- tive Scheidung vorzugsweise das Kernmaterial betreffe und durch die indirekte Kerntheilung vermittelt werde« (27). Der Aufbau des Organismus kann uns keine »Mosaikarbeit« (Roux) sein, keine formale Evolution, sondern formale Epigenesis, wenn auch natürlich — nicht sichtbar — nur ganz bestimmte Möglichkeiten im Ei der Realisirung harren. O. Herrwıc (16) sprach sich kürzlich in nahezu demselben Sinne aus. Die Ergebnisse der Botaniker, die Resultate Loz»’s (19), ja alle Erscheinungen der Regeneration (die Postgeneration Roux’s eingeschlossen) hatten bereits im Allgemeinen diese Ansicht und damit den Näczur’schen Begriff des Idioplasma gezeitigt. Was meine Versuche Neues lehren, ist nur die Erweiterung derselben auf die nor- male Entwicklung der Thiere. Übrigens darf nicht vergessen werden, dass Roux seinen oben eitirten Satz ausdrücklich nur auf diese von ihm »direkt« oder »primär« genannte Entwicklungsweise bezieht und die von ihm entdeckte Thatsache der Postgeneration und Ver- wandtes im Sinne der entgegenstehenden allgemeinen Anschauungs- weise würdigt. Was folgt nun zweitens aus unserem Ergebnis, dass aus mehreren ganz verschiedenen Furchungstypen derselbe Organismus hervorgehen kann, hinsichtlich der prospektiven Beziehung des Fur- chungstypus als eines ganzen? Ich will diese Frage, obschon sie eigentlich ohne Weiteres entschieden ist, desshalb etwas eingehender erörtern, da ich eine bei oberflächlichem Nachdenken vielleicht auf- tauchende Meinung nicht aufkommen lassen möchte. Um es gleich voranzustellen: Der wesentliche Process der Formbildung muss im normalen und im experimentell 1 Ob dieser Satz Angesichts der Fälle von früh differenzirten Urgenitalzellen (Moina, Sagitta etc.) oder anderen scheinbar besonders specialisirten Elementen ganz allgemein gilt, bleibt freilich noch durch Versuch zu ermitteln. Entwicklungsmechanische Studien. VI. 37 modificirten Fall derselbe sein, aber eben sein Wesen kennen wir nicht; die Versuche zeigen nur, dass der Fur- ehungsmodus etwas für das Zukünftige Unwesentliches ist. Es wäre gänzlich leichtfertig geurtheilt, und würde nicht gerade tiefes Nachdenken verrathen, wollten wir aus unseren Versuchen den Schluss ziehen, es könnten mehrere dem Princip nach ganz ver- schiedene Wege zum Aufbau des Organismus führen. Einem so scharfen Denker wie Rovux konnte diese Einsicht nicht entgehen. Da seine bezügliche Äußerung (28) im Anschluss an die Postgenerationserscheinungen gemacht, am Schlusse noch einen zweiten wesentlichen Gedanken birgt, theile ich sie im Auszuge mit: »Ich bin überzeugt, dass die soeben erwähnten Verschiedenheiten der Postgeneration von der Regeneration und beider von der normalen Entwicklung nicht in dem Sinne aufzufassen sind, dass bei der Post- und Regeneration wesentlich neue, bei der normalen Entwicklung nicht vorkommende Bildungsvorgänge stattfinden. Denn ich halte es für durchaus unwahrscheinlich, dass es bei demselben Individuum zwei oder drei in dem Wesen ihres Mechanismus verschiedene Arten der Erzeugung derselben Körpertheile gäbe, sondern man wird ver- muthen, dass die Nachbildung und die Wiederbildung in der Art ihrer Vorgänge bloß unter minimalen ...... Abweichungen von der nor- malen Entwicklung sich vollziehen, während im Übrigen die Grund- vorgänge dieselben seien. Ja es könnte sehr lehrreich sein, umgekehrt aus der Thatsache der Regeneration, Post- generation in Verbindung mit diesem vermutheten Prin- eipe ihrer Vollziehung durch dieselben Grundvorgänge, wie die der normalen Öntogenese, abzuleiten, welche Arten von Grundvorgängenallein diese dreierlei Bildungs- arten zu liefern vermöchten!.« Durch meine obigen Erörterungen ist zugleich die Vermuthung widerlegt, welche ich seiner Zeit (8), von der Bedeutung mathematischer Betrachtung für die Morphologie handelnd, über das Wesen der Fur- chung entwickelte. Wenn ich dort (p. 55) sagte: »sobald der geome- trische Betrachtungsversuch auf die Aufeinanderfolge der Theilungs- richtungen, wie sie etwa die Kernspindeln darbieten, sein Augenmerk richtet, wird er nicht so sehr gegen die Lorzr’sche Mahnung (dass nämlich mathematische Formulirung an sich, ohne Kenntnis des Wesentlichen am Objekte keinen Werth habe) verstoßen «, so ist dieser Satz jetzt zu streichen. 1 Im Original nicht hervorgehoben durch stärkeren Druck. 38 Hans Driesch, Von der Betrachtung der Versuche über Veränderung der Lage- rung des Furchungsmaterials, zu denen über Verminderung desselben (Theilbildungen) übergehend, hebe ich zunächst hervor, wie im Theil I ausführlich begründet ist, dass wir hinsichtlich der prospek- tiven Beziehung der Furchungszellen und des Furchungs- typus prineipiell völlig dasselbe aus ihnen lernen wie aus ersteren. Ich komme daher hier auf die oben erläuterten Verhältnisse nicht nochmals zurück, will vielmehr auf einige Punkte specielleren Interesses eingehen. Zunächst auf die äußerliche Verschieden- heit der Resultate meiner Versuche mit denjenigen Roux’s (28). Wenn ich erwäge, welch grundlegende Folgerungen meine Resul- tate hinsichtlich der prospektiven Beziehung der Furchungszellen zu ziehen erlauben, so will mir eine so grundsätzliche Differenz zwischen zwei Thiergruppen Angesichts der sonst so großen Allgemeinheit der morphologischen Fundamentalprocesse doch nicht wahrscheinlich dünken. | O. Herrwic (16) hat wohl damit, dass er unsere Differenzen darauf zurückführte, dass-»Roux durch seine Anstechversuche die verletzten Furchungszellen gar nicht aus dem Entwicklungsprocess vollständig ausgeschieden hat«, annähernd das Richtige getroffen. Die begründete Ansicht Roux’s (die O. Herrwıg zu bezweifeln scheint), dass trotzdem die angestochene Hälfte an sich nicht entwicklungsfähig und erst sekundär wieder gleichsam »belebt « worden sei, scheint mir dabei von minderer Bedeutung. Ich möchte das, worauf es ankommt, in physikalischen Ver- hältnissen sehen, nämlich in der bloßen Anwesenheit einer Masse, an welche sich die unversehrte Furchungskugel in ähnlicher Weise fest anschließt, wie es sonst die Zellen des gefurchten Froscheies unter sich thun. Ich glaube daher auch, dass bei Ausführung des Herrwıg’schen Vorschlages, beide Furchungszellen durch einen Isolator, etwa eine Glasplatte, zu trennen, wofern sie sich an diesen fest, in ursprünglicher Lage, anschlössen, die Roux’schen Resultate herauskommen würden, bei völliger Trennung von einander und freier Lage jedoch die meinigen. Ja, der Züchtung halber Plutei, die sich dann etwa regeneriren würden, stehen andererseits wohl nur zufällige (im Wesen der Echiniden- entwicklung begründete) Schwierigkeiten entgegen !. 1 Das eine Ziel der Bildung eines ganzen Organismus kann also, möchten wir annehmen, von Furchungsbruchtheilen principiell stets auf zwei zunächst (vgl. Citat Roux’s p. 37) ganz verschiedenen W egen erreicht werden: einmal, indem sie direkt durch Umlagerung das Ganze aus sich bilden ; zum Anderen, indem sie sich zunächst partiell entwickeln und dann das Fehlende re- (post-)generi- Entwicklungsmechanische Studien. VI. 39 Die relative Lage einer Blastomere im Ganzen wird wohl ganz allgemein bestimmen, was ausihr hervorgeht; liegt sie anders, sogiebtsieauch Anderem den Ursprung; oder anders gesagt: ihre prospektive Beziehungist eine Funk- tion des Ortes. Wie stellen sich nun aber, von den vielleicht nur scheinbaren Differenzen der Versuche Roux’s abgesehen, zu dieser Ansicht die Resul- tate von Hauızz (13), Warrman (37) und Anderen, sowie namentlich die Ergebnisse der ausgezeichneten Forschungen Wırson’s (36)? Wırson hat durch Beobachtung das Schicksal jeder einen Blasto- mere ganz außerordentlich weit verfolgt und stets das gleiche Resultat erhalten. Zunächst ist wohl zu bemerken, dass das bei Echiniden, bewegten sich ihre Larven nicht, auch wohl möglich wäre; das »nor- male« Furchungsschema ist, so weit bis jetzt untersucht, bei allen, selbst recht differenten Species, nahezu dasselbe und recht charakte- ristisch ausgeprägt. Man könnte, Ruhe der Larven vorausgesetzt, wohl sagen: von diesen Zellen geht die Urdarmbildung aus, jene liefern allemal mit derselben Sicherheit den Wimperkranz. Aber es kann eben auch anders sein, nur die ganz gleichen oder doch unter der Wirkungsschwelle verschiedenen Umstände machen dies Voraussagen möglich und täuschen uns die prospektive Beziehung der Zellen als eine Konstante vor!. Auch bei den Druckversuchen könnte man, hätte man das betreffende Ei bis zum Pluteus Zelle für Zelle verfolgt, nachher zu- rückblickend sagen: aus dieser Zelle des plattenförmigen 16-Stadiums ist dies geworden, aus jener jenes; man würde auch wohl bei durch Druck zufällig gleich deformirten Furchungsfiguren gleiche Resultate erhalten, und somit zum Voraussagen gelangen können. »In Folge der Kontinuität der Entwicklung muss ja natürlicher- weise jede ältere Zellengruppe sich auf eine vorausgegangene jüngere Gruppe, und so schließlich bestimmte Körpertheile auf bestimmte Furchungszellen zurückführen lassen « (O. Herrwıc [16]). So löst sich hier wohl scheinbarer Widerspruch. Seltsam bleibt immer das Faktum, dass die »normale« Furchung bei verschiedenen Species der Seeigel so nahezu gleich verläuft, und dass sie doch so ungeheuer leicht durch äußere Umstände modifieir- har ist. Die Erwähnung dieses Faktums leitet uns unmittelbar zu unserer ren, aus sich hervorsprossen lassen, Vom Seeigel kennt man zur Zeit nur den ersten, vom Frosch nur den zweiten Modus. Vielleicht aber schließt auch die Natur des betreffenden Eies bisweilen oder immer den einen Modus aus. 1 Vgl. übrigens die Anm. auf p. 36. 40 Hans Driesch, zweiten Aufgabe über, zur Betrachtung der retrospektiven (kausalen) Beziehung der Furchung. Wir specialisiren diese Aufgabe für unseren Zweck, indem wir fragen: wie entstehen unsere abnormen Furchungsbilder ? Die Thatsache der leichten Modifieirbarkeit des Furchungsmodus lässt die Annahme berechtigt erscheinen, dass dieser überhaupt jedes Mal »mechanisch« zu Stande komme, das heißt, dass äußere Kräfte, mit einer gewissen vitalen Grundfunktion (Zelltheilung) operirend, sein Zustandekommen bewirken. Abgesehen davon nun, dass, wie gesagt, doch jedenfalls Theilung als solche da sein muss, soll Theilung in bestimmter Richtung sich zeigen, wird aber auch hinsichtlich des Begrifis »mechanisches Bewirken« Vorsicht geboten sein. Der Druck »bewirkt«, dass eine Zelle hier liegt, eine dort; wie »bewirkt« er es? Wir sahen, dass er die Spindel richtet; ist das so ein einfacher mechanischer Process? wenn wir von Schwierigkeiten, die selbst bei einem solchen die richtige Anwendung der Begriffe »Ursache« und » Veranlassung« bietet, absehen wollen!. Esistja möglich, dass es ein solcher ist, aber es kann hier eben so gut eine Reiz- erscheinung vorliegen und Reize sind uns eben noch.nnicht mechanisch verständlich, wenn sie es auch vielleicht einst wer- den sollten; giebt es doch Myxomyceten, die sich dem Flüssigkeits- strom entgegen bewegen, warum sollte sich nicht eine Spindel gerade in Richtung des Druckes stellen können? Die Thatsache ferner, dass (bei Wärme und Druck) die Mikromerenbildung zwar oft unterbleibt, aber doch recht häufig eine oder zwei Mikromeren sich einstellen, lässt auf Tendenzen schließen, die recht konservativ sind. Man verstehe mich nicht falsch: ich erkenne die Bedeutung der Thatsachen, dass bekannte mechanische Kräfte, dem Eie zugeführt, bestimmte, gut zu präcisirende Erscheinungen hervorrufen, vollkommen an, aber wir dürfen uns so ohne Weiteres dieselben nicht als reine Massenwirkungen denken, wie etwa die Bildung der Blatt- spiralen nach SchwEnDENER ; wir haben hier eben die lebenden Elemen- targebilde vor uns und wissen, um es nochmals zu sagen, nicht, was an den Erscheinungen Reiz oder Auslösung ist und was nicht. Dass ich namentlich auch die Resultate mit Wärme für recht vielversprechend halte in Hinsicht auf spätere wirklich kausal-physikalische Leistungen, habe ich oben schon genugsam betont. Die Versuche mit Wärme und Druck sind eben desshalb in dieser Hinsicht vielversprechender als das Studium doppelt befruchteter Eier, I Vgl. meine theoretische Arbeit (8). Entwicklungsmechanische Studien. VI. 41 da dort das Zugeführte an sich etwas physikalisch Bekanntes ist, wäh- rend hier auch dieses vital ist. Es sind also gewisse äußere Umstände, welche die Furchung be- herrschen, in Form empirischer Gesetze ganz oder nahezu bekannt. Wir können daraus immerhin Manches lernen, so wird uns die auf- fallende Ähnlichkeit, welche die Furchungstypen von Polycladen (SELENKA, Lang), Gastropoden (Rısı, Brocamann, For etc.) und Anneli- den (Wırsox) darbieten, nicht so sehr frappiren; wir haben ein leises Verständnis dafür gewonnen, wesshalb Furchungs- bilder nicht systematisch verwerthbar sind. Das charakte- ristische so verbreitete Auftreten von Mikromeren, in Verbindung mit Kenntnis der Möglichkeit sie fortzuschaffen, wird uns hier vielleicht ein neues empirisches Gesetz vermuthen lassen, das zum Hrarwie’schen Satze dazukommt. Es wird eine lohnende Aufgabe sein möglichst viele Furchungen »normal« und experimentell recht gründlich zu studiren und nach Allgemeinheiten zu forschen, nachzusehen, wie viel sich etwa mit den bis jetzt bekannten Empiriegesetzen wird verstehen lassen. Wir hätten somit über prospektive und retrospektive Beziehung der Furchung und ihrer Theile gesagt, was wir auf Grund von That- sachen zu sagen vermögen. Manches namentlich in letzterer Hinsicht behalte ich einer späteren Arbeit vor, gehe auch wiederum nicht auf nähere Erörterung der Bedeutung der »kleinsten Flächen« ein; was hierüber im Anhang zum Theil IV b gesagt ist, mag einstweilen genügen. Einen theoretischen Fortschritt bezeichnen unsere Ergebnisse nicht; eine als fundirt angesehene Bahn muss verlassen werden; die Möglichkeit der Anwendung von Mathematik, dieses Ideal der For- schung, rückt, wenigstens in Hinsicht auf Sichtbares, ferner als je, wir werden darauf hingewiesen alles Wesentliche der Formbildung in das molekulare Geschehen zu verlegen. Die Natur einer Thierform tritt uns im ersten Geschehen (Furchung) noch nicht einmal äußerlich vor Augen; was sie bestimmt, können wir ja Idioplasma nennen, wenn wir gern ein Wort haben wollen für ein Räthsel. Das Idioplasma ist viel- leicht in allen Zellen eines Organismus gleichermaßen vorhanden; jedes Theilstück der Eizelle jedenfalls »erhält durch den Kerntheilungs- process nach Quantität und Qualität gleichviel Erbmasse« (O. Herr- wıc [16]). Hiermit sind wir wieder an unseren Ausgangspunkt zurück- gelangt. Von Dingen, die eine gewisse praktische Bedeutung für die zoo- logische Forschung besitzen, lernen wir aus den erörterten Punkten, besonders zwei: einmal wird man bei Beschreibung der » normalen « Furchung eines Thieres doch immer recht genau die äußeren Umstände 42 Hans Driesch, der Beobachtung anzugeben und etwaige Abweichungen des meist Ge- sehenen nicht zu ignoriren haben, kurz, das »Normale« wird stets be- sonders zu kennzeichnen sein. Ferner wird man sich hüten müssen, Beobachtungen von durchaus unsymmetrischen, allen sonst bei ver- wandten Formen bekannten, widersprechenden Furchungen als un- genau oder falsch zu verdächtigen; das gilt z. B. von den eigenartigen Zellenhaufen, die Merscanikorr (20) von Oceania armata abbildet; das »Normale« mag das ja nicht sein; wer will aber Angesichts meiner Versuche leugnen, dass METScHniKkorF die gezeichneten Bilder und dar- auf folgende gute Entwicklung wirklich gesehen hat? , 2. Die Frage der Beziehung von Überfruchtung zur Ent- stehung von Mehrfachbildungen hat von O. Herrwie erst kürz- lich wieder (16) eine eingehende Behandlung erfahren. Obwohl von ihm angestellte Versuche keine, von For durchgeführte nur theilweise positive Resultate gaben, »möchte er doch rathen, auf dem vorgezeich- neten Wege die Lösung noch weiter zu suchen«. Was ich zu diesem interessanten Problem beisteuern kann, ist eigentlich schon Alles gesagt. Von 83 Versuchsobjekten (doppelt be- fruchteten Eiern) starben auch 83 vor dem Gastrulastadium, d. h. alle. Ich kann somit kaum umhin, den doppelt befruchteten Seeigeleiern überhaupt die Entwicklungsfähigkeit abzusprechen, aber, wie ich schon andeutete, könnten nicht mehrfach befruchtete entwicklungs- fähig sein? Ich will nur in Kürze einen Gedanken mittheilen, der hier viel- leicht weiter hilft, und dessen Prüfung ich in der Cytologie erfahrenen Forschern überlasse. Durch die ausgezeichneten Forschungen O. Herrwıe’s (15) wissen wir, dass, wenigstens bei Nematoden, das reife Ei und das Spermato- zoon je die Hälfte der Chromosomen enthalten, welche man in den (in dieser Hinsicht als konstant vorausgesetzten) Körperzellen der be- treffenden Species antrifft!. Wird nun ein Ei von zwei Spermatozoen befruchtet, und jedes bringt !/, der Chromosomennormalzahl mit, so haben wir 2/; derselben im befruchteten Ei. Da dieses nun aber 1 Auf STRASBURGER (34) verweisend will ich übrigens nicht zu erwähnen unterlassen, dass diese Verhältnisse wenigstens in der mitgetheilten Form nicht allgemein gültig sind. Immerhin dürfte eine Generation der Körperzellen stets Trägerin der Chromosomennormalzahl sein und die Geschlechtsprodukte die Hälfte dieser Zahl aufweisen; jedenfalls wohl weisen sie die Hälfte der Zahl gegen- über ihren Mutterzellen und deren nächsten Vorgängern auf. Entwicklungsmechanische Studien, VI. 43 in vier Portionen simultan zerfällt, so kann bei gleich- mäßiger Vertheilung jede Furchungszelle doch nur /, der normalen Chromatinmasse! erhalten, wo nicht bei ungleicher Vertheilung die Anormalität noch größer wird. Ich setze die Entwicklungsfähigkeit doppelt befruch- teter Seeigeleier also hypothetisch auf Rechnung unge- nügenden Kernmaterials?. Würden dreifach befruchtete Eier auch simultan viergetheilt werden, so könnte hier das Kernmaterial der Masse nach auf die Norm kommen; wie bei Mehrfachbefruchtung das Verhältnis der Spermato- zoenzahl zum Simultanzerfall ist, wissen wir nicht. Könnte nicht etwa immer eine ungerade Zahl von Spermatozoen, die dann mit dem Eikern zusammen eine gerade Zahl von Hälften der Chromosomennormalzahl ergiebt, zur Entwicklungsfähigkeit nöthig sein? Was nun die in Frage stehenden Mehrfachbildungen selbst betriftt, so möchte ich doch nochmals, wie auch in Theil I, darauf hinweisen, dass sie durchaus andere Gebilde als mein daselbst abgebildeter Zwil- ling sind. Sie sind wohl besser als Einfachbildungen mit Vervielfachung eines Organs anzusprechen. 3. An letzter Stelle möchte ich, wie angedeutet, in diesem allge- meineren Betrachtungen gewidmeten Theile auf einige Fragen eingehen, welche, ob sie schon an konkretere Resultate anschließen, doch über das Konkrete hinaus ins Gebiet der Methodologie führen und eine ge- wisse Ergänzung zu dem bilden werden, was in den Schlussbetrach- tungen meiner »mathematisch- mechanischen Betrachtung morpho- logischer Probleme der Biologie« gesagt ist. Ich hoffe hierdurch gleichzeitig zu verhindern, dass aus meinen Versuchsresultaten, welche einigen speciellen Ansichten von Hıs und Roux mit Nothwendigkeit entgegentraten, von gewissen Kreisen Kapital gegen die Grundan- scehauungen genannter Forscher geschlagen werde, zu denen ich mich durchaus stelle, wie bisher. Es gereicht mir zu großer Befriedigung in den allgemeinen Erörte- 1 Ich muss hier »„Chromatinmasse« sagen; denn, sollte etwa jedes Chromo- som geviertheilt werden (der Länge nach), so würde die »„Chromosomenzahl« natür- lich größer als normal, nämlich eben 2 statt 4, wo 4 die Norm bedeuten soll. 2 Erst nach Hinschreiben dieses sehe ich, dass WEISMANnN, wenn auch in an- derer Beziehung (exceptionelle Parthenogenese nach Bildung zweier Richtungs- zellen mitunvollständiger Embryonalentwicklung), einen verwandten Gedanken äußerte (» Amphimixis«, p. 103 ff.). Ich erblicke darin eine willkommene Bestäti- gung. 44 Hans Driesch, rungen, die sich der ausgezeichneten Gerüstbildungsmechanik Drever’s (5) anschließen, Ansichten mit so großem Nachdruck betont zu finden, die den von mir seiner Zeit erörterten nahe verwandt sind. Bei der gleichsam fasceinirenden Wirkung, welche die »historische« Forschungs- richtung noch immer auf weite Kreise übt, sowie überhaupt bei dem Überwiegen phantastisch-konstruktiver vor kritisch-analysirender For- schung, können diese Dinge gar nicht oft genug gesagt werden. Auch in dieser Hinsicht hat Dreyer auf p. 79 seiner Arbeit ein sehr zu be- herzigendes Wort gesprochen. Es scheint mir am Platze zu sein, und damit gehe ich zum Thema dieses Abschnittes über, gerade Angesichts des differenten Charakters der Beiträge, welche in letzter Zeit der theoretischen Morphologie zu- flossen (wozu ich außer meinen eigenen hauptsächlich diejenigen Lozg’s [19] und Drryer’s [5] rechne), den speciellen Werth jeder ein- zelnen genau festzustellen, oder anders gesagt, die möglichen Rich- tungen der morphologischen Forschung nach Wesen und Leistungsfähigkeit scharf zu kennzeichnen. Es könnte ge- rade nach den Auseinandersetzungen Drryzr’s dieses Unternehmen überflüssig erscheinen, doch wird der Leser bald einsehen, dass ich in einigen Punkten von den Ansichten dieses Forschers abweichen werde, wie sich übrigens schon aus dem Studium unserer beiderseitigen ‘Arbeiten für den denkenden Leser ergiebt, andererseits auch Einiges zu sagen habe, auf das er nicht einging. Oberflächlich betrachtet treten uns vier Richtungen morphologischer Forschung entgegen: die descriptive, die historische, die mechanische und die experimentelle. Unterlassen wir eine nähere Beleuchtung der ersten und gehen wir die übrigen drei begrifflich durch. Es wird eine unbefangene Betrachtung derselben zunächst lehrreicher sein, als wollten wir gewisse allgemeine Prineipien der Beurtheilung gleich an den Anfang setzen. Die historische Forschungsrichtung basirt auf der An- nahme eines genealogischen Zusammenhanges der Lebewesen, gleich- viel in welcher Weise dieser zu Stande kommt, sie basirt auf der Descendenztheorie. Da diese eben eine Theorie ist, so erhebt sich zunächst die Frage nach ihrer Berechtigung, sodann die nach ihrer Leistungsfähigkeit!. Dass sich eine Anzahl Gründe für den genealogischen Zusammen- hang der Formen einer begrenzten Gruppe (etwa einer Familie) an- führen lassen, ist oft, und zwar von Forschern der allerverschiedensten 1 Vel. den betr. Abschnitt in den »Schlussbetrachtungen« meiner theoretischen Arbeit (8) p. 47 ff., den ich durch das Folgende zu verbessern und zu erweitern hoffe. Entwicklungsmechanische Studien. VI. 45 Specialrichtung, betont und ist auch wohl zuzugeben; schon allein, weil die Annahme sonst schwerlich so allgemein (von Harckeı bis WıGanD) sein würde. Die Ähnlichkeit im Allgemeinen nebst Abweichungen im Besonderen, die Thatsachen der Thiergeographie etc. hat man dafür angeführt. Alles dies sind natürlich Wahrscheinlichkeitsbeweise, nichts weiter. Die Möglichkeit von Descendenz irgend welcher Form wäre erst bewiesen, wenn das Experiment, sei es der Natur selbst, oder des Forschers, eine Art in die andere wandelte, wobei ich mir eine Diskussion des Speciesbegriffes erspare. Wie steht es nun damit? Um hierin Klarheit zu gewinnen, müssen wir einen kurzen, gänzlich abstrakten Exkurs über die »formbildenden Kräfte« einschalten. Der Darwinismus sah diese lediglich in äußeren Wirkungen, die mit dem Organismus alles nur denkbare Kleine machen könnten. Im Übrigen hat man von sogenannten »inneren Ursachen « gesprochen und sich diese auch wohl vorzustellen gesucht (Näceri), endlich aber Äußeres als Veranlassungen herangezogen, das in Folge innerer Konstitution des Betroffenen eine sprungweise Form- wandlung gleichsam auslöst ; in so fern die Konstitution hier das Wesent- liche ist, kommt dieser Begriff den etwas problematischen inneren Ur- sachen ohne Veranlassung nahe. Was weis man nun über diese Dinge; was man sich denkt, sahen wir ja? Es ist bekannt, was der Botaniker unter Standortsvarietäten versteht!, die Thierphysiologie kennt Analoges?. In Folge geänderter äußerer Umstände, die analysirt sein mögen oder nicht, entsteht plötz- lich eine andere Form. Gut; aber was soll das hier, diese Bildungen sind ja nicht stabil; säe ich Samen der Alpenpflanze in die Ebene, so erhalte ich sofort die Ebenenform. Ganz richtig, aber es giebt zum mindesten einen Fall, in welchem das Rückgängigmachen der Form nichtin einem großen, sondern in mehreren kleinen Sprün- gen vor sich ging, und da mir dieser eine sehr große Bedeutung zu besitzen scheint, ja wohl das Einzige ist, was sich einem Wissen über Möglichkeit von Descendenz wenigstens nähert, so will ich ihn kurz mittheilen. SADEBECK (28a) kam auf die Vermuthung, es möchten zwei » Species« von Adiantum, einem Farn, wohl keine guten Arten, sondern Stand- ortsvarietäten sein; die eine Form lebt nur auf Serpentinboden; beide sind wesentlich verschieden gebaut. Er säte nun Sporen der Serpen- 1 Vgl. Sıcas, Pflanzenphysiologie, eben so PFEFFER, ferner GOEBEL, Vergl. Entwicklungsgesch.; KErNER, Pflanzenleben, II; Arbeiten von STAHL, ScHEnk etc. etc. ? Die »Heteromorphosen«; vgl. Loes und meine Polypenarbeiten. 46 Hans Driesch, tinform auf gewöhnlichen Boden und erhielt ein ganz wenig von dieser abweichendes Gebilde; er nahm von ihm wieder Sporen und erhielt wiederum eine Abweichung, und zwar im Sinne der Hinneigung zur Normalform, aber es bedurfte fünf Generationen, bis die Nor- malform völlig erreicht war. Und umgekehrt: viele Generationen hindurch säte der Hamburger Botaniker Sporen von Normalformen auf Serpentin und dann wieder Sporen der so erhaltenen Generation und so fort, ohne je Abwei- chungen zu erzielen. Die Umwandlung gelang also in einer Richtung gar nicht, in der anderen allmählich, Darf man hier vielleicht daran denken, dass erst langdauernde Wirkung die Konstitution des Idioplasmas verändert, die sich dann plötzlich äußert, aber auch ein wirklich neues stabi- les System geschaffen hat. Man denke an die elastische Nachwirkung als Analogon. Dieser noch dazu problematische Fall ist fast das Einzige, was für unseren Zweck vorliegt: es finden sich noch einige aphoristische Beob- achtungen von Sem (Gartenflora, 1886, referirt von Roux im anatomi- schen Jahresbericht, 1888), sonst nichts. Es ist aber wohl lohnend in dieser Richtung weiter zu arbeiten, sowie es schätzenswerth sein würde, wollte Jeder bezügliche sichere Erfahrungen an zugänglicher Stelle mittheilen. Zur Kenntnis der sehr versteckten Sıneseer’schen Beobachtung gelangte ich durch Herrn Professor STRASBURGER, dem ich hiermit bestens danke. Wir haben also gesehen, dass nur Wahrscheinlichkeits- gründe ziemlich indifferenter Art für Descendenz vorliegen; fragen wir uns nun weiter, was leistet uns die Hypothese des genealogischen Zusammenhanges der Arten einer begrenzten Gruppe. Über diesen Punkt findet man selten Klarheit: es ist selbstredend, dass der hypo- thetische Nachweis historischen Zusammenhangs im speciellen Falle nicht mit kausaler Aufhellung zu verwechseln ist: eine Ahnengal- lerie und nichts weiter kann Formengeschichte liefern, wie ich das, mich an Lıesmann anlehnend, seiner Zeit (8) entwickelte. Aber eine Leistung braucht ja nicht gleich eine endgültige zu sein: vielleicht leistet Descendenz zwar wenig für das Verständnis der Form, aber doch etwas. Prüfen wir diesen Punkt etwas näher. Als Darwinismus glaubte die Descendenzlehre alle morphologischen Probleme auf zwei, nämlich auf die von uns gekannte, wenn auch nicht uns bekannte Verer- bung und auf die Thatsache des Variirens ohne bestimmbare Richtung Entwicklungsmechanische Studien. VI. 47 und Veranlassung zurückgeführt zu haben!. Dass damit eine Verein- fachung der Probleme, also eine gewisse »Leistung« verbunden wäre, ist zweifellos. Nun ist der Darwinismus aber als eine völlig unzu- reichende, haltlose Theorie nachgewiesen. Leistet denn nun die An- nahme von Descendenz noch etwas? Sie kann etwas leisten nur bei einer gewissen stillschweigend gemachten Annahme über die »form- bildenden Kräfte«, die im Übrigen in völliges Dunkel gehüllt sind, bei der Annahme nämlich, dass alle Veränderungen, die vom Ei an er- streckt zu denken sind, immer nur eine gewisse Summe der »Eigenschaften« betrafen, nie alle, etwa derart, wie es uns die Stand- ortsvarietäten zeigen. Nurin diesem Falle schafft Descendenz, und zwar auch nur im Princip, nicht im Einzelnen eine Vereinfachung, indem sie die Summe des nicht Veränderten auf Rechnung eines gekannten Faktors der Vererbung setzt. Der Darwinismus also wollte mit zwei gekannten Faktoren operiren, Descendenz ohne ihn operirt mit einem gekannten und mit x nicht einmal ge- noch weniger bekannten Fak- toren: immerhin bedingt dieser eine Faktor eine gewisse, wenn auch höchst geringe Leistung; eine »arithmetische« Vereinfachung des Pre- blems (Wıcanp). Ich habe diesen Gedankengang niemals ausgesprochen gefunden, obschon er zweifelsohne unklar bei Vielen vorhanden war; ohne ihn 1 Dadurch, dass HaAEckEL die Variabilität als »Anpassung« bezeichnete, ist einige Verwirrung bei der Sache ferner Stehenden gestiftet. So meint z. B. Lırs- MANN, es handle sich dabei um eine »Adaptationsfähigkeit«, d.h. um die Eigen- schaft allemal »zweckmäßig« auf Äußeres zu reagiren. Dass dann, wenn Zweckmäßiges vorausgesetzt ist, bei der Darwın’schen Schlussweise auch Zweck- mäßiges herauskäme, wäre ja selbstredend, aber gerade Ersteres will Darwın nicht; in so fern erscheint Hazcker’s Ausdruck gerade vom Standpunkt des Darwinismus als gänzlich unpassend. Es mag bei dieser Gelegenheit darauf hin- gewiesen sein, dass Roux’s Theorie der zweckmäßigen Organgestaltung durch » Kampf« der Zellen, bei äußerlicher Ähnlichkeit doch etwas völlig Anderes ist als Darwın’s Princip. Roux setzt trophische Wirkung der »funktionellen Reize« auf die Zeile voraus, diese ist seine Hypothese zur Erklärung der Erscheinung, eine Hypo- these, die er (Kap. III) zudem als legitim nachweist, indem er zeigt, dass diese trophische Wirkung wirklich vorhanden ist. Durch einfache Nebenannahmen und Schlüsse leitet er die zweckmäßige Struktur ab. — Aber eben die Voraus- setzung war ja etwas Zweckmäßiges: die Zelle besitzt wirklich eine » Adaptionsfähigkeit« in gewissem, hier in Betracht kommenden Sinne. In so fern ist das Problem nur verschoben. Um den Unterschied der Roux’schen Hypothese von Darwiın’scher Schlussweise noch zu vervollständigen, kommt dazu, dass die Zellen sich durch Theilung vermehren, was die Individuen nicht thun, so dass alle der vermischenden Fortpflanzung halber geäußerten Bedenken gegen Darwin weg- fallen. Es ist übrigens diese Bemerkung nur formal aufzufassen, über Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Theorie Roux’s soll damit nichts gesagt sein. 45 Hans Driesch, wäre das zähe Festhalten an Descendenz ein psychologisches Räthsel. Nur Wicanp! (34) hat auf p. 248 seines Werkes (Bd. II) Ähnliches be- merkt. Die Descendenzhypothese leistet uns also zwar etwas, aber wenig, und dieses Wenige nur im allgemeinen Princip. Specielle Descendenz- reihen für enge Gruppen auf Grund geographischer Verbreitung oder abgestufter Ähnlichkeit hypothetisch aufgestellt, mögen einigen heu- ristischen Werth besitzen, sofern sie dem Versuch den Weg weisen können, an und für sich ist ihr Werth illusorisch. Die Phylo- genie im großen Stil dagegen darf nach unserer Ansicht überhaupt nicht den Namen einer wissenschaftlichen Hypothesenbildung bean- spruchen?; vielleicht würde sie sich einst als Endresultat ergeben, läge die Entwicklungsmechanik jeder Form mathematisch durchgebildet vor, und wüssten wir etwas über die »formbildenden Kräfte«. Zu- nächst aber sind doch wahrlich die Typen eben so unvermittelt vor- handen, »wie für den alten Bär«®. Ist somit die historische Forschungsrichtung zum Theil unberech- tigt, zum Theil beschränkt, auf alle Fälle aber nichts Anderes als eine beschreibende Methode hypothetischen Charakters, was leisten die übrigen Methoden zur morphologischen Erforschung der Lebewesen, was leistet Experiment und mechanische Deutung? Charakterisiren wir zunächst kurz das Wesen der letzteren, und zwar in engem Anschluss an die eitirte Arbeit Drerver’s (5). Was die so trefflich durchgearbeitete »Vierstrahlertheorie« dieses Forschers angeht, so zeigt sie, ihre Richtigkeit vorausgesetzt, Folgendes: Es ist eine nothwendige Folge des Baues der lebenden 1 Wıcanp hat Vieles, was später gegen den Darwinismus geschrieben ist, überflüssig gemacht; aber wer kennt ihn? Falsche Gerüchte haben ihn fast völlig ignorirt werden lassen, wohl nur Spitzer hat ihn, wenn auch als Gegner, gewürdigt. Wir befinden uns hier nicht an einem Lichtpunkt der Geschichte der Biologie. 2 Um Missverständnisse zu verhüten, betone ich besonders, dass scharf durch- geführte morphologische Vergleiche, die übrigens bereits vor Darwın geübt wurden, ihren Werth behalten, sollte die Annahme von Descendenz auch prin- eipiell falsch sein; sie sichten die Thatsachen und decken, wenn auch zunächst noch räthselhafte, Gesetzlichkeiten der Formbildung auf. — Spekulationen darüber freilich, welche Form der Gastrulabildung »ursprünglicher« sei, alle Typenhypo- thesen etc. etc. haben wahrlich Ähnlichkeit mit einem gewissen frühen Stadium der Chemie, das zu nennen ich dem Leser überlasse. 3 Vgl. meine theoretische Arbeit (8), sowie neben Älterem die neuen Ansichten von KerNER und Hamann. — Auch bei Annahme von Typendescendenz übrigens könnten (trotz des Unterschiedes der Fortpflanzung) gewisse Analogien zwischen lebenden Formen und Krystallen vorliegen; siehe (8), sowie das weiter unten zu Erörternde. Entwicklungsmechanische Studien. VI, 49 Substanz, dass Skelettbildungen bei Protisten, Spongien und Echino- dermen bei aller Verschiedenheit im Einzelnen und bei aller Differenz des Baumaterials, stets denselben Typus befolgen. Da dieser Bau von BERTHOLD, BürscaLı u. A. als nicht vitale rein physikalische Erscheinung nachgewiesen ist, so gilt dies auch von seiner Konsequenz, dem Skelett- typus. Beidesind ausdemKreise der vitalen Probleme eli- minirt, sie sind als physikalische Rahmen dargezeigt, in denen sich das vitale Geschehen abspielt. Selbstredend wird nicht die Existenz irgend eines bestimmten Baues oder Skelettes mechanisch erklärt; eben nur über das Allgemeine wird etwas gesagt, nicht über das Besondere. Wir bezeichnen die somit beispielsweise erläuterte Methode der Forschung in Zukunft als Eliminationsmethode; sie hat ihr Ana- logon auf rein physiologischem Gebiet; wie PFEFFER sich treffend aus- drückt, bildet der Organismus hier in solchen Fällen » das Substrat für das Geschehen «. Es wäre einfältig, wie es so oft geschieht, den Werth diesbezüg- licher Forschungen zu bestreiten; selbst falls sie sich in Hinsicht auf Art der physikalischen Kräfte irrten (Zimmermann |38], auch diese Arbeit IV b, Anhang) oder die Quantität des Erklärbaren überschätzten (PFEFFER [21]), sind sie von hoher Bedeutung. Andererseits glaube ich, dass Drever letztere zu einseitig betont hat. Es liegt seinen Erörte- rungen die mehr oder weniger deutlich hervortretende Anschauung zu Grunde, dass das Leben eine Summe einzelner Probleme sei, deren jedes eliminirt, d. h. als Kombination der bekannten Physik und Chemie dargestellt werden könne, so dass zuletzt nichts mehr ungelöst hleibt. Das ist ja möglich; aber wissen wir, dass es so sein wird? und wäre, wenn es nicht so ist, die Eliminationsmethode, welche schließlich auf einen unlösbaren Rest führen würde, nicht zum minde- sten ein großer Umweg? Müssen ihr nieht andere Methoden neben- her gehen? Um in diesen Fragen Einsicht zu gewinnen, stellen wir nunmehr unsere Untersuchung auf etwas breiteren Boden: Der biologischen Probleme sind wohl im Großen und Ganzen vier Gruppen: 1) Die Ermittlung der nicht vitalen Erscheinungen am lebenden Körper. | 2) Die Ermittlung der Gesetzlichkeit des vitalen Geschehens am gegebenen Naturkörper (Entwicklungsmechanik — Roux)'. 1 Dieser Begriff umfasst streng genommen A. und 2. Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. LV. Bd. [A 50 Hans Driesch, 3) Die Ermittlung der Gesetzlichkeit hinsichtlich der Qualitäten der lebenden Naturkörper (Typen, Arten ete.). h) Die Zweckmäßigkeit. 4) ist Objekt der Eliminationsmethode; das trotz aller Anstrengun- gen nicht gehobene, sondern erst recht deutlich aufgezeigte, wenn auch vielleicht nicht der Biologie allein, sondern aller menschlichen Wissenschaft eigene Problem der Zweckmäßigkeit setzen wir außer- halb des Rahmens kausaler Naturforschung!. Das Objekt unserer Unter- suchung bilden also 2) und 3), und zwar fassen wir zunächst 2): d. i. die Gesetzlichkeit des vitalen Geschehens ins Auge. Um über Ziel und Methode des so gekennzeichneten Forschungs- gebietes Klarheit zu gewinnen, fragen wir die physikalische For- schung um Rath. Gemeinsam allen physikalischen Theorien sind zunächst, wie aller Erkenntnis, die allgemeinen Formen des Anschauens und Denkens: in endgültiger Gestalt sind sie mathematische Theorien. Gemeinsam ist ihnen ferner, wie wohl aller Naturerkenntnis, die Unterwerfung unter die mechanischen Principien, über deren Zahl und Natur man sich streitet?. Dieselben sind als allgemeinste Erfahrun- gen hinsichtlich der natürlichen (Bewegungs-)Erscheinungen anzu- sehen. Im Gegensatz zu den nothwendigen Apriorierkenntnissen der Mathematik erscheinen sie uns zufällig, d. h. wir sehen ihre Nothwendigkeit nicht ein. Des Weiteren nun gabeln sich die Theorien der Physik in zwei große Gruppen: Zunächst sehen wir in den Theorien elastischer und flüssiger Körper, in der mechanischen Wärmetheorie, in gewissen Theilen der Elektricitätslehre, und wenn wir die allgemeine Mechanik hierher rechnen wollen, auch in dieser Doktrinen vor uns, welche von einigen fundamentalen Thatsachen aus, denen nur bisweilen, hinsichtlich ihrer Allgemeingültigkeit nämlich, der Charakter der Hypothese an- haftet, durch Hineintragen der Analysis die Sekundärerscheinungen eines großen Gebietes entwickeln. Solche Fundamentalthatsachen sind 1 Auf die Pseudoerklärungen der Zweckmäßigkeit gehe ich nicht ein. Selek- tion »erklärt« doch selbst vom Standpunkt des Darwinismus aus höchstens, warum nichts Unzweckmäßiges existirt, aber nie und nimmer, warumnunZweck- mäßiges da ist, wie es entstand. 2 Außer den üblichen physikalischen Handbüchern vergleiche man nament- lich die historisch-kritische Darstellung von Dünrıng. Des Weiteren sei der Leser zur Vertiefung des Folgenden auf die Werke LiEBMmAnN’s sowie besonders auf P. Du Boıs-REeymonp’s »Grundlagen der Erkenntnis in den exakten Wissenschaften « hin- gewiesen etc. etc, Entwicklungsmechanische Studien. VI. 51 in der Wärmetheorie z. B. die beiden sogenannten Hauptsätze und zwei Sekundärerscheinungen, die durch sie, vorher scheinbar hetero- gen, erst Beziehung auf einander erhalten, sind beispielsweise die Natur der Ausdehnungskoefficienten und das Verhältnis zwischen Siedepunkt und Druck. Die weitaus größere Zahl mathematisch - physikalischer Theorien aber, wie beispielsweise die Optik, die Theorie der Lösungen, die Gas- theorie, zeigt diesen Charakter nicht. Nicht eine Thatsache ist hier der Ausgangspunkt, auch nicht eine Hypothese, sondern eine be- wusste Fiktion. Das Aufstellen einer solchen ist ein der Begriffs- bildung analoger Process: jedes Gebiet erzeugt mindestens einen Allgemeinbegriff, und aus diesem sind dann umgekehrt durch Hinein- tragen geeigneter, willkürlicher Elemente die Erscheinungen ableit- bar; der»Elementarmechanismusc«! gestattet, dieselben darzu- stellen?, oder, wie Kırcunorr es nennt, zu »beschreiben«. Es folgt bereits aus dem Gesagten, dass der Elementarmechanismus zunächst nur für das Gebiet gilt, welches ihn erzeugte, ohne Rücksicht auf verwandte Gebiete; es folgt ferner daraus, dass Skrupel wegen seines etwa absonderlichen Charakters, abgesehen von den oben genannten mathematisch-mechanischen Einschränkungen, die wir mit Kant für Vorbedingungen der Erkenntnis überhaupt halten, unnöthig sind, wenn er nur das leistet, wozu man ihn erfand, und zwar vollständig und einfach. Wir sehen mit Leichtigkeit an Beispielen, dass die theoretische Physik wirklich so vorging: Ich brauche nur daran zu erinnern, dass die kinetische Gastheorie die Wärme in die fortschreitende Bewegung der Molektile, die Theorie der Wärmestrahlung sie in die Schwingungen des Äthers verlegt, während die Theorie der Wärmeleitung noch immer den Wärmestoff verwendet; ich brauche ferner nur die Fernkräfte des Weser’schen Gesetzes zu nennen, um beide Theile obigen Satzes zu beleuchten. Es wird nun zwar der Forschungsgeist weiter dringen wollen; er wird Beziehungen zwischen den Elementarmechanismen zu ermitteln suchen, wird versuchen sie auf einander zu redueiren und wird hierin vordringen, bis er auf eine Schranke unseres Erkenntnisvermögens stößt, auf ein »Ignorabimus«. Aber derartige Leistungen dürften nicht mehr der eigentlichen theoretischen Physik, sondern im wahren Wort- sinn der Naturphilosophie zuzusprechen sein. P. pu Boıs-Reymonp schlägt für die letzte Art der Forschung, die er 1 Nach P. pu Boıs-ReymonD, an den wir uns hier überhaupt eng anlehnen. 3 Wir vermeiden hier wie im Folgenden den unbestimmten Begriff des Er- klärens, [I 52 Hans Driesch, selbst bezüglich der Fernkraft bethätigte, den Namen der metamecha- nischen, für die eigentlich theoretische Physik den Namen der mechanischen Forschungsrichtung vor, während er die Beiden vor- angehende Periode der Wissenschaft, welche durch Beobachtung und Versuch die Erscheinungen ermittelt und zerlegt, als empirische bezeichnet. Indem auch wir uns diese Ausdrücke aneignen, wollen wir nur den großen Sinnunterschied betonen, den der Begriff der mechanischen Forschung bei pu Boıs-ReymonD und in der oben eitirten Arbeit Drever’s besitzt: wir haben hier das Wort »Eliminationsmethode« an die Stelle gesetzt. Dagegen mag Roux’s Entwicklungsmechanik Berührungspunkte mit der vu Boıs-Reymonp’schen Auffassung des Wortes bieten. Wir wollen das soeben Gelernte uns für unsere zweite biologische Problemgruppe: die Ermittlung der Gesetzlichkeit des vita- len Geschehens zu Nutze machen, und zwar handeln wir zunächst mit kurzen Worten über die möglichen Ziele der hierauf bezüg- lichen Forschung. Wir sahen, dass es zunächst Aufgabe sein muss, falls wir von den erst erörterten Theorien, welche auf Thatsachen basiren, absehen, für ein gewisses Gebiet eine gleichgültig wie beschaffene Elementarvor- stellung zu ermitteln, aus der sich dasselbe deduciren lässt. Eine solche Fiktion soll gleichsam die gedankliche Konstruktion des Ge- bietes ermöglichen, sie soll das Symbol für das reale Naturgesetz, die »Idee« (LiEBMANN) sein. Wir sahen ferner, dass die Physik ihre Elementarmechanismen ohne Rücksicht auf andere Gebiete erfindet, und eben dieses ist uns außerordentlich wichtig, indem es uns schon jetzt die Eliminations- methode als etwas Sekundäres erscheinen lässt; denn wer wird be- streiten wollen, dass die so räthselvollen Erscheinungen des Lebens auf Principvorstellungen führen können, die zunächst nur ihnen ge- meinsam sind? Doch hierauf rekurriren wir später; zunächst betonen wir nur, so paradox und doch so resignirt es uns klingen mag, die Wesensähnlichkeit so beschaffener theoretischer Bio- logie mit dem Ideal der Forschung, der mathematischen Physik. Das heißt etwas realer gesprochen: gelingt es etwa der mor- phologischen Forschung, die Entwicklung eines Thieres aus irgend einer Grundannahme mathematisch zu entwickeln!, so ist dieses Ge- biet der mathematischen Physik ebenbürtig, gleichgültig wel- cher Art die Grundannahme sei. Wir halten diesen Gedanken für sehr bedeutungsvoll, wohl liegt 1 Dies ist etwa der Begriff der »Entwicklungsmechanik « bei Roux. Entwicklungsmechanische Studien. VI. 53 eine große Resignation darin, aber die Erkenntnis unserer Beschränkt- heit ist doch auch ein Erkennen. Der Gedanke einer Erweiterung der physikalischen Grund- fiktionen, an Stelle einer Auflösung in sie, wird dem Biologen stets gegenwärtig sein müssen; ja! die Chemie, welche übrigens einen wahren Elementarmechanismus erst höchstens andeutungsweise be- sitzt, giebt uns zugleich Veranlassung zu der Vermuthung, es möge der besondere Charakter eines biologischen Elementarmechanismus auch wohl der metamechanischen Analyse Stand halten, d. h. auf ein ihm eigenthümliches Ignorabimus! führen. Wer kann das Gegentheil wissen? Niemand! Und nur durch Gegenwärtighalten widersprechender Möglichkeiten schützt man sich vor Dogmatismus. Doch wenn Obiges richtig, dann stehen wir ja bereits auf dem er- sehnten Standpunkt, dann sind wir der mathematischen Physik ja schon ebenbürtig! Haben wir nicht den Darwinismus, haben wir nicht eine große Zahl von Micellar- und Molekulartheorien, hat nicht erst kürzlich BürscaLı durch eine gewisse Annahme über den physikalischen Zustand der lebenden Substanz viele scheinbar heterogene Erscheinungsgebiete unter einen Hut gebracht? Nur gemach! Abgesehen davon, dass BürseaLı’s Annahme eine physikalische, nicht eine vitale Hypothese ist, also streng ge- nommen unser Problem in doppelter Hinsicht nicht berührt, auf alle Fälle aber der Eliminationsforschung angehört, abgesehen davon ferner, dass der Darwinismus keine Fiktion, sondern eine Hypothese zu sein behauptet, indem er seine besondere Art der Variationsver- erbung? -— die Akten sind darüber nicht geschlossen — doch als That- sache aufzeigen will: nur das beliebige Erdenken einer Fik- tion leistet auch nichts, sie muss erstens ein größeres Gebiet, und dieses zweitens einfach, vollständig und streng mathematisch zu deduciren gestatten. Ist eines dieser Postulate nicht erfüllt, so fällt der Werth des Elementarmechanismus (z. B. der Lichtstoff) sowohl wie derjenige der Hypothese (z. B. der Darwinismus), und wer wird 1 Wir postulirten oben für die Grundvorstellungen der Physik die Unterwer- fung unter die sogenannten »Principien« der Mechanik. Eben desswegen wird ja die ganze Physik als mechanische Forschung bezeichnet. Ob dieses Postulat auch für einen eventuellen Elementarmechanismus der Biologie gelten muss, wagen wir nicht endgültig zu entscheiden. Dass wir es glauben, zeigt der Titel unserer Studien, sowie die einleitenden Worte, welche dem ersten Theil derselben voran- gestellt wurden (9). 2 Die Annahme nämlich, dass neben dem individuellen Charakter die Ten- denz in derselben Richtung unbegrenzt weiter zu variiren gleichzeitig vererbt wird (siehe besonders WiıcAnp [34]). ee En nn ae pn 54 Hans Driesch, behaupten, dass die Idioplasmafiktion NägeLi’s, um von anderem noch weniger Ausgebauten abzusehen, auch nur einer der Forderungen genügt? Wir besitzen noch keinen Elementarmechanismus von Werth in der Biologie, und erst recht sind wir, so ungern man es auch hören mag, von metamechanischer Forschung entfernt. Der Gedanke aber, dass der geschilderte Standpunkt einst realisirt werde, ein Gedanke, auf den uns die Physik deutlich hinweist, wird uns nun werthvoll für die biologische Methodik. Die Methode der Elimination wäre als alleinige Forschungsart am Platze, wenn wir wüssten, dass völlige physikalisch-chemische Reduktion der Lebens- erscheinungen möglich ist. Sonst wäre sie ein großer Umweg, denn höchstens als bleibenden Rest könnten wir dann das Vitale direkt angreifen. Wir missachten die genannte Methode nicht, wenn wir behaupten, dass Anderes ihr zur Seite gehen und mit ihr zusammen die empi- rische Forschungsrichtung ausmachen muss: die denkende Beob- achtung, und vor Allem der denkende Versuch. Reden wir daher jetzt von derjenigen Methode der Forschung, die vor Allem berufen sein dürfte, uns zum Siege zu führen, von der Methode des Experimentes!. Das der morphologischen Forschung dienstbar gemachte physio- logische Experiment besteht in einer willkürlichen Änderung des Zustandes des Versuchsobjektes; man wird nicht fehl gehen, wenn man sagt: die Energie desselben werde durch den Versuch vermehrt oder vermindert. ‘ Es sind hier nun zweimal zwei Fälle zu unterscheiden: Erstens kann die Veränderung des Zustandes durch physikalisch - chemische? oder durch physiologische Mittel® erfolgen. Zum Anderen kann sie auf das Objekt als auf einen physikalischen Körper, oder als auf ein lebendes Wesen wirken, d. h. mechanisch oder physiologisch. 1 Um die Einheitlichkeit der Darstellung zu wahren, unterlasse ich hier, wie im Vorigen, einen Hinweis auf verwandte Gedanken anderer Forscher. Was meinen Ausführungen mit denen WırHeLm Roux’s und Anderer gemeinsam ist, und was nicht, wird der kundige Leser auch ohne fortdauernden Hinweis erkennen. Den Schriften genannten Forschers verdankt die morphologische Methodik sehr Bedeu- tendes (siehe auch [8]). 2 Meine Wärme- und Druckversuche; SADEBECK'S Versuch etc. etc. 3 Meine Versuche über Doppelbefruchtung; Lor»’s Amputationen etc. etc. Auch Bastardirung, auf die Kerner so großes Gewicht für Artbildung legt, ist ein mit physiologischen Mitteln ausgeführter Versuch. u N Entwicklungsmechanische Studien. VI. 55 Im ersteren Fall läge ein Objekt für die Eliminationsmethode vor; im zweiten das, was man Reiz nennt. Die Entscheidung ist nicht leicht, auch wir blieben bei unseren Druckversuchen unentschieden; man wird mit rein mechanischer Auffassung jedenfalls vorsichtig sein müs- sen!. Das Wort Reiz, der eigentlichen Physiologie entlehnt, scheint für die nicht-mechanische Kategorie auch hier am Platze, da das Wesent- liche des Begriffs, die Inkommensurabilität von Grund und Folge auch hier vorliegt; die Gründe sind eben Veranlassungen, nicht Ursachen; auf nähere Analyse des Reizbegriffes soll hier nicht eingegangen werden. Die Methode des Experimentes wird die Erscheinungen sichten und analysiren lehren; sie wird sich zunächst mit Ermittlung dessen begnügen, was ich prospektive und retrospektive Beziehungen nannte, damit zugleich in dem indifferenten Ausdruck Beziehung andeutend, dass es sich retrospektiv nicht gleich um Causales (das im Wesen des Organismus liegen dürfte), sondern um Ermittlung bloßer Bedingungen handeln kann. Meine Versuche mit Wärme und Druck deckten beiderlei Be- ziehungen auf: es zeigte sich retrospektiv, dass der Furchungstypus von Äußerem abhängig, keine »Selbstdifferenzirung« (Roux) ist, es zeigte sich prospektiv, dass er ohne Bedeutung sei; und des Allge- meinen lernten wir aus dieser Beziehung, dass die Entwicklung von einem eigenartigen korrelativen Princip beherrscht werde, welches der einzelnen Zelle, die sowohl den ganzen Körper (wenn isolirt) als auch jeden Theil eines ganzen Körpers (wenn im Ver- bande) zu bilden befähigt ist, ihr Los anweist. Wir sagten in diesem Sinne, das Schicksal (die prospektive Beziehung) der einzelnen Fur- chungszelle sei eine Funktion der Lage. Ähnlich bei Loxs: beeinflusst er Organbildung durch Schwerkraft, so wird retrospektiv eben diese Beziehung als solche aufgedeckt, prospektiv lernen wir, dass der Polyp, an welchem die heteromorphe Neubildung entsteht, eben nicht nur einer Prolifikationsweise fähig ist, sondern mehrfache Beziehung zum Ganzen haben kann, wie ich das an anderem Orte ausführte (6, 7). Unser Gedankengang war bis jetzt ein zwiefacher: wir gingen von einer vorurtheilslosen Werthprüfung der Forschungsmethoden, welche uns in der Morphologie vorliegen, aus; während wir mit der historischen Methode verhältnismäßig leicht fertig wurden, und einsahen, dass sie im Einzelnen gar keine Methode für sich, sondern eine hypothetische 1 Eine solche liegt natürlich vor, wenn z.B. die Seeigeleier durch den Druck überhaupt deformirt wurden; man gewinnt damit aber nichts. Sonst möchte ich keinen Experimentalfall mit Sicherheit hierher rechnen. 56 Hans Driesch, Beschreibung, also der rein deskriptiven Methode zuzuzählen sei, ver- ursachte uns die Erörterung der beiden übrigen Forschungsarten, der mechanischen (besser »eliminirenden«) und der experimentirenden größere Schwierigkeiten. Hier musste ein neuer Gedankengang als Direktive einsetzen: wir begannen mit Klassifikation und Erörterung der morphologischen Pro- bleme selbst. Der erste Gang unserer Gedanken ist nunmehr abgeschlossen: wir haben die vorliegenden Methoden der Forschung nach Wesen und Ziel erörtert; der zweite jedoch, der Anfangs als Aushilfe erschien und sich dann immer wesentlicher gestaltete, so dass er bald zur Hauptsache, und das ursprüngliche Objekt zum Anhängsel ward, ist noch nicht erledigt, denn, nachdem wir nunmehr das mögliche Ziel und die Methodik derjenigen Forschung erörtert haben, welche die Ermittlung vitaler Gesetzlichkeit am gegebenen Körper zur Aufgabe hat, erhebt sich sogleich die Frage nach dem Wesen eines anderen Problems der morphologischen Forschung, zu dessen Lösung bisher höchstens tastende Versuche, geschweige denn eine Methode vorliegt. Eben Letzteres wird uns hier gestatten, unserer zweiten Gedankenfolge nunmehr allein, ohne Rücksicht auf die erste, nachzu- gehen. Dieses mag nun noch mit kurzen Worten geschehen. Wie kommt es, dass differente Formen der lebenden Körper existiren, Arten, Gattungen, Typen? können wir deren Nothwendigkeit erkennen? kurz, was ist das Wesen der Wissenschaft von den systematischen Kategorien? Dass uns die von Dreyer erörterte Methode der Elimination hier im Stich lassen muss, ist ohne Weiteres klar, wir werden das, wie gesagt, nicht mehr im Einzelnen betonen. Aber auch die Methode der Physik, der Wissenschaft der Quantität, muss hier versagen. Die Frage lautet hier kurz: wesshalb existiren so und so viele Qualitäten (im Sinne von »differente Körper« verstanden)!. Dem Darwinismus war und musste die Form unwesentlich sein; sie war ihm ein Zufallsprodukt, deren er sich unbegrenzt viele denken konnte; die Systematik — dieses Wort im weitesten Sinne’ genommen —- konnte ihm nur sekundäres Interesse haben, er ver- mochte prineipiell nichts Neues aus ihr zu lernen. Das Wesentliche 1 Man kann unter dem Namen »Qualitätsproblem « auch die Frage begreifen, warum dieser Körper diese, jener jene Eigenschaften zeigt. Dieses unlösbare, die Psychologie und Erkenntnislehre streifende Problem erörtern wir hier nicht, ob- schon es auch bei morphologischen Dingen in Frage käme; siehe auch WısAnD (34) Bd. II. re Entwicklungsmechanische Studien. VI. 57 dabei ist also dieses: dem Darwinismus sind unbegrenzt viele Formen ohne Gesetzlichkeit denkbar. Wie steht es denn nun mit dem »Antidarwinismus«? Zunächst ist zu bemerken, dass dies kein positiver, sondern ein negativer Begriff ist. Daraus folgt, dass es sich für ihn nicht um Positives, sondern nur um principielle Möglichkeiten handeln kann. Welches sind nun diese? Offenbar giebt es drei: 1) Es können die Formen sämmtlich nach Zahl und Gesetz vor- geschrieben sein, oder 2) nach Gesetz aber ohne Zahl, d.h. es wären unbegrenzt viele möglich, oder 3) zum Theil nach Gesetz ohne Zahl, zum Theil nach Gesetz mit Zahl. Wenden wir uns nun einmal, wie oben an die Quantitäts- wissenschaft, an die Physik, so hier an die Qualitätswissen- schaft, an die Chemie, wobei wir die Voraussetzung machen, es sei erkannt, dass es nur eine bestimmte Zahl von Elementen geben könne!. Wir wissen andererseits, dass es eine unbegrenzte Anzahl von Verbindungen geben kann, die aber gewissen Gesetzen — z. B. dem der multiplen Proportionen — unterworfen sind. Wir hätten also hier unseren Fall 3: die differenten Körper sind zum Theil nach Zahl und Gesetz, zum anderen nur nach Gesetz bestimmt. Wäre Ähnliches nicht in der Morphologie denkbar: könnte man nicht einst erkennen, dass gewisse Kategorien (etwa die Typen) nur in bestimmter Zahl existiren können, wie man dies für die Krystallsysteme einsah, während andere Kategorien (etwa die Arten) unbeschränkt möglich sind, wennschon sie gewissen Gesetzen genügen müssen ? Dass wir zu einer solchen Erkenntnis befähigt sind, zeigt die Krystallographie und (zum Theil problematischerweise) auch die Chemie; wir lösen diese gleichsam quantitativ auf?. 1 Auch die Theorien der Krystallstruktur dienen hier zu guter Veranschau- lichung; siehe z. B. OstwALp, Lehrbuch der allgemeinen Chemie. 1. 2 Wie die quantitative Wissenschaft (Physik) auf das Studium gewisser Funk- tionen führt, so führt die qualitative Theorie auf Vergleich von Funktionsformen, und innerhalb dieser auf Vergleich der Konstanten. In ihr werden die Konstanten der quantitativen Theorie also zu Variablen. Eben hierin liegt die Reduktion des Qualitativen auf Quantitäten, wie überhaupt ja Reduktion auf Analysis Zurück- führen auf Quantität bedeutet. Ich bitte hiermit die Betrachtungen zu vergleichen, welche Hıs auf p. 242 und 213 seiner klassischen Körperform angestellt hat. Den- ken wir uns seine »Wachsthumsformeln« etwa durch Fon ola)) = 0. Fin ur .sio(d)] Fe, ges al) = 0. 10,92. Bo). 0. etc. etc. etc. etc, 58 Hans Driesch, Warum aber nun im gegebenen Falle geräde dieses oder gerade jenes Gesetz die Qualitätsbildung beherrscht, und warum es in allen oder nur in einigen seiner Möglichkeiten realisirt ist, das ist allerdings eine andere Frage, die, so weit es sich um mathematische Nothwendig- keiten handelt, der Erkenntnistheorie zufällt, im Übrigen aber transcen- denter Natur sein dürfte, wie diejenige nach dem Grund der Natur- gesetze überhaupt. Wir glauben durch diese freilich sehr aphoristischen Ausführungen gewisse Ansichten Wıcanp’s (3%, Bd. II) berichtigt und die Möglichkeit einer freilich beschränkt gearteten Wissenschaft der Qualität dargethan zu haben. Somit ist auch unsere zweite Gedankenreihe erledigt. Wir sind am Ende. Warnen sollten diese Zeilen vor jeder Ein- seitigkeit und vor jeder Dogmatik; sie sollten zeigen, wie unermesslich unser Gebiet ist, und wie wir dennoch gewisse Wege der Forschung in abstrakter Weise skizziren können, sobald wir uns an unser Er- kenntnisvermögen wenden und an die Geschichte der Wissenschaft, welche sein Spiegelbild ist. Scheinbar ohne Grenzen schien uns das Gebiet der Biologie; es umfasste nicht nur die anorganischen Wissenschaften, wir stellten als möglich und als steter Erwägung bedürftig hin, es würde sie viel- leicht- einst wesentlich erweitern. Und nun war dies gar nur die eine Seite, welche uns die Erscheinungen des Lebens .darbieten. Zürich, Juni 1892. Litteraturverzeichnis. 1. R. S. Beren, Kritik einer modernen Hypothese von der Übertragung erblicher Eigenschaften. Zool. Anz. XV. 2. G. BERTHOLD, Studien über Protoplasmamechanik. Leipzig 1886. Kapitel VII. 3. L. CHaBry, Contribution a l’embryologie normale et teratologique des ascidies simples. Journ. de l’anat. et de la physiol. 1887. gegeben, so wären also zunächst die , % etc., sodann innerhalb jedes die a, b etc. zu vergleichen, resp. als variabel anzusehen; a, b etc. sollen dabei beliebige ur- sprünglich konstante Ausdrücke bedeuten. Man wolle übrigens in Obigem eine ganz abstrakte Betrachtung sehen; dass ich stets F[....] geschrieben habe und nicht etwa auch G[.. .] etc., involvirt zwar eine besondere Annahme, ist hier je- doch nur der Vereinfachung halber geschehen. Eine gute Erläuterung dieser hier nur angedeuteten Gedanken dürfte u. A. die elastische Theorie isotroper und aniso- troper Körper darbieten. 28. Entwicklungsmechanische Studien. II—VI. 59 L. Cuagry, Production experimentale de la segmentation born&e au noyau. Soc. de Biolog. No. 26. F. DrEyYER, Ziele und Wege biologischer Forschung. Jena 1892. H. Driesca, Heliotropismus bei Hydroidpolypen. Zool. Jahrb. Abth. f. Syst. V. H. DriescHh, Die Stockbildung bei den Hydroidpolypen und ihre theoretische Bedeutung. Biol. Centr. XI. . H. Drisscn, Die mathematisch-mechanische Betrachtung morphologischer Pro- bleme der Biologie. Jena 1891. H. Driesch, Entwickiungsmechanische Studien. I. Der Werth der beiden ersten Furchungszellen in der Echinodermenentwicklung. Experimentelle Er- zeugung von Theil- und Doppelbildungen. Diese Zeitschr. Bd. LIll. H. For, Recherches sur la f&condation et le commencement de l’henogenie. Memoires de la soc. de phys. et d’hist. nat. de Geneve. XXVI. H. For, Sur l’origine de l’individualit& chez les animaux superieurs. Arch. des seienc. phys. et nat. Ill Per. Vol. X. . H. For, Die Centrenquadrille, eine neue Episode aus der Befruchtungsge- schichte. Anat. Anz. VI. . P. HALLez, Recherches sur l’embryologie des Nematodes. Paris 1885. . ©. Herrwic, Welchen Einfluss übt die Schwerkraft auf die Theilung der Zellen ? Jena 4884. O. Herrwig, Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden. Archiv für mikr. Anat. Bd. XXXVI. - 0, Herrwie, Urmund und Spina bifida. Ebenda. Bd. XXXIX. O. u. R. Herrwig, Über den Befruchtungs- und Theilungsvorgang des thierischen Eies unter dem Einfluss äußerer Agentien. Jenaische Zeitschr. 1887. LANARLE, Sur la stabilite des systemes liquides en lames minces. Mem. de l’Acad. de Belgique. XXXV et XXXVI . J. LoEB, Untersuchungen zur physiologischen Morphologie der Thiere. Iu. I. Würzburg 4891 u. 1892, . E. METsScHNIıKoFF, Embryologische Studien an Medusen. Wien 4886. . W. PrerrEr, Zur Kenntnis der Plasmahaut und der Vacuolen. Abh. der sächs. Ges, der Wissensch. 1890. . E. PrtLücer, Über die Einwirkung der Schwerkraft und anderer Bedingungen auf die Richtung der Zelltheilung. Dritte Abhandlung. Prrüser’s Archiv. Bd. XXXIV. . J. PLATEAU, Statique des liquides. 4873. . A. Rauser, Neue Grundlagen zur Kenntnis der Zelle. Morph. Jahrb. VIll. . W. Roux, Über die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren. Leipzig 1883. . W. Rovx, Über die Zeit der Bestimmung der Hauptrichtungen des Frosch- embryo. Leipzig 1883, . W. 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ZIMMERMANN, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle. Heft 2. Erklärung der Abbildungen. (Alle Figuren sind mit dem AsseE’schen Zeichenapparat angefertigt.) Fig. A—C normale Furchung von Echinus. Kopien nach SELENKA. Tafel I—II. Fig. 1—A0 zu TheilIlllb (Theilbildungen, Echinus). Fig. 4. Drei Zellen des Vierstadiums; die normale Lagerung ist erhalten. Apochr. 46 mm. Oc. 4. Fig. 2. Dasselbe Ei typisch in 12 Zellen (3/, 416-Stadium) getheilt. D* Oc. 2 (gab typischen Pluteus mit voller Symmetrie). Fig. 3. Eine Zelle des Vierstadiums isolirt. Apochr. 16 mm. Oe. 4. Fig. 4. Dieselbe in zwei Theile zerfallen (1/4 Achtstadium). do. Fig. 5. In vier Theile, typisch (1/4 16-Stadium). do. Fig. 6. In acht Theile, typisch (1/; 32-Stadium). do. Fig. 7. Andere Zelle des Vierstadiums, atypisch in vier gleiche Theile zerfallen. A. Oc. 4. Fig. 8. Zwei Zellen des Achtstadiums. A. Oc. #. Fig. 9. Dieselben haben je eine Mikromere abgeschnürt (1/, 16-Stadium, vom animalen Pol). do. Fig. 410. Weiter typisch in 12 zerfallen. do. Fig. 44—38 zu TheilIVa (Wärmeversuche). Fig. 41. Eivon Echinus, in 26° C. zerrissen zweigetheilt. D* Oc. 2. Fig. 12. Dasselbe in vier. do. Fig. 13. Dasselbe in acht. Verlagerung der Zellen. do. (Dieses Ei besaß am 16-Stadium eine Mikromere.) Fig. 44. Anderes Ei von Echinus; wie Fig. 44. Membran fortgelassen. do. Fig. 45. Dasselbe in vier. do. Fig. 16. Dasselbe in acht; wie Fig. 13. do. Fig. 47. Dasselbe in 16 nahezu gleiche Zellen getheilt. D* Oc. 4. Fig. 18. Ein Achtstadium von Echinusin Wärme, von dem nur ein Zellen- paar atypisch liegt. D* Oc. 2. Gab trotzdem 46 gleiche Zellen. Fig. 49. Vierstadium von Sphaerechinus, deutlich in zwei Portionen ge- sondert; Zellenanschluss innerhalb der Portion aber eng. Membran fortgelassen. ADE.B,; Entwicklungsmechanische Studien. II—VI, 61 Fig. 20. Dasselbe in acht. do. Fig. 21. Recht atypisches Achtstadium von Echinus. D* Oc. 2. Fig. 22. Achtstadium von Sphaerechinus, in welchem zwei Zellenpaare atypisch gelagert. Membran fortgelassen. D* Oc. 4. Fig. 23. Ähnliches Stadium in anderer Ansicht. do. do. Fig. 24. Anderes Achtstadium von Sphaerechinus mit nur einem atypi- schen Zellenpaar. do. do. Fig. 25. Dasselbe Ei in 16 Zellen mit nur einer Mikromere. do. do. Fig. 26. Ein 16-Stadium von Sphaerechinus mit zwei Mikromeren. do.do. Fig. 27. Ähnliches Stadium von Echinus. Die Mikromeren verschieden groß. do. do. Fig. 28. Stadium von 46 annähernd gleichen Zellen von Echinus. do. do. Fig. 29. Dasselbe Ei in 32 Zellen; nur oberer Pol mit sechs Mikromeren ge- zeichnet. do. do. B Fig. 30. Stadium von 46 gleichen Zellen, die in vier Portionen geordnet sind. _ Eehinus. do. do. Fig. 33—38. Pathologische Furchung in Wärme. Echinus; siehe Text, Fig. 33—37 D* Oc. 2. Fig. 38 Oc. 4. Membran fortgelassen. Fig. 39—68 zu TheilIVb (Druckversuche, Echinus). Fig. 39—44 stellen die Dimensionsänderungen von Eiern derselben Befruch- tung unter Druck dar, wie sie in größerer Entfernung von der Borste horizontal zunehmen. Fig. 39. Nicht deformirt. Fig. 44. Man sieht die Membran noch eben unterschieden. Fig. 42. Die Membran liegt eng an. Alles bei Apochr. 16 Oc. 4 ge- zeichnet. Fig. 45, 46. Membran geplatzt, entlässt das Ei; bei Fig. 46 liegt sie der linken Hälfte eng an. do. Fig. 47. Ei mit Membran. 4-Stadium. Apochr. 46. Oc. 4. Fig. 48. Dasselbe in acht. do. Fig. 49. Dasselbe in 46. do. D* Oc. 2. Fig. 50. Achtstadium mit Membran, eine Zelle innen. Apochr. 16. Oc. 4. Fig. 51. Typisches 46-Stadium mit Membran. D* Oc. 2. » Fig. 52. Stadium von 46 gleichen Zellen, mittelstarker Druck. D* Oc. 2. i Fig. 53. Ähnlich. do. Membran fortgelassen. Illustrirt zugleich den Habitus von Eiern wie Fig. 49 und 54 nach Aufhören des Druckes. Ri Fig. 54. Segmentation bornee au noyau (CHABry). Apochr. 416. Oc. 4. Fig. 55. Dasselbe, nur theilweise. D* Oc. 2. Fig. 56. Ei ohne Membran unter Druck. Vierstadium. Apochr. 16. Oc. 4. Fig. 57. Dasselbe nach Aufhören der Druckwirkung. do. Fig. 58. Achtstadium ohne Membran unter Druck. do. Fig. 59. Achtstadium ohne Membran nach Aufhören der Wirkung. do. 2 Fig. 60. Die Zellen schließen wieder an einander. Dieses Ei bildete zwei — Mikromeren, wie angedeutet; alle mit & bezeichneten Zellen theilen sich über ein- ander in gleiche Theile. do. Fig. 64. 46-Stadium ohne Membran unter Druck. do. Fig. 62. Dasselbe Ei nach Aufhören der Wirkung; die Zellen mehr gerundet. x wie in Fig. 60. do. Fig. 63. Ei ohne Membran, nach Aufhören der Wirkung; nur zwei Zellen liegen außerhalb der Platte. D* Oc. 4. i =, 62 Hans Driesch, Entwicklungsmechanische Studien. II—V. Fig. 64. Ähnlich. Apochr. 46. Oc. 4. Dieses Ei gab Zwillinge. Fig. 65—67. Interessanter, im Text näher erörterter Fall sehr abnormer Fur- chung. Apochr. 16. Oc. 4. Fig. 68. Blastula, daraus hervorgegangen, im Umriss. Die Verzerrung glich sich aus und sie ward typischer Pluteus. Fig. 69—78 zu Theil V (Doppelt befruchteteEier). (Alles Echinus bis auf Fig. 76—78.) Fig. 69. Achtstadium der normalen Doppelfurchung, einen Ring darstellend. D7 Ber. Fig. 70. Dasselbe Ei in 16; zwei Ringe über einander. do. Fig. 74. 32 gleich Doppelsechzehnstadium desselben Eies. do. Fig. 72. Tetraedrisches Vierstadium. A. Oc. 4. Fig. 73. Dasselbe Ei in acht Zellen getheilt. D* Oc. 2. Fig. 74. Dasselbe in 16 Zellen, zu vier Packeten geordnet. Bildete bei & (also im Ganzen sechs) Mikromeren. D* Oc. 4. Fig. 75. Anderes Stadium von 16 Zellen; bildete bei M (also im Ganzen vier) Mikromeren. do. Fig. 76. Tetraedrisches Vierstadium von Sphaerechinus. A. Oc. 4. Fig. 77. Dasselbe Ei in 16 Zellen getheilt, die typisch in vier Packete geordnet sind. do. Fig. 78. Dasselbe abgefurcht. Die Packete sind noch deutlicher. Dieses Ei allein gab vier Blastulen den Ursprung. do. Striche oder Doppelpfeile, welche zwei Zellen verbinden, bezeichnen deren gemeinsamen Ursprung aus einer. Die in den Doppelfurchungsbildern angebrach- ten Farben weisen auf gemeinsame Abstammung von einer der vier ersten Zellen zurück. Über das Vorderhirn einiger Reptilien. Von Ad. Meyer, med. pract. Zürich. Mit Tafel IV und V. Die vorliegende Arbeit verdankt ihre Entstehung einer Anregung von Herrn Professor Forer. Die Aufgabe war ursprünglich, namentlich mit Rücksicht auf die Augenbewegungsnerven, ein Ghamaeleongehirn zu untersuchen, das Herr Dr. Drrsrück unter Wasser geschnitten und mit Karmin und mit Anilinblau (Zupringer), einige wenige Schnitte auch nach der Methode von Mercıer gefärbt hatte. Als Anfänger in der Ge- hirnanatomie hatte ich aber zu viel Schwierigkeit, mir das bei der Härtung und bei der für so kleine Gehirne entschieden ungenügenden Einbettung (mit Stearin nach v. Guppzn) etwas verunglückte Gehirn zurechtzulegen. Die Folge davon war, dass ich mir eine kleine Samm- lung von Gehirnschnittserien aus den fünf Wirbelthierklassen an- fertigte, um mich danach in der Gehirnanatomie zu orientiren. Erst in der letzten Zeit konnte ich meine Sammlung noch bedeutend erwei- tern, indem ich mich auf den freundlichen Rath von Herrn Professor WIEDERSHEIM mit dem überaus zuvorkommenden Direktor des zoologi- schen Gartens in Hamburg, Herrn Dr. Borau, in Verbindung setzte. Dadurch wurde mir die Untersuchung einiger größerer Reptilienspecies ermöglicht. Mit der Vermehrung der Schnittserien wurde das Feld für interessante Studien immer mehr erweitert, so sehr, dass schließlich die Wahl einer bestimmten Aufgabe schwer wurde. Auf das ursprüng- liche Thema mochte ich nicht zurückgreifen; es ließ sich auf bloß deskriptivem Wege wohl manches interessante Resultat erweisen — wie z. B. die Kreuzung eines Theiles des Oculomotorius nicht nur bei Chamaeleon, sondern auch bei den meisten anderen Species, zumal bei Lacerta agilis und bei Iguana tuberculata —; aber schließlich fand ich, 64 Ad. Meyer, es seien so viele wesentliche Fragen bloß auf dem Wege der Degene- rationsmethode befriedigend zu lösen, dass ich von einer einfachen Beschreibung abstand. An eine in sich abgeschlossene, einigermaßen vollständige Darstellung des Baues des Reptiliengehirnes durfte ich nicht denken, weil mir dazu die nöthige Vorbildung und Zeit fehlte; und so entschloss ich mich denn, mich vor der Hand auf das Vorderhirn zu beschränken, das der Gegenstand vieler Meinungsverschiedenheiten ist. Mein Ziel ist dabei, möglichst objektiv und genau dem Leser das Material zu bieten, auf Grund dessen er sich selbst soll ein Urtheil bil- den können über die Fragen, welche den Hauptgegenstand der Diskus- sion bilden. Die Anforderungen an den Gehirnanatomen wachsen von Jahr zu Jahr. Nur von einem Zusammenarbeiten der verschiedensten Methoden — Forer hat in seiner Arbeit über den Ursprung des Glossopharyngeus, Vagus und Hypoglossus deren neun aufgezählt — sind ordentliche Resultate zu erwarten. Als derjenigen Methode, auf die aber immer wieder als Basis zurückgegriffen werden muss, wenn man nicht in ein wahres Chaos von Meinungsverschiedenheiten hineingerathen soll, bleibt der rein deskriptiven doch ihr Recht, und ich entschließe mich um so eher zu diesem einfachen Weg, als damit für alle anderen Methoden feste Anhaltspunkte gewonnen werden. Den meisten Autoren schwebten in erster Linie vergleichend-anatomische Spekulationen vor, und es mag darin der Grund liegen, dass die topographische Seite der Arbeiten über mein Thema vielfach Lücken aufweist, oder dass überhaupt meist nur einige wenige Faserzüge und Zellhaufen die Auf- merksamkeit der Untersucher auf sich zogen. Nur so lassen sich die großen Differenzen und die Unbestimmtheit in den Anschauungen er- klären. Es ergab sich mir manche Schwierigkeit daraus, dass meine Serien vorwiegend mit Rücksicht auf Studien am Mittelhirn und Nachhirn ge- schnitten sind; doch hoffe ich durch Verwerthung des vorhandenen Materials wenigstens zu einem bescheidenen Anforderungen genügen- den Resultat zu kommen. Vor Allem empfinde ich den Mangel an embryologischem Material, sowie die Unmöglichkeit der Verwerthung der Guppen’schen Methode. Sobald äußere Verhältnisse sich dazu günstiger gestalten, werde ich diesbezügliche Untersuchungen an die Hand nehmen. Eben so fehlte mir geeignetes Material zu Studien nach der Gorsrsschen Methode, und ich muss desshalb noch den alten Standpunkt in meinen Beschreibungen einnehmen, die Einheit von Zelle und Faser vernachlässigen und meistens Fasern und Zellen für sich behandeln, ohne ihren Zusammenhang feststellen zu können. Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 65 Methoden. Die Gehirne wurden möglichst rasch dem eben getödteten Thiere entnommen, und in MüLrzer’scher Flüssigkeit gehärtet; es wurde darauf geachtet, dass dieselbe häufig gewechselt wurde und in genügender Quantität zur Anwendung kam. Nach einer Härtungsdauer von zwei bis acht Wochen, abhängig von der Temperatur der Flüssigkeit und von der Größe der Stücke, wurden die Gehirne, nicht ausgewaschen, in 70, 90 und schließlich 96—98/,igen Alkohol übertragen und nach drei bis sechs Tagen in Celloidin eingebettet. Nur die spätere Färbung mit Aniline blue-black ließ es wünschenswerth erscheinen, einige Ge- hirne etwa !/, bis I Stunde in laufendem Wasser auszuwaschen, bevor sie zur Nachhärtung und Entwässerung der Alkoholbehandlung unter- worfen wurden. Fast durchgehend kam die Wrrgerr’sche Methode für Schnittserien in Betracht. Die Schnitte wurden mit einem Klosett- papierband, das mit Alkohol befeuchtet war, vom Messer abgenommen und auf Filtrirpapier mit 90°/,igem Alkohol stets feucht erhalten, als- dann auf die kurz zuvor bereitete mit Alcohol absolutus befeuchtete Kollodiumglasplatte abgeklatscht, mit Filtrirpapier getrocknet und end- lich mit einer zweiten Schicht Kollodium übergossen. Abweichend von der Vorschrift Weiserr’s benutzte ich nach dem Rathe des Herrn Dr. Ferix durchweg 90—95/,igen, nicht 80°/,igen Alkohol und hatte so keine Misserfolge mehr zu verzeichnen, während vorher viele Platten Trübungen bekommen hatten. Stärkeren Alkohol darf man aber nicht nehmen, weil sonst das Kollodium gelöst leicht an den Rändern klebt. Für die Färbung kamen zwei Methoden in Anwendung: die Fär- bung mit Aniline blue-black, empfohlen von JeLsersma, und eine Mark- scheidenfärbung (nach Pır). Das Aniline blue-black, welches die Kollo- diumplatten ebenfalls färbt, lässt sich aus demselben durch 70 bis 80 %/,igen Alkohol wieder vollständig extrahiren; auf diese Weise hat man ungemein rasch, wenn auch der Karminmethode nicht immer ganz ebenbürtig, eine Tinktion der Zellen und Achsencylinder. Die Resul- tate bei den Fischen waren prächtig; das Reptiliengehirn hat aber zu viel Bindegewebe und zu dünne Markfasern, als dass bei nur einiger- maßen dicken Schnitten zur Unkemntlichkeit diffuse Färbung zu ver- meiden wäre. Meine Resultate waren nicht besser als diejenigen, welche Herr Dr. Dersrück mit Karmin und Anilinblau hatte, und so kam ich darauf, fast ausschließlich mich der Pır’schen Methode der Markscheidenfärbung zu bedienen. Es wird dieser Procedur allerdings von manchen zuverlässigen Forschern vorgeworfen, es werden durch sie manche von den feinsten Fasern wieder entfärbt, an denen der Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. LV. Bd. [5 66 | Ad. Meyer, Werısert’sche Hämatoxylin-Kupferlack sich gegen die Entfärbungsflüssig- keit erhalten hätte; ich wählte sie aber, weil sie eine leichte Abstufung der Färbungsnuancen gestattet und keine Vorbehandlung des ganzen Stückes verlangt, welche vielleicht andere Färbungsmethoden für ein- zelne Schnitte nicht mehr zulassen würde. Im Ganzen glaube ich mit der Markscheidenfärbung entschieden bessere Resultate erreicht zu haben als mit Karmin und Aniline blue-black; selbst die Zellfärbung kann untadelig sein, und auch marklose Fasern sind, wo sie in Bündeln zusammenverlaufen, ganz gut sichtbar; da, wo sie nicht sichtbar sind, sind sie es auch nicht bei der gewöhnlichen Achsencylinderfärbung. Übrigens ist es sehr leicht eine Serie abwechselnd mit Aniline blue- black und mit Par zu färben. Bei einer Serie vom Igelgehirn nahm ich abwechselnd einen Schnitt auf das Band, das für die zur Hämatoxylin- färbung bestimmte Platte bestimmt war, und einen Schnitt auf das Band für Aniline blue-black. Für topographische Studien mögen diese Methoden genügen; für einlässlichere histologische Studien wird das Macerationspräparat und die Gorsr'sche Methode nicht von der besten Karminfärbung entbehrlich gemacht werden. Litteratur. Aus äußeren Gründen konnte ich mir so viele ältere Werke, welche Bemerkungen über das Reptiliengehirn enthalten, nicht verschaffen, dass ich keinen Überblick über die älteren Autoren gewann, und so halte ich es für unpassend, hier schon ein Verzeichnis der mir bekann- ten Litteratur zu geben, weil es nothwendigerweise lückenhaft wäre. Da sich die vorliegende Arbeit mehr auf den Boden der Gehirnanatomie stellt, als dass sie allgemein morphologische Gesichtspunkte berück- sichtigt, glaube ich mich auf die Besprechung derjenigen mir zugäng- lichen Werke beschränken zu dürfen, welche ebenfalls in dieses Gebiet gehören. Abgesehen von Serrss (Litt.-Verz. 1, T. II, p. 459 u. f.), der in seinem Werke über vergleichende Anatomie des Wirbelthiergehirns außer der von Honsscer an den Tag gezogenen Homologie der Taenia semieireu- laris mit dem »Ligament posterieur des hemispheres cerebraux« noch manche wissenswerthe Thatsache über viele Vertreter der Reptilien erwähnt, sind die meisten älteren Autoren von Srıepı berücksichtigt worden. Srıeva (2) war der Erste, der einen Vertreter der Reptilien einer Monographie würdigte, deren Hauptziel der innere Bau des Ge- hirns war. Nun ist gerade das Schildkrötengehirn wenig geeignet einen Begriff vom Reptiliengehirn zu geben, weil ihr Vorderhirn entschieden auf der niedersten Stufe steht. Srtıepa macht daher vorwiegend nur i 5 Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 67 über die allgemeine Gruppirung der Gewebselemente Angaben und beschreibt besonders genau den »Lobus olfactorius«. Von Faserbündeln erwähnt er: 1) Längsfaserzüge — Fasern aus dem Mittelhirn und solche aus dem Thalamus optieus, von denen sich der größte Theil in die dicke laterale Wand, der kleine Theil in die dünne Wand jedes Lobus hemi- sphaericus einsenkt — und 2) Querfaserzüge, die Commissura loborum in der Lamina terminalis, bestehend aus einer bogenförmigen Kommis- sur der beiden medialen Hemisphärenwände und aus einer mehr queren Verbindung der basalen Theile. »Der untere quere Theil der Kommissur dürfte der sog. Commissura anterior, der obere gekrümmte dem Corpus callosum im Gehirn der Säugethiere zu vergleichen sein.« Die nächste Arbeit verdanken wir Rasr-Rücknarn (3). Es sind dies die Ergebnisse der organologischen Untersuchung des Alligator- gehirns. Aus der durchweg mustergültigen Beschreibung seien folgende Punkte hervorgehoben: Rssr-Rücknarp findet eine Kommissur, die bogenförmig in der Lamina terminalis verlaufend jederseits in die Mantelwand ausstrahlt. Um nicht ohne eine erschöpfende Begründung den Namen Fornixkommissur gebrauchen zu müssen, bezeichnet er das Bündel als Commissura pallii anterior und widerlegt Srıepa’s Deu- tung als Corpus callosum, weil der Balken nicht in der Lamina termi- nalis verlaufen würde. Außerdem giebt Rası-Rückuarnd eine Beschrei- bung des Schläfenlappens und des bloß aus Pia bestehenden medialen Abschlusses des hinteren Abschnittes der medialen Ventrikelwand; er erwähnt eine Längsfurche an der medialen Hemisphärenwand, lässt sie aber über dem Foramen Monroi sich nach oben und wieder etwas nach vorn auslaufen. Endlich sei noch hervorgehoben, dass RusL- RückuArn die Basis der Pedunculi olfactorii als Bulbi olfactorii und die Pedunculi selbst als Riechnerven deutet. In einer folgenden Arbeit beschreibt Ragr-Rückuarp (X) die Vorder- hirnkommissuren von Psammosaurus terrestris, und zwar im Besonderen das Vorkommen eines Fornixrudimentes bei den Reptilien. Außer einfachen Kommissurenfasern, die transversal von einem Stamm- lappen zum anderen ziehen, und den Haupttheil der Commissura an- terior darstellen, kann er mit voller Evidenz zwei andere Fasersysteme nachweisen, »welche, je von dem Stammlappen der einen Seite zur medialen Mantelwand der anderen emporsteigend, sich in der Median- linie kreuzen und so ein prachtvolles Chiasma partis olfactoriae bilden «. Außerdem fand er nun eine Kommissur, die hinter dem Foramen Monroi diejenigen Theile der hinteren Hemisphärenwand verbindet, welche dem Cornu Ammonis gleich gestellt werden können. Er nennt das Bündel desshalb Fornixrudiment und stellt es der Lyra des Menschen 5* 68 Ad. Meyer, gleich, welche nach Forzı größtentheils nichts Anderes als eine Kom- missur für die Ammonshörner ist. 1882 erschien Mason’s (9) Atlas von Photographien von Schnitten aus Reptilien- und Amphibiengehirnen; da sich aber an denselben fast kein Text anschließt, habe ich hier seiner bloß Erwähnung zu thun. Ferner finden wir in den Arbeiten von Spirzkı eine Menge Beobach- tungen über Theile des Reptiliengehirns, und zwar vorwiegend über das Mittelhirn; seine Arbeit über das Gehirn der Iguana, die er ge- legentlich citirt, war nicht erhältlich. Ein anderer amerikanischer Forscher, H. F. Ossorn (5), gab 1887 eine neue Anregung zur vergleichenden Anatomie des Vorderhirns durch seine sehr übersichtliche und klare Untersuchung: On the origin of the corpus callosum!. Für die Reptilien benutzte er leider bloß Schildkröten zur Untersuchung und kombinirte nun die Ansicht Stiepa’s mit derjenigen von Rasr-Rückuarnd. Das bogenförmige Mantelbündel, Srıerpa’s Corpus callosum, theilt sich nach ihm in zwei Theile; der vor- dere verbreitet sich in der ganzen medialen Wand als Balken; der hintere versieht die innere Umbiegung (fold) der Hemisphären und stellt einen Theil des Fornix vor. Er glaubt sogar, wie dies den that- sächlichen Verhältnissen völlig entspricht, Fasern gesehen zu haben, welche nicht in die Kommissur einbiegen, sondern auf derselben Seite zur Basis hinabsteigen. Das untere quere Bündel Srırpa’s zerfällt nach ihm in eine Pars olfactoria, die er aber nicht weit genug verfolgen kann, und in eine Pars temporalis von gleichem Verhalten wie bei den Säugern. Das Fornixrudiment Rısr-Rückuarn’s fehlt bei Schildkröten, und Ossorn konnte desshalb keine eigenen Angaben darüber machen. Nun entgegnet Berzoncı (6), der 1882 für den Frosch erwiesen, dass die Mehrzahl der Fasern des sog. Tratto superiore (SrTIEDA’s Balken) sich kreuzen und in das Zwischenhirn verlaufen, 1887 auf Grund erneuter Untersuchungen, die sich, abgesehen von den Amphi- bien, auch auf Podareis, Lacerta und Tropidonotus erstrecken: Nei rettili il tratto superiore ha qualche rapporto diretto col lobo olfattorio, non col vero bulbo. Fra i due tratti commissurali si trova un bel sistema di fibre che dal talamo vanno agli emisferi, la quali in parte si decussano sulla linea mediana. Nel tratto inferiore si distinguono: una pretta commissura tras- versa e una decussazione, che sono proprie degli emisferi (Podareis). ! Leider entging mir der zweite Theil der Ossorn’schen Arbeit, in dem einige Bemerkungen über Tropidonotus enthalten sind, die von den oben erwähnten An- schauungen jedoch nicht wesentlich abweichen. (Zusatz bei der Korrektur.) Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 69 Numerose fibre midollate si portano dal centro del talamo ai bulbi olfattorii. In seguito a questi osservazioni ritengo che, se pure il tratto superiore & omologo nel corpo calloso dei mammiferi, come dopo il lavoro di Osgeorv sembra probabilissimo, tutta via esso non sia una semplice commissura trasversa, ma piuttosto un complicato sistema che & pure in rapporto diretto anche col lobo olfattorio, e nel quale vi sono anche decussazione di fibre. Berroncı glaubt Ossorn’s Deutung um so eher beibehalten zu dürfen, als auch Hanıtron (7), wie früher Fovirrr u. A., im Balken in erster Linie ein Fasersystem erblickt, das, als eine Projektionsfaserung, von der Rinde der einen Hemisphäre auf die andere Seite gelangt und in der Gapsula interna und externa weiter verläuft. Die Gründe, welche Hanırron für seine Ansicht erbrachte, sind aber von Basrıanı (8) und Anderen genügend widerlegt, und weiterhin können wir sagen, dass die sich kreuzenden Fasern BzıLoner's keineswegs Stabkranzfasern sind, d. h. Fasern, welche den Ventrikel lateralwärts umschlingend zur Basis gelangen, sondern dass sie vom Mantel durch die mediale Hemi- sphärenwand herabsteigen. Die von Evınger eitirte Arbeit von ScuuLcın war mir trotz aller Bemühungen nicht zugänglich. Die erste zusammenfassende Arbeit über das Vorderhirn der Rep- tilien hat uns Epınger (10) in seinen Untersuchungen über die ver- gleichende Anatomie des Gehirns 1888 gegeben. Seine Angaben be- ziehen sich auf Befunde bei Lacerta agilis, Lacerta viridis, Anguis fragilis, Emys lutaria und Tropidonotus natrix. Er giebt eine ausführ- liche Beschreibung des Hirnmantels und seiner Rinde (vgl. u. p. 87); im Stammganglion unterscheidet er eine vordere mehr dem zerstreuten Typus angehörige Zellansammlung, die ihre Fasern zum Riechnerv sendet, und eine hintere abgegrenzte, den »Kugelkern« Nucleus sphae- rieus, der einer Kugel gleicht, welche nach vorn eine große Öffnung hat. Aus dem Stammganglion entwickelt sich das kräftige basale Vorderhirnbündel, das bei den Schildkröten allein spärliche mark- haltige Fasern aus den lateralen Rindenpartien erhalte; hinter dem Chiasma opticum theilt es sich in ein dorsales Bündel zum Thalamus- kern und in ein feinfaseriges ventrales, das weiter hinab zur Oblon- gata zieht. An der medialen Hemisphärenwand vergleicht Epınger die nur im dorsalen Theil vorhandene Rinde mit der Ammonsrinde der Säuger; die rindenfreie Längsleiste nennt er Fornixleiste. Kurz vor dem hinteren Ende der Hemisphären ziehen die Fasern des Fornix- rudimentes von Ragr-RücknAarp von einer Fornixleiste zur anderen, die 70 Ad. Meyer, meisten Fornixfasern ziehen aber nach vorn und hinter der vorderen Kommissur lateralwärts in den Thalamus, in dem typischen Verlauf der Fornixsäulen. Aus den »dorsaleren« Gebieten der medialen Wand ent- wickeln sich Fasern, die sagittal und nach vorn zur Basis hinabsteigen und sich dorsal vom basalen Vorderhirnbündel anlegen; »sie laufen eine Strecke mit ihm, wenden sich aber im Beginne des Zwischenhirns dor- sal und gelangen auf dessen äußere dorsale Seite« (vgl. s. Fig. 91 —93). Epınger homologisirt diese Faserung mit dem Bündel der sagitta- len Scheide wand der Vögel. Im Übrigen nimmt er, mehr referirend, die Angaben Srırpa’s, Ossorn’s und Brrroncrs über die Kommissuren an: das Corpus callosum mit Kommissuren und Kreuzungsfasern, und die Commissura anterior, die außer der Verbindung der Stammganglien noch Verbindungen mit dem Lobus olfactorius und auch mit dem Thalamus habe. Endlich sei die ungemein gründliche Arbeit von Honzscer (11) über den Fornix erwähnt, der ich manche Anregung verdanke. Ab- gesehen davon, dass dieselbe über den Fornix der Säuger Klarheit verschafft, und dessen Kreuzungen, Kommissuren und anderweitigen Verbindungen feststellt, finden sich darin direkte Angaben über einige Faserzüge des Vorderhirns niederer Wirbelthiere. 1) stellt Honesser (14, p. 328, Anm. 4) die Homologie des Pedunculus septi pellueidi mit dem Markbündel der strahligen Scheidewand der Vögel fest und er- wähnt, dass sich bei den Reptilien ebenfalls ein wirkliches Homologon finde: »Das basale Vorderhirnbündel wird — im Gegensatz zu der Darstellung Epınaer’s — wie bei den Vögeln von dem Bündel der strahligen Scheidewand auf seinem Wege an die laterale Seite des Zwischenhirns ventralwärts umschlungen.« Er hat die Fasern bis in die Taenia thalami verfolgt, macht dagegen keine Angaben über den cerebralen Ursprung derselben. 2) liefert HonesGer eine Beschreibung der Taenia semicircularis der Säuger und macht darauf aufmerksam, dass schon Serres die Anheftung der hinteren Hemisphärenwand an den Thalamus opticus (ligament posterieur des hömispheres cerebraux) mit der Taenia semicircularis verglichen habe (11, p. 418 ff.). Der Gedankengang Honzscer’s sei hier in Kürze wiedergegeben: Bei den Vögeln, Reptilien und Amphibien findet sich ein Faserzug, welcher von der hinteren Abtheilung der medialen Wand des Vorderhirns auf die Oberfläche des Zwischenhirns übergeht, hier seitlich vom Ganglion habenulae zu liegen kommt und caudalwärts von demselben eine Ver- bindung mit dem entsprechenden Faserzug der anderen Seite eingeht. Es sind dies also Fasern der Taenia thalami, welche direkt hinter dem Foramen M°nroi von der hinteren Abtheilung der medialen Hemi- Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 71 sphärenwand auf das Zwischenhirn übergehen, also nicht ein Homo- logon des Bündels aus der Fornixsäule zur Taenia thalami, weil dieses (vgl. meine Taf. V, Fig. 26, und dagegen Taf. IV, Fig. 40) vorn um das Foramen Monroi herumzieht und erst dann zur Taenia thalami gelangt. Da nun die Taenia semicircularis der Säuger in ihrem Verlauf gegen die Zona incerta und die vordere Kommissur zwischen dem Nucleus caudatus und Thalamus optiecus gelagert, in das Stratum zonale des letzteren Fasern abgiebt (und zwar vorwiegend marklos), und diese vielleicht sich zur Taenia thalami schlagen, so wäre damit ein Homo- logon des erwähnten Faserzuges bei den Reptilien gegeben, der eben- falls hinter dem Foramen Monroi verläuft. Das Kommissurenbündel der Taenia semicircularis, welches Honszsser namentlich bei der Maus bis in den hinteren unteren Rand der vorderen Kommissur gut ver- folgen konnte, findet sich nun bei der Eidechse, der Blindschleiche und dem Frosch in Gestalt eines Bündels, welches etwas caudal und dorsal von der Gommissura anterior die Mittellinie gerade dicht vor dem Ganglion habenulae überschreitet und sich beiderseits neben dem Bündel der Taenia thalami in die hintere Abtheilung der medialen Hemisphärenwand einsenkt. Es ist dies das von Rasr-Rücknarn bei Psammosaurus terrestris beschriebene Fornixrudiment (Lyra fornieis oder psalterium nach Honesser) und die Commissura fornieis nach Eovinger. Honegger wendet gegen die Deutung dieser Autoren ein, dass dieser Faserzug caudal und ventral vom Foramen Monroi und auch cau- dal vom Plexus choroides gelegen sei. Evınger (10 b) erwähnt in seinem letzten Jahresbericht noch zwei weitere Arbeiten: GC. L. Hrrrıck, Notes upon the brain of the Alli- gator. Journ. Cincinnati Soc. of Nat. Hist. 1890, über die kein Referat gegeben ist, und N. E. Brırz, The true Homology of the mesal portion of the hemispheric vesicle in the Sauropsida. Brirn kommt zu dem Schluss, dass der von EpınGer früher als Ammonshorn beschriebene Antheil der Hirnrinde (der feinkörnige Rand) nicht dem ganzen Am- monshorn, sondern nur der Fascia dentata entspreche. »Der größte Theil« des übrigen Rindenüberzuges des Vorderhirns müsse als Homo- logon des Subiculum cornu ammonis bezeichnet werden. Endlich erhielt ich noch vor Abschluss der Untersuchungen die Arbeit von Dr. M. Körren (12): Zur Anatomie des Eidechsengehirns, die sich aber mit dem Vorderhirn nur sehr kurz und oberflächlich befasst. Da sich über diesen Theil nicht gut referiren lässt, verschiebe ich die diesbezüglichen Bemerkungen auf die Besprechung der Saurier und ihrer Verwandten. | 12 Ad. Meyer, Morphologische Bemerkungen. Die rein morphologische Seite der Untersuchung des Reptiliengehirns wird in dieser Arbeit nicht eingehend berücksichtigt. Zu einer gründ- lichen Behandlung war das Material zu klein, und namentlich zu kostbar. Die Formveränderungen von Familie zu Familie sind zu groß, dass man bei der Vergleichung von Messungen nicht mit wenigen Indices auskäme, wenn durch dieselben die Form des einzelnen Gehirns einigermaßen wiedergegeben werden sollte. Es wäre desshalb auf diesem Wege so viel wie nichts gewonnen. Am ehesten ließe sich noch die Angabe der Knickungswinkel der Gehirnachse auf eine einheitliche Basis stellen; die Messung sollte aber aus noch zu erwähnenden Grün- den am frischen Gehirn in situ vorgenommen werden. Es kämen end- lich Wägungen in Betracht, denen aber nur bei sehr großem Material und peinlich genauer Arbeit Werth beizumessen wäre, weil die Fehler- quellen bei den kleinen Gehirnen eine zu große Rolle spielen. Es würde übrigens schwer fallen eine Beschreibung der wichtigsten Repräsentan- ten zu liefern, welche sich, was Klarheit und Genauigkeit anbelangt, mit Ragı-Rücknarv’s Arbeit über das Alligatorgehirn messen könnte. Aus diesen Gründen beschränke ich mich auf die Erläuterung von möglichst naturgetreuen, wenn auch etwas unkünstlerischen Skizzen von einigen wichtigen Formen, welche die Übersicht theilweise er- gänzen sollen, welche WıEDErRSHEIM in seinem Lehrbuch der vergleichen- den Anatomie der Wirbelthiere bietet. Es sei übrigens darauf hinge- wiesen, dass die Knickungswinkel vielleicht nicht überall ganz korrekt ausgefallen sind, weil die Gehirne beim Präpariren in Mürter’scher Flüssigkeit durch unregelmäßige Imbibition sich hierin zum Theil recht bedeutend ändern. Bei Lacerta viridis wurde zur Wiedergabe des Profils das ganze Schädeldach intakt gelassen und als Richtschnur für die Zeichnung benutzt. Auffallend ist bei der Präparation mancher Gehirne erwachsener Reptilien, und vor Allem der Chelonier, wie groß das Lumen der Schädelhöhle ist verglichen mit dem Volumen des Gehirns, ein Verhält- nis, das bei Vögeln und Säugern fast umgekehrt ist. Am ganzen Gehirn zeigen das Vorderhirn und das Kleinhirn die auffälligsten Variationen in den Formen. Am wichtigsten ist für die Gestaltung des Vorderhirns die verschiedenartige Entwicklung des Unterlappens'! und des gesammten Geruchapparates, des Bulbus olfac- torius mit seinem Stiel, dem Pedunculus s. Tractus olfactorius. Bei Lacerta (Fig. 17) und Anguis fragilis (Fig. 18) ist jede 1 Der Ausdruck Lobus oceipitalis sollte vermieden werden, da an eine Homologie mit dem Lobus occipitalis des Menschen nicht gedacht werden darf. Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 73 _ _Hemisphäre von der Gestalt einer dreiseitigen Pyramide. Die dorsale und die mediale Fläche bilden annähernd einen rechten Winkel, die dritte Fläche liegt der Schädelbasis auf und steigt vom Chiasma opti- cum ziemlich steil nach vorn und außen an. Die Basis der Pyramide, bestehend aus der hinteren Hemisphärenwand und deren basalen Fortsetzung, dem Unterlappen, bildet mit der medialen Fläche einen leicht stumpfen Winkel nach vorn, so dass der caudale Bogen des Unterlappens auch der caudalste Theil des Vorderhirns ist. Der Um- riss des Unterlappens beschreibt eine einfache Spirale, deren basaler Ausläufer eine seichte Furche bildet. In der Fläche zwischen dieser Furche und dem Chiasma n: optiei schimmert ein feiner Faserfächer durch, der dicht am Traetus opticus noch geschlossen, in die Vorder- hirnbasis einstrahlt. Am vorderen Ende der Unterlappenspirale steigt ferner ein feines weißes Bündel an die Oberfläche, das den Fächer des Pedunculus cerebri in flachem Bogen lateral umzieht und auf den Peduneulus bulbi olfactorii übergeht. Dieser sitzt mit einer kaum angedeuteten Erscheinung der Spitze der Vorderhirnpyramide auf und trägt an seinem Ende eine keulenförmige Verdickung, den eigentlichen Bulbus olfactorius, über den sich die centrale Endi- gung des N. olfactorius ausbreitet. Die Länge des ganzen Riechkolbens schwankt bei den verschiedenen Species je nach der relativen Länge des Kopfes; bei Anguis fragilis hat er etwa ?/, der Länge des übrigen Vorderhirns, bei Lacerta agilis ungefähr die gleiche Länge, bei Lacerta viridis dagegen ist das Verhältnis etwa wie &:5. ir Das Gehirn der Agamen (inel. Iguana) ist viel mehr zusammen- gedrängt und die Knickungen der Gehirnachse sind daher stark - ausgesprochen (Fig. 19). Das Vorderhirn verjüngt sich nach vorn rasch in die sehr schlanken Peduneuli olfactorii, die mit den Bulbi zusammen doppelt so lang sind wie das übrige Vorderhirn. Der Unterlappen ist ziemlich entwickelt; vor ihm sieht man wieder den- selben Fächer wie bei Lacerta, und überdies fiel mir ein sehr präg- nantes Bündel auf, das von der Medianlinie der Basis über die Strahlung des Pedunculus cerebri nach außen an den Tractus optieus zog. Es ist dies das Homologon des Markbündels der strahligen Scheidewand der Vögel. Auch dem Bündel, das vor dem Unter- lappen auftaucht und zum Peduneulus olfactorius zieht, begegnen wir bei den Agamen wieder. Es besteht kein Zweifel, dass dasselbe der Tractus olfactorius ist. Auf dem Dorsum sieht man gleich hinter der Absehnürung des Riechkolbens aus der medialen Spalte einen leicht schimmernden Wulst aufsteigen und sich nach hinten und etwas nach außen über die Vorderhirnoberfläche begeben. 74 Ad. Meyer, Am Gehirn der Natter (Fig. 20), dem der Haupttheil dieser Arbeit gewidmet ist, begegnen wir einer bedeutenderen Entwicklung der Unterlappen sowohl seitwärts als nach hinten; das Vorderhirn ist in Folge dessen kartenherzförmig, und die Riechkolben sitzen diesem Kartenherz ziemlich breit auf. Sie bilden zwei kurze dicke Keulen, und sind ungefähr von gleicher Länge wie das übrige Vorderhirn. Bei der Präparation fiel mir am meisten die breite Meyvn£err’scheKommissur hinter dem Chiasma opticum auf; weniger scharf ist die Zeichnung des basalen Vorderhirnbündels und des Tractus olfactorius, und auf das Markbündel der strahligen Scheidewand achtete ich leider nicht. Während die geschilderten Typen alle nach dem gleichen Plan gebaut sind, finden wir in den Schildkröten eine ziemlich bedeu- tende Abweichung. Bei den beschriebenen Arten wächst der Riech- antheil des Vorderhirns weit nach vorn und trifft den N. olfactorius an dem Septum, welches der Lamina cribrosa beim Menschen entspricht. Der N. olfactorius hat kaum Gelegenheit sich im Schädelraum zu einem Bündel zu sammeln; er bildet gleich eine Kappe, welche den Bulbus überzieht. Bei den Schildkröten dagegen fehlt der Pedunculus bulbi olfactorii völlig; der Bulbus sitzt fast wie beim Frosch dem übri- gen Vorderhirn breit auf, und der Riechnerv erreicht ihn erst nach langem intracraniellem Verlauf. Auf diesem Weg besteht er aus ca. 0,6 mm dicken Bündeln, die einander ziemlich locker anliegen. Dieses Verhältnis ist in Fig. 22 in der Seitenansicht eines Cheloniergehirns dargestellt und ist natürlich etwas weniger ausgesprochen als in unseren kleinen Arten. Bei der Präparation von Testudo graeca kam es mir aber vor, dass ich den ganzen Belag des N. olfactorius vom Bulbus abzog wie eine Kappe. Dieses Verhältnis giebt dem Schildkrötengehirn ein besonderes Gepräge. Wenn ich nun weiterhin erwähne, dass der Unterlappen bei Testudo graeca und bei Emys lutaria weit nach hinten reicht (Fig. 21), und in Seitenansicht die vordere Hälfte des Mittelhirns fast deckt, so könnte man leicht die phylogenetische Stellung des Hirns überschätzen. Erst die mikroskopische Untersuchung lehrt, wie tief das Schildkrötengehirn in der Reptilienserie steht. Bei Chelonia-Arten — es standen mir Gehirne von Chelonia mydas und von Ch. imbri- cata zu Gebote — ist der Unterlappen nur schwach entwickelt und ragt nicht mehr nach hinten vor. Bei Testudo graeca zeigte sich eine weitere Eigenthümlichkeit. Während das Pallium der anderen Reptiliengehirne eine furchenfreie Wölbung aufweist, fand ich am Mantel der Testudo graeca eine flache Rinne, welche median etwas hinter den Bulbi olfactorii beginnt, sich dann nach außen und hinten ee et x Bo E. ' a Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 75 wendet und auf der Außenseite des Unterhorns sich verflacht. In der Rinne verläuft eine Strecke weit ein Gefäß; der mediale Theil des Mantels ist grauweiß, nach außen von der Rinne schimmert der Plexus röthlich durch. Am gehärteten Gehirn legt sich der Mantel noch mehr dem Stammganglion an, wodurch die Furche an Deutlichkeit gewinnt. Es spricht dies Alles für eine bedeutende Weite des Ventrikels und für eine schwache Dicekenausbildung des Mantels. Bei den übrigen Rep- tilienklassen hat der Mantel einen dichteren Bau und einen ventriku- lären Markbelag, wodurch sowohl das Einfallen als die Durchsichtigkeit ausgeschlossen ist. Von Faserbündeln ist am Schildkrötenhirn bloß das basale Vorderhirnbündel zu sehen; vom Tractus olfactorius sieht man nichts. Am Gehirn des Alligators ist mir nichts aufgefallen, was nicht Rasr-RückHarn schon beschrieben; ich erhielt dasselbe schon fast ge- härtet. Nur das sei noch erwähnt, dass in seiner Abbildung der Pedunculus olfactorius als N. olfactorius bezeichnet ist und sein Bulbus olfactorius bloß die Basis des Pedunculus ist. Im hinteren Drittel des Vorderhirns sieht man auf den meisten Figuren zwischen den beiden Hemisphären einen Kolben aufsteigen, der mit der Dura mater fest verwachsen, bei der Präparation oben ab- geschnitten wird. Dieser Kolben ist nach vorn gerichtet und es lässt sich z. B. bei Iguana und auch bei Lacerta und Anguis ein damit zu- sammenhängender Strang bis zu der durchscheinenden ovalen Stelle im Schädeldach verfolgen, welche das Parietalorgan bedeckt. Die Keule ist die in Bindegewebe der Hirnhäute und in Plexus eingehüllte Glan- dula pinealis oder Epiphyse. Beim Auseinanderziehen der Groß- hirnhälften sieht man sie auf das Zwischenhirn hinabsteigen. Die den Plexus überziehende Pia geht nach vorn in die Lamina terminalis über, welche die Commissura anterior und andere Faserzüge enthält, die zwischen den beiden Hemisphären verlaufen, und die Lamina termi- nalis endlich geht basalwärts in den Boden des Tuber cinereum über, welcher vom Chiasma opticum theilweise bedeckt wird. Über die Hemisphäreninnenwand verschaflte ich mir bloß an Querschnittserien einen Überblick. Die z. B. bei der Natter ziemlich komplieirte Modellirung lässt sich nicht wohl getrennt von derjenigen des Ventrikels beschreiben. Das Vorderhirn der Reptilien ist in seinem inneren Bau eine einfache Wiederholung des einfachsten Schemas vom Wirbelthierge- hirn: zwei hohle Pyramiden, deren Lumen innen und hinten durch das Foramen Monroi mit dem dritien Ventrikel, resp. dem Ventriculus impar kommunieirt, und deren Außenwandung sich mit einer rund- lee, 76 Ad, Meyer, lichen Verdickung, dem Stamm- oder Basalganglion in den Ventrikel hinein vorwölbt. Ein vorderer Abschluss des Ventriculus impar ist durch die Lamina terminalis gegeben, welche die Hemisphären unter sich verbindet. Nach oben und hinten geht die Lamina terminalis, wie eben erwähnt wurde, in das häutige Dach des Zwischenhirns, nach unten in den Boden des Infundibulum über; die Seitenwände des Zwischenhirns endlich stehen in Verbindung mit der Vorderhirnbasis und mit dem Mantel; doch ist dieser, wie schon Rası-Rücknarp beschrie- ben, und wir auch bei der Natter sehen werden, im hinteren Theil des Unterlappens auf eine einfache Plaschicht redueirt, ein Verhältnis, das uns in der großen Hirnspalte des Menschen wieder begegnet. Auf die Details der Ventrikelbildung will ich hier nicht eingehen, sondern dieselben im Zusammenhang mit den topographischen Erörte- rungen behandeln. Wir gehen also gleich zu dem detaillirten Studium einer Querschnittserie von einem Nattergehirn (Gallopeltis Aesculapii) über. Dieselbe ist nach Pır gefärbt; die Färbung der markhaltigen und der marklosen: Fasern, sowie der Zellen und der Grundsubstanz ist außerordentlich gut gelungen und ermöglicht eine Differenzirung, wie sie mit Karmin sich nicht gleichmäßiger erhalten ließe. Die Serie beginnt an der Grenze zwischen Riechkolben und Vorderhirn im engeren Sinne; es sind alle Schnitte aufbewahrt und fortlaufend numerirt, und es ist somit leicht sich eine räumliche Vorstellung von den beschriebenen Theilen zu machen, wenn man die Abbildung vom Natterhirn berücksichtigt; das caudalste Ende der Vorderhirnhälften fällt in den Schnitt 225; die lineare Vergrößerung der Schnitte ist 1:15. Ferner berufe ich mich zuweilen auf eine Horizon- talschnittreihe von der gleichen Species, um einige wenige Thatsachen zu illustriren, die in den Querschnitten nicht ohne Weiteres klar sind. Der Leser möge entschuldigen, dass ich mich vorerst darauf be- schränke, die erwähnten Schnitte genau zu beschreiben. Ich glaube dadurch manchen Irrthümern vorbeugen zu können, welche aus einem sofortigen Übergehen zur Beschreibung der einzelnen Theile der noch ziemlich unbekannten Terrains entstehen könnten. Wer sich einen guten Einblick in die Anatomie eines Gehirns verschaffen will, wird allerdings auf das Studium von Serien nicht verzichten können; wer aber keine besitzt, wird aus einfachen Angaben über den Verlauf von Faserzügen und über die Gruppirung von Zellen etc. sich wohl mit den üblichen flüchtigen Skizzen begnügen können, wird aber über manche Fragen, die nicht in den Bereich des Gedankenganges des Autors fallen, im Unklaren gelassen. Die Zeichnungen mit der parallel gehenden Beschreibung sollen dem Leser ein möglichst genaues Bild von dem PETE E»E > ” DE Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 77 geben, was ich in den Schnitten gefunden; wenn er dann über die Be- weiskraft meiner Voraussetzungen sich ein Urtheil bilden kann, so wird er nicht die gefolgerten Schlüsse einfach hinnehmen müssen, ohne über ihre Tragweite im Klaren zu sein. Die Zeichnungen sind möglichst objektiv (so weit es der Raum gestattet) nach den Präparaten und nicht nach der Beschreibung gemacht und stammen aus der zuverlässigen und geübten Hand von Herrn L. Scuröter!. Was nicht an den Zeich- nungen kontrollirt werden kann, habe ich in den zusammenfassenden Schlussfolgerungen nicht berührt. Die Fortsetzung der vorliegenden Studie wird über die Fragen, welche sich auf das Zwischenhirn be- ziehen, die nöthigen Belege und Auskunft bringen. Haben wir durch das Studium des Vorderhirns der Natter einmal festen Boden gewonnen, so werden wir in der Beschreibung anderer verwandter Formen uns an die erreichten Resultate halten und weniger pedantisch vorgehen dürfen. Noch seien hier einige Bemerkungen über die Nomenclatur eingeschaltet. Die Nomenclatur der Gehirnanatomie ist viel weniger vom embryologischen und vergleichend-anatomischen Standpunkt aus als mit Bezug auf die ausgebildeten Gehirne des Menschen und der höheren Säuger geschaffen, und auch da herrscht noch genüg Verwir- rung bei den verschiedenen Autoren, so lange keine Synonymik dieser Ausdrücke existirt. Auf der anderen Seite sind nun von Auto- ren von vergleichend-anatomischen Arbeiten vielfach neue Ausdrücke geschaffen, und viele alte Namen mit neuen Bedeutungen ausgestattet worden, ohne dass immer genügend auf scharfe Definitionen gesehen worden wäre. Hätte man dies gethan, so hätte z. B. Ossorn (5) kaum den Namen Corpus callosum für eine allfällige Mantelkommissur gebraucht, die in der Lamina terminalis verläuft; noch weniger käme, um ein ganz neues Beispiel anzuführen, Sıcns? dazu, das, was ForeL in dem von Onurrowicz ? beschriebenen balkenlosen Gehirn als Tapetum bezeichnet, eine Heterotopie des Balkens zu nennen. Einem Organ, das einmal einen Namen von durch den Sprachgebrauch - scharf umschriebener Bedeutung erhalten hat, darf man nicht so ohne Weiteres Gewalt anthun, wenn man nicht die größte Konfusion an- richten will. Eine durchgehend homologe Nomenclatur ist beim heutigen ! Die Umrisse und die gröberen Verhältnisse zeichnete ich mit dem von Epınger angegebenen, von E, Leitz in Wetzlar erhältlichen Zeichnungsapparat. 2 Dr. H. Sacns, Das Hemisphärenmark des Großhirns, I. Der Hinterhaupt- lappen. Leipzig, G. Thieme 1892. p. 2. 3 Onurrowicz, Das balkenlose Mikrocephalengehirn. Horwann, Arch, f, Psych, Bd. X VIII. 4887. 78 “Ad. Meyer, Stande unserer Wissenschaft noch nicht durchzuführen. Im Folgenden werde ich vielfach in den Fall kommen, Namen zu verwenden, die nur in groben Zügen Homologien bezeichnen; wo ich die Übertragung ge- bräuchlicher Namen auf noch fragliche Verhältnisse im Reptiliengehirn werde vermeiden können, werde ich mich eher der Umschreibungen bedienen, und da, wo eine direkte Homologie mit beschriebenen Thei- len höher organisirter Gehirne nicht ohne Weiteres zu erwarten ist, seien möglichst indifferente Bezeichnungen gewählt, die nicht so leicht Verwirrung schaffen (vgl. die Anm. p. 86). Für die topographischen Beziehungen halte ich mich an folgende Bezeichnungen: Für Beziehungen von Theilen, welche gegen das Schädeldach resp. den Rücken hin gelegen sind: dorsal, oben, über, dorsalwärts, nach oben, im Gegensatz zu ventral, basal, unten ; ventralwärts etec. Für die Beziehungen von Theilen, die mehr von der Mittellinie abstehen als andere: lateral, seitlich, außen, lateralwärts ete., im Gegen- satz zu medial, innere etc. (innen soll nur da, wo keine Verwechslung möglich ist auch für ventriculär, im Gegensatz zu oberflächlich ge- braucht werden). Für die Beziehung von Theilen, die näher dem vorderen Körper- ende.liegen: nasal, vorn etc. im Gegensatz zu caudal, hinten etc. Die sagittale Mittelebene ist die Medianebene, darauf senkrecht stehen die Querebenen (beim Menschen Frontalebenen genannt). Das Gehirn von Callopeltis Aesculapii. Die ersten Schnitte meiner Serie sind etwas zerbröckelt und dienen nur unvollkommen zur Erläuterung des Überganges des Riech- kolbens in das eigentliche Vorderhirn; nur der dorsal vom Ventrikel befindliche Theil des Querschnittes ist vollständig erhalten. Der Ventrikel ist hier eine kurze, schmale Spalte, die etwas ventral von der Mitte der medialen Hemisphärenoberfläche beginnend, sich ventral- und etwas lateralwärts erstreckt. Er ist ausgekleidet durch eine einfache Lage von Ependymzellen. Caudalwärts wird die Ventrikelspalte etwas länger und gleichzeitig rückt sie dorsalwärts; während in Schnitt 20 der nach außen oben gelegene Theil des Quer- schnittfeldes den nach innen unten gelegenen um etwa das Dreifache übertrifft, ist das Verhältnis in Schnitt 37 (Fig. 1) nur noch etwa 2:1, in Schnitt 54 wie 1,5:4. Die histologischen Elemente sind so gruppirt, dass sich eine Anzahl Felder ziemlich scharf von einander abheben. Die Zellen lassen sich sowohl ihrem Bau als ihrer Lage- rung nach in ‚mehrere Klassen eintheilen, die übrigens mehr der Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 79 Einfachheit der weiteren Beschreibung als behufs Aufstellung distink- ter histologisch differenzirter und verschiedenartliger Typen hier auf- geführt werden sollen: 1) Zellen mit meist vieleckigem, häufig pyra- midenförmigem »Kern« und verhältnismäßig kleinem Protoplasmaleib von dem »Kern« parallelem Umrisse. Es sind dies die Zellen, welche _ die Mantelschichten bilden und von Epıncer (10a, Taf. IV, Fig. 36) ab- gebildet worden sind. Es ist mir übrigens gerade mit Rücksicht auf die eitirte Abbildung, welche kleine runde Zellkerne aufweist, und mit Rücksicht auf die Färbung der Pyramidenzellen in meiner Serie vom Igeigehirn nicht unwahrscheinlich, dass nicht nur der Kern, sondern auch Protoplasma in meinen Präparaten nicht völlig entfärbt ist, so dass ein großer Kern vorgetäuscht wird. Gegenüber der folgenden, zweiten Gruppe ist festzuhalten, dass diese Zellen selten rund sind und keinen nennenswerthen Protoplasmahof besitzen. Um nicht vor der Hand unerwiesene Analogien aufzustellen, will ich diesen Typus nicht mit dem verfänglichen Namen Pyramiden, sondern einfach als eckige Zellen bezeichnen, die wenig oder keinen Hof besitzen. — 2) Zellen, die einen mehr rundlichen Kern besitzen, der in einem stark entfärb- ten Hofe bald central, bald mehr wandständig sitzt. Auch solche sind in der Epınger’schen Zeichnung abgebildet. Dieselben finden sich auf zwei verschiedene Weisen angeordnet, entweder ganz vereinzelt, oder in Gruppen und Reihen von zwei bis vier oder sechs Zellen, und so Nester bildend, welche denen der Knorpelzellen nicht unähnlich sind. Selbstverständlich bestehen Übergänge in dieser im Grunde un- genauen Trennung in Typen; sie lässt sich nur dadurch motiviren, dass nicht die Namen Pyramiden und Körner gebraucht werden dürfen, bevor mit der Methode von Goucı die Übereinstimmung dieser Gebilde mit den Pyramidenzellen und Körnern höherer Vertebraten festgestellt ist. Die Ausläufer dieser Zellen lassen sich wohl auf keinem anderen Wege darstellen. Die Masse, in welche Zellen und Fasern eingebettet sind, bezeichne ich einfach als Grundsubstanz, weil die für topographische Studien werthvolle Pır’sche Methode keine histologische Differenzirung dieses sehr mächtigen und bedeutsamen Antheils gestattet. Dass es sich um ein Gewebe handelt, welches das diffuse nervöse Netz von Goucı! ent- hält, ist wohl außer Zweifel; immerhin wird wohl der bindegewebige und der gliöse Antheil des Gewebes im ganzen Reptiliengehirn eine viel bedeutendere Rolle spielen als bei den Fischen. In Schnitt 37 (Fig. 1) bildet eine dunkelbraun gefärbte Sichel 1 Goucı, Le r&seau nerveux diffus des centres du systeme nerveux. Arch. ital, de biolog. XV, 3. 4894. 80 Ad. Meyer, den dorsalen, lateralen und ventralen Rahmen des Querschnittes, namentlich lateral und ventral scharf von dem übrigen Felde abge- ‚hoben (lat.mz). Grundsubstanz und Zellen sind ganz wie diejenigen, welche wir caudalwärts im eigentlichen Mantel finden werden, und in der That ist auch diese Sichel mit dem Mantel resp. der sog. Rinde in . direkter Kontinuität. Im lateralen und dorsalen Theil liegt ober- flächlich unter der Pia eine gleichmäßige reticuläre Schicht Grundsub- stanz, fast ganz frei von Zellen; auf sie folgt die Schicht der Zellen mit meist geringem Protoplasmahof, einzeln oder in Gruppen. Der ventrale Theil der Sichel hat, abgesehen von dem Vorsprung, der sich gegen das basale Ende der Ventrikelspalte zieht, einen etwas ab- weichenden Bau. Unter der Pia liegt eine ganz dünne Schicht Grund- substanz, und auf diese folgt eine dünne Schicht feiner markhaltiger quergeschnittener Fasern; die nächste, gegen den Ventrikel sich aus- breitende Schicht enthält Zellen, ebenfalls mit geringem Protoplasma- hof und außerdem schräg geschnittene Fasern, welche zum Theil auf die laterale Wand des Ventrikels verfolgt werden können. Das übrige nach außen vom Ventrikel gelegene Feld ist charakte- risirt durch die Zellen mit größerer Protoplasmazone und in seinen lateralen Theilen durch ein mächtiges quergeschnittenes Faserbündel (Tr.olf). Die Fasern dieses letzteren sind markhaltig und am dichtesten gelagert im lateral-ventralen Theil des Feldes, in der Höhlung der Mantelsichel, dagegen nach oben hin mehr durch Grundsubstanz und eingestreute Zellen gelockert. Vom Ventrikel sind sie außer durch das Ependym noch durch die eben erwähnten dünnen, schwach ge- färbten Btindel getrennt, die aus dem basalen Bündel der Mantelzone auf der Außenseite des Ventrikels nach oben in die gleich zu be- schreibende Zone ziehen und in den mehr caudalen Schnitten immer bedeutender werden. Dorsal vom Ventrikel und von dem großen Faserareal erstreckt sich bis an die Mantelschicht, und von dieser im medialen Theil kaum abgrenzbar, ein Feld mit Zellen, welche in Ge- stalt und Anordnung oben mit den Knorpelzellen verglichen worden sind. Auch dieses Feld ist durch spärliche feine Fasern vom Ventrikel- ependym getrennt; dieselben sind theils quer, theils schief geschnitten, und wenden sich von der medialen Ventrikelwand herkommend nach außen. In dieser verlaufen sie unter der oberflächlichen Gliaschicht, und zwar gegen das basale Randfaserbündel hin, das mit dem basalen Theil der Mantelzone beschrieben worden ist. Im Übrigen zeigt die Hemisphäreninnenwand ähnliche Zellnester, und namentlich in der | mehr dorsalen Abtheilung eine der Hirnoberfläche parallele (vertikale) Schichtung. Nur in der ventralen Abtheilung beginnt zwischen Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 81 Venirikelependym und Randfaserbündel ein dreieckiges Feld mit zahl- reichen Zellen sich abzuheben, das in mehr caudalen Schnitten des Vorderhirns bedeutender wird. Die Verhältnisse sind in der Gegend von Schnitt I bedeutend - einfacher, und zwar, nach dem zu schließen, was die Bruchstücke der Sehnitte 1—26 ergeben, ungefähr folgendermaßen: Unter der Pia liegt eine wenig dieke Schicht Gliasubstanz, in der keine Zellen gefärbt sind; auf sie folgt ein Kranz von feinen Faserquerschnitten, am dichtesten medial, wo ein großer Theil der Fasern in die Schnittrichtung fällt. Diese letzteren Fasern trennen sich nämlich von dem Faserkranz und ziehen dorsal- und dann lateralwärts über den Ventrikel hinüber auf dessen laterale Seite, wo sie das große Faserfeld bilden helfen (vel. Fig. 16 Tr.olf). Zwischen diesem inneren Faserbündel und dem äuße- ren Faserkranz treten Zellreihen auf, die wohl theils zur Gruppe des Stammganglions, theils zur Mantelzone gehören, hier aber noch nicht aus einander gehalten werden können. Wie vereinbaren wir das mit dem Befund in Schnitt 37? Der unter der subpialen Gliaschicht verlaufende Faserkranz ist im Bereich der dorsalen und lateralen Mantelform bis auf spärliche Reste ver- schwunden; eben so hat die Faserung der medialen Ventrikelwand fast vollständig den Ventrikel überschritten; es sind nur noch wenige Fasern erwähnt, die in Schnitt 37 über den Ventrikel hinweggehen. Nur im basalen Theil finden wir einen bedeutenderen, zusammen- hängenden Rest des Faserkranzes, der unter der subpialen Gliaschicht in sagittaler Richtung verläuft. Auch zwischen den zur Mantelzone gerechneten Zellen dieser Gegend zeigen sich noch Fasern dieser Kate- gorie, während ich eher geneigt bin, die spärlichen schwach gefärbten Bündel,welche lateral dem Ventrikel anliegen (med.p.olf), als Ende der Einstrahlung des basalen Vorderhirnbündels oder noch eher des media- len Bündels der sog. Pars olfactoria der vorderen Kommissur zu be- trachten. Alle anderen Fasern dagegen sind als Theile des Tractus olfactorius zu betrachten: der Randfaserkranz, der mit Ausnahme des medial-ventralen Theiles geschwunden ist, und zwar zum Theil, indem er sich in der Mantelzone fast ganz verloren hat, und zum Theil, indem er den Ventrikel überschritten und sich lateral von demselben als großes Faserbündel des Tractus olfactorius gesammelt hat. Bis zu Schnitt 58 besteht die Hauptveränderung in der Topogra- phie wesentlich in der Zunahme der Basis der inneren Ventrikelwand und darin, dass der Ventrikel mehr dorsalwärts verschoben wird, wobei die Spalte um etwa die Hälfte der Länge zunimmt. Aus Fig. 2 (Sehnitt 51) ist leicht zu ersehen, dass in der medialen Ventrikel- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bad. 6 82 Ad. Meyer, wand eine Differenzirung aufgetreten, durch welche ein dreieckiges dunkleres Feld (v.med.@gl) deutlich hervorgehoben wird. Dasselbe ist in allen Schnitten und auch in den Horizontalserien ziemlich scharf abgegrenzt; die Grundsubstanz ist dichter als in der Umgebung, die Zellen (mit rundem Kern und Hof) sind in Reihen zu drei bis vier ge- ordnet, die im Großen Ganzen radiär nach außen und unten, gegen die Spitze des Dreieckes hin verlaufen. Fasern sind in meinen Präparaten nicht zu erkennen; namentlich sind diejenigen, welche von der Basis ansteigen, nicht sicher bis an die Spitze des Dreieckes und gar nicht in das Dreieck hinein zu verfolgen. Lateral, am unteren Ende der Ventrikelspalte grenzt das Feld an eine schon erwähnte spärliche Fase- rung, die sich gegen den dorsalen Theil der äußeren Ventrikelwand hinzieht (med.p.olf). Basalwärts ist das dreieckige Feld durch eine weniger dichte Substanz begrenzt, welche übrigens gleiche Zellen ent- hält und nach innen und unten in das subpiale Gewebe übergeht. Dieses letztere ist auf der ganzen Innenseite des Hemisphärenquer- schnittes auf einen schmalen Streifen reducirt und besteht aus lockerer Grundsubstanz mit im Ganzen der Oberfläche parallel geordneten Zellen und spärlichen schief geschnittenen Fasern. Im basalen Theil sind zahlreiche Faserquerschnitte, sowie etwas dorsalwärts strebende Faserstückchen, die aber, wie erwähnt, nicht bis in das dreieckige Feld sich verfolgen lassen (bas. Randf.). Der Charakter der Mantelzone ist auch in dem lateralsten Theile der Basis kaum mehr gewahrt; dieselbe klingt zwischen der Pia und dem großen Olfactoriusbündel aus. — In dem übrigen nach außen und oben von der Ventrikelspalte gelegenen Theil des Schnittes haben wir es mit drei Formationen zu thun: der Mantelzone, dem nasalen Ende des Pe und dem Felde des Tractus olfactorius. Die Mantelzone ist ziemlich scharf abgegrenzt. Am breitesten ist der dorsalmediale Theil, weil der Schnitt so zu sagen von oben hin- ten nach vorn unten geführt ist, und den Mantel schief trifft. Die mediale Partie ist ausgezeichnet durch eine mehrfache Schicht eckiger länglicher Zellen, welche nach außen und oben ansteigt. Lateralwärts von ihr sind zahlreiche Zellen der gleichen Art in der Grundsubstanz zerstreut; in der dorsalen Wölbung der Mantelzone haben wir es da- gegen wieder mit einem allerdings etwas weniger geschlossenen Bande von Zellen zu thun, das sich aber in der lateralen Mantelzone verbrei- tert und hier am meisten ziemlich eng gruppirte Zellen enthält, die bis an das Olfactoriusbündel hin vorkommen, während sich die Glia- schicht erst zwischen der Pia und diesem Bündel verliert. | Der Theil, welcher als nasales Ende des Stammganglions Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 83 (lat.Ggl) zu bezeichnen ist, treibt einen ziemlich bedeutenden Fortsatz lateralwärts; durch diesen wird die Mantelzone zwischen dorsalem und lateralem Theil ziemlich verschmälert. Wir begegnen hier den Zellen mit deutlichem Hof, zerstreut und in Gruppen; in der medialen Seite des Feldes ziehen einige Fasern dem Ventrikel entlang (Fasern des medialen Bündels der Pars olfactoria der vorderen Kommissur, med.p.olf). Das Feld des Tractus olfactorius ist nicht scharf begrenzt; medialwärts sind seine Fasern sehr locker und es sind spärliche Zellen eingestreut. Mit Schnitt 60—62 beginnt der Ventrikel sich auch horizontal auszubreiten, und zwar entsteht in der lateralen Ventrikelwand an der Grenze zwischen oberem und mittlerem Drittel (nicht am oberen Ende) eine Ausbuchtung, die sich ziemlich rasch lateralwärts ausdehnt und mit Schnitt 70 schon größer ist als die vertikale (oder mediale) Spalte. Dadurch ist eine Theilung zwischen Mantel und Stammgan- glion gegeben, und zwar nicht dicht an der Grenze zwischen den bei- den Feldern, sondern mitten durch die Formation des Stammganglions hindurch. Der Mantel wird nun relativ dünner, je mehr man caudal- wärts geht, weil der Schnitt ihn immer weniger schief trifft. Zudem geht die horizontale (oder laterale) Ventrikelspalte von Schnitt 70 an vom oberen Ende der vertikalen Spalte ab. In Schnitt 70 (Fig. 3) sind schon fast alle Elemente in der Weise vertreten, wie wir sie in allen Schnitten bis gegen die Lamina termi- nalis finden werden. Im Mantel haben wir die drei Zellgruppen, auf die Enpınger aufmerksam gemacht hat. Das oben beschriebene mediale Zellband hat sich getheilt und es bildet nun der innere Theil Enınszr’s Zellgruppe 1, der äußere seine Zellgruppe 3. Das mediale Band (Zellgruppe 1, Cortex ammonis) steigt ziemlich steil an und reicht am oberen Ende beinahe an die Pia, ist aber noch durch eine Schicht zellenarmer Grundsubstanz von ihr getrennt; in der gegen den Ven- trikel gelegenen Grundsubstanz sind ziemlich viele Zellen mit deut- lichem Hof. Das dorsale Band (Gruppe 3 Evıncer's im Weiteren auch mittleres Band genannt) beginnt ziemlich geschlossen etwas nach außen von der Mitte der Gruppe 1, und zersplittert sich lateralwärts; ihre Zellen liegen aber vorwiegend gegen den Ventrikel zu, im Gegen- satz zu Gruppe 2 (der lateralen Gruppe), die wie die mediale Gruppe näher der Oberfläche liegt, aber mehr zerstreut und zellen- reicher ist. Fasern begegnen wir sowohl am medialen als am latera- len Ende des Mantels. Ein dünner Zug verläuft zwischen Olfactorius- bündel und Pia nach außen und vertheilt sich auf der lateralen 84 Ad. Meyer, Zellgruppe; wir werden diesem Bündel noch in geschlossener Form begegnen und sehen, dass es sich an der Bildung der vorderen Kom- missur als laterales Bündel der sog. Pars olfactoria betheiligt (lat.p.olf). Am medialen Ende des Mantels finden sich sowohl auf der oberflächlichen, als namentlich auf der gegen den Ventrikel zu liegen- den Seite des Zellbandes vereinzelte Fasern, die in die mediale Ven- trikelwand hinabsteigen, und zwar oberflächlich, in die lockere sub- piale Schicht, welche sich gegen die Basis stark verschmälert; doch finden sich auch in der dichteren, dem Ventrikel zugekehrten Schicht (S.p) vereinzelte, allerdings gegen das subpiale Gewebe ziehende Fasern. Der beschriebene Theil der medialen Wand ist durch seine aus lockerem, Gefäße führendem Gewebe bestehenden Grenzen gut abge- hoben von dem näher der Basis liegenden »dreieckigen Feld« von Fig. 51, dessen Form sich wesentlich verändert hat. Der Faserzug von der Basis gegen das Stammganglion hin (med.p.olf), der die laterale Grenze des Feldes bildet, ist nämlich mehr nach außen gerückt, und so nimmt nun dasselbe auch einen kleinen Theil des in den Ventrikel vorspringenden Basisabschnittes ein; das gegen die Basis hin zwischen ihm und der subpialen faserführenden Randzone gelegene Gebiet ist ebenfalls etwas größer; die Herkunft der in ihr verlaufenden Faser- abschnitte muss ich unerörtert lassen (centrale Olfactoriusbahnen?). Das eben erwähnte Bündel, welches die laterale Grenze des »dreieckigen« Feldes bildet, zieht im Bogen oben um das Olfactorius- bündel herum, und einige wenige blasse (marklose) Bündelchen biegen um die laterale Ventrikelspalte in die tiefste Schicht der Mantelzone ein. Es unterliegt keinem Zweifel, dass dieses Bündel identisch ist mit dem mehrfach erwähnten medialen Kommissurentheil (med.p.olf). Um die Olfactoriusbahn beginnt ein Hof aufzutreten, der Zel- len mit lichtem Leib und rundem Kern enthält. Der folgende Schnitt (90) (Fig. k) zeigt eine Reihe wesentlicher Veränderungen. Der dorsoventrale Durchmesser des Schnittes ist weniger vergrößert als der quere; da ferner der Mantel nicht mehr schief, sondern senkrecht getroffen ist, erscheint der Ventrikel etwas dorsalwärts verdrängt durch die voller gewordene Basis mit dem Stammganglion. Die Breitenzunahme fällt weniger auf die Innenwand, als! auf den medialen Theil der Basis (h.med.Ggl) und das Feld des Tractus olfactorius. Auffallend ist vor Allem die scharfe Abgrenzung des Mantels von der medialen Hemisphärenwand. Der Ventrikel treibt an seinem Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 85 Scheitel einen recht bedeutenden Fortsatz in dieselbe hinein (schon von Schnitt 75 an angedeutet); andererseits entsteht unter der Pia eine Rinne durch das plötzliche Aufhören der Neurogliaschicht des Mantels. Durch den Ventrikelfortsatz und die seichte Rinne der medialen Gehirnoberfläche wird an der betreffenden Stelle die Ventrikelwand auf eine schmale Brücke reducirt. Dieselbe besteht fast ausschließlich aus einem Faserbündel, das aus der inneren (ventrikulären) Mantel- schicht auf die mediale (subpiale) Schicht der Hemisphäreninnenwand übergeht und dort zersplittert sich ventralwärts und caudalwärts wendet. Die mediale Rinne, welche durch die beschriebene An- ordnung entsteht, ist vielleicht identisch mit einem Theil von derjeni- gen, welche Rısı-Rückuırn am Alligator beschrieben. Nach vorn hin ist sie schon in Schnitt 76—80 durch den Durchtritt von Gefäßen durch die mediale Wand angedeutet, und wir werden sehen, dass diese Formation sich bis auf die hintere Hemisphärenwand fortsetzt. Der mittlere Theil der Hemisphäreninnenwand (bezeichnet als S.p, Septum pellucidum oder Fornixleiste nach Evınser) ist durch eine gefäßführende Schicht von der Basis getrennt. Sie enthält außer denjenigen Fasern, die direkt vom Mantel kommen, nur wenige ihr scheinbar eigen. Am medialen Theil der Basis ist die subpiale faserreiche Zone bedeutend verbreitert; namentlich sind die Bogenfasern über ein breites zellenhaltiges Areal ausgebreitet. Aus den quergeschnittenen, dem Ventrikel näher liegenden Fasern hebt sich sehr gut ein wenig markhaltiges Bündel hervor, das medianwärts scharf begrenzt, nach außen hin Fascikel abgiebt, die größtentheils schief geschnitten sind; nur kurze Stücke lassen sich dorsal um den Tractus olfactorius herum nach außen gegen den Mantel verfolgen. Alle diese schwach gefärbten Bündel bilden zusammen den mehrfach erwähnten medialen Theil dersog. Pars olfactoria commissurae antorioris und ziehen zur Lamina terminalis. Das deutlich markirte Feld, welches in den früher beschriebenen Schnitten die vertikale Ventrikelspalte unten umfasste (das »dreieckige Feld« oder vordere mediale Ganglion der Basis — v.med.Ggl —), ist in Schnitt 90 stark verkleinert; auf der medialen Seite der Ven- trikelspalte ist es wohl ganz verdrängt durch eine namentlich in Hori- zontalschnitten deutliche Formation, die hellere Grundsubstanz und weniger regelmäßig gruppirte Zellen hat, das hintere mediale Ganglion der Basis (h.med.Ggl). Im lateral-basalen Theil desselben finden wir eine kleine Gruppe wenig geschlossener Faserquerschnitte, denen wir auch weiterhin in dieser Gegend begegnen werden. Hori- 86 Ad. Meyer, zontalschnitte zeigen ihren Verlauf (Fig. 15). Da ich dieses Bündelchen nur bei der Natter fand und mir der Nachweis desselben Zuges bei den anderen Reptilien nicht gelang, nenne ich es auf den Rath von Herrn Professor Forer einfach Natternbündel!. Nun das basale Vorderhirnbündel. Schon in Schnitt 70 ziehen vereinzelte Fasern von der Basis zu dem dunkleren Felde, das den Ventrikel dort ventral umfasst; diese Fasern werden caudalwärts zahl- reicher und in Schnitt 90 sind wir etwa an der Stelle der stärksten Umbiegung. In allen Schnitten ist es der lateral vom Ventrikelsaum gelegene Theil des Feldes, in welchem die Fasern ziehen, und nicht der dicht dem Ventrikel anliegende Theil, was trotz der Ähnlichkeit der Grundsubstanz und der Zellen gegen die Einheit des Ganzen spricht. Über das Einstrahlungsgebiet des dunkleren Feldes (mittleres Gan- glion der Basis, mittl.Ggl) hinaus sind nur spärliche Fasern zu ver- folgen, da sie wohl rasch das Mark verlieren. Der übrige Theil des Stammganglions, das laterale Ganglion (lat.Ggl), ist wenig ver- ändert; es beginnt sich lateralwärts etwas mehr auszudehnen, in die laterale Mantelzone hinein. 1 Bei der Wahl dieser Bezeichnungen hielt ich mich an ganz äußerliche Eigenschaften der Theile, da eine Namengebung nach ihrem eigentlichen Wesen nicht in Frage kommen konnte. Ich hoffe, es werden durch dieselben nicht so leicht falsche Ideenassociationen suggerirt; wenn allgemeinere Gesichtspunkte gewonnen Sein werden, lassen sie sich, ohne dass Verwirrung zu entstehen braucht, durch Termini von weiterer Bedeutung ersetzen. Nur mit der Bezeichnung Sep- tum pellucidum erlaube ich mir eine Abweichung von meinen oben angeführten Grundsätzen, betr. die Nomenclatur, indem ich den etwas zweideutigen Ausdruck »Fornixleiste« (Leiste für den Fornix oder Leiste gebildet vom Fornix?) durch einen Terminus, der schon längst eine scharf begrenzte Bedeutung hat, ersetze, ohne „lass ich mit genügendem Material ausgerüstet bin, um meine Annahme auf embryologischem oder vergleichend-anatomischem Wege (mit balkenlosen Säugern) genügend stützen zu können. Ich bin mir wohl bewusst, dass dieselbe an folgende Voraussetzungen geknüpft ist: Die Längsfurche der medialen Hemisphärenober- fläche am Natterngehirn trennt den medialen Theil des Mantels als äußeren Halb- ring des Randbogens Scaımiprs vom inneren Halbring, der medialen Ven- trikelwand. Der innere Halbring (vgl. Hıs, Nr. 45, p. 713 Anm.) ist nun vom Septum pellucidum und vom Fornix gebildet, was mit der Auffassung EpınGger’s übereinstimmen würde, und wir hätten somit seine Fornixleiste wie unser Septum pellucidum als eine Art Stütze des Fornix und nicht als Fornix anzu- sehen, wie dies Körpzn gethan hat (vgl. unten p. 123). Nach dieser Auffassung wäre nun ferner die Längsrinne der Ort, an dem beim Säuger der Balken von einer Hemisphäre zur anderen übergeht, und endlich ist damit gesagt, dass der innere Halbring des Randbogens im Gegensatz zum äußeren Halbring seiner phyloge- netischen Entwicklung nach keine Rinde besitzt, also auch nicht als umgewandeltes Rindengebilde bezeichnet werden sollte, wie dies mit den Autoren HonEGGER p. 321 thut. Pan EN { 4 e =, Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 87 Die Olfactoriusbahn hat nach oben hin einen bedeutenden Hof, dessen Zellen noch zerstreut sind, aber schon eine koncentrische Schichtung erkennen lassen. Sein Areal ist von den beiden Bündeln der Pars olfactoria der vorderen Kommissur eingefasst. Der Ver- lauf des dorsalen (medialen) Bündels ist ganz beschrieben; das laterale beginnt in Schnitt 90 sich zwischen Olfactoriusbahn und basalem Vorderhirnbündel dorsalwärts zu schlagen, um dann das letztere dorsal zu umfassen und gegen das mediale Bündel, beziehungsweise die Lamina terminalis zu ziehen. Die wenigen marklosen Bündelchen, welche in unserem Schnitte noch um die laterale Ventrikelspalte in den Mantel umbiegen, gehören vielleicht noch zum medialen Theil der vorderen Kommissur. In Schnitt 104 (Fig. 5) hat die Strahlung von Fasern vom basa- len Vorderhirnbündel in das mittlere (und äußere) Ganglion der Basis nahezu ihr Ende erreicht. Man sieht wie das äußere Bündel der Pars olfactoria den eben beschriebenen Weg einschlägt. Die Ein- fassung der medialen Ventrikelspalte hat sich übrigens nicht wesent- lich geändert: Es findet sich lateral das laterale Ganglion, dann etwas basal davon das etwas dunkler gefärbte Areal, der Rest des mittleren Ganglions; ferner als mediale Einfassung der Spalte das hintere mediale Ganglion, in dessen basalem Theil das schwache Bündel zersplitterter Fasernquerschnitte sich befindet, das in Schnitt 90 auftaucht (das »Natternbündel«, und endlich die wenig differen- zirte Masse der medialen Ventrikelwand (S.p). Diese führt hier zahl- reiche Fasern, die zum Theil direkt aus dem Mantel herkommend zur Basis hinabsteigen, um sich dort caudalwärts dem basalen Vorderhirn- bündel anzulegen. Der Verlauf bedingt eine mehr oder weniger reihen- weise Anordnung der Zellen. Epineer beschrieb diese Fasern als Bündel der sagittalen Scheidewand; es entgingen ihm aber die Faserquerschnitte, welche in den nasalen Schnitten im medialen Theil der Basis lagen, in Schnitt 90 anfingen sich lateralwärts zu ver- lagern und ventral vom basalen Vorderhirnbündel zu finden sind. HonssGer sah dieses Bündel und beansprucht es als Markbündel der strahligen Scheidewand; er übersah jedoch ebenfalls den Zuzug, den dasselbe aus der lateralen Mantelzone erhält. An der Basis von Schnitt 104 tritt nämlich das vordere Ende des Unterlappens auf, und an seinem Rande verlaufen die erwähnten Fasern, die ich allerdings bei der Natter erst fand, nachdem sie mir bei Iguana aufgefallen waren. Da das Ganze sich daher mit keinem der beschriebenen Bündel ganz deckt, so brauche ich im Weiteren den Ausdruck: basales Längs- bündel zur Taenia thalami, indem ich mich auf den weiteren 88 Ad. Meyer, Verlauf berufe (vgl. p. 93). Wir sehen im medialen Theil der Basis schon in den nasalsten Schnitten zahlreiche Faserquerschnitte (bas.Randf); da nun in Schnitt 104 ihre Zahl nicht zugenommen hat, trotzdem immer neue Fasern sich anzulegen scheinen, muss angenommen werden, das Bündel bestehe hier nicht mehr aus denselben Fasern wie weiter vorn. Es wäre also möglich, dass sich die Fasern aus dem Tractus olfactorius verloren und dafür Fasern von der medialen Hemisphärenwand ihren Platz eingenommen hätten. Die Olfaetoriusbahn fängt an sich auf ein größeres Quer- schnittsfeld zu zersplittern. Sein Hof ist nach allen Seiten, besonders nach oben hin erweitert, und ringsum ist die Grenze durch allerdings noch ziemlich zerstreute Zellen markirt. Nach oben und außen ist die Grenze überdies durch eine bandförmige Zone gebildet, in deren Grund- substanz allem Anschein nach dünne Fascikel von marklosen Fasern nach außen unten verlaufen. Das Band endet hart an der Rinden- formation, die nur noch einen schmalen Streifen aufweist; nach oben und innen, d. h. gegen den Endigungsbezirk des basalen Vorderhirn- bündels klingt es aus. Mehr eaudalwärts geht aus dem im Übrigen zellenreichen Bande die Zellenschicht des Nucleus sphaericus hervor. Im Mantel ist das innere Zellband länger geworden; es erstreckt sich mehr lateralwärts und schiebt auch die folgende mittlere Gruppe mehr nach außen. Die laterale Gruppe wird wohl dadurch, als durch ein stärkeres Übergreifen des lateralen Ganglions der Basis eingeengt. In den folgenden Schnitten nähern wir uns rasch der Lamina terminalis, der vorderen Wand des Ventrieulus impar, und den in ihr verlaufenden Kommissuren. Es sei hier zum Voraus erwähnt, dass dieselbe bloß in der Kommissurengegend eine bedeutende feste Wand bildet, basalwärts dagegen nur aus einer leichten Verklebung der beiden Hirnhälften besteht, welche beim Schneiden etwas eingerissen worden ist. Daher der scheinbare Mangel der Fortsetzung der Lamina terminalis auf die vordere (nasale) Fläche des Tuber einereum. Auch in dieser Gegend sei erst eine Reihe typischer Schnitte durchbesprochen: Schnitt 112 gerade vor dem Beginn der Lamina terminalis; Schnitt 118 durch die Mitte des Chiasma partis olfactoriae commiss. ant. (Rapı-Rücknarn); Schnitt 125, der Anfang der mark- losen Kommissur zwischen den Stammganglien, Schnitt 135 deren Mitte, resp. größte Ausbreitung; Sehnitt 142 kurz vor dem Fora- men Monroi, Schnitt 449 durch das Foramen Monroi, und endlich Schnitt 159 etwas caudalwärts davon. Der Vollständigkeit wegen seien noch die Vorderhirnabschnitte aus Schnitt 185 und 199 dargestellt. Dabei flechte ich die genauere Besprechung der einzelnen Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 89 Theile ein, um die Übersicht am Schlusse nur den wichtigsten Ver- hältnissen widmen zu können. Man versäume nicht, an Hand der an- gegebenen Nummern der Schnitte sich ein ungefähres Bild von ihrer Lage am ganzen Gehirn zu verschaffen. Im Schnitt 112 (Fig. 6) seien vorerst die Verhältnisse im Man-. tel gewürdigt. Enınger (10a, p. 113) hat bereits eine erschöpfende Beschreibung der Rinde von der dorsalen Kante des Oceipitallappens der Blindschleiche gegeben, die ich wörtlich anführe, da sie den Aus- gangspunkt für meine Darstellung des Mantels bildet: »Der subpiale Lymphraum ist durch ein Netz feiner Balken an der Oberfläche des Mantels gebildet. Unter ihm beginnt eine nervenlose Schicht feinster Gliabalken, die nahe der Oberfläche etwas dichter liegen als in der Tiefe, so dass man in dieser äußeren Gliaschicht (7) wieder zwei Schiehten unterscheiden kann. Unter ihnen treten als äußerstes ner- vöses Gebilde die Tangentialfasern (T.f) auf, markhaltige Nerven- fasern, spärlich, in einem zur Oberfläche des Gehirns tangentialen Verlauf. Sie liegen bereits in der mittleren Neurogliaschicht (2). Diese ist dichter gewebt als die äußere, in ihren spärlichen Lücken finden sich in große Hohlräume eingeschlossen multipolare Ganglien- zellen, annähernd von der Form jener, welche in den Vorderhörnern des Säugethierrückenmarkes liegen, nur viel kleiner. In dieser Schicht verbreiten sich die Endausläufer der gleich zu schildernden Pyramiden- zellen als außerordentlich feines Netz, das mit den Ausiäufern der dori vorhandenen Zellen zu anastomosiren scheint. Die Fäserchen der mitt- leren Neurogliaschicht weichen an deren innerer Grenze aus einander und lassen ein großes Lakunensystem zwischen sich. In dieses einge- bettet liegen die Pyramiden der Hirnrinde. Das ist die Pyramiden- schicht (5) des Mantels. Die Pyramidenzellen sind mit der Spitze nach der Peripherie, mit der Basis, aus der mehrere Ausläufer kommen, nach dem Ventrikel zu gerichtet. Ihrer vier bis fünf liegen in der be- treffenden Schicht über einander. — Nach innen folgt auf die Pyra- midenschicht die innere Neurogliaschicht (4). Sie hat etwa die Dichte der äußeren. In ihr ist das Netz der Achseneylinderausläufer der Pyramiden zu suchen. Hier treten die ersten markhaltigen Stabkranzfasern auf, denen wirin der Thierreihe begeg- nen. Spärliche runde Zellen liegen noch dort, und weithin dringen in diese Schicht hinein die Endfäden der Zellen des Ventrikel- epeudyms (5).« Diese Darstellung deckt sich ziemlich genau mit dem, was ich im lateralen Theile der medialen Mantelzone bei der Natter finde; ich habe nun über das mediale und das laterale Ende derselben einige Details hinzuzufügen. Da, wo der Mantel durch den 90 Ad. Meyer, Ventrikelfortsatz und die oberflächliche Rinne der medialen Hemi- sphärenoberfläche auf eine schmale Faserbrücke redueirt wird, haben wir folgende Veränderungen: Zuerst nimmt die mittlere Neurogliaschicht an Breite ab, so dass sie die Faserbrücke nicht er- ‚reicht; die äußere Gliaschicht dagegen bleibt gleich breit und bildet die dorsale Wand der Rinne. Fäserchen von ihr und dem Lakunen- system der Zellschicht, sowie von der inneren Neurogliaschicht, ver- flechten sich zu einem zarten Reticulum, welches die Grundsubstanz der Brücke bildet. Während sich die Zellschicht, wie die äußere Glia- schicht, nur allmählich verschmälert, ist die innere Neurogliaschicht stark redueirt, und es bleibt fast nur der dem Ventrikelependym an- liegende Faserstreifen, den Enineer mit dem Stabkranz identifieirt. Diese Fasern gehen hauptsächlich in die subpiale, lockere Schicht der Hemisphäreninnuenwand über, fallen dort aber nicht in meine Schnitt- ebene und sind auch nicht zu einem Bündel vereinigt. In der inneren Neurogliaschicht des Mantels liegen sie, wie erwähnt, dem Ventrikel- ependym in nach vorn und außen verlaufenden Bündeln dicht an, zerstreuen sich aber nach außen hin über die ganze Schicht und in der Gegend der dorsalen Mantelzone (Evınser’s Gruppe 3) liegt nur noch ein kleiner Theil dem Ventrikelependym an. In dem Zellband, das Enıneer Pyramidenschicht nennt, lässt sich deutlich eine Ver- schiedenheit in den zelligen Elementen erkennen, die einigermaßen im Gegensatz steht zu dem, was ich einleitend über die Zellen des Mantels in den nasalen Schnitten gesagt habe. In der ganzen medialen Wand bis zur Stelle der Umbiegung in das eigentliche Dach besteht das Band aus dicht gedrängten Zellen mit kleinem vorwiegend rundem Kern; der Protoplasmaleib ist nicht geschwärzt durch das Hämatoxylin, ist übrigens jedenfalls auch kleiner als in den p. 79 beschriebenen » Zellen mit Hof«. Für die Zellen dieser Gegend wäre die Bezeichnung »Körner« am ehesten zutreffend, und es wird desshalb Bkırı die Homologie dieses Theiles mit der Fascia dentata aufgestellt haben. Es fallen immer fünf bis sechs Körner auf die Breite des Bandes. Nach außen von der Umbiegungsstelle verschwinden die runden Kerne; die Zellen sind, wie dies aus der Beschreibung dieser Kante von Epinger hervorgeht, pyramidenförmig, nach Par in toto gefärbt, die Basis der Pyramide gegen den Ventrikel, den zuweilen recht langen Spitzenausläufer nach der Peripherie gerichtet; auf die Breite des Bandes entfallen bei der Natter zwei bis höchstens drei. Die be- schriebene Verschiedenheit zwischen dem medialen und lateralen Theil der inneren Mantelzone ist von Evinger kurz (10a, p. 115) ange- deutet und findet sich auch in seinen Zeichnungen (10a, Taf. II, Über das Vorderhirn einiger Reptilien. | 91 Fig. 21—25), sowie in denjenigen von Mason (9, Taf. LXXXVIH, Ano- lius carolinensis) und Körpen (12, Taf. XXIV, Fig. 43) dargestellt. Das Zellband steigt nach außen steil an, erreicht an seinem Ende die Schicht der Tangentialschicht, indem die mittlere Neurogliaschicht stark abnimmt, die innere dagegen sich entsprechend verbreitert. Unter den Zellen der inneren Neurogliaschicht fallen in dem lateralen Theil der inneren Mantelzone multipolare Ganglienzellen auf, die nach und nach häufiger werden und schließlich Enınser’s Gruppe 3 (vgl. seine Fig. 22—24) bilden; ich habe sie oben mittlere oder dorsale Mantelzone genannt. Die Zellen sind plumper als die »Pyramiden« der ersten Gruppe und sind weniger geschlossen angeordnet. In der Grundsubstanz des Mantels kann man in dieser Region folgende Schich- ten unterscheiden: 1) eine äußere Gliaschicht, die hier aber nicht mehr in zwei Schichten differenzirt ist; sie enthält feine Lücken, die im Ganzen der Oberfläche parallel angeordnet sind; 2) eine breitere aber hellere Zone, die bloß am medialen Ende durch Tangentialfasern oberflächlich begrenzt ist, im Übrigen aber hauptsächlich durch die leicht angedeutete radiäre Struktur auffällt; 3) die Ganglien- zellenschicht, die sich lateral gabelig theilt, und eine Zellreihe gegen die Oberfläche schickt, ohne damit, wie das mediale Zellband, die äußere Gliaschicht zu erreichen —, und eine zweite Zellreihe mehr ventrikelwärts gegen eine zerstreute Zellgruppe hin, die weder der dorsalen noch der zu beschreibenden lateralen Gruppe im engeren Sinne ganz ähnlich ist, dagegen eher eine Anhäufung von Zellen zu sein scheint, wie man sie spärlich und zerstreut in der inneren Neuroglia- schicht der medialen Zone, in der entsprechenden Schicht der lateralen Zone aber, wie gesagt, viel mehr gehäuft findet. 4) Die eben erwähnte innere Neurogliaschicht, die mehr Zellen aufweist als diejenige der medialen Zone. 5) Das Ventrikelependym. Gegenüber der medialen Region ist demnach festzuhalten, dass bloß die äußere Glia- schicht der beiden ohne Unterbruch ist, dass aber die zweite, dritte und vierte Schicht der dorsalen Zone in die vierte Schicht der medialen Zone übergehen, d.h. in die innere Neurogliaschicht; und wir werden sehen, dass das Verhältnis zu der lateralen Gruppe ähnlich ist. Die laterale Region ist in Schnitt 112 schon stark zurück- gebildet. Auf den subpialen Lymphraum folgt wie in den zwei übrigen Regionen eine äußere Gliaschicht, von gleicher Breite und glei- chem Bau wie in der mittleren Region. Auf sie folgt gleich eine mäßig dichte Reihe von Zellen, welche kleiner sind als die der mittleren Gruppe und auch weniger eckig und zudem etwas mehr Hof haben. Während nun in den zwei medialen Regionen die Zellreihe stark ne ee 92% Ad. Meyer, von der Neurogliaschicht absticht, ist hier eine scharfe Trennung kaum möglich; wohl sind es Zellen mit rundlichem Kern und deutlichem Hof, welche in der Grundsubstanz der „inneren Neurogliaschicht« sehr zahlreich zerstreut sind; aber es hält in den meisten Schnitten schwer eine scharfe Trennung zwischen diesen und den Rindenzellen durchzuführen ; andererseits spricht nur der Umstand, dass der größere Theil des Gebietes im Mantel selbst liegt, sowie der Zusammenhang dieser inneren Gruppe mit der mittleren Zellgruppe, einigermaßen gegen die Vermuthung, diese Lage stehe dem Stammganglion näher. Für diesen Zusammenhang spricht dagegen, dass im Gehirn von Iguana tuberculata zwischen der peripheren Zellreihe und den Zellen der inneren Neurogliaschicht eine zellfreie lockere Schicht Grundsubstanz liegt, dass aber dort der Zusammenhang mit dem Stammganglion fast nicht zu leugnen ist (vgl. Fig. 30). Es braucht dies übrigens nicht zu überraschen, da in den nasalen Schnitten meiner Natternserie die horizontale Ventrikelspalte das Stammganglion (laf.Gg]) so theilt, dass eine Hälfte zur inneren Neurogliaschicht, und die andere zum lateralen Ganglion der Basis gehört. In den mehr nasalwärts ge- legenen Schnitten ist der Rindencharakter der lateralen Region besser gewahrt (vgl. Schnitt 50 und 70), namentlich da, wo noch Fasern der vorderen Kommissur in ziemlich kräftigen Bündeln einstrahlen. Die Hemisphäreninnenwand hat einen bedeutenden Durch- messer und ist nahezu so stark wie der Vorsprung der Basis in den Ventrikel. Die eigentliche Ventrikelwand, das Septum pellueidum, besteht aus dichter Grundsubstanz, in welche spärliche Zellen einge- lagert sind. Ihrer Gestalt nach stehen dieselben den vieleckigen Mantel- zellen nahe; sie sind nur etwas kleiner, besitzen aber ebenfalls keinen nennenswerthen Hof. Im Centrum des Septum sind die Zellen am wenigsten zahlreich; sie sind etwas gehäuft gegen die Ependymschicht und auch gegen die subpiale Schicht hin. Diese letztere ist schmal, und ist durch die vom Mantel kommenden Fasern stark gelockert. Die Fasern zersplittern sich nämlich rasch und fallen nur in kurzen Ab- schnitten in die Schnittebene. In längerem Verlaufe werden dagegen Fasern getroffen, welche aus dem Centrum des Septum pellucidum auftauchen und in kleinen Bündeln gegen die Basis ziehen; auch diese Fasern stammen wahrscheinlich aus dem Mantel. Die ventrale Rinfassung der Ventrikelspalte hat eine ziemlich lockere Grundsubstanz; die Zellen nähern sich mehr dem Typus mit Hof, unterscheiden sich aber doch da deutlich von denen des lateralen Ganglion der Basis, wo sie sich stärker häufen, etwas nach außen und oben von dem Querschnitt des Natternbündels. Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 93 Sie imponiren hier als eine gut charakterisirte wohl abgegrenzte Gruppe (h.med.Ggl); sie ist die Fortsetzung der p. 85 erwähnten For- mation, wird dann durch die Kommissurenbildung nach außen ver- drängt und klingt schließlich in dem Maße aus, als der sog. Nucleus sphaericus wächst. Ihr hinteres Ende liegt ungefähr in Schnitt 140. Das eben erwähnte quergeschnittene Längsbündel, das Nattern- bündel, ist etwas kräftiger, aber eben so wenig geschlossen als weiter nasalwärts. Die Fasern sind fein und verlaufen in dem Felde ohne die Grundsubstanz und die Zellen irgendwie wesentlich in ihrer Anord- nung zu beeinflussen, so weit ein Querschnitt durch die Formation in Betracht kommt. Dieses Verhalten möchte vielleicht dafür sprechen, dass das Bündel dieses Gebiet nicht einfach durchzieht, sondern darin Ursprung oder Ende findet. Nun der mediale Theil der Vorderhirnbasis. Basal liegt er dem Chiasma opticum auf, medial ist eine Verklebung mit der an- deren Hemisphäre in etwa '/, der Höhe vorhanden, in dem Präparat aber gerissen. Die Grundsubstanz birgt ziemlich regelmäßig vertheilte, durch die von der medialen Ventrikelwand kommenden Fasern (sagit- tales Mark Epvınezr) in mehr oder weniger senkrechten Reihen ge- ordnete Zellen mit kleinem runden Kern und entfärbtem Hof. Am meisten fallen nun aber hier die verschiedenen Faserkategorien auf, über die hier eine kurze Rekapitulation folgt. Zunächst begegnen wir den zwei Bündeln der Pars olfactoria Commiss. anterior, deren Verlauf nasalwärts bereits p. 83 und 84 skizzirt ist. Beide sind charak- terisirt durch eingestreute Bündelchen markloser Fasern; das äußere verläuft nahezu horizontal, leicht gegen die Mittellinie hin dorsalwärts strebend, so dass ein Theil seiner Faserabschnitte schon außen und oben dem inneren Bündel anliegt. Das innere Bündel erscheint dadurch vergrößert, aber immer noch medial ziemlich scharf begrenzt, und zwar hauptsächlich durch lockere Fasern, die von der inneren Ven- trikelwand zur Basis steigen. Andere Fasern dieser Kategorie ziehen auch zwischen innerem und äußerem Bündel durch und erwirken zum Theil den Schein, sie gehen in das eine oder andere über. Das kräf- tigste Bündel dieses Schnittes und überhaupt des Vorderhirns ist das etwas lateralwärts gelegene basale Vorderhirnbündel Evrxcer’s. Nach außen ist es scharf abgesetzt; nach innen klingt es aus in die blas- seren Fasern des sägittalen Markes aus dem System. Die Begren- zung nach oben und außen wird von feinen Fasern gebildet, welche oben das Vorderhirnbündel umkreisen, um auf seine äußere Seite, zu einem lockeren Bündel zu gelangen, dessen Herkunft p. 86 beschrieben ist, dem sog. Markbündel der strahligen Scheidewand der 94 Ad. Meyer, Vögel. In diesem Schnitt ist nun auch schon der Anfang des Über- ganges dieses Bündels auf das Zwischenhirn sichtbar, indem sich das- selbe dem Tractus opticus dicht anlegt und kaum mehr von ihm zu trennen ist. Im eigentlichen Stammganglion und dem ihm entsprechenden Theil der Basis ist eine wesentliche Veränderung eingetreten. Das Feld der Olfaetoriusbahn ist nach oben hin von einer gut markirten mehr- schichtigen Reihe von ziemlich kleinen runden Zellen eingefasst; auf der inneren Seite und in der ganzen basalen Hälfte ist jedoch ein der- artiger Abschluss noch nicht zu Stande gekommen. Im Centrum sind die markhaltigen Fasern fast ganz verschwunden; sie haben sich wohl in der fast zellfreien fein gekörnten grauen Masse aufgelöst. Man sieht schon deutlich die Neigung dieser Formation, sich in das Stammgan- glion hineinzudrängen. An der Basis finden wir eine weitere Anhäu- fung von mittelgroßen stark gefärbten Zellen ohne Hof, die sich um ein Gebilde lagern, das in Schnitt 104 bereits angedeutet und als vor- deres Ende der Unterlappenspirale bezeichnet ist. Ein Zusammen- hang dieser Zellgruppe mit dem Rest der lateralen Mantelregion ist nicht vorhanden. Der Wulst selbst ist schwach entfärbt und enthält viele mittelgroße Zellen ohne Hof. In Schnitt 1144 ist die Lamina terminalis schon durch ein lockeres Netzwerk von Bindesubstanz angedeutet, das in der Gegend der beiden Kommissurenbündel (P.o/f) eine Brücke zwischen den bei- den Hemisphären herstellt. Schon im folgenden Schnitt (115) kreuzen sich Fasern der zwei inneren Bündel, und in Schnitt 118 sind auch die äußeren Bündel schon an der Kreuzung betheiligt. Aus Schnitt 118 (Fig. 7) ersehen wir Folgendes: Das ganze innere Bündel und ein großer Theil des äußeren kreuzen sich. Es ist ganz klar, dass die Fasern nicht parallel verlaufen, wie wir das in der mark- losen Kommissur der Stammganglien finden werden; vielmehr steigen die Fasern des inneren Bündels der einen Seite etwas dorsal- wärts und legen sich dorsal von den entsprechenden Fasern des an- deren inneren Bündels an; es ist sogar schon ersichtlich, dass dieselben in das äußere Bündel der anderen Seite übergehen. Hierfür sprechen mit aller Bestimmtheit die Schnitte 149—121. Wir haben in dieser Formation ein deutliches Chiasma partis olfactoriae com- missura anterioris, wie es RasL-RückuArn in seiner vorläufigen Mittheilung über Psammosaurus genannt hat. Es wäre also dem Ge- bilde der eigentliche Charakter einer Kommissur entschieden abzu- sprechen, wenn wir wenigstens an der alten Definition festhalten wollten. Da nun diese ja schließlich auch nur unter Modifikationen Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 95 der histologischen Anschauungen sich mit den Resultaten moderner Forschung vereinbaren lässt, so gehen wir nur einen kleinen Schritt weiter, wenn wir für die Kommissur auch keine annähernde Symme- trie in Verlauf und Vertheilung der Fasern als wesentliche Eigenschaft annehmen, sondern bloß eine Verbindung verwandter Theile der bei- den Hemisphären als den wesentlichen Punkt der Definition betrach- ten. Im Übrigen lasse ich die Frage ganz aus dem Spiel, wie weit diese Kommissur der Pars olfactoria der Säuger homolog sei; nur das sei noch betont, dass alle Fasern die Kreuzung eingehen und sich wieder nach vorn wenden, — um nicht etwa durch den bloßen Namen »Chiasma« die Vorstellung von Mryxerr’s Ghiasma olfactorium aufzu- wecken. Schon in diesen und namentlich in den folgenden Schnitten hat es den Anschein, ein Theil des äußeren Bündels namentlich wende sich nach oben in die mediale Hemisphärenwand hinein. Es ist nicht schwer sich von der Unrichtigkeit dieser Annahme zu tiberzeugen. Die Fasern kommen von der medialen Hemisphärenwand her und werden durch das Chiasma etwas abgelenkt, setzen aber schließlich ihren Weg an die innere Seite des basalen Vorderhirnbündels fort; einzelne durchbrechen sogar direkt die sich kreuzenden Bündel. Andere Fasern kommen aus dem lockeren Gewirr, das der Kommissur dorsal aufliegt, und bilden eine direkte Fortsetzung der Fasern, die man in Schnitt 125 sich kreu- zen sieht, und die also nasalwärts und schließlich nach unten zu dem basalen Vorderhirnbündel verlaufen. Die Zahl der Faserquerschnitte auf der medialen Seite des basalen Vorderhirnbündels ist hier sehr groß, weil sich dieselben hier sammeln. Gerade hier findet der größte Zuzug von Fasern statt, welche nicht nur aus dem vorderen, sondern auch aus dem hinteren Theil der gleichen und der anderen Seite her- absteigen, wie wir sehen werden, Fasern des sog. sagittalen Markes und des sog. Fornix. Im Septum pellucidum fängt das Bündel markhaltiger Fasern, das vom Mantel herkommt, an, sich eine Strecke weit als Bündel zu erhalten, während es sich vorher zersplitterte. Im lateralen Theil der Basis ist der Zellkranz des Nucleus sphaericus mehr basalwärts entwickelt, und das Ganze ist weiter gegen den Ventrikel vorgerückt. Im Schnitt 125 (Fig. 8) sind nun die wichtigsten Theile der Lamina terminalis neben einander zu sehen. Die Fasern vom Mantel bilden eine Lyra; ihre Arme fassen das lockere subpiale Gewebe zwischen sich, das gegen das untere Drittel des Septum am breitesten ist. In ihm lassen sich von oben nach unten folgende Fasern erkennen: Zu oberst sind unter der Pia Faserquerschnitte eingestreut; da, wo sich 96 Ad, Meyer, das Gebiet etwas zu verbreitern beginnt, nahmen die Fasern mehr einen Verlauf von hinten oben nach vorn unten ein; durch sie wird die Grundsubstanz stark zerklüftet und die Zellen sind nicht mehr deutlich. Noch mehr basalwärts endlich, gegen die Kommissuren- gegend, schlagen die Fasern eine mehr dorsoventrale Richtung ein und treffen so auf die Fasern, welche direkt vom Mantel als Arme der Lyra in die Lamina terminalis zu verfolgen sind. So entsteht am Fuße der Lyra ein starkes Fasergewirr. Einzelne Faserbündel von den Armen sieht man deutlich die Mittellinie überschreiten; andere Fasern, und zwar zumeist diejenigen, welche im subpialen Gewebe von hinten her herabsteigen, wenden sich ungekreuzt nach außen, und schließlich verlaufen gekreuzte und ungekreuzte Fasern, wie wir oben gesehen (p. 9%), nasalwärts, um sich über und durch die Kreuzung der »Pars olfactoria« auf die mediale Seite des basalen Vorderhirnbündels zu wenden. Es erklärt sich so der fast totale Mangel einer Ver- bindungzwischen Mantelfasern und dem basalen Vorder- hirnbündelin Schnitt 125. Es hat sich nämlich die zersplitterte Faserung medial vom basalen Vorderhirnbündel lateralwärts koncen- trirt, zwischen den Rest des Chiasma partis olfactoriae und das Ependym des dritten Ventrikels einerseits und die Faserung des basalen Vorder- hirnbündels andererseits hat sich eine Schicht gelegt, die wenig Fasern, aber viele kleine Zellen enthält, sämmtlich mit kleinem runden Kern und ebenfalls kleinem aber charakteristischem Hof. Zwischen der Mantelfaserung und dem hinteren Rande des Chiasma partis olfactoriae ist noch ein kleines Stück eines queren Zuges ganz markloser Fasern zu sehen, die wir in den folgenden Schnitten als marklose Kommissur der beiden Stammganglien erkennen werden. Schon in Schnitt 118 war der dritte Ventrikel als solcher gebildet, und in Schnitt 125 ist derselbe deutlich mit einer Ependymschicht ausgekleidet. An der Basis ist er etwas verbreitert, und die Lamina terminalis, welche ihn vom pialen Überzug des Chiasma opticum trennt, ist in der Mittellinie ein wenig verdickt. Es war schon oben erwähnt, dass sie nach vorn und oben bis an die Kommissuren hin wieder sehr dünn wird, so dass auch dieser mediane Wulst verschwindet. Srıepa spricht den beschriebenen Theil des Ventrikels als unpaarigen Ventrikel des Vorderhirns, Ventrieulus impar, an, indem er, wie es scheint mit Recht, von der Ansicht ausgeht, dass das Vorderhirn ur- sprünglich als eine einzige Blase aus dem Zwischenhirn heraus wächst, und sekundär getheilt wird. Die Wand des Ventrikels besteht aus faser- armer Grundsubstanz, in die viele kleine Zellen unregelmäßig eingestreut sind; in ihrem lateralen Theil, dem Tractus optieus dicht anliegend, Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 97 verläuft dann die Projektionsfaserung des Vorderhirns. Da, wo der Traetus opticus den Faserzug vom Markbündel der strahligen Scheide- wand und von Fasern, die aus dem sagittalen Mark kommend das basale Vorderhirnbündel dorsal umschlingen (d.L.i.Th), erhält, hat sich der- selbe in die Vorderhirnbasis hineingedrängt; doch liegt bis an die Stelle dieses Übertrittes eine Piafalte zwischen ihm und der Wand des dritten Ventrikels. Den markhaltigen Fasern, welche über das basale Vorderhirn- bündel hinüber von dessen medialen Seite her auf den Tractus opticus übergehen, liegen nach außen und oben marklose Bündel an, welche von der Kommissurengegend gegen den Unterlappen hin verlaufen; diese wie die marklosen Bündel zwischen der medialen Ventrikelspalte und dem Querschnittsfeld des Natternbündels kommen von der mark- losen Commissura loborum (bl.C.a). Von dem Antheil des Unter- lappens sieht man in Schnitt 148 Bündel dem Spiralwulst anliegen und nach außen ziehen. Das Natternbündel ist etwas nach außen ver- drängt und die p. 92 erwähnte Zellgruppe nach außen von ihm ist schon stark reducirt. Im lateralen Theil der Basis ist der Zellenkranz um die Ausfaserung des Tractus olfactorius herum fertig gebildet, und er hat sich so gegen den äußeren Schenkel des Ventrikels vor- geschoben, dass der Theil des Stammganglions, den ich als Ganglion laterale bezeichnet, in zwei Theile zerfällt, einen inneren, in den Ven- trikel vorspringenden, und in einen äußeren, der mehr mit dem Mantel in Beziehung tritt (vgl. p. 92). Eine detaillirte Beschreibung dieser Gegend sei auf das Folgende verspart. Bei Schnitt 135 (Fig. 9) genügt ein Blick auf die Figur, um die Veränderungen in der Konfiguration des Querschnittes zu sehen. Dieselben sind wesentlich auf zwei Punkte zurückzuführen: erstens auf die starke Ausbildung des Unterlappenwulstes, und zweitens auf das Eindringen des Tractus opticus zwischen Unterlappenwulst und die Wand des dritten Ventrikels. Mehr interessiren uns aber die Ver- längerung der medialen Zellreihe des Mantels nach außen hin, die An- ordnung der Mantelfasern und der marklosen Commissura loborum, und der sog. Nucleus sphaericus. Die Schichtung im Mantel ist sich im Allgemeinen gleich geblieben; die mediale Zellengruppe erstreckt sich aber über etwa 2/, des ganzen Mantels. Die in ihrem medialsten Ende gelegenen kleinen runden Zellen mit kleinem runden Kern reichen etwas um die Um- biegungskante hinaus in das eigentliche Dach hinein. Die großen pyramidenförmigen Zellen sind ebenfalls etwas zahlreicher und gehen in nahezu horizontaler Reihe bis zur oberflächlichen Gliaschicht. Die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV, Bd. 7 98 | Ad. Meyer, Tangentialfasern zwischen dieser und der mittleren Neurogliaschicht werden nach außen hin immer zahlreicher, bis zum Ende der medialen Zellreihe; doch erlauben mir meine Präparate keine Einsicht in das Wesen und den weiteren Verlauf derselben. Eine noch bedeutendere Zunahme erfährt in unserem Schnitt die Schicht der Fasern, die sich unter dem Ependym des Ventrikels sammeln und in die mediale Ven- trikelwand hinabsteigen. Die mediale Ventrikelwand ist ebenfalls verändert. Die sog. Fissura cerebri longitudinalis trennt nur noch die dorsalen Hälften der beiden Septa, und von der Seite her treibt die vertikale Ventrikel- spalte einen Fortsatz in den Fuß der Wand, welcher weiterhin als Foramen Monroi die Verbindung mit dem Ventriculus impar her- stellt. Die Mantelfasern erscheinen noch in derselben Lyraform ange- ordnet; man sieht jederseits ein dichtes Bündel derselben über der marklosen Kommissur in eine grobkörnige Masse einstrahlen, aber von einer eigentlichen Kreuzung ist nichts mehr zu sehen, und noch weniger von einem einfachen Überschreiten von Fasern der einen Seite zur anderen; nur eine dünne Schicht, welche der marklosen Kommissur dicht aufliegt, zeigt ein Gewirr von Fasern, die theils schief, theils quer getroffen sind und wohl zum Theil über die Kommissur weg nach vorn ziehen, zum kleineren Theil direkt dieselbe durchsetzen. Die subpiale Schicht zwischen den Armen der Lyra besteht aus einem sehr lockeren Gewebe mit spärlichen markhaltigen Fasern, die nasalwärts verlaufen; das grobkörnige Aussehen des Fußes der Lyra rührt von einer Anhäu- fung von Zellen her, welche sich in meinen schwach entfärbten Schnit- ten nicht genügend scharf von der Grundsubstanz abheben. Die blasse Kommissur sieht man deutlich von einem Stamm- ganglion zum anderen ziehen. Die einzelnen Faserbündelchen ver- laufen, wenn auch nicht ausnahmslos, so doch im Allgemeinen parallel, oder durchflechten sich nur unter spitzen Winkeln. Erst da, wo die Kommissur auf das Natternbündel stößt, breitet sie sich fächerförmig aus. Die Anordnung scheint derart zu sein, dass Fasern aus den oberen Regionen auch in der Kommissur dorsal gelagert sind und auf der an- deren Seite wieder aufsteigen. Das Natternbündel ist nicht mehr deutlich; seine Fasern beginnen sich nach außen zu wenden und sich so der Vertheilung der Kommissurenfasern anzuschließen, dass ich Anfangs glaubte, wirkliche markhaltige Kommissurenfasern vor mir zu haben. Die blassen Fasern, welche sich um das dorsale Ende des Traetus opticus legen, gehören zur Kommissur, diejenigen dagegen, welche vom Tractus opticus herkommend das basale Vorderhirnbündel umkreisen und nach innen und unten in die Wand des dritten Ven- Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 99 trikels zu verlaufen scheinen, haben mit den Kommissurenfasern nichts zu thun. Die Projektionsfasern des Vorderhirns sind oben stark zu- sammengedrängt und die graue Substanz so ziemlich koncentrisch um sie gelagert. Gegen die Basis wird die Faserung lockerer, indem sich da die erwähnten blasseren Bündel anlegen. Der Nucleus sphaericus hat sich bis unter das Ventrikelependym des horizontalen Schenkels in das laterale Ganglion der Basis vorgeschoben. Letzteres besteht nur noch aus einem dreieckigen Rest, der in den Ventrikel hineinragt, und aus einem lateralen Theil, der nach unten hin mit dem Basalwulst zusammenhängt. Der letztere ist medial scharf begrenzt und enthält in seiner dichten Grundsubstanz Zellen vom Charakter derjenigen des lateralen Ganglions; dagegen sind im basalen Rand Zellen eingestreut, deren Hof zum mindesten weniger entfärbt ist als derjenige der eben erwähnten. Dieser Unterschied könnte zur Annahme einer basalen Rindenformation berechtigen. Nun der Nucleus sphaericus, das Gebilde, das sich um die Endigung des Tractus olfactorius entwickelt hat. Sein Durchschnitt bildet ein sehr lang gestrecktes Oval, dessen laterale Seite etwas ein- gedrückt ist. Die Längsachse ist etwas mehr als doppelt so lang als die Breite. Es handelt sich um drei koncentrische Schichten: Die innerste Schicht besteht aus einem nach außen hin sich verdichtenden Reticu- lum, oder, wie man es objektiver zu benennen hat, aus fein gekörnter Substanz, in welche ziemlich viele Gefäße, aber sehr spärliche Zellen mit Hof eingebettet sind. Nach außen davon folgt ein geschlossener Kranz von Zellen, die einen ziemlich großen Kern mit kleinem Hof haben, oben und außen am dichtesten gelagert (etwa sechs bis acht Reihen), unten und namentlich medial etwas lockerer. Im basalen Theil ist die Schicht am unregelmäßigsten und breitesten, und es hat den Anschein, es seien noch derartige Zellen in den Basalwulst einge- streut. Nur am oberen Rand ist noch eine dritte Schicht erkenntlich, die sich um den Zellkranz herumlegt und aus dichter zellenarmer Grundsubstanz besteht; die untere Hälfte dagegen zeigt diese Schicht nicht. Schnitt 142 (Fig. 10) bringt uns schon näher dem Foramen Mon- roi. Die Spalte des dritten Ventrikels ist etwa um die Hälfte länger geworden, und reicht bis an die mediale Ventrikelwand (S.p). Die blasse Kommissur ist nur noch in ihrer seitlichen Entfaltung zu sehen; über ihr zieht ein Fortsatz des Seitenventrikels horizontal zum dritten Ventrikel. In Septum pellucidum hat sich die faserhaltige subpiale Schicht auf Kosten des gegen den Ventrikel gekehrten Theiles verbreitert. Die meisten Fasern ziehen nahezu horizontal nach innen 7%* 100 Ad. Meyer, gegen die Pia hin; diese fängt schon hier an auf die Plexus chorioidei überzugehen, die dasZwischenhirndach und nach vorn hin einen kleinen Recessus bilden helfen, der in den Schnitten 142 —A47 ganz deutlich hervortritt, In der sehr zellreichen Gegend, welche den dritten Ventrikel von diesem Recessus des Daches trennt, sind nur noch wenige Fasern zu verfolgen; etwas mehr ziehen ungekreuzt vorn um den medialen Fortsatz des Seitenventrikels herum in eine ebenfalls kern- reiche Gegend der Wand des dritten Ventrikels, bleiben aber von dem basalen Vorderhirnbündel getrennt durch die größtentheils marklosen Fasern, welche dasselbe innen bogenförmig umziehen. Das Endgebiet des Tractus olfactorius hat seine Lage etwas gewechselt. Es nimmt jetzt die höchste Kuppe des Stammganglions ein, während der abgeschnürte Theil des eigentlichen Stammganglions (lat.Ggl) nur noch einen kleinen dreieckigen Vorsprung in den Ventrikel hinein bildet. Ferner ist das untere Ende der Formation medialwärts gerückt und das ganze nach innen etwas konkav geworden. Um sie herum legt sich das Feld des Basalwulstes, dessen medialer Theil etwas weiter nach oben vorgerückt ist. Die blasse Kommissur breitet ihre Fasern über die ganze mediale Fläche des Stammlappens aus: vom Basalwulst bis zu dem lateralen Ende des Stammganglion- restes. Die feinen Fasern des Natternbündels ziehen zerstreut nach außen. Es ist hier der Ort die Gegend zwischen Basalwulst und Traectus opticus genauer zu betrachten. Vom Unterlappen geht eine Brücke der Pia direkt auf den Tractus opticus über und verläuft über das Chiasma zur anderen Seite. Von diesem dicken Blatt geht eine feine Lamelle dem Basalwulst entlang, eine andere dem Tractus opticus entlang in den Spalt hinein, um schließlich zu verlöthen und zusammen den Tractus opticus zu begleiten. Nun bildet sich aber zwischen diesem Blatte der Pia und dem Stammganglion ein spaltförmiges Lumen, dessen laterale, dem Stammganglion angehörige Wand eine deutliche Epen- dymlage aufweist, während eine solche auf der medialen Wand, der Pia, sich nicht sicher nachweisen lässt; von der Pia aus geht ein zartes großmaschiges Reticulum auf die laterale Wand der Spalte über, das möglicherweise die Ependymlage einfach verdeckt. Ein Beginn dieser Formation ist schon in Schnitt 425 deutlich. In den caudalen Schnitten werden wir die Bedeutung dieses Theiles als rudimentäres Unter- horn noch deutlicher sehen. Schnitt 149 (Fig. 41) geht noch durch das Foramen Monroi. Die mediale Ventrikelwand ist nur durch Pia, welche zwei Plexusfalten aufliegt, mit derjenigen der anderen Seite verbunden. Von ihr aus Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 101 breiten sich Fasern fächerförmig auf den Mantel aus, und ein schwaches Bündel schickt sich an, das Foramen Monroi überschreitend, auf die mediale Wand des eben erwähnten Unterhorns überzugehen. Diese liegt dem Tractus opticus außen an und erreicht an dessen oberen Ende die graue Substanz der Wand des dritten Ventrikels oder vielmehr ein Faserbündel, welches zwischen Tractus opticus und dieser grauen Substanz zur Taenia thalami verläuft. Damit ist der Abschluss des Unterhorns fertig. Die mediale Ventrikelwand ist stark redu- eirt. Die Fasern breiten sich mehr aus, aber die graue Substanz des Septum mit den Kernen nimmt ab. Der Mantel bietet einen tieferen Querschnitt, weil die hintere Hemisphärenwand anfängt in den Schnitt zu fallen. Das Stammganglion (Nucleus sphaericus, der Rest des lateralen Ganglions und der Basalwulst) ist vollständig abgerundet. Im medialen Rand finden sich viele Schiefschnitte der blassen Kommissur. Für die Wand des dritten Ventrikels sei die Beschreibung von Schnitt 125 an nachgeholt. Die Faserung des Pedunculus cerebri, d.h. des gesammten Projektionsystems des Vorderhirns inel. Fornix, ist auf einen Quadranten zerstreut, dessen Bogenstück durch den Trac- tus opticus begrenzt wird, dessen einer Radius, nahezu horizontal, nur wenig gegen die Kommissuren ansteigt, und dessen zweiter Radius sich basalwärts dem dritten Ventrikel etwas nähert. Im lateralen Theil ist die Faserung oben am dichtesten, da, wo sich die direkte Fortsetzung des basalen Vorderhirnbündels befindet. Die Fasern desselben sind bei ihrem sagittalen Verlaufe quer geschnitten; basalwärts klingt die Anhäufung ihrer Querschnitte aus. Medial liegt dem basalen Vorder- hirnbündel eine weniger dichte feinfaserige Schicht an, deren schwä- cher tingirte Fasern sich nach oben und außen wenden, und sieh dem feinfaserigen Bündel zugesellen, dessen Übergang auf den Tractus opti- eus schon mehrfach erwähnt wurde (b.L.i.th). Diese das Vorderhirn- bündel dorsal umkreisenden Fasern sind schon in Schnitt 112 angedeutet. Den ganzen medialen Theil des Quadranten nehmen nun aber die Fasern ein, welche vom Mantel und der medialen Hemisphärenwand herab- stiegen. Die locker sich durchflechtenden, ebenfalls relativ wenig Mark enthaltenden Bündel, zeigen noch ihren Verlauf von oben innen nach unten außen; sie lassen zwischen sich noch etwas graue Substanz und Zellen von dem Bau der übrigen Ventrikelwand; basalwärts nehmen dieselben in dem Maße zu, als die Faserung ausklingt. In Schnitt 135 bildet das basale Vorderhirnbündel eine laterale nach außen konvexe Sichel, und die Faserung aus der medialen Hemisphärenwand eine mediale nach innen konvexe Sichel. Oben sind sie mit einander in Verbindung, in der Mitte scheidet sie aber eine lockerere und weniger 102 Ad. Meyer, tief gefärbte Faserung. Zunächst dem Ventrikel endlich lockern sich die Bündel noch mehr und zeigen einen Verlauf von innen oben nach unten außen. Es ist aber doch zweifelhaft, ob die untersten medialsten Fasern sich nach oben schlagen, um den medialen Rand der ganzen Faserung zu umziehen und sich dem Bündel der strahligen Scheide- wand (HonesGer) dorsal anzulegen. Dafür spricht Schnitt 142 nur zum Theil; die blassen Fasern, welche die p. 98 betonte koncentrische Schichtung um den Pedunculus herum bewirken, sind hier zum Theil wenigstens mit dem eigentlichen Vorderhirn in Verbindung, lassen sich aber nicht genügend verfolgen; bei Iguana sind diese marklosen Bündel viel stärker und verlieren sich im hinteren Theil des Stammganglion. In Schnitt 142 sind die beiden Sicheln oben nicht mehr geschlossen; ein Gewirr lockerer Fasern löst sich vom Tractus opticus ab, und ihm hilft gelegentlich eine ovale mittelgroße Zelle die Kluft zwischen den beiden Sicheln deutlicher machen. Eine ganze Gruppe solcher Zellen findet sich nun in Schnitt 149; von ihr aus schlägt sich das blasse lockere Bündel nach oben in der Richtung gegen das Ganglion habe- nulae, und zwischen ihm und dem Tractus optieus ist eine etwas blassere und schwächere Faserung eingeschaltet, welche sich vom Tractus optieus ablöst und ebenfalls gegen das Ganglion habenulae zieht (in der Zeichnung etwas undeutlich). Gleich zwischen diesen Fasern ist, wie uns Schnitt 152% ganz deutlich zeigt, der Anfang eines Kernes angedeutet, der gewöhnlich mit dem Corpus geniculatum identi- fieirt wird. Als drittes Bündel fällt endlich das mehr gegen den Ven- trikel zu, ungefähr in der Mitte seiner Wand gelegene, zum Theil quer, zum Theil schief getroffener Fasern auf; wir sahen dasselbe in Schnitt 142 aus der medialen Hemisphärenwand in die Wand des dritten Ventrikels übertreten. Den weiteren Verlauf dieser Bündel sowie auch die Unabhängigkeit der kleinen Gruppe ovaler Zellen vom Corpus geniculatum ersieht man aus Schnitt 159. Im Schnitt 159 (Fig. 12) sind Großhirn und Zwischenhirn schon durch eine Schicht Pia völlig getrennt, welche dem Tractus opticus und dem Ganglion habenulae aufliegt und das Zwischenhirndach bildet. Die Seitenventrikel sind wieder völlig geschlossen. Das, was oben mediale Ventrikelwand geheißen, ist auf einen dünnen Faserfächer (Fornix Mf) zusammengeschrumpft und nach außen gedrängt, basal der Pia, dorsal dem Mantel anliegend. Dagegen kommt der mediale Theil des Mantels stark zur Geltung, indem hier die ganze hintere Rinde in den Schnitt fällt. Die kleinzellige Schicht reicht weit nach außen und ist länger als die Reihe der großen Zellen der medialen Mantelzone. Die Schicht der Tangentialfasern wird nach außen hin immer breiter und faserreicher, Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 103 hört dann aber da, wo die Zellreihe sie erreicht, ziemlich scharf be- grenzt auf. Die Gruppe 3 Epınger’s, unsere dorsale Zone, dehnt sich über den größten Theil des übrigen Mantels aus, mit Ausnahme des basalsten Theiles, dessen Zellen nicht mehr typisch sind. Die Ventrikel- spalte reicht auch lateral sehr weit nach unten und nähert sich der Pia immer mehr, so dass das Endgebiet des Tractus olfactorius, resp. das Stammganglion mit dem Nucleus sphaerieus, fast ganz abgeschnürt wird. Die mediale Spalte des Seitenventrikels setzt sich nicht ganz so weit zwischen die Faserung des Fornix und der Endausstrahlung der blassen Commissura loborum hinein fort. Der Nucleus sphaericus hat im Ganzen seinen Bau behalten; seine Form ist aber noch weniger kugelig, indem oben außen das hintere Ende des lateralen Ganglions und unten innen der Rest des Basalwulstes die Zellwand konkav ein- drückt, wodurch eine umgekehrte $-form entsteht. Wenn wir nun, um die Beschreibung des Vorderhirns abzu- schließen, zu Schnitt 185 übergehen, so finden wir die Unterlappen ganz nach außen gedrängt. Das Stammganglion ist bis zur Basis vom Mantel getrennt; auch die laterale Ventrikelspalte reicht bis unter die Pia wie die mediale. Die äußere Zellgruppe ist von der ersten media- len ganz verdrängt und auch die Tangentialfaserschicht reicht weit basalwärts. Die mediale Ventrikelwand wird von der schräg getroffenen medialen Mantelzone, der ziemlich reducirten Faserung des Mantels und nach unten hin von der Pia gebildet. Der Nucleus sphaericus ist nicht verändert. In Schnitt 199 überragt der Lobus opticus den Unterlappen um ein Bedeutendes. In dem Mantel ist nur noch der kleinzellige Theil der medialen Zellgruppe vorhanden und dem ent- sprechend die subpiale Tangentialfaserzone geschwunden. Die Fase- rung der medialen Hemisphärenwand ist nur noch schwach; von dem medialen Saum hlasser Fasern ist am Stammganglion nichts mehr zu sehen, und dieses besteht nur noch aus dem Nucleus sphaericus, der übrigens in seinen Dimensionen verkleinert ist. Er reicht bis in die caudalsten Schnitte, verkleinert sich stets gegen die Basis und wird zuletzt von einer dünnen Verbindung des Mantels mit der Pia der medialen Wand umfasst, in Schnitt 225. Der Vollständigkeit halber sei hier noch der Bau der Bulbi olfac- torii beschrieben, wie sich derselbe aus einer Horizontalserie ergiebt. In diesem Organ findet sich die größte Übereinstimmung mit den Vögeln und Säugethieren. Die schlauchförmige, blind endigende Ver- längerung des Vorderhirnventrikels ist mit einer Ependymschicht aus- gekleidet; auf diese folgt eine mäßig dicke Schicht mit ziemlich zahl- reichen kleinen Zellen, welche in kleinen Gruppen in die lockere 104 Ad. Meyer, Grundsubstanz eingelagert sind. Diese Schicht überziehen die centra- len Olfactoriusfasern, ein namentlich medial ziemlich dichtes, und gegen die innere Schicht scharf begrenztes Stratum feiner markhaltiger Fasern. Um diese Faserschicht legt sich nun in dem gehirnwärts ge- legenen Theil und auch auf der lateralen und dorsalen Seite des Pedunculus bulbi einfach ein dünner Gliaüberzug; dagegen umfasst den vorderen Theil der medialen und basalen Seite, sowie die ganze Kuppe des Bulbus ein dreischichtiges Gebilde: Auf das Faserstratum folgt eine Zone, in deren Grundsubstanz Zellen mit großem eckigem Kern und großem ausgezogenem Zellleib, sowie markhaltige Nerven- fasern aus dem Faserstratum eingebettet sind, auf diese die Schicht der Glomeruli olfactorii, ein ziemlich dicker Belag, und endlich auf diese ein Mantel von marklosen Faserbündeln des Nervus olfactorius, in denen viele Zellkerne eingestreut sind. Über die genauen histologischen Verhältnisse der Glomeruli geben meine Präparate keine Auskunft. Wenn wir aber die Ergebnisse neuerer Forschungen von Hıs, KöLLıker und Ramön y Casar (10b, p. 631 u. 641) berücksichtigen, so liegt der Bau des Bulbus mit aller wün- schenswerthen Klarheit vor uns. Dass wir nicht dasselbe von der Endigung der centralen Olfactoriusbahn behaupten können, werden wir in der nun folgenden Zusammenfassung sehen. Zusammenfassung der Befunde am Gehirn der Natter. Die genaue Durchsicht der Schnittserie hat uns zu Resultaten ge- führt, die in Manchem die Darstellung Evınger’s vom Vorderhirn der Reptilien ergänzen. Es gilt dies namentlich vom basalen und medialen Theil, den wir nach Burvacn (13, p. 13 u. 15%) im Gegensatz zum Mantel Kern des Vorderhirns nennen wollen. Es ist allgemein üblich, das Vorderhirn in Stamm und Mantel zu theilen ; so unterscheidet zum Beispiel Enınger an der Hemisphäre das basal liegende Stammganglion und den sich darüber erhebenden Mantel. Nach dem, was wir nun bei der Natter gefunden, möchte es schwer halten die Grenze zwischen Stammganglion und Mantel zu bestimmen, und ich finde mich genöthigt, diese Eintheilung aus zwei Gründen fallen zu lassen. 4) wird unter dem unbestimmten Namen Stammganglion zu leicht ein umgrenztes Gebilde verstanden, nämlich die Verdickung der Hirnbasis, die sich zwischen die beiden Schenkel der Ventrikelspalte hineinwölbt, während wir einen großen Theil der medialen Hemi- sphärenwand mit zur Basis und nicht zum Mantel zu rechnen haben; 2) könnte man hinter dieser Bezeichnung das Eintheilungsprineip MeEynerr’s vermuthen, dass trotz seiner eminenten Bedeutung in der Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 105 Geschichte der Hirnanatomie durch moderne, mehr auf Embryologie fußende Anschauungen in den Hintergrund gedrängt ist und sich bei den niederen Gehirnen viel weniger begreifen lässt als beim Menschen. Wenn ich nun, wie dies auch Hıs (15, p. 742) gethan, auf die Einthei- lung Burpac#’s in Kern und Mantel des Vorderhirns zurtickgreife, so glaube ich dies einigermaßen rechtfertigen zu können, wiewohl ich der Eintheilung etwas Gewalt anthun muss. Es wird allerdings jetzt keine Gefahr vorhanden sein, dass man auch an die Vierhügel und das Zwischenhirn denkt, wenn ich von dem Kern des Vorderhirns rede; dagegen ist es möglich, dass ich mich wegen der Begrenzung der Theile nicht nur mit Burnaca, sondern auch mit Hıs in etwelchen Widerspruch setze. Ich kann diese Frage nicht ohne Weiteres lösen, da mir das embryologische Material fehlt. Sehen wir vorerst zu, wie sich das Vorderhirn gestaltet. Eine Verdickung der Vorderhirnbasis drängt sich so in den Hemisphären- raum hinein, dass dieser um eine im medial-dorsalen Theil in sagittaler Richtung verlaufende Kante geknickt erscheint. An dieser Stelle ist die mediale Hemisphärenwand erheblich verdünnt; dagegen nimmt der basale Theil derselben eine caudalwärts immer bedeutender werdende Entwicklung an, wodurch es sich ebenfalls in den Ventrikel hineinwölbt und die mediale Spalte nach außen drängt. In der verdünnten Stelle, der Längsfurche der medialen Hemisphärenwand, ist nun eine scharfe Grenze der Rinde und damit des Mantels gegeben. Dieselbe erstreckt sich bis auf die Hinterfläche der Hemisphäre und nach vorn bis in das vordere Drittel der Innenwand. Im nasalen Ende des Vorderhirns, in demjenigen Theil, welchem der Pedunculus olfactorius aufsitzt, ist da- gegen keine scharfe Grenze mehr vorhanden. Eben so ist die Begren- zung zwischen Kern und Mantel auf der lateralen Seite nicht scharf zu ziehen. In der vorderen Hälfte, ungefähr so weit als die äußere Zell- gruppe des Mantels ihren typischen Charakter behält, ist nämlich die ganze Umfassung des Endes der Ventrikelspalte von gleichem Bau wie das Stammganglion, und mit diesem sowohl als mit der inneren Neuro- gliaschicht in direkter Verbindung, während die Rindenzone unbe- stimmt endet; und nach hinten, wo eine typische laterale Rindenfor- mation fehlt, scheint das Stammganglion bis unter die Pia zu reichen. Wenn wir also den mit typischer Rinde bekleideten Theil des Hirns Mantel nennen wollen, so ist festzuhalten, dass es sich vorn und lateral nicht um eine tiefgehende Trennung handelt. Dem Kern theilt Burpaca den Stamm mit seinen sämmtlichen Gan- glien, die Scheidewand, den Balken und das Gewölbe zu. Dasselbe ergiebt sich nun auch am Reptiliengehirn nach Abzug des Mantels. Es 106 Ad. Meyer, bleibt uns die Vorderhirnbasis mit ihren Ganglien, auf der medialen Oberfläche die Scheidewand und nach hinten das Homologon des Fornix. Vom Balken haben wir nichts gefunden. Nun rechnet Burvach die Ammonshörner mit zum Kern, und Hıs benennt das durch die Bogen- furche abgetrennte innere Feld der medialen Hemisphärenwand folge- richtig Kerngebiet. Wir haben p. 86 Anm. gesehen, dass mich gewisse Verhältnisse zu der Annahme bewogen haben, dass die Furche an der medialen Hemisphärenwand nichts mit der Ammonsfalte von v. MikarL- kovics und der vorderen Bogenfurche von Hıs zu thun habe, sondern dass sie eher der Grenze zwischen innerem und äußerem Halbring des Scennmipr'schen Randbogens gleichzustellen sei. Es fragt sich nun, ob die vordere Kuppe des Vorderhirns einem Lobus olfactorius gleichbedeutend sei, welchem der Bulbus mit dem Peduneulus olfactorius aufsitzt. Zur Entscheidung dieser Frage ist die Pır’sche Methode ungenügend; ohne embryologische Studien und Behandlung von embryonalen Gehirnen nach Gorcı lässt sich diese Frage wie manche anderen nicht lösen. Die große Masse der Tractus- fasern des Riechapparates sammelt sich im lateralen Theil des Vorderhirnkernes und zieht zum Nucleus sphaericus. Aller Wahr- scheinlichkeit nach lösen sich die Fasern, nachdem sie ihr Mark ver- loren, zu feinen Bäumchen auf, und bilden so das zellenarme Innere, um welches sich eine ziemlich dichte Lage von Zellen wie eine Kappe anlegt. Die Bezeichnung Nucleus sphaericus ist nicht ganz glücklich, weil bei den meisten Reptilien die Gesammtform des Kernes wenig kugelig ist. Der Tractus olfactorius hat in seinem Verlauf längs der lateralen Mantelzellgruppe kaum eine Beziehung zu derselben. — Wenn auch der größte Theil der centralen Olfactoriusfasern sich in dem be- schriebenen Tractus sammelt, so ist es doch ganz unzweifelhaft, dass noch andere Olfactoriuswurzeln existiren: 1) der feine Faserbelag, der sich als dorsaler Rest des Faserkranzes (p. 81) gegen den Mantel hin wendet, aber sich rasch auflöst. Er verliert das Mark und verschwindet vor der Stelle, wo schon eigentliche Rinde besteht. Es ist möglich, dass dies die Fasern sind, welche nach Epınger in die laterale Zellgruppe gehen, da sich ja diese zuerst konstituirt. 2) der basale Rest des Faser- kranzes. Er verläuft im medialen Theil der Basis in der lockeren Rand- zone, wie es scheint sagittal. Nun steigen von der Stelle an, wo die dorsale und die mediale Zellgruppe des Mantels als solche deutlich werden, fortwährend Fasern in diese Region hinunter, und ich muss die Frage offen lassen, wie weit die Olfactoriusfasern caudalwärts ziehen. Ich möchte es nicht für unwahrscheinlich halten, dass ein Theil der Fasern im vorderen medialen Theil des Hirnkerns endet. Aus der Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 107 in Schnitt 37 noch undeutlichen Zeichnung hebt sich in Schnitt 51 eine Masse hervor, welche die mediale Ventrikelspalte unten umfasst; ihre Grundsubstanz ist so dicht wie die ihm gegenüber liegende des Haupt- endigungsgebietes des basalen Vorderhirnbündels, wie dies der Hori- zontalschnitt Fig. 16 ebenfalls zeigt: ich habe diesen Kern vorderes mediales Ganglion der Basis genannt. Es lässt sich kein Zusammen- hang weder mit Fasern des basalen Vorderhirnbündels noch mit einer anderen bestimmten Faserbahn nachweisen. Nur von der Basis her ziehen einzelne Fasern, über deren Herkunft sich nichts Bestimmtes sagen lässt, die aber vielleicht zum Tractus olfactorius, bez. den cen- tralen Olfactoriusbahnen gehören. Wir finden hier also eine wesentliche Lücke in der Kenntnis der centralen Olfactoriusbahnen und können die Frage, ob ein Lobus olfactorius existire, nicht bestimmt bejahen. Epinger spricht nun den medialen Theil des Mantels als Ammons- horn an und Baırı (referirt von Epvınger) identifieirt diesen Theil (wenigstens den kleinzelligen medialen Abschnitt) mit der Fascia den- tata, den »größten Theil« der übrigen Hirnrinde mit dem Subiculum eornu Ammonis. Wenn wir damit die Resultate der Arbeit von ZuckEr- KkAnDL über das Riechcentrum der Säuger zusammenhalten, so hätten wir einen Zusammenhang zwischen dem Geruchsapparat und der Mantel- rinde zu erwarten; die beiden Theile würden in der Entwicklung un- gefähr gleichen Schritt halten. Leider ist mein Material in so fern ungünstig, als sich keine so bedeutenden Unterschiede im Geruchs- organ bemerkbar machen, wie unter den Säugern (z. B. zwischen Igel und Delphin!). Die Unterschiede betreffen mehr die Form des Bulbus und Pedunculus olfactorius, und da, wo in der That größere Unter- schiede bestehen (z. B. zwischen der Natter und dem Uromastix), be- schränken sie sich vornehmlich auf die Größe des Traetus olfactorius im engeren Sinne und des Nucleus sphaericus. Die Rinde zeigt, wie wir bei der kurzen Übersicht über das Vorderhirn der Saurier erwähnen werden, auffallend geringe Veränderungen, wo nicht das Gegentheil von dem, was man erwarten möchte. Die durch verschiedene Zellgruppirung charakterisirten drei Rindenabschnitte des Mantels sind ihrem Bau nach nicht koordinirt. Die mittlere (dorsale) Zone ist im Wesentlichen eine Fortsetzung der inneren Neurogliaschicht der medialen Zone und geht in ein Ge- bilde über, das man eher als Fortsetzung des Stammganglions (lal.Ggl) auf den Mantel denn als innerste Schicht der lateralen Zellgruppe zu bezeichnen hat. Folgendes lässt sich über die Ausbreitung der drei Zonen und ihre Verbindungen angeben: 1) Die laterale Zone (vgl. p. 91) beginnt vorn zuerst, hat im 108 Ad. Meyer, vorderen Drittel des Vorderhirns die größte Ausbreitung, indem sie dort als dicke zellenreiche Schicht die ganze laterale Kante des Hirns be- kleidet. Mehr nach hinten nimmt sie rasch ab und macht der vordringen- den Masse des Hirnkerns und der nach außen rückenden mittleren Rindengruppe Platz. Die hintere Grenze ist nicht scharf anzugeben; auch sind Faserverbindungen nicht mit der wünschenswerthen Ge- nauigkeit festzustellen. Sicher steht allein die Verbindung mit dem äußeren Bündel der zum Theil markhaltigen Kommissurenfasern, dem äußeren Theil des »Chiasma partis olfactoriae«, weniger sicher die Verbindung mit dem medialen Bündel, das sich mehr in der inneren Neurogliaschicht verliert. Projektionsfasern sind mir nicht aufgefallen; bloß die spärlichen blauen Fasern, welche am vorderen Rande des Basalwulstes vorbei zum Markbündel der strahligen Scheidewand ziehen, gehören vielleicht wie bei den Sauriern hierher. Endlich habe ich schon erwähnt, dass ich keine Fasern des Tractus olfactorius bis an die Stelle verfolgen konnte, wo man sie wegen der Mächtigkeit der Rindenformation noch erwarten dürfte. 2) Die mittlere Zone (p. 91), deren Stellung schon besprochen ist, reicht vom nasalen Theil des Mantels bis gegen den Unterlappen hin. Sie ist, so weit wir wenigstens die typischen Rindenzellen im Auge behalten, eine nach hinten breiter werdende Platte, welche durch die mediale Zone lateralwärts verschoben und schließlich im Unter- lappen ganz verdrängt wird. Die dem Ventrikel anliegende Schicht hat mit derjenigen der medialen Zone die Stabkranzfasern EpınGer’s gemein, welche nach innen und hinten in die mediale Hemisphären- wand ziehen. Im vordersten Theil der Platte sieht man Fasern aus dem medialen Bündel der sog. Pars olfactoriae Commiss. anterior in die innerste Schicht einstrahlen; in mehr caudalen Schnitten (z. B. Schnitt 142) begegnen wir wohl auch Fasern aus der Commissura lo- borum. 3) Die mediale Zone (p. 89 ff.), welche zusammen mit den »Stabkranzfasern« der mittleren Zone unser Interesse am meisten be- ansprucht, ist der größte von den drei Rindenabschnitten. Während sie in dem nasalen Theil nur die Rinde der medialen Hemisphärenwand und der medialen Kante ausmacht, breitet sie sich nach hinten immer mehr seitlich aus, bis sie im Unterlappen den ganzen Mantel einnimmt. Bis in die Gegend der Kommissuren bildet der mediale kleinzellige Theil des Bandes nur die Rinde bis zur Kante und die Verlängerung des Zellbandes betrifft wesentlich die Reihe der großen eckigen Zellen; im hintersten Theil des Vorderhirns wird das kleinzellige Band immer voluminöser und verdrängt schließlich auch die großen Zellen. Der Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 109 medialen Zone kommen zwei Fasersysteme zu: 1) Das System der Tangentialfasern. Dasselbe ist in den nasalen Theilen zuerst da deutlich, wo die Pyramidenschicht an die äußere Gliaschicht reicht, und besteht dort aus sehr spärlichen Fäserchen, welche medialwärts rasch verschwinden; weiter nach hinten wird der faserführende Theil der Gliaschicht breiter, um endlich gegen den Unterlappen hin den größten Faserreichthum aufzuweisen. Immer ist das laterale Ende des Zellbandes am stärksten mit Fasern besetzt. Dieselben fallen nur kurz in den Schnitt und lassen sich nicht aus der Gliaschicht hinaus ver- folgen. Da also ein Übergang in den »Stabkranz« fast fehlt, und die Fasern nasalwärts immer spärlicher werden, somit mit dem Tractus olfactorius nichts zu thun haben, werden wir dieselben am ehesten als Associationslasern betrachten dürfen. | 2) Die sog. Stabkranzfasern Eviınger’s, oder, wie ich sie eher be- zeichnen möchte, die Fasern vom Mantel zur medialen Wand (M.f). Würde es sich um einen wirklichen Stabkranz handeln, so hätten die Fasern in der lateralen Ventrikelwand entweder zum Stammganglion allein oder auch zum basalen Vorderhirnbündel zu ziehen. Solche Fasern könnten etwa vorgetäuscht werden durch die Kommissur des vorderen Theiles des Mantels (p.olf}, sind aber im Ge- hirn der Natter entweder nicht vorhanden oder nicht markhaltig. Unter allen Umständen zieht das Gros der Projektionsfasern des Mantels auf der medialen Ventrikelfläche basalwärts, um sich theils unge- kreuzt, theils gekreuzt an die mediale Seite des basalen Vorderhirn- bündels anzuschließen. Ich brauche auch den Namen Markbündel der strahligen Scheidewand nur ungern, weil dieses Bündel des Vogelhirns in seinem ganzen Verlauf nur mit einem geringen Theil der Fasern des Natterngehirns übereinstimmt und diese Fasern überhaupt nicht ein- mal mit völliger Sicherheit auf den Mantel sich verfolgen lassen. Man würde besser daran thun, die ganze Faserung der medialen Hemi- sphärenwand als ein Ganzes zusammenzufassen. — Die durchweg mark- haltigen ziemlich dicken Fasern sammeln sich auf dem Ventrikelepen- dym der medialen Zone und des inneren Theiles der dorsalen Zone. Sie ziehen im vorderen Theil der Hemisphäre in schwach caudalwärts gerichteiem Verlauf gegen die dünne Brücke, welche den Mantel mit der medialen Ventrikelwand (dem Septum pellueidum) verbindet. Im hinteren Theil der Hemisphäre theilen sich die Fasern in solche, welche nach vorn und basalwärts ziehen und dicht unter der Pia des Septum verlaufen — es sind dies die Faserquerschnitte, welche p. 95 in Schnitt 125 erwähnt sind —, und in solche, die in steilem Verlauf zur Basis hinabsteigen. Bei der Vergleichung der Schnitte gewinnt man 110 Ad. Meyer, die Überzeugung, dass die ersteren Fasern ungekreuzt auf die innere Seite des basalen Vorderhirnbündels gelangen, während die letzteren über den Kommissurensystemen sich größtentheils kreuzen und dann vor den Kommissuren und allerdings auch zu einem kleinen Theil durch die Kommissurenbündel hindurch ebenfalls an die innere Seite des basalen Vorderhirnbündels gelangen; ein kleiner Theil endlich zieht zwischen Kommissuren und Foramen Monroi nach unten und ist auf die mediale Seite des Ganglion habenulae zu verfolgen, während die zwei anderen Faserkategorien bis in das Tuber cinereum zu sehen sind. — Es sei noch erwähnt, dass im Gegensatz zu den Lacertiden die Nattern fast keine Fasern besitzen, die an der Oberfläche des medialen Zellbandes, in der mittleren Neurogliaschicht heruntersteigen. Wenn auch ein direkter Zusammenhang von Faser und Zelle im Mantel nicht erwiesen ist mit der Pır’schen Methode, so glaube ich doch zu der Annahme einigermaßen berechtigt zu sein die mächtige Fase- rung des Mantels als ein Projektionssystem der großen Zellen zu be- zeichnen. Auf die Frage, ob ein Corpus callosum vorhanden sei, und auf das Verhältnis der Mantelfasern zu den übrigen Projektionsfasern komme ich bei der Besprechung der Kommissuren zurück. Nach dieser summarischen Übersicht über die Gebilde des Mantels wenden wir uns zum Hirnkern. Auch hier haben wir eine Anzahl Unterabtheilungen gefunden; doch ist ihr gegenseitiges Verhalten viel- fach so unklar, dass sich bloß ein topographischer Abriss derselben geben lässt, so lange man nicht mit der Gorer'schen Methode die Be- deutung der Zellen und den Verlauf ihrer Fortsätze studirt hat. Einige von den Schwierigkeiten wurden bereits bei der Besprechung des cen- tralen Riechapparates angeführt. Wir haben bei der allgemeinen Besprechung der Litteratur (p. 69) gesehen, dass bloß Enınger eine nähere Beschreibung des Stammgan- glions liefert; doch bezieht er sich bloß auf das Stammganglion im engeren Sinne, und unterscheidet darin zwei Zellansammlun- gen, die hintere als Nucleus sphaericus, »eine Kugel, die nach vorn eine große Öffnung hat«, und die vordere, »deren Zellen mehr dem zerstreuten Typus angehören und ihre Fasern zum Riechnerv senden«. Theoretische und praktische Gründe bewegen mich aber auch die medialen Partien der Basis, die Enınser nicht besonders be- schrieb, mit in die Übersicht hinein zu ziehen und danach Eintheilung und Nomenclatur zu wählen. Folgendes sind die gefundenen Unterab- theilungen: 4) Der Nucleus sphaericus; 2) das (vordere) laterale Ganglion oder Stammganglion im engeren Sinne; 3) das mittlere Ganglion, das Einstrahlungsgebiet des basalen Vorderhirnbündels; Über das Vorderhirn einiger Reptilien. abi 4) das hintere mediale Ganglion, charakterisirt durch ein zartes Längsbündel, das »Natternbündel«; 5) das vordere mediale Gan- slion, und endlich 6) das Homologon des Septum pellueidum (mediale Ventrikelwand). Das Stammganglion besitzt, wie Enıncer richtig beobachtet, nach - außen rindenartigen Charakter. Es lässt sich das wenigstens von der hinteren lateralen Abtheilung der Vorderhirnbasis sagen; die Rinde entsteht aber bloß dadurch, dass die randständigen Zellen etwas dich- ter und regelmäßiger gelagert sind als die übrigen. Man wird an die Anschauung Mevnerr's (16, p. 20) erinnert, der die Rinde des Groß- hirns vor der Lamina perforata anterior enden lässt und diese als Gan- glion des Vorderhirns (Nucleus caudatus) mit basaler Oberfläche be- zeichnet. Auch im Unterlappen, wo ein spiraliger Randwulst an der Basis existirt, ist diese Anschauungsweise am Platze, trotz der allerdings etwas spärlichen und zerstreuten Gruppe besser markirter Zellen, die schließlich mit der Zellenschicht des Nucleus sphaericus zusammen- fließt. Dieser Zusammenhang und die ganze Konfiguration des Unterlap- pens ruft die Idee einer Parallele mit dem Lobus pyriformis (Schläfen- lappen) der niederen Säuger hervor, und man hat an die Möglichkeit zu denken, dass es sich wenigstens im hinteren Theil der Basis, in der Gegend des Randwulstes, um eine wirkliche Rindenformation handle. Wenn man Körpzn’s Fig. 43 (Querschnitt durch den hinteren Theil der Hemisphäre von Lacerta viridis) von diesem Gesichtspunkt aus be- trachtet, so wird einem die erwähnte Auffassung völlig aufgedrängt. Er nennt die fragliche Zellanhäufung Basalkern, bezeichnet aber damit auch das ganze »Corpus striatum« mit Ausnahme des Nucleus sphaeri- cus, sowie auch speciell die Endigungssphäre des basalen Vorderhirn- bündels. Der hintere besonders charakterisirte Theil dieses »Basal- kernes« ließe sich also als eine rindenähnliche Formation ansehen, die mit dem Nucleus sphaericus in Beziehungen steht, und damit vielleicht anch mit dem Geruchsorgan, ähnlich wie der Lobus pyriformis der Säuger. Da aber für diese Vermuthung kein positiver Beweis vorliegt, halte ich mich eher an eine indifferente Bezeichnung, wie »rinden- ähnlicher Theil des Basalwulstes, resp. des hintersten Theiles des lateralen Ganglions. Der Nucleus sphaericus bildet in den caudalsten Partien das ganze Stammganglion; nasalwärts lagert sich ihm lateral und medial, und schließlich auch dorsal und ventral die Masse des lateralen Gan- glions an; im mittleren Drittel bildet diese endlich fast allein den ganzen Vorsprung des Vorderhirnkerns in den Seitenventrikel hinein. Das Areal des Nucleus sphaericus, resp. des Tractus olfac- 112 | Ad. Meyer, torius wird dagegen immer kleiner; nach vorn ist der Tractus in eine Rinne des Ganglion laterale eingelagert, aber im Gegensatz zu dem entsprechenden Bündel der Saurier durchweg durch einen Hof von grauer Substanz von der Pia der Basis getrennt. Die Zusammengehörigkeit des größten Theiles des lateralen Ganglions und der marklosen Commissura loborum giebt uns ge- wisse Winke über die Theile, welche wir hierher zu rechnen haben. Wir können Bündelchen markloser Fasern, die ohne Zweifel aus der vorderen Kommissur kommen, in den Basalwulst, über das ganze Ge- biet der zerstreut gelagerten Zellen und endlich auch in den ventriku- lären Theil der lateralsten Mantelzone verfolgen (vgl.Schnitt 142, Fig.10). Die letzteren Fasern gelangen durch den Basalwulst an ihren Bestim- mungsort und umschlingen den Nucleus sphaericus auf seiner basalen Fläche. Eine Strecke weit nasalwärts lassen sich keine derartigen Fasern mehr nachweisen, bis sie endlich wieder auftauchen, wo die Kommissurenfasern der vorderen Rindenpartien beginnen. Bis an das nasale Ende der lateralen Ventrikelspalte lässt sich eine Scheidung zwischen Stammganglion und ventrikulärer Schicht der lateralen Mantel- partie nicht durchführen, so dass wir die ganze basale Umfassung der lateralen Spalte zum Stammganglion rechnen können. Doch müssen wir, so lange wir nichts über den Zusammenhang der Zellen und der Fasern wissen, uns weiterer Behauptungen enthalten. Nur auf den einen nächstliegenden Einwand, es könnten die erwähnten Bündelchen aus dem Mantel wirkliche Stabkranzfasern sein, sei erwidert, dass sich ein Zusammenhang mit dem Pedunculus cerebri nicht nachweisen lässt. Die mediale Abgrenzung des lateralen Ganglions ist ebenfalls ziem- lich schwierig. Bei der Beschreibung der Schnitte wurde darauf hin- gewiesen, dass sich von der übrigen Substanz der medialen Hemi- sphärenwand, sowohl dem subpialen lockeren Gewebe als dem dichten ventrikulären Theil, ein Feld abhebe, das in einem gewissen Zusammen- hang mit dem in den Ventrikel vorspringenden Theil des Hirnkerns stehe. Es ist dies das vordere mediale Ganglion, dessen Quer- schnitt als dreieckiges Feld in Schnitt 51 und 70 ganz deutlich charak- terisirt ist, und das eine gewisse Verwandtschaft mit dem die laterale Seite der medialen Ventrikelspalte bildenden Theil des Hirnkerns zeigt, in so fern als Zellen und Grundsubstanz einen ähnlichen Typus haben und eine Grenze zwischen ihnen nicht existirt. Da aber die Fasern des basalen Vorderhirnbündels, wie wir noch weiter besprechen wer- den, nur in den lateralsten Theil des Feldes einstrahlen, wird dessen Einheit in Frage gestellt, und wir benennen diese laterale Abtheilung Or Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 113 daher als mittleres Ganglion. Schon von Schnitt 70 an verdrängt eine Formation mit hellerer Grundsubstanz und weniger charakte- ristisch gruppirten Zellen das erwähnte dreieckige Feld völlig auf die laterale Seite der Ventrikelspalte, wo es schließlich dem lateralen Ganglion Platz macht. Diese letztere Formation, das hintere mediale Ganglion, enthält das kleine Längsbündel aus dem hinteren Rande des Stammganglions, das ich mit dem vorläufigen Namen Natternbün- del bezeichnet habe; im Übrigen lässt sich aber weder dem vorderen noch dem hinteren medialen Ganglion eine bestimmte Faserverbindung zutheilen. Nicht ganz unmöglich ist es, dass die feinen Fasern, welche in den nasalen Querschnitten von der Basis aufsteigen, entweder zum Traetus olfactorius (dem basalen Rest des Faserkranzes) oder auch zum Längsbündel zur Taenia thalami (p. 87) in Beziehung stehen. Die mediale Ventrikelwand (S.p), bestehend aus der ven- trikulären und der subpialen Abtheilung, nimmt von vorn nach hinten an Bedeutung in dem Maße zu, als die zwei erwähnten medialen Gan- glien abnehmen, und endet schließlich dicht hinter dem Foramen Monroi in dem Fornixfächer und, als innere Wand des Unterhorns, in der Pia. Ob aus der mit eckigen Ganglienzellen durchsetzten ventri- kulären Abtheilung markhaltige basalwärts ziehende Fasern ent- springen, muss dahingestellt sein, da alle Fasern eben sowohl vom Mantel herstammen können. Diesen Ursprung haben jedenfalls die meisten Fasern der subpialen Zone, welche sich basalwärts verbreitert und überdies caudalwärts in allen Theilen faserreicher wird. — Es ist möglich, dass Evinerr den Ursprung des sagittalen Markes in das Sep- tum selbst verlegt, wenn er von den » dorsaleren« Gebieten der media- len Wand spricht. Nach dieser Übersicht über die mehr zelligen Gebilde des Hirn- kerns wenden wir uns kurz zu den Fasersystemen. Das basale Vorderhirnbündel beginnt scheinbar nur im mittleren Ganglion; bei genauerem Zusehen findet man aber auch spärliche feine Fasern, die aus dem Stammganglion hinzutreten. Die Gesammtheit dieser Fasern sammelt sich rasch zu einem Bündel, das nach außen scharf abgerundet ist, und erhält höchst wahrscheinlich keinen Zuschuss aus der lateralen Seite des Mantels; wir haben es also mit einem reinen basalen Ursprung zu thun. Dem basalen Vorderhirn- bündel lagern sich nun vor und in dem Kommissurengebiet die Fasern an, welche vom Mantel durch die mediale Ventrikelwand herab- Steigen und sich zum Theil gekreuzt haben. Sie sammeln sich rasch zu einem etwas weniger markhaltigen Bündel (M.f), das, nach innen (vgl. p. 102), von den es umkreisenden blassen Fasern aus dem hinteren Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, LV. Bd. 8 114 Ad. Meyer, Theil des Stammganglions scharf begrenzt, gegen das basale Vorder- hirnbündel weniger dicht ist und auch basalwärts, gegen das Chiasma opticum, ausklingt. Endlich bleibt uns das, was wir p. 87 basales »Längsbündel zur Taenia thalami «genannt haben. Seinen nach HoneEsGEr dem Peduneulus septi pellueidi homologen Antheil, das Markbündel der strahligen Scheidewand der Vögel konnten wir bei der Natter im nasalsten medialen Theil der Vorderhirnbasis nicht genau genug ver- folgen (vgl. übrigens p. 88). Die feinen Fasern dieses Bündels ver- laufen dicht unter der Pia an der medialen Kante der Basis, wenden sich dann aus der sagittalen Richtung lateralwärts, umschlingen das basale Vorderhirnbündel von unten und legen sich schließlich (Schnitt 112) dem Tractus opticus an. Vorher gesellen sich zu ihm noch spärliche Fasern aus den lateralen Theilen der Basis (vgl. p. 87), die am vorderen Theil des Unterlappens vorbeiziehen, und bei Iguana viel deutlicher zu sehen sind. Aber auch etwas kräftigere Fasern, welche den von Evınger beschriebenen Verlauf einhalten, schließen sich ihm an, indem sie das basale Vorderhirnbündel oben und außen umkreisen (Schnitt 412—125), so dass wir drei verschiedene Komponenten anzu- nehmen haben. Nach kurzem Verlauf unter dem Foramen Monroi weg auf der vorderen und medialen Seite des Tractus opticus gelangt wenigstens der feinfaserige Antheil in eine dorsale Lücke zwischen basalem Vorderhirnbündel und Mantelfaserung und tritt dort wohl in Beziehung zu einem kleinen Kern, der sich deutlich vom Corpus geni- culatum ext. trennen lässt (Schnitt 149 und 159). Von da treten dann die Fasern auf die äußere Seite des Ganglion habenulae, zusammen mit den übrigen Fasern dieser Kategorie. Es ist möglich, dass auch Fasern dem Tractus opticus folgen und sich an der Kreuzung am Boden des dritten Ventrikel betheiligen. Da ich in dieser Arbeit die Topographie des Zwischenhirns noch nicht besprechen konnte, enthalte ich mich auch weiterer Angaben über den caudalen Verlauf der Bündel aus dem Vorderhirn. Rekapituliren wir endlich noch in Kürze die Verbindungen der Hemisphären unter sich. Wir haben eine vordere Kommissur zwischen den beiden Stammganglien gefunden, einen breiten Zug markloser Fasern, die in der Lamina terminalis annähernd parallel verlaufen. Man darf ihn wohl unbedenklich mit dem Hemisphären- antheil der Commissura anterior der Säuger vergleichen. Ferner be- steht eine Verbindung zwischen den vorderen Theilen des Mantels beider Hemisphären. Es sammeln sich Fasern auf der Oberfläche der lateralen Mantelzone, umschlingen den Tractus olfactorius basal, steigen dann zwischen ihm und dem basalen Vorderhirnbündel auf, um über Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 115 dieses weg zum medialen Bündel der Kommissur und in die Lamina terminalis zu ziehen. Wir haben gesehen, dass sich dort eine Kreuzung in dem Sinne vollzieht, dass das laterale Bündel der einen Seite in das mediale Bündel der anderen Seite übergeht; nasalwärts sind dann die Fasern des medialen Bündels in die dem Ventrikel zunächst gelegene Schicht des Mantels zu verfolgen, die, wie wir eben gesehen, am ganzen lateralen Rande der Ventrikelspalte mit dem Stammganglion zusammen- hängt, und in zweiter Linie wesentlich mit der mittleren (dorsalen) Mantelzone in Zusammenhang zu bringen ist. Wenn es überhaupt kaum mehr fraglich ist, dass keine Fasern symmetrische Theile verbinden, so ist gewiss die Bahn der »Kommissurenfasern« in der Vorderhirnbasis nicht symmetrisch, und wir haben mit der Annahme der von Rasr- RückuAarn verwendeten Bezeichnung »Chiasma partis olfactoriae _ commissurae anterioris« die alte Definition einer Kommissur fallen zu lassen und darunter in unserem Falle einfach eine Verbindung vor- derer Theile der Hemisphären unter sich zu verstehen. Ob sich dieser Theil mit der Pars olfactoria der Säuger völlig deckt, lässt sich nicht sagen, so lange dieser Theil bei den Säugern auch nicht genauer er- forscht ist. Ein direkter Zusammenhang mit dem Bulbus resp. Tractus olfactorius ist bei der Natter höchst unwahrscheinlich. Endlich haben wir gesehen, dass das Gebilde, in welchem von den Autoren ein Corpus callosum und ein Fornix zusammen angenommen wird, bei der Natter keine Fasern aufweist, welche einer Commissura pallii (Rasr-Rückuarn) und noch weniger einem Corpus callosum ent- sprechen könnten, sondern dass sämmtliche Fasern vom Mantel, die von einer Hemisphäre zur anderen ziehen, in die Lamina termina- lis verlaufen und sich dort wohl kreuzen, um sich dann auf der medialen Seite des basalen Vorderhirnbündels anzulegen. Falls ich wirkliche Kommissurenbündel übersehen hätte, so könnte man die- selben, wie Rast-RückuArn schon längst betont, doch nicht als Corpus callosum ansehen. Unter Corpus callosum dürfen wir bloß diejenige Kommissur der Mantelrinde beider Hemisphären verstehen, welche in einer relativ späten Entwicklungsperiode in einer sekundären Ver- klebung der Hemisphäreninnenwand entsteht, welche mit dem Fornix auch erst sekundär in Berührung tritt. Der Fornix dagegen bildet den ganzen Randbogen um das Foramen Monroi und verläuft nicht in einer sekundären Bildung, sondern in der Lamina terminalis und deren Fort- setzung in die mediale Hemisphärenwand. Wir werden über die zur Vergleichung kommenden Faserzüge am ehesten uns Klarheit verschaffen, wenn wir die zur Hemisphären- innenwand und Lamina terminalis in Beziehung stehenden Verbin- 8* 116 ©Ad. Meyer, dungen zwischen Vorderhirn und Zwischenhirn eines Säugersin die Form eines Natterngehirns projieiren. An der Innenfläche haben wir einen großen Randbogen, gebildet von der Fascia dentata und ihrer atrophischen Fortsetzung, dem mittleren Lancısr’schen Streifen. Aus dem Randbogen verläuft die gesammte Fornixfaserung (im weitesten Sinn des Wortes) in die rinden- freie basale Abtheilung der medialen Ventrikelwand und schließlich in die Wände des Zwischenhirns, und zwar, wenn wir die gesammte Fornixformation mit den Varianten unter einen Begriff fassen, auf den verschiedensten Wegen. Es lassen sich nach den Untersuchungen von Honesser folgende Theile unterscheiden : I. Der Fornix longus bestehend aus Fasern aus dem Tapetum (der lateralen Ventrikelwand) und vielleicht aus Fasern vom hinteren Theil des dorsalen Blattes des Psalterium. Er schickt 1) Fasern durch das Septum pellucidum und dessen Peduneulus zur Vorderhirnbasis und von da dicht frontal vom Tracetus opticus mit demselben an das Corpus geniculatum externum und den Thalamus hinauf; es sind dies also ungekreuzte Fasern. 2) Fasern zur Fornixsäule der anderen Seite. Dieser gekreuzte Antheil ist bei den Hufthieren durch die Höhe des Septum vom unge- kreuzten getheilt. II. Das ventrale (oberflächliche) Blatt des Psalterium, bestehend 1) aus Fasern, welche mit dem entsprechenden der anderen Seite eine Kommissur bilden, und 2) aus Längsfasern zur Columna fornicis. Il. Das dorsale (ventrikuläre) Blatt des Psalterium, ebenfalls bestehend aus einer Kommissur (der ventralen Platte des Balkenspleniums) und aus Längsfasern, die mit der seitlich davon ver- laufenden Fimbria vor der Kuppe des Ammonshorns zusammenfallen. IV. Die Fimbria, welche direkt in die Columna fornieis über- geht, aber außer den Längsfasern ebenfalls Querfasern hat, die beim Menschen nicht vom Balken zu trennen sind. Die Columna fornieis nimmt nun verschiedene Wege: Gewöhnlich steigt sie zwischen Commissura anterior und Foramen Monroi ins Zwischenhirn hinab; zuweilen geht aber ein Theil vor der vorderen Kommissur hinunter (Honesezr, p. 337) und dann mit dem übrigen Theil wieder vereint oder für sich in den Boden des dritten Ventrikels. Von besonderer Wichtigkeit ist nun ein weiterer Faserzug, über den wir ebenfalls Honzsger die genaueren Angaben verdanken: V. Die Taenia semicircularis, die von der vorderen Wand des Unterhorns und den zum Linsenkern gehörigen Massen derselben, Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 117 sowie vom Mandelkern (resp. Tractus olfactorius-Kern von Ganser) her- kommend zwischen Nucleus caudatus und Thalamus nach vorn zieht. Von ihr verlieren sich Fasern im Stratum zonale thalami — HoNnE6sEr vermuthet, sie gehen in die Taenia thalami über —; andere Fasern, das kleine markhaltige Bündel, ziehen an den hinteren unteren Rand der Commissura anterior und gehen in diejenigen der anderen Seite über, an meinen Serien von der Maus und dem Igel gut sichtbar; weitere Fasern sollen zum Fornix gelangen und ein Associationsfaser- system zwischen Ammonshornformation und Rindengebiet der Taenia semicircularis bilden; und endlich verliert sich der Rest des Bündels in der Zona incerta. Die Taenia semieircularis und der Fornix sind in groben Zügen als die Rahmen der rein häutigen Wandung des Seitenventrikels anzu- sehen, welche den Abschluss des letzteren in der Tiefe der Rima transversa cerebri bildet!. Wenn wir nun diese Züge in unser Bild eingetragen, und das gewonnene Schema mit dem Natternhirn vergleichen, so müssen wir uns klar sein, dass, bei der besten Begründung in einem gegebenen Falle, eine tiefgehende Eintheilung der einzelnen Faserzüge nicht allzu sehr verallgemeinert werden darf. Es können in einem Fasersystem Fasern von verschiedener Bedeutung und von verschiedener Verlaufs- richtung neben einander vorkommen; von diesen kann bei einer be- stimmten Species die eine oder andere überwiegen oder für sich allein existiren, oder endlich einen gesonderten Weg einschlagen. Bei dem gegenwärtigen lückenhaften Standpunkt der Gehirnanatomie hat man sich davor zu hüten, einem Faserzug ohne Beweis eine ausschließliche, specifische Bedeutung zuzuschreiben, es darf uns desshalb nicht ein- fallen, bei der Natter alle die erwähnten Unterabtheilungen wieder als solche suchen zu wollen; wir müssen uns vielmehr vor der Hand bloß damit begnügen, die wichtigsten principiellen Möglichkeiten im Auge zu behalten. Natürlich darf man nicht zu weit gehen, und sagen, es ist jeder Faserverlauf und jede Verbindung möglich. Die sämmtlichen aufgezählten Faserzüge, ungekreuzte, gekreuzte und Kommissurenfasern lassen sich in der Lamina terminalis und ihrer Fortsetzung auf die mediale Hemisphärenwand unterbringen, ganz so wie sie beim Säuger angeordnet sind. Der wichtigste Unterschied ist, dass die mediale Wand vor dem Foramen Monroi durch ein noch nicht besprochenes Fasersystem, den Balken, stark modifieirt ist, wäh- 1 Wenn dies auch (vgl. C. v. Misarkovics p. 443) beim Menschen nicht ganz zutreffen soll, so wage ich doch diese Vergleichung auf Grund von Präparaten von niederen Säugern beizubehalten. 118 Ad. Meyer, rend dafür die hinter dem Foramen Monroi gelegene Abtheilung eine viel größere Entwicklung erreicht hat als bei den Reptilien. An Stelle des Rudiments eines Unterhorns geht ein großer Fortsatz des Seiten- ventrikels in den hinteren Theil der Basis, der als Lobus pyriformis nach vorn ausgewachsen ist. Dieser Theil, der die Endstation des Geruchsapparates enthält, ist bei den Reptilien der basalste und zugleich caudalste Theil geblieben. Vergleicht man mit Meyxerr (16, p. 3) das Vorderhin einem Bogen, dessen oberer Schenkel das frontale Ende, dessen unterer das Schläfenende und dessen Scheitel die Hinterhaupts- gegend ist, so besteht bei den Reptilien der Bogen nur aus dem äußeren Randbogen der Säugethiere; aber auch er ist stark verkürzt und von einem Scheitel ist kaum mehr zu reden. In seinem Bau ist er vorn und hinten gleichmäßig; nur ist der hinter dem Foramen Monroi gelegene Theil breiter als der vordere, der bei den Säugethieren durch den Balken fast ganz zur Atrophie gebracht ist. Wo hätten wir nun den Balken unterzubringen? Bei den Huf- thieren ist es leicht zu sehen, wie der Balken sich zwischen äußerem Randbogen und Septum pellucidum, beziehungsweise der gesammten Fornixfaserung beider Seiten in einer sekundären Brücke als ganz ge- sondertes Organ ausspannt. Dieser Ort entspricht, wie schon p. 86 Anm. ausgeführt ist, der Rinne, welche die mediale Grenze des Mantels bildet — und da fehlt ein solches Gebilde völlig. Wenn ich nun etwas genauer auf die einzelnen Theile eintrete, so erlauben mir die Befunde am Natterngehirn folgende Schlüsse: Der Mantel, wenigstens sein medialer Rand, entspricht morpho- logisch dem äußeren Randbogen, dessen mediale Begrenzung von der Fascia dentata und dem medialen Lancıst’schen Streifen gebildet wird. Über die Bedeutung und die Homologien der einzelnen Theile des Mantels sind in der Beschreibung keine genügenden Anhaltspunkte zu gewinnen. Ziemlich sicher ist, dass bloß die mediale und die dorsale Zone das Ursprungsgebiet des Fornix bilden; die Beziehungen der lateralen Zone sind nicht klar. Die Randbogenfaserung lässt folgende Züge unterscheiden: 1) Fasern, die sich zum Theil ungekreuzt, zum Theil gekreuzt an die mediale Seite des basalen Vorderhirnbündels anlegen, und in die Grundplatte des Zwischenhirns ziehen. Es sind dies die Homologa der Fasern, welche sich in den Columnae fornicis sammeln; sie steigen vor der Commissura ant. oder durch dieselbe hinab. 