ee We u EN

RFENAERBA RBBARP ee 1 SERFRERKEREBRRE HR KILLITEETEILTE FERN I 1a ABMUIHERGRBTEIHREERSEHEFTNE

Co BSESCHARRERRRITERTE

nu

rl

Tea rl

ze Al,

N n

17

<2

Zeitschrift

WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE

begründet

Gar! Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker

herausgegeben von

Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers

Professor a.d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen.

Dechsundsechzigster Band

Mit 40 Tafeln und 35 zum Theile zweifarbigen Figuren im Text.

LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1893

EEE

Inhalt des sechsundsechzigsten Bandes.

Erstes Heft. Ausgegeben den 6. Juni 1899. Beiträge zur Histologie der männlichen Geschlechtsorgane von Hirudo und

Aulastomum, nebst einigen Bemerkungen zur Epithelfrage bei den EEirayürmermn.,, Von: A. Schuberg. (Mit Taf. La. ..-.. ..-

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara as observed in Melophagus ovinus. By H. 8. unit (With Plates II—III and . Een SSH ee ee ER EN 5 SEE EEE

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. Von H. Männer. (Mit Taf. IV—-VIL)..... My seir ee

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion und Resorption in der Darmschleimhaut. Von W. Möller. (Mit Taf. VIII und IX... .

Über eigenthümliche epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. Von L. Johann. (Mit Taf. RX und 1 Bieim ext), 2...

Zweites Heft. Ausgegeben den 21. Juli 1899.

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen bei der Eibildung einiger Mollusken und Arachnoiden. Von P. Obst. (Mit Taf. XII-XIII m. 3 eds Mesa) re ea N 14,

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbesondere ihrer Verbindung. Dee Sehatrer (Mit Taf. XIV und XV). 2... .....

Über zwei Zoantheen. Von A. R. v. Heider. (Mit Taf. XVI und XVIL)

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. Von Beanler. (Mit Tag. XVII und XIX) 27... 02...

Drittes Heft. Ausgegeben den 22. September 1899.

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. Von R. W. Hoff- ann. (Mit Tatel XX—XXI und 5 Fig. im Text.)........ Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen und die Methylen- blaufixirung nach Bethe.e Von A. 8. Dogiel. (Mit Taf. XXII

Seite

161

214 269

289

IV

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. Von

B. Sukatschoff. (Mit Taf. XXIV—XXVI und 1 Fig. im Text.) .

Über die Entwicklung des knöchernen Rückenschildes (Carapax) der Schild-

kröten. Von A. Goette. (Mit Taf. XXVII—XXIX und 3 Fig.

| im Mexb)..... 0.0 Eee

“Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. Von R. 8. Bergh. (Mit Tat: RR... Wear ae nr Le

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. Von E. rg ze

(META RR IIRUIND

Viertes Heft. Ausgegeben am 20. Oktober 1899.

Über Phagocytose und Fxkretion bei den Anneliden. Von G. Schneider. (Mit TAXI) NN a Fe

Über die Temperatur der Insekten nach Beobachtungen in Bulgarien. Von P: Bachmetjew. (Mit, 5 ERig. im ext) nr Aus dem Gebiete der Regeneration. Von E. Schultz. (Mit Taf. XXXVI und AXXVIl.)..... „u... Den 2 Zur Embryologie von Salpa maxima africana. Von A. Korotneff. (Mit Taf. XXXVIH— XL) 2 2202 20205 8

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. Von B. Eide. (Mit 14 Fig. im. Lex.) le eener ee a

Pe I

Beiträge zur Histologie der männlichen Geschlechts- organe von Hirudo und Aulastomum, nebst einigen Be- merkungen zur Epithelfrage bei den Plattwürmern.

‚von

Prof. A. Schuberg

(Heidelberg).

Mit Tafel I.

Die meisten Organsysteme der Hirudineen sind in neuerer Zeit eingehenderer histologischer Untersuchung unterzogen worden; ins- besondere haben die eigenthümlichen und verwickelten Verhältnisse des Exkretionsapparates eine ziemlich ausgiebige, wenn auch nicht abschließende Bearbeitung erfahren. Den Geschlechtsorganen dagegen wurde verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Es mag desshalb nicht überflüssig sein, wenn ich in Nachstehendem zur Kenntnis des Baues der Hoden und der Samenleiter einige Beiträge zu liefern versuche. Dieselben sind zwar etwas fragmen- tarisch; gleichwohl glaubte ich nicht auf deren Veröffentlichung ver- zichten zu sollen, da die Verhältnisse des Hodenepithels nicht nur ein allgemeineres histologisches Interesse darbieten dürften, sondern vielleicht auch für die in neuerer Zeit ihrer Lösung entgegengeführte Frage nach dem Körperepithel der Plattwürmer von einigem Werth sein könnten.

Meine Untersuchungen erstrecken sich nur auf die Gattungen Hirudo und Aulastomum, die ja in der Anordnung der Geschlechts- organe im Wesentlichen übereinstimmende Verhältnisse aufweisen. Auf die gröbere Anatomie kann ich mir wohl versagen, näher einzu- gehen, da ich dieselbe als bekannt voraussetzen darf und nichts Neues darüber zu berichten habe.

Was am Bau der Hodenbläschen noch nirgends eine aus- reichende Darstellung gefunden hat, und was ich hier vor Allem

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 1

I A. Schuberg,

nachzuholen versuche, das ist deren innere Auskleidung, ihre Epithel- verhältnisse. Bis jetzt liegen hierüber die folgenden Angaben vor.

Was zunächst Zirudo und Aulastomum betrifft, so schreibt LEYDIG in seiner ‚»Histologie« (57, p. 529): »Die der Tunica propria des Hodens nach innen an- liegenden Zellen wimpern nur bei wenigen Thieren, bei den eigentlichen Hiru- dineen (Aurudo, Haemopis) z. B., wo die zarten Cilien sehr lebhaft schwingen.< LEUCKART schildert die Histologie der Hoden in der i. Auflage seines Para- sitenwerkes (63, p. 674) folgendermaßen: »Histologisch unterscheidet man am Hoden und Samenleiter eine strukturlose Tunica propria, der eine kernhaltige Bindegewebslage aufliegt.< »Ob die Hodenbläschen ein eigentliches Epithelium besitzen, ist zweifelhaft....«e Dagegen spricht Remy SAINT-LouUP von einem vollständigen Epithel (84, p. 100): »En examinant la paroi interne d’une capsule testiculaire de Sangsue ou de Nephelis, on remarque qu’elle est tapissee d’un epithelium dont les Elöments ont la forme de polygones irreguliers adjacents. A chacun de ces polygones correspond une cellule en contact imme£diat avec lui et dans laquelle la coloration par le picrocarmin fait apparaitre un noyau jaune tres refringent environne d’une masse granuleuse qui se colore vivement en rouge carmine. Une calotte plus exterieure, de protoplasma transparent, limite exterieurement cette cellule et prend une teinte rosee.«< In der Erklä- rung der Figur, welche zur Illustration dieser Verhältnisse dient, ist nicht an- gegeben, von welchem Objekte sie stammt. Wie wir weiter unten sehen wer- den, trifft die Darstellung SAınT-Loup’s für Zirudo und Aulastomum jedenfalls nicht zu. CHWOROSTANSKY (86), welcher SAINT-LOuPp sonst in manchen Punkten berichtigt, geht auf den feineren Bau der Hodenbläschen nicht ein. VoGT und YvnG (88, p. 337) schließlich schildern die Hoden von Hirudo als »kleine feste und starke Kugeln«, deren jede »von einer strukturlosen Eigenhaut umgeben wird«e.

Zu diesen Angaben, die sich im Wesentlichen nur auf Airudo beziehen, kommen noch einige über andere Hirudineen, und zwar meistens Rhynchob- delliden. Von Piseicola schreibt LEYDIG (49, p. 120): »Die Hodenfollikel (Fig. 45) lassen zu äußerst eine zarte bindegewebige Hülle (a) mit eingestreuten Kernen (d) erkennen. Auf sie folgt die Tunica propria (c) des Hodenbläschens, stärker kontourirt und nach innen mit einem schwer zu erkennenden, äußerst blassen Epithel (e) bekleidet.« Es ist bemerkenswerth, dass in der zugehörigen Figur das Epithel nur in der unmittelbaren Nähe des Ausführungsganges eingezeich- net ist. In einer wenig späteren Arbeit bemerkt Leypi@ (51, p. 318) über die »Hodenblasen« von Branchellion torpedinis: »im Innern flimmern sie (bei Piseicola ist dieses nicht der Fall;j und treiben damit ihren Inhalt rotirend herum«. Von den Hodenbläschen der Pontobdella berichtet VAILLANT (70, p. 53): »Chacun d’eux se compose d’une enveloppe transparente, epaisse de 0,015 mm, amorphe, dans laquelle l’action de l’acide acetique fait apparaitre des noyaux ovoides de 0,031 mm de long sur 0,014 mm de large.« Dagegen beschreibt ORXA die Hoden der japanischen Gattung Orobdella folgendermaßen (95, p. 297): »Each capsule in lined by flat cells all around, except at one point, where the testis communicates with the vas deferens. Here, the cells forming the wall of the

' In der 2. Auflage sind die histologischen Verhältnisse der männlichen Geschlechtsorgane noch nicht geschildert; die Darstellung bricht in der letzt- erschienenen Lieferung (5) bei der gröberen Anatomie ab.

Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomumete. 3

capsules becomes higher and columnar and form a sort of ciliated funnel with the narrower end opening into the vas deferens.<

Wie diese Aufzählung zeigt, stimmen die Beschreibungen der Hodenwand von Airudo und Aulastomum weder unter einander, noch mit denjenigen der Hoden anderer Hirudineen überein.

Die Entwieklung der Hoden hat BÜRGER bei Nephelis, Hirudo und Aulastomum untersucht. Die Verhältnisse der erstgenannten Form, die von denen der beiden letzteren etwas abweichen, können hier wohl unberücksichtigt bleiben. Bei Zirudo und Aulastomum (94, p. 453) entstehen die Hoden als platten- förmige Verdickungen des somatischen Blattes der »Seitenhöhlen«e. »Aus der Zellenplatte bildet sich schnell durch Vermehrung ihrer Zellen ein ansehnlicher mehrschichtiger solider Zellenballen. Dieser wird zum Hodenbläschen, indem er sich aushöhlt (Fig. 29). Dabei werden die peripheren Zellen des Ballens zum Epithel des Hodenbläschens, die centralen frei, so dass sie in dem Bläschen flottiren. In den freien Zellen haben wir vielleicht schon Samenmutterzellen vor uns (Fig. 34—36). Es war mir nicht möglich ihr Schicksal zu verfolgen, da sie sich auch in den ältesten von mir aus den Kokons aufgezogenen jünge- ren Blutegeln nicht verändert hatten. Während das Epithel des Hodenbläschens anfänglich aus kubischen Zellen mit kugeligen Kernen besteht, wird es später ein sehr niedriges Plattenepithel mit spindelförmigen Kernen von überall der gleichen Beschaffenheit. «

Sehr spärlich sind die Angaben über die Herkunft der im Hodenbläschen frei beweglichen Elemente, aus denen die Spermatozoen entstehen, der »Samen- mutterzellen«.

LEYDIG (49, p. 121) giebt hierüber gar nichts an; doch macht er eine an- dere Bemerkung, auf die später noch zurückzukommen sein wird. Er fand nämlich bei Piscrcola in den Hodenbläschen zweierlei Gebilde, »einmal die be- kannten maulbeerförmigen Entwicklungszellen der Spermatozoen«, und dann »weniger zahlreich vorkommende Zellen, die einen bis vier Körper enthielten, die er dem Discus der maulbeerförmigen vergleichen möchte«e. Nach SAINT- Loup (84, p. 100) fallen die oben erwähnten Epithelzellen des Hodens in dessen Hohlraum, wo sie in zweierlei Weise sich entwickeln können. Die eine Art von Zellen bildet die Spermatozoen; von den anderen dagegen heißt es: »elles semblent destinees & mourir et & jouer dans les masses spermatophores le m&me röle que les cellules vitellines dans les masses ovariennes«. Nach BÜRGER (94, p. 453) dagegen werden, wie schon oben erwähnt wurde, die central gelegenen Zellen des Zellhaufens, welcher die Hodenanlage darstellt, zu Samenmutterzellen. Doch äußert BÜRGER sich nicht darüber, ob später noch eine weitere Produk- tion von Samenmutterzellen erfolgt.

Meine eigenen Beobachtungen wurden theils an Flächenpräpa- raten, theils an Schnitten angestellt. Beide geben einander ent- sprechende, sich gegenseitig ergänzende Bilder.

Hirudo und Aulastomum verhalten sich vollkommen gleich; nur hat Hirudo größere Zellen, was die Untersuchung natürlich wesent- lich begünstigt.

Flächenpräparate fertigte ich auf folgende Weise an. Ein durch Wegpräpariren des Darmes freigelegtes Hodenbläschen von Hirudo

1*

4 A. Schuberg,

oder Aulastomum wurde vorsichtig aus dem Bindegewebe und den Muskelzügen!, die es umhüllen, herausgelöst. Dann wird die Wand des Bläschens entweder durch einen Vertikalschnitt von der Dorsal- seite her durchgetrennt und, so weit es eben möglich ist, flach aus- sebreitet; oder aber man halbirt das Bläschen durch einen hori- zontalen Scherenschnitt in zwei Hälften, eine ventrale und eine - dorsale, die man durch einige kleine Einschnitte an den Schnitträndern vorsichtig ausbreitet. Dass in beiden Fällen Faltungen nicht ver- mieden werden können, ist klar. An derartigen, frisch in physio- logischer Kochsalzlösung untersuchten Präparaten, deren Deckgläschen durch nicht allzu kleine Wachsfüßchen gestützt werden müssen, kann man sich zunächst davon überzeugen, dass die alte Levpıc’sche An- gabe von der Flimmerung der Hodenwand zutrifft. Es ist merk- würdig, dass die späteren Beobachter diese Thatsache nicht nur nicht mehr erwähnten, sondern anscheinend auch selbst völlig übersahen. Nur OxA giebt an, dass bei Oroddella in der Umgebung der Ein- mündungsstelle des Vas efferens ein Flimmerepithel vorhanden sei. Anscheinend haben die meisten Untersucher das Deckgläschen ohne Stütze aufgelegt, wodurch die Wimperbewegung, die ohnehin nicht sanz leicht zu sehen ist, gehemmt wurde. Freilich zeigt sich auch alsbald, dass nicht die ganze innere Fläche des Hodenbläschens gleichmäßig bewimpert ist. Auch bei Arrudo und Aulastomum ist dies nur in der Umgebung der Öffnung des Vas efferens unter rela- tiv größere Partien der Wand hin zu beobachten. Dies hängt mit der eigenthümlichen Beschaffenheit des Epithels zusammen.

Ein geschlossenes Epithel, bei welchem die einzelnen Zellen in geradlinigen Kanten einander berühren, ist nämlich nicht an der ganzen Oberfläche des Hodenbläschens vorhanden, sondern nur in der unmittelbaren Umgebung der Öffnung des Vas efferens (Fig. 4). Hier findet sich ein aus nahezu kubischen, nur wenig abgeflachten Zellen bestehendes Epithel, wie man sich auf Längs- und Quer- schnitten durch die Hoden oder die ganzen Thiere überzeugen kann (Fig. 5). Die Kerne der Epithelzellen sind sehr chromatinarm; die Cilien, welche die gegen das Lumen etwas vorgewölbte Fläche be- decken, fein und zart und etwa so lang, als die Zellen hoch sind. In einer gewissen Entfernung von der Einmündungsstelle des Vas efferens zeigt nun das Epithel eine eigenthümliche Veränderung.

! Da es mir wesentlich nur auf Schilderung der Epithelverhältnisse an- kommt, gehe ich im Nachfolgenden auf eine Schilderung des Bindegewebes und der Muskulatur ete. in der Umhüllung der Hodenbläschen nicht ein.

Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomumete. 5

Betrachtet man z. B. einen Längsschnitt durch ein Hodenbläschen, so findet man, dass schon an der ventralen, noch mehr aber an den seitlichen Partien des Bläschens das Epithel in einzelne Gruppen von Zellen zerfällt (Fig. 4 u. 6). Von diesen Gruppen zeigen die dem Vas efferens zunächst liegenden im Längsschnitt noch etwa fünf bis sechs Zellen und sind von einander durch flache Furchen getrennt, welche sich bis auf die bindegewebige Unterlage des Epithels ein- senken. Je mehr man aber in der Betrachtung der Wand des Hodenbläschens nach der Dorsalseite zu fortschreitet, desto geringer wird die Anzahl der einzelnen Zellen, welche die Zellgruppen zu- sammensetzen, und desto größer werden die Zwischenräume, welche die einzelnen Gruppen von einander trennen. An den seitlichen Wandungen sieht man in der Regel nur noch zwei Zellen im Längs- schnitt und in der dorsalen Partie schließlich (Fig. 4 u. 7) findet man meist nur noch einzelne, mit flacher Wölbung in das Lumen des Bläschens vorspringende Zellen, welche annähernd die gleiche Höhe zeigen, wie das zusammenhängende Epithel, aber mit breiterer Basis der bindesewebigen Unterlage aufsitzen, als es bei dessen Zellen der Fall ist, also auch größer sind, als diese. Das Protoplasma dieser isolirten Zellen ist auch etwas stärker färbbar als bei dem zu- sammenhängenden Epithel.

Es trifft also, nach meinen Beobachtungen, bei den erwachsenen Blutegeln nicht ganz zu, was BÜRGER von den Jugendstadien be- richtet, dass nämlich »ein sehr niedriges Plattenepithel mit spindel- förmigen Kernen von überall der gleichen Beschaffenheit« vorhanden sei; wohl aber stimmen meine Beobachtungen mit denen Oka’s an Orob- della im Wesentlichen überein. Nur ist nach OkA der Wimperbesatz allein auf das die Ausführungsöffnung umgebende Epithel beschränkt.

Von besonderem Interesse und die Resultate der Schnittunter- suchung aufklärend sind wiederum Flächenpräparate. Hierbei ist es jedoch zweckmäßig, die flach ausgebreitete Hodenwand mit Subli- mat oder einem anderen Reagens zu fixiren. Ein derartig her- sestellies, gefärbtes und in Balsam eingeschlossenes Präparat zeigt Fig. 1 bei schwacher Vergrößerung. Hier sieht man, wie in einiger Entfernung von der Öffnung des Vas efferens das zusammenhängende Epithel durch sich einlagernde Zwischenräume allmählich in einzelne Zellgruppen aufgelöst wird, welche netzförmig verbundene Stränge bilden und um so mehr aus einander rücken, je mehr sie sich von dem zusammenhängenden Epithel entfernen. Betrachtet man der- artige Zellgruppen bei stärkerer Vergrößerung, und zwar am besten

6 A. Schuberg,

unmittelbar nach Sublimatfixirung in Wasser!, so sieht man, dass die peripheren Zellen der einzelnen Gruppen mit denen benach- barter Gruppen durch oft recht lange Ausläufer verbunden sind, und dass diese Zellbrücken als ein oft vielfach anastomosirendes Netz- werk erscheinen, das sehr an die Pseudopodiennetze einer Gromia erinnert (Fig. 2. In den dem Vas efferens zunächst liegenden Zell- gruppen stoßen die einzelnen Zellen noch in der gewöhnlichen Weise an einander, und nur die peripheren Zellen zeigen die Ausläufer, welche sich mit denen der benachbarten Gruppen verbinden (Fig. 3). Dass diese Ausläufer nichts Anderes sind, als weit ausgezogene Zell- brücken, lässt sich leicht aus solchen Stellen ersehen, wie sie Fig. 2 zeigt, wo man Übergänge von kürzeren zu längeren Zellbrücken wahrnimmt. Je mehr die einzelnen Zellen von einander getrennt werden, desto mehr nehmen sie den Habitus von sternförmigen Bindegewebszellen an, wie man sie im Gallertgewebe und im embryo- nalen Bindegewebe antrifft; sie entfernen sich also recht erheblich von dem gewöhnlichen epithelialen Typus. Der allmähliche Über- gang des eigentlichen Epithels zu Elementen von bindegewebigem Typus indessen, die topographischen Verhältnisse und die Wimper- bedeckung beweisen, dass auch die letzteren Elemente epithelialer Natur sind.

Zwischen den lang ausgezogenen Zellausläufern wird die Be- srenzung des Hodenbläschens, so viel ich sehen kann, direkt durch das Bindegewebe gebildet, dessen fibrilläre, mit sternförmigen Zellen versehene Grundsubstanz sich hier zu einer Art Membran verdichtet, die etwas stärker färbbar erscheint.

Wie ein Vergleich mit der oben angeführten älteren Litteratur leicht zeigt, stimmen die Angaben von LeyDiG, BÜRGER und ORKA mit meinen Beobachtungen am meisten überein, durch die sie er- sänzt und gewissermaßen vereinigt werden.

Auch im Ovarium der Hirudineen, das ich indessen selbst nicht darauf hin untersucht habe, scheinen die Epithelverhältnisse ähnlich zu sein. Schon Leypie (49, p. 123) giebt für Prscicola an, dass »das auskleidende Epithel nieht kontinuirlich die Innenfläche überzieht, sondern große Lücken zwischen sich lässt«. Und Lyrıma beschreibt Ähnliches von Nephelis (82, p. 202), ja seine Schilderung kommt meinen Beobachtungen am Hodenepithel ziemlich nahe: »This stratum

! Auch an gut gefärbten Hämatoxylin-Präparaten mit nachfolgendem Balsameinschluss lässt sich das Obenstehende oft noch recht gut beobachten.

Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomum ete. 7

is composed of cells which we may regard as epithelial, although they do not present the form or arrangement characteristic of most epithelial layers. Instead of forming a continuous sheet of closely packed cells, they are so loosely arranged that wide spaces are left between them, except in the longitudinal area, borne by the rachis, where they give rise to egg-strings. Outside this germinal area the cells have an elongated spindle shape.< Anscheinend handelt es sich hier um ganz ähnliche Verhältnisse, wie im Hodenepithel von Zirudo und Aulastomum. Ob jedoch auch eine Bewimperung vorhanden ist, finde ich nirgends angegeben.

Schon oben wurde erwähnt, dass die Angaben über die Ent- stehung der Samenmutterzellen außerordentlich dürftig sind. Für die erwachsenen Thiere macht überhaupt nur Saınt-Loup eine Angabe (s. 0... Danach sollen die Epithelzellen des Hodens sich loslösen und theils zu Samenmutterzellen werden, theils aber ab- sterben und in den »masses spermatophores« die gleiche Rolle spielen, wie die Dotterzellen in den »masses ovariennes<. Der Nachweis eines Wimperbesatzes an den Epithelzellen des Hodens von Hirudo und Aulastomum scheint mir nun an sich schon dagegen zu sprechen, dass die Hodenepithelzellen zu Samenmutterzellen werden. Ich habe aber außerdem auch niemals eine Beobachtung gemacht, welche irgend welche Anhaltspunkte hierfür lieferte. Ja selbst bei kleinen Individuen von Aulastomum von 50 mm und 18 mm Länge fand ich im Wesentlichen die gleichen Verhältnisse wie bei den erwachsenen Thieren; nur dass anscheinend die Zwischenräume zwischen den Epithelzellen noch etwas weniger weit waren, als bei den erwach- senen Individuen. Irgend welche Stellen, welche für eine Ablösung von Epithelzellen sprächen, habe ich auch hier nicht angetroffen. Es wäre ja immerhin denkbar, dass dieser Process nur während einer bestimmten Jahreszeit vor sich geht; da man aber auch immer ver- schiedene Stadien der Spermatozoenentwicklung im Hoden vorfindet, so kommt mir das nicht recht wahrscheinlich vor.

Neben den frei in der Hodenflüssigkeit suspendirten verschie- denen Entwicklungsstadien von Samenmutterzellen zu Spermatozoen findet man nun noch andere Elemente, welche, wie oben angegeben, auch schon Levvie (49, p. 121) und Samrt-Loup (84, p. 100) erwähnt haben, ohne dass sie jedoch eine genauere Beschreibung derselben gegeben hätten. Es sind dies ungefähr kugelige Zellen, welche meistens mehr als einen, in der Regel zwei oder drei Kerne ent- halten und ein vacuoläres Protoplasma besitzen. Mitunter trifft man

8 A. Schuberg,

diese Zellen in größeren Massen zwischen die Samenbildungszellen eingelagert (Fig. 8). Ihr Protoplasma erscheint ziemlich hyalin; die Vacuolen sind hell und zeigen nur selten einen etwas körnigen In- halt. Nach Sublimathärtung und Färbung mit Hämatoxylin, Eosin oder Karmin bleiben sie ungefärbt; bei Konservirung mit Osmium- säure erscheinen sie in Paraffinschnitten theilweise etwas gebräunt. Anfangs dachte ich daran, diese vacuolären Zellen seien Degene- rationsstadien der Samenbildungszellen. Da man sie jedoch auch schon bei jungen, 18 mm langen Thieren wenn auch weniger häufig antrifft, so halte ich dies für weniger wahrscheinlich. Ich glaube vielmehr eher, dass sie als eine Art Nährmaterial für die Samenbildungszellen dienen und gleichzeitig vielleicht auch die Flüssigkeit des Hodenbläschens erzeugen.

Nach den Angaben von BÜRGER über die Entwicklung der Hoden entstehen diese als solide Zellmassen, die sich aushöhlen. »Dabei werden die peripheren Zellen des Ballens zum Epithel des Hoden- bläschens, die centralen frei, so dass sie in dem Bläschen flottiren. In den freien Zellen haben wir vielleicht schon Samenmutterzellen vor uns« (94, p. 453). Ich möchte nach diesen, wie nach meinen _ eigenen Beobachtungen glauben, dass in späteren Stadien keine Los- lösung von Epithelzellen zum Zwecke der Samenproduktion mehr erfolgt, sondern dass die aus der centralen Masse der Hodenanlage entstandenen Zellen frei in der Hodenflüssigkeit flottirend sich vermehren und dass deren Abkömmlinge theils Spermatozoen produeiren, theils aber auch sich vacuolär umbilden und vielleicht als Nährmaterial oder als die Ernährung der anderen aktiv vermittelnde Elemente funktioniren.

Es ist von Interesse, darauf hinzuweisen, dass im Ovarium der Hirudineen ähnliche Verhältnisse vorhanden zu sein scheinen. Seit lange kennt man die sog. »Keimstränge« oder »Eifäden<, »welche locker und in einander geschlungen« im Ovarialsacke liegen. Nach Isıma (82, p. 203) entstehen diese Stränge (»egg-strings«) im Zu- sammenhang mit dem »germogen«; ich halte es indessen für nicht ausgeschlossen, dass das »germogen« nur die Stelle darstellt, wo das Epithel zusammenhängend ist (s. o.), ähnlich der um den Ausführ- sang herum sich erstreekenden Fläche zusammenhängenden Epitheis im Hoden. Die weiteren Angaben Isıma’s wie diejenigen von SAINT- Loup sind nicht absolut beweisend. Leypıs, welcher die Ovarien der Hirudineen wohl zuletzt genauer untersucht hat, giebt jedenfalls für Aulastomum, Olepsine und Nephelis ausdrücklich an, dass die Keim- stränge nicht angewachsen sind, sondern frei im Ovarium liegen

Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomumetc. 9

(88, p. 293 ff. Und auch Lupwic hatte schon früher betont, »dass die äußere Hülle des Eierstocks keinen Antheil an der Eibildung nehme« (74, p. 61). |

Auch »degenerirende« Zellen, die für die Ernährung der Ei- zellen verwendet werden könnten, wurden mehrfach aus dem Ovarium beschrieben, so z. B. von LeypıG (49, p. 125) und O. Herrwıc (77, p- 14). Vielleicht sind auch die »rundlicheekigen Körper mit vacuo- lärem Innern« hierher zu rechnen, die LEYDIG (88, p. an. im Uterus von Aulastomum antraf.

Da schließlich die Entwicklung der Ovarien nach BÜRGER (94, p- 453) ähnlich verläuft, wie die der Hoden, indem nämlich in einer soliden Zellenmasse eine Sonderung in eine »periphere Zellschicht« und eine, von dieser durch einen Spalt geschiedene centrale Zellen- masse eintritt, so dürften auch in dieser Hinsicht Ovarien und Hoden sich ähnlich verhalten.

Es scheint also, dass sowohl Samenmutterzellen wie Eier in den ausgebildeten Geschlechtsorganen nicht mehr von deren Wandung aus neu produeirt werden.

Das Vas deferens von Hirudo und Aulastomum hat merkwürdiger- weise bis jetzt noch nirgends eine zutreffende Darstellung erfahren, obwohl die gröberen Verhältnisse sehr leicht festzustellen sind. LEUCKART schreibt hierüber (94, p. 736): »Das Vas deferens ist mit _ unbewaffnetem Auge unschwer zu erkennen, hat also eine ziemlich - ansehnliche Dicke, verdankt diese aber vornehmlich dem Umstande, dass es zahlreiche dieht auf einander folgende kurze Windungen macht. Und nicht bloß die Samenleiter, auch die Vasa efferentia zeigen solche Windungen, letztere sogar noch zahlreicher, so dass gelegentlich dadurch der Anschein eines förmlichen Nebenhodens entsteht.«e Die anderen Autoren machen überhaupt keine Angaben über das Vas deferens.

Bringt man ein herauspräparirtes Stückchen eines Vas deferens unter das Mikroskop am besten nach vorheriger Färbung und Einschluss in Kanadabalsam —, so überzeugt man sich leicht, dass die LEuUCKArRT’sche Darstellung nicht zutrifft. Was LEUCKART als kurze Windungen beschreibt, sind nichts Anderes als drüsige Aus- sackungen, welche einem ungefähr eylindrischen centralen Kanale so dicht angelagert sind, dass dieser kaum wahrzunehmen ist (Fig. 9). Ganz die gleiche Beschaffenheit zeigen die kurzen Vasa efferentia, dureh welche die Hodenbläschen ihren Inhalt in die beiden, an den

10 A. Schuberg,

Seiten des Körpers nach vorn verlaufenden Vasa deferentia entleeren, wenigstens in ihrem größeren Haupttheile. Nur sind die drüsigen Aus- sackungen der Vasa efferentia noch dichter stehend und umfangreicher (Fig. 1); dem entsprechend gab auch LEUCKART an, dass die Vasa efferentia zahlreichere »Windungen« besäßen, als die Vasa deferentia. Anders jedoch gebaut ist der kurze Anfangstheil der Vasa efferentia, der sich unmittelbar am Hodenbläschen befindet. Hier fehlen die drüsi- gen Aussackungen vollständig (Fig. 1 u. 5 v.e), so dass dieser Theil aus einem kurzen cylindrischen Rohr besteht, dessen kubisches, mit Cilien bedecktes Epithel unmittelbar in das kubische Epithel des Hoden- bläschens übergeht. Der distale Abschnitt der Vasa efferentia und die Vasa deferentia lassen im Querschnitt den oben erwähnten cen- tralen, etwa cylindrischen Kanal erkennen, welchem die Drüsen- divertikel ansitzen (Fig. 10). Während das Epithel des centralen Kanals im Allgemeinen ziemlich platt ist, zeigt seine ventrale Wandung eine rinnenförmige, von einem regelmäßig kubischen Epithel ausgekleidete Vertiefung; diese Rinne ist außerdem durch den Besitz von Wimpern ausgezeichnet (wr). Die drüsigen Divertikel besitzen einen ähnlichen Bau wie etwa die Talgdrüsen der Wirbelthiere, indem sie aus dicht zusammengedrängten Zellen bestehen, welche sich gegen den centralen Kanal zu von einander loslösen, um dann in dessen Lumen abge- stoßen zu werden!. In ihrem Protoplasma scheiden sie dabei kuge- lige Sekrete ab, welche sich mit Hämatoxylin, Eosin, Orange etc. sehr stark färben. BournE (84, p. 473) giebt an, dass bei Aerudo das enge Vas deferens von einem Sinus umgeben sei, »packed with cells which possess rather a degenerate appearance but are very similar to the amoeboid cells found in the periovarian: sinus«. Diese »amöboi- den Zellen« sind indessen natürlich nichts Anderes als die Zellen der Drüsendivertikel. Ein Blutsinus ist um das Vas deferens nicht vor- handen; dasselbe wird vielmehr von einem Netze engerer Blut- und Botryoidalgefäße begleitet (Fig. 10 dg).

Derartige Fälle, wo epitheliale Elemente einen bindegewebigen Habitus zeigen, sind mehrfach und schon längere Zeit bekannt; ich erinnere z. B. an das Gewebe der Schmeizpulpa. In diesem Falle handelt es sich jedoch um eine Umbildung der tieferen Schichten

! Bei Aulastomum von 18 mm Länge sind die Drüsendivertikel noch nicht entwickelt; doch beginnt die Umbildung der Zellen bereits sichtbar zu werden, so dass die ventrale Rinne sich schon ziemlich deutlich abhebt.

Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastiomumete. 11

eines geschichteten Epithels, welche durch Verlängerung der Inter- eellularbrücken einen bindegewebigen Charakter annehmen. Bei dem Hodenepithel von Zirudo und Aulastomum dagegen zeigen die Ele- mente eines einschichtigen Epithels eine kontinuirliche Reihe von echten Epithelzellen bis zu solchen, welche fast völlig den Zellen des gallertigen Bindegewebes gleichen.

Diese Umbildung der Epithelzellen dürfte zunächst in allgemeiner Hinsicht von Interesse sein; denn sie bestätigt die auch sonst öfter beobachtete Thatsache, dass verschiedene Gewebe ihrer Erscheinungs- form nach in einander übergehen und nur die Entwicklung einen Schluss darüber zulässt, mit welchem Gewebe man es wirklich zu thun hat. Dass in dem vorliegenden Falle das ganze Epithel einen einheitliehen Ursprung besitzt, ist nicht nur von vorn herein wahr- scheinlich, sondern auch durch die Untersuchungen BÜRGER’s direkt nachgewiesen.

Weiterhin aber dürften die Epithelverhältnisse des Hirudineen- hodens auch für die Beurtheilung der kürzlich zwischen BLOCHMANN und Bott geführten Diskussion nicht ohne Werth sein.

BoTT hatte die Anschauung BLOCHMAanN’s (96), wonach die früher sogenannten »Subeutieultzellen« der Plattwürmer Epithelzellen dar- stellten, für dieBlasenwand derÜysticerken bestritten. Er sagt(97,p.121): »Zum Begriff: „Epithel‘‘ gehört eben doch, worauf BLOCHMANN in seinem Aufsatze merkwürdigerweise gar keine Rücksicht nimmt, eine bestimmte Zellenanordnung, und wenn man hierin auch eine große Freiheit zugestehen will, so wird man weit zerstreuten, verästelten Zellen, wie sie in unserem Falle vorliegen, doch kaum die Bezeich- nung von „Epithelzellen‘‘ zuerkennen dürfen.< BLOCHMANN hat hier- gegen schon auf die oben erwähnten Verhältnisse in der Schmelzpulpa, und besonders auf eigene Beobachtungen an den Flossenstacheln von Spinaz-Embryonen hingewiesen (97, p. 462). Die Beschaffenheit des Hodenepithels von Zırudo und Aulastomum dürften aufs Neue die Berechtigung der BLocHmann’schen Ansicht darthun, und vielleicht von um so größerer Beweiskraft sein, als es sich, wie schon oben hervorgehoben, hier um Umbildungen innerhalb eines ein schichtigen Epithels handelt, während ein hartnäckiger Gegner immerhin noch geltend machen könnte, dass in den von BLOCHMANN angezogenen Fällen der Schmelzpulpa und der embryonalen Flossenstacheln von Spinaz die Annäherung von Epithelzellen an den bindegewebigen Habitus in den tiefen Schichten eines geschichteten Epithels statt- finde. Beim Intesument der Plattwürmer kann aber natürlich auch

12 A. Schuberg,

nur von einem einschichtigen Epithel die Rede sein. Freilich bleibt ein gewisser Unterschied noch bestehen.

Nach BLOCHMANN liegt an der äußeren Seite der Basalmembran, unterhalb der Cuticula, eine zusammenhängende Protoplasmaschicht; von welcher die einzelnen Zellen sich »beutelförmig« durch die Basalmembran hindurch in das unterliegende Gewebe einsenken. Eine derartige, die gesammte Oberfläche des Hodenbläschens aus- kleidende Protoplasmaschicht, durch welche die ihrer Hauptmasse nach weiter von einander entfernten Zellen außer durch die Aus- läufer mit einander verbunden wären, konnte ich bei den Hiru- dineen bis jetzt nicht nachweisen. |

Andererseits aber finden sich bei BLOCHMANN (96) weder im Texte, noch in den Figuren Andeutungen darüber, dass die Epithelzellen der Trematoden und Cestoden unterhalb der Basalmembran durch Ausläufer mit einander verbunden wären. Dass solche Verbindungen trotzdem vorhanden sein können, ist aber nicht nur durch frühere Zeichnungen nach Schnitten durch das Integument, z. B. von HE ZIEGLER (83, Taf. XXXIU, Fig. 13—15), wahrscheinlich gemacht, sondern ich habe sie auch selbst nach Beobachtung des lebend ge- färbten Destomum lanceolatum (95, p. 185,”Fig. 5) beschrieben und von der Fläche abgebildet !.

i Ich habe a. a. O. die betreffenden Zellen noch als »Subeutieularzellen< bezeichnet, schließe mich jetzt aber der Auffassung BLOCHMANN’s an. Dagegen bin ich mit der Deutung der »großen Zellen< als »Myoblasten« nicht einver- standen, sondern halte wenigstens die von mir geschilderten Zellen auch jetzt noch für Ganglienzellen. Da weder BLOCHMANN, noch ZERNECKE (Zool. Jahrb., Abth. für Anat. IX. 1895) und JANDER (Ibid. X. 1897) meine Untersuchungen über diesen Gegenstand erwähnen, darf ich doch wohl darauf hinweisen, dass ich selbst der Erste war, der anPlattwürmern die Methylenblau- methode anwandte. Bezüglich der thatsächlichen Verhältnisse »decken sich die Resultate meiner Untersuchungen vollkommen« mit denen BLOCHMANN’S und BETTENDORF's, wie Letzterer selbst hervorhebt (Zool. Jahrb. X. 1897. p. 322); nur meine Deutung ist eine andere. Meine Resultate hätten dess- halb doch wohl auch in den Mittheilungen von BLOCHMANN, ZERNECKE und JANDER nicht unerwähnt bleiben dürfen. Dann hätte es auch nicht vorkommen können, dass BETTENDORF mir einen Vorwurf daraus macht, dass ich die BLOCHMANN- sche Ansicht nicht erwähnt habe. Meine erste Mittheilung ist im Januar oder Februar 1894 erschienen, nachdem ich meine Präparate schon im Mai 1893 auf der Versammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Göttingen demon- strirt hatte (Verh. D. Zool. Gesellsch. 1893). Die erste Mittheilung BLOCHMANN'S, die sich noch nicht auf Trematoden bezieht, wurde am 1. Januar 1895 ver- öffentlicht (Biol. Centralbl. Bd. XV. p. 14), die von BLOCHMANN und BETTENDORF am 15. März 1895 (Ibid. p. 216). Meine ausführliche Arbeit schließlich, die vom 26. Februar 1894 datirt ist, wurde in den ersten Tagen des März 1895 aus-

Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomumete. 13

Die Verhältnisse der Epithelzeilen des eben genannten Trema- toden erinnern in vieler Hinsicht an die des Blutegelhodens. Auch hier sieht man die Zellen gruppenweise zusammenliegen, theilweise stoßen sie direkt zusammen, theilweise verbinden sie sich unter ein- ander durch verzweigte Ausläufer. Ferner hat JANDER bei eben aus dem Kokon geschlüpften Individuen von Dendrocoelum lacteum der- artige, wenn auch kürzere Ausläufer der Pharynxepithelzellen sowohl bei Oberflächenansicht, wie auf Schnitten nachgewiesen (97, p. 188, Fig. 39, 40, 42), nachdem schon früher v. GRAFF für das Körper- epithel von Rhabdocölen das Gleiche angegeben hatte (82, Taf. IV, Fie. 19; Taf. VI, Fig. 1; Taf. XII, Fig. 5). Nach dem, was JANDER vom Epithel des ausgebildeten Trieladenpharynx berichtet, hat es den Anschein, als ob diese Ausläufer im Laufe der Entwicklung ver- schwinden. Bei Cestoden, auf deren Untersuchung sich BLOCHMANN selbst, neben den Resultaten am Trieladenpharynx, stützt, könnte es sich wohl eben so verhalten. Jedenfalls zeigen die Befunde v. GRAFF's und JAnDeEr’s bei Turbellarien im Vergleich mit meinen eigenen An- gaben für die Trematoden keine größeren Unterschiede unter einan- der, als sie bei Blutegelhoden innerhalb der Zellen des nämlichen Epithels vorkommen, so dass wohl die Anschauung BLOCHMANN’S hierdurch eine weitere wirksame Unterstützung finden dürfte.

Heidelberg, 18. November 1898.

Litteraturverzeichnis,

96. F. BLocHmann, Die Epithelfrage bei Cestoden und Trematoden. Hamburg.

97. —— Zur Epithelfrage bei Cestoden. In: Zool. Anz. Bd. XX.

97. A. BoTT, Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus aus

dem Maulwurf. In: Diese Zeitschr. Bd. LXIIl.

84. A.G. BoURNE, Contributions to the Anatomy of the Hirudinea. In: Quart. Journ. Micer. Sc. Vol. XXIV. N.S.

94, O. BÜRGER, Neue Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. Zur Embryologie von Zirudo medicinalis und Aulastomum qgulo. In: Diese Zeitschr. Bd. LVIII. 3. Heft.

gegeben (die Separata wurden am 28. Februar an mich abgesandt), also ziem- lich gleichzeitig mit der vorläufigen Mittheilung von BLOCHMANnN und BETTEN- DORF. Da in meiner Arbeit von 1895 meine vorläufige Mittheilung angeführt ist (p. 168), so hätte sie BETTENDORF (1897) wohl nicht übersehen dürfen. Sein Vorwurf gegen mich ist also, gelinde gesagt, mindestens ein starker Anachronis- mus. Auf das Thatsächliche hoffe ich an anderer Stelle zurückkommen zu können!

14

86.

82. 17%

= 9%

82.

63.

94.

49.

51.

57.

88.

74.

95.

84.

95.

70.

88.

83.

A. Schuberg,

C©. CHWOROSTANSKY, Organes genitaux de l’Hırudo et de l’Aulastoma. In: Zool. Anz. 9. Jahrg.

L. v. GRAFF, Monographie der Turbellarien. I. Rhabdocoelida. Leipzig.

O0. HERTwıG, Beiträge zur Kenntnis der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Zweiter Theil. In: Morphol. Jahrb. Bd. II.

R. JANDER, Die Epithelverhältnisse des Trieladenpharynx. In: Zool. Jahrb. Abth. f. Anat. Bd. X.

I. Isıma, On the Origin and Growth of the Eggs and Egg-strings in Nephelis, with some Observations on the »Spiral Asters<. In: Quart. Journ. Mier. Sc. Vol. XXIII. N.S.

R. LEUCKART, Die menschlichen Parasiten und die von ihnen herrührenden Krankheiten. Bd. I. Leipzig u. Heidelberg.

—— Die menschlichen Parasiteu und die von ihnen herrührenden Krank- heiten. Bd. I. 5. Lief. Leipzig.

F. LEeyD1ıG, Zur Anatomie von Piscicola geometrica mit theilweiser Ver- gleichung anderer einheimischer Hirudineen. In: Diese Zeitschr. Bd.1.

—— Anatomisches über Dranchellion und Pontobdella. In: Diese Zeitschr. Bd- III:

—— Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frank- furt a. M.

—— Beiträge zur Kenntnis des thierischen Eies im unbefruchteten Zu- stande. In: Zool. Jahrb. Abth. f. Anat. u. Ontog. Bd. III.

H. Lupwig, Über die Eibildung im Thierreiche. In: Arb. Zool.-Zoot. Inst. Würzburg. Bd. I. 5. u. 6. Heft. (Verhandl. Würzburger phys.-med. Gesellsch. N. F. Bd. VIL)

A. OXA, On some new Japanese Land Leeches (Orobdella nov. gen.). In: Journ. Coll. Se. Imp. Univ. Japan. Vol. II. Part. I.

R. SAINT-Loup, Recherches sur l’organisation des Hirudinees. In: Ann. Se. Nat. Zool. (6ieme) T. XVII.

A. SCHUBERG, Zur Histologie der Trematoden. In: Arb. zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. X.

L. VAILLANT, Contribution & l’etude anatomique du genre Pontobdelle. In: Ann. Se. Nat. Zool. 5ieme serie. T. XII.

C. Vogt und E. Yung, Lehrbuch der praktischen vergleichenden Ana- tomie. Bd. I. Braunschweig.

H. E. ZIEGLER, BDucephalus und Gusterosiomum. In: Diese Zeitschr. Bd. XXXIX.

Erklärung der Abbildungen,

Tafel I. Alle Figuren beziehen sich auf Zerudo. Fig. 1. Hodenwand, ausgebreitet. v.e, Vas efferens. Sublimat; Boraxkar-

min; Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. B. Zeich.-App. Vergr. 60.

Fig. 2. Stück des Hodenepithels von einem Flächenpräparat. Sublimat;

Einschluss in Wasser. SEIBERT Oc. I, Hom. Imm. 1/12. Vergr. 580.

Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomum ete. 15

Fig. 3. Stück des Hodenepithels von einem Flächenpräparat. Essigsäure- Methylgrün; Wasser. SEIBERT Oc. 0, Obj. VII. Vergr. 543.

Fig. 4 Längsschnitt durch den Hoden. v.e, Vas efferens. Sublimat; Pikro- karmin; Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. A. Zeich.-App. Vergr. 37.

Fig. 5-7. Querschnitte durch verschiedene Stellen des Hodenepithels. Sublimat; Hämatoxylin; Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. D. Vergr. 175.

Fig. 5. Von der Ventralseite, mit der Einmündungsstelle des Vas efferens.

Fig. 6. Von der dorsoventral aufsteigenden Wandung.

Fig. 7. Von der Dorsalseite.

Fig. 8. Vacuolisirte Zelle aus dem Inhalt des Hodenbläschens. Sublimat; Hämatoxylin; Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. F. Vergr. 415.

Fig. 9. Stück des Vas deferens. Totalansicht. Sublimat; Boraxkarmin; Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. D. Vergr. 175.

Fig. 10. Querschnitt durch das Vas deferens. w.r, Wimperrinne der Ven- tralseite; dg, Blutgefäße. Sublimat; Boraxkarmin; Kanadabalsam. Zeıss Oe I], Obj. F. Vergr. 415.

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara as observed in Melophagus ovinus. By H. S. Pratt,

Ph. D., Haverford College, Pa.

With Plates II—III and 1 Figure in Text.

Introduction.

The female reproductive organs of the small group of dipterous insects known as the Pupipara, of which the common sheep-tick (Melophagus ovinus) is the most familiar representative, has long interested entomologists. The large size of these organs, their odd outward resemblance to the human female genital tract (Pl. II, Figs. 1 and 2), the very small number and peculiar arrangement of the ovariole tubules, the unique position of the receptaculum seminis, and other structural features have lead to the investigation or notice of them by R&Aumur (17), Nitzsch (14), CuviEr (3), LYoxer (15), Durour (4, 5, 6), BLANCHARD (1), v. SIEBOLD (19), and LEUCKART (10). But none of these authors, with the exception of the last named, has furnished a correet account of their structure. LEUCKART, how- ever, who in accuracy of observation and in the interpretation of observed facts was well-nigh infallible, gives a full and in the main correct description of these organs. His investigation was, however, made 40 years ago, before modern methods of technique were in vogue, and the unusual interest attaching to the subject in the field of inseet morphology has led me to make a fresh examination of these organs with a view to ceompleting and extending his work.

The sheep-tick is an exceedingly common inseet in America and Europe, the American tick being undoubtedly identical with the European species. The adult female inseet (Pl. II, Fig. 1) is about 6 mm long. The head is small and triangular in shape and bears rudiments of antennae (art) and eyes (eye), and a long proboseis

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara etc. 17

(prob). The thorax is relatively small and is segmented, the meso- and metathorax each bearing a pair of large spiracles (sp). There are no wings or rudiments of any, but rudiments of halteres are present. The abdomen is a large, pear-shaped body-division, much flattened dorso-ventrally; it is unsegmented and is covered by a tough, leathery euticula. It bears seven pairs of spiracles somewhat smaller than those on the thorax, two of which are near its anterior and two near its posterior end. The entire body is covered with long, bristly hairs.

The female genital traet oceupies the position usual in insects, in the ventral, posterior portion of the abdomen (Pl. II, Fig. 1). It is made of the following parts: paired ovaries (Pl. II, Figs. 1, 2 oo); two short paired oviducts (pa.ov:);, a median unpaired ovi- duet formed by the fusion of the proximal ends of the paired ovi- duets and consisting of two portions, a narrower proximal portion (med.ovi), and a widened distal portion, which has the funetion of a receptaculum seminis (ree.sem); the median efferent duct, which - passes to the vulva and is usually called the vagina in insects, but which I shall in Melophagus divide into two portions, an extensive anterior portion, the uterus (U), and a shorter posterior portion, the vagina (vag); and, finally, the two pairs of milk-glands, which join the anterior end of the uterus (Pl. I, Figs. 2, 3 m.g!).

As to the position of these organs in the body, the vagina and the uterus lie near and in a plane parallel to the ventral abdominal - wall. The median, unpaired portion of the oviducts, in the virginal female, lies in a plane perpendieular to that of the uterus (Pl. II, Fig. 3 med.ov:), and in the old female in a plane at an acute angle to that of the uterus (Pl. II, Fig. 2). I wish to emphasize these facts a8 LEUCKART describes all the different parts of the genital traet as Iying in very nearly the same plane (see his Figs. 1, 2, 3 and 4, Pl. I), and his figures have been copied into several text-books (see Craus’ Lehrbuch der Zoologie, Fig. 495). It is only in sections, which, of course, LEUCKART could not have had at his disposal at the time when his paper was written, that the true position of these organs can be seen, and a dissection of them must inevitably disturb their relations with the surrounded viscera. The receptaculum seminis, constituting the distal end of the unpaired portion of the oviducts, is also in the median line, and from it the short paired portions of the oviduets proceed to the right and left to the two ovaries. The richly branching milk-glands are very extensive organs and wind

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 2

18 H. 8. Pratt,

among the viscera throughout the abdomen. All of these organs will be described in detail further on.

The relative size of the genital tract is large, even in the virg- inal female, where its length is two-thirds that of the abdomen . (Pl. I, Fig. 3), while in the old female its size depends entirely on the age of the growing larva, when one is present, in the uterus. The sheep-tick is, in common with the rest of the Pupipara, an ovo- viviparous animal. The young animals are born one at a time and at intervals, in the Summer-time, of several weeks. The entire embryonie stage and the greater portion of the larval stage are passed in the mother’s uterus, the young animal being born as an old larva. About twelve hours after the larva is born the puparium is completed and the »Tonnenpuppe« begins its metamorphosis!. The name »Pupipara« is thus a misnomer as BLANCHARD and LEUCKART have shown, as the sheep-tick is not a pupa-bearing in- sect, and rests on a misconception of LATREILLE, who named the sroup. In an insect, whose uterus is either empty or contains an egg or a very young larva, the genital tract is, as in the virginal animal, about two-thirds the length of the abdomen (Pl. IH, Fig. 1), but the presence of an old larva in the uterus distends the repro- ductive tract in all direetions, so that it may become quite as long as the abdomen and half as wide and half as thick (Pl. I, Fig. 4).

The vulva.

The vulva is a half-moon-shaped slit, 0,40 mm long, transverse to the longitudinal axis of the body and situated at the posterior end of the body near the ventral surface (Pl. II, Fig. 1 vwd). It is 0,27 mm anteriad and ventrad of the anus (Pl. II, Fig. 1 and 3 A) from which it is separated by a thick chitinous plate (cA.pl) well studded with small chitinous bristles. Each lip of the vulva is bounded by a projecting chitinous ridge which, coming from above and below, almost elose the opening. The anterior and most ventrally situated lip represents the concave side of the half-moon (Pl. H, Fig. I). It is composed of a pair of chitinous plates, one to the right and the other to the left of the median line. These plates do not, however, meet in the median line except at their posterior, median margins where they are connected by a median, rectangular thiekening (spur).

! A description of the larva of Melophagus will be found in »Beiträge zur Kenntnis der Pupiparen: die Larve von Melophagus ovinus< von H. S. PRATT, in Archiv für Naturgeschichte, 53. Jahrg., 1893.

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 19

This thiekening projects into the vulva in the form of a spur and is seen especially well in a sagittal section (Pl. II, Fig. 3 spur). The anterior edges of these paired plates are much thiekened and form distinet ridges. The posterior, convex lip of the vulva is a chitinous plate thickly beset with spines which, as above mentioned, extends back to the anus (Pl. II, Figs. 1 and 3 cA.pl). The margin of this plate which forms the lip is thickened to form a ridge which pro- jeets eave-like over the vulva from above (Pl. IH, Fig. 3 ch.pl!). The eontinuity of this ridge is broken in the median line by a median indentation (Pl. II, Fig. 1 ch.pl). The plate itself is bounded on both the right and left sides by a deep groove (Pl. II, Fig. 6 gr), which forms a ridge in the body-cavity, the significance of which for the attachment of muscles for the control of the vulva will be explained further on. |

The vulva, it will be seen, is a valve-like slit which is capable of great distension. The larva, at the time of birth is a eylindrical object with a diameter of about 0,7S mm. The vulva, thus, through which it must pass, must stretch in all directions and more than double its capacity at the time of a birth. It is probable that both lips take part in this stretehing but it also seems probable that the posterior (dorsal) lip has the prineipal share in it. The musecles which join the dorsal wall of the vagina and the posterior lip of the vulva with the ridge-like invagination of the body-wall (Pl. IL, Fig. 3 p.R), which is situated just dorsad of the anus, undoubtedly have for their function the raising of them at the time of a birth and thus inercasing the capacity of both vagina and vulva, as will be further explained in speaking of the vagina.

The vagina.

The vulva opens into the vagina. This is a tube of the same width as the vulva which extends 0,33 mm forward to the posterior end of the uterus (Pl. II, Fig. 3 vag). The vagina is not a cylindrical tube but varies its shape between its anterior and posterior ends. At its posterior end it is a dorso-ventrally compressed tube with three shallow, longitudinal grooves in its dorsal wall, one in the median line and the other two at the extreme right and left sides. These three grooves increase rapidly in depth (height) anteriad as far as the beginning of the uterus, where they abruptly terminate, so that near its anterior end a cross-section of the vagina presents the appearance represented by,Pl. II, Fig. 5. The median groove

>*

| 30 HS. Pratt,

is a continuation of the median indentation of the posterior (dorsal) lip of the vulva mentioned above and a sagittal section of the vagina, whieh would pass through this groove its entire length, would repre- sent the dorsal vaginai wall as becoming rapidly higher anteriad as far as the beginning of the uterus (Pl. I, Fig. 3 vag). A comparison of this section, however, with the cross-section (Fig. 5) shows at once that the portions of the dorsal vaginal wall to the right and left of the median line do not thus increase in height. The two lateral grooves of the dorsal vaginal wall (Fig. 5) are continuations of the grooves mentioned above (Fig. 6 gr) which bound the plate (Fig. 1 ch.pl) form- ing the posterior lip of the vulva. The cuticula of the dorsal wall is hard and yellow like that of the outside of the body and is studded with small, chitinous bristles, defleeted towards the vulva. The eutieula of the ventral wall is thieker than that of the dorsal wall but is not hard and yellow and contains no spines.

The vagina is very evidently an infolding of the outer body- wall. Its cuticula and hypodermis are identical with those of the body-wall and a direet continuation of them, and its musecles undoubtedly also belong to it. These muscles form several distinet groups of fibres and the function of all of them is to increase the capacity of the vagina during the growth of the larva and at the time of a birth. "The most important of them is, perhaps, a paired group of fibres which connects the dorsal vaginal wall and the posterior (dorsal) lip of the vulva with a broad ingrowth of the body-wall situated directly dorsad of the anus (Pl. I, Fig. 3 p.R). These muscles appear fan-shaped in longitudinal section (Pl. II, Fig. 3 d.vag.mus); they surround the end-intestine, which runs through them and divides them into two equal divisions. Laterad of this group of fibres on each side are muscles-fibres which conneet the lateral portions of the dorsal wall of the vagina with the dorsal body-wall (Pl. II, Rise. .o and 6).

The significance of the folds of the dorsal vaginal wall will be clearly seen from their relation to these muscles.. When the latter are contracted the folds are lifted and the capacity of the vagina thereby very largely increased. This takes place not only during birth but also during the growth of the young larva in the uterus. The spiracles of the larva, as is so common among Diptera, are on the hinder end of the body. They are thus directed towards the maternal vagina (Pl. II, Fig. 4 Zar.sp), and the air necessary for the respiration of the larva must come dhrough that organ. The figure

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 3

above referred to shows that the lumen of the vagina has been in- ereased in size in response to this need of the larva.

Another important group of musele-fibres is the thick bunch transverse to the longitudinal axis of the body which covers the dorsal surface of the ingrowth of the body-wall above mentioned (Pl. H, Fig. 3 and 6 p.t.mus). The ends of the fibres are attached to two ridges formed in the body-cavity by the two grooves (Fig. 6 gr) which form the lateral boundaries of the chitinous plate extending from the vulva to the anus and mentioned above. These muscles are, perhaps, the largest group of musele-fibres in the animal’s body. Their function is obvious: by their contraction they raise the plate forming: the posterior lip of the vulva and thus very much increase the capacity of that slit-like opening during a birth. Reinforeing these muscles are also a number of fibres which pass from the above- mentioned ridges to the dorsal body-wall.

The ventral wall of the vagina is but poorly supplied with special musecles, there being here no extensive bands or groups of fibres but only a few scattered fibres which pass from it to the ven- tral body-wall (Pl. II, Fig. 3 vag.mus).

The uterus.

The uterus is a broad, dorso-ventrally compressed tube stretching from the anterior end of the vagina forward to the median oviduct (Pl. II, Figs. 1, 2, 3, 4 U). Its actual shape and size are entirely dependant upon the age and the sexual condition of the animal. The virginal uterus represented in Fig. 3 has a length of about 1 mm, which is about half the length of the abdomen, and extends forward to within 0,35 mm of the forward end of the abdomen. The presence of an egg (Pl. H, Fig. 1) in the uterus changes its shape but slightly, but when the egg hatches and the young larva begins to grow, the uterus rapidly becomes stretched out of all semblance of its former shape. The presence of the full-grown larva in the uterus distends that organ forward until it reaches the anterior end of the abdomen (Pl. II, Fig. 4). The small intestine of the mother is erowded by this great srowth of the larva into the anterior, dorsal portion of the abdominal cavity, and the voluminous reetum is pressed against the dorsal body-wall. The larva, which at this time oceupies with the uterus half the space in the abdominal cavity, can easily be seen through the ventral abdominal wall. It appears as a glistening, white object oceupying the entire median portion of the abdomen.

22 HS. Pratt,

A young larva or an egg can also be detected, but less easily; it lies in the forward portion of the uterus and appears near the centre of the abdomen.

In its finer structure the uterus presents no new features, but . some interesting modifications of the usual conditions. Its walls are a direct continuation of those of the vagina. The thickness of the euticula at the posterior end of the uterus equals that of the eutieula of the vagina, but this thickness gradually diminishes toward the forward end and in its forward half the uterus is lined by such an extremely thin and delicate cuticula that it is often diffieult to deteect. The matrix of the ceutieula is the usual single-layered epithelium. This is surrounded by a thickly woven layer of branched musele- fibres forming a network about the entire uterus which branch without regularity and are of varying thickness (Pl. III, Fig. 7). The strands immediately next to the uterine wall appear to be smaller than those toward the outside. The function of this network is evident. It is - primarily, by the contraction of its fibres, to bring about parturition at the proper moment, but it must also serve to strengthen and sup- port the wall of the uterus while that organ is heavy with the gsrowing larva. On the outer surface of the musele-sheath run longi- tudinal bundles of unbranched musele-fibres which eonnect the uterus with the ventral and anterior portions of the abdominal wall. Also a few fibres pass from the dorsal uterine wall around the rectum to the dorsal abdominal wall. The most important of these longitudinal groups of muscles are those which pass from the forward portions of the uterus to the anterior and ventral abdominal body-wali (Pl. II, Fig. 3 Z.mus). These are attached to the dorsal, ventral, and lateral surfaces of the uterus and find their forward attachment prineipally on two ridges of the abdominal wall which project into the body- cavity. We see thus that the uterus is provided with an extremely strong musculature, composed of two distinet systems of übres; the branched fibres forming the sheath immediately about it and the longitudinal fibres which connect it with the body-wall. The function of the latter is undoubtedly to hold the uterus in position. They are strong elastice bands which bind the uterus to the body-wall but whose length can change with the varying size of the uterus. But these muscle-fibres are not the only means of support with which the uterus is supplied. From the most anteriorly placed abdominal spiracles a pair of strong tracheal trunks pass to the uterus, just in

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara etc. 93

front of which they break into a number of branches which pass around it on all sides (Pl. II, Fig. 3 ir).

The uterus is composed of two distinetly different divisions, the posterior half, the walls of which are in all respeets like those of the vagina, and the anterior half, whose walls are of quite a differ- ent character in that they have the thin, delieate cuticula already mentioned, and are besides thrown into thick folds so that the lumen is very irregular in shape and in the empty uterus is often entirely elosed. It is into this anterior portion of the uterus that the egg arrıves when it has been extruded from the ovary and where it remains while the embryonie development proceeds.. The young larva on hatching also occupies the same place but gradually grows towards the posterior end until it fills the entire uterus.

The milk-glands.

At the anterior end of the uterus its dorsal surface is pierced by an opening through which the two pairs of milk-glands com- municate with it (Pl. I, Fig. 3 and 4 op.m.gl). LEUCKART (10) states wrongly that there are two openings, one for each pair of glands and one in front of the other, and that they are in the dorsal wall of the median oviduct. The forward pair is composed of two thick, short tubes averaging 0,5 mm each in length and 0,06 mm in diameter, whose proximal ends are fused to form a single tube (Pl. III, Fig. S a.m.gl, Pl. I, Fig. 2 a.m.gl). The hinder pair is composed of two large, extensively branched, tubular structures which also fuse at their extreme proximal ends to form a single vessel (p.m.g!). The median, proximal ends of the two gland-pairs meet at the opening in the wall of the uterus and are there bound together by a sheath of musele-fibres (Fig. 9. The function of these two pairs of glands is to furnish the milk-like fluid which serves as food for the growing larva. The forward, elub-shaped pair has probably largely lost this funetion and become more or less rudimentary, and as is usually the case with rudimentary organs they show a considerable amount of individual variation. They are often so small as to be found with diffieulty or may reach the considerable development represented in Fig. 8. They may even be found much larger than these and Levuckarr (10) has observed cases in which the distal ends of these glands branched diehotomically like the posterior pair. In Hippobosca, according to Durour (4), the anterior glands are long branched structures.

The nutriment of the larva in Melophagus is undoubtedly furn-

| il ES Brart,

ished prineipally by the posterior pair of glands. This nutriment consists of a fluid containing a mass of round or oval disce-shaped bodies which are presumably fat-bodies; they are fairly constant in size having an average diameter of 0,01 mm. The seeretion of these slands is thus extremely similar to milk. It is poured through the opening already mentioned into the anterior end of the uterus where the larva sucks it into its mouth. During the entire uterine life of the larva its anterior end is constantly at the anterior end of the uterus, the increase in length which the larva undergoes resulting in its extension towards the posterior end of the uterus until that organ is completely filled. The mouth of the larva, however, does not change its position in the uterus, and would be thus eonstantly bathed in the milk-like seeretion (Pl. I, Fig. 4 Zar.M), which is sucked in by a complicated sucking apparatus I have already described in another place (PRATT, 16). For the sake of completeness, I will briefly describe this organ again. Directly back of the larva’s mouth, in its pharyngeal cavity, is a muscular tongue-like organ (Pl. I, Fig. 4 mus.ton), ventrad of which the oesophagus passes to the sac-like stomach. Dorsad of the museular tongue is a sac whose dorsal wall is connected by a median, longitudinal muscle with the dorsal body- wall. The museular tongue contracts and dilates regularly like the beating of a heart, about forty times a minute: the dorsal longi- tudinal muscle must also contract, although I have never been able to observe it in the live animal. As a result of these movements the milk is drawn into the mouth of the larva and forced throush the oesophagus into the stomach, which is at all times completely filled. The beating of the tongue probably goes on without interrupt- ion during the entire uterine life of the larva. As soon as it is born, however, and thus removed from its food supply, the beating ceases, and during the day or two which intervenes while the larva is preparing to enter upon the pupal stage and the first part of the metamorphosis, the young animal is nourished by the milk which was already in the stomach at the time of birth. The milk rapidly deereases in volume during this period and by the middle of the metamorphosis is entirely exhausted.

The finer structure of the milk-glands presents the following features. The extreme proximal, median ends of the two gland- pairs are bound together just before the opening into the uterus by a common muscle-sheath (Pl. II, Fig. 9), composed of irregularly ar- ranged, striped fibres.

The Anatomy of the Female Genital Traet of the Pupipara ete. 35

The Anterior Pair of Glands. The epithelium of which these glands are composed is made up of cells which have but little seeretive function, those cells near the distal ends of the glands being somewhat higher than the others (Pl. III, Fig. 8 a.m.g!). Surrounding the proximal, fused ends of the glands are musele-fibres, irregularly arranged (Pl. III, Fig. 10 a.m.gl). Distad of the point of bifurcation of the tubes, the inner most fibres no longer appear. The outer most fibres persist, however, and for a short distance form a common sheath around the ends of the diverging tubes and hold them together. They also surround each tube after they have ceased to form this common sheath for about a quarter of its length. The distal three- quarters of the glands have no musecles around them. The entire structure is bounded externally by a membrana externa (Pl. IH, Fig. 8 mem.ex) and internally by a tlick membrana interna (mem.n), both of which are structureless. In a longitudinal section of these slands their lumen appears bounded by serrated lines which fact is due to the projeetion of the inner ends of their epithelial cells into the lumen. |

The Posterior Pair of Glands. The fused portion of these slands is very short, the two glands joining immediately before entering the uterus (Pl. II, Fig. 8). The free portion of each is composed of two distinet divisions, the branched, distal portion in which the secretive alone resides, and the unbranched, proximal - portion which is but the outlet or duct of the other. The epithelium -of this duet is composed of flat cells which projeet into its lumen; surrounding: this are two layers of muscle-fibres. A thick membrana interna (Pl. III, Fig. 8 mem.ın) lines the lumen and a membrana externa (mem.ex) surrounds the musecles on the outside of the ducts. The distal portion of the glands is by far the larger part of them. It branches very extensively, apparently usually dichotomically (Pl. I, Fig. 2 p.m.gl), and fills up a greater part of the entire space in the abdomen which is not occupied by other organs. Its epithelium is composed of large cells, 0,04 mm high, four or five times as large as those of the epithelium of the duct. The nucleus is large and invariably contains one or two large nucleoli.. The protoplasm of the cells appears coarsely granular in stained specimens and often contains large vacuoles. The membranae interna and externa are present on every part of the glands, but no muscle fibres are on the distal, branched portion.

I6 HS: MPratt,

The oviducts.