2) Fasern, welche den von Honxesser beschriebenen Weg (wahr- scheinlich!) von dem vorderen Theil der medialen Wand unten um das basale Vorderhirnbündel an den vorderen Rand des Tractus opticus Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 119 einschlagen; ferner solche, welche, wie es Epınser beschrieben, das basale Vorderhirnbündel dorsal umziehen und an den vorderen Rand des Tractus opticus gelangen. Zu diesen gesellen sich noch die (bei der Natter spärlichen) Fasern aus der »vorderen Wand des Unterlappens«, die vorn am Basalwulst vorbeiziehen, und diese drei Kategorien ziehen zusammen in die Flügelplatte des Zwischenhirns. Der erste Antheil dieses basalen Längsbündels zur Taenia thalami wäre einem Theil des Fornix longus, dem Pedunculus septi pellucidi gleichzustellen; für den zweiten kenne ich kein Homologon und endlich für den dritten könnte man wegen seiner Lage zur Wand des rudimentären Unterhorns an eine Homologie mit einem Theil der Taenia semieireularis denken. 3) sind die Fasern zu erwähnen, die zwischen Commissura ante- rior und Foramen Monroi hinabsteigen und unter diesem hinweg an die mediale Seite des Ganglion habenulae ziehen. Es möchte dieses Bündel mit Honssser’s Antheil der Taenia thalami aus der Columna fornieis homolog sein. Auf die Ganglien der Vorderhirnbasis und auf die mögliche Homo- logie des »Natternbündels« kann ich noch nicht eintreten, da meine einzige Serie vom Gehirn einer Amsel nicht den wünschenswerthen Einblick in diese Theile der Vögel gewährt. Falls mir Kommissurenfasern im dorsalen Theil der Lamina termi- nalis, wie wir solche bei den Sauriern finden, bloß entgangen wären, müsste ich an der Ansicht Rısr-Rücknarv’s festhalten, wonach eine solche Commissura pallii nicht Corpus callosum genannt werden darf; in den zahlreichen Commissurentheilen des Fornix hätten wir ein natürliches Homologon. Es ist wohl angezeigt darauf hinzuweisen, dass bei der Natter das von RagL-Rückuarn beschriebene »Fornixrudiment«, sowie die ebenfalls hinter dem Foramen Monroi befindliche Anheftung der medialen Hemi- sphärenwand an das Zwischenhirn (vgl. p. 74) nicht vorhanden ist. Über das Vorderhirn einiger Saurier. Nachdem wir eingehend einen Typus des Reptilienvorderhirns durchgesehen und eine Übersicht über die topographische Anordnung der verschiedenen Theile gewonnen haben, genügt es eine mehr ver- gleichende Darstellung eines weiteren Typus zu geben, wobei von vorn herein die festgestellte Nomenclatur und die im Natternhirn gefun- denen anatomisch-topographischen Verhältnisse zum Ausgangspunkt genommen werden sollen. Die Saurier sind in so fern kein besonders gutes Objekt für das Studium des Vorderhirns, als die Fasersysteme weniger prägnant aus / 120 Ad. Meyer, einander zu halten sind als bei der Natter. Da aber z. B. bei Lacerta viridis eine große Anzahl der Fasern sehr markreich sind, würde sich diese Species wohl am ehesten für Degenerationsversuche ver- wenden lassen. Ohne Hilfe der Guppen’schen oder der Marcar'schen Me- thode, wennsich dieselben überhaupt bei den Reptilien verwenden lassen, wird man in der Angabe der Befunde sehr vorsichtig sein müssen. Während ich von Ophidiern nur je zwei Quer- und Horizontalserien angefertigt habe, verfüge ich jetzt über eine große Zahl von Serien vom Gehirn der Lacerta agilis, in allen Schnittrichtungen und in ver- schiedenen Altersstufen, eine Serie von Chamaeleo vulgaris, eine Anguis fragilis, zwei Lacerta viridis, zwei Iguana tuberculata und einen Uro- mastix Hardwickii. Die besten Ergebnisse lieferten die fünf zuletzt erwähnten Serien. Die Konfiguration des Ventrikels. Aus dem dritten Ven- trikel, resp. dem Ventriculus impar, gelangt man in die langgestreckte mediale Ventrikelspalte. Im hinteren Theile reicht dieselbe, wie bei der Natter, in den Unterlappen hinunter, wobei die laterale Wand vom Stammganglion (im Sinne der Autoren), die mediale zum Theil von der dem Tractus opticus anliegenden Pia, zum Theil vom Fornix und dem medialen Rand des Mantels gebildet wird. Im nasalen Theil der sagittalen Ventrikelspalte fällt uns an der medialen Wand eine ziemlich scharfe Einkerbung auf, welche die Trennung von Mantel und Kern markirt, und bei Lacerta agilis (Fig. 28, 29) und Anguis fragilis (vgl. Epınger’s Fig. 21 und 22) ganz wie bei der Natter die Umbiegungskante der medialen Ventrikelspalte in die dorsale darstellt. Bei den Agamen (der Einfachheit halber fasse ich Iguana und Uromastix in eine Familie zusammen) ist diese Linie nicht im ganzen Bereiche der Grenze zwischen Mantel und Kern vorhanden; überdies reicht bei ihnen die mediale Mantelzone sehr weit basalwärts und der Mantel ist hoch gewölbt; die Kante der Umbiegung der Ventrikelspalte um das Stammganglion herum liegt daher weit dorsalwärts und fällt nicht mit der Mantelgrenze zusammen. Bei den Agamen wie bei den Echsen ist ferner im Bereich des vorderen Drittels eine kräftig markirte Rinne in der medialen Ven- trikelwand, etwas basalwärts von der Mantelgrenze, bemerklich. Wir werden sehen, dass sie das bei der Natter als dreieckiges Feld oder vorderes 'mediales Ganglion der Basis beschriebene Areal von der übrigen Ventikelwand, dem Septum pellueidum (Epıngzr’s Fornixleiste) trennt (Fig. 28 und 30). Im hinteren Theil des Ventrikels, kurz vor dem Foramen Monroi finden wir ferner auf der lateralen Wand der medialen Ventrikelspalte, dem Stammganglion, eine ziemlich tief ein- schneidende Rinne (Fig. 29), welche bei den Agamen sich noch weit Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 121 auf die hintere Fläche des Stammganglions verfolgen lässt und gegen- über dem Fornixrudiment RasL-Rückuirv’s der hinteren Mantelkom- missur, ein ziemlich großes Divertikel bildet, welches den Plexus aufnimmt. Bei den Sauriern steigt die Vorderhirnbasis steil nach vorn und auch seitwärts an. Das, was bei der Natter Basis genannt werden durfte, ist hier also in den vorderen Theilen schräg gestellt, wogegen der Mantel das fast horizontale Dorsum bildet. Daher ist der dorsale Schenkel der Ventrikelspalte fast horizontal und kurz; erst weiter caudalwärts umkreist er das Stammganglion weiter seitlich und erreicht schließlich die Basis seitlich vom Nucleus sphaericus. Es sei hier vor- läufig erwähnt, dass der Ventrikel im caudalen basalen Theil des Iguana- gehirns um den Nucleus sphaericus herum eine etwas komplieirte Gestalt hat, so weit ich aus meinen Querschnittserien dies ersehe. Nasalwärts verengert sich der Ventrikel zu einer Röhre, welche im Pedunculus bulbi olfactorii sehr eng ist, und im Bulbus kolben- förmig endet. Das Olfactoriusgebiet. Der N. olfactorius und die Schicht der Glomeruli bilden eine Kappe über die vordere Verdickung des Bulbus olfactorius und erstrecken sich auf der basalen und noch mehr auf der medialen Seite etwas caudalwärts. Im Gebiet ihrer Ausbreitung legt sich zwischen sie und die sich auflösende Schicht der Tractusfasern die einfache Lage von großen Zellen, welche entwicklungsgeschichtlich schon zum Gehirn gehörend, Ausläufer in die Schicht der Glomeruli, den peripheren Apparaten entgegen, schicken und aller Wahrscheinlichkeit nach den Tractusfasern Ursprung geben, mit ihnen eine histologische Einheit bilden. In den langen, dünnen Pedunculi olfactorii besteht der "Querschnitt nur aus dem Faserkranz des Tractus und der kleinzelligen Schicht, welche durchweg zwischen ihm und dem Ventrikelependym liegt; zwischen Pia und Faserkranz findet sich nur eine dünne Glia- schicht. Körpen, der den Bulbus mit dem Pedunculus zusammen meiner Ansicht nach nicht korrekt Lobus olfactorius nennt, vermuthet, die Fasern des Tractus olfactorius seien Verbindungszüge mit den Hirn- schenkeln (Pars olf. interna und externa Ossorn), eine Annahme, die wenig mit den Befunden bei der Natter harmoniren würde. Ich sehe nun ein bei Lacerta relativ kräftiges Bündel vom Tractus in den sehr wenig kugelförmigen Nucleus sphaericus hineinziehen (Fig. 27); etwas abweichend von dem entsprechenden Zug der Natter verläuft es am basalen Rande der lateralen Mantelzone ganz oberflächlich, bis es am Ende dieser Zone in das Innere umbiegt'!. Viele Fasern ziehen 1 Auch Epınger bildet Taf. IV, Fig. 32 dieses Bündel ab, wie es in den ee , ET N BER ö 122 Ad. Meyer, ferner gegen den medialen Rand der Hirnbasis und sind dort nicht mehr von den Fasern zu trennen, welche zum Theil zu den Peduneuli cerebri und zum Theil basal um diese herum verlaufend in die Taenia thalami gelangen. Die Bilder zwingen uns aber nicht, diese etwas un- wahrscheinlichen Verbindungen anzunehmen; eben so gut könnten wir die Vermuthung betonen, die Fasern verlieren sich in der Basis gegen den Unterlappen hin. Spärliche Fasern ziehen in das Gebiet der medialen Ventrikelwand, welches wir bei der Natter als dreieckiges Feld oder vorderes mediales Ganglion erwähnten, und in das sich cau- dalwärts anlegende hintere mediale Ganglion der Basis. Andere Fasern breiten sich im vorderen Theil des Mantels aus, der zur lateralen Zell- gruppe gehört. Wenn Enınger dieser Zone neben dem Stammganglion den wichtigsten Antheil der Tractusfasern zuschreibt, so ist darauf zu erwiedern, dass die zuvor angeführten Einstrahlungen viel bedeutender sind, und dass die zum Mantel ziehenden Fasern zu wenig zahlreich sein möchten, als dass sie die große laterale Zellgruppe physiologisch allein beanspruchen dürften. Eine direkte Verbindung des Tractus mit der vorderen Kommissur ist zum mindesten unwahrscheinlich. Der Mantel besitzt dieselbe charakteristische Zellanordnung wie bei der Natter, d.h. die von Envınger beschriebenen drei Rindenzonen. Die laterale Gruppe ist bloß bis zur Umbiegungsstelle des Tractus olfactorius in den Nucleus sphaericus vorhanden, reicht dagegen in die vordere Kuppe des Vorderhirns. Im Ganzen ist der Zellreichthum etwas größer oder mindestens so groß wie bei der Natter; auch bei Iguana und Uromastix, die ein relativ schwaches Geruchsorgan haben, ist diese Zone im gleichen Verhältnisse ausgebildet. Die dorsale oder mitt- lere Rindenzone ist, ganz wie bei der Natter, in Zusammenhang mit der inneren Neurogliaschicht der medialen Zone und nach außen mit dem Stammganglion, dessen Fortsatz in den Mantel bei Iguana (Fig. 30) deutlich von der lateralen Mantelzone abgetrennt ist. Vorn schmal, zieht die Zone über das Dorsum gegen die äußere Fläche des Unterlappens, nach hinten zu immer breiter werdend. Erst in den hintersten Schnitten wird sie von der medialen Zone wieder eingeengt. Die mediale Zone beginnt am weitesten caudalwärts, nahe der Basis der medialen Mantelfläche, verbreitet sich dann aber noch über die medial-dorsale Kante hinaus und nimmt schließlich fast den ganzen Mantel ein. Bei Lacerta agilis, Anguis fragilis und Chamaeleo vulgaris ist die Anordnung der medialen Zone dieselbe wie bei der Natter. Bei den Agamen dagegen nehmen die kleinkörnigen Zellen (»Fascia dentata «) Nucleus sphaericus zieht, bezeichnet es aber unrichtigerweise als basales Vorder- hirnbündel. Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 123 fast die Hälfte der medialen Hemisphärenwand und die dorsale Kante ein, während der großzellige Theil der medialen Zone nur sehr kurz ist und. nicht weit nach außen reicht. Die mittlere Gliaschicht ist in seinem Bereiche stark verdickt, und in der äußeren subpialen Glia- schicht verlaufen so viele markhaltige Fasern, dass am frischen Gehirn ein leicht glänzender Wulst im Mantel bemerkbar ist. Die Linie, in welcher die mediale Rindenzone und der Hirnkern (Sp) sich ver- einigen, steigt von vorn nach hinten etwas basalwärts hinab, so dass fast die ganze hintere Hemisphärenwand von der kleinzelligen Schicht bedeckt ist. Längsschnitte von Uromastix (Fig. 24) zeigen sehr schön eine wellige Anlage dieser hinteren Wand; es ist möglich, dass dieselbe ein Produkt der Härtung ist, ähnlich wie Furchen am Vorderhirn von Testudo graeca. Die erwähnten Tangentialfasern sind vielleicht zum Theil As- sociationsfasern, wie ich dies bei der Natter annahm; ganz sicher stei- gen aber bei der Lacerta sowohl als bei den Agamen Fasern im caudalen Theil zu der eigentlichen Fornixfaserung hinab, und andere ziehen nasalwärts, um aber doch zur Basis abzubiegen und sich dem basalen Vorderhirnbündel oder dem basalen Längsbündel zur Taenia thalami anzuschließen (Uromastix). Fasern zum Tractus olfactorius finden sich sicher keine darunter. Im Hirnkern begegnen wir bei Lacerta viridis und bei den Agamen ähnlichen Gruppirungen der Zellen wie bei der Natter: Der Nucleus sphaericus ist bei Lacerta von ähnlicher Form wie bei der Natter, bei den Agamen dagegen sehr klein, dafür aber wirklich kuglig. Es stimmen die Größenverhältnisse ganz auffallend mit der Stärke des Tractus olfactorius überein, so dass an einem Zu- sammenhang von Nucleus sphaericus mit dem Geruchssinn nicht mehr gezweifelt werden kann. Wenn man bedenkt, dass dagegen gerade bei diesen relativ anosmatischen Agamen (besonders bei Uromastix) die sog. Fascia dentata so groß ist, so tauchen gerechte Zweifel an den Zu- sammenhang dieses Theils mit dem Geruchsapparat (und an der phy- siologischen Homologie mit der Fascia dentata der Säuger?) auf. Das Stammganglion im engeren Sinne, und zwar zunächst das laterale Ganglion der Vorderhirnbasis, ist charakterisirt durch die unregelmäßig zerstreuten, meist in Nestern zusammen liegenden Zellen mit blasigem Hof. Vielleicht ist dieser Theil ganz identisch mit dem basalen Kern Köpren’s, wahrscheinlich versteht er aber unter die- ser Bezeichnung noch specielle Gebilde, das eine das Gebiet der Haupt- einstrahlung des basalen Vorderhirnbündels, das zweite die Gruppe größerer Zellen im hintersten Theil des Stammganglions, von deren 124 ‚Ad. Meyer, möglichem Zusammenhang mit dem Nucleus sphaerieus schon p. 40 die Rede war. Diese letztere Auffassung stimmt gut mit meinen eigenen Präparaten und mit dem, was wir bei der Natter gefunden. Wie dort möchte ich als laterales Ganglion nur den Theil auffassen, der sich lateral in die ventrikuläre Mantelschicht fortsetzt, dann die Hauptmasse des ventrikulären Vorsprunges des Hirnkernes bildet und ecaudalwärts in Becherform den Nucleus sphaericus umgiebt. Von ihr ist in den meisten Präparaten der Theil des Hirnkernes, in welchem das basale Vorderhirnbündel sich aufzulösen beginnt, als mittleres Ganglion durch einen dunkleren Ton der Grundsubstanz unterschieden, welcher viel mehr mit dem der ventralen Einfassung der medialen Ventrikel- spalte, dem vorderen medialen Ganglion übereinstimmt. Damit ist vollständige Übereinstimmung mit dem Befunde bei der Natter ge- geben. Mehr als bei der Natter gehen die Fasern des basalen Vorder- hirnbündels durch das mittlere Ganglion hindurch und vertheilen sich in das laterale Ganglion ; ferner hält die Faserung einen größeren Ab- stand ein von der medialen Ventrikelspalte (vgl. Fig. 25 u. 26), und endlich ist das vordere mediale Ganglion in der medialen Ventrikel- wand schärfer markirt, und zwar durch eine Furche des Ventrikels (Fig. 28 u. 30). Das hintere mediale Ganglion, in welchem wir das dünne »Natternbündel« gefunden haben, scheint bei den Sauriern so wenig als dieses Bündel selbst vorhanden zu sein. Die sogenannte Fornixleiste, das Homologon des Septum pel- lucidum, ist in den nasalen Partien schwach entwickelt und dorsal weniger scharf begrenzt, weil die bei der Natter vorhandene tiefe Rinne fehlt. Gaudalwärts, gegen das Foramen Monroi, nimmt sie bedeutend zu und besitzt dort bei den Agämen auffallend geradlinige Umrisse (Fig. 32). Über dem Foramen Monroi verkleinert sie sich wieder, reicht aber bis zu der Stelle, wo die Kommissur des hinteren Mantelabschnit- tes und der Übergang der Mantelfasern auf das Zwischenhirn sich be- finden. Bei den Lacertiden sind die (eckigen) Zellen unregelmäßig ver- theilt; bei Iguana sind, abgesehen von den spärlichen zerstreuten Zellen, noch einige scharf umschriebene Gruppen etwas seitlich von den Fasersystemen der Lamina terminalis vorhanden (vgl. Fig. 32). Über ihre Bedeutung und Verbindungen geben meine Präparate keinen Aufschluss. — Es ist klar, dass Körrex vom Septum pellucidum spricht, wenn er sagt: »Der,Fornix besteht aus einer gelatinösen Masse mit Kernen.« Ich möchte übrigens Bedenken tragen, den Ausdruck gelatinös so ausgedehnt zu verwenden, da gerade die Grundsubstanz des Septum nicht im geringsten der gelatinösen Masse des Rückenmarkes höherer Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 125 Säuger gleicht, sondern diese ein wohl charakterisirtes Aussehen zu haben scheint, das den Ausdruck rechtfertigt. Die Projektions- und Kommissurenfasern sind bei den Sauriern so komplicirt, oder wenigstens so verwirrt, dass man sich über die vielen von einander abweichenden Auffassungen der Autoren nicht allzu sehr wundern muss. Bei der Natter lassen sich die einzelnen Abtheilungen der Faserzüge im Ganzen gut für sich verfolgen, während hier eine solche Schärfe der Zeichnung fehlt. Folgende Thatsachen sind am ehesten sichergestellt: Das basale Vorderhirnbündel sammelt sich aus dem Gebiet des lateralen und des mittleren Ganglions, welch letzteres bei Uro- mastix sich sehr schön abhebt (vgl. auch Fig. 31, Lacerta viridis).. Aus den medialen Ganglien und der lateralen Mantelzone erhält es keinen Zuzug. Erst am Tractus opticus liegt das Bündel der Pia der Basis direkt auf; mehr nasalwärts verläuft zwischen ihm und Pia die Fase- rung des »basalen Längsbündels zur Taenia thalami« An diesem können wir die drei bei der Natter beschriebenen Antheile sehr gut nachweisen. Am mächtigsten ist der Theil, welcher das von Hon- EGGER beschriebene Markbündel der strahligen Scheidewand bildet; dasselbe sammelt sich im vordersten Theil der medialen Hemisphären- wand und zieht in Form einer breiten Schlinge basal um den Pedun- eulus cerebri herum; der Theil, welcher Eninger’s Beschreibung folgt, ist nicht so bedeutend, dafür aber der Zuzug aus den lateralen Partien des Mantels viel kräftiger als bei der Natter (vgl. Fig. 233—27). In Querschnitten von Iguana sieht man Fasern desselben aus dem hinte- ren Theil der lateralen Mantelzone zwischen Pia und Tractus olfactorius herkommen und sich dem »Längsbündel« anlegen (Fig. 30). Allem An- scheine nach gelangen nicht alle Fasern dieses Bündels in die Kommis- sur der Taenia thalami (Comm. sup. ant.), doch muss ich die on der einzelnen Theile auf spätere Studien verschieben. Die Fasern aus dem Randbogen kommen von der ventriku- lären Fläche des Mantels und an einem kleinen Theil von der Ober- fläche des medialen Zellbandes; im Septum steigen sie in der locke- ren subpialen Schicht basalwärts und zwar ganz in der gleichen An- ordnung wie bei der Natter: im vorderen Theil direkt auf die mediale Seite des basalen Vorderhirnbündels, mehr caudalwärts direkt zur Kreuzung in die Lamina terminalis! und endlich aus den caudalsten 1 Es ist sehr wahrscheinlich, dass RAgL-Rückuarp (vgl. oben p. 67) unter seinem Chiasma partis olfactoriae das versteht, was ich hier beschreibe und in Fig. 32 als gekreuzte Mantelfasern bezeichne. Es hält in der That schwer nach normalen Präparaten eine Entscheidung zu {reffen, und ich stelle die hier angeführten Ver- 196 Ad. Meyer, Theilen die oberflächlichen Fasern mehr nach vorn, ohne sich zu kreu- zen, die tiefer liegende Schicht steil zur Lamina terminalis zur Kreu- zung. Neben diesen Fasern kommen nun marklose Bündelchen vor, welche allem Anschein nach eine reine Kommissur des Mantels bilden (vgl. Fig. 31 u. 32), aber ebenfalls, wie die übrigen Randbogenfasern, in der Lamina terminalis verlaufen. Auf die eigenthümliche Konfigura- tion der hintersten Abtheilung des Mantels kommen wir unten zu sprechen. In derLaminaterminalis sind die Bündel nicht leicht getrennt zu verfolgen. Eine Pars olfactoria der vorderen Kommissur ist aller- dings vorhanden (Fig. 25); ihr legt sich hinten oben die blasse Kom- missur der Stammganglien an; beide sind aber wenig scharf zu trennen in Querschnitten. Durch ihre Fasern werden die gekreuzten Bündel vom Randbogen her etwas abgelenkt und es hält daher schwer, diesel- ben überall auf die mediale Seite des Vorderhirnbündels zu verfolgen. Die Figuren 31 und 32 geben ein Bild von den Verhältnissen. Nun kommt ferner aus dem hintersten Theil des Stammganglions bei den Agamen ein markloser Faserzug, der auf die mediale Seite des basalen Vorderhirnbündels zu liegen kommt (Fig. 24 und 32 bl.Proj.f), _bei Uromastix lässt sich derselbe der Furche des hinteren Randes des Stammganglions entlang verfolgen; es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir in ihm eine ähnliche, nur stärkere Formation haben, wie die p. 102 erwähnte. Direkte Verbindungen von Randbogen des Vorder- hirns und Flügelplatte des Zwischenhirns finden sich zwei, die erste auch bei der Natter vorhanden, welche das Foramen Monroi basal umschlingt und aus gekreuzten und ungekreuzten Fasern besteht, an- gedeutet in Fig. 25, die zweite dorsal vom Foramen Monroi, die direkt vom Rande des Mantels her das Zwischenhirn erreicht. Sie geht gerade vor der Stelle ab, wo das »Fornixrudiment« Rasr-RückHarp’s die hinteren Abtheilungen des Mantels verbindet (Fig. 26), verläuft dann aber wahrscheinlich bis in die Grundplatte. HonesGer hat im Anschluss an die Beschreibung Rası-RückHArD’s bereits vollständige Angaben über die fragliche Kommissur geliefert. Er anerkennt, dass die Kommissur hinter dem Foramen Monroi und dicht vor dem Ganglion habenulae die Mittellinie überschreitet und fügt hinzu, dass sie »sich beiderseits neben dem Bündel der Taenia semieircularis zur Taenia thalami in die hintere Abtheilung der media- len Hemisphärenwand einsenkt«; dass dieser Faserzug caudal, aber muthungen über den Faserverlauf in der Lamina terminalis nur als die wahr- scheinlichste Erklärung hin, “r j Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 127 auch ventral vom Foramen Monroi und auch caudal vom Plexus cho- roides gelegen erscheint. Er eitirt eine Abbildung und Beschreibung bei Reıssner (Der Bau des centralen Nervensystems der ungeschwänz- ten Batrachier, p. 93, Taf. VIII, Fig 12 g, Bufo variabilis), und die Fig. 24 u. 32 von Evınger, an denen er nachweist, dass der Fornix als Homologon nicht in Frage kommen kann. Die Figg. 33—36 geben ein Bild von den Verhältnissen. Die Zeichnungen entstammen einer Serie von Iguana, 33 ist der caudalste, 36 der frontalste von den Schnitten und zwischen jedem Paar sind zwei Schnitte der Serie übersprungen. In dem caudalsten Schnitt Fig. 33 ist die nach hinten etwas konvexe Kommissur ein wenig angeschnitten; die medialen Hemisphären wände sind unabhängig von einander und von den Flügelplatten des Zwischen- hirns. Der Abschnitt der Kommissur liegt im dritten Ventrikel; über ihm zieht dessen Dach mit dem Plexus choroides von einem Ganglion habenulae zum andern. In Fig. 34 ist das Kommissurenbündel fast in seiner ganzen Länge getroffen, aber immer noch durch die Pia von der medialen Wand getrennt, im Inneren des dritten Ventrikels. Das kleine Stück Plexus, das ventral von ihm liegt, ist die hintere Kuppe einer Falte, die vor ihm herabsteigt, wie wir das in Fig. 35 sehen. Daselbst finden wir in aller Deutlichkeit den Übergang des Bündels in die mediale Hemisphärenwand gerade da, wo sich das Ende des Septum pellucidum gegen die eigentliche Fornixfaserung abhebt. Nun bildet die Pia ein Dach über das Bündel und geht hinter ihm auf das Zwischenhirn über, vor ihm in die Lamina terminalis; der Plexus steigt vor dem Bündel in den Ventriculus impar, um dann in das Foramen Monroi einzudrin- gen. In Fig. 36 sehen wir eine feste Verwachsung des hinteren Theils der Faserung des Septum pellucidum mit dem Zwischenhirn,, gerade vor dem Abgang der Kommissur. Der Plexus füllt den dorsalen Theil des Ventriculus impar aus; die Pia, welche das eigentliche Dach bildet, ist dorsal von der Kommissur an die mediale Hemisphärenwand ange- heftet. Einige Schnitte weiter nasalwärts lichtet sich die Verbindung von Mantel und Zwischenhirn zur Bildung des Foramen Monroi; der basale Theil der Ventrikelwand ist schon in Fig. 36 auf eine einfache Piaschicht redueirt, welche dem Tractus opticus anliegt; das Dach des Ventriceulus impar verbindet die beiden Randbogen und der Plexus zieht in den Ventriculus lateralis. Noch weiter nach vorn geht dann das Ventrikeldach in die Lamina terminalis über. Fig. 23 und 24, Längs- schnitte von Uromastix nahe der Medianlinie, zeigen uns, dass HonEGGER sich irrt, wenn er sagt, der Kommissurenzug sei ventral vom Foramen Monroi gelegen. Derselbe verläuft vielmehr dorsal, indem er sich der hinteren oberen Wand des Foramen Monroi anlegt und seitlich dieselbe ne 128 Ad. Meyer, bilden hilft. Mit der Lamina terminalis ist er in gar keinem Zusam- menhang. Es erscheint noch ziemlich zweifelhaft, dass die Fasern vom Man- tel zum Zwischenhirn und die hinter ihnen verlaufende Mantelkommis- sur als Taenia semicircularis mit ihrem Kommissurenantheil zu deuten wäre. Beide Systeme kommen unter den Reptilien nur den Sauriern zu, da ich sie weder bei der Natter noch bei den Schildkröten, noch auch in meiner allerdings nicht ganz zuverlässigen Serie von Alligator mississippiensis gefunden habe; beide Bündel stammen aus dem Rand- bogen, wenn wir wenigstens an dieser Homologie der medialen Mantel- zone mit der Ammonsrinde festhalten dürfen; beide haben keine Verbindung mit der Taenia thalami, sondern das Projektionsbündel (das eigentliche Ligament posterieur) zieht sehr wahrscheinlich in die Grundplatte des Zwischenhirns (vgl. Enınger’s Fig. 34, das als Fornix bezeichnete Bündel). Andererseits ist die Taenia semieircularis beim Säuger der basale Rahmen der Adergeflechtfalte (und somit wenig- stens noch ein Theil der sichelförmigen Platte von Reıcuerr). Bei der Natter wie auch bei den Sauriern (Fig. 32) finden wir nun den basalen Theil der hinteren Ventrikelwand, so weit er dem Tractus opticus als mediale Wand des Unterhornrudiments anliegt, auf eine einfache Pia- lage redueirt, ganz wie das zwischen Taenia semicireularis und Fornix der Säuger der Fall ist; ich habe aus diesem Grunde p. 119 die laterale Wurzel des »basalen Längsbündels zur Taenia thalami« als Homologon eines Theiles der Taenia semicircularis angesehen, da dieselbe am vorderen Rande des Basalwulstes und am medialen Saum der fraglichen Piawand in das Zwischenhirn hinauf steigt. Das Ligament posterieur entspringt aber dorsal von der Piawand, gerade da, wo die mediale Wand ihren nervösen Charakter verliert, und bildet den dorsalen Rahmen der Piawand. _ Entscheidend möchte die Lage des Plexus sein. Dieselbe macht es etwas unwahrscheinlich, dass der bindegewebige Theil der media- len Wand ein Homologon der Adergeflechtfalte, resp. deren Pia sei, und es ließe sich in der That denken, ein Eindringen des Plexus in die mediale Wand hätte in einer Linie zu geschehen, welche die Kom- missur von der Randbogenfaserung abzutrennen hätte. Durch diese Betrachtungen ist es uns nicht gelungen die Frage der Homologie zu entscheiden. Die einzige Zuflucht werden verglei- chend-embryologische Untersuchungen bilden, und in letzter Instanz die Degenerationsmethode. Das einzige Alligatorgehirn, das ich erhalten konnte, stammt ohne Über das Vorderhirn einiger Reptilien. | 129 Zweifel von einem sehr jungen Thiere und verunglückte überdies bei der Härtung; ich kann desshalb die Serie nicht für zuverlässig genug ‘für eine Beschreibung betrachten. Auch die Schildkröten übergehe ich, weil das Studium zahlreicher Serien mich zu der Überzeugung brachte, dass eine Beschreibung des Schildkrötengehirns am besten mit derjenigen des Gehirns von großen Salamanderspecies verbunden würde. Ich enthalte mich aus diesem Grunde einer eingehenden Be- sprechung in dieser Arbeit. Wer das »niedrigstehende« Gehirn der Reptilien in der Erwartung untersucht, er werde schematisch einfache Verhältnisse finden, wird öfters entmuthigt von der Arbeit weggehen. Wir haben an demselben noch nicht einmal das sicher erreicht, was vor v. Guppen’s Arbeiten über das Säugethiergehirn feststand, und statt eines Schemas haben wir ein in enge Rahmen zusammengedrängtes, komplicirtes Organ ge- funden. Man kann mit Grund daran zweifeln, ob die geringere Ent- wicklung und Differenzirung überhaupt eine Erleichterung für das Studium sei. Wohl ist es mir bei der Natter gelungen, gewisse Züge einigermaßen genau festzustellen; aber schon bei den Sauriern stiegen die Schwierigkeiten von Neuem, und an jede Behauptung knüpft sich eine solche Menge von Fragen, dass man mit den Schlüssen nicht vor- sichtig genug sein kann. Im Zwischenhirn sind die Verhältnisse keineswegs einfacher als im Vorderhirn, und je weiter man caudalwärts kommt, um so mehr vermisst man die schöne Differenzirung der Faserzüge durch ab- srenzende graue Einlagerungen, so dass man gegen die Oblongata hin mit der rein deskriptiven Methode nicht viel Anderes als Trugbilder zu erwarten hat. Alle diese Schwierigkeiten dürfen uns aber nicht entmuthigen, zielbewusst weiter zu arbeiten, und alle zu Gebote stehenden Methoden zur Hilfe zu ziehen. Nachtrag. Durch die Güte von Herrn Dr. Eninger konnte ich die Arbeit von - Brırı (vgl. p. 74) noch im Original durchsehen. Es finden sich in der- selben einige wichtige Bemerkungen, die sich größtentheils auf Ver- _ hältnisse beziehen, die ich auch oben besprochen habe. Nach BrıLL gebührt Srirzka! die Priorität in der Deutung des medialen Mantelrandes als Cornu Ammonis, und in der Beschreibung der hinteren Mantelkommissur und deren Deutung als Balken. 1 Spırzka, Notes on the brain of Iguana, Journ. of nervous and mental Diseases and Science 1880. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV, Bd, 9 130 Ad. Meyer, Brırr sagt nun, bei den Säugethieren sei die großzellige Schicht des Subiculum Cornu Ammonis durch einen deutlichen Unterbruch von dem kleinzelligen Bande, der Faseia dentata getrennt, und einen gleichen Unterbruch habe er bei Iguana gefunden. Die histologische Zusammensetzung des kleinzelligen Bandes, die Existenz des genannten Unterbruches zwischen der kleinzelligen und großzelligen Zone und endlich die auch von mir (p. 123) erwähnte »Undulation« des klein- zelligen Bandes, bewegen ihn, dasselbe für sich als Fascia dentata anzusprechen, wogegen »fast der ganze Rest des dünnwandigen Theiles des Vorderhirns dem Subiculum Cornu Ammonis gleichgestellt werden müsse«. Endlich sagt er: »The entire ammonic structure extends ce- phalad so far as to actually merge into the histologically similar layer of the oceipital lobe«, womit er wohl einen Zusammenhang zwischen »Fascia dentata« und Nucleus sphaericus konstatiren will. Daraus zieht er endlich den Schluss, dass die ganze Formation der ringförmigen Randwindung homolog sei, wie ZUCKERKANDEL dieselbe für die Säuger beschrieben. Wiewohl mich der Gang meiner Untersuchungen auch auf ähn- liche Vermuthungen führte, bin ich doch zu wesentlich verschiedenen Resultaten gekommen, und ich erlaube mir, das hierher Gehörige zu rekapituliren. 1) lässt sich ein Unterbruch zwischen dem kleinzelligen und dem großzelligen Theil der medialen Mantelzone in sämmtlichen Schnitten meiner zwei Serien von Iguana nicht nachweisen. Möglich ist es, dass Brırr der großzellige Theil dieser Zone, der bei Iguana (Fig. 32) relativ klein ist, völlig entgangen ist, da er keine weiteren Unterbrechungen der Rindenformation erwähnt (zwischen medialer und dorsaler, und zwischen dorsaler und lateraler Mantelzone). Es ist desshalb auch nicht zu verstehen, was BrıLL unter »nearly the entire remainder of the thin- walled part of the cerebrum« verstanden wissen will. 2) ist ein direkter Zusammenhang von »Fascia dentata« und Nucleus sphaericus nicht zu finden. Es ist möglich, dass der p. 123 erwähnte aber nicht beschriebene komplieirte Bau des Ventrikels bei Iguana BrırL täuschte. Es soll diese Gegend nächstens ausführlich dargestellt werden. 3) ist, wie wir gesehen, die Entwicklung der »Fascia dentata« nicht parallel derjenigen des Nucleus sphaericus und des Geruchsapparates (vgl. p. 107). Dass endlich die Vermuthung Spırzea’s, die hintere Mantelkommis- sur sei im Corpus callosum, durch die Lage des Plexus choroides un- haltbar gemacht ist, binnche ich nur anzudeuten. Zürich, im Mai 1892. Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 131 Litteratur. SERRES, Anatomie compare&e du cerveau. 2 vol. Paris 1824—4826, L. Stıepa, Über den Bau des centralen Nervensystems der Schildkröte. Diese Zeitschr. Bd. XXV, 4, 1875. RasL-Rücknarp, Das Centralnervensystem des Alligators. Diese Zeitschrift. Bd. XXX. . Ragr-RückuArn, Über das Vorkommen eines Fornixrudimentes bei Reptilien. Zool. Anz. IV. Jahrg. 1881. p. 281—284. OsBorNn, The origin of the Corpus callosum. Morphol. Jahrb. Bd. XII. 41887. BELLoNcı, Sulle Commissure cerebrali anteriori degli Anfibie dei Rettili. Bologna 1887, HanmıLton, On the Corpus callosum in the Embryo. Brain VIII. p. 145. 8. Bastıan, Antwort auf Hanırton’s Arbeit. Brain VII. p. 377. . Mason, The minute Structure of the central nervous system of certain Reptiles and Batrachians of America. Newport 1882. A0a.L, Enınger, Untersuchungen über die vergleichende Anatomie des Gehirns. 4. Das Vorderhirn. Frankfurt 1888. 40b.L. Epınger, Bericht über die Leistungen auf dem Gebiet der Anatomie des 41. 42. 13. 14, 15. 16. Centralnervensystems im Laufe des Jahres 1890. Scamipr's Jahrb. Bd. CCXXXI. J. HonEsGeEr, Vergleichend-anatomische Untersuchungen über den Fornix. Rec. de zool. suisse. T. V. 4890. M. Körpern, Zur Anatomie des Eidechsengehirns. Morph. Arb. von SCHWALBE. Bd. I. p. 496. BurpAcaH, Bau und Leben des Gehirns. Bd. II. V. v. Misarkovics, Entwicklungsgeschichte des Gehirns. Leipzig 1877. W,. Hıs, Die Formentwicklung des menschlichen Vorderhirns vom Ende des ersten bis zum Beginn des dritten Monats. Abhandl. der kgl. sächs. Ges. d. Wiss. Bd. XV. Nr. 8. Leipzig 1889. MEYNERT, Psychiatrie, 1884. Erklärung der Abbildungen. Bezeichnungen: b.L.t.th, basales Längsbündel zur Taenia thalami (p. 87); b.Randf, basaler Rest des Faserkranzes des Tractus olfactorius; b.Vhbdl, basales Vorderhirnbündel; bl.C.a, markloser (blasser) Theil der Commissura anterior (Comm. loborum); bl.Proj.f, marklose Fasern medial vom Pedunculus cerebri (p. 127); C.gen, Corpus geniculatum; C.pall, Mantelkommissur der Lamina terminalis; 9* 132 Ad. Meyer, C.post, Commissura posterior; C.sup, Kommissur der Taenia thalami; Ch.opt, Chiasma opticum; Ch.p.olf, Chiasma partis olfactoriae Commissurae anterioris; D.Mz, dorsale (mittlere) Mantelzone; F.M, Foramen Monroi; G.hab, Ganglion habenulae; h.M.c, hintere Mantelkommissur — Fornixrudiment von RABL- RÜCKHARD; h.m.Ggl, hinteres mediales Ganglion; h.Mf.z. Zw, hintere Mantelfasern zum Zwischenhirn; lai.Ggl, laterales Ganglion = vorderer Theil des Stammganglions ; lat.Mz, laterale Mantelzone; lat.p.olf, äußeres Bündel des Chiasma p. olf. comm. ant.; L.t, Lamina terminalis; M.Bal, Meynerrt’sches Bündel; M.Com, MeEynert’sche Kommissur; med.p.olf, mediales Bündel des Chiasma p. olf. comm. ant.; med.Mz, mediale Mantelzone; Mf, Mantelfasern (Fornix etc.); Mf.T.th, Mantelfasern zur Taenia thalami; mittl.Ggl, mittleres Ganglion; Nbaäl, Natternbündel; N.sph, Nucleus sphaericus; ped.b.olf, Pedunculus bulbi olfactorii; R, Rinne der medialen Hemisphärenwand; Rec.1II.V, Recessus im Dache des dritten Ventrikels; S.p, Septum pellucidum; mediale Ventrikelwand, Fornixleiste ; subp.Sch, subpiale Schicht; T.f, Tangentialfasern ; T.th, Taenia thalami; Th.kern, runder Thalamuskern ; Tr.olf, Tractus olfactorius; Tr.opt, Tractus opticus; Ulp, Unterlappen; V, Seitenventrikel; v.med.Ggl, vorderes mediales Ganglion ; V.imp, Ventriculus impar. Tafel IV, Fig. 4—14. Querschnitte aus dem Vorderhirn von Callopeltis Aesculapii. Vergr. 4:45. Erklärung im Text. Die in Klammern neben die Figurenzahlen ge- setzten Zahlen geben die Ziffern für den Schnitt innerhalb der Reihe an. Fig. 45 u. 46. Horizontalschnitte aus dem Vorderhirn von Callopeltis Aescu- lapii. Vergr. A : 6. Erklärung im Text. Tafel V. Fig, 47. Gehirn von Lacerta viridis. Vergr. 1:2,5. Fig. 418. Gehirn von Anguis fragilis. Vergr. 1; 4,0. Fig. 19. Gehirn von Iguana tuberculata. Vergr. A : 2,0. Br Über das Vorderhirn einiger Reptilien. 133 Fig. 20. Gehirn von Callopeltis Aesculapii. Vergr. 1:3,0. Fig. 21. Gehirn von Testudo Graeca. Vergr. 1:3,0. > Fig. 22. Gehirn von Chelone mydas. Nat. Größe. Fig. 23 u. 24. Topographie der hinteren Mantelkommissur aus Längsschnitten a ahe der Mittellinie — Uromastix. Vergr. 4:40. Fig. 25—27. Horizontalschnitte aus dem Gehirn von Lacerta viridis. Vergr.1:6. Fig. 28 u. 29. Querschnitte vom Vorderhirn der Lacerta agilis. Konfiguration ‚der Ventrikel. Vergr. 4: 6. ER Fig. 30 u. 32. Querschnitte aus dem Vorderhirn von Iguana tuberculata. _ Vergr. 1:8. Fig. 34. Schiefer Horizontal-(Basal-)Schnitt aus dem Vorderhirn von Lacerta iridis. Vergr. 1:8. Fig. 3—36. Topographie der hinteren Mantelkommissur aus Querschnitten _ von Iguana tuberculata. Vergr. 1:15. en 2 ne Neue Untersuchungen über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse am verletzten peripheren Nerven. Von Dr. Albrecht Frh. v. Notthafft (Würzburg). Mit Tafel VI und 2 Textfiguren. Die riesigen Fortschritte, welche die medicinische Wissenschaft in unserem Säculum machte, sind auch an den Gebieten des gesunden und des kranken Nervensystems nicht spurlos vorübergegangen. Immerhin ist aber die Kenntnis, welche uns die Forschungen über dasselbe gebracht haben, noch immer das Aschenbrödel unter ihren schönen Schwestern, den Tochterwissenschaften der gemeinsamen Mutter Medicin. Mögen die Gründe hierfür in der Sprödigkeit der Materie, in der Schwierigkeit des Experimentes oder darin liegen, dass wir eigentlich verhältnismäßig sehr spät Genaueres über Bau und Funktion dieses verwickeltsten aller Systeme, welche unser Körper besitzt, erfahren haben: auf jeden Fall stehen wir hier vor einer Reihe von ungelösten Fragen und interessantesten Räthseln, welche — wenig- stens theilweise — zu lösen vielleicht erst einer späten Zukunft vor- behalten ist. , Seit langer Zeit ist es daher das Bestreben der bedeutendsten Männer unserer Wissenschaft gewesen, in diese noch dunklen Gebiete Licht zu bringen. Vermittels des Experimentes ist zwar viel gelungen, aber die Wogen des Streites gehen heute trotzdem noch so hoch wie vor einem halben Jahrhundert. Besonders ist es eine Frage, welche noch immer die Geister beschäftigt, und bezüglich welcher die Mei- nungen weit aus einander gehen, die Frage: »Wie spielen sich die Processe der Degeneration und Regeneration am verletzten periphe- rischen Nerven ab?« Wie schon gesagt, hat diese Frage bisher nur in sehr wenig Punkten eine übereinstimmende Beantwortung gefunden. Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse et. 135 Allgemein anerkannt ist eigentlich nur Folgendes: »Nach Nervenverletzungen findet eine Degeneration gewisser Theile des be- treffenden Nerven statt. (Von sämmtlichen Autoren wird heute eine vollständige Degeneration an der Verletzungsstelle und eine theilweise, nach anderen auch vollständige des peripher von der Verletzungsstelle gelegenen Nervenstückes zugegeben.) Diese Degeneration äußert sich in einer Veränderung von Achsencylinder und Markscheide. Zugleich tritt eine reelle (oder scheinbare) Vermehrung der Kerne der Schwann- schen Scheide auf. Nach verschieden langer Zeit, verschieden nach der Art der Versuchsanordnung und der zum Versuche verwendeten Thiere (bei Kaninchen wird nach einfacher Quetschung oder Durchtrennung von den Forschern in der Regel die zweite Woche nach der Operation angegeben), beginnt eine Regeneration des Nerven durch Bildung neuer Achsencylinder und neuer Markscheiden in den Degenerationsbe- zirken.« In aller Kürze enthalten diese Sätze, was heute in dieser Frage als unumstößlich sicher angesehen wird. Alles, was sonst noch von den Autoren bezüglich des Degenerations- und Regenerationspro- cesses angegeben wird, unterliegt noch immer der Kontroverse. Es würde mich zu lange hinhalten, würde ich an dieser Stelle ausführlich über die aus einander weichenden Angaben der Forscher berichten; ich werde bei den einzelnen Kapiteln in longum et latum mich damit zu beschäftigen haben. Einstweilen verweise ich auf die in den Werken von NEUMAnN!, RAnvier?, BÜnGner® und WacLav KorYBUTT-DAszkiEwicz? enthaltenen Ausführungen, und bezüglich der Litteratur, welche über diesen Gegenstand existirt, auf die von Ta. KöLuiker® herausgegebene Zusammenstellung. Die letzte Zeit hatte in Betreff unserer Frage wenig Neues ge- bracht. Da veröffentlichte am Ende des Jahres 1890 Dr. Orto v. Büngner Untersuchungen, welche geeignet waren, berechtigtes Aufsehen zu erregen, sowohl durch die merkwürdigen Beobachtungen des Verfas- Sers, wie auch durch die dadurch scheinbar bedingte Möglichkeit, 1 E. NEUMANN, Degeneration und Regeneration nach Nervendurchschneidung. Archiv d. Heilk. IX. p. 193. — Degeneration und Regeneration zerquetschter Ner- ven, Archiv für mikr. Anatomie. XVIII, p. 302. ® RANvIER, Systeme nerveux. Paris 1878. 3 O0. v. Büngner, Über die Degenerations- und Regenerationsvorgänge am Nerven nach Verletzungen. Habilitationsschrift. Jena 1890. 4 WacLAv KorYBUTT-DASZKIEWICZ, Über die Degeneration und Regeneration der markhaltigen Nerven nach traumatischen Läsionen. Inaugural-Dissertation. Straß- burg 4878. 5 Tu, KöLLIkER, Die Verletzungen und chirurgischen Erkrankungen der peri- pherischen Nerven. Stuttgart 1890. 136 Albrecht Frh. v. Notthaflt, Vorgänge mit großer Leichtigkeit in einer Weise zu erklären, wie dies bisher von Vielen nur vermuthet wurde. Daher entschloss sich die medicinische Fakultät der Universität Würzburg für das Jahr 1891 folgende Preisaufgabe zu stellen: »Die Frage über die Degenerations- und Regenera- tionsprocesse am Nerven nach Verletzung desselben soll einer erneuten Prüfung unterworfen werden, unter be- sonderer Berücksichtigung der soeben erschienenen Schrift von BÜNeNER.« Dem Verfasser ist die hohe Ehre zu Theil geworden, dass die Fakultät seiner hier vorliegenden Arbeit den Preis zuerkannte. Ich glaube ohne Überhebung zu sprechen, wenn ich die Ansicht äußere, dass es mir gelungen ist, Positives in dieser Frage zu erreichen. Dass ich aber trotz langer und sorgfältiger Untersuchungen gar Vieles noch kontrovers lassen muss, dürfte Jedermann begreiflich erscheinen, wel- cher meine schwachen Kräfte mit dem Wissen jener großen Anzahl erster Forscher, welche sich mit dieser Frage beschäftigten, und welche dennoch zu nicht stichhaltigen Ergebnissen kamen, vergleicht. Ich habe mich nicht gescheut, mich in manchen Punkten auf die Seite der Minorität der Autoren zu stellen, sobald ich ihre Ansicht als richtig annehmen zu müssen glaubte, eingedenk der schönen Worte Ranvier’s: »Dans le domaine de l’experience, on ne doit fonder son opinion sur Vautorite de personne.« Vorausbemerkungen über die Versuchsanordnung. Obwohl das Thema der Aufgabe eine möglichst genaue Wieder- holung der Bünener’schen Versuche erfordert hätte, sah ich mich doch gezwungen, in einigen Dingen eigene Wege einzuschlagen. So musste ich vor Allem darauf verzichten, dieselben Versuchsobjekte wie jener zu benutzen, und zwar aus einem rein äußerlichen Grunde: Es hält nämlich seltsamerweise in Würzburg sehr schwer, die für eine größere Anzahl von Experimenten nothwendigen vielen Meerschweinchen zu bekommen. Ich musste daher fast ausschließlich an Kaninchen operi- ren. Diese bieten aber — ganz abgesehen davon, dass sie sehr em- pfindlich sind gegen schwerere Eingriffe und daher leicht zu Grunde gehen — besonders zwei Nachtheile: 4) ist bei diesen Thieren das die Nerven umhüllende Bindegewebe besonders stark entwickelt, eine Beobachtung, welche durch die gleichen Angaben einer großen Anzahl von Autoren bestätigt wird. Es liegt auf der Hand, dass dadurch die Herstellung von Zupfpräparaten wesentlich erschwert wird. 2) be- fürchte ich, dass man von gegnerischer Seite mir entgegenhalten wird, Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 137 dass ich nach Benutzung der gleichen Versuchsthiere, wie v. BÜNGNER sie gebrauchte, wohl kaum wie jetzt im Stande wäre, die Untersu- cehungsergebnisse dieses Forschers unbestätigt zu lassen. Und wenn ich auch einen derartigen Einwurf kaum als stichhaltig ansehen kann, so muss ich doch andererseits gestehen, dass ich gegen die Behauptung der Möglichkeit einer verschiedenen Art der Nervendegeneration und Regeneration bei den verschiedenen Thieren einen sicheren und zwin- genden Beweis zu liefern nicht im Stande bin. Die Versuche wurden sämmtlich in Narkose unter strengster Beob- achtung aller antiseptischen Vorschriften ausgeführt. Dennoch bin ich nicht in der glücklichen Lage, wie Caranı! und v. Büngner anführen zu können, dass ich nie ein Thier verloren hätte. Im Gegentheil; ich ge- stehe, dass mir, wie den meisten Beobachtern, eine große Anzahl von Kaninchen zu Grunde ging. In einigen Fällen war es leicht, die Ursache hierfür zu erkennen: Ein paar Male hatten nämlich die Thiere während der Nacht, wohl getrieben durch das Jucken der heilenden Wunde, die Ligaturen aufgenagt. Die Untersuchung ergab dann: Eiterung in der Wunde und in zwei Fällen auch an anderen Körperstellen (Verände- rungen am Endocard), eine Beobachtung, welche wohl die Diagnose »Sepsis« rechtfertigen dürfte. Diese letztere mag auch die Ursache ge- wesen sein, wenn sich der Tod nach größerem Decubitus (hiervon spä- ter!) oder Gelenkeiterung einstellte. In anderen Fällen erlagen mir Thiere einer von der Operation ganz unabhängigen Krankheit, z. B. Tuberkulose. So beobachtete ich denn auch ein drittes Mal das Aus- brechen einer Epidemie, indem mir von fünfzehn in einem Stalle un- tergebrachten, bis dorthin ganz gesunden Kaninchen die größere Hälfte binnen wenigen Tagen verendete. Die Sektion ergab in diesen letzte- ren Fällen ein absolut negatives Resultat. Nerven können bekanntermaßen durch die verschiedenartigsten Eingriffe (mechanische, chemische, thermische etc.) zur Degenera- tion gebracht werden. Ich verzichtete im Vornherein darauf, durch irgend welches chemische Reagens diesen Erfolg herbeizuführen, da die exakte Anwendung eines solchen auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. Aus dem gleichen Grunde habe ich wohl die Wärme, nicht aber die Kälte angewendet. Demgemäß kann ich über folgende Eingriffs- methoden berichten: der Nerv (wozu ich vor Allem den Ischiadicus, doch auch den Medianus, den Vagus und den Auricularis magnus wählte) wurde entweder total oder nach der Angabe v. Büngner’s partiell durch- schnitten; oder ich zerquetschte die Substanz desselben durch eine 1 GIUsEPpPINA CATANI, Sulla degeneratione et neoformazione delle fibre nervose midollari periferiche. Bologna 1886. 138 Albrecht Frh. v. Notthaflt, Seiden-, beziehungsweise Rosshaarschlinge, welche dann entweder vorsichtig wieder entfernt wurde oder liegen blieb. Im ersteren Falle habe ich immer über einer eingeschobenen Sonde gequetscht. Man kann damit vollkommen denselben Erfolg erzielen, wie bei Weglassung derselben, und umgeht dadurch die sonst immer vorhandene Gefahr, bei der nachträglichen Entfernung der Ligatur den Nerven noch einmal zu verletzen oder gar ganz zu durchtrennen. Ich kann daher diesen kleinen Kunstgriff Jedem, welcher künftig derartige Versuche macht, dringend empfehlen. Die Verbrennung wurde mittels einer rothglühen- den Nadel ausgeführt, immer partiell, nie total. Diese Zerstörungs- methode, welche, so viel ich weiß, vor mir Niemand ausgeführt hat, hat jedoch ziemlich beträchtliche Schattenseiten, so dass ich nicht zur Nach- ahmung rathen kann. Denn erstens wirkt die Hitze der glühenden Nadel alternirend auch in Gebieten, welche der zu verschorfenden Stelle ziem- lich fern liegen, zweitens tritt die Regeneration der Nerven hier später und unter größeren Schwierigkeiten als nach einfachen Quetschungen auf. Letztere habe ich in der weitaus größten Zahl meiner Versuche ausgeführt. Denn nachdem schon früher von vielen Autoren meine Erfahrung, dass nach Quetschungen der weitere Degenerations- und Regenerationsprocess, mit Ausnahme der Veränderungen an der Ver- letzungsstelle, höchstens zeitliche Abweichungen zeigt, gleichfalls ge- macht worden ist, hatte ich keinen Grund, nicht ein Verfahren begün- stigen zu sollen, welches leichter, angenehmer und sicherer wirkt und speciell meine Behauptungen so vollständig zu beweisen im Stande ist. Die Versuche am Nervus vagus wurden, um über die merkwürdi- gen Angaben Ta. Gruck’s! ein Gutachten aus eigener Anschauung ab- geben zu können, an zwei Kaninchen in der Weise ausgeführt, dass ich denselben den Nerv mittels einer Seidenligatur zerquetschte. Zur Kon- trolle, ob der geschädigte Vagus nach einer gewissen Zeit wieder leitungsfähig geworden sei, wurde später auch der gesunde Nerv durchtrennt. ar Endlich habe ich noch eine Reihe von Versuchen an Hunden ge- macht: So habe ich bei zweien dieser Thiere !/, cm lange Stücke aus dem Ischiadieus geschnitten und in den Defekt dasselbe oder ein gleiches Stück vom Ischiadieus der anderen Seite eingenäht. Ich habe ferner nach Resektionen von 4 cm großen Nerventheilen die beiden Stümpfe, jedoch ohne sie einander zu nähern, durch Seidenfäden ver- bunden. Endlich habe ich noch, die Versuche Vanxzaır’s nachahmend, nach Resektionen die beiden Nervenenden durch die während mehre- i Te. Gruck, Experimentelles zur Frage der Nervennaht und Nervenregene- ration. Vırcaow’s Archiv. LXXII. p. 624. 2 Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 139 rer Tage desinfieirte und künstlich zu einem Drain umgewandelte Aorta eines Kaninchens verbunden. Diese Versuche, welche die Gesammtzahl 100 erreichen, wurden an 4 Hunden, 2 Meerschweinchen und 39 Kaninchen ausgeführt. Fol- gende Tabelle, auf welcher jedoch nur die gelungenen Versuche ver- zeichnet sind, giebt über meine Methode genauesten Aufschluss. (Siehe unten.) - Nachdem die Nerven dem Körper des ad hoc getödteten Thieres unter Anwendung der Ranvıer’schen Aufspannungsmethode entnommen waren, wurden sie entweder in derselben Freummne’schen Lösung, wie sie v. Büngner ! verwendete, fixirt und später nach der Angabe dieses Autors mit Safranin weiter behandelt; oder sie wurden nach der Vor- schrift Ranvier’s etwa 2 Stunden in eine 1°/,ige Osmiumsäurelösung gelegt, hierauf in Pikrokarmin gefärbt und in Wasser zerzupft. Auch Nummer on te: bs Art der Operation | Nackbehandlung Bemerkungen 4 4.1V.94. | 2.1V.94. A Einschnitt — |FLemmine’s Safr.| geschnitten in part. Discision die Länge 2 |48.V1.94. |48.VI.94.| 1/5 | Umschnürung » » Morg. Abend. —einf.Umschn. mit Seide 3 |)47.VL94. |48.V1.94. A » » geschnitten u. zerzupft 4 |44,VI11.94.|14.VIII.94. 3 | Verbrennung » zerzupft 5 144.1V:94, |43.1V.94. 2 doppelte » längsgeschn. Pferdehaarliga- tur 6 | 24.111.94. | 24.111.949. 3 » » » 7. | 22.11.94. | 24.111.914. 2 ‚ Umschnürung » » 8 |44.1V.91. | 13.1V.94. 2 » » zerzupft g 8.IV.94. | 44.1V.9. 3 Einschnitt » quergeschn. 40 | 22.1V.94. | 25.1V.9ı. 3 » » längsgeschn. a4 | 9.VI1.94. |a44.VII.9. 2 | Umschnürung » » 42 | 6.VIII.94. |10.VI11.94. 4 Durchbren- » » nung 43 | 43.1V.94. | 417.1V.94. 4 | doppelte Um- » » schnürung 14 9,1V.94. | 13.IV.91. 4 » » » 45 9:1V.941. | 43.IV.9, 4 | Umschnürung » » 16 9AIV.91, | 43.1V.9. 4 » » quergeschn. 47 2.1V.94, 9 7.IV;94: 5 Einschnitt » längsgeschn. 18 4.IV.94. | 6.IV.9A. 5 » » » 49 |6.VI1.941. |44.V11.9.| 5 | Umschnürung » zerzupft 20 |5.VIII.94.|10.VIII.94. 5 Durchbren- » längsgeschn. nung 24 |34.111.94.| 6.1V.94. 6 | Umschnürung » » 22 |34.I11.94.| 6.1V.91. 6 |.loppelte Ross- » zerzupft haarligatur 23 !4,VIII.94.140.VIIL94. 6 Durchbren- » » | nung 24 |8.VIII.94.|44.VIIL94. 6 | Umschnürung » » 1 l. [07 p- 21—23, Albrecht Frh. v. Notthaft, Nummer , nr re Art der Operation | Nachbehandlung Bemerkungen 25 |27.IX.94.| 3.X.94. 6 | Umschnürung | Osmiumsäure, zerzupft Pikrokarmin 26 |40.1V.94. |47.1V.94. 7 Einschnitt FLEMMING längsgeschn. 27 124.IX.94.| A.X.9. 7 | Umschnürung | Osmiumsäure, zerzupft Pikrokarmin 28 130.VII.94.| 6.IX.94. 7 » Par’sche Färb. » 29 2.19:94...| 45.19.94. 8 Einschnitt FLEMMING längsgeschn. 30 7.IV.94. |45.1V.94. 8 » » quergeschn. 34 |34.VII.94.|8.VIIL.94.| 8 » » zerzupft 32 |42.1V.94. | 21.IV.94. 9* | Umschnürung » längsgeschn. 33 23.V.94. | 4A.VI.9A. 9 » » » 34 23.V.94. | A.VI.94, 9 » » » 35 23.V.94. | 4.VI.94. 9 » Osmiumsäure » 36 | 44.1V.94.|24.1V.94,.| 40 Einschnitt FLEMMING » 37 |43.1V.94.|95.IV.94. 42* | Umschnürung » zerzupft 38 26.V.94. | 7.V1.9. 19 » Osmiumsäure | längsgeschn. 39 26.V.94. | 7.V1.94. 12 » FLEMMING » 40 |43.VI.94. | 26.V1.94.| 43 » » zerzupft 4A 44.IV.94. | 29.1V.94. 45 » » » 42 |8.VI11.94.]20.VIII,94.| 42 » WEIGERT längsgeschn. 43 144.JV.94, | 29.IV.94.| 45 » FLEMMING quergeschn. 44 |45.V1.94.| 30.VI.94.| 45 » Osmiumsäure | längsgeschn. 45 |45:V1.94. | 30.VI:94.) 45 » FLEMMING zerzupft 46 3.IV.94. | 24.IV.94. 18 » » » 47 3.IV.91. | 24.IV.94.| 48 Einschnitt » » 48 8.V1.94. |26.VI.94.| 48 | Umschnürung |WEIGERT u. Pır-| längsgeschn. sche Methode 49 146.VIIL.94.| 3.IX.94. | 48 | doppelte Liga- » » tur 50 2.VIII.94.149.VIII.94.| 47 » » » 51 5.VII.94./94.VIII.94.| 46 » » » 52 126.VII1.94.| 40.IX.94. 45 » » » 53 9.V111.94.|28.VIlI.94.| 49 » » » 54 9,.V111.94.|29.VIIl.94.. 20 » » 4) 55 |25.IV.94. | 20.V.94. 25 Einschnitt FLEMMING zerzupft 56 5.V1.94. 1 30.VI.94.! 25 | Umschnürung |WEIGERT u. Par! längsgeschn. 57 |48.IV.94.| 48.V.94. | 30 » FLEMMING zerzupft 58 ,48.1V.94.| 48.V.94.| 30 » » längsgeschn. 59 143.IV.94.| 16.V.94.| 33 » » längsgesch. u. zerzupft 60 44.V.94. |48.VII.94.| 38 » » zerzupft 64 A44.VI.94.|24.V11.94.| 40 » » » 62 44.V1.94.134.VI1.94.| 50 » » » 63 2.V.94. |4.VII.94.| 60 » » » 64 |48.I11.94.| 6.V1.94. 80 Einschnitt » .ı längsgesch. u. zerzupft 65 | 3.XIL.94. |26.XII.94.| 23 |doppelte Liga- |WEIGERT u. Pır| längsgeschn. tur 66 [47.X1.94.| 44.1.92. 25 » » » * Drei Präparate, welche auf der Tabelle ausgelassen werden mussten, Um- schnürungspräparate vom 9., 42. und 45. Tag, wurden von geübterer Hand als die meinige ist, nach GoLeır’s Methode behandelt. Wenn sie gleichwohl. nicht ge- gelangen, so gestattet dieses negative Resultat doch vielleicht einen Schluss, wess- halb ich sie in Anmerkung erwähne., Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 141 Versuche an Hunden. Tag der Operation Tag der Beob.- | Sektion "Nr. Dauer | Art der Operation Nachbehandlung | Bemerkungen gen Stückes und Trans- plantation eines gleichen Stückes vom Ischiadicus der anderen Seite in den Defekt. Indirekte Naht. DVEIH! 50 |Gleiche Operation. » » V.941.| 50 |Exeision eines 1/acm langen » » Stückes und Wiederver- einigung an Ort u. Stelle. 12.V,94.| 50 [Resektion eines 4 cm gro- » » Ben Stückes. Keine Naht. 413.V.94.| 50 |Resekt. eines 1/g cm großen » » Stückes und Verbindung der retrahirten Stümpfe durch Fadenbrücken. 44.V.94.| 50 Verbindung der retrahirten » » Stümpfe eines resecirten Kaninchennervens durch die Aorta eines Kanin- chens. 44,V.94.| 50 |Die gleiche Operation. » » 20. 111. 94 wo 23. III. 94 4 23.111. 94 5 24.111. 94. 6 /25.111.9. 7 !25.111.94 1 4 |20.111.9 EV.M: | 50 |Excision eines 1/; cm lan- FLEMMING längsgeschn. | habe ich mit Mürzzer’scher Flüssigkeit gehärtete Präparate zerzupft und mit verschiedenen Farben tingirt, endlich benutzte ich in gewissen Fällen mit entschiedenem Erfolge das Par’sche und Weiserr'sche Färbe- verfahren. Die Versuche, neugebildete Achsencylinder nach Goucı zu färben, sind mir in sämmtlichen Fällen missglückt. Durch den Charakter der Aufgabe war ich gezwungen, das von v. Büngner verwendete Verfahren (Fixiren in stärkerem'! Fremming’schen Säuregemisch und Safranintinktion) fast ausschließlich anzuwenden. Diese Methode wurde schon von verschiedenen berufeneren Federn und Stimmen angefochten. Man hob vor Allem hervor, dass die FLen- mine’sche Mischung nur die Randpartien der eingelegten Nervenstücke 1 Als stärkeres FLemming’sches Gemisch giebt v. BünGNER (p. 24) folgendes an: Acid. chromic. 40/, 50,0 Vol.; Acid. osmic. 40/9 20,0 Vol.; Acid. acet. 400/y 2,0 Vol.; Aq. destill. 128,0 Vol. Ich konnte nun leider nirgends ein solches von FLemming herrührendes Recept ‚finden. Mir sind von diesem Autor nur die folgenden zwei Angaben bekannt: FLEMMINg, Mitthl. zur Färbetechnik, Zeitschr. f. w. Mikroskopie p. 349: Chrom- säure von A p.c.:45 Maßtheilen, Osmiumsäure von 2 p. c.:44 Maßtheilen, Eisessig: 4 Maßtheil oder weniger. Dieses Gemisch nennt FrEnnming selbst ein »viel stärkeres«. Ferner: Derselbe, Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung. Leipzig 4882. p. 380. Chromsäure etwa 0,25 p. c. Osmiumsäure » 0A » Ian H50. Eisessig 2320, 142 Albrecht Frh. v. Notthaftt, schwärzt; in der Mitte, wohin dieselbe nur theilweise zu dringen scheint, entstehen die wunderlichsten Artefakte. Das Entfärben der mit Safranin tingirten Präparate ist ebenfalls mit ziemlich erheblichen Schwierigkeiten verbunden, indem man auch bei großer Vorsicht bald Präparate bekommt, an welchen Alles roth gefärbt ist, bald solche, welche wenigstens das Gewünschte vollkommen ungefärbt erscheinen lassen. Das Konserviren von zerzupften Fasern ist ungemein schwie- rig, da der Alkohol die losen Fasern fast immer zu sehr entfärbt; ein Aufbewahren in Glycerin ist aber nicht möglich, da dasselbe sämmt- liches Safranin langsam, aber sicher auszieht. Endlich scheinen die nach Fremmine’scher Methode angefertigten Präparate die betrübende Eigenschaft zu besitzen, nach gewisser Zeit noch Veränderungen ein- gehen zu können, sowohl betreffend die Tiefe der Osmiumschwärzung, als auch hinsichtlich der Färbung mit Safranin, welche vollständig verblassen oder auch von den noch anhaftenden Spuren’Nelkenöls aus- gezogen werden kann. Leider bin ich nicht im Stande, die Richtigkeit dieser Angriffe gänzlich zu leugnen, oder die hohe Meinung, welche v. Büngner der Fremming’schen Methode entgegenbringt, so unbedingt zu theilen. Besonders das durch v. Büngner angewandte Mischungs- verhältnis hat mir oft Anlass zur Unzufriedenheit gegeben. [Bedeutend bessere Resultate erzielte ich später mit dem von Fremming in der »Zeit- schrift für wissenschaftliche Mikroskopie« (siehe die Anmerkung!) em- pfohlenen Verfahren und nachfolgendem 2—3 Tage langem Färben in Safranin.] Andererseits ist es aber kaum zu leugnen, dass ein großer Theil der Misserfolge auf mangelnde Gewandtheit und Genauigkeit zu- rückzuführen sind. Die allmählich erworbene größere Geschicklichkeit erhöht auch die Anzahl der Erfolge um ein Bedeutendes. Wer aber einmal solche zu verzeichnen hat, reicht dieser prachtvollen Färbe- methode gern den Kranz. Ich habe sowohl Quer- als Längsschnitte, als auch Zerzupfungen ausgeführt. Auf Grund meiner Erfahrungen kann ich die Angabe v. Büngner’s bestätigen, dass diejenigen Autoren, welche angeben, dass man nur an Zerzupfungspräparaten klare Bilder sehen könne, Unrecht haben. Besonders die Verhältnisse der Regeneration sind ohne feine Längsschnitte unmöglich richtig aufzufassen. Wie v. Bünener habe auch ich mich sehr oft veranlasst gefühlt, das an Längsschnitten Gesehene mir durch Querschnitte oder Zerzupfungen bestätigen zu lassen. Als ich bei den verschiedenen Forschern danach aussah, in wel- cher Weise dieselben ihre Arbeit disponirt hätten, fand ich bei einer großen Anzahl derselben gar keine Eintheilung. Ziemlich viele haben die Degenerationsprocesse von den Regenerationsvorgängen geschie- Neue Unters. über den Verlauf der Degererations- und Regenerationsprocesse etc. _ 143 den. Diese Eintheilung ist jedoch nicht aufrecht zu halten, da, wie ich später aus einander setzen werde, die Processe nach Verlauf weniger Tage örtlich und zeitlich nicht mehr von einander zu trennen sind, sondern gemeinsam neben einander verlaufen. Ein dritter kleiner Theil hat die Veränderungen an den verschiedenen Stellen des Nerven (centrales, peripheres Stück, Narbengewebe und Zwischenstück etc.) getrennt beschreiben zu können geglaubt. Aber auch hier sind Unge- nauigkeiten selbstverständlich, da es sehr in das Belieben des Unter- suchers gestellt ist (z. B. bei Nervenveränderungen nach Umschnürun- gen), die Grenzen dieser drei Abschnitte zu setzen. Außerdem ist bei der Beschreibung eine Masse Wiederholungen nöthig, welche ermüden müssen. Ich habe mich daher entschlossen, eine dritte Disposition aufzustellen, und werde unterscheiden: 1) Die degenerativen Veränderungen am Nerven vom Tage der Verletzung an bis zum ersten Auftreten neuer Nervenfasern (etwa 7. bis 8. Tag). 2) Die weiteren Degenerations- und Regenerationsprocesse vom ersten Auftreten der neuen Fasern bis zu ihrer vollständigen Ergän- zung in dem der Untersuchung zunächst unterworfenen Nervenstück (etwa 3/, cm diesseits und jenseits der Verletzungsstelle), ca. 18. Tag. 3) Die Veränderungen im Nerven nach dem 18. Tage (Ausklingen des Degenerationsprocesses und allmähliches Vorwachsen der neuge- bildeten Fasern nach den äußersten peripherischen Endigungen). Innerhalb der einzelnen Kapitel werde ich dann die verschiedenen Bilder in den auf einander folgenden Zeiten getrennt besprechen, wo- bei ich jedes Mal sämmtliche Theile des Nerven berücksichtigen werde. Ich glaube auf diese Art jede Ungenauigkeit vermieden zu haben, ohne andererseits durch ewige Wiederholungen zu ermüden. I. Die degenerativen Veränderungen am Nerven nach Verletzungen bis zum Auftreten der ersten neuen Nervenfasern. Die Kenntnis von der Degeneration durchschnittener Nervenenden datirt vom Jahre 1839, in welchem Nasse! zuerst diese Beobachtung machte, eine Beobachtung, welche spätere Untersucher, besonders STAnnIus? und WALLER3, nicht nur bestätigten, sondern sogar als un- 1 Nasse, Über die Veränderungen der Nervenfasern nach ihrer Durchschnei- dung. Mürzer’s Archiv. 1839. V. p. 405. | 2 Stannıus, Untersuchungen über Muskelreizbarkeit. MüLuer’s Archiv. 4847. p: 443, 3 Water, Examen des alterations qui ont lieu dans les filets d’origine du ; F . r eu Te tn in un EEE 5 RE u er EEE Be NOS 2660 ATS a ——mo 144 Albrecht Frh. v. Notthafft, vermeidliche Nothwendigkeit bezeichneten. Heute zweifelt Niemand mehr an der Richtigkeit dieser Angaben, wenn es auch selbst bis in die neueste Zeit hinein Autoren gegeben hat, welche eine Wiederver- einigung durchschnittener Nerven durch prima intentio, also ohne vorausgegangene Degeneration gesehen haben wollten. Scuirr! hat diese sogar als Regel erklärt, während Andere wie Burpaca ?, Bruck ®, GLucK*, STEINRÜCK 5, VALENTIN 6, VuLpian und PhıLıppeAux”? eine weniger entschiedene Stellung in dieser Frage einnehmen. . Betrachtet man einen Nerven, an welchem eine partielle Durch- schneidung, eine Umschnürung oder eine Anbrennung stattgefunden hat, 24 Stunden nach der Operation, so findet man je nach der Art derselben schon mit bloßen Augen eine deutliche Schnürfurche, oder eine Unter- brechung in der Kontinuität des Nerven in der Form eines Einschnittes oder einer Anbrennung, welche die verletzten Nerventheile etwas zur Retraktion nach oben oder unten gebracht hat. In sämmtlichen drei Fällen sind die an die Verletzungsstelle angrenzenden Nervenstümpfe beträchtlich geschwellt. In den nächsten Tagen gleicht sich die Schnür- furche aus, und es kommt nun, sobald auch an den eingeschnittenen und angebrannten Nerven sich frisches verbindendes Gewebe zwischen den Nervenstümpfen gebildet hat, hier und dort sogar zu einer An- schwellung. Diese gleicht sich nach einiger Zeit bei gequetschten nerf pneumogastrique et des nerfs rachidiens par suite de la section de ces nerfs au-dessus de leurs ganglions. Comptes rendus. 1852. p. 842. — Ders., Nouvelles recherches sur la r&generation des fibres nerveuses. Comptes rendus. 1852. p. 675. — Ders., Sur le reproduction des nerfs et sur la structure et les fonctions des gan- glions spinaux. MüLLer’s Archiv. 1852. p. 392. 1 ScHhirr, Neurologische Notizen. Archiv des Vereins für gemeinschaftliche Arbeiten. I. p. 609. 2 BurpAcH, Beitrag zur mikroskopischen Anatomie der Nerven. Königsberg 1837. 3 Bruch, Über die Regeneration durchschnittener Nerven. Vorläufige Mitthei- lung. Diese Zeitschr. VI. p. 135. — Ders., »Über die Regeneration der Nerven«. Archiv des Vereins für gemeinschaftliche Arbeiten. II. p. 409. * GLuck, Experimentelles zur Frage der Nervennaht und der Nervenregene- ration. Vırcaow’s Archiv. LXXI. p. 624. 5 STEINRÜCK, De nervorum regeneratione. Dissertatio. Berol. 41838. 6 VALENTIn, Kritische u. experimentelle Untersuchungen über die Nervennaht und Nervenregeneration. Deutsche Zeitschr. für Chirurgie. 1883. XVII. p. 293 u. 484 und XIX. p. 82. i 7 PHILIPPEAUX u. VULpIAn, Recherches experimentales sur la regeneration des nerfs separ&s des centres nerveux. Gazette medicale. 1860. — Dies., Archives gene- rales de medecine. 4861. p. 782, — Dies., Note sur des experiences demontrant que des nerfs separ&s etc. Comptes rendus. 1859. p. 507. Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse et. 145 Nerven wieder vollkommen aus, während in den beiden anderen Fällen sie entweder noch lange erhalten bleiben oder aber durch die Schrum- pfung des Narbengewebes sogar einer Einziehung Platz machen kann. Hat man den Nerven in kurzen Entfernungen zweimal mit der Schlinge gequetscht, und dieselbe dann nicht wieder entfernt, so ist das Stück zwischen den Ligaturen schmäler als der übrige Nerv. Der Grund hierfür liegt nicht etwa in einer besonders tiefen Alteration dieses Stückes, sondern in ganz gewöhnlichen, bekannten mechanischen Vor- _ gängen. (Man erhält ganz dasselbe Bild, wenn man an einem Rollkissen - in nicht zu großer Entfernung von einander mittels eines Seiles zwei Einschnürungen anbringt.) Diese Strecke ist in der Regel etwas stärker geröthet als ihre Nachbarschaft, wie ich im Gegensatz zu v. BÜNGNER ‚hervorheben muss. Nach Verbrennungen liegt auf den beiden Stümpfen ein bräunlicher Schorf. In der Nähe der Schnittstelle ist der Nerv stärker geröthet. In den ersten 24 Stunden ist dies zum Theil auf paren- chymatöse Blutungen, zum Theil auf eine stärkere entzündliche Hyperämie zurückzuführen. In späteren Tagen ist wohl auch die reichere Vasculari- sation der Narbengegend daran Schuld. Nach Verlauf von etwa einer Woche zeigt sich eine Atrophie des abgetrennten peripherischen Nervenstückes. Dieselbe ist bei partiellen Durchschneidungen oder - Umschnürungen ganz unbedeutend, stärker nach Verbrennungen oder totalen Diseisionen, bezw. Resektionen aus der Kontinuität des Nerven. - Eine Verwachsung des Nerven mit dem umgebenden Bindegewebe der Muskeln und Fascien ist bei Verbrennungen und Schnittwunden des £ Nerven Regel; nach Umschnürungen ist, falls sie aseptisch ausgeführt _ wurden, das Gegentheil häufiger. Bei meinen sämmtlichen Versuchen habe ich nie eine Heilung R durch prima intentio im Sinne Scnırr’s gesehen. Immer ging der ana- tomischen und funktionellen Wiederherstellung des Nerven eine aus- gesprochene Degeneration des peripher von der Verletzungsstelle ge- legenen Nervenstückes voraus. Ich habe die Ansicht, dass wenn über- haupt eine Restitution per primam intentionem möglich wäre, hierfür die sorgsam ausgeführte, lineäre Quetschung mit der Seidenschlinge die denkbar günstigsten Bedingungen geben müsste. Denn da die Schlinge nur Mark und Achseneylinder trennt, um sie innerhalb der Scheiden nach oben und unten zu schieben, diese letzteren aber un- beschädigt lässt, so ergiebt sich von selbst, dass hiermit die idealste Vereinigung der Nervenstümpfe erreicht wird, viel genauer, als dies _ die kunstreichste Naht vermag. Wenn ich trotzdem in jedem Falle _ Degenerationen sah, so ermuthigt mich dies, den Satz auszusprechen, dass die entgegengesetzten Ansichten sämmtlicher oben genannter Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. LV. Bad. 40 ll BIETE a rt Ti Er 146 Albrecht Frh. v. Notthafft, Autoren auf Beobachtungsfehlern beruhen. Es kommt wohl mitunter vor, dass man wohl erhaltene Fasern die Verletzungsstelle durchlaufen sieht. Dies geschieht aber nur in zwei Fällen: 1) bei partiellen Durch- schneidungen können die nicht durchschnittenen Theile natürlich normal bleiben; 2) wenn die Schlinge nicht kräftig zugezogen wird, so_ kann die Quetschung nicht stark genug sein, um auch die im Centrum verlaufenden Fasern zu verletzen. Ich sehe mich gezwungen, mich noch besonders gegen die Aus- führungen Tu. Gruck’s zu wenden: Was zunächst die Vagusexperi- mente dieses Forschers betrifft, so kann ich nur so viel sagen, dass ich durchaus nicht im Stande bin, mir die Möglichkeit derselben zu erklären. Ich habe an zwei Kaninchen ebenfalls solche Versuche ge- macht. Acht Tage, nachdem denselben der rechte N. vagus mit ein- facher Seidenschlinge sorgfältig lineär durchquetscht war, wurde auch der linke Vagus zerstört. Beide Thiere starben kurze Zeit nach dem zweiten Eingriff. Die mikroskopische Untersuchung ergab natürlich vollkommene Degeneration des peripheren Stückes. Und da will Gruck mit viel ungenügenderem Operationsverfahren und in kürzerer Zeit bereits Regeneration gesehen haben! ? Eben so wenig kann ich aber Gruck’s übrige Angaben bestätigen. Wenn er behauptet, dass er bei seinen Versuchen am Ischiadieus schon zweimal 24 Stunden nach der Operation die Extremitäten habe wieder gebrauchen sehen, so sieht sich die Sache nach meinen Be- obachtungen folgendermaßen an: Unmittelbar nach der Operation schleifen die Thiere die gelähmten Extremitäten wie Fremdkörper nach; nach ein paar Tagen lernen sie dieselben nothdürftig gebrauchen, und zwar verwenden sie dazu vor Allem den M. iliopsoas und vielleicht einige vom Lumbalgeflecht innervirte Extremitätenmuskeln, mit wel- chen sie das nachschleppende Bein immer wieder an den Leib vor- schnellen. Die vom Ischiadicus versorgten Muskeln sind jedoch für den Willen auf Wochen hinaus unerregbar. — Es liegt ferner sehr nahe, zu vermuthen, dass der Beobachter bei der elektrischen Reizung des Nerven durch Nebenströme den Muskel un- mittelbar gereizt hat, und unmittelbare Reize haben jedenfalls auch in denjenigen Fällen ihre Rolle gespielt, wo der Autor schon nach 70 Stunden durch mechanische Reize oberhalb der Narbe des zuvor von seinem Gentrum abgeschnittenen Nerven Zuckungen in den Muskeln hervorgebracht haben will. Vielleicht waren auch die Durchstechungen, welche Gruck zum Zwecke einer möglichst genauen Vereinigung der Stümpfe vielfach anwendete, ungenügend. Auf jeden Fall ist es sehr bezeichnend, dass er selbst zugeben muss, dass es ihm nie gelungen Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse et. 147 ist, durch Tetanisirung des angeblich »restituirten« Nerven Herzstill- stand zu erzeugen. Ich habe also gar keinen Grund gefunden, welcher mich von der Möglichkeit einer Verheilung per primam intentionem im Sinne Schirr’s überzeugen könnte, und schließe mich mit voller Überzeugung den Worten Warzer’s an: »Les anciennes fibres d’un nerf divise ne recou- vrent jamais leurs fonctions originelles — — —.« Bevor ich zur Schilderung der histologischen Veränderungen am degenerirenden Nerven übergehe, liegt es mir ob, einen kurzen Überblick, über die betreffs dieser Vorgänge aus einander weichenden Ansichten der Forscher zu geben. Während Warzer, Bruch, BENnEcKE ! und Büngxer eine vollständige Auflösung von Scheide, Achsenfaser und Mark gesehen haben, lassen Andere (Lent 2, HyeLrt®, Herz, Corasantı 5, Purtippeau und Vurpran, Kory- BUTT-Daszkiewicz und Rumpr®) nur die beiden letzteren zu Grunde gehen, und unterscheiden sich somit von Scuirr, Remax’, KrauseS, Erg 9 und Laveran !0, welche allein die Markscheide der Degeneration anheimfallen lassen. Während aber heute über die Thatsache, dass die Markscheide zu Grunde geht, die Mehrzahl der Autoren sich geeinigt hat, gehen über die Art und Weise des Zustandekommens dieses Pro- cesses die Ansichten noch weit aus einander. Ranvier, WaLter!i und Wunpr 12 nehmen mit der größten Anzahl der Untersucher einen Zerfall 1 BENECKE, Über die histologischen Vorgänge im durchschnittenen Nerven. Vırcaow’s Archiv. LV. p. 496. 2 Lent, Beiträge zur Lehre von der Regeneration durchschnittener Nerven. Diese Zeitschr. VII. p. 445. 3 HıeLr, Über die Regeneration der Nerven. Vırcuow’s Archiv. 1864. XIX. 4 Hertz, Über Degeneration und Regeneration durchschnittener Nerven. Vir- cHow’s Archiv. XLVI. p. 25. 5 CoLASAnTI, Über die Degeneration durchschnittener Nerven. MüLL£r’s Arch, Physiologische Abtheilung. p. 206. 4878. 6 Rumpr, Zur Degeneration durchschnittener Nerven. Untersuchungen aus dem physiologischen Institut der Universität Heidelberg. II. p. 307. 7 Remak, Über die Wiedererzeugung von Nervenfasern. VırcHow’s Archiv, XXI. p. 444. | 8 Krause, Über aufsteigende und absteigende Nervendegenerationen. Verh. d. D. G. f. Ch. 2. Kongr. 1887. 9 Ers, Zur Pathologie und pathologischen Anatomie peripherer Paralysen. Archiy für klinische Medicin. V. p. 43, 10 LaverAan, Recherches experimentales sur la regeneration des nerfs. These de Strasbourg. 1867. 11 WALTER, Über die fettige Degeneration der Nerven nach ihrer Durchschnei- dung. Vırcuow’s Archiv. XX. 12 Wunpt, Inauguralabhandlung, Heidelberg 4886. 10* TEE TE 148 Albrecht Frh. v. Notthafft, der Markscheide in krümelige Massen, wobei es zu einer Zersetzung dieses Markes in seine beiden Hauptbestandtheile, Fett und Eiweiß, mit nachfolgender Resorption komme, an. Dagegen wendeten sich NEv- MANN, EICHHoRST ! und Mayer? mit der Behauptung, dass im degeneri- renden Nerven Mark und Achsencylinder eine derartige » chemische Umwandlung « erfahren, dass die Differenzirung zwischen den beiden aufhöre. Tızzoni® und Korysurt- Daszkırwicz nehmen als Ursache der Markdegeneration von der Schnittfläche aus und durch die Rawvrer’schen Einschnürungen eindringende Wanderzellen an. Endlich behauptet RAnvIer, dass die sich vermehrenden Kerne der Scawanv’schen Scheide mechanisch Mark und Achsenfaser zertrümmern. So weit die Autoren. Im Folgenden bringe ich die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen. Entfernt man einen mit einer Seidenligatur gequetschten Nerven sofort aus dem Thierkörper, so zeigt derselbe bereits höchst eigen- thümliche Veränderungen: an der Umschnürungsstelle sind Mark und Achsencylinder aus den Schwann’schen Scheiden nach oben, be- ziehungsweise unten gepresst. Die Folge davon ist, dass hier die Scheiden leer und zusammengefallen sind (Fig. 5). Im angrenzenden peripheren und centralen Stück sind sie dagegen durch das hinein- gepresste Mark gebläht. Letzteres hat natürlich seine normale Struk- tur verloren. Es zeigt sich vielfach eingekerbt, zerrissen oder in Bröckel zerfallen. Wo der Achsencylinder sichtbar ist, zeigt er sich meist spiralig aufgerollt, ganz ähnlich den Abbildungen, wie sie TangL? gegeben hat (Fig. 1). Das Mark ist durch die nächsten Schnürringe durchgepresst worden, so dass dieselben ihr charakteristisches Aus- sehen meist ganz eingebüßt haben. Diese Zerstörungen zeigt der Nerv von der Verletzungsstelle aus nur ein paar Millimeter weit, sonst ist central und peripher Alles unverändert. Zwölf Stunden später haben sich diese Verhältnisse noch nicht geändert, höchstens, dass der körnige Zerfall der hinausgepressten 1 Eıcanorst, Über Nervendegeneration und Regeneration. VırcHuow’s Archiv, LIX. p. A. 2 MaAveEr, Über Vorgänge der Degeneration und Regeneration im unverletzten peripherischen Nervensystem, Zeitschrift für Heilkunde. II. p. 154. 3 Tızzoxı, Sulla Patologia del tessuto nervoso. Observaz. ed esperiment. sulla istologia norm. e patolog. della fibra nervosa. Torino 1878. * TanGL, Zur Histologie der gequetschten peripheren Nerven. Archiv für mikr. Anatomie. XXIX. p. 464. 5 Ich bemerke an dieser Stelle ein für allemal, dass sämmtliche von mir an- gegebenen Termine nur Durchschnitts- und Approximativzahlen sind, und dass besonders der Regenerationsprocess mitunter nicht unerhebliche Abweichungen zeigt. Neue Unters. über den Verlauf der Degeneralions- und Regenerationsprocesse etc. 149 Markmassen ein etwas stärkerer geworden ist (Fig. 5 und 7). 24 Stun- den nach der Operation zeigen sich jedoch neue Erscheinungen. An Umschnürungspräparaten scheint das aus grauschwarzen und röth- lichen Bröckeln bestehende Mark, falls die Ligatur wieder entfernt ward, wieder in die leeren Scheiden zurückfließen zu können; ich sage »zu können«; denn ich habe mehrere Male selbst am sechsten Tage und sogar noch später die ausgepressten Scheiden nur mit Plasma gefüllt gesehen. Der Achsencylinder ist innerhalb dieser Bröckelmasse nicht sichtbar. An anderen Stellen dagegen fallen deutliche Spuren der Schrumpfung an ihm auf. Bei der Untersuchung eines eben so alten partiell durchschnittenen Nerven, erweckt beson- ders die Schnittfläche unser Interesse. Die Enden des centralen und peripheren Stückes haben sich etwas aufgeworfen. Ihre einander zugekehrten Flächen sind mit einer Masse von rothen Blutzellen, Wanderzellen und Gerinnsel bedeckt. Das Mark ist an den Schnittstellen vielfach aus den Scheiden herausgequollen,; daher stammen auch die zahlreichen Myelinreste, welche meist von einem hellen Hofe umgeben (Fig. 23) innerhalb der Granulationsschicht zu sehen sind. Die Degene- ration ist in beiden Nervenabschnitten noch nicht bis über die nächsten zwei Ranvier’schen Einschnürungen hinausgelangt. Innerhalb dieses Be- zirkes hat das Volumen des roth oder grauroth gefärbten Achsencylinders eine noch bedeutendere Verminderung erfahren. Da und dort zeigt er sich stark verschmälert. Wodurch diese Volumenschwankung hervor- gerufen wird, ob durch Wasserabgabe, ob durch chemische Umänderung, oder durch einen dritten Process, kann ich nicht entscheiden. Dennoch olaube ich, dass v. Büngser wohl nicht richtig geurtheilt hat, wenn er auf Grund dieser raschen Volumenschwankung den »festweichen« Zu- stand des normalen Achsencylinders bezweifeln zu dürfen glaubt. An anderen Orten zeigt sich gerade das umgekehrte Bild (Fig. 2): der Achsencylinder ist bedeutend gequollen. Er kann hier um das Doppelte seiner normalen Dicke zunehmen. An solchen Theilen ist er dann meist auch von etwas hellerer Farbe, etwas aufgefasert oder krümelig aus- sehend. Solche Quellungen finden sich nur in den nächst der Ver- letzungsstelle gelegenen Theilen. Weder jetzt noch später treten im Verlauf des Degenerationsprocesses solche Erscheinungen an anderen weiter entfernten Orten auf. Ich glaube, dass diese Quellung durch die Lymphe hervorgebracht wird, welche ja von den Wundrändern her gut eindringen kann. Diese Annahme würde auch ihre Bestätigung - durch die Angaben Runrr’s finden, welcher meldet, dass absichtlich in Serum gelegte Achsencylinder dortselbst quellen. Die gleichen Bilder hat wohl Ranvıer für Hypertrophie der Achsencylinder gehalten. Dies 150 Albrecht Frh. v. Notthaflt, ist aber wohl nicht richtig, und ich glaube, dass wir es hier nur mit einer Quellung zu thun haben. Denn schon binnen Kurzem macht diese Anschwellung einer Auffaserung und einem Zerfall des Achseneylinders Platz, und nach Verlauf weniger Tage ist kein einziges derartiges Ge- bilde, welches noch in Verbindung mit dem Centralorgan stünde, vor- handen. An manchen Stellen sieht man den Achsencylinder nun auch zer- trümmert; er liegt dann meist gestreckt oder spiralig aufgeringelt innerhalb der gleichfalls vielfach zertrümmerten stark veränderten Markscheiden (Fig. 3), deren Ränder nach der Trennung des Achsen- eylinders in Stücke zusammengeflossen sind, so dass sie die so- genannten »Markballen« bilden. Letztere nehmen eine grauschwarze Farbe an, mit hellem Centrum und dunklem Rand, oder sie zeigen alle Nuancen vom Roth bis ins Schwarzroth und Schwarzviolett spielend. Diese verschiedene Tingirung kann zum Theil, wie v. BÜNnGNEr und Herz angeben, auf verschiedene Dichte des Markes bei gleichem Vo- lumen, oder auf verschiedenes Volumen bei gleicher Dichte zurück- zuführen sein. Vielleicht ist sie aber auch das Zeichen einer degene- rativen molekulären Veränderung des Markes; denn im gesunden Mark finden sich diese Farbdifferenzen nicht. Ein großer Theil des Markes macht den Eindruck größerer oder kleinerer Blasen mit hellem licht- grauen Inhalt und schmalen schwarzen CGontouren. Ich halte es, wie v. BÜNnGNER, für im höchsten Grade wahrscheinlich, dass dieser helle Inhalt Flüssigkeit ist, welche von den schrumpfenden Achsenfasern abgegeben worden ist. Damit stimmt auch überein, dass man in solchen Blasen oft gerade die schmälsten und am stärksten aufgefaserten Achsencylinder trifft. Eine » Wassersucht der Scheiden« wie sie ARNE- MANN ! angiebt, konnte ich weder jetzt, noch später beobachten. Dagegen kann sich bereits nach 24 Stunden ein Vorgang finden, welcher Anlass zu einer ganz falschen Auffassung des Zustandekommens der degene- rativen Processe gegeben hat; ich meine das Eindringen von Wanderzellen ins Nervengewebe. Ich habe dies an meinen Präparaten zu wiederholten Malen bemerkt (Fig. 2 und 5), und glaube sogar, dass das Eindringen vereinzelter solcher Elemente von der Schnittfläche aus in das Nervenbindegewebe auf eine kleine Strecke hin zur Regel gehört. Diese Einwanderung bleibt bei aseptischen Wunden jedoch ganz gering (v. Büngxer), findet immer nur ins Zwischen- gewebe, nie in die Nervensubstanz selbst hinein statt (die allernächste Nachbarschaft der Schnittflächen natürlich ausgenommen) und kann 1 Justus ArnEMANN, Versuche über Regeneration an lebenden Thieren. I. Ner- ven. 1782. Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse ete. 151 daher auch nur von der Schnittfläche aus, nicht von den Rınvıer’schen Einschnürungen aus stattfinden. Mit der Markzertrümmerung haben dieseZellen, wasich den gegentheiligen Ansichten von Tızzonı und Korysurrt - Daıszeızwicz gegenüber aus- sprechen muss, gar nichts zu thun. Wo ich sie in größerer Anzahl und auch innerhalb der Scheiden getroffen habe, war dies zufälligerweise immer in Fällen, wo ich genöthigt gewesen war, ohne jede Assistenz, also auch unter weniger peinlicher Asepsis zu operiren. Ich glaube daher, dass — wie auch v. Bünener hervorhebt — jene Autoren, welche immer und in größerer Anzahl Rundzellen in ihren Präparaten getroffen haben, die nothwendigen antiseptischen Kautelen eben nicht gehörig beachtet haben. In den durch Osmium fixirten Marktheilen finden sich manchmal lichte, oft baumartig verzweigte Streifen, welche — wie v. Büngner mit Recht hervorhebt — mit dem Achsencylinder nichts zu thun haben; denn man sieht sie oft neben dem Achseneylinder herlaufen. Dagegen kann ich v. Büngner nicht beistimmen, wenn er dieselben durch den Zug des schrumpfenden Achsencylinders entstehen lässt. Eine einfache Überlegung der mechanischen Vorgänge macht dies klar. Während des Lebens ist auch das zerstückelte Mark, wie die fortwährend sich run- denden Blasen und Ballen beweisen, nicht von so fester Konsistenz, dass es an ihm leicht zu Rissen kommen könnte. Es scheint im Gegentheil dasselbe sich bis zuletzt in halbflüssigem Zustande zu bewahren. In der Fixirungsflüssigkeit dagegen wird die Osmiumsäure zunächst die äußeren Markschichten (innerhalb deren nach v. Büngxer gerade diese Figuren vorkommen) treffen, und sie daher schneller und intensiver fixiren als die inneren. Mag nun auch jetzt noch der Achsencylinder schrumpfen, so kann es zu Rissen nur an folgenden drei Orten kommen: 1) zwischen ihm und der inneren Markschicht, 2) innerhalb der letzte- ren, 3) an der Grenze der zweierlei Markschichten. In der äußersten Schicht kann durch einen von innen wirkenden Zug kein Riss entstehen. Es ist viel einfacher, sich diese Figuren als Artefact, hervorgerufen durch zu schnelles, oder ungleichmäßiges Eindringen der Chemikalien zu erklären. Am zweiten Tage sind die Veränderungen im Vergleich zu den- jenigen vom ersten Tage nur sehr wenig weiter fortgeschritten. Mark und Achsencylinder sind etwas stärker zerfallen. An den Zellen der Scuwann’schen Scheide zeigen sich noch keine Veränderungen. Ende des zweiten, Anfang des dritten Tages macht dagegen der Degenerations- vorgang beträchtliche Fortschritte. Während bisher die Zerstörung auf - ein gleiches Stück im centralen und peripheren Theil in unmittelbarer % 152 Albrecht Frh. v. Notthaflt, Nachbarschaft der Wunde beschränkt blieb, kann jetzt nur noch vom centralen Stücke behauptet werden, dass die Degeneration den ersten oder zweitnächsten Schnürring nicht überschreitet, peripherwärts da- gegen zeigt dieselbe nunmehr die Neigung, sich weiter auszudehnen: In der oben beschriebenen Weise treten an der Markscheide Einker- bungen, Risse und Sprünge auf; dieselbe zerfällt in einzelne Bruch- stücke, deren Ränder zusammenfließen und so Markballen und Mark- blasen bilden. Die Achsencylinder der dickeren markhaltigen Fasern sind ganz entsprechend dem Markzerfall auf der gleichen Höhe immer in Stücke getrennt und werden meist von den Markballen eingeschlos- sen. Hier und da sieht man sie auch durch mehrere isolirte Markballen hindurchgehen. An kleinen markhaltigen Fasern und an scheinbar marklosen ist ihr Zerfall ein weit weniger intensiver; man kann sie auf größere Strecken vollkommen unverletzt, nur bedeutend geschrumpft und etwas verzerrt sehen. An den ersteren scheint sich das Mark hinwegziehen zu können, so dass sie das Aussehen von marklosen Fasern gewinnen. Dieser Degenerationsvorgang hat mit den vom ersten und zweiten Tage beschriebenen gar nichts zu thun. Während die letzteren einfach durch den verletzenden Eingriff hervorgerufen wurden, ist der erstere die Folge der Abschneidung des Nerven von seinem trophischen Centrum. Wir haben es also dort mit einer direkten Folge des Traumas, hier mit einer indirekten (oder wenn man so lieber will: mit einer » para- lytischen Degeneration «) zu thun. Dagegen dürfte die Unterscheidung zwischen »paralytischer und entzündlicher Degeneration«, wie sie unter Anderen z. B. Lext gebraucht, doch nicht als genügend genau zu bezeichnen sein. Denn die erstere, welche sich sofort im Moment der Verletzung bereits einstellt, hat natürlich mit irgend einer Entzündung gar nichts zu thun, sondern ist nur die direkte Folge des traumatischen Insultes. Welches sind die Ursachen des Mark- und Achsencylinderzerfalls im Nerven jenseits der direkten Einwirkung des Traumas? Diese Frage ist von den verschiedenen Autoren in der verschiedensten Weise be- antwortet worden. Meiner Ansicht nach handelt es sich hier um eine ganze Reihe von Vorgängen; ich glaube daher Folgendes aussprechen zu dürfen: Wie gezeigt, macht sich zunächst überall eine bedeutende Volumensverminderung des Achsencylinders geltend. Diese kommt durch Abscheidung einer Flüssigkeit zwischen Achseneylinder und Mark zu Stande. Der schrumpfende Achseneylinder zieht nun einmal die Markscheide nach sich; an anderen Stellen wird dieselbe durch die abgeschiedene Flüssigkeit aufgetrieben. Die Folge dieser Volumsver- Neue Unters, über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse et. 153 _ änderungen ist eine Zertrümmerung der Markscheide in viele Segmente. Das nun in Klumpen am Achsencylinder hängende Mark bringt seiner- seits wieder durch Zug denselben zum Zerreißen, wobei er sich ver- möge seiner Rlasticität, gerade so wie an den Schnittenden, bedeutend zurückzieht, verkürzt und schlängelt. Dadurch ist wiederum den Mark- stücken Gelegenheit gegeben, über ihm zusammenzufließen,, wie man dies ja an vielen Präparaten sieht. Dass die Marktrümmer thatsächlich auf den Achseneylinder einen derartigen Zug ausüben können, wird sofort wahrscheinlich, wenn man die in den meisten Präparaten nicht gering vertretenen markarmen und scheinbar marklosen Fasern, wel- che sich entweder vollständig erhalten oder doch bedeutend weniger zerstückelt haben, betrachtet. Auch hier ist es zur Schrumpfung des Achsencylinders gekommen; aber da wenig oder gar kein Mark mit seiner Zerklüftung antwortet, so kann auch kein Zug ausgeübt werden, und der Achsencylinder bleibt länger erhalten, als an den anderen markhaltigen Fasern desselben Gebietes. Einen Übergang von dem Stadium, wo der schrumpfende Achsencylinder das Mark zertrümmert, zu dem sofort folgenden, wo der Zug der Markballen den Achsencylin- - der zerreißt, zeigen vielleicht jene Bilder, auf welchen man einen ver- schmälerten, aber erhaltenen Achsencylinder durch mehrere Markbal- len, dieselben rosenkranzförmig aufreihend, hindurchlaufen sieht. Der weitere Zerfall wird nun vielleicht thatsächlich durch die gleich zu be- sprechenden Wucherungen der Kerne der Scuwann’schen Scheide und ihres Protoplasmas hervorgerufen. Ranvıer hat diese Wucherung als Ursache des Gesammt degenerationsprocesses haftbar machen wollen. Ich glaube jedoch, dass er sich geirrt hat, aus Gründen, welche weiter unten aus einander gesetzt werden sollen. Andererseits möchte ich nicht so weit gehen wie andere Autoren, welche der Kernvermehrung jeden Einfluss auf den Degenerationsprocess absprechen. Und wenn ich auch, wie schon gesagt, der Auffassung Ranvıer’s in dieser Allge- meinheit nicht beistimmen kann, so halte ich es doch recht wohl für möglich, dass ein Theil des Degenerationsvorganges sich ganz gut nach dem Vorgange Ranvıer’s erklären lässt. Zu diesem Zugeständnisse an - die Auffassung des französischen Forschers veranlasst mich vor Allem die ungeheuere Menge von Kernen und gewuchertem Plasma in einer Scheide, welche ganz gut geeignet sein können, zertrümmernd auf ihre Umgebung zu wirken; auch sieht man sehr häufig, wie sich Kerne und Plasma besonders innig an von ihnen umflossene Markreste anschließen. | Sicher beschränken sich die Ursachen für den Markzerfall nicht auf diese mechanischen Vorgänge und es unterliegt keinem Zweifel, E; ee =“, v ee ae 154 Albrecht Frh. v. Notthafft, dass auch eine chemische Umwandlung des Markes, wenn auch nicht im Sinne Nerumann’s und Eıcunorsr's, stattfindet. Wahrscheinlich han- delt es sich um einen Zerfall desselben in seine beiden Hauptkonstitu- entien (Fett und Eiweiß). Dafür spricht auch der Umstand, dass man in den Scawann’schen Scheiden eine Substanz nachweisen kann, welche mit Sicherheit aus dem Marke hervorgegangen ist, und weil ferner auf der Höhe des Processes — wie schon Ranvıer hervorgehoben hat — eine leichte Fettinfiltration sämmtlicher protoplasmahaltiger Gebilde des Nerven zu beobachten ist (Gefäßendothel, Zellen des Zwischenner- vengewebes). Die krümeligen Reste des Markes werden später auch noch verflüssigt; den ganzen Vorgang beendigt die Resorption dieses Inhaltes, indem man nach drei bis vier Monaten auch keine Spur von irgend welcher Substanz in den leeren Scheiden trifft. Wir hätten also demnach folgende Degenerationsursachen, welche auf einander folgen, zu unterscheiden: 1) Schrumpfung des Achsencylinders. 2) Zug des zusammengeballten Markes. 3) (Vielleicht) Druck des Protoplasmas und der Kerne der SchwAnn- schen Scheide. 4) Chemische Zersetzung des Markes. 5) Resorption. Der Markzerfall ist also jetzt schon zu einer Höhe gestiegen, dass man nirgends mehr von normalen Achsencylindern und Markscheiden sprechen kann, wenigstens so weit größere Strecken in Betracht kom- men. Es ist naheliegend, anzunehmen, dass diese zerrissenen und un- regelmäßigen Marktrümmer wie Fremdkörper wirken und auf die Scheide einen ungewohnten Reiz ausüben müssen. Und in der That sehen wir am Ende des dritten, noch deutlicher aber am vierten Tage, den Beginn eines Vorganges, welcher unser höchstes Interesse erwecken muss: Es zeigt sich eine Wucherung der Kerne der ScHuwAnN- schen Scheide und des sie umgebenden Protoplasmas. Der Process beginnt mit einem Deutlicherwerden des Chromatingerüstes bei gleichzeitiger Schwellung der Kerne. Dann stellen sich Karyomi- tosen ein, welchen eine massenhafte Vermehrung der Kerne durch Theilung folgt (Fig. 4, 6, 13, Ak, 15, 24, 24). Diese Vermehrung wird so reichlich, dass man in späteren Tagen Scheiden treffen kann, welche stellenweise vollständig mit gewucherten Kernen ausgestopft zu sein scheinen. Gleichzeitig mit diesen Kernveränderungen geht eine Wucherung ihres Protoplasmas einher. Das letztere schiebt sich sammt den Kernen ins Innere der Scheiden vor, bildet zungenförmige Fort- sätze zwischen die einzelnen Markballen, und hat ein äußerst zartes Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse et. 155 blassrothes Aussehen bei leichter Körnung. Von den Marksegmenten ist es meist durch eine helle Zone deutlich abgegrenzt (Fig. %, AA). Letztere Beobachtung giebt v. Büngwer ausdrücklich als einen Beweis dafür an, dass man es hier mit Zellprotoplasma und nicht etwa mit einem aus dem Marke durch chemischen Process entstandenen flüssigen Etwas zu thun habe. Welche Bedeutung hat nun dieser Wucherungsvorgang? RanvIer glaubte, darin die alleinige Ursache des Mark- und Achsenfaserzer- falls erblieken zu müssen. Seine Hypothese ist — in dieser Ausdeh- nung wenigstens — zuletzt von v. Büngner zurückgewiesen worden. Es sprechen folgende Erfahrungsthatsachen gegen Ranvırr: 1) Ist die sogenannte »paralytische« Degeneration bereits zu einer Zeit vorhan- den, wo noch keine Proliferation von Kern oder Plasma zu sehen ist (ich weiß wohl, dass Ranvıer schon nach 24 Stunden eine solche ge- sehen haben will; aber ich kann eben so wenig wie Andere diese An- gabe bestätigen), welche im Stande wäre, so schwere Zerstörungen hervorzurufen. 2) sieht man die gewucherten Kerne durchaus nicht so sehr häufig immer an denjenigen Stellen liegen, wo eine Trennung des Markes stattgefunden hat. 3) spricht auch noch das Vorkommen von stellenweisem Zusammenklappen der Scheiden bei gleichzeitiger Kern- proliferation und Markzertrümmerung gegen Ranvıerr’s Auffassung. Denn so lange in den.Scheiden noch so viel Platz übrig ist, dass sie zusammenklappen können, haben Protoplasma und Kerne noch immer Gelegenheit auszuweichen, und es kann zu keiner Zertrümmerung der Markscheide kommen. Aus diesen Gründen kann ich die Auffassung des französischen Forschers nicht theilen und glaube sagen zu dürfen, dass er sich geirrt hat, indem er die Wirkung für die Ursache nahm. — Aber auch v. Büngner’s Auffassung, dass diese Proliferation der erste Beginn einer Regeneration sei, beruht auf unrichtigen Beobachtungen, wie ich an der Hand meiner Präparate zu beweisen im Stande bin. Die Wucherung der Kerne der Scuawann’schen Scheide und ihres Protoplasmas hat mit den Regenerationsvor- gängen gar nichts zu thun, sondern ist ein Vorgang sehr unter- geordneter Natur, welcher höchstens etwas begünstigend auf den schnelleren Fortschritt beider Vorgänge wirkt. Die Veränderungen am vierten und fünften Tage unterscheiden sich von denen des dritten und unter einander nur graduell, neue Erschei- nungen treten zu dieser Zeit noch nicht auf. Ich werde daher die von beiden Tagen gewonnenen Bilder zusammen besprechen. Der Markzer- fall ist auf der Degenerationsstrecke überall ein stärkerer geworden. Die großen Markballen verschwinden mehr und mehr; zahlreich treten jetzt 156 Albrecht Frh. v. Notthafft, schon die kleineren tropfenartigen Gebilde auf. Die in den Markresten aufgerollt liegenden Achsencylindertrümmer zeigen jetzt neben ihrer Verschmächtigung eine immer deutlicher werdende Auffaserung und körnigen Zerfall. Daneben sieht man solche, welche auf größere Strecken hin außer der erwähnten Volumsverminderung und leichten Verkrüm- mungen keine besonderen Zeichen der beginnenden Zertrümmerung wahrnehmen lassen. Diese Achsenfasern sind solche, deren dünne Markschicht sich abgestreift hat. Ich lege auf das Vorkommen dieser Erscheinungen großen Werth, weil man daraus, wie oben schon er- wähnt, den Schluss ziehen kann, dass nicht nur die Achsencylinder- schrumpfung die Markscheiden zertrümmert, sondern auch der Zug der letzteren umgekehrt den Achsencylinder ; außerdem aber dürften diese noch erhaltenen Achsenfasern die Quelle der verschiedensten falschen Hypothesen gewesen sein. Wahrscheinlich dürften darauf die Angaben von einem Verschontbleiben der Achseneylinder von der Degeneration, die Behauptung, dass die alten Achsencylinder durch Spaltung in Fi- brillen neue erzeugen, dass die Regeneration gleichzeitig im periphe- ren, wie im centralen Stück vor sich gehe, und Ähnliches zurückzu- führen sein. An der Scawann’schen Scheide verschwindet um diese Zeit ein Bild, welches man bisher häufig zu beobachten Gelegenheit hatte; das Zusammenfallen derselben, sei es auf größere Strecken, sei es nur in einem kleinen Stück zwischen zwei Markballen. Ich habe darüber bisher noch nicht genauer berichtet, sondern nur bei der Widerlegung der Ranvıer’schen Verdrängungstheorie gelegentlich da- von Erwähnung gethan. Das Zustandekommen des Scheidencollapses ist ja leicht zu erklären: durch Flüssigkeitsabgabe aus dem Achsen- cylinder und Resorption dieser Flüssigkeit ist der Inhalt der Scheiden ein geringerer geworden, sie müssen daher stellenweise zusammen- fallen. Wenn nun die Kerne und ihr Protoplasma zu wuchern begin- nen, werden selbstverständlich die Scheiden wieder ausgedehnt. Ein länger bestehender und überall auf größere Strecken hin vorhandener Collaps der Scheiden, wie ihn ältere Auto- ren berichten, kommt zu dieser Zeit noch nicht vor!. Die- ses Ausweichen des jungen Protoplasmas nach den Orten des geringsten Widerstandes erklärt auch, warum man die Kerne der Scauwınn’schen 1 Bei Verzögerung oder Behinderung des Regenerationsprocesses Kommen später iin Folge von weiter unten zu beschreibenden Resorptionsvorgängen zahlreich stellenweise kollabirte Scheiden vor, besonders an den periphersten Theilen des Nerven, was sich nach dem über den Verlauf der Regeneration noch zu Sagenden eigentlich von selbst versteht. Bei Eintritt vollständiger Degeneration verlieren zuletzt die Scheiden ihre charakteristische Beschaffenheit, und es tritt an ihrer Stelle ein kernarmes fibrilläres Bindegewebe auf. Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse et. 157 i Scheide so häufig zwischen zwei Markballen trifft. Ruanvıer hat, wie ; schon gesagt, Ursache und Wirkung verwechselnd, angenommen, dass diese dort gefundenen Kerne das Mark zertrümmert hätten, eine An- nahme, gegen welche ich mich bereits weiter oben ganz entschieden aussprechen musste. Die Vermehrung der Kerne hat im Vergleich zu derjenigen vom dritten Tage ganz riesig zugenommen. Man kann an einzelnen Stel- len ganze Kernhaufen sehen (Fig. 24). Gleichen Schritt damit haltend, hat auch das Protoplasma gleichfalls an Ausdehnung gewonnen und N. > Fi f hüllt nun oft, schon auf größere Strecken Markballen und Markballen- trümmer in sich ein. Auch Kerntheilungen gewahrt man; doch kamen mir dieselben, so oft ich sie auch beobachtet habe, doch am einzelnen Präparat recht spärlich zur Anschauung. (Ich möchte hier nicht uner- wähnt lassen, dass ich an Präparaten, welche in der von v. BÜünGNEr angewendeten Fixirungsflüssigkeit gelegen waren, sehr häufig ge- schrumpfte Karyomitosenbilder zu sehen bekam, dass ich dieselben jedoch fast gänzlich vermied, als ich später das von Fremmine selbst als »viel stärkeres« empfohlene Gemisch [siehe oben die Anmerkung!] an- wendete.) Auf Grund der Spärlichkeit der Kerntheilungsfiguren im einzelnen Präparat finde ich es daher auch begreiflich, wenn selbst Forscher wie Ranvırr irrthümlicherweise eine Vermehrung der Kerne auf indirektem Wege leugnen. Diese eigenthümlichen, um diese Zeit schon häufig zu beobachtenden Kernformationen, welche bald Vor- Sprünge zeigen, bald eingeschnürt sind »wie ein Quersack«, sind nicht, wie jener Autor meint, die Vorstufen für eine direkte Kerntheilung, sondern entstehen einfach durch das Anpressen der Kerne an und zwi- schen die Markballen (v. Büngner). Um diese Zeit sicher, wahrscheinlich jedoch schon früher, enthält die Scnwann’sche Scheide außer Mark- und Achseneylinderresten, Ker- nen und Kernplasma noch eine weitere Substanz, nämlich eine “Flüssigkeit, welche wahrscheinlich, ja fast sicher, aus dem sich zersetzenden Marke stammt. Das Vorkommen dieser Flüssigkeit, welche sich mit Safranin entweder gar nicht oder nur schwach röthlich gelb färbt, ist auf Grund folgender Beobachtungen meines Erachtens nicht bestreitbar: 1) Man sieht häufig neben dem schön schwach rosa gefärbten - Protoplasma noch gar nicht oder röthlich gelb tingirte Stellen. Die Scheiden sind hier nicht zusammengefallen. Da letzteres vorhanden sein müsste, wenn jene Stellen inhaltslos wären, das Protoplasma sich aber deutlich von ihnen abhebt, so geht daraus hervor, dass wir es hier mit einer Flüssigkeitsansammlung zu thun haben. 158 Albrecht Frh. v. Notthafft, 2) Nachdem von verschiedenen Autoren (Wunpt, WALTER) eine Verminderung des Fettgehaltes des degenerirenden Nerven nachgewie- sen wurde, diese Verminderung aber nur auf Kosten des Markes zu Stande kommen kann, ist es naheliegend anzunehmen, dass das Mark durch irgend welchen Umwandlungsvorgang dahin gebracht wird, auch andere Substanzen auszuscheiden. [Diese chemische Zersetzung der Markscheide ist selbstverständlich nicht mit der bekannten Theorie EıcHnuorst’s und NEUMANN’S zusammenzuwerfen. Learn! hat hinsicht- lich der letzteren vollkommen Recht, wenn er behauptet, die genannten Autoren seien den Beweis für ihre Hypothese schuldig geblieben. Thatsächlich entbehrtdie»chemischeUmwandlungstheo- rie«der beidenForscher vollkommen jeder Berechtigung.] 3) Können vielleicht die von v. Bünsner und mir beobachteten lichten Räume zwischen Markballen und Protoplasma (Fig. 4 und 1%) der Ausdruck einer hier gestauten Flüssigkeit sein; doch ist eine Er- klärung dieser Bilder als Kunstprodukte, als Folge eines Schrumpfungs- vorganges nicht unmöglich, wenn auch kaum zulässig. Hierher gehört auch jedenfalls der helle Hof, welcher an durch Einschnitt zur Degene- ration gebrachten Nerven innerhalb der auf den Schnittflächen lagern- den Detritus- und Zellmassen die aus den Nervenstümpfen ausge- flossenen Myelintropfen und Myelinbröckel fast regelmäßig umgiebt (Fig. 23). | k) Gebe ich hier mit großer Vorsicht eine von mir gemachte Beob- achtung an: Man sieht nämlich des öftern an nach Pır behandelten Präparaten die Scawann’schen Scheiden besonders in der Umgebung der tiefblau gefärbten Marktrümmer ganz leicht bläulich gefärbt, wie angehaucht (Fig. 18). Da ich jedoch leider diese Beobachtung nicht regelmäßig und noch dazu fast immer an Präparaten machte, welche bezüglich der Güte der Färbung zu wünschen übrig ließen, so gestehe ich selbst diesem vierten Punkte keine große Beweiskraft zu; doch glaubte ich immerhin , meine Pflicht als Berichterstatter erfüllen zu müssen. Ich spreche also den Satz aus: das degenerirende Mark sondertin dieumgebende Scheidehinein eine Flüssigkeit ab. Welcher Natur diese Flüssigkeit ist, darüber kann ich nur Ver- muthungen aussprechen. Doch dürfte immerhin die Annahme, dass man es hier mit einer Eiweilßmodifikation zu thun habe, einige Wahr- scheinlichkeit für sich in Anspruch nehmen. Am 6. und 7. Tage ist der Degenerationsvorgang auf eine bedeu- tendere Höhe gestiegen. Der Zerfall in allerfeinste Bröckel, welche in 1 LEEGARD, Die Entartungsreaktion. Archiv für klinische Med. XXVI. p. 459. Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse ete. 159 Haufen beisammen liegen, anscheinend in einer gelblichen oder gelb- lichröthlichen Flüssigkeit schwimmen, oft die ganze Scheide ausfüllen und meist in ihrem Inneren keinen Achsenceylinder mehr erkennen lassen, beschränkt sich jetzt nicht mehr auf die nähere Umgebung der Verletzungsstelle, sondern hat auch im weiteren centralen und peri- pheren Stumpf an Raum gewonnen. Solche Bröckelmassen liegen auch in dem die Nervenenden verbindenden Granulationsgewebe. Sie sind die Reste der einst dorthin gelangten Myelintropfen. Immer haben sie um sich herum eine helle Zone, welche nichts Anderes sein kann als aus dem zerfallenden Marke stammende Flüssigkeit. An den Kernen der Scuwann’schen Scheiden sieht man noch immer Karyomitosen oder Reste von solchen, doch scheint die Vermehrung um diese Zeit ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Häufig beobachtet man jetzt auch dege- nerirende oder zerfallende Kerne. Auch im Zwischenbindegewebe scheinen Kerntheilungen vorkommen zu können; doch sind dieselben spärlich und leicht von den vorigen zu unterscheiden, weil die Binde- gewebskerne kleiner sind und kein so feines Kerngerüst haben wie die Kerne der Scuwann’schen Scheide. | Zum Schlusse des ersten Theiles meiner Arbeit liegt es mir ob, noch eine Frage zu berücksichtigen, welche von den verschiedenen Forschern in sehr verschiedener Weise beantwortet worden ist: In welcher Richtung, wie weit und in welcher Weise pflanzt sich die Degeneration fort? Während ScHirr, LET, HERTZ, CoLasantı und Eıcunosst angeben, dass der Degenerationsprocess sich gleichzeitig auf der gesammten peripheren Strecke zeige, haben Ranvier und Krause sich dafür ausge- sprochen, dass die Degeneration von den äußersten Verzweigungen des Nerven nach oben steige; endlich geben Nzumann, Tızzonı und v. Büng- NER an, dass der Degenerationsvorgang mit abnehmender Intensität von oben nach unten schreite, d. h. dass er in weiter peripherwärts gele- genen Theilen des Nerven erst später dieselbe Höhe erreicht, wie in den der Schnittstelle näher gelegenen. Meine Untersuchungen haben mich nun dazu geführt, letzteren Untersuchern Recht zu geben. Die Degeneration schreitet thatsächlich peripherwärts fort und erreicht an den Endverbreitungen des Nerven erst Später dieselbe Höhe, als an den mehr centralgelegenen Partien; doch ist hier nur ein Unterschied von wenigen Stunden be- züglich der Ausdehnung des Processes zu beobachten. Obwohl also der Degenerationsvorgang (ich sehe natürlich hier von den direkten Folgen des traumatischen Insultes ab) lange Zeit (—3 Tage) zu seiner Entwicklung braucht, setzt er sich doch, sobald er nur einmal begonnen TREE ER f 160 Albrecht Frh. v. Notthafft, hat, so rapide fort, dass er schon binnen wenigen Stunden die ganze Länge eines Nerven durchlaufen hat. Ich bin zu dieser Ansicht durch Vergleichung der Veränderungen am Ischiadieus (wo die Verletzung gesetzt war) und derjenigen an dem zu diesem Ischiadicus gehörigen Peroneus gekommen. Endlich habe ich noch nachträglich über jene Fälle zu berichten, wo die Ligatur nach der Quetschung des Nerven nicht wieder entfernt wurde. Hier sehen wir dann an der Ligaturstelle den Inhalt der Scnwanvw’schen Scheiden ausgepresst, in derselben Weise, wie dies bei Quetschungen durch die Seidenschlinge mit nachträglicher Entfernung derselben oben schon beschrieben worden ist. Die Umschnürungsstel- len lassen sich makroskopisch schon als stärker geröthet erkennen. v. Büngner hat jedoch Unrecht, wenn er als Ursache die Zusammen- pressung vieler Kerne auf einen engeren Raum annimmt. Wie mich gänzlich entfärbte Präparate, an welchen nur noch die Umschnürungs- stelle geröthet war, lehren, handelt es sich um eine diffuse stärkere Färbung des gesammten Gewebes, das durch die Rosshaarschlinge zu- sammengepresst wird. Ich weiß nicht, ob das bedeutend dadurch alterirte Gewebe die Farbe stärker annimmt, oder ob die Zusammen- pressung die einzelnen Fasern hindert, den einmal aufgenommenen Farbstoff eben so rasch wieder abzugeben. Das Stück zwischen den Schnürringen zerfällt sehr rasch einer sehr intensiven Degeneration. Sonst unterscheiden sich die Veränderungen in nichts von den an an- deren Präparaten geschilderten. II. Die Degenerations- und Regenerationsvorgänge am Nerven vom Auftreten der ersten neuen Nervenfasern bis zu ihrer vollständigen Ergänzung in dem der Untersuchung zunächst unterworfenen Nervenstück. Vom siebenten Tage an bietet der Degenerationsprocess keine wesentlich neuen Erscheinungen mehr. Die Auflösung der noch vor- handenen Markmassen und die nachfolgende Resorption der entstan- denen Flüssigkeit greift rascher und rascher um sich. An manchen Stellen des peripheren Nerventheiles kann man auch jetzt Stücke von alten Achsenfasern nicht gar selten erkennen. Die allmähliche Resor- ption von in den ScawAnn’schen Scheiden enthaltener Flüssigkeit, ruft selbstverständlich eine Volumensverminderung derselben hervor; diese macht sich in einer Fältelung und Schrumpfung der SchwaAnn- schen Scheide bemerkbar. An mit Safranin gefärbten Längs- schnitten oder an Fasern aus Zupfpräparaten sieht man blassrothe Streifen, bald einzeln, bald in größerer Anzahl durch das Innere einer Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 161 Schuwann’schen Scheide ziehen (Fig. 6 und 22); sie sehen den ersten sich bildenden Nervenfasern nicht unähnlich; nur sind sie noch viel blasser und zarter; man kann sie daher leicht mit jenen ver- wechseln und ich gestehe, dass auch mir zuerst dieser Irrthum begeg- nete. — Die Kerne der Scnwann’schen Scheide sind nun sämmtlich ins Innere derselben gerückt. Theilungen scheinen nur mehr in geringer Anzahl vorzukommen. Häufig liegen die Kerne innerhalb oder an der Umgrenzung der sich auflösenden Markmassen, welche unterstützt durch die rascher vorgeschrittene Resorption an anderen Nervenstellen die Scheide oft spindelförmig auftreiben (Fig. 9, 10, 12, 16). Seltener als früher sieht man sie jetzt (mit Ausnahme der eben genannten Stellen) zu mehreren beisammen liegen. Sie sind im Gegentheil aus einander gerückt, wenn auch bei ihrer großen Anzahl die Ent- fernungen oft ganz unbedeutende sind. Nach v. Bünener und Anderen »zeigen sie nun das Bestreben sich in Reihen der Länge nach hinter einander anzuordnen«. Dieser Vorgang ist ganz selbstverständlich , denn die einmal in das Innere der Scheide vorgedrungenen Kerne müssen natürlich hinter einander und in Reihen liegen. Von »zwei und mehre- ren Reihen« habe ich jedoch nie etwas wirklich Beweisendes gesehen. Zu dieser Zeit soll nun, wie v. Büngner angiebt, »ein Theil der proto- plasmatischen Inhaltsmasse eine leicht fibrilläre Beschaffenheit anneh- men«. Diese fibrilläre Streifung bedeute die erste Anlage der neuen Achsencylinder, welche mithin aus dem ursprünglichen Protoplasma der Scuwann’schen Scheiden hervorgehen. Durch Deutlicherwerden der Streifen träten allmählich langgestreifte Bandfasern auf, welche zu einer diskontinuirlichen Bildung der neuen Nervenfasern führen würden. Ich habe fibrilläre Streifungen des die Kerne umgebenden Protoplasmas nicht selten getroffen. Aber auch am Protoplasma der normalen Zellen kommen solche oft streifen- oder netzförmigen Anordnungen vor. An dem vermehrten Protoplasma wird man sie selbstverständlich noch leichter sehen. Mag dem sein, wie ihm wolle, auf jeden Fall kann ich in diesen fibrillären Streifungen nimmermehr eine Anlage eines künftigen Achsencylinders sehen. Da ich die Präparate v. Büngner’s nicht kenne, weiß ich auch nicht, was ihn zu seinen Anschauungen geführt hat. Ich vermuthe jedoch, dass er in vielen Fällen entweder stark entfärbte noch erhaltene alte Achsenfasern oder jene oben erwähnten Fältelungen der Scheide gesehen hat. Letz- tere treten überall da auf, wo das Volumen der Scheiden verringert ist, fehlen meist an Stellen, wo dieselben durch Mark oder Protoplasma aufgetrieben sind und können jungen Achsenfasern zum Verwechseln ähnlich sehen; nur sind sie viel blasser gefärbt und haben meist Fort- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bad. AA 162 Albrecht Frh. v. Notthafft, sätze und Seitenäste, welche letzteren fehlen. (Sehr beweisend ist in dieser Beziehung Fig. 22. Siehe auch die dazu gehörige Anmer- kung!) Ich habe daher die feste Überzeugung, dass v. Bünener’s Angaben auf Beobachtungsfehlern beruhen. Eine diskontinuirliche Bil- dung der neuen Nervenfasern aus dem Protoplasma der Scerwann’schen Scheide undihrer Kernekommitnichtvor. Bevor ich zur Besprechung meiner eigenen Untersuchungen über- gehe, schicke ich einen ganz kurz gefassten Überblick über die Ge- schichte der Regeneration verletzter Nerven voraus: Die Thatsache, dass Nerven nach Verletzungen sich wieder ersetzen können, ist nicht neu. Die ersten Berichte hierüber stammen von CrUIKSHANK !. Seine Angaben wurden von Fontana 2, HAIGTHON 3, STEIN- rück und Anderen bestätigt, und seitdem ist kein Zweifel an der Richtigkeit dieser Beobachtungen mehr erhoben worden. Die Frage jedoch, wie die Regenerationsprocesse zu Stande kommen, hat sich bisher noch nicht in übereinstimmender Weise beantworten lassen. Ja, im Gegentheil! Es dürfte kaum ein zweites Gebiet der pathologi- schen Anatomie geben, auf welchem so viel gekämpft, so viel Hypothesen aufgestellt wurden. Auf jeder zufälligen Beobachtung wurde ein System aufgebaut und die ungeheuerlichsten Behauptungen durch ein oft reiches Aufgebot von Scharfsinn und Gelehrsamkeit zu stützen ver- sucht. Nicht mit Unrecht sagt daher Ranvierr von solchen Autoren: »Leur hypothese elle-m&me leur a souvent tenu lieu d’observation; je veux dire quwiils ont cru reconnaitre dans leurs pr¶tions ce qui de- vait s’y trouver d’apres leur theorie.« | Ich habe mich bisher öfters mit jenem eigenthümlichen Vorgang der Kerntheilung und Protoplasmavermehrung in den Scawann’schen Scheiden zu beschäftigen gehabt. Wenn ich hier noch einmal darauf zurückkomme, so geschieht dies, weil verschiedene Autoren ihn in Ver- bindung mit der Regeneration setzen zu müssen glauben. (Sckirr und ENGELMANN * leugnen überhaupt sein Vorkommen. Letzterer behauptet, nie etwas derartiges gesehen zu haben; ersterer hält den Kernreichthum nur für scheinbar, indem durch das Verschwinden der Markscheide die im normalen Zustande verdeckten Kerne sichtbar würden.) Diese Ver- 1 CRUIKSHANK, Philosophical Transactions of the royal Society of London. 4795. Part. I. p. 477. 2 Fontana, Sur le venin de la vipere. Florence 1784. 3 HaıeTHon, Philosophical Transactions of the royal Society of London. 1795. p. 490. 4 ENGELMANN, Über die Degeneration von Nervenfasern, Ein Beitrag zur Cellu- larphysiologie. PrLüser’s Archiv. XIII. p. 474. Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse et. 163 mehrung soll nach v. Büngner, Ranvier, Eicn#orst und Anderen durch Theilung der alten Kerne erfolgen. Andere Autoren glauben die Kern- vermehrung auf die vermehrten Kerne eingewanderter Leukocyten schieben zu müssen, während Meyer und NEUMANN wenigstens theilweise eine freie Kernbildung annehmen. Während Eıicnnorst und NEUMANN in Verfolgung der Konsequenzen ihrer »Umwandlungstheorie« den gewucherten Kernen natürlich jeden Einfluss auf den weiteren Regene- rationsprocess absprechen, schreiben die meisten übrigen Forscher ihnen sogar eine bedeutende Rolle bei diesem Vorgang zu, wenn auch gleich Niemand so entschieden und unter Bezugnahme auf positive Beobachtungen dies aussprach, wie in allerletzter Zeit v. BÜNGNER. Jedoch nicht nur die Zellen und Kerne der Scuwann’schen Scheide wurden als Bildungsmaterial für die neuen Nervenfasern angenommen: Kaum eines von allen in und um den Nerven vorkommenden Gebilden ist von den Autoren bei ihren Erklärungsversuchen ausgelassen worden. - EruiksHank! glaubt, dass das in der Narbe durch die Verletzung ge- schaffene Blutextravasat neue Nervensubstanz erzeuge. GLuck will an derselben Stelle Spindelzellen ähnliche nervöse Elemente die an- geblich erhaltenen Fasern des centralen und peripheren Stumpfes mit einander verbinden gesehen haben. GÜntHEr und Schön? haben als Bildungsmaterial »plastische Lymphe« angegeben, während LavErAn und Herz an einer hohen Bedeutung der farblosen Blutkörperchen fest- halten. Auch die Zellen des Bindegewebes (Endo-, Peri- und Epineu- rium) wurden von einer nicht kleinen Anzahl von Forschern in ursächlichen Zusammenhang mit der Regeneration gebracht. So geben (von Anderen abgesehen) HyzLr, Vırcuow® und Förster? im Verlaufe des Regenerationsprocesses eine Vereinigung der in Reihen angeordneten Spindelzellen zu neuen Fasern an. Eicunorst und Neumann wollen eine chemische Umwandlung von Mark und Achsencylinder in eine Masse, welche diese Differenzirung nicht mehr möglich mache, be- obachtet haben. Indem diese Masse sich später wieder differenzire, entstünden die neuen Achsenfasern. Aus einer protoplasmatischen Masse, welche die Scawann’schen Scheiden erfüllt, lässt auch Caranı die neuen Nervenfasern hervorgehen. Eine große Menge von Forschern I The regenerating nerve like bone in the same situation, converting the whole of the surrounding extravased blood into its own substance. 1. c. p. 197. 2 GÜNTHER u. ScHös, Versuche und Bemerkungen über Regeneration der Ner- ven und Abhängigkeit der peripherischen Nerven von den Centralorganen. MÜLLER’S Archiv. 1840. 3 VırcHow, Die krankhaften Geschwülste. 4 FORSTER, Über das Neuroma verum. Würzburger medicinische Zeitschrift. 4864. p. 103, 44* 164 Albrecht Frh. v. Notthafft, bringt den alten Achsencylinder in Beziehung zur Erzeugung der neuen. WALLER, Bruch und Rrmak sprechen von einer Spaltung desselben, und zwar geben die Ersteren dies von den Fasern des centralen Stumpfes an und lassen die dadurch erhaltenen Fibrillenbündel die ganze peri- phere Strecke bis zu den äußersten Nervenendigungen durchwachsen, während Letzterer den Ort der Entstehung der neuen Fasern in das periphere Stück verlegt. Korysutt - Dıszkıewicz — der übrigens noch zwei andere Entstehungsarten an demselben Nerven gefunden hat — schließt sich zum Theil den letztgenannten Autoren an. Bezüglich der Richtung des Regenerationsganges geben WALLER, Bruch und Ranvier an, dass von den erhaltenen Achseneylindern des centralen Stumpfes aus durch allmähliches Verwachsen derselben in den degenerirten Nerventheil bis zu dessen letzten Verzweigungen die Regeneration zu Stande komme. Diese Theorie, welche unseren histo- logischen und entwicklungsgeschichtlichen Vorstellungen gar keinen Zwang anthut, war aber viel zu einfach und prunklos, als dass man sie so leicht angenommen hätte; und so sehen wir denn, dass eine Unmasse Gegenansichten sich geltend machte. PuıtLıpeaux und Vurrian haben zuerst den Satz ausgesprochen: »Les nerfs separ&s des centres nerveux peuvent apres etre alteres completement, se reg&nerer et recouvrer leurs proprietes physiologiques, tout en demeurant isoles de ces centres,« diesen Satz durch experimentelle Beobachtungen gestützt und auf diese Art das Vertrauen zu den Warzer’schen Angaben schwer geschädigt. Ihr berühmtester Versuch ist folgender: Sie haben (zweimal) den Lin- gualis eines Hundes unter die Haut der Inguinalgegend gebracht und wollen dann nach einigen Monaten Regeneration der transplantirten Nervenstücke gesehen haben, obwohl die letzteren ohne jeden Zusam- menhang mit den Centralorganen geblieben sein sollen. Wie diese Beiden, lassen auch Remar, Caranı und LreGcArp die neuen Nerven in der peripheren Strecke entstehen. — Aber auch vom intermediären Narbengewebe aus sollen sich neue Fasern entwickeln. Und es sind keine gewöhnlichen Stimmen, welche diesen uns auf dem Boden der modernen Entwicklungsgeschichte und pathologischen Anatomie Stehenden vielleicht zunächst nicht recht wahrscheinlichen Satz ver- kündet haben, sondern ernste Männer der Forschung, Koryphäen unserer Wissenschaft. Zu dieser Menge von Theorien hat nun zuletzt v. BÜüngNEr eine neue gebracht. Er verwirft sowohl die Waırrer’schen Angaben, als auch die derjenigen Forscher, welche die neuen Fasern von der Peri- pherie nach den alten Fasern hin centripetal wachsen lassen. Die neuen Nervenfasern sollen nach ihm diskontinuirlich in allen Theilen des der Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 165 Degeneration verfallenen Nervenstückes aus dem Protoplasma der Schwann’schen Zellen entstehen. Der Regenerationsprocess sei bezüg- lich seiner Intensität in der Nähe des Centrums stärker als in der Nähe der Peripherie. »Es ist sonach «, fährt v. Bünener wörtlich fort, » von vorn herein ein kontinuirlicher Zusammenhang zwischen den alten Fasern im centralen Nerventheil und den in nächster Nähe neugebil- deten gegeben, wie andererseits auch die neugebildeten Fasern des cen- tralen Stumpfes mit denen am Orte der Verletzung und denen im peripheren Nervenabschnitt gleich nach ihrer Entstehung zusammen- hängen (l. c. p. 56 und 66). Nach dieser geschichtlichen Unterbrechung, welche ich einzu- flechten für nothwendig hielt, kehre ich zur Darstellung meiner eigenen Beobachtungen zurück. Am achten oder neunten Tage nach der Operation tritt eine neue hochbedeutsame Erscheinung in den Vordergrund des Interesses. Wäh- rend nämlich die oben geschilderten (siehe den Beginn dieses Kapitels!) Degenerationsprocesse sich abspielen, zeigen sich an der Grenze von gesundem und pathisch verändertem Nerventheildie ersten neuen Nervenfasern. Dieselben färben sich mit Safranin (Fig. 10) hellroth bis dunkelroth, zeigen im Centrum, wo die Fixi- rungsflüssigkeit nicht recht eingedrungen ist, etwas bizarre Formen, an der äußeren Grenze dagegen verlaufen sie mehr bandartig; immer sind sie etwas wellenförmig gebogen. Mit Osmium (Fig. 17) behandelt werden sie lichtgrau und stets etwas breiter befunden. Sie sind von Anfang an mit den erhaltenen Fasern des centralen Stumpfes verbunden, aus welchen sie hervorwachsen. Zuerst nur spärlich, wird ihr Auftreten später ein massenhaftes. Nicht alle Nervenfaserstümpfe beginnen zu gleicher Zeit Fortsätze zu treiben, und es scheint, dass die gröberen Fasern später die Fähigkeit sich wieder zu erzeugen gewinnen als die feineren. Außer an dieser Grenze ist im gesammten übrigen Nervengebiet um diese Zeit noch keine Spur von neugebildeten Fasern zu sehen. Der angegebene Termin gilt nur für partiell durchschnittene oder mittels Ligatur gequetschte Nerven. Nach Resektionen und be- sonders nach Verbrennungen kann sich der Eintritt der Regeneration bedeutend verzögern. In den nächsten Tagen schreitet der Process unter allmählicher - Zunahme der Faserzahl langsam gegen die Narbe, beziehungsweise Umschnürungsstelle zu, an welcher er ungefähr am 12. Tage angelangt ist. Die neuen Fasern werden dabei in der Gegend ihres Ursprungs allmählich dicker. Sie färben sich nach den Methoden von Pır und WEIGERT und zeigen, wenn sie mit Fremming’schem Säuregemisch be- Au, 166 | Albrecht Frh, v. Notthaftt, handelt worden waren, einen schmalen grauen Saum. Das Vorwachsen geschieht natürlich nicht in einer gleichmäßig gerichteten Reihe wie etwa bei einem Frontaufmarsch eines exereirenden Truppenkörpers, sondern da die neuen Fasern natürlich um so rascher vordringen können, je stärker die vis a tergo und je geringer der entgegengesetzte Widerstand ist, so kann man an einigen Stellen Fasern sehen, welche den anderen bedeutend vorausgeeilt sind. Besonders sieht man öfters eine Verschiedenheit des Regenerationsfortschrittes zwischen den ein- zelnen Bündeln. Jedoch auch am 12. Tage sind weder an der Um- schnürungsstelle, noch auf der ganzen peripheren Strecke neugebildete Nervenfasern zu sehen. Am 13., 4%, und 15. Tage wachsen die Nerven durch das Um- schnürungsgebiet hindurch und haben längstens an letzterem Tage das- selbe vollständig durchsetzt. War statt der Quetschung Durchtren- nung des Nerven ausgeführt worden, so verzögerte sich der Process nicht so bedeutend als man erwarten sollte. Denn die junge Narbe ist noch sehr nachgiebig, und andererseits sind jedenfalls die Widerstände in den oft vollständig collabirten Scheiden der Umschnürungsgegend auch nicht gering. Am 15., spätestens 16. Tage ist auch in diesen Fällen die Narbe fast immer durchsetzt. Am Übergang vom centralen Stumpf ins Narbengewebe schlängeln sich die neuen Nervenfasern stärker, weichen zur Seite aus, brechen blindlings ins Gewebe hinein und können sich hier so verwirren, dass ein förmliches Netzwerk ent- steht. Die Ursache für diese Erscheinungen liegt nahe: den vom Gentrum herkommenden Nervenfasern wird in der Narbe ein größerer Widerstand entgegengesetzt; sie müssen daher zur Seite ausweichen, und da sie zwischen den Zügen des Narbengewebes keine breite Straße mehr finden, so ist es erklärlich, dass sie den Weg verfehlen und sich mitunter geradezu verfilzen. Gelangen sie schließlich dennoch in das periphere Stück, so setzen sie sich dort eben so gerade fort, wie sie es früher im centralen Stück gethan haben, da ja der Widerstand jetzt dem an letzterer Stelle wieder gleich geworden ist. Verfolgt man eine solche neugebildete Nervenfaser genauer und lässt dabei die Formen und Farben derselben, auf welche ich an anderer Stelle zurückkommen werde, unberücksichtigt, so lässt sich ein Dreifaches feststellen: I) die neuen Fasern verlaufen (an Umschnürungspräparaten durchaus und an Ineisions- präparaten wenigstens bis zur Narbe) ausnahmslos im Innern der alten Scuwann’schen Scheiden. Es ist dies ja eigentlich selbstverständlich, da kein Grund vorhanden ist, warum die Fasern eine so bequeme Straße, wie sie die bis dahin ganz intakten Neue Unters, über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 167 Scawann’schen Scheiden bilden, nicht einschlagen sollten. Setzt man dagegen ihrem Vorwachsen Widerstand entgegen, sei es in Gestalt einer zu ausgedehnten und zu straffen Narbe oder einer liegengebliebenen Ligatur, so können sie die Scheiden durchbrechen, aber erst unmittel- 'bar vor dem Hindernis, und ins Nervenzwischenbindegewebe oder ins Perineurium gelangen. Ja ich habe sogar einen Fall beobachtet, wo nach Resektion eines I cm langen Stückes aus der Kontinuität des Nerven das zwischen den beträchtlich retrahirten Stümpfen ausge- spannte Narbengewebe den neuen Fasern den Weg nach der Peripherie total verlegt hat. Diese brachen daher, nachdem sie zuerst am Anfang der Narbe in bekannter Weise sich verwirrt hatten, bündelweise durch Epi- und Perineurium, faserten sich außerhalb des alten Nervenstranges in eine große Anzahl makroskopisch sichtbarer feinster Nervchen auf, welche sich nach kurzem Verlaufe im nächstgelegenen Bindegewebe und zwischen den benachbarten Muskeln verloren und nicht mehr weiter verfolgt werden konnten. Das periphere Stück (es handelt sich um ein Präparat vom 30. Tage) war in seiner vollen Ausdehnung atro- phisch geblieben. — Es liegt nahe, dass die einmal aus den SchwAnn- schen Scheiden ausgetretenen Nerven, auch wenn sie das periphere Stück erreichen, auch hier des öftern den richtigen Weg in die alten Scuwann’schen Scheiden nicht mehr finden und dann, eine Zeit lang „wenigstens, im Zwischenbindegewebe verlaufen, bis sie entweder an anderer Stelle wieder in die Scheiden eindringen, oder bei zu großen Widerständen und erlahmender vis a tergo liegen bleiben und weiter peripher gelegene Nervenstrecken nicht mehr erreichen. Daraus kann man ganz zwanglos den Satz ableiten: Je weniger Widerstand dem Regenerationsprocess entgegengesetzt wird, desto mehr wird er sich innerhalb der alten Scawanv'schen Scheiden abspielen. Jestärker der Widerstandist, desto häufigertritt das Gegentheil ein. Ich glaube daher, dass Van- Laır! ganz richtig beobachtet hat, wenn er nach ausgedehnten Resek- tionen den letzteren Fall als in der Mehrzahl vorkommend angiebt. 2) Das dieNervenstümpfe verbindende Narbengewebe verhältsich in keiner Weise anders, als das sonst vorkommende typische sich aus Granu- lationen entwickelnde Narbengewebe. Ich habe nie die mindeste aktive Betheiligung dieses Gewebes gesehen. Es unter- - stützt nicht nur nicht den Faserbildungsprocess, sondern hemmt ihn sogar, was aus dem Angegebenen klar ersichtlich sein dürfte. Ich kann daher alle die Angaben jener vielen Autoren, welche 1 VanzAır, De la r&generation des nervs peEripheriques par le procede& de la suture tubulaire, Archives de Biologie. 1882. p. 379, 168 Albrecht Frh. v. Notthafft, in dem Narbengewebe autochthone Neubildungen von Nerven in irgend welcher Weise gesehen haben wollen, in keiner Weise bestätigen. 3) Die neugebildeten Fasern ziehen von einem Kern zum anderen, dieselben rosenkranzförmig aufreihend. Dadurch entsteht ein Bild, welches sehr wohl zu der Deutung Anlass geben konnte, als handle es sich hier um eine Verschmelzung, reihenweise angeordneter Spindel- zellen, oder um eine (diskontinuirlich) auftretende Verbindung durch Protoplasmafortsätze, welche sich aus dem Inhalt der Scuwans’schen Scheide gebildet hätten. Darauf sind daher auch die Beobachtungen jener Forscher zurückzuführen, welche regenerative Spindelzellen aus den Kernen des Protoplasmas oder aus Blutkörperchen hervorgehen lassen. Wir haben es also mit Beobachtungsfehlern zu thun. Wie ich in Übereinstimmung mit v. Büngner berichten kann, rücken die ge- wucherten Kerne der Scawann’schen Scheide in das Innere der letzteren vor; außerdem wird durch Resorption des von denselben umschlossenen flüssigen Inhaltes der Raum innerhalb derselben bedeutend verringert. Endlich scheinen auch die Kerne den Kontakt mit neuen Fasern direkt aufzusuchen. (Ich werde darauf bei der Besprechung der Neubildung der Scuwann’schen Scheide noch einmal zurückkommen.) Aus diesen drei Gründen erklärt sich, warum die Kerne den neuen Fasern so innig an- und aufliegen. Denn nur um ein An- und Auflagern, nicht um eine Verbindung von Kern mit Kern durch irgend welches Gewebe, be- ziehungsweise Masse, handelt es sich, wie man deutlich bei genauerer Verfolgung der Fasern sehen kann. Dann beobachtet man sehr bald. wie eine Faser, welche soeben ein paar Kerne verbunden hat, jetzt neben einem solchen, dicht an denselben angeschmiegt hinzieht, um gleich darauf über ein paar Kerne hinwegzulaufen. Besonders gut ist das an WEIıGErT-Präparaten zu sehen (Fig. 20), wo die gleiche blass- rothe Färbung von Kern und Faser nicht stört, wie an nach FrLenmin- scher Methode behandelten Nerven, sondern die Faser dunkelblau oder schwarz, der Kern dagegen lichtgrau oder hellbraun ist. Da solche Bilder sehr instruktiv sind, ist es um so ärgerlicher, dass man sie so sehr selten trifft. Denn werden die Zellkerne braun gefärbt, was in der Mehrzahl der Fälle geschieht, so kennt man sie meist nicht von dem umgebenden Gewebe weg; färben sie sich dagegen grau, so bin wenigstens ich immer im Zweifel gewesen, ob ich es nicht doch mit einem Artefact zu thun hätte. Am 16. und 17. Tage schreitet der Regenerationsprocess in der geschilderten Weise weiter, bis endlich am 18. Tage das ganze der Untersuchung von mir zunächst unterworfene Nervenstück (?/, em diesseits und jenseits der Verletzungsstelle) von neugebildeten Fasern Neue Uuters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 169 durchsetzt ist. Nicht alle von mir beobachteten Bilder entsprechen ganz genau diesem Schema. Bald wachsen die Fasern etwas langsamer, bald etwas schneller. Sehr oft wachsen sie unregelmäßig, indem ein Bündel innerhalb seines Epineuriums weiter fortgeschritten ist als ein daneben liegendes; immer sieht man einzelne Fasern den übrigen vorauseilen; nie habe ich jedoch zu dieser Zeit an irgend einer Stelle des ganzen peripheren Nervenverlaufes unterhalb der jeweiligen Regenerations- grenze auch nur eine neugebildete Faser getroffen. Ich habe in vielen Fällen zu diesem Zwecke den Ischiadicus von dieser Grenze bis hinab ins letzte Drittel des Peroneus einer genauen mikroskopischen Unter- suchung unterworfen. Ich konnte außer an den angegebenen Stellen nichts entdecken. Und wenn v. Büngner auch | sagt, dass die neugebildeten peripheren Nervenfasern gleich nach ihrer Entstehung aus den Protoplasmabändern sich mit den "auf gleiche Weise weiter oben entstandenen Fasern verbänden, so müsste es doch eine Zeit geben, wo diese Vereinigung noch nicht zu Stande gekommen ist, wo man beson- ders an Zupfpräparaten noch nicht zusam- menhängende Fasern sehen würde, falls sich diese Fasern thatsächlich, wie v. BÜnGNER angiebt, diskontinuirlich entwickeln sollten. Ich wiederhole, dass mir Bilder, welche mit Sicherheit ein derartiges Verhalten gezeigt hätten, nie zu Gesicht kamen. Aus diesen Gründen und weil ich schon oben dargelegt habe, dass die angebliche Bildung von Bändern und Streifen im Protoplasma auf Verwechslungen beruhen muss, kann ich die Theorie dieses Autors, bezüglich der Regene- rationsweise der Nervenfasern nicht be- stätigen, sondern schließe mich mit folgen- dem Satze Bruch, WALLEerR und Ranvier an: »Die Regeneration eines durch Ver- letzung zur Degeneration gebrach- ten Nerven entsteht durch allmäh- Fig. 1. Schema des Vorwachsens der liches Vorwachsen der erhaltenen ee ie alten Fasern des centralen Stum- pfes, anfangend am centralen Stumpfundendigendinden äußersten Verzweigungen des betreffenden Nerven.« 170 Albrecht Frh. v. Notthafft, Auf Grund der gleichen Beobachtungen muss ich aber auch gegen alle übrigen Theorien, welche eine diskontinuirliche Nervenbildung, oder gar eine von der Peripherie centripetal fortschreitende Regene- ration annehmen, entschieden Front machen. Beides kommt nicht vor. Ich darf andererseits nicht verschweigen, dass ich bei Untersuchungen am Auricularis magnus sehr eigenthümliche Bilder gesehen habe, welche mich an die Angabe von Krause und FRIEDLÄNDER !, dass gewisse sensible Fasern sich centripetal regeneriren, erinnerten. Doch war diese Beobachtung zu vereinzelt, wurde nie durch Präparate vom Ischiadieus bestätigt, und sind endlich auch Beobachtungen am Auri- cularis magnus nicht mit dieser Exaktheit und Leichtigkeit auszuführen wie an letzterem Nerven, so dass ich also mit der Erwähnung dieses einen Falles nur meinen Pflichten als Berichterstatter nachkommen wollte, aber durchaus nicht so verstanden werden möchte, als beab- sichtigte ich etwa die Krause -Friepränner’'schen Angaben zu bestä- tigen. Ich habe im Vorausgehenden den direkten Beweis für die Richtig- keit der Bruch - Warzer’schen Theorie gebracht, indem ich tiber meine positiven Versuchsergebnisse berichtete; ich werde im Folgenden auch den indirekten hiezu liefern, indem ich versuche, überhaupt jede Theorie von einer diskontinuirlichen Nervenneubildung, sowie die wenigen noch übrig bleibenden Sonderansichten einzelner Forscher ad absurdum zu führen. Ich werde mich dabei mit den v. Bünexsr’schen Hypothesen nur noch in so weit zu beschäftigen haben, als auch sie eine diskontinuirliche Regeneration behandeln. Da ich aber dabei des öftern auf die Frage des »trophischen« Einflusses, welcher von den in den Vorderhörnern des Rückenmarkes befindlichen Ganglienzellen auf die motorischen Nerven und von den Spinalganglien aus auf die sensiblen ausgeübt wird, werde zu sprechen kommen, so möchte ich zuerst mit einigen Worten meine Stellungsnahme zu dieser Frage Klar legen. Ich sehe dabei von der oben erwähnten Krause - FriEDLÄNDER- schen Hypothese vollständig ab. Obwohl die Thatsache der Degeneration eines Nerven bei Auf- hebung des trophischen Einflusses seiner zugehörigen Zelle (z. B. nach Verletzungen) schon seit Nasse bekannt ist, liegt doch über der Frage, worin dieser »trophische« Einfluss besteht und wie er den peripheren Nerventheilen übermittelt wird, wenn ich recht berichtet bin, noch 1 F, KrAUSE u. FRIEDLÄNDER, Über Veränderungen der Nerven und des Rücken- markes nach Amputationen. Fortschritte der Medicin. IV. p. 749. — Krause, Über aufsteigende und absteigende Nervendegeneration. Verhandl. der physiologischen Gesellschaft zu Berlin. 4887. Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse ete. 171 ziemlich viel Dunkelheit. Und doch glaube ich, dass sich Manches ganz leicht erklären lässt, wenn man nur an dem Satze festhält, dass der größte Theil der Rückenmarksnerven nichts ist als der periphere Aus- läufer einer central gelegenen Zelle. Die Zelle ist also gewissermaßen der Körper, der davon ausgehende Nerv nur die Extremität. Und wie der Körper die zur Erhaltung des Lebens und zum Wachsthum des Gesammtorganismus nothwendigen Organe und Vorrichtungen besitzt, so dass er die Extremität ernähren muss, ja bei gewissen Reptilien z. B. auch an Stelle der abgeschlagenen Extremität eine neue hervor- sprossen lassen kann, während umgekehrt die Extremität weder bezüg- lich des Wachsthums, noch bezüglich der Ernährung von unmittelbarem Einfluss auf den Gesammtorganismus ist, so kann auch die Zelle wohl eine neue Nervenfaser, aber nicht die letztere (die abgeschlagene Ex- tremität) eine neue Zelle oder andere Nervenfaser bilden; sie muss atrophiren, eben so wie das abgeschlagene Glied des Reptils zu Grunde geht. — Ziemlich leicht ist die Frage zu entscheiden, durch welches Vehikel der »trophische« Einfluss auf die peripheren Nervenstücke und Endigungen übertragen wird. Geht man per exclusionem vor, so ergiebt sich a priori, dass hierbei natürlich an die bindegewebigen Hüllen des Nerven nicht zu denken ist. Die Thatsache ferner von Systemdegene- rationen im Gehirn und Rückenmark, wo ja keine Schwann’schen Scheiden vorhanden sind, schließt letztere ebenfalls aus. Auch das Nervenmark übermittelt nicht den »trophischen« Einfluss, wie aus der Beobachtung, dass auch marklose Fasern nach der Abtrennung von ihrem Centrum der Degeneration anheimfallen, sowie der Diskontinui- tät der Markscheide in Folge der Ranvıer’schen Einschnürungen, zweifel- los erhellt. Es bleibt also nichts mehr übrig, als der Achsencylinder. Und in der That ist dieser, der eigentliche Zellfortsatz, auch der Träger des »trophischen « Einflusses. Zwischen diesen Erfahrungslehrsätzen und jeder Theorie einer diskontinuirlichen Nervenneubildung besteht nun ein schreiender Wi- derspruch, welcher jedem unbefangenen Beobachter sofort auffällt. Demnach brauchte der gesunde Nerv seinen Zusammenhang mit der Rückenmarkszelle so sehr, dass er nach Trennung von derselben un- fehlbar der Degeneration anheimfällt, das viel zartere Gebilde der jun- gen Nervenfaser könnte sich dagegen ursprünglich ohne Zusammenhang mit den Rückenmarkszellen entwickeln. Dieser Widerspruch wurde auch von manchen Autoren gefühlt, wesshalb sie annahmen, dass eine im degenerirten Nerven auftretende Substanz fähig sei, die zu Grunde gegangenen Achsencylinder in ihrer Funktion, den trophischen Einfluss zu übermitteln, zu ersetzen. 172 Albrecht Frh. v. Notthaftt, Um nun in dieser Frage mir Gewissheit zu verschaffen, führte ich eine Operation aus, welche von der zur Degeneration gebrachten peri- pheren Nervenstrecke jeden »trophischen« Einfluss dauernd abzuhalten geeignet ist: nämlich die Quetschung des Ischiadicus durch zwei lie- gen bleibende Ligaturen. In der Folge muss das gesammte Ner- venstück, welches peripher von der ersten Ligatur liegt, der Degene- ration anheimfallen. Jeder »trophische« Einfluss muss für dasselbe abgeschnitten sein. Die Doppelligatur wählte ich desshalb, damit nicht, falls die herandrängenden neuen Fasern die erste Umschnürung spren- gen würden, sie nun ungehindert in die Peripherie weiter eilen könn- ten. Meine Besorgnis erwies sich als überflüssig. Die mikroskopische Untersuchung von Längsschnitten vom 15.—25. Tage, also einer Zeit, wo die Regeneration im peripheren Nervenstück aufgetreten sein muss, ergab in allen Fällen eine Faserneubildung bis zur er- sten Ligaturstelle, dicht an die letztere reichend. Auf der ganzen übrigen peripheren Nervenstrecke war auch nicht eine neue Faser zu sehen. Dieser Befund scheint mir eine diskontinuirliche Nervenneubildung auszuschließen. Denn: Es frägt sich, ob man zur Wiederherstellung der Nerven in dem degenerirten Stück einen centralen Einfluss annehmen will oder nicht. So unwahrscheinlich es an und für sich zwar ist, dass wohl der aus- gebildete Nerv, um weiter leben zu können, diesen »trophischen« Ein- fluss braucht, das viel zartere und empfindlichere Gebilde des sich regenerirenden Nerven dagegen nicht, so halte ich doch dafür, dass nur bei dieser Annahme eine diskontinuirliche Nervenbildung Geltung haben kann. Denn wenn z. B. jene Fälle von Regeneration in Nervenstücken, welche entweder vollständig isolirt oder wenigstens jedes Zusammen- hanges mit den Gentralorganen beraubt waren, für die Thatsache einer diskontinuirlichen Nervenneubildung beweisend sein sollen, so müssen diese Nerventheile die Fähigkeit haben, ohne jeden »trophischen Ein- fluss« aus sich selbst heraus neue Nervensubstanz zu entwickeln. In der That wäre ein anderer Erklärungsversuch unmöglich, da ja die be- treffenden Nerventheile, wie die Autoren angeben, vollkommen isolirt von centralen Einflüssen geblieben sein sollen. Es ist hiermit klar, dass sich die Unabhängigkeit von centralen Einflüssen und die Mög- lichkeit einer diskontinuirlichen Nervenneubildung zu einander verhal- ten wie Datum und Thesis, und dass die letztere bei Ausschluss der ersteren nicht mehr bestehen kann. Wie stimmen mit dieser Forderung die Ergebnisse meiner Umschnürungspräparate überein? Wenn die Annahme, dass die neuen Nervenfasern sich unabhängig von centralen Neue Unters, über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse et. 173 Einflüssen an jedem beliebigen Orte innerhalb der degenerirten alten Fasern aus dem protoplasmatischen Inhalt der Scawann’schen Scheide oder irgend einem anderen Stoffe entwickeln könnten, richtig wäre, dann müssten in meinen Präparaten neugebildete Fasern im peripheren Nervenstück oder zwischen den Knoten zu sehen sein, was aber nie der Fall war. Das Ausbleiben der Regeneration in Strecken, welche zur gleichen Zeit an auf gleiche Weise verletzten, aber nicht dauernd ligirten Nerven so gut wie immer aufzutreten pflegt, beweist, dass das- selbe dem Absperren der peripheren Strecke von ihrem trophischen Centrum zuzuschreiben ist. (Das für Bruch, WALLER, Ranvisr und mich entscheidende Moment des mechanischen Hindernisses kommt ja bei Annahme einer diskontinuirlichen Bildung nicht in Betracht.) Die peri- phere Nervenstrecke ist also auch bei der Regeneration nicht unab- hängig von den central gelegenen Theilen. Daraus geht nach dem oben Gesagten auch die Unmöglichkeit einer diskontinuirlichen Nervenneu- - bildung hervor. Soll dagegen zur Regeneration der zu Grunde gegangenen Nerven ein »trophischer« Einfluss nothwendig sein (wohl die Ansicht der meisten Forscher), so ist es nach dem oben Gesagten klar, dass derselbe nur durch den Achsencylinder übertragen werden kann. Bei diskontinuirlicher Ner- venbildung müssten daher, um die des »trophischen« Einflusses beraub- ten peripherischen Degenerationsbezirke wieder in einen zur Neubil- dung von Nervenfasern nothwendigen Zustand zu versetzen, die allein über diesen Zustand verfügenden Achsencylinder des centralen Stückes überall dahin, wo diskontinuirlich neue Nervenfasern gebildet werden sollen, vorwachsen. Daraus geht aber ein Doppeltes hervor: 4) Ein Hineinwachsen der centralen Fasern in das degenerirte periphere Sttick ist unter allen Umständen nothwendig. 2) Wenn aber diese Fasern einmal an den verschiedensten Stellen des peripheren Stückes sich befinden, ist eine außerdem noch vorhandene diskontinuirliche Faser- bildung ganz unnöthig, um nicht zu sagen sinnlos. (Auch kann ich mir nicht recht vorstellen, wie man solche in loco diskontinuirlich und kon- tinuirlich durch Auswachsen gebildete Achsencylinder, welche gleich- zeitig vorhanden wären, mikroskopisch aus einander halten soll.) Diese Deduktionen dürften zeigen, dass auch bei Annahme der Nothwendig- keit des »trophischen« Einflusses, eine diskontinuirliche Nervenbildung nicht vorkommt. Einem so geistreichen Forscher wie Neumann konnte der Wider- spruch, welcher zwischen der Annahme einer diskontinuirlichen Ner- venbildung und unseren Vorstellungen von der Abhängigkeit der Ner- ven von ihren »trophischen« Zellen besteht, nicht verborgen bleiben. 174 Albrecht Erh. v. Notthafit, Er verwendet daher — wenn ich ihn recht verstehe — Beobachtungen, welche er gemacht haben will, zu der Hypothese, dass der die diskonti- nuirlich gebildeten jungen Achsencylinder verbindende protoplasmati- sche Inhalt der Scuwannw’schen Scheiden fähig sei, trophischeEinflüsse zu übermitteln, oder wie er selbst sich vorsichtiger ausdrückt: »es würde somit der Fall vorliegen, dass sich eine in einem Nerven eingeschaltete, nicht specifisch differenzirte Protoplasmamasse als fähig erweist, die »trophische« Verbindung mit dem Centrum zu unterhalten«. Ich sehe davon ab, dass diese Hypothese, welche von NEumanx zur Stützung einer anderen Hypothese aufgestellt ist, durch eine bezüglich ihrer Beweiskraft sehr fragwürdige Beobachtung veranlasst ward. Ich habe gegen Nrumann’s Annahme vor Allem Folgendes anzuführen: 1) die aus dem Marke stammende Flüssigkeit erstreckt sich nicht durch die ganze Kontinuität des degenerirenden Nerven, sondern sie ist da und dort durch das Protoplasma der Kerne der Scawann’schen Scheide unter- brochen. Dadurch muss auch der »trophische« Einfluss, welchen sie angeblich ausüben soll, unterbrochen werden. 2) habe ich mich über- zeugt, dass gerade zu der Zeit, wo sich die neuen Fasern bilden, also der »trophische« Einfluss des Scheideninhaltes nothwendig würde, eine theilweise oder an einzelnen Stellen auch vollständige Resorption des Vehikels für den »trophischen« Einfluss eintritt. Bezüglich der Neumans-Eıicnnorst’schen » Umwandlungstheorie« habe ich das Nöthige bei der Besprechung der Degenerationsvorgänge schon gesagt. Ich wiederhole noch einmal, dass sie vollständig unbe- wiesen geblieben ist und füge noch hinzu, dass auch für sie die eigen- thümlichen Protoplasmawucherungen, welche sich zwischen die Mark- flüssigkeit einschieben, sowie die späteren Resorptionsvorgänge gegen- beweisend sind. Wenn endlich Neumann die Angriffe des gegen seine »bizarre« Theorie ankämpfenden Ranvier dadurch abzulenken sucht, dass er sagt: »Es ließe sich ein kontinuirliches Fortwachsen der jungen Fasern (vom Centrum nach der Peripherie) auch durch eine kontinuirliche fortschreitende Umbildung des Inhaltes der degenerirten Fasern erklä- ren«, so ist dies eine Hypothese, gegen welche man zwar nicht leicht einen Gegenbeweis wird aufbringen können, welche anzunehmen je- doch absolut kein Grund vorliegt. Man hat außerdem noch drei Einwände gegen die BrucH-WALLER- Ranvıer’sche Theorie erhoben: 1) die bekannten Fälle von PrıLıpzaux und Vurpıan (siehe oben). 2) Man hat in vielen Fällen nach Durch- schneidungen eines Nerven in der Narbe zwischen den beiden Stüm- pfen keine Nervenfasern gesehen, wo solche im peripheren Theil vor- a A Neue Unters. über den Verlauf der Degeneraätions- und Regenerationsprocesse etc. 175 handen gewesen sein sollen; oder es waren dieselben hier früher aufgetreten, als dort. 3) endlich gehören hierher die Beobachtungen Weısmann’s!, Försıer’s und Vırcnow’s, welchen zufolge in Neuromen eine diskontinuirliche Nervenbildung vorkommt. A) In Betreff der Pnızirzaux-Vurpian’schen Versuche habe ich schon oben erklärt, dass die eines trophischen Einflusses beraubten Nerven- stümpfe unmöglich aus sich heraus neue Nervensubstanz erzeugen können. Wenn daher die beiden Autoren in den transplantirten Lin- guales regenerirte Fasern gesehen haben, muss hier — vorausgesetzt, dass überhaupt keine Irrungen vorliegen — von außen eine Hinein- wucherung von Fäserchen stattgefunden haben. Diese Annahme ge- winnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man berücksichtigt, dass Paıtipeaux und Vurpıan die besagten Nervenstücke nicht wochen-, sondern monate- lang unter der Haut der Inguinalgegend gelassen haben. Wie will man da nach so langer Zeit noch als sicher bestimmen können, dass in den Nerven keine mit dem Centrum zusammenhängenden Fasern hinein- gewachsen sind! Mit anderen Worten: die genannten Versuche be- weisen wohl die Thatsache einer Regeneration, das »wie« derselben lassen sie jedoch unaufgeklärt. 2) Wie ist das Fehlen der Regenerationszeichen innerhalb der Narbe bei regenerirtem Centrum und regenerirter Peripherie zu er- klären? Ich glaube, dass es sich hier um Beobachtunssfehler handelt. Ich selbst habe derartige Bilder an mit Seide gequetsghten Nerven auch nicht ein einziges Mal, dagegen sehr oft an wieder vereinigten durch- schnittenen oder durchbrannten Nerven gesehen. Die Erklärung hierfür ist äußerst einfach: Bei dieser letzteren Art von Versuchen bildet sich ein Narbengewebe, durch welches die neuen Achseneylinder nicht so einfach durchdringen können, wie durch das Lumen von Scnwannv’schen Scheiden. Die- 7 selben müssen daher vielfach ausweichen und umbiegen, um so in einzelne Bündel ge- 2) | theilt, in verschieden tiefen ERDE STUT RUE SE BERN NEHME RENT RETTEN Lagen sich durch die Narbe Fie. 2. hindurchzuschieben. Voll- zieht sich dieser Vorgang so, wie auf Schema I und II versinnlicht ist, so ist es klar, dass man bei einem Längsschnitt durch den Nerven in der Höhe AB auf der Strecke x keine Nerven zu Gesicht bekommt, - 4 Weısmann, Zeitschr, für rationelle Mediein. 4859, p. 209. a Br A ET TE 6 ' 176 Albrecht Frh, v. Notthafft, dagegen solche im peripheren und centralen Verlauf des Nerven. Für meinen Erklärungsversuch spricht auch die Art und Weise, wie solche Nervenbündel in die Narbe wachsen. Es handelt sich hier nämlich nicht um das allmähliche Seltenerwerden einzelner Fasern, wie man es beim Vordringen der Regeneration beobachten kann, sondern um das plötzliche Untertauchen eines ganzen Bündels, so dass man also zu sehen glaubt, die ganzen Bündel würden mit terminaler konischer Ab- rundung in der Narbe endigen. Was hier von den Schnittpräparaten gesagt ist, gilt natürlich auch von den durch Zerzupfung zur Anschau- ung gebrachten Nerven. 3) Was endlich die Angaben jener Autoren betrifft, welche die an Neuromen gemachten Beobachtungen von einer diskontinuirlichen Ner- venneubildung auch bei der Frage der Nervenregeneration anwenden zu können glaubten, so fällt es mir natürlich nicht ein, ihre Beobachtungen in Zweifel zu ziehen; indessen muss ich mich ganz entschieden dagegen verwahren, dass man pathische Vorgänge mit einfachen Regenerations- processen vergleichsweise in Verbindung setzt. Zum Schlusse möchte ich noch bezüglich der einen Theorie Kory- BUTT-Daszkıewicz’s, dass sich die neuen Nerven zum Theil aus alten querzerfallenen Achsencylindern entwickeln sollen, erklären, dass dies auf Grund des oben geschilderten totale n Mark- und Achsencylinder- zerfalls unmöglich ist. Nachdem es mir, wie ich glaube, geglückt ist, zu zeigen, dass eine diskontinuirliche Nervenneubildung, sowohl bei Ausschluss als auch bei Annahme der Nothwendigkeit eines trophischen Einflusses unmög- lich ist, und nachdem ich versucht habe, die widersprechenden Anga- ben der Autoren bezüglich ihrer Beweiskraft zu schwächen und die Möglichkeit ihres Zustandekommens zu eruiren, wage ich es, den Satz auszusprechen: Die Regeneration durchschnittener Nerven ist eine kontinuirlich vom Centrum nach der Peripherie zu fort- schreitende. Eine diskontinuirliche Nervenbildung irgend welcher Art giebt es nicht. III. Die Veränderungen am Nerven nach dem 18. Tage. Die Erscheinungen, welche dieser letzten Periode angehören, zeich- nen sich im Gegensatze zu denen der beiden bisher geschilderten durch eine große Unregelmäßigkeit bezüglich des Zeitpunktes, an welchem sie eintreffen, aus. Präparate von ein und demselben Tage können bei dem einen Versuche ganz andere Resultate geben, als bei dem an- deren. Da es aus diesem Grunde unmöglich ist, die Vorgänge jedes ‚Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse ete.e 177 einzelnen Tages gesondert zu betrachten, werde ich im Folgenden nicht die Tage, sondern die Erscheinungen trennen. Nachdem die Regeneration, wenigstens ihrer Hauptsache nach, auf eine Nervenstrecke hin vollendet ist, interessirt es vor Allem, zu er- fahren, wann diese Regeneration sich über den gesammten peripheren Nerventheil ausgedehnt hat. Die Antwort auf diese Frage ist schwieri- ger, als sie im ersten Augenblick zu sein scheint. Vor Allem ist hier eine merkwürdige Verzögerung des Processes zu bemerken. Während die neuen Nervenfasern, nachdem sie einmal die Narbe durchwachsen haben, sich Anfangs mit ziemlicher Geschwindigkeit innerhalb der alten Scheiden fortsetzen, scheint die Kraft, welche sie treibt, später allmäh- lich zu erlahmen, so dass zu einer Zeit, wo sie ungefährer Berechnung nach an der Peripherie angelangt sein müssten, dort noch nichts von ihnen zu sehen ist. Ich erkläre mir dies durch den größeren Wider- stand, welchen die jungen Nervenfasern in den durch allmähliche Re- sorption des Inhalts vielfach zusammengeklappten Scuwann’schen Schei- den finden, während sie dieselben weiter oben noch offen und mit Flüssigkeit gefüllt gefunden haben. Die Untersuchung des Peroneus hat mir am 35. Tage neue Fasern in dessen oberem Drittel und Mangel derselben in seinem unteren Drittel sehen lassen. Am 50. Tage habe ich auch im unteren Drittel Regenerationserscheinungen gesehen. In einem Falle habe ich selbst am 40. Tage im oberen Drittel des Pero- neus noch keine Spur einer Regeneration getroffen. Trotzdem dürfte der Schluss erlaubt sein, dass die Regeneration zwischen dem 35. und 50. Tage, gegen letzteren Termin zu auch an der äußersten Peripherie - auftritt. Damit würden auch die um diese Zeit sich wiederherstellen- den Funktionen sämmtlicher vom Ischiadicus versorgter Muskeln, sowie die elektrischen Erregbarkeitsverhältnisse von Nerv und Muskel über- einstimmen. Unverhältnismäßig lang dauert auch noch der weitere Verlauf des Degenerationsprocesses. Ich habe gezeigt, wie nach und nach alle großen Markballen zerfallen, sich in Bröckel auflösen, aus welchen sich feinste Tröpfchen bilden, wie dabei eine Flüssigkeit auftritt, welche etwas unkonstant ist bezüglich der Tiefe ihrer Färbung; diese aus dem Marke durch Zersetzung desselben stammende Flüssigkeit wird nun allmählich resorbirt, so dass man häufig stellenweise zusammengeklappte Scheiden mit deutlichen Faltenbildungen treffen kann, ein Process, der so lange fortgeht, bis auch der letzte Bröckel aus der Scheide ver- schwunden ist. Dies lässt sich jedoch erst sehr spät mit Sicherheit beobachten. An einem Präparat vom 80. Tage habe ich keine einzige Myelinkugel mehr gefunden, in ziemlich erheblicher Menge dagegen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 19% N ER RE A Br Y ER 178 Albrecht Frh. v. Notthaftt, noch am 50. und 60. Tage. Aus der Zwischenzeit liegen mir keine Präparate vor. Die sich auflösenden Marktrümmer häufen sich an be- stimmten Stellen innerhalb der Scawanvw’schen Scheiden an (Fig. 9, 10, 12, 15, 46, 17) und treiben dieselben spindelförmig auf. Dabei können ihnen zahlreiche Kerne der Scuwann’schen Scheide angelagert sein (Fig. 12, 48). Die neuen Fasern gehen neben diesen Spindelfiguren vorbei, so dass man sie oft sehr deutlich von jeder Seite bis zu einer Spindel hinziehen und dann unter derselben als blassrothes Band durch- schimmern sieht (Fig. 12). An den mit Osmiumsäure schwach lichtgrau gefärbten kann die Faser hier auch aufzuhören scheinen, so dass man Bilder erhält, wie sie Nrumann zur Stütze seiner Theorie einer diskon- tinuirlichen Regeneration abbildet. Genauere Untersuchungen, ver- schiedene Einstellungen des Tubus ergeben den Irrthum. Neben den größeren Spindeln kommen auch vielfach kleinere, sowie einzelne Bröckel und Tröpfchen vor. Diese scheinen der endlichen Auflösung lange Zeit trotzen zu können. Sie sind dauerhafter selbst als die um- gebende Scawann’ssche Scheide. Bezüglich des Endschicksales der letzteren möchte ich der Ansicht derjenigen Forscher beitreten, welche dieselbe untergehen lassen. Nach dem 25. Tage sieht man an Zupf- präparaten vielfach neu gebildete Fasern, welche von keiner alten Scuwannschen Scheide mehr umhüllt sind. Ich möchte auf das stellen- weise Fehlen derselben nicht das große Gewicht legen wie v. BÜnGNER, da man es ja mit Kunstprodukten zu thun haben kann. Man kann auch schon am 5. und 6. Tage an zerzupften Fasern (an Schnittpräparaten sieht man gewöhnlich nichts) das stellenweise Fehlen der ScHwann- schen Scheide beobachten, wo doch sicherlich noch nicht auf ein Zugrundegehen der letzteren zu rechnen ist. Viel beweisender ist der jetzt häufig zu machende Befund von feinen Marktröpfchen, welche in Haufen außerhalb jeder Scheide liegen (Fig. 16, 18, 19). Sehr oft haben sie sich noch eine Gestalt bewahrt, welche an die alte spindel- förmige Begrenzung erinnert. Solche frei im Gewebe liegende Markreste könnte es, da die Scawann’sche Scheide ihnen den Weg versperren würde, nicht geben, wenn nicht die letztere stellenweise zu Grunde gegangen wäre. Noch bevor die alten Scheiden vollständig der Auf- lösung anheimgefallen sind, werden stellenweise die neuen ScHWANN- schen Scheiden sichtbar. Dieselben stellen zarte Hüllen dar, welche gerade wie normale Scheiden die Nervenfaser überziehen. An ihrer Innenfläche liegen zahlreiche Kerne, immer noch etwas vergrößert (theilweise), so dass sie die Scheide etwas ausbuchten können (Fig. 18). Häufig sieht man sie von einem Protoplasmahof umgeben und denselben sich dann weit zwischen Nervenfaser und Schwann’scher Scheide hin Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 179 erstrecken (Fig. 16). Wenn aber v. Büngner — ich kann mich im Augenblick nicht genau entsinnen, an welcher Stelle — sagt, die Kerne seien wieder an den Rand der Faser gerückt, so kann ich diesen Ausdruck nicht zu Recht bestehen lassen. Die Kerne bleiben, wo sie sind, sie lagern der neuen Nervenfaser am 25. Tage eben so noch an, wie sie dies schon am 10. Tage gethan haben, und wie sie es auch an der normalen Nervenfaser thun. v. Büngner musste natürlich das Gegen- theil annehmen, weil er die Kerne in Beziehung zur Achsenfaserbildung gebracht hat. Die neue Scuwann'sche Scheide wird wahrscheinlich durch die Zellen der alten selbst gebildet, ähnlich wie man es bei der Entstehung von Bindegewebe aus Keimgewebe beobachten kann. Ich kann mir, nachdem die alten Scheiden vielfach, stückweise wenigstens neben den jungen noch gefunden werden, nicht recht vorstellen, wie die letzteren vom umgebenden Bindegewebe der Hextr’schen Scheiden oder des Perineuriums gebildet werden sollen (v. Büngner). Doch ist es immerhin sehr schwierig, ein sicheres Urtheil in dieser Frage abzu- geben, da man sehr selten eine beweisende Stelle zu Gesicht bekommt. Innerhalb der neuen Scheiden habe ich immer an Nerven, welche durch Quetschung verletzt worden waren, nur eine neue Faser ge- troffen. Dasselbe gilt auch mit verschwindenden Ausnahmen von den allerdings ganz wenigen Untersuchungen, welche ich in diesem Zeit- raume an einstmals durchschnittenen Nerven anstellte. Das Auftreten von zwei Fasern in einer peripheren Scheide ist nach dem über das Ver- halten der neuen Fasern in der Narbe oben Gesagten ganz natürlich. Wenn nämlich einmal zufälligerweise zwei oder mehrere Fasern zu- gleich in eine periphere Scheide hineingelangen, werden sie darin ruhig fortwachsen. Obwohl es mir nicht einfällt, die ausdrücklichen klaren Angaben und Abbildungen Ranvier’s, NEUMANN’S, CATAnTSs und Anderer von Theilungen der alten Fasern am centralen Stumpfe in zwei oder mehrere neue Fasern bezweifeln zu wollen, glaube ich doch, dass man das Vorkommen zweier Fasern in einer peripheren Scheide ganz gut so erklären kann, wie ich es gethan habe, und kaum berechtigt ist, den Schluss zu machen, dass solche Doppelfasern nothwendig aus einer einzigen Mutterfaser stammen müssen. Mir ist es nie geglückt, den Übergang alter Fasern in mehr als eine neue zu sehen. Dies be- weist natürlich gar nichts, da man überhaupt selten den Übergang alter in neue Fasern beobachten kann. Auch ist schon von RANnvIEr und Eıcnnorst hervorgehoben worden, dass an gequetschten Nerven von Kaninchen (welche ich vor Allem untersuchte) sich meist nur eine ein- zige Faser aus einer alten Faser entwickelt. Findet man eine Über- gangsstelle, so ist dies immer in einer Gegend. welche der Anfangs 12% 180 Albrecht Frh. v. Notthaftt, geschilderten centralen Grenze der durch den direkten traumatischen Insult hervorgerufenen Degeneration entspricht. An den meisten Zupfpräparaten sieht man solche Stellen nicht, weil gerade an der Grenze von alter und neuer Faser dieselben beim Zerzupfen aus ein- ander gerissen werden. An der Übergangsstelle sind meist größere Massen von Markresten aufgelagert (Fig. 41), oder oft springt das Mark der centralen alten Faser zungenartig über den Anfangstheil der neuen Faser vor, so dass man nicht leicht den Übergang alter Fasern in neue gewahren kann. Ich bestätige mit diesen Worten nur, was schon Neumann und v. Bünener ausführlich beschrieben haben. Bei der Untersuchung über die weitere Ausbildung der neuen Fasern erweckt besonderes Interesse die Frage: »wann erhalten die- selben ihre Markscheide?« Dass sie ursprünglich noch keine haben, dürfte kaum bestreitbar sein. Dafür spricht der Mangel jeden tiefer gefärbten Contours an mit Fremming’scher Lösung und Safranin behan- delten jungen Fasern, die unverhältnismäßige Dicke, welche im Ver- gleich zu diesen Bildern die dünnsten noch mit Osmium deutlich grau sich tingirenden Fasern zeigen, und vielleicht auch die Thatsache, dass nicht alle neugebildeten Fasern ihr Mark wieder bekommen, sondern ein großer Theil derselben marklos bleibt. Tritt aber eine Markbildung überhaupt ein, so geschieht dies schon sehr bald. Gemäß den Angaben der Autoren (so weit solche überhaupt vorliegen) erwartete ich nicht, die Markscheiden vor dem 20., frühestens 15. Tag (v. Bünener) zu sehen. Die Wrigerr’sche Färbung zeigte mir nun zu meiner großen Verwun- derung schon am zehnten Tage markhaltige neue Nervenfasern. Ob der negative Befund an meinen zur Darstellung junger Achseneylinder angefertigten GoLcı-Präparaten vom 9., 12. und 15. Tage ebenfalls zum Beweise einer frühen Markbildung zu verwenden ist, ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Wenn also auch nicht bezweifelt werden kann, dass die vorwachsenden jungen Fasern zunächst nichts Anderes sind, als nackte Achsencylinder, so ist nach diesem Befund doch sicher, dass nach einem, spätestens zwei Tagen dieselben sich bereits mit Mark umhüllen. DieMarkbildung erfolgt vom Cen- trum nach der Peripherie und nicht, wie Vanraı angiebt, in um- gekehrter Richtung (la maturation des fibres ...... s’effectue de la peripherie vers le centre). Man kann daraus vielleicht den Schluss ziehen, dass das Mark nichts Anderes ist als der chemisch umgewandelte äußere Theil des Achsencylinders. Warum manche Fasern so spät, warum andere gar nicht diesem Process unterliegen, darüber kann ich mir keine Vorstellungen machen. Diese Verhältnisse sind mit FLEmmng- scher Methode schwer zur Anschauung zu bringen, weil das grellrothe Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 181 Safranin die schwachen Markcontouren Anfangs überleuchtet. Aber auch die Osmiumbehandlung nach Ranvier ist nicht sicher, weil sich das junge Mark anscheinend nicht so tief schwarz färbt, wie das aus- gebildete. — Die Markbildung ist eine kontinuirliche vom Centrum nach der Peripherie abwärts schreitende und nicht, wie BENEcKE und Andere angeben, diskontinuirliche. Ich freue mich daher in dieser Hinsicht die Angaben Nrumann’s bestätigen zu können. Dagegen muss ich zugeben, dass das Mark junger Fasern nicht überall gleichmäßig "angeordnet ist, und zwar nicht sowohl in den ersten Tagen, als viel- mehr 10—12 Tage nach dem ersten Auftreten des Markes. Dann sieht man nicht selten an einer und derselben Faser Stellen mit ganz dün- nem und solche mit mächtig entwickeltem Marke abwechseln (Fig. 9). v. Büngner wollte darauf die Theorie von einer doppelten Entstehungs- weise des Markes gründen, einer ersten aus dem Achsencylinder und einer zweiten durch Verwendung der alten Markbröckel. Letztere Markscheide würde sich der ersteren stellenweise auflagern. Dabei will er gesehen haben, wie die Verbreiterung gerade an Stellen sich befindet, welche von solchen Bröckelmassen umflossen waren. Ich kann diese Angaben nicht bestätigen. Im Gegentheil: ich fand in vielen solchen Fasern die Bröckelmasse gerade an den verjüngten Stellen. Es wäre nicht unmöglich, dass gerade das Gegentheil von dem, was v. Büngner angiebt, thatsächlich der Fall ist, dass nämlich die schmalen Stellen denjenigen Theilen der Nervenfaser angehören, welche zwischen oder neben einer solchen Markspindel verlaufen sind. Die mark- schwachen Theile wären daher auf eine Entwicklungsstörung, hervor- gerufen durch Raummangel, zurückzuführen. Ich habe jedoch nicht Beobachtungsmaterial genug, um von dieser Idee mehr sagen zu kön- nen, als dass ich sie für möglich halte. Nur das steht fest, dass sich für die Hypothese v. Büngner’s gar kein Anhaltspunkt, geschweige denn ein Beweis bringen lässt. Die alten Markreste zerfallen, wie ich ge- schildert habe, durch passive Vorgänge in immer kleinere Tröpfchen und eine Flüssigkeit, welche resorbirt wird; jede aktive Thätigkeit ist ihnen für immer genommen. Vielleicht ist die ganze Erscheinung nichts weiter als ein Artefact, wogegen allerdings die größe Regelmäßigkeit der Contouren sprechen würde. Die Ranvırr’schen Einschnürungen treten zuerst in der Zeit vom 15.—20. Tage auf. Damit wäre ich am Ende meiner Untersuchungen über die Degene- rations- und Regenerationserscheinungen an Kaninchennerven ange- langt. Es erübrigt mir noch, mit einigen wenigen Worten der Erfolge der von mir an Hunden vorgenommenen Experimente zu gedenken. 182 Albrecht Frh. v. Notthaftt, Zuerst habe ich zu bekennen, dass in den beiden Fällen, in welchen die beiden Stümpfe eines Nerven (Ischiadieus), aus welchem ein !/, cm großes Stück entfernt war, in die Aorta eines Kaninchens hineingesteckt worden waren, am 50. Tage nach der Operation noch keine Regene- ration eingetreten war, dagegen in denjenigen Fällen, wo ich die Nervenstümpfe durch das ausgeschnittene Stück oder ein gleich langes der anderen Seite verbunden (mittels Naht natürlich) oder auch nur Seidenfäden zwischen den retrahirten Stümpfen ausgespannt hatte, eine so vollständige Regeneration, dass nur die Knäuelbilder an ‚den beiden Narben, der unregelmäßige Verlauf einzelner Fasern im intermediären Stück und die zurückgebliebenen Seidenfäden andeu- teten, dass man es mit keinem ganz normalen Nerven zu thun habe. Jener eine Versuch endlich, wo ich nach Resektion eines I cm langen Stückes die Nervenstümpfe nicht verbunden habe, missglückte eben- falls, indem zwar eine bindegewebige Brücke zwischen den letzteren entstand, die Narbe und das periphere Stück jedoch vollkommen unre- generirt blieben; dagegen zeigte sich oberhalb der letzteren ein deut- licher Abgang einer größeren Menge feinster Nervenästchen, welche sich rasch im umgebenden Bindegewebe und zwischen den benach- barten Muskeln verloren. Diese Versuche deuten, wie v. BÜnGNER mit vollem Recht schon von den seinigen hervorhebt, daraufhin, dass die Regeneration größerer Nervenstücke nach Resektion unter der Bedingung leicht zu Stande kommt, dass den neugebildeten Fasern der Weg und die Richtung ge wiesen wird. Verschiedene Erscheinungen, deren Beobachtungen ich, um den Zusammenhang nicht unnöthig zu stören, nirgends unterbringen konnte, mögen an dieser Stelle noch besprochen werden. ’ Zunächst die »klinischen« Symptome: Sofort nach der Operation waren die Thiere jedes Mal vollständig an den betreffenden Extremi- täten gelähmt, sie schleppten dieselben wie fremde Körper nach. Allmählich lernten sie jedoch mit Hilfe anderer Muskeln als der gelähmten die Beine nothdürftig gebrauchen. Von einem normalen Laufen oder Springen war jedoch, da die von dem verletzten Nerven versorgten Muskeln vollkommen funktionsunfähig waren, noch lange Zeit keine Rede. Erst etwa vom 40. Tage an trat eine deutliche Besse- rung ein. Nach totalen Durchschneidungen waren die Erscheinungen noch schlimmer als nach partiellen. Bei sämmtlichen Thieren zeigten sich in der Folge Haarausfall an den betreffenden Extremitäten (was wohl auf trophische Störungen zurückzuführen ist). Auf dem Dorsum Neue Unters, über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 183 der Zehen und auf der Haut der Hacke traten schon nach nicht ganz Ak Tagen Geschwüre auf, welche sich rasch vergrößerten, konfluirten - und das Gewebe bis auf den Knochen zerstörten. Sie werden wohl weniger auf trophische Störungen, als auf mechanische Verletzungen zurückzuführen sein, indem nämlich (bei Kaninchen) die Haut der nach- schleifenden Hacken durchgerieben wurde, und besonders die Hunde bis zur sechsten Woche auf dem dazu sicher nicht geschaffenen Dorsum ihrer Zehen liefen. Bald stellten sich auch Entzündungserscheinungen in den Gelenken und in den dieselben umgebenden Weichtheilen ein. Die Gelenkgegend konnte dadurch ganz beträchtlich, meist spindelför- mig aufgetrieben werden. Aus solchen Gelenken entleerte sich bei der Eröffnung etwas wenige seröse Flüssigkeit. Ja, in drei Fällen habe ich so- gar Eiterungen in denselben gefunden, wie ich vermuthe, fortgepflanzte von einer durch den Decubitus hervorgerufenen Phlegmone. Sämmtliche drei Fälle habe ich unter schweren an Sepsis erinnernden Erscheinungen zu Grunde gehen sehen. In den allerschlimmsten Fällen (zwei) sah ich Erscheinungen, wie sie Mryer ! bereits geschildert hat: » Die Fußzehen waren, da der Fuß beim Gehen nachgeschleppt wurde, gleich durch- gerieben, und durch immerwährendes Lecken wurde der ganze untere Theil des Fußes bis an den Tarsus verzehrt. Die Knochen des Meta- tarsus hatte er (Hund) alle selbst behutsam aus der Wunde gezogen. « Die elektrischen Erregbarkeitsverhältnisse waren die bekannten durch Erg? festgestellten, welche ich hier wohl nicht näher zu schildern brauche. An zwei Kaninchen und drei Hunden habe ich nach Verlauf von 50, 60 und 80 Tagen eine Wiederherstellung der Erregbarkeit der vom Ischiadicus versorgten größeren Muskeln bei Reizung vom Nerven aus sicher nachweisen können. Ich glaube, dass mir trotz der gegen- theiligen Behauptungen Enp's hierbei kein Fehler in der Anwendung des elektrischen Stromes mitunterlaufen ist. Um den Einfluss des elektrischen Stromes auf die Regeneration zu prüfen, habe ich verschiedene Thiere mit beiden Stromarten längere Zeit hindurch behandelt. Leider sah ich weder bei der klinischen Beobachtung, noch auch im mikroskopischen Präparat einen wesent- lichen Fortschritt gegenüber dem Befunde an Thieren, welche un- elektrisirt geblieben waren. Ich kann daher den Worten Er»’s bei- stimmen: »Ob die Degeneration und Regeneration der Markscheide durch den elektrischen Strom wesentlich gebessert wird, ist mir höchst zweifelhaft. Wenn es überhaupt zweifelhaft ist, ob dadurch in 1 J.C.H. Meyer, der A.K. B. zu Halle, Über die Wiedererzeugung der Nerven. Halle 4797. Reır's Archiv. p. 456. 2 Erg, Archiv für klinische Medicin,. 4868. IV. p. 595. 184 Albrecht Erh. v. Notthaflt,. unseren Fällen die Atrophie aufgehalten werden kann, so kann ich außerdem auch nicht das Bedenken unterdrücken, ob es nicht direkt schädlich sei, Muskeln, die sich offenbar in einem sehr hochgradigen Erregungszustande befinden, in welchen alle Zeichen einer der Entzün- dung sehr nahe stehenden Ernährungsstörung vorhanden sind, täglich mit dem elektrischen Strom zu reizen. .... Ich kann nur so viel sagen, dass aus meinen Beobachtungen sich keine Thatsache ergiebt, welche mit Bestimmtheit einen solchen schädlichen Einfluss anzunehmen gestattete.« Einer allgemeinen Sitte gemäß fasse ich am Schlusse meiner Arbeit die Ergebnisse derselben kurz zusammen: Nach jeder Verletzung (Verbrennung, Quetschung, Durchschnei- dung), welche die Nervensubstanz an irgend einer Stelle total zerstört, kommt es zu einer Degeneration des ganzen, peripher von der Ver- letzungsstelle gelegenen Nervenabschnittes und eines kleineren etwa 1,5 cm betragenden centralen Stückes. Eine Heilung durch prima in- tentio im Sinne Scuırr's giebt es nicht. Der Modus der Degeneration ist folgender: In der nächsten Um- gebung der Verletzungsstelle kommt es sofort zu einer ausgedehnten Zerstörung von Mark und Achsenfaser, welche auf den direkten trau- matischen Insult zurückzuführen ist. Die nach A8 Stunden auftretende »paralytische « Degeneration ist eine Folge verschiedener Ursachen: Durch Flüssigkeitsabgabe ver- schmälert sich die .Achsenfaser. Ihre Schrumpfung bedingt eine Zerstückelung des Markes. Die Zusammenziehung der einzelnen Mark- stücke ruft eine dem entsprechende Theilung des Achsencylinders der Quere nach hervor. Eine ungefähr am vierten Tage auftretende Theilung der Kerne und Vermehrung des Protoplasmas der ScHwAnN- schen Scheide vermehrt (vielleicht) dieseZerstörung. Das degenerirende Mark giebt in das Scheidenlumen hinein eine Flüssigkeit ab, welche allmählich resorbirt wird. Die Markscheide zerfällt nicht fettig, wie frühere Autoren angegeben haben, wenn auch Fettinfiltrationen der dem degenerirenden Nerven nahe gelegenen Gebilde nicht zu leugnen sind. Eben so wenig erleidet sie eine chemische Umwandlung im Sinne Neumann’s und Eıcnnorsr’s. Auch die glatte Resorption des Markes ohne Flüssigkeitsentwicklung, wie sie v. Büngner angiebt, kann ich nicht bestätigen. Die Leukocyten haben mit der Zerstörung des Markes gar nichts zu thun; und Ranvıer ist entschieden zu weit gegangen, wenn er die Degeneration nur als Folge der Kernwucherungen erklärt. Von der Degeneration werden Achsencylinder, Mark und Scheide befallen, erstere früher, letztere später. Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 185 Die Degeneration schreitet mit ungeheurer Geschwindigkeit vom Centrum nach der Peripherie fort. Die wuchernden Kerne der Scawann’schen Scheide sind wahr- scheinlich ein die Degeneration und Regeneration begünstigender Vor- gang. Mit der Entstehung neuer Achsenfäden haben sie so wenig etwas zu thun, wie ihr vermehrtes Protoplasma. Die »Protoplasmabänder « v. Büngner’s kann ich nicht bestätigen. Wahrscheinlich handelt es sich um Faltenbildungen der Scuwanw’schen Scheide. Es besteht kein Grund, die Angaben v. Köruıker’s über die fest- weiche Konsistenz des Achsenfadens und über die Bindegewebezellen- natur der Scuwann’schen Scheide zu bezweifeln. WALLER, Bruch und Ranvier geben mit Recht an, dass die neuen Nervenfasern sich durch Auswachsen aus den alten centralen Stümpfen bilden. Eine Bildung von Nervenfasern auf irgend welche andere Weise habe ich nicht gesehen. Das Wachsthum ist ein kontinuirliches, vom Centrum nach der Peripherie fortschreitendes. Eine diskontinuir- liche Nervenbildung giebt es nicht. Die neuen Fasern treten ungefähr am 8. bis 9. Tage auf, nicht selten auch etwas früher oder später. Am 10. bis 41. Tage beginnen sie sich mit Mark zu bekleiden in der Richtung vom Centrum nach der Peripherie. Eine doppelte Art der Markbildung kann ich nicht bestä- tigen. An vielen neugebildeten Fasern tritt der Vorgang der Umhüllung mit Mark gar nicht oder erst sehr spät auf. Ich halte es nicht für un- wahrscheinlich, dass auch ein großer Theil dieser nackt bleibenden Achsenfäden in einer späteren Zeit noch Markscheiden erhält. Doch steht mir hierfür kein Beobachtungsmaterial zur Verfügung. An durch Quetschung zur Degeneration gebrachten Nerven zeigt sich bei erfolgender Regeneration nie mehr als eine neue Faser in einer Scheide. Die neuen Schwann’schen Scheiden werden wahrscheinlich durch die Zellen der alten Scheide gebildet, ähnlich wie sich fibrilläres Bindegewebe aus Keimgewebe bildet. Das Nervenzwischenbindegewebe betheiligt sich (mit Ausnahme der Narbe) in keiner Weise an den genannten Erscheinungen. Die Regeneration durchtrennter Nerven kommt am besten bei direkter Vereinigung der beiden Stümpfe durch die Naht zu Stande. Wo dies nicht mehr möglich ist, empfiehlt es sich, den neuen Fasern den Weg vorzuzeichnen, durch Interposition eines anderen Nerven- Stückes oder auch nur durch brückenartige Verbindung der beiden - Stümpfe durch Seidenfäden. Die Regeneration wird um so unwahrschein- licher, je größer der Defekt innerhalb der Kontinuität eines Nerven ist. Zu 186 Albrecht Frh. v. Notthafft, Bei der Abfassung vorliegender Arbeit wurde ich von den ver- schiedensten Seiten in Rath und That unterstützt. Allen denjenigen, welche mich auf diese Weise zu ihrem Schuldner gemacht haben, drücke ich daher an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aus; beson- ders gilt dies gegenüber meinen hochverehrten Lehrern, Herrn Geheim- rath v. Körziger und Herrn Hofrath ScHönsorn, in deren Laboratorien ich den mikroskopischen, beziehungsweise operativen Theil meiner Untersuchungen angestellt habe. Gefühle des Dankes verbinden mich ferner auch dem Herrn Privatdocenten Dr. Reıcner und Herrn Prosektor Dr. Hripennain. Würzburg, im Mai 1892. Erklärung der Abbildungen. Tafel VI. Vorliegende Tafel ist von mir selbst direkt nach den Präparaten mit Verwen- dung des Ass#'schen Zeichenapparates angefertigt worden. Als Dilettantenarbeit bitte ich dieselbe nachsichtig beurtheilen zu wollen. Fig. 4. Faser aus einem Längsschnitt, 24 Stunden nach der Quetschung. Achsencylinder (a) aufgerollt. m, Markscheide, am Ende etwas kolbig verdickt; s, ScHwAnn sche Scheide; sr, Schnürring. Zeıss, Apochr. Oec. 4. Fig. 2. Faser aus demselben Präparat. Achsencylinder (a) theils gequollen, bei a’ sich auffasernd;, sr, Schnürring, durch welchen das Mark (m) durchgepresst ist; 1, anlagernde Leukocyten. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 3. Faser aus demselben Präparat. m, Markballen mit hellerem Inhalt. Darin a, ein sich auflösender, aufgerollter Achsencylinder. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 4. Faser aus einem Glycerinzupfpräparat. p, Protoplasmawucherung, aus- gehend von dem Protoplasma zweier Kerne der ScawAnn’schen Scheide (k). k, Kern- theilungsfigur ; F, fettinfiltrirte Bindegewebszelle. Zeiss, Apochr. Oc. 8. Fig. 5. Faser aus einem Glycerinpräparat. 3. Tag nach der Quetschung. m’, sich auflösende Bröckelmasse; s, ScuwAnw’sche Scheide, deren Inhalt durch die Ligatur zum Theil nach beiden Seiten ausgepresst ist; I, anlagernde Leukocyten. Zeiss, Apochr. Oc. 4. Fig. 6. Faser aus dem N. peroneus, 40 Tage nach der Durchschneidung des Ischiadicus. %, Kerne der Schuwann’schen Scheide; p, Protoplasma; x, Faltungen der Scheide. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 7. Faser, an die Umschnürungsstelle grenzend, von der Peripherie eines Ischiadicus von 12 Stunden. s, Scawann’sche Scheide, zusammengepresst, sonst mit Bröckelmasse ausgestopft. Zeiss, Apochr. Oc. 4. Fig. 8. Querschnitt aus peripherem Stück eines Ichiadicus, 3 Tage nach der Operation. r, marklose Fasern; m, Markballen; a, gequollener Achsencylinder; Neue Unters. über den Verlauf der Degenerations- und Regenerationsprocesse etc. 187 m’, Markballen mit geschrumpftem Achsencylinder; k, etwas vergrößerte Kerne der ScawAnn’schen Scheide; %k,, Kerne des Perineuriums. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 9. Faser aus der peripheren Strecke eines vor 80 Tagen durchschnittenen Ischiadicus; zeigt deutlich an zwei Stellen Verjüngung. Das Mittelstück (welches ich etwas zu schmal gezeichnet habe) läuft unter einer Markspindel weg. Dicke des Markes wechselnd. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 10. Faser aus dem centralen Stück eines durchschnittenen N. medianus vom 9. Tage. Große Markspindel. a, Achsencylinder; ar, Artefacte. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 44. Übergang einer alten Faser (an) in eine neue (nn); an der Verbin- dungsstelle lagern mehrere Markballen und -Tropfen. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 12. Aus dem peripheren Theil eines gequeischten Ischiadicus vom 45, Tage. m, große Markspindel; k, Kerne der Schwann’schen Scheide; a, neue Nerven- faser, unter der Spindel durchlaufend. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 43 u. 44. Mit Protoplasma gefüllte Scuwann’sche Scheiden. %k’, Kernthei- lungsfigur, stark lädirt; m, Markballen mit hellem Hofe; h, Hente’sche Scheide. Zeiss, Apochr. Oc. 8. Fig. 45. Querschnitt aus dem peripheren Stück eines vor 8 Tagen gequetsch- ten Ischiadicus. m’, Markdetritus. In den Scahwann’schen Scheiden, welche zum Theil mächtig gebläht sind, Kerne und Protoplasmawucherungen. r, marklose Faser; !s, markleere Scheiden, mit Flüssigkeit oder Plasma gefüllt. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 46. Zupffasern aus dem peripheren Theil eines Ischiadicus vom 25. Tage. a, neugebiidete Faser; s, leere SchwAnn’sche Scheide; m’, frei im Gewebe liegende Markbröckel. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 17. Mit Osmium gefärbter Längsschnitt vom 12. Tage. Zwei neue band- förmige Fasern ziehen zwischen Markhaufen hin. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 48. nn, Faser, durch Zerzupfung aus einem nach Pır behandelten und - mit Alaunkarmin nachgefärbten Ischiadicus, 25 Tage nach seiner Durchschneidung gewonnen. In der Umgebung freie Markmassen mit leicht bläulich gefärbtem Hof, wahrscheinlich Markflüssigkeit. Zeıss, Apochr. Oc. 4, Fig. 49. Querschnitt aus dem centralen Theile eines gequetschten Ischiadi- cus. 15. Tag. Erhaltene alte und neue Fasern. a, Achsencylinder; a’, zwei Achsen- eylinder in einer Scheide; r, marklose Fasern und junge noch nicht mit Mark belegte Achsencylinder. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 20. Partie aus einem Schnitt durch den unteren Theil des Ischiadicus vom 25. Tage. WeicErt'sche Methode. %k, Kerne der ScawAnn’schen Scheide, etwas deutlicher als sie eigentlich zu sehen sind. ar, Artefacte; nn, neugebildete Fasern. Fig. 21. Aus der peripheren Strecke desselben Nerven. Is, leere, beziehungs- weise nur mit wenig Flüssigkeit gefüllte Scheiden; k, Kerne und p, vermehrtes Plasma der Scawann’schen Scheiden. Zeıss, Apochr. Oc. 4. Fig. 22. Faser aus einem Glycerinzupfpräparat aus dem peripheren Stück eines gequetschten Ischiadicus vom 8. Tage. k, Riesenkerne; p, Protoplasma; m, Markballen; x, Faltungen der Scawann’schen Scheide. Sie hören an der Stelle der stärksten Plasmaansammlung auf und beginnen wieder, wo sich die Faser zu ver- ‚ schmälern beginnt. Die Versuchung, sie für diskontinuirlich entstehende Proto- plasmabänder zu halten, ist nicht gering; doch schützt dagegen die Beobachtung, dass sie über das Protoplasma hinziehen und offenbar nicht mit demselben in Ver- bindung treten. Zeıss, Apochr, Oc. 8. Fig. 23. Partie aus dem Granulationsgewebe zwischen ı durchschnittenen Ischiadicus vom 3. Tage. g, Zellen des Gr I, Leukocyt; f, Fibringerinnsel ; m’, Markbröckel, von hellem Hi träglich ohne Zeichenapparat dargestellt.) Fig. 24. Faser aus demselben Präparate. Die SCHwAnnN’ scheSc eine große Menge von Kernen und gewuchertem Protoplasma ganz gedehnt. Da diese offenbar in den angrenzenden Partien nicht in ‚gehaltene ans schnitt nur eine buckelanne Erhebung der geblähten Schei troffen hat. k’, Karyomitosen. Zeıss, Apochr. Oc. 8. Pelagische Polycladen. Von Prof. Dr. L. v, Graff (Graz). Mit Tafel VI—X. Den äußeren Anlass zu der vorliegenden Publikation bildete eine Sendung von Sargasso-Polyceladen, die ich von Herrn Baron vs Gusan# in Paris erhielt mit der Bitte, dieselben zu bestimmen. Genöthigt, alle in meinem seit Jahren zusammengebrachten Polycladenmateriale vor- handenen pelagischen Formen genauer zu untersuchen und die Litte- ratur zu vergleichen, erkannte ich bald, dass die Organisation auch nicht einer einzigen der bisher als pelagisch beschriebenen Formen so weit erkannt war, um die Species systematisch sicherzustellen. Es konnte demnach bis heute auch nicht der Versuch gemacht werden, die Synonymie aufzuklären, was um so empfindlicher ist, als die Fauna des Planktons neuerdings in erhöhtem Maße Beachtung findet und von ver- - schiedenen Seiten her dahin gestrebt wird, mit größeren Mitteln und neuen Methoden die Kenntnis ihrer Zusammensetzung und ihrer Lebensbedingungen zu fördern. So wird auch dieser kleine Beitrag zur »Planktologie « vielleicht nicht unwillkommen sein. Allen jenen ‚ Herren aber, welche mir, sei es aus ihren privaten, sei es aus den ihnen unterstehenden öffentlichen Sammlungen, Material für die vor- liegende Untersuchung zur Verfügung gestellt haben, sei hiermit mein herzlichster Dank dargebracht! Allgemeine Resultate. Lane! zählt als rein pelagisch acht Polyeladen auf, zu denen noch die wahrscheinlich gleichfalls pelagisch gefischte Planocera Gaimardi de Blainv. (Lane, 1. c. p. 436) hinzukommt. Alle neun Species werde 1 A. Lang, Die Polycladen (Seeplanarien) des Golfes von Neapel und der an- grenzenden Meeresabschnitte (Fauna und Flora des Golfes von Neapel. XI. Mono- graphie). Leipzig 4884. p. 629. Zeitschrift f, wissensch, Zoologie. LV. Bd. 13 190 L. v. Grafl, ich im speciellen Theile dieser Publikation besprechen und den Versuch machen, fast alle diese Litteratur-Species auf folgende drei genau zu beschreibenden Thierformen: Planocera pellucida (Mertens), Stylochoplana sargassicola (Mertens) und Planctoplana challengeri nov. gen., nov. spec. zurückzuführen. Dazu kommen zwei weitere bisher noch nicht be- schriebene Formen: Planocera simrothi nov. spec. und Planocera grubei nov. spec. Es ergiebt sich also zunächst die Thatsache, dass alle bis jetzt gefischten holopelagischen ! Polycladen der Familie der Planoceriden angehören — derjenigen Familie also, deren Mitglieder nach Lane da- durch ausgezeichnet sind, dass sie durch ihre gesammte Organisation besonders aber die Konfiguration des »Gastrovascularapparates « sich am meisten radiären Symmetrieverhältnissen nähern. Dies gilt vor Allem von dem für die Familie typischen Genus Planocera, dem auch die Mehrzahl unserer pelagischen Formen angehört. Lang, der darin den Ausdruck einer näheren Verwandtschaft mit Gtenophoren-ähnlichen Ahnen zu erkennen glaubt, stellt desshalb auch das Genus Planocera an die Wurzel des Polycladen-, ja des ganzen Turbellarienstammbaumes. Ich dagegen, der ich an anderen Orten ? die Ansicht vertrat, dass die 1 Im Sinne von E. Haczcker’s Plankton-Studien. Jena 1890, 2 Monographie der Turbellarien. I. Rhabdocoelida. Leipzig 4882, p. 207 ff. und: Die Organisation der Turbellaria Acoela. Leipzig 1891. p. 49 ff. In einer soeben erschienenen Arbeit (Zur Histologie der Ctenophoren, Archiv f. mikr. Anat. Bd. XL, p. 237) spricht P. SamAssa die Meinung aus, meine in der Acölen-Arbeit enthaltenen Darlegungen beruhten auf einem »offenbaren Missver- ständnis der von Lang vertretenen Theorie«. Ein solches » Missverständnis« wäre bei Jemandem, der Lang’s Arbeiten so genau kennen muss, wie ich, zwar sehr merk- würdig — es ist aber nicht vorhanden. Die Sache liegt vielmehr so, dass ich, wie immer ich mir auch den Vorgang der »Knickung« der Ctenophoren-Hauptachse und der » Verschiebung« ihres Sinnespoles an das Vorderende des Turbellarienkörpers zurechtlegen mochte — doch immer zu dem Schlusse kam, dass im Sinne der LAnG- schen Anschauung und trotz dessen ausdrücklicher Verwahrung, zum mindesten der zwischen Gehirn und Mund gelegene Theil der Ventralnerven der Acölen (und übrigen Turbellarien) auf Meridianstreifen (Cilienrinnen) der Ctenophoren bezogen werden müsste. Für ihr späteres Weiterwachsen bis an das Hinterende würde ja wohl auch bei den Acölen das Argument gelten, dass »die durch die Anpassung an die kriechende Lebensweise bedingte stärkere Entwicklung der Hautmuskulatur eine stärkere Entwicklung der Nerven erfordert« (Lang, 1. c. p. 656). Meine angebliche Inkonsequenz, dass ich die eines Darmlumens entbehren- den Acölen von » Gasträaden» ableite, ohne doch eine Rückbildung zuzugeben, er- ledigt sich noch einfacher. Es ist so lange her, seit ich Harcker’s Gasträatheorie ge- “2 2 Pelagische Polycladen. 191 Acölen den Ausgangspunkt für die Turbellarien gebildet haben, kann in der Organisation der Planoceriden bloß eine fortschreitende An- passung an die schwimmende und schließlich rein pelagische Lebens- weise erkennen, dieihren höchsten Ausbildungsgrad im Genus Planocera erreicht. Damit stimmt auch die hier mitgetheilte Zusammensetzung der pelagischen Polycladenfauna. Die bei den einzelnen Species mitgetheilten Fundorte ergeben zwei interessante thiergeographische Thatsachen : 1) dass die Polycladen des atlantischen Sargassomeeres holoplanktonische, in das letztere bloß durch Meeresströmungen eingeführte Thiere sind, und nicht etwa Littoralthiere, die aus der Heimat des Sargassum stammen und mit diesem in den offenen Ocean entführt wurden!; 2) dass drei von den beschriebenen Formen und zwar Planocera pellucida und grubei, sowie Stylochoplana sargassicola nicht bloß im atlantischen, sondern auch im indischen resp. stillen Ocean vorkommen. Letztere Thatsache ist um so befremdlicher als die Zahl der bekannt gewordenen kosmopolitischen pelagischen Metazoen bisher eine so geringe war (von Polycladen ist bis heute keine einzige mit Sicherheit als kosmopolitisch bekannt) ?, dass die Ansicht von der Abgeschlossenheit der pelagischen Faunen der einzelnen großen Meeresbecken berechtigt schien. Um so mehr habe ich es für meine Pflicht gehalten, in den vorliegenden Fällen die Identi- tätsbeweise dadurch herzustellen, dass ich kostbare Objekte zur An- fertigung von Schnittserien verwendete. Was die für unsere Polyela- lesen, und ich habe daher — wie für jeden Leser klar aus dem Zusammenbhange der betreffenden Stelle (l. c. p. 54) hervorgehen muss — in der That nicht an HAEcKEr’s Gasträaden, sondern an die systematische Gruppe der Gasträaden gedacht, wie sie in dem Lehrbuche der vergl. Anatomie von Lane umschrieben ist. Dort finden sich unter der I. Klasse der CGoelenterata: Gasträaden auch die Dicyemiden und Orthonectiden angeführt, Formen, die in dem hier in Betracht kommenden Punkte noch einfachere Verhältnisse zeigen als die HAEcker’sche Gasträa. Diesel- ben (besonders die Orthonectiden) durften aber als Nächstverwandte der Stamm- form der Trichoplax und der Acölen in Anspruch genommen werden, ohne dass daraus »ganz unausweichlich« gefolgert werden musste, dass »die HAEckEL’sche Gasträatheorie überhaupt nur für die Cölenteraten Gültigkeit habe«. Die einzige und viel näher liegende Konsequenz meiner Anschauungen wäre eine kleine Modi- fikation der (nach dem Stande unserer Kenntnisse im Jahre 1874 konstruirten) Gasträatheorie. Theorien und Hypothesen müssen eben den Thatsachen angepasst, und es dürfen nicht umgekehrt die letzteren vergewaltigt werden, wenn sie mit dem, was gedruckt vorliegt, nicht im Einklange stehen. 1 Von den noch zweifelhaften Species Leptoplana tremellaris Oe, und Pla- naria (?) notulata Bosc. muss hier abgesehen werden (s. weiter unten). 2 Thysanozoon Brocchii allein kommt hier in Frage in dem Falle, als Lane’s Synonymik thatsächlich zutrifft. 113% 192 L. v. Graff, den in Frage kommenden Verbreitungsmittel! betrifft, so scheinen mir sowohl die aktive Wanderung als auch die passive Transportirung der ausgebildeten Thiere oder ihres Laiches durch Vögel, Schiffe und dergleichen ausgeschlossen. Es bliebe demnach nur übrig, den direk- ten oder indirekten (durch Treibholz etc. vermittelten) Transport durch Meeresströmungen, sei es in unserer gegenwärtigen, sei es in einer früheren Erdperiode, anzunehmen. Bei der heutigen Kon- figuration der Kontinente hieße dies den drei genannten, zwischen dem 30° N.Br. und dem 20° S.Br. gefundenen? Polyeladen eine Wande- rung entweder um das Kap Horn oder um das Kap der guten Hoffnung zumuthen — eine starke Zumuthung, wenn man die dabei zu überwin- denden Temperaturdifferenzen bedenkt und kaum annehmbar speeciell für das Kap Horn. Aber auch für das Kap der guten Hoffnung ist, von den Strömungsrichtungen ganz abgesehen, die Differenz in der Tempera- tur zwischen der Mozambique- und der Benguelaströmung ein schwer zu überwindender Einwand, wie denn auch alle Autoren, die ich ver- gleichen konnte, die scharf trennende Bedeutung des Meridians des Kaps für den Charakter der beiderseitigen Meeresfaunen betonen. Diesen Bedenken gegenüber erscheint es wahrscheinlicher, dass die Überwanderung unserer Polyeladen aus dem atlantischen Ocean, ihrem Entstehungscentrum, nach Westen in den stillen und indischen Ocean über die Landenge von Panama hinüber stattgefunden hat, zu der Zeit als an ihrer Stelle »ein breiter Kanal Nord- und Südamerika von einander trennte«*. In Bezug auf den Bau des Körpers ist hervorzuheben die allen pelagischen Polycladen gemeinsame pellueide Beschaffenheit, die nur wenig durch das, ausschließlich der Dorsalseite zukommende, spär- liche (hellgelbe bis bräunliche) Pigment beeinträchtigt wird. Ferner sei hier noch auf folgende zum Theil in den speciellen Beschreibungen enthaltene Thatsachen von allgemeinerem Interesse hingewiesen: 1) Die geringe Differenzirung des Gehirns bei Planocera grubei und simrothi, die namentlich bei der letzteren Species zu einer förm- lichen Decentralisirung des Nervensystems führt. 1 Siehe C. Cavn, Über die geographische Verbreitung der pelagisch lebenden Seethiere. Zool. Anz. 1886. p. 57. ?2 Nur für ein Exemplar der Planocera pellucida ist ein noch südlicherer Fundort, das Kap der guten Hoffnung, verzeichnet. 3 Besonders C. SEMPER, Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. Leipzig 4880. Bd. Il. p. 97 u. 134. * A.R. WArLicE, Die geographische Verbreitung der Thiere. Deutsche Aus- gabe von A. B. Meyer. Bd. I. Dresden 1876. p. 49. — Man vergleiche die im An- schlusse an meine vorläufige Mittheilung auf der Jahresversammlung der deutschen zool. Gesellschaft zu Berlin (Verhandlungen 4892 p. 148—121) geführte Diskussion. Pelagische Polycladen. 193 2) Das Fehlen eines über das Gehirn nach vorn ziehenden vor- deren mittleren Darmastes bei Planocera simrothi (und wahrscheinlich auch bei Planocera grubei) — der zweite Fall dieser Art bei den Poly- eladen !. | 3) Dass ich die Entstehung der Ovarien aus dem Darmepithel, wie sie von Lang? für Trieladen und Polycladen beschrieben worden, an meinen Präparaten der Planocera simrothi bestätigen konnte. %) Das schöne Beispiel für die Beziehungen zwischen Form und Lage des Kernes und der Sekretionsthätigkeit der Zelle, wie es in der Bildung der Penisstacheln von Planocera simrothi gegeben ist. 5) Das Verhältnis von Eiergang (Einmündunssstelle der Uteri) und Schalendrüsengang bei Planocera pellucida und simrothi. Bei diesen liegt nämlich ersterer vor der Schalendrüse (d. h. näher der weib- lichen Geschlechtsöffnung), während bei allen anderen Polycladen das umgekehrie Verhältnis obwaltet. 6) Das Vorhandensein von Sperma in der accessorischen Blase des weiblichen Geschlechtsapparates von Stylochoplana sargassicola und Planctoplana challengeri. Dieser Befund im Zusammenhalte mit der gleichen Beobachtung bei Enantia spinifera (l. c. p. 12) weist darauf hin, dass die Bursa accessoria wahrscheinlich bei den meisten, wenn nicht alien Polycladen eine Bursa seminalis® ist. 7) Die neuen Formen von weiblichen Hilfsapparaten zur Begattung wie sie in dem Stachelkleide der Bursa copulatrix von Planctoplana challengeri und in der pharynxähnlichen Muskelfalte der Stylochoplana sargassicola vorliegen. | 8) Die ektodermale Entstehung der Uteri als Wucherungen des Epithels der Bursa copulatrix, wie dies aus meinen Präparaten der Planocera simrothi hervorgeht. 9) sei hier auf die Inkonsequenz in der Laxe’schen Bezeichnung der Theile des männlichen Begattungsapparates hingewiesen, wie sie klar in die Augen springt, wenn man die, sonst sehr werthvollen und vortrefflichen Schemata auf seiner Taf. XXX vergleicht. Das Antrum masceulinum — jene Einstülpung des äußeren Integumentes, welche an ihrem distalen Ende in die Geschlechtsöffnung übergeht und an ihrem - proximalen Ende die Mündung des Penis empfängt — wird sowohl im 1 Der erste Fall ist die von mir beschriebene Enantia spinifera. Mittheil. des naturw. Vereins für Steiermark. Jahrg. 1889. 2 A. Lang, Der Bau von Gunda segmentata. Mittheil, aus der Zool, Station zu Neapel. Bd. III. Leipzig 4881 p. 202 und »Polycladen« p. 286. 3 In dem Sinne, wie ich diese Bezeichnung für die Rhabdocoelida (Monogra- phie p. 446) angewendet habe. 194 L. v. Grafl, Texte als in den Abbildungen vielfach als »Penisscheide « bezeichnet. Letztere Benennung sollte aber reservirt bleiben für jene Ringfalten, welche sich sekundär am proximalen Ende des Antrum erheben, um die Spitze des Penis einzuscheiden. Als »Copulationsorgan « ist jener Theil des männlichen Geschlechtsapparates zu bezeichnen, welcher zur Übertragung des Sperma dient. Im einfachsten Falle eine birnförmige muskulöse Blase mit proximalwärts allmählich erweitertem Lumen lässt er in anderen Fällen sich deutlich in eine kugelige » Samenblase «, einen flimmernden »Ductus ejaculatorius « und einen chitinösen » Penis« trennen, während das Epithel der ersteren beiden Abschnitte oder auch nur eines derselben oder aber von außen her eindringende Drüsen das accessorische körnige Sekret dem Sperma beimischen. Es ist aber nicht gerechtfertigt in diesen Fällen das Copulationsorgan als Ganzes, oder den Ductus ejaculatorius oder die Samenblase einfach desshalb als » Körnerdrüse« zu bezeichnen, weil ein besonderes Diverticulum des Ductus ejaculatorius zur Erzeugung oder Aufspeicherung des accesso- rischen Sekretes sich nicht differenzirt hat. Von einer »Körnerdrüse « soll nur da gesprochen werden, wo wirklich ein solches ausschließlich der Sekretion und Aufspeicherung des Körnersekretes dienendes Diver- ticulum vom Ductus ejaculatorius abgezweigt ist, sonst werden, wie bei Lang; die verschiedensten, durchaus nicht homologen Theile des männ- lichen Apparates mit einem und demselben Namen belegt. Je nachdem Samenblase und Körnerdrüse dann von der gemeinsamen Musecularis des männlichen Begattungsapparates umschlossen und zu einer ein- heitlichen Blase zusammengefasst sind, oder aus dem Kontour dieser heraustreten, wird man sie als im CGopulationsorgan » eingeschlossen « oder als mehr oder minder » selbständig « zu bezeichnen haben. 10) Das Vorkommen von parasitischen Distomen bei Planocera pellueida (eingekapselt im Parenchym) und Planocera simrothi (frei im Darme). | Ich lasse nun die Beschreibung der einzelnen Species folgen und bemerke nur noch, dass ich, obgleich einige Objekte (besonders Plano- cera simrothi und Stylochoplana sargassicola) vortreffliche Gelegenheit für das Studium des feineren Baues boten, doch die histologischen Verhältnisse nur in so weit herangezogen habe, als sie mir für die systematisch- anatomische Charakterisirung der Species von Belang schienen. Zur Verwerthung dieser Präparate werde ich ja noch hin- reichende Gelegenheit haben bei der Bearbeitung der tropischen Poly- claden. Pelagische Polycladen. 195 Planocera pellueida (Mertens). Taf. VII, Fig. 1—6. Planaria pellucida Mertens, »Untersuchungen über den Bau verschiedener in der See lebender Planarien«. Mem. Acad. imp. des Scienc. de St. Petersbourg. 6. ser. Sc. math. phys. et nat. Tome II. St. Petersbourg 4833. p. 8—13. Tab. II. Planocera pellucida (Mertens) in: Lang, »Die Polycladen des Golfes von Neapel.« Fauna und Flora des Golfes von Neapel. XI. Monographie. Leipzig 1884. p. #37 — woselbst die übrigen Synonyma zu vergleichen sind. In der Sammlung Prof. v. SırsoLp’s in München fand ich seiner Zeit zwei Gläschen mit Polycladen, das eine mit » Planarie. Atlantischer Ocean 4. IV.«, das andere mit »Planaria pelagica. Kap der guten Hoffnung« bezeichnet. Mein verstorbener Lehrer und Chef hatte mir dieselben zur Bearbeitung überlassen und auf dieses Material gründet sich die nachfolgende Darstellung. Dagegen ist das Habitusbild Fig. 1 nach einem Exemplar des zoologischen Universitätsmuseums zu Breslau entworfen, da es in den Körperumrissen — oval, mit größter Ver- breiterung in der vorderen Körperhälfte und ganz allmählicher Ver- schmälerung der Hinterhälfte zu einem stumpfen Schwanzende — der überwiegenden Mehrzahl meiner Untersuchungsobjekte entspricht. Dieses Exemplar war auch das größte, 18 mm lang bei 13 mm größter Breite. Das in Schnitte zerlegte hatte eine Länge von 14 mm und eine größte Dicke (im Mittelfelde vor dem Munde) von I mm, während die beiden Uteri die Bauchfläche noch um weitere 0,2 mm vortrieben. Der sehr durchscheinende Körper ist gelblichweiß bis hellgelb, je nach der Stärke des dorsalen Hautpigmentes (Fig. 2 pi). Stets erkennt man schon mit freiem Auge die jederseits der Mittellinie wulstig vorsprin- genden braunen Uteri (Fig. 1), die braune Schalendrüse, und als weiße Punkte vor derselben den Penis, hinter derselben die Bursa copulatrix. Das Quetschpräparat zeigt uns den central gelegenen Mund (mo) und die peripher fast den Körperrand erreichenden zierlich verästelten Darmäste (da), deren Ursprünge allerdings durch die massenhaften Ovarialfollikel (0) verdeckt werden, sowie durch die beiden Uteri, welche schon dicht hinter dem Gehirn beginnen und neben der Pharyn- gealtasche verlaufen. Der Pharynx (in Fig. 4 zum Theil aus der Mund- öffnung hervorstehend) ist in einer mit ausgiebigen seitlichen Aus- sackungen versehenen Pharvngealtasche (Fig. 4 pht) geborgen. Der Darmmund (Fig. 5 dm) liegt unmittelbar über der äußeren Mundöff- nung und der Hauptdarm (hd) greift nur vorn über die Pharyngealtasche hinaus, um in den vorderen mittleren Darmast (vdma) überzugehen. Das Gehirn (Fig. 2 und 5 9) ist wohlentwickelt, von einer starken Kapsel umhüllt und der ventrale Nervenplexus ist zwar ausgiebig, aber 196 L. v, Grafl, doch lange nicht so auffallend ausgebildet wie bei Planocera simrothi. Die Gehirnaugen sind sehr zahlreich und ihre Anordnung aus Fig. 2 ersichtlich. An Größe werden sie übertroffen von den jederseits zu einem dichten runden Häufchen gruppirten Augen der Tentakelbasis (ta). Die Öffnung des Pigmentbechers dieser Augen ist sehr verschie- den orientirt, nach vorn, hinten, den Seiten und nur bei einem Theile nach oben. Im Gegensatze zu der nicht besonders guten Erhaltung der übrigen Gewebe waren bei unserem Thiere die Augen vortrefflich erhalten, wie das in Fig. 6 abgebildete Tentakelauge zeigt. Im Allgemeinen bietet dasselbe eine Bestätigung dessen, was wir durch die bisherigen Beobachter, namentlich Lane (l. ec. p. 204 ff.) wissen. Auffallend ist die vertiefte Becherform des Pigmentbechers dieser Tentakelaugen (die sonst bei Acotyleen nach Lang eine flache teller- oder schüsselförmige Pigmenthülle besitzen) und die Feinheit der Stäbchenenden (si) der Retinazellen (rz). Jedoch scheint es, als ob hier durch die Konservirung eine Schrumpfung der Stäbchen eingetreten wäre. Die Matrixzelle des Pigmentbechers (pl) ist deutlich wahrzunehmen. Das ganze Auge ist von einer Bindegewebskapsel umhüllt. Der zu den Retinazellen ge- hörige Nerv war nicht mehr erhalten. Der Längsdurchmesser dieses Auges betrug 0,064 mm, die Tiefe des Pigmentbechers allein 0,03 mm, die Breite der Retinazellen an ihrem kernführenden Ende 0,006 mm. Die Tentakel (Fig. % {) enthalten keine Augen und erscheinen in mei- nen Schnitten in eine Grube eingesenkt und an der Spitze keulen- förmig verdickt. Ihre Länge beträgt 0,25 mm. Die männliche Geschlechtsöffnung (gt) liegt noch im Ende des dritten Viertels der Körperlänge inmitten der Schalendrüsenrosette und ziemlich weit dahinter die weibliche (©). Beiderlei Copulationsorgane füllen den Raum zwischen Rücken- und Bauchwand vollständig aus (Fig. 5). Das männliche Copulationsorgan, eine eiförmige Masse, deren Längsachse mit der Körperachse zusammenfällt, stößt mit seinem vorde- ren blinden Ende an die Pharyngealtasche an. Die Geschlechtsöffnung führt in einen kleinen Vorraum, in welchen an der Spitze einer stum- pfen Papille der Penis (ps) sich öffnet. Letzterer stellt ein weites eylindrisches Rohr dar, das in ganzer Länge von schaufelförmigen Chitinstacheln ausgekleidet ist. Die Form derselben, ihr Bau, sowie ihre Vertheilung an der Wand sind genau dieselben wie bei Planocera simrothi, wesshalb ich auf die bei dieser Species gegebene Darstellung verweisen kann. Die größten, in der Umgebung der Einmündung des Ductus ejaculatorius angebrachten Stacheln haben eine Länge von 0,08 mm bei einer Breite von 0,015 mm. Der Ductus ejaculatorius (de), Pelagische Polycladen. 197 welcher, wenn der Penis eingezogen ist (Fig. 2), eine $-Schlinge bildet, gabelt sich vorn in einen weiteren dorsalen und einen sehr viel enge- ren ventralen Ast. Der erstere führt zur Körnerdrüse (kd), der letztere zur kleinen birnförmigen Samenblase (sb). In meinen beiden Schnitt- serien springt die Mündung des Samenblasenganges in Form einer Papille ins Lumen des Ductus ejaculatorius vor, doch ist dies vielleicht kein konstantes Vorkommnis. Die Samenblase, die ihre selbständige dicke Muskelwand hat, setzt sich in ein von ihrem blinden Ende nach abwärts und vorn bis zum Abgange des Ausführungsganges ziehendes muskulöses Rohr fort: das gemeinsame Endstück der Vasa deferentia, die erst an der genannten Stelle als zwei feine Röhrchen quer nach auswärts abgehen. In Bezug auf den Bau der Wandung des Gopu- lationsorgans kann ich ebenfalls auf die Beschreibung von Planocera simrothi verweisen. Die innere Muscularis und das dieselbe um- gebende Bindegewebe (bg) sind genau wie dort beschaffen, es fehlen dagegen hier die Penisdrüsen. Ferner ist der Bau der äußeren Mus- cularis bei Planocera pellucida ein komplieirterer, wie auch Körner- drüse und Samenblase in das Copulationsorgan einbezogen werden dadurch, dass die Muskelhülle des letzteren aus zwei Abtheilungen besteht: einer gemeinsamen (el) auch über die Samenblase hinweg streichenden und einer bloß Penis und Körnerdrüse umfassenden Ab- theilung (ei). Jede Abtheilung besteht aus äußeren Längs- und inne- ren Ringfasern, doch ist et in beiden Faserlagen weitaus schwächer als ei. Die letztere (innere) Abtheilung der äußeren Muscularis giebt übrigens den größten Theil ihrer Fasern ab zur Bildung eines an der Vorderwand der Körnerdrüse ausgespannten Septums. So ist also durch seine Muscularis das männliche Copulationsorgan obwohl eine äußerlich einheitliche Blase bildend, doch in drei Räume abgetheilt: den Penis- raum, den Raum der Körnerdrüse und den der Samenblase. Der erste ist der größte, der letzte der kleinste. Im Bereiche des Penisraumes durchziehen zahlreiche Radiärfasern die äußere Muscularis des Gopu- lationsorgans. Die glockenförmige Bursa copulatrix erinnert durch die Dicke ihrer Muskelwand und ihre faltige Innenfläche an das gleichnamige Organ von Planocera simrothi. Ein auffälliger Unterschied besteht jedoch in der Einmündung der Uteri sowie in der hier viel stärkeren Ausbildung der accessorischen Blase. Die Bursa copulatrix verengt sich an ihrem nach vorn gekehrten Ende und geht dann in einen nicht mehr von der Muscularis umbüllten erweiterten Raum (we) über, welcher von den Seiten her die beiden Uteri aufnimmt, sich dann nach vorn wieder verengt und dorsal nach hinten umbiegt, um mit einer kleinen An- # 198 L. v. Graff, schwellung — der accessorischen Blase (ba) — zu enden. Mit Ausnahme der letzteren ist der ganze Kanal bis zur Uteruseinmündung ringsum eingebettet in die Schalendrüsenmassen, deren Ausführungsgänge auch seine Wand durchsetzen. In der Muscularis der Bursa copulatrix kann man drei Schichten unterscheiden: eine äußere Längs- und eine darauffolgende viel dickere Ringfaserschicht — diese beiden von zahl- reichen einzelnen radiären Fasern durchsetzt — und schließlich eine innerste Lage, in der Ring-, Längs- und Radiärfasern zu einem unent- wirrbaren, dem Epithel anliegenden Filz verflochten erscheinen. Betrachtet man ein geschlechtsreifes Exemplar der Planocera pellueida mit freiem Auge oder bei schwacher Vergrößerung, so könnte man geneigt sein die braunen runden Kugeln in den Uteri je für einzelne große Eier zu halten. Schnitte (Fig. 3) lehren indessen, dass jede dieser Kugeln aus einer sehr großen Anzahl von durch gegenseitigen Druck polygonal abgeplatteten Eiern besteht, deren Durchmesser von 0,06 bis 0,09 mm beträgt. Das Muskelsystem der vorliegenden Species ist durch die kräftige innere Längsfaserschicht des Hautschlauches sowie durch die außer- ordentliche Entfaltung der dorsoventralen Muskulatur ausgezeichnet. Zu starken Bündeln und Platten vereint, bildet sie nicht bloß Septa zwischen den Darmästen sondern grenzt diese auch von den Ge- schlechtsdrüsen ab und bildet förmliche muskulöse Kammern um Ge- schlechtsdrüsen, Uterus und Darmdivertikel. In den dorsoventralen Muskelsepten und in den Muskelhüllen der verschiedenen Organe begegnet man überalleingekapselten Distomen, so auch in der Wand der Pharyngealtasche, zwischen dieser und dem Hauptdarme etc. Ich habe keine Zählung vorgenommen, aber es sind in dem einen Exemplare von Planocera pellucida gewiss einige Dutzende im Parenchym zerstreut. Hin und wieder liegt ein Distoma auch frei im Parenchym, doch habe ich kein einziges im Darme gefunden. Das- selbe hat eine Länge von 0,26 bis 0,3 mm und in der Höhe des Bauch- saugnapfes (an Durchschnitten von eingekapselten Exemplaren ge- messen) eine Breite von 0,4 mm und eine Dicke von 0,7 mm. Ihrem Baue nach ist die Planocera pellucida ein typischer Re- präsentant der Gruppe A des Lang’schen Genus Planocera. Ich zweifle nicht an der Identität der hier beschriebenen Polyclade mit Mertens’ Planaria pellucida. Die für letztere angegebene Größe (19 mm Länge bei 15 mm größter Breite in der Merrexs’schen Fig. 1), Farbe, Mundstellung, Form und Größe des Pharynx, starke Entwicklung der Uteri, Schalendrüsen und Bursa copulatrix— Alles stimmt mit meiner Darstellung. Was aber Mertens’ Angabe bezüglich der Tentakelaugen Pelagische Polyeladen. 199 betrifft »das vordere Ende durch zwei kleine Tentakeln angedeutet, die durchaus in die Substanz des Thieres hereingezogen werden kön- nen; ihre Basis wie ihre Spitze sieht man durch einige Pünktchen bezeichnet, die als Augen von verschiedenen Schriftstellern angeführt sind«), so wird wohl auch hier wie bei Moseıey ein Exemplar der Stylochoplana sargassicola mit der vorliegenden Species verwechselt worden sein!. Identisch mit der beschriebenen Form sind ferner folgende mir vorliegenden Objekte: Vier unbestimmte Polycladen aus der Universitätssammlung in Breslau a) zwei ohne Fundortsangabe von Sırmın in Hamburg geliefert und b) zwei aus dem »atlantischen Ocean«. Aus dem Hamburger natur- historischen Museum ce) zwei mit der Bezeichnung »Atlant. Ocean«, d) drei mit »Atlant. Ocean, Kpt. ScHhnEEHAGEN rep.« (Eingangskatalog 304), e) sechs mit » Westküste von Neu-Guinea« (E.-K. 5176) bezeichnet? und schließ- lich f} ein von Herrn Dr. Max Bucaner in München »NO von den Gap- verden, 13°N. Br.« gesammeltes und mir s. Z. freundlichst überlassenes Exemplar. Planocera pellucida ist also ein holopelagisches Thier, das so- wohl im atlantischen als auch im stillen Ocean lebt und bisher noch nir- gends littoral gefunden wurde. Ihr Vorkommen in der »Sargasso-See« ist von der Challengerexpedition (Narrative I, I. p. 136) konstatirt worden. Höchst wahrscheinlich gehören nach den vorhandenen Angaben zu urtheilen zur vorliegenden Species auch Planocera Gaimardi de Blainville (Lane p. 436, Fundort unbekannt) und Planaria velellae Lesson (Lang p. 607, Atl. Ocean) — vielleicht sogar auch die Planaria oceanica Darwin (Lane p. 608) und die Stylochoplana tenera Stimpson (Lang p. 461). Denn das merkwürdige der erstgenannten, in der Höhe von Fernando Noronha gefischten Form schwindet, sobald man die Ab- bildung Darwın’s, der offenbar Hinter- und Vorderende verwechselt hat, umgekehrt orientirt und ferner annimmt, dass die beiden Ten- takel nichts sind als zufällige Faltungen des Körperrandes. Für Stimpson’s Species ist aber das was über Form, Größe (92 mm Länge, 15 mm Breite), Augen und Tentakel gesagt wird, einer Identificirung eben so günstig wie der Fundort (Atlant. Ocean zwischen 20° und 30° 1 Vgl. meine Anm, p. 214 und bezüglich der Inkongruenz des äußeren Um- risses meiner und der Mertzns’schen Habitusbilder den ersten Absatz des Textes auf derselben Seite. 2 Von diesen ist eines in Längsschnitte zerlegt worden, um bezüglich der Identität volle Sicherheit zu erlangen. 200 L. v. Graff, N. Br.). Mit den beiden von Srımpson erwähnten mattgrauen Mittel- binden sind möglicherweise die beiden Uteri gemeint. Planocera simrothi n. sp. Taf. VIII, Fig. 1—10. Die Turbellarie, welche ich unter diesem Namen beschreibe, stammt von der deutschen Plankton-Expedition. Ein nördlich von Ascension, in der Mitte zwischen dieser Insel und dem Äquator gefischter Schwarm von Janthina communis wurde Herrn Dr. H. Sınrkora zur Bearbeitung überwiesen, welcher in einer der Janthinaschalen die Polyclade (ein Exemplar) fand und mir zusandte. Das vorzüglich konservirte Thier war gelblichweiß, schwach durchscheinend und hatte (flach ausgestreckt gedacht) eine Länge von fast 8 mm bei einer Breite von 5,5 mm und einer größten Dicke von 0,7mm. In Wirklichkeit erschien es kleiner, da der Körperrand all- seits zur Bauchseite eingekrümmt war. Der Umriss war oval, hinten breiter abgestumpft als vorn. In Glycerin aufgehellt, ließ es die in Fig. 1 eingezeichneten Verhältnisse erkennen, wobei das in kleinen rundlichen Häufchen gelber Körner gleichmäßig vertheilte Rücken- pigment (pi) die Durchsicht kaum störte. In der von den Ovarial- follikeln freibleibenden Randregion waren die perlschnurartig erweiter- ten baumförmig verästelten Darmäste (da) deutlich sichtbar und schon hier, wie auch nachher in der Längsschnittserie, suchte ich vergeblich nach einem vorderen mittleren Darmast. Ein Randsaum ist nicht deut- lich abgegrenzt, dagegen wird das Mittelfeld des Körpers von einer breiten Zone der kleinen aber scharf hervortretenden Ovarialfollikel (0) umkränzt. Im Mittelfelde selbst gewahrt man die an das Hinter- ende des zweiten Drittels der Körperlänge gerückte äußere Mund- öffnung (mo), die wie auf dem Längsschnitte Fig. 2 ersichtlich, dem letzten Drittel der Pharyngealtasche angehört und etwas aufgewulstete Ränder besitzt. Die Pharyngealtasche ist wenig umfangreich und hat wenige aber ausgiebige seitliche Ausbuchtungen für den diekwandigen Pharynx (ph). Der Darmmund (dın) liegt mehr nach vorn, etwa in’ der Mitte der Pharyngealtasche. Der Hauptdarm (hd) ist außerordentlich geräumig und von Nahrungsobjekten erfüllt, die ich für Theile von Siphonophoren halte. Vorn erstreckt sich derselbe weit über die Pharyngealtasche hinaus. | Die auffallendste Thatsache in der Anatomie dieser Polyelade ist die geringe Differenzirung des Gehirns (g). Es fehlt ihm nicht bloß die sonst bei Polycladen vorhandene Bindegewebskapsel, sondern es ist auch durch seinen geringen Diekenunterschied gegenüber den Längs- Pelagische Polycladen. 201 nerven hier thatsächlich » das Gehirn nichts weiter, als ein etwas stärker entwickelter Theil der Längsstäimme mit etwas dichter als im übrigen Körper angeordneten Querkommissuren «1. Die beiderseitigen Hirnan- schwellungen haben eine Dicke von 0,06 mm, die davon ausgehenden Längsnerven kurz nach ihrem Ursprunge 0,045 mm und noch in der Mundregion 0,04 mm Dicke. Dazu kommt ein ventrales Nervennetz von einer Stärke, wie ich es von keiner anderen Polyelade kenne. Seine Balken (Fig. 5 und 6 n) sind noch in der Randregion des Körpers so dick (0,008—0,04 mm), dass ihre Durchschnitte schon bei schwacher Vergrößerung auffallen. Zahlreiche Äste ziehen von dem ventralen Nervenplexus zum Rücken, um hier in ein dorsales, allerdings schwächeres und weitere Maschen bildendes Netz einzutreten. Die Hirnhofaugen sind jederseits des Gehirns zu drei Häufchen gruppirt, von denen das mittlere am meisten Augen umfasst (Fig. I 9). Daneben ist noch jederseits ein großes Augenhäufchen unter der Basis der Tentakel (Fig. I und 6 {) vorhanden. Die konischen, mit breiter Basis aus einer flachen Grube des Rückens entspringenden Tentakel haben eine Länge von 0,17 mm und enthalten keine Augen. Die männliche Geschlechtsöffnung (GT) gehört dem Beginne des letzten Körperviertels an. Sie führt direkt in den mächtigen tonnenför- migen Begattungsapparat, der in dieser Region den ganzen Raum zwi- schen Bauch- und Rückenwand des Körpers einnimmt. Sein anfänglich enger Ausführungsgang (dem »männlichen Vorraum« entsprechend) erweitert sich alsbald zu einem ceylindrischen Raume, dem eigentlichen Penis (ps), dessen Wandung bei der Copula zweifellos vorgestülpt werden kann, so dass dann sein oberes (vorderes) in den engen Ductus ejaculatorius (de) übergehendes Ende zur Spitze wird und die ihn aus- kleidenden Stacheln an die Außenfläche treten als mit ihrer Spitze nach hinten gerichtete Widerhaken. Die Form der Penisstacheln weicht sehr von derjenigen ab, die Lang für Planocera graffii beschrieben hat, doch sind wie dort so auch hier die Stacheln selbständige von je einer Epithelzelle als Cuticularprodukt erzeugte Gebilde. Fig. 9 stellt in halbschematischer Weise das Verhältnis der Stacheln (gelbe Cuticula) zu ihren Matrixzellen sowie zu den Kernen der letzteren dar. Der Umriss der Kerne ist, trotz der in allen übrigen Geweben vorzüglichen Tinktion, hier sehr verschwommen, und ihre Lage wie auch ihre Form eine sehr auffallende. In beiden Punkten ist die Beziehung zum Orte der Sekretionsthätigkeit der Zelle eine in die Augen springende. Der 1 A. Lane, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie und Histologie des Nervensystems der Plathelminthen. Mittheil. aus d. Zool. Station zu Neapel. Bd. III, Leipzig 1884, p. 87. EN ne 202 5 wertall, Kern erscheint gestreckt, am freien Ende der Zelle kappenförmig verbreitert und liegt da, wo erst noch die Spitze des Stachels gebildet wird, dicht unter dieser, um dann, wenn die Sekretionsthätigkeit auf Weiterbildung des basalen Endes des Stachels gerichtet erscheint, auch seinerseits weiter zur Basis der Zelle herabzurücken. Die Basis der Stacheln ist im Querschnitte (Fig. 10) vierkantig, rhombisch, in der länge- ren Diagonale bis ca. 0,02 mm breit, sie flachen sich jedoch gegen die Spitze derart ab, dass sie zu mehr oder weniger gekrümmten Schaufeln oder Löffeln werden (Fig. 8). Der Übergang vom Flimmerepithel des Ductus ejaculatorius (de) zum Stachelkleide des Penis ist ein plötzlicher, und hier stehen nach einigen sehr kleinen gleich die längsten Stacheln (st) von 0,09 mm Länge. An der Seitenwand nehmen sie dann an Größe bis auf 0,025 mm ab (st), um distalwärts wieder dieselbe Größe zu erreichen wie vorn. Nach einigen kleineren Stachelzellen beginnt dann das schöne Cylinderepithel des männlichen Atrium genitale. Die freien Enden dieser sich lebhaft tingirenden und mit langgestreckten Kernen versehenen Zellen sind vollgepfropft mit stark lichtbrechenden gelben Körnchen, die wahrscheinlich auch aus Chitinsubstanz bestehen und vielfach in Form von runden Klümpchen abgestoßen frei im Lumen des Vorraumes gefunden werden. Die sekretorische Thätigkeit des Vorraumepithels nimmt allmählich ab, d. h. die Masse der gelben Kör- ner in den Zellen derselben wird immer geringer gegen ci hin, wo die Bekleidung mit Flimmerhaaren beginnt. Doch sind auch hier anfäng- lich noch einzelne heller gelbe Körnchen unter den Cilien wahrzu- nehmen. Der Ductus ejaculatorius mit seinen kubischen Flimmerzellen zieht in einer $-Krümmung zum blinden Ende des Copulationsorgans und theilt sich hier in einen dorsalen Ast, der zur mehrfächerigen Körnerdrüse (kd), und einen ventralen Ast, der zur kleinen kugeligen Samenblase (sb) führt. Die Vasa deferentia ziehen von den weiten Sammelkanälen (Fig. 2—4 vd,) in der Höhe der Linie «»* an die Ven- tralseite des Copulationsorgans und steigen dann, diesem dicht ange- schmiegt, nach hinten und oben, um sich schließlich in einen stark muskulösen gemeinsamen Endabschnitt zu vereinigen, der von unten her in die Samenblase mündet. Was die Muskulatur des männlichen Begattungsapparates betrifft, so haben wir zwischen der äußeren, das ganze Organ umhüllenden, und der inneren die Wand des Penis und Ductus ejaculatorius beklei- denden zu unterscheiden. Beide gehen an den Enden in einander über. Die äußere Muscularis besteht aus einer starken Längsfaser- schicht (Fig. 8 etl), die auch gegen den Rand der männlichen Ge- schlechtsöffnung sowie die Umgebung derselben ausstrahlt. Darauf Pelagische Polycladen. 203 folgt nach innen eine sehr mächtige Ringfaserlage (eir). Zwischen den beiden Schichten der äußeren Muscularis findet man die Längs- und Querschnitte von spindelförmigen Zellen mit grobgranulirtem Plasma, die ich für Bindegewebszellen halte (eiz), da trotz ihres an Körnerdrüsensekret erinnernden Inhaltes nicht abzusehen ist, wohin ein eventuelles Sekret ausgeführt werden sollte. Die innere Muscu- laris ist viel schwächer und besteht aus einer dünnen, und am Ductus ejaculatorius bestimmt nur einfachen Lage von Ringfasern (rm) und einer aus wenigen Lagen zusammengesetzten Längsschicht (Im). Die letztere strahlt hinten in die äußere Muscularis aus und verflicht sich mit derselben. Am blinden Ende des Copulationsorgans schlägt sich nun die äußere Muscularis fast in ganzer Stärke auf die Körnerdrüse über, während die Muscularis der Samenblase viel schwächer ist, wie denn letztere auch in ihrer Form selbständiger aus dem Kontour des Copulationsorgans heraustritt. Bei dem Umschlage der äußeren in die innere Muscularis findet natürlich eine Kreuzung der Faserschichten statt. Der weite Raum zwischen den beiden Muskelhäuten (Fig. 2 und 8 bo) ist erfüllt von einem äußerst zarten spongiösen Gerüst von Bindegewebsfasern und -Platten, in dem zahlreiche Kerne, bisweilen mit deutlich sich abhebenden und mehr oder weniger verzweigten Plasmahöfen eingelagert sind. Überdies durchsetzen kräftige Muskel- bündel, der Quere nach oder von vorn nach hinten, aber durchwegs aus der äußeren Muscularis radiär zur Wand des Penis streichend, diesen Raum. Sie sind die Retraktoren (rt) des stacheligen Penis. Ein bemerkenswerthes Element der Wandung des letzteren bilden schließ- lich die ihm in ganzer Länge von außen anliegenden Penisdrüsen (dr). Es sind von vorn nach hinten an Zahl zunehmende und schließlich in mehrfacher Lage über einander geschichtete birnförmige Zellen, die mit feinen Ausführungsgängen die innere Muscularis durchsetzen, um zwischen den Basaltheilen der Stachelzellen in das Lumen des Penis zu münden. Sie fehlen dem Ductus ejaculatorius eben so wie dem Vorraume. | Der weibliche Geschlechtsapparat war bei diesem Thiere offenbar noch nicht zur Reife gelangt, wie aus der geringen Größe der Eifollikel (0) sowie der mangelnden Ausbildung der nur erst in der ersten Anlage vorhandenen Uteri (Fig. 2—4 «) und Eischalendrüsen hervorgeht. Mit diesem Vorbehalte gebe ich die Beschreibung des weiblichen CGopu- lationsorgans. Dasselbe stellt ein dick muskulöses birnförmiges Organ dar, dessen Innenfläche in vielfachen Falten vorspringt, während die Museularis aus verfilzten Ring- und Längsfaserzügen sowie zahlreichen einzelnen (nicht zu Bündeln vereinigten) Radiärfasern zusammen- 204 L. v. Graft, gesetzt ist. ‚Nach vorn verschmälert sich die Bursa copulatrix (be) und empfängt hier von der Dorsalseite den unpaaren Theil des Eierganges (we). Derselbe läuft ein Stück nach vorn und gabelt sich noch innerhalb der Muscularis (bei we) in die rechts und links abgehenden Uteri, welche nach dem Austritte aus der Muscularis des Gopulationsorgans noch bis über die Region der Längsnerven eine zur Körperachse quere Rich- tung behalten (Fig. 3), um dann erst (Fig. 4) in der Höhe der Samen- sammelkanäle angelangt, nach vorn umzubiegen. Die Uterusanlagen sind hier zweifellos Ausstülpungen des Epithels der Bursa copulatrix, resp. des aus letzterem entstandenen Eierganges. Anfänglich noch mit einem feinen Lumen versehen, werden sie nach vorn immer enger und enden schließlich als ein solider Zapfen mit zahlreichen eingelagerten Kernen, die sich nach Form und Tinktion als Derivate des Epithels der Bursa copulatrix erweisen. Ich hebe dies desshalb hervor, weil Land (l. e. p. 316) die Frage nach der Entstehung der Uteri und der großen Samenkanäle offen gelassen hatte. Vor der Einmündung des Eierganges verschmälert sich das Lumen des Copulationsorgans zu einem sehr feinen Kanal, um nachher sich wieder zu einem Blindsack (ba) zu er- weitern, der dem Schalendrüsengang —+ accessorischer Blase anderer Planoceriden (z. B. Pl. pellucida, Taf. VII, Fig. 5) entspricht. Ob er hier schon das Ende seiner Entwicklung erlangt hat, oder aber im ausge- bildeten Zustande größer und ebenfalls nach dem Hinterende umge- bogen wird, muss einstweilen unentschieden bleiben. Das reichliche und wie alle anderen Gewebe dieses Objektes aus- gezeichnet erhaltene Parenchym ist von einer ungewöhnlich reichen dorsoventralen Muskulatur durchsetzt, die zwar nirgends zu größeren Bündeln oder Septen zusammentritt, aber dafür gleichmäßig durch den ganzen Körper vertheilt, einigermaßen Ersatz gewährt für die (hier wie bei den anderen Planoceriden) verhältnismäßig schwache Entfaltung des Hautmuskelschlauches. Der letztere, aus einer äußeren feinen Querlage (Fig. 7 qm), einer diagonal gekreuzten (dim) und einer sehr unvollständigen Längsflaserschicht (Im) bestehend, erreicht im Schnitte bloß auf der Ventralseite die Höhe der Epithelzellen. Dorsal ist er noch viel schwächer, indem die (innerste) längsverlaufende Lage da- selbst ganz fehlt, die schief gekreuzte aber minder stark ausgebildet ist als bauchseits. Unsere Planocera beherbergte in ihren Darmästen einige Exem- plare eines geschlechtsreifen Distoma von 0,22 mm Länge und 0,06 mm Breite. Planocera simrothi gehört wie die vorhergehende Species zur Gruppe A des Lang’schen Genus Planocera. Das Vorkommen der Planocera simrothi in der Janthinaschale‘ Pelagische Polyeladen. 205 scheint mir ein bloß zufälliges zu sein. Es geht dies auch daraus her- vor, dass ich unter dem Materiale des Hamburger Museums drei pelagische Polycladen fand, welche mir identisch mit obiger Form zu sein scheinen. Bei allen dreien ist die Schalendrüse, welche bei Sımrotu’s Exemplare nur schwach entwickelt war, viel stärker ausge- bildet, so dass sie als rothbraune zweilappige Masse durch die Leibes- wand schimmert und mit freiem Auge erkannt wird. Sie sind auch größer als jenes und zwar a) Mus. Godeffroy 3168, Atlant. Ocean mit der Originaletikette Gruse’s »Stylochus oligoglenus Schmarda « ist fast 44 mm lang, bei einer größten Breite von 8,5 mm; b)Mus. Godeffroy 3168; Atlant. Ocean?, mit Gruse’s Originaletikette »Stylochus« 10 mm lang und 8 mm breit; c) Mus. Godeffroy 3168, Atlant. Ocean, Stylochus oligoglenus Schmarda, Grube det.? ist schlanker als die anderen beiden, 41 mm lang, 6 mm breit und dunkler braun pigmentirt. Zu einer Identificirung der genannten Objekte (bes. dessub a ange- führten) mit Scumarna’s Stylochus oligoglenus! [Planocera oligoglena (Schmarda) bei Lane p. 444] finde ich keine genügenden Anhaltspunkte. Denn selbst wenn man von der Augenstellung absieht, so sind doch die Differenzen in der Größe und in den Fundorten solche, dass sehr plau- sible andere Gründe vorhanden sein müssten, um diese Formen zu- sammenzuziehen. Zudem ist es sehr fraglich ob die Exemplare des Hamburger Museums, für welche als Fundort der atlantische Ocean an- gegeben ist, die Grundlage zu Gruge's Notiz? gegeben haben, da Letzerer nur von Samoanischen Seeplanarien spricht. Planocera grubei.n. sp. Taf. X, Fig. 5—8. Vier Exemplare dieser neuen Species erhielt ich aus dem Natur- historischen Museum in Hamburg (Eingangskatalog 323, 18° S.Br. 85° Ö.L.), eines aus der Universitätssammlung in Breslau (Planaria spec. Mus. Godeffroy 3168, Atlant. Ocean). Alle waren stark verkrümmt, mit queren unregelmäßigen Faltungen und vielfach eingeschlagenen Rändern. Ihre Farbe ist braungelb, herrührend von dichtgedrängten gleichgroßen - runden Pigmentpünktchen, die ausschließlich dem Rücken angehören, aber das Thier noch ziemlich hyalin lassen. Der Körper ist an beiden Enden in gleicher Weise breit abgerundet, das kleinste Exemplar 5,2 mm lang und 3 mm breit, das größte 7 mm lang und 4,5 mm breit. Das in 1 L.K. ScamarvA, Neue wirbellose Thiere, beobachtet und gesammelt auf einer Reise um die Erde 4853 bis 1857. Bd.I. A. Hälfte. Neue Turbellarien, Rotatorien und Anneliden. Leipzig 1859. p. 34. Taf. VII, Fig. 77. 2 Fünfundvierzigster Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vaterlän- dische Kultur (für 1867). Breslau 4868. p. 46—47. Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. LV. Bd. 44 Zen, ee ae 4 206 L. v. Graff, Längsschnitte zerlegte Individuum (es mag ausgestreckt 5,6 mm lang ge- wesen sein) hatte in der Pharyngealgegend die verhältnismäßig be- trächtliche Dicke von 0,9 mm. Bei der Menge der durchscheinenden kleinen Ovarial- und Hodenfollikel (Fig. 6 o und h) war von den Darm- verzweigungen wenig zu sehen. Sie scheinen sich ähnlich zu verhalten wie bei Planocera simrothi, auch scheint wie dort ein vorderer medianer Darmast zu fehlen. Der Mund (mo), zu welchem wie in Fig. 5 bei zwei Exemplaren ein Theil des Pharynx hervorquoll, befindet sich am Anfange der zweiten Körperhälfte und etwas hinter der Mitte der Pharyngealtasche, welch’ letztere schmale und tiefe Seitentaschen trägt (vgl. Fig. 5 ph), wie auch der an seinem freien Rande fein zerschlissene Pharynx als überaus reich gefaltete Krause erscheint (Fig. 6 ph). Der Hauptdarm (hd) ist vorn wie hinten viel kürzer als die Pharyngealtasche, der Darmmund (dm) liegt direkt über dem äußeren Munde. Das Gehirn (g) ist sehr schwach entwickelt, die braunen Hirnhofaugen (au) in zwei länglichen Haufen tief im Parenchym eingebettet, während die davon ziemlich weit abstehenden Tentakelaugen dicht an die Basis der Nackententakel (Fig. 7) herantreten. Letztere erscheinen als fingerförmige Fortsätze von 0,2 mm Länge. - Vom Geschlechtsapparate fällt zunächst die dunkelbraun durch- scheinende Masse der Eischalendrüse (sdr) im Beginne des letzten Körperviertels auf. In ihr erblickt man die weibliche Geschlechts- öffnung (Q) während die männliche (1) dicht vor der Schalendrüse, noch im zweiten Viertel, liegt. Letztere (Fig. 8) führt in das fast kugelige männliche CGopulationsorgan, dessen Blase (co) zugleich Ductus ejacu- latorius und Körnerdrüse vertritt, da eine solche fehlt. Von ihr erhebt sich ein kleiner gekrümmter Chitinhaken, der Penis (ps), mit verbrei- teter Basis und ragt in den Vorraum. Die Wand des Copulationsorgans wird von einem Filze von Muskelfasern gebildet, die dasselbe in zwei auf einander senkrechten Richtungen, äquatorial und meridional, um- kreisen (com). Überdies markiren sich besonders die Muskelbündel, welche von der Rücken- und Bauchwand zur Basis des Penis als dessen Retraktoren hinziehen (psm und psm,), die an den Umkreis der Ge- schlechtsöffnung und die Wand des Vorraumes herantretenden und bei ihrer Kontraktion den Penis bloßlegenden Fasern (m und m,) sowie ein drittes System von Fasern, welches das Copulationsorgan an der dorsa- len Körperwand befestigt (mm). Der Penis misst von der Basis bis zur Mündung 0,13 mm und hat eine solide Spitze, indem seine Mündung (ps,) hinter dieser auf der konvexen Seite liegt. Der von Lane gebrauchten Terminologie nach ist die »Spitze des Penis« auch hier »nach hinten Pelagische Polyeladen. | 207 gerichtet«, obgleich die Art der Einfügung des Chitinhakens dessen Spitze in Quetschpräparaten (wie Fig. 5) begreiflicherweise nach vorn sehen lässt. Von der Seite her durchsetzen die Stiele der beiden »accessorischen « Samenblasen gesondert die Rückwand des Copulationsorgans (bei sb, in Fig. 6). Von ihr ziehen sie in geschlängeltem Verlaufe und immer breiter werdend (Fig. 5 und 6 sb) bis unter die hinteren Aussackungen der Pharyngealtasche. Ihre Museularis erreicht hier fast dieselbe Dicke wie die Wand des Copulationsorgans, um plötzlich an dem verengten Übergange in die nach rückwärts umbiegenden großen Samengänge (vd) sich zu verlieren. Der weibliche Apparat ist von äußerster Einfachheit und stellt ein von der weiblichen Geschlechtsöffnung (Fig. 6, ©) nach oben und vorn aufsteigendes, besonderer Muskelverdickungen entbehrendes Epithelialrohr dar, das sich schließlich nach hinten umwendet, um ganz allmählich in ein kleines Endbläschen anzuschwellen. Dieses empfängt von beiden Seiten die Uteri und ist sowie die nächste Umrahmung der weiblichen Geschlechtsöffnung frei von den Ausführungsgängen der Schalendrüsen. Der ganze Rest des weiblichen Genitalkanales ist aber in letztere von allen Seiten eingebettet und seine Wand von ihren dicht- gedrängten Ausführungsgängen durchsetzt. Planocera grubei stimmt in jeder Beziehung mit der Charakteristik, welche Lang für die Gruppe B seines Genus Planocera entworfen hat. Das Verbreitungsgebiet dieser pelagischen Polyclade ist ein sehr weites. Das Exemplar des Breslauer Museums stammt aus dem atlan- tischen, die Exemplare des Hamburger Museums aus dem südlichen indischen Ocean. An der specifischen Zusammengehörigkeit derselben ist nicht zu zweifeln. Stylochoplana sargassicola (Mertens). Taf. IX, Fig. 1—5. Planaria sargassicola Mertens, »Untersuchungen über den Bau verschiedener in der See lebender Planarien«. Mem. Acad. imp. des Sciences de St. Peters- bourg. 6. ser. Sc. math. phys. et nat. Tome II. St. Petersbourg 1833. p. 13 —44. Tab.I, Fig. 4—6. Stylochus sargassicola (Mertens) in: Lang, 1. c, p. 454. Stylochus pelagicus Moseley, »On Stylochus pelagicus, a new species of pelagic Planarian«. Micr. Journ. vol. XVII. N. S. London 1877. p. 23—27. Tab. III, Fig. 91. Planocera pelagica (Moseley) in: Lang, ]. c. p. 439. Meine Beschreibung stützt sich ausschließlich auf ein vortrefllich konservirtes Material, welches ich der Güte des Herrn Baron J. DE GUERNE in Paris verdanke und über welches ich bereits vorläufig berichtet Ah* 208 L. v. Graft, habe!. Dasselbe wurde im Juli 1887 während der Fahrt der »Hirondelle« im Sargassomeere gefunden. Dazu kamen einige Quetschpräparate, ebendaher von der Expedition des »Talisman«, welche mir Herr Prof. L£on VaıLLant in Paris? übersendet hatte. Bei der großen Durchsichtigkeit dieses Thieres wird der Über- blick über den inneren Bau im Quetschpräparate bloß durch die zahlreichen opaken Eier (die weißen Punkte bei auffallendem Lichte) sowie die Verzweigungen der Eischalendrüse beeinträchtigt. Der cha- rakteristische Umriss: das stark verbreiterte Vorderende, welches durch eine seichte Einschnürung von dem Rest des Körpers abgesetzt wird, der schließlich in ein stumpfes Schwänzchen sanft übergeht (Fig. 1) — ist bei allen Individuen anzutreffen. Die größten hatten eine Länge von 7 mm, bei einer Breite von 3,2 mm im Vorderkörper und einer solchen von 2,ö5mmin der Mundregion. Die Dicke des 5,6 mm langen Exemplars, von welchem ein Längsschnitt in Fig. 2 abgebildet ist, betrug in der Pharyngealregion bis 0,4 mm. Der zarte, von den inneren Organen frei gelassene Randsaum ist überaus zierlich gefältelt. In der Mitte des Vorderrandes ist eine schwache Einbuchtung zu bemerken und es schimmert hier der der Ventralseite angehörende Saugnapf (Fig. 1 und 2 s) durch — eine flache Grube mit verdicktem Epithel und einer Musku- latur, wie sie Lang (l. c. Taf. 20, Fig. 4) für den Saugnapf von Thysa- nozoon Brocchii abbildet, und einem darüber gelegenen Ganglion (sg), das aus der Vereinigung und Anschwellung der beiden vorderen Haupt- nerven hervorgeht. Die schwach gelbliche Färbung der Planocera sargassicola wird durch feine graugelbe Pigmentkörnchen hervorgebracht, mit welchen der Rücken bestäubt ist. Die Mundöffnung (mo) liegt vor der Körpermitte und führt in eine zwar schmale aber langgestreckte Pharyngealtasche. Diese ist nur sehr wenig seitlich ausgesackt, wie auch der Pharynx an seinem freien Rande nur wenig gefaltet erscheint. Bei jungen Thieren ist sowohl seine Ansatzlinie wie sein freier Rand ganz glatt. Während der äußere Mund dem Hinterende der Pharyngealtasche genähert ist, erscheint der Darmmund (Fig. 2 dm) mehr zum Vorderende derselben verschoben. Der Hauptdarm (hd) ist nach vorn zu länger, hinten aber kürzer als die Pharyngealtasche. Ein vorderer mittlerer Darmast (Fig. 2 vmda) 1 L. v. GRAFF, Sur une Planaire de la mer des sargasses (Stylochoplana sar- gassicola Mertens). Bull. de la Soc. zool. de France pour l’annee 1892. Paris 4892. 2 Siehe L&on VAıLLant, Les campagnes scientifiques du »Travailleur« et du »Talisman«. Extrait du compte rendu de la seance publique annuelle de la societe de secours des amis des sciences, tenue le 40 avril 1884. Paris 4884. p. 23. Pelagische Polyeladen. 209 ist vorhanden, er ist aber im Quetschpräparate eben so wenig wie die übrigen (wenig verästelten und bis ans Ende gleich breit bleibenden) Darmäste (da) bis zu seinem centralen Ursprunge zu verfolgen. Der Raum unter und zwischen den Darmästen wird von den zahl- reichen Hodenfollikeln (Fig. I und 2 Ah) erfüllt; die dorsalen Ovarial- follikel (0) gehen nicht so nahe an den Körperrand heran wie die Hoden. Sehr auffallend markiren sich die grobkörnigen Streifen der Schalendrüse (sdr), die gegen die männliche Geschlechtsöffnung zu kon- vergiren scheinen, in Wirklichkeit aber in den von der Bursa copulatrix schief nach oben und vorn und dann nach rückwärts ziehenden Schalendrüsengang einmünden. Derselbe macht dann eine Biegung nach abwärts (Fig 2 we) und empfängt an dieser Stelle von den Seiten her die beiden Uteri, um sich noch weiter nach rückwärts in die ventral gelegene quer ausgezogene und ziemlich umfangreiche Bursa accessoria (Fig. 1—3 ba) des weiblichen Apparates fortzusetzen. In der Bursa habe ich Sperma vorgefunden. Während bei einigen verwandten Formen (Planocera graffii, simrothi, pellucida) der ausführende Theil des weib- lichen Copulationsorgans, die Bursa copulatrix, in toto von einer außer- ordentlich verdickten Muscularis eingehüllt wird, liegt hier die Sache ganz anders. Der Hautmuskelschlauch schlägt sich ohne wesentliche Dickenzunahme auf die Bursa copulatrix um, in der dafür, nach innen vorspringend, ein zum Umfassen und Festhalten des Penis außerordent- lich geeignetes Organ entwickelt ist in Form einer pharynxähnlichen faltenreichen Ringfalte (Fig. 2 u. 4 mf). Im Bereiche derselben erfährt die Basalmembran (bm) eine auffällige Verdickung und im Übrigen be- steht ihre Hauptmasse aus Ringmuskelfasern (rm), zwischen welche von außen her aus einem durch Verschmelzung der Längsfasern ge- bildeten Geflechte (rdm) radiäre Fasern eindringen, um mit ihren Ver- ästelungen gegen die freie Fläche der Falte auszustrahlen. Ein weiteres Element dieser Muskelfalte sind die großen birnförmigen Drüsen (dr), - deren Ausführungsgänge sich in die Muskelmasse einsenken, jedoch von mir nicht weiter verfolgt werden konnten. Sie sind auf die Muskel- falte beschränkt und fehlen den davor und dahinter gelegenen Theilen der Bursa copulatrix. Die nicht weit vor der weiblichen gelegene männliche Geschlechts- öffnung (g') bezeichnet ziemlich genau die Grenze zwischen dem dritten und vierten Fünftel der Körperlänge. Sie führt in den geräumigen männlichen Vorraum, in welchen die nach hinten gerichtete konische Spitze des Penis (ps) hineinragt. Sie ist von einer Chitinmembran be- kleidet, die sich in den centralen Kanal umschlägt und hier in so fern eine andere Struktur aufweist, als sie lokale Verstärkungen in Form. 210 L. v. Graff, von Längsleisten besitzt, denen wieder dem Lumen zugekehrte Reihen von gekrümmten Häkchen aufsitzen. Fig 5 s zeigt diese Häkchenreihen und man sieht, wie zwischen den Längsleisten feine Querlinien die Ver- bindung der korrespondirenden Häkchen verstärken. Diese innere Chitinauskleidung des Penis ist aber biegsam genug, um bei der Aktion vorgestülpt zu werden, wo dann (wie ich an einigen Präparaten sehe) die Stachelreihen mit nach rückwärts gewendeten Spitzen die Außenwand des Penisendes besetzen. Der chitinösen Spitze schließt sich vorn der langgestreckte cylindrische muskulöse Theil des männlichen Copula- tionsorgans an. Der in seinem Verlaufe gleichweite Ductus ejaculatorius (Fig. 2 und 3 de), dessen Epithel nach innen in Querfalten vorspringt, setzt sich am vorderen stumpfen Ende des Penis in den kurzen Stiel fort, der sich ventralwärts zur Samenblase (sb) herabsenkt. Die Vasa deferentia (vd) ziehen von der Seite her gegen den Raum zwischen Copu- lationsorgan und Samenblase, um gesondert in die Rückwand der letz- teren einzumünden. An der Muscularis des CGopulationsorgans unter- scheiden wir folgende Schichten von außen nach innen: eine äußere Längs- und Ringfaserschicht, dann ein spongiöses Gerüst von Muskel- fasern, in dessen Maschen große ovale Bindegewebskerne eingeschlossen sind, hierauf die innere Längs- und Ringfaserschicht, letztere dem Epithel des Ductus ejaculatorius aufliegend. Die stärkste Lage ist die der äußeren Längsfasern. Dazu kommen gesonderte Bündel von, die ganze Muskelwand durchsetzenden radiären Fasern. Von der Planocera graffii (Lang 1. c. p. 237 ff.) unterscheidet sich die vorliegende Form im Baue ihres männlichen Copulationsorgans demnach besonders durch 1) das Fehlen einer distinkten Körnerdrüse, 2) die größere Selbständig- keit der Samenblase, welche hier nicht von der Penismuskulatur um- schlossen ist und 3) die feste Verbindung der Penisstacheln unter ein- ander. In letzterem Punkte entsprechen die Verhältnisse bei Planocera graffii vielmehr denen von Planocera pellucida und simrothi. Das im ersten Körperfünftel gelegene Gehirn (Fig. I und 2 g) ist wohlentwickelt und von einer festen Bindegewebsmembran umschlos- sen. Wie die Gehirnhofaugen zerstreut liegen ist aus Fig. 4 ersichtlich, dessgleichen die Gestalt der fingerförmigen 0,25 mm langen Tentakel (?), in deren Innerem sechs bis acht verhältnismäßig große Tentakelaugen unregelmäßig aufgereiht sind, während ein basaler Haufen von solchen hier nicht nachweisbar ist. Ich halte die vorliegende Species für identisch mit der Planaria sargassicola Mertens und Moszrey’s Stylochus pelagicus. Lane hat schon die Deutungen der anatomischen Befunde der genannten Autoren richtig zu stellen gesucht. | Pelagische Polyeladen. 211 Was bei Vergleichungen der Abbildungen am meisten auffällt, ist die Inkongruenz im Kontour zwischen den Abbildungen von MERTENs und Moszrey und meiner eigenen. Alle meine Exemplare hatten den vorn verbreiterten Umriss, wie ihn Fig. I darstellt. Indessen hatten jene Autoren lebende Thiere vor sich, ich dagegen bloß konservirtes Material und ich darf daher auf die Erfahrung hinweisen, die so oft von mir, aber auch von Anderen gemacht worden ist!, dass nämlich die im Leben nach Kontraktionszuständen (namentlich bei Polycladen!) so _ wechselnde Körpergestalt sich bei der Konservirung für die Angehörigen derselben Species in ganz charakteristische und übereinstimmende Form umsetzt. Dies mag auch für die Pharynxaussackungen gelten, welche in Mertens’ Fig. 6 ausgiebiger erscheinen, als in meiner Abbil- dung. Die von Mertens’ gesehenen »vielen kleinen dunkler gefärbten Punkte« sind die Ovarialfollikel, der helle Randsaum und die Lage des Mundes zum Pharynx, die Augen der Tentakelspitze werden richtig an- gegeben, dessgleichen die allgemeine Konfiguration der Copulations- organe, wie sie sich auf dem Quetschpräparate darbietet. Dagegen fallen die vorhandenen Differenzen, welche offenbar eine Folge der schematischen Art der Darstellung sind, nicht ins Gewicht. MerTEns verzeichnet für seine größten Exemplare eine Länge von 13,5 mm und eine Breite von 9 mm. Was den Stylochus pelagicus Moseley betrifft, so scheint mir dessen Identität mit meiner Form nicht minder sicher zu stehen. Die gesammten Differenzen betreffen den Leibesumriss (s. o.) und die Tentakelaugen, welche nach Mosezev nicht in den Tentakeln, sondern an der Basis derselben liegen sollen ?. Dagegen ist die detaillirte Beschreibung des Geschlechtsapparates völlig auf meine in den Figuren 2 und 3 gegebene Darstellung zurückzuführen. Ich kann mich darin den Lane’schen Korrekturen (l. ce. p. 2337—238 und 304) anschließen und bemerke nur noch Folgendes dazu: in Moseey’s Fig, 11 ist die »male generative aper- ture« mg nichts als die Einmündung des Schalendrüsenganges (» tortuous canal« M.) in die Bursa copulatrix (» Uterus«M.), die »Prostate« pi da- 1 J.v. Kennel, Untersuchungen an neuen Turbellarien. Zool. Jahrbücher, her- ausgegeben von J. W. Spenge. Abth. f. Anatomie u. Ontogenie der Thiere. Bd. III. Jena 1888. p. 455. 2 MosELEY hat wahrscheinlich beide Mertens’sche Polycladen, die Pl. sar- gassicola und die Pl. pellucida vor sich gehabt, aber nicht immer aus einander gehalten. So allein ist es zu erklären, dass er bei seinem Stylochus pelagicus, der nach der Konfiguration des Geschlechtsapparates identisch ist mit Pl. sargassicola, die Augenstellung von Pl. pellucida Mertens (Augen bloß an der Basis der Tentakel), bei seinem Stylochus pellucidus = Pl. pellucida Mertens aber die Augenstellung der Pl. sargassicola (Augen innerhalb der Tentakel aufgereiht) gesehen haben will. 919 L. v. Grafi, gegen die Samenblase, während die eigentliche männliche Geschlechts- öffnung von Moserry überhaupt nicht gesehen wurde. Moserry’s Objekte waren bis 7,5 mm lang und 4,5 mm breit. Aus dem sub Planocera pellucida (p. 199) Bemerkten geht hervor, dass Mertens mit dieser wahrscheinlich auch Exemplare von Stylocho- plana sargassicola im atlantischen Ocean pelagisch gefischt hat. Lang's Vorschlag, die Mertens’sche Planaria sargassicola zur Gattung Stylochus zu ziehen, ist um so weniger annehmbar, als bei einer so durchsichtigen Form die Randaugen kaum übersehen werden konnten, wenn sie vor- handen waren. Im Übrigen sind die Geschlechtsöffnungen weit ge- trennt und jetzt von mir nachgewiesen worden, dass beim männlichen Apparate eine selbständige Körnerdrüse fehlt, dagegen ein chitinöser Penis vorhanden ist, während der weibliche Apparat eine accesso- rische Blase besitzt — sämmtlich Charaktere, die der vorliegenden Species keinen Platz im Genus Stylochus gewähren. Von der Gruppe A des Genus Planocera scheidet sie der Mangel einer vom Ductus ejaculatorius gesonderten Körnerdrüse, von der Gruppe B desselben die Einzahl der Samenblase, von beiden Plano- ceragruppen aber die weit nach vorn gerückte Lage des Gehirns und der Tentakel sowie der Gesammthabitus. Dagegen stimmt in den beiden letzteren Punkten unser Thier auffallend überein mit den von Lang genauer beschriebenen Vertretern des Genus Stylochoplana und auch die Organisation des Geschlechtsapparates zeigt große Übereinstimmung (man vergleiche Lane’s Taf. XII, Fig. 3 von Stylochoplana agilis mit meiner Fig. 2), sobald man den drüsigen Ductus ejaculatorius unseres Objektes nach Lang’s Vorgang als »Körnerdrüse« bezeichnet. Die Be- waffnung des Penis fällt als ein innerhalb der Polycladen-Genera sehr variabler Charakter und die Trennung der Geschlechtsöffnungen dess- halb nicht ins Gewicht, weil es ja auch echte Stylochoplanen (St. maculata) giebt, bei denen die Geschlechtsöffnungen deutlich getrennt sind. So bleiben als specifische Charaktere unserer Form nur der Besitz der Muskelfalte im weiblichen Gopulationsorgane sowie die langen schlanken Tentakeln und die Lage von Augen innerhalb der letzteren übrig, — Charaktere, die mir nicht ausreichend scheinen, um auf die- selben ein neues Genus zu gründen. In den mir vorliegenden Notizen des verstorbenen Prof. P. LAnGER- HANS finde ich zahlreiche Abbildungen, welche unzweifelhaft die vor- liegende Species betreffen. Nur in der Größe ist ein auffallender Unter- schied, indem das einzige von L. gesehene Exemplar bei 2,5 cm lang war. Die Fundortsangabe »Madeira, marin « ist, da die LAnGErHAnNs’schen 58 Ei E Ya & he Pelagische Polycladen. 213 Notizen bloß Seethiere betreffen, wohl so zu verstehen, dass das Thier pelagisch gefischt wurde. Stylochoplana sargassicola ist demnach nicht bloß ein charakte- ristischer Bewohner der nordatlantischen Sargassosee, sondern findet sich auch sonst im atlantischen Ocean pelagisch. Indessen würde doch die Häufigkeit des Thieres im Sargassomeere die von LAngerHAns bei Madeira und von Moserey unter 9° 21’ N. 48° 95’ W., sowie 5° A8'N. 14° 20° W. gefundenen Exemplare als zufällig Verirrte erscheinen lassen und die Annahme gestatten, dass unsere Stylochoplana sargassi- cola ein Littoralthier ist und nur immer wieder mit dem von den westindischen Küsten losgerissenen Sargassum'! der Sargassosee zu- geführt wird — wenn dem nicht ein anderes mir vorliegendes Fund- objekt widerspräche. In dem die Planctoplana challengeri enthaltenden Glase fand sich nämlich auch ein etwas über 5 mm langes Exemplar von Stylochoplana sargassicola. Dasselbe stammt daher aus der Südsee (nördlich von Neuguinea) und unsere Sargassopolyclade erscheint damit als ein holoplanktonisches, sowohl dem stillen als dem atlantischen Ocean angehöriges Thier. Planetoplana challengeri.n.gen., n. sp. Taf. X, Fig. —4. Mein verehrter Freund, Dr. Joux Murray hat mir als einzige Tur- bellarien-Ausbeute der Challenger-Expedition ein Gläschen übersendet, in welchem neben Holzfragmenten, Copepoden etc. zahlreiche (über 100) kleine Polycladen enthalten waren. Die Etikette lautet »Planarians from drift wood. Challenger 24. February 1875« — sie sind auf der Fahrt von Stat. 117 nach der Humboldtbay: (Neuguinea) erbeutet und im Challenger - Report (Narrative of the ceruise, vol. I, second part, London 1885 p. 680) erwähnt. Sie gehören mit einer einzigen Ausnahme (s. sub Stylochoplana sargassicola) derselben Species an, sind äußerst zart und daher zum größten Theile lädirt. Vorn breit abgerundet verschmälert sich der Körper ganz allmäh- lich zum stumpfen Hinterende (Fig. 1), ist stark durchscheinend, von hell graubrauner Färbung und mit glatten wenig gefalteten Rändern versehen. Die Pigmentirung besteht aus -bloß der Dorsalseite ange- hörigen feinen unregelmäßig gestalteten braunen Pünktchen (pi). Die größten Exemplare sind 2,6 mm lang, bei einer Breite bis zu 1 mm und einer größten Dicke von 0,3 mm. Im Querschnitte sind die Körper- ränder ziemlich scharf gegen die vorgewölbte Bauchfläche abgesetzt. i Siehe bei 0. Krümmer, Die nordatlantische Sargassosee. PETERMANN’S Geogr. Mittheilungen. Gotha 1894, p. 138—139, BR Ser TR Re 214 L. v. Grafl, Es entspricht dies dem Vorhandensein einer schmalen und dünnen, von Darmästen und Geschlechtsdrüsen frei bleibenden Randzone. Die Mundöffnung (mo) liegt im Hinterende der ersten Hälfte, die beiden einander sehr genäherten Geschlechtsöffnungen im Ende des zweiten Drittels der Körperlänge. Ä Der Darm ist sehr reich baumartig verästelt, ich habe seine Ver- „weigungen bloß im Vorderkörper erkannt und den vorderen Stamm mit seinem über das Gehirn hinziehenden mittleren Aste (umda) abgebildet. So weit seine Verästelungen reichen, sind auch die Hodenfollikel zwischen denselben eingekeilt. Der Pharynx (Fig. I und 2 ph) ist sehr zart, hebt sich bei durchfallendem Lichte nur wenig ab und erweist sich als eine, von den Seitenwänden der ovalen nicht ausgesackten Pha- ryngealtasche entspringende lange, aber am freien Rande wenig ge- kräuselte Falte. Nahe dem Hinterende der Pharyngealtasche findet sich die äußere Mundöffnung (Fig. 1 und 2 mo), während der Darmmund (dm) über die Mitte der Pharyngealtasche nach vorn gerückt ist. Der Haupt- darm (hd) erstreckt sich hinten noch über die letztere hinaus und be- deckt so einen Theil des männlichen Copulationsorgans. Das große Gehirn (g), von einem geräumigen Gehirnhof umgeben, ist der Ventralseite sehr genähert; auf Quetschpräparaten (Fig. 1) er- scheint es eingerahmt von den beiden Gruppen der Gehirnhofaugen, die durch die ganz außergewöhnliche Größe der braunen Pigment- becher, sowie die Orientirung derselben nach allen Richtungen des Raumes sofort auffallen. Ihre Lagerung ist übrigens individuell sehr verschieden. Bald sind beide Gruppen so dicht in länglichen Massen vereint wie in Fig. 1, bald aber zerstreut sich namentlich die vordere Partie jeder Gruppe weiter seitwärts. Nach außen von ihnen findet sich je ein Haufen von Tentakelaugen. Im Quetschpräparat ist die Stelle der Nackententakel bloß als hellerer pigmentloser Hof (ta) mar- kirt und ich konnte die Tentakel selbst erst auf Schnitten konstatiren, wo sie sich als wenig vorragende kreisförmige Hügelchen mit einer kleinen Warze an der Spitze (Fig. 3) erweisen. Die zugehörigen Augen liegen im Parenchym unterhalb der Tentakel, nie in denselben. | Sehr eigenthümlich ist der Bau des Geschlechtsapparates. Was zunächst das männliche Gopulationsorgan betrifft, so ist dasselbe ein muskulöses Röhrchen, das im lebenden Zustande ausgestreckt die Hälfte der Körperlänge erreichen dürfte. Die verschiedenen Kontrak- tionszustände, in welchen man den Penis findet — bald innerhalb der Muskelhülle des Copulationsorgans (ei) mehrfach geschlungen (Fig. 1), bald theilweise oder ganz zu der im Grunde des männlichen Vorraumes sich erhebenden Papille der Penistasche herausgestreckt und zur Ge- EEE Pelagische Polyeladen. 215 - schlechtsöffnung heraushängend (Fig. 2 ps) — lassen einen Schluss zu auf seine große Beweglichkeit. Vorn biegt er sich zur Ventralseite um und geht in eine nach hinten gerichtete birnförmige Anschwellung über, die die kleine Samenblase (sb) einschließt. Letztere empfängt die beiden Vasa deferentia in Form eines unpaaren gemeinsamen Endstückes von der Ventralseite her. Der feinere Bau des Penis lässt denselben als ein enges Röhrchen erscheinen, das mit einer dicken äußeren Ringmuskel- schicht (Fig. 4 rm) und einer von unregelmäßigen radialen Fäserchen durchsetzten mächtigen inneren Längsmuskelschicht versehen ist und dessen Rigidität noch erhöht wird durch eine sowohl Außenwand als Lumen überziehende Chitincuticula. Die innere Quticula (ic) ist bedeu- tend dicker als die äußere (ac), beide sind deutlich in Längsstreifchen zerfällt. Von dem weiblichen Apparate fallen zunächst an Quetschpräpa- raten als opake Flecken die äußerst unregelmäßig vertheilten Eier und Eihaufen (Fig. 1 o) sowie die Schalendrüse (sdr) auf. Die beiden Uteri münden nicht, wie es sonst Regel ist, in das hintere Ende des Schalen- drüsenganges, sondern in eine zwischen letzterem und dem Antrum femininum (hier eine Bursa copulatrix, Fig. 2 dc) befindliche Aus- weitung (ue). Der lange Schalendrüsengang (sdr) biegt dorsal nach hinten um und endet mit einer, ziemlich weit hinter der weiblichen Geschlechtsöffnung gelegenen kugeligen accessorischen Blase (Fig. 1 und 2 ba). Da mir die fadenförmigen Gebilde, die ich neben körnigen Massen in derselben fand, als Spermatozoen erscheinen, so glaube ich diese Blase hier eben so wie bei Enantia spinifera als eine Bursa semi- nalis bezeichnen zu dürfen. Das Antrum femininum ist weniger durch die Stärke seiner Mus- eularis als dadurch ausgezeichnet, dass es mit Chitinstacheln ausge- kleidet erscheint. Dieselben haben ganz die schaufelförmige Gestalt, wie die Penisstacheln bei Planocera pellucida und Planocera simrothi und wie bei letzterer Species (Taf. VIII, Fig. 8 si,) am oberen (inneren) Ende des Copulationsorgans die Stacheln durch besondere Länge aus- gezeichnet sind, so auch hier an der Stelle, wo die Bursa copulatrix in den Schalendrüsengang übergeht. Sie messen hier bis 0,016 mm gegen - 0,01 mm an der Seitenwand der Bursa. Es ist sehr bemerkenswerth, dass in vorliegendem Falle Reizmittel zur Begattung dem weiblichen Copulationsorgane beigegeben sind, in genau derselben Gestaltung wie sie bei anderen Planoceriden im Penis getroffen werden. Der Besitz ‚von (allerdings; sehr kleinen) Tentakeln weist diese Polyclade unter die Familie der Planoceriden, wenngleich sie un- verkennbare Beziehungen zu den Leptoplaniden und zwar zu dem ze a " » H, 216 L. v. Grafl, Genus Leptoplana hat. In diesem Genus befindet sich bereits die einzige Polyceladenspecies, welche in Bezug auf ihren Geschlechtsapparat bis ins Detail mit Planctoplana challengeri übereinstimmt, nämlich Polycelis fallax Quatrefages (Leptoplana fallax Diesing, bei Lane 1. ce. p. 492). Dessgleichen wurde die »Pelagie Planarian« MoszLzv’s, von welcher ich (s.weiter unten) vermuthe, dass sie identisch mit der eben beschriebenen Form ist, von Lane in sein Genus Leptoplana eingereiht. Unter den Planoceriden ist es namentlich die Gattung Stylochoplana, die mit der vorliegenden Species im Habitus, in der Lage von Gehirn und Tentakeln, sowie im Bau des Pharynx übereinstimmt. Dazu kommt noch die enge Nachbarschaft der beiden Geschlechtsöffnungen, wodurch unser Objekt eine vermittelnde Stellung zwischen den Planoceriden mit getrennten Geschlechtsöffnungen und den Stylochoplanen mit gemeinsamer Ge- schlechtsöffnung vermittelt. Man vergleiche in dieser Richtung meine Fig. 2 mit Lane’s Taf. XII, Fig. 3. Indessen bietet hier der Genital- apparat doch so viel des Abweichenden von allen bekannten Plano- ceriden, dass esgerechtfertigt erscheinen dürfte für die in Rede stehende Species ein neues zwischen den Familien der Planoceriden und Lepto- planiden vermittelndes Planoceriden-Genus zu errichten mit folgender Diagnose. Planctoplana nov. gen. Planoceriden mit zartem vorn breit abgestumpften, hinten ver- schmälerten Körper; mit ziemlich weit von einander entfernten kleinen konischen Nackententakeln im Ende des ersten Körperfünftels; mit großen Augen an der Basis der Tentakeln und im doppelten Gehirnhof, ohne Randaugen. Mund ungefähr in der Mitte des Körpers, Pharyngeal- tasche kaum ausgesackt, Pharynx in der Ruhelage wenig gefaltet und relativ klein. Geschlechtsöffnungen einander sehr genähert und vom hinteren Körperende weit entfernt. Der Penis ein langes muskulöses vorstreckbares cylindrisches Röhrchen, das sich vorn direkt zur Samenblase erweitert, ohne gesonderte Körnerdrüse. Weiblicher Ge- schlechtsapparat mit einer von Chitinstacheln ausgekleideten Bursa copulatrix und mit accessorischer Blase. — Leibesgestalt und Pigmentirung sowie Augenstellung und Darm- verzweigung dieser Species erinnern sehr an die »Pelagie Planarian« (Leptoplana moseleyi juv. Lane 1. c. p. 500), welche Moseızy bei den Talaut-Inseln gefischt hat!. Die Angabe Moserrv’s »tentacles were absent« fällt nicht schwer ins Gewicht, da dieselben auch mir bei Planeto- plana challengeri entgangen wären, wenn ich nicht Schnittpräparate ! On Stylochus pelagicus etc. Micr. Journ. vol. XVIU. N.S. London 1877, p. 27—29. Pl. III, Fig. 42—43, u" Pelagische Polycladen. 217 angefertigt hätte. Der Umstand, dass Moszızy’s Exemplare bei ca. 3 mm Länge keine Spur von Geschlechtsorganen besessen haben sollen, steht allein einer Zusammenziehung beider Formen zu einer Species ent- gegen. Denn auch die Fundorte liegen nahe bei einander und beide in derselben Strömung, nämlich in der nördlich von Neuguinea aus der Südsee ostwärts ziehenden Passat-Trift. Leptoplana tremellaris Oe. und Planaria notulata Bose. Unter den Präparaten des Herrn Prof. VaıtLLant enthält eines (mit - Leptoplana tremellaris Müll. bezeichnet) eine 1,5 mm lange und an dem 1 erweiterten Vorderende 0,6 mm breite Polyclade, die nach Gestalt und Augenstellung in der That am besten mit der Lept. tremellaris, wie Sie KEFERSTEIN ! beschrieben, übereinstimmt. Doch sind die Geschlechts- organe noch nicht ausgebildet. Ein anderes Präparat (mit der Bezeichnung »Mer des Sargasses 3. VI. 83 «) ist, obgleich schlecht erhalten, doch durch die Augenstellung bemerkenswerth. Es handelt sich offenbar um ein Jugendstadium einer von den späteren Beobachtern nicht wiedergefundenen Polyclade des Sargassomeeres (s. Taf. IX, Fig. 6) von 1,5 mm Länge und I mm größter Breite. Zwischen den braunen Darmästen lagen einzelne opake Eier, von denen die den beiden großen mittleren schwarzbraunen Augenflecken au zunächstliegenden (o) vielleicht den » deux taches rondes, brunes, ocul&es de blanc sur la partie ant&rieure« entsprechen, welche Bosc bei seiner Planaria notulata (s. bei Lana p. 513) beschreibt. Erklärung der Abbildungen. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. ba, accessorische Blase des weiblichen h, Hodentollikel; Geschlechtsapparates ; hd, Hautdrüsen; be, Bursa copulatrix; kd, Körnerdrüse des männlichen Ge- da, Darmast;; schlechtsapparates; de, Ductus ejaculatorius; In, Längsnerv; dm, Darmmund; mo, äußere Mundöffnung ; et, et,, äußere Muscularis des männlichen o, Ovarialfollikel ; Copulationsorgans; ph, Pharynx; 9, Gehirn; pi, Hautpigment; ga, Gehirnhofaugen; ps, Penis; I W. Kererstein, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte einiger Seeplanarien von St. Malo. Abhandl. d, kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Bd. XIV, Göttingen 1868. 218 L. v. Graff, sb, Samenblase; ve, Einmündunsgsstelle des Uterus in das sdr, Eischalendrüse; weibliche Copulationsorgan ; ti, Tentakel; vd, vd,, vd,, Vas deferens oder Sammel- ta, Tentakelaugen ; kanal des Samens; u, Uterus; vdma, vorderer mittlerer Darmast; ö, männliche, ©, weibliche Geschlechtsöffnung. In den Abbildungen von Schnitten, welche bloß die topographische Anatomie veranschaulichen sollen, sind die verschiedenen Gewebe und Organe des Körpers, namentlich Integument, Parenchym, Geschlechtsdrüsen, Darmepithel, Gehirn und Nerven in schematischer Weise ausgeführt. Tafel VII, Planocera pellucida (Mertens). Fig. A. Das Thier von der Bauchseite, wenig vergrößert. Natürliche Länge 48 mm. Fig. 2. Habitusbild nach einem in Glycerin aufgehellten Quetschpräparate. Nerer. ca. 16 >=. pi, die Pigmentirung des Rückens. Fig. 3—5. Längsschnitte aus einer und derselben Serie. Alaunkarmin-Tink- tion. Vergr. ca. 30 x. Fig. 3. Längsschnitt durch die Region des Uterus. Fig. 4. Längsschnitt durch die Region der Tentakel. pht, seitliche Aussackungen der Pharyngealtasche; «,, seitliche Uterus- aussackung. - Fig. 5. Medianer Längsschnitt. bg, Bindegewebe zwischen der äußeren und inneren Muscularis des männlichen Copulationsorgans. Fig. 6. Schnitt durch ein Tentakelauge, stark vergrößert. bg, Bindegewebshülle; pdb, Pigmentbecher; pl, Pigmentzelle; rz, Retina- zelle; si, Retinastäbchen. Tafel VIII. Planocera simrothi n. sp. Fig. 4. Habitusbild. Vergr. ca. 21 x. Fig. 2—5. Längsschnitte, von der Medianlinie gegen den Seitenrand auf ein- ander folgend. Alaunkarmin-Tinktion. Vergr. ca. 30 x<. Die Linie »— x bezeich- net dieselbe Querschnittebene. Fig. 2. Medianer Längsschnitt. n, ventraler Nervenplexus. Längsschnitt in der Region des Längsnerven (n). Längsschnitt in der Region des Samensammelkanals. Längsschnitt durch das Seitenfeld des Körpers. Fig. 3. Sr eu: n, ventraler Nervenplexus. 6: N, Ik Fig Fig Fig Längsschnitt durch die Tentakelregion, stärker vergrößert. ventraler Nervenplexus. Stück des Integumentes aus einem Längsschnitte, stark vergrößert. bm, Basalmembran ; dim, Diagonalfaserschicht des Hautmuskelschlauches; ep, Epithel; Im, Längsfaserschicht des Hautmuskelschlauches; qm, Querfaserschicht desselben. Fig Pelagische Polycladen. 219 Fig. 8. Stück des Penis aus einem Längsschnitte, stark vergrößert. Cam., Seı- BERT Obj. IV, bg, Bindegewebe zwischen äußerer und innerer Muscularis des Copula- tionsorgans; ci, Beginn der Cilienbekleidung des Antrum; dr, Penis- drüsen; ep, Epithel der Haut; eil, Längsfasern, eir, Ringfasern, etz Spindelzellen der äußeren Muscularis des Copulationsorgans; hm, Hautmuskelschlauch; kr, Chitinkügelchen des Antrumepithels; Im, Längsfasern, rm, Ringfasern der inneren Muscularis des Copula- tionsorgans; rt, Retraktoren des Penis; st, Stacheln der Seitenwand und si,, Stacheln des vorderen Endes des Penis. Fig. 9. Halbschematische Darstellung der Penisstacheln, um ihr Verhältnis zu den Matrixzellen und den Kernen (X) derselben zu zeigen. Fig. 40. Schnitt durch die basalen Enden der Penisstacheln. Tafel IX. Fig. 1—5. Stylochoplana sargassicola (Mertens). Fig. A. Habitusbild. Vergr. ca. 22 X. s, Saugnapf des Vorderendes der Ventralseite. Fig. 2. Medianer Längsschnitt. Pikrokarmintinktion. Vergr. ca. 30 x, mf, Muskelfalte der Bursa copulatrix; s, Saugnapf; sg, Saugnapfganglion. Fig. 3. DieCopulationsorgane nach einem Quetschpräparate. Halbschematisch, Fig. 4. Die Muskelfalte (mf) der Bursa copulatrix, stark vergrößert. bm, Basalmembran; dr, Drüsen der Muskelfalte; ep, Epithel der Haut; hm, Hautmuskelschlauch; rdm, Radiärmuskelplexus; rm, Ringmus- kelfasern. Fig. 5. Stück der Chitinauskleidung des Penis mit den Stachelreihen s. Fig. 6. Vorderende einer Sargassopolyclade (vielleicht Bosc’s Planaria notulata?) mit Augen (au, das hinterste Paar derselben), Ovarialfollikeln (o) und Darmästen (da). Tafel X. Fig. —4. Planctoplana challengeri nov. gen., nov.Spec. Fig. 4. Habitusbild nach einem Quetschpräparate. Vergr. ca. 70 x. Fig. 2. Medianer Längsschnitt. Hämatoxylintinktion. Vergr. ca. 70 x, A 2 Fig. 3. Tentakel mit Tentakelaugen, stärker vergrößert. Fig. 4. Querschnitt durch den Penis, stark vergrößert. ac, äußere, ic, innere Chitincuticula; rm, Ringmuskellage; Im, Längs- muskelfasern. Fig. 5—8, Planocera grubei nov.spec. Fig. 5. Habitusbild nach einem Quetschpräparate. Vergr. ca. 22 <<. Fig. 6. Medianer Längsschnitt. Alaunkarmintinktion. Vergr. ca. 30 X. sb,, Einmündung einer Samenblase in das Gopulationsorgan. Fig. 7. Tentakel mit Tentakelaugen, stärker vergrößert. Fig. 8. Stark vergrößertes Stück eines Längsschnittes mit dem männlichen Copulationsorgane. co, Höhlung des Copulationsorgans; com, dessen Muscularis; m und m,, Retraktoren des Antrum; mm, Muskeln, welche das Copulationsor- gan an die Rückenwand befestigen; psm und psm,, Retraktoren des Penis; ps,, Mündung des Penis. udn Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II. Über die Molluskenschale,. Von Johannes Thiele (Dresden). .,; Mit Tafel XI und 1 Holzsehnitt. Wenn auch Einzelheiten über Strukturen von Molluskenschalen schon des öftern beschrieben sind, so giebt es doch eine Anzahl von auf die Schale bezüglichen Fragen, die zum Theil ungenügend erörtert, zum Theil noch gar nicht berührt worden sind. So ist erst in den letzten Jahren die nähere Beziehung der Schale zum Mantel in den Kreis der Betrachtungen gezogen, obgleich noch in wenig befriedigender Art, so ist die Frage noch kaum aufgeworfen, wie es zugeht, dass sich Muskeln an die als Cuticularbildung angesehene Schale wie an ein inneres Skelettanheften, und welchemorphologische und phyletische Bedeutung der innere Schalentheil hat, der sich gewöhnlich vom äußeren Theile durch die Struktur wesentlich unterscheidet. Auch die märchenhafte Beschreibung von Tenıson-Woops!, der Tausende von Augen, sowie Nerven und Ganglien in zahlreichen Schalen gefunden zu haben be- hauptet, musste einmal kritisch beleuchtet werden. Sodann ist kürzlich eine interessante Arbeit von Brumrich? erschienen, in welcher einige wichtige Angaben über die Bildung der Schale bei Chitonen gemacht sind. Es wird hier auch die alte Ansicht erwähnt, nach welcher die Schale der eigentlichen Mollusken nur dem Artieulamentum entsprechen soll, eine Ansicht, welche auch Paur FıscHer in seinem Manuel de Con- chyliologie (p. 876) ausspricht: »je pense que la zone et le tegmentum peuvent etre consideres comme un tegument et assimiles en conse- quence au notaeum des Doris, Pleurobranchus; et que la vraie coquille * On the anatomy and life history of Mollusea peculiar to Australia. Proc. R. Soc. New South Wales. XXII. 2 Das Integument der Chitonen. Diese Zeitschr. Bd. LII. a Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. Il. 221 est limit6e & l’articulamentum«. Dadurch angeregt will ich nicht zögern, meine Ansichten über die Schale, die sich auf die Untersuchung zahl- reicher Dünnschliffe und Schnitte durch Thiere mit entkalkter Schale stützen, darzulegen. Bei Chitonen bestehen die acht Theilstücke der Schale bekanntlich aus demäußeren von » Ästheten « durchzogenen » Tegmentum « und einer inneren Schicht, dem » Articulamentum«. In Fıscaer’s Manuel Fig. 620 ist ein Dünnschliff eines solchen Schalenstückes von einem ungenannten Chiton abgebildet, worin für die Ästheten sehr große Löcher in dem starken Tegmentum vorhanden sind, während das Articulamentum als einfache ziemlich schwache Lage dargestellt ist; zu äußerst ist eine feine Riefelung bemerkbar, vielleicht einem Periostracum zugehörig. Die von Brumrıcn über die Entstehung und Bedeutung des Teg- mentums gemachten Äußerungen stimmen durchaus mit meinen Be- funden überein. Ich habe mehrere Querschnitte durch den Schalen- rand von Chitonen abgebildet. Fig. 4 zeigt sehr gut den kontinuirlichen Übergang der Cuticeularschicht des Körperrandes in das Tegmentum, das deutlich vom Articulamentum zu unterscheiden ist, bei Chiton rubicun- dus. Ein solcher Übergang ist indessen nicht überall vorhanden, so zeigt Fig. 3 das Tegmentum von Chiton cajetanus völlig durch die Mantelkante — eine von Brumrich angewendete Bezeichnung, die ich übernehme — von der Randeuticula geschieden. Aus dieser Figur ersieht man die Bildungsart des Tegmentums, dass dieses durch das Epithel der Mantel- kante erzeugt wird und dass es sich nur flächenhaft vergrößern kann. Dem Verlaufe des secernirenden Epithels entsprechen die Anwachs- flächen, welche also seitlich ansteigen bis zur Oberfläche des Tegmen- tums. Ferner zeigt Fig. 2, dass bei Chiton rubieundus das Tegmentum, welches von der Innenseite der Mantelkante gebildet wird, von einer Schicht bedeckt ist, die von der Außenseite dieser Kante entspringt; diese Schicht ist zweifellos als Periostracum aufzufassen. Unter dem Tegmentum liegt das Articulamentum, welches bei manchen sekundär modificirten Formen, wie bei Acanthochiton in der Fläche das Tegmentum weit überragen kann, ursprünglich aber jeden- falls etwa die gleiche Ausdehnung gehabt haben dürfte wie das letztere. Am Rande werden beide Schichten durch den »gesimsartigen Vor- sprung« getrennt. Das mit dem Articulamentum in Berührung stehende Epithel scheint mir von Brumrıca nicht richtig oder doch nicht vollständig be- schrieben zu sein. Überall da nämlich, wo sich an das Articulamen- tum Muskeln anheften, und das ist sicher am größten Theile der Fall, zeigt dieses Epithel eine sehr bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit, die, Zeitschrift f, wisseusch, Zoologie, LV. Bd, 45 222 Johannes Thiele, so viel mir bekannt, bisher noch nicht beschrieben ist. Der protoplas- matische Theil der Zelle hat einen seiner Substanz nach den Muskel- fasern ähnlichen Cylinder erzeugt, der wegen seiner Aufgabe, die Muskeln am Articulamentum anzuheften, physiologisch den Sehnen der Wirbelthiere zu vergleichen ist. Der protoplasmatische Bestandtheil ist auf einen schmalen Ring reducirt, welcher den meist querver- längerten Kern enthält. Durch gegenseitigen Druck haben die sehnigen Cylinder meist die Form von polygonalen Prismen angenommen. Auf einem Flächenschnitt sieht dieses Epithel demnach so aus, wie ich es in Fig. 4 gezeichnet habe. Das zum großen Theil in dieser Weise modificirte Epithel — Haftepithel will ich es nennen — stellt die Ma- trix des Articulamentums dar. Um über die Verhältnisse der Schalenschichten sich Klarheit zu verschaffen, ist es auch nöthig, Dünnschliffe zu studiren; ich habe in Fig. 5 einen ganzen Medianschliff durch das hinterste Schalenstück von Chiton siculus abgebildet und in Fig. 6 einen Theil eines solchen durch ein mittleres Stück, der parallel zum und in einiger Entfernung vom Seitenrande gemacht war. An diesen Figuren sieht man, dass das Articulamentum nicht eine einfache Schicht ist, sondern dass es viel- mehr aus zwei völlig verschiedenen Schichten besteht, einer oberen, die ähnlich dem Tegmentum nur an der Peripherie anwächst und die in den ältesten Theilen am schwächsten, in den jüngsten am stärksten ist, und einer unteren, die im Gegentheil hauptsächlich Diekenwachs- thum zeigt und unter dem ältesten Theile, der beim hintersten Schalen- stücke in der Mitte liegt, am stärksten ist; die Anwachsstreifen gehen bei der einen Schicht von der Unterseite in gebogenen Linien etwas divergirend nach der Oberseite, bei der anderen in parallelen Flächen, von denen die untersten, größten nur am Rande die Oberseite und die darüber liegende Schicht berühren. Aus später zu erörternden Grün- den will ich für die mittelste der drei Schalenlagen die Bezeichnung Articulamentum beibehalten, der untersten dagegen den Namen Hypo- stracum geben. Dieses bedeckt jenes von unten her bis auf einen schmalen Rand, und von den Einschnitten im Rande des Articulamen- tums nach dem Wirbel hin verlaufen Reihen von Durchbohrungen des Hypostracums, wie sie auch in Fig. 5 sichtbar sind. Zu Fig. 5 sei noch bemerkt, dass in dem Theile hinter dem Wirbel (links in der Figur) die Ästheten vom Rande her, also von der Mantelkante in das Tegmentum hineinwachsen, daher nehme ich an, dass die Durchbohrungen der unteren Schichten nur die Bedeutung haben, zur Ernährung dieser äußeren ästhetenführenden Lage zu dienen, die sonst in der ganzen Fläche vom Weichkörper völlig abgeschlossen wäre. ; & K 5 Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II. 223 Das Articulamentum zeigt im unteren Theile eine eigenthümlich modificirte Schicht, die im Schliffe wie eine Reihe sich theilweise deckender polsterförmiger Plättchen aussieht, in denen man eine senkrechte Strichelung wahrnimmt (diese Schicht ist in der rechten Hälfte nicht gezeichnet, weil der Schliff hier stellenweise ausgebrochen war). Das Hypostracum ist ın der linken (hinteren) Hälfte braun ge- färbt. Der andere Schliff, von dem ein Theil in Fig. 6 dargestellt ist, zeigt einige bemerkenswerthe Strukturverhältnisse. Zunächst hebe ich her- vor, dass das Tegmentum aus zwei verschiedenen Lagen besteht, von denen die äußere keine ausgesprochene Struktureigenthümlichkeit, hauptsächlich aber Pigmenteinlagerungen und zahlreiche Durchboh- rungen von den Ästheten zeigt; ein Periostracum ist am Schliffe nicht wahrnehmbar, aber wohl vorhanden gewesen. Die innere schwächere Lage des Tegmentums, von den proximalen Enden der Ästheten durch- zogen, weist eine Faserung in zwei sich kreuzenden Richtungen auf, was als der Ausdruck einer bei Mollusken häufigen Schalenstruktur anzusehen sein dürfte, die ich später wiederholt zu erwähnen haben werde; ein Dünnschliff senkrecht zum Seitenrande zeigt hier eine ziemlich feine Streifung, die Streifen schwach S-förmig gebogen stehen etwa senkrecht zur Fläche des Tegmentums, Die folgende Schicht, das Articulamentum, hat in der Umgebung des Kanals, in dem die Verbindungsstränge der Ästheten mit dem Weichkörper verlaufen, einen merkwürdigen Bau, eine Zusammen- setzung aus langovalen Körpern, welche durch koncentrisch-strahligen Bau sehr an Calcosphäriten erinnern und, wie ich annehme, thatsäch- lich als solche angesehen werden können, die natürlich durch gegen- seitigen Druck eine Veränderung ihrer ursprünglich runden Form erlitten haben; das Centrum eines jeden ist von gelblicher Färbung. Im vorderen Theile ist das Articulamentum bedeutend schwächer und hat hier nicht eine solche Zusammensetzung aus Galcosphäriten - ähn- lichen Körpern. Eine doppelte Faserung nehme ich hier, wie auch im Hypostracum wahr, wenngleich nicht so deutlich wie im Tegmentum. Ganz zu unterst scheint eine Schicht senkrechter Stäbchen, wie sie bei Mollusken häufig die Muskelansätze überzieht, vorhanden zu sein; leider ist der Schliff hier defekt, so dass ich diese Stäbehenschicht nicht mit Sicherheit erkennen kann. Die Schale von Chitonen besteht also von außen nach innen aus folgenden Schichten: 1) dem Periostracum, das von der Außenseite der Mantelkante erzeugt wird, 45* 224 Johannes Thiele, 2) dem Tegmentum, von der Innenseite der Mantelkante ent- springend, 3) dem Articulamentum s. s., das am Rande unter dem »gesims- artigen Vorsprunge« gebildet wird, mit Muskelansätzen am Rande und an der das Tegmentum überragenden Oberseite, 4) dem Hypostracum, vornehmlich mit Diekenwachsihum und mit Muskelansätzen an der Unterfläche. Wenn man diese Bestandtheile mit denen der eigentlichen Mollus- kenschalen vergleichen will, so muss man vor Allem die Beziehungen zum Mantel im Auge behalten. Ich will zunächst die Schale und den Mantel der Lamellibranchiaten betrachten und hauptsächlich die Ver- hältnisse, die ich bei Arca noae beobachtet habe, dem Vergleiche zu Grunde legen. Der Mantelrand der Arcaceen ist zwar in letzter Zeit wiederholt, namentlich von Rawırz 1, beschrieben worden, aber ohne dass die uns interessirende Frage nach der Beziehung zur Schale näher berücksich- tigt worden wäre; auch sind die Abbildungen für diesen Punkt nicht genau genug, daher habe ich in Fig. 7 einen Querschnitt durch den Mantelrand von Arca noae abgebildet. Man erkennt hier drei Falten, wie schon die früheren Untersucher angegeben haben. Die innerste liegt frei, ohne vom Periostracum be- deckt zu sein, welches von einem hohen Epithel zwischen der innersten und mittelsten Falte entspringt. Es scheinen zwei gegenüberliegende Stellen am Grunde dieser Falten dem Periostracum seine erste Ent- stehung zu geben, hauptsächlich ein Streifen der Mittelfalte, wo man unmittelbar über den Zellen manchmal eine cilienähnliche Streifung wahrnimmt, die weiterhin in das Periostracum ausläuft; gegenüber liegen in den Schnitten einige durch besondere Höhe ausgezeichnete Zellen, die auch bei der Bildung dieser äußersten Schalenschicht eine Rolle spielen dürften. Am Grunde der innersten Falte liegt ein Haufe subepithelialer Drüsenzellen, deren Ausmündung bei e (Fig. 7) an dem Periostracum liegt. Diese Drüse, die sich auch bei Arca barbata findet und die bei Pectunculus glycimeris sehr stark entwickelt ist, hat Rawırz bei Arca- Arten nicht beschrieben; ich will sie als Drüse des Periostracums bezeichnen. Es soll damit nicht gesagt sein, dass das Periostracum von dieser Drüse seinen Ursprung nimmt, aber wohl ist anzunehmen, dass diese bei der Weiterbildung und Verstärkung des Schalenüberzuges eine Rolle spielt. Auf eine nähere Beschreibung der Drüse will ich ! Der Mantelrand der Acephalen. Jen. Zeitschr. Bd. XXIV. 4890, FE 29, Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II. 335 nicht eingehen, da ich eine weitere Mittheilung über Hautdrüsen zu bringen beabsichtige. Rawırz scheint über die Bildung des Periostracums eine ziemlich eigenartige Vorstellung zu haben, wie aus seiner Äußerung (l. c.,p. 562): die Epicuticula »ist kein Drüsensekret, sondern offenbar ein durch Umwandlung von Epithelzellen in hornige Substanz ge- liefertes Produkt« hervorgeht. Die mittelste Falte trägt die wiederholt beschriebenen Augen (oc). Das Epithel an der Außenseite, welche bei den konservirten Thieren in Folge von Kontraktion der Muskulatur des Mantelrandes in zahlreiche Falten gelegt ist, zeigt drei verschiedene Formen: am Rande der Falte ist es von mittlerer Höhe und pigmentirt, sodann folgt ein Streifen eines hohen unpigmentirten Epithels und proximal, nach der äußeren Falte hin wird es allmählich niedriger und enthält etwas gelbbraunes Pigment. Das hohe Epithel hat Rawırz eigenthümlicherweise für Sinnesepithel angesehen, obwohl er keine Nerven dazu verfolgt hat; dagegen spricht auch die Lage unter der Schale und die Zusammen- setzung aus einer einzigen Zellart. Unter dem Epithel proximalwärts von diesem hohen liegen subepitheliale Drüsenzellen in erheblicher Menge von derselben Beschaffenheit wie die Drüse des Periostracums, weiter distal nur zerstreute Drüsenzellen; in anderen Fällen sind diese über die ganze Außenseite der Falte ziemlich gleichmäßig vertheilt. Dieses Epithel ist es, welches dem Schalenrande gegenüberliegt und welches das Flächenwachsthum der Schale zu Stande bringt. Die Mittelfalte von Arca entspricht vollkommen der Mantel- kante von Chiton, abgesehen davon, dass bei Arca wie bei allen echten Mollusken die epithelialen Fortsätze in der Schale, die Ästheten, fehlen; in beiden Fällen entspringt von der seitlichen Fläche der Falte, welche von der Schale abgewendet ist, das Periostracum, von der ent- gegengesetzten die äußere Schicht der Kalkschale. Diese zeigt bei Arca jene eigenthümliche Struktur, — ich will sie als Bandstruktur bezeich- nen — welche in einer gekreuzten Anordnung der Kalknadeln in regel- mäßigen auf einander folgenden gleich starken Schichten ihren Grund hat; diese Schichten, die man schon an der freien Fläche des Schalen- randes, auf der sie senkrecht stehen, mit bloßem Auge als feine Bänder sehen kann, erscheinen in Querschliffen der Schale (Fig. 8) als ab- wechselnd helle und dunkle Lagen, die bogenförmig nach oben und außen verlaufen, während in Schliffen, welche den Bändern und dem Rande parallel sind, die zwei sich kreuzenden Fasersysteme hervor- treten, wie ich sie auch an der inneren Schicht des Tegmentums von Chiton sieulus beschrieben habe. Der äußerste Theil der Schale von 226 Johannes Thiele, Arca wird von dieser Bandstruktur nicht erreicht, in ihm finden sich nur den Anwachsstreifen parallel verlaufende pigmentirte Streifen; auch die äußere Schicht des Tegmentums von Chiton zeigt ähnliche Pigmenteinlagerungen. Von der Oberfläche der Schale erheben sich bei Arcaceen ver- schieden gestaltete Fasern von Conchyolinsubstanz, welche ich nicht dem Periostracum, sondern der Kalkschale selbst zurechne, indem ich sie als die nicht verkalkten Ausläufer einzelner Schiehten derselben ansehe, in deren periphere Spalten sie mehr oder weniger weit hinab- reichen. Die äußerste Falte des Mantelrandes erhebt sich zu sehr ver- schiedener Ausdehnung, je nachdem die Muskulatur des Mantelrandes sich mehr oder weniger kontrahirt hat; dabei ist zu betonen, dass die Ansätze dieser Muskeln von der Spitze dieser Falte an sich finden, so dass die letztere an der Schale befestigt ist, während es die Mittelfalte, die doch auch mit der Schale in Berührung steht, nicht ist. Die Außenfalte tritt oft, z. B. bei Pectunculus, wenig hervor und ist von Rawırz sogar ganz übersehen worden. Das Epithel, welches die Innenseite dieser Falte bekleidet, unter- scheidet sicht nicht wesentlich von dem am proximalen Theile der Mittelfalte, und wenn man berücksichtigt, dass bei Ausdehnung der Muskeln des Mantelrandes die Außenfläche der Mittelfalte sich jeden- falls dem Schalenrande glatt anlegt, so wird in diesem Zustande die Innenseite der Außenfalte vermuthlich ganz in die Außenseite der Mittelfalte übergehen. | An der Kante der Außenfalte endet das Epithel ganz scharf; es sieht stellenweise, wo Muskelansätze his an diese Kante heranreichen, so aus, als ob an der Außenseite überhaupt ein Epithel fehlt. Ich habe gelegentlich das Epithel des Mantelrandes sich an dieser Stelle in eine Spitze verlieren gesehen (Fig. 11), in anderen Fällen mindestens ganz scharf bis zur Kante abgegrenzt (Fig. 12), so dass man in der That voll- kommen den Eindruck erhält, dass es hier überhaupt aufhört. Das ist nun allerdings nicht so zu verstehen, als wäre die Außen- seite der Mantelfläche mit ihren Muskelansätzen nackt, ohne von einem Epithel bekleidet zu sein, aber dieses Epithel ist völlig von dem des Mantelrandes verschieden. Bei Arca ist dieses Epithel der Mantel- fläche von Rawırz zwar beschrieben, aber in so eigenthümlicher Weise, dass man es kaum, jedenfalls nicht richtig verstehen kann. Es soll aus einer Zellart bestehen, »jede einzelne Zelle stellt eine Drüse dar, anders geartete Gebilde kommen hier nicht vor. — Zwischen diesen Strängen (d. h. Zellen) findet mar häufig — spindelige oder rundliche RES a ER ET NTTTETTE VERTTIENER Era ee... a. Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II, 227 kleine Körper von kernähnlichem Habitus, die in einer sehr schmalen, von einer Membran umschlossenen Zelle liegen (also haben diese Zellen keine »eigentlichen« Kerne?). Die eigentlichen Kerne jener breiten, mit dem klebrigen Inhalte erfüllten Stränge liegen tief in der Basis dicht an der Grenzmembran. Jeder solcher Strang ist also eine Zelle, und zwar eine Drüsenzelle «. In der That ist dieses Epithel ein typisches Drüsenepithel, wie es bei Mollusken häufig vorkommt, aus Stützzellen mit distalen spindeligen Kernen und Drüsenzellen mit rundlichen basalen Kernen zusammen- gesetzt (Fig. 10). Bei manchen Arten (Arca barbata) kann dasselbe eine sehr bedeutende Höhe erreichen, dann sind die Zellen schmal und nicht so leicht zu erkennen, bei Arca noae ist es aber weit weniger hoch. An den Stellen nun, wo sich stärkere Muskeln an die Schale heften, geht dieses Drüsenepithel kontinuirlich in ein Haftepithel über, das ganz dieselben Charaktere zeigt, welche ich bei Chiton beschrieben habe: sehnige prismatische Körper mit da- zwischen gelegenen Kernen. Solche Ansatzzellen finden sich aber nicht allein über den stärkeren Muskeln, sondern ich habe sie bei Arca noae über die ganze Schalenfläche zerstreut gefunden, bald einzeln, bald zu mehreren bei einander (Fig. 9), so dass hier also die ganze Mantelfläche an sehr zahlreichen Punkten der Schale an- geheftetist. Es erscheint mir höchst wahrscheinlich, dass diese An- satzzellen aus den Stützzellen des Mantelepithels hervorgegangen sind. Von größter Bedeutung ist die Thatsache, dass von der Kante der Außenfalte an eine innere Schalenschicht (Fig. 8 hp) beginnt, die von dem soeben beschriebenen Epithel der Mantelfläche erzeugt und dem von der Außenfläche der Mittelfalte produeirten Theile der Schale auf- gelagert wird. Ich will fortan diesen letzteren Theil als Ostracum, den inneren als Hypostracum bezeichnen. Muskelansätze finden sich nuram Hypostracum, nie am Ostracum. Man kann bei Arca sehr leicht die beiden Schalenschichten unter- scheiden, einmal an der Bandstruetur des Ostracums, sodann — und das ist auch auf andere Fälle anwendbar — an der Richtung der An- wachslinien : während die des Ostracums divergirend schräg zur Ober- fläche emporsteigen, setzen sich die des Hypostracums nie bis zur Oberfläche der Schale fort und sie verlaufen einander parallel, die unteren, jüngeren überragen die älteren am Rande und berühren hier die Innenfläche des Ostraeums, an der sie endigen. Das Ostracum ist am Rande am stärksten, das Hypostracum an den Wirbeln. Vergleicht man nun die Schale der Arca mit der von Chiton, so wird man vielleicht ohne Berücksichtigung der Verhältnisse des 228 Johannes Thiele, Mantels zunächst geneigt sein, das Ostracum mit dem Articulamentum zu homologisiren, indessen halte ich es für zweifellos, dass nicht das Articulamentum, sondern vielmehr das Tegmentum dem Ostracum in jeder Hinsicht entspricht. Beide werden am Rande von einer Mantel- falte erzeugt, die an der entgegengesetzten Seite das Periostracum bildet; beide haben sogar bei den hier genannten Thieren einen ganz ähnlichen Bau, zu innerst Bandstructur, zu äußerst Pigmenteinlagerungen. Das Hypostracum von Arca ‘st vollkommen dem Hypostracum von Chiton äquivalent, die Art des Wachsthums, ihr Gegensatz zur äußeren Schicht in der Stärke der älteren und jüngeren Theile ist in beiden Fällen vollkommen derselbe. Es muss daher angenommen werden, dass das Tegmentum der Chitonen ein Ostracum ist, dass die mittelste Schicht, das Articulamentum, bei Lamellibran- chiern kein Äquivalent hat, und dass die unterste Schicht dem Hypostracum von Arcaentspricht. Am Tegmentum von Chitonen inseriren niemals Muskelfasern, eben so wie am Ostracum von Arca und anderen Mollusken. Ein Unterschied ist nur der, dass bei Chitonen die Ästheten eine Befestigung der Mantelkante an dem Teg- mentum bewirken, während bei Arca und bei allen eigentlichen Mollusken, denen die Ästheten durchaus fehlen, die das Ostracum er- zeugende Falte retraktil und nicht am Ostracum befestigt ist. Bezüglich des Mantelrandes sei nochmals betont, dass die soeben bezeichnete Falte, die Erzeugerin des Ostracums, vollkommen der Mantelkante der Chitonen, die äußerste Falte, die ich als Hypostracumfalte unter- scheiden will, dem gesimsartigen Vorsprunge entspricht, wobei nur zu bemerken ist, dass diese Falte bei Area in Folge des Fehlens des Articulamentums/nicht nach der Mitte hin, sondern nach der Seite ge- wendet ist. Bei manchen anderen Lamellibranchiern zeigen die beiden Schalen- schichten eine wesentlich verschiedene Ausbildung von der, die ich bei Arca beschrieben habe, und es mag nicht immer ohne Weiteres klar sein, was als Ostracum und was als Hypostracum angesehen werden muss. Namentlich sind es die oft vorhandenen Perlmutterschichten, die ich hier kurz betrachten will. Bei Nucula sind Mantelrand und Schale nicht unwesentlich von denselben der Arciden verschieden; Fig. 13 zeigt den Mantelrand im Querschnitt mit’den Resten der entkalkten Schale, das Hypostracum- fältchen (hp) ist ziemlich weit vom freien Rande entfernt, so dass das Östracum mit einer relativ breiten Zone das Hypostracum überragt. Die Fältchen, in welche der Rand ausläuft, und den Ursprung des Periostracums zeigt die Figur; es geht daraus hervor, dass bei Arca org Vi a m Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II. 229 der Mantelrand erheblich einfacher gestaltet ist. Eine detaillirte Be- schreibung des Epithels kann ich wegen etwas mangelhafter Kon- servirung nicht geben; auch Rawırz hat keine genaueren Angaben darüber gemacht. Das Ostracum besteht aus einer inneren Schicht von Perlmuttersubstanz und einer äußeren pigmentirten, das Hypo- stracum ist von mittlerer Stärke. Bei Aviculiden, unter denen die Schale von Meleagrina marga- ritifera durch v. Naruusıus-Könıgssorn.! recht gut beschrieben ist, zeigt das Ostracum bekanntlich jenen prismatischen Bau, der an die Schmelz- schicht der Zähne von Vertebraten erinnert, während das Hypostracum exquisite Perlmutterstruktur aufweist. Die ganze Perlmuttermasse dürfte als Hypostracum anzusehen sein. Die beiden Schichten sind scharf von einander getrennt, nie sind Theile der einen in die andere eingesprengt (Fig. 14). Die Muskelnarben sind von einer Stäbchen- schicht bekleidet, die nach den Umbonen hin von Perlmuttersubstanz überdeckt wird. Die äußerste Lage des Ostracums (pi) ist durch braune Färbung unterschieden und durch eine bestimmte Grenzlinie abgesetzt. Die Fortsätze der Oberfläche, welche nach ihrer Form Ähnlichkeit mit denen von Arca zeigen, sind hier sehr deutlich als Theile des Ostra- cums zu erkennen, weil sie dessen prismatischen Bau zeigen. Auf eine detaillirte Beschreibung von Einzelheiten des Baues einzugehen, ist nicht Sache dieser Abhandlung. Bei Arca und Nucula fanden wir schon eine Zusammensetzung des Ostracums aus zwei verschiedenen Schichten. Ein ähnliches Verhalten findet sich oft wieder, jedoch kann die Struktur dieser Schichten sehr verschiedenartig sein, die äußere ist meist reich an Pigmenteinlagerun- gen. In der Familie der Mytilaceen zeigt die Schale sehr verschiedenen Bau, nur ein starkes Periostracum dürfte allgemein vorkommen. Bei Lithodomus dactylus ist das Ostracum zum größten Theile aus Perl- muttersubstanz (Fig. 15 os) gebildet, ähnlich wie bei Nucula. Dass man es nicht mit dem Hypostracum zu thun hat, geht daraus hervor, dass diese Schicht bis zum Schalenrande reicht und dass die Anwachslinien divergirend bis zum Periostracum aufsteigen, indem sie die äußerste Schalenschicht durchsetzen. Diese (pi) zeigt ein durch Pigmentirung wolkiges Aussehen, sie ist von den darunter liegenden Theilen durch eine ganz unregelmäßige Linie abgegrenzt. Hinter der Mantellinie nimmt man ein Hypostracum wahr, vom Ostracum scharf getrennt (Fig. 15 a); seine Struktur ist ähnlich der Stäbchenschicht, die bei Avicula die Muskelansätze überzieht; während aber bei letzterer diese 1 Untersuchungen über nicht celluläre Organismen, namentlich Crustaceen- panzer, Molluskenschalen und Eihüllen, Berlin 1877, 230 -. Johannes Thiele, Schicht nach dem Rücken hin von Perlmutterschichten bedeckt wird, ist das bei Lithodomus nicht der Fall, hier wird dieselbe einfach nach den Umbonen hin stärker. Ähnlich verhält sich auch die Schale der Unioniden, welche trotz zahlreicher Untersuchungen bisher noch nicht richtig verstanden sein dürfte. Das sehr stark entwickelte Ostracum von Unio besteht aus zwei ganz verschiedenen Schichten, deren untere wie bei Lithodomus Perlmutterstruktur zeigt. Auch hier kann man die einzelnen Lagen durch die äußere Schicht hindurch bis zum Periostracum verfolgen, wie Fig. 16 zeigt. Bekanntlich hat diese äußere Schalenschicht (pr) prismatischen Bau, der an jenen erinnert, welchen wir schon bei Avi- culiden fanden. Betrachtet man aber die Fig. 14 und 16 neben einan- der, so fällt zunächst auf, dass in dem einen Falle die Prismenschicht ganz scharf von der Perlmutterschicht geschieden ist, während im an- deren überhaupt kaum eine Grenze zwischen beiden wahrnehmbar ist, sodann sind dort die Anwachslinien nicht wie hier von einer Schicht in die andere zu verfolgen!. Auch hier scheint es mir sehr wahrschein- lich, dass ein Theil des sog. Periostracums (po) eigentlich nicht diesem, sondern dem Ostracum nach seiner Bildungsweise zugehört. Das Hypostracum ist ungemein schwach entwickelt, über dem Ansatze eines Adductors besteht es nur aus einer dünnen Stäbchenschicht (Fig. 16.a). Von Gastropoden sei zuerst die Schale der Patelliden mit derjeni- gen der CGhitonen verglichen, nicht weil ich etwa annehme, dass diese beiden Gruppen am nächsten mit einander verwandt sind, sondern weil die Verhältnisse bei Patellen am einfachsten liegen und am leichte- sten verständlich sind. Schliffe durch die Schale zeigen wieder eine Zusammensetzung aus zwei Schichten, vom Periostracum abgesehen, von denen die äußere in der Mitte, wo sich der älteste Theil der Schale befindet, am dünnsten ist, während die innere an dieser Stelle be- deutende Stärke hat. Die Struktur der äußeren Schicht ist bei Patella coerulea ähnlich wie die des Ostracums von Arca; an der inneren Fläche treten Bänder, aus alternirend schräg stehenden Nadeln zu- sammengesetzt, zu Tage, die man schon mit unbewaffnetem Auge deut- lich sehen kann, da sie ziemlich stark sind. Diese Bänder lassen die 1 Wahrscheinlich sind die Perlenbildungen von Meleagrina und Margaritana in so fern verschieden, als sie bei der ersteren zum Hypostracum, bei der letzteren zum Ostracum gehören; leider kann ich eine Meleagrina mit deutlichen Perlen nicht erhalten, jedenfalls zeigen die zahlreichen Elsterperlmuscheln im Dresdener Museum die Perlen immer von der ostracalen Perlmuttersubstanz und meist ganz außerhalb der Schalenlinie gelegen. Mage IX = 2 a Te ur N « % VS TE } 1 = A 7a 6 3 k ” R Be: / Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II. 231 äußerste Schalenlage unter dem Periostracum frei (Fig. 17), welche die Pigmente enthält, mit denen die Oberfläche der Schale gefärbt ist. Die innere Schicht lässt einen breiten Rand frei, sie zeigt dieselbe Art von Wachsthum wie das Hypostracum von Chitonen, namentlich das des hintersten Schalentheiles, das ja auch in der Mitte am stärksten ist. Schnitte durch den Weichkörper von Docoglossen zeigen einen Mantelrand, der im Wesentlichen dem von Arca entspricht. Ich habe in Fig. 18 denselben von einer Collisella (Acmaea) dargestellt, wie er in Längsschnitten durch das Thier erscheint. Vorn, wo sich der Mantel über die Kiemenhöhle und den Kopf hinüberzieht, hat er bedeutende Breite, doch bezieht sich das nicht auf den Rand, welcher bier so breit ist wie hinten. An den Seiten reicht der Mantelrand bis zum Ansatze der »Schalenmuskeln«, mit dessen Fasern sich die des Mantels kreuzen; die ganzen Mantelfalten sind hier kontraktil, an der Schale nicht be- festigt. Am Rande der Retraktoren nimmt man ein kleines Fältchen wahr, welches der Hypostracumfalte von Arca entspricht. Es ist hier also nur vorn über der Kiemenhöhle ein Scheibentheil des Mantels vor- handen, ein solcher, der der Schale angeheftet und der bei der Erzeu- gung des Hypostracums betheiligt ist. Der große Scheibentheil bei Lamellibranchiaten, der seitlich von den Fußretraktoren entwickelt ist, fehlt hier vollständig, die ganze ringförmige Mantelfalte ent- spricht dem Mantelrande von Arca. Das Epithel, welches die äußere Fläche der Falte bekleidet, ist von mittlerer Höhe, nach dem Hypostracumfältchen hin, an dem es auf- hört, wird es allmählich etwas flacher; die Zellkerne sind spindelig. Drüsenzellen habe ich darunter nicht wahrgenommen. Dicht am Rande befindet sich ein Einschnitt, welcher das Fältchen f vom Rande trennt. Unter diesem Einschnitt sehe ich eine zellige Masse, kann aber die Natur dieser Zellen nicht klarstellen, vielleicht sind sie drüsiger Art. Am Rande münden große subepitheliale Drüsenzellen (dr) aus, welche in die Reihe der Klebdrüsen gehören. Die untere Mantelfläche wird von einem pigmentirten Epithel bekleidet, in welches einige schmale Drüsenzellen (dr,) münden. Die Falten, und namentlich der vordere Scheibentheil des Mantels, sind sehr reich an Blutlakunen. Die Muskel- ansätze sind von dem gewöhnlichen Haftepithel überzogen, das zwi- schen den Ansätzen in ein ziemlich flaches Epithel übergeht, in welchem drüsige Elemente fehlen. Vergleicht man nun Schale und Mantel von Patelliden und Chi- tonen, so sieht man in beiden Gruppen das Ostracum in ähnlicher Art von einer Hautfalte gebildet, mit derselben durch Muskelfasern in keinem Zusammenhange stehend; die Struktur dieser äußeren Schalen- > 232 Johannes Thiele, schicht, die außen von einem Periostracum überzogen wird, ist in beiden Fällen ähnlich, innen gebändert, außen pigmentirt. Die ältesten und schwächsten Theile des Ostracums werden von einer darunter gelege- nen Schicht, dem Hypostracum, verstärkt, der sich allein die Musku- latur anheftet. Diese unterste Schicht zeigt bei Patellen in sehr vollkommener Weise die Verhältnisse wieder, wie sie sich am hinter- sten Schalenstücke der Chitonen finden, bis auf die Durchbohrungen, die den Patellen eben so wie die Ästheten fehlen. Auch fehlt diesen das Articulamentum der Chitonen. Ein Unterschied, der sonst noch zwischen medianen Längsschliffen einer Patellenschale und des hinter- sten Theiles von Chiton auffällt, ist die relative Größe des Ostracums, welches dort das Hypostracum bedeutend überragt, entsprechend der viel stärkeren Ausbildung des Mantelrandes. Bei den ältesten Prosobranchiern, den spiralgewundenen Rhipido- glossen, liegen die Verhältnisse von Schale und Mantel ganz wie bei Patellen, nur ist die Struktur der ersteren anders, doch findet sich die- selbe Struktur bei Fissurelliden, die vielleicht den Übergang zu den Docoglossen vermitteln. Dass bei Emarginula die Mantelfalten eben so wie bei Patelliden nur aus dem Mantelrande bestehen, der bis zu den Retraktoren des Fußes, den sog. Schalenmuskeln, reicht, geht aus einer kürzlich von mir publieirten Zeichnung! hervor. Auch der Mantel von Haliotis ist auf dem Querschnitte ganz ähnlich. Fig. 21 zeigt die rechte Mantelfalte, Fig. 21a die linke einer kleinen Haliotis tuberculata. Die obere Fläche wird zum größten Theil von einem hohen Epithel beklei- det; in geringer Entfernung vom Rande fällt ein vorspringendes Fält- chen auf, das meist (Fig. 21) hohe Epithelzellen trägt und von dem vorher bezeichneten Epithel durch eigenthümliche Einbuchtungen ge- trennt ist. Außerhalb der Falte findet sich ein niedriges pigmentirtes Epithel. Nach der Mitte hin endet das Mantelrandepithel wieder ganz scharf auf der Hypostracumfalte (Fig. 21a, hp), an der ein typisches, ziemlich hohes Haftepithel beginnt. Die Schale zeigt am Rande, wo sie nur aus dem Ostracum besteht, eine Zusammensetzung aus zwei ziemlich scharf getrennten verschie- denen Schichten, deren äußere auch hier die Pigmentirung enthält, welche die Oberfläche zeigt. Die innere ist, wie bekannt, von Perl- muttersubstanz, deren schräge Anwachsstreifen durch die Pigment- schicht bis zur Oberfläche zu verfolgen sind; in der Perlmuttermasse sind feine, zu den Anwachsstreifen senkrecht gerichtete Züge von feinen Pigmentkörnchen sichtbar. Von welchen Stellen der Mantelfalten diese 1 Über das Epipodium, Diese Zeitschr. Bd. LIII. Taf. XXIIL, Fig. 5. 3 % 2 . u. A 5 5 j Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II. 233 Theile und das Periostracum erzeugt werden, konnte ich nicht fest- stellen, auch ist das Hypostracum von Haliotis nicht so leicht wahrzu- nehmen, wie bei Trochiden, wo man es makroskopisch an Durchschnit- ten der Schale sofort erkennen kann (Fig. 19). Zu äußerst liegt die pigmentirte Porzellanschicht, darunter die im Durchschnitt graue Perl- mutterlage; dass beide zu einander sich eben so verhalten wie bei Halio- tis, zeigte mir ein Dünnschliff am Rande von Gibbula magus, nur sind sie schärfer von einander getrennt, womit es zusammenhängt, dass bei schlecht erhaltenen Schalen von Trochiden die Pigmentschicht abblät- tern kann. In einiger Entfernung vom Rande beginnt das Hypostracum (hp), das bald eine bedeutende Mächtigkeit erlangt und hauptsächlich die Außenwände der einzelnen Windungen verstärkt; die ältesten Win- dungen werden ganz vom Hypostracum ausgefüllt. An kleinen Stücken der Schale löst sich dieses sehr leicht ab, so dass man kaum einen Dünnschliff durch beide Schichten machen kann. Makroskopisch nimmt man im Hypostracum eine Schichtung wahr, welche derjenigen ent- spricht, die sich bei Patellen findet. Meiner Ansicht nach kann darüber kein Zweifel bestehen, dass diese Ausfüllung und nicht die Perlmutterschicht das Hypostracum dar- stellt; die letztere kann man der gleichen von Unio und Lithodomus an die Seite stellen, wo sie sich durchaus entsprechend verhält. Auf die Verhältnisse, welche die Schalen höherer Gastropoden zeigen, will ich nicht näher eingehen; erwähnt sei nur, dass man auf einem Durchschnitt derjenigen von Litorina litorea sehr deutlich das Hypostracum wahrnimmt, welches zwar nicht so stark ist wie bei Tro- chiden, aber doch auch die obersten Windungen nahezu ausfüllt. Ein Querschliff des Schalerrandes zeigt mir keine ausgesprochene Struktur des Ostracums senkrecht zu den Anwachsstreifen; das Hypostracum reicht bis ziemlich dicht an den freien Rand. Von Ichnopoden habe ich keine Schale genau untersucht; das Ostracum von einer Bulla zeigt Bandstruktur. Ob sich die Schalen- schichten der Pulmonaten ganz eben so wie die von Prosobranchiern verhalten, muss dahingestellt bleiben. | Die Schale von Dentalium schließt sich in jeder Hinsicht der von Prosobranchiern an; wenn auch ihre ontogenetische Anlage anders ist, als bei Fissurella oder Patella, so kann man doch die fertigen Schalen mit der von Dentalium so neben einander stellen, als wenn die letztere nur durch ihre thurm- oder röhrenförmige Gestalt verschieden wäre. Das Ostracum zeigt wieder Bandstruktur, die Bänder verlaufen parallel zum freien Rande wie bei Patella und lassen wie gewöhnlich die äußerste Schicht frei. Das Hypostracum kleidet die vom Ostracum 234 Johannes Thiele, gebildete Röhre aus, es ist im hinteren früher gebildeten Theile am stärksten (Fig. 22) und verläuft nach vorn hin. Einen Querschnitt des Mantelrandes, wie er sich auf Längsschnitten des Thieres darstellt, hat For! gut abgebildet. Am freien Rande münden starke subepitheliale Drüsen aus; in einiger Entfernung von demselben nimmt man ein kleines Fältchen wahr, das aber, so viel ich sehe, nicht die Hypostracum- falte ist, sondern dem Fältchen (f, Fig. 18) entsprechen mag, das ich am freien Rande des Mantels von Collisella beschrieben habe; die Hypo- stracumfalte scheint erst weiter hinten zu liegen, ist aber wenig deutlich. Die Nautilusschale ist auch durch einen Vergleich mit den Perl- mutterschalen von Gastropoden und Lamellibranchiern leicht zu ver- stehen. Wie bei diesen besteht das Ostracum, das hier mit einem sehr brei- ten Rande das Hypostra- cum überragt, aus der äußeren pigmentirten Por- zellanschicht und der in- neren Perlmutterlage. Von dem sog. Haftbande an be- ginnt das Hypostracum als ein dünner Überzug des Östracums; dann aber löst Theil einer durchschnittenen Schale von Nautilus mit dem es sich plötzlich von dem Anfange des Hypostracums. (Schematisirt.) letzteren ab, wobei es be- os, Ostracum; pi, Porzellanschicht; hp, Hypostracum; deutende Stärke annımmak s, Septum. ’ und bildet ein trichterför- miges Septum. Diese Septen vermehren sich bekanntlich beim Weiter- wachsen der Schale, wodurch die Luftkammern gebildet werden. Nach der Art, wie die Septen entstehen, indem sie dem vom Mantelrande erzeugten Ostracum nachträglich angeheftet werden, ist es klar, dass sie in Gemeinschaft mit dem Überzuge der Muskelansätze das Hypostracum der Nautilusschale darstellen. Sie dürfen daher nicht mit der zum Ostracum gehörenden Perlmutterschicht zusammengeworfen werden, wie das bisher wohl meist geschehen ist. : Wir haben so durch alle Molluskenklassen hindurch eine Zusam- mensetzung der Schale aus einem äußeren Theile, dem Ostracum, und einem inneren, dem Hypostracum, verfolgt. Dieser Aufbau aus zwei 1 Sur l’anatomie microscopique du Dentale. Arch. zool. exp. gen. II, 7. a de EN re a LS > 4 ni 7400 5 aaa Zi au Ze | N “ 3 ’ ” ' ö Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II, 235 nach ihrer Entstehung und Wachsthumsart ganz verschiedenen Schich- ten ist demnach für die Molluskenschale durchaus charakteristisch. Es liegt nahe, nach der Bedeutung und phyletischen Entstehung dieser Schichten zu fragen; es sei jetzt versucht, eine Antwort hierauf zu geben. Dazu will ich kurz zusammenfassen, wie sich die Schale in den besonderen Fällen verhält. Am differentesten ist die achttheilige Chitonenschale; sowohl durch ihre Durchbohrung durch die Ästheten, als auch die Anwesenheit einer mittleren Schicht, welche die Fortsätze für den Ansatz der die Schalen- stücke verbindenden Muskulatur wie für den Ansatz der Mantelmuskeln bildet. Wegen dieser die Articulation vermittelnden Fortsätze ist der Name Articulamentum für die Schicht ganz gut geeignet. Dem starken Hypostracum heften sich außer den Muskeln der Schalentheile haupt- sächlich die Retraktoren des Fußes an. Das Tegmentum, das, wie wir sahen, dem Ostracum der anderen Mollusken homolog ist, ist sowohl seiner Stärke wie seiner flächenhaften Ausdehnung nach schwach ent- wickelt, was mit der geringen Ausbildung der dem Mantelrande ent- sprechenden Falte zusammenhängt. Hier will ich darauf hinweisen, dass nach meinen Auseinander- setzungen nur diese von Brumrıcn als Mantelkante bezeichnete Falte bis zum »gesimsartigen Vorsprunge« dem Mantelrande anderer Mollusken homologisirt werden darf, da sie genau dieselbe Beziehung zur Schale zeigt, wie der letztere, der bei Patellen, Fissurellen, Haliotis ete. die ganzen seitlichen Mantelfalten bildet. Demnach kann von einer Homo- logie der letzteren mit dem sog. Mantel der Chitonen, d.h. den die Spicula tragenden Falten keine Rede sein, was ja auch mit dem Fehlen solcher Stacheln bei allen eigentlichen Mollusken übereinstimmt, ein Homologon des Randes von Chitonen giebt es bei anderen Mollusken nicht!. Es müsste daher für diesen Rand ein anderer Name, etwa Gürtel, gewählt werden. Auch darauf sei hingewiesen, dass die Musku- latur dieses Gürtels an der Peripherie des Articulamentums inserirt (Fig. 1), welches bei eigentlichen Mollusken gleichfalls fehlt. Mit der Schale von Patelliden hat das hinterste Stück der Chi- tonenschale einige Ähnlichkeit, wie ich schon erwähnte, doch kann nur von einer Analogie die Rede sein; die übrigen sieben Theile kann man als Wiederholungen der vorderen Hälfte derselben ansehen. Das Einzige, was man den hinter einander gelegenen Schalen- stücken der CGhitonen möglicherweise an die Seite stellen könnte, ist 1 Vgl. meine Abhandlung über das Epipodium. p. 584. 236 ‚Johannes Thiele, Schale und Deckel der Gastropoden!; letzterer zeigt, wenn er verkalkt ist, manchmal ganz ähnlich der eigentlichen Schale eine Zusammen- setzung aus zwei über einander gelegenen Schichten, welche auch ihrer Entstehung nach Ähnlichkeit mit denen der Schale zeigen; bei manchen Neriten findet sich sogar noch eine dritte äußerste Schicht. Indessen zeigen die ältesten deckeltragenden Prosobranchier, die Pleurotomarien, in ihrem dünnen hornigen Deckel wenig Ähnlichkeit mit echten Schalen, so dass ich die Frage, ob hier Homologie oder Ana- logie anzunehmen ist, offen lassen muss. Bei allen echten Mollusken überragt das Ostracum immer mehr oder weniger das Hypostracum. Jenes zeigt regelmäßig eine äußere Schicht, meist durch Pigmenteinlagerungen gefärbt, wodurch die Ober- fläche ihre Zeichnung erhält, und eine innere, die entweder Perlmutter- oder Bandstructur aufweist; jene fanden wir bei Haliotiden, Trochiden, bei Nautilus, bei Nucula, Lithodomus und Unioniden, diese bei Chiton, Dentalium, Arca, Patella, Fissurella, Bulla. Aus dieser Zusammen- stellung wird man, wie mir scheint, entnehmen, dass beide Strukturen in bunter Reihe neben einander vorkommen und dass man schwerlich sagen kann, die eine sei die ursprünglichere. DırL? nimmt das von der Perlmutterstruktur an, die ja in der That unter Prosobranchiern (Pleu- rotomaria, Haliotis) und Cephalopoden die ältesten Formen zeigen, doch sind die Chitonen, bei denen allerdings die Bandstruktur noch schwach ausgebildet ist, namentlich aber die Dentalien kaum weniger ursprüng- lich, und da Arca neben der perlmuttrigen Nucula, Fissurella neben Haliotis unzweifelhaft auch sehr alte Formen sind, so wird man wahr- scheinlich eine wiederholte Umwandlung der einen Struktur in die andere annehmen müssen. Bezüglich des Periostracums will ich bemerken, dass es ganz kon- stant vorkommen dürfte als Grundlage für die Krystallbildung der Kalkschale, und dass sich wahrscheinlich in manchen Fällen zu der ersten Anlage, die bei Lamellibranchiern deutlich von der des Ostracums getrennt ist, ein anderer Theil gesellt, der genetisch zum Ostracum ge- rechnet werden muss (Unio) ; jedenfalls zähle ich den faserigen Besatz der Schale von Arcaceen zum Ostracum und halte ihn den stachel- artigen verkalkten Fortsätzen von Avicula für gleichwerthig. ! Vgl. Koken, Über die Entwicklung der Gasteropoden vom Cambrium bis zur Trias. N. Jahrb. Min. Geol. Pal. VI. Beil.-Bd. — Sımrors, Über einige Tages- fragen der Malakozoologie. Zeitschr. Naturw. Bd. LXII. — TuisLE, Die Stammes- verwandtschaft der Mollusken. Jen, Zeitschr. Bd. XXV. 2 On the hinge of Pelecypods and its development, with an attempt toward a better subdivision of the group. Am. J. Sc. XXXVII. ee Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. Il. 237 Das Hypostracum ist immer dadurch charakterisirt, dass es in den ältesten Theilen der Schale am stärksten ist, dass es durch Schichten, die über die ganze Fläche des Scheibentheiles des Mantels reichen und so mit der Vergrößerung des Thieres immer umfangreicher werden, wächst, dass es als eine innere Auflagerung auf das Ostracum von diesem in seinen Anwachslinien ganz verschieden ist und dass sich ihm allein Muskeln anheften — nur bei Chitonen bilden die Ansätze am Articulamentum eine gewisse Ausnahme. An den Muskelnarben findet sich oft eine Schicht von Stäbchen, die beim Weiterwachsen von anderen Schichten überdeckt werden kann. Die Stärke des Hypostracums ist recht verschieden, sie hängt von der des Ostracums ab; gering ist sie bei Najaden, wo die Adductor- narben nur von einer schwachen Stäbchenschicht, welche dem Ostracum unmittelbar aufliegt, bedeckt werden (Fig. 16a). Ob bei den phyletisch ältesten Lamellibranchiern das Hypostracum sich an der Bildung des Ligamentes betheiligt, wodurch seinebeiden Hälften verbunden würden, ist mir nicht ganz klar geworden; nicht unwahrscheinlich ist es mir aber, dass dem »Knorpel« sich ein Theil des Hypostracums anfügen kann. Bei Gastropoden wird dieses oft dazu benutzt, nach Abstoßung des ältesten Theiles der Schale einen Verschluss herzustellen, und bei einem Vermetus habe ich mehrere solcher Septen hinter einander ge- sehen !. Das erinnert an die gekammerte Schale der ältesten Gephalopoden, bei denen aber der Verschluss nicht vollständig ist, da die Septen vom Sipho durchsetzt werden; hier ist bei der Vielzahl der Kammerwände das Hypostracum ganz besonders stark ausgebildet. Nur sehr selten scheint ein Hypostracum ganz zu fehlen oder ist wenigstens unverhältnismäßig klein, hauptsächlich bei Aspergillum und Argonauta; hier ist das Kalkgehäuse nicht durch Muskelansätze am Weichkörper befestigt. Dass es im ersteren Falle aus einer kalkhaltigen Hülle der Siphonen hervorgegangen ist, während sich die eigentliche - Schale aufs äußerste redueirt hat, dürfte zweifellos sein; es wird wohl auch im anderen Falle sich ähnlich verhalten, jedenfalls scheint mir eine direkte Umwandlung der Ammonitenschale in die von Argonauta, wie eS STEINMANN, wenn ich ihn richtig verstehe, annimmt, nicht wahr- scheinlich ; der Unterschied zwischen beiden Arten von Schalenbildungen dürfte doch so tiefgreifend sein, dass man nicht einfach Perlmutterschicht und Hypostracum für verloren gegangen ansehen darf. Diese Kalk- hüllen, die den Röhren mancher sedentären Polychaeten ihrer Bildungs- 1 Solche Septenbildung erwähnt P. Fischer auch, sowohl von Vermetus wie von Caecum. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd, 46 238 Johannes Thiele, art nach ähnlich sind, kann ich überhaupt nicht für echte Mollusken- schalen halten, zu denen ein Hypostracum als charakteristisches Merkmal gehört. Die Bedeutung des Hypostracums wird man zunächst wohl darin suchen, den ältesten Theil des Ostracums, der am schwächsten ist und durch äußere Einflüsse leicht beschädigt werden kann, zu verstärken; in der That ist das in den meisten Fällen richtig. Sicher aber ist dieses nicht der einzige Zweck des Hypostracums und, wie mir scheint, auch nicht sein erster und Hauptzweck. Als diesen sehe ich vielmehr die Aufgabe an, die Anheftung der Muskulaturan der Schale zu ermöglichen. So ist es beispielsweise bei Nautilus sehr auffällig, dass die Innenseite des Ostracums von einer dünnen cementartigen Schicht bekleidet wird, die von hinten her bis zur Vordergrenze der an der Schale inserirten Muskulatur reicht. Dieser Theil des Hypostracums kann sicherlich nur den Zweck haben, die Muskelenden an das Ostracum anzukleben. Ähnlich ist es bei Unio. Meiner Ansicht nach muss in der That eine solche Schicht, zu deren Erzeugung das die Muskelenden bekleidende Epithel selbst beiträgt, einenothwendige Ergänzung zum Ostracum bilden. Dieses wird, wie wir sahen, von einer Hautfalte erzeugt, die mit ihm nicht fest verbunden ist; wäre ihm die Muskulatur angeheftet, so könnte ein weiteres Wachsthum nicht in der für das Östracum charakteristischen Art erfolgen, eher in der Weise, wie es bei Crustaceen Regel ist, nämlich durch Abwerfen und Neubildung der schnell vergrößerten Schale oder auch ähnlich wie das Hypostracum sich vergrößert (Lepas). Bei Mollusken ist die Art der Muskelanheftung ganz eigenartig, indem sich dem fertigen Ostracum, der zuerst gebildeten Hauptschale, eine andere Schicht anheftet, die an den Muskelansätzen von diesen selbst gebildet wird, wodurch allein ein Festhaften mög- lich ist. Die beiden Schalenschichten haften oft ziemlich lose an einander, besonders in gewundenen Schalen (Trochiden), bei denen die Form ein Verschieben hindert; beim Brechen der Schalen erhält man oft ein überstehendes Stück der einen Schicht, wie ich es u. A. bei Arca und Mya gesehen habe. ÖOstracum und Hypostracum wachsen beide durch Apposition, wie durch die Anwachsstreifen allein schon zur Genüge bewiesen wird; eine Intussusception der fertig gebildeten Schale dürfte nicht viel mehr stattfinden, als etwa beim Sedimentgestein, in dem ja auch gewisse Veränderungen vor sich gehen. Dabei ist das Weiterrücken der Muskelansätze sehr leicht dadurch zu erklären, dass gleichzeitig neue Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. Il. 239 Schichten dem Hypostracum aufgelagert werden ; auf derselben Schicht könnte das Vorwärtsrücken ohne Intussusception nicht erfolgen. Eine recht auffällige Beziehung der unter dem Ostracum gelegenen Schalentheile zur Muskulatur spricht sich auch darin aus, dass bei Chitonen für die Ansätze der Schalenverbindungsmuskeln und der Gürtel- muskeln am Rande der Schale eine besondere Schicht, das Articula- mentum, zur Ausbildung gekommen ist, das eben so wie die genannten Muskeln allen übrigen Mollusken fehlt. Einen anderen Zusammenhang für das gleichzeitige Vorkommen im einen Falle und ihr Fehlen im anderen kann ich mir nicht vorstellen. Von dieser innigen Beziehung des Hypostracums zur Muskulatur gehe ich aus beim Versuche, die erste phyletische Anlage dieser Schicht zu erklären. Dabei scheinen mir die Verhältnisse, welche die Cuticular- bildungen der Amphineuren zeigen, am besten geeignet, über die Ent- stehung der Schale Klarheit zu schaffen. Die Solenogastres haben noch keine Spur derselben und ihr Körper wird von einer verschieden starken Cuticularschicht mit zahlreichen eingelagerten Stacheln oder Platten beschützt; in der Regel ragen keulenförmige Hypodermisfort- sätze in die Cuticularschicht hinein. Dass in der That eine Schalenoch nicht gebildet ist, beweist sehr klar der Hautmuskelschlauch, der sich ganz ähnlich wie bei Polycladen verhält, während er bei Placophoren durch Anpassung an die Schale sehr stark modifieirt ist. Der Gürtel der Placophoren ist von einer eben solchen Cuticular- schicht mit Stacheln oder Platten bekleidet. Auf dem Rücken ist eine Fortsetzung derselben Schicht, wie ich mit BrLumrıch annehme, vorhan- den, doch sind hier die Spicula verloren gegangen, ihre papillenförmigen Träger sind aber erhalten geblieben, es sind die Ästheten. Unter dieser Cuticularschicht nun haben sich die beiden anderen Schichten, das Articulamentum und das Hypostracum, entwickelt. Die Frage ist: wie? Berücksichtigen wir zunächst, dass diese Schichten nicht bloß unter der Cuticularschicht, sondern auch unter den Ästheten, den Fort- sätzen der Hypodermis, liegen, die von der Mantelkante her der Regel nach in die Schalenmasse eindringen, ferner dass sich nicht allein an der Unterseite des Hypostracums, sondern auch an der dorsalen Fläche des Articulamentums, das sich nicht nur vorn, sondern auch an den Seiten, indem es das Ostracum manchmal weit überragt, tief in das Muskelgewebe einsenkt, Muskeln anheften, so wird jedenfalls der Ge- danke, dass die Summe dieser beiden Schichten ein Hautskelett darstellt, das der Muskelanheftung dient, sehr nahe liegen. Es ist nun aber schwierig zu entscheiden, wie dieses Hautskelett zuerst entstanden ist. Es giebt zwei Möglichkeiten. Die eine wäre die, 46* 240° Johannes Thiele, dass dasselbe Epithel, welches das Ostracum und die ursprüngliche Cuticularsubstanz erzeugt hat, nun auch die darunter liegenden Schichten producirt; ich muss indessen gestehen, dass diese Annahme mir wenig plausibel scheint, da ich mir nicht gut vorstellen kann, wie nicht bloß eine zweite, sondern sogar noch eine dritte so sehr verschiedene Schicht von diesem Epithel gebildet werden sollte, ferner dass diese Schichten eine solehe Ausdehnung ins Innere erhalten und endlich, warum dann die Ästheten nicht sämmtlich von der Fläche dieses Epithels ausgehen. Die andere Möglichkeit, die ich für die wahrscheinlichere halte, ist diese. Es haben sich ursprünglich unter der Hypodermis durch Er- härtung der Basalmembran solche feste Theile an den Muskelansätzen gebildet, wie sie bei Mollusken an anderen Stellen vorkommen, ich meine die sog. Chitinstäbehen in den Kiemen und ein Stützorgan in den Mundlappen von Mytilus!, auch so viel ich weiß die in den Saug- näpfen der Cephalopoden. Diese Platten, deren erst eine größere Zahl vorhanden gewesen sein dürfte, haben sich dann theilweise mit einander vereinigt; ontogenetisch hat man auch mehrere ursprünglich getrennte Platten, die später zu den acht Schalenstücken verschmolzen, wahr- genommen; dabei haben sich diese ursprünglichen Theile so zusammen- geschoben, dass sie einander zum Theil bedeckten, so kann man sich die beiden differenten Schichten, das Articulamentum und Hypostracum, entstanden denken. | | Die Zellen, welche die Platten erzeugten, haben sich erst allmäh- lich zu einem Epithel an einander geschlossen. Den ganzen Vorgang stelle ich mir ganz ähnlich vor, wie bei der Zahnbildung von Verte- braten, — auch hier haben sich die Bindegewebszellen zu einem Epithel angeordnet — so dass die Platten der Chitonen ihrer Phylogenese nach einige Ähnlichkeit mit den Hautzähnen der Selachier zeigen würden, indem das Ostracum mit dem Periostracum der Schmelzschieht mit ihrem Oberhäutchen, die unteren Schichten dem Zahnbein entsprächen. Indem diese unteren Schichten eine bedeutende Flächenaus- dehnung erlangten und durch Kalkeinlagerung erstarrten, musste sich über ihnen die Hypodermis rückbilden, und die Ästheten dringen dann von den Seiten her zwischen Ostracum und Articulamentum ein. Die Cuticularsubstanz verkalkt gleichfalls, wenn auch bei Chitonen die organischen Bestandtheile im Ostracum noch einen wesentlichen Be- standtheil ausmachen, und mit der Verkalkung bildete sich jedenfalls als Schutz gegen die zersetzende Wirkung der Kohlensäure das Periostracum. 1 Die Mundlappen der Lamellibranchiaten, Diese Zeitschr. Bd. XLIV. p. 255. Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II, 241 GEGENBAUR und im Anschluss an ihn Brumrıcn haben die Ansicht ausgesprochen, dass das Articulamentum — von einer Sonderung zweier verschiedener Schichten war bisher nichts bekannt — aus vergrößerten Schuppenstacheln hervorgegangen sei. Es mag das auf den ersten Blick etwas Bestechendes haben, indessen bei genauerem Zusehen halte ich diese Annahme für unmöglich. Erstens ist es schon die Bedeckung durch das Ostracum, welche Brumrich durch eine ziemlich gewagte, aber darum doch nicht wahrscheinliche Hypothese als sekundäre Über- wachsung zu erklären versucht hat, die im höchsten Grade auffällig sein muss; zweitens die jedenfalls richtige Ansicht, dass die Stacheln im Bereiche der Schale fortgefallen und durch ihre modificirten Träger, die Ästheten, angedeutet sind — wie sollen nun außerdem noch an ganz anderer Stelle umgewandelte Stacheln vorkommen? Drittens kann die Verschiedenheit des Haftepithels unter dem Articulamentum von der Hypodermis als Grund gegen Brumrıcn’s Ansicht angeführt werden, auch die Sonderung der beiden so verschiedenen Schichten, des Hypostracums vom Articulamentum. Die von Brumrıcn angegebenen Übereinstimmungen zwischen Schuppenstacheln und Articulamentum, dass beide stark verkalkt sind und dass sie nicht wie die keulenförmigen Stacheln eine einzige Bildungszelle haben, beweisen natürlich gar nichts; dagegen ist beim Hypostracum nichts der Basalplatte der Stacheln Vergleichbares vorhanden. Die Möglichkeit einer solchen Entstehung der Schale aus Stacheln muss ich daher mit Entschiedenheit be- streiten. Es mag auch noch erwähnt werden, dass bei anderen Mollusken, die keine Spur von Stacheln besitzen und solche vielleicht nie besessen haben, der Gedanke einer Entstehung des Hypostracums aus Stacheln doch so fern liegt, dass gewiss Niemand darauf kommen würde. Meiner Ansicht nach ist also bei den Mollusken nur das Epithel des Mantelrandes der ursprünglichen Epidermis gleichwerthig, das der Mantelfläche, welches das Hypostracum erzeugt, ein ganz ver- schiedenes, das aus Bindegewebszellen hervorgegangen ist. An der Hypostracumfälte setzt sich das eine vom anderen, wie ich wiederholt betont habe, sehr auffälligerweise ganz scharf ab, so dass hiernach meine Annahme durchaus nicht mit den bekannten Thatsachen in Disharmonie steht. Über die ontogenetische Anlage des Hypostracums dürfte bisher noch nichts bekannt sein. Nach Allem, was ich aus einander gesetzt habe, ist also das Ostracum der primäre Schalentheil, phylogenetisch hervorgegangen aus der Guti- cula der Amphineuren und ontogenetisch zuerst angelegt, das Hypostra- cum gesellt sich ihm sekundär hinzu, ist aber darum doch nicht etwa 22 Johannes Thiele, ein nebensächlicher Theil, sondern für die echten Molluskenschalen durchaus charakteristisch. — Bei Arca und Peetunculus münden, wie ich erwähnt habe, in der Nähe des Epithelbandes, das die erste Anlage des Periostracums bildet, subepitheliale Drüsenzellen von derselben Art wie die Byssusdrüsen aus. Ähnliche Drüsenzellen habe ich auch in dem Epithel, welches das Ostracum erzeugt, ausmünden gesehen. Dem Hypostracum gegen- über liegt ein typisches Drüsenepithel. Daraus scheint mir hervor- zugehen, dass das Sekret dieser Drüsenzellen beim Aufbau der Schale, und zwar aller Theile derselben, mit verwendet wird. Dass die dem Schalenrande gegenüber mündenden Drüsenzellen nur dazu dienen sollen, den Zwischenraum schlüpfrig zu machen, wie Rawırz annimmt, halte ich für unwahrscheinlich, denn einmal ist das Sekret dieser Drüsenart nicht schlüpfrig, sondern vielmehr klebrig, sodann müsste ein Sekret, das zur Schalenbildung nicht verwendbar ist, doch wohl nach außen entleert werden können, was aber durch das Periostracum verhindert wird. Man muss aber berücksichtigen, dass an den Muskel- ansätzen, welche doch auch zur Erzeugung des Hypostracums beitragen, keine Drüsenzellen vorkommen, und namentlich, dass solche bei vielen anderen Mollusken sowohl am Ostracum, wie am Hypostracum gänzlich fehlen, daraus folgt also, dass Drüsensekret zwar zum Schalenaufbau verwendet werden kann, dass aber in vielen Fällen Epithelzellen allein diese Aufgabe zu erfüllen vermögen. Die großen Drüsen, die bei Den- talium, Collisella u. a. am freien Rande des Mantels ausmünden, möchte ich nicht mit der Schalenbildung in Zusammenhang bringen, sie werden vermuthlich mit ihrem klebrigen Sekret Fremdkörper abzuhalten haben, ähnlich wie das von Rawırz bei Lamellibranchiern in manchen Fällen an- genommen ist. Bei der Erzeugung des Ostracums spielen jedenfalls jene hohen Epithelzellen eine wichtige Rolle, die Rawırz bei Arca als Sinnes- organ deutete; ich schließe das daraus, dass ich ähnliche Epithelzellen am Mantelrande von Mollusken sehr verbreitet gefunden habe. Zum Schluss will ich einige Worte über die neuere Litteratur, die sich auf Mantel und Schale von Mollusken bezieht, beifügen. Die Homologien der Schalenschichten in den verschiedenen Mol- luskenordnungen sind noch kaum Gegenstand der Erörterung gewesen, bis auf die bereits erwähnten Äußerungen von P. Fıscuer und Brunkıch 1 über die Homologie des Articulamentums von Chitonen mit der ganzen Molluskenschale. Daher ist die vergleichende Morphologie des Hypo- tl. c.p. 456. Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. Il. 243 stracums, welche den Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit bildet, noch nicht behandelt worden. Brumzıcn giebt eine Übersicht über frühere Untersuchungen der Chitonenschale. Die Struktur von Schalen ist wiederholt genau untersucht und beschrieben worden. v. Naraustus- KoENnIGsBorRn !, auf dessen verfehlte theoretische Anschauungen über das Wachsthum durch Intussusception ich nicht eingehen will, weil sie mir bereits genügend widerlegt zu sein scheinen, hat die Bandstruktur von Gastropoden - Schalen mit folgenden Worten gut charakterisirt: »Resumiren wir die erlangten Resultate dahin, dass die Struktur des Haupttheils der Schale bei den Gastropoden eine fibrilläre ist. Diese Fibrillen sind in senkrecht zu den Schalenflächen stehende Platten vereinigt, die Fasern selbst stehen in Winkeln von 45° zu den Schalenflächen, haben aber in den neben einander befindlichen Platten eine sich kreuzende Richtung.« Die tüchtige Arbeit von Eurengaum? giebt nicht bloß Beschreibun- gen von Strukturen verschiedener Bivalvenschalen, sondern zieht auch die Beziehung zum Mantelrande in Erwägung, namentlich die Bildungs- art des Periostracums von Mytilus, doch vermisse ich eine befriedigende Erörterung der Beziehungen des Hypostracums zum Mantel. So weit dieser Punkt überhaupt berührt ist, muss ich die Angaben als unrichtig bezeichnen. So sagt Enrengaun: »Es fehlt zwischen Schale und Muskel jegliche Spur eines Epithelialbeleges, und Turısers gegenüber muss ich behaupten, dass die hier vorhandenen zelligen Elemente nicht den entferntesten Vergleich mit irgend einer Form der sekretbildenden Epithelzellen zulassen. Es sind vielmehr die eigenthümlichen spindel- formigen Muskelzellen selbst, die hier die sekretorische Thätigkeit übernommen haben.« Ich habe den kontinuirlichen Übergang des drüsigen Schalenepithels von Arca in das durch eine deutliche Grenz- linie vom unterliegenden Gewebe geschiedene Haftepithel mit aller Deutlichkeit gesehen, und ein sehr ähnliches Haftepithel bei so zahl- reichen Mollusken beobachtet (vgl. Fig. 4), dass ich annehmen muss, EHrenBAum habe sich hier getäuscht; vielleicht hat er die Schale abge- löst und dadurch das Epithel verletzt, während ich durch Entkalken der Schale dieses besser erhalten habe, oder er hat das Haftepithel einfach übersehen, was sehr leicht möglich ist. Über die Natur des Hypostracums hat Enrengaum überhaupt eine sehr unklare Vorstellung. Er giebt an, dass es bei Mytilus » auffälliger« Weise scharf von der blauen Substanz des Ostracums abgegrenzt ist, während »ganz all- 1].c.p. 53. 2 Untersuchungen über die Struktur und Bildung der Schale der in der Kieler Bucht häufig vorkommenden Muscheln. Diese Zeitschr. Bd. XLI. 244 Johannes Thiele, mähliche Übergänge der einen Struktur in die andere viel häufiger « sein sollen. Bei Cardium aber, wo ein soleher Übergang nach seiner Meinung statthat, sagt er (p. 27), die innere Substanz zeige manchmal schräge Fasern, ähnlich wie die äußere Schicht, aber »niemals völlig identisch. — Trotzdem ist das Hervorgehen der äußeren Substanz aus der inneren durch sekundäre Processe der Krystallisation oder sonstiger molekularer Veränderungen gerade für Cardium sehr wahrscheinlich gemacht. Für die Najaden und ähnliche Formen müssen ja derartige Annahmen unbedingt zurückgewiesen werden. Aber während bei diesen bei der Vergrößerung der Schale nur die innere Substanz an Dicke zunimmt, scheint sich bei Gardium wesentlich nur die äußere Substanz zu vergrößern. Die innere nimmt selbst in großen und starken Schalen immer nur eine sehr schmale Randzone (?) auf der Innenseite der Schale ein. Auch ist es sehr wohl denkbar, dass die Theile der inneren Substanz durch die enge Berührung mit der äußeren derart metamorphosirt werden, dass sie die Struktur der äußeren Substanz annehmen«. Der letzte Satz setzt aber doch voraus, dass die äußere Schicht früher gebildet ist, wie es ja in der That der Fall ist. » Dass ein vollständiger Übergang der einen Substanz in die andere — — ent- schieden angenommen werden muss, wenn anders tiberhaupt eine Erklärung für das große Missverhältnis in der Ausdehnung und Größe der beiden Schichten gefunden werden soll«, halte ich für eine über- eilte Behauptung; wenn Enrensaum keine andere Erklärung gewusst hat, so folgt daraus noch keineswegs, dass eine solche nicht möglich ist. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass immer das Ostracum der primäre Schalentheil ist, während das Hypostracum je nach den besonderen Verhältnissen hinzufügt, was und wie viel nöthig ist, so wird man, wie ich denke, in allen Fällen eine befriedigende »Erklärung« erhalten. Im Übrigen erkennt Enrensaum in allen Fällen zwei wesentlich von einander verschiedene Schalenschichten;; »es ist wahrscheinlich, dass im Allgemeinen eine mehr oder weniger ausgedehnte Randzone des Mantels wesentlich andere Sekretformen erzeugt, als der übrige Haupt- theil des Mantels, wie das eigentlich schon seit Carpenter bekannt ist«. Dass sämmtliche Theile der Muschelschale als echte Cuticulargebilde, d.h. als Zellsekrete, entstehen (p. 44), entspricht durchaus meiner Auffassung. In schroffem Gegensatz hierzu steht eine Arbeit von FeLıx MüLzer!, die ich indessen im Ganzen als völlig verfehlt bezeichnen muss. Die Schale soll durch Intussusception wachsen, an den Muskelansätzen 1 Über die Schalenbildung bei Lamellibranchiaten. Zool. Beiträge. I. 1885. RN Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. I. 245 freilich finde Apposition statt, aber eine solche durch Umwandlung organischer Membranen, nicht durch Sekretion. Das Periostracum von Anodonta ist mit den Muskeln des Mantelrandes verwachsen; was für Falten desselben gehalten wurde, sind »schlingenförmige Auswüchse.«. Durch das gespaltene Periostracum wird das Epithel des Mantelrandes von der Schale getrennt. Die Räume zwischen Mantel und Schale »sind mit einer Flüssigkeit erfüllt, die nur Blutflüssigkeit des Thieres sein kann«. Das sind recht eigenthümliche Behauptungen, die schwerlich mit den Thatsachen übereinstimmen. Auch einer Eintheilung der Schalen in solche, die nur an wenigen Stellen durch Muskelansätze mit dem Körper verbunden sind, und solche, die mit der ganzen Fläche .des Mantels zusammenhängen (Cyclas), möchte ich nicht zustimmen, da bei Arca noae der Mantel, wie ich beschrieben habe, an sehr zahl- reichen Punkten an der Schale befestigt ist und da dieses Merkmal überhaupt bei den meisten Lamellibranchiern nicht nachgewiesen und wahrscheinlich schwankend ist. Auch die Lektüre der umfangreichen Arbeiten von Rawırz über den Mantelrand der Acephalen ! ist mir wenig erfreulich gewesen; durch ihre Quantität ermüdend erregen sie durch ihre Qualität schwer- wiegende Bedenken, auf einige Punkte habe ich bei der Beschreibung des Mantels von Arca hingewiesen. Wenn man solche Unrichtigkeiten in einigen Angaben, die man prüfen konnte, findet, so wird das Ver- trauen zur Zuverlässigkeit des Ganzen nicht eben erhöht. Die Beziehung des Mantels zur Schale ist sehr wenig berücksichtigt, auch selbst über Homologien von Theilen des Mantelrandes hat Rawırz offenbar so gut wie nicht nachgedacht, wie daraus hervorgehen dürfte, dass er die Hypostracumfalte bei Pectunculus nicht beachtet und die Falten bei Lithodomus mit anderen Namen bezeichnet hat, als bei Mytilus und Modiola. Auch kennt Rawırz die Arbeit von Enrensaum augenscheinlich nicht ; Letzterer stellt das Epithel, welches das Periostracum von Myti- lus erzeugt, jedenfalls ganz richtig dar, während Rawırz das niedrige Epithel der einen Seite nicht oder doch nicht klar gesehen hat (p. 605 »Hier liegen die Muskeln der Epicuticula, namentlich im distalen Ab- schnitt der Lamelle, so dicht an, dass es fast den Anschein hat, als ob die Muskeln an der Bildung der Epicuticula sich betheiligen. «), das gegenüber liegende hohe an der Innenseite der äußersten Falte da- gegen für sensibel halten will. | Interessant sind zwei Aufsätze von StEInmann. Der eine? wider- 1 Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss. Bd. XXI u. XXIV. 4888, 1890. 2 Über Schalen- u. Kalksteinbildung. Ber. naturforschenden Ges. Freiburg. Bd. IV. 1888, 246 Johannes Thiele, legt die Intussusceptionstheorie recht gründlich. SrEınmann weist nach, dass »die Schalensubstanz auch aus dem umgebenden Medium Kalk- salze niederschlägt und dadurch eine Volumenvermehrung erfahren kann«. Über die Porzellanschicht wird bemerkt, dass sie, aus sehr zahl- reichen, äußerst kleinen Kalkspathkrystallen, welche in bestimmter Weise, d.h. in strahliger oder paralleler Anordnung in eine conchyolin- artige Substanz eingebettet und durch dünne Häute derselben von einander geschieden sind«, besteht. Vielleicht sind die Prismen der Unioniden, die ja die Stelle der Porzellanschicht einnehmen, weiter nichts als solche sehr vergrößerte Krystalle. In der anderen Abhand- lung! will Steınımann die Argonautaschale von derjenigen der Ammo- niten ableiten; er glaubt, dass die » Bildungshaut « der inneren Schalen- substanz von Ammoniten durch die Oberhaut überwachsen worden sei, wodurch jene von der eigentlichen Schale » Ostracum« getrennt wurde. Ein solcher Vorgang ist mir, wie ich gestehen muss, nicht recht verständlich. Die zum Ostracum gehörende Perlmutterschicht wirft STEINMANN mit der Substanz, welche die Septen bildet (Hypostracum) zusammen, wie aus folgendem Satze hervorgeht: » Perlmuttersubstanz, aus welcher die innere Auskleidung der Schale und die Scheidewände bestehen, kann — wie die Verbreitung der Perlmuttersubstanz in den Molluskenschalen überhaupt erweist — nicht von der pigmentirten Oberhaut des Mantels erzeugt werden.« Es scheint danach, als ob STEINMANN von der Matrix der » Perlmuttersubstanz« eine ähnliche Vorstellung hat, wie ich von der des Hypostracums, leider ist das nicht deutlich genug ausgedrückt. Die Perlmutterschicht des Ostracums wird aber sicher von der »Oberhaut des Mantels« erzeugt und muss vom Hypostracum scharf geschieden werden. Pigmentirung können alle Schichten der Molluskenschale zeigen, daher hat ihr Fehlen in diesem oder jenem Falle keine principielle Bedeutung. Über die Betheiligung von Epithel- und Drüsenzellen an der Schalenerzeugung hat sich schon vor längerer Zeit SEMPER? so ausge- sprochen, wie das auch heute im Wesentlichen anzunehmen sein wird. »Für die Gehäuseschnecken halte ich den Antheil, welchen die Epider- mis als solche an der Absonderung der organischen Umhüllung haben könnte, für höchst unbedeutend. Die absondernde Stelle des Mantels, der verdickte Mantelrand, bietet so wenig Oberfläche, dass man den Epidermiszellen eine ganz außerordentliche Intensität des Stoffwechsels 1 Vorläufige Mittheilung über die Organisation der Ammoniten. Ber. nat. Ges. Freiburg. Bd. IV. 2 Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Pulmonaten. Diese Zeitschr. Bd, VIII. 4857. nn. \ Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II. 247 zuschreiben müsste, wenn man ihnen, neben der starken Ausscheidung durch die Drüsen, einen nur irgend erheblichen Antheil an der Aus- scheidung des organischen Theiles der Schale beilegen wollte. Die Farbdrüsen haben offenbar die Rolle, der Schale färbende Stoffe mit- zutheilen«, während die Abscheidung des kohlensauren Kalkes nicht durch Kalkdrüsen erfolgt, » sondern durch direkte Ausschwitzung einer kalkhaltigen Flüssigkeit durch die Epidermis hindurch«. Ganz kürzlich hat Moynıer DE Vıreroıs! sich über die Erzeugung der Schale von Helix durch die Theile des Mantels geäußert. Über die phyletische Entstehung der Schale hat sich F. Wıremann ? ausgesprochen, er nimmt an, »dass wir uns die Molluskenschale aus einer ursprünglich das ganze Thier bedeckenden Schutzvorrichtung hervorgegangen denken müssen, so dass ursprünglich die gesammte Körperoberfläche zur Abscheidung einer Hülle, ähnlich wie bei den tubikolen Anneliden, befähigt war, die wir jetzt nur auf den Mantel und eventuell den Fuß (Deckel, Byssus) lokalisirt finden. Erst bei fortschrei- tender Entwicklung der Schale — bildete sich der Mantel, der, nichts weiter als eine Hautduplikatur darstellend, durch eine Hypertrophie in Folge vermehrter Sekretion hervorging«. Dagegen weist Sımrota ? darauf hin, dass »sich die Schalen auf den Mantel und den Deckel (beschränken), der sich bei der Verwandtschaft vieler Prosobranchien mit den Chitoniden eher aus deren gegliederter Schale herleiten dürfte, und auch diese ist eine Rückenschale«, während der Byssus »ursprünglich lokomotorischen Zwecken zu dienen scheint« (doch wohl nur einer negativen Lokomotion!). Weiter sagt er: »In der Strandfauna haben wir etwa an die Strudelwürmer anzuknüpfen. Noch jetzt er- scheinen die starken Schalen der Prosobranchien vielfach als ein Schutz gegen die Brandung; die erste Rückenverdickung, der Ursprung des Mantels, scheint dieselbe Ursache gehabt zu haben, eine Schale wurde dazu abgesondert. — Um gegen die Brandungswelle Halt zu gewähren, wurde die Bauchseite zum Saugnapf umgebildet, wie noch jetzt bei Chitonen und Patellen und bei so vielen Plathelminthen, um trotzdem vorwärts zu kommen, wurde der Fuß, während er angesaugt blieb, vorn verlängert. So entstand das merkwürdige Gleiten der Schneckensohle, das dieselbe zugleich ansaugt und verlängert.« Berücksichtigt man vor Allem die Verhältnisse, welche die Körperbedeckung der Amphi- neuren zeigt, so wird man für solche Spekulation die thatsächlichen 1 Compt. rend. Ac. Sc. Paris. CXI. p. 203—206. 2 Der sog. Liebespfeil der Vitrinen. Jahrb. malak. Ges. Bd. XIII. 1886. p. 89. 3 Beiträge zur Kenntnis der Nacktschnecken. Nova Acta Leop. Bd. LIV. 1889, ea ni - J48 Johannes Thiele, Grundlagen erhalten, während die Pulmonaten eben so wie die meisten Opisthobranchier dem gegenüber stark modifieirt sind. Ich habe die genetische Beziehung des in der Molluskenschale enthaltenen Hautskelettes zu den Retraktoren des saugnapfförmigen Fußes im Allgemeinen erörtert!. In einer Arbeit von Scruzsin? finde ich den Ausspruch, bei Bra- chiopoden wird die Schale »in der ganzen Ausdehnung der Oberfläche angelegt und ist kein Derivat einer Drüse wie bei den Mollusken«. Wenn sich auch Drüsenzellen an der Erzeugung der Schale betheiligen können, so ist diese doch keineswegs als Derivat einer Drüse aufzufassen. Was Scuursın zu dieser Auffassung gebracht hat, ist wohl nur die erste ontogenetische Anlage durch die »Schalendrüse «. Diese ist aber sicher keine echte Drüse und ihre Bezeichnung, die wegen der zeitweisen Ein- stülpung derselben gewählt sein mag, kann nicht eine solche Vorstellung, wie sie Scaurcın zu haben scheint, rechtfertigen. Phylogenetisch hat die Schale mit einer Drüse gar nichts zu thun. Schließlich muss ich auf die Darlegungen von Tenxıson-Woons 3 eingehen, was in so fern seine Schwierigkeiten hat, als ich gerade die von Tenıson- Woops beschriebenen Arten nicht näher untersuchen kann und die der Abhandlung beigegebene bildliche Darstellung durch ihre Unklarheit durchaus nicht dazu beiträgt, den Text wirklich zu erläutern, was um so nöthiger wäre, da des Verfassers Behauptungen Alles über den Haufen werfen wollen, was man bisher über Mollusken- schalen wusste und was auch ich in vorliegender Arbeit darüber mit- getheilt habe. Daraus kann man schon entnehmen, dass ich durchaus nicht von der Richtigkeit der von Tenıson-Woops mitgetheilten That- sachen überzeugt bin; ich will hier kurz einige meiner Bedenken laut werden lassen. Was der genannte Forscher behauptet, ist dieses: In zahlreichen Schalen von Bivalven und Gastropoden, darunter Patelliden und eine Arca, finden sich viele, zum Theil unglaubliche Mengen von Augen — so schätzt Tenıson- Woo»s die Zahl derselben in jeder Schalenhälfte von Trigonia auf etwa 12000. Dem entsprechend wird die Schalenmasse von einem sehr reichen Nervenfaserwerk durch- zogen. Sogar Ganglien finden sich in der Schale und zwar in solcher Masse, dass sie die im Weichkörper enthaltenen bei Weitem übertreffen und dass sie als Hauptganglien der Thiere anzusehen sind. Ähnlich 1 Die Stammesverwandtschaft der Mollusken. Jen. Zeitschr. Bd. XXV. 1894. 2 Argiope Kowalevskii. Diese Zeitschr. Bd. XLI. ® On the anatomy and life history of Mollusca peculiar to Australia. Proc. R. Soc. N.-S.-Wales. XXII. p. 4106—187. DT... . Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. II. 249 verhält es sich mit dem Deckel der Gastropoden; nicht nur in dem kalkigen von Turbo, Nerita etc., sondern auch im hornigen von Litorina u.A. finden sich Ganglien und Sinnesorgane. Daher vergleicht Tenıson- Woo»s die Schalen mit dem Kopfe der Arthropoden und ist der Ansicht, dass die Lamellibranchier fortan nicht mehr als Acephalen bezeichnet werden dürfen, weil die Schale ja die Ganglien und Sinnesorgane ent- halte, die sonst ihre Lage im Kopfe haben. Wäre das Alles richtig, so würde man kaum die Schale wie bisher als ein bloßes Absonderungsprodukt des Mantelepithels ansehen können, da ein solches doch schwerlich so riesige Ganglienmassen enthalten kann, schon der Ernährung der letzteren wegen, die mir in der Kalk- masse unmöglich scheint. Was in der Schale der Chitonen liegt, ist doch weiter nichts als Produkt des Mantelepithels, und zu solchem Ver- halten, wie es Tenıson-Woons beschreibt, ist noch ein großer Sprung. Ich habe aber in meinen Schnitten niemals auch nur die geringste Spur eines nervösen Theiles oder überhaupt eine Fortsatzbildung des Epithels in der Schale von Gastropoden und Lamellibranchiern wahr- genommen. Zu den Ausführungen in der genannten Arbeit sei Folgendes be- merkt: Was die von Tenıson-Woons angewendete Methode betrifft, so hat er, so viel ich sehen kann, nur Schalenschliffe untersucht, ich halte dagegen für die einzig rationelle Art, in der man Augen in der Schale untersuchen kann, das Entkalken und Schneiden der Thiere, wie es Moseıey bei Chitonen und wie auch ich es bei zahlreichen Mollusken gethan, dazu hat aber Tenıson-Woods, wie er p. 144 sagt, nicht die technischen Hilfsmittel und das Geschick gehabt. Jedenfalls sind Schalenschliffe von Chitonen zum Studium der Augen durchaus un- brauchbar, man sieht in ihnen nur die Löcher, welche die Ästheten. eingenommen hatten. Sodann scheint es mir sehr verdächtig, dass Verfasser p. 153 sagt, die »Augen« würden durch Säure, aber nicht durch Kalilauge zerstört. Ferner halte ich es für höchst unwahrschein- lich, dass sich in so fundamentaler Hinsicht die von Tenıson-Woons genannten australischen Arten von ihren nächsten Verwandten, von denen ich einige untersucht habe, unterscheiden sollten. Auch dürfte man wohl annehmen können, dass, wenn die phyletisch ältesten Formen der einzelnen Gruppen sich so verhalten, wie ich und andere Forscher es gesehen und beschrieben haben, dass dann nicht in so vielen einzelnen Fällen die Schale aus einer vielleicht nicht ganz unbelebten, aber doch von Nerven völlig freien, starren Körper- bedeckung zu einem im höchsten Grade sensiblen Organ werden kann. Ich halte Alles, was Texıson-Woods für Ganglien, Nervenfasern, Augen 250 Johannes Thiele, und andere Sinnesorgane erklärt, für gänzlich missverstandene Struk- tureigenthümlichkeiten der Schalen, und ich denke, Niemand wird in Fig. 16 die äußerste Schicht der Schale von Trigonia lamarcki für etwas Anderes als Schalensubstanz von prismatischem Bau, ähnlich wie bei Unioniden, statt für Augen ansehen. Das sind einige der Gründe, welche vorläufig, bis die Schalen von Trigonia und Helcioniscus tramosericus auf Texıson-Woods’ An- gaben hin einer genauen Nachuntersuchung unterzogen sein werden, es rechtfertigen mögen, dass ich mich gegen diese märchenhafte Schil- derung des australischen Forschers ablehnend verhalte und in ihr nichts Anderes sehen kann als ein Märchen. Kötzschenbroda bei Dresden, im Mai 1892. Erklärung der Abbildungen. Tafel XI. Fig. 4. Querschnitt durch den Schalenrand von Chiton rubicundus, zeigt den Übergang der Cuticula des Körperrandes ct in das Ostracum os. hp, Articulamen- tum; sp, Hohlräume von den entkalkten Stacheln; ep, Hypodermis; ms, Muskeln des Körperrandes. SEIBERT, V, 1. Fig. 2. Ähnlicher Schnitt von demselben, zeigt hauptsächlich das Periostra- cum po, das von der Außenseite der Mantelkante ep entspringt. oc, Augen; os und hp wie in Fig. 4. SEIBERT, III, 3. Fig. 3. Ebensolcher Schnitt durch Chiton cajetanus. Bezeichnung wie vorher. SEIBERT, III, A. Fig. 4. Flächenschnitt durch Haftepithel von Chiton rubicundus. SEIBERT, V.1. Fig. 5. Medianschliff des hintersten Schalentheiles von Chiton siculus. a, vorn. os, Ostracum; art, Articulamentum; hp, Hypostracum. Zeıss, A/2 (A mit abge- schraubter Endlinse), 2. Fig. 6. Schliff parallel zum Seitenrande von einem mittleren Schalentheile desselben. Dieselbe Bezeichnung. Zeıss, A/2, SEIBERT, 4. Fig. 7. Querschnitt des Mantelrandes von Arca noae. po, Periostracum; dr, Drüse desselben, die bei e ausmündet; oc, Auge; pi, pigmentirtes Epithel; ep, un- pigmentirtes Epithel; dr,, Drüsenzellen; hp, Schalenepithel. SEIBERT, I,4. Fig. 8. Querschliff der Schale am Rande von derselben. hp, Hypostracum, Zeıss, A/2, 2. Fig. 9. Theil eines Querschnittes durch den Mantel derselben, zeigt das Schalenepithel mit Ansatzzellen a. v, Blutlacunen. SEIBERT, III, 4. Fig. 10. Schalenepithel von Arca tetragona. SEIBERT, V, 4. Fig. 44. Hypostracumfalte von Arca barbata, zeigt die Endigung des Mantel- randepithels ep. hp, Schalenepithel. SEIBERT, V, A. Fig. 42. Dasselbe von Pectunculus glycimeris. SEIBERT, V, 4. Beiträge zur Kenntnis der Mollusken. Il. 251 Fig. 43. Querschnitt des Mantelrandes von Nucula nucleus. Bezeichnung wie früher. Fig. 44. Schliff durch die Schale von Avicula tarentina, nicht weit hinter dem Anfange des Hypostracums hp. pi, oberste pigmentirte Schicht des Ostracums os. SEIBERT, 1, 1. Fig. 45. Querschliff der Schale von Lithodomus dactylus am Rande. Bezeich- nung wie früher, SEIBERT, I, 4. Fig. 15a. Theil desselben Schliffes hinter der Schalenlinie. SEIBERT, I, A. Fig. 416. Querschliff der Schale von Unio tumidus am Rande. pr, Prismen- schicht. SEIBERT, 1, 4. Fig. 16a. Schliff durch den Ansatz eines Adductors von demselben. SEI- BERT, 1,4. Fig. 47. Schliff durch die Schale von Patella coerulea. Zeıss, A/2, 2. Fig. 48. Querschnitt durch den Vordertheil des Mantels (Theil eines Sagittal- schnittes) von Collisella digitalis. dr und dr,, Drüsen; hp, Hypostracumfalte; f, Fältchen am Rande. Zeıss A, SEIBERT 0. \ Fig. 18a. Querschnitt durch den hinteren Mantelrand von derselben, Bezeich- nung und Vergrößerung wie Fig. 18. Fig. 49. Medianschliff durch die Schale von Gibbula magus. hp, Hypostra- cum. Wenig vergrößert. Fig. 20. Querschliff des Schalenrandes von Haliotis tuberculata. pi, Pigment- schicht. SEIBERT, I, A. Fig. 24. Theil eines Querschnittes durch Haliotis tuberculata. F, Fuß; ep, Epi- podium; n, Nerv desselben ; v, Blutgefäß; N, centrales Nervensystem (Pedal- und Pleuralganglien) ; int, Eingeweide; M, Mantel; T, entkalkte Schale. Zeiss, A/2, 2. Fig. 21a. Linker Mantelrand M von derselben. Übrige Bezeichnung wie Fig. 7. Fig. 22. Querschliff durch das Hinterende der Schale von Dentalium. hp, Hypo- stracum. SEIBERT, 1, A. Die Entwicklung der Wirbelsäule der ungeschwänztenAmphibien. + Zweite Abhandlung über die Entwicklung der Wirbelsäule. Von ai C. Hasse. (Aus der anatomischen Anstalt zu Breslau.) Mit Tafel XII. Duczs! ist der Erste, welcher über die Entwicklung der Wirbel- säule von Cultripes provincialis Mittheilungen macht. Er weist nach, dass die Wirbelkörper lediglich aus den oberen Bogen hervorgehen, dass diese jedoch die Chorda nicht rings umfassen, sondern sich über derselben verbinden, so dass die Rückensaite an der unteren Fläche der Wirbelkörper zum Vorschein kommt. Diesen Befund bestätigte Jon. Mürzer? für Cultripes und weiterhin für Pelobates fuscus und Pseudis paradoxa, allein KöLLIkER 3 war es vor- behalten, die Entwicklungsvorgänge eingehender zu studiren, und zwar “an einer aus Mexiko stammenden Batrachierlarve, welche offenbar in die Reihe der Kröten gehörte, sowie an CGultripes und Pipa dorsigera. Nach ihm gehören die Anuren zu denjenigen Wirbelthieren, deren Wirbel einzig und allein aus der äußeren skelettbildenden Schicht ent- stehen, und zwar so, dass sich die Wirbel aus zwei oberen knorpelig präformirten Bogen, welche auch die Querfortsätze bilden und aus einem unparen Körper, welcher mit zwei Seitenhälften, ohne knorpelig präformirt zu sein, aus der äußeren skelettbildenden Schicht hervorgeht und die Chorda ringförmig umgiebt, zusammensetzen. 1 Osteologie et Myologie des Batraciens. Paris 1834. 2 Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. 3 Über die Beziehungen der Chorda dorsalis zur Bildung der Wirbel der Se- lachier und einiger anderen Fische. Sitzungsberichte der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in Würzburg. 30. Juli 1859. Die Entwicklung der Wirbelsäule der ungeschwänzten Amphibien. 253 Bei der von ihm untersuchten mexikanischen Larve unterscheidet er außen auf der Chorda eine zierliche, ganz dünne, kaum 0,001 bis 0,003’’ messende und schwer zu erkennende Haut von der Beschaffen- heit der elastischen Netzhäute, welche ganz und gar aus platten 0,001 bis 0,003”’ und mehr breiten, anastomosirenden Fasern besteht, die Elastica externa. Dann folgt die eigentliche Scheide, an deren Innenfläche er die von ihm zuerst aufgestellte Elastica interna nicht zu finden vermochte, und die aus queren parallelen Bindegewebsbündeln von geringer Breite (0,002 bis 0,004’), ohne Saftzellen und Kerne be- steht. An der Chorda unterscheidet er ferner eine äußerste Lage von kleineren, kernhaltigen Zellen von 0,003—0,005—0,01’”, die von der Fläche genau wie ein Pflasterepithel sich ausnehmen. Umhüllt wird die ganze Chorda von der äußeren skelettbildenden Schicht, die überall aus einer faserigen Grundsubstanz mit zahlreichen, länglichen Saftzellen besteht. Die knorpeligen und knöchernen Wirbelstücke entwickeln sich außerhalb der Elastica externa in der äußeren skelettbildenden Schicht, und die Chordascheide nimmt an der Wirbelbildung selbst keinen An- theil. Die äußere skelettbildende Schicht umhüllt am Rumpfe als ein dicker Ring die Gesammtchorda und diesem Ringe sitzen die aus hya- linem Knorpel bestehenden Bogen, ohne scharfe Grenze oben auf. Die unteren Bogen werden durcheinen unten befindlichen, unpaaren Knorpel repräsentirt, welcher eben so dem ringförmigen Theile der skelettbil- denden Schicht aufsitzt, wie die oberen Bogen. Bei QCultripes provincialis gelang es ihm auch in der eigentlichen Chordascheide, an welcher er ebenfalls keine Elastica interna nach- weisen konnte, eine aus querverlaufenden, dicht anastomosirenden . Fasern bestehende Elastica externa zu finden. Die Gesammtchorda ist - von einer äußeren Scheide von 0,04—0,06’’ Dicke aus Bindegewebe mit Saftzellen umgeben, welche jedoch nicht rings herumgeht, sondern an bestimmten Stellen Verknorpelungen zeigt, welche bis an die eigent- "liche Chordascheide heranreichen. Solche kommen oben und unten vor. Die oberen Verknorpelungen sind die Anlagen der Bogen des Wirbelkörpers und der Intervertebralknorpel, der Gelenktheile der Wirbelkörper. Der untere Knorpel reicht vom Schwanz bis zur Mitte der Rumpfwirbelsäule und am zweiten Halswirbel sind die knor- peligen Theile rings um die Chorda verschmolzen. Die Verknöcherung erfolgt durch Ausbildung von Belegknochen. Der Larve von Pipa dorsigera fehlte eine Elastica externa. Bei dieser war die eigentliche Chordascheide eine zarte Hülle von 0,002 bis 0,004” Breite und homogen, an der jedoch an vielen Stellen vor- handene Fältchen häufig das Ansehen von Bindegewebe erzeugten. Die Zeitschrift f. wissensch, Zoologie, LV. Bd, 47 254 C. Hasse, äußere skelettbildende Schicht zeigte Bogen, welche im Allgemeinen wie bei Cultripes beschaffen waren, nur zeigte sich hier das Verhältnis der Bogen zur Chorda ganz anders, indem letztere unverhältnismäßig klein war. Nach unten hingen die Bogenpaare oder Wirbelanlagen unmittel- bar mit einer dünnen, äußeren Scheide der Chorda zusammen, welche diese seitlich und unten umschloss, während sie nach oben unmittelbar an eine Rinne der Wirbelkörperanlage angrenzte. Der untere Knorpel reichte vom Schwanz bis an den siebenten Wirbel, von da an bis zum Schädel war die Chorda unten von einem Gewebe bedeckt, das man kaum als echten Knorpel anzusehen vermag. Dagegen reichen vorn am Schädel die Bogen so weit seitlich abwärts, dass unten nur ein schmaler Raum zwischen ihnen bleibt. Noch eingehender beschäftigt sich GesEngBaur ! mit der Entwicklung der Wirbelsäule der schwanzlosen Amphibien, und er unterscheidet eine peri- und epichordale Entwicklungsform, von welchen erstere sowohl bei Fröschen, als bei Kröten vorkommt, während letztere nur Kröten eigenthümlich ist. Wie erselbst ausdrücklich hervorhebt, stehen diese beiden Entwicklungsweisen nicht in einem Gegensatz zu einander, sondern sie sind aus einander hervorgegangen, und zwar ist die epi- chordale eine Abänderung der perichordalen Entwicklung. Die epi- chordale Entwicklung wurde von ihm bei Bombinator igneus, ferner bei Pseudis paradoxa, Pelobates fuscus und bei Pipa americana gefun- den, die perichordäle bei Rana' esculenta, Bufo vulgaris und Bufo variabilis. Er wies ferner nach, dass das aus einem Wirbelkomplex bestehende Schwanzstück der Wirbelsäule in beiden Fällen sich in der- selben Weise entwickelte. Über den feineren Aufbau und die Entwick- lung der Wirbelsäule der ungeschwänzten Batrachier machte er folgende Angaben: Die bei den Salamandrinen vorhandenen, an der Oberfläche der Rückensaite gelegenen, jüngeren Zellen konnte er nicht in demselben Maße bei den ungeschwänzten Batrachiern nachweisen, denn sämmt- liche Chordazellen, auch die äußersten waren von ziemlich gleichartiger Beschaffenheit, und die äußerste aus etwas kleineren Zellen bestehende Lage zeigte eben so jene blasige Form ihrer Elemente, wie die centralen Partien. Was die Chordascheide angeht, so erkennt er bei dieser zwei gesonderte, durch Dicke, wie durch optisches Verhalten sich unter- scheidende Membranen, beide von homogener Beschaffenheit. Die äußere ist die dünnere. Sie misst 0,0006”’. Sie verhält sich gegen Reagentien wie eine elastische Membran und legt sich bei der Kompres- I! Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule der Amphi- bien und Reptilien. Leipzig 1862. Die Entwicklung der Wirbelsäule der ungeschwänzten Amphibien. 255 sion der Chorda in feine, dichte Längsfalten. Zuweilen scheint es, als ob sie feine Spältchen besäße. Die innere, derbere hält zwischen 0,0045—0,0023’’. Bei Rana esculenta ist sie im Allgemeinen mächtiger, als bei Rana temporaria. Im Gegensatz zu Körumer, der die erstere Membran als Elastica externa, die andere als eigentliche Ghordascheide betrachtet, hält er die letztere für ein bei den Selachiern nicht vor- kommendes Gebilde und deutet die Köruıker’sche Elastica externa als zur Chorda gehörig, als Elastica interna. Die nach ihm den Batrachiern allein zukommende Scheide besitzt nie Zellen oder Zellenderivate, sondern ist homogen und eine Cuticularbildung, wie die ihr aufliegende äußere. Ferner lässt er im Gegensatz zu KöLuıker bei der perichordalen Entwicklung die skelettbildende Schicht rings um die Chorda. gehen und in ihr sich die Bogen differenziren, welche dann seitlich um die Rückensaite wachsend zur Vereinigung kommen, den Wirbelkörper bilden, und dann nach vorn und hinten auswachsend und die Chorda intervertebral einschnürend den Zwischenwirbelknorpel, den Gelenk- theil des Wirbelkörpers bilden. Die Verknöcherung geschieht vor Allem durch die Ablagerung von Belegknochen. Am Schwanze tritt dann noch zu den epichordalen oberen Bogen ein hypochordaler Knorpel, der allmählich an den Seitenflächen der Ghorda mit den oberen Bogen- stücken verschmilzt, so dass die Chorda dann an dem späteren Steiß- ‘beine rings vom Knorpel umschlossen ist. Dabei ist dieses Steißbein als ein aus mehreren Wirbeln entstandenes Stück anzusehen. Bei den ungeschwänzten Amphibien mit epichordaler Entwicklung besteht die Ghordascheide bei Bombinator, Pelobates und Pseudis wie- der aus den beiden Lamellen, während er bei Pipa nur eine Andeu- tung der äußeren Lamelle sah. Bei Bombinator ist die innere eine elastische Membran von ansehnlicher Dicke (0,023”) und zeigt sich nicht vollkommen homogen, sondern mit zahlreichen, sehr feinen Quer- fasern ausgestattet. Eben so eigenthümlich ist die Beschaffenheit der Chordascheide von Pseudis. Die äußere sehr dünne Lamelle liegt der skelettbildenden Schicht eng an, die innere dagegen der Chorda. Beide, innere und äußere Lamelle, sind nur lose mit einander verbunden. Die innere elastische Lamelle zeigt feine, aber zahlreiche Längsfaltun- gen, die von feinen, welligen, fast wie guillochirt erscheinenden Linien rechtwinkelig gekreuzt werden. Was die skeletogene Schicht betrifft, so unterscheidet sich die epichordale dadurch von der perichordalen ‘ Entwicklungsform, dass die seitliche Verwachsung der Chorda von Seiten der oberen Bogenknorpel nicht zu Stande kommt, und dass sich somit auch der Wirbelkörper und die Intervertebralknorpel nicht peri-, sondern epichordal entwickeln, wenigstens am Rumpfe. Somit bleibt 47% 256 0. Hasse, der größte Theil der die Chorda umgebenden skelettbildenden Schicht bindegewebig. Am Steißbein zeigen sich keine Unterschiede in der Entwicklung. GEGENBAUR wiederholt dann in seiner Arbeit »Über die Entwick- lung der Wirbelsäule des Lepidosteus«! die Ansicht, dass bei den Am- phibien die Chorda von zwei cuticularen Membranen umgeben sei. In einer Arbeit, »Untersuchungen über die Entwicklung des Bombinator igneus«? hat dann Goertz weitere Angaben gemacht, jedoch werden dieselben zum Theil verbessert, und zum Theil ausführlich wiederholt in seiner späteren großen Monographie. Der Zeit nach folgt W. MüLzer’, welcher Rana temporaria unter- suchte. Aus den Zellen der Chorda bildet sich nach ihm eine proto- plasmatische Rindenschicht und der Gallertkörper. Um die Rinden- schicht bildet sich eine Zellmembran, und um diese von der skelett- bildenden Schicht aus eine zweite. Die skelettbildende Schicht lässt er aus der Adventitia der Aorta stammen, dieselbe umwächst die Chorda erst seitlich, liefert die Anlage der Bogen und umwächst dann die Chorda oben und unten unter Bildung einer koncentrischen, aus spindelförmigen Zellen bestehenden Umhüllung. Im Jahre 1872 veröffentlichte Köruıker seine kritischen Bemer- kungen zur Geschichte der Untersuchungen über die Scheiden der Chorda dorsalis. Derselbe unterscheidet jetzt bei den einzelnen Amphi- bien, ohne zu sagen bei welchen, eine einfache von der Chorda ge- bildete Cuticularmembran, und bei anderen außer dieser noch eine äußere, beide von der Chorda gebildet. In seiner großen Monographie schildert dann GorrrE 5 ausführlich die Umwandlung der Chorda und die Ausbildung der dotterhaltigen Rindenschicht, in welcher er keine Zellen zu erkennen vermag. Um diese bildet sich eine allmählich dieker werdende, cuticulare Hülle, die innere Scheide der Wirbelsaite. Später treten in ihr schwache Quer- streifen auf. Um diese Chordahülle bildet sich die äußere Chorda- scheide aus netzförmig zusammenhängenden Zellen bestehend, welche sich in den frei werdenden Raum zwischen Rückensaite und Urwirbel- segmenten eindrängen und die Chorda rings umgeben. Sie verschmelzen 1 Jenaische Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaften. Bd. III. 1867. 2 Zeitschrift für mikroskopische Anatomie. Bd. V. 1869. 3 Über den Bau der Chorda dorsalis. Jenaische Zeitschrift für Mediein und Naturwissenschaften. Bd. VI. 4874. 4 Sitzungsberichte der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in Würzburg. 41872, > Die Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875, Die Entwicklung der Wirbelsäule der ungeschwänzten Amphibien. 257 allmählich zu einer kontinuirlichen bedeckenden Schicht. Später wird die Scheide durch Zelltheilungsprocesse mehrschichtig. Zwischen den beiden Chordascheiden bildet sich nach ihm sowohl bei Bombinator, wie bei der grauen Kröte eine feine, cuticulare Membran, welche er aber nicht zu isoliren vermochte, und welche er für ein Produkt der äußeren (skelettbildenden) Scheide hält. Die Bogenanlagen entstehen dort, wo die Muskelplatten zusammenstoßen, zwischen je zwei Spinal- sanglien selbständig auf der äußeren Chordascheide, mit welcher sie sich erst nachträglich fest verbinden. Die Bogenanlagen verknor- peln. Zwischen ihnen bilden sich aus der äußeren Chordascheide die Wirbelkörperanlagen, welche alsbald verknorpeln und integrirend mit den Bogen zusammenhängen, und zwischen diesen die die Chorda intervertebral einschnürenden Intervertebralknorpel. Im Übrigen pole- misirt er gegen die Annahme einer epichordalen Entwicklung, indem er nachgewiesen zu haben glaubt, dass auch der untere Theil der skelettbildenden, äußeren Chordascheide an dem Aufbau des Wirbels Theil nimmt, wenn auch dem dorsalen Abschnitt der Hauptantheil zu- kommt. Für den ersten Wirbel hebt er dann noch das weite Abwärts- ragen der oberen Bogenanlagen hervor und schildert dann am Schwanz- theil, wie seine Vorgänger die Bildung des hypochordalen Knorpels. Die Hauptmasse der äußeren skelettbildenden Schicht stammt nach ihm von dem inneren Theile der Urwirbelsegmente. SCHNEIDER ! unterscheidet bei dem Frosche zwei Guticularmem- branen, eine unmittelbar die Chorda umgebende, und auf dieser eine zweite. KASTSCHENKO ?, welcher sowohl Frösche wie Kröten untersuchte, berichtet nur von einer um die Chorda gelegenen Quticula. Eben so verneint BaLrour3 für die Amphibien eine äußere cuticu- lare Membran. Srtönr * wendet sich hauptsächlich gegen Gorrre’s äußere Chorda- scheide, welcher er keine Berechtigung auf Selbständigkeit zuerkennen will, da dieselbe nur vorübergehend zu unterscheiden ist. Rerzıus5 schließt sich eng an GeGEnBAUR an und unterscheidet eben so wie Horrmann® um die Ghorda der Anuren, von denen er namentlich 1 Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgesch. der Wirbel- thiere. Berlin 1879. 2 Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XIX. 1884. 3 A Treatise on comparative embryology. London 1884. 4 Zur Entwicklungsgesch, des Anurenschädels. Diese Zeitschr. Bd, XXXVI. 1882. 5 Archiv für Anatomie und Physiologie. 1884. Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs, (Amphibia.) 258 C. Hasse, Bufo erwähnt, eine dicekere innere, aus koncentrischen Faserbündeln bestehende Membran und eine dünnere äußere, welche nach ihm offen- bar elastisches Gewebe ist. Indem ich mich nun zur Darstellung meiner eigenen Beobachtun- gen wende, will ich gleich das Hauptresultat derselben an die Spitze stellen: DieKröten haben wie die Fische und die geschwänz- ten Amphibien außer einer von der Chorda gebildeten und sie umgebenden Cuticula chordae (Elastica interna aut.), noch eine CGuticula sceleti (Elastica externa aut.), welche von der skelettbildenden Schicht gebildet wird. Die Frösche entbehren, wie die Amnioten einer (Cuti- cula sceleti und besitzen lediglich eine Guticula chordae. Die Anurenbilden somit ein Mittelglied zwischen den Fischen und Urodelen, bei denen eine besondere Weiter- bildung im Bereiche der Cuticula sceleti stattfindet und den Amnioten, bei denen nicht allein die Bildung einer Guticula sceleti vollständig unterdrückt wird, sondern bei denen auch die Ghorda und die Cuticula chordae einer weiteren starken Rückbildung unterliegt. Von den Fröschen habe ich Rana fusca und esculenta, von den Kröten Pelobates fuscus untersucht und kann ich den von KöLLıker, GEGENBAUR Und GOFTTE vorgebrachten Thatsachen über den Aufbau der Wirbelsäule und namentlich über den Antheil der knorpeligen Bogen und deren Beziehungen zur Gliederung der Wirbelsäule nichts hinzu- fügen. Dieselben stehen auch unter einander im besten Einklange, und die Bedenken, welche GorTTE wegen der epichordalen Entwicklung äußert, sind durchaus untergeordneter Art. Ich möchte meinen Stand- punkt folgendermaßen festsetzen: Die Anuren zeichnen sich durch den Mangel gesonderter knorpe- liger Hämapophysen aus. Diese sind ersetzt durch den Hypapophysen- knorpel, welcher auch bei den Amnioten eine wesentliche Rolle spielt. Derselbe ist als durch eine Verschmelzung der unteren Bogen entstanden anzusehen. Am Rumpfe ist eine beinahe vollkommene Reduktion der unteren Bogen vorhanden. Es fehlt die Knorpeldifferenzirung des Hypapophysenknorpels fast gänzlich. In Folge dessen hängt die Ent- wicklung der Wirbel des Rumpfes im Wesentlichen von den oberen Bogen ab, sei es, dass dieselben in der Entwicklung vorschreitend rings um die Chorda wachsen (perichordale Entwicklung),.sei es, dass dieselben sich lediglich dorsal ausbilden und damit einen epichordalen Wirbelkörper und epichordale, intervertebrale Wirbelkörperepiphysen Die Entwicklung der Wirbelsäule der ungeschwänzten Amphibien. 259 entstehen lassen. Am Schwanze (Steißbein) entwickelt sich dagegen bei allen Anuren die Wirbelsäule sowohl aus den oberen Bogen, wie aus dem unteren Bogenrudimente, also durchaus perichordal. Das Wesentliche bei diesen Entwicklungsvorgängen ist ferner, dass die Wirbel der Anuren, ohne Betheiligung der Ghorda und deren Scheide, wesentlich von den knorpeligen Bogen gebildet werden. Damit treten sie in einen Gegensatz zu einer Anzahl von Fischen und den Urodelen, bei denen eine besondere Schicht zwischen den beiden Guticulae (Gutieula chordae und sceleti) entweder ausschließlich oder zu einem wesentlichen Theile den Wirbelkörper zusammensetzt. Sie schließen sich durch diese Entwicklung eng an die drei höheren Wirbelthier- abtheilungen an, bei denen die Wirbelelemente ebenfalls wesentlich oder ausschließlich Abkömmlinge der knorpeligen Bogenstücke sind. Meine Untersuchungen gipfeln vor allen Dingen in der Klarstellung des Verhaltens und der Bildung der um die Rückensaite sich lagernden Scheiden. Hier zeigen die bisherigen Beobachtungen wesentliche Lücken, welche ausgefüllt werden müssen, bevor ein klares, zutreffen- des Urtheil über die Stellung der schwanzlosen Amphibien im System abgegeben werden kann. Die daran sich knüpfenden Fragen sind meines Erachtens mindestens eben so wichtig, wenn nicht wichtiger, als das Verhalten des weiteren Aufbaues und der Verknöcherung der Wirbelelemente. Die allerersten Entwicklungsvorgänge, die Abschnürung der Rückensaite und die Bildung der Cuticula chordae sind auch bei diesen Thieren genügend klargestellt, weniger ist das mit der skelett- bildenden Schicht der Fall. Leider muss ich auch hier wegen Mangels an geeignetem Material eine Lücke bestehen lassen. Ich vermag die Quelle derselben, die Beziehungen zum hypochordalen Strang und zur Aorta nicht aufzudecken, eben so wenig die Beziehungen zu den Meso- dermsegmenten, obgleich ich je länger, desto mehr bezüglich ihrer Herkunft von denselben Zweifel hege. Die jüngsten Stadien, welche ich von Rana esculenta untersucht habe, hatten eine Körperlänge von 7 mm. Die Chorda ist bereits voll- ständig vakuolisirt, auf dem Querschnitt nicht kreisrund, sondern vier- seitig, mit größerem Höhen- und geringerem Breitendurchmesser (Fig. 1). An der Oberfläche befindet sich ein mit sparsamen, großen Kernen ver- sehenes und stark mit Dotterkörnern durchsetztes, protoplasmatisches Lager, in welchem die Zellgrenzen nicht deutlich zu erkennen sind (Fig. I ch.ep). Sind solche überall vorhanden, so handelt es sich um sehr große Zellen, da im ganzen Umkreise nur etwa acht bis zehn Kerne, bald mehr bald minder, zu erkennen sind. Umgeben wird diese Rinden- Re s PR ll; © r >} 360 0. Hasse, schicht, das Chordaepithel, von einer sehr zarten, oft leicht gefältelten, durchsichtigen, elastischen Membran, in welcher in keiner Weise irgend eine Struktur zu erkennen ist (Fig. I c.ch). Unter der Chorda befindet sich ein subchordaler Strang (Fig. I sch.str), aus etwa vier neben ein- ander in einer Reihe zwischen Rückensaite und Aorta gelagerten Zellen bestehend. Die Kerne derselben stehen ziemlich dieht gedrängt, so dass die Zellen nur geringen Umfang haben können. In dem nächsten Entwicklungsstadium (8 mm) sind dieselben bereits nicht mehr geson- dert nachzuweisen. Um die Chorda befindet sich dann die skelett- bildende Lage (Fig. 4 sc.sch) und Alles spricht dafür, dass deren Ent- wicklung anfänglich genau in derselben Weise, wie bei den Urodelen erfolgt. Es sind große, runde, embryonale Zellen mit großen, sich stark färbenden, granulirten Kernen und Dotterplättchen im Inneren. Sie gleichen durchaus denen, welche sich in der Aorta befinden, woher sie aber stammen, vermag ich nicht mit Sicherheit anzugeben. Sie er- strecken sich ventral über die ganze Wirbelsäule und sind neben der Aorta und dem subchordalen Zellstrang am stärksten angehäuft. Das- selbe ist in der dorsalen Mittellinie der Fall. An dem ventralen Theil der Seitenfläche des Rückenmarkes (Fig. 1) sind sie aber in den Zwischenräumen zwischen den Mesodermsegmenten in größerer Anzahl vorhanden und beginnen sich von hier aus dorsal über die Chorda, zwischen ihr und das Rückenmark zu schieben. Dasselbe geschieht an den Seitenflächen der Rückensaite. Auch hier wachsen sie, aber sowohl von der dorsalen, wie von der ventralen Seite her, den Räumen zwischen den Mesodermsegmenten entsprechend, um die Chorda herum, lassen aber anfänglich den Theil der Seitenfläche der Chorda, welcher der Mitte eines Mesodermsegmentes entspricht, frei, denn man sieht hier das Mesodermsegment der Rückensaite unmittelbar anliegen. Daraus geht klar hervor, dass die in der dorsalen und ventralen Mittel- linie zusammenhängend von vorn nach hinten sich ausdehnende Masse der skelettbildenden Schicht seitlich ursprünglich vollkommen meta- mer, den Zwischenräumen der Mesodermsegmente entsprechend, ge- gliedert ist und sich von hier aus kontinuirlich um das Rückenmark und um die Chorda herum ausbreitet. Anfänglich sind die Zellen durchaus nicht regelmäßig um die Rückensaite gelagert (Fig. 1 sc.sch). Lagern sie sich auch in einfacher Schicht, so hängen sie doch durchaus nicht unter einander zusammen, bilden somit kein Epithel. Der Abstand zwischen ihnen ist bald größer, bald kleiner, je nach der Größe des Raumes, welcher für sie zwischen Chorda, Rückenmark und Muskel- segmenten bleibt. Das Verhalten ist also genau so, wie bei den Uro- delen. Die Entwicklung der Wirbelsäule der ungeschwänzten Amphibien. 261 Wichtige Veränderungen gehen erst dann vor sich, wenn die Mesodermsegmente so weit von der Ghorda abgerückt sind, dass die Zellen der skelettbildenden Schicht überall die Chorda umgeben. Die Veränderungen zeigen sich deutlich bei einer Larve von Rana fusca von 42 mm Länge (Fig. 2). Die Dotterplättchen sind überall in den Zellen verschwunden, die vakuolisirte Chorda ist ausgedehnter und die Rindenschicht trägt den Charakter eines echten Plattenepithels (Fig. 2 und 3 ch.ep). Die Zellen desselben sind zahlreicher geworden, dichter gedrängt, und sie sind dem entsprechend kleiner. Es hat an der Ober- fläche ein lebhafter Kern- und Zellenvermehrungsprocess stattgefunden. Dabei erscheint der Querschnitt der CGhorda bei Rana fusca als ein stehendes Oval. Die Cuticula chordae ist ein wenig dicker geworden, lässt aber immer noch keine Struktur erkennen. Die Zellen der skelett- bildenden Schicht bilden rings um die Chorda herum ein einschichtiges Plattenepithel (Fig. 2 sc.sch) in der Weise, wie es GoETTE zuerst be- schrieben hat, und wie ich es dann weiter für die Urodelen nachge- wiesen habe. Die embryonalen Zellen haben sich regelmäßig angeordnet und mit einander epithelartig verbunden. Die Kerne sind dabei zahl- reicher geworden, ein Zeichen lebhafter Zelltheilungsvorgänge. Dieses Zelllager um die Chorda (Fig. 2 sc.sch) entspricht meiner inneren Zellscheide der skelettbildenden Schicht bei den Urodelen und sondert sich jetzt scharf von den übrigen Zellen der skelettbildenden Schicht, welche (Fig. 2) das Rückenmark und die Aorta umgeben. Diese bilden die Bogenanlagen und entsprechen der äußeren Zellscheide der Urodelen. Diese innere Zellscheide der skelettbildenden Schicht (Fig. 3 iz.sch) sitzt der Cuticula chordae unmittelbar auf, und damit ist ein wesentlicher Gegensatz gegenüber den Urodelen geschaffen, denn es bildet sich nicht wie bei ihnen eine Guticula sceleti (Elastica externa) auf der Cuticula chordae (Elastica interna aut.). Eben so wenig findet aber an irgend einer Stelle dieser inneren Zellscheide eine Wucherung statt nach Art der Intervertebralwülste der Urodelen. Die Zellen sind jetzt, wie auch später (Fig. 12) einfache, polyedrische Pflasterzellen, wie ja auch das Chordaepithel (Fig. 14) ein polyedrisches Plattenepithel ist. Dasselbe spielt von nun an bei den Fröschen im Aufbau der Wirbelsäule keine wesentliche Rolle mehr. Seine Bedeutung erlischt. Bei den Larven von Rana fusca (14 mm Länge und mehr) machen sich aber andere Bildungsvorgänge geltend, welche wiederum durchaus den Vorgängen bei den geschwänzten Amphibien entsprechen. Die Zellen an dem ventralen Theil der Seitenfläche des Rückenmarkes und an der Aorta wuchern in derselben Weise, wie die Zellen der inneren Zellscheide wucherten und schieben sich (Fig. 3 und? az.sch) allmählich 262 6. Hasse, als äußere Zellscheide der Chorda um diese herum, aber nicht in ein- facher, sondern in mehrfacher Lage. Sobald das geschehen ist, hört allmählich die Möglichkeit der Trennung dieser beiden Zellscheiden der skelettbildenden Schicht (Fig. 4, 5, 9, 10) auf, und beide stellen ein einheitliches (Fig. % sc.sch), aus platten Zellen, mit hellen durchsichtigen Zellleibern (Fig. 5 sc.sch) koncentrisch um die Chorda geschichtetes Zelllager dar, in welchem dorsal die Knorpelkerne der Bogen sich bil- den, beziehungsweise ventral der Hypapophysenknorpel, welche dann die weiteren bekannten Veränderungen durchmachen. Es fragt sich nun aber, wie ist es zu erklären, dass ein großer Theil der bisherigen Forscher bei den Fröschen eine Cuticula sceleti (Elastica externa aut.) fand? Ich glaube über diesen Punkt genügende Aufklärung geben zu können. Bei einer Rana esculenta von 22 mm Länge (Fig. 5 und 6 c.ch) fiel mir zuerst auf der Außenseite der Chorda eine besondere Schicht auf, welche sich auch noch in späteren Stadien (Fig. 9, 10 c.ch) nachweisen ließ. Lange Zeit habe ich mich eingehend mit ihr beschäftigt und sie auf alle mögliche Weise zu iso- liren versucht; da ich in ihr die von den Autoren beschriebene Elastica externa gefunden zu haben glaubte. Der Versuch misslang aber regel- mäßig. Niemals sah ich, dass, wenn die skelettbildende Schicht (Fig. 5 10 sc.sch) sich abgehoben hatte, sie der abgehobenen Fläche derselben anhaftete, wie das bei einer echten Cuticula sceleti stets der Fall ist, immer sah ich sie mit der Cuticula chordae im innigsten Zusammenhang. Dennoch war es auch hier ein vergebliches Bemühen sie von derselben zu trennen, und somit als eine selbständige Haut nachzuweisen. Somit muss ich behaupten, dass diese Schicht, welche wohl den Autoren als Elastica externa vorgeschwebt hat, nichts weiter ist als eine verdichtete Lage der Cuticula chordae, ohne irgend welche Beziehungen zur skelett- bildenden Schicht. Dafür spricht auch unter Anderem ihr spätes Auf- treten, während die Cuticula sceleti stets frühzeitig gebildet wird. Ganz anders stellt sich nun das Bild bei Pelobates fuscus, dessen Wirbelentwicklung im Übrigen durchaus der von mir soeben geschil- derten Entwicklungsweise der Froschwirbelsäule entspricht. Bei einer 14 mm langen Larve (Fig. 13), bei welcher sich rings um die Guticula chordae, die stärker wie bei den Fröschen erscheint, die skelettbildende Schicht epithelartig als eine innere Zellscheide (Fig. 13 iz.sch) gelagert hat, erscheint die Cuticula sceleti (Fig. 13 c.sc) gerade wie bei den ge- schwänzten Amphibien als ein selbständiges Wesen an der inneren Oberfläche der dieselbe zusammensetzenden Zellen. Sie ist anfänglich außerordentlich dünn, zart und glasklar und dort, wo die Zellen nicht abgehoben sind, kaum zu unterscheiden (Fig. 13), sie verdickt sich aber Die Entwicklung der Wirbelsäule der ungesehwänzten Amphibien. 263 allmählich (Fig. 14, 15, 46 c.sc) und wird dann rings um die Guticula chordae deutlich sichtbar. Dabei trennt sie sich immer mit größter Leichtigkeit (Fig. 14, 15 c.sc) von der unterliegenden Cuticula chor- dae und haftet den Zellen der skelettbildenden Schicht an. Von diesen ist sie aber ebenfalls leicht zu isoliren (Fig. 15 c.sc) und zeigt somit ein Verhalten, wie bei den geschwänzten Amphibien. Weitere Umwand- lungen erleidet sie aber nicht, sondern sie bleibt als eine vollständige zusammenhängende Hüllmembran bestehen. Die Cuticula chordae ver- dickt sich allmählich sehr bedeutend (Fig. 14, 15, 16 c.ch) und bekommt dann das so oft beschriebene, quergestreifte Aussehen. Auch lässt sich in diesem Stadium der Entwicklung an der äußeren Oberfläche ein dunkler Streifen nachweisen (Fig. 14 und 15), welcher durchaus an die scheinbare Elastica externa der Frösche erinnert. Breslau, im August 1899. Erklärung der Abbildungen. Buchstabenerklärung. c.ch, Cuticula chordae s. Elastica interna; ch.ep, Chordaepithel; c.sc, Guticula sceleti s. Elastica externa; a.z.sch, äußere Zellschicht des skelettbildenden Gewebes; i.z.sch, innere Zellschicht des skelettbildenden Gewebes; sc.sch, skelettbildende Schicht; nap, Neurapophysenknorpel ; s.ch.str, Subchordalstrang. Tafel XII. Fig, 1. Querschnitt durch die Wirbelsäule einer 7 mm langen Larve von Rana esculenta. SEIBERT Obj. 4 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Sublimat, Hämatoxylin, KLEINENBERG mit Orange. Fig. 2. Querschnitt durch die Wirbelsäule einer 12 mm langen Larve von Rana fusca von der Schwanzbasis. SEIBERT Obj. 4 mm, Oc. 4, eingestoßener Tubus. Sublimat, Boraxkarmin, Fig. 3. Stück eines Wirbelsäulenquerschnittes vom Rumpfe einer Larve von Rana fusca von 20 mm Länge. Dorsale Fläche der Chorda. SEIBERT, homogene Im- mersion Obj. 2 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Chromsäure, Hämatoxylin, Orange. Fig. 4. Stück eines Horizontalschnittes durch die Rumpfwirbelsäule einer 20 mm langen Larve von Rana fusca. SEIBERT, homogene Immersion 2 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Chromessigsäure, Hämatoxylin, Orange. Fig. 5. Stück eines Wirbelsäulenquerschnittes (Rumpf) einer 22 mm langen et 364 €. Hasse, Die Entwicklung der Wirbelsäule der ungeschwänzten Amphibien. Larve von Rana esculenta. SEIBERT, homogene Immersion 2 mm, Oc. 4, eingezogener Tubus. Chromsäure, Hämatoxylin, KLEINENBERG. Fig. 6. Stück eines Horizontalschnittes durch die Rumpfwirbelsäule einer 22 mm langen Larve von Rana esculenta. SEIBERT, homogene Immersion 2 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Chromsäure, Hämatoxylin, KLEINENBERG. Fig. 7. Querschnitt durch die Rumpfwirbelsäule einer 32 mm langen Larve von Rana fusca. SEIBERT, Obj. 16 mm, Oc. 8, ausgezogener Tubus. Chromsäure, Hämatoxylin, Crocein. Fig. 8. Stück eines Querschnittes durch die Rumpfwirbelsäule einer 32 mm langen Larve von Rana fusca. Neurapophysenbasis. SEIBERT, homogene Immersion 2 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Chromsäure, Hämatoxylin, Crocein. Fig. 9. Stück eines Wirbelsäulenquerschnittes einer 40 mm langen Larve von Rana fusca. SEIBERT, homogene Immersion, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Fig. 40. Stück eines Querschnittes durch die Wirbelsäule einer 40 mm langen Larve von Rana fusca. SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4, ausge- zogener Tubus. Fig. 14. Chordaepithelzellen einer 37 mm langen Larve von Rana fusca. SEI- BERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Fig. 42. Zellen der inneren Zellscheide der skelettbildenden Schicht einer 37 mm langen Larve von Rana fusca. SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Chromsäure, Hämatoxylin. Fig. 43. Stück eines Wirbelsäulenquerschnittes durch den Rumpf einer 14mm langen Larve von Pelobates fuscus. Dorsale Fläche. SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Alkohol, Hämatoxylin. Fig. 14. Stück eines Horizontalschnittes durch die Wirbelmitte eines Peloba- tes fuscus mit hinteren, kleinen Extremitäten. SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Chromsäure, Hämatoxylin, Orange. Fig. 45. Stück eines Querschnittes durch die Rumpfwirbelsäule eines Peloba- tes fuscus mit linker vorderer Extremität. SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4, eingezogener Tubus. Chromsäure, Hämatoxylin, Orange, Fig. 416. Querschnitt durch die Rumpfwirbelsäule eines 7,7 cm langen Peloba- tes fuscus. SEIBERT, Obj. 16 mm, Oc. 4, eingezogener Tubus. Chromsäure, Häma- toxylin. Flagellatenstudien. Von Georg Klebs (Basel). Theil 1. Mit Tafel XII— XV. Obwohl in neuerer Zeit die Flagellaten vielfach der Gegenstand wissenschaftlicher Forschung gewesen sind, so bilden sie doch heut zu Tage noch eine der relativ wenig bekannten Gruppen niederer Orga- nismen. Eine unerschöpfliche Menge noch unbeachtet gebliebener Formen finden sich in unseren Gewässern oder als Parasiten, und die bereits beschriebenen harren noch genauerer Erkenntnis. Das Haupt- interesse, welches sich an das Studium der Flagellaten knüpft, liegt in den Verwandtschaftsbeziehungen, welche von ihnen aus nach allen Seiten zu den sonst bekannten Gruppen niederer Organismen strahlen. Ein richtiges Verständnis dieser Beziehungen ist aber bedingt durch die möglichst vollständige Kenntnis der Flagellatenformen selbst. Schon die jetzt bekannten Thatsachen, welche die Bedeutung der Flagellaten als Mittelgruppe kennzeichnen, bringen es mit sich, dass die Umgren- zung der ganzen Abtheilung schwieriger Natur ist und dass dieselbe je nach grundsätzlichen Anschauungen in verschiedener Weise ge- schieht. Die in der Zoologie herrschende Anschauung ist durch Stem’s grundlegendes Werk (107) zur Anerkennung gebracht worden, und darin ist wenig geändert worden, obwohl Kent (66), Mauras (83), ich selbst (70) und Andere eine Änderung versucht haben. Denn auch BürschLı in seiner vortrefflichen Bearbeitung der Flagellaten (13) hat im Wesentlichen die Gruppe im Sinne Stein’s angenommen. Diese Arbeit Bürscaurs, welche das gesammte Wissensmaterial über Flagel- laten in übersichtlicher Weise mit kritischer Sichtung und mit neuen Beobachtungen durchwebt darstellt, bildet nun den Ausgangspunkt für meine eigene Untersuchung, welche andererseits anknüpft an die früher 266 Georg*Klebs, in meiner Monographie der Euglenen (70) ausgesprochenen Ideen. Ich möchte versuchen die Frage zu beantworten, in wie weit die Flagel- laten eine selbständige Gruppe bilden, wie weit man im Stande ist die Abgrenzung nach verschiedenen Seiten hin zu treffen, und zugleich möchte ich eine von meinen Vorgängern etwas abweichende Eintheilung der Gruppe vorschlagen. Bürscnrı theilt die Abtheilung der Mastigophoren in vier Ord- nungen ein: Flagellata, Choanoflagellata, Cystoflagellata, Dinoflagellata, von welchen die beiden letzteren zunächst nicht weiter zu berück- sichtigen sind. In der Umgrenzung der Flagellaten, wie BürscaLı sie annimmt, sind es vor Allem zwei Punkte, welche einer näheren Be- sprechung bedürfen, der Einschluss der Volvocineen (letztere stets im weitesten Sinne genommen mitsammt den Phacotinen, Chlamydomo- naden) und der Ausschluss der Choanoflagellaten. Schon in meiner früheren Arbeit habe ich die Gründe aus einander gesetzt, warum es nicht passend erscheint die Volvocineen mit den echten Flagellaten zu vereinigen. BürsckLı hat diese Gründe nicht anerkannt; ich muss noch einmal auf die vielbesprochene Frage eingehen, da die Art ihrer Beantwortung für meine ganze Darstellung von Bedeutung ist. Bei allen Vergleichen solcher niederer Organismengruppen kom- men in Betracht die Organisation des Körpers und der Entwicklungs- gang, und bei dem letzteren handelt es sich um die Art der Theilung und die Bildungsweise von Ruhezuständen. In den beiden letzteren höchst wichtigen Punkten sind Flagellaten und Volvocineen deutlich unterschieden. Bevor ich darauf eingehe, muss ich einige Bemerkungen vorausschicken, welche den bei solchen vergleichenden Betrachtungen leitenden Gedanken ausdrücken. Die verschiedenartigen Organismengruppen wie Flagellaten, Dino- flagellaten, Rhizopoden, Gregarinen, Protococcoideen, Diatomeen etc. lassen sich nicht durch irgend welche durchgreifende Unterschiede von einander sondern, und, wo scheinbar noch solche vorhanden sind, kann man sicher sein, dass in nicht zu langer Zeit Ausnahmen und Über- gangsformen nach einer oder nach mehreren Seiten hin entdeckt werden. Die besonderen Charaktere einer einzelnen von solchen Grup- pen gelten immer nur für die Hauptmasse der Formen, nicht für die nach verschiedenen Seiten ausklingenden Glieder. Jede Gruppe erhebt sich in ihrer Mitte zu einem charakteristischen Typus, welcher sich scharf unterscheidet von dem der benachbarten Gruppen. Allmählich flacht er sich gegen die Grenzen hin ab, es vermischen sich die ver- schiedenen Typen, und wir erhalten Formen, welche man mit dem- selben Rechte zu zweien, vielleicht auch zu mehreren Gruppen rechnen Flagellatenstudien. 1. 267 könnte. Bisher ist unsere Kenntnis der Formen zu gering, um z. B. von den Flagellaten ausgehend nach allen anderen Gruppen solche Misch- typen und Übergangsformen in größerer Anzahl zu kennen. Nur nach den Heliozoen und den Dinoflagellaten hin ist es jetzt schon einigermaßen der Fall. Natürlich ist es von größtem Interesse, diesen Übergangs- formen nachzuspüren ; aber dieselben dürfen den Blick nicht verwirren, nicht verhindern, dass man sich der Unterschiede der verschiedenen Typen bewusst bleibt. Es ist gut von einer gewissen Höhe aus alle die niederen Organismengruppen zu überschauen und als ein großes zu- sammenhängendes Feld zu erkennen; aber es ist nicht minder noth- wendig näher zuzusehen und zu erblicken, dass wir es mit einem aus- geprägten Hügelland zu thunhaben. Flagellaten und Volvocineen stellen solche verschiedene Hügel oder Typen dar. Sind nun, wie in den oben erwähnten Fällen, zwischen zwei solchen Typen allmähliche Über- gänge bekannt, so wird schließlich nur durch willkürliches Überein- kommen die Grenze bestimmt werden können, was aber nicht hindert den Unterschied der Typen klar zu erkennen. In meiner früheren Arbeit (70) habe ich, gestützt auf die Beobach- tungen von Stein, BürschLi und von mir selbst die Ansicht ausgesprochen, dass die echten Flagellaten sich durch Längstheilung vermehren, bei welcher die Trennung durch eine meist am Vorderende beginnende Einschnürung bewirkt wird. Damals standen allerdings der Verall- gemeinerung der Ansicht noch eine Anzahl Beobachtungen entgegen, von deren Unsicherheit ich aber überzeugt war. BürscaLı hat ebenfalls ein großes Gewicht auf die Längstheilung gelegt und bei der Mitthei- lung bezüglich der Quertheilungen seine Zweifel ausgesprochen. Es ist sehr bezeichnend, dass bei allen jenen Formen, bei welchen der Theilungsprocess wegen der deutlich ausgebildeten Plasmamembran sehr langsam verläuft, nie von einer Quertheilung berichtet wird. Vielmehr nur bei den monadenähnlichen Formen, bei welchen die Theilung rasch verläuft, die meist etwas amöboiden Sprösslinge sich aus einander zerren, kommen jene Zustände vor, welche den Anschein einer Quertheilung erwecken. Entscheidend können aber niemals solche einzelne Zustände sein, sondern nur die direkten Beobachtungen des ganzen Processes von Anfang bis zu Ende. Ich kenne keine einzige Flagellate des süßen Wassers, bei welcher bisher sichere Quertheilung nachgewiesen worden wäre; ich habe neuerdings eine große Menge theils bekannter, theils neuer Formen in der Längstheilung gesehen; auch Fıscn (46) hat z. B. ebenfalls für eine Reihe Formen dieselben beobachten können. Dagegen giebt es eine Ausnahme von der Regel, da Oxyrrhis marina nach den übereinstimmenden Beobachtungen verschiedener 363 Georg Klebs, Forscher sich durch Quertheilung vermehrt. Dieselbe verläuft wie bei den Infusorien, d. h. das Vorderende des zweiten Sprösslings liegt an der Einschnürungsebene, nicht aber an dem Hinterende des Mutter- individuums, wie es bei den zweifelhaften Zuständen der Quertheilung für die anderen Flagellaten angegeben wird. Nun könnten sich sehr wohl auch einige andere Ausnahmen finden, ohne dass die Bedeutung der Längstheilung für die Mehrzahl der Flagellaten an Werth verliert. Ganz anders verhalten sich in der Art der Theilung die Volvo- cineen; sie stellen in dieser Hinsicht unzweifelhaft einen anderen Typus dar. Weder einfache Längs- noch Quertheilung spielt bei ihnen eine Rolle; vielmehr liegt das Charakteristische darin, dass der Körper durch mehrere, auf einander folgende Theilungen, welche ab- wechselnd nach zwei oder drei Richtungen des Raumes orientirt sind, in eine kleine oder größere Anzahl Sprösslinge zerfällt. Ferner ist es sehr bemerkenswerth, dass die erste Theilung in den weitaus meisten Fällen der Quere nach erfolgt, und endlich ist hervorzuheben, dass bei keiner Volvocinee bisher eine allmähliche Einschnürung die Regel ist, sondern vielmehr eine ringförmige bis fast simultane Theilung. Durch die beiden letzteren Punkte lassen sich Flagellaten und Volvocineen auch dann unterscheiden, wenn in der Theilungsart eine große habi- tuelle Ähnlichkeit vorhanden ist, nämlich in dem Falle, wo auch die ersteren, wie z. B. Euglenen, innerhalb einer festen Hülle sich mehr- mals theilen. Den Raumverhältnissen einer Kugel entsprechend müssen sich die Sprösslinge in bestimmter Weise anordnen, d. h. als Kugel- quadranten resp. Octanten etc. Die Theilungsart selbst ist dabei nicht verändert; denn wie das Infusor Golpoda ! in einem solchen Falle sich durch successive Quertheilung theilt, thut dasselbe die Euglena durch successive Längstheilung, und die Volvocinee durch auf einander folgende Quer- und Längstheilungen. Einige Übergangsformen sind bereits bekannt, so z. B. die merkwürdige von DangzArD (35) entdeckte Polyblepharis, eine Volvocinee, welche sich durch einfache Längsthei- lung vermehrt. Unter den koloniebildenden Volvocineen scheint bei Spondylomorum nach Angaben von Stein die erste Theilung der Länge nach zu verlaufen. Nicht ganz sicher ist es, wie bei gewissen Ghromu- lina-Arten, welche in Cysten mehrfach sich theilen, die eigentliche Theilung verläuft. Jedenfalls scheint bei manchen Chrysomonadinen 1 Für Colpoda wird allerdings eine Viertheilung angegeben, wobei die erste Theilung der Quere, die zweite senkrecht darauf scheinbar der Länge nach erfolgt (vgl. RHUMBLER, diese Zeitschr., Bd. XLVI, 4888). Doch ist es sehr wahrscheinlich, dass hier eben so wie bei Euglena eine Verschiebung der Sprösslinge eintritt, und thatsächlich auch die zweite Theilung der Quere nach verläuft. Flagellatenstudien. I. 269 die Einschnürung fast ringförmig stattzufinden, aber in den sicher beob- achteten Fällen stets der Länge nach. Ein zweiter wesentlicher Unterschied zwischen Volvocineen und Flagellaten betrifft die Bildungsweise der Ruhezustände. Die ersteren besitzen eine sehr charakteristische Entwicklungsform in den ge- schlechtlichen Mikrozoosporen, den Gameten, oder in getrennten männ- lichen und weiblichen Geschlechtszellen. Durch die Copulation zweier solcher Gameten oder Geschlechtszellen entsteht die Ruheeyste, die sog. Zygote. Die Flagellaten dagegen besitzen keine besonderen geschlecht- lichen Zellen, sie bilden auf ungeschlechtlichem Wege die Ruhecysten. In meiner Monographie der Euglenen (70) habe ich bereits nach- gewiesen, dass die damals noch geltenden Ansichten Srem’s über geschlechtliche Processe bei Euglenen und anderen Flagellaten auf irrthümlicher Deutung von Zuständen unvollständiger Längstheilung oder parasitischer Erscheinungen beruhen. Dangzarn (32, 34) hat sich mit demselben Thema beschäftigt und ist zu demselben Resultat ge- kommen; er hat die Parasiten, welche die Embryonen vorgetäuscht haben, ausführlich untersucht und selbst keine geschlechtliche Fort- pflanzung von Euglenen, Gryptomonaden beobachten können. Auch sonst haben gute Beobachter, wie GoHn, CIENKOWSKI, BÜTscHLi u. A. nicht einmal eine Andeutung davon bemerken können, trotzdem Euglenen, Cryptomonaden und ähnliche Formen zu den gemeinsten, in zahllosen Scharen vorkommenden Organismen gehören. In seinem Protozoenwerk hat Bürscnti auf dieses in jedem Falle sehr bemerkenswerthe negative Resultat kein großes Gewicht gelegt, wenn er auch selbst die anscheinend positiven Beobachtungen über Geschlechtsprocesse bei Flagellaten mit Zweifeln begleitet. Sehen wir von den Volvocineen ab, so führt Bürscurı als Zeugnis für die Sexuali- tät Beobachtungen einerseits von CiEnkowskı, andererseits von DaLLıinGoR und Drysparz an, denen sich in neuerer Zeit Kent anschließt. Cıex- Kowskı (23) hat bei Ciliophrys infusionum ferner bei seiner Monas amyli (18, 19), welche aber weder eine Monas noch, wie BürscaLı vermuthet, eine Bodo-Art, sondern eine selbständige Gattung ist (Protomonas amyli HazckeL [58], Zopr [122] ete.), gelegentliche aber nicht nothwendige Verschmelzungen von amöbenartigen Zuständen beobachtet. In keinem Falle hat dieser fakultative Fusionsprocess eine deutliche Beziehung zu dem Geschlechtsprocess der Volvocineen, selbst wenn man sich dazu entschließen würde darin eine Andeutung eines sexuellen Vorganges zu sehen. Ein wirklicher Grund dafür liegt bisher nicht vor, da das Wesentliche eines Geschlechtsprocesses doch in der Verschmelzung der Kerne liegt, und diese nie bisher nachgewiesen worden ist. Diese Fusion Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 18 270 Georg Klebs, von Amöben ist aber in systematischer Hinsicht sehr bedeutungsvoll, da dieselbe klar hinweist, dass Formen wie Ciliophrys, Protomonas mit den Vampyrellen und anderen Gattungen zu den Heliozoen gehört, wo- mit auch alle anderen Charaktere, wie wir nachher sehen werden, stimmen würden. Desshalb fallen überhaupt die genannten Formen aus der Abtheilung der Flagellaten heraus. Während die Beobachtungen von CIENkowskI durchaus richtig sind, muss man den Angaben von DarLinger und DrysDaLe (29, 30, 34) mit dem größten Misstrauen begegnen. Es genügt auf die ausführliche Darstellung und Kritik Bürscaur’s hinzuweisen, um sich darauf zu be- rufen, dass die betreffenden Angaben keine Entscheidung in dieser Frage herbeiführen können. Ich finde bei einer genauen Durchsicht der Arbeiten beider Forscher, dass dieselben eben so werthlos sind wie zahlreiche andere Arbeiten aus derselben Zeit, in welcher wunder- bare Entwicklungen von Bakterien aus höheren Pilzen, Algen und Infusorien und dergleichen mit größter Sicherheit behauptet wurden. Die Beschreibung der bodoähnlichen Organismen, welche durch die beiden Forscher geliefert wird, ist sehr ungenau, ihre Darstellung ent- hält so entschieden Unrichtiges und widerspricht bezüglich der Ent- wicklung der angeblichen Zygoten so sehr allem sonst Bekannten, dass man vorläufig nichts daraus entnehmen darf. In welchem Grade flüchtig und unrichtig Darzincer und DryspaLe Beobachtungen gemacht haben, tritt am klarsten bei ihrer Arbeit über Polytoma hervor; sie haben hier aus den Stärkekörnchen aufplatzender Individuen neue Individuen direkt entstehen sehen, einmal parthenogenetisch, das an- dere Mal nach einer Copulation. Die Organismen, um welche es sich bei den Untersuchungen handelte, sind überhaupt sehr wenig bekannt bisher und legen auch in der That einer Untersuchung erhebliche Schwierigkeiten in den Weg, so dass Irrthümer sehr begreiflich und verzeihlich sind. Um nun ein eigenes Urtheil zu gewinnen, habe ich gerade die Bodo-Arten ausführlich untersucht, ganz besonders den ge- meinen Bodo caudatus, welcher vielleicht auch von DarLinger und Drysvarr beobachtet worden ist. (Nach Kent ist es aber Bodo ro- stratus.) Obwohl mir nun fast reine Kulturen dieses Bodo vorlagen, und ich dieselben wochenlang unter den Augen hatte, habe ich auch nicht die leiseste Andeutung eines geschlechtlichen Processes bemerken können. Entweder liegen den Angaben der beiden Forscher auch hier Zustände unvollständiger Theilung zu Grunde, oder die Erscheinung, dass ein Individuum mit seinem Schnabel ein anderes gewöhnlich am Hinterende gefasst hat um es einzuschlucken, was allerdings in den von mir beobachteten Fällen nie gelang. Den weitaus größten Theil der Flagellatenstudien. I. 271 bisher kenntlich beschriebenen Flagellaten habe ich im Laufe der Untersuchung beobachten können, und ich kann eben nichts Anderes sagen, als dass ich nie eine Copulation zweier solcher getrennter Indi- viduen behufs Bildung einer Cyste resp. Zygote gesehen habe. So muss ich als Ausdruck des jetzigen Thatbestandes den Satz aufstellen, dass bei keiner Flagellate bisher ein Geschlechtsprocess nachgewiesen worden ist. Dem gegenüber steht nun unsere ausgedehnte Kenntnis der ge- schlechtlichen Fortpflanzung bei den Volvocineen. Ich brauche nicht auf diese bekannten Dinge einzugehen, ich will nur bemerken, dass in neuerer Zeit DangrarD (33) bei einigen Chlamydomonaden den Sexual- process beobachtet hat, dass besonders GoroSHANKIN in einer sehr interessanten Arbeit (51) von zehn Arten der Gattung Chlamydomonas den vollständigen Entwicklungsgang dargelegt und dabei auf merk- würdige Modifikationen des Copulationsvorganges aufmerksam gemacht hat. Selbst bei Formen, wie Chlamydococceus pluvialis, bei welchem bisher keine Copulation gesehen worden ist, existiren doch die den Gameten völlig entsprechenden Entwicklungszustände. Es ist selbstverständlich die Möglichkeit nicht zu bestreiten, dass bei Flagellaten sexuelle Vorgänge vorkommen können, und die That- sache, dass man von so vielen Formen nicht den genauen Entwick- lungsgang kennt, mahnt zur Vorsicht. Auf der anderen Seite kann man in der vorliegenden systematischen Frage mit dieser Möglichkeit nichts anfangen, namentlich weil verschiedene Möglichkeiten vorliegen. Die vermuthlichen sexuellen Vorgänge könnten denjenigen der Volvocineen ähnlich sein, oder sie könnten sich den Conjugationsprocessen der Ciliaten nähern, oder sie könnten von ganz eigenthümlicher Art sein. Denn es ist sehr wohl möglich, dass unsere Ansichten über Sexualität gänzlich später geändert werden müssen, so dass Erscheinungen als sexuelle bezeichnet werden, die wir heut zu Tage in anderer Weise auf- fassen. Auf Grund der bisher bekannten Thatsachen würde sich am ehesten die Vermuthung darbieten, dass die Hauptmasse der Flagella- ten nur ungeschlechtlich sich fortpflanzt, dass dagegen bei jenen For- men, welche einen Übergang, sei es zu Infusorien, sei es zu Volvocineen und damit den Algen bilden, sich sexuelle Vorgänge finden, welche den bei den genannten Gruppen vorkommenden Sexualprocessen ent- sprechen würden. Bisher sind aber solche Formen nach keiner der beiden Seiten hin bekannt. Während Flagellaten und Volvocineen ihrem Entwicklungsgange nach sehr verschieden sich verhalten, nähern sie sich vor Allem durch eine ähnliche Organisation, und auf diese Ähnlichkeit gründet sich die 18* tr 372 Georg Klebs, von Stein und Bürscauı vertheidigte Ansicht der unmittelbaren Zusam- mengehörigkeit. Es würde in der That möglich sein darauf hin der Vereinigung zuzustimmen, aber allerdings müsste man auch eine An- zahl der Protococeoideen-Algen ebenfalls dazu rechnen. Doch darf man nicht übersehen, dass auch in der Organisation die Volvocineen eine selbständige Stellung einnehmen und einen von den meisten Flagellaten abweichenden Typus darstellen, so dass der Platz der Vol- vocineen unter den Isomastigoda BürscaLr's mir in keinem Falle richtig erscheint. Vor Allem möchte ich auf die peripherische Bekleidung der Flagellaten etwas näher eingehen, worauf ich schon an anderer Stelle hingewiesen habe (Kızss, 70, 73). Nach meiner Ansicht muss man zwei verschiedene Dinge aus einander halten, den Periplast, wie ich ganz allgemein die äußerste Schicht des Plasmakörpers bezeichnen will, und die Hüllen oder Stielbildungen, welche bei den Flagellaten in so großer Mannigfaltigkeit vertreten sind. Während Bürscauı in der Bearbeitung der Flagellaten auf den hervorgehobenen Unterschied kein großes Ge- wicht legte, hat er sich bei der Besprechung der Rindenschicht von Ciliaten! mehr meiner Auffassung genähert. Zugleich hat er sich ein- gehender mit der Struktur dieser Schicht beschäftigt und unterscheidet eine aus regelmäßigen feinen Waben zusammengesetzte Alveolarschicht und die dieselbe nach außen bedeckende Grenzlamelle, die Pellieula. In einzelnen Fällen ist aber diese Pellicula eine besondere dicke Haut, die möglicherweise die verdichtete Alveolarschicht einschließt?. Wegen der Schwierigkeit in jedem einzelnen Beispiel das Verhältnis von Pelli- cula und Alveolarschicht klar zu erkennen, wähle ich für die Beschrei- bung den allgemeinen Ausdruck Periplast. Der Periplast ist ein integrirender Bestandtheil des Plasmakörpers, wird von demselben, so lange das Leben währt, nie getrennt, wird bei jeder Theilung mitgetheilt gleich wie die anderen nothwendigen Zell- organe, besonders der Kern. Wie bei dem letzteren, so kann man auch bei dem Periplasten einen todten und einen lebenden Zustand deutlich unterscheiden. So weit die allerdings sehr unzureichenden Beobach- tungen ein Urtheil gestatten, darf man mit gewisser Berechtigung an- nehmen, dass in chemischer Hinsicht stickstoffhaltige organische Sub- 1 BürscaLı, Protozoa. III. Abtheilung. Infusoria. 1887—4889. ? Eine genauere Darstellung der Alveolarschicht giebt BürschLı in dem nach Abschluss meiner Arbeit erschienenen Werk: »Untersuchungen über mikroskopische Schäume und das Protoplasma«. 1892. Aus dem Werke entnehme ich, dass der Ausdruck Periplast bereits von Vz,novskY für den hellen Centralhof der Kern- sonnen angewandt worden ist. Ich will aber doch bei dem Ausdruck beharren, da ein Missverständnis nicht möglich ist. | a 1 Jar re Flagellatenstudien. I. 273 stanzen den Periplasten zusammensetzen; jedenfalls nähert er sich in dieser Beziehung sehr den Substanzen des Plasmakörpers. Innerhalb der Flagellatenreihe erscheint der Periplast in sehr verschiedener Ausbildung. Bei den niedriger stehenden Formen ist der Periplast nur schwierig oder kaum als besondere Schicht nachzuweisen. Stets wird die peripherische, an das Medium grenzende Schicht des Plasmakörpers eine von dem übrigen Plasma verschiedene Beschaffenheit haben. In unmerklichen Abstufungen vollzieht sich nun bei den Flagellaten eine allmähliche Differenzirung dieser peripherischen Schicht, welche ich für die niederen Formen als Hautschicht bezeichnen will; sie wird zu einer deutlich sich abhebenden, mit besonderen Eigenschaften ausge- statteten Plasmamembran, welche bei den Euglenoidinen ihre höchste Ausbildung erreicht, in welchem Falle dann Stein von einer Cuticula, Bürscatı neuerdings von einer Pellicula redet. Von dem Periplasten wohl zu unterscheiden sind die Hüllen und Stielbildungen, von welchen der Einfachheit halber nur die ersteren betrachtet werden sollen, da die Stielbildungen als an. begrenzten Stellen des Körpers erfolgende Hüllenbildungen aufgefasst werden können. In dieser Unterscheidung schließe ich mich in gewissem Grade Stein an, wenn dieser Forscher auch in seinen Begriff der Cuti- cula die Zellmembranen der Volvocineen einschließt. Die Hüllenbil- dungen, mögen sie als Gallerthülle, Gehäuse oder Schale ausgebildet sein, stellen niemals einen so integrirenden Bestandtheil des Plasma- körpers dar, was schon daraus hervorgeht, dass in den allermeisten Fällen nach der Theilung mindestens der eine neue Sprössling sich eine neue Hülle bilden muss, also zeitweilig nackt ist. Bei allen Flagellaten ist auch der Plasmakörper niemals vollständig fest mit seiner Hülle verwachsen. Selbst wenn er wie bei manchen Chrysomonadinen der Hülle fest anliegt, so ist er doch in keinem direkten Zusammenhange mit ihr, kann unter Umständen sich davon zurückziehen. In ihren Eigenschaften unterscheidet sich die Hülle selbst nach den jetzt noch so mangelhaften Kenntnissen doch deutlich von dem Periplasten. Stets liegt ihr eine leicht quellbare, gallertartige Substanz zu Grunde, welche sich bekannten Kohlehydraten einigermaßen nähert, so dass sie wahr- scheinlich dazu gehört. In einzelnen Fällen, wie z. B. bei Dinobryon (siehe später), finden wir eine typische Cellulosehülle. Durch die ver- schiedene Quantität und Qualität späterer Einlagerungen nimmt die Hülle ihre in den Einzelfällen so mannigfaltigen Charaktere an. Wäh- rend der Periplast nur durch Wachsthum und Theilung des gleichen Organs der Mutterzelle entsteht, ist für einzelne Fälle sicher, für alle anderen Fälle sehr wahrscheinlich, dass die Hüllen durch den Peri- 274 Georg Klebs, ’ plasten ausgeschieden werden. Gleich nach ihrer Bildung ist die Hülle im Wesentlichen ein todtes Gebilde, welches von dem Tode des Thieres in seinen Eigenschaften nicht berührt wird, wenn auch während des Lebens des Plasmakörpers strukturelle und chemische Veränderungen der Hülle nicht ausgeschlossen sind. | Periplast und Hülle sind also sowohl morphologisch wie physio- logisch deutlich unterschiedene Organe; Flagellaten, bei welchen man im Zweifel sein könnte über die Natur ihrer peripherischen Bekleidung, sind mir bisher nicht bekannt geworden. Der Periplast ist immer vor- handen, die Hülle als ein sekundäres Produkt des Plasmakörpers ist bald vorhanden, bald fehlend, ohne dass dabei in den meisten Fällen ein engerer Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsgrad von Peri- plast und Hülle hervortritt. Denn sowohl Formen mit nur hautschicht- artigem, wie auch solche mit membranartigem Periplast, können Hüllen besitzen von sehr ähnlichem Charakter. Eine Verwechslung von Peri- plast und Hülle liegt vor, wenn Stein und eben so BürschLı von einer Cuticula bei Synura sprechen. Sowohl bei dieser Gattung wie auch bei Mallomonas, Hymenomonas, Microglena haben wir es mit einer Hülle zu thun, innerhalb welcher der Plasmakörper sich noch mehr oder weniger frei bewegen kann, von welcher er sich z. B. bei Bildung von Ruhezuständen oder auch sonst zurückziehen kann. In gewissen Beziehungen aber unterscheidet sich die Hülle von den bei anderen Flagellaten vorhandenen Bildungen, in so fern bei den genannten Chrysomonadinen dieselbe dem Plasmakörper sehr eng anliegt und sich dadurch der Zellhaut der Volvocineen nähert. Überhaupt kommen möglicherweise auch unter den Flagellaten Formen vor, bei welchen keine scharfe Unterscheidung von Periplast und Hülle sich beobachten lässt, bei welchen der erstere z. B. direkt in eine besondere Art von Hülle umgewandelt wird, ähnlich wie es für Ciliaten vielleicht anzu- nehmen ist!, oder wie es für die Zellmembran der pflanzlichen Zellen behauptet worden ist. Doch für die Hauptmasse der Flagellaten muss man diesen Unterschied von Periplast und Hülle als sehr bedeutungs- voll hervorheben. Gehen wir jetzt zu den Volvocineen selbst über, so haben wir auch bei diesen den Periplast und die Hülle zu unterscheiden. Der erstere ist bei allen ausnahmslos nur als zarte, wenig bestimmte Hautschicht ausgebildet wie bei allen Algenzellen, niemals als deutliche Plasma- membran, und diese Thatsache ist in hohem Grade bemerkenswerth, weil im Übrigen die Volvocineen doch relativ hoch entwickelte Formen I Vgl. BürscuLı, Protezoa. Ill. Abth. Infusoria. Flagellatenstudien. I. 275 darstellen. Von denjenigen Flagellaten, bei welchen ebenfalls nur eine solche Hautschicht vorhanden ist, unterscheiden sich die Volvocineen doch auch wesentlich. Denn bei den ersteren ist mit wenigen Aus- nahmen die Hautschicht der Sitz amöboider Gestaltveränderungen, während solche bei den Volvocineen sich nicht finden, abgesehen von der jedem Plasmakörper innewohnenden Eigenschaft, etwas plastisch zu sein und von der Erscheinung, dass bei Chlamydococeus und Stephanosphaera der Plasmakörper mit der festen Zellhaut nur an ein- zelnen Stellen durch etwas veränderliche Fäden im Zusammenhange steht!. Man braucht aber nur die CGhrysomonadinen, welche nach BürscnLı so nahe mit den Volvocineen sich berühren, dass er sie in eine Abtheilung der Phytomastigoda zusammenstellt, zu vergleichen, um diesen Unterschied in der amöboiden Fähigkeit sich klar zu machen. Hier bei den Chrysomonaden finden wir, wie ich später zeigen werde, vollkommene Amöbenformen oder Arten, welche besonders am Hinter- ende amöboid sind; aber selbst die mit Hüllen versehenen Formen von Hymenomonas, Microglena, Synura haben noch die ausgesprochene Fähigkeit, ihre Gestalt zu verändern. Es ist sehr wohl möglich, dass auch bei noch zu entdeckenden Übergangsformen zwischen Flagellaten und Volvocineen diese Fähigkeit ebenfalls vorhanden ist. Die Haupt- masse der Volvocineen hebt sich aber von den Flagellaten durch die genannten Eigenschaften des Periplasten scharf ab. Die Unfähigkeit, Gestaltsveränderungen zu machen, hängt bei den Volvocineen mit der Beschaffenheit ihrer Hülle zusammen. Dieselbe entspricht den gleichen Bildungen der Flagellaten, stellt aber anderer- seits eine besonders entwickelte Form dar, wie wir sie ganz überein- stimmend bei anderen Algen als Zellhaut wiederfinden. Srzın hat darin Unrecht, die Zellhaut von Chlorogonium mit der Guticula der Euglenen für identisch zu halten. Denn die wesentlichen Eigenschaften des Periplasten fehlen der Zellhaut, welche bekanntlich bei den Volvoci- neen bei jeder Theilung abgeworfen und neugebildet wird und sich schon dadurch als eine sekundäre Erscheinung kund giebt. Der Zu- sammenhang zwischen Zellhaut und Plasmakörper ist aber bei den Volvocineen ein sehr viel innigerer als bei den Flagellaten zwischen Hülle und Periplast. Denn abgesehen davon, dass sie bei der Mehrzahl der Formen dicht und fest der Hautschicht anliegt, ist auch in den abweichenden Fällen von Chlamydococeus, Stephanosphaera etc. der 1 Wie sich Phacotus in dieser Beziehung verhält, ist nicht ganz klar. Der Plasmakörper füllt nicht den inneren Raum der Hülle aus und ist doch, so viel ich bemerken konnte, nicht im Stande sich darin zu bewegen, Vielleicht wird auch hier der Zusammenhang durch Plasmafäden herbeigeführt. 276 Georg Klebs, Zusammenhang sei es bloß an der Spitze oder an anderen Stellen ein derartig fester, dass eine Bewegung des Plasmakörper innerhalb der Zellhaut nicht stattfindet. Nur gewisse CGhrysomonadinen, vielleicht z. B. Microglena, nähern sich in dieser Hinsicht den Algenzellen. Auch in anderen Zellbestandtheilen verhalten sich die Volvocineen abweichend von der Mehrzahl der Flagellaten. Bei den letzteren finden wir nicht die eigenthümliche schalenartige Form des Chromatophors der ersteren, vielmehr entweder platten- oder scheibenförmige Chlore- phylikörper. Bei keiner Flagellate begegnen wir den allen Volvocineen zukommenden Stärkekernen, und selbst wo analoge Organe, wie die Paramylonkerne der Euglenen sich finden, zeigen sich doch wesentliche Unterschiede im Bau. Auch die Lage und Gestalt des Augenflecks, die regelmäßige Lage der beiden abwechselnden pulsirenden Vacuolen sind Charaktere der Volvocineen, welche in der Art nicht oder nur selten bei den Flagellaten sich finden. Diese Unterschiede in der ganzen Or- ganisation würden natürlich nicht dafür entscheidend sein, die Volvo- cineen von den Flagellaten zu trennen, sie zeigen aber in Verbindung mit den principiell wichtigen Unterschieden im Entwicklungsgang, dass die Volvocineen eine durchaus selbständige Stellung den Flagella- ten gegenüber einnehmen. Man muss von vorn herein annehmen, dass die Kluft im Augenblick noch viel zu groß erscheint, dass Übergangs- glieder vorhanden sind. Polyblepharis Dangeard gehört jedenfalls dazu, ist aber leider in manchen Beziehungen sehr wenig bekannt. Mir selbst sind bei meinen Studien über Süßwasserformen eine ganze Anzahl chlamydomonasähnlicher neuer Formen zur Beobachtung gekommen, auf deren nähere Erforschung ich aber verzichten musste. Pyramimo- nas, Ghloraster, vielleicht auch die merkwürdige Nephroselmis nähern sich möglicherweise mehr den Flagellaten. Bei den heutigen Kennt- nissen kann man daher nicht einmal genau angeben, an welcher Stelle eigentlich Volvoeineen sich mit den Flagellaten berühren; es könnten dafür die Eugleniden, andererseits Formen, wie Vacuolaria, in Betracht kommen. In welchem Grade nun auch solche Übergangsformen durch die weitere Forschung erkannt werden, die Verschiedenheit im Typus der Volvocineen und Flagellaten wird dadurch nicht aufgehoben. Durch die bekannten Arbeiten von Conn (26,27), Ar. Braun (10)u.A. ist der systematische Zusammenhang der Volvocineen mit niederen Algen zuerst festgestellt worden; ich habe die Gründe dafür in meiner früheren Arbeit zusammengestellt. Sowohl in der Organisation wie in dem Entwicklungsgange gehören die Volvocineen, speciell die Chlamydo- monaden und die Abtheilung der Tetrasporeen unter den Protococcoi- deen untrennbar zusammen. Die Sache geht so weit, dass selbst gute Flagellatenstudien. I. 277 Algologen als Arten der Gattung Gloeocystis Formen beschrieben haben, welche augenscheinlich zu den Chlamydomonaden gehören, welche, im Falle sie auf feuchter Erde Gallertkolonien bilden, in der That mit Tetrasporeen die größte Ähnlichkeit besitzen. Der Hauptcharakter, die größere Beweglichkeit der Chlamydomonaden, ist eben sehr von äuße- ren Bedingungen abhängig, während diejenigen Charaktere, welchen bei der systematischen Trennung von Abtheilungen entscheidende Be- deutung zukommt, wie z. B. dem Entwicklungsgang, von der Außen- welt in hohem Grade unabhängige, fest vererbte Eigenschaften dar- stellen. Da nun die Volvocineen wegen ihrer Beziehungen zu Flagellaten und ihrer Vermittelung zwischen Protozoen und Algen auch für die Zoologen von größtem Interesse sind, wäre es für die letzteren aus Gründen der Zweckmäßigkeit wohl angebracht, sie als eine besondere Gruppe anzunehmen, welche man den Flagellaten an die Seite stellen und zu den Mastigophoren rechnen könnte, einer Abtheilung, welcher ja auch wesentlich nur eine praktische Bedeutung zukommt. Wenn Bürscnuı, auf die hervorgehobenen Unterschiede kein Ge- wicht legend, die Volvocineen direkt mit den Flagellaten vereinigt, so erscheint es um so auffälliger, dass er von den letzteren die Kragenmo- naden abtrennt und als eine selbständige Gruppe mit der Krnr’schen Bezeichnung Choanoflagellaten behandelt. Dieselben sind so echte Flagellaten wie die Glieder irgend einer anderen Gruppe; sie stim- men im Bau des Körpers, der Nahrungsaufnahme, der Theilung voll- kommen mit den Monaden überein. Der zarte Plasmakragen am Vorderende ist ein sehr charakteristisches Merkmal der Familie, besitzt aber doch nicht eine solche systematische Bedeutung, da auch andere Flagellaten mindestens eben so eigenthümliche Organisationsverhältnisse darbieten wie z. B. die später ausführlich geschilderten Formen mit zwei Mundstellen etc. Es kommt hinzu, dass innerhalb der Gruppe, welche ich, Stein folgend, als Graspemonadinen bezeichnen will, das Organ große Verschiedenrheiten aufweist, dass beim Vergleich z. B. von Phalansterium, Bikosoeca, Poteriodendron kein Grund einzu- sehen ist, warum der die Geißelbasis umschließende enge Kragen so etwas Anderes darstellen sollte als der Peristomfortsatz von Bikosoeca, der rüsselartige Fortsatz von Poteriodendron ete. Der Hauptgrund für diese Sonderstellung der Graspemonadinen liegt auch weniger in ihren systematischen Eigenthümlichkeiten als in der von Crark (25) zuerst ausgesprochenen geistreichen Hypothese über die Verwandtschaftsbeziehungen zu den Kragenzellen der Spon- gien. Kent (66) hat diese Hypothese sehr ausführlich behandelt, 278 Georg Klebs, Bürsenui (43) sich derselben angeschlossen. Die Hypothese ist in hohem Grade verlockend, da sie die Möglichkeit giebt die Spongien an die niederen Organismen anzuschließen. Leider stehen ihr noch schwere Bedenken entgegen; ich verweise auf die eingehende Kritik dieser Hypothese durch F. E. Scuuzze (104). So auffallend das gleiche Vor- kommen eines solchen Halskragens bei Craspemonadinen und Spongien auch ist, so wäre doch wegen Mangels an eigentlichen Übergangsgliedern und wegen sehr tief gehender Differenzen die von SchuLzE erwähnte Möglichkeit nicht außer Augen zu lassen, dass die unabhängige Bildung eines solchen Halskragens an zwei verschiedenen Stellen stattgefunden hat. Wie es nun mit der Richtigkeit der Hypothese sich verhalten möge, eine entscheidende Bedeutung für die vorliegende Frage nach der systematischen Stellung der Craspemonadinen kann ihr nicht beigelegt werden. Dieselben müssen, wie Stein es vorgeschlagen hat, in die Nähe der echten Monadinen gestellt werden und zwar am besten zwischen Bikoeeinen und Spongomonadinen. Auf Grund der vorhergehenden Betrachtungen kann man folgende Charakteristik der Flagellaten geben, welche für die Hauptmasse der- selben passt. Die Flagellaten sind niedere Organismen, welche einen meist scharf begrenzten einkernigen Protoplasmakörper besitzen, dessen Periplast theils als einfache Hautschicht, theils als differenzirte Plas- mamembran erscheint. Sie sind die längste Zeit ihres Lebens in Be- wegung oder bleiben wenigstens derselben stets fähig. Sie haben alle ein besonders geformtes Vorderende, an welchem eine oder mehrere Geißeln sitzen, sie besitzen eine oder mehrere pulsirende Vacuolen. Die Vermehrung geschieht durch einfache Längstheilung meist im geißeltragenden Zustande bisweilen in der Ruhe. Alle sind fähig, für kürzere oder längere Zeit Dauercysten zu bilden. Diese so definirte Abtheilung der Flagellaten kann man sich nun als eine Mittelgruppe denken, von welcher aus nach allen Seiten zu anderen niederen Organismen Verwandtschaftsbeziehungen ausgehen. Bürscnri (13) hat dieselben in sehr anregender Weise eingehend behan- delt. Ich will von einem etwas anderen Standpunkt aus nur einige wenige dieser Beziehungen näher betrachten. Nach zwei Richtungen gehen bei dem heutigen Thatbestand die Flagellaten in andere Gruppen über in einer Weise, dass die Grenze sich nur mit einer gewissen Will- kür festsetzen lässt; diese Gruppen sind einerseits die Sarkodinen, andererseits die mit gelben Farbstoffträgern versehenen Organismen, welche man ganz allgemein als Chrysophyten bezeichnen kann. Der innige Zusammenhang zwischen Flagellaten und Sarkodinen Flagellatenstudien. I, 279 ist allgemein anerkannt, namentlich seit den Arbeiten von CIEnKoWSsKkI (18—23) und der Entdeckung der Rhizomastiginen durch F. E. Senuzze (103), Bürscnuı (11), Kent (66) u. A. Diese Verwandtschaft zeigt sich nirgends deutlicher als in der Thatsache, dass eine Menge Organismen bald zu der einen, bald zu der anderen Gruppe gerechnet werden. Nun kommt noch hinzu, dass zum Theil auch auf Cienkowskt sich stützend, Zopr (122), neuerdings pe Bruyne (40) die Gruppe der Myxomyceten in nächste Nähe der Flagellaten gestellt, und Formen, - welche bald zu den letzteren bald zu den Sarkodinen gerechnet werden, als Myxomyceten bezeichnet haben, so dass eine völlige Verwirrung über die Stellung solcher Mittelformen herrscht. Mir scheint dieser Grad der Verwirrung nicht nothwendig zu sein; sie ist zum Theile dadurch hervorgerufen, dass man bei der Beurtheilung der hier vorliegenden Organismen immer zu einseitig vorgegangen ist. Jeden- falls ist der Versuch berechtigt, etwas klarer und bestimmter den Grenzen der genannten Gruppen nachzuspüren. Als Ausgangspunkt nehme ich die gut bekannte Gruppe der Vampyrelliden, welche ich, BürscaLı folgend, vorläufig als eine Unterabtheilung der Heliozoen nehmen will, da sie unstreitig diesen von allen der hier in Betracht kommenden Organismen am nächsten stehen und Niemand sie als Flagellaten wird auffassen können. Im beweglichen Zustande treten sie in Form von Amoeben auf, welche fakultativ mit einander verschmel- zen und kleine Plasmodien bilden können. Sie nehmen mit Hilfe von Pseudopodien feste Nahrung auf, meist den Inhalt von Algen. Nach der Nahrungsaufnahme encystiren sie sich. Diese Zoocysten, wie ZoPr sie nennt, erzeugen meistens eine Mehrzahl von Amoeben, durch einen Process simultaner Vieltheilung; CGysten mit dieser Art der Entwick- lung pflegt man. als Sporangien zu bezeichnen. Außerdem sind noch Dauercysten bekannt, von Zorr als Sporocysten bezeichnet. Dieselben enthalten eine einzige Zelle, welche bei der Keimung sich wesentlich wie die Zoocysten verhält, also meist ein Sporangium darstellt. Genau denselben Entwicklungsgang besitzen eine Anzahl Formen, aber mit dem Unterschiede, dass noch ein Schwärmerstadium einge- schoben ist, Aus dem Sporangium treten mit einer oder zwei Geißeln versehene Schwärmer heraus, welche dann nach einiger Zeit zu Amoeben werden. Die best bekannte Form dieser Gruppe ist die von Cıenkowskı beschriebene Monas amyli (18, 19); dieser Organismus hat die verschiedensten Gattungsnamen erhalten, und über seine Stellung herrschen entgegengesetzte Anschauungen. Doch kann keinem Zweifel unterliegen, dass er weder eine Monas in dem bestimmten Sinne von STEIN und Bürscurı noch eine Bodo-Art ist, wie der letztere Forscher 380 Georg Klebs, meint. Ich will ihn, Zorr folgend, mit dem Hazckzr’schen Namen Proto- monas amyli bezeichnen. Sein Entwicklungsgang entspricht vollständig demjenigen der Vampyrella, mit Ausnahme des erwähnten Schwärmer- stadiums. Durch simultane Vieltheilung entstehen in dem Sporangium Schwärmer mit zwei Geißeln. Diese Zoosporen gehen bald in den amöboiden Zustand über und nehmen Stärkekörner auf; sie werfen ihre Geißeln ab und können als Amoeben mit einander verschmelzen. Die Verdauung der Nahrungsstoffe geschieht in Cysten, welche entweder aus einer oder mehreren verschmolzenen Amoeben entstehen und dann wieder als Sporangien bei der Keimung sich verhalten. Ferner sind Dauercysten bekannt, deren Keimung noch nicht beobachtet wurde. Genau denselben Entwicklungsgang wie bei Protomonas finden wir weiter bei Pseudospora, welche beide Gattungen daher nebst an- deren Zopr (122) mit Recht zu der Familie der Pseudosporeen vereinigt, während Kent (66) und Bürscaus (13) Pseudospora auch zu den Flagel- laten rechnen, dabei aber von Protomonas weit entfernen. Diese Pseudosporen stellen nun gerade die Mittelformen zwischen Vampy- rellen und den Rhizomastiginen unter den Flagellaten vor, aber wie mir scheint, neigen sie sehr viel entschiedener zu den ersteren als zu den letzteren. Die Schwierigkeit der Entscheidung liegt wesentlich darin, dass gerade diese Rhizomastiginen, obwohl sie eine solche Rolle als Verbindungsglieder spielen, zu den am wenigsten bekannten Orga- nismen gehören, so dass man kaum mehr weiß, als die Thatsache, dass es mit Geißeln versehene Organismen sind, welche zeitweilig als Amoeben herumkriechen und die natürlich in diesem Stadium leicht verwechselt werden können mit den amöboiden Schwärmern von Protomonas, Pseudospora etc. Ich habe versucht eine Anzahl solcher Rhizomastiginen näher kennen zu lernen, und, wenn es auch mir nicht gelungen ist den vollständigen Entwicklungsgang darzulegen, so habe ich doch einige wichtige charakteristische Verhältnisse klar legen können. Von allen den Formen, welche von mir beobachtet wurden, war stets der amöboide Zustand, in welchem die Nahrungsaufnahme mit Hilfe der Pseudopodien vor sich geht, ein vorübergehender, und. niemals wurde normalerweise dabei die Geißel abgeworfen. Die Ver- dauung der Nahrung fand nieht im Cystenzustande statt, sondern während der Bewegung. Die Vermehrung geschah nicht durch simul- tane Theilung in einem Cystensporangium, sondern wie bei der Mehrzahl der Flagellaten in beweglichem Zustande durch Längstheilung. Aller- dings können auch die Schwärmer von Protomonas und Pseudospora sich theilen; aber die Theilung soll nach den vorliegenden Beobach- tungen wie bei den Schwärmern der Myxomyceten der Quere nach Flagellatenstudien. 1. 281 erfolgen. Verschmelzungen zweier Individuen wurden bei den Rhizo- mastiginen nie bisher beobachtet. Was die Dauercysten anbetrifft, so sind solche von KrassırstscHik (75) für seinen Cercobodo laciniaege- rens, eine unzweifelhafte Rhizomastigine, nachgewiesen worden; es ist eine einfache Gyste, deren Inhalt bei der Keimung theils direkt, theils nach vorhergehender Zweitheilung heraustritt. Mit Berücksichtigung aller Charaktere erscheint es mir daher das Richtigste, die Pseudo- sporeen von den Flagellaten zu trennen und mit den Vampyrelliden zusammenzustellen, wie Zopr es gethan hat. Zopr hat nur den Fehler gemacht, sich nicht um die von Stein und BürscnLı näher behandelten Monadinen gekümmert zu haben; er hat, einseitig sich auf GieEnkowskI berufend, die Vampyrellen und Pseudosporeen als Monadinen bezeich- net, und damit die Verwirrung vermehrt. Der Ausdruck sollte bewahrt bleiben für die unzweifelhaften Flagellaten, welche nicht durch Pseu- dopodien, sondern durch Nahrungsvacuolen oder direkt an bestimmten Mundstellen ihre Nahrung aufnehmen und sich durch Längstheilung vermehren; der Typus ist die durch Sıeın (107), Bürsenui (11), Fıscn (%6) klar bestimmte Gattung Monas. Weil Zorr nicht genügend Rücksicht auf die echten Flagellaten genommen hat, hat er auch zu seinen Pseu- dosporeen Colpodella Cienkowski gerechnet, obwohl gerade die wesent- lichste Eigenthümlichkeit, das Amöbenstadium, nicht vorhanden ist. Nach Sıeın ist diese Colpodella eine echte Bodo-Art, welche aber in so fern noch an die Pseudosporeen erinnert, als nach der Nahrungsauf- nahme eine Cyste gebildet wird, in welcher durch simultane Viel- theilung neue Individuen entstehen. Es wäre von großer Wichtigkeit, dass diese Colpodella noch einmal genau untersucht würde, damit man weiß, wie eigentlich die Vermehrung vor sich geht, ob hier in der That eine von den anderen Bodonen abweichende Vermehrungsart vorliegt. Dabei ist weniger Werth auf die Thatsache zu legen, dass die Theilung in Cysten geschieht, was hier und dort bekanntlich bei Giliaten wie Flagellaten vorkommt; vielmehr handelt es sich um den Nachweis einer simultanen Entstehung zahlreicher Schwärmer, was bei keiner Flagellate bisher beobachtet worden ist. Auch bezüglich der Organi- sation des Körpers widersprechen sich die Angaben von Stein und CIENKOwsKI (siehe später). Sehen wir also von dieser zweifelhaften Colpodella ab, so können wir die oben charakterisirten Pseudosporeen von den einigermaßen bekannten Flagellaten trennen und sie in die nächste Nähe der Vampy- relliden zu den Heliozoen stellen. Unzweifelhaft haben wir aber in den Pseudosporeen einerseits, den Rhizomastiginen andererseits die ver- bindenden Glieder zwischen Sarkodinen und Flagellaten. 3989 Georg Klebs, Mit den Rhizomastiginen innerhalb der letzteren Abtheilung bringt Bürscatı auch die Myxomyceten in direkte Beziehung. Darin stimmen seit den Forschungen ve Bary’s die meisten Gelehrten überein, dass die Myxomyceten keine nähere Stellung unter den bekannten Thallo- phyten finden, dass sie vielmehr den Sarkodinen näher verwandt sind. Ohne hier ausführlich auf die Frage einzugehen, möchte ich nur be- merken, dass ein direkterer Zusammenhang der Myxomyceten mit den Flagellaten in meinem Sinne, speciell den Rhizomastiginen zunächst nicht ersichtlich ist. Vielmehr erscheint mir am begründetsten die Ansicht von Zopr, dass die Vampyrelliden und ganz besonders die Pseu- dosporeen den Übergang bilden und die letzteren würden dann Myxo- myceten und Flagellaten verbinden. Dagegen kann ich nicht Zorr beistimmen, die Myxomyceten ohne Weiteres mit Vampyrelliden und Pseudosporeen zu vereinigen, einmal weil die Schleimpilze doch durch ihre Fruchtbildung deutlich gesondert sind und vor Allem Pseudo- sporeen und Vampyrelliden sehr viel näher den Heliozoen (Aetinophryi- den ete.) verwandt sind. Von dem Hauptstamm der Flagellaten gehen nach einer ganz anderen Richtung, nämlich gegen das Pflanzenreich hin, Formenreihen aus, welche bereits jetzt in einer gewissen Vollständigkeit bekannt sind, so dass die Grenzen nur mit einiger Willkür abgesteckt werden können. Es sind die gelben Flagellaten, welche man als Ausgangspunkt annehmen kann für eine Reihe gelb bis braun gefärbter Organismen- gruppen, welche bisher als Angehörige theils des Thier-, theils des Pflanzenreiches angesehen wurden. Da gerade diese Verwandtschafts- beziehungen bisher nur wenig berücksichtigt worden sind, so will ich etwas ausführlicher darauf eingehen. Die Flagellaten mit gelben bis braunen Farbstoffplatten sind von Stein (10) in den beiden nah verwandten Familien der Dinobryinen und Chrysomonadinen zusammengefasst worden. Kent (66) hat sie zu einer Familie vereinigt und auch Wııze (148) hat dieselbe als natürliche Gruppe anerkannt. Dagegen hat Bürscaui (13), in seinem System haupt- sächlich Rücksicht nehmend auf die Art der Bewimperung, die Familie zertheilt und die einzelnen Gattungen in seine verschiedenen Ab- theilungen vertheilt. Eigene Studien führten mich dazu, mich Sıeın, Kent und Wırrr anzuschließen. Wie ich weiter unten nachweisen werde, haben wir es in den gelben Flagellaten mit einer sehr natür- lichen Gruppe zu thun. Ich fasse nun die Chrysomonadinen und ferner die Gryptomonadinen zusammen als eine Hauptabtheilung der Flagel- laten und bezeichne sie als Ghromomonadinen; ich stelle sie an die Seite der Abtheilung der Protomastiginen, unter welchen ich Rhizo- FT Flagellatenstudien. I. | 283 mastiginen, Monadinen und verwandte Formen verstehe. Der Zusam- menhang zwischen den Ghrysomonaden mit den Protomastiginen ist sehr klar ausgesprochen, so dass man berechtigt wäre, gewisse gelbe Flagellaten direkt zu den Monadinen zu stellen. Vor Allem kommen hierfür Arten der Gattung Chromulina und Ochromonas in Betracht, welche nach den Beobachtungen von Srem (107), Wysorzkı (121) und mir trotz ihrer Farbstoffplatten sich thierisch ernähren. Ochromonas erenata mihi verhält sich nach ihrer Bewimperung, Bewegung, Theilung Nahrungsaufnahme etc. völlig wie eine Art der Gattung Monas; der einzige Unterschied besteht in dem Vorhandensein resp. Fehlen der gelben Farbstoffplatten. Eine andere sehr merkwürdige Form Chrysamoeba radians benimmt sich wie eine Rhizomastigine; doch fehlt bei der ersteren die Nahrungs- aufnahme, welche aber bei anderen Arten vielleicht noch entdeckt werden kann. Für eine Species der Gattung Ochromonas giebt Wv- sorzkı bestimmt an, dass die Nahrungsaufnahme mit Hilfe von Pseudo- podien geschieht. So haben wir anfänglich also die innigste Zusammen- gehörigkeit solcher gelben Flagellaten mit den Protomastiginen; wir trennen sie davon, weil die Hauptmasse der Ghromomonadinen sich von den letzteren deutlich unterscheidet. Von hohem Interesse ist es jetzt zu verfolgen, wie diesen gelben, den Monaden so nahe verwandten Flagellaten sich andere Gruppen niederer Organismen anschließen, von denen wir besonders die merkwürdige Familie der Hydrurinen, ferner die Dinoflagellaten und die Diatomeen berücksichtigen wollen. Eine Art der vorher genannten Gattung Chro- mulina wurde im Jahre 1880 sehr eingehend von Woronin (120) als Chromophyton Rosanoffii beschrieben und als eine Alge der Gruppe der Palmellaceen bezeichnet, obwohl er selbst auf die Verwandtschaft mit Chrowmulina Cienkowski aufmerksam machte. Ich folge Bürscaui (13) und Fıscn (46) wenn ich diesen Organismus direkt zu CGhromulina ziehe und als echte Flagellate betrachte. Dieselbe wurde später von Rosrarınskı (9%) ohne Rücksicht auf die anderen gelben Flagellaten ver- einigt mit der auffallenden Gattung Hydrurus, einer gelbbraun gefärbten Alge, welche in Form von cylindrischen meist mehr oder weniger am Ende pinselförmig verzweigten Gallertfäden auftritt. Rostarınskı fasste Chromophyton und Hydrurus in die Familie der Syngeneticae zusam- men, welche einerseits mit den Phaeosporeen, andererseits mit den Diatomeen verwandt sein sollten. In seiner Bearbeitung der böhmischen Algen hat Hanscırc (61) sich Rostarınskı angeschlossen und auch andere gelbe Flagellaten mit den Syngeneticae vereinigt. Anfangs hat 284 Georg Klebs, aber der Gedanke von Rosrarıskı wenig Anklang gefunden!. In einer ausführlichen Kritik der Arbeit von Rostarınskı habe ich (71) selbst mich dagegen ausgesprochen, weil ich damals wegen der sehr ähn- lichen Lebensweise einen Entwicklungsgang des Hydrurus vermuthete wie bei Ulothrix. Indessen die neueren Beobachtungen LAGErHEIM’S (80), seine Entdeckung der Ruhesporen von Hydrurus, meine eigenen For- schungen über den letzteren, sowie über die gelben Flagellaten führen mich dazu die Verwandtschaft dieser Formen als unzweifelhaft anzu- erkennen. Die einzelne Zelle des Hydrurus entspricht einer geißellosen Chromulinazelle; dieselbe Organisation tritt uns entgegen, die gelbe Farbstoffplatte, pulsirende Vacuolen (LAGErHEIm), ein sehr ähnliches Stoffwechselprodukt. Die Zelle theilt sich wie bei anderen gelben Flagellaten durch einfache Längstheilung (Berrnorn [4], Rostarınskı [9%] nehmen eine schiefe Längstheilung an; siehe darüber später). Die Hydruruszellen können, wie ich selbst und LAsErueIm nachgewiesen haben, in den beweglichen Zustand übergehen und besitzen dabei, wie der letztere Forscher nachwies, eine Geißel gleich einer Chromulina. Die Übereinstimmung geht daher sehr weit. Besonders bestimmte mich aber noch eine Entdeckung, welche sich auf die Ruhesporen bezieht. Solche sind von Srem (107) und Bürscaui (11) für Dinobryon, Mallomonas er- wähnt worden und bestehen in kugeligen Zellen, deren Zellwand, wie ich beobachtete, eine starke Einlagerung von Kieselsäure enthält. Das Gleiche ist der Fall, wie eine Untersuchung in meinem Laborato- rium nachwies, bei den Ruhesporen von Hydrurus, so dass also eine auffallende Verwandtschaft zwischen diesem Organismus und den gelben Flagellaten uns entgegentritt. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass Hydrurus seine systematische Stellung in der Nähe der Chromomona- dinen finden muss. Er unterscheidet sich von ihnen eigentlich nur dadurch, dass zahlreiche Zellen zu einer Kolonie vereinigt sind, welche durch die Art ihrer Zusammensetzung, das Spitzenwachsthum von Hauptstamm und Zweigen, das ruhige Festsitzen sich wie eine typi- sche Alge verhält, so dass noch niemals ein Zweifel an ihrer pflanz- lichen Natur ausgesprochen wurde. RostArınskı schlug vor, Chromulina und Hydrurus als Syngeneticae zu den Algen zu stellen, eben so Hıns- aırG. Beide haben keine Rücksicht genommen auf den Zusammenhang zwischen Chromulinen und Monaden, welche noch viel näher mit 1 Neuerdings scheint sich Wırız ebenfalls Rostarınskı und Hanscıre ange- schlossen zu haben. Nach einem Citat von Schmitz in Ber. der deutsch. bot. Ges. 1892 hat WırLLe in der 3. Auflage des Warnıng’schen Lehrbuches die Chrysomona- dinen und Hydrurus, Dinoflagellaten, Phaeophyceen zu einer größeren Gruppe vereinigt. Flagellatenstudien. 1. 285 einander verwandt sind als Chromulina und Hydrurus. Für den Augen- blick erscheint es mir am zweckmäßigsten, die Hydrurinen als be- sondere Gruppe neben die Flagellaten, speciell die Chromomonadinen zu stellen. Wie schon bemerkt wurde, hat Rostarınskı zwischen Hydrurus und Phaeosporeen eine direktere Beziehung finden wollen!. Diese mächtig und mannigfach entwickelte Gruppe der braunen, fast ausschließlich im Meer lebenden Algen steht in der That bisher in ihren Anfängen isolirt da. Auf eine Verwandtschaft mit Hydrurus weist zunächst das Vorkom- men ähnlich aussehender Farbstoffkörper, vielleicht auch eines ähnlichen Stoffwechselproduktes hin. Im Übrigen öffnet sich noch eine große Lücke zwischen Hydrurus und Phaeophyceen, und eigentliche Übergangs- oder Verbindungsglieder fehlen bisher. Es wäre sehr wohl möglich, dass solche existiren, und vielleicht gehört das noch wenig bekannte Phaeothamnium Lagerheim (80), dessen Stellung zu den Phaeosporeen überhaupt noch zweifelhaft ist, hierher. Jedenfalls wäre es von großem Interesse diese und ähnliche Formen genauer zu erforschen, um einen bestimmteren Anschluss der Phaeosporeen an Hydrurus zu erhalten. Viel besser bekannt ist heut zu Tage der Übergang der gelben Flagellaten zu den Dinoflagellaten. Brreu (3) hat zuerst dieselben von den Flagellaten, speciell den Gryptomonaden abgeleitet. Durch die Forschungen von Stein (108) über Prorocentrum und Exuviaella, durch meine eigenen Studien (72) an der letzteren Gattung ist die Ansicht Beren’s befestigt worden; entgegen meinen früheren Anschauungen stimme ich mit Beren und mit Bürscazı (12, 13) überein, dass diese Prorocentrumformen Verbindungsglieder zwischen den Dinoflagellaten und den Flagellaten darstellen. Bürscauı (12) hat Recht, wenn er sagt, dass man Prorocentrum und Exuviaella als echte Flagellaten bezeichnen könnte; sie stehen in der That besonders den Chromomonadinen sehr nahe, und nur die Thatsache, dass sie hinsichtlich der Hülle, der Art der Bewimperung die charakteristischen Merkmale der Dinoflagellaten besitzen, lässt es am passendsten erscheinen, sie damit zu vereinigen, eben so wie nach meiner Meinung die Pseudosporeen mit den Vampy- rellen zusammengehören. Es kommt hinzu, dass die Prorocentrinen weder direkt mit den Chrysomonadinen noch mit den Cryptomonadinen zu vereinigen wären. Mit den letzteren bringen Bereu und BürscaLi sie enger zusammen, während mir ein Anschluss an die Chrysomona- dinen, speciell an mieroglenaähnliche Formen mindestens eben so 1 Kırcuner hat in der 2. Auflage der mikroskopischen Pflanzenwelt des Süßwassers 4891 sich darin Rostarınskı angeschlossen, Hydrurus direkt mit den Phaeosporeen zu vereinigen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd, 19 286 Georg Klebs, wahrscheinlich ist. Da die gelben Flagellaten noch wenig eingehend studirt sind, können sehr wohl noch deutlichere Übergangsformen sich vorfinden. Es ist nun das Einfachste, wie es BürschLı in dem Protozoen- werk gethan hat, Flagellaten, welche den Cryptomonaden nahe stehen, als Ausgangspunkt anzunehmen, von welchem der ganze Stamm der Dinoflagellaten sich herleitet. Gerade aber bei der näheren Betrachtung der letzteren treten uns Erscheinungen gegenüber, welche die Annahme möglich erscheinen lassen, dass zwischen Flagellaten und Dinoflagellaten nicht bloß ein einziger, sondern mehrere verschiedenartige Berührungs- punkte sich finden, so dass die phylogenetischen Speculationen noch viel unsicherer werden, als sie es schon an und für sich sind. Einen entschiedenen Ausgangspunkt in der Reihe der Dinoflagel- laten (Stein 108) stellen die Gymnodinien dar; es sind die einfachsten Peridineen, nackte, etwas amöboide, zum Theil ganz farblose Formen, von denen einige, wie ScHiLLinG (96) neuerdings nachgewiesen hat, sich sicher thierisch ernähren. Das Interessanteste dabei ist die Thatsache, dass die Ernährung in amöboider Weise vor sich geht. Bürseauı (13) nimmt allerdings an, dass die Gymnodinien sich von gefärbten Formen herleiten und daher als ein besonderer Zweig derselben aufzufassen seien. Der einzige Grund der Annahme einer solchen rückschreitenden Entwicklung liegt in der anderen, dass die Dinoflagellaten von einem Punkte ausgehen. Die Vorstellung ist jedenfalls berechtigt, dass man diese Gymnodinien herleitet von Rhizomastiginen, und wenn man gewisse Chromomonadinen wie Chrysamöben, Ochromonas noch viel deutlicher nach diesen einfachen Organismen hinweisen sieht, so könnte man auf die Vermuthung kommen, dass Dinoflagellaten und Chryso- monadinen einem gemeinsamen Urstamme entsprossen wären, welcher den Rhizomastiginen nahe gestanden habe. Jedenfalls sind aber die Chrysomonaden den typischen Monaden sehr nahe verwandt, und die ersteren stehen in ihren höheren Gliedern mit den Dinoflagellaten in engster Beziehung. So sehen wir also Verwandtschaftslinien hin- und herüber gehen, und je weiter wir in der Kenntnis der niederen Formen kommen, desto verwickelter wird das System dieser Linien werden. Schon sind einige neuere Thatsachen bekannt, nach welchen die Dino- flagellaten selbst wieder mit anderen Organismenreihen verbunden sind, die andererseits wahrscheinlich selbständig mit der Flagellaten- reihe zusammenhängen. Borcerr (7) hat die interessante Beobachtung gemacht, dass der bisher zu den Radiolarien gerechnete Organismus Distephanus speculum in Form gelb gefärbter Zellen mit Hilfe einer Geißel frei umherschwärmt. An die Radiolarien erinnert in hohem Grade das Vorhandensein eines äußeren Kieselskeletts, welches in zwei Flagellatenstudien. 1. 287 bestimmt geformten Ringen auftritt. Der Mangel an Pseudopodien, das Vorhandensein der Geißel unterscheidet die Gattung von den Radiolarien. Borgerr hat nun gleich auf Distephanus speculum und die verwandten Formen eine Ordnung der Silicoflagellaten gegründet. Leider sind bisher einige wesentliche Verhältnisse dieser Organismen unbekannt; so wissen wir nicht, ob die gelbe Farbe an Chromatophoren wie bei den Chrysomo- nadinen gebunden ist oder symbiotisch mit der Art lebenden gelben Algen wie bei den Radiolarien angehört. Vor Allem wissen wir nichts Bestimmtes über die Fortpflanzung, so dass die Art der Verwandtschaft mit den Flagellaten sich nicht klar bezeichnen lässt. Wir können vor- läufig nur die Gruppe der Dietyochiden zwischen Radiolarien und Dino- flagellaten stellen in der Hoffnung, dass ein späterer genauerer Auf- schluss über die Organisation und Entwicklungsgeschichte diese Stellung besser begründet. Der Kieselsäuregehalt des Skelettes ist sehr bedeu- tungsvoll, aber nicht in dem Grade, dass man das Hauptgewicht allein bei der Eintheilung darauf legen dürfte. Wir haben gesehen, dass bereits bei den Chrysomonadinen ein Kieselsäureskelett wenigstens in den Membranen der Dauersporen sich vorfindet!. Scuürr (102) hat außerdem einen sehr merkwürdigen, bis jetzt nur farblos beobachteten Organismus kennen gelehrt, Gymnaster pentasterias, welcher ein inneres Kieselsäureskelett in Form zweier gebogener,, sternförmig gelappter Platten besitzt. In der Organisation des Körpers entspricht Gymnaster durchaus einem Gymnodinium, in Folge dessen die Stellung zu den Dinoflagellaten kaum zweifelhaft sein kann. Die Beziehungen zwischen Gymnaster und Distephanus, damit der Radiolarien einerseits, anderer- seits zwischen den beiden Gattungen und den Chrysomonadinen lassen sich noch nicht im Einzelnen erkennen; Alles weist aber darauf hin, dass solche vorhanden sind und dass die augenblicklich noch bestehen- den Lücken werden ausgefüllt werden. Nach den Angaben von BorsErr und Scaürr handelt es sich um sehr rasch vergängliche und sehr empfindliche Organismen, welche leicht übersehen werden können. Noch ein anderer eigenartig entwickelter Stamm niederer Organis- men berührt sich mit den vorhin besprochenen gelb gefärbten Wesen, nämlich die Diatomeen. Warning (116), ich selbst (70), Bürscaui (13), Schütt (100), Alle stimmen mehr oder weniger in der Ansicht überein, dass diese Kieselalgen, so selbständig sie auch entwickelt seien, am nächsten den Dinoflagellaten stehen. Allerdings hat Scaürr (104) nachgewiesen, dass die früher angenommene Identität des Diatomeen- und des Peridi- 1 Nach GoLenkin, Bull. d. 1. soc. nat. Moskau 1894, sollen auch die Schalen einer Volvocinee, nämlich der Pteromonas alata (Cohn), Kieselsäure enthalten. Doch scheint der Nachweis nicht ganz gelungen zu sein. 19* a aas Dun. Fans ppm u Fe 388 Georg Klebs, neenfarbstoffes nicht besteht. Indessen darf man nicht zu großes Gewicht darauf legen, weil sowohl innerhalb der Reihe der Diatomeen wie auch Dinoflagellaten mancherlei Modifikationen der Farbstoffe bestehen können; giebt es doch unzweifelhafte Peridineen wie das Gymnodinium aeruginosum (Stein 108, ScuızLing 95), welches blaugrün gefärbt ist, eben so wie bei den Cryptomonaden neben braungelben, graugrüne und blaugrüne Formen existiren. Wirkliche Übergangs- formen sind bisher nicht bekannt, so dass die Berührungsstelle von Diatomeen und Dinoflagellaten sich noch nicht angeben lässt; immerhin deutet Gymnaster mit dem Kieselsäureskelett noch deutlicher auf eine Verwandtschaft hin. Ob nun auch besondere ‚Beziehungen zwischen Diatomeen und Chrysomonadinen oder zwischen ersteren und Hydrurus, wie Rostarınskı meint, bestehen, lässt sich vorläufig noch nicht er- kennen. | Ferner schiebt sich zwischen Dinoflagellaten und den Chromo- monadinen noch ein eigenartiger Zweig gelb gefärbter Organismen ein, von welchen die gelben Zellen der Radiolarien durch die Forschungen Branpr's die bekanntesten sind. Nach den früheren Angaben Branpr’s (8) hielt ich es für sehr wahrscheinlich, dass diese Zooxanthelliden zu den Dinoflagellaten gehören. In seinem großen Werke über die Radiolarien schildert Branpr (9) den beweglichen Zustand von Zooxanthella ge- nauer, und daraus geht hervor, dass die Schwärmer noch näher den Cryptomonaden verwandt erscheinen. Es giebt nun aber auch frei lebende, in Form ruhender und in der Ruhe sich theilender Zellen auf- tretende Organismen, welche, wie ich nachwies (70), hinsichtlich der Organisation vollkommen den Peridineen entsprechen. Sie sind zu wenig noch bekannt, als dass man ihr Verhältnis zu den Zooxanthelliden genau bezeichnen könnte; aber sie deuten zusammen mit den letzteren auf eine besondere Verbindung zwischen Dinoflagellaten und Chromo- monadinen hin. Mit den Zooxanthelliden hängen vielleicht auch die von. Hazczzr (60) als Murracyteen bezeichneten marinen, im Plancton vorkommenden Organismen zusammen. Es sind kugelige, unbewegliche gelbgefärbte Zellen, welche stark leuchten und, wie es scheint, sich durch einfache Zelltheilung vermehren. Hazck£L möchte sie als Stamm- formen der Diatomeen auffassen. Die gedrängte Übersicht der gelbgefärbten niederen Organismen zeigt eine ungemeine Mannigfaltigkeit von Formenreihen, zwischen denen Verbindungsfäden hin- und herüber strahlen. Große Lücken sind noch vorhanden; vielfach sind die Verbindungen noch sehr schwach angedeutet. Die Aufgabe wird sein, einmal im Zusammenhang diese Welt von Organismen, welche besonders für das Meeresleben von Flagellatenstudien. I. 289 größter Bedeutung sind, eingehend zu behandeln; ein sehr großes Arbeitsfeld liegt hier vor. In allen den vorstehenden Betrachtungen bin ich mit voller Ab- sicht nicht auf die Frage eingegangen, ob die erwähnten Gruppen von Organismen Protozoen oder Thallophyten, resp. Thiere oder Pflanzen seien. Dieser berühmte Streit hat an Bedeutung und Interesse etwas verloren, da die meisten Gelehrten! wohl jetzt der Ansicht Harcexer’s huldigen, dass es keine bestimmte Grenze zwischen Thieren und Pflan- zen giebt, dass von einem Mittelreich aus, den Protisten, in welchen die Charaktere beider Klassen in verschiedenem Grade vermischt sind, allmählich die Sonderung eintritt. Aus rein praktischen Gründen für die Lehrzwecke sei es in Büchern, oder im Vortrag wird man bei der alten Eintheilung in Protozoen und Thallophyten am besten bleiben, und Jedem bleibt es überlassen, nach seinem Urtheil die künstliche Grenze festzusetzen. Sich aber viel darüber zu streiten, ob man eine der Mittelgruppen mehr als Protozoen oder als Thallophyten bezeichnen soll, hat keine große wissenschaftliche Bedeutung. Das zeigt sich ge- rade ungemein deutlich bei der Betrachtung der gelb gefärbten Orga- nismen. Man kann die Gesammtheit derselben schließlich den Thallo- phyten zuertheilen, muss aber dann typische Monadenformen mit in den Kauf nehmen; man kann eben so einen großen Theil, die Chromomonadinen, Dinoflagellaten, Dietyochiden etc. als Protozoen auffassen; in beiden Fällen zerreißt man an irgend einer Stelle den engen Zusammenhang mit benachbarten Formenreihen. Das Gleiche ist der Fall bei der Betrachtung der Flagellaten, Pseudosporeen, Vampy- relliden, Mycetozoen, Rhizopoden etc., wie man auch versuchen möge, die Vertheilung auf die beiden Reiche vorzunehmen. Wichtig und interessant bleibt aber dabei der Versuch, klar zu erkennen, wie inner- halb einer der großen zusammenhängenden Formenreihen allmählich immer deutlicher die Trennung der thierischen und pflanzlichen Cha- raktere sich offenbart, wie z. B. in den Reihen der gelben Organismen die thierische Ernährungsweise verschwindet, eben so das Vermögen, amöhoide Bewegungen zu machen, schließlich überhaupt die Fähigkeit, Ortsbewegungen auszuführen, wie andererseits die Eigenschaften typi- scher Algen dafür hervortreten, die Theilung in Ruhe, die Umhüllung von festen Zellhäuten etc. Ferner ist sehr wichtig im Auge zu 1 Nur noch wenige Forscher suchen nach solchen bestimmten Grenzen. Besonders hat DAnGEArD (32—35) in neuerer Zeit versucht Thiere und Pflanzen nach der Ernährungsart zu sondern. Aber gerade Gattungen, wie Gymnodinium unter den Dinoflagellaten, Chromulina unter den Chromomonaden zeigen die Un- möglichkeit nach der Ernährungsweise principielle Unterschiede aufzustellen. ne | N 990 Georg Klebs, behalten, dass diese Sonderung der thierischen und pflanzlichen Charak- tere nicht bloß in einer, sondern in mehreren Formenreihen eintritt, z. B. in einer Reihe grün gefärbter Organismen (Flagellaten, Volvoci- neen, Protococeoideen), in einer Reihe farbloser Organismen (Pseudo- sporeen, Chytridiaceen, Pilze) und vielleicht in noch anderen Reihen. Es würde hier zu weit führen, ausführlicher auf diese Verhältnisse einzugehen. Dagegen will ich am Schluss der ganzen Abhandlung in einer Tabelle übersichtlich die Verwandtschaftsbeziehungen der nie- deren Organismen darzustellen versuchen. Das System der Flagellaten. In der Einleitung habe ich meine Ansichten über die Abgrenzung der Flagellaten ausgesprochen und eine kurze Charakteristik der Gruppe gegeben. Die darauf folgenden Erörterungen über die Verwandt- schaftsbeziehungen lehren aber deutlich genug, dass auch die von mir angenommene Abgrenzung der ganzen Gruppe nicht absolut gefor- dert wird. Mit den Flagellaten verhält es sich eben so wie mit den Protozoen und Thallophyten; man kann diese Abtheilungen weiter und enger fassen, je nachdem man mehr Rücksicht auf diese oder jene Cha- raktere legt. So könnte man vertheidigen, dass man die ganze Abthei- lung der Chromomonadinen von den anderen Flagellaten trennte und sie mit den Dinoflagellaten zu einer großen Gruppe vereinigte. Im Augenblick erscheint aber die von mir vorgeschlagene Gruppirung eben so berechtigt wie zweckmäßig. Die früheren Systeme der Flagellaten sind von Bürscauı (11) ein- gehend besprochen worden. Das von ihm vorgeschlagene zeichnet sich ‘ durch große Übersichtlichkeit aus und giebt ein vortreffliches Bild der zur Zeit der Systemaufstellung bekannten Formen. Da nun eine große Menge von Flagellaten sehr unvollständig bekannt sind, fortwährend neue Arten und Gattungen entdeckt werden, so wird ein Jeder, der sich von Neuem genauer mit diesen Organismen beschäftigt, das System seines Vorgängers zu verändern und zu verbessern suchen. Noch lange Zeit hindurch wird jedes Flagellatensystem das Zeichen rascher Ver- gänglichkeit an sich tragen; auch das meinige ist lediglich ein Versuch, der vielleicht bald durch einen besseren ersetzt wird. Die Schwierig- keit, ein solches System aufzustellen, liegt aber nicht bloß in der Unzu- länglichkeit unserer Kenntnisse; man kann fast sagen, dass sie sich steigert, je größer der Umfang der bekannten Formen wird. Eine be- stimmte Species ist nicht bloß das Glied einer einzigen Reihe ver- wandter Formen, vielmehr weist sie nach verschiedenen Seiten hin Verwandtschaftsbeziehungen auf, ähnlich wie wir es schon bei den Flagellatenstudien. I. 291 größeren Abtheilungen, z. B. den Chromomonadinen, gesehen haben. Je mehr man nun die Glieder der nach verschiedenen Seiten aus- strahlenden Reihen kennt, desto schwieriger wird es zu bestimmen, in welche Reihe gerade die vorliegende Art hineingehört. Verschiedenen subjektiven Anschauungen ist ein großer Spielraum gegeben. Aus der speciellen Darlegung wird sich mehrfach die Thatsache herausstellen, dass man schließlich mit demselben Recht eine Art der einen oder der anderen Familie oder größeren Gruppe zuertheilen kann. Da ich nicht die gesammte Flagellatenmenge in gleichem Maße genau untersucht habe, kann ich auf mein System kein zu großes Gewicht legen. Haupt- sächlich möchte ich dadurch einen Fortschritt herbeiführen, dass ich aus der Masse von Formen gewisse natürliche Gruppen heraussondere wie ich es in meiner ersten Arbeit (70) mit den euglenaartigen Organis- men versucht habe. Daneben giebt es zahlreiche Formen, welche bis- her nicht recht unterzubringen sind und provisorisch irgend wohin gestellt werden müssen. In den Grundsätzen, welche mich bei dieser Bildung natürlicher Gruppen leiten, weiche ich zum Theil wesentlich von Bürscnu ab. Dieser Forscher hat seine Hauptabtheilungen und theilweise auch die Untergruppen auf die Zahl und Anordnung der Geißeln begründet. Unzweifelhaft haben diese Charaktere große Bedeutung; aber die ein- seitige Berücksichtigung führt zu künstlichen Gruppirungen. So um- schließt beispielsweise die Abtheilung der Isomastigoda sehr heterogene Organismen, Chrysomonadinen, Volvocineen, Hexamitus ete. Meine Beobachtungen führen mich dazu, dass innerhalb einer bestimmten Formenreihe die Zahl und Ausbildung der Geißeln etwas wechseln kann. Dieselbe Zahl und Ausbildung kann andererseits bei verschiedenen Familien auftreten. Eine Haupt- und eine kleine Nebengeibel finden sich bei Monadinen, Chrysomonadinen, Astasiiden. Eine vordere und eine nach hinten gerichtete Geißel, auf deren Vorhandensein hin BürscaLı die Abtheilung der Heteromastigoda begründet hat, finden sich bei Rhizomastiginen, Bodoninen, Peranemiden etc. Man könnte selbst gut vertheidigen, Formen mit einer oder zwei Geißeln direkt in eine Gattung zu vereinigen; Oikomonas und Monas stehen sich so nahe, eben so Ochromonas und gewisse Chromulina-Arten. Da ja nun über- haupt die Eintheilung der Gattungen vielfach künstlich ist, die Bewim- perung aber ein sehr bequemes Unterscheidungsmittel abgiebt, so werde ich daran festhalten, mit Hilfe derselben die Gattungen zu trennen. Bei der Unterscheidung der Hauptabtheilungen lege ich das größte Gewicht auf die gesammte Organisation des Vorderendes, und, da dieselbe bei sehr vielen Arten nur verständlich ist durch die Art 292 Georg Klebs, der Nahrungsaufnahme, so habe ich gerade in dieser Beziehung neue Beobachtungen zu machen gesucht. Ich theile die Flagellaten in folgende Abtheilungen ein: I. Protomastigina. 273 II. Polymastigina. 10272 III. Euglenoidina. 33 IV. Ghloromonadina. 3 Hs V. Chromomonadina. ITH Ich beabsichtige nicht eine vollständige Monographie der Flagella- ten zu geben, betrachte vielmehr nur genauer diejenigen Formen, an welchen ich Neues beobachten konnte, oder welche in systematischer Beziehung mir wichtig erschienen. Im Übrigen verweise ich auf die großen Werke von Stein (107), Kent (66) und Bürscauı (13). Das Material für meine Untersuchungen habe ich der Umgebung Basels entnommen. Dieselbe ist relativ sehr arm und entbehrt großer Seen, der Moore und Torfsümpfe. Trotzdem mir nur eine ganz be- schränkte Anzahl kleiner Teiche und Tümpel zur Verfügung stand, habe ich innerhalb eines Jahres den größten Theil der von Stein und Kent be- schriebenen Flagellaten gefunden, dazu sehr viele neue Formen, welche weiter unten beschrieben werden, ferner solche, welche, nur flüchtig beobachtet, desshalb nicht erwähnt werden. Dabei habe ich die mannigfaltigen Formen, welche parasitisch in Wasserthieren leben, so gut wie gar nicht berücksichtigt. Man erkennt daraus, dass unsere Gewässer noch eine Fülle hierher gehöriger Organismen bergen, welche des Studiums lohnen, dass wir noch sehr weit entfernt sind, den Formen- reichthum dieser niederen Süßwasserbewohner einigermaßen zu über- blicken, und dass es zunächst keine große Bedeutung hat, die geogra- phische Verbreitung der Flagellaten eingehend zu behandeln. Sehr vortheilhaft für das Auffinden der farblosen, saprophytisch oder thierisch sich ernährenden Flagellaten ist die von PFEFFER (92) angegebene Methode, durch gekochte Würmer und dergleichen die betreffenden Formen anzulocken. Bei der Untersuchung irgend eines Sumpfes ver- fahre ich gewöhnlich in der Weise, dass ich bei meinen Exkursionen aus demselben schwimmende oder untergetauchte Wasserpflanzen, ab- gestorbene, am Grunde langsam faulende Algentheile entnehme, die- selben möglichst ausdrücke, so dass alle anhängenden Massen in relativ wenig Flüssigkeit gesammelt werden können. Zu Hause wird das Wasser vertheilt, die einen Kulturen werden hell, die anderen dunkel gestellt. Die einen bleiben sich selbst überlassen, den anderen wer- den gekochte Würmer oder gekochte Pflanzentheile oder frische Schnitte der Kartoffel und dergleichen zugeführt, um möglichst verschiedene Flagellatenstudien. 1. 293 Lebensbedingungen zu schaffen. Es ist sehr interessant zu beobachten, wie in ein und derselben Kultur mit faulenden Stoffen die verschie- denen Flagellatenformen sich einander ablösen. Ohne Schwierigkeit kann man dann einige Flagellatenreinkulturen gewinnen, wie sie auch Pr£rrer bereits hergestellt hat. Es wäre sehr lohnend gerade in dieser Richtung fortzuarbeiten, um die sich überall aufdrängenden Fragen hinsichtlich des Entwicklungsganges und der Lebensweise vieler Arten einer Lösung entgegen zu führen. I. Protomastigina. Kleine Formen, sehr einfach gebaut. Periplast nie als deutliche Membran ausgebildet, nur als Hautschicht entwickelt. Körper sehr häufig amöboid, immer farblos. Am Vorderende ein bis zwei Geißeln, keine distinkte Mundöffnung, wohl aber bestimmte Mundstellen. Kon- traktile Blase meist im Vorderende, seltener im Hinterende. Meist thierische Ernährung, Aufnahme an der ganzen Peripherie oder am Vorderende, sei es direkt oder mit Hilfe einer Vacuole. In dieser ersten Abtheilung der Flagellaten fasse ich die ein- fachen Formen derselben zusammen, welche von den Polymastiginen schon durch die geringere Anzahl der Geißeln, von den Euglenoidinen durch Mangel einer Plasmamembran, einer Mundöffnung etc. unter- schieden sind. Immerhin kann diese Abtheilung der Protomastigina nur eine provisorische sein, weil gerade ihr angehörend oder nahe- stehend eine Unmenge wenig bekannter Organismen sich vorfinden, deren genauere Kenntnis wesentliche Modifikationen des Systems er- fordern würde. So kann auch die weitere Eintheilung nur eine vor- läufige sein, um so mehr, da ich auch nur wenige Gruppen näher unter- sucht habe. Am schwierigsten ist augenblicklich die Abgrenzung der Protomastiginen von den Rhizopoden, wie schon hervorgehoben wurde und weiter unten noch besprochen werden muss. Die von mir zusammengefassten Organismen sind, abgesehen von den Choanoflagellaten, von Bürscauı (13) in drei Hauptabtheilungen, den Monadinen, Isomastigoden und Heteromastigoden vertheilt worden, wesentlich wegen der verschiedenartigen Bewimperung, wobei die sonst so ausgesprochene Verwandtschaft im Körperbau keine Berück- sichtigung erfahren hat. Sreım (107) hat eine Anzahl selbständiger Familien unterschieden, Kent (66) eine noch größere Anzahl von sol- chen, welche theils zu seinen Rhizoflagellaten, theils zu Radioflagellaten, Pantostomaten und Eustomaten gehören. Ich theile die Protomasti- ginen in folgende Familien ein: 394 Georg Klebs, Rhizomastigina, Monadina, 30H Bikoecida, CGraspemonadina, Spongomonadina, Amphimonadina, Bodonina. }, Von diesen Familien habe ich nur die erste und letzte ein- gehender untersucht; die anderen erwähne ich nur des systematischen Zusammenhanges wegen und um einige auffallende neu entdeckte Organismen unterzubringen. Fam. 1. Rhizomastigina Bütschli. Körper freischwimmend oder zeitweilig in einen vollkommen amöbenartigen Zustand übergehend, aber stets mit einer oder zwei Geißeln am Vorderende versehen. Kontraktile Blase häufig im Hinter- ende, Kern meist im Vorderende. Nahrungsaufnahme durch Pseudo- podien an der ganzen Körperoberfläche. Diese kleine Gruppe bietet, wie Kent, Bürschui u. A. schon hervor- gehoben haben, ein sehr großes Interesse, weil sie in der Mitte zwischen Sarkodinen und Flagellaten stehen, so dass es sehr schwierig ist die Grenze festzustellen. Allerdings ist auch die Schwierigkeit desshalb so groß, weil die hierhin gehörigen Organismen so wenig bekannt sind. In keiner Familie vielleicht herrscht eine solche Verwirrung bezüglich der Unterscheidung von Gattungen und Arten. Ohne Zweifel gehören hierzu ein Theil der Arten der Gattung Cercomonas, welche, nach den Angaben in der Litteratur zu urtheilen, überhaupt zu den arten- reichsten Gruppen gehört. Leider existirt für diese Gattung keine klare Definition; denn der Hauptcharakter, der Besitz eines amöboiden Hinterendes kommt bei typischen Rhizomastiginen vor, eben so wie bei Monadinen und Bodoninen. Sehr wahrscheinlich ist dieser Schwanzanhang bei manchen Formen verwechselt worden mit einer nach hinten gerichteten Geißel. Der wichtigste Punkt, die Nahrungs- aufnahme, ist von den wenigsten Formen bekannt. Die Art der Nahrungsaufnahme ist aber überhaupt der einzige Charakter, nach welchem man im Zweifelsfalle unterscheiden kann, ob eine Rhizomasti- gine, Monadine oder Bodonine vorliegt. Man steht daher ganz rathlos den in der Litteratur beschriebenen Formen gegenüber. Man könnte sich fragen, ob man überhaupt einen solchen Werth auf die Nahrungs- aufnahme legen darf, um z. B. vollkommen bodoähnliche Formen zu den Rhizomastiginen zu stellen. Doch erscheint es mir wenigstens 2 BR Flagellatenstudien. I. 295 vorläufig nothwendig, weil die Erfassung der Nahrung mit Hilfe von Pseudopodien später nie mehr bei den Flagellaten auftritt und unter den anderen niederen Organismen nur bei den Sarkodinen sammt den ihnen anhängenden Übergangsformen zu den Myxomyceten sich findet. Zwar nicht durchgreifend, aber doch für viele Rhizomastiginen be- zeichnend ist die Lage des Kernes im Vorderende, eine Erscheinung, welche in dieser Regelmäßigkeit nur noch bei den Polymastiginen sich zeigt. Meistens fällt der Kern schon an lebenden Individuen durch den großen Nucleolus auf. Die kontraktile Blase findet sich dann nicht selten im Hinterende, doch kann sie auch den Platz wechseln. Für die Unterscheidung der den Rhizomastiginen nahe stehenden Heliozoen lege ich das Hauptgewicht auf die Thatsache, dass die Orga- nismen unter normalen Verhältnissen auch während des Amöbenzu- standes ihre Geißeln nie verlieren. Ich habe eine ganze Anzahl Formen gerade auf diesen Punkt hin untersucht und ausnahmslos die Geißel unverändert wieder gefunden. Die Schwärmer von Pseudospora, Protomonas, Ciliophrys u. a. verlieren stets nach einer Weile ihre Geißeln und gehen dann erst als vollkommene Amöben zur Nahrungs- aufnahme über. Die Hauptvermehrung dieser Heliozoen erfolgt, nach- dem die Amöben, mit Nahrung erfüllt, Verdauungscysten bilden, in denen dann durch Theilung eine größere Anzahl Schwärmer entstehen. Bei den wenigen Formen allerdings unter den Rhizomastiginen, deren Vermehrung ich verfolgen konnte, fand dieselbe statt wie bei allen Flagellaten durch Längstheilung im beweglichen Zustand. Verschmel- zungen von Individuen, eine Bildung der Plasmodien, wie sie für Protomonas, Ciliophrys u. a. festgestellt worden sind, wurden bisher bei keiner Rhizomastigine beobachtet. Ich unterscheide zunächst nur zwei Gattungen nach der Art der Bewimperung, Mastigamoeba Schulze und Dimorpha Gruber, von denen ich selbst hauptsächlich die letztere Gattung untersucht habe. Die bisher am besten bekannte Art ist die von Krassırstscuik (75) als Ger- cobodo laciniaegerens beschriebene Form. Nur sehe ich keinen Grund ein, warum dieselbe von Dimorpha generisch geschieden werden soll, da sie in keinem wesentlichen Punkte in der Organisation abweicht. Höchstens könnte man Rücksicht darauf nehmen, dass bei der Theilung vorher die Geißeln abgeworfen werden. Man könnte sich denken, dass von den beiden Gattungen zwei Reihen von Flagellatenformen sich herleiteten, von Mastigamoeba die Monadinen, von Dimorpha die Bodoninen. Die Verwandtschaft seiner Gercobodo mit Bodo hat Krassırstscuik schon hervorgehoben; bei den anderen Dimorpha-Arten sind ähnliche Beziehungen sehr klar ausge- 296 Georg Klebs, prägt. Von den Gattungen, welche BürscaLı zu der Familie der Rhizo- mastiginen stellt, fällt nach dem Vorhergehenden Ciliophrys Cienkowski fort; wie sich Actinomonas Kent verhält, ist nach der geringen Kenntnis derselben nicht sicher zu sagen. Doch macht sie mehr den Eindruck einer Heliozoe und nähert sich der von Frenzer (47) neuerdings be- schriebenen Mastigophrys radians. Mastigamoeba F. E. Schulze!. Körper während des Schwimmens meist oval bis länglich; zeit- weilig kriechend mit sehr zahlreichen Pseudopodien. Eine einzige ansehnliche Geißel am Vorderende. | Diese Gattung ist durch F. E. Scuuze (103) begründet; neue Arten sind von Kent (66), Sroxzs (109, 41%, 4145), FrenzeL (38) u. A. beschrie- ben worden. Allerdings wurde weder die Nahrungsaufnahme noch die Vermehrung beobachtet. Höchst wahrscheinlich gehören, wie bereits BürscnLı vermuthet, Arten der Gattung Gercomonas Stein hierher, ferner Rhizomonas Kent; auch die Krnr’sche Gattung Reptomonas ist wohl direkt zu Mastigamoeba zu rechnen und möglicherweise auch Podostoma filigerum Claparede und Lachmann (24). Eine große Anzahl verschiedenartiger Formen kommt in Infusionen vor, nur ist es schwierig die Arten zu unterscheiden, da man sie viel- fach .nur in einzelnen Exemplaren trifft, bei welchen wegen der wechselnden Formen nicht scharf die Artcharaktere zu erkennen sind. Desshalb ist es auch kaum möglich, die Formen, welche zur Beobach- tung kommen, mit schon beschriebenen zu identificiren, wenn nicht zufällige Besonderheiten der Struktur erwähnt werden. Im Gegensatz zu manchen Arten der Gattung Dimorpha ist der rhizopodenartige Zustand bei Mastigamoeba oft auffallender als der flagellatenartige.e M. aspera scheint nach den Beobachtungen ven ScHuLze wesentlich nur zu kriechen und stets Pseudopodien auszu- strecken. Die von mir vielfältig bemerkte M. invertens geht zwar sehr häufig in Schwimmbewegung über, aber besitzt doch selten einen ganz abgerundeten Körper; auch bei der M. ramulosa (Kent) beob- achtete ich während des Schwimmens stets eine unregelmäßige warzige bis gezähnte Oberfläche. M. simplex Kent, eben so M. Bütschlii mihi (geißeltragende Rhizopode Bütschli) bilden nach den Untersuchungen beider Forscher, so wie von mir bisweilen einen vollkommen glatten, schmal eiförmigen Flagellatenkörper. Das Körperplasma ist im Allge- 1 Da BürscaLı in seinem Protozoenwerk mit großer Sorgfalt für alle Gattungen ein ausführliches Register der Synonyme geliefert hat, verzichte ich darauf, noch einmal die Sache zu bringen. Ich werde die Synonyme nur für die Arten angeben, was bei BürschLı nicht geschehen konnte. Flagellatenstudien. I. 297 meinen gleichmäßig zart homogen, enthält in verschiedener Menge Vacuolen und Nahrungsbestandtheile. Bei M. aspera tritt nach ScHhuLze eine deutliche Scheidung eines glashellen Ektosarks von einem körnigen Entosark hervor. Der auffallendste Bestandtheil der Zelle ist der bläschenförmige Zellkern, welcher von Schauzze und BürscuLi beschrieben worden ist, und stets am Vorderende einen bestimmten, wenig ver- änderlichen Platz einnimmt. Ich habe für M. ramulosa die Beobachtung ScHULZE’S an aspera bestätigen können, dass der Nucleolus im Stande ist, seine Form zu verändern. Das Vorderende wird außer durch den Kern durch die Insertion der Geißel charakterisirt, welche direkt, aber scharf bestimmt aus dem Plasma entspringt. Wenn Bürscauı (41) meint, dass bei seiner geißel- tragenden Rhizopode die Insertionsstelle der Geißel veränderlich sei, so heißt das nichts Anderes, als dass das ganze Vorderende verschoben werden kann, ohne dass die Geißel selbst dabei betheiligt ist und ihren Platz ändert. Bei den von mir beobachteten Formen ist während der Schwimmbewegung die kontraktile Blase, welche aus kleineren zusam- menfließt, am Hinterende gelegen; doch kann sie auch andere Stellen einnehmen, wie es am deutlichsten bei M. invertens der Fall ist, bei welcher bei dem Übergang zum Amöbenzustand die Vacuole in die Nähe des Kernes zu liegen kommt, allerdings auch wieder am Hinter- ende, weil eine Umkehrung der Pole stattgefunden hat. Über die Nahrungsaufnahme ist wenig bekannt, obwohl es höchst wahrscheinlich ist, dass bei allen Arten die Pseudopodien dabei thätig sind, wie es GouRRET und Roser (52) für ihre Monas ramulosa (identisch mit Cercomonas ramulosa Stein und jedenfalls eine Mastigamoeba) beobachtet haben. Etwas eigenthümlich erscheint die Bemerkung von PenarD (89), welcher für M. simplex angiebt, dass am Grunde der Geißel eine kleine kontraktile (!) Vacuole sich finde, welche zugleich als nahrungsaufnehmender Schlund dienen soll. Außerdem kann sich eine solche Vacuole an beliebigen Stellen des Körpers bilden, wie es scheint in Verbindung mit Pseudopodien, welche die Nahrung erfassen. Die Vermehrung ist bisher bei keiner Art beobachtet worden; ich habe Längstheilung im beweglichen Zustand bei M. invertens gesehen. Mastigamoeba invertens Klebs (Taf. XIII, Fig. I a—c). Körper im Schwimmen ungefähr eiförmig, im amöbenartigen Zustande mit relativ wenigen Pseudopodien; Geibel etwa zweimal so lang als der Körper, beim Schwimmen nach vorn, beim Kriechen nach hinten gerichtet. Länge = 8—12 u. 298 Georg Klebs, Diese kleine gar nicht seltene Art ist leicht kenntlich durch ihre merkwürdige Eigenheit, ihr Vorderende beim Kriechen zum Hinterende zu machen. Während des Schwimmens zittert die Flagellate lebhaft hin und her ohne Rotation; der Körper, ungefähr eiförmig, hat aber . niemals ganz glatte Konturen. So wie das Thier in den amöbenartigen Zustand übergeht, ist es das Hinterende, welches hauptsächlich Pseudo- podien ausstreckt, die nach vorn gerichtet sind. Die Geibel wird nachgeschleppt und wedelt dabei nur langsam an der Spitze. Auffallend ist das Verhalten der kontraktilen Blase, welche nach dem Übergang zur Amöbe ebenfalls nach hinten, das heißt in die Nähe des Kernes und der Geißelinsertion geschoben wird. Als Amöbe kriecht das Thier langsam im Detritus umher, bald dickere, bald feinere Pseudopodien bildend und mit diesen kleine Körnchen umschließend und aufnehmend. Bei dieser Art habe ich, wie vorhin bemerkt, Längstheilung gesehen, bei welcher nach Bildung einer zweiten Geißel eine allmähliche, aber schnell verlaufende Einschnürung erfolgte. Mastigamoeba ramulosa Kent |(66) Taf. I, Fig. 19—20]. Körper ungefähr rundlich, auch während des Schwimmens mit verästelten kurzen Pseudopodien versehen. Geißel zwei- bis dreimal so lang als der Körper. I Die von mir beobachteten Exemplare scheinen mir zu der Kent- schen Art zu gehören, während die Cercomonas ramulosa wohl eine verschiedene Art von Mastigamoeba vorstellt. Charakteristisch ist die Bedeckung der ganzen Oberfläche mit den kurzen aber sehr verästelten Pseudopodien, auch während der Schwimmbewegung, welche wie bei der vorigen Art in einem Hin- und Herzittern besteht. Eine solche regelmäßige Umkehrung der Körperpole wie bei M. invertens wurde nie beobachtet; während des Kriechens kann aber sehr wohl das Vorderende sammt Geißel hin- und hergeschoben werden. Der Kern liegt bei meinen Exemplaren ganz am Vorderende (Kent zeichnet ihn in tieferer Lage) und besitzt einen etwas eckigen Nucleolus, der langsame Formveränderungen zeigt. Als Nahrungsbestandtheil sah ich grüne Algentheile, ohne dass ich die Aufnahme direkt beobachten konnte. Mastigamoehba Bütschlii Klebs. Geibeltragende Rhizopode Bürscenzi (11) Taf. XIV Fig. 23 a—b. Mastigamoeba lobata (?) Stein, Bürsenrı (43) Taf. XXXIX Fig. 10 a—b. Körper während des Schwimmens ungefähr eiförmig, im Kriechen mit feinen zum Theil verästelten Pseudopodien. Geißel sechs- bis achtmal so lang als der Körper. Flagellatenstudien. 1. 299 Die von BürsenLı beschriebene geißeltragende Rhizopode gehört unstreitig zu Mastigamoeba; mir scheint es nicht möglich, sie, wie BürscaLı vorschlägt, mit der von Stein als Gercomonas lobata abgebil- deten Form zu identificiren, weil der Hauptcharakter, die außerordent- liche Länge der Geißel, nicht zutrifft; ich will sie daher zu Ehren des Entdeckers neu benennen. Bezüglich der Beschreibung verweise ich auf die Darstellung von Bürscuri, welche ich im Wesentlichen bestätigen konnte. Bei meinen Exemplaren fand die Systole der kontraktilen Blase am Hinterende statt; sie entstand durch Zusammenfließen kleinerer Blasen, welche an verschiedenen Stellen des Körpers sich bildeten. Ob die von Stokzs beschriebene Mastigamoeba longifilum (109) mit der vorliegenden Art identisch ist, wage ich nicht zu entscheiden. Dimorpha Gruber. Körper länglich bis kugelig während des Schwimmens; zeitweise übergehend in einen amöbenartigen Zustand; am vorderen Ende zwei Geißeln, die eine nach vorn, die andere nach hinten gerichtet. Die Gattung ist durch Gruser (57) aufgestellt worden für eine zweigeißelige Rhizomastigine und enthält bisher nur eine Species nutans (57, Taf. XXIX). Indessen gehören eine ganze Anzahl Formen dazu, welche auch gar nicht selten sind. Doch nur einige wenige habe ich genauer untersucht. Höchst wahrscheinlich sind Arten dieser Gattung bisher als Gercomonas-Species beschrieben worden, da die nachschlep- pende Geibel leicht übersehen, oder mit demSchwanzfaden verwechselt werden kann. Ferner sind andere Arten möglicherweise als Hetero- mita- oder Bodo-Arten erwähnt worden. Vielleicht findet man es später passend, die Gattung zu zerlegen, wenn eine größere Menge Arten genauer bekannt geworden sind. Vorläufig scheint es mir das Richtigste, die Gattung etwas weiter zu fassen und alle Rhizomastiginen mit zwei ungleich ausgebildeten Geißeln darin aufzunehmen. Nicht unwahr- scheinlich ist die Annahme, dass es auch Formen mit zwei gleichen, nach vorn ausgestreckten Geißeln giebt; doch ist Näheres darüber noch nicht bekannt. Bei den meisten Arten ist der Flagellaten- und Amöbenzustand scharf getrennt, wenn auch verschiedenartige Abstufungen sich vor- finden. Während der Bewegung bewahrt der Körper eine gewisse Form, und nur das Hinterende ist dann allein der Sitz beständiger Ver- änderungen. So beschreibt Krassırstschick (75) ausführlich dieselbe bei der Dimorpha (Gercobodo) laciniaegerens; ganz entsprechende Vor- gänge beobachtete ich bei D. longicauda. In sehr wechselnder Weise 300 Georg Klebs, werden fetzenartige Anhängsel ausgestreckt und wieder eingezogen oder anstatt dessen ein langer schwanzartiger Faden gebildet. Der amöbenartige Zustand kann in sehr verschiedener Weise eintreten, und die einzelnen Arten unterscheiden sich darin oft sehr charakteristisch. D. nutans bildet nach Gruszr actinophrysähnliche Amöben, eben so D. radiata mihi. Nach allen Seiten strahlen feine Pseudopodien vom centralen Körper aus. Dicke breite Fortsätze sendet D. laciniaegerens nach Krassırstscaik, D. ovata nach meinen Beobach- tungen aus, während D. longicauda in der Mitte steht, da sie mäßig breite und nicht sehr lange Plasmafortsätze bildet. Die Nahrungsauf- nahme ist bei allen bisher genauer bekannten Arten beobachtet worden, von GruügBEr bei D. nutans, von KrassırstscHik bei laciniaegerens, von mir bei den anderen Arten. D. laciniaegerens zeichnet sich dadurch aus, dass das Thier sowohl im frei schwimmenden wie im amöbenartigen Zustande sich ernährt; die übrigen Arten thun das nur im letzteren. Alle besitzen zwei Geißeln, eine nach vorn, die andere nach hinten gerichtet; bei manchen Arten, wie nutans nach Gruser, bei alternans nach meinen Beobachtungen ist die Insertion etwas unterhalb des Vorderendes. Dadurch wird die Verwandtschaft zu Bodo-Arten noch auffallender. Die Vermehrung findet bei den von mir untersuchten Formen durch Längstheilung im beweglichen Zustand statt, was auch für D. nutans nach den Angaben von Gruser nicht unwahrscheinlich ist. Eine Dauercyste ist bisher nur für laciniaegerens von KrASSILSTSCHIK beobachtet worden. Dimorpha ovata Klebs (Taf. XIII, Fig. 3 a—.c). Körper während der Schwimmbewegung dick eiförmig bis kugelig, vorn bisweilen etwas ausgerandet, hinten wenig zugespitzt. Im amö- boiden Zustand Bildung dicker stumpfer Pseudopodien. Die beiden Geibeln ziemlich gleich lang. Kontraktile Blase im Vorderende. Länge = 18—21 u, Breite = 15—19 u. Diese Art bewegt sich langsam und ruhig vorwärts ohne Rotation und ohne auffallende Gestaltsveränderungen. Plötzlich bemerkt man, dass die Bewegung aufhört, der Körper sendet bald nach dieser, bald nach jener Seite breite, stumpfe, aus farblosem sehr feinkörnigem Plasma bestehende Fortsätze aus. In diesem Zustand erfolgt die Nahrungsaufnahme. Ich sah mehrfach, wie bewegliche, grüne oder gelbe Schwärmer an ein solches Pseudopodium stießen, hängen blieben und von den sie rasch umfließenden Plasmamassen ins Innere gezogen wurden. Dann rundete sich der Körper wieder ab und begann seine langsame Vorwärtsbewegung. Die aufgenommenen Organismen bilden Flagellatenstudien. 1. 301 missfarbige, braunroth gefärbte Ballen, ohne dass sie in besonderen Vacuolen eingeschlossen sind. Die beiden Geißeln sind sehr zart und sind während der Nahrungsaufnahme kaum zu sehen; doch sind sie, wie man sich durch Färbung mit Jod überzeugen kann, unverändert. Der Kern wurde nicht beobachtet. Dimorpha radiata Klebs (Taf. XII, Fig. 2a—9). Körper im freibeweglichen Zustande eiförmig, meist nach hinten verschmälert, im amöbenartigen actinophrysähnlich mit zahlreichen feinen strahlenförmigen Pseudopodien; die Schleppgeißel etwas länger als die vordere. Kontraktile Blase im Hinterende. Länge —= 10-14 u, Breite = 5-9 u. Die Art erscheint in sehr wechselnder Größe und Gestalt; zahlreiche Individuen wurden in einer langsam faulenden Kultur beobachtet. Der ungefähr eiförmige Körper ist sehr häufig vorn breit abgerundet, hinten verschmälert (Fig. 2a), aber er kann auch vorn spitz und hinten stumpf erscheinen (Fig. 25), und ab und zu treten während der Bewegung Veränderungen der Oberfläche ein, so dass die Gestalt sehr unregel- mäßig wird (Fig. 2c). Das Plasma ist zart feinkörnig, enthält stets dichtere Ballen und besitzt gewöhnlich am Vorderende etwas schärfer hervortretende schwärzliche Körnchen. Im Vorderende liegt der Kern mit deutlichem Nucleolus; die kontraktile Blase, aus kleineren Bläschen entstehend, liegt im Flagellatenstadium im Hinterende. Ganz verändert erscheint der Körper im amöbenartigen Zustande. Die vorher lebhaft schwärmenden und dabei rotirenden Individuen fangen an zu kriechen, werden rundlich und senden jetzt nach allen Seiten strahlenförmig feine, etwas körnige Pseudopodien aus, oft von beträchtlicher Länge. Die eine Geißel wird eingerollt; die andere scheint, so viel sich beob- achten lässt, ausgestreckt zu bleiben. Die Bewegung ist auf ein sehr langsames Kriechen beschränkt; die Beute wird ruhig erwartet. Vor- beikommende andere Organismen aller Art, eine auf der Stelle zitternde Trepomonas (Fig. 2d, a) oder auch eine Mastigamoeba, Monade oder dergleichen stoßen auf die Pseudopodien und werden, ähnlich wie es GRUBER für D. nutans beschreibt, gelähmt. Dann strömt das Plasma nach dem gefangenen Organismus hin und umschließt ihn. Im Inneren wird er bald zu einem rundlichen Ballen umgeformt. Die Längstheilung konnte ich an einem Exemplar von Anfang bis zu Ende beobachten. Der Körper verbreitert sich, erhält ein neues Geißelpaar und schnürt sich der Länge nach ein. Die beiden Spröss- linge, nach entgegengesetzter Seite strebend, ziehen sich langsam aus einander ohne lebhaft amöboide Gestaltveränderungen. Vielmehr geht Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. LV, Bd. 90 N er 302 Georg Klebs, die ganze Theilung ruhig auf der Stelle vor sich, bis nach Reißen des Fadens die beiden neuen Individuen davon eilen. Dimorpha longicauda (Dujardin) Klebs (Taf. XIII, Fig. 4 a—c). Cercomonas longicauda Dusarpın (41) Taf. IV, Fig. 15; Srem (107) Taf. 1. Abth. V. Körper während des Schwimmens eiförmig mit schwanzartigem sehr veränderlichem Hinterende ; im Amöbenzustande mit zahlreichen oft verästelten Pseudopodien. Die beiden Geißeln ziemlich gleich lang. Eine oder zwei kontraktile Vacuolen, häufig im Vorderende. Länge — 18—36 u, Breite = I—1k u, Diese sehr häufige Flagellate ist jedenfalls schon beschrieben vorden; ich identificire sie vorläufig mit der Dusarpın'schen Art, vor- aussetzend, dass die Schleppgeißel übersehen worden ist, - Der Organismus bewegt sich langsam kriechend vorwärts ohne Rotation und ist meist von ungefähr eiförmiger Gestalt. Er unterschei- det sich von den vorigen Arten, nähert sich der Dimorpha laciniae- gerens (Krassırstscuig) und den als Gercomonas beschriebenen Formen durch die Gestaltveränderungen des schwanzartig zugespitzten Hinter- endes. Dasselbe ist bald länger, bald kürzer, bald einfach, bald in zahl- reiche Zweige oder fetzenartige Anhängsel zerspalten. Das Körperplasma ist sehr körnig, enthält im vorderen Ende den bläschenförmigen Kern. Bei manchen Exemplaren beobachtete ich in der Nähe der Geißelbasis zwei abwechselnd pulsirende Vacuolen. Doch sah ich auch Individuen, bei welchen die Vacuolen mehr nach hinten verschoben waren oder bei welchen nur eine einzige vorhanden schien. Trifft die Flagellate auf feste Körper, so hört die Vorwärtsbewegung auf, und höchst lebhaft amöboide Bewegungen treten ein. Dabei kann man in der That den Organismus nicht von einer beliebigen Amöbe unterscheiden; nach allen Seiten werden zahlreiche dünnere oder diekere, einfache oder verästelte Pseudopodien gebildet, welche um die fremden Körper herumfließen und wieder sich davon wegziehen. Kleinere Körper wie Bakterien können aber erfasst und in das Innere des Körpers geschafft werden (Fig. Ab). Nach einer Weile nimmt der Körper seine eiförmige Gestalt wieder an und kriecht weiter. Theilungszustände habe ich mehrfach gesehen; ich beobachtete ein Individuum, bei dem am Vorderende zwei Geißelpaare saßen (Fig. k c, vgl. auch bei Sruın V Fig. 6). Ich bemerkte dann andere Exemplare, bei welchen die Einschnürung schon ziemlich weit vorgeschritten war und vollendet wurde wie bei anderen Flagellaten. Flagellatenstudien. I, 303 Dimorpha alternans Klebs (Taf. XII, Fig. I a—h). Körper sehr beständig, länglich eylindrisch; Bauchseite oft ge- | furcht; am Vorderende in einer seitlichen Mulde die beiden gleich langen - Geißeln. Amöboider Zustand nur während der Nahrungsaufnahme. Kontraktile Blase im Vorderende. Länge — 14—20 u, Breite = 6—10 u. Ich kann leider nicht mit Bestimmtheit sagen, ob wirklich die von mir beobachtete Form eine echte Dimorpha ist, oder ob nicht eine Verwechslung von zwei verschiedenen Formen vorliegt. Die in Betracht kommende Art ist sehr häufig und oft in großer Menge vorhanden; jedenfalls ist sie schon beschrieben worden, aber ich habe nirgends die charakteristischen Eigenthümlichkeiten bei Bodo- oder Heteromita- formen wiedergefunden. Im Wesentlichen haben wir es mit einer bodoähnlichen Flagellate zu thun. Der Körper von sehr verschiedener Größe ist meist eylindrisch, etwas abgeplattet, an beiden Enden abge- rundet und auf der einen Seite mit einer mehr oder weniger hervor- tretenden Furche (Fig. 9 a) versehen. Bodoartig ist vor Allem die Anheftung der beiden Geißeln, welche in einer kleinen Mulde unterhalb des Vorderendes auf der Bauchseite sitzen (Fig. 9 g). Sehr charakte- ristisch ist der plötzliche Wechsel von vollständiger Ruhe und lebhafte- ster Bewegung. In der Ruhe ist die vordere, bisweilen auch die hintere Geißel um den Körper geschlungen (Fig. 9fgk). Während der Bewegung liegt die hintere ebenfalls in Schraubenlinien um den Körper (Fig. 9 f). Die Bewegung besteht theils in sehr lebhaftem Hin- und Herzittern auf der Stelle, theils in sehr schnellem Vorwärtsschwimmen bald mit, bald ohne Rotation. Der Körper bewahrt dabei seine Gestalt unver- ändert. Das Plasma des Körpers ist stark lichtbrechend und enthält immer sehr große Nahrungsballen, meist roth gefärbt, da augenscheinlich die Flagellate sich wesentlich von Algen ernährt. Die Ausscheidung eines solchen braunrothen Nahrungsballens geschah aus der Bauchfurche (Fig. 9a). Die kontraktile Blase ist nur bei nahrungsfreien Exemplaren gut zu sehen; sie liegt stets im vorderen Theile des Körpers. Der bläschenförmige Kern befindet sich im hinteren Theile. Die Vermeh- rung geschieht durch gewöhnliche Längstheilung, während welcher das | Thier ruhig auf der Stelle bleibt und auch keine besonderen Gestalts- | veränderungen zeigt. Nach der ganzen Organisation habe ich zuerst nichts Anderes gedacht, als dass die betreffende Flagellate eine typische Bodo-Art vor- stellt. Trotzdem nun die Art häufig vorkommt, und augenscheinlich 20* 304 Georg Klebs, sehr gefräßig ist, gelang es mir nicht die Nahrungsaufnahme zu beob- achten. Nur einmal bei einem Exemplar, welches anscheinend zu dieser Art gehörte, bemerkte ich eine eigenthümliche Ernährungsweise, durch welche eine direkte Beziehung zur Gattung Dimorpha dargelegt wurde. Das Thier, vorher in lebhafter Bewegung, wurde ruhig, und plötzlich trat an der einen Längsseite ein breites, sich verästelndes Pseudopodium hervor. Dann wurde auch ein ähnliches auf der an- deren Seite gebildet, und nun kroch die Amöbe mit ausgestreckten Geißeln langsam einher (Fig. 95, c). Sie stieß auf eine absterbende Zelle eines Mesocarpusfadens, legte sich derselben an und sandte in dieselbe an zwei verschiedenen Stellen je ein Pseudopodium, bis das- selbe die stärkehaltige Chlorophyliplatte traf (Fig. 9e). Jetzt sah man, wie ein Stärkekorn nach dem anderen umfasst und in den noch draußen befindlichen Körper gezogen wurde. Nach einiger Zeit begann das Thier durch das eine Loch der Zellwand vollständig in die Zelle hineinzu- kriechen, während die Geißeln draußen blieben (Fig. 9d). Hier erfüllte sich der Körper gänzlich mit Bestandtheilen der Chlorophyliplatte; nach einer halben Stunde ging der Organismus wieder aus der Alge heraus, nicht etwa eine CGyste in derselben bildend wie Pseudospora etc. Ich habe mich sehr bemüht, diesen Vorgang noch einmal zu beob- achten, doch vergeblich. Entweder existirt eine Dimorpha-Art, welche täuschend ähnlich einer Bodoart aussieht, dann würde die vorhin ge- schilderte Organisation für die letztere Species maßgebend sein, und die erstere wäre bisher nur im Moment der Nahrungsaufnahme beob- achtet. Oder thatsächlich gehört die als Amöbe sich ernährende Form mit den anderen bodoähnlichen Individuen zusammen, und nur dess- halb, weil dieselben behufs Nahrungsaufnahme in andere Zellen hin- einkriechen, konnte dieselbe und damit der amöbenartige Zustand nur so selten zur Beobachtung kommen. Ich bin nicht im Stande gewesen, die Frage sicher zu entscheiden. Jedenfalls weisen aber die Beob- achtungen auf die sehr große Verwandtschaft von Dimorpha und Bodo hin. Fam. 2. Monadina Stein. Kleine Formen meist amöboid; Vorderende häufig mit Ausschnitt, in welchem eine oder zwei nach vorn ausgestreckte Geißeln sitzen. Nahrungsaufnahme meist mit Hilfe einer Nahrungsvacuole. Kontraktile Blase meist im Vorderende. Einzeln lebend oder in Kolonien, nackt oder in Gehäusen. Ich fasse die Familie in anderem Sinne als BürscnLi auf; sie ent- spricht seiner Familie der Cercomonadina und einem Theil der Hetero- Flagellatenstudien. I, 305 monadina. Denn wegen der gleichen Organisation des Körpers, der gleichen Art der Nahrungsaufnahme bringe ich die Gattung Oikomonas in nächste Nähe von Monas, wenn auch bei letzterer zu der einen Geißel von Oikomonas noch eine zweite kleine Nebengeißel kommt. Im Übrigen gehe ich nicht weiter auf die Gruppe ein, welche nur sehr provisorisch ist, da eine Reihe Gattungen vorläufig zu ihr gestellt wer- den müssen, welche theils nicht näher bekannt, theils wegen mangeln- der Zwischenglieder überhaupt zunächst nicht recht unterzubringen sind. Den Hauptgattungen Oikomonas Kent, Monas Stein, Arhabdomo- nas Fisch, welche durch Cienkowskı, Stein, BürscaLı, Kent, Fıscn u. A. erforscht worden sind, werden angeschlossen Gercomonas (siehe vorhin), Herpetomonas, Codonoeca, Platytheca, Ancyromonas. Ich möchte hier eine merkwürdige Flagellate erwähnen, welche allem Anschein nach zu Ancyromonas Kent (66, Taf. XIII, Fig. 19—53) Beziehungen hat. Phyllomonas Klebs. Körper klein, formbeständig, ein dreieckiges verbogenes Blättchen bildend; an der einen Ecke eine einzige, bei der Bewegung nach- schleifende Geißel. In einer anderen Ecke die kontraktile Blase. Phyllomonas contorta Klebs (Taf. XIII, Fig. 11 a—-d). Einzige Species. Länge —= 6—7 u, Breite = 5—6 u. Diese kleine, sonderbare Flagellate wurde an verschiedenen Stand- orten, aber immer vereinzelt in Sumpfwasser beobachtet. Bei der Bewegung, welche in einem lebhaften Hin- und Herzittern und dabei in Drehungen des Körpers besteht, schleift die Geißel nach, welche an der einen Ecke des ungefähr dreieckigen blattförmigen Körpers sitzt. Das entgegengesetzte, nach vorn gerichtete Ende ist breit. Das Blätt- chen ist sehr stark verbogen, wie es am besten aus den Fig. I1a—d hervorgeht, welche verschiedene Seitenansichten einiger Individuen darstellen. Die eine Längsseite ist bei der Lage in Fig. 1b nach oben gebogen, die entgegengesetzte nach unten, die Vorderkante ist ebenfalls nach unten verbogen. Das Plasma des Körpers erscheint durchsichtig homogen und enthält nur wenige Körnchen. Die kontrak- tile Blase befindet sich an der einen Ecke des Vorderrandes. Der Kern, die Nahrungsaufnahme, wenn eine solche überhaupt stattfindet, die Längstheilung sind nicht beobachtet worden. Die vorliegende Form nähert sich Ancyromonas Kent durch die Eigenthümlichkeit, die Geißel bei der Bewegung nachzuschleifen, die Körperform ist allerdings eine ganz andere, so dass zunächst eine generische Trennung passend 306 Georg Klebs, erscheint. Vielleicht kann später mit diesen Formen die sonderbare Gattung Trypanosoma in nähere Beziehung gebracht werden; die ge- krümmten Blättehen, in welchen diese Art erscheint, erinnern etwas an Phyllomonas. Andererseits fehlt der letzteren Gattung die lebhafte Metabolie von Trypanosoma (vgl. Kent [66], Bürscuun |13]). Fam. 3. Dendromonadina Stein. Fam. 4. Bikoecina Stein. Fam. 5. Craspemonadina Stein. Choanoflagellata (Kent) Bütschli. Neue Beobachtungen über diese Familie kann ich nicht bringen; ich verweise auf die Arbeiten von ÜCLaArk, BürscHui, Stein, Kent u. A., besonders die zusammenfassende Darstellung von BürscakLı. Von neue- ren Arbeiten will ich nur die Abhandlung von Fıscn hervorheben, welche die Theilung und Nahrungsaufnahme von Codosiga eingehend schildert. Danach kann kein Zweifel darüber sein, dass die Craspe- monadinen den echten Monadinen sehr nahe stehen und sich nur durch den Besitz des Plasmakragens unterscheiden, welcher als Familien- charakter sehr bedeutungsvoll ist, aber nicht berechtigt, diese Formen von ihren nächsten Verwandten zu trennen. Die Familie der Bikoe- einen vermittelt überdies den Übergang bezüglich des Kragens, da nach Stein Poteriodendron ein kragenartiges Gebilde bereits besitzt, während Bikoecina nur einen einseitigen hlattartigen Fortsatz hat, der als weiter entwickelter Peristomfortsatz von Oikomonas, Monas anzu- sehen ist. Die Gattung Phalansterium ist jedenfalls von Codosiga fast mehr unterschieden als diese von Poteriodendron. Durch die eigen- thümlichen Gallertkolonien nähert sich Phalansterium auch sehr der nächsten Familie (vgl. Kızss |73]). Neuerdings hat FrenzeL (47) eine Craspemonadine mit zwei Halskragen beschrieben, Diplosiga socialis. Fam. 6. Spongomonadina Stein. Fam. 7. Amphimonadina Kent. Ich will diese Familie nicht näher charakterisiren, da sie in keiner Weise eine auch nur einigermaßen natürliche Gruppe vorstellt. Sie enthält monadenähnliche Formen mit zwei gleich langen, nach vorn ausgestreckten Geißeln. Im Übrigen sind die einzelnen Gattungen CGyathomonas, Amphimonas, Deltomonas sehr verschieden. Bürscnt rechnet die durch Fisch (46) neuerdings genau erforschte Gyathomonas zu den Cryptomonaden, worin ich ihm nicht folgen kann, allerdings ge- stehend, dieser Flagellate bisher keine passende Stellung geben zu Flagellatensiudien. 1. 807 können. Ich möchte nun noch einen anderen Organismus erwähnen, von welchem das Gleiche gilt, so dass ich ihn nur ganz provisorisch zu den Amphimonaden bringe. Streptomonas Klebs. Körper herzförmig, vorn tief ausgerandet, mit zwei gleich langen Geißeln; auf Bauch- und Rückenseite ein allmählich nach hinten sich flügelartig verbreiternder Kiel. Kern im vorderen Theil des Körpers. St. cordata (Perty) Klebs (Taf. XII, Fig. 10 «—b). Monas cordata Perty? (90). Taf. XIV, Fig. 20. Länge = 15 u, Breite = 13 u. Die sehr sonderbar gebaute Flagellate ist möglicherweise mit der Psrrv’schen Form identisch, von der allerdings nur eine Geißel ange- geben wird, und von der auch die Besonderheiten der von mir beob- achteten Exemplare nicht erwähnt werden. Der Körper bietet zwei ganz verschiedene Ansichten dar. Bei der Vorderansicht erscheint er regelmäßig herzförmig, hinten ziemlich spitz, vorn breit abgerundet mit tiefer Geißelgrube und je einer sie begren- zenden hügelartigen Ecke. Die beiden Hügel sind scheinbar nicht gleich, weil sie gegen einander verschoben sind, d. h. weil der eine dem Beschauer mehr seine breite, der andere mehr seine schmälere Seite entgegen kehrt. Von jedem Hügel geht von der Geißelgrube ab ein Längskiel, der bis zum Hinterende läuft und allmählich gegen das- selbe flügelartig sich verbreitert. Wenn der linke Hügel in Fig. 10« den Kiel auf der oberen Seite aussendet, geht auf der unteren Seite ein gleichgestalteter Kiel vom rechten Hügel aus. Am Hinterende treffen beide Hügel zusammen. Während man in der Vorderansicht nur die schmale Kante des einen Kieles sieht, beobachtet man in der Seitenansicht die beiden sich treffenden flügelartigen Kiele, in Folge dessen der Körper hinten viel breiter erscheint als vorn (Fig. 105). Da die beiden Kiele nicht in der Medianebene liegen, son- dern der eine rechts, der andere links davon, so ist der Körper un- symmetrisch, aber doch dabei sehr regelmäßig gebaut. Jede Hälfte des Körpers ist an der Seite, an welcher sie kiellos ist, gegen den Kiel der anderen Hälfte furchenartig vertieft, so dass auf jeder Breitseite in der Mediane eine Längsfurche von der Geißelgrube bis zum Hinterende verläuft. Der Bau erinnert etwas an die allerdings noch viel kompli- cirteren Verhältnisse bei Trepomonas (siehe später). Der Körper erscheint hell durchsichtig, enthält aber allerlei Körner, darunter auch gefärbte, so dass Nahrungsaufnahme fester Theile wahr- 308 Georg Klebs, scheinlich ist. Die kontraktile Blase ist relativ sehr groß und tritt daher im Hinterende scharf hervor. Der bläschenförmige Kern liegt in der Nähe der Geißelgrube. Die Flagellate bewegt sich lebhaft vorwärts, um ihre Längsachse rotirend; bisweilen bleibt sie mehr auf einer Stelle und rotirt um ihre Querachse. Die Geißeln, etwa so lang wie der Körper, gehen von der Geibelgrube aus, doch schien es mir, als würden sie nicht direkt von einem Punkte entspringen, sondern je eine wäre dem einen Längskiel näher gerückt. Formveränderungen des Körpers wurden nicht in besonderem Grade beobachtet, wenn auch unter dem Druck des Deckglases die Gestalt nicht ganz bewahrt wurde. Fam. 8. Bodonina Bütschli. Kleine bis mittelgroße Formen, farblos, nackt, meist etwas amö- boid; am Vorderende in einer seitlich liegenden Einbuchtung zwei Geißeln, von denen die eine nach vorn, die andere nach hinten gerichtet ist. Eine kontraktile Vacuole im Vorderende; ein bläschenförmiger Kern gewöhnlich in der Mitte des Körpers. Aufnahme fester Bestand- theile meist nachgewiesen, geschieht am Vorderende. Zu den Bodoninen gehören eine große Menge von Organismen, welche in den Sümpfen, in Infusionen häufig vorkommen. Wie bei den Monaden sind auch hier eine Reihe Arten ungenügend beschrieben worden. Sreim hat zuerst der Gattung Bodo einen bestimmten Charak- ter gegeben, während Krxt die dazu gehörigen Formen in verschiedene Gattungen vertheilt, und durch wenig eindringende Schilderung kaum charakterisirt hat. Bürscauı ist wieder auf Stein zurückgegangen und hat die Familie gegründet, worin ich ihm folge. Dagegen kann ich ihm nicht darin beistimmen, dass er die Bodoninen mit den Anisonemen zu einer besonderen Untergruppe der Heteromastigoda vereinigt. Ohne Zweifel sind Verwandtschaftsbeziehungen zwischen beiden Reihen vor- handen, aber wie schon FıscH (46) bemerkte, tritt die Verwandtschaft von Bodo zu Monaden viel deutlicher hervor, und ganz besonders nach meiner Meinung zu den Rhizomastiginen. Denn nur die Art der Nah- rungsaufnahme unterscheidet beide von einander. Auf der anderen Seite kann nach meinen neueren Erfahrungen nicht mehr bestritten werden, dass Anisonema zu den Euglenoidinen gehört. Wahrschein- lich lässt sich bei dem Fortschreiten unserer Kenntnisse eine Verbin- dung der Bodoninen mit den Polymastiginen entdecken. Anhangsweise behandelt Bürsceuzi bei den ersteren die beiden von Krnur beschriebenen Gattungen Dallingeria und Trimastix, erstere bodoartig mit zwei hin- teren, letztere mit zwei vorderen Geißeln. Mir sind die Formen nicht näher bekannt; ich bin eben so wenig wie BürscuLı im Stande, denselben Flagellatenstudien. I. 309 eine sichere Stellung zu geben, da auch die bisherige Beschreibung zu lückenhaft ist. Doch stellen sie sehr wahrscheinlich Übergangsformen zu den viergeißeligen Polymastiginen vor, wie BürsenLı andeutet, und wir können sie am einfachsten zu den letzteren als Trimastigina stellen (siehe später). Bodo (Ehbg.) Stein. Körper nackt, fast stets etwas amöboid, mit meist zugespitztem Vorderende, an welchem stets in seitlicher Mulde die beiden Geibeln sitzen; die hintere häufig länger als die vordere. Nahrungsaufnahme an bestimmter Stelle an der Spitze des Vorderendes. Vermehrung durch Längstheilung im beweglichen Zustande, selten in der Ruhe in Cysten, außerdem Bildung von einfachen Dauereysten. Die einzigen gut erkennbaren Formen dieser vielgestaltigen Gat- tung findet man in dem Werk von Stein sorgfältig gezeichnet, aber auch er hat bei seinen Arten Gleichartiges getrennt, Ungleichartiges ver- mischt. Die Mehrzahl der sonst erwähnten, von Kent in verschiedene Gattungen vertheilten Arten sind sehr schwer oder gar nicht gut wieder zu erkennen. In der That ist es auch schwierig, bei diesen meist kleinen beweglichen Formen die Artcharaktere richtig zu erfor- schen. Überhaupt ist es nur möglich, wenn man zahlreiche Individuen zur Verfügung hat und auf alle Eigenschaften achtet. Ich will versuchen eine größere Anzahl Arten in der Weise zu beschreiben; ich lege das Hauptgewicht auf die Gestaltung des Vorderendes, die Art der Nah- rungsaufnahme, die Form der Bewegung, die Beschaffenheit der Geißeln. Allerdings ist es auch mir nicht immer gelungen, bei jeder Art alle Eigenschaften zu erkennen. Als besonders charakteristisch für die ganze Gattung halte ich die Art der Nahrungsaufnahme, welche an der Spitze des Vorderendes vor sich geht. Hier muss das Plasma resp. der Periplast eine besondere Beschaffenheit haben, ohne dass aber von einer Mundöffnung oder von einem Schlunde, wie Stein meint, die Rede sein kann. Für die erste Erkennung der Gattung und ihrer Arten dient andererseits die Gestaltung des Vorderendes mit den beiden Geißeln und die Art der Bewegung. Die Geißeln haben bei keiner Art an- scheinend die Bedeutung wie bei manchen Monaden, die Nahrungsbe- standtheile herbeizustrudeln; sie sind nur Bewegungsorgane und wohl nur desshalb in eine vordere und hintere gesondert, um die Form der Bewegung mannigfaltiger zu machen. Wenigstens zeichnen sich meh- rere Arten gerade dadurch aus, dass sie sehr verschiedenartige Bewe- gungen ausführen. Bei den schnellen Vorwärtsbewegungen sind beide Geißeln betheiligt; zu den Zeiten einer langsameren Bewegung ist BEE Te 310 Georg Klebs, entweder die vordere oder die hintere fast allein thätig. Die Mehrzahl der Arten kann man, wenn man sich gewöhnt hat darauf zu achten, schon ungefähr an der Art der Bewegung bestimmen. A, Die hintere Geifsel zwei bis mehrere Male so lang wie die vordere. Bodo minimus Klebs (Taf. XIII, Fig. 7a—d). Körper sehr klein, zart, dick bohnenförmig, mit deutlicher Geißel- grube. Mundstelle am stumpf schnabelförmigen Vorderende; Ein- und Aussaugen von Bakterien. Die hintere Geißel doppelt so lang als die vordere. Bewegung langsam kriechend. Länge = A—5 u, Breite = 2—2,5 u. Diese Art, welche zu den kleinsten Flagellaten gehört, kriecht, die hintere Geißel dem Substrat anlegend, langsam vorwärts, mit dem Vorderende beständig hin und her wippend. Am Vorderende befindet sich eine kontraktile Vacuole; der Kern wurde bisher nicht gesehen. Die Fig. 7 a—c stellen die verschiedenen Stadien der Nahrungsauf- nahme eines relativ großen Bacillus vor, welcher in seiner Mitte von dem Schnäbelchen erfasst, eingeknickt und langsam aufgesogen wurde, nachdem er vorher in einzelne Stücke zerlegt wurde. Während des Processes liegt die Flagellate vollkommen ruhig. Die Längstheilung wurde ihrem ganzen Verlaufe nach beobachtet; die Sprösslinge zeigten sich dabei etwas formveränderlich. Bodo saltans Ehrenberg |(42, 44) Taf. II, Fig. 11]. Stein (107) Taf. II, Abth. VI; Prerrer (92), p. 59%). Diplomastix saltans Kext (66) Taf. XXIV, Fig. 14—12. Körper eiförmig, etwas zusammengedrückt; unterhalb des Vorder- endes seitlich eine Grube, in der die Geißeln sitzen; die Grube ver- längert zu einer etwas schraubig verlaufenden Furche auf der Bauch- seite. Die hintere Geißel zwei- bis dreimal so lang als die vordere. Zeitweise festgeheftet und hin und her schnellend. Bodo saltans gehört zu den gemeinsten Flagellaten, welche sich in Infusionen mit faulenden Pflanzentheilen vorfinden. Er ist von STEIN kenntlich abgebildet, von Prerrer näher beschrieben worden. Beifügen möchte ich den Darstellungen, dass stets eine Abflachung des Körpers vorhanden ist und die Geißelgrube zu einer tiefer sich herabziehenden Furche auf der Bauchseite ausgebildet ist, in welcher die Schleppgeißel liegt. Die Bewegungsart ist von Prerrer näher beschrieben worden. Während des freien Schwimmens bleibt die Bauchseite dem Beschauer hr „ Flagellatenstudien. I. si! zugewendet, und der Körper wackelt bloß hin und her ohne Achsen- drehung. Die hintere Geißel wird nur nachgeschleppt. Die Individuen setzen sich dann zeitweise fest und führen mit ihrer Schleppgeißel wiederholt schnellende Bewegungen aus, welche häufig zu einem Losreißen führen. Während dieser Schnellbewegung ist die vordere Geißel unthätig und wird nicht selten in weitem Bogen um den Körper geschlungen. Wie schon Pr£ErFer vermuthete, nimmt Bodo saltans feste Nahrung auf und zwar hauptsächlich während der Festheftung. Im Plasma finden sich Bakterien und sonstige fremde Körperchen; den Augenblick der Aufnahme gelang es mir nicht zu erfassen, weil das Hin- und Herzucken zu sehr störte. Bodo saltans zeichnet sich nach den Untersuchungen Pre£rrer’s durch seine hohe chemotaktische Empfindlichkeit aus. Bodo globosus Stein |(107) Taf. II, Abth. IV] meine Taf. XIII, Fig. 5 a—d. Körper während der Bewegung kugelig bis dick eiförmig, ohne deutlichen Schnabel, aber mit seichter, muldenförmiger Einbuchtung der Geißelgrube. Schleppgeißel stets etwas länger als die vordere Geißel. Nahrungsaufnahme durch Anbohren und Aussaugen von Algen. Kontraktile Blase der Mitte des Körpers näher gerückt. Länge = 9—i3 u, Breite = 8—12 u. Diese Art ist ebenfalls sehr häufig und formenreich, und möglicher- weise gehört auch Bodo ovatus (Heteromita ovata Dujardin) hierzu, in welchem Falle der letztere Name für die Art gebraucht werden müsste. Die von mir beobachteten Exemplare stimmten jedenfalls am besten mit globosus Stein überein. Der Körper ist metabolisch, so dass an demselben Individuum die Form schwankt, bald mehr eiförmig, bald mehr kugelig ist. Für gewöhnlich ist das Vorderende breit abgerundet; die bodoähnliche, vorn zugespitzte Gestalt tritt erst dann hervor, wenn die Thiere ihre Nahrung aufnehmen. Sie nähren sich hauptsächlich von Algen, deren grüne Farbe bei der Verdauung in roth übergeht, so dass die Mehrzahl der Individuen solche rothe Nahrungsballen enthält. Viel- fach kriechen sie in absterbende Zellen von Spirogyra, Oedogonium etc. hinein, um den Inhalt zu verzehren (Ste 1. c. Fig. I; Kent 1. ec. p. 295). Die Aufnahme wurde direkt beobachtet. Das Thier legte sich z. B. an ein kleines Raphidium (Taf. XII, Fig. 5b), wurde vollkommen unbeweg- lich und spitzte sein Vorderende oberhalb der Geißelgrube schnabelför- mig zu. Damit bohrte es die Alge an und sog langsam die grünen Inhalts- bestandtheile in den Körper hinein, so dass schließlich nur die leere Zellhaut übrig blieb. Dann ging das Thier wieder in Bewegung über. a; ' Re 312 Georg Klebs, Bei dieser schwimmt dasselbe ziemlich frei, hin- und herzitternd, aber ohne Rotation, die Bauchseite dem Substrat zukehrend und die Schlepp- geißel demselben anlegend. Sich auf das Ende der Schleppgeißel stützend, vermag das Thier sich umzubiegen und eine neue Richtung einzuschlagen. Der bläschenförmige Kern liegt etwa in der Mitte des Körpers (Stein zeichnet ihn näher dem Vorderende); die kontraktile Vacuole liegt der Rückenfläche genähert ein Stück unterhalb des Vorder- endes. Diese Bodo-Art erinnert auffallend an die früher geschilderte Dimorpha ovata, nur dass eben die Nahrungsaufnahme eine verschie- dene ist. Längstheilung durch allmähliche Einschnürung wurde beob- achtet. Dabei blieb das Thier ruhig auf der Stelle. B. Die hintere Geifsel wenig länger als die vordere. Bodo edax Klebs (Taf. XIII, Fig. 8a—c). Körper dick eiförmig mit stark gewölbter Rückenseite und ge- furchter Bauchseite; am obersten Ende der Furche dicht unter dem schnabelförmigen Vorderende die beiden Geibßeln. Kontraktile Vacuole nahe der Geißelbasis. Nahrungsaufnahme durch Anbohren farbloser Flagellaten. Länge — I1—14 u, Breite = 5—7 u. Die eigenthümliche Körperform macht diese Bodo-Art gut kenntlich. Die freie Bewegung ist ähnlich wie bei B. saltans, abgesehen von dem gänzlich fehlenden zuckenden Hin- und Herschnellen. Das Thier liegt auf der gewölbten Rückenfläche und schaukelt beständig abwechselnd nach rechts und nach links. Die Nahrungsaufnahme erfolgt in sehr charakteristischer Weise, sehr ähnlich wie es zuerst CIEnkowskı (20) für Colpodella pugnax beschrieben hat. Während der Bewegung stößt das Thier auf Monaden oder auch unbewegliche farblose Reste thieri- scher Organismen und bohrt dieselben mit seinem spitzen Schnabel an (Fig. 85), der sich dabei verbreitert und anscheinend vollkommen mit seiner Nahrung verschmilzt. Langsam wird dieselbe in den Körper gezogen. Während der Aufnahme ist der Körper vollkommen unbe- weglich. Der Körper erscheint sehr stark lichtbrechend; die aufgenommene Nahrung wird gleich so im Körper vertheilt, dass einzelne Ballen nicht unterschieden werden können, sondern bloß einzelne Körnchen. Der bläschenförmige Kern liegt ziemlich in der Mitte des Körpers. Flagellatenstudien. I. 913 Bodo celer Klebs (Taf. XIII, Fig. 6a—c). Körper schmal eiförmig, hinten breit abgerundet, ganz allmählich gegen vorn verschmälert, dabei häufig gekrümmt. Am Vorderende seitlich die Geißelgrube. Nahrungsaufnahme durch Anbohren und Verschlucken von Monaden. Länge = 8—10 u, Breite = 4—5,5 u. Bodo celer erinnert ein wenig an saltans, ist aber schmäler und kaum zusammengedrückt, ohne die deutliche Bauchfurche. Charakte- ristisch ist die starke Lichtbrechung des ganzen Körpers und die Art der Bewegung. Nie festsitzend, ist das Thier, abgesehen von dem Augenblick der Nahrungsaufnahme, in sehr lebhafter Schwimm- bewegung begriffen mit fortwährend wechselnder Richtung. Bei dem schnellen Hin- und Herschießen findet, so viel ich sehen konnte, Rotation statt. Plötzlich stößt das Thier auf eine Monade oder Amöbe und bleibt unbeweglich liegen, mit dem Schnabel den Organismus anbohrend. Das ganze Vorderende geht ohne Grenze in den fremden Körper über, der dann eingeschluckt, bald als stark lichtbrechende Kugel ins Hinterende geschoben wird. Das Thier ist sehr gefräßig und richtet große Verheerungen unter den anderen farblosen Flagellaten an. In welcher Beziehung Colpodella pugnax Cienkowski zu Bodo edax und celer steht, lässt sich schwer entscheiden. Nach Crenkowskt besitzt Colpodella nur eine einzige Geißel an dem an beiden Enden zugespitzten Körper und fällt Chlamydomonaden an. Nach der Nahrungsaufnahme bildet das Thier eine Cyste, deren Inhalt in eine Anzahl Individuen zerfällt. Srtem rechnet zu seiner Bodo caudatus eine nachenförmig gekrümmte und in Cysten sich vermehrende Form, welche er für identisch hält mit Colpodella (Taf. II, Abth. V, Fig. 9—14). Die von mir beobachteten Exemplare unterscheiden sich durch ihre Körperform deutlich genug sowohl von der Form Cienkowskr's wie auch Stein’s. Nie sah ich sie auch bisher Chlamydomonaden anfallen, obwohl in den Kulturen solche massenhaft vorhanden waren. Die Vermehrung habe ich leider nicht gesehen. Am wahrscheinlichsten ist mir, dass Colpo- della pugnax eine besondere Bodospecies ist; Stein hat Unrecht, sie zu Bodo caudatus zu rechnen. In die Nähe dieser Bodo-Arten ist vielleicht auch Dinomonas vorax Kent (66), Taf. XXIV, Fig. 46—148 zu stellen. Die Körperform entspricht einigermaßen derjenigen von Bodo edax. Die kontraktile Vacuole befindet sich aber im Hinterende, und die Nahrungsaufnahme geschieht durch Verschlucken von Monaden an der Stelle unterhalb des Geißel- ansatzes. Beide Geißeln werden auch nach vorn ausgestreckt. 314 Georg Klebs, Bodo caudatus (Duj.) Stein [(107) Taf. II, Abth. V, Fig. 1—8). Amphimonas caudata Dusarpın (44), Taf. II, Fig. 9. Diplomastix caudata Kent (66), Taf. XXIV, Fig. 1—10; meine Taf. XIV, Fig. 3 a—e. Körper vielgestaltig, aber stets stark zusammengedrückt, meist nach hinten zugespitzt, nach vorn verbreitert. Am vorderen Ende ein Einschnitt mit den beiden Geißeln; oberhalb desselben ein Schnä- belchen. Kontraktile Blase dicht in der Nähe des Geißelansatzes. Nahrungsaufnahme durch Verschlucken und Aussaugen von Bakterien mit Hilfe des Schnäbelchens. Länge = 14—19 u, Breite = 5—8 u. Bodo caudatus gehört, wie schon Kent hervorhebt, zu den ge- meinsten Flagellaten und findet sich in Infusionen oft in enormen Mengen. Er zeigt dabei eine große Mannigfaltigkeit in der Gestalt, so dass es schwierig ist, die Hauptcharaktere derselben kurz anzugeben. Die Zeichnungen Steim’s, Kext’s, meine eigenen geben eine Anschauung davon. Trotzdem kann man diese Art leicht und sicher von anderen Bodonen trennen, weil gewisse Eigenthümlichkeiten immer wieder- kehren. | Der Körper ist stets zusammengedrückt und wird manchmal zu einem dünnen Blatte. Fast immer sieht man, dass vom Vorderende gegen hinten eine Furche schraubig um den Körper läuft. Besonders ist dieselbe deutlich, wenn der eine Furchenrand flügelartig erweitert und etwas eingekrümmt ist (Fig. 3 a.c). In den Figuren von Stein und Kent ist die Furehe nicht angegeben; überhaupt stimmen meine Beob- achtungen auch bezüglich der inneren Organisation wenig mit denjeni- gen dieser beiden Forscher überein. Das Vorderende ist im Gegensatz zu den meisten anderen Bodo-Arten breiter als das hintere, bisweilen in sehr auffallendem Grade. In Folge dessen ist die Geißelgrube von der Seite auf den oberen Rand des Vorderendes gerückt. Sehr deutlich ist über der Geißelgrube ein bald spitzeres, bald mehr abgerundetes Schnäbelchen ausgebildet. Allerdings sieht man auch vielfach Indivi- duen mit kaum hervorstehendem Schnäbelchen; fast immer aber wird es nach Tödtung mit Jod sichtbar. Das Schnäbelchen hat auch hier die Rolle des aufnehmenden Organs. Schon aus den Figuren von Sem, den Angaben Kexr's ergiebt sich, dass Bodo caudatus sich von Bacillen nährt. Beide Forscher irren aber, wenn sie die Sache so darstellen, als wenn die Bakterien durch eine Spalte zwischen den Geißeln aufgenom- men werden. Vielmehr ergreift während der Bewegung des Thieres das Schnäbelchen die Bakterien und umfasst dieselben an ihrer Basis Flagellatenstudien. I. ‘815 röhrenartig (Fig. 3c). Meistens hat die Bakterie dieselbe Lichtbrechung wie der Körper des Bodo, so dass sie in demselben schwierig zu ver- folgen ist. Ich sah aber auch Fälle, wo ein langer Faden verschluckt wurde, der seitlich wieder heraustrat, nur von dünner Plasmalage umhüllt, Bisweilen beobachtete ich auch, wie das Thier die langen Bacillen, nachdem es mit ihnen sich herumbewegt hatte, wieder losließ, vielleicht nur mit einem Theile des Inhaltes sich begnügend. Die Bacillen bilden aber nicht die einzige Nahrung der verbreiteten Flagellate; sie nimmt auch die kleinen, in Schleimhaufen vereinigten Bakterien und Mikrokokken auf. Als ich den Bodo mit Chlamydomona- den zusammenbrachte, gelang es einzelnen Individuen, solche grüne Zellen ebenfalls zu verschlucken. Immerhin war es eine seltene Er- scheinung, und dabei wurden die ganzen Zellen in den Körper aufge- nommen, nicht aber ausgesogen, wie es Bodo pugnax nach CIENKOWSKI! im Stande ist. Auch bei lebhafter Nahrungsaufnahme erscheint der Körper immer schwach lichtbrechend und fast homogen. Jedenfalls wird für ge- wöhnlich die Nahrung nicht in Vacuolen eingeschlossen. Ab und zu findet man besonders im Hinterende einzelne nicht kontraktile, helle Vacuolen. Die kontraktile Vacuole, stets nur in der Einzahl vorhanden, hat einen ganz bestimmten Platz. Sie liegt am Vorderende an der dem Schnäbelehen entgegengesetzten Ecke, welche nicht selten wulstartig hervortritt und dann gegen die Geißelgrube scharf abgesetzt ist. Nach Jodtödtung ist die Vacuole ganz besonders deutlich, weil sie auch gern dabei einen röthlichen Ton enthält. Ich bemerkte an lebenden Individuen in der Nähe der Vacuole eine lichtbrechende Kugel (Fig. 35, g), deren Substanz möglicherweise sich nach dem Tode mit der Vacuole vereinigt und die Farbe bedingt!. Die beiden Geißeln sind ziemlich gleich lang; sie scheinen nicht genau von demselben Punkte aus zu entspringen. Vielmehr glaubte ich die vordere dicht am Schnäbelchen, die hintere in der Grube selbst entspringen zu sehen. Während der Bewegung liegt die Schleppgeißel dicht dem Körper an und befindet sich höchst wahrscheinlich in der schraubig verlaufenden Furche. Die Bewegung ist sehr charakteristisch, Das Thier kennt keine Ruhepausen, da es zum Unterschied von den anderen Arten sich auch während der Bewegung ernährt. Ruhelos schießt es umher, aber nicht gleichmäßig, sondern in kleinen, schnell auf einander folgenden Zuckungen, so dass die Bewegung in einem schnellen Vorwärtszittern besteht. Dabei legt es oft lange Strecken ziemlich geradlinig zurück, I Möglicherweise handelt es sich um Glykogen. 316 Georg Klebs, ohne zu rotiren. Doch kommt es vor, dass der Körper eine Zeit lang regelmäßig rotirt, und häufig wechselt die dem Substrat zugekehrte Seite. Augenscheinlich hat die Flagellate ein lebhaftes Sauerstoff- bedürfnis, da sie in allen Infusionen und den Reinkulturen, welche man von ihr gewinnen kann, hauptsächlich an der Oberfläche sich an- sammelt. Unter dem Deckglas häuft sie sich auch sehr gern um die Luftblase an oder an den Rändern. Die Theilung geschieht bei Bodo caudatus der Länge nach im beweglichen Zustand. Die Gyste mit vielen Sprösslingen, welche Stein zeichnet, gehören nicht diesem Organismus an. Am häufigsten theilen sich die Individuen im Laufe des Nachmittags. Ich habe den Process sehr häufig von Anfang bis zu Ende verfolgt. Denn da Darringer (30) und DryspaLe, später Kent (66) bei bodoartigen Formen, welche theils dem caudatus sehr nahe stehen, theils identisch sind, Copulationen beschrie- ben haben, beobachtete ich mit großer Aufmerksamkeit die Lebens- geschichte. Auch nicht die leiseste Spur einer Copulation gelang mir nachzuweisen, das Einzige was den Anschein erwecken konnte war, abgesehen von Theilungszuständen, die immerhin seltene Erscheinung, dass ein Individuum mit seinem Schnabel ein anderes gefasst hatte um es zu verschlucken, was ihm in den von mir verfolgten Fällen nicht gelang, so dass die Trennung eintrat. Solche Paare hat Stem auch beobachtet und eben so aufgefasst, während Kznt ohne Grund und Nachweis eine Gopulation annimmt. Während der Theilung bleibt das Thier auf einer Stelle, indem es sich mit seinem Hinterende an das Substrat festsetzt, so dass selbst lebhafte Wasserströme es nicht davon losreißen. Das Thier verbreitert sein Vorderende und beginnt allmählich von diesem aus sich einzu- schnüren. Nähere Details kann ich nicht mittheilen, da das Thier während der Theilung so lebhafte und fortdauernde Gestaltveränderun- gen macht, dass es mir nicht einmal möglich war, einigermaßen richtige Abbildungen zu entwerfen. Nach Tödtung konnte man an dem kon- trahirten Körper erst recht nichts sehen. Je weiter die Einschnürung geht, um so mehr zerren sich die Tochterzellen aus einander, bis sie vor der endgültigen Trennung in Bewegung übergehen, während der- selben sich von einander lösend. In Kulturen, deren Fäulnis beendet ist, bilden die Individuen Cysten, indem der Körper sich kugelig kontrahirt, ohne dass ich eine besondere Hülle nachweisen konnte. Nach Austrocknen derselben und Befeuchten mit Wurmdekokt sah ich wieder bewegliche Individuen hervorgehen; doch habe ich versäumt, direkt die Umwandlung zu sehen. Im Allgemeinen findet die Hauptvermehrung des Bodo caudatus Flagellatenstudien. 1. 817 nicht in der ersten stürmischen Fäulnis einer Infusion statt, vielmehr erst nachher. Wenn man in ein Sumpfwasser einen gekochten Wurm hineinwirft, so treten zuerst Trepomonas, Hexamitus und andere Formen auf, und erst dann, wenn diese nach und nach verschwinden, zeigt sich in immer steigender Individuenzahl der Bodo oft vergesell- schaftet mit Polytoma uvella. Bodo mutabilis Klebs (Taf. XIV, Fig. 2a—e). Körper etwas abgeplattet eiförmig, an beiden Enden gleich breit; vorn in seitlich liegender Grube die beiden fast gleich langen Geibeln. Körper auffallend metabolisch, besonders am Hinterende. Nahrungs- aufnahme wie bei caudatus. Länge —= 8—14 u, Breite — 3—5 u. Bodo mutabilis steht im Allgemeinen der vorigen Art nahe, unter- scheidet sich aber durch seine Körperform und die lebhaften Form- veränderungen, besonders des Hinterendes, worin diese Flagellate wieder auffallend an das Verhalten einiger Dimorpha-Arten erinnert. An dem Körper, der abgeplattet eylindrisch ist, lässt sich nur schwierig eine seichte, schraubig verlaufende Furche erkennen, in welcher die Schleppgeißel liegt. Während der Bewegung, welche ähnlich wie bei caudatus in einem stoßförmigen Vorwärtsschwimmen ohne Rotation besteht, behält der Körper seine Gestalt. Sowie aber kleine Hinder- nisse in den Weg kommen, so beginnt der Körper seine amöboiden Bewegungen. Das Hinterende wird ganz dünn ausgezogen, schwillt an der Spitze an (Fig. 2b) und befestigt das Thier an das Substrat. Der Schwanzfaden wird eingezogen, Fortsätze werden an den Seiten aus- gestreckt und wieder eingezogen. Die Schleppgeißel liegt dem Körper sehr fest an; an der Stelle, wo sie frei heraustritt, kann sich der Körper ebenfalls dünn ausziehen, und es sieht dann so aus, als wenn die Ansatzstelle der Geißel ganz entfernt von der Basis der vorderen Geißel liege. Dieselbe Erscheinung bemerkt man auch an Jodpräparaten, an welchen überhaupt die mannigfachsten Körperformen zu Tage treten. Die kontraktile Vacuole liegt am Vorderende, der Kern in der Mitte des Körpers. Die Nahrungsaufnahme geschieht genau wie bei B. cau- datus durch Verschlucken von Bakterien. B. mutabilis erscheint an den- selben Standorten, ist aber viel seltener. Bodo repens Klebs (Taf. XIV, Fig. 1 a—.c). Körper eiförmig, etwas abgeplattet, vorn schief abgestutzt; in der Mitte der Abstutzung die Geißelgrube. Vordere Geißel sehr kurz. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 94 318 Georg Klebs, Kontraktile Vacuole gegen die Mitte verschoben; "Nahrungsaufnahme durch Verschlucken von Bakterien. Länge — 10—15 u, Breite = 5—7 u. Diese Art gehört, abgesehen von der schon ausgesprochenen Un- gleichheit der Geißeln, in die Nähe von caudatus, mutabilis. An dem eiförmigen Körper tritt eine seichte, etwas schraubig verlaufende Furche schwach hervor. Auffallend ist die Kürze der vorderen Geißel, welche bei keiner genauer bekannten Art sich in der Weise findet. Sie ist noch nicht halb so lang wie der Körper, während die Schlepp- geißel zweimal so lang als der Körper ist.. Die Bewegung ist ganz charakteristisch. Das Thier, seine Schleppgeißel dem Substrat an- legend, gleitet leise hin- und herzitternd vorwärts, indem es sein Vorderende dem Substrat nähert und den Körper schief aufwärts hebt — eine Bewegungsart, welche sehr vielfach bei den thierisch sich er- nährenden Euglenoidinen vorkommt. Ab und zu schlägt das Thier, sich auf seine Schleppgeißel stützend, eine andere Richtung ein. Bis- weilen schwimmt das Thier auch eine Zeit lang frei umher, lebhaft zitternd, mit beiden Geißeln herumschlagend. Die Nahrungsaufnahme geschieht durch Verschlucken von Bakterien. Bei dem Gleiten auf dem Substrat stößt das Vorderende des Körpers auf kleine Bakterien, spitzt sich zu, umfasst dieselben und zieht sie langsam in den Körper. Der bläschenförmige Kern befindet sich im vorderen Theil des Körpers, so dass er bei dieser Art oberhalb der weiter nach unten ge- schobenen kontraktilen Vacuole zu liegen kommt. Bodo angustatus (Duj.) Bütschli e. p. Heteromita angustata Dusarvın (44) Taf. IV, Fig. 24. Spiromonas angustata Kent (66) Taf. XV, Fig. 49—60. Bodo angustatus Bürscaui e. p. (13) Taf. XLVI, Fig. 6 a—n. Bodo spiralis Sreım (107) Taf. II, Abth. VII, meine Taf. XIV, Fig. 4 a—b. Körper schmal lancettlich, häufig schraubig gedreht; unterhalb des etwas schnabelförmigen Vorderendes die Geißelgrube. Vordere Geibel etwas mehr als die halbe Körperlänge; Schleppgeißel 11/; mal so lang als der Körper. Länge = 8—12 u, Breite = 1,5 —3 u. Diese Art habe ich selbst nur wenig untersucht, ich erwähne sie hauptsächlich, um sie als eine gute, leicht kenntliche Art hervorzuheben. Bürscauı hat diese Art mit der so vielfältig untersuchten Protomonas amyli (Cienkowskr’s) vereinigt. Eine Verwandtschaft in der Körperform, und Begeißelung existirt allerdings; jedoch sind die Unterschiede auffal- lend genug. Die Schwärmer der Protomonas bewegen sich größtentheils Flagellatenstudien. 1. 319 vollkommen wie Amöben, nehmen wie diese die Nahrung durch Pseudopodien auf und encystiren sich nachher. Die Individuen von Bodo angustatus verhalten sich wie andere Bodo-Arten; ich sah zwar Ver- änderungen der Gestalt, aber nie regelmäßige amöboide Bewegungen. Das Vorderende ist vollkommen bodoartig, mit der seitlichen Geißelgrube dicht unter dem schnabelartigen Vorderende (Fig. ka, b). Leider habe ich die Nahrungsaufnahme nicht gesehen, ich zweifle aber nicht daran, dass sie ähnlich wie bei den anderen Bodonen vor sich geht. Die eigenthümlichen Torsionen des schmalen lancettlichen Körpers, welche Sreın und Kent schon als charakteristisch erwähnt haben, beobachtet man in geringem Grade bei allen Individuen. Wir haben hier eine schraubig verlaufende Längsfurche, welche bei anderen Arten, z.B. caudatus, mutabilis, saltans ebenfalls vorkommt. Die Schwärmer von Protomonas amyli besitzen dagegen nicht solche Spiralfurchen. Bezüg- lich der Angaben Kenr’s, welcher bei seiner Spiromonas angustata amöboide Bewegungen, Konjugation etc. beobachtet hat, liegt die An- nahme am nächsten, dass eine Verwechslung mit Protomonas amyli stattgefunden hat. Andere Bodo-Arten. In der Litteratur finden sich noch eine große Anzahl Organismen an- gegeben, welche theils zu Bodo, theils zu Heteromita, Diplomastix gerech- net werden, welche aber wegen wenig genügender Beschreibung schwer zu erkennen sind. Gute Arten sind Bodo lens (Heteromita lens) Kent (66), Taf. XV, Fig. 1—17, Bodo rostratus und uncinatus Kent, Taf. XV, Fig. 18 bis 28, 299—41). Allerdings soll die Nahrung an jeder Stelle des Kör- pers aufgenommen werden. Aber diese Behauptung Krnr’s hat sich für manche Flagellaten als falsch erwiesen, so dass die Möglichkeit vor- liegt, dass auch bei den genannten Formen die Nahrungsaufnahme wie bei Bodo stattfindet. Sehr wenig bekannt sind die zahlreichen, para- sitisch lebenden, bodoähnlichen Organismen. Doch nach den Beschrei- bungen von Gnassı (54) und von Seuico (105) gehört Bodo lacertae (Heteromita lacertae Grassi) höchst wahrscheinlich zur echten Gattung Bodo, eben sowohl auch die von Grassı als Plagiomonas Gryllotalpae beschriebene Form. Pleuromonas Perty. Körper bohnenförmig, etwas amöboid; an der Bauchseite zwei Geißeln, die eine am Vorderende, die andere in der Mitte der Bauch- seite entspringend. Kontraktile Blase im Vorderende. Nahrungsauf- nahme mit Hilfe einer Vacuole auf der Rückenseite. a1* Ä BT 320 Georg Klebs, Pl. jaculans Perty |(90) Taf. XIV, Fig. 18 a—.). FıscH (46) Taf. IV, Fig. 106—11. Einzige Species. Diese Art hat erst durch die Beschreibung, welche Fıscu gemacht hat, einen bestimmten Charakter erhalten. Ich habe sie nicht untersucht, möchte sie nur wegen ihrer interessanten Mittelstellung zwischen Bodoninen und den Monadinen doch hervorheben. FıscH hat den Orga- nismus als Species von Bodo betrachtet, und die Ähnlichkeit besonders mit Bodo saltans ist sehr klar ausgesprochen. Doch scheint es mir richtiger die Gattung Pleuromonas zu bewahren. Die andere Insertion der Geißeln, welche in der Weise bei keiner untersuchten Bodo-Art vorkommt, ferner die Art der Nahrungsaufnahme wie bei den Mona- dinen, unterscheidet Pleuromonas deutlich von Bodo. Rhynchomonas Klebs. Körper eiförmig, etwas zusammengedrückt, seitlich am Vorder- ende eine Grube, in der die Schleppgeißel sitzt. Statt der vorderen Geißel ist das Vorderende in einen längeren, beweglichen Schnabel verlängert. Nahrungsaufnahme in dem oberen Theil der Geißelgrube. Kontraktile Blase im Vorderende. Rh. nasuta (Stokes) Klebs (Taf. XIV, Fig. 7a—b). Heteromita nasuta Storss (11%) Fig. 18. Länge = 5—6 u, Breite = 2—3 u. Der von mir beobachtete, sehr kleine, gar nicht seltene, aber leicht zu übersehende Organismus ist jedenfalls identisch mit der Art von STORES. Doch scheint es mir gerechtfertigt wegen des eigenthümlichen Vorderendes eine eigene Gattung zu gründen, da dieselbe eine durchaus eigenartige Modifikation des Bodotypus darstellt. Die vordere Geißel fehlt, oder ist mit dem Vorderende zu dem beweglichen kurzen rüssel- föormigen Anhang verschmolzen. Das Thier bewegt sich meistens lang- sam auf dem Substrat hinkriechend, beständig seinen Rüssel hin und her schlagend und sich nach verschiedenen Seiten wendend. Durch die Bewegungen des Rüssels werden kleine Körperchen gegen die Grube des Vorderendes geschleudert und, so viel ich zu sehen vermochte, dort auch eingeschluckt. Vollständige Sicherheit ließ sich bei der Klein- heit des ganzen Organismus schwer erlangen. Die Schleppgeißel sitzt im unteren Theil der Grube. Der bläschenförmige Kern liegt etwa in der Mitte des Körpers, die kontraktile Blase in der Nähe der Grube. Der Körper kann seine Form verändern, ohne ausgesprochen amöbeid zu sein. Flagellatenstudien. 1. 521 Phyllomitus Stein. Körper eiförmig bis länglich, am Vorderende mit großem, nach oben und seitlich offenem Ausschnitt, der Mundstelle; in ihm am Grunde die beiden Geißeln, eine nach vorn, die andere nach hinten gerichtet. Kontraktile Blase im Vorderende. Nahrungsaufnahme durch direktes Verschlucken fester Körper in der Mundmulde. Die Gattung ist von Srerx (107) begründet worden und umschließt bisher nur eine Art undulans (Srem, Taf. II, Abth. VII). Der Haupt- charakter sollte nach Stein darin liegen, dass die beiden Geißeln mit ihren Basen blattartig verschmolzen sind. Beobachtet ist diese Art bis- her nicht seit Stein. Ich kann mich nicht des Zweifels erwehren, ob diese Verschmelzung eine normale Erscheinung gewesen ist; ich habe Organismen beobachtet, welche sehr ähnlich dem Ph. undulans waren, mit vollständig getrennten Geißeln. Die Gattung kann man aber trotz- dem sehr gut aufrecht erhalten, wenn man das Hauptgewicht legt auf die peristomartige Mundstelle am Vorderende. Genauer untersucht ist eine neue Species dieser so charakterisirten Gattung. Phyllomitus amylophagus Klebs (Taf. XIV, Fig. 6a—e). Körper meist länglich, vorn zugespitzt und seitlich mit weitem Mundausschnitt, zugleich der Geißelgrube; Schleppgeißel nur wenig länger als die vordere. Sich vorzugsweise von Stärkekörnern ernährend. Länge = 19—25 u, Breite = 7—13 u. Dieser Organismus findet sich nicht selten, bisweilen in großer Menge in Infusionen mit stärkehaltigen Pflanzentheilen. Die Form des Körpers wechselt sehr, was besonders auch von der Menge und Art der aufgenommenen Nahrung abhängt. Im Allgemeinen ist der Körper schmal eylindrisch, etwas zusammengedrückt, hinten breit abgerundet, vorn zugespitzt, bisweilen stark schnabelförmig und schief abgestutzt. An der Abstutzung findet sich die sich seitlich ausbreitende Mulde. Die beiden Geißeln sitzen in der Mitte derselben. In einzelnen Fällen sah ich von dieser Mulde eine seichte Furche nach hinten in schrau- biger Drehung verlaufen. Die Nahrungsaufnahme habe ich mehrfach beobachtet. Während der Bewegung stößt das Thier auf Stärkekörner, umfasst dieselben mit den Rändern der sehr erweiterungsfähigen Mund- mulde und schluckt sie bei fortdauernder lebhafter Bewegung langsam hinunter. Der Durchmesser solcher Stärkekörner kann weit den nor- malen Querdurchmesser des Körpers übertreffen, in Folge dessen der- selbe nach der Aufnahme sehr verbreitert erscheint. Bisweilen werden aber doch zu große Körner angegriffen und trotz des Windens und 322 Georg Klebs, Krümmens des Thieres nicht aufgenommen. Doch sind Stärkekörner nicht die einzigen Nahrungsbestandtheile. Ich sah, wie eine größere Monade von einem Individuum angefallen war (Fig. 6 d) und verschluckt wurde, aber nicht nach Art eines Bodo mit Hilfe des Schnabels, sondern auch wieder durch Erfassen mit der ganzen breiten Mundmulde. Zu- erst eine Weile die Monade stückweise zerreißend, währenddessen seinen Körper nach allen Richtungen, aber auf der Stelle, beugend und bewegend, nahm der Phyllomitus schließlich den übrig bleibenden Rest und schluckte ihn während des Schwimmens ein. Die Bewegung er- scheint als ein sehr schnelles, freies Schwimmen, das mit beständigem Zittern verbunden ist. Der Körper ist übrigens sehr metabolisch, wie es auch schon aus der Art der Nahrungsaufnahme hervorgeht. Der bläschenförmige Kern liegt im vorderen Theil des Körpers; die kontraktile Blase nahe der Mundmulde. Die Längstheilung wurde bisher nicht beobachtet. Phyllomitus undulans Stein |(107) Taf. II, Abth. VIII]; meine Taf. XIV, Fig. 5. Körper eiförmig; Vorderende ähnlich wie bei voriger Art; vordere Geißel aber deutlich kürzer als die Schleppgeißel. Ob die von mir nur sehr flüchtig beobachtete Form identisch ist mit der Originalart Steıv’s, lässt sich nicht mit voller Bestimmtheit sagen, doch halte ich es für das wahrscheinlichste. Eine nähere Untersuchung über diese Species habe ich nicht angestellt. Colponema Stein. Körper breit eiförmig, etwas abgeplattet, vorn schief abgestutzt. Auf der Bauchseite eine an der Abstutzung breite, nach hinten sich verschmälernde Furche. Schleppgeißel länger als die vordere, in der Furche liegend. Kontraktile Blase groß, im Vorderende. Nahrungsauf- nahme? C. l1oxodes Stein |(107) Taf. XXIV, Fig. 14—16]; meine Taf. XIV, Fig. 8. Einzige Species. Länge —= 18 u, Breite = 1% u. Die Stellung von Colponema in der Nähe der bodoartigen Organis- men ist von Kent vorgeschlagen (Familie der Heteromitidae) und von BürscaLi anerkannt worden, während Srem ihn zu seinen Scytomona- dinen zählt. Ich glaube auch, dass die Art besser zu den Bodoninen als zu den Euglenoidinen zu rechnen ist. Aber ganz sicher lässt es sich noch nicht angeben, da der Organismus noch wenig bekannt ist. Das Vorderende erinnert in hohem Grade an Phyllomitus; es ist schief Flagellatenstudien. 1, 323 abgestutzt, die eine Ecke steht fast schnabelartig hervor, und der Mund- ausschnitt ist sehr breit. Der Hauptunterschied liegt darin, dass dieser Ausschnitt sich in eine schmale Furche verlängert, welche bis zu dem Hinterende reicht und nicht schraubig verläuft. Die beiden Ränder der Bauchfurche treten wulstartig hervor. Unter dem Schnabel sitzt die vordere Geißel,. Die längere Schleppgeißel soll nach Sreın in der Mitte der Bauchfurche entspringen. Ich habe ihre Insertion nicht sicher feststellen können, glaube aber, dass dieselbe höher liegt, als Srrın an- nimmt, wahrscheinlich in der Nähe der vorderen Geibel. Im vorderen Theil des Körpers nahe der Bauchfläche liegt die kontraktile Blase, welche, aus kleineren Bläschen zusammenfließend, sehr langsam an- wächst und sehr groß wird. Das ganze Plasma ist erfüllt von licht- brechenden fettartigen Kugeln; Bestandtheile, welche als Nahrungs- ballen gedeutet werden könnten, sah ich nicht. Die Bewegung besteht in lebhaften Hin- und Herschwimmen ohne regelmäßige Rotation, aber ohne Beibehaltung einer bestimmten Lage. Unter dem Deckglas verloren die Individuen leicht ihre Geißeln und rundeten sich zu Kugeln ab, aus denen die kontraktile Blase scharf hervortrat. Oxyrrhis Dujardin. Körper oval, vorn in einen am Rücken stehenden, schnabelartigen Fortsatz verlängert, an der Basis desselben eine tief muldenförmige Grube, an deren dem Schnabel zugewendeter Seite zwei ziemlich gleich lange Geißeln entspringen. Kontraktile Blase fehlend; Kern in der Mitte. Nahrungsaufnahme in der Mundgrube. Vermehrung durch Quertheilung. Bewegung stets mit dem Hinterende voran. 0. marina Duj. Taf. V, Fig. k; Kent, Taf. XXIV, Fig. 53—61. BLoCHMAnN (5) Taf. II, Fig. 14—21 ; Bürscnari (13) p. 845; GouRRET et Roser (53) Taf. XXXILU, Fig. 11—19; Möpıus (86) p. 107. Glyphidium marinum Fresenius, Conx (siehe Brocumann). Einzige Species. Diese durch ihre Art der Theilung und der Bewegung ausgezeich- nete Flagellate erwähne ich nur, um ihr die nach meiner Ansicht richtige Stellung zu geben. Kent hat zuerst Oxyrrhis mit Chilomonas und Gryptomonas vereinigt, und BürscaLı ist ihm in seinem Flagellaten- werk gefolgt. Mir scheint aber, dass die Ähnlichkeit mit Phyllomi- tus amylophagus und damit den Bodoninen sehr viel deutlicher ausge- sprochen ist, namentlich wenn man die Organisation des Vorderendes berücksichtigt. 324 Georg Klebs, Il. Polymastigina Klebs (non Bürscnni). Körper klein bis mittelgroß, stets nackt und mit wenig entwickeltem Periplast, meistens amöboider oder metabolischer Formveränderungen fähig. Die Zahl der Geißeln schwankt von drei bis zu vielen; sie sind meistens ungleich ausgebildet. Kontraktile Vacuole häufig im Hinter- ende; Kern nicht selten im Vorderende. Meist Aufnahme fester Nahrung, an bestimmten Stellen des Körpers geschehend, doch nie direkt am Vorderende. Vermehrung durch Längstheilungim beweglichen Zustande. Cysten von wenigen Arten bekannt. Wenn ich die vielgeißeligen Flagellaten von den eigentlichen Monadinen abtrenne, so will ich damit nur einen Versuch machen, dessen Berechtigung sich erst durch die weitere Forschung ergeben wird. Die Sonderung ist im Augenblick sehr passend, da die näher bekannten Mitglieder dieser Abtheilung sich außer durch die Geißel- zahl auch in anderen Beziehungen, z. B. der Nahrungsaufnahme, von den Monadinen unterscheiden. Auf der anderen Seite ist die Ver- wandtschaft zu diesen sehr klar ausgesprochen und besonders zu den Bodoninen. Ob man die Gruppen der dreigeißeligen Formen, die Tri- mastiginen (siehe p. 308), wie Trimastix, Dallingeria Kent (66), Elvirea Parona (88) zu den Bodoninen oder an den Anfang der Polymastiginen stellen soll, ist zweifelhaft, doch das letztere für den Augenblick viel- leicht passender. Wir kennen auch diese Formen nicht genau genug, namentlich nicht ihre Nahrungsaufnahme. Kent behauptet, sie hätten keine bestimmte Mundöffnung. In dieselbe Familie der Trimastiginen gehört auch der von Hrnnesuv (62) beschriebene merkwürdige Bodo necator, welcher aber, wie BürscuLı bemerkt, nicht zu Bodo gerechnet werden darf. Neuerdings wird er als Costia necatrix bezeichnet (LECLERCQ 82). Stein hat die hierher gehörenden Formen zu seinen Monadinen gestellt, BürscnLı dagegen zu seinen Isomastigoden zwischen Volvocineen und Cryptomonadinen. Die Gruppe der Isomastigoden ist, wie wir gesehen haben, nicht haltbar, und die Polymastiginen würden an und für sich schon nicht dazu gerechnet werden können, weil bei vielen die sehr auffallende Ungleichheit der Geißeln beobachtet wird. Man kann abgesehen von den Trimastiginen zwei Untergruppen unterscheiden, wenn man die mancherlei zweifelhaften Formen nicht berücksichtigt. Später wird sich dann vielleicht eine bessere Eintheilung ergeben, wenn man besonders die mannigfaltigen, vielgeißeligen Parasiten ge- nauer untersucht hat. Flagellatenstudien, I, 325 Ein näherer Zusammenhang mit den Euglenoidinen hat sich bisher nicht nachweisen lassen. Die höher differenzirten Formen haben wahr- scheinlich engere Beziehungen zu den echten Giliaten. Tetramitina Bütschli. Körper im Durchschnitt eiförmig, häufig gegen hinten verschmälert. Am Vorderende vier bis sechs Geißeln, häufig ungleich lang und theil- weise nach hinten ausgestreckt. Am Vorderende seitlich eine mulden- förmige Mundstelle, in der direkt feste Bestandtheile aufgenommen werden. Kern meist im Vorderende. Vacuole ebendaselbst oder auch im Hinterende. Diese Familie nehme ich ungefähr in derselben Begrenzung wie Bürscauı, will indessen nur die eine Gattung Tetramitus behandeln. Ferner würden dazu gehören Trichomonas, Trichomastix Blochmann (5), vielleicht auch Monocercomonas und Megastoma, beide von Grassı be- schrieben. Die Fig. 7 und 11 Taf. I bei Grassı sprechen in hohem Grade dafür, dass Monocercomonas hominis eine typische Tetramitine ist, mit vier Geißeln und einem seitlichen, schmalen Mundausschnitt. Zweifel- hafter ist die Entscheidung über Megastoma, über welche Grassı und ScHEWIAKOFF Neues berichtet haben (55). Der einseitigen, breit mulden- förmigen Mundstelle nach entspricht die Gattung vollkommen Tetra- mitus. Die Art der Begeißelung erinnert aber vielmehr an Hexa- mitus; wir haben es hier mit einer interessanten Mittelform zu thun, welche man, je nachdem man mehr Gewicht auf die Gestaltung der Mundstellen oder auf die Zahl und Ausdehnung der Geißeln legt, zu den Tetramitinen oder den Distomaten stellen wird. Ich würde mehr dazu neigen, sie der ersteren Familie zuzurechnen. Tetramitus Perty. Körper breit oder schmal eiförmig, hinten meist zugespitzt. Am Vorderende vier ungleich lange Geißeln ungefähr von einer Stelle aus- gehend. Seitlich eine verschieden gestaltete Mulde oder Furche, die Mundstelle. Kern stets im vorderen Theil des Körpers. Kontraktile Vacuole meist im Hinterende. Alle Arten in Wasser, das reich an organischen Stoffen ist. Tetramitus deseissus Perty [(90) Taf. XIV, Fig. 3]. Stem 107, Taf. II, Abth. X. Pyramimonas deseissa BürscuLı (11), Taf. XII, Fig. 21 a—b; meine Taf. XV, Fig. 1 a—b. Körper schmal eiförmig, hinten zugespitzt, vorn schief abgestutzt, 826 Georg Klebs, und seitlich mit einer breit ovalen, muldenförmigen Mundstelle versehen. Kontraktile Vacuole im Hinterende. Länge —= 13—28 u, Breite = 7—I5 u. Die in verschiedenen Größen vorkommende, zart durchsichtige Flagellate ist von BürscaLı eingehender untersucht, von Stein durch zahlreiche Abbildungen dargestellt worden. Der Hauptcharakter liegt in dem breit muldenförmigen Ausschnitt, welcher gegen hinten sich etwas vertieft und seitlich von scharfen Rändern begrenzt ist, welche bei der Seitenansicht die schiefe Abstutzung des Körpers bedingen. Die Geißeln sind, wie BürscaLı bemerkt, nicht ganz gleich; unsicher ist ihre Lage bei der Vorwärtsbewegung. Nur bei getödteten Exemplaren sah ich, dass die eine Geißel nach hinten gerichtet war; bei lebenden Exemplaren konnte ich die Lage nicht sehen. BürscnLı beobachtete die Ausstoßung aufgenommener Nahrungs- bestandtheile; ich konnte die Aufnahme bemerken. Mit dem spitzen Hinterende in einem Detritushaufen ruhig stehend, trieb das Thier mit Hilfe seiner Geißeln kleine Körperchen, Bakterien und dergleichen gegen die Mulde, und hier sanken sie sofort in das weiche Plasma ein. Zum Theil wurden dann dieselben in Nahrungsvacuolen eingeschlossen. Der Körper ist etwas metabolisch; besonders das Hinterende kann zugespitzt oder abgerundet werden. Ein dichterer, hautschichtartiger Periplast umgiebt das Innenplasma und fehlt nur an der Mundstelle. Der Kern ist von Steım im Vorderende nachgewiesen worden, die kontraktile Blase von BürscaLı im Hinterende. Die Bewegung besteht in lebhaftem freiem Vorwärtsschwimmen mit gleichmäßiger Rotation (Bürscauı 11). Tetramitus suleatus Stein [(107) Taf. II, Abth. IX]. Gollodietyon trieiliatum Carter, bei Bürscauı (13) p. 841 ; meine Taf. XV, Fig. 3. Körper dick eiförmig, doch etwas abgeplattet, vorn stark ver- breitert, nach hinten verschmälert. Vorn in einer Einsenkung vier ungleich lange Geißeln. Vor der Basis derselben verläuft seitlich und etwas schraubig eine breite Furche bis gegen das Hinterende. Kern im Vorderende; kontraktile Blase im Hinterende. Länge = 17 u, Breite = 15 u. Diese von Stein bisher allein dargestellte Art wurde von BürscuLı identifieirt mit Collodietyon trieiliatum Garter!'. Nach den Angaben von CARTER besitzt dieser Organismus drei Geißeln und nimmt mit seiner 1 CARTER, in: Ann. mag. nat. hist. Ser. III. Vol, XV. 4865. = | - Flageilatenstudien. I. 324 ganzen Oberfläche Nahrung auf, wesshalb doch wohl eine andere Form vorliegt. Die von mir beobachteten Exemplare stimmen im Allgemeinen mit den Figuren Sreiw’s überein und gehören zu einer unzweifelhaften Tetramitus-Art. Allerdings sah ich die Furche niemals so regelmäßig median verlaufen, wie Sırıvy es zeichnet. Stets verlief dieselbe mehr oder weniger seitlich, war vorn relativ breit und verengte sich gegen das Hinterende. Die Geißeln sitzen zusammen und sind ungleich lang (vgl. Stein) ; es finden sich zwei kürzere und zwei längere, über deren Lage während der Bewegung ich nichts Sicheres aussagen kann. Unzweifelhaft nimmt die Art feste Nahrung auf und zwar im Gegensatz zu allen anderen Arten relativ große Körper, Monaden und dergleichen, welche in großen runden Ballen im Körper liegen. Die Aufnahme selbst wurde nicht beobachtet; doch ist mir sehr wahr- scheinlich, dass der obere Theil der seitlichen Furche als Mundstelle dient. Die Bewegung besteht in gleichmäßig rotirendem Vorwärtsschwim- men. Unter normalen Verhältnissen findet kaum eine Formveränderung statt. Bei ungünstigen Einflüssen wie z. B. unter dem Deckglas treten starke, wenn auch langsame Veränderungen der Gestalt hervor; einzelne schmale Plasmafortsätze werden ausgestreckt und wieder eingezogen. Die aus kleinen Blasen zusammenfließenden Vacuolen habe ich stets im Hinterende gesehen; Stein giebt sie im Vorderende an. Tetramitus rostratus Perty [(90) Taf. XIV, Fig. #). Fresenius (50) Taf. X, Fig. 3—35;, Stein (107) Taf. III, Abth. I; Kent (66) Taf. XIX, Fig. 4a —48. »Galycine Monad« Dartinger und Dryvsvare (30); meine Taf. XV, Fig. 2 a—b. Körper ungefähr schmal eiförmig, vorn abgestutzt, an einer Seite etwas schnabelförmig vorspringend, nach hinten verschmälert. Am Vorderende vier ungleich lange Geißeln in einer Grube, welche sich in eine schmale Furche auf der Bauchseite fortsetzt. Unterhalb des Schnabels eine muldenförmige Mundstelle. Kern und kontraktile Blase im Vorderende. Länge = 18—30 u, Breite = 8—11 u. Diese sehr vielgestaltige Form ist besonders von Stern in allen möglichen Formen dargestellt worden. Doch tritt in seinen Figuren ein wichtiger Bestandtheil nicht deutlich hervor, die muldenförmige hreit-ovale Einsenkung, welche am Vorderende der Bauchseite dicht unter der Abstutzung sich bis zur Mitte, manchmal auch weiter nach hinten hinzieht (Fig. 2 a,b). Deutlich davon getrennt ist die schmale 328 Georg Klebs, Furche, welche gleichsam als Verlängerung der Geißelgrube erscheint und die von Stein irrthümlich als Peristomausschnitt bezeichnet worden ist. Die Nahrungsaufnahme wurde von mir mehrfach gesehen. Bakterien, theils kleine Stäbchen, theils bacillenartige Zellen stießen bei ihrer Bewegung häufig gegen den Schnabel, welcher über der Einsenkung sich befindet, und kamen dabei in der Mulde mit dem Plasma in Berührung; sie versanken darin und wurden ins Innere ge- schafft. Die längeren Baeillen wurden sehr bald zu rundlichen Ballen, welche gewöhnlich im Hinterende sich ansammelten. Die Geißeln sitzen dicht neben einander und sind ungleich lang; zwei längere und zwei kürzere lassen sich unterscheiden, und zwar schienen mir die ersteren dem Schnäbelchen näher zu stehen. Die Lage der Geißeln während der Bewegung ist auch bei dieser Art nicht bekannt. Von den anderen Arten unterscheidet sich rostratus durch die Lage der kontraktilen Vacuole, welche hier, wie STEIN an- giebt, im Vorderende sich befindet. Allerdings giebt Ste, eben so Kent zwei Vacuolen an, während ich bei meinen Exemplaren stets nur eine beobachtete, eben so wie Prrry und Fresenius. Dieselbe entstand aus kleineren, welche zunächst zwei größere bildeten, die dann zu der einzigen, großen Vacuole verschmolzen. Unter dem Deckglas wurde dieselbe bisweilen sehr vergrößert, so dass sie den Haupttheil des Vorderendes einnahm — wohl nur eine pathologische Erscheinung. Die Bewegung zeigt sich wie bei den anderen Arten; doch ist sie relativ langsam. Formveränderungen lassen sich unter dem Druck des Deckglases leicht beobachten; zum Theil beruhen wahrscheinlich auf der Fähigkeit sich langsam zu verändern die mannigfachen Gestalten, welche man bei dieser Art beobachtet. Bei einzelnen Exemplaren sah ich auch die von Sreın erwähnten Längskiele. Ferner bemerkte ich nicht selten die dichte Umhüllung mancher Individuen mit festkleben- den Bakterien, was auf eine etwas schleimige Beschaffenheit des Peri- plasten hindeutet. Die Längstheilung ist schon von Perry beobachtet worden; nach den Angaben von Perry, ferner vonDatLinger und DrysDaLe zu urtheilen, finden bei der Theilung lebhafte amöboide Gestaltveränderungen statt. Die Beobachtungen dieser Forscher über Konjugation sind höchst zweifelhafter Natur, wie ich schon früher hervorgehoben habe. Tetramitus pyriformis Klebs (Taf. XV, Fig. 4 a—d). Körper dick eiförmig, schief, vorn gewölbt, abgerundet, hinten zugespitzt. An der einen Seite eine bis zum Hinterende verlaufende schmal eiförmige Mulde, die Mundstelle, in Folge dessen der Körper Flagellatenstudien. 1. 329 an der Seite schief abgestutzt erscheint. Oberhalb der Mulde die vier deutlich ungleichen Geißeln, von denen die längste nach hinten getragen wird. Kern mit auffallend großem Nucleolus im Vorderende; kontrak- tile Vacuole im Hinterende, bisweilen auch in der Nähe des Kernes. Länge = 11—413 u, Breite = 10—12 u. Diese sehr charakteristische Art findet sich an ähnlichen Orten wie die anderen Arten, sie wurde in einer Infusion in zahlreichen Indivi- duen beobachtet. Die Körperform ist eigenthümlich. Wenn wir die kleine Grube, in der die Geißeln sitzen, als das den anderen Arten ent- sprechende eigentliche Vorderende ansehen , so erscheint dasselbe bei der Bewegung seitlich gerückt (Fig. 4 a,b). Von diesem Vorderende bis zur Endspitze verläuft die Mundmulde (in den Fig. 4 o—d, o), welche von vorspringenden seitlichen Rändern eingefasst ist. Bisweilen ist diese Mundmulde über die Spitze hinaus verlängert, und die Ränder sprin- gen flügelartig vor (Fig. 4 d). Die übrige stark gewölbte Körpermasse hat diese Mundmulde sammt Geißelgrube seitlich gedrängt. Das Plasma erscheint sehr zart durchsichtig und feinkörnig, mit wenigen körnigen Inhaltsbestandtheilen. Nahrungsaufnahme findet sicher statt. Ich be- obachtete sie an Exemplaren, welche mit dem spitzen Hinterende sich irgendwo festgeheftet hatten. Durch die Bewegung der Geißeln wurden Bakterien gegen die Mulde geschleudert, wo sie in das weiche Plasma einsanken. Die Thiere bewegen sich ruhig und gleichmäßig rotirend vorwärts; Formveränderungen des Körpers werden ähnlich wie bei den anderen Arten beobachtet. Der ganze Körper macht den Eindruck einer weichen plastischen Masse. Die Geißeln sind sehr ungleich ; die längste, welche nicht ganz doppelt so lang als der Körper ist, wird bei der Bewegung nachgeschleppt; dann finden sich zwei etwas kürzere und eine ganz kurze Geißel. Sehr auffallend ist der Kern mit seinem großen licht- brechenden Nucleolus. Die Vacuole hat nicht bei allen Individuen die gleiche Stellung; meistens am Hinterende, findet sie sich hier und dort heraufgerückt an der Rückenseite in der Nähe des Kernes. Sie ist sehr groß, entsteht wie bei allen Arten durch Zusammenfluss von kleineren. Distomata Klehs. Körper verschieden gestaltet, stets mehr oder weniger abgeplattet, ausgesprochen bilateral unsymmetrisch. Auf jeder der beiden Seiten, den entgegengesetzten Rändern genähert, je eine Furche, Mulde oder Tasche, die Mundstelle. Geißeln zu sechs, acht oder zu vielen, meist ungleichartig ausgebildet, in zwei gesonderte Gruppen angeordnet. Kern stets im Vorderende; kontraktile Blase häufig im Hinterende. Ei Sr. 390 Georg; Klebs, In diese Gruppe gehören eine Anzahl sehr häufiger und in größter Menge vorkommender Flagellaten, welche in gewisser Hinsicht unter allen am eigenthümlichsten gestaltet sind, weil sie zwei gesonderte Mundstellen haben, außerdem sehr merkwürdige Körperformen besitzen und durch die ungleichartige Ausbildung der Geibßeln oft ausgezeichnet sind. Eine gewisse Verwandtschaft der beiden Hauptgattungen Hexa- mitus und Trepomonas ist von StEın vermuthet worden, welcher beide hinter einander in seinem Tafelwerk behandelt. BürsenLı hat sie zwar in verschiedene Familien vertheilt, diese aber zusammengestellt. Kenr hat dagegen sie weiter von einander entfernt. Die nahe Verwandtschaft geht allerdings erst aus meiner Untersuchung hervor. Obwohl viel- fältig untersucht, sind diese Organismen doch wenig in ihren Eigen- thümlichkeiten erkannt worden. Schon im Jahre 1887 habe ich im Anschluss an die bekannte Arbeit Prerrzr’s (92) über die chemotaktischen Bewegungen niederer Organismen die hierhergehörigen Flagellaten genauer untersucht; ich habe jetzt noch einmal die Sache vorgenommen und die Untersuchung erweitert. Die Gattung Trigonomonas vermittelt die Verwandtschaft zu der vorigen Familie der Tetramitina. Möglicherweise führt die Gattung Spironema, deren Stellung zu den Distomata nicht ganz zweifellos ist, zu den Trichonemiden und damit zu den CGiliaten über. Trigonomonas Klebs. Körper ungefähr dreieckig, vorn breit abgerundet bis schief ab- gestutzt, hinten zugespitzt, stark abgeplattet. Unterhalb der beiden vorderen Ecken je drei ungleich lange Geißeln. An beiden Seiten je eine schwach muldenförmige, etwas schraubig verlaufende Mundstelle. Kontraktile Vacuole in wechselnder Lage. Tr. compressa (Taf. XV, Fig. 5 a—g). Einzige Species. Länge = 24—33 u, Breite = 10—16 u. In Infusionen. Diese Flagellate ist lange nicht so häufig wie die Arten der folgen- den Gattungen, findet sich aber wie diese in faulenden Flüssigkeiten. Durch die Sechszahl der Geißeln unterscheidet sie sich von den anderen Distomata und schließt sich den Tetramitinen an, welchen sie auch dadurch noch näher tritt, dass die Ausbildung zweier Mundstellen auf niedriger Stufe steht. Die Form des Körpers wechselt sehr; aber durchschnittlich kehrt doch bei allen Individuen die Dreiecksform wieder. Die vordere breite Kante ist bald deutlich gewölbt, bald fast abgestutzt, meistens mit schiefer Neigung (Fig. 5a, c). Die Längsseiten 7 Flagellatenstudien. 1. 391 sind entsprechend der starken Abplattung des Körpers sehr schmal und in typischen Fällen schief geneigt und sanft ausgebuchtet. Die schiefe Neigung ist bei den beiden gegenüberliegenden Seiten parallel ge- richtet. Dabei ist häufig ein schraubiger Verlauf der Seitenfurche zu beobachten. Oberhalb jeder Seitenfläche unter der Vorderecke sitzen in einer besonderen Grube je drei Geißeln. Auch die beiden Geißel- paare liegen nicht in einer geraden Linie, sondern das eine ist auf die rechte Seite gerückt, das andere auf die linke. Die drei Geißeln eines Paares sind alle ungleich lang, die längste ist so lang etwa wie der Körper, die kürzeste kaum halb so lang. Die Geißeln werden bei der Vorwärtsbewegung nach allen Richtungen geschlagen; keine wird hinten nachgeschleppt. Die Nahrungsaufnahme ist sehr oft von mir beobachtet worden. Während des Vorwärtsschwimmens stößt das Thier auf größere Bak- terien und Bacillen, oder während relativer Ruhe schleudern die Geißeln solche Bakterien gegen die Seite. In dem oberen Theile der Seiten- furche dicht unter der Geißelgrube sinken die Bakterien in das weiche Körperplasma ein. Bei großen Bacillen oder Spirillen kommen die Enden auf diese Weise in das Plasma und werden langsam vollständig hineingezogen (Fig. 5«). Bei sehr langen Bakterien kommt es vor, dass der Stab am anderen Ende oder an der Seite des Körpers wieder heraustritt, nur von dünner Plasmamasse überzogen, in Folge dessen der Körper des Thieres sehr anormale Gestaltungen annimmt (Fig. 5b). Meistens werden die aufgenommenen Bakterien in rundliche, licht- brechende Kugeln verwandelt. Beide Seitenfurchen sind der Nahrungs- aufnahme fähig; ich habe es bei ein und demselben Exemplar, das ich längere Zeit verfolgte, feststellen können. Das Körperplasma ist sehr zart und durchsichtig; dabei häufig stark von Vacuolen durchsetzt. Der Kern liegt stets oben dicht unter dem Vorderende; auffallend bei ihm ist, dass sich nie ein einziger runder Nucleolus, sondern ein aus zwei Theilen bestehendes, länglich semmelförmiges Gebilde findet (Fig. 5d, n). Die Struktur wird erst nach der Färbung mit Boraxkarmin oder Hämatoxylin sichtbar. Die pulsirende Vacuole hat keinen bestimmten Platz; ich sah Pulsationen im Hinterende wie im Vorderende wie in der Mitte. Man beobachtet fast immer mehrere Vacuolen dicht neben einander. Während die alte Vacuole noch vorhanden ist, bilden sich neben ihr gewöhnlich drei neue, welche nach der Systole mit einander langsam verschmelzen. Bald früher, bald später, wenn die Verschmelzung eingetreten ist, können wieder drei neue Vacuolen sich bilden; so kann man bald vier bald drei oder zwei oder nur eine große Vacuole beobachten. 332 Georg Klebs, Während der Vorwärtsbewegung rotirt das Thier gleichmäßig; doch kann es auch eine Zeit lang auf einer Seite liegend sich fortbe- wegen oder auf der Stelle hin- und herzittern. Formveränderungen des Körpers lassen sich vielfältig beobachten; abgesehen von den durch die Nahrung hervorgerufenen, treten solche wie bei anderen Polymasti- ginen unter dem Druck des Deckglases auf. In amöboider Weise werden langsam Fortsätze ausgestreckt und wieder eingezogen. Besonders lebhaft sind solche Gestaltveränderungen bei der Theilung, die auch hier der Länge nach verläuft (Fig. 5e—g). Dabei bleibt das Thier auf der Stelle, amöboid sich bewegend; an dem verbreiterten Vorderende werden zwei neue Geißelpaare gebildet. Allmählich beginnt die Ein- schnürung, welche sehr rasch vorwärts geht, da die beiden Sprösslinge wie bei den Monaden sich lebhaft aus einander ziehen, bis schließlich nur ein dünner Faden sie verbindet, durch dessen Reißen die neuen Individuen sich von einander lösen. Der ganze Theilungsvorgang beansprucht etwa °/, Stunde. Hexamitus Dujardin. Körper oval bis länglich, nur wenig abgeplattet, aber deutlich bilateral. Am abgerundeten Vorderende in zwei gesonderten Paaren je drei Geißeln, die nach vorn ausgestreckt werden; außerdem findet sich noch an jeder Seite je eine nach hinten gerichtete Geißel — im Ganzen acht Geißeln. An den entgegengesetzten Seiten der Bauch- und Rückenseite je eine Tasche oder Furche, in der die hintere Geißel liegt und in der meistens die Nahrungsaufnahme geschieht. Je eine Mundspalte liegt mit je einer Geißelgruppe in derselben Länsslinie. Kern, stets im vorderen Theil des Körpers, kontraktile Blasen an ver- schiedenen Stellen. | . Die Gattung Hexamitus ist von Dusarpın (41) in dem Sinne charak- terisirt worden, dass er sechsgeißelige Flagellaten dazu rechnet, bei welchen vier am Vorderende, zwei am Hinterende sitzen. Die Nach- folger Dusarpın’s haben diese Diagnose als richtig anerkaunt, so Stein, Kent u. A. Eine genauere Kenntnis wurde durch Bürscauı (11) ange- bahnt, welcher für die gemeinste Art inflatus sechs Geißeln am Vorder- ende angiebt. In seinem Protozoenwerk hält Bürscnuı bei der Charak- teristik der Gattung an der Vierzahl fest. Für H. intestinalis giebt Serico (105) auch neuerdings nur vier Geißeln an, während er bei inflatus wie Bürscuuı sechs beobachtet hat. Gourrer (52) will sogar bei einer Varietät von inflatus nur zwei vordere Geißeln bemerkt haben. Nach meinen Beobachtungen, welche auf ein sehr reiches Material sich stützen, finden sich bei sämmtlichen von mir untersuchten Arten Flagellatenstudien. 1. 399 sechs an der Zahl, stets sechs vordere und zwei hintere Geißeln, so dass die Gattung eigentlich Octomitus heißen müsste. Doch erscheint es passender, den alten eingebürgerten Namen zu bewahren. In der That gehört große Aufmerksamkeit und Geduld dazu, diese Thatsache festzu- stellen, weil es außerordentlich leicht vorkommt, dass die Geißeln zum Theil verdeckt sind. Wo ich aber scharf beobachten konnte, fanden sich ausnahmslos acht Geißeln. Theils leistete mir Jodlösung, theils Eintrocknen der Organismen gute Dienste. Es wäre ja schließlich nicht unmöglich, dass sechsgeißelige Formen vorkommen, aber vorläufig möchte ich fast eher glauben, dass in den Fällen, wo bisher solche an- gegeben sind, die beiden anderen Geißeln übersehen wurden. Schwieriger liegt die Entscheidung der Frage, wo die Geißeln am Körper entspringen. Mir scheint Bürscauı im Protozoenwerk den Sach- verhalt am richtigsten erkannt zu haben, da er angiebt, dass die Vordergeißeln nicht, wie Stein und Kent behaupten, von einem Punkte ausgehen, sondern in zwei gesonderten Paaren stehen. Ich habe bei allen diese Gruppirung gesehen; je drei Geißeln stehen dicht zusam- men, und die beiden Paare finden sich an entgegengesetzten Seiten des Vorderendes. Alle früheren Beobachter stimmen bezüglich der hinteren Geißeln darin überein, sie direkt am Hinterende entspringen zu lassen. Dem gegenüber muss ich hervorheben, dass es bei der Mehrzahl der Arten sicher nicht der Fall ist, dass die Schleppgeißeln höher ent- springen. Für H. inflatus, fissus, fusiformis konnte ich dieselben fast bis zu den Vordergeißeln verfolgen, so dass also zwei Gruppen von je vier Geißeln anzunehmen sind. Bei den anderen Arten konnte ich dieses Verhalten nicht nachweisen, wenn es auch sehr wahrscheinlich für alle Arten zutrifft. Das Hauptinteresse knüpft sich an die Ausbil- dung der Mundstelle und die Nahrungsaufnahme. Diese Verhältnisse sind aber nur verständlich, wenn man den ganzen Körperbau mit be- rücksichtigt, so dass ich gleich auf die Einzelheiten eingehen muss. Ich will als Ausgangspunkt die von mir neu entdeckte Form fissus nehmen, weil sie am übersichtlichsten die Organisation zeigt. Diese Art (Taf. XV, Fig. 8a—b) besitzt einen eiförmigen Körper, vorn sanft abgerundet, nach hinten stark zugespitzt. Man kann zwei gleich ge- baute Breitseiten unterscheiden. An jeder findet sich dem einen Rande genähert eine offene Spalte, welche nach vorn sich verjüngt, nach hin- ten verbreitert und an der Stelle endigt, wo das spitze Hinterende vom Körper sich abhebt. In jeder Spalte liegt eine der hinteren Geißeln, welche man, wie bemerkt, fast bis zu einer der Gruppen der vor- deren Geißeln verfolgen kann. Wichtig ist, dass die beiden Spalten auf den entgegengesetzten Rändern sich finden, so dass also, wenn die Zeitschrift f, wissensch, Zoologie. LV. Bd. 99 4 334 Georg Klebs, eine sich am rechten Rande der einen Breitseite befindet, die andere am linken Rande der anderen Breitseite hinläuft. Die Geißel liegt in der Seitenspalte nur lose und kann daraus bei der Bewegung entfernt werden; nur im oberen engeren Theil liegt sie fest an und erfüllt die Spalte. Sehr ähnlich verhält sich H. inflatus, die gewöhnlichste Art (Taf. XV, Fig. 7a—c), bei welcher ich auch zuerst die Struktur erkannt habe, obwohl sie viel schwieriger zu beurtheilen ist als bei fissus. Die Form des Körpers ist dick eiförmig mit abgestutztem oder abgerundetem Hinterende. Auf jeder Seite an entgegengesetzten Rändern beobachtet man eine sehr enge, nur ganz am Hinterende etwas weitere Spalte, welche aber hier mehr den Eindruck einer Tasche macht, da der eine Spaltenrand sich über die Spalte herüberbiegt. In jeder Spalte findet sich je eine der Schleppgeißeln. Dieselben können normalerweise nur aus dem untersten Theil der Spalte herausgeschlagen werden und liegen sonst ziemlich fest dem oberen Theil derselben an. Einen etwas abweichenderen Typus vertritt H. pusillus mihi (Taf. XV, Fig. 6a—b). Er besitzt einen kurz eiförmigen, hinten breit abgerundeten Körper. Die beiden Seitenspalten sind sehr kurz und reichen von vorn bis kaum zur Hälfte des Körpers. In ihnen liegt der Basistheil je einer Schleppgeißel fest verwachsen. Das Thier vermag die Spaltenwand sammt Geißel auf und nieder zu klappen und wie kleine Flügel zu schlagen. Wieder in anderer Weise verändert erscheint die Organisation von H. fusiformis mihi (Taf. XVI, Fig. 1 a—c), welcher Art sich höchst wahrscheinlich H. intestinalis Duj. anschließt. Der längliche Körper der ersteren Art ist seiner ganzen Länge nach an jeder Seite von einer flach muldenförmigen Furche durchzogen, welche meistens einen schwach schraubigen Verlauf hat. Die Schleppgeißeln liegen ganz frei bis zu ihrer Basis am Vorderende in den ihnen entsprechenden Furchen. Schließlich will ich noch eine Form erwähnen, H. crassus (Taf. XV, Fig. 9a—b), welche Art ich leider nur ungenügend bisher untersuchen konnte, aber hier besprechen muss, weil sie einen neuen Charakter aufweist, der am ausgebildetsten sich bei H. rostratus findet, welchen ich wegen seiner Eigenthümlichkeit in eine besondere Gattung stelle. Bei H. crassus haben wir wie bei pusillus, nur stärker ausgebildet, an jeder Seite eine Spalte (0). Die Schleppgeißeln sind aber nicht mehr in direkter Verbindung damit, sondern liegen in einer eigenen beson- deren schmalen Furche (gs). ke Dar a Die Art der Nahrungsaufnahme lässt uns die Organisation der Hexamitus-Arten verstehen. Bürsenti, Sreıy und Kenr haben für inflatus Flagellatenstudien. I, 395 bereits festgestellt, dass diese Flagellate feste Nahrung aufnimmt; doch hat Niemand die Art und Weise der Aufnahme beobachtet. Kent be- hauptet, dass keine Mundöffnung vorhanden sei, in Folge dessen er die Gattung zu seinen Pantostomata rechnet. Mir gelang es bei mehreren Arten die Aufnahme zu sehen. Die oben erwähnten Spalten können bei H. inflatus von dem Thier erweitert und verengert werden und dienen als Mundstellen. Beobachtet man Individuen, welche relativ ruhig unter dem Deckglas sich halten, so bemerkt man ein Hin- und Her- schlagen der Schleppgeißeln, wodurch ein lebhafter Strudel erzeugt wird, der die umherliegenden Körper, Bakterien, kleine Stärkekörner, sonstige organische Reste, gegen das breite, oft etwas ausgerandete Hinterende schleudert. Dabei kommen die Körperchen mit der erwei- terten Spaltenmündung in Berührung und werden momentan hineinge- zogen und in den Körper übergeführt. Im Plasma werden die aufge- nommenen Bestandtheile meist in Vacuolen eingeschlossen. Durch die Strömungen des Plasmas werden wie bei Ciliaten die Nahrungsvacuolen im Körper umhergeführt und schließlich die unverdauten Reste am Hinterende ausgestoßen. Selbst relativ große Stärkekörner werden von den Seitenspalten aufgenommen. Beide sind in gleichem Maße fähig Nahrung einzunehmen, und man kann leicht sehen, wie Bakterien bald in der einen, bald in der anderen Spalte eingeschluckt werden. Die Sicherheit, womit die Bakterien, kaum die Mundspalte berührend, in den Körper hineingezogen werden, erweckt den Gedanken, dass vielleicht durch die beständige Rotation des Plasmas eine Art Saug- wirkung ausgeübt wird, durch welche die Körperchen, nachdem sie einmal das Plasma der Mundspalte berührt haben, sofort eingeschluckt werden. Wesentlich dieselbe Art der Aufnahme zeigt sich bei H. crassus, nur dass die Mundspalten von den Spalten der Schleppgeißel räumlich getrennt sind. H. crassus zeichnet sich dadurch aus, dass größere Be- standtheile aufgenommen werden, Monaden, Trepomonaden, was ich bei inflatus nie gesehen habe. Die Mundspalte wird dabei sehr erwei- tert, zu einer weiten häutigen Tasche, aus welcher dann der aufge- nommene Körper in das Innere gleitet (Taf. XV, Fig. 9b). Bei H. pusillus und fissus habe ich gleichfalls die Nahrungsauf- nahme gesehen. Durch das Hin- und Herschlagen der Seitentasche von pusillus werden kleine Körperchen hineingeführt und erfasst. Bei fissus erfolgt ebenfalls die Aufnahme in den Seitenspalten, welche sich unter Umständen bedeutend erweitern können. Dagegen gelang es bisher nicht bei H. fusiformis die Nahrungsaufnahme zu sehen, obwohl dieselbe zweifellos ist und wahrscheinlich auch in den Seitenfurchen 22* 396 Georg Klebs, geschieht. Bei H. intestinalis ist eine thierische Ernährung noch nicht sicher nachgewiesen; es wäre nicht unmöglich, dass diese Art sapro- phytisch lebt. Der Bau des Plasmakörpers ist bei allen Arten sehr ähnlich. Ein sehr zarter mantelartiger Periplast lässt sich in einigen Fällen vom Körper isoliren. Das vordere Ende, welches zwischen den beiden Geißelpaaren sich oft kenntlich abhebt, besonders bei H. fissus, er- scheint im Leben stark lichtbrechend und enthält den bläschenförmigen Kern, welchen Stein und Bürscnaui bei inflatus nachgewiesen haben. Ich habe ihn nicht bei lebenden Thieren sehen können, sondern erst nach Fixiren und Färben mit Boraxkarmin. Das zarte Plasma ist von Vacuolen durchsetzt, theils rein wässerigen, theils mit Nahrung erfüllten; außer- dem finden sich vielfach stark lichtbrechende Kugeln in wechselnder Anzahl. Die kontraktile Vacuole hat nicht einen bestimmten Platz. Wie BürscnLı nachgewiesen hat, findet die Systole gewöhnlich am Hinterende statt, während die Bildung theils in der Nähe der alten Vacuole, theils an anderen Stellen des Körpers geschieht und die neue nach dem Hinterende geschoben wird. Bei stark gedrückten Exem- plaren beobachtete ich mehrere kontraktile Vacuolen, welche an ver- schiedenen Stellen des Körpers auftraten und verschwanden. Bei HH. pusillus tritt die Systole stets am Hinterende ein, und die neue bildet sich ganz in der Nähe der alten. Bei H. fusiformis fand ich zwei gegenüberliegende Blasen, wie es schien in der Nähe der seitlichen Längsfurchen. Die neuen entstanden immer in der Nähe der alten Vacuolen. Entsprechende Stellung nehmen bei H. intestinalis zwei Vacuolen ein, deren Pulsation ich aber eben so wenig wie Serıco (105) beobachten konnte. | Alle frei lebenden Hexamitus-Arten zeichnen sich durch die oben erwähnten stark lichtbrechenden, kugeligen Massen aus, welche von. Bürsenuı kurz erwähnt werden. Die Menge derselben wechselt außer- ordentlich nach den Lebensbedingungen. Ich kultivirte H. inflatus in einer Lösung von I %/,igem Traubenzucker und 0,5 /,igem Pepton, worin mit den Bakterien, die sich davon nährenden Hexamiten sich enorm ver- mehrten. Dabei sah ich viele große Exemplare, welche ganz vollgepfropft von den weißen Kugeln waren. Besonders reich daran sind die Indi- viduen von H. fusiformis. Die Kugeln färben sich mit Jod charakte- ristisch weinroth und verbreiten sich nach dem Tode der Thiere als rothe flüssige Masse, welche dann auch austritt und verschwindet. Bei Erwärmen des Präparates verschwindet die Färbung, welche nach dem Erkalten sofort wieder auftritt. Zerdrückt man Exemplare unter dem Deckglas, so zeigen sich die Kugeln als eine flüssige Masse, welche in Flagellatenstudien, I. 337 Wasser sich auflöst. Nach allen diesen Eigenschaften (vgl. ErrerA 45) vermuthe ich, dass die Kugeln aus Glykogen bestehen, welches bisher nicht in Flagellaten nachgewiesen, aber bekanntlich bei Giliaten sehr verbreitet ist (Cerres 17, vgl. auch Bürscauı, Protozoa, Abth. Infusoria). Die Bewegung besteht in einem lebhaften Vorwärtsschwimmen, verbunden mit gleichmäßiger Rotation. Zeitweise rotiren die Indivi- duen anhaltend auf der Stelle, oder sie kriechen in Bakterienhaufen, Organismenresten herum, sich oft gewaltsam durchzwängend. Die beiden hinteren Geißeln werden während der Bewegung passiv mit- geschleppt, während des Herumkriechens aber auch hin- und her- bewegt. Kent legt großes Gewicht darauf, dass Hexamitus intestinalis und inflatus mit Hilfe der hinteren Geißeln leicht festkleben, dabei fortfahrend lebhaft zu rotiren, was in der That vorkommt, aber nach meinem Urtheil keine weitere Bedeutung hat. Sehr lebhaft sind, wie Stein, Bürscaus, Kent und Serico schon beschrieben haben, die Form- veränderungen des Körpers, und man ist im Zweifel, ob man sie mehr als amöhoide oder metabolische Bewegungen bezeichnen soll. Doch ist hier wegen der schnellen Erlangung der normalen Form vielleicht eher an Metabolie zu denken. Am ausgebildetsten ist dieselbe bei H. fusi- formis, welcher überhaupt zu den beweglichsten Flagellaten gehört. Im Vergleich mit den anderen Hexamitus-Arten sowie den an gleichen Standorten vorkommenden Formen bewegt sich H. fusiformis blitz- schnell im Wasser umher und zeigt bei irgend welchen, auch kleinen Hindernissen, eine solche Veränderlichkeit der Körpergestalt, dass er den Eindruck einer ganz flüssigen Masse macht, welche aber doch immer ihre scharfe Abgrenzung nach außen bewahrt. H. inflatus, pusillus, fissus verhalten sich ziemlich gleich, in so fern sie während der Bewegung ihre Gestalt nicht verändern, dieses erst thun, wenn Hindernisse ihnen in den Weg treten, unter dem Druck des Deckglases, oder wenn sie in dichten Bakterienhaufen etc. herumkriechen. Alle frei lebenden Hexamitus-Arten kommen in Wasser vor, das reich an Fäulnisstoffen ist. Wie Prsrrer (92) auch nachgewiesen hat, zeigt H. inflatus eine deutliche, aber nicht sehr stark ausgesprochene Chemotaxis. Die Methode Prrrrer’s, solche Flagellaten mit Hilfe von gekochten Würmern anzulocken, ist ein ausgezeichnetes Mittel, Hexa- mitus-Arten in größerer Menge zu erhalten. Man kann von der ersten Kultur ausgehend wahre Reinkulturen von inflatus erlangen. Längs- theilungszustände lassen sich leicht beobachten, ohne dass ich ausführ- licher darauf eingegangen bin. Auffallenderweise ist es mir bisher nicht gelungen Ruhezustände zu erhalten. Ließ ich eine Kultur mit Hexamiten ruhig stehen, verschwanden dieselben vollständig, Es kommt wahr- 338 Georg Klebs, scheinlich auf Bedingungen besonderer Art an, um die Gysten zu erhalten. Bei der Beschreibung der einzelnen Arten will ich verweisend auf die vorhergehende Darstellung mich kurz fassen. Hexamitus inflatus Duj. [(40) Taf. III, Fig. 16). Bürscnui (11), Taf. XIV, Fig. 20 a.b, (13), Taf. 46, Fig. 2; Stumm (107), Taf. III, Abth. IV; Kent (66), Taf. XIX, Fig. 56—59; Prerrer (92), p- 596; meine Taf. XV, Fig. 7 a—c. Körper dick eiförmig bis fast eylindrisch, am Hinterende abge- stutzt bis ausgerandet ; Schleppgeißel vom Hinterende abgerechnet ein- biszweimal so lang als der Körper. Mundspalte schmal, bis zum hinteren Rande reichend. Kontraktile Vacuole am Hinterende verschwindend. Länge = 13—25 u, Breite = 9—15 u. H. inflatus ist eine der gemeinsten Flagellaten; es giebt kaum einen Sumpf oder Teich, welcher sie nicht enthält. Sehr wechselnd ist die Größe, eben so die äußere Gestalt. Bei der Nahrungsaufnahme ist das Thier wenig wählerisch, da es eben so sehr Bakterien wie Reste abgestorbener Pflanzen oder Thiere, Stärke, Paramylonkörner etc. einschluckt. Ob die von Gourrer (52) und Roser als Varietät erwähnte viergeißelige Flagellate hierher gehört, kann ich nicht beurtheilen. Dagegen ist wohl sicher H. nodulosus Dujardin (Taf. II, Fig. 3), wie BürscuLı auch vermuthet, nur eine Abart von inflatus, beruht wahr- scheinlich auf Exemplaren, welche reichlich mit Glykogenkugeln er- füllt waren. Hexamitus pusillus Klebs (Taf. XV, Fig. 6a, b). Körper durchschnittlich kleiner als bei der vorigen Art, stets hinten gewölbt. Schleppgeißel, vom Hinterende ab gerechnet etwa so lang wie der Körper. Mundspalte kurz, kaum bis zur Körpermitte reichend. Systole der kontraktilen Vacuole am Hinterende. Länge = 10—13 u, Breite = 8—10 u. Diese Art ist nicht so häufig wie inflatus, immerhin nicht selten. Sehr charakteristisch für diese kleine Art ist, dass sie bei der Bewegung die Schleppgeißeln sammt den damit verbundenen Mundspaltenrändern hin- und herschlägt, so dass dabei die Spalte selbst erweitert und ver- engert wird. Hexamitus fissus Klebs (Taf. XV, Fig. 8a, b). Körper birnförmig, hinten in ein kurzes stachelförmiges Ende übergehend. Schleppgeißeln, vom Hinterende ab gerechnet, kürzer wie Flagellatenstudien. 1. 339 der Körper. Mundspalten relativ breit und stark, von dem Geißelansatz bis zum Hervortreten des Endstachels reichend. Systole der kontrak- tilen Blase an einem Seitenrande. Länge — 20—26 u, Breite = 9—13 u. Diese Art ist durch ihre Körperform leicht von inflatus zu unter- scheiden. Ich beobachtete sie bisher nur an wenigen Stellen, immer aber in großer Menge. Hexamitus crassus Klebs (Taf. XV, Fig. 9«, b). Körper dick eiförmig, hinten breit abgerundet, bisweilen ausge- buchtet; Schleppgeißeln, vom Hinterende ab gerechnet, kaum länger als der Körper; dieselben in besonderen schmalen Furchen. Neben jeder eine sehr erweiterungsfähige Mundspalte bis über die Mitte des Körpers, aber nicht bis zum Hinterende reichend. Länge = 24—35 u, Breite = I4—AS u. Diese Art habe ich mehrfach beobachtet aber nie in zahlreichen Exemplaren, und zuerst habe ich die specifischen Eigenthümlichkeiten nicht erkannt. Meine Beobachtungen sind daher nur an wenigen Indi- viduen gemacht worden, so dass ich auch nicht alle Verhältnisse des Körpers genau erforschen konnte. Die Art fiel mir auf durch ihre Größe, da sie auch die größeren Individuen von inflatus darin über- trifft, und ferner durch die Größe der Nahrungsbestandtheile, unter welchen ich neben größeren Stärkekörnern andere Flagellaten, z. B. Trepomonas agilis bemerkte. Die Art ist desshalb von Interesse, weil die Scheidung von Mundspalte und von einer die Geißel umschließenden Grube eingetreten ist, eine Erscheinung, welche noch ausgesprochener bei Urophagus sich findet. Hexamitus fusiformis Klebs (Taf. XVI, Fig. 1a—c). Körper schmal cylindrisch, abgeplattet bis spindelförmig, bisweilen an dem Ende ausgebuchtet; Schleppgeißeln nur wenig über das Hinter- ende hinausragend. An den beiden Seiten eine etwas schraubig ver- laufende seichte Längsfurche. Kontraktile Blase meist zu zweien, je eine am Seitenrande. Länge — 22—27 u, Breite = 10—12 u. Über die Bewegung dieser nicht häufigen Art ist vorhin ausführ- lich gesprochen worden. Die Gestalt des Körpers ist sehr wechselnd, was schon aus den Figuren hervorgeht. Leider ist die Nahrungsauf- nahme bisher nicht beobachtet worden; daher lässt sich nicht entschei- den, an welcher Stelle der Längsfurchen die Aufnahme geschieht. ! N h I j il: 340 Georg Klebs, Hexamitus intestinalis Dujardin (41) p. 297. Stein (107), Taf. III, Abth. V; Kent (66), Taf. XIX, Fig. 60—62; Seriso (405), Taf. VIII, Fig. 1—3; meine Taf. XV, Fig. 10 a—b. Körper länglich, nach hinten häufig verschmälert mit zwei schraubig verlaufenden seichten Längsfurchen, von denen je ein Rand stärker als Längskante vorspringt. Schleppgeißel, vom Hinterende ab gerechnet, ein- bis zweimal so lang als der Körper; ohne kontraktile Vacuole. Länge = 8—13 u, Breite = 4—6 u. Im Darm von verschiedenen Wasservertebraten. Diese Art ist schon vielfach untersucht worden; aber auch hin- sichtlich ihrer Organisation stimmen meine Beobachtungen mit denen der früheren Forscher nicht überein. Obwohl Serıco mit Bestimmtheit angiebt, dass nur vier Geißeln am Vorderende sitzen, muss ich für die von mir untersuchten Individuen an der Sechszahl festhalten, welche übrigens Serıco selbst hier und dort bemerkt hat. Eben so wenig kann ich der Angabe von Stein und SerLıco beistimmen, dass die Vorder- geißeln an einem Punkte entspringen; ich sah sie wie bei allen Hexa- mitusarten in zwei gegenüberstehenden Paaren. In einigen Figuren zeichnet Steıs einige Längskanten, während Kent und Serico solche nicht angeben. In der That sind sie vorhanden und beruhen darauf, dass zwei seichte Längsfurchen schraubig am Körper verlaufen, und der eine Rand jeder Furche stärker hervortritt. Man erkennt diese Verhältnisse allerdings nur bei solchen Individuen, welche unter dem Deckglas sich sehr in die Länge gestreckt haben (Fig. 105). Die Schleppgeißeln sollen nach Srem, Kext, Serico am spitzen Hinter- ende von einem Punkte aus entspringen. Ich sah bei meinen Exem- plaren sicher, dass sie von einander gesondert sich befestigt finden. Die Stelle ihres Ansatzes konnte ich nicht erkennen; mir ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie bis zum Vorderende gehen und an derselben Stelle wie die Vordergeißeln entspringen, aber in der seichten Längs- furche sehr fest anliegen, so dass sie sich nicht vom Körper lösen. H. intestinalis steht der vorigen Art fusiformis am nächsten, unter- scheidet sich besonders durch die Länge der Schleppgeißeln. Die metabolischen Veränderungen des Körpers sind von Stein, Kent, SeLiGo genau beschrieben worden; der Kern im Vorderende ist von Stein und Seriso nachgewiesen. Über die Art der Ernährung ist nichts Genaueres bekannt; doch gab ich schon an, dass saprophytische Ernährung nicht unwahrscheinlich ist. Br Ze U er Mn nn u In ee Flagellatenstudien. I. 341 Urophagus Klebs. Körper eiförmig bis schmal länglich, hinten schnabelförmig zuge- spitzt. An der Seite des Schnabels je eine schmale längliche Spalte, in der die zwei Schleppgeißeln sitzen; vorn zwei Paare von drei Geißeln. Der Schnabel besteht aus zwei beweglichen Klappen, mit denen feste Nahrung aufgenommen wird. Kontraktile Vacuole in der Mehrzahl an den Seitenrändern. Urophagus rostratus (Stein) Klebs. Hexamitus rostratus Stein (107), Taf. Ill, Abth. VI; Prerrer (92) p. 596, 61%; meine Taf. XVI, Fig. 2 a—e. Einzige Species. Länge = 16—25 u, Breite = 6—12 u. ß) angustus (Taf. XVI, Fig. 3). Körper sehr schmal, fast lancettlich; meist langsam kriechend. Panzer 120 breite — 221: Die von Stein entdeckte Form H. rostratus will ich in eine eigene Gattung stellen. Im Allgemeinen entspricht sie der Gattung Hexamitus, besitzt aber einen unterscheidenden Charakter, der sie auch von allen Distomata trennt und welcher überhaupt bei keiner anderen Flagellate bekannt ist. Das Thier frisst mit dem Hinterende durch eine klappen- förmige Mundöffnung. Die Darstellung Stein’s giebt nur ein allgemeines ilabitusbild, ohne genauer auf die Organisation einzugehen. Die Körpergestalt wechselt auch bei dieser Art sehr nach den Individuen, ist bisweilen dick eiförmig, in anderen Fällen fast cylin- dıisch, meistens nur wenig abgeplattet. Gegen das Vorderende ver- schmälert sich der Körper etwas und trägt wie bei Hexamitus an gegenüberliegenden Seiten je ein Paar von drei gleich langen Geißeln. Stein giebt auch hier nur vier Geißeln an. Das Hinterende ist stets zugespitzt, bald scharf abgesetzt, bald allmählich aus dem Körper her- vortretend. Stets tritt es aber dadurch als eine Art Schnabel besonders hervor, weil an der Übergangsstelle von Körper und Schnabel je eine schmale Spalte verläuft. Wie bei Hexamitus liegt die eine auf der Rückenseite, die andere auf der Bauchseite an entgegengesetzten Rän- dern. Sehr weit hinauf konnte ich diese Spalten nicht verfolgen; in ihnen liegt die Basis der Schleppgeißeln, welche daher nicht wie bei der Mehrzahl der Hexamitus-Arten bis zum Vorderende gehen. Das eigen- thümlichste Organ ist der Schnabel, welcher aus zwei gewöhnlich an einander liegenden Klappen besteht. Die Berührungsfläche derselben liegt nicht in der Medianebene des Körpers, welche die Mitte des 342 Georg Klebs, Vorderendes und die Schwanzspitze verbindet, sondern verläuft schief dazu, so dass man nicht eine einzige Mittellinie, sondern zwei Linien sieht, die beiden Ränder der Schnabelspalten. Das Organ kann auf- und zugeklappt werden und besorgt die Nahrungsaufnahme. Schon während des Schwimmens der Thiere kann man die Bewegungen des Mundorgans beobachten, besonders aber wenn das Thier auf einer Stelle rotirt, an welcher körnige Organismenreste, Mikrokokken oder Bakterienhaufen sich vorfinden. Mit dem weit aus einander klaffenden Schnabel werden Theile des Haufens erfasst und in den Körper hinein- gezogen. Es ist ein interessantes Schauspiel, zu sehen, wie die Thiere einen großen Körnerhaufen anfallen, Stück für Stück von demselben losreißen, indem sie während des Umfassens mit den Klappen fort- während rotiren oder sich zeitweise lebhaft hin- und herdrehen und winden. Wir haben es hier also thatsächlich mit einem Organismus zu thun, dessen Mundöffnung direkt am Schwanzende liegt. Vielfach werden die aufgenommenen Bakterien oder Körner in Nahrungsvacuolen eingeschlossen und diese durch eine beständige rotirende Plasmaströmung im Körper herumgeschoben. Der innere Bau des Plasmakörpers verhält sich wie bei Hexamitus. Der Kern liegt im vorderen Theil zwischen den Geißeln. Glykogenkugeln finden sich oft in großer Menge. Die Stelle der kontraktilen Vacuole ist nicht ganz bestimmt; ich sah sie am hinteren Ende, eben so auch an den Seiten und beobachtete zwei für sich pulsirende Vacuolen. Die Schwimmbe- wegung, die Formyeränderungen erfolgen in sehr ähnlicher Weise wie bei Hexamitus inflatus, pusillus. Nur zeichnet sich Urophagus nach den Untersuchungen Prerrer’s (92) durch sehr ausgebildete Chemotaxis aus, so dass diese Flagellate sehr leicht durch Nährstoffe angelockt werden kann. Ob vielleicht bei U. rostratus und eben so Hexamitus inflatus eine Aufnahme gelöster organischer Stoffe neben der thieri- schen Ernährung in Betracht kommt, oder ob die Anlockung durch Nährstoffe nur indirekt diesen Flagellaten günstig ist, weil sie die- selben zu ihrer Nährquelle, den absterbenden Zellen, Bakterienmassen hinführt, lässt sich schwer entscheiden; letzteres ist wohl das wahr- scheinlichere. Urophagus rostratus, unzweifelhaft mit Hexamitus systematisch nahe verwandt, stellt einen Endpunkt in der Entwicklung der Organi- sation der Distomata dar; wenigstens sind weitere Organismen, welche sich ihm anschließen würden, bisher nicht bekannt. Die Varietät angustus würde ich als eigene Art angeführt haben, wenn nicht Übergangsformen zu rostratus sich vorfänden und in der Organisation große Übereinstimmung herrschte. Die Varietät zeichnet EEE Go Flagellatenstudien. 1, 343 sich dadurch aus, dass der kleine, sehr schmächtige, dabei meist zart homogene Körper gewöhnlich langsam herumkriecht und dabei sich hin- und herbiegt. Trepomonas Dujardin. Körper stark eiförmig bis kegelförmig, stets plattgedrückt; an beiden Enden meist abgerundet. An den Seiten durch Ausbuchtung resp. oft flügelartige Verlängerung und Einkrümmung des Randes je eine Mulde oder offene Tasche, der Nahrungsaufnahme dienend; die beiden Taschen an den entgegengesetzten Rändern der beiden Seiten; Querschnitt des Körpers $-förmig. Geißeln zu acht in verschiedenem Grade ungleich ausgebildet, in zwei Gruppen vertheilt; jede etwa in der Mitte des Seitenrandes entspringend. Kern im Vorderende; Systole der kontraktilen Blase im Hinterende. Die einzige, bisher bekannte Tr. agilis gehört mit Hexamitus infla- tus zu den gemeinsten Flagellaten und ist vielfach beobachtet worden; die innere Organisation ist eingehend von Bürscntt (11) geschildert, die Mannigfaltigkeit in der äußeren Gestalt durch Stein dargestellt worden. In Folge der sehr eigenthümlichen Gestaltung ist das Verständnis sehr erschwert. Darauf zurückzuführen ist, dass einige wichtige Punkte der Organisation bisher nicht erkannt worden sind. Ohne zu behaupten, alle Einzelheiten richtig aufgefasst zu haben, glaube ich das Wesentliche gesehen zu haben, und dieses führt zu der Ansicht, dass Trepomonas zu den Distomata gehört. Mir glückte es noch zwei andere Arten auf- zufinden, welche besonders klar die Verwandtschaft mit Hexamitus hervortreten lassen. Am einfachsten gebaut und Hexamitus am nächsten stehend ist Trepomonas rotans. Der Körper (Taf. XVI, Fig. Aa—c) erscheint breit oval, im vorderen Theil wenig, im hinteren stark zusammengedrückt, vorn abgerundet, am Hinterende häufig etwas breiter und an den Ecken abgestutzt, während die Mitte ausgerandet ist. Die beiden Breitseiten sind vollkommen gleich und regelmäßig gebaut, nur dass die dem Rande genäherten Organe auf der einen Seite rechts, auf der anderen links liegen. Oberhalb der Mitte jedes Seitenrandes sitzen zwei ziemlich gleich lange Geißeln, von denen die eine mehr nach vorn, die andere direkt nach hinten gerichtet ist. Gehen wir von der Fig. 4a Taf. XVI aus, so findet sich etwa in der Mitte des Körpers, wo die stärkere Zusammenpressung desselben beginnt, eine Mulde, welche von dem linken erweiterten und eingekrümmten Rande begrenzt wird und ganz allmählich gegen rechts hin verschwindet. Dort wo der eingekrümmte Rand am Körper sichtbar ist, schimmert 944 Georg Klebs, auch ein besonderer, schmaler Spalt in der Mulde hervor, welcher die eigentliche nahrungaufnehmende Stelle darstell. Der Einfachheit halber will ich aber die ganze Mulde als Mundtasche bezeichnen. In der linken Ecke, wo die Mundtasche in der Nähe der beiden Bewegungs- geißeln beginnt, sitzen zwei andere Geißeln, welche in der Tasche selbst liegen und nie heraustreten; ich bezeichne sie als Mundeilien. Der ein- gekrümmte Rand greift gegen das Hinterende allmählich stärker über die Mundtasche und endigt in der Mitte des Hinterendes an der Aus- randung, wo auf der anderen Seite der entsprechende Rand der rechten Mundtasche ebenfalls aufhört. Bei der Breitansicht sieht man die beiden Paare der Bewegungsgeißeln und auch die beiden Mund- taschen, die eine offen, die andere bloß durchschimmernd. In Folge des ganzen Baues erscheint das Vorderende bei der Aufsicht von unten Fig 4c) ellipsoidisch, das Hinterende schmal $-förmig. Die zweite Art will ich als Trepomonas Steinii bezeichnen, weil sie zweifellos von Stein bereits gesehen worden ist, aber zu Tr. agilis gestellt wurde, trotzdem er vier Bewegungsgeißeln, bei agilis nur zwei bemerkt hatte. Merkwürdigerweise fasst Stein diese Art als Jugend- form auf, während BürscaLı meint, dass es sich vielleicht um beginnende Zustände der Längstheilung handelt. Doch haben wir es mit einer selbständigen Form zu thun, welche von den beiden anderen Arten bisher sich sehr gut unterscheiden lässt. Der Körper (Taf. XVI, Fig. 5 a—d, ist schmäler eiförmig als bei rotans und im Ganzen viel stärker schraubig gedreht; er ist gegen das Hinterende verschmälert, was für gewöhnlich noch schärfer hervortritt, weil das Thier gern auf seiner Schmalseite liegt. Im Allgemeinen entspricht die Organisation des Körpers derjenigen von rotans. Die beiden Bewegungsgeißeln sitzen aber etwas höher am Seitenrande, und stets ist die hintere kürzer als die vordere, was im Vergleich zu agilis als wichtig zu betonen ist. Die Mundtasche hat einen ausgesprochen schraubigen Verlauf entsprechend dem eingekrümmten Körperrande. In der Schmalansicht (Fig. 5d) er- scheint die Mundtasche am breitesten oben, dort wo in der Ecke unter- halb des Ansatzes der beiden Bewegungsgeißeln zwei kurze Mundecilien entspringen. Dieselben ragen nicht selten aus der Mundtasche heraus, so dass man an Individuen bisweilen alle acht Geißeln auf einmal sieht (Fig. 5c). Weil die Einkrümmung jedes Seitenrandes schon relativ vorn beginnt, erscheint auch die Aufsicht des Vorderendes deutlich S-förmig. } Die komplieirtesten Gestalten finden wir bei der gewöhnlichsten Art agilis, und hierzu kommt ein Wechsel im Bau des Körpers, welcher jeder Beschreibung spottet. Ich will drei Hauptformen hervorheben, Put 1 9 a DE ie ad | Flagellatenstudien. 1. 345 zwischen welchen dann alle möglichen Mittel- und Übergangsformen existiren. Die kleinste und relativ einfachste Form will ich als simplex bezeichnen (Taf. XVI, Fig. 6a—c). Der Körper ist oval, zusammen- gedrückt und jeder der beiden Seitenränder ist fast seiner ganzen Länge nach erweitert und eingekrümmt, so dass die dadurch entstehen- den Mundtaschen ebenfalls sehr lang werden; sie haben kaum einen schraubigen Verlauf. Dieselben erscheinen sehr zart und durchsichtig, in Folge dessen bei der Breitansicht sich von dem mittleren dichten Körper die beiden Mundtaschen als helle schmale Blasen scharf hervor- heben. Oberhalb der Mitte jeder Mundtasche geht vom inneren Körper- rand eine einzige Bewegungsgeißel aus — der Hauptunterschied gegen- über den beiden vorigen Arten. Dafür finden sich höchst wahrschein- lich (siehe weiter unten) drei sehr kurze Mundeilien innerhalb jeder Müundtasche. Bei der zweiten Form von agilis, welche ich als communis be- zeichnen will (Taf. XVI, Fig. 7 a—c), und zu der die Mehrzahl der beobachteten Exemplare gehören, ist stets das Hinterende bedeutend breiter als das Vorderende, weil die Mundtaschen viel breiter im Ver- hältnis zur Länge des Körpers sind. Der sie begrenzende Körperrand ist flügelartig erweitert und eingekrümmt und bildet eine breitovale Mulde. Die Breitansicht gewährt dann das Bild, welches BürscaLı und Stein im Ganzen richtig dargestellt haben. Die weiteren Details sind dann von diesen Forschern nicht berücksichtigt worden. Jede Mund- tasche wird nach oben scheinbar verschlossen durch eine knieartig vorspringende Ecke des inneren Taschenrandes; in Wirklichkeit ver- engert sich die Mulde und bildet oberhalb der Ecke eine zweite kleinere Grube, in der die einzige Bewegungsgeißel sitzt. Unterhalb dieser Ecke sitzen in der Mundtasche oben die Mundcilien, welche bisher überhaupt von allen Beobachtern übersehen worden sind. Lange Zeit sah ich mit voller Bestimmtheit nur zwei, welche beim lebenden Thier lebhaft in der Tasche hin- und herzittern. Schließlich gelang es mir bei einer Anzahl Exemplare zweifellos aber je drei solcher Mundcilien zu sehen, und ich kann nichts Anderes annehmen, als dass dieselben immer vorhanden sind auch bei der Form simplex, bei welcher aber wegen der Kleinheit und Zartheit dieser Gebilde nicht völlige Sicherheit zu erlangen war. Nach der Entdeckung dieser drei resp. sechs Mundcilien war die Vereinigung von Trep. rotans und Steinii mit agilis nothwendig, obwohl ich zuerst die beiden ersten Formen in eine eigene Gattung bringen wollte. Ferner war die Be- ziehung zu der Gattung Hexamitus auch nicht mehr zu übersehen. Im Einzelnen zeigt sich bei der Form communis eine große Mannigfaltig- 346 Georg Klebs, keit. Namentlich wechselt die Gestaltung des Hinterendes, da die Taschen bald breiter oder schmäler, länger oder kürzer sind, und die beiden von entgegengesetzten Seiten kommenden Taschenränder am Hinterende sich in sehr verschiedener Weise treffen, se dass dasselbe bald gleichmäßig abgerundet, bald fast abgestutzt oder ausgerandet erscheint. Weitaus die komplicirteste Gestaltung besitzen die Individuen der Varietät angulatus (Taf. XVI, Fig. 8a, b); ich bin nicht im Stande mir über jede Linie dieser auffallenden Gebilde klare Rechenschaft zu geben und verweise auf die Bilder, welche ich, so gut ich konnte, nach der Natur entworfen habe. Die betreffende Varietät ist durchschnittlich beträchtlich größer als communis und zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass die kleine Grube der Bewegungsgeißel von communis zu einer tiefen Mulde geworden ist, welche durch eine vorspringende Ecke nach außen theilweise begrenzt ist. Ferner ist der innere Rand jeder Mundtasche zu einer stark hervorspringenden Kante geworden, welche über die Tasche sich herüberwölbt. Der ganze Körper ist eckig, dabei sehr zart durchsichtig, und stellt jedenfalls eine der eigenartigsten Flagellatenbildungen dar. Die auffallende Struktur des Körpers bei den Trepomonas-Arten erhält ihre Bedeutung durch die Kenntnis der Nahrungsaufnahme. Die thierische Ernährung ist für agilis von Bürscsui (11) mit Bestimmtheit an- gegeben worden; über die Art und Weise derselben war bisher nichts bekannt. Gerade bei agilis ist es sehr leicht dieselbe zu beobachten, da man immer einigermaßen ruhige Thiere findet, an denen man den Hergang sehen kann. Die Bewegungsgeißeln sind ruhig, dafür zittern beständig in jeder Tasche die Mundeilien hin und her und erregen einen Strudel, welcher kleine Körperchen, namentlich Bakterien in die Nähe der Mundtasche bringt. Man sieht dann plötzlich, wie solche gegen den Flügelrand anstoßend in die Mulde hineinkommen und von dort direkt in den Körper geschafft werden. Beide Taschen sind ent- sprechend wie bei Hexamitus in gleichem Maße der Aufnahme fähig. Bakterien bilden die Hauptnahrung für die Form simplex und com- munis; daher ist es erklärlich, wie diese überall sich lebhaft entwickeln, wo bei Fäulnisprocessen Bakterienscharen auftreten. Dabei können gelegentlich auch andere Körperchen, kleine Stärkekörnchen z. B., auf- genommen werden. Bei der größeren Varietät habe ich dagegen vielfach grüne Algen als Nahrung aufnehmen sehen. Innerhalb des Plasma- körpers werden die Nahrungsbestandtheile häufig in Nahrungsvaeuolen eingeschlossen. Auch bei Tr. rotans und Steinii sah ich mehrfach die Nahrungsaufnahme in gleicher Weise durch die Mundtaschen. Flagellatenstudien, I. 347 Bei allen Arten ist, wie BürscuLı für agilis zuerst nachgewiesen hat, das Plasma des Körpers in lebhafter Rotation begriffen, deren Intensität und Bewegungsrichtung wechseln kann. Eben so ist für alle Arten die Bildung der pulsirenden Vacuole gleich und erinnert sehr an die ähnlichen Erscheinungen bei Hexamitus inflatus. Bürscarı beschreibt richtig, dass die Vacuole im mittleren Plasma zuerst auftritt und dann nach dem Hinterende geschoben wird, an welchem die Systole erfolgt, dort wo die beiden Taschenränder der entgegengesetzten Seiten ein- ander nahe kommen. Dieselbe Erscheinung sieht man besonders hübsch bei Tr. rotans, bei welchem das ganze Hinterende vollkommen zart und körnerfrei und die Bewegung der Vacuole sehr sichtbar ist, welche genau in der Mediane des Körpers bis zur Ausrandung geschoben wird. Genau denselben Weg nehmen auch die verdauten Nahrungsbestand- theile, und wir haben daher bei Trepomonas eine ganz bestimmte Stelle, an der sowohl die Ausscheidung von Flüssigkeit wie diejenige der Verdauungsreste stattfindet. Einige Male beobachtete ich, wie lebhaft bewegliche Bakterien, kaum durch die Mundtasche in das Plasma aufgenommen, sofort nach hinten sich bewegten und ausge- schieden wurden. Augenscheinlich kamen sie in einen nach hinten gerichteten Plasmastrom, und der Körper war nicht schnell genug im Stande die betreffenden Bakterien zu tödten und in Vacuolen einzu- schließen. Der bläschenförmige Kern, bei welchem bisweilen Bürscati ähnlich wie bei Trigonomonas zwei dicht zusammenliegende Nucleoli beobachtet hat, liegt bei allen Arten stets und unverrückt im Vorder- ende. In der Art der Bewegung unterscheiden sich die drei Arten so scharf, dass man sofort erkennt, welche man vor sich hat. T. rotans bewegt sich sehr gleichmäßig und nicht sehr schnell, dabei beständig rotirend. Die beiden Schleppgeißeln liegen sehr häufig während der Bewegung in den Mundtaschen. Sehr eigenartig ist die Bewegung von T. Steinii. Dieselbe wechselt beständig zwischen einer ruhig schrei- tenden und einer plötzlich rasch springenden. Während der ersteren schlägt das Thier nur seine beiden vorderen Bewegungsgeißeln und zwar langsam eine nach der anderen, bei jedem Schlag mit einem Ruck sich ein Stück vorwärts bewegend und zugleich eine kleine Drehung machend. So schreitet und dreht sich langsam das Thier ruckweise, die beiden vorderen Geißeln in der Lage haltend, wie die Fig. 5 «a sie angiebt. Die Schleppgeißeln sind ruhig und werden gegen den Körper gekrümmt getragen. Plötzlich schießt das Thier einen weiten Satz machend vorwärts, um dann wieder in die ruhige Schreitbewegung überzugehen. Dieses Springen, wobei übrigens der Körper nur sehr 348 Georg Klebs, schnell schwimmt und rotirt, hat Stein bereits angegeben, und ich entnehme daraus, dass seine viergeißelige Jugendform von agilis iden- tisch ist mit meiner Tr. Steinii. Ich kenne keine andere Flagellate, welche so scharf zwei verschiedene Bewegungsarten aufweist. Während der schnellen Bewegung schlagen alle vier langen Geißeln gleich- mäßig. Bei Tr. Steinii haben daher die Geißelpaare verschiedenartige Funktionen. Die Bewegung der verschiedenen Formen von Tr. agilis erinnert wieder vielmehr an diejenige von rotans. Indessen erscheint sie viel rascher, wechselt viel schneller in der Richtung, und die Rotation erscheint nicht so gleichmäßig ruhig, weil der Körper deutlicher dabei hin- und herwackelt. Zeitweise kann auch das Thier an einer Stelle wie ein Rad sich äußerst lebhaft drehen, oder ganz still liegen. Die Vermehrung geschieht durch Längstheilung, welche sich leicht beobachten lässt, da die Thiere dabei ruhig auf der Stelle verharren. Der Körper verbreitert sich dabei zunächst am Vorderende, und hier zeigt sich auch die erste Andeutung der Einschnürung, nach welcher sehr bald die beiden Tochterzellen sich senkrecht dazu strecken, so dass dann die weitere Einschnürung als eine Quertheilung erscheint, welche Pzrry für agilis auch behauptet hat. Die ferneren Details sind von mir nicht näher verfolgt worden. Alle Trepomonas-Arten leben in Wasser, in welchem in Folge Fäul- nis organischer Stoffe Bakterien sich massenhaft anhäufen. Tr. agilis ist vielleichtnoch gemeiner wie Hexamitus inflatus, nicht bloß um Tübingen herum, wo Pr£rrEr (92) es nachwies, sondern eben so um Basel herum. Sie finden sich in relativ wenigen Exemplaren in jedem Sumpf oder Teichwasser, selbst in ganz kleinen Ansammlungen und vermehren sich in kurzer Zeit in enormer Menge, wenn man das betreffende Wasser faulen lässt. Tr. agilis besitzt, wie Prerrrr entdeckt hat, sehr lebhafte Chemotaxis und kann daher durch gekochte Würmer angelockt werden. Man kann beliebig lange Zeit diesen Organismus kultiviren, wenn man nur für fortgehende Fäulnis sorgt. Tr. rotans findet sich an demselben Standorte, aber viel seltener und niemals in der Massenhaftigkeit. T. Steinii ist wieder häufiger, liebt aber mehr ein Wasser, bei welchem die erste stürmische Fäulnis vorüber ist, und zeigt sich daher in größerer Anzahl, wenn man die faulenden Kulturen ruhig stehen lässt. Die Frage, ob Trepomonas direkt flüssige organische Stoffe aufnimmt, konnte eben so wenig wie für Hexamitus entschieden werden. Ein in der Litteratur erwähnter Organismus gehört wahrscheinlich noch in die Nähe von Trepomonas, nämlich Gyromonas ambulans Seligo (105), eine platte schraubig gedrehte Form mit vier Geißeln, Flagellatenstudien. I. | 349 welche paarweise aus den beiden abgerundeten Vorderecken ent- springen. Diese Flagellate besitzt auch eine Art Schreitbewegung, welche dann plötzlich in lebhafte Schwimmbewegung übergehen kann. Im ersten Augenblick glaubte ich, dass es sich hierbei um Trepomonas Steinii handelte. Aber die Figuren stimmen zu wenig mit den von mir beobachteten Formen überein. Szrico erwähnt auch nichts von einer Beziehung zu der viergeißeligen Jugendform Srein’s; von Mundtaschen, Mundcilien, Nahrungsaufnahme wird nichts bemerkt, so dass ich nicht weiß, wohin ich die Form zu stellen habe, da ich nicht voraussetzen möchte, dass bloß Beobachtungsfehler vorliegen. Es handelt sich viel- leicht um eine besondere Art, welche Steinii nahe steht. Zum Schluss gebe ich die kurzen Diagnosen der von mir unter- schiedenen Formen. Trepomonas rotans Klebs (Taf. XVI, Fig. La—.c). Körper breit oval, von der Mitte ab nach hinten stark zusammen- gepresst, vorn breit abgerandet, hinten mehr abgestutzt und in der Mitte ausgerundet. Durch schwache Einkrümmung der Ränder je eine seichte Mundtasche. Oberhalb der Mitte jedes Seitenrandes zwei gleich lange Bewegungsgeißeln, die eine nach vorn, die andere nach hinten ausgestreckt: in jeder Mundtasche die beiden Mundcilien etwa von halber Körperlänge. Länge = 10—13 u, Breite = 7—8 u. Trepomonas Steinii Klebs (Taf. XVI, Fig. 5 a—d). Tr. agilis Stein (107) e. p. Taf. III, Abth. III, Fig. 1—ı4. Körper etwas nach hinten verschmälert, zusammengedrückt und schraubig gedreht. Mundtaschen von entsprechendem schraubigem Verlauf, höher hinauf reichend. Vordere Bewegungsgeißeln länger als die hinteren. Mundcilien etwa von halber Körperlänge. Langsam schreitend oder plötzlich rasch vorwärts schwimmend, fast springend. Länge — 7—II1 u, Breite 3,5—6 u. Trepomonas agilis Dujardin [| (41) Taf. III, Fig. 1%). Perry (90) Taf. XIV, Fig. 15; Bürscauı (14) Taf. XII, Fig. 16 a—c; Sıeın (107) Taf. III, Abth. III, Fig. —1%; Kent (66) p. 300. Grymaea vacillans Fresensus (50) Taf. X, Fig. 48—49. Körper ungefähr oval, zusammengedrückt, doch sehr verschieden im Einzelnen gestaltet. Nur eine Bewegungsgeißel an jedem Rande und je drei sehr kurze Mundtcilien. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd, 93 350 Georg Klebs, a) simplex (Taf. XVI, Fig. 6a—c). Körper schmal eiförmig, an beiden Enden ziemlich gleich breit; Mundtasche in Form einer die Längsseite fast einnehmenden hellen Furche. Länge —= 7—8 u, Breite — 1,8—2 u. - ß) communis (Taf. XVI, Fig. 7a—b). Körper hinten breiter als vorn in Folge der blasenartig erweiter- ten Mundtaschen. Oberhalb jeder in besonderer kleiner Grube die Bewegungsgeißel. Länge = 13—25 u, Breite = 9—19 u. y) angulatus (Taf. XVI, Fig. Sa—b). Körper größer als bei « und £, hinten wenig breiter als vorn, sehr eckig und kantig. Bewegungsgeißel in einer tief eindringenden Grube des Vorderendes. Körperrand an jeder Mundtasche kielartig hervortretend. Länge = 30 u, Breite = 15 u. Spironema Klebs. Körper lanzettlich, etwas plattgedrückt, in einen feinen Schwanz- faden ausgehend, metabolisch. Vom Vorderende an beiden Längsseiten je eine seichte schraubig verlaufende Furche. Zahlreiche kleine Geißeln in zwei Längsreihen, je eine am einen Rande jeder Seitenfurche sitzend. Kontraktile Vacuole im Hinterende. Kern? Sp. multieiliatum Klebs (Taf. XVI, Fig. 9 a—c). Einzige Species. Länge = 1418 u, Breite = 2—3 u. Diesen zarten Organismus habe ich an verschiedenen Standorten in Teichwasser beobachtet, doch immer nur in vereinzelten Exempla- ren. Die Körpergestalt ist sehr charakteristisch durch das lange spitze Schwanzende, die schraubig verlaufenden beiden Seitenfurchen, welche vom Vorderende ausgehen und sich bis zu der Stelle, wo der Schwanz- faden anfängt, hinziehen. Sehr eigenartig ist die Bewimperung. Der eine Rand jeder Spiralfurche in der Fig. 9a, b der rechte der nach oben liegenden, der linke der nach unten liegenden Furche ist mit zahlreichen kleinen Wimpern besetzt, welche gewöhnlich nicht gleichmäßig, son- dern jede für sich schlagen. Bei den ersten Exemplaren (Fig. 9a, b) beobachtete ich nur am oberen Rand solche Wimpern; neuerdings fielen mir Exemplare auf, bei denen bis zum Hinterende resp. dem Anfang des Schwanzes solche Wimpern saßen (Fig. 9c). Vielleicht habe ich sie früher übersehen. Flagellatenstudien. I, 351 Das Thierchen bewegt sich ziemlich schwerfällig hin und her im Wasser. von Zeit zu Zeit sich mit dem spitzen Schwanz festsetzend. Der hintere Körpertheil sammt Schwanz ist ziemlich steif und wird kaum verändert. Der vordere Theil des Körpers ist dagegen sehr meta- bolisch, zieht sich zusammen und streckt sich wieder, krümmt und biegt sich nach allen Seiten. Durch die Bewegung der Cilien werden kleine Körperchen gegen die Furchen geschleudert, und ich glaubte zu sehen, dass kleine Bakterien, kleine grüne Körperchen im oberen Theil der Furche in das Plasma einsanken, wo sie in Vacuolen eingeschlossen wurden. Im Hinterende, dort wo der Schwanz anfängt, liegt die kontraktile Vacuole. Leider konnte die Vermehrung nicht beobachtet werden, welche bei dieser Art kennen zu lernen von Wichtigkeit wäre. Spironema unterscheidet sich von allen Distomata und den übrigen Flagellaten durch die große Anzahl kleiner Geißeln und nähert sich auffallend den Ciliaten. Es wäre von großem Interesse zu wissen, ob Längstheilung oder Quertheilung stattfindet. Zunächst hat Spironema augenscheinlich Beziehungen zu einer Reihe leider sehr wenig bekannter Organismen, welche theils eine bis zwei längere Geißeln und daneben eine Anzahl kurzer Cilien besitzen. Kent hat diese Formen in die Familien der Heteromastigidae, Stephanomonadinae und Trichonemidae zusammen- gestellt. Neuerdings hat Mösıus (86) eine Trichonema gracile entdeckt, welche auffallend an meine Spironema erinnert, nur dass statt des steifen Schwanzes am Hinterende eine bewegliche Geißel am Vorderende sich findet und die kleinen Cilien, wie es scheint, gleichmäßig um den Körper angeordnet sind (Mösıus [86] Taf. X, Fig. 21—23). In der Art der Bewegung scheint sich dieser Organismus wieder mehr Spironema zu nähern. Mößıus stellt Trichonema zu einer Abtheilung der Gilio- flagellaten, ohne allerdings näher anzugeben, was er darunter versteht. Es ist von Bürscazı! hervorgehoben, dass bisher keine nähere Bezie- hung zwischen Ciliaten und Flagellaten existirt, abgesehen vielleicht von den noch sehr wenig bekannten Formen wie Multicilia Cienkowski, Grassia Fisch. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass diese viel- geißeligen Flagellaten einen Übergang zu den Ciliaten bilden und möchte speciell die Aufmerksamkeit auf diese noch so wenig bekannten Formen lenken. (Theil II mit der Figurenerklärung und dem Litteraturverzeichnis folgt im nächsten Heft.) 1 BürscaLı, Protozoa, Abth. II. Infusoria. N % # IRRE TE “2 if, a de | ® IuRn Ar RT RE Flagellatenstudien. Von Georg Klebs (Basel). Theil II. Mit Tafel XVII—XVIIT!, Ill. Euglenoidina Bütschli (emend.). Größere Formen, mit deutlich entwickelter Plasmamembran, nie amöboid, aber oft metabolisch. Am Vorderende eine oder zwei Geißeln von gleicher oder verschiedenartiger Ausbildung, welche an oder meistens in einer Einsenkung sitzen, die bei den thierisch sich ernäh- renden Arten mit einer distinkten Mundöffnung in Verbindung steht. Kontraktile Vacuole groß, sehr entwickelt, ausnahmslos im Vorderende. Kern groß, je nach den Arten an verschiedenen Stellen des Körpers liegend. Körper farblos oder mit grünen, meist scheiben- selten bandförmigen Chromatophoren. Ernährung holophytisch, saprophy- tisch oder thierisch. Meist einzeln lebend, sehr selten in Kolonien, manchmal in beson- deren Gehäusen. Theilung in beweglichem oder ruhendem Zustande. Cystenbildung bei einem Theil der Formen bekannt. Diese Abtheilung der Flagellaten umschließt die größten und aus- gebildetsten Formen derselben. Ich nehme sie wesentlich in dem Um- fange an, wie es BürscuLı vorgeschlagen hat, entferne indessen einige von ihm dazu gerechneten Gattungen, wie Chromulina, Microglena, welche zweifellos zu den Chrysomonadinen gehören, rechne anderer- seits die Anisonemaformen hinzu, welche, wie man sehen wird, zu den anderen Gattungen die innigste Verwandtschaft zeigen. Die Haupt- masse der Euglenoidinen stellt eine höchst natürliche Gruppe vor, deren einzelne Glieder durch so enge Verwandischaftsbeziehungen verbunden sind, dass jede weitere Eintheilung in Unterabtheilungen und Gattungen Verwandtes aus einander reißen muss. 1 Da die Theilung der Arbeit erst nach ihrer Vollendung geschah, so konnte nicht verhindert werden, dass für Theil II auch eine Anzahl Figuren der Tafeln des Theil I in Betracht kommen, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 9% 394 Georg Klebs, Im Ganzen ist die Abtheilung der Euglenoidinen von den Mona- dinen und Polymastiginen im Augenblick noch ziemlich scharf getrennt, wenn auch einzelne Formen, wie Scytomonas, Anisonema-Arten, andererseits Colponema gewisse Verwandtschaftsbeziehungen auf- weisen. Nähere Verbindungsglieder sind noch zu entdecken. Ich theile die Abtheilung in folgende Familien ein: Euglenida, Astasiida, Peranemida. Euglenida Klebs. Körper länglich spindelförmig bis platt gedrückt bandförmig, radiär gebaut mit einer Neigung zur Bilateralität, metabolisch oder starr, mit gestreifter Plasmamembran. Vorderende etwas schief abgestutzt, mit einer trichterförmigen Einsenkung versehen, in welcher eine, selten zwei gleiche Geißeln sitzen. Nahe dem Geißel- oder Membrantrichter das Vacuolensystem, bestehend aus einer langsam pulsirenden Haupt- vacuole, in welche eine bis mehrere Nebenvacuolen münden. An der Hauptvacuole fast stets ein deutlicher Augenfleck. Im Körper grüne scheiben- selten bandförmige Chromatophoren; dieselben bisweilen fehlend. Stets Paramylonkörner von mannigfacher Gestalt. Theilung in der Ruhe, nicht selten dabei von Gallerthüllen umgeben. Diese Familie, über welche ich früher eine ausführliche Monogra- phie (70) veröffentlicht habe, bildet in der von mir angenommenen Umgrenzung eine durchaus natürliche Gruppe, welche dann ohne merkbare Grenze in die folgende Familie der Astasiiden übergeht. Die Hauptunterschiede der Euglenen von den Astasiiden liegen in dem Vorhandensein von Chlorophylikörpern und besonders in der Theilung in der Ruhe; beide Unterschiede sind aber, wie ich gezeigt habe, nicht durchgreifend. Die farblosen Varietäten der grünen Eugleniden bilden die Übergangsformen zu den ausschließlich saprophytisch sich ernähren- den Astasiiden. Leider können wir den Saprophytismus nicht direkt in jedem Falle sicher beweisen. Doch ist es in hohem Grade wahr- scheinlich, dass bereits grüne Euglenen neben ihrer Kohlenstoffassimi- lation direkt organische Stoffe aus ihrer Umgebung entnehmen, wie auch Kuaweıne (67) für Euglena viridis ausführlich nachgewiesen hat. Neuere Kulturen von allen möglichen Arten der Gattung Euglena und Phacus lehren, dass eine üppige Entwicklung längere Zeit hindurch . erreicht werden kann, wenn man von Zeit zu Zeit in das Kulturgefäß zersetzungsfähige, organische Theile, z. B. Stücke von gekochten Wür- mern oder frische Stücke von Kartoffelknollen hineinbringt. Man muss Flagellatenstudien. II. 355 nur die Menge nach der Größe des Kulturgefäßes bemessen, um nicht zu stürmische Fäulnisprocesse hervorzurufen. Ich will hier nicht ausführlich auf die Eugleniden eingehen, ver- weise vielmehr auf meine Monographie, das Werk von Bürscarı, die neueren Abhandlungen von Scunitz (99), Hüsner (63), Dangearn (3%) u. A. Folgende Gattungen rechne ich zu der Familie. Euglena Ehbg,, Colacium Ehbg., Eutreptia Perty, Ascoglena Stein, Trachelomonas Ehbg., Phacus Nitzsch, Cryptoglena Ehbg. Näher erwähnen will ich an dieser Stelle nur die Gattung Crypto- glena, welche mir erst in neuerer Zeit bekannt geworden ist. Cryptoglena Ehbg. Körper starr, oval, etwas zusammengedrückt, hinten schwach zu- gespitzt, auf der Bauchseite mit einer Längsfurche. Am Vorderende ein kleiner Einschnitt mit einer Geißel. Auf den Flanken des Körpers liegen der Plasmamembran zwei Schalen aus festerer Substanz an. Zwei längs- verlaufende Chlorophylibänder; am Innenrande des einen ein Augenfleck. Cryptoglena pigra Ehbg. (meine Taf. XVI!, Fig. 10 a—e). EnrenBerg (43) Taf. VII, Fig. 2; Stein (107) Taf. XIX, Fig. 38—40. Chloromonas pigra Kent (66) p. 401. Einzige Species. Länge —= 11—15 u, Breite = 6—7 u. Nicht selten in Teichwasser, aber meist nicht sehr zahlreich. Cryptoglena pigra ist durch Stein leicht kenntlich abgebildet, scheint aber seitdem nicht näher beschrieben worden zu sein. STEIN hatte bereits diesen Organismus in die Nähe von Phacus gestellt, worin ich ihm früher wegen mangelnder Kenntnis nicht gefolgt bin. BürscaLi (13) rechnet ihn zu seinen Coelomonadinen, Kent zu den Chrysomona- dinen, indem er zugleich den Gattungsnamen ändert und den Namen Cryptoglena für die von CArrteEr entdeckte Cryptoglena angulosa be- wahrt. Der letztere Organismus gehört indessen nach den Beohbach- tungen von Serıco (105), neuerdings von GoLEnkin? zu den CGhlamydo- monadinen, und muss als Pteromonas alata bezeichnet werden. 1 Siehe Theil I. 2 GOLENKIn, Pteromonas alata Cohn. Ein Beitrag zur Kenntnis einzelliger Algen. Bull. de la soc. nat. Moskau 1891, 24* 356 Georg Klebs, Leider sind wegen Spärlichkeit des Materials auch meine Beob- achtungen noch lückenhaft, doch kann ich auf einige Besonderheiten aufmerksam machen. Die Haupteigenthümlichkeit zeigt sich in der Ausbildung des Periplasten. Wie bei anderen Eugleniden findet sich eine mäßig derbe Plasmamembran, welche in koncentrirter Essigsäure, Kalilauge etwas aufquillt, aber nicht verquillt. Behandelt man ein Exemplar mit Alkohol, so treten noch deutlicher als beim lebenden Objekt die beiden Längsseiten als scharfe Kanten (Fig. 10c) hervor. Sowie man dann den Körper durch Chloralhydrat, Essigsäure, Kalilauge zum Aufquellen bringt, lösen sich von seinen Flanken zwei Schalen ab. Dieselben stellen sanft gebogene, sehr dünne, aber feste Gebilde vor (Fig. 10d und e), welche im Leben dicht der Plasmamembran anliegen und sowohl den vorderen wie hinteren Theil, ferner die Bauchfurche und wahrscheinlich auch die Mitte des Rückens frei lassen. Im hinteren Theil des Körpers liegt der von Stein schon bemerkte Kern. Nicht entscheiden kann ich die Frage bezüglich des Vacuolen- systems. Stein bildet richtig im Vorderende eine Vacuole ab, von der es aber ungewiss ist, ob sie der Hauptvacuole der anderen Euglenen genau entspricht, da wegen Undurchsichtigkeit des Innern ich Pulsa- tionen von Nebenvacuolen nicht beobachten konnte. Merkwürdig er- scheint die Lage des Augenfleckes, da derselbe, wie bereits STEIN bemerkte, dem einen Chlorophylibande genähert ist und nicht wie bei allen anderen Eugleniden an der Hauptvacuole liegt. Die Bewegung der CGryptoglena besteht in einem raschen Vorwärts- schwimmen, verbunden mit beständiger Rotation; zeitweilig erfolgt eine lebhafte Drehung auf einer Stelle. Bezüglich des Verhaltens zum Licht, der Vorliebe für Wasser, das reich an organischen Substanzen ist, schließt sich Cryptoglena allen anderen Euglenen an. Sie nimmt sonst unter ihnen eine etwas eigene Stellung wegen der vorhin ange- deuteten Besonderheiten ein. Die Längstheilung sowie die Ruhezustände sind bisher nicht beob- achtet worden. Astasiida Klebs. Körper langgestreckt, meist mit gestreifter Plasmamembran, starr oder metabolisch. Vorderende gebaut wie bei den Eugleniden, aber ohne Augenfleck. Neben der Hauptgeißel bisweilen eine kleinere Nebengeißel. Körper stets farblos. Theilung im beweglichen Zustand. Saprophytische Ernährungsweise. Diese Familie bildet eine wahre Mittelgruppe zwischen Eugleniden und Peranemiden. Der innige Zusammenhang mit den ersteren wurde Flagellatenstudien. II. 397 bereits betont; ein solcher lässt sich in gleicher Weise mit den letzteren beobachten, so dass es schwierig ist, die Grenze richtig zu ziehen. Ich lege das Hauptgewicht auf die Gestaltung des Vorderendes und fasse als Astasiiden diejenigen Formen zusammen, bei welchen mehr oder weniger tief von der Spitze des Vorderendes aus in der Längsachse des Körpers ein Kanal eindringt, in welchem die Geißel sitzt. Bei der überwiegenden Mehrheit der Peranemiden findet sich statt dieses Geißel- oder Membrantrichters eine auf der Bauchseite verlaufende Falte, in der die Mundöffnung liegt. In der Beschreibung der Gattungen und Arten herrscht große Ver- wirrung und weitgehende Meinungsverschiedenheit der einzelnen For- scher. Ich will, anküpfend an meine frühere Untersuchung, von Neuem den Versuch machen, die Gruppe zu ordnen. Astasia Dujardin. Körper während der Bewegung meist spindelförmig, sehr meta- bolisch, mit einer einzigen Geißel. Im Gegensatz zu Sıeın (107), welcher in seiner Astasia proteus eine Menge verschiedener Formen zusammengeworfen hat, war ich in meiner früheren Arbeit (70) auf Dusarpın zurückgegangen, und zählte ich zu der Gattung die eingeißeligen Formen. Bürscatı (13) hat dage- gen die Gattung Astasia auf die zweigeißeligen beschränkt und für die anderen zwei neue Gattungen geschaffen. Andererseits hat SeLico (105) sich in der Beziehung Stein angeschlossen, dass er Rhabdomonas in- curva als Jugendform von Astasiopsis distorta (Duj.) betrachtet. Zweifel- los sind die verschiedenen Astasiiden durch die zahlreich vorhandenen Varietäten und Formen sehr schwer aus einander zu halten. Daraus folgt aber nicht, dass die so. verbundenen Formen eine einzige Art bilden. Es ist außerdem in höchstem Grade unwahrscheinlich, dass die starre, mit Längsrippen versehene Rhabdomonas incurva eine Jugendform der metabolischen, fein spiralig gestreiften Astasia distorta vorstellt. Wir kennen ja überhaupt bei keiner Flagellate Jugendformen, welche von den Zuständen des Alters wesentlich abweichen, sondern höchstens sich in unausgewachsenem Zustande bisweilen theilende Indi- viduen. So lange daher nicht direkt unter dem Mikroskop die Umbil- dung der Rhabdomonas in die Astasia oder umgekehrt beobachtet worden ist, darf an der Selbständigkeit beider Formen nicht gezweifelt werden. Serıco beruft sich noch darauf, dass bei der Rhabdomonas keine Längstheilung beobachtet worden sei. An und für sich schon könnte daraus für die vorliegende Frage nichts entnommen werden ; dazu kommt, dass ich neuerdings die Längstheilung in der That gesehen habe, 358 Georg Klebs, Auch nach meinen neueren Beobachtungen scheint es mir am an- gemessensten, die eingeißeligen, metabolischen Formen der Gattung Astasia einzuverleiben und die zweigeißeligen der Gattung Distigma zuzuweisen. Astasia margaritifera Schmarda. ScumarnA (97) Taf. I, Fig. 5; Perry (90) p. 167; Kress (70) Taf. II, Fig. 16. Astasiodes margaritifera? Bürscarı (13). Astasiopsis distorta Serıco (105) Fig. 33—38. Körper während der Bewegung spindelförmig, nach hinten stark verschmälert, sehr metabolisch. Plasmamembran relativ schwach spi- ralig gestreift, in koncentrirter Essigsäure verquellend. Paramylon- körner klein, kurz abgeflacht eylindrisch. Länge = 50—59 u, Breite = 13—20 u. Diese von mir auch neuerdings häufig beobachtete Form hat voll- kommen den Typus einer Euglena und steht der Eugl. hyalina sehr nahe. Nach der Beschreibung und den Zeichnungen gehört die Asta- siopsis distorta (Duj.) Seligo hierher; der von ihm angewandte Name ist mir nicht recht verständlich, da das Cyelidium distortum Dujardin nach dem Entdecker eine Monadenform ist. Eher könnte man die Astasia contorta desselben Autors hierher rechnen; doch handelt es sich bei dieser Species um eine im Meer lebende und sehr stark spiralig gestreifte Form. Es giebt noch einige andere nicht selien vorkommende Formen, welche der margaritifera sehr nahe stehen (vgl. Serıco [105] Taf. VIII, Fig. 36, 37), ohne dass sich mit Bestimmtheit sagen lässt, ob sie dazu gehören oder bei genauerer Untersuchung sich als verschieden herausstellen werden. Astasia inflata Duj. (41) Taf. V, Fig. 41; Kress (70) Taf. II, Fig. 18. Astasia proteus e. p. Stein, Taf. XXI, Fig. 48—50. Körper während der Bewegung meist plattgedrückt eiförmig, weni- ger metabolisch als die vorige Art. Plasmamembran stark spiralig ge- streift, in koncentrirter Essigsäure nicht verquellend. Paramylonkörner größer und länger gestreckt als bei der vorigen Art. Länge = 35 u, Breite = 12 u. Astasia curvata Klebs. Euglena curvata Kress (70) Taf. II, Fig. 12. Astasiopsis distorta (Duj.) Bürscauı (13) Taf. XLVII, Fig. 4. Körper während der Bewegung cylindrisch, aber stets deutlich gekrümmt, nach vorn verschmälert, lebhaft metabolisch, dabei häufig Flageliatenstudien. II. 359 sich tordirend oder abflachend. Vorderende verschmälert, abgestutzt. Paramylonkörner klein. Plasmamembran schwach spiralig gestreift. Länge = 46 u, Breite =5 u. Diese leicht kenntliche Art habe ich früher zur Gattung Euglena gerechnet, weil sie in Bezug auf die Gestaltung des Vorderendes speciell mit Euglena acus eine weitgehende Ähnlichkeit besitzt. Ich gebe aber gern zu, dass sie sehr wohl zur Gattung Astasia gezogen werden kann, wenn auch bezüglich des einen Charakters, der Art der Theilung, noch Ungewissheit herrscht. Für eine neue Gattung, wie BürscaLı vorschlägt, liegt nach meiner Ansicht kein genügender Grund vor, und eben so wenig dafür, sie mit der zweifelhaften Monade (siehe oben) Cycelidium distortum zu identificiren. In der Bewegung begriffen, während wel- cher der Körper sich nicht verändert, erinnern die Individuen auffallend an das Menoidium pellueidum, und so stellt diese Art ein Verbindungs- glied zwischen Eugleniden und Astasiiden vor. Distigma Ehrenberg. Körper länglich spindelförmig, äußerst metabolisch, auch während des Schwimmens; Vorderende sehr ähnlich wie bei Astasia gebaut, doch neben der Hauptgeißel eine kleinere Nebengeißel, welche nach vorn ausgestreckt wird. Distigma proteus Ehbg. (42, 44) Taf. VII, Fig. 4; Kent (66) Taf. XXI, Fig. 46—49. Astasia proteus e. p. Stein, Taf. XXI, Fig. 4A—51. Astasia tenax (O. F. Mürzer) Bürsenu (13) Taf. XLVII, Fig. 9. Diese merkwürdige Flagellate steht der Gattung Astasia sehr nahe, besonders der Astasia margaritifera, und nur das Vorhandensein der Nebengeilel berechtigt zu einer generischen Trennung; ich folge Kent, indem ich die alte Eurengerg' sche Gattung Distigma anerkenne. Das Vorderende ist etwas abgestutzt und in der Mitte ausgerandet; hier zieht sich ein Kanal bis gegen die Hauptvacuole, wie Steın und Kent es bereits bemerkt haben. In der Ausrandung sitzen neben einander die beiden Geißeln, doch konnte ich nicht sicher entscheiden, wie weit dieselben mit ihrer Basis in dem Kanal stecken. Die beiden von EHrEnBERG und Sıeın am Vorderende beobachteten schwärzlichen Punkte fand ich bei den mir vorliegenden Individuen nicht. Die metabolischen Bewegungen dieser Flagellate sind mehrfach beschrieben worden (vgl. die Abbildungen bei Sreın und Kenr), sie ent- sprechen denjenigen der Eutreptia viridis. Der Körper ist gewöhnlich von Paramylonkörnern ganz erfüllt. Die Längstheilung erfolgt wie EN = een Ai Er 360 Georg Klebs, bei Astasia im geißeltragenden Zustande unter sehr lebhaften metabo- lischen Bewegungen. Menoidium Perty. Körper starr, langgestreckt, meist etwas gekrümmt; Vorderende wie bei Astasia mit einer einzigen Geißel. Plasmamembran wenig quellbar, längsstreifig. Paramylonkörper meist eylindrisch. Ich möchte jetzt die Gattung weiter fassen als PErTy, Stein und ich selbst es früher gethan haben, indem ich die Rhabdomonas incurva hinzuziehe, da in der That der Unterschied zwischen dieser Art und Menoidium pellucidum viel geringer ist als derjenige zwischen einzelnen Euglena- resp. Phacus-Arten. Die Gattung Menoidium umschließt dann die starren, eingeißeligen, Astasia-ähnlichen Flagellaten. An und für sich würde auch die von Stein entdeckte Atractonema teres hierher gehören; wie ich aber weiterhin erläutern will, ist es in hohem Grade wahrscheinlich, dass dieselbe identisch ist mit einer von mir beobach- teten Sphenomonas-Art. Die Gattung Atractonema ist in keinem Falle genügend von STEIN motivirt worden. Menoidium pellucidum Perty |(90) Taf. XV, Fig. 19]. Stein (107) Taf. XXIII, Fig. 30—34; Kıess (70) Taf. II, Fig. 13; Kent (66) Taf. XX, Fig. 15; Bürscaui (13) p. 824. Körper zart durchsichtig, flach sichelförmig, vorn in einen kurzen, oben abgestutzten oder zweispitzigen Hals verschmälert. Plasmamem- bran zart, dicht längsstreifig. Ä Länge —= 40 u, Breite 7—10 u. Menoidium erinnert im Bau des Vorderendes eben so sehr an Eu- glena acus wie an Astasia curvata, stellt aber einen sehr leicht und sicher erkennbaren Organismus vor. Menoidium incurvum (Fres.) Klebs. Rhabdomonas incurva Fresentus (50) Taf. X, Fig. 16—47. Kıess (70) p. 294 und 323; Bürsenui (13) p. 824; Astasia proteus STEIN e. p. (107) Taf. XXI, Fig. 53; Serico (105) p. 167. Astasia costata Künstler ? Körper cylindrisch, an beiden Enden abgerundet, meist etwas ge- krümmt. Plasmamembran mit weit von einander stehenden Längs- streifen versehen. Länge —= 16—21 u, Breite = 7—8 u. Die Selbständigkeit dieser Art habe ich gegenüber Stein und Srrico oben vertheidigt. Letzterer beschreibt an seinen Exemplaren eine rings Flagellatenstudien. II. | 361 um den Körper gehende Längsfurche, welche ich bisher nicht beob- achten konnte. Die Theilung verläuft ganz wie bei allen Flagellaten durch allmähliche Einschnürung vom Vorderende aus. Wie sich die von KünstLer beschriebene Astasia costata mit einer kleinen Nebengeißel zur vorliegenden Art verhält, kann ich nicht angeben; vielleicht steht sie zu ihr in demselben Verhältnis wie Distigma proteus zu Astasia marsgaritifera. Sphenomonas Stein. Körper starr, länglich, nicht gekrümmt, mit einem oder mehreren Längskielen;; Vorderende ausgerandet, mit einer Haupt- und einer sehr kleinen Nebengeißel. Im Hinterende ein großer, schwach lichtbrechen- der, homogener Gallertkörper. Sphenomonas teres (Stein) Klebs (Taf. XVII, Fig. 1 a—b). Atractonema teres Sreım (107) Taf. XXIII, Fig. 35 —41 ; BürsenuLı (13) p. 824. Körper spindelförmig, auf einer Seite mit einem wenig hervortre- tenden Längskiel versehen. Plasmamembran zart längsstreifig. Neben- geißel sehr klein. Die von Stein als Atractonema teres abgebildete Flagellate habe ich gar nicht selten, wenn auch meist vereinzelt beobachtet. Bei näherem Studium fielen mir einige Charaktere auf, welche die Zugehörigkeit zu Sphenomonasin hohem Grade wahrscheinlich machten. Die Nebengeißel habe ich sicher bei zahlreichen Individuen gesehen, aber immerhin ist sie so klein, dass ein Übersehen sehr erklärlich ist. Ferner tritt bei den Individuen ein Längskiel auf der einen Seite des sonst rund spindelför- migen Körpers hervor. Sehr charakteristisch ist das Vorhandensein des eigenthümlichen Körpers im Hinterende {Fig. Ia—b, R), welcher von STEIN bei Atractonema als Keimkugel, bei Sphenomonas quadrangularis als Gallertkörper bezeichnet wird. Die letztere Auffassung ist auch für Sphenomonas die richtige; in der That handelt es sich um einen eigen- artigen Inhaltsbestandtheil, welcher bisher nur der Gattung Spheno- monas eigen ist und bei manchen Individuen mehr als die Hälfte des Inhaltes ausmacht. Er ist jedenfalls weder den Paramylonkörnern noch den Fettkörpern an die Seite zu stellen; er löst sich nicht in Alkohol, Äther, verquillt in Wasser, Natronlauge, Ammoniak, verschwindet aber nicht, sondern tritt nach Auswaschen der Reagentien und Behandlung mit Alkohol wieder hervor. Näheres über die Zusammensetzung und Bedeutung des Gallertkörpers ist nicht bekannt. Sphenomonas teres nimmt keine feste Nahrung auf, sondern lebt wie andere Astasiiden 362 Georg; Klebs, saprophytisch. Der Gallertkörper ist vielleicht ein Produkt dieser Er- nährungsweise und entspricht physiologisch dem Paramylon. Der Gallertkörper wechselt in seiner Größe je nach den Individuen. Nicht ganz sicher bin ich hinsichtlich der Organisation des Vorder- endes. Nach den Zeichnungen Srteıw’s entspricht dasselbe vollkommen demjenigen von Astasia resp. Distigma. Mir schien auch bisweilen, aber eben nicht deutlich genug, von der Ausrandung des Vorderendes ein Kanal bis gegen die kontraktile Vacuole zu verlaufen. Die Basis der beiden Geißeln konnte ich aber nie darin verfolgen. Ferner konnte ich auch nicht eine distinkte Hauptvacuole und Nebenvaeuolen unter- scheiden; ich sah nur Pulsationen einer Vacuole, welche aus kleineren allmählich zusammenfloss. Entschieden abweichend von allen anderen Astasiiden erscheint die Bewegung der Sphenomonas teres. Man beobachtet keine freie, mit Rotation verbundene Vorwärtsbewegung, sondern ein Gleiten und Kriechen auf dem Substrat, wobei der Körper mit seinem Vorderende dasselbe berührt und sonst sich schief in die Höhe stellt. Sich stützend auf die Basis der Hauptgeißel, kann der Organismus sich drehen und eine andere Richtung einschlagen. Sehr häufig liegen die Individuen vollkommen ruhig da. Längstheilungszustände habe ich eben so wie Stein. mehrfach gesehen. Die Art der Bewegung erinnert auffallend an diejenige der Perane- miden, wie überhaupt Sphenomonas in der Mitte zwischen Astasiiden und Peranemiden steht. Sphenomonas quadrangularis Stein [(107) Taf. XXI, Fig. 49 —53]. Körper etwas breiter spindelförmig als bei voriger Art, mit vier hervorragenden Längskanten versehen, so dass der Querschnitt fast quadratisch ist. Im Hinterende häufig ein Gallertkörper. Diese Art ist bisher nur aus den Abbildungen Srein’s bekannt. Danach erscheint sie im Wesentlichen organisirt wie Sphenomonas teres, abgesehen von der eigenthümlichen äußeren Form. Peranemida Klebs. Körper starr oder metabolisch, meist ausgesprochen bilateral, mit gestreifter derber Plasmamembran. Vorderende mit einer einzigen Geißel oder mit zwei ungleich ausgebildeten Geißeln, welche in einer mehr oder weniger tiefen Einsenkung sich befinden. In der Nähe der Geißelbasis eine distinkte Mundöffnung meist an der Bauchseite. Im Vorderende die pulsirende Vacuole in verschiedener Ausbildung. Er- nährung durch Aufnahme fester Stoffe. Flagellatenstudien. II. 363 Schon in meiner früheren Arbeit habe ich eine Familie der Pera- nemeen unterschieden, aber nur zwei Endpunkte derselben, die Gat- tungen Peranema und Anisonema behandelt. Stein, Kent und Bürscarı haben die hierher gehörigen Formen in verschiedene Familien, oft an weit aus einander liegende Stellen ihrer Systeme gestellt. Meine neueren Untersuchungen lassen aber sehr deutlich den systematischen Zusammenhang der mannigfaltigen Gattungen erkennen, und die ganze Gruppe als eine natürliche Familie hervortreten. Im Allgemeinen haben die Peranemiden noch große Ähnlichkeit mit den Astasiiden, und die von mir entdeckte Euglenopsis, ferner Heteronema-Arten, Peranema u. a. erinnern in hohem Grade an vorhin besprochene Formen. Und doch gehören die Mehrzahl der Peranemi- den einem veränderten Typus an. Vor Allem ist es das Vorhandensein eines besonderen Mundes, mit dem zugleich noch andere Apparate in Verbindung stehen können, was die Peranemiden auszeichnet. Man würde sich von vorn herein vorstellen, dass der Membran- oder Geißel- trichter der Euglenen und Astasiiden direkt in ein Mund- resp. Schlund- organ umgewandelt sein würde. Schon früher habe ich für die Eu- glenen nachgewiesen, dass der Membrantrichter dadurch zu Stande kommt, dass die Membran sich einfaltet, wobei sie aber allmählich an dieser Stelle, in das Körperplasma übergeht. Der Grund des Trichters ist augenscheinlich nicht durch Meınbran verschlossen, und das Körper- plasma erscheint nur desshalb hier nicht in direkter Berührung mit der Außenwelt, weil die Geißel aus ihm entspringt. Da nun der Mund bei allen Peranemiden zunächst nichts Weiteres ist als eine Unterbrechung der derben Plasmamembran, so hätte der Membrantrichter der Euglenen und Astasiiden bloß erweitert werden müssen, um zur Aufnahme fester Nahrungsbestandtheile zu dienen. Indessen nur wenige Formen unter den Peranemiden weisen auf diesen Gang der phylogenetischen Ent- wicklung hin, eigentlich nur Urceolus, welcher allerdings mit bisher be- kannten Astasiiden wenig Berührungspunkte hat. Bei der Mehrzahl der Peranemiden scheint die Entwicklung einen anderen Weg genommen zu haben. Der Membrantrichter ist dadurch zur Mundöffnung gewor- den, dass er seitlich gleichsam aufgeschlitzt und dadurch zu einer auf der Bauchseite offenen Falte wurde, in deren oberem Theil die Geißel entsprang, in deren unterem Theil die Mundstelle lag. Vergleiche der Euglenopsis mit Euglena hyalina oder Astasia margaritifera, eben so von Heteronema acus mit Distigma proteus machen diese Annahme sehr einleuchtend. Natürlich könnte die Entwicklung auch den um- gekehrten Weg eingeschlagen haben; unwillkürlich aber hält man die Peranemiden für höher differenzirte Wesen als die Astasiiden, und man 364 Georg Klebs, wird nicht fehl gehen, wenn man Formen wie Anisonema, Entosiphon, eben so auch die von mir neu entdeckte Dinema Perty als den am höchsten entwickelten Typus der Flagellatenreihe ansieht. In Bezug auf das Bewegungsorgan finden wir verschiedene Fälle, ohne dass es möglich ist, danach die Gattungen in verschiedene Abthei- lungen zu sondern. Wir haben eingeißelige Formen, wie Peranema, Euglenopsis, Petalomonas, zweigeißelige, bei denen stets die Geißeln ungleichartig ausgebildet sind, so dass die eine nach vorn, die andere nach hinten ausgestreckt wird. Bald ist die vordere die Hauptgeißel, die hintere kleiner wie bei Heteronema-Arten, oder es zeigt sich das umgekehrte Verhältnis wie bei Dinema, Anisonema. Außerdem existi- ren Formen, bei welchen die Geißeln keine großen Längenunterschiede zeigen. Bei einer Reihe Arten lässt sich der Nachweis führen, dass die Geißeln mehr oder weniger tief im Plasmakörper inserirt sind, wie z. B. bei Urceolus, Dinema, Anisonema. Vielleicht ist die Erscheinung allgemein, und es liegt nur an der Schwierigkeit, die Geißelbasis im Plasmakörper zu unterscheiden, dass bei anderen Peranemiden es noch nicht beobachtet wurde. In der Nähe der Geißelbasis liegt die Mundöffnung, d.h. diejenige Stelle, an der die Plasmamembran nicht entwickelt ist, so dass feste Körper direkt in das Körperplasma aufgenommen werden können. Mit der Mundöffnung in Verbindung stehen bei einzelnen Formen beson- dere Apparate, auf die bei Besprechung der Arten aufmerksam gemacht werden soll. Die Nahrungsaufnahme selbst ist selten beobachtet worden, Bürscnti hat dieselbe bei Peranema, Petalomonas, ich selbst bei Peranema und Euglenopsis gesehen. Als Produkte des Stoffwechsels erscheinen Fetttröpfehen und Paramylonkörner. Die ersteren, stark lichtbrechende runde, homogene Tröpfchen bildend, sind bei vielen Peranemiden sehr häufig und manchmal in sehr großer Menge vorhanden. Sie sind von Stein bei Heteronema nebulosa erwähnt und abgebildet und von mir in gleicher Weise bei Dinema, Anisonema-Arten, Peranema etc. nach- gewiesen worden. Sie lösen sich leicht in Alkohol, schwärzen sich mit Osmiumsäure. Sehr häufig und in wechselnder Menge finden sich Paramylonkörner vor. Ich beobachtete früher eben so wie Stein die- selben bei Peranema, war aber nicht sicher, ob dieselben erzeugt oder mit der Nahrung aufgenommen worden waren. Meine neueren Beob- achtungen, besonders bei Formen, wie Heteronema-Arten und Dinema, welche von paramylonfreien Organismen sich gewöhnlich ernähren, und doch stets Paramylonkörner besitzen, führen zu der Ansicht, dass diese Substanz ein Stoffwechselprodukt der Peranemiden, der Eugleniden Flagellatenstudien. II. 365 und Astasiiden ist. Außerdem beschreibt BürsenLı das Vorkommen von bräunlichen Exkretkörnchen von nicht näher bekannter Natur im Hinterende von Peranema, Anisonema und Entosiphon. Die Ausscheidung von unverdauten Theilen der Nahrung ist von Stein bei Peranema am Hinterende beobachtet worden, und derselbe For- scher zeichnet für Anisonema und andere Formen eine bestimmte After-- öffnung. Ich habe die Ausstoßung bei Euglenopsis, Peranema, Aniso- nema truncatum ebenfalls am Hinterende beobachtet und halte dafür, dass an einer bestimmten Stelle des Hinterendes die Plasmamembran weniger dicht ist, um als Auswurfsöffnung zu dienen; indessen habe ich diese Stelle als solche nicht besonders ausgezeichnet gefunden. Eine wichtige, aber schwierig zu lösende Frage bezieht sich auf das Vacuolensystem, namentlich im Vergleich zu demjenigen der Eu- glenen und Astasiiden. Nur bei einigen wenigen Peranemiden ist das- selbe genauer untersucht worden, ganz besonders bei Peranema tricho- phorum und Anisonema acinus. Diese Formen, verschiedenartige Typen innerhalb derselben Gruppe bildend, können aber gut als Vertreter dienen. Für Peranema geben Bürscnui (1 1, 43) und neuerdings Fiıscn (46) ziemlich übereinstimmend an, dass durch Zusammenfließen kleiner Vacuolen eine größere entsteht, welche bei der Kontraktion in einen Flüssigkeitsstreifen übergeht, der bis zur Gegend der Mundspalte sich hinzieht. Ich habe früher (70), und namentlich bei erneuter Prüfung dasselbe gesehen, fasse aber den Sachverhalt anders auf. Die Vacuole öffnet sich an ein und derselben ganz bestimmten Stelle in der Nähe des Mundapparates, indem sie dabei eine Flüssigkeitsblase bildet, welche allerdings sogleich sich zusammenzieht und, wie ich Bürscatı und Fıscn zugeben möchte, scheinbar verschwindet. Meine Bezeich- nung für diese Blase als Hauptvacuole war daher vielleicht nicht ganz richtig, wenn auch das Vacuolensystem der Euglenen das einzige unter den anderen Flagellaten war, welches eine Analogie darbot. Ich muss auch jetzt annehmen, dass eine besondere, nur schnell zusammenfallende Blase in der Nähe des Mundapparates sich findet, in welche successive Vacuolen einmünden, welche aber gleich ihren Inhalt weiter, d.h. wahrscheinlich nach außen geben. Zu dieser Annahme nöthigt mich die Beobachtung, dass man diese Blase erhalten und ihre Wand färben kann, wie Fig. 45, Taf. XVII deutlich zeigt. Solche Präparate erhielt ich durch langsame Einwirkung von GrenAacHer’schem Hämatoxylin auf lebende Peranema-Exemplare. Diese Farbstofflösung wirkt langsam wasserentziehend und ruft dieselbe Erscheinung hervor, welche ich als sehr charakteristisch für die Hauptvacuole der Euglenen hervorgehoben habe, nämlich eine starke Volumvergrößerung der Blase. In Salz- Nr; 366 Georg Klebs, lösungen erhielt ich bei Peranema nur sehr selten die Erscheinung, weil die Individuen zu schnell sich kontrahirten und tordirten, so dass wenig mehr an denselben zu erblicken war. Die Wandung der Blase färbt sich mit Hämatoxylin in gleichem Grade wie der Zellkern, so dass man beides gefärbt in dem sonst ungefärbten Körper beobachten kann. In ganz entsprechender Weise scheinen die Verhältnisse des Vacuolensystems bei Anisonema acinus zu liegen, welche ich von Neuem genauer untersucht habe. Auch hier habe ich früher von einer Haupt- und Nebenvacuole gesprochen, während BürscaLı nur eine einfache pulsirende Vacuole erwähnt. Diese, aus kleineren Bläschen entstehend, mündet aber unzweifelhaft in einen besonderen Behälter, welcher dicht an der Basis der eingesenkten Schleppgeißel liegt (Taf. XVII, Fig. 8b), und sich nach der Vereinigung zusammenzieht, aber immer als zarter Schlauch sichtbar bleibt. Noch mehr nähert sich den Ver- hältnissen bei Euglenen und Astasiiden das Vacuolensystem von Ento- siphon sulcatum. Wie ich schon früher bemerkt habe, beobachtete ich auch neuerdings, dass eine Hauptvacuole vorhanden ist, welche kurz nach dem Einmünden einer Nebenvacuole sich zuerst zu einer länglichen Blase ausdehnt und dann sich, wahrscheinlich nach Aus- stoßung eines Theiles der Flüssigkeit, zu einer Kugel zusammenzieht. Nun entstehen hinter einander eine ganze Anzahl von Nebenvacuolen, nach deren Einmündung nur schwache Kontraktionen der Hauptvacuole bemerkbar werden, bis dann nach einiger Zeit wieder eine stärkere Entleerung derselben erfolgt. Bei den übrigen Peranemiden ist das Vacuolensystem noch nicht so genau erforscht worden; bei Formen, wie Heteronema acus, globuliferum, scheint es noch ganz den Charakter wie bei den Astasiiden zu tragen, bei Dinema dagegen mehr dem Typus von Anisonema anzugehören. Die Verwandtschaftsbeziehungen der zu den Peranemiden gehöri- gen Formen sind derartig in einander verschlungen, dass es äußerst schwierig ist Untergruppen zu bilden, ohne Verwandtes von einander zu trennen. Denn ob ich den Hauptwerth auf die Geißelzahl, oder die ganze Organisation des Vorderendes oder auf die Starrheit resp. die Metabolie des Körpers lege, immer entstehen unnatürliche Gruppirun- gen. Ich will nun der Einfachheit halber vier Untergruppen bilden und am Schluss versuchen, die gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Gattungen in einer Tabelle kurz auszudrücken. A. Peranemesae. Körper metabolisch. Plasmamembran spiralig gestreift; eine Geißel. Flagellatenstudien. II. 367 Euglenopsis Klebs. Körper spindelförmig; am Vorderende seitlich eine längliche Mund- falte, in deren oberem Theil eine einzige Geißel eingesenkt ist; beson- derer Mundapparat fehlend. Euglenopsis vorax Klebs (Taf. XVII, Fig. 2 a—d). Länge = 21—-26 u, Breite = 7—A u. In Infusionen mit faulenden stärkereichen Pflanzentheilen. Dieser Organismus ist in systematischer Beziehung von großem Interesse, weil er so recht in der Mitte zwischen Eugleniden, Astasiiden und Peranemiden steht. Seiner ganzen Erscheinung nach entspricht er der Euglena hyalina, ist andererseits der Astasia margaritifera sehr ähnlich, unterscheidet sich aber durch das Vorderende und nähert sich sehr der Gattung Peranema, zu welcher ich ihn überhaupt gestellt hätte, wenn nicht der Mangel des charakteristischen Mundapparates dagegen gesprochen hätte. Statt des Membrantrichters haben wir eine seitliche Falte, in der die Geißel oben sitzt, während unterhalb derselben die Mundöffnung sich befindet. Ich beobachtete die Nahrungsaufnahme, wobei große Stärkekörner von den Rändern der Mundfalte erfasst und allmählich ins Innere hineingezogen wurden. Der größte Theil der beobachteten Individuen war erfüllt von Stärkekörnern, welche wenig- stens zum Theil unverändert wieder am Afterende ausgeschieden wur- den. Doch bemerkte ich auch andere Nahrungsbestandtheile, solche welche von aufgenommenen anderen Flagellaten herzurühren schienen (Fig. 2b). In der Nähe der Mundfalte liegt die pulsirende Vacuole. Der Kern wurde nicht beobachtet. Die Bewegunssart entspricht derjenigen der meisten Euglenen und Astasiiden. Der Organismus schwimmt frei umher, dabei rotirend, wenn auch ab und zu der Körper eine Zeit lang auf einer Seite liegen bleibt. Die metabolischen Bewegungen treten erst auf, wenn die äußeren Be- dingungen sich plötzlich ändern, und sind im Ganzen nicht lebhaft. Während der Bewegung kann der Körper in der Mitte anschwellen und sich wieder strecken; in stärkerem Grade finden solche Gestaltver- änderungen statt, wenn die Geißel abgeworfen ist. Die Membran ist hald stärker, bald schwächer spiralig gestreift. Peranema (Duj.) Stein. Körper länglich, nach vorn mäßig zugespitzt. An der Bauchseite .des Vorderendes verläuft von der Spitze eine Falte, in der die derbe Geißel sitzt. Unterhalb derselben liegt die Mundöffnung, mit der ein 368 Georg: Klebs, aus zwei neben einander verlaufenden kurzen Stäben bestehendes Organ in Verbindung steht. Peranema trichophorum (Ehbg.) Stein |(107) Taf. XXIII, Fig. —10]. Trachelius trichophorus EnrengergG (%4) Taf. XXI, Fig. 11. Peranema protracta Dusarvın (41) p. 35. Astasia limpida Ehbg. bei Carter (14) Taf. VI, Fig. 45—48. Astasia trichophora Crark (25) Taf. VI, Fig. 45—46 ; Bürscuui (13) Taf. XIV, Fig. 19a, b. Peranema trichophorum bei Kress (70), Bürscaui (13), Fısca (46). Meine Taf. XVII, Fig. 4 a—b. Die so oft untersuchte Flagellate braucht nicht in allen Earl. heiten hier beschrieben zu werden. Der eine zweifelhafte Punkt, die Art des Vacuolensystems, ist vorhin besprochen worden. Den anderen, welcher das Mundorgan betrifft, will ich hier dagegen eingehender be- handeln. Allen früheren, darunter auch meinen eigenen Beobachtungen gegenüber hebe ich jetzt hervor, dass die Geißel nicht direkt vom Vorderende ausgeht. Vielmehr findet sich auch hier wie bei Euglenop- sis eine Falte (Fig. 4 0), welche auf der Bauchseite verläuft. Im oberen Theil dieser Falte kann man die Geißel sicher noch verfolgen, dagegen ist es zweifelhaft, an welcher Stelle dieselbe aus dem Plasma hervor- geht, und wie tief sie in demselben noch zu erkennen ist. Die Falte erweitert sich dann etwas seitwärts zu der eigentlichen, etwas spalten- förmigen Mundöffnung. Ganz in der Nähe derselben sitzt das charakte- ristische Staborgan, dessen Bau ich früher bereits beschrieben habe. Bürscuuı hält in seinem Protozoenwerk an seiner früheren Auffassung fest, dass an die Mundspalte eine enge, gerade Schlundröhre sich an- schließt, während Fıscn meine Darstellung in allen Beziehungen be- stätigt. Ich habe von Neuem die Sache untersucht und muss mit aller Bestimmtheit behaupten, dass eine Schlundröhre nicht existirt. Die Stäbe, welche mit ihren hinteren, spitzen Enden frei für sich endigen, sind mit ihren vorderen Enden einwärts gebogen, und wahrscheinlich mit einander in fester Verbindung. Jedenfalls werden weder bei der Nahrungsaufnahme noch bei den sonstigen metabolischen Bewegun- gen des Körpers die Stäbe irgendwie bedeutend von einander ge- trennt, sondern sie werden als ein einziges Organ hin- und hergescho- ben. Das Staborgan liegt etwas genähert der linken Seite der Mund- spalte, wenn die Bauchseite auf dem Substrat liegt und von dem Beobachter abgekehrt ist. Die Nahrungsaufnahme ist von mir früher genauer beschrieben worden, eben so von Fısca; auch neuerdings sah ich längere Zeit der Thätigkeit von Peranema zu, wie es ein abge- Flagellatenstudien. II. 369 storbenes Infusor vollständig in sich aufnahm, indem es dasselbe stück- weise zerriss und verschluckte, wobei das Staborgan lebhaft hin und her getrieben wurde, beim Zerstückeln und Verschlucken mithelfend. Peranema trichophorum tritt in sehr verschiedenen Größen und Körperformen auf, doch zeigen sich immer dieselben charakteristischen Merkmale, so dass es nicht möglich ist andere Arten zu unterscheiden. Die neulich von PrnarD (89) beschriebene Art, Peranema granuliferum, scheint mir eher eine Astasia zu sein. Urceolus Mereschkowski. Körper flaschenförmig, vorn halsartig eingeschnürt und dann zu einem zart häutigen Trichter mehr oder weniger erweitert. In dem- selben eine schlundartig sich verengernde Röhre, welche zur Mund- öffnung führt, neben der ein Staborgan sich findet. Die einzige Geißel tief im Körper eingesenkt in einer besonderen Tasche. Plasmamembran glatt oder gestreift. Urceolus eyelostomus (Stein) Mereschkowski. Phialonema eycelostomum Stein (107) Taf. XXI, Fig. 42— 48; PexarD (89) Taf. III, Fig. 14—17. Urceolus eyclostomus MErEscHKowsKı (85) p.219; Bürscari (13) Taf. XLVII, Fig. 5; meine Taf. XVI, Fig. 3. Halstrichter stark erweitert, schief abgestutzt; Plasmamembran spiralig gestreift. Länge = 26—30 u, Breite = 17—21 u. Die von mir beobachtete Form entspricht unzweifelhaft der von Stein dargestellten Phialonema, welche aus Rücksicht der Priorität zu der Gattung Urceolus gerechnet werden muss. Wenn mir auch nicht viele Exemplare dieses interessanten Organismus zur Verfügung stan- den, so konnte ich doch einiges Neue über seine Organisation beob- achten. Stein zeichnet einen langen, schlauchartigen, unten geschlos- senen Schlundkanal, in welchen der Halstrichter sich allmählich im Körper verlängert, und welcher nach BürscaLı eine Knickung zeigt. Hinter der Krümmungsstelle verengt er sich zu einem feinen Spalt, der sich bis in das hintere Körperdritttheil verfolgen lässt. Die Geißel entspringt nach Stein und BürscaLı an einer Stelle des Trichterrandes. Ähnliches geben Merzsenkowskı (84) für Ur. Alenizini, Mösıus (86) für Ur. ovatus an, ohne dass sie aber von einem langen Schlundkanal Näheres angeben. Wenn ich nun recht gesehen habe, so ist die Geißel sehr tief eingesenkt und befindet sich dabei in einem schlauchartigen Kanal, welcher in der That etwas gebogen scheint, und welchen ich für den Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 35 370 Georg Klebs, von Srteın und BürscaLı erwähnten Schlundkanal halte. Der zarte durchsichtige schief abgestutzte Halstrichter, anscheinend nur aus der gestreiften Plasmamembran gebildet, verengert sich zu einer Art Schlund, welcher einerseits in den eben erwähnten, sehr langen Geißel- kanal sich verlängert, andererseits dicht unter der Halseinschnürung in einen schlitzföormigen Mund endigt. Merkwürdigerweise ist an diesem noch ein besonderes Organ befestigt, welches mir analog dem Stab- organ von Peranema gebildet zu sein scheint, indem es aus zwei vorn bogig vereinigten, hinten frei endigenden Stäben zusammengesetzt ist (Fig. 3 st). Das Thier ist im Stande, Mundöffnung sammt Staborgan ein wenig nach oben resp. außen zu strecken und wieder in den Körper zurückzuziehen. In der Nähe der Mundöffnung liegt die pulsirende Vacuole, welche aus kleineren zusammenfließt; ihre Entleerungsart ist nicht genauer verfolgt worden. Leider konnte auch die Nahrungsauf- nahme nicht beobachtet werden; doch ist die thierische Ernährung nicht zweifelhaft. Das Thier bewegt sich, mit seiner Geißel nach Art von Peranema wedelnd, auf dem Substrat kriechend vorwärts, indem es demselben die breite Mündung des Halstrichters anlegt und den Körper schief oder manchmal fast vertikal erhebt. Wahrscheinlich erfasst es während dieser Bewegung Fremdkörper, welche auf dem Substrat liegen, mit seinem Trichter und zieht sie in den Körper. Als Stoffwechselprodukte finden sich Fetttropfen. Die Plasmamembran ist in verschiedenem Grade spiralig gestreift. Die metabolischen Bewegungen der von mir beobachteten Exemplare bestanden in langsamen und wenig ausgiebi- gen Kontraktionen des Körpers. Die von Stein schon bemerkte, von Prnarn näher beschriebene Bedeckung des Körpers mit Plättchen und Körnern fremden Ursprunges wurde von mir nicht beobachtet. Stoxss (112) hat dieselbe Erscheinung bemerkt und sich veranlasst ge- sehen, sogar eine neue Gattung darauf zu gründen, Urceolopsis mit der Species sabulosa. B. Heteronemeae. Körper metabolisch; Plasmamembran spiralig gestreift; zwei ver- schieden lange Geißeln. Heteronema (Duj.) Stein. Körper langgestreckt mit zugespitztem Vorderende; Plasmamem- bran meist sehr stark spiralig gestreift. Am Vorderende auf der Bauch- seite eine Mundfalte, in der oben eine sehr starke und lange Vorder- geißel sitzt; in der Mitte der Mundfalte eine kürzere Schleppgeißel. un a u ee ee u Me Flagellatenstudien. I. 371 Der von Dusarvın begründeten Gattung hat Strıv einen bestimmten Charakter gegeben, indem er den Hauptwerth auf das Vorhandensein zweier ungleich langer Geißeln legt, von denen die hintere kürzer und zugleich tiefer inserirt ist als die vordere. Allerdings schien der Unter- schied gegenüber Astasia resp. Distigma, wie BürscaL: hervorhebt, ge- ring. Indessen zeigt die nähere Untersuchung, dass das Vorderende von Heteronema durchaus nicht dem von Distigma gleich gebaut ist; statt des von der Spitze des Vorderendes eingesenkten Membrantrich- ters, in dem beide Geißeln bei Distigma sitzen, finden wir bei Hetero- hema ähnlich wie bei Euglenopsis eine seitliche Falte, in der verschieden hoch die beiden Geißeln inserirt sind. Immerhin sind unzweifelhaft die Heteronema-Arten ein Verbindungsglied zwischen den Astasiiden und Peranemiden. Sie schließen sich Euglenopsis und Peranema an und weisen zugleich hin auf den anderen Typus dieser Gruppe, der durch Anisonema vertreten wird. Denn die Hauptunter- schiede, die Metabolie, und die andere Art der Ungleichheit der beiden Geißeln verwischen sich bei gewissen Formen, welche von mir vor- läufig zu Anisonema gerechnet werden. Bisher ist bei keiner Art ein besonderes Mundorgan entsprechend wie bei Peranema und Urceolus beobachtet worden. Doch muss betont werden, dass möglicherweise noch solche Organe sich nachweisen lassen. Die Individuen der verschiedenen Arten, welche zur Verfügung standen, waren meistens so voll von Inhaltsstoffen, dass das Staborgan vielleicht nur übersehen worden ist. Heteronema acus (Ehbg.) Stein [(107) Taf. XXII, Fig. 57—59]. Bürscauı (43) Taf. XLVII, Fig. 10a—b; Sexieo (105) Taf. VIII, Fig. 39; meine Taf. XVII, Fig. 10. Körper meist langgestreckt spindelförmig, an beiden Enden ver- schmälert; Membran nicht oder undeutlich gestreift; Schleppgeißel kaum halb so lang als der Körper. Länge — 45—50 u, Breite = 8—20 u. Von den Darstellungen, welche Stein, BürschLı und SeLico von dieser Art geben, weicht die meinige hauptsächlich bezüglich des Vorder- endes ab. Wie ich schon bemerkte, geht von der schiefen Abstutzung des Vorderendes eine offene Falte aus, welche auf der Bauchseite ver- läuft. Die lange, kräftige, allmählich gegen die Spitze sich verjüngende Vordergeißel scheint mir ganz vorn zu entspringen; die Schleppgeißel entspringt jedenfalls, wie Stein schon richtig beobachtete, tiefer, etwas über der Mitte der Mundfalte. Dieselbe macht den Hauptunterschied gegenüber der sonst nahe verwandten Distigma proteus aus. Über die 25* 372 Georg Klebs, Ernährung finden sich bisher keine bestimmten Angaben. Unzweifel- haft erfolgt eine Aufnahme von festen Körpern, z. B. von Stärkekörnern (siehe Fig. 105), bisweilen sogar in sehr großer Menge, so dass der Körper dick kugelig aufgetrieben ist. Nicht unmöglich wäre es, dass auch eine saprophytische Ernährung daneben hergeht. Denn ich beob- achtete viele Exemplare, welche anscheinend keine feste Nahrung auf- genommen hatten und doch mit Fetttropfen und Paramylonkörnern erfüllt waren. Die Bewegung erfolgt theils nach Art von Astasia, theils in der Weise von Peranema. Die sehr schlanken, nadelförmigen Indi- viduen sieht man frei umherschwimmen, um ihre Längsachse rotirend. Wie aber Serı«o schon erwähnt, legt sich das Individuum gern dem Substrat an und macht metabolische Bewegungen. In der Mehrzahl der Fälle kriechen die Thiere, ihre Bauchseite dem Substrat anlegend, vorwärts, indem sie den häufig dabei kontrahirten Körper schief auf- wärts stellen. Die Vordergeißel wird wie bei Peranema bewegt, die hintere nachgeschleppt. Das Vacuolensystem ist nach Seuieo wie bei Astasia gebaut; ich konnte nicht ins Klare darüber kommen. Der große feinkörnige Kern liegt meistens in der Mitte des Körpers. Die äußere Gestalt wechselt sehr; man beobachtet vielfach Exem- plare, welche sehr ähnlich der nächsten Species aussehen. Es scheinen überhaupt Mittelformen zwischen den beiden Arten zu existiren, da der Unterschied in der Streifung sehr wechselt und auch die Länge der hinteren Geißel vielleicht je nach den Varietäten schwankt. Heteronema globuliferum Stein [(107) Taf. XXI, Fig. 5—56]. Trachelius globulifer Eurengerg (44) Taf. XXIII, Fig. 11. Peranema globulosa Dusarnın (41) Taf. III, Fig. 24; Perry (90) p. 168; meine Taf. XVII, Fig. 11. Körper meist kugelig kontrahirt, hinten breit abgerundet, vorn stark zugespitzt; Plasmamembran stark spiralig gestreift. Die Vorder- geißel mehr wie zweimal so lang als der Körper, die Schleppgeißel etwas länger als der Körper. Die typische Form, wie sie in meiner Figur dargestellt wird, ist leicht kenntlich. So weit die mir vorliegenden Exemplare ein Urtheil gestatten, ist das Vorderende wie bei acus gebaut, d.h. es geht von der Spitze eine seitliche Falte aus, in der die hintere Geißel inserirt ist, und welche zugleich den Mund darstellt. Die schlitzförmige Mund- öffnung, welche Srzın darstellt, ist nichts weiter als das untere etwas erweiterte Ende dieser Mundfalte. Die Bewegung ist stets eine krie- chende, wobei der kugelig kontrahirte Körper schief aufwärts getragen Flagellatenstudien. Il. 373 wird. Stets ist das Innere von Nahrungsballen aller Art erfüllt. Der Kern erscheint wie bei acus feinkörnig. Heteronema spirale Klebs (Taf. XVII, Fig. 12). Körper länglich eiförmig, vorn und hinten verschmälert, stets stark ' sehraubig tordirt, Plasmamembran nicht gestreift. Vordergeißel zwei- bis dreimal so lang, Schleppgeißel nicht ganz so lang wie der Körper. Länge = 42 u, Breite = 24— 30 u. Diese neue, merkwürdige Art ist durch ihren schraubig gewundenen Körper sehr gut charakterisirt. Gewisse Euglenen wie oxyuris, tripteris, Phacus longicauda, zeigen eine ähnliche Torsion, aber lange nicht in dem Grade wie Heteronema spirale. Bei den genannten Eugleniden handelt es sich um einen bandförmigen, beiH. spirale dagegen um einen länglich eiförmigen Körper. Ich zählte fünf bis sechs Windungen. Statt einer detaillirten Beschreibung verweise ich auf die Figur. An dem zuge- spitzten, oben etwas schief abgestutzten Vorderende lässt sich eine zarte seitliche Mundfalte erkennen. Die lange kräftige Vordergeißel ent- springt hoch oben, die Schleppgeißel wie bei den anderen Arten eine Strecke unterhalb. Thierische Nahrungsaufnahme findet unzweifelhaft statt; grüne und gelbe Algenreste zeigen sich häufig. Außerdem ist der Körper erfüllt von Fetttröpfehen und Paramylonkörnern, welche kurz eylindrisch bis stabförmig gestaltet sind. Im Vorderende liegt die kontraktile Vacuole, im Hinterende ein großer feinkörniger Kern. Die Plasmamembran ist derb, quillt in Kalilauge stark auf, ohne aber zu verquellen; ich konnte keine deutliche Streifung erkennen. Die Bewegung besteht in einem langsamen Vorwärtskriechen ähn- lich wie bei H. globuliferum. Die metabolischen Formveränderungen geschehen nur langsam und träge, und bestehen in einem Ausstrecken und Zusammenziehen des Körpers, wobei die Windungen vollkommen erhalten bleiben und nur steiler oder flacher werden. Heteronema nebulosum (Duj.) Klebs (Taf. XVII, Fig. 13). Zygoselmis nebulosa Dusarvın (41) Taf. II, Fig. 23; Perry (90) p. 169; Stein (407) Taf. XXI, Fig. 1—3. Körper selten langgestreckt, meist dick rad- bis kegelförmig mit schmalem hellem Vorderende. Plasmamembran sehr stark spiralig gestreift, fast gerippt. Schleppgeißel kürzer wie der Körper. Länge = 40 —57 u, Breite = 10—30 u. Die von mir beobachteten Individuen stimmen im Ganzen mit den von Steın dargestellten überein. Nur kann ich nicht einsehen, warum eine besondere Gattung unterschieden werden soll. H. nebulosum ist Ka al u Fe DS ie A nl Bun As sat. Sr ZUR Ah Me Ahr rl 374 Georg Klebs, nichts weiter als eine vergröberte Form von globuliferum, so dass sich nicht einmal sehr scharfe, specifische Unterschiede angeben lassen. Wie bei dieser Art strecken sich die Individuen nur selten in die Länge; während ihrer kriechenden Bewegung auf dem Substrat ist der Körper dick radförmig oder gleicht einem Blumentopf resp. einer dickbauchigen Flasche, wenn man das schmale, scharf abgesetzte Vorderende dazu nimmt. Dieses liegt dem Substrat an, der dicke Körper steht schief oder senkrecht in die Höhe. Über die Beschaffenheit des Vorderendes kann ich nicht sehr Sicheres berichten. Stein lässt die beiden Geißeln direkt am Vorderende entspringen und zeichnet unterhalb desselben eine breite, schlitzförmige Mundöffnung, welche in einen kurzen röhren- artigen Schlund übergeht. Meine Exemplare waren so inhaltsreich, dass es nicht gelang, einen tieferen Einblick zu erlangen. Ich sah aber, dass aus dem schief trichterförmigen Vorderende die beiden Geißeln ent- sprangen, wobei die hintere tiefer inserirt war, als die vordere. Mir ist es wahrscheinlich aus Analogie mit H. globuliferum, dass die trichterförmige Einsenkung sich in eine seitliche Mundfalte fortsetzt. Ob ein besonderer Schlund noch vorhanden ist, lasse ich dahingestellt. Die Aufnahme fester Nahrung ist von Str festgestellt worden. Diese Art gehört jedenfalls zu den gefräßigsten Flagellaten, da sie stets erfüllt. ist von zahlreichen, dabei relativ sehr großen Nahrungsballen. Große Chlamydomonaden, ganze Diatomeen werden aufgenommen. Außerdem findet sich massenhaft Fett in einzelnen lichtbrechenden Tröpfchen. Der Kern ist sehr groß, deutlich körnig. Die kontraktile Vacuole liegt im Vorderende. Während der kriechenden Bewegung wirddie kleinere Geißel nach- geschleppt, aber stets deutlich dabei hin und her geschlängelt. Zeitweise bei metabolischen Bewegungen auf der Stelle werden beide Geißeln nach vorn ausgestreckt und lebhaft bewegt. In diesem Zustand hat Stzın die Thiere gezeichnet. Dinema Perty. Körper groß, sackförmig, an beiden Enden abgerundet; Plasma- membran auffallend dick, relativ fein spiralig gestreift. Am Vorderende auf der Bauchseite eine offene Falte, die sich zu einer großen Mund- öffnung erweitert; in der Nähe derselben im Innern ein verschiebbares Staborgan, bestehend aus zwei mächtigen, vorn bogig vereinigten Stäben. Die Schleppgeißel länger und dicker als die vordere, tief im Körper entspringend und im Bogen um die Mundöffnung herumlaufend ; die kleinere vom oberen Theil der Mundfalte ausgehend. ul BE HA er ar Flagellatenstudien. I. 375 Dinema griseolum Perty [(90) Taf. X, Fig. 4]. Meine Taf. XVII, Fig. 7a—c. Einzige Species. Länge —= 76—80 u, Breite = 30—40 u. Diese Flagellate habe ich an einem einzigen Standort, aber in zahlreichen Exemplaren gefunden. Trotz der ungenügenden Beschrei- bung Perry’s nehme ich doch die Identität meiner Form mit Dinema an. Dinema griseolum gehört zu den größten und am höchsten organi- sirten Flagellaten. Besonders verwickelt und schwierig zu enträthseln ist das Vorderende. Die Mundfalte geht von demselben aus und wird durch eine lippenförmige Einsenkung angedeutet, welche bei gewissen metabolischen Bewegungen deutlich vorgestülpt wird. Sie verläuft auf der Bauchseite, sich zu dem eigentlichen Munde (o) erweiternd, welcher aber nur bei breit gedrückten Exemplaren zu sehen ist. Meistens ist er durch den einen stärker vorspringenden Faltenrand (Fig. 75 rechts) verdeckt; der Mund zieht sich schlitzförmig nach der einen Seite. An den unteren Rand der Mundöffnung stößt das Staborgan (st), welches analog dem von Peranema gebaut, aber hier viel deutlicher zu er- kennen ist. Die beiden Stäbe sind an ihrem oberen Ende etwas umge- bogen und durch ein Mittelstück vereinigt; unten endigen sie frei für sich im Körper. Auch hier ist das Organ ein festes Ganzes, welches vom Thier hin und her geschoben wird, so dass es bis in die Mund- öffnung hineinreicht und dann wieder ins Innere zurückgezogen wird. Die Stäbe bestehen aus dichter Plasmasubstanz, färben sich mit Safra- nin, verquellen in Chlorallösung, koncentrirter Essigsäure, Kalilauge. Dicht neben dem Staborgan senkt sich die Basis der mächtigen Schleppgeißel (91) in das Innere des Körpers und läuft dann in einem Bogen über die Mundöffnung herum nach hinten. Sie ist beim Aus- tritt aus dem Körper am dicksten, verdünnt sich allmählich bis zur Spitze, verschmälert sich aber auch gegen die Basis hin. Mit Hilfe von Hämatoxylin wie auch direkt an lebenden Exemplaren kann man die Geißelbasis weit im Körper verfolgen, manchmal anscheinend bis in die Nähe des etwa in der Mitte liegenden Kernes. Bei unverletzten Exem- plaren schien mir die Schleppgeißel noch einmal so lang wie der aus- gestreckte Körper zu sein. Vielfach ist sie kürzer, da sie sehr leicht in verschiedenem Grade abbricht. Die vordere Geißel (g2) ist viel zarter und überall gleich dick ; sie entspringt seitlich an der Mundfalte. In der Nähe von der Basis der Schleppgeißel liegt die pulsirende Vacuole, welche aus kleinen Blasen zusammenfließend, ihren Inhalt gegen die Geißelbasis entleert. Ob hier vielleicht ein besonderer Schlauch für die Entleerung vorhanden ist, konnte ich nicht sicher feststellen. 