Is has already been mentioned that the oviduets of the sheep-tick are very highly modified from the typical condition. Their proximal

. ends are fused and form a single, median vessel 0,53 mm long, which

joins the uterus a trifle posteriorly to the latter's anterior end. In the virginal female this median oviduct lies in a plane perpendicular to that of the uterus (Pl. D, Fig. 3): thus it has a dorso-ventral position, whereas the uterus lies parallel to the ventral abdominal wall. As the female becomes older, however, and the uterus through frequent bearing becomes larger and longer, the proximal end of the median oviduet gets carried forward so that its original perpendieular position is lost and gives way to one in which the median oviduct meets the uterus at an acute angle (Pl. II, Fig. 2 med.orı). And when the uterus is distended to its greatest extent by the presence in it of a large larva this angle becomes almost obliterated, and the median oviduct is brought to lie directly on the dorsal wall of the uterus. The short, paired, distal ends of the oviduets join the median, unpaired portion just described to the richt and left respectively (Pl. II, Fig. 2 pa.ovi). These are very short and vary in lensth with the condition of the ovary as will be explained later, and each bears at its extremity the ovoid ovary. |

The function and purpose of this peculiar fusing of the proximal ends of the oviducts, which, so far as I know, is not to be met with to the same extent outside the group of Pupipara, is to provide a reservoir for the sperm of the male animal in the female, in other words, to improvise a receptaculum seminis. The sheeptick has no receptaculum seminis of the form usual in inseets. The extreme anterior end of the uterus, which appears as a small projecetion in front of the point of juncture of the median oviduct with it, may be a rudiment which is homologous to the receptaculum seminis of other insects, and has been so interpreted by LEUCKART (10). All of the other brachyceran dipters, so far as I know, are provided with a receptaculum seminis, and the ancestors of Melophasus and the other pupipars were undoubtedly no exception to the rule. But probably the enormous distention of the uterine wall, which has resulted from the retention of the growing larva in the uterus, has led to the extinetion of the receptaculum seminis as a funetional organ. Its place, then, is taken by the fused ends of the oviducts; this acts as a receptacle of semen and is constantly filled with it.

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 37

It was v. SıssoLp who first demonstrated this fact (19). Durour (4 and 5) called the anterior milk-glands the receptaculum seminis; LEUCKART corrected him.

But it is not the entire median Beiliel which is thus filled with sperm and functions as a receptaculum seminis, but the dorsal or distal end of it (Pl. II, Fig. 2 rec.sem) which is considerably wider than the remainder of the median oviduct and forms a distinet compartment in it. LEUCKART calls this the Fundus. Its Jumen has a width of 0,15 mm in the adult female against a width of 0,01 mm in the portion of the median oviduet immediately adjoining the uterus. It is slightly arched on its dorsal surface and the paired oviduets meet it to the right and left. These are very short and of unequal lensth., When in either ovary an egg is present which is fully matured or nearly so, as is the case with the left hand ovary in Fig. 11, the oviduct on that side is apparently almost obliterated throush the crowding of the egg into it (Pl. IU, Fig. 11): when, however, the largest egg is still small and immature as in the right hand ovary, the oviduct on that side may have a length of 0,23 mm. And between these extremes we find all intermediate stages.

The finer structure of the oviduets presents the following features. The structure of the proximal portion of the median oviduct is similar to that of the uterus. The epithelium of the fundus and of the paired oviduets is peculiar in being composed of very high, narrow cells giving the wall a much greater thickness than that of the remainder of the median oviduct. Surrounding the epithelium is a network of muscle-übres similar to that of the uterus but somewhat thinner. Their arrangement is also somewhat more regular than that of the uterus, there being a more definite arrangement into eireular and lonsitudinal muscles.. The ental fibres are distinetly eireular while the ectal ones are longitudinal although their arrangement is not regular but such that they form a more or less regular network about the eircular fibres. Among the museles are numerous connective- tissue fibres.

The membrana interna is very delicate in the median oviduct. In the paired portions, however, it is very thick and is thrown into long folds which are longer than the cells they abut and project into the lumen so as almost to fill it, leaving only a very narrow passage in the center of the vessels (Pl. IT, Fig. 11 pa.ov:). These folds are all inclined toward the fundus and their function is obvious: they form a system of valves which prevent the flow of the sperma-

38 HeseBratt,

tozoa stored in the fundus towards the ovarial sacs. The passage of the egg, on the other hand, from the ovary into the fundus would not be hindered.

The ovaries.

The ovaries of Melophagus have much about them which is peeuliar and have in consequence attracted the attention of entomoto- mists ever since the time of REAUMUR. On account of the diffieulties attending a successful dissection of them, however, it was LEUCKART who first correctly deseribed them. AI of the earlier investigators, often misled by a ceurious desire to homologise them with the human ovaries, to which they bear a certain superficial resemblance, described the ovary of Melophagus as containing but a single ovariole which contained but a single ovum. And this false notion still largely prevails and is propagated by certain illustrations which appear in some of the best text-books. Fig. 495 in CLAus’ »Lehrbuch der Zoo- logie« and Fig. 160 in GEGENBAUR’S »Uomparative Anatomy« (English translation) are taken from LEUCKART'S Fig. 1 (l. e.) and incorrectly described, conveying the notion above mentioned.

The ovary of our inseet appears as an ovoid body of variable size (Pl. II, Fig. 2 ov). In a superficial examination one Sees none of the parts usually found in an insect'/s ovary; 1. e., ovarioles, egg- follicles, ete. The whole organ seems rather to consist of but a single ovariole containing but a single folliele with its ovum and nutritive cells. As a matter of fact, the peritoneal covering which encloses the ovary is of extraordinary thickness, thicker, perhaps, than in any other inseet and forms an elastic sac within which lie two ovarioles (Pl. III, Fig. 12). The walls of this sac are made up of muscle fibres and conneetive-tissue and are a direct continuation of the outer covering of the oviducts and the uterus (peri.cov). Each of the two ovarioles within the sac consists of two follieles and a germarium; no distinet terminal thread is present, although the terminal portions of the germarium may be considered as such a structure. The ovarioles are attached by means of their germaria to the inner, distal surface of the peritoneal sac and at no other place, hanging, thus, free within the sac (see woodeut No. 1, also Fig. 12). The ovariole is bounded on its outer surface by a structureless tunica propria (Fig. 12 Zun.prop) and by an inner peritoneal covering composed exclusively of connective-tissue fibres which project from the inner surface of the distal end of the peritoneal sac (in.perz.con»).

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 39

It will thus be seen that however different in shape from the typical insect ovary that of Melophagus shows no fundamental peeu- liarities. We find here the three structures one may expect to find in any insect ovary, to-wit; 1) the peritoneal covering; 2) the tunica propria; 3) the germinal epithelium. The first is peculiar only in being excessively developed, the latter two are not peculiar in any way.

Melophagus possesses almost the minimum number of ova- rioles, Campodia, according to GRAssI (7), possessing but one. The following inseets also possess but two, according to LuBBock (13, p- 343), Lixus and Anthonomous among the beetles, Schizoneura corni, an Hemipteron, Chelonus, a Hymenopteron, and according to LEUCKART (10), Hippobosca and Braula, also Pupipara. The greatest number of ovarioles is found in. the termite in which the ovary, according to SHARP (18), is composed of 3000 ovarioles. Between these limits we find the greatest variation: according to LUBBOocK the honey-bee may have 170, Cicada 50, Elater and Coceinella 30, and Butterflies 4 to 12. There is, we see, the greatest variation in the number of ovarioles within the different orders of insets, nearly related inseets often differing very greatly. There is, undoubtedly, in each case a single embryonie Anlage for all the ovarioles of each ovary, as has been shown, for example, among others by Heyuons (8) for the cockroach, and by WEISMANN (20) for Musca, and by WHEELER (22) for Xiphidium, and by myself (16) for Melophagus, and this is true whether the ovary has a metameric origin as is the case in Xiphi- dium or appears before the metameres have become fully established. The number of ovarioles which actually becomes charaeteristie for any given species depends entirely on the life-conditions of that species and not on any hereditary conditions. If a large number of esgs must be produced in any given species a large number of ovarioles becomes the rule and vice versa. Melophagus produces probably not more that a dozen eggs a year. The ovarioles, it seems to me, cannot have metameric value except in some Thysanura as shown by Grassı (7), their enormous variation between 1 and 3000, and their great variation often in near relatives, preeluding this.

Melophagus possesses with a very few exceptions, the minimum number of follicles in each ovariolee A few of the Hemiptera (Coceus, according to LuBBock) have but a single folliele im each ovariole. These insects have, however, a large number of ovarioles and thus produce many more eggs than Melophagus. Hippobosca and Braula according to LeuckArr have three in each ovariole, Musca

30 HS. Braft,

has three or four, Blatta has ten, Periplaneta, according to WHEELER (21) has thirty and the Lepidoptera, according to LuBBock have from twelve to one hundred.

There are thus in the ovary of Melophagus but four developing ova at any one time, two in each ovariole, and in the two ovaries there are but eigeht ova. The two ovarioles within each ovary, and also the two ovaries themselves, are further peculiar in being very dissimilar in size. As the entire embryonie and a greater portion of the larval growth goes on within the uterus, this organ naturally retains each egg within it a long time, and receives the different ss from the ovaries one ata time and at long intervals, probably several weeks. The two ovaries alternate in furnishing the next egg, and within each ovary the two ovarioles alternate in performing this duty. The accompanying diagram shows the order in which the eight ova in the four ovarioles leave the two ovaries, the nume- rals indicating the order of suc- cession. The result of this ar- rangement is that there is always one ovum of the eight in the two ovaries much larger than the others, it being the one whose

Textfig. I. turn will next come to descend

into the uterus, and the ovary

which contains it will be much larger than the other ovary. Likewise within the ovary the follicle which contains this ovum will be much larger than the other three follieles. These facts are very well shown in the plates. In Fig. 11, in the smaller ovary (the one to the right or the reader), the two ovarioles are as near the same size as any I have observed; the smaller ovariole (ovar.2) having a length of 0,17 mm, the larger one (ovar.!) having a length of 0,35 mm. The largest folliele in this ovary (fol.?) has a length of 0,26 mm, the next largest ( fol.2) has a length of 0,15 mm. The two smallest follieles (fo2.6 and fol.S) do not differ much in length, they measuring 0,066 mm and 0,05 mm respectively. In the larger ovary (the one to the left of the reader) the ovariole containing the largest follicle (ovar.?) has a lensth of 0,57 mm, the smaller ovariole (ovar.2) has a length of 0,22? mm. The largest folliele (fo2.7) in this ovary has a length of 0,77 mm, the next largest (fol.3) has a length of 0,16 mm; the two smallest follieles

eg es of

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 31

(f01.5 and fol.7) do not differ in size, their lengths being 0,08 mm and 0.06 mm respectively, which is very nearly the same as the lengths of the smallest follicles in the opposite oyvary. The mature ovum measures 1,2 mm in length and 0,30 mm in width; it occupies almost the entire space within the peritoneal sac, and impresses its shape upon it, the follieles containing the other three ova being exceedingly small and beinz crowded into a narrow space at the distal end of the ovary. The lower or proximal end of the ripe ovum crowds the oviduet, partly obliterating it.

When, now, the ripe ovum is extruded, the ovary at once shrinks by the contraction of the muscles-übres in the peritoneal sac to a very small size and the follieular epithelium, which had surrounded it, and the remains of its nutritive cells disintegrate. The ovary beeomes about 0,64 mm long and 0,24mm wide. Its shape also changes: when it contains the ripe ovum it has almost its exact shape and size, after the ovum is extruded it becomes an elongateä structure, slightly larger toward the proximal end (Pl. II Fig. 2, ov. and Fig. 12). The walls of the peritoneal sac hang loose about the ovarioles (Fig. 12). The separate peritoneal coverings of the ovarioles also hang loose about them and project from their lower ends towards the oviducts and often contain scattered epithelial cells, the disinte- srated remains of the last mature folliele (Pl. III, Fig. 12, dis.fol.ce).

The duty of furnishing the next ovum now shifts to the opposite ovary, which, of course, is now the larger ofthe two: it is a piriform strueture and measures 0,9 mm by 0,5 mm. It is at this time that the two ovaries are the smallest in absolute size, and also that the youngest embryo is present in the uterus. As the growth of the embryo and the larva proceeds the two ovaries are constantly inereasing in size, until finally when the larva has attained its maximum size and is ready to be born, the largest ovum in the largest ovary has again attained full size and is ready to be extruded. It is at this time that the two ovaries have attained their maximum size. The larya in the uterus is then born and that organ being emptied, soon afterward the ripe ovum passes in its turn from the ovary through the receptaculum siminis, where it is fertilized, into the uterus.

Histology of the ovary. Peritoneal covering. This is composed of two distinet tissues, a) a layer of striped, branched and anastomosing musele-fbres among which are a small number of eonnective-tissue fibres, which form the outer portion of the peritoneal sac, and b) a layer of branched and anastomosing conneetive-tissue

39 ERS Bratt

fibres which form the inner portion of the peritoneal sac and also a coating about the ovarioles (Pl. III, Fig. 12 peri.mus and peri.con). Entering the peritoneal sac from the body-cavity are numerous small tracheae and nerves. The branched muscles are best studied in a small ovary. In large ovaries in which the prineipal ovum is well developed, the muscles are so much distended that it is often im- possible to distinguish their striation, and they may appear more like an irregular mesh-work of anastomosing connective-tissue fibres. At the side of a small ovary the muscles appear as broad fibres with a round or elliptical ceross-section (Fig. 12 per.mus) containing many nuclei; in a flat view they appear as broad, irregularly shaped muscle-cells, anastomosing freely, each cell containing a nucleus (Pl. IIL, Fig. 15). There are no straight, unbranched museles-fibres connecting the ovary with other organs or with the body-wall as is the case with the vagina and the uterus, the nerves and tracheae entering the ovary being the only suspensory apparatus attached to it.

The connective-tissue fibres composing the inner layer of the peritoneal sac are always easily distinguished in sections from the musele-fibres.. They form a distinet layer beneath the muscles, the thiekness of which is considerably less than that of the musele-layer (Fig. 12). Where the peritoneal sac is stretehed by the presence of a large ovum, the muscle fibres do not show their striations, as has already been mentioned, and the connective-tissues fibres of the inner layer and the muscle-fibres of the outer one have the same appearance, except that the former are smaller in cross-section and contain far fewer nuclei than the latter. 'T'he interspaces between the muscles contain numerous delicate strands of connective-tissue which pass among them from the inner layer. The outer surface of the peritoneal sac is covered by a membrana externa. According to LeuckArr’s description the inner surface of the peritoneal sac is also lined with a structureless membrane which is a continuation of the intima of the oviducts. This membrane does not appear in my pre- parations. Ä ur

But connective-tissue fibres not only form the inner surface of the peritoneal sae but they fill the distal end of the sac and form a coating around the ovarioles (Pl. III, Fig. 12) In a very small ovary containing very young ova, such as is figured in Figure 1?, the peri- toneal covering of the separate ovarioles may be studied very favorably. The distal end of the ovarial sac is seen to contain a mass of connective- tissue fibres in which are imbedded the distal ends of the ovarioles.

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 33

Figures 13 and 14 represent two cross-seetions of the distal tip of the ovary, Fig. 13 being slightly proximad of Fig. 14. In both we see the outer museular layer surrounding the connective-tissue within: Fig. 13 shows the distal termini of the ovarioles (ovar), Fig. 14, being just distad of these termini and not containing them. The peritoneal covering of the separate ovarioles is closely applied to those follicles which contain large ova (Pl. IH, Fig. 11 ın.peri.cov). This is not the case, however, at the narrow necks which connect the follieles, where it passes directly from one follicle to the other. In ovarioles containing very small ova their peritoneal coverings are but loosely applied to the entire structure (Pl. II, Figs 12 in.per:.cov). The peri- toneal eovering of the ovarioles often extends below the largest folliele toward the oviduct where they terminate abruptly and freely. The actual condition of this end of them differs very greatly in different cases. In the ovary represented in Fig. 12, the follicles being extremely small, the inner peritoneal membrane is seen extending far below each ovariole. It consists of a broad band .of connective tissue which extends from the lower end of the ovarioles to the beginning of the oviduet and there ends abruptly; it contains a few scattered cells (dis.fol.ce) which represent the remains of a disintegrated folliele which has discharged its ovum.

In large ovaries the lower end of the peritoneal covering of the separate ovarioles is much less noticeable. Often, as in both ovaries represented in Fig. 11, it does not extend at all below the largest folliele in each ovary, but simply forms a covering around its lower end in all respeets like that at its sides. When a ripe ovum is extruded the peritoneal membrane covering its follicle is ruptured.

It will be interesting now to compare the peritoneal covering of the ovary of Melophagus with that of other insects. In the majority of inseets we find that it consists of a more or less elosely woven membrane of fibrous connective-tissue which surrounds each ovariole: imbedded in it are often striated, branched muscle-fibres, nerves

and tracheae. There are, however, the greatest differences in the _ actual extent of the peritoneal membrane in different inseets. It may be entirely wanting, as, according to BRANDT (2, p. 3), it is in Perla, Nemura, Baetis, Coceus and the viviparous Aphids. In the cericket (Gryllus) it is present, but feebly developed, and consists of long, thin, net-like, anastomosing connective-tissue threads, which are spun around and among the numerous ovarioles. They do not form a

membrane, however, about each separate ovariole, but at the outer Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 3

34 H. S. Pratt,

rim of the ovary they form a distinet membrane which surrounds that organ and binds the ovarioles into a compact mass. In Tipula similar conditions prevail, but in addition to the conneective-tissue fibres, muscles-fibres are also present. In both cases the peritoneal : membrane is continuous with the outer covering of the oviduct and also of the terminal thread. Very commonly, however, the peritoneal fibres, instead of merely being spun among the ovarioles or forming a membrane about all, are woven into a distinet membrane about each one, and in this case the membrane about the entire ovary is usually not present. Thus in Rhizotrogus, Notoneeta, and Carabus, according to Leypıe (11, p. 602), each ovariole is covered with a thick peritoneal covering, and the membranes of all the different ovarioles meet at the distal end of the terminal thread in a common membrane which connects with the outer covering of the heart. In Musca, a very near relative of Melophagus and the pupipars, the conditions are similar. The peritoneal membrane, according to LEYDIG (11, p. 574), covers each ovariole rather loosely. The different follieles of an ovariole are separated from each other by a very narrow neck, and here the peritoneal covering is not applied closely to the tunica propria, but passes directly from one follicle across to another. At the distal tips of the ovarioles their peritoneal membranes fuse and in this common membrane are branched musele-fibres.. There is no connection between the ovary and the outer covering of the heart.

BRANDT (l. ec. p. 7) sums up his chapter on the peritoneal mem- brane in insects as follows. It is usually present, and consists of connective-tissue in which may be muscle-fibres; but it is an accessory and not a necessary part of the reproductive tract. Its function is to hold together the ovarioles. The muscle-fibres, when they are present, serve two purposes, they assist in binding together the ovarioles and also cause the peristaltic motion which has been observed in the ovaries of Pulex, Pieris and other insects.

Considering, Melophagus, now, in the light of the foregoing, we see that its peritoneal membrane, the character and structure of which at first sight seem so aberrant, is really peculiar only in its great thiekness and extent. The portion which forms the outer sac finds its counterpart in many groups of insects in the membrane which surrounds and holds together the ovarioles, but in no other insect, so far as I know, is it so thick and composed of two distinet layers, and nowhere do the muscles play so important a role. There are no musele-fibres in the peritoneal covering of the ovarioles in Melo-

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 35

phagus, which is unusual where this covering is as thick as it is in this insecet. It is not unusual for these coverings to fuse beyond the end of the terminal thread and form a common mass of conneetive- tissue at the distal end of the ovary. In Musca, this fused portion contains muscle-fibres, and it seems to me that the outer peritoneal sae in Melophagus with its thickly woven layer of muscles may be a further development of the muscle and connective-fibres which in Musca are present at the distal of the ovary. In no other insect, so far as I know, does the peritoneal covering of the ovarioles fail to be continuous with the outer covering of the oviduct, and that this is the case in Melophagus is probably due to the fact that the outer covering ot the oviduct finds its continuation in the peritoneal sac.

The ovarioles. Each ovariole consists of a short, thick germ- arium or terminal chamber and one or two follicles, and is bounded on the outside by a delicate tunica propria. The germarium in a small ovary is about 0,05 mm long and 0,025 mm thick at its base, and is imbedded for about a third of its length in the fibrous mass at the distal end of the peritoneal sac (Pl. III, Fig. 12 ger, Fig. 13 ger). The germarium tapers towards its tip where it contains but one or two nuclei. It is surrounded by a tunica propria to its tip. The con- tents of the germarium are small, compact nuclei all of the same size and appearance imbedded in protoplasm, no cell-walls being demon- strable.. The germarium is separated from the youngest folliele by a constriction. In a very small ovary the smaller of the two ovar- ioles does not contain the usual two follieles, but a single mass of serm-cells in which differentiation has but just begun (Pl. III, Fig. 12 ovar.2). The first signs of differentiation in the young folliele is a division of its cells into peripheral and central cells, the former being smaller than the later and arranged in a regular, peripheral layer. This layer is destined to become the follicular epithelium of the two follicles of the ovariole, the inner cells to become the nu- tritive and egg cells. Covering the common folliele is a tunica pro- pria, which does not end at its lower end, but extends alongside the larger ovariole to near the lower end of the ovary and contains the disintegrated remains of the follicle which last discharged an _ ovum (Pl. III, Fig. 12 dis.fol.ce). Very soon the inner cells at the lower, posterior end of the common folliele begin to increase greatly in size; the extreme posterior one of these cells becomes distinctly different in appearance from its fellows and somewhat larger than them and acquires a nucleus which contains far fewer chromatine

3%

36 ES. Bratt,

sranules than the nuclei of the other cells, and a nucleolus, and thus develops into the ovum of the future lower follicle of the ovariole (Pl. III, Fig. 12 ovar.2). Almost simultaneously with its appearance, but yet a little later, the nutritive cells of the same folliele differ- entiate (2.ce). They are a trifle smaller than the young ovum but have nuclei which eontain numerous chromatine granules and can be easily distinguished from it. The ovum, nutritive cells, and follieular epithelium, which have thus become differentiated in the lower portion of the common folliele, are at first not separated by any constrietion from the still undifferentiated cells which are destined to form the upper or younger follicle of the ovariole. They grow rapidly, how- ever, and increase in size, and soon a constrietion appears which separates them from the upper portion of the common follicle, and thus divides this structure into the two follieles, in the lower one of which the distinetive cellular elements have all differentiated, while in the upper one differentiation has so far lagged behind that the cells only show an indistinet separation into outer, follicular epithelium and central cells, as is shown in ovar.! Fig. 12 and also in both ovarioles in the right ovary and ovar.2 of the left-hand ovary in io el:

Ovar.2 in each of the ovaries of Fig. 11, being the smaller of the two in each, the development of its follieles is almost entirely checked after the condition above described has been attained, by the enormous growth of the lower follicle of the other and larger ovariole of the ovary. Thus we see, for example, that after the lower folliele of the smaller ovariole has reached the condition represented by fol.4 in Fig. 11, it remains stationary during the increase in size of its large neighbor, fo/.2, and until this follicle has become mature and has discharged its ovum. The same fate also follows 02.3, Fig. 11, which is no larger than 02.4, although it is older, and also the largest folliele in Fig. 12, which has just become the chief follicle in the ovary by reason of the recent extrusion of the ovum from this ovary, is no bigger than fol.3 and fol.4, Fig. 11.

If we could follow, now, the growth of the larger ovariole (ovar.1) in the small ovary represented by Fig. 12, we should notice that now that its lower folliele has become the largest folliele in the ovary and is given a chance to grow (by the disappearance of the ripe ovum in the other ovariole), it inereases in size very rapidly. Its smaller folliele, however, which up to this time has undergone no development except into outer, follieular, and inner cells, would

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 37

not for some time grow at all. The nutritive cells and ovum of the large follicle of the larger ovariole would all increase very rapidly in size. The ovum is always at the lower end of the folliele; its nucleus is large and centrally situated and contains a very few chromatine granules and a nucleolus. The nutritive ceils for a long time increase in size about as fast as does the ovum and have very large nuclei richly charged with chromatine granules. The tunica propria covers the entire ovariole; it is stretched to disappearance about the larger folliele after this has become of large size, but always appears on the narrow neck connecting the two follicles in the form of a tube containing scattered cells. On the lower side of the large follicle (that looking towards the receptaculum seminis) the tunica propria usually passes smoothly around the folliele, as is shown in Fig. 11; in some cases, however, the ragged end of the tunica may be seen extending beyond the follicle towards the oviduet (Pl. IH, Fig. 12 Zun.prop). In no case does the tunica propria extend as far as the oviduct.

When finally a folliele becomes the largest one in the two ovaries and its ovum is the next one to pass into the uterus, its growth becomes very rapid. Its nutritive cells also increase greatly in size and soon attain their maximum volume The ovum, which up to this time has grown in size at about the same rate as the nutritive cells, now rapidly outstrips them and is soon larger than all the nutritive cells together (Pl. III, Fig. 11 /o2.7). The nutritive cells now begin to decrease in bulk, and at about the same time the fol- lieular cells begin to make their appearance and form a membrane between them and the ovum, the follicular cells which bound the nutritive cells on the outside becoming stretched and irregular. The follicular cells which surround the ovum increase in number as it does in size so that they always form a regular, columnar epi- thelium about it. The nucleus of the ovum, which has remained near its centre now loses its nuclear wali, becomes amoeboid and migrates to its periphery where it decreases very much in size. The nutritive cells decrease rapidly now in volume and the ovum increases until it has assumed the shape characteristic of inseet eggs and the nutritive cells being deprived of a greater part of their sub- stance are reduced to a mere remnant. The delicate chorion forms. The nueleus of the ovum has by this time migrated back to the centre of the ovum and that body soon after bursts its tunica

38 | H. S. Pratt,

propria and passes into the uterus. I did not observe the extrusion of the polar bodies.

It will be interesting, now, to compare the ovarioles and egg- follieles of Melophagus with those of other inseets. As is well known KorscHELT (9) following LugBock (13), LEyDIe (11), and others, has shown that the indifferent, germinal cells in the germarium differ- entiate in the youngest folliele into the follieular epithelial cells, the ovum, and the nutritive cells if these be present. My own observa- tions on Melophagus, as will already have been noticed, clearly con- firm this view. These investigations, purely anatomical in character, do not, however, stand in harmony with the results of the embryo- logical investigations of HEYMoNS (8) and WHEELER (22) on certain Orthoptera. These authors have found that the follieular epithelial cells and the ova in this group of inseets, are separate and distinet from each other from the time of their inception in the mesodermie somites of the embryo, so that there can be no indifferent germ-cells in the germarium. In the Orthoptera, however, the germarium of the adult insect is exceedingly small: it may, in fact, be said hardly to exist at all in the same sense as in the higher insects. It certainly does not contain indifferent cells. Judging from the figures of KorscHELT (Figs. 1—7), the short germarium contains two kinds of cells throughout its entire extent, the large ova within and the smaller follieular cells on the periphery which are continuous with the follieular epithelium of the remainder of the ovariole. In the upper end of the germarium there is a small agglomeration of the smaller cells, and they alone are found in the terminal thread. In the higher insects, on the other hand, a voluminous germarium is usually present, and it contains apparently indifferent cells which develop into follieular, nutritive, and egg-cells. It is my opinion, however, that further investigation in the embryology of the holo- metabolie inseets will show that in them also the germinal and fol- licular cells are separate and distinet from their inception and that in some forms the adults will be found to possess a germarium con- sisting of two kinds of cells instead of indifferent cells.

Inseet ovaries are divided by KoRSCHELT (9) and most of the text-books into two classes, those in which nutritive cells are present and those in which there are none. The first elass is found in the Orthoptera and other of the lower insects, the second is found in the higher inseets and may be subdivided into three subgroups ac- cording to the position of the nutritive cells. The first subgroup

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 39

contains those ovaries in which the nutritive cells are in the germ- arıum and this structure is unusually large; it is present in the Hemiptera and certain Coleoptera: the second subgroup contains those in which the nutritive cells are in separate appartments of the ovariole, each appartment being immediately above an egg-folliele; it is present in the Hymenoptera: and the third subgroup contains those in which the nutritive cells are included in each folliele with the ovum, being situated just above or distad of it; it is present in the Diptera. The ovary of Melophagus belongs to the last named class. The ovariole is, as has already been pointed out, almost ex- actly similar to that of Musca. As KOoRSCHELT shows, the tunica propria in Musca is also ruptured as it is in Melophagus when the ovum descends from the lowest folliele into the oviducet, so that the connection between the ovariole and the oviduet is maintained by the peritoneal membrane alone, but Melophagus differs from Musca in that it is the outer peritoneal sac (which does not exist in Musca) by which this is accomplished, the peritoneal covering of the ovariole rupturing with the tunica propria.

Methods.

The greater portion of this investigation was carried on at Haver- ford College. The material was obtained chiefly from the neighborhood and from Cold Spring Harbor, L. J., although some ticks which had been obtained in Germany were also used. I could see no difference between the American and the German ticks. The animals were killed by decapitation and then fixed in a saturated corrosive-sublimate solu- tion heated to 50°C. The abdomens were then in many cases stained in borax-carmine and sectioned in the three prineipal planes. These seetions show the position of the genital traet with reference to the surrounding organs. The finer histological details of the ovaries could, however, be studied to advantage only on genital tracts which had been dissected from the animal and then sectioned, as then only could that organ be cut in definite planes. It was found that a much more successful dissection could be made after the abdomen had been thoroughly hardened than when it was fresh on account of the great delicacy of the organs. This dissected material was stained either in toto with borax-carmine or on the slide with EurLicH’s haematoxylin.

40

DB om

ot

15.

EReSs Bratz,

Literature.

E. BLANCHARD, L’Institut. 1846. No. 630.

A. BRANDT, Über das Ei und seine Bildungsstätte. Leipzig 1878.

GEORGES CUVIER, Le Regne animal: Insectes. II. p. 424. Paris 1825.

L. Durour, Recherches anatomiques sur 1’Hippobosque des chevaux. Ann. des seien. nat. 1825. T. VI.

—— Etudes anatomiques et physiologiques sur les insectes Dipteres de la famille des Pupipares. Appareil genital. Ann. des scien. nat. 1845.: 7. IM:

—— Mem. pres. & l’Acad. de l’Inst. 1851.

B. J. Grassı, Progenitori dei Miriapodi e degli Insetti. Anatomia compa- rata di Tisanuri. Atti d. R. Acad. de Lincei. Cl. seien. e fis. Serie 4. IV. 1888.

R. Hrymons, Die Entstehung der Geschlechtsdrüsen von Phyllodromia (Blatta) germanica L. Diese Zeitschr. Bd. LIII. 1891.

E. KORSCHELT, Über die Entstehung und Bedeutung der verschiedenen Zellelemente des Insektenovariums. Diese Zeitschr. Bd. XLIII. 4. Heft. 1886. 3

R. LEUCKART, Die Fortpflanzung und Entwicklung der Pupiparen. Nach Beobachtungen an Melophagus ovinus. Halle 1858.

F. LeyvıG, Der Eierstock und die Samentasche der Insekten. Nova Acta Acad. Leop.-Carol. T. XXXIII. Dresden 1867.

—— Beiträge zur Kenntnis des thierischen Eies im unbefruchteten Zu- stande. Zool. Jahrb. 1889. Abth. f. Anat. III.

J. LUBBOCK, On the ova and pseudova of insects. Phil. Trans. Roy. Soc. London. Vol. CXLIX. 1860.

C. S. NırzscH, Die Familien der Thierinsekten (insecta epizoica: als Pro- dromus einer Naturgeschichte derselben. Mag. der Entomologie von GERMAR und ZINKEN. Bd. III. 1818.

P. LYonET, Recherches sur l’anatomie et les metamorphoses de differentes especes d’insectes. Ouvrage posthume, publie par M. W. DE Haan. 1832.

H. S. PrArTT, Beiträge zur Kenntnis der Pupiparen. Archiv f. Naturgesch. Bd. LIII. 1893.

R. A. F. REAUMUR, M&m. pour servir & l’hist. des Insect. V. 6. Paris 1142.

D. SHARP, The Cambridge Natural History. Insecta. 1895.

C. T. E. v. SıesoLp, Über die Spermatozoen der wirbellosen Thiere. MÜLLer’s Archiv f. Anat. und Physiol. 1837.

A. WeısmAnn, Die Entwicklung der Dipteren. Leipzig 1864.

W. M. WHEELER, The embryology of Blatta germanica and Doryphora decemlineata. Journ. of Morph. Vol. III. Boston 1889.

—— A Contribution to Insect Embryology. Journ. of Morph. Vol. VIU. Boston 1893.

The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 41

Explanation of the Figures,

AI of the figures except Fig. 2 were drawn with the aid of a camera lucida.

Abbreviations:

ant, antenna;

a.m.gl, Anterior milk-glands;

a.R, anterior ridge;

A, anus;

b.w, body-wall;

b.w.mus, body-wall muscles;

ch.pl, ehitinous plate;

dis.fol.ce, disintegrating follieular- epi- thelium;

d.vag.mus, dorsal vaginal musecles;

eye, eye;

fol, folliele;

ger, germarium;

ar, groove;

head, head;

in.peri.cov, inner peritoneal covering, that around the ovarioles;

28 intestine;

lar, larva;

_ lar.A, larval anus;

_lar.M, larval mouth;

lar.P, larval pharynx;

lar.S, larval stomach;

lar.sp, larval spiracles;

I.mus, longitudinal muscles;

med.ovi, median oviduct;.

mem.ex, membrana externa;

mem.in, membrana interna;

mesoth, mesothorax;

metath, metathorax;

m.gl, milk-gland;

mus.sh, muscle-sheath;

mus.ton, muscular tongue;

n.ce, nutritive cells;

op.m.gl, opening of milk-glands;

ov, OValy;

ovar; ovariole;

ovi, oviduct;

o, Ovum;

pa.ove, paired oviduct;

peri.con, peritoneal connective tissue fibres;

pert.cov, peritoneal covering;

pert.mus, peritoneal muscle-fibres;

p.m.gl, posterior milk-glands;

p.R, posterior ridge;

p-t.mus, posterior transverse musecle- fibres;

prob, probosecis;

proth, prothorax;

r, rectum;

r.gl, rectal gland;

rec.sem, Teceptaculum seminis;

sper, spermatozoa;

sp, spiracles;

spur, Spur;

tr, trachea;

tun.prop, tunica propria;

U, uterus;

v, vacuole;

vag, vagina;

v.vag.mus, ventral vaginal muscle-fibres;

vul, vulva.

Plate II.

Fig. 1. Ventral aspect of an adult female sheep-tick showing an outline of the genital tract with an egg in the uterus. >< 9.

Fig. 2. animal’s body. >< 33.

The upper (dorsal) surface of the genital tract dissected from the

Fig. 3. Sagittal section of the abdomen of a young female sheep-tick showing the position of the genital tract. The position of the dorsal vaginal

49 H. S. Pratt, The Anatomy of the Female Genital Tract ete.

muscles (d.vag.mus) is represented by dotted lines. They would not appear in the section as they are paired organs. < TV.

Fig. 4. Sagittal seetion of the abdomen of an old female tick showing the uterus containing a full-grown larva. << 39.

Fig. 5. Portion of a cross-section of the abdomen of the tick showing a

- _ eross-seetion of the vagina with the surrounding organs. The plane of the

section is marked in Fig. 3 by dotted line *. >< 59.

Fig. 6. Portion of a cross-section of the abdomen through the chitinous plate between the vulva and the anus. The plane of the section is marked in Fig. 3 by dotted line +. x 59.

Plate III.

Fig. 7. Branched muscle-fbres dissected from the wall of the uterus. >< 875.

Fig. 8. The anterior pair of milk-glands and the proximal portions of the posterior pair. >< 130.

Fig. 9. Cross-section of the extreme proximal ends of the two pairs of milk-glands showing them bound together by muscle-fibres. The plane of the section is marked in Fig. 8 by the dotted line *. >< 340.

Fig. 10. Cross-section of the two pairs of milk-glands somewhat distad of the cross-section represented in Fig. 9 showing them no longer bound together by muscle-fibres. The plane of the section is represented in Fig. 8 by the dotted line +. >< 340.

Fig. 11. Longitudinal section of the two ovaries the paired oviduets and the receptaculum seminis. ovar.I and ovar.2, the two ovarioles of each ovary; fol.1, 2, 3, 4, ö, 6, 7, 8, the different follicles in the order in which they discharge their ova. >< 78. /

Fig. 12. Longitudinal section of a small ovary. ovar.1 and ovar.2, the two ovarioles. >< 200.

Fig. 13. Cross-section of the tip of an ovary showing the ends of the sermaria by which the ovarioles are attached. >< 200.

Fig. 14. Cross-section of the tip of an ovary distad of the germaria. > 200.

Fig. 15. View of the muscle-fibres of the ovary. >< 340.

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien, Von

Hermann Männer

aus Weildorf in Baden.

Mit Tafel IV—VII.

Trotzdem die Entwicklung der Wirbelsäule der Reptilien schon oft Gegenstand der Untersuchung vieler Forscher war, so ist bis jetzt doch eine einheitliche Darstellung ihrer Entstehung nicht vorhanden. Namentlich fehlt noch eine genaue Beschreibung der Veränderungen im skeletogenen Gewebe, die zur Bildung eines Wirbels führen. Und doch gewinnen diese Vorgänge gerade durch das Auffinden der Intervertebralspalte von v. EBNER ein erhöhtes Interesse.

v. EBNEr (2) fand an Ringelnatterembryonen, dass das Sklerotom "durch eine feine Spalte, die von der Mitte der Muskelplatte nach einwärts gegen Chorda und Rückenmark hinzieht, in zwei Abtheilungen zerlegt wird, wovon die vordere das segmentale Ganglion enthält. Sie ist am besten zu sehen auf Frontalschnitten in der Höhe der Spinalganglien bis zur Höhe der Chorda. Er nennt sie Intervertebral- spalte, weil sie der Lage nach den Grenzen der späteren Wirbel entspricht. Damit sei die Neugliederung der Wirbelsäule im Sinne RENMAR’s schon gegeben. Es sei nur die REMmAR’sche Lehre in dem Punkte zu berichtigen, dass die Neugliederung nicht aus einem gleich- förmigen Blastem der Urwirbel hervorgehe, sondern fortlaufend streng gegliedert vor sich gehe. Bezüglich der Herkunft dieser Spalte hat V. EBNER an Hühnerembryonen beobachtet, dass sie ursprünglich eine direkte Fortsetzung der Urwirbelhöhle nach innen ist, durch die Son- derung des Urwirbels in einen muskelbildenden und skelettbildenden Theil ihre ‚ursprüngliche Verbindung verliert und schließlich durch das Wachsen des Sklerotoms ganz verschwindet. v. EBNER hat die

44 Hermann Männer,

Intervertebralspalte auch an Eidechsen-, Hühner-, Mäuse- und Fleder- mausembryonen gefunden.

CoRNING (1) bestätigt an Blindschleichenembryonen das Vorhanden- sein von der Intervertebralspalte, bestreitet aber, dass mit der dadurch . bedingten, sekundären Gliederung des Sklerotoms auch schon die Wirbelanlage gegeben sei. Nach ihm sind die frühesten Anlagen des Achsenskelettes diejenigen der Querfortsätze und oberen Bogen, erst durch die Verschmelzung der Basen wird die Anlage des Wirbels im Sklerotomgewebe gebildet. Schon in früher Zeit ist die Segmen- tirung der Wirbelsäule angedeutet durch die Chordaeinschnürungen, die sich intervertebral entsprechend den Resten der Urwirbelhöhle vorfinden. Die Neugliederung der Wirbelsäule sei so zu verstehen, dass sich die erste Anlage des Achsenskelettes peripher zwischen den Myomeren entwickelt. Diese Anlagen verbreiten sich medianwärts und erhalten so durch die Verbreiterung ihres Ansatzes an die Chorda eine höhere Bedeutung für die Stützfunktion. Durch die Segmentirung der Wirbel werde die Verschiebung der letzteren im Anschluss an die Muskelaktion ermöglicht, und die »Neugliederung der Wirbelsäule« sei gegeben.

ÜOLLMANN (11) bestätigt auch für menschliche Embryonen das Vorhandensein einer Intervertebralspalte, die durch das Austreten des Urwirbelkernes aus dem Myocoel entstehe. Sie diene zur Aufnahme der metameren Nerven und Gefäße. Der Ausdruck Neugliederung der Wirbelsäule sei fallen zu lassen, da die Entwicklung kontinuirlich aus den Urwirbeln vor sich gehe und statt dessen Verschiebung einzuführen.

V. EBNER (3) wendet sich in einer weiteren Arbeit gegen CORNING. Die Bogen werden nicht früher als der Körper angelegt. Zuerst erscheine im Wirbelkörper Knorpelgewebe, erst später im Bogen. Die von FroRrIEPr (7) bezeichneten »primitiven Bogen« seien embryonale Anlagen, die mit einem späteren Skelettstück nicht in Beziehung gebracht werden können. Diese seien am besten als Vertebralstreifen zu bezeichnen. Die von Cornına beschriebenen, primitiven Chorda- einschnürungen hätten keine bleibende Bedeutung und verschwinden. Die bleibenden Chordaeinschnürungen entwickeln sich erst später mit dem Beginn der Wirbelverknöcherung. Die Intervertebralspalte sei nicht identisch mit der Gelenkhöhle, der sie nur der Lage nach ent- spreche. v. EBnER wendet sich dann gegen CoLLMANnN. Die alter- nirende Metamerie der Muskeln und Wirbel beruhe nicht auf Ver- schiebungen, sondern sei nur durch eine Neugliederung im Sinne REMAR’S erklärbar.

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 45

O. SCHULTZE (16) fand bei seinen Untersuchungen an Säugethier- embryonen, dass das Sklerotom, das durch die Intersegmentalarterien scharf begrenzt ist, durch die Intersegmentalspalte (= Intervertebral- spalte von v. EBNEr’s) in zwei Abschnitte zerfällt, einen schwach färbbaren vorderen Theil und einen stark färbbaren hinteren Theil. Der eraniale, helle Theil enthält den Spinalnerven, der caudale, dunkle Theil ist die segmentale Anlage der Bogen. Von dieser An- lage wächst der primitive Wirbelbogen aus. Durch das dorsale Aus- wachsen des Sklerotoms wird auch entsprechend der Urgliederung die Membrana reuniens segmentirt. Durch das Emporwachsen der Bogenanlagen erscheint auf der segmentirten Membrana reuniens noch- mals eine gleichmäßige, quere Segmentirung, in der also je zwei Segmente einem ursprünglichen Ursegment entsprechen. Eine weitere Veränderung, die sich an der primitiven Wirbelkörpersäule vollzieht, ist die, dass die einzelnen primitiven Wirbel in longitudinaler Rich- tung durch skeletogenes Vorknorpelgewebe, das als Chordamantel auftritt, sich verbinden. Die Wirbelsäule stellt nunmehr ein einziges einheitliches Gebilde dar, in dem der Process der Verknorpelung beginnt. Der Endeffekt ist immer die Neugliederung der Wirbelsäule, wobei im Allgemeinen die Verknorpelung im Bereiche der zwischen den primitiven Wirbelkörpern gelegenen skeletogenen Vorknorpel- schicht beginnt und von hier immer mehr Substanz des primitiven Wirbelkörpers verknorpelt. Dorsaler und ventraler Wirbelbogen sind in keiner Weise an der Neugliederung betheiligt. Schließlich ver- knorpelt der ganze primitive Wirbelkörper, und die Wirbelsäule be- steht aus einheitlichem hyalinen Knorpel. Das Ligamentum inter- vertebrale geht erst sekundär daraus hervor. Das Gelenk entsteht innerhalb des hyalinen Knorpels durch Spaltbildung.

GOETTE (6) führte ein ganz neues Moment in die Entwicklungs- geschichte der Wirbelsäule ein, nämlich die Zurückführung der ein- fachen Amphibien- und Amniotenwirbel auf Doppelbildungen. Nach ihm sind an dem sich entwickelnden Wirbel der primäre Wirbel- körper und die primären Wirbelbogen zu unterscheiden. Die sekun- dären, d. h. definitiven Wirbelkörper entstehen nicht nur aus der primären Wirbelkörperanlage, sondern auch aus. den Basen der Bogen. Die Grenze ist in frühen Entwicklungsstadien deutlich ausgesprochen, später gleichen sich. die geweblichen Unterschiede aus. Die Gliede- rung der primären Wirbelkörper ist frühzeitig ausgesprochen durch Verdiekungen der Perichordalschieht. An diesen Intervertebralringen macht sich eine Reihe von Umbildungen geltend. Zunächst erscheint

46 Hermann Männer,

eine Rinne in der Mitte jeder Anschwellung. Im Boden der Rinne sieht man von vorn nach hinten verlaufende Faserzellen, die als Intervertebralligament aufgefasst werden müssen. Die intervertebrale Rinne wird bald von einem hellen Wulst ausgefüllt, der eine inter- vertebrale Verdickung des Perichondriums darstellt und später dem Intervertebralligament einverleibt wird. Die Gelenkbildung erfolgt in der Art, dass der Intervertebralring und Außenwulst unter Form- und Gewebsveränderung mit dem vorhergehenden Wirbelkörper als dessen Gelenkkopf verschmelzen, während die Pfanne aus dem hin- teren ursprünglichen Wirbelkörper hervorgeht. Bei der Untersuchung der oberen Bögen fand GoETTE an der Schwanzwirbelsäule von La- certa wie Anguis Erscheinungen, die auf eine frühere Verdoppelung der Bogen in jedem Segment hinweisen. Bei Lacerta viridis sind hinter den vorderen Bogen an jedem Segment noch Rudimente von hinteren Bögen vorhanden. Vordere und hintere Bogen umschließen zuerst eine Spalte, die später durch Verwachsung beider Bogen- anlagen verschwindet. Die Entwicklung der caudalen Seitenfortsätze ist besonders bei Anguis ein indirekter Beweis für die ursprüngliche Doppelbildung der oberen Wirbelbogen, während die Entwicklung der letzteren selbst diesen Hinweis undeutlicher ergiebt als bei La- certa. Doppelte Seitenfortsätze finden sich auch bei Embryonen von Ovis aries, Didelphys quica, Lepus euniculus an den hinteren Wirbeln. Auf Grund dieser Befunde und einer sehr ausführlichen paläontolo- gischen Untersuchung kommt GoETTE zu folgendem Schlussergebnis:

1) Die Bildung vollständiger Wirbel mit Wirbelbögen und Wirbel- körper beginnt in der Reihe der Amiaden wie in der Reihe der Stegocephalen und aller lebenden Digitaten mit der embolomeren Form, d. h. mit doppeltem Wirbel in jedem Segment.

2) Die Verwandlung dieser Doppelwirbel in einfache Wirbel erfolgt mittels ihrer paarweisen Verschmelzung, nachdem mehr oder weniger beide Wirbel (Ganoiden) oder vorherrschend der hintere von ihnen sich zurückgebildet hat (Digitaten).

3) Die rhachitome Wirbelform ist weder eine ursprüngliche noch eine selbständige Erscheinung, sondern nur eine Übergangsstufe in jenem Verwandlungsprocess.

4) Die Hauptbedeutung des embolomeren Ursprunges der Wirbel liest für die Digitaten in der Vererbung gewisser Reste der Doppel- bildung, nämlich der Bogen und Seitenfortsätze und Rippen, deren bleibende Formen theilweise nur daraus zu verstehen sind.

Trotzdem also die Litteratur über die Entwicklung der Wirbel-

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 47

säule eine sehr reichhaltige ist, gehen die Ansichten über das Problem der Wirbelbildung doch noch sehr aus einander, hauptsächlich wohl desshalb, weil bis jetzt eine zusammenhängende Darstellung der Um- bildungen der Ursegmente zu den fertigen Wirbeln fehlt. Es konnte desshalb eine erneute Untersuchung, die vor Allem Werth darauf leste, die Veränderungen des Sklerotoms bis zur Bildung eines Wirbels in allen seinen Theilen zu verfolgen, nur von Vortheil sein.

Untersuchung.

Die Untersuchung fand an Embryonen von Tropidonotus natrix, Coronella laevis, Lacerta agilis und Anguis fragilis statt. Um alle Entwieklungsstadien zu erhalten, wurden die Eier der nicht lebendig gebärenden Thiere unter möglichst natürlichen Bedingungen zur Aus- brütung gebracht. So war es möglich von jedem einzelnen Thier die Entwieklung von der Abgliederung der Ursegmente bis zum aus- gebildeten Wirbel kontinuirlich zu verfolgen. Die Härtung und Fixirung der Embryonen geschah meist mit Sublimat, gefärbt wurde mit Hämalaun, seltener mit Boraxkarmin, weil es mir auf eine mög- lichst gleichmäßige Färbung ankam. Zu besonderen Zwecken wurde auch mit FLEMInG’schem Gemisch fixirt und dann mit Safranin gefärbt. Wenn die Embryonen stark aufgerollt waren, so wurde die eine Hälfte parallel zur Spiralachse geschnitten, wodurch ich Horizontal- und Transversalschnitte bekam, während die andere Hälfte der Spirale in Sagittalschnitte zerlegt wurde. Die Schnittdicke betrug 10 und 15 u; die einzelnen Schnitte wurden in lückenloser Serie aufgeklebt. Zur Kontrolle wurden von jedem Entwicklungsstadium Horizontal-, Sagittal- und Transversalschnitte angefertigt.

Da sich bei den Reptilien in den Entwicklungsvorgängen der skeletogenen Schicht, die zur Bildung der Wirbelsäule führen, Ver- schiedenheiten geltend machen, so bespreche ich die untersuchten Thiere in drei Reihen. Die erste Reihe vertritt Tropidonotus natrix, in der zweiten Reihe stellte ich Coronella laevis, Anguis fragilis und Lacerta agilis zusammen, die bei den Sklerotomveränderungen Über- einstimmung zeigen, und in der dritten Reihe bespreche ich die Entstehung der Schwanzwirbelsäule von Lacerta agilis und Anguis fragilis.

Tropidonotus natrix.

Die neueren Autoren wie COLLMANN, V. EBNER, RABL etec., die sich mit der Frage der Herkunft des skeletogenen Gewebes beschäf-

48 Hermann Männer,

tigt haben, stimmen darin überein, dass die Sklerotome aus den Ursegmenten entstehen. Die Ursegmente erscheinen zunächst nach ihrer Abgliederung mit einer dichten Zellenmasse erfüllt. Die innere Wand eröffnet sich nahe der inneren, unteren Ursegmentkante, und die Zellen ergießen sich nach außen. Ein derartiges Stadium ver- “anschaulicht uns Fig. 1a. Man sieht wie die Zellen sich an der inneren, unteren Wand gelockert haben, einige Zellen haben bereits das Ursegment verlassen und schicken sich an, die Chorda dorsal und ventral zu umfassen. Die durch das Austreten des Ursegment- kernes entstandene Spalte setzt sich kontinuirlich in das Sklerotom fort und bleibt noch lange bestehen (Fig. 1). v. EBNER, der sie zuerst gesehen hat, nannte sie ihrer späteren Bedeutung wegen Interverte- bralspalte, während sie von SCHULTZE (16) als Intersegmentalspalte bezeichnet wurde. An den so entstandenen Sklerotomen spielen sich nun bis zur Bildung der Wirbelsäule eine Reihe von Vorgängen ab, die man in drei Stadien zerlegen kann. Die einzelnen Entwicklungs- abschnitte gehen selbstverständlich ohne Unterbrechung in einander über, und es sollen damit nur Anhaltspunkte für die Vergleichung der Umbildungen des Sklerotoms, die bei den verschiedenen Thieren zur Bildung der Wirbelsäule führen, gegeben sein.

Die erste Entwicklungsstufe entspricht den Fig. 1 und 2 von v. EBxer (2). Die einzelnen Sklerotome sind den Urwirbelgrenzen entsprechend gegenseitig scharf abgegrenzt einmal durch die inter- protovertebralen Blutgefäße und dann durch die Einkerbung zwischen den Ursegmenten. Gegen Ende dieses Stadiums ist das Myotom in eine äußere und innere Lamelle geschieden und damit der Zusammen- hang der Intervertebralspalte mit der Ursegmenthöhle verwischt. Die Intervertebralspalte ist nur wenig sichtbar und reicht bis zur Mitte des Sklerotoms. Die Zellen des Sklerotoms zeigen bereits eine Diffe- renzirung. Sie stehen am dichtesten im ‚lateralen Drittel und haben hier eine rundliche Form, während sie in der Nähe der Chorda ein ganz lockeres Gefüge aufweisen und oft mit Fortsätzen versehen sind. In der Chorda beginnt bereits die Vaeuolenbildung. Auf Querschnitten sieht man, wie sich schon einzelne mit Fortsätzen versehene Zellen ringförmig um die Chorda gelagert haben. Dorsal erstreckt sich die Differenzirung im skeletogenen Gewebe bis zur Höhe der herab- wachsenden Ganglien, ventral bis zur unteren Chordagrenze.

Fig. 2 zeigt uns Verhältnisse, wie wir sie als zweites Stadium der Sklerotomentwicklung bezeichnen können. Das Myotom hat noch die frühere Form des Ursegments, Somatopleura und Splanchnopleura

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 49

sind aber nicht mehr deutlich von einander zu unterscheiden. Die Intervertebralspalte ist sehr deutlich sichtbar und reicht fast bis an die Chorda. Die Sklerotome, deren ursprüngliche Abgrenzung durch die Interprotovertebralgefäße und die Myotomgrenze scharf aus- gesprochen ist, werden durch die Intervertebralspalte halbirt. Die beiden Abschnitte unterscheiden sich aber wesentlich durch ihre Färbbarkeit. Der caudale Theil des Sklerotoms ist mit rundlichen, dicht gedrängten Zellen erfüllt und erscheint ganz dunkel gefärbt, der ceraniale Theil enthält theils runde, theils mit Fortsätzen ver- sehene Zellen, die mehr locker stehen, und hat ein helleres Aus- sehen. Die Farbenunterschiede erstrecken sich bis in die Nähe der Chorda. Der vordere, helle Antheil enthält in seinem lateralen Drittel dieht an der Grenze der Intervertebralspalte das segmentale Ganglion. Ventral hört mit dem Verschwinden der Intervertebral- spalte in der Höhe der unteren Chordagrenze auch jede Differenzirung des Sklerotomgewebes auf. Nur ventral von der Chorda findet sich der Lage nach der Intervertebralspalte entsprechend ein verdichteter Zellstreifen, der gleichmäßig in die helle und dunkle Schicht über- geht. Diese Zellbrücke, die je ein rechtes und linkes Sklerotom mit einander verbindet, ist als die Anlage der hypochordalen Spange FRorIEP’s (7) aufzufassen. Sie ist auch auf Querschnitten durch die Richtung der Kerne deutlich von der ringförmig angeordneten Peri- chordalschicht zu unterscheiden. Diese selbst erscheint jetzt als ein Zellenring von 5 u Dicke. Sagittalschnitte zeigen, wie sich die beiden Sklerotomhälften gleichmäßig nach oben verjüngen. Den vorderen Antheil füllt das segmentale Ganglion fast ganz aus, so dass die Farbenunterschiede verwischt sind. Die Intervertebraispalte reicht bis zur Mitte der Höhe des Rückenmarkes. Dorsal davon deutet die hintere Grenze des Ganglion ihre Fortsetzung an. Über dem Ganglion sind beide Sklerotomtheile sehr zellreich. Trotzdem die beiden Schichten weder durch eine Intervertebralspalte getrennt noch durch einen Unterschied in der Färbbarkeit ausgezeichnet sind, ist deren Abgrenzung doch ganz gut möglich. In beiden Theilen schließen sich die Zellen koncentrisch zusammen und erscheinen so in gesonderten Zellenverbänden. Die Differenzirung des Sklerotom- gewebes erstreckt sich dorsal bis zur Höhe der Ursegmentgrenze. Durch die verschiedene Ausbildung des Sklerotoms in eine helle und eine dunkle Hälfte ist im zweiten Stadium also bereits die verschie- dene Bestimmung der beiden Schichten ausgesprochen.

Das dritte Stadium der Sklerotomentwieklung ist charakterisirt

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. B

0 Hermann Männer,

durch das Vordringen des Myotoms längs der Intervertebralspalte und der dadurch bedingten Umgestaltungen. Das Myotom (Fig. 3), das zu einer Platte von dreieckiger Form umgebildet ist, dringt mit der Spitze des Dreiecks längs der Intervertebralspalte vor und drängt ‘-dadurch wie ein Keil die Hälften zweier verschiedener Sklerotome gegen einander. Es wird so die Zellenmasse, die zur Bildung eines Wirbels bestimmt ist, genau abgegrenzt. Es ist immer der caudale, dunkle Theil eines Sklerotoms mit je dem cranialen, hellen Theil des nächstfolgenden Sklerotoms. Die verschiedene Färbbarkeit spricht aber schon dem nunmehr zum vorderen Theil gewordenen, dunklen Sklerotomantheil die Hauptbedeutung bei der Bogenbildung zu. Durch das Weiterwachsthum des Myotoms werden schließlich die lateralen Enden vollständig zusammengetrieben und erscheinen hier vereint (Fig. 3). Die Folge dieses gegenseitigen Ineinanderwachsen von Myotom und Sklerotom ist die, dass der dunkle Sklerotomantheil caudalwärts eine Neigung machen muss, wodurch er seine charak- teristische Form als primitiver Wirbelbogen erhält. Damit bekommen wir einen Entwicklungszustand der Wirbelsäule, den man nach dem Vorgang FRORIEP’s (7) als primitiven bezeichnen kann. Die Bedeu- tung jedoch, die FRORIEP diesem Zustand beilegt, stimmt hier nicht überein. Die eigentliche Grundlage des Achsenskelettes, die Chorda dorsalis, zeigt bereits seichte Einschnürungen in der Intervertebral- gegend. Auch erscheint der primitive Wirbelbogen nur in seinem lateralen Drittel zwischen den Myotomen einheitlich, so dass man eigentlich von einer Stützfunktion gar nicht reden kann. In dem primitiven Wirbelbogen haben sich die Zellen gegen die Interverte- bralspalte hin zusammengedrängt, so dass die dunkle Färbung nicht mehr die ursprüngliche Breite der hinteren Sklerotomhälfte einnimmt. Ihre Breite beträgt jetzt 35 «, während sie vordem 60 « betrug. Die primitiven Wirbelbogen erscheinen gegen die Chorda hin verjüngt; es macht den Eindruck, als ob sich einzelne Zellen abgezweigt hätten und zur Bildung der Perichordalschicht verwendet worden wären. Auch im ursprünglich hellen Antheil nehmen wir entlang der Inter- vertebralspalte und namentlich in der Nähe der Chorda eine dunklere Färbung wahr, sei es nun in Folge eigener Wachsthumsenergie oder sei es, dass die Zellen durch das Vordringen des Myotoms an dieser Stelle zusammengedrängt wurden. Die Intervertebralspalte ist fast gar nicht mehr sichtbar, durch das Abheben des primitiven Wirbel- bogens in seiner Färbbarkeit ist aber die Grenze zwischen den ur- sprünglichen Sklerotomantheilen deutlich ausgesprochen. Bereits sieht

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 51

man auch eine Wirbelkörperanlage, indem die Perichordalschicht in der Mitte zwischen den beiden Schichten zellreicher erscheint als “das angrenzende Gewebe. Ventral der Chorda zeigt sich jetzt die hypochordale Spange als eine stark entwickelte Zellenbrücke, die in der Intervertebralgegend rechte und linke Seite mit einander verbindet. Sie verjüngt sich ventralwärts etwas, so dass sie wie ein zapfen- förmiger Fortsatz der Perichordalschicht erscheint. Auf Querschnitten ist sie aber deutlich durch die Anordnung der Zellen von der Peri- chordalschicht getrennt. Diese selbst hat jetzt in vertebraler Gegend eine Breite von 15 «, in der Intervertebralgegend eine solche von 18 u. Sagittalschnitt Fig. 4 veranschaulicht uns die Verhältnisse dorsal von der Chorda. Der segmentale Muskel drängt die Sklerotomantheile mit dem Ganglion gegen das Rückenmark. Der Erfolg ist auch hier eine Neugliederung, indem je eine caudale und craniale Hälfte des benachbarten Sklerotoms zur Bogenbildung vereinigt werden. Da im Stamm des Neuralbogens das Ganglion die Stelle des hellen Antheils einnimmt, so kommt die Neugliederung nur in der Bogendachanlage zur Geltung. Die Grenzen des künftigen Bogens sind, trotzdem eine Intervertebralspalte fehlt, doch deutlich ausgesprochen. Die Differenzirung im Sklerotomgewebe ist gegen früher nur wenig nach oben gerückt.

Der Übergangszustand der primitiven Wirbelsäule zu der defini- tiven besteht darin, dass sich die durch das Vordringen des Myotoms einander genäherten Schichten mit einander vereinigen. Gleichzeitig machen sich in der Intervertebralgegend die Veränderungen bemerk- bar, die zur Bildung von Gelenkkopf und Gelenkpfanne führen, und die von GOETTE ausführlich beschrieben worden sind. Kurze Zeit ist die Unterscheidung der beiden, zur Bogenbildung bestimmten Schichten noch möglich, da sich zwischen ihnen noch die Interprotovertebral- sefäße befinden. Der helle Antheil ist aber sehr redueirt, er erscheint nur als ein Zellstreifen von 8 u Breite, so dass sein Beitrag zur Rippen- beziehungsweise Querfortsatzbildung völlig außer Acht ge- lassen werden kann. Nur in der Nähe der Chorda bleibt auch diese Schicht sehr zellreich. Bald aber verschieben sich die Gefäße in Folge der Wachsthumsvorgänge caudalwärts und erscheinen jetzt als die Intereostalarterien. Die beiden Schichten vereinigen sich vollständig, indem sie den Wirbelkörper seitlich einfassen, ein Vorgang, der bis- her als »Verbreiterung der Bogenbasen« bezeichnet wurde. Das seit- liche Bogenstück erscheint jetzt einheitlich. Nun ist auch der Wirbel- körper vollständig angelegt. Er besteht aus der Bogenbase und dem

4%

59 Hermann Männer,

perichordalen Faserring. Da der Bogenantheil rundliche Zellen be- sitzt, während die Perichordalschicht faserige Struktur aufweist, so ist die Unterscheidung beider leicht möglich. Querschnitte zeigen, ° dass der Wirbelkörper dorsal und ventral von der Chorda fast nur von der Perichordalschicht gebildet wird. Der intervertebrale Theil der Bogenanlage ist zu einem Faserring umgewandelt. Diesem liegt ventral die hypochordale Spange an. Die Zellenmasse erscheint jetzt mächtig entwickelt und steht mit der Bogenanlage noch in Ver- bindung. Im Neuralbogen sind gegen früher keine wesentlichen Veränderungen bemerkbar.

Unterdessen ist auch schon der definitive Zustand der Wirbel- säule erreicht. Im Wirbelkörper und zwar in der Perichordalschicht ist Knorpel aufgetreten. Der Verknorpelungsprocess greift rasch um sich, nur dorsal von der Chorda bleibt das Fasergewebe noch länger bestehen, so dass der Wirbelkörper eine oben offene, knorpelige Halbröhre darstellt. Bald darauf erscheint auch der Neuralbogen verknorpelt und zwar zuerst in dem Theil, der der dunklen Sklerotom- schicht entspricht. Von hier greift der Verknorpelungsprocess auf die dem hellen Antheil entsprechende Zellenmasse im Bogendach und der Bugenbase über. Der Intervertebralwulst ist jetzt mächtig ent- wickelt, die hypochordale Spange aber erscheint fast ganz reducirt. Die Zellenmasse ist offenbar zur Bildung des Gelenkwulstes verwendet worden. Endlich ist der Wirbel in allen seinen Theilen verknorpelt, und der Intervertebralwulst hat sich in Gelenkkopf und Gelenkpfanne gesondert. Nur dorsal über dem Rückenmark ist der Neuralbogen noch nicht knorpelig geschlossen, erst später, wenn im Wirbelkörper schon der Verknöcherungsprocess um sich greift, erscheint auch das Bogendach mit dem Dornfortsatz völlig verknorpelt. Die Bildung der Gelenkfortsätze erfolgt in der Art, wie es schon beschrieben ist. In dem so in allen seinen Theilen fertig gestellten Wirbel beginnt nun der Process der Verknöcherung.

Die Entwicklung der Wirbelsäule bei Tropidonotus natrix zeigt große Ähnlichkeit mit der bei Säugethieren, wie sie von SchuLtze (16) und FRORIEP (8) beschrieben worden ist. Die helle Sklerotomhälfte weist aber zwei verdichtete Zellpartien im Bereiche der Bogenbase und Bogendachanlage auf, so dass diese Theile im Gegensatz zu den Däugethieren aus den Hälften zweier verschiedener Sklerotome zu- sammengesetzt erscheinen. Auch erfolgt die Entwicklung der Wirbel- säule bei Trop. natrix immer streng gegliedert, während bei den

Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 53

!

Säugethieren die Wirbelkörperanlage nach SCHULTZE aus einem un gegliederten Blastem hervorgeht.

Coronella laevis, Anguis fragilis und Lacerta agilis.

Die Entwicklung der Wirbelsäule zeigt bei diesen Thieren große Übereinstimmung. Ich werde, um Wiederholungen zu vermeiden, nur die von Tropidonotus abweichenden Verhältnisse beschreiben.

Zunächst finden wir hier denselben Zustand, wie wir ihn bei Tropidonotus natrix als erstes Stadium bezeichnet haben. Die Sklero- tome sind durch die interprotovertebralen Gefäße, die in einem hellen Zwischengewebe eingebettet sind, deutlich von einander abgegrenzt. Die Intervertebralspalte reicht bis zur Mitte des Sklerotoms. Die Zellen stehen im lateralen Drittel am diehtesten, gegen die Chorda hin nehmen sie an Dichtigkeit gleichmäßig ab. Die Differenzirung des Sklerotomgewebes reicht ventral bis zur Höhe der unteren Chorda- erenze, dorsal bis zur Mitte des Ursegmentes.

Fig. 5 giebt uns ein Bild, wie wir es als Übergang vom zweiten zum dritten Stadium bezeichnen können. Es entspricht annähernd der Fig. 2 von Tropidonotus. Im zweiten Stadium, wo das Myotom noch die Form des Ursegmentes hat, zeigen sich ganz andere Ver- hältnisse als bei Tropidonotus. Die Intervertebralspalte, die sehr deutlich ausgeprägt ist und fast bis an die Chorda reicht, theilt das Sklerotom wieder in eine vordere und hintere Hälfte Die Zellen stehen aber in beiden Theilen am dichtesten an der Grenze der Intervertebralspalte. Von hier aus nimmt die Färbbarkeit gegen die interprotovertebralen Gefäße gleichmäßig ab. Die Blutgefäße selber sind in einem hellen Zwischengewebe eingebettet. In der vorderen Sklerotomhälfte dicht an der Grenze von der Intervertebralspalte und Myotom liest das segmentale Ganglion. Ventral der Chorda ver- bindet wieder ein Zellstreifen in der Intervertebralgegend die rechte und linke Hälfte, indem die Zellen gleichmäßig in die vordere und hintere Sklerotomhälfte übergehen. Dorsalwärts füllt das Ganglion den vorderen Sklerotomantheil völlig aus. Die sonstigen Verhältnisse stimmen mit Tropidonotus natrix überein. Hier wird also im zweiten Stadium das Sklerotom nicht in eine helle und dunkle Hälfte ge- schieden, man kann hier nur von einer ganglionhaltigen und ganglion- freien Sklerotomschieht reden.

Das Myotom bildet sich wieder zu einer Platte von annähernd dreieckiger Form um /Fig. 5). Durch das Vordringen mit der Spitze des Dreiecks längs der Intervertebralspalte veranlasst es eine Neu-

54 Hermann Männer,

sliederung des skeletogenen Gewebes. Damit treten wir in das dritte Stadium der Sklerotomentwicklung. Fig. 6 entspricht der Fig. 3 von Tropidonotus. Durch das Wachsthum des Muskels und der Sklero- tomhälften ist wieder die charakteristische Neigung der Bogenanlagen zu Stande gekommen, und wir haben einen Zustand erhalten, der dem primitiven Wirbel FrorıEp’s entspricht. Der Ausdruck ist aber in der Bedeutung, wie ihn FroRIEP braucht, hier nicht anwendbar. Da die zu einer Wirbelanlage bestimmten Sklerotomhälften bereits eine Verschiedenheit in ihrer Ausbildung aufweisen, so nenne ich, um die Beschreibung nicht so schwerfällig zu gestalten, den Theil, der der caudalen Hälfte eines Sklerotoms entspricht, Hauptbogen- anlage, und den Theil, der der cranialen Hälfte des nächstfolgenden Sklerotoms entspricht, Nebenbogenanlage. In der Hauptbogenanlage stehen die Zellen viel enger, und die dunkle Färbung nimmt einen viel breiteren Raum ein, so dass sie deutlich als die Hauptanlage des seitlichen Bogentheils erscheint. Haupt- und Nebenbogenanlagen sind an ihren lateralen Enden mit einander vereint. In der Mitte befinden sich zwischen ihnen die Interprotovertebralgefäße und ein helles Mesoblastgewebe. Die Intervertebralspalte reicht nicht mehr ganz bis in die Nähe der Chorda. In der Intervertebralgegend geht die Nebenbogenanlage ununterbrochen in die nächstfolgende Haupt- bogenanlage über. Die hypochordale Spange ist stark entwickelt. Dorsalwärts verjüngen sich beide Bogenanlagen gleichmäßig. In der Höhe des Rückenmarkes nimmt das Ganglion fast den ganzen Raum der Nebenbogenanlage ein (Fig. 7). Die Sklerotomgrenze ist durch das Blutgefäß und die Anordnung der Zellen deutlich ausgesprochen. Wie man sich auf Sagittalschnitten überzeugen kann, entspricht die hintere Grenze des Ganglion der Stelle der Intervertebralspalte. Es werden also auch hier durch den vordringenden Muskel ganz die gleichen Verhältnisse wie im seitlichen Bogentheil geschaffen. Die Breite der Hauptbogenanlage beträgt 40 u, die der Nebenbogen- anlage 10 u, wesswegen man in Höhe des Ganglion letztere ganz außer Acht lassen kann. Dorsal von dem Ganglion zeigen sich wieder wie bei Tropidonotus beide Sklerotomhälften gleich ausgebildet.