376 Georg Klebs, Eigenartig im Vergleich zu allen anderen Euglenoidinen ist die dicke Schicht, welche die peripherische Hülle bildet. Es ist nicht eine besonders dicke Plasmamembran, vielmehr ist dieselbe relativ dünn und verquillt leicht. Dagegen liegt ihr eine besondere Plasmaschicht. an, welche hier mit Recht als Ektoplasma gegenüber dem sonstigen Körperplasma bezeichnet werden kann. Nach Alkoholbehandlung, ebenso nach Tödtung mit Jod kontrahirt sich das Körperplasma und zieht sich vom Ektoplasma zurück, nur an der Mundstelle im Zusammen- hange damit bleibend; aber selbst bei lebenden Thieren kann eine theil- weise Trennung beider Theile eintreten, wobei dann zwischen Ekto- plasma und Körperplasma Flüssigkeit ausgeschieden wird. Die spiralige Streifung, welche alle Individuen zeigen, beruht nicht allein auf Ver- dickungsleisten, welche auf der äußeren Oberfläche der Plasmamembran verlaufen, sondern die Erscheinung wird zugleich durch eine Differenzi- rung des Ektoplasmas hervorgerufen. Den Streifen entsprechend, finden sich im Ektoplasma an der Innenseite der Plasmamembran Körnchen- reihen. Wenn man dieselben zum Verquellen durch Ammoniak bringt, so treten die freien Spiralstreifen der Membran für sich hervor. Mög- licherweise haben wir es bei diesen streifigen Differenzirungen des Ektoplasmas von Dinema mit einer Art von kontraktilen Elementen zu thun, wie sie von BürscaLı als Myonemen bei den Giliaten näner be- schrieben worden sind. Die metabolischen Bewegungen bestehen in langsamem Ausstrecken und Zusammenziehen, zum Theil auch wurmförmigen Krümmungen, wobei der dick sackförmige Körper stets sanft abgerundete Formen be- hält. Während der Vorwärtsbewegung kriecht das Thier, die Bauch- seite dem Substrat anlegend, langsam einher, mit seiner vorderen Geißel lebhaft schlängelnd, die hintere nachschleppend. Mehrmals, aber nicht häufig, beobachtete ich die für Anisonema bekannte Erscheinung, dass das Thier gestützt auf die Schleppgeißel sich zurückwarf, um eine andere Richtung einzuschlagen. Rotirende Bewegungen, welche Perry an seiner Form beschreibt, habe ich nicht bemerken können. Dinema griseolum nimmt feste Nahrung auf, besonders gern Dia- tomeen, welche oft das Innere erfüllen (Fig. 7b). Außerdem finden sich wie bei anderen Peranemiden Fetttropfen in großer Menge, ferner eckige, plattenförmige und stabförmige Paramylonkörner. Der Kern ist auffallend groß, besteht der Hauptmasse nach aus zusammenliegen- den Chromatinkörnern und besitzt in der Mitte einen unregelmäßig gestalteten, dichten Körper, welcher wohl als Nucleolus aufzufassen ist. Leider trat Materialmangel ein, als ich noch auf eine Eigenthüm- lichkeit dieser Flagellate aufmerksam wurde. Bei manchen Exemplaren Flagellatenstudien. II. 377 während des Lebens, besonders aber nach Behandlung mit Alkohol, trat um den Körper eine feinfädige Masse auf, ihn wie mit einem Schleier umhüllend. Dieselbe färbte sich mit Jod zart gelb, schwach röthlich in Safranin, deutlicher blau in Hämatoxylin. Augenscheinlich handelt es sich um die Ausscheidung einer zarten Gallerthülle, welche an die Ausscheidungen erinnert, welche ich früher (73) für verschie- dene Eugleniden nachgewiesen habe. Andererseits erinnert der Schleier an die Hülle, welche bei Infusorien durch Ausstoßen und Verquellen der Trichocysten entsteht. In der That glaubte ich auch in einem Exemplar feine, aber scharf umschriebene Stäbchen im Ektoplasma zu erkennen, welche sich mit Safranin färbten und in Ammoniak ver- quollen. Weitere sichere Nachweise, dass diese Stäbchen die zarte Gallerthülle erzeugen, gelangen nicht, da ich keine Exemplare mehr zur Verfügung hatte. Vielleicht haben wir es hier wirklich mit Tricho- cysten zu thun, welche bisher nach meiner Meinung bei keiner Flagel- late nachgewiesen sind. Denn ob die für Raphidomonas von Stein, für Merotricha von MERESCHKOWwsKI angegebenen stäbchenförmigen Gebilde echte Trichocysten vorstellen, ist noch fraglich. Eher kann man die von verschiedenen Flagellaten, wie Euglena, Ochromonas ausgestoßenen Gallertfäden als erste Andeutung von Trichocysten auffassen, da die Funktion beider Arten von Gebilden, als Schutzhülle zu dienen, wahr- scheinlich eine gleiche ist (Kress, 70). Dinema griseolum weist Verwandtschaftsbeziehungen mit Pera- nema, andererseits mit Heteronema auf und erinnert ferner auffallend an Anisonema. Zugleich stellt es aber durch die Art seiner Organisa- tion einen Höhepunkt in der Reihe der Euglenoidinen vor. C. Petalomonadina. Körper starr; Plasmamembran nicht spiralig gestreift; eine Geißel. Scytomonas Stein. Körper klein, eiförmig, vorn verschmälert und abgestutzt, mit einer derben Geißel. Kontraktile Blase in der Mitte des Vorderendes, Nah- rungsaufnahme durch Aussaugung von Bakterien. Seytomonas pusilla Stein |(107) Taf. XXXII, Fig. 11]. Meine Taf. XIV!, Fig. 9 a—d. Einzige Art. Länge = 4,8—6 u, Breite 2,4—3 u. Dieser kleine Organismus ist bisher nur durch Zeichnungen Sreim’s bekannt. Letzterer hat ihn als Typus der Familie der Scytomonadinen angesehen, wozu er noch Petalomonas und andere Gattungen rechnet. 1 Siehe Theil I. 378 Georg Klebs, Kent stellt die Gattung dagegen in die Nähe von Oikomonas, wäh- rend BürscaLı'sie anhangsweise bei Petalomonas behandelt. In der That zeigt sie mit den kleineren Formen dieser Gattung große Ähnlichkeit, und dieselbe ist vielleicht noch viel ausgesprochener, als es den An- schein hat, weil bei der Kleinheit des Körpers wichtige Strukturver- hältnisse leicht der Beobachtung entgangen sein können. Die Art der Nahrungsaufnahme erinnert allerdings auffallend an Erscheinungen bei Monadinen. Sceytomonas pusilla tritt in großer Individuenzahl gar nicht selten in Algenkulturen auf, welche zu faulen beginnen. Der eiförmige, etwas abgeplattete Körper, hinten sanft abgerundet, verjüngt sich nach vorn und ist dann gerade abgestutzt. An der einen Ecke der Abstutzung sitzt die relativ derbe Geißel, welche die Länge des Körpers kaum er- reicht und ganz wie bei Peranema, Petalomonas bewegt wird. Im Vordertheil des Körpers fällt zunächst die kontraktile Vacuole auf, welche zu gewissen Zeitpunkten einen etwas dreieckigen Behälter dar- stellt, der nie ganz verschwindet, weil gleich nach seiner Verkleinerung eine andere Vacuole sich zeigt. Ich bin nicht sicher, ob diese mit der alten verschmilzt, oder sich gleich an ihre Stelle setzt. Unterhalb der Vacuole liegt der kleine bläschenförmige Kern. Im farblosen Plasma finden sich einzelne kleinere Körnchen. Die peripherische Schicht er- scheint etwas dichter, wenn auch eine distinkte Plasmamembran nicht sicher nachgewiesen wurde. Jedenfalls ist der Körper, wie Stein be- reits beobachtete, metabolischer Formveränderungen nicht fähig. Die Scytomonas bewegt sich ruhig vorwärts, mit der einen Seite dem Substrat anliegend, wobei die Spitze der Geißel hin und her wedelt. Plötzlich bleibt sie vollkommen ruhig liegen, die Geißel wird nicht weiter bewegt, und jetzt sieht man, wie das Vorderende eine Bakterie festhält. Bei größeren Stäbchen konnte ich mehrmals deut- lich beobachten, wie die Liehtbrechung des Stäbchens verschwand, dasselbe vollkommen durchsichtig wurde, weil es bis auf wenige Körn- chen ausgesogen wurde. Dann machte sich die Flagellate los und be- wegte sich, die Haut zurücklassend, weiter. Bei kleineren Stäbchen konnte ich nicht sicher entscheiden, ob sie in gleicher Weise ausge- sogen oder direkt verschluckt wurden, da ich übrig bleibende Reste nicht sehen konnte. Zustände der Längstheilung hat Srem abgebildet; sie sind sehr häufig zu sehen (Fig. 9c, d). Auffallenderweise sah ich nicht selten, dass die Einschnürung nicht wie gewöhnlich am Vorderende, sondern am Hinter- ende begann, eine Erscheinung, welche Stein bei Gercomonas muscae domesticae (107, Taf. I, Abth. II) beobachtet hat. Im ersten Augenblick Flagellatenstudien, II, 379 dachte ich an Zustände der Copulation. Ich habe die Weiterentwick- lung solcher Paare nicht verfolgen können, kann aber kaum annehmen, dass es sich um Copulation handelt, weil das Vorderende solcher Paare demjenigen eines Einzelindividuums entspricht, nur eine einzige Geißel, eine Vacuole besitzt. Höchst wahrscheinlich kann die Einschnürung ausnahmsweise am Hinterende beginnen — immerhin eine auffallende Erscheinung. Petalomonas! Stein. Körper klein bis groß, meist abgeplattet, höchst mannigfaltig, oft bizarr gestaltet, ausgesprochen unsymmetrisch. Plasmamembran derb, nie auffallend gestreift. Vorn an der Bauchseite eine Mulde mit der Mundöffnung; seitlich davon in einer Einsenkung entspringt die Geißel. Vacuole an der einen, Kern auf der anderen Seite des Körpers. Die von Stein begründete Gattung besteht aus einer Anzahl Arten, zu welcher neuerdings einige neue von Prxarn (89), Stores (112, 414) hinzugekommen sind. Über die Organisation haben außer Sreın noch Bürscaui (13) und Seuico (105) einige Angaben gemacht. Alle Petalomonas-Arten haben einen ziemlich gleichartigen Charak- ter, wenn man die innere Organisation betrachtet. Stets liegt auf der Bauchseite am Vorderende eine deutliche, meist scharf begrenzte Mund- öffnung, welche von Stein, BürscHnLı und SeLıco gesehen worden ist. An dem einen Rande der Mundöffnung, gewöhnlich am rechten, wenn das Thier seine Bauchseite dem Beschauer abkehrt, entspringt die Geißel, und zwar, wie ich in einigen Fällen feststellen konnte, in einer beson- deren trichterförmigen Einsenkung (Taf. XIV, Fig. 125), welche von Stein wahrscheinlich bereits gesehen, von ihm aber als Schlund ange- nommen wurde. Die Geißel entspringt daher bei allen genauer unter- suchten Formen niemals direkt am Vorderende, sondern immer auf der Bauchseite. Bei den meisten größeren Arten ist die Geißel wenig länger als der Körper; sie wird nach Art von Peranema bewegt. Doch fällt bei manchen Formen auf, dass die Geißel schief zur Achse des Körpers, sowie seiner Bewegungsrichtung gestellt ist. Szrico (105) beobachtet es bei seiner Petalomonas abseissa, ich fand diese Erschei- nung sehr charakteristisch für die von mir als P. inflexa $ obliqua be- zeichnete Form. Die Bewegung besteht in einem sehr ruhigen, gleich- mäßigen Vorwärtskriechen, wobei die Bauchseite dem Substrat anliegt. Doch kann auch zeitweise ein lebhaftes Hin- und Herzittern auf der Stelle eintreten. Charakteristisch ist die sehr regelmäßige Lage von Vacuole und 1 Siehe Theil I, Taf. XIV, Fig. 10— 20. 380 Georg Klebs, Kern, erstere dem rechten, letzterer dem linken Körperrande genähert. Nach Serıco findet sich eine Haupt- und Nebenvacuole, beide von ziem- lich gleicher Größe. Auch ich beobachtete vielfach die beiden neben einander liegenden Vacuolen, welche dann zusammenflossen. Doch die regelmäßigen Pulsationen wurden von mir nicht genauer untersucht. Die thierische Ernährung wurde von Sreiv festgestellt, von Bürschui und Stoxzs (113), ferner auch von mir beobachtet. Durch die Bewegungen der Geißel resp. des ganzen Thieres nähern sich kleinere und größere Körper der Mundöffnung und sinken in das weiche Plasma direkt hinein. Im Allgemeinen findet man bei keiner Art so große Nahrungsballen wie bei Heteronema und Peranema, wahrscheinlich weil die Mundöffnung nicht erweiterungsfähig ist. Außer den Nahrungsresten finden sich Fetttröpfehen und vielleicht auch Paramylonkörner (SeLıco, 105) vor. Die Arten unterscheiden sich hauptsächlich durch die äußere Ge- staltung des Körpers, und in dieser Beziehung zeigt sich eine Mannig- faltigkeit, welche noch den Formenreichthum bei Euglena oder Phacus übertrifft. Während man bei diesen Gattungen eine ganze Anzahl Arten einigermaßen aus einander halten kann, ist es mir bei Petalomonas kaum möglich gewesen. Denn die Haupttypen sind derartig durch Mittel- und Übergangsformen verbunden, dass man nicht weiß, wo die eine Art aufhört, die andere beginnt. Die einzige Methode, sich Klar- heit zu verschaffen, besteht darin, die einzelnen Formen in großer Indi- viduenzahl zu kultiviren, um sich ein Urtheil über die Variation der- selben zu bilden. Bei Petalomonas-Arten ist diese Methode aber kaum anwendbar, weil die meisten Formen vereinzelt auftreten und sich durchschnittlich sehr langsam vermehren. So ist es vollkommen unbe- stimmt, in welchem Grade individuelle Verschiedenheiten, Einwirkun- gen äußerer Einflüsse mitwirken; vielleicht kommt auch die Fähigkeit hinzu, sehr langsame Formveränderungen herbeizuführen. Ich habe es aufgegeben, alle die mannigfachen Formen, welche sich mir darboten, zu bearbeiten; ich überlasse das meinen Nachfolgern und begnüge mich gewisse Haupttypen zu unterscheiden. Ich will auch die Formen nicht ausführlich beschreiben; denn wenn man die vielfach bizarren und verwickelten Gestalten genau beschreiben wollte, müsste man ein eigenes Buch darüber veröffentlichen. Petalomonas abseissa Duj. [(41) Taf. IV, Fig. 11]. Bürscaui (13) Taf. XLVII, Fig. 2. Körper breit eiförmig bis fast kreisförmig, an beiden Enden abge- rundet; gewöhnlich zwei stark vorspringende Kiele auf der Rückenseite; Bauchseite abgeplattet oder schwach ausgebuchtet. ah A ae ie un Flagellatenstudien. II. 381 a@) convergens (Taf. XIV, Fig. 16). Die beiden Rippen gegen die Spitze konvergirend, gleich ausge- bildet. Länge — 19 u, Breite = 17 u. ß) parallela (Taf. XIV, Fig. 15 a—.c). Die beiden Rippen gleichlaufend, oft ungleich ausgebildet. Länge = 30 u, Breite = 17 u. y) deformis (Taf. XIV, Fig. 20a, b). Körper nach vorn verschmälert, überhaupt schmäler als bei den vorigen. Rippen sehr ungleich ausgebildet. Länge — 22 u, Breite —= 11:.u. Die Organismen, welche DuJarDIn, Stein, BürschLı, SeLIGo als ab- seissa beschreiben, gehören jedenfalls verschiedenen Typen an; ich will den Namen für die zweirippigen bewahren. Die Form y, zu der sehr verzwickte Gestalten gehören, bildet den Übergang zum nächsten Typus, weil die beiden Rippen sich vielfach vereinigen zu einer dicken, mit seitlichen Ausläufern versehenen Mittelrippe. Andererseits treten Formen auf, bei welchen die Hauptrippen, dann auch die Nebenrippen fußartig am Hinterende hervorstehen, so dass der Übergang zu der merkwürdigen Pet. sexlobata angedeutet wird. Petalomonas Steinii Klebs. P. abseissa Sem (107) Taf. XXIH Fig. 18—22; Serico (105) Taf. VII, Fig. 10—4. Körper meist gegen das Vorderende deutlich verschmälert, durch das Vorspringen einer Mittelrippe und Zuschärfung der Seitenkanten mehr oder weniger triangulär. a) lata SeLico Fig. A0— 41, meine Taf. XIV, Fig. 17. Körper breit eiförmig mit starker breiter Mittelrippe. Länge — 47 u, Breite — 24 u. ß) triangularis Stein Fig. 18—22; meine Taf. XIV, Fig. Ik a—c. Körper länglich mit dreieckigem Querschnitt. Mittelrippe und Seitenkanten scharfkantig, glatt oder ausgebuchtet. Länge — 42 u, Breite —= 22 u. Petalomonas mediocanellata Stein [(107) Taf. XXIU, Fig. 12—1A]. Körper eiförmig abgeplattet; auf der Bauchseite deutlich gefurcht; Rückenseite gewölbt, flach oder auch gefurcht. 382 Georg Klebs, a) typica Ste (Fig. 15—17; meine Taf. XIV, Fig. 10a —b). Bauchseite stark gefurcht, der linke Furchenrand rippenartig vor- springend; Rückenseite mit schmaler Furche. Körper breit eiförmie. ß) angusta (Taf. XIV, Fig. 11). Körper schmal eiförmig, deutlich nach vorn zugespitzt; Rücken- seite schwach gewölbt. Länge — 14—23 u, Breite 7—14 u. y) lata (Taf. XIV, Fig. 12a—b). Körper breit eiförmig, an beiden Enden zugespitzt; Rückenseite gewölbt. Länge — 22 u, Breite — 12 —14 u. ö) pusilla (Taf. XIV, Fig. 18). Körper klein, schmal eiförmig, mit gewölbter Rückenseite. Bei der Bewegung zeitweise rückwärts kriechend. Länge —= 7 u, Breite = 3—A u. P. mediocanellata ist sehr häufig und tritt in sehr verschiedenen Formen auf, so dass die angeführten nur einen Theil der existirenden umfassen. Der eine, gewöhnlich der linke Rand der Bauchfurche ist kielartig entwickelt, und die Furche breitet sich unter ihm seitlich aus, so dass Übergangsformen zum nächsten Typus entstehen. Petalomonas inflexa Klebs. P. abseissa Stein e. p. Taf. XXIII, Fig. 23—24. Körper sehr stark zusammengedrückt, in verschiedener Weise mit einem oder beiden Rändern eingekrümmt. Hinterende abgerundet. a) typica Stein (Fig. 233—24). Körper blattartig, mit beiden Seitenrändern nach oben eingebogen. ß) obliqua (meine Taf. XIV, Fig. 13a, b). Linker Körperrand nach der Bauchseite hin stark eingekrümmt. Geißel meist während der Bewegung schief zur Körperachse stehend. Länge = 12 u, Breite = 6 u. y) pellucida. Körper sehr dünn, blattartig, durchsichtig, gleichmäßig sanft auf der Bauchseite eingekrümmt: Rückenseite mit seichter Furche. Länge = 8 u, Breite — 8 u. Zu diesem Typus gehören sehr verbreitete Formen, besonders ent- Flagellatenstudien. II. 383 sprechend der Varietät ß, sehr wechselnd in der Größe, Stärke der Einkrümmung etc. Vielleicht gehört hierher auch P. sinuata Stein. Doch durch den Mangel einer ausgesprochenen Einkrümmung des Körpers unterscheidet sie sich deutlich. Wahrscheinlich steht sie näher dem vorhergehenden Typus, was sich aber aus der Zeichnung nicht entnehmen lässt. Petalomonas sexlobata Klebs (Taf. XIV, Fig. 19a, b). Körper dick eiförmig, nach vorn stark verschmälert, nach hinten in sechs kurze, dicke, etwas nach innen eingekrümmte Füße ausgehend, deren Zwischenräume sich an dem Körper in verschieden tiefe Furchen fortsetzen. Länge 27—30 u, Breite 21—23 u. Diese sehr eigenthümlich gestaltete Art steht bisher ganz für sich allein, obgleich sie in ihrer Organisation, so weit sie erkannt wurde, den anderen Arten entspricht. Der sonderbarste Charakter liegt in den dieken, kurzen Füßen oder Hörnern, welche wie die Finger einer sich ballenden Hand alle nach dem gleichen Centrum eingekrümmt sind. Nicht näher untersucht wurde der Verlauf der einzelnen Furchen, welche am Körper die Trennung der Füße schon andeuten. Doch schien es mir, als wenn eine tiefere und weiter nach vorn ziehende Furche mit einer seichteren abwechselt. Die Einzelheiten im Bau des Vorder- endes wurden ebenfalls nicht genauer untersucht. Der Körper ist mit Fetttropfen erfüllt; ich glaubte auch Nahrungsballen darin zu erkennen. Die Bewegung gleicht vollständig dem ruhigen Vorwärtskriechen der anderen Arten. D. Anisonemina. Körper meist starr; zwei ungleich ausgebildete Geißeln. Tropidoseyphus Stein [(107) Taf. XXIL, Fig. —5]. Ploeotia Dujardin [(41) Taf. V, Fig. 3; Seuıco (105) Taf. VIII, Fig. 38—31]. Die von Stein als Tropidoscyphus octocostatus beschriebene Form ist nach Serico vielleicht identisch mit der Ploeotia vitrea Dujardin. In der That sind beide Flagellaten ihrer Gestalt nach sehr ähnlich, und sie besitzen auch die gleichen acht scharf hervorspringenden, spiralig verlaufenden Kiele. Beide haben ferner an der Bauchseite eine lang- gezogene Mundspalte, in der nach Serico bei Ploeotia auch die beiden Geißeln entspringen. In Bezug auf die letzteren wird allerdings ein Unterschied angegeben, welcher, wenn er der Wirklichkeit entspricht, beide Formen jedenfalls deutlich trennt. Srem zeichnet beide Geißeln 384 Georg Klebs, nach vorn ausgestreckt, und die eine derselben ist relativ sehr kurz. Nach Serieo ist aber die Bewimperung ähnlich wie bei Anisonema, die längere Geißel wird nachgeschleppt, die kürzere nach vorn getragen. Außerdem ist Ploeotia marin, während Tropidosceyphus im süßen Wasser vorkommt. Eigene Beobachtungen, welche die Frage entschei- den können, vermag ich nicht beizubringen. Ich hebe diese Formen nur hervor, weil sie unzweifelhafte Peranemiden sind. Die Organisation des Vorderendes erinnert theils an Heteronema, theils an Anisonema und Entosiphon. Die Nahrungsaufnahme hat Stein für Tropidoseyphus nachgewiesen. Srtein, BürscHzi betonen die Verwandtschaft zu der Astasiide Sphenomonas, zu welcher Gattung Kent (66) die Art geradezu stell. Wie ich schon vorhin bemerkt habe, liegt ein ähnliches Ver- hältnis zwischen diesen Formen vor, wie zwischen Euglenopsis und Astasia, Heteronema und Distigma. Doch sind nach den augenblick- lichen Kenntnissen Sphenomonas und Tropidosceyphus schärfer von einander getrennt. Anisonema Dujardin. Körper meist eiförmig, deutlich abgeplattet, metabolisch bis form- beständig. Vorn an der Bauchseite eine verschieden ausgebildete Furche, in der die beiden Geißeln sitzen, von denen die eine nach vorn, die andere nach hinten gerichtet ist. In der Nähe der Geißel- basis die Mundöffnung, links davon die kontraktile Blase. Kern dem rechten Körperrande genähert. Die Gattung, welche durch Stein und durch BürscaLı einen be- stimmten Charakter erhalten hat, ist, wie meine neueren Untersuchungen zeigen, schwierig zu begrenzen. Indessen sind dieselben nicht ausge- dehnt genug, um zu einer vollständigen Änderung zu berechtigen. So will ich auch zunächst die metabolischen und starren Arten in derselben Gattung vereinigen, obwohl man sonst bei den Flagellaten, speciell den Euglenoidinen, ein Hauptgewicht auf diese Eigenschaften legt. Im Allgemeinen sind bei den von mir unterschiedenen Arten die Verhält- nisse in der Organisation sehr ähnlich; sie sind es mehr, als nach den früheren Untersuchungen von BürscaLı und von mir selbst anzunehmen war. Bei Anisonema acinus haben wir von einem Mundapparat ge- sprochen, welchen ich dem Staborgan von Peranema und von Ento- siphon gleichstellte. Indessen glaube ich nach meiner neuesten Unter- suchung, dass Bürscnuı und ich uns getäuscht haben, dass ein solches Organ nicht in der Weise vorhanden ist. Auch bei den anderen Arten habe ich nichts Derartiges beobachtet, dagegen für alle feststellen können, dass an der Bauchseite vorn eine Mulde oder eine Furche sich findet, 4 % En 2 un Flagellatenstudien. II, 385 welche durch einen schärfer hervorspringenden Kiel an der einen Seite begrenzt ist und die Mundöffnung enthält. Die beiden Geißeln ent- springen im oberen Theil dieser Mulde, welche bei A. acinus zu einer deutlichen Längsfurche ausgebildet ist. Über die besonderen Struktur- verhältnisse dieser Art gebe ich unten genaueren Bericht. Gemeinsam ist allen Arten, dass die eine Geißel nach vorn, die andere nach hinten gerichtet ist wie bei Heteronema, Dinema, Ploeotia. Dagegen unterscheiden sich die Arten durch das Längenverhältnis der beiden Geißeln. Bei A. striatum sind dieselben ziemlich gleich; bei variabile ist die hintere wenig länger als die vordere, und diese Differenz steigert sich bei ovale, truncatum, bis sie bei acinus am aus- gesprochensten hervortritt. Die kontraktile Blase findet sich bei allen Arten an der gleichen Stelle im Vorderende am linken Rande; die Verhältnisse bei acinus habe ich bereits früher geschildert. Der Kern ist entweder bläschen- förmig, wie bei striatum, oval oder körnig wie bei acinus (Bürscarı [11], Kıess [70]). Bei allen Arten ist die Aufnahme fester Körper beobachtet, seitdem Cıark für A. acinus sie zuerst festgestellt hat. Die größten Nahrungsbestandtheile nimmt A. truncatum auf, welche, wie Stein be- merkt hat, große Diatomeen verschluckt. Als Stoffwechselprodukt treten wie bei anderen Peranemiden Fetttröpfehen und zum Theil Paramylonkörner auf, welche ich in besonders großer Masse bei A. truncatum beobachtete. Der Vergleich der Anisonema-Arten mit den vorhin beschriebenen Peranemiden weist aufs überzeugendste nach, dass die Gattung nicht von diesen Familien getrennt werden kann. Arten wie variabile, striatum könnte man in die Gattung Heteronema direkt versetzen; in anderer Richtung treten Beziehungen zu Dinema, Petalomonas, Tropidoseyphus hervor. Daher kann die Abtrennung von diesen und Stellung zu den Heteromastigoden (Bodoninen), welche Bürscari versucht hat, nicht von mir anerkannt werden. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass nicht auch zwischen Anisonema und Bodo später engere Beziehungen entdeckt werden. Die von Kent beschriebenen A. ludibundum und intermedium stellen vielleicht solche Mittelglieder dar. So weit die Beobachtungen Kenr’s über diese Formen ein Urtheil gestatten, machen sie mehr den Eindruck von Bodoninen. Subgenus Metanema. Körper metabolisch; beide Geißeln ziemlich gleich lang. Anisonema variabile Klebs (Taf. XVII, Fig. 5a, b). Körper breit eiförmig, abgeplattet, vorn und hinten ausgerandet. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd, 96 386 Georg Klebs, An der Bauchseite vorn eine seichte Mulde, in der die beiden Geißeln sitzen; die Schleppgeißel länger als die vordere. Plasmamembran glatt. Länge — 14—16 u, Breite = 9—12 u. Anisonema variabile bewegt sich zeitweise langsam kriechend, wobei sie bisweilen auf der Rückenseite liegt und die Schleppgeißel nicht nach hinten ausgestreckt, sondern seitlich gebogen trägt. Dann kann das Thier sich aber auch lebhafter vorwärts bewegen, indem es mit beiden Geißeln herumschlägt. Während dieser Bewegung verändert der Körper seine Form, sich etwas verbreiternd und wieder aus- streckend. Die Vertiefung am vorderen Ende, in der die Geißeln sitzen, ist wenig hervortretend. Der Plasmakörper enthält, abgesehen von den Nahrungsballen, feine Körnchen. Anisonema striatum Klebs (Taf. XVII, Fig. Ik, b). Körper stark plattgedrückt, vorn und hinten breit abgerundet. Von der Ausrandung am Vorderende ab verläuft auf der Bauchseite eine kurze Furche, in der die beiden relativ kurzen derben, fast gleich- langen Geißeln sitzen. Plasmamembran mit weit von einander abstehen- den Spiralstreifen. Länge — 15 u, Breite = 7 u. Diese Art schließt sich der vorhergehenden nahe an, zeigt auch wie diese noch schwache Metabolie, wobei der Körper verbreitert und wieder ausgestreckt wird. Die Vorwärtsbewegung geschieht nach der Art von Peranema, doch mehr zitternd, indem die beiden Geibeln hin und her geschleudert werden. Auch hier liegt die hintere Geißel fast stets seitlich gebogen. Subgenus Anisonema. Körper starr ; hintere Geißel entschieden länger als die vordere. Anisonema ovale Klebs (Taf. XVII, Fig. 66—c). Körper platt eiförmig, auf der Bauchseite mit einer Längsfurche, in deren oberem, besonders eingesenktem Theil die beiden Geißeln sitzen und die Mundöffnung sich befindet. Die Schleppgeißel länger als die vordere. Rückenseite schwach ausgebuchtet. Plasmamembran glatt. Kern bläschenförmig. Länge = 41 u, Breite —7 u. ß) latum (Taf. XVII, Fig. 6a). Körper sehr breit, Rückenseite gewölbt. Länge = 12 u, Breite — 40 u. a ‚© Flagellatenstudien. II. 387 Diese Art nähert sich schon deutlicher dem eigentlichen Anisonema- Typus, in so fern sie formbeständig ist und die Furche auf der Bauch- seite stärker ausgebildet ist. Bei manchen Individuen ist sie allerdings nur im vorderen Theile des Körpers deutlich, während sie sich bei anderen bis zum Hinterende hinzieht. Im vorderen Theil der Furche entspringen die beiden Geißeln, von denen die hintere entschieden länger ist als die vordere und auch einfach ausgestreckt getragen wird. Charakteristisch ist die Bewegungsart. Zeitweise liegt das Thier voll- kommen ruhig; dann plötzlich geht es, auf der Bauchseite liegend, zu lebhafter Bewegung über, wobei es unter beständigem Zucken ziemlich regelmäßige, kreisförmige Kurven beschreibt. Die Gestalten der einzelnen Individuen sind sehr wechselnd; die besonders breiten Formen habe ich als Varietät bezeichnet, mehr um auf sie aufmerksam zu machen. Alle Individuen enthalten reichlich Nahrungsballen, häufig aufgenommene Stärkekörner, im Falle dass stärkehaltige Pflanzentheile in die Kultur hineingebracht werden. Anisonema acinus Duj. | (41) Taf. IV, Fig. 27]. Anisonema concavum Crark Taf. VII, Fig. 65—69. Anisonema grande (Ehbg.) Stein Taf. XXIV, Fig. 6—11; Kent (66) Taf. XXIV, Fig. 26—30. Anisonema acinus Duj. bei Bürscauı (41) Taf. XIV, Fig. 17 a—c; Kıess (70) Taf. II, Fig. 33; meine Taf. XVII, Fig 8 a, b. Körper abgeflacht eiförmig, mit sanft gewölbter Rückenseite und stark gefurchter Bauchseite. Der linke Rand der Bauchfurche besonders hervorspringend und an der Mundöffnung verdickt. Die hintere Geißel mehr als zweimal so lang, als die vordere, tief eingesenkt neben der kontraktilen Vacuole und mit einem Bogen nach rechts sich nach hinten ‘ umbiegend. Plasmamembran glatt oder zart gestreift. Kern fein- körnig. Länge — 25—A0 u, Breite = 16—22 u. A. acinus gehört zu den bekanntesten Flagellaten; sie ist von CLaArk, Stein, BürscaLi, Kent und mir selbst ausführlich beschrieben worden. Hier will ich nur eingehender die Organisation des Vorderendes be- handeln, weilin dieser Beziehung widersprechende Ansichten herrschen. Nicht unmöglich wäre es, dass zum Theil verschiedene Arten vorliegen; größtentheils erklären sich die verschiedenen Ansichten aus der sehr schwierigen Beobachtung der Körperstruktur. Srsı, BürscaLı, Kent beschreiben für diese Art einen röhrenförmigen Schlund. Ich selbst habe früher von einem Staborgan gesprochen, analog wie bei Peranema. Jetzt glaube ich doch, dass die eigenthümliche Beschaffenheit von den 26* 388 Georg Klebs, Rändern der Bauchfurche Schlund resp. Staborgan vorgetäuscht hat. Die Fig. 85 giebt die Verhältnisse wieder, wie ich sie nach den neuesten Untersuchungen zu sehen geglaubt habe. Von der abgestutzten Kante des Vorderendes verläuft etwas schief zur Längsachse die Bauchfurche, deren linker (in Figur rechter) Rand als Kiel hervorspringt und der vorn bogig den eigentlichen Mund umläuft und sich dann nach hinten wendet. An der Umbiegungsstelle ist er besonders verdickt und bildet eine schief abstehende feste Fläche (r), an deren oberem Rande die im Innern entspringende Schleppgeißel sich nach hinten umbiegt. Die Basis der Schleppgeißel sitzt an oder vielleicht in dem kurzen Schlauch, in welchen die kontraktile Blase hineinmündet (siehe p. 366). Die vordere Geißel 9? entspringt für sich dem Plasma seitlich und ober- halb der Schleppgeißel. Die Nahrungsaufnahme habe ich leider nicht beobachten können. Die von mir früher bemerkten Exemplare hatten eine zart spiralig gestreifte Membran. Bei den neuerdings gesehenen war dieselbe glatt. Anisonema truncatum Stein [Taf. XXIV, Fig. 12, 13]. Körper eiförmig, aber meist vorn breit abgerundet und nach hinten verschmälert. Organisation wie bei der vorigen Art. Durchschnittlich größer als diese und durch dichten, körnigen Inhalt, graue Farbe ausge- zeichnet. Länge —= 60 u, Breite = 20 u. A. truncatum steht jedenfalls acinus sehr nahe und ist vielleicht nur eine große Varietät desselben. Die Individuen, welche ich beob- achtete, besaßen zum Theil die Körperform, welche Sreiw angiebt. Aber es gab auch breit eiförmige, hinten abgerundete, welche noch mehr der vorigen Art glichen. Die Gestalt, eben so sehr auch Länge und Breite richtet sich bei dieser Art nach der aufgenommenen Nahrung. Solche Zellen mit langen Navicula-Arten haben besonders die nach hinten zu- gespitzte Form. Die Geibelverhältnisse, die Beschaffenheit der Bauch- furche scheinen die gleichen wie bei acinus zu sein. Doch war hier die Untersuchung wegen des dichten Inhaltes zu schwierig, so dass mög- licherweise noch Unterschiede vorhanden sind. Das Aussehen des Körpers erinnert sehr an Dinema griseolum wegen der zahllos vorhandenen Fetttropfen und Paramylonkörner. Auch darin zeigt sich eine Ähnlichkeit, dass fast ausschließlich Diato- meen (Navieula-Arten) zur Nahrung benutzt werden. A. acinus erscheint dagegen fast stets, namentlich am Vorderende, hell durchsichtig, und die Nahrungsballen finden sich vorzugsweise nur im Hinterende. Neben grünen Algen werden doch nur selten Diatomeen und nie in so großen Flagellatenstudien. II. 389 Formen von acinus aufgenommen. Das Ausstoßen der großen Diato- meenschalen am Hinterende wurde mehrmals beobachtet. Entosiphon Stein. Körper dick, eiförmig, wenig abgeplattet, ohne distinkte Bauch- furche, an beiden Enden abgerundet. Vorn an der Bauchseite eine tiefe muldenförmige Einsenkung, in der die Mundöffnung liegt und die beiden Geißeln entspringen. Dicht neben dem Munde ein Staborgan. Die hintere Geißel nicht viel länger als die vordere, meist nach der Seite getragen. Kern bläschenförmig. Entosiphon sulcatum (Duj.) Stein [(107) Taf. XXIV, Fig. 17—25]. Anisonema sulcatum Dusarnın (44) Taf. IV, Fig. 28; Bürscauı (11) Taf. XIV, Fig. 18 a—f. Entosiphon sulcatum bei Kent (66) Taf. XXIV, Fig. 31—34 , Suuıco (105) -Taf. VIII, Fig. 18—21. Anisonema entosiphon (Stein) Kırss (70) Taf. II, Fig. 32a, b; meine Taf. XVII, Fig. 9. Körper eiförmig, hinten abgerundet, an der Oberfläche von Längs- furchen durchzogen; am Vorderende mit tiefer muldenförmiger Ein- senkung. Staborgan bis zum Hinterende reichend, vorstülpbar. Länge = 20—25 u, Breite = 10—15 u. Entosiphon ist jedenfalls eine gute Gattung, und ich halte nicht mehr daran fest, dieselbe einzuziehen, wie ich früher vorschlug (70). Das Staborgan fehlt den Anisonema-Arten, und auf eine solche Ein- richtung hin muss man bei der Begrenzung der Gattungen großes Ge- wicht legen. Allerdings hat Mösıus neuerdings eine Anisonema multi- costatum beschrieben, welche eine deutliche Schlundröhre besitzt. Die Art erinnert vielleicht noch mehr an Entosiphon und scheint eine Mittel- form darzustellen. Ob die Organisation des Vorderendes mehr an Anisonema oder an Entosiphon sich anschließt, kann ich nicht sicher der Beschreibung entnehmen. Die vorliegende Flagellate ist sehr häufig und von Stein, BörscHhLı, mir und SeLieo beschrieben worden. Auch bei dieser Form knüpft sich das Hauptinteresse an die Gestaltung des Vorderendes. Sreix, Bürscnrı wollen hier einen Schlund bemerkt haben, während ich von einem flachen langen Staborgan gesprochen habe, und Ssrıco hat sich neuerdings in der Auffassung mir angeschlossen. In der That wäre auch ein Schlund, der bis zum Hinterende reicht, ein sonderbares Gebilde. Nach den Beobachtungen, welche ich über die Mundorgane von Peranema, Urceolus, Dinema gemacht habe, ist es mir am wahrscheinlichsten, dass das Organ von Entosiphon in dieselbe 390. =; Georg Klebs, Reihe gehört. Ein Unterschied zeigt sich darin, dass bei Peranema und besonders bei Dinema das Organ aus zwei einzelnen Stäben besteht, die am vorderen Ende verbunden sind, während bei Entosiphon ein ein- ziger, flacher, nach hinten sich verjüngender Stab vorhanden ist, den man sich gleichsam durch Verschmelzung entstanden denken kann. Viel ausgesprochener als bei den früheren Formen ist die Bewegung dieses Organs. Während bei Dinema das Staborgan nur wenig in die Mundöffnung geschoben werden kann, stülpt, wie Steın bemerkte, das Thier sein Organ aus der Mundmulde bis an die Grenze des Vorder- endes. Wie ich beobachten konnte, vermag das Thier das Organ auch schief zur Längsachse zu stellen. Nur bei todten Exemplaren tritt nach Kent und Serıco das Staborgan über die Körperoberfläche hinaus. Mir ist nicht unwahrscheinlich, dass ähnlich wie bei Peranema das Organ beim Hineinschaffen der Nahrung dient. Im Allgemeinen besteht die- selbe nur aus kleinen Stücken; die Aufnahme selbst ist noch nicht be- obachtet worden. In der Art der Bewegung unterscheidet sich Ento- siphon sulcatum deutlich von Anisonema acinus. Ich beschrieb schon früher, dass die hintere Geißel nicht zum Rückwärtsschleudern dient, sondern bei der Vorwärtsbewegung mitwirkt, welche in einem ruck- weisen Vorwärtsstoßen und Hin- und Herzittern besteht. Entosiphon obliguum Klebs (Taf. XVII, Fig. 15 a—c). Körper ungefähr eiförmig, hinten zugespitzt, doch der eine Seiten- rand stärker gewölbt als der andere. In einer schmalen Einsenkung an der Bauchseite die beiden Geißeln. Staborgan relativ kurz, bis zum Vorderende reichend, nicht beweglich. Plasmamembran zart längs- streifig. Länge — 15 u, Breite = 7,6 u. Entosiphon obliquum ist ziemlich häufig ; wahrscheinlich gehört die Form hierher, welche Srzın auf Taf. XXIV, Fig. 25 gezeichnet und zu E. sulecatum gerechnet hat. Doch ist die Art durch ihre Körperform leicht zu unterscheiden, ferner auch durch den Mangel der Furchen, anstatt derer nur zarte Längsstreifen sich finden. Das Staborgan reicht stets bis zum Vorderende und scheint nach den bisherigen Beobach- tungen nicht beweglich ; doch könnten die Bewegungen übersehen sein. Die Mundöffnung, welche in einer schmalen Einsenkung liegt, findet sich etwas unterhalb der Spitze des Staborgans. Das Plasma des Körpers erscheint gleichmäßig stark lichtbrechend, mit relativ wenigen ‘ körnigen Inhaltsbestandtheilen, so dass schon dadurch die Art. auffällt. Doch habe ich unzweifelhafte Nahrungsballen im Körper beobachtet. Das Thier kriecht, die Schleppgeißel dem Substrat anlegend, vor- Flagellatenstudien. II. 391 wärts, indem es sich mit dem Vorderende ebenfalls darauf stützt und den Körper schief aufrichtet, denselben dabei hin und her bewegend. Zum Schlusse der Besprechung der Eugleniden, Astasiiden und Peranemiden will ich die Verwandtschaftsbeziehungen der Gattungen in einer Tabelle ausdrücken, ohne damit eine wirkliche Stammitafel liefern zu wollen (siehe Anhang II). Die direkteren Beziehungen zwi- schen zwei Gattungen sind durch Striche, die entfernteren durch Punkt- reihen angedeutet. Ascoglena----------- Colacium 2 Eutreptia-------- -Distigma Heteronema E 2 ya AN . -. ” Dinema , “ EN N D 7 S IN Trachelomonas — Euglena— — —— Astasia— — — Euglenopsis DIN > Anisonema x NR a va N Peranema—Urceolus \ Phacus Menoidium------------ Petalomonas Entosiphon Scytomonas Cryptoglena Sphenomonas------------ —---- Tropidoscyphns (Ploeoiva) IV. Chloromonadina Klebs. Körper ohne deutliche Plasmamembran, meist etwas amöboid mit zahlreichen scheibenförmigen Chlorophylikörpern, ohne Augenfleck ; kontraktile Vacuole im Vorderende. Kern central. Holophytisch sich - _ ernährend; Theilung in gallertumhüllten Ruhezuständen. So ungern man auf wenige Formen hin eine größere Abtheilung gründet, so sehe ich mich doch dazu veranlasst, weil einmal in der That die hierhergehörigen Formen noch isolirt für sich stehen, ferner aber voraussichtlich durch die Kenntnis anderer ähnlicher Formen größere Bedeutung erlangen werden. Jedenfalls möchte ich die Auf- merksamkeit der Flagellatenforscher auf sie lenken. Diese Abtheilung enthält jetzt nur Vacuolaria und Raphidomonas (Merotricha Mereschkowski, Gonyostomum Diesing), da die von Bürscnui außerdem diesen beigefügten Gattungen Chromulina, Microglena zu den Chrysomonadinen, Cryptoglena zu den Eugleniden gehören. Leider ist die Entwicklungsgeschichte, besonders die Art der Theilung bei den Chloromonadinen nicht näher bekannt; ihre systematische Stellung ist noch etwas unsicher, so dass man nicht einmal sagen kann, welchen anderen Flagellaten sie am nächsten stehen. Von den Euglenoidinen SE a nn a u ee 5 393 Georg Klebs, ui entfernen sie sich weit durch den Mangel der Plasmamembran, den ganz anderen Bau des Vorderendes. Möglicherweise lässt sich später ein näherer Zusammenhang mit Monadenformen erkennen. Vielleicht auch haben wir gerade in diesen Formen Mittelglieder zwischen Flagellaten und Volvocineen, ähnlich wie in der von Dangzarn entdeckten Polyblepha- ris. Meine Beobachtungen beschränken sich auf die Gattung Vacuolaria. Vacuolaria Cienkowski. Körper oval bis länglich, amöboider Bewegung fähig. Periplast eine stark lichtbrechende, weiche Hautschicht bildend. Am Vorderende zwei etwas ungleichartige Geißeln. Kontraktile Blase im Vorderende. Im Körper zahlreiche Chlorophylikörper. Weder Paramylon noch Stärke; dagegen Fett als Stoffwechselprodukt. Vaeuolaria virescens Cienkowski | (22) Taf. XXIII, Fig. 19— 22]. Monas grandis EHRENBERG p. p. (#3) (44) Taf. I, Fig. 5. Coelomonas grandis Stein (107) Taf. XII, Fig. 1—5. Vacuolaria virescens bei Kress (73). Einzige Species. Schon früher (70) habe ich darauf hingewiesen, dass die Gattung Stzm’s CGoelomonas höchst wahrscheinlich mit Vacuolaria identisch ist. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die erstere Gattung eine, die letztere zwei Geißeln besitzt. Ein Irrthum von Sreıy wäre desshalb sehr begreiflich, weil die zweite Geißel dicht am Körper anliegt, und nur die andere frei herausgestreckt wird. Immerhin ist die Sache nicht ganz sicher, und unentschieden lasse ich es, ob eine andere Art vorliegt. Die von mir beobachteten Exemplare gehören jedenfalls zu Vacuolaria virescens. Der Körper nimmt verschiedene Formen an, ist im Ganzen aber mehr oder weniger langgestreckt eiförmig; er verhält sich wie eine weiche plastische Masse, was namentlich dann hervortritt, wenn ungünstige Einflüsse einwirken, z. B. Berührung mit Farbstofllösungen, wobei mo- mentan sehr lebhafte amöboide Bewegungen des Körpers erfolgen. Der Periplast wird gebildet von einer stark lichtbrechenden, homo- genen Hautschicht, welche nach Behandlung lebender Zellen mit Chlor- zinkjod als eine gerunzelte, gelb gefärbte Haut hervortritt. Von ihr gehen vorn die beiden Geißeln aus, die eine ausgestreckt, die andere auch während der Bewegung dem Körper genähert, mehr horizontal liegend und wellig gefaltet. Im Vorderende befindet sich das Vacuolen- system. Nach Gienkowskı sind ein bis drei pulsirende Räume vorhanden, welche zu einer bis zwei Blasen verschmelzen. Zeitweise verschwinden Flagellatenstudien. II. 393 sie gänzlich und machen einem hellen, dreieckigen Raume Platz. Den letzteren zeichnet Sırın bei seiner Goelomonas sehr groß und fasst ihn als Leibeshöhle auf, welche durch einen Kanal mit einer Mundöffnung in Verbindung steht. Bürscnuı (13) schließt aus den Beobachtungen Sırın’s, dass die Höhle dem Reservoir der Euglenen entspricht, in welches die pulsirenden Vacuolen hineinmünden. Ein specielleres Studium des Vacuolensystems zeigt, dass dasselbe in der That manche Verschiedenheiten aufweist, welche einen Theil der vorhandenen Widersprüche der Forscher erklären können. Das typische Verhalten scheint mir folgendes zu sein. Die große Vaeuole im Höhepunkt ihrer Ausbildung zieht sich mit einem Ruck etwas zusammen und verkleinert sich dann langsam bis zum vollstän- digen Verschwinden. Während ihrer Kontraktion hat sich daneben eine andere Vacuole gebildet, welche etwa !/,—/, Minute braucht, um ihre normale Größe zu erreichen. Dann bleibt sie 11/,—2 Minuten ziemlich konstant, bis die Systole wie bei der vorhergehenden Blase eintritt. Die zweite Vacuole entsteht, wie CIEnkowskı richtig gesehen hat, durch Zusammenfließen kleiner Bläschen. Die Verschmelzung kann geschehen vor der Systole der ersten Blase, oder sie kann erst erfolgen unmittel- bar bei der Systole; oder es bilden sich zuerst zwei Blasen, welche bei der Systole sich vereinigen. Bei plattgedrückten, unter dem Deckglas beobachteten Exemplaren kann es vorkommen, dass vor dem letzten Verschwinden der ersten Blase die neugebildete mit ihr verschmilzt. Im Moment der höchsten Ausbildung wölbt die kontraktile Blase die sie bedeckende Hautschicht nach außen vor, so dass nur ein ganz dünner plasmatischer Überzug noch vorhanden ist. Bei der ersten Kontraktion erfolgt eine deutlichere Faltung der äußeren Vacuolenwand, ohne dass ein wirkliches Zerreißen festgestellt werden konnte. Die Chlorophylikörper sind elliptisch, bei gedrückten Exemplaren rund scheibenförmig und erscheinen vollkommen homogen. Im Körper finden sich stark lichtbrechende, fettähnliche Tropfen, die in Alkohol sich leicht lösen, beim Herausdrücken in einzelne vacuolige Massen zerfallen. Der Kern, etwa in der Mitte des Körpers liegend, erscheint mit Methylgrün gefärbt zart feinkörnig und zeigt gewöhnlich zwei un- gleich große Kernkörperchen. Die Theilung geschieht, wie Crenkowskı beschreibt, in gallertum- hüllten Ruhezuständen. Leider ist es mir nicht geglückt, den eigent- lichen Theilungsvorgang direkt zu verfolgen und festzustellen, ob eine Längstheilung wie bei den übrigen Flagellaten vorhanden ist. Früher habe ich bereits nachgewiesen, dass Vacuolaria außerordentlich leicht Gallerte ausscheidet, so dass es sehr schwer ist, die beweglichen Zellen a u a LEER Te A tn a RS a a DT a 394 Georg Klebs, zu tödten, ohne zugleich die Bildung der Gallerte zu veranlassen. Die Hülle 'erscheint als eine dünne hautartige, weich gerunzelte Schicht, welche in ihren Eigenschaften sich sehr ähnlich wie die Gallerte der Euglena sanguinea verhält. V. Chromomonadina Klebs. Kleine bis mittelgroße Formen, einzeln oder zu Kolonien vereinigt, nackt oder mit Hülle oder Gehäuse oder in großen Gallertmassen ver- einigt, häufig noch etwas amöboid. Periplast stets nur als einfache Hautschicht ausgebildet. Am Vorderende ein bis zwei Geißeln stets nach vorn gerichtet. Sehr selten farblos, meist mit ein bis zwei Farb- stoffplatten, gelbbraun, selten anders gefärbt. Ernährung meist holo- phytisch, seltener thierisch oder saprophytisch. Als Chromomonadinen fasse ich zwei Familien zusammen, die Chrysomonadinen und die Cryptomonadinen, von denen die ersteren den Hauptstamm bilden, während die letzteren einen eigenartig ent- wickelten, selbständigen Nebenzweig vorstellen. Die Verwandtschafts- beziehungen zu anderen Organismengruppen sind in der Einleitung hervorgehoben worden. Chrysomonadina Stein (emend.). Körper seltener nackt, meist mit Hülle oder Gehäuse versehen, einzeln oder zu Kolonien vereinigt. Am Vorderende ein bis zwei Cößehe häufig ein Augenfleck. Stets eine oder zwei gelbbraune Farbstoffplatten. Vermehrung durch Längstheilung im beweglichen Zustande oder häufig in Ruhe. Bildung von einfachen Dauercysten. SteIn hat zuerst die Verwandtschaft der meisten hierher gehörigen Formen erkannt und die Familie begründet. Er stellte allerdings auch Organismen dahin, wie Raphidomonas und Coelomonas, welche, wie Kent vorgeschlagen hat, ausgeschlossen werden müssen. Kent zählt andererseits noch die Cryptomonaden dazu und vereinigt damit, abge- sehen von der überhaupt zu streichenden Gattung Uvella, noch die Chla- mydomonade Chlorangium. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hat BürscaLı die verwandtschaftlichen Beziehungen der Gattungen nicht an- erkannt, sondern, einseitig Gewicht legend auf die Art der Bewimpe- rung, dieselben theils zu den Monadinen, theils zu den Euglenoidinen und Isomastigoden gerechnet. Nach meinem Urtheil ist die Familie der Chrysomonadinen eine sehr natürliche Gruppe, und ich stimme darin auch mit der von Wırız (418) ausgesprochenen Anschauung überein. Die Organisation des Körpers verhält sich bei allen Formen in den Grundzügen gleich; es wechselt die äußere Gestalt, die Art der Bu ce ee Flagellatenstudien. II. 395 Umhüllung, die Zahl der Geißeln ete. Charakteristisch vor Allem sind die ‚gewöhnlich in der Zweizahl vorhandenen Farbstoffplatten ; doch besitzen eine Anzahl Chromulina-Arten, eben so Ochromonas stets nur eine einzige. Der Farbstoff, welchen ich als Chrysochrom bezeichnen will, hat Ähnlichkeit mit dem Diatomin, wird wie dieses bei Behandlung mit Alkohol zuerst grün, bevor die Auflösung erfolgt (Bürscnuı 11, Woronın 120, Fısca 46). Eine specielle Untersuchung fehlt, so dass die Identi- tät von beiden Farbstoffen nicht behauptet werden kann. Nie sind bisher an den Chrysochromplatten besondere Organe gefunden worden, welche den Pyrenoiden der Euglenen oder den Amylumkernen der Volvoeineen entsprechen würden. Die Platten erscheinen im Allge- meinen homogen, wenn sich auch nicht selten Körnchen an ihnen finden, welche nach Fısca bei Chromulina Woroniniana eingelagert sind. Bei der Mehrzahl der Arten existirt ein Augenfleck, der als ein kleines rothes, bisweilen gekrümmtes Plättchen erscheint, und meistens direkt dem Ende der einen Chrysochromplatte aufsitzt — eine Lage, welche sich eben so sehr von der Stellung des gleichen Organs bei den Euglenen wie bei den Volvocineen unterscheidet. Merkwürdigerweise kommt bei Microglena punctifera neben dem großen Augenfleck noch ein klei- nerer vor; zwei gleiche finden sich bei Syncrypta (Stein [107], HanscırG [62]). Zweifelhaft ist die Sache bei Synura, bei welcher die Augenflecke in wechselnder Zahl bis zu zehn vorkommen sollen (Fresenius [50], Stein [107]). Ich habe eben so wenig wie BürscnLı (11) überhaupt einen Augenfleck bei dieser Art beobachten können, so viele Individuen ich auch daraufhin untersucht habe. Die Stoffwechselprodukte sind nicht selten charakteristisch, wie z. B. das Paramylon für die Reihe der Eugleneidinen, die Stärke für die Volvocineen. Bei den Chrysomonadinen findet sich keines von beiden, dafür aber eine sehr eigenthümliche Substanz, welche bei den anderen Flagellaten nicht vorkommt, dagegen identisch zu sein scheint mit einer Substanz von Hydrurus und den Phaeosporeen (RosTarınskı, siehe später). Esist eine weiße, stark lichtbrechende Substanz, welche zuerst von Stein für Dinobryon und Uroglena als fettartige Substanz erwähnt worden ist. Später haben Worosın dieselbe bei Chromulina Rosanoflii, Fıscn bei Ch. Woroniniana bemerkt, und beide haben ihr fettähnliches Aussehen hervorgehoben. Ich habe diese Substanz bei fast sämmtlichen von mir als Chrysomonadinen bezeichneten Formen, auch bei thierisch sich ernährenden Arten beobachtet. Leider lässt sich vorläufig über die chemische Natur dieser Substanz, welche ich als Leucosin benennen will, nichts aussagen; man kann sie keiner der größeren Stoffgruppen organischer Körper zutheilen. Jedenfalls ist das 396 Georg Klebs, Leucosin kein Fett, da es in Wasser löslich ist; seine Haupteigenschaft. besteht darin, in den bekannten Fixirungs- und Fällungsmitteln, wie Alkohol, Osmiumsäure, Pikrinsäure, Sublimat, saures chromsaures Kali, Tannin eben so zu verschwinden, wie in Säuren, Alkalien, überhaupt Mitteln, welche den Tod der Zellen herbeiführen. Für Hydrurus meint RoSTAFINSKI, dass es sich vielleicht um Glykose handelt. Es ist nicht un- möglich aber sehr unwahrscheinlich, da die eigenthümliche Licht- brechung der Substanz kaum durch eine wässrige Lösung von Zucker hervorgerufen sein kann. Vielleicht ist das Leucosin eine besondere Art von Eiweißkörpern in Form einer koncentrirten, micellaren Lösung. Wie schon Fıscn bemerkte, nimmt die Substanz weder Jod auf noch färbt sie sich mit den gebräuchlichen Farbstoffen. Das Leucosin kann in einzelnen Tropfen auftreten oder breitet sich den Raumverhältnissen anschmiegend in verschiedener Weise aus. In den meisten Fällen findet es sich vorzugsweise im Hinterende, füllt aber manchmal, wie besonders bei Microglena, den größeren Theil des Körpers aus. Bei Chromulina Woroniniana folgt das Leucosin nach der Beschreibung von Fısch den amöboiden Gestaltveränderungen des Hinterendes, ohne dass man gerade, wie Fiscn meint, in dieser Substanz den Sitz der Gestaltveränderungen annehmen darf; sie folgt nur passiv als flüssige Masse den Bewegungen des Plasmas. Dasselbe beobachtete ich auch für andere Chromulina- Arten, ferner für Dinobryon Sertularia. Wenn ich das Leucosin als Stoffwechselprodukt auffasse, welches vielleicht in enger Beziehung zu der assimilatorischen Thätigkeit der Chrysochromplatten steht, so ist das eine Hypothese, für die ein näherer Nachweis fehlt, für die aber das regelmäßige, der Quantität nach wechselnde Vorkommen im Zustande der Bewegung, die Anhäufung in Ruhezuständen spricht. Neben dem Leucosin kommen als Inhaltsbe- standtheile in sehr wechselnder Menge kleine ölartige Tröpfehen vor, die unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol sind. Das System der kontraktilen Vacuolen ist von Stein, Kent, BürschLi u. A. beobachtet worden, aber nicht für alle Fälle richtig aufgefasst. Eine Reihe Formen besitzen eine einzige Vacuole im Vorderende, so Chromulina ochracea (Steın, BürscaLn), flavicans (Stein), Woroniniana (Fıscn), oder es finden sich zwei abwechselnd pulsirende wie bei Chromulina verrucosa mihi. Dasselbe ist der Fall bei Dinobryon, aber wie Bürscnuı beschreibt, liegen dieselben etwas vom Vorderende ent- fernt. Im Hinterende finden sich eine oder zwei Vacuolen bei Stylo- chrysalis, Chrysopyxis (Stein, Wire) oder eine ganze Anzahl, zwei bis fünf bei Mallomonas, Synura (Stein). Einer besonderen Erwähnung be- darf das Verhalten der Vacuolen bei Hymenomonas und Microglena, bei TERN Re Flagellatenstudien. Il. 397 welchen dieselben nach den Angaben Sreiv’s ähnlich wie bei den Eu- glenen ausgebildet sein sollen, d. h. dass sie in einem konstant sich findenden Hauptbehälter und mehreren in denselben einmündenden Nebenvacuolen bestehen. Doch liegen bei beiden Gattungen die Ver- hältnisse anders. Hymenomonas besitzt nur eine Vacuole, welche ge- wöhnlich am Vorderende sich befindet und bei einer Temperatur von ca. 45° C. alle zwei Minuten pulsirt; jede Vacuole entsteht durch Zasammenfließen von kleineren Bläschen. Sehr häufig aber treten Unregelmäßigkeiten ein. Vor der Systole entstehen andere Vacuolen, welche mit der ursprünglichen verschmelzen, in Folge dessen dieselbe zu einer großen Blase heranwächst, welche in manchen Fällen bis zu 40—20 Minuten sich erhalten kann, in anderen schon nach 5—6 Minuten sich kontrahirt, was ganz langsam geschieht. Während einer 1!/, stündi- gen, beständigen Beobachtung bemerkte ich als Unterbrechung der Pulsationen dreimal das Auftreten der großen Blase. Bei Microglena punctifera finden sich im Vorderende eine Anzahl (bis zu fünf) kleinerer Vacuolen an der Peripherie vertheilt; jede pulsirt für sich und kommunicirt nicht, wie Stein angiebt, mit dem Flüssigkeits- behälter, welcher den größeren Theil des Vorderendes einnimmt (Taf. XVII, Fig. 13 a, b). Einen ähnlichen Behälter beschreibt Stein auch für das Vorder- ende von Synura, Mallomonas; mit großer Regelmäßigkeit und eben- falls durchaus unabhängig von den kontraktilen Vacuolen habe ich eine solche Blase bei Chrysamoeba beobachtet. Der Ausdruck von STEIN »Leibeshöhle « passt zu wenig darauf; eher könnte man daran denken, den Behälter als ein Analogon zur Zellsaftblase bei Pflanzenzellen auf- zufassen, oder noch besser zu den Vacuolen, welche sich bei vielen Dinoflagellaten vorfinden, z. B. gerade bei der den Chrysomonaden nahe stehenden Exuviaella (Kress 72). Der Kern lässt sich nicht an den lebenden Individuen erkennen und ist noch nicht bei allen Arten gesehen worden. Wo dies geschehen ist, wird er als bläschenförmiges Gebilde mit großem Nucleolus be- schrieben, so bei Synura, Uroglena von Bürscaui, bei Microglena, Chro- mulina flavicans von Stein; eben so verhalten sich Chrysamoeba, Ochromonas erenata, Chrysococcus nach meinen Beobachtungen. Für Chromulina Woroniniana giebt Fısca an, dass der Kern aus einer Rin- denschicht von Chromatin, einem homogenen Kernsaft und mehreren darin eingeschlossenen Nucleolen besteht. Meistens liegt der Kern in der vorderen Hälfte des Körpers. Der Periplast ist niemals als besondere Plasmamembran entwickelt, sondern erscheint stets nur als wenig hervortretende zarte Hautschicht. 398 Georg Klebs, Viele Arten haben noch die Fähigkeit Gestaltsveränderungen ihres Körpers herbeizuführen. Vollkommen wie eine Sarkodine oder Rhizo- mastigine verhält sich Chrysamoeba, welche zarte lange Pseudopodien strahlenförmig aussendet. Im hohen Grade amöboid sind auch die Ochromonas-Arten, welche Wysorzkı (121) ausführlich beschrieben hat. Chromulina-Arten, wie Woroniniana nach Fisch, flavicans nach Stein, verrucosa, Ochromonas crenata nach meinen Beobachtungen verändern besonders gern die Form ihres Hinterendes. Sich zusammenziehen und wieder strecken vermögen die Dinobryon-Arten, wie bereits EHRENBERG bemerkte (vgl. auch Bürscarı [44]. Bei Dinobryon muss man aller- dings nach meiner Ansicht Zweierlei unterscheiden, einmal die Fähig- keit die Gestalt zu verändern, was man besonders bei dem Heraus- treten der Individuen aus ihren Hülsen, ferner während der Theilung beobachten kann. Dabei wird auch häufig das Hinterende in amöboider Weise verändert. Außerdem findet sich die von EurengerG entdeckte Kontraktion. Diese betrifft, so viel ich sehen konnte, nur den oberen Theil des Körpers und meistens nur das etwas vorgestreckte, den einen Chromatophor mit Augenfleck enthaltende Ende, welches momentan auf äußere Einwirkungen hin zurückgezogen, dann langsam wieder aus- gestreckt wird. Selbst anscheinend starre, mit enger Hülle versehene Formen wie Synura, Mallomonas, Hymenomonas, können, wenn auch nur langsam, die Gestalt ihres Körpers verändern. Große Verschiedenheiten zeigen sich innerhalb der Chrysomonaden- Gruppe hinsichtlich der Umhüllung;; auf der Art derselben beruhen zum Theil die wichtigsten Gattungscharaktere. Nackt sind während der Be- wegung die Gattungen Ghrysamoeba, Ochromonas, Pectinella (Wysorzkı), Chromulina-Arten (Cıenkowskı, BÜTscHLı, STEIN u. A.). Die Mehrzahl der genannten Formen bilden aber, sowie sie in Ruhe übergehen, Gallert- hüllen, und besonders zeichnen sich Chromulina Rosanoffii nach Woronin, Chr. Woroniniana nach Fısca dadurch aus, dass die von Gallerte um- schlossenen Individuen in einzelnen, unbenetzten Gruppen auf der Ober- fläche des Wassers sich ausbreiten. Auf einem langen Gallertstiel sitzen die Individuen von Stylochrysalis. Die Bildung der Gallerte habe ich sehr deutlich bei Ochromonas erenata beobachten können, ich be- merkte ähnliche Erscheinungen, wie sie von mir für Euglenen (70, 73) geschildert wurden. Fügt man zu einem Tropfen, der zahlreiche Exemplare dieser Art enthält, etwas Methylenblau, so bemerkt man sehr bald an den meisten derselben eine blau gefärbte Hülle, welche sich deutlich aus eylindrischen, mehr oder minder gekrümmten Fäden zusammensetzt. Man bemerkt auch, wie einzelne solche Fäden unter Hin- und Herzucken der Zelle ausgestoßen werden (Taf. XVIII, Fig. 4d, e). Flagellatenstudien. Il. 399 Eine zweite Gruppe von Gattungen besitzt feste Hülsen oder Ge- häuse, in welchen der Körper mehr oder weniger frei sich befindet, oft nur mit seinem Hinterende an denselben befestigt. Die Substanz der Hülse ist glashell, homogen und nur selten wie bei Dinobryon undu- latum durch Eisenoxydhydrat bräunlich gefärbt. Am bekanntesten sind die zu schwimmenden Kolonien vereinigten, pokal- oder vasen- artigen Gehäuse von Dinobryon, in welchen die Individuen mit lang zu- gespitztem, fadenartigem Hinterende festsitzen. Genauer untersucht habe ich die Substanz der Schalen von Dinobryon Sertularia und war überrascht, die typischen Reaktionen einer reinen CGellulosehaut zu bemerken. Die Schale wird durch Chlorzinkjod violett, durch Jod und Schwefelsäure blau, löst sich in der letzteren Säure, eben so in Kupferoxydammoniak auf. Bei Dinobryon konnte ich die Entstehung der Hülsen verfolgen und dabei erkennen, wie eigentlich der Organis- mus, obgleich er der Hülse gar nicht anliegt, noch sie ausfüllt, dennoch sie bilden kann. Gleich nach der Theilung, die ich nicht im Einzelnen beobachtet habe, setzt sich das eine Individuum an den inneren, oberen Rand der Hülse mit seinem leucosinhaltigen Ende. Bald erkennt man (Taf. XVII, Fig. 9c, d), dass dieses Ende sich zurückzieht, man sieht die erste Andeutung der neuen Hülse, mit deren unterster Spitze die Zelle durch einen dünnen Faden im Zusammenhang bleibt. Allmählich scheidet nun mit ihren breiten Seiten die Zelle neuen Zellstoff aus, die Hülse wächst, während die Zelle selbst immer höher steigt. Dann verändert sich die Form der Zelle, sie wird am vorderen Ende schräg abgestutzt und scheidet an der längeren Seite der Abstutzung wieder Zellstoff ab. Die Form des Körpers verändert sich wieder‘, indem er sich nach der anderen Seite in die Länge streckt, dabei sich von der eben gebildeten Hülsenwand zurückziehend (Fig. 9e). Hier wird wieder Zellstoff abge- schieden, die Hülse ist fertig. Durch langsame Verkürzung des End- fadens zieht sich dann die Zelle auf den Grund der Hülse zurück. Während bei Dinobryon, Chrysopyxis die Gehäuse offen sind, be- sitzt Chrysococcus eine bis auf die Geißelöffnung geschlossene, derbe, mit Eisenoxydhydrat gefärbte Schale, ganz entsprechend wie Trache- lomonas oder Goccomonas. Eine dritte Gruppe bilden die Gattungen Hymenomonas, Micro- glena, Mallomonas, Synura, möglicherweise auch Synerypta und Uro- glena. Die zuerst genannten Gattungen besitzen eine eng anliegende hautartige Hülle, welche von Stein und BürscnLı wenigstens für Mallo- monas und Synura als cuticulare Bildung, d. h. als eine Art von Peri- plast angesehen worden ist. Wie ich schon früher bemerkt habe, ist BE El en En u Da ne iz, ne 400 Georg Klebs, das aber nicht der Fall; wir haben es hier mit echten Hüllenbildungen zu thun. Am dieksten ist die Hülle bei Hymenomonas roseola, bei welcher Stein sie als eine weiche gekerbte Schicht bezeichnet. Der Anblick wird dadurch herbeigeführt, dass in der Oberfläche der dicken, weichen Haut kleine ringförmige Scheibchen eingelagert sind, welche in Chlorallösung, ferner koncentrirter Essigsäure sich lösen, während die Haut zurückbleibt. Dieselbe nimmt sehr lebhaft Farbstoffe wie Methylenblau auf, färbt sich mit Chlorzinkjod gelblich. Wenn auch die Hülle dem Plasmakörper sehr eng anliegt, so vermag doch der letztere sich innerhalb derselben zu bewegen, was besonders vor der Theilung sehr deutlich zu beobachten ist. Bei Microglena punctifera, welche nach Steiv nackt sein soll, findet sich ebenfalls eine dünne, hautartige Schicht, über deren ganzer Oberfläche kleine runde Körperchen zerstreut sind. Leider standen mir nur wenige Individuen zur Verfügung, so dass ich nicht viel über die Hülle angeben kann. Mit Hilfe einer Kochsalzlösung konnte ich die Hülle vom Plasmakörper trennen; sie ist augenschein- lich sehr weich, so dass sie leicht ihre Form verliert. Sie quillt stark in Chloral, färbt sich mit Jod gelblich, mit Methylenblau intensiv blau. Ich glaubte an ihr eine sehr feine netzartige Struktur zu sehen. Die eigenthümlichste Gestaltung erlangt die Hülle von Mallomonas, deren eilienartige Anhänge von PERTY, Fresenius, Stein, Kent beobachtet worden sind. Schon Fresenius (50) berichtete, dass diese Anhänge bald mehr bald weniger vom Körper abstehen, und obwohl Kent (66) selbst hervorhob, dass diese Bewegungen durch den Widerstand des Wassers beim Vorwärtsschwimmen veranlasst werden, hat er doch diese An- hänge als Cilien bezeichnet und Mallomonas mit den Peridineen vereinigt. Bürscaus (13) hat bereits diese irrthümliche Ansicht zurückgewiesen. Richtig ist die Beobachtung Krnr’s, dass die Hülle von Mallomonas nicht glatt ist; er beschreibt sie als gekerbt, und Imnor (65) fügt ergänzend hinzu, dass die Hülle aus einzelnen Plättchen zusammengesetzt ist, von denenjedeseine lange Borste trägt. So viel ich beobachten konnte, besitzt die Hülle einen zierlichen netzartigen Bau (Taf. XVII, Fig. 12c) ; von den etwas vorspringenden Balken der Netze gehen die steifen Borsten aus. Nahe verwandt Mallomonas ist die Gattung Synura, obwohl es keinem Zweifel unterliegt, dass die erstere eine selbständige Form vor- stellt und nicht, wie Sreıw meint, ein Entwicklungszustand von Synura. Jedes Individuum einer Synura-Kolonie besitzt eine Hülle, welche nach meinen Beobachtungen Körnchen angelagert enthält und am Hin- terende auch etwas vorspringende feinere Fortsätze. Die borstenförmi- gen Anhänge von Mallomonas fehlen aber, und wenn Stein bei älteren Kolonien längere gekrümmite Stäbchen zeichnet, so entspricht das zwar A Fu Kr Me b r h Flagellatenstudien, Il. 401 einem wirklichen Vorkommnis, erklärt sich aber durch die sehr häufig der weichen Hülle anhängenden Bakterien. Unter Umständen verlässt der Plasmakörper die Hülle und schwärmt als nackte Zelle frei umher. Ob ein solcher Vorgang auch bei Mallomonas eintreten kann, ist unbe- kannt, doch findet bei der Bildung der Dauercyste eine Trennung des Körpers von seiner Hülle statt, indem derselbe sich zurückzieht von ihr, eine neue andersartige Haut ausscheidend. Es wurde schon früher nachgewiesen, dass diese Hüllen von Hyme- nomonas, Microglena etc. sich von den entsprechenden Bildungen der übrigen Flagellaten durch den engeren Zusammenhang mit dem Plasmakörper unterscheiden; sie führen hinüber zu den eigentlichen Zellhäuten, wie sie bei Algenzellen vorkommen und wie sie z. B. auch bei den Dinoflagellaten ausgebildet sind. Nach der Zahl und Ausbildung der Geißeln kann man, wie bei der Hülle, drei Gruppen von Gattungen unterscheiden, ohne dass aber diese Gruppen in beiden Fällen die gleichen Formen umschließen. Eine ein- zige Geißel besitzen Chrysamoeba, CGhromulina, Chrysococeus, Micro- glena, Mallomonas etc. ; zwei Geißeln, die ungleich lang sind, Dinobryon, Uroglena, Ochromonas; zwei ungefähr gleich lange Geißeln finden sich bei Hymenomonas, Synura, Chrysopyxis, Stylochrysalis, Syncerypta. Die Fortpflanzungserscheinungen der Chrysomonaden bestehen in der Vermehrung durch Theilung und in der Bildung von Dauereysten. Nur für eine Art, Uroglena volvox, wird aufsehr zweifelhafte und viel- deutige Bildungen hin eine geschlechtliche Fortpflanzung von Kent (66) vermuthet (vgl. auch Bürscnui 13). Für die Mehrzahl der Formen ist Längstheilung nachgewiesen ; bei einigen, wie bei Epipyxis, Stylochry- salis kommt nach Stein schiefe Quertheilung vor. Da aber der ganze Verlauf der Theilung nicht gesehen worden ist, so ist es für diese Fälle möglich, dass ursprünglich eine Längstheilung stattfindet, dass aber in den engen schmalen Hülsen sehr früh eine Verschiebung der Individuen eintritt, um sich dem beschränkten Raume anzupassen. Die Theilung, wie sie Wysorzkı (121) für die beweglichen Zellen von Ochromonas triangulata beschreibt, entspricht vollkommen der Theilungsart einer Monade. Den gleichen Verlauf habe ich für Ochromonas crenata feststellen können. Die Geißeln verdoppeln sich, der Körper streckt sich in der Querrichtung und schnürt sich unter amöboiden Gestaltveränderungen in der Mitte ein, bis nur noch ein dünner Faden die beiden Sprösslinge verbindet, und schließlich auch dieser reißt. Derselbe Organismus zeigt aber auch unter Umständen Abweichungen in der Theilung. So beschreibt Wysorzkt eine Art Knospung in ähnlicher Weise, wie FıscH (46) sie für Pleuromonas jaculans Perty angegeben hat. Ein einzelnes Individuum soll in mehrere Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Rd. 97 402 Georg Klebs, Theile langsam zerfallen. In der Art wie bei Monas geht auch die Theilung bei Formen der Gattung Chromulina vor sich; die einzelnen Individuen von Chr. Woroniniana theilen sich, wie Fısch beschreibt, nach Ver- mehrung des Zellkernes und des Chromatophors durch allmähliche Ein- schnürung vom Vorderende aus. Bei dieser Art, eben so bei Chr. Rosanoffii nach Woronis, ferner Chr. ovalis findet die Theilüng im gallertumhüllten Zustande statt, und zwar, wie es für ovalis sicher, | 4 für Rosanofii nach Woronin’schen Zeichnungen wahrscheinlich ist, durch successive Längstheilung. Fısch giebt für Chr. Woroniniana an, dass die Theilung wie bei einer Protococcuszelle vor sich geht, doch hebt er hervor, dass er die Theilung nicht genauer verfolgt hat. Bei € den in Gehäuse oder Schalen lebenden Chrysomonadinen findet für gewöhnlich innerhalb der Hülle die Längstheilung statt; der eine Sprössling verlässt als nackter Schwärmer die Hülle und bildet sich eine neue. Für Dinobryon stipitatum hat Perreran die Längstheilung angegeben, eben so für Chrysopyxis Stein und WıLLe, während von den beiden letzteren Forschern für Dinobryon (Epipyxis) utriculus schiefe Längs- resp. Quertheilung angenommen wird. Nach den Angaben Bürscaırs, eben so wie Perrrran’s und auch nach meinen Beobachtungen ° für Dinobryon undulatum findet vor der Theilung des Körpers keine Vermehrung der Farbstoffplatten statt; vielmehr erhält jedes Tochter- individuum nur eine einzige Platte, welche erst später sich theilt. Ich beobachtete ferner die Längstheilung bei Chrysococeus. Ganz wie ich es für Trachelomonas früher (70) beschrieben habe, findet die Theilung innerhalb der geschlossenen Schale statt, wobei dieselbe häufig auf der Stelle liegen bleibt und die sich theilende Flagellate innerhalb der Schale langsam sich bewegt. Nach der Theilung muss der eine Spröss- ling sich durch die enge Geißelöffnung durchpressen (Taf. XVII, Fig.7 c). [* In einem Falle bemerkte ich, dass derselbe gleich nach dem Heraus- treten eine neue Schale bildete. Für die Gattungen mit eng an- 3 schließender Hüllhaut ist Längstheilung von BürscnLı für Synura nachgewiesen worden, wobei zum Unterschiede von Dinobryon, Chrysococcus die Farbstoffplatten vorher sich auf vier vermehrt hatten. Das Verhältnis der Hülle bei der Theilung ist bisher nicht verfolgt, eben so wenig für Mallomonas und Microglena. Dagegen konnte ich für Hymenomonas roseola den Theilungsvorgang mehrmals von Anfang bis ö zu Ende beobachten (Taf. XVII, Fig. Ile, f). E Hymenomonas theilt sich in der Ruhe nach Abwerfen der Geißeln. Während der Bewegung langgestreckt, nimmt die Flagellate eine mehr rundliche Gestalt an und verbreitert sich bald gleichmäßig, bald haupt- sächlich am Vorderende. Innerhalb der dicken Hülle verändert der Flagellatenstudien. II. 403 Körper langsam seinen Platz, in Folge dessen es nicht in jedem Falle möglich ist zu entscheiden, ob die Theilungsebene parallel oder senk- recht zur ursprünglichen Längsachse steht; doch ist das Erstere für alle Fälle das Wahrscheinlichste. Die Theilung wird eingeleitet durch die Spaltung jeder Farbstoffplatte; sehr bald finden sich zwei kontraktile Vacuolen, über deren Entstehung ich nichts aussagen kann. Dabei verbreitert sich der Körper immer mehr, man sieht dann in der Mitte eine ringsum laufende zarte Einschnürung, welche jedenfalls sehr schnell verläuft, so dass man bald zwei getrennte Zellen beobachtet (Taf. XVII, Fig. Ile, f). Während dieser Einschnürung zeigt sich auch, dass die dicke Hülle ebenfalls eingeschnürt wird. Dann, wenn die Theilung des Plasmakörpers beendet ist, wird die Einschnürung der Hülle deut- licher. Die Einschnürung betrifft nur die weiche gallertartige Hülle, und erst ganz allmählich und später treten die Ringkörperchen an der Oberfläche der Einschnürungsstelle hervor. Schließlich erfolgt die gänzliche Trennung, nach welcher jede Tochterzelle ihre eigene Hülle besitzt. Man kann sich ohne Schwierigkeit diese Theilung der Hülle mechanisch erklären; die beiden Sprösslinge nach ihrer Theilung suchen sich, wie in allen solchen Fällen, von einander zu entfernen, und bewirken ein Ausziehen, eine Einschnürung und langsame Zer- reißung der weichen dehnbaren Hülle. Wenn man damit die Theilung einer Euglena mit deutlicher Plasmamembran vergleicht, so sieht man sofort den wesentlichen Unterschied. Bei Euglena wird die eigentliche Theilung nach den vorbereitenden Stadien gerade durch die langsame Einschnürung dieser Membran herbeigeführt (Kızss, 70), während hier bei Hymenomonas die Theilung der Hülle erst eine sekundäre Folge- erscheinung der Theilung des Plasmakörpers ist. Immerhin ist diese Theilung der Hülle eine bemerkenswerthe Erscheinung, welche bisher unter den Flagellaten isolirt, auch unter den Volvocineen nicht vor- handen ist. Dagegen hat ScaizLine (95) bei Peridineen eine ganz ähn- liche Theilung beobachtet. Mit einer Cystenhaut versehene Individuen theilen sich dadurch, dass in demselben Maße, wie der Plasmakörper sich einschnürt, das Gleiche auch bei der Zellwand eintritt. Vielleicht verläuft die Theilung bei Microglena, Synura, Mallomonas eben so wie bei Hymenomonas. Dauerzustände sind bisher nur bei einem Theile der Chrysomona- dinen bekannt geworden. Cıznkowskı (22) hat bei Chromulina eine inter- essante Bildungsweise solcher Zustände beobachtet, welche sehr an die von dem gleichen Forscher entdeckte Cystenbildung bei Monas guttula erinnert. Fıscn (46) hat für Chromulina Woroniniana dieselbe Ent- stehung der Cysten nachgewiesen. Dieselbe erfolgt in den genannten 27% 404 Georg Klebs, Fällen endospor, indem nur ein Theil, bei den Chromulina-Arten aller- dings der größere Theil des Körpers sich mit einer besonderen Cysten- haut umgiebt, während der Rest ausgestoßen wird. Von anderen Chrysomonaden ist die Entstehung solcher CGysten bisher nicht direkt beobachtet worden; sie selbst sind aber bei verschiedenen Formen gesehen worden. So hat Bürscuui, eben so auch Stein Cysten von Dino- bryon beschrieben, welche ich ebenfalls mehrfach beobachtet habe. Bei der letzteren Gattung sah ich auch an Kulturen in einer feuchten Kammer die Entstehung. Ein Individuum begab sich an die Öffnung der Hülse, schied eine zarte Hülle aus, kontrahirte sich etwas und bildete dann eine zweite viel derbere Hüllschicht. Die Cyste klebte gewöhnlich an der alten Hülse ziemlich fest an. Bei Mallomonas, bei welcher Form Stein die Gyste beobachtet hat, liegt dieselbe innerhalb der alten Hülle, und nur umgeben von einer einzigen sehr derben Haut, welche an dem einen Ende, so viel ich beobachten konnte, eine kleine halbkugelige Erhöhung trägt. Auf die wichtige Thatsache, dass sowohl bei Dinobryon wie bei Mallomonas die derbe Cystenhaut verkieselt ist, habe ich schon hingewiesen (siehe p- 284). Wie sich die Cyste von Synura, welche Bürsenui in ähnlicher Weise wie bei Dinobryon beschreibt, in Bezug auf den Kieselsäure- gehalt der inneren Haut verhält, kann nicht angegeben werden. Der Austritt der Flagellaten aus ihren Cysten ist bisher nur selten beobachtet worden. Woronın bemerkte, dass die im Winter ruhenden CGysten von Chromulina Rosanoffii im Januar schwärmende Zellen ent- ließen; das eigentliche Ausschlüpfen hat er nicht beobachtet, eben so wenig Wırte. Doch giebt der Letztere an, dass er neben einer geöffne- ten Gystenmembran vier Zellen in Gallerte gehüllt gesehen habe, von welchen er annimmt, dass sie durch kreuzweise (?) Theilungen des In- haltes entstanden sind. Die charakteristischen Dauereysten von Dino- bryon und Mallomonas sind in ihrer Keimung bisher nicht beobachtet worden. Dagegen hat Wysorzsı die Entwicklung der Gysten von Ochromonas triangulata beobachtet, wobei nach Verquellung der Mem- branen der Inhalt in zwei, vier etc. Theile zerfällt. Die Ernährungsweise der meisten Chrysomonadinen ist pflanzlich, indem sie mit Hilfe ihrer Chrysochromplatten und des Lichtes Kohlen- säure assimiliren. Ein kleiner Theil der bekannten Arten besitzt aber noch die Fähigkeit, sich durch Aufnahme fester Stoffe zu ernähren und so zu gleicher Zeit pflanzliche wie thierische Ernährung zu zeigen. Das erste Beispiel entdeckte Srem bei seiner Chrysomonas flavicans, in deren Körper er andere Organismen vorfand, und von der er daher thierische Ernährung vermuthete. Dieselbe wurde bestätigt von Flagellatenstudlen. II. 405 Wysorzk1, und auch ich habe es feststellen können. Im farblosen Hinter- ende des Körpers zahlreicher Individuen befinden sich aufgenommene Algen, z.B. Chlamydomonaszellen, ferner Diatomeen (Taf. XVII, Fig.5 a,b). Die Art und Weise der Aufnahme wurde nicht beobachtet. Ferner hat Wivsorzkt für die Arten der Gattung Ochromonas die gleiche Ernährungs- art gesehen; bei triangulata werden mit Hilfe von Pseudopodien Bakte- rien, Öltropfen von Pinus Cembra aufgenommen und ins Hinterende geschaflt. Vielleicht wirken aber weniger Pseudopodien als Vacuolen dabei mit; bei einer der Gattung Ochromonas zugehörigen Form, welche auch feste Nahrung enthielt, beobachtete ich die Bildung einer solchen Nahrungsvacuole am Vorderende wie bei Monas, aber allerdings ohne dass in dem Falle Nahrung erfasst wurde. Dagegen konnte ich sehr oft die Nahrungsaufnahme bei Ochromonas crenata beobachten; sie geht vollkommen wie bei einer Monas vor sich. Die Individuen, häufig sich an Algenfäden festsetzend, bilden von sich aus am Vorderende Vacuolen, welche sich durch eine relativ dicke Wandung auszeichnen und sehr beträchtliche Größe erreichen können. Durch die Bewegung der Hauptgeißeln oder von sich aus kommen Bakterien etc. in die Nähe, berühren die Blase und werden eingesogen (Taf. XVII, Fig.4c,g). Sehr langsam geschieht dann das Einziehen der Nahrungsvacuole. Sicher konnte ich die thierische Ernährung auch bei Chromulina verrucosa fest- stellen, bei welcher Art fast bei allen Individuen im Hinterende Nah- rungsreste sich vorfanden. Hier beobachtete ich auch die Ausscheidung solcher Reste am Hinterende (Taf. XVIII, Fig. 6.d). Nur einem Theil der Chrysomonadinen kommt Koloniebildung zu. Sehr bekannt sind seit EurenserG die scheinbar vielverzweigten, frei . schwimmenden Kolonien von Dinobryon, welche dadurch zu Stande kommen, dass nach jeder Theilung der eine Sprössling sich auf dem Mündungsrand der Schale befestigt und eine neue Schale bildet. Indem bei weiterer Theilung an derselben Schale mehrere Individuen sich fest- setzen und sich in gleicher Weise vermehren, erhalten wir die charak- teristischen Kolonien (Bürscauı 11, 43; Stein 107). Anders geartet und mehr den Verhältnissen bei Volvocineen ähnlich sind die Kolonien von Synura, Uroglena und Syncerypta. Genauer kennt man die Ent- stehung der Kolonien von Synura. Zahlreiche Einzelthiere sind bei ihr in radialer dichter Anordnung zu einer Kugel vereinigt. BürscnLı be- hauptet, dass die Hinterenden im Centrum in organischem Zusammen- hange stehen, während nach Stein nur eine lockere Verbindung vor- handen ist. Meine eigenen Beobachtungen sprechen mehr für die Ansicht Sıeiw’s. Nur die Hüllen der Einzelthbiere sind mit einander verklebt; schon durch Alkoholbehandlung fällt die Kolonie aus einander. 406 - Georg Klebs, Die Vermehrung der Kolonien geschieht auf zweierlei Weise. Einmal zerfällt eine Kolonie, welche durch lebhafte Theilung der Einzelwesen stark herangewachsen ist, in zwei Stücke, wie Sreın hervorgehoben hat und ich nur bestätigen kann. Ferner können aber neue Kolonien aus einzelnen Zellen entstehen. Ich beobachtete, dass die Plasma- körper einer älteren, mit Bakterien reich besetzten Kolonie ihre Hülle nach einander verließen und als nackte Schwärmer sich fortbewesten. Ich bemerkte dann in derselben Kultur ganz kleine Kolonien von zwei oder vier Individuen, und darf wohl annehmen, ohne es direkt gesehen zu haben, dass diese Anfänge aus einzelnen Schwärmern entstanden sind. Durch successive Längstheilung bildeten sich weiter die größe- ren Kolonien aus. Diese Entstehungsgeschichte zeigt, dass die Kolonie von Synura sich gänzlich anders bildet und vermehrt als die äußerlich ähnlichen Kolonien der Volvocinee Pandorina. Dasselbe ist höchst wahrscheinlich der Fall mit Uroglena, bei welcher zahlreiche Indivi- duen in der oberflächlichen Schicht einer gemeinsamen Gallertkugel eingelagert sind, so dass auch hier nur eine äußerliche Ähnlichkeit mit Volvox vorliegt. Über die Bildung der Kolonie von Uroglena sind bisher nur die Beobachtungen von Kent bekannt, welche aber, wie BürscaLt bemerkt hat, nicht sehr zuverlässig erscheinen. Gleiches gilt von den Beobachtungen Grmm’s (56) über eine der Synerypta vielleicht nahe stehende Form; vgl. die Darstellung und Kritik Bürscnırs. #» Da ich nicht die Absicht habe, eine ausführliche Monographie der Chrysomonadinen zu liefern, sondern es mir wesentlich darauf an- kommt, sie als eine natürliche Gruppe darzustellen, begnüge ich mich mit kurzen Diagnosen der Hauptgattungen und der Beschreibung der von mir neu entdeckten Arten. Eine Reihe neuer Arten sind neuer- dings von Stores (109, 144, 415) beschrieben worden, aber leider wenig eingehend, so dass ihr Verhältnis zu den anderen Chrysomona- den noch in vielen Punkten unklar ist. Sehr merkwürdig ist die von Stokzs (109) entdeckte Cyclonexis annularis, bei welcher zahlreiche Einzelwesen zu einer ringförmigen, freischwimmenden Kolonie vereinigt sind, analog in gewisser Hinsicht der Volvocinee Stephanosphaera. Be ERBE SAFE Be A in a 5 h Ei ha: NE Kal a g M ja a, N in, j u: 11 7 138 | MR i ! t Ku 8 » N Y ++ \ { rl 1 PP Rn A. Chrysomonadina nuda. Körper nackt oder im ruhenden Zustande von Gallerte umhüllt. Chrysamoeba Klebs. Körper während der Bewegung dick eiförmig, mit einer Geißel' zeitweilig in Form einer Amöbe mit feinen, ringsum ausstrahlenden Pseudopodien. Zwei Farbstoffplatten, 2—3 kleine kontraktile Vz eine größere konstante Vacuole; ohne Augenfleck. = sn Wr Dee — LT si ER er ee Fu y ee BE Bann ai. = ai a a ei =. e Dt Flagellatenstudien. Il. 407 Chrysamoeba radians Klebs (Taf. XVII, Fig. I a—.c). Einzige Species. Länge = 12—15 u. ; Diese merkwürdige Flagellate habe ich an einem Standort in größerer Menge angetroffen. Sie entspricht in ihrem Wechsel von Amöben- und Schwärmzustand einer Mastigamoeba. Doch wurde nie eine Andeutung einer Aufnahme fester Nahrung beobachtet. In dem Amöbenzustand findet eine ganz langsame Vorwärtsbewegung statt; während derselben bleibt die Geibel stets erhalten. Von Theilungszu- ständen habe ich nur weit vorgeschrittene gesehen, wobei die amöben- artigen Sprösslinge noch durch einen Faden in Verbindung standen. Chromulina Cienkowski. Körper kuglig bis oval länglich, stets amöboid, besonders am Hinterende; mit einer Geißel, einer bis zwei Farbstoffplatten, meist mit Augenfleck. Theilung in gallertumhüllten Ruhezuständen. Dauercysten so weit bekannt endospor. CIENKOwsKkI (22) hat die Gattung gegründet, aber erst Bürscatı (13) hat ihr einen allgemeineren Charakter gegeben, der von Fısca (46) aner- kannt wurde und auch von mir angenommen wird. Die Arten sind augenscheinlich zahlreich in unseren Gewässern vertreten, aber nur zum kleineren Theile bisher bekannt. Wırre (117, 118) hat den Versuch gemacht, die Selbständigkeit der Gattung aufzuheben, indem er be- hauptet, dass gewisse Arten nur Entwicklungsformen der Gattungen Epipyxis, Chrysopyxis vorstellen. Sowohl Bürscauı wie Fısca haben diese Anschauung von Wire bekämpft und, wie mir scheint, auch nach meinem Urtheil mit vollem Recht, obwohl Wırız diesen beiden Forschern gegen- über von Neuem seine Ansicht lebhaft vertheidigt hat. Er hat beobachtet, dass Chromulina-ähnliche Schwärmer sich festgesetzt und sich zu Chrysopyxis umgewandelt haben. Das wird jedenfalls richtig sein, aber damit ist nicht nachgewiesen, dass jene Schwärmer wirklich Chromulina- Arten waren, wie sie von CIenkowskı, BürscHuLi, Woronin, Fısch be- schrieben worden sind. Aus der Beschreibung Wırır's geht sogar direkt hervor, dass sie es nicht sein können. Die Chromulina-Schwärmer haben stets nur eine Geibßel, diejenigen von Chrysopyxis müssen zwei besitzen. WırrE beschreibt für die letztere allerdings nur eine. In seiner Erwiederung bemerkt er aber, dass er vielleicht bei den Schwär- mern von Chrysopyxis die eine Geißel übersehen habe. Damit gesteht er, dass seine Beobachtungen nicht sehr eingehend waren und nicht genügend, um nachzuweisen, ob die in jedem Falle sehr ähnlichen ae ge AR ie BE an Kan we ern een SERIE = = Pa ie m Eee er = ee Te Er 408 Georg Klebs, Formen verschieden oder identisch waren. Wir begegnen hier der- selben bedenklichen Schlussfolgerung, welche manche Algologen in Bezug auf die niederen Algen gezogen haben. Desshalb, weil höhere Fadenalgen unter Umständen Entwicklungszustände zeigen, welche niederen Algen sehr ähnlich aussehen, folgt in keiner Weise, dass die letzteren gar nicht mehr als selbständige Formen existiren sollen; vielmehr giebt es vollkommen gute Arten bei den Protococcoiden, bei der Gattung Proto- und Pleurococcus, und darin wird nichts geändert, wenn auch für einzelne nachgewiesen wird, dass sie zu höheren Algen gehören. So wäre es auch möglich, dass die schwärmenden Zellen von Chrysopyxis, Epipyxis, Dinobryon als Chromulina-Arten beschrieben worden seien, oder es werden könnten. Dadurch wird die Selbständig- keit der anderen Arten gar nicht berührt. Ich beobachtete folgende Arten: Chromulina flavicans (Ehbg.) Bütschli. Monas flavicans Eurzngerg (22). Chrysomonas flavicans Sıeın (107) Taf. XII, Fig. 16—18; Wysorzkı (124) p. k; meine Taf. XVII, Fig. 5 a—c. Körper während der Bewegung länglich, veränderlich. Periplast etwas körnig; 1—2 kontraktile Vacuolen im Vorderende; ein Augen- fleck ; zwei Chrysochromplatten; im Hinterende meist gefressene Nah- rungsballen. Länge — 14—A6 u, Breite = 7—13 u. Diese Flagellate bewegt sich wie eine echte Monade gleichmäßig fortschwimmend, lange Zeit ohne Rotation, dann auch wieder langsam rotirend. Während der Bewegung verändert sich die Form des Hinter- endes. Bisweilen hört die Bewegung auf, und die Zelle rundet sich kuglig ab, auch in diesem Zustand an der Peripherie kleine Auswüchse bildend und einziehend. Charakteristisch ist die Einlagerung feiner Körnchen in dem Periplasten, und diese körnige Peripherie des Körpers erinnert sehr an Monas vivipara. Die Figuren 19 a—g bei Stein gehören wahrscheinlich nicht zu Ch. flavicans. Die Thatsache, dass Ch. flavicans sich thierisch ernährt, ist leicht zu beobachten (vgl. Wysorzeı). Fast jedes Exemplar enthält Nahrungsballen, Diatomeen (Fig. 5b), oder Chlamydomonaden (Fig. 5a, c). Die Art der Aufnahme wurde noch nicht beobachtet. Im Hinterende liegen die Nahrungsballen in dem leucosinhaltigen Plasma. Chromulina verrucosa Klebs (Taf. XVIH, Fig. 6d). Körper dick eiförmig, mit einer sehr großen und stark verbogenen Chrysochromplatte, Augenfleck; zwei kontraktile Blasen am Vorder- Flagellatenstudien. Il. 409 ende. Periplast mit einzelnen höckerartigen Vorsprüngen. Im Hinter- ende gefressene Nahrungsballen. Diese Art habe ich an verschiedenen Standorten, aber meist nur in vereinzelten Exemplaren beobachtet. Sie ist durch die hervortreten- den, in geringer Anzahl vorhandenen Höcker des Periplasten von Chr. flavicans leicht zu unterscheiden. Gewöhnlich erscheint sie auch viel dicker eiförmig, am Vorderende verschmälert und fast abgestutzt, am Hinterende breit abgerundet. Ferner habe ich nur eine einzige, aber stark muldenförmig gebogene und, wie es scheint, vorn eingekrümmte Chrysochromplatte beobachtet; wenigstens konnte ich mich nicht mit Sicherheit von zwei gesonderten Platten überzeugen. Der Körper ist fähig seine Gestalt zu verändern, wenn auch eine besondere amöboide Beweglichkeit des Hinterendes nicht hervortritt. Der Körper kann sich aber strecken und sich zusammenziehen. Aufgenommene Nahrungs- ballen findet man bei der Mehrzahl der Exemplare. Der Kern, die Theilung wurden bisher nicht beobachtet. Die Bewegung besteht in raschem freiem Schwimmen, verbunden mit Rotation. Chromulina ochracea (Ehbg.) Bütschli. Monas ochracea EHrenBerG ? (44) Taf. I, Fig. 7. Chromulina ochracea Bürscauı (14) Taf. XII, Fig. 10 a—c. Chrysomonas ochracea Ste ? (107) Taf. XIV, Abthl. IH, Fig. 1. Körper klein, etwas abgeplattet, rundlich bis herzförmig mit zwei Chrysochromplatten, Augenfleck und einer kontraktilen Blase im Vor- derende. Periplast glatt. Holophytisch sich ernährend. Länge = 3,6 — 5,4 u. Diese kleine Chrysomonadine habe ich mehrfach gesehen, ohne Anderes an ihr zu beobachten, als was bereits Bürscarı mitgetheilt hat. Nur seine Angabe über den Ursprung der Geißel, welche nach ihm von einer der breiten Körperflächen entspringen soll, kann ich dahin be- richtigen, dass, wie bei den anderen Arten, dieselbe am Vorderende sitzt. Ich finde die Bewegungsart charakteristisch, namentlich zum Unterschiede von den vorigen Arten und der folgenden. Bürscauı be- schreibt sie als eine sehr rasche, flatternde, auch zuckende und wackelnde Bewegung, welche nur zuweilen von kurzen Ruhepausen unterbrochen wird. Die Theilung wurde bisher nicht gesehen. Möglicherweise ist diese Art identisch mit Chr. nebulosa CiEnkowskı, wenn auch die Ge- stalt der einzigen Chrysochromplatte nicht dafür spricht. Ob die von Stein als Chrysomonas ochracea gezeichneten Flagellaten hierher oder vielleicht zur folgenden Art gehören, muss ich ebenfalls unentschieden lassen. Dr ne Ya vu w re a a 2 a s Y * 410 Georg Klebs, Chromulina ovalis Klebs (Taf. XVII, Fig. 6a—.c). Körper während der Bewegung eiförmig, oft hinten zugespitzt; das farblose leucosinhaltige Hinterende amöboid; eine muldenförmige Chrysochromplatte, ein Augenfleck, eine kontraktile Blase im Vorder- ende. Theilung im abgerundeten geißellosen Zustande in Gallerthülle. Länge = 8—13 u, Breite = 5—7 u. Diese Art wurde häufiger beobachtet und lässt sich mit den bisher beschriebenen Arten nicht identificiren. Die Bewegung besteht in einem ruhigen Vorwärtsschwimmen, verbunden mit Rotation, wobei das Hin- terende seine Gestalt nicht selten verändert. Dasselbe wird ganz aus- gefüllt von dem Leucosin. Am etwas ausgerandeten Vorderende sitzt die Geißel, welche länger als der Körper ist. Nach einiger Zeit der Bewegung kommt die Flagellate zur Ruhe, rundet sich ab, umgiebt sich mit einer Gallerthülle und theilt sich in ihr der Länge nach. Die Theilung kann weiter gehen und größere Komplexe von Individuen entstehen, welche aber zum Unterschiede von der nächsten Art stets von Wasser umgeben sind, wenn sie sich auch an der Oberfläche der Kultur be- finden. Chromulina Rosanoffii (Woronin) Bütschli. Chromophyton Rosanoffii Woronin (120) Taf. IX. Körper klein, meist eiförmig, wenig amöboid, ohne Augenfleck, mit einerschmalen Chrysochromplatte, einer kontraktilen Vacuole. Theilung im ruhenden gallertumhüllten Zustand ; auf der Oberfläche des Wassers einen unbenetzten, staubartigen Überzug bildend. Der ausgezeichneten Darstellung Woronin’s habe ich nichts beizu- fügen. Die Zugehörigkeit zu Chromulina, welche Bürscarı betont hat, scheint mir auch durchaus überzeugend. Durch die merkwürdige Ge- wohnheit, auf der Oberfläche des Wassers den staubartigen, unbenetzten Überzug zu bilden, unterscheidet sich die Art von den vorhin be- schriebenen und ist überhaupt dadurch auf den ersten Blick kenntlich. Eine nahe verwandte Art ist die von Fısen (46) genau beschriebene Chromulina Woroniniana. Ochromonas Wysotzkil. Körper verschieden geformt, deutlich amöboid. Am Vorderende mit zwei Geißeln, kontraktiler Vaeuole. Ein oder zwei Chrysochrom- 1 Da die Arbeit von Wysorzkı russisch geschrieben ist, konnte ich sie selbst nicht lesen. Herr Arrıry aus Moskau war so liebenswürdig, mir die Hauptsachen daraus zu übersetzen. Flagellatenstudien. II. 411 platten. Theilung im beweglichen und ruhenden Zustande. Feste Nahrung aufnehmend. Diese Gattung umschließt nach dem Entdecker derselben zwei Arten, triangulata mit länglich dreieckigen schwärmenden Indivi- duen, bei welchen die eine Geißel länger als die andere ist, und bici- liata von länglicher Form mit zwei gleich langen Geißeln. Ich habe mehrfach Chrysomonaden gefunden, welche in ihrem Bau der Gattung Chromulina völlig entsprachen, aber neben der Hauptgeißel eine kleine Nebengeißel besaßen. Ich will sie als besondere Arten hier anführen. Ochromonas mutabilis Klebs (Taf. XVII, Fig. 2, 3a, b). Körper länglich eiförmig, vorn ausgerandet oder abgestutzt; Haupt- geißel länger als der Körper, Nebengeißel nicht halb so lang als letzterer. Zwei Chrysochromplatten, ein Augenfleck, eine kontraktile Blase im Vorderende. Nahrungsballen im Hinterende. Länge = 16—24 u. Diese Art bewegt sich langsam fort, gleichmäßig rotirend, stellen- weise sich festsetzend. Sie hat die Fähigkeit, langsam ihre Gestalt zu verändern, besonders das Hinterende auszustrecken (Fig. 3 d) und wieder einzuziehen, ohne dass aber deutliche Pseudopodien zu sehen sind, wie sie Wysorzkı für Och. triangulata beschrieben hat. Ähnlich dieser Art ernährt sich auch Och. mutabilis thierisch. Die Aufnahme selbst wurde nicht gesehen, ich bemerkte nur einmal die Bildung einer Nahrungs- vacuole, wie sie bei der folgenden Art öfters beobachtet wurde. Möglicherweise stellen Fig. 2 und 3 verschiedene Arten vor, wie ich Anfangs glaubte. Doch konnte ich diese Formen nicht so genau studi- ren, dass ich mich bestimmter darüber aussprechen könnte. Ochromonas erenata Klebs (Taf. XVII, Fig. k a—e). Körper rundlich bis länglich, vorn abgestutzt, meist mit zahlreichen warzenförmigen Vorsprüngen an der Peripherie versehen. Außer der Hauptgeißel eine zweite sehr kleine Nebengeißel. Eine vielfach ge- faltete Chrysochromplatte, ein Augenfleck, eine kontraktile Blase. Auf- nahme fester Körper mit Hilfe von Vacuolen. Länge —= 14—20 u. Diese Art zeigte sich in sehr großer Individuenzahl in einem Kul- turgefäß. Durchschnittlich besitzen die Exemplare eine Form, wie Fig. A a, c, h zeigen; doch wegen der Fähigkeit, die Gestalt zu verän- dern, bemerkt man auch andere Formen. Sehr charakteristisch, dabei etwas ähnlich wie bei Chromulina verrucosa, ist die Bedeckung der Peripherie mit den kleinen zarten Warzen, welche allerdings auch bei 412 Georg Klebs, manchen Exemplaren in geringer Anzahl vorkommen oder fast fehlen. Die Chrysochromplatte erinnert in ihren mehrfachen Krümmungen ebenfalls an Chr. verrucosa. Der Augenfleck ist sehr klein und undeut- lich. In der Mitte des Körpers liegt der Kern (Fig. 4 f) mit großem Nucleolus, nur sichtbar nach Färbung. Die Nahrungsaufnahme lässt sich leicht feststellen: sie verläuft genau wie bei einer typischen Monas, nur mit dem Unterschied, dass die Bildung der Nahrungs- vacuolen selbständig erfolgt und dass dieselben von auffallend der- ber Haut umkleidet sind. Ich sah öfters das langsame Heraustreten, Bin- und Herbiegen, die Anschwellung der Blase, eben so das Ein- sinken von Bakterienhaufen in dieselbe. Wie Fig. 4 g zeigt, kann sich dicht neben der noch nicht eingezogenen, nahrungshaltigen Vacuole schon eine zweite neue bilden. Die Bewegung entspricht ebenfalls ganz derjenigen von Monas-Arten; die Individuen schwimmen gleich- mäßig ruhig fort, ohne Rotation; zeitweise setzen sie sich fest, besonders gern an Algenfäden, und fangen dabei ihre Beute. Über die Ausschei- dung der Gallerte wurde schon früher berichtet. Die einzelnen Gallert- fäden färben sich in Methylenblau nicht blau, sondern violett, mit Ausnahme des etwas verdiekten äußersten Endes, welches in Folge dessen hervortritt. Wahrscheinlich stellen die Fäden Hohleylinder dar. Während der Ausscheidung zuckt das Thier, rundet sich ab und verliert seine Warzen (Fig. A d, e). Vielleicht sind es diese gerade, welche die Gallertfäden direkt bilden. Je nach der Menge derselben ist die Hülle bald lockerer, bald dichter. Die Theilung verläuft genau wie bei einer echten Monas-Art, so dass in der That der ganze Orga- nismus mit vollem Rechte zu dieser Gattung gestellt werden könnte, wenn man nicht auf den Zusammenhang mit den anderen Chrysomona- den Gewicht legen würde. Sehr auffallend ist die Thatsache, dass die echten Monas-Arten Augenflecke besitzen, welche Organe gewöhnlich sich nur bei solchen farblosen Formen finden, die unzweifelhafte Be- ziehungen zu gefärbten Formen besitzen (Euglena, Chlamydomonas, Chlorogonium, siehe Kress [73]). Ob nun die Monaden aus Chrysomo- naden oder diese aus ersteren entstanden sind, bleibt dabei fraglich. Stylochrysalis Stein. Körper klein, eiförmig, mit zwei gleich langen Geißeln, zwei Chrysochromplatten, ohne Augenfleck; festsitzend auf einem steifen Gallertstiel. Stylochrysalis parasitica Stein [(107) Taf. XIV, Abth. IV). Einzige Species. Diese Form ist bisher nur aus den Zeichnungen Sızın’s bekannt; ae 27 Flagellatenstudien. II. 413 eine erneute Untersuchung wäre sehr erwünscht. Es geht nicht sicher aus der Darstellung hervor, ob Stylochrysalis nackt oder mit einer Art Hülle versehen ist; auch die Angabe, dass Quertheilung stattfindet, bedarf der Bestätigung. B. Chrysomonadina loricata. Körper in einem Gehäuse oder einer Schale sitzend. Alle holo- phytisch sich ernährend. Chrysococeus Klebs. Körper rundlich wie Chromulina gebaut, mit einer Geißel, Augen- fleck und einer kontraktilen Blase; im Hinterende Leucosin. Zwei Chrysochromplatten. In einer derben bräunlichen engen Schale, geschlossen bis auf die Geißelöffnung. Theilung innerhalb der Schale. Chrysococcus rufescens Klebs Taf. XVII, Fig. 7 a—f. Einzige Species. | Länge = 8—10 u. Diese neue Chrysomonadine habe ich nur in einem Teiche aber in ungeheurer Individuenzahl beobachtet. Sie entspricht der Volvo- cinee Coccomonas einerseits, andererseits der Euglenide Trachelomonas. Die wesentlichen Eigenschaften sind bereits in den allgemeinen Be- merkungen angegeben worden. Dinobryon Ehrenberg. Körper länglich, in ein spitzes Hinterende ausgezogen, mit einer Haupt- und einer Nebengeilsel, zwei Chrysochromplatten, Augenfleck, zwei kontraktilen Vacuolen, mehr in der Mitte des Körpers. Leucosin das Hinterende ausfüllend. Mit letzterem befestigt in einem becher- bis vasenförmigen, oben weit offenen Gehäuse. Theilung innerhalb des Ge- häuses. Bildung der Cysten mit derber Kieselhaut am Mündungsrande des Gehäuses. Einzeln oder Kolonien bildend. Die Gattung ist seit Enurengere (43) vielfach untersucht worden. Bürscatr (11) hat den inneren Bau der bekanntesten Species Sertularia genauer untersucht, und zuerst die steife kurze Nebengeißtel entdeckt. Stein hat vortreffliche Abbildungen geliefert. Zahlreiche andere For- scher haben die Gattung beobachtet und ihr allgemeines Vorkommen in großen Seen als pelagische Organismen hervorgehoben, was beson- ders durch die Untersuchungen von Imnor (64, 65) in ausgedehntem Maße geschehen ist. Eine Erweiterung der Gattung wird durch WiıLıE vorgeschlagen, indem er auf die große Ähnlichkeit von Dinobryon und Epipyxis verweist. Allerdings scheint Wırır einfach Dinobryon Sertu- laria und Epipyxis utriculus für identisch zu halten, was ich indessen nicht für richtig halte. Letztere Form ist eine festsitzende, in einzelnen 414 Georg Klebs, Exemplaren vorkommende, Dinobryon-ähnliche Art. Daher scheint es E mir berechtigt, die Gattung Epipyxis einzuziehen. Eine Reihe neuerer Arten sind von Inmnor beschrieben worden, jedoch bisher nur sehr kurz, und danach scheinen dieselben in ihrem Bau wesentlich wie Sertularia sich zu verhalten, dagegen sich in dem Bau des Gehäuses, der Art der Kolonie zu unterscheiden. Dinobryon Sertularia Ehrenberg [(44) Taf. VII, Fig. 8]. DuJarDın (4) Taf. I, Fig. 2; Perry (90) p. 478; Crararkde und Lach- MANN (24) Taf. XIL, Fig. 16; Bürscauı (14) Taf. XI, Fig. 44 a,b; Stein (407) Taf. XII, Fig. wir Kent (66) Taf. XXI, Fig. 3.—40; Bürscauı (13) p. 817; Inaor (65); meine Taf. XVII, Fig. 9 a—e. Körper langgestreckt, hinten zugespitzt, vorn abgerundet bis fast abgestutzt, kontraktil; Gehäuse becherförmig, gestielt; frei schwimmende, buschförmige Kolonien bildend, indem die jugendlichen Individuen sich an den Mündungsrand der älteren Gehäuse setzen. Diese so oft beschriebene Flagellate gehört auch zu den verbreitet- sten Formen nicht bloß in größeren Seen, wo sie Imtor so häufig nachgewiesen hat, sondern auch in kleineren Tümpeln. Auf einige wichtige Punkte ihrer Organisation und Entwicklungsgeschichte habe ich vorhin hingewiesen. Dinobryon undulatum Klebs (Taf. XVII, Fig. 10a, b). Körper schmal eiförmig, nach hinten nicht besonders zugespitzt; Gehäuse bräunlich, dick vasenförmig, ohne besonderen Stiel, mit mehre- ’ 3 ren Einschnürungen in der Mitte. Freischwimmend, aber stets einzeln. Diese Art steht in der Mitte zwischen Sertularia und der nächsten Art (Epipyxis) utrieulus, in so fern sie zwar noch frei schwimmt wie erstere, aber stets einzeln für sich lebt wie meistens die letztere. Der Körper ist mit seinem Hinterende an das vasenförmige Gehäuse 2 f befestigt, so dass dasselbe beim Schwimmen mitgenommen wird. Das Gehäuse erhält seine Farbe durch Einlagerung von Eisenoxydhydrat. Der Körperbau entspricht in allen Theilen vollkommen demjenigen von Sertularia ; doch habe ich nicht so plötzliche Kontraktionen beobachtet. Dinobryon utrieulus (Ehbg.) Klebs. Epipyxis utriculus Eurengerg (44), Taf. VII, Fig. 7; Sıem (1 0, Taf. XII, Fig. 6—11. Dinobryon Sertularia e: p. Wırız (148), Taf. XVII, Fig. 100—103. Körper langgestreckt, hinten stark zugespitzt, kontraktil; am Vorder- 3 ende seitlich ein peristomartiger Fortsatz. Gehäuse lang bocher E hinten zugespitzt, einzeln oder zu mehreren festsitzend. | Flagellatenstudien. II. 415 Die Gattung Epipyxis wurde von EHrENBERG aufgestellt für dino- bryonähnliche Organismen mit festsitzenden Gehäusen und ohne Augen- fleck. Die beste Darstellung dieser Art lieferte Stein, welcher den Augenfleck nachwies, ferner den peristomartigen Fortsatz — eine Eigenthümlichkeit, welche diese Art von dem Körper der sehr ähn- lichen Sertularia unterscheidet. Ich habe nur wenige Exemplare dieser Art beobachten können. Chrysopyxis Stein. Körper dick eiförmig bis kugelig, an beiden Enden abgerundet, mit zwei gleich langen Geißeln, Augenfleck, zwei Chrysochromplatten. Zwei kontraktile Blasen am Hinterende. Gehäuse einzeln, dick bauchig, festsitzend. Chr. bipes Stein (107) Taf. XII, Fig. 12, 13; Wırze (448) Taf. XVII, Fig. 79—91. Gehäuse "mit zwei spitzen Fortsätzen festsitzend. Körper am Grunde des Gehäuses. Diese Art habe ich nicht beobachtet. C, Chrysomonadina membranata. Körper mit einer enganliegenden, hautartigen Hülle versehen. Alle holophytisch sich ernährend. Hymenomonas Stein. Körper länglich cylindrisch bis stark abgerundet, häufig am breiten Vorderende ausgerandet, etwas formveränderlich. Hülle dick, zart bräun- lich, weich. Zwei gleich lange Geißeln am Vorderende, ohne Augen- fleck, zwei Chrysochromplatten: kontraktile Blase im Vorderende. Einzeln lebend, freischwimmend. Theilung im geißellosen Zustand. Hymenomonas roseola Stein [(107) Taf. XIV, Abth. II]; meine Taf. XVII, Fig. 11 a—f. Hülle in der Peripherie ringförmige Körperchen enthaltend. ß) glabra. Hülle nur zart körnig. Länge = 14—25 u, Breite = 10—18 u. Diese von Stein entdeckte, sehr charakteristische Form ist seit- her nicht mehr beobachtet worden. Stein stellt sie mit Recht zu seinen Chrysomonadinen, während Bürscnui (13) sie als eine Chlamy- domonade auffasst, wofür aber kein Grund vorliegt, da die Or- ganisation von der der Volvocineen sehr wesentlich abweicht, voll- “ Se uun 416 Georg Klebs, kommen aber dem Bau der anderen Chrysomonadinen entspricht. Die wesentlichen Eigenthümlichkeiten, welche sich auf die Hülle, die kon- traktile Blase, die Theilung beziehen, sind vorhin behandelt worden. Sehr deutlich tritt überall das Leukosin im Hinterende hervor; bereits Stein hat dasselbe gesehen und als fettartigen Körper beschrieben. Ich habe die Art in den meisten Teichen der Umgebung Basels gefunden, allerdings in mäßiger Menge. Sie nimmt in Folge der Fähigkeit ihre Gestalt verändern zu können, wechselnde, oft sehr unregelmäßige Formen an. Sie bewegt sich langsam und gleichmäßig rotirend vorwärts. Ob die Form glabra nicht vielleicht eine selbständige Art ist, will ich dahingestellt sein lassen. In ihrem Bau, ihrer Theilung verhält sie sich wie die Hauptform. Die Hülle erscheint für den ersten Augenblick ganz glatt, doch bei stärkerer Vergrößerung etwas körnig. Es handelt sich keinesfalls um junge Individuen von roseola, weil nach der Theilung dieser Art die Sprösslinge stets die typisch gebaute Hülle besitzen und weil diese glatte Form sich selbst durch Theilung fortpflanzt. Microglena Ehrenberg. Körper eiförmig, etwas abgeplattet, ein wenig formveränderlich, mit einer Geißel; Hülle sehr eng anliegend, weich, dünn, mit zerstreuten Körnchen versehen. Zwei Chrysochromplatten, ein bis zwei Augen- flecke, fünf bis sechs kleine kontraktile Blasen; eine größere nicht pul- sirende Blase im Vorderende. Leucosin den Haupttheil des Inneren ausfüllend. Mieroglena punctifera Ehrenberg | (44) Taf. I, Fig. 33]. Stein (107) Taf. XIII, Fig. 13—15; meine Taf. XVII, Fig. 13a, b. Einzige Species. Länge — 30 u, Breite = 19 u. Die von EHreEnBErG entdeckte Form ist durch Stein näher bekannt, seitdem aber, wie es scheint, nicht beobachtet worden. Bürscauiı stellt sie zu den Coelomonadinen unter die Euglenoidinen. Ich traf sie nur an einem Standort in wenigen Exemplaren und habe einige irrthüm- liche Anschauungen Sreiv’s über die Hülle, die kontraktile Blase be- richtigen können. Die Theilung wurde bisher nicht gesehen; sie zu beobachten wäre in so fern von großem Interesse, um zu entscheiden, ob die Hülle sich dabei eben so verhalte wie diejenige von Hymeno- monas. Nicht ganz sicher bin ich, ob wirklich zwei Chrysochromplatten vorhanden sind, wie Steiw zeichnet, oder nur eine stark muldenförmig gebogene. Bei manchen Exemplaren beobachtete ich nur einen größe- ren, aus einzelnen Stückchen bestehenden Augenfleck. Die Flagellate Flagellatenstudien. II. 417 bewegt sich ziemlich langsam vorwärts, häufig aber nicht gleichmäßig rotirend. Im Vorderende fällt die von Sreın beobachtete große Blase auf, welche aber, so viel ich bemerken konnte, nicht pulsirt, nur gegen den schwach ausgerandeten Vorderrand halsartig sich zuspitzt. Diese Zellblase liegt nicht ganz median, sondern der einen Seite näher gerückt, während an der anderen Seite das Leucosin sich bis zum Vorderrande erstreckt. Der Kern liegt, wie Stein richtig bemerkt hat, unterhalb der Zellblase. Mallomonas Perty. Körper schmal eiförmig, mit einer Geißel; Hülle netzförmig, mit langen, steifen, abstehenden Borsten besetzt. Zwei Chrysochromplatte n ohne Augenfleck, mehrere kontraktile Blasen im Hinterende, eine Zell- blase im Vorderende, Leucosin das Hinterende füllend. Cysten mit derber verkieselter Haut. Mallomonas Ploesslii Perty [/90) Taf. XIV, Fig. 19 A—0]. Fresenius (50) Taf. X, Fig. 39—44;, Srem (107) Taf. XIV, Abth. ], Fig. 3—5; Kent (66) Taf. XXIV, Fig. 72—73; Bürscaui 13) p. 833; meine Taf. XVII, Fig. 12 a—d. Einzige Species. Länge —= 20—26 u, Breite = 7—12 u. Diese merkwürdige Flagellate wurde von Perry entdeckt. Die beste Darstellung davon hat Steıw gegeben, welcher aber diese Form als eine Jugendform von Synura uvella betrachtet, während Kent ihre Selbständigkeit behauptet, Bürscnzı die Sache zweifelhaft lässt. Nach meinem Urtheil kann gar kein Zweifel darüber bestehen, dass Mallo- monas zwar Synura verwandt, aber eine durchaus selbständige Chryso- monadine vorstellt. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die Hülle von Synura nicht derjenigen von Mallomonas gleich gebaut ist, sondern höchstens nur dann anscheinend gleich wird, wenn in älteren Kolonien Bakterien sich ihr anhängen. Bei jungen Synura-Individuen ist die Hülle fast vollständig glatt, niemals besitzt sie den charakteristischen netzförmigen Bau mit dem dichten Borstenbesatz. Ich kann ferner die Beobachtungen von PrrTy, Fresenius, Kent bestätigen, dass nur eine einzige Geißel vorhanden ist, während Stein, vielleicht von der Über- zeugung der Zugehörigkeit zu Synura verleitet, zwei gesehen hat. Mög- licherweise lagen seiner Beobachtung Längstheilungszustände zu Grunde. Die Ausbildung der Borsten schwankt sehr nach den Individuen, wie auch deren Größe und Form. Die Organisation des Plasmakörpers ist im Allgemeinen von Stein richtig beschrieben worden, nur dass ich Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 25 418 Georg Klebs, statt einer mehrere (bis fünf) kontraktile Blasen im Hinterende gesehen habe, welches von Leucosin ganz ausgefüllt erscheint. Die Bewegung ; besteht, wie Prary bemerkt, in einem langsamen Vorwärtsschwimmen, wobei der Körper, zum Unterschiede von Synura, nicht gleichmäßig. rotirt; vielmehr bleibt er lange auf einer Seite liegen, nur ab und zu sich drehend und wendend. Die Theilung wurde bisher nicht gesehen; denn was Prrry als Längs- und Quertheilung des Inhaltes zeichnet, hat kaum damit etwas zu thun. Ich habe den Organismus öfters beobachtet, E aber die Beobachtung Perry’s bestätigen können, dass derselbe sehr n schnell aus den Kulturen verschwindet. Die Danorere wurden von ;; Sreıw entdeckt, und von mir ebenfalls mehrfach gesehen; die Verkiese- lung lässt sich leicht nachweisen. | Fe Se 9 > Synura Ehrenberg. Körper eiförmig, mit zwei gleich langen Geißeln, Hülle hautartig, körnig; ohne Augenfleck oder mit mehreren (?); mehrere kontraktile Vacuolen im Hinterende, eine Zellblase im Vorderende, zwei Chryso- : chromplatten. Einzelwesen zu kugligen, freischwimmenden Kolonien “ dicht vereinigt. Theilung der Kolonien. Cysten mit doppelter Haut. Synura uvella Ehrenberg. Uvella virescens Enrengerg (A4) Taf. I, Fig. 26; Perry (90) Taf. “z Fig. 1 ; Bürscauı (11) Taf. XII, Fig. 13 a—d. Synura usella bei Stein (107) Taf. XIII, Fig. 22—28, Taf. XIV, I, Fig. ie Syncrypta volvox bei Fr£sentus (50) p. 234. Meine Taf. XVII, Fig. 8a, b. Einzige Species. Die Gattung Synura ist von EurEnBERG (43) aufgestellt worden mit, der einen Art uvella; dabei aber hat derselbe Forscher eine Uvella virescens erde a) welche, wie Stein nachgewiesen hat, nichts. weiter als eine mehr oliweirgpim seririee Synura darstellt. Die Organi- sation ist von BürscaLı und Stein genauer beschrieben worden; der | Letztere hat besonders die Hülle der Einzelwesen genauer untersucht, | eben so die Theilung der Kolonien, den Zerfall derselben in Einzelwesen beobachtet. Die irrthümliche Auffassung über die Hülle und die Be- | ziehung zu Mallomonas wurden schon früher behandelt. Zweifelhaft ist, | das Vorkommen von Augenflecken, welche Fresentus und Stein in Mehr- | zahl, BürscnLı und ich dagegen überhaupt nicht beobachtet haben. Mög-# licherweise haben die schwärzlichen Körnchen, welche auf der Hülle am Vorderende sitzen, den Anschein von den vielen Augenflecken her-# vorgerufen. | Flagellatenstudien. II. 419 Synerypta Ehrenberg. Körper wie bei Synura, aber ohne Hülle (?) ; Einzelwesen zu einer kugligen Kolonie dicht vereinigt, welche von einem gemeinsamen Gal- lertmantel umhüllt ist. Dauercysten mit gallertartiger Hülle. Synerypta volvox Ehrenberg |(%4) Taf. III, Fig. 7; Stein (107) Taf. XIII, Fig. 23]. Synura volvox Kırcaner (68) p. 89; Hanscırc (61) p. 31, Fig. 8. Einzige Species. Diese Art wurde nicht von mir beobachtet. Ich lasse dahingestellt, ob es besser ist, sie mit der vorigen Gattung zu vereinigen oder nicht. Zweifelhaft ist, ob der Körper jedes Einzelwesens außer dem Mantel der Kolonie eigentlich eine besondere Hülle hat oder ob durch das Ver- schmelzen der weichen Einzelhüllen der Mantel zu Stande kommt. Über die Augenflecke finden sich auch hier entgegengesetzte Angaben. Stein und Hanscıre behaupten zwei gesehen zu haben; Kırcaner betont den . Mangel. Uroglena Ehrenberg. Körper birnförmig, mit einer langen und einer kurzen Geißel, einem Augenfleck, zwei Chrysochromplatten; kontraktile Blase im Vorderende. Einzelwesen in der Peripherie einer Gallertkugel radial, aber ohne di- rekten Zusammenhang eingelagert. Uroglena volvox Ehrenberg |(*4) Taf. III, Fig. 11, Bürscauı (11) Taf. XII, Fig. 12a, b]. Stein (107) Taf. XII, Fig. 20—22. Einzige Species. Diese Art wurde bisher nicht von mir beobachtet. Cryptomonadina Stein. Körper mit sehr zartem, hautartigem Periplast, nicht amöboid und nur schwach formveränderlich, meist abgeplattet eiförmig, vorn schief abgestutzt und mit einem Ausschnitt versehen; in ihm zwei gleich lange Geißeln sitzend. Vom Ausschnitt ausgehend, auf der Bauchseite ein schlundartiger Kanal. Kontraktile Blase im Vorderende. Im Körper zwei Farbstoffplatten von gelbbrauner bis oliven- oder blaugrüner Farbe, bisweilen fehlend. Als Stoffwechselprodukt tritt Stärke auf. Kern im hinteren Theil des Körpers. Vermehrung durch Längstheilung in beweglichem oder in gallertumhülltem Zustande. Dauereysten mit derber Haut. Holophytisch oder saprophytisch sich ernährend. 28* 420 Georg Klebs, Diese Familie nehme ich in demselben Sinne wie Stein, so dass sie E nur die Gattungen Chilomonas und Cryptomonas enthält oder, wenn man beide vereinigen will, nur die letztere Gattung. Dieselbe ist sehr vielfältig und genau untersucht worden von Eurengerg (44), Perry (90), Bürsesui (11), Stein (107), Cienkowski (22), Fısca (6), DangearD (34) u.A. 4 Ich gehe nicht näher auf die Familie ein, verweise auf die Arbeiten der genannten Forscher. Der strittigste Punkt in der Organisation betrifft den sog. Schlund, welcher nach der neuesten Darstellung von Daxerarn eine Furche ist, welche auf der Bauchseite verläuft, nach außen offen und mit cylindrischen Plasmastäbchen austapezirt ist. A Die Familie der Cryptomonadinen nimmt in jedem Falle eine selb- ständige Stellung ein. Am nächsten steht sie nach meinem Urtheil den Chrysomonadinen und stellt einen eigenartig entwickelten Nebenzweig derselben dar. Sehr auffallend ist das Vorkommen von Stärke, welche sonst nirgends bei den Flagellaten resp. den Chrysomonadinen sich findet, wohl aber bei den Dinoflagellaten. Es wäre wohl auch denkbar, dass sich noch besondere Übergangsformen zu diesen beobachten lassen, wenn auch nach den jetzigen Thatsachen die Verbindung der Dino- flagellaten mit den Chrysomonadinen fast noch enger erscheint. | Zu den Cryptomonaden zieht Stein noch einen merkwürdigen Or- ganismus, Nephroselmis olivacea, mit einem bohnenförmig abgeplatte- E ten Körper und der auffallenden Eigenschaft, sich in der Richtung der Breitenachse zu bewegen. Ich sah vereinzelte Individuen, welche einigermaßen der Darstellung Steıv’s entsprachen. Der Körper besaß aber eine typische Zellhaut, einen grünen muldenförmigen Chlorophylikörper mit Amylonkern, kurz, zeigte sich wie eine Chlamydomonade, so dass ich bis auf Weiteres die Gattung zu den Volvocineen stellen möchte. Anhang I. Hydrurina. In der Einleitung machte ich bereits auf den interessanten Or- ganismus, Hydrurus, aufmerksam, welcher seiner ganzen Erscheinung nach eine typische Alge darstellt, andererseits mit den Chromomonadinen nahe verwandt ist (siehe Einleitung p. 284). Ich will ihn als Vertreter einer eigenen Gruppe betrachten, welche sich systematisch an die Flagel- laten anschließt, überlasse es aber Jedem, nach seinem Urtheil die Stel- lung zu verändern. Man kann ihn mit den Chromomonadinen vereinigen, und die ganze Gruppe bei den Flagellaten lassen oder sie davon ab- trennen und als selbständige Abtheilung auffassen. Ich möchte jeden falls die Aufmerksamkeit der Zoologen auf diesen Organismus lenken # und in kurzen Zügen ein Bild seiner Organisation und Entwicklungs- geschichte entwerfen. | Flagellatenstudien. II. 421 Die Gattung Hydrurus ist schon im vorigen Jahrhundert beobachtet, seitdem von zahlreichen Algologen beschrieben worden; man vergl. das Register von Synonymen bei Rostarınskı (94). Eine Menge von Arten wurden von den älteren Systematikern unterschieden, während man in neuerer Zeit mehr dazu neigt, nur eine Hauptart zu unterschei- den mit verschiedenen Unterformen (Kırcaner 68), welche wahrschein- lich nur den Werth von Standortsformen haben. Eine eingehendere Untersuchung der Alge gab zuerst Berruorn (4), der das Wachsthum und den Aufbau des Thallus erforschte, während die Entwicklungs- geschichte durch Rostarınskı (94) und LAsEraeım (81) gefördert wurde. Meine neueren Untersuchungen an ältere (71) anschließend, suchen die Angaben dieser Gelehrten noch in einigen Punkten zu ergänzen. Hydrurus bildet gallertartige, braungefärbte Überzüge von Steinen in schnell fließenden Gewässern. Der Thallus erscheint im einfachsten Falle als ein mehrere Centimeter langer, wenige Millimeter dicker Gallerteylinder, welcher mit dem unteren Theil festsitzt und an seinem oberen frei flatternden Ende durch Zweigbildung mehr oder weniger zertheilt ist. In anderen Fällen können diese Gallerteylinder eine Länge von 10—30 Gentimeter erlangen, ohne dabei viel verzweigt zu sein, oder sie sind gegen das freie Ende hin in außerordentlichem Maße stark und lebhaft getheilt; alle möglichen Zwischenformen existiren. In den kalkreichen Gewässern ist der Thallus mehr oder weniger mit kohlensaurem Kalk inkrustirt, was man unnöthigerweise auch als Cha- rakter einer Varietät (crystallophorus, Rasennorst 193) aufgefasst hat. Die Konsistenz der Gallerte ist manchmal, besonders bei den langen Röhren, fast knorpelig, während in anderen Fällen mehr weich schleim- artige Lager sich vorfinden. Der unverzweigte Theil des Thallus stellt einen soliden Gallerteylinder vor, an dessen Peripherie zahlreiche Zellen dicht gedrängt liegen, während dieselben in der Mitte etwas lockerer angeordnetsind. BERTHOLD, LAGERHEIM machen aufmerksam, dass nament- lich in der Mitte die Gallerte wie aus einzelnen Längssträngen zusammen- gesetzt ist, in denen reihenweise die Zellen über einander liegen. Der Bau der einzelnen Zelle ist von Rostarınskı und LAGERHEIM erforscht worden. Die Mehrzahl der Zellen hat eine ovale bis rundliche Gestalt; diejenigen in der Mitte, besonders in den älteren unteren Theilen sind schmal spindelförmig. Sehen wir zunächst von der um- gebenden Gallerte ab, so haben wir es mit einer nackten Zelle zu thun (Taf. XVII, Fig. 165). Die Gallerte kann man nicht, wie Rostarınskt es thut, als Zellwand bezeichnen; auch die von Lacerasım erwähnte Membran entspricht nicht einer distinkten Zellhaut, sondern ist nichts Weiteres als die zunächst anliegende jüngste Gallertschicht. An jeder 422 Georg Klebs, Zelle unterscheidet man leicht einen gefärbten und einen farblosen Theil ; der erstere ist dabei stets nach der Spitze, der letztere nach der Basis des ganzen Thallus gerichtet (Berrzorn). In dem vorderen Theile (ch in Fig. 16b) liegt die von Rostarınskı beschriebene, wandständige, gekrümmte Farbstoffplatte, in welcher, wie LAGERHEIM zuerst nachwies, ein rundliches nacktes Pyrenoid (p) sich findet. Der gelbbraune Farb- stoff ist von RosTarınskı und LAGErHEIM untersucht worden; beide geben an, dass eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Farbstoff der Phaeosporeen sich zeigt. Da eine genauere Untersuchung nicht vorliegt, so lässt sich nicht viel darüber aussagen, ob eine wirkliche Identität oder nur nahe Verwandtschaft vorhanden ist, eben so wenig, welch’ ein Verhält- nis zwischen dem Hydrurus-Farbstoff und dem Chrysochrom besteht. Nie finden sich, wie LAGERHEIM richtig angiebt, im frischen Zustande grüngefärbte Individuen; sowie die grüne Farbe hervortritt, ist es das sicherste Zeichen für das Absterben des Thallus. Der hintere farblose Theil der Zelle enthält Protoplasma, in welchem etwas glänzende fett- artige Kugeln in wechselnder Anzahl sich finden, welche RosrtarınskI mit dem Leucosin von Chromulina (siehe p. 396) identifieirt, weil es wie dieses mit dem Tode verschwindet. Ich bin nicht sicher, ob eine Iden- tität vorliegt, da auch das Aussehen ein etwas anderes ist. Wir finden nicht das ganze Ende der Hydrurus-Zelle von der Substanz erfüllt wie bei den Chrysomonadinen; auch sind die Kugeln von Hydrurus nicht so glänzend lichtbrechend. In dem hinteren Ende der Zelle befinden sich ferner die kontrak- tilen Vacuolen, welche Licernem entdeckt hat. Allerdings beschreibt er nur zwei, während ich eine ganze Anzahl, fünf bis sechs, an der Peripherie vertheilt beobachtet habe, ähnlich wie an dem Hinterende von Mallomonas, Synura. Außerdem finden sich noch Körnchen unbe- kannter Natur vor. Der Kern ist von Rostarınskı gesehen worden; man kann ihn leicht durch Färben mit Boraxkarmin nachweisen, wobei er einen Bau wie bei so vielen Flagellaten aufweist. Während die Struktur der Zelle von Hydrurus in hohem Grade an die Verhältnisse bei den Chrysomonadinen erinnert, zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der Art und Weise, wie die Zellen zu einem Ganzen vereinigt sind. ; Wenn Rosrarınskı ohne Weiteres die lockeren Gallertmassen einer Chromulina mit dem Thallus von Hydrurus vergleicht, so tritt nicht die Haupteigenthümlichkeit des letzteren Organismus klar hervor, wo- durch derselbe sich auch von den anderen koloniebildenden Chryso- monadinen unterscheidet. Die Gallertkolonie des Hydrurus hat von vorn herein den Eindruck einer typischen Alge gemacht, nicht wegen der Struktur der einzelnen Zellen, vielmehr wegen der Wachsthumsweise, Flagellatenstudien. II. 423 in welcher Beziehung eine weitgehende Ähnlichkeit mit dem Thallus von Chlorophyceen ete. existirt. Wir beobachten einen ausgesprochenen Gegensatz von Spitze und Basis, eine morphologische Differenzirung, welche das ganze Pflanzenreich beherrscht. Die Zellen, welche den unteren Theil des Hydrurus-Thallus zusammensetzen , vermehren sich unter normalen Lebensbedingungen nicht, es entstehen keine Zweige; die in der Mitte des Gallertstockes befindlichen Zellen scheinen über- haupt die Fähigkeit sich zu theilen verloren zu haben. Das Wachs- thum, die Verzweigung geht, wie BERTHOLD gezeigt hat, an der Spitze des Hauptstammes wie der Zweige vor sich; jeder Zweig endet in einer einzigen Zelle, welche die Rolle einer Scheitelzelle spielt (Fig. 1#). Die Verzweigung ist im Allgemeinen eine monopodiale, d. h. die jüngste Zweiganlage entsteht seitlich unter der wachsenden Spitze. So finden wir hier Verhältnisse, welche weit hinausgehen über die einfachen Gruppirungen der Zellen, selbst bei den am höchsten stehenden Chry- somonadinen. Auf der anderen Seite muss man nun betonen, dass eine ‚so strenge Gesetzmäßigkeit im Wachsthum und in der Verzweigungs- art, wie bei höheren Algen noch nicht besteht; Hydrurus nimmt gerade in dieser Beziehung eine sehr interessante Mittelstellung ein zwischen streng einzelligen und mehrzelligen Organismen. Zwischen den älteren Zweigen können auch neue junge entstehen; die Zweigbildung hängt überhaupt von der direkten Einwirkung der äußeren Bedingungen ab. Denn nur dadurch kann man sich diese Mannigfaltigkeit in der Aus- bildung der Verzweigung erklären, diesen Wechsel der Erscheinung an den verschiedenen Standorten. Die Theilung der einzelnen Zelle ist meiner Beobachtung nach eine einfache Längstheilung. BerruoLn und Rostarınskı sprechen von einer schiefen Theilung, und in der That sieht man an den wachsenden Enden der Zweige die Scheitelzelle scheinbar schief getheilt. Das er- klärt sich aber leicht durch die sofort nach, ja während der Theilung eintretende Verschiebung der beiden Tochterzellen. Ich sah an ein- zelnen Enden die regelmäßige Längstheilung (Fig. 16 a); bei den Exemplaren, welche zur Untersuchung kamen, hörte mit dem ersten Tage der Kultur das Spitzenwachsthum auf, so dass man es nicht direkt beobachten konnte. In meinen Kulturen aber konnte ich Hydrurus längere Zeit erhalten und bemerken, dass viele Zellen des Thallus innerhalb der Gallerte sich für sich theilten, in welchem Falle ich stets eine Längstheilung konstatiren konnte. Die Theilung wird, wie RosrtA- FInskı bemerkt hat, durch eine Spaltung des Chromatophors eingeleitet; eben so theilt sich nach Ligerneım das Pyrenoid. Der ganze Verlauf der Theilung wurde bisher nicht in allen Einzelheiten beobachtet. 424 Georg Klebs, Ein Zweig (Fig. 44) wächst, indem nach jeder Theilung der Scheitel- ; zelle eine der Tochterzellen wieder die Spitze einnimmt, nur von einer dünnen Gallertkappe nach außen bedeckt. Unterhalb der Spitze treten dann weitere Theilungen der einzelnen Zellen ein, wodurch die Dieke der Zweige zunimmt. Eine neue Zweigbildung wird dadurch eingeleitet (BertuoLo 4), dass eine Zelle an der Peripherie die umgebende Gallert- hülle etwas vorwölbt und dann die Funktion einer neuen Scheitel- zelle übernimmt. Die Gallerte hält die Zellen zusammen und bedingt die äußere Form des ganzen Thallus. Wie BerrHuoLp schon vermuthete, findet die Ausscheidung besonders am hinteren farblosen Ende der Zelle statt. Ich konnte das bei den Zellen meiner Kulturen gut feststellen. Die alte Gallerte war verquollen, die'neu gebildete hob sich durch schärfere Lichtbrechung deutlich davon ab, und man sah, wie dieselbe fast aus- schließlich am hinteren Ende abgelagert war (Fig. 16 c). Über die Be- schaffenheit der Gallerte ist nichts Näheres bekannt; besondere Struk- turen derselben, wie sie so häufig von mir bei anderen niederen Orga- nismen nachgewiesen sind (73), konnte ich nicht beobachten. Die Vermehrung von Hydrurus geschieht mit Hilfe von Zoosporen. Zuerst sind solche ohne nähere Beschreibung von RABEnHorst (95) und KırcHner (68) erwähnt worden. Rostarınskı hat dann die Vermehrungs- art genauer beschrieben. Dieselbe erfolgt nach ihm in der Nacht, in- ' dem die unteren Äste das Thallus anschwellen, die Gallerte verquillt, und die zuerst rundlichen Zellen nackt heraustreten, um sehr bald eine tetraedrische Form anzunehmen. Eine Bewegung scheint er nicht ge- sehen zu haben, in Folge dessen er die Zellen einfach als »Sporen« bezeichnete. In meinem Referat (74) über die Arbeit von Rostarınskı erwähnte ich, dass auch ich die Vermehrung beobachtet und beweg- liche Zellen gesehen habe. Dieselben entwickelten sich, indem an der Peripherie gelegene Zellen sich gewöhnlich in zwei Tochterzellen theil- ten, welche durch Quellung der Gallerte in das Wasser befördert wurden, worin sie sich deutlich bewegten. Sie zitterten lebhaft hin und her, rotirten dabei und wurden während der Bewegung tetra- edrisch, zeigten überhaupt langsame amöboide Formveränderungen. Da mir nur wenig Material zur Verfügung stand, so konnte ich die Geißel nicht entdecken, welche eben so wie die kontraktilen Vacuolen erst LAgerusım, meine Beobachtungen ergänzend, nachwies. In neuerer Zeit # habe ich die Zoosporenbildung sehr häufig beobachtet und meine sowie Lacernzim’s Angaben bestätigt gefunden. Letzterer sah, dass die Zoo- # sporen schon innerhalb der Gallerte sich zu bewegen anfingen und selbständig sich ins Freie begaben, während ich das passive Heraus- Flagellatenstudien. Il. 425 treten in Folge der Quellung der sie umgebenden Gallerte für den gewöhnlicheren Vorgang halten möchte. Die Form der Zoospore ist, wie LAGERHEIM Schon hervorhob, eine sehr wechselnde ; meine Figuren (Taf. XVII, Fig. 18 a—f) geben eine Auswahl der von mir beobachteten Gestalten an. Die Mehrzahl ist tetraedrisch mit etwas konvexen Seiten und oft ziemlich lang ausge- zogenen farblosen Ecken. An der einen Breitseite, die gewöhnlich dem Chromatophor gegenüberliegt, also dem hinteren Theile der ruhenden Zelle entspricht, sitzt die relativ kurze, leicht nachweisbare Geißel. Im farblosen Theil finden sich wie in der ruhenden Zelle mehrere kon- traktile Vacuolen. Die Bildung der Zoosporen geht unter Umständen sehr lebhaft vor sich, sie tritt wie bei anderen Algen dann in beson- ders starkem Grade auf, wenn man die Lebensbedingungen ändert, ohne aber den Organismus zu sehr zu schädigen. Hydrurus gehört, wie allgemein bekannt ist, zu den am schwersten zu kultivirenden Algen, er ist im höchsten Maße daran angepasst, in immer gleichmäßig kaltem, bewegtem Wasser zu leben. Bringt man ihn, ohne ihn längere Zeit mit der Luft in Berührung zu lassen, aus der freien Natur in ruhig stehendes Wasser, aber bei einer gleichmäßig kühlen Temperatur unter 40° GC., so kann man ihn wochenlang lebend erhalten. In den ersten zwei bis fünf Tagen bildet er am Vormittag sehr große Mengen von Zoosporen, welche aus den Ästen des Thallus entstehen. Dagegen sah ich bisher aus dem cylindrischen Basistheil des Thallus keine Zoosporen hervor- gehen. Die Keimung hat Rostarınskt richtig beschrieben. Jede Zelle bildet durch lebhafte Ausscheidung am hinteren Ende zuerst einen längeren Gallerteylinder und theilt sich dann. Ich habe in meinen Kulturen ebenfalls solche Keimlinge beobachtet (Fig. 17 a, b). Doch die Weiter- entwicklung zu einem vollständigen Thallus konnte ich nicht er- langen. Der Erhaltung des Hydrurus unter ungünstigen Lebensbedingungen dienen besondere Ruhezustände, deren Kenntnis wir den Forschungen Lagerneım’s verdanken. Schon früher (71) stellte ich für Hydrurus fest, dass er in der Ill bei Straßburg im Sommer verschwindet, um im nächsten Frühjahr wieder aufzutreten; ich schloss daher auf das Vor- handensein von Ruhezuständen. Die gleiche Erscheinung konstatirte LAGerneım für den Hydrurus in der Dreisam bei Freiburg, und neuerdings beobachtete ich dasselbe in der Umgebung von Basel. Lasernem hat wohl Recht mit der Ansicht, dass die steigende Temperatur der Gewässer die nächste Ursache für das Verschwinden des Hydrurus im Sommer ist. In der That macht auch dieser Organismus nicht nothwendig im 436 Georg Klebs, Sommer einen Ruhezustand durch, denn er findet sich in den kalten Bächen der Schweizer Gebirge den ganzen Sommer hindurch. Zuerst beschrieb Lagernz:m einen Palmellenzustand von Hydrurus; er sah schleimige Anhäufungen von rundlichen Zellen, welche ihrer Organisation nach zu Hydrurus gehörten, sich aber nach allen Rich- tungen des Raumes wie eine Art Palmella theilten. Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, denn ich beobachtete etwas Ähnliches in meinen Kulturen. In einer Kultur, welche vier Wochen alt war, in der der Stein mit Hydrurus nur ein wenig mit Wasser bedeckt war, lockerte sich die Gallerte des Thallus; jede Zelle für sich lebte weiter, theilte sich allerdings nie nach allen Richtungen des Raumes, sondern nur der Länge nach und schied neue Gallerte aus. Schließlich nahmen die Zellen den Charakter von Ruhezuständen an, welche von einer nicht sehr dicken aber festen und dichten Gallerthülle eingeschlossen waren (Fig. 16 d). Es ist sehr wahrscheinlich, dass Hydrurus mit Hilfe solcher Zustände gelegentlich Zeiten vorübergehender Wasserarmuth aushält. Für eine längere Zeit der Ruhe sind augenscheinlich die Dauer- sporen eingerichtet, welche ebenfalls LaAsrr#zım zuerst beobachtet hat. Seine Angaben kann ich in einigen Punkten ergänzen. Die Sporen ent- stehen an den Ästen, indem einzelne Zellen durch lebhafte Ausschei- dung von Gallerte herauswachsen, bis sie an einem besonderen Stiele hängen. Wie LAgErHEm weiter richtig bemerkt hat, wächst jede Zelle stark heran und umgiebt sich mit einer besonderen Gallerte (Fig. 15) und schließlich mit einer festen Membran. Die reife Spore (Fig. 19 a—d) ist etwas zusammengedrückt und zeigt von der schmalen Seite gesehen einen zarten Ring, welcher bei der Breitansicht nicht deutlich ist. Als ich die Sporen zum ersten Male sah, fiel mir sogleich die starke Licht- brechung der Sporenmembran auf; ich vermuthete gleich eine Ein- lagerung von Kieselsäure und veranlasste einen meiner Schüler, Herrn Bınz, esnachzuweisen, was auch leicht gelang. Sowohlnach Erhitzen mit koncentrirter H, So, wie nach der Methode von Mirsarakıs (Schwefelsäure und 20 /, Chromsäure) erhält man leicht die Skelette, noch einfacher durch Ausglühen. Schwieriger ist es über die Natur des Ringes ins Klare zu kommen. Auch er ist verkieselt; er erscheint als eine zarte Lamelle, welche nicht, wie LAGErBEm angiebt, ringsherum läuft, sondern nur an der einen Hälfte des Ellipsenumfanges befestigt ist, was ich be- sonders an Kieselsäureskeletten erkannte (vgl. Fig. 49 c). Auf der gegenüberliegenden schmalen und ringfreien Seite liegt ein kleiner, mit verdicktem Rand versehener Fleck (pr) wahrscheinlich ein Porus, durch welchen der Stoffaustausch mit der Außenwelt während der Ruhezeit geschieht, möglicherweise auch der Austritt der Zelle. An Flagellatenstudien. Il. 427 einer der Breitseiten liegt die von LAgerazım erwähnte Verdickung in Form einer kleinen Papille (pa). Die Keimung der Dauersporen ist bis- - her nicht beobachtet. Zum Schluss will ich kurz die Diagnose der Gattung geben; in Bezug auf die Synonyme, die Beschreibung der einzelnen Formen ver- weise ich auf Rasennorst (93), KırcHaner (68), Rostarınskı (94), Hans- GIRG (61). Hydrurus Agardh. Zellen rundlich oder oval, bis fast spindelförmig, ohne Zellhaut, mit wandständiger, am vorderen Ende befindlicher gelbbrauner Farb- stoffplatte, nebst nacktem Pyrenoid. Das hintere Ende der Zelle mit fünf bis sechs kontraktilen Vacuolen und fettartig glänzenden, beim Tode leicht zerfließenden Kugeln. Ein bläschenförmiger Kern in der Mitte der Zelle. Zellen durch Gallerte vereinigt zu einem bis 30 cm langen, an dem Ende vielfach verzweigten Thallus mit Spitzenwachs- thum. Theilung der Zellen der Länge nach. Vermehrung durch tetra- edrische, eingeißelige Zoosporen. Rundliche Dauerzellen; Membran verkieselt, mit einseitigem, halb ringförmigem Anhang. Hydrurus foetidus (Vauch.) Kirchner. Meine Taf. XVII, Fig. 16—19. Einzige Species. Zellen meist 6— 10 u dick. Braune Überzüge auf Steinen bildend in rasch fließenden Gewässern. Anhang II. Die Verwandtschaftsbeziehungen der niederen Organismen. Mit einer Tabelle. Nachdem ich in der Einleitung an einigen Beispielen den Zusam- menhang niederer Organismengruppen dargelegt habe, möchte ich jetzt das Thema in allgemeinerer Weise behandeln, wobei ich meine An- sichten statt in einer weitläufigen Darstellung in Form einer Tabelle ausdrücken will. BürscaLı hat allerdings das gleiche Thema bereits in trefflicher Weise bearbeitet, aber abgesehen davon, dass ich in manchen Punkten nicht unwesentlich von ihm abweiche, nehme ich überhaupt einen ganz anderen Standpunkt ein. BürscenLı hat einen Stammbaum entworfen, von der Annahme ausgehend, dass die ganze Welt der Orga- nismen von einem einzigen Punkt aus sich entwickelt habe. Von den heute bekannten Organismen sind nach BürscnLı die Rhizomastiginen diejenigen, welche den vermutheten Stammformen am nächsten stehen. Az =... ----.--- 74 Diatomeae Metazoa Sponglaria 4 S / Sn / SE x a TER EREREINNS N / ze x eng : } S ; Rhizopoda” ? en ” ; ‚ Murracyteae 1 Cystoflagellata ---- - -- -- - = -Dinoflagellata = 7 DOC Een BE SQ % a Sn „Actinophryidae etc. 2 ‚Zooxanthellidae R r LITT TEEN z = (Heliosoa)“ SS NE 2 2 2 nn = \ ya & . 5 N 2 .” Vampyrellidae IS S sr u. r 4 N N P2 Y Suctoria H N “ ? = ne | ‚Pseudosporeae = Protomastigina a —Chromomonading - Hydrurina-- -- - Phaeophrjceae I 7% 7 4 ? I = INT TEN ee vü Done erer BIETE t + / \ \ a < 1 Mysomyceies / \ & a ! = "2... Polymastigine z > Schizomyjceies Thoreaceae = = eo: me he N \ ? E85 \ KUKXKKNNH N = Ciliata - --- "2 / \ ‘Chloromonadina -° Phycochromaceae_ Fiorideae 2 2: m ( N DMDRPDDIDDEAITM N MNKRERAKKERU = / N: Euglenoidina £ 2 } >” S £ K-3 / \ 7. ! / = / v2 > N / : / 2 , Bangiaceae = 7 Gregarina‘ i 7 re € 52 ns / e Chytridiaceae 3 > Bleuroenenacene. Vowocineae _-” a Endosphasraeeae __ m r N ng SI X co Chlorosphaeraceae \ > _ Siphongas f \ il ———— ee 4 Corjugatae _ ‚7 Teirasporaceae ! 7“ Phycomycetes _ _ = zz Sg . ae z N r er UWwaceae = rs a ene = nn ? = Ceteri Fungi = Con arvoidene nn Bryophyice e S = S [0 0) > 2 = = >q 2 = IR a “Cheraceae-- Pieridopkyjiae »»»om»» blaugrüne Organismen; xoox rothe Organismen ; grüne Organismen; ohne Strich farblose Org gelbe Organismen; Flagellatenstudien. II. 429 Ursprünglich hatte auch ich eine ähnliche Ansicht, bis dann das er- neute eingehende Studium lebhafte Zweifel an der Richtigkeit der- selben erweckte. Zunächst fragt man sich, ob denn nicht die Bakterien (Schizo- myceten) mit größerem Rechte als die Stammorganismen anzusehen sind, da sie doch in vieler Hinsicht einfacher organisirt sind, als die Rhizomastiginen. Eine Verwandtschaft der Bakterien mit Flagellaten existirt unzweifelhaft, wie Bürscuui (13), pe Bary (37), Kreın (7%) u. A. betont haben. Wenn man namentlich den von Künstter (79) gefundenen Mittelgliedern Bakterioidomonas etc. trauen darf, so ist die Verwandt- schaft zu Monaden-Formen sehr ausgesprochen; die Art der Sporenbil- dung weist ebenfalls darauf hin, während die Unterschiede in der Organi- sation noch sehr beträchtlich erscheinen. Gerade in dieser Beziehung stehen die Bakterien wohl auf einer niedrigeren Stufe als die eigent- lichen Monadinen. Man wird sich schwer an den Gedanken gewöhnen, die letzteren als die Stammväter der Bakterien anzusehen. Durch die bedeutungsvolle Entdeckung von Winograrzkı (119) leuchtet die An- sicht noch mehr ein, dass die Bakterien den Urorganismen nahe stehen, denn die Nitromonas ist im Stande, obwohl farblos, sich aus anorgani- scher Materie organische Substanz zu bilden. Der Name Nitromonas ist vielleicht etwas irreführend; was wir bisher von dieser Bakterie wissen, zeigt, dass keine besondere Ähnlichkeit mit den Monaden vor- handen ist. Wie dem auch sei, man wird eher geneigt sein, die Mo- naden von den Bakterien als umgekehrt abzuleiten. Man könnte nun weiter gehen und von den Bakterien noch andere Formenreihen ab- leiten. So scheint mir unzweifelhaft eine Verwandtschaft der Bakterien mit den allereinfachsten grünen Organismen, den Pleurococcaceen, zu bestehen. Es giebt einige chlorophyllhaltige Bakterien; die Unter- schiede zwischen diesen und einem Stichococcus, einem durch ein- fache Quertheilung und Spaltung sich vermehrenden grünen Stäbchen, sind sehr geringfügig, viel geringer als nach unseren heutigen Kennt- nissen zwischen Bakterien und Monaden. Von den Pleurococcaceen kann man leicht die anderen Abtheilungen der Protococcoideen, eben so die höheren Fadenalgen, die Confervoideen, ableiten. Bürsenı hat, sich auf die Verwandtschaft der Volvocineen einerseits mit Flagellaten, andererseits mit den Protococcoideen berufend, diese von den letzteren hergeleitet. Dann müsste man, da die Pleurococcaceen viel einfacher organisirt sind als sämmtliche Volvocineen, auch hier wieder einen starken Rückschritt in der phylogenetischen Entwicklung annehmen, man müsste die Pleurococceaceen als reducirte Formen betrachten, welche aber zugleich den Ausgangspunkt für die höheren Algen bilden. 430 Georg Klebs, Von den Bakterien ließen sich vielleicht aueh die Pilze ableiten. Coun hat das große Verdienst, den innigen Zusammenhang der Bakte- rien mit den Phycochromaceen tberzeugend nachgewiesen zu haben. Seit der allgemeinen Anerkennung dieser Idee sind die Bakterien und = die Pilze im System weit von einander entfernt und nach meiner An- sicht zu weit. Der ursprünglichen Vereinigung lag allerdings nur die Beobachtung ähnlicher physiologischer Eigenschaften zu Grunde; aber ich glaube, dass man beide Gruppen auch in morphologischer Hinsicht wird wieder nähern können. Einige der sogenannten Fungi imperfecti, z. B. das bekannte Oidium lactis, könnte man wohl in die Nähe der Bakterien, bringen und vielleicht ließen sich auch zwischen den ein- fachen Pilzformen, wie den Saeccharomyceten und den Bakterien Mittel- elieder finden, wenn man erst einmal anfinge, sie zu suchen. h Wenn man nun versuchen will, auch noch für andere Organis- 3 mengruppen die Abstammung von den Bakterien klarzulegen, wirdman bei den heutigen Kenntnissen auf große Schwierigkeiten stoßen. Für eine ganze Reihe von Abtheilungen scheinen in der That amöben- artige Organismen den Ausgangspunkt gebildet zu haben, und diese von den Bakterien abzuleiten, wäre zwar nicht unmöglich, aber immer- hin vorläufig wenig überzeugend. Hacker, der zuerst einen Stamm- baum der Protisten aufgestellt hat, nimmt kernlose Amöben, die sog. Moneren als Urorganismen an (vgl. auch neuerdings Lecrerg [82]. Da solche Moneren nicht mit genügender Sicherheit bekannt sind, kann man andere amöbenartige Formen an die Stelle setzen, einfache Rhizo- poden oder Heliozoen, beispielsweise die Vampyrelliden oder die Pseu- dosporeen, vielleicht auch, wie BürscaLı meint, die Rhizomastiginen unter den Flagellaten. Eine wirkliche Entscheidung der Frage, ob amöben- resp. flagel- latenartige oder bakterienartige Wesen die Stammformen der beiden Organismenreiche gewesen sind, lässt sich selbstverständlich nicht her- beiführen. Dabei habe ich noch nicht einer dritten Möglichkeit ge- dacht, dass nämlich die ersten Organismen grün resp. blau gefärbte CO, assimilirende Pflanzen gewesen sind, z. B. die Phycochromaceen, an welche dann die höheren Algen sich anschließen würden [vgl. Conx (28), Kreis (74)]. Man müsste dann wieder die Bakterien als redu- cirte Formen ansehen. Man könnte vielleicht den Schwierigkeiten ent- gehen, wenn man eben mehrere Ausgangspunkte annehmen würde. NaseeLı (87) hat die Ansicht eines polyphyletischen Ursprunges der Organismen angenommen, denn nach seiner Meinung ist eine mono- phyletische Abstammung nicht möglich, da allein die Süßwasseralgen mehrere Anfänge haben müssen. Man könnte, wenn man sich über- Flagellatenstudien. Il. 431 haupt zu dieser Auffassung entschließt, eine ganze Anzahl Stammtypen annehmen. Ich will hier nun die Gründe für und wider die genann- ten Ansichten nicht ausführlich erwägen; dagegen möchte ich auf einen ganz anderen Punkt mit besonderem Nachdruck hinweisen, für dessen Erörterung es zunächst bedeutungslos ist, ob man Anhänger der Idee eines mono- oder polyphyletischen Ursprunges der Organismen ist. Schon in der Einleitung bei der Besprechung der Verwandtschafts- verhältnisse der gelbgefärbten Organismen betonte ich die auffallende Thatsache, dass zwischen zwei Organismenreihen, welche man sich ganz gut von einer gemeinsamen Ursprungsstelle ausgehend denken kann, noch andere Berührungspunkte, gleichsam Queranastomosen sich finden und zwar zum Theil an Orten, welche augenscheinlich von der Ursprungsstelle schon weit entfernt sind. Die Idee, den genealogischen Zusammenhang der Organismen in dem Bilde eines verästelten Baumes darzustellen, ist, trotz mancher oft ausgesprochener Bedenken, doch so allgemein herrschend '! in der Zoologie wie Botanik, dass man bei allen solchen phylogenetischen Erörterungen, gleichgültig, ob sie auf ganze Reiche, Klassen, Ordnungen, Familien, Gattungen, Arten sich beziehen, eine Menge Verwandtschaftsbeziehungen nicht beachtet hat, weil sie mit Hilfe eines Stammbaumes nicht darstellbar sind. Wenn man noch vielfach glaubt, dass mit besserer Kenntnis von Übergangsgliedern der Stammbaum leichter und richtiger konstruirt werden könnte, so ist das ein großer Irrthum. Es wird im Gegentheil immer schwieriger und verwickelter. Um noch ein anderes Beispiel zu nehmen, will ich die Verwandtschaft der Pilze betrachten. Zu den einfachsten Pilzen ge- hören ohne jeden Zweifel die Chytridiaceen, welche, wie Bürscauı (13), DE Bary (39) hervorgehoben haben, zu Flagellaten Beziehungen haben. Nach den neueren Beobachtungen von DangzArn (32) kann man weniger die echten Flagellaten als besonders die Pseudosporeen als den Chy- tridien verwandte Organismen bezeichnen. Die Chytridiaceen selbst kann man mit vollem Recht als Ausgangspunkt für die Reihe der Pilze nehmen. Bis jetzt ist eine andere Auffassung die herrschende gewesen. Dr Barv (38) hat darauf hingewiesen, dass zwischen den Phycomyceten und den fadenförmigen grünen Algen sehr enge Berührungspunkte sich finden, so dass eine Abstammung der ersteren von den letzteren sehr wahrscheinlich ist. Von den Phycomyceten leitet dann px Bary die übrigen Pilze her. Brereın?, obwohl in dem System vielfach von DE Bary abweichend, nimmt doch auch die Phycomyceten als Ausgangs- 1 Selbst Näseuı (87), der mit großer Schärfe die willkürliche Konstruktion der Stammbaumtafeln bekämpft, sucht doch in gleicher Weise die Abstammungsver- hältnisse sich klar zu machen. 2 O0. BREFELD, Unters. aus dem Gesammtgebiete der Mycologie. VIII. 4889. 432 ‚Georg Klebs, punkt. Die Chytridiaceen betrachtet Brerzı als redueirte Formen. Mit dieser Annahme wird aber die nahe Verwandtschaft derselben mit den Pseudosporeen nicht aus der Welt geschafft, sondern bleibt nur unbeachtet. Man wird sich vielleicht mit der Annahme helfen, dass die Chytridiaceen von zwei verschiedenen Stammformen herkom- men. Aber das wäre doch auch eine höchst merkwürdige Erscheinung, dass Angehörige derselben kleinen Gruppe sich von ganz heterogenen Organismen, wie es Pseudosporeen und grüne Confervoideen sind, her- leiten. Verwickelter würde die Frage noch werden, wenn der von mir vermuthete Zusammenhang zwischen den Fungi imperfecti und den Bakterien sich mehr bestätigen sollte. Ganz ähnliche Erscheinungen treten uns gegenüber, wenn wir die Verwandtschaftsbeziehungen anderer Gruppen verfolgen. Ich will noch etwas näher auf die einzelligen grünen Algen, die Protococcoideen, ein- gehen, weil ich zugleich an diesem Beispiel zeigen kann, wie innerhalb einer Abtheilung auch die Verwandtschaftsverhältnisse der kleineren Gruppen, der Familien, sich nicht durch einen Stammbaum ausdrücken lassen. Die natürlichste Annahme ist, dass die einfachsten Formen, die Pleurococcaceen, den Ausgangspunkt bilden. Es sind die kleinen grü- nen Zellen, welche sich durch einfache Zweitheilung fortpflanzen. Als neuer Entwicklungszustand treten die Schwärmsporen auf, welche bei den Endosphaeraceen (Protococcaceen, WırLE) die einzige Form der Ver- mehrung darstellen, bei den höheren Gliedern sich in ungeschlechtliche und geschlechtliche Schwärmer sondern. Vegetative Zweitheilung und Schwärmsporenbildung zeigen die Chlorosphaeraceen (Kırss 70), welche den Übergang zu Confervoideen bilden. Aber auch direkt hängen die Pleurococcaceen mit den Confervoideen zusammen, da eine nahe Verwandtschaft zwischen Stichococcusformen einerseits, Ulo- thricheen andererseits besteht. Die Confervoideen selbst führen zu den Bryophyten, damit zu den höheren Pflanzen über. Zu den Confervoi- deen rechnet man gewöhnlich die Ulvaceen, welche nahe stehen den Tetrasporeen, und diese sind die nächsten Verwandten der Volvocineen und führen hinüber zu den Flagellaten, so dass man also auch die CGonfervoideen von den letzteren Organismen ableiten kann. Sehen wir von den kleineren Gruppen ab, so haben wir ein unzweifelhaft ge- schlossenes Netz von Verwandtschaftslinien zwischen Pleurococcaceen, Volvoeineen (damit können wir sagen den Flagellaten) und Gonfervoi- deen, mag man nun die Sache drehen und wenden wie man will. Jeder Stammbaum, den man sich von den Fadenalgen gemacht hat oder machen kann, leidet einmal daran, dass man ganz willkürlich einen Ausgangspunkt annimmt; man hat mindestens die Wahl zwischen den Flagellatenstudien. II. 433 beiden erwähnten Gruppen der Volvocineen oder der Pleurococcaceen. In jedem Falle aber erhält man einen solchen Stammbaum nur durch künstliches Zerschneiden der Querverbindungen. Doch gehen wir noch etwas weiter. An die Confervoideen schließen sich in manchen Beziehungen die Siphoneen an, welche aber andererseits durch Formen wie Botrydium, Phyllosiphon einerseits, Phyllobium andererseits mit den Endosphaeraceen, damit wieder mit den Pleurococcaceen zu- sammenhängen — also noch eine Verbindunsslinie zwischen diesen und den Confervoideen. Etwas zweifelhaft ist der Anschluss der Conju- gaten; möglicherweise nähern sich Desmidiaceen wie die Palmo- gloeaformen etc. den Pleurococcaceen, andererseits die fadenförmigen Mesocarpeen den Confervoideen. Wir würden dann eine fernere Ver- bindungskette zwischen diesen und Pleurococcaceen haben. Nach Nazszıı (87) sind es die Confervoideen, von welchen sowohl die Florideen wie die Phaeophyceen sich herleiten. Wenn auch bisher eigentliche Übergangsformen nicht bekannt sind, so wäre eine ver- wandtschaftliche Beziehung wohl möglich; das Netz würde bei Bestä- tigung dieser Vermuthung noch ausgebildeter erscheinen. Bei diesen Erörterungen habe ich noch nicht der eigenthümlichen Beziehungen zwischen den grünen (Chlorophyceen) und blaugrünen Algen (Phycochromaceen) gedacht. Seit lange bekannt ist die Ver- wandtschaft zwischen den Protococcoideen und den einzelligen Phyco- ehromaceen, den Chroococcaceen. Wir finden sehr ähnliche, ja gleiche Formen der Zellen, wie der Gallertkolonien; wir finden hinsichtlich der sonst beide unterscheidenden Organisation Übergangsformen wie das ‚Porphyridium, das bald zu der einen, bald zu der anderen Gruppe ge- rechnet wird. Man könnte sich diese Verwandtschaft durch die vorhin von mir erwähnte Annahme erklären, dass beide Gruppen sich von den Schizomyceten herleiten. Bei diesen letzteren müssen wir unterscheiden die einzelligen Formen Coccaceen, Bacteriaceen von den Fadenbakterien. Diese letzteren gehen allmählich über in die fadenförmigen blaugrünen Algen, den Oseillariaceen ete., welche andererseits doch auch mit den Chroococcaceen aufs engste zusammenhängen, und diesen Zusammen- hang kann man sich nicht mehr so einfach aus der gleichen Ursprungs- stelle erklären. Man kann höchstens sagen, die Oscillariaceen stammen theils direkt von den Schizomyceten, theils indirekt durch die Ver- mittelung der Chroococcaceen. Ich will hier beistehend diese Ver- wandtschaften in einer kleinen Tabelle darstellen, da ich in der großen wegen Raummangels nicht näher darauf eingehen kann. Möglicherweise finden sich bei weiteren Untersuchungen noch direkte Verbindungen zwischen den Confervoideen und den faden- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 99 434 Georg Klebs, föormigen Phycochromaceen. Eine Andeutung sehen wir bereits in Formen wie Schizogonium, Prasiola einerseits, andererseits Phragmo- nema, das von Scamitz (98) mit den genannten Gattungen vereinigt zu den Confervoideen gestellt wird, von Zopr! dagegen als Phycochroma- cee bezeichnet wird. Leptotrichaceae- Oscillariaceae Bacteriaceae Cladotrichaceae » — ———, Scytonemaceae N Dr I J Chroococcaceae i Va [ Pleurococcaceae / A E Confervoideae Ich könnte nun in ähnlicher Weise andere Gruppen niederer Organismen betrachten und würde dasselbe Resultat erhalten. Höchst verwickelt und in einander verwebt sind die Verwandtschaftsbe- ziehungen zwischen Pseudosporeen, Vampyrelliden, anderen Heliozoen, Rhizopoden, Myxomyceten und dergleichen. Wir beobachten aber eben so ein Netz von Verwandtschaftsbeziehungen, wenn wir das Ver- hältnis der einzelnen Gattungen einer Gruppe näher ins Auge fassen. Ich.habe schon vorhin an dem Beispiel der Euglenoidinen (siehe p. 391 ) in einer Tabelle meine Ansichten darüber niedergelegt. In entsprechen- der Weise habe ich die beiliegende große Tabelle entworfen. Eine solche Tabelle hat gegenüber einem Stammbaum den Nachtheil, dass sie nicht so anschaulich und übersichtlich, nicht auf den ersten Blick verständlich erscheint. Sie hat aber den großen Vortheil, dass sie ein unmittelbarerer und richtigerer Ausdruck der augenblicklich bekannten Thatsachen über die Verwandtschaftsbeziehungen vorstellt, unabhängig von jeder phylogenetischen Spekulation. Natürlich werden die ein zelnen Forscher über viele Punkte verschiedener Meinung sein, und es auch lange bleiben; aber immer mehr wird sich eine Einigung über den Verlauf der Hauptlinien erreichen lassen. Diejenigen Gruppen, welche schon heute durch direkte Übergangs- oder Mittelglieder mit | einander nahe verwandt erscheinen, sind in der Tabelle durch Linien verbunden; diejenigen, welche unter einander gewisse Berührungs- punkte zeigen, ohne aber deutlich und eng bisher verknüpft zu sein sind durch Punktreihen vereinigt. Sind die verwandtschaftlichen Beziehungen mehr zu vermuthen als direkt anzugeben, sind sie über- haupt noch strittig, so mache ich an das eine Ende der Punktreihe ein 1 Zopr, Zur Morphologie der Seealgen. Leipzig 1882. Flagellatenstudien. II. 435 Fragezeichen. Für die weitere Forschung wird es jetzt darauf ankom- men, die Punktreihen zu Linien zu machen, neue Punktreihen oder Linien aufzufinden, um das Bild zu vervollständigen. Zur größeren Übersichtlichkeit habe ich die Färbung der einzelnen Organismen- gruppen angedeutet; denn unzweifelhaft hat die Art des Kohlensäure assimilirenden Farbstoffs eine große Bedeutung in systematischer Hinsicht. Tritt neben der Hauptfarbe eine andere innerhalb derselben Gruppe auf, so deute ich auch dieses Vorkommen durch einen ent- sprechend geformten Strich an. In der Tabelle sind die einzelnen Gruppen sehr ungleichmäßig behandelt; ich habe bald größere, bald kleinere berücksichtigt, hauptsächlich aus dem Grunde, um bestimmte, mir am besten bekannte Verwandtschaftsbeziehungen klar zu legen. Ich habe verzichtet auf alle mehr praktischen Zwecken dienenden, größeren Abtheilungen Protozoen, Thallophyten, Sarkodinen ete. Jeder wird leicht nach seinem Geschmack und Urtheil andere Tabellen sei es für größere oder für kleinere Abtheilungen sich entwerfen können. Die Tabelle zeigt nun in überraschender Weise statt des verästelten Stammbaumes ein Netz, von dem einzelne Balken frei endigen und wel- ches nur nach zwei Richtungen hin sich weiter fortsetzt, nach der Seite der höheren Thiere wie nach der der höheren Pflanzen. Für die letzteren kann man wenigstens andeutungsweise den Anschluss bezeichnen, es sind die Confervoideen (pe Bary 38), welche zu den Bryophyten hinüber führen. Doch wäre es möglich, dass sich mehrere Anknüpfungspunkte zwischen Thallophyten und Bryophyten fänden, dass z. B. auch die Characeen solche Übergangsformen vorstellten. Schlimmer steht es augenblicklich mit dem genauen Anschluss der höheren Thiere. Wir wissen nicht, von welcher Stelle etwa die Metazoen ausgehen. Auch der neuerdings von Frenzer (49) beschriebene merkwürdige Organismus, die Salinella, welche als ein sehr einfaches, an eine Protozoenkolonie erinnerndes Metazoon geschildert wird, kann über die Frage keinen Aufschluss geben, zumal auch die Kenntnisse über dasselbe noch sehr "fragmentarisch sind. So wissen wir nicht, ob die Metazoen von den Flagellaten oder Ciliaten oder von einer anderen noch unbekannten Stelle ihren Ausgangspunkt nehmen (Bürscuuı 13), oder ob sie, was mir das Wahrscheinlichste ist, von verschiedenen Gruppen der Proto- zoen sich herleiten. Die großen Lücken in unserem Wissen treten überhaupt an der Tabelle scharf hervor. Die Verwandtschaftsbe- ziehungen großer Gruppen sind noch wenig bekannt. So scheinen die rothen Algen noch ziemlich isolirt zu stehen, wenn auch einige Beziehungen vermittelt durch die Bangiaceen zu den Phycochromaceen 29* Tr Ze ESF TT o ET EHEN BEE ER . ar ne 436 Georg Klebs, (Conn 28), andererseits durch die Thoreaceen (Scauıtz!) zu den Phaeo- sporeen sich finden. . Bei der Betrachtung der netzförmig verlaufenden Verwandtschafts- $ linien fragt man sich natürlich, wie dieselben auf Grund der Trans- mutationslehre zu erklären sind. Ich müsste hier auf das ganze schwie- rige Problem eingehen, um die verschiedenen Möglichkeiten einer E solchen Erklärung darzulegen. Ich will an dieser Stelle nur zeigen, dass für einen gegebenen Fall eine Erklärung wenigstens denkbar ist. Wir können von der Harcrer’schen Ansicht ausgehen, dass eine Menge der niederen Organismen von amöbenartigen Wesen entstammen. Diese Urorganismen werden sehr bald verschiedene thierische und pflanzliche Charaktere erhalten haben. Es gab vielleicht zuerst Amöben, welche sich nach Art der Nitromonas von WınosrADsky ernährten; andere fingen an, in thierischer Weise zu leben, wieder andere erhielten die Farbstoffe, welche die Kohlensäure assimilirten, so dass sich bald grüne, gelbe, rothe, blaugrüne Amöben ausbildeten. Von gelben { Amöben, die zuerst in flagellatenähnliche Formen übergingen, könnten wir uns (siehe Einleitung p. 286) die in ihren höheren Gliedern weit divergirenden Reihen der Dinoflagellaten und der Chrysomonadinen her- geleitet denken. Wie kam nun aber die Querverbindung beider Reihen, vermittelt durch die Prorocentrinen einerseits, die behäuteten Chryso- monadinen andererseits, zu Stande? Wir müssen annehmen, dass bei gewissen Gymnodinien Rückschlagserscheinungen eintraten, in Folge dessen die eigenartigen Furchen verschwanden. Außerdem wirkten bestimmte äußere Einflüsse dahin, dass die betreffenden Formen eine glatte, feste Hüllhaut erhielten, während, veranlasst durch die- selben äußeren Bedingungen, die vorher nackten oder nur zeitweilig Gallerte bildenden Chrysomonadinen ebenfalls eine feste Hüllhaut bildeten. Aber eine solche Einwirkung berührte nicht bloß einen Charakter, sondern auch andere Eigenschaften, so dass in beiden Reihen einander verwandte Formen sich ausbildeten. Meine Ansicht läuft also darauf hinaus, dass zwischen zwei von einem Punkte aus sich entwickelnden, später divergirenden Reihen Queranastomosen ent- standen, indem Rückschlagserscheinungen sei es in der einen oder in der anderen Reihe auftraten, und die resultirenden Formen, sowie die gewöhnlichen Formen der anderen Reihe durch die gleichzeitige Einwirkung derselben äußeren Bedingungen ähnliche Charaktere er hielten. Man könnte sich den Verlauf auch so vorstellen, dass bestimmte Anlagen der Stammformen durch eine lange Zeit beständiger Art- 1 Fr. Scahmitz, Die systematische Stellung der Gattung Thorea. Ber. der deut- schen bot. Gesellsch. X. 4892. Flagellatenstudien. II, 437 umwandlung in latentem Zustande bei beiden Reihen sich erhalten hatten. Wenn dann unter dem Einflusse derselben äußeren Bedin- gungen in beiden Reihen ziemlich gleichzeitig diese Anlagen sich ent- wickelten, dafür andere und gerade die Divergenz bedingende Eigen- schaften unterdrückt wurden, so mussten weit vom Ursprung fort nahverwandte Formen in beiden Reihen wieder hervorgehen. Für einige solcher quer verlaufender Verwandtschaftslinien könnte man daran denken, dass sie überhaupt durch keinen genealogischen Zusam- menhang begründet sind. Es ist bekannt, dass die systematisch weit getrennten Cacteen und Euphorbiaceen sich in gewissen Formen außerordentlich nähern, namentlich was den vegetativen Aufbau be- trifft. Das zeigt sich bei solchen Gattungen beider Reihen, welche unter denselben klimatischen Einflüssen (Wüsten-, Steppenklima) entstanden sind. Bei den niederen Organismen könnte dieselbe Erscheinung ein- getreten sein, hier aber könnte sie vielleichter eine wirkliche Verwandt- schaft vortäuschen, weil überhaupt in allen Charakteren noch keine so auffallenden Unterschiede sich zeigen. So könnte man sich z. B. die Verwandtschaft zwischen Chrysomonadinen und Volvocineen erklären, welche beide Familien von BürscaLı in einer Gruppe vereinigt, von mir aber getrennt werden. In der That treten uns bei beiden Familien auffallende Analogien in der Art der Hülle, der Koloniebildungen ent- gegen, ohne dass man nothwendig einen besonderen genetischen Zu- sammenhang annehmen müsste. Anstatt dem Einfluss äußerer Be- dingungen ein großes Gewicht beizulegen, kann man sich auch der Ansicht NazceLr's anschließen, dass die phylogenetische Entwicklung bestimmten Gesetzen folgt, welche bei den von verschiedenen Punkten ausgehenden Formenreihen analoge Erscheinungen in der Art der Zellenstruktur, der Zellenvereinigung etc. herbeiführen. Im Allge- meinen wird man aber bei den von mir angegebenen Verwandtschafts- beziehungen mit dieser Erklärung nicht ausreichen; man wird neben der Einwirkung äußerer Bedingungen auf genealogische Verbindungen zurückgreifen müssen. Diese Erklärungsversuche sind rein hypothetisch und dabei sehr unbestimmt; sie gehen auch von willkürlichen Voraussetzungen aus, Es werden sich andere und bessere Hypothesen finden lassen. Die Hauptsache für mich liegt darin, die Aufmerksamkeit der Forscher auf diese merkwürdigen und wenig beachteten Erscheinungen hinzulenken. Wenn man diese mannigfaltige Welt niederer Organismen überblickt und das Hin- und Herüberstrahlen der Verwandschaftsbeziehungen verfolgt, so wird man in hohem Grade angelockt, denselben nachzu- spüren. Auf der anderen Seite schreckt man zurück vor zu weit en DEE Schr EEE ET Te a un I FRE IT EIE re = ren EI 438 Georg Klebs, gehenden Spekulationen, weil neben den überall sich darbietende Lücken die schon jetzt bekannten Thatsachen so vieldeutig sind, das von vorn herein den Stempel der Einseitigkeit und rascher Vergi lichkeit an sich trägt. 3 Basel, im Juni 1892. Litteraturverzeichnis. 4. ArCHER, Encysted state of Vacuolaria virescens. Quart. Journ. of mier. Sc. xx 1860. .: 2. G. Bausıanı, Les protozoaires. Lecons faites au college de France. Journ. de E Microgr. Ann. 6—7. 41882—1883. 3. R. S. BercH, Der Organismus der Cilioflagellaten. Morphol. Jahrbuch. Bd. voul 1882. ® 4. G. BERTHOLD, Untersuchungen über den Aufbau der Algen. Nova Acta Leon Car. Bd. XL. 4878. 5. F. 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Breslau 1885. Erklärung der Abbildungen. Bei der Mehrzahl der Figuren sind folgende Bezeichnungen für bestimmte Organe angewandt worden: n Kern; ce kontraktile Vacuole; a, Nahrung, die auf- genommen wird oder bereits aufgenommen ist; o Mundstelle oder Mundöffnune. Die ungefähre Vergrößerung ist durch die eingeklammerte Zahl bei jeder Figur angegeben. Tafel XIII, Fig. 1a—c. Mastigamoeba invertens Klebs (1400). a im schwimmenden Zu- stande, 5, ce kriechend. Fig. 2a—g. Dimorpha radiata Klebs (4400). a—c freischwimmend, d—g krie- chend, f Längstheilung, d, g Nahrungsaufnahme. Fig. 3a—c. Dimorpha ovata Klebs (1000). a freischwimmend, 5, e kriechend, die Nahrungsaufnahme zeigend. Fig. 4a—c. Dimorpha longicauda (1000). a freischwimmend, 5 sich ernäh- rend, c Anfang der Theilung. Fig. 5a—d. Bodo globosus Stein (1500). db ein Raphidium aussaugend, d mit Jod getödtet. Fig. 6a—c. Bodo celer Klebs (1400). d eine Monade verschluckend. Fig. 7a—d. Bodo minimus Klebs (2000). a—c verschiedene Stadien der Nah- rungsaufnahme. Fig. 8sa—c. Bodo edax Klebs (1500). d eine Monade verschluckend. Fig. 9a—g. Dimorpha alternans Klebs (4500). a Nahrungsballen (a) ausschei- dend, b—c als Amöbe kriechend, d, e eine Mesocarpuszelle aussaugend. Fig. 40a—b. Streptomonas cordata (Perty) Klebs (2000). Fig. 11a—d. Phyllomonas contorta Klebs. Verschiedene Ansichten des Körpers bei verschiedenen Individuen. Fig. Flagellatenstudlen. Il. 443 Tafel XIV. 4a—c. Bodo repens Klebs (1500). d Aussaugen von Bakterien. Fig. 2a—c. Bodo mutabilis Klebs (1500). ce Aussaugen von Bakterien. Fig. 3a—e. Bodo caudatus (Duj.) Stein (4500). e Längstheilung,. Fig. 4 a—b. Bodo angustatus (2000). Fig. 5. Phyllomitus undulans Stein (1000). Fig. 6a—d. Phyllomitus amylophagus Klebs (4500). s, Stärkekörner. Fig. 6d eine Monade verzehrend; Fig. 6e ein Stärkekorn aufnehmend. Fig. 7a—b. Rhynchomonas nasuta (Stokes) Klebs (2000). Fig. 8. Colponema loxodes Stein (1500). Fig. 9a—d. Scytomonas pusilla Stein (2000). a Bakterie aussaugend, c Längs- theilung von hinten beginnend, d Längstheilung von vorn beginnend. Fig. 10a—b. Petalomonas mediocanellata Stein, Form typica (1500). Fig. 44. Petalomonas mediocanellata Stein, Form angusta (4500). Fig. 12a—b. Petalomonas mediocanellata Stein, Form lata (1500). Fig. 43a—b. Petalomonas inflexa Klebs, Form obliqua (4500). Fig. 44a—c. Petalomonas Steinii Klebs, Form triangularis (1200). Fig. 15 a—c. Petalomonas abseissa (Duj.), Form parallela (900). Fig. 16. Petalomonas abscissa (Duj.), Form convergens (1500). Fig. 47. Petalomonas Steinii Klebs, Form lata (709). Fig. 48. Petalomonas mediocanellata Stein, Form pusilla (2000). Fig. 19a—b. Petalomonas sexlobata Klebs (900). Fig. 20 a—b. Petalomonas abscissa Duj., Form deformis (4100). Tafel XV. Fig. 1 a—b. Teiramitus descissus Perty (1400). Fig. 2a—b. Tetramitus rostratus Perty (1400), Fig. 3. Tetramitus sulcatus Stein (1300). Fig. 4a —d. Tetramitus pyriformis Klebs. Fig. 5a—g. Trigonomonas compressa (1000). a einen Bacillus verschluckend, b eben so, d fixirt, mit Boraxkarmin gefärbt, e—g Theilungsstadien. Fig. 6a—b. Hexamitus pusillus Klebs (1500). Fig. 7a—c. Hexamitus inflatus Duj. (1300). d, Seitenansicht. Fig. 8a—b. Hexamitus fissus Klebs (4200). Fig. 9a—b. Hexamitus crassus Klebs (4000). gs besondere Spalte für die Geißel. Fig. 40a—b. Hexamitus intestinalis Dujardin. a (4300), d (2000). Tafel XVI, Fig. 4 a—c. Hexamitus fusiformis Klebs (1500). Die dunkeln Kugeln sind Glycogen. Fig. 2a—e. Urophagus rostratus (Duj.) Klebs (1500). Fig. 3. Urophagus rostratus, Form angustus (2000). Fig. 4a—c. Trepomonas rotans Klebs (1600). a, b Breitansicht, ce Aufsicht von unten, Fig. 50—d. Trepomonas Steinii Klebs (4600). a, d, c verschiedene Seiten- ansichten, b Breitansicht. Fig . 6a—c. Trepomonas agilis Duj. Form simplex (2000). a Breitansicht, 5 Seitenansicht, ce Aufsicht. 444 Georg Klebs, Fig. 7a—c. Trepomonas agilis Duj. Form communis (2000). Fig. 8a—b. Trepomonas agilis Duj. Form angulatus (1300). Fig. 9a—c. Spironema multiciliatum Klebs (2000). Fig. 40a—e. Cryptoglena pigra (Ehbg.) (1500). a Bauchansicht, 5 Rückenan- sicht, ce nach Behandlung mit Alkohol, d, e Schale der Plasmamembran durch Quellung mit Chloralhydrat vom Körper entfernt. Tafel XVII. Fig. 4 a—b. Sphenomonas teres (Stein) (1300). R, Schleimkugel. Fig. 2a—d. Euglenopsis vorax Klebs (1300). c ein Stärkekorn (s) ausschei- dend, d Vorderende mit Mundspalte o. Fig. 3. Urceolus cyclostomus (Stein) (4100). si Staborgan. Fig. 4a—b. Peranema trichophorum Stein. a (1200), db (4400). si Staborgan, b nach Behandlung mit GrEnACHErR'Schem Hämatoxylin. Fig. 5a—b. Anisonema variabile Klebs (1400). a Rücken, b Bauchansicht. Fig. 6a—c. Anisonema ovale Klebs (2000). a Bauchansicht der var. latum, b Rückenansicht, ce Seitenansicht. Fig. 7a—d. Dinema griseolum Perty. a,b (800) Bauchseite, a ein ausgestreck- tes, b ein kontrahirtes Individuum, c (1000) Vorderende. si Staborgan; gi Schlepp- geißel; g? Vordergeißel. Fig. 8a, db. Anisonema acinus Duj. a (1000) Rückenansicht, b (2400) Bauchan- sicht. g! Schleppgeißel; g? Vordergeißel; r verdickte Stelle des Furchenrandes; f die Bauchfurche. Fig. 9. Entosiphon sulcatum Stein (1400). st Staborgan. Fig. 40. Heteronema acus (Ehbg.) Stein (1400). s Stärkekorn. Fig. 44. Heteronema globuliferum Stein (1400). Fig. 12. Heteronema spirale Klebs (950). EIER TE De LEN EEE FE 1 5 EL REES SED WET 1 Nie REES ER ER Fig. 43. Heteronema nebulosum (Duj.) (950). k Fig. 44. Anisonema striatum Klebs (1400). a Rücken, b Bauchansicht. ; Fig. 15. Entosiphon obliquum Klebs (1400). a Bauchansicht, b, ce Rückenan- sicht. si Staborgan. ’ R Tafel XVIII. h Bei den Figuren dieser Tafel bedeutet: ! Leucosin; v unveränderliche Vacuole; : c kontraktile Vacuole; u Nahrungsballen; nv Nahrung aufnehmende Vacuole. “ Fig. A1a—c. Chrysamoeba radians (4000), a freischwimmend, b, cim Amöben- zustand. Fig. 2, 3a—b. Ochromonas mutabilis Klebs (4000). Fig. 4a—h. Ochromonas crenata Klebs (4000). c Nahrungsvacuole mit Bak- terienhaufen, d nach Behandlung mit Methylenblau, Gallerte in Form von feinen Fäden resp. Röhren ausgeschieden, e dichtere Gallerte noch mit fädiger Struktur, g mit zwei Nahrungsvacuolen, eine gefüllt, die andere leer, f nach Behandlung mit Dämpfen von Osmiumsäure und Färbung mit Boraxkarmin. Fig. 5a—c. Chromulina flavicans Stein (1500). Fig. 6a—c. Chromulina ovalis Klebs (1300). a längsgetheilt innerhalb der Gallerte. Fig. 6d. Chromulina verrucosa Klebs (1000). Fig. 7a—f. Chrysococcus rufescens Klebs (1200). c Theilung, d Individuum nach der Theilung, e, f Theilung innerhalb der Schale. RT, Erte % Er 5 ww N ir Flagellatenstudien. Il. 445 Fig. 8a, b. Synura uvella (750). Einzelne Individuen einer Kolonie. Fig. 9a—e. Dinobryon Sertularia Ehrenberg (1300). a einzelne Individuen in einer Hülse, b ein aus der Hülse herausgetretener, frei schwimmender Schwärmer, c—e Zustände der Hülsenbildung innerhalb einer Stunde. Fig. 10 a—b. Dinobryon undulatum Klebs (1300). Fig. 14 a—f. Hymenomonas roseola Stein (1000). a, b freischwimmend, ce zur Ruhe gekommene Zelle, dein einzelnes Stück der Hülle (1400), e, f Zustände der Theilung. Fig. 42a—d. Mallomonas Ploesslii Perty (1000). a, b freischwimmend, c leere Hülse, d Hülse mit Ruhespore. Fig. A3a, b. Microglena punctifera Ehrenberg. Fig. 44, Hydrurus foetidus. Zweigende (900). Fig. 45. Hydrurus (800). Zweig mit sporenbildenden Zellen. Fig. 16a. Hydrurus (4100). Eine sich theilende Scheitelzelle eines Zweiges. Fig. 465. Hydrurus (4500). Einzelne Zelle. ce einzelne Zelle mit starker Gal- lertausscheidung, d Ruhezelle. Fig. 47a—b. Hydrurus (4100). Junge Keimlinge. Fig. 18a—f. Hydrurus (1500). Zoosporen. Fig. 19a—d. Hydrurus (4000). Ruhesporen. a—c Kieselsäureskelette. pr Po- rus; pa Papille. d reife lebende Ruhespore. Errata. Taf. XVI, Fig. 4c. Diese Figur ist missglückt, da das schmale —-förmige Hinterende viel zu dunkel gezeichnet ist. Taf. XVII, Fig. 45 und c. Durch Missverständnis ist an Stelle der über ein- ander liegenden Bänder der beiden Farbstoffplatten ein kugeliger Körper für sich abgebildet, der in Wirklichkeit nicht existirt. a 22.0 5 FR. ; Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der veränderten chemischen Zusammensetzung des umgebenden Mediums auf die Entwicklung der Thiere. I. Theil. Versuche an Seeigeleiern. Von Curt Herbst (Zürich). Mit Tafel XIX und XX. Einleitung. h Bereits vor einer Reihe von Jahren veröffentlichte JuLıus Sachs einen interessanten Aufsatz, welcher den Titel führte: Stoff und Form der Pflanzenorgane. Er trat in demselben energisch für die Ansicht ein, dass der erste Schritt zu einer causalen Auffassung der Pflanzen- formen der sei, die materielle Beschaffenheit der Organe zu berück- sichtigen, denn nur in dieser könnten die Ursachen ihrer Formen gesucht werden. Es verlohnt sich für uns nicht, näher auf die speciellen Erörterungen von Sıcas einzugehen, zumal da dieselben einen zu hypo- thetischen Charakter an sich tragen, doch sei betont, dass sie — sollten sie auch vollkommen haltlos sein — doch das große Verdienst haben, einmal die Frage aufgeworfen zu haben, ob die Form organischer Ge- bilde von ihrer stoffllichen Zusammensetzung abhängig ist. Nachdenken über die vermuthlichen Ursachen der organischen Formenbildung hat auch mich vor die gleiche Frage gestellt, und ich beschloss, dieselbe auf experimentellem Wege einer Prüfung zu unterziehen. Für den besten Weg hierzu hielt ich den, Seeigeleier in Meer- wasser zu setzen, dem eine bestimmte Menge einer anderen Salzlösung zugesetzt worden war. Wenn — so schloss ich — etwas von dem zugesetzten Salz in die befruchteten Eier gelangt, ohne dieselben zu tödten, so ist es vielleicht möglich, dass die specifische Konstitution derselben etwas modificirt werden, und dass in Folge dessen — die Abhängigkeit der Gestalt eines Organismus von seiner chemischen Pe ni Fa - 4 Experimentelle Untersuchungen ete, auf die Entwicklung der Thiere. 1. 447 Zusammensetzung vorausgesetzt — auch die Form der aus den Eiern sich entwickelnden Larven etwas verändert werden kann. Das Hypothetische dieses Gedankenganges war mir wohl bewusst, denn erstens war es eine Frage, ob überhaupt etwas von der zugesetzten Substanz von den Eiern aufgenommen werden würde, und zweitens war es zweifelhaft, ob sodann die lebende Substanz mit dem aufge- nommenen Stoffe irgend welche Verbindungen eingehen würde. Beide Bedenken hielten mich jedoch nicht ab, die Sache einer experimentellen Prüfung zu unterziehen. Meine ersten Versuche stellte ich im Frühjahr 1891 (vom März bis April) in Triest an. Ich hatte mich damals darauf beschränkt, zu unter- suchen, welchen Einfluss ein Meerwasser auf die Entwicklung von Seeigeleiern hat, dessen Na Cl-Gehalt theilweise durch KCl ersetzt ist. Die Resultate, zu denen ich dabei gekommen bin, werde ich in Kapitel II behandeln. In größerem Maßstabe nahm ich dann die Versuche wieder auf während eines längeren Aufenthaltes an der Zoologischen Station zu Neapel (vom Oktober 91 bis April 92). Ich habe daselbst folgende Substanzen auf ihre morphologische Wirkungsweise hin geprüft: LiCl, LiBr, LiJ, LiNO,, Li,SO,, NaBr, NaJ, Na3aSO,, NaNO;, KCl, KBr, KJ, KNO,, K,SO,, RbCl, CsCl, MgSO, und CaCl, und habe mit diesen Salzen — speciell mit denen des Lithiums — eine Reihe interessanter morpho- logischer Veränderungen der normalen Larvenform erhalten. Da viele der angeführten Substanzen die gleiche Wirkung auf- weisen, so will ich nicht alle der Reihe nach durchsprechen, sondern werde in gesonderten Kapiteln die verschiedenen morphologischen Veränderungen beschreiben, welche ich erhalten habe, und entweder zu Anfang oder am Ende der Beschreibung die Substanzen aufzählen, mit denen mir die Züchtung der betreffenden Larvenformen gelang. Ob die erhaltenen Veränderungen nun wirklich auf eine Alterirung der chemischen Zusammensetzung des Protoplasmas zurückzuführen sind oder ob sie rein physikalischen Ursachen ihre Entstehung ver- danken, soll im Schlusskapitel besprochen werden. Daselbst werden auch einige andere Resultate und Fragen ihre Erledigung finden, zu welchen ich durch meine Untersuchungen geführt worden bin. Und nun, bevor wir zur Beschreibung dereinzelnen morphologischen Abänderungen übergehen, noch einige Worte über die Vorarbeiten, welche über die aufgeworfene Frage bereits vorliegen. Es sei hierbei bemerkt, dass ich vorläufig von allen Arbeiten absehen will, welche sich mit dem Einfluss des vermehrten und verminderten Salzgehaltes auf die Thiere beschäftigen, obgleich dieselben zum Theil — zumal die bekannten 448 Curt Herbst, Untersuchungen von SCHMANKEWITSCH — hierher gehören würden. Nach dieser Einschränkung bleiben nur einige kleine aber interessante Mittheilungen von PoucHer und Cuasry! (26—28) übrig, welche den Einfluss von mehr oder weniger kalkfreiem Meerwasser auf die Ent- wicklung der Echinideneier zum Gegenstande haben. Ich will gleich hier ein Referat von den Untersuchungen der betreffenden Forscher geben, werde aber auch im Verlaufe der weiteren Darstellung öfter darauf zu sprechen kommen. Nach vergeblichen Versuchen mit künstlich hergestelltem, kalk- freiem Seewasser versuchten die beiden Forscher, den Kalk in größerer und geringerer Menge aus dem natürlichen Seewasser durch Kalium- resp. Natriumoxalat auszufällen. Hierbei zeigte es sich, dass die Ent- wicklung der Seeigeleier bereits alterirt wird, wenn der Kalkgehalt nur um 1/,, verringert wird. Die Larven bekamen zwar in diesem Falle noch ein Skelett, aber sie erhielten nicht die für die normale Pluteusform so charakteristischen Arme. Wurde noch mehr Kalk aus- gefällt, so wurde das Kalkgerüst noch rudimentärer, ja beim Ausfällen des Kalkes mit Natriumoxalat gelang es ihnen, Larven zu züchten, welche zwar die Pluteusorganisation aufwiesen, aber vollkommen der Kalkspicula entbehrten. Die Form der Larven war mehr oder weniger halbkugelförmig und also ganz anders als die der normalen schlanken Plutei. An einigen Larven beobachteten sie über dem Munde eine rüsselförmige Hervorragung, welche — ihrer Ansicht nach — den verschmolzenen vorderen Armen der normalen Pluteusform entsprechen soll. Larven mit dreigliedrigem Darm, aber ohne jede Spur des Kalkgerüstes erhielten sie, wenn ungefähr °9/,, des Kalkes ausgefällt worden waren. Wurde der Kalkgehalt noch weiter reducirt, so kam keine Larve über das Gastrulastadium hinaus. Nicht unerwähnt mag schließlich bleiben, dass die beiden Forscher sich ebenfalls als Ziel ihrer Untersuchungen dieses gesteckt hatten, die Abhängigkeit der Gestalt eines Organismus von seiner chemischen Zusammensetzung zu demonstriren?. Ob ihnen dieses mit ihrem Ex- periment gelungen ist oder nicht, mag dahingestellt bleiben, erwähnt sei nur, dass sie sich — meiner Ansicht nach — die Lösung der 1 Die beiden Forscher erwähnen in ihrer Mittheilung, welche sie in den Comptes rendus (27) veröffentlicht haben, Untersuchungen von A. GAUTIER, sagen aber nicht, wo dieselben erschienen sind und über was sie handeln. ?2 Vgl. hierzu die betreffende Mittheilung in den Comptes rendus (27). Da- selbst wird auch erwähnt, dass CHEvREUIL und namentlich Can. Rosın für die Ansicht eingetreten sind, dass die Gestalt eines Organismus von seiner stofflichen Zusam- mensetzung abhängig ist. Leider citiren sie nicht die Stellen in den Werken der beireffenden Forscher, wo diese Ansichten ausgesprochen sind. Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 449 betreffenden Frage viel zu leicht vorstellen, und dass ich selbst genöthigt bin, die hauptsächlichsten der von mir erhaltenen morphologischen Abänderungen physikalischen Ursachen zuzuschreiben. Ausführlicheres soll hierüber im Schlusskapitel gesagt werden. Kapitel I. Über die Züchtung von Larven, die Pluteusorganisation aber keine Fortsätze und nur rudimentäres Kalkgerüst aufweisen. Bevor ich zur Beschreibung der ersten Gruppe der morphologischen Abänderungen schreite, muss ich noch kurz die Methode anführen, welche ich bei meinen Untersuchungen angewandt habe. In Neapel verfuhr ich so, dass ich mir von dem Salze, welches ich untersuchen wollte, eine Lösung machte, welche ungefähr eben so viel gelöste Substanz enthielt, als der Salzgehalt des Mittelmeeres im Mittel! be- trägt, d.h. ich setzte zu 100 ccm Meerwasser 3,8 g der zu unter- suchenden Substanz. Von den verschiedenen Salzlösungen wurden dann je nachdem größere oder kleinere Mengen zu dem verwendeten Salzwasser gefügt. Da die Echinodermenlarven sehr empfindlich für eine Schwankung im Ca-Gehalt sind, so verwandte ich zur Lösung der Stoffe Wasserleitungswasser, welches eine ziemliche Menge an Kalk enthält. Zu jeder Versuchsreihe wurde eine Kontrollkultur von dem- selben Eimaterial angesetzt. Die Versuchsgläser wurden jeden Tag genau durchmustert und mit der Kontrollkultur verglichen. Der Befund wurde ausführlich zu Protokoll gebracht. Da die Gebrüder Herrwıc (12) festgestellt haben, dass sich unbe- fruchtete Seeigeleier durch Chemikalien derart beeinflussen lassen, dass sie mehreren Spermatozoen den Eintritt gestatten, so habe ich zu meinen Versuchen stets Eier, die in normalem Seewasser befruchtet worden waren, benutzt. Die Wirkung der Salze hätte sonst leicht durch Nebenumstände getrübt werden können. | Außerdem muss ich noch einige Stadien aus der normalen Ent- wicklung der Echiniden kurz charakterisiren, da dieselben in der folgenden Darstellung der abnormen Entwicklungsgänge als Vergleichs- objekte häufige Erwähnung finden werden. Es sind dies: 1) das Blastulastadium ' Heide heksane 2) das Gastrulastadium 1 Nach FOoRCHHANMER beträgt der mittlere Salzgehalt des Mittelmeeres 37,936 p.m. Das Aquariumwasser der Zoologischen Station besitzt einen etwas größeren Salzgehalt. Wenn ich mich aber trotzdem nicht nach dem Salzgehalt dieses Wassers gerichtet habe, sondern nach dem Mittelwerth des Seewassersalz- gehaltes, so ist dies damit begründet, dass derartig geringe Schwankungen keinen Einfluss auf den Ablauf der Entwicklung haben, Zeitschrift f, wissensch, Zoologie. LV. Bd. 30 450 Curt Herbst, 3) Das Stadium der »eckigen Gastrula mit verlöthetem Urdarm «. Ich verstehe hierunter jenes Stadium, welches der Gestalt und Organi- sation nach der in Fig. I, Taf. XIX dargestellten Larve entspricht. Es ist charakterisirt durch den etwas gekrümmten Urdarm, welcher mit der dem künftigen Mundfeld entsprechenden Seite der Gastrulawandung verlöthet ist, durch die beiden zu Seiten des Urdarmes gelegenen, Anfangs drei- dann vierstrahligen Kalknadeln, durch den ausgeprägten, etwas vorspringenden Wimperschopf (Fig. I ws) und endlich durch die etwas eckige Gestalt, welche durch die Anlage der Kalknadeln bedingt ist. 4) Das Anfangsstadium der Pluteusbildung. Dasselbe ist dargestellt auf Taf. XIX in Fig. 2. Es ist charakterisirt durch das Vorhandensein des vollständigen Darmtractus, dessen einzelne Abschnitte (Vorder-, Mittel- und Enddarm) aber noch nicht derartig blasig von einander abgegliedert sind, wie dies bei dem ausgewachsenen Pluteus der Fall ist, ferner durch das etwas eingesenkte Mundfeld mit dem Wimperring und durch die Rudimente der ersten Pluteusarme. 5) Das Stadium des ausgebildeten Pluteus mit zwei analen (hinte- ren) und zwei oralen (vorderen) Fortsätzen, dargestellt auf Taf. XIX in Fig. 3 und 4. - Nach diesen nothwendigen Auseinandersetzungen nun zur Sache selbst. Ich begann meine Versuche damit, dass ich von einem bestimmten Quantum Meerwasser 50/,, 70/0, 10°%/,, 12°%/, durch eine 3,7°/,ige KÜl- Lösung ersetzte. Im Ganzen wurden im Laufe des Winter 91/92 44 Ver- suche mit Chlorkalium angestellt. Die Wirkung des Salzes wurde an den Eiern von Sphaerechinus granularis, Echinus mierotubereulatus und Strongylocentrotus lividus geprüft, wobei sich herausstellte, dass sie bei allen dreien ungefähr gleich ist. Die Art und Weise der Wirkung lässt sich vielleicht am besten an einem Beispiel erläutern; ich theile zu diesem Zwecke das Protokoll von einem Versuche mit, welcher an Sphaerechinus granularis angestellt wurde. Das Versuchsgefäß enthielt: 1860 ccm Seewasser und 140 ccm 3,7%/,ige KCl-Lösung. 22. November 6!/, Uhr Abends. Versuch angesetzt. 23. November 9'/, Uhr Morgens. Muntere Blastulae, von denen eine Anzahl frei an der Oberfläche schwamm!. Kontrollkultur eben so weit. 1 Das Schwimmen der Larven an der Oberfläche des Wassers ist immer ein gutes Zeichen, senken sie sich jedoch zu Boden, so ist dies gewöhnlich ein Zeichen ihrer Mattigkeit. Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. 1. 451 24. November 10 Uhr Morgens. Gastrulae mit verlöthetem Urdarm, aber ohne Anlage der Kalknadeln. Kontrollthiere: ebenfalls Gastrulae mit verlöthetem Urdarm, aber mit Anlage der Kalknadeln, mit ausgeprägtem Wimperschopf und von eckiger Ge- stalt. 25. November i1!/,;, Uhr Morgens. Larven mit definitivem Mund, mit Wimperring, aber ohne die typische Darmgliederung, d.h. die einzelnen Darmtheile sind noch nicht blasig von einander abge- gliedert. Kalknadeln selten in Rudimenten vorhanden. Kontrollthiere Plutei mit Ansatz der Analfortsätze, d.h. etwas über das in Fig. 2 dargestellte Anfangsstadium der Pluteusbildung hinaus. 26. November 2!/, Uhr Mittags. Larven von typischer Plu- teusorganisation, aber von runder und gedrungener Gestalt und ohne die typischen Fortsätze!. Kalkgerüst in anormaler Weise angelegt, nie weit ausgebildet. Kontrollthiere: normale Plutei. 27. November 103/, Uhr Morgens. Keine Veränderungen in der Form. Bisweilen sind die kalkigen Armstützen angelegt. 28. November 3'/J, Uhr Nachmittags. Keine Veränderungen. 29. November 3 Uhr Nachmittags. Keine Veränderungen. 1.December 13/, Uhr Nachmittags. Keine Veränderungen. 2.December 10°/, Uhr Morgens. Absterbungserscheinungen beginnen sich zu zeigen. 3. December 1 Uhr Morgens. Die Zahl der freischwimmen- den Larven gering; am Boden noch viele am Leben; Absterbungser- scheinungen häufig. k, December 10?3/, Uhr Morgens. Keine wesentlichen Ver- änderungen. 7.December 3!/; Uhr Nachmittags. Noch einige Larven am Leben?. Versuch abgeschlossen, Was zeigt uns dieser Versuch? Er zeigt: 4) dass in unserem Falle die Entwicklung zunächst normal wie bei den Kontrolleiern verlief, 2) dassjedoch die Bildung der Kalknadeln bedeutend verzögert wurde; 1 Da ich die betreffenden Larven zum ersten Mal mit KCl erhielt, werde ich sie im Laufe der Darstellung immer unter dem Namen »Kaliumlarve«, ihre Ge- stalt unter »Kaliumgestalt« anführen, 2 Die Kontrollthiere blieben im Großen und Ganzen etwas länger leben; doch habe ich auch Ausnahmen konstatirt. Niemals hat sich in meinen Kulturen eine Larve weiter als bis zum Pluteus mit vier Armen (zwei analen und zwei oralen entwickelt. Die durchschnittliche Lebensdauer betrug ungefähr drei Wochen, doch starben auch vor Ablauf dieser Zeit schon viele ab. 30* N l I i a 1 i | 1 4 i vr nr | ‘ u nu od { j I a h Ir et ı 2 | ug m ent 3 u nn Dane rc Ba Tan ln En En A Eh en = nn. NET Ze x 452 Curt Herbst, 3) dass sich dann das Kalkgerüst zwar anlegte, aber inanormaler Weise, und dass essichnie weit ausbildete; kA) dass sich zwar der Darmkanal in normaler Weise bildete, so dass die innere Organisation derLarvenvoll- kommen dereinesnormalen Pluteusentsprach; 5) dass jedoch die Bildung der Fortsätze, welche für die Plutei so charakteristisch sind, unterblieb und die Gestaltder Larven rund und gedrungen, nicht schlank und eckig wie beiden normalen Pluteis wurde. Diese Veränderungen der normalen Entwicklung wurden erreicht, wenn man zu 93 Theilen Seewasser 7 Theile 3,7%/,ige KCl-Lösung setzte, was ohne Weiteres aus der dem Protokoll voranstehenden Angabe hervorgeht. Wurde weniger von der Lösung genommen, so wurde das Kalkgerüst weiter ausgebildet, und Hand in Hand damit ging die Ge- stalt der Larven mehr und mehr in die der normalen Plutei über. Nahm ich jedoch mehr von der Lösung, so blieb die Entwicklung früher oder später stehen, und die Kultur starb ab. So gelangte z. B. eine Kultur vom 8. December, bei der 10°/, der gesammten verwandten Wassermenge durch Chlorkaliumlösung vertreten waren, nur bis zum Blastulastadium, auf dem sie abstarb. .Es braucht wohl nicht erst besonders betont zu werden, dass bei der Verschiedenheit, welche nicht nur die Eier von verschiedenen Weibchen, sondern auch von demselben Individuum aufweisen, es möglich ist, dass eine bestimmte Menge Chlorkaliumlösung bei den einen bereits die anormale Gestalt ohne Fortsätze und mit rudimentärem Kalkgerüst hervorruft, während sie bei den anderen nicht im Stande ist, die normale Entwicklung zum Pluteus in andere Bahnen zu lenken. Wir werden später sehen, dass die Resistenz der Eier gegen die künstlich veränderte Zusammensetzung des Meerwassers auch mit den Jahreszeiten schwankt. Aus diesem Grunde werde ich stets meinen Versuchen das Datum anfügen, an welchem dieselben angestellt wor- den sind. Nachdem die Thatsache festgestellt war, dass sich durch Zusatz von KCl zum Meerwasser die normale Entwicklung abändern lässt, war zu untersuchen, ob die erhaltene morphologische Abänderung eine specifische Wirkung des genannten Salzes ist, oder ob man dieselbe auch mit anderen Substanzen erzielen kann. Dabei zeigte sich, dass Letzteres möglich ist. Ich will im Folgenden die betreffenden Stoffe der Reihe nach aufzählen. 1) Bromkalium KBr. Dasselbe wurde an allen drei Seeigeln auf seine morphologische Wirkung hin geprüft. Mit Eiern von Sphaer- r % Experimentelle Untersuchungen etc, auf die Entwicklung der Thiere, I. 453 echinus erhielt ich die typische Kaliumgestalt mit 1000 ccm Meer- wasser und 200 ccm 3,7°/,iger KBr-Lösung. Der Versuch wurde am 19. November 1891 angestellt. Mit Eiern von Echinus microtubereulatus wurden am 25. Februar 1892 Kaliumlarven erzielt mit 1700 ecm See- wasser und 300 cem KBr-Lösung: bei Strongylocentrotus endlich bekam ich die Kaliumlarve mit 1275 cem Meerwasser und 225 ccm KBr-Lösung (am 21. April 1892). Im Ganzen wurden 37 Versuchs- reihen mit KBr angestellt. 2) Jodkalium KJ. Dasselbe wurde an Sphaerechinus und Echi- nus micerotuberculatus geprüft. Bei der ersteren Art erhielt ich Kaliumlarven am 8. December mit 1860 ccm Seewasser und 140 ccm 3,7 0%/,iger KJ-Lösung; bei der zweiten Art mit 1000 cem Seewasser, dem 6 g KJ als Salz zugesetzt worden waren. In letzterem Falle war dasKalkgerüst häufigüberhaupt garnichtvorhanden. 3) Kaliumnitrat KNO,. Da ich mit diesem Salz an Eiern von Sphaerechinus besonders typische Resultate erlangt habe, halte ich es für gut, das Protokoll des betreffenden Versuches mitzutheilen: Die Versuchsflüssigkeit war zusammengesetzt aus: 1860 ccm Seewasser und 140 ccm 3,7 P/,iger KNO,;-Lösung. 25. Januar 5 Uhr Nachmittags. Versuch angesetzt. 26. Januar 2!/, Uhr Nachmittags. Blastulae von unregel- mäßiger Form in der Eihülle. Kontrollthiere: Blastulae, zum größeren Theil außerhalb, zum kleineren noch innerhalb der Eihülle. Also bereits hier eine kleine Verzögerung in der Entwicklung der Versuchseier! 27. Januar 9°/, Uhr Morgens. Noch Blastulae, von denen sehr viele frei an der Oberfläche schwimmen. Kontrollthiere eben so. 28. Januar 14 Uhr Morgens. Urdarmbildung im Gange; viele noch Blastulae. Kontrollthiere bereits Gastrulae. Also abermalige Verzögerung! 29. Januar 401/, Uhr Morgens. Gastrulae zahlreich; manche Larven sind in der Entwicklung zurück oder gar auf dem Blastula- stadium stehen geblieben. Kontrollthiere: Gastrulae mit verlöthetem Urdarm und Kalknadeln. (Verzögerung!) 30. Januar 11 Uhr Morgens. Gastrulae mit verlöthetem Urdarm, aber ohne Kalknadeln. Kontrollthiere im Anfangsstadium der Pluteusbildung. 31. Januar 44 Uhr Morgens. Noch Gastrulae mit verlöthetem Urdarm. Kalknadeln immer noch nicht gebildet! Kontroll- thiere: Plutei mit kurzen Fortsätzen. I. Februar 11'/, Uhr Morgens. Etwas eckige Gastrulae mit 454 Gurt Herbst, verlöthetem Urdarm ohne Kalknadeln. Kontrollthiere: die Länge der Fortsätze schwankt bei den verschiedenen Pluteis. Große Ver- zögerungbeiden Versuchsthieren!! 2%. Februar 41 Uhr Morgens. Bei einer Anzahl ist Mund und Munddarm gebildet; Wimperring mehr oder weniger deutlich vor- handen; vom Kalkgerüst ist keine Spur zu sehen. Kontroll- thiere: normale Plutei. 3. Februar 10 Uhr Morgens. Larven mit Pluteusorgani- sationaber ohne die typische Pluteusform und ohne jede Spur vonKalkgerüst sind häufig. Kontrollthiere: normale Plutei. Der große Unterschied zwischen den Versuchsthieren und den Kontroll- larven wird am besten durch die Fig. 7 a und b und 3 und 4 auf Taf. XIX erläutert. | k. Februar 9!/5, Uhr Morgens. Hier und da Rudimente des Kalkgerüstes in Form von zwei kleinen Kalkkörnchen zu Seiten des Darmes zu sehen; also erst am zehnten Tage nach erfolgter Ansetzung des Versuches! 5. Februar 9!/, Uhr Morgens. Nur bei einigen kleine Rudi- mente des Kalkgerüstes, bei den meisten Larven findet sich keine Spur davon. 6. Februar 9!/, Morgens. Die Kultur beginnt abzusterben. 8. Februar 9!/, Uhr Morgens. Versuch abgeschlossen. Die Kontrollthiere hatten sich seit dem 2. Februar nicht wesentlich verändert. Eine ziemliche Anzahl von ihnen überlebte noch den Tod der Versuchskultur, jedoch ohne sich weiter zu entwickeln. Fassen wir nun noch einmal das Resultat unseres Versuches in kurzen Worten zusammen, so haben wir durch Zusatz von sieben Theilen 3,7%/,iger KNO,-Lösung zu 93 Theilen Seewasser zunächst die ganze Entwicklung stark verzögert, sodann Larven von der typischen Kaliumgestalt gezüchtet und schließlich bei fast allen Larven mit wenigen Ausnahmen die Kalkbildung unterdrückt. An das Wort »unterdrückt« wollen wir vorsichtigerweise noch den Satz hängen: » wenigstens bis zum 14. Tage nach erfolgter Ansetzung des Versuches«, denn wir wissen nicht, ob vielleicht nicht noch mehrere oder gar alle Larven Rudimente des Kalkgerüstes bekommen hätten, wenn die Kultur länger am Leben geblieben wäre. Dass dadurch aber auch die Gestalt derLarven verändert worden wäre, ist nach den anderen Versuchen wohl vollkommen ausgeschlossen, denn die Rudimente hätten sich höchstens in anormaler Weise etwas weiter ausgebildet, wären aber nie und nimmer zu einem normalen Pluteusgerüst geworden. 4) Kaliumsulfat K,SO,. Dasselbe wurde an Sphaerechinus Experimentelle Untersuchungen ete, auf die Entwicklung der Thiere. I. 455 und Echinus microtubereulatus geprüft. Auch mit diesem Salze gelang es mir, einmal bis zum 11. Tage nach erfolgter Ansetzung des Versuches bei den meisten Larven jede Kalkbildung zu unterdrücken; war dieselbe doch vorhanden, so bestand sie nur aus ganz kleinen Rudimenten! Es sei besonders darauf hingewiesen, dass bei dieser Versuchsreihe die Kontroll- thiere eher abstarben, als die Versuchsthiere. 5) Chlorrubidium und Chlorcaesium RbQl und CGsCl. Diese beiden Salze gaben sehr typische Kaliumlarven; sie wurden an Sphaer- echinus und Echinus mierotuberculatus geprüft. 6) Jodnatrium NaJ. Ich erhielt mit diesem Salze Larven von Pluteusorganisation, aber ohne Fortsätze mit 1000 cem Seewasser, dem 7 g NaJ als Salz zugesetzt worden waren. Der Versuch wurde am 7. December 18914 mit Eiern von Sphaerechinus angestellt. 7) Natriumnitrat. Bei einem Versuche mit 1900 ccm See- wasser und 100 cem 3,7%/,iger NaNO,-Lösung erhielt ich am 30. Januar 1892 Larven, von denen die einen Plutei mit kurzen Fortsätzen waren, während die anderen ungefähr Kaliumgestalt aufwiesen. Bei letzteren war das Skelett stets weniger entwickelt als bei den ersteren. 8) Magnesiumsulfat. Bei Zusatz von A5g MgJ0, (als Salz!) zu 1500 ccm Seewasser entwickelten sich aus befruchteten Eiern von Sphaerechinus Larven von der typischen Kaliumgestalt. Das Skelett war zwar angelegt, aber stets in anormaler Weise (cf. Fig. 5a u. du. 6). Dies waren die Salze, mit denen mir die Züchtung von Kalium- larven gelang. Ich bin mir selbst bewusst, dass ihre Reihe höchst wahrscheinlich damit noch nicht abgeschlossen ist, sondern dass sich dieselbe Wirkung auch mit anderen Stoffen wird erzielen lassen. Fassen wir nun unsre bisherigen Ergebnisse kurz zusammen, so können wir sagen, dass man im Stande ist, vermittels der oben aufge- zählten Substanzen die Kalkgerüstbildung mehr oder weniger zu alte- riren, ja sogar bisweilen ganz zu unterdrücken und Larven zu züchten, welche zwar in ihrer inneren Organisation vollkommen normalen Pluteis entsprechen, aber der äußeren Form derselben entbehren, d.h. vollkommen ohne Fortsätze und von gedrungener, runder Gestalt sind. Da nun offenbar das Kalkgerüst ein Stoffwechselprodukt ist, so kann man — die Sache vom physiologischen Standpunkte auffassend — auch so sagen: »Durch die betreffenden Stoffe haben wir jene Stoffwechselvorgänge, von denen die Kalkgerüst- bildung abhängig ist, gestörtoder auch ganz unterdrückt 1 Das Salz war nicht wasserfrei. 1 iR jr 156 Curt Herbst, und die Bildung der charakteristischen Fortsätze ver- hindert, wir haben durch sie jedochin keiner Weisejene Vorgänge alterirt, welche die Ausbildung der übrigen Pluteuscharaktere (des Vorder-, Mittel- und Enddarmes, der Vasoperitonealblasen und des Wimperringes) verur- sachen. Warum ist nun gerade die Ausbildung der Fortsätze unterblieben, während die anderen Pluteuscharaktere sich normal entwickelten? Warum haben weder die Larven mit rudimentärem Kalkgerüst noch die, welche desselben ganz entbehrten, skelettlose Fortsätze bekommen ? Hätten dieselben sich nicht eben so gut bilden können, wie die nor- malen, welche durch Kalkstäbe gestützt sind? Ich hoffe, die richtige Antwort auf die Fragen gefunden zu haben, und glaube damit zugleich die Veranlassung aufgedeckt zu haben, der die Fortsätze bei den normalen Larven ihre Entstehung verdanken. Bei einer großen Reihe meiner Versuche zeigte es sich, dass die Ausbildung der Kaliumgestalt immer Hand in Hand ging mit dem Grade der Ausbildung des Kalkgerüstes. Je mehr letzteres entwickelt war, desto mehr näherte sich die Gestalt der Larven der der normalen Plutei, je weniger es dagegen ausgebildet war, desto typischer trat die Kali- umgestalt hervor. Ich glaube, dass diese Verkettung der beiden Er- scheinungsreihen durch folgende Erörterungen genügend erklärt werden wird. Meiner Meinung nach, die sich an eine Bemerkung von Poucher und Cnasry (28) anlehnt, erklärt sich nämlich die Entstehung der Fortsätze in der normalen Entwicklung auf folgende Weise: Der für das Armskelett bestimmte Kalkstab übt, indem er durch immer neue abge- schiedene Substanz stetig an Größe zunimmt, auf die Stelle des Kör- perepithels, mit welcher er in Berührung kommt, einen Reiz aus, wodurch an der betreffenden Stelle eine intensive Vermehrung der Zellen veranlasst wird. Indem nun die Armstützen selbst wachsen, schieben sie so zu sagen die betreffende wachsende Stelle der Körper- wandung vor sich her, bis die Arme ihre normale Länge erhalten haben. Hört die Kalkabscheidung auf, bevor die Armstützen ihre nor- male Größe erreicht haben, so bleiben auch die Fortsätze kurz. Kurz zusammengefasst würde also meine Meinung darauf hinaus- laufen, dass das Auswachsen der Fortsätze durch einen Reiz bedingtist, welchen die sich vergrößernden und vor- wärtsschiebenden Kalkstäbe auf die betreffenden Stellen der Körperwandung ausüben. Wie bereits oben erwähnt, haben Povcurr und (uABry unge- Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 457 fähr die gleiche Ansicht ausgesprochen; ich weiche von ihnen je- doch darin ab, dass ich das Hauptgewicht auf den von den Kalkstäben ausgeübten Reiz lege. Um beide Ansichten vergleichen zu können, will ich die betreffende Stelle aus der im Journal de l’anatomie et de la physiologie erschienenen Arbeit wörtlich mittheilen: »La forma- tion des bras est subordonnee ä celle des spicules, car il ne se forme pas en general de bras qui ne soit soutenu par un squelette calcaire, et les choses se passent comme si la pointe squelettique repoussait devant elle l’ectoderme qui la coiffe en doigt de gant.« Durch diese Auseinandersetzungen werden wir nun auch ge- nügend darüber aufgeklärt, warum unsre Kaliumlarven, welche das Kalkgerüst nur in Rudimenten oder überhaupt nicht besaßen, keine bekommen haben. Wegen derKleinheit oder des Fehlens der für die Armstützen bestimmten Kalkstacheln wurde kein Reiz auf die Stellen der Körperwand ausgeübt, an wel- chen normalerweise die Fortsätze hervorwachsen. Die Folge davon war, dass das sonst durch den Reiz veran- lasste intensive Wachsthum der betreffenden Stellen unterblieb und darum auch keine Fortsätze gebildet wurden. Ein Vergleich meiner Befunde mit den Resultaten von Poucker und CHasry zeigt, dass ich auf ganz anderem Wege dieselben morpho- logischen Veränderungen erhalten habe, wie die beiden genannten Forscher. Dieselben hatten — wie wir bereits oben sahen — durch Verminderung des Kalkgehaltes des Meerwassers Larven erhalten, welche keine Kalknadeln oder nur Rudimente davon aufwiesen, der charakteristischen Pluteusfortsätze entbehrten, eine runde, halbkugel- förmige Gestalt zeigten, im Übrigen aber die Organisation eines nor- malen Pluteus besaßen. Ganz dieselben Veränderungen erhielt ich bei normalem Kalkgehalt des Meerwassers durch Störung oder auch gänz- liche Unterdrückung der Kalkbildung vermittels der oben angeführten Stoffe. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle Einiges über die Methode zu sagen, welche PoucHer und Cuasry zu ihren Experimenten ver- wandten. Sie benutzten — wie wir bereits sahen — zur Fällung des Kalkes Kalium- und Natriumoxalat (bei Anwendung von Ammonium- oxalat starben die Eier bereits auf frühen Furchungsstadien ab). Es gelangten also an Stelle der Kalksalze die betreffenden Kalium- resp. Natriumsalze in das Meerwasser. Es wäre desshalb möglich, dass die von den beiden Forschern erhaltenen Larvenformen gar nicht von der Verminderung des Kalkgehaltes abhängig waren, sondern durch das 458 Curt Herbst, Fällungsmittel verursacht worden waren, was mir selbst allerdings nach meinen Untersuchungen wegen der geringen zugefügten Mengen nicht wahrscheinlich vorkommt. Etwas mögen immerhin auch diese geringen Quantitäten dazu beigetragen haben,.die Bildung der Kalk- nadeln zu verhindern. Ein sicheres und sehr einfaches Mittel, die Abhängigkeit der Echinidenlarven vom Ca-Gehalt des Meerwassers zu demonstriren, ist dieses, dass man zu dem Meerwasser größere oder kleinere Portionen destillirtes Wasser setzt. Dadurch wird zwar der gesammte Salzgehalt um 1/9, 1/ıo oder !/,;, — je nachdem man 5°/,, 10°%/, oder 20%,! Aqua dest. hinzugefügt kat — vermindert, aber es lässt sich durch eine Kon- trollkultur, die man mit denselben Quantitäten kalkhaltigen Süßwassers anstellt, leicht zeigen, dass die erhaltenen Veränderungen wirklich auf der Verminderung des Kalkgehaltes und nicht etwa auf der von Chlor- natrium oder der Magnesiumsalze beruhen. So erhielt ich bereits mit 10%, Aqua dest. (900 ccm Seewasser +4 100 ccm Aqua dest.) am 44. November 1891 Larven von der Kaliumgestalt und mit rudimen- tärem und anormal angelegtem Kalkgerüst. Bei Zusatz von 40%), Wasserleitungswasser wird dagegen die Entwicklung absolut nicht alterirt. Diese große Empfindlichkeit der Seeigellarven gegen geringe Schwankungen des Kalkgehaltes bringt es mit sich, dass man typische Kaliumlarven am leichtesten dann erhält, wenn man die oben ange- führten Substanzen in Aqua dest., anstatt in Wasserleitungswasser löst, wodurch die Wirkung beider Agentien kombinirt wird. So erhielt ich z. B. am 31. Oktober 1894 mit zwei Kulturen, von denen die eine mit 175 cem Seewasser + 25 ccm 3,7°/,iger RbCl-Lösung (in Aqua dest.), die andere mit 475 cem Seewasser + 25 cem ÜsÜl-Lösung ange- setzt worden war, Larven von typischer Kaliumgestalt, welche selbst am 17. Tage nach erfolgter Ansetzung nicht die ge- ringste Spur vom Kalkgerüst zeigten. Die Kalknadel- bildungszellen hatten sich zwar bisweilen regelmäßig in Gestalt eines Dreistrahlers angeordnet, aber es war nicht zur Abscheidung vonKalk gekommen?. Ein Zusatz von 50/, Aqua destillata ohne RbCl resp. CsCl hätte allein die normale Ent- 1 Wenn ich von einem Zusatz von 50/,, 10 0/y etc. spreche, so verstehe ich dies so, dass auf 95, 90 etc. Theile Seewasser 5, 10 etc. Theile der betreffenden Flüssigkeit kommen. Diese Bemerkung hat für alle meine Versuche Geltung! 2 Die interessante Thatsache, dass sich zwar die Kalknadelbildungszellen regelmäßig anordneten, aber trotzdem keine Kalknadeln gebildet wurden, habe ich auch noch bei einigen anderen Versuchen konstatiren können. Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. 1. 459 wicklung entweder gar nicht gestört oder nur einige kleine Anorma- litäten im Skelett hervorgerufen. Anhang I. Über die Entstehung von Mehrfachbildungen durch Verwachsung. Anhangsweise will ich im Folgenden einige Beobachtungen mit- theilen, welche ich bei einigen meiner zahlreichen Versuchsreihen — abgesehen von der oben geschilderten morphologischen Veränderung der Larvenform — gemacht habe. Es handelt sich nämlich um das Verwachsen der Larven von Pluteusorganisation zu Doppel- oder auch Mehrfachbildungen. Die erste Beobachtung machte ich im Herbste bei einer Versuchsreihe, die mit Eiern von Strongylocentrotus am 6. November 1891 angesetzt worden war. Die zum Versuch verwandte Lösung bestand aus 1900 ccm Seewasser und 100 cem 3,7°/,iger KCL-Lösung (in Aqua dest.) Die Larven hatten am 40. November meist die Kaliumgestalt erreicht; einige nur, bei denen das Kalkgerüst weiter ausgebildete war, näherten sich mehr der Gestalt eines normalen Pluteus. An den darauffolgenden Tagen machte sich noch eine interessante Veränderung an vielen Kali- umlarven bemerkbar; es zog sich nämlich das Pigment zu einem oder zwei großen Flecken an der Mundseite zusammen, was in anderen Kulturen, die mit demselben Seeigel im Früjahr 1892 angestellt wurden, nicht wieder bemerkt wurde. Die ersten Doppelbildungen beobachtete ich am 13. November Morgens; ihre Zahl war am darauffolgenden Tage gewachsen und am 15. November waren nicht nur Doppel-, sondern auch Mehrfachbil- dungen ziemlich häufig. Die Aneinanderlagerung war in unregelmäßi- ger Weise zu zweien, zu dreien oder auch zu mehreren erfolgt; die Zwischenwände, welche natürlich zuerst die einzelnen Individuen noch von einander trennten, verschwanden, und es entstanden so Plutei von bedeutenderem Volumen und unregelmäßiger Form mit einer ver- schieden großen Anzahl von Darmkanälen!. In Fig. 8 auf Taf. XIX ist eine Doppelbildung dargestellt, welche durch Verwachsung von zwei Indi- viduen entstanden ist. In dem Kontrollgefäß waren keine 1 For will bekanntlich aus mehrfach befruchteten Seesterneiern Gastrulae mit mehreren Urdarmeinstülpungen gezogen haben. Die Gebrüder Hrrrwıc (12) haben viele Experimente daraufhin angestellt, aber mit negativem Erfolg. Sollten viel- leicht die polygastrischen Larven For’s durch Verwachsung von Einzelthieren entstanden sein? Nach meinen Befunden ist dies höchst wahrscheinlich, Dass die Gebrüder Herrwiıc bei Mehrfachbefruchtung keine Ver- wachsungen gesehen haben, erklärt sich daraus, dass das Verwachsen sehr von der Beschaffenheit des Materials abhängt, was auch ich erfahren habe. 460 | Gurt Herbst, Doppelbildungen zu sehen; überhaupt ist mir während meiner zahlreichen Versuchsreihen in den Kontrollkul- turen nie eine Verwachsung von zwei oder mehrerenI|n- dividuen zu einem zu Gesicht gekommen. Die zweite Kultur, in der ich Doppelbildungen durch Verwachsung konstatiren konnte, war am 31. Januar 1892 mit Eiern von Sphaerechi- nus und mit einer Lösung angesetzt worden, welche auf 87'/, Theile Meerwasser 12!/, Theile 3,7°%/,iger CaCl,-Lösung enthielt. Die Zahl derselben war jedoch in dieser Kultur bedeutend geringer als in der zuerst genannten. Obgleich ich sowohl mit KCl an Strongylocentrotuseiern, wie mit CGaCl, an Eiern von Sphaerechinus eine ganze Anzahl Versuche ange- stellt habe, so habe ich doch in keiner von diesen Kulturen wieder Verwachsungsdoppelbildungen beobachtet. Es ist dies ein Beweis, dass weder das Chlorkalium noch das Chlorkaleium allein Verwachsungen hervorrufen kann, sondern dass die Be- schaffenheit des Materials eine große Rolle dabei spielt. Außerdem scheint noch eine Reihe von Bedingungen erfüllt werden zu müssen, die ich im Folgenden aufzählen will. Hierher ge- hört zunächst ein nahes Beieinandersein der einzelnen Larven. Das- selbe wird selbst in großen Gefäßen stets durch Licht- und Strömungs- einllüsse bewirkt. In jeder beliebigen Kultur kann man beobachten, dass die meisten Larven — namentlich wenn sie sich am Boden be- finden — an bestimmten Stellen zusammengedrängt sind. Sodann wird wohl eine klebrige Beschaffenheit der Oberfläche der Larven vorhanden sein müssen, damit die Larven an einander haften bleiben können. Vielleicht werden unter dem Einflusse der Chlorka- lium- resp. Chlorcaleiumlösung pathologische Stoffwechselprodukte von den Larven erzeugt, welche eine klebrige Beschaffenheit der Ober- fläche hervorrufen. Natürlich braucht mit dem Zusammenkleben von Larven noch lange keine Verwachsung verbunden su sein; von einer solchen lässt sich erst dann reden, wenn das Körperepithel der einen Larve mit dem der anderen in organischen Zusammenhang getreten und die Anfangs vorhandene Scheidewand aufgelöst ist. Wodurch die letzteren Vorgänge bedingt sind, lässt sich zur Zeit nicht entscheiden. Die verschmolzenen Larven zeigten im Großen und Ganzen stets ein gutes Aussehen und besaßen aktive Bewegung; es ist jedoch zu bemerken, dass die Verwachsungen immer erst ziemlich spät eintraten und sich nur an solchen Larven zeigten, welche sich am Boden be- fanden. Da Letzteres immer ein Zeichen von einer gewissen Mattigkeit der betreffenden Larven ist, so lässt sich daraus schließen, Experimentelle Untersuchungen ete, auf die Entwicklung der Thiere. 1, 461 dass bereits etwas geschwächte Individuen leichter mit anderen verwachsen als vollkommen gesunde und muntere. Wenn somit durch meine Beobachtungen gezeigt worden ist, dass die Entstehung von Mehrfachbildungen durch Verwachsung — wie sie von vielen Forschern angenommen wird — möglich ist, so glaube ich doch, dass man mit Sicherheit auf eine gleiche Entstehungsweise von Doppelmonstra bei höheren Thieren nur dann schließen darf, wenn dieselben unregelmäßig und nicht etwa mit sich entsprechenden inneren Organen (wie z. B. die siamesischen Zwillinge) verwachsen sind. Ein specielleres Eingehen auf die betreffenden Fragen würde an dieser Stelle zu weit führen. i Schließlich muss ich in diesem Anhangennoch einige Beobachtungen anführen, welche ich in Kulturen gemacht habe, zu denen zu viel von der zu prüfenden Salzlösung verwandt worden war, so dass die Eier sich nur bis zur Blastula entwickelten und dann abstarben. Ich sah in solchen Kulturen zu wiederholten Malen, wie sich zwei, drei’oder auch viele Blastulae zu kleineren oder größeren Gruppen zusammenballten; und zwar waren es vorwiegend solche Individuen, welche in ihrem Blastocoel eine trübe, körnige Masse aufwiesen und auch nach außen kleine Bläschen abschnürten. Wahrscheinlich wurde durch letztere ein Zusammenkleben der Larven bedingt. Schwanden dann noch die Scheidewände zwischen den einzelnen Individuen, so konnte man auch hier von einer Mehrfachbildung durch Verwachsung reden. Da jedoch das Verschmelzen der Blastulae stets den Beginn des Absterbens der ganzen Kultur anzeigte, so ist in den angeführten Er- scheinungen weiter nichts als eine specielle Art des Absterbens zu sehen, von der meiner Ansicht nach die wirkliche Mehrfachbildung durch Verwachsung nicht qualitativ, sondern nur graduell verschieden ist. Bei der Mehrfachbildung durch Verwachsung traten zwar geschä- digte und kränkliche, aber noch lebensfähige Individuen in organischen Zusammenhang, während die Vereinigung der Blastulae zu größeren Gruppen zugleich ein Zeichen ihres nahen Todes war. | In den Kontrollkulturen habe ich auch bei schlechtem Material niemals Verschmelzungen auf dem Blastulastadium beobachtet. Bei Mitrocoma Annae sollen nach METscunIkorr (20) normalerweise mehrere Blastulae mit einander verwachsen und nur einem Indi- viduum den Ursprung geben. Wirkliche Doppelbildungen durch Ver- wachsung hat Lacaze-Durumers (17) bei Philine beobachtet. Er will dabei die merkwürdige Beobachtung gemacht haben, dass nur immer korrespondirende Theile mit einander verwuchsen. NE RERETERT . en ne ee. NEN Be Le 462 Curt Herbst, Anhang II. Über die Entstehung von Larven aus nur einem Theile der Furchungszellen. Bei Versuchen, die ich anstellte, um die von mir untersuchten Stoffe nach der Stärke ihrer Wirkung auf Seeigeleier in eine Reihe zu ordnen, machte ich einige Beobachtungen, die in diesem zweiten An- hang kurz mitgetheilt werden sollen. Am 28. Februar 1892 brachte ich befruchtete Echinuseier in 1000 ccm Meerwasser, denen 6 g KBr (als wasserfreies Salz) zuge- setzt worden waren. Tags darauf zeigte es sich, dass die meisten Eier abgestorben waren, dass jedoch die übrigen kleine Blastulae von der verschiedensten Größe erzeugt hatten. Letztere verdankten dem Um- stande ihre Entstehung, dass sie sich nie aus dem ganzen Fur- chungszellenmaterial, sondern nur aus einem größeren oder kleineren Theil desselben entwickelt hatten. Der Rest lag als eine körnige Masse neben ihnen, wie dies aus Fig. Ja—d, Taf. XIX zu ersehen ist. Als nun am 4. März die Kultur wieder kon- trollirt wurde, befanden sich in dem Gefäß Kaliumlarven von der ver- schiedensten Größe. Die größten davon waren fast von normaler Größe, während die kleinsten !/, (oder gar 1/,) einer normalen Larve reprä- sentirten. Ähnliche Beobachtungen sind mir dann auch an Kulturen aufge- stoßen, die mit KJ, NaBr oder NaNO, angesetzt worden waren. Dabei zeigte es sich, dass bisweilen auch zwei oder mehrere kleine Blastulae aus dem Furchungsmaterial eines Eies hervorgehen können; dieselben konnten dann wiederum entweder von gleicher oder von verschiedener Größe sein. Offenbar sind diese Thatsachen neue Beweise gegen die Anschauung von Roux und Anderen, nach der die Furchung eine qualitative Sonde- rung des Eimaterials herbeiführen soll, denn es müsste in einem solchen Falle den Larven, welche sich aus den kleinen Blastulis entwickelten, bald dieses, bald jenes Organ gefehlt haben, je nachdem das für das betreffende Organ bestimmte Furchungszellenmaterial nicht mit in den Verband der Blastula aufgenommen worden war. Da Drizscn (4 und 5) in seinen entwicklungsmechanischen Studien die betreffende Frage eingehend behandelt hat, so halte ich es für über- flüssig, an dieser Stelle näher darauf einzugehen. Kapitel Il. Über die Züchtung von Larven mit knopfartigem Wimperschopf. In diesem Kapitel sollen die Resultate zur Besprechung gelangen, zu welchen ich bei meinen ersten Versuchen gelangte, die ich im Früh- Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 463 jahr 1891 an der Zoologischen Station zu Triest angestellt habe. Es wurde bereits in der Einleitung erwähnt, dass ich mich damals darauf beschränkte, die Einwirkung von Chlorkalium auf die Ausgestaltung der Echinodermenlarven zu prüfen. Ich verfuhr dabei auf zweierlei Weise; einmal, indem ich eine 3°/,ige KCl-Lösung herstellte und das Meer- wasser damit in bestimmten Procentsätzen mischte, das andere Mal, indem ich das Chlorkalium (als Salz) einfach in verschieden großen Quantitäten zum Meerwasser fügte. Ich habe die meisten Experimente nur mit zwei verschiedenen Mischungen gemacht, da ich mit ihnen gleich das erste Mal interessante Resultate erhielt, die ich weiter ver- folgen wollte. Die Mischungen bestanden 1) aus neun Theilen See- wasser und einem Theil 3°/,iger KCl-Lösung (in Aqua dest.) und 2) aus vier Theilen Seewasser und einem Theil KGl-Lösung. Bevor ich nun die morphologischen Veränderungen mittheile, welche ich bei meinen damaligen Versuchen erhielt, muss ich einige "Worte über die normale Entwicklung vorausschicken. Betrachtet man eine aus der Eihülle entschlüpfte Blastula von Echinus microtuberculatus genauer, so zeigt es sich, dass dieselbe An- fangs an ihrer ganzen Oberfläche gleichmäßig bewimpert ist; sie be- wegt sich unregelmäßig kugelnd und purzelnd fort; in vollkommen gerader Linie fortzuschwimmen ist ihr unmöglich. Bald bildet sich je- doch an ihrem animalen Pole ein Schopf von sehr langen Wimpern, welcher bei der Bewegung stets nach vorn gerichtet ist; er dient der Larve offenbar als Richtungsregulator, denn jetzt vermag sie in gerader Richtung zu schwimmen. Die Fortbewegung der Larve — die übrigens immer noch mit Drehung verbunden ist — wird nur durch die kleinen Wimperhaare bewerkstelligt; die großen Schopfborsten sind unbeweg- lich. Man kann den Wimperschopf! in der Entwicklung leicht weiter verfolgen; im Stadium, welches ich Gastrula mit verlöthetem Urdarm genannt habe, liegt er direkt über der Verlöthungsstelle des Urdarmes mit der Gastrulawand; schließlich geht er in den Theil des Wimper- ringes der Pluteuslarven über, welcher direkt über der Mundöffnung liegt und sich etwas über dieselbe herunterklappt. Srmon hat diesen Theil der Wimperschnur mit dem Namen »Mundkuppel« belegt (cf. Fig. 4, Taf. XIX). Die langen unbeweglichen Wimperhaare sind beim ausgebildeten Pluteus nicht mehr vorhanden, sie sind wieder durch bewegliche ersetzt worden ?. 1 Ein Schopf von langen Wimpern wurde am animalen Pole bereits von FEWKES, Prouno, NAcHTRIEB und Tuzeı beobachtet. | 2 Die Funktion eines Richtungsregulators haben nunmehr die langen Fort- sätze übernommen, Dies zeigt sich deutlich daran, dass ein normaler Pluteus ER, NER BB eo 464 Curt Herbst, Bei meinen Versuchen — sowohl bei denen, die mit den beiden eben aufgeführten Mischungen, wie bei jenen, welche mit Seewasser angesetzt worden waren, dem 0,485°/, oder auch 0,65°/, KCl als Salz zugesetzt worden war — zeigte es sich nun, dass der obenin seiner normalen Entwicklung geschilderte Wimperschopf, wel- cher anden normalen Larven einer kaum nennenswerthen Epithelverdiekung aufsitzt, in der großen Mehrzahl der Fälle zu einem dicken Knopf wurde, welcher bisweilen sehr abenteuerliche Formen aufwies. Die Fig. 10a—e geben hiervon ein gutes Zeugnis. Von den fünfLarven weist 40e — vom ver- dickten Wimperschopf abgesehen — noch eine andere Eigenthümlich- keit auf, sie besitzt nämlich einen Wimperring (wr), welcher das etwas nach außen vorgestülpte Urmundfeld umzieht. Die in Fig. 10a —d auf Taf. XIX dargestellten Larven wurden am 19. April gezeichnet und stammen aus einer Kultur, welche am 13. April 1891 mit Seewasser angesetzt worden war, dem auf 100 cem !/s gKÜl als Salz zugefügt worden war. Bei den Larven mit stark hypertrophischem, knopfartigem Wimperschopf (vgl. Fig. 10a—d) machte ich die Beobachtung, dass die ursprünglich langen, starren und unbeweglichen Haare desselben wieder durch kleinere bewegliche ersetzt worden waren. Jetzt genügte offenbar der Wimperknopf allein, die Richtung der Larve zu reguliren. Bei meinen sämmtlichen Versuchen gelangte keine Larve über das Gastrulastadium hinaus, auf dem sie längere Zeit verblieben. In einer Kultur, welche am 2. April angesetzt worden war, fanden sich am 15. noch lebende Larven vor. Letztere zeigten gewöhnlich, nachdem sie mehrere Tage auf dem Gastrulastadium verblieben waren, verschieden- artige Absterbungserscheinungen. Als solche sind aufzufassen: 1) der Verlust des Urdarmes, welcher sich entweder auflöst oder sekundär nach außen vorstülpt, wie dies in Fig. 10c zu sehen ist. 2) Das Dunkel- werden und Zusammenschrumpfen der Larven; ersteres kommt dadurch zu Stande, dass sich im Blastocoel eine trübe körnige Masse (meist Zer- fallsprodukte) ansammeln. Die Gebr. Herrwie (12) haben derartige Larven Stereoblastulae genannt; sie sind nichts Seltenes und kommen in jeder rasch in einer geraden Linie vorwärtsschießen kann, während dies für meine Kaliumlarven, welche der Fortsätze entbehrten, ein Ding der Unmöglichkeit war, Machten dieselben auch einmal den Ansatz, sich in einer geraden Richtung vor- wärts zu bewegen, so kam doch stets eine krumme heraus! Außerdem ver- mochten dieselben nie, sich mit nach vorn gerichtetem Mundfeld fortzubewegen; ihre Fortbewegung erfolgte immer dadurch, dass sie sich um die Querachse ihres Körpers drehten, d. h. also kugelnd. Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. I. 465 Kultur vor. 3) Das Zurückziehen des Protoplasmas aus gewissen Theilen der Larve; dadurch entstehen Larven, ‘welche an einer Stelle dunkel und undurchsichtig sind, während der andere Theil von ihnen nur aus einer hellen Blase besteht, welche verschiedene ne nusen zeigen kann (cf. Fig. 11, Taf. XIX). Von nn nddrer Wichtigkeit ist nun der Umstand, dassich während meines Aufenthaltes in Neapel bei mei- nen sämmtlichen Versuchen, die ich mit CGhlorkalium an Eiern von demselben Seeigelanstellte, nie Gastrulae mit knopfartig verdicktem Wimperschopf bekommen habe. Derselbe ist zwar auch in Neapel an den normalen Larven deutlich zu sehen und tritt besonders im Stadium der Gastrula mit verlöthetem Ur- darm hervor, aber ich erhielt in meinen Chlorkaliumkulturen an keiner einzigen Gastrula derartige Wimperknöpfe, wie ich sie in Triest beob- achtet hatte. Alle meine Kulturen erreichten entweder die in Kapitel I beschriebene Kaliumgestalt oder sie starben — wenn zu viel KCl zu- gesetzt worden war — auf verschieden weit vorgeschrittenen Entwick- lungsstadien ab, ohne besondere morphologische Veränderungen zu zeigen. Nur in zwei Kulturen, von denen die eine an Eiern von Strongy- locentrotus lividus mit 1900 ccm Seewasser und 100 cem 3,7°/, KÜI- Lösung, die andere dagegen an Eiern von Sphaerechinus granularis mit 1500 cem Seewasser und 15g MgSO, (als Salz) angestellt worden war, erhielt ich eine Anzahl Larven von Pluteusorganisation, aber ohne Fortsätze, welche zapfenartige Hervorragung über dem Munde auf- wiesen (cf. Fig. 6)1. Verdickte knopfartige Wimperschöpfe an den Gastrulis habe ich jedoch auch bei diesen Formen nicht beobachtet. Es machte demnach den Eindruck, als wirke KCl auf die Eier von Echinus microtuberculatus in Neapel anders als in Triest! Wodurch ließe sich etwa diese merkwürdige Thatsache erklären ? Man könnte zunächst vielleicht daran denken, dass die in Triest und Neapel unter dem Namen Echinus microtuberculatus gehenden Seeigel, trotzdem ihr ganzer Habitus äußerst ähnlich ist, doch verschiedenen Species angehören und in Folge dessen auf dasselbe Agens anders rea- 1 Einige Larven von ähnlicher Gestalt und mit ähnlichem Fortsatz haben PoucaHEr und CHABry (28) in einer Kultur beobachtet, in welcher sie den Kalk theil- weise durch Kaliumoxalat ausgefällt hatten. Sie halten den »rüsselförmigen Fort- satz« für die beiden zusammengewachsenen, vorderen (oralen) Arme. Dies ist ganz sicher falsch, denn der betreffende Fortsatz entspricht ohne Zweifel der Stelle der Wimperschnur, welche aus dem Wimperschopf der Gastrula resp. Blastula hervor- geht, und welche gewöhnlich etwas über die Mundöffnung heruntergeklappt ist (vgl. hierzu p. 463). Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. LV. Bd. 34 466 Curt Herbst, giren. Dies ist jedoch gleich von vorn herein ganz unwahrscheinlich, weil sich in Neapel die drei verschiedenen Gattungen (Echinus, Sphaerechinus und Strongylocentrotus) den äußeren Agentien gegen- über gleich verhielten, wie wir dies bereits im ersten Kapitel gesehen haben und im dritten wieder sehen werden. Um die Sache sicher zu stellen, begab ich mich in diesem Frühjahr ein zweites Mal auf einige Tage nach Triest, um die Wirkung des Chlor- kaliums noch einmal an Echinus microtubereulatus zu prüfen. Das Resultat war, dass sich in diesem Jahre die be- treffende Seeigelform genau so verhielt wie in Neapel. Ich erhielt nämlich bei meinen Versuchen (es wurden im Ganzen 11 angestellt) entweder die typische Kaliumgestalt wie in Neapel, oder die Larven starben bei zu starker Dosis KCl früher oder später ab, ohne irgend welche besonderen morphologischen Veränderungen zu zeigen. Nie wurde eine Gastrula mit verdicktem, knopfartigem Wimperschopf gesehen wie im Vorjahre. Außerdem zeigte es sich, dass die Eier in diesem Frühjahr dem Chlorkalium gegenüber weit weniger resistent waren als im Frühjahr 1891. Denn während ich damals nach Vermehrung des KCl-Gehaltes um 0,65 % noch Gastrulae mit verdicktem Wimperschopf erhielt, so kamen in diesem Jahre die Larven nicht über das Blastulastadium hinaus, wenn ich zu 300 ccm Seewasser !/s g KÜl setzte. Über die Ursache dieser frappanten Unterschiede werden wir viel- leicht aufgeklärt, wenn wir die klimatischen Verhältnisse der beiden Jahre vergleichen. Dem Frühjahr 1891 ging bekanntlich ein äußerst kalter Winter voraus und auch das Frühjahr selbst war — wenigstens Ende März und Anfang April — noch ziemlich rauh. Im Gegensatz hierzu hatten wir dieses Jahr einen ziemlich milden Winter. Außerdem war ich heuer später in Triest (vom 4.—7. Mai) als im vergangenen Jahre (25. März—20. April). Die Eier, welche ich damals zu meinen Versuchen benutzte, waren demnach höchst wahrscheinlich in kälterem Wasser! reif geworden, als die Eier, welche ich dieses Jahr verwandte. ch glaube nun, dass die konstatirten Unterschiede daran liegen, dass die Konstitution der Eier durch das kältere Wasser derart alterirt wird, dass sie sich äuße- ren Agentien gegenüber anders verhalten wie Eier, welche in wärmerem Wasser reif geworden sind, und 1 Nach einer persönlichen Mittheilung, die mir Herr Inspektor GRAEFFE in Triest machte, sinkt daselbst die Temperatur des Meerwassers an der Oberfläche bis auf 7°C. Direkt an den Küsten wird es noch kälter; es kommt an denselben sogar Eisbildung vor. 23 ed a rg Experimentelle Untersuchungen etc, auf die Entwicklung der Thiere, I. 467 dass im Speciellen die Resistenz derEier mit dem Sin- ken der Temperatur des Meerwassers größer wird. Na- türlich wird Letzteres nur bis zu einem gewissen Temperaturgrade der Fall sein. da zu kaltes Wasser wiederum die Widerstandskraft der Eier schwächt. Der Unterschied zwischen meinen diesjährigen Neapler Versuchen und meinen vorjährigen Triester würde sich demnach auch aus der Verschiedenheit der Temperatur erklären lassen, bei welcher die zu den Versuchen verwandten Eier gereift sind!. Denselben auf eine Verschiedenheit in der Temperatur des zu den Kulturen benutzten Meerwassers zurückzuführen, ist desshalb unwahrscheinlich, weil das- selbe in Neapel und Triest ungefähr dieselbe Temperatur, d.h. Zimmer- temperatur, gehabt hat. Letztere ist aber in beiden Orten ungefähr die gleiche gewesen, da an kälteren Tagen eingeheizt wurde. Für die vorgetragene Ansicht scheint noch folgende Beobachtung zu sprechen, die ich diesen Winter in Neapel machte. Ich erhielt daselbst nämlich am 6. November 1891 mit Eiern von Strongylocen- trotus bereits bei Zusatz von 5°/, 3,7 °/,iger KCl-Lösung die bekannte Kaliumgestalt, während ich dieselbe in diesem Frühjahr am 12. April erst bei 100/, erhielt. Außerdem wurden im Herbst Verwachsungen von Kaliumlarven und Entstehung von großen Pigmentflecken in der Nähe des Mundes beobachtet, welche im Frühjahr sich nicht wieder zeigten. Offenbar waren nun die Eier, welche zu der ersten Kultur verwendet worden waren, in wärmerem Wasser reif geworden, als die Eier, welche ich in diesem Frühjahr benutzte, wodurch sich also auch ihre verschie- dene Reaktion demselben Agens gegenüber erklären lässt. Es sei be- merkt, dass in diesem Falle die Annahme vollkommen ausgeschlossen ist, dass die Larven, welche sich dem KCl gegenüber weniger resistenz- fähig erwiesen, in wärmerem Wasser gezüchtet worden sind, denı. die Temperatur des Wassers der Kulturen im November, wo ich bereits bei 50/, KCI-Lösung die typische Kaliumgestalt erhielt, betrug 16° C., wäh- rend sie Ende April dieses Jahres, wo ich die gleiche Wirkung erst bei Zusatz von 10 %/, KCI-Lösung erzielen konnte, bis auf 171/,° C. gestiegen war. Mitte April mag das Wasser der Kulturgefäße zwar etwas kühler als 171/°G. gewesen sein, auf keinen Fall ist es aber kälter als 16° gewesen. 1 In Neapel sinkt die Oberflächentemperatur des Meeres im Januar bis auf 13°C. Das Meer ist also in Neapel bedeutend wärmer als in Triest. Eine gute Liste von der Temperatur der Meeresoberfläche des Golfes von Neapel während der verschiedenen Jahreszeiten findet sich in Branpr’s koloniebildenden Radio- larien (Fauna und Flora d. Golfes v. Neapel. Bd. XIM). : 31* 468 - Gurt Herbst, Anhang!. Anhangsweise sei hier einer Beobachtung gedacht, welche ich im Frühjahr 1891 in Triest machte. Ich sah daselbst nämlich in zwei Kul- turen, welche beide mit einer Mischung von vier Theilen Meerwasser und einem Theil 3°/,iger KCl-Lösung angesetzt worden waren, in einer Anzahl Eihüllen zwei Blastulae, welche entweder mehr oder weniger mit einander zusammenhingen oder ganz getrennt waren. Es waren also aus einem Ei zwei Individuen hervorgegangen. Bekanntlich hat nun Drızscn (4) nachgewiesen, dass man auf künst- lichem Wege dadurch Zwillingsbildungen erzielen kann, dass man durch Schütteln die beiden ersten Furchungskugeln von einander zu entfernen sucht, wodurch die selbständige Entwicklung einer jeden zu einem ganzen Individuum veranlasst wird. Dieser Nachweis macht es mir wahrscheinlich, dass auch in meinem Falle die Furchungskugeln auf mechanischem Wege in zwei Portionen getheilt worden sind — dies braucht nicht gerade auf dem Zweizellenstadium geschehen zu sein —; und zwar bin ich der Ansicht, dass diese Trennung durch die osmo- tischen Kräfte der zu den Versuchen verwandten Lösung hervorgerufen worden ist. Kapitel Il. Über die Wirkung der Lithiumsalze. I. Theil. Über die Entwicklung der Lithiumkulturen im Allgemeinen, Die interessantesten morphologischen Veränderungen, welche ich mit meinen Versuchen erzielt habe, sind die, welche durch Zusatz von Lithiumsalzen zum Meerwasser erhalten wurden. Ich habe die drei Halogensalze? Chlorlithium, Bromlithium und Jodlithium, das Nitrat und das Sulfat untersucht. Die Versuche wurden in derselben Weise angestellt, wie dies im Eingange zu Kapitel I beschrieben worden ist. Im Ganzen wurden 70 Versuchsreihen mit den genannten Salzen ange- stellt. | Wir wollen gleich hier einen wichtigen Satz vorausschicken, weil dies für die folgende Darstellung zweckmäßig ist, nämlich, dass alle fünf Salze im Großen und Ganzen dieselben typischen 1 Vgl. hierzu Anhang II zu Kapitel I, wo ähnliche Beobachtungen besprochen wurden. 2 Die Fluoride sind natürlich zu allen Versuchen mit Meerwasser unbrauch- bar, da durch sie der Kalk als Fluorcalcium ausgefällt wird. Überhaupt ist die Zahl der Substanzen, deren Lösung in Meerwasser ohne Niederschlag möglich ist, eine ziemlich beschränkte. Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere, 1. A469 morphologischen Veränderungen hervorbringen. Letz- tere hängen darum nicht von den in den Salzen enthal- tenen Säuren ab, sondern einzig undallein von der Natur des mit ihnen verbundenen Metalls, des Lithiums. Die Differenz der fünfSalze offenbart sich nur in der Stärke ihrer Wirkung, d.h. man muss verschiedene Quantitäten von den 3,7°/,igen Lösungen der betreffenden Salze zum Meerwasser setzen, um dieselbe morphologische Wirkung zu erhalten. Während z. B. von der Chlorlithiumlösung bereits 2,5%, genügen, um die betreffende Veränderung der Larvenform hervorzu- rufen, muss man vonder Bromlithiumlösung mindestens 4%), nehmen, und von der Jodlithiumlösung würde auch diese Menke noch nicht genügen. Wir werden auf diesen Punkt in Kapitel IV ausführlich zu sprechen kommen. Nach diesen Vorbemerkungen wollen wir nun zur Beschreibung der erhaltenen Veränderungen übergehen und zunächst einmal einen allgemeinen Abriss von dem typischen Entwicklungsgange geben, den die befruchteten Eier der Seeigel unter dem Einflusse der Lauten einschlagen (vgl. Fig. 12). Aus den Eiern geht zunächst eine normale Blastula hervor!. Dieselbe streckt sich nach kürzerer oder längerer Zeit etwasin die Länge und theilt sich schließlich durch eine Einschnürung in zwei Abschnitte, welche sich blasigvon einander abheben und sich früher oder später dadurch von einander unterscheiden, dass der eine eine dünne Wandung, der andere dagegen eine relativ dicke auf- weist (cf. Fig. 12). Diese beiden Theile, von denen wir den dünn- wandigen »Gastrulawandabschnitt« (ga) und den diekwandigen »Urdarmabschnitt« (wa) aus später zu erörternden Gründen nennen wollen, sind bei den einzelnen Larven von der verschiedensten Größe. Bisweilen sind sie ungefähr gleich groß, oder der diekwandige ein wenig kleiner, sehr häufig tritt jedoch der dünnwandige an Größe zu- rück, und der diekwandige Urdarmabschnitt vergrößert sich auf seine Kosten; ja dieses kann so weit gehen, dass der dtinnwandige nur noch als kleiner Knopf dem großen diekwandigen Abschnitt auf- 1 Die Furchung habe ich desshalb unberücksichtigt gelassen, weil es sich durch die Untersuchungen von Drizsc# (5) herausgestellt hat, dass der Furchungs- modus für die Ausbildung der Larvengestalt vollkommen ohne Bedeutung ist, und dass auch aus den wüstesten Furchungsbildern doch normale Larven her vorgehen können. 470 Curt Herbst, ®. sitzt. Diese Verhältnisse sind deutlich aus den Fig. 13a—f auf Taf. XIX E zu ersehen. | Abgesehen von der verschiedenen Dicke ihrer Wandung unter- scheiden sich noch die beiden Abschnitte dadurch, dass — wenigstens zuerst — die Pigmentzellen meist nur in der Gastrulawandblase zu sehen sind; später breiten sich dieselben auch über den Urdarmab- schnitt aus (ef. Fig. 12—18). Ferner ist die Bewimperung der beiden Abschnitte verschieden, denn während der dickwandige viele aber kleine Wimpern besitzt, die dicht gedrängt stehen und besonders an seinem distalen Ende bereits bei schwacher Vergrößerung deutlich sichtbar sind, so weist die dünnwandige Blase zwar längere, aber weiter von einander entfernte Wimperhaare auf, welche sehr schwer zu sehen sind (cf. Fig. 155—d). Bei der Bewegung ist der Gastrula- wandabschnitt stets nach vorn gerichtet. Kalknadeln werdenin der größten Mehrzahlder Fälle überhaupt nicht ausge- bildet. Ist dieses doch der Fall — was sehr selten vorkommt — so treten dieselben in dem dünnwandigen Theil und zwar in abnormer Zahl und Lagerung auf. \ Nach dieser eingehenden Beschreibung der beiden primären Larvenabschnitte wollen wir die Entwicklung unsrer Lithiumlarven ! weiter verfolgen. Nach Trennung der beiden primären Blasen erscheint häufig am freien Ende der diekwandigen Blase eine ebenfalls diekwandige Ausstülpung(e«a) von geringer Größe und verschiedener Form, wie dies aus den Abbildungen 12e, 13a—c, und 16g und h bei ea zu er- sehen ist. Ferner bildet sich zwischen dem Gastrulawandabschnitt und der Urdarmblase ein Verbindungsstück (vsi), welches die verschiedenartigste Ausbildung zeigen kann (vgl. Fig. 12—17 vst). Bald hat es nämlich die Form eines kleinen englumigen Rohres, bald erreicht es eine ziemliche Größe und kann selbst von derselben Breite werden, wie die beiden primären Blasen. Diese Verhältnisse werden deutlich von den Fig. 12e und f,, 135 und c, 14a—g, 15a —d, 16g und h und 17 a—g auf Taf. XIX und XX gezeigt. Die Wandung des Verbin- dungsstückes ist von verschiedener Dieke, je nachdem es eine größere oder kleinere Ausdehnung zeigt. Mit den zwei primären Abschnitten bildet das Ver- bindungsstück die drei typischen Theile der Lithium- larve. ! Eben so wie wir es im ersten Kapitel bei den Kaliumsalzen gethan haben, wollen wir die mit Lithium erhaltenen Larven unter dem Namen »Lithiumlarven«, und ihre Gestalt unter » Lithiumgestalt« aufführen. Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. 1. 471 Wenn nun schließlich noch an der dünnwandigen Blase als Epithel- verdickung der Wimperring (wr) oder ein Äquivalent davon (hw) an- gelegt wird, so hat der typische Entwicklungsgang der Lithiumlarven meist sein Ende erreicht. Früher oder später treten dann Absterbungserscheinungen auf, die sich besonders darin äußern, dass sich die einzelnen Abschnitte von einander trennen und nach einiger Zeit ganz auflösen; oder es schrumpfen die ganzen Larven zunächst bedeutend zusammen und erst dann beginnen sich — zuerst am Urdarmabschnitt — Absterbungser- scheinungen zu zeigen. Die durchschnittliche Lebensdauer einer Lithiumkultur betrug ca. 10 Tage. Würde man die Larven aus der Lithiumlösung in reines Seewasser zurückbringen, so könnte man ihre Lebensdauer bedeutend verlängern. Es sei ganz besondersher- vorgehoben, dass dieselben — wenn der richtige Procentsatz getroffen war — bis kurz vor ihrem Tode ein vollkommen gesundes Aussehen zeigten, und dass ihr Tod wohl meistens durch Infusorien und Bakterien herbeigeführt wurde, deren Entwick- lung trotz Filtrirens des Seewassers nicht verhindert werden konnte und denen gegenüber die Lithiumthiere sich stets schwächer erwiesen als die normalen Larven. Auf jeden Fall darf den merkwürdigen pilzförmigen Larven die Lebensfähigkeit nicht abgesprochen werden ; und ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass sie sich unter günstigeren Umständen weiter entwickeln würden. Das im Vorigen geschilderte Schema des typischen Entwicklungs- ganges hat im Großen und Ganzen auf alle drei Seeigelgattungen An- wendung. Nur in einigen Punkten zeigen dieselben gewisse Ver- schiedenheiten, welche im Folgenden aufgezählt werden mögen. Die erste besteht darin, dass der Unterschied in der Dicke der Wandung des Gastrulawandabschnittes und des Urdarmabschnittes bei Sphaer- echinus gleich von vorn herein ausgeprägt ist, während er sich bei Echinus microtubereulatus erst später ausbildet. So ist z. B. in Fig. 15a die Dieke der Wandung bei beiden Theilen ungefähr gleich, erst in Fig. 155 ist sie verschieden. Am besten werden die Verhältnisse durch die Fig. 12 erläutert; dieBuchstaben D—e beziehen sich dabei auf Sphaer- echinus, b,—f,, dagegen auf Echinus. Eine andere Verschiedenheit ist die, dass sich das Äquivalent der Pluteuswimperschnur bei Sphaerechi- nus meist als eine bewimperte Epithelverdickung an der dem Urdarm- abschnitt gegenüberliegenden Seite der Gastrulawandblase bildet (cf. Fig. 16 hro), während die Wimperschnur bei denLithiumlarven von Echi- nusund Strongylocentrotus als eine wulstige Verdickung um den unteren EEE Rn ER ERRER Se 'a 18 ET 472 Curt Herbst, Theil der dünnwandigen Blase entsteht (cf. Fig. 1556 und d und Fig. 17). Dieser Unnampanlzn ist an den ni 12e und iR auf Taf. XIX deutlich zu erkennen. Die dritte Differenz a sich während der Mesenchymbildung zwischen den Larven von Echinus microtubereulatus einerseits und denen der beiden anderen Seeigel andererseits. Während nämlich die Mesenchymzellen bei der ersten Form die Neigung haben, sich an dem animalen Pole der Blastula — der übrigens ebenfalls im Gegensatz zu den anderen Arten eine warzig-höckerige Oberfläche zeigt (ef. Fig. 12, und c,) — in Form einer Platte (cf. Fig. 195, und c,) oder eines Kranzes zusammenzuziehen, habe ich diese Erscheinung bei Sphaerechinus und Strongylocentrotus nicht beobachten können. Der vierte Punkt be- trifft die Größe des Verbindungsstückes, welches bei Sphaerechinus meist kleiner ist als bei Echinus und Strongylocentrotus (ef. Fig, 12e und f,, 136—d, 4%, 45, 46g und A und 17), und endlich der fünfte, der freilich mit der Art des Entwieklungsganges in gar keiner Beziehung steht, die Beweglichkeit der Larven, welche bei denen von Sphaer- echinus meist gleich Null ist, während die Larven der beiden anderen Seeigel oft sogar eine ziemlich muntere aktive Bewegung aufweisen. II. Theil. Über die Entwicklung der Lithiumkulturen im Speciellen. Nachdem wir im Vorstehenden den allgemeinen Entwicklungsgang der Lithiumlarven und seine Abweichungen bei den drei verschiedenen Echinidengattungen kennen gelernt haben, will ich im Folgenden die Protokolle von einigen Versuchsreihen anführen, um zu zeigen, welche Abweichungen vom allgemeinen Schema die einzelnen Kulturen dar- bieten können. Diese Abweichungen sind zum größten Theil auf die Verschiedenheit der Eier von verschiedenen Weibchen, zum kleineren auf die verschieden großen zugesetzten Quantitäten der betreffenden Lithiumlösung oder auch auf andere Umstände zurückzuführen. I. Ich will mit der Mittheilung des Protokolls vom ersten Versuche beginnen, den ich mit Lithiumsalzen angestellt habe. In dem Gefäß befanden sich: 2000 cem Seewasser und 100 cem 30%/yige LiBr-Lösung!. Zu der Versuchsreihe mal befruchtete Eier von Sphaerechinus granularis benutzt. Am 1.Oktober 4'/,; Uhr Nachmittags wurde der Versuch an- gesetzt. 1 Meine Anfangsversuche wurden mit einer 30/yigen statt einer 3,70/yigen Salzlösung angestellt. . Zur Lösung des Salzes wurde außerdem Aqua destillata, nicht Wasserleitungswasser verwandt. Diese Methode wurde jedoch bald mit der in Kapitel I angegebenen vertauscht, > TEN IE EEE WE VE N EN Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. 1. 473 2. Oktober I0 Uhr Vormittags. Blastulae ohne Bewegung, Kontrollthiere: Ebenfalls Blastulae aber mit Bewegung. 3.Oktober 10 Uhr Vormittags. Alle Larven weisen eine Ausstülpung auf, welche die verschiedenste Gestalt be- sitzen kann (ef. Fig. I6wa). Kontrollthiere bereits auf dem Anfangs- stadium der Pluteusbildung! Also ist auch eine Verzögerung in der Entwicklung durch das Lithium hervorgerufen worden. 3. Oktober 5 Uhr Nachmittags. Der Urdarmabschnitt ist häufig zweitheilig geworden (ef. Fig. 16a—c). Bewegung fast gleich Null. &.Oktober 10 Uhr Vormittags. Eine große Anzahl ist heute ziemlich beweglich. Dem ausgestülpten Urdarm gegenüber Ansatz des Wimperringes, bestehend in einer lokalen Verdickung der Gastrula- wand (cf. Fig. 16hw). Bei einzelnen Larven sind seitliche Ausstülpungen (sa) am Urdarmabschnitt vorhanden (ef. Fig. 16d, f und Ah). Wand des letzteren bedeutend dicker als Wand des übrigen Larvenkörpers. Im Gastrulawandabschnitt ziemlich viele rothe Pigmentzellen, im Urdarmabschnitt wenige. Kontrollthiere: Plutei mit Fortsätzen. 5. Oktober 10 Uhr Vormittags. Formen wie sie in Fig. 169g und Ah, Taf. XIX dargestellt sind; es hat sich also zwischen den beiden primären Abschnitten das Verbindungsstück (vst) gebildet. Beimanchen hat sich der ausgestülpte Urdarmabschnitt losgelöst. Kontrollthiere: Plutei. 6. Oktober 9!/;, Uhr Vormittags. Die Larven sind kleiner geworden; sie sterben allmählich ab. Versuch abgeschlossen. Aus diesem Protokoll geht hervor, dass die betreffende Kultur besonders darin von dem typischen Entwicklungsschema abgewichen ist, dass sich an dem Urdarmabschnitt mancher Larven seitliche Aus- stülpungen entwickelten, welche in den anderen Kulturen nicht wieder zur Beobachtung gelangt sind. Der Grund für diese Differenz lässt sich schwer angeben; jedenfalls glaube ich nicht, dass sie durch die ange- wandte Methode herbeigeführt worden ist. Am wahrscheinlichsten ist es, dass sie auf eine specifische Beschaffenheit = verwandten Ei- materials zurückzuführen ist. II. Als zweites Protokoll will ich das eines Versuches anführen, welcher ebenfalls mit Sphaerechinuseiern, aber mit einer Lithiumnitrat- lösung angestellt wurde. Das Gefäß enthielt: 1940 cem Seewasser und 60 ccm 3,7 °/,ige LiNO;-Lösung. 7. December 6!/, Uhr Nachmittags Versuch angesetzt. 8. December 2!/, Uhr Nachmittags. ‘Trübe Blastulae'in der Eihülle. Kontrollthiere: Ebenfalls trübe Blastulae und zum großen Theil u 474 | Gurt Herbst, noch in der Eihülle. Diejenigen, welche außerhalb der Eihülle sind, liegen ohne aktive Bewegung am Boden. 9. December 10 Uhr Vormittags. Blastulae von dunklem Aussehen; sie liegen ohne aktive Bewegung am Boden. Kontrollthiere: Muntere Blastulae !. 10. December 23/, Uhr Nachmittags. Beginn der Bildung der beiden primären Abschnitte, und zwar meist derartig, dass sich die „Blastula zuerst etwas in die Länge streckt, häufig dabei Luftballonform annimmt und dass sich dann die beiden Theile von einander abgliedern. Kontrollthiere: ausgebildete Gastrulae. 14. December 3'!/)) Uhr Nachmittags. Die beiden charak- teristischen Theile sind deutlich zu unterscheiden; die Einschnü- rung zwischen beiden ist oft noch nicht tief. Einige aktive Bewegung ist vorhanden. Kontrollthiere im Anfangsstadium der Pluteusbildung. 12. December 31/, Uhr Nachmittags. Typische Ausbildung der Larven. Der Urdarmabschnitt ist meist durch eine Ein- schnürung in zwei Theile getheilt. Auch das Verbindungsstück ist bisweilen angelegt. Am distalen Ende des ausgestülpten Urdarmes ist eine kleine Rosette von Zellen häufig zu sehen (cf. Fig. 13a, zr). Kontrollthiere: Plutei mit noch nicht ganz aus- gebildeten Fortsätzen. 13. December 2!/;, Uhr Nachmittags. Der Urdarmabschnitt ist stets durch eine Einschnürung in zwei Abschnitte getheilt. Das. Verbindungsstück öfter vorhanden als am 12. December, es entsteht durch sekundäre Ausstülpung aus der dünnwandigen Blase. Selten ist dem Urdarmabschnitt gegenüber als plattenartige Verdickung der Körperwand das Äquivalent des Wimperringes angelegt. Kontrollthiere: ungefähr normale Plutei. 14. December 2!/, Uhr Nachmittags. Das Äquivalent des Wimperringes meist vorhanden. Kontrollthiere: Normale Plutei. 15. December 3 Uhr Nachmittags. Verbindungsstück meist vorhanden. Bisweilen hat sich der distale Theil des Urdarmes ganz ab- geschnürt ; manchmal auch beide. Kontrollthiere wie am 14. December, 16. December 441/, Uhr Vormittags. Der distale Abschnitt oder auch die ganze Urdarmblase haben sich häufig von dem Gastrula- wandabschnitt abgelöst. Kontrollthiere unverändert. 17. December 111/, Uhr Vormittags. Die Kultur stirbt all- mählich ab. Versuch abgeschlossen. i Ein Vergleich von Protokoll II mit Protokoll I zeigt auch, eine wie bedeu- tende Verzögerung in der Entwicklung die Erniedrigung der Temperatur herbei- führen kann. Es ist dies ja eine bereits allbekannte Thatsache. Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. I. A475 Die Abweichungen, welche dieses Protokoll von dem allgemeinen Schema zeigt, bestehen erstens in der Theilung des diekwandigen Ab- schnittes in zwei ungefähr gleich große Theile und zweitens in dem Auftreten der Zellenrosette am distalen Ende des Urdarmabschnittes. Beide Erscheinungen wurden auch in verschiedenen anderen Kulturen beobachtet. Die erstere z. B. auch in jener, deren Protokoll oben als No. I angeführt wurde. Ein Vergleich der Protokollelund Il bringt außerdem auch den Beweis für den gleich im Anfange des Kapitels aufgestellten Satz, dass das Säureradikal der Salze für die Art und Weise der morphologischen Wirkung der- selben ohne Bedeutung ist. II. An dritter Stelle wollen wir das Protokoll eines Versuches mittheilen, welcher mit Chlorlithium an Eiern von Echinus mierotuber- eulatus angestellt worden ist. Das Gefäß enthielt: 1950 cem Seewasser und 50 cem 3,7%/,ige LiCl-Lösung. 11.Februar 3), Uhr Nachmittags. Versuch angesetzt. 12. Februar 1!/;, Uhr Nachmittags. Sehr muntere, normale, freischwimmende Blastulae. Kontrollthiere: Eben so. 13. Februar 9!/, Uhr Vormittags. Die meisten sind noch Blastulae; einige davon sind etwas in die Länge gestreckt und haben im Äquator eine Epithelverdiekung. Einzelne besitzen eine kleine Urdarmeinstülpung. Die Mesenchymzellen haben sich nach dem ani- malen Pole zu gezogen (cf. Fig. 12 b, und c,). Kontrollthiere: Gastrulae auf verschiedenen Stadien der Ausbildung. 1%. Februar I1 Uhr Vormittags. Sehr häufig ist eine Tren- nung der etwas langgestreckten Larven in zwei Theile vermittels einer Einschnürung angedeutet. Auch die Larven, welche am Tage vorher eine kleine Urdarmeinstülpung aufwiesen, besitzen dieselbe zwar noch, zeigen aber ebenfalls eine Einschnürung. Charakteristisch ist der mit warziger, stark bewimperter Oberfläche versehene animale Pol (ef. Fig. 1% b, und c). Die Mesenchymzellen, welche am vegetativen Pole ihren Ursprung nehmen, ziehen sich am animalen Pole zusammen und bildenbis- weilen um denselben einen Kranz. Die Wand der Larven ist noch nicht — wie dies bei Spaerechinus gleich von vorn herein der Fall war — in Theile von verschiedener Dicke gesondert. 15. Februar 9 Uhr Vormittags. Obgleich die beiden primären Abschnitte der Lithiumlarve vorhanden sind, so kann man doch immer noch nicht von einem dünn- und einem diekwandigen Theil reden, da der dem dünnwandigen Theil bei Sphaerechinuslarven entsprechende — nun ne nt Pr gest a TIERE De mas ae a Br ee = = ö En nn nn mn m m n a NIT “.. Er ac et - 3 a Kemer er en Eugen — a m nn — - - Bene ee 1 u ne Se ng I ee Fe ne en 7m P2 . ng ee nn mA ad EEE a ae Fer ren et 476 Curt Herbst, Abschnitt hier ebenfalls dicke Wandungen besitzt, ja bisweilen eine kompakte Masse von warziger Oberfläche bildet. Kontrollthiere: Sehr muntere Plutei; die einzelnen Darmabschnitte sind noch nicht scharf von einander abgehoben. 4 16. Februar 91/, Uhr Vormittags. Das Verbindunkeeh zwischen den beiden Blasen ist häufig zu sehen. Der Gastrula- wandabschnitt weist bisweilen an seinem unteren Ende, d.h. da, wo ihm der Urdarmabschnitt ansitzt, eine ring- förmige Epithelverdickung auf (cf. Fig. 15 db und d und 47), während das Epithel an seinem animalen Pol dünner wird. Kontroll- thiere: Typische Plutei. 17. Februar 93/, Uhr Vormittags. Das Verbindungsstück ist häufig von derselben Breite oder nur wenig schmäler als die beiden primären Blasen (cf. Fig. 15a, b und d). Der obere Theil der Gastrula- wandblase ist dünnwandig geworden, während der untere eine Zone von dickem Wimperepithel aufweist. Der untere Theil des Urdarm- abschnittes ist ebenfalls dünnwandig, der obere Theil dagegen dick- wandig. Wir haben also an den Larven drei dünnwandige (oberer Theil der Gastrulawandblase, unterer Theil der Urdarmblase und Ver- bindungsstück) und zwei diekwandige Theile (unterer Theil der Gastrula- wandblase und oberer Theil der Urdarmblase) zu unterscheiden (ef. Fig. 15 d). Der untere Theil der Gastrulawandblase besitzt sehr lange Wimpern, welche !/, der Länge der ganzen Larve erreichen können (ef. Fig. 15 b—-d, wr). Der dickwandige Theil des Urdarmabschnittes ist auch deutlich bewimpert, während an den dünnwandigen Theilen die Wimpern zwar nicht fehlen, aber schwerer zu sehen sind. Der Ur- darmabschnitt ist muskulös geworden; es wurden an ihm Kontraktionen beobachtet. An den Kontrollthieren keine Veränderungen eingetreten. 18. Februar 40 Uhr Vormittags. Die Kultur ist sehr zu- sammengeschrumpft, da sich sehr viele Infusorien entwickelt haben, Bei den noch vorhandenen Larven haben sich häufig ur einzelnen Theile von einander getrennt. 19. Februar 3 Uhr Nachmittags. Fast Alles abgestorben;; nur noch einzelne Theile der Larven hier und da zu sehen. Versuch ab- geschlossen. Ein Vergleich der beiden ersten Protokolle mit dem vorstehenden ergiebt erstens die Richtigkeit unserer obenangeführten Behauptung, dass die Lithiumsalze so- wohlaufEier von Echinus wie aufsolehe von Sphaerechi- nus im Großen und Ganzen in derselben typischen Weise Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. I. 477 einwirken, und lässt zweitens deutlich die Unterschiede erkennen, welche die beiden Seeigelgattungen im $peciel- len zeigen. Besonders interessantistauch noch der Um- stand, dass indem vorstehenden Versuche der Urdarm- abschnitt Kontraktilitätsvermögen bekam, was aufdie Lebensfähigkeit der Lithiumlarven hindeutet. - IV. Endlich wollen wir noch das Protokoll von einem Versuche an- führen, dessen Resultate in verschiedener Hinsicht von Bedeutung sind. Er wurde ebenfalls an Eiern von Echinus microtuberculatus angestellt. | Das Gefäß enthielt: 1920 cem Seewasser und 80 cem 3,7/,ige LiBr-Lösung. | | | | 12. Februar 3'/; Uhr Nachmittags. Versuch angesetzt. 13.Februar 11 Uhr Vormittags. Viele freischwimmende Blastulae. Kontrollthiere: Eben so. a et 14. Februar 2°/, Uhr Nachmittags. Stets eine kleine Ur- darmeinstülpung vorhanden; manche Larven haben sich aber auch bereits etwas in die Länge gestreckt. Die Mesenchymzellen haben sich kranzförmig um den animalen Pol zusammengezogen. Kontroll- thiere : Eckige Gastrulae mit verlöthetem Urdarm etc. 15. Februar 10!/, Uhr Vormittags. An den Larven meist zwei Abschnitte vorhanden, von denen der eine an seinem Ende eine kleine Urdarmeinstülpung trägt. Kontrolithiere: Junge Plutei. 16. Februar 44 Uhr Vormittags. Die beiden typischen Abschnitte mit Verbindungsstück vorhanden. Am Ende des Urdarmabschnittes sehr häufig die kleine Einstülpung noch vorhanden. Auch die Epithelverdickung am unteren Theil der Gastrulawandblase häufig zu sehen. Nur selten sieht man einmal eine Larve, welche einen normalen Darmtractus gebildet hat und bereitsdefinitivenMundbesitzt. Dieselbenunterscheiden sichin sofern von den normalen Pluteis, als sie der Fort- Sätze entbehren und in Folge dessen den Larven ähneln, welchein Kapitell beschrieben sind. Kontrollthiere: Plutei. 17.Februar 5 Uhr Nachmittags. Die Mehrzahl der Larven besitzt die typische Lithiumgestalt (vgl. Fig. 17 a—g). Das helle dünn- wandige Verbindungsstück ist etwas kugelig aufgebläht. Die Wimper- zone ist sehr deutlich. Am Urdarmabschnitt immer noch sehr häufig die kleine Einstülpung (de) vorhanden; außerdem wurden an dem- selben — eben so wie bei dem vorigen Versuche (Protokoll No. II) — Kontraktionen - beobachtet. Bei der geringen Anzahl Larven, welche einen normalen Darmtractus aufweisen, ist das Mundfeld nicht — wie das normalerweise der Fall ist — in den Wimperring hineingedrückt, 478 Gurt Herbst, so dass es eine konkave Höhlung bildet, sondern es tritt bauchig aus demselben hervor und bildet also eine konvexe Fläche. Die Pigment- zellen haben sich an der dem Mundfeld gegenüberliegenden konvexen Fläche angesammelt. Kontrollthiere: Typische Plutei. 18. Februar 1i Uhr Vormittags. Die kleineEinstülpung, welche an den vorangegangenen Tagen sich sehr häufig an dem Urdarm- abschnitt beobachten ließ, hat sich oft sehr verlängert, so dass sie bisin die Gastrulawandblase hineinreicht (ef. Fig. 17 e—g). An den Larven wurden Kontraktionen beobachtet. 19. Februar 101), Uhr Vormittags.: Die Gestalt der Larven differirt sehr. Erstens giebt es solche, bei denen das Verbindungsstück sehr hervortritt und an Größe die beiden anderen Abschnitte erreicht, und sich am Ende des Urdarmabschnittes nur eine kleine Einstülpung befindet (Fig. 17c). Zweitens giebt es Larven, deren Einstülpung, wie schon am 18. Februar verzeichnet wurde, eine ziemliche Länge erreicht, und sich bis in die Gastrulawandblase hineinerstreckt (Fig. 17 e—9). Diese Larven sind etwas kürzer als die zuerst genannten. Ihr Ver- bindungsstück und ihr Urdarmabschnitt sind kleiner geworden, wahr- scheinlich auf Kosten des eingestülpten Darmes. Die letzte Kategorie wird von den wenigen Larven gebildet, welche einen normalen, drei- gliedrigen Darm aufweisen. 20. Februar i0!/, Uhr Vormittags. Die dreitheiligen Larven mit Darm haben keinen Mund bekommen, sie sind noch in ziemlicher Anzahl vorhanden. Viele Larven sind bereits abgestorben oder auf dem Wege dazu, indem sie sich in ihre einzelnen Theile aufgelöst haben. 21. Februar A1 Uhr Vormittags. Die Lithiumlarven haben sich in ihre Bestandtheile aufgelöst. Es haben sich viele Infusorien entwickelt. 22. Februar 10°/, Uhr Vormittags. Am Leben sind fast nur noch Larven mit normalem Darmtractus; von den Lithiumlarven sind nur noch einzelne Theile vorhanden (losgelöste Gastrulawand- und Ur- darmblasen). i 27. Februar 111), Uhr Vormittags. Der Versuch wurde abge- brochen, da die Kultur fast vollkommen abgestorben war. Das Charakteristische für die Kultur, deren Protokoll wir im Vor- stehenden ausführlich wiedergegeben haben, besteht offenbar darin, dass sich zuerst am vegetativen Pole der Blastulae eine kleine Urdarm- 3 einstülpung bildete, dass sich dann aber die Entwicklung nicht in der i normalen Weise weiter fortsetzte, sondern den Gang der Lithiumkul- turen einschlug, so dass trotzdem Larven von der typischen Lithium- gestalt entstanden. Besonders interessant ist nun der Um- stand, dass die kleine Urdarmeinstülpung, welche auch Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 479 andenLithiumlarven meist noch vorhanden war, häufig — nachdem dieLithiumgestalt ausgebildet war— indie Länge wuchs und sich in Folge dessen zu einem dünn- wandigen Darm gestaltete, welcher bis in die Gastrula- wandblase hineinreichen konnte. Ganz ähnliche Larven- formen habe ich auch in einer Kultur beobachtet, die mit einer Lösung angesetzt worden war, welche auf 97 Theile Seewasser 3 Theile LiBr- Lösung enthielt. Jain dieser Kultur hatte sogar eine derartige Larveeine Mundöffnungbekommen. Ich hatte also eine Larve vor mir, welche aus drei hinter einander gelegenen Abschnitten, dem Gastrulawandabschnitt, dem Verbindungsstück und der Urdarmblase bestand und die einen vollständigen Darmkanal mit Mund und After aufwies! Der Urdarmabschnitt und das Verbindungsstück waren frei- lich bei der betreffenden Larve bedeutend reducirt, weil sich wahr- scheinlich auf ihre Kosten der Darmkanal gebildet hatte. Was wäre wohl aus dieser merkwürdigen Larvenform geworden, wenn esgelungen wäre, sie weiter zu züchten? Wäre schließlich aus ihr doch noch eine Larve von Plu- teusorganisation hervorgegangen oder hätte sie sich in ganz anderer Weise weiter entwickelt? Ich bin überzeugt, es wäre das Erstere eingetreten und schließlich eine Larve von Pluteusorganisation ent- standen. Was mich zu dieser Meinung berechtigt, ist die nachträgliche Bildung eines Darmes bei den Lithium- larven und die damit Hand in Hand gehende Reduktion des Verbindungsstückes und der Urdarmblase. Es zeigt sich in diesen Vorgängen gleichsam ein Streben, welches trotz der Gegenwirkung desLithiums doch eine Larve mit normalem Pluteusdarm hervorbringen will. Denken wir uns in Fig. 17g auf Taf. XIX den bereits etwas zur Seite gebogenen Darm mit der Körperwand verlöthet und an dieser Stelle eine Mundöffnung entstanden, so könnte durch die Zurückziehung der bereits bedeutend reducirten distalen Blasen (des Urdarmabschnittes und des Verbindungs- stückes) in die Gastrulawandblase schließlich doch noch eine Larve entstehen, welche zwar äußerlich in der Form nichts mit einem Plu- teus zu thun hat, aber doch dessen Organisation, d. h. einen vollstän- digen Darmkanal mit Mund- und Afteröffnung aufweist. Wir hätten dann auf künstlichem Wege die Eier gezwungen zur Er- reichung des Pluteusstadiums, resp. eines Äquivalents davon, einen ganz anderen Entwiceklungsgang einzu- schlagen, als dies normalerweise der Fall ist. Natürlich nn En in en nn un ET I m aan a mo nn nn ._ gun BEER a = en — nm ar - _— -— zu oo ee nn - 5 Dar 2 w = no er Es . zu BEER ER cher r ri a 2 — 5 2 = ae 4 eg en zen zei e - E == “ . Zu m - us - & > = a - Er Er a 5 . Sea ee Sc en a Au ee “ VER EEE I TEEN FREE EEE EHE Tr a BE EEE PA x A ee; ig er Er nn = = et es ee ur Ze Eng £ £ ee u a nen ende ee w.Z Ber: a re A = = er 8 480 Gurt Herbst, würden nur diejenigen Lithiumlarven befähigt sein, Pluteusorganisation zu erreichen, welche an ihrem Urdarmabschnitt eine kleine Einstülpung aufweisen und deren Gastrulawandblase die beiden übrigen an Größe übertrifft; ein Zurückziehen der beiden distalen Blasen in die Gastrula- wandblase wäre ja bei zu großer Kleinheit der letzteren vollkommen aus- geschlossen. Larven, die vorstehende Bedingungen erfüllen, bekommt man leicht in solchen Kulturen, bei denen die zugesetzte Quantität der Lithiumlösung noch nicht groß genug ist, um den normalen Entwick- lungsgang vollkommen und bei allen Larven in andere Bahnen zu lenken. Derartige Kulturen sind auch besonders desswegen interessant, weil sich in ihnen so zu sagen ein Kempf zwischen dem normalen Bildungstrieb der Eier und der Wirkung der Lithiumsalze zu erkennen giebt. Welcher Entwicklungsgang in solchen Fällen dann eingeschlagen wird, dies ent- scheidet die individuelle Beschaffenheit der Eier. Während also die einen sich zu typischen Lithiumlarven entwickeln können, schlagen die anderen, welche eine größere Resistenzkraft besitzen, den normalen Entwicklungsgang ein. Es sei jedoch ganz besonders bemerkt, dass sich letztere dann nicht etwa zu normalen Pluteuslarven entwickeln, son- dern dass sie ungefähr die Form und Organisation der Kaliumlarven erreichen, d.h. sie besitzen eine runde Gestalt und höchstens Rudi- mente des Kalkgerüstes, weisen dagegen im Inneren die typische Plu- teusorganisation auf. u Werden verschiedene Kulturen mit ungleich großen Quantitäten einer Lithiumlösung angesetzt, so entscheidet über den Entwicklungs- gang natürlich nicht nur die individuelle Beschaffenheit der Eier, son- dern in erster Linie die Menge des zugesetzten Lithiums. Man hat es also in der Hand, den normalen Entwicklungsgang mehr oder weniger abzuändern, je nachdem man größere oder kleinere Mengen einer Lithiumlösung dem Meerwasser zufügt. Am besten gelang mir dies mit einer 3,7°/,igen Bromlithiumlösung. Dabei zeigte es sich auch, dass mit zunehmendem Lithiumgehalt der -Gasirulawandab- schnitt immer mehr an Größe verlor, so dass er schließ- lich in einer Kultur, welche 6°%, Bromlithiumlösung enthielt, zum Theil äußerst klein oder überhaupt nicht gebildet worden war (ef. Fig. 13a —f). III. Theil. Über die Homologien zwischen den Lithiumlarven und den normalen Entwicklungsstadien und vorläufige Orientirung über die Ursachen des Entwicklungsganges der ersteren. Obgleich ich bereits in dem vorigen Theil zu wiederholten Malen einen Hauptvergleichungspunkt zwischen den Lithiumlarven und den Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 481 normalen Entwicklungsstadien verrathen habe, halte ich es doch für nöthig, im Folgenden noch einmal ausführlich auf die Frage zu sprechen zu kommen, auf welche Weise sich die Lithiumgestalt auf die einer nor- malen Larve zurückführen lässt. Hierbei leisten uns solche Larven die besten Dienste, welche einen schmalen Urdarmabschnitt aufweisen, wie z. B. diejenigen, welche in Fig. 16a—c auf Taf. XX dargestellt sind. Der Entwicklungsgang einer solchen Larve weicht in so fern von dem allgemeinen Schema ab, als dieselben nicht aus einer langgestreckten Blastula entstehen, welche sich durch eine Einschnürung in zwei Ab- schnitte theilt, sondern sich derartig entwickeln, dass der Urdarm, welcher sich normalerweise nach innen stülpen würde, in derselben Größe nach außen angelegt wird. Bei den betreffenden Larven ist also der dickwandige Theil weiter nichts als der ausgestülpte Urdarm. Als solcher giebt sich auch der diekwan- dige Abschnitt jener Larven zu erkennen, welche zuerst normale Ga- strulae werden und erst sekundär den Urdarm nach außen stülpen, wie ich dies in einigen Kulturen beobachtet habe. Obgleich nun Larven, wie sie in Fig. 12—15 und 17 dargestellt sind, für sich allein schwer ihre Beziehung zu den normalen Larven- stadien erkennen lassen, so kann man doch — gestützt auf die beiden angeführten Übergänge zur normalen Entwicklungsweise — sagen, dass der diekwandige Theil jeder Lithiumlarve dem Urdarm einer normalen Gastrula entspricht. Wir haben ihn desshalb »Ur- darmabschnitt« genannt. Natürlich ist dann auch klar, dass der dünnwandige Theil — so klein und rudimentär er auch bisweilen ist (z.B. bei Fig. 13 dund e) — die Wand der Gastrula repräsentiren muss. In den Fällen, wo der Urdarmabschnitt bei _ Weitem am größten ist und der Gastrulawandtheil auf einen kleinen Knopf beschränkt ist, hat sich der Urdarm auf Kosten der Gastrulawand vergrößert. Wie steht es nun mit dem Verbindungsstück? Welchem Theile einer normalen Larve ist dies homolog? Zu diesem Zwecke brauchen wir uns nur bei einer Larve den Urdarmabschnitt mit dem Verbin- dungsstück in die Gastrulawandblase zurückgestülpt zu denken — was freilich bei vielen Larven wegen der Größenverhältnisse der betreffen- den Theile überhaupt nicht möglich ist —, und es wird sich zeigen, dass wir in dem Verbindungsstück den Enddarm der Plu- teuslarve vor uns haben. Die Wimperzone resp. Wimperplatte der Lithiumlarven entspricht natürlich der normalen Wimperschnur, welche nur eine Verlagerung erlitten hat. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 39 a8 ) Gurt Herbst, Ist es uns somit ohne große Mühe gelungen, die Haupttheile der Lithiumlarve mit Organen der normalen Larvenformen zu homologi- siren, so bleiben doch einige Bildungen an den Lithiumlarven übrig, welche sich wohl kaum mit solchen an den normalen Larven vergleichen lassen. Vollkommen unmöglich ist dies offenbar mit den seitlichen Aus- stülpungen des Urdarmabschnittes, welche die in Fig. 16d, fund h auf Taf. XX dargestellten Larven aufweisen. Dieselben erinnern zwar an zwei Goelomsäcke, welche sich ebenfalls nach außen gestülpt haben, aber in der normalen Entwicklung sind derartige Bildungen nicht vor- handen, denn bekanntlich wird die Vasoperitonealblase vom Ende des Urdarmes abgeschnürt. Man könnte in Folge dessen eher die kleine Aus- stülpung, welche häufig am Ende des Urdarmes vorhanden und an den Fig. 169 und h deutlich zu sehen ist, für ein Homologon derselben halten. Die Theilung der Urdarmblase in zwei ungefähr gleich große Ab- schnitte, wie sie in verschiedenen Kulturen beobachtet wurde, und die Zellenrosette am Ende des Urdarmabschnittes, welche sich hier und da vorfand, und auch an den Fig. 13a und b zu sehen ist, sind wohl sicher Bildungen sui generis. Nachdem uns die vorstehenden Erörterungen haben erkennen lassen, dass sich die typische Lithiumlarve — von einigen speciellen Bildungen abgesehen — leicht auf eine Larve zurückführen lässt, welche einen Wimperring, einen Mittel- und Enddarm, aber keinen definitiven Mund und keinen Munddarm aufweist, und bei der sämmtliche Flächen- entwicklung nach außen stattgefunden hat, wollen wir uns im Folgenden vorläufig über die Frage orientiren, welchen Ursachen dieser merkwür- dige Entwicklungsgang seine Entstehung verdankt. Da wir oben gesehen haben, dass der diekwandige Abschnitt einer Lithiumlarve so zu sagen dem nach außen gestülpten Urdarm ent- spricht, so liegt natürlich die Vermuthung nahe, dass die Einstülpung des Urdarmes vielleicht durch eine von irgend welchen Ursachen ab- hängige, abnorme Wasseraufnahme in das Blastocoel zur Unmöglichkeit gemacht wird, und dass derselbe in Folge dessen mechanisch nach außen gestülpt wird. Wäre diese Vermuthung richtig, so müssten doch wohl diejenigen Larven, welche den größten Umfang haben, d.h. am meisten aufgebläht sind, am ehesten dazu neigen, den Entwicklungsgang der Lithiumlarven einzuschlagen, wofür sich jedoch absolut keine Bestäfi- gung finden lässt. Denn ich habe in Kulturen, welche mit einer zu ge- ringen Lithiumdosis angesetzt worden waren, genaue Messungen an Larven mit ausgestülptem und an solchen mit eingestülptem Urdarm angestellt und keine durchgreifende Differenz auffinden können. Auch ein Vergleich der Blastulae der Kontrollgefäße mit denen jener Kul- Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 483 turen, in welchen sich sämmtliche Blastulae zu typischen Lithiumlarven entwickeln, ergiebt absolut keine Größenunterschiede. Meiner Ansicht nach ist durch diese beiden Thatsachen die Mög- lichkeit vollkommen ausgeschlossen, dass die normale Einstülpung des Urdarmes und des sich später entwickelnden Enddarmes einfach durch eine zu große Aufnahme von Wasser in das Blastocoel verhindert und dadurch die Lithiumgestalt hervorgerufen wird. Durch welche Ursachen wird aber nun der Entwicklungsgang der Lithiumlarven hervorgerufen, wenn diese nahe liegende Auffassung un- möglich ist? Wir werden hierauf erst im Schlussabschnitt zu sprechen kommen, da wir zur Beantwortung dieser Frage der Thatsachen be- dürfen, die im folgenden Kapitel zur Darstellung kommen sollen. Anhang. Im ersten Anhang zu Kapitel I habe ich einige Beobachtungen mit- getheilt, welche die Möglichkeit einer Entstehung von Mehrfachbil- dungen durch Verwachsung beweisen. Ich habe nun auch in den Kulturen, welche ich mit Lithiumsalzen an Eiern von Sphaerechinus anstellte, häufig Mehrfachbildungen bei den Lithiumlarven beobachtet, welche durch Verwachsung von 2, 3 oder auch mehreren Larven ent- standen waren. Die Fig. 18a—g auf Taf. XX geben eine Reihe von solchen Verwachsungen auf verschiedenen Stadien der Ausbildung wieder. Es geht aus denselben hervor, dass die Verwachsung stets vermittels der Urdarmabschnitte erfolgte. In Kulturen, die mit einer zu großen Dosis Lithiumlösung angesetzt worden waren, kamen bisweilen Verkittungen von Blastulis vor; ich halte die Erscheinung eben so, wie im ersten Anhang zu Kapitel I für eine besondere Art des Absterbens, welche durch eine klebrige Be- schaffenheit der Oberfläche der absterbenden Larven bedingt ist. In den Lithiumkulturen von Echinus microtubereulatus und Strongy- locentrotus lividus habe ich nie Verwachsungen von Lithiumlarven be- obachtet. Kapitel IV. Über die Reihenfolge der Salze, geordnet nach ihrer Wirkungsstärke. 1. Eigene Untersuchungen. Betrachten wir die in Kapitel I der Reihe nach aufgeführten Stoffe, welche die typische Kaliumgestalt hervorzubringen im Stande sind, so zeigt sich, dass sämmtliche von mir untersuchten Kaliumsalze die- selbe morphologische Wirkung hervorrufen können. Eben so sahen wir 33* 484 Gurt Herbst, im vorigen Kapitel, dass die verschiedenen Lithiumsalze sich auch nur dadurch von einander unterscheiden, dass sie eine verschieden große Wirkungsstärke besitzen, d. h. dass man von den verschiedenen Stoffen verschieden große Quantitäten zum Meerwasser setzen muss, um Larven von der typischen Lithiumgestalt zu erhalten. Diese Erfahrungen bestimmten mich dazu, das Chlorid, Bromid, Jodid, Nitrat und Sulfat von Lithium, Natrium und Kalium nach der Wirkungsstärke in eine Reihe zu ordnen. Ich that dies zugleich in der Hoffnung, damit vielleicht über die Ursachen aufgeklärt zu werden, welchen die von mir erhaltenen morphologischen Abänderungen ihre Entstehung verdanken. Die Physiologen, welche sich mit der Wirkungsweise der Salze beschäftigt haben, verfuhren gewöhnlich so, dass sie für jede Substanz einen sogenannten Grenzwerth ermittelten, welcher gerade noch das Eintreten irgend einer Erscheinung gestattet. Hätte ich mich für die- selbe Methode entschlossen, so würde ich z. B. die Quantität für jedes der gen. Salze haben bestimmen müssen, welche eben noch die Ent- wicklung zum normalen Pluteus erlaubt. Ein solches Verfahren ist jedoch mit den allergrößten Schwierigkeiten verbunden, ja fast un- möglich, da man sämmtliche Versuche an Eiern von demselben Weib- chen anstellen müsste, um eine sichere Reihenfolge der Grenzwerthe zu erzielen. Würde man Eier von verschiedenen Weibchen nehmen, so würde die aufgestellte Reihe wegen der verschieden großen Resistenzfähigkeit derselben vollkommen werthlos sein. Aus diesem Grunde habe ich gleich von vorn herein darauf verzichtet, Grenzwerthe für die betreffenden Salze zu bestimmen, zumal dieselben dann doch auch nur für die gerade von mir verwandten Eier Geltung gehabt haben würden, und mich darauf beschränkt, die Reihenfolge der Salze im Allgemeinen festzustellen. Ich verfahre dabei auf folgende Weise: Die Lithium-, Natrium- und Kaliumverbindungen wurden in getrennten Versuchsreihen unter- sucht, zu welchen nur Eier von demselben Weibchen verwendet wurden. Von jedem Salze wurden zu gleicher Zeit mehrere Kulturen angesetzt, welche auf dieselbe Wassermenge verschieden große Quan- titäten Substanz enthielten. Selbstverständlich kamen nur wasserfreie Salze zur Verwendung. Ein besonderes Augenmerk muss man beim Anstellen der Ver- suche darauf richten, stets nur vollkommen gesundes Material zu nehmen, da man mit krankhaftem leicht abweichende Resultate erhalten kann. Ich selbst habe einige Male diese Erfahrung gemacht. Außerdem muss man versuchen, in die einzelnen Kulturen ein möglichst Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 485 gleiches Quantum Eier zu bringen, was man am besten erreicht, wenn man nach Pipetten misst. Die Reihenfolge der Salze wurde nach den Entwicklungsstadien bestimmt, bis zu welchen sich die Eier der betreffenden Kulturen ent- wickelt hatten. Hatten sich also z. B. in einer Chloridkultur die Eier gar nicht entwickelt, in einer gleichprocentigen Nitratkultur dagegen bis zur Blastula und in einer Bromidkultur bis zur Gastrula, so schloss ich daraus, dass die Wirkungsstärke vom Chlorid bis zum Bromid ab- nimmt. Ich will nun damit beginnen, tabellarisch die Protokolle der Ver- suchsreihen mitzutheilen, welche die Reihenfolge der Lithium-, Natri- um- und Kaliumsalze erkennen lassen (Tabellen auf p. 486—-19%). Betrachten wir nun zunächst Tabelle I genauer und berücksichtigen wir zuerst nur die Salze mit ! Atom Basis im Molekül, so ergiebt sich ohne Weiteres, dass von den vier Substanzen das Chlorlithium am ener- gischsten wirkt. Wir erhielten nämlich damit bereits bei Zusatz von Ag Substanz zu 1000ccem Seewasser an allen Larven die typische Lithiumwirkung. An zweiter Stelle würde sodann das Nitrat kommen. Hier schlug nur der eine Theil der Larven den Lithiumentwicklungs- gang ein, während der andere den Darmtractus normal nach innen anlegte. An das Lithiumnitrat schließt sich weiter das Bromid an. Hier entwickelten sich die Larven bei Zusatz von ig Substanz zu un- gefähr normalen Pluteis, und die Lithiumentwicklung trat erst bei Zu- satz von 1,8g ein. An letzter Stelle kommt endlich das Jodid, welches von den vier einbasischen Salzen am wenigsten energisch wirkt, denn es entwickelten sich die Larven selbst bei Zusatz von 2g Substanz zu 1000 cem Seewasser fast ausnahmslos zu normalen Gastrulis ete. Die Wirkungsstärke der Lithiumsalze nimmt also vom Chlorid bis zum Jodid ab. Reihen wir nun die vier Salze nach ihren Mokulargewichten an einander, so ergiebt sich folgende Reihenfolge: LiCl M-G.=42!/,; LiINO, M-G.=69; LiBr M-G.=87;, LiJ M-G.=134. Das Molekulargewicht nimmt also vom Chlorid bis zum Jodid zu, und die Wirkungsstärken der vier ein- basischen Lithiumsalze verhalten sich demnach umge- kehrt wie ihre Molekulargewichte. Schematisch können wir dieses Verhältnis so darstellen: LiCl LiNO, LiBr LiJ Abnahme der Wirkungsstärke Zunahme des Molekulargew. 486 Curt Herbst, Tabelle I. Di Datum | 1000 cem Seewasser 1000 cem Seewasser 1000 ccm Seewasser 1g LiCl 1,8 g LiC] 1g LiBr 7. April Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Versuch angesetzt, 51/, Uhr | al Sehr viele freischwim-|Keine Larve freischwim-|Normale freischwimmend 9 Uhr mende Blastulae. mend, jedoch am Boden Blastulae. Vormittags meist normale Blastulae ohne Bewegungen, Einige sind etwas trüb und nur aus einem Theil des Materials hervorgegangen. 9. April |Wenige Larven noch frei-|Keine Larven freischwim-|Alle Larven freischwin 91/), Uhr |schwimmend. Dieselben|mend. Viele bereits abge-|mend. Dieselbensind eckig Yormittags |besitzen den Gastrulawand-|storben ; die überlebenden/Gastrulae mit veı abschnitt, den Urdarmab-|sind undurchsichtige Bla-|löthetem Urdarm u schnitt und am Ende des stulae. Kalknadelanlage. letztereneinekleine Einstül- pung. DieLarven am Boden lassen ebenfalls die beiden typischen Theile erkennen, doch sind dieselben noch nicht scharf getrennt. 10. April Kultur abgestorben. Kultur abgestorben. Larven von typischer Pl 91/9 Uhr teusorganisation und mW Vormittags verschieden langen Fo sätzen. Am Skelett häuß Anormalitäten. Einige si mehr oder weniger verzer@ Viele freischwimmend.®@ | 44. April Noch eine Anzahl fre | 9 Uhr schwimmend, doch & Vormittags meisten am Boden. Skel weist meist Anormalität auf. 12. April Noch eine Anzahl Lar 91/4 Uhr freischwimmend, sonst \ Vormittags am #1. 13. April ÄußerstwenigeLarvenno 91/, Uhr freischwimmend. Am B Vormittags den die meisten ab storben. Versuchsre Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. I, ıverbindungen. 487 1000 ecem Seewasser 1,5g LiBr 1000 cem Seewasser 1,8g LiNO3z 1000 cem Seewasser 1g LiNO3 Versuch angesetzt. le freischwimmende Bla- stulae. ‚arven freischwimmend. en besitzen die beiden en Theile und am Ende rdarmabschnittes eine Einstülpung. Unter den am Boden wie unter den wimmenden finden sich zahl normaler Gastrulae. ine Anzahl Larven frei- ımend, jedoch die mei- n Boden. Von letzteren isten abgestorben. Die »n zeigen die beiden Bla- isch von einander abge- t; bei manchen auch dungsstück vorhanden. de der Urdarmblase fast eine kleine Einstülpung. viele Larven freischwim- Am Boden die meisten rben. Die freischwim- ı Larven besitzen Wim- ; und Verbindungsstück, s durch eine helle Blase repräsentirt wird. > Larven noch frei- ımend. Am Boden fast Alles todt. t wenige Larven noch wimmend. Am Boden :h wenige am Leben. ılossen. Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. freischwim- mend; am Boden jedoch fast ausnahmslos normale Blastulae. Normale freischwimmende Bla-|Wenige Larven stulae. Ein Theil hat den Urdarm nor-Alle Larven am Boden. Diesel- mal nach innen gestülpt, deriben sind etwas langgestreckte andere besitzt die beiden typi-|Blastulae, an denen man bereits schen Abschnitte und am Endeleinen dünn- und einen dick- des Urdarmabschnittes, der an]wandigen Theil unterscheiden Größe sehrhinter dem Gastrula-|kann. Höchst selten ist am wandabschnitt zurücktritt, eine)dieckwandigen Theil einmal kleine Einstülpung. eine ganz kleine Einstülpung zu sehen. Die größere Hälfte der Larven|Sehr viele Larven abgestorben. am Boden, die kleinere frei. im/Die beiden Theile, welche man Wasser schwebend. Von den|schon am 9. April deutlich Larven mit normal nach innenlunterscheiden konnte, haben gestülptem Darm zeigen einigelsich von einander abgegliedert. definitiven Mund, jedoch keine Fortsätze. An denLithiumlarven ist keine Veränderung eingetre- ten. Eine Anzahl der Larven am Boden ist bereits abgestorben. £ Außerst wenige Larven frei-Fast Alles abgestorben. Über schwimmend. Am Boden dieldie Blastula, an deren Wand meisten abgestorben. An den|man einen dick- und einen Lithiumlarven Verbindungs-|Idünnwandigen Theil unter- stücke als große weiße Blaselscheiden konnte, ist keine Larve vorhanden. Die Larven mit nor- hinausgekommen. malem Darmkanal und defini- tivem Mund sowie meist Kalk- gerüstanlage haben bisweilen ihren Enddarm etwas nach R außen vorgestülpt. Außerst wenig Larven frei- schwimmend, darunter solche mit eingestülptem und solche mıt ausgestülptem Darm. Anm: Boden ungefähr Alles abge- storben. Kaum eine Larve noch frei- schwimmend; am Boden noch wenige am Leben. Kultur abgestorben. 1000 cem Beewasser 1g Lill Gurt Heibst, 1000 ccm Seewasser 1,8g Lel En Experimentelle Untersuchungen ete. a _ Lithiumverbindungen. 1000 eem Seewasser 1000 com Seawasser 1,8g LiBr Z 1g LiNOs Vormittags 9. April | 91/, Uhr Vormiltags 40. April 9/, Uhr Vormiltags 41, April 9 Uhr Vormittags 8. April \Sehr Wenig ‚schwimmend. ‚besitzen den Gastrulawand- |st abschnitt, den Urdarmab-|S schnitt und am Ende des letzteren einekleine Einstül- pung. DieLarven am Bode lassen ebenfalls die beide iypischen Theile erkennen, doch sind dieselben noc 12. April 01/, Uhr Vormittags 43, April 9/a Uhr Vormittags Versuch angesetzt. viele freischwim- mende Blastulae, nicht scharf getrennt. Kultur abgestorben. e Larven noch frei- ohne Bewegungen. sind etwas trüb und nur aus einem Theil des Materials hervorgegangen. storben ; n n b Kultur abgestorben. Keine Larven freischwim- ieselb end. Viele bereits abge- nalen die überlebenden Gastrulae ichtige Bla- 3 Bi Normale freischwimmende . Blastulae.. Versuch angesetzt. Versuch eniek, f Normale freischwimmende Bla-|Normale freischwimmende Bla-}Wenige Larven Gehhsehh m - a stulae. mend; am Boden jedoch fast ausnahmslos normale Blastu — Versuch angesetzt, Versuch angesetzt. Viele Larven freischwimmend./Ein Theil hat den Urdarm nor-JAlle Larven am Boden, Dies i k Dieselben besitzen die beidenjmal nach innen gestülpt, deriben sind mit v typischen Theile und am Endejandere besitzt die Heiden typi- Blastulae a löthetem Urdarm u ‘des Urdarmabschnittes einelschen Abschnitte und am Endeleinen dünn- und einen ale a Kalknadelanlag ‚kleine Einstülpung. Unter den|des Urdarmabschnittes, der an|wandigen Theil unterscheiden Larven am Boden wie unter den'Größe sehr hinter dem Gastrula-kann. Höch N £ freischwimmenden finden sichjwandabschnilt zurücktritt, eine ickmraniiipen: - Bu a eine Anzahl normaler Gastrulae. kleine Einstülpung. eine ganz kleine Einstülpung zu sehen. i Noch eine Anzahl Larven frei- Die größere Hälfte der Larven/Sehr viel 24 schwimmend, jedoch die mei- am Boden, die kleinere frei. im|Die BR ee sten am Boden. Von letzteren' Wasser schwebend. Von den/schon am 9, April deutlich die meisten abgestorben. DielLarven mit normal nach innenlunterscheiden konnte, haben lebenden zeigen die beiden Bla-gestülptem Darm zeigen einigelsich von einander abgeglieder ‘ sen typisch von einander abge-|definitiven Mund, jedoch keine - gliedert; bei manchen auch|Fortsätze. An denLithiumlarven Verbindungsstück vorhanden,|ist keine Veränderung eingetre- Am Ende der Urdarmblase fast/ten. Eine Anzahl der Larven am . immer eine kleine Einstülpung.|Boden ist bereits abgestorben, 5 Nicht vieleLarven freischwim-| Äußerst wenige Larven frei-/Fast Alles abgestorben. Über mend. Am Boden die meisten/schwimmend, Am Boden dieldie Blastula, an deren Wand abgestorben. Die freischwim-jmeisten abgestorben. An deniman einen "dick- und einen | | menden Larven besitzen Wim-\Lithiumlarven Verbindungs-[dünowandigen Theil unter- perring und Verbindungsstück, stücke als große weiße Blaselscheiden konnte, ist keine Larvo welches durch eine helle Blase\vorhanden, Die Larven mit nor- hinausgekommen. S repräsenlirt wird. malem Darmkanal und defini- tivem Mund sowie meist Kalk- gerüstanlage haben bisweilen ihren Enddarm etwas nach Ä außen vorgestülpt. Außerst wenig Larven frei- schwimmend, darunter solche mit eingestülptem und solche mıt ausgestülptem Darm. Am Boden ungefähr Alles abge- Äuß r storben, ul erst wenige Larven noch|Kaum eine Larve noch frei- freischwimmend. Am Boden/schwimmend; am Boden noch noch wenige am Leben. wenige am Leben. er Larven von typische) teusorganisation un l verschieden langen Fort- sätzen. Am Skelett häufig Anormalitäten. Einige ssin« mehr oder Te Viele freischwimmen nn u _ Noch eine Anzahl frei 2 schwimmend, doch die meisten am Boden, Skelett weist meist Anormalitäten auf. E ei Wenige Larven noch frei- F ur; schwimmend. Am Boden fast Kultur abgestorben,. Alles todt. Noch eine Anzahl Larven freischwimmend, sonst wie am MM, ÄußerstwenigeLarv: (reischwimmend. Am Bo- den die meisten abge- sterben. Versuchsre abgeschlossen. 488 Datum 7. April 51/9 Uhr 8. April 9 Uhr Vormittags 9. April 91lo Uhr Vormittags 40. April 91/a Uhr Vormittags 44. April 9 Uhr Vormittags 12. April 91], Uhr Vormittags 13. April g 1/g Uhr Vormittags Tabelle I. Die Lithiumverbindungen. a a — m, —_,———————— m u Tu sn 1000 cem Seewasser 18 Li2504 Gurt Herbst, 1000 eem Seewasser 1,3 g LieS04 Versuch angesetzt. Normale freischwimmende Blastulae. Viele Larven freischwim- mend. Der größere Theil besitzt die beiden typischen Theile und am Ende des Urdarmabschnittes eine kleine Einstülpung. Eine Anzahl weist dagegen einen normal nach innen ge- stülpten Urdarm auf. Eine ziemliche Anzahl frei- schwimmend, der größere jedoch am Boden. Die Larven mit eingestülptem Darm besitzen meist defi- nitiven Mund, aber sonst noch die runde Form. Von den Lithiumlarven weisen einige das Verbindungs- stück auf, Noch eine ziemliche Anzahl Larven freischwimmend. Die Lithiumlarven besitzen Wimperring und Ver- bindungsstück. Die Larven mit eingestülptem Darm besitzen definitiven Mund und Rudimente des Kalk- gerüstes. Immer noch eine ziemlich große Anzahl Larven frei- schwimmend. Das Ver- bindungsstück ist beson- ders auffallend. Noch einige Larven frei- schwimmend. Am Boden noch eine ziemliche Anzahl am Leben. Versuch angesetzt. Normale Blastulae. wegung jedoch nicht so lebhaft, wie in dem voran- gehenden Versuch. Alle Larven am Boden.|Alle Larven mit sehr mun- Dieselben sind langge- streckte Blastulae, an denen|schwimmend. man einen dünn- und einen|sind entweder noch Blastu- er-/lae oder sie befinden sich dickwandigen Theil kennen kann. zu einer der gestorben, gliederung men. Kultur abgestorben. Be-|Normale freischwimmende Die Larven sind meist ab- Ab-Imend. beiden|HälftederLarvensindis Theile ist es nicht gekom-|Gastrulae mit norma ER N RN N BEE f ee} ee 1000 cem ae 2gL Versuch angesetzt. Blastulae. 4 { terer Bewegung frei- Dieselben! auf verschiedenen Stadien dernormalenGastru- lation. nach innen gestülptem Darm. Zur Bildung einer] typischen Lithiumlarve is! es nicht gekommen. Wenn je einmal der Ansatz dazu gemacht ist, so wird der! Urdarmabschnitt durch eine ganz kleine Ausstül- pung oder durch eine kleinen soliden Zapfen ve treten. Definitiver Mund hat si bei keiner Larve gebildet. Mit ausgestülptem Urdar sieht man höchstselt eine Larve. Bei einig rung, obwohl definitiv ı Mund noch nicht durch gebrochen ist. Noch sehı viele Larven freischw. Noch eine ziemlich große Anzahl Larven freischwim: mend. Bei einigen hat sich die definitive Mundöffnung gebildet, bei den meiste jedoch nicht. Bei der immerhin ziemlich bedeutenden Minderzab! der Larven ist ein ausgebil- deter Darmtractus mil Mundöffnung etc. vorhan-|\ den. Bei der Mehrzahl je doch bisweilen wiede Rückbildung des Darı tractus, auch g- Ausstülpung etc. kurz Rückbildungsersch. Datum Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 489 Tabelle Il. Die Natriumverbindungen. 500 ccm Seew. | Abends 6. April 93/4 Uhr ı Vormittags 7. April k 40 Uhr 115. April 6 Uhr|| Versuch Larven im|Imend. dium der Plu- 500 ccm Seewasser NaCl Dieselben mehr Anfangssta- |oder weniger trüb und zum Theil mit Urdarm. 500 ccm Seew. 500 ccm Seew. | 500 cem Seew. 38 NaCl 1g NaCl 2g Na 4g NaCl 1g NaBr an- Versuch angesetzt, Versuch an-|Versuch an-|Versuch an- gesetzt. gesetzt. gesetzt. gesetzt. Normale frei-|Eine ziemliche Anzahl Eier/Alle Eier ab- Alle Eier ab-| Normale frei- schwimm. list ganz abgestorben, aus| gestorben. gestorben. | schwimm. Blastulae. |vielen mehr oder weniger Blastulae. krüppelige Blastulae her- vorgegangen. Eine kleine Anzahl ganz normal. _We- nige freischwimmend. Die am weite- Die meisten Larven abge- Anfangssta- | sten vorge- |storben. Nur noch wenige dium der Plu- Vormittags || schrittenen |am Leben und freischwim- teusbildung. teusbildung. 8. April |Meistnormale Abgestorben. Normale Plu- )"3 Uhr Nach- Plutei. tei. mittags 500 cem Seewasser 500 ccm Seewasser 500 cem Seewasser Datum | 2g NaBr 3g NaBr 4g& NaBr 5. April 6 Uhr Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Abends 6. April ||Einige Eier ganz abgestor-|Eine ziemliche Anzahl Lar-|Eine kleine Anzahl Blastulae 93/4 Uhr |ben; andere haben ausven freischwimmend, dar-|freischwimmend; von den- Vormittags einem Theil ihres Fur-|unter ganz normale, die|selben sind manche trüb. chungszellenmaterials Bla-|meisten zeigen jedoch|Am Boden sind viele Eier stulae von verschiedener irgend eine kleine Anorma-jabgestorben,;, aus einer Größe gebildet. Eine sehr|lität (Auswüchse, etwas|großen Zahl haben sich große Anzahl der Blastulae|verzerrte Gestalt etc... Amjtheils krüppelige, theils ist normal und schwimmt Boden eine Anzahl abge-itrübe und krankhafte Lar- frei an der Oberfläche. jstorbener Eier und krüp- ven entwickelt. peliger Blastulae. 7. April |AmBoden vielabgestorben ;|Wenige freischwimmend,|Kaum eine trübe, undurch- 40 Uhr doch immerhin noch eine/davon einzelne mit Mund-|sichtige Larve noch frei- Vormittags |ziemlich große Anzahl frei- feld, Kalknadelanlage und|schwimmend. Am Boden schwimmend. Davon dieverlöthetem Urdarm. Am Alles todt. normalsten ungefähr im)Boden fast Alles abgestor- Anfangsstadium der Plu-|ben, darunter auch anor- teusbildung, viele jedoch/male Larven mit verlöthe- sind trüb und lassen schwer tem Urdarm. eineOrganisation erkennen. 8. April Die freischwimmenden|Die wenigen freischwim- Abgestorben. 3 Uhr Larven zum großen Theillmenden Larven trüb und Nachmittags normale Plutei; am Bodenundurchsichtig. Einige mit die meisten Larven un-Kalkgerüst. Am Boden fast durchsichtig und ohne Alles abgestorben. deutlich wahrnehmbare Organisation. Nachmittags | 490 Curt Herbst, Tabelle Il. Natrium | a nn en — — ———,— — nn 500 ccm Seewasser 500 cem Seewasser 500 ccm Seewasser Datum 1g NaJ 2g NaJ 3g NaJ 5. April 6 Uhı Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Abends | 6. April Normale freischwimmende|Normale freischwimmende[Normale freischwimmende | 93/4 Uhr Blastulae. Blastulae Blastulae. Vormittags 7. April |lDie meisten Larven e{was|Die meisten Larven von der) Sehr viele Larven frei- 40 Uhr über das Anfangsstadium|Kaliumgestalt mit noch/schwimmend; davond.nor- | Vormittags |der Pluteusbildung hinaus.|nicht typisch abgeglieder-|nalsten mit ausgebildetem Einige etwas zurück unditem Darm. Einige mehr|Mundfeld, mit Wimperring | von trübem Aussehen. |dem Anfangsstadium der|jund verlöthetem Urdarm | ‚Pluteusbildung genähert. |(Mund selten durchgebro- | chen). VieleLarven dunkel. 8. April Normale Plutei. Sehr viele Larven frei-|Eine ziemlich große Anzahl 3 Uhr schwimmend. Darunterifreischwimmend. Die mei- Nachmittags 4) normalePlutei, 2) solche,|sten zeigen Kaliumgestalt, | deren Fortsätze kürzer|nur einige mehr einem nor- | sind und 3) solche von der|malen Pluteus genähert. Kaliumgestalt. Am Boden viel abgestorben. 500 ccm Seewasser 500 cem Seewasser 500 ccm Seewasser Datum | 3g NaNO; 4g Na NO; 1g Na2S0s 5. April 6 Uhr‘ Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Abends | 6. April |Keine Larve freischwim-|Fast alle Eier abgestorben ;|Normale freischwimmende 93/4 Uhr \mend. Sehr viele Eier ganz|nur höchst selten einmal Blastulae. Vormittags ‚abgestorben. Häufig habenleine trübe undurchsichtige sich nur aus einem Theil Blastula zu sehen. des Materials Larven von verschiedener Größe ent- wickelt, Die normalen Lar- ven meist trüb und dunkel, au einige von hellem Aus- sehen. 7. April er st wenig Larven Kultur abgestorben. Viele freischwimmend. Auf 40 Uhr am Leben und freischwim- dem Anfangsstadium der Vormittags |mend. . Dieselben noch Pluteusbildung oder etwas 'Blastulae, höchstens mit darüber hinaus. sanz geringfügigem Ansatz | des Urdarmes. 8. April Abgestorben. Normale Plutei. 3 Uhr Experimentelle Untersuchungen etc, auf die Entwicklung der Thiere. 1. 491 rbindungen, 500 ccm Seewasser 500 ccm Seewasser 500 cem Seewasser 4 NaJ 18 NaNO3 2g NaNO3 Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Sehr viele freischwimmende) Normale freischwimmende | Freischwimmende Blastulae, Blastulae. Davon viele normal, Blastulae. fast alle normal. die übrigen zeigen unbedeu- tende Anormalitäten (Aus- wüchse etc.). Am Boden einige Eier ganz abgestorben, die an- | ‚deren haben kleine krüppelige [ ' oder trübe Blastulae erzeugt. Ziemlich viele Larven noch|Die am weitesten entwickelten|Viele Larven freischwimmend. freischwimmend. Die normal-|Larven im Anfangsstadium der|Dieselben auf verschiedenen isten davon Gastrulae mit ver- Pluteusbildung. Stadien der Gastrulation; die llöthetem Urdarm. Viele Larven meisten bereits ausgebildete Imehr oder weniger trübe. Am Gastrulae. I Boden viel abgestorben. Noch eine ziemliche Anzahl Normale Plutei. Noch ziemlich viele Larven frei- Larven freischwimmend. Davon schwimmend. Dieselben alle lie meisten trüb. Die normal- ausgebildete Gastrulae mit sten haben Kaliumgestalt. Die Kalknadeln, keine ist über das Larven am Boden meist ab- Gastrulastadium hinausgekom- E gestorben. men, 500 ccm Seewasser 500 ccm Seewasser 500 ccm Seewasser 25 Na2S04 3g Na2504 4 g Na2 S0« Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Die meisten normale freischw.|Nicht viele Larven freischwim- Blastulae; der kleinere Theil mit|mend aber mehr als bei 500 ccm geringfügigen Anormalitäten. |Sw.+4g NaBr. Am Boden eine Anzahl abgestorbener Eier. Kultur anormaler als jene mit 500 cem Sw. + 4g NaJ, aber normaler als die mit 500 ccm Seew. + 4 g NaBr. | Normale freischwimmende Blastulae. iele freischwimmend; Larven|Viele Larven freischwimmend.|Sehr wenige Larven frei- (entweder von der Kaliumgestalt Die Mehrzahl davon trüb; dielschwimmend. Dieselben trübe, oder im Anfangsstadium de:|kleinere Hälfte mit Mundfeld, krankhafte Gastrulae. Am Bo- Pluteusbildung. Wimperring und Kalkgerüstan- den Alles todt. lage, aber ohne definitiven F Mund. 2 Sehr viele Larven freischwim-|Noch eine große Anzahl Larven[Außer st wenige noch am Le- end. Die meisten normale\freischwimmend. Davon ein be-|ben, Dieselben undurchsichtig, Plutei. deutender Theil undurchsichtig.|ihre Organisation nicht zu er- Die übrigen Plutei mit ver-|kennen. Ganz Selten sieht schieden langen Fortsätzen. |man einmal eine Larve mit aus- gebildetem Darm und Rudimen- ten der Fortsätze, | 00 com Seswasser 500 com Seewasser ’ 1 ar 3g Na) 500 cem Beewasser ig Na Gurt Herbst, 2g Na Tabelle II. Natrium € + 3g Na Versuch angeselzt. 5. April 6. Uhr bends r : s April Normale freischwimmende 99), Uhr Blastulae. Vormittags 7. April Die meisten Larven elwas 40 Uhr über das Anfangsstadium der Pluteusbildung hinaus. Einige etwas zurück und von (rübem Aussehen, Vormittags 8. April Normale Plutei, 3 Uhr Nachmittags Versuch angesetzt. Normale freischwimmende Blastulae Die meisten Larven von deı Kaliumgestalt mit noch nicht typisch abgeglieder- tem Darm. Einige mehr dem Anfangsstadium der ‚Pluteusbildung genähert. Sehr viele Larven frei- schwimmend. Darunter 4) normale Plutei, 2) solche, deren Fortsätze kürzer sind und 3) solche von der nn — 500 com Soewasser Datum | Kaliumgestalt. 500 ccm Seewasser 4g NaNOs Versuch angesetzt, Normale freischwimmende Blastulae, Sehr viele Larven frei- schwimmend; davond.nor- malsten mit ausgebildetem- Mundfeld, mit Wimperring und verlöthetem Urdarm (Mund selten durchgebro- chen). VieleLarven dunkel, Eine ziemlich große Anzahl freischwimmend. Die mei- sten zeigen Kaliumgeslalt, nur einige mehr einem nor- malen Pluteus genähert, Am Boden viel abgestorben. 500 com Seewasser 1g Na2504 3g NaNO5 f 5, April 6 Uhr! Abends |) 6. April |Keine Larve freischwim- 9%, Uhr \mend. Sehr viele Bier ganz Vormittags 'abgestorben. Häufig haben \sich nur aus einem Theil ‚des Materials Larven von vorschiedener Größe ent- wickelt. Die normalen Lar- ‚ven meist trüb und dunkel, ‚nur einige von hellem Aus- | sehen, 7.April Außerst wenig Larven 10 Uhr am Leben und freischwim- Vormittags 'mend. Dieselben noch ‚Blastulae, höchstens mit ganz geringfügigem Ansatz I des Urdarmes. Abgestorben. 8. April 3Uhr Nachmittags | 1 \ | Versuch angesetzt. Fast alle Eier abgestorben ; nur höchst selten einmal eine trübe undurchsichlige Blastula zu sehen. Kultur abgestorben. Versuch angesetzt, Normale freischwimmende Blastulae. Viele freischwimmend. Auf dem Anfangsstadium der Pluteusbildung oder etwas darüber hinaus. Normale Plutei, Experimentelle Untersuchungen eto. auf die Entwicklung der Thiere, I, verbindungen, | 500 cem Seewasser 4g NaJ Zu ss EM 500 ccm Seewasser 1g NaNOs 500 com Seowasser er- 2g NaNO; b Versuch angesetzt. Sehr viele freischwimmende Blastulae. Davon viele normal, die übrigen zeigen unbedeu- tende Anormalitäten (Aus- wüchse ete.). Am Boden einige Eier ganz abgestorben, die an- deren haben kleine krüppelige oder trübe Blastulae erzeugt. sten davon Gastrulae mit ver- löthetem Urdarm. Viele Larven mehr oder weniger trübe. Am Boden viel abgestorben. Noch eine ziemliche Anzahl Larven freischwimmend. Davon die meisten trüb. Die normal- sten haben Kaliumgestalt. Die Larven am Boden meist ab- gestorben. 500 ccm Seewasser 2g Na2S04 Ziemlich viele Larven noch|Die am ‚weitesten entwickelten|Viele Larven freischwimmend. freischwimmend. Die normal-|Larven im Anfangssladium der/Dieselben auf verschiedenen Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Normale freischwimmende Blastulae. Freischwimmende Blastulae, fast alle normal. Pluteusbildung. Stadien der Gastrulation; die meisten bereits ausgebildete Gastrulae. Noch ziemlich viele Larven frei- schwimmend. Dieselben alle ausgebildete Gastrulae mit Kalknadeln, keine ist über das Gastrulastadium hinausgekom- men. R Normale Plutei. 500 com Seewasser 3g Na2S0, 500 com Seewasser 45 Na2S0, Normale freischwimmende Blastulae. Viele freischwimmend; Larven entweder von der Kaliumgestalt oder im Anfangsstadium der Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Versuch angesetzt, Pluteusbildung, Sehr viele Larven freischwim- mend. Die meisten normale Plutei, Die meisten normale freischw.|Nicht viele Larven freischwim- Blastulae; der kleinere Theil mil|mend aber mehr als bei 500 com geringfügigen Anormalitäten. |Sw.-+4g NaBr. Am Boden eine ! Anzahl abgestorbener Eier. Kultur anormaler als jene mit 500 ccm Sw. + Ag Na), aber normaler als die mit 500 ccm Seew. + 4 g NaBr. Viele Larven freischwimmend.|Sehr wenige Larven frei- Die Mehrzahl davon trüb; dielschwimmend. Dieselben trübe, kleinere Hälfte mit Mundfeld,|krankhafte Gastrulae. Am Bo- Wimperring und Kalkgerüstan- den Alles lodt, lage, aber ohne definitiven Mund. E A Noch eine große Anzahl Larven]Äußer st wenige noch am Le- freischwimmend. Davon ein be-|ben. Dieselben undurchsichtig, deutender Theilundurchsichtig.|ihre Organisation nicht zu er- Die übrigen Plutei mit ver-/kennen. Ganz selten sieht schieden langen Fortsätzen. |man einmal eine Larve mit aus- gebildetem Darm und Rudimen- ten der Fortsätze, = 8 ya 1. 7 re. a EM 5 | N | i 499% Gurt Herbst, | | | N Tabelle Ill. D Bi au l N | 500 ccm Seewasser 500 ccm Seewasser 500 ccm Seew. | 500 cem Seel N) Daran 1gKCl 2g KCl 3g KC 48 Kcl D = b M 2 April Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Versuch an-Versuch al L 51/4 Uhr gesetzt. gesetzt. H Nachmittags | 3. April |Freischwimmende Blastu-|Wenige freischwimmend.|Fast alle Eier] Ailes todt! Y 40 Uhr |lae, bisweilen außen mit Viele Eierabgestorben. Aus) abgestorben. | " Vormittags |ıkleinen Zellgruppen, diejdem anderen Theil sind| Nur selten nicht mit in den Verband Blastulae von verschiedener eine kleine | | der Blastulawand aufge- Größe und meist von krüp-; krüppelige 1 nommen sind. peliger Gestalt hervorge-, Blastula zu | 5 angen. sehen. I 4, April |Dieam weitestenentwickel-] Kultur abgestorben. Kultur abge- N 91% Uhr |ten Larven mit) Mundfeld, storben. 14 Vormittags |Kalknadelanlage und ver- iM löthetem Urdarm. Viele N trüb undin der Entwicklung i zurück. | IH 5. April [Die am weitesten entwickel- i 91/g Uhr |ten Larven sind Plutei mit I Vormittags kurzen Fortsätzen. Die | Mehrzahl trüb und ohne t | deutlich wahrnehmbare | \ N Organisation. N | ü | H | ü j = | | H 500 ccm Seew. | 500 cem Seew. 500 ecm Seewasser 500 ccm Seewasser | | Datum 1gKJ 25 KJ 3g KJ 4gKJ \ f| 2. April Versuch an-|Versuch an- Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. \ 51/4 Uhr gesetzt. gesetzt. | N Nachmittags | I 3. April |Normale frei- Normale frei-|Freischwimmende Blastu-| Zahlreiche freischwim- ia 40 Uhr schwimm. | schwimm. |lae, davon ein Theil voll-|mendeBlastulae. Dieselb! H Vormittags | Blastulae. Blastulae. |kommen normal, der an-jmeist krüppelig und vü Hi dere von unregelmäßiger| sonderbaren Formen. u Gestaltundhäufigaußenmit[Außerst wenig Eid N anhaftenden Zellgruppen. | ganzabgestorben.‘ M 4, April Etwa An- | Larven mit| Die freischwimmenden |Eine ziemliche Anzahl no} N 91/5 Uhr |fangsstadium |Mundfeld und Larven sind Gastrulae auf freischwimmend. Dieselb‘ bj Vormittags |Ider Pluteus-| verlöthetem |verschiedenen Stadien derjmeisttrüb, dochauch eini bildung. Urdarm, |Ausbildung (auch solchemit|normale Gastrulae mit ve Kalknadeln |verlöthetem Urdarm). Amjlöthetem Urdarm. A als kleine Ru--Boden viel abgestorben,|Boden das Meiste abge! dimente vor- sonst dunkle Larven. storben. handen. 5. April Normale Plu-| Larven, die |Nur einige Larven von Ka-|All&ö noch lebenden Larv\ 91/, Uhr tei. sichin Gestalt|liumgestalt;. die meisten) sind trüb und krankhafi! Vormittags mehr einem trüb und kränklich. | Pluteus nähern als einer Kalium- larve. Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. I. 493 500 ccm Seewasser 500 ccm Seewasser 2g KBr 38 KBr 4g KBr } ‚Versuch an- Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. gesetzt. Freischwimmende Blastu-|Eine Anzahl der Eier ist|Die meisten Eier abgestor- lae, theils normal, theilsjabgestorben, ausdemande-|ben. Aus dem kleineren etwas krüppelig (außen mit|ren Theile haben sich Bla- Theil sind krüppelige Blast. anhaftenden Zellklumpen). stulae von verschiedener|)von verschiedener Größe Größe und von verschiede-— bisweilen mehrere aus nem Aussehen entwickelt.| einem Ei. — hervorgegan- gen. Alle Larven am Boden. Anfangssta- |Dieam weitesten entwickel- Die meisten Larven abge- Kultur abgestorben. - dium der |ten Larven mit Mundfeld|storben. Nur noch eine Pluteusbil- |und .verlöthetem Urdarm,|Anzahl dunkler Larven dung. aber ohne Kalkgerüst. Die|(darunter auch Gastrulae) meisten trüb und undurch- am Leben. '® sichtig. -Normale |Ein Theil der Larven von) Kultur abgestorben. "Plutei, nur |Kaliumgestalt. Die meisten - Fortsätze trüb und krankhaft. noch nicht ganz von ‚normaler Länge. 500 ccm Seew. 500 ccm Seewasser 500 ccm Seew. 500 cem Seewasser 2g KNO; 3g KNO3 4 KNO3z 4g K2S0; fersuch an- Versuch angesetzt. Versuch an- Versuch angesetzt. Versuch an- gesetzt. gesetzt. = Normale |Normale freischwimmende| Theils nor- |Die Eier fast alle abgestor-, Wenige (@freischw. Blastulae. male frei- |ben; einzelne haben krüp-|Eier ganz ab- © Blastulae. schwimm. |pelige Blastulae erzeugt| gestorben. # Blastulae, |(meist nur aus einem Theil|Die Blastulae theils krüp- | des Furchungsmaterials). Jam Bodenund pelige am meist krüp- Boden. pelig. ıöLarven mit |Ausgebildete Gastrulae, bis-| Larven ent- Kultur abgestorben. Kultur abge- Mundfeld u. |weilen mit etwas warziger| weder trüb storben. verlöthetem Oberfläche. und noch Bla- darm und stulae oder helle Blastu- lae mit Ansatz zur Gastrula- tion. Die normalsten haben |Kultur abge- rschieden |Mundfeld und verlötheten) storben. langen Fort-\Urdarm, jedoch keinen sätzen. |Mund. Alle Larven mehr oder weniger trüb. 500 com Seewasser «mn Seewässer Datım eo) 25 Kul = } geselz Versuch angesetzt, Versuch an-|Versuch an- Re | Versuch angeselzt. en A 51/4 Uhr Le \erei i Blastu-|Wenige freischwimmend. Fast alle Eier) Alles todt. H ir nn Buben mit|Viele Eierabgestorben. Aus abge Enn 10 nn kleinen Zellgruppen, die/dem anderen Theil sind| Nur selten BR ht mit in den Verband Blastulaevon verschiedener eine kleine Ider Blastulawand aufge-|Größe und En krüp- EEE ) i eliger Gesta ervorge-| Blastula zu nommen sind. pelig N A 4, April Die am weitesten entwickel- Kultur abgestorben. a 9a Uhr |ten Larven mit) Ko, storben. Tormittags |Kalknadelanlage und ver- rn: löthetem Urdarm, Viele trüb undin der Entwicklung zurück. i 5. April \Dieam weitesten entwickel- 91/y Uhr |len Larven sind Plutei mit Vormittags |kurzen Fortsützen. Die Mehrzahl trüb und ohne deutlich wahrnehmbare Organisation, 500 cem Seow. | 500 com Seew. 2gKJ Gurt Herbst, Tabelle Ill. Die 500 com Seew. | 500 ccm Seew. | 3g KÜ | Ar 500 com Seewasser 500 ccm Seewasser 38 KJ 4gKJ Datum IgKJ 3. April |Versuch an-|Versuch an- Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. 51/4 Uhr gesetzt. gesetzt, Nachmittags x h ß 3, April ||Normale frei-|Normale frei- Freischwimmende Blastu-| Zahlreiche freischwim- 40 Uhr schwimm, | schwimm. |lae, davon ein Theil voll- mendeBlastulae. Dieselben Vormittags || Blastulae, Blastulae, |kommen normal, der an-|meist krüppelig und von’ dere von unregelmäßiger| sonderbaren Formen. Gestaltundhäufigaußenmit/AÄußerst wenig Eier anhaftenden Zellgruppen. | ganzabgestorben. 4, April Etwa An- | Larven mit | Die freischwimmenden |Eine ziemliche Anzahl noch 91 Uhr |fangsstadium |Mundfeld und|Larven sind Gastrulae auf|freischwimmend. Dieselb Vormittags |der Pluteus-| verlöthetem |verschiedenen Stadien derimeisttrüb, dochauceh bildung, Urdarm, |Ausbildung (auch solchemit|normale Gastrulae mit Kalknadeln |verlöthetem Urdarm). Amllöthetem Urdarm: m alskleine Ru-|Boden viel abgestorben,|Boden das Meiste abge- 5. April 91/, Uhr Vormittags dimente vor- handen, Larven, die sich in Gestalt mehr einem Pluteus nähern als einer Kalium- Normale Plu- tei. sonst dunkle Larven. storben. All& noch lebenden La Nur einige Larven von Ka- Li sind trüb und krankhafl liumgestalt;. die meisten trüb und kränklich. larve, Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. I. Kaliumverbindungen. 500 ccm Seew. 1g KBr 500 com Seewasser 2g KBr 500 ccm Seewasser 3g KB 500 com Seawasser rn 4g KBr | Versuch an- gesetzt. Normale freischw. Blastulae. Anlangssta- dium der Pluteusbil- dung. Normale Plutei, nur Fortsätze noch nicht ganz von normaler Länge. 500 cem Seew. | Versuch angesetzt. Dieam weitesten entwickel aber ohne Kalkgerüst. sichtig. trüb und krankhaft. 500 ccm Seewasser Freischwimmende Blastu-|Eine Anzahl der Eier istD lae, theils normal, theilsjabgestorben, aus dem ande- etwas krüppelig (außen mit anhaftenden Zellklumpen). ten Larven mit Mundfeld und verlöthetem Urdarm, Die meisten trüb und undurch- Ein Theil der Larven von Kaliumgestalt. Die meisten Versuch angesetzt, Versuch angesetzt. ie meisten Eier abgestor- ben. Aus dem kleineren Theil sind krüppelige Blast, von verschiedener Größe — bisweilen mehrere aus einem Ei — hervorgegan- gen. Alle Larven am Boden. Kultur abgestorben, ren Theile haben sich Bla- stulae von verschiedener Größe und von verschiede- nem Aussehen entwickelt. -|Die meisten Larven abge- storben. Nur noch eine Anzahl dunkler Larven (darunter auch Gastrulae) am Leben. Kultur abgestorben. 500 cem Seew. 500 com Saaw., | 18 KNOs 2g KNO, 3g KNO5 a Ir er 48 KaS0, Versuch an- Versuch angesetzt. Versuch an- Versuch angesetzi. Versuch an- gesetzt. gesetzt. gesetzt, k Normale Normale freischwimmende| Theils nor- |Die Eier fast alle abgestor- Wenige DR. Blastulae. male frei- |ben; einzelne haben krüp-|Eier ganz ab-- astulae. schwimm. |pelige Blastulae erzeugt] gestorben. Blastulae, (meist nur aus einem TheillDie Blastula: theils krüp-| des Furchungsmaterials). Jam Bodenund- pelige am meistkrüp- Larven mitAusgebildete Gastrulae, bis-| Lamen ar Ausgebildete Gastrulae, bis-) Larven ent- Kultur abgestorben. |K e- Mundfeld u.|weilen mit etwas warziger| weder trüb 5 BR verlöthetem Oberfläche, undnochBla- Urdarm und Anlage der Kalknadeln, Plutei mit verschieden langen Fort- sätzen, Die normalsten haben Mundfeld und verlötheten Urdarm, jedoch keinen Mund. Alle Larven mehr oder weniger trüb. stulae oder helle Blastu- lae mit Ansatz zur Gastrula- tion. Kultur abge- storben. 494 Gurt Herbst, Tabelle IV. Verhältnis von KJ zu K;S0.. 500 ccm Seewasser 500 ccm Seewasser Datum 3,%5gKJ 3,25 g KaS04 44, März Versuch angesetzt. Versuch angesetzt. 51/g Uhr Nachmittags 42. März Normale freischwimmende Bla- | Normale freischwimmende Bia- 441/, Uhr stulae. stulae. Vormittags 43. März Gastrulae. Beginn der Gastrulation; Einstül- 44 Uhr pung noch nicht tief. Vormittags 44. März |Eckige Gastrulae mit Anlage des| Ausgebildete, etwas trübe Gastru- 401/4 Uhr ||Mundfeldes, aber ohne Kalknadeln.|lae ohne Kalknadeln. Alle Larven Vormittags Sehr viele freischwimmend. $ am Boden. 45. März Larven sehr verschieden. Die nor- Über die Gastrula ist keine hinaus- 441/a Uhr |jmalsten mit dreigliederigem Darm! gekommen. Alle sind trüb und Vormittags aber ohne Kalknadeln. Eine An- schicken sich zum Absterben an. zahl ist bereits abgestorben oder| Ein Theil bereits abgestorben. schickt sich zum Absterben an. 46. März Die normalsten sind typische | Die allermeisten Larven 403/4 Uhr Kaliumlarven ohne Kalkgerüst. Jabgestorben, nur noch ein- Vormittags ||Im Inneren kugelige Anhäufungen|zelne undurchsichtige Larven am von Mesenchymzellen. Leben. 47. März | Kaliumlarven ohne Kalkgerüst. Kultur abgestorben. 23/4 Uhr Nachmittags N Vorstehende Thatsachen! geben uns nun die Möglichkeit in die Hand, noch einige andere theoretische Betrachtungen anzustellen, welche für die Erforschung der Ursachen der von uns erhaltenen mor- phologischen Abänderungen von der größten Bedeutung sind. Wenn wir eine 3,7°/,ige Lösung von den vier Lithiumsalzen machen, so enthält eine gewisse Quantität der Ghlorlithiumlösung — da das Gewicht der Salzmoleküle vom Chlorid bis zum Jodid zu- nimmt — mehr Moleküle als dieselbe Quantität der Nitrat- lösung, und diese wieder mehrals die gleiche Menge der Bromidlösung, welche endlich wiederum an Anzahl der Moleküle dieselbe Quantität der Jodlithiumlösungüber- trifft. Da nun die Wirkungsstärke der genannten Salze vom Chlorid bis zum Jodid abnimmt, so ergiebtsich, dass dieselbe abhängig ist von der Anzahl der Salzmoleküle, welche in demselben Volumen enthalten sind. Wenn wir also z. B. zu 97,5 Theilen Seewasser 2,5 Theile einer 3,7°%/,igen Lösung der betreffenden Salze fügen, so wird die Kultur, welche mit Chlor- lithium angesetzt worden ist, die größte Anzahl Moleküle enthalten und 1 Dies schließt sich an p. 485 an, Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. 1. 495 in Folge dessen die normale Entwicklung am meisten abändern, während die Jodlithiumkultur mit der geringsten Anzahl Moleküle am wenigsten energisch wirken wird. Die im Vorigen aufgedeckte Parallele zwischen der Wirkungsstärke und der in demselben Volumen enthaltenen Anzahl Moleküle lässt ferner erwarten, dass solche Lösungen sowohl in morphologischer Hinsicht, wie in Hinsicht auf die Intensität dieselbe Wirkung hervor- zubringen im Stande sind, welche in gleichen Räumen eine gleiche Anzahl Moleküle des gelösten Stoffes enthalten. Diese Bedingung erfüllen die sogenannten äquimolekularen Lö- sungen. Es sind dies solche, welche auf gleiche Quantitäten des Lösungsmittels solche Mengen der gelösten Stoffe enthalten, welche im Verhältnisse der Molekulargewichte zu einander stehen. Ein Beispiel mag dies erläutern: Das Moleku- largewicht von LiCl ist 42!/,, das von LiBr 87; dieselben verhalten sich also ungefähr wie 1:2. Wenn wir nun die typische Lithiumwirkung bereits bei Zusatz von 0,095°/, LiCl erhalten, so müssen wir die dop- pelte Menge, also 0,19°/, LiBr zu derselben Menge Meerwasser setzen, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Der Versuch bestätigt die m keit dieser Berechnung. Nach diesen Erörterungen wollen wir uns nun dem Sulfat zu- wenden und dasselbe in die Reihe der obengenannten Lithiumver- bindungen einzustellen versuchen. Sein Molekulargewicht beträgt 110; würde es nun denselben Gesetzen wie die vier anderen Salze folgen, so müsste man es zwischen LiBr und LiJ stellen. Es würde also ener- gischer wirken als LiJ, aber weniger energisch als LiBr. Ein Blick auf die Tabelle I zeigt jedoch, dass dies falsch ist, und dass es auch ener- gischer wirkt als LiBr. Es scheint in seiner Wirkungsstärke ungefähr mit LiNO, übereinzustimmen, wie ein a der Protokolle der be- treffenden Kulturen lehrt vgl. Spalte 5, 6, 7 u. 8 auf Tabelle I). Das oben aufgestellte Gesetz, dass die re abnimmt mit Zunahme des Molekulargewichtes, würde demnach für das zweibasische Salz Li,50, keine Geltung haben. Gehen wir nun dazu über, die Reihenfolge der Natriumverbin- dungen mit einem Atom Metall im Molekül festzustellen, so ergiebt sich aus den Protokollen der Tabelle II ohne Weiteres die Reihenfolge: NaCl, NaNO,, NaBr, NaJ, und zwar nimmt auch hier die Stärke der Wirkung vom Chlorid bis zum Jodid ab, während das Molekulargewicht selbstverständlich in derselben Richtung zunimmt. Wir kön- nen also auch hier das Schema aufstellen: 496 Curt Herbst, Na CIM-G.—=58'/,; NaNO, M-G.—85; NaBr M-G.— 103; NaJM-G.—=150 Abnahme der Wirkungsstärke m — ® oe aa ne des Molekulargewichtes. Was die Stellung des Sulfats (M-G = 142) anbetrifft, so ist es zweifelhaft, ob dasselbe zwischen NaBr und NaJ oder hinter NaJ zu stellen ist. Denn während ein Vergleich der beiden Kulturen, die mit 500 cem Seewasser und 4 g der betreffenden Substanzen angesetzt worden sind, darauf hinweist, dass Na,SO, etwas energischer wirkt, als NaJ, lassen eher die drei anderen Kulturen auf das Gegentheil schließen, denn nach denselben scheint NaJ mehr dazu zu neigen, die Kaliumgestalt hervorzurufen, als NayaS0O,. Wir müssen demnach die Stellung des Sulfats unentschieden lassen. Wenden wir uns nun schließlich zu den Kaliumverbindungen, so geht ohne Weiteres aus der Betrachtung der Tabelle III hervor, dass auch hier das Chlorid am stärksten und das Jodid am schwächsten wirkt. Das Nitrat scheint nach den Protokollen der Tabelle ungefähr dieselbe Wirkungsstärke zu besitzen wie das Bromid ; ich habe jedoch in anderen Versuchsreihen sichergestellt, dass es etwas energischer wirkt als KBr und dass es in Folge dessen zwischen dieses und das Chlorid zu setzen ist. Wir hätten demnach auch hier das Schema: K CI M-G. = 741/,; KNO, M-G. = 101; KBr M-G. = 119; KJM-G. = 166 Abnahme der Wirkungsstärke Zunahme des Molekulargewichtes. Über die Stellung des Sulfats (M-G. = 174) werden wir durch Tabelle III und IV aufgeklärt. Dieselben lassen nämlich mit Sicherheit erkennen, dass dasselbe energischer als KJ und schwächer als KBr wirkt, wesswegen man es zwischen diese beiden Salze zu stellen hat. Vergleichen wir schließlich noch die drei Alkalimetalle unter ein- ander, so geht sowohl aus Kapitel III, wie aus Tabelle I hervor, dass das Lithium (Atomgewicht —= 7,01) am energischsten auf die Entwick- lung der Echinideneier einwirkt. Das Jodlithium, welches von den Li-Verbindungen am schwächsten wirkt, wirkt doch immer noch ener- gischer als das Chlorkalium. Das oben angeführte Gesetz, wo- nach die Wirkungsstärke mit steigendem Molekulargewicht abnimmt, giltin Folge dessen in unserem Falle nur für Salze einbasischer Säuren von ein und demselben Metall, ist aber nicht ohne Weiteres anwendbar auf Salze von verschiede- Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. I. 497 nen Metallen. In letzterem Falle müssten sich die Salze — vom stärksten bis zum schwächsten fortschreitend — derartig anordnen: LiCl, NaCl, LiNO,, KCl, NaNO,, LiBr (M-G. 42'/,, 581/,, 69, 7k1/g, 85 und 87) ete., während die Reihenfolge nach unseren Resultaten folgende ist: LiC], LiNO,, LiBr, LiJ, KCl ete. Was die Natrium- und Kaliumverbindungen anbetrifft, so unter- scheiden sich dieselben wenig von einander; es sei jedoch bemerkt, dass die Kaliumverbindungen leichter die sog. Kaliumgestalt hervor- rufen als die Natriumverbindungen. Da wir nun in Kapitel I gesehen haben, dass die betreffende Larvenform durch ein rudimentäres Kalk- gerüst bedingt ist, und dieses hinwiederum ein Stoffwechselprodukt der Larve ist, so folgt daraus, dass die Kaliumverbindungen den Stofl- wechsel der Seeigellarven mehr alteriren als die Natriumverbindungen. Hätte das oben aufgestellte Gesetz nicht nur für die Salze desselben Metalls, sondern auch für die verschiedener Metalle Gültigkeit, so müsste eigentlich jede Natriumverbindung, weil sie das geringere Molekular- gewicht besitzt, energischer wirken als die betreffende Kaliumverbin- dung. Dieses Verhältnis ist jedoch durch die oben erwähnte ener- gischere Wirkung der Kaliumsalze auf den Stoffwechsel der Larven derartig verwischt worden, dass es schwer ist, zu sagen, ob die Natrium- und Kaliumsalze — vom stärksten bis zum schwächsten fortschreitend — so auf einander folgen, dass immer die betreffende Natriumverbin- dung voransteht (also NaCl, KCl, NaNO,, KNO,, NaBr, KBr, NaJ, KJ), oder ob die Reihenfolge umgekehrt ist (also KCl, NaCl, KBr ete.). Mit Sicherheit kann man nur das behaupten, dass die Kalium- und Natrium- salze, wenn man sie nach ihrer Wirkungsstärke in eine Reihe ordnet, unter einander zu stehen kommen, und dass nicht etwa zuerst alle Kaliumverbindungen kämen und dann erst die Natriumverbindungen folgen würden, wie wir dies oben bei den Lithiumsalzen gesehen haben. Letztere nehmen in dieser Hinsicht eine Stellung für sich ein, worauf noch einmal besonders hingewiesen sein möge. Wir wollen nun dazu übergehen, 2%. die Resultate anderer Autoren über die Wirkungsstärke der Salze mit den unseren zu vergleichen. An erster Stelle sei hier der Arbeiten des Pharmakologen Fr. Horneister (15) gedacht. Derselbe hat die Wir- kung der Salze der Alkalien in der Weise mit einander verglichen, dass er mit ihnen Hühnereiereiweiß, Serumglobulin, Hausenblasenleim, colloidales Eisenoxyd und ölsaures Natron aus ihren Lösungen aus- fällte!. Dabei zeigte sich nun, dass das Fällungsvermögen 1 Die betreffenden Substanzen wurden dabei meist im colloiden Zustande Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 33 498 Gurt Herbst, der verwandten Salze mit zunehmendem Molekulargewicht abnahm, d.h. er musste zu den aufgeführten Lösungen — um eine Fällung zu erzielen — um so mehr von den verschiedenen Salzen zu- setzen, je höher ihre Molekulargewichte waren. Hornmeıster’s Tabellen zeigen in Folge dessen dieselbe Reihenfolge der Salze wie die meinigen. Es war dabei gleichgültig, ob die Versuche an Lösungen von Serum- globulin, von ölsaurem Natron oder von einem anderen der oben ge- nannten fünf Stoffe angestellt worden waren. Die Salze der mehrbasischen Säuren zeigten in so fern eine Ab- weichung von den Salzen mit einem Atom Metall im Molekül, als ihnen ein größeres Fällungsvermögen zukam, als man nach ihrem Molekular- gewicht erwarten sollte. Von den Lithiumsalzen hat Horusıster leider nur das Sulfat einer Prüfung unterzogen, so dass nicht zu sagen ist, ob auch bei ihm das Lithium eine gewisse Sonderstellung eingenommen haben würde. Eine Bemerkung, die sich auf p. 9 der eitirten Arbeit vorfindet, scheint mir jedoch darauf hinzudeuten. Er erwähnt daselbst nämlich, dass beim Fällen mit Lithium- oder Calciumchlorid das gefällte Glo- bulin abweichende Eigenschaften aufwies. Besonders wichtig ist für uns die Art und Weise, wie er die colloid- fällende Wirkung der Salze zu erklären versucht. Da nämlich die am nächsten liegende Vermuthung vollkommen ausgeschlossen ist, »dass die Salze mit den fällbaren Körpern schwerlösliche Verbindungen ein- gehen« — Globulin, Leim und ölsaures Natron zeigen nach der Fällung dieselben Eigenschaften wie vor derselben —, so bleibt seiner Ansicht nach — wenn man nicht auf geradezu abenteuerliche Vorstellungen ein- gehen will — »zur Erklärung der fällenden Wirkung der Salze nur die Annahme übrig, dass dieselben die Fähigkeit besitzen, den fällbaren Stoffen das Lösungsmittel, Wasser, zu entziehen«. Die colloidfäl- lende Wirkung eines Salzes ist demnach von seinem Wasser- anziehungsvermögen abhängige. Ein zweiter Forscher, welcher sich in neuerer Zeit mit der Wir- kung der Salze beschäftigt hat, ist Hrıpennaın (11). Derselbe studirte an Hunden — von anderen Stoffen abgesehen — auch die Wirkung verschiedener Natriumsalze auf die Beschleunigung des Lymphstromes. Dabei stellte sich ebenfalls heraus, dass das Ghlornatrium mit dem kleinsten Molekulargewicht am stärksten und das Jodid am schwächsten wirkte; Nitrat und Sulfat standen dazwischen. Es nahm also die Beschleunigung des Lymphstromes mit zunehmendem Mole- kulargewicht ab. Den Grund für die lymphtreibende Wirkung der ausgefällt, H. spricht in Folge dessen von einer »colloidfällenden Wirkung« der Salze. Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 499 betreffenden Stoffe sieht Hzıpennaın ebenfalls in dem Wasseranziehungs- vermögen derselben. Endlich sei noch einer Arbeit von Hırscumann (131) gedacht, welche über die Reizung motorischer Nerven durch Lösungen von Neutral- salzen handelt. Auch hier stellte sich heraus, dass die Wir- kungsstärke mit steigendem Molekulargewicht abnimmt. Folgende Tabelle diene hierfür als Beweis: Der Procentgehalt der eben wirksamen Koncentrationen war für Na&l#" (MG. = 584): en. Ka 93233407, NaNO; ir ar 85) Se un 3100 Na,SO, ( » == 142) RR eh ce 5,68%, Daba (291 19,1) Kenia eo, Beer 5°. 195). 000000 ran BINO, (79: = 69) Re PER ES LO), Biber SeynZ87) en rn ERSO,( » = 140) 2 WEN UT, 0280 Aus dieser Tabelle geht außerdem hervor, dass die Lithiumsalze bei den Versuchen Hırschmann’s eine gewisse Sonderstellung doku- mentiren, denn sie zeigt, dass der Procentgehalt der eben wirksamen Koncentrationen für die genannten Salze — obgleich sie das geringere Molekulargewicht besitzen — doch stets höher ist als für die betreffen- den Natriumverbindungen. Wird der Procentgehalt der eben wirk- samen Koncentrationen durch einen Bruchtheil des Molekulargewichtes ausgedrückt, so ergiebt sich für die Natriumverbindungen im Durch- schnitt der Grenzwerth von etwa 0,43 M.-G., während er für die Lithiumsalze 0,571 M.-G. beträgt. Hırscaumann hat also für die Lithiumsalze ebenfalls eine Abweichung von der Regel gefunden, jedoch gerade im ent- gegengesetzten Sinne wie ich. Denn während nach meinen Ver- suchen selbst das am schwächsten wirkende Lithiumsalz, das Jodid mit dem Molekulargewicht 134 doch noch die normale Entwicklung der Seeigeleier bedeutend mehr abänderte als das am stärksten wirkende Natriumsalz, das Chlorid mit dem Molekulargewicht 581/,, so verhält sich bei der Reizung motorischer Nerven vermittels Salzlösungen die Sache in so fern umgekehrt, als die Natriumverbindungen stets ener- gischer wirken als die gleichen Lithiumsalze. Diese drei Arbeiten? mögen genügen, um zu zeigen, dass auch 1 Aufdie Arbeiten von HEIDENHAIN, HıRSCHMANN, HoFMEISTER und einigen anderen Autoren bin ich durch Herrn Privatdocent Dr. Rönmann in Breslau hingewiesen worden, Ich sage dem genannten Herrn hiermit meinen besten Dank dafür. 2 Auf die Arbeiten von HAmBuRGEr (&—4A0) »über den Einfluss chemischer Ver- 33* 500 Gurt Herbst, 4 andere Forscher auf den heterogensten Arbeitsgebieten zu demselben Resultat wie ich geführt worden sind, nämlich dass die Wirkungs- stärke gleicher Gewichtsmengen verschiedener Salze mit zunehmendem Molekulargewicht der letzteren abnimmt Erwähnt sei hierbei noch einmal besonders, dass dieses Gesetz bei meinen Versuchen jedoch nur Geltung hat für Salze von ein und demselben Metall, und dass sich auch Hırsch#- MANN genöthigt sah, das Gesetz in gleicher Weise einzu- schränken, indem er der Natur der Basis einen wesent- lichen Einfluss auf die Höhe der Grenzkoncentrationen zugestehen musste. Wodurch diese Einschränkung des Gesetzes vielleicht zu erklären ist, soll später zur Besprechung gelangen. Kapitel V. Über die Ursachen der Abänderungen des normalen Entwicklungsganges im Allgemeinen. Wir sahen im vorigen Kapitel, dass nach meinen Untersuchungen in der Reihe der Salze einbasischer Säuren von einem und demselben Metall die Wirkungsstärke gleicher Mengen gleichprocentiger Lösungen mit zunehmendem Molekulargewicht abnimmt. Wir lernten ferner kennen, dass dieselbe Erfahrung auch von anderen Forschern auf an- deren Gebieten gemacht worden ist, und dass diese Forscher geneigt waren, die Wirkungsweise der Salze auf das Wasseranziehungsver- mögen derselben zurückzuführen. Es fragt sich nun, ob aus der Übereinstimmung der Resultate von HorMEISTER, HEIDENHAIN etc. mit den meinen der Schluss gezogen werden darf, dass auch den von mir erzielten Abänderungen der normalen Larvenform dieselbe Ursache zu Grunde liegt wie z. B. der von HEIDEn- Hain konstatirten Lymphstrombeschleunigung durch Lösungen von Na- triumsalzen. Ich glaube nun nicht nur, sondern halte es für vollkommen sicher, dass dies in der That der Fall ist, und dass die Ursachen der Ab- bindungen auf Blutkörperchen im Zusammenhang mit ihren Molukulargewichten « sei hier nur hingewiesen. Ein näheres Eingehen auf dieselben würde hier zu weit führen und auch unzweckmäßig sein, da dieselben gleich von vorn herein darauf abzielten, die Gültigkeit der pE Vrırs’schen isotonischen Koefficienten für Blut- körperchen zu prüfen. Referate über die betreffenten Arbeiten findet man sowohl in den citirten Abhandlungen von HorMEISTER und HırscHmAnNn wie auch in dem Lehrbuch der theoretischen Chemie von OstwALD (Bd. 1. p. 669). Die Arbeit von Limzeck (18) enthält zwar auch einige Resultate, welche mit denen von HEIDENHAIN etc. übereinstimmen, daneben aber auch eine große Reihe abweichender Daten, so dass ich es für besser gehalten habe, überhaupt auf sie nicht einzugehen. Sa ya else A anne a on Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 501 änderungen des normalen Entwicklungsganges der Seeigel- eier in dem Wasseranziehungsvermögen der untersuchten Salze oder — was auf dasselbe hinauskommt! — in dem osmotischen Druck zu suchen sind, den dieselben in ihren Lösungen ausüben. Da dieser Satz wohl nicht ohne Weiteres Allen verständlich sein dürfte, so sollen die nachfolgenden Erörterungen zu seiner Erläuterung dienen, zugleich aber neues Beweismaterial zu seiner sicheren Begrün- dung herbeibringen?. Bringt man in ein poröses Thongefäß, dessen Poren mit sogenannten Niederschlagsmembranen ? verschlossen sind, welche die Eigenschaft haben, wohl für Wasser durchlässig zu sein, aber nicht — oder nur wenig — für die in dem Wasser gelösten Sub- stanzen, irgend eine Salzlösung, und stellt dasselbe dann in ein anderes Gefäß mit reinem Wasser, so tritt in das Gefäß mit der Lösung — falls dasselbe eine Abflussöffnung besitzt — durch die Niederschlagsmem- branen so lange Wasser über, als ein Koncentrationsunterschied auf beiden Seiten derselben vorhanden ist. Ist dagegen das Gefäß, welches die Lösung enthält, verschlossen, so vermehrt das eintretende Wasser den Druck in der Thonzelle so lange, bis er derartig gesteigert ist, dass ein weiterer Zufluss von Wasser unmöglich wird. Diesen nunmehr erreichten Maximalwerth des Druckes nennt man den os- motischen Druck der betreffenden Lösung. Indem nun Prerrer (24) ein derartiges Gefäß mit einem Manometer in Verbindung setzte, gelang es ihm, den Druck für verschiedene Lö- sungen direkt in Atmosphären zu bestimmen. So erzielt man mit einer 41 %/,igen Salpeterlösung bereits einen Druck von rund 3,4 Atmosphären. Aber abgesehen davon, dass Pr£rrer im Stande war, den osmotischen Druck für verschiedene Substanzen direkt zu messen, machte er noch 1 Da sich der osmotische Druck stets in einer wasseranziehenden Wirkung äußert, so spricht man besonders in der physiologischen Litteratur häufig von dem Wasseranziehungsvermögen eines gelösten Stoffes und nicht von seinem osmoti- schen Druck. 2 Gute Auseinandersetzungen über den osmotischen Druck finden sich z.B. in OstwALv’s Grundriss der allgemeinen Chemie p. 429—432 und in dem ausführ- lichen Lehrbuch desselben Verfassers in Bd.]I. p. 651—673, Eine knappe, aber klare Darstellung findet sich auch in L. Meyer’s Grundzügen der theoretischen Chemie p- 131—133. Vgl. ferner MENDELEJEFF'S Grundlagen der Chemie Kap. I. Anm. 19, 49, 69 und Kap. VII. Anm. 29. 3 Solche Membranen erhält man z. B. wenn man die Wand eines porösen Thongefäßes zuerst mit Kupfersulfat durchtränkt, sie dann ausspült und in eine Lösung von Ferrocyankalium setzt. Die Poren werden dann durch Membranen von unlöslichem Ferrocyankupfer verschlossen. Vgl. hierzu PrErrEr’s osmotische Untersuchungen. 502 Curt Herbst, die wichtige Entdeckung, dass derselbe proportional mit der Koncentration und der Temperatur steigt. Weitere wichtige Thatsachen wurden durch die epochemachenden Untersuchungen von H.De Vrızs (33) zu Tage gefördert. Derselbe stellte den osmotischen Druck nicht direkt durch Messungen fest, sondern er beschränkte sich darauf, die relative Größe der Wasseranziehung (resp. des osmotischen Druckes) für die verschiedenen, im Zellsaft der Pflanzen vorkommenden Stoffe zu bestimmen. Er verfuhr dabei auf folgende Weise. Wenn man Pflanzenzellen in koncentrirte Salzlösungen legt, so löst sich das Protoplasma derselben von den Zellwänden los und zieht sich mehr oder weniger zusammen. Dies kommt daher, dass die Salz- lösung, welche leicht durch die Cellulosemembran hindurchtritt, dem Protoplasmakörper, der zwar dem Wasser den Ein- und Austritt ge- stattet, aber nicht den im Wasser gelösten Substanzen, Wasser entzieht und so dessen Zusammenziehung bewirkt. Indem nun DE VrıEs zu solchen koncentrirten Salzlösungen immer mehr Wasser zusetzte, suchte er den Moment zu bestimmen, wo die äußere Salzlösung gerade noch das Anliegen des Protoplasmaschlauches an der Cellulosewand ge- stattet. In diesem Moment waren also das Wasseranziehungsvermögen des Zellinhaltes und des umgebenden Mediums gleich, d. h. Zellinhalt und umgebendes Medium befanden sich im »osmotischen Gleich- gewicht«, sie waren »isotonisch«. Indem nun pe Vrıes diejenige Koncentration von Lösungen ver- schiedener Stoffe bestimmte, welche mit dem Inhalt derselben Zelle isotonisch waren, machte er die wichtige Entdeckung, dass von Stoffen ähnlicher chemischer Natur solche Lösungen nicht nur mit dem Zellsaft, sondern auch unter sich! isotonisch sind, welche in gleichen Räumen gleich viele Moleküle ent- halten. Es besitzen also äquimolekulare Lösungen ähn- licher Stoffe den gleichen osmotischen Druck. Eine Lösung von 0,585 %/, NaCl würde also mit einer KCl-Lösung von 0,745°/, oder einer KNO,-Lösung von 1,04 °/, isotonisch sein. Eine Konsequenz davon ist, dass gleichprocentige Lösungen einen um so größeren os- motischen Druck ausüben, je geringer das Molekulargewicht des Stoffes ist, den sie enthalten. Von 3,7 /)igen Lösungen ver- schiedener Lithiumsalze mit einem Atom Metall im Molekül würde also die LiCl-Lösung den größten osmotischen Druck ausüben. Ein Vergleich dieser Gesetze mit denen, welche wir im ersten Theil von Kapitel IV? aufgestellt haben, zeigt die 1 Vgl. hierzu OstwALv’s Lehrbuch der allgemeinen Chemie Bd. I. p. 664. 2 Vgl. p. 483—497. Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. I. 503 vollständige Identität beider; und diese Übereinstimmung ist ein deutlicher Beweis, dass die Gestaltveränderungen, welche wir an den Seeigellarven erhalten haben, auf den durch die verschiedenen Salzlösungen veränderten osmo- tischen Druck des Meerwassers zurückzuführen sind. Die folgenden Erörterungen werden noch mehr Beweise dafür zu Tage fördern. Die oben aufgestellten Sätze gelten — wie ihr Wortlaut zeigt — nur für Stoffe ähnlicher chemischer Natur. Solche Stoffe sind z. B. die Alkalisalze einbasischer Säuren. Will man also für eine bestimmte Lösung eines solchen Salzes die isotonische Koncentration eines Al- kalisalzes einer zweibasischen Säure suchen, so ist nicht etwa eine 0,745 °/,ige KCl-Lösung isotonisch mit einer 1,7% °/,igen K,SO,-Lösung, sondern mit einer solchen von 1,305°/,, d. h. die isotonische Koncen- tration ist ungefähr um !/, geringer, als man nach dem Molekulargewicht erwarten sollte. Man muss also, um für ein Alkalisalz mit zwei Atomen Metall im Molekül die richtige Koncentration der Lösung zu finden, welche mit einer bestimmten Lösung eines Alkalisalzes einer einbasi- schen Säure isoton sein soll, die nach dem Molekulargewicht berech- nete Koncentration mit ?/, multipliciren. Daraus geht aber ohne Wei- teres hervor, dass die osmotischen Drucke äquimolekularer Lösungen! von einem Alkalisalze einer einbasischen Säure und einem einer zwei- basischen sich ungefähr wie 3: 4 verhalten ?. Mit den vorstehenden Erörterungen stimmen die Resultate überein, die ich mit den Sulfaten von Lithium und Kalium bekommen habe. Dieselben zeigten nämlich eine energischere Wirkung als sie nach ihren Molekulargewichten haben sollten. Im Gegensatz hierzu stellte es sich bei den oben erwähnten Versuchen von HırscHuMmann (13) heraus, dass die Salze mit zwei Atomen Basis im Molekül keinen Unterschied von den Salzen mit einem Atom im Molekül machten. Die von Hırscumann unter- 1 DE Vrıes nennt die relative Größe der osmotischen Druckkräfte äquimole- kularer Lösungen von verschiedenen Stoffen dievisotonischenKoefficienten« derselben. Für die Alkalisalze mit 1 Atom Metall im Molekül ist also der isotonische Koefficient ungefähr 3, während er für die Alkalisalze mit 2 Atomen Metall im Mol. — 4 ist. Wir können an dieser Stelle nicht näher auf die isotonischen Koefficienten der anderen’ Gruppen eingehen und verweisen zu diesem Zwecke auf das Haupt- werk von DE VRIES (33). 2 Die Thatsache, dass die isotonischen Koefficienten bei Stoffen von verschie- denen chemischen Gruppen verschieden sind, sucht man in der physikalischen Chemie dadurch zu erklären, dass die Moleküle der betreffenden Stoffe in ihren Lösungen in verschiedener Weise dissocirt sind. Vgl. hierzu OstwaLp’s Grundriss p-,276. 504 Curt Herbst, suchten Salze waren Li,SO, und NaSO,; letzteres verhielt sich auch bei meinen Versuchen nicht auffallend anders als die Natriumsalze ein- hasischer Säuren. Wir erwähnten gleich im Anfang dieses Abschnittes — als von den Versuchen von Prerrer die Rede war —, dass der osmotische Druck mit Zunahme der Koncentration wächst. Esistnun wichtig, dass sich auch bei meinen Versuchen ein Anwachsen der Wirkungsstärke der Salze mit zunehmender Koncentra- tion herausgestellt hat. Ich hatte es also in der Hand, den nor- malen Entwicklungsgang mehr oder weniger abzuändern, je nach dem größere oder geringere Quantitäten der Salzlösung zu dem Meerwasser hinzugefügt wurden. Nahm ich z. B. von der Lösung eines Lithium- salzes eine kleinere Quantität, als zur Erhaltung typischer Lithium- larven nöthig ist, so bekam ich zunächst Larven von typischer Pluteusorganisation, aber ohne Fortsätze und mit keinem oder nur rudimentärem Kalkgerüst, d. h. also die sogenannten Kaliumlarven. Wurde nun der Lithiumgehalt noch mehr vermindert, so ging die Larvenform immer mehr in die normale über. Die Thatsache, dass ich mit den Lithiumsalzen — welche bekannt- lich das geringere Molekulargewicht besitzen — bei geringerer Koncen- tration die Wirkung der Kaliumsalze bekam, deren Molekulargewicht erößer ist, stimmt gut mit den Gesetzen, die beim osmotischen Druck gelten, überein. Die Konsequenz davon ist nun aber, dass man auch mit einer Kaliumlösung denselben Effekt wie mit einer Lithiumlösung müsste erzielen können, wenn dieselbe nur in dem richtigen Verhält- nis zu dem Meerwasser gesetzt würde. Die Molekulargewichte von LiBr und KBr verhalten sich — zu ganzen Zahlen abgerundet — un- gefähr wie 2:3. Ich bekomme nun mit LiBr bereits die typische Lithiumwirkung, wenn ich zu 400cecm Seewasser 0,18g Salz hinzu- füge; es wäre also zu erwarten, dass ich mit Bromkalium dieselbe Wirkung wie mit LiBr erzielen könnte, wenn ich zu 100 ccm Seewasser 0,18.3 2 der Fall!, denn die Eier würden sich in dem letzteren Falle ungefähr d. i. 0,27g KBr hinzufügen würde. Dies ist aber absolut nicht 1 Es sei hierzu bemerkt, dass ich jedoch — wenn auch höckstselten— in einigen Kalium- resp. Natriumkulturen vereinzelte Larven mit einem kleinen, aber ausgestülpten Urdarm gesehen habe. Diese Larven sind in zwei Kategorien zu theilen. Erstens kommt es nämlich vor, dass sich beim Absterben einer Kultur der Urdarm, welcher sich vielleicht bereits schon im Inneren reducirt hat, sekundär nach außen vorstülpt. Hier ist die Ausstülpung also eine Absterbungserscheinung (vgl. Fig. 40 c). Zweitens habe ich aber auch ein- oder zweimal in Kulturen, die mit einer zu großen Kaliumdosis angesetzt worden waren, die Beobachtung ge- Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. 1. 505 noch zu normalen Pluteis entwickeln. Es gelten also die Gesetze des osmotischen Druckes — und dies sei besonders be- tont — beimeinen Experimenten nur zwischen den Salzen einbasischer Säuren von demselben Metall. Wodurch ist diese Einschränkung der betreffenden Gesetze be- dingt? Dies ist die Frage, welche sich uns jetzt aufdrängt. Wir hatten bereits in Kapitel IV gesehen, dass auch Hırscrmann für die Lithiumsalze eine Abweichung von der Regel konstatirt hat, jedoch gerade im ent- gegengesetzten Sinne wie ich. Diese Verschiedenheit unsrer beider- seitigen Resultate deutet meiner Ansicht nach mit Sicherheit darauf hin, dass die konstatirten Abweichungen nicht etwa auf eine physika- lische Eigenschaft des Lithiums zurückzuführen sind. Übrigens geht dies auch schon aus der Thatsache hervor, dass der isotonische Koeffi- cient von LiC! nach ve Vrıes (35) kaum von dem von KCl differirt. Hırscumann neigt dazu, die Abweichungen bei seinen Versuchen einer chemischen Alteration der Nervensubstanz zuzuschreiben, ich dagegen halte für die einfachste Erklärung die, dass die verschiedenen thierischen Gewebe für die Salzlösungen differenter Metalleinverschiedenem Maße permeabelsind. Inmeinem bestimmten Falle glaubeich also, dass die Epithelzellen der Echinidenlarven für die Lithiumsalze vielleicht fast vollkommen impermeabel sind!, während sie für die Kalium- und Natriumsalze verhältnismäßig leicht durch- lässig sein werden. In letzterem Falle wird in Folge dessen eine osmotische Differenz zwischen dem Inhalte der Larven und dem um- macht, dass von den Larven, welche sich meist nur bis zur Blastula und nur theil- weise bis zur Gastrula entwickelten, einzelne einen ganz kleinen und rudimentären Urdarm nach außen anlegten. Die betreffenden Larven waren jedoch kränklich, besaßen ein dunkles Aussehen und unterschieden sich in Folge dessen bedeutend von den typischen Lithiumlarven. Die Entwicklung gedieh bei ihnen nicht weiter, sie starben bald ab, ohne einen größeren Urdarm zu entwickeln. Mir scheint dies Vorkommnis in so fern interessant, als es darauf hindeutet, dass man auch mit Kaliumsalzen Lithiumlarven züchten könnte, wenn die dazu erforderliche Menge Salz von den Larven vertragen würde. Dies ist aber nicht der Fall. 1 Zu dieser Vermuthung wurde ich durch den Glauben geführt, dass die Echi- nidenlarven den Salzen des umgebenden Mediums gegenüber ein gewisses Aus- wahlvermögen geltend machen und nur Solche Stoffe aus dem Meerwasser auf- nehmen, welche für ihre Entwicklung nothwendig sind. Sollte ich mich jedoch hierin täuschen, so wäre es vielleicht auch möglich, dass sich die Sonderstellung des Lithiums gerade umgekehrt dadurch erklären ließe, dass die Larven dasselbe anziehen und aufspeichern, ähnlich wie sie es nach Herrwıe und Driesch mit Methylenblau und Fuchsin thun. Künftige Untersuchungen werden hierüber Auf- klärung schaffen. 506 Curt Herbst, gebenden Medium durch das Eindringen der Salze in den Larvenkörper mehr oder weniger rasch ausgeglichen werden, während dies bei den Lithiumsalzen nicht geschehen wird. Letztere werden desshalb einen bedeutenderen osmotischen Druck hervorrufen können, als äquimole- kulare Mengen der übrigen Alkalien! Die vorgetragene Ansicht stimmt auch gut mit der Thatsache über- ein, die bei physikalischen osmotischen Versuchen zu Tage tritt, nämlich dass der osmotische Druck einer Lösung einen um so kleineren Werth erhält, je mehr die verwendete Membran für den gelösten Stoff durch- lässig ist. Schließlich muss ich noch einmal auf einen Punkt zu sprechen kommen, der bereits im Anfang dieses Kapitels einmal erwähnt wurde. Es ist dies nämlich die durch die Versuche von PFEFFER festgestellte Thatsache, dass der osmotische Druck proportional der Temperatur zu- nimmt. Eine 3,7%/,ige Lösung von KCl würde also z. B. bei einer Temperatur von 0 ° einen geringeren osmotischen Druck aufweisen, als bei einer solchen von 10°. Wir hatten nun im zweiten Kapitel zwischen Kulturen, die in verschiedenen Jahreszeiten angesetzt worden waren, gewisse Ver- schiedenheiten konstatirt und waren wenig geneigt, dieselben auf eine Verschiedenheit in der Temperatur des zu den Versuchen verwendeten Wassers zurückzuführen, da diese höchstens um einige Grad ge- schwankt hat. Wäre es nun aber nicht möglich, die konstatirten Ver- schiedenheiten doch auf die — wenn auch geringen — Schwankungen der Temperatur, resp. auf die des osmotischen Druckes zurückzuführen sind, welcher — wie wir sahen — mit der Temperatur steigt oder fällt? Die folgenden Thatsachen scheinen mir diese Vermuthung nicht sehr ‚wahrscheinlich zu machen. Donpders und Hamsurcer (3) haben gezeigt, dass Lösungen, welche bei 0° mit dem Inhalt von Blutkörperchen im osmotischen Gleichgewicht sind, es auch bei 34° sind, und van’r Horr (1%) hat daraus den Schluss gezogen, dass die Zu- nahme des osmotischen Druckes mit der Temperatur von der Natur des gelösten Stoffes unabhängig ist, oder — was dasselbe bedeutet — dass der osmotische Druck mit steigender Tem- peratur bei alien Stoffen in dem gleichen Verhältnis zunimmt!. Wenn nun dieses Gesetz auch für die Gewebeflüssigkeit der Seeigellarven Gültigkeit hat, so würde der osmotische Druck derselben bei steigender Temperatur in demselben Verhältnis zunehmen müssen, wie der des 1 Vgl. hierzu OstwaLp’s Lehrbuch Bd. I. p. 699. Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere. I. 507 umgebenden Mediums. Würden sich also z. B. die osmotischen Druck- kräfte innerhalb und außerhalb des Larvenkörpers bei 10° wie 1: 1,2 verhalten, so würde dasselbe Verhältnis auch noch bei einer Temperatur von 20 bestehen. Dann wäre aber eine Erklärung der in Kapitel II konstatirten Verschiedenheiten durch eine Differenz des mit der Tem- peratur des verwendeten Meerwassers steigenden und fallenden osmotischen Druckes vollkommen ausgeschlossen. Schluss. Fassen wir nun zunächst noch einmal mit kurzen Worten die Hauptresultate unserer Untersuchungen zusammen, so hat es sich ge- zeigt, dass man durch plötzliche Änderung der chemi- schen Zusammensetzung des Meerwassers die Entwick- lung der Seeigellarven in andere Bahnen lenken kann, unddass diese Veränderungen nicht aufeiner chemischen Wirkung der zugefügten Stoffe beruhen, sondern dass sie auf die veränderten physikalischen Eigenschaften, speciell auf den veränderten osmotischen Druck des umgebenden Mediums zurückzuführen sind. Daraus geht aber hervor, dass der normale Entwicklungsgang der Seeigeleier an das Verhältnis gebunden ist, welches normalerweise zwischen dem osmotischen Druck innerhalb und außerhalb der Larven existirt. Ob dieses Verhältnis in der normalen Entwicklung immer ein derartiges ist, dass sich der Flüssigkeitsinhalt des Larvenkörpers zu jeder Zeit mit dem umgebenden Medium im osmotischen Gleichgewicht befindet, ob vielleicht auf der einen Seite ein konstanter kleiner Überdruck vor- handen ist, — wobei wieder zwei Fälle zu unterscheiden wären, nämlich ob derselbe sich innerhalb oder außerhalb des Larvenkörpers vorfindet — oder ob endlich das Verhältnis in gesetzmäßiger Weise periodischen Schwankungen unterworfen ist, so dass z. B. in einem bestimmten Moment der Entwicklung der osmotische Druck im Inneren des Larvenkörpers etwas geringer ist als außerhalb, diese Möglich- keiten müssen wir vorläufig dahingestellt sein lassen. Bei den beiden letzten der aufgezählten Möglichkeiten wäre es vielleicht nicht ausge- schlossen, gewisse Bildungen in der normalen Entwicklung, z. B. die Einstülpung des Urdarmes durch eine Verschiedenheit des osmotischen Druckes innerhalb und außerhalb des Larvenkörpers zu erklären. Wir wollen an dieser Stelle darauf verzichten, näher auf diesen interessanten Punkt einzugehen. Eben so seieiner späteren Arbeit vorbehalten, wie nun im Einzelnen der Entwicklungsgang der Lithiumlarven durch eine Veränderung des 508 Curt Herbst, osmotischen Druckes des umgebenden Mediums zu erklären sein wird. Es sei jedoch gleich jetzt betont, dass ich nicht glaube, dass es sich bei der Bildung der Lithiumlarven um eine einfache mechanische Aus- stülpung des Urdarmes handelt, die vielleicht durch einen höheren Druck im Inneren des Blastocoels verursacht wird, sondern vielmehr der Meinung zuneige, dass das physikalische Agens, der os- motische Druck, als Reiz auf die Zellen des Larven- körpers einwirkt, so dass dessen Wachsthumsvorgänge in andere Bahnen gelenkt werden, die freilich immer noch eine gewisse Abhängigkeit von dem normalen Ent- wicklungsgang zeigen. Und wie würde ferner in kurzen Rissen die specielle Erklärung für die Entstehung der Kaliumlarven durch den veränderten osmotischen Druck des umgebenden Mediums zu geben sein’? Wir müssen hierbei zunächst beachten, dass eine Lösung, welche z. B. 90 Theile Seewasser und 10 Theile einer 3,7°/,igen KBr-Lösung enthält — vollkommen undurchlässige Membranen vorausgesetzt —, offenbar einen geringeren osmotischen Druck als reines Seewasser ausüben würde, da wir so zu sagen in der betreffenden Lösung 1/;o des gesammten Salzgehaltes durch eine gleiche Menge Bromkalium er- setzt haben, dessen Molekulargewicht gerade doppelt so groß ist, als der des Hauptbestandtheiles des Meerwassers, des Chlornatriums'; und wir sahen oben, dass der osmotische Druck gleichprocentiger Lösungen mit Zunahme des Molekulargewichtes des in Lösung befind- lichen Stoffes abnimmt. Nach den vorstehenden Erörterungen scheint es nun, als müsse man die Gestalt der Kaliumlarven durch eine Verminderung des os- motischen Druckes erklären. Ich glaube jedoch, dass dies unmöglich ist, und zwar erstens desswegen, weil ich mit Kaliumsalzen auch die betreffende Larvenform erhalten habe, wenn ich sie in festem Zustande direkt zum Meerwasser setzte, wodurch natürlich die Koncentration und in Folge dessen auch der osmotische Druck desselben zunahm. Zweitens müsste man — bei der Richtigkeit obiger Ansicht — auch dann Kaliumlarven bekommen, wenn man das Meerwasser durch Wasserleitungswasser verdünnt, wodurch natürlich auch der osmotische Druck verringert wird. Man kann jedoch selbst 18°/, Süßwasser — so fern es kalkhaltig ist (cf. p. 458) — zum Seewasser fügen, ohne dass der normale Entwicklungsgang irgendwie gestört würde. Die 1 Von den übrigen, im Meerwasser enthaltenen Substanzen, deren Menge na- türlich auch um 1/ıo vermindert wird, können wir absehen. Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. 1. 509 Entstehung der Kaliumgestalt kann also nicht durch eine Verminderung des osmotischen Druckes des umgebenden Mediums erklärt werden. Da wir nun aber in Kapitel IV gesehen haben, dass bei der Wirkung der Kaliumsalze doch der osmotische Druck im Spiele zu sein scheint, so kann die erhaltene Veränderung der Larvenform nur durch eine Vermehrung desselben hervorgerufen worden sein. Eine Salzlösung kann aber nur dann einen größeren osmotischen Druckwerth aufweisen als eine gleichprocentige Lösung eines Salzes mit kleinerem Molekulargewicht, wenn die verwendete Membran für den Stoff der letzteren mehr durchlässig ist als für den der ersteren. Ich glaube nun, dass dies in unserem Falle zutrifft, und dass also das Chlornatrium ohne Weiteres in das Innere der Zellen des Larvenkörpers gelangt, während dies vielleicht mit den Kaliumsalzen in geringerem Maße, und mit den Rubidium- und Caesiumsalzen noch weniger der Fall ist. Letztere werden also das osmotische Verhältnis zwischen dem Flüssigkeitsinhalt der Larvenkörper und dem umgebenden Medium stören, mögen sie nun direkt als Salze zum Meerwasser gesetzt werden, oder mag man eine 3,7°/,ige Lösung von ihnen in verschiedenen Quantitäten zu demselben fügen. Was nun die specielle Erklärung der Kaliumgestalt anbetrifft, so hatten wir bereits in Kapitel I gesehen, dass dieselbe durch eine Störung der Stoffwechselvorgänge bedingt ist, von denen die Skelett- bildung abhängt. Wir können nunmehr einen Schritt weiter gehen und sagen, dass diese Störung wahrscheinlich keine chemische Wir- kung der zugefügten Stoffe ist, sondern auf einer physikalischen Eigen- schaft derselben, nämlich auf ihrem Wasseranziehungsvermögen, resp. ihrem osmotischen Druck beruht. Die Kalknadelbildungszellen scheinen also zur Abscheidung des Kalkgerüstes einer gewissen Menge Wasser zu bedürfen, welches ihnen aber in größerem oder geringerem Maße von den Salzmolekülen entzogen wird. Die Bildung der Kalium- larven durch zu dem Meerwasser gefügte Substanzen scheint also — kurz zusammengefasst — aufeiner durch Wasserentziehung bedingten Störung der chemischen Processe, welche zur Abscheidung des Kalkes führen, zu beruhen!. 1 Es sei bemerkt, dass diese Erklärung nur Geltung hat für die Entstehung der Kaliumlarven,, welche durch Zusatz irgend welcher Salze zu dem Meerwasser erzeugt worden sind. Es soll damit keineswegs gesagt sein, dass nicht auch auf anderem Wege Kaliumlarven erzielt werden können. So sahen wir ja, dass man auch dann die betreffende Larvenform erhält, wenn man den Larven zum Theil den ihnen unentbehrlichen Kalk entzieht; selbstverständlich werden dadurch die Stoffwechselvorgänge, welche zur Abscheidung des Kalkgerüstes führen, erst recht gestört. 510 Curt Herbst, Vorstehende Ansicht scheint mir die Thatsachen am besten zu er- klären, aber ich verschweige mir nicht, dass sie manches Hypothetische enthält, zumal man durch sie unabweislich zu der Annahme geführt wird, dass auch die Aufnahme der Natrium- und der anderen im Meere enthaltenen Salze von Seiten der Körperzellen der Larven an gewisse Grenzen gebunden ist, die weder nach oben noch nach unten über- schritten werden dürfen, falls die normale Entwicklung der Larven nicht alterirt werden soll. Geschieht dies doch, so kann man auch mit Natrium- und Magnesiumsalzen Kaliumlarven erhalten, wie wir dies in Kapitel I gesehen haben. Dass wir Kaliumlarven nur mit NaNO, und NaJ erhalten haben, mag daran liegen, dass wir bei den anderen Natriumsalzen die richtige Koncentration nicht getroffen haben. Ein näheres Eingehen auf diesen Punkt würde uns nicht nur zu weit, son- dern auch auf ein Gebiet führen, dessen Grund und Boden noth- wendigerweise noch sehr unsicher ist; da wir weder wissen, welche Salze für den Aufbau der Seeigellarven unbedingt nothwendig sind, noch in welchem Verhältnis dieselben vorhanden sein müssen und vor- handen sein dürfen. Es bliebe nunmehr noch übrig, uns über die specielle Ursache der in Kapitel II beschriebenen Hypertrophie des Wimperschopfes zu äußern. Wir müssen jedoch gestehen, dass wir uns hier vollkommen im Unge- wissen befinden, da es absolut nicht zu sagen ist, ob die betreffende Bildung einer chemischen Wirkung des zugesetzten Chlorkaliums zu- zuschreiben ist, oder ob die veränderten physikalischen Eigenschaften des umgebenden Mediums als Reiz auf die betreffende Stelle der Körper- wand gewirkt und so deren Hypertrophie veranlasst haben. Wir sind am rechten Orte, wenn wir uns nach diesen Erörte- rungen nunmehr der Frage nach der Abhängigkeit der Gestalt eines Organismus von seiner chemischen Zusammensetzung zuwenden, die wir in der Einleitung zu vorstehenden Untersuchungen aufgeworfen haben. Da sich nun durch meine Untersuchungen herausgestellt hat, dass die morphologischen Veränderungen, welche man durch Veränderung der chemischen Zusammensetzung des umgebenden Mediums an den Seeigellarven erzielen kann, — vielleicht nur von dem hypertrophisch entwickelten Wimperschopf abgesehen — nicht auf eine chemische Wirkung der zugesetzten Salze, sondern auf die veränderten physika- lischen Eigenschaften des Meerwassers zurückzuführen sind, so ist klar, Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere. I. 511 dass diese Resultate keine Antwort auf die aufgeworfene Frage zu geben gestatten. Wenn wir wiederum von der, durch Chlorkalium herbeigeführten mächtigen Entwicklung des Wimperschopfes absehen, so könnte uns höchstens eine Thatsache aus der Wirkungsweise der Lithiumsalze dazu führen, bei der Entstehung der Lithiumlarven wenigstens an eine theil- weise chemische Wirkung dieses Metalls zu denken; dies ist nämlich die Ausnahmestellung, welche dasselbe bei mir einnimmt, denn es gelten zwar die Regeln des osmotischen Druckes zwischen seinen ein- zelnen Salzen einbasischer Säuren, aber nicht zwischen diesen und den Natrium- resp. Kaliumverbindungen. Man könnte also vielleicht doch an eine specifisch chemische Wirkung des Lithiums denken, aber ich glaube — wie dies bereits oben erörtert wurde —, dass sich die be- treffende Abweichung viel besser dadurch erklären lässt, dass die Zellen der Larven für die Salze von verschiedenen Metallen in ver- schiedener Weise durchlässig sind, und dass speciell die Lithiumsalze überhaupt nicht in das Innere der Zellen gelangen, wodurch dieselben natürlich einen höheren osmotischen Druck auszuüben vermögen als äquimolekulare Mengen von Salzen, welche leicht von den Zellen aufge- nommen werden (vgl. hierzu p. 505). Man könnte danach vielleicht geneigt sein, überhaupt eine experi- mentelle Prüfung der obigen Frage für unmöglich zu halten, da es nicht gelingen könne, die chemische Zusammensetzung eines Organismus künstlich zu verändern, ich muss jedoch darauf erwiedern, dass mir dies doch möglich zu sein scheint. Hierfür scheint mir z. B. eine Beob- achtung von W. Knop zu sprechen, welche Roux (29) in seiner Schrift über den »Kampf der Theile im Organismus« (p. 206) erwähnt. Knop vertauschte nämlich bei Maispflanzen die schwefelsaure Magnesia der Nahrung durch unterschwefelsaure Magnesia und konstatirte dabei eine derartige Umänderung des ganzen Blüthenstandes, welche zugleich mit einer Veränderung der Blüthen selber Hand in Hand ging, dass der charakteristische Maiskolben bei den meisten Pflanzen überhaupt nicht entstand!. Andere und zwar anscheinend die besten Beweise für die Möglichkeit, die Gestalt eines Organismus durch die Veränderung seiner chemischen Zusammensetzung zu modificiren, scheinen uns die von den verschiedensten Thieren an den verschiedensten Pflanzen erzeugten Gallenbildungen zu liefern, die oft die wunderbarsten Formen und die merkwürdigsten Organisationsverhältnisse aufweisen 2. 1 Citirt nach Roux |. c. p. 206. 2 Zusammenfassende Darstellungen über Gallenbildungen findet man in FranK’s Krankheiten der Pflanze, Breslau 1880, ferner in der Schrift von K. Eck- 512 Gurt Herbst, Es ist wohl nach den Untersuchungen von Harrıc, Anrer, Horr- MEISTER und BEYERINcK als sicher anzunehmen, dass die Entstehung dieser mannigfachen Gebilde durch Stoffe bedingt wird, welche ent- weder vom Mutterthier mit dem Ei in das junge Pflanzengewebe einge- führt oder von dem sich entwickelnden Embryo ausgeschieden werden. Durch die von den Gallenthieren ausgeschiedenen Stoffe wird also das Protoplasma der jungen Zellen in einer Weise verändert, dassaus demselben ganz andere Bildungen hervorgehen, als dies normalerweise ge- schehen würde. Das Wachsthum der beeinflussten Zellen ist also durch die betreffenden Stoffe in ganz andere Bahnen gelenkt worden; eine Thatsache, die für die cau- sale Morphologie von der allergrößten Bedeutung ist und die uns zugleich auf die Abhängigkeit der Gestalt eines Organismus von seiner chemischen Zusammensetzung, auf die Abhängigkeit der Form vom Stoffe hinzuweisen scheint; denn was liegt näher als die Annahme, dass durch die Aus- scheidungen der Gallenthiere die chemische Konstitution des Protoplasmas der betreffenden Zellen verändert wird!? Es ist das große Verdienst v. Kraner’s im zweiten Bande seines Pflanzenlebens mit klaren Worten auf die Bedeutung der Gallen- bildungen für die Entstehung der Formen hingewiesen zu haben. Für ihn sind dieselben ein Beweis dafür, »dass jeder Gestalt eine specifische Konstitution? des Protoplasmas zu Grunde liegt und dass eine Änderung der Gestalt einer Pflanze nur dann stattfindet, wenn vorher die Konstitution jenes Proto- plasmas verändert wird, welches für die betreffendePflanze den Ausgangspunktbildet3«. | STEIN: Pflanzengallen und Gallenthiere, Leipzig 4894. Die beste und gedanken- reichste Darstellung findet sich aber in Kerner’s Pflanzenleben Bd. II. p. 520—546. Vergleiche endlich auch T». BıLLroru »Über die Einwirkungen lebender Pflanzen- und Thierzellen auf einander«. Wien 1890. 1 WıEsnER (36) hält »die Bildung der Pflanzengallen nicht für einen durch bloß chemisch wirkende, ungeformte Substanzen hervorgebrachten, sondern für einen durch Vermittlung lebender Substanz vollzogenen Organisationsprocess«; er nimmt an, » dass Keimplasma aus dem Insektin die gallenbildende Pflanze eindringt und hier eine bis jetzt nicht beachtete symbiotische Anlage bewirkt«!! Diese merk- würdige Annahme hat nicht nur keinen Beweis für sich, sondern sie steht auch in direktem Widerspruch zu den Angaben der oben erwähnten Gallenforscher. 2 Unter »specifischer Konstitution « versteht Kerner nicht nur die chemische Zusammensetzung, sondern auch einen specifischen micellaren Aufbau des Proto- plasmas. cf. Pfllanzenleben Bd. I. p. 530 und Bd. II. p. 487. 3 Ob der letzte Theil dieses Satzes in seiner vollen Ausdehnung aufrecht zu erhalten sein wird, mag vorläufig dahingestellt bleiben. Experimentelle Untersuchungen ete. auf die Entwicklung der Thiere, I. 513 So wohl begründet nun auch nach den vorstehenden Erörterungen die Ansicht zu sein scheint, dass die Gestalt eines Organismus — wenn auch nicht ausschließlich, so doch zum Theil — von seiner stofflichen Zusammensetzung abhängig ist, und so wahrscheinlich mir dieselbe auch vorkommt, so sei doch betont, dass ich sie nicht für vollkommen ausgemacht halte und die Möglichkeit zugestehe, dass die Gallenbildung schließlich doch durch andere Umstände veranlasst werden kann als durch die veränderte chemische Zusammensetzung der betreffenden Pflanzenzellen. Um uns vor Einseitigkeit zu schützen, wollen wir uns in Folge dessen stets an die Worte Prerrer’s (25) erinnern, dass » — wenn wir die Bedeutung der stofflichen Qualitäten für die Gestaltung im Organismus bemessen wollen — wir auch nicht vergessen dürfen, dass mit demselben Messingstück Apparate sehr verschiedener Art gebaut werden können, die in specifischer Weise arbeiten«!. Am Schlusse unserer Untersuchungen angelangt, halte ich es für gut noch mit kurzen Worten auf die Bedeutung und den Zweck experimenteller entwicklungs- geschichtlicher Untersuchungen? hinzuweisen, zumal da dieselben von den Einen in ihrem Werthe über- schätzt, von den Andern jedoch als eine nette Spielerei angesehen wer- den, die Spaß macht, aber keinen Sinn hat. Beide Parteien seien also hiermit darauf hingewiesen, dass derartige Arbeiten wie die vor- stehende zunächst das Ziel im Auge haben, die Bedingungen für die normale Embryonalentwicklung festzustellen und den ganzen Ent- wicklungsprocess analytisch in einzelne Komponenten zu zerlegen, um allmählich eine causale Auffassung der Ontogenie anzubahnen, von der wir bekanntlich gegenwärtig himmelweit entfernt sind. Und auf welchem Wege gelangen wir nun zu diesem uns vor- schwebenden Ziele? Ich halte es für selbstverständlich, dass hierzu zunächst ein analytisches Denken über die betreffende Frage noth- wendig ist, und dass man dann daran gehen muss, die Resultate dieses Denkprocesses auf experimentellem Wege zu prüfen. So waren wir z. B. durch Nachdenken vor die Frage gestellt worden, ob die Gestalt eines Organismus abhängig von seiner stofflichen Zusammensetzung ist, 1 Damit ist also gemeint, dass auch bei gleicher stofflicher Zusammenselzung doch ein Organismus in der Gestalt von einem anderen abweichen kann, wenn seine » Micellarstruktur « eine andere ist. 2 Vgl. hierzu die theoretischen Erörterungen von Rouvx (Beiträge zur Ent- wicklungsmechanik des Embryo I und die Entwicklungsmechanik der Organis- men etc.) und von DrizrscH (Entwicklungsmechanische Studien No. 6). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV, Bd. 3% 514 Curt Herbst, und hatten geglaubt, dass man diese Frage vielleicht lösen könne, in- dem man die chemische Zusammensetzung des umgebenden Mediums ändert. Das Resultat unserer Untersuchungen war, dass wir die auf- geworfene Frage zwar unentschieden lassen mussten, dagegen jedoch eine andere wichtige Bedingung aufdecken konnten, nämlich diese, dass der normale Ablaufder Ontogenie von dem Verhältnis des osmotischen Druckes innerhalb und außerhalb des Larvenkörpers abhängig ist. Wird dieses Verhältnis gestört, so wird der Entwicklungsgang in andere Bahnen gelenkt und die aus den Eiern sich entwickelnden Larven weichen in Folge dessen in größerem oder geringerem Grade von den normalen Larvenstadien ab. Die künstliche Erzeugung von anormalen Larvenformen ist aber für uns von ganz besonderer Wichtigkeit, weil es für uns viel leichter möglich ist, die Ursachen, denen dieselben ihre Entstehung verdanken, klar zu erkennen. Gesetzt den Fall, es wäre uns dies ganz oder wenigstens zum Theil gelungen, so wäre uns zugleich auch die Möglich- keit geboten, ein Verständnis vom normalen Entwicklungsgang zu erhalten, indem wir von den Ursachen der künstlich erzeugten Larven- formen auf die der normalen zurückschließen können. Der Weg ist lang und erfordert viele Mühe, er wird uns jedoch sicher dem gesteckten Endziel entgegenführen, d. h. einer causalen Auffassung der Ontogenie. Vorstehende Untersuchungen wurden zum größeren Theile an der Zoologischen Station zu Neapel, zum kleineren an der K.K. öster- reichischen Zoolog. Station zu Triest angestellt. Der Königlich Preu- Bischen Akademie der Wissenschaften in Berlin, dem K. K. öster- reichischen Ministerium für Kultus und Unterricht , sowie Herrn Prof. Dr. Craus in Wien meinen ergebensten Dank für die gütige Überlassung eines Arbeitsplatzes an den betreffenden Stationen! Schließlich erlaube ich mir noch den Herren an der Zoologischen Station zu Neapel, und Herrn Inspektor GraArFFE in Triest meinen auf- richtigsten Dank für ihr freundliches Entgegenkommen und ihre Unter- stützung durch Rath und That auszusprechen. Zürich, im Juli 4892. = Q® SI 40, Experimentelle Untersuchungen etc. auf die Entwicklung der Thiere, 1. 515 Litteraturverzeichnis. . P. Bert, Sur les phenome£nes et les causes de la mort des animaux d’eau douce que l’on plonge dans l’eau de mer. Compt. rend. d. l’Ac.d. sc. 1874. p. 394 u. 464. Ta. Bıturot#, Über die Einwirkungen lebender Pflanzen und Thierzellen auf einander. Wien 1890. ‚ DoNDERS u. HAMBURGER, Onderzoekingen gedaan in het physiologisch Labora- torium der Utrechtsche Hoogeschool IX, 26. H. Driesc#, Entwicklungsmechanische Studien. Nr, I. Diese Zeitschr. Bd. LII. p. 160. —— Entwicklungsmechanische Studien Nr. IV u. VI. Ibidem. Bd. LV. K. Eckstein, Pflanzengallen u. Gallenthiere. Leipzig 1894. A. B. Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. Breslau 1880. H. J. Hausurcer, Über den Einfluss chemischer Verbindungen auf Blutkörper- chen im Zusammenhange mit ihren Molekulargewichten. Arch. f. Physio- - logie v. E. nu Bois-Reymonnd. Jahrgang 1886. p. 476. —— Über die durch Salz- und Rohrzuckerlösungen bewirkten Veränderungen der Blutkörperchen. Ibidem. Jahrgang 1887. p. 31. —— Die Permeabilität der rothen Blutkörperchen im Zusammenhange mit den isotonischen Koefficienten. Zeitschr, f. Biologie Bd. VIII d. neuen Folge 4890. p- 44. . R. HEIDENHAIN, Versuche und Fragen zur Lehre von der Lymphbildung. PFLügEr’s Archiv Bd. XLVII 4894. . 0.u. R. Herrwig, Über die Befruchtungs- u, Theilungsvorgänge des thierischen Eies unter dem Einfluss äußerer Agentien. Jena 1887. . E. Hırscumann, Über die Reizung motorischer Nerven durch Lösungen von Neutralsalzen. PrLüger’s Archiv Bd. XLVII. 1891. . H.J. van’ Horr, Die Rolle des osmotischen Druckes in der Analogie zwischen Lösungen und Gasen. 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Buchstabenerklärung. 0, After: bl, Blastula; cs, Coelomsäcke (Vasoperitonealblasen) ; de, Darmeinstülpung; ea, Endausstülpung des Urdarmes; ed, Enddarm; eh, Eihaut; ga, Gastrulawandabschnitt; hlb, helle Blase = übrig gebliebene Cuticula (die lebende Substanz hat sich daraus zurückgezogen) ; hw, Homologon des Wimperringes; kg, Kalkgerüst; kumk, knopfartige Verdickung der Mundkuppel; kvws, knopfartige Verdickung des Wimperschopfes; m, Mund; Experimentelle Untersuchungen ete, auf die Entwicklung der Thiere. 1. 517 md, Mitteldarm ; mk, Mundkuppel; mz, Mesenchymzellen; p, Pigment; rf, Rest des Furchungszellenmaterials; sa, seitliche Ausstülpung des Urdarmes; ua, Urdarmabschnitt; ud, Urdarm ; vd, Vorderdarm; vst, Verbindungsstück ; vws, Verdickung des Wimperschopfes ; wr, Wimperring; ws, Wimperschopf; wv, warzige Verdickung am animalen Pole der Blastula; zr, Zellenrosette am Ende des Urdarmabschnittes. Tafel XIX und XX. Fig. 4. Eckige Gastrula mit Wimperschopf und Kalkgerüstanlage von Echinus microtuberculatus. Zeıss Oc. II, Obj. C. Zeichenapparat. Fig. 2. Anfangsstadium der Pluteusbildung von Echinus microtuberculatus. Fig. 3. Pluteus mit vier Armen von Strongylocentrotus lividus. Zeiss Obj. C, Oc. II. Zeichenapparat. Fig. 4. Pluteus von Strongylocentrotus lividus von der Seite gesehen, um die »Mundkuppel« (mk) zu zeigen. Fig. 5—7. »Kaliumlarven « von behind granularis. Fig.5 au.b. Zwei Kaliumlarven in verschiedener Stellung mit rudimentärem und anormal angelestem Kalkgerüst. Sie stammen aus einer Kultur vom 25. Januar 1892, welche mit 1500 ccm Seewasser + 45 g Mg SO, (als Salz!) angesetzt worden war. Gezeichnet am 4. Februar. Fig. 6. Eine Kaliumlarve aus derselben Kultur wie 5a u. b mit knopfartiger Verdickung über dem Munde. Fig. 7a u. b. Zwei Kaliumlarven ohne jedeSpur von Kalkgerüst aus einer Kultur vom 25. Januar 1892, welche mit 4860 ccm Seewasser und 140 ccm 3,7%/giger KNO;-Lösung angesetzt worden war. Gezeichnet am 3. Februar. Fig. 8. Ein Verwachsungszwilling aus einer Kultur vom 34. Januar 1892, welche mit 4750 ccm Seewasser und 250 ccm 3,70%/,iger CaClg-Lösung angesetzt worden war. Gezeichnet am 13. Februar. | Fig. 9a—d. Blastulae in der Eihülle, welche nur aus einem Theil des Furchungszellenmaterials hervorgegangen 'sind. Die betreffende Kultur enthielt 4000 ccm Seewasser, denen 6 g KBr (als Salz) zugesetzt worden waren. Fig. 40 a—e. Larven von Echinus microtuberculatus mit verdicktem Wimper- schopf. Davon ist Fig. 1056 sekundär des Darmes verlustig gegangen; A0c besitzt einen bereits etwas reducirten Urdarm, der sekundär nach außen hervorgetreten ist (Absterbungserscheinung) ; Fig. 40e besitzt um das Urmundfeld herum einen Wimperkranz, aus welchem dasselbe etwas nach außen hervorgestülpt ist. Fig. a«—d stammen aus einer Kultur vom 43. April 1894, welche auf 400 ccm Seewasser 1/9 g KCl enthielt. Gezeichnet am 19. April. Fig. 10e stammt aus einer Kultur vom 1 Nicht wasserfrei. 518 Curt Herbst, Experimentelle Unters. etc. auf die Entwicklung der Thiere. I. 3. April, welche in 100 ccm Flüssigkeit 20 ccm 30/yige KCl-Lösung enthielt. Ge- zeichnet am 8. April. Fig. 44. Eine Absterbungserscheinung. Die lebende Substanz hat sich aus einem Theil des Larvenkörpers zurückgezogen; der leere Theil hebt sich blasig von der dunklen Larve ab. Fig. 42. Schemata zur Illustrirung des typischen Entwicklungsganges der Lithiumlarven. 12a—e beziehen sich auf Sphaerechinus granularis; 12 d,—f, auf Echinus microtuberculatus. Die Blastula 42a weist noch nicht den typischen Wimperschopf am animalen Pole auf. er x Fig. 13 a—f. Verschiedene Lithiumlarven von Sphaerechinus aus einer Kultur vom 29. Oktober 1891. Gezeichnet am 4. November. Im Gefäß waren enthalten 1950 ccm Seewasser und 50 ccm 3,70%/yige LiCl-Lösung. Die Figuren sollen die ver- schiedenen Größenverhältnisse des Gastrulawandabschnittes zeigen. In A3e ist derselbe auf einen ganz kleinen Knopf beschränkt, in 43 ist er überhaupt nicht mehr vorhanden. Fig. 44 a—g. Verschiedene Larven von Echinus microtuberculatus aus einer Kultur vom 44. Februar 1892. Gezeichnet am 47. Februar. Das Kulturgefäß ent- hielt 1940 ccm Seewasser und 60 ccm 3,7°/yige LiCl-Lösung. Die Figuren illustri- ren die verschiedenen Größenverhältnisse des Verbindungsstückesund des Gastrula- wandabschnittes. In den Fig. 14e—g bilden beide Theile zusammen eine einheit- liche Blase. Fig. 45a—d. Vier verschiedene Larven von Echinus microtuberculatus aus einer Kultur vom 44. Februar 1892. Das Gefäß enthielt 1950 ccm Seewasser und 50 ccm 3,70/yige LiCl-Lösung. Gezeichnet am 16. Februar. In 15a Wand des Gastrulawandabschnittes noch gleich dick. Beachte die Breite des Verbindungs- stückes in Fig. 45a, b u. d im Gegensatz zu Fig. 135db,c u. du. zu Fig. A6gu.h. Zeiss Obj. G. Oc. Il. Zeichenapparat. Fig. 46a—b. Verschiedene Lithiumlarven von Sphaerechinus aus einer Kul- tur vom A. Oktober 4894. Gezeichnet am 4. u. 5. Oktober. In dem Kulturgefäß waren enthalten 2000 ccm Seewasser u. 400 ccm 3°/,ige LiBr-Lösung (in Aqua destillata). An den Figuren ist das Homologon des Wimperringes (hw) gut zu sehen. Beachte die seitlichen Ausstülpungen des Urdarmabschnittes in Fig. 16d, fu. h. Fig. 47 a—g. Verschiedene Lithiumlarven von Echinus microtuberculatus mit Darm aus einer Kultur vom 12. Februar 1892. Gezeichnet am 49. Februar. Zeıss Obj. A, Oc. II. Zeichenapparat. In dem Kulturgefäß waren enthalten 1920 ccm Seewasser und 80 cem 3,70/yige LiBr-Lösung. Fig. 18a—g. Verschiedene Verwachsungsstadien von Sphaerechinuslarven aus einer Kultur vom 29. October 4894, welche 1950 ccm Seewasser u. 50 ccm 3,7%/yige LiCl-Lösung enthielt. Gezeichnet am 4. November. Die Entwicklung der Wirbelsäule der Elasmobranchier. Dritte Abhandlung über die Entwicklung | der Wirbelsäule. Von C. Hasse. (Aus der anatomischen Anstalt zu Breslau.) Mit Tafel XXI. Die Wirbelsäule der Elasmobranchier ist häufig Gegenstand der Untersuchung gewesen, und die Forscher haben sich seit den Zeiten J. Mürter’s mit Vorliebe dieser Thierabtheilung zugewandt und aus dem Bau und der Entwicklung derselben in stammesgeschichtlicher Bezie- hung weitgehende Schlussfolgerungen gezogen. Ich selber habe in meinem großen Werke: »Das natürliche System der Elasmobranchier «! und »Beiträge zur allgemeinen Stammesgeschichte der Wirbelthiere«? die Wirbelsäule dieser Thiere benutzt, um nicht allein mit Hilfe der- selben, sondern auch unter Heranziehung anderer bekannter Organi- sations- und Entwicklungsverhältnisse die Systematik und die Stammes- geschichte der einzelnen Vertreter derselben auf eine sichere Grundlage zu stellen, und zwar in der zuerst durch Gzernsaur angebahnten Er- kenntnis, dass diese in vielen und wichtigen Dingen auf einer niederen Entwicklungsstufe stehengebliebenen Wirbelthiere besser wie andere uns in den Stand seizen, die ursprünglichen Organisationen zu er- kennen. Sie sind dadurch zu einer wahren Fundgrube allgemein mor- phologischer Betrachtungen geworden. Vielfach wurde dabei über das Ziel hinausgeschossen, und es wurde die Bedeutung dieser Thierabthei- lung weit überschätzt, allein die Anregungen auf morphologischem Ge- biete sind darum doch nicht verloren, und eine Fülle von Material zur Lösung verwickelter Probleme ist durch sie geboten worden. Dabei 1 Jena, G. Fischer. 1879—1882. 2 Jena, G. Fischer. 4883. 520 C. Hasse, sind natürlich die Beobachtungen über die Entwicklung in erster Linie von Ausschlag gebender Bedeutung. Rartnke ! ist der Erste, welcher einen Fötus von Squalus mustelus von fast 2 Zoll Länge beschreibt. Der Länge nach durchgeschnitten, zeigte die Wand des Knorpelrohres in kleinen, abwechselnd auf ein- ander folgenden Entfernungen eine schwache Verdickung und Verdün- nung, so dass die.Höhle des Rohres in bestimmten kleinen Abständen immer etwas enger und wieder weiter wurde. (Vertebrale Einschnü- rung.) An einem Fötus von Squalus canicula von 3 Zoll 5 Linien fand Rartake das Knorpelrohr an abwechselnden Stellen schon viel mehr ver- engert und den Wirbelkörpern entsprechend verdickt. Ihm folgt Jon. Mürzer ?. Dieser berühmte Forscher erwähnt, dass man in früherer Zeit und noch ziemlich spät bei dem Fötus der Hai- fische den Wirbelkörper ganz hohl und von einem häutigen Rohr ein- genommen findet, das von Gallerte gefüllt ist (Chorda) und Anfangs ganz gleichförmig dick von vorn bis hinten verläuft. Um die Gallerte befindet sich eine Scheide aus Ringfasern gebildet. Das fibröse, aus Cirkelfasern gebildete Rohr (Chordascheide), welches die Gallerte ent- hielt, war schon in regelmäßig abwechselnde graue und schmälere helle Ringe abgetheilt. Um die Scheide der Gallerte lag eine andere Röhre herum (Wirbelkörperantheil der Bogen), welche ebenfalls fibrös knorpelig unten jederseits einen leistenartigen Vorsprung bildete, oben aber knorpelige Schenkel abgab, welche sich über dem Rückenmark bogenförmig vereinigten. Diese äußere Schicht ist der eigentliche Sitz der Skelettbildung, nicht die Scheide der Gallerte. Obgleich dieser äußere fibrös knorpelige Theil noch ganz zusammenhängend war, so war er doch schon durch eirkuläre Furchen abgetheilt, so dass man die Spuren der äußerlich um das Rohr sich bildenden Wirbelknorpel deutlich unterscheiden konnte. Merkwürdig ist noch, dass auch die Scheide der Gallerte zwar keine Furchen, aber doch helle und dunkle Abtheilungen zeigte, die jedoch verschwanden, wenn man das Rohr anspannte. In dem Nachtrage zur Osteologie der Myxinoiden wies dann MÜLLER später nach, dassdie eigentliche Scheideder Gallerte bei den Plagiostomen dennoch den Wirbelkörper bilden hilft, und er unterscheidet nun einen centralen und corticalen Theil der Wirbelkörper, von denen der letztere das ganze Leben knorpelig bleibt, während der erstere ossifieirt. Leyvıe ? unterscheidet zuerst die Elastica interna und externa, und ! Beiträge zur Geschichte der Thierwelt. Halle 1827. 2 Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Theil I. 4834. 3 Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Hamm 4857. Die Entwicklung der Wirbelsäule der Elasmobranchier. 521 zwischen beiden die Galiertscheide von J. Mürzer und weist bei einem fast reifen Embryo von Scymnus lichia nach, wie diese in eine Außen-, Mittel- und Innenzone zerfällt. Die zweite nennt er den bindegewebigen Antheil (ceniraler Doppelkegel), während die beiden anderen äußere und innere Knorpellage genannt werden. Ausführlichere Angaben über den Aufbau und man kann eigent- lich wohl sagen über die Entwicklung der Wirbelsäule der Elasmo- branchier macht zuerst Köruiker!. Er unterscheidet ebenfalls die beiden Elasticae und stellt es als wahrscheinlich hin, dass die interna, welche an der Wirbelbildung keinen Antheil hat, ein Abscheidungsprodukt der Chordazellen ist. Die Elastica interna besteht nach ihm aus einem dichten Netzwerk von Fasern, die mit elastischen Fasern ganz überein- stimmen und in ihren ausgeprägtesten Formen sich in nichts von den elastischen Netzhäuten des Menschen unterscheidet. Die Elastica externa erscheint als eine meist homogene Haut, die in der Mehrzahl der Fälle verschieden große Öffnungen besitzt, so dass sie einer gefensterten Haut der Arterien täuschend ähnlich wird. Ihre Stärke variirt von 0,0005 — 0,008’. Zwischen beiden liegt nach ihm die eigentliche Chordascheide. Diese bringt er in genetischen Zusammenhang mit der Ghorda, und sie besteht ursprünglich aus faseriger Bindesubstanz. Die Bogen entwickeln sich in einer außen um diese liegenden Schicht, der skelettbildenden Schicht oder der äußeren Chordascheide. Bei den Plagiostomen bildet sich der Wirbelkörper nun entweder aus der eigentlichen, zwischen den Elasticae gelegenen Chordascheide oder aus dieser und der äußeren skelettbildenden Schicht. Ersteres zeigen die Notidaniden, letzteres mit Übergängen bei den Haien die Rochen, deren vorderste Wirbel aber allein aus der äußeren skelettbildenden Schicht sich bilden. GEGENBAUR? bestätigt die KörLiker’schen Untersuchungen, weicht aber in der Deutung der Theile in so fern von ihm ab, als er beide Elasticae der Amphibien nicht für homolog den beiden Elasticae der Selachier hält, sondern die Elastica externa ist der interna der Elasmo- branchier homolog und die interna eine den Amphibien neu zukom- mende Bildung. Damit fällt auch die Homologie des Intervertebral- knorpels mit der Schicht, welche bei den Haien und Rochen zwischen 1 Über die Beziehungen der Chorda dorsalis zur Bildung der Wirbel der Se- lachier und einiger anderer Fische. Verhandlungen der Würzburger physikalisch- medicinischen Gesellschaft. 1859. 2 Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule bei Amphi- bien und Reptilien. Leipzig 1862. 522 (. Hasse, den Cuticulae liegt. Freilich macht er dabei einen schwachen Versuch der Homologisirung, den er aber in seiner späteren Arbeit! vollkommen aufgiebt. Er rechnet dabei die zwischen den Cuticulae gelegene Masse der Chorda zu, während der Intervertebralknorpel der Amphibien der äußeren skelettbildenden Schicht entstammt. Er hegt dabei die Ver- muthung, dass die Zellen dieser Schicht umgewandelte Chordazellen seien, etwa dem Chordaepithel entstammend. W. Mürrer? fand bei Embryonen von 11 cm Länge von Mustelus auf dem Gallertkörper der Chorda eine allerdings wenig unterschiedene Rindenschicht, die aus ziemlich großen dickwandigen Zellen bestand und nach außen durch einen sehr schmalen, glänzenden, deutlich radiär gestreiften Saum von der anliegenden Cuticularschicht abge- grenzt war. Im Inneren der Chorda zeigt sich das CGhordaband aus schmalen, seitlich abgeflachten, diekwandigen Zellen bestehend. Bei einem 20 cm langen Acanthias-Embryo fehlte die Rindenschicht und die Chorda zeigte beträchtliche Einschnürungen. Später erwähnt er von einem 3 cm langen Acanthias, dass die Rindenschicht vorhanden und um dieselbe eine mattglänzende Hülle befindlich sei. Diese zeigte eine sehr feine, parallele Streifung und an der Dorsalseite Andeutung einer radiären Streifung. Sie ließ nirgends zellige Elemente erkennen und war doppelt lichtbrechend. Bei älteren Acanthias-Embryonen setzte sich die Rindenschicht scharf gegen diese Hülle ab und zwar mit einem glänzenden, stark radiär gestreiften Saum. Somit unterscheidet MüLzzr zwei Cuticularmembranen, von denen die innere der Rinden- schicht der Chorda entstammt, während die äußere von ihm von der skelettbildenden Schicht abgeleitet wird. Er zweifelt ferner nicht daran, dass die skelettbildende Schicht, wie beim Frosch, aus der Adventitia der Aorta stammt. In seinen kritischen Bemerkungen zur Geschichte der Unter- suchungen über die Scheiden der Chorda dorsalis® hält KöLLıkEr daran fest, dass bei den Selachiern die Chorda nur von einer cutieu- laren Hülle, der Elastica interna, umgeben ist. GEGENBAUR* kommt noch einmal auf den Aufbau und auf die Ent- wicklung der Wirbelsäule zurück. Er unterscheidet auf der Chorda i Über die Entwicklung der Wirbelsäule des Lepidosteus mit vergleichend anatomischen Bemerkungen. Jenaische Zeitschr. für Medicin u. Naturwissenschaft. 1867. 2 Über den Bau der Chorda dorsalis. Jenaische Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft. 4874. 3 Verhandlungen der Würzburger physikalisch-medicinischen Gesellsch. 4872. 4 Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 3. Heft. Leipzig 1872. dt, Die Entwicklung der Wirbelsäule der Elasmobranchier. 929 bei 20—24 mm langen Acanthias-Embryonen die epithelartige Rinden- schicht, welche, wie er bereits früher hervorhob, eine cuticulare Um- hüllungsmembran absondert. Sie zeigt eine koncentrische Schichtung und eine feine senkrechte Streifung, Die äußerste Schicht derselben ist scharf kontourirt mit dem Anflug einer gelben Färbung. Um diese Hülle der Chorda befindet sich indifferentes Gewebe, die Anlage der Bogen. Aus dieser differenzirt sich eine ringförmige, die zellhaltige Hülle um die Chorda, welche nach außen durch eine feine Quticular- membran (Elastica externa) abgegrenzt ist und auf der erst die knorpe- ligen Bogen aufsitzen. Diese aus der skelettbildenden Schicht ent- standene, zellhaltige Chordascheide ist nicht mit der Chordascheide der Störe zu homologisiren, die nach ihm in allen Theilen der Chorda entstammt. Cartier! beschränkt seine Schilderung lediglich auf die vertebrale Einschnürung der Wirbelkörper der Plagiostomen und auf den Zu- sammenhang derselben mit der Trennung der skelettbildenden Schicht in drei Lagen. Seine Beobachtungen gehen nicht über die seiner Vor- gänger hinaus. Barrour? dagegen verbreitet sich ausführlich über die Entwick- lung der Chorda und ihrer Scheiden. In der frühesten Periode besteht die Chorda aus senkrecht gestellten Zellen mit Dotterkörnern und einer, vielleicht auch mehreren Vacuolen. Rings um die Rückensaite erstreckt sich eine gesonderte dünne, cuticulare Scheide. Allmählich häufen sich die Zellen im Centrum an, und es bildet sich ein größeres protoplasmatisches Lager, in welches später vom Centrum aus Kerne mit etwas Protoplasma wandern. In dieser Zeit bildet sich ein Zell- lager in Beziehung zu der cuticularen Scheide. Die cuticulare Scheide der Ghorda wächst dabei an Dicke. Die Zellen, welche die bleibenden Wirbel zu bilden bestimmt sind (skelettbildende Schicht), sind zuerst segmental angeordnet wie die Muskelplatten. Diese Segmentirung ver- schwindet bald und dann bildet das Gewebe der Wirbelsäule eine zu- sammenhängende Bekleidung der Rückensaite, welches nicht von dem benachbarten Bindegewebe unterschieden werden kann. Unmittelbar die Chorda umgebend beobachtet man eine einfache Reihe von Zellen, welche indess nicht besonders ausgeprägt ist. Dann erscheinen vier besondere Anhäufungen mesoblastischen Gewebes, zwei dorsale und zwei ventrale. Dieselben sind aber unsegmentirt und bilden vier Leisten an den Seiten der Chorda. Sie sind mit einander durch ein 1 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule. Diese Zeitschr. Bd. XXV. Suppl. 1872. 2 Development of Elasmobranch Fishes,. London 4878, 1 ERNNN 524 Ü. Hasse, lockeres Gewebslager verbunden und die Anlagen der Neur- und Hämapophysen. Sie wachsen und werden deutlicher und nehmen den Charakter embryonalen Knorpels an. Gleichzeitig hat sich um die Chordascheide ein besonderes Gewebslager gebildet. Es wächst schnell an Dicke und wird dann von einer besonderen Membran (Elastica externa) umgeben und von dem benachbarten Bogengewebe getrennt. Die weiteren Veränderungen der Bogentheile bieten kein weiteres Interesse, wohl aber möchte ich hervorheben, dass BALFOUR an der Cuticularscheide der Chorda (Elastica interna) eine besondere Membran unterscheiden konnte, welche gewöhnlich fest mit ihr zu- sammenhing, allein zuweilen von ihr getrennt werden konnte. Gosrrtrz !, welcher eine ganze Anzahl Embryonen von Haien und Rochen untersuchte, unterscheidet nach außen von der Rindenschicht des Gallertkörpers und mit dem letzteren innig verbunden eine homo- gene und durchsichtige, nach außen durch einen scharfen Saum be- grenzte Haut von I—2 mm Dicke und ohne jede Spur einer Durch- löcherung. Sie ist ein Erzeugnis der Rindenschicht der Rückensaite. Eine nach außen davon befindliche Cuticularmembran vermochte er nicht wahrzunehmen, dagegen sah er eine zellenfreie Zone der skelett- bildenden Schicht. Diese zellenfreie Schicht fand sich aber nicht bei allen Haifischembryonen, und sie kann überhaupt später durch Vor- rücken der Zellen der skelettbildenden Schicht schwinden. Um die Wirbelsaite und ihre Guticula befindet sich eine Zellschicht, welche von den Bögen geschieden ist und sich als eine der Chordaoberfläche angepasste Röhre darstellt, die äußere zellige Chordascheide. Bei seinen jüngsten Seyllium-Embryonen von 23 mm fand er rundum auf der ganzen cuticularen Chordascheide eine einfache Zellenlage, welche sich jedoch nur dadurch von dem angrenzenden lockeren Bindegewebe abhob, dass ihre Zellen sich unter einander berührten, also eine haut- artige, aber nach außen noch nicht abgesonderte Schicht bildeten. Sie ist sicherlich eine Verdichtung jenes alle Hauptanlagen des Em- bryo gleicherweise umhüllenden Bindegewebes an der Oberfläche der Wirbelsäule. An den wenig älteren Embryonen von 27 mm lag an derselben Stelle eine ungefähr eben so dicke, 2—4 mm dicke Gewebs- schicht, welche aber auf Querschnitten nach außen durch einen sehr scharfen, bei starker Vergrößerung doppelt kontourirten Saum, den Ausdruck einer feinen Cutieula (Elastiea externa aut.) glatt abgeschlossen erschien. Diese äußere Chordascheide wächst anfänglich gleichmäßig ! Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skelettsystems der Wirbel- thiere. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XV. 1878. Die Entwicklung der Wirbelsäule der Elasmobranchier. 525 koncentrisch, später wuchert sie aber, sich in Außen-, Mittel- und Innen- zone theilend, und es entsteht in der Mitteizone der centrale Doppelkegel. SCHNEIDER ! beobachtete an Embryonen von Spinax acanthias von 13—20 mm Länge um die äußerste Zellschicht der Chorda eine stark lichtbrechende, dünne Membran. Dieser Scheide sitzen die Bogen un- mittelbar auf. So weit sie unter dem Rückenmarkskanal liegt, ist sie nur mit einer dünnen Lage von Zellen bedeckt. Bei Embryonen von 30 mm kann man erkennen, dass diese Membran zweischichtig ist. An Embryonen von 33—40 mm treten zwischen der äußeren und inneren Lage längliche, quergestellte Kerne auf. Diese Zellschicht tritt zuerst an der ventralen Fläche auf. Da nach Innen von der Elastica externa zuerst keine Zellen liegen, so dürften dieselben nach ihm wohl von außen hineingewachsen sein. Ich selber? fasste zuerst die Elastica externa als eine durch Wachs- thumsdruck entstandene Verdichtung der skelettbildenden Schicht auf, trat aber später von dieser Ansicht zurück ohne über die Entstehung nähere Auskunft geben zu können. Meine Untersuchungen erstreckten sich vor allen Dingen auf die späteren Umwandlungen der skelett- bildenden Schicht. Im Jahre 1881 schließt sich Barrour? bezüglich der Entstehung der Elastica externa um die interna durchaus an ScHNEIDER an, und dasselbe ist mit Rerzıus? der Fall, welcher aber auch keine Beobachtungen ar- stellte, um nachzuweisen, in welcher Weise die Zellen zwischen die beiden Cuticulae gelangen. Der letzte Untersucher ist Lvorr5. Derselbe unterscheidet ebenfalls ein Chordaepithel und um dasselbe die cuticulare Elastica interna. Dann folgt die skelettbildende Schicht, deren innerste Lage bei Acan- thias zellenlos ist, und diese zellenlose Lage homologisirt er mit der zwischen den Cuticulae gelegenen Faserlage bei den Stören. Dann folgt erst die Zellschicht der skelettbildenden Lage und dann um diese die Elastica externa, die jedoch an den Bogen fehlt. Diese betrachtet er als aus dem skelettbildenden perichordalen Gewebe hervorgegangen, wie auch die nach innen von ihr gelegene Hülle und stellt den allge- meinen Satz auf, dass überhaupt die zwischen den Cuticulae gelegenen 1 Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere. Berlin 4879. 2 Das natürliche System der Elasmobranchier. Jena 1879—1882. 3 A treatise on comparative embryology. 1884. 4 Einige Beiträge zur Histiologie und Histochemie der Chorda dorsalis. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1881, 5 Vergleichend-anatomische Studien über die Chorda und die Chordaschei- den. Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. 4887. 596 G. Hasse, Massen skeletogenen Ursprunges und nicht aus der Chorda entstan- den sind. Wie man sieht, gehen die Ansichten der Forscher recht weit aus einander. Das Chordaepithel, die um dasselbe gebildete Elastica interna, die zellenhaltige Chordascheide, welche aber in der innersten Lage zellenlos sein kann, die Entstehung derselben aus der skelett- bildenden Schicht, sowie die Elastica externa mit den darauf sitzenden Bogen sind allgemein anerkannt, allein bezüglich der ersten Entstehung der Elastica externa und namentlich der zwischen ihr und der Elastica interna sich bildenden Schicht sind große Lücken in der Beobachtung, und Rerzıus hebt mit vollkommenem Recht hervor, dass es eine Hauptaufgabe der Zukunft sein müsse diese Bildungsvorgänge auf- zuklären. Darauf habe ich denn auch vor allen Dingen meine Aufmerksam- keit gerichtet, und ich glaube diese Lücke vollkommen ausgefüllt zu haben. Das Hauptresultat meiner Untersuchungen lässt sich in kurzen Worten folgendermaßen zusammenfassen: Die Elasmobranchier besitzen wie die Urodelen und die Kröten eine von der Chorda undeine von der skelett- bildenden Schicht gebildete Guticula (Guticula ehordae s.Elastiecainterna aut. und Guticula sceleti s. Elastica ex- terna aut... Zwischen beide wächst aus der skelettbil- denden Schicht wie bei den Urodelen eine Zellschicht, die Intercuticularschicht, welche demnach dem Interverte- bralknorpel der gesechwänzten Amphibien homolog ist. Meine Untersuchungen stellte ich an einem ausgezeichnet konser- virten Material von Embryonen des Mustelus vulgaris an, deren Körper- länge 12—40 mm betrug. Ich wandte dabei vor allen Dingen lücken- lose Quer- und Horizontalschnittserien an. Für etwaige Nachunter- sucher will ich dabei bemerken, dass die kritischen Stadien zwischen 27 und 31 mm liegen. Die wichtigen, hier zu behandelnden und bis dahin nicht erkannten Vorgänge spielen sich also innerhalb einer außerordentlich kurz bemessenen Frist ab, und daraus erklärt es sich, dass dieselben den bisherigen Untersuchern entgangen sind. Was für Mustelus gilt, das scheint auch nach Scanziper für andere Haie Geltung zu haben. | Durch die neueren Forschungen ist die Entstehung und die erste Umbildung der Rückensaite hinreichend klar gestellt und von den ver- schiedensten Autoren ausführlich beschrieben. Dem entsprechend habe ich mich nicht veranlasst gefühlt mich eingehend damit zu beschäf- tigen. Das von mir untersuchte früheste Stadium zeigt, wie die Chorda Die Entwicklung der Wirbelsäule der Elasmobranchier. 5927 von der Peripherie aus vacuolisirt und wie die erste Bildung des Chorda- epithels (Fig. I u. 2 ch.ep) erfolgt. Es treten große, unregelmäßige Zellen auf, welche noch kein einfaches Epithel bilden, sondern an ein- zelnen Stellen geschichtet lagern und dem Vacuolisirungsprocess unter- liegen. Die Chorda besitzt im Übrigen einen kreisförmigen Querschnitt (Fig. 1). Die Rückensaite wird von einer sehr dünnen, homogenen Cutieula chordae (Fig. I und 2 c.ch) umhüllt, und um diese befindet sich (Fig. 4 und 2 sc.sch) die skelettbildende Schicht. Veniral zeigt sich ferner der subchordale Strang (Fig. I s. ch. sir.) oftmals nur durch eine einzige Zelle repräsentirt und schon in dem nächsten Stadium verschwindend. Die skelettbildende Schicht (Fig. 4) ist an den Seiten der Chorda und seitwärts vom Rückenmark und der Aorta streng symmetrisch angeordnet. Die beiden Hälften kommen unter der Aorta und über dem Rückenmark zur Vereinigung, sind aber von der Chorda in der dorsalen Mittellinie vollkommen geschieden und hier liegt (Fig. 1) das Rückenmark der Cuticula chordae unmittelbar an. Eben so trennt sie in der ventralen Mittellinie unter der Chorda und über der Aorta der subchordale Zellstrang. An der Seite der Aorta ist die skelett- bildende Schicht am stärksten entwickelt, stark ist sie auch an der unteren Seitenfläche des Rückenmarks, an der Stelle, wo sich später die Bogen bilden. Hier wird sie von längsverlaufenden Gefäßen durch- setzt (Fig. 1 und 29), welche um das Rückenmark (Fig. 29) metamere Zweige herumsenden. Überall sind nun aber die Zellen derselben in mehrfachen Schichten, mindestens in fünf Lagen angeordnet, ganz im G®gensatz zu den Amphibien. Diese starke Anhäufung der embryonalen, rundkernigen Zellen der skelettbildenden Schicht entspricht dem großen Abstande der Mesodermsegmente von dem Rückenmark, der Aorta und der Rückensaite. In dieser Zellmasse sind die unmittelbar an der Seite der Cuticula chordae gelegenen Zellen (Fig. 1) etwas dichter zusammengedrängt und unterscheiden sich dadurch von den übrigen. Damit ist die erste Andeutung der Sonderung einer inneren und äußeren Zellscheide gegeben, wie eine solche bei den Amphibien deutlich nachweisbar ist. Es liegt aber bei den Haifischen kein Grund vor anzunehmen, dass diese inneren Zellen früher entstanden sind, als die äußeren, im Gegentheil, die Untersuchungen, namentlich BaLrour’s, weisen darauf hin, dass die sämmtlichen Zellen der skelett- bildenden Lage aus metamer im Bereiche der Mesodermsegmente, zwischen ihnen und der Chorda befindlichen Zellschichten hervorge- gangen sind. Woher nun aber diese metameren Anlagen der skelett- bildenden Schicht, welche durchaus mit denen der Amphibien korre- spondiren, stammen, das bedarf noch näherer Forschung, und darüber 538 C. Hasse, sind die Akten durchaus noch nicht geschlossen, trotz Mütter, der sie aus der Adventitia der Aorta, und trotz meiner Ansicht, die einer Ent- stehung aus derselben und vor Allen aus den embryonalen Blutzellen der Aorta das Wort redet. Bei einer Länge von 12 mm ist bei Mustelus vulgaris die metamere Anordnung verschwunden (Fig. 2), und wie das bereits BaLrour für einen späteren Zeitpunkt der Entwicklung be- hauptet hat, bilden die Zellen eine über die ganze Chorda und unter sämmtliche Mesodermsegmente weggehende, zusammenhängende Lage, deren ursprüngliche metamere Gliederung höchstens noch durch in sie und zwischen die Mesodermsegmente eingelagerte Ganglien (Fig. 2 gl) angedeutet ist. Übrigens möchte ich bei dieser Gelegenheit nicht un- erwähnt lassen, dass zu dieser Zeit durch die in die skelettbildende Schicht eingelagerten Ganglienmassen leichte intervertebrale Ein- schnürungen der Chorda (Fig. 2) bemerkt werden, welche in späteren Entwicklungsperioden wieder verschwinden (Fig. 3), und zwar in dem- selben Mabe, wie die Dicke der skeletibildenden Sehicht zunimmt. Bei einer Länge von 16 mm sind solche intervertebrale Einschnürungen der Chorda nicht mehr nachzuweisen (Fig. 3). Bis zu einer Länge von 27 cm schreitet die Entwicklung der Wirbel- säule nur langsam vorwärts. Es handelt sich wesentlich nur um eine Massenvermehrung der bereits gebildeten Bestandtheile. Das Chorda- epithel (Fig. 3 ch.ep) wird deutlicher, die CGuticula chordae dicker (Fig. 3 c.ch), der subchordale Zellstrang verschwindet, und die innerste Lage der skelettbildenden Schicht schiebt sich dorsal und ventral als dünne, platte, einfache Zellscheide um die Chorda herum, welche jet vollständig von derselben umhüllt wird. Zu dieser Zeit kann man von einer inneren Zellscheide (Fig. 3 ..2.sch), im Gegensätze zu einer äuße- ren (Fig. 3 a.z.sch) sprechen, obgleich eine scharfe Trennung der beiden an keiner Stelle vorhanden ist. Bei 27 cm langen Mustelus-Embryonen gelang es mir dann zuerst in unzweifelhafter Weise einen wichtigen weiteren Fortschritt im Auf- bau der Wirbelsäule nachzuweisen (Fig. 4 und 5). Rings um die dicke Cutieula chordae (Fig. 4 c.ch), welche leichte Andeutungen einer kon- centrischen Streifung zeigte, lag eine zarte, homogene, von der Cuticula chordae leicht abhebbare Haut, die GCuticula sceleti (Fig. 4 und 5 c.se). Gerade wie bei den Amphibien aus der inneren Zellscheide der skelett- bildenden Lage entstanden, haftet sie dieser fester an, allein sie unter- scheidet sich in einer Beziehung. War sie bei den Amphibien ur- sprünglich eine zusammenhängende, rings um die Chorda gelegene Haut, welche erst später von den Intervertebralwülsten unterbrochen wurde, so ist sie bei Mustelus, so weit meine Beobachtungen reichen, Die Entwicklung der Wirbelsäule der Elasmobranchier. 529 nur an den Seitenflächen und in der dorsalen und ventralen Mittellinie zusammenhängend, dagegen zeigt sie sich dort, wo sich aus der skelett- bildenden Schicht die Bogenbasen entwickeln, aus einzelnen Platten (Fig. 4 c.sc) aufgebaut, welche sich dachziegelartig über einander schieben. Die Cuticularbildungen der einzelnen Zellen der Innen- schicht der skelettbildenden Lage sind nicht mit einander verschmolzen. Überall liegt aber die Cutieula sceleti der Cuticula chordae dicht an. Diese Cuticula sceleti ist unzweifelhaft dieselbe, welche zuerst W. MÜLLER und nach ihm Schneider, Barrour und Rerzıus klar und deutlich ge- sehen haben. Die weiteren Bildungsvorgänge spielen sich ganz außerordentlich schnell ab. Sie beginnen bei Mustelus bei einer Körperlänge von 29 mm und sind bei 31 mm in ihrem Wesen abgeschlossen. Die Zellen der skelettbildenden Schicht beginnen durch die Cuticula sceleti (Elastica externa aut.) hindurch zu wuchern (Fig. 6, 7 und 8), dieselbe von der Cuticula chordae (Elastica interna aut.) abzuheben und als Intereuti- cularschicht, wie ich sie hier und bei den geschwänzten Amphibien statt Intervertebralknorpel nennen möchte (zellhaltige Chordascheide der Autoren), sich rings um die Chorda zu legen. Diese Intercuticular- schicht (Fig. 6,7,8:.c.sch) bewirkt dann die vertebrale Einschnürung der Chorda, bildet einen wesentlichen Bestandtheil der Wirbelkörper und sondert sich in deren Bereich in Außen-, Mittel- und Innenzone. Zuweilen zeigt sie auch an ihrer Innenfläche eine zellenlose Schicht, kurz sie macht Veränderungen durch, wie sie durch die Forschungen der letzten Jahrzehnte bekannt geworden sind und von mir auch in meinem großen Werke über »das natürliche System der Elasmo- branchier« systematisch, paläontologisch uud phylogenetisch verwerthet wurden. Auf diese Schlussvorgänge in der Entwicklung brauche ich dem entsprechend hier nicht weiter einzugehen. Diese Einwucherung der innersten Zellen der skelettbildenden Schicht findet, worauf bereits Schneider aufmerksam machte, zuerst und am ausgiebigsten an der Seite der Aorta (Fig. 7 und 8 ..c.sch), also dort, wo die Basen der Hämapophysen sich bilden, zu beiden Seiten der ventralen Mittellinie und erst später zur Seite der dorsalen Mittellinie, der Neurapophysenanlage entsprechend statt, also an den vier Stellen, wo die Cuticula sceleti bereits bei ihrer ersten Bildung getrennte, dach- ziegelförmig über einander liegende Stücke zeigte. Die Stücke werden aus einander gedrängt, und während im Bereich der Hämapophysen bereits reichlich Zellen eingewandert sind (Fig. 7 und 8 i.c.sch), finden sich im Bereich der Neurapophysen erst ganz wenige (Fig. 6. ..c.sch). Es zeigt sich demnach auf dem Querschnitt der Wirbelsäule (Fig. 7) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 35 530 C. Hasse, ganz dasselbe Bild, welches ich in der Fig. 13 der Abhandlung über die Entwicklung der Wirbelsäule des Triton taeniatus gegeben habe. Ist nun somit die Intercuticularschicht der Elasmobranchier dem Intervertebralknorpel der geschwänzten Amphibien voll- kommen homolog, so herrscht dennoch ein bedeutender Unterschied mit Bezug auf die Ausdehnung der Einwucherung. War dieselbe bei den Urodelen ausschließlich intervertebral und rings um die Chorda gehend, so ist dieselbe bei den Elasmobranchiern vollkommen aseg- mental. Sie zieht (Fig. 4) in der ganzen Länge der Wirbelsäule unter sämmtliche Metameren weg und zwar an den vier, den oberen und unteren Bogenanlagen entsprechenden Stellen und dehnt sich zusam- menhängend von vorn nach hinten in vier Längsleisten aus. Die Wuche- rung fehlt an den Seitenflächen der Rückensaite und in der dorsalen und ventralen Mittellinie. Das zeigen Horizontalschnitte, welche genau durch die Bogenanlagen geführt sind (Fig. 9 c.sc). Wenn nun dieses Einwuchern einmal begonnen hat, so erfolgt es immer rascher (Fig. 10, 11 ..c.sch). Die Zellen von einfacher, auf dem Querschnitt spindeliger Form (Fig. 11 ..c.sch) wuchern in Koncentri- schen Lagen rings um die Chorda herum, heben überall die Cuticula sceletiab und bilden dann das bekannte starke, koncentrisch geschichtete Lager: (Fig. 12 ..c.sch), welches die Rückensaite in gleichmäßiger Dicke umschließt und dessen Cuticula sceleti oder elastica interna, wie die Autoren immer wieder hervorheben, von den Bogenbasen unter- brochen ist. ET Vera ai an Breslau, im September 1892. um nn nn ne nn ne en | Erklärung der Abbildungen. nn en m ne Pe Tafel XXI. Buchstabenerklärung. a.z.sch, äußere Zellscheide; gl, Ganglion ; ba, Bogenanlage; hap, Hämapophyse ; c.ch, Cuticula chordae; i.z.sch, innere Zellscheide; ch.ep, Chordaepithel; nap, Neurapophyse; c.sc, Cuticula sceleti; s.ch.str, subchordaler Zellstrang ; 9, Gefäße; sc.sch, skeletogene Schicht. Fig. 4. Querschnitt durch die Mitte der Rumpfwirbelsäule eines 12 mm langen Embryo von Mustelus vulgaris. SEIBERT Obj. 4 mm, Oc. 4; ausgezogener Tubus. Boraxkarmin. Die Entwicklung der Wirbelsäule der Elasmobranchier. Ool Fig, 2. Horizontalschnitt durch die Rumpfwirbelsäule eines 42 mm langen Embryo von Mustelus vulgaris. SEıBErT Obj. 4 mm, Oc. 4; eingestoßener Tubus. Sublimat, Boraxkarmin. Fig. 3. Horizontalschnitt durch die Rumpfwirbelsäule eines 46 mm langen Embryo von Mustelus laevis. SEıserr Obj. 4 mm, Oc. 4; eingestoßener Tubus. Sublimat, Boraxkarmin. Fig. 4. Stück eines Querschnittes durch den hinteren Theil des Rumpfes eines 27 mm langen Embryo von Mustelus laevis (Neurapophysenbasis). SEIBERT, homo- gene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4; ausgezogener Tubus. Sublimat, Boraxkarmin. Fig. 5. Stück eines Querschnittes durch den Rumpf eines 29 mm langen Em- bryo von Mustelus laevis (Seitenfläche der Chorda). SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4; ausgezogener Tubus. Sublimat, Hämatoxylin, EHRLICH. Fig. 6. Stück eines Querschnittes durch den Rumpf eines 29 mm langen Em- bryo von Mustelus laevis (Neurapophysenbasis). SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4, ausgezogener Tubus. Sublimat, Hämatoxylin, EurLica. Fig. 7. Querschnitt durch die Rumpfwirbelsäule eines 29 mm langen Embryo von Mustelus vulgaris. SEIBERT Obj. 4 mm, Oc. 4; eingestoßener Tubus. Sublimat, Hämatoxylin, EurLicn. Fig. 8. Stück eines Horizontalschnittes durch das vordere Ende der Rumpf- wirbelsäule eines 29 mm langen Embryo von Mustelus vulgaris (Nähe der Aorta). SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2, Oc. 4; ausgezogener Tubus. Sublimat, Häma- toxylin, EHRLICH. Fig. 9. Horizontalschnitt durch die Rumpfwirbelsäule eines 33 mm langen Embryo von Mustelus laevis (Neuroapophysenbasis). SEIBERT Obj. A6 mm, Oc. 4. Sublimat, Boraxkarmin. Fig. 40. Querschnitt durch die Rumpfwirbelsäule eines 35 mm langen Embryo von Mustelus laevis. SEIBERT Obj. 4 mm, Oc. 4; eingestoßener Tubus. Fig. 44. Stück eines Querschnittes durch die Rumpfwirbelsäule eines 35 mm langen Embryo von Mustelus laevis (Neuroapophysenbasis). SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 4; ausgezogener Tubus. Boraxkarmin, Sublimat. Fig. 42. Querschnitt durch die Rumpfwirbelsäule eines 38 mm langen Enı- bryo von Mustelus laevis. SEIBERT Obj. 16 mm, Oc. 4; eingestoßener Tubus. Subli- mat, Hämatoxylin. Saum all Die Entwicklung der Wirbelsäule der Dipnoi. Vierte Abhandlung über die Entwicklung der Wirbelsäule. Von .C. Hasse. (Aus der anatomischen Anstalt zu Breslau.) Mit Tafel XXI, Die Wirbelsäule der Dipnoi ist nicht gerade häufig auf ihren Bau und überaus selten auf ihre Entwicklung hin untersucht worden. Es ist das nicht wunderbar, ‘weil das Material selbst an erwachsenen Thieren nicht leicht zu beschaffen ist und lückenlose Entwicklungs- reihen sowohl des Protopterus, wie des Ceratodus bisher völlig uner- reichbar waren und für die nächste Zukunft leider auch wohl sein wer- den. Die Überschrift dieser Abhandlung klingt desswegen einigermaßen anmaßend, denn wenn es mir auch durch das Entgegenkommen des mir befreundeten Kollegen Wırversueim gelang, außer Erwachsenen auch einige junge Protopteri von 121/, cm Länge angefangen zu unter- suchen, so fehlten doch gerade die jüngeren beweisenden und Ausschlag gebenden Entwicklungsstufen vollkommen. Dennoch wage ich es, meine Befunde zu veröffentlichen einmal, weil ich voraussehe, dass mir für die nächste Zukunft das Material zur Ausfüllung der Lücken nicht zu Gebote stehen wird, und dann, weil ich auf Grund meiner bisherigen Untersuchungen annehmen darf, dass der Mangel an früh- zeitigem Entwicklungsmaterial die Schlussfolgerungen, welche ich aus - der Beobachtung der Verhältnisse späterer Entwicklungsstufen ziehe, nicht zu vernichten vermag. Ich halte mich überzeugt, dass es trotz _ fehlender Beobachtungen möglich ist, sich den wirklichen Gang der - Entwicklung klar zu machen. Immerhin bin ich mir der Schwäche meiner kommenden Ausführungen recht wohl bewusst; möge ein gün- stiges Geschick einen Forscher recht bald in den Stand setzen an der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd, 36 Den nn nn mn m nm ee ac en een ner un —n - . en 1 ne .. - —: - Ar een. A za Zs a3. Yan = 2 nn — | |—. Sur Sun 0. Hasse, Hand der Thatsachen das Folgende als richtig oder unrichtig zu er- weisen. Während Owen’, Hyerı ? und Prrers® nur unvollkommene Angaben über die Chordascheide als einer ligamentösen Hülle machen, behauptet bereits vor ihnen Bıscaorr?, dass Knorpelkörperchen in der Scheide vor- handen seien. Diese leugnet namentlich Owen und behauptet, die Scheide sei der der Störe und Cyclostomen gleich. GEGENBAUR 5 ist dann meines Wissens der Erste, welcher sich in eingehender Weise mit dem Bau der Wirbelsäule der Dipnoi beschäftigte. Er stellte seine Unter- suchungen an Lepidosiren annectens an und fand Folgendes: Die Chordascheide hat im Grunde denselben Bau wie bei den Se- lachiern und Chimären. Die äußere Abgrenzung bildet eine elastische Membran (Elastica externa). Sie ist kontinuirlich, auch an der Ansatz- stelle der Bogen nicht unterbrochen. Die Hauptmasse der Chorda- scheide besteht aus koncentrisch geschichteten Fasern, welche in den inneren Lagen dichter gefügt sind, gegen die Peripherie hin dagegen spärlicher vorkommen. Hier ist die Substanz mehr homogen, und man könnte sie hier faserknorpelig nennen, während nach innen mehr die bindegewebige Beschaffenheit hervortritt. Der zweite Bestandtheil sind die Zellen, welche oval oder auch länger gestreckt in scharfabgegrenzten Hohlräumen der Intercellularsubstanz eingebettet sind. Nach innen von der Chordascheide befindet sich eine feine, elastische Membran (Elastica interna), vorzüglich aus Ringfasern gebildet, welche sich schwer von der Faserhaut der Chorda trennen lässt. Hin und wieder gehen die Fasern der letzteren in diese anscheinend elastische Lamelle über. Was die Chorda betrifft, so nehmen deren Hohlräume von dem Centrum zur Peri- pherie ab und hier findet sich eine Lage kleiner Zellen, deren Kerne jedoch mit denen der inneren Zellen gleiche Größe besitzen (Chorda- epithel). Diese Zellschicht ist bei Lepidosiren nicht deutlich von dem übrigen Chordagewebe abgetrennt und somit kein selbständiges Epithel. WieDersHeim 6 unterscheidet an der Chorda eine äußere und eine F innere Scheide. Erstere ist strukturlos, glashell, sehr dünn (Elastica externa) und von der inneren scharf abgesetzt. Diese, wenigstens fünf ° bis sechsmal so dick als jene, besteht aus Faserknorpel, der sowohl eine 1 Transactions of the linnean society. Vol. XVII. ?2 Abhandlungen der böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften. 3 Archiv für Anatomie und Physiologie. 4845. 4 Lepidosiren paradoxa. Leipzig 1840. 5) 5 Über die Entwicklung der Wirbelsäule des Lepidosteus. Jenaische Zeitschr. für Medicin und Naturwissenschaft. Bd. III. 1867. 6 Das Skelett und Nervensystem von Lepidosiren annectens. Jenaische Zeit- 4 schrift für Medicin und Naturwissenschaft. Bd. XIV. 1880. 4 Die Entwicklung der Wirbelsäule der Dipnoi, 939 koncentrische als eine radiäre Schichtung erkennen lässt. Die nament- lich central angeordneten, dicht gelagerten radiären Züge liegen in der Achsenverlängerung der ganz analog ziehenden Chordamassen, ja beide hängen direkt mit einander zusammen. An diesen Stellen des Zu- sammenhanges sieht man zwischen den im gegenseitigen Austausch stehenden Fasern Zellen eingesprengt, die an die Formelemente des Hyalinknorpels erinnern. Die central liegende Chorda erscheint durch die excessive Entwicklung ihrer Zellmassen in ihrer Ausdehnung wesentlich beschränkt. Ihr Maschensystem geht in radiärer Anordnung von einem dichter geschichteten Centrum aus. Rerzıus ! untersuchte sowohl Protopterus als Geratodus, und zwar war ersterer ein nicht ausgewachsenes Thier von 25 cm Länge. Die eigentliche Chorda besteht aus hellen, rundlichen Zellen. Das balkig ‚ aussehende Gewebe ist gegenüber dem der anderen Fische bedeutend verdickt. In der Peripherie der Chorda sind die Zellen kleiner; körnig protoplasmatische Zellen sah er aber hier nicht, eben so wenig erwähnt er eines besonderen Chordaepithels. Das membranöse Gerüst endet nach außen an einem sehr dünnen, an der Innenfläche unebenen Häut- chen (Elastica interna aut.). Nach außen davon folgt die Chordascheide. Dieselbe besteht aus hier und da mit Balken verwebtem, fibrillärem Bindegewebe mit spindelförmigen, ihre ganze Dicke durchsetzenden, zerstreut liegenden Zellen. In den inneren Partien bemerkt man auch einzelne oder bündelweise vorhandene, strahlige Streifen, welche von außen das Aussehen von Fibrillen darbieten. Nach außen von dieser Scheide folgt eine 0,008 mm dicke, glänzende, offenbar elastische Mem- bran, welche stellenweise durchlöchert und sogar zu Bündeln aufgelöst sein kann. Nach außen von dieser Haut findet sich fibrilläres Binde- gewebe und in diesem Knorpelpartien, welche mehr oder minder ver- knöchert sein können. Bei Ceratodus ist die Chordascheide noch viel dicker und die nach außen davon befindliche Membran (Elastica externa aut.) noch mehr unterbrochen. Über den inneren, zellenlosen Theil der Chordascheide will sich Rerzıus nicht mit Bestimmtheit aussprechen. Es scheint ihm, als ob derselbe bei Protopterus vorhanden wäre. Noch schärfer als Wırpersueım habe ich? den Zusammenhang der Chordascheide mit der Chorda und im Besonderen mit dem Chorda- epithel hervorgehoben. Ich glaubte nachweisen zu können, dass die ganze Chordascheide durch Fasern des Ghordaepithels und durch Einwandern von Chordaepithelzellen, welche sich durch Lücken der 1 Einige Beiträge zur Histologie und Histochemie der Chorda dorsalis. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1881. 2 Beiträge zur allgemeinen Stammesgeschichte der Wirbelthiere. Jena 1883. 36* 536 0. Hasse, Cuticula chordae schieben, entstünde. Daneben findet dann auch in untergeordneter Weise eine Einwanderung des Hyalinknorpels der Bogen durch Lücken der Elastica externa statt, welche unter dem Wachsthumsdruck der Bogen gesprengt sind. Lvorr ! untersuchte Protopterus mit einer Körperlänge von 13 cm. Außerdem stand ihm ein Schwanzstück eines Thieres von 25 cm Länge zu Gebote. Die Chorda besteht nach ihm aus eben solchen Zellen, wie bei anderen Fischen. Im Centrum lockert sich das Gewebe und später entsteht hier ein Kanal. An der Peripherie der Chorda befindet sich eine Lage protoplasmatischer Zellen, das Chordaepithel. Diese Zellen sind annähernd würfelförmig, mit deutlichen Kontouren. In jeder Zelle befindet sich ein deutlicher Kern, manchmal zwei Kerne. Von der Ober- fläche betrachtet sind sie polygonal. Beim jungen Protopterus wird kein deutlicher Guticularsaum des Chordaepithels gesehen, dagegen - wohl bei den älteren. In der Rumpfregion sind Chordaepithel- zellen so wie beschrieben nur dorsal vorhanden, seitlich sind sie abgeplattet und fehlen ventral. Zuweilen sind auch am Schwanze die Chordazellen ventral abgeplattet. Die Chordascheide besteht aus einer gut entwickelten, zellenführenden Faserschicht und aus einer Elastica “ externa. Die Fasern und Fibrillen sind koncentrisch gelagert und ver- flechten sich bisweilen. An Schnitten zeigt die Faserschicht eine koncentrische und radiäre Streifung. Die radialen Streifen sind wellenförmig gebogene, koncentrische Fasern. Dieselben sind neben den Insertionsstellen der Bogen stärker entwickelt, als anderswo, eben so am Schwanz stärker, als am Rumpfe. Die Elastica externa ist nicht strukturlos, sondern besteht aus koncentrisch angeordneten, elastischen Fasern. An Schnitten sind in ihr Löcher zu sehen und an den Inser- tionsstellen der Bogen erscheint sie stark durchbrochen und zeigt sich an diesen Stellen das Hineinwachsen der Knorpelzellen. Die meisten Zellen befinden sich im peripheren Theil der Scheide und hier zeigen dieselben häufige Theilungen, welche beweisen, dass sie von außen ein- gewandert sind. Je weiter von der Peripherie, desto kleiner wird die Zahl der Zellen und neben der Chorda befinden sich überhaupt keine Zellen. Alle diese Thatsachen sprechen nach ihm dafür, dass die Chordascheide nicht von der Chorda, sondern von dem perichordalen, dem skelettbildenden Gewebe entstanden ist. Dies die Ansichten über den Bau und über die Entwicklungsver- hältnisse der Wirbelsäule der Dipnoi. Nun möge es mir mit Rücksicht 1 Vergleichend-anatomische Studien über die Chorda und die Chordascheide. Bulletin de la soci&i& Imper. des naturalistes de Moscou. 1887. Die Entwicklung der Wirbelsäule der Dipnoi. 5937 auf das Kommende noch gestattet sein, einen Überblick über die An- schauungen bezüglich der Stellung der Dipnoi im System zu geben. Jos. MüLzer ! stellt die Dipnoi als den Teleostei, Ganoidei und Elasmobranchi gleichwerthige Abtheilung zu den Fischen. Hyarı? Owen® und GsGEnsaur! thun das Gleiche. GÜNTHER> vereinigt die Dip- noi mit den Chondropterygi und Ganoidei zu den Palaeichthyes, während WIEDERSHEIM 6 dieselben als eine Abtheilung zwischen die Fische und Amphibien stellt. Scuxeiper’ geht dagegen noch einen Schritt weiter und sagt, dass die Dipnoi den Amphibiencharakter vollkommen ausge- prägt haben, und somit zu den Amphibien gezählt werden müssen. Fasse ich nun kurz die Resultate meiner eigenen Forschungen zu- sammen, so lauten dieselben dahin: Die Dipnoi sind den Urodelen nächst verwandte Fische und gehören zu denjenigen Wirbelthieren, welche zwischen einerCuticulachordae und einer Cuticula sce- leti eine aus der skelettbildenden Schicht stammende Intereuticularlage haben, wie solches bei den Elasmo- branchi und den Urodelen derFall ist. : Der bisherigen Schilderung der Chorda habe ich nichts Besonderes hinzuzufügen. Während der von mir untersuchten Entwicklungsstadien geht dieselbe ohne die späteren unregelmäßigen Einschnürungen zu zeigen als gleichmäßiger Strang durch die Wirbelsäule. Die Vacuolen- wände bilden ein dickes, derbes Maschenwerk und statt eines Funiculus chordae, welcher bei so vielen Fischen, namentlich bei den Elasmobran- chiern vorkommt, zeigt sich ein centraler Hohlraum (Fig. 1 c.c.ch), der CGanalis centralis chordae, welcher bei erwachsenen Thieren fast voll- kommen verschwindet. Die Oberfläche der Rückensaite wird von einem epithelartigen Zelllager, dem Chordaepithel (Fig. ch.ep), bedeckt. Dasselbe besteht aus niedrigen, unregelmäßig polygonalen Pflasterzellen (Fig. 3), deren Zellkörper glasklar und durchsichtig, oftmals schwer nachzuweisen sind, während die Kerne groß und fast die ganze Zelle erfüllend er- scheinen. Dieselben sind öfter oval, als kugelig. Die Zellen sind überall an der Oberfläche vorhanden (Fig. 4 ch.ep), bald etwas mehr, J bald etwas weniger abgeplattet. Niemals habe ich dieselben, auch 1 Über den Bau und die Grenzen der Ganoiden und über das natürl. System der Fische. Sitzungsberichte der königl. Akademie der Wissensch. Berlin 1844, 2 ]l.c. SRG; 0 5 Catalogue of Fishes in the British Museum. 4870, 6 Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 7 Zoologische Beiträge. Bd. II. Breslau 4890. 538 6. Hasse, nicht am Rumpfe, wie Lvorr will, fehlen sehen, wohl aber zeigt sich, dass die Zellen nicht überall ein zusammenhängendes Lager darstellen, sondern sie weichen häufig aus einander, lassen Zwischenräume zwischen sich (Fig. 5 und 7 ch.ep) und in diese schieben dann die Balken des Maschenwerkes der Chorda, um in der gleichen Ebene wie die Zellen mit kegelförmigen Verbreiterungen an der Guticula chordae zu enden (Fig. 5 und 7 ch.ep). Niemals ist es mir nun aber gelungen Übergänge dieser Balken in die weiteren Hüllen der Rückensaite zu sehen, wie das Wırpershueim behauptet, es lässt sich aber nicht un- schwer verstehen, wie WIEDERSHEIM zu dieser Annahme kommt. Unter- sucht man nicht allerfeinste, sondern etwas gröbere und vor Allem ein wenig geschrumpfte Schnitte, oder untersucht man mit Instrumenten, welche nicht mit allen Hilfsmitteln der neuesten Zeit ausgerüstet sind, so hat es in der That oftmals den Anschein als wenn ein vollkommener Zusammenhang, ein Übergang vorhanden sei. Es kostet einige Mühe, die vollkommene Sonderung des Chordaepithels und der dazwischen liegenden Chordabalken von der Cuticula chordae (Elastica interna aut.) nachzuweisen, und ich habe mich dazu der feinsten homogenen Immersionen von Seißert bedienen müssen. Der Zusammenhang wird um so leichter vorgetäuscht, weil die Guticula chordae bei den Dipnoi einen ganz anderen Charakter trägt, als bei den bisher betrachteten Wirbelthieren. Die Guticula chordae (Elastica interna aut.) ist nicht eine feine, das Licht stark brechende Cuticularmembran, sondern, und das ist im höchsten Grade interessant, wie bei den Gyclostomen eine dicke, fase- rige, das Licht weniger stark brechende Membran (Fig. %, 5, 6 und 7 c.ch). Das Lichtbrechungsvermögen derselben ist fast das gleiche, wie das der alsbald zu schildernden Intercuticularschicht. Alle Forscher, ich selber nicht ausgenommen, haben die Cuticula chordae durchaus falsch gedeutet, und daraus erklären sich dann auch die weiteren Irr- thümer in Betreff des genetischen Zusammenhanges der Intereuticular- schicht mit der Chorda. WIEDERSHEIM erwähnt die Cuticula chordae überhaupt nicht, GEGEN- BAUR aber, Rerzıus, ich selber und Lvorr sprechen von einer feinen Cuticula, und ich zeichne sie dem entsprechend, während die Zeich- nungen von Rrrzıus und Lvorr sie nur als eine einfache, feine, innere Grenzlinie der sogenannten Faserschicht der Chorda darstellen, wobei Lvorr ausdrücklich sagt, dass dieser Cuticularsaum bei jüngeren Thieren nicht sichtbar ist, sondern erst beiälteren auftritt. Bei meinen erneuten, eingehenden Untersuchungen habe ich sowohl bei jungen, wie bei alten Thieren, sowohl am Schwanze, wie am Rumpfe diesen feinen 3 . 1 ee Die Entwicklung der Wirbelsänle der Dipnoi. | 539 Grenzsaum (Fig. 7 c.ch) recht wohl gesehen, allein er stellt keine selb- ständige Membran dar, sondern ist nichts Anderes als die innere, viel- leicht etwas verdichtete, auf jeden Fall leichter färbbare und somit jüngere Grenzmasse der Cuticula chordae gegen die Chorda hin. Es gelingt auf keine Weise dieselbe von der übrigen Masse zu lösen, während das sonst namentlich bei jüngeren Thieren mit der Grenzhaut der Chorda leicht gelingt. | Lange hat es gedauert bis ich über die wirklichen Verhältnisse ins Klare kam, allein es ist jetzt für mich zweifellos, dass das, was Lvorr als zellenlosen Theil seiner Faserscheide der Chorda beschreibt, und was nach ihm durchaus der zellenlosen Lage der Intercuticular- schicht einiger Elasmobranchier gleicht, thatsächlich die Guticula chordae (Elastica interna aut.) ist. Bei schwächeren Vergrößerungen (Fig. 1 und 2 c.ch), auf Schnitten, welche nicht die größtmögliche Dünne be- sitzen, sieht dieselbe wie ein Bestandtheil der Intercuticularschicht aus, ist nicht scharf von derselben getrennt, um so weniger, weil sie mit ihr nahezu gleiches Lichtbrechungsvermögen besitzt und nebenbei dieselbe Anordnung der Elemente zeigt (Fig. 7 c.ch, icsch). Sie besteht aus koncentrisch geschichteten Fasermassen, welche hier und da von radiärgestellten unterbrochen werden (Fig.5 c.ch). Sie unterscheidet sich nur durch eine geringere Färbbarkeit und erscheint demnach etwas heller (Fig. I c.ch) als ihre Umgebung. Das ist aber auch Alles. Sieht man nun aber genauer hin, dann findet man, dass (Fig. k, 5 c.ch) sie sich durch einen außerordentlich feinen Grenzsaum von der eigent- lichen Intercuticularschicht absetzt und an diesem gelingt denn auch leicht die Isolirung (Fig. 7 c.ch). Wird sie isolirt, so haftet sie immer an der Rückensaite und dem Chordaepithel, niemals dagegen an der nächstfolgenden Schicht, und das spricht von vorn herein für die genetische Zusammengehörigkeit mit der Rückensaite. Jetzt erklärt sich auch der Irrthum, in den GEGENBAUR und ich ver- fallen sind, dass die Intercuticularschicht der Dipnoi von den Chorda- zellen gebildet werde und dass die letzteren in diese hineinwandern. Wir betrachteten gerade so wie WIEDERSHEIM, Rerzıus und Lvorr diese Cuticula chordae als zur Intercuticularschicht gehörig. Da es nun unter gewöhnlichen Verhältnissen so aussieht, als ob die Chordamassen mit den Fasermassen der Cuticula zusammenhängen, da ferner die Chorda- zellen sich (Fig. 4 und 5) oft in muldenförmige Vertiefungen derselben einlagern, so war der Irrthum bei den damals zu Gebote stehenden Hilfsmitteln verzeihlich, ja er wird noch verzeihlicher dadurch, dass es, wenn die Theile im Zusammenhange sind, den Anschein hat, als ob namentlich die radiären Faserzüge der Guticula chordae sich in die 940 (. Hasse, Intereutieularschicht hinein erstrecken. Thatsächlich stoßen aber die sich 4 entsprechenden Faserzüge nur an einander, allein so überaus innig, dass es erst der sorgfältigen Isolation bedarf (Fig. 7), um sich von der Sonde- 3 rung der beiden Massen zu überzeugen. Um die dicke Cutieula chordae ist dann die durch eine starke und | bis zum erwachsenen Alter an Stärke zunehmende Gutieula sceleti (Elastica externa aut.) nach außen abgegrenzte Intercutieularschicht ge- lagert (Fig. i.c.sch). Dieselbe ist als ein Faserknorpel in dem Sinne, wie ich denselben in meinem Werke! festgestellt habe, zu betrachten. Es handelt sich um koncentrische, von radiären Bündeln durchsetzte Fasermassen (Fig. 7i.c.sch), deren Fibrillen durch eine Kittsubstanz gleichmäßig mit einander verbunden sind. Die Knorpelzellen besitzen dabei keine Kapseln. Diese zeigen ebenfalls koncentrische Anordnung und sind im Centrum mehr abgeplattet (Fig. &..c.sch) als an der Peri- pherie, wo dieselben deutliche Theilungserscheinungen zeigen. 6 Die Cuticula sceleti (Elastica externa aut.) (Fig. c.sc) habe ich immer von homogenem Aussehen gefunden und höchstens im erwachsenen Zu- stande ist sie, wie Lvorr will, aus koncentrischen Lagen zusammenge- setzt. Dieselbe ist wie bei den Elasmobranchiern eine stark entwickelte Cuticularmembran, welche in der dorsalen und ventralen Mittellinie, sowie an den Seiten der Wirbelsäule ohne Unterbrechung über die ganze Länge derselben verläuft, dagegen im Bereiche der Neur- und Haemapophysen, der Bogen (Fig. 1 und 6c.sc) sowohl am Rumpfe, wie am Schwanze deutliche Unterbrechungen zeigt. Diese Durchbrüche sind nicht regelmäßig, sondern unregelmäßig, bald einander genähert, bald entfernt von einander, bald weiter und bald enger. Sie folgen dabei, wenn man sie gruppenweise betrachtet, durchaus regelmäßig auf einander, sie sind metamer, aber nicht wie bei den Urodelen intervertebral zwischen den Bogenknorpeln gelagert und rings um die Cuticula sceleti gehend, sondern vertehral, d. h. sie entsprechen der Mitte der Bogenbasen, und das ist ein überaus wichtiger Unterschied gegenüber den jetzt lebenden Urodelen. Auch gehen sie nicht rings um die Cuticula sceleti, sondern den Bogenbasen entsprechend (Fig. 1) treten sie an vier gesonderten Stellen auf. Durch diese Lücken wuchern dann die Zellen der vier, der Cutieula unmittelbar aufsitzenden Bogen- " basen, gerade wie bei den Elasmobranchiern, lagern sich zwischen die Cuticula sceleti und Cuticula chordae und bilden somit die Intereuti- eularschicht. Damit glaube ich mich denn jetzt vollauf zu dem Schluss berechtigt, den bereits Lvorr trotz seiner sonstigen Irrthümer gezogen 1 Das natürliche System der Elasmobranchier. Jena 1879—1882. er a: ud lern HIER MEN TEE ME Pe Di ed 1 a a dd Dt 5 A a ar Fe re Zn Die Entwicklung der Wirbelsäule der Dipnoi. 541 hat, dass nicht, wie ich .es früher behauptet habe, und wie es auch GEGENBAURS Meinung ist, die Intercuticularschicht von der Chorda, sondern von der skelettbildenden Schicht (Fig. sc.sch), aus welcher sich ja auch die Bogen entwickeln, gebildet wird. Dabei ist ein innige- rer Zusammenhang zwischen den Dipnoi und den Urodelen, als zwi- schen den Dipnoi und den Elasmobranchiern, denn bei den ersteren erfolgt die Bildung der Intercuticularschicht metamer, vertebral bei den Dipnoi, intervertebral bei den Urodelen, bei den Elasmobranchiern lässt sich aber keine solche Metamerie nachweisen. Dennoch stehen sie den Dipnoi dadurch nahe, dass die Einwucherungen an vier getrennten, den Bogenbasen entsprechenden Stellen und nicht rings um die Wirbel- säule vor sich gehen. Somit bin ich bis auf Weiteres wohl berechtigt anzunehmen, dass der Gang der Entwicklung der Wirbelsäule bei den Dipnoi folgender ist, unbeschadet der Frage, ob die Cuticula chordae zuerst oder erst nach der Cuticula sceleti entsteht, eine Frage, welche in den kommen- den Abhandlungen ihre Lösung finden wird: Es bildet sich aus dem Chordaepithel eine Cuticula chordae. Um diese lagert sich eine Zellschicht, die innere Zellscheide des skelett- bildenden Gewebes. Diese sondert, ob früher oder später ist fraglich, eine zusammenhängende Cuticula sceleti ab. Dann erfolgt mit der Son- derung der Bogen in der skelettbildenden Schicht die Einschmelzung der Cuticula sceleti an der Mitte der vier gesonderten Bogenbasen, und damit beginnt dann an diesen Stellen die Einwucherung der der skelettbildenden Schicht entstammenden Zellen zwischen die beiden Cutieulae. Diese eingewucherten Zellen bilden unter beträchtlicher Diekenzunahme der Cuticula chordae die Intereutieularschicht zwischen dieser und der Cuticula sceleti. Breslau, September 1892. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXII. Buchstabenerklärung. c.c.ch, Canalis centralis Chordae; h.ap, Hämapophyse ; c.ch, Cuticula chordae; i.c.sch, Intercuticularschicht; c.sc, Cuticula sceleti; nap, Neurapophyse; ch.ep, Chordaepithel; sc,sch, skeletogene Scheide. 542 C. Hasse, Die Entwicklung der Wirbelsäule der Dipnoi. Fig. 4. Querschnitt durch den Schwanz eines 131/; cm langen Protopterus. SEIBERT Obj. 46 mm, Oc. 4. Eingestoßener Tubus. Hämatoxylin, Orange. Fig. 2. Horizontalschnitt durch den Schwanz eines 431/g cm langen Protopte- rus. SEIBERT Obj. 16 mm, Oc. 2. Eingezogener Tubus. Hämatoxylin, Orange. Fig. 3, Isolirte Zellen des Chordaepithels von der Fläche gesehen. SEIBERT Obj. 4 mm, Oc. 6. Eingezogener Tubus. Hämatoxylin, EnrLıca. Fig. 4. Stück eines Querschnittes durch die Schwanzwirbelsäule eines 421/, cm langen Protopterus in der Nähe der Neurapophysenbasis. SEIBERT, homogene Im- mersion Obj. 2 mm, Oc. 4. Ausgezogener Tubus. Hämatoxylin, Orange. Fig. 5. Stück eines Querschnittes von der Seite der Schwanzwirbelsäule eines 421/g cm langen Protopterus. SEIBERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 6. Aus- gezozener Tubus. Hämatoxylin, Orange. Fig. 6. Stück eines Horizontalschnittes durch die Neurapophyse der Schwanz- wirbelsäule eines 421/, cm langen Protopterus. SEIBERT Obj. 16 mm, Oc. 2. Einge- zogener Tubus. Hämatoxylin. Fig. 7. Stück eines Horizontalschnittes durch die Schwanzwirbelsäule eines 121/g cm langen Protopterus. SEIERT, homogene Immersion Obj. 2 mm, Oc. 6. Ein- gezogener Tubus. Hämatoxylin. ee ERLRTIE Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. Von Dr. Ad. Olt (Erlangen). Mit Tafel XXI, Der Verfasser fühlt sich zuförderst gedrungen, an dieser Stelle nach zwei Seiten hin seinen innigsten Dank Auszusprechen. Derselbe gebührt zunächst Herrn Professor Dr. SerenkA für die geschätzten Rath- schläge, mit denen er den Gang der Arbeit leitete. Herrn Privatdocenten Dr. Freischmann schuldet er Dank für das rege Interesse, mit dem er die Untersuchungen verfolgte und für die vielen technischen Winke, welche die Arbeit wesentlich erleichterten. In Folgendem berichte ich üher die eigenthümlichen Formgestal- tungen der Bitterlings- Embryonen während des Verbleibens in den Kiemen der Fluss- und Teichmuschel, sowie über den sonderbaren Bau des geschlechtsreifen Bitterlingsweibchens und über die Wasser- strömungen in der Kiemen- und Mantelhöhle der Muscheln. 1. Historischer Überblick. Der Bitterling ist in Mitteleuropa ziemlich allgemein verhreitet. Kraus fand ihn in der Ens, dem Neckargebiet, dem Böckinger See, bei Würzburg im Main, in der Isar und bezog ihn aus der Spree und dem Tegelsee. | Norı konstatirte sein Vorkommen im Main bei Würzburg, Aschaffen- burg und Frankfurt. Hecrer und Kner (2) geben als Fundorte an: die Donau, den Teufel- bach bei Pest, die warmen Quellen bei Töplitz, die Gewässer Kroatiens, die Weichsel, die Ocker, die Flüsse Kleinasiens und Serbiens. In den Gewässern Venedigs wird nach Martens (Bd. II. p. 327) der Bitterling als Katzenfutter gefangen. Nach Varencıennes findet sich Rhodeus in allen siißen Gewässern Frankreichs und soll in Paris vielfach gegessen 544 Ad. Olt, werden; auch bestreitet Vauencıensgs den bitteren Geschmack, welchen viele Ichthyologen Rhodeus zuschreiben. Hecker und Kner (2) behaupten sogar, dass alle Fische mit Ausnahme des Barsches den Bitterling seines außerordentlich bitteren Geschmackes wegen verschmähen. Von Dy- Bowsky und RosEnHAUER wurde in der Aftergegend dieses Fisches ein eigenthümliches Anhangsgebilde beobachtet, jedoch nicht gedeutet. Kraus (3) beschrieb 1858 genanntes Organ als Legeröhre und sprach es zum ersten Mal als Urogenitalpapille an. Nor (4) sagt in einer Randbemerkung, dass er schon 1857 vor Kraus in Stuttgart dieses Or- gan als Urogenitalpapille demonstrirt habe. Ferner macht dieser Autor 1877 die Beobachtung, dass Rhodeus amarus mittels dieser Röhre seine Eier in die Kiemen gewisser Muscheln legt, von denen er als Träger anführt: Unio pietorum, U. tumidus, U. batavus, U. crassus, seltener fand er die Eier bei Anodonten. Schon 1792 war Cavoumı (10) das Vorkommen von Fischeiern in Muscheln bekannt, und Auserr (5) studirte später an Fischeiern, welche er Muscheln entnahm, die Capillargefäßbildungen. Diese Forscher kannten die Herkunft der Eier jedoch nicht, zweifellos waren es Bitterlingseier. Norr (a) sammelte 1877 sehr viele Muscheln und fand, dass sich alle bei ihnen vorgefundenen Eier nach der Weiterentwicklung als Abkömmlinge des Bitterlings erwiesen. Er giebt ferner eine genaue Beschreibung über Lebensweise und Gewohnheiten des Bitterlings, machte Beobachtungen über die Eiablage und dergleichen mehr. Die Laichzeit fällt nach ihm in die Monate Mai und Juni. In der Seine soll Rhodeus von Mai bis August laichen (VALENCIENNES). Hecker und Kner (2) geben April als Laichzeit an, übersahen aber die Legeröhre. Kraus (3) machte an 14 Bitterlingen Beobachtungen und will im November an den Weibchen die Urogenitalpapille eben so entwickelt gesehen haben, wie bei den am 10. Juni eingefangenen, auch seien die Eierstöcke mit Eiern gefüllt gewesen, eine Angabe, deren Richtigkeit ich bezweifeln möchte. 