Fig. 8 giebt uns eine weitere Entwicklungsstufe. Das Myotom ist weiter vorgedrungen, Haupt- und Nebenbogenanlage haben sich gegen früher mächtig entwickelt. Erstere ist in der Nähe der Blut- gefäße 45 u breit, letztere 25 u. Die beiden Bogenanlagen haben sich einander noch mehr genähert, lateral sind sie ganz vereinigt, in der Mitte zeigt eine feine Spalte die Trennung noch an, medial

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 55

trennt beide noch ein helles Zwischengewebe. Die interprotoverte- bralen Gefäße verschieben sich eben caudalwärts durch die Neben- bogenanlage hindurch. Einzelne Gefäße befinden sich mitten in der Nebenbogenanlage, die Arterie erscheint schon als Intercostalarterie. Im weiteren Verlauf der Entwicklung vereinigen sich Haupt- und Nebenbogenanlage sowohl im seitlichen als auch dorsalen Bogenstück vollständig, es kommt unter Rückbildung der hypochordalen Spange zur Ausbildung der Gelenkanlagen, und der Wirbel wird in allen seinen Theilen vollständig angelegt. Unterdessen hat auch schon der Verknorpelungsprocess begonnen.

Bei Anguis erscheinen die Verhältnisse in geringem Grade mo- difeirt. Wie schon aus den Abbildungen von CoRNING (1) hervorgeht, verschwindet in der Nebenbogenanlage in der Nähe der Blutgefäße der Zellenreichthum, wahrscheinlich in Folge der Verschiebung der interprotovertebralen Gefäße. Die Nebenbogenanlage erscheint daher in der Mitte unterbrochen. Sonst herrscht in der Entwicklung völlige Übereinstimmung. |

Die Entwicklung der Wirbelsäule bei diesen Thieren unter- scheidet sich also von derjenigen bei Tropidonotus natrix im Wesent- lichen dadurch, dass bei ihnen die vordere Sklerotomhälfte vom zweiten Stadium an sehr ausgebildet ist, nach der Neugliederung des skeletogenen Gewebes als Nebenbogenanlage erscheint und end- lieh mit der Hauptbogenanlage vollständig verschmilzt.

Entwicklung der Schwanzwirbelsäule von Lacerta agilis und

; Anguis fragilis.

Die ungleichartige Ausbildung der vorderen, ganglienhaltigen Sklerotomhälfte bei den Reptilien und die dadurch bedingte, ver- schiedene Betheilisung am Wirbelaufbau führte mich zu der Ver- muthung, ob diese Verhältnisse nicht im Zusammenhang mit der Zweitheiligskeit des Wirbels stehen. Ich untersuchte desshalb die Entwicklung der Schwanzwirbelsäule von Lacerta agilis und Anguis fragilis, von denen GOETTE am fötalen Skelett Reste der Zweitheilig- keit des Wirbels nachgewiesen hat. Bei Anguis haben wir in der Schwanzwirbelsäule doppelte Seitenfortsätze, bei Lacerta doppelte Bogen an einem Wirbel, die nachher verschmelzen.

Über die Herkunft des Sklerotoms und das Entstehen der Inter- vertebralspalte gelten die für den Rumpf beschriebenen Verhältnisse.

Das erste Stadium stimmt mit dem ersten Stadium der Sklerotom- entwicklung im Rumpf überein. Die stärkste Zellanhäufung findet

86 Hermann Männer,

sich im lateralen Drittel, die Färbbarkeit nimmt gegen die Chorda hin ab. Die Intervertebralspalte reicht bis zur Mitte des Sklerotoms. Im weiteren Verlauf machen sich in der Entwicklung der Schwanz- wirbelsäule Verschiedenheiten zwischen Anguis und Lacerta geltend, und sie bedürfen desshalb einer gesonderten Besprechung.

Anguis.

Im zweiten Stadium finden wir auch hier wie im Rumpf die dichteste Zellanhäufung zu beiden Seiten der Intervertebralspalte. Diese reicht fast bis an die Chorda. Fig. 9 stellt einen Sagittalschnitt dar, der cranial mehr medial getroffen ist wie caudal und orientirt uns am besten über die bestehenden Verhältnisse. Zunächst fällt einem die ungleichartige Entwicklung der beiden Sklerotomhälften in die Augen. Die ganglienhaltige, vordere Schicht zeigt eine viel stärkere Ausbildung wie die ganglienfreie, hintere, indem die ver- dichtete Zellpartie viel weiter ventralwärts reicht. Mehr medial in der Nähe der Chorda hört die Differenzirung in den Sklerotom- schichten wieder in gleicher Höhe auf. Eine Vergleichung der Schnittserie ergiebt, dass der verlängerte Abschnitt der vorderen Sklerotomhälfte die Anlage der Hämapophysen ist. Ventral der Chorda sieht man in gleichen Abständen eine kleine Verdichtung des Gewebes, die hypochordale Spange. In der Höhe des Rücken- markes nimmt das Ganglion nicht mehr den ganzen Raum der vorderen Sklerotomhälfte ein, es bleibt zwischen Ganglion und Sklerotomgrenze eine 20 «u breite Zellschicht übrig. Dorsal von dem Ganglion zeigen wieder beide Sklerotomhälften die gleiche -Aus- bildung.

Fig 10 veranschaulicht uns die Verhältnisse im dritten Stadium. Das Myotom ist längs der Intervertebralspalte vorgedrungen und hat dadurch wieder die Hälften zweier verschiedenen Sklerotome auf einander gedrängt. Die nunmehr zur Anlage des Bogens gekenn- zeichneten beiden Schichten sind ziemlich gleich entwickelt. Sie zeigen die stärkste Zellanhäufung da, wo sie der Perichordalschicht aufsitzen, an ihren Enden sind sie sehr redueirt, es stehen zwischen den Myotomen die Zellen ganz vereinzelt. Die hypochordale Spange ist nur ganz schwach entwickelt. Die Hämalbogen zeigen noch die gleiche Lage, indem sie durch die Richtung der Kerne deutlich von der Perichordalschicht getrennt sind. Ihre Bogenenden haben sich ventral vereinigt und umschließen jetzt die Gefäße. In der Höhe des Rückenmarkes herrschen im Wesentlichen noch die gleichen

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 57

Verhältnisse wie im zweiten Stadium, nur dass sich die Differenzirung im Sklerotomgewebe weiter nach oben erstreckt. Auch sind durch das Wachsthum des Muskels die Sklerotomschiehten mit dem Ganglion an das Rückenmark herangedrängt worden. Man kann jetzt auch hier in Folge dessen eine vordere und hintere Bogenanlage zwischen den Ganglien unterscheiden. Die hintere Bogenanlage aber hat in der Höhe des Ganglion nur die halbe Länge der vorderen Bogen- anlage.

Im weiteren Verlauf drängen sich die Zellen in den Bogen- anlagen noch mehr zusammen. In dem seitlichen Bogenstück ver- einigen sich die Bogenanlagen zunächst nur an ihren Enden. Es bleibt zwischen ihnen ein heller Zwischenraum an Stelle der inter- protovertebralen Gefäße, die sich caudalwärts verschoben haben. Die Verlagerung der Gefäße kommt dadurch zu Stande, dass sich die Bogenanlagen bei dem Längenwachsthum des Wirbels nach vorn und zugleich nach oben verschieben. So kommt es, dass die vereinigte Bogenanlage dem Vorderende des Körpers aufsitzt. Unterdessen hat sich auch der Wirbelkörper schon in Knorpel umgewandelt. Kurz darauf erscheint in der vereinigten Bogenanlage und zwar in dem Theil, der der vorderen Bogenanlage entspricht, Knorpelgewebe. Von hier aus greift der Verknorpelungsprocess rasch auf die hintere Bogenanlage und die Bogendachanlage über, und der ganze Bogen er- scheint einheitlich. Die ursprüngliche Grenze deutet aber noch eine - Einsenkung am Wirbelbogen an, wie sie GOoETTE Fig. 17 und 23 abgebildet hat. Auch die Hämalspange, die ihre ursprüngliche Lage beibehalten hat, hat sich selbständig in Knorpel umgewandelt und sitzt dem hinteren Wirbelkörperende auf.

Die Sklerotomentwicklung der Schwanzwirbelsäule unterscheidet sich also im Wesentlichen dadurch von dem Rumpfe, dass die vordere, - ganglienhaltige Sklerotomhälfte von Anfang an durch die Anlage der Hämapophysen eine stärkere Ausbildung zeigt als die hintere und dass sie zur Bogenbildung eben so viel Zellenmaterial liefert wie diese, abgesehen von dem Theil, wo das Ganglion seine Lage hat, das die Entwicklung an dieser Stelle hemmt.

Lacerta.

Während die Entwicklung der Schwanzwirbelsäule im ersten Stadium mit Anguis übereinstimmt, machen sich im zweiten Stadium bemerkenswerthe Verschiedenheiten geltend (Fig. 11). Die durch die Intervertebralspalte halbirten Sklerotomabschnitte zeigen in Bezug

58 Hermann Männer,

auf ihre Färbbarkeit keine Verschiedenheiten. Sie sind gleichmäßig in ihrer Ausdehnung mit stark tingirbaren Zellen von meist rund- licher Form erfüllt. Nur in der Nähe der Interprotovertebralgefäße zeigen die Zellen mehr lockere Beschaffenheit, so dass die Ursegment- srenze durch einen hellen schmalen Zellstreifen im skeletogenen Ge- _ webe deutlich ausgeprägt ist. In dem vorderen Abschnitt befindet sich wieder das segmentale Ganglion.

Fig. 12, eine etwas ältere Entwicklungsstufe, zeigt uns die Ver- hältnisse ventral der Chorda. ÜUranialwärts ist die Chorda noch ge- troffen worden, caudalwärts fällt der Schnitt unter die Chorda. Die Intervertebralspalte ist nicht mehr deutlich sichtbar, aber noch an- gedeutet. Eine Vergleichung der Schnittserie ergiebt, dass die stark hervortretende, dunkle Schicht die vordere Sklerotomhälfte ist. Die Perichordalschicht ist durch die Richtung der Zellen deutlich von dem Bogengewebe unterschieden. In der Mitte zwischen Perichordal- schicht und Myotom sieht man in dem vorderen Sklerotomabschnitt einen rundlichen Zellenkomplex. Es ist die Anlage der Hämapophyse, die auch hier wieder von dem ganglienhaltigen vorderen Sklerotom- antheil ausgeht. Die hypochordale Spange ist sehr schwach ent- wickelt. Dorsal nimmt das Ganglion, das sehr wenig ausgebildet ist, nicht den ganzen vorderen Sklerotomabschnitt ein, es besteht zwischen Ganglion und Sklerotomgrenze eine Zellschicht von mehr als der halben Breite der hinteren Sklerotomhälfte.

Fig. 13 zeigt uns die Verhältnisse im dritten Stadium der Sklerotomveränderungen im Schwanztheil. Das Myotom hat die Form einer ungleichen Spindel. Durch das Vordringen des einen Muskelbauches längs der Intervertebralspalte kommt die Neugliede- rung des skeletogenen Gewebes zu Stande. Da der Muskel hier im Gegensatz zum Rumpf nicht die Form eines spitzwinkligen Dreiecks hat, so können sich die Zellen des Sklerotoms auch nicht zwischen die Myotome hineindrängen, und sie werden desshalb nach der Chorda hin und zugleich auch dorsalwärts gedrängt. Im weiteren Verlauf findet man in Folge dessen auf Schnitten, die die Chorda treffen, kein Bogengewebe mehr. Die nunmehr zur Bildung eines Bogens bestimmten Sklerotomhälften zeigen in Bezug auf ihren Zellenreich- thum die gleiche Ausbildung. Beide sind gleichmäßig in ihrer ganzen Ausdehnung mit dieht gedrängten, stark tingirbaren Zellen von rund- licher Form erfüllt. In der Nähe des segmentalen Ganglion stehen sie etwas lockerer und sind oft mit Fortsätzen versehen. Die hypo- chordale Spange ist nur wenig entwickelt, die Anlagen der Häma-

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 59

pophysen haben sich ventral von den Gefäßen vereinigt. Fig. 14 zeigt uns die Verhältnisse in der Höhe des Rückenmarkes. Das Ganglion befindet sich dicht an dem Rückenmark und trennt da- durch die zur Bogenbildung bestimmte Zellenmasse ab. Diese selbst lässt durch die Lage der Blutgefäße, durch die Myotomgrenze und dureh die Richtung der Zellen die Zusammensetzung aus der hinteren Sklerotomhälfte und aus der vorderen Hälfte des dahinter folgenden Sklerotoms deutlich erkennen. Eine Vergleichung der Fig 7 und Fig. 14 zeigt den Unterschied zwischen Rumpf und Schwanz deut- lich. Beide Schnitte zeigen das gleiche Stadium und sind ungefähr in der gleichen Höhe getroffen. Die Hauptbogenanlage hat im Rumpf eine Breite von 40 u, die entsprechende vordere Bogenanlage im Schwanze 42 u, die Nebenbogenanlage im Rumpf 10 « und die ent- sprechende hintere Bogenanlage im Schwanze 36 ı. Die Zellen in der vorderen Bogenanlage haben sich bereits ringförmig zusammen- geschlossen und deuten dadurch den Übergang in Knorpelgewebe an.

Im weiteren Verlauf der Entwicklung werden die Bogenanlagen durch das Myotom noch mehr dorsalwärts verschoben. Die Peri- ehordalschicht ist in der Wirbelkörperanlage völlig verknorpelt. Nunmehr hat sich auch im Bogen Knorpel gebildet und zwar zuerst im Stamm der hinteren Bogenanlage (Fig. 15). Die hintere Bogen- anlage erscheint jetzt in einer Dicke von 4—5 Zellenlagen und füllt den Raum zwischen vorderen Bogen und dem Ganglion völlig aus. Das Längenwachsthum des Bogens erfolgt also im Wesentlichen auf ihre Kosten. Nunmehr haben sich auch die Bogenanlagen dorsal geschlossen, eine Abgrenzung der Sklerotomantheile ist nicht mehr möglich, da das Ganglion fehlt. Doch lässt sich nur an der dichteren Lage der Zellen und der Lagebeziehungen zu der Myotomgrenze die der vorderen Bogenanlage entsprechende Zellenmasse erkennen. Im _ weiteren Verlauf greift der Verknorpelungsprocess vom Stamm der vorderen Bogenanlage auf das Bogendach über. Im Stamm der hinteren Bogenanlage erfolgt aber ungefähr in der Mitte zwischen vorderen Bogen und Ganglion ein gesonderter Verknorpelungsprocess, der allmählich von der Basis dorsalwärts fortschreitet (Fig. 16). Auf solche Weise erhält man von macerirten Skeletten Bilder, wie sie GOETTE Fig. 15 abgebildet hat. Durch Fortschreiten des Verknorpe- lungsprocesses vereinigen sich schließlich vordere Bogen und Bogen- dach mit dem hinteren Bogen zu einer einheitlichen Bogenplatte, deren ursprüngliche Grenze aber noch durch Furchenbildung an den Seiten zu erkennen ist (Fig. 17). Im Bogendach selbst erscheint der

60 Hermann Männer,

Knorpel einheitlich. Die Hämapophysen verknorpeln selbständig, sie haben sich etwas eaudalwärts verschoben und sind dem Inter- vertebralgelenk angefügt.

Die Entwicklung der Schwanzwirbelsäule unterscheidet sich also

auch bei Lacerta dadurch wesentlich von dem Rumpf, dass die

vordere, ganglienhaltige Schicht sehr stark ausgebildet ist. Nach Vereinigung der beiden Sklerotomhälften macht sich im Schwanz im Stamm der hinteren Bogenanlage ein gesonderter Verknorpelungs- process geltend. Das Längenwachsthum des Bogens erfolgt wesent- lich auf Kosten der hinteren Bogenanlage, wesswegen die vordere Bogenanlage auch viel breiter erscheint. Dadurch kommt es, dass der vereinigte Bogen dem Vorderende des Wirbelkörpers aufsitzt.

Entwicklung von Atlas und Epistropheus.

In der Nacken- und Oeceipitalregion machen sich in frühen Stadien die gleichen Verhältnisse geltend wie im Rumpf. Die Oceipitalanlage ist noch deutlich durch die Intervertebralspalte von der Bogenanlage des Atlas getrennt (Fig. 18 :s). In der Oceipitalregion selbst aber fehlt eben jedwede Spur einer Gliederung. Es lassen sich vier Ur- segmentrudimente nachweisen, die beiden ersten erscheinen aber ver- schmolzen. Das Ganglion der ersten und zweiten Cervicalnerven ist mächtig entwickelt. Die drei ersten Sklerotome des Halses sind an ihrem ventralen Ende etwas caudalwärts geneigt. Fig. 19, ein älteres Stadium, giebt uns über die Verhältnisse ventral der Chorda Auf- schluss. Die Wirbelkörper sind deutlich angelegt. Die hypochordalen Spangen erscheinen als eine mächtige Zellenlage von zapfenförmiger Form dem Intervertebralwulst angefügt. Die Schnittserie ergiebt, dass sie gleichmäßig in die durch die Intervertebralspalte getrennten Sklerotomhälften übergehen. Sie sind viel bedeutender entwickelt als in der Brustregion, auch sind sie hier stark caudalwärts geneigt. Die Entwicklungsvorgänge, die nun zur Bildung von Atlas und Epistropheus führen, sind in den Grundzügen ganz die gleichen, wie sie FRORIEP (7) ausführlich für die Entwicklung beim Hühnchen be- schrieben hat. Sie erscheinen hier nur etwas modifieirt durch die Ausbildung von Gelenkkopf und Gelenkpfanne. Da es zwischen Oeceiput und Atlas und zwischen Atlas und Epistropheus zu keiner eigentlichen Gelenkbildung kommt, so bleiben die hypochordalen Spangen hier im Zusammenhang mit den Bogentheilen. Die erste >pange (Fig. 20 Sp. /) erscheint als rundliches Knorpelstück, das die seitlichen Bogenstücke ventral verbindet. Der Atlaskörper ist

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 61

überall deutlich davon getrennt. Die zweite Spange hat ihre zapfen- förmige Form beibehalten, auch zeigt sie noch eine starke, caudal- wärts gerichtete Neigung. Sie steht mit dem seitlichen und oberen Bogenstück des Epistropheus in direkter Verbindung. Die folgenden Spangen erscheinen bedeutend verkleinert, weil sie offenbar ein sroßes Zellenmaterial zur Bildung des Gelenkwulstes abgegeben haben. Sie stehen mit den Bogentheilen nicht mehr im Zusammen- hang und haben sich nach vorn verlagert. Sie erscheinen jetzt als Anhängsel des caudalen Wirbelkörperendes, Im weiteren Verlauf der Entwicklung legt sich die zweite Spange vollständig in den Zwischenraum zwischen Atlas- und Epistropheuskörper hinein und _ verschmilzt mit ihnen. Es erfolgt so die Gelenkbildung zwischen Atlas und Epistropheus auch bei den Reptilien nur innerhalb der Bogentheile. Die folgenden hypochordalen Spangen verschwinden vollständig, nur bei Lacerta bleiben sie bestehen und erscheinen als die unteren Dornfortsätze. Da sich oft auch die zweite hypochordale Spange in einen unteren Dornfortsatz verlängert, erscheint dann der Epistro- pheus bei Lacerta mit zwei unteren Dornfortsätzen ausgestattet.

Zusammenfassende Darstellung und Kritik.

Verfolgen wir die Entwicklung der Wirbelsäule von der Ent- stehung des Sklerotoms bis zur völligen Anlage eines Wirbels, so kommen wir zu der Thatsache, dass die Entwicklung immer streng gegliedert und ganz gesetzmäßig vor sich geht. Zunächst sind die Sklerotome gegenseitig scharf abgegrenzt, einmal durch die Grenze des Ursegmentes, dann durch die Gefäße, die immer streng inter- protovertebral liegen. Die Intervertebralspalte reicht zuerst nur bis in die Mitte des Sklerotoms, und die dichteste Zellanhäufung findet sich im lateralen Drittel. Diese Verhältnisse haben wir als erstes Stadium der Sklerotomentwicklung bezeichnet.

Im zweiten Stadium erstreckt sich die Intervertebralspalte von der Muskelplatte bis zur Perichordalschicht und theilt das Sklerotom genau in zwei gleiche Theile. Die Verschiedenartigkeit der Ent- wicklung der Wirbelsäule bei den Reptilien spricht sich nun haupt- sächlich durch eine ungleichartige Ausbildung der Sklerotomhälften aus. Im einen Fall wie bei Tropidonotus ist der ceraniale Sklerotom- antheil sehr schwach färbbar, der caudale sehr stark, so dass man von einer hellen und dunklen Schicht sprechen kann; im anderen Falle zeigen sich beide Hälften in Bezug auf ihre Färbbarkeit gleich entwickelt, sei es, dass in beiden Theilen die dichteste Zellanhäufung

62 Hermann Männer,

zu beiden Seiten der Intervertebralspalte auftritt, wie bei Coronella, Anguis und Rumpf von Lacerta, oder sei es, dass beide Abschnitte in ihrer ganzen Ausdehnung sich gleichmäßig stark färbbar erweisen, wie im Schwanz von Lacerta. Diese ungleichartige Ausbildung der Sklerotomhälften giebt auch der Weiterentwicklung der einzelnen Thiere das Gepräge.

Das dritte Stadium der Sklerotomveränderungen ist gekennzeichnet durch das Vordringen des Muskels längs der Intervertebralspalte und der dadurch bedingten Umgestaltungen. Indem das Myotom in seinem Wachsthum der Intervertebralspalte folgend sich einen Weg bahnt, bestimmt es je den vorderen Sklerotomantheil und den hinteren des voraufgehenden Sklerotoms zur Anlage eines Wirbels. Damit ist die Zellenmasse, worin sich die Wirbelbildung abspielen soll, genau abgegrenzt. Diesen Vorgang, dass die Hälften zweier verschiedener Sklerotome zur Bildung eines Wirbels bestimmt werden, wollte REMAR (15), wie aus seinen Worten hervorgeht, offenbar mit dem Ausdruck »Neugliederung der Wirbelsäule« bezeichnen, wenn er auch die Vorgänge im Einzelnen noch nicht kannte. Die Berechtigung dieses Ausdruckes wird in neuerer Zeit fast allgemein bestritten, und die Neugliederung einfach als die Folge von der Alternation des Myotoms und Sklerotoms bezeichnet, aber wie die Entwicklung der Wirbelsäule bei Reptilien zeigt, ist die Alternation die Folge der Neugliederung, und der Ausdruck hat seine volle Berechtigung. Nur der Ausdruck Neugliederung der Wirbelsäule könnte zu Missverständ- nissen Anlass geben, da ja bis jetzt noch keine Wirbelsäule vor- handen war. Ich schlage desswegen vor, den Vorgang als: »Neu- sliederung des skeletogenen Gewebes« zu bezeichnen. Vorher war das skeletogene Gewebe in die Sklerotome gegliedert, jetzt ist es in die zur Wirbelbildung bestimmte Zellenmasse, die zwei verschiedenen Sklerotomhälften entspricht, gegliedert.

Die weitere Entwicklung zeigt sich nun bei den einzelnen Reihen verschieden je nach der Ausbildung der ursprünglich vorderen, gan- glienhaltigen Sklerotomhälfte. Bei Tropidonotus erscheint diese in ihrem lateralen Drittel ganz redueirt, und wir erhalten einen Ent- wicklungszustand, den man als primitive Wirbelsäule bezeichnen kann. Die Definition, die FRORIEP aber diesem Zustand bei Vögeln gegeben hat, stimmt hier nicht ganz überein. Die Chorda zeigt bereits in der Intervertebralgegend Einschnürungen, auch ist die Bogen- anlage noch nicht einheitlich. In der der vorderen Sklerotomhälfte entsprechenden Schicht macht sich nämlich in der Nähe der Inter-

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 63

vertebralgegend eine Verdichtung des Gewebes bemerkbar. In der weiteren Entwicklung vereinigt sich diese zellreiche Schicht mit dem primitiven Wirbelbogen und erscheint nun als dessen verbreiterte Bogenbase. Unterdessen beginnt auch schon im Wirbelkörper der Verknorpelungsprocess.

Bei Coronella und am Rumpf von Anguis und Lacerta machen sich andere Entwicklungsvorgänge bemerkbar. Hier kann man eine Hauptbogenanlage, die der ursprünglichen hinteren Sklerotomhälfte entspricht, und eine Nebenbogenanlage, die der vorderen, ganglien- haltigen Hälfte des folgenden Sklerotoms entspricht, unterscheiden. Haupt- und Nebenbogenanlage verschmelzen vollständig und erscheinen als einheitliches, seitliches Bogenstück.

Im Neuralbogen machen sich bei beiden Reihen die gleichen Entwicklungsvorgänge bemerkbar. In der Höhe des Ganglion wird die vordere Sklerotomhälfte vollständig von diesem eingenommen. Dorsal von dem Ganglion zeigen wieder beide Sklerotomantheile die gleiche Ausbildung. Da sowohl die Intervertebralspalte als auch das sesmentale Ganglion fehlt, so ist eine Unterscheidung der beiden Sklerotomhälften nur durch die Richtung der Zellkerne möglich. Nach Vereinigung der zwei verschiedenen Sklerotomhälften erscheint zuerst in dem Theil, der dem caudalen Sklerotomantheil entspricht, Knorpel, greift aber rasch auf den anderen Theil über. Das dorsale Bogenstück schließt sich erst lange nachdem der Verknorpelungs- process schon eingetreten ist.

Im Schwanze von Anguis und Lacerta machen sich ganz be- sondere Verhältnisse bemerkbar. Da sich beide Sklerotomhälften in der Entwicklung gleich bleiben, so kann man hier von einer vorderen und hinteren Bogenanlage sprechen. Bei Anguis vereinigen sich beide Bogenanlagen, sie lassen aber im seitlichen Bogenstück einen kleinen, hellen Zwischenraum zwischen den Querfortsätzen. Dorsal erscheint der Knorpel zuerst in dem Theil, der der vorderen Bogenanlage ent- spricht, greift aber rasch auf die hintere Bogenanlage über. Bei Lacerta zeigen auch beide Bogenanlagen zuerst die gleiche Ausbildung. Das kolossale Längenwachsthum des Wirbels erfolgt aber wesentlich auf Kosten der hinteren Bogenanlage, sie erscheint daher sehr lang, aber bloß drei bis vier Zellen breit. Die Verknorpelung erfolgt nun in beiden Bogenantheilen im Stamm getrennt, in der Bogendachanlage aber vereint. Aus dem schon genannten Grunde erscheint der vordere Bogenknorpel daher viel stärker entwickelt als der hintere. Die rudimentären doppelten Bogen und Seitenfortsätze von Anguis und

64 Hermann Männer,

Lacerta lassen sich also in ihrer Entstehung direkt auf die ganglien- haltige, vordere Sklerotomhälfte zurückführen. Überall da, wo GoETTE Reste von Doppelbildungen nachgewiesen hat, zeigt sich auch die vordere Sklerotomhälfte stärker entwickelt. Man kann geradezu den Satz aufstellen: Je stärker die vordere Sklerotomhälfte ausgebildet ist, desto eher lassen sich Reste von Doppelbildungen nachweisen. Zieht man in Betracht, wie diese vordere Sklerotomhälfte von Anfang in streng gesondertem Verband auftritt und zuerst sehr zellreich erscheint, wie sie entweder völlig reducirt wird oder am Wirbel- aufbau thätigen Antheil nimmt, wie von ihr im Schwanze die Anlage der Hämapophysen ausgeht, so tritt ihre phylogenetische Bedeutung klar zu Tage. Es wird sich daraus auch die Berechtigung ergeben, die Schlüsse, die GOETTE aus seinen rudimentären Doppelbildungen gezogen hat, auf den vorderen Sklerotomabschnitt zu übertragen. Dabei würde sich eine fast völlige Übereinstimmung mit den Be- funden, die GOETTE aus seinen paläontologischen Untersuchungen gewonnen hat, ergeben. Die von Anfang an völlige, gleiche Aus- bildung der beiden Sklerotomantheile bei allen Thieren giebt uns eine Bestätigung von der früheren Doppelanlage in einem Segment. Als Stütze dieser Ansicht möchte ich auch die Schuppenbekleidung des Schwanzes von Lacerta und Anguis anführen. Wenn man nämlich die Schwanzwirbelsäule von Lacerta und Anguis nach der von SCHULTZE (18) angegebenen Methode aufhellt, so löst sich zuerst die Epidermis ab. Man sieht dann, wie auf je einen Wirbel zwei ringförmige Cutiserhebungen kommen, die sich in Folge ihrer starken Pigmentirung deutlich abheben. Behandelt man noch weiter mit Kalilauge, so lösen sich auch die einzelnen Wirbel mit je zwei Outis- erhebungen ab. Ein direkter Zusammenhang mit den beiden Skle- rotomhälften lässt sich aber nicht nachweisen, da die ursprüngliche Segmentirung der Hautplatte sich vollständig verwischt, und die Schuppen aus einer ganz geradlinig verlaufenden Epidermis sich erheben (Fig. 16). Ein indirekter Beweis für die Doppelbildung in einem Segment ist ferner auch der Querzerfall der Schwanzwirbel von Lacerta. Dieser ist allerdings eine Neuerwerbung, denn er ist im Embryo nicht präformirt, aber er kam da zur Ausbildung, wo die Verhältnisse am günstigsten waren, und das war die Verwachsungs- stelle der beiden Bogenanlagen. Das interprotovertebrale Gewebe war jedenfalls ganz besonders prädisponirt; auch spricht die Bruch- stelle dafür, denn der Wirbel zerfällt in einen kurzen, vorderen Theil und einen längeren, hinteren Theil; außerdem erfolgt der Bruch

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 65

längs der Grenze von vorderem und hinterem Bogen und mitten durch das Bogendach, von dem wir gesehen haben, dass es ebenfalls aus den beiden Sklerotomhälften besteht. Noch viel einleuchtender erscheint es aber, wenn man das Verhalten der Muskulatur berück- siehtist. Wie man sich an jeder Schwanzwirbelsäule von Lacerta überzeugen kann, entspricht die Bruchstelle einem Myocomma. Es muss aber auch die Stelle, wo der Wirbel querzerfällt, einem Myo- comma entsprechen und das ist die Verwachsungsstelle der beiden Sklerotomhälften, anders ist ein Abbrechen nicht möglich.

Da durch den Neugliederungsprocess die Verschmelzung zweier Sklerotomhälften oder in phylogenetischer Hinsicht die Verschmelzung zweier Doppelanlagen zweier verschiedener Segmente erfolgt, so er- scheint damit die Frage der Neugliederung des skeletogenen Gewebes und das damit im Zusammenhang stehende Auftreten der Interverte- bralspalte in einem ganz neuen Licht. Alle weitgehenden Spekula- tionen sind aber, bevor über das Verhalten der Anamnier Unter- suchungen vorliegen, verfrüht.

Die hypochordale Spange, die der Lage nach der Mitte des Sklerotoms entspricht, durch die Intervertebralspalte aber nicht ge- trennt wird, liegt ventral von der Intervertebralschicht und ist durch die Richtung. der Zellkerne stets deutlich von ihr unterscheidbar. Sie verbindet die beiden Sklerotomhälften der rechten und linken Seite mit einander, indem sie gleichmäßig in beide Theile übergeht. Sie ist am mächtigsten in der Halsregion entwickelt, während sie im Schwanztheil nur sehr schwach ausgebildet erscheint. Mit zunehmender Gelenkbildung wird sie redueirt, indem ihre Zellen zur Gelenkanlage verwendet wer- den. Wenn endlich Gelenkkopf und Gelenkpfanne sich entwickelt haben, so ist die hypochordale Spange fast ganz verschwunden.

Im Halstheil gestaltet sich das Verhältnis etwas anders. Die hypochordalen Spangen sind von Anfang an sehr mächtig entwickelt. Die einzelnen Spangen, die selbständig verknorpeln, erhalten eine verschiedene Bedeutung. Die erste bleibt mit den Bogentheilen in Verbindung und wird zum unteren Atlasbogen. Die zweite, die am mächtigsten entwickelt ist, bleibt auch mit den Bogentheilen in Ver- bindung, verschmilzt aber mit dem Körper des ersten und zweiten Wirbels und bildet für den Atlasbogen eine Gelenkfläche. An ihrem caudalen Ende spitzt sie sich in einen unteren Dornfortsatz zu. Die

nächstfolgenden hypochordalen Spangen verlagern sich wahrscheinlich in Folge der Gelenkkopfbildung an das Hinterende des vorderen Wirbelkörpers und erscheinen diesem angefügt. Sie erfahren eine Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 5

66 Hermann Männer,

vollständige Reduktion, nur bei Lacerta bleiben sie als untere Dorn- fortsätze für immer bestehen. So ist auch erklärlich, warum der Epistropheus hier oft zwei untere Dornfortsätze trägt. Der untere Atlasbogen und die unteren Dornfortsätze sind also homologe Gebilde. Die Hämapophysen entstehen von der vorderen, ganglienhaltigen Sklerotomhälfte aus als schon von Anfang an allseitig wohlbegrenzte Gebilde. Nach der Neugliederung des skeletogenen Gewebes kom- _ men sie an das Hinterende des künftigen Wirbels zu liegen. Diese Lage behalten sie auch im weiteren Verlauf der Entwicklung bei und verknorpeln völlig unabhängig von anderen Theilen. Bei Lacerta verlagern sie sich später etwas caudalwärts und erscheinen dem intervertebralen Theil angefügt. GOoETTE hat nun desshalb, weil sie dasselbe Wirbelsegment wie der nächstfolgende Wirbel tragen, ge- schlossen, dass sie genetisch zu diesem Wirbel gehören. Das Muskel- segment kann aber kein Kriterium bilden, weil das Myotom immer zu den Hälften zweier Wirbel gehört. Die Hämapophysen gehören vielmehr genetisch zu dem vorderen Wirbel und sind Bildungen für sich. Sie können desshalb auch weder mit den Rippen noch mit den unteren Dornfortsätzen homologisirt werden.

Vorstehende Abhandlung wurde in dem zoologischen Institut der Universität Tübingen angefertigt.

Dem verstorbenen Herrn Professor Dr. EıImER schulde ich für die Überlassung dieser Arbeit vielen Dank. Eben so spreche ich an dieser Stelle Herrn Professor Dr. BLOCHMANN für das Interesse und Wohlwollen, das er meiner Arbeit stets entgegenbrachte, meinen herz- lichsten Dank aus.

Zu besonderem Danke fühle ich mich Herrn Privatdocent Dr. Hesse verpflichtet, der mir bei der Abfertigung dieser Arbeit oft mit Rath und That zur Seite gestanden ist.

Tübingen, den 28. November 1898.

Litteraturverzeichnis.

1. CORNInG, Über die sog. Neugliederung der Wirbelsäule und über das Schicksal der Urwirbelhöhle bei Reptilien. Morph. Jahrb. Bd. XVII.

2. v. EBNER, Urwirbel und Neugliederung der Wirbelsäule. Wiener Sitzungs- berichte. Bd. XCVII. Abth. 3. 1888.

or

—1 .

[e #]

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 67

vV. EBNER, Über die Beziehungen des Wirbels zu den Urwirbeln. Wiener Sitzungsber. Bd. CI. Abth. 3. 1892.

GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- säule bei Amphibien und Reptilien. Leipzig 1862.

Derselbe, Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. Leipzig 1898.

GOETTE, Über den Wirbelbau bei den Reptilien und einigen anderen Wirbelthieren. Diese Zeitschr. Bd. LXIl.

FRORIEP, Zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule, insbesondere des Atlas und Epistropheus und der Oceipitalregion. 5. Beobachtung an Hühnerembryonen. Archiv für Anatomie und Physiologie. Anatom. Abth. 1883.

Derselbe, Zur Entwicklungsgeschichte ete. II. Beobachtung an Säugethier- embryonen. Archiv für Anatomie und Physiol. Anatom. Abth. 1886.

Oscar HERTWIG, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte der Menschen und der Wirbelthiere. 6. Auflage. Jena 1898.

Hyerr, Über normale Quertheilung der Saurierwirbel. Wiener Sitzungsber. x... 1853.

KOLLMANN, Die Rumpfsegmente menschlicher Embryonen von 13 bis 35 Ur- wirbeln. Archiv für Anatomie und Physiol. Anatom. Abth. 1891.

Derselbe, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Jena 1898.

LeyDıG, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 1872.

RATERE, Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839.

ROBERT REMAK, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere. Berlin 1855.

0. SCHULTZE, Über embryonale und bleibende Segmentirung. Anat. Anzeiger. Ergänzungsbd. 1896.

Derselbe, Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Säugethiere. Leipzig 1897. |

Derselbe, Über die Herstellung und Konservirung durchsichtiger Embryonen zum Studium der Skelettbildung. Anat. Anzeiger. Ergänzungsbd. 1897,

Erklärung der Abbildungen,

Bezeichnungen:

a, vordere Sklerotomhältte; m, Myotom;

ai, Arteria interprotovertebralis; n, Nerv;

DB, Bogen; N, Nebenbogenanlage;

ch. Chorda dorsalis; R, Rückenmark;

ed, eaudal; o, vordere Bogenanlage; er, eranial; o’, hintere Bogenanlage; gl, Ganglion; p, hintere Sklerotomhälfte; K, Körperknorpel oder Körperanlage; Ps, Perichordalschicht;

:s, Intervertebralspalte; Sp, hypochordale Spange; HA, Hauptbogen; sk, Sklerotom;

hb, Hämalbogen; Us, Ursegment.

68 Herm. Männer, Beitr. zur Entwicklungesch. der Wirbelsäule bei Bept.

Tafel IV— VII.

Die Figuren 4, 9, 18, 19, 20 sind bei 2öfacher, die anderen Figuren außer Fig. la, 1b und 25 mit 2S0facher Vergrößerung gezeichnet.

Fig. 1a. Querschnitt durch einen Urwirbel aus der Rumpfregion von Lacerta agilis. Homogene Immersion 1/12, Appertur 1,25 nach Zeıss.

Fig. 15. Horizontalschnitt durch einen Urwirbel in der Höhe der Chorda aus der Rumpfregion desselben Thieres. Zeıss Obj. F, Oe. 3.

Fig. 2@. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von der Rumpfregion eines Embryo von Tropidonotus natrix.

Fig. 2b. Intervertebralspalte desselben Schnittes, gezeichnet bei ZEıss Obj. F, Oe. 3.

Fig. 3. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von der Rumpfregion eines Embryo von Tropidonotus natrix.

Fig. 4. Sagittalschnitt aus der Halsregion desselben Embryos.

Fig. 5. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von der Rumpfregion von Lacerta agilis. |

Fig. 6. Horizontalschnitt in der Höhe der Chorda aus der Rumpfregion von Coronella laevis.

Fig. 7. Horizontalschnitt aus der Mitte der Höhe des Rückenmarkes von dem Rumpf von Lacerta agilis.

Fig. 8. Horizontalschnitt in der Höhe der Chorda von der Rumpfregion von Coronella laevis.

Fig. 9. Sagittalschnitt aus dem mittleren Schwanztheil von Anguis fra- gilis. Cranialwärts ist der Schnitt mehr medial geführt und trifft noch die Chorda.

Fig. 10. Horizontalschnitt aus dem mittleren Schwanztheil von Anguis fra- gilis in der Höhe der Chorda.

Fig. 11. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von dem hinteren Schwanztheil von Lacerta agilis.

Fig. 12. Horizontalschnitt aus dem mittleren Schwanztheil desselben Em- bryos. Caudal ist der Schnitt tiefer geführt wie cranial und hat hier noch die Chorda getroffen.

Fig. 13. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von der mittleren Schwanzregion von Lacerta.

Fig. 14. Horizontalschnitt aus der Mitte der Höhe des Rückenmarkes von der mittleren Schwanzregion eines älteren Embryos von Lacerta agilis.

Fig. 15. Horizontalschnitt aus dem oberen Drittel der Höhe des Rücken- markes von der hinteren Schwanzregion von Lacerta agilis.

Fig. 16. Horizontalschnitt aus der Mitte der Höhe des Rückenmarkes von der hinteren Schwanzregion von Lacerta agilis.

Fig. 17. Horizontalschnitt aus der mittleren Höhe des Rückenmarkes aus der vorderen Schwanzregion von Lacerta agilis.

Fig. 18. Sagittalschnitt aus der Nackenregion von Anguis fragilis.

Fig. 19. Sagittalschnitt aus der Nackenregion von Coronella laevis.

Fig. 20. Sagittalschnitt aus der Nackenregion von Anguis fragilis.

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion und Resorption in der Darmschleimhaut.

Von Dr. med. William Möller,

I. Assistent am anatomischen Institute zu Helsingfors (Finnland).

Mit Tafel VIII und IX.

(Aus der histologischen Anstalt des Karolinischen medico-chirurgischen Instituts zu Stockholm.)

Einleitung.

Die Frage von der physiologischen Funktion der LIEBERKÜHN- schen Krypten ist bekanntlich fortgesetzt der Debatte unterworfen. Auf der einen Seite betrachtet man diese Organe als völlig charak- teristisch ausgebildete Drüsen, die ein specifisches Sekret, den Darm- saft, produeiren; auf der anderen Seite werden sie als blindsackähn- liche Vertiefungen des Oberflächenepithels, die theils zur Regeneration dieses Epithels, theils zur Vergrößerung der resorbirenden Schleim- hautoberfläche dienen, aufgefasst.

Unter solchen Umständen kann man mit Fug die Frage auf- werfen, in wie fern sich bei dem jetzigen Stand der Wissenschaft eine Möglichkeit findet, bestimmt zu entscheiden, ob in den LIEBERKÜHN- schen Krypten eine Sekretion stattfindet oder nicht. A priori sollte man meinen, dass die Antwort auf diese Frage bejahend ausfallen müsse, da es sich ja bekanntlich gezeigt hat, dass sich der Sekretions- process in den bisher mit neueren Methoden untersuchten Drüsen der höheren Thiere anatomisch durch das Auftreten von eigenthümlichen Körnern in den Drüsenzellen manifestirt, welche Körner mit speei- üschen Mitteln fixirt und tingirt werden können’ und aus denen nachher durch charakteristische Umwandlung das formlose Sekret hervorgeht. Sind nun die LiEBErRKÜHN’schen Krypten sekretorische Organe, so

70 William Möller,

muss ja auch in ihren Zellen ein solches Verhältnis nachgewiesen werden können.

Von dieser Annahme ausgehend, habe ich mir die Aufgabe ge- stellt, mit Hilfe der Methoden der modernen Histologie einige Bei- träge zur Beantwortung der genannten Streitfrage zu liefern zu suchen. Ich habe mich von diesem Problem um so mehr angezogen gefühlt, als ich bei einer früheren pathologiseh-anatomischen Untersuchung von Material, das dem Darmkanal des Menschen entnommen war, Gelegenheit gehabt habe, recht oft Bilder zu beobachten, die die Möglichkeit anzudeuten schienen, dass eine Lösung der fraglichen Aufgabe zu finden sei.

Außer den Untersuchungsergebnissen, die die erwähnte Frage direkt berühren, werde ich mir erlauben, hier auch einige bei meiner Arbeit gemachte Beobachtungen anderer Art mitzutheilen.

Ehe ich aber über meine Beobachtungen berichte, will ich erst, so weit es die mir zugängliche Litteratur ermöglicht, eine kurze Dar- stellung der Ansichten liefern, die zu verschiedenen Zeiten über die Natur der LIEBERKÜHN’sSchen Krypten ausgesprochen worden sind.

Historische Übersicht.

Obwohl das fragliche Organ schon früher und zum Theil auch richtiger von MALPIGHI, BRUNNER und GALEATI (2, p. 214) beschrieben worden ist, war es doch erst LIEBERKÜHN (1, p. 14), dem es durch sein im Jahre 1745 herausgegebenes Werk »Dissertatio anatomico- physiologica de fabrica et actione villorum intestinorum tenuium« gelang, die Aufmerksamkeit der Forscher auf diese später nach ihm benannten Bildungen in der Darmschleimhaut zu lenken.

Was die Funktion dieser Bildungen anbetrifft, so stellte LIEBER- KÜHN die Hypothese auf, dass die von ihm beschriebenen »Follieuli« wirkliche Drüsenorgane seien, die in irgend einer Weise zur Sekre- tion in Beziehung stehen. Dieser Ansicht huldisten mehrere gleich- zeitige Anatomen, vor Allen v. HALLER (3), welcher berühmte Forscher (5, p. 214) diese Bildungen als eine dritte Art von Schleimdrüsen auffasste.

Hepwıe (4, p. 27), der dieses Organ im Jahre 1797 einer er- neuten anatomischen Untersuchung unterwarf, glaubte in diesen Bildungen die Anfangstheile der Resorptionsorgane, die »Receptacula chyli«, gefunden zu haben, von denen der Chylus allmählich mittels der Saugaderkapillaren aufgesaugt werde. Er sagt beobachtet zu haben, dass eine weiße »chylöse Masse« noch ein paar Tage nach

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 7

dem Tode des Individuums aus den Öffnungen in der Schleimhaut heraussickerte.

RupoLpur (5, p. 214) theilte Anfangs v. HaLrer’s Ansicht, schloss sich aber später Hepwıc’s Resorptionstheorie an, von deren Richtig- keit ihn eigene Experimente überzeugt zu haben scheinen.

BöHm (6, p. 32), der Erste, der den Drüsenbildungen des Darmes eine umfassendere Untersuchung widmete, kam zu der Ansicht, dass die LIEBERKÜHN’schen Krypten kleine secernirende Cavitäten seien, welche, da sie nur durch eine Einsenkung der Schleimhaut entstehen, zu den einfachen und nicht, wohin sie von einigen früheren Forschern gezählt worden sind, zu den zusammengesetzten Drüsen gehören. Er erwähnt auch die von einigen Autoren gehegte Ansicht, dass sie Löcher seien, welche die Schleimhaut durchbrechen und zur Ver- mittlung der Resorption dienen. Gleichzeitig spricht er Zweifel darüber aus, dass die von Hepwıg und RuDoLpHI beobachteten und von dem erstgenannten Forscher abgebildeten »Corpuseula« wirklich dieselben Gebilde wie die von LIEBERRÜHN entdeckten »Follieuli< seien.

Als aus einer Zeit herrührend, wo die dem Forscher zu Gebote stehenden Untersuchungsmethoden noch sehr mangelhaft und unvoll- kommen waren, kann diesen Äußerungen kein besonderer Werth beigelegt werden. Es ist erst, nachdem die mikroskopische Technik angefangen, bedeutendere Fortschritte zu machen, besonders aber nachdem ScHwann seine berühmte Zellentheorie aufgestellt hatte (1839), wo die Lehre von den LIEBERKÜHN’schen Krypten für uns ein größeres Interesse gewinnt.

Unter den Forschern aus dieser Periode ist in erster Reihe KÖLLIKER (7, p. 175) zu nennen. Derselbe that dar, dass die LIEBER- Künn’schen Krıypten aus einem einschichtigem Cylinderepithel, das von einer strukturlosen Membrana propria zusammengehalten ist, bestehen. In dem engen Lumen der Drüsenröhre fehlt unter normalen Verhältnissen jeder Inhalt. In funktionaler Hinsicht betrachtet er sie hauptsächlich als secernirende Drüsen, die den Darmsaft produciren, eine in ihrer Konstitution noch unbekannte Flüssigkeit, deren Existenz einige Jahre früher (1846) von FRERICHS nachgewiesen worden war. Indessen glaubt KÖLLIKER nicht verneinen zu dürfen, dass die Kıypten unter besonderen Verhältnissen auch die Resorption ver- mitteln können. Für seinen Theil hat er jedoch, selbst bei der leb- ‚haftesten Fettresorption, nie einen Inhalt in ihnen gefunden.

KÖLLIKER’S Ansicht von der sekretorischen Funktion der Krypten stimmen gleichzeitige Physiologen, wie Funke (8, p. 271), Topp und

12 William Möller,

Bowuman (9, p. 225) u. A., bei. Die beiden letztgenannten Forscher heben besonders hervor, dass die Funktion der LiEBERKÜHN’schen Krypten wahrscheinlich im ganzen Darmkanal dieselbe ist, da sie überall in ihrer Anordnung und Struktur große Gleichförmigkeit darbieten und da jeder Theil des Darmes außer ihnen andere und für ihn eigenthümliche Drüsen besitzt. Dieselbe Ansicht spricht auch F. E. ScHurze (!0, p. 191) aus, welcher der erste Forscher ist, der nachgewiesen hat, dass in den Krypten außer den gewöhnlichen Cylinderzellen auch Becherzellen von der exquisitesten Form vor- kommen.

Man dürfte wohl sagen können, dass die von Topp und BowMAN ausgesprochene Ansicht die allgemein herrschende gewesen ist, bis im Jahre 1880 Krose (11, p. 16) in einer unter HEIDENHAIN’s Leitung ausgearbeiteten Inaugural-Dissertation mit Schärfe den Unterschied sowohl in der Struktur, wie in der Funktion der LIEBERKÜHN’schen Krypten im Dünndarm und im Dickdarm hervorhob. Auf Grund dieses Unterschiedes schlug er vor, die Krypten im Dünndarm »Darmsaftdrüsen« und im Diekdarm »Darmschleimdrüsen« zu nennen. -Da die Richtigkeit von KLose’s Beobachtungen von anderen Forschern konstatirt wurde und ihnen auch HEIDENHAIN (dadurch, dass er sie in seinem Werke »Physiologie der Absonderungsvorgänge« anführte) seine Stütze schenkte, wurde Krose’s Ansicht in kurzer Zeit die herrschende.

Krose suchte auch durch experimentale ‚Reizung morphologische Veränderungen in den Zellen der Krypten nachzuweisen. Was die Drüsenzellen des Dünndarmes anbelangt, so gaben diese Reizungen ein negatives Resultat, während dagegen die Drüsenzellen des Dick- darmes, wenn sie gereizt wurden, deutliche Veränderungen sowohl hinsichtlich ihrer Größe und ihres Inhalts, wie der relativen Lage der Zellkerne zeigten.

Die Divergenz der in Betreff der Funktion der LIEBERRÜHN schen Krypten herrschenden Ansichten spiegelt sich auch in der verschie- denen Auffassung des Verhaltens der Drüsenepithelzellen zu den Oberflächenepithelzellen ab. VERSON (12, p. 405) betont die Identität dieser beiden Arten von Epithelzellen, und eben so sieht HOPPE-SEYLER (27, p. 275) die Oberflächen- und die Drüsenepithelzellen sowohl in morphologischer, wie in funktionaler Hinsicht als identisch an. Schließlich hat sich auch BızzozEro (16a, p. 784), wie aus dem Folgenden hervorgeht, vollkommen der letztgenannten Ansicht an- geschlossen.

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 73

SCHWALBE (13, p. 138) dagegen macht einen scharfen Unterschied zwischen dem Epithel, welches die Villi bekleidet, und demjenigen, welches die Wände der LieBErkÜHnN’schen Krypten bildet. Die LIEBERKÜHN’ schen Krypten bilden nach ScHwALBE’s Ansicht keine Einsenkungen des Epitheis, sondern vollkommen selbständige, völlig charakteristisch ausgebildete Drüsen.

Dieselbe Ansicht wird auch von NuHnn (28, p. 47), PAnETH (17, p. 173) und HEIDENHAIN (18, p. 24) ausgesprochen, von welchen Autoren die beiden letztgenannten zwischen diesen beiden Arten von Epithelzellen beachtungswerthe Verschiedenheiten nachgewiesen haben.

So viel ich finden kann, ist RAanvier’s Ansicht (14) ziemlich alleinstehend. Er fasst die LIEBERKÜHN’schen Krypten als gemischte Schleimdrüsen auf, welche Becherzellen und körnige Zellen enthalten. Dieses gemischte Epithel komme in einem bestimmten Theil der Drüsen vor, während sich in ihrem Boden nur körmige Zellen finden.

Nachdem ich nun diese summarische Übersicht gegeben, erlaube ich mir, im Folgenden über die beiden einander entgegengesetzten Ansichten, die sich gegenwärtig in Betreff der Natur der LIEBER- KÜHN schen Krypten geltend machen, etwas näher zu berichten, wo- bei ich zuerst die Theorie anführen werde, als deren Schöpfer und hervorragendster Vertreter BIZZOZERO (16a) angesehen werden muss.

Nach dieser Theorie, die erst im Jahre 1888 aufgestellt wurde und für die jetzt herrschende Auffassung von der Natur des ge- nannten Organs eine besonders große Bedeutung erhalten hat, sind _ die LIEBERKÜHN’schen Krypten keine Drüsen im eigent- lichen Sinne des Wortes, sondern nur Regenerationsherde für das Epithel.

Beobachtungen, welche sowohl von BIZZOZERO, wie von anderen Forschern, z. B. FLEMMING, HEIDENHAIN und PANETH, gemacht wurden, haben dargethan, dass Mitosen in den LIisBERKÜHN’schen Krypten, namentlich in dem Grunde und den angrenzenden Theilen desselben, in sehr großer Zahl vorkommen. Je mehr man sich der Mündung der Krypten nähert, desto seltener werden die Mitosen. In dem Epithel, welches die Villi bekleidet, fehlen sie ganz und gar.

Diese Beobachtungen führten BIzzoZERO zu der Annahme, dass die Mitosen dazu dienen, den Verlust zu ersetzen, dem das Ober- lächenepithel unterworfen ist. Zur Stütze dieser Ansicht führt er an, dass die Epithelzellen im Grunde der Krypten den Charakter von jungen Zellen zeigen. Je mehr hinauf gegen die Mündungen der Krypten und die Villi sie rücken, desto deutlicher treten all-

74 William Möller,

mählich die charakteristischen Eigenthümlichkeiten in ihrer Struktur hervor. Das Gesagte gilt sowohl von den gewöhnlichen oder proto- plasmatischen Zellen, wie von den Becherzellen.

Zur Beleuchtung von BIZZOZERO’s Ansichten will ich hier zwei Äußerungen von ihm anführen: »Alle diese Zellen also leben und sterben nicht dort, wo sie ursprünglich entstanden sind, sie gelangen vielmehr nach und nach aus den tieferen Einsenkungen zu den höheren Hervorragungen der Schleimhaut. Es verhält sich also das Epithel des Magendarmkanals gerade wie das geschichtete Epithel und die Epidermis; die Zellen gelangen mit zunehmendem Alter an die Oberfläche und verfallen dort der Desquamation.«

»Die schlauchförmigen Drüsen des Darmes verhalten sich dem- nach anders als die wahren Drüsen. In den letzteren sind die Drüsen- zellen specifisch differenzirt und von den Zellen des Überzugsepithels, zu welchen ihr Ausführungsgang in Beziehung steht, durchaus ver- schieden. In den schlauchförmigen Drüsen hingegen ist das Epithel eine direkte Fortsetzung des Überzugsepithels, es nimmt an dessen Funktionen Theil und kann sogar als die jüngste Partie desselben aufgefasst werden.«

Gleichzeitig mit BIZZOZERO sprach HEIDENHAIN (18, p. 24) eine ähnliche Ansicht, obschon in einer mehr reservirten Form, aus.

Er sagt nämlich bei der Rede von der lebhaften Mitosenbildung in den LIEBERKÜHN’schen Krypten (18, p. 28): »Es scheint also eine sehr allgemeine Regel zu sein, dass da, wo die Schleimhaut Falten oder ihr Epithel Drüsen bildet, am Grunde der ersteren oder innerhalb der letzteren lebhafte Zellneubildung stattfindet, ohne dass für diese Stellen ein örtlicher Zweck nachgewiesen werden könnte. Andererseits ist es ohne Frage, dass die auf der Höhe der Schleim- hautverlängerungen stehenden Epithelzellen zahlreich zu Grunde sehen. Man könnte desshalb auf den allerdings befremdlich erschei- nenden Gedanken kommen, dass diese Verluste durch Nachrücken der Zellen aus der Tiefe gedeckt werden. Ich verkenne aber nicht die Schwierigkeiten, welche einer solchen Annahme entgegenstehen, und möchte in derselben desshalb nur eine vorläufige Ausflucht sehen, welche vielleicht bald einer besseren, mir bisher entgangenen Deutung weichen wird.«

Namentlich unter den Histologen scheint BizzozEro's Theorie viele Anhänger gefunden zu haben. So hat sie z. B. STÖHR (20, p. 197) in sein allgemein verbreitetes Lehrbuch nicht nur unter der Form einer Theorie, sondern als bereits feststehende wissenschaftliche

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 75

Wahrheit aufgenommen. Er verneint bestimmt die sekretorische Funktion der LIEBERKÜHN’schen Krypten. Das Verhältnis, das für eine solche Funktion spricht, erwähnt er nur in einer Note folgenden Inhalts: »Es ist fraglich, ob die einzelnen im Drüsengrunde der Krypten vorkommenden körnchenhaltigen Zellen Drüsenzellen sind.«

Auch die physiologisch-chemische Forschung scheint zu Ergeb- nissen geführt zu haben, die BIzzozEro’s Theorie eine nicht unwesent- liche Stütze geben. So hat HorppE-SEyYLErR (27, p. 270 u. 275) in seinem bekannten Lehrbuch die Ansicht ausgesprochen, dass ein be- sonderer Darmsaft als Sekret von den LIEBERKÜHN'schen Drüsen oder der Darmschleimhaut wahrscheinlich nicht existirt, dass wenigstens bis auf Weiteres die Beweise für seine Existenz fehlen. Diese Ansicht hält HOoPPE-SEYLER (28, p. 475) noch im Jahre 1893 aufrecht, wo er sagt, dass alle Versuche, die chemischen Wirkungen des Darmsaftes zu bestimmen, ohne sichere Ergebnisse bleiben müssen, so lange man nicht mit Bestimmtheit die Existenz einer Sekretion von der Darm- schleimhaut nachgewiesen hat. Diese Äußerung von einem auf dem Gebiete der physiologischen Chemie so bewanderten Forscher kann wohl als Anerkennung des Unvermögens dieser Wissenschaft be- trachtet werden, allein das Problem von dem Vorkommen eines Darm- saftes und zunächst von der Aufgabe der LIEBERKÜHN’schen Krypten zu lösen.

Von rein physiologischer Seite scheint man dagegen, so viel ich gefunden habe, nicht abgeneigt zu sein, dem genannten Organ, ob- schon man dafür bisher keine positiven Beweise hat beibringen können, eine Bedeutung für den Sekretionsprocess zuzuerkennen.

Es erübrigt also, nachzusehen, welche Facta die Histologen für die Ansicht von der sekretorischen Natur der LIEBERKÜHN’schen Krypten darzulegen haben und, umgekehrt, welche Anmerkungen man geglaubt hat, mit Fug gegen BizzozEro’s Lehre machen zu können. In der letztgenannten Hinsicht verdient OPPpEL’s Ansicht (15, p. 212) besondere Beachtung. Durch umfassende komparativ- anatomische Untersuchungen ist er zu der Überzeugung gekommen, dass die besagte Theorie wenigstens nicht in allen Hinsichten haltbar ist. Er sagt: »Eine Anzahl von Punkten scheint mir dagegen zu sprechen, dass wir im Darmepithel aller Vertebraten nur eine ein- heitliche (aus Cylinderzellen und Becherzellen) bestehende Formation zu sehen haben, von denen wir an den einen (von der Oberfläche ferner liegenden) Stellen die Jugendformen, an den anderen (der Oberfläche näher liegenden) Stellen die erwachsenen Formen zu

76 William Möller,

suchen hätten. Vielmehr glaube ich, dass die Darmepithelien mancherlei Differenzirungen eingehen, welche zum Theil zur Bildung von wahren Drüsen führen, in denen wir nicht Regenerationsherde des Oberflächenepithels zu sehen haben. Dass dagegen an anderen Stellen Regenerationsherde (vielleicht auch in manchen Darmdrüsen) vorkommen mögen, von denen aus die Zellen durch Wanderung an weiter oder weniger weit entfernte (wohl meist der Oberfläche näher gelegene) Stellen gelangen, ist zwar heute eben so wenig widerlegt, wie bewiesen, doch durch BIZZOZERo’s Untersuchungen wahrscheinlich semacht.« Eine günstige Aufnahme und eine ernste Prüfung verdient die genannte Theorie, nach OPpeEr’s Ansicht, wenn sie in folgende, mehr bescheidene Form gekleidet wird: »Im Bereich des Darm- epithels kann unter Umständen von Stellen regerer Mitose aus Zellmaterial für andere Stellen, an denen Mitosen selten sind, geliefert werden.

Dieses ist also die Einwendung, die man gegen BIZZOZERO Ss Lehre gemacht hat. Zu Gunsten der sekretorischen Natur der Krypten spricht der Umstand, dass einige Forscher im Grunde dieses Organs eine eigenthümliche Zellenstruktur gefunden haben. Ehe ich aber über diese Untersuchungen näher berichte, will ich in größter Kürze erst einige orientirende Züge aus der Geschichte der Histologie der Drüsen mittheilen.

Durch HEIDENHAIN’S (26, p. 18 u. 58) werthvolle Untersuchungen ist bekanntlich erst die Kenntnis davon gewonnen worden, dass die Zellen in verschiedenen Drüsen während der Sekretion deutliche morphologische Veränderungen zeigen. In der Ruhe sind die Zellen sroß, ihre Kerne sind klein und stachelig, und die Zellsubstanz besteht aus einer hellen, farblosen Masse mit einem in ihr einge- schlossenen Netzwerk mit feinen Körnchen. Während der Thätigkeit sind die Zellen kleiner, ihre Kerne sind rund und die helle Grund- substanz nimmt ab, wogegen die netzförmige oder körnige Masse (das Protoplasma) etwas zunimmt. Das Sekret wird also von der hellen Grundsubstanz der Zelle gebildet. Während sich die Zelle im Ruhezustande befindet, wächst die netzförmige Substanz, um die helle Masse, das nächste Vorstadium des Sekrets, zu bilden.

Einen wichtigen Fortschritt auf diesem Forschungsgebiet be- zeichnen die von LANGLEY (21) ausgeführten Drüsenuntersuchungen, unter Anderem desshalb, weil er sich dazu vollkommen frischen oder lebenden Materials bedient hat. Er machte dabei die wichtige Be- obachtung, dass die Drüsenzellen in der Ruhe mit Körnern gefüllt

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. vi

sind. Bei Reizung der Zellen vermindert sich die Anzahl der Körnchen, und der an die Membrana propria grenzende Theil der Zelle nimmt ein klares Aussehen an. Die Körnchen (Granula), die in der Ruhe den Inhalt der Drüsenzellen bilden, sind also theilweise verbraucht worden, wahrscheinlich um als Bestandtheil in das Sekret einzugehen.

Nach LANGLEy hat ALTMANN (22) in fixirtem Material aus Eiweiß- drüsen das Vorkommen von Körnchen in den Drüsenzellen nach- gewiesen und zugleich die Veränderungen beschrieben, welche die Körnehen beim Sekretionsprocess erleiden. In einer Mischung von Kaliumbriehromat und Osmiumsäure fixirt und mit Säurefuchsin und Pikrinsäurealkohol gefärbt, zeigen sich die Drüsenzellen in der Ruhe mit graugelben Körnchen gefüllt, die in einer rothfarbigen, netzähn- liehen Substanz eingebettet liegen. Bei intensiver Thätigkeit, z. B. durch eine Injektion von Pilokarpin hervorgerufen, ist das mikrosko- pische Bild ein ganz anderes. Sowohl die graugelben Körnchen, wie das zwischenliegende rothfarbige Netzwerk ist verschwunden und durch rothe Körner von wechselnder Größe ersetzt. Aus diesen Be- obachtungen geht hervor, dass die graugelben Granula in das Sekret übergehen und dann, wenn sich die Zelle im Ruhezustand befindet, von den rothfarbigen Granula wieder neu gebildet werden.

Auf diese von HEIDENHAIN, LANGLEY und ALTMANN gewonnenen wichtigen Forschungsergebnisse ist die moderne Drüsenhistologie erbaut. |

Hierzu kommt noch die Feststellung der schon früher mittels - Injektionsmethoden entdeckten feinsten, intercellular belegenen Sekret- wege, der sog. Sekretkapillaren. Diese Untersuchungen sind von CAJAL, ReETzIUs, ERIK MÜLLER u. A. mit Hilfe der Goustschen Silberfärbungsmethode ausgeführt worden. Die mittels dieser Methode gewonnenen Ergebnisse sind später von ERIK MÜLLER durch An- wendung besonderer Tinktionsmethoden, vor Allem von Bexnpa’s Eisenhämatoxylinmethode, modifieirt von M. HEIDENHAIN, verifieirt und erweitert worden.

Nach dieser kleinen Abweichung von dem eigentlichen Gegen- stande werde ich nun eine Übersicht der Ergebnisse mittheilen, welche die moderne Drüsenhistologie in Bezug .auf die LIEBERKÜHN- schen Krypten gewonnen hat.

Do viel ich weiß, ist G. SCHWALBE (13, p. 136) der Erste, der in frischen Präparaten von der Ratte, der Maus und der Fledermaus im Grunde der Drüsenröhren des Dünndarmes belegene Körnchen beobachtet und abgebildet hat. Er sagt hierüber unter Anderem:

78 William Möller,

»Stellt man den Tubus an solchen Präparaten auf die äußersten Enden der LIEBERKÜHN’schen Drüsen ein, so bemerkt man klare, durch eine scharfe Linie von der Umgebung abgegrenzte Blasen mit kleinem runden, centralen Lumen. Der Raum zwischen letzterem nnd dem Randkontour ist von einer klaren Zellenmasse ausgefüllt,

die weder Kerne, noch Zellengrenzen erkennen lässt, dagegen häufig

fein radiär gestrichelt erscheint, das erste Zeichen beginnender Trübung. Sofort in die Augen fallen aber drei bis vier kleine Haufen dunkler, glänzender Körner, die dicht um das centrale Lumen herum gruppirt sind, wodurch dann ein Bild zu Stande kommt, ähnlich wie es die kleinen, pankreatischen Drüsen des Darmes im frischen Zustande zeigen.«

Diese Beobachtung scheint jedoch die Aufmerksamkeit der Forscher nicht geweckt zu haben.

Es ist erst durch Paxeru’s (17, p. 177) Untersuchungen, dass diese Körnchenzellen der Gegenstand eines lebhafteren Interesses wurden.

PıneEr#’s Ergebnisse sind, in Kürze angeführt, folgende:

Im Grunde der LIEBERKÜHN’schen Krypten bei der Maus findet sich eine besondere Art von secernirenden Zellen, die weder mit Becher-, noch mit Schleimzellen, auch nicht mit Pankreaszellen identisch. sind. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Menge Körner oder Tropfen (über die Konsistenz derselben vermag sich der Autor nicht zu äußern) enthalten, welche, in frischem Zu- stande betrachtet, als schwach lichtbrechend, in geringerem Grade als das Fett, erscheinen. Sie sind von verschiedener Größe, meistens viel größer als die Tropfen in den Becherzellen der Maus, ja sogar des Triton. Sie liegen in Räumen angesammelt, die dem Umkreise der Zellen entsprechen. Zuweilen sieht man sie auch frei im Lumen liegen. In den Krypten sind mehr als nur ein paar Zellen mit solchen Tropfen gefüllt, oder finden sich auch einige Tropfen in jeder Zelle.