2. Bau der Muschelkieme und Wasserströmungen in der Mantelhöhle. Die Muscheln, welche ich als Träger der Rhodeuseier untersuchen konnte, zeigen eine so übereinstimmende Beschaffenheit ihres Kiemen- apparates und der Cirkulationsverhältnisse des Athemwassers, dass sie alle einheitlich, ohne Berücksichtigung der einzelnen Arten, besprochen werden können. Bezüglich der Nomenklatur sei es mir gestattet, die anatomischen Verhältnisse der Muscheln in grobem Umriss zu skizziren. Der Kiemenapparat baut sich bekanntlich aus vier Kiemenblättern TEN in Ze mir San Ss na ni al DD ea 2 mb Eh m ln EB un nz hat 2 ir ma Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 545 auf, deren an jeder Seite des Muschelkörpers zwei liegen. An ihnen ist ein vorderes Mund- und ein hinteres Kloakenende zu unterscheiden, sowie ein unterer freier und ein oberer Insertionsrand. Jede Kieme setzt sich aus zwei Lamellen zusammen, welche am freien Rande in einander übergehen und längs des Insertionsrandes einen Kanal, den Kiemengang, zwischen sich schließen, welch letzterer am vorderen Ende der Kieme blind geschlossen seinen Anfang nimmt und in die Kiemenhöhle mündet. Die innere und die äußere Lamelle jeder Kieme stehen durch Septen, welche rechtwinkelig von den Kiemengängen in Abständen von 0,8 bis 3,0 mm nach dem freien Rande der Kieme verlaufen, in Verbindung, so dass kleine Kanäle ent- stehen, die wegen ihrer Lage am glücklichsten als Interlamellarräume bezeichnet werden. Innere und äußere Lamelle jeder Kieme sind sieb- artig mit feinsten Kanälchen ausgestattet, welche die Kommunikationen der Mantelhöhle mit den Interlamellarräumen und den Kiemengängen in zweiter Instanz vermitteln. Ich schließe mich hier Bonner’s Be- zeichnung an und nenne sie respiratorische Kanäle. Das Kanalsystem nimmt seinen Ursprung auf der Kiemenoberfläche in den zahlreichen respiratorischen Kanälen, die unmittelbar in die Interlamellarräume führen, diese gehen in die Kiemengänge, welch letztere vor und unter der Kloake in eine sackartige Erweiterung, die Kiemenhöhle, einmünden. Da letztere mit der Kloakenhöhle sich vereinigt, aber an dieser nur ein Ausströmen stattfindet, setzte ich Zweifel in die Angabe Bonner’s (15, p. 302). Über die Funktion der respiratorischen Kanäle sagt er: »Sie stellen demnach kurze Kanäle dar, welche die Dicke einer Lamelle durchsetzend, das Wasser aus dem Interlamellarraum leiten und eine allseitige Bespülung der Gefäßverbindungen erleichtern. « Die Richtigkeit dieser Annahme setzt eine Strömung von der Kiemen- - . höhle nach den Kiemengängen voraus. en en = Sn 2 Zn Se az Um dieser Frage näher zu treten, war ich gezwungen, das Experi- ment entscheiden zu lassen. Ich stellte daher eine große Reihe Ver- suche theils mit Schwefelmilch, theils mit Wasser, in dem Karminkörn- chen in feinster Zertheilung suspendirt waren, an. Wirkliche Farblö- sungen können nicht zu Versuchen verwandt werden, da sie in das zarte Gewebe der Muschel eindringen und das Resultat der Beobachtung stören. Karmin aus ammoniakalischer Lösung mittels Essigsäure aus- gefällt, erweist sich wegen der Feinheit der Körnchen hierzu sehr geeignet. Wird die überschüssige Essigsäure ausgewaschen, dann übt das Karminwasser keinen besonderen Reiz auf die Muschel aus; sie athmet es gleich gewöhnlichem Wasser ein. 546 Ad, Olt, Versuch I. Vorgenommen an Anodonten und Unionen, welche in einem Wasserbecken lagen oder im Sand weiterkrochen. Mittels Pipette wurde Karminwasser in Tropfenmengen an den verschiedensten Stellen des Schalenrandes aufgeträufelt. Das Wasser strömte am Athemsipho ein und verschwand; vor die Kloakenöffnung gebracht, wurde es in einem Strome von der Muschel weggetrieben, oder es diffundirte in das umgebende Wasser ohne in den geringsten Mengen in die Kloake einzudringen, während ein Theil wohl zufällig in den Athemsipho gelangte. Sind Kloaken und Athemsipho geschlossen, dann zeigt sich keine Strömung. Am vorderen Schalenrande in der Gegend des Mundes strömte Karminwasser energisch ein; zuweilen ist diese Strömung geschwächt, sogar sistirt. An der Fußkante ließ sich keine ausgesprochene Strömung nachweisen. Etwa 30 Minuten nach Vornahme des Versuches war der untere Schalenrand mit rothen Schleimklumpen besetzt. Aus dem Athemsipho wurden mitunter durch Schließen der Schalen rothe Schleimklumpen willkürlich ausgeworfen, während der Kloakenschleim höchstens blassroth gefärbt war. Versuch Il. Eine der Schalen wird sorgfältig von ihrer Verbindung mit dem Mantel und den Muskeln abgelöst, so dass Kiemen, Mund- lappen und Fuß für die direkte Beobachtung zugängig sind. Karmin- wasser wird an den verschiedensten Körpertheilen der Muscheln in Spuren aufgeträufelt. Direkt auf die Oberfläche einer Kieme gelangte Körnchen werden in ganz bestimmten Richtungen konstant weiterbewegt. Sie ballen sich mit Schleim zu Klumpen oder bilden lange Ketten und Stränge, deren Gesammtbewegung gleiche Richtung mit den isolirt bewegten Körnchen oder zufälligen Schmutztheilchen beibehält. Die Bewegungsrichtungen auf den einzelnen Kiemen weisen bei verschiedenen Muschelarten einige Abweichungen auf, Unionen und Anodonten aber zeigen vollkommene Übereinstimmung bezüglich ihrer Wassereirkulation: Auf der äußeren Fläche der lateralen Kieme be- wegen sich sowohl vom Rande als auch von irgend einer Stelle die Körner direkt nach der Rinne zwischen Insertion des Mantels und der angrenzenden Kieme (Fig. 14 a). In dieser Kiemenmantelrinne wan- dern alle Körner in konstantem Strome nach dem vorderen Ende der Kieme, dann längs der Mantelinsertion (Fig. 14 b) bis zu den Mund- lappen weiter. Die Mundlappenflächen arbeiten die Partikelchen von ihren Rändern bis zur Spitze, wo sie, meist mit Schleimklumpen ver- einigt, in der Nähe des Mundes abfallen. Auf der inneren Fläche der lateralen Kieme bewegt sich das Karmin senkrecht nach oben; in der Rinne zwischen diesem Blatt und Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 547 der äußeren Lamelle der inneren Kieme angelangt, tritt es auf letztere über und bewegt sich dann abwärts (Fig. 15 e) bis zu dem freien Rande der inneren Kieme (Fig. 15 f), von wo die Körner längs der Kante nach den Mundlappen hin laufen, während auf der Innenfläche der inneren Kieme die Strömung genau wie auf der Außenfläche nach dem - freien Rande, alsdann den gleichen Weg bis zu dem vorderen Kiemen- ende einschlagend, verläuft. An dieser Stelle treffen sich also jeder- seits zwei Ströme, derjenige, welcher der Kiemenmantelrinne entlang läuft und der des freien inneren Kiemenrandes (Fig. 14 b). Die Ver- hältnisse sind rechts und links dieselben, so dass sich vier Ströme in der Mundgegend vereinigen. Es gerathen daher an diesem Sammel- punkt die Karminkörner in eine sehr lebhafte Strudelbewegung. Auf beiden Außenflächen des Körpers machen sich zwei weniger scharf gesonderte Stromrichtungen nach dem hinteren Fußende zu geltend. Der eine Strom kehrt nach oben, um sich mit dem der inneren Kieme zu vereinigen, der andere führt über die hintere Fußkante und hierauf durch den Schalenrand nach außen. Versuch III. Untersuchungen über die Strömungen im Inneren ‘ der Kiemen. a) Die Muschel wird nach Versuch II vorbereitet ; in ihre Kiemen- gänge werden Fenster geschnitten. / In den Kiemengängen sind keine Karminkörner zu entdecken, selbst nicht bei reichlichem Aufträufeln des Karminwassers auf die Kiemenoberflächen. Versuche mit Schwefelmilch geben das gleiche Resultat. b) Theile der Kiemenlamellen werden abgetragen, Karmin wasser wird aufgeträufelt. Die Karminkörner wandern in konstanter Bewegung längs der Interlamellarräume aufwärts, wenn sie durch Verletzung der Lamelle in das Innere der Kieme gelangten, um dann durch die Kiemengänge nach der Kloake ausgespült zu werden. Die Erscheinung bei a besagt, dass Formelemente wie Karmin- oder Schwefelkörnchen bei intakter Kieme von ihrer Oberfläche nicht in die inneren Kanäle der Kieme gelangen können; trotzdem besteht nach Erscheinung b eine Strömung in den Interlamellarräumen, nach den Kiemengängen und der Kloake. Farblösungen dringen freilich durch die Lamelle in die Interlamellar- räume nach den Kiemengängen vor; Versuche mittels Farblösungen sind jedoch nicht maßgebend, da Lösungen durch intaktes Gewebe dringen könnten. Allerdings liegt hier die Annahme, dass die Farb- lösungen durch die respiratorischen Kanäle eindrangen doch näher. Im Allgemeinen geht aus Versuch III hervor, dass Flüssigkeiten von der 548 Ad. Olt, Kiemenoberfläche in die Interlamellarräume eindringen und von diesen nach den Kiemengängen und der Kloake weiterströmen. Dass ein Strom in dieser Richtung stets existirt, ist schon aus dem konstanten Ausfluss an der Kloakenöffnung nach Versuch I zu schließen, denn eine solch beträchtliche Wassermenge kann nicht durch den Darm allein ihren Weg nehmen. Der Insertionsrand der inneren Kieme ist nicht in seiner ganzen Länge geschlossen, sondern lässt einen freien Spalt, wodurch eine Kommunikation zwischen dem inneren Kiemengang und der Mantel- höhle besteht. Nun könnte eingewendet werden, ein Strom ginge von der Mantelhöhle durch diesen Spalt in den inneren Kiemengang und liefere das an der Kloake ausströmende Wasser. Versuche mit Karmin- wasser, ja selbst mit Farblösungen sprechen nicht für diese Annahme. Durch zahlreiche Modifikationen der Versuche bestätigten sich stets obige Resultate. Großen Exemplaren der Anodonta cellensis z. B. setzte ich Glaskeile ein, so dass die Schale ca. 3 cm offen stand. Wurden dann die Muscheln in Wasser schwebend aufgehängt, so bot sich ein Einblick zwischen die einzelnen Kiemenblätter. Durch Einträufeln von Schwefelmilch entstanden wolkige Trübungen, welche nach den Zwischenräumen der Kiemenblätter vordrangen. Sehr bald folgte klares Wasser nach, und die Trübungen verschwanden, dagegen traten gelbe Straßen in der Kiemenmantelrinne und an dem freien Rande der medialen Kieme auf, übereinstimmend mit den Versuchen II und Il. Die gelben Straßen bestanden aus Schwefelkörnchen und ihre rasche Abscheidung aus der Schwefelmilch lässt sichnur durch einen Filtrations- process, der auf der Kiemenoberfläche statthaben muss, erklären. Das Wasser dringt in die respiratorischen Kanäle ein und die abfiltrirten Körnchen werden von dem Cilienkleid der Kiemenoberfläche nach den Erscheinungen des Versuches II weitergetragen. Unter dem Mikroskop kann man am Flimmerepithel der Muschel die Bewegungen der Cilien und das Vorrücken der Schmutztheilchen oder der Karminkörner bequem be- obachten. Auf der Kiemenoberfläche beträgt die Geschwindigkeit der Körnehenbewegung ca. 1,6 mm in der Sekunde. Die angegebene Zahl ist das mittlere Verhältnis des durchlaufenen Weges vom hinteren Rande der Kieme bis zur Mundlappenspitze. Hemmen Schleimmassen die Be- wegung, so räumt man dieselben mit einem Pinsel aus dem Wege. Die Ausstattung der Muschel mit dem Wimperkleid hat dreifach wichtige Bedeutung. Die Wimpern unterhalten einen konstant eirku- lirenden Wasserstrom, der am Athemsipho eindringt, sich über die Außenfläche der Kiemen ergießt, durch die vielen respiratorischen Kanäle nach den Interlamellarräumen und weiter durch die Kiemen- gänge fließt, um als verbrauchtes Athemwasser die Kloake zu verlassen. _ Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings, 549 Ferner beschaffen die Cilien durch das ee der festen Theil- . chen ein möglichst reines Wasser für die Respirationswege, eine sehr wichtige Funktion, da die Muschel meist auf einen Aufenthalt in schlammigem Wasser angewiesen ist. Durch diese beständige Be- ‚wegung wird außerdem eine andere Stromrichtung vereitelt. Ein Ein- dringen des respiratorischen Wassers von der Kiemenhöhle her hätte bald Funktionsunfähigkeit der Kieme zur Folge, da aller Schmutz dieses Wassers sich in dem Inneren der Kieme ablagern und Interlamellar- räume und Kiemengänge unwegsam machen würde. Die dritte Bedeu- tung der Cilienbewegung ist eine nutritive. Algen und Pflanzenreste gelangen mit dem Wasser in die Mantelhöhle, von wo sie auf den nach Versuch I und III angegebenen Straßen bis zu den Mundlappen be- fördert werden; hier fallen sie ab und gelangen in den von dem Munde aufgenommenen Strom (Versuch I). Alle von mir untersuchten Muscheln zeigten die Körnchenbewegung nach den angegebenen Endpunkten der Mundlappen. Nur fand ich bei Dreyssena polymorpha, Cyelas cornea und Pisidium eine Abweichung der Strömung auf der äußeren Kiemen- oberfläche in der Art, dass hier die festen Theilchen nach dem freien Rande, also abwärts befördert werden, um von hier nach dem Munde zu gelangen; ein Strom innerhalb der Kiemenmantelrinne existirt also in diesem Falle nicht. Dreyssena ist geradezu angewiesen, mit dem Athemwasser ihre Nahrung aufzunehmen, da außer dem Athemsipho keine Öffnung, durch welche ein Einströmen stattfinden könnte, be- steht; auch sitzt sie bekanntlich mit Byssusfäden fest, ist also nicht im Stande, ihrer Nahrung nachzukriechen. Das starke Einströmen an dem Athemsipho ist bei der Kleinheit dieser Muschel geradezu erstaunlich. Nach dieser Abschweifung dürften die Verhältnisse, welchen das Bitterlingsei in der Muschel unterworfen ist, wesentlich klarer zu be- urtheilen sein. Befremden muss es nur, dass das Rhodeusei gerade an einer Stelle einwandert, an welcher das Wasser ausströmt. Das Ei hat also auf seinem Wege bis zu dem Ort der Entwicklung einen Gegen- strom zu überwinden; die Möglichkeit der Einwanderung durch eine andere Öffnung als durch die Kloake ist ausgeschlossen. Norr. (4) giebt als Einwanderungsstelle des Eies den Athemschlitz an, in welchen das - Bitterlingsweibchen seine Legeröhre versenke. Aus rein anatomischen Gründen ist diese Annahme schon ausgeschlossen, was folgende Be- funde ergeben: Der Weg durch den Athemsipho führt direkt in die Mantelhöhle; zwischen dieser und der Kiemenhöhle breitet sich als vollständiger Abschluss die Vereinigung der vier Kiemenenden aus. Lateral geht die Verwachsung der Kiemenenden in je eine rechte und linke Bindegewebslamelle über, die den Endabschnitt des Kiemen- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Ba. 37 550 Ad. Olt, apparates an das Mantelblatt befestigen und sich hinten in die kranz- förmige Lippe der Kloakenöffnung fortsetzen. Ein dem Ei passabler Weg von der Kiemen- in die Mantelhöhle oder umgekehrt besteht so- nach nicht. Die Resultate der Experimente waren nach Lage der anatomischen Verhältnisse vorauszusehen. Elfenbeinkügelchen von Größe der Bitter- lingseier gelangten durch den Athemsipho regelmäßig in die Mantel- höhle und später durch den Schalenrand nach außen, während in die Kloake geworfen, sie oft bis zu den Interlamellarräumen rollten. Das gleiche Schicksal erfuhren natürliche Eier. Nicht immer gelingt das Experiment, denn durch kräftigen Ruck mit den Schalen verstärkt die Muschel den abführenden Wasserstrom und wirft leicht die Eier wieder aus. Kleine Muscheln entledigen sich der Eier weniger leicht als die großen Exemplare der Anodonta cellensis, welche im Gegen- satz zu den obigen einen sehr starken Wasserstrom beim Schließen erzeugen. Am zahlreichsten finden sich die Bitterlingseier in kleinen Muscheln, den Unionen und jungen Anodonten; es ist sehr wahrschein- lich, dass die Ursache in der Stärke des ausführenden Wasserstromes liegt. Norr (4) machte im Aquarium die Beobachtung, dass Rhodeus be- sondere Vorliebe für Unio pietorum zeige und bei der Wahl diese Muschel der Anodonta als Amme vorziehe. Bei kleinen Anodonten, welche an Größe den Unionen gleich kamen, fand ich die Bitterlingseier eben so zahlreich, spärlicher dagegen bei ausgewachsenen Anodonten und höchst selten bei den Riesenexemplaren der Anodonta cellensis. Letztere hatten wohl alle Eier nach der Empfängnis regelrecht ausgeworfen. 3. Das Einwandern der Bitterlingseier in die Kiemen der Muscheln. Das Wandern des Eies durch die Kiemengänge in die Interlamel- larräume ist ganz von den Gesetzen der Mechanik abhängig: nur durch seine specifische Schwere wird es weitergeführt. Je steiler die Muschel steht, desto leichter sinkt das Ei nach den vorderen Enden der Kiemengänge. Horizontale Stellung der Muschel giebt den Interlamellarräumen renkrechte Richtung und begünstigt dann für diese Wege ein Vordringen der Eier. Die Stellungen der Muschel alterniren beim Weiterkriechen und geben dadurch dem Ei abwechselnd Anstoß zum Weiterkugeln. Außer der Reibung auf den jeweiligen Flächen hat das specifische Übergewicht des Eies noch den entgegenwirkenden Respirationsstrom, der mit der Größe der Muschel wächst, zu überwinden. Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 551 [2 Zuweilen wird dieser Strom willkürlich durch raschen Schluss der Schalen bedeutend verstärkt, hauptsächlich beim Ausstoßen etwaiger Fremdkörper. In solchem Falle verschließt sich die Kloake, damit alles Wasser in den Respirationsgängen anstaut und nur noch ein Zufluss des Respirationswassers stattfindet. Durch das hieraus resultirende Plus an Wasser innerhalb der Kiemen werden diese beträchtlich aus- geweitet. Dieses Stadium ist der günstigste Augenblick zum weiteren Vordringen eines in die Kiemenhöhle abgelegten Eies. Solcher Stau- ungsphase der Muschel folgt ein energischer Ruck mit den Schalen, viel- leicht kontrahiren sich auch die Kiemen selbst etwas mit, und durch die jetzt geöffnete Kloake werden Fremdkörper und Schleimmassen in kräftigem Strome ausgestoßen. Leider müssen wir uns mit der bloßen Betrachtung dieser wech- selnden Verhältnisse, denen das Ei auf dem Wege nach dem Orte seiner Weiterentwicklung ausgesetzt ist, begnügen; denn unserem Auge ist es nicht möglich, das Schicksal des Eies auf den Wegen in der Muschel zu verfolgen. Nach Nowr’s (4) Angaben sind die inneren Kiemen ungleich stärker als die äußeren mit Eiern besetzt. Auf Grund einer Statistik von 114 Muscheln an Unionen und Anodonten vorgenommen, kann ich dieses Verhältnis nur bestätigen. Aus folgenden Tabellen ist das von mir kon- statirte Verhältnis ersichtlich. | Zahl der Eier und Embryonen in den inneren Kiemen: in den äußeren Kiemen: 20. April 24 Muscheln 210 94 10. Mai 36 » 370 192 92 m. 95 » 228 110 al. » 29 )) 308 120 11% » 4446 Eier u. Embr. 516 Eier u. Embr. Die am 21. Mai untersuchten Muscheln wurden auf das Zahlenver- hältnis der Eier zwischen rechten und linken Kiemen geprüft. Rechte äußere Rechte innere Linke äußere Linke innere Kieme Kieme Kieme Kieme 58 440 63 168 Nm (un A ee a a1 | | | I | | J | ] | | | | | ; | | eo ee ea; 308 EHRT Bud 2 124 3° 552 Ad. Olt, Die Differenz zwischen rechts und links 231: 198 ist keine nennens- werthe, denn eine einzige Muschel kann sie unter Umständen aus- gleichen; dagegen ist das Zahlenverhältnis zwischen den Eiern in den inneren Kiemen zu dem der äußeren ein sehr auffallend großes, durchschnittlich größer, als 2:1. Nerr (k) war der Ansicht, es sei in dieser Vertheilung der Bitter- lingseier eine weise Einrichtung der Natur getroffen, da die äußeren Kiemen als Träger der Muschelembryonen bestimmt seien. Obige Statistik nahm ich dagegen nur an Muscheln, deren äußere Kiemen wegsam und frei von Muschelembryonen waren, vor. Selten trugen Anodonta cellensis und piscinalis noch gegen Mitte April ihre Embryo- nen in den Kiemen, und bei Unio pietorum wurden sie erst zu Anfang Juni besetzt. Meine statistischen Untersuchungen waren also zur günstigsten Zeit vorgenommen. Den Grund zahlreicherer Ansiedlung der Bitterlinse in den inne- ren Kiemen erblicke ich einzig in dem anatomischen Bau der Muschel. Die inneren Kiemengänge sind schon durch ihre mediane Lage geeignet, das durch die Kloake einfallende Ei leichter aufzunehmen, als die lateral gelegenen äußeren Kiemengänge. Außerdem nehmen letztere Gänge schon in der Insertionsgegend des hinteren Schließmuskels röhrenför- migen Ursprung und treten in einem etwas dorsolateralen Bogen von der Kiemenhöhle ab. Diese Eingangsstelle verfehlt das Bitterlingsei sehr leicht, in welchem Falle es in der Kiemenhöhle weiter rollt und sonach in die inneren Kiemengänge gelangt. Von dem hinteren Schließmuskel tritt eine Bindegewebslamelle ab, welche den vorderen und oberen Theil der Kiemenhöhle überdacht und sich in die Wand der Kiemengänge fortsetzt. Die Kiemenhöhle ver- jüngt sich hierdurch konisch nach ihrem vorderen Abschnitt, der sich gabelig in die beiden inneren Kiemengänge spaltet. Das Ei wird daher wie in einem Trichter von den Wänden der Kiemenhöhle nach den Mündungen der inneren Kiemengänge gelenkt. Die Septen zwischen den Interlamellarräumen treten bis an die Basis der Kiemengänge heran, so dass das Ei successive über deren vorspringende Enden wie über die Sprossen einer entsprechend ge- stellten Leiter kugelt. Setzt es sich zwischen zwei Septen fest, dann ist es bei ganz geringem Vorrücken geborgen. Oft auch gelangt es bis an das blinde Ende der Interlamellarräume. Die zu hinterst gelegenen Interlamellarräume und besonders diejenigen, welche aus der Kiemen- höhle direkt entspringen, finden mehr Gelegenheit Eier aufzunehmen, da die Einwanderung von der Kloake aus geschieht. Im Einklang hiermit steht der Befund: die ersten in die Kiemen- a a ee Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 999 höhle direkt einmündenden Interlamellarräume sind oft mit Eiern so vollgepfropft, dass kein weiteres mehr Platz fände. Spärlicher erweisen sich die mittleren Abschnitte der Kiemenblätter mit Eiern besetzt, noch seltener treten sie in den vordersten Interlamellarräumen auf. Als weiterer Faktor für das Zustandekommen dieses Verhältnisses kommt noch die Steigung der Kiemengänge in dem vorderen, nach oben kon- vexen Bogen hinzu. 4, Das reife Ei wurde solchen Bitterlingsweibchen, deren Legeröhre die größte Aus- dehnung angenommen hatte, durch Druck auf die Leibeswand ent- nommen. Schon durch leichtes Pressen auf den Körper treten in vollständig ausgestülpte Röhren eins, zwei bis höchstens drei Eier ein, die derart elastisch sind, dass sie, dem Lumen der Röhre sich an- schmiegend, Cylinderform annehmen. Die Gylinder sind zweimal so lang, als der Eidurchmesser und an ihren Enden vollkommen abge- rundet. Mit den Eiern passiren gleichzeitig Schleimmassen, das Produkt einer Anhangsdrüse des Geschlechtsapparates, die Röhre. Nach dem Austritt des Eies haften diese Massen häufig dem Ei in mehr oder minder großen Hüllen an. Das ausgestoßene Ei hatte schon nach drei Sekunden seine ellip- soide Gestalt angenommen, selbst wenn es stundenlang in der Röhre eines abgetödteten Bitterlings stak. Das zuletzt austretende Ende des Eies wird zum abanimalen Pole, der direkt nach dem Verlassen der Röhre durch seine mehr weiße und trübere Farbe sich auszeichnet. Der übrige Eikörper ist gleichmäßig orange- bis citronengelb, trüb und undurchsichtig. In Wasser sinkt das Ei rasch zu Boden und rollt leicht weiter, ohne irgendwie an Gegenständen anzukleben. Seine Längsachse beträgt 2,35—2,65 mm, die Querachse 1,06—1,47 mm. Außer den schleimigen Anhangsmassen des Eies sind nur Dotter- haut und Dotter zu unterscheiden. Die strukturlose außerordentlich dünne Dotterhaut ist ihrem Inhalt eng angeschmiegt. In Wasser kontrahirt sich der Dotter des unbefruchteten Eies sehr bald, eine Erscheinung, die viele Autoren an anderen Fischeiern be- schrieben haben. An verschiedenen Stellen, besonders an den Pol- enden tritt die Dotteroberfläche von der Eihülle in unregelmäßigen Einsenkungen zurück, die entstandenen Räume konfluiren und breiten sich über die ganze Dotteroberfläche aus, so dass vollständige Trennung zwischen Dotter und Eihülle entsteht. Etwa vier Minuten nach der Befruchtung haben sich alle Unebenheiten des Dotters ausgeglichen, 554 Ad. Olt, seine Gestalt nähert sich jetzt mehr der Kugelform. Mit der Bildung des Eiraumes beginnt gleichzeitig die Koncentration des Plasmas am Keimpole ohne vorhergegangene Befruchtung, wie es Horrmann (18) an einigen pelagischen Fischen konstatirte, LErEBouILLer (19, p. 122) bei Esox lucius und Perca fluviatilis. Für das Forellenei macht letzter Autor die gegentheilige Angabe: es bedürfe des Spermas zur Sonderung in Keim und Nahrungsdotter, widersprechend den Angaben ÖLrscher’s (21, p. 4) über das Forellenei. Kurrrer (16, p. 180) sagt: »Das Ei des Herings (Strömlings) zeigt in dem Moment, wo es ins Wasser gelangt, noch keine Spur eines Keimes oder überhaupt einer Sonderung von Bildungs- und Nahrungsdotter. Es behält diese im vorhergehenden Abschnitt geschilderte Beschaffenheit im Wasser bei, wenn jede Im- prägnation des Wassers durch Sperma vermieden wird.« Für eine größere Anzahl Knochenfische spricht Ranson (17) die Einwirkung des Spermas nicht an, um eine Sonderung in Keim und Dotter zu ver- anlassen, denn Wasser allein genügt. Seine Beobachtungen erstrecken sich auf: Gastrosteus aculeatus, Perca fluviatilis, Acerina cernua, Got- tus gobio und pungitius, Gobio fluviatilis, Leuciseus Phoxinus, Leueiscus Gephalus, Thymallus vulgaris, Salmo salar, Salmo fario. Bei Gastro- steus fand Ranson jedoch, dass Wasser allein nicht zur Bildung des Keimes genügt. Vox Kowauzvskı (14, p. 6) sah an Carassius auratus, Polycanthus viridiauratus die Koncentration des Keimes ohne vorherige Befruchtung. von Bazr (22, p. 4) sagt: »Der Keim ist vor dem Austritt schon vor- handen.« In wie fern dieser Ausspruch auf das Bitterlingsei bezogen werden kann, werde ich weiter unten besprechen, vorläufig wollte ich noch Einiges über das Reifen dieses Eies anführen. 5. Das Ovarialei. Die Laichzeit des Bitterlings erstreckt sich auf etwa drei Monate: von Mitte April bis Mitte Juli. Man findet daher zu dieser Zeit alle Entwicklungsstadien in der Schnittserie eines Ovariums, vom Keimfleck bis zur Reife. Um den Keimfleck lagert sich peripher Protoplasma, das allmählich bis zu einer gewissen Schicht anwächst. Um das Plasma ist eine einfache dünne Hülle Plattenepithels, die Theca folliculi gelagert. Hat die Plasmaschicht eine größere Mächtigkeit erlangt, dann treten nach weiterem Wachsthum abgerundete Dotterschollen von wechselnder Größe in der peripheren Zone auf. Durch immer größere Anhäufung werden die inneren Dotterschichten dem central liegenden Keimfleck näher geschoben. Auf Querschnitten durch die Mitte eines Eies ist die radiäre Anordnung der Dotterschollen schärfer ausgeprägt, als die eir- Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 595 kuläre. Central findet sich noch dotterfreies Plasma, das sich peripher in ein Gerüst aus Plasmasträngen auflöst, in welches die Dotterschollen eingelagert sind. Gegen Ende der Eireife macht sich eine Strömung des Plasmas nach der Peripherie geltend, central häuft sich fast nur Dotter an, die Plasmastränge sind nach der Peripherie mächtiger ge- worden, und zuletzt hat sich eine Schicht reinen Protoplasmas zwischen Eihaut und Dotter gelagert, dessen Fortsätze jetzt in umgekehrter Richtung nach dem Centrum des Eies verlaufen. Diese Plasmalage entspricht der Rindenschicht der Autoren. Die Sonderung resp. Kon- centration des Plasmas zur Anlage eines Keimes konnte ich nicht be- obachten. Wurden die Eier jedoch durch Druck auf den Leib des Fisches in die Legeröhre gebracht, so ließ sich Ansammlung des Bildungsdotters an einem Pole auf Schnittserien konstatiren. Bei der Anfertigung solcher Serien konservirte ich zugleich auch die Röhre. Das in dieser vorangehende Ende des mehr cylindrisch geformten Eies zeigt eine stärkere Ansammlung der peripheren Plasmaschicht, die an Mächtigkeit nach dem Äquator abnimmt und an dem proximal gelegenen Pole kaum zu erkennen ist. Das längere Verweilen des Eies in der Röhre und der Druck seitens ihrer Wände mögen wohl unter Umstän- den pathologische Erscheinungen an demselben verursachen, aber bei allen derart untersuchten Eiern fand ich obige Angaben bestätigt. Thatsache ist, dass das Ei nach dem Verlassen der Röhre in seiner jetzt elliptischen Gestalt die Pole an den Stellen beibehält, welche denen innerhalb der Röhre entsprechen. Die Koncentration des Plasmas er- folgt, gleichviel ob Sperma einwirkt oder nicht, sobald das Ei in Wasser gelangt. Nach diesen Veränderungen konnte ich sehr oft die Mikropyle erkennen. Sie hat die Gestalt eines schüsselartig abgeflachten Trichters mit nach außen abgerundetem Rande; ihre innere Öffnung ist mit un- regelmäßig angeordneten Längszacken umrandet. Der Querdurchmesser des Außenrandes beträgt 0,18 mm, die Tiefe 0,14 mm. Vorgenommene Versuche, das Ei zu befruchten, missglückten. Lagen die Eier 24 Stunden unbefruchtet in Wasser, so verlor die Eihaut ihre Elastieität, mit breiter Basis schmiegte sie sich ihrer Unter- lage an, und der Inhalt erwies sich dünnbreiig. Eier von solcher Be- schaffenheit fanden sich zuweilen in der Kiemenhöhle, seltener in den Kiemengängen und Interlamellarräumen. Auf diese Weise ihrem Zer- fall entgegengegangene Eier können leichter als elastisch runde von der Muschel ausgeworfen werden und gefährden dann nicht weiter ihre Nachbarn durch allenfallsige Infektion, was bei Fischeiern im Freien bekanntlich häufig geschieht. 2.02 SA u 556 Ad. Olt, 6. Absetzung des Samens in die Muschel. Den Akt des Samenergusses habe ich am 5. Juni zum ersten Mal in einem Gartenbassin des zoologischen Institutes zu Erlangen beobachtet. Als ich den daselbst eingesetzten Bitterlingen fünf Unionen beifügte, scharten sich besonders die Bitterlingsmännchen um dieselben. Sie zeigten, ganz gegen ihr sonstiges Benehmen, kaum Scheu und kehrten nach dem Verjagen sofort zu den Muscheln zurück, sie umkreisend, mit den Köpfchen gegen sie anstoßend und durch manirliches Beschauen und Beschnuppern die Öffnungen des Schalenrandes prüfend. Beson- deren Gefallen schienen sie an der Wasserströmung des Athemsiphons, der hauptsächlich Attraktionspunkt war, zu finden. Die Weibchen verhielten sich gleichgültiger, schienen jedoch in behaglicher Ruhe gern das Wasser an der Kloake über ihren Nasen- rücken streichen zu lassen. Mit der Zeit bemächtigte sich der Männ- chen eine immer lebhaftere Erregung, sie schossen in kurzen abge- brochenen Bogen an der Muschel vorbei, um dann von Neuem ihre Untersuchungen an den Öffnungen des Schalenrandes anzustellen. Bald nahm das Liebesspiel einen unverkennbaren Charakter an, das Hochzeitskleid der Männchen strahlte in immer prächtiger werdenden Farben, bei ihrem manirlichen Schwimmspiel versuchten sie mit der Bauchkante möglichst nahe gegen den Athemschlitz der Muschel zu streichen. Langsam schwimmend nahmen sie die Lage der zur Seite gekippten Muschel ein, machten dann tetanisch zitternde Bewegungen und schossen einen Moment später in kurzem Bogen weiter, um sofort wieder an den Lieblingsort zurückzukehren. In Zwischenräumen von etwa 10 Sekunden wiederholte sich dieser Vorgang, bis dann allmäh- lich das Interesse für die Muschel schwand. Kontrollversuche bestätig- ten dieses Minnespiel zur Genüge. Meine Vermuthung, dass es sich hier um den Akt des Samen- ergusses handele, wurde durch mikroskopischen Nachweis zahlloser Bitterlings- Spermatozoen in der Muschel bestätigt. 14 Tage vorher hatte ich diese Muscheln in einem Wasserbecken isolirt, so dass eine anderweitige Besamung ausgeschlossen war. Muschelsperma konnte allenfalls vorhanden sein, aber Vergleichsuntersuchungen entschieden für die Natur der Bitterlingsspermatozoen. 7. Eindringen des Spermas in die Respirationswege der Muschel. Das Ei wird mittels Legeröhre noch unbefruchtet in die Muschel abgelegt; eine Befruchtung vorher ist nicht denkbar, und muss sie sich daher in der Muschel vollziehen. Die Strömungen des Wassers inner- Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 597 halb der Mantelhöhle und der Kiemen zwingen zur Annahme, das Sperma müsse an dem Athemsipho eindringen, was ja auch mit der Be- obachtung laichender Bitterlingsmännchen im Einklang steht. Sperma- tozoen und Cilien des Muschelepithels gerathen mit einander in leb- haften Kampf, den man schön an abgehobenem Epithel unter dem Mi- kroskop verfolgen kann. Mit dem Kopf macht das Spermatozoon schnellende Eigenbe- wegungen nach allen Richtungen, als sei es angebunden und wolle sich entfernen. Zuweilen befreit es sich aus seiner Zwangslage, um bald darauf in den gleichen Kampf an einer anderen Stelle des Epithels zu ‚gerathen. Entschieden sind peitschende Bewegungen des Samenfadens und Verschlingungen mit den Gilien Ursache dieser Erscheinung. Vor allen Dingen sehen wir aber, dass das Sperma nicht gleich anderen eindringenden Körperchen der geregelten Stromrichtung folgen muss, um schließlich der Muschel noch als Nahrung zu dienen oder sie zwecklos zu verlassen. Könnte ferner das Sperma ausnahmslos von dem in das Innere der Kieme dringenden Wasser abfiltrirt werden, so wäre eine Be- fruchtung des Bitterlingeies ausgeschlossen. Eine Zugangsstelle zu dem Ei ist einzig und allein durch die respiratorischen Kanäle geboten und durch ihre Eigenbewegung wird den Spermatozoen ein Passiren dieser Wege garantirt. In den Interlamellarräumen und Kiemengängen der Muschel fand ich das Gilienkleid mit zahlreichen Spermatozoen besetzt, es spielt sich dort dieselbe Erscheinung wie auf der Kiemenober- fläche ab. Das Haften der Spermatozoen an den Gilien ermöglicht ihn&n ein langes Verweilen in den Kiemen; fiele diese Einrichtung weg, dann wäre in kurzer Zeit die Muschel von Sperma gereinigt, es müsste mit dem verbrauchten Wasser durch die Kloake auswandern. Durch öftere Samenzufuhr besiedeln die Spermatozoen die Muschelkieme derart, dass ein hinzukommendes Ei die denkbar günstigste Befruchtungsgelegen- heit findet. | Während das Sperma hauptsächlich der Richtung des eirkulirenden Wassers folgt, schlägt das Ei den entgegengesetzten Weg ein, es läuft, wie oben erwähnt, gegen den Strom. Beide, Ei und Samen, begegnen sich in den Wegen des Kiemenapparates, an welchem Orte die Be- fruchtung des Eies und die Entwicklung des Bitterlings vor sich geht. 8. Die Eifurchung. Leider war es mir nicht möglich, die Furchungsvorgänge zu ver- folgen; das Rhodeusei zeigt allgemein so trüben Inhalt, dass eine Diffe- 558 Ad. Olt, renzirung des Keimes am lebenden Ei nicht zu erkennen ist. Ich muss mich daher in diesem Kapitel auf die bloße Beobachtung an konser- virten Keimscheiben und deren mikroskopischen Schnitten beschränken. Die Eier wurden 3 Minuten in einer 3 /,igen wässerigen Salpetersäure- lösung konservirt, dann in 5°/,iger Alaunlösung und zuletzt in Wasser ausgewaschen. Der Dotter wurde durch Anstechen der Eihülle entfernt, weil er beim Schneiden zerbröckelte und vollständige Schnittserien desshalb nicht hergestellt werden konnten, zumal auch die Dottersplitter die Keimanlage störend überdeckten. Zur Untersuchung in toto hellte ich die Keimscheiben mit Glycerinalkohol auf, oder führte sie nach schwacher Färbung in Toluol und Kanadabalsam über. Zar mikroskopischen Untersuchung wurden sie mit Boraxkarmin gefärbt und in Paraffineinbettung geschnitten. Ältere Embryonen und Organe des ausgewachsenen Fisches färbten sich am besten in Platinchlorid-Osmiumessigsäurelösung und Reduktion mit Holzessig. Schnitte von 0,01 bis 0,02mm Dicke zeigten klare Bilder mit scharfen Zellkontouren und kräftiger Kernfärbung. Die Bildung zweier Furchungssegmente beginnt mit einem seichten Einschnitt auf der Peripherie des Keimhügels, der fast genau durch die Mitte des Keimes einen Meridianbogen beschreibt; nur ein Bruchtheil des Keimhügels wird durchfurcht. Die beiden Segmente differiren etwas in ihrer Größe, mitunter fand ich den Unterschied ziemlich be- trächtlich. Die zweite Furche legt sich senkrecht zur vorhergehenden und geht genau durch die Mitte beider Segmente, so dass wir deren jetzt vier unterscheiden können: zwei größere und zwei etwas kleinere. Auch während der folgenden Stadien macht sich dieser Größenunter- schied und demgemäß schon mit der Anlage zweier Segmente ein bilateral-symmetrischer Bauplan geltend. Dieser Deutung glaube ich sicher zu sein. Parallel zur ersten treten in gleichen Abständen von der Mitte zwei neue Furchen hinzu, so dass acht Segmente entstehen. Ich schließe dies aus den Größenverhältnissen der Zwei- und Vier- theilung und aus Übergangsstadien der Viertheilung in die Achttheilung. Senkrecht zu den beiden letzten Furchen legen sich wieder zwei an; und haben sich nun sechzehn in einer Ebene liegende Segmente gebildet. Die Größendifferenz tritt auch jetzt noch deutlich auf; in dieser Hinsicht zeigt Rhodeus eine vollkommene Übereinstimmung mit der Beschreibung, wie sie Janosık (13) von Crenilabrus rostratus, Grenila- brus pavo und Tinca vulgaris giebt. Die folgenden Furchungsstadien konnte ich nur an Schnitten untersuchen, will jedoch nicht die Furchung besprechen, sondern die Lebensweise und Entwieklung des Bitterlings. 559 Strömungen des Plasmas aus dem Nahrungsdotter nach dem Keimhügel näher beschreiben. Durch alle Theilungsstadien lässt sich ein starker Zufluss des Protoplasmas aus dem Dotter nach dem Keim konstatiren. Schon nach Anlage des Keimhügels vor der Zweitheilung ist die Rinden- schicht des Protoplasmas geschwunden, nur in Spuren findet es sich noch an manchen Stellen der Peripherie, besonders nahe dem Rande des Keimhügels. Das Plasmagerüst ist auf den ganzen Nahrungsdotter vertheilt, nicht aber an allen Stellen gleichmäßig. Peripher und am Gegenpol tritt der Nahrungsdotter in fast homogener Masse auf, die Schollen sind daselbst sehr groß und scharfkantig geklüftet; nur hier und da schließen sie feine Protoplasmazüge zwischen sich. Mehr cen- tral und hauptsächlich nach dem Keimlager zu besteht ein Gerüst aus Protoplasma, in das die Dotterschollen eingelagert sind. Je reichlicher das Protoplasma an einer Stelle auftritt, desto dicker sind seine Stränge, desto kleiner und abgerundeter die eingelagerten Dotter- schollen. Alle Plasmastränge sind innerhalb des Dotters zu einem oder mehreren Stromgebieten vereinigt; der Endpunkt eines jeden Gebietes ist der Zellkern eines Furchungssegmentes. In den einschichtigen Furchungsstadien bestehen innerhalb des Dotters eben so viele proto- plasmatische Stromgebiete, als Zellkerne im Keim vorhanden sind, und jedes derselben besteht aus- wurzelartig verzweigten Protoplasma- strängen. In der Tiefe anastomosiren die Plasmastränge der einzelnen Stromgebiete, doch machen diese Verbindungen den Eindruck, als seien sie in der Trennung begriffen, denn sie verjüngen sich in der gedachten Scheidewand, die mit der jeweiligen Furchungsebene des Keimes zu- sammenfällt; andere Stränge wieder lassen auf früheren Zusammen- hang schließen. Am schönsten sieht man alle diese Verhältnisse zwischen dender Furche zunächst liegenden Dottertheilen. Querschnittegeben das Bild, als hätte sich das Plasmagerüst von der Tiefe her durch zwei Strömungen nach rechts und links gesondert und Dotterschollen wären nach der Peripherie der Furche entgegengesteuert. Durch die angegebene Gruppirung des zuströmenden Plasmas erfährt jedes Segment einseitiges Wachsthum nach der Tiefe, und eine sich peripher verjüngende Scheidewand aus Dotterstücken ist zwischen den Seg- menten aufgethürmt. Die Furche kann desshalb schon Dotterschollen berühren, weil sie an Tiefe einen Bruchtheil des größten Höhendurch- messers der Segmente erreicht hat. An anderen Schnittserien desselben Furchungsstadiums sieht man noch deutliches Gepräge dieser Dotter- anordnung, aber die Plasmastränge haben veränderte Stellung ange- nommen und der vermehrte Zufluss markirt sich an ganz bestimmten, 560 Ad. Olt, aber anderen Stellen. Durchsucht man in diesem Falle die Serie auf das Vorhandensein von Kernen, dann findet man, dass die Kerntheilung für das nächste Furchungsstadium bereits abgelaufen ist. Sobald sich die Theilungsprodukte des ursprünglichen Kernes von einander ent- fernen, wechseln die Punkte stärkster Zuströmung des Protoplasmas Ort und Zahl, schon ehe sich die Furche peripher angelegt hat. Physiologisch ist mit der Kerntheilung die Grenze der neuen Segmente schon bis tief in den Dotter entschieden. An dem Bitterlingsei sind alle diese Verhältnisse sehr schön zu erkennen. Greifen wir ein Bild aus der Achttheilung heraus, den Schnitt so gelegt, dass er der Länge nach durch die Mitte von vier Segmenten geht, dann erkennt man noch deutlich den Typus der Viertheilung. Die über Zweitheilung gegebene Beschreibung passt auf das Bild, nur findet sich in diesem Falle auf der Schnittfläche statt zweier ein System aus vier Furchungssegmenten. Vor der letzten Kerntheilung hätte dieser Schnitt nur zwei Segmente getroffen. Das Bild der vier jetzt getroffenen Furchungszellen zeigt in seinem Habitus mehr oder weniger die Verhältnisse der zwei ent- sprechenden Segmente vor dieser Achttheilung. Die Lagerungsverhältnisse des mehr fixirten Dotters verleihen dem Plasma auf eine gewisse Dauer das einmal angenommene Gepräge; in ihn greifen die Stellen, welche stärkste Wachsthumszunahme vor der Achttheilung erfuhren, tiefer ein, und versiegte hier der Zufluss des Plasmas. Entsprechend der Lagerung der neuen Kerne sieht man an anderen Punkten jetzt stärkeren Zufluss des Bildungsplasmas, ganz in derselben Weise, wie wir dies bei der Zweitheilung beobachtet haben. Finden sich noch Plasmastränge zwischen dem Nahrungsdotter an den Stellen, wo jetzt der Zufluss versiegte, so erkennt man an ihrem Verlauf ein Abströmen von der ursprünglichen Richtung und ein Zu- strömen nach den neugebildeten Kernen. Offenbar sind diese Strömungen zu vergleichen mit der soge- nannten Dotter$trahlung bei Eiern, ‘welche ihren Richiune a5 aus- stoßen, überhaupt bei sich Ihilenden Zellen. 9. Die Embryonalformen des Bitterlings in der Muschelkieme. Von einer Beschreibung der Keimblätteranlage und der einzelnen Organe nehme ich hier Abstand, weil eine große Anzahl diesbezüg- licher Arbeiten über Knochenfische, denen ich nichts Nennenswerthes hinzufügen könnte, vorliegt. Einige Notizen tiber Gastrulation des Bitterlings machte ZıesLer (20). | Da ich in der Litteratur keinerlei Aufzeichnungen über die eigen- thümlichen Formen, welche der Dotter des Bitterlings während seiner Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 561 Entwicklung annimmt, fand, erscheint mir eine diesbezügliche Be- schreibung geboten. Der Embryo des Bitterlings wird selbst nach Anlage aller Urwirbel von der Dottermasse um mehr als das Zehnfache übertroffen. Diese aber hat nicht nur wie bei den übrigen Fischen nutritive Bedeutung, sondern der Dotter gestaltet sich zu einem Haft- und Schutzorgan um, das sich höchst merkwürdig den Verhältnissen in der Muschelkieme anpasst. In Fig. 1 bis 10 sind verschiedene Entwicklungsstadien, welche die wechselnden Gestalten des Dotters veranschaulichen, abgebildet. Über das Alter dieser Stadien kann ich leider nur ungenaue und rela- tive Bestimmungen anführen. Am 25. April fand ich in Tümpeln bei Neumühle oberhalb Erlangen nahe der Regnitz die ersten Eier und Embryonen in den Stadien Fig. I bis 6. Später setzte ich Unio hatavus daselbst ein und fand in deren Kiemen am fünften Tage eben solche Stadien vor. Am 410. Mai entdeckte ich zum ersten Mal Pigment in den Augen einiger Embryonen (Fig. 10), deren Alter also annähernd 20 Tage betragen dürfte. Sechs Tage später hatten die ersten Fischehen ihre Entwicklungsstätte ver- lassen und befanden sich in den Kiemengängen (Fig. 10 und 11). Der Aufenthalt des Eies bis zum Entwicklungsstadium Fig. 11 be- trägt demgemäß nahezu einen Monat. Das Ei Fig. 4 ist noch ziemlich gleichförmig gerundet, Gehirn, Augenblasen und 16 Urwirbel des Embryo sind angelegt, die Gehör- bläschen erkennt man kaum. Ein Längsschnitt durch den Embryo steht senkrecht zur Äquatorialebene, von welcher Richtung die Achse des Bitterlings nicht abweicht. Kopf und Schwanzende nähern sich höchstens bis zu einem Winkel von 140°. Nur bisweilen ist in den Stadien Fig. 4, 5 und 6 das Schwanzende ein wenig zur Seite abgelenkt, was an die Lagerungsverhältnisse anderer Knochenfische, bei welchen sich das Schwanzende spiralig von der Meridianebene abbiegt, erinnert. In Fig. 2 prominirt der Embryo schwach über die Peripherie des Eies, sämmtliche Urwirbel sind vorhanden, die Gehörbläschen werden sichtbar. Der Dotter nimmt einen seichten Eindruck längs des Embryo, besonders stark um das Kopfende, an; letzteres und die Schwanzpartie beugen sich ventral, wodurch zwei Knickungen entstehen. Gegen die Schwanzbeuge spitzt sich der Dotter zu; diese Stelle entspricht etwa dem animalen Pole. Den größten Durchmesser hat jetzt der Dotter äquatorial in der Höhe der Kopfknickung durch eine buckelige bis “ kantige Anschwellung (Fig. 3 und 4 a). Im Stadium Fig. 3 prägt sich dann die Kopfknickung stärker aus und der Rumpf nimmt gerade Streekung an, wobei sich eine dritte Knickung nahe der Schwanzbeuge 562 Ad. Olt, ausbildet, um die sich ebenfalls eine halbkreisförmige Dotterwulst (Fig. 4 b) anlegt, die alsbald bei der Weiterentwicklung sich verjüngt und mit der Streckung des Schwanzendes Fig. 5 und 6 vollständig schwindet. Von jetzt ab hat sich der Dotter nach hinten konisch zu- gespitzt und behält diese Form bis zur Resorption bei. Der Dotterab- schnitt der Kopfregion vor der ringförmigen äquatorischen Wulst hat die Gestalt eines flachen Kegels, nach dessen Spitze hin das Kopfende des Embryo immer weiter vorrückt, bis endlich (Fig 8 bis 11) der vordere Theil des Dotters vom Kopfe überragt wird. Inzwischen beugt sich der Rumpf des Embryo konvex gegen den Dotter, wodurch sich rechts und links zwei Längswülste an letzterem ausbilden. An den vier Knotenpunkten, in denen sich die ringförmigen Dotterwülste und die meridionalen Längswälle schneiden, entstehen Höcker (Fig. % aa, bb), die beiden hinteren schwinden bald wieder, während die vorderen (Fig. 6 cc) immer stärker anwachsen und den folgenden Entwicklungs- stadien ein eigenartiges Gepräge verleihen. Die noch bleibende und stärker anwachsende vordere Ringwulst (Fig. 7 d) stellt nunmehr einen Gürtel dar, der in die Dotterhöcker (c) ohne Grenze übergeht. Mit der konischen Verjüngung des hintersten Dotterabschnittes und der weiteren Differenzirung des Gürtels und der Höcker nimmt der ganze Embryo eine außerordentlich zierliche Gestalt an, die sich mit einem Anker vergleichen lässt, in dessen Längsachse der Embryo mit der Haupt- masse des Dotters liegt. Die Ankerarme denke man sich so nach der Seite gebogen, dass sie dem Gürtel und ihre Angeln den Dotterhöckern entsprechen. Das vordere kegelförmige Dotterende rundet sich kuppen- förmig ab (Fig. 7 bis 9), seine Oberfläche geht an der Basis in eine seichte Rinne über, welche sich in die vordere Fläche des Gürtels ohne Grenze fortsetzt. Nach hinten und außen schärft sich der Dottergürtel zu einer Kante zu, die sich bis zu den etwas abgerundeten Höckern erstreckt und erst nach vollständiger Resorption des Dotters schwindet; im Stadium Fig. 11 a ist diese kantige Dotterprominenz noch scharf ausgeprägt. Die Höcker liegen in den Stadien Fig. 5 und 6 dem Em- bryo nahezu an, nach und nach strecken sich ihre Spitzen und diver- giren (Fig. 8), sich mehr und mehr der Ankerform nähernd. Medial fallen sie steil ab und laufen nach vorn und hinten in den flachen Dotterwall, der beiderseits an die Worr’sche Leiste grenzt, aus. Vom Stadium Fig. 6 an beginnt sich das Kopfende zu strecken, seine Knickung senkt sich gegen den Dotter ein und die Höcker erheben sich dadurch beträchtlich. In diesem mechanischen Vorgang allein ist jedoch nicht die Ausbildung der Höcker zu erblicken, sie beruht sehr wesentlich auf einem positiven Wachsthum. Auf Schnittserien erweist r RR ehrt Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 563 sich an den Höckerspitzen das Epithel beträchtlich stärker, als auf der allgemeinen Doiteroberfläche; auf den Höckerspitzen und der Kante des Gürtels erlangen die kubisch bis eylindrischen Epithelzellen fünffache Größe und sind geschichtet, wodurch die Dotierprominenzen bedeutend an Dimension gewinnen. In Fig. 8 und 9 überragt das Kopfende den vorderen Dottertheil, Pigmentzellen treten in den Augen und auf der äußeren Haut auf und die Extremitäten differenziren sich immer mehr, während die Kiemen noch nicht durch einen Deckel geschützt sind. Die Resorption des Dotters schreitet in gleichem Maße mit dem Wachsthum des Fischchens fort. Bei Fig. 10 hat sich der Schultergürtel bereits ventral durch eine Hautbrücke geschlossen und im Stadium Fig. 11 sind schon aktive Be- wegungen der Brustflosse zu erkennen. In diesem Alter verlassen die meisten Embryonen die Muschel. 10. Lage des Bitterlingsembryo in der Muschelkieme. Alle von mir in den Muschelkiemen vorgefundenen Embryonen lagen ausnahmslos mit dem Kopfende nach dem freien Rande der Kieme, während sich das Schwanzende dem Kiemengang zukehrte. Schon bei Beginn der Entwicklung hat das Ei eine ganz bestimmte Lage in der Kieme. Hebt man nach vorhergegangener Konservirung eine Kiemenlamelle vorsichtig ab, dann findet man den Keimpol des Bies nach dem Kiemengang gerichtet. Geringe Abweichungen dieser Lage kamen wohl vor, doch nie bis zu dem Grade, dass der Gegenpol diese Lage eingenommen hätte. Ob diese Erscheinung aus dem speeci- fischen Gewichtsverhältnis zwischen Bildungs- und Nahrungsdotter resultirt, wage ich nicht zu entscheiden, obgleich ich keine andere Ur- sache vermuthe. Das Kopfende des Embryo rückt immer näher gegen das nach unten gelegene Dotterende vor (Fig. 12 a), in entgegengesetzter meridionaler Richtung umwächst das Schwanzende einen Theil des Dotters und löst sich sehr frühzeitig ab, schon ehe es das Stadium in Fig. 7 erreicht hat, um sich in dem Interlamellarraum nach oben zu strecken (Fig. 12 b, c, d). Das Vorschreiten der Schwanzanlage auf dem Dotter und deren späteres gerades Längenwachsthum geht wesentlich rascher, als das eben beschriebene Vorrücken der Kopfanlage. Das Bitterlingsei verhält sich in dieser Hinsicht anders, als die von Kuprrer (27) und List beobachteten Fischeier. Von dem Labridenei sagt Lisr (26, p. 620) in Übereinstimmung früherer Angaben Kurrrer’s: »Die Kopf- anlage des Embryonalwulstes liegt am oberen Dotterpol und über- schreitet denselben auch nicht.« Dass bei dem Bitterlingsei ein Vor- rücken der Kopfanlage stattfindet, geht unzweideutig aus dem Vergleich ee 2 SS Ze Sy Ne SE H x RED RER! | nu = a ah 6 564 Ad. Olt, der Stadien in Fig. I bis 14 hervor, deren scharf markirte Dotterformen sichere Anhaltspunkte dafür bieten. u! | Fig. 12 stellt eine mit vier Rohdeusembryonen besetzte Muschel- kieme dar. Die eine Kiemenlamelle wurde abgehoben, so dass die @ Septen (S) im Längsschnitt und die Interlamellarräume als Rinnen er- 4 scheinen, in denen die Embryonen in ihrer natürlichen Lage veran- schaulicht sind; e und / sind Lager, aus welchen Ei und Embryo herausgenommen sind. Die Wände der Interlamellarräume liegen allseitig den Eiern resp. Embryonen dieht an, und nur an dem Kopf und Schwanzende bilden sie einen Anfangs engen Kanal, der, sich er- weiternd, als eigentlicher noch intakter Interlamellarraum fortsetzt. In Fig. 12 wurde einem Interlamellarraum e ein Ei entnommen, die Lagerstätte weitete sich entsprechend der Form des Eies aus, Septen und Lamellenwände sind durch die Dehnung etwas verdünnt und die Reihen der respiratorischen Kanäle aus einander gewichen, besonders an den Stellen, welche die größte Dehnung in der Richtung der Septen erfuhren. Auf der Kiemenoberfläche sieht man den gelben Dotter durchscheinen, und an der Wölbung der Kiemenlamelle erkennt man äußerlich schon die Form des eingehüllten Embryo. Außer der all- gemeinen Gestalt des Fig. 12 f entnommenen Embryo lässt sich noch der Eindruck, welchen der Dottergürtel als halbkreisförmige Rinne in der Lamelle hinterlassen hat, erkennen; das stumpfe Kopfende lag nach unten, wie es a, b, c und d aufweisen, das Schwanzende erstreckte sich bis nahe an den Kiemengang. Diese beiden Endtheile haben immer dieselbe Lage, während die Stellung des Embryo um die Längsachse eine beliebige ist. Der Rücken kann lateral oder medial den Kiemenlamellen anliegen oder nach vorn oder hinten gegen die Septen angrenzen, je nach dem Meri- dian, in welchem ursprünglich der Embryonalstreif sich ausdehnte. Die einmal angenommene Richtung des Embryonalstreifens wird für die folgenden Entwicklungsstadien während des Aufenthaltes in den Interlamellarräumen fixirt. Die Ankerfortsätze des Dotters graben sich so scharf in die Kieme ein, dass eine Bewegung des Embryo in seiner Längs- oder Querachse geradezu unmöglich ist, nur das freie Schwanz- ende macht zuweilen von Stadium Fig. 7 an zitternde Bewegungen. Der Interlamellarabschnitt, welcher sich zur Lagerstätte des Embryo umgestaltet, erfährt außer der mechanischen Ausweitung keine wesent- liche Veränderungen. Die an den Embryo resp. Dotter angrenzenden Wände bilden eine verdickte Epithelschicht, welche den Eiern und Embryonen so dicht anliegt, dass bei deren Herausnahme größere Epithelfetzen mitgerissen werden, und fiele es oft schwer, an mikro- - Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 565 skopischen Schnitten die Grenze zwischen Embryo und dem Muschel- epithel zu finden, wenn nicht die Zellen des letzteren sich durch ihre beträchtliche Größe kennzeichneten. Als eigentliche Verwachsung kann diese Verbindung nicht aufgefasst werden, es ist nur eine mecha- nische Verlöthung, die am innigsten während der Furchung und Gastrulation das Ei mit seinem Wirth verbindet. Ob in dieser Hin- sicht dem Sekrete der Anhangsdrüse, das dem frisch ausgestoßenen Ei mehr oder weniger anhaftet, eine Bedeutung beizumessen ist, konnte ich nicht entscheiden. An Gegenständen haftet das Bitterlingsei nicht fest, wie z. B. das Heringsei nach Kurrrer’s (16) Beobachtungen. In den späteren Ent- wicklungsstadien, nach Ausbildung der Ankerhaken und des Gürtels wird dem Bitterling der sichere Verbleib in der Kieme schon allein durch die geradezu wunderbaren Anpassungsgebilde des Dotters garan- tirt. Die Kante des Dottergürtels gräbt sich während ihrer Ausbildung immer tiefer in die Kieme ein und verhindert hauptsächlich eine Be- wegung des Embryo nach dem Kiemengang. Die Ankerhöcker sind etwas nach hinten gerichtet und spreizen sich divergirend gegen die Wände der Lagerstätte, in welch letztere sie förmlich einwachsen. Mit der vorschreitenden Resorption des Nahrungsdotters schwinden diese Haft- vorrichtungen und die Verbindung des Embryo wird immer lockerer. In Fig. 10 und 41 ist die Ankerform des Dotters vollständig geschwun- . den, die Fischehen machen lebhafte Bewegungen mit dem Schwanz, lockern dadurch die Verbindung mit der Kieme und rücken allmählich rückwärts nach dem Kiemengang. Das ausgeschlüpfte Fischchen (Fig, 11) hat nun die Gestalt eines Keiles angenommen, dessen Schneide, die Afterflosse, rechts und links gegen die Wände des Interlamellarraumes peitschend, den Weg nach dem Kiemengang findet. Ein Vordringen nach dem blinden Ende des Interlamellarraumes ist durch die Dicke des Kopfes ausgeschlossen. Wenn nun zugleich die Brustflossen hin- und herschlagen, so wird die rückläufige Bewegung des Fischehens noch mehr befördert, so dass es endlich in den Kiemengang gelangt, wo es noch eine beliebige Zeit verweilt. Oft findet man in den Interlamellarräumen bedeutend ältere Stadien als in den Kiemengängen vor, in der Regel haben aber diese das Stadium Fig. 9 überschritten und nur ausnahmsweise sind noch jüngere Embryonen in den Kiemengängen zu finden. Ich vermuthe, dass solch jüngere Stadien von entwickelteren Fischchen, die mit ihnen denselben Interlamellarraum bewohnten, ausgeworfen wurden, denn vor dem 16. Mai fand ich niemals Embryonen in den Kiemengängen vor, erst zur Zeit reiferer Fischchen (Fig. 40 und 11) machte ich diese Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 38 566 Ad. Olt, Beobachtung. Befinden sich mehrere Embryonen in ein und demselben Interlamellarraum, dann sind die untersten, dem freien Kiemenrande zunächst gelegenen, die ältesten, sie reifen früher heran und finden als Hindernis zwischen ihrem Lager und dem Kiemengang ihre jüngeren Brüder, die sie wahrscheinlich durch die peitschenden Schwanzbe- wegungen aus ihrer Lagerstätte herauswirbeln. Oft finden sich in einem einzigen Kiemengang zehn und mehr herangereifte Fischchen, die alle mit den Köpfchen nach dessen vorderem, blinden Ende schauen. Da sie nach dieser Richtung hin die Muschel nicht verlassen können, verweilen sie noch längere Zeit in ihrem Wirth, der ihnen durch das Sekret der Epithelien wohl die erste Nahrung bieten dürfte. Nahrung anderer Formelemente ist ausgeschlossen, da die Kieme alles Athem- wasser, wie eingehends angegeben, auf ihrer Oberfläche filtrirt. Die Lagerung mit den Köpfchen nach dem vorderen Ende des Kiemenganges vesultirt aus der Stromrichtung des Athemwassers. Das den Interlamel- larraum zuerst verlassende Schwanzende des Fischchens wird durch die Strömung des Wassers in der Muschel nach hinten gelenkt und bei dem vollständigen Verlassen des Interlamellarraumes schaut alsdann das Köpfchen in dem Kiemengang nach dem vorderen Ende. Hunderte dieser Fischchen prüfte ich auf ihre Lagerung und fand stets bei solchen, deren Kopfende noch in dem Interlamellarraum stak, den übrigen Körpertheil in der angegebenen Richtung abgelenkt. Ob die Fischchen endlich durch Rückwärtsbewegung oder nach erfolgter Wendung des Körpers vorwärts schwimmend den Kiemengang verlassen, konnte ich nicht entscheiden. BE 11. Weiblicher Geschlechtsapparat des Bitterlings. An dem weiblichen Geschlechtsapparat des Bitterlings treten als außergewöhnliche Gebilde neben Ovarium und Oviduet eine Anhangs- drüse (Fig. 13 AA) unddie Legeröhre hinzu. Unter der Anhangsdrüse ver- stehe ich das Organ, welches v. Sızsoro (1, p. 118) und Brock (14, p. 567) irrthümlich als Harnblase ansahen. Genannte Autoren erwähnten auch den ausgesprochenen bilateralen Bau des unpaarigen Ovariums. Jedenfalls ist das unpaare Ovarium aus der Verschmelzung beider her- vorgegangen. Das ganze Organ ist eine sackartige Bauchfellduplikatur, welche auf Ober- und Unterseite abgeplattet ist und auf der Innen- fläche das Keimepithel trägt. Gegen die Leibeshöhle hin ist der Eier- stocksack allseitig geschlossen und nur durch den Ausführungsgang der Legeröhre tritt der unpaarige, median gelegene Oviduct mit der Außenwelt in Verbindung. Durch eine kurze, mediane Einschnürung in dem vorderen Ab- _ Lebensweise und Entwieklung des Bitterlings. 567 schnitt läuft das Ovarium in zwei blind geschlossene Taschen aus. Die mediane Grenze markirt sich auf Ober- und Unterfläche des Ovariums als helle Linie, die frei von Follikeln ist, beiderseits aber von auffallend symmetrisch angeordneten Längslamellen eiertragender Follikeln begrenzt wird. In allen Ovarien finden sich zur Laichzeit Eier der verschiedensten Entwicklungsstadien bis zur Reife vor. Die Keimepithel tragende Eierstockswand geht ohne Grenze in den geräumigen Eileiter über. Die Eierstockswände sind außerordentlich dünn und zart gebaut. Auf der Außenfläche trägt das Ovarium Plattenepithel des Bauchfells mit zahlreichen Pigmentzellen. Die Innenfläche ist mit Keimepithel ausgestattet, das an manchen Stellen in einfaches Epithel kubischer Zellen übergeht. Zwischen Endothel- und Epithelschicht lagern sich spärliche Bindegewebszüge ein. Die Eifollikeln ordnen sich in Längs- lamellen an; das Eierstocksstroma ist nur spärlich angelegt, es besteht aus fibrillärem Bindegewebe und Gefäßen. Bei Chrom-Osmiumfärbung sind die spindelförmigen Bindegewebskerne in unregelmäßigen Längs- reihen angeordnet deutlich zu erkennen. Die Eier liegen in einer strukturlosen Membran, der Theca folliculi, welche bei vorgeschrittener Entwicklung zum großen Theil über das Stroma hervorspringt. An dem ganzen Ovarium vermochte ich keine Muskelelemente zu entdecken. Der Eileiter zeigt keine Unterschiede gegenüber den keimepithel- reien Stellen des Ovarıums, nur in seinem Endabschnitt nehmen die Epithelzellen Cylinderform an, das Bindegewebe tritt in der Wand mit beigemengten platten Muskelelementen reichlich auf. Das Lumen des Oviductes verengt sich erst bei dem Eintritt in den Ausführungsgang der Anhangsdrüse, der nach kurzem Verlauf in die Legeröhre mündet. Die Anhangsdrüse liegt in dem Endabschnitt der Leibeshöhle und ist von Bauchfell überzogen. Sie besteht aus zwei, ca. 3mm langen, oben blind geschlossenen Säcken, die ventral in einen gemeinschaft- lichen Ausführungsgang übergehen, der als Anfangstheil der Röhre an- gesehen werden kann. Die vordere Wand des proximalen Röhrenab- schnittes stülpt sich als Längspapille in eine sackartige Erweiterung, welche nach hinten und oben in den Drüsengang, nach unten in die Röhre übergeht. Der Eileiter mündet mit verhältnismäßig enger Öffnung durch die Papille in diesen Sack, aus welchem die Eier in die Röhre gelangen. Das Lumen der Drüsensäcke ist mit einem hohen Cylinderepithel ausgestattet, das einer Membrana propria aufsitzt, auf die lockeres Bindegewebe mit dem serösen Überzug folgt. Die Epithelzellen sind in 38* - ur rn Fuge Bere Ka ”. ng Fa - « u er Ya anne.) e- Pr” Et Ta Eee ae = en NV = nn. Mn — zu cn EEE RI TE gl: - nr ae en ee Titan = Zen m: EIER. nn nn nn ne ang ur LER un 568 Ad. Olt, ihrem oberen Dritttheil kolbenförmig angeschwollen und mit einer klaren Inhaltsmasse gefüllt; nach der Tiefe grenzt sich eine körnige Masse ab, in welcher der Kern liegt. Bei vielen Zellen fehlt die Inhalts- masse in dem hell erscheinenden oberen Abschnitt, so dass sie das Bild der Becherzellen aufweisen. In dem Drüsenraum sind Zerfalls- massen kugeliger Klumpen, die dem Lumen der Zellbecher entsprechen, angesammelt. Die Tunica propria baut sich aus einem zierlich verzweigten Maschenwerk retikulirten Bindegewebes auf, das vielfach leisten- und zottenförmig in das Lumen der Drüse vorspringt, wesshalb die Schleim- haut in lauter Taschen und Rinnen gefaltet erscheint. Das Drüsen- epithel setzt sich eine Strecke in dem Ausführungsgang fort und geht vor der Einmündungsstelle des Eileiters in ein Cylinderepithel, wie es in der Röhre vertreten ist, über. Die Legeröhre zeigt cutane Einrichtung und kann als eine Modi- fikation der äußeren Haut aufgefasst werden. An ihr lassen sich Epidermis, Stratum mucosum, Cutis und innere Epithelschicht unter- scheiden. Die Basis der Epidermis sitzt mit hohen Cylinderzellen auf der leicht wellenförmig geschlängelten Mucosa auf; die darüber liegenden Zellschichten nehmen kubische Gestalt an und verhornen nach der Oberfläche zu. Im Ganzen bauen acht bis zehn Zelllagen die verhältnismäßig mächtige Epidermis auf. Den Haupttheil der Röhre bildet die Cutis; sie besteht aus sehr zellreichem Bindegewebe, das sich nach der Anordnung seiner Elemente in zwei Zonen mehr oder weniger scharf sondert. In der peripheren Lage verlaufen die Binde- gewebezüge radiär, in der centralen Zone longitudinal angeordnet. Theils in gleicher Anordnung, theils in unregelmäßigen Zügen ist fibril- läres Bindegewebe eingelagert, besonders in dem proximalen Abschnitt der Röhre. Eine sehr reichliche Gefäßverzweigung mit dünnwandigen weiten Venenräumen ist für die Cutis der Legeröhre charakteristisch. Die zahlreichen engen Gefäße der Cutis sind vielfach von fibrillärem Bindegewebe umsponnen; gegen die Grenze der Mucosa zu trägt die Cutis schwarze und gelbrothe Pigmentzellen. In dem distalen Abschnitt der Röhre finden sich keinerlei Muskelelemente, wohl aber in dem proximalen, von der Aftergegend ab nach innen, wo die Gutis allmäh- lich ganz in quergestreifte Muskulatur mit wenig straffem Bindegewebe übergeht. Die Muskulatur ist derart angelegt, dass ein Sphincter und ein Retraetor auf Schnittserien zu erkennen ist. Unterhalb des retroperi- tonealen Bindegewebes liegt ein eirkulär verlaufender Muskel, der den Endabsehnitt des Oviductes und den Anfang des distalen Röhrenab- Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 569 schnittes umfasst. Bei Kontraktionen schließt er die Mündung des Ei- leiters und übt einen Druck auf das sackartig erweiterte Ende des Ausführungsganges der Anhangsdrüse. Offenbar ist dieser Muskel von wichtiger Bedeutung für den Akt der Eiablage, und werde ich unten dieser Frage näher treten. Der Retractor erscheint in regelmäßigen Lagen längs der vorderen Röhrenwand in der Cutis und grenzt nach vorn an den Enddarm. In dünneren Längslagen ist er lateral angeordnet und fehlt in der hinteren Wand der Röhre ganz. Eine Strecke nach unten hin lösen sich die Muskelbündel immer mehr auf und bilden mit der Cutis ein reichlich verzweigtes Netzwerk, das in dem proximalen Theil der Röhre in die von Muskelelementen freie Cutis übergeht. Das Lumen der Legeröhre kleidet ein mit spindelförmigen Kernen versehenes, hohes Cylinder- epithel, das an der Ausmündungsstelle der Röhre in die mehrschichtige Epidermis übergeht, aus. Nachdem ich meine Untersuchungen über vorliegende Arbeit ab- geschlossen hatte, erschienen einige histologische Mittheilungen über die Legeröhre des Bitterlings von Leyvıe (28). An nicht konservirten Präparaten der Röhre entdeckte dieser Autor Muskelelemente, woraus er auf das Vorhandensein eines Muskelnetzes schließt. Ich konnte in dem größten distalen Theile der Röhre auf Schnittserien niemals Muskulatur finden, aber sehr wohl in dem kürzeren proximalen Ende und zwar stets in Anordnung eines Sphincters und Retractors. LeynıG erwog die Angabe Noır’s, die Röhre zeige beim Legeakt Erektion, spricht aber keine definitive Ansicht über diese Frage aus: er scheint anzunehmen, als werde die Streckung durch das Passiren des Eies be- wirkt und legt besonderen Werth auf das Vorhandensein der Musku- latur, die bei dem Legeakt von Bedeutung sei. Eigentliche Erektion hälte ich nach der histologischen Beschaffen- heit der Röhre nicht für möglich, da ein Corpus cavernosum fehlt. Die beschriebene Streckung kann nur durch das eingetretene Ei nebst Schleimmassen veranlasst werden. Nor sah diese Erscheinung nur, wenn das Ei in die Röhre einschoss, welche Beobachtung ich bestätigen kann. An geschlechtsreifen, selbst getödteten Bitterlingsweibchen ge- lingt es meist, durch Druck auf den Leib Eier und Schleimmassen in die Röhre zu pressen, worauf letztere ebenfalls eine Streckung erfährt. Das Einschießen des Eies in die Röhre halte ich für eine Funktion des Sphincter, tritt er in Aktion, nachdem das Ei den Oviduct verlassen hat und in die sackartige Erweiterung gelangte (Fig. 13 B), dann schließen sich Eileiter nebst Ausführungsgang der Anhangsdrüse, und das Ei wird in die Röhre geschoben. Gleichzeitig werden angesammelte ar u tr MER ie a an = la here en Nm ne _- P= EIER u a — re ee eng Penn DA ee ae 2 5207.70 ei re er ah ee DE WIEN he « 2 Lose nn TE El ee: re a ELTERN EU a >> erg ee ur >: = = —e Mlen ae en a gern Y ar 570 Ad. Olt, Schleimmassen der Anhangsdrüse durch den Sphineter dem Eie nach- Br gepresst, so dass ein blitzschnelles Ausstoßen desselben, wie es Noır beobachtete, ermöglicht wird. Genannter Autor sah ferner, dass das x Ablegen des Eies zuweilen misslingt und dann wieder in die Leibes- höhle zurückkehrt. In diesem Falle reichte wohl die Masse des nach- gepressten Schleimes nicht hin, das Ei vollständig auszustoßen, vielleicht war auch die Kontraktion des Sphincter zu schwach. Der Rücktritt des Eies aus der Röhre in die sackartige Erweiterung ist, wenn die Kon- traktion des Sphincter unterbrochen wird, sehr wohl erklärlich, denn die elastisch gespannte Wand der Legeröhre übt einen Druck auf den Inhalt aus und bewirkt unter gegebenen Umständen eine Rückkehr des Eies. Die wechselnden Verlängerungen und Verkürzungen der Lege- röhre schreibe ich der Wirkung des Retractors, und dem Füllungsgrad des Venennetzes zu. 12. Bemerkungen über das Hochzeitskleid des männlichen Bitterlings, sowie über den bitteren Geschmack des Fisches. von SIEBoLD (1) und Hecker und Kner (2) haben bereits gute syste- matische Beschreibungen über Rhodeus amarus herausgegeben, ich beschränke mich daher nur auf einige ergänzende Angaben bezüglich der sogenannten »Knochenwärzchen«, des Hochzeitskleides und der Ursache des bitteren Geschmackes dieses Fisches. Zur Laichzeit bilden sich auf der Nase des männlichen Bitterlings kleine warzenähnliche Höcker, welche man früher unzutreffend als Knochenwärzchen bezeichnete. Leypıc (28) verglich sie mit den Horn- stacheln anderer Cyprinoiden und erkannte sie als Epidermisgebilde, die in Gestalt kleiner Säckchen in der Haut sitzen. Hinsichtlich ihrer histologischen Einrichtung spreche ich sie als Hautmodifikationen vom Charakter echter tubulöser Drüsen an. Sie sind becherförmig bis sackartig gestaltet, haben enge, kraterförmige Mündung, eine Tiefe von 0,6 bis 0,8 mm, und einen Querdurchmesser von 0,4 bis 0,6 mm. Rechts und links auf der Oberlippe sitzt ein Kon- glomerat aus acht bis zehn solcher Drüsen, die nur wenig über die Oberfläche der Haut prominiren und durch sehr gefäßreiches Binde- gewebe in engem Zusammenhang stehen. Bei dem Übergang in die Drüsen wird das Stratum mucosum zu einer verschwindend dünnen Schicht, die als Membrana propria aufgefasst werden kann und der ein mehrschichtiges Epithel aufsitzt. Leynıs (28) giebt an, dass von der Wand der » Säckchen« Septen in regelmäßigen Abständen nach dem _ Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 971 Inneren vorspringen; ich konnte nach meinen Beobachtungen diesen Befund jedoch nicht bestätigen. Das der Membrana propria direkt aufsitzende Cylinderepithel geht unverändert in die becherförmigen Einstülpungen über, die darüberliegenden etwa 14 Schichten kubischer Zellen weichen durch ihre beträchtliche Größe sehr wesentlich von den Epidermiszellen der äußeren Haut ab. Nach dem Ausführungsgang hin gewinnen sie immer größeren Umfang und stehen nur in lockerer Verbindung oder liegen abgestoßen in Haufen zusammen. Diese Zerfallszellen werden durch neugebildeten Ersatz aus der Tiefe durch die Öffnung nach außen ge- drängt. Über den bitteren Geschmack finden sich in der Litteratur die verschiedensten und widersprechendsten Angaben. Die Einen messen Rhodeus einen widerlich bitteren Geschmack bei, andere Ichthyologen bestreiten ihn oder bezeichnen nur das Fleisch oder die Leibesorgane als bitter ; über die wirkliche Ursache desselben fand ich jedoch keine zutreffende Angabe. Die Gallenblase des Bitterlings ist außergewöhn- lich groß und immer stark mit dünnflüssig, gelblichgrünem Inhalt gefüllt, der einen widerlich bitteren Geschmack hat und beim Braten oder Sieden des Fisches sich dem Fleisch besonders stark aber den Baucheingeweiden mittheilt. Wird die Gallenblase vor der Zubereitung des Fischchens entfernt, dann behält das Fleisch einen angenehmen und keineswegs bitteren Geschmack. Die Galle des Bitterlings hat an und für sich nichts Specifisches, die der Schleie z. B. ist eben so bitter; nur die außergewöhnliche Menge dieses Sekrets ist für den Bitterling charakteristisch und verleiht ihm mit Recht seinen Namen. Zur Laichzeit bekommt das Bitterlingsmännchen ein in allen Farben irisirendes Hochzeitskleid, wie es prächtiger kein Süßwasserfisch zeigt. K. E. von Sıesorp (1) giebt neben einer genauen Beschreibung dieses Farbenkleides eine kolorirte Abbildung, auf die ich verweise. Ich fand, dass jede Schuppe des Bitterlings auf ihrer Oberfläche mit zahlreichen, feinsten Schüppchen, die in cirkulären Reihen angeordnet sind, besetzt ist. Bei auffallendem, resp. reflektirtem Lichte schillern unter dem Mikroskop diese Schüppchen in allen Regenbogenfarben; nach der Ein- stellung durchfallenden Lichtes verschwinden diese prächtig irisirenden Bilder. Der Farbenglanz ist daher eine Interferenzerscheinung der kleinen Schüppchen, ihm gesellen sich noch andere, von Pigmentzellen ausgehende Farben zu. Allenthalben finden sich in der Haut des Bitterlings orangefarbene und dunkelbraune Pigmentzellen; besonders an den Rändern der Schuppen und in der Haut der Flossen. Durch den Reichthum an dunkelbraunen Pigmentzellen sind die Flossen zu- 572 Ad. Olt, weilen schwarz umrandet oder mit dunklen Flecken besät. Zwischen die Flossenstrahlen sind sehr zahlreich orangerothe Pigmentzellen ein- gelagert. Durch das Gemisch der Interferenzstrahlen wird dem leb- haften Farbenkleid des Bitterlings der schöne Metallglanz in herrlich y irisirendem Lichte verliehen, indess die dunklen Pigmentzellen jene prächtig wirkenden Farben an manchen Stellen zu warmen Tönen abstufen, so dass das ganze Farbenkleid auf das Auge als angenehm harmonisches Bild wirkt. Das häufige Schwinden und Wiederkehren des Farbenkleides er- klärt sich aus der Kontraktilität der Pigmentzellen, mit ihr schwinden die orangerothen und dunklen Farbentöne des Hochzeitskleides nahezu ganz. Eingefangene Bitterlinge verlieren dasselbe meist nach einer Stunde und bekommen es in Zimmeraquarien in vollster Pracht nicht wieder. Am herrlichsten gestaltet sich die Farbe bei sexueller Auf- regung, wie ich sie während des Samenergusses beobachtete. Einen starken Einfluss auf die Pigmentzellen hat das Licht. Wird Rhodeus im Sonnenlicht getödtet, so erscheinen die dunkelbraunen Pigment- zellen in breiten sternförmigen Ausläufern, die rothen Pigmente sind mehr umschriebene Flecken, die vielfach in einander übergehen und sich oft in ununterbrochenen Flächen ausbreiten. Verbringt man das Fischehen einige Zeit in einen dunklen Raum und tödtet es mit heißem Sublimat, so erweisen sich alle Pigmentzellen ohne irgend welche Aus- _ läufer als runde, kleinste Punkte. Befanden sich die Bitterlinge in solcher Menge im Aquarium, dass sie der Erstickung nahe waren, dann stellte sich bei allen Männchen das Hochzeitskleid in voller Pracht ein, selbst einige Stunden nach dem Tode bestand es noch fort; wurde vor dem Ersticken noch rechtzeitig für frisches Wasser gesorgt, so schwand schon nach wenigen Minuten die Farbenpracht. Diese Erscheinung be- ruht wohl auf der allzu starken Kohlensäureansammlung im Blute. 13. Wechselbeziehungen zwischen Muschel und Bitterling zur Erhaltung der Art. Die Muschelkieme ist für ein Fischei die denkbar günstigste Brutstätte, sie garantirt dem Bitterling eine starke Vermehrung und somit die Erhaltung der Art. An den für diese Fischart günstigen Orten, wo Teich- und Flussmuscheln reichlich vertreten sind, findet sich auch meist der Bitterling außerordentlich häufig. In den Tümpeln der Umgegend Erlangens und in den bischöflichen Weihern bei Texen- dorf z. B. tritt der Bitterling in diehtgedrängten Scharen zu Tausenden und aber Tausenden wie keine andere Fischart auf, was ich auf das sehr zahlreiche Vorkommen der Teichmuschel in jenen Gewässern zu- * Lebensweise und Entwicklung des Bitterlings. 973 rückführe. Frankfurter Fischer theilten mir mit, dass sie den Bitter- ling früher im Main sehr häufig fanden, seit den dortigen Hafenbauten sei er aber ganz selten geworden. Durch die umfassenden Wasser- arbeiten des Ausbaggerns und der Ufereindämmung fanden daselbst die meisten Muscheln ihren Untergang, wodurch die Verminderung des Bitterlings an diesen Orten wohl bedingt ist. Hecke und Kner (2) setzen nur eine geringe Vermehrung des Bitterlings voraus, »da seine gelblichen Eier von auffallender Größe und daher nicht sehr zahlreich sind«. Diesen Forschern war allerdings die ausgezeichnete Brutpflege, welche dem Bitterlingsei in der Muschel zu Theil wird, unbekannt. Die Fischeier sind ja bekanntlich einer Reihe Gefahren, denen die größte Anzahl anheimfällt, ausgesetzt. In der Muschel dagegen ist das Ei gut geborgen, es fällt keinen anderen Thieren zur Beute, findet nieht Untergang im Sand oder Schlamm und ist vor mechanischen Verletzungen in schönster Weise geschützt. Auch der Infektionsgefahr ist es weit weniger, als andere Fischeier ausgesetzt, da stets gereinigtes Wasser die Kiemen der Muschel durchströmt und abgestorbene Eier aus- gestoßen werden. Gegendienste leistet Rhodeus der Muschel bei der Brutpflege ihrer Embryonen, die sich nach Lryvie’s Entdeckung mittels spitzer Widerhaken an gewissen Fischen anhaften und von der Haut ihres Wirthes encystirt werden, um so auf einige Zeit ein Schmarotzer- leben zu führen. Die meisten Muscheln stoßen ihre Brut innerhalb der langen Laichzeit des Bitterlings aus, und ist durch den Aufenthalt des letzteren in unmittelbarer Nähe der Muschel den ausgestoßenen Em- bryonen Gelegenheit gegeben, sich Rhodeus als Wirth zur Weiterent- wicklung zu wählen. Die lange Ausdehnung der Laichzeit des Bitter- lings und die jedesmalige Ablage nur eines oder zweier Eier kommt den in verschiedenen Zeiten laichenden Muscheln hinsichtlich der Unterkunft ihrer Embryonen sehr zu statten ; andererseits wird dadurch aber auch die Vermehrung des Bitterlings begünstigt, da ein rascher Verlauf des Laichens eine baldige Überladung der Muschelkiemen zur Folge hätte und die größte Anzahl der Eier ihren Untergang im Freien fände. Erlangen, im Juli 1892. 97 [55] 25. 4 Ad. Olt, Litteraturverzeichnis. K. E. v. SıesoLp, Die Süßwasserfische von Mitteleuropa. Leipzig 1863. J. Hecker und R. Kner, Die Süßwasserfische der österreichischen Monarchie. Leipzig 1858. . FERD. Kraus, Über den Bitterling. in: Jahreshefte für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Jahrg. 1858. p. 1241 —123. . C. F. Nor, a) Gewohnheiten und Eierlegen des Bitterlings. in: Zoologischer Garten. Frankfurt a/M. XVII. Jahrg. 1877. p. 351—379. — b) Bitterling und Malermuschel. Ebenda. Frankfurt a/M. XI. Jahrg. p. 237—238. — c) Der Main in seinem unteren Laufe. 1866. p. 34. . H. Ausert, Diese Zeitschr. Bd. VII. 3. Heft. p. 363. . J. RussEgEr, Reisen in Europa, Asien und Afrika. 1834. p. 998—999. . CavoLısı, Erzeugung der Fische und Krebse, deutsch von ZIMMERMAnNN. 4792. . J. Brock, Beiträge zur Anatomie und Histologie der Knochenfische, in: Morph. Jahrb. Bd. IV. 4878. ». W. Hıs, a) Untersuchungen über das Ei und die Entwicklung von Knochen- fischen, besonders des Salmes. in: Zeitschr. f. Anatomie u. Entwicklungs- geschichte. Bd. I. 4876. » J. JAanosık, Partielle Furchung bei Knochenfischen. in: Arch. f. mikr. Anatomie Bd. XXIV. p. 472—474. . Mıecz. v. KowALevskı, Über die Entwicklungsprocesse der Knochenfische. in: Diese Zeitschr. Bd. XLIII. 1886. . R. Bonner, Der Bau und die Cirkulationsverhältnisse der Acephalenkieme. in: Morph. Jahrb. Bd. III. 1877. p. 282—322. . GC. 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O, Ovarium, seitlich und etwas von unten gesehen; T‘, linker taschen- artiger Fortsatz des Ovariums; L, die mediane follikelfreie Linie; Ov, Oviduct; AA, Anhangsdrüse; R, Legeröhre; M, Mesoarium zum Theil weggenommen, um den hinteren Theil der S, Schwimmblase freizulegen ; P, Ductus pneumaticus; D, Darm. Fig. 44, Unio nach Versuch Il vorbereitet, die Pfeile geben die Richtung der Wasserströmung an. a, Kiemenmantelrinne; 5, Sammelpunkt der von der Kiemenoberfläche kommenden Wasserströme; c, Athemsipho; d, Kloake; e, Mund. Fig. 45. Unio. Schale und äußere Kieme sind entfernt, die innere Kieme liegt frei. e, Wasserströmung auf der Außenfläche der inneren Kieme; f, Strom längs des Randes der inneren Kieme. Die Entwicklung von Schale und Schalenhaut des Hühnereies im Oviduct. Von W. v. Nathusius (Halle). Mit 4 Textfiguren. Verfasser hat schon seit Jahren, namentlich in dieser Zeitschrift — Bd. XVII, XIX, XXI und XXXVIH —, in Casanıs’ Journal für Ornith. 1882 und 1885, kürzere Notizen auch im Zool. Anzeiger, z. B. in Nr. 252 und 253 von 1887, Arbeiten über die Struktur der Eihüllen der Vögel und Reptilien mitgetheilt; auch in der 57. Versammlung der Deutschen Naturforscher in Magdeburg Bezügliches vorgetragen. Aus diesen Ar- beiten ergaben sich ihm die Eihüllen als gewachsene Organismen, nicht, wie früher angenommen wurde, als mechanische Appositionen von Sekreten. Eine Lücke bestand darin, dass die Entwicklung der Eihüllen im Oviduct nicht genügend verfolgt war. Auch die ältere Litteratur bietet in dieser Beziehung nur sehr Unvollständiges. Neuerdings habe ich das Glück gehabt, drei in sehr verschiedenen Entwicklungsstufen dem Oviduct geschlachteter Hühner entnommene Eier untersuchen zu können. Die wesentlichsten Resultate ergeben sich aus den beige- fügten Abbildungen. Fig. 1—3 sind nach Querschliffen mit genauer Wiedergabe der verhältnismäßigen Dimensionen mit der Camera lucida gezeichnet. Querschnitte geben auch da, wo wie bei Fig. 3 die Schalenhaut nur mit Schalenrudimenten besetzt ist, ungenügende Resultate, während Schliffe auch in diesen Fällen keine besonderen Schwierigkeiten bieten, wenn die Objekte, in bei gewöhnlicher Tempe- ratur vollständig hartem Kanadabalsam, zwischen stärkeren Eischalen, z. B. von Gänseeiern, eingeschmolzen sind. Zur Erläuterung der Abbildungen wird daran erinnert, dass die Grundsubstanz der Schale durchsichtig ist. Die Undurchsichtigkeit der letzteren entsteht nur dadurch, dass in erstere unzählbare runde Die Entwieklung von Schale und Schalenhaut des Hühnereies im Oviduet. 577 Körperchen eingebettet sind, deren verhältnismäßig geringer Brechungsindex sie als Hohlräumchen in der stark lichtbrechenden Grundsubstanz, bei schwacher Vergrößerung und durchfallendem Licht, als dunkle Punkte erscheinen lässt. Diese Körperchen sind aber nicht gleichmäßig in der Grundsubstanz vertheilt, sondern in koncentrische Schichten oder in radiär gestellte Gruppen geordnet, den bestehenden Strukturverhältnissen entsprechend. So entstehen in Radial- und nn NSCHEHET I Na ORDER 5 SER 28 > 3 ? 7 ‘ x EDEITZTENNERT = \ 303 Er NET 23 SEND u I RN Er “n Dr 2 N <> — el - > Fig. 1. Radialer Querschliff durch Schale und Faserhaut eines reifen normalen Hühnereies bei durchfallendem Licht. Vergr. 142/1, — Fig. 2. Radialer Querschliff durch Schale und Faserhaut eines dem Oviduct entnommenen unreifen Hühnereies, dessen Schale schon vollständig geschlossen ist. Sonst wie Fig. 1. — Fig. 3. Radialer Querschliff durch Schale und Faserhaut eines dem Ovi- duct entnommenen unreifen Hühnereies, Die Schale ist noch nicht vollständig geschlossen, indem die Rudimente der Mammillen nur so weit verwachsen sind, dass noch Lücken zwischen ihnen bleiben und die Schale noch biegsam ist. Sonst wie Fig. 1 und 2. Tangentialschliffen bestimmte Bilder, welche für Arten oder Gattungen konstant sind und auch häufig gestatten, Familien oder Ordnungen danach systematisch abzugrenzen. Wenn in den Abbildungen diese undurchsichtigeren Regionen, die auf diekeren Querschliffen meist ganz dunkel erscheinen, durch Punk- tirung wiedergegeben sind, so ist dies wegen der heliotypischen Her- stellung für den Druck geschehen. Jedenfalls sollen diese Punkte nicht die Größe der Schalenkörperchen darstellen, die bei den eigentlichen Hühnern nicht ganz ! u erreicht. In anderen Familien sind sie größer, z. B. bei Uria troile bis 2,5 «, wo sich dann, nebenbei bemerkt, durch Behandlung mit Chromsäure nachweisen lässt, dass sie etwas Positives sind, indem sie in der entkalkten Grundsubstanz nun stärker licht- brechend hervortreten und dabei koncentrische Schichtung zeigen. Die Fig. I stellt also nicht ein individuelles oder zufälliges Verhältnis, . 578 W. v. Nathusius, sondern dasjenige Strukturverhältnis dar, worin alle nicht monströsen Hühnereier übereinstimmen. Auch die Dicke der Schale variirt in sehr engen Grenzen. In Casanıs’ Journal f. Ornith. Nr. 15 von 4882 habe ich eine größere Reihe von Messungen der Schalendicke von Haushühnern der verschie- densten Rassen aus verschiedenen Gegenden veröffentlicht. Bei 26 unter 32 Individuen liegt die Dicke zwischen 0,30 und 0,32 mm, bei 4 liegt sie zwischen 0,38 und 0,34 mm. Dieses sind CGochinchina oder andere besondere Rassen. Zwei haben 0,29 und 0,26 mm. Es waren auffallend kleine Eier: Das letztere ein »Bantam argente« mit nur 50,5/35 mm Durchmesser !. Auf die Regelmäßigkeit der in Fig. 1 dargestellten Verhältnisse war hinzuweisen, wenn es sich um den Vergleich derselben mit Fig. 2 und 3 handelte; denn dieser ergiebt ohne Weiteres, dass zwar ein Anwachs auf der äußeren Schalenfläche, in den Abbildungen oben, stattfindet, — was ich schon früher an den Schichtungsverhältnissen der unvollständigen Schalen von Reptilieneiern nachgewiesen hatte —, dass aber die Unterschiede in den Strukturverhältnissen von Fig. 2 u. 3 gegen Fig. I daneben ein Wachsthum der Schale durch Intussus- ception erweisen. Nur ein solches kann bewirken, dass bei Fig. 1 die charakteristischen Schichten so viel stärker sind, als bei Fig. 2und 3, und dass die helle Schicht, welche bei Fig. I auf etwa !/; der Schalen- dicke von unten gerechnet liegt, sich später ausbildet, denn sie fehlt bei Fig. 2. Die Schalenhaut besteht ohne eigentliche Schichtung aus im Allgemeinen horizontal gelagerten, sich in allen Richtungen kreu- zenden glashellen Fasern. Die Elastieität der letzteren bedingt, dass bei den in Balsam liegenden Querschliffen die Dicke der Haut durch Kontraktion des ganzen Gewebes erheblich geringer ist, als bei in Glycerin liegenden Querschnitten der von der Schale abgelösten Haut; aber auch diese Verhältnisse zeigen eine genügende Konstanz, wie folgende kleine Tabelle ergiebt, in welcher die Dieken der Schalenhaut nach einer Reihe von Messungen angegeben sind: In Balsam In Glycerin Reife Hühnereier. 78—67 Durchschn. 74 u. 147—A11 Durchschn. 41% u. Unreifes Ei Fig.2. 55—44 Durchschn. 50 «u. 447—-A14 Durchschn. 72 u. Unreifes Ei Fig. 3. 55—44 Durchschn. 50 u. Bestimmung fehlt. Unreifes Ei Fig. 4. 20—18 Durchschn. 19 u. 29—26 Durchschn. 28u. 1 Wenn ich auf die Kontroverse über die Natur der Eischale in anderen Punk- ten nicht eingehe, darf ich doch vielleicht hier darauf hinweisen, dass eine solche Konstanz für ein Sekret kaum denkbar ist. Die Entwicklung von Schale und Schalenhaut des Hühnereies im Oviduet. 579 Die Dicke der Schalenhaut beträgt also bei Fig. 2 noch nicht ganz 2/; von der des reifen Eies und doch ist jeder Zutritt geformter Elemente vom Oviduet aus durch die schon geschlossene Schale unmöglich geworden; zu der Annahme eines solchen hat man aber bekanntlich gegriffen, um die Entstehung der Schalenhaut zu erklären. Bei Fig. 3 ist die Schale noch nicht vollständig geschlossen. Die Rudimente der Mammillen berühren sich nur theilweise, so dass die Schale noch vollkommen biegsam ist; aber auch hier würde durch die beschränkten Zwischenräume hindurch ein Fasergewebe sich nicht auf der äußeren Fläche ansetzen können. Bei Fig. 4 ist noch nichts von Schalenrudimenten zu erkennen, aber auch hier zeigt die äußere Fläche auf Falten eine ununterbrochene, doppelt konturirte Begrenzung, welche auf ein zartes Häutchen von ca. 2—2,5 u Dicke schließen lässt. Die Faserhaut reifer Eier und auch der in Fig. 2 und 3 abgebildeten unreifen besitzt eine solche Be- grenzung nicht. Das Fasergewebe liegt hier offen gegen die Lufträume, welche sich zwischen den Mammillen befinden. Auf die Bedeutung dieses zarten Häutchens komme ich zurück und bemerke zunächst nur, dass durch dasselbe auch hier schon der Eintritt geformter Elemente ausgeschlossen ist. In mündlichen Diskussionen ist mir der Einwand entgegenge- halten, dass die Diekenzunahme der Faserhaut auf Quellung — Wasser- aufnahme — beruhen könnte. Abgesehen da- von, dass eine daraus hervorgehende vierfache Verdickung, wie von Fig. 4 auf Fig. 1 wohl „, , querschnitt durch die über die auch bei Vermuthungen gestattete Haut eines dem Oviduet ent- Kühnheit hinausgeht, zeigt die gleichmäßige De Kontraktion der Faserhaut beim Erwärmen in Figuren. Kanadabalsam gegen die Glycerinschnitte in den verschiedenen Entwicklungsstadien, dass wesentliche Verände- rungen im Wassergehalt der Fasern nicht eintreten. Auch die Schalen- haut ist also ein in und aus sich wachsender Organismus. Dieses wird dadurch nicht alterirt, dass die Stoffe zum Aufbau dieser Organismen selbstverständlich vom Eileiter geliefert werden. In welcher Art das Wachsthum der Schalenhaut stattfindet, ist eine Frage, deren Lösung wenigstens versucht werden muss. Auch beim reifen Ei ist es nicht ganz leicht, die Struktur der Schalenhaut vollständig zu erkennen. Feine flach aber so schräg durch dieselbe geführte Schnitte, dass sie einerseits gegen die innere, andererseits gegen die äußere Fläche auslaufen, lassen, namentlich wenn sie mit SEHE a RE ee 1 a 580 W. v. Nathusius, Goldchlorid behandelt sind, einige Verhältnisse erkennen. Sie ergeben, dass auf der äußeren Fläche die Dicke der Fasern etwa 3 bis etwas über 2 u ist. Außerdem kommen aber dort bis über 6 u breite, bandartige .Faserzüge vor, welche aus mehreren durch eine Art von Kittsubstanz vereinigten Fasern bestehen, wie ich schon früher nachgewiesen habe. Auf der inneren Fläche ist die Schalenhaut durch eine feine anschei- nend strukturlose Membran abgeschlossen. Auf oder über dieser Mem- bran liegen zahlreiche Körnchen, deren Durchmesser ich auf wenig über 1 u schätze. Die Dicke der Fasern wird dort von 1 bis nahezu 1,5 u gehen. Bei dem in Fig. 2 abgebildeten unreifen Ei kann ich hiervon Abweichendes nicht konstatiren. Bei dem in Fig. 4 abgebil- deten kann ich in der stark mit Gold gefärbten und zerzupften Schalen- haut isolirte Faserenden von 2, 1,9, 1,6 und 0,67 u messen oder viel- mehr schätzen. Dieses noch sehr dünne Häutchen zeigt also ähnliche Verhältnisse als die inneren Schichten bei den anderen. Hieraus folgere ich, dass das Wachsthum der Faserhaut nicht nur in einer Verdickung der einzelnen Fasern bestehen kann, sondern die Zahl der Fasern zunehmen muss. Dieses kann aber nicht durch eine Ver- zweigung der Fasern geschehen, da eigentliche Anastomosen sich nicht finden, obschon sich kreuzende Fasern durch die erwähnte Kittsubstanz verbunden werden. Ferner kann an der äußeren Fläche eine Neubildung von Fasern nicht stattfinden, da dort die äußersten Faserschichten quer durch die Ansätze an den Mammillenendungen gehen, die man bei Fig. 4 deutlich sieht. So bleibt nur die Annahme, dass Neubildung von Fasern an der inneren Fläche stattfinde. Der Gedanke liegt dann nahe, dass die dort vorhandenen Körnchen in Beziehung zu der Neubildung von Fasern stehen. Es würden also die an der inneren Fläche gebildeten dünnen Fasern, während neue Schichten entstehen, sich verdicken, und dieser Process mit der vollständigen Reife des Eies in Stillstand gerathen. Dass das Wachsthum der Schalenhaut gerade in dieser Weise statt- finde, kann ich nur als Vermuthung aussprechen, aber es scheinen mir gute Gründe für diese zu sprechen. Noch einen Umstand möchte ich nicht mit Stillschweigen über- gehen. In den Schalenhautfasern von Reptilieneiern habe ich vielfach durch Einlegen in Kanadabalsam Luftkanäle, oder in diekeren Fasern auch andere Strukturverhältnisse nachgewiesen. Bei Vogeleiern war dies nicht gelungen; als ich nun in Flächenschliffen durch die ver- goldete Schalenhaut des Eies von Fig. 2 in stärkeren Fasern vielfach Luftkanäle fand, lag es nah, hier eine Eigenthümlichkeit des unreifen Eies gegenüber dem reifen zu vermuthen. Ich präparirte nun aber von Die Entwieklung von Schale und Schalenhaut des Hühnereies im Oviduet. 581 einem reifen, normalen Hühnerei Stücke der äußeren Schichten der Schalenhaut, behandelte sie theils mit Goldchlorid, theils mit Gold- chlorid-Kalium in verschiedenem Grade, und konnte nach dem Ein- schmelzen in vollständig erhärteten Kanadabalsam in allen Fällen Luftkanälchen in großer Zahl demonstriren. Diese Kanälchen haben ca. 0,7 u Durchmesser, und in den breiteren, bandartigen Faserzügen finden sie sich his zu dreien neben einander. Wiederholte ich den Versuch, von derselben Schalenhaut entsprechende Präparate ohne Behandlung mit Goldchlorid in eben so harten Kanadabalsam zu legen, so wurde dieses Resultat nicht erreicht!. Es besteht also in dieser Beziehung kein nachweisbarer Unter- schied zwischen den Schalenhautfasern der reifen und der unreifen Hühnereier, aber es lassen sich aus dieser Einwirkung des Goldchlorids interessante Schlüsse bezüglich der feineren Struktur mancher thieri- scher Organismen folgern. Wir haben es also hier mit Hohlfasern zu thun, deren Wandstärke nicht ganz I u betragen kann, und die zarte Haut, aus welcher diese Wandung besteht, muss eine Struktur besitzen, welche sie für harten Kanadabalsam in geschmolzenem Zustand durch- dringlich macht, wobei diese Struktur derartig sein muss, dass das Goldchlorid diese Durchdringbarkeit wenigstens abschwächt. Worin diese Einwirkung besteht, ist ziemlich klar, wenn man weiß, in wie hohem Grade der Zusatz von etwas Goldchlorid-Lösung im Moment den Brechungsindex zarter Gewebe erhöht, auch vor Eintritt der Purpur- färbung, und dadurch die Bilder für die mikroskopische Beobachtung verschärft. Es tritt dabei eine Verdichtung der Gewebe ein, und es lässt sich dabei oft auch die mit dieser zusammenhängende Kontraktion bemerken. Es scheint mir die Beachtung von Fällen wohl angebracht, wo bei den feinsten bis jetzt bekannten Elementen der Organismen sich in- direkt auf Strukturen schließen lässt, deren direkter Nachweis wohl niemals gelingen wird, wenigstens wenn nach der jetzt geltenden Undu- lationstheorie eine wesentlich größere Leistungsfähigkeit der Mikro- skope, als die jetzige, durch die eintretende Interferenz nicht erreichbar scheint. Betreffs des Eiweiß habe ich schon früher, namentlich an Schnitten durch hart gekochte Eier, die wesentlichen Strukturen — Schichtung durch membranöse Lagen, welche mit flüssigem Inhalt abwechseln und 1 Dieses ist nicht dahin zu verstehen, dass die Verhältnisse bei allen Vogel- eiern so sind. Bei den mir gerade vorliegenden Eiern von Anser brachyrhynchus und Palamedea chavaria kann ich auch nach Goldbehandlung Luftkanäle in den Fasern der Schalenhaut nicht nachweisen. Zeitschrift f, wissensch, Zoologie. LV. Bd. 39 N u Br Fee Ir» R 582 W. v. Nathusius, die Verbindung der Chalazen mit ersteren — nachgewiesen. Dieses Verfahren gab bei den unreifen Eiern keine Resultate. Das Eiweiß blieb bröckelig und wurde nicht schnittfähig: sogar die Chalazen machten sich nicht deutlich bemerkbar. Das Eiweiß schien merklich wässeriger zu sein, so dass es beim Ei Fig. 3 nach dem Erkalten inner- halb der Schale geschrumpft war und Flüssigkeit abfließen ließ. Es ergiebt sich also nur das allgemeine Resultat, dass auch im Eiweiß mit dem Reifen ein Entwicklungsprocess stattfindet. Am Dotterhäutchen der beiden älteren unreifen Eier waren Unterschiede von dem reifer Eier nicht nachzuweisen. Bei diesem sehr zarten Häutchen ist es überhaupt schwierig bei Messungen konstante Resultate zu erlangen. Von dem in Fig. 4 abgebildeten jüngsten Ei ge- lang es überhaupt nicht, das Dotterhäutchen zu isoliren, weil ich unterlassen hatte, das Ei vorher zu kochen. Es bleibt nun noch das Oberhäutchen zu erwähnen. Bekannt ist, dass die Schale der Hühnereier äußerlich mit einer nicht, oder nur wenig kalkhaltigen Schicht überzogen ist, welche sich bei nur kurz dauernder Behandlung mit Säuren als ein ziemlich konsistentes Häut- chen ablösen lässt. Es ist diese Schicht, welche sich leicht und intensiv mit verschiedenen Stoffen färbt. Auf Fig. 1 ist sie angegeben. Man sieht auch dort, dass sogar an demselben Individuum ihre Dicke eine sehr wechselnde — etwa 10—5 u — ist. Auch an gesplitterten Schlif- fen erkennt man, dass dieses Oberhäutchen biegsam ist. Seine Struktur zeigt sich besser auf den feineren Flächenschliffen mit Gold oder Methylgrün gefärbter Schalen. Die Grundsubstanz enthält zahlreiche stärker lichtbrechende Körnchen, deren Durchmesser von 1 bis ca. 1,2 u geht und die sich stärker als die Grundsubstanz färben. Durch Kochen von Schalenstücken in Kalilauge, welches die Grundsubstanz mehr oder weniger zerstört, aber die Körnchen nicht angreift, lassen sich letztere auch theilweis isoliren. Ähnliche Oberhäutchen besitzen die Eier sämmtlicher Hühner sensu strictiori, aber auch Schwäne und Gänse, und die sogenannten »Überzüge«, welche die Eier der Steganopoden, aber auch von Phoe- nicopterus, Spheniscus und auffallenderweise auch von Crotophaga besitzen. Diese Überzüge, mit welchen die mechanischen Erklärungs- versuche eben so wenig, als mit dem Oberhäutchen etwas anzufangen wussten, sind nichts Anderes als Homologa des Oberhäutchens, aber viel stärker entwickelt. Bei Sula enthalten sie Körnchen, deren Durch- messer bei einzelnen bis zu 22 u geht, und die eine exquisitive ge- schichtete Struktur haben. Schon in Casanıs’ Journal für Ornithol. 1882, XXX, Jahrg. Nr. 159 ae dl 22.2 300 Daun Die Entwieklung von Schale und Schalenhaut des Hühnereies im Oviduct. 583 p- 285 u. ff. habe ich über diese Verhältnisse vorläufig berichtet, dann in der 57. Versammlung der deutschen Naturforscher zu Magdeburg Nähe- res vorgetragen, auch im Zoologischen Anzeiger No. 252 und 253 von 1887 eine kurze Darstellung gegeben. Hier ist der Ort.nicht, auf diese Einzeln- heiten zurückzukommen; es sollte nur daran erinnert werden, dass das noch so wenig untersuchte Oberhäutchen ein besonders interessanter Theil gewisser Eischalen ist, also Werth darauf gelegt wurde, die Ver- folgung seiner Genesis zu versuchen. Bei dem zuerst erhaltenen Ei versuchte ich vergeblich, ein Häut- chen irgend welcher Art auf der äußeren Schalenfläche nachzuweisen. Dieses war um so überraschender nach dem früheren Befunde an einem unreifen Ei von Hirundo riparia!; es musste also in Frage ge- stellt werden, ob nicht das angewendete starke Kochen ein zartes Gewebe zerstört, oder unkenntlich gemacht habe? An gewissen frisch gelegten Eiern sollen in der That die Überzüge so weich sein, dass sie sich abwischen lassen. Das Ei Fig. 3 wurde desshalb vor dem Kochen einige Stunden in eine verdünnte Lösung von Goldchlorid-Natrium gelegt, um ein etwa vorhandenes zartes Gewebe so zu härten, dass es gegen siedendes Wasser resistent wurde. Nach späterer starker Goldfärbung zeigten Querschliffe auf der äußeren Fläche der Schalenrudimente einen scharf abgesetzten purpur- nen Saum, der einem Häutchen von ca. I u Dicke entsprechen würde. Auf Tangentialschliffen der äußersten Fläche finden sich an manchen Stellen die Rudimente von feinen auch in Fetzen abgeklappten roth- gefärbten Membranen umsäumt, welche stärker gefärbte und stärker lichtbrechende Körnchen enthalten, deren Durchmesser auf nicht viel über 0,5 u zu schätzen ist. Dass es sich hier um nicht leicht festzustellende Dinge handelt, geht schon aus den angegebenen Dimensionen hervor. Auch liegen Ver- hältnisse vor, welche die ganz saubere Anfertigung der Präparate ı Nicht celluläre Organismen. Berlin 4877. p. 20. Fig. 4. Diein Glyce- rin konservirten Reste dieser Schale waren mir durch Dr. Bucaneim freundlichst übersandt. Unzweifelhaft befand sich über den noch nicht geschlossenen Mam- millenrudimenten eine kalkfreie Membran von ca. 4,5 u Dicke. An den Eiern der Oseinen lässt sich auch in reifem Zustande ein Oberhäutchen nicht erkennen, so musste ich es als eine Bildungsschicht der Schale, ähnlich dem Periostracum der Muschelschale deuten. Jetzt macht sich aber geltend, dass meine damaligen Prä- parate nach längerer Zeit werthlos wurden, weil der Kalkgehalt der Rudimente verschwand. Dies konnte nur einem Säuregehalt des zum Einschließen verwende- ten Glycerin zugeschrieben werden, und ich muss nun wenigstens der Möglichkeit gedenken, dass auch jenes kalkfreie Häutchen so entstanden sein könnte, 39* 584 W. v. Nathusius, Die Entw. von Schale und Schalenhaut des Hühnereies im Oviduet. erschweren. Ihre Auseinandersetzung würde hier zu viel Raum erfordern. Schon die Demonstration der Struktur des Oberhäutchens am reifen Hühnerei, wo es doch 5—10 u Dicke hat, erfordert gute Färbung. Einbettung der Schalenstücke in gut gehärteten Kanadabalsam und sorgfältige Anfertigung der Flächenschliffe. Die geringe Dicke des fraglichen Oberhäutchens der unreifen Eier steigert selbstverständlich die Schwierigkeiten; aber einen sehr sicheren Anhalt zur Unterschei- dung des Oberhäutchens von der eigentlichen Schalensubstanz gewährt es, dass bei letzterer die Schalenkörperchen schwach lichtbrechend sind, also scheinbar als Hohlräume in der kalkhaltigen stark licht- brechenden Grundsubstanz zur Geltung kommen, während sich beim Oberhäutchen dieses Alles umgekehrt verhält. So glaube ich doch eine gewisse Berechtigung zu dem Ausspruch zu haben, dass beim Haushuhn das Oberhäutchen der Schale schonan den unreifen Eiern mit seinen wesentlichen Charakteren vorhanden ist, und sich nicht erst der im Übrigen fertigen Schale apponirt. Dass die eingeschlossenen Körnchen in dem unreifen Organismus nur ungefähr halb so groß, als im reifen sind, spricht eher für, als gegen diese Ent- wicklung. Wäre es vergönnt, von mit starken Überzügen versehenen Eiern (z. B. Pelecanus conspicillatus — Überzug bis 180 u dick — Sphenis- cus demersus 48 u, Crotophaga ani 40 u, Haliaeus carbo 80 «) unreif dem Oviduct entnommene Eier zu untersuchen, so wären in diesem Punkte noch bestimmtere Resultate als von Hühnereiern zu erhoffen, aber ich darf in dem Gesammtresultat dieser Untersuchung einer Reihe unreifer Hühnereier die Bestätigung dessen erbracht sehen, dass die Hüllen des Vogeleies ein gewachsener Organismus sind, und zwar gewachsen aus der Anlage, welche schon die Hülle des Eierstockeies bot, also aus der Membran, mit welcher der Dotter den Follikel verlässt. Halle, im December 1892. Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel, untersucht an Sphaerechinus granularis und Dorocidaris papillata. Von Fritz Leipoldt in Bonn. (Aus dem zoologisch. u. vergleichend-anatomisch. Institut der Universität Bonn.) Mit Tafel XXIV und XXV. Über das Vorkommen eines Exkretionssystems bei den Echino- dermen hat man schon seit langer Zeit die verschiedensten Muth- maßungen aufgestellt. Während viele Forscher, darunter Levnıs, HazckeL, Horrmann und neuerdings noch Harroc geneigt waren, dem Wassergefäßsystem exkretorische Funktionen zuzuschreiben, Leypıc speciell in den Ambulacralbläschen die Träger derselben vermuthete, GIARD sogar den Geschlechtsorganen zur Zeit ihrer Nichtthätigkeit als Genitalorgane diese Funktion beilegen wollte, trat eine Zeit lang die zuerst von Pzrrıer und KönLer vertretene Ansicht in den Vordergrund, dass das früher als »Herz« bezeichnete Gebilde der Echinodermen eigentlich ein Exkretionsorgan sei, eine Ansicht, die in neuester Zeit durch eine Arbeit von P. und F. Sarasın über Asthenosoma urens neu- belebt worden ist. Bei der Wichtigkeit, welche das Vorkommen eines Exkretions- organs für einen relativ so hoch entwickelten Thierkreis hat, wie die Echinodermen es sind, und bei der Bestimmiheit, mit welcher die beiden zuletzt genannten Forscher ihre Ansicht vertreten, war es wohl berechtigt, auch das Organ anderer Seeigel oder das als homolog an- gesehene Organ der Seesterne auf die Verhältnisse zu untersuchen, welche für die beiden Sarasın zur Deutung dieses Organs als »Niere « —- wie sie dasselbe kurzer Hand nennen — mahigebend waren. Die Untersuchungen, deren Ergebnisse in den folgenden Zeilen ent- halten sind, wurden im hiesigen zoologischen und vergleichend-anato- mischen Institut ausgeführt. Der Güte des Herrn Professor Dr. Lupwis 986 Fritz Leipoldt, verdanke ich sowohl die Anregung zu dieser Arbeit, als auch das dazu nöthige Material, welches er zum Theil persönlich in Neapel konservirt hatte. Meinem hochverehrten Lehrer möchte ich auch an dieser Stelle meinen tiefgefühlten Dank für die mir bei Ausführung dieser Arbeit zu Theil gewordene Unterstützung aussprechen. Was die zur Untersuchung verwandten Organe anbetrifft, so stammen sie hauptsächlich von Sphaerechinus granularis A. Ag. her. Sie waren theils in bloßem Alkohol, theils mit Sublimat und theils mit Chromsäure! konservirt worden. Außer den Sphaerechinus granularis standen mir noch einige Exemplare von Dorocidaris papillata A. Ag. zur Verfügung, die indess nur in Alkohol aufbewahrt worden waren, so dass histologische Untersuchungen nur in beschränkter Weise daran vorgenommen werden konnten. ' Die Entkalkung, wo sie nöthig war, geschah durch 1°/,ige Chrom- säure, die Färbung durch Boraxkarmin, welches die schönsten Resultate ergab. Außerdem durfte ich aus der Sammlung von Herrn Prof. Lupwic Präparate benutzen, welche zum Theil mit Hämatoxylin tingirt waren. In den folgenden Zeilen beabsichtige ich zunächst einen Überblick über die Geschichte des Organs zu geben und dann die Ergebnisse meiner Untersuchungen, und zwar zunächst die der morphologischen, dann die der histologischen, folgen zu lassen. I. Geschichtliches. Die erste genauere Beschreibung des uns hier interessirenden Organs rührt von Tiepemann? her, dessen Ansicht über die Natur des- selben von großem Einfluss auf spätere Forscher gewesen ist. Seiner Meinung nach steht der »herzförmige Kanal« nach oben durch ein feines »Gefäß« mit dem »kreisförmigen Gefäß um den After«, d. h. dem ana- len Blutlakunenring, in Verbindung und giebt nach unten hin Zweige ab an die Laterne und den Ösophagus. Die Wandung des » herzförmigen Kanals« soll nach ihm aus Muskelfasern gebildet sein, die ihn »cirkel- förmig« umgeben und sich unter einander verweben. Da TieDEMAnN außerdem noch wahrzunehmen glaubte, dass der »herzförmige Kanal « sich »kontrahire und expandire«, so hielt er das Organ für das Gen- tralorgan des Blutlakunensystems, das bestimmt sei, den Lauf des Blutes zu reguliren. Tiepemann’s Ansicht blieb lange Zeit herrschend, und so finden wir ! Die so konservirten Organe waren für histologische Untersuchungen am geeignetsten (vgl. auch P. und F. Sarasın, Ss. später). 2 TIEDEMAnn, Anatomie der Röhrenholothurie, des pommeranzf. Seesternes und des Steinseeigels. Landshut 1816. Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 987 denn «auch bei Varentın! die Angabe, dass das Organ ein »Herz« sei; dabei entdeckte dieser Forscher schon, dass das » Herz« einen Hohlraum von komplieirter Form enthält, indem von einem Haupthohlraum eine Reihe von Nebenhohlräumen ausgehen, die sich in der Wandung des Organs verlieren. | Leypie? untersuchte die histologische Struktur des » Herzens« bei der Gattung Echinus und glaubte dabei eine ähnliche Muskulatur zu finden, wie bei dem Molluskenherzen. Nach ihm soll die Muskulatur aus Primitiveylindern bestehen, die eine feine zarte Hülle und einen körnig-bröckeligen Inhalt besitzen; dazwischen sollen braune Körner- klumpen liegen. Das Ganze wird als von einer flimmernden Hülle um- geben geschildert, die aus einer homogenen Haut bestehe; in dem Zwischenraume aber befinde sich eine klare Flüssigkeit, in der diesel- ben hellen Körperchen, wie sie in den Blutgefäßen vorkämen, umher- schwämmen. Welchen Theil des Organs Leypıs nach dieser Beschrei- bung im Auge gehabt hat, lässt sich nur muthmaßen. Doch scheint mir die Vermuthung von P. und F. Sırasın berechtigt zu sein, die darauf aufmerksam machen, dass Leynpıc höchst wahrscheinlich einen Theil des Fortsatzes des Organs, nicht dieses selbst vor sich gehabt habe. Der Meinung, dass das Organ ein »Herz« vorstelle, schlossen sich auch fast alle anderen Autoren bis auf Prrrıer an, so Jon. MÜLLER 3, GEGENBAUR? und A. Acassız?®. Dabei wird ziemlich übereinstimmend das Organ als ein Theil des Blutlakunensystems dargestellt, das als Bindeglied zwischen den an der dorsalen und Bauchseite gelegenen Theilen des »Blutgefäßsystems « und zugleich als Gentralorgan dessel- ben dient. Nur Horrmanx kam zu einer etwas anderen Auffassung des Organs. Während er noch in einer früheren Arbeit® das »Herz« der regulären Seeigel als einen Schlauch von kavernöser Struktur schildert, von dem nach unten zu ein feines »Gefäß« auszugehen scheine, um in einem einfachen periösophagealen Ring (einen analen Ring leugnet Horrmann) zu münden und dessen Wandung aus einem Netz von Muskelfasern bestehe, übertrug er später”? die Verhältnisse, welche er bei den Spatangiden gefunden zu haben glaubte, auch auf die regu- lären Seeigel. Danach stellt dann das Organ eine Anschwellung des Steinkanals, die »Wassergefäßdrüse« oder das »Wassergefäßherz « dar, 1 Varentin, Anatomie du genre Echinus. Neuchätel 4844. 2 Leypıs, Jon. MüLter’s Archiv. 4854. p. 341. 3 Jon. MüLLer, Über den Bau der Echinodermen. Berlin 1854. 4 GEGENBAUR, Grundzüge der vergl. Anatomie. Leipzig 1859. 2. Aufl. 1870. 5 A, Acassız, Revision of the Echini. 1872/1874, 6 HorrmAnNn, Zur Anat. der Echinen u. Spatangen. Niederl. Arch. f. Zool. Bd. I. A8TA. 7 Derselbe, Über das Blutgefäßsystem der Echiniden. Ibid. Bd. I. 1872. BER Fritz Leipoldt, dessen Gewebe von einem zarten Stroma gebildet wird, in dessen Maschen kleine, mehr oder weniger pigmentirte Zellen lagern. Eine ganz andere als die Tıepemanx’sche Ansicht über die Natur des Organs stellte erst Perrıer ! in seiner 1875 erschienenen Abhand- lung über das Cirkulationssystem der regulären Seeigel auf, eine An- sicht, die bald Anhänger fand. Derselbe glaubte in dem Organ den Ex- kretionsapparat der Echinodermen sehen zu dürfen. Durch Injektionen machte er zunächst die Entdeckung, dass der Hohlraum des Organs nicht, wie man bis dahin angenommen hatte, von der Außenwelt voll- ständig abgeschlossen sei, sondern durch die Madreporenplatte hindurch mit derselben kommunicire; die Farbmasse drang beim Einstechen der Kanüle in das Organ durch einen Verbindungsgang in einen Raum unterhalb des Madreporiten (»espace infundibuliforme«) und von dort theils in den Steinkanal, theils durch die Poren des Madreporiten nach außen. Zugleich nahm Perrier bei denselben Injektionen auch wahr, dass der Hohlraum des Organs an seinem unteren Ende blind ge- schlossen sei und nicht mit dem Blutlakunensystem in Verbindung stehe, und da er auch keine Muskelfasern in dem Organ entdecken konnte, so schloss er, dass das Organ nicht als Centralorgan des Cirku- lationssystems dienen könne. Dagegen glaubte er in dem Gewebe der Wandung ein Drüsengewebe zu erkennen, das seiner Ansicht nach in säulenförmigen Zügen, ähnlich wie z. B. die Leber der Säugethiere, aufgebaut ist, wobei von einem gemeinsamen Stamme aus fingerförmige Fortsätze oder Verzweigungen nach der Peripherie des Organs abgehen sollen. Die Verzweigungen aber sollen kleine Hohlräume zwischen sich lassen, in welche das Produkt der Drüsenzellen sich ergösse. Diese Drüsenzellen enthalten nach Perrıer lichtbrechende Granulatio- nen, die bald ungefärbt bleiben, bald mehr ins Bräunliche spielen und aus denen seiner Ansicht nach die in den Geweben der meisten Echino- dermen so häufig anzutreffenden Pigmenthaufen entstehen, indem jeder Haufen den Inhalt einer Drüsenzelle darstelle. Nach alledem repräsentirt also nach Prrrıer’s Meinung das Organ eine leicht gestreckte, schlauch- förmige Drüse, die, von dem Madreporiten ungefähr bis zur Laterne reichend, ohne in Verbindung mit dem Blutlakunensystem zu stehen, neben dem Steinkanal herläuft. Ihre Produkte sollen durch den Ver- bindungsgang und endlich durch die Madreporenkanälchen nach außen entleert und auf diese Weise die für den Körper des Thieres schädlichen Stoffe entfernt werden. Seiner neuen Ansicht entsprechend, nannte er die »Drüse« nach ihrer Form die »glande ovoide« (ein Name, der 1 PERRIER, Recherches sur l’appareil circ. des Oursins. Arch. zool. exp. (1) IV. 48753 Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel ete, 589 noch jetzt vielfach von französischen Schriftstellern gebraucht wird) und den Verbindungsgang ihres Hohlraumes mit dem »espace infundi- buliforme« den »canal exereteur «. Nur wenig später als Prrrıer veröffentlichte Tzuscaer ! seine Be- obachtungen über die Anatomie der Echinodermen. Ihm scheint Prrrıer’s Arbeit gänzlich unbekannt gewesen zu sein, wenigstens er- wähnt er sie mit keinem Wort in dem der Anatomie der Gattung Echinus gewidmeten Theil. Nach ihm reicht das »Herz«, wie er das Organ noch bezeichnet, durch einen dünnen Faden bis zum analen Blutlakunenring und ist durch eine dünne Platte an dem Ösophagus befestigt. Das Gewebe desselben soll wenig durchsichtig sein, einige Fasern enthalten, zwischen denen einige Zellen, viele Körner und zahl- reiche Pigmenthaufen liegen, das Ganze in eine granulöse Substanz eingebettet. — Dass Truschzr das Gewebe auf diese Weise beschreibt, kann nicht Wunder nehmen, da er nur in Alkohol konservirtes Material zur Verfügung hatte, bei welchem die histologische Struktur des Or- gans leicht unkenntlich wird. Nach Teuscaer besitzt das Organ keinen Hohlraum, wenigstens nicht bei Echinus, wohl aber bei Spatangus; statt dessen will er nur ein paar unregelmäßige Spalten gesehen haben, die wahrscheinlich dem »Rückengefäß«, d.h. der dorsalen Darmlakune, angehören sollen. Er ist daher der Meinung, dass ein solches, in ein feines Gefäß eingeschaltetes »Herz« keinen wesentlichen Einfluss auf die Beförderung des Blutkreis- laufes haben kann und glaubt desshalb in ihm ein Überbleibsel aus der Jugendentwicklung oder aus der Entwicklung der Vorfahren des Thieres sehen zu müssen, gerade wie das»Herz« der Asteriden, dem es sicher homolog sei. Auf die Teusener’sche Arbeit, die nur wenig zur Aufklärung über das Organ beitrug, folgte im Jahre 1883 die bei Weitem bedeutendere Abhandlung Koznrer’s?, der sich in seiner Ansicht über die Funktion des »Herzens« an Perrıer anschloss, dagegen in manchen Punkten, be- züglich des morphologischen und histologischen Aufbaues desselben, von ihm abwich. Auf seine Arbeit werde ich später noch häufig zu- rückkommen müssen, da auch er vielfach an Sphaerechinus granu- laris untersuchte, doch möchte ich mich hier schon etwas eingehender mit ihr beschäftigen, da sie, eben so wie diejenige Perrıer’s, manches Richtige gebracht, aber auch manche Irrthümer veranlasst hat, die 1 TeuscHer, Beiträge zur Anatomie der Echinodermen. Jenaische Zeitschr. für Naturw. Bd. X. 4875, 2 KoEHLER, Recherches sur les Echinides des Cötes de Provence. Annales du Mus. de Marseille. Bd. I. 1883. 590 Fritz Leipoldt, zum großen Theil dem von ihm ebenfalls mit Vorliebe benutzten In- jektionsverfahren zuzuschreiben sind. KoEsLer bestätigte zunächst die überraschende Entdeckung Per- rier’s, dass der Hohlraum des Organs wirklich mit der Außenwelt in Verbindung stehe, dann aber gelang es ihm auch, entgegen der Be- hauptung Perrıer’s, die Verbindung des Organs mit dem Blutlakunen- system und zwar gleichfalls durch Injektionen festzustellen. Diese Ver- bindung erfolgt, wie KorkLer ganz richtig schildert, bei Sphaerechinus granularis durch einen dem Steinkanal parallel laufenden, von dem peri- ösophagealen Blutlakunenring ausgehenden Gang, dem »canal glandu- laire«, der, an dem unteren Ende der »glande ovoide« angekommen, sich in ein Netz feinerer Kanälchen auflöst, die sich auf der »Drüse« ver- zweigen. Diesen »canal glandulaire« fand KorsLer beim Einstechen seiner Kanüle in den unteren Theil des Organs auf. Da die Farbmasse dabei auch in einen von dem Wassergefähring getrennten Ring um den Ösophagus, der von Korater richtig als periösophagealer Blutlakunen- ring gedeutet wurde, und in die sogenannten Porr'schen Blasen, ja bei stärkerem Druck aus diesen in den Wassergefäßring und den Stein- kanal eindrang, so sah sich Korsıer veranlasst, aus letzterem, nur bei Zerreißung der trennenden Gewebe möglichen Injektionsbefunde auf einen offenen Zusammenhang von Wassergefäß- und Blutlakunensystem in den sogenannten Porr’schen Blasen zu schließen. Noch eine weitere Verbindung dieser beiden Systeme und damit zugleich auch eine Verbindung des Blutlakunensystems mit der Außen- welt soll aber nach Kornrer’s Meinung dadurch gegeben sein, dass der Steinkanal und der »canal exereteur« des Organs unterhalb der Madre- porenplatte in einen gemeinschaftlichen Raum (Perrier’s »espace in- fundibuliforme «) münden. KoEHLEr stellt sich die Sache so vor, dass das Blut von den auf dem Organ verzweigten Lakunen aus durch das Gewebe hindurch in die Nebenhohlräume des Organs (die » branches afferentes« des »canal excereteur «) und von dort in den »canal exere- teur «, »qui n’est en somme que la continuation du canal glandulaire «, dringe. Hierbei ist aber Kosnuer eine Verwechslung begegnet, auf die meines Wissens noch nicht aufmerksam gemacht worden ist, die mir aber geeignet erscheint, seine irrige Ansicht von dem in der »glande ovoide« stattfindenden Zusammenhang zwischen Blutlakunen- und Wassergefäßsystem zu erklären. Was er nämlich als den »canal ex- ereteur « und die »branches afferentes« desselben bezeichnet, ist meiner Meinung nach nicht der von Prrrier richtig als solcher angegebene Hohlraum des Organs mit seinen Nebenhohlräumen, sondern wie dies deutlich aus seiner Fig. 18 Taf. III hervorgeht, das in dem Hohlraum Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel ete. 591 liegende, gewöhnlich als Fortsatz des Organs bezeichnete Gebilde mit seinen Verzweigungen, die sich an der inneren Wandung des angeblichen Exkretionsorgans befestigen. Der Fortsatz endet aber in einem be- sonderen, sowohl von dem Hohlraum als auch von dem »espace in- fundibuliforme« abgeschlossenen Raum unterhalb des Madreporiten. Dass aber auch eine Verbindung des Blutlakunensystems mit dem wirklichen »canal exereteur « nicht stattfinden kann, da dieser immer bis in seine fernsten Endzweige von einem kontinuirlichen Epithel ausgekleidet ist, ist schon von Prouno und P. und F. Sarasın hervor- gehoben worden. Von Prouno ist auch schon darauf hingewiesen worden, wie wenig die Injektionsbefunde, auf die Koeuter sich hierbei besonders stützt, für die Richtigkeit des behaupteten Zusammenhanges der beiden Systeme sprechen. Es gelang Koratsr nämlich niemals mit ein und derselben Injektion die Verbindung des » canal exereteur « mit der Außenwelt nachzuweisen und zugleich den »canal glandulaire « sowie die mit ihm zusammenhängenden Theile des Blutlakunensystems zu injieiren. Er bedurfte dazu immer zweier gesonderter Injektionen. Außer der von Perrıer überhaupt abgeleugneten Verbindung des Organs mit dem Blutlakunensystem wies KorHLer ihm auch noch einen anderen Irrthum nach und zwar in Bezug auf die histologische Struktur des angeblichen Exkretionsorgans. Er zeigte, dass das, was PerrıEr für ein aus Drüsenzellen aufgebautes Zellengewebe gehalten hatte, eine besondere Modifikation des Bindegewebes sei, welches allerdings auf den ersten Blick täuschende Ähnlichkeit mit einem Drüsengewebe habe, und dass die vermeintlichen Zellgrenzen nichts Anderes als ein Netz bindegewebiger Trabekeln seien, in dessen Maschen sich eine oder mehrere Zellen befänden, deren Protoplasma unregelmäßig ver- ästelt sei. Nach ihm entstehen aus diesen Zellen die bekannten Pig- menthaufen, welche sich vorzugsweise an der Peripherie des Organs befinden. Trotzdem nun Kornter den Irrthum Prrkier’s berichtigt, tritt er doch dessen Meinung von der Funktion des Organs als eines Ex- kretionsapparates bei, obgleich er zugeben muss, dass die Bildung der Pigmenthaufen das einzige Zeichen dafür sei, dass ein Stoffwechsel innerhalb des Organs vor sich gehe. Kornrer’s Ausführungen fanden bald in manchen Punkten Wider- spruch durch Carpenter ?, der zwar Kosster’s Meinung über den Zu- 1 Späterhin sagt KoEuLer von der Struktur des »canal excreteur«, dass er den- selben Bau, nur dichter, wie das Organ zeige. L. c. p. 79. Die gleiche Verwechslung hat KoraLer auch, wie von ProuHo Schon nachgewiesen wurde, bei Spatangus pur- pureus begangen. 2 CARPENTER, Notes on Echinoderm Morphology. Quart. Journ. of Micr, Sc. N. S. Bd. XXIII, 1883 und XXV, 1885. 592 i Fritz Leipoldt, sammenhang der »glande ovoide« und ihres » canal excer&teur« mit dem Blutlakunensystem theilte, lebhaft dagegen die Verbindung des Hohl- raums mit der Außenwelt bestritt. Auch über die Funktion des Organs hegte er eine von der Prrrıer’s und Koruıer’s abweichende Meinung. Er sah in ihm keinen exkretorischen Apparat, sondern vermuthete in ihm einen Herd zur Bereitung bestimmter brauner Zellen (von Prouuo später als »globules amoeboides bruns d’acajou« bezeichnet) und schlug desshalb den Namen »plexiform gland« für das Organ vor. Aber auch Korarer ! gab späterhin seine frühere Ansicht auf und wollte nunmehr in der »glande madreporique«, wie er jetzt auch die »Drüse« der Echiniden und das homologe Organ der übrigen Echino- dermen nannte, während er früher nur dem Organ der Spatangiden diesen Namen beigelegt hatte, einen Apparat sehen, in dem die amö- hoiden Zellen der Leibeshöhle entstehen. Dieser Ansicht schloss sich dann Perrıer ? ebenfalls an, der zugleich einen Zusammenhang in der Entstehung des »corps plastidogene«, welche Bezeichnung er jetzt für die »glande ovoide« wählte, mit den Geschlechtsorganen, d. h. einen »stolon genital« darin zu finden glaubte. Dabei zweifelte er auch jetzt an der Existenz seines »canal excreteur «, irre gemacht durch Koenter’s Interpretation desselben als eines Theiles des Blutlakunensystems. Auch Hamann 3 bestreitet eine Verbindung des Organs mit der Außenwelt, er nimmt nicht einmal einen das ganze Organ durchziehen- den Hohlraum an, sondern beschreibt statt dessen nur Lücken im Gewebe des Organs, die sich stellenweise zu größeren Hohlräumen vereinigen könnten und dabei mit einem »Endothel, d.h. epithelial angeordneten Bindegewebszellen«, ausgekleidet wären. Das Organ reicht nach ihm, mit dem Steinkanal durch eine Membran verbunden, bis zum After, sich allmählich verschmälernd und mit seinem blinden Ende in einem Schizocölraum endend. Unter diesem Schizo- cölraum aber versteht er einen koncentrisch um den After verlaufen- den Raum, in dessen Wandung und Lumen der anale Blutlakunenring sich befindet, während er unter dem verschmälerten Theil des » drüsigen Organs « nur den Fortsatz verstanden haben kann. Dabei ist es Hamann aber entgangen, dass der Raum, in welchem der Fortsatz endet, gegen diesen Schizocölraum ganz abgeschlossen und innerhalb der Kalkleiste um das Afterfeld gelegen ist, während der Schizocölraum, wie er selbst angiebt, außerhalb desselben verläuft. ! KoERLER, Recherches sur l’appareil circ. des Ophiures. Annal. de sc. nat. (7) Zool. Bd. 11. 4887. ? PERRIER, Sur le corps plastidogene. Compt. rend. Ac. sc. Bd. CIV. 1887. 3 Hamann, Beiträge zur Histologie der Echinodermen. 3. Heft. Jena 1887. Das angebliche Fxkretionsorgan der Seeigel etc. 595 Dass Hamann auch die Verbindung der Blutlakunen mit dem Organ nicht genau gesehen und beschrieben hat, werden wir später erfahren, hier müssen wir nur noch einen Blick auf seine Schilderung der histo- logischen Struktur und auf seine Ansicht von der Natur des »drüsigen Organs« werfen. In dem Gewebe sah er mit Recht ein netzförmiges Bindegewebe, dessen Maschen entweder regelmäßiger angeordnet seien (bei Sphaer. gran.) oder unregelmäßiger (bei Arbacia pustul.), wo die Maschen bald weitere, bald engere Räume umschlössen und die Binde- substanz des Netzwerkes bald feiner, bald gröber ausgebildet sei. In dem Gewebe aber beschreibt er theils sternförmige Zellen (bei Sphaer- echinus granularis häufiger), theils Wanderzellen (bei Arbacia pustulosa häufiger). Als Funktion des Organs betrachtet er die Bildung der Pig- menthaufen aus den Wanderzellen und glaubt damit ein Recht zu haben, das Organ als ein »drüsiges« zu bezeichnen, in dem die für den Körper unbrauchbar gewordenen Stoffe aus dem Blute ausgeschieden werden. In ihrem Lehrbuch der vergleichenden Anatomie widmen auch Vosr und Yung ! dem »Dorsalorgan«, wie sie dasselbe nennen, um damit die Homologie mit dem entsprechenden Organ der Crinoideen auszu- drücken, eine ausführlichere Beschreibung. Für sie ist das Organ ein Bestandtheil des Blutlakunensystems (» Berieselungssystems «), wel- ches unterhalb der Madreporenplatte mit einigen bindegewebigen Strängen beginnt, die an die Ausfuhrgänge der Genitalschläuche heran- gehen und einen pentagonalen Ring um den After vortäuschen (man vgl. die Ansicht Prrrıer’s |p. 592] von der Entstehung des Organs als eines »stolon genital«, die vielleicht diese Auffassung beeinflusst hat). Nach unten geht dann das »Dorsalorgan«, einen sich an den Steinkanal an- schließenden Schlauch bildend, zur Laterne und soll auf derselben in den periösophagealen Blutlakunenring münden. Über den inneren Bau des Organs erfahren wir, dass das innere Bindegewebe »Alveolen, Maschen und Kanäle« bilde, die in einen centralen Raum münden und dass in den Maschen »Cytoden«, glatt begrenzte Zellen mit kleinen Kernen (wahrscheinlich die Wanderzellen), sowie braune Pigmenthaufen liegen. Weitaus wichtiger als alle zuletzt erwähnten Arbeiten ist für die vorliegende Untersuchung die Abhandlung Prouno’s über die Anatomie von Doroeidaris papillata ?, weil in ihr die morphologischen und histo- logischen Verhältnisse des angeblichen Exkretionsorgans zum ersten Male auf Grund genauer anatomischer Untersuchungen richtig geschil- dert werden. Auf Prouno’s Beobachtungen werde ich später noch 1 Vosr und Yung, Lehrb. d. prakt. vergl. Anatomie. Braunschweig 1888. 2 ProunHo, Recherches sur le Dorocidaris papillata. Arch. de Zool, exp. et gen. (2) T. V. 1887/1888. 594 Fritz Leipoldt, häufig zurückgreifen müssen und kann mich daher hier mit einer kurzen Übersicht seiner Ergebnisse und der Folgerungen, die er in Bezug auf die Natur des Organs daraus zieht, begnügen. So hat er zum ersten Male die Verbindung des Hohlraums der »glande ovoide« (er behält diese Benennung Perrier’s bei) durch eine Reihe von Abbildungen aus Schnittserien nachgewiesen; ferner den Verlauf des Fortsatzes (»cordon axial«, resp. »processus glandulaire «) und seine Endigung in dem »espace sous-madreporique«, einem geschlossenen Raum unterhalb des Madre- poriten, sowie endlich auch die Verbindung der Blutlakunen des Organs mit dem periösophagealen und analen Blutlakunenring richtig geschil- dert, wie er denn auch Könzer und Perrıer gegenüber die Haltlosigkeit ihrer Annahme einer Verbindung zwischen Wassergefäß- und Lakunen- system nachwies. Eben so richtig hat Prouno auch die histologischen Verhältnisse ge- schildert. Danach besteht die Wandung des Organs aus einem maschigen Bindegewebe, welches an der Peripherie unregelmäßigere Maschen zeigt und dem hier Kalkspicula sowie die Blutlakunen eingelagert sind, wäh- rend es an der Innenseite, wo es durch ein Epithel, dessen Existenz von ihm zuerst angegeben wird, von dem Hohlraum abgegrenzt ist, regel- mäßigere Maschen aufweist. In allen diesen Maschen liegen zahlreiche, den Zellen der Leibeshöhlenflüssigkeit entsprechende, amöboide Zellen. Neu ist bei Prouno auch die Entdeckung kleiner, von der Peripherie des Organs nach innen gehender Kanälchen I canalicules peripheriques externes«), denen er bei der Funktion des Organs eine besondere Rolle zuschreibt. Sie sollen nämlich dazu dienen, den in der »glande ovoide« entstehenden Leibeshöhlenkörperchen den Austritt durch die dichte, äußere, kalkhaltige Schicht in die Leibeshöhle zu erleichtern, denn auch Prouno nimmt eine plastidogenetische Funktion der »glande ovoide«! an. Er weist besonders auch darauf hin, wie das Seewasser dabei eine große Rolle spielen müsse, indem der Kontakt mit demselben erst das Organ, welches histologisch nur eine besondere Modifikation des Mesenteriums vorstelle, zur Produktion der Leibes- höhlenkörperchen befähige. Erwähnenswerth erscheint mir aus Prouno’s Arbeit auch noch der von ihm durch Untersuchungen an jungen Strongylocentrotus lividus geführte Nachweis, dass das Organ keineswegs, wie PsrRIER meinte, als ein »stolon genital« zu betrachten sei. Obwohl von Prouno mit Nachdruck darauf hingewiesen worden 1 Daher giebt Prouno auch dem Verbindungsgang des Hohlraums mit dem Madreporiten statt der Perrırr'schen Bezeichnung »canal excreteur« die des »canal aquifere annexe«, RE | Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 595 8 war, dass nichts in dem Bau des Organs berechtige, dasselbe als ein Ex- kretionsorgan anzusehen, wandten sich P.u. F. Sarısın ! bei Asthenosoma urens doch wieder dieser früheren Deutung zu. Ihrer Meinung nach ist dasselbe eine »Niere«; dem entsprechend bezeichnen sie den Hohlraum als »Ureter« und den Fortsatz als »Nebenniere«. Ihre Behauptung stützen sie einmal darauf, dass sie — in der Auffassung des den Hohlraum aus- kleidenden Gewebes auf Prerizr zurückgehend (s. oben) — darin ein »Drüsenepithel« erkennen wollen, dessen Zellen an die blasigen Ele- mente der Molluskenniere erinnern sollen. (Die Kerne des den Hohlraum von dem »Drüsengewebe« abtrennenden Epithels scheinen ihnen Reste zu Grunde gegangener Drüsenzellen zu sein.) Dann aber halten sie einen anderen Umstand noch von besonderer Wichtigkeit für ihre Meinung. Sie glauben nämlich eine Verbindung des »Ureters« mit der Leibeshöhle entdeckt zu haben. Das » Drüsenepithel « ist nach ihrer Ansicht in ein »bindegewebiges Stroma« eingelagert, in dessen Maschen und Lücken die Blutflüssigkeit eirkulirt. In dieses »bindegewebige Stroma « soll das »Drüsenepithel« Lappen entsenden, deren feine Hohlräume einerseits mit dem Hohlraum, andererseits durch feine, verzweigte Kanälchen (identisch mit den von Prouno bei Doroc. pap. entdeckten » canalicules peripheriques externes«) mit der Leibeshöhle kommuniciren. Hiernach glauben sie in dem, außerdem reich mit Blutlakunen umsponnenen Organ einen Apparat erkennen zu dürfen, der alle Bedingungen zeige um aus der Leibeshöhle die Produkte des Stoffwechsels zu entfernen. Die, wie sie mit Harroc annehmen, von innen nach außen führende Strömung innerhalb des Wassergefäßsystems soll diese Produkte schließ- lich nach außen durch die Wasserporen des Madreporiten führen. Von einer chemischen Untersuchung des Inhaltes des Hohlraumes erwarten sie die Bestätigung ihrer Ansicht. Wenn’auch nicht durch chemische Untersuchungen, so doch durch physiologische Experimente schien Kowatzvsky? neuerdings noch die exkretorische Funktion des Organs bestätigen zu können. Ehe ich aber dazu übergehe diese Arbeit zu besprechen, möchte ich zunächst meine Ausführungen folgen lassen. II. Morphologie, A. Sphaerechinus granularis A. Ag. Das sogenannte Exkretionsorgan der Seeigel liegt bekanntlich zwischen der Laterne und dem Madreporiten. Bei Sphaerechinus ı P. u. F. Sarasın, Ergebnisse naturw. Forschungen auf Ceylon. Bd. I, 3. Heft. Wiesbaden 4889, 2 KowALEVsKY, Ein Beitrag zur Kenntnis der Exkre- tionsorgane. Biol. Centralblatt. Bd. IX. 4890. ER na Sn De nn - EEE en eng R = rn 596 ‚Fritz Leipoldt, granularis hat es die Form einer Spindel! mit leicht gewulsteter Ober- fläche. Es zeigt an der dem Centrum der Leibeshöhle abgewandten Seite eine seichte Rinne, innerhalb welcher der schon für das unbe- waffnete Auge als feiner, weißlicher Streifen sichtbare, auf der Laterne in den Wassergefäßring mündende Steinkanal verläuft (Fig. 2). Das Organ beginnt erstin einiger Entfernung von der Laterne, ungefähr in der Höhe der Umbiegungsstelle des Ösophagus; von diesem unteren Ende führt eine Blutlakune nach dem periösophagealen Blutlakunenring. Nach dem apicalen Pole zu hört das Organ kurz unterhalb des Madre- poriten auf, ist jedoch mit demselben durch ein dünnes durchsichtiges Häutchen, einer Fortsetzung seiner Wandung, verbunden. Innerhalb desselben sieht man aus dem Organ einen Fortsatz austreten, der sich durch seine hellere Farbe vor dem gelblich bis gelblich-braunen Organ auszeichnet. Das Organ wird durch zwei Mesenterien in seiner Lage gehalten, von denen das eine, neben dem Steinkanal herlaufende, von der Laterne bis zum Apicalfeld reicht. Es verbindet das Organ mit dem Ösophagus, verschmilzt auf der Laterne mit deren Membran, während es anderer- seits am Apicalfeld in einen pentagonalen, bindegewebigen Ring, der die fünf Geschlechtsschläuche vereinigt und in dessen Wandung der anale Blutlakunenring sich befindet, übergeht (Fig. 2 oMe). Das andere weit kleinere Mesenterium von rudimentärem Charakter, eigentlich nur eine kleine mesenteriale Platte, beschränkt sich auf den obersten Theil des Organs und verbindet sich mit der das Rectum an die Schale be- festigenden Membran (Fig. 2 a Me). Wenn man das Organ durch einen den Steinkanal entlang geführ- ten Schnitt öffnet, so gelangt man in einen Hohlraum, in dessen Mitte der untere Theil des oben erwähnten Fortsatzes liegt. Derselbe ver- jüngt sich nach unten zu unter fortwährender Abgabe von Seitenzwei- gen, die sich wiederum gabeln und endlich mit der Wandung des Organs in Verbindung treten (Fig. 8). Der unten blind endende Hohlraum setzt sich nach oben, wie wir dies schon durch Prouno und die beiden Sarasın (s. hist. Übersicht) wissen, in einen Kanal fort, der mit dem Steinkanal und den Poren- kanälchen des Madreporiten und damit auch der Außenwelt in offener Verbindung steht. Es geschieht dies bei Sphaerechinus granularis durch die Vermittlung einer kleinen trichterförmigen Ampulle unterhalb des Madreporiten, in welche einerseits sämmtliche Kanälehen des Madre- ! Nach Korkrer hat das Organ von Strongylocentrotus liv. dieselbe Form wie dasjenige von Sphaerechinus granularis. Bei Echinus melo und acutus ist es nach demselben Autor im Verhältnis länger, bei Psammechinus beinahe kugelig. 1. c. p. 73. a Ra 2 Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 597 poriten, andererseits sowohl der Steinkanal wie die Fortsetzung des Hohlraums münden (Fig. 1). Auf einen genaueren Nachweis der Existenz dieser Verbindung kann ich hier verzichten, da derselbe schon von den beiden oben ge- nannten Forschern auf das Genaueste durch eine Reihe von Abbil- dungen aus Querschnittserien erbracht worden ist. Ich verweise dess- halb hier nur auf Fig. I, die nach einer Längsschnittserie hergestellt worden ist und worauf man die Mündung von Steinkanal (S%) und Hohlraum (7!) in die kleine Ampulle (A) deutlich sehen kann. Dabei möchte ich darauf aufmerksam machen, dass nicht bei allen Gattungen und Arten der Seeigel die Art und Weise der Ausmündung so ‚einfach ist wie bei Sphaerechinus granularis. So unterscheiden P. und F. Sarasın! bei Asthenosoma urens drei Abtheilungen unterhalb des Madreporiten, nämlich einmal einen Raum, in welchem die sämmt- lichen Porenkanälchen zusammenströmen, dann einen zweiten Raum, in welchen Steinkanal und »Ureter « münden (die »Sammelblase «), und endlich einen »Verbindungsgang« zwischen beiden. Dagegen scheint PERrRIER’S » espace infundibuliforme« ganz der Ampulle von Spaerechi- nus granularis zu entsprechen und eben so scheint auch bei Echinus melo nur ein ungetheilter Raum unterhalb der Madreporenplatte vor- zukommen. Hamann? erwähnt bei dieser Species einer Ampulle, in welche die Porenkanälchen münden und aus welcher der Steinkanal austritt. Eben so kommt es nach Vocr und Yung? bei Strongylocen- trotus lividus nur zur Bildung einer Ampulle. Das scheinbar ganz abweichende Verhalten von Dorocidaris papillata werde ich hei Be- sprechung dieser Form erwähnen. Außer der Ampulle kommt noch ein anderer, bei Weitem größerer Raum unter dem Madreporiten vor (Fig. I). Er nimmt fast den ganzen Umfang desselben ein, mit Ausnahme des außerhalb der vorspringen- den Leiste (Fig. 9 L) gelegenen Theiles derselben, in welchem der Ge- schlechtsporus (Gp) liegt, umgiebt die Ampulle und erstreckt sich auch noch seitwärts etwas über die benachbarten Platten. Seine Wandung wird von dem zu Anfang dieses Kapitels erwähnten dünnen Häutchen gebildet, welches als Fortsetzung der Wandung des Organs bis zum Madreporiten geht. Wie ich übereinstimmend mit Prouno® und P. und F. Sırasın5 glaube gefunden zu haben, bildet der Raum auch bei Sphaerechinus granularis eine abgeschlossene Höhle, die weder mit der Leibeshöhle noch mit den Porenkanälchen in einer direkten, offenen 2a, Di. 209. 2’0 ec. p. 069. le p.ro23, 41. c.p. 445. (Es ist hier immer die Seitenzahl der separaten Ausgabe von Prouno’s Arbeit angegeben.) 1. c. p. 142: Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. LV. Ba. AR) 598 Fritz Leipoldt, Verbindung steht. Ich will diesen Raum der Kürze wegen als Fortsatz- sinus bezeichnen, da in ihm der obere Theil des Fortsatzes endet. Der letztere verlässt nämlich, indem sich nach oben zu sein Um- fang allmählich vergrößert, den Hohlraum des eigentlichen Organs und geht mit der Wandung des Sinus, welche nach dem Hohlraum zu liegt, eine Verbindung ein. Je mehr er sich dem apicalen Pole nähert, je mehr tritt er dabei in den Sinus ein, bis er endlich in dem Augenblick, da er seine größte Stärke erreicht hat, und kurz vor der Mündung von Hohlraum und Steinkanal in die Ampulle ganz in den Fortsatzsinus einbiegt. Hier geht er zunächst noch eine kleine Strecke gerade in die Höhe, biegt dann aber nach der linken Seite! um und verschmilzt, allmählich wieder abnehmend und verflachend, mit der hinteren Wan- dung des Raumes (Fig. I F). In dem Hohlraum des eigentlichen Organs verzweigt sich, wie schon erwähnt wurde, der Fortsatz und bildet so zum Theil die seit VALENTIN (Ss. oben) bekannten Nebenhohlräume, die sich häufig tief in die Wandung des Organs bis dicht an die äußere Peripherie erstrecken (vgl. Fig. 13). Nach der Laterne zu endet der Hohlraum blind geschlos- sen, geht aber weiter als es von außen den Anschein hat, da er erst dicht über dem periösophagealen Doppelring (= Blutlakunenring + Wassergefäßring) sein Ende erreicht. Es sind also in Wirklichkeit bei Sphaerechinus granularis dieselben Verhältnisse vorhanden, wie bei Dorocidaris papillata und Asthenosoma urens. Nur ist bei Sphaer- echinus granularis der letzte, vom äußerlich sichtbaren Organ bis zum Doppelring führende Abschnitt des Hohlraums ein nach unten immer enger werdender Kanal, während bei den beiden erwähnten Species der Hohlraum bis zu seinem Ende fast das gleiche Lumen behält. Fig. 13—16 geben Bilder aus einer Querschnittserie wieder, welche durch das untere Ende des Organs bis zum oberen Theil der Laterne gelegt worden ist. Auf Fig. 13? sieht man rechts den Steinkanal (S%), in der Mitte den Hohlraum des Organs (H), von dem sich ein kleinerer, 1 nur durch einen feinen Gang mit dem Haupthohlraum zusammen- | ı hängender Kanal (H’) abgezweigt hat. Quergetroffene Blutlakunen (Bl) | n liegen an der Peripherie und an dem zum Ösophagus führenden Mesen- 7 "I terium (oMe). Auf dem zunächst abgebildeten Schnitt (Fig. 1%) ist der | li große Hohlraum (MH), eben so wie auch der in Fig. 13 noch sichtbare ” I\ I Die Lagebezeichnung ist so zu verstehen, dass man bei natürlicher Stellung y des Thieres sich in der dorsoventralen Achse stehend denkt, mit dem Gesicht dem | il Steinkanal zugewandt. 1 | f ? Ich habe auf Fig. 413—16 das Epithel des Hohlraums H und H’ weggelassen, ''IaR wie überhaupt auf diesen Zeichnungen die Epithelien nicht angegeben sind. Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 599 Fortsatz (F) verschwunden; nur der kleinere Hohlraum (H’) ist geblie- ben. Dagegen sind die peripheren Blutlakunen (Bl) zu einer einzigen großen Lakune (C0g) (dem »canal glandulaire« KorHLer’s) zusammen- geflossen. Das Gewebe des Organs ist bis auf einen kleinen Rest (0) an der dem Steinkanal gegenüberliegenden Stelle verschwunden; dieser Rest lässt sich bis zum Ende des Kanals (#’) auch auf den folgen- den Schnitten verfolgen. Auf Fig. 15 sind sowohl der Raum (#7) als auch die Blutlakune (0g) kleiner geworden. In Fig. 16 aber verschwin- det der erstere und Blutlakune sowie Steinkanal sind in den Blut- lakunen- bez. Wassergefäßring übergegangen. Diese Verlängerung des Hohlraums ist auch von KoxuLer ! gesehen worden, ohne dass er jedoch die richtige Deutung desselben zu finden gewusst hätte. Er giebt eine, ungefähr meiner Fig. 14 entsprechende Ab- bildung und bemerkt dazu in seiner Abhandlung: »Il arrive quelquefois qu’en voulant injecter le canal glandulaire par l’extremite inferieure de la glande ovoide, l'injection file dans un petit interstice qu’on pourrait prendre pour un vaisseau, seulement le canal n’arrive jusqu’ä la lan- terne et il Samincit ä mesure quil s’eloigne de la glande ovoide. L’exi- stence de cet interstice s’explique facilement. La paroi conjonctive qui recouvre la glande ovoide se continue en effet sur le canal du sable et sur le canal glandulaire et comme ceux ne sont pas absolument accol&s au niveau de l’extr&emite inferieure de la glande, il en r&sulte un petit espace vide.« Mich wundert dabei, dass Koruter nicht den Zusammenhang seines » petit interstice« mit dem Hohlraum des eigentlichen Organs und dessen Verbindung mit der Außenwelt auffand, wenn seine Kanüle in den verlängerten Hohlraum (den »petit interstice «) gerieth. Bei allen von mir untersuchten Exemplaren von Sphaerechinus granularis war die Verbindung zwischen dem letzteren und dem Hohlraum so weit, dass bei jeder von Korsrer gemachten Injektion die injieirte Farbmasse nothwendigerweise in den Hohlraum und damit auch nach außen durch die Madreporenplatte dringen musste. Es scheint mir aber auch in dieser irrthümlichen Auffassung Koznter’s ein neuer Beweis für die von mir in der historischen Übersicht erwähnte Verwechslung dieses Autors in Betreff des Hohlraums mit dem Fortsatz zu liegen. Auch Hamann? hat die Verlängerung des Hohlraums gesehen. Er giebt gleichfalls eine ungefähr meiner Fig. 14 entsprechende Abbildung, auf der man zwischen Blutlakune und Steinkanal eine ohne Epithel gezeichnete Lücke sieht. Doch bleibt dieselbe sowohl in seiner Abhand- lung, als auch in der Erklärung zu seinen Abbildungen ohne Deutung. 17%.cC.Pp.78. Taf. VI, Fie: 40, 2.1..c, Nat. VI, Fig. 40. 40* 600 Fritz Leipoldt, Die große, von dem periösophagealen Blutlakunenring zum Organ führende Lakune (Fig. 2 Cg) ist, wie dies schon mehrfach erwähnt wurde, der von Korszer entdeckte »canal glandulaire«. KorHLer be- schrieb auch die von ihr ausgehenden, auf dem Organ sich verzweigen- den Blutlakunen. Doch findet nach ihm keine Verbindung derselben mit einem analen Blutlakunenring statt, dessen Existenz er eben so wie PERRIER überhaupt bestreitet, obgleich beide die den Ringkanal um den After begrenzende Membran, in welcher er sich befindet, gesehen haben!. Er glaubt vielmehr, dass der Inhalt dieser auf dem Organ ver- zweigten Lakunen durch das Gewebe des Organs in den »canal excreteur« dringe und so mit dem Wassergefäßsystem und der Außen- welt in Verbindung trete. Ich habe schon in der historischen Über- sicht auf das Irrige dieser Meinung hingewiesen und brauche daher hier nur zu wiederholen, dass weder Kornızer’s »canal exereteur« mit dem Wassergefäßsystem und der Außenwelt, noch der wirkliche, mit Epithel ausgekleidete »canal exereteur« mit dem epithellosen Blutlakunensystem in Verbindung steht. Hamann’s? Ansicht kommt den wirklichen Verhältnissen, was die Verbindung der Blutlakunen des Organs mit dem analen Blutlakunen- ring anbetrifft, schon näher, ohne indess auch hierin ganz korrekt zu sein. Vollständig unrichtig ist aber seine Vorstellung von dem Zu- sammenhang der Lakunen des Organs mit dem periösophagealen Blut- ring. Dieser soll nämlich durch die dorsale Blutlakune erfolgen, die, dem periösophagealen Blutlakunenring entspringend, den Ösophagus bis zu seiner Umbiegungsstelle begleite und sich hier in zwei Äste theile, von denen der eine an den »Magendarm« weitergehe, während der andere das »drüsige Organ« umspinne. Über die Verbindung des letzteren mit dem analen Blutring erfahren wir Folgendes®: Der um den After verlaufende »Schizocölraum«, in dessen Wandung der anale Blutlakunenring verläuft, wird an einer Stelle von dem Steinkanal durchbrochen und hier soll ein Zusammenhang zwischen den Lakunen des Organs und dem analen Blutring bestehen; »die ersteren gehen über in die letzteren «. | Nach meinen Beobachtungen geht von dem periösophagealen Blutlakunenring der »canal glandulaire« nach oben (Fig. 2Cg); er ist bedeutend stärker als die gegenüber liegende ventrale Blutlakune, ! KoEHLER beschreibt bei Psammechinus einen die Geschlechtsorgane ver- E. bindenden, dickwandigen Ring, der nichts Anderes als der Blutlakunenring sein kann; PERRIER einen koncentrischen Raum um den After, der von einer Membran begrenzt wird, welche die fünf Genitalschläuche verbindet. 1. c.p. 642 (vgl. auch Provno |. c. p: 63). 2 1.:C:'Pp. 76. 3]. c.p. 82. ‘Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel ete. 601 welche demselben Ring entspringt (Fig. 2 vBl). Der »canal glandulaire« verzweigt sich auf dem Organ; seine Zweige umspinnen es zum größten Theil, sich bei Sphaerechinus granularis fast wie wirkliche Gefäße von ihm abhebend; ein Theil der Zweige aber geht auch auf das Mesenterium über, welches das Organ an dem Ösophagus befestigt. Es scheint mir möglich, dass auch bei unserer Species diese Zweige, wie es Prouno bei Dorocidaris papillata beobachtet hat!, mit der dor- salen Blutlakune, die nie, bei allen von mir untersuchten Exemplaren, bis an den Blutlakunenring um den Ösophagus reicht, in Verbin- dung treten. Die Blutlakunen des Organs gehen nur so weit, als das charakte- ristische Gewebe desselben reicht; auf die Wandung des Fortsatzsinus treten sie nicht über. Die Verbindung der peripheren Blutlakunen des Organs mit dem analen Blutring findet so statt, dass die auf das Mesenterium übertretenden Lakunen mit demselben bis zum analen Ring gehen und sich dort mit diesem verbinden. Fig. 40 giebt einen Schnitt aus einer Längsschnittserie durch die Madreporenplatte mit anhängendem Organ wieder. Der Schnitt liegt ganz nahe der linken Seite des Madreporiten; aBl ist der quergetroffene anale Blutlakunenring; oMe der obere Theil des Mesenteriums, welches hier vollständig mit der Blutflüssigkeit angefüllt ist und sich mit der Wandung des analen Blutlakunenrings verbindet. Der Verlauf des letzteren ist schon durch Hamann und. Prouno näher bekannt geworden, er verläuft innerhalb der Wandung eines pentagonalen, bindegewebigen Ringes (Fig. 2aB!) und liegt außerhalb der Kalkleiste um das Afterfeld (Fig. 10L). Mit seinem einen Rande ist er an der Leiste, mit dem anderen an der Schale befestigt. Dadurch entsteht der von Hamann ? mit dem Namen des »analen Schizocölraums « belegte koncentrische Raum an der Rückenseite des Thieres. Doch scheint mir dieser Raum nicht so vollständig abgeschlossen von der Leibeshöhle zu sein, wie Hamann dies annimmt, sondern in Verbindung mit derselben durch eine Reihe feiner, mit demselben Epithel wie die Leibeshöhle ausgekleideter Kanälchen, die seine Wandung durchziehen, zu stehen. Zum Schlusse muss ich noch Einiges über den Steinkanal und das Wassergefäßsystem, so weit es in näherer Berührung mit dem Organ steht, erwähnen. Es betrifft besonders die Verhältnisse des Wasserge- fäßringes und seiner Dependenzen, sowie die enge Verbindung des- selben mit dem periösophagealen Blutlakunenring. 1 1.c.p. 404. Taf. XVII, Fig. 3 u. 4. 2 l.c.p. 8. a 2 DI u ee 602 Fritz Leipoldt, Der Steinkanal mündet glatt, ohne vorher eine Erweiterung zu zeigen, wie P. und F. Sırasın dies bei Asthenosoma urens gefunden haben, in den ambulacralen Ring ein (Fig. 14—16), welcher auf seinem ganzen Wege ein gleichmäßiges, einfaches Lumen zeigt und nur in den fünf Interradien je eine Aussackung, wie ein gestieltes Bläschen, die sogenannten Pour’schen Blasen der Seeigel abgiebt, in welchen der vom Wassergefäßring abgehende Kanal Divertikel bildet. Auch der in engster Verbindung mit der oberen Wandung des Wasserringes ver- laufende Blutlakunenring entsendet Zweige hinein. Einen Querschnitt durch ein solches Porr'sches Bläschen stellt Fig. 17 dar. KoEHLeERr !, PERRIER ? und später Vocr und Yung? haben behauptet, dass durch die Wandung dieser Bläschen der Inhalt der Blutlakunen und des Wasser- gefäßsystems in Verbindung stehe. Dass hier ein Irrthum vorliege, ist schon von Prouno * nachgewiesen worden, und zwar sowohl für Doroei- daris papillata, als auch für Echinus sphaera. Auch für Sphaerechinus eranularis kann ich mich an Prouno anschließen, da die innere Wan- dung der Bläschen überall von dem gleichen Epithel wie der Wasser- gefäßring ausgekleidet ist. B. Dorocidaris papillata A. Ag. Bezüglich des morphologischen Aufbaues des Organs dieser Species stimmen meine Befunde in fast allen Stücken mit denen Provno’s über- ein, auf dessen schon mehrfach eitirte Arbeit ich hiermit verweise. Ich werde derselben in meiner Schilderung folgen, dabei aber auch vor- nehmlich auf die Unterschiede in dem Aufbau des Organs von Doroei- daris papillata und Sphaerechinus granularis aufmerksam zu machen haben. Ein solcher Unterschied besteht einmal, wie ich dies schon bei Sphaerechinus granularis (p. 598) hervorgehoben, in der Ausdehnung des Hohlraums, der bei Sphaerechinus granularis zwar auch bis an den Doppelring (= Blutlakunenring -— Wassergefäßring) reicht, dessen letz- ter Abschnitt aber bedeutend enger ist und einen obliterirten Charakter trägt, während er bei Dorocidaris papillata bis an das blind ge- schlossene Ende beinahe die gleiche Weite zeigt. Dem entsprechend ist auch die äußere Form der »glande ovoide« etwas verschieden von der, wie wir sie bei Spaerechinus granularis kennen gelernt haben. Bei letzteren scheint das Organ (und das ist auch bei anderen Arten der regulären Seeigel, namentlich auch bei Echinus nach verschiedenen Angaben der Fall) von außen erst eine Strecke weit oberhalb der 1 1.76.9266, ?2 Compt. rend. ac. sc. 7 mars 1887. 8/71. 7C.;P., 639. 2 ).,C-p- 1288 Ms, - Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel ete. 603 Laterne anzufangen, während hier das in seiner Form nur geringe Abweichungen zeigende Organ dicht über dem Doppelring beginnt ; in Folge dessen kommt es auch nicht zur Ausbildung eines »canal glandulaire« (vgl. Sarasın 1. c. p.114). Das obere Ende ist lang ausge- zogen und reicht bis zum Madreporiten (Fig. 20)1. Von den beiden Mesenterien zeigt das eine, zum Ösophagus führende, denselben Ver- lauf, wie das entsprechende von Sphaerechinus granularis (Fig. 20 oMe); es geht ebenfalls oben bis zum analen Blutlakunenring (Prouno’s »pen- tagone genital«), unten bis zur Laterne. Dagegen ist das zweite, zum Rectum führende Mesenterium weit stärker entwickelt, denn es ist hier nicht nur auf einen kleinen Theil des Organs beschränkt, sondern läuft an demselben ebenfalls das ganze Organ entlang bis zur Laterne und verschmilzt auch mit deren Membran. Dadurch macht die »glande ovoide« bei Dorocidaris papillata den Eindruck eines viel fester dem Organismus des Thieres eingefügten Organs, als dies bei der vorigen Art der Fall ist, wozu auch noch kommt, dass in dem Or- gan reichlich Kalkspicula eingebettet liegen und hierdurch der Eindruck des festen noch erhöht wird. | Einen ganz wesentlich verschiedenen Eindruck scheinen auf den ersten Blick hin die Verhältnisse der Madreporenplatte und der davon abhängenden Kanäle, also Steinkanal und der »canal aquifere annexe« Prouno’s (d. h. der nach oben verlängerte Hohlraum) zu bieten. Bei allen im vorigen Abschnitt erwähnten Formen handelte es sich hierbei um eine einfache oder in mehrere Abtheilungen (Asthenoso- ma urens) zerfallende Ampulle unterhalb des Madreporiten, in die einerseits die Porenkanälchen, andererseits der Steinkanal und »canal aquifere annexe«'mündeten. Von einer solchen Ampulle ist bei Doroci- daris papillata nichts zu finden; man findet nur in der Madreporen- platte, nahe der inneren Oberfläche gelegen, einen kleinen Raum, in den sämmtliche Porenkanälchen einströmen und auch die beiden anderen Kanäle unmittelbar eintreten. Daher zeigt auch die Madre- porenplatte von Dorocidaris papillata außer dem zugehörigen Ge- schlechtsporus an ihrer Innenseite nur eine einzige große Öffnung? während z. B. die von Sphaerechinus granularis mit Poren und Rinnen bedeckt ist (Fig. 9). So abweichend auch auf den ersten Blick dieses Verhalten von Dorocidaris papillata zu sein scheint, so lässt es sich doch wohl leicht auf die Verhältnisse der anderen Formen zurück- führen. Man braucht nur anzunehmen, dass die Caleifikation der Ober- 1 Bei Asthenosoma urens berührt das Organ ebenfalls den Doppelring, be- schreibt aber auf seinem Weg nach oben eine Spirale. 2 Vgl. Prouno, l.c. p. 93. Taf. XIX, Fig. 3. ng E 19 # { } 1 ' ih . \ Fi 604 Fritz Leipoldt, fläche weiter vorgeschritten und dabei die Ampulle in den Madreporiten ; einbezogen worden ist, eine Erklärung, die um so natürlicher er- scheint, als tiberhaupt bei Dorocidaris papillata die Verkalkung der inneren Theile viel weiter geht, als beispielsweise bei Sphaerechinus granularis. Entsprechend den eben geschilderten Verhältnissen zeigt auch die Endigung des Fortsatzes ein etwas abweichendes Verhalten. Der Raum (von Prouno als »espace sous-madreporigue« bezeichnet), in welchem derselbe endet, befindet sich zum Theil ebenfalls im Bereich des Madreporiten, der an seiner Innenseite eine dem »espace sous- madreporique« entsprechende dreieckige Höhle aufweist (die eben er- wähnte einzige große Öffnung liegt an der Spitze derselben). Prouno sagt über die Art, wie der Fortsatz hier sein Ende erreicht: ....äace moment (nämlich, wo er in den vespace« einbiegt) le cordon axial que j’appellerai plus sp&cialement processus glandulaire a acquis ses plus grandes dimensions...... Il affeete la forme d’une massue a manche courbe. L’extr&emite de la massue n’est pas libre et envoie plusieurs prolongements conjonctifs qui l’attachent au test... In der Wandung des »espace sous-madreporigue« kommt noch eine (auch Asthenosoma urens zukommende?) Eigenthümlichkeit vor, nämlich ein weiches, schwammiges Gewebe, das seine nähere Be- sprechung im histologischen Theile finden wird. Bei Sphaerechinus granularis findet sich dasselbe nicht. Die sonst bei Dorocidaris papil- lata im Organ häufigen Kalkspieula fehlen hier durchaus. Der Verlauf der Blutlakunen auf der »Drüse« ist derselbe wie bei Sphaerechinus granularis, eben so, mit Ausnahme des fehlenden » canal glandulaire«, ihre Verbindung mit dem periösophagealen und analen Blutlakunenring. Die Lakunen lassen sich äußerlich nicht verfolgen, die Blutflüssigkeit eirkulirt in Lücken und Maschen der äußeren Schicht des Organs. Noch möchte ich hier auf einen Irrthum in Fig. 4, Taf. XVIII Prouno’s aufmerksam machen, da derselbe zu falschen Vorstellungen Anlass geben könnte. Prouno lässt auf diesem Bilde den oberen Theil | des Organs den analen Blutring durchsetzen, während derselbe, wie ich mich an meinen Präparaten überzeugen konnte, innerhalb des durch den Ring um das Afterfeld gebildeten Kreises an den Madre- poriten herangeht. Gerade dieser Irrthum in der Zeichnung Prouno’s könnte aber die Meinung erwecken, als ob der »espace sous-madre- porique« dem »analen Schizocölraume« Hamann’s angehöre. 11. cp. 445. 2 P. u. F. Sırasım, 1. c, p:442, 3 Vgl. auch. c. Taf. XIX, Fig, 6. ES vo - ee SFR NEN 5 - Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 605 Bemerkenswerth ist zum Schlusse noch die interessante Thatsache, die Prouno entdeckt hat, dass der Doppelring um den Ösophagus nicht den gleichen einfachen Bau wie der Doppelring der übrigen regulären Seeigel zeigi, sondern in seinem ganzen Verlauf den komplieirteren Bau der sogenannten Porr'schen Blasen derselben, und dass an der Stelle, wo diese sonst auftreten, der Wassergefäßring nur fünf leichte Aus- sackungen aufweist (Fig. 20). Dabei sind die Divertikel des Wasser- gefäßringes von einem zarten Gewebe urngeben, das die direkte Fort- setzung der peripheren Zone des Organs bildet und in das sich auch die Blutlakunen der peripheren Zone fortsetzen (Fig. 18). So wird der periösophageale Blutlakunenring nur durch die in diesem zarten Ge- webe befindlichen Lakunen gebildet!. Prouno dachte zuerst daran, dem Doppelring, da er so große Ähn- lichkeit mit dem Bau der sogenannten Pourschen Blasen der Echiniden zeigte, den Namen »anneau de Poli« beizulegen, doch stand er davon ab, da ihm diese Organe nicht den Porr'schen Blasen der übrigen Echinodermen zu entsprechen schienen. III. Histologie. Weit schwieriger als die Untersuchung der bis jetzt geschilderten Verhältnisse ist bei der Kleinheit der Elemente diejenige des histo- logischen Baues des Organs. Ich musste mich bei meinen Beobach- tungen hauptsächlich auf die Untersuchung des Organs von Sphaer- echinus granularis beschränken, da, wie ich schon in der Einleitung bemerkt habe, die mir zur Verfügung gestellten Exemplare von Doro- cidaris papillata nur in Alkohol konservirt worden waren und sich die Gewebe des Organs dadurch verändert hatten. Zur Orientirung über die hier in Betracht kommenden Theile, deren feineren Bau ich zunächst zu schildern habe, verweise ich noch- mals auf den in Fig. 13 abgebildeten Querschnitt durch das Organ. In der Mitte sieht man den Hohlraum 7, umgeben von der Wandung des Organs, in deren dünnerem, mesenterialen Theil der Steinkanal $% liegt. Um den Hohlraum erblickt man innerhalb der Wandung die Lumina kleinerer Räume, der Nebenhohlräume, welche jedoch auf den vorhergehenden oder folgenden Schnitten mit dem Haupthohlraum in Verbindung treten. In der Mitte des Hohlraumes befindet sich der mit der Wandung des Organs durch Stränge verbundene Fortsatz F. An der äußeren Peripherie zeigen sich die Blutlakunen BI, die sich wie Gefäße über das Niveau des Organs erheben. Die Außenseite weist i Vgl. auch P. u. F. Sarasın’s Auslassungen über den Bau des Doppelringes bei Asthenosoma urens, der fast die gleichen Verhältnisse wie bei Doroc. pap. zeigt. 606 Fritz Leipoldt, vielfache Faltungen und Einstülpungen auf, die oft ziemlich weit in die Wandung des Organs eindringen. Neben dem Steinkanal geht das zum Ösophagus führende Mesenterium oMe ab, auf das sich auch die Blutlakunen zum Theil fortsetzen. An seiner Außenseite ist das Organ bekanntlich mit einem ein- schichtigen, niedrigen Wimperepithel bedeckt, das gleiche, welches auch die Leibeshöhle auskleidet. Zellgrenzen lassen sich daran nicht ver- folgen; man erblickt nur eine feine protoplasmatische Schicht, in der die rundlich-ovalen Kerne liegen. Häufig sind aber auch diese Kerne das einzige Zeichen, dass das Organ mit Epithel bedeckt ist. Das Parenchym der Wandung besteht aus einem regelmäßigen Maschen- werk, in dessen Alveolen Zellen liegen, so dass es auf den ersten Blick einem Zellgewebe gleicht, wofür es auch von Psrrıer und P. und F. Sarısın (s. hist. Übersicht) gehalten wurde, während es von anderer Seite richtig als Bindegewebe erkannt wurde. Von den Forschern, welche in dem Gewebe ein Bindegewebe er- blicken, haben KorsLer und Hamann speciell auch das Gewebe des Organs von Sphaerechinus granularis zum Gegenstand ihres Studiums gemacht. Kosuter ! beschreibt das Gewebe als ein Netz bindegewebiger Trabekeln, die an der äußeren Peripherie Alveolen von fast gleichem Durchmesser und Form, im centralen Theil aber ein unregelmäßigeres und engeres Maschenwerk bildeten, und in dessen Maschen verästelte Zellen, niemals mehr als vier, lägen. KoEBLER wollte zuerst PERRIER’S Meinung beipflichten, dass es sich hier um ein Zellengewebe handele, da er aber darauf aufmerksam wurde, wie die Maschen nur an der äußeren Peripherie das regelmäßige, zellenähnliche Aussehen hatten, nach innen zu aber unregelmäßiger und enger wurden, und er ferner nicht nur immer eine, sondern meist mehrere Zellen in einer solchen Masche erblickte, so schloss er richtig, dass es sich hier um Bindege- webe handele. Nach seiner Meinung sollten auch aus den verästelten Zellen die bekannten braunen Pigmenthaufen entstehen, eine Ansicht, die sich aber bald als falsch erwies. Hamann? beschreibt das Gewebe ähnlich wie KornLer als aus poly- gonalen, sechseckigen Maschen bestehend, in denen amöboide Zellen eingelagert sind, welche je nach dem Zustande der Kontraktion eine mehr oder weniger verästelte oder eine runde Form zeigen. Nach ihm sollen aber die in der Mitte des Gewebes auftretenden Hohlräume nicht Theile eines großen, centralen Hohlraumes sein, sondern Lücken im Gewebe vorstellen, die mit »Endothel, d. h. epithelial angeordneten Bindegewebszellen« ausgekleidet sind. 11:0, pP. 18: 2 1.:c..p. 85; - Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 607 Mit den von Kozsrer und Hamann beschriebenen Verhältnissen stimmen auch meine Beobachtungen fast ganz überein. Das Gewebe besteht danach aus einem Netzwerk einer homogenen, schwach glän- zenden Substanz, die sich in Boraxkarmin kaum oder gar nicht, in Hämatoxylin gut färbt (Fig. 3). Die Züge der Substanz sind bald etwas feiner, bald etwas gröber ausgebildet; sie zeigen besonders gern an den Stellen, wo die Maschen an einander stoßen, eine leichte, flächen- hafte Verbreiterung. Die Maschen des Netzwerkes sind nicht immer vollständig gegen einander abgeschlossen; die Scheidewand reicht in diesem Falle nicht ganz bis zur gegenüberliegenden Seite. In der Mitte der Maschen liegen Zellen von verschiedener Form, bald sind sie mehr oder weniger verästelt, bald liegt das Protoplasma rundlich um den Kern zusammengeballt. Bei den meisten ist aber das Protoplasma ver- ästelt, und dessen Ausläufer reichen dann bis dicht an die Maschen- wände heran. Die Zahl der Zellen in den Maschen ist verschieden; doch erblickt man selten mehr als vier, wie dies auch KornLer bemerkt hat. Das Protoplasma der Zellen ist fein granulirt und wenig empfäng- lich für Farbstoffe; der rundlich-ovale Kern tingirt sich dagegen gut; er besitzt ein bis vier Kernkörperchen. An der äußeren Peripherie reicht das Gewebe bis unter das Epi- thel, welches hier das Organ bedeckt. An dieser Stelle werden jedoch die Maschen leicht etwas schmaler, indem sie sich ein wenig nach der Seite ausdehnen und manchmal in eine ganz dünne Schicht faserigen Bindegewebes überzugehen scheinen. Auch an den Blutlakunen geht die Substanz des Maschenwerkes in die bindegewebigen Fasern und feinen Septen über, welche die Lakunen auskleiden und durchsetzen (Fig. 3). In den zum Fortsatz führenden Strängen werden die Maschen unregelmäßiger (Fig. 5); sie richten sich hier in ihrer Form nach dem Strang, in dem sie liegen, wobei sie dessen Längsachse folgen. Hier kann man auch an etwas dickeren Schnitten (z. B. 10—15 ı.) sehen, dass die Maschen nicht von einander abgeschlossen sind, sondern mit einander anastomosiren. | Von dem Hohlraum ist das Gewebe durch ein Epithel abgetrennt, welches denselben Charakter zeigt wie das Epithel der Leibeshöhle. Es ist meist so niedrig, dass man nur die Kerne zu sehen bekommt und bildet eine direkte Fortsetzung des Epithels, welches die Ampulle unter dem Madreporiten auskleidet. Wimpern, wie Prouno sie daran bei Doroecidaris papillata gesehen hat, konnte ich bei meinen konservirten Exemplaren nicht mehr daran entdecken. Sowohl diese Abgrenzung des Gewebes von dem Hohlraum durch ein Epithel, als auch die unregelmäßige Form des Maschenwerkes, in 608 Fritz Leipoldt, dessen Alveolen häufig mehrere Zellen neben einander liegen, und der unvollständige Abschluss der Maschen gegen einander, waren für mich bestimmend, dasselbe als ein Bindegewebe anzusprechen !. Dass es sich bei der inneren Abgrenzung um ein Epithel und nicht etwa um die Reste zu Grunde gegangener Zellen handelt (Sarasın), kann man noch besonders deutlich auf einem durch den »canal glandulaire« geführten Schnitt sehen (Fig. 14). Hier bleibt an der, dem Steinkanal gegenüber- liegenden Seite des Hohlraumes noch ein Rest des maschigen Gewebes erhalten, welches mit den Fasern, die den »canal glandulaire« durch- ziehen, in Verbindung steht und zwischen diesem Gewebe und dem Epithel liegt noch eine Schicht feiner, parallel laufender Fasern. Bei Dorocidaris papillata ist das hier beschriebene maschige Bindegewebe auf eine kleine, ein oder zwei Maschen dicke Zone nach außen von dem den Hohlraum auskleidenden Epithel beschränkt. Wenigstens glaube ich dies aus Prouno’s Beschreibung und Zeichnungen entnehmen zu können, wie ich weiterhin ausführen werde. Was ich an meinen Präparaten wahrnehmen konnte, ist Folgendes: In dem Gewebe des Organs von Dorocidaris papillata sind zwei verschiedene, aber in einander übergehende Schichten zu unterscheiden (Fig. 19). Eine äußere Zone wird von einem kräftigen, breitmaschigen Binde- gewebe gebildet, welches in die befestigenden Mesenterien übergeht und die gleiche Konstruktion wie diese zeigt. In dieser Schicht liegen die bei Doroeidaris papillata so häufigen Kalkspicula und die Blutlaku- nen. Das Gewebe der inneren Schicht ist feiner und regelmäßiger. Auf meinen Spirituspräparaten konnte ich den Bau dieser inneren Schicht nicht mehr erkennen; es war nur noch eine grusige Grundsubstanz vor- handen, in der zahlreiche Kerne lagen. Prouno ? beschreibt diese Zone folgendermaßen: »Le stroma devient plus läche dans la zone periphe- rique interne ..... Immediatement au dessous de ce rev&tement £Epi- thelial interne (es ist das Epithel des Hohlraums gemeint) les alveoles conjonctifs sont mieux delimitees et quelque peu plus regulieres.« Mei- ner Meinung nach entsprechen diese zuletzt beschriebenen Alveolen dem netzförmigen Gewebe bei Sphaerechinus granularis. Diese Ansicht finde ich durch die Abbildungen Prouno’s bestätigt (l. c. Taf. XXI, Fig. 3, k). 1! Eine Isolirung der Zellen aus dem Netzwerk ist mir niemals, trotz mehr- facher Versuche, gelungen; doch glaube ich dies dem Mangel an frischem Material zuschreiben zu können; KoEurer (l. c. p. 75) giebt an, ihm sei dieser Versuch ge- lungen. Sind die Organe nur in Alkohol konservirt, so sieht man eine grusige, ge- färbte Masse mit vielen Kernen. Nach der äußeren Peripherie ordnet sich die Substanz allmählich zu weniger gefärbten Maschen an. Ähnlich beschreibt TEUSCHER (Ss. hist, Übersicht) das Gewebe. 21. c.p. 446. | | h Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 609 Ganz ähnlich wie bei Dorocidaris papillata, scheint auch das Organ von Asthenosoma urens aufgebaut zu sein. Nach den Abbildungen, welche P. und F. Sarısın geben (l. c. Fig. 28, 29, 35, 36, 39), entspricht offenbar das »hindegewebige Stroma«, in dessen epithellosen Maschen ihrer Beschreibung nach das Blut eirkulirt, der äußeren Zone von Dorocidaris papillata, während die »blasigen Elemente« des in das Stroma eingelagerten »Drüsenepithels« den Maschen und Zellen des netzförmigen Gewebes gleichzustellen sein werden. Außer den Zellen, welche innerhalb der Maschen liegen, sind auch noch häufig die sich im Gewebe amöboid bewegenden Wanderzellen zu finden (»globules müriformes« Prouno’s). Ihre Form ist oval, der Zellleib ganz mit farblosen, lichtbrechenden Körnchen erfüllt. Der kleine rundliche Kern liegt etwas excentrisch. In Hämatoxylin färbt sich die ganze Zelle, in Boraxkarmin nur der Kern (Fig. 3 Wz). Ferner liegen besonders an der äußeren Peripherie und hier vorzüglieh in den Blutlakunen die bekannten Haufen gelblich bis bräunlichen Pigments. Erstere Farbe findet sich mehr bei den einfachen Körnchen von ver- schiedener Größe, letztere bei Körperchen von krystallähnlicher, scharf umgrenzter Form {Fig. 7). Ehe ich dazu übergehe, das Gewebe des Fortsatzes zu schildern, muss ich noch mit einigen Worten den Hohlraum berücksichtigen. Wie bekannt, ist derselbe kein einfacher Kanal; vielmehr gehen von ihm eine Reihe von Nebenhohlräumen aus, die in die Wandung des Organs eindringen und deren feinste, senkrecht gegen die äußere Ober- fläche aufsteigende Endzweige häufig erst dicht vor dem äußeren Epi- thel des Organs enden. Diese Endzweige zeigen vielfach die in Fig, A dargestellte Form. Das blindgeschlossene Ende derselben ist etwas erweitert. Ich halte diese Endzweige für identisch mit den von P. und F. Sarasın beschriebenen »Drüsenschläuchen« (l. ce. p. 28, 36 drs), die nach ihnen mit den » blasigen Elementen « des » Drüsenepithels« zusam- menhängen. Erstere sollen dabei ihre zellige Natur aufgeben und dafür völlig mit einer feinkörnigen, mit lichtbrechenden Körnchen vermeng- ten Masse erfüllt sein. Gegen diese Deutung scheint mir aber der Umstand zu sprechen, dass die betreffenden Gänge immer von einem eben solchen niedrigen Epithel ausgekleidet sind, wie der Hohlraum selbst. Sollte aber nicht diese »feinkörnige« Masse vielleicht von ver- klebten Wimperhaaren herrühren? Wie wir durch Prouno wissen, ist das Epithel des Hohlraumes mit Wimpern versehen. Ich selbst fand bei Sphaerechinus granularis und bei Doroeidaris papillata in dem oberen Theil eines solchen Endzweiges manchmal eine helle, ungefärbte, schwach glänzende Masse, über deren Natur ich mir nicht recht klar 619 Fritz Leipoldt, E werden konnte. Zuweilen lagen auch innerhalb derselben, allerdings selten, Wanderzellen oder kleine Pigmentkörnchen; in dem mehr dem Hohlraum zugewandten Theil aber befanden sich häufig Ballen von zelligen Elementen, wie sie in der Leibeshöhle und auch im Wasser- gefäßsystem vorkommen, was doch gewiss eher auf eine Wimperung an dieser Stelle, als auf eine Funktion dieser Theile des Hohlraumes als » Drüsenschläuche « hindeutet. Eine Verbindung des Hohlraumes mit der Leibeshöhle dadurch, dass sich, wie P. und F. Sırısın annehmen, die Nebenhohlräume mit feinen, an der Oberfläche des Organs ausmündenden Kanälchen in Verbindung setzen, konnte ich sowohl bei Sphaerechinus granularis als auch bei Dorocidaris papillata nicht konstatiren. Ich habe mir viele Mühe bei iur, der Untersuchung dieser Verhältnisse gegeben, bin aber immer zu dem- selben negativen Resultat gekommen. Die erwähnten Kanälchen sind leicht zu finden. Es sind die zu Beginn des Kapitels erwähnten Einstülpungen und Faltungen der | Außenseite des Organs. Sie treten fast immer in der Nähe der Blut- | lakunen auf, dringen besonders gern unterhalb derselben in die Wan- dung des Organs ein (Fig. 13 K) und heben sie dadurch noch mehr von vi dem Organ ab. Verfolgt man diese Kanälchen weiter nach unten, so ol sieht man, dass sie auch auf den »canal glandulaire« übertreten und | hier die Zwischenräume des Lakunengeflechtes bilden, aus welchem diese große Blutlakune eigentlich besteht, ohne dass sie jedoch nach dem verlängerten Hohlraum durchbrechen. Eben so kann man auch diese Einstülpungen auf das Mesenterium zum Ösophagus verfolgen, wo sie ebenfalls in die Zwischenräume der mesenterialen Blutlakunen übergehen, hier sich aber auf beiden Seiten des Mesenteriums öffnen. Dass diese letzteren Zwischenräume, wie P. und F. Sarasın ! vermuthen, gleichbedeutend sind mit den »Drüsenschläuchen«, welche sich nach PERRIER? in dem Mesenterium vom Ösophagus zum apicalen Pol hin- ziehen sollen, um sich unterhalb des Madreporiten zu öffnen, bezweifle ich. Ich glaube vielmehr mit Provuno>, dass das, was Perrıer hierunter verstanden hat, die Lakunen des Mesenteriums sind, die sich bis zum analen Blutring erstrecken und mit demselben in Verbindung treten. Die Abbildung Perrıer’s (l. c. Taf. XXIII, Fig. 1) lässt meiner Ansicht nach keinen Zweifel daran zu; außerdem erwähnt Prarıer auch, dass er innerhalb dieser »Drüsenschläuche« eine grünliche Flüssigkeit wahrgenommen habe, was sich entschieden nur auf den Inhalt der Blutlakunen beziehen lässt. Am analen Blutring gehen die Kanälchen > Mi Er ae = W293 Eee nn ie Bo a 7 7 += u 7 Fee: Bu a EEE an ee a u nn en eu HE ae e — nn en en tg m nn a er se a ee 2 - 2 NepramSı 2 1:chP. 01 31.c. p. 410. Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel ete. 611 der mesenterialen Blutlakunen in die Zwischenräume der einzelnen Lakunen dieses Ringes über. > Meine Ansicht, dass es sich hier bei den »Trichterkanälchen « (Sarasın) nur um Gebilde handelt, die im Zusammenhang mit den Blutlakunen auftreten, finde ich auch bei Dorocidaris papillata bestätigt, wo sich die betreffenden Einstülpungen, so weit ich dies beurtheilen kann, nur in der äußeren, die Blutlakunen enthaltenden Zone befinden. Das Gewebe des Fortsatzes ist eine Fortsetzung des Gewebes der Wandung, wird aber an der Peripherie desselben meist weitmaschiger und dem Gewebe der Blutlakunen ähnlicher (vgl. Fig. 3, 6 und 11). Es wird durch bindegewebige Fasern verstärkt, die in dem obe- ren und unteren Theil etwas verschieden gestaltet sind, aber dasselbe optische Verhalten besitzen. Sie gleichen hierin dem Bindegewebe, welches die Kalkplatten der Schale verbindet. Im unteren Theil sind es wellige, longitudinal verlaufende Faserbündel, die auch in die Ver- zweigungen des Fortsatzes Äste abgeben (Fig. 5 Fs). Im oberen Theil sind die Fasern feiner; zwischen ihnen finden sich häufig spiralig auf- gerollte (Fig. 6 Lfj. Der ganze Fortsatz wird von anastomosirenden Kanälchen durchzogen. Im unteren Theil sind diese feiner; sie öffnen sich hier an der äußeren Peripherie des Fortsatzes in den Hohlraum (Fig. 14 C). Im oberen Theil sind sie weiter, dichter zusammengedrängt, so dass es ganz den Anschein hat, als ob dieser Abschnitt aus einem Konvolut kleiner Schläuche bestünde, die in ein bindegewebiges Stroma eingebettet sind (Sarasın). Hier im oberen Abschnitt öffnen sich die Schläuche meist auf dem freien Rande des »processus glandulaire« und münden in den Fortsatzsinus; ein kleiner Theil verschwindet in der Wan- dung des Sinus, ohne jedoch nach der Leibeshöhle hin durchzubrechen und ein Theil setzt sich endlich mit den Kanälchen des unteren Theiles in Verbindung, so dass also auf diesem Wege ein, wenn auch indirekter Zusammenhang des Fortsatzsinus mit dem Hohlraum und damit auch der Außenwelt gegeben ist. In dem Gewebe der beiden Theile fin- den sich Wanderzellen und Pigmenthaufen gerade wie in dem Organ selbst. Nach den Beschreibungen und Abbildungen, welche Prouno! und P. und F. Sırasın?2 von dem Fortsatz von Dorocidaris papillata, bezw. Asthenosoma urens geben, scheint die Struktur des Fortsatzes der beiden Arten ganz ähnlich zu sein mit der von Sphaerechinus granu- laris. Einen genügenden Einblick in die Struktur des Fortsatzes bei Doroeidaris papillata selbst zu thun, verhinderte leider die schlechte Erhaltung dieses Theiles. Ih &p. 117. 21.c.p. 414. = 612 Fritz Leipoldt, Das Epithel des Fortsatzes verdient noch einige Worte. Es scheint etwas höher zu sein als das Epithel, welches den Hohlraum und den Sinus auskleidet und die Kerne zeigen gewöhnlich die abgebildete, eigenthümliche Lage (Fig. 11). Doch macht Prouno wohl mit Recht darauf aufmerksam, dass dieses anscheinend so eigenthümliche Ver- halten lediglich einer Einwirkung der Reagentien zuzuschreiben sei!. Auch die Entdeckung eines anderen Umstandes verdanken wir Prouno ?. Er erwähnt, dass unterhalb des Epithels am »processus glandulaire« »des fibres longitudinales musculaires (?)« vorkämen; P. und F. Sarasın ist es nicht gelungen, diese Fasern bei Asthenosoma urens nachzuweisen, obgleich es mir nach ihrer Abbildung nicht un- wahrscheinlich scheint, dass sie auch dort vorhanden sind’. Bei Sphaerechinus granularis sowohl, als auch bei Dorocidaris papillata fand ich diese Muskelfasern wieder, sie gingen sogar bei Sphaerechinus granularis auch auf die Wandung des zum Doppelring führenden, engeren Theiles des Hohlraumes über, während sie sich in der Wandung des eigentlichen Organs nicht fanden. Es sind blasse, feine, anscheinend homogene Fasern, die in gewissen Abständen parallel neben einander laufen und ganz den Ringmuskelfasern der Ambulaeralbläschen gleichen. Sie lassen sich leicht von dem Gewebe isoliren:; von Stelle zu Stelle sieht man dann an einer solchen Faser einen anliegenden, ovalen Kern. Auf Querschnitten erscheinen die Fasern als feine, schwach glänzende, leicht gefärbte Pünktchen (Fig. 11). Ich bin um so mehr geneigt, diese Fasern für Muskelfasern zu halten, als Prouno* berichtet, dass er an dem Fortsatz langsame Kontraktionen wahrgenommen habe. Dieselben Fasern kommen auch noch anderweitig vor, wie Hamann z. B. dies bemerkt hat’. So fand er sie, und ich kann dies be- stätigen, in den Mesenterien; eben so konnte ich sie auch in der der Leibeshöhle zugewandten Seite des mesenterialen Bandes, in welchem der Steinkanal liegt, entdecken. Das von Prouno® und den beiden Sarasın ’ in der dem After zuge- wendeten Seite der Wandung des Fortsatzsinus bei Dorocidaris ! .„... I arrive que, par l’action des reactifs, le protoplasma de chacune d’elles (es handelt sich hier um das äußere Epithel des Darmes, doch bezieht sich Prouno auf diese Stelle in seiner Erklärung zu Fig. 41, Taf. XX) se contracte en entrainant la membrane limitante qui se moule exactement sur le noyau de telle sorte que la cellule entiere semble reduite a ce dernier qui reste attach€ a la cruche sous-jacente. 1.2:C,.p. 73, ze. p, 147. 3 1, c. Fig. 42. Die kleinen Pünktchen unterhalb des Epithels scheinen mir die Durchschnitte der Muskelfasern zu sein. A2].76,pM198: 5].sc. pr A048 S ltespF 115. u.348; no. paar hi ä { Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel ete. 613 papillata bez. Asthenosoma urens entdeckte »schwammige Gewebe « kommt, wie schon erwähnt, bei Sphaerechinus granularis nicht vor. Bei Dorocidaris papillata handelt es sich um Gebilde, welche die Ge- stalt kleiner, drüsiger Lappen und Läppchen (Fig. 21) haben, die, von verschiedenen Hauptstämmen ausgehend, sich in diesem Theile der Wandung des Fortsatzsinus verzweigen. In jedem Lappen befindet sich ein Hohlraum, der in den Hohlraum des Hauptstammes ausmündet. Ob sich die letzteren in die Leibeshöhle öffnen, darüber konnte ich keine sicheren Beobachtungen anstellen. Prouno, der, wie es scheint, diese Verhältnisse an gut konser- virtem Material untersuchte, erwähnt darüber nichts. Nach ihm sind die einzelnen Lappen aus kleinen, mit einer feinen Membran ver- sehenen Bläschen zusammengesetzt. Ob dies der Fall ist, konnte ich nicht genau erkennen. Zuletzt möchte ich noch eine von Hamann an Sphaerechinus granu- laris gemachte Beobachtung bestätigen, die allerdings streng genommen nicht hierher gehört. Sie betrifft das Epithel des Steinkanals. Hamann! erwähnt, dass an der dem »drüsigen Organ« zugewandten Seite des Steinkanals eine Lücke in dem Palissadenepithel vorhanden sei und hier Zellen von durchaus anderem Bau aufträten. Die Zellen wären von gleicher Höhe und Breite und besäßen einen kugeligen Kern in ihrer hellen Zellsubstanz. Wimpern oder Reste derselben wollte er nicht mehr vorgefunden haben. Ich habe diese kubischen Zellen so- wohl bei Sphaerechinus granularis als auch bei Dorocidaris papillata wiedergefunden (Fig. 12). Die Zellgrenzen derselben sind gut zu sehen. Eine Cuticula konnte ich an der freien Seite der Zellen nicht ent- decken, auch war der obere Rand nicht glatt begrenzt, wie Hamann dies abbildet (l. c. Taf. XI, Fig. 2), sondern spitz ausgezogen, wobei auf der Spitze je eine Wimper saß. Das Protoplasma zeigte sich eben so hell, wie dasjenige der Palissadenzellen; dagegen zeigte sich der kugelrunde Kern lange nicht so empfänglich für Farbstoffe und färbte sich nicht so intensiv wie die Kerne der Palissadenzellen. Diese hellen Zellen gehen nach beiden Seiten in die Zellen des Cylinderepithels über. Der Folgerung, welche Hamann aus dem Vorkommen dieser hellen Zellen zu ziehen können glaubt, dass nämlich durch diese Längsleiste unbewimperter Zellen eine von innen nach außen und eine von außen nach innen gehende Strömung innerhalb des Steinkanals zu Stande komme, kann ich nicht beistimmen, da ja die kubischen Zellen le. Pp. 66. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd, A 614 Fritz Leipoldt, thatsächlich nicht der Wimpern entbehren. Überdies hat auch Lupwic! neuerdings experimentell nachgewiesen, dass innerhalb der Madre- porenplatte und des Steinkanals nur eine und zwar von außen nach innen gehende Strömung vorhanden ist. Es erübrigt nun noch, nachdem wir die morphologische und histo- logische Struktur des Organs kennen gelernt haben, die Frage zu beant- worten, welche Funktion dem Organ auf Grund der vorstehenden Untersuchungen zuzuschreiben sei. Dass dies eine nicht leicht zu beant- wortende Frage ist, zeigen schon die verschiedenen Ansichten, zu welchen die in der historischen Übersicht genannten Forscher durch ihre Beob- achtungen geführt worden sind. Doch lässt sich das Eine mit Sicherheit behaupten, dass das Organ keine »Drüse« vor Allem keine »Niere« im Sinne von P. und F. Sarasın sein kann, wie sich dies aus dem Fehlen eines Drüsenepithels und dem Mangel einer Verbindung des Hohlraums mit der Leibeshöhle, vor Allem aber auch daraus ergiebt, dass, wie Lupwie bewiesen hat, im Steinkanal und dem Madreporiten nur eine nach innen führende nicht eine ausführende Strömung vorhanden ist, etwa ausgeschiedene Stoffe also auch nicht aus dem Körper des Thieres nach außen geführt werden können. Auch die Frage, ob vielleicht das Vor- kommen und die Entstehung der Pigmenthaufen, die höchst wahr- scheinlich als aus den Wanderzellen durch Aufnahme unbrauchbarer und schädlicher Stoffe entstandene Exkretionsprodukte zu betrachten sind, ein Recht giebt, wie Hamann dies annimmt, das Organ als ein Exkretions- organ zu betrachten, ist zu verneinen, da, wie dies von ProuHo ? aus- führlich dargelegt worden ist, das Vorkommen dieser beiden Elemente und damit auch der Process der Verwandlung von dem Einen in das Andere nicht allein auf das Organ beschränkt, sondern auch aus allen anderen Organen und Geweben des Thieres, so besonders aus den Mesenterien, dem Darm etec., bekannt ist. Auch findet man häufig, worauf Prouno ebenfalls schon hinweist,-in dem Organ fast gar keine Pigmenthaufen, während sie gleichzeitig bei demselben Thiere in den anderen Geweben sehr häufig sind. Eben so wenig genügen auch die früher beiläufig erwähnten Versuche KowALkvskv's?, um mich von der exkretorischen Natur der »glande ovoide« zu überzeugen. Kowa- LEvsky benutzte die von den Wirbelthieren her bekannte Erscheinung, dass die Niere derselben bei Einspritzungen von karminsaurem Ammon ı Lupwis, Über die Funktion der Madreporenplatte und des Steinkanals. 2001. Anzeiger Nr. 339, 4890. 2 ].c.p. 149, 3 S. hist. Übersicht. | | Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 615 und indigschwefelsaurem Natron resp. Indigokarmin auf ganz verschie- dene Weise reagirt, indem das erstere von den Marpisurschen Körper- chen, das letztere von den Harnkanälchen (tubuli contorti) abgesondert resp. ausgeschieden wird, um diese Experimente auch in ausgedehn- terer Weise, als bis dahin geschehen, auf wirbellose Thiere anzuwenden. Bei den Echinodermen (K. untersuchte von Seesternen Astropecten aurantiacus und pentacanthus, von Seeigeln Echinus microtuberculatus und Strongylocentrotus lividus) erhielt er folgende Resultate: Bei den Seesternen wurden, wenn die Injektion mit Karmin in das Ambulacral- system geschah, nach Verlauf von einigen Tagen die Tırpzmann’schen Körperchen tiefroth gefärbt und es zeigte sich, dass im Inneren der » Drüse « liegende Zellen sich besonders mit Karminkörnchen angefüllt hatten. Indigokarmin ließ sich nicht nachweisen, wogegen Bismarck- braun energisch aufgenommen wurde. Bei Einspritzungen in die Leibeshöhle färbten sich die Tırprmann’schen Körper nicht, die schlauch- förmigen Organe nahmen einige Male die röthliche Farbe an. Bei den Echiniden färbten sich bei Einspritzungen in die Leibeshöhle die Tıepemann’schen Körperchen (so bezeichnet K. die sogenannten Porı- schen Blasen) ebenfalls nicht, dagegen zeigte sich bei einigen Thieren nach mehreren Tagen die ovoide Drüse dicht mit Karminkörnchen imprägnirt. Kowauzvskv fasst schließlich seine Beobachtungen dahin zusammen, dass die Tırpemann’schen Körperchen als Exkretionsorgane für das Wassergefäßsystem, die »ovoide Drüse« resp. das »Herz« als Exkretionsorgane der Leibeshöhle zu fungiren und beide dieselben physiologischen Eigenschaften wie die Segmentalorgane der Anneliden (die eine ähnliche Reaktion gezeigt hatten) zu haben schienen. Es ist schwierig, den Ausführungen Kowarzvsky’s gerecht zu werden, ohne selbst einschlägige Untersuchungen — von den seinigen giebt er selbst zu, dass sie bei den Echinodermen am unvollständigsten waren — gemacht zu haben. Doch scheint mir die einfache Thatsache, dass noch dazu nur bei mehreren Thieren die »ovoide Drüse« auf kar- minsaures Ammon reagirt habe, nicht hinreichend zu sein, um darauf die Annahme einer solchen Funktion stützen zu wollen. Dann aber würde auch in diesem Falle die Strömungsrichtung in der Madreporen- platte noch der Annahme widersprechen. Es scheint sich meiner Meinung nach bei dem Organ hauptsächlich nur um eine Funktion handeln zu können, bei welcher die stete Einfuhr frischen Wassers von wesentlichem Nutzen ist. Auch muss nach der verhältnismäßigen Größe des Organs zu schließen, dasselbe von Wichtigkeit für die Lebensthätigkeit des Thieres sein. Desshalb habe ich mich auch mehr und mehr der Ansicht Prouno’s 44* 616 Fritz Leipoldt, zugeneigt, dass das Organ zur Produktion der zelligen, amöboiden Ele- mente der Leibeshöhle bestimmt sei, mit denen die in dem maschigen Gewebe enthaltenen Zellen die größte Ähnlichkeit haben. Prouno stützt seine Ansicht hauptsächlich auf ein physiologisches Experiment. Er fand, dass das Gewebe des Organs solcher Seeigel, welche längere Zeit gefastet hatten, ungleich weniger zellige Elemente enthielt als die Organe frisch gefangener. Mit der Auffassung Prouno’s würde auch übereinstimmen, dass ich einige Male an den Kernen dieser Zellen Theilungsvorgänge glaube beobachtet zu haben. Über die Funktion des Fortsatzes und des schwammigen Gewebes habe ich mir keine eigene Meinung bilden können. Ich erwähne daher nur, dass Prouno ! auch ihnen die Produktion gewisser zelliger Elemente zuschreibt. Für das ganze Organ aber möchte ich einstweilen, bis weitere Untersuchungen an lebenden Thieren und frischem Material uns über seine Natur bessere Aufklärungen geben können, als dies an konservirten Organen geschehen kann, den auch von Vosr und Yung gebrauchten Namen des »Dorsalorgans« vorschlagen. Allerdings soll dabei mit dieser Bezeichnung nicht eine Homologie zwischen dem Dorsalorgan der Seeigel und dem von Vosr und Yun eben so bezeichneten » Herzen « der Seesterne ausgedrückt werden, wie es jene beiden Forscher gewollt zu haben scheinen. Meiner Ansicht nach entspricht vielmehr der Fortsatz des Dorsal- organs der Seeigel dem sogenannten »Herzen« der Asteriden und das eigentliche Organ dem schlauchförmigen Kanal derselben. Es scheint mir diese Ansicht um so richtiger, als von einigen Forschern berichtet wird, dass der schlauchförmige Kanal mit der Außenwelt durch die Madreporenplatte kommuniecire, wie sie dies durch Injektionen glauben bewiesen zu haben. Eben so wie bei den Seeigeln kommt aber auch vielfach bei den Seesternen eine bald einfache, bald in mehrere Ab- theilungen (vgl. Lupwıs: Beiträge zur Anatomie der Asteriden. Zeitschr. für wiss. Zoologie Bd. XXX. 1878. p. 109) getheilte Ampulle unter- halb des Madreporiten vor, welche mit den Porenkanälchen und dem Steinkanal kommunieirt. Ich glaube demnach annehmen zu dürfen, dass der schlauchförmige Kanal nicht direkt mit den Porenkanälchen in Verbindung steht, wie dies von anderer Seite behauptet worden ist, sondern zunächst in die Ampulle mündet und durch diese erst mit der Außenwelt zusammenhängt. Einen weiteren Beweis für die Richtigkeit meiner Annahme finde 1. 1,:6.,P..223 0.423. AR "Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 617 ich in der Art und Weise, wie der obere Theil des Fortsatzes endet. Bei den Seeigeln endet derselbe in einem abgeschlossenen Raum an der dorsalen Seite des Thieres und eben so inserirt sich der obere Theil des »Herzens« bei den Asteriden in einer besonderen Höhle des Perisoms. Nach alledem würden auch die befestigenden Mesenterien des Organs der Seeigel, von denen das eine, zum Rectum führende, bei Sphaerechinus granularis rudimentär erscheint, vielleicht den bei- den Lamellen des sichelförmigen Bandes entsprechen. Eine Frage, die sich noch an diese Homologie anknüpft, ist die, welches Organ der beiden untersuchten Formen die den Seesternen am meisten genäherte Form zeige. Meiner Meinung nach ist es das Organ von Dorocidaris papillata. Meine Gründe dafür sind folgende: Der Hohlraum reicht in gleicher Weite bis auf den Doppelring um den Ösophagus und eben so weit geht auch der Fortsatz, dabei zeigen auch die beiden Mesenterien noch ihre volle Ausbildung. Bei Sphaerechinus granularis aber ist das eine der beiden Mesenterien rudimentär gewor- den und der letzte Abschnitt des Hohlraumes bis zum Doppelring erscheint obliterirt, dabei geht der Fortsatz nur so weit, wie der Hohl- raum seine volle Weite besitzt und das Organ von auben sichtbar ist. Das Organ von Sphaerechinus granularis nähert sich nach alledem mehr den Verhältnissen, wie sie von dem Organ der Spatangiden be- kannt sind. Noch eine andere Frage möchte ich zum Schlusse berühren. P. und F. Sırasın behaupten am Ende ihrer Abhandlung über die »Niere«, dass das »Dorsalorgan« ein Theil des Wassergefäßsystems und auf ältere exkretorische Apparate zurückzuführen sei, wobei sie an die Exkretionsorgane gewisser Würmer denken. Entweder soll nun, wie sie mit Harrog annehmen, bei den Seeigeln nur eine linke »Niere« zur Ausbildung gelangt sein, während die rechte unterdrückt ist, und das ist ihrer Meinung nach das Wahrscheinlichere und am meisten durch die Entwicklungsgeschichte gestützt, oder aber der Steinkanal soll den Ausfuhrgang einer rechten, in Lokomotionsorgane umgewandelten »Niere«, der »Ureter« aber den einer linken »Niere« vorstellen. Ganz abgesehen von der Frage der Abstammung des Wassergefäßsystems von den exkretorischen Apparaten gewisser Würmer, eine Frage, die uns hier gleichgültig sein kann, kann ich auch der Ansicht der beiden Verfasser, dass das Organ ein Theil des Wassergefäßsystems sei, nicht zustimmen. Viel wahrscheinlicher ist mir die Ansicht, dass der Hohl- 1 Hierzu rechne ich auch die Ausbildung eines »canal glandulaire«, der nach KorHLer und Prouno bei den Spatangiden ebenfalls in guter Entwicklun vor- handen ist, en — u pe ne > rt 4 er he wg ü SE te RE Fe nahen 5 nn nn wen a en \ — \ € IT er 1 Er 2 PEN ne 618 Fritz Leipoldt, raum des Dorsalorgans gerade so wie auch nach Hamann ! der homologe schlauchförmige Kanal der Seesterne, enterocölen Ursprunges ist und danach scheint es mir viel eher möglich, dass die ursprüngliche Ver- bindung des Enterocoels mit dem Hydrocoel, wie sie sich bei der Larve findet, auch bei den erwachsenen Thieren erhalten bleibt und wir sie in der Verbindung, die zwischen dem Steinkanal und dem Hohl- raum besteht, besitzen. Es kommt mir dies entwicklungsgeschichtlich glaubhafter vor, als die Annahme einer Lösung des ursprünglichen Zusammenhanges zwischen dem Enterocoel und Hydrocoel und einer erst später wieder erfolgten Verbindung zwischen Wassergefäßsystem und dem Hohlraum. Jedenfalls spricht auch gegen die Meinung, dass das Organ ein Theil des Wassergefäßsystems sei, die ganze Kon- struktion desselben, welches histologisch nur eine Hypertrophie des Mesenteriums ist. Nachtrag. Nachdem ich diese Arbeit schon abgeschlossen hatte, kamen mir noch einige Abhandlungen zu Händen, die ich hier nothwendiger- weise berücksichtigen muss. Es waren dies vor Allem die Arbeiten Gutxor's »Etudes sur le sang et les glandes Iymphatiques (Invertebres)«® und »Etudes morphologiques sur les Echinodermes«*. Beide Arbeiten kann ich hier zusammen besprechen, da CGu£xor selbst sich in der zu zweit erwähnten häufig auf die erste bezieht und einige Theile, die uns hier besonders interessiren, nur eine kurze Wiederholung der in der Abhandlung über das Blut etc. der wirbellosen Thiere enthaltenen Ausführungen sind, Was zunächst die morphologischen und histologischen Verhält- nisse des Organs anbelangt, so ist auch Cu£xor zu denselben Resultaten gegenüber den beiden Sarasın gelangt, wie ich. Auch er bestreitet ganz entschieden das Vorhandensein einer Verbindung des Hohlraumes des Organs mit der Leibeshöhle durch die kleinen, von der äußeren Peripherie ausgehenden Kanälchen, die er auch bei Echinus miero- tuberculatus und Strongylocentrotus lividus wiedergefunden hat und die er nur für kleine Einstülpungen der äußeren Wandung des Organs hält, ohne dabei ihr gleichzeitiges Auftreten mit den Blutlakunen erkannt zu haben. Eben so weist er den Irrthum der beiden Ver- fasser in Bezug auf ihre Auffassung des die Wandung einnehmenden 1 Hamann, Beiträge zur Histologie der Echinodermen. 2. Heft. Jena 1885. 2 Vgl. Prouno, 1. c. p. 122. 3 Erschienen in: Arch. zool. exp. (2) T. IX. 4891. * Erschienen in: Arch. de Biologie. Vol. XI. 1891. Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 619 Gewebes nach, das auch seiner Meinung nach aus einer Reihe kleinerer regelmäßiger, durch bindegewebige Züge begrenzter Höhlungen be- steht, in denen Iymphatische Zellen liegen. Auch die anderen Angaben Cuenor's über den Aufbau des Organs und der damit zusammen- hängenden Theile stimmen mit denen Prouno’s und also auch im All- gemeinen mit den meinigen überein. Nach seiner Beschreibung ist die »glande ovoide« — Cu£nor behält wie Prouno diese Bezeichnung Perrier’s bei — von einem regelmäßigen, bindegewebigen Netzwerk durchzogen , welches mit Zellen und Kernen erfüllt ist. Letztere sind nach seiner Schilderung vielfach in Theilung begriffen, was ja auch ich zu beobachten geglaubt habe. Was nun die Funktion der »Drüse« anbetrifft, so weist Cuenor ganz entschieden die Ansichten der ver- schiedenen Autoren zurück, welche aus dem Organ ein Exkretions- organ machen wollen! und schließt sich in seiner Ansicht eben so entschieden an die Prouno’s an, welche auch ich zu der meinigen gemacht habe. Er sieht also ebenfalls in der »Drüse« die Bildungs- stätte der amöboiden, zelligen Elemente, welche in der Leibeshöhle, dem Wassergefäßsystem und den Blutlakunen anzutreffen sind. Daher bezeichnet er sie auch ihrer Funktion nach aB eine »glandelymphatique«. Er stützt seine Meinung hauptsächlich auf die Struktur des Organs, welches den Bau der Lymphdrüsen zeige: Ein netzförmiges Gewebe, mit mehr oder weniger engen Maschen, worin eine große Anzahl von Kernen enthalten sind, ohne Ausfuhrgang und reich vaskularisirt, dabei eine große Anzahl von Wanderzellen und anderen, nach Gu£nxor’s Ansicht zur Ernährung der Gewebe dienenden Zellen enthaltend. Die Kerne sollen sich mit einer Protoplasmazone umgeben, um dann als amöboide Zellen zum größeren Theil in die Leibeshöhle, zum kleineren in die Blutlakunen, welche an der Peripherie des Organs liegen, zu wandern. Zum Durchtritt in die Leibeshöhle sollen sie die kleinen an der Peripherie gelegenen Kanälchen benutzen, wie dies schon von Prouno angenommen worden war. — Diese amöboiden Zellen, von Prouno 1 Besonders wendet er sich auch gegen KowALEVSKY, indem er die Resultate, auf die derselbe seine Ansicht über die Natur der betreffenden Organe der Echino- dermen stützt, nicht dem Bestreben derselben, fremde Stoffe auszuscheiden, zu- schreibt, sondern der Neigung des Protoplasmas die Farbstoffe anzunehmen. Er weist in einem anderen Theile der erstcitirten Abhandlung (bei Besprechung der Insekten) darauf hin, wie nicht allein bei den verschiedenen Larven die Or- gane, welche Kowaevsky als Exkretionsorgane bezeichnet, sich bei Anwendung der Farbstoffe färbten, sondern auch Blutkörperchen, Tracheen, Muskelzellen u.A. Es scheint ihm dies zu beweisen, dass die Resultate KowALEvskys nur auf. Willkürlichkeiten der bald angenommenen, bald zurückgewiesenen Farbstoffe be- ruhen. 620 Fritz Leipoldt, »amibes incolores ä longs pseudopodes«, von Cu&nor » amibocytes« ge- nannt, sollen sich dann später mit den Produkten der Verdauung beladen und bei den Seeigeln als »organes de reserve« in die einzelnen Gewebe wandern, um dieselben zu ernähren. Als »organes de r&serve« sind nach Gu£nor zu betrachten die Wanderzellen, »globules müriformes«, deren farblose, lichtbrechende Körnchen er für eine »matiere albuminoide« hält und die von Prouno als »globules amoeboides bruns d’acajou « bezeichneten Zellen, deren Inhalt, das Echinochrom, aus einem Fett bestehe. Die Pigmenthaufen, unter denen Gu£xor gleichfalls die Körnchen von krystallinischer Form, und zwar besonders würfelförmige, wie ich sie in Fig. 7 abgebildet habe, erwähnt!, hält auch er für Exkre- tionsprodukte, ohne sich jedoch darüber zu äußern, ob er sich der Ver- muthung Hamann’s, Prouno’s, die ich ebenfalls zu der meinigen gemacht hatte, anschließe, dass dieselben aus den »globules müriformes« ent- stehen durch Aufnahme der für den Stoffwechsel schädlichen Stoffe aus den Geweben. Doch scheint mir dieser Gedanke, dass die Pigmenthaufen aus den Wanderzellen entstehen, nicht ganz zu verwerfen zu sein. Man hat häufig Gelegenheit, Wänderzellen zu beobachten, die unter den farblosen Körnchen auch gelbliche, von derselben Farbe und Aussehen wie die Körnchen der Pigmenthaufen, enthalten, manche zeigen sich sogar fast ausschließlich mit diesen gelblichen Körnchen angefüllt. Legen sich nun mehrere solcher Zellen dicht neben einander, so ent- steht ganz das Bild eines aus gelblichen Körnchen bestehenden Pigmenthaufens. Auch dürfte es wohl kaum ein Zufall sein, dass bei denjenigen Formen der Echinodermen, bei denen die Wanderzellen oder vielmehr die als »organes de reserve« dienenden Zellen fehlen (nach Cv£nor fehlen sie den Asteriden und Ophiuren mit Ausnahme von Ophiactis virens), keine derartigen Konkretionen vorkommen. Obwohl Cu£nor, wie wir gesehen haben, die Meinung anderer Autoren zurückgewiesen hat, die in der »glande ovoide« ein Exkretions- organ sehen, nimmt er doch für dieselbe eine eigene Respiration und Exkretion in Anspruch?, wenn auch nur in hypothetischer Weise. Hierbei soll der Steinkanal eine Rolle spielen. Da derselbe immer mit dem Hohlraum des Organs in offener Verbindung steht, so scheint es ihm wahrscheinlich, dass an dieser Stelle ein Austausch der Flüssig- ! 1.1. c.p. 622 und II. 1. c. p. 435. Ich bezeichne der Kürze wegen die zuerst ceitirte Abhandlung mit I, die zweite mit II. Siehe auch I, Taf. X VIII, Fig. 42, 43. — Eine chemische Untersuchung der Pigmenthaufen ist Cuswor nicht geglückt; sie lösten sich niemals auf und waren auch gegen Säuren unempfindlich. 2 1. l. c. p. 565. 3 - Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc. 621 keiten durch Diffusionsströmungen entstehe. Es scheint ihm diese Rolle des Steinkanals durch eine von Prouno! gemachte Entdeckung bestätigt zu werden, wonach bei Spatangus purpureus der Steinkanal bald nach seiner Verbindung mit dem Hohlraum der »glande ovoide« obliterirt und nicht mehr mit dem periösophagealen Wasserring in Verbindung bleibt, so dass also die »glande ovoide« »peut &tre consi- deree comme debouchant directement au dehors; on comprend que par cette voie la glande peut se deharasser facilement de ses dechets gazeux ou salins.« — Nimmt man aber die Möglichkeit an, dass der flüssige Inhalt des Hohlraumes, wenn auch nur durch sehr schwache Diffusionsströmungen ? nach außen gelangen kann, so scheint mir schließlich auch kein Grund vorhanden zu sein, wesshalb nicht überhaupt das Organ als Respirationsorgan oder Exkretionsorgan dienen könne, letzteres vielleicht durch Vermittlung der »Drüsenschläuche«, auf deren charakteristische Form ich hingewiesen habe und die sowohl bei Sphaerechinus granularis als auch bei Dorocidaris papillata vorhanden sind, und dann möglicherweise in dem Sinne, wie es KowALEvSKY aufgefasst zu haben scheint, nämlich so, dass hier durch Osmose die- selben Stoffe ausgeschieden werden, wie von den Marpicar’schen Körperchen der Wirbelthierniere (d.h. Wasser und leichtlösliche Salze). Ferner deutet Cu£nor, wenn auch mit großer Vorsicht, die Mög- lichkeit an, dass das leicht durchdringliche Organ bei der Wiederher- stellung des z. B. durch vollständige Entleerung des Darmes oder bei der Ablage der Geschlechtsorgane gestörten Gleichgewichts im Inneren des Körpers eine Rolle spiele. Was den Fortsatz betrifft, so hat er nach Gu£nxor dieselbe Funktion wie das Organ selbst, da er beinahe dieselbe Struktur zeige. Dabei erwähnt Curnor: auch, dass der Hohlraum in der Jugend mit dem »espace sous-madreporique« kommunieire und erst später davon abge- schlossen werde, eben so wie auch der unter dem analen Blutlakunen- ring befindliche ringförmige Raum (»anneau aboral«)*. 1 1l.c.p. A46 fl. 2 Nach Cuenxor ist keine Strömung, wenigstens keine am vollständig erhal- tenen Thiere zu konstatirende, in der Madreporenplatte und dem Steinkanal vor- handen, da das Ambulacralsystem geschlossen ist. Seiner Meinung nach zielt die Bewegung der Wimpern nur darauf hin, eine solche Bewegung hier hervorzurufen, 3 II.1. c. p. 589. 4 11.1. c. p. 596. Dabei erwähnt Cuznor auch, dass der anale Blutlakunenring nach Prouno später von einer Reihe von Löchern durchbohrt werde und so mit der Leibeshöhle in Verbindung stehe. Dass dies auch bei Sphaerechinus granularis der Fall, ist früher ausgeführt worden. II. Il. c. p. 389 erwähnt er irrthümlich, dass nach Prouno dieser Raum vollständig geschlossen sei. 622 Fritz Leipoldt, In Betreff des schwammigen Gewebes um den Fortsatzsinus adoptirt Gu£nor in der ersten Arbeit (l. c. p. 623) die Ansicht Provuno’s über dessen Funktion, während er in der zweiten diese Behauptung nicht hat bestätigen können (l. ec. p. 403). Es ist ihm nicht gelungen, dieses Gewebe bei anderen Seeigeln aufzufinden ; gerade so wenig wie es mir bei Sphaerechinus granularis gelungen ist. An den sogenanten Poırr'schen Blasen (von ihm » vesicules spongi- euses« genannt) findet auch Cutnor, wie vorher schon KorHLer und Prouno, dieselbe Struktur wie bei der »glande ovoide« und stimmt auch hier mit Prouno in der Meinungüber ihre Funktion überein. Auch er bestätigt, dass eine offene Verbindung zwischen dem Blutlakunen- und Ambulacralsystem in den sogenannten Porr’schen Blasen nicht vorhanden und dass ein Austausch zwischen dem Inhalt der beiden Systeme hier nur durch Osmose möglich ist. Endlich findet sich bei Cugnor auch noch eine ganz ähnliche Auf- fassung über die Homologie des Dorsalorgans der Seeigel mit dem schlauchförmigen Kanal und dem »Herzen« der Seesterne, wie sie von mir angegeben worden ist. Nach ihm findet nicht nur bei den See- igeln und Seesternen, sondern auch bei den Ophiuren eine vollkom- mene Homologie der Organe statt, da die »glande ovoide« immer die- selben Beziehungen zum Steinkanal habe, bei allen innerhalb des »sinus axial«, d. h. des Hohlraumes resp. des schlauchförmigen Kanals entstehe, überall den gleichen Antheil an der Bildung der Geschlechts- organe besitze! und endlich noch bei allen dreien auch die gleiche Funktion habe. Wenn auch die Art und Weise unserer Anschauung etwas verschieden von einander ist, so legt doch auch Cu£xor besonderes Gewicht auf die Gleichartigkeit des Hohlraumes des Dorsalorgans der Seeigel und des schlauchförmigen Kanals der Seesterne, und ich glaube auch noch an einer speciellen Homologie des Fortsatzes der Seeigel und des » Herzens« der Seesterne, die sich bei Cu£xor in dieser Weise nicht berührt findet, festhalten zu dürfen, da beide immer die- selbe Lage gegenüber dem Steinkanal haben und sich beide in einen »processus glandulaire « fortsetzen, der in einem geschlossenen Raume endet. Zum Schlusse möchte ich denn auch noch Cu£nor's? Ansichten ! II. l.c.p. 552. Cuenor sucht Prouno gegenüber nachzuweisen, dass auch bei den Echiniden, wie bei anderen Klassen der Echinodermen die Geschlechts- organe in Zusammenhang mit der »glande ovoide« entstehen. II. 1. c.p. 595. Er bestätigt damit in gewisser Weise die Ansicht Voer und Yung’s (s. hist. Übersicht), von dem Zusammenhang des analen Blutrings mit dem Organ. 2 11.1. c. p. 530 u. 585. Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel etc, 623 über das Entstehen der Verbindung des Hohlraums mit dem Steinkanal und dem Madreporiten erwähnen, die sich meinen Vermuthungen zu Ende meiner Arbeit anschließen. Gu£xor bezieht sich bei seinen Aus- führungen auf Bury !. Es entwickelt sich nach diesem Autor aus dem Hydrocoel der Larve der Steinkanal, welcher in das vordere Entero- coel mündet, das schon vorher durch einen die Rückenhaut durch- bohrenden Porus sich nach außen geöffnet hat, so dass also der Steinkanal durch seine Vermittelung indirekt mit der Außenwelt in Verbindung steht. Später nähert sich dann der Steinkanal dem äuße- ren Porus immer mehr, bis er endlich mit demselben in kontinvirlicher Verbindung zu stehen scheint. Dabei zeigt er indessen nach seitwärts eine Öffnung, welche in das Enterocoel mündet. Diese Öffnung bleibt nun nach Cu£xor immer erhalten und ist nach ihm nichts Anderes als auch die beim erwachsenen Thier vorhandene Verbindung des Stein- kanals mit dem Hohlraum der »glande ovoide«, welche aus dem sich neben dem Steinkanal bis in die Nähe des ambulacralen Ringes er- streckenden Enterocoel entsteht. Bei einem Clypeastroiden, Echinoeyamus pusillus, soll sich nun nach Cu£nor ganz der alte Typus erhalten haben, wie ihn diese Verhältnisse zeigten, ehe sich der Steinkanal mit dem äußeren Porus verbindet. Es ist dort nach ihm (und Lovin) nur ein Porus vorhanden, der in eine mit ‚einem Plattenepithel ausgekleidete Ampulle, einen Rest des Entero- coels, führt, die mit dem Hohlraum des Organs in weiter Verbindung steht und in die auch der Steinkanal mündet?. Ob aber die Am- pulle der regulären Seeigel wirklich nicht mit dieser Ampulle von Echinoeyamus verglichen werden darf, wie CGu£nor dies meint? Bei Sphaerechinus granularis ist die Ampulle zunächst unterhalb des Madre- poriten mit Plattenepithel ausgekleidet und erst weiter unten tritt an ihrer einen Seite in einer kleinen Ausbuchtung das Epithel des Stein- kanals auf, um sich allmählich von der Ampulle abzuschnüren. Der übrige Theil der Ampulle aber steht in viel weiterer Verbindung mit dem Hohlraum wie mit dem Steinkanal. Was endlich zuletzt noch die Verbindung des schlauchförmigen Kanals der Seesterne mit der Außenwelt betrifft, so findet diese nach Cu£nor® so statt, dass ein Theil der Porenkanälchen in den Steinkanal, 1 Bury, Studies on the Embryology of the Echinoderms. Quart. Journ. of micr. sc. N. S. Vol. XXIX. 1889. 2 Ineiner Anmerkung macht CuEnor auf die Abbildung Bury’s, 1. c. Taf. XXX VIII, Fig. 9, aufmerksam, wo sich nach diesem bei einem Pluteus von Echinus micro- tuberculatus eine Ampulle, ein Divertikel des Enterocoel, einschiebt. CuEnor meint, dass sich dieses Verhalten bei Echinocyamus fixirt habe. II. ]. c. p. 532. 3 11. 1. c. p. 542. 624 Fritz Leipoldt, und ein Theil in den »sinus axial« mündet. Den Unterschied dieses Verhaltens gegenüber den Seeigeln sucht Cu£nor so zu erklären, dass dort der Madreporit durch Divertikel des äußeren Porus, doch derart gebildet werde, dass der Steinkanal immer in seitlicher Verbindung mit dem »sinus axial« bleibe, während hier, so zu sagen, der Madre- porit mehr um sich greife und diese Verbindung, die nach PERrRrıer ! bei jungen Asterias spirabilis vorhanden ist, in sich einbeziehe?, so dass es den Anschein habe, als ob der Steinkanal seiner ganzen Länge nach einen ununterbrochenen Kanal darstelle, und der schlauchförmige Kanal durch eigene Poren nach außen münde; die Verbindung des Steinkanals mit dem Hohlraum finde also in dem Madreporiten statt. Mit-diesen Anschauungen lassen sich die Verhältnisse, wie sie von PERRIER an jungen Asterias spirabilis beschrieben worden sind, gut vereinigen? Danach münden z. B. bei einem jungen Thiere die Kanälchen des Madreporiten in den Steinkanal, der aber gleichzeitig durch eine seitliche Öffnung mit dem »canal saceiforme« (bez. » cavite B.« Perrıer’s) in Verbindung tritt, und zwar so, dass er nur eine Depen- denz des letzteren zu bilden scheint. Außerdem bemerkt PERRIER, dass sich bei ziemlich ausgewachsenen Thieren noch lange die Stelle verfol- gen lasse, wo die Verbindung zwischen dem Steinkanal (tube hydro- phore«) und dem Madreporiten erfolgt sei. Doch neigt er nicht der Meinung zu, dass sich die Verbindung des Steinkanals mit dem »canal saceiforme« auf eine unvollständige Vereinigung des ersteren mit dem Madreporiten zurückführen lasse, ist vielmehr eher der Ansicht, dass sich diese Öffnung erst nach der Vereinigung der beiden Organe wieder gebildet habe. Gerade der vorhin angeführte Umstand, dass der Stein- kanal noch deutlich vom Madreporiten abgesetzt ist, scheint mir jedoch eher zu Gunsten der ersteren Ansicht zu sprechen. Bonn, im September 1892. ! In Mission scientifique du Cap Horn. VI. Zoologie. Echinodermen von PERRIER, I. Stellerides. ? Ähnlich habe ich das eigenthümliche Verhalten des Madreporiten bei Doro- cidaris papillata zu erklären gesucht. 3 S. oben Misson scient. a ET Das angebliche Exkretionsorgan der Seeigel ete. 625 Erklärung der Abbildungen. Buchstabenbezeichnung. A, Ampulle unterhalb des Madreporiten ; Bl, periphere Blutlakunen des Organs; aBl, der anale Blutlakunenring;; dBl, dorsale Blutlakune; vBl, ventrale Blutlakune; oBl, periösophagealer Blutlakunenring (auf Fig. 47 bedeutet oBl den von dem peri- ösophagealen Blutring in den Porr'schen Blasen ausgehenden Zweig); C, Kanälchen des Fortsatzes; Cg, »canal glandulaire«; Div, Divertikel des Ambulacralringes, in den sog. PoLr’schen Blasen resp. Doppelring von Dorocidaris papillata; Dr, peri- ösophagealer Doppelring (= Blutlakunen 4 Wassergefäßring); Drs, sog. Drüsen- schlauch; F, Fortsatz; Ff, bindegewebige Faser in den Strängen des Fortsatzes; Fs, Fortsatzsinus; G, Geschlechtsschlauch,;, Gp, Geschlechtsporus; H, Hohlraum des Organs; H’, der zur Laterne führende verengerte Theil desselben bei Sphaer- echinus granularis; K, Kanälchen an der äußeren Peripherie des Organs; Ks, Kalk- spicula; L, Leiste der Madreporenplatte; Lb, zellige Elemente der Leibeshöhle etc. ; M, Madreporenplatte; Mk, Kanälchen derselben; aMe, das zum Rectum, oMe, das zum Ösophagus führende Mesenterium ; Mf, Muskelfasern;; Oe, Ösophagus; O, Dor- salorgan, bez. Rest von dessen Gewebe; Ph, Pigmenthaufen;, Sk, Steinkanal; Sf, spiralige Fasern des Fortsatzes; Wr, Wassergefäßring; Wz, Wanderzellen. Tafel XXIV und XXV. Die Fig. von 4—47 beziehen sich auf Sphaerechinus granularis, von 18—24 auf Dorocidaris papillata. Fig. 1. Nach einer Längsschnittserie hergestelltes schematisches Bild. Vel. Prouno, 1. c. Taf. XIX, Fig. 5. 45/A. Fig. 2. Halbschematisches Situätionsbild, der Ösophagus ist zur Seite ge- schlagen. 2/4. Fig. 3. Theil eines Längsschnittes durch das Organ. 525/11. Fig. 4. Sog. »Drüsenschlauch«. Theil eines Querschnittes durch das Organ. 525/A. Fig. 5. Theil eines Querschnittes durch das Organ. Zeigt die Maschen in den Strängen zum Fortsatz. 525/A. Fig. 6. Querschnitt durch den Fortsatz. 122/1. Fig. 7. Pigmenthaufen. Fig. 8. Das Dorsalorgan geöffnet. 12/1. Fig. 9. Innere Ansicht des Madreporiten. Fig. 40. Aus einer Längsschnittserie. Zeigt den Übergang des zum Ösophagus führenden Mesenterium in den analen Blutring. 70/1. Fig. 44. Querschnitt durch den unteren Theil des Fortsatzes. 525/A. Fig. 42. Theil eines Querschnittes durch den Steinkanal. 525/1. Fig. 43. Querschnitt durch das Organ. 88/1. Fig. 14—46 Bilder aus einer Querschnittserie durch das Ende des Organs bis zum Doppelring. 88/4, Fig. 47. Querschnitt durch eine sog. Porı'sche Blase. 70/1. Fig. 18. Horizontalschnitt durch den Doppelring. 70/1. Fig. 49. Querschnitt durch das Organ. Spirituspräparat. 122/1. Fig. 20. Dorsalorgan, Man sieht gegen das ösophageale Mesenterium. 4/1. Fig. 21. Längsschnitt durch das schwammige Gewebe. 308/A. 1 Auf Fig. 3 und 5 sind die bindegewebigen Faserzüge, welche die einzelnen Alveolen begrenzen, meist zu breit gezeichnet. Br Mn tr Su DE Ball ne en a a VEN REN, Ai» Die Nephridien der Cristatella. Von Privatdocent Dr. C. J. Cori, Assistent am zool. Institut der deutschen Universität Prag. Mit Tafel XXVI und XXVIl. Die schönen Resultate, welche Kowaızvsky ! mit der Farbstofl- fütterung und Injektion bei Thieren behufs des Nachweises der Nieren- organe erzielte, veranlassten mich, Gleiches bei Bryozoen zu versuchen, um die Frage hbetrefis der Nierenorgane dieser Thiere auch in dieser Richtung zu prüfen. Die günstigen Ergebnisse dieser Experimente, hauptsächlich aber auch die nochmalige Klarstellung der morphologi- schen Verhältnisse, welche ich im Fol&enden mittheilen will, werden hoffentlich im Stande sein, die Richtigkeit meiner früher gemachten Angaben (Über Nierenkanälchen bei Bryozoen, Lotos XI. 1889) zu be- stätigen. Als derjenige, welchem das Verdienst gebührt, die Nierenorgane bei den Bryozoen entdeckt zu haben, ist VERWwoRN zu nennen. Jedoch begnügte er sich, dieser seiner interessanten Entdeckung nur mit wenigen Zeilen Erwähnung zu thun, welche jedenfalls nicht hinreichen, dem Leser derselben eine klare Vorstellung von dem Bau dieses Or- gans zu geben. Um dieselbe Zeit, in welcher VErworn die Entdeckung der Bryozoenniere mittheilte, beschäftigte ich mich selbst auch mit dem - Studium der Bryozoen. Schon damals konnte ich die Angaben VEr- worn’s bestätigen und unternahm es daher in der oben citirten Arbeit, das genannte Organ in einer etwas ausführlicheren Weise zu be- schreiben. Aber sowohl gegen die Auffassung Verworn’s als auch gegen meine wurde bald darauf von Braem Einspruch erhoben. Nach seiner Ansicht existirt bei den Bryozoen kein Nierenorgan und das Organ, welches als ein solches so gedeutet wurde, hätte eine ganz andere Be- | il | un ner it Sn nenn mt - - er ur Er ul Zn 1 A. KowaALevsky, Ein Beitrag zur Kenntnis der Exkretionsorgane. Biol. Cen- tralblatt. Bd. IX. 1890. p. 33—47, 65-76, 497128. | EP SEE rn — nn zn Se = = = a a — — 3 5 Er u re”, Die Nephridien der Cristatella. 627 deutung. Andererseits fehlte es jedoch auch nicht an einer Bestätigung des angezweifelten durch Ora, welcher ein Nierenorgan bei Pecti- natella gelatinosa fand. Eine ausführliche De nu der Litte- ratur wird in einem späteren Absatz erfolgen. Was die Methode der Untersuchung betrifft, so kamen in meiner ersten Mittheilung über die Nierenkanälchen der Bryozoen lediglich konservirte Thiere in Verwendung, welche in Schnittserien zerlegt wurden. Eine Hauptbedingung’ ist bei der Untersuchung dieser Art, Bryozoenkolonien zu besitzen, welche im vollkommen ausgestülpten Zustande konservirt wurden. Dies kann man entweder in der Weise erreichen, dass man die Thiere mit heißer Sublimatlösung über- gießt, welche Methode bekanntlich vielfach auch bei Seethieren geübt wird, oder man betäubt die Thiere vor dem Härtungsprocess. Dadurch erzielt man nicht bloß schönere Resultate, sondern dies bietet ferner den Vortheil, verschiedene Reagentien in Verwendung bringen zu können. Zum Betäuben hat Vrrworn Chloralhydratlösungen (109/,) empfohlen. Dieses Mittel hat aber häufig die unangenehme Eigen- schaft, die thierischen Gewebe zu maceriren. Empfehlenswerther für die Narkose verschiedener Thiere behufs Konserviruug oder ungestörter Beobachtung derselben (so z. B. besonders für Rotatorien), ist ein Ge- misch von einem Theil Methylalkoholabsolutus, dem ein oder mehrere Tropfen Chloroform beigemischt werden, und neun Theile einer physiologischen Kochsalzlösung. Von diesem Gemisch setzt man nach und nach kleine Mengen so lange dem Wasser bei, in welchem sich die betreffenden Thiere befinden, bis sie nicht mehr auf mechanische Reize reagiren. So behandelte Thiere lassen sich im be- täubten Zustande lange beobachten oder konserviren. Sie erwachen aber auch meist wieder aus ihrem Schlafe, sobald sie in frisches Wasser übergeführt werden. Bemerkenswerth ist auch der Umstand und der gilt auch für andere Thiere, dass sich manchmal Bryozoenkolonien, welche längere Zeit in Aquarien gehalten wurden und ausgehungert sind, schwer betäuben lassen. Daher empfiehlt es sich, möglichst frisch gesammeltes Material zu verwenden. Zum Konserviren selbst kamen Chromosmium-Essigsäure mit 1/00°%/o Osmiumsäuregehalt, Platinchlorid-Pikrinsäure, koncentrirte Sublimatlösung und Alkohol in Verwendung. Wäh- rend die beste histologische Erhaltung durch erstere beiden Mittel be- wirkt wird, erzielt man mit letzterem die schönsten Präparate für Museumszwecke Aber nicht bloß an konservirten Thieren ist man im Stande, die Organisation des Bryozoenkörpers, so auch den Aufbau des Nieren- 628 0. J. Cori, organs, zu studiren, sondern auch am lebenden Objekt. Zu diesem Zwecke werden die Thiere in der angegebenen Weise betäubt und in einem Uhrschälchen oder auf einem ausgeschliffenen Objektträger oder endlich auch unter dem Deckglas untersucht. Was nun schließlich die Methode der Farbstofifütterung und In- jektion der lebenden Thiere betrifft, so wäre darüber Folgendes zu sagen. Von Farbstoffen wurden vorwiegend in Wasser suspendirtes Karminpulver verwendet. In solchem Wasser halten sich die Thiere selbst durch viele Tage sehr gut. Nachdem sie sich so mehrere Tage mit Karminpulver genährt hatten, kamen sie zur Untersuchung. Auch injieirte ich eine Karminsolution (mit physiologischer Kochsalzlösung) in die Leibeshöhle von betäubten Cristatella-Kolonien. In frisches Wasser übergeführt, bleiben die Thiere in einer für die Untersuchung genügend langen Zeit am Leben. Leider wurden in den letzten zwei Jahren der Bryozoenfauna der Umgebung Prags durch wiederholte Überschwemmungen viel Eintrag gethan, so dass ich mir nur schwer und spärliches Material erst im Oktober und November des verflossenen Jahres (18914) verschaffen konnte. Die letzten Kolonien gewann ich zu einer Zeit, wo bereits das Wasser eine dünne Eisdecke hatte und diese Kolonien waren ganz mit Statoblasten erfüllt, so dass sie nicht sehr günstig für die Unter- suchung waren. Die in der vorliegenden Mittheilung gemachten An- gaben beziehen sich lediglich auf die Gattung Gristatella. Die Untersuchungen über andere Bryozoengattungen sind noch nicht zum Abschluss gekommen. Ehe ich an das eigentliche Thema gehe, möchte ich noch einiges Allgemeine und eine kurze Charakterisirung des Baues der phylakto- lämen Bryozoen voraussenden. Eine solche scheint aus dem Grunde nützlich zu sein, um einige Begriffe und Termini festzustellen. Was nun zunächst den anatomischen Bau der Bryozoen anbelangt, so ist vor allem Anderen hervorzuheben, dass derselbe in vieler Be- ziehung durch die Erwerbung der festsitzenden Lebensweise modifieirt ist. Um nur einige hierdurch entstandene Eigenthümlichkeiten an- zuführen, möge hervorgehoben werden, dass die Thiere kolonie- bildend und zwitterig sind und dass sie sich auf eine dreifache Art und Weise fortpflanzen, ferner, dass ihr Nervensystem sehr einfach gebaut ist und dass sie keine specifische Sinnesorgane besitzen; auch ent- behren sie eines Blutgefäßsystems. Ein Einzelindividuum besitzt eine mehr oder weniger langge- streckte Form. Während sich an dem apicalen (Vorder-)Ende eine hufeisenförmige Tentakelkrone befindet, verbinden sich die Thiere mit a re We BF $: TEE nn EEE TEETTE Se En ae nn a en a nn u s u te ne — a en en EEE Ri so en m EEE EEE EEE TE RN THESE De \ u LS Bo. 8 I en TE — u Die Nephridien der Cristatella. 629 ihrem basalen (Hinter-)JEnde unter einander. Bei der anatomischen Beschreibung stellen wir uns das Thier aufrecht orientirt vor, so dass die Tentakelkrone nach oben gekehrt ist. Wir unterscheiden eine orale und eine anale Körperseite; erstere ist die unterhalb des Mundes, welcher innerhalb der hufeisenförmig angeordneten Tentakel zu finden ist, letztere ist die unterhalb des Anus gelegene Region, welche an dem Grunde der Tentakelkrone, aber außerhalb derselben und daher unweit des Mundes, nach außen mündet. Oberhalb des Anus und zwischen den Lophophorarmen liegt die Lophophorkonkavi- tät, welche seitlich in die letzteren übergeht. Wichtig ist auch hervor- zuheben, dass die Bryozoen (mit Ausschluss der sogenannten Ento- procta) echte Leibeshöhlenthiere sind. Da die Leibeshöhle der Bryozoen für die Auffassung des in Rede - stehenden Organs als Nierenorgan von besonderem Interesse und Werth sein wird, so wollen wir deren Gestaltung und Ausdehnung etwas genauer berücksichtigen. Zu dem Zwecke betrachten wir das Bild (Taf. XXVL, Fig. 12) eines kombinirten sagittalen Medianschnittes durch ein Bryo- zoeneinzelindividuum von Gristatella, auf welchem wir die gesammte Organisation überblicken können. An dem nach oben gerichteten Vorderende des Thieres befindet sich die Tentakelkrone, deren Wan- dungen einerseits in die Leibeswand, andererseits in den Darmtractus übergeht. Letzterer hat die Form einer Schleife und ist durch Bänd- chen (oD und aD), welche sich am Ösophagus und der Leibeswand inseriren, so in der Körperhöhle aufgehängt, dass der Mund (0) vor die- sem Anfhängeapparat, Diaphragma genannt, und innerhalb der huf- eisenförmig angeordneten Tentakel gelegen ist, während sich der größte Theil des übrigen Darmtractus unterhalb des Diaphragmas befindet. Der Anus (A) mündet, wie erwähnt, unterhalb desselben und außerhalb der Tentakelreihen nach außen. Überdies hat der Magen (Mg) an sei- nem blinden Ende noch eine strangförmige Verbindung mit der Leibes- wand, den Funiculus (F), welche Verbindung wahrscheinlich als ein rudimentäres, in der sagittalen Medianebene gelegenes Septum zu betrachten ist. Ein solches wohl ausgebildetes findet sich bei Phoronis. Als Stütze für diese Auffassung dient vielleicht die von Brarm mitge- theilte Thatsache, dass sich der Funiculus bei der Bryozoenknospe in Form einer an der oralen Seite der Knospenanlage auftretenden Falte anlegt, welche erst durch Loslösung zu einem Strange wird. Eben so wie wir den Funiculus als ein Septum (vergleichbar dem medianen Septum der Anneliden) betrachten, so wollen wir auch das Diaphragma morphologisch als ein Septum und zwar als eines den _ transversalen (intersegmentalen) Dissepimenten der Anneliden gleich- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 49 630 C. J. Cori, werthiges ansehen. Daraus ergiebt sich, dass das Diaphragma auch bei den Bryozoen die gesammte Leibeshöhle in Unterabtheilungen theilt, und zwar, in eine oberhalb desselben gelegene die Lophophorhöhle (Prsh) und in eine unterhalb desselben befindliche, die Leibeshöhle in engerem Sinne (Mtsh). In der Lophophorhöhle, deren Aufbau wir später betrachten wollen, finden wir außer dem Cerebralganglion (obe- ren Schlundganglion) (Gl) und einem Theil des Ösophagus (Oe) keine anderen Organe, hingegen in dem unterhalb des Diaphragmas gelegenen Abschnitt der Leibeshöhle den übrigen und größten Theil des Darm- tractus und die Geschlechtsorgane, ferner tritt, und was sehr wichtig ist, mit diesem Hohlraum (Mish) das zu beschreibende Nierenorgan durch Flimmertrichter in Verbindung. Die beiden Abtheilungen der Leibeshöhle sind daher einander nicht gleichwerthig, eben so wie es auch die Abtheilungen der Leibeshöhle der Articulaten nicht sind. Aus dem Vergleich der Organisation der Bryozoen mit der von Phoronis ergiebt sich nun, dass wir die Lophophorhöhle als die Prosomhöhle (Prsh), den übrigen Theil der Leibeshöhle aber als Metasomhöhle (Mish) (Harscnex) ansprechen können. In Folge dessen ist die Tentakelkrone als das Prosoma, der übrige Theil als das Metasoma (HırtscHer) zu betrachten. In den folgenden Beschreibungen sollen immer die Termini Lophophor- und Leibeshöhle zur Verwen- dung kommen. Nun wollen wir uns nach diesen einleitenden Worten zur Be- schreibung des Nierenorgans der CGristatella wenden. Es findet sich analwärts vom Ösophagus in jenes Stück Leibeswand eingelagert, welches die Lophophorkonkavität auskleidet. Diese wird nach oben bogenförmig von der inneren Tentakelreihe und nach unten durch eine quere Linie begrenzt, die man sich durch den unteren Rand des Ganglions gelegt denkt. In die Leibeswand ist die Niere in so fern ein- gelagert, als sie zwischen der Peritonealschicht und der Epithelschicht, also retroperitoneal zu liegen kommt (Taf. XXVI, Fig. 12, 14 und 15). Zunächst wollen wir ein betäubtes Thier von der Analseite (Taf. XXVII, Fig. 13) betrachten, so dass wir den Einblick in die Lopho- phorkonkavität haben, um uns im Zusammenhang mit den benachbarten Organen am lebenden Objekt über das Nierenorgan unterrichten zu können. Hierdurch wird uns das Studium der Schnittserien wesent- lich erleichtert werden, welche Aufschluss über den feineren anato- mischen und histologischen Bau, sowie über topographische Verhältnisse geben werden. In dieser Lage des Thieres erkennt man zunächst den Ösophagus (Oe) mit seiner lebhaften nach abwärts gerichteten Flim- n - des Mikroskopes das Ganglion (Gl) als einen dunklen Knoten an der i Die Nephridien der Cristatella. 631 - merung, ferner findet man bei etwas mehr oberflächlicher Einstellung Stelle dem Ösophagus aufgelagert, wo derselbe in das Epistom (Ep) übergeht. Nach oben vom Gerebralganglion und begrenzt von den mittel- sten Tentakeln der inneren Reihe liegt nun jenes Gebiet, in welchem das Nierenorgar zu suchen ist. Durch rasches Heben und Senken des Tubus werden wir bald auf eine lebhafte Flimmerung aufmerksam werden, von welcher wir uns tiberzeugen, dass sie zwei kurzen Kanä- len angehört, welche zu beiden Seiten des Ganglion beginnend und konvergirend nach oben verlaufen, um schließlich in eine blasenartige Erweiterung einzumünden. Letztere Blase kann dicht von Inhalts- zellen erfüllt sein und dann bemerkt man an dieser Stelle eine kugel- förmige Hervorragung der Leibeswand. Ferner kann man beobachten, dass der Inhalt dieser Blase durch eine äußere Öffnung nach außen getrieben wird (Fig. 16), was aber sehr langsam vor sich geht. Letztere Öffnung liegt meist etwas oberhalb der Stelle, wo die beiden Kanäle in die Blase einmünden. Die unteren Enden der beiden Kanäle, der Nierenkanäle (Nc), münden mit weiten Öffnungen, den Nephrostomen (Tr), zu beiden Seiten des Ganglions in die Leibes- (Metasom-)höhle ein. Aber nicht bloß durch die lebhafte Flimmerung, welche in der Richtung gegen den blasenartig erweiterten Ausführungs- gang der Niere schlägt, werden wir auf das Organ aufmerksam, sondern auch durch die schwache gelbliche Färbung der Kanäle und der Blase. Ferner sei noch auf einen anderen Punkt, den wir bei Betrach- tung der Schnittserien nicht außer Acht lassen dürfen, aufmerksam gemacht, nämlich auf den, dass sich die Lophophorhöhle nach oben von den Nierenkanälen gegen die mittleren Tentakel der inneren Reihe zuspitzt und dass auf diese Weise die Tentakelhöhlen dieser Tentakel mit der übrigen Lophophorhöhle in Verbindung treten. Um derartige Bilder zu bekommen, wie wir sie bisher kennen ge- lernt haben, musste das Thier seine Tentakelkrone analwärts neigen, was wohl durch Kontraktion der Rotatormuskeln in Folge der Betäu- bung ermöglicht wird. Sind dagegen die Lophophorarme sehr stark nach oben gekehrt, ist also die Tentakelkrone oralwärts gebeugt, so gewinnen wir den Einblick auf die Trichteröffnungen selbst, während die Nierenkanäle und die Blase unsichtbar geworden sind. Die Trichteröffnungen ruhen theilweise dem Ganglion und zum übrigen Theil den abgehenden Lophophornerven auf. Weiter bemerken wir zwischen den lebhaft flimmernden Nephrostomen noch eine dritte, nicht wimpernde Öffnung (Fig. 2—/ und 14 x»), welche oralwärts vom Ganglion und analwärts von der Leibeswand, seitlich aber von den 42% 632 C. J. Cori, medianen Rändern der Nephrostome begrenzt wird. Über die Be- % | | i deutung dieser Öffnung wollen wir uns gleich Klarheit verschaffen. Da sich zwischen das Ganglion und die Leibeswand die Nierenkanäle einschieben, so muss nothwendigerweise ein kanalartiger Raum durch die Nierenkanäle selbst, durch die Leibeswand und endlich durch das Ganglion abgegrenzt werden. Während dieser Raum durch die be- sagte Öffnung (Fig. 3 und 13x) mit der Leibeshöhle in Verbindung tritt, setzt er sich nach oben und oralwärts unterhalb der blasenartigen Vereinigungsstelle der Nierenkanäle in die Epistomhöhle, welche mit der Lophophorhöhle seitliche offene Verbindungen besitzt, fort. Wenn wir nun kurz resumiren wollen, was wir bisher über den Bau des Nierenorgans der Cristatella in Erfahrung gebracht haben, so können wir sagen, dass die Niere aus zwei mit der Metasomhöhle durch offene Wimpertrichter in Verbindung stehenden Kanälen besteht, welche sich zu einem blasenartig erweiterten Ausführungsgang ver- einigen und schließlich mit einer Öffnung nach außen münden. Wenden wir uns nun der Betrachtung einer Auswahl von Schnitten einer Schnittserie durch das Nierenorgan von Cristatella zu, welche auf Taf. XXVI, Fig. 1—10 abgebildet sind. Die Schnittrichtung ist durch einen in Fig. 12 angebrachten Pfeil markirt. Die Anordnung der abgebildeten Schnitte ist so getroffen, dass die Serie mit den Schnitten durch die Nierentrichter beginnt und mit jenen durch den blasenartigen Ausführungsgang, resp. durch die oberhalb desselben befindlichen Tentakel endet. Mit Ausnahme des Schnittes in Fig. 6, welcher bei stärkerer Vergrößerung dargestellt ist, sind alle mit dem- selben System gezeichnet. Der erste Schnitt (Fig. 1) ist in der Gegend knapp hinter dem Ganglion geführt, wo sich die Lophophorarme abzweigen. Jederseits sieht man die äußere (aR) und innere (iR) Tentakelreihe und am Grunde der Lophophorrinne (Zphr) den epithelial gelegenen Lophophor- nerv (Lphn). Zwischen den inneren Tentakelreihen bildet die Leibes- wand eine rinnenartige Einsenkung, welche sich nach abwärts bis gegen den Anus verfolgen lässt. An seiner Innenseite ist dieses Stück Leibeswand von einem kubischen Epithel bekleidet, welches an seiner freien Fläche mächtige Flimmerhaare besitzt. Diese Partien des peritonealen Epithels mit den Flimmerhaaren sind die medialen Ränder des Flimmertrichters (Tr). Auf dem nächsten Schnitt (Fig. 2) bemerken wir bereits auch Anschnitte der lateralen Trichterränder. Letzterer geht in die peritoneale Bekleidung der Lophophornerven über, der mediale Trichterrand hingegen in die des Ganglion. Die rechterseits sichtbare Ausziehung des oberen Trichterrandes gegen die Tentakel- Die Nephridien der Cristatella. 633 - höhle des dritten Tentakels öffnet sich auf dem folgenden Schnitt (Fig. 3) - gegen diese Höhle (nTr) und außerdem ist hier der früher nach unten geöffnet gewesene Trichter bereits zu einem Kanal geschlossen. Ferner RETTET ED a eh nn enthält der Schnitt in Fig. 3 auch schon das Ganglion (Gl) mit seinen Lophophornerven, auf welchen jederseits die Nierenkanäle aufruhen. Zwischen den beiden Nierenkanälen und oralwärts durch das Gan- - glion, analwärts durch die Leibeswand begrenzt, befindet sich die Öffnung (x), welche wir bereits bei Betrachtung des lebenden Thieres - kennen gelernt haben und welche die untere Öffnung eines Ver- - bindungskanales zwischen Leibes- (Metasom-) und Epistomhöhle ist. An dem in Fig. 4 abgebildeten nächsten Schnitt ist bemerkenswerth, dass sich rechts der Nierenkanal vollständig geschlossen hat, während der linke eine ähnliche Ausbuchtung gegen die darüber befindliche Tentakelhöhle zeigt, wie sie in Fig. 3 am linken Nierenkanal angedeutet war. Ferner möge an diesem Schnitt die Aufmerksamkeit auf das veränderte Epithel, welches die erwähnte gegen den Anus hinziehende Rinne auskleidet, gegenüber den früheren Schnitten, gelenkt werden. Während die Schnitte von Fig. I—4 auf einander folgende sind, | ist von den folgenden in Fig. 5 erst wieder der achte Schnitt der Serie abgebildet, so dass der fünfte bis siebente Schnitt ausgelassen _ wurde. Durch diese Schnitte können wir uns überzeugen, dass sich - der rechte Nierenkanal noch einmal gegen die ihm nächstliegende - Tentakelhöhle des dritten Tentakels geöffnet hat. Vom sechsten Schnitt _ ab hat das Messer das Thier in der Region vor dem Ganglion getroffen, - so dass bereits die Epistomfalte angeschnitten wurde. Im achten Schnitt der Serie tritt eine Bildung auf, welche wir - schon bei Betrachtung des lebenden Objektes kennen gelernt haben, ‘ nämlich der Ausführungsgang des Organs, der in Form einer mächtigen Blase die Leibeswand vorwölbt und dicht mit Inhaltszellen erfüllt - ist (Nac). Die Natur derselben werden wir noch später kennen lernen. - Der Grund der Blase zwängt sich, wie aus der Abbildung ersichtlich - wird, zwischen die beiden Nierenkanäle hinein, welche auf diesem Sehnitt wieder eine Verbinduug mit den Tentakelhöhlen des beider- “ seitigen dritten Tentakels aufweisen. In der Gegend zwischen den bei- - den Nierenkanälen ist nämlich die äußere Öffnung der Niere ange- { schnitten und daraus erklärt sich die Zweischichtigkeit und die ab- > weichende Beschaffenheit des Epithels dieser Stelle von dem übrigen - Epithel des Ausführungsganges. Der nächste Schnitt (der neunte, Fig. 6), - welcher unter einer viel stärkeren Vergrößerung wie die anderen Schnitte abgebildet ist, enthält die Einmündungsstelle der Nierenkanäle ; | 4 in den blasenartigen Ausführungsgang. 634 0. 3. Cori, Gehen wir nun zu dem folgenden Schnitt über (dem zehnten, Fig. 7), so ist in demselben von den Nierenkanälen nichts mehr vorhanden, sondern von dem Nierenorgan ist bloß der Ausführungsgang erhalten, der sich nach oben auch noch auf den folgenden Schnitten und zwar bis zum fünfzehnten verfolgen lässt, wo eine einzelne Epithelzelle der Kuppe dieses blasenartigen Ganges, welche gerade unter der Öffnung des mittleren Tentakels liegt, angeschnitten ist. Der letzte abgebildete Schnitt dieser Serie (der sechzehnte) enthält fünf Tentakel, nämlich zwei seitliche (3, 3) und drei mittlere (2, 4, 2), welche dadurch aus- gezeichnet sind, dass sie sich in keine Verbindung mit dem Nieren- organ setzen, während dies bei dem beiderseitigen dritten Tentakel mittels der Nebentrichter (nTr) (3, 3, Fig. 5 und 3 und 2) der Fall ist. Der Raum, welcher auf den Schnitten Fig. 5—9 mit einem Kreuzchen (+) versehen ist und sich zu beiden Seiten des Ausführungs- ganges findet, hat die Bedeutung eines Spaltraumes. Aus der Betrachtung dieser Schnittserien lernten wir also kennen, dass sich oberhalb des Nierenorgans fünf Tentakel befin- den (3, 2, 1, 2,3). Diese Tentakel stehen nicht direkt mit der Lopho- phorhöhle in Verbindung, sondern sie münden in einen engen kanal- artig abgegliederten Theil der Lophophorhöhle ein, welcher an der Stelle von der letzteren abzweigt, wo sich die Nephrostome vorfinden und der parallel zu den Nierenkanälen verläuft. Die Verbindung aber, wie wir sie in der Höhe des beiderseitigen dritten Tentakels zwi- schen diesem und den Nierenorganen fanden, möchte ich als Neben- trichter (nTr) der Niere betrachten. Derartige Nebentrichter, welche sich auch bei Phoronis vorfinden, fehlen dem zweiten und ersten Tentakel. Ein Nebentrichter des dritten linken Tentakels (Fig. 5) ist in Fig. 11 bei sehr starker Vergrößerung dargestellt. An diesen Neben- trichtern ist bemerkenswerth, dass die sie auskleidenden Wimperhaare in der Richtung gegen den Nierenkanal schlagen. Eingangs wurde erwähnt, dass das Nierenorgan der Cristatella der Leibeswand eingelagert ist, dass es also retroperitoneal liegt und dass seine Nierentrichter mit der Leibes-(Metasom-)höhle in Verbin- dung treten. Wir wollen nun untersuchen, in wie fern man berechtigt ist, das zu behaupten. Dies lehren uns sofort die eben betrachteten Schnitte. So sehen wir auf dem Schnitt Fig. 4 die Nierenkanäle nach außen vom äußeren ektodermalen Leibeswandepithel bedeckt, gegen die Leibeshöhle hingegen mit einem Peritonealüberzug versehen. Ein gleiches Verhältnis lässt sich auch für die Schnitte VIH, IX und X (Fig. 5, 6 und 7), in welchen auch der unpaare Ausführungsgang enthalten ist, konstatiren. N ä n E | d 1 Die Nephridien der Oristatella. 635 Was das Verhältnis der Nephrostome zum Diaphragma anlangt, so _ müssen wir vorher erst einmal die Gestaltung des letzteren etwas ‘ genauer beschreiben. Das Diaphragma dürfen wir uns keineswegs als eine vollkommene Scheidewand zwischen der Lophophor- und der Leibeshöhle vorstellen, welche etwa lediglich von den Nierentrichtern durchbrochen ist. Im Gegentheil das Diaphragma ist als ein sehr lückenhaftes, be- stehend nur aus einer Anzahl von Bändchen zu bezeichnen, welche sich oralwärts zwischen Ösophagus und Leibeswand (oD) und analwärts zwi- schen Ösophagus, Ganglion und Niere ausspannen (aD). Außerdem finden sich noch solche Diaphragma-Bändchen in der Region des Lophophors, wo sich die aus dem Ganglion entspringenden Nerven mit der Lopho- phorrinne verbinden, oder mit anderen Worten gesagt, wo der in den Lophophorarmen noch epithelial gelegene Nerv sich von seinem Mutter- boden loslöst und in das Ganglion eintritt (Fig. 2 und 3D). Seitlich lassen zwei große Öffnungen des Diaphragmas die Bewegungsmuskeln des Polypids durchtreten. Wenn wir ferner den seitlichen Sagittalschnitt (Fig. 15, Taf. XXVIl) betrachten, so können wir auch das Verhältnis des Nierentrichters zum Diaphragma überblicken. Wie erwähnt, ist in der analen Region als ein Theil des Diaphragmas die bandartige Verbindung zwischen Ösophagus und Leibeswand aufzufassen, auf welcher das Ganglion aufruht. Und da können wir den Übergang der Zellen des Diaphragmas ohne Weiteres in das Trichterepithel verfolgen. Dies betrifft den oralen Rand des Trichters, die Zellen der analen und seitlichen Wand hin- gegen Setzen sich in die Somatopleura fort. Jetzt erübrigt uns noch, die histologische Beschaffenheit des Nierenorgans zu besprechen. Damit wollen wir bei den Nierentrichtern beginnen. In Fig. I sehen wir das Peritoneum, welches den Lophophor- nerven überkleidet, direkt in das Epithel des Trichters übergehen, der mit seinem medialen Rand sehr weit nach abwärts reicht. Dabei ist zu bemerken, dass das Trichterepithel gegenüber den plasmaarmen Peritonealzellen, welche ihrer Natur nach Plattenzellen sind. rasch an Höhe zugenommen hat und dass sich gleichzeitig die Zellen vermehrt haben, was sich aus der Zahl der Zellkerne ergiebt. Letztere sind oval, nicht sehr chromatinreich und lassen eine Ähnlichkeit mit den Peritonealzellkernen nicht verkennen. Von dem Leibeswandepithel hebt sich das Trichterepithel deutlich durch die Helligkeit seines Plasmas ab. An der freien Fläche zeigen ferner die mit langen Wimperhaaren versehenen Trichterzellen einen äußerst scharfen Kontour, der ent- sprechend den einzelnen Zellen kleine Unterbrechungen besitzt. 636 6. J. Cori, Sonst ist man nicht im Stande, Zellgrenzen wahrzunehmen. Von der- selben Beschaffenheit finden sich die medialen Ränder der Trichter noch auf zwei bis drei tieferen (in der Serie früheren) Schnitten, welche nicht abgebildet wurden. Verfolgen wir die Serie nach oben, so lässt sich schon auf dem nächsten Schnitt (Fig. 2) eine Änderung an den Trichterzellen in so fern konstatiren, als ihre Kerne kleiner und weniger oval geworden sind. Dabei zeigt sich das Plasma um die Kerne herum verdichtet, was sich mit starken Systemen erkennen lässt, daher erscheint es um diese herum dunkler. An anderen Stellen ist es hell, so dass es beinahe den Eindruck macht, als sei es vakuolisirt. Zur Veranschaulichung dessen ist die Fig. 14 der Tafel beigefügt. Ein kubisches Epithel mit den runden Kernen ist also den Nierenkanälen eigen. | Die Elemente, welche den unpaaren Ausführungsgang zusammen- setzen, zeigen in so fern ein wechselndes Verhalten, als sie sehr ver- flacht erscheinen, wenn derselbe durch Inhaltszellen blasenartig aus- gedehnt ist; im entleerten Zustand sind es dagegen mehr oder weniger kubische Zellen, deren Kerne in Bezug auf ihre Struktur an jene des Trichters erinnern. An ihrer freien Oberfläche besitzen sie keine Flimmerhaare. Ferner besitzt der Ausführungsgang auch eine Ringmuskelschicht. Diese besteht, wie aus der Fig. 21 ersichtlich ist, aus wenigen aber recht kräftigen Muskelfasern, welche zu vier bis fünf an einander ge- reiht reifenartig angeordnet sind. An der analen Wand der Blase waren derartige Muskeln nicht zu finden, dagegen glaube ich mich überzeugt zu haben, dass die früher erwähnten Muskelfasern sich nach rechts und links in die Leibeswand fortgesetzt haben. Was die äußere Öffnung des Ausführungsganges anbelangt, so ist dieselbe am lebenden Objekt nur im Momente der Entleerung der Inhaltszellen nachweisbar. In Fig. 16 ist dieser Akt dargestellt. Das Thier hielt die Tentakelkrone sehr stark oralwärts gebeugt, in Folge dessen erscheint in diesem Falle die Öffnung weit nach oben verlagert. Übrigens ist zu bemerken, dass sich auch an Schnittpräparaten die Öffnung nicht immer genau an der Stelle der Vereinigung der Nierenkanäle fand, sondern dass sie manchmal etwas höher (apicalwärts) liegt. Es mag das mit verschiedenen durch die Härtungsreagentien bewirkten Kontraktionszuständen in Zusammenhang stehen. An Schnittpräparaten ist in der Regel die äußere Nierenöffnung gleichfalls geschlossen, sie lässt sich aber trotzdem auch durch genaues Einstellen unzweifelhaft feststellen. Die im vorliegenden Falle den Inhalt zusammensetzenden Zellen Die Nephridien der Gristatella. 637 waren zu einem Klumpen zusammengeballt und wurden äußerst lang- sam zur äußeren Öffnung hinausgepresst. Hinter dem Pfropfen, welcher die äußere Öffnung erfüllt, war der blasenartig aufgetriebene Ausführungsgang von trüber Leibeshöhlenflüssigkeit erfüllt. Wie schon erwähnt wird der blasenartig aufgetriebene unpaare Ausführungsgang durch freie Inhaltszellen erfüllt. Bezüglich der Natur dieser Zellen will ich gleich erwähnen, dass es nichts Anderes, als los- gelöste Peritonealzellen sind, welche der Degeneration anheimfallen und durch die Niere ausgeschieden werden. Den besten Aufschluss über diesen Punkt erhält man durch die Beobachtung des lebenden Objektes. Nach Injektion oder Fütterung mit Karminpulver findet sich dieser Stoff in den genannten Zellen wieder. Die Erfahrungen, die sich aus diesen Versuchen ergaben, mögen daher im Folgenden mitgetheilt werden. Wenn man lebende Thiere mit genügend starken Systemen unter- sucht, was heut zu Tage durch die Kompensationsokulare sehr bequem gemacht ist, so findet man in der Leibeshöhle sehr häufig amöboide Zellen, welche an verschiedenen Organen, so an den Muskeln, wo sie sich am leichtesten erkennen lassen, herumwandern. In Fig. 17 A und 5, 18A und B und 19 sind solche Zellen abgebildet. Die eine (Fig. 18 Aund 5), welche in zwei verschiedenen Phasen der Bewe- gung dargestellt ist, besitzt zwei vordere und zwei hintere Fortsätze, mit welchen sie zwischen zwei Muskelfasern hängt. Der Kern solcher Zellen ist groß und rund. Im Plasma, welches in der lebenden Zelle hell und durchsichtig ist, sind kleine stark lichtbrechende Körnchen von gelblicher Farbe enthalten. Untersucht man aber Thiere, welchen Karminsolution in die Leibeshöhle injieirt wurde, oder welche durch mehrere Tage Karminpulver in ihren Darmtractus aufgenommen haben, so sind die amöboiden Zellen alle mit Karminkörnchen voll gefressen, wie dies in Fig. 17 dargestellt ist. Ferner sieht man vielfach Zellen von runder Gestalt in der Leibes- höhlenflüssigkeit flottiren, welche sich aber durch ihre rasche Bewegung der Beobachtung entziehen. Sicher lässt sich jedoch konstatiren, dass sie in die Nierentrichter, gegen die der Strom der Leibeshöhlenflüssig- keit gerichtet ist, eintreten und sie sind es, welche auf Schnitten in dem unpaaren Ausführungsgang angetroffen werden. Man kann da die verschiedenartigsten Zustände, in welchen sich diese Zellen befinden und welche alle den Eindruck der Degeneration machen, beobachten (Fig. 6). Die Zellen erscheinen meist mehr oder weniger rund, besitzen also keine amöboiden Fortsätze mehr, und sind gequollen. Im Kerne lassen sich bei vielen noch die normalen Strukturen nachweisen, in 638 6. J. Cori, vielen anderen Fällen ist der Kern ganz blass und ungefärbt, oder aber, der Kern lässt sich zwar noch deutlich abgrenzen, das Chromatin jedoch bildet ein einziges intensiv gefärbtes Korn. Wie der Kern so zeigt auch das Plasma vielfache Veränderungen. Meist ist es stellen- weise verdichtet, so dass sich dunklere Plasmaklumpen von heller Umgebung abheben. Ferner findet man oft im Zellleibe solcher Zellen Einschlüsse, die entweder in ihrem Aussehen übereinstimmen mit den Einschlüssen der amöboiden Zellen oder die veränderte Zellkerne anderer Zellen sind. Auch spindelförmige intensiv gefärbte und außen doppelt kontourirte Körper enthält der Ausführungsgang (Fig. 20). Dass die eben beschriebenen Zellen des Ausführungsganges Reste der Hoden sein könnten, wie Brarm meint, das glaube ich nicht. Die Thiere, von welchen die Präparate stammen, wurden im Oktober gesammelt, zu welcher Zeit die Bryozoen weder Ovarien noch Hoden aufweisen. Auch fand sich thatsächlich nirgends in den Präparaten etwas von beiden. Eingangs wurde schon andeutungsweise mitgetheilt, welchen Autoren wir Angaben über das Nierenorgan der Bryozoen verdanken. Im Folgenden möge nun auf dieselben etwas genauer eingegangen wer- den. Zunächst sei erwähnt, dass schon in älteren Arbeiten auf eine sehr lebhaft flimmernde Stelle zwischen den Lophophorarmen auf- merksam gemacht wird, ohne aber dass die betreffenden Forscher die Bedeutung dieser Stelle erfasst haben. KrAEPELIN macht in seiner Monographie der deutschen Süßwasser- bryozoen (p. 61) die Angabe von einem drüsenartigen Ballen oberhalb des Epistomgrundes, welchen er in Fig. 89 und 106 der Taf. III auch andeutet, an welchem er eine mit feinkörnigem Plasma gefüllte Kom- munikation gegen die Lophophorhöhle fand. Er bemerkt dazu, »an irgend welche Beziehung zu den Exkretionsorganen der Pedicellina oder gar der Würmer ist wohl um so weniger zu denken, als bei den übrigen Süßwasserbryozoen ähnliche Bildungen völlig vermisst werden«. Beinahe gleichzeitig mit Krarprıın veröffentlichte VERWoRN eine Arbeit unter dem Titel: »Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryo- zoen«, in welcher er bekanntlich die Anatomie, Histologie und Stato- blastenbildung der Cristatella behandelt. Auf p. Al sagt er: »An der Basis des inneren Tentakelkranzes und zwar zwischen den beiden Tentakeln, welche als die innersten im Bogen dem Epistom gerade gegenüber stehen, liegt eine kleine Öffnung, welche die innere Mündung zweier ganz kurzer Kanäle repräsentirt, deren innere Öf- nungen nach der Leibeshöhle hin dem Ganglion gegenüber liegen. Die beiden Kanälchen, die eigentlich ihrer Kürze wegen kaum diesen Die Nephridien der Oristatella, 639 Namen verdienen, werden von einer einzigen Lage kubischer Meso- dermzellen gebildet, welche mit Wimpern besetzt sind. An der inneren Öffnung setzen sie sich unmittelbar in das Mesodermepithel der Leibes- höhle fort, außen grenzen sie an das Ektoderm des Lophophors. Beide Kanälchen vereinigen sich kurz vor ihrer äußeren Mündung zu einem einzigen.« In einem weiteren kurzen Absatz spricht er die Vermuthung aus, dass diese Organe der Cristatella vielleicht als Homologa der Segmentalorgane aufzufassen sind. Also Verworx machte die ersten Angaben und ihm haben wir die Entdeckung eines Nierenorgans bei den Bryozoen zu verdanken. Dann kommen, wenn wir die Litteratur der Bryozoen in chronolo- gischer Reihenfolge behandeln wollen, die vorläufigen Mittheilungen Brarm’s, welche zusammenfassend undin ausführlichster Weise in seiner monographischen Publikation »Untersuchungen über die Bryozoen des süßen Wassers« (l. c.) behandelt sind und meine schon genannte Mit- theilung. Brarm ist aber ganz anderer Ansicht als Verworn und ich. Seine Auffassung der diesbezüglichen Verhältnisse möge dem Leser aus den folgenden seinen Arbeiten entnommenen Sätzen ersichtlich werden: »Das ganze Gebilde (die Niere) ist nichts als eine Fortsetzung der Lophophorhöhle, welche eben so wie sie in Form des Ringkanales den Pharynx umgreift, auch das Epistom zu umgehen genöthigt ist, um auf diese Weise zu dem anal über dem Munddeckel befindlichen Tentakel Zutritt zu erhalten.« Er erklärt die Epistomhöhle, das ist der Raum hinter dem Epistom, in welchem das Ganglion liegt, als ein DivertikelderhinterenLeibeshöhle, welches in die Lophophor- höhle hineinwächst und das zur Lophophorhöhle selbst in kei- ner Beziehung steht. Bezüglich dessen sagt er weiter: »Durch die Einschaltung der Epistomhöhle inmitten des Lophophorraumes entsteht nun eine Schwierigkeit bezüglich derjenigen Tentakel, welche als die mittelsten der inneren Bucht des Hufeisens anal über den Munddeckel zur Bildung gelangen sollen. Denn da die Tentakel insgesammt Deri- vate der Lophophorhöhle sind, der Platz zwischen Mund und After jetzt aber gegen die letztere gleichsam abgedämmit erscheint, so ist diese ge- nöthigt, in irgend einer Weise die Epistomhöhle zu umgehen und sich über dieselbe einen eigenen Weg zu bahnen. Dies geschieht vermöge eines Kanals, für den ich an anderer Stelle (Zool. Anz. 1889 p. 324) die Bezeichnung Gabelkanal vorgeschlagen habe, weil er nach Art einer Klammer oder Gabel die Epistomhöhle überbrückt.« In wie weit nun meine Ansichten über das Nierenorgan von denen Brarm’s abweichen, ist wohl zur Genüge aus den oben eitirten darauf Bezug habenden Sätzen dieses Autors klar gelegt. 640 6. J. Gori, Oxı, welcher die in Japan vorkommende Pectinatella gelati- nosa untersuchte, beschreibt bei dieser Form gleichfalls ein Exkre- tionsorgan. Aus seiner Beschreibung und Zeichnungen geht hervor, dass er die anatomischen Verhältnisse der Niere genau so auffasst, wie Brarm, indem er in dieselbe die Tentakel ’einmünden lässt. Auch konnte er keine äußere Öffnung finden. Es dürfte auch in diesem Falle ein Untersuchungsfehler, was die Verbindung des genannten Organs mit den Tentakeln betrifft, vorliegen, wie auch in Bezug auf das Fehlen der äußeren Öffnung. Trotz alledem spricht sich Orı für die Nierennatur dieses Organs aus. An dieser Stelle möge auch darauf hingewiesen werden, dass durch FaArre, Hıncks, Prouso ! u. A. bei Aleyonidium gelatinosum undMembranipora pilosa ein flimmernder Kanal als Intertentacular- organ beschrieben wurde, welcher zwischen Mund und After nach außen mündet und der eine Kommunikation der Leibeshöhle mit der Außenwelt darstellt. Den meisten anderen marinen Bryozoenformen fehlen, so weit unsere Kenntnisse reichen, Exkretionsorgane. Durch die Versuche von Sypney F. Harwer wurde jedoch bekannt, dass das Peri- toneum exkretorisch thätig sein kann, was Hırmer aus dem Umstand schloss, dass das Peritoneum an gewissen Stellen intra vitam Farbstoffe aufnimmt (so z. B. verschiedene Species von Flustra und Bugula). Was die Funktion des Nierenorgans der Bryozoen anbelangt, so können wir uns wohl mit Hilfe der Kenntnisse, welche uns die Forschung über die Bryozoen liefert und aus Analogie mit anderen Thieren, bei welchen die Funktion der Niere genauer untersucht ist, eine Vorstellung bilden. Nur dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass die meisten Thiere ein Blutgefäßsystem besitzen, das in Beziehungen oder in den Dienst der Niere tritt. Ein solches fehlt aber den Bryozoen. Bis zu einem gewissen Grad dürfte bei den Bryozoen die Leibes- höhlenflüssigkeit die Funktionen des Blutes übernommen haben, als sie die Nahrungsbestandtheile in sich aufnimmt und anderen Körper- theilen zuführt. Dabei mag immerhin auch die Möglichkeit vorliegen, dass sich andererseits in ihr Umsetzungsprodukte lösen, welche dann auf dem Wege der Niere den Körper verlassen. Dies würde aber gleichzeitig auch einen Verlust an Nährstoffen bedeuten. Aus der Be- trachtung der Fig. 16, auf welcher die Niere im Momente der Ent- leerung dargestellt ist, lässt sich jedoch annehmen, dass nach dem Durchtritt der Zellballen nicht viel Leibeshöhlenflüssigkeit nach außen 1 Da mir die betreffenden Arbeiten nicht zugänglich waren, kann ich mich nur auf Citate berufen, die ich im Lehrbuch von CrAvs und in der hier citirten Arbeit von Ora fand. Die Nephridien der Uristatella. 641 gelangen kann, dass sich vielmehr die innere Öffnung sehr bald wieder schließen wird. Viel wahrscheinlicher ist es, dass hauptsächlich die Lymphzellen, welche wir in der Leibeshöhle antrafen und welche gelbe Körnchen - enthielten, mit der Aufnahme der Harnsalze betraut sind. Also können wir uns die exkretorischen Funktionen bei der Cristatella so vorstellen, dass losgelöste Peritonealzellen zu Lymphzellen werden, welche mit Hilfe der amöboiden Fortsätze alle Hohlräume des Körpers absuchen und die Gewebe von den giftigen Harnsalzen entlasten. Hierbei mussman sich aber auch die Frage vorlegen, was bildet die erste Veranlassung für die Loslösung der Zellen? Dies lässt sich vielleicht damit erklären, dass Peritonealzellen des Darmtractus oder der Haut noch im Verbande mit den übrigen bereits Harnsalze aus den Nachbarepithelien (dem Darmepithel und äußeren Leibeswandepithel) in sich aufnehmen und dass dies den Anstoß zur Ausscheidung aus der Zellschicht abgiebt, denn durch diese Stoffe werden die Peritonealzellen nach und nach vergiftet. Sie verlieren ihre aktiven Lebenserscheinungen, was sich durch Einziehen der Pseudopodien und an den besprochenen Ver- änderungen des Zellleibes und -Kernes erkennen lässt; sie werden zu todten Körpern, um als solche vom Leibeshöhlenstrom erfasst und in die Niere getrieben zu werden, welche sie nach außen abscheidet. Auf diese Weise gelangen die Umsetzungsprodukte des Stoffwechsels mit den Lymphzellen aus dem Bryozoenkörper hinaus. Die Niere der Bryozoen ist daher nicht mehr selbst exkretorisch thätig, indem sie nicht selbst durch ihre Epithelien gewisse Stoffe aus- scheidet, sie dient vielmehr nur als ein Ableitungsorgan für die mit Harnstoffen beladenen Lymphzellen. Sie zeigt in dieser Beziehung einen Rückbildungscharakter, der sich jedoch aus dem Fehlen eines Blutgefäßsystems erklären lässt. Die Thatsache, dass losgelöste Peritonealzellen bei Bryozoen exkretorische Stoffe in sich aufnehmen, gleichsam fressen und aus dem Körper hinausschaffen und die Erfahrungen Harmer’s an Flustra und Bugula, sind neuerliche Beweise für die Allgemeinheit der schon früher von Enrers, Eısıc, E. Mayer und neuerlich von GROBBEN in einer Abhandlung über die Perikardialdrüse der chaetopoden Anneliden ausgesprochenen Ansicht, dass das Peritoneum bei den Wirbellosen vielfach exkretorisch thätig ist. In wie fern, und ob die Niere hier eine Bedeutung für die Aus- leitung der Geschlechtsprodukte (des Sperma) besitzt, darüber können wir uns gegenwärtig noch keine Vorstellung machen, da es an diesbe- züglichen Beobachtungen fehlt. j I N ni \ 0% 642 C. J). Cori, Schließlich möge noch auf den übereinstimmenden Bau als auch auf die übereinstimmende Lage des Nierenorgans der Cristatella und der Phoronis, worüber ich mich schon anderen Orts eingehender aus- gesprochen habe, hingewiesen werden. Ein Umstand mehr, der zur Befestigung der Ansicht beitragen kann, diese beiden Formen als Ver- wandte zu betrachten. Prag im Juli 1892. Litteraturverzeichnis. Frıtz BRAEM, Untersuchungen über die Bryozoen des süßen Wassers. Vorl. Mitth. Zool. Anz. 1888. 4. Okt. p. 503—509 und 533—539. —— Über die Statoblastenbildung bei Plumatella. Zool. Anz. 4889. p. 64. —— Die Entwicklung der Bryozoenkolonie im keimenden Statoblasten. Zool. Anz. 1889. p. 675. —— Untersuchungen über Bryozoen des süßen Wassers. Mit 45 lithogr. Tafeln. Kassel 4890. Verl. Th. Fischer. CARL GROBBEN, Die Perikardialdrüse der chaetopoden Anneliden, nebst Bemerkungen über die perienterische Flüssigkeit derselben. Sitzungsber. d. k. Akad.d. Wissensch. B. XCVII. Jahrg. 1888. p. 250. K. KraepELIn, Die deutschen Süßwasserbryozoen. Eine Monographie. Festschrift des naturwissenschaftl. Vereins in Hamburg. 4877. —— Bemerkungen zu den Mittheilungen von F. BraEm über Süßwasserbryozoen. Zool. Anz. p. 646. Bd. XI. 1888, A. KowALEvsky, Ein Beitrag zur Kenntnis der Exkretionsorgane. Biol. Centralblatt. Bd. IX. 1890. p. 33—47, 65—76 und 127—128. M. VErwoRN, Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. Diese Zeitschrift. Bd. XLVIII. p. 99—130. Juli 1887. Erklärung der Abbildungen. Buchstabenbezeichnung. A, Anus; F, Funieulus; aD, analer Theil des Diaphragma ; Fe, Faeces; oD, oraler Theil des Diaphragma;; Gl, Ganglion; Dp, Duplikatur ; Kn, Knospe; Dpb, Duplikaturbändchen; Lw, Leibeswand; ecE, ektodermales Epithel; Lphn, Lophophornerv; enE, entodermales Epithel; Lphr, Lophophorrinne; Ed, Enddarm; M, Muskeln (Retractor und Rotator); Ep, Epistom;; Mf, Muskelfaser; e e Die Nephridien der Oristatella. 643 Mg, Magen; aR, äußere Tentakelreihe; Ms, Muskelschicht; iR, innere Tentakelreihe; Mth, Metasomhöhle; Sapl, Splanchnopleura ; N, Nephridium; So, Sohle; Nac, Nierenausführungsgang ; Sopl, Somatopleura; Ne, Nierenkanal ; Sp, Septum; Np, äußere Nierenöffnung; St, Statoblasten; Nr, Nervenmasse; Ts, Tentakelscheide; Tr, Nierentrichter; Tm, Tentakelmembran ; nTr, Nebentrichter; +, Spaltraum neben den Tentakeln ; O0, Mund; *, Verbindungskanal zwischen Prosom- Oe, Ösophagus ; und Metasomhöhle. Prh, Prosomhöhle ; Tafel XXVI, Fig. 4—10. Ausgewählte Schnitte einer aus 16 Schnitten bestehenden Serie durch Cristatella. Die Schnittrichtung ist eine schrägfrontale. Die Zahl des Schnittes ist durch eine römische Ziffer angezeigt. Fig. 4. I. Schnitt der Serie, ist unterhalb des Ganglions geführt; er enthält die Nierentrichter Tr. Fig. 2. II. Schnitt der Serie. Das Ganglion (@]) ist angeschnitten. Die media- len Ränder der Nierentrichter gehen in den peritonealen Überzug des Gan- glions über. Fig. 3. III. Schnitt der Serie. Das Ganglion mit den abgehenden Lophophor- nerven (ZLphn), die Nierenkanäle (Nc) ruhen auf denselben. BeinTr ein Neben- trichter des Nierenkanals zum Lumen des dritten Tentakel. Fig. 4. IV. Schnitt der Serie mit Ganglion und Nierenkanälen. Nebentrichter sind in diesem Schnitt keine enthalten. Fig. 5. VIII. Schnitt der Serie, in welchem beiderseits die Nierenkanäle Nebentrichter (nTr) besitzen. Nac, Ausführungskanal, durch Inhaltzellen blasen- artig aufgetrieben, bei + ein Spaltraum. Fig. 6. IX. Schnitt der Serie enthält die Einmündunsgsstelle der Nierenkanäle in den Ausführungsgang. Das Epistom (Ep) ist angeschnitten ; bei Nr Nervenmasse. Fig. 7. X. Schnitt der Serie mit dem Ausführungsgang. Fig. 8. XIV. Schnitt der Serie. Der angeschnittene Ausführungsgang deckt den Zugang zum mittleren (1.) Tentakel. Fig. 9. XV. Schnitt der Serie. Im Lumen des mittleren (4.) Tentakels findet sich noch eine angeschnittene Zelle des Ausführungsganges. Das Tentakellumen . selbst ist von einem Epithel begrenzt. Fig. 10. XVI. Schnitt der Serie mit fünf Tentakeln. Das Lumen des mittleren Tentakel (7) geht über in das des rechten (2). Fig. 44 stellt den linken Nierenkanal Ne mit seinem Nebentrichter nTr des in Fig. 5 abgebildeten achten Schnittes stärker vergrößert dar. Tafel XXVII. Fig. 42. Sagittalschnitt durch ein Einzelindividuum von Cristatella im ausge- streckten Zustande (Kombinationsbild aus mehreren Schnitten einer Serie). Die rechte Hälfte der Tentakelkrone ist körperlich zugezeichnet. Fig. 43. Ein Einzelindividuum von der Analseite aus gesehen. 644 6. J. Cori, Die Nephridien der Oristatella. Fig. 14. Medianer Sagittalschnitt durch den Ausführungsgang der Niere. Fig. 45. Medianer Sagittalschnitt mit dem Nierenkanal und Trichter. Fig. 46. Die Niere von Cristatella nach dem lebenden Objekt während der Entleerung ihres Inhaltes gezeichnet. Fig. 47. Lymphzellen aus der Leibeshöhle, nach Injektion mit Karmin. Fig. 18A u. B. Eine Lymphzelle in zwei verschiedenen Phasen der Bewegung. Fig. 419. Ebenfalls eine Lymphzelle auf einer Muskelfaser kriechend. Fig. 20. Inhaltszellen aus dem Ausführungsgang nach Konservirung mit Platin- chlorid und Pikrinsäure. Fig. 24. Der Ausführungsgang birnförmig durch seinen Inhalt aufgetrieben mit reifartig angeordneter Muskelschicht (Kombinationsbild). Fig. 22. Längsschnitt durch den Ausführungsgang, stark vergrößert. Sämmtliche Figuren, mit Ausnahme der Fig. 13, 46, 17, 48,49 und 24, welche freihändig gezeichnet wurden, sind mit der Asse schen Camera lucida gezeichnet. Für Fig. 44 und 22 wurde die Immersion 4/48 von Zeıss, und für die Fig. 20 die Wasserimmersion 44 von HArTnack benutzt. Für alle übrigen Zeichnungen wurden Systeme von REICHERT verwendet. l se Te - Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. A. Goette (Straßburg, Elsass). Mit Tafel XXVIIH—XXXI und 11 Textfiguren. Als ich im Herbst 1894 in Neapel die Entwicklung der Pelagia noctiluca kennen gelernt und mich überzeugt hatte, dass sie merklich anders verläuft als es bisher angegeben wurde, schien es mir wün- schenswerth, sofort einen unmittelbaren Vergleich dieser Entwicklung mit derjenigen einer anderen Scyphomeduse anzustellen, welche dem bei Aurelia aurita bekannt gewordenen Typus folgte. Die Gelegenheit dazu bot mir die in Neapel vorkommende Cotylorhiza tuberculata, deren Entwicklung ich dort schon früher, aber allerdings nur unvoll- ständig hatte verfolgen können. Was ich bei dieser erneuten Unter- suchung fand, erwies sich aber so wichtig für das Verständnis der Entwicklung von Pelagia, dass ich hier die Beobachtungen an Cotylo- rhiza voranstelle. I. Die Larven von Cotylorhiza tuberculata L. Die eben ausgeschlüpften Schwärmlarven (Planulae) sind oval oder birnförmig und von zwei einander gegenüberliegenden Längs- seiten her mehr oder weniger stark abgeplattet, so dass sie zwei breite und zwei schmale Längsseiten besitzen. Die senkrechte Ebene, welche die beiden Schmalseiten halbirt, habe ich schon früher als Haupt- ebene bezeichnet, und als Querebene die andere Mittelebene, welche die erstere rechtwinkelig schneidet und die beiden Breitseiten halbirt. Das breitere, beim Schwimmen vordere Ende der Larve nimmt aber an jener Abplattung nicht Theil, sondern ist entweder knopfförmig angeschwollen oder stempelförmig gebildet, wobei die Endfläche eine schwache Delle aufweist. Das aus dünnen, stabförmigen Zellen zu- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 43 646 A. Goette, sammengesetzte Ektoderm trägt einen dichten Wimperbesatz und ist am Vorderende verdickt. Das Entoderm ist ein dickwandiger Schlauch, welcher den vom Ektoderm umschlossenen Raum häufig und namentlich am Vorderende nicht ganz ausfüllt. Seine Zellen sind dick, körnig und springen unregelmäßig gegen die Urdarmhöhle vor, welche desshalb und in Folge der erwähnten Abplattung der ganzen Larve sehr eng und unregelmäßig erscheint und am intakten Objekt kaum kenntlich ist. Allmählich rundet und stumpft sich das verjüngte Hinterende ab und lässt darauf eine kleine Einsenkung des Ektoderms erkennen, welche aber nicht flach ist wie die vorhin erwähnte Delle des Vorder- endes, sondern trichterförmig. Trotzdem ist, wenn man diese Verände- rungen nur an den konservirten Planulae und an Durchschnitten studirt und nicht gleichzeitig an der lebenden, schwimmenden Larve, eine Verwechslung beider Enden um so eher möglich, als die Delle des Vorderendes schwindet, bevor das Hinterende anschwillt und die Ein- senkung erfährt. Übrigens ist es eine schon längst anerkannte That- sache, dass das Vorderende der schwimmenden Larve, welches aus dem Scheitel der Gastrula hervorgeht, zur späteren Befestigung dient, also zum Fußende des Scyphostoma wird, wogegen das sich einsenkende Hinterende der Planula dem Prostoma entspricht. "Die freie Schwimmbewegung der Larve dauert in der Regel noch während der nächsten, gleich zu beschreibenden Entwicklungsvorgänge fort, und das Festsetzen erfolgte an den von mir beobachteten Bruten überhaupt nicht zu einer bestimmten Zeit. Es hängt dies offenbar damit zusammen, dass die Larven zur Befestigung geneigt und fähig sind, lange bevor sie die Wimpern und daher die Schwimmfähigkeit verlie- ren; wesshalb auch die bereits sessil gewordenen und dann gewaltsam abgelösten jungen Larven sofort wieder schwimmen. In Folge jener frühzeitigen Fähigkeit zum Festsetzen benutzen sie diejenigen passen- den Befestigungspunkte, welche ihnen während des Umherschwimmens gerade zufällig, und daher bald früher, bald später begegnen. Die trichterförmige Einsenkung des Ektoderms am prostomialen oder hinteren Ende der freischwimmenden Larve ist der durch meine früheren Untersuchungen bekannt gewordene Schlund (Fig. 4). Sein äußerer Rand ist Anfangs weit und nicht scharf begrenzt, zieht sich aber alsbald zu einer kleineren, rundlich ovalen Öffnung oder dem bleibenden Munde zusammen. Währenddessen vertieft sich der Schlund zu einer Tasche, welche der ganzen Körpergestalt der Larve entsprechend in der Hauptebene breiter ist als in der Querebene, und deren trichterförmig zulaufender Grund sich zunächst ebenfalls Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 647 in der Hauptebene ausdehnt (Fig. 2, 3, 45, 16, 18, 49). Dieser Boden des Schlundes ist natürlich identisch mit dem Hinterende der unver- änderten Planula, also mit der Stelle, wo früher das Prostoma bestand und sich schloss; folglich kann der spätere Durchbruch dieses Schlund- bodens in den Urdarm oder die Schlundpforte als die Wieder- eröffnung des Prostoma aufgefasst werden, während der Eingang zum Schlunde oder der künftige Mund als eine Neubildung außerhalb des Prostoma sich darstellt. In meinen früheren Arbeiten habe ich es bereits ausgeführt, dass dies der Ausgangspunkt ist für alle weiteren, sich daran knüpfenden Unterschiede der Scyphomedusen und der Hydro- medusen, deren Mund und Prostoma zusammenfallen. Sobald der Mund der Larve gebildet und ihr entgegengesetztes Fußende zur Befestigung fähig ist, kann man das letztere, welches beim Schwimmen vorangeht, als unteres Ende bezeichnen gegenüber dem freien oralen oder oberen Ende. Der sich einsenkende Schlund unserer Larven drängt in der Quer- ebene, wo er den ganzen Raum zwischen den ektodermalen Außen- wänden einnimmt, den ganzen ihm entgegenstehenden Abschnitt des Urdarmes zurück; in der Hauptebene lässt aber der Schlund jederseits einen Zwischenraum zwischen sich und dem Ektoderm der Schmalseiten übrig, in welchem ein Zipfel des Urdarmes zurückbleibt. Es ist dies das erste Paar der radialen Magentaschen (Fig. 1—3,15). Man kann sie in dieser ersten Larvenzeit im Allgemeinen handschuhfingerförmig nennen; doch sind sie in Höhe und Breite nicht immer ganz gleich. Im Beginn der Einstülpung des Schlundes gehen die beiden Magentaschen divergirend von dem breiten oberen Theil des Urdarmes (Fig. 4) aus; so- bald aber der sich ausdehnende Boden des Schlundes die Magentaschen auch in der Tiefe aus einander gedrängt hat, erscheinen sie etwas ge- krümmt und von dem übrigen Urdarm oder dem CGentralmagen durch eine Einschnürung gesondert (Fig. 2). Da die ein wenig nach innen gekrümmten Magentaschen den beiden Schmalseiten des Schlundes eng anliegen, muss auch dieser in der Hauptebene einen ungleichen Durchmesser haben. In der That zieht er sich unmittelbar unter der kreisförmigen oder ovalen Mundöffnung etwas zusammen, welchen verengten Eingangstheil ich dasSchlund- rohr nenne, weil er allein vom ganzen Schlunde die Röhrenform dauernd behält. Unter dem Schlundrohr erweitert sich der Schlund zwischen den Magentaschen, mit denen er bis zu ihren Mündungen und zwischen diesen letzteren mit der Decke des Centralmagens verlöthet. 1 Sie haben dann genau die Form wie in den von mir früher veröffentlichten Abbildungen von ganzen, unzerlegten Larven von Cotylorhiza (Nr. 4, Fig. 42, 13). 43% 648 A Goette, In der Querebene ist diese untere Schlundhälfte Anfangs taschenförmig verengt, beginnt aber bald sich auch in dieser Richtung zu erweitern (Fig. 18—20). Diese quere Erweiterung des Schlundes unter dem Schlundrohr führt zur Bildung zweier breiter Seitenbuchten, welche sofort sich von oben her von dem centralen Schlundtheil abzuschnüren beginnen (Fig. 23, 24). Dieser Vorgang kann auf beiden Breitseiten der Larve ungleich verlaufen. Er hat zur Folge, dass aus den beiden queren Schlundbuchten ein zweites Paar radialer Magentaschen ent- steht, welche oben gegen den centralen Schlundtheil blindsackartig abgeschlossen sind, darunter aber durch weite, von scharfen Rändern begrenzte Ostien in ihn münden. Der zwischen den vier Magentaschen zurückbleibende centrale Schlundtheil zeigt eine viereckige Gestalt, da er in der Hauptebene durch die Verlöthung mit dem ersten Paar Magen- taschen eben so in zwei Kanten ausgezogen ist, wie in der Querebene durch die Abschnürung des zweiten Taschenpaares (Fig. 27). Die Identität der eben beschriebenen Taschen der Querebene mit dem zweiten radialen Magentaschenpaar geht aus dem Vergleich mit den Querdurchschnitten der folgenden Entwicklungsstufen ohne Weiteres hervor. Um aber die obige Angabe, dass diese Taschen aus dem Schlunde hervorgehen, also ektodermalen Ursprungs sind, vollends evident zu machen, verweise ich ganz besonders darauf, dass diese Entwicklung zu einer Zeit erfolgt, wann die zwei ersten entodermalen Magentaschen noch der Länge nach geschlossen und mit dem Schlunde fest verlöthet sind. Denn da das zweite Taschenpaar, wie die mab- gebenden Querdurchschnitte lehren, in einer gewissen Höhe über dem unteren Ende dieser Verlöthung und folglich des Schlundes entsteht, so kann es nur aus dem Schlundektoderm hervorgehen, auch wenn dessen untere Grenze in der Querebene dadurch unkenntlich sein sollte, dass es nach dem Durchbruch des Schlundes in den Centralmagen ununter- brochen in das Entoderm des letzteren übergeht. Zum Überfluss füge ich noch hinzu, dass das Ektoderm noch einige Zeit nach diesem Durch- bruch histiologisch eben so deutlich wie vorher vom Entoderm zu unterscheiden und folglich in der Wand des zweiten Magentaschen- paares zu erkennen ist: es besteht aus einem an der Fläche glatten Gylinderepithel von dunklen körnigen Zellen, das Entoderm dagegen aus größeren hellen Zellen, welche an der freien Fläche blasig vor- treten (Fig. 25>—30). Ich will aber auf diese histiologischen Merkmale desshalb nicht das Hauptgewicht legen, weil sie sich später gerade in den fraglichen Theilen wieder verwischen; auch genügen die vorhin genannten Lagebeziehungen allein, um zu dem unzweifelhaften Ergeb- nis zu gelangen, dass das zweite Magentaschenpaar und alle 2 fe Rt 6 184 y Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 649 übrigen aus ihm hervorgehenden Taschen vom Ektoderm gebildet sind. Dieses für mich neue und überraschende Ergebnis widerspricht allerdings meiner früheren, an Aurelialarven gewonnenen Ansicht, dass die Magentaschen der Querebene erst unterhalb des Schlundes und der Schlundpforte, also aus dem Entoderm des Urdarmes sich neben dem Schlunde aufwärts ausstülpen. Nachdem ich mich aber überzeugt habe, dass diese meine frühere Ansicht gegenüber meinen gegenwär- tigen genaueren Untersuchungen an Cotylorhiza, und wie ich gleich hinzufügen will, damit übereinstimmend auch an Pelagia, sich nicht mehr aufrecht erhalten lässt, muss ich gleichzeitig bemerken, dass dies meine früheren allgemeinen Schlussfolgerungen über die Einbeziehung des ektodermalen Schlundes in den definitiven Darmapparat nicht etwa einschränkt, sondernim Gegentheil diese Einbeziehungnoch ausgedehnter und gesicherter erscheinen lässt als früher. Der Unterschied beider Taschenpaare beschränkt sich aber in dieser Entwicklungsperiode keineswegs bloß auf ihren Ursprung und die Art ihres Epithels. Das zweite Paar ist nicht nur breiter und tiefer als das erste, sondern mündet auch durch weite Ostien in den centralen Schlundtheil, während das andere Paar noch schlauchförmig und eng am ganzen Schlund hinabzieht und erst in den Centralmagen mündet (Fig. 33—25). Diese Verschiedenheit dauert aber allerdings nicht lange, wie man aus dem Folgenden entnehmen wird. Es wurde schon erwähnt, dass der Schlund an seinen ursprüng- lichen Schmalseiten mit den zwei ersten Magentaschen und an seinem Boden mit der Decke des Gentralmagens verlöthet. Längs dieser Ver- löthung findet nun ein Durchbruch des Schlundes in die anliegenden Theile des Urdarmes statt, indem sich beide Schichten spalten und die Spaltränder jederseits vom Spalt sich mit einander verbinden, also das Ektoderm des Schlundes in das Entoderm der Magentaschen und des CGentralmagens kontinuirlich übergeht. Dieser Durchbruch des Schlundes in den Urdarm vollzieht sich aber weder gleichzeitig in seiner ganzen definitiven Ausdehnung, noch stets in derselben Ordnung. An der Querschnittserie Fig. 233—25 ist der Schlund in die engen eylindrischen Magentaschen noch nicht durchgebrochen, dagegen öffnet er sich schon weit in den CGentralmagen, nachdem der anfängliche Spalt (vgl. Fig. 5)! durch die queren Ausbuchtungen des Schlundes 1 Ich kann es nur als einen Zufall bezeichnen, dass ich den 'ersten spaltför- migen Durchbruch des Schlundes in den Centralmagen bei Cotylorhiza in keinem passenden Durchschnitt angetroffen habe. Bei Aurelia (Nr. 4, Fig. 23) und Pelagia (Fig. 93) habe ich ihn sehr deutlich gesehen. 650 A, Goette, aus einander gezogen wurde. Es liegt hier also diejenige Öffnung des Schlundbodens vor, welche ich schon früher bei den Larven von Aurelia beobachtete und als Schlundpforte bezeichnete. In diesem Falle reichen auch in der That die mit einander verlötheten Wände des Schlundes und der zwei ersten Magentaschen oder die von mir soge- nannten Taschenvorhänge auch bei Cotylorhiza vom Schlundrohr bis zur Schlundpforte hinab. Darauf erst spalten sich beide Taschen- vorhänge in ihrer senkrechten Mittellinie von der Schlundpforte bis in die Nähe des Schlundrohres, so dass das Schlundektoderm in seinem größeren unteren Abschnitt in zwei Seitenhälften getrennt erscheint, welche erst im Schlundrohr sich wieder ringförmig vereinigen (Fig. 26,28). Diese Eröffnung der entodermalen Magentaschen in den Schlund kann natürlich als eine Fortsetzung der Schlundpforte und der ursprüng- lichen Taschenmündungen in den Centralmagen aufgefasst werden; doch bleiben die neuen seitlichen Öffnungen der Magentaschen länger spaltförmig eng als die genannten anderen Mündungen und als die Lich- tungen der Magentaschen, welche sich bald erweitern. Ein anderes Endergebnis des Durchbruchs des Schlundes als das eben beschriebene habe ich niemals angetroffen, dagegen andere Arten seines Verlaufs. So fand ich an senkrechten Durchschnitten in der Hauptebene erstens, dass der Schlund sich nur in eine Magen- tasche öffnete, während die Schlundpforte noch gar nicht gebildet war (Fig. 4); in einem anderen Fall hing die einseitige Magentaschen- spalte mit einer offenen Schlundpforte zusammen, während auf der anderen Seite der Taschenvorhang noch vollständig war (Fig. 5). Allerdings könnte man gegen solche Befunde einwenden, dass, so lange die Spaltränder sich noch berühren, die Spalten selbst auf den Längs- schnitten entweder gar nicht oder nur unvollkommen sichtbar sein könnten und folglich die eben geschilderten Durchschnittsbilder täuschende seien. Dieser an sich berechtigte Einwand verliert aber seine wesentliche Bedeutung dadurch, dass ich jene Verhältnisse an Querdurchschnitten bestätigt fand, wo sich unregelmäßige Spaltungen der Magentaschen vor der Eröffnung der Schlundpforte zeigten. Immer- hin halte ich solche unregelmäßigen Verläufe der Schlundspaltung für sekundäre Abänderungen des zuerst beschriebenen und ursprünglichen Verlaufs, wobei zuerst die Schlundpforte gebildet wird und dann von ihr aus die Taschenvorhänge sich aufwärts spalten. Sobald dieser ganze Vorgang beendet ist, stellt sich der innere Bau unserer Larven folgendermaßen dar. Vom Munde erstreckt sich das Schlundrohr ins Innere hinab, welches in der oberen Hälfte einen annähernd kreisförmigen Querschnitt hat, weiter abwärts in Anpassung Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 651 an den folgenden Schlundabschnitt viereckig wird (Fig. 7, 27). Dieser letztere beginnt in derselben Höhe wie die seitlichen Eingängein die vier radialen Magentaschen, ist längs dieser Ostien gespalten und in Folge seines Anschlusses an ihre Ränder viereckig ausgezogen (Fig. 28). Seine Wand besteht also aus vier getrennten Streifen, welche schräg zwischen den vier Östien, d.h. interradial verlaufen und in Folge ihres Zusammenhangs mit den Ostienrändern die breiten Flächen von vier interradialen Falten darstellen, welche die vier radialen Magentaschen- räume trennen: die vier ersten interradialen Magenfalten (Fig. 28, 34). Das Epithel dieser Magenfalten ist folglich ektodermal, mit Ausnahme der Flächen, welche der Lichtung der entodermalen Magentaschen zugekehrt sind. In dem Maße als die Taschenostien sich abwärts verbreitern, werden die Magenfalten schmäler, um in der Gegend der früheren Schlundpforte sich ganz zu verlieren (Fig. 29, 30). Natürlich fließen dem entsprechend die vier radialen Magentaschen und der centrale Schlund abwärts zusammen, worauf dieser einheitliche Raum unter einer merklichen Ver- schmächtigung in den CGentralmagen übergeht (Fig. 7). Von den Magentaschen wäre noch zu erwähnen, dass ihre oberen Enden entweder als sehr deutliche Blindsäcke sich über den oberen Rand der Ostien erheben und dem Schlundrohr außen anliegen (Fig. 7), oder jenen Rand kaum überragen (Fig. 8), so dass ihre Lichtung auf Querdurchschnitten neben dem Schlundrohr nicht sichtbar wird. Im ersten Falle ist daher in der Hauptebene ein Theil der ursprünglichen Taschenvorhänge noch ungespalten erhalten, im anderen Falle aber nur ein kümmerliches Rudiment davon übrig geblieben. Unter allen Umständen erscheinen aber diese Reste der Taschenvorhänge als ab- ' wärts gerichtete, höhere oder flachere quere Falten an der Grenze zwischen dem Schlundrohr und den Magentaschen; diese queren Falten biegen an ihren beiden Enden in die anstoßenden senkrechten Ostienränder um, welche früher je eine Seitenhälfte des vollständigen radialen Taschenvorhangs bildeten und jetzt je einen Seitenflügel der interradialen Magenfalten darstellen. Mit einem Worte: die früheren Taschenvorhänge sind durch ihre Spaltung nicht schlechtweg ver- schwunden, sondern bis auf die angegebenen Reste durch Umbildung in andere Theile übergegangen. Und genau dasselbe gilt von dem ersten Taschenpaar. Jede dieser Taschen war Anfangs ein in der ganzen Länge geschlossener Schlauch, welcher durch die Spaltung nicht einfach vernichtet, sondern nur größtentheils in eine Rinne ver- wandelt wird, deren scharfe Ränder ihre Grenze deutlich erhalten. Was aber in der Hauptebene durch allmähliche Um- und Rück- 652 A« Goette, bildung der ersten Anlagen erzielt wird, entwickelt sich in der Quer- ebene direkt zu derselben Bildung wie dort, so dass die im Bau über- einstimmenden Theile aller vier Radien (Taschen, Taschenvorhänge, Ostien) trotz ihrer verschiedenen Abkunft und Entwicklung dieselben Namen um so mehr verdienen, als sie sich später in keiner Weise mehr von einander unterscheiden lassen. Auch die Spaltung der zwei ersten Taschenvorhänge habe ich bei meiner früheren Untersuchung nicht erkannt. Allerdings fand ich, dass die Taschenvorhänge der Hauptebene Anfangs länger sind als die- jenigen der Querebene und darauf sich entsprechend verkürzen; dass ferner diese Verkürzung, welche ja gleichzeitig den röhrigen Schlund selbst betrifft, bisweilen recht früh eintritt (Nr. 4, p. 11, 43, 27). Ich erblickte darin aber nur eine Zusammenziehung der Taschenvor- hänge, so dass ihr freier unterer Rand und damit die Schlundpforte hinaufrückte, die darunter liegenden breiten Magenfalten aber entoder- mal blieben. Jetzt muss ich’ aber annehmen, dass jene Spaltung der Taschenvorhänge der Hauptebene auch bei Aurelia, z. Th. freilich erst viel später als bei Cotylorhiza stattfindet, und dass dem entsprechend auch die Homologien zwischen den ersten Anlagen und den späteren Bildungen sich ändern. Nur muss ich hier wiederholen, was ich be- züglich der Bildung des zweiten Magentaschenpaares sagte, dass näm- lich die gegenwärtige Korrektur meiner früheren Angaben in keiner Weise die daraus gezogenen allgemeinen Schlüsse über den Verbleib des Schlundektoderms im Inneren des Scyphostoma beeinträchtigt, son- dern sie nur noch mehr befestigt und sicherer als früher beweisen lässt. Insbesondere ergiebt sich jetzt mit voller Evidenz, dass alle inneren Bildungen, welche ich früher wesentlich für die Larven von Aurelia festgestellt hatte, auch in den Larven von Gotylorhiza in derselben Gestalt existiren. Es sind dies der Schlund und die vier Magentaschen, die von ihnen gebildeten Taschenvorhänge, die Schlundpforte und die Magenfalten. Ergänzend tritt jetzt die Thatsache hinzu, dass das zweite Magentaschenpaar nicht vom Gentralmagen, sondern aus der unteren Hälfte des Schlundes sich ausstülpt, also ektodermalen, und nicht wie das erste Magentaschenpaar entodermalen Ursprungs ist. Ferner ändern sich die früher angenommenen Homologien darin, dass nicht der ganze ursprüngliche Schlund, sondern nur sein oberer Theil in das bleibende Schlundrohr übergeht, während seine untere Hälfte auf das zweite Magentaschenpaar und die vier Magenfalten ver- theilt wird. Natürlich ist dann die Schlundpforte oder die untere Vergleichende Entwieklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 653 Grenze des ursprünglichen Schlundes nicht am unteren Rande des kurzen Schlundrohres, sondern viel tiefer, nämlich am unteren Ende der breiten Magenfalten zu suchen. Dass aber Angesichts dieser Thatsachen noch an eine Ausstülpung des Schlundektoderms und an eine vollkommene entodermale Aus- kleidung des ganzen Darmapparates der in Rede stehenden Medusen gedacht werden könnte, halte ich für ausgeschlossen. Eine solche An- nahme war, so lange der Schlund nur als ein einfacher Schlauch zu be- stehen schien, wenn auch nicht entfernt erwiesen, so doch wenigstens denkbar. Wollte aber Jemand jetzt dieselbe Ansicht wiederholen, so würde dies bedeuten, dass nicht nur das an den Mund anschließende kurze Schlundrohr, sondern auch die beiden Magentaschen der Quer- ebene und die vier Magenfalten sich zum Munde ausstülpten — eine Vorstellung, über deren Absurdität kein Wort weiter zu verlieren ist. Es bleibt also schlechtweg Thatsache, dass das Schlundektoderm nichtnur überhaupt im Inneren der Larve zurückbleibt, sondern über das Schlundrohr hinaus sich ineinen Theil der Magentaschen und über die vier Magenfalten er- streckt. Bei der Wichtigkeit dieser Thatsache will ich hier noch besonders an der Hand meiner Abbildungen zeigen, wie die von mir bekämpfte Ansicht lediglich durch eine einseitige Benutzung von Seitenansichten und senkrechten Durchschnitten von nicht unmittelbar auf einander folgenden Entwicklungsstufen entstehen konnte. Beschränkt man sich z. B. auf den Vergleich solcher Durchschnitte wie Fig. 3, 7, 8, so kann man allerdings zu der Vorstellung gelangen, dass der ursprüngliche Schlund nach seinem Durchbruch in den Urdarm sich merklich ver- kürzt, bezw. sich zum Theil schon ausgestülpt habe. Der Irrthum liegt nun darin, dass in Fig. 7 und 8 das Schlundrohr mit dem ganzen ur- sprünglichen Schlunde identificirt wird und der Raum darunter als ein Theil des gleichmäßig erweiterten Gentralmagens erscheint. Aber schon die Querdurchschnitte gleich alter Larven lehren, dass dieser Raum nur scheinbar ein einfacher ist, dass seine in dem Durchschnitte sichtbaren Seitentheile die längs durchschnittenen rinnenförmigen Magentaschen sind und das Centrum der von den vier ektodermalen Magenfalten um- schlossene Rest der unteren Schlundhöhle ist. Um dies unmittelbar zu demonstriren, habe ich in den Fig. 7 und 8 den Umriss einer Magen- tasche der Querebene, aus einem jenseits der Hauptebene liegenden Schnitte hineingezeichnet. Und noch sicherer wird der Nachweis jenes Irrthums, wenn wir die zwischen den verglichenen Fig. 3 und 7 liegen- den Stadien Fig. und 5 hinzunehmen; denn dort zeigt die einseitige 654 A. Goette, Umbildung des Schlundes ganz zweifellos, dass die Verkürzung seines röhrigen Abschnittes nicht auf einer Zusammenziehung oder Ausstül- pung, sondern auf einer seitlichen Spaltung des unteren Theils beruht, so dass die getrennten Hälften in der früheren Ausdehnung zurück- bleiben, obschon sie aus der Hauptebene verschwinden. Kann aber bis zur Stufe der Fig. 7 von einer Ausstülpung des Ektoderms nicht die Rede sein, so wird sie später noch weniger denkbar, wenngleich die senkrechten Durchschnitte solcher älteren Larven wie z. B. Fig. 9—12 in Folge einer noch zu erörternden Fortentwicklung den früheren Schlund noch weniger vermuthen lassen. Während der geschilderten Entwicklung ist die ursprüngliche gewebliche Verschiedenheit des Ektoderms und des Entoderms noch durchweg kenntlich (p. 648), so dass man schon an diesem Merkmal das Schlundrohr, die Magentaschen der Querebene und die Magenfalten als ektodermale Bildungen von den entodermalen Magentaschen der Hauptebene und dem Centralmagen unterscheiden kann (Fig. 27—31). Nur wechselt der Charakter beider Epithelien an den gemeinsamen Grenzen nicht plötzlich, sondern durch vermittelnde Übergangsformen. Später erhält sich der ektodermale Charakter der Zellen nur noch am Schlundrohr und an den Magenfalten, während die Zellen in den Magentaschen der Querebene sich mehr und mehr denen des Ento- derms anpassen, so dass es den Anschein gewinnt, als wenn die vier Magentaschen gleichmäßig entodermalen Ursprungs seien und das Ektoderm des Schlundrohres sich nur längs der Magenfalten hinab- erstreckte, also längs desselben hinabgewachsen sei (Fig. 33—38). Diese theilweise, sekundäre Anpassung des Ektoderms an das Entoderm hebt aber nicht nur ziemlich frühe die Möglichkeit auf, die wirkliche Ausdehnung des Ektoderms geweblich zu bestimmen, sondern auch die beiden genetisch verschiedenen Paare der radialen Magentaschen aus einander zu halten, nachdem sie auch in Größe und Form einander gleich geworden sind. Die Bildung der vier Septaltrichter beginnt gegen das Ende der beschriebenen Metamorphose des Schlundes, gleichzeitig mit der Anlage eines Peristoms. Das den Mund umgebende Ektoderm biegt sich Anfangs mit gleichmäßiger Wölbung zur Seite der Larve hinab (Fig. 2, 3); dann zeigt sich an dieser Wölbung schräg über und nach außen von den Magentaschen ein stumpfer horizontaler Rand, über welchem das Ektoderm bis zum Munde sich flach kegelförmig abplattet (Fig. —7). Diese Peristomfläche senkt sich nun in den vier Interradien Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 655 trichterförmig ein, so dass die Trichter zwischen das Schlundrohr und die Magentaschen zu liegen kommen (Fig. 27, 32, 33). Auf senkrechten Durchschnitten können diese Einsenkungen leicht auf eine ringförmige Furche des Peristoms bezogen werden, durch welche eine Proboseis abgesetzt würde. Hier entscheiden wie in so vielen anderen Verhält- nissen die Querdurchschnitte, aus welchen unzweideutig hervorgeht, dass auch Cotylorhiza echte Septaltrichter besitzt, bevor eine Probosecis zur Entwicklung gekommen ist. Das Ende der Trichter setzt sich wie bei Aurelia in einen soliden dünnen Strang fort, in welchem sich später die bekannten Längs- muskel entwickeln. Da jedoch die Trichter bereits existiren, bevor in ihren Fortsätzen eine Spur von Muskeln wahrzunehmen ist, so kann natürlich nicht davon die Rede sein, dass sie bloß durch den Muskelzug hervorgerufen würden, also keine ständigen Bildungen seien. Bei der Lage der Trichter zwischen dem Schlundrohr und den Seitenrändern der Magentaschen müssen ihre muskulösen Fortsätze in derselben Richtung weiter wachsend, in die breiten Magenfalten ein- treten. Dies geschieht auch genau so wie bei Aurelia, wenn die Magen- falten von Cotylorhiza unter dem Schlundrohr ganz allmählich in die flachen Kanten des Centralmagens auslaufen; in diesem Falle bleibt der Triehtermuskel dem Ektoderm der Magenfalte und darunter der Außen- seite der bezeichneten Kante angelagert. Häufiger jedoch sah ich an den Scyphostomen von Cotylorhiza die breiten Magenfalten dicht unter dem Schlundrohr ganz plötzlich aufhören, so dass ihr Ende von der Magenwand abgelöst und nur ihre Wurzel als flache Kante in den tieferen Darmraum fortgesetzt erscheint (Fig. 38). Dann ziehen auch die Triehtermuskeln nicht am Schlundrohr hinab, sondern rücken nach außen, so dass sie überhaupt nicht in die breiten Magenfalten eintreten, sondern gleich an deren Wurzeln an die rinnenförmige Außenseite der Magenkante gelangen. Dies ist also eine Anpassung der Trichtermuskeln an die im Vergleich zu Aurelia nur rudimentär entwickelten Magen- falten von Cotylorhiza; und wahrscheinlich steht damit auch im Zu- sammenhange, dass die Trichter dieser Meduse viel weniger tief hinab- reichen als bei Aurelia, wo sie bis an den Stiel zu verfolgen sind. So lange das Peristom von seinem Rande bis zum Munde eine gleichmäßige, nur in den Septaltrichtern eingesenkte Kegelfläche dar- stellt, giebt es noch keine Proboscis, sondern kann eine solche, wie schon bemerkt, an interradial ausgeführten Durchschnitten bloß vorge- täuscht werden. Ein Durchschnitt, welcher auf einer Seite in einen Radius, auf der anderen in einen Interradius fiel (Fig. 7), macht dies sofort klar. Dagegen ist an dem Peristom meist schon um diese Zeit 656 A. Goette, eine merkliche Verdünnung des Epithels gegenüber dem Schlundrohr nicht zu verkennen, so dass der Mundrand eine deutliche Grenze zwischen jenen beiden Ektodermtheilen bildet. Unter dem kegel- förmigen Peristom und an ihm vollzieht sich darauf eine bemerkens- werthe Veränderung. Die blindsackförmigen Enden der Magentaschen, welche vorher dem Schlundrohr dicht anlagen und so die doppel- wandigen Taschenvorhänge oder deren Rudimente bilden halfen, ent- fernen sich allmählich von ihm und ziehen zugleich seinen unteren Rand schräg nach außen (Fig. 7—40). Dadurch werden natürlich die Taschenvorhänge in weitbuchtige flache Falten aus einander gezogen; in diese Buchten, also zwischen die Magentaschen und das Schlundrohr, senkt sich nun das Peristom ringförmig ein und verwandelt sich so in die Subumbrella. Indem die äußere Zone der Subumbrella die Magen- taschen an ihrer proximalen Seite überzieht, gerathen sie in den stärker vorragenden Randwall; die Innenzone der Subumbrella legt sich wiederum dem Schlundrohr an und bildet mit ihm die Proboseis. Da die ringförmige Einsenkung des Peristoms nicht plötzlich, sondern eben- falls allmählich vor sich geht, so zeigt sich natürlich die Anlage der Proboscis als eine Erhebung des Mundrandes, bevor die Subumbrella sich völlig in den Taschenvorhang eingesenkt hat. Bei Aurelia aurita kann nach meinen Erfahrungen die Verkürzung der Taschenvorhänge und somit die Einleitung zur Bildung der Subumbrella so viel später eintreten, als bei Cotylorhiza — nämlich an achtarmigen Larven, statt vor der Anlage der ersten Tentakel —, dass dort die Anlage der Proboscis schon früher, nämlich innerhalb des unveränderten Peristoms erscheint, bevor es sich in die Bucht des Taschenvorhangs einzubetten begonnen hat (Nr. 4, Fig. 30). Im Übrigen verläuft aber die Verwandlung des Peristoms in eine Subumbrella und die Bildung der Proboscis in beiden Arten auf dieselbe Weise. Dass aber diese letztere Bildung mit einer Ausstülpung des Schlundekto- derms nichts zu thun hat, brauche ich nicht mehr zu erörtern, nachdem wir wissen, dass dieses Ektoderm weit über die Auskleidung der Proboseis hinausreicht. In Folge der beschriebenen Entwicklung der Subumbrella geht die Schlundrohrwand vom Mundrande aus nicht mehr gerade nach unten, um dann scharf in die Magentaschen umzubiegen, sondern ver- läuft bogenförmig in die letzteren. Dieser Bogen kann nun sehr verschiedene Grade der Krümmung zeigen, was vielleicht z. Th. mit verschiedenen Kontraktionszuständen der Larve zusammenhängt. Jedenfalls betheiligt sich daran die Proboseis, indem sie entweder kurz röhren- oder kegelförmig vorragt oder abgeflacht, ja selbst in Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 657 die Ebene der Subumbrella zurückgesunken erscheint, in welchem Falle natürlich auch das Schlundrohr in einen horizontalen Ring ver- wandelt ist, welcher ohne deutliche Grenze ziemlich eben in die Magentaschen übergeht (Fig. 41). Für die weitere Entwicklung der Seyphostomen von Cotylorhiza sind die ersteren Formen mit vor- stehender Proboscis maßgebend, wobei am bogenförmigen Übergang vom Schlundrohr zu den Magentaschen nicht selten eine stumpfe Kante als letzter Rest ihrer früheren scharf markirten Grenze zu sehen ist (Fig. 9, 10, 42). Denn die etwas weiter vorgeschrittenen Scyphostomen zeigen dieseiben Bildungen sehr deutlich (Fig. 13, 14). Dagegen sind die abweichenden Formen mit der ebenen Subumbrella und der ein- gesunkenen Proboseis in anderer Hinsicht von Bedeutung. Von allen Entwicklungsstufen unserer Scyphostomen zeigen gerade sie am wenigsten irgend welche Spuren des in ihnen umgebildeten Schlundes, so dass, wer die Entstehung des Scyphostoma nach ihnen allein be- urtheilen wollte, nothwendig einer Täuschung anheimfiele. Anderer- seits scheint dieselbe Form in den Scyphostomen von Nausitho& (Stephanoscyphus) die normale und dauernde zu sein, wesshalb für diese Larve dasselbe gelten dürfte wie für diejenigen von Cotylorhiza, dass nämlich ihr einfacher Bau keineswegs die Existenz eines antho- zoenähnlichen Baues auf ihren früheren Stufen ausschließt. Schon bevor die vier ersten Tentakel über den Scheiteln der vier radialen Magentaschen sich zu entwickeln beginnen, haben die letzteren ihre frühere Gestalt verändert. Sie breiten sich koncentrisch um das Schlundrohr aus, und da das ektodermale Taschenpaar der Querebene von Anfang an breiter ist als die engen cylindrischen Taschen der Hauptebene, so überwiegt das erstere noch einige Zeit an Größe. So zeigt sich an ihm auch zuerst der flach dreieckige Durchschnitt, indem die Mitte sich außen ausbuchtet, die Seitentheile aber sich zu Kanten verschmächtigen (Fig. 27, 28, 31). Dadurch erhält die Larve, freilich nicht immer zu derselben Zeit und in gleichem Maße, an ihrer Außen- seite vier radiale stumpfe Kanten, an deren oberen Enden die vier radialen Tentakel hervorwachsen: handschuhfingerförmige Ausstül- pungen des Ektoderms, in welche solide Zapfen aus der vorragenden Mitte der Magentasche eindringen (Fig. 13, 1%, 32, 33). Diese vierkantige Gestalt der Larve dauert aber nicht lange; indem die wulstigen oberen Seitenecken der vier Magentaschen inter- radial auf einander stoßen und vielleicht unter dem Einfluss der Sep- taltrichter sich etwas nach außen biegen, veranlassen sie vier ent- sprechende interradiale Kanten des äußeren Ektoderms und eben 658 A. Goette, solche Ecken am Subumbralrande (Fig. 33). -Die Larve wird dadurch im oberen Theil des Kelches achtkantig, während sie darunter, wo die interradialen Kanten verstreichen und vielmehr vier flachen Rinnen Platz machen, noch einige Zeit den viereckigen Durchschnitt behält (Fig. 36—38). Über den zusammenstoßenden oberen Seitenecken der vier Magen- taschen entstehen die vier Septaltentakel, von denen ich früher insbesondere für Aurelia angab, dass ihre soliden Achsen nicht aus den vereinigten Ecken je zweier benachbarter Taschen, sondern bloß aus denen des zweiten Taschenpaares hervorgehen. Ich kann dies jetzt für Cotylorhiza in so fern bestätigen und genauer begründen, als die vier Septaltentakel ihre axialen Stränge nur von zwei einander gegenüber liegenden Magentaschen erhalten. Dass dies gerade die ektodermalen Taschen der Querebene sind, kann bei der indess eingetretenen sonsti- gen Übereinstimmung aller vier Taschen nur dadurch erwiesen werden, dass jene ersteren nach wie vor die breiteren sind. Durch die Unter- suchungen an Pelagia wird dies vollends evident. Die wichtigere Frage ist aber die, ob überhaupt die Septaltentakel so entstehen wie die an- deren Tentakel, also ihre axialen Stränge aus je einer Magentasche oder aus je zweien beziehen. Die letztere, von mir bekämpfte Ansicht stützte sich darauf, dass in der Basis jedes Septaltentakels zwei Taschenzipfel zusammenstoßen, wesshalb der Tentakelstrang als eine gemeinsame Fortsetzung beider anzusehen sei. Das Letztere ist zunächst nur ein Wahrscheinlichkeits- schluss; andererseits ist in Folge technischer Schwierigkeiten der Untersuchung eine Entscheidung in vielen Fällen kaum möglich, so dass ich schon früher die Möglichkeit einzelner Ausnahmen von der von mir aufgestellten Regel, dass jeder Septaltentakel nur einer Magen- tasche angehöre, zugegeben habe (5, p. 36). Um so wichtiger ist es, dass ich in einigen Fällen jene Regel ganz einwurfsfrei habe bestätigen können. So fand ich u. A. in den Querdurchschnitten einer achtarmigen Larve (Fig. 3—38) Folgendes: Im Niveau des Grundes der Subumbrella ent- sandten drei Magentaschen von jeder Seitenecke einen soliden aufwärts gerichteten Fortsatz, eine Magentasche R nur einen solchen Fortsatz. Das Taschenpaar r—r war das etwas größere (Fig. 34, 35). Diese Fort- sätze entsprechen durchaus denen, welche aus der Mitte jeder Tasche in den radialen Tentakel eintreten. Die Seitenfortsätze der zwei größe- ren Taschen r—r erstrecken sich in der That auch in den Septalten- takel, um seinen axialen Strang zu bilden; die beiden Seitenfortsätze der einen Tasche R und der einzige Fortsatz der anderen Tasche R En 247 70 Al DU Fe a Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 659 verschmelzen aber nicht etwa mit den ersteren, sondern zeigen sich auf den folgenden Schnitten, noch innerhalb des Scheibenrandes, merk- lich verjüngt, um dann ganz zu verschwinden, bevor sie noch den freien Tentakel ganz erreicht haben. Wenn in etwas späterer Zeit die Seiten- fortsätze der an der Bildung der Septaltentakel nicht betheiligten Magentaschen sich den anderen völlig anschließen, mit ihnen ver- schmelzen, lässt sich der eben geführte Beweis nicht mit derselben Bestimmtheit wiederholen, dafür aber auch das Gegentheil nur ver- ‘ muthen, nicht erweisen. Von desto größerem Gewicht ist daher die indirekte Bestätigung der von mir vertretenen Regel durch gewisse Verhältnisse in der Entwicklung von Pelagia, auf welche ich hier wiederholt verweise. II. Die Entwicklung von Pelagia noctiluca. Bei der Untersuchung dieser Entwicklung habe ich dieselbe un- liebsame Erfahrung gemacht wie frühere Beobachter, dass nämlich der von den weiblichen Pelagien abgesetzte Laich viel häufiger unbefruchtet als befruchtet angetroffen wird. Dazu kommt, dass die Fortpflanzung dieser Medusen in jeder Jahreszeit stattfindet, also der Procentsatz der jeweilig geschlechtsreifen Thiere ein verhältnismäßig niederer ist. In Folge dessen hängt es von einem glücklichen Zufall ab, dass man gleichzeitig geschlechtsreife Männchen und Weibchen oder einen eben befruchteten Laich erhält. So kam es, dass ich im Verlauf von mehre- ren Wochen nur einmal eine kleine Portion befruchteten Laichs von Pelagia noctiluca erhielt, an welchem ich die Entwicklung dieser Meduse verfolgen konnte. Da ich mit meinem beschränkten Material sparsam umgehen musste, verzichtete ich darauf, die Gastrulation eingehend und mit Hilfe von Durchschnitten zu untersuchen. Ich konnte dies um so eher, als ich die im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben von Kowı- LEWSKY und METSCHNIKOFF über die Gastrulation der Pelagia an einigen lebenden und in toto konservirten Embryonen bestätigen konnte. Am ersten Tage der Entwicklung erfolgt eine Einstülpung der Blastula in der Weise, dass der Urdarm nur einen Theil des Blastocoels ausfüllt. Darauf verlängert sich die Gastrula in der Hauptachse, so dass die nach etwa 24 Stunden ausgeschlüpften Larven das bekannte Aussehen einer Planula haben. Sie sind walzenförmig oder lang eiförmig mit einem breiteren abgerundeten und einem schmäleren, etwas abge- stumpften Ende. An dem letzteren ist das Prostoma sichtbar, von dem aus der schlauchförmige Urdarm sich bis zu 1/; oder etwas mehr der Gesammtlänge der Larve erstreckt; der übrige Körper erscheint daher 660 A. Goette, als ein leerer und heller Ektodermschlauch. Die ganze Oberfläche der Larve ist mit feinen und kurzen Wimpern bedeckt, deren Bewegung sie mit dem breiteren und helleren Ende voran in Schraubenlinien durchs Wasser treibt. Das Vorderende der schwimmenden Larve ist also der Scheitel der Gastrula, das Hinterende enthält das Prostoma. Auf diese Entwicklungsstufe der Pelagia, nämlich die in der Scheitel- achse verlängerte Gastrula, lassen alle früheren Beobachter — Kroun, Acassız, KowALEWSKY, METSCHNIKOFF — unmittelbar die Vorbereitungen zur Ephyrabildung folgen. Nach der eingehendsten Beschreibung, der- jenigen von KowaLewsKky, breitet sich zuerst der entodermale Urdarm (Magen, KowaLzws&y) bis zum Rande der prostomialen Endfläche aus und erhält daneben einen mittleren, gegen den Scheitel der Larve gerich- teten Zipfel, so dass er ungefähr zwiebelförmig aussieht. Dann beginnt jener Rand wulstig auszuwachsen, woraus die Ephyralappen hervor- gehen. Mit anderen Worten: es sollen bloß solche äußerliche Gestalt- veränderungen an der verlängerten Gastrula, wie die Abplattung der prostomialen Endfläche und des einfach schlauchförmigen Urdarmes, zu derjenigen Larvenform hinüberführen, an welcher die charakteristi- schen Merkmale der Ephyra hervorzutreten beginnen. Folglich würde bei Pelagia nicht nur die Entwicklungsstufe des Scyphostoma mit allen seinen Bildungen vollständig fehlen, sondern auch der gesammte Darm- apparat vom Mund an ausschließlich aus dem Entoderm oder Urdarm hervorgehen, der Mund selbst aber das persistirende Prostoma sein. Wie leicht ersichtlich, ist hiermit ausgesprochen, dass die Pelagien nicht nur, wie es zuerst Kroan bekannt gab, durch eine sogenannte abgekürzte oder direkte Entwicklung entstehen, sondern dass sie auch auf diesem Wege zu Organen gelangen, welche nur in ihrem anatomi- schen Verhalten mit den entsprechenden Organen der übrigen Scypho- medusen tbereinstimmen, aber einen völlig anderen Ursprung haben als ich ihn für die gleichen Organe bei Aurelia und Cotylorhiza fest- gestellt habe. Nun lässt sich allerdings die Möglichkeit nicht leugnen, dass die fortschreitende Abkürzung und Vereinfachung eines bestimmten Ent- wicklungsverlaufs schließlich zu Bildungen führen mag, welche den wesentlich gleichen Theilen der Vorfahren genetisch nicht mehr gleich- werthig sind, oder wenigstens es nicht mehr scheinen. Dass dies aber schon unter so nahen Verwandten wie den verschiedenen Discomedusen stattfinde, ist von vorn herein um so weniger wahrscheinlich, als eine ähnliche Abkürzung der Entwieklung unter den Hydromedusen, näm- lich bei den Trachomedusen, die genetische Homologie aller einzelnen Theile unberührt lässt. Daher muss ich zugeben, dass die Entwicklungs- Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluea Per. 661 geschichte von Pelagia, so wie sie bisher gelehrt wurde, geeignet war, meinen Angaben über die Entwicklung der anderen Scyphomedusen Abbruch zu thun. Es war mir daher um so erfreulicher zu finden, dass die Entwick- lung von Pelagia noctiluca ganz wesentlich anders verläuft, als bis- her angenommen wurde, dass sie vielmehr in einer recht vollkommenen Übereinstimmung mit der von mir festgestellten Entwicklung von Au- relia und Cotylorhiza steht und sie geradezu bestätigt. In den vorhin eitirten Beobachtungen an Pelagia noctiluca befindet sich nämlich eine bedeutende Lücke. Die verlängerte Gastrula geht keineswegs direkt in die im Allgemeinen ähnliche Larve mit dem zwiebelförmigen Darm über, sondern dazwischen fallen mehrere Ent- wiecklungsstufen mit Neubildungen und eingreifenden Veränderungen der früheren Theile, wodurch die Larve mit dem zwiebelförmigen Darm einer vollkommen abweichenden Deutung unterliegt. Ich schicke meiner Beschreibung voraus, dass ich mit Rücksicht auf die Vergleichung der Larven von Pelagia und von anderen Scypho- medusen auch die erstere mir so orientirt denke, dass ihr prosto- miales, im Schwimmen hinteres Ende nach oben gerichtet, also auch als oberes zu bezeichnen ist. Hinsichtlich der von mir gewählten Abbildungen ist es ferner nicht überflüssig zu bemerken, dass nach meinen Erfahrungen die Larven von Pelagia viel besser als die Larven anderer Seyphomedusen sich dazu eignen, die inneren Theile am un- zerlegten Objekt erkennen zu lassen, wesshalb ich eine ganze Serie solcher Ansichten hringe. Das Prostoma der jungen Larve, welche noch als eine in die Länge gezogene Gastrula bezeichnet werden kann, bleibt nicht offen, sondern schließt sich sehr bald vollständig, wodurch das Oberende der Larve sich glatt abrundet (Fig. 40). Mit dem Schluss des Prostoma schnürt sich auch der schlauchförmige Urdarm vom Ektoderm ab, ohne sich je- doch von ihm zu entfernen. Dieser allseitig geschlossene Urdarm hat eine etwas unregelmäßige längliche Form und verjüngt sich abwärts in einen konischen Zipfel (Fig. 39 u. f.). Bei der ansehnlichen Dicke seiner Wand ist seine Lichtung eng, zum Theil nur spaltförmig und daher selbst auf Durchschnitten oft schwer kenntlich (Fig. 51—55). Sein oberes Ende beginnt schon zu dieser Zeit, wenn das anstoßende prostomiale Ektoderm noch glatt darüber hinzieht, sich in einer Richtung zu verbreitern, welche ich die Hauptebene nenne im Gegensatz zu der rechtwinkelig dazu stehenden Querebene; gleichzeitig fängt eine Seitenhälfte dieses verbreiterten Endes an sich vom tbrigen Schlauch Zeitschrift f, wissensch, Zoologie. LV. Bd. FAOR 662 A. Goette, abzuschnüren (Fig. 39, #0). Auf Querdurchschnitten fand ich, dass diese Absehnürung von oben und unten ausgeht, während in der Mitte der Zusammenhang noch. vollständig ist (Fig. 51—55); in anderen Fällen mag sie aber einseitig oder allseitig beginnen. Auch kann dieser Process später als angegeben vor sich gehen, da ich auf Larven stieß, deren oberes Urdarmende kaum die ersten Spuren der Abschnürung zeigte, während das Ektoderm darüber bereits eingestülpt war (Fig. 39). So entstehen also früher oder später zwei Urdarmschläuche, ein großer, welcher die Hauptmasse des ursprünglichen Urdarms darstellt, aber am oberen Ende nur in einen seitlichen Zipfel ausläuft, und ein kleiner, welcher diesem Zipfel auf der anderen Seite korrespondirt (Fig. #1, 42). Die Hauptebene geht mitten durch beide Schläuche. Während oder am Schluss des geschilderten Abschnürungspro- cesses stülpt sich das über den Schläuchen befindliche Ektoderm, also die Umgebung des früheren Prostoma, trichterförmig zwischen sie ein und drängt sie in der Hauptebene so aus einander, dass der kleine Schlauch auf einer Seite des Trichters und auf der entgegengesetzten Seite der obere Zipfel des großen Schlauches liegt, die Hauptmasse des letzteren aber in ihrer früheren Lage, d. h. unter dem Trichter zurück- bleibt (Fig. #1, 42). Durch das Auseinanderrücken der Schläuche wird der ganze Larvenkörper an seinem oberen Ende in der Hauptebene ausgedehnt, und in der Querebene etwas abgeplattet (Fig. 56). Unter dem Ende des Trichters sieht man die beiden Schläuche, wenigstens an den ganzen Larven, in Berührung bleiben; ob dabei ein Rest des früheren Zusammenhanges bisweilen erhalten bleibt, ist mir zweifel- haft, da ich an verschiedenen Durchschnitten eine vollständige Tren- nung beider Schläuche bestimmt erkannt zu haben glaube (Fig. 59—62). Wie dem auch sei, so bilden sie sicherlich nach einiger Zeit wieder ein Continuum, indem der kleine Schlauch unter der Ektodermeinstülpung eben so offen in den Haupttheil des großen Schlauches mündet, wie auf der anderen Seite dessen oberer Zipfel. Ich halte es nicht für nöthig, hier ausführlich darzulegen, dass die eben beschriebenen Larven von Pelagia noctiluca bis auf die vorüber- gehende Trennung beider Urdarmschläuche genau mit den Larven von Aurelia und Cotylorhiza auf der gleichen Entwicklungsstufe überein- stimmen. Es genügt zu konstatiren, dass die Ektodermeinstülpung der Pelagialarven der von mir sogenannte Schlund ist und die bei- den ihn flankirenden Urdarmschläuche die zwei ersten Magen- taschen darstellen, welche unter dem Schlunde in den Haupttheil des früheren Urdarmes oder den Gentralmagen einmünden. Be- merkenswerth wäre nur der Unterschied, dass die Magentaschen von 1 Vergleichende Entwieklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 663 Pelagia schon vor der Einstülpung des Schlundes angelegt sein können und dass sie stets asymmetrisch entstehen, indem die eine von ihnen sich vorübergehend vollständig vom Gentralmagen abschnürt. Während der Schlund sich vertieft und erweitert, verändert er seine frühere trichterförmige Gestalt. Unter der Eingangsöffnung, dem künftigen Munde, verengt er sich auf eine kurze Strecke, erweitert sich dann wieder und biegt, zunächst wenigstens in der Hauptebene, scharf nach unten um (Fig. 43). Der halsartig verengte Eingangstheil des Schlundes, dessen untere Grenze in jener scharfen Ausbiegung noch lange kenntlich bleibt, ist das Schlundrohr; die größere untere Hälfte des Schlundes erweitert sich später in jeder Richtung und wird daher sackförmig (Fig. 14—46). Indessen ist die Berührung der Magentaschen mit dem Schlunde in eine Verlöthung übergegangen, welche sich auch auf den Schlund- boden und die Decke des Centralmagens fortsetzt. Dabei bleibt aber die Grenze zwischen dem Schlunde einerseits und den schlauchförmigen Magentaschen und dem Centralmagen andererseits, in Gestalt der sie trennenden äußeren Rinne noch erhalten (Fig. 56—61). Sehr bald darauf zeigt sich im Verlaufe der Verlöthung ein spaltförmiger Zusam- menhang zwischen den engen Taschenhöhlen und der etwas weiteren Schlundhöhle, und zwar unsymmetrisch auf beiden Seiten (Fig. 43, 58, 59); in dem Maße, als der Schlund sich vertieft, verlängern sich auch die mit ihm zusammenhängenden Magentaschen und deren Ostien, bis sie endlich in ihrer ganzen Länge als offene Rinnen an seinen beiden Seiten erscheinen (Fig. 44, 63). Die Verlöthung und die Ostienbildung beginnt an der unteren Grenze des Schlundrohres, so dass dieses an der Stelle der vorhin erwähnten Ausbiegung theils in die übrige Schlundwand sich abwärts fortsetzt, theils in die kurzen blindsack- föormigen oberen Enden der Magentaschen sich nach außen umschlägt. Die Ränder der Ostien oder die vier ersten Magenfalten bleiben als innere Grenzen des dort vereinigten Schlundektoderms und Taschen- entoderms dauernd bestehen und sind als solche um so wichtiger, als ich deutlich kenntliche gewebliche Unterschiede zwischen den beiden Keimblättern bei Pelagia vermisst habe. Etwas später als an den Seiten bricht der Boden des Schlundes in den Gentralmagen durch (Fig. 45) ; und da der letztere alsdann in der Querebene noch sehr eng ist, so zeigt sich jener Durchbruch Anfangs eben- falls spaltförmig und von deutlichen Rändern eingefasst, welche wie die Magenfalten die Grenze zwischen dem ektodermalen Schlund und dem entodermalen Urdarm (Gentralmagen) bezeichnen (Fig. 93). Dieser spalt- förmige Eingang in den Gentralmagen oder die Schlundpforte bleibt 4.h* BE TEE Ve ri it Sn HT Re Soc 664 A. Goette, so lange scharf begrenzt, bis der Schlund sich in der Querebene zu zwei ansehnlichen Buchten erweitert; denn dabei werden auch die Schlund- pforte und der Gentralmagen aus einander gezogen, so dass die Ränder der Schlundpforte abflachen und der Centralmagen nur mehr wie eine schwach abgesetzte, nach unten sich konisch verjüngende Fortsetzung des Schlundes erscheint (Fig. 46). Frühzeitig fließt natürlich die Schlundpforte mit dem Ostium der- jenigen Magentasche zusammen, welche von Anfang an mit dem Centralmagen in Zusammenhang blieb (Fig. 44); auf der anderen Seite ist aber ein solcher Zusammenfluss erst dann möglich, wenn das untere Ende der abgeschnürt gewesenen Magentaschen mit dem Cen- tralmagen wieder verschmolzen und so der ursprüngliche Zusammen- hang wieder hergestellt ist. Diese Wiedervereinigung ist während einiger Zeit daran zu erkennen, dass an der Grenze von Magentasche und Centralmagen eine tiefe Einschnürung zurückbleibt, welche sich erst allmählich ausgleicht (Fig. 45); dann münden beide Magentaschen in gleicher Weise, nämlich mit einer merklichen Erweiterung in den Centralmagen ein (Fig. 66, 67). Auf diese Weise ist aus den verschiedenen inneren Anlagen der Larve wieder ein zusammenhängender Darmraum geworden, welcher in der Seitenschicht lebender Larven oder auf senkrechten Durchschnitten wie ein einfacher birn- oder zwiebelförmiger Schlauch aussieht (Fig 46), also durchaus demjenigen entspricht, welcher nach KowaLewsky u. A. durch eine bloße Gestaltveränderung aus dem offen gebliebenen Urdarm entstehen sollte. Er ist aber weder so einfach ge- baut, noch so einfach entstanden. | Schon an den ganzen konservirten und stark gefärbten Larven kann man erkennen, dass der zwiebelförmige Schlauch vom Munde abwärts sich nicht gleichmäßig erweitert und dann wieder zusammen- zieht, sondern dass sein mittlerer Haupttheil in der Querebene bauchig aufgetrieben ist, so dass er sich sowohl gegen die Seitentheile des Darmes in der Hauptebene wie gegen den konischen unteren Darmab- schnitt deutlich absetzt (Fig. 45, 46). Die ganze Serie der vorausgehen- den Stadien, in der gleichen Ansicht betrachtet, beweist, dass jener mittlere Haupttheil des zwiebelförmigen Darmes der ektodermale Schlund ist und dass die erwähnten Seitentheile der Hauptebene die zwei Magentaschen sind, welche unter dem Schlunde in den konischen Gentralmagen münden, so dass diese drei Abschnitte des ursprüng- lichen entodermalen Urdarmes den ektodermalen Schlund in der Haupt- ebene gewissermaßen umkreisen und nach erfolgter Verlöthung und Spaltung mit ihm offen zusammenhängen. at 3. Bi Kl: Dad Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noetiluca Per. 665 Desshalb lassen auch die genau in die Hauptebene fallenden Durehschnitte, indem sie die Lichtungen aller jener Abtheilungen in ihrem unmittelbaren Zusammenhange treffen, von der geschilderten Zusammensetzung des ganzen Darmraumes nichts erkennen (Fig. 94). Um so leichter und sicherer dagegen ist der ektodermale Schlund auf den Querdurchschnitten von den ihm angefügten entodermalen Magen- taschen abzugrenzen und zwar an den scharfen Rändern ihrer Ostien oder den Magenfalten (Fig. 63). Dieselben Präparate lehren ferner, dass der Schlund gegenüber den engen Magentaschen bis zu deren unterem Ende oder bis zum Niveau der früheren Schlundpforte den bei Weitem größeren Theil der Darmwand bildet. Aus diesen Ergebnissen ermisst man leicht den bedeutenden Unterschied zwischen der früheren Auffassung und der jetzigen Fest- stellung über die Entwicklung der Pelagienlarve. Nach jener sollte ihr Darm noch unmittelbar vor der Entwicklung der Randlappen, also vor dem Beginn der Medusenbildung glattwandig und durchaus ento- dermal, oder mit anderen Worten mit dem Urdarm indentisch und der Mund das persistirende Prostoma sein. Nach meinen Beobachtungen ist aber der Mund der Larve die Einstülpungsöffnung des ektodermalen Schlundes und die Stelle des Prostoma am Boden des geschlossenen Schlundes zu suchen, dort wo sein Durchbruch in den Centralmagen erfolgt und für eine kurze Zeit sich als die wohlumschriebene Schlund- pforte zeigt. Der ektodermale Schlund bildet ferner den mittleren Haupttheil des ganzen Darmes, indem er erst unter dem ringförmig ge- schlossenen Schlundrohr und bloß in der Hauptebene durch die schmalen Ostien der beiden Magentaschen unterbrochen wird, welche nebst dem konischen untersten Darmabschnitt (Gentralmagen) allein vom Urdarm oder dem Entoderm abzuleiten sind. Ein wirkliches Verständnis aller dieser für Pelagia neuen Bil- dungen gewinnt man aber natürlich erst aus ihrer Vergleichung mit der Entwicklung anderer Discomedusen, insbesondere von Cotylorhiza. Die Übereinstimmung in der Bildung des Schlundes, der beiden Magen- taschen und des Gentralmagens von Pelagia und Cotylorhiza wurde schon erwähnt. Dazu kommt nun noch der seitliche Durchbruch des Schlundes in jene Magentaschen und den Centralmagen, welcher eben- falls in beiden Gattungen ganz übereinstimmend vor sich geht und daher auch im Wesentlichen den gleichen Bau des kontinuirlich zu- sammenhängenden Darmes und den gleichen Antheil des Ektoderms und des Entoderms an demselben zur Folge hat. Pelagia bietet noch den besonderen Vortheil, dass man diesen Bau an ihren unverletzten Larven 666 - A. Goette, im ganzen Zusammenhang übersehen und daher seine Enteseluna) sich um so besser veranschaulichen kann. Prüfen wir zunächst die Fig. 44—46, so finden wir, dass der ganze Schlund trotz der an ihm aufgetretenen Veränderungen seine ursprüng- liche Lage noch behalten hat. Das kurze Schlundrohr hängt von dem sich immer mehr zusammenziehenden Munde gerade hinab, ohne das äußere Ektoderm zu berühren. Sein unterer etwas erweiterter Rand fällt in der Hauptebene jederseits mit dem Anfang der Ostien zusam- men, geht also dort in das Entoderm der Magentaschen über. Da aber das blinde obere Ende der Taschen nach außen und oben ausgebuchtet ist, so ist jener Übergang kein unmerklicher, sondern durch eine nie- drige Falte am oberen Ende der Ostien bezeichnet. Diese Falte ent- spricht nun dem letzten Rest eines Taschenvorhangs bei Aurelia und Cotylorhiza, was sofort klar wird, wenn man sich die Ostien bis zur Schlundpforte hinab geschlossen, also bloß eine andere zeitliche Folge der Erscheinungen denkt. Denn alsdann würde die bezeichnete niedrige Falte sich längs des ganzen Schlundes ausdehnen und seine Höhle von den Höhlen der Magentaschen trennen, d.h. genau das sein, was ich bei jenen anderen Medusen den Taschenvorhang genannt habe. Dieselben Ursachen aber, welche schon bei Cotylorhiza die Herstellung vollständiger Taschenvorhänge unter Umständen verhindern, nämlich ihre vorzeitige Spaltung, vor dem Durchbruch der Schlundpforte, sind bei Pelagia zur regelmäßigen Einrichtung geworden, so dass die Taschenvorhänge bei dieser Meduse nur noch rudimentär zu Stande kommen. Immerhin können sie dort bisweilen sich so weit entwickeln, dass blindsackförmige Zipfel der Magentaschen sich neben dem Schlund- rohr zeigen (Fig. 64). Nach meinen Erfahrungen verhält sich also der Taschenvorhang bei den verschiedenen Larven so, dass er 1) bei Aurelia vollständig entsteht und dann früher oder später gespalten, bez. verkürzt wird, 2) bei Cotylorhiza theils sich eben so entwickelt, theils aber durch vor- zeitige Spaltung nur rudimentär zur Erscheinung kommt, 3) bei Pelagia durchweg in diesem rudimentären Zustande vorkommt. Diese Ver- schiedenheit bleibt aber für die weitere Entwicklung des Taschenvor- hangs ohne Belang, weil diese bei allen drei Gattungen an dem ver- kürzten Taschenvorhang beginnt. Aus den Abbildungen 44—46 lässt sich ferner unmittelbar ent- nehmen, dass der untere Theil des Schlundes vom Schlundrohr ab sich sehr tief hinab erstreckt, nämlich bis zum unteren Ende der Magen- taschen. Sobald sich dieser Schlundtheil in der Querebene mächtig ausgebuchtet hat, setzt sich jede dieser beiden Schlundbuchten gegen Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per, 667 das Schlundrohr eben so ab wie die Magentaschen der Hauptebene, bildet also dort eine den beschriebenen Taschenvorhängen analoge Falte, welche in der Fig. 46 durch die dunklen Querstreifen in der Höhe jener Taschenvorhänge angedeutet ist. Auch die Anfangs sehr be- deutenden Größenunterschiede zwischen den weiten Schlundbuchten und den engen Magentaschen (Fig. 63) vermindern sich durch eine Er- weiterung der letzteren und ihrer Ostien (Fig. 64, 65); gleichzeitig dehnen sich die Schlundbuchten parallel zur Hauptebene aus und sondern sich dadurch bis zu einem gewissen Grade von dem centralen Schlundtheil zwischen den vier Magenfalten, welche daher nicht nur die Eingänge zu den Magentaschen der Hauptebene, sondern auch solche zu beiden Schlundbuchten begrenzen. Nimmt man dazu, dass auch die weitere Entwicklung dieser vier radialen Darmaussackungen eine im Allgemeinen übereinstimmende ist, so darf man sie von jetzt ab, trotz ihres verschiedenen Umfangs und heterogenen Ursprungs als koordinirte ansehen und alle vier als radiale Magentaschen be- zeichnen. Das zuerst entstandene Paar der Hauptebene ist entoder- malen Ursprungs und von geringerem Umfang, das vom Schlunde sekundär gebildete, also ektodermale Paar der Querebene, zeichnet sich durch seine größere Weite aus. So sehen wir nicht nur die ersten Darmanlagen, sondern auch ihre Umbildung, insbesondere die Metamorphose des Schlundes mit allen damit zusammenhängenden Folgen, sowie endlich die in den vier ersten Magentaschen begründete vierzählige Strahl- gliederung bei Pelagia in vollkommener Übereinstim- mung mit CGotylorhiza verlaufen. Dadurch wird denn auch die Homologie aller einzelnen Körpertheile in beiden Gattungen gesichert, welche nach unserer bisherigen Kenntnis von der Entwicklung der Pelagia genetisch nicht zu begründen war. Natürlich existiren daneben gewisse Unterschiede der beidersei- tigen Larven, von denen aber für die besprochene Periode nur einer angeführt zu werden verdient, derjenige in der Bildung der unteren Larvenhälfte. In der jungen Larve von Cotylorhiza setzt sich die ver- jüngte untere Partie des Gentralmagens bis zum Fußende fort, und das umgebende Ektoderm nimmt in der Regel eine entsprechende konische oder cylindrische Gestalt an. Eine solche Anlage des künftigen Stiels fällt natürlich bei Pelagia, deren Larven sich niemals festsetzen, fort; um so auffälliger ist es aber desshalb, dass, während der entodermale Theil der Stielanlage ganz fehlt, der ektodermale Schlauch unter dem Darm unverhältnismäßig auswächst. Vielleicht kann man eine Erklä- rung dafür darin finden, dass die Pelagialarve bis zur Herstellung der 668 A. Goette, scheibenförmigen Ephyra sich nur durch Wimpern bewegt, welche dann eine ausgiebige Oberfläche bedingten. Die von Kowarzwsky beschriebenen Körner und Zellen, welche sich vom CGentralmagen der Pelagialarve ablösen und den Ektoderm- schlauch bis an sein unteres Ende durchwandern, habe ich ebenfalls gesehen und glaube darin nur Zellendetritus zu erkennen (Fig. 41, 42, 15—48, 53—55). Eine Erklärung dieser unregelmäßigen und auf die beschriebene Larvenzeit beschränkten Erscheinung weiß ich aber nicht zu geben. Schon in den zuletzt beschriebenen Larven haben sich gewisse Veränderungen vollzogen, durch deren Steigerung die Larven allmäh- lich kegel- oder pyramidenförmig werden. Und zwar ist es das halb- kugelförmige orale Ende, welches fortdauernd breiter und flacher, und so zum Peristom wird, während die aborale Hälfte sich nach unten verjüngt (Fig. 46—50, 94—96). Die Schwimmbewegung der Larve bleibt aber noch die frühere, mit dem aboralen Scheitel voran. Von diesen äußeren Gestaltsveränderungen hat schon KowALEwsKY gesprochen. Er fand, dass das verbreiterte und abgeplattete Peristom einen viereckigen Rand erhält, und dass von diesen vier Ecken vier stumpfe Kanten an den Seiten der Larve hinablaufen. Darauf-sollen die vier Ecken sich durch Theilung verdoppeln und zu acht Läppchen auswachsen, in welche eben so viele Aussackungen des den Ecken anliegenden Urdarmes eintreten. Von einer vorausgehenden Verände- rung an der einfachen, gleichmäßigen Sackform des Urdarmes ist nichts erwähnt. | Ich kann aber von diesen Angaben KowALzwsky’s nur die anfängliche viereckige Form des Peristomrandes bestätigen. Dagegen ist der darun- ter liegende Darm weder von gleichmäßig rundem Umfang, noch lagert er sich erst nachträglich dem viereckigen Peristomrande an; eben so irrig ist die Ansicht, dass die vier Peristomecken sich durch Theilung verdoppeln, und darauf acht Darmaussackungen gleichzeitig und gleich- mäßig in jene acht Randlappen hineinwachsen. Vor dem Auftreten der letzteren sind vielmehr außer den schon besprochenen noch manche andere Entwicklungsvorgänge zu verzeichnen, welche KowaLkwskv ent- gangen sind. Vor Allem zeigt sich die erwähnte viereckige Gestalt nicht sowohl zuerst am Peristomrande, sondern entwickelt sich allmählich am Darme, um von ihm auf das äußere Ektoderm übertragen zu werden. Es ist dies eine Fortsetzung des Vorgangs, durch welchen die jüngsten walzenförmigen Larven an ihrem oralen Ende eine seitliche Abplattung Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 669 erfahren. Denn diese wird offenbar dadurch veranlasst, dass die drei ziemlich gleich dicken, schlauchförmigen Darmtheile, der Schlund und die beiden Magentaschen sich in der Hauptebene an einander reihen (Fig. 56). Während nun der Schlund in der Querebene sich zum zwei- ten Magentaschenpaar ausbuchtet, treibt er natürlich auch das äußere Ektoderm in derselben Richtung hervor, so dass an Stelle der Abplat- tung eine Anschwellung der Breitseiten der Larve tritt (Fig. 63—65). Dies bedeutet aber nicht eine Rückkehr zur allerersten walzenförmigen Gestalt. Denn die vier Magentaschen bleiben durch tiefe Grenzfurchen getrennt, so dass ihr Querdurchschnitt einer vierblätterigen Rosette gleicht; desshalb nimmt auch das anliegende äußere Ektoderm eine entsprechende vierkantige Gestalt an. Diese vier äußeren Kanten prägen sich dadurch noch schärfer aus, dass die Magentaschen an ihrer Scheitellinie eine deutliche Kante erhalten. Aus diesem Zusammenhange der Erscheinungen versteht es sich, dass die äußeren Kanten nicht bloß auf die Seiten der Larven beschränkt sind, sondern sich so weit erstrecken, als die Magentaschen dem äußeren Ektoderm anliegen, daher insbesondere oben bis auf die halbkugelige ovale Endfläche reichen. Indem sich nun diese letztere zum Peristom abflacht, dessen stumpfer Rand ungefähr in der halben Höhe der Magen- taschen liegt (Fig. 46, 94, 95), erzeugen die äußeren Kanten an diesem Rande die vier von KowsLzwsky beschriebenen Ecken, hören aber dort nicht etwa auf, sondern erstrecken sich in vier radialen Fortsetzungen über die äußere Zone des Peristoms (Fig. 75—78). So wie die vierkantige Gestalt der Larve, steht auch die Bildung des Peristoms mit der gleichzeitigen Entwicklung des Darmes in engen Beziehungen. Es ist dabei erstens zu verzeichnen, dass während der Ausbreitung und Abflachung des Peristoms die rudimentären Taschen- vorhänge in derselben Weise verschwinden, wie es für Cotylorhiza be- schrieben wurde. Während der zunehmenden Verengerung der Mund- öffnung zieht sich der angrenzende Theil des Schlundrohres natürlich ebenfalls zusammen; sein unterer, bereits erweiterter und nach außen gegen die Magentaschen ausgebogener Theil legt sich aber gleichzeitig noch flacher um und an das Peristom an, so dass das ganze Schlund- rohr und die Magentaschen nunmehr in einem Plan das Peristom be- rühren (Fig. 46, 94). Anders ausgedrückt heißt dies eben, dass der rudimentäre, vom Peristom abstehende Taschenvorhang sich flach aus- zieht und dem Peristom anschmiegt. Dadurch wird der letzte Rest einer röhrenförmigen Vorragung des Schlundes in das Innere, des un- zweifelhaften Merkmals eines Seyphopolypen, beseitigt und andererseits das Peristom in die Lagebeziehung einer Subumbrella übergeführt. 670 A, Goette, Durch diese Umbildung scheint allerdings die untere oder innere Grenze des Schlundrohres nicht ganz zu verschwinden. Denn diering- förmige Furche, welche sich in der Gegend des verschwundenen Taschen- vorhangs zeigt, und zwischen welcher und dem Mund das Epithel eine dauernde Verdickung erfährt, dürfte dem Anfang der Magentaschen, also auch jener Grenze entsprechen (Fig. 9&—97). Doch lege ich aus Gründen, welche später erörtert werden sollen, auf eine solche genaue Grenzbestimmung keinen Werth und betone daher nur, dass das Epithelpolster nach innen vom Munde ganz oder zum größeren Theil mit dem früheren Schlundrohr indentisch ist, dieses also seinen alten Platz als Eingangstheil des Darmes dauernd behält. Es ist dies aus dem Vergleich der auf einander folgenden Entwicklungsstufen von Pelagia um so sicherer zu entnehmen, als die Proboscis dieser Meduse erst in der fertigen Ephyra entsteht, und der Mund sich bis dahin dauernd verengt, was schon für sich allein genügte, um eine gleichzeitige Aus- stülpung des Schlundrohres, von anderen Schlundtheilen ganz zu schweigen, im höchsten Grade unwahrscheinlich zu machen. Und wenn schon ftir Cotylorhiza die Ansicht, dass der noch intakte Schlund durch die Proboseis ausgestülpt werde, desshalb hinfällig ist, weil diese erst nach der Metamorphose des Schlundes entsteht, so gilt dies natürlich in noch höherem Grade von Pelagia. Im Übrigen sind aber auch die vorhin beschriebenen Erscheinungen an den Pelagialarven Wieder- holungen der gleichen Erscheinungen an den Larven von Cotylorhiza. Mit der Bildung der Subumbrella geht ferner Hand in Hand eine dem Scheibenrande entsprechende Ausbiegung der anliegenden Magen- taschenwände. Anfangs verläuft der senkrechte Kontur der Taschen gleichmäßig konvex (Fig. 45, 46); indem sich aber ihre oberen Hälften dem Peristom, bez. der Subumbrella anschließen und daher sich fort- dauernd der horizontalen Lage nähern, biegen sie unter dem Scheiben- rande immer schärfer in die unteren Taschenhälften um, welche in Folge der allgemeinen Verbreiterung ebenfalls flach ausgezogen werden (Fig. 9%—97). Darin folgt ihnen endlich auch der frühere CGentralmagen, indem er nicht nur seinen centralen Zipfel verliert, sondern auch im Anschluss an die Magentaschen sich in einen flach schüsselförmigen Darmboden verwandelt. Auf diese Weise wird der ganze Darm ungefähr linsenförmig: seine Decke wird von dem Schlundrohr und den oberen Taschenhälften, sein Boden von den unteren Taschenhälften und dem Centralmagen ge- bildet. Eine vollkommene Ausbildung der Taschen, d. h. ihre voll- kommene Trennung durch die Magenfalten erhält sich aber nur im Be- reiche des Scheibenrandes;; darüber und darunter verwischen sich die Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 671 Magenfalten derart, dass nur die mittleren Kanten der Taschen deren ursprüngliche Ausdehnung andeuten, während von ihrer Abgrenzung gegen die centralen Darmräume, den lediglich durch die Magenfalten gekennzeichneten »centralen Schlundtheil«e und den Gentralmagen nicht mehr die Rede ist. Es empfiehlt sich daher, diesen sehr heterogen entstandenen, aber nunmehr einfachen centralen Darmraum als Hauptdarm zu bezeichnen. Der Übergang der vierstrahligen Larve in eine achtstrahlige voll- zieht sich, wie ich schon bemerkte, ganz anders als KowALzwsky an- nahm. Die Veränderung geht nämlich weder von den vier Peristom- ecken, noch überhaupt vom Peristom, sondern wiederum von den Magentaschen aus und gründet sich eben so wenig etwa auf eine Halbirung aller vier Taschen. Schon an den Larven, welche eben vierstrahlig geworden sind, finden sich neben den vier radialen Kanten (außen) und Rinnen (innen) Andeutungen noch anderer Kanten und Rinnen (Fig. 66, 67). Sie treten aber sehr unregelmäßig auf: die gleichwerthigen bald früher, bald später und in verschiedenem Niveau, so dass erst in etwas späteren Stadien, in denen eine Ausgleichung der Unregelmäßigkeit stattfindet, die eigentliche Anordnung ersichtlich wird. Wenn sie sich zuerst an der unteren Grenze der Magentaschen zeigen, wo deren Seitengrenzen, die Magenfalten verstreichen (Fig. 67), lässt es sich nicht entscheiden, in welche Magentaschen die neuen Kanten und Rinnen gehören. Da- gegen ist es an einem solchen Querschnitt aus einem höheren Niveau wie Fig. 63 gar nicht zu verkennen, dass eine der Schlundbuchten oder künftigen Magentaschen der Querebene zu beiden Seiten ihrer mittleren Kante eine neue stumpfe Kante entwickelt hat; und die Querdurch- schnitte einer etwas älteren Larve (Fig. 68—74) beweisen noch be- stimmter, dass beide Magentaschen der Querebene je zwei solcher _ absteigenden Kanten mit entsprechenden inneren Rinnen neu bilden. Denn an den Durchschnitten in der Höhe des Peristomrandes lassen sich die vier primären Magenfalten und die von ihnen begrenzten | Magentaschen, nämlich die engeren Rinnen der Hauptebene und die weiteren Buchten der Querebene deutlich unterscheiden; und eben dort zeigen gerade die letzteren die neuen und schon merklich ver- tieften Rinnen in der geschilderten Anordnung!. Erst in der Tiefe, wo 1 Allerdings zeigt sich dies in den einzelnen Durchschnitten in Folge einer etwas schrägen Schnittrichtung nur je in der einen Larvenbälfte. Ich habe daher in besonderen Umrisszeichnungen die auf einander folgenden Schnitte auf einander projieirt dargestellt. 672 A. Goette, die Magenfalten schwinden, sind die vier alten und die vier neuen Rinnen und Kanten vollständig gleich neben einander gereiht, so dass ihre genetische Zugehörigkeit dort nicht mehr festzustellen ist. Diese Übereinstimmung aller acht Rinnen, welche sich zunächst an ihren unteren Hälften zeigt, erstreckt sich später über ihre ganze Länge, indem die neuen Grenzränder eben so stark hervortreten wie die vier ersten Magenfalten und alle Rinnen gleich werden; endlich zeigt sie sich später auch in den gleichen Beziehungen aller acht Rinnen zum Peristomrande und seinen acht Lappen, so dass die vier neugebildeten Rinnen ebenfalls als Magentaschen aufzufassen und zu bezeichnen sind. Auf diese Weise sind die vier ersten Magentaschen bis auf acht vermehrt, aber nicht durch ihre gleichmäßige Halbirung, sondern durch eine ungleiche Theilung: die zwei ento- dermalen Taschen der Hauptebene bleiben einfach, während. die beiden ektodermalen Taschen der Quer- ebene dreitheilig werden. Die mittlere von diesen drei Ab- theilungen, welche die alte Rinne und Kante der ungetheilten Magen- tasche enthält, behält auch denNamen einer radialen Magentasche: die zwei seitlichen neuen Abtheilungen sind die interradialen Magentaschen. Von allen acht Taschen sind also die zwei radialen der Querebene und die zugehörigen vier interradialen Taschen, d. h. genau 3/, der Gesammtzahl vom Ektoderm ausgekleidet. Die interradialen Magentaschen treiben eben so wie die radialen das äußere Ektoderm in entsprechende Kanten hervor, welche aber stumpfer sind als die darunter liegenden Taschenkanten, weil jenes Ektoderm zwischen den Kanten nicht so tief einsinkt wie die Darm- wand (Fig. 70—72). Natürlich verhalten sich die Ecken am Peristom- rande, welche ja nichts weiter sind als die Umbiegungen oder Enden der Seitenkanten über jenem Rande, eben so wie diese Kanten, d.h. die Verdoppelung der äußeren Ektodermkanten und -ecken hat nichts mit einer Theilung der vier ersten Ecken zu thun, sondern die neuen Bildungen treten zwischen den alten auf. Die vier neuen Peri- stomecken, welche sich zwischen den vier alten ein- schalten, leiten nicht eine neue Strahlgliederung ein, sondern sind nur deräußere Ausdruck derimInneren, an den Magentaschen vollzogenen achtzähligen Gliederung. In einer Hinsicht unterscheiden sich aber die interradialen Magen- taschen von den radialen: sie beginnen nicht in derselben Höhe wie die letzteren, sondern etwas tiefer, nämlich wie es in der Folge noch deutlicher bervortritt, am Peristomrande (Fig. 86, 87). Unter dem eigentlichen Peristom und ihm angelagert befinden sich also nach wie Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 673 vor bloß die oberen Hälften der vier radialen Magentaschen, von denen auch diejenigen der Querebene sich dort so weit zusammenziehen und schmal werden, dass zwischen ihnen und den beiden anderen radialen Taschen die früher schmalen Magenfalten in breite Wülste verwandelt erscheinen (Fig. 69). Berücksichtigt man ferner, dass diese breiten oberen Enden der vier primären Magenfalten sich genau über den tiefer liegenden Eingängen der interradialen Taschen befinden, so ist ihre Übereinstimmung mit den breiten Magenfalten von Aurelia und Cotylorhiza nicht zu verkennen. Nur zeigen sich die letzteren viel früher und in größerer Ausdehnung, so dass also auch in diesem Punkte Pelagia nicht sowohl einen wirklichen Ausfall einer für die übrigen Discomedusen charakteristischen larvalen Bildung aufweist, sondern nur eine rudimentäre Entwicklung derselben. Während das Peristom über den oberen Ausläufern der vier radialen Magentaschen, wie ich schon erwähnte, kantig erhoben ist, sinkt es dazwischen über den vier interradialen Magenfalten etwas ein. Dieses Relief des Peristoms ist in der Flächenansicht erst während der Ephyrabildung durch ein dunkles Kreuz angedeutet (Fig. 49, 50). Viel früher dagegen zeigen die Querdurchschnitte durch das konvexe Peristom eine vierkantige Gestalt, deren vortretende Ecken von den schräg durchschnittenen radialen Kanten gebildet werden (Fig. 75—78). In der Nähe des Peristomrandes wölben sich aber die Ausschnitte zwischen jenen Ecken hervor, bis sie am Rande selbst und darunter durch die vier interradialen Ecken ausgefüllt werden, so dass der Durchschnitt vollkommen achteckig ist (Fig. 85—87). Nachdem also die jüngeren Larven mit ihren vier Taschen und Kanten eine durch- gehende vierzählige Strahlgliederung offenbart hatten, wird sie durch das Hinzukommen von vier weiteren Taschen und Kanten nicht einfach bestätigt, sondern erhält sich neben der achtzähligen Strahlgliederung der unteren Darmhälfte und des Peri- stomrandes als gleichzeitige vierzählige Strahlgliederung deroberen Darmhälfte und des Peristoms. Allerdings sind in der Nähe des Peristomrandes beide Gliederungen noch gewissermaßen in einander geschoben, und andererseits erscheinen das Gentrum des Peristoms, der Mund und das sich daran schließende Schlundrohr noch kreisrund (Fig. 75, 76). In der Ephyra tritt aber die bezeichnete Ver- theilung beider Strahlsysteme in Folge gewisser Veränderungen sehr deutlich hervor. An den älteren achtkantigen Larven entwickeln die Magentaschen unter den Peristomecken kleine, stumpf konische Blindsäcke, welche 674 A. Goette, aber jene Ecken zunächst noch nicht weiter hervortreiben (Fig. 47, 96). Alle diese Blindsäcke, von denen die interradialen etwas tiefer ent- springen und weniger weit hinaufreichen, würden, wenn sie von Anfang an gerade aufwüchsen, die Peristomecken natürlich sofort heben; sie biegen sich aber zunächst unter das Peristom, und ins- besondere die weiter vorragenden radialen Blindsäcke unter dessen radiale Kanten, welche dadurch stärker gehoben werden. Daher trifft man auf Querdurchschnitten, welche von oben nach unten auf einander folgen, noch im Bereich des Peristoms auf die Scheitel der radialen Blindsäcke, und zwar zuerst in dem Durchmesser, welchen ich auf die Hauptebene beziehe, dann in der Querebene (Fig. 77—79); erst in der Nähe des Peristomrandes erscheinen darauf die Scheitel der interradia- . len Blindsäcke (Fig. 79, 80). Diese Ungleichheit ändert sich erst später, indem alle acht Blindsäcke in ein Niveau zusammenrücken und gerade aufwachsend die Peristomecken merklich hervortreiben. Sie sind also die Anlagen der späteren Lappentaschen; so lange sie aber unter dem Peristomrande bleiben und noch keine Lappenbildung an ihm veran- lassen, nenne ich sie aus gleich zu erwähnenden Gründen »Marginal- oder Randtaschen«. | Während der Entstehung dieser Randtaschen aus den acht ersten Magentaschen sind noch weitere acht Magentaschen hinzugekommen. Sie entstehen eben so unregelmäßig wie die interradialen Taschen, einzelne von ihnen sehr frühe, bald in diesem bald in jenem Radius (Fig. 66, 69, 71, 72). Erst an den Larven, deren interradiale Magen- taschen vollkommen entwickelt sind, zeigen sich die acht neuen ad- radialen Magentaschen vollständig und unverkennbar in den acht Zwischenräumen zwischen den früheren Taschen (Fig. 80—83, 87). Sie bleiben aber im Wachsthum merklich hinter den letzteren zurück ; und wenn sie unter dem Peristomrande später ebenfalls sich in acht kleine Blindsäcke oder adradiale Randtaschen ausstülpen, so wachsen diese doch niemals unter Vortreibung von neuen Lappen über den Peristomrand hinaus, sind also nicht als Anlagen von Lappentaschen zu bezeichnen (Fig. 48—50). Dies ist der Grund, warum ich die radialen und interradialen Randtaschen, obgleich sie sich lediglich durch Verlängerung in echte Lappentaschen verwandeln, nicht schon von Anfang an so nenne; so lange sie unter dem Peristomrande blei- ben, stimmen sie in den Lagebeziehungen mit den adradialen Rand- taschen vollkommen überein, können also nicht wohl einen anderen Namen führen als diese. Es ist nicht ganz leicht zu bestimmen, aus welchen der älteren Magentaschen die adradialen hervorgehen. Aus einzelnen Befunden Vergleichende Entwieklungsgeschichte von Pelagia noetiluca Per. 675 glaube ich aber doch entnehmen zu müssen, dass sie paarweise aus den vier radialen Magentaschen entstehen. So fand ich an einer jungen Larve, welche die ersten noch unvollständigen Anlagen der inter- radialen Magentaschen enthielt, in einer radialen Tasche der Haupt- ebene zwei seitliche Rinnen als vorzeitige Anlage adradialer Taschen (Fig. 66). In der folgenden Querschnittserie sind ihre Anlagen beinahe vollzählig, aber erst in solcher Tiefe sichtbar, dass man nur mit Hilfe der schon erwähnten Projektion feststellen kann, dass vier von ihnen dem radialen Taschenpaar der Hauptebene angehören (Fig. 74). In etwas älteren Larven endlich verlängern sich die adradialen Taschen aufwärts und zwar theilweise bis über die Rinnen der interradialen Magentaschen hinaus, so dass ihre Zugehörigkeit zu den radialen Taschen nicht zweifelhaft sein kann (Fig. 79, 80, 86, 87). Eben so scheint mir aus dem erstgenannten Befunde hervorzugehen, dass die radialen Magentaschen der Hauptebene ihre adradialen Seitentaschen früher bilden als das andere radiale Paar. Nach Allem lässt sich also, wenn man von einzelnen Unregel- mäßigkeiten absieht, eine bestimmte Reihenfolge in der Vermehrung der Magentaschen bei den Pelagia-Larven feststellen, wie sie durch die beigefügten Schemata genügend erläutert wird. 1) Gleichzeitig entstehen nicht einmal die vier ersten Taschen, geschweige denn acht oder sechzehn, sondern nur die genetisch voll- kommen homologen Taschen. 2) Daher erscheinen schon das erste und das zweite Paar der radialen Taschen jenes entodermal, dieses ektodermal, nach einander (Fig. I, I), und eben so die jedem dieser verschiedenen Paare ange- hörigen adradialen Magentaschen (Fig. IV, V); die demselben radialen Paar angehörigen interradialen Taschen entstehen dagegen gleichzeitig (Fig. II). 3) Die zwei ersten, radialen Taschenpaare gehen überhaupt nicht aus einer radiären Theilung, sondern unabhängig von einander aus ganz verschiedenen Grundlagen hervor; radiäre Theilungen vollziehen sich erst für die interradialen und adradialen Magentaschen und be- stehen nicht in allgemeinen oder theilweisen Halbirungen, sondern in Dreitheilungen einzelner Paare. 4) Von den drei Theilungsakten entfallen einer auf das erste (Fig. IV), zwei auf das zweite Paar radialer Taschen (Fig. III, V), wesshalb jenes in je drei neue Taschen zerfällt (je eine radiale und zwei adradiale), dieses in je fünf (je eine radiale, zwei interradiale und zwei adradiale Taschen). Dadurch wird das frühere Verhältnis der ektodermalen zu den entodermalen Taschen, 6:2, verwandelt in das neue Verhältnis gem». 676 A. Goette, 10:6;.d. h. die ektodermalen Taschen umfassen Anfangs ?/, später 5/g der Gesammtzahl aller Taschen. 5) In Folge der ursprünglichen Größenverschiedenheit der vier radialen Taschen werden die sechs Theile des größeren ektodermalen Paares den zwei einfachen Taschen des kleineren entodermalen Paares gleich: die acht völlig gleichen lappenbildenden Magentaschen. Als Erzeugnisse von vier solchen Taschen sind ebenfalls alle adradialen Taschen unter sich gleich. Fig. Il. Fig. V. Schemata der Taschenbildung bei Pelagia, weiß die ektodermalen, schraffirt die entodermalen Taschen; die Zeichen so wie auf den Tafeln. Die acht adradialen Magentaschen der Pelagia-Larven hat Kowa- ırwsky ebenfalls sehr frühe gesehen; später vermisste er sie aber und hielt sie daher für Kunstprodukte oder vergängliche Tentakelrudimente. Sie werden aber in den jungen Ephyren bloß durch die darüberliegen- den Ringmuskel verdeckt und gehen direkt in die adradialen Taschen der späteren Stadien über. Bei der Umbildung unserer Pelagia-Larven in Ephyren kommen wesentlich zwei Momente in Betracht: die Bildung des Lappenkranzes Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctieula Per. 677 und die Verwandlung des kegelförmigen Körpers in einen scheibenför- migen, Dies geschieht am dritten und vierten Tage der Entwicklung. Der Lappenkranz der Ephyren wird dadurch angelegt, dass die vier radialen und die vier interradialen Marginaltaschen, welche letzte- ren Anfangs noch unter dem Scheibenrande lagen, allmählich in dasselbe Niveau zusammenrücken, gleichmäßig in die Höhe wachsen und da- durch die acht Ecken dieses Randes in eben so viele Höcker vortreiben (Fig. 48, 49, 97). Je höher diese Höcker werden, desto mehr platten sie sich von außen nach innen ab und verwandeln sich so in die Stamm- lappen, welche Anfangs einen flach bogenförmigen, dann einen drei- eckigen Umriss haben. Während aber die Spitze des Dreiecks sich nach innen gegen die Subumbrella neigt, wächst etwas nach außen von ihr jeder Seitenrand des Stammlappens in eine stumpfe Ecke aus, welche sich in der Folge zum Flügellappen entwickelt (Fig. 50). Beide Flügellappen eines Stammlappens verlängern sich gerade aufwärts und rücken dabei auswärts von der erwähnten Spitze zusammen, so dass diese in einer anderen Ebene als die Flügellappen, gewissermaßen an die subumbrale Seite des Stammlappens zu liegen kommt. Diese ab- gerundete Spitze, welche einen soliden, annähernd kugeligen Fortsatz der Lappentasche enthält und deren Ektodermüberzug sich frühzeitig verdünnt, wird zum Sinneskolben, dessen weitere Entwicklung sich von derjenigen desselben Organs bei Aurelia nicht unterscheidet. Die in die Stammlappen eindringenden Randtaschen oder die Lappentaschen füllen von Anfang an nur den mittleren Theil des Innenraums jedes Lappens aus und lassen seine Seitentheile frei. Ihre Fortsetzungen, die Flügeltaschen, gehören einer späteren Periode der Ephyra an. Die adradialen Marginaltaschen‘ erreichen das Ektoderm des Scheibenrandes genau unter den acht Ausschnitten, welche zwischen den sich erhebenden Stammlappen zurückbleiben (Fig. 48). Während der Scheibenrand sich ausdehnt und der Abstand der Lappentaschen von einander zunimmt, zieht sich der Eingang jeder adradialen Margi- naltasche stielförmig zusammen; die Tasche selbst aber wächst nach beiden Seiten so weit aus, dass diese ihre spitz auslaufenden Seiten- flügel beständig die benachbarten Lappentaschen erreichen und an ihren Seiten hinaufstreben (Fig. 49, 50). So kommt es, dass, sobald die Ausschnitte zwischen den auswachsenden Stammlappen zu ganz schma- len Einschnitten geworden sind, die halbmondförmigen Marginaltaschen nur mit ihrem Mitteltheil unter dem Grunde jener Einschnitte liegen, mit ihren Seitenllügeln aber die freien Seitenräume der Stammlappen durchsetzen. Frühzeitig verlieren diese Seitenflügel der Marginaltaschen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 45 678 A. Goette,, ihre Höhlung und verwandeln sich in dünne Zellenplatten, deren Rän- der sich einerseits an die Lappentaschen, andererseits an das seitliche Ektoderm der Stammlappen anheften (Fig. 89—92); sie müssen daher als Medusoidplatten bezeichnet werden. In den jungen Ephyren sind die festen Zellenplatten in ein ganz lockeres Zellennetz aufgelöst, welches aber die früheren Beziehungen zur Umgebung behält. Wie die einfachen Marginaltaschen, wurden bisher auch ihre Medusoid- platten übersehen, und zwar offenbar desshalb, weil alle diese Theile von der indessen entstandenen Muskulatur verdeckt werden. Die Subumbrella behält die schon beschriebene Form, flach konvex mit den vier radialen Kanten und vier interradialen Einsen- kungen, bis zum Stadium der vollkommen scheibenförmigen Ephyra. Erst dann gewinnt sie durch die Erhebung des Mundrandes eine ge- wisse Konkavität (Fig. 97, 98). Indessen ist ihre Ausbreitung, auch ganz abgesehen von den auswachsenden Lappen, eine sehr bedeutende. Natürlich muss ihr darin die aborale Kegelfläche oder die Exum- brella folgen, welche in dem Maße, als sie am Scheibenrande in die Breite ausgezogen wird und in die Lappen auswächst, an Höhe einbüßt (Fig. 50). Dabei nähert sich das exumbrale Ektoderm beständig dem Darmboden; in der fertigen Ephyra ist es ganz flach konvex mit einer konischen centralen Vorragung, welche später ebenfalls einsinkt und schwindet (Fig. 98, 99). Während der geschilderten äußeren Gestaltveränderungen der Pelagia-Larve hat sich auch ihr ganzer Darm in senkrechter Richtung abgeplattet, so dass er schon während der Entwicklung des Lappen- kranzes linsenförmig erscheint. Gleichzeitig verdünnt sich seine Exum- hralwand ganz bedeutend und wird zu einem zarten Plattenepithel (Fig. 97—99). Seine obere, der Subumbrella dicht anliegende Wand zeichnet sich dagegen durch eine größere Dicke aus, insbesondere im Bereiche des Schlundrohres, welches polsterförmig in den Darmraum vorspringt. Am Mundrande bleibt die Grenze des dickwandigen Schlundrohres gegen das viel dünnere subumbrale Ektoderm eine sehr scharfe, auch nachdem der Mundrand sich zur Bildung der Proboseis erhoben hat. Je länger die Probosceis wird, desto mehr wird das Schlundrohr hineingezogen, ohne jedoch ganz in ihre Auskleidung 1 Ich brauche kaum zu bemerken, dass die spätere Umbiegung des Mund- randes und damit eines Theiles der inneren Auskleidung der Proboscis nach außen mit einer Ausstülpung des Schlundrohres nichts zu thun hat, da es nur eine vor- übergehende Erscheinung ist: an der fertigen Meduse ist der Rand der Mundarme, welcher ihre Innenseite und ihre Außenseite trennt, identisch mit dem früheren Mundrande. Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 679 aufzugehen. Denn wenn man berücksichtigt, dass in der wachsenden Ephyra die ganze subumbrale Darmwand sich bedeutend ausdehnt und verdünnt, und doch in ihrer ganzen Innenzone vom Mund an relativ verdickt bleibt, so muss man annehmen, dass diese verdickte Partie der früheren polsterförmigen Verdickung des Schlundrohres entspricht, und dass dieses folglich unter der Proboseis sich noch horizontal unter die Subumbrella erstreckt. Übrigens ist es ganz müßig, nach einer bestimmten inneren Grenze des Schlundrohres zu suchen, nachdem die Fortsetzung des ursprünglichen Schlundektoderms vom Schlundrohr aus bis in die Mehrzahl der verschiedenen Taschen und längs der pri- mären interradialen Magenfalten sichergestellt ist. Denn Angesichts dieser Thatsache muss denn doch darauf verzichtet werden, den da- durch begründeten Gegensatz der verschiedenen Segmente des Kranz- darmes und ihre spätere Übereinstimmung in Bau und Gewebsbildung in wirklichen Einklang zu bringen. Die Proboseis ist Anfangs noch konisch und ihr Durchschnitt kreisförmig wie der Mund. Allmählich nimmt sie aber unter dem Ein- flusse der vierzähligen Gliederung in der Außenzone der Subumbrella . eine vierkantige Gestalt an (Fig. 75—78). Die vier radialen Rinnen an der subumbralen Darmwand und die durch sie an der Subumbrella hervorgerufenen Kanten verschieben sich während der Ephyrabildung centralwärts gegen den Mund. Ihre peripheren oder distalen Abschnitte verstreichen völlig und damit zugleich natürlich auch die sie trennen- den wulstigen Magenfalten; dafür zeigt sich eine Fortsetzung beider Bildungen im Bereiche des Schlundrohres, welche immer weiter bis zum Mundrande vorrückt und so der Proboseis innen und außen eine vier- eckige Gestalt verleiht (Fig. 100). Auf diese Weise trennt sich die vier- zählige Gliederung der Subumbrella vollständig von der acht- und sechzehnzähligen Gliederung des Scheibenrandes und bleibt in den vier Mundecken, welche bekanntlich zu den sogenannten Mundarmen auswachsen, dauernd erhalten. Und zwar ist dieses Merkmal der vier- zähligen Gliederung, wie oben gezeigt wurde, direkt auf die vier ersten radiären Darmausbuchtungen zurückzuführen, so dass die vier radialen Mundarme jene Gliederung unmittelbar und auch früher repräsentiren als die Magenfilamente, welche bei den Ephyren von Pelagia später als bei anderen Ephyren an Stelle der unterdessen verschwun- denen interradialen Magenfalten erscheinen (Fig. 99). Bisher schien die Entwicklung von Pelagia mit derjenigen anderer Discomedusen nicht viel mehr Gemeinsames zu haben als das 45* u 680 A, Goette, Ephyrastadium, welches sich gewissermaßen unmittelbar an die Gastrula anschloss. Dieser Unterschied musste noch auffallender er- scheinen, nachdem ich gezeigt hatte, dass das der Ephyra voraus- gehende Scyphostoma von Aurelia und Cotylorhiza nicht bloß eine mit vier Magenfalten ausgestattete Hydropolypenform sei, sondern Anfangs den viel komplieirteren Bau eines Anthozoons besitze, welcher erst durch eine eigenthümliche Metamorphose in die Bildung der älteren Scyphostomen übergehe. Angesichts dieser Thatsachen musste die Entwicklung von Pelagia eine ganz außerordentliche Abkürzung erfahren haben; nicht nur die verschiedenen Stufen der Scyphostomabildung sollten in Fortfall gekommen, sondern vor dem Beginn der Ephyra- bildung überhaupt keinerlei strahlige Gliederung vorhanden sein. Da ferner in Folge dieser angeblichen Abkürzung von einer ektodermalen Auskleidung gewisser Darmtheile, welche durch meine Untersuchungen an den genannten anderen Scyphomedusen festgestellt war, bei Pelagia nicht die Rede sein konnte, so erschien die Mehrzahl ihrer Körpertheile im Vergleich zu denen ihrer nächsten Verwandten völlig heterogen entstanden. Diese Überlegungen forderten dringend eine erneute Unter- suchung über die Entstehung der Pelagia; und die hier mitgetheilten Ergebnisse rechtfertigen diese Forderung vollends. Alle jene unwahr- scheinlichen Folgerungen sind gegenstandslos geworden, nachdem sich herausgestellt hat, dass die Entwicklung von Pelagia noctiluca in allen wesentlichen Punkten so verläuft, wie ich es bei Aurelia und Cotylo- rhiza gefunden habe, und nur in untergeordneten Dingen abweicht, welche für die einzelnen Homologien und die allgemeine genetische Verwandtschaft belanglos sind. Eine zusammenfassende Wiederholung dieser Übereinstimmungen und Unterschiede soll dies vollends evident machen. Die Übereinstimmung beginnt schon mit der Planula, in- dem sie bei Pelagia, entgegen der früheren Annahme, ebenfalls ihr Prostoma schließt und den Urdarm vom Ektoderm abschnürt. Dadurch dass der letztere am prostomialen Pol hängen bleibt und bei seiner Kürze um beinahe das Doppelte seiner Länge vom Scheitelpol entfernt bleibt, ist es leicht festzustellen, dass die Planula von Pelagia gleich- falls mit dem Scheitelpol voran schwimmt. Die Einstülpung des ektodermalen Schlundes, die gleichzeitige Entstehung der beiden entodermalen Magentaschen und des Cen- tralmagens, sowie später des zweiten Magentaschenpaares erfolgen bei Pelagia im Wesentlichen eben so wie ich es für Aurelia und nament- Vergleichende Entwieklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 681 lich zuletzt für Cotylorhiza angegeben habe!. Auch für den Durch- bruch des Schlundes in das erste Magentaschenpaar (Ostien) und den Centralmagen (Schlundpforte) ist es mir gelungen, eine erfreuliche Über- einstimmung von Pelagia und Cotylorhiza zu konstatiren, und daraus mit noch mehr Sicherheit und Bestimmtheit als früher zu folgern, dass das Schlundektoderm bei Pelagia eben so wie bei Aurelia und Cotylorhiza dauernd imInneren zurückbleibt. Denn indem ich meine frühere Angabe von der allmählichen Verkürzung desSchlundes in der Richtung verbessern und ergänzen konnte, dass die Verkürzung bloß die Erhaltung der Röhrenform im obersten Abschnitt des Schlundes (Sehlundrohr) bedeutet, seine größere untere Hälfte aber lediglich durch ihre Spaltung und ihre Verwandlung in das zweite Magentaschen- paar unkenntlich wird, ist es überhaupt undenkbar geworden, wie dieses Schlundektoderm sich wieder ausstülpen sollte, ohne das erste Magentaschenpaar, an dessen Rändern es befestigt ist, und das von ihm selbst gebildete zweite Magentaschenpaar mit auszustülpen, d.h. die ganze innere Organisation der Larve aufzulösen. Mit der Entwicklung des Schlundes und der Magentaschen hängt natürlich diejenige der Taschenvorhänge und Magenfalten un- mittelbar zusammen, wesshalb sie auch hei den Pelagia-Larven in den- selben Lagebeziehungen wie bei Aurelia und Cotylorhiza vorkommen. Dass sie aber bei Pelagia nur in einem mehr oder weniger rudimen- tären Zustande erscheinen, kann ihre Homologien selbstredend nicht beeinträchtigen. Eben so wichtig wie die Übereinstimmung in den ersten Anlagen ist diejenige in der gesammten Strahlgliederung unserer Larven. Auch für Pelagia gilt, dass diese Gliederung in den Magentaschen an- gelegt und dann auf andere Theile übertragen wird, und nicht umge- kehrt zuerst in äußeren Bildungen erscheint; sie beginnt also bei Pelagia so wenig mit der äußeren viereckigen Gestalt, als bei den übrigen Scyphomedusen mit den Tentakeln, wie die alte, von mir widerlegte Ansicht lautete (vgl. 4, p. 20). Und so wie die Grund- lage der Strahlgliederung ist auch ihr ganzer Verlauf bei allen genannten Scyphomedusen derselbe; nur ist dies nicht überall auf den ersten Blick offenbar. Ursprung und Reihenfolge der acht ersten Magentaschen sind nicht nur bei Aurelia, Cotylorhiza und Pelagia ganz gleich, sondern 1 Auch die scheinbar vollständige, aber nur vorübergehende Abschnürung einer Magentasche vom Centralmagen bei Pelagia ist bei Cotylorhiza wenigstens durch eine Einschnürung angedeutet. Allerdings fehlt mir aber ein Verständnis für jene Abschnürung, f OR AN ER 682 A. Goette, Pelagia liefert in dieser Beziehung gerade die unzweideutigsten Be- funde, welche desshalb die entsprechenden, aber schwer zu eruirenden Befunde bei Aurelia und Cotylorhiza in erfreulicher Weise bestätigen. Ich habe für die letzteren nachgewiesen, dass die interradialen oder Septaltentakel nicht, wie man früher annahm, aus den Septen oder den Seitenzipfeln zweier benachbarten radialen Magentaschen, sondern alle vier aus den zwei Magentaschen der Querebene hervorwachsen, indem jede derselben sich in drei Taschen sondert, eine mittlere (radiale) und zwei seitliche (interradiale), welchen letzteren die Septaltentakel angehören. Eine sichere Feststellung dieser Thatsache gelingt aber, wie ich mich zuletzt bei Cotylorhiza überzeugte, nur in einzelnen Fällen, während der Nachweis derselben Dreitheilung bei Pelagia keine Schwierigkeiten bereitet, sobald man nur die rechten Entwick- lungsstufen trifft. Der weitere Verlauf der Strahlgliederung bis zur Herstellung von sechzehn Taschen, durch Dreitheilung des ersten Magentaschenpaares und dann des sekundären radialen Taschenpaars der Querebene ist bei Pelagia genau so wie ich es für Aurelia aus- führlich beschrieben habe (#, p. 20 ff.)!. Im Übrigen zeigt aber die Strahlgliederung der Pelagia-Larve eine gewisse Verschiedenheit von der Strahlgliederung der anderen Gattun- gen. Bei Pelagia koordiniren sich die acht ersten (radialen und inter- radialen) und dann die acht späteren (adradialen) Taschen; bei Aurelia und Cotylorhiza dagegen bleiben die vier ersten (radialen) Taschen durch ihre mächtigen Septen und Magenfalten deutlich ausgezeichnet vor allen übrigen, in ihnen entstehenden Taschen mit ihren zurück- tretenden Magenfalten. In Folge dieses Übergewichts der vier ersten, »primären« Taschen und der schwankenden Zahl der »sekundären« (2, p. 20) ist bei den Scyphostomen von Aurelia etc. eigentlich nur von den ersteren die Rede. Und doch ist dieser Unterschied im Grunde nur sehr unbedeutend. Denn auch bei Pelagia verschwinden die vier ersten Taschen durch die Entwicklung der übrigen nicht völlig, sondern erhal- ten sich, wie ich zeigte, am Peristom sehr deutlich zwischen den breiten Magenfalten, während deren Rückbildung vom Peristomrande an abwärts die Gleichheit der acht radialen und interradialen Magentaschen bedingt. 1 Nur beiläufig sei hier des Umstandes gedacht, dass Aurelia ähnlich wie Nausithoe, Cyanea etc. in der Regel mehr als 16 tentakelbildende Magentaschen erzeugt. Denn da sich diese Überzahl auf die Ephyren nicht überträgt, ist sie für unseren Vergleich unwesentlich. Trotzdem kann sie nicht einfach als eine mon- ströse Erscheinung bezeichnet werden, da zahlreiche Discomedusen durch eine größere als die gewöhnliche Zahl von maßgebenden Strahlgliedern (Lappen) aus- gezeichnet sind, und diese Vermehrung wahrscheinlich mit jenen überzähligen Magentaschen zusammenhängt (vgl. Textfiguren VI, VII). Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 683 Andererseits beginnt eine Rückbildung auch jener vier Septen und Magenfalten von Aurelia, nämlich ihre nach unten fortschreitende Ablösung von der Wand (Septalostien) lange vor der Ephyrabildung, so dass die vier ersten Magentaschen der älteren Scyphostomen von Aurelia nur in den tieferen Querdurchschnitten noch vollkommen, an den höheren Durchschnitten aber bereits aufgelöst, d. h. durch ihre ununter- brochen an einander gereihten Theilungsprodukte, die sekundären Magentaschen, ersetzt erscheinen. Die ganze in Rede stehende Verschiedenheit reducirt sich also darauf, dass die Rückbildung der vier ersten Magentaschen zu Gunsten ihrer Theilungsprodukte bei Aurelia spät beginnt und langsam fort- schreitet, dagegen bei Pelagia, deren Entwicklung in wenigen Tagen das Ephyrastadium erreicht, sich gleich Anfangs zeigt, indem ihre Magenfalten nur am Peristom eine hervorragende Breite besitzen. In ähnlicher Weise ist eine weitere Übereinstimmung in der Strahlgliederung der Larven von Pelagia und den anderen Discomedusen Fig. VI. Fig. VI, Schemata der Taschenbildung bei Pelagia (Fig. VI) und bei Aurelia (Fig. VII), weiß die ekto- dermalen, schraffirt die entodermalen Taschen, die Zeichen so wie auf den Tafeln, bloß äußerlich verdeckt: ich meine den unmittelbaren Zusammenhang zwischen den sechzehn ersten Magentaschen und den aus ihnen her- vorwachsenden Randtaschen. Bei Pelagia ist dies ohne Weiteres evident, bei Aurelia aber nicht, weil in ihren Scyphostomen mehr Magentaschen vorkommen als später Randtaschen entstehen, und weil alle diese Magentaschen unter sich gleich sind. Immerhin habe ich mit Hilfe einiger Befunde im ersten Anfange der Lappenbildung schon früher für Aurelia nachweisen können, dass die lappenbildenden Randtaschen aus den Magentaschen der acht ersten Halbmesser (4 Radien, 4 Inter- radien) und die acht adradialen Randtaschen aus den gleichnamigen Magentaschen hervorwachsen, während die überzähligen tentakel- 684 A. Goelte, tragenden Magentaschen in den Bereich der vier radialen Lappen fallen und dort später verschwinden (#4, p. 33, 35)1. Die hier bei- gefügten Schemata sollen die bezeichnete Übereinstimmung erläutern. Missverständlich könnte es nur erscheinen, dass ich von einem ge- wissen Gegensatz der Magen- und Randtaschen und von einer Auf- lösung der ersteren vor der Entwicklung der Randtaschen gesprochen habe (4, p. 37). Dies erklärt sich aber sehr einfach daraus, dass ich bei Aurelia, wie vorhin bemerkt (p. 682), unter »Magentaschen« schlechtweg nur die vier primären verstanden habe, welche in der That aufgelöst werden, ehe ihre Theilungsprodukte an ihre Stelle treten. So zeigt sich also auch in den Beziehungen der Ephyrataschen zu den früheren Taschen eine wirkliche Übereinstimmung aller genannten Medusen, so dass das für Pelagia aufgestellte Schema (Textfiguren I—V p. 676) auch für die übrigen maßgebend ist. Das Hauptmoment dieser Strahlgliederung ist, dass sie nicht durch fortschreitende allseitige Halbirungen erzielt wird, sondern im ersten Vermehrungsakt (zweites radiales Magentaschenpaar) durch eine Neubildung und dann durch alternirende Dreitheilungen. Die Folge der Dreitheilungen ist, dass die ursprünglichen Radien auch später in die jeweils mittleren Taschen fallen, während sie in Folge einer Halbirung dauernd zwischen zwei Taschen zu liegen kämen oder ihren Platz wechselten. Und das Alterniren, welches wohl in der ungleichen Größe der zwei ersten Taschenpaare begründet ist, hat zur Folge, dass gleichwerthige aber ungleichzeitige Theilungen zu verschiedenen Zielen führen: die Thei- lung des zweiten Magentaschenpaares erzeugt zwei radiale und vier interradiale Taschen, die spätere Theilung des ersten Magentaschen- paares dagegen zwei radiale und vier adradiale Taschen. Die allgemeine Übereinstimmung in den Ephyren der verschie- denen Gattungen wäre auch schon früher ganz bekannt gewesen, wenn Kowarewskvy die adradialen Taschen von Pelagia nicht verkannt hätte. Ähnlich verhält es sich mit den Filamenten. Solange ihre Entstehung bei Aurelia an die subumbralen Reste der vier interradialen Magen- falten geknüpft, bei Pelagia aber ohne solche zu erfolgen schien, fehlte trotz der offenbaren Homologie die genetische Übereinstimmung. Aber auch diese ist jetzt sichergestellt, nachdem ich die Täniolenreste auch bei Pelagia gefunden habe. 1 Ich habe schon in meiner letzten Publikation aus einander gesetzt, dass in dem von mir damals gebrauchten Ausdrucke: die acht Stammlappen seien ge- wissermaßen die ausgewachsenen Basen der acht ersten Tentakel — unter »Basen« natürlich nur die tentakeltragenden Abschnitte des Peristomrandes mit den zuge- hörigen Taschen verstanden sein konnten (5, p. 52). Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 685 Endlich wäre hier noch des Umstandes zu gedenken, dass die - Ephyren von Pelagia die Septen zwischen den Randtaschen vermissen _ Jassen, welche bei Aurelia durchweg vorkommen und zur Medusen- platte auswachsen. Aber auch dieser Unterschied ist nur ein schein- barer, sobald man sich nicht an die einzelne Erscheinung, sondern an den ganzen Vorgang hält. Denn wenn man bei der genannten Septen- bildung weniger das Bild wirklicher Scheidewände ins Auge fasst als die Verbindung zweier Randtaschen zur allmählichen Herstellung einer Medusoidplatte, so wiederholt sich dies, wie ich zeigte, auch bei Pelagia; denn die Seitenränder ihrer adradialen Taschen bilden, indem sie sich an die benachbarten Lappentaschen anschließen, gleichzeitig eine Medusoidplatte.e Mit anderen Worten: bei Pelagia beginnen die ad- radialen Taschen einseitig eine Medusoidplatte zu bilden, während oder bevor sie sich an die Lappentaschen befestigen, bei Aurelia dagegen geht die Befestigung oder Septenbildung der Medusoidplatte voraus. (Vgl. die beigefügten Schemata.) Desshalb war es im letzteren Falle SET £ Be Fig. VII. Fig. IX. Fig. XI. Schemata der Bildung der Medusoiäplatten bei Aurelia (Fig. VIII, IX) und Pelagia (Fig. X, XI), sp die Septen, schraffrt sind die Medusoidplatten, ri, li, ad wie auf den Tafeln. ganz naturgemäß, die Medusoidplatte innerhalb des Scheibenrandes von beiden verbundenen Taschen und innerhalb des Lappens von der Lappentasche allein abzuleiten; die bei Pelagia unmittelbar sichtbare Herkunft aller Theile der Medusoidplatte von den Adradialtaschen allein lässt aber vermuthen, dass bei Aurelia dasselbe, wenngleich unkennt- lich geschieht. Schon bei der Aufzählung dessen, worin die Entwicklung von Pelagia mit derjenigen von Aurelia und Cotylorhiza übereinstimmt, wurden einige mehr oder weniger untergeordnete Verschiedenheiten hervorgehoben, welche aber die wesentliche Übereinstimmung mehr äußerlich verdecken als einschränken. Eine Zusammenstellung “ 686 A. Goette, aller nennenswerthen Unterschiede liefert dasselbe Ergebnis und lässt sie auf denselben einheitlichen Grund zurückführen. Gemäß den Angaben von Kronn und KowaLewsky, dass die jüngsten Schwärmlarven von Pelagia noctiluca mit Übergehung der Seyphostoma- form sich direkt in Ephyren verwandeln, pflegt man diese Entwicklung als eine abgekürzte zu bezeichnen. In der That ist auch eine Verein- fachung, Abkürzung in den Entwicklungsverläufen vieler einzelner Organe der jungen Pelagien nichtzu verkennen. Nur muss ich bestreiten, dass diese Abkürzung sich auf einen vollständigen Ausfall aller oder auch nur der meisten für das Seyphostoma charakteristischen Bildungen erstrecke. Denn sie sind, wie aus meinen Untersuchungen hervorgeht, in den Larven von Pelagia zum größten Theil ebenfalls vorhanden, und nur einige von ihnen sind weniger entwickelt als bei Aurelia und Gotylorhiza. Insbesondere findet sich die ganze Bildung des Darm- apparats mit der sie bedingenden Schlundeinstülpung nach Anlage und Umbildung bei Pelagia eben so wie bei den anderen Discomedusen, so zwar, dass selbst die von Anfang an rudimentären vier ersten Magenfalten und Taschenvorhänge von Pelagia bei Cotylorhiza bisweilen in demselben Zustande angetroffen werden. Daher sind von der ganzen Organisation der Scyphostomen nur die äußeren, größtentheils mit einer festsitzenden Lebensweise zusammenhängenden Körpertheile bei Pelagia auffällig zurückgebildet: der Stiel, die Tentakel, die Septal- trichter mit ihren Muskelfortsätzen; und zwar fehlen davon nur die Tentakel vollständig, von dem Stiel ist der lange aborale Ektoderm- schlauch und von den Septaltrichtern sind die interradialen Vertiefungen des Peristoms übrig geblieben. Auf Grund dieser Thatsachen ist es nicht mehr statthaft, von einem vollständigen Ausfall der Scyphostomaform bei Pelagia zu reden: die Larven von Pelagia noctiluca besitzen vor dem Beginn der Ephyrabildung die meisten und wichtigsten Theile von der Organisation eines Scyphostoma und entbehren nur die festsitzende Lebensweise und die damit im Zusammenhang stehenden Organe. Es könnte hier allenfalls der Einwurf erhoben werden, dass gerade die letztgenannten Organe (Stiel, Tentakel, Septalmuskeln) die für das Sceyphostoma maßgebenden seien und daher ihre Rückbildung den Be- stand dieser Larvenform wirklich aufhöbe. Diese Ansicht würde also voraussetzen, dass jene Organe nicht schon ursprünglich zur übrigen Organisation der jungen Discomedusenlarve gehörten, sondern von ihr als Merkmale einer neuen, besonderen Larvenform erworben seien. Dem widerspricht aber die Thatsache, dass die Scyphostomen als »meta- Vergleichende Entwieklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 687 phorische« Larven (vgl. 6, p. 20) mit allen ihren Theilen den Bau der niedersten Scyphomedusen, der Stauromedusen, wiederholen, welche ich desshalb mit den nächstverwandten Cubomedusen als »Scyphosto- midae« zusammengefasst habe (4, p. 75). Stiel, Larvententakel und Triehtermuskeln können also für das Scyphostoma keine andere Bedeu- tung haben als die gleichzeitig ererbte übrige Organisation dieser Larven; und da sie schon bei den Stauromedusen unbeständig sind, ohne die Zusammengehörigkeit und Gleichwerthigkeit der bezüglichen Formen zu beeinträchtigen, so kann der Mangel derselben Organe bei den Larven von Pelagia kein Grund sein, sie von den Scyphostomen der Aurelia und der Cotylerhiza zu trennen und ihnen irgendwie ent- gegenzusetzen. Pelagia hat so gut ein Sceyphostomastadium wie andere Discomedusen. Allerdings zeigen die Scyphostomen von Pelagia gegenüber den anderer Scyphostomen noch weitere Rückbildungen als die eben be- sprochenen; solche graduelle Unterschiede kommen aber schon unter den Larven von Aurelia und Cotylorhiza vor. So erscheinen die Septal- trichter, die breiten Täniolen, die Taschenvorhänge von Cotylorhiza im Vergleich zu denen von Aurelia häufig rudimentär, so dass diese drei Gattungen unzweifelhaft drei Stufen der Scyphostomaform darstellen, die ursprünglichste und vollkommenste bei Aurelia, eine bereits etwas abgeänderte bei Cotylorhiza und die am meisten zurück- gebildete Form bei Pelagia. Auch bezieht sich dies nicht bloß auf die Larvenform, welche den Stauromedusen entspricht, sondern auch auf die ihr vorausgehende Entwicklungsstufe, welche ich als diejenige des polypoiden Sceyphostoma bezeichnete. Bei Aurelia habe ich nicht nur tentakellose Larven, sondern selbst achtarmige Scyphostomen angetroffen, deren Schlund und Taschenvorhänge noch so weit erhalten waren, dass die Blindsäcke der vier ersten Magentaschen den Schlund in recht ansehnlicher Länge unmittelbar umschlossen und sich im queren Umfange in den vier interradialen Septen berührten. Es liegt darin eine vollkommene Wiederholung des Anthozoenbaues vor, welcher dadurch in den Bau einer Stauromeduse übergeht, dass die Taschenvorhänge in der be- schriebenen Weise durch Spaltung verkürzt, dann flach aus einander gezogen und dem Peristom angelagert werden. Denn durch diese Bildung einer wirklichen Subumbrella wird der ins Innere röhrig hinabhängende Schlundtheil zerstört und werden die verkleinerten Blindsäcke der Magentaschen bis zum äußersten Scheibenrand ver- schoben. | Die tentakellosen Larven von Gotylorhiza können jenen Antho- E 688 A, Goette, zoenbau, wie ich zeigte, ebenfalls besitzen (Fig. 7, 33—25); in anderen Fällen aber können der Schlund und die ersten Magentaschen der- selben Meduse umgebildet sein, bevor die Schlundpforte entstanden ist und so den Anthozoenbau fertig hergestellt hat, welcher daher von Anfang an nur in seinen Anlagen vorliegt (Fig. 4,5). Diejungen Larven von Pelagia endlich entwickeln sich, so weit ich sah, nur in der letzt- genannten Weise, d. h. die auch bei ihnen unverkennbaren Anlagen zum Anthozoenbau, der hinabhängende Schlund und die ihn um- schließenden Magentaschen werden vorzeitig in die bleibenden medu- soiden Bildungen verwandelt (Fig. 43—46). Diese von Aurelia ab durch Cotylorhiza bis Pelagia fortschreitende Rückbildung des polypoiden oder genauer des anthozoenähnlichen Baues der Larven beeinträchtigt aber natürlich in keiner Weise den historischen Werth dieser Larvenbildung, welcher bei Pelagia derselbe ist wie bei Aurelia und überall die unmittelbare Abstammung der Scyphomedusen von anthozoenähnlichen Vorfahren oder Scyphopolypen beweist. Dagegen hat die fortschreitende Beschränkung dieser meta- phorischen oder Ahnenformen auf immer frühere Stufen der Einzel- geschichte allerdings die praktische Folge, dass sie um so leichter übersehen werden, und dann die völlig verschiedenen späteren Stufen den Anlass bieten, die Fortdauer der ersten Schlundeinstülpung zu bezweifeln. Wenn aber Caun neuerdings wiederholt gegen meine Darstellung Widerspruch erhebt (2, p. 209—211), weil er an Sceyphostomen, deren Schlund bereits metamorphosirt und unkenntlich geworden ist, den Mangel des anthozoenähnlichen Baues angeblich im Gegensatz zu meinen Angaben konstatiren konnte, so beruht sein Widerspruch, wie ich schon früher hervorhob (5, p. 63), auf einem Missverständnis. Ich habe nirgends einen fixen späten Termin für die Dauer jenes merkwürdigen Baues in den Larven der verschiedenen Gattungen angegeben, dagegen seine frühzeitige Verwandlung in die Stauromedusenform behauptet (5, p. 60); die vollzogene Metamor- phose kann aber unmöglich die Nichtexistenz jenes Baues auf früheren Stadien beweisen. Übrigens hoffe ich, dass meine neuen Beobachtun- gen auch Cavn nicht im Zweifel lassen werden, dass der Schlund der Scyphomedusenlarven eine sehr reale Existenz hat; hat doch derselbe Forscher an der eitirten Stelle bereits zugestanden, dass die von ihm früher geleugneten vier primären Magentaschen zu Recht bestehen, und dass die Septalmuskeln wirklich aus dem Peristom entstehen. Die Ausdehnung des ursprünglichen Schlundektoderms im Inneren der Meduse, so wie ich sie jetzt habe feststellen können, sichert aber Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 689 nicht nur die Anerkennung der übrigen Angaben über den Schlund, sondern veranlasst. auch noch andere Schlussfolgerungen. Wenn das Ektoderm nicht bloß auf die Auskleidung der Proboseis und auf die centrale Decke des »Hauptdarmes« beschränkt ist, wie ich früher an- nahm, sondern sich auch in den größten Theil des » Kranzdarmes« hineinerstreckt, so ist der dadurch bedingte Gegensatz von ektoderma- len und entodermalen Magen-, Rand- und Lappentaschen um so auf- fälliger, als sie später durch keinerlei gewebliche Verschiedenheit daran erinnern, vielmehr alle völlig gleich erscheinen. Dies geschieht, wie ich zeigte, dadurch, dass das Ektoderm des zweiten Magentaschen- paares sich allmählich ganz dem Ektoderm anpasst!, und zwar unge- fähr um dieselbe Zeit, wenn die entodermalen und ektodermalen Taschen auch in Gestalt und Größe einander gleich werden. Diese sichtbare Anpassung kann aber um so weniger eine bloß äußerliche sein, als sie sich auch in einer gleichen geweblichen Thätigkeit der genetisch verschiedenen Theile zeigt. So lange ich annehmen konnte, dass das Ektoderm vom Munde an höchstens bis in die Nähe der Magenfalten reichte, schien der ento- dermale Ursprung der jenseits der letzteren entstehenden Gonaden auch mir nicht zweifelhaft. In Folge des Nachweises, dass das Schlund- ektoderm bis in den Kranzdarm hinein sich ausbreite, muss aber jene Ansicht aufgegeben werden. Bei den niederen Scyphomedusen befinden sich Gonaden durchweg in allen Magentaschen; nimmt man nun an, dass die Entwicklung dieser Medusen mit derjenigen der Scyphostoma übereinstimmt, so sind jene gonadenerzeugenden Taschen theils ekto- dermale, theils entodermale. Bei den Discomedusen ist dies sicher der Fall. Denn ihre Gonaden entstehen einmal jenseits der Filamente, also im Bereiche der früheren Magentaschen, und ferner nach Frwrss in acht adradialen Anlagen (vgl. 3 u. 4, p. 65), welche folglich im Gebiete der vier ektodermalen und der vier entodermalen Adradialtaschen liegen. Es ergiebt sich daraus, dass die genetische Verschiedenheit des 1 Für diejenigen, welche etwa in dieser Erscheinung vielmehr ein Hinauf- rücken des Taschenektoderms mit einem Nachrücken des Entoderms erblicken möchten, bemerke ich noch, dass, wie schon erwähnt, die Ränder jenes Ektoderms, die Magenfalten, geweblich zunächst unverändert bleiben, also eben so wenig sich vom Platze rühren wie das oben daranstoßende, ebenfalls noch deutlich ektoder- mal gebildete Schlundrohr. Unter solchen Umständen wird es aber Niemand für wahrscheinlich halten, dass eine Epithelplatte spurlos verschwindet und durch ein nachrückendes Epithel ersetzt wird, ohne dass ihr Zusammenhang mit ihren zu- rückbleibenden Rändern aufhört; und andererseits würde selbst ein solcher wunder- barer Vorgang an der Thatsache nichts ändern, dass die genannten übrigen Ekto- dermtheile (Magenfalten, Schlundrohr) im Inneren zurückbleiben. = 690 | A. Goette, Bodens, auf welchem die Gonaden entstehen, auf deren Bildung ganz ohne Einfluss ist, nachdem schon lange vorher die gewebliche Ver- schiedenheit desselben Bodens vollkommen ausgeglichen ist. | Aus diesen Thatsachen ziehe ich noch eine weitere Konsequenz. Wenn schon die Lappen- und die Adradialtaschen trotz aller späteren Übereinstimmung aus verschiedenen Keimschichten hervorgehen, wie viel mehr muss die Möglichkeit zugestanden werden, dass sonstige gleiche Körpertheile einen solchen verschiedenen Ursprung haben, so- bald der eine primär, im Verlaufe der direkt vom Eie ausgehenden Entwicklung, der andere aber sekundär, durch Regeneration oder Neubildung in Folge von Theilungen und Knospungen der Individuen, also an anderer Stelle und auf anderem Wege entsteht als der erstere. Ich habe mich freilich schon in meiner letzten Publikation auf Grund allgemeiner Erfahrungen und Überlegungen dahin ausgesprochen, dass aus einer solchen sekundären Entstehung eines Körpertheils niemals auf die primäre Entwicklung des gleichen Körpertheils geschlossen werden könne, und dass folglich die Art der Regeneration der Probos- eis in der Strobila keine Entscheidung darüber gestatte, ob die primäre Proboseis eine ektodermale oder eine entodermale Auskleidung habe, ob also das Schlundektoderm im Inneren der Larve zurückbleibe oder nicht. Jetzt bin ich aber in der Lage, diese Behauptung aus der Ent- wicklungsgeschichte der Scyphomedusen direkt belegen zu können. Denn wenn neuerdings mit aller Bestimmtheit behauptet wird, dass die Auskleidung der in der Strobila neugebildeten Proboseis eine entoder- male sei — was ich selbst nie untersucht, erörtert oder bestritten habe —, so halte ich dagegen für noch viel sicherer, dass die Ausklei- dung der primären Proboseis ektodermal ist. Die gewebliche Ausgleichung der verschiedenen Magentaschen hat, wie schon erwähnt, ihr Seitenstück in deren morphologischer Aus- gleichung. Die vier ersten Magentaschen sind, auch abgesehen von ihrem verschiedenen Substrat, nach der Art und Weise ihrer Ent- stehung und nach ihrer Form und Größe verschieden. In der vier- strahligen Larve sind Anfangs nicht alle Strahlglieder unter sich kongruent, sondern nur die Gegenstücke unter ihnen. Dies dürfte aber auch der Grund sein, dass die nächste Ver- mehrung der Segmente nicht gleichmäßig in allen vier Taschen, son- dern nur in ihrem größeren Paar vor sich geht; und da dessen Drei- theilung die Sonderung der ursprünglichen Taschen nicht sofort aufhebt, so bleibt die bezeichnete Inkongruenz in den zwei Kreuz- achsen noch längere Zeit bestehen. Allmählich gleicht sie sich aber derart aus, dass alle radialen und interradialen, und andererseits alle Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 691 adradialen Taschen kongruent werden und selbst die Reste der ur- . sprünglichen vierstrabligen Gliederung in den Mundarmen und den Filamentgruppen keine Verschiedenheit der beiden Kreuzachsen mehr erkennen lassen. Im Ganzen kann man also sagen, dass die Verschiedenheit der Strahlsegmente Anfangs am größten ist und daraufin dem Maße sich ausgleicht, als der definitive Medusen- körper hervortritt. Jene Verschiedenheit ist aber gerade ein Merkmal der Sceyphopolypen und fällt auch in der That wesentlich in die Periode, wo der Bau unserer Medusenlarven sich am meisten dem- jenigen jener Polypen nähert. Daraus versteht sich auch, dass je weniger vollständig jener Bau wiederholt wird und je früher er schwindet, um so früher die Ausgleichung eintritt, wie dies bei Pelagia zutrifft. Die voranstehenden Vergleiche gipfeln in dem Ergebnis, dass Aurelia, Cotylorhiza und Pelagia in ihrer Entwicklung in so fern nur graduell verschieden sind, als alle drei Gattungen in ihren jüngsten Larven ein ganz unverkennbares Abbild der Organisation der Scypho- polypen offenbaren und nur in der Vollkommenheit dieses Abbildes differiren. In diesem historischen Moment erschöpft sich denn auch die Bedeutung der eigenthümlichen jüngeren Larvenbildungen der Scypho- medusen: des Schlundes, der Magentaschen, der inkongruenten Glie- derung etc. Denn bei ihrer meist kurzen Dauer und oft rudimentären Erscheinung dürften sie für das Larvenleben selbst kaum einen Werth haben, wogegen sie als alte Erbstücke unsere volle Beachtung ver- dienen. Mir wenigstens bleibt es unerfindlich, wie ohne sie die Ab- stammung der Scyphomedusen von den Scyphopolypen wirklich be- wiesen werden könnte. Andererseits sind sie als bloße Erbstücke der Rückbildung in hohem Grade unterworfen, so dass es nicht unmöglich ist, dass bei der einen oder anderen Scyphomeduse eine solche Rückbil- dung noch weit über das bei Pelagia nachgewiesene Maß hinausgeht. Eben desshalb sind uns solche Formen wie Aurelia, wo die metapho- rischen Larvenformen am vollkommensten erhalten sind, in historischer Hinsicht auch am wichtigsten. Eine andere Frage ist es, ob unter den recenten Scyphopolypen sich Formen finden werden, deren Entwicklung in allen wichtigen Punkten, insbesondere in dem Verlaufe der Strahlgliederung mit der jüngsten Larvenform der Scyphomedusen vollkommen übereinstimmt, und welche daher als die nächsten Verwandten der letzteren zu be- zeichnen wären. In dieser Beziehung ist der Nachdruck darauf zu 692 A, Goette, legen, dass die niedersten Scyphomedusen gerade so wie die jüngsten Larven der höheren eine streng vierstrahlige Gliederung besitzen, welche nicht wohl als eine in der Zahl reducirte angesehen werden kann, da diese Zahl sich weiter aufwärts gerade steigert. Aus diesem und anderen Gründen muss ich es mir vorerst versagen, auf die Ent- wieklungsgeschichte der recenten Scyphopolypen, namentlich die Unter- suchungen von H. Wırson, an dieser Stelle einzugehen. Straßburg, im Oktober 1892. Litteratur. 4. Acassız, Contributions to the Natural History of the N. S. A. II. 2. Cuun, Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. II. 2. 3. FEwWKEs, Notes on Acalephs of the Tortugas. Bulletin of the Museum of Compa- rative Zoology Cambridge Mass. IX. No.7. 4, GoETTE, Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. IV. Entwick- lungsgeschichte der Aurelia aurita und Cotylorhiza tuberculata. 5. GOETTE, CrAus und die Scyphomedusen. Leipzig 4894. 6. GoETTE, Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. II. Unters. zur . Entwicklungsgeschichte der Würmer. Vergleichender Theil. 7. KowALewsky, Beobachtungen über die Entwicklung der Coelenteraten. Russisch. In den Sitzungsberichten der kaiserl. Gesellsch. der Freunde der Natur- kunde etc. in Moskau. Bd. X. p. 7—12. 8. Kronn, Über die frühesten Entwicklungsstufen der Pelagia noctiluca. Archiv für Anatomie, Physiologie etc. 1855. 9. METSCHNIKOFF, Embryologische Studien an Medusen. 4886. Erklärung der Abbildungen. Buchstabenerklärung. ad, adradiale Magentaschen ; k, Seitenkanten der Larve; ad’, adradiale Marginaltaschen, bez. ihre %’, Kanten der Magentaschen ; Ausläufer gegen die Tentakel; !, Stammlappen; c, Centralmagen; lt, Lappentaschen; cs’, Hauptdarm; m, Mündungen der Magentaschen in den f, Magenfalten; Centralmagen und den Schlund; fl, Flügellappen; med, Medusoidplatte; ir, interradiale Magentaschen ; mt, unbestimmte Magentaschen der Ra- ir'‚interradiale Marginaltaschen, bez.ihre dien und Interradien; Ausläufer in die Septaltentakel; o, Mund; Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per, per, Peristom; per’, Rand des Peristoms; pr, Proboscis; - R, radiale Magentaschen der Hauptebene‘; R’, radiale Marginaltaschen der Haupt- ebene, bez. ihre Ausläufer in die Ten- takel; r, radiale Magentaschen der Querebene, bez. Schlundbuchten ; r’, radiale Marginaltaschen der Quer- ebene, bez. ihre Ausläufer in die Ten- takel; rt, unbestimmte Marginaltaschen der Ra- dien und Interradien; s, Schlund; 693 s’, centraler Schlundtheil ; sk, Sinneskolben; spf, Schlundpforte; sr, Schlundrohr; st, Septaltrichter; st’, Muskelstränge der Septaltrichter; su, Subumbrella; sw', Subumbralhöhle; it, Tentakel und ihre Basen; iv, Taschenvorhänge; u, Urdarm; &, Stiel der Larve und Homologon des- selben; z, Grenze von Schlundrohr und Magen- taschen. Tafel XXVIII. Senkrechte Durchschnitte von Larven der Cotylorhiza tuberculata, sämmtlich in gleicher Vergrößerung. Fig. 1. Schnitt in der Hauptebene, flach trichterförmige Schlundeinstülpung. Fig. 2. Gleicher Schnitt, Schlund vertieft. Fig. 3. Schnitt in der Querebene. Fig. 4. Hauptebene, erster Durchbruch des Schlundes in eine Magentasche, - der Durehbruchsrand nach einem folgenden Schnitt eingezeichnet. Fig, 5. Ähnlicher Schnitt, der Durchbruch setzt sich von der Seite auf den Schlundboden fort (Schlundpforte), der Durchbruchsrand nach einem folgenden Schnitt eingezeichnet. Fig. 6. Querebene, erweiterte Schlundpforte. Fig. 7. Der Schnitt fiel links in die Hauptebene, rechts in einen Interradius, die Spaltung der Magentaschen R und die Schlundpforte vollendet, die Schlund- bucht r nach einem folgenden Schnitt eingezeichnet. Fig. 8. Hauptebene, die Schlundbucht r nach einem folgenden Schnitt einge- zeichnet, dung der Subumbrella. Fig. 10. Ähnlicher Durchschnitt. Fig. 44. Fig. 42. Fig. 43, Fig. 14. Fig. 9. Hauptebene, Einsenkung des Peristoms in die Taschenvorhänge = Bil- Dasselbe, aber ohne Anlage der Proboscis. Hauptebene, die Proboscis deutlich. Larve mit Tentakelanlagen. Fertiges, gestieltes Scyphostoma. Tafel XXIX. Querdurchschnitte von Larven der Cotylorhiza tuberculata, alle in gleicher Vergrößerung wie Fig. 1—A4. Fig. 495—17. Larve mit trichterförmigem Schlund, Fig. 45 durch seine Mitte, Fig. 16 durch sein Ende, Fig. 47 durch den Centralmagen, Fig. 18—22. Etwas ältere Larve, Fig. 20 durch das Ende des Schlundes, Fig. 21 durch den Anfang des Centralmagens. Fig. 23—25. Bildung des zweiten Magentaschenpaares vor der Spaltung des Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 46 er 694 A. Goette, y SI WE Pre ersten Paares, Fig. 25 etwas schräg durch die Schlundpforte, wesshalb auf der einen Breitseite das Schlundektoderm, auf der anderen das Entoderm des Centralmagens getroffen ist. Fig. 26. Mittlere Höhe des Schlundes, das erste Magentaschenpaar gespalten, das zweite. noch nicht fertig. Fig. 27—30. Larve mit vier Septaltrichtern aber noch ohne Tentakel. Fig. 31. Vierkantige Larve von gleichem Alter, mittlere Höhe des Schlundes. Fig. 32, 33. Vierarmige aber achtkantige Larve, die beiden Taschenpaare nicht sicher zu bestimmen, Fig. 32 durch die Tentakelbasen, Fig. 33 durch die Magentaschen. Fig. 34—38. Achtarmige Larve, Fig. 34 theilweise durch die Tentakelbasen mit den Ausläufern des größeren Magentaschenpaares in die Septaltentakel ir’, während die gleichen seitlichen Ausläufer des anderen Taschenpaares in ihren dünnen Enden getroffen sind und auf den nächst höheren Schnitten fehlen; Fig. 38 durch den oberen Rand der Ostien m, wo die breiten Magenfalten bereits von der Wand abgeschnürt sind. Tafel XXX. Ganze Larven von Pelagianoctilucain der Seitenansicht, alle in gleicher Vergrößerung. Fig. 39. Ansicht auf die Hauptebene, Urdarm noch ungegliedert. Fig. 40. Ansicht auf die Querebene, vom Urdarm beginnt eine Magentasche sich abzuschnüren, p Stelle des geschlossenen Prostoma vor der Schlundbildung. Fig. 44. Ansicht auf die Hauptebene, eine Magentasche abgeschnürt, die an- dere noch nicht gesondert, Beginn der Ablösung von Zellentheilen vom Urdarm. . Fig. 42. Der trichterförmige Schlund drängt sich zwischen beide Magentaschen. Fig. 43. Sonderung des Schlundrohres, die rechte Magentasche ist in den Schlund geöffnet; das Homologon des Stieles ist bei dieser Larve außerordent- lich lang. Fig. 44. Beide Magentaschen sind in den Schlund geöffnet. Fig. 45. Beide Taschenostien sind mit der Schlundpforte zusammengeflossen und erweitert, die Schlundbucht ist jenseits der Hauptebene sichtbar, die halb- kugelige Peristomfläche durch eine quere Einschnürung gesondert, in der Stielhöhle sind zahlreiche Zellenreste zerstreut. Fig. 46. Ähnliche Larve mit weiten Schlundbuchten. Fig. 47. Larve mit einer Subumbrella und Randtaschen. Fig. 48. Beginn der Lappenbildung. Fig. 49. Schräge Ansicht der Subumbrella, wesshalb die Lappen und alle Taschen sich in wechselnden Ansichten zeigen; auf der Subumbralfläche ist ein dunkles Kreuz, von den breiten Magenfalten herrührend, schwach sichtbar. Fig. 50. Ältere Larve mit fortgeschrittener Lappenbildung in gleicher Ansicht wie Fig. 49, das interradiale Kreuz auf der Subumbrella ist deutlicher geworden. Tafel XXXI. Durchschnitte von Larven der Pelagia noctiluca in gleicher Vergrößerung wie Fig. 39—50. Fig. 54—55. Querdurchschnitte, von oben nach unten auf einander folgend, von einer jungen Larve vor der Einsenkung des Schlundes (vgl. Fig. 40); im Inneren zeigt sich der Urdarm, von welchem sich eine Magentasche oben (Fig. 54) und unten (Fig. 53, 54) bereits abgeschnürt hat, daneben zahlreiche Zellenreste. Vergleichende Entwicklungsgeschichte von Pelagia noctiluca Per. 2@99 Fig. 56. Querdurchschnitt durch eine abgeplattete, mit Schlund und Magen- taschen versehene Larve. Fig. 57—62. Querdurchschnitte einer ähnlichen Larve {vgl. Fig. 42). Die Magen- taschen theils mit dem Schlunde verbunden, theils von ihm getrennt. Fig. 63. Querdurchschnitt durch die Schlundbuchten einer bereits vier- kantigen Larve. Fig. 64—67. Querdurchschnitte von einer ähnlichen, nur wenig älteren Larve, in Fig. 64 ist eine Magentasche R über ihrer Mündung und folglich ein Taschen- vorhang getroffen. Fig. 68—72. Querdurchschnitte einer achtkantigen Larve, an denen in Folge einer etwas schrägen Schnittführung die oberen und die unteren Hälften ungleich erscheinen; in der höher liegenden unteren Hälfte von Fig. 69 sind die beiden Magenfalten in ihrem breiten oberen Theil getroffen, welcher die Interradialtaschen von oben her verdeckt. Fig. 73, 74. Aus den Fig. 68—72 kombinirte Durchschnitte, in Fig. 74 ist die Lichtung von Fig. 73 eingezeichnet, und bedeuten die punktirten Linien die Gren- zen der ursprünglichen vier Taschen. Fig. 75—83. Querdurchschnitte einer älteren Larve, Fig. 75—78 durch das vierkantige Peristom, Fig. 79 u. f. durch den achtkantigen Körperabschnitt unter- halb des Peristoms; in Fig. 79 u.80 sind die vier breiten Magenfalten sehr deutlich. Fig. 83—87. Aus dargestellten und anderen Schnitten der vorigen Serie kom- binirte Durchschnitte, Fig. 87 mit einer Einzeichnung aus höheren Durchschnitten, ähnlich wie in Fig. 74. Fig. 88. Etwas schräger Querschnitt durch eine junge Ephyrascheibe (vgl. Fig. 49). Fig. 89—914. Querdurchschnitte durch drei Stammlappen und den darunter liegenden Scheibenrand einer jungen Ephyra. Fig. 92. Querdurchschnitt durch die Basen dreier Siammlappen von einer etwas älteren Ephyra (vgl. Fig. 50). Fig. 93. Senkrechter Durchschnitt in der Querebene einer jungen Larve. Fig. 94—97. Senkrechte mittlere Durchschnitte von älteren Larven, vom Be- ginn der Subumbrella bis zur Lappenbildung. Fig. 98, Senkrechter mittlerer Durchschnitt durch eine Ephyra mit einer kegelförmigen Proboscis. Fig. 99. Ähnlicher Durchschnitt durch eine ältere Ephyra mit umgerolltem Mundrande 0’ und den Anlagen der Filamente mf. Fig. 400. Aus einem anderen Durchschnitt derselben Ephyra; in der Mitte zeigt sich (a) der Anschnitt eines interradialen Wulstes der Proboscis, zu beiden Seiten davon sind die ihn begrenzenden radialen Rinnen 5 getroffen. 46* Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. Ein Räderthier ohne Räderorgan. Von Professor Dr. Anton Wierzejski. (Krakau.) Mit Tafel XXXIL Diesen merkwürdigen Repräsentanten der Rotatorien-Klasse habe ich im Juni 1. J. in einem Wildteiche mit üppigem Pflanzenwuchs in der Ortschaft Debniki bei Krakau entdeckt. Sein Habitus und sein Gebahren sind so auffallend verschieden von denjenigen anderer Räder- thiere, dass auch ein geübter Beobachter im ersten Augenblicke an seiner Rotatoriennatur zweifeln könnte. Er ist mittels eines dichten Netzes gefischt worden, das an einer langen Schnur über Wasserpflanzen hin und wieder gezogen wurde. Wie aus zahlreichen Fischproben zu folgern ist, wählt das Thier zu seinem Aufenthalte seichtere, dichtbewachsene Stellen, ist aber auch an solchen nicht überall zu finden, sondern nur an ganz bestimmten Territorien. In nahe gelegenen Teichen, sowie vielen anderen in der Umgebung von Krakau wurde nach ihm vergeblich gesucht. Das Aufsuchen der gefischten Thiere ist sehr mühsam und zeit- raubend, man muss nämlich den Bodensatz aus dem Gefäße, wo das Netz ausgespült wurde, stundenlang unter dem Präparirmikroskope fleißig durchmustern, um etliche Exemplare zu erbeuten. Sie entziehen sich leicht der Beobachtung sowohl in Folge ihrer trägen Bewegungen, als auch dadurch, dass ihr Körper gewöhnlich kontrahirt und in Schlamm gehüllt ist, der ihm fest anhängt. Bei einiger Übung jedoch gewöhnt sich das Auge auch das kontrahirte Thier zu erspähen, zumal es durch den dunkelgefärbten Kropf, der vom halb- durchscheinenden Körper absticht, vom umgebenden Schlamm leicht zu unterscheiden ist. Das vollkommen ausgestreckte Thier fällt durch Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. 697 seine charakteristische Tentakelkrone (s. Fig. I, 2) sofort in die Augen. Letztere wird aber selten und nur für einen Augenblick entfaltet, ob- wohl das Räderthier sich fortwährend dazu anschickt. Die Muskeln - unserer Art sind ununterbrochen in Thätigkeit begriffen, deren Aus- druck das rhythmische Einziehen und Ausstrecken bald des Vorder-, bald des Hinterkörpers ist. Eine fortschreitende Schwimm- oder Kriechbewegung wurde nicht beobachtet. Durch energische Streckung des Körpers und einseitige Wirkung der Längsmuskeln, verändert das Thier seine Lage und schleppt sich langsam vorwärts. Es scheint auch im Freien zur raschen Ortsveränderung unfähig zu sein, allem Anscheine nach steckt es mit dem Hinterkörper im Schlamme, sei es am Boden der Gewässer oder im zähen organischen Schlamme, von dem die meisten Pflanzen überzogen sind. Ich habe es zwar nie an solchen festsitzend gefunden, wiewohl viele derselben zu dem Zwecke untersucht worden sind (es besitzt auch kein Haftorgan), trotzdem halte ich es für wahr- scheinlich, dass es mit dem Hinterkörper im Schlamme lose steckt, so dass es durch die Bewegung des Netzes von seiner Unterlage leicht losgerissen wird, mag dieselbe eine Pflanze oder der Teichboden selbst sein. Dafür spricht unter Anderem der Umstand, dass der Hinterkörper konstant mit einer schwer zu entfernenden Schlammkappe bedeckt ist und auch der übrige Körper einen wenn auch feineren Überzug von demselben Material trägt. Die Nahrung unserer Art besteht in kleinen, grünen, einzelligen Algen, die oft den ganzen Darmtractus erfüllen. Die Wahl derselben wird auf die Art bewerkstelligt, dass das Thier mittels seiner Kronen- lappen Verschiedenes in den Mund steckt und dann das Unbrauch- bare einfach ausspeit. In der Gefangenschaft konnte ich dasselbe nur höchstens acht bis zehn Tage am Leben erhalten, gewöhnlich geht es bald zu Grunde. Bisher habe ich lauter Weibchen beobachtet, wobei bemerkt werden soll, dass meine Untersuchungen leider Ende Juli abgebrochen werden mussten und im Herbst suchte ich am bezeichneten Orte ver- geblich sogar nach weiblichen Exemplaren. Sie sind ganz verschwun- den, was mit der Lebensweise der Räderthiere ganz gut stimmt, da die meisten derselben periodisch auftreten. Gelungene Präparate von vollkommen ausgestreckten Thieren sind äußerst schwer zu erhalten, wenigstens ließen mich dabei alle üblichen Fixirungsmethoden im Stich. Der Mangel an reichlicherem lebenden und konservirten Material hinderte mich somit, meine Beobachtungen an diesem höchst inter- essanten Räderthier zum vollen Abschluss zu bringen. Ich hoffe aber mi Air Ak K nz IH I I u Be Mi en DE A "TERRY u.) — - 698 Anton Wierzejski, dieselben nächsten Sommer wieder aufnehmen zu können. Indessen : übergebe ich die erzielten Resultate der Öffentlichkeit in der Über- zeugung, dass sie manches Interesse bei anderen Forschern erwecken und ihre Aufmerksamkeit auf diese und vielleicht noch viele zu ent- deckenden aberranten Räderthierarten lenken werden. Letztere Rück- sichten bewogen mich auch, dieser Arbeit einen etwas größeren Umfang zu geben, als es sonst bei Aufstellung neuer Arten zu geschehen pflegt. Diagnose der Gattung Atrochus. Körper weichhäutig ohne wirkliche Segmente, sein Vorderende breit trichterförmig mit centralem, weiten Mund, der von einer fünf- lappigen mit hohlen, konischen Tentakeln versehenen Krone umgeben ist. Wimperapparat fehlt gänzlich, dessgleichen ein Fuß; letzterer ist durch ein kuppelförmiges, retraktiles Endglied vertreten, an welchem die Kloake ausmündet. Dasselbe steckt in einem Futteral aus Schlamm, auch der übrige Körper ist von einer Schlammschicht überzogen. Darmkanal mit Vormagen (Kropf), auf den erst der mit starken Kiefern bewaffnete Kaumagen folgt. Geschlechtsorgane aus einem Ovarium und Uterus bestehend; die Jungen werden lebendig geboren. Die Nahrung bilden einzellige grüne Algen. Maximum der Länge des Weibchens 1,445 mm. Männchen unbekannt. Anatomischer Theil. Kap. I. Körperform und Größe, Haut. Im ausgestreckten Zustande hat Atrochus tentaculatus die in Fig. 1 und 2 dargestellte Form. Sein Körper gliedert sich in einen breit-trichterförmigen Vorderleib, einen spindelförmigen Rumpf und einen kurzen, kuppelförmigen, retraktilen Endabschnitt mit der Aus- mündung der Kloake. Eine wirkliche Segmentirung des Körpers ist nicht vorhanden, nur der Endkörper! könnte als besonderes Segment angesehen werden. Durch Kontraktion aber entstehen Scheinsegmente, besonders am Vorderkörper. Die soeben angegebene Gliederung des ganzen Körpers ist sowohl durch die Vertheilung der inneren Organe als auch der Muskeln gegeben. Im Vorderkörper liegt der Mundtrichter und der Vormagen, im Rumpf der Kaumagen, Magendarm, Blasendarm und Geschlechtsapparat, im Endkörper die Kloake. Die Vertheilung der Muskeln wird im nächsten Abschnitte besprochen werden. Die größten 1 Da dieser Abschnitt die Kloake enthält, so kann man ihn nicht ohne Wei- teres als Fuß bezeichnen, diesen Namen verdiente bloß sein hinter der Kloake be- findlicher Theil. ä 2 ah" N ee Se gr ne Da 1 De a ” rs ’ a a Fr rn rn rm A a En az rn eo z rer m mE am gen am nn re a nn nn - Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. 699 Exemplare messen bei vollkommen ausgestrecktem Körper bis 1,415 mm Länge, die größte Breite fällt etwa in das zweite Drittel der Rumpflänge und beträgt bei aufgeblähtem Körper 0,328 mm. Ich muss aber gleich bemerken, dass sowohl die Ausmaße des Körpers als auch seine Gestalt in Folge der ausgiebigen Muskelaktion des lebenden Thieres fortwährend wechseln. Es streckt sich nämlich bald sehr bedeutend in die Länge und gewinnt ein wurmförmiges Aussehen, bald zieht es den Vorder- und Endkörper mehr oder weniger ein und gestaltet sich zu einem Ellipsoid oder gar zu einer Kugel, bald bläht es sich auf, entfaltet auffallend weit seine Krone und wird einem mit langem Halse versehenen Trichter oder einer Keule ähnlich etc. Die Haut ist weich, sehr elastisch, vollkommen glatt und farblos, die Cuticula zart, klebrig und bis zur Krone mit feinem Schlamm überzogen, der mit einem Pinsel nicht leicht zu entfernen ist. Der Endkörper ist aber konstant mit einer stärkeren Hülle aus Schlamm umgeben und in Folge dessen ganz undurchsichtig. Specielle Drüsen zur Absonderung eines Klebestoffes habe ich nicht gefunden. Kap. II. Muskelsystem. Die Muskulatur ist bei unserer Art reichlich entwickelt und be- sonders am Vorderkörper sehr komplieirt. Die Muskeln zerfallen in Ring- und Längsmuskeln. Erstere gehören dem Hautmuskelschlauch, letztere sind vorwiegend Leibeshöhlenmuskeln!. a) Die Ringmuskeln erstrecken sich auf den ganzen Körper, ausgenommen den Endtheil desselben, der mit einem Muskelnetz ver- sehen ist. Sie liegen der Hypodermis dicht an, sind platte aber ziem- lich schmale, an manchen Stellen sogar fadenartige Bänder, ziehen ohne Unterbrechung in ziemlich dichten Touren um den ganzen Körper herum und anastomosiren vielfach mit einander, am Vorderkörper aber auch mit den Verästelungen der Längsmuskeln. An der Basis der Krone bilden sie an der Bauchseite einen starken Schnürmuskel, dessen Enden in die Bauchlappen der letzteren ausstrahlen, dessgleichen ver- laufen stärkere Züge an der Rückseite, so dass die Kronenbasis fest zusammengeschnürt werden kann. Am lebenden Thier ist der Rand der Krone nur bei ihrer vollkommenen Entfaltung und stärksten Er- i Als solche fasse ich mit ZELınkA (siehe »Über die Symbiose und Anatomie von Rotatorien aus dem Genus Callidina«. Diese Zeitschr. Bd. XLIV, 1886) die- jenigen Muskeln auf, die an der Haut entspringen, in ihrem Verlauf die Leibes- höhle nach verschiedenen Richtungen durchsetzen, um sich an die Organe und Organtheile zu inseriren. EEE eine ee ee ee he ee a rn 700 Falten gelegt, wie dies aus den Fig. 1 und 2 ersichtlich ist. Feinere Bändchen von Ringmuskeln setzen sich auch auf die Kronenlappen, besonders diejenigen der Bauchseite fort. Im feineren Bau stimmen die Ringmuskeln unserer Art mit den- jenigen anderer Räderthiere überein. Bei Kontraktion der Ringmuskeln wird der ganze Körper mehr oder weniger stark in die Länge gezogen, wobei sich der Hautmuskel- schlauch in zahlreiche, wellenartige Längsfalten legt. Die Zahl und Anordnung derselben ist weder konstant noch für die Charakteristik des Thieres von Belang, wesshalb ich ihre Beschreibung übergehe. b) Längsmuskeln. Unter den Längsmuskeln giebt es echte Leibeshöhlenmuskeln und Hautmuskeln; letztere verlaufen hauptsäch- lich am Vorderkörper, der Rumpf hat nur ein Paar fadenförmiger Hautmuskeln aufzuweisen (Fig. 2 Hm), die an der Bauchseite auswärts von den Leibeshöhlenmuskeln gelegen sind. Die Hautmuskeln des Vorderkörpers anastomosiren sowohl unter einander als auch mit den Ringmuskeln, einige derselben erscheinen sogar als Fortsetzung von Leibeshöhlenmuskeln oder umgekehrt. Es ist somit schwer in jedem einzelnen Falle zwischen Haut- und Leibeshöhlenmuskeln eine scharfe Grenze zu ziehen. Ich will desshalb einer bequemeren Orientirung halber diese beiden Muskelarten nach ihrer Lage an der Bauch- und Rückenseite darstellen. An der Rückenseite lassen sich folgende paarige Längsmuskeln unterscheiden: 1) Ein hinteres Paar (Fig. 1 MA,) entspringt an den Seitenflächen des Rumpfes und begiebt sich zur Kloake, wo es sich theils an die Wände derselben theils an den Hautmuskelschlauch an- setzt. Einzelne Fasern dieses Paares verbinden sich mit dem Muskel- netz des Endkörpers. 2) Das zweite hintere Paar (Fig. 1 Mh,) kreuzt sich in seinem Verlaufe mit dem ersten und sein Ansatzpunkt liegt ebenfalls knapp neben demjenigen des ersteren. Jeder dieser Muskeln ist eigentlich nur als die hintere Fortsetzung eines sehr langen Muskels zu betrach- ten, dessen vorderer, bandartiger und gabelig zertheilter Theil sich sowohl an den Seiten des Rumpfes als auch am Vorderkörper ausbreitet und mit den Nachbarmuskeln Verbindungen eingeht. Der Rumpftheil desselben ist in Fig. 1 mit Mv, bezeichnet, eben so sein gabelig ver- zweigter Kronentheil. Während also das erste hintere Paar dorsaler Muskeln als echte Leibeshöhlenmuskeln aufzufassen ist, kann das zweite nicht mehr als solche gelten. 3) Ein Paar langer vorderer Leibeshöhlenmuskeln (Fig. 1 Mv,). nn} ze Liz Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. 701 Dieselben inseriren sich an den Seitenflächen des Rumpfes neben dem Insertionspunkt des ersten hinteren Paares (Kloakenmuskeln), ziehen durch die Leibeshöhle zum Vorderkörper, wo sie dicht am Vormagen zum Mundtrichter laufen und sowohl an denselben als auch an die Krone einzelne Fasern abgeben. A) Das zweite Paar Leibeshöhlenmuskeln bilden die Muskeln des Kaumagens (Fig. I M%,). Sie inseriren sich an der Haut neben den vorigen und setzen sich an den Kaumagen an. Es sind dies ziemlich schwache Muskeln, welche hauptsächlich als Retraktoren des Kau- magens dienen. 5) Das dritte Paar kurzer Leibeshöhlenmuskeln (Fig. 1 Dim, Vkm) inserirt sich am Hautmuskelschlauch an der Grenze zwischen Vorder leib und Rumpf unter dem bandartigen Seitenmuskel, vereinigt sich mit dem gleichnamigen Muskel der Bauchseite etwa in der Hälfte seiner Länge und zieht zum Schlund, an den es sich seitwärts als gemeinschaft- liche Muskelmasse ansetzt. Beide Paare sind Retraktoren des Schlun- des, sie kreuzen sich nahe am letzteren mit den langen Retraktoren des Schlundes und der Krone, die unter 3 erwähnt und in Fig. I mit Mv, bezeichnet sind. Mittels feiner Fäden verbinden sie sich mit den Wän- den des Vormagens und mit den langen, vorderen Leibeshöhlenmuskeln der Bauchseite (s. Fig. 2 Mv,). 6) Ein laterales Paar vorderer Muskelbänder (Fig. 1 Mvs) inserirt sich an der Leibeswand nahe am gemeinschaftlichen Ursprungspunkte der drei langen Leibeshöhlenmuskeln (Fig. 1 Mh,, Mv,, Mk,), vereinigt sich bald mit dem hinteren Kloakenmuskel Mh, und zieht als breites Band an der Leibeswand entlang, indem es nach rechts und links gabelige Äste an dieselbe abgiebt. An der Grenze zwischen Vorderleib und Rumpf angelangt, setzt es sich zum Theil an den Hautmuskelschlauch an, nach innen zu aber gehen seine Fasern auf den Lateralmuskel des Vorder- leibes über, der sich am Rumpfe inserirt. Dieser Auffassung zufolge trägt letzterer dieselbe Bezeichnung Mv,. Er theilt sich gabelig in einen stärkeren äußeren und in einen schwächeren inneren Zweig; beide wiederholen diese Theilung und ihre Endäste vereinigen sich mit den Ringmuskeln an der Basis der Krone. 7) Außerdem verlaufen noch am Vorderleibe zwei platte Haut- muskelpaare: ein schwaches und kurzes (Fig. 1 Mv,) und ein breites, langes medianes Paar (Fig. I Mv,). Alle oberflächlichen Muskeln des Vorderleibes anastomosiren mit einander und mit den Ringmuskeln, so dass an demselben ein förm- liches Muskelnetz ausgebildet ist. Das laterale Paar verbindet sich außerdem, wie bereits erwähnt wurde, mit dem langen Lateralmuskel ae me vw „u . > gem mn nn » mn 0 — ERLEBT L LREZ TREE ZERETTE Pr nn > Dan EEE en er a 702 Anton Wierzejski, des Rumpfes. Sie bewirken einerseits die Faltung des Hautmuskel- schlauches am Vorderleibe, andererseits im Verein mit den Ring- muskeln die Zusammenschnürung desselben, ferner bewirkt das von ihren Anfangstheilen gebildete Netz die Einschnürung zwischen Vorder- leib und Rumpf. An der Bauchseite unterscheidet man drei Paare von Leibes- höhlenmuskeln, und zwar zwei Paare langer und ein kurzes Paar nebst vier Paaren Hautmuskeln. Zu den ersteren gehören: 1) ein Paar Kloakenmuskeln, die etwa in der Mitte des Rumpfes am Hautmuskel- schlauch beginnen und sich am Kloakenabschnitt ansetzen. Sie sind mitsammt den zwei dorsalen Paaren Retraktoren des Endkörpers und zugleich Dilatatoren der Kloake (Fig. 2 MA,). 2) Ein vorderes Paar (Fig. 2 Mv,) entspringt knapp an der Ur- sprungsstelle des hinteren Paares, zieht zum Mundtrichter und löst sich hier in mehrere Fasern auf, welche sich an den Schlund, an die Bauch- lappen der Krone und an die lippenartigen Wülste ansetzen. Sie sind hauptsächlich Retraktoren des Schlundes, aber auch der Krone und ihrer Bauchlappen. 3) Ein kurzes Paar (Fig. 2 Dim), dessen bereits oben bei Beschrei- bung der Muskulatur der Rückenseite gedacht wurde. Zu den Hautmuskeln der Ventralseite zähle ich folgende Paare: 1) ein Paar sehr feiner Lateralmuskeln des Rumpfes (Fig. 2 Hm), 2) ein Paar kurzer Muskeln des Vorderleibes (Fig. 2 Mvs), 3) ein Paar mittlerer (Mv;) und 4) ein Paar innerer Hautmuskeln des Vorderleibes. Die zwei letzteren Paare sind länger als das erste, entspringen am Rumpfe, verbinden sich hier unter einander, heften sich an die Leibeswand an der Basis des Rumpfes an, ziehen dann unter der Haut des Vorderleibes, wo sie sich eben so gabelig verzweigen, wie die entsprechenden Mus- keln der Rückenseite, von welchen sie sich aber durch eine viel ge- ringere Breite unterscheiden. Ihre Wirkung ist auch eine ähnliche, sie bilden mit den Ringmuskeln und den Hautmuskeln der Rückenseite zusammen das oben erwähnte Muskelnetz des Vorderleibes. Kap. III. Krone und Mundtrichter. Unsere Art ist ein Räderthier ohne Wimperapparat. Seine trichter- förmige Krone ist in fünf ungleiche Lappen ausgeschnitten, deren Rän- der statt Cilien hohle, spitz kegelförmige Tentakeln tragen (Fig. 3). Drei dieser Lappen gehören der Rückenseite (Fig. 4) und zwei der Bauch- seite (Fig. 2); unter den ersteren ist der mittlere der größte, von vier- eckiger Form und an den oberen Eeken mit je zwei Tentakeln ver- sehen, die lateralen sind kaum über den Basalsaum der Krone erhoben Br = BL Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. 703 und tragen je drei Tentakeln; man könnte sie somit als bloße Tentakel- gruppen betrachten und die ganze Krone nur als dreilappig ansehen. Die zwei Bauchlappen sind unter allen die größten, sie erscheinen bei vollkommen entfalteter Krone stumpf dreieckig, bei etwas eingezogener bogenförmig abgerundet (diese Form haben sie in Fig. 2). Sie stehen weit entfernt von der Mittellinie, fallen auch gegen dieselbe steiler ab als nach auswärts. Ihr Saum trägt sechs oder fünf Tentakeln, welche zu vier und zwei oder zu drei und zwei gruppirt sind, wodurch jeder Bauchlappen aus zwei Theilen zusammengesetzt zu sein scheint. Die Zahl der Kronententakeln ist überhaupt nicht konstant, denn man trifft Individuen mit 22, 20 und 18 Tentakeln, ja sogar solche, bei denen die korrespondirenden Lappen eine ungleiche Tentakelzahl aufweisen. In der Regel variirt die Zahl der Tentakeln an den Bauchlappen, wo manchmal zwei derselben in einen einzigen, am Ende gabelförmig getheilten zusammenfließen, was aber auch am unpaaren Rückenlappen vorkommt, der statt vier nur zwei gabelförmige Tentakel tragen kann, oder an einer Ecke zwei, an der anderen einen einzigen gabelig ge- theilten. Ob die größere Tentakelzahl normal ist, oder aber die kleinere, das müsste man erst durch zahlreiche Beobachtungen feststellen. Eben so wie die Zahl unterliegt auch die Größe der Tentakeln individuellen Schwankungen, sie hängt übrigens großentheils von der Muskelaktion der Krone und vom Drucke der Leibesflüssigkeit ab. Die Lappen sind nämlich ähnlich wie ihre Tentakeln hohl, kommuniciren direkt mit der Leibeshöhle, können demnach bei Kontraktion des Kör- pers von letzterer aus geschwellt werden. An der Basis der großen Bauchlappen sind in ihrem Hohlraum Bänder quer ausgespannt, welche wahrscheinlich die Aufgabe haben, dieselben vor allzu starker Schwel- lung zu schützen. In Folge des direkten Zusammenhanges des Hohlraumes der Krone mit der Leibeshöhle, ferner eines komplieirten Muskelapparates, der die Krone, den Mundtrichter und sogar sehr entfernte Körpergegenden zugleich beherrscht, wechselt beim lebenden Thier sowohl die Höhe der Krone als auch ihr Durchmesser, dessgleichen die Dimensionen und Gestalt ihrer Lappen, entsprechend jeder Kontraktion und Erschlaffung der Muskeln. Es darf somit nicht befremden, wenn die Fig. 4 und 2 verschie- dene Ansichten der Krone bieten, und wenn ihre Gestalt am lebenden Thier dem Beobachter noch andere Bilder vors Auge führt. Der Mundtrichter öffnet sich fast central und ist im hohen Grade dehnbar, so dass er bei ausgestreckter Krone fast dem ganzen oberen = wi, Fr ano FE a VEEEEERETTEREEERELE T ne Bi are — —— en Fa. ee an Dre m Sur E 7% \ 704 Anton Wierzejski, Querschnitt des Vorderleibes gleichkommt. Seine Ränder sind deutlich markirt und bilden eine viereckige Figur mit eingebuchteten Seiten und abgerundeten Ecken, gegen den Rückenlappen der Krone hin bilden sie eine seichte Rinne (s. Fig. 3). Um die Mundöffnung herum befin- den sich wulstige Erhebungen, gleichsam Lippen, die bei partieller Kontraktion des Vorderkörpers deutlich hervortreten. An der Mund- höhlenwand bemerkt man an zwei gegenüber liegenden Stellen je ein Büschel von äußerst zarten Wimperhaaren (wie bei Floseularien), die anscheinend keiner selbständigen Bewegung fähig sind. Außerdem ist sie mit kurzen, paarweise gruppirten Börstchen ziemlich dicht besäet. Dieses Detail, sowie vielleicht noch manches andere, das mir verborgen blieb, ist schwer zu beobachten, da das Thier im normalen Zustande selten den Mundtrichter etwas ausstülpt, und unter stärkerem Druck des Deckgläschens fallen die Wände des letzteren ganz zusammen. Die Wimpern und Borsten im Mundtrichter sind wohl als der noch erhaltene untere Wimperkranz zu betrachten, während der obere, wie weiter gezeigt wird, nur im embryonalen Leben auftritt. Kap. IV. Verdauungskanal. Der ganze Verdauungskanal gliedert sich in einen Mundtrichter, einen Schlund, einen Kropf (Vormagen), einen Kaumagen, der die Kiefer beherbergt, einen Magendarm, Blasendarm und einen Enddarm mit- sammt der Kloake. Am Boden des Mundtrichters, den wir schon aus dem vorigen Kapitel kennen, sind die Wände des Verdauungsrohres stark chitinisirt und bilden eine Art Schlundkopf, der bei Kontraktion von der Seite halbkugelig erscheint und bei Erweiterung des Schlundes einer flachen Schale ähnlich sieht. An seinem Grund mündet jederseits eine kleine Drüse, deren Bau in Fig. 9 dargestellt ist. An seine Wände setzen sich die oben besprochenen Schlundmuskeln. Der auf den Schlundkopf folgende kurze Abschnitt des Schlund- rohres ist membranös und aus großen Zellen zusammengesetzt. Aufihm ruht das Ganglion von der Rückenseite, und beiderseits legen sich an ihn die massigen Theile der Exkretionsorgane an. Das Schlundrohr erweitert sich sodann in einen ziemlich geräu- migen Vormagen oder Kropf (Fig. I Kr), wie ihn Leyvie! bei Floscularia und Stephanoceros nennt. Ob er vom Schlund durch ein inneres Septum getrennt ist, wie bei letztgenannter Art, konnte nicht festge- stellt werden. ! Über den Bau und die systematische Stellung der Räderthiere. Diese Zeit- schrift. Bd. VI. Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. 705 Der Kropf nimmt fast die ganze Länge des Vorderkörpers eın. Es ist ein sehr eigenthümlich aber regelmäßig gebuchteter Sack, dessen innere Wände eine chitinige Intima bildet, auf der große, breit spindel- föormige Zellen ruhen. Letztere sind mit dunkelbraunen Pigmentkörn- chen sowie mit Fettkügelchen erfüllt, die in einer Flüssigkeit suspendirt sind. Die ersteren sind konstant in zitternder Bewegung begriffen. Im auffallenden Lichte erscheinen die Wände des Kropfes weiß. Sie sind sehr zart, da sie auch beim gelinden Druck oder Zug leicht zer- reißen und der Inhalt ihrer Zellen sich in die Leibeshöhle ergießt. Im kontrahirten Zustande zeigt der Kropf an der Dorsalseite zwei Paare von kugeligen Ausbuchtungen, eben so viele an der Ventralseite und je eine an den Seiten. Außerdem befinden sich noch kleine Aus- buchtungen dorsal, und zwar zwei vordere in der Richtung des Schlund- rohres, und zwei hintere gegen den Kaumagen hin. Beim Embryo ist der Kropf ein durch seinen großen Umfang auf- fallendes Organ, dessen Wände aber noch nicht die eben beschriebenen Ausbuchtungen besitzen, sondern glatt sind, ihre Belegzellen enthalten grünlich gefärbtes Pigment, welches noch den bläschenförmigen Kern deutlich durchscheinen lässt. Die Anhäufung des Pigmentes in den Wänden des Kropfes eines reifen Thieres hängt eben so wie diejenige des Fettes vom physiologi- schen Zustande des ganzen Verdauungsapparates ah. Über die physiologische Bestimmung dieses sogenannten Kropfes kann man sich wohl so lange kein Urtheil erlauben, bis speciell auf die Erforschung derselben gerichtete Beobachtungen bestimmte Anhalts- punkte dazu bieten. Auf den Kropf folgt unmittelbar der Kaumagen (Fig. 1 Km) mit seinen kräftigen dunkelbraunen Kiefern, der aber nur bei vollständiger Streckung des Verdauungskanales gehörig sichtbar ist. Dieser Ab- schnitt wird in der Regel Pharynx genannt, welche Bezeichnung ich hier aus dem Grunde nicht anwenden will, weil sie für ein hinter dem Vormagen gelegenes Organ weniger zutreffend ist, als der Name Kau- magen. Der Kieferapparat des Kaumagens ist von einem sehr starken Bau und besteht aus einem kurzen plattenförmigen Fulcrum, auf dem die Rami des Incus ruhen, und aus zwei Mallei. Erstere haben eine im All- gemeinen halbringförmige Gestalt, ihre distalen Enden sind aber nach auswärts geschweift. An dieselben sind die massiven Mallei derart angeheftet, dass sie eine ganz freie Bewegung sowohl gegen einander, als auch nach vor- und rückwärts, sowie eine Drehung um ihre Achse ausführen können. An der Innenwand des Incus ist eine Reihe senk- a m—— A en er ” = TEE DE FEN Er — 5 rt ae Fr Dow Fe er ELTERN u v ‘ 706 Anton Wierzejski, recht stehender, dreieckiger Plättchen angebracht, die eine Art Reußen- apparat bilden {s. Fig.5 z). Die Mallei sind mit je einem kräftigen Zahne versehen, dessen freies Ende abgeplattet, messerartig ist, und dessen Wurzel in einen langen cylindrischen Stab ausgezogen ist. Neben diesem Hauptzahn sitzt noch ein spitz zulaufender Zipfel, wohl ein Rudiment des zweiten Zahnes (Fig. 5 Hz, Nz). | Die breiten Kieferladen sind nach auswärts von Zelleruppen um- geben, die mit Kaumagenmuskeln in Verbindung stehen, eine ähnliche Zellgruppe bildet an der Rückenseite eine Brücke zwischen den beiden seitlichen. Ob alle zusammen den Speicheldrüsen anderer Rotatorien homolog sind, vermag ich in dem Falle nicht zu entscheiden, obwohl sie in der Tafelerklärung als Drüsen bezeichnet werden. Wenn auch der kurz beschriebene Kauapparat im Großen und Ganzen dem wohlbekannten Bauplane der Rotatorienkiefer entspricht, so steht er doch in seiner speciellen Einrichtung ganz allein da. Die- selbe ist aus den Fig. —6 viel besser zu ersehen, als aus einer noch so genauen Beschreibung, wesshalb ich auf eine solche verzichte. Der Magendarm (Fig. 1 Md) hat eine ovale Form und eine schmutziggrüne Farbe. Seine Wände bestehen aus einer cuticularen Intima, auf welcher große, mit zahlreichen Fetttröpfehen und einem gelblichgrünen Fluidum erfüllte Zellen ruhen. Die ersteren sammeln sich gewöhnlich an den Zellgrenzen an, ihre Zahl und Größe schwankt je nach dem physiologischen Zustande des Magendarmes. Der ganze Magen wird von einem starken Ringe im Meridian um- fasst; dieser setzt sich mit breiter Basis an den nächstfolgenden Ab- schnitt, den Blasendarm, so an, dass zwischen ihm und der hinteren Magenwand ein freier Raum übrig bleibt. In seinem weiteren Verlauf liegt er der letzteren unmittelbar auf, wird gegen den Kaumagen zu schmäler und verliert sich an der Grenze zwischen ihm und dem Magendarm (vgl. Fig. 1 Mr). Seine Wände sind dünn und sein Inneres ist von einem feinkörnigen Plasma mit eingestreuten Kernen erfüllt. Letztere sind gewöhnlich an seiner Basis angehäuft, etwa neun an der Zahl, kommen aber auch an anderen Stellen vor; sie scheinen übrigens einer Verschiebung fähig zu sein. Jeder dieser Kerne enthält ein in der Mitte gelegenes Kernkörperchen. Seinem histologischen Bau nach ist somit dieser Ring ein Zellsyneytium und entspricht in dieser Be- ziehung den Magendarmwänden anderer Rotatorien. Seine Form aber und sein Verhältnis zur ganzen Magenwand und zum Blasendarm stempeln ihn zu einem besonderen, leider zur Zeit noch räthselhaften Organ, das in morphologischer Beziehung keinem der bisher bekannten Organe des Verdauungsapparates gleichgestellt werden kann. Wahr- re Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. 707 scheinlich wird die Entwicklungsgeschichte zur Lösung dieses Räthsels verhelfen. Der Blasendarm (Fig. 1 Bd) ist ein durchsichtiger farbloser, dünn- wandiger Sack, der im kontrahirten Zustande einer kugeligen Blase ähnlich sieht. Seine Wände sind von feinen Längs- und Ringmuskeln durchzogen und enthalten große Zellen, die nach innen vorragen. Auf den Blasendarm folgt der Enddarm, der nach kurzem Verlauf sich zur Kloake erweitert. Er nimmt den Ausführungsgang des Ge- 'schlechtsapparates und den unpaaren Gang der Exkretionsgefäße auf. Hinter der Einmündung der beiden letzteren stülpt er sich an der Bauchseite zu einer kontraktilen Blase aus. Die Kloake ist ein weiter muskulöser Sack, welcher mit den oben besprochenen Kloakenmuskeln in Verbindung steht, außerdem aber durch feine Muskelfäden an die Wände des Endkörpers fixirt ist. Sie mündet an einer kuppelartigen Papille an der Rückenseite aus. Die kontraktile Blase (Fig. 4 und 2 Cb) sah ich bei einigen Indivi- duen mit denselben Algen gefüllt, die im ganzen Darmrohr sich befan- den, woraus zu schließen wäre, dass dieselbe eher dem Verdauungs- apparat als den Exkretionsorganen angehört — ein merkwürdiges Verhalten, das zum eingehenderen Studium des Baues und der Funktion dieses Organs anregt. Mir fehlte dazu leider die Zeit und ein reich- licheres Material. Eine Flimmerung im Darmkanal habe ich nicht beob- achtet, ich konnte sogar in dem farblosen Blasendarm keine Flimmer- haare entdecken. Beim Embrye aber sind solche im Magendarm deutlich zu sehen. Blutflüssigkeit. Die Leibeshöhle ist von einer farblosen Flüs- sigkeit erfüllt, in welcher feine Körnchen und größere, besonders bei Embryonen zahlreiche zellige Elemente schwimmen. Kap. V. Exkretionsapparat. Das Exkretionsorgan ist nach dem gewöhnlichen Typus gebaut. Es besteht aus zwei Längsstämmen (Fig. I und 2 Ex), welche vom Gehirn (an welches sich ihre massigen Anfangstheile seitwärts knapp anlegen), durch die ganze Leibeshöhle ziehen und sich über dem End- darm an der Bauchseite zu einem unpaaren Sammelrohr vereinigen, das in die Kloake vor der kontraktilen Blase einmündet (vgl. Fig. 2 Sr). Jeder dieser Stämme schmiegt sich im oberen Verlauf an den Vormagen an, im Rumpfe zieht er seinen Wänden entlang, biegt in dessen hinte- rem Theile unter einem Winkel gegen den Enddarm um und vereinigt sich mit dem anderseitigen Stamm zu einem kurzen, aber ziemlich weiten Sammelrohr. Den größten Durchmesser erreichen die Ex- ee Se Ba a a a Nee, 3 3 : - R a r EE SR ae 708 Anton Wierzejski, kretionsgefäße in der Gegend des Magendarmes, wo sie aus mehreren | langen, spindelförmigen, deutlich gekernten Zellen bestehen, hierauf verengen und erweitern sie sich einige Male, bilden nahe am Enddarm dreieckige Lappen, welche mittels feiner Aufhängefäden an diesen geheftet sind und verengen sich abermals vor ihrer Einmündung in den gemeinsamen Stamm (das Sammelrohr). Aber nicht nur die hinte- ren Enden der beiden Längsstämme sondern auch die vorderen stehen unter einander in Verbindung, letztere durch ein äußerst feines Röhr- chen, welches oberhalb dem Gehirn den Mundtrichter im Halbkreis umfasst und in vielen geknäuelten Windungen sich in den Anfangstheil eines jeden Längsstammes an den Seiten des Gehirns verliert. Dieses Verbindungsröhrchen flimmert in seinem ganzen Verlauf und giebt, so viel ich sehen konnte, zwei ziemlich lange mit ihren Enden gegen den Rückenlappen der Krone gekehrte Wimpertrichter ab (Fig. 4 Wi). Ob außer letzteren vielleicht noch andere Verästelungen dieses Röhrchens bestehen, etwa ein Netz, das den Mundtrichter umspannt, konnte bei der Feinheit des Objektes nicht festgestellt werden. Außer den er- wähnten zwei bilateral am Mundtrichter liegenden Flimmerlappen wurden noch zwei Paare solcher an den Längsstämmen in ihrem Rumpftheile beobachtet (Fig. 2 Wi). Der sonstige Bau der Exkretionsorgane hat nichts Bemerkens- werthes, oder von bereits Bekanntem Verschiedenes aufzuweisen. Bevor ich aber dieses Kapitel abschließe, mag noch hervorgehoben werden, dass die Exkretionsgefäße nicht dorsal sondern ventral in die Kloake einmünden, und dass auch die kontraktile Blase sich ventral befindet. Dieser Befund verdient aus dem Grunde ausdrücklich betont zu werden, weil in der Regel das Gegentheil stattfindet. Kap. VI. Nervensystem und Sinnesorgane. Das Gehirn ist ziemlich groß, im Umriss viereckig und aus zahl- reichen sehr blassen feinkörnigen Zellen zusammengesetzt (Fig. I Ce). An seine Seitenwände stoßen unmittelbar die massigen Theile der Exkretionsorgane an. Von ihm strahlen folgende Nervenstämme aus: 1) ein Paar vorderer Nerven, die zur Basis des Rückenlappens der Krone ziehen und sowohl ihn als auch die benachbarten Muskeln ver- sorgen; 2) ein Paar seitlicher Nerven, deren Endigungen die Laterai- antennen bilden (Fig. 1 La); 3) ein Paar hinterer Nerven, welche von der Hinterfläche des Gehirns entspringen, nahe neben einander parallel laufen und ohne sich zu verzweigen im Rumpfe an der Leibeswand endigen (Fig. 4 Nh); 4) ein unpaarer Nervenfaden entspringt von der Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. 709 Oberfläche des Gehirns etwa in der Mitte und zieht senkrecht zur Haut, wo er in dem gleich zu besprechenden Rückentaster endigt. Von Sinnesorganen sind außer dem Rückentaster und Lateral- antennen sonst keine vorhanden. Das Auge fehlt, ich habe es auch bei Embryonen nicht gesehen. Die Lateralantennen entsprechen in ihrem feineren Bau vollkommen denjenigen anderer Räderthiere, wesshalb ich auf ihre nähere Beschreibung nicht eingehe. Der Rückentaster bildet eine kleine Vertiefung der Cuticula am Nacken, die von einem Ringwall umgeben ist. Vom Rande des letzteren ziehen sehr feine Fäden nach vor- und rückwärts so wie rechts und links, die wahr- scheinlich mit Nerven dieses Organs in Verbindung stehen. Das für dasselbe charakteristische Büschel feiner Borsten habe ich nicht ge- sehen, wiewohl ich meine Aufmerksamkeit speciell darauf richtete. Vielleicht wird es nur selten ausgestreckt, wenn es überhaupt vor- handen ist. Den spindelförmigen Nervenstrang dieses Tastorgans umgiebt eine Hülle, die mit feinen Muskelfäden versehen zu sein scheint, da der Strang in ihr oft wellig oder sogar spiralig gewunden liegt. Von peripherischen Bauch- und Seitensträngen habe ich nichts gesehen. Es müssten besondere Studien auf ihre Entdeckung gerich- tet sein. Kap. VII. Geschlechtsorgane und Entwicklung. Wie aus der Einleitung bereits bekannt ist, habe ich keine Männ- chen gefunden. Die nachfolgende Beschreibung betrifit somit aus- schließlich das weibliche Thier. Sein Geschlechtsapparat besteht aus einem ziemlich kleinen Ovarium (etwa 0,5 mm im Durchmesser) mit dem ein langer, dünnwandiger Schlauch in Verbindung steht, welcher als Eileiter und Uterus zugleich fungirt. Der ganze Apparat liegt links (bei der Rückenlage des Thieres), mehr auf der Bauchseite und ist durch mehrere Aufhängebänder an den Darmkanal angeheftet, so dass er diesem eng angeschmiegt erscheint. Die Wände des Uterus sind ‚sogar mit denjenigen des Enddarmes vor seiner Einmündung in die Kloake auf eine kurze Strecke verwachsen. Das Ovarium liegt unmittelbar hinter dem Kaumagen, es hat eine länglich-ovale Gestalt und enthält in einem fein granulirten Plasma etwa bis neun große, helle Kerne mit glänzenden Kernkörperchen. Es sind dies die jungen Eier, welche sich successiv abschnüren, wachsen, mit dunkelkörnigem Plasma füllen und zum reifen Ei werden. Einen besonderen Dotterstock, der nach neueren Angaben bei allen Rotatorien vorkommen soll, habe ich bei dieser Art nicht unterscheiden können. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LV. Bd. 47 N N er 710 Anton Wierzejski, Ich habe zwar bei einigen Individuen bis drei dunkeikmmigh neben einander gesehen, fand aber keine weiteren Anhaltspunkte dieselben als Dotterzellen zu deuten. | Das Ovarium ist von einer glashellen Membran umgeben, welche oben in zwei Zipfel ausläuft, die es an den Vormagen heften. Dieselbe geht nach unten unmittelbar in die Uteruswände über. Letztere sind auch sehr zart und im histologischen Bau den Wänden des Blasen- und Enddarmes vollkommen ähnlich. Über den Gang der Entwicklung kann ich nur Weniges berichten, da die Beobachtung der Entwicklungsvorgänge durch die geringe Durch- sichtigkeit der Leibeswand, sowie besonders durch kontinuirliche Kon- traktionen des Thieres sehr erschwert werden. a fehlte es mir an reichlicherem Material. Das Ei macht alle Entwicklungsphasen im Uterus durch bis zur vollen Ausbildung des Embryo. Seine Furchung scheint inäqual zu verlaufen und führt zunächst zu einem großzelligen Morulastadium. Das nächste von mir beobachtete Stadium ist ein ovaler Sack, dessen Wände aus zahlreichen, ganz kleinen, einander gleichen Zellen be- stehen und an einer Stelle eingestülpt sind. Neben diesem Stadium lag im Uterus desselben Thieres ein kegelförmiger Embryo, bei dem bereits das Mundrohr deutlich sichtbar, und dessen Schwanzende gegen die Bauchseite gekrümmt war. Hinter dem letzteren Stadium befand sich ein ganz reifer Embryo, bei dem alle inneren Organe aus- gebildet waren. Er war etwa 0,56 mm lang und lag im Uterus zu- sammengekrümmt, wobei er aber fortwährend seine Lage wechselte, so dass er mit dem Kopfe bald nach vorn, bald nach hinten sich um- drehte. Bei einem anderen Individuum sah ich neben einem vollkom- men ausgebildeten Embryo einen etwas jüngeren von etwa 0,42 mm Länge, dessen Gestalt in Fig 8 dargestellt ist. Derselbe ist besonders durch sein Räderorgan ausgezeichnet, welches aus einem einfachen Kranze langer, auf der wallartigen Umgrenzung des Mundes stehender Cilien besteht, die sehr energisch arbeiten. | Dieses Stadium kommt selten zur Beobachtung, worauszuschließen ist, dass das Wimperorgan sehr schnell rückgebildet wird und seine Stelle die Kronenlappen einnehmen, die sich am Rande des Mund- trichters erheben. Ihre Entstehung scheint mit der Ausbildung der Leibeshöhle gleichen Schritt zu halten. Es kommen vor Allem die drei Hauptlappen zum Vorschein, d. i. der Rückenlappen und die Bauch- lappen. Der Embryo erinnert in diesem Stadium an eine junge Floscu- laria triloba. Unter reifen Embryonen, die mir zu Gesicht kamen, habe ich Fe Ze ne et en Ze a N Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. 711 keine Männchen beobachtet, wenigstens waren alle mit einem Darm versehen, während bekanntlich Rotatorienmännchen darmlos sind. Die im Uterus liegenden älteren Embryonen sind von einer sehr zarten glashellen Hülle umgeben, in welcher sie sich von Zeit zu Zeit umdrehen. Sie verbleiben hier wahrscheinlich so lange, bis sie eine bedeutende Länge erlangt haben, denn, wie ich bereits oben erwähnte, fand ich Embryonen von 0,56 mm Länge und noch längere, die dem Mutterthier bis auf den noch unvollkommen ausgebildeten Geschlechts- apparat glichen und trotzdem noch im Uterus herumgetragen wurden. Den Geburtsakt habe ich nicht beobachtet, dessgleichen gelang es müı nicht ganz junge Individuen neben den Mutterthieren zu finden und ihre Lebensweise und Organisation näher kennen zu lernen. Kap. VIII. Systematisches, Über die Stellung unserer Art im Rotatoriensystem ist vor der Hand nicht angezeigt ein endgültiges Urtheil auszusprechen, ich will daher im Nachfolgenden nur auf ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu anderen Arten hinweisen. Maßgebend für die Beurtheilung der erste- ren ist einerseits die oben betonte Thatsache, dass Atrochustenta- eulatus im embryonalen Zustande mit einem Wimperkranz versehen ist, dessen Stelle später die Tentakelkrone einnimmt, andererseits die Gestaltung der letzteren sowie der allgemeine Habitus des Thieres, der in ihm einen nahen Verwandten der Flosculariadae erkennen lässt. Freilich wären dies annäherungsweise die einzigen allgemeinen Merk- male, auf die sich diese allenfalls entfernte Verwandtschaft stützen lässt, da unsere Art in sonstigen Eigenthümlichkeiten ihres Baues von echten Floscularien so weit abweicht, dass sie zum wenigsten eine besondere Stellung in der Ordnung Rhizota beanspruchen dürfte. Sie nähert sich zwar am meisten den bis jetzt bekannten, aberranten Formen der Floseulariaden: Acyelus inquietus Leidy und Apsi- lus lentiformis Metschnikoff, denen ebenfalls der Wimperkranz und letzterem auch der Fuß fehlt, jedoch weichen die letzteren ebenfalls von den Flosculariaden so weit ab, dass ihre Einreihung in diese Gruppe durch Hupson und Gossz auch ernste Bedenken erwecken muss. Es wäre somit vielleicht noch am meisten angezeigt, bis auf Weiteres sowohl diese als auch den Atrochus und andere noch zu entdeckende aberrante Formen ohne Wimperkranz in eine neue Familie der Atrochidae zu vereinigen. Krakau den 30. Oktober 1892. 47* 712 Anton Wierzejski, Atrochus tentaculatus nov. gen. et sp. Erklärung der Abbildungen. Die Linsensysteme sind nach Zeiss. Tafel XXXII. Fig. 4. Atrochus tentaculatus.n. gen. et sp. @ von der Rückenseite im vollkommen ausgestreckten Zustande, etwas schematisirt. Vergr. 150mal. Farbenbezeichnung: Verdauungskanal bräunlichgrau, Magendarm schmutzig- grün, Nervensystem blau, Exkretionsorgane grün, Geschlechtsorgane röthlichbraun, Muskelsystem rosaroth. Kr, Kropf; Km, Kaumagen; Mr, Magenring; Md, Magendarm; Bd, Blasen- darm; Cd, kontraktile Blase; Cl, Kloake; Rt, Rückentaster ; Ce, Gehirn; La, Late- ralantenne; Nh, hinteres Nervenpaar; Ex, Exkretionsgefäß; Wt, Wimpertrichter; G, Geschlechtsapparat; Ov, Ovarium; Dkm, dorsaler kurzer Leibeshöhlenmuskel ; Vkm, ventraler kurzer Leibeshöhlenmuskel; Vs, Vereinigungsstelle beider; Mv;, erstes vorderes Muskelpaar; Mvs, zweites vorderes Muskelpaar; Mv3, drittes vor- deres Muskelpaar; Mv4, viertes vorderes Muskelpaar; Mhı, erstes hinteres Muskel- paar (Kloakenmuskel); Mha, zweites hinteres Muskelpaar; H, aus Schlamm gebildete Hülle am Endkörper. Fig. 2. Dasselbe Thier von der Bauchseite gesehen, mit etwas eingezogener Krone. Etwas schematisirt. Vergr. 150mal. Farbenbezeichnung wie in Fig. 1. O0, Mundöffnung;; Mt, Schlund ; Sr, Sammelrohr der Exkretionsgefäße; Hm, Hautmuskel. Die sonstige Bezeichnung wie in Fig. A. - Fig. 3. Krone von oben gesehen, gezeichnet bei AO;. O0, Mund; RI, Rückenlappen; Bl, Bauchlappen. Fig. 4. Kieferapparat von der Rückenseite. Z. DO,. Is,Incus; Fm, Fulerum; Dr, Drüsen; Km, Ansatzpunkt des Kaumagenmuskels. Fig. 5. Kieferapparat von der Bauchseite in etwas verschobener Stellung. Z. DO4. : | Is, Incus; Fm, Fulcrum; Rs, Rami des Incus; Ms, Malleus; Hz, Hauptzahn; Nz, Nebenzahn; Z, spitz dreieckige, gebogene Plättchen an derInnenwand des Incus. Fig. 6. Kieferapparat von der Bauchseite noch mehr verschoben wie in Fig. 5, um die Gestalt der Zahnspitzen sowie die Art der Verbindung der Mallei mit den Rami zu zeigen. Z. DO,. | Fig. 7. Ovarium. Vergr. Z. DO2. iu Fig. 8. Embryo mit provisorischem Räderorgan gezeichnet bei DO, und um die Hälfte verkleinert. Fig. 9. Schlundkopfdrüse im optischen Querschnitt gezeichnet bei DO,. # D ” # ’ Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. ; 17 * £ i . { t ö j De j 1a \ URL: 79 Fig? 9 Fig. FigS. Fig.6. Figr Fig. Fig. u i Be | ZEN Dr. & ae DNS a - N SO . sr n > er “oo Ed) i ei © Fig > | | 0 Ag = Pig E ERS EL = Il | 5 Te IE Er EEE > = of Su s | i | v- A a De FA ne rinnen nen ereeneiähe __Trmed.ögl 2 _NbaL. x ; Tat.Mz>- - 3 To r ABl I 4 } Er nedl,p.olk. | = : a h "Ih ed ip. DasIbtth; med.Mz. ME£ Bu __. ML ___bVnbal. 2R mittl.Gglu. baslhbdl. T.med.GgLl." Vi Troll y ‘ b.Randf. 7 = medpolf ; ä | Lith.Austv B.A Funke Leipzig. schrül f miss.Zool. Ba.lY Fig (20) er . en 1.6.1112) ‚Dors.Mz. Ba 2 | > ir medMz. Mf ) > | | Igor) DPhbal. Fig.l (149) 1u.splı ---Blnbal. ME --Forelsche Kreuzung 2 M. com. Wilh. Engelmann iu Teipzig ; EitichuwEAPenkalahrig, za ee Ar Ka en a Lan nn uhr. „grossze er N n eild, red. M: N j; kleinzell. 5 a DVndal.- ee bLttn/ & Fig.ö0. : grossz.Teil &.medAMz. dorsMz. Ikleurzeit. daR Jalshrilt ‚Fniss Kool. Ba.bV - Te Tr —— YorlagWillingelmann in Leipzig % Kr a a . Pr 1 . & 5 A r ” B - -- ” E 4 ; - + Fe vn je N er rn ker ch ee > ern een - Pass » e nr R - N er; Pe \ } a . hr 2 \ . Sn: 3 h b r fi WE x R z ; e CR “ BR; « = ee ee u ne nu rn ten nina er nn nennen 2 A ne me 2 —n Zu! a nn = 7 - 5 - I B 5 N - Dr Zeü » (+) NET R HR) N TIEREN ) Taf: va. ih Ani e When Mitar PrandfurtiM Planocera pellucida (Mertens) 7 „Im edum a qm bm IQ GT > III III N Res N un an Be @ a ne IN AN We nn = a In IN) u) m) ) ed Iıth. Anst. v Werner &Winter, Frankfart EM. fi Swiss. Zoologie Ba. ul 2 Zuitschn eu a x Taf: VI. Verlag wWAlh Engebrann, } Tin Aust wlinner Käntar PronhFIRTERE Planocera simrothi ri. 53 r er Zur a CT a 3 u A fi 1 S i [: I te Ge nn > N, Iıth Änst.Werner & Winter, Frankfurt? M. DSC.(®) Lv. Graf? del. Fiss Zoologie Ba.Ly Tafı IX. Zeitschr nl Verlag wWilk. Engelmann, leipzig, | Jith. Anst wWerner & Winter Frankfure®M 1-5 Slylochoplana sargassicola (Mertens) 6.Planaria notulata Bosc.() en 1 Ba arg He Sn en Dun EEE = 5 e x = N £ k 5 ‘ z Die Ge ee Zune Zeitschrift fwiss. Zoolo Mm AN Jith Anst.v.Werner & Winter Frankfurt? M. L.v.Graff del. ee I lschrift wiss Zoologie BAM: Alk EAST sdr. vmda i i - 6 i i 9 o ph \ | psm Ur 1-4 Planctoplana Verlag vWilh. Engelmann, herpziz challengeri n.g,n.sp. 5-8 Planocera grubei N.Sp- Lik Anstu Werner & Hinten Frankfurt? N D2 Aufn ve a Er ts m cr Fk N 2 5 Keen ee en ee er u 2 w , “ var u ae FE ac ii re ar Ge Mi Zeitschrift £ wiss. Zoologie Ba. IV 2449 1 a 1 Mi Verlag vWilh Engelmann, Leipzig, TBBOLDE IE 78. daR eg ehe en ET EEE TTIEZ IE nn z Loch de SCSsch., Zeitschrt | | = ‚ft (ms. Zoologie Ba.LV- ech“ ; se sch S chep "ech schstr 7 P' 13. ech: ' Eee nr ech“ chep azsch Verlag wWilh. Engelmann, Leipzig no u ra ‘ a A ne RE ae - Fre 3 E u Verlag wWilk. ETFE Zeitschril fwiss, Zoologie DREH Zuitschrift Fwiss. Zoologie. Ba.LY. a an i : käse Ä Bi Prr,n FREE EN Zeitschrift f.wiss. Zoologıe Bd.LV. 1 ] ‚Is = 5 R “Ange FE Verlag vi « Zeitschrift Swiss. Br>. Zoologie. Bd IN. Yailschrift Kwiss. Zoologie Dal Zeils ET = EAN? eru2 en ER Be. Verf XV. Werner Allinter Irankfurt Al e tschnifl K.wiss. Zoolog. Ba.V Big. [# Verlag Willi Engehnamn in Leipzig, Lith.Anst xEA.Funke,Leip zig. Vera Wilh.Engelmann ix Fe ipzig. * See IE = br EFER 1 2 u N EZ a Zeiischrift Kuss. Zoologie Ba 5 EEE I BE [2} | = | -chep sesch en gch i 5 Zu g gl sesch er) 5. Sschstr azsch“ izsch ba ech C h ep Das ba tesch esc CSc tesch „cch chep ba chep .tesch So Liüh Anst.vWerner & Winter, Frankfirt ME Zeitschrift f. wıss. Zoologie H IE SDITE esch | | | I | I | | | | { —==1 te7, Fra2 kfurt‘ M. 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