Versuche, die mit besonderen Reagentien ausgeführt wurden, erlauben keine positive Äußerung über ihre chemische Natur. Sie bestehen sicherlich nicht aus Fett, auch sind es keine Bildungen von parasitärer Natur. In Äther und Alkohol lösen sie sich langsam auf, in verdünnten Säuren schnell. Gegen destillirtes Wasser und Kalilauge sind sie resistent. Osmiumsäure konservirt sie vortrefflich; sie nehmen unter der Einwirkung dieser Säure eine mahagonibraune, nicht schwarze Farbe an. Es ist desshalb diese Säure, oder, viel-

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 79

leicht noch besser, eine koncentrirte Wasserlösung von Pikrinsäure zur Fixirung zu benutzen. Die Körnchen lassen sich mit allerlei Farbstoffen tingiren und halten die Farbe hartnäckig fest, bei der Entfärbung mit Alkohol sogar länger, als die Kerne es thun. Sie tingiren sich ohne allen Farbenwechsel und unterscheiden sich dadurch von den Körnchen in den Becherzellen, die auch viel kleiner sind.

Die Körncehenzellen entstehen unzweifelhaft aus den Epithel- zellen der Krypte, was daraus hervorgeht, dass man zwischen diesen beiden Zellenarten eine Menge Übergangsformen findet. Versuche, verschiedene Stadien der Entwicklung oder Sekretion dadurch nach- zuweisen, dass man die Thiere fasten ließ, resp. ihnen reichliches Futter gab, führte im Allgemeinen nicht zu dem gewünschten Re- sultat. Körncehenzellen fanden sich in allen Fällen beinahe gleich zahlreich.

In wie fern die genannten Zellen bei der Sekretion untergehen oder aus protoplasmatischen Resten regenerirt werden, lässt der Autor unentschieden; er scheint jedoch mehr der ersten Ansicht zu- zuneigen. Für dieselbe scheint auch das Vorkommen von zahlreichen Mitosen in den Krypten oberhalb des Fundus gedeutet werden zu können. Aber da andere Gründe gegen diese Ansicht sprechen, muss man sie bis auf Weiteres als eine Hypothese betrachten, die eine fortgesetzte Prüfung und Beweise verlangt.

PAnETH hat nur in einem Fall hinreichend frisches Material vom Menschen zur Untersuchung erhalten. Körnchenzellen scheinen auch hier vorzukommen, sie unterscheiden sich aber von diesen Zellen bei der Maus dadurch, dass die Körnchen die Farbstoffe picht festhalten, wesshalb sie sich nur mit Schwierigkeit wahrnehmen lassen.

Im Dünndarm der Ratte finden sich ebenfalls Körnchenzellen, obsehon dieselben hier sparsamer auftreten und auch nur kleinere Körnchen enthalten.

Bei anderen Thieren hat sie der Autor allerdings nur flüchtig, aber vergebens gesucht.

Diese von PAnETH im Jahre 1888 veröffentlichten Ergebnisse sind für die Auffassung der wirklichen Natur der LIEBERKÜHN’schen Krypten von grundlegender Bedeutung.

Noch in demselben Jahre führt HEIDENHAIN (18, p. 25) die Ent- deckung der Pawerm’schen Körnchenzellen als einen Beweis für die Verschiedenheit des Oberflächen- und des Drüsenepithels an. Er

s0 William Möller,

stützt sich auch auf eigene Beobachtungen dieser Zellen und sagt: »Bei manchen Thieren (Maus, Meerschweinchen) zeigen die Zellen des Drüsengrundes eigenthümliche in Hämatoxylin und Kali chromi- cum schwarz, in Säurefuchsin roth färbbare Körnchen, die neuer- dings von PAnETH ausführlicher beschrieben sind und in den Zotten- epithelien niemals gefunden werden.«

Drei Jahre später bestätigte SCHAFFER (25, p. 465) das Vor- kommen von Körnchenzellen im Dünndarm des Menschen. Zwischen den Granula der Zellen fand er ein Netzwerk, welches er tingiren konnte, was ihm mit den Granula nicht gelang. Von den Becher- zellen unterscheiden sich die Körnchenzellen in allen Präparaten deutlich. Übergangsformen von der einen Zellenart zur anderen ließen sich nicht nachweisen, und eben so wenig ließ es sich ent- scheiden, in welcher der beiden Arten von Zellen sich die Mitosen fanden. SCHAFFER bezeichnete die Körnchenzellen als becherzellen- ähnliche Gebilde von noch unermittelter Bedeutung.

In demselben Jahre (1891) veröffentlichte NıcoLAs (24) eine ge- naue Untersuchung über die Körnchenzellen. Wie PANETH, fand er sie beim Menschen, bei der Ratte und der Maus, außerdem aber auch bei der Fledermaus und beim Eichhörnchen. Er beobachtete sie auch bei der Eidechse im Grunde der Furchen, welche die Falten des Dünndarmes von einander trennen und welche mit Fug als mit den LIEBERKÜHN’schen Krypten bei den Säugethieren homolog be- trachtet werden können.

Die Ergebnisse, zu denen NıcoLAs gekommen ist, ergänzen theils PAnErH’s Ergebnisse, theils weichen sie in einigen Punkten von ihnen ab.

NıcorAs unterscheidet im Grunde der Krypten drei Arten von Zellen:

1) Zellen, welche mehr oder weniger mit Körnchen gefüllt sind, die in den Maschen des Protoplasmas eingeschlossen liegen. Diese Körnchen zeigen sich nach der Fixirung in FLemnmine’scher Flüssig- keit und Färbung mit Safranin homogen und gleichmäßig grau beim Menschen, bei der Ratte und der Fledermaus. Bei der Maus und dem Eichhörnchen bestehen sie dagegen aus zwei Substanzen, aus einer grauen Hauptmasse, auf welcher ein halbmondförmiger, roth gefärbter Körper sitzt. Nur die allerkleinsten Körnehen sind gleich- mäßig roth gefärbt; 2) Zellen ohne Körnchen, von denen einige ein klares, wenig dichtes, andere ein mehr kompaktes Protoplasma haben; und 3) sehr schmale, intensiv gefärbte Zellen.

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. al

Bei der Maus hat NIcoLas eigenthümliche, kugelähnliche, bisweilen halbmondförmige Bildungen, »enclaves«, beobachtet, die in einigen Epithelzellen im Grunde der Krypten, ein bis zwei in jeder Zelle, vor- kommen. In der Regel scheint die Zelle gleichzeitig keine Granula zu enthalten. Im Ganzen und Großen zeigen sie dasselbe Verhältnis wie die eben beschriebenen Zellengranula, sind aber viele Male so sroß. NIcoLAs sieht sie als Produkte an, die von dem Protoplasma und dem Kerne gemeinsam gebildet sind.

Im Gegensatz zu PAnETH hebt NıcoLAs hervor, dass die Kerne der Körnchenzellen niemals verschwinden, wohl aber in ihren Dimen- sionen und in ihrer Konstitution bedeutende Veränderungen erleiden. Wenn die Zelle ad maximum mit Körnchen gefüllt ist, liegt der Kern plattgedrückt an ihrer Basis, und er kann dann leicht der Aufmerk- samkeit entgehen; eine sorgfältige Untersuchung einer Schnittserie kann jedoch seine Gegenwart darthun. In dem Verhältnis, dass der Kern nebst einem Theile des protoplasmatischen Netzwerkes in der Zelle zurückbleibt, wenn dieselbe ihren körnigen Inhalt entleert, liegt die Möglichkeit für eine Rekonstitution der Zelle. Ein solcher Pro- cess findet auch in der That statt, und zwar wahrscheinlich in folgen- der Weise:

Nach der Entleerung der Körnchen präsentiren sich die Zellen eine Zeit lang als schmale, stark färbbare Elemente. Hierauf wer- den die Körnchen auf Kosten des Protoplasmas neu gebildet, nehmen an Größe zu und werden schließlich von Neuem in das Drüsenlumen

ausgestoßen. Solchergestalt durchlaufen die Drüsenzellen einen sekre-

torischen Kreisgang, dessen Dauer sich nicht näher bestimmen lässt.

NıcoLAs hebt weiter hervor, dass die Körnchenzellen keinerlei Ähnlichkeit mit den Becherzellen haben, was eine vergleichende Untersuchung dieser Elemente auch deutlich zeigt.

Was das weitere Schicksal der Körnchenzellen betrifft, so be- trachtet es NıcoLas als unbestreitbar, dass sie, aus der Zelle ausge- stoßen, zusammenschmelzen und sich mit Schleim vermischen, dadurch ein wirkliches Sekretionsprodukt bildend, welches man in den Lumina der Drüsen unter der Form von stark gefärbten, feinfädigen Coagula wiederfindet. |

Diese sind, in Kürze wiedergegeben, NIcoLAs’ Ergebnisse.

Eine ersehnte Gelegenheit, die Richtigkeit seiner Regenerations- theorie zu prüfen, fand Bızzozero (16b, Bd. XL, p. 345) bei der Untersuchung der Panerw’schen Zellen. Er stellte folgende Fragen zur Beantwortung auf: »Woher kommt es, dass sich diese Zellen in

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, LXVI. Bd. 6

82 William Möller,

demjenigen Theil der Drüse finden, in welchem meiner Ansicht nach der Regenerationsherd des Darmepithels belegen zu sein pflegt? In welchem Verhältnis stehen sie zu den die Schleimsubstanz secer- nirenden Elementen ?<

Sein Material, bestehend aus Stücken vom Duodenum der Maus, fixirte BIZZOZERO theils in einer koncentrirten Wasserlösung von Pikrinsäure, theils in FLEemumIng’s oder HERMAnN’s Flüssigkeit, vor- zugsweise jedoch in der letztgenannten.

BIzzozERO’s Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass die PaınerH’schen Zellen nichts Anderes als jugendliche For- men von Schleimzellen seien. Um diese Behauptung zu beweisen, sucht er darzuthun, dass die Körnchen- und Schleimzellen keine scharf von einander geschiedene Zellformen sind, sondern dass man im Gegentheil durch genaue Beobachtung und Anwendung geeigneter Methoden gradweise Übergangsformen zwischen ihnen nachweisen kann.

Für den genannten Zweck bedient er sich einiger Farbenreak- tionen, die ihm besonders geeignet zu sein scheinen, die Schleim- substanz auch in kleinen Quantitäten nachzuweisen. Diese Reaktionen sind folgende: |

Fixirt man das Material in Alkohol oder Pikrinsäure und tingirt man mit einer Wasserlösung von Safranio, so nimmt der Schleim eine intensiv gelbe Farbe an. In Stücken, die in FLEMmMING’s oder, was noch besser ist, in HERMANN’s Flüssigkeit fixirt sind, färbt sich die Schleimsubstanz mit Methylenblau oder mit Hämatoxylin sehr hübsch, während alle anderen Theile des Gewebes ungefärbt ver- bleiben. Es ist besonders diese letzte Reaktion, deren sich BIZZOZERO zur Lösung seiner Aufgabe bedient hat. |

Das Ergebnis seiner mittels der erstgenannten Methode aus- seführten Untersuchungen formulirt BIzzozERO wie folgt (p. 353): »Die Körnchen der PanerH’schen Zellen zeigen eine lebhaft rothe Farbe, wie das Protoplasma und der Kern, und die zwischen ihnen liegende Substanz bleibt ungefärbt oder nimmt eine etwas gelbliche Farbe an; die vollkommenen schleimbereitenden Zellen dagegen werden von einem aufgequollenen und gelb gefärbten, homogenen Schleimsubstanzklümpehen ausgedehnt. Zwischen jenen Zellen und diesen existirt sodann eine ganze Reihe von Übergangsformen, dar- gestellt durch Zellen, deren Sekret immer kleiner werdende rothe Körnchen, getaucht in eine immer reichlicher werdende und intensiv gelb gefärbte Substanz, enthält.«

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 53

Ein ähnliches Verhältnis zeigt sich, wenn man Schnitte von Stücken untersucht, die in HermAnn’s oder FLemming’s Flüssigkeit sefärbt und mit Hämatoxylin, Safranin, Vesuvin oder Methylenblau tingirt sind.» Man findet nämlich Übergangsformen, die sich dadurch kennzeichnen, dass ihr Sekret aus Körnchen besteht, welche die Farbenreaktionen der PAanErH’schen Körnchen darbieten, aber in einer Substanz eingebettet liegen, die dagegen die Reaktionen der Schleimsubstanz zeigt.

Durch Doppelfärbung mit Safranin und Hämatoxylin von Material, das in HErMAnN’s Flüssigkeit fixirt war, konnte BIzzozERO noch einen Beweis für die Richtigkeit seiner hier vorn angeführten Ansicht beibringen. Bei der Färbung nach der genannten Methode nehmen nämlich die Körnchen in den Paneru’schen Zellen eine glänzend rothe Farbe an, während sich diejenigen, aus denen sich die voll ausgebildete Schleimsubstanz bei genauer Untersuchung zusammen- sesetzt zeigt, violett färben. Betrachtet man nun die Sekretklümp- chen in den sogenannten Übergangsformen, so findet man, dass sie aus zwei Arten von Körnchen bestehen, nämlich aus violetten ohne scharfe Kontouren und aus kleinen, lebhaft roth gefärbten, die ‚zwischen den violetten eingestreut liegen.

Seine Ergebnisse fasst BızzozEro (p. 356) in folgende Worte zusammen: »Diese Beobachtungen zeigen also, dass die PAnETH- Schen Zellen junge Schleimzellenformen darstellen. Sie secerniren große, glänzende, safranophile Körnchen, die sie in das Drüsenlumen ergießen. Älter werdend fahren sie eine gewisse Zeit lang fort, Körnchen von gleicher Natur zu secerniren, die jedoch kleiner sind, und gleichzeitig scheiden sie auch Körnchen aus, die sich intensiv mit Hämatoxylin färben. In einem weiteren Stadium hört die Erzeugung vun safranophilen Körnchen ganz und gar auf und das Sekretklümpcehen wird gänzlich von mit Hämatoxylin färb- baren Körnchen gebildet; die Zelle ist so eine wirkliche Schleimzelle seworden. Während nun diese Veränderungen im Innern der Zelle stattfinden, nimmt diese auch die den Schleimzellen eigene Kelchform an und rückt allmählich vom Blindsack der Drüsen nach deren Mündung hinauf, und dann auch auf die Zotten.«

Weiter hebt BizzozERo hervor, dass die Neubildung von Zellen im Duodenum der Maus sehr lebhaft ist. Die zahlreichen Mitosen werden in der Regel in der unteren Hälfte der Krypte angetroffen. Sie beginnen im Blindsack, und zuweilen findet man sie in der äußersten Spitze desselben zwischen zwei Paneru’schen Zellen. Die

6*F

84 William Möller,

in der Mitosis befindlichen Kerne scheinen stets Zellen von einem protoplasmatischen Aussehen anzugehören. In Zellen, die bereits Schleim enthielten, konnte der Autor keine Mitosen sehen, doch will er die Möglichkeit ihres Vorkommens auch in solchen Elementen . nicht verneinen. ; BIzzozEro’s hier referirtes Ergebnis seiner in Betreff der Natur der Pıneru’schen Zellen ausgeführten Untersuchungen scheint also eine sehr wichtige Stütze für seine Regenerationstheorie zu liefern. Es giebt jedoch Forscher, die sich BIzzozEro’s Auffassung nicht an- schließen. So schreibt z. B. OppEL (15, p. 327): »Ich bin der Ansicht, dass die von verschiedenen Forschern bei verschiedenen Thieren be- schriebenen eigenartigen, oft körnchenhaltigen Zellen im Grunde der LIEBERKÜHN’schen Drüsen zum großen Theil nicht Jugendformen der höher oben in den Drüsen gelegenen Zellformen, sondern eigentliche Drüsenzellen sind, deren Aufgabe es ist, den Darmsaft zu bilden.« Hinsichtlich der Funktion der LIEBERKÜHN’schen Krypten mag zum Schluss noch eine Beobachtung von OPPpEr (l. e.) aus dem ver- sangenen Jahre (1897) angeführt werden. Er fand nämlich bei der Untersuchung des Darmkanals von einer Art Stachelameisenfresser (Echidna aculeata var. typica) im unteren Ende der Krypten eine eigenthümliche Art von Zellen, deren gegen das Drüsenlumen gerichtete Spitzen Körnchen enthielten. »Sie machen den Eindruck typischer Drüsenzellen; die Körnchen nehmen mit Eosin eine intensive Färbung an, so dass eine gekörnte Innenzone entstand, welche an Deutlich- keit hinter der, welche sich im Pankreas z. B. der Säuger dar- stellen lässt, nur wenig zurückstand.. Die Breite der gekörnten Innenzone nimmt allmählich ab, bis sie von da an, wo deutliche Becherzellen auftreten, ganz schwindet. «

Wie aus der hier gegebenen Übersicht der Litteratur hervorgeht, stehen sich gegenwärtig in der Frage von der Funktion der LIEBER- Künn’schen Krypten und den in ihnen enthaltenen Körnchenzellen hauptsächlich zwei Ansichten gegenüber: auf der einen Seite Bızzo- ZERO’s Theorie, nach welcher die genannten Organe nur einen Re- generationsherd für das Epithel bilden und die Körnchenzellen in Übereinstimmung damit junge Schleimzellenformen sind, und auf der anderen Seite die von SCHWALBE, ÖOPPEL u. A. vertretene Ansicht, dass sie wirkliche Drüsen sind und die Körnchenzellen typische secernirende Elemente darstellen, die sich in ihrer Struktur und der

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 85

Beschaffenheit des Sekrets deutlich von den Schleimzellen unter- scheiden; Übergangsformen zwischen ihnen finden sich nicht. Welche von diesen beiden Ansichten ist nun die richtige? Um eine Antwort auf diese Frage geben zu können, habe ich eine Reihe von Untersuchungen ausgeführt, über deren Ergebnis ich mir erlaube, in dem Folgenden näher zu berichten.

Eigene Beobachtungen.

A. Präparationsmethoden und Untersuchungsmaterial.

Einer besonderen Schwierigkeit begegnete ich gleich im Anfange meiner Arbeit, als es galt, für den Zweck geeignete Fixirungs- und Präparationsmethoden zu wählen.

Ein Jeder, der sich mit der modernen Drüsenhistologie beschäftigt hat, dürfte zur Genüge erfahren haben, welche empfindliche Bildungen diese Zellengranula sind und wie leicht sie sich, wenn man eine weniger geeignete Fixirungsmethode anwendet, verändern und dann der Aufmerksamkeit entgehen. Ich habe in dieser Hinsicht bittere Erfahrungen gemacht und dabei einen nicht geringen Verlust an Zeit erlitten.

Ich bin daher dem Professor der Histologie am Karolinischen Institut zu Stockholm, Herrn Dr. Erık MÜLLER, der mir geeignete Präparationsmethoden angewiesen und mich bei meiner Arbeit, der er mit dem lebhaftesten Interesse gefolgt ist, mit gutem Rath unter- stützt hat, zu großem Dank verpflichtet, und es ist mir eine ange- nehme Pflicht, dem Herrn Professor E. MÜLLER für die mir geleistete werthvolle Hilfe und das freundliche Entgegenkommen die ganze Zeit, die ich die große Vergünstigung gehabt habe, in seinem Labora- torium zu arbeiten, hier meinen ergebensten Dank öffentlich auszu- Sprechen.

Die Fixirungsflüssigkeit, die mir die besten Dienste gethan hat, ist eine Mischung von Bichromat und Formalin. Eine solche Mischung ist von KopscH (33, p. 727) als Ersatz für die bei der GoLcr’schen Imprägnation mit Chromsilber angewandte Mischung von Osmium und Bichromat empfohlen und von ERIK MÜLLER (23b, p. 625) zur Fixirung von Organstücken, die hernach nach gewöhnlichen Färbungs- methoden behandelt wurden, angewandt worden.

Die Fixirungsmethode ist folgende. Kleine Stücken des völlig frischen Organs werden für 24 Stunden in eine neu bereitete Mischung von 40 Volumentheilen 3°/,igen Kaliumbichromats und

86 William Möller,

10 Theilen Formalin (40 %/,) und darauf für 3 bis 4 Tage in eine 3%/,ige Kaliumbichromatlösung gebracht, sodann 3 Stunden in rinnen- dem Wasser ausgewaschen und in Alkohol von steigendem Procent- gehalt (70, 82, 95 /, und absoluter Alkohol), je 24 Stunden gehärtet.

Außer dieser Methode habe ich auch Fixirung mit FLEMMING’s oder HErMmAnN’s Flüssigkeit und Mischungen von Sublimat und For- malin oder von Pikrinsäure und Formalin angewandt. Die Ergebnisse, welche die letztgenannten Methoden geliefert haben, sind jedoch ent- schieden denjenigen unterlegen, die ich mit der zuerst beschriebenen Methode erhalten habe.

FLEUMInG’s und HERMANN’s Flüssigkeiten, die von BIZZOZERO (16b, Bd. XL, p. 350), NıcoLAs (24, p. 2) und GALEOTTI (30, p. 466) besonders empfohlen worden sind, habe ich für meinen Theil, in Übereinstimmung mit PanerH (17, p. 178), weniger geeignet gefunden, denn sie konserviren die Strukturen der in den Zellen befindlichen Körnchen nicht in befriedigender Weise und vermindern dazu die Tingirbarkeit der Schnitte für verschiedene Farbstoffe, wovon ich mich wiederholentlich durch komparative Untersuchung nach ver- schiedenen Methoden fixirter, aber auf dasselbe Objektglas gelester und auf ihm gefärbter Schnitte habe überzeugen können.

Ich schließe mich desshalb der Ansicht von PAneETH (17, p. 178) an, welcher sagt: »Die Fremmmng’sche Lösung zerstört die Zellen, so dass man sich im Fundus der Krypten gar nicht auskennt; es bleibt eventuell ein Netzwerk in den Zellen, oder dieselben sind an tingirten Präparaten diffus gefärbt.

Die guten Ergebnisse, die ich mit der oben genannten Mischung von Bichromat und Formalin erhalten habe, geben mir das Recht, diese Mischung den Forschern, die sich mit Studien auf dem Gebiete der Drüsenhistologie beschäftigen, zu empfehlen.

Es kann indessen die Fixirung aus Ursachen, die ich nicht habe erforschen können, zuweilen auch mit dieser Methode misslingen. Man muss desshalb, wenn die Forschung nach Körnchenzellen ein negatives Ergebnis liefert, neues und so frisches Material wie möglich nehmen und von Neuem fixiren.

Von den Tinktionsmethoden wandte ich zuerst die Eisenhäma- toxylinmethode, und zwar sowohl nach M. HEIDENHAIN’s Modifikation von Benpa’s älterer Methode, wie nach BENDA’s neueren Angaben an. Der Unterschied zwischen diesen beiden Methoden ist mir jedoch nicht als sehr in die Augen fallend erschienen; vielleicht zeigen sich

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 87

die nach der letzteren Methode tingirten Präparate mehr frei von amorphen Niederschlägen.

Die nach BEenDA’s neuer Methode gefärbten Präparate habe ich zuweilen noch mit verdünnter Rubin- oder Säurefuchsinlösung oder auch mit Safranin tingirt, wo dann die Schleimelemente deutlicher hervortraten.

Die Eisenhämatoxylinmethode zeichnet sich vor anderen Tink- tionsmethoden sowohl durch die Sicherheit in ihren Ergebnissen, wie durch die Schärfe aus, mit welcher in den nach ihr gefärbten Prä- paraten die Details hervortreten. Auf einen schwachen Punkt will ich aber gleichwohl hinweisen. Da sich die Granula zum Theil schwarz färben und das Protoplasma eine mehr oder weniger inten- sive blaue Farbe annimmt, ist nämlich der Unterschied in der Farbe oft weniger merkbar und es kann dann die Gegenwart von Granula leicht der Aufmerksamkeit eines weniger geübten Beobachters entgehen.

Ich suchte desshalb nach einer Methode, welche die Granula deutlicher hervortreten lässt und zugleich die acido- und basophilen Elemente unter ihnen differenzirt.

Ein solche Methode glaubte ich in EHRLICH-BIioxprs! bekannter Dreifarbenmischung gefunden zu haben. Es zeigte sich indessen bald, dass sich diese Tinktionsmethode in ihrer gegenwärtigen Form für Material, das in FLEemmInG’s und HErMAnN’s Flüssigkeit fixirt ist, durchaus gar nicht eignet. Aber auch nach Fixirung mit Bichromat-, Sublimat- oder Pikrinsäure-Formalinmischungen war das mit dieser Methode erhaltene Ergebnis nicht befriedigend, da die Schnitte auch bei noch so schneller Spülung in 90—96procentigem Alkohol zum großen Theil ihre Farbe verloren. Bei mikroskopischer Untersuchung zeigten die Gewebe im Allgemeinen nur eine schwache Säurefuchsin- farbe, während die Kerne beinahe farblos und die Zellengrenzen undeutlich waren. Die grüne Farbe war beinahe ganz aus den Schnitten verschwunden. Im Gegensatz hierzu zeigten sich die Gra- nula intensiv gefärbt, und dieselben hoben sich schon bei schwacher Vergrößerung deutlich von dem schwach gefärbten Hintergrunde ab. Die Methode zeigte mithin selbst in dieser mangelhaften Form eine gewisse Anwendbarkeit.

! Ich wende anstatt des Namens BıonpI-HEIDENHAIN’s Methode diesen Namen an, weil er, da EHRLıicH für das Studium der Leukocyten die Anwen- dung von Orange, Säurefuchsin und Methylgrün, jedes Farbstoffes für sich (RAwıtz, 19), vorgeschlagen und BıoxpDı nachher diese Farben in bestimmten Mengen zu einer Flüssigkeit vermischt hat, richtiger ist.

"88 William Möller,

Das Ergebnis der Methode war dasselbe, auch wenn der Schnitt eine Zeit von zwei Tagen oder länger in der Färbeflüssigkeit gelegen hatte. Da ich annahm, dass der Fehler in der Untauglichkeit der Farbenlösungen oder in der weniger guten Beschaffenheit der Anilin- farben liegen könnte, versuchte ich wiederholt, neue Lösungen zu ‘bereiten von Pulvern, die theils von Dr. GRÜBLER, theils von der Berliner Aktiengesellschaft für Anilinfarbenfabrikation gekauft waren. Diese Versuche waren jedoch mit keinem nennenswerthen Erfolg sekrönt. Als am besten erwies sich die EuRLiCH-BIoNDI-HEIDEN- mAIn’sche Dreifarbenmischung in Pulvern, die von Dr. GRÜBLER be- zogen waren.

Farbenlösungen, nach der Anweisung von Krause (31, p. 59) bereitet, waren nicht anwendbar, weil sie Methylerün in so großer Menge enthielten, dass die Schnitte beinahe nur grün gefärbt wurden.

Versuche mit der von GALEOTTI (30, p. 466) für die Tinktion der Granula vorgeschlagenen Methode gaben sehr wenig befriedigende Resultate.

Auch die Versuche mit EurLıcH’s Triacidlösung und BERGONZINTS Farbenmischung fielen etwas schlechter aus, als die mit EHRLICH- Bıoxprs Flüssigkeit.

Weiter kam ich auf den Gedanken, durch eine Art Beizung die Empfänglichkeit der Gewebe für die Farbenmischung zu vermehren. Ich wendete hierzu, nach Krause’s Vorschlag (31, p. 59), !/;proe. Essigsäure an, worin die Schnitte ein bis zwei Stunden liegen ge- lassen wurden. Außerdem machte ich die Farbenlösung halb so stark (0,6 anstatt 0,4 & von Dr. GRÜBLER’s Pulver auf 100 ccm Wasser). In dieser Weise gelang es mir, etwas bessere Ergebnisse zu erreichen.

Indessen bin ich, aus Mangel an Zeit, meine Versuche fortzusetzen, noch nicht weiter gekommen, als dass ich den Weg kennen gelernt habe, den man möglicherweise einschlagen kann, um die EHRLICH- Bıoxpr'sche Methode auch für anderes Material als das in gesättigter Sublimatlösung fixirte, namentlich aber für solches geeignet zu machen, das mit der oben erwähnten Bichromat-Formalinmischung behandelt worden ist. Ich will jedoch gleich hinzufügen, dass mir die Aus- sichten, die Methode für Material geeignet machen zu können, das in Osmiumsäuremischungen fixirt worden ist, äußerst gering zu sein scheinen. Vielleicht sind auch kleinere Modifikationen der Methode für verschiedene Organe erforderlich.

Ich habe ferner eine Anzahl Schnitte, theils ohne, theils mit vorhergehender oder nachfolgender Färbung mit DELAFIELD’s Häma-

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 89

toxylin, mit Safranin tingirt, um zu ermitteln, wie die Körnchen- und Sehleimzellen sich zu diesen Farbstoffen verhalten und ob sich zwischen ihnen Übergangsformen nachweisen lassen. Zu dieser Unter- suchung habe ich vorzugsweise das in FLEMmMInG’s oder HERMANN’S Flüssigkeit fixirte Material angewandt.

Schließlich habe ich Versuche mit Gorgr’s schnell wirkender Chromsilberimprägnationsmethode ausgeführt, um zu sehen, ob in oder zwischen den Körnchenzellen Sekretkapillaren zu entdecken sind.

Bei der Einbettung des Materials habe ich ausschließlich die Chloroform-Paraffinmethode angewandt.

Die Dicke der Schnitte betrug 2,5—3 u.

Außer dem fixirten und tingirten Material habe ich, in den Fällen, wo es mir möglich gewesen ist, auch frisches Material unter- sucht.

Da es, wie gesagt, mein Plan gewesen ist, zu ermitteln, ob man mit den modernen histologischen Methoden in den LIEBERKÜHN’Schen Krypten der verschiedenen Thiere eine sekretorische Wirksamkeit nachweisen kann, so habe ich danach gestrebt, so viele Thiere zu untersuchen, wie mir meine durch äußere Verhältnisse begrenzte Zeit erlaubt hat. Ich habe mikroskopisch Stücke sowohl vom Dünn-, wie vom Diekdarm bei der Maus, dem Meerschweinchen, dem Kaninchen, dem Rinde, dem Schafe, dem Pferde, dem Schweine, dem Hunde und der Katze untersucht.

Von allen Thieren, die ich untersucht habe, hat die weiße Maus - die hübscheste und reichste Körnchenstruktur dargeboten. Ich beginne desshalb den Bericht über meine mikroskopischen Beobachtungen mit den Befunden bei diesem Thiere.

B. Ergebnisse der Untersuchungen. 1. Weiße Maus.

a) Die LIEBERKÜHN schen Krypten.

Um die Veränderungen zu vermeiden, welche die Fixirungs- und Tinktionsflüssigkeiten in den Geweben verursachen, und um Ver- gleichungspunkte mit den Ergebnissen zu gewinnen, die man bei der Untersuchung von fixirten und tingirten Schnitten erhält, ist es noth- wendig, Präparate von frischem Material zu untersuchen.

Da die Darmwand bei der weißen Maus sehr dünn ist, erhält man leicht instruktive Präparate, wenn man ein kleines Stück aus dem Dünndarm herausschneidet, es auf ein Objektglas legt und mit

90 William Möller,

einem Deekglas einen gleichmäßigen, allmählich zunehmenden Druck auf dasselbe ausübt. Oft gelingt es dann, eine Menge gut erhaltene LIEBERKÜHN’sche Krypten zu sehen. Betrachtet man dieselben bei mittelmäßiger Vergrößerung, so findet man die Grundtheile aller Krypten mit verhältnismäßig großen, glänzenden und durchsichtigen

Körnchen gefüllt, welche dicht gedrängt liegen und den größten Theil

der betreffenden Zellen einzunehmen scheinen. Ein Theil Körnchen liegt frei in dem nach unten etwas erweiterten Lumen der Krypte.

Ich bin nicht in der Lage, ein solches Bild von frischem Mate- rial mittheilen zu können. Als ein Übersichtsbild von ähnlichem Aussehen weise ich indessen auf Fig. 8 hin, die nach einem unge- färbten Schnitt aus einem in Bichromat-Osmiumsäurelösung gehärteten Material gezeichnet ist.

Untersucht man in Bichromat-Formalinmischung fixirte und mit EHrLicH-Bionprs Flüssigkeit tingirte Schnitte, so sieht man schon bei schwacher Vergrößerung den Grund der Krypten viel dunkler gefärbt, als die übrigen Theile des Schnittes. Bei stärkerer Ver- srößerung findet man, dass die intensiv tingirten Zellen eine ziem- lich bedeutende Menge Körnchen von verschiedener Farbe und Größe enthalten. So zeigen uns die Fig. 3 und 4, die derselben Schnittserie angehören, Körnchen von gelber, grüngelber, dunkel olivengrüner und rother Farbe. Meistentheils kommen in einer Drüsenzelle nur Körn- chen von derselben Farbe vor, doch trifft man zuweilen auch solche Zellen mit verschieden gefärbten Körnchen. Aber auch Körnchen von derselben Farbe unterscheiden sich durch die Intensität ihrer Farbe, welches Verhältnis am deutlichsten bei den in Säurefuchsin tingirten Körnchen hervortritt. Eine geringere Anzahl Körnchen liegt frei im Lumen. Die Kerne der Körnchenzellen treten bei Anwendung dieser Tinktionsmethode etwas undeutlich hervor, doch lassen sie sich oft durch verschiedene Einstellung beobachten. Da- gegen kann man nicht mit Sicherheit die Gegenwart eines protoplas- matischen Netzwerkes zwischen den Körnchen konstatiren; dieselben erscheinen vielmehr durch helle Zwischenräume von einander ge- trennt. |

Höher nach oben in der Krypte sieht man die typischen Schleim- zellen (Fig. 35) mit einem farblosen Schleimpfropfen und einem schmalen, röthlichen Fußtheil.

Übergangsformen zwischen Körnchen- und Schleim- zellen habe ich nicht gefunden.

In Fig. 5, die demselben Schnitt wie Fig. A angehört, sind alle

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 91

Körnehen vom Säurefuchsin roth gefärbt. In den meisten Zellen befinden sie sich in einem gewissen Abstand von der Zellwand, die oft deutliche, halbkreisförmige Eindrücke von Körnchen zeigt, welche in ihren Nischen gelegen haben. Die Körnchen selbst sind mehr oder weniger zusammengeschmolzen und liegen theils in der Mitte der gegen das Lumen der Krypte offenen Zellen, theils, oft eine zu- sammenhängende Masse bildend, als homogene, rothgefärbte Klumpen in dem weiten Lumen. Unter den-Körnchenzellen finden sich einige körnchenlose, zusammengedrückte Drüsenzellen. Eine Anzahl nahe- gelesene Krypten zeigen vollkommen dasselbe Aussehen wie in der eben beschriebenen Figur.

Das in Fig. 5 wiedergegebene mikroskopische Bild scheint mir unzweideutig von einer Sekretion von den Epi- thelzellen im Grunde der LiEBERKÜHN’schen Krypten zu zeugen.

Untersucht man sorgfältig eine größere Anzahl solcher Schnitte, wie die in den Fig. 3, 4 und 5 abgebildeten, so gelangt man zu folgender Auffassung des in den eben genannten Zellen stattfindenden Sekretionsprocesses.

In den gewöhnlichen oder protoplasmatischen Drüsenzellen treten zuerst eine Anzahl ganz kleine Körnchen auf, welche an Anzahl und Größe zunehmen und schließlich den größten Theil der Zelle füllen, während der Kern, von einem kleinen Rest Protoplasma umgeben, dicht an die Basis der Zelle gedrückt wird. Zugleich erleiden die Körnehen, was aus ihrem wechselnden Verhalten zu den Farbstoffen in EurticH-Bıoxprs Flüssigkeit hervorgeht, Veränderungen in ihrer chemischen oder physikalischen Konstitution.

Es ist mir oft so vorgekommen, als ob die jüngeren Körnchen- zellen srüne, grüngelbe oder gelbe und die etwas älteren intensiv roth gefärbte Körnchen enthielten, während die ältesten Zellen, die im Begriff stehen, ihren Inhalt zu entleeren, Körnchen von einer schwächeren rothen Farbe zeigen (siehe Fig. 5).

Als wahrscheinlich kann man ferner annehmen, dass sich ein sroßer Theil der Körnchenzellen an der Stelle, wo sie entstehen, auch entwickeln und ihren Inhalt entleeren.

Eine größere Deutlichkeit in den Einzelheiten tritt hervor, wenn man in Eisenhämatoxylin tingirte Schnitte untersucht (Fig. 6 und 7). - Man findet in solchen Schnitten zwei Arten von Körnchen, nämlich: 1) Körnchen von blauer Farbe, einige heller, die anderen dunkler, beinahe schwarz gefärbt, und 2) schwach grau gefärbte oder farblose

92 William Möller,

Körnchen. Die erstgenannten sind alle von sphärischer Form und sehr wechselnder Größe, die letztgenannten kantig und den erst- genannten an Größe überlegen.

Von den Zellen im Grunde der Krypte verdienen zwei Formen besonders hervorgehoben zu werden: 1) eine nicht geringe Anzahl schmale, sehr intensiv tingirte Epithelzellen von pyramidalischer Form, die entweder gar nicht, oder nur mit einer linearen Spitze bis zum Lumen reichen (Fig. 6), und 2) einzelne Zellen mit einem schwach tingirten protoplasmatischen Netzwerk mit einer Menge kleiner dunk- ler Körnehen in seinen Knotenpunkten; die zwischen den Körnchen liegenden Maschen erscheinen hell, gleichsam leer. Von den übrigen protoplasmatischen oder den gewöhnlichen Drüsenzellen zeigen einige feine, dunkle, längsgehende Streifen, die aus kurzen Stäben zu- sammengesetzt sind, andere dagegen eine Anzahl ganz feine, in einer homogenen Protoplasmamasse eingebettet liegende Körnchen.

Ich muss hier hinzufügen, dass nicht jeder Schnitt alle hier beschriebenen Verhältnisse zu gleicher Zeit zeigt. Am seltensten sind, so viel ich gefunden habe, die Zellen, die die großen, kantigen, schwach grau gefärbten oder klaren Körnchen enthalten, und die Zellen mit einem deutlichen Netzwerk und feinen Körnchen. In der Mehrzahl der Schnitte habe ich nur Körnchen von dunkelblauer Farbe und wechselnder Größe beobachtet.

Man kann nun die Frage aufwerfen, welche Rolle die hier ge- schilderten Elemente spielen.

Was zuerst die zwei Arten von Körnchen, gefärbte und unge- färbte, betrifft, so kann man sich zwei Möglichkeiten denken: ent- weder sind sie wirklich in ihrer Art und chemischen Konstitution verschieden, oder auch repräsentiren sie nur verschiedene Entwick- lungsphasen von einer und derselben Körnchenart. Ich huldige der letzten Ansicht, und zwar aus folgenden Gründen. In den frischen Präparaten, gleichwie in den mit Bichromat-Osmiumsäure fixirten, kann man auch bei stärkerer Vergrößerung keine andere, schärfer markirte Verschiedenheit zwischen den Körnchen finden, als ihre ungleiche Größe. Der Unterschied in ihrem Vermögen, das Licht zu brechen, erscheint weniger ausgeprägt, als z. B. bei den Speichel- drüsen. Die mit EHrLicH-Bioxpr’s Flüssigkeit tingirten Schnitte zeigen Übergänge zwischen Körnchen von verschiedener Farbe; zu- weilen findet man solche Körnehen auch in derselben Zelle. Weiter slückt es mitunter, in den mit Eisenhämatoxylin tingirten Schnitten in ein und derselben Zelle eine geringere Anzahl dunkel gefärbter

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 93

Körnehen zusammen mit grauen oder farblosen zu sehen, Ferner findet man einen derartigen Farbenwechsel, wie er von ALtmann (22) und später von ERIK MÜLLER (23) beschrieben worden ist, bei den Sekretkörnchen verschiedener Drüsen.

Da die Untersuchungen des letztgenannten Forschers zum großen Theil mit denselben Fixirungs- und Tinktionsmethoden wie die meinisen ausgeführt sind, erscheint es mir als besonders geeignet, meine Ergebnisse mit den von ihm beim Studium der serösen Speichel- drüsen, der Schleimdrüsen und der Fundusdrüsen des Ventrikels er- haltenen zu vergleichen. Der Nutzen eines solehen Vergleichs ist um so viel größer, als man in den eben genannten Drüsen leichter als in den LiEBERKÜHN’schen Krypten, besonders im Dünndarm, verschiedene Funktionszustände antrifft oder auf experimentellem Wege hervorrufen kann.

Mit klaren Beweisen thut MÜLLER dar, dass das verschiedene Verhalten der Sekretkörnchen zu den Farbstoffen durch ihren ver- schiedenen Funktionszustand bedingt ist. So unterscheidet er z. B. in den serösen Speicheldrüsen (23a, p. 318) drei Zellentypen: 1) helle Zellen mit großen farblosen und kleinen gefärbten Körnchen, die letzteren im intergranulären Netzwerk, 2) gefärbte Zellen mit großen sefärbten Körnchen, und 3) gefärbte Zellen mit kleinen gefärbten Körnchen (siehe Fig. 7). Diese Zellentypen gehen in einander über. Das Sekret geht aus den großen, farblosen Zellen hervor, die sich ihrerseits aus den großen, gefärbten Körnchen entwickeln, welche wieder von kleinen, gefärbten Körnchen von wechselnder Größe, die kleinsten auf der Grenze des Sichtbaren stehend, gebildet werden.

Was die Fundusdrüsen anbelangt, so formulirt MüLLer (23b, p. 635) seine Ergebnisse wie folgt: »Sowohl in den Beleg-, wie in den Hauptzellen, entwickelt sich das Sekret aus Körnern, die, ehe sie sich in flüssiges Sekret umwandeln, zwei Stufen durchmachen, indem sie in den fixirten Präparaten erst stark färbbar sind, dann Farbstoffe nicht aufnehmen. «

Betrachtet man die Zeichnungen, die dieser Forscher seinen Aufsätzen beigefügt hat, so findet man eine schlagende Ähnlichkeit mit den von mir soeben beschriebenen Verhältnissen in den LIEBER- Künn’schen Krypten.

Gemäß der vorstehenden Darstellung sind also die farblosen oder schwach grau gefärbten Körnchen in diesen Krypten als das nächste Vorstadium des Sekrets zu betrachten. Sie entwickeln sich wieder aus den großen, gefärbten Körnern.

94 William Möller,

Was die Regeneration der großen gefärbten Körnchen betrifft, so betrachtet es MÜLLER (23a, p. 314) als aus seinen Beobachtungen unzweifelhaft hervorgehend, dass die kleinen Körnchen, die in den Knotenpunkten des intergranulären Netzwerkes zwischen den großen, farblosen Körnchen liegen, an Zahl und Größe zunehmen, um nach- her, wenn sie eine gewisse Entwicklung erreicht haben, sich wieder zu verändern, so dass sie keine Farbstoffe mehr aufnehmen, um schließlich, die sog. Sekretvacuolen bildend, zusammenzuschmelzen. Die Drüsenzellen durchlaufen solchergestalt einen sog. sekretorischen Kreislauf in einem Zeitraum, dessen Länge sich nicht näher an- geben lässt.

In Übereinstimmung mit diesem Forscher und NıcorLas (21, p. 43) sehe ich eine Regeneration der Körnchenzellen in den LIEBERKÜHN- schen Krypten, da bei der Entleerung der Sekretkörnchen der Kern nebst einem kleinen Protoplasmarest in der Zelle zurückbleibt, als in hohem Grade wahrscheinlich an; hinsichtlich der Weise aber, in welcher diese Regeneration stattfindet, haben mich meine Präparate zu keiner völlig bestimmten Ansicht geführt.

Für die von MÜLLER verfochtene Ansicht spricht das weiter vorn erwähnte Verhältnis, dass man zuweilen Zellen mit einem schwach tingirten Netzwerk mit hellen Maschen und feinen Körnchen in seinen Knotenpunkten findet. Diese Zellen können ja mit Fug als Elemente bezeichnet werden, die ihre Sekretkörnchen ausgestoßen haben und nun im Begriff stehen, mit Hilfe der feinen, gefärbten Körnchen den Regenerationsprocess zu beginnen. Da diese Körnchen somit als die wichtigsten Bestandtheile des Protoplasmas und die eigentlichen und nächsten Vorgänger der Sekretkörnchen zu be- trachten sind, werde ich sie, zum Unterschied von den entwickelten Sekretkörnehen oder Sekretgranula, hinfort »primäre Granula< nennen.

Obsehon ich in der Hauptsache MÜLLER’s Auffassung von dem Verlauf des Regenerationsprocesses theile, glaube ich gleichwohl in Betreff der Epithelzellen in den LiEBERKÜHN’schen Krypten eine Beobachtung mittheilen zu müssen, die Anlass zu einer etwas ab- weichenden Meinung geben könnte. Ich habe nämlich gefunden, dass die kleinen Sekretkörnchen oft zuerst in der Spitze von Zellen auftreten, die mit einem homogenen Protoplasma gefüllt sind, in dem ich keine primären Granula entdecken konnte. Es ist mir desshalb mitunter vorgekommen, als ob Sekretkörnchen auch aus dem, wenig- stens scheinbar homogenen Protoplasma gebildet werden könnten.

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 95

Noch erübrigt die Frage von der Bedeutung der schmalen, sehr intensiv tingirten Epithelzellen. ©

Aus dem Verhalten der Zellen zu den Tinktionsmitteln geht klar hervor, dass ihr homogenes Protoplasma einen hohen Grad von Dichtig- keit besitzt. In wie fern diese Eigenschaft beständig oder zufällig und in diesem Falle durch Druck von den naheliegenden Zellen, namentlich den mit Sekretkörnchen gefüllten, hervorgerufen ist, kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden. Der Umstand, dass der größere, gegen das Lu- men gekehrte Theil der Zelle ganz schmal, linear ist, kann ja andeuten, dass die Zelle bereits den größten Theil ihres Inhalts entleert hat. Da typische Schleimzellen sowohl nach Paneru’s (17, p. 179) und Bızzo- ZERO S (16b, Bd. XL, p. 349), wie nach meiner eigenen Erfahrung bei der Maus im Grunde der Krypten nur sehr selten zusammen mit Körnchenzellen vorkommen, scheint es annehmbar zu sein, dass hier ein Bild von einer entleerten Körnchenzelle, und nicht von einer ent- leerten Schleimzelle vorliegt. Das feine, protoplasmatische Netzwerk ist, in Ermangelung einer Stütze von den Sekretkörnchen oder unter dem Druck der wachsenden Körnchenzellen, zusammengefallen oder auch bei dem Ausstoßen der Körnchen zerrissen worden und zu dem plattgedrückten, im Grunde der Zelle liegenden Kern hinabgesunken.

Gegen eine solche Annahme spricht jedoch einigermaßen der Umstand, dass der Kern, wenn er bei schwächerer Intensität der Farbe beobachtet werden kann, hier selten, wie in der mit Sekret gefüllten Zelle, abgeplattet in der Richtung der Querachse der Zelle, sondern vielmehr, ausgestreckt, in der Längsrichtung derselben liegt. Diese Lage kann der Kern indessen dadurch erhalten haben, dass er nach der Entleerung des Sekrets gestrebt hat, seine frühere Form anzunehmen, dabei aber einem Seitendruck von den wachsenden Körnehenzellen begegnet ist, welcher erst mit der Entleerung dieser Körnchen aufhört, wodurch die geleerten Zellen Gelegenheit erhalten, sich ungestört zu regeneriren. Schließlich lässt es sich denken, dass die fraglichen Zellen wirklich von einer besonderen Art, mit beson- derer chemischer Konstitution und Funktion, sind, eine Ansicht, die jedoch weniger plausibel erscheint, da man, wie auch NıcoLas (24, p. 44) hervorgehoben hat, Übergangsformen zwischen diesen intensiv tingirten, schmalen Zellen und den gewöhnlichen, hellen Drüsen- epithelzellen ohne Körnchen findet. Es erscheint mir desshalb am - wahrscheinlichsten, dass wir es hier mit entleerten Körnchenzellen oder möglicherweise mit gewöhnlichen Epithelzellen zu thun haben, die von den naheliegenden, wachsenden Körnchenzellen zusammen-

96 William Möller,

gepresst worden sind. Für die erste Annahme spricht die Ähnlichkeit mit den sog. »schmalen Zellen« im Oberflächenepithel, welche Zellen ich in einem folgenden Kapitel besprechen werde. Da das Sekret, wie erwähnt worden, zuerst in den Spitzen der Körnchenzellen auf- zutreten scheint, wird ja das Protoplasma in den Spitzen der nahe- gelegenen Zellen zuerst dem Druck ausgesetzt und dabei allmählich gegen die breitere Basis der Zelle hinab verschoben.

Über die schmalen, dunkel gefärbten Epithelzellen spricht sich Nıcoras (24, p. 44) in folgender Weise aus: »Ces Elements inter- calaires ne sont pas düs A l’orientation de la coupe. On pourrait en effet penser que, les cellules de l’epithelium ayant la forme de pyramides Aa plusieurs pans, si le rasoir passe parallelement & l’un des angles diedres de l’une d’elles et en dehors du grand axe de la cellule, il n’enlevera qu’une tranche de celle-ci. Cela arrive frequem- ment, mais un examen attentif ne permet pas de confondre l’image qui en est le resultat avec les elements effiles, a protoplasma compact et a noyau tres-colore, qui se distinguent si nettement des autres.<

Dem hier Gesagten schließe ich mich vollständig an.

Aus Nıcoras’ (24, p. 52) Schilderung des Verlaufes des Sekre- tionsprocesses geht außerdem hervor, dass er die fraglichen Zellen für geleerte Körnchenzellen ansieht, welche bei fortschreitender Re- generation zu gewöhnlichen, hell tingirten, protoplasmatischen Ele- menten umgebildet werden, aus denen sich nachher in ihrer Ordnung die Körnchenzellen entwickeln.

PınerH (17, p. 184) betrachtet es als wenig wahrscheinlich, dass die »schmalen Zellen« im Grunde der Krypten, die verhältnis- mäßig oft vorkommen, aus Becherzellen entstehen, die nur selten angetroffen werden. Wären es hinwieder junge, aus der Karyo- kinesis hervorgegangene Zellen, so müsste man sie oft paarweise antreffen, was nicht der Fall ist.

Eigenthümlich genug finde ich in BIzzozEro’s oft angeführtem Aufsatz nichts über den Ursprung und die mögliche Bedeutung dieser schmalen, dunkelgefärbten Epithelzellen gesagt.

Wie aus der vorstehenden Darstellung hervorgeht, sind für die vollständige Klarlegung der Frage von der Natur dieser interessanten Zellen fortgesetzte Untersuchungen erforderlich.

b) Die Schleimzellen im Oberflächenepithel. Als es für mich galt, die Frage zu beantworten, in wie fern in den Krypten Ubergangsformen zwischen Körnchen- und Schleimzellen zu

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 97

beobachten seien, richtete ich meine Aufmerksamkeit auch auf die Schleimzellen im Oberflächenepithel. Ich machte dabei einige kleine Beobachtungen, die ich, da sie mich in der schwebenden Frage von der Natur und der Regeneration der Schleimzellen zu einer bestimmten Ansicht geführt haben, mir erlaube, hier mitzutheilen.

Betrachtet man das Oberflächenepithel bei der weißen Maus, dem Hunde, der Katze u. a. Thieren bei starker Vergrößerung, so findet man eine wechselnde, mitunter sehr große Anzahl von ganz schmalen, beinahe linearen Epithelzellen, die besonders intensiv tingirt sind, so dass sich die Kerne nur zufällig und mit Schwierig- keit entdecken lassen. Die Zellen scheinen in ihrer ganzen Länge ein homogenes, sehr kompaktes Protoplasma zu enthalten. Bei der Tinktion mit Eisenhämatoxylin sind diese »schmalen Zellen«, wie man sie benannt hat, beinahe schwarz und undurchsichtig; bei der Anwendung von EHrLicH-Bionp:’s Färbeflüssigkeit nehmen sie eine intensiv rothe Farbe an, lassen aber, wenn auch nur dunkel, einen äußerst stark abgeplatteten Kern hervortreten. Es ist diese letzte Tinktionsmethode, mit der ich eine Anzahl Zellenformen gefunden habe, die Übergangsstadien zwischen den genannten schmalen Epithel- zellen und den vollkommen entwickelten Schleim- oder Becherzellen bilden.

Der Entwicklungsprocess scheint folgender zu sein.

Untersucht man Zellen, deren Breite etwas größer als die der »schmalen Zellen« ist, so gelingt es, bei Anwendung einer starken Immersionslinse, eines starken Oculars und guter Beleuchtung, einen in die Länge ausgezogenen Kern zu sehen, der an der Basis der Zelle belegen und von einem dunkel tingirten Protoplasma umgeben ist, während man in dem oberen und größeren Theil der Zelle eine hellere Substanz bemerkt, die sich aus kleinen, farblosen Körnchen zusammengesetzt zeigt. Wenn die Zellen noch mehr an Breite zu- genommen haben, kann man in ihnen drei Substanzen unterscheiden: unten an der Basis den Kern, von einer kleinen Protoplasmamasse umgeben, in der Mitte eine Menge kleine, farblose Körnchen und oben an der Oberfläche einen homogenen, durchsichtigen Schleim- klumpen. |

Die Figur 9 zeigt zwei Schleimzellen in diesem Stadium.

Auch Nıcoras hat in Fig. 42 Schleimzellen von derselben Struk- tur abgebildet, doch giebt er von ihnen weiter keine Beschreibung.

Je älter die Zelle wird, desto mehr vergrößert sich die homogene

Schleimmasse auf Kosten des körnigen Theils der Schleimzelle; diese Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. T

98 William Möller,

erreicht solehergestalt ihre Reife und ist fertig, ihren Inhalt zu ent- leeren. In einigen Zellen sieht man den Schleimklumpen schon zum Theil über das Niveau der angrenzenden Epithelzellen emporschießen. Nach seinem Ausstoßen findet sich nur noch der Kern und eine geringe Menge Protoplasma in der Zelle, ihre Wände fallen zusammen ‘und sie erhält das Aussehen von einer »schmalen Zelle«, in der das Protoplasma allmählich neu gebildet wird.

Die hier beschriebenen mikroskopischen Bilder scheinen mir einen unzweideutigen Beweis für die Richtigkeit der Ansicht zu liefern, dass die Schleimzellen bei der Sekretion nicht untergehen, sondern nach der Entleerung des Sekrets regenerirt werden und solchergestalt in einer gewissen Zeit einen sekretorischen Kreislauf durchlaufen. Schließlich wird wohl die ganze Zelle ausgestoßen, und ihren Platz nehmen dann jüngere, durch Karyokinesis entstandene Elemente ein.

Durch die eben geschilderten Beobachtungen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die »schmalen Zellen« im Ober- flächenepithel neulich entleerte Becherzellen oder, mit anderen Worten, die jüngsten Formen dieser Zellen sind.

Nach dieser Auffassung entständen die schmalen Zellen also, wenigstens zum Theil, in loco und nicht durch die in den LIEBER- KÜHN’schen Krypten stattfindende Karyokinesis.

Ich will noch einen Zusatz machen. Nach meinem Dafürhalten brauchen die Schleimzellen nicht alle die beschriebenen Stadien zu durchlaufen; bei einer intensiveren Reizung können sie möglicher- weise ihren Inhalt entleeren, ehe sie das letzte Entwicklungsstadium, die Verwandlung des größten Theiles des Zelleninhalts in eine homo- gene Schleimmasse, erreicht haben.

Schließlich mag bemerkt werden, dass die weiter vorn beschrie- bene Bichromat-Formalinmischung ein recht gutes Mittel zu sein scheint, um die Struktur der Becherzellen, besonders was das Vor- kommen des Sekrets als Körnchen in einem früheren Stadium betrifft, naturgetreu zu konserviren.

Meine eben beschriebenen, selbständig gewonnenen Ergebnisse stimmen, wie ich bei einem genaueren Studium der Litteratur ge- funden habe, ziemlich gut mit den von einigen Forschern in neuerer Zeit gemachten Beobachtungen überein. Unter diesen Forschern will ich vor Allen MayEwskı (34) erwähnen, welcher fand, dass die Becher- zellen bei der Katze, namentlich wenn sie sparsam in das Epithel eingestreut sind, nach der Injektion von Pilokarpin die Form von

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 99

»schmalen Zellen< annehmen. Nach zwei Tagen fangen sie an, sich wieder mit Schleim zu füllen, und am dritten Tage sind sie reich- lich damit geladen. Eine vermehrte Proliferation der Epithelzellen konnte er dabei nicht konstatiren. In Folge dessen nimmt er an, dass der Schleim sich in demselben Eiement bildet, welches diesen Stoff enthält, ihn aber durch die Wirkung des Pilokarpins ganz: und gar oder theilweise entleert hat.

Da einige Forscher, wie FISCHER, KRAUSE u. A., die Behauptung aufgestellt haben, dass die in verschiedenen Drüsenzellen beschriebene Körnchenstruktur nur ein durch die Einwirkung des Fixirungsmittels auf das lebende Eiweiß entstandenes Kunstprodukt sei, könnte ja diese Einwendung auch in Betreff der von mir und Anderen beob- achteten Körnchen in den Schleimzellen gemacht werden. Um diesem Einwurf zu begegnen, will ich hier eine Beobachtung von GALEOTTI (30, p. 514) anführen.

Dieser Forscher hat sich durch die Untersuchung von Geweben, die intra vitam tingirt waren, davon überzeugen können, dass das -Schleimsekret in einem bestimmten Moment der Produktion eine körnige Struktur hat, dass sich die Körnchen nachher zu einem ein- zigen Schleimtropfen vereinigen und dass also das körnige Aus- sehen des Schleimes in den fixirten Präparaten kein Kunst- produkt ist. | Weiter hat GALEOTTI (30, p. 515) die Sekretion von den Becher-

zellen im Magendarmkanal bei Geotriton fuscus in Material unter-

sucht, das in HERMANN’s Flüssigkeit fixirt und nach einer von ihm selbst vorgeschlagenen Methode mit Säurefuchsin und Methylgrün sefärbt war. Von dem Anfang dieses Processes sagt er: »Sobald der Schleimtropfen aus dem freien Ende einer Zelle ausgetreten ist, wird diese von dem umgebenden Cylinderepithelium zusammen- gepresst, so dass ihr Körper auf einen dünnen Streifen von Proto- plasma reducirt wird, welcher das Aussehen einer Masse von Fila- menten hat und nur in der Tiefe, in der Gegend des Kerns weit genug ist, um diesen zu beherbergen.«

Hier schildert GALEOTTI offenbar das Entstehen der »schmalen Zellen< in derselben Weise wie ich. |

Indessen bereitet sich die Zelle für eine neue Sekretion. Der Impuls hierzu geht vom Kern aus. In diesem treten nämlich eine Anzahl mit Säurefuchsin tingirbare, kleine, gleichförmige Körnchen auf, die in das Protoplasma austreten und sich allmählich von dem Kem in der Richtung nach der Spitze der Zelle entfernen. Sie

100 William Möller,

haben kaum die Mitte der Zelle erreicht, ehe sie anfangen, in ihrer chemischen Konstitution eine Veränderung zu erleiden, die sich da- durch zu erkennen giebt, dass die Zellen theils die Eigenschaft ver- lieren, sich mit Anilin zu färben, theils basophile Eigenschaften er- werben, kurz, sich in echtes Mucin verwandeln. Unterdessen nehmen die Schleimkörner an Größe zu. Wenn sie an dem freien Ende der Zelle angelangt sind, fließen sie zusammen und bilden eine einzige, intensiv grün gefärbte Masse. Nach der Injektion von Pilokarpin ist der Sekretionsprocess lebhafter, und dasselbe ist auch mit der Körnehenbildung der Fall, so dass sich, noch ehe der Schleimtropfen ausgetreten ist, schon andere grüne Körnchen in der Mitte der Zelle finden. | Auch diese Schilderung gleicht in vielen Hinsichten der von mir segebenen, ungeachtet meine Beobachtungen, da mein Material zu gering war, nicht so in das Detail gehen, wie GALEOTTTS.

Die von diesem Forscher erwähnten feinen acidophilen Körn- chen im Kerne habe ich in den Körnchenzellen beobachtet und dabei ist mir die Ähnlichkeit aufgefallen, die sich zwischen diesen Körnchen und den primären Granula im Protoplasma findet. Es erscheint mir als gar nicht unwahrscheinlich, dass der Impuls zur Sekretion vom Kerne ausgeht. Man hat ihn ja auch in Anbetracht der großen Rolle, die er im Leben der Zelle spielt, in einem glücklich gefundenen Gleichnis das »Gehirn der Zelle« genannt.

Auch PaneErH (17, p. 134) spricht die Ansicht aus, dass die »schmalen Zellen< im Epithel nichts Anderes als Reste von Becher- zellen sind. Über ihr weiteres Schicksal stellt er folgende Hypo- these auf: »Aus den schmalen Zellen werden nun nach meiner An- sicht wieder gewöhnliche Epithelien. Dafür spricht vor Allem der Umstand, dass man sie mit dem charakteristischen Merkmal der Dünndarmepithelien, mit dem Bourrelet versehen, und auch sonst Übergangsstufen findet. Demgemäß würde jede Epithelzelle des Darmes von Zeit zu Zeit sich in eine Becherzelle verwandeln wie oft, in welchen Intervallen, darüber weiß ich nichts. Sie würde ihr Sekret vornehmlich während der Verdauung entleeren, und dann wieder zu einer gewöhnlichen Epithelzelle werden. Dieser Process, durch den also dieselbe Zelle bald als absorbirendes, bald als secer- nirendes Organ thätig ist, würde sich unbestimmt oft wiederholen, so lange eben die Zelle existirt.«

Ich kann dieser hier angeführten Ansicht nicht beistimmen. Nach meiner Beobachtung gehen die »schmalen Zellen« nicht in

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 101

ganz gewöhnliche Epithelzellen über. Obschon das Protoplasma neu gebildet wird, unterscheidet sich die junge Schleimzelle durch ihre intensivere Farbe und später durch die Anwesenheit von Körnchen in ihrem Inneren doch von den übrigen Epithelzellen, ein Umstand, dem PAneErH nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt zu haben scheint. Ferner habe ich einen Saum (Bourrelet) an der Spitze der schmalen Zellen als Zeichen ihrer Verwandtschaft mit gewöhn- liehen Epithelzellen nicht mit Sicherheit beobachten können. Wenig- stens fehlt ein solcher Saum, was sowohl aus PAnETH's eigenen, wie aus NICOLAS’ und meinen Untersuchungen hervorgeht, sobald sich im Gipfel der Zelle ein Schleimtropfen findet.

Aus den oben angeführten Gründen sehe ich mich für berechtigt an, die Ansicht aufrecht zu erhalten, dass die Becherzellen eine differenzirte Zellenart, Zellen sui generis sind.

2. Meerschweinchen.

Ich habe von diesem Thier vier Exemplare untersucht. In zwei Fällen misslang der Versuch, die Körnchenstruktur zu fixiren, was, wie ich annehme, seinen Grund darin hatte, dass das angewendete Fixi- rungsmittel, gesättigte Sublimatlösung, mit Kochsalz und Eisessig versetzt, ungeeignet war. Ich fand im Grunde der Krypten nur ein verworrenes Netzwerk, aber keine deutlichen Körnchenzellen. In den beiden anderen Fällen wurde Bichromat-Formalinmischung mit gutem Resultate angewandt. Dagegen gelang es mir hier nicht, mit EHRLICH-BIionpTs Flüssigkeit so hübsche Ergebnisse wie in den Schnitten aus dem Darme der weißen Maus zu erhalten.

Das Untersuchungsmaterial stammte von zwei jungen Thieren her, von denen das eine sechs Tage, das andere einen Tag alt war. Der Darmkanal war bei beiden Thieren mit Inhalt gefüllt, der im Dünndarm von flüssiger Beschaffenheit war, im Dickdarme aus ei- förmisen Exkrementmassen bestand.

Die Untersuchung wurde zuerst auf das frische Material ge- richtet. Dabei zeigte sich eine reichliche Menge glänzender Körner von wechselnder Größe sowohl im Grunde der Krypten, wie in den Villi, namentlich den Spitzen derselben. Eine Vergleichung der frischen Präparate mit den fixirten und tingirten zeigte die nicht geringe Minderwerthiskeit dieser letzteren sowohl hinsichtlich des deut- lichen Hervortretens der Körnchen, wie ihres Auftretens in großer Zahl. Ein größerer Theil der Körnehen, die sich in den frischen

102 William Möller,

Pi

Präparaten beobachten ließen, hatten sich hier offenbar durch die Einwirkung der Reagentien aufgelöst.

Bei mikroskopischer Untersuchung von Schnitten, die in Eisen- hämatoxylin oder EHurLicH-Bioxpr’s Flüssigkeit gefärbt waren, ließen ‘sich indessen mit Leichtigkeit im Grunde der Krypten Körnchen- zellen finden. Dieselben enthalten zwei Arten von Körnchen: farb- lose und gefärbte. Die farblosen Körnchen sind den gefärbten oft an Größe überlegen. Zwischen ihnen kann man ohne Schwierigkeit ein schwach tingirtes Netzwerk beobachten. Die gefärbten Körnchen zeigen bei Anwendung von EHrRLICH-Bioxprs Tinktionsmethode eine Säurefuchsinfarbe von wechselnder Intensität.

Die Fig. 10, 11 und 12 stellen Schnitte durch nahe an einan- der gelegene, in der angegebenen Weise tingirte Krypten dar. Fig. 10 zeigt kleinere, intensiv roth gefärbte Körnchen, die in den Spitzen der Zellen liegen. Fig. 11 lässt uns sowohl farbige, wie farblose Körnchen sehen, die in verschiedenen Zellen gelegen sind. Es verdient hier besonders hervorgehoben zu werden, dass eine im Grunde der Krypte rechts von der Mittellinie belegene Zelle einen Kranz von hellen, an der Zellwand befestigten größeren und zwi- schen diesen eine Anzahl ganz kleine, stark roth gefärbte Körnchen zeigt, die den Körnchen entsprechen, die man, bei Anwendung der stärksten Vergrößerung, in dem intergranulären Netzwerk der intak- ten, farblosen Körnchenzellen eingeschlossen findet. Das hier be- schriebene Bild legt, gleich den Präparaten aus dem frischen Mate- rial, ein unzweideutiges Zeugnis davon ab, dass das protoplasmatische Netzwerk in seinen Maschen wirklich fixirte, farblose Eiweißkörnchen einschließt und dort nicht, wie vielleicht der Eine oder der Andere versucht sein könnte, zu behaupten, leere Räume hat. Die genannten Körnchen besitzen außerdem eine schwache, grauliche Schattirung, wodurch sie von Lücken im Gewebe unterschieden werden können.

Fig. 12 zeigt einen Querschnitt durch den Grund einer dicht neben der vorigen belegenen Krypte, die sowohl gefärbte, wie farb- lose Körnehen und eine »schmale Zelle« enthält.

Die Deutung der mikroskopischen Bilder ist hier dieselbe, die ich weiter vorn in Betreff der bei der weißen Maus gemachten Be- funde gegeben habe. Die gefärbten und die farblosen Körnchen bilden also nicht zwei in ihrer Natur vollkommen verschiedene Arten von Sekretkörnchen, sondern es haben die letztgenannten in ihrer chemischen oder physikalischen Konstitution allmählich eine solche Veränderung erlitten, dass sie keine Farbstoffe mehr in sich auf-

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 103

nehmen. In diesem Zustande bilden sie das nächste Vorstadium des flüssigen Sekrets.

Was den Ursprung der kleinen, stark roth gefärbten, zu dem intergranularen Netzwerk gehörenden Körnchen (der primären Gra- nula) anbetrifft, so bin ich darüber zweifelhaft. Haben wir in ihnen vielleicht die weiter vorn erwähnten, aus dem Kern der Zelle aus- tretenden feinen, acidophilen Körnchen zu sehen, die ihre vitalen Eigenschaften beibehalten haben und eine Art Samen für den neuen Zellkörper bilden? Diese Frage ist offenbar von allzu delikater Natur, als dass ich mich erdreisten will, darauf eine Antwort zu seben. Unwahrscheinlich scheint mir ein solches Verhalten dieser Körnchen nicht zu sein.

Ich will hier die Aufmerksamkeit des Lesers noch auf ein Ver- hältnis von Gewicht lenken, welches ich im Folgenden besprechen werde: die erwähnten feinen Körnchen findet man bei stärkster Vergrößerung sowohl im Grunde der Krypte, wie auch höher in ihr hinauf. Das sich zuweilen zeigende deut- lichere Hervortreten dieser Körnchen an der letztgenannten Stelle hat, meiner Ansicht nach, seinen Grund darin, dass die Zellen dann bereits ihren Inhalt an großen, farblosen Körnchen entleert haben, so dass in ihnen nur das protoplasmatische Netzwerk mit den in ihm enthaltenen primären Granula noch vorhanden ist. Sind die Sekretkörnchen groß, dicht an einander gedrückt und dazu gefärbt, 89 können sie das Auffinden sowohl der primären Granula, wie des Netzwerkes in hohem Grade erschweren, wenn nicht ganz und gar unmöglich machen.

3. Kaninchen. .

Das Untersuchungsmaterial wurde bei stattfindender Darmdigestion genommen, was daraus hervorgeht, dass der Darmkanal in seiner ganzen Länge mehr oder weniger mit Inhalt gefüllt war.

Eine Untersuchung des gut fixirten und tingirten Schnittes aus dem Dünndarm zeigt im Grunde der Krypten eine besonders hübsche Körnchenstruktur, die, was das reichliche Vorkommen der Sekret- körnehen anbelangt, beinahe mit der in den Krypten der weißen Maus gefundenen vergleichbar ist. Oft sieht man in derselben Krypte, ja sogar in derselben Zelle, gefärbte (acidophile) und farblose Sekret- körnehen, sowie auch Übergangsstadien zwischen ihnen. Das inter- Sranulare Netzwerk tritt deutlich hervor, und in einigen Zellen zeigen sich auch primäre Granula. Ein solches Bild zeigt Fig. 13. Körnchen-

104 William Möller,

zellen, die nur oder zum größten Theil farblose Körnchen enthalten, sind an Zahl überwiegend. Einige von diesen Zellen sind von an- sehnlicher Größe. Man kann leicht verstehen, dass sie einen Druck auf die angrenzenden Zellen auszuüben vermögen. So findet man auch zuweilen eine Anzahl dunkel gefärbter, halbmondförmiger oder triangulärer Elemente mit breiter Basis zwischen den hellen Körnchen- zellen und der Membrana propria zusammengepresst. Im Querschnitt durch den Grund der Krypte bieten diese Elemente eine frappirende Ähnlichkeit mit Grawuzzı’s Halbmonden dar.

Auch nicht die geringste Andeutung von Übergangsformen zwi- schen den Körnchenzellen und den höher in der Krypte hinauf sicht- baren Schleimzellen habe ich, ungeachtet ich meine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt gerichtet hielt, finden können.

Körnehenzellen werden nur ausnahmsweise oberhalb des Fundus der Krypte angetroffen. Dieselben befinden sich in einer gewissen Entfernung von den Schleimzellen.

Dass die als helle Körncehen bezeichneten Gebilde wirklich solche Körnchen und nicht Vacuolen oder leere Räume im Innern der Zelle darstellen, geht deutlich aus den Fällen hervor, wo einige dieser Körnchen ausgefallen sind. Hier tritt der Kontrast zwischen der Lücke in der Zelle und den umliegenden, schwach ins Graue spielen- den Körnchen mit besonderer Schärfe hervor.

Ich muss hier hinzufügen, dass ich im Duodenum keine Körnchen- zellen gefunden habe. Dagegen finden sich hier, wie bekannt, die BRUNNER’ schen Drüsen. Die LIEBERKÜHN schen Kryten erscheinen hier verschrumpft und zusammengedrückt. Es sieht aus, als ob die ersteren sich auf Kosten der letzteren entwickelt und vielleicht auch ihre Funktion übernommen hätten.

Schnitte aus dem Diekdarm des Kaninchens zeigen keine Körnchenzellen von dem beschriebenen Aussehen. In einer anderen Hinsicht bieten sie jedoch ein recht interessantes Bild dar. Meine Präparate zeigen nämlich alternirende, schwach gefärbte und farblose Zellen in der ganzen Länge der Krypte. Die erstgenannten scheinen aus ganz kleinen, farblosen Körnchen mit undeutlichen Kontouren zusammengesetzt zu sein, in ihrer Größe denjenigen an- sehnlich nachstehend, die man in den Körnchenzellen im Dünndarm antrifit; zwischen den Körnchen ist ein gefärbtes Netzwerk zu sehen. Die letztgenannten Zellen zeigen nur feine längslaufende Fäden auf einem farblosen. Hintergrunde.

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 105

4, Rind.

Was mein Material von diesem Thier betrifft, so konnte ich über die Zeit, die zwischen der letzten Mahlzeit und der Tödtung des Thieres verflossen war, keine sicheren Aufschlüsse gewinnen. Im Darmkanal wurde in seiner ganzen Länge Inhalt angetroffen.

Eine mikroskopische Untersuchung der Schnitte aus dem Dünn- darım dieses Thieres zeigte das Vorkommen von zahlreichen Körnchen- zellen nicht nur in dem eigentlichen Fundus der LiEBERKÜHN’schen Krypten, sondern auch höher in ihnen hinauf, gegen ihre Mitte hin. Die Körnchen sind von ziemlich ansehnlicher Größe, theils gefärbt, acidophil, theils farblos. Zwischen ihnen finden sich, wie Fig. 14 deutlich zeigt, verschiedene Übergangsformen.

Da das Verhalten der Körnchenzellen hier in der Hauptsache mit dem weiter vorn geschilderten übereinstimmt, brauche ich es nicht weiter zu beschreiben.

Im Diekdarm sind keine Körnchenzellen zu entdecken.

_ Ich will nun die Aufmerksamkeit des Lesers auf eine von mir noch nicht erwähnte Art von Epithelzellen lenken.

Untersucht man mit EHrLIicH-Bıoxpi’s Flüssigkeit tingirte Sehnitte aus dem Darm des Rindes genau, so kann man an der Basis gewisser Epithelzellen kleine, gelbe Flecken sehen, die sich bei starker Vergrößerung aus äußerst feinen, gleich großen, orange- farbigen Körnchen bestehend zeigen. Dieselben nehmen den ganzen Theil der Zellen ein, der zwischen dem Kern und der Basis liegt; seltener erstrecken sie sich über den Kern hinaus, gegen die Spitze der Zelle hin. Der Umstand, dass sich die Granulationen genau innerhalb der Zellengrenzen halten, macht es möglich, Verwechselungen mit Leukocyten mit einem ähnlichen Inhalt zu vermeiden. Dazu kommt noch, dass man den großen, klaren, ovalen Kern in einer Epithelzelle leicht von dem Kern in den Leukocyten unterscheiden kann.

Die genannten, fein granulirten Zellen kommen im Allgemeinen sparsam vor. Bei Anwendung von Zeiss’ homogener Immersion 1/12 kann man im Gesichtsfeld 2 bis 3 solche Elemente finden. Sie werden sowohl im Oberflächen-, wie im Drüsenepithel, sowohl im Dünn-, wie im Dickdarm, am zahlreichsten aber im Drüsenepithel des Dünndarmes angetroffen. Zuweilen zeigen sich die Körnchen mit Säurefuchsin gefärbt, auf alle Fälle sind sie aber von acidophiler _ Natur.

Eine Veränderung in der Form der Zelle, verursacht durch das

106 William Möller,

Auftreten der Granulation, habe ich nicht beobachten können, und eben so wenig habe ich Übergangsformen zwischen den genannten feingranulirten Zellen und den Körnchen- oder Schleimzellen ge- sehen.

Fig. 15 zeigt solche Zellen im Oberflächenepithel bei der Katze, wo ich sie zuerst beobachtet habe.

Ich freute mich eine Zeit lang in dem Gedanken, der Erste zu sein, der diese eigenthümlichen Elemente beobachtet hat, bei einem senaueren Studium der Litteratur fand ich aber, dass es wahrschein- lich dieselben Zellen sind, die KuULTSCHITZKY (32, p. 16) im vorigen Jahre (1897) beim Hunde beschrieben hat. KULTSCHITZKY sagt über sie unter Anderem: »Im Epithelüberzuge des Darmkanals hatte ich Gelegenheit, Elemente zu beobachten, welche, so viel mir bekannt, bisher von anderen Beobachtern noch nicht beschrieben worden sind und welche im Zusammenhang mit den Ergebnissen, die wir schon längst in der Histologie des Darmkanals besitzen, ohne Zweifel ein großes Interesse darbieten.«

»Die Elemente, von denen jetzt die Rede ist, können am leich- testen unter folgenden Bedingungen untersucht werden: die Objekte müssen gut fixirt werden in meiner oben erwähnten Flüssigkeit und gefärbt mit der EHRLICH-BIonpr' schen Mischung. Dabei erweist es sich, dass die in Rede stehenden Elemente nach ihren morphologi- schen Eigenschaften sich durch nichts von den gewöhnlichen Darm- epithelzellen (mit Randsaum) unterscheiden; mithin enthalten sie in ihrem Protoplasma besondere charakteristische Körner. Diese letz- teren können entweder sehr zahlreich sein und mehr als die halbe Zelle einnehmen, stets an der Seite, welche zum unterliegenden Ge- webe gewendet ist, oder es ist ihre Menge eine geringe; zuweilen beträgt dieselbe ein kaum merkbares Minimum. Zellen mit solchen Körnern sind auch in dem die Darmzotten bekleidenden Epithel und im Epithel der LieBerkünx’schen Drüsen eingelagert.«

»Bei kurz dauernder Färbung (24 Stunden) erhalten die Körner dieser Zellen eine helle gelbe Tinktion, wobei sie aus der erwähnten Mischung das Orange aufnehmen; währt aber die Färbung mehrere Tage, so werden sie roth, da sie schon Säurefuchsin absorbiren. Zu dieser Zeit sind die in Rede stehenden Elemente besonders deutlich sichtbar, weil alle übrigen Zellen schmutzig blau gefärbt erscheinen. Auf Grund jenes Umstandes, dass die von uns untersuchten Körner aus der erwähnten EHRLICH-Bınopr’schen Mischung nur Orange und Säurefuchsin absorbiren, d. h. ausschließlich nur saure Farben, sind

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 107

wir berechtigt, den Schluss zu ziehen, dass diese Körner ohne Zweifel acidophile Eigenschaften besitzen.«

Dieser Schilderung fügt KuLTscHITzky drei Zeichnungen (Fig. 6, 7 und S) bei. | Früher als KULTSCHITZEY hat NıcoLas (24, p. 56) eigenthümliche Epithelzellen mit acidophilen Granulationen abgebildet, die er in der Tiefe der Schleimhautfalten im Darm der Eidechse fand. Wahr- scheinlich sind diese Zellen mit den von KULTSCHITZKY und mir beschriebenen identisch. NıcoLas fügt seiner Zeichnung (Fig. 40) nur folgende Worte bei: »Pour terminer je signalerai des elements que jai rencontres exclusivement dans la profondeur des sillons et qui sont assez rares. Ce sont des cellules en forme de bonuteille dont le col aminci arrive jusquau niveau de la surface des cellules epitheliales voisines. Leur protoplasma est farci litteralement de sranulations extrömement fines colorees en rouge vif; leur noyau petit, & structure indistinete et teinte en violet, est plus rapproche de la portion retrecie que de la base de la cellule. Elles ne se rattachent par aucun intermediaire aux cellules ä grains, encore bien moins aux cellules ealiciformes et leur regularite ne me semble pas permettre de supposer que ce pourrait €tre des leucocytes migrateurs ä granulations safranophiles. Force m’est done de poser la question sans la resoudre.«

Auch KurtscHiTzkyY hat die Frage von der Bedeufung dieser Zellen aufgestellt. Obschon es ihm nicht gelungen ist, sie zu lösen, hat er doch einige interessante Beiträge zur Kenntnis von dem Vor- kommen dieser Elemente geliefert. Insbesondere hat er sich mit der Frage beschäftigt, in wie fern die acidophilen Körnehen in den Epithel- zellen integrirende Theile des Zellkörpers bilden oder ihm von außen zugeführt sind, in welchem Falle sie ja nur als eine zufällige Eigen- thümlichkeit seines Protoplasmas zu betrachten wären.

Er konstatirt zuerst, dass die Menge der acidophilen Körnchen in den Zellen bedeutendem Wechsel unterworfen ist. Bei voll- kommen gleicher Größe und Form der Epithelzellen sieht man, sagt er, das eine Mal eine geringe Menge feiner Körnchen, welche zer- streut liegen, das andere Mal eine dichte Masse von groben und feinen Körnchen, die wenigstens die gegen das unterliegende Gewebe gekehrte Hälfte der Zelle füllen. Nur die Gegenwart der genannten Körnehen trennt die Epithelzellen, in denen die Körnchen einge- schlossen sind, von den nahe gelegenen Elementen ohne Körnchen.

Die Anzahl der feingranulirten Epithelzellen wechselt mit dem

108 William Möller,

verschiedenen physiologischen Zustand des Darmkanals.: Wird das Versuchsthier in der gewöhnlichen Weise genährt, so findet man stets eine gewisse Menge feingranulirte Zellen im Darmepithel, und zwar scheinbar in den Krypten etwas zahlreicher als in dem Oberflächen- epithel. Wenn hingegen das Thier nach einer gewöhnlichen Ausfutte- rung einmal eine größere Menge Fleisch erhielt und 16 bis 24 Stunden danach getödtet wurde, war die Menge der Epithelzellen mit acidophilen Körnchen unvergleichlich größer als im vorigen Falle. Bei einem dritten Versuch wurde das Thier einem achttägigen Fasten unterworfen ; am 6., 7. und 8. Fasttag erhielt es Magnesium sulfuricum, 15 & jedes Mal, worauf es einige Stunden nach der letzten Einführung der Salz- lösung getödtet wurde. In diesem Falle konnten keine Epithelzellen mit einigermaßen deutlich ausgeprägten acidophilen Granulationen beobachtet werden.

Die genannten Versuche gleichen vollständig den Versuchen, die HEIDENHAIN (18, p. 78) anstellte, um zu ermitteln, unter welchen Verhältnissen Leukocyten mit rothen, acidophilen Granula in der Darmschleimhaut auftreten. Die Befunde der beiden Forscher stim- men, wenn man von dem dritten Versuch, dessen Ergebnis sich für HEIDENHAIN so gestaltete, dass die Menge der rothgranulirten Leuko- cyten sich auch jetzt vermehrt zeigte, absieht, mit einander überein.

Auf Grund der angeführten Facta kommt KULTSCHITZKY zu der Ansicht, dass die feingranulirten Epithelzellen den physiologischen Thätigkeitszustand der Darmschleimhaut charakterisiren; die acido- philen Körnchen seien eins der Resultate dieser Thätigkeit. Hieraus zieht er wieder den Schluss, dass sie höchst wahrscheinlich von außen in die Epithelzellen gelangt oder ein Produkt der resorbirenden Thätigkeit derselben sind.

Über das weitere Schicksal der acidophilen Körnehen spricht er die Vermuthung aus, dass sie von den Epithelzellen ausgestoßen und dann von Leukoeyten aufgenommen werden. Durch diese Verbindung entstehe die von HEIDENHAIN geschilderte Form von Leukocyten, die durch rothe, acidophile Granula charakterisirt sind. Diese Vermuthung könne auch die vollkommene Identität zwischen den Körnchen in HEIDENHAIN’s eben genannter beukoeyt uotn und den Körnchen in den Epithelzellen erklären.

KurtscHitzkyY betrachtet die Epithelzellen mit acidophilen Körn- chen als noch in einer anderen Hinsicht von Interesse. Sie scheinen nämlich in gewissem Grade Licht über die Bedeutung der LIEBER- KÜHN schen Krypten als Resorptionsorgane zu verbreiten.

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 109

Ich erlaube mir, als ein ferneres Beispiel von den divergirenden Ansichten der Forscher über den letztgenannten Punkt KuLTtscHitzky’s eigene Worte’anzuführen: »Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese einfachen tubulösen Drüsen zu bestimmten Zeiten als Sekretions- orsane erscheinen. Dafür sprechen wenigstens die Becherzellen, deren Sekret sich in das Lumen der Lisserkünn’schen Drüse er- sjeßt. Nicht unbegründet jedoch meinten Einige (HoPPE-SEYLER), dass die LIEBERKÜHN’schen Drüsen in gleichem Maße auch als Absorptionsapparate dienen könnten, die absorbirende Fläche des Epithelüberzuges vergrößernd. Zwar ist gegen die Hypothese Hoppr- SEYLER’s ein Einwand erhoben worden, und namentlich wurde an- senommen, dass in das Lumen der LiEBERRÜHN’schen Drüsen der Darminhalt nicht hineinkäme. In der That könnte man glauben, dass mehr oder minder feste Theile des Darminhalts nicht in das Lumen der LiEBERKÜHN’schen Drüsen gerathen, jedoch ist das Ein- dringen von aufgelösten Theilen kaum in Abrede zu stellen.«

So viel ich weiß, sind die hier mitgetheilten Beobachtungen von KULTSCHITZKY und NıcoLAs die einzigen, die vor den meinigen in Betreff der feingranulirten Epithelzellen gemacht worden sind. Ob- gleich meine Beobachtungen nur in ein paar unwesentlichen Punkten von den von diesen Forschern gemachten abweichen, will ich sie doch flüchtig hervorheben.

Was NıcotAs’ Schilderung betrifft, so will ich nur bemerken, dass ich bei Säugethieren keinen merkbaren Unterschied im Aus- sehen des Kernes der feingranulirten und der übrigen Epithelzellen habe beobachten können.

In wie fern es nur die Tinktionszeit ist, welche bestimmt, dass die acidophilen Granulationen die Farbe des Orange oder Säure- fuchsins annehmen, kann ich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Es scheint mir jedoch, als ob der etwas variirende Gehalt der Färbe- flüssiskeit an sauren Farbstoffen auf das Ergebnis einwirken könne, denn ich habe auch nach 24stündiger Tinktion säurefuchsinfarbige Granulationen angetroffen. In der Mehrzahl der Fälle findet man die Granulationen nach Verlauf der genannten Zeit jedoch orange- farbig.

Es geht aus Kuurschirzky’s Aufsatz nicht hervor, bei welchen Thieren er die feingranulirten Epithelzellen gefunden hat. Seine Zeichnungen zeigen sie nur beim Hunde. Eben so wenig giebt er bestimmt an, ob sie auch im Epithel des Diekdarmes vorkommen. Ich für meinen Theil habe sie sicher bei folgenden Thieren: dem

440 William Möller,

Hund, der Katze, dem Rind, dem Schaf und dem Schwein beobachtet, und zwar nicht nur im Dünndarm, sondern auch im Dickdarm.

Nennenswerthe Verschiedenheiten in der Ausbreitung der Granula- tionen in den Zellen habe ich selten bemerkt. Dieses kann jedoch darauf beruhen, dass ich nicht Gelegenheit gehabt habe, den Darm in sehr verschiedenem physiologischem Zustande zu untersuchen.

Die von HEIDENHAIN beschriebenen Leukocyten habe ich oft beobachtet. Sehr zahlreich finden sie sich in meinen Präparaten aus dem Dünndarm des Rindes. Ich finde hier nicht nur eine, sondern zwei Arten von solchen Leukocyten. Die in ihrer Anzahl überwiegenden zeigen intensiv rothgefärbte Granula, welche an Größe die meistentheils orangegefärbten feinen Körnchen, die man in den Epithelzellen antrifft, nicht wenig übertreffen. In den Leukocyten der anderen Art sind die Körnehen beinahe von derselben Größe, wie in den feingranulirten Epithelzellen, aber von rothgelber Farbe. Solche Elemente finden sich in bedeutend geringerer Zahl als die erstgenannten.

Auf Grund der Verschiedenheiten in der Größe oder Farbe, die sich zwischen den Granulationen in den Epithelzellen und denjenigen in den Leukocyten finden, betrachte ich die Identität dieser Granula- tionen nicht als über allen Zweifel erhoben.

Da ich nicht über die erforderliche Zeit verfügte, um einige physiologische Versuche anzustellen, kann ich mich nicht entschei- dend über die Bedeutung der feingranulirten Epithelzellen äußern. Ich muss mich desshalb auf einige Betrachtungen beschränken.

Gegen die Richtigkeit von KuLtscHirzky’s Ansicht, dass die Granulationen ein Produkt der resorbirenden Thätigkeit der Epithel- zellen sind, scheinen in gewissem Grade folgende Umstände zu sprechen: 1) ihre relativ geringe Anzahl bei Ausfutterung des Thieres in gewöhnlicher Weise; 2) ihr konstantes Auftreten zuerst an der Basis und nicht, was man erwarten könnte, wenn sie durch die resorbirende Thätigkeit der Zelle von außen in sie gelangten, in der Spitze der Zelle; 3) ihr beinahe gleich reichliches Vorkommen im Epithel des Diekdarmes und des Dünndarmes; 4) die nicht auszu- schließende Möglichkeit, dass sie im Zellkörper gebildet werden, um als ein Bestandtheil, vielleicht als ein Ferment, in das Sekret ein- zugehen, oder dass sie ein während der Lebensthätigkeit der Zelle entstandenes Exkretionsprodukt bilden, das von nahe gelegenen Lymphkapillaren aufgenommen und entfernt wird.

Der Unsicherheit in solchen theoretischen Spekulationen wie den

Anatomische Beiträge zur Frage_von der Sekretion ete. 111

vorstehenden bin ich mir vollkommen bewusst, doch bin ich der An- sicht, dass man, um eine einseitige Auffassung zu vermeiden, eine Menge Möglichkeiten in Betracht ziehen muss.

5. Schaf.

Ich werde hier zuerst die mikroskopischen Bilder beschreiben, die in den Figuren 1 und 2 wiedergegeben sind, da dieselben meiner Ansicht nach, als möglicherweise geeignet, vom anatomischen Stand- punkt eine wichtige physiologische Frage, die Art und Weise der Resorption der Eiweibstoffe betreffend, zu beleuchten, eine besondere Aufmerksamkeit verdienen.

Fig. 1 giebt das Bild eines Villus aus dem Duodenum des Schafes wieder, und Fig. 2 stellt eine LIEBERKÜHN’'sche Krypte aus dem Dickdarm dieses Thieres dar. Die Schnitte sind mit EHRLICH- Bıoxpr’s Flüssigkeit tingirt. Sowohl die Fixirung, wie die Tinktion ist besonders gut ausgefallen.

Über die Zeit, die zwischen der letzten Mahlzeit und der Tödtung des Thieres verflossen war, ließ sich kein sicherer Aufschluss erhalten. Der Darmkanal zeigte sich zum größeren Theil mit Inhalt gefüllt.

Betrachtet man das Oberflächenepithel in Fig. 1 aufmerksam, so sieht man in ihm eine große Anzahl Leukocyten, die durch ein farbloses Protoplasma und einen intensiv roth gefärbten Kern! mit scharf hervortretenden Kernkörperchen gekennzeichnet sind. Das reichliche Vorkommen der Leukocyten tritt noch besser in Tangential- schnitten des Oberflächenepithels hervor. In solchen Schnitten sieht es aus, als ob jede dritte oder vierte Zelle ein Leukoeyt der be- schriebenen Art sei. Fig. 1 zeigt rechts an der Basis des Villus einen Zipfel eines solchen Tangentialschnittes.

Indessen beobachtet man bald, dass neben diesen Leukocyten im Oberflächenepithel eine große Anzahl andere Elemente liegen, die durch ihren Inhalt an relativ großen, runden Körnchen von wechseln- der Farbe, rothen, gelben und grünen, die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Die Körnchen in den einzelnen Zellen sind theils gleich, theils verschieden gefärbt. Der Kern liegt oft, mehr oder weniger

1 Dass die Körnchen in diesem Falle einen sauren Farbstoff (Säurefuchsin) aufgenommen haben, ist, da sie sich ja bekanntlich in der Regel mit basischen Farbstoffen tingiren, geeignet, eine gewisse Verwunderung zu wecken. Vielleicht

ist die Ursache dieses eigenthümlichen Verhältnisses darin zu suchen, dass sich die Kernsubstanz durch die Einwirkung des angewandten Fixirungsmittels in ihrer chemischen Natur verändert hat.

112 William Möller,

abgeplattet, in dem einen Ende der Zelle; zuweilen ist er gar nicht zu beobachten, was darauf beruht, dass ihn die zahlreichen Körnchen verdecken oder dass er nicht mit in den Schnitt gekommen ist. In diesem Falle findet man ihn in einem der nächsten Schnitte der Serie. Ich habe ihn nie fehlen sehen.

Untersucht man dann mit Aufmerksamkeit das Aussehen des Kerns in diesen mit gefärbten Körnchen vollgepfropften Zellen, so findet man, dass derselbe die größte Übereinstimmung mit dem Kern in den zuerst beschriebenen Leukoeyten mit dem farblosen Proto- plasma zeigt.

Ich wage hieraus den wichtigen Schluss zu ziehen, dass wir in den mit Körnchen gefüllten Zellen im Oberflächen- epithel mononucleare Leukocyten zu sehen haben, die aus entsprechenden körnchenlosen Elementen dadurch hervorgegangen sind, dass diese Elemente inner- oder außerhalb des Oberflächenepithels Körnehen in ihr Inneres aufgenommen haben. Es finden sich also, was eine Betrachtung der die Seiten des Villus nahe seiner Basis bekleidenden Theile des Epithelüberzuges in Fig. 1 deutlich zeigt, theils »mit Körnehen ge- füllte«, theils »leere« Leukocyten, oft Seite an Seite gelegen, im Oberflächenepithel.

Richten wir nun den Blick auf das Innere des Villus, so finden wir ihn von einer Menge großer kugelförmiger Bildungen erfüllt, zusammengesetzt aus relativ großen Körnchen, die ihrerseits zuweilen wieder aus äußerst feinen Körnchen bestehen. Die Körnchen sind in Größe und Farbe ganz denjenigen ähnlich, die sich im Ober- flächenepithel finden. Auch ein ähnlicher Kern kann bei genauer Betrachtung oft nachgewiesen werden. Wir finden also die mit Körnchen vollgepfropften Leukocyten auch im Innern des Villus, den größten Theil desselben einnehmend. Indessen merkt man, dass sich die Anzahl derselben in dem Verhältnis, in dem man sich der Basis des Villus nähert, allmählich ver- mindert. So finden wir einen Strich von körnehenführenden Leuko- cyten auf dem Wege nach dem Inneren der Darmschleimhaut. Und hier zerstreuen sie sich sichtlich mehr und mehr. Wir treffen einen Theil derselben in dem interglandulären Gewebe, einen anderen und größeren Theil zwischen den Epithelzellen in den Krypten (siehe Fig. 2). Weiter vermögen wir sie in dem mikroskopischen Bilde nicht zu verfolgen.

Vor die Frage von der Deutung dieses Bildes gestellt, zaudere

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 113

ich nicht es als ein Resorptionsbild zu erklären, welches mir geglückt ist, gut zu fixiren und zu tingiren. Die Resorption scheint mir durch eine besondere Art von mononuclearen Leukocyten ver- mittelt zu werden, die das Nahrungsmaterial in der Form von feinen Körnchen im Epithel aufnehmen, und es dann in die Villi und schließlich in das Innere der Schleimhaut transportiren. Dass die Leukocyten die Körnchen in der Schleimhaut und nicht im Lumen des Darmkanals erfassen, schließe ich daraus, dass man auf der Oberfläche des Epithelüberzuges weder Leukocyten noch Körnchen findet.

Auf die Frage, welcher Art diese Körnchen sind, kann ich, da wir noch keine anwendbare mikrochemische Reaktion für die Nach- weisung von Eiweißstoffen haben'!, keine völlig sichere Antwort geben. Auf dem Wege des Ausschließens gelangte ich zu der Auf- fassung, dass sie Albuminatkörnchen seien. Sie bestehen sicherlich nieht aus Fett, denn dann würden sie durch die Einwirkung des Alkohols und des Chloroforms aufgelöst worden sein und auch nieht das Vermögen besessen haben, sich intensiv mit Anilinfarb- stoffen zu tingiren. Die Kohlenhydrate, gleich wie auch die Salz- lösungen, werden ja bekanntlich nicht in fester Form resorbirt. Es bleiben also nur die Eiweißstoffe übrig.

Aber es entsteht da die Frage: werden denn die Eiweißstoffe in fester Form resorbirt und ist es nicht wahrscheinlicher, dass dieses in aufgelöstem Zustande als Pepton geschieht? Ich werde versuchen, diese Frage, so weit es möglich ist, dadurch zu beantworten, dass ich das Hauptsächlichste von unserer gegenwärtigen Kenntnis der Eiweißresorption referire.

Allgemein als richtig anerkannt ist die Annahme, dass der ‚srößte Theil der Eiweißstoffe in Pepton umgewandelt wird und als solches mit der Darmschleimhaut in Berührung kommt; in der Darm- schleimhaut verschwindet aber das Pepton, und es kann dann, un- geachtet es bei Vermischung mit Blut außerhalb des Körpers seine Konstitution gut beibehält, weder im Chylus, noch im Blute nach- gewiesen werden. Hieraus hat man den Schluss gezogen, dass das

1 Anm. bei der Korrektur. Gerade als ich dabei war, meine Arbeit abzuschließen, erhielt ich Kenntnis von einer Methode für die mikrochemische Nachweisung von Eiweißstoffen, welche kurz vorher von SAINT-HILAIRE (38) angegeben worden war. Vielleicht wäre es mir mit dieser Methode geglückt, den positiven Beweis für die Richtigkeit meiner Annahme zu liefern, dass die in Rede stehenden Körnchen Albuminatkörnchen sind.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd.

114 William Möller,

Pepton nach seiner Resorption in der Darmschleimhaut wieder in Eiweißstoffe umgewandelt werde, welche Umwandlung das in den Zellen vorhandene Protoplasma vermittele.

Die große Bedeutung des lebenden Protoplasmas für den Re- _sorptionsprocess im Darmkanale ist gegenüber der Anschauungsweise der älteren Forscher, die in der Resorption nur einen einfachen Diffusionsprocess sahen, meines Wissens zuerst (1883) von HoPrPre- SEYLER (27, p. 351) hervorgehoben worden. HoPPE-SEYLER’s Theorie ist nachher durch neue Forschungsergebnisse mehr und mehr be- kräftigt worden.

Was namentlich die Rückverwandlung des Peptons in Eiweiß- stoffe anbetrifft, so hat man versucht, eine Antwort auf die Frage zu geben, wo dieser Process stattfindet. In dieser Hinsicht ist aber noch keine Gewissheit erreicht worden. Zwei Theorien stehen ein- ander gegenüber.

Nach der älteren, von HoFMEISTER (35) aufgestellten Theorie vermitteln die Leukocyten der Darmwand diese Rückverwandlung. Der Theil des resorbirten Peptons, der den Leukocyten in der Darm- wand entgeht, und in den Chylusstrom gelangt, wird von den Zellen in den mesenterialen Lymphdrüsen assimilirt. Entsprechend dem großen Bedarf an Leukocyten für diesen Process findet man unter ihnen zahlreiche Mitosen; die jungen Zellen, die in den Saftstrom kommen, dienen dazu, die aufgenommenen und von Pepton zurück- verwandelten Albuminate zwischen den verschiedenen Organen zu vertheilen. Der Verfasser formulirt das Schlussergebnis seiner Unter- suchung wie folgt (35a, p. 151): »Die Resorption des Peptons im Darm ist sonach kein einfacher mechanischer Diffusions- oder Filtra- tionsvorgang, derselbe ist vielmehr eine Funktion bestimmter leben- der Zellen, der farblosen Blutkörperchen, und diese spielen bei der Ernährung des Organismus mit Eiweiß eine ähnliche Rolle, wie die rothen Blutkörperchen bei der Athmung.«

Diese Theorie hat HEIDENHAIN (18, p. 72) einer scharfsinnigen kritischen Untersuchung unterworfen, die ihn zu einer abweichenden Ansicht geführt hat. Er sagt hierüber (p. 75): »Ich kann es nicht widerlegen, dass die Leukocyten vielleicht eine Rolle bei der Um- wandlung des Peptons spielen, aber erwiesen ist sie meiner Ansicht nach noch nicht, und sie müsste jedenfalls anderer Art sein, als HOFMEISTER es sich vorstellt. Die bekannten Beobachtungen SCHMIDT- MÜHLHEIMsS machen es sehr wahrscheinlich, dass die resorbirten Albuminate direkt, und nicht auf dem Umwege der Chylusbahnen,

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 115

in das Blut gelangen. Da nun aber das Blut kein Pepton enthält, und da die Blutbahnen dicht an die Epithellage stoßen, ist man darauf hingewiesen, schon in dieser Schicht die Stätte für die Rück- verwandlung der Peptone in die Eiweißkörper zu suchen. Die Albu- minate werden dann aus demselben Grunde. den ich oben für den Zucker erwiesen habe, unmittelbar in das Pfortaderblut gelangen, und kein merklicher Bruchtheil durch den Chylus abfließen.-

Orrer (15, p. 502) hat neulich in der vorliegenden Frage eine in gewissen Hinsichten vermittelnde Ansicht ausgesprochen. Er schreibt: >Ich schreibe den Leukocyten als Thätigkeit nicht den Transport des aufgenommenen Nährmaterials zu, sondern nur die Umwandlung desselben. Gerade dieht unter dem Epithel, wo nach HEIDENHAN die Stätte für die Rückverwandlung der Peptone in die Eiweißkörper zu suchen ist, ist durch die ganze Wirbelthierreihe die Ansammlung der Leukoeyten eine sehr große. Was läge da näher, als an eine Antheilnahme der Leukoeyten an dieser Umwandlung zu denken! Selbstverständlich möchte ich damit nicht gesagt haben, dass dies die einzige Aufgabe der Leukocyten im Darme sei. Schon die verschiedenen Formen dieser Zellen lassen auf eine vielseitige Thätiskeit schließen. Eben so würde eine solche Thätigkeit der Leukocyten eine gleiche oder ähnliche Thätigkeit des Oberflächen- epithels nicht ausschließen. «

Aus dem hier Gesagten geht Folgendes hervor: Mit Sicherheit wissen wir, dass das Pepton schon in der Darmwand in Eiweibstoffe derselben Art, wie die im Blute vorkommenden, zurückverwandelt wird, in Betreff der Zellen aber, die diese Assimilation bewerk- stelligen, hat man zwischen den Öberflächenepithelzellen und den Leukoceyten zu wählen. Die Leukocyten dienen nach der Ansicht einiger Forscher auch als Transporteure der Eiweißstoffe, eine Funk- tion, die von anderen Forschern in Abrede gestellt wird. Ob die Ei- weißstoffe ausschließlich in Lösung oder möglicherweise zum Theil in fester Form (als feine Körnehen?) resorbirt werden, scheint mir aus den Äußerungen der Autoren nicht deutlich hervorzugehen. Doch ist es mir so vorgekommen, als ob man mehr zu der ersten Annahme hinneige. |

Schließlich ist zu erwähnen, dass, wie aus den Untersuchungen von BRÜCKE, BAUER, VoIT u. A. hervorgeht, auch nicht in Pepton umgewandeltes Eiweiß aus dem Darm resorbirt werden kann.

Da unsere Kenntnisse in der vorliegenden Frage noch ziemlich

S#

116 William Möller,

mangelhaft sind, dürfte auch ein Beitrag, wie der soeben von mir gelieferte, auf ein gewisses Interesse Anspruch machen können.

Wenn ich nun die von mir beschriebenen mikroskopischen Bilder

mit Berücksichtigung von HOFMEISTER's und HEIDENHAM’s Theorie zu deuten suche, so komme ich zu folgendem Ergebnis. Da ich im Oberflächenepithel keine freien Körnchen zu entdecken vermochte, ist es mir unmöglich, bestimmt zu entscheiden, ob die Rückverwandlung des Peptons in Albuminate im Oberflächenepithel oder erst in den Leukocyten stattfindet. Die letzte Annahme hat meiner Ansicht nach, da man außerhalb der Leukoeyten keine Körn- chen findet, die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Die erste wäre gleichwohl möglich, vorausgesetzt, es ist die Resorption so weit fort- geschritten, dass die von den Zellen des Oberflächenepithels gebilde- ten Albuminatkörnchen bereits von den Leukoceyten aufgenommen sind. Außerdem liegt die Möglichkeit vor, dass uns das mikrosko- pische Bild die Resorption von nicht in Pepton umgewandelten Ei- weißstoffen und nicht von aufgelöstem Pepton zeigt, das erst in der Darmschleimhaut in Eiweißstoffe übergegangen ist.

Bemerkenswerth ist das verschiedene Verhalten, welches die Körner zu den Farbstoffen in EHRLICH-Bıonpis Flüssigkeit zeigen, indem ein Theil der Körnchen die sauren Farbstoffe, Orange oder Säurefuchsin, andere wieder den basischen Farbstoff Methylgrün auf- nehmen, dass also die Körnchen theils acidophile, theils basophile Eigenschaften besitzen. Auch in ein und derselben Zelle trifft man Körnchen von beiden Arten. Es entsteht da die Frage: hat dieses Verhältnis seine Ursache in einer wirklichen Verschiedenheit in der chemischen oder physikalischen Konstitution der Körnchen, oder nur in einem Zufall? Ich betrachte die erste Annahme als die wahr- scheinlichere.

Als unwiderleglich erscheint es mir dagegen, dass das mikro- skopische Bild einen durch die Leukocyten vermittelten Transport von Nährmaterial zeigt. Wir finden ja die Leuko- eyten, wie erwähnt, zwischen den Zellen im Öberflächenepithel, in dem Innern des Villus, in dem interglandularen Gewebe und schließ- lich auch zwischen den Zellen in den Krypten. Was ihr Vorkommen an der letztgenannten Stelle betrifft, so kann man sich für ihr Auf- treten daselbst zwei Möglichkeiten denken: entweder haben die mit Körnchen gefüllten Leukocyten ihren Inhalt direkt im Epithel der Krypten aufgenommen, in welchem Falle diesem Epithel, in Über- einstimmung mit den weiter vorn erwähnten Hypothesen von HoPpPpE-

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 117

SEYLER, KULTSCHITZKY u. A. eine resorbirende Funktion zuzuschrei- ben wäre, oder auch haben sie die Körnchen im Oberflächenepithel aufgenommen und sie dann in das Innere der Schleimhaut transpor- tirt. Für die Richtigkeit der letzten Ansicht spricht die geringe An- zahl der Körnchen im Epithel der Krypten im Vergleich zu ihrer Anzahl im Oberflächenepithel. An beiden Stellen zeigen die Körn- chen übrigens ganz dieselben Verhältnisse.

Im Gegensatz zu OPPEr’s Ansicht scheint also in diesem Falle die Rolle der Leukoeyten als Transporteure des Nährmaterials ziem- lieh sicher zu sein, wo hingegen sich ihre assimilirende Funktion nicht bestimmt nachweisen lässt. Es erscheint beinahe als eben so möglich, dass die Umwandlung des Peptons in Albuminate sowohl in den Oberflächenepithelzellen, wie in den Leukoeyten geschehen ist. Im ersteren Falle haben die Zellen des Oberflächenepithels ihr Mate- rial an die Leukocyten abgeliefert, was vielleicht durch die Kontraktili- tät ihres Protoplasmas, die durch die Untersuchungen von THan- HOFFER und WIEDERSHEIM sicher erwiesen zu sein scheint (18, p. 48), ermöglicht worden ist.

Ich habe in dem Vorstehenden selbstverständlich nur hervor- heben wollen, dass die Leukocyten an der Resorption der, als was ich diese Gebilde ansehe, Albuminatkörnchen Theil nehmen. Dagegen kann ich natürlicherweise nicht so weit gehen, zu behaupten, dass die Eiweißstoffe nur in dieser Weise resorbirt werden, denn es könnten sich ja für ihre Resorption andere Wege finden, die in einem mikroskopischen Bilde nicht hervortreten.

Ich will desshalb das Schlussergebnis der vorerwähnten Beob- achtung in folgenden Satz formuliren: es scheint mir aus dem mikroskopischen Bilde, welches Fig. 1 zeigt, hervorzu- sehen, dass eine besondere Gruppe von mononuclearen Leukoeyten, wenigstens bei gewissen Thieren oder in ge- wissen Fällen, an der Resorption der Eiweißstoffe Theil nimmt, und das in feine Körnchen vertheilte Material in das Innere der Schleimhaut transportirt.

Diese Beobachtung steht unter Anderem mit der von SCHÄFER und ZAwARYKIN gemachten in Übereinstimmung, dass das Fett von den in die Epithelschieht eindringenden Leukocyten aufgenommen wird, und zwar entweder, wie ZawARrYkIn annimmt, ausschließlich von ihnen, oder, was SCHÄFER’s Ansicht ist, in so fern, als sie in der Regel die Aufnahme des Fettes vermitteln, welches bei großem Überschuss auch in die Epithelzellen eindringt. Dagegen stimmen

118 William Möller,

diese beiden Forscher in der Annahme überein, dass der weitere Transport des Fettes ausschließlich durch die Leukoeyten vermittelt wird (15, p. 506).

Ich gehe nun zu der Beschreibung von Fig. 2 über.

Bei der Untersuchung von Schnitten aus dem Diekdarm des Schafes fand ich im Epithel der Krypten eine Anzahl mit Körnehen gefüllte Leukocyten, vollständig ähnlich denen, die ich als im Dünn- darm dieses Thieres vorkommend beschrieben habe. Doch ist die Anzahl der Leukocyten im Diekdarm merkbar geringer als im Dünndarm.

Dass sowohl Pepton, wie nicht in Pepton verwandelte Eiweiß- stoffe in der Schleimhaut des Diekdarmes resorbirt werden, ist ja, wie bekannt, durch die Untersuchungen von BRÜCKE, Voır und BAUER, ÜZERNY, LATSCHENBERGER u. A. dargethan worden. Das Vorkommen mit Körnchen gefüllter Leukoeyten in der Schleimhaut des Dick- darmes ist daher nicht als ein eigenthümliches Verhältnis, sondern als ein Ausdruck für eine Resorption von Eiweißstoffen anzusehen, die hier auch stattfindet, obwohl, wovon das relativ sparsame Auf- treten der Leukoeyten Zeugnis giebt, in geringerem Maße als im Dünndarm.

Im Dünndarm des Schafes fand ich Körnchenzellen erst nach einer sorgfältigen Untersuchung bei möglichst starker Vergrößerung. Ihr Vorkommen wäre in Folge der ungewöhnlich geringen Menge von Körnchen im Allgemeinen, namentlich aber von gefärbten, bei- nahe gänzlich meiner Aufmerksamkeit entgangen. Dieses findet seine wahrscheinliche Erklärung darin, dass die Drüsenzellen eben erst den größten Theil ihres Inhalts entleert hatten und noch nicht im Stande gewesen waren, neue Sekretkörnchen zu bilden.

Bei der Untersuchung von Schnitten aus dem Duodenum, wo die Resorption am lebhaftesten war, konnte ich gar keine Körnchenzellen entdecken; ich fand nur im Grunde der Krypten eine Anzahl Zellen, die ein verworrenes Netzwerk von feinen Fäden und einzelne »schmale Zellen« zeigten. Erst in Schnitten aus der Mitte und dem unteren Theil des Dünndarmes, welche Schnitte mit EurLıcH-Bıioxpr's Flüssig- keit tingirt waren, gelang es mir, eine geringere Anzahl Drüsenzellen mit schwach roth gefärbten und farblosen Körnern, die etwas an das in Fig. 13 wiedergegebene Bild erinnern, zu entdecken.

Dieser Fall zeigt die Nothwendigkeit, die Schnitte, wenn es sich um Körnchenstrukturen handelt, aus verschiedenen Theilen des Darmes zu untersuchen und dabei die stärkste Immersionslinse anzuwenden,

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 119

die zu haben ist. Ich will die Bedeutung hiervon in Hinsicht aut mögliche künftige Kontrolluntersuchungen betonen. Außerdem sind natürlicherweise die Präparationsmethoden (Fixirung in Bichromat- Formalinmischung und Tinktion mit EuruıcH-Bıioxpr’s Flüssigkeit) anzuwenden, deren ich mich bedient und die ich sehr geeignet ge- funden habe.

Sowohl im Dünn-, wie im Dickdarm beobachtete ich eine sehr sroße Anzahl von den vorausbeschriebenen Epithelzellen mit äußerst feinen, orangefarbigen Körnchen. Ihre Menge schien im Verhältnis zur Menge der körnchenführenden Leukocyten oder, mit anderen Worten, zur Lebhaftigkeit des Resorptionsprocesses zu stehen.

Außer diesen Zellen zeigte das interglandulare Gewebe im Diünn- darm eine sehr reiche Anzahl Leukoceyten mit rothen, acidophilen Granula, welche die feinen, orangegefärbten, pulverähnlichen Granula- tionen in gewissen Epithelzellen bedeutend an Größe übertrafen, wesshalb die Hypothese, dass Granula von den genannten Epithel- zellen in die Leukocyten transportirt werden, nicht den Eindruck des Wahrscheinlichen machte. Dafür sprach auch die ansehnlich größere Menge von solchen Leukocyten, als von Epithelzellen mit orange- farbenen Granulationen. Ich blieb desshalb bei der Auffassung, dass die genannten Granulationen bis auf Weiteres nicht außerhalb der Epithelzellen beobachtet werden können.

6. Pferd.

Die LieBerkünn’schen Krypten im Dünndarm dieses Thieres zeigen eine große Ähnlichkeit mit denjenigen im Dünndarm des Rindes. Man findet nämlich im Dünndarm des Pferdes, wie Fig. 16 zeigt, eine sroße Anzahl Körnchenzellen, die nicht nur im eigent- lichen Fundus, sondern auch etwas höher in der Drüsenröhre hinauf, gegen ihre Mitte hin, oder, richtiger, in ihrem unteren Dritttheil be- legen sind.

Fig. 16 zeigt einen mit EnrLicH-Bıonpr’s Flüssigkeit tingirten Schnitt. Vor der Tinktion habe ich in diesem Falle die Schnitte 2 Stunden in einer 1/,°/,igen Lösung von koncentrirter Essigsäure in destillirtem Wasser liegen lassen und sie nachher unmittelbar für eine Zeit von 2 Tagen in die Färbeflüssigkeit übergeführt. Das Ergebnis der Tinktion ist desshalb, was die Farben anbelangt, etwas von dem in den vorigen Figuren wiedergegebenen verschieden. Die Färbung der Körnchen tritt deutlich hervor. Die Körnchen in den Körnchenzellen sind von einer rothvioletten bis bläulichen Farbe und

120 William Möller,

zeigen eine Menge Übergänge von den intensiv violett tingirten in den jungen Körnchenzellen bis zu den schwach blau tingirten in den sroßen, vollreifen Körnchenzellen. Die Schleimzellen sind farblos oder spielen auch in einigen Schnitten in das Graubläuliche.

Was in den mit EukLicH-Bioxpr's Flüssigkeit tingirten Schnitten die Aufmerksamkeit in einem besonderen Grade auf sich lenkt, ist das eigenthümliche Aussehen der Leukocyten. Ich habe in der Fig. 16@ das Bild einer solchen Zelle wiedergegeben. Man findet dieselbe aus einer Anzahl relativ großen, durchsichtigen, orange ge- färbten Kügelchen erbaut, und bei genauem Achtgeben merkt man noch einen blau gefärbten Kern, der abgeplattet am Rande der Zelle liegt, und zuweilen sogar zwei Kerne. Die erwähnten Leuko- cyten sind von ungewöhnlicher Größe und sehr zahlreich. In allen meinen Präparaten, die von zwei Thieren entnommenem Material angehören, finde ich die Schleimhaut mit solchen Leukocyten voll- gestopft, und dieses nicht nur im Dünndarm, sondern auch im Dick- darm. Sie liegen sowohl im interglandularen Gewebe, wie zwischen den Epithelzellen in den Krypten. Dagegen sieht man nur sehr wenige von ihnen innen in den Villi. Sie bilden in einem Theil der Schnitte die überwiegende Anzahl aller Leukocyten in der Schleim- haut. Man trifft sie zuweilen in reichlicher Menge auch in der Submucosa. |

In wie fern die Kügelchen, aus denen die Zelle erbaut zu sein scheint, hier zufällig vorhandene Elemente sind, oder eine bestehende Struktureigenthümlichkeit markiren, kann ich nieht mit Bestimmtheit entscheiden. Doch muss ich bis auf Weiteres die letztere Ansicht für wahrscheinlich ansehen, da ich nicht im Stande gewesen bin, einige Leukocyten von dieser Art zu finden, die des genannten In- halts an Kügelchen ermangelt hätten. Auf diesen Schluss kann man Jedoch keine einigermaßen sichere Ansicht gründen, denn es könnte ja sein, dass die Leukocyten, die im Schnitte hervortreten, sich in demselben Funktionsstadium befinden und dass sie die Kügelchen, mit denen sie gefüllt sind, von außen aufgenommen haben. Ich habe es nämlich nicht vermeiden können, meine Aufmerksamkeit auf eine sewisse Ähnlichkeit der genannten Leukoeyten mit den von mir aus dem Dünndarm des Schafes beschriebenen zu richten. Doch finden sich zwischen ihnen auch gewisse Verschiedenheiten. Während die ersteren klar und nur orangefarbig sind, zeigen sich die letzteren verschieden gefärbt und. undurchsichtig.

Fig. 17 zeigt ein Stück der Schleimhaut von dem Dünndarm des

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 121

Pferdes. Ich habe das mikroskopische Bild abzeichnen lassen, weil es einen in die Augen fallenden Unterschied zwischen den Farben der im Grunde der Krypten gelegenen Körnchenzellen und den höher in der Drüsenröhre hinaufliegenden Schleimzellen zeigt. Das Material ist in Hermann’s Flüssigkeit fixirt und der Schnitt 10 Minuten mit DELAFIELD’s Hämatoxylin gefärbt, hierauf einige Stunden entwässert und dann 24 Stunden in einer Lösung von Safranin G (1 g auf 100 ccm absoluten Alkohol + 200 ccm Wasser) tingirt worden.

Untersucht man einen in dieser Weise behandelten Schnitt, so findet man die Körnchenzellen nur schwach tingirt, was seine Er- klärung darin findet, dass die Sekretkörnchen keinen Farbstoff auf- senommen haben, während sich das intergranulare Netzwerk dunkel- blau gefärbt hat. Dahingegen zeigen die Schleimelemente eine intensive, rothbraune Farbe, die deutlich auch in den Zellen hervor- tritt, wo nur die Spitze eine geringe Menge Schleim enthält. Über- sangsformen zwischen den Körnchenzellen und den Schleimzellen konnte ich, ungeachtet ich meine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt gerichtet hatte, nicht finden.

Ich habe solche Präparate auch von den anderen der von mir untersuchten Thiere gemacht und dazu Material angewendet, das in HERMAnN’s oder Fremmine’s Flüssigkeit fixirt war. Was die Tink- tionsmethoden anbetrifft, so habe ich theils einfache Färbung mit Safranin oder Hämatoxylin, theils Doppelfärbung und zwar, ent- weder zuerst mit Safranin und dann mit DELAFIELD’s Hämatoxylin, oder auch in umgekehrter Weise angewendet, und schließlich habe ich mich auch der Eisenhämatoxylin-Safraninfärbung bedient.

Der Zweck dieser Untersuchungen war, zu ermitteln, ob die Körnchenzellen und die Schleimzellen in Bezug zu diesen Farbstoffen eine Verschiedenheit zeigen und ob Übergangsformen zwischen ihnen zu entdecken sind. Bei Doppelfärbung war das Ergebnis das eben seschilderte. Bei einfacher Färbung mit Safranin fand ich in den meisten Fällen die Sekretkörnchen in den Körnchenzellen farblos und nur das intersranulare Netzwerk tingirt; zuweilen waren jedoch zwischen den farblosen Körnchen eine Anzahl Körnchen mit einer schwachen, rothbraunen Farbe zu beobachten. Ich nehme an, dass diese gefärbten Körnchen junge Flemente waren. Die Schleimzellen zeigten eine intensive, rothbraune Farbe, die sich scharf von der schwachen Farbe der tingirten Körnchenzellen abhob.

Durch diese Beobachtungen bin ich zu der bestimmten Über- zeugung gelangt, dass die Körnchenzellen und die Schleim-

122 William Möller,

zellen auch bei Anwendung der hier vorn erwähnten Präparationsmethoden solche bemerkenswerthe Verschie- denheiten darbieten, dass sie als gut von einander unter- schiedene Arten von Zellen, als Zellen sui generis so- wohl in morphologischer, wie physiologischer Hinsicht betrachtet werden müssen.

7. Schwein.

Nur einmal habe ich Material von einem Schweine genommen, was vier Stunden nach der letzten Mahlzeit des Thieres geschah.

Im Magen wurde reichlicher Inhalt angetroffen, und ein wenig Inhalt fand sich auch im Diekdarm, der Dünndarm aber war völlig leer.

Das Ergebnis meiner Untersuchung wurde negativ. In keinem der in verschiedener Weise präparirten Schnitte war bei den Epithel- zellen im Grunde der Krypten eine Körnchenstruktur nachzuweisen. Dagegen fand sich im Dünndarm, was deutlich aus den in Safranin tingirten Schnitten hervorging, ein großer Reichthum an Schleimzellen.

Sollten die Körnchenzellen bei diesem Thiere wirklich fehlen. so wäre dieses Verhältnis geeignet, Verwunderung zu wecken, denn da diese Zellen beim Menschen und allen bisher untersuchten pflanzenfressenden Thieren vorkommen, dürfte man a priori annehmen können, dass sie sich auch beim Schweine finden. Davon bin ich auch fest überzeugt.

Ich habe mich gefragt, was die Ursache dieses negativen Er- gebnisses meiner Untersuchung sein kann, da ja die Präparations- methoden ganz dieselben wie im vorigen Falle sind. Bei dem Ver- suche, eine Antwort auf diese Frage zu finden, bin ich bei der Vermuthung stehen geblieben, dass das Material in Folge äußerer Umstände nicht in so frischem Zustande in die Fixirungsflüssigkeit kam, wie für die Fixirung der empfindlichen Körnchenzellen erforder- lich ist. Meine Zeit hat es mir später leider nicht gestattet, anderes und besseres Material zu untersuchen.

Die Berechtigung der hier in Betreff der Ursache des Miss- lingens der Fixirung der Körnchenzellen in diesem Falle ausge- sprochenen Vermuthung geht auch daraus hervor, dass ich in dem zuerst durch andere vom Pferdedarm beschaffte Material vergebens nach Körnchenzellen suchte, während ich in Material, das ich später selbst nahm, mit Leichtigkeit solehe Elemente fand.

Aus dem Vorstehenden lässt sich ersehen, wie nothwendig es ist, dass das Material so bald nach dem Tode des Thieres wie mög-

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 123

lieh in die Fixirungsflüssigkeit gebracht wird. Um das Eindringen derselben in die Schleimhaut zu erleichtern, muss das Material vorher in kleine Stücke zertheilt und, wenn dieses ohne Schwierigkeit ge- schehen kann, die Muskelschicht vorher entfernt werden.

Ich werde künftig das Ergebnis von neuen Untersuchungen bei diesem Thiere mittheilen.

8. Hund und Katze.

Ich behandle diese Thiere unter einer gemeinsamen Rubrik, weil das Ergebnis meiner Untersuchungen in Betreff der Körnchen- struktur bei ihnen gleich ausgefallen oder negativ ist. So eigen- thümlieh dieses Ergebnis auch erscheinen kann, so war es mir doch nicht ganz unerwartet, da, wie schon erwähnt worden, PAnETR (17, p- 184) sagt, dass er beim Hunde und bei der Katze flüchtig nach Körnchenzellen gesucht, aber keine gefunden habe. Ich habe dagegen viel Zeit und Mühe auf diesen Theil meiner Forschungen verwandt, ohne jedoch ein anderes Ergebnis als PANnETH zu erhalten.

Ich habe Material von zwei Hunden, drei erwachsenen Katzen und zwei Katzenjungen untersucht. Ich habe auch danach gestrebt, das Material in verschiedenem physiologischen Zustande zu erhalten. In dieser Hinsicht gestaltet sich mein Material in folgender Weise.

1) Erwachsener Hund. Stücke aus dem Darmkanal eine Stunde nach der letzten und 29 Stunden nach der vorletzten Mahlzeit ge- nommen.

2) Erwachsener Hund. Stücke dem Darmkanal ungefähr zwölf Stunden nach der letzten Mahlzeit des Thieres entnommen.

3) Erwachsene Katze. Stücke aus dem Darmkanai nach einem vier Tage langen Fasten des Thieres genommen. Der Darmkanal leer.

4) Erwachsene Katze, altes Männchen. Stücke dem Darme 20 Stunden nach der letzten, aus Milch und Brot bestehenden Mahl- zeit des Thieres entnommen. Im Ventriculus eine große Menge un- verdauter Nahrungsstoffe. im oberen Theil des Darmkanals etwas dünnflüssiger Inhalt und im Diekdarm Exkrementmassen.

5) Erwachsene Katze. Stücke genommen zwölf Stunden nach der letzten, aus Fleisch bestehenden Mahlzeit des Thieres, vor welcher dasselbe einen Tag gefastet hatte. Der Ventrieulus ausgespannt von einem nur wenig verdauten Inhalt, der Darmkanal ganz leer.

6) Junge Katze, zwei Monate alt. Darmstücke 2S!/, Stunden nach der. letzten Mahlzeit des Thieres genommen. Der Dünndarm leer in seiner ganzen Länge, im Dickdarm etwas Inhalt.

124 William Möller,

7) Junge Katze, 15 Tage alt. Das Thier durfte sich in ge- wöhnlicher Weise mit Muttermilch nähren. Der Darmkanal zeigte sich überall mit Inhalt, zum größten Theil von flüssiger Konsistenz, versehen.

Dieses ganze Material hat nun, was die Forschung nach Körnchen- zellen betrifft, ein gleichartiges, negatives Ergebnis geliefert.

Ohne ganz und gar die Hoffnung aufzugeben, dass es künftigen Forschern gelingen wird, auch bei dem Hunde und der Katze solche Elemente zu entdecken, muss ich doch in Anbetracht der Ergebnisse meiner Untersuchungen annehmen, dass diese Thiere der Körnchen- zellen ermangeln.

Man muss sich dann fragen, worauf dieses Verhältnis beruhen kann. Eine bestimmte Antwort bin ich nicht in der Lage zu geben. Ich erlaube mir nur, anlässlich dieser Frage einige Betrachtungen anzuführen. |

Es hat mich überrascht, bei der Katze 12 bis 20 Stunden nach einer Mahlzeit im Ventriculus noch reichliehen, im Dünndarm da- segen wenig oder gar keinen Inhalt zu finden. Ich bin dadurch auf die Vermuthung gekommen, dass die Magenverdauung bei dem Hunde und der Katze eine relativ wichtigere Rolle als bei den von mir untersuchten pflanzenfressenden Thieren spielt. Vielleicht steht dieses Verhältnis mit der geringen Länge in Verbindung, die der Darmkanal bei solchen Thieren wie dem Hund und der Katze im Vergleich mit dem Darmkanal bei den pflanzenfressenden Thieren zeigt. Nach einer Angabe von KunHn (29, p. 47) sind die Drüsen des Diünndarmes bei den Herbivoren stärker als bei den Carnivoren entwickelt, was ja darauf hindeutet, dass ihre Thätigkeit bei der ersteren Thierklasse intensiver ist. Zu Gunsten der Ansicht, dass die Zellen des Magens bei den Carnivoren eine lebhafte secer- nirende Thätigkeit entwickeln, können vielleicht Beobachtungen von BIZZOzERO und Erık MÜLLER (23b, p. 633) angeführt werden, die bei dem Hunde und der Katze eine reichliche Menge Geißeln tragender Spirillen im Lumen der Magendrüsen und auch im Inneren der Belegzellen fanden, welche den Halstheil der genannten Drüsen bekleiden. Die Gegenwart der Spirillen in den Deckzellen war mit der Bildung von großen, den ganzen Zellkörper einnehmenden Sekretvacuolen verbunden. Hierüber äußert sich Erık MÜLLER folgendermaßen: »Diese Vacuolen sind wohl nur das Zeichen einer sehr starken Inanspruchnahme der Belegzellen in dem höchsten Stadium der Sekretion. Möglich ist es ja auch, dass die Spirillen

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 195

durch ihre Gegenwart zu dieser Vacuolisirung der Belegzellen bei- tragen, aber auch in diesem Falle muss ihre Wirksamkeit wohl als eine segensreiche und für die Sekretion nützliche betrachtet werden. «

Diese Beobachtung und die derselben gegebene Deutung können den Reichthum an Sekret erklären, den man im Magen der genannten Thiere während der Digestion findet.

Obschon die angeführten Verhältnisse für die Ansicht zu sprechen scheinen, dass die Magenverdauung bei den Carnivoren vielleicht eine wichtigere Rolle als bei den Herbivoren spielt, geht doch auf der anderen Seite aus Experimenten von CZERNY und KAISER sowie von O@ATA (36) hervor, dass der Magen für die Lösung der Auf- saben der Digestion nicht unumgänglich nothwendig ist. So ist es ‘den beiden erstgenannten Forschern nach der Exstirpation des Ma- sens bei zwei Hunden geglückt, die Thiere am Leben zu erhalten, das eine 21 Tage, das andere mehrere Jahre, während welcher Zeit sich das digestive Vermögen des letzteren Thieres in keiner Hinsicht demjenigen eines gesunden Hundes nachstehend zeigte. OGATA hin- wieder, der die Methode anwandte, durch eine in der Nähe des Pylorus angelegte Magenfistel Nahrungsstoffe direkt in das Duodenum einzuführen, fand bei Hunden, dass ein Fleischfresser in seinen Darm die für die Beibehaltung des Körpergewichtes erforderliche Menge Nahrungsstoffe aufnehmen und sie völlig bis zur Bildung normaler Fäces ausnutzen kann. |

Anlässlich der beschriebenen Experimente könnte man die Frage aufwerfen, ob die günstigen Ergebnisse derselben nicht dadurch be- dinst gewesen sind, dass sich der Dünndarn und besonders das Duodenum dem stark vermehrten Bedarf an Digestionssäften durch eine Sekretbildung angepasst haben, die reichlicher als die normale war. Vielleicht hätte eine histologische Untersuchung nach modernen ‘Methoden das Vorkommen von zahlreichen Körnchenzellen als ein deutliches Zeichen einer lebhaften sekretorischen Thätigkeit im Organe dargethan. Es wäre verlockend, Experimente dieser Art bei dem Hunde oder der Katze anzustellen, da es bisher noch nicht geglückt ist, im Darmkanal dieser Thiere eine andere sekretorische Thätig- keit als die Produktion von Schleim zu entdecken.

Meine Untersuchung des Darmkanals des Hundes und der Katze hat jedoch auch ein positives Ergebnis geliefert. Ich fand nämlich in einigen Fällen sowohl im Oberflächen-, wie im Drüsenepithel eine nicht unbedeutende Anzahl körnchenführender Leukocyten von dem- selben Aussehen und derselben Beschaffenheit im Übrigen, wie die

126 William Möller,

von mir beim Schafe beschriebenen. Besonders reichlich kamen sie unter den Drüsenepithelzellen bei einem 15 Tage alten Kätzchen vor, dessen Darmkanal mit Inhalt versehen war. Da sie oft im Grunde der Krypten lagen, konnte man sie bei flüchtiger Unter- suchung als Körnchenzellen auffassen.

Um die Anzahl der Zeichnungen nicht über die Gebühr zu ver- mehren, habe ich es unterlassen, hier ein solches Bild wiederzugeben. Ich verweise den Leser auf die Fig. 1 und 2, die eine große Ähn- lichkeit mit einem solchen Bilde zeigen.

Ich schließe hiermit den Bericht über den Theil meiner Arbeit, der das Vorkommen von Körnchenzellen bei verschiedenen Thieren behandelt.

Ehe ich aber die Schlüsse darlege, die ich aus meinen Unter- suchungen gezogen habe, mag hier Platz finden eine kürzere

Kritik von Bizzozero’s Theorie.

Wie schon erwähnt worden ist, hat BizzozERo den Satz aus- gesprochen, dass die Körnchenzellen nichts Anderes als junge Formen von Schleimzellen sind, was seiner Ansicht nach dadurch bewiesen ist, dass mittels gewisser Färbemittel das Vorkommen von deutlichen Übergangsformen zwischen diesen beiden Zellenarten nachgewiesen werden konnte.

Hätte BızzozEero wirklich Recht, so wäre damit das Problem von der Natur der LIEBERKÜHN’schen Krypten gelöst, dass dieses aber nicht der Fall ist, dürfte folgende Erörterungen an die Hand geben.

In der letzten Zeit ausgeführte Forschungen haben klar dar- vethan, dass man in dem Grunde der besagten Organe Körnchen antrifft, die ganz mit denen übereinstimmen, die man in verschie- denen Drüsen nachgewiesen hat und nunmehr als das Vorstadium des flüssigen Sekretes oder als das Kriterium einer Drüsenthätigkeit im Allgemeinen ansieht. Hieraus folgt ex analogia, dass in diesen Krypten ohne Zweifel eine sekretorische Thätigkeit statt- findet. Aber wenn dieses der Fall ist, so stellt sich die Frage ein, ob die betreffenden Körnchen zum Entstehen von Schleim oder einem specifischen Sekret anderer Art Anlass geben. Die Antwort hierauf ist die folgende: Gelingt es, darzuthun, dass die körnchen- führenden Zellen gradweise in typische Schleimzellen übergehen, die ihr

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 127

Sekret in das Lumen der Krypte entleeren, so sind die LIEBERKÜHN- schen Krypten nur als tubulöse Schleimdrüsen zu betrachten. Fehlen hingesen solche Übergangsformen, oder, mit anderen Worten, zeigen sich die körnehenführenden Zellen scharf von den typischen Schleim- zellen unterschieden, so muss hier außer dem Schleime ein speei- fisches Sekret anderer Art gebildet werden, und da die körnchenführen- den Zellen die Schleimzellen nicht selten an Zahl übertreffen, sind die in Rede stehenden Organe also Drüsen, deren hauptsächliche Aufgabe eine andere als die Produktion von Schleim ist.

Wie verhält es sich nun in der Wirklichkeit mit dieser Sache?

In dem Vorstehenden haben wir gesehen, dass PAnETH, NICOLAS und ScHhArrer das Vorhandensein von Übergangsformen zwischen den Körnchen- und Schleimzellen verneinen wollen. Da aber die von diesen Forschern angewandten Untersuchungsmethoden, nament- lich die Fixirungsmethoden, nicht von völlig befriedigender Be- schaffenheit sind, ist ja die Möglichkeit, dass sich solche Übergangs- formen gleichwohl finden könnten, nicht ausgeschlossen. Nun haben aber auch meine Untersuchungen, die mit den besten in der modernen Drüsenhistologie bekannten Methoden ausgeführt worden sind, das Vorhandensein von Übergangsformen zwischen Körnchen- und Schleimzellen nicht darthun können. In Folge dessen sehe ich mich für berechtigt an, zu behaupten, dass die LIEBER- künn’schen Krypten im Dünndarm Drüsen mit einer doppelten Funktion sind, indem sie theils Schleim, theils und hauptsächlich ein specifisches Sekret anderer Art produeiren.

Hiermit habe ich mich in Opposition gegen B1zzozEro’s Theorie gestellt, die ja die Natur der LieBerkünn’schen Krypten als speci- fischer Drüsen bestreitet und die Körnchenzellen als nichts Anderes als junge Schleimzellen auffasst, die dazu dienen, die im Oberflächen- epithel verbrauchten Elemente zu ersetzen.

Gegen BızzozEro’s Theorie können weiter folgende Einwen- dungen gemacht werden.

Im Dickdarm, wo die Schleimsekretion unbestreitbar am leb- haftesten und die Anzahl der verbrauchten Schleimzellen folglich am größten ist, fehlen die für den Ersatz bestimmten jungen Schleim- zellenformen vollständig, denn die Körnchen, aus denen die Schleim- substanz sich hier, gleichwie im Dünndarm, zuweilen bestehend zeigt, sind. den Sekretkörnehen in den Körnchenzellen des Dünndarmes in mehreren Hinsichten unähnlich. Wie schon PanwerH hervorgehoben

128 William Möller,

hat, sind nämlich die Schleimkörnchen merkbar kleiner als die Sekret- elemente in den Körnchenzellen, wozu kommt, dass auch die Kon- touren der ersteren weniger deutlich hervortreten als die der letzteren. Ferner habe ich bei den Thieren, die ich untersucht, die Schleim- : körnchen nie intensiv mit EHrLIcH-Bioxpr’s Flüssigkeit und auch nicht intensiv mit Eisenhämatoxylin tingirt gefunden, was dagegen mit den Elementen der Körnchenzellen der Fall gewesen ist. Das Safranin, das die Schleimsubstanz intensiv tingirt, auch dort, wo sie in ganz geringer Menge vorkommt, und um so intensiver, je älter das Schleimelement ist, lässt die voll entwickelten Sekretkörnchen in den Körnchenzellen ungefärbt, während das intergranuläre Netz- werk und die jüngeren Körnchen den Farbstoff in sich aufnehmen (siehe Fig. 17). Der Unterschied zwischen den Körnchen- und den Schleimzellen in tinktorieller Hinsicht ist desshalb meines Erachtens besonders prägnant und die Möglichkeit, diese Körnchen zu ver- wechseln, relativ gering, vorausgesetzt, dass die für die Fixirung der Struktur der Körnchen erforderlichen Präparationsmethoden ange- wendet werden.

Ein anderer Grund, der gegen die Natur der Körnchenzellen als Junger Schleimzellen spricht, ist folgender. In keinem anderen Organ, das einen größeren Reichthum an Schleimzellen besitzt, hat man, wenigstens bis dato, diese Zellen solche Entwieklungsstadien präsentiren sehen, wie BIzzZozERO den Schleimdrüsen im Dünndarm, demjenigen Theil des Darmkanals, wo ihre Anzahl die unvergleich- lich geringste ist, vindieiren will. Sollten denn diese Schleimzellen hier einige ganz specielle Eigenschaften besitzen, die ihnen sonst überall fehlen? Dieses kann man zwar nicht bestimmt verneinen, doch scheint es sehr wenig wahrscheinlich zu sein.

Als ein dritter Grund gegen die genannte Ansicht mag ange- führt werden, dass nach B1zzozEro’s Auffassung die Schleimzellen Körnchen von verschiedenem Alter und verschiedener Beschaffenheit secerniren, nämlich große und kleine safranophile Körnehen und, nebst den letzteren, auch solche, die sich mit Hämatoxylin färben. So viel mir bekannt ist, findet sich in keinem anderen secernirenden Element ein analoges Verhältnis. Die Sekretkörnehen erreichen ja in diesen Elementen, ehe sie ausgestoßen werden, um das Sekret zu bilden, unter normalen Verhältnissen erst eine gewisse Größe und Reife. In den Schleimzellen dagegen sollte die Sekretion in allen Entwicklungsstadien der Körnchen stattfinden. Auch diese Hypothese erscheint ex analogia als wenig wahrscheinlich.

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 129

Weiter erscheint BızzozEro’s Ansicht auch in der Hinsicht eigenthümlich, dass er die großen safranophilen Körnchen als die jüngsten, die kleinen dagegen als ältere Elemente bezeichnet, an welche sich nachher die Bildung von hämatoxylinfarbigen Körnchen anschließe. Man kann hier mit Fug fragen: aus welchen kleineren Elementen werden dann ursprünglich die großen safranophilen Körn- chen gebildet, oder, mit anderen Worten, welche Vorstadien können für sie gefunden werden?

Auf diese Frage giebt BızzozEro’s Theorie keine Antwort.

Nach seiner Theorie sollen ferner Zellen mit ganz kleinen, nur bei der stärksten Vergrößerung sichtbaren safrano- oder basophilen Körnehen ausschließlich höher oben in der Krypte, also nicht in ihrem Grunde angetroffen werden. Ich dagegen habe, wie auf p- 103 hervorgehoben wurde und aus Fig. 11 deutlich zu ersehen ist, diese Elemente an beiden Stellen und im Grunde der Krypte viel- leicht eben so oft, wie weiter in ihr hinauf, gegen ihre Mündung hin, angetroffen.

Nach GALEOTTTs auf p. 99ff. referirten Untersuchungen sind die jüngsten, am Kerne gelegenen Schleimkörnchen säurefuchsinfarbig, d. h. acidophil, während die älteren Körnchen, gleichwie die fertigen

+ Schleimtröpfehen, basophile Eigenschaften zeigen. Nach Bızz0zZERO’s Ansicht sind dagegen die Körnchen in den jüngsten Schleimzellen basophil, in den älteren Schleimzellen acidophil. Welche dieser An- sichten ist nun die richtige? Man wäre geneigt, BIZZOZERo’sS Ansicht als der des mehr erfahrenen Forschers den Vorzug zu geben. Indessen verdienen auch die Ergebnisse von GALEOTTI, der sich eines für das Studium der Schleimsekretion besonders geeigneten Materials bedient hat, beachtet zu werden. Wie sich die Sache wahrscheinlich ver- hält, dürfte aus der folgenden Betrachtung hervorgehen. Bizz0zero’s Ansicht in Betreff der Lage der Mitosen weicht von derjenigen mehrerer anderen Forscher ab. Er hebt nämlich hervor, dass die Mitosen im Blindsack beginnen und dass man sie zuweilen in der äußersten Spitze desselben zwischen zwei PanErn’schen Zellen sieht, während PAner# (17, p. 175), SCHAFFER (25, p. 446) u. A. sich dahin aussprechen, dass man sie nur ausnahmsweise an der genannten

Stelle und zumeist etwas höher in der Seitenwand der Krypte hinaut oder, wie FLEMMInG, um deren Mündung herum findet. Wäre nun BIzzozERO’s Ansicht richtig, so würden die durch die Mitose ent-

'standenen jungen Schleimzellen, resp. Körnchenzellen, zuerst den

Grund der Krypte einnehmen, was ja in der Regel auch der Fall Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, LXVI. Bd. 9

130 William Möller,

ist, um sieh von dort, in Übereinstimmung mit seiner Theorie, gegen die Oberfläche hinauf zu begeben, während sie, wenn die andere Ansicht die richtige wäre, nach zwei Richtungen ziehen müssten, nämlich theils in den Grund der Krypte hinab, um junge Schleim- zellen zu bilden, die als Ersatz für die im Oberflächenepithel ver- brauchten Elemente zu dienen haben, theils nach oben, um für die Regeneration der protoplasmatischen Oberflächenepithelzellen, die bei der Thätigkeit des Oberflächenepithels untergehen, Verwendung zu finden.

Der oben angeführte Sachverhalt scheint, mit den Ergebnissen meiner Untersuchungen zusammengestellt, das Unwahrscheinliche in BIZZOZERO's Ansicht in Betreff der Natur der Körnchenzellen zu zeigen.

Ich will hiermit durchaus keinen Zweifel an der Richtigkeit der von diesem berühmten Forscher gemachten Beobachtungen aus- sprechen, muss aber bestimmt in Abrede stellen, dass die Deutung, die erihnen gegeben hat, da sie mit den bisher konstatirten Verhält- nissen in anderen sekretorischen Organen nicht in Übereinstimmung steht, richtig ist.

Ohne mich auf eine mehr detaillirte Untersuchung einzulassen, will ich meine Behauptung nur mit einem Beispiele beleuchten. BIZZOZERO hat durch seine Untersuchungen dargethan, dass die Körnchen in den Körnchenzellen Veränderungen in ihrer Größe und Färbbarkeit erleiden. In der jungen Zelle finden wir, wie erwähnt worden, zuerst große safranophile Körnchen, dann immer kleinere, und schließlich treten unter diesen große, hämatoxylinfarbige Körnchen auf. Ein solches Bild giebt BizzozEro in Fig. 65 wieder. Dieses Bild ist meines Erachtens so zu deuten, dass wir hier nahezu reife Sekretkörnchen sehen, die sich nur ganz schwach mit Hämatoxylin gefärbt haben, während die safraninfarbigen Körnchen primäre, im intergranularen protoplasmatischen Netzwerk liegende Granula sind.

Wären die großen, mit Hämatoxylin gefärbten Körnehen Schleim- elemente, so würde man erwarten können, sie von dem Safranin, welcher Farbstoff bekanntlich der beste ist, den wir gegenwärtig für eine Differenzirung der Schleimsubstanz besitzen, intensiv tingirt zu sehen. Da dieses indessen nicht der Fall ist, kann man es mit Fug in Frage stellen, ob die genannten Körnchen wirklich Sehleim- körnchen sind, denn man kann wohl kaum annehmen, dass das Hämatoxylin in nur annähernd demselben Grade wie das Safranin ein specifisches Mittel für die Tingirung des Schleimes ist. Nach meinem Ermessen müssten Sekretkörnchen von einer anderen Art

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 131

eben so gut wie Schleimkörnchen eine schwach blauviolette Farbe annehmen können. en

In Betreff sowohl dieser wie der übrigen von BIZZOZERO ange- sebenen Farbenreaktionen will ich betonen, dass man nicht ohne Weiteres zwei Stoffe als chemisch identisch ansehen kann, nur weil sie sich mit denselben Farbstoffen in einerlei Weise färben. Sonst könnte man, wie EHRLICH (37, p. 90) treffend sagt, leicht zu der ab- surden Annahme verleitet werden, dass Leber-, Muskel- oder Gehirn- zellen bisweilen im Stande wären, Pankreatin zu secerniren, weil sich die Granula im Pankreas mit verschiedenen Tinktionsmethoden in gleicher Weise wie die Granula der genannten Zellen färben.

Wenn zwei Zellenelemente bei Behandlung mit demselben Farb- stoffe eine verschiedene Farbe annehmen, ist es dagegen wahrschein- lieh, dass man es mit zwei in:chemischer Hinsicht bestimmt von einander unterschiedenen Bildungen zu thun hat.

In Zusammenhang hiermit dürfte hervorzuheben sein, dass ein und dasselbe lebende Gewebe durch die Einwirkung verschiedener Fixirungsflüssigkeiten vermuthlich zu einer Menge verschiedener chemischer Verbindungen Anlass geben kann, deren tinktorielle Ver- hältnisse ziemlich verschiedenartig sein können.

Schließlich mag hier noch bemerkt werden, dass B1ZZoZERO’S Ergebnisse sich auf ein allzu geringes Material gründen, da er ja die Verhältnisse nur bei der Maus im Duodenum untersucht hat.

Auf Grund des in dem Vorstehenden Hervorgehobenen berech- tigen die Ergebnisse meiner Untersuchungen meines Erachtens zu folgenden

Schlüssen.

1) Alle von mir untersuchten Thierarten mit Aus- nahme des Schweines(?), des Hundes und der Katze zeigen im Grunde der LIEBERKÜHN schen Krypten im Dünn- darme eine Art Zellen, deren morphologischer Charakter sie zu typischen Drüsenzellen stempelt.

2) Die Vorstadien des Sekretes treten in diesen Zel- len in der Form von Körnchen auf, die, erst klein und färbbar, allmählich an Größe zunehmen und ihre Färbbar- keit verlieren, um schließlich als völlig reife Sekrettröpf- chen in die Lumina der Drüsen ausgestoßen zu werden. Die Sekretbildung zeigt also hier dasselbe morphologische Bild, wie in den Speicheldrüsen und im Pankreas.

9*

132 William Möller,

3) Die in Rede stehenden Drüsenzellen sind gut von den übrigen in der Schleimhaut des Dünndarmes vorkom- menden Schleimzellen oder, wie sie auch genannt werden, Becherzellen unterschieden.

4) Die Lieberkühn’schen Krypten bei den obengenannten Thieren sind aus diesen Gründen Drüsenorgane, die nebst Schleim auch ein specifisches Sekret absondern.

5) Auch die Schleimzellen bilden, wenigstens unter normalen Verhältnissen, eine Zellenart sui generis, indem sie, ihres Inhaltes entleert, als schmale, von den übrigen Darmepithelzellen unterschiedene Zellen hervortreten, die sich wieder zu typischen Schleimzellen entwickeln.

6) Nach Beobachtungen, die bei der Untersuchung des Schafdarmes gemacht worden sind, scheinen die Leuko- cyten die Aufnahme und den Transport eines gewissen Nahrungsmaterials (Eiweißstoffen?) zu vermitteln.

Litteraturverzeichnis.

1. J. N. LIEBERKÜHN, Dissertatio anatomico-physiologica de fabrica et actione villorum intestinorum tenuium. Lugd. Bat. 1745. Cit. nach No. 6 und 11. Ph. C. Sappey, Traite d’anatomie descriptive. Paris 1889. Tome IV. v. HALLER, Elementa physiologiae corporis humani. Lausanne 1760. Cit. nach No. 6 und 11.

4. R. A. Hepwıg, Disqvisitio ampullularum Lieberkühnii physico-mieroscopiea. Lips. 1797. Cit. nach No.5,6 und 11.

5. K. A. RuporruHı, Grundriss der Physiologie. Berlin 1828. Bd. II.

6. L. BoEHM, De glandularum intestinalium structura penitiori. Inaug.-Dissert. Berlin 1835.

7. A. v. KÖLLIKER, Mikroskopische Anatomie. Leipzig 1852. Bd. II.

Ss. 0. FunkE, Lehrbuch der Physiologie. Leipzig 1863.

9. Topp and BowmaAn, The physiological anatomy and the physiology of man. London 1856. Vol. I.

10. F. E. SCHULZE, Epithel- und Drüsenzellen. Archiv f. mikr. Anat. Bd. III. 1867.

11. G. KLosE£, Beitrag zur Kenntnis der tubulösen Darmdrüsen. Inaug.-Dissert. Breslau 1880.

12. 8. STRICKER, Handbuch der Gewebelehre. Leipzig 1871.

13. G. SCHWALBE, Beiträge zur Kenntnis der Drüsen in den Darmwandungen, insbesondere derBRuNnxEr’schen Drüsen. Archivf.mikr. Anat. Bd. VII. 1872.

ww m

14.

15.

16.

17.

18.

22: 20.

21.

22.

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 133

L. RAnvIer, Le mechanisme de la s&cr&tion. Journ. de mierographie 1987. Cit. nach No. 15.

A. OrpeL, Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbelthiere. Theil II. Jena 1897.

G. BIZZOZERO, a) Über die Regeneration der Elemente der schlauchförmigen Drüsen und des Epithels des Magendarmkanals. Anat. Anz. 3. Jahrg. 1888. p. 781—784. b) Über die schlauchförmigen Drüsen des Magen- darmkanals und die Beziehungen ihres Epithels zu dem Oberflächen- epithel der Schleimhaut. Archiv für mikr. Anat. Bd. XXXIII, 1889. Bd. XL, 1892. Bd. XLII, 1893.

J. PAnETH, Über die secernirenden Zellen des Dünndarmepithels. Arch. £. mikr. Anat. Bd. XXXI. 1888.

R. HEIDENHAIN, Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünndarm- schleimhaut. PrLüger’s Arch. Bd. XLIII. 1888. Supplementheft.

B. Rawırtz, Leitfaden für histiologische Untersuchungen. Jena 1895.

PH. STöhrR, Lehrbuch der Histologie und der mikroskopischen Technik. 7. Aufl. Jena 1896.

a) J. N. LAnGLEeY and H. SEWALL, On the changes in pepsin-forming glands during secretion. Proceed. of the royal soc. of London. Bd. XXIX. p. 383—388. 1879. Journ. of physiology. Vol. II. 1879. b) J. N. LANGLEY, On the histology and physiology of the pepsin-forming glands. Proceed. of the royal soc. of London. Vol. XXXII. 1881. Philo- sophical transact. of the royal soe. of London. Vol. CLXXII. Part III.

p. 663. 1881. R. ALTMAnNn, Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zelsn:

Leipzig 1894.

E. MÜLLER, a) Drüsenstudien. I. Die serösen Speicheldrüsen. Archiv für Anat. und Phys. Jahrg. 1896. Anat. Abth. b) Drüsenstudien. 11. Diese Zeitschr. Bd. LXIV. p. 624—646.

A. NıcoLaAs, Recherches sur l’epithelium de l’intestin gröle. Intern. Monats- schrift f. Anat. u. Phys. Bd. VIII. 1891. p. 37—58.

J. SCHAFFER, Beiträge zur Histologie menschlicher Organe. Wiener Sitzungs- berichte. Bd. ©. Math.-naturw. Klasse. Abth. III. 1891.

R. HEIDENHAIN, Physiologie der Absonderungsvorgänge in HERMANN’s Hand- buch der Physiologie. Bd. V. Theil 1. Leipzig 1883.

F. HoPPpE-SEYLER, Physiologische Chemie. Berlin 1881.

HoPPE-SEYLER u. THIERFELDER, Handbuch der physiologisch- und patho- logisch-chemischen Analyse. 6. Aufl. Berlin 1893.

A. NuHn, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Heidelberg 1886.

G. GALEOTTI, Über die Granulationen in den Zellen. Internat. Monatsschr. GeAnat ur Phys. Bd, x. 1895.

R. Krause, Beiträge zur Histologie der Wirbelthierleber. I. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLII. 1893.

N. KULTSCHITZKY, Zur Frage über den Bau des Darmkanals. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLIX. 1897.

F. KopscHh, Erfahrungen über die Anwendung des Formaldehyds bei der Chromsilberimprägnation. Anat. Anz. Bd. XI. 1893.

A. MAJewsKı, Über die Veränderungen der Becherzellen im Darmkanal

während der Sekretion. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Phys. Bd. XI. 1894. Cit. nach No. 15.

154 William Möller.

35. F. HoFMEISTER, a) Über das Schicksal des Peptons im Blute. Zeitschr. £. physiol. Chemie. Bd. V. 1881. b) Untersuchungen über Resorption und Assimilation der Nährstoffe. Archiv für experiment. Pathol. und Pharmakol. Bd. XIX, XX u. XXII. 1885, 1886, 1887.

36. M.Ocara, Über die Verdauung nach der Ausschaltung des Magens. Arch.

f. Anat. u. Phys. Physiol. Abth. 1883.

37. P. EHRLICH und A. Lazarus, Die Anämie. Wien 1898. In »Speeielle Pathologie und Therapie<, herausgegeben von H. NOTHNAGEL. Bd. VIII. Theil I, Heft 1.

38. SAmT-HILAmRE, Sitzungsberichte der Gesellschaft für die Beförderung der gesammten Naturwissenschaften in Marburg. Sitzung vom 5. August 1898. Cit. nach A. KossEL, »Über die Eiweißstoffee. Deutsch. med. Wochenschr. 15. Septamber 1898.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel VIII und IX.

Fig. 1. Schaf. Villus aus dem Duodenum. a, Leukocyten ohne körnigen Inhalt; 5, Leukocyten mit körnigem Inhalt im Oberflächenepithel. Bichromat- Formalinfixirung. EHRLICH-BIonDT's Farbenlösung. Zeiss’ homog. Imm. 1/12, Oe.1.

Fig. 2. Schaf. Eine LIEBERKÜHN’sche Krypte aus dem Diekdarm. Mit Körnchen gefüllte Leukocyten unter den Epithelzellen. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie oben.

Fig. 3. Weiße Maus. Längsschnitt durch eine LIEBERKÜHN sche Krypte aus dem Dünndarm. Die Zellen im Grunde der Krypte (a) mit Körnchen gefüllt, höher hinauf Schleimzellen (). Fixirung und Färbung wie in Fig. 1. Zeiss’ Apochr. Imm. 2,0 mm, Apert. 1,30, Kompens.-Oec. 6.

Fig. 4 Weiße Maus. Quer- und Schrägschnitt durch den Grund dreier LIEBERKÜHN’schen Krypten. Fixirung und Färbung wie oben. ZEIss’ homog. Imm. 1/12, Oe. 2.

Fig. 5. Weiße Maus. Schnitt durch den Grund einer LIEBERKÜHN’schen Krypte. Die Körnchen im Lumen und theilweise auch in den Zellen zu homo- genen Klümpchen zusammengeschmolzen. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie in Fig. 4.

Fig. 6. Weiße Maus. Stück eines Längsschnittes durch eine LIEBER- Künn’sche Krypte. Die Körnchen in dem Grunde theils gefärbt, theils farblos. a, Zellen mit deutlichem Netzwerk und feinen dunklen Körnchen. 5, >schmale Zellen«e. Fixirung wie oben, Färbung mit Eisenhämatoxylin (BENDA-HEIDENHAIN). Vergrößerung wie in Fig. 3.

Fig. 7. Weiße Maus. Schnitt durch den Grund einer LIEBERKÜHN’schen Krypte. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie in Fig. 6.

Fig. 8 Weiße Maus. Schnitt durch ein Dünndarmstück nach Fixirung in der für GoLe!s Methode angewandten Bichromat-Osmiumsäuremischung. a, Fetttröpfehen im Villus, schwarz gefärbt von Osmiumsäure. 5, Grund einer Krypte, mit durchsichtigen, glänzenden Körnchen gefüllt. Auch im Lumen sind solche Körnchen wahrzunehmen. Zeıss’ Obj. D, Oe. 2.

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 135

Fig. 9. Weiße Maus. Schnitt durch das Oberflächenepithel. aa, zwei junge Schleimzellen. Fixirung wie in Fig. 1—7, Färbung und Vergrößerung wie in Fig. 3. 77

Fig. 10, 11 und 12. Meerschweinchen. Stücke zweier Längsschnitte und eines Querschnittes durch einander nahegelegene LIEBERKÜHN’sche Krypten aus dem Dünndarme. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie in Fig. 3.

Fig. 13. Kaninchen. Schnitt durch den Grund zweier LIEBERKÜHN- schen Krypten des Dünndarmes. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie in Fig. 3.

Fig. 14. Rind. Schrägschnitt durch den Grund einer LIEBERKÜHN’schen Krypte aus dem Dünndarme. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie in Fig. 3. Fig. 15. Katze. Schnitt durch das Oberflächenepithel. a, feinkörnige acidophile Epithelzellen. Fixirung und Färbung wie in Fig. 3. Zeıss’ Apochrom. Imm. 2,0 mm, Apert. 1,30, Kompens.-Oec. 4.

Fig. 16. Pferd. Schrägschnitt durch eine LIEBERKÜHN’sche Drüse aus dem Dünndarme. a, ein großer Leukocyt mit plattgedrücktem Kern am Rande der Zelle. 5, Körnchenzellen. Fixirung und Färbung wie in Fig. 1. Zeıss’ homog. Imm. 1/i2, Oe. 2.

Fig. 17. Pferd. Schrägschnitt durch vier LIEBERKÜHN’sche Krypten aus dem Dünndarme. a, Körnchenzellen im Grunde der Krypte. 5, Schleimzellen. e, Querschnitt, beide Zellenformen enthaltend. Fixirung mit Hrrmanwv’s Flüssig- keit. Färbung mit DELAFIELD’s Hämatoxylin, nachher mit Safranin. Vergröße- rung wie Fig. 16.

Über eigenthümliche epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger (Aus dem zoologischen Institut der Universität Rostock.) Von

Leopold Johann,

approb. Thierarzt.

Mit Tafel X—XI und 1 Figur im Text.

Die Anregung zu der vorliegenden Arbeit verdanke ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. BLOCHMANN.

Es sei mir gestattet, ihm auch an dieser Stelle für das große Interesse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte, und für die Unter- stützung, die er mir dabei mit Rath und That lieh, aufrichtig zu danken.

Ursprünglich war in Aussicht genommen, dass ich die gesammten Epithelverhältnisse bei Spinaz niger einer eingehenden Prüfung unter- ziehen sollte, im Verlauf der Vorarbeiten jedoch traten mir merk- würdige epitheliale Gebilde in den Weg, die zu einer näheren Unter- suchung reizten und die ich aus Gründen, über welche ich später Rechenschaft ablegen werde, als Leuchtorgane ansehe.

Sie bilden den Gegenstand der folgenden Untersuchungen.

I. Vertheilung der Organe.

Mit dem bloßen Auge schon besser mit der Lupe (Fig. 1) sieht man bei Betrachtung der Haut von Spinaxz niger zwischen den Haut- stacheln braune bis schwarze, nicht glänzende Punkte auf einem dunklen Untergrund.

Um die Verbreitung dieser Gebilde festzustellen, benutzte ich einen männlichen und einen weiblichen Embryo von 120 und 93,5 mm Länge, weil beim Embryo der Reiehthum an Pigment noch nicht so grob ist als beim erwachsenen Thier und sich in Folge dessen die

Über eigenthiml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 137

Anwesenheit der Organe überall schon mit unbewaffnetem Auge konstatiren lässt.

Es ergab sich Folgendes:

Auf der Dorsalseite des Kopfes folgen die Leuchtorgane, wie Fig. 2 zeigt, hauptsächlich den Schleimkanälen, deren Öffnungen durch kleine Kreise dargestellt sind. Von der Spitze des Rostrums aus geht ein Zug rechts und links median von der Seitenlinie bis etwas über die Linie hinaus, durch die man die Mittelpunkte der beiden Corneen verbinden kann. Von dem spitzwinkeligen Bogen, der dadurch gebildet wird, hängt gleichsam distalwärts eine ampel- förmige Gruppe herab. Ihr gegenüber befindet sich proximal von der Querkommissur, die die beiden Seitenlinien verbindet, eine An- sammlung, die die Kontouren eines liegenden Kreuzes umsäumt. Aus dem Schnittpunkt der beiden Kreuzbalken erstreckt sich nach vorn eine kleine büschelförmige Gruppe.

Die Hauptmasse der in der Dorsalansicht sichtbaren Gebilde ist median von den Seitenlinien am Rumpf in je einer Reihe sich folgen- der, dieker, nicht glänzender schwarzer Striche und besonders großer Pünktchen angeordnet.

Die ersteren bestehen aus vielen, an einander gereihten, durch viel Pigment verbundenen Leuchtorganen, die letzteren aus einem einzelnen. Alle ganze oder halbe Millimeter ist eine Lücke in der Reihe vorhanden und die hierher gehörenden Striche oder Punkte stehen parallel der Hauptlinie, etwas median von ihr. Diese Linien an der Seite. begleiten die Seitenkanäle bis zu deren Ende am ven- tralen Ansatz der Schwanzflosse.

Kurz bevor der Seitenkanal am Schwanzende offen verläuft, wie dies von SOLGER! bei Echinorhinus spinosus beobachtet ist, hören sie plötzlich auf, erscheinen aber wieder an der offenen Strecke, um sie dorsal und ventral zu begrenzen.

Dort, wo von den Seitenkanälen hinter den Spritzlöchern die sie verbindende Querkommissur nach vorn jederseits abgeht, schicken diese Reihen je einen Verbindungsast nach hinten, die sich eben so wie die Verbindungsäste der Schleimkanäle im spitzen Winkel treffen, so dass beide Paare zusammen ein unregelmäßiges Viereck bilden. Der Raum im Inneren desselben ist mit Organen von etwas geringerer Größe angefüllt. Von der Vereinigungsstelle der beiden Pigmentlinien zieht eine doppelte, hier und da einseitig unterbrochene Reihe von

1 Archiv für mikr. Anat. Bonn 1880. p. 96.

138 Leopold Johann,

Organen auf dem First des Rückens entlang, umgeht im Bogen rechts und links die Rückenflossen, an deren Basis sich jedoch nur sehr wenige finden, wie es für die erste auf Fig. 2, für die zweite auf Fig. 3 zur Darstellung gebracht ist, und endet beiderseits einige . Millimeter hinter dem Anfang des dorsalen Schwanzflossenansatzes. Zwischen den First- und den Seitenlinien von Organen existiren un- regelmäßige Verbindungen, besonders vor der ersten Brustflosse.

Auf der Seiten- und Bauchansicht sieht man einen auffallenden Farbenunterschied zwischen den stark mit Leuchtorganen besetzten und den wenig oder gar nicht damit versehenen Streeken. In den ersteren ist außer in den Organen auch zwischen diesen eine Menge Pigment abgelagert, in den letzteren fast gar nichts, so dass die ersteren schwarz, die letzteren hellgrau erscheinen (s. Fig. 3).

Ein Streifen von Organen zieht über der Nasenöffnung nach hinten bis zur Höhe des vorderen Augenwinkels.. An diesem setzt sich eine andere Gruppe an, verschmälert sich nach oben und hinten und geht im Bogen, allmählich sich wieder verbreiternd, zum hinteren Augenwinkel (Fig. 2 u. 3).

Eine größere rundliche Ansammlung ist zwischen dem Spritzloch und den Kiemenöffnungen zu sehen.

Etwas hinter dieser Ansammlung, senkrecht über dem mittelsten Kiemenloch beginnt eine große, breite Straße von schwarzen Punkten, die sich bis in die Gegend der Bauchflosse hin erstreckt. Über der Brustflosse ist sie durch einen helleren Fleck, auf dem die Organe spärlicher stehen, unterbrochen.

Von hier aus bekommt auch die Oberseite der Brustflosse einige wenige Exemplare.

Zwischen dieser Straße und der Seitenlinie stehen nur vereinzelte schwarze Punkte von zusammen nicht sehr großer Zahl.

Die Haut zwischen den Kiemenlöchern und in nächster Nähe derselben ist frei von unseren Gebilden. Eben so ist es auf den Kiemen in der Kiemenspalte und in der Rachenhöhle beim erwach- senen Thier, die Embryonen wurden der Schonung halber darauf nicht untersucht.

Die übrigen Verhältnisse werde ich bei Besprechung der Bauch- ansicht darlegen.

Die Unterseite des Kopfes ist, wie man auf Fig. 4 sieht, ganz mit Leuchtorganen besetzt. Nur in der Nähe der Augenmitte be- findet sich ein heller Fleck, auf dem bloß einige wenige stehen, und von dem Rande der Nasenlöcher und des Mundes treten sie etwas zurück.

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 139

Auf dem hellen Fleck am Augenrande sieht man, dass die Organe doch nicht willkürlich über die pigmentirten Theile der Haut verstreut sind, sondern in Gruppen angeordnet stehen müssen. Nur sehr wenige stehen hier einzeln, die meisten, die sich von der Seite her, von dem Schleimkanal, hereinschieben, zu zweien, zu vieren oder auch zu fünf und zwar die letzteren so, dass sich oben oder unten drei, auf der gegenüberliegenden Seite zwei be- finden (s. Fig. 4 und nebenstehende Textfig.).

Die Schwarzfärbung der Kopfunterseite rückt hinter dem Auge in Gestalt eines breiten Lappens etwas über den hinteren Augen- winkel hinaus. Der ganze Bauch ist bis zu den Bauchflossen reich mit Leuchtorganen ausgestattet; an der Seite reichen sie bis zu einer Linie in die Höhe, die von der Basis der Brustflosse bis zur Basis der Bauchflosse gezogen werden kann. Hier schneidet die mit ihnen besetzte Zone rechtwinklig ab, greift mit einigen Exemplaren auf die Oberseite der Flossenbasis über und schreitet dann zwischen diesen, auf der Bauchseite, nach dem Schwanze zu fort.

Von dem Kreis ohne Leuchtorgane um die Mundöffnung zieht ein helles, breites Band, das ebenfalls ohne solche ist, nach oben und ein anderes eben solches senkt sich etwas weiter dahinter, vor den Kiemenlöchern, in die punktirte Fläche hinein, wie sowohl Fig. 3 als Fig. 4 zeigt. |

Die Unterseite der Brustflosse ist zum größten Theil frei von Leuchtorganen (Fig. 4). Nur am vorderen Ende schieben sich zwei punktirte Zipfel auf sie herauf, ein langer spitzer und ein kürzerer stumpfer. Fig. 7a zeigt die Bauchflossen- und Schwanzgegend eines weiblichen, Fig. 75 eines männlichen Embryos von der Ventralseite. Die Flossen selbst sind ohne Leuchtorgane, ihre Basis ist jedoch sehr stark mit ihnen belest bis auf einen keulenförmigen Fleck, der nach der Flosse zu nur durch eine einfache Reihe von Organen begrenzt wird, und bis auf den Rand um die Kloakenöffnung.

Beim weiblichen Embryo beginnt die Pigmentirung der Schwanz- gegend distal vom After mit einer feinen, sich verbreiternden Linie von Leuchtorganen, beim männlichen fängt sie in breiter Front erst am hinteren Ende der Flossenbasis an. Sie verbreitet sich seitlich bis zur Höhe der oben erwähnten, nach hinten ziehenden Straße von Organen und schickt hier einen großen, breiten Fortsatz nach vorn über diese und einen anderen nach hinten und oben nach der Seiten- linie zu. In Fig. 3 sind über den Bauchflossen beide Fortsätze, in Fig. 7a und 75 nur die hinteren zu sehen. Wo der mediane Rand

140 Leopold Johann,

des hinteren Fortsatzes zur Mittellinie zurückkehrt, hört die breite Pigmentirung auf und es ziehen nur zwei schmale Bänder von Leucht- organen, einen schmalen Streifen in der Mittellinie frei lassend, der sich beim männlichen Embryo weiter als beim weiblichen den Bauch- - flossen nähert, nach dem Schwanze hin. In der Mitte ungefähr zwischen After und Schwanzflossenansatz stehen allmählieh die Punkte dünner und stellen dann nur noch die Kontouren der Bänder durch vier parallele Linien dar. Die beiden innersten enthalten eine immerhin noch ganz stattliche Anzahl, die beiden äußersten nur wenige. Vor dem ventralen Ende der Schwanzflosse befindet sich wieder eine srößere Ansammlung von Leuchtorganen und diese schiekt den eben erwähnten äußeren Linien je einen Zipfel, den beiden inneren einen quadratischen Fortsatz entgegen, um sich mit ihnen zu verbinden.

Eine schmale, nach hinten immer spitzer werdende Abtheilung steht dann rechts und links vom ventralen Ende der Schwanzflosse.

Beim erwachsenen Thier sind die Verhältnisse im Großen und Ganzen dieselben.

Hier wurden zur Kontrolle kleine Stückchen aus der Haut ein- gebettet und geschnitten. An der Unterseite des Kopfes sind die beim Embryo hellgrauen Stellen ohne Leuchtorgane zwar auch pigmen- tirt, aber nicht so stark wie die Umgebung. Die feine Zeichnung auf der Oberseite ist in Folge der starken Pigmentanhäufung nieht mehr wahrzunehmen. An der Unterseite der Brustflossen sind dieselben mit unseren Organen versehenen Zipfel vorhanden, die Fig. 4 zeigt, nur sind sie natürlich eben so, wie die Brustflossen selbst gewachsen. Das Größenverhältnis zwischen beiden ist aber dasselbe geblieben.

Auf der Oberseite der Brustflossenbasis ist die Zahl der Punkte eben so wie beim Embryo sehr klein. Die bei diesem auf einem länglichen Fleck versammelten Organe haben sich jedoch beim er- wachsenen Thier in eine lange Reihe auf der Grenze zwischen Basis und Flosse ausgezogen. An manchen Thieren ist zwar die Pig- mentirung der Brustflossen viel ausgedehnter wie beim Embryo, der Reiehthum an Leuchtorganen stellt sich jedoch, wenn man Haut- stückehen exeidirt und untersucht, als derselbe heraus.

Auf der Oberseite der Bauchflossenbasis haben sich die Organe, die beim Embryo nur in ganz geringer Zahl, zu vier oder fünf, hinter einander nahe dem ersten Flossenstrahl standen, bedeutend weiter nach hinten ausgedehnt und sind beinahe bis an den Winkel, den der hinterste Flossenstrahl und der Schwanztheil des Rumpfes mit einander bilden, gerückt.

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 141

Die Unterseite der Brustflossenbasis weist dieselben Verhältnisse auf wie beim Embryo.

Der von Leuchtorganen freie Raum (Fig. 3), der beim Embryo zwischen der in Höhe des Spritzloches nach hinten führenden Straße von Punkten und der Bauchfläche, sowie in seiner Fortsetzung zwischen den vom Pigment hinter den Bauchflossen nach oben ausgesandten Zipfeln und der Seitenlinie vorhanden ist, markirt sich beim er- wachsenen Thier scharf als von der Brust- bis zur Bauchflosse ver- laufender weißer Streifen. Hier wendet er sich nach oben, um den vorderen Zipfel von Leuchtorganen zu umgehen und läuft dann unter- halb der Seitenlinie bis 1 cm hinter den Anfang des Schwanzflossen- ansatzes. In der Gegend der Brustflossen zieht, entsprechend den Verhältnissen des Embryos ein helleres Band von dem Streifen nach oben. |

Die beiden Zipfel mit Organen, die das Pigment hinter den Bauchflossen nach oben und vorn sowie nach oben und hinten schickt, sind auch beim erwachsenen Spmax bei genauerem Zusehen deutlich zu erkennen.

Der hinterste Theil des Seitenkanals verläuft auch im späteren Alter offen bis 3 em hinter dem Anfang des Schwanzflossenansatzes bei 34 cm Gesammtlänge des Thieres und ist am oberen und unteren Rande von Leuchtorganen umsäumt. Auf dem Raume ober- und unterhalb der Seitenlinie finden sich beim erwachsenen Spinax schwarze, bis !/; mm ungefähr lange, stäbchenförmige, unregelmäßig und spärlich verstreute Stippchen, die bei näherem Zusehen dem Thier ein fein gesprenkeltes Aussehen verleihen. Sie bestehen eben so wie die längs der Seitenlinie laufenden dieken Striche aus an- einander gereihten Organen.

Die auf dem Rückenfirst entlang laufende doppelte Linie von Punkten ist auch beim erwachsenen Spinax schon mit bloßem Auge zu konstatiren.

Il. Mikroskopische Anatomie der Organe.

Um die mikroskopische Anatomie der Gebilde festzustellen, wurden Flächen-, Längs- und Querschnitte durch die Haut gemacht und zwar rechne ich bei den beiden letzteren Bezeichnungen immer nach der Hauptachse des ganzen Fisches.

Da sich sowohl Flächenschnitte in Folge ihrer Unübersichtlich- keit und Längsschnitte in Folge der vielfach schiefen Lagerung der Organe in der Haut, wie später des Näheren aus einander gesetzt

142 Leopold Johann,

werden wird, als ungeeignet zur Untersuchung erwiesen, ganz abge- sehen davon, dass sie in Folge des radiären Baues des Unter- suchungsobjektes nichts Besonderes boten, wurden hauptsächlich Querschnitte angelegt von 5—10 u Dicke. Das Material, was mir vom erwachsenen Spinax zu Gebote stand, war gleich nach dem Fang in 10%/,iger Formollösung konservirt worden und darin bis jetzt verblieben, z. Th. auch nach Behandlung mit Zenker’scher Flüssig- keit in Alkohol aufbewahrt.

Einige Schnittserien, die ich aus der Institutssammlung zur Aus- nutzung erhielt, sind aus mit ZENCKER'scher Flüssigkeit konservirter Haut hergestellt. Die Embryonen waren in Formol, Sublimat, Chrom- osmiumsäure und in ZENCKER’scher Lösung konservirt.

Um das Material schneiden zu können, musste es zuvor entkalkt werden. Dies geschah in Salpeter- oder Chromsäurelösung.

Die Schnitte wurden mit Wasser oder Eiweißlösung aufgeklebt und, wenn sie eine lange Wasserbehandlung durchmachen sollten, noch durch einen Photoxylinüberguss gesichert.

Da das Pigment die Einsicht in die Organisation ganz erheblich störte, wurde es mit Chromsalpetersäure nach JANDER entfernt.

Die Schnitte wurden darauf in Eosin-Hämatoxylin, meistens je- doch mit Orange-G-Hämatoxylin gefärbt. Um die Basalmembran besser sichtbar zu machen, wurde die van GIEson’sche Methode angewandt.

Orange-G-Hämatoxylin lieferte die besten Präparate.

Ehe ich zur speciellen Beschreibung der Leuchtorgane übergehe, will ich zur Orientirung noch einige Worte über den allgemeinen Bau des Integuments von Spinax vorausschicken, der derselbe ist, wie er von LEYDIG, OSKAR HERTwWIG und KraaArscH schon bei anderen Haien genauer beschrieben wurde. |

Die Cutis besteht aus zwei Schichten. Die innere ist ein straffes Gewebe aus zwei sich rechtwinklig kreuzenden Faserzügen, die parallel zur Hautoberfläche und diagonal zur Hauptachse des Körpers verlaufen. Beide werden in ziemlich regelmäßigen, kurzen Abständen von dünnen Faserbündeln durchbohrt, die von der Subeutis in die äußere Schicht der Cutis steigen. Diese besteht aus maschigem, lockerem Bindegewebe von verschiedener Höhe mit zahlreichen Blut- gefäßen, das nach oben hin durch die Basalmembran abgeschlossen wird. Am Bauch ist sie sehr stark entwickelt, wie: z. B. Fig. 18, 19a, 195 zeigt; am Rumpf und am Kopf jedoch besteht sie zum Theil nur aus einer dünnen Schicht, in der die Hauptmasse des

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 143

Pigments eingelagert ist (Fig. 8, 17). Auf der Basalmembran steht eine Schicht hoher schlanker Palissadenzellen und über diesen be- finden sich 4 bis 19 Lagen gewöhnlicher Epithelzellen von 0,00283 bis 0,0283 mm Gesammthöhe. In der höchsten Lage sind die Zeli- srenzen überhaupt nicht mehr oder nur sehr selten zu erkennen. Den Abschluss nach der freien Oberfläche bewirkt eine cuticula- ähnliche Verdickung der Zellwand.

In den untersten Schichten der Epidermis liegen überall zwischen den Zellen Ausläufer von Pigmentzellen, direkt unter der Basal- membran fast überall dicke Stränge und Klumpen von Pigment (Fig. 8, 9, 10).

An den Hautstacheln klimmt die Epidermis beträchtlich über das Niveau ihrer Umgebung empor (s. Fig. 5). Hier sieht man in ihr eine Menge von LEeypvı@’schen Zellen !, die sich im Gegensatz zu später zu besprechenden Zellen mit Orange-G-Hämatoxylin nicht selb, sondern blau färben.

Es wurde festgestellt, an welchen Standorten das Epithel eine im Gegensatz zur gewöhnlichen Höhe von vier bis sechs Zellschichten außerordentliche Entwicklung zeigte, wie oben gesagt bis zu 19 Zell- lagen.

Die größere Dicke des Epithels macht sich schon makroskopisch durch einen Mangel an Transparenz bemerkbar, der bewirkt, dass man diese Strecken, die zum Theil, wie z. B. die Unterseite des Rostrums sogar sehr stark mit Pigment in der Tiefe imprägnirt sind, nicht schwarz, sondern graublau bis hellgrau, bis weißlich gefärbt sieht. Besonders groß sind diese Bezirke auf der Unterseite des Kopfes, wo sie hauptsächlich dem Verlauf der Schleimkanäle zu folgen scheinen. Auf den verdiekten Stellen stehen keine Stacheln.

Die Größe der Ausbreitung ist individuell etwas verschieden.

1 LevYDIG betont überall (Beitr. zur Anat. u. Entwicklung der Rochen und Haie. p. 79. Untersuchungen über Fische und Reptilien. p. 34), dass bei den von ihm untersuchten Selachiern außer in der Rachenschleimhaut keinerlei Schleimzellen in der Epidermis seien.

OsKAR HERTWIG (Jen. Zeitschr. für Naturwiss. 1874, p. 335) hat schon die Allgemeingültigkeit dieser Thatsache umgestoßen, indem er für die von ihm untersuchten Species im Allgemeinen sagt: »In den oberen Zellenlagen finden sich häufig Schleimzellen.< Er bildet die Umgebung je eines Stachels von Heptanchus cinereus und von Acanthias vulgaris mit solchen ab, sagt jedoch nicht, dass sie nur an diesen Orten zu finden wären. | Bei Spinax sind hauptsächlich in der Umgebung der Stacheln Leypıs’sche Zellen in. dem Sinne, wie der Name bei Amphibien gebräuchlich ist, vorhanden. Becherzellen habe ich nirgends in der äußeren Decke gesehen.

144 Leopold Johann,

In Fig. 6 stellen die hellgehaltenen Theile die hellgraue, ver- dickte, die schattirten die normale Epidermis dar.

Man sieht, dass der ganze Mund von einer hellen Zone umgeben ist. Von dieser erstreckt sich nach oben ein schmaler Ausläufer, der sich zuweilen noch auf die rechts und links vom Mittelkanal ab- eehenden Schleimkanäle fortsetzt, der sich nach der Gabelung des Mittelkanals ausbreitet und die ganze vordere Hälfte des Rostrums einnimmt, die Nasenlöcher umgreift und einen Fortsatz jederseits in das Dreieck caudalwärts schickt, das von den Nebenschleimkanälen gebildet wird.

Weiter ist diese Verdickung der Oberhaut vorhanden an der Basis der Rückenflossen, an der Ventralseite der Brustflossenbasis, an der Dorsal- und Ventralseite der Bauchflossenbasis, am ventralen Ansatz der Schwanzflosse und in der Umgeburg der Kiemenlöcher. Auf Fig. 3 sind die mit diesem Epithel versehenen Stellen der Rückenflossen und des dorsalen Theils der Bauchflossenbasis mit dunkler Schattirung versehen worden.

Auf der Unterseite der Brustflossenbasis betrifft die Verdiekung den proximalen Zipfel von Leuchtorganen, der sich in Fig. 4 in sie hineinschiebt.

An der Ventralseite der Bauchflossenbasis (Figg. 7a, 75) ist die Linie von Organen, die vom vorderen äußeren Rand der Basis nach hinten zieht, und der von Organen freie Rand rechts und links vom Genitalporus der Sitz der Verdickung. Beim Embryo ist sie, be- sonders in der Schnauzengegend, überall schon angedeutet.

Die Leuchtorgane stellen sich dar als eine halbkugelige Einsen- kung der Epidermis in die Cutis. Ihre Achse steht an der Unterseite des Rostrums und in der Mittellinie des Bauches senkrecht zur Haut- oberfläche. Seitlich von der Mittellinie ist ihre Achse nach dieser zu gerichtet, an den Seitentheilen des Schwanzes nach unten (Fig. 10). In Folge dieser Lagerung geben an diesen Stellen Längsschnitte zum Fisch, senkrecht zur Oberfläche der Haut geführt, niemals Längs- schnitte durch die Achse der Organe, sondern nur Querschnitte.

Die äußere lockere Schicht der Cutis ist durch das Organ, wenn sie nicht sehr stark entwickelt ist, bis auf eine schmale Zone, in der das Pigment eingebettet liegt, verdrängt. Entfernt man dieses, so sieht man, dass das pigmententhaltende Gewebe unter dem Leucht- organ anders gebaut ist als das unter dem gewöhnlichen Epithel. Beide sind hell und lichtdurchlässig und von etwas gelblicher Fär-

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 145

bung, die wohl von Resten des Pigments herrührt. Das erstere jedoch zeigt nur wenige, unregelmäßig koncentrisch zu dem Organ verlaufende Fasern, während das letztere aus einem dichten Gewirr regellos durch einander laufender Faserzüge besteht.

Der in die Cutis eingesenkte Theil des Leuchtorgans wird von einem schalenförmigen Blutsinus umgeben (Fig. 8, 11, 12).

Das Leuchtorgan setzt sich aus folgenden Bestandtheilen zu- sammen. |

Auf der Basalmembran sind zwei bis fünf Lagen von je vier bis sechs in einem Kreise angeordneten Zellen so aufgebaut, wie dies am besten Fig. 13 (Zz) im Flächenschnitt durch die Haut veranschaulicht.

Die Kerne aller Zellen liegen nach außen, während die Leiber ins Innere gestreckt sind. Die Form der Zellen ist spitz eiförmig bis keilförmig auf einem Flächenschnitt, elliptisch auf dem Quer- schnitt (zum Fisch) (Fig. 11, 12). In dem inneren Theil der Zelle be- findet sich regelmäßig eine große helle Vacuole mit geringen Mengen feinkörnigen Inhalts, wie auf Fig. 12 oder mit zusammengeballten seronnenen Massen von einem sich mit Orange-G stark gelb, mit Eosin schwach roth färbenden Sekret, das mit zahlreichen großen und kleinen lichtbrechenden Körnchen vermischt ist (Fig. 8, 10, 13 Sekr). Ich nehme an, dass dies nur unlösliche Rückstände sind, dass die Hauptmasse des Sekrets durch die Behandlung mit Alkohol entfernt und so die Vacuole geschaffen wurde, wie dies PANCERI! bei den leuchtenden Zellen der PAyllirrhoe bucephala beobachtet hat. Eben so hat Rawırz? eine Löslichkeit des leuchtenden Sekrets der Pholas dactylus in Alkohol festgestellt. Was die Zusammensetzung der Körner anbetrifft, so halte ich sie nach ihrer Farbenreaktion für eiweißartige Körper im Gegensatz zu PANCERI und LEYDIG, deren Ansichten ich später anführen werde. Der peripher liegende Proto- plasmaleib der Zelle färbt sich sehr stark gelb mit Orange-G-Häma- toxylin und zeigt im Innern eine Menge feiner Granulationen, ähnlich denjenigen, die in dem Sekret der Vacuolen zu sehen sind.

Diese Zellen werde ich »Leuchtzellen< nennen, die Berechtigung dazu wird aus dem Späteren klar werden.

Der unterste Kreis der Leuchtzellen wird direkt von der Basal- membran umschlossen, in den oberen Lagen jedoch drängen sich

! Intorna alla luce che emana della cellule nervose della Phyllirrhoe buce- ' phala. 1872.

2 Jen. Zeitschr. für Naturwissensch. Bd. XIV. N. F. XVII. Sonderabdr. Jena 1890, p. 23, 24.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 10

146 Leopold Johann,

zwischen sie und die Basalmembran Zellen (Fig. 12, 13), die ihrer Ge- stalt nach Cylinderzellen des Epithels sind, aber bedeutend kleinere Kerne zu besitzen scheinen. Es liegt dies daran, dass sie vielfach auf der Längsseite quer durchschnitten sind. Ihre sehr langen, _ eylindrischen, dünnen Basen reichen, eine über die andere geschichtet, beinahe bis zur untersten Lage von Leuchtzellen und setzen sich erst hier an die Basalmembran an, wie dies auf Fig. 10 im Querschnitt, auf Fig. 13 im Flächenschnitt zu sehen ist. Auf Fig. 13 sieht man um den Kreis von Leuchtzellen mit großen Kernen einen Kranz von kleineren Kernen liegen, und durch und um diese ziehend unregel- mäßige scharfe Linien. Der äußerste unregelmäßige Kreis ist ein Durchschnitt der Basalmembran, die weiter nach innen liegenden Linien sind Falten derselben. Die um die Leuchtzellen liegenden kleinen Kerne gehören den oben erwähnten Palissadenzellen an, die radiär in ihrer Nähe verlaufenden feinen Striche sind die Grenzen der sich von der Oberfläche eutiswärts neben ihnen herabsenkenden Basen anderer Palissadenzellen. Diese schließen sich (Fig. 11, 12) über der gesammten Menge der Leuchtzellen zu einem Gewölbe, das auf dem Durchschnitt betrachtet zehn bis zwölf großkernige Zellen in so dichtem Gedränge enthält, dass nur sehr selten die Grenzen zu erkennen sind. Die Kerne sind oval bis rund oder auch eckig, scheinbar von verschiedener Größe. Sie liegen aber nur sehr un- regelmäßig und sind desshalb verschieden vom Messer getroffen. Je näher diesen Kernen die darunter gelegenen Leuchtzellen kommen, um so schmaler und kürzer werden sie, bis man Stadien hat, wie ich sie in Fig. 11 abgebildet habe. Eine der drei Zellen (Zz), die im Begriff sind, eine Vacuole zu bilden, liegt fast noch mitten unter gewöhnlichen Kernen, so dass anzunehmen ist, dass sich die Leucht- zellen von oben her, von diesem Gewölbe ergänzen. Es wäre denk- bar, dass auch von der Peripherie her, von den Cylinderzellen ein Ersatz der verbrauchten Leuchtzellen stattfände, ich habe aber keine darauf hindeutenden Stadien gesehen.

Nach oben, nach der freien Oberfläche zu, produeirt das Ge- wölbe noch eine besondere Art von Zellen, und ich werde es dess- halb das »Keimlager« nennen.

Dies (Fig. 8, 9, 10, 11, 12 Zsz) sind verschieden große, rundliche bis linsenförmige Zellen, von denen ich der Kürze wegen als »Linsen- zellen« sprechen werde, die zu zweien und mehr, eine über die an- dere gelagert, meistens eine zusammenhängende Reihe bis zur Ober- fläche der Epidermis bilden. Ihr Kern liest an der Wand, das Innere

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 147

ist mit einem geronnenen Sekret angefüllt, das dem Produkt der Leypig’schen Zellen sehr ähnlich sieht, das sich aber im Gegensatz zu diesem mit Orange-G-Hämatoxylin nicht blau, sondern intensiv gelb färbt. Es bildet eine homogene, nicht glänzende, zusammenhängende Masse, an deren Rand sich hier und da rundliche helle, schwach blau sefärbte Flecke zeigen, wie sie auf Fig. 11 abgebildet sind.

Zu diesen Zellen rückt das Epithel von der Nachbarschaft und schließt sich über und zwischen ihnen. Durch das Wachsthum der Epidermis werden sie in die Höhe gehoben, zuerst geöffnet und ent- leert (Fig. 11, 14 Zs2), dann abgestoßen. Ihr Ersatz findet, wie schon gesagt, von der oberen Fläche des Keimlagers statt. Ein jüngstes Stadium ist in Fig. 11 dargestellt.

Es bliebe noch übrig über die Pigmentirung zu sprechen. Es umgiebt das Organ erstens in der Cutis jenseits des Sinus korbartig ein Geflecht dieker Pigmentstränge. Ein zweites befindet sich inner- halb der Basalmembran. Dieses letztere schickt in der Peripherie Ausläufer sowohl in die Interstitien der Leuchtzellen als des Keim- lagers hinein (Fig. 8, 10).

Von der Peripherie des Keimlagers erheben sich eine Menge rankenförmiger Fortsätze von Pigmentzellen, die sich wieder unter einander verbinden und die Linsenzellen umspinnen (Fig. 10). Fig. 9 zeigt einen Flächenschnitt durch die Haut in Höhe einer Linsen- zelle.. Der helle Raum in der Mitte ist eine solche. Die Achse des Organs bleibt immer entweder ganz frei von Pigment, wie in Fig. S, oder sie enthält nur sehr wenig.

Was die besprochenen Bestandtheile anbetrifft, sind die Organe aller Körpergegenden übereinstimmend gebaut, nur die Ausbildung der einzelnen Elemente ist nicht überall gleich.

Wie am Kopfe die Epidermis vielfach eine erstaunliche Höhe erreicht, so sind auch die hier befindlichen Leuchtorgane plump und massig.

Die Leuchtzellen sind eben so wie das Keimlager in allen Dimen- sionen sehr groß.

Die Linsenzellen haben jedoch im verdickten Epithel den relativ geringsten Umfang, sind fast alle gleich größ (Fig. 8), rundlich, nicht linsenförmig. Sie bilden seltener, zur Oberfläche des Epithels auf- steigend, kontinuirliche Reihen, sind vielmehr öfter durch mehrere gewöhnliche Zellschichten von einander getrennt oder stehen nicht senkrecht über einander.

Im Epithel von der gewöhnlichen Höhe an der Unterseite des

10*

148 | Leopold Johann,

Rostrums sind zwei bis drei kleine linsenförmige Linsenzellen vor- handen (Fig. 11 und 12).

Am Rumpf (Fig. 10) bietet die geringe Dicke der Epidermis nur Platz für das Nöthigste.

Die Leuchtzellen sind in eben so großer Zahl wie am Kopf vor- handen, sind aber eben so wie das Keimlager auf einen ganz ge- ringen Raum zusammengepresst, so dass die jüngsten Entwicklungs- stadien der Leucht- ‘und Linsenzellen zuweilen nur durch zwei Zellschichten getrennt sind, und denselben Forderungen an Raum- ersparnis haben sich die Linsenzellen anbeguemt. Sie sind entsprechend der geringeren Höhe des Epithels in kleinerer Zahl als in der ver- diekten Kopfhaut vorhanden, zu vier bis sechs. Zwischen ihnen liegen keine gewöhnlichen Epidermiszellen, sondern eine schließt sich dicht an die andere an. Sie erreichen an den Seitentheilen des Rumpfes und Bauches die größten Dimensionen am Körper und in Folge dessen wäre, wenn sie senkrecht zur Oberfläche der Haut über einander ständen, kein Platz für sie vorhanden; die äußerste würde übermäßig stark hervorragen, schnell abgenutzt und geöffnet werden. Desshalb haben sie sich zusammen mit dem ganzen Organ schief in die Epidermis gelagert (Fig. 10). Sie sind linsenförmig, ihre Größe nimmt nach außen immer mehr zu, so dass sie zusammen den Eindruck eines optischen Systems machen.

Um die Innervation der Leuchtorgane festzustellen, wurden Versuche mit Gougr’scher Färbung angestellt, die gar kein Resultat brachten, weil das Material ungeeignet dazu war. An Schnitten wurde die Osmiumsäure-Holzessig-Methode erprobt und die Nerven färbten sich auch bis zum Eintritt ins Pigment, aber solche Resultate waren besser mit Orange-G-Hämatoxylin zu erreichen. Während sich in Osmiumsäure-Holzessig Alles schwarz färbt, nehmen hiermit die Kerne des die Nerven begleitenden Bindegewebes immer eine von der der Cutis verschiedene Färbung an, gelb oder blau, je nachdem, welcher der Farbstoffe länger eingewirkt hat.

Es wurden zuerst Schnitte durch die Schnauzengegend unter- sucht, da anzunehmen war, dass, wenn die Leuchtorgane eine eigene Innervation besäßen, hier entsprechend der reichlicheren Versorgung der Kopfhaut mit Nerven die herantretenden Stämmchen auch rela- tiv größer und daher leichter zu sehen sein würden als an Organen aus der Rumpfhaut. Fast alle Untersuchungen, besonders die über die Endverzweigungen der Nerven, wurden .an Schnitten vorgenom- men, deren Pigment zerstört war.

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger 149

- Nur in einem einzigen Falle sah ich ein Nervenstämmchen direkt am Pol eines Organs zutreten. Es überschritt jedoch nicht den Blutsinus, sondern muss sich innerhalb des pigmentirten Gewebes in feine Fasern aufgelöst haben, da auf den nächsten Schnitten nichts mehr von ihm zu sehen war. Es könnten also nur sehr dünne Fasern etwa mit den Bindegewebsbälkchen, die hier und da den Sinus überschreiten, direkt zu dem Organ gelangt sein.

Die übrigen Nerven, die ich an die Organe herantreten sah, singen sämmtlich in der Peripherie derselben an das Pigment der Cutis und lösten sich hier auf, waren wenigstens nur in kleinen Zweigen kurze Strecken zu verfolgen. Die geeignetsten habe ich in Fig. 14 und 16 abgebildet. In Fig. 14 ist die Ausbuchtung der Basal- membran der tangentiale Durchschnitt durch ein Leuchtorgan. Die eintretende Faser links ist deutlich; rechts glaubte ich auch einige feine Äste ins Epithel aufsteigen zu schen, habe aber von deren Abbildung Abstand genommen, wie auch auf verschiedenen anderen Figuren, weil ich meiner Sache hier nicht positiv sicher war.

Zwischen den Basen der Palissadenzellen finden sich helle durch- scheinende Lücken, die leicht den Eintritt eines Nerven vortäuschen können. Einen Fingerzeig, wo ein solcher oder der eines Pigment- zellenausläufers erfolgt, giebt oft eine trichterförmige Ausbuchtung der Basalmembran in der Richtung nach außen, an deren Spitze eine Öffnung beim Heben und Senken des Focus zu konstatiren ist. In Fig. 17, 20a und 205 habe ich solche Eintrittsstellen abgebildet.

In Fig. 16 geht der Nerv von einem in der Subeutis verlaufen- den Hauptstrang ab, entsendet nach links zwei Nebenäste, deren Verfolgung nichts Wesentliches bot, und theilt sich dann in zwei Äste, deren jeder an eine Seite des Organs tritt und sich in dem pigmentirten Gewebe verliert.

Links lassen sich einzelne Fasern des Nerven bis zu der hellen Zelle, die über dem Blutgefäß liest, verfolgen. In dem Pigment- gewebe zwischen den beiden Ästen habe ich nichts von Nervenfasern wahrgenommen.

Da also die Nerven niemals direkt in ein Leuchtorgan hinein, sondern höchstens an die Peripherie traten, da dies nur relativ selten vorkam und da endlich die Organe von diesen Stämmen nur sehr kleine Ästchen bekommen haben können, weil srößere mit positiver Sicherheit hätten gesehen werden müssen, lag die Vermuthung sehr nahe, dass die Nerven, die ich zu Gesicht bekommen, gewöhnliche Hautnerven seien. Zur Bestätigung war es nöthig, die Art der

150 | Leopold Johann,

Innervation der übrigen Epidermis festzustellen. Es ergab sich, dass diese mit der oben beschriebenen total übereinstimmte.

Es wurde zunächst auch hier die Epidermis der Unterseite des Rostrums untersucht. Es treten die Nerven bis an das pig- menthaltige Gewebe der Cutis und lösen sich hier in ihre Endver- zweigungen auf. Fig. 17, 204 und 205 zeigen solche.

Fig. 20 @ und 205 sind zwei auf einander folgende Schnitte, der auf Fig. 20@ sichtbare Nerv kommt aus der Subeutis und schwillt auf Fig. 205 zu einem Kolben von 2,26 u Breite an, der einen Fort- satz durch die auch hier ins Epithel vorgestülpte Basalmembran sendet. Die Verhältnisse am Rumpf sind im Prineip dieselben, nur ist der Reichthum an Nerven und die Größe derselben geringer. Es sind zwar viele in der inneren Lage der Cutis zu sehen, aber nur wenige Ausläufer zum Epithel.

In Fig. 15 geht ein Nerv von einem solchen Stamm in der Cutis ab zum Pigment jenseits des Blutsinus eines Organs.

Ähnliche Bilder, bei denen jedoch der Nerv nicht so nahe an das Leuchtorgan herantritt, sich also schon vorher in seine Endver- zweigungen auflösen muss, habe ich noch mehrere gesehen.

Bei der übrigen Epidermis, zwischen den Leuchtorganen, sind die Befunde dieselben. Nur einmal sah ich einen eben so dicken Ast wie in Fig. 15 an das Pigment treten, sonst ließen sich die Aus- läufer nicht so weit beobachten.

An der Bauchhaut des 94 mm langen Embryos ergab sich etwas Ähnliches.

Ich sah keinen einzigen Nerv, der an ein Leuchtorgan ging, die hier, wie Fig. 22 zeigt, schon recht stattlich entwickelt sind, wohl aber solche in ihrer Nähe, die mitten in der Cutis endigten.

Fig. 18, 19a und 195 stellen die Nervenfasern dar, die ich am weitesten verfolgen konnte. Der obere Theil des Nerven in Fig. 19u ist nur bei sorgfältiger Benutzung der Mikrometerschraube zu sehen, und es lässt sich nicht entscheiden, ob er nicht ein abgeschnittener Theil des auf dem nächsten Schnitt (Fig. 195) sichtbaren Ausläufers einer Pigmentzelle ist. Auf jeden Fall ist es wohl nach Enmıv BALLOwWITZ! anzunehmen, dass an dieser Pigmentzelle der Nerv bis zum Epithel wandert.

Ein zweiter feiner Ast geht von dem am weitesten links stehen- den der drei Kerne in der Cutis zum Pigment.

! Diese Zeitschr. Bd. LVI. Leipzig 1893.

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 151

Aus den vorstehenden Resultaten geht hervor, dass im Verhältnis zur Gesammtzahl der Leuchtorgane die Menge derer, an die ein Nerv herantritt, eine äußerst kleine ist.

Ferner, wenn ein Nerv überhaupt zu ihnen geht, so befolgt er dasselbe Verhalten wie die das gewöhnliche Epithel versorgenden Äste. Er tritt eben so wie diese in das Pigment und verzweigt sich dort, so dass nur einzelne, feinste Ausläufer den Leuchtorganen zu- kommen können.

Es ist also anzunehmen, dass die Leuchtorgane nicht specifisch innervirt werden, dass dies vielmehr von den allgemeinen Hautnerven geschieht.

Über die Entwicklung der Leuchtorgane während des embryo- nalen Lebens ist nach dem beim erwachsenen Thier schon erkannten Bau, dass die Basalmembran das Ganze umschließt, nichts Neues, nur eine Bestätigung zu erwarten.

Fig. 21 und 22 zeigen zwei Stadien, die erste ein sehr frühes, die zweite ein späteres, wo sich die Ausbildung schon sehr der beim erwachsenen Thier genähert hat.

Bei der Entwicklungsstufe, die in Fig. 21 festgehalten worden ist, ist das gewöhnliche Epithel 2,75 u hoch, an der abgebildeten Stelle misst es 3,02 u. Die Basalmembran ist also, wie sich auch ohne Maß konstatiren lässt, gegen die Cutis vorgewölbt; die Menge der Kerne hat gegen die der gewöhnlichen Fpidermis zugenommen, beide sind von gleicher Größe. An den Seiten beginnen sich schon die Zellen in eine solehe Richtung zu stellen, dass ihre Abkömmlinge die in der Mitte liegenden später überwuchern müssen. Ein Kem rechts und zwei links haben sich sogar in diesem Bestreben nach dem entstehenden Organ hin gekrümmt. Die ersten Ansammlungen von Pigment sind sowohl über als unter der Basalmembran als Ein- lagerungen gelb-grünlicher Körnchen zu konstatiren.

Den Abschluss des Epithels nach der freien Oberfläche bildet eine dünne, kontinuirliche Lage von Zellen mit langen schmalen Kernen.

Fig. 22 zeigt eine sehr viel höhere Entwicklungsstufe.

Es hat sich eine größere Menge von Zellen angesammelt und in die Tiefe gesenkt. Am Grunde sehen wir zwei von den mit ‚einer Vacuole versehenen Leuchtzellen in der Bildung begriffen (Zz2). In dem Kern der oberen Zelle sieht man deutlich auf jeder Seite eine napfförmige Vertiefung, die ich im optischen Durchschnitt wieder-

| 152 Leopold Johann,

gegeben habe. Während bei dem Stadium von Fig. 21 noch große Bluträume unregelmäßig den ganzen äußeren Theil der Cutis ein- nehmen, beginnt sich auf Fig. 22 schon der schalenförmige Sinus zu bilden.

ill. Funktion.

Was die Funktion unseres Organs anbelangt, könnte man an Verschiedenes denken. Es könnte ein Sinnesorgan oder eine Drüse sein und zwar entweder eine gewöhnliche Schleimdrüse oder eine modifieirte, ein Leuchtorgan.

Es für ein Sinnesorgan zu erklären, ist unmöglich, weil keinerlei zur Perception von irgend welchen Sinneseindrücken geeigneten Zellen in ihm vorhanden sind und auch die Innervation dann eine reichere sein müsste, derart, dass zu jedem Organ ein Nervenstämmehen träte. Die Auffassung als Drüse ist die richtige. Es sind zweierlei Sekretzellen vorhanden, die Leucht- und Linsenzellen. Die Leucht- zellen könnte man für Leyvig’sche, die Linsenzellen für gewöhnliche Becherzellen halten. Gegen beides spricht die Färbung des Sekrets, die keine Muein-, sondern eine Eiweißreaktion darstellt.

Vielmehr muss man wohl beide als Modifikationen dieser Zell- arten, das Ganze also für eine modifieirte Drüse, für ein Leuchtorgan ansehen und dafür sprechen auch sonstige gewichtige Gründe.

Spinax niger wurde zwar nicht im Leben beobachtet, wohl aber ein anderer Spinacide, Squalus fulgens (oder Isistius brasıliensis Q. G., oder Leius feroe Kner!) von G. BEnNnETT? Dieser konstatirte an ihm eine lebhafte Phosphorescenz und zwar an denselben Körper- stellen, an denen sich die fraglichen Organe von Spinax befinden.

Ich lasse seine Wahrnehmungen in wörtlicher Übersetzung folgen:

p- 100. »Als es dunkel geworden war, wurde der Fisch mit einem Netz gefangen. Er glich einem Pyrosoma und gab ein phos- phoreseirendes Licht von sich ........ « Der Fisch wurde darauf in ein Aquarium gesetzt und darin bis zu seinem Tode, der drei Stunden nach dem Fang eintrat, beobachtet.

p. 257: »Die ganze untere Fläche des Körpers und des Kopfes3 schickten ein lebhaftes, grünlich phosphoreseirendes Licht aus, welches von dem Thier selbst ausging ........ Als der Hai

i Denkschr. der Wiener Akad. Math.-naturw. Klasse. Bd. XXIV. 1865. p. 10. ? Narrative of a Whaling Voyage round the globe. London 1840. 3 Von mir, dem Verf., hervorgehoben.

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 153

“todt war, verschwand die Lichterscheinung vollständig vom Hinter- leib und nach und nach von den vorderen Theilen ........ Der einzige Theil, der nicht leuchtete, war ein schwarzer Ring an der Kehle!. Während die Unterseite der Brust- und Bauchflossen leuchteten, war ihre obere Seite mit Einschluss des oberen Lappens der Schwanzflosse in Dunkel gehüllt, eben so wie der Rücken und die Dorsalseite des Kopfes. Ich bin geneigt anzunehmen, dass diese Leuchtkraft des Haies auf einer besonderen Sekretion der Haut be- ruht. Mein erster Eindruck war, dass der Fisch vielleicht irgend welche phosphoreseirenden Substanzen aus der See oder von den Netzen, mit welchen er gefangen, an sich haften habe, aber eine senauere Untersuchung bestätigte diesen Verdacht nicht, denn die Gleichmäßigkeit, mit welcher das Licht an bestimmten Stellen des Körpers und der Flossen seinen Sitz hatte, und das Nachlassen und Verschwinden bei der Annäherung und dem Eintritt des Todes ließen keinen Zweifel bei mir zurück, dass das Leuchten eine mit dem Leben und der Einrichtung des Thieres verbundene Fähigkeit sei.«

So weit BENNETT.

Wie Fig. 2, 3, A, 7a, 75 zeigen, ist die Vertheilung der Leucht- . kraft über die Körperoberfläche bei Sqwalus fulgens völlig übereinstim- mend mit der Verbreitung der in Rede on Organe bei dem nahe verwandten Spinazx niger.

Auf der Oberseite des Kopfes und der Flossen sowie auf dem Rücken hat zwar Spinax auch noch Organe, aber nur sehr wenige, die vielleicht bei Squalus fulgens ebenfalls vorhanden sind, deren Leuchten aber im Vergleich zu dem von der dicht gedrängten Menge von Organen an der Unterseite erzeugten Licht zu schwach war, um dem Beobachter aufzufallen.

Ferner stehen bei Spinax auf einem ventral nicht geschlossenen Ring vor den Brustflossen, der nur durch die Organe der Seitenlinie und des Rückenfirsts unterbrochen ist, keine Leuchtorgane, wie Fig. 2 ‚und 3 zeigen.

Zum Überfluss erhielt Herr Prof. BLocumann durch die Freund- liehkeit Herrn Hofraths STEINDACHNER in Wien ein Stück der Bauch- haut dieses Leius feroxz, an dem zwar das Epithel leider zum größten Theil fort war, das jedoch noch Reste von fast eben so wie bei Spinax gebauten Organen erkennen ließ.

Bei der nahen Verwandtschaft beider Thiere, bei der, wie wir gesehen haben, frappanten Übereinstimmung der Vertheilung der

! Von mir, dem Verf., hervorgehoben.

154 Leopold Johann,

Phosphorescenz über den Körper bei ZLeius feroz mit der Anordnung‘ unserer Organe bei Spinax, bei dem gänzlichen Mangel anderer Organe bei Spinax, die geeignet sein könnten, diesen Effekt hervorzu- rufen und endlich bei der Existenz von Organen mit ähnlichen Be- 'standtheilen bei Sgualus ist es wohl zweifellos, dass die in Rede stehenden Gebilde von Spinax Leuchtorgane sind.

Auch die einzelnen Bestandtheile derselben lassen sich leicht in den Rahmen eines solchen einfügen. Die Leuchtzellen sind den leuchtenden Zellen der Phyllirrhoe bucephala zu vergleichen. Diese enthalten im konservirten Zustand ebenfalls eine große Vacuole mit geringen Mengen einer körnigen Substanz und ihr Protoplasma ist eben so wie das der Leuchtzellen mit kleinen Körnchen angefüllt'.

Bei den Pennatuliden? sind ebenfalls helle Zellen mit körnigem Inhalt der Sitz des Leuchtens. LevpısG? bildet eine Gruppe von Zellen vom Innenkörper eines augenähnlichen Organs von Gonostoma denudatum ab, die sehr den Leuchtzellen von Spinax gleichen. Er sagt p. 92 darüber: »Noch mag nicht unerwähnt bleiben, dass die Krümel und Körner in den Elementen des zelligen Körpers der augenähnlichen Organe gar wohl an die stark lichtbrechenden Gebilde im Hautsekret der Batrachier erinnern und also im Fall der wirk-. lichen Lichtentwieklung (die LeypIG bei seinen Organen auch nur vermuthet) gleich diesen der Sitz des Leuchtens sein könnten. «

Von Hippopodius gleba* ist festgestellt, dass dieser körnige In- halt thatsächlich mit dem Leuchten etwas zu thun hat.

RAPHAEL DugoIs sagt darüber auf p. 462 Folgendes:

»In Folge davon, dass auch Stücke von Zippopodius gleba auf einen Reiz hin zu leuchten anfingen, war es möglich, den Vorgang der plötzlichen Lichtentwicklung mikroskopisch zu beobachten. Es stellte sich heraus, dass im Moment der Reizung sich die Zellen, die vorher durchscheinend waren, trübten, indem das Protoplasma so die oben erwähnten Körner ausschied, wie sich in einer über- sättigten Salzlösung bei einer Erschütterung die Krystalle bilden.<

Über die Natur des körnigen Inhalts stellte PAncErI> fest, dass es eine fettige Masse sei und Leyvig> schließt sich ihm an, indem

! PAncCERI, Intorno alla luce che emana della Phyllirrhoe bucephala. 1872. RAPHAEL DUBoIs, Lecons de physiologie generale et comparee. Paris 1898.

2 PANCERI, Gli organi luminosi e la luce delle Pennatule. 1871.

® LEYDIG, Die augenähnlichen Organe der Fische. Bonn 1881. Taf.II, Fig. 11.

* RAPHAEL Dwugols, 1. ce. p. 52.

921.:C,

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 155

er sagt: »Wir sehen als wirklich leuchtende Substanz in allen jenen Fällen, die einer genauen histologischen Prüfung unterworfen sind, nur feinere oder gröbere Fetttheilchen; mögen dieselben nun ent- weder noch im Protoplasma der Zellen eingebettet liegen oder als Zellabscheidungen bereits die Grenze der Zellen oder des Thier- körpers verlassen haben.« Einmal ist diese Lehre schon von Rawırz! durchbrochen worden, der an Pholas dactylus feststellte, dass das leuchtende Sekret eine deutliche Mucinreaktion zeigte, d.h. sich mit Orange-Hämatoxylin blau färbte und auch ich glaube sie für die Körner der Leuchtzellen nicht acceptiren zu können, da sich diese mit Orange-G-Hämatoxylin gelb, mit Eosin-Hämatoxylin roth färben. Ich halte sie demnach für eine eiweißähnliche Substanz.

Was die Funktion der Linsenzellen anbelangt, so wäre es nicht direkt unmöglich, dass auch noch ihr Sekret Leuchtkraft besäße. Mit Sicherheit ließe sich ihre Thätigkeit nur am lebenden Thier feststel- len, wir müssen uns vorläufig nur auf Vermuthungen beschränken.

Auf jeden Fall ist aber, wenn die Leuchtzellen Licht erzeugen, bei dem größten Theil der Organe eine ihrer Aufgaben die, dem Lieht einen gangbareren Weg als durch das Epithel zu bieten. Wenigstens ist das Licht bei den meisten Organen gezwungen, durch sie hindurchzugehen.

Denn wie ich schon oben aus einander gesetzt habe, strebt in der Peripherie der Organe das Pigment mächtig empor, während es die Achse, in der sich mit einer Ausnahme diese Zellen immer be- finden, frei lässt (Fig. 8, 9, 10). Es werden also alle Strahlen, die nicht durch sie hindurchgehen, vom Pigment resorbirt.

Eine Ausnahme machen die Organe in der verdickten Epidermis der Schauzengegend.

Hier sind die’ Verhältnisse für diese muthmaßliche Funktion am ungünstigsten. Oft sieht man zwar hohe geschlossene Säulen von Linsenzellen wie einen Lichtschacht zur Oberfläche ziehen, aber meistens sind entweder zwischen die oberen Etagen mehr oder weniger dieke Epidermisschichten eingeschoben oder sie stehen gar nicht senk- recht über einander.

Hier würde eben die massige Ausbildung der Leuchtzellen und die damit verknüpfte höhere Leuchtkraft vikariirend für die mangel- hafte Stellung der Linsenzellen eintreten.

Am meisten geeignet für die Funktion, die ich ihnen zuschreibe, sind die Linsenzellen an den schief gestellten Organen des Rumpfes (Fig. 10).

156 Leopold Johann,

Sie sind hier sehr eng an einander gelagert, so dass das Licht, nachdem es das hier sehr dünne Keimlager überschritten, nur durch Flüssigkeit und einige feine Membranen von dem den Fisch um- spülenden Wasser getrennt ist.

Je mehr sie sich der Oberfläche nähern, um so größer werden sie, so dass sich das Licht nach außen hin ausbreiten kann.

Endlich halte ich es bei diesen letzteren Organen nicht für aus- geschlossen, dass durch die Einschaltung der Linsenzellen nicht nur eine Fortleitung, sondern auch eine Brechung des Lichtes beim Aus- tritt ins Wasser erzielt wird.

Was die Stellung der Organe von Spinat in der Reihe der schon bekannten Leuchtorgane anbelangt, so stehen sie in so fern einzig da, als sie der Epidermis angehören; jedoch ist dies kein Grund, sie nicht als etwas den übrigen Homologes zu betrachten, da von diesen als drüsenähnlichen Organen zu vermuthen ist, dass sie vom Ektoderm abstammen, wie es auch Dugoıs! thatsächlich für die Organe von Lampyris und Pyrophorus. festgestellt hat.

V. LENDENFELD? setzt die einfachen ocellaren Organe zu denen von Pyrosoma® in Beziehung und sieht in denen der PAyllirrhoe einen noch einfacheren Zustand. Aus den einfachen ocellaren Organen denkt er sich die höher organisirten entstanden. Die Organe der PAyllirrhoe bestehen aus einer Zelle, die von Pyrosoma aus einer Gruppe von Zellen und die einfachen ocellaren Organe aus vielen Gruppen, deren jede einen Tubulus bildet. Zu den letzteren ist auch das von Ussow* bei Gonostoma denudatum gefundene drüsenähnliche Gebilde zu rechnen.

Bei den ersteren beiden Arten bleibt das Sekret in den Zellen liegen, bei der dritten vereinigt es sich in einem centralen Hohlraum.

Zwischen diese beiden Gruppen müssen die pigmentlosen Organe von Chauliodus Sloani?, die pigmentirten von Spinax, Scopelus Rissoi® und Maurolicus® gestellt werden. Auf der einen Seite stehen sie den Organen des Pyrosoma näher, in so fern eine Formirung der Zellen in Drüsenschläuche noch nicht stattgefunden hat und das Sekret an seinem Bildungsort liegen bleibt, auf der anderen Seite

ze: Biolog. Centralblatt. Bd. VII. 1887. 3 PANCERI, Gli organi luminosi e la luce dei Pirosomi e delle foladi. 1872. * Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. 1879. Arbeiten der St. Petersburger Gesellschaft der Naturforscher. Bd. IV. 5 LEevDIG, Archiv für Anat. u. Entwicklungsgesch. 1879. 6 Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. 1879. Arbeiten der St. Petersburger Gesellschaft der Naturforscher. Bd. IV.

DD

Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 157

den einfachen ocellaren Organen in so fern, als schon eine Scheidung der Drüsenzellen von der nicht differenzirten Epidermis in Vor- bereitung ist, wie bei Spinax, oder schon stattgefunden hat wie bei den übrigen.

Ich betrachte das Organ von Spinax als gleichsam auf einem embryonalen Drüsenstadium stehen geblieben.

Die Organe von Spinax haben zu den oben erwähnten pigment- losen Organen von Chauliodus Sloanı nahe Beziehungen.

Leyvis! lässt sich folgendermaßen über sie vernehmen:

»Diese farblosen Organe liegen in der Lederhaut und ........ haben das Aussehen geschlossener blasiger Gebilde, an welchen man die homogene Grenzhaut, Tunica propria, unterscheidet und einen zellisen Inhalt, welcher sich auch hier in eine centrale und peri- pherische Partie sondert. Die erstere besteht aus größeren rund- lichen Zellen mit blasigem Nucleus ....... es sind vielleicht der Zahl nach 4—5 solcher Zellen, welche auch durch ihren Zusammen- schluss in sehr bestimmter Weise eine Art Innenkörper erzeugen. Die peripherischen Zellen, wie zu einer Rinde geordnet, sind um Vieles kleiner und von Gestalt eylindrisch ........ Ferner nehme ich wahr, dass jenseits der Grenzhaut sich um unseren Körper ein liehter Raum herumzieht, abgegrenzt innerhalb des Bindegewebes der Lederhaut. Hierbei spannen sich einzelne feine Fädchen von der Wand des umgebenden Raumes herüber zur Grenzhaut des Organs, ungefähr so wie ähnliche Fäden in Lymphräumen, welche Blutgefäße einschließen oder wie auch im Herzbeutel der Fische und Amphibien solche Verbindungsbrücken sich treffen lassen.«

Der Innenkörper entspricht den Leuchtzellen, die peripherischen Zellen den umgebenden Palissadenzellen, die Tunica propria der Basal- membran und endlich der umgebende lichte Raum dem Blutsinus. In der That bieten Flächenschnitte durch die Haut von Spinaz die- selben Bilder, wie sie Leypie von den in Rede stehenden Organen von Chauliodus giebt (Fig. 13). Hier liest das Ganze in der Outis und scheint auch zu ihr zu gehören.

Der einzige Unterschied ist das Fehlen von Pigment und die Lage in der Cutis bei Chauliodus. Ob der letztere Unterschied ein erheblicher ist, lässt sich ohne Kenntnis der Entwicklung der pig- mentlosen Organe nicht sagen. Es muss jedoch wohl nach der Über- einstimmung im Bau eine gewisse Verwandtschaft zwischen den

1 Archiv für Anatomie und Entwickelungsgeschichte. 1879. p. 376. Taf. XV, Fig. 8.

158 Leopold Johann,

pigmentlosen Organen von Chauliodus und denen von Spinaz ange- nommen werden.

Ferner hat das Leuchtorgan von Spinax in so fern Beziehungen zu dem drüsenähnlichen Organ von Scopelus Rissoi!, als auch bei diesem die Zellen in koncentrischen Kreisen angeordnet sind. Die von EMERY? bei. Scopelus beschriebenen Organe scheinen mir keine Berührungspunkte mit denen von Spinax zu haben.

Endlich muss ich noch erwähnen, dass ich bei verschiedenen anderen Fischen nach ähnlichen Organen suchte, jedoch entweder nichts Derartiges fand oder daran scheiterte, dass das ganze Epithel verschwunden war.

Es wurden von Fischen aus der Sammlung des Instituts unter- sucht: Stegostoma, Carcharias, Scyllium catulus, Pristiurus, Mustelus vulgaris, Orossorhinus, Zygaena malleus, Acanthias, Chimaera mon- strosa. Von FRITSCH in Prag erhielt ich Hautstücke von Centrophorus granulosus, Ohlamydoselache anguinea und Laemargus borealis. Da dieser aber das Spiritusmaterial vor der Versendung getrocknet hatte und dieses hier erst in Wasser aufgeweicht werden musste, war das Epithel verloren gegangen.

Durch die freundliche Vermittelung Herrn Prof. BLOCHMANN’sS erhielt ich vom Hamburger Museum ein Stück Haut von Sceymnus lichia, an dem jedoch leider auch kein Epithel mehr war, von der Zoologischen Station in Neapel Kopf- und Bauchhaut von Prostiurus melanostomus und Mustelus laevis. In beiden war nichts, was den Organen von Spinax ähnlich gesehen hätte, zu entdecken.

Nachtrag.

Als die vorliegende Arbeit schon im Drucke war, sandte mir Herr Prof. Dr. BLOCHMANN eine Notiz des Herrn Dr. THEODOR BEER, der, ohne von meiner Arbeit zu wissen, zu meiner Freude konstatirt hat, dass Spinax niger wirklich leuchte. Ich lasse sie mit seiner gütigen Erlaubnis wörtlich folgen:

Über das Leuchten von Spinax niger.

Als ich gelegentlich der Augenspiegeluntersuchung dieses Fisches, der in Tiefen von 300—3000 m vorkommt, und nur äußerst selten

1]. e. Ussow. 2 Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. V. Leipzig 1884.

Über eigenthiiml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 159

lebend in die Station gebracht wird, das Zimmer vollständig ver- dunkelte, fiel mir das Leuchten des Thieres auf.

Das beobachtete Exemplar war 26 cm lang, hatte an zwei Stellen der Ventralseite Haut und Muskulatur durchsetzende Risswunden, schwamm und athmete aber noch ziemlich gut, machte, wenn man es ergriff, kräftige Abwehrbewegungen.

Das Leuchten des Thieres war, wie ich mehreren Herren demon- striren konnte, auf 3—4 m sichtbar, und ich zweifle nicht, dass es bei einem nicht moribunden Thier intensiver sein kann.

Die ganze Bauchseite des Thieres von der Schwanzflosse bis an das Maul erglomm in einem schwachen, grünlichen Schein, wie wenn sie schwach mit Phosphor oder einer Leuchtfarbe bestrichen gewesen wäre, doch mit dem Unterschied, dass das Leuchten in kurzen Inter- vallen verschwand, wieder zum Vorschein kam, beträchtlich intensiver wurde etc.

Durch mechanischen Reiz, Streichen mit dem Finger über die Bauchhaut, Kneipen der Bauchhaut, Beklopfen, konnte keine Ver- änderung des Leuchtens oder Nichtleuchtens hervorgerufen werden, hingegen schien elektrische Reizung (Drähte von der sekundären Spirale, Schlittenapparat, Stromstärke, welche direkte Muskelreizung bewirkte) Leuchten auszulösen.

Elektrische Reizung des Rückenmarks bewirkte an dem zuletzt moribunden Thier, das kein Licht mehr von sich gab, kein Aufleuchten.

Zool. Stat. Neapel, 31. Januar 1899.

Erklärung der Abbildungen. Alle Präparate, bei denen nichts Besonderes dazu gesagt wurde, sind mit Orange-G-Hämatoxylin gefärbt. Alle Angaben über Vergrößerungen beziehen sich auf Zeiss’sche Instrumente.

Gemeinsame Bezeichnungen:

Big, Blutgefäß; Lo, Leuchtorgane; R,Ring an der Kehle, nicht Blk, Blutkörperchen; ZLsz, Linsenzelle; geschl.,ohne Leuchtorg.; Bm, Basalmembran; Lz, Leuchtzelle; Sekr, körniger Rückstand Cl, Kloake; N, Nerv; des Sekrets der Leucht- Do, Dotterstock; Na, Nasenöffnung; zellen;

Hst, Hautstachel; Pgm, Pigment; Sk, Offnung der Schleim- Leyd, Leyvig’sche Zellen; Plsz, Palissadenzellen; kanäle;

Spr, Spritzloch.

160 Leopold Johann, Über eigenthümliche epitheliale Gebilde etc.

Tafel X und XI.

Fig. 1. Oberflächenbild der Haut von Spinax in der Gegend der Seiten- linie. Lupenvergrößerung.

Fig. 2. Dorsalansicht des Embryos von 93,5 mm Länge. Die Punkte be- deuten Leuchtorgane. Die Organe an der Basis der Brust- und Bauchflossen sind etwas zu weit nach außen gezeichnet. Bei richtiger Perspektive wären sie vom Rumpf verdeckt. Nat. Größe.

Fig. 3. Derselbe Embryo, von der Seite gesehen. Nat. Größe.

Fig. 4. Derselbe Embryo, von der Ventralseite gesehen. Der Dottersack ist bis auf einen Stumpf abgeschnitten worden. Um das Doppelte vergrößert.

Fig. 5. Hautstachel mit umgebender Epidermis. Gezeichnet bei Oec. 2, Obj. E mit Apparat. Auf die Hälfte verkleinert.

Fig. 6. Kopf vom erwachsenen Spinax. Die hell gehaltenen Stellen sind von verdickter Epidermis bedeckt. Nat. Größe.

Fig. Ta. Schwanztheil mit Bauchflossen des 93,5 mm langen weiblichen Embryos. Vergr.

Fig. 7d. Bauchflossengegend eines männlichen Embryos. Vergr.

Fig. S. Medianschnitt durch ein Leuchtorgan aus der verdickten Epider- mis des Kopfes. Gezeichnet bei Oc. 2, Olimm. 1/12. Apparat. Um die Hälfte verkleinert.

Fig. 9. Flächenschnitt der Haut eines erwachsenen Spinax in Höhe einer Linsenzelle. Oec. 2, Obj. 1/12. |

Fig. 10. Organ von der Seite des Schwanzes. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12. Apparat. Um die Hälfte verkleinert.

Fig. 11. Organ aus der Haut von der Unterseite des Rostrums. Das Pig- ment ist zerstört. Die oberste Linsenzelle ist entleert. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. E mit Apparat. Junges Stadium der Linsenzellen.

Fig. 12. Organ von derselben Stelle wie Fig. 11. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12. Apparat.

Fig. 13. Flächenschnitt durch die Haut in Höhe der Leuchtzellen. Ge- zeichnet bei Oc. 2, Obj. E Apparat.

Fig. 14. Tangentialschnitt durch ein Organ in der verdiekten Epidermis der Unterseite des Rostrums mit einem Nerv. Gezeichnet bei Oec. 2, Obj. E mit Apparat, das Epithel aus freier Hand ergänzt bei 1/12.

Fig. 15. Schnitt durch ein Organ an der Seite des Schwanzes mit einem Nerv. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. E mit Apparat.

Fig. 16. Schnitt durch ein Organ an der Unterseite des Rostrums mit einem Nerv. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. E mit Apparat.

Fig. 17. Schnitt durch das Epithel von eben daher wie in Fig. 1 mit einem Nerv. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12 mit Apparat.

Fig. 18. Osmiumsäure-Holzessig-Präparat. Schnitt durch die Bauchhaut eines Formolembryos mit Nerv. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12.

Fig. 19a, 195.. Auf einander folgende Schnitte durch die Bauchhaut eines Formolembryos von ungefähr 10 mm Länge. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12 mit Apparat.

Fig. 20a, 205. Schnitte durch gewöhnliches Epithel von ebendaher wie in Fig. 16. Auf einander folgend. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. E mit Apparat.

Fig. 21. Schnitt durch die Haut eines Embryo. Länge unbekannt. Junges Stadium der Leuchtorgane. Nach einem Karminpräparat, das mit Orange-G nachzu- färben versucht wurde. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12 mit Apparat.

Fig. 22. Alteres Stadium der Leuchtorgane aus der Bauchhaut eines For- molembryos von ungefähr 110 mm Länge. Gefärbt mit Hämatoxylin. Gezeichnet bei Oe. 2, Obj. E mit Apparat.

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen bei der Eibildung einiger Mollusken und Arachnoiden.

Von eand. rer. nat. Paul Obst

aus Berlin.

Mit Tafel XII—XIII und 5 Figuren im Text.

(Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.)

Einleitung.

Mit Untersuchungen über die Ei- und Samenbildung der Pulmo- naten beschäftigt, erhielt ich bei Anwendung verschiedener Doppel- färbungen besonders klare Bilder von den eigenthümlichen, aus zweierlei Substanzen zusammengesetzten Nucleolen älterer und jüngerer Eier. Dieselben gaben die Veranlassung, der Entstehung dieser oft sonderbar gestalteten, zweitheiligen Nucleolen nachzu- forschen und ihre Umbildung in den einzelnen Stadien der Eibildung zu verfolgen. Im Laufe der Untersuchung wurden dann noch andere Thierformen, vor Allem die Lamellibranchiaten, herangezogen, bei denen bekanntermaßen diese Zweitheiligkeit besonders stark aus- geprägt und schon von einer Reihe von Forschern genau beschrieben worden ist (BISCHOFF, v. HESSLING, LEYDIG, FLEMMING, STAUFFACHER, - List u. a.). Weiterhin erschien es dann wünschenswerth, auch die Eier verschiedener Araneinen in den Kreis der Betrachtungen zu ziehen, da sie in mancher Hinsicht ebenfalls ähnliche Verhältnisse aufweisen, nach anderer Richtung allerdings von den genannten Formen auch wieder abweichen. Es ist von entschiedenem Interesse, in zwei so weit von einander entfernten Thiergruppen diese in mancher Beziehung sehr stark übereinstimmenden Vorgänge sich abspielen zu sehen.

Es lag in meiner Absicht, nicht nur die im Folgenden geschil- derten Vorgänge der Entstehung und Umbildung der Nucleolen in

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 11

162 Paul Obst,

den Ovarialeiern zu verfolgen, sondern auch vor Allem die Umwand- lungen zu studiren, welche die Nucleolen beim Übergang des Keim- bläschens in die erste Richtungsspindel erfahren, um nachzuweisen, welches Schicksal die Nucleolen beim Eintritt in die Eireifung haben, ‘bezw. welche Bedeutung ihnen zukommt. Leider waren meine Be- mühungen nach. dieser Richtung bisher nicht von großem Erfolg gekrönt. Es gelang mir nicht, die letzten Umbildungen bezw. die Auflösung der Nucleolen zu verfolgen, und nach meinen Erfahrungen muss ich annehmen, dass dieser Vorgang sich außerordentlich rasch vollzieht. Es ist auch bei den von mir untersuchten Formen nicht ganz leicht, sich gerade Eier in den betreffenden Stadien in genügen- der Menge zu verschaffen. Immerhin vermochte ich in einer Anzahl von Eiern auch nach ihrem Austritt aus der Zwitterdrüse (bei Zimaz) die Nucleolen neben der ersten Richtungsspindel noch nachzuweisen, wovon später die Rede sein wird.

Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Professor KORSCHELT für die liebenswürdige Anleitung bei diesen Untersuchungen meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.

Material und Methoden.

Die Untersuchungen wurden zunächst an zwei Pulmonaten, Helix pomatia und Limax mazximus, sowie an einem Lamellibranchiaten, Unio batavus, angestellt und später durch Heranziehen einiger Araneinen erweitert. Von Spinnen wurden untersucht: Zpeira diade- mata, Dolomedes fimbriatus, Tegenaria domestica und Drassus quadri- punctatus. Als Konservirungsmittel benutzte ich bei allen Objekten Sublimat, welches sich für meine Zwecke am brauchbarsten erwies. Andere Konservirungsmittel wie z. B. Chromosmiumessigsäure und Pikrinessigsäure hatten den Nachtheil, dass sie den gewünschten Kontrast der Farben im Präparat weniger stark hervortreten ließen, als dies bei Anwendung der Sublimatlösung der Fall war. Bevor ich die Tinktionsmethoden, welche von mir in Anwendung gebracht wurden, angebe, möchte ich bemerken, dass außer bei Dol. jimbriatus sämmtliche Schnitte mit Wasser auf die Objektträger geklebt wurden, um irgend welche Beeinflussung durch die Klebsubstanzen bei den Färbungen zu vermeiden. Die Anwendung von Säuren, wie sie bei bestimmten Färbungen zum Ausziehen des überschüssigen Farbstoffes stattfindet, wurde mit Absicht völlig vermieden, um die Beurtheilung der Wirkung der Farbstoffe auf die verschiedenen Substanzen der Nucleolen dadurch nicht zu erschweren. Hauptsächlich ging mein

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 163

Bestreben dahin, nur mit je einer Farbe der rothen und blauen Reihe möglichst bei allen vorgenannten Objekten differente Tinktionen zu erreichen; dies ist mir denn auch gelungen.

Die Kombination von Boraxkarmin-Hämatoxylin ergab zwar für die Nucleolen der älteren unreifen Eier von Helix pomatia eine differente, aber, wie es sich bald herausstellte, völlig unzuverlässige Färbung, während sie die Kernkörper der jüngsten und jüngeren Eier überhaupt nicht merklich vom Chromatin unterscheiden ließ. Aus diesen Gründen machte ich von der erwähnten Doppeltinktion bei den übrigen Objekten keinen Gebrauch.

Mit dem FLEemumin@’schen Orangeverfahren konnte ich bei Helix pomatia keine brauchbaren Präparate erzielen, trotzdem die Dauer der Einwirkung von Safranin bezw. Gentianaviolett und Orange G bei den einzelnen Versuchen eine sehr verschiedene war.

Die Bıoxnpr’sche Lösung, von welcher ich von vorn herein aus verschie- denen Gründen gute Resultate erwartete, lieferte mir solche doch nicht, wess- halb ich auf ihre Verwendung bald verzichtete. Eben so ungünstige Resultate für die jüngsten und jüngeren Eizellen lieferten Kombinationen der verschieden- sten in geringerer oder stärkerer Koncentration angewandten Anilinfarbstoffe.

Weiter ist noch zu erwähnen, dass die HEIDEnHAIN’sche Hämatoxylin- Eisenlackfärbung ohne Erfolg von mir versucht wurde. Allerdings habe ich mit derselben keine sehr weitgehenden Versuche unternommen, da mir eine andere, gleichzeitig mit dieser vorgenommene Doppeltinktion die gewünschten Resultate brachte.

Ich färbte nämlich mit Boraxkarmin vor, und zwar in toto 16—17 Stunden lang; auf die Schnitte ließ ich dann Solidgrün ein- wirken. Hierdurch erhielt ich bei den älteren Eiern ausgezeichnete Differenzirungen. Besonders bewährte sich sodann das Methylgrün, namentlich auch bei den jungen Eiern, an welchen die Färbung mit Solidgrün weniger günstige Resultate ergab. Man hat es bei dieser Färbemethode bequem in der Hand, durch Alkohol den einen Farb- stoff bis zu einem gewissen Grade auszuziehen, während dem unbe- schadet der andere im Präparate verbleibt. Die Differenzirungen waren bei allen Stadien am deutlichsten, wenn das Methylgrün, welches in stark verdünnter, wässeriger Lösung zur Verwendung ge- lanste, etwa nur drei Stunden einwirkte. Wurden die Schnitte in diesem Farbstoff länger belassen, so erhielt ich keinen so schönen Kontrast zwischen dem leuchtenden Roth und dem tiefen Blau.

Bemerken möchte ich noch, dass die Farben in den Abbildungen zumeist in den Nuancen der Präparate möglichst getreu darge- stellt sind.

11*

164 | > Paul Obst,

Litteraturübersicht.

Bekanntlich können in einem und demselben Kern neben einander Nucleo- len von zweierlei verschiedener Substanz vorkommen. FLEMMING (16) unter- scheidet z. B. verschiedenartige Nucleolensubstanzen in dem von ihm als Haupt- und Nebennucleolen bezeichneten Gebilden. Nach O0. HErTwıG (31) giebt es Nuclein- oder Chromatinnucleolen und Paranuclein- oder Pyreninnucleolen. Beide Autoren heben jedoch hervor, dass in unreifen Eiern vielfach noch Kernkörper anzutreffen wären, welche deutlich eine Zusammensetzung aus Haupt- und Nebennucleolarsubstanz (FLEMMInG), bezw. aus Nuclein und Para- nuclein (OÖ. HeRTwIG) erkennen ließen. FRoMMAN (22) führt drei Arten von Kernkörpern an, welche in ihrem Verhalten zu Farbstoffen und Reagentien different sind:

1) Nucleinnucleolen. Dieselben sind. in den Eiern; zum großen Theil gehen sie aus Theilungen des Kernbandes hervor und verhalten sich Reagen- tien gegenüber, wie die Nucleingerüste des Kernes.

2) Plastinnucleolen. Diese sollen durch Methylgrün nicht gefärbt werden.

3) Gemischte Kernkörper. In ihnen sind die konstituirenden Bestandtheile zu einem einzigen Körper verschmolzen oder Nuclein und Plastin zu unter- scheidbaren Portionen gesondert.

Es liegt hier nicht in meiner Absicht, auf die Angaben über das Vor- kommen verschiedenartiger Nucleolen einzugehen, welche getrennt in den Kernen liegen, sondern ich möchte nur auf eine Reihe solcher Beobachtungen hin- weisen, die mit den von mir im Folgenden zu behandelnden Erscheinungen eine gewisse Übereinstimmung zeigen und im Allgemeinen eine Zusammen- setzung eines und desselben Nucleolus aus verschiedenen Substanzen erkennen lassen.

Eine derartige Zweitheiligkeit des Kernkörpers beobachtete WAGNER (67) an Unio und.-Anodonta. LACAZE-DUTHIERS (39), und BISCHoFF (8) bestätigten diese Angaben; letzterer behauptete, der Keimfleck bei den Najaden wäre An- fangs einfach und werde erst später zweifach. Nach v. HEssLınG (32 u. 33) geht der doppelte Nucleolus durch Theilung aus dem einfachen hervor. LEYDIG (41) bemerkte an Cyelas cornea ebenfalls eine doppelte Zusammensetzung des Keim- fleckes. CLAPAREDE (13) erwähnte ebenfalls eine Duplieität des Nucleolus bei Regenwürmern, eine Erscheinung, die VEJDOVSKY und BERGH (7) später nicht auffanden. Ferner fand VEJDOVSKY (65), dass der Keimfleck besonders in jünge- ren Eiern von Sternaspis wie mit einer dickeren, lichtbrechenden, homogenen Membran umgeben ist (ef. I. e. Taf. VII, Fig. 11 d, c). Diese Membran verdickt sich späterhin einseitig (1. ec. Taf. VIII, Fig. 11 d) und erscheint schließlich als ein glänzendes Buckelchen (ef. 1. e. Taf. VII, Fig. 11 w). Letzteres nahm bei Konservirung mit Chromsäure und Nachfärbung mit Pikrokarmin letzteren Farb- stoff nicht auf und hob sich somit von der anderen Substanz des Nucleolus durch seine gelbe Färbung ab (l. ec. Taf. VIII, Fig. 2, 3, 4, 11, 12 und 13).

HEUSCHER (34) berichtete über das Keimbläschen von Dion Siuitert Hubrecht, es enthielte einen großen, nach Behandlung mit Lithionkarmin wenig tingirten Nucleolus und zwei sehr intensiv gefärbte Nucleoli, von denen der eine den anderen an Größe meist vielfach überträfe.

Von FLEmmInG wurden nachher darüber genauere Untersuchungen an Ano- donta und Unio (15), sowie Dreissensia polymorpha (16) angestellt, deren Resultate

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 165

mit den früheren Beobachtungen übereinstimmten; auch er bemerkte, dass am jungen Eierstocksei der Lamellibranchiaten die spätere Zweitheiligkeit des großen Keimfleckes noch nicht vorhanden sei. Auf seine Befunde werde ich später noch genauer einzugehen haben. FLEMMING fand auch im Ei eines Säuge- thieres (Kaninchen; 17) eine an obige Verhältnisse erinnernde »Zweibuckelig- keit«< des Hauptnucleolus, nur in viel kleinerem Maßstabe.

O0. HerTwiG (28 u. 29) beobachtete dann bei vielen anderen Thieren das- selbe Verhalten des Keimfleckes, so bei Medusen, Siphonophoren, Gastropoden (Helix), Lamellibranchiaten (Anodonta und Tellina), Asteroiden (Asteracanthion), Echinoiden (Sphaerechinus) und Ascidien (Ascerdia nes) Meistens liegen beide Substanzen neben einander und sind mit einander verbunden. Dies ist jedoch bei den Siphonophoren nicht der Fall. Dort umgiebt nämlich die eine Substanz die andere, hellere, wie eine centrale Partie vollständig. Bei 4scidia intestinalis ist auch die sich stärker färbende Substanz ring- oder halbmond- förmig von der anderen eingeschlossen.

Der größere, blassere Abschnitt des Keimfleckes entspricht nun nach HErTwıG dem »Nuclein< (oder »Chromatin<), der kleinere, stärker tingirbare dem »Paranuclein<e (oder »Pyrenin«). OgATA’s (50) Abbildungen Taf. VI, Fig. 3a und 35, sodann Rückerr's (57) Fig. 2 und 3 auf Taf. XXI zeigen auch eine Zusammensetzung der Kernkörper aus zwei verschiedenen Substanzen.

STOLNIKOW (62) sah an einem oder beiden Polen der einen Substanz die andere kappenförmig aufsitzen, so Taf. I, Fig. 3 und 8, ferner Taf. II, Fig. 22. Verschiedene Nucleolen in den epithelialen Gebilden der Magenschleimhaut von Salamandern etec., Triton, Frosch, Kröte (auch Hund), stellte sodann Luck- JANOW (46) fest. Rt at V. Kia. 2, Par: VW, bis: 32 und Taf. VII, Fig.:41 und 44 sind die entsprechenden ran wiedergegeben. »

LEYDIG (43, p. 379 ff.) hatte schon längst »gelegentlich der Beschreibung des Eies von diesem und jenem Thier angemerkt, dass der Keimfieck eine ge- wisse Zusammensetzung aus optisch verschiedenen Substanzen habe«. Er er- wähnt bei dieser Gelegenheit einer Beobachtung an Synapta (42). Bei den Myriopoden begegnete LeyDIiG (43) einer großen Mannigfaltigkeit der Keim- flecke. Wenn das Keimbläschen nur einen einzigen, aber großen Keimfleck birgt, so sondert sich derselbe schon am lebenden Ei, besser noch bei Einwir- kung von Reagentien, ganz unverkennbar in zweierlei Substanzen: in eine blasse Mittelpartie, welche dicht vacuolär werden kann, und dadurch für die oberflächliche Besichtigung ein körniges Aussehen erhält, und in eine äußere . Partie von homogenem und geschichtetem Wesen. Fast noch klarer, wenn auch in etwas anderer Art, zeigt sich die Scheidung des Keimfleckes in eine Doppel- substanz bei Geophüus electricus (cf. LEYDIG, l. c. Taf. XIII, Fig. 61 und 62). Hier besteht in jüngeren Eiern neben den blassen, kleinen Keimflecken eine große »Macula germinativa, die wie eine Kapsel von scharfem, zweilinigem Rand sich ausnimmt, wobei sich das blasse Innere in eine helle, homogene Rand- schicht und in eine äußerst feinkörnige Mitte scheidet.< Von Insekten unter- suchte LeyDıG zunächst Stenobothrus (pratorum und varvabelis) und fand, dass auch hier wieder die Substanz des Keimfleckes doppelter Art sei. »Die größere Anzahl der zu Klumpen oder walzig bogiger Masse verbundenen Keimflecke ist von blassem Wesen; daneben aber fallen auf nicht in allen Eiern, aber doch häufig genug Klumpen und Theile der wurstförmigen Masse, welche von dunklerem Aussehen sind und schärferer Berandung, dabei auch gewöhnlich mit Hohlräumen versehen.< HERMANN (27) konstatirte bei den Spermatoblasten der

166 Paul Obst,

Maus zweierlei Kernkörpersubstanzen, die verschieden zu einander gelagert sein können. Häufig scheint die eine Substanz in Form von zwei kleineren Kugeln, der anderen umfangreicheren an beiden Polen aufzusitzen, Verhält- nisse, die ich bei meinen eigenen Untersuchungen noch zu erwähnen habe. Ähnliches zeigten auch die Kerne des Bindegewebes und Muskelzellen der Salamanderlarve, sowie Kerne von peripheren Glossopharyngeusganglienzellen des Kaninchens (ef 1. e. Taf. III, Fig. 45, 54 und 24). Während HERMANN mit diesen Untersuchungen beschäftigt war, erschien eine Arbeit von SANFELICE (58), in welcher dieser in einer Zellform, die er als »Cellule germinale« bezeich- net, die nämlichen Elemente antraf, wie sie oben von den Spermatoblasten- kernen beschrieben wurden. HERMANN sieht in denselben eine Bestätigung seiner Beobachtungen, und zwar nicht nur für die Maus, sondern eine ganze Reihe von Vertebraten (Maulwurf, Katze, Hund, Kaninchen, Igel, Hahn, Eidechse, Frosch und Raja asterias), wenngleich SANFELICE den beschriebenen Gebilden eine andere Deutung zukommen lässt.

LÖNNBERG (45) fügte nach eigenen Beobachtungen bei Zellina denen O. HeErTwiIG’s hinzu, dass zwei Arten von Nucleolen vorhanden sind: »bald neben einander und mit einander vereinigt oder sogar die eine die andere ringförmig umgebend, bald völlig von einander getrennt<«. Bei Doris proxima fand Verf. auch zwei Nucleolsubstanzen im Eikern, und zwar so, dass eine sich stärker färbende Kugel in eine größere, etwas hellere hineingesenkt war, und so den Nucleolus darstellten, obschon dies nicht immer deutlich war.

In den Einucleolen von Mytilus liegt oft eine (oder bisweilen zwei) große, hellere Kugeln in der Mitte oder ein wenig excentrisch, aber von der sich stärker tingirenden Substanz vollständig umschlossen; LÖNNBERG lässt in die- sem Falle die Möglichkeit offen, dass es sich um eine Vacuole handeln könne.

Bei Aeolidia papillosa erhielt LÖnNBERG ähnliche Bilder, wie sie FLEMMING von Unio abgebildet hat, nur mit dem Unterschiede, dass beide Kugeln hier beinahe gleich groß sind, und die blasse in der gefärbten eingesenkt liegt, bei Uno umgekehrt. Diese Schilderung betrifft nur die größeren Eizellen; die jungen besaßen nur einen einfachen, stark tingirbaren Nucleolus. Von ganz außerordentlicher Deutlichkeit treten nach LÖNNBERG in einer Art von Leber- zellen bei Doris proxima beide Substanzen in Nucleolenform hervor, ferner in der Leber von Polycera ocellata. Bei der Aeolidia papillosa ist dieser Doppel- bau der Nucleolen freilich auch vorhanden, aber bei Weitem nicht so deutlich und nicht so konstant, wie bei Doris proxima. Bei diesem Objekt enthielt der Kern immer zwei verschiedene Kernkörper. Der eine von diesen ist ganz kugel- rund, stark lichtbrechend und glänzend; er muss als eigentlicher Nucleolus auf- gefasst werden. Der andere ist blasser und größer, seine Gestalt ist bald rund- lich, bald länglich, bohnenförmig, also mehr unregelmäßig; diesen möchte Verf. als Nebennucleolus bezeichnen. Die Lage beider ist auch wechselnd, indem sie bald ganz neben einander liegen (oder sogar der Nucleolus in den Neben- nucleolus hineingesenkt), bald völlig getrennt sind. Aus der von LÖNNBERG in Fig. 5a gegebenen Abbildung geht hervor, dass die eine Substanz der anderen nicht immer an ihrem Pole, sondern auch an ihrer Mitte angeschmiegt sein kann.

FRENZEL (21), der über Amitose in der Mitteldarmdrüse von Astacus fluvia- tilıs Untersuchungen anstellte, giebt mehrere Abbildungen, an denen ebenfalls

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 167

eine gewisse Zweitheiligkeit des Kernkörpers durch Aneinanderlagerung zweier verschiedener Nucleolensubstanzen zu bemerken ist, wenngleich er sich darüber nieht äußert, da ihn diese Verhältnisse nicht interessiren. Ich möchte nur (l. ce.) auf Taf. XXV, Fig. 3, 4, 13, 21 und 22, ferner auf Taf. XXVI, Fig. 10 ver- weisen.

Hierher gehört auch eine Beobachtung von WAGNER (68), der im Keimbläschen von Melolontha vulgarıs in der Regel einen größeren, feinkörnigen, mit kleinen runden, glänzenden, zerstreuten Körnchen versehenen Kernkörper, und neben diesem einen um Vieles kleineren Nucleolus (ef. 1. c. Taf. II, Fig. A und (0) auffand.

Einige von vAN BEMMELEN (4, Taf. VI, Fig. 1) abgebildete Nucleolen der Eier von Brachiopoden zeigen offenbar eine Zusammensetzung aus zwei Nueleolsubstanzen.

HAECKER (23) erhielt interessante Befunde, als er die verschiedenen Stadien des Eierstockeies bei Cyelops brevicornis untersuchte. Er erinnert daran, dass in morphologischer Hinsicht die Keimbläschen der Eier gewissermaßen in drei Typen auftreten:

Im Lamellibranchiatentypus setzt sich der Hauptnucleolus vielfach aus zwei Substanzen zusammen, nämlich aus Haupt- und Nebennucleolarsubstanz. Bei dem Echinodermentypus ist nur ein einziger großer, indifferenter Keim- fleck vorhanden. »Allerdings können sich neben demselben namentlich gegen Schluss des Keimbläschenstadiums, noch einzelne kleinere nucleoläre Bläschen einstellen, aber der in der Einzahl vorhandene Hauptnucleolus tritt stets in un- zweideutig typischer Weise in den Vordergrund.< Bei dem Vertebratentypus endlich herrschen multinucleoläre Zustände vor.

Verfasser fand nun, dass während der Entwicklung der unreifen Eier von Oyelops brevicornis alle drei Typen vorkämen. So enthielten die jüngsten Keim- bläschen (ef. 1. e. Taf. XXVII, Fig. 3 WphI) nur einen einfachen Keimfleck, der im Sinne HerrwiG’s als Hauptnucleolus aufzufassen wäre; in einem nur wenig späteren Stadium zeigten sich sodann Nebennucleolen. Dabei könnte man häufig bemerken, wie der Hauptnucleolus einem Nebennucleolus kappenförmig aufsitze (l. e. Taf. XXVII, Fig. 4). Auch bei Canthocamptus (25) treten gegen Ende der Eireifung, wenn die Verdichtung des Chromatins ihren Höhepunkt zu er- reichen beginnt, neben dem verkleinerten Hauptnucleolus mehrere, sich meist weniger intensiv färbende Nebennucleolen auf. Diese Substanzverschieden- heiten vergleicht HAECKER vom rein morphologischen Standpunkte aus mit den von FLEMMInNG im Ei der Lamellibranchiaten konstatirten differenten Keim- flecksubstanzen. STAUFFACHER (60) bemerkte an Cyelas cornea eine Zusammen- setzung des Kernkörpers aus zwei Substanzen. Es war ihm unmöglich über die Bildung des doppelten Nueleolus aus dem einfachen (l. e. ef. Fig. 2) Auf- schluss zu erlangen. Später lösen sich die beiden Theile gelegentlich ab und liegen dann getrennt (Fig. 8). Mit Hämalaun färbten sich beide Partieen gleich tiefblau. Mit Boraxkarmin war der kleinere Theil bedeutend stärker tingirt (Fig. 4, 65, 7 und 8). In einigen Fällen war der Hauptnucleolus sogar drei- theilig (ef. Fig. 7).

Mit obigen Befunden STAUFFACHER's vergleicht WıLsonx (71) die Zweitheilig- keit des Keimfleckes bei Nereis. Fou (20, Pl. VIII, Fig. 20 und 21) und LAcAzE- DUTHIERS (40) erwähnen ebenfalls zwei verschiedene Substanzen am Keimfleck von Dentalium. FLODERUS (18) hat in neuerer Zeit bei Ascidieneiern den Sub-

168 Paul Obst.

stanzverschiedenheiten der Nucleolen seine Aufmerksamkeit zugewandt. Nach ihm ist der große Kernkörper bei Ciona intestinalis nur selten homogen und dann zumeist nur in den jüngsten Eiern. Gewöhnlich weist er zwei verschie- dene Bestandtheile auf. Am umfangreichsten ist eine stärker lichtbrechende Substanz, von welcher die andere blassere. vacuolenähnliche entweder vollstän- dig eingeschlossen oder wenigstens zum größten Theil begrenzt wird (ef. 1. e. _ Taf. X, Fig. 13). Bei Doppelfärbung mit Safranin-Gentianaviolett wird die Haupt- masse des Nucleolus von Safranin stark gefärbt. Was die Beschaffenheit der anderen Partie betrifft, so möchte Verfasser der Ansicht sein, es handle sich hier um eine Vacuole. Auch STEPANOFF (61, p. 212) ist geneigt, diese Bildungen bei Ciona intestinalis für Vacuolen anzusprechen. Die in konservirtem Material befindlichen zahlreichen vacuolenähnlichen Gebilde (l. e. Taf. X, Fig. 14) hält FLODERUS für Kunstprodukte, die besonders durch die Wasser entziehende Wirkung des Alkohols hervorgerufen wurden. Er theilt in dieser Hinsicht die Meinung For’s (19, p. 93). v. BENEDEN (5) fand in Eiern von Ascarıs megalo- cephala außer einem großen Nucleolus einen, zwei, manchmal auch drei Nucleolen, welche von geringerer Größe und weniger lichtbrechend waren als jener.

WOLTERECK (72) beobachtete in den Keimbläschen von Ostracoden-Eiern Nucleolen, welche hauptsächlich in drei verschiedenen Arten auftraten, nämlich:

1) Kugel- (Brocken) Nucleolen,

2) wurstförmige Nucleolen, und

3) Nucleolen in Form von zahllosen kleinsten Körnchen oder Bläschen.

Diese drei Arten Kernkörper waren in zwei Modifikationen vertreten: a) massiv, und b) vacuolenhaltig bis blasig.

Ich erwähne die verschiedenen Formen der Kernkörper mit ihren Modi- fikationen desswegen ausführlicher, weil WOLTERECK außer diesen Nueleolen im Keimbläschen noch ein Gebilde in Gestalt eines stets glashellen, scharf kontou- rirten Bläschens (= Vesicula vitrea) antraf, welches, abgesehen von seiner Kon- stanz, bezüglich seiner Gegenwart noch dadurch charakterisirt ist, dass es der Kernwand anliegend in der Einzahl auftrat (cf. 1. c. Fig. 5, 7, 10, 14—17). Ob dieses »Bläschen< einen Nucleolus vorstellt oder nicht, entzieht sich meiner Beurtheilung. v. LA VALETTE ST. GEORGE (64) bildete auf Taf. IV in Fig. 1 ein Keimbläschen einer Libellenlarve ab, welches deutlich zwei Nucleolen von ver- schiedener Natur erkennen lässt.

Sodann hat List (44) an den Eiern verschiedener Objekte diesbezügliche eingehende Untersuchungen angestellt. Er bediente sich im Gegensatz zu den bis jetzt erwähnten Autoren nicht der gewöhnlich zu Doppelfärbungen ge- bräuchlichen Tinktionsmittel, sondern gelangte durch chemische Reaktionen, die ich hier nicht anführen möchte, zu seinen Resultaten. Lıstr kam an der Hand seiner Beobachtungen zu dem Ergebnis, die Nucleolarsubstanzen stellten ganz im Allgemeinen nach ihrem chemischen Verhalten »>drei verschiedene Ge- bilde dar, von denen jedes wahrscheinlich wieder eine eigene komplicirte chemische Zusammensetzung besitze«. Auf seine Befunde an den Ovarialeiern verschiedenen Alters von Mytilus gallo-provincialis, sowie Pholas daciylus und Sphaerechinus granularis werde ich ebenfalls erst an anderer Stelle zurückkom- men. In allen diesen Eiern fand er Haupt- und Nebennucleolarsubstanz vor. Vorwegnehmen möchte ich jedoch seine an unreifen Eiern von Pristiurus melanostomus gemachten Beobachtungen, da bei den Wirbelthieren die Verhält-

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 169

nisse wesentlich anders liegen, und ich selbst an Vertretern dieses Typus keine Untersuchungen angestellt habe. Es ergab sich für Pristziurus die inter- essante Thatsache, dass das Keimbläschen keine Haupt-, sondern nur Neben- nuceleolarsubstanz enthält (ef. 1. c. Taf. XXII, Fig. 21—24). Auch seine Befunde von den Echinodermen möchte ich noch gleich hier erledigen (ef. 1. e. Fig. 27 bis 29). Dort tritt die nach seinen Ergebnissen als Nebenucleolarsubstanz geltende Masse ganz in den Vordergrund. Hierin befindet er sich mit HAECKER (24) im Widerspruch; leider habe ich Echinodermen noch nicht nach dieser Richtung hin studirt.

BrAEM (11) studirte bei Plumatella fungosa Umbildungen des Keimfleckes. Er beobachtete, dass der Kernkörper des älteren Eies bis zu einem gewissen Stadium in Kugelform auftrat. Diese Gestaltung konnte als Regel gelten. BRAEM sah jedoch, dass dieser Kernkörper sich später ausnahmslos »hühnerei- förmig« verlängerte, womit gleichzeitig eine Differenzirung seiner Substanz Hand in Hand ging. Weiter sagt BRAEMm darüber: »Zuweilen ist der Gegen- satz der beiden Nucleolhälften lediglich in der verschiedenen Färbbarkeit derselben ausgesprochen. In anderen Fällen wird er durch eine Einschnürung bezeichnet, die den Nucleolus in einen größeren, dunkelen und einen kleine- ren, hellen Abschnitt zerlegt< (ef. 1. c. Fig. 61 « und 3). Eine Dreitheiligkeit des Nueleolus hat er nur selten aufgefunden. Verfasser weist auf v. SIEBOLD (59), DAVENPORT (14), und REımmarD (54) hin, die bereits Ähnliches konstatir- ten. Der Keimfleck von Frederrceiella ist nach BRAEM eben so gebildet, wie bei Plumatella.

Bei Eusyllis beobachtete MALAQUM (47, p. 381) zwei substantiell verschie- dene Kernkörper, die in der heranreifenden Eizelle bald vereinigt, bald von einander getrennt vorkamen. In den älteren Stadien zog sich die »Haupt- partie« des Nucleolus »zackenförmig« aus.

Endlich ist eine Zusammensetzung des Kernkörpers aus zwei verschie- denen Substanzen noch von MıcHer (49) bei Nephthys gesehen worden, welche in der mannigfaltigsten Weise variirt und den Befunden von List (l. e.) ähneln soll. In der Note Mıcner’s sind noch einige Autoren erwähnt, so GIARD und RouzAuD, welche ebenfalls die oben geschilderten Verhältnisse an ihren Ob- jekten beobachteten.

Helix pomatia.

Ehe ich die weitere Ausbildung derjenigen Zellen bei Helix pomatia be- schreibe, welche ohne Zweifel als die jüngsten Eier anzusprechen sind, muss

_ ich mit einigen Worten auf die Spermatogenese eingehen, um die einzelnen

Zellenarten, welche sich in den Follikeln neben einander vorfinden, zu charak- terisiren, da bekanntlich die Pulmonaten in ihrer Keimdrüse beiderlei Geschlechts- produkte ohne bestimmte Anordnung neben einander hervorbringen. Im Übri- gen möchte ich auf die Arbeiten von PLATNER (52), v. LA VALETTE ST. GEORGE (63), ZIMMERMANN (73) und Anderen, die sich ausführlich hiermit beschäftigten, verweisen. Die Nomenklatur, deren ich mich hierbei bediene, ist dieselbe, wie sie PLATNER (52) nach v. LA VALETTE ST. GEORGE (63) und VoIGT (66) ange- wandt haben. 1) Sexualzellen Geschlechtszellen,

2) Spermatogonien Stammsamenzellen,

3) Spermatocyten Samenvermehrungszellen,

170 Paul Obst,

4) Spermatiden Samenausbildungszellen, und

5) Spermatosomen Samenkörper.

Die Sexualzellen, die nach PLATNER einen stark tingirbaren, homogenen Kern von unregelmäßiger Gestalt besitzen, habe ich nicht vorgefunden, ein Umstand, der leicht erklärlich ist, da mir nur Schnitte durch Drüsen auf der Höhe der Entwicklung vorlagen. Dagegen bemerkte ich zahlreiche kleine Zellen, deren Kern eine körnige Chromatinstruktur aufwies; sie entsprachen offenbar den Sexualzellen, die sich nach PLATNER durch die körnige Struktur des Kernes schon etwas in der Entwicklung vorgeschritten zeigten. Aus diesen Zellen können nun verschiedene Elemente hervorgehen, von denen uns nur die Spermatogonien und die Oogonien interessiren. Letztere be- zeichnet PLATNER als Primitiveier, im Gegensatz zu den älteren definitiven Eiern. Ich möchte sie jedoch Oogonien nennen und die Bezeichnung »Eier« vermeiden, denn diese Zellen sind eben noch keine eigentlichen Eier; sie theilen sich nämlich in diesem Stadium noch, was jene nicht thun, abge- sehen von den sich bei den Reifungs- und Befruchtungsvorgängen abspielen- den Theilungen. Erst aus den Theilprodukten dieser Oogonien gehen Eier im wirklichen Sinne hervor. In welcher Weise nun die Umbildung der erwähnten Sexualzellen in Spermatogonien und Oogonien stattfindet, habe ich nicht weiter verfolgt.

Die Spermatogonien zeigen einen großen, fein gekörnelten Kern, seltener mit einem, meistens mit zwei bis drei Kernkörpern. Diese Zellen liegen ge- wöhnlich im Centrum des Follikels und machen eine oder mehrere Theilungen durch, wie dies viele Knäuelstadien und mitotische Figuren anzeigen; sodann werden sie zu Spermatocyten.

Als Spermatocyten spreche ich Zellen an, die in Folge der stattgehabten Theilungen kleiner sind als die Spermatogonien. Wie PLATNER bereits her- vorhebt, trifft man sie gewöhnlich nur im Knäuelstadium an, nicht im Ruhe- zustande, ein Umstand, der durch die jetzt zahlreichen, rasch auf einander folgenden Theilungen zu erklären ist. Aus den Spermatocyten gehen nach der letzten Theilung die Spermatiden hervor. Letztere haben einen kleinen, ge- körnelten Kern, welcher von einem verhältnismäßig breiten Saum von Proto- plasma umgeben ist. Die Weiterentwicklung der Spermatiden verläuft nun folgendermaßen.

Der Kern, der bisher central im Plasma ruhte, nimmt allmählich eine periphere Lage ein, und man bemerkt, dass sich plötzlich an einer Stelle des Kernes eine homogene, sich stark färbende Partie bildet, welche immer größer wird und schließlich eine etwa bohnenförmige Gestalt annimmt. Inzwischen schwindet die gekörnelte Partie immer mehr, und der homogene Theil im Kerne, welcher unterdessen bedeutend größer geworden ist, bleibt zuletzt allein übrig: Er bedeutet die Anlage des Spermatosomenkopfes. Es hat sich, wie schon PLATNER beschrieb, aus dem gekörnelten Kern ein neuer, intensiv färb- barer gebildet; letzterer ist dabei aus dem Centrum der Zelle an eine Seite derselben gerückt, und zwar in der Weise, dass der Zellleib dabei eine Längs- streckung erfahren hat.

Die besprochenen männlichen Zellen weisen starke Differenzen ihrer Fär- bung auf. Diejenigen Kerne, welche in ihrer Ausbildung zu Spermatozoen- köpfen am weitesten fortgeschritten sind, zeigen die stärkste Verwandtschaft zu den blauen Farbstoffen. Je mehr sie jedoch in ihrer Ausbildung zurück sind, desto deutlicher ist eine Neigung zur Erythrophilie zu bemerken. Die

Untersuchungen über das Verhalten der Nueleolen etc. 7A

Farbentöne der in Betracht kommenden Kerne sind im Laufe der fortschreiten- den Entwieklung zuerst roth, sodann schwach violett, schließlich blau und am Ende grünblau, ja fast rein grün. Diese Angaben beziehen sich auf die Fär- bung mit Boraxkarmin und Methylgrün, welche Farbstoffe man in der rothen und blauen Reihe untergebracht hat. Ohne auf diese Verhältnisse großen Werth zu legen, möchte ich doch auf sie hinweisen, weil diese bei meinen Unter- suchungen nebenbei erzielten Färbungen eine prachtvolle und höchst typische Differenzirung der heranreifenden Spermatozoenköpfe aufwiesen.

Die Eibildung geht in der Weise vor sich, dass die Oogonien zu beträchtlicher Größe heranwachsen. Sehr bald, vermuthlich schon nach einmaliger Theilung, da man sie zumeist im Knäuelstadium findet, werden sie zu den eigentlichen Eiern, nach PLATNER defini- tiven Eiern.

Ehe ich auf die Verhältnisse des Kernes eingehe, möchte ich auf ein Verhalten der sich bildenden Eier zu sprechen kommen, welches auch schon von PLATNER (53) beobachtet wurde. Die wand- ständigen Eier von mittlerer Größe zeigen sich nach dem Inneren der Zwitterdrüse zu von flachen Zellen umgeben, so dass ein Follikel zu Stande kommt (Fig. ITund II). Die Zellen dieses Follikels, welche die Wand der Zwitterdrüse begrenzen, erscheinen größer als die anderen und sind mit einem umfangreichen, hellen Protoplasmakörper ver- sehen (Fig. I). Man findet diese wandständigen Zellen häufig unregel-

Textfig. I.

mäßig gelagert und im Begriff, in den Eikörper hineinzurücken. Hier scheinen sie einem Auflösungsprocess zu verfallen, denn als- bald wird ihre Begrenzung undeutlich (Fig. II. Wohl sieht man noch den Umfang ihres Zellkörpers, aber allmählich schwindet dieser, und nun bemerkt man nur den Kern im Protoplasma der Eizelle (Fig. II). Es sind dies jedenfalls dieselben Zellen, welche PLATNER bereits als Nährzellen angesprochen hat, und die er im Eikörper aufgehen ließ. Ich konnte beobachten, dass die Membran des Keim-

172 | Paul Obst,

bläschens nach der Seite, wo die Nährzellen lagen, undeutlich er- schien und gegen das Protoplasma verschwand (Fig. T). Man muss dieses Verhalten wohl dadurch erklären, dass es sich um eine an dieser Stelle stattfindende Wechselwirkung zwischen Kern und Zell- plasma und vielleicht also um eine Betheiligung des Kernes an der aufnehmenden Thätigkeit der Zelle handelt, wie sie von KORSCHELT (36) in einer größeren Anzahl von Fällen beschrieben worden und seit- dem von verschiedenen Autoren bestätigt worden ist. Zur Erläute- rung der beiden beistehenden Textfiguren (I und H) füge ich hinzu, dass die nach unten gerichtete Seite der Außenwand der Zwitter- drüse entspricht. Den Epithelzellen liegen nach außen flachere, an

N: N se a

Textfig. II.

der gezeichneten Partie nicht vorhandene Zellen an, welche eine äußere, zellige Hülle der Zwitterdrüse bilden.

Die jungen Eizellen unterscheiden sich von den Oogonien zu- nächst durch ihre periphere Lage, sowie durch ihren ganzen Habitus, der sich etwa folgendermaßen darstellen lässt. Der Kern stellt sich als ein deutliches, großes Keimbläschen dar, welches von einer scharf kontourirten Membran umgeben ist. Im Keimbläschen befinden sich gewöhnlich ein, selten mehrere kleine Keimflecke. Ein Haupt- kriterium jedoch für die Erkenntnis der allerjüngsten Eier scheint mir das im Keimbläschen stets wandständig gelagerte und zu Klumpen seballte Chromatin zu sein; diese Obromatinpartikel stehen an Größe den Keimflecken wenig oder gar nicht nach. Aus Fig. 1 sind diese Verhältnisse deutlich zu erkennen. Das Keimbläschen füllt fast die sanze Zelle aus; es erscheint ein wenig heller, als das umgebende Plasma und zeigt in seinem Inneren eine Menge unregelmäßiger, sich intensiv roth tingirender Chromatinbröckchen, die in der Hauptsache wandständig sind, wie oben erwähnt, d. h. an der Membran des

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. +73

Keimbläschens liegen. Zwischen diesen fallen oft etwas größere, manches Mal nur eben so große Körnchen, wie die rothen Chromatin- klümpchen, durch ihre Blaufärbung auf. Richtiger gesagt haben sie die blaue Farbe beibehalten, da mit letzterer die Nachfärbung erfolgte. Dies sind die Keimflecke. Ihre Anzahl ist, wie schon oben bemerkt wurde, unbestimmt. Die beiden verschieden tingirten Substanzen unterscheiden sich außerdem noch durch die äußere Form, in der sie auftreten. Die blaugefärbten Partikel sind stets mehr oder we- niger deutlich scharf abgerundet, während die anderen unregelmäßig seformte Klümpchen darstellen.

Zunächst glaubte ich, dass beide Substanzen sich nur zufällig tinktionell nicht gleich verhielten; hierin wurde ich noch bestärkt, da die Anzahl der blaugefärbten Körper äußerst schwankend ist. Bald konnte ich mich jedoch davon überzeugen, dass beide Klümpchen ihrem Färbungsvermögen nach, also auch wohl substantiell von ein- ander verschieden sein mussten, da alle derartigen Eistadien stets diese beiden Körner im Keimbläschen aufwiesen.

Woher diese blau reagirenden Bröckchen, die Keimflecke, wie wir sie bezeichnen müssen, kommen, habe ich am konservirten Ma- terial mit Sicherheit nicht ermitteln können. Sie sind bereits in den Spiremstadien der Oogonien aufzufinden, wo sie ebenfalls durch ihre schöne, lichtblaue Farbe im Gegensatz zu dem rothen Fadenwerk auffallen. Einige Male schien es mir, als ob die kleinen, eyano- philen Keimflecke aus allerkleinsten, eben solchen Körnchen zu- sammengesetzt waren. Die Vermuthung liest nahe, dass in irgend einer Weise die kleinen, erythrophilen Chromatinklümpchen chemisch zu einer anderen Substanz umgewandelt werden, ein Vorgang, der höchst wahrscheinlich äußerst rasch von statten geht und desshalb auf tinktionellem Wege nicht nachgewiesen werden kann. Es kommt hinzu, dass die differente Färbung der kleinsten chromatischen Par- tikelchen bei sehr starker Vergrößerung (Zeiss, Oc. 4. Homog. Imm. 1,30, Ap. 2 mm) äußerst schwer für das Auge zu erkennen ist. So ist es z. B. bei den in Fig. 2 und 3 abgebildeten jüngsten Eiern sehr schwer zu entscheiden, ob letztere bloß einen Keimfleck oder deren mehrere besitzen. Wenn hier wirklich noch einige Kernkörper vor- handen waren, so hatten sie denselben Umfang, wie die rothen Chromatinbrocken. Ein derartiges Größenverhältnis des Keimfleckes zum Chromatin liegt auch in der Fig. 1 (im oberen Ei) vor.

Bei einem in der Entwicklung um ein Weniges vorgeschrittenen Ei hat sich das rothe Chromatin seiner Hauptmasse nach noch mehr

174 Paul Obst,

peripher gelagert. Der Keimfleck ist, wie wir in Fig. 4 sehen, be- reits etwas größer geworden; ein zweiter liegt ihm an, um mit jenem später zu verschmelzen. Dasselbe ist bei einem Ei der Fall, welches in Fig. 5 abgebildet ist. Hier hat sich jedoch das periphere Chromatin - bereits fein vertheilt; dies zeigt auch Fig. 6, nur noch in viel ausge- sprochenerem Maße; man findet es hier und in den darauf folgenden Stadien nicht mehr in solchen Klumpen, wie die vorigen Figuren erkennen ließen. An Masse hat die cyanophile Substanz hier bereits zugenommen; außerdem sehen wir noch einen sehr kleinen Keimfleck in Bildung begriffen. Selbstverständlich wird bei der weiteren Aus- bildung des Eies das umgebende Plasma immer mächtiger an Aus- dehnung. Was sein tinktionelles Verhalten betrifft, so möchte ich noch erwähnen, dass das Plasma der Stadien von Fig. 1—7 sich außerordentlich intensiv roth färbt, während es später allmählich weniger Farbstoff in sich aufnimmt.

Fig. 7 zeigt nun thatsächlich eine Verschmelzung zweier Keim- flecke, welche noch nicht ganz beendet ist. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass der neue Keimfleck eine längliche Gestalt hat. Bemerkenswerth ist dabei die Anwesenheit von Vacuolen, die auf eine vielleicht zähflüssige oder plastische Beschaffenheit beider Kernkörper schließen lässt, ohne welche eine Vereinigung beider überhaupt nicht möglich wäre. Die Membran des Keimbläschens ist sehr ausgeprägt. Da die Masse der Nucleolensubstanz für ein Ei eines so jungen Stadiums verhältnismäßig sehr bedeutend ist, kann es nicht Wunder nehmen, dass man nicht noch ein oder zwei kleinere Keimflecke antrifft.

Anders verhält sich dies dagegen bei einem Stadium, welches etwas an Größe zugenommen hat (Fig. 8. Dort sieht man fünf Kernkörper, von denen der kleinere, rechts oben, vom benachbarten Schnitt mit in die Figur aufgenommen wurde. Denkt man sich alle fünf Keimflecke zu einem einzigen verschmolzen, so steht diese Masse wieder im Einklange mit der Größe des Eies. Die Membran des Keimbläschens wird von jetzt ab immer weniger deutlich. Bemerkens- werth ist, dass die Größe der Keimflecke sich ganz nach der Anzahl, in der sie auftreten, richtet.

Das in Fig. 9 abgebildete Stadium schließt sich eng an das vorige an, jedoch trifft man hier nur zwei Keimflecke an, was aus der Größe des einen leicht erklärlich ist; höchstwahrscheinlich waren hier vorher deren mehrere vorhanden, welche aber bereits zu dem srößeren verschmolzen sind. Eine Vacuole findet sich auch hier in

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 175

dem größeren Keimfleck vor. Jedenfalls ist die Masse der Kern- körpersubstanz vollkommen der im vorigen Stadium vorhandenen entsprechend. Im späteren Verlauf der Eibildung findet man zuweilen immer noch mehrere Keimflecke, doch bereits seltener und dann höchstens zwei an Zahl.

Fig. 10 zeigt ein für die Verschmelzung recht charakteristisches Bild. Die Anwesenheit von zwei Vacuolen deutet hier wieder einen sewissen Grad von Dickflüssigkeit der sich vereinigenden Substanzen an, ähnlich, wie dies in Fig. 7 der Fall war. Auch noch ein weiterer, weniger umfangreicher Keimfleck ist vorhanden. Er befindet sich in einem anderen, durch dasselbe Ei geführten Schnitte und ist hier noch in die Zeichnung eingetragen. Das erythrophile Chromatin liegt in feiner Vertheilung unregelmäßig im Inneren des Keimbläschens zerstreut.

War bisher in den Fig. 1—10 stets der Protoplasmaleib der Eier sanz mitgezeichnet, so ist dies für die Folge unterlassen. Der Zell- leib ist in Fig. 11 nach der einen Seite mit natürlich verlaufendem Kontour angegeben, nach der anderen aber abgeschnitten zu denken. Wäre er in seiner ganzen Ausdehnung abgebildet worden, so wären dem vorhandenen Stücke etwa noch zwei Drittel seines Umfanges hinzuzufügen. Bei Eiern dieser Größe findet sich sonst immer nur ein bereits größerer Keimfleck vor. In diesem einen Falle nur waren, trotzdem ich während der Untersuchungen eine außerordent- liche Anzahl von Eiern daraufhin betrachtete, zwei gleich große, nach Struktur- und Tinktion völlig gleiche Nucleolen vorhanden. Das Chromatin erscheint im Keimbläschen zu unregelmäßigen Klumpen vereinigt und bedeckt einen kleinen Theil des unteren der beiden Keimflecke. Man sieht jedoch bei tieferer Einstellung, dass letzterer in keiner Weise mit dem Chromatin etwa eine Verschmelzung ein- gegangen ist. Mehrere Vacuolen sind auch hier wieder anzutreffen. Stadien, wie sie Fig. 12 darstellt, zeigen nur, dass eine ganz auf- fallende Veränderung mit dem Keimflecke vor sich gegangen ist. Derselbe hat zunächst eine schon recht bedeutende Größe erreicht. Vergleicht man, beiläufig bemerkt, die Masse seiner Substanz in Fig. 11 mit der von Fig. 12 unter Berücksichtigung, dass das in letzterer Figur abgebildete Stadium etwas älter ist, so ergiebt sich, dass beide hierin einander durchaus entsprechen.

Auf den ersten Blick jedoch fällt die rothe Partie an der Peri- pherie des Kernkörpers auf. Dass man es nicht etwa mit über letzterem liegenden Chromatin zu thun hat, wie in Fig. 11, beweist

176 Paul Obst,

der Umstand, dass die rothe, wie die blaue Substanz nur bei einer und derselben Einstellung scharf sichtbar sind, also in einer Ebene liegen. Folglich muss die rothe Masse einen Theil des kugelförmigen Keimfleckes ausmachen; ob dies nun in Form eines Kugelsegmentes ‘der Fall ist, oder ob etwas blaue Substanz noch das Innere der rothen erfüllt, habe ich nicht ermitteln können, da die Nueleolen sewöhnlich nur auf einem Schnitte vorhanden sind.

Während in Fig. 11 deutlich rothes, aus unregelmäßig geformten Klümpehen bestehendes Chromatin, wie auch in der Zeichnung an- gegeben wurde, über dem betreffenden Keimfleck lag, haben wir es hier mit einer erythrophilen, homogenen Partie des letzteren zu thun. Dazu möchte ich bemerken, dass der Gegensatz zwischen den beiden Farbentönen im Präparate noch viel lebhafter und leuchtender ist, als dies in der Abbildung zum Ausdruck gebracht werden konnte.

Was über die Behandlung des Präparates zu erwähnen wäre, ist der Umstand, dass auch bei kurzer Ausziehung mit Alkohol eine solche schöne Farbendifferenz am Kernkörper erfolgte.

Man hat nun nicht, wie auch ich Anfangs meinte, an dieser Stelle etwa den Beginn der Abgabe des blauen Farbstoffes vor sich; denn, denke man sich eine Flüssigkeit in einen kugelförmigen Körper ein- dringen, so wird dies an allen Punkten natürlich mehr oder minder gleichmäßig von statten gehen, aber niemals nur an einer Stelle, und dann wird die Flüssigkeit niemals so kräftig auf einen Punkt einwirken, ohne auch an irgend einer anderen Stelle bereits Spuren ihrer Wirkung zu zeigen.

Auffallend ist es, dass sich das rothe Chromatin hauptsächlich in der Gegend dieser erythrophilen Partie des Keimfleckes ange- sammelt hat, ein Umstand, der die Vermuthung nahe legt, dies ery- throphile Stück des Keimfleckes stamme von dem erythrophilen Chromatin des Keimbläschens.. Was man bei diesen Stadien häufig findet, ist sodann ein kleiner, sich blau färbender Kernkörper, der sich noch in diesem späten Stadium zu bilden begonnen hat, aber in Folge der nahen Lage zum großen Keimfleck keine bedeutenden Dimensionen erreichen kann, sondern bald nach seinem Auftreten mit jenem eine Verschmelzung eingehen wird. So beobachtete ich häufig derartige kleine Nucleolen, welehe entweder dem größeren noch nicht anlagen, oder sogar halb in den letzteren hineingerückt waren. Vergleicht man PraArner’s (53) Abbildungen der Eier von Arzon empiricorum (1. ec.) Taf. 30 Fig. 6—9 mit dieser in Fig. 12 von mir gegebenen, so möchte man nach dem ersten Blick geneigt sein, den

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 177

kleinen Keimfleck hier mit dem dortigen für identisch zu erklären. Dies dürfte aber durchaus nicht richtig sein. Bei Arion empiricorum ist nach PLArTner der kleinere Kernkörper dem größeren nicht sleichwerthis. Verfasser sah dort dieses kleine Gebilde als kon- stantes Element während aller Phasen der Eibildung, im Gegensatz zu meinen Befunden an Helix pomatia, wo es nur in einem späteren Stadium des Eies vorkommt, denn auch zuletzt ist es wieder nicht mehr vorhanden. Hieraus ergiebt sich mit Nothwendigkeit der Schluss, dass eine Vereinigung beider Gebilde stattfindet. Es handelt sich hier also offenbar um einen Kernkörper, der substantiell dem größeren sleichzustellen ist, wenn man wenigstens nach seiner großen Affinität für das Methylgrün ein Urtheil fällen soll.

In derselben Arbeit gab PLATNER auch in den Fig. 13—15, Taf. 30 Abbildungen von unreifen Eiern von Helix pomatia. Er bemerkte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich, dass bei diesem Ob- jekt im Laufe der Eibildung stets nur ein Kernkörper vorhanden sei. Zu erwähnen wäre noch, dass einige Vacuolen, wie in den beiden früheren Stadien, so auch hier, im großen Kernkörper anzu- treffen sind.

Während sich bisher die Hauptmasse desselben in einem tiefen Blau äußerst stark tingirte, zeigte der Keimfleck der ältesten, unreifen Eier ein völlig abweichendes Verhalten von dem soeben geschilderten, unter der Voraussetzung natürlich, dass dieselben färberischen Be- dingungen obwalten (ef. Fig. 13). Jetzt nimmt er das Methylgrün nicht mehr 'so intensiv auf, oder er wird von dem Boraxkarmin in stärkerem Grade, als zuvor, durchdrungen; daher kommt es nach der Einwirkung beider Farbstoffe zu einem Mischton, welcher anzeigt, dass seine Affinität zum Methylgrün immer noch bedeutend überwiegt. Zunächst hat er an Volumen noch um ein Beträchtliches zugenommen, und ist dies der größte Umfang, den er überhaupt erreicht. In seinem Inneren ist es allmählich zur Bildung von vielen kleineren und größeren Vacuolen gekommen, welche dicht neben einander liegen und in der Regel noch zahlreicher sind, als es in der betref- fenden zur Abbildung gelangten Eizelle der Fall ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit an die von KorscHhELr (37) auf Taf. XXIX in den Fig. 66--68, 72, 74 und 75 dargestellten Keimflecke unreifer Eier von Ophryotrocha puerilis erinnern, die ebenfalls eine starke Vacuolisirung aufweisen; auch in den Kernen des Viererstadiums bei der Furchung hat der große Kernkörper bei diesem Anneliden

Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 12

178 Paul Obst,

denselben Bau (ef. 1. ec. Fig. 47 und 48). Ähnliche Strukturen der Nueleolen sind auch sonst häufig beobachtet worden.

Am auffallendsten ist bei diesem Nucleolus eine sich erythro- phil verhaltende Partie: er besteht nunmehr aus zwei Substanzen. -An allen Keimflecken ist eine derartige Sonderung desshalb nicht wahrzunehmen, weil, wie O. HERTWIG richtig bemerkte, der bei Helix pomatia dieselben Verhältnisse vorfand, der Kernkörper beim Schnei- den so günstig getroffen sein muss, dass der kleinere Theil seitlich von dem großen zu liegen kommt. Herrwıe (30) beobachtete, dass diese Partie, welche als Paranuclein aufzufassen ist und gewöhnlich eine kleine, flache Scheibe darstellte, oft in eine grubenförmige Ver- tiefung des Nucleolus eingebettet war. Sie macht, wie ich glauben möchte, eher einen Theil des kugelrunden Nucleolus aus, stellt also eine Calotte desselben dar. In Fig. 3 und 11 an Eiern von Mytılus gallo-provincialis und Pholas dactylus giebt Lıst (44) Abbildungen, die sich mit den soeben beschriebenen vergleichen lassen, nur sind die Farbenreaktionen die umgekehrten, was hier nicht weiter von Belang ist, da er sich anderer Mittel als ich bediente, um die Diffe- renzirungen hervorzurufen. Das Keimbläschen ist ganz gleichmäßig von allerfeinsten Chromatinkörnchen erfüllt, die in Strängen netz- förmig mit einander verbunden sind. Weiter enthält das Keim- bläschen noch einige gröbere Ansammlungen von erythrophilem Chromatin. Was nun die Herkunft dieser rothen Partie des Kern- körpers betrifft, so dürfte man wohl an konservirtem Material nicht zu einer sicheren Entscheidung gelangen. Ich möchte, gestützt auf meine Präparate, die Vermuthung aussprechen, dass sich das zu srößeren Klumpen geballte, sich roth tingirende Chromatin an den Keimfleck zunächst lose anlegt, später findet dann eine innigere An- einanderlagerung statt, die schließlich zu einer völligen Verschmel- zung beider Substanzen führt. Auffallend ist es nämlich, dass fast immer die gröberen Ansammlungen des rothgefärbten Chromatins dieht oder wenigstens ziemlich nahe bei dieser kleinen Partie des Kernkörpers liegen und genau dieselbe Nuaneirung im Fäarbenton zeigen, wie das Paranuclein.

Andererseits könnte es durch chemische Vorgänge im Inneren des herangewachsenen Keimfleckes zu einer plötzlichen Sonderung in zwei verschiedene Substanzen kommen, was bei der außerordent- lichen Schnelligkeit der Procedur auf tinktionellem Wege nicht zu ermitteln ist. Hauptsächlich hat der Keimfleck seine bedeutende Größe dadurch erlangt, dass er mit kleineren substantiell gleichen

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 179

Gebilden, die im Laufe der Entwicklung im Keimbläschen auftauchen, eine Verschmelzung eingeht. Höchstwahrscheinlich wird dem Kern- körper aber noch auf anderem Wege Material zu seinem Aufbau zu- seführt. Es ist nämlich sehr auffallend, dass sich oft um die Nu- eleolen, nach Art eines Hofes, erythrophiles Chromatin anlagert. Dass es sich hier nicht immer um eine Extraktionserscheinung handelt, seht daraus hervor, dass in derartigen Fällen gewöhnlich einzelne Chromatinpartikelcehen von einander deutlich zu unterscheiden sind. Ein solcher Saum ist an den Keimflecken der Figuren 4, 5, 6 und 11 zu bemerken. Ich vermuthe, dass dies rothe Chromatin mit zur Substanzvermehrung des Keimfleckes verwendet wird, und dass es in feinsten Partikelchen in den letzteren übergeht.

Limax maximus.

Die jüngsten Eier der Zwitterdrüse von ZLimaz mazimus sind etwas kleiner, als die in demselben Stadium befindlichen von Helix pomatia. Überhaupt stehen die Elemente der Geschlechtsdrüse dieser Nacktschnecke an Größe etwas hinter denen des vorher untersuchten Objektes zurück. Während jedoch bei Helix pomatia gerade in den jüngsten Eiern und auch noch in den etwas weiter vorgeschrittenen eine unbestimmte Anzahl eyanophiler Keimflecke vorhanden waren, trifft man bei dieser Form stets nur einen solchen an; derselbe ist schon verhältnismäßig groß (Fig. 14). In etwas älteren Eiern (Fig. 15) sieht man neben dem größeren, blau tingirten Keimfleck einen kleinen Kernkörper von äußerst geringem Umfange jenem anliegen. Dieser Nucleolus ist jedoch ausgesprochen erythrophil, da er sich tief dunkelroth färbt. Über die Substanzverschiedenheiten beider Nucleo- len kann kein Zweifel herrschen, denn die Tinktion ist, wie auch in den Folgestadien, eine äußerst intensive und dabei kontrastreiche. Weiter zurück verfolgen kann man diesen zweiten erythrophilen Kernkörper nicht, da er wegen seines außerordentlich geringen Um- fanges nicht mehr von den chromatischen Bestandtheilen des Keim- bläschens zu unterscheiden ist. Im weiteren Verlauf der Eibildung (Fig. 16 u. 17) ist nur ein Wachsthum beider Elemente zu konsta- tiren; auch möchte ich nochmals auf die auffallende Größe beider im Vergleich zum Keimbläschen in diesem und den sich anschließen- den Stadien aufmerksam machen. Zu erwähnen wäre sodann der Umstand, dass der Zwischenraum zwischen beiden Kernkörpern ge- legentlich größer geworden, und dass im Inneren des erythrophilen Körpers häufig eine Vacuole anzutreffen ist. In wenig älteren Eiern

12*

180 Paul Obst,

findet man nun, dass mit letzterem eine eigenthümliche Gestalts- veränderung vorgegangen ist, während bei jenem vorläufig nur ein Wachsthum zu konstatiren ist. Aus dem bisher runden Keimfleck hat sich ein länglicher, an einer Stelle eingebuchteter, scharf kon- tourirter Körper herausgebildet, der auf den ersten Blick bohnen- förmig erscheint (Fig. 18). In vielen Fällen zeigt er sich hingegen anders gestaltet; er ist dann rund, und sein Inhalt ist, wie bei der ersten Form, hell, ebenfalls mit dunklem, scharfem Kontour. Wenn man ein solches Bild von dem erythrophilen Keimfleck erhält, so hat man ihn im Querschnitt vor sich, während die andere Ansicht von einem Längsschnitt dargeboten wird. Richtiger gesagt ist er also als mützenförmig zu bezeichnen, da der Querschnitt bei der Bohnen- form mehr oval ausfallen würde. Im Allgemeinen werden Kern- körper von solcher Gestaltung für geschrumpft gehalten. Dies möchte ich aber für den kleinen erythrophilen Nucleolus von Limax maximus nicht zugeben: denn es wäre doch im höchsten Grade auffällig, dass stets bei allen Eiern nur dieses und der beiden nächstfolgenden Stadien eine Schrumpfung eintreten sollte. Hier vollziehen sich jedenfalls noch gewisse Umwandlungen im Inneren des Kernkörpers, welche dessen Gestaltsveränderung mit sich bringen. Auf welche Weise diese vor sich geht, habe ich nicht ermitteln können. That- sächlich fand ich bei allen Eiern dieses Alters den erythrophilen Kernkörper in der Mützenform vor. Jedoch möchte ich eine Ver- muthung hier aussprechen. Nämlich das Auftreten jener Vacuole, bei den um Weniges jüngeren Eiern (Fig. 17) möchte ich mit jenem Vorgang in Verbindung bringen, und dasselbe für den Ausgangspunkt halten, welcher die Umbildung der Kugel in die Mützenform einleitet. Jedenfalls möchte ich noch hervorheben, dass man in Fig. 17 nicht etwa einen Querschnitt des mützenförmigen Körpers, sondern eben nur einen Nucleolus mit einer centralen Vacuole vor sich hat. Dies ergiebt sich übrigens schon ohne Weiteres aus den Größenverhält- nissen. Zum weiteren Verlauf der Ausbildung bis zu den ältesten unreifen Eiern ist über den eyanophilen Keimfleck nur zu bemerken, dass es in seinem Inneren zur Bildung einiger Vaeuolen kommt, die man im letzten Stadium nicht mehr wahrnimmt. Mit dem erythro- philen Keimfleck geht jedoch eine weitere Veränderung vor sich. Er buchtet sich bedeutend mehr ein (Fig. 19) und hat nunmehr seinen größten Umfang erreicht. Im folgenden Stadium (Fig. 20) gestaltet sich sein tinktionelles Verhalten etwas anders als bisher. Zuvor war er ausgesprochen erythrophil; dies ist er jetzt nicht

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 181

mehr. Er färbt sich in einem Mischton. Das Keimbläschen von Eiern, die nur wenig weiter entwickelt sind, zeigt plötzlich außer dem eyanophilen Nucleolus den merkwürdigen mützenförmigen Nu- cleolus nicht mehr. Dafür trifft man einen anderen, völlig runden, homogenen Kernkörper an, der nach Anwendung der Doppeltink- tion ungefähr die Mittelfarbe zwischen Roth und Blau angenom- men hat (Fig. 21). Dies ist keineswegs einer längeren bezw. kürzeren Einwirkung oder Ausziehung der Farbstoffe zuzuschreiben, sondern beiden ist die gleiche Behandlung zu Theil geworden, wie den in Fig. 19—23 abgebildeten Eiern; sie befinden sich sogar alle auf demselben Objektträger, einige davon (Fig. 19, 23 und 24) in ein und demselben Schnitte.

Fig. 22 stellt ein etwas älteres Stadium dar. Dort finden sich zwei Keimflecke vor, welche sich tinktionell völlig gleich verhalten. Eben so eigenthümlich, wie das plötzliche Verschwinden des mützen- förmigen Körpers, ist auch der Zweck, zu dem er die Umbildung in einen solchen erfährt. Über seine muthmaßliche Entstehung habe ich bereits zuvor gesprochen. Es handelt sich jetzt darum festzustellen, wo er geblieben ist. Ich halte es für wahrscheinlich, dass er sich in den später vorhandenen, runden Nucleolus umgewandelt hat. Auch dieser Vorgang wird wieder sehr rasch vor sich gehen. Stets fand ich diesen Körper fertig, nie im Wachsthum begriffen vor. Er muss also nothwendig mit dem vorher mützenförmig gestalteten in enger Beziehung stehen. Sodann deutet auf diesen Zusammenhang beider Körper auch das Resultat der Doppelfärbung hin. Während beim ersten Auftreten der mützenförmige Keimfleck das Methylgrün ganz abgiebt, also sich in dem leuchtenden Roth des Boraxkarmins zeigt (Fig. 18 und 19), scheint mit seiner Substanz in einem späteren Stadium, das etwa Fig. 2) wiedergiebt, eine vielleicht chemische Veränderung vorgegangen zu sein. Das Methylgrün ist hier schon nicht mehr vollständig abgegeben worden. Fig. 21 zeigt eine unver- kennbare Mischung beider Farbstoffe, während erst im Stadium der Fig. 22 die Neigung des Kernkörpers zur cyanophilen Seite überwiegt. An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, dass obige Resultate nicht durch verschiedenartige Einwirkung der Farb- stoffe bezw. Ausziehung erzielt wurden, wie ich schon vorher er- wähnte.

Im weiteren Verlauf der Eibildung sieht der Inhalt des Keim- bläschens gewöhnlich so aus, wie ihn Fig. 23 wiedergiebt. Der ur- sprünglich eyanophile, größere Keimfleck hat jetzt seinen mächtigsten

183 Paul Obst,

Umfang erreicht; an, bezw. halb in ihm, liegt der kleinere Nucleolus, um später gänzlich mit jenem zu verschmelzen. Im Keimbläschen sieht man allerfeinste, roth tingirte Chromatinbröckchen netzartig in Strängen mit einander verbunden, außerdem hier und da einige gröbere Anhäufungen von erythrophilem Chromatin. Aus ihnen bildet sich allem Anschein nach eine unbestimmte Anzahl neuer, sich eben- falls roth färbender Keimflecke. Bei Durchsicht der anderen, durch eben dasselbe Keimbläschen geführten Schnitte zählte ich eirca acht weitere solcher Ansammlungen, die wohl, schon mehr oder weniger abgerundet, als Keimflecke anzusprechen sind. Sie sind nicht homo- sen, sondern aus sehr kleinen Chromatinpartikelchen zusammen- gesetzt, welche namentlich dann recht klar zu erkennen sind, wenn sie am Rande überstehen, was aus Fig. 23 mit großer Deutlichkeit hervorgeht. Bei den ältesten Eiern sieht man dann außer dem großen, blauen, viele kleine erythrophile Keimflecke, die höchst wahrschein- lich auf die vorher beschriebene Art zu Stande gekommen sind. Außer den in der Fig. 24 abgebildeten Nucleolen weist dieses Ei noch fünf weitere solcher Keimflecke auf. Bei den kleinsten von ihnen ist es häufig gar nicht zu entscheiden, ob man es wirklich bereits mit einem solchen Gebilde zu thun hat, oder ob es vorläufig nur eine Menge an einander gelagerten Chromatins ist. Die Zahl dieser neugebildeten Kernkörper ist gänzlich unbestimmt; in einem Falle zählte ich deren 16. Sie sind im Anfang ihrer Entstehung nicht von homogener Struktur, sondern lassen eine ungleichmäßige Granulirung in ihrem Inneren erkennen, die auch in den älteren Stadien eben so deutlich hervortritt; sie besitzen dann auch einen sich scharf abhebenden Kontour.

Nach. meinen Beobachtungen kann ich die soeben geschilderte Entstehung dieser Nucleolen nicht anders auffassen, als dass sie sich aus der chromatischen Substanz herausbildeten. So beschaffen, wie zuletzt beschrieben, sind die ältesten unreifen Eier. Erwähnen möchte ich noch, dass sich ähnlich, wie bei Zelix pomatia, so auch hier um die cyanophilen Kernkörper ein erythrophiler Saum von Chromatin findet (Fig. 17, 18 und 20—22).

Die Membran, welche das Keimbläschen umgiebt, ist bedeutend dicker als bei Helix pomatia, wo sie oft nur schwer zu erkennen ist. Ehe ich jedoch die Untersuchungen über Zimaxz mazimus ab- schließe, möchte ich noch auf einige eigenthümliche Ergebnisse der- selben Doppeltinktion aufmerksam machen, welche im höchsten Grade interessant sind. Ließ ich Alkohol auf die der Doppelfärbung

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 183

unterworfenen Eier des Stadiums, wie es etwa durch Fig. 23 dar- gestellt wird, länger einwirken, so gab der große, sonst cyanophile Keimfleck das Methylgrün gänzlich ab. In bestimmten Fällen jedoch verhielt sich dies nicht vollständig so, sondern an einer Stelle blieb die Blaufärbung erhalten. Dann lag gewöhnlich der kleine, eyano- phile Keimfleck dieser Partie an (Fig. 25 und 26). Ich möchte es für das Allerwahrscheinlichste halten, dass der innen und außen be- findliche Theil zusammengehören, beide also den kleinen Keimfleck ausmachen, und dass wir ein Stadium inniger Verschmelzung mit dem größeren Nucleolus vor uns haben. Unverständlich ist dann nur die Wahrung eines scharfen Kontours. Man sollte doch annehmen, dass eine Verschmelzung der rothen und blauen Substanz anders vor sich seht, als es der vorliegende Fall andeutet. Die eyanophile Substanz müsste sich doch eher unregelmäßig mit der erythrophilen vermischen. Eben so wenig erklärlich ist der mit erythrophiler Masse ausgefüllte Zwischenraum zwischen beiden blauen Halbkugeln (ef. Fig. 25). Auf- fallend ist fernerhin in Fig. 26, dass die eine Hälfte dunkelblau, fast schwarz, dagegen die andere, außen befindliche, heller gefärbt ist, obwohl dies auch durch die Lageverhältnisse innerhalb und außer- halb des großen Nucleolus bedingt sein könnte. Man steht hier vor der Frage, ob der kleinere, mehr cyanophile Nucleolus im Begriff ist, m den größeren, mehr erythrophilen Nucleolus einbezogen, viel- leicht auch zu dessen Substanz umgewandelt zu werden. Zu erwähnen ist noch, dass der große Keimfleck granulirt ist, eine Thatsache, die sich vorher in Folge der tief dunkelblauen Färbung der Beobachtung entzog.

Unio batavus.

Die jüngsten Eier von Unio batavus sind leichter aufzufinden, als die von Helix oder Limax. Sie stellen sich als kleine Zellen dar, deren Kerne gewöhnlich abgerundet sind und ein Kernkörperchen besitzen (Fig. 27). Dasselbe ist eyanophil und kommt an Größe ungefähr jenem bei Helix pomatia gleich. Der Protoplasmaleib dieser jüngsten Eizellen ist sehr klein. Neben diesen jüngsten Eizellen finden sich noch viele kleine, rundliche oder ovale Zellkerne, die ein Kernkörperchen enthalten, und deren Zellkörper sich nicht deut- lich abhebt, wenigstens ließen sich die Zellgrenzen bei dieser Kon- servirung nicht erkennen. Diese sind wohl als die Eimutterzellen anzusprechen, worauf einige wenige Theilungsfiguren schließen lassen.

184 Paul Obst,

Das Wachsthum der Nucleolen dieser Eier verläuft nun nicht so komplieirt, als es von den anderen Formen, speciell von Zimaz mazimus, vorher beschrieben wurde. So wäre über die Abbildungen 28—30 nichts weiter zu sagen, als dass sie zeigen sollen, auf wie ‚einfache Weise die einzelnen Bestandtheile der Eizelle sich ver- srößern. Die Membran des Keimbläschens hebt sich bei den jungen, wie alten Stadien ziemlich scharf mit dünnem Kontour vom Proto- plasma ab. Bemerkenswerth ist, dass das erythrophile Chromatin, welches im Keimbläschen zerstreut umherliegt, je älter die Eizelle wird, in desto gröberer Vertheilung auftritt, wie deutlich ein Blick auf die gegebenen Abbildungen 27—37 lehrt.

Während bisher nur ein eyanophiler Keimfleck im Keimbläschen vorhanden war, zeigt sich im Folgestadium plötzlich eine andere Substanz, die erythrophil ist, sich aber doch von den roth tingirten Chromatinbrocken durch ihren Farbenton unterscheidet. Sie findet sich bei ihrem Auftreten stets dem Keimfleck dicht angelagert und färbt sich in einem schönen Rosaton, welchen ich in Fig. 31 wieder- zugeben versuchte. Eine gewisse Regelmäßigkeit in der Form, in der diese Nucleolensubstanz auftritt, ist nicht zu konstatiren. In der dargestellten Eizelle sieht man sie bereits an zwei Stellen des cyanophilen Kernkörpers auftauchen. Mindestens eben so häufig ist dies nur an einem Punkte der Fall und dann der Masse nach nur so viel, als die kleinere Partie ausmacht. Oft beobachtete ich auch einen äußerst schmalen, rothen Saum um den cyanophilen Kern- körper, den ich jedoch hier für eine Extraktionserscheinung halten möchte. Erwähnen will ich noch, dass besagte erythrophile Keim- flecksubstanz einige Male an drei bis vier Stellen an dem ursprüng- lichen Nucleolus in Form von kleineren und größeren Knospen hing.

Was die Herkunft dieser neuen Substanz betrifft, so vermag ich nur zu sagen, dass sie stets im Zusammenhang mit dem eyanophilen Keimfleck anzutreffen war, also niemals frei an einer anderen Stelle des Keimbläschens. Durch Anlagerung irgend welcher chromatischen Partikel aus dem Kerninhalte kommt sie nicht zu Stande: es ist wenigstens davon nichts zu bemerken. Es bleibt nur noch die Mög- lichkeit übrig, sie als Umwandlungsprodukt des großen Körpers auf- zufassen, eine Annahme, zu welcher schon FLEMMING (15) bei Anodonta gelangte, wo er »am Haupttheil großer und mittelgroßer Eier (nie- mals junger oder ganz junger) ein oder mehrere Buckel hängend

\

antraf«. FLODERUS (18) hat bei Corella parallelogramma (l. e. Taf. X,

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 185

Fig. 18) im Keimbläschen eines lebenden Eies eine knospenähnliche Ausbuchtung am Nucleolus wahrgenommen; diesbezügliche Beobach- tungen an einer Menge von Thieren liegen noch von AUERBACH (1), Leyvie (43) und Anderen vor. Vielleicht ist in der Theilung, wie sie v. Hessuıne (32) für die Perlmuschel annimmt, auch nur ein Quellungsvorgang des großen Kernkörpers zu sehen, der einer Knos- pung nicht unähnlich sieht.

Das noch zu beschreibende Wachsthum des zweitheiligen Nu- eleolus müsste man sich wohl durch Aufnahme und Assimilation flüssiger Substanzen aus dem Kernraum erklären.

Vacuolen beherbergt besagte Partie des Nucleolus in diesem frühen Stadium noch nicht, kurz darauf sind sie dagegen gelegentlich anzutreffen, wie Fig. 32 zeigt.

Die roth gefärbte Partie des Nucleolus nimmt jetzt an Masse im Verhältnis gegen den anderen Abschnitt in auffallender Weise zu, so dass sie jenen sehr bald an Größe nicht mehr nachsteht; vor- läufig sind beide noch mit einander verbunden (Fig. 33). Hierbei möchte ich an die Verhältnisse, wie sie STAUFFACHER (60) für Cyelas cornea, WILSoN (71) für Nerers, FLODERUS (18) (Fig. 14 Taf. XXIIL ce.) für Pholas dactylus schilderten, erinnern, wo ebenfalls ein zwei- theiliger Nucleolus vorhanden ist. Bald kann die Verbindung aber lockerer werden und schließlich zur Trennung führen. Ich sprach von einer lockeren Verbindung, denn in dieser Beziehung herrscht im weiteren Verlauf keine Gesetzmäßigkeit vor. In Fig. 34 ist ein Ei abgebildet, dessen Kernkörper noch mit den Rändern eben zu- sammenhängen, der erythrophile Theil scheint an der Berührungs- stelle noch nicht scharf abgerundet zu sein. In Fig. 35 ist der Kontakt noch geringer, und beide liegen schon fast isolirt neben einander. Häufig befanden sich beide Gebilde räumlich weit von einander getrennt.

Fig. 36 stellt ein Ei dar, welches trotz seines Alters noch beide Substanzen vereinigt zeigt. An Masse überwiegt jetzt bedeutend die erythrophile Partie. Solche Bilder erinnern an Befunde, wie sie FLODERUS (]. ec.) von Pholas daectylus in den Fig. 13, 15 und 17 wiedergab. Hier wären auch die bereits erwähnten Arbeiten von LuRkJanow (46), STOLnIkow (62), OcATA (50), HERMANN (27), FREN- ZEL (21) und LÖNNBERG (45) zu nennen, in denen sich ähnliche Ab- bildungen finden (ef. Litteraturübersicht).

Diese Befunde stehen in völligem Einklang mit denen der frü- heren Beobachter. Nach Freuume (17) bestand der Hauptnucleolus

156 Paul Obst,

in mittelgroßen Eiern »aus einem kleineren Theile, der bedeutend stärker lichtbrechend und tingirbar, ferner aus einem größeren, blasseren Abschnitte, der schwächer chromatisch war und in Säure mehr quillt«. Dasselbe gilt auch von Oyeclas cornea (17) und Dreis- . sena polymorpha (16). Bei letzterem Objekt »ist der stark licht- brechende und chromatische Theil als Hohlkappe um den blasseren herumgelagert«. Bei Anodonta hängen beide Theile zusammen, »bei Unio sind sie vielfach nur mit einander in Berührung oder liegen selbst getrennt«.

In einer anderen Arbeit FLemumine’s (15) heißt es über Anodonta: »Bei jüngsten Eiern sind die Kernkörper (0,25 «) einfach rund, bei srößeren sind sie schon zweitheilig, jedoch so, dass der stark licht- brechende Theil noch größer ist.«

O. HErRTwIG (30) unterschied bei Unio pietorum einen kugeligen Hauptkörper und diesem aufsitzend einen kleineren, halbkugligen Theil, von größerer Durchsichtigkeit und größerem Lichtbrechungs- vermögen. Beide Körper sind deutlich von einander abgegrenzt. Seine gleichen Befunde an Tellina (28) sind hier auch zu erwähnen.

Endlich möchte ich noch angeben, dass ich, wenn auch nur einige Male, eine Dreitheiligkeit des großen Kernkörpers in der Art sah, wie sie List (43) von Pholas dactylus in Fig. 16 Taf. XXII ab- bildete. Dass dieselbe aber als ein besonderes Stadium aufzufassen ist, möchte ich nicht glauben, sondern sie vielmehr für eine zufällige Lageerscheinung halten. R. WAGNER (67) bemerkte auch bei Unio und Anodonta »drei an einander gereihte oder auch isolirte Keim- flecke«, was in einigen Fällen nach STAUFFACHER (60) auch für Oyclas cornea zutrifit (l. e. Fig. 7).

Außer diesem zusammengesetzten Keimfleck sind in den letzten Stadien (Fig. 34—36) noch andere Nebennucleolen anzutreffen. Ich kann FLEMmMIng (15) nur beipflichten, wenn er von ihnen sagte, dass ihre Größe, Zahl und Anordnung nicht konstant sei. Sie sind bis- weilen von einer ganz außerordentlichen Kleinheit.

Bei Anodonta versuchte FLEMMING die Entstehung der kleinen Kernkörper zu verfolgen und fand, dass sie dort (erst unmittelbar vor der Brunstzeit) auf Kosten der kleineren, stark lichtbrechenden Portion des Keimfleckes gebildet werden. Bei Unmio ist nichts davon zu sehen; dort verdanken sie ihren Ursprung dem Chromatin, wie ich glaube; denn vergleicht man den Inhalt der Keimbläschen im Stadium etwa der Fig. 29—33 mit demjenigen der in den Fig. 34—36 wiedergegebenen Stadien, so erscheint diese Annahme sehr plausibel.

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 187

Sie erinnerten mich nach ihrem Aussehen und, wenn ich ihre Größen- verhältnisse, sowie ihren ganzen Habitus in Betracht ziehe, an die Gebilde, welche Leypie (43, p. 304) auf Taf. XII in Fig. 24 und 25 neben größeren, anders beschaffenen Keimflecken in unreifen Eiern von Theridium abbildete; jedoch kommen sie dort nur in einer Partie des Keimbläschens dicht an einander gedrängt vor, während sie hier nicht auf einen Theil des Keimbläschens beschränkt sind, sondern unregelmäßig zerstreut allenthalben umherliegen.

Interessant ist ein Vergleich von Liısr’s 44) Ergebnissen an Mytilus gallo-provincialıs und an Pholas dactylus mit den meinigen an Unio batavus, wegen der immerhin nahen Verwandtschaft der drei Thiere. Schon auf den ersten Blick zeigt es sich, dass bei den beiden Repräsentanten der Asiphoniaten völlig verschiedene Verhältnisse anzutreffen sind. Zunächst kommt man zu dem Resul- tat, dass beim Keimfleck von Mytelus gallo-provincialis überhaupt gar nicht der typische Lamellibranchiatencharakter zum Vorschein kommt. So fand sich z. B. nach der Darstellung von List die blau tingirte Substanz in den einzelnen Eistadien in so großer Formen- verschiedenheit vor, dass es schwierig ist, einen Zusammenhang in dem Verhalten dieser Partie im wachsenden Keimfleck herauszu- finden, wie sich bei einem Vergleich der dort in Fig. 1—8 Taf. XXI gegebenen Abbildungen ergiebt. Einen typischen Lamellibranchiaten- keimfleck besitzt dagegen Pholas dactylus. Die Keimflecke in den Fig. 11—20 (l. ce.) zeigen einen Habitus im Aufbau, wie ich ihn für Unvo batavus oben beschrieb, abgesehen von der Verschiedenheit der einzelnen Kernkörperbestandtheile in ihrer Färbung. So erreicht bei Pholas dactylus die eine Substanz, welche zuerst nur eine geringe Ausdehnung besaß, durch rapide Zunahme im Laufe der weiteren Ausbildung zunächst dieselbe Größe, wie die andere, um sie später- hin an Ausdehnung weit zu übertreffen. Das ist in der Hauptsache genommen ein Verhalten, welches vollkommen mit dem der cyano- philen Masse bei Unio batavus von mir geschilderten übereinstimmt.

Epeira diademata.

Dass die jüngsten Eier von Epeira diademata einen unregel- mäßig gestalteten Keimfleck besitzen, hebt schon KoRSCHELT (36) hervor und giebt dafür auf Taf. IV in Fig. 86 eine Abbildung, welche der von mir in Fig. 37 Taf. XIII entworfenen vollkommen entspricht. Der Kernkörper setzt sich bereits in diesem frühen Stadium aus den beiden chromatophilen Substanzen zusammen, was deutlich an dem

188 Paul Obst,

in Fig. 37 rechts befindlichen Ei zu erkennen ist. Ein bestimmtes Verhältnis der Menge beider Substanzen zu einander ist nicht zu konstatiren. Das Chromatin liegt in kleineren und größeren An- häufungen ganz unregelmäßig im Keimbläschen vertheilt. Das Folge- .stadium (Fig. 38) zeigt ein verhältnismäßig bedeutendes Wachsthum des Hauptkeimfleckes. Wie zuvor, ist auch hier die ceyanophile Masse rings scharf abgegrenzt, nicht so die erythrophile. Es erscheint auf den ersten Blick, als ob letztere eine große unregelmäßig ge- formte Anhäufung darstelle; sieht man jedoch genauer zu, so löst sich dieselbe in mehrere kleinere auf. Diese liegen in verschiedenen Ebenen über und unter einander. Der Keimfleck ist also als Ganzes mit keinem scharfen Kontour versehen. In der Nuancirung des Farbentones ist die roth tingirte Partie des Kernkörpers vom Chro- matin nicht zu unterscheiden.

Ihr Wachsthum erfolgt, wie ich sicher annehmen möchte, durch Aneinanderlagerung und Zusammenballung kleiner chromatischer Partikelehen. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht folgender Befund. Bei einem ungefähr in dem zuletzt erwähnten Stadium der Ausbildung befindlichen Ei war deutlich zu sehen, dass sich die erythrophile Partie des Keimfleckes aus kleinsten Chromatintheilchen zusammensetzte, wie dies Fig. 39 veranschaulicht. Als seltenes Vor- kommnis möchte ich es bezeichnen, dass hier in dieser Eizelle, welche beiläufig bemerkt einem anderen Individuum entstammt, zwei cyanophile Keimflecke vorhanden sind. Eine große Umwandlung erleidet der beschriebene Kernkörper im Laufe der weiteren Aus- bildung des Eies (Fig. 40). Zunächst wird er deutlich begrenzt, und bietet sich mehr als ein kompaktes Ganzes dar. Seine chromato- philen Substanzen sind besonders scharf von einander abgesetzt. Was ihre Lagerung gegen einander betrifft, so fand ich hier stets die blau tingirte Substanz von der rothen völlig oder theilweise ein- seschlossen, jedoch war auch nicht ein einziges Mal das umgekehrte Verhältnis zu bemerken. Auch für dieses Altersstadium ist die in Fig. 40 gegebene Abbildung nicht als typisch aufzufassen. In der dargestellten Eizelle besteht die eyanophile Masse offenbar aus zwei sich berührenden Kugeln, was natürlich nicht nothwendig der Fall zu sein braucht. Die erythrophile Substanz schien mir in dieser Entwicklungsstufe stets einen gewissen Grad von Zähflüssigkeit auf- zuweisen, welchen Eindruck ich von der anderen Substanz nicht hatte. Dafür spricht auch der sich dunkelroth abhebende Kontour, der jene nach Art einer Membran umsgiebt.

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 189

In ähnlichem Zustande schien sich bei ZLimaxz mazimus der mützenförmige Keimfleck zu befinden, welcher sich ebenfalls ery- throphil verhielt, und dessen Inhalt sich bis zu einem gewissen Grade auch als von weicher Konsistenz zu erkennen gab. So viel über den Hauptkeimfleck! Es taucht in diesem frühen Stadium nun noch ein zunächst sehr kleiner Nebenkeimfleck auf; in den späteren Stadien bilden sich deren mehrere. Derselbe färbt sich stets roth, gewöhnlich aber nur sehr blass, so dass es bisweilen aus diesem Grunde und wegen seiner geringen Größe außerordentlich schwierig ist, zu ent- scheiden, ob man es wirklich mit einem solchen Kernkörper zu thun hat, oder mit einem Klümpchen chromatischer Substanz, welcher letzteren er sehr ähnlich sieht. Er macht sich seiner Gestaltung nach stets als ein scharf abgerundeter Körper bemerkbar; ein weiteres Hauptkriterium giebt eine helle Zone rings um ihn ab, so dass er wie von einem Hofe umgeben erscheint.

Nach Fremming (16), welcher solche Höfe auch häufig beobachtete, muss man zwei Arten derselben unterscheiden. Die einen stellen weiter nichts, als eine optische Erscheinung dar; FLEMMING bezeichnet sie als »Reflexhöfe«. Sodann fand er aber in manchen Präparaten noch helle Räume um Nucleolen, welche in anderen Präparaten wieder nicht zu sehen waren, obgleich sie auf dieselbe Weise, wie jene ersteren, konservirt wurden. Aus diesem Grunde betrachtet sie Verfasser als Kunstprodukte. Für den hier vorliegenden Fall möchte ich dazu Folgendes bemerken, da auch ich naturgemäß zunächst die hellen Höfe als Kunstprodukte anzusehen geneigt war:

ad 1) Wenn die Höfe dieser kleinen, erythrophilen Nucleolen durch die starke Lichtbrechung letzterer hervorgerufen werden, wür- den die großen, eyanophilen Keimflecke, welche in noch viel höherem Grade lichtbrechend sind als jene, ebenfalls derartige helle Räume in ihrer Umgebung aufweisen; dies ist jedoch nicht der Fall. Eben so würde bei Zimax mazimus der kleine, erythrophile Kernkörper, der gleichfalls stark lichtbrechend ist, diese Erscheinung zeigen, doch ist sie dort nie anzutreffen. |

ad 2) Die Höfe in meinen Präparaten, welche sämmtlich mit Sublimat fixirt waren, fand ich immer nur in gewissen Stadien, dort aber stets um die kleinen, erythrophilen Nucleolen vor.

Aus diesen Gründen bin ich doch zweifelhaft, ob die erwähnten hellen Räume wirklich als Kunstprodukte aufzufassen und nicht viel- mehr in der Konstitution des Kernes bedinst sind.

Was die Lage dieses Kernkörpers betrifft, se wäre hervorzu-

190 Paul Obst,

heben, dass er bei seinem Auftreten nie den Hauptkeimfleck berührt, sondern stets getrennt von jenem auftaucht.

Ungefähr bis zu einem Stadium, welches durch Fig. 42 dar- gestellt wird, hat der Hauptkernkörper eine mehr oder weniger ab- -. gerundete Form und setzt sich aus den beiden bekannten chromato- philen Substanzen zusammen. Jedoch findet man ihn bisweilen noch in einem Stadium, welches Fig. 41 wiedergiebt, von ähnlicher unregelmäßiger Beschaffenheit im Bau, wie sie zuvor in Fig. 38 ab- gebildet wurde. Man könnte vielleicht dadurch den Eindruck erhalten, als hätte das in Fig. 41 abgebildete Ei das geschilderte Alter noch gar nicht erlangt. Dass dies aber doch der Fall ist, beweist, abge- sehen von der Größe seines Plasmaleibes und Hauptnucleolus, auch der Umstand, dass sich schon der vorhin erwähnte kleine Neben- keimfleck gebildet hat; auch hier macht sich ein heller Hof rings um ihn bemerkbar, wie in Fig. 40 und 41. Die erythrophile Partie ist in Form von unregelmäßig gestalteten Klumpen ohne scharfe Begrenzung am großen Kernkörper vertreten. In den nun folgenden Stadien tritt eine unbestimmte Zahl der blassen, kleinen Keimflecke auf, welche mit dem Alter des Eies ebenfalls wachsen; einige von ihnen erreichen sogar immer einen ziemlich beträchtlichen Umfang, wie die Fig. 43—47 zeigen. Jedoch nicht alle bringen es zu einer solchen Größe. Es sind dies solche Nucleolen, die noch in späten Stadien in großer Nähe des Hauptkeimfleckes auftreten (Fig. 44 und 47), ein Umstand, der sich aus ihrem später zu besprechenden Verhalten erklärt. Die größeren Nebenkernkörper besitzen nicht mehr eine vollkommen homogene Struktur, wie dies zuerst der Fall war (Fig. 40—42), sondern viele sind von zahlreichen kleinen Vacuo- len durchsetzt; hierdurch wären sie, abgesehen von ihrer Färbung, im Aussehen mit dem großen Keimfleck der ältesten Eier von Helix pomatia zu vergleichen, wenn nicht beide Kerngebilde in Folge ihrer bedeutenden Größenunterschiede von einander strukturell different erschienen. Vacuolen sind bisher im großen Kernkörper nur äußerst selten vorhanden, späterhin treten stets deren mehrere in der eyano- philen Masse auf.

Was nun die Form des großen Keimfleckes betrifft, so ist die- selbe in allen diesen und den folgenden Stadien weiter eine völlig willkürliche zu nennen. Gewöhnlich schließt die erythrophile Substanz die cyanophile theilweise ein, doch findet man auch gelegentlich eine andere Zusammenlagerung beider. Der in Fig. 43 wieder- gegebene Nucleolus erinnert außerordentlich an die Verhältnisse, wie

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 191

sie bei Unio batavus in den älteren und ältesten Keimbläschen anzu- treffen sind.

Der Unterschied zwischen den Hauptkeimflecken beider Objekte ist nur in der Art und Weise ihrer Bildung und Zusammensetzung zu suchen; dort war, wie erinnerlich sein wird, die erythrophile Sub- stanz wahrscheinlich als ein Abspaltungs- oder Quellungsprodukt der anderen anzusehen, hier wuchs sie durch Aufnahme geformter Be- standtheile des Keimbläschens heran, wie man als ziemlich sicher annehmen darf.

Bei Epeira diademata sah ich nur in diesen etwa mittelgroßen Eiern in einigen Fällen den großen Kernkörper nach dem Lamelli- branchiatentypus zusammengesetzt. Auch nur vereinzelt beobachtete ich eine Anordnung der chromatophilen Substanzen, wie sie in Fig. 45 dargestellt ist. An beide Pole der erythrophilen Masse hat sich eyanophile Substanz angelagert; dies Verhalten erinnert an einzelne Befunde von HERMANN (27), LÖNNBERG (45), STOLNIKOW (62), FREN- ZEL (21) und in neuester Zeit von List (44). Letztgenannter Autor bildet dort auch ein Ei von Pholas dactylus in Fig. 18 ab, wo die eisenthümliche Verlagerung statt hat, nur dass dort die Substanzen die umgekehrte Tinktion zeigen. Auf welche Weise die blau ge- färbte Partie wuchs, ist während der ganzen Dauer ihrer Existenz nicht wahrzunehmen. Das Nährmaterial wird auch hier nie in kom- pakter, sondern höchst wahrscheinsich in gelöster Form aufgenom- men. Anders verhält es sich dagegen mit dem erythrophilen Bestand- theil des großen Nucleolus. Mit ihm verschmelzen die erythrophilen Nebenkeimflecke. Letztere bilden also in dem letzten Theil der Ei- bildung die Hauptzufuhr für diese Partie. Fig. 44 veranschaulicht die soeben besprochenen Verhältnisse. Ein kleiner Nebenkeimfleck konnte in der Zeichnung nicht wiedergegeben werden, er liegt näm- lich gerade über dem erythrophilen Gebilde an der linken Seite des Hauptkeimflecks und war nur bei sehr hoher Einstellung sichtbar. Der rechts gelegene, größere Nebenkeimfleck ist gerade im Begriff sich an jenen anzulegen, während der linke, kleinere von demselben noch vollkommen isolirt ist. In den vorhergehenden Schnitten ist im Keimbläschen noch ein umfangreicherer Nebenkeimfleck anzu- treffen. Die größte Menge der erythrophilen Partie des Hauptkeim- fleckes befindet sich erst im nächstfolgenden, noch ein kleiner Theil desselben im vorhergehenden Schnitte. Was die Anwesenheit der bereits weiter oben erwähnten Vacuolen in dem blau tingirten Ab- schnitte betrifft, so möchte ich auf die Fig. 45—47 verweisen. Die

192 Paul Obst,

Kernkörper dieser Abbildungen gehören nun auch gleichzeitig den ältesten Eizellen an. Sie sind willkürlich herausgegriffen, um die Mannigfaltigkeit ihrer Gestaltung. zu zeigen. Die Fig. 46 und 47 stellen den Nucleolus eines und desselben Keimbläschens dar, und ‚zwar Fig. 46 bei hoher und Fig. 47 bei tiefer Einstellung. Er- wähnenswerth wäre noch die Anwesenheit eines weiteren kleinen, erythrophilen Nebenkeimfleckes. Es wurde unterlassen, ihn abzu- bilden, da er zu weit entfernt vom Hauptkeimfleck lag.

HEnnEGUuy (26) bildete eine von BALBIANI entworfene, aber noch nicht veröffentlichte Zeichnung auf p. 105 in Fig. 53 ab, die mit meinem Befunde übereinstimmt.

Auch KorschHeur (36) beschrieb, dass der Kernkörper bei Epeira diademata aus einer Anzahl verschieden großer Kugeln bestände (ef. 1. c. Taf. IV, Fig. 79), »deren jede eine keimfleckartige Struktur zeigte, d. h. mit Vacuolen versehen wäre«. Diese Angabe kann ich also nach meinen Präparaten nur bestätigen. Sodann möchte ich bei dieser Gelegenheit noch auf KorscHELT's Fig. 80 und 79 auf Taf. IV hindeuten. Dort ist an dem Keimfleck deutlich eine centrale Masse von den »Kugeln« zu unterscheiden; sie entsprechen offenbar der cyanophilen Substanz in meinen Abbildungen.

In den allerältesten unreifen Eiern, die bekanntlich einen noch größeren Umfang erreichen, aber in dem untersuchten Ovarium nicht vorgefunden wurden, waren noch die erythrophilen Keimflecke anzu- treffen, jedoch in geringerer Zahl. Dies steht wieder in völligem Einklang mit der von KoRSCHELT (l. e. p. 57) gegebenen Beschrei- bung. Nach ihm »zeigt sich der Keimfleck in den größten Eiern 'als ein centraler, kugelförmiger Körper (mit mehreren Vacuolen), welchem noch immer kleinere Partikel angelagert sind«.

Von Leyoie (43) liegen noch Angaben über Kernkörper der Spinnen vor. Im einfachsten Falle weist das Keimbläschen einen einzigen größeren solchen Nucleolus auf, welcher das Bild eines Knäuels darbietet. Sodann kann das Keimbläschen Nucleolen von deutlich zweierlei Art beherbergen: Die einen davon sind »groß, rundlich und dunkelrandig, die anderen klein, blass und von matt- körnigem Wesen«. Diese letzteren entsprechen offenbar den von mir bei Epeira diademata gesehenen Nebenkernkörpern.

Der Nucleolus im Ei von Phalangium opilio wurde von BALBIANI (2) als ein schaumiges, von zahlreichen Vacuolen durchsetztes Gebilde geschildert. Einige von diesen Vacuolen springen in Gestalt eines Bläschens über die äußerste Schicht der Nucleolarsubstanz hervor.

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 193

Ähnliches findet BaLgranı bei den meisten Spinnen; mir scheint dies serade für Epeira diademata im Stadium der Fig. 45—47 zutreffend zu sein.

Tegenaria domestica.

Das Auftreten und die Umbildung der Keimflecke der Haus- spinne, Tegenaria domestica, ist eine völlig abweichende von der- jenigen der bisher untersuchten Objekte. Während bei letzteren doch wenigstens nur für eine kurze Zeit, sei es am Anfang oder gegen das Ende der Eibildung, ein verhältnismäßig großer Keimfleck im Keimbläschen vorhanden war, wie wir gesehen haben, fand ich bei dieser Spinne durch alle Phasen der Eibildung hindurch, auch nicht einmal für kurze Zeit oder ausnahmsweise einen einzigen größeren Nucleolus, sondern es waren deren stets mindestens zwei bis drei vorhanden. In den meisten Stadien der Wachsthumsperiode findet sich eine beträchtliche Anzahl Nucleolen vor.

Im jüngsten Stadium, welches mir vorlag, zeigten sich schon mehrere, deutlich blau tingirte Keimflecke von verschiedenem Um- fange, die gewöhnlich eine fast ihr ganzes Innere ausfüllende Vacuole beherbergten. In dem in Fig. 49 abgebildeten Keimbläschen schien es mir, als ob unterhalb der beiden eyanophilen Keimflecke noch zwei kleinere Partikel mit undeutlichen Umrissen lagen, welche sich ebenfalls blau färbten; sie sind jedoch von so geringer Größe, dass es nicht möglich ist, ein entscheidendes Urtheil über ihre eigentliche Färbung abzugeben. Ich habe sie in der Abbildung wenigstens anzudeuten versucht. In dem wachsenden Keimbläschen taucht nun eine größere Zahl von Keimflecken auf. In Fig. 50 konnten zwei solcher Nucleolen vom vorhergehenden Schnitte, die an Umfang dem größten gleichkommen, ihrer Lage wegen nicht in die Abbildung aufgenommen werden; dies Ei enthält also sechs cyanophile Keim- flecke.

Man bemerkt oft noch kleinste Körnchen, welche sich einiger- maßen scharf vom Chromatinnetz abheben, jedoch nicht in Folge ihrer differenten Tinktion, sondern dadurch, dass sie scharf abgerundet sind. Diese verschmelzen allmählich mit den eyanophilen Nucleolen; hierauf deuten wenigstens zahlreiche Anlagerungen ihrerseits an jene hin.

Geht man einen Schritt weiter in der Ausbildung der unreifen Eier, so ist nur zu bemerken, dass die Menge der eyanophilen Keim- flecke noch im Zunehmen begriffen ist; ihre Anzahl ist in den ein-

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 13

194 Paul Obst,

zelnen Eizellen eine gänzlich verschiedene. So zählte ich in einer solchen, die sich kurz vor dem in Fig. 51 wiedergegebenen Stadium befand, ca. 22 Nucleolen, welche allein auf einem Schnitte lagen. Die Menge der Keimflecke eines Keimbläschens ist also sehr groß. Eine genaue Zählung derselben würde aus zwei Gründen ziemliche Schwierigkeiten bereiten. Erstens sind sie nämlich so dicht an einan- der gelagert, dass oft eine Abgrenzung der einzelnen von einander nieht mit Sicherheit zu unterscheiden ist. Sodann würde man sehr häufig in Verlegenheit gerathen, ob man die kleinen, in Umwand- lung begriffenen Körnchen als cyanophile oder erythrophile Kern- körper aufzufassen hätte, denn gerade in derartigen Keimbläschen sieht man deutlich, dass, je kleiner die Kernkörper sind, sie desto mehr zur Erythrophilie neigen. Gewöhnlich weisen die eyanophilen, kleinen. Kernkörper eine verhältnismäßig große Vacuole in ihrem Inneren auf; so lange sie sich erythrophil verhalten, war dies nicht zu konstatiren.

Ähnliche multinucleoläre Zustände kehren in den ältesten un- reifen Eiern, welche mir zu Gebote standen, wieder und wurden in den Fig. 53 und 54 veranschaulicht.

In noch älteren Keimbläschen (Fig. 51) findet man sodann schon einige größere, blau tingirte Keimflecke von unbestimmter Zahl, ge- wöhnlich drei bis fünf. Sie entstehen dadurch, dass die soeben erwähnten, zahlreichen kleinen Kernkörper sich allmählich an einan- der lagern, um eine Verschmelzung einzugehen. Es sind noch immer viele kleine Keimflecke anzutreffen, welche ebenfalls allmählich von den großen aufgenommen werden. Das in Fig. 51 abgebildete Ei wies in einem anderen Schnitte noch gegen 25 solcher Gebilde auf.

Fig. 52 zeigt, dass die Verschmelzung weiter vor sich ge- gangen ist.

BALBIANTS (3) Abbildungen von Eiern der Teg. domestica (cf. ]. e. Taf. II, Fig. 1—14) erläutern ebenfalls sehr deutlich, wie das Keim- bläschen zunächst von vielen kleineren Nucleolen erfüllt ist, die späterhin verschmelzen.

Häufiger tritt die cyanophile Substanz nur zu zwei Keimflecken vereinigt auf, in diesem Ei sind deren drei vorhanden, welche sich durch ihren bedeutenden Umfang auszeichnen. Man sollte nun, wenn man den Entwicklungsgang der vorher untersuchten Keimzellen in Betracht zieht, annehmen, dies seien diejenigen Eier, die ganz kurz vor der Reife stehen; auffallender Weise verhält sich dies aber nicht so, sondern jetzt machen die Keimflecke noch Veränderungen durch,

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 195

welche im Vergleich mit den bisherigen Befunden als recht über- - raschende zu bezeichnen sind. Es findet nämlich jetzt eine Auf- lösung der großen Keimflecke statt, welchen Vorgang Fig. 53 veran- schaulichen soll. Ein derartiger Zerfall ist schon von so vielen Autoren an Kernkörpern der verschiedensten Zellen beobachtet worden, dass es mich zu weit führen würde, auf die einzelnen Fälle einzugehen. Nur eine hierher gehörige Beobachtung von Bönnıg möchte ich nach- her erwähnen, da dieselbe auf Tinktionsveränderungen der Zerfall- produkte hinweist, und die vom Keimfleck von Tegenaria domestica losgelösten Stücke in dieser Hinsicht ebenfalls ein anderes Verhalten zeigen als der zuvor kompakte Nucleolus. Dieselbe merkwürdige Thatsache ergiebt sich bei diesem Vorgange wieder, wie zuvor bei dem Auftreten der Nucleolen, nämlich, je kleiner die sich loslösenden Partikel sind, desto mehr neigen sie zur Erythrophilie, nur mit dem Unterschiede, dass im Anfange der Eibildung verhältnismäßig kleinere Kernkörper eine ausgesprochene blaue Tinktion zeigten, während hier ziemlich große Stücke schon einen Mischton zwischen Blau und Roth annehmen; außerdem sind gewöhnlich selbst die umfangreicheren Stücke nicht rund, sondern unregelmäßig gestaltet, ferner beherbergen die kleinen und mittleren Körper keine Vacuolen, beides im Gegen- satz zu den heranwachsenden Keimflecken (Fig. 49). Gerade das Fehlen von Vacuolen ist für diese Zerfallprodukte recht charak- teristisch. Wenn man die Schnittserie durchsieht, so stellt es sich heraus, dass in solchen älteren Keimbläschen so viele Theilstücke vorhanden sind, dass man auf ihre Zählung verzichten muss. Nach Bönnmıe (9) tingirt sich das in gewissen Stadien der Eibildung kugelig kompakte Kernkörperchen von Stichostemma graecense, welches später eine maulbeerförmige Gestaltung annimmt, so lange es in diesen bei- den Formen auftritt, bei Anwendung von Hämatoxylin-Safranin oder der Bioxpi-EnrricH’schen Flüssigkeit tief rotk (ef. 1. e. Taf. XVII, Fig. 51 und 52). Alsbald hat jedoch ein Zerfall dieses Kernkörpers in eine Anzahl kleiner kugeliger Körper statt. Letztere jedoch färben sich nach Anwendung derselben Tinktionsmittel blau mit einem Stich ins Violette (ef. 1. e. Taf. XVII, Fig. 54) beziehungsweise blaugrün mit einem Stich ins Rothe. Es weist dieses Verhalten der Bruch- stücke immerhin eine entfernte Ähnlichkeit mit meinem Befunde bei Tegenarta auf.

In der Fig. 54 ist der Zerfall vielleicht noch deutlicher zu sehen. Von dem noch erhaltenen größeren Klumpen hat sich ein rundliches, größeres Stück abgetrennt, während in der Mitte bereits, vielleicht

13*

196 Paul Obst,

durch das Auftreten der Vacuole eingeleitet, eine weitere Theilung bevorsteht. Rechts von dem sich auflösenden Nucleolus sieht man andere, schon sehr klein gewordene Theilungsprodukte. |

Wir haben also hier für Teg. domestica zu konstatiren, dass sich die Nucleoli im Laufe der Eibildung zunächst alle zu zwei bis drei äußerst umfangreichen Keimflecken vereinigen, um, wenn dies erreicht ist, den umgekehrten Process durchzumachen, d.h. wieder zu zerfallen. Leider bildet BALBIANI in der vorher eitirten Arbeit von den ältesten unreifen Eiern nicht mehr die Keimbläschen mit ab, sondern nur den Dotterkern, da es ihm bei seinen Untersuchungen nur auf die Entstehung des letzteren ankommt.

Dolomedes fimbriatus.

Sehr verschieden nicht nur von den früher geschilderten Mol- lusken, sondern auch von den bisher untersuchten Spinnen ist das Verhalten der Nucleolarsubstanzen bei Dolomedes fimbriatus. In den Jüngsten Eiern erscheint das Keimbläschen, um zunächst seinen Habitus allgemein zu charakterisiren, dunkel durch das Chromatin, welches in unregelmäßigen Bröckchen in seinem Inneren vertheilt ist. Später findet man das Keimbläschen heller tingirt (Fig. 58—60).

Was die Keimflecke betrifft, so ist Folgendes zu bemerken. In den jüngsten Stadien fand ich stets nur einen solchen vor. Jedoch zeigt die Doppelfärbung mit großer Deutlichkeit, dass er sich aus beiden chromatophilen Substanzen zusammensetzt (Fig. 55); die cyanophile Substanz überwiegt an Masse, gewöhnlich in einem noch höheren Maße, als gerade bei dem in der Fig. 55 wiedergegebenen Ei. Es ist also bei Dolomedes fimbriatus und Epeira diademata in diesen jüngsten Stadien eine gewisse Ähnlichkeit unverkennbar. Das Folgestadium bietet aber schon gänzlich andere Verhältnisse dar (Fig. 56). Es ist jetzt die Anwesenheit von zwei tinktionell ver- schiedenen Kernkörpern zu konstatiren. Trotz der genauesten Durch- sicht der mir zur Verfügung stehenden Schnitte ist es mir nicht möglich, über die Entstehung des kleinen erythrophilen Nucleolus etwas anzugeben. Allerdings bin ich der Ansicht, dass man die Bildung von manchen Keimflecken nur am lebenden Objekt, nicht an konservirtem Material mit völliger Sicherheit feststellen kann, was mir hier zutreffend zu sein scheint. Ich denke mir, dass sich in solchen Fällen der betreffende Kernkörper als Folge irgend eines chemischen Processes, dessen Ursache in physiologischen Vorgängen der Zelle zu suchen ist, als ein außerordentlich kleines Tröpfehen

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 197

im Inneren des Keimbläschens ausscheidet. So sahen wir das plötz- liche Auftauchen eines erythrophilen Keimfleckes schon bei ZLimazx mazimus (Fig. 15), und das der Anfangs kleinen Nebennucleolen bei Ep. diademata (Fig. 40) und werden es noch bei einer anderen Form, Drassus quadripunctatus, zu konstatiren haben. Wenn ich nach dem mir vorliegenden Material urtheilen darf, so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die erythrophile Masse im Stadium der Fig. 55 sich von der cyanophilen Substanz loslöst, um dann unabhängig von dieser als selbständiger Nucleolus im Keimbläschen zu persistiren. Die große Nähe des neu entstandenen Körpers zum cyanophilen Keimfleck machte eine solehe Annahme recht wahrscheinlich, doch als ich daraufhin die Schnitte durchmusterte, bemerkte ich, dass es sich ebenfalls in den ältesten, wie in mittleren Stadien, gelegentlich in der unmittelbaren Nähe des großen Kernkörpers befand. Eine direkte, innige Berührung beider habe ich nicht gesehen. Über dieses kleine Gebilde wäre des Weiteren wenig zu sagen; es ist stets vorhanden, von homogener Beschaffenheit und wächst ebenfalls mit zunehmendem Alter der Eizelle und ist noch in den ältesten Keim- bläschen anzutreffen. In den jungen Eiern macht sich ein heller Hof in der Umgebung des kleinen Nucleolus bemerkbar (Fig. 56), wie dies von Ep. diademata bereits erwähnt wurde.

Auf welche Art und Weise beide Nucleolen an Masse zunehmen, entzieht sich jeglicher Beobachtung, da von Substanzanlagerungen an dieselben, etwa wie bei Helız pomatia oder Ep. diademata nichts zu bemerken ist.

Über die Umbildungen, welche der eyanophile Keimfleck erfährt, ist auch nur noch wenig zu sagen, und kann ich die diesbezüglichen Angaben KorSCHELT’s (36) nur bestätigen. Es treten nämlich im wachsenden großen Kernkörper, wenn er sich etwa im Alter des in Fig. 57 abgebildeten befindet, gelegentlich einige Vacuolen auf. In etwas weiter vorgeschrittenen Eiern (Fig. 58) trifft man dann in diesem Nucleolus immer eine unbestimmte Anzahl von Vacuolen; eine derselben zeichnet sich gewöhnlich schon jetzt durch ihre Größe aus. In den Keimflecken, welche sich zwischen den beiden in Fig. 53 und 59 abgebildeten Eiern befinden, ist stets eine äußerst umfangreiche Vacuole zu bemerken. Sie ist gewöhnlich in den älteren Stadien (Fig. 59) von so beträchtlichen Dimensionen, dass sie den Inhalt des Kernkörpers zum größten Theil ausfüllt. Offenbar ist sie allmählich durch Zusammenfließen der anderen, kleineren Vacuolen entstanden. Sie liegt niemals central, sondern stets der

198 Paul Obst,

Peripherie des Keimfleckes genähert, so dass an der entsprechenden segenüberliegenden Seite der aus der Substanz des Kernkörpers be- stehende Saum breiter ist. In diesem Rest der Nucleolarmasse finden sich noch einige Vacuolen von verschiedenem Umfange. Diese ver- . schmelzen, wie ich gleich hier erwähnen möchte, späterhin ebenfalls mit der großen Vacuole, was ein Blick auf die Fig. 60 bestätigt. Der Inhalt dieser großen Vacuole wird von einer sehr fein granu- lirten Substanz erfüllt, welche durch das Boraxkarmin sichtbar ge- macht wird. Ähnliches hat auch schon KorscHEur (l. c.) in Fig. 93 auf Taf. IV angedeutet.

In den Keimflecken der ältesten Eier hat die Vacuole eine noch srößere Ausdehnung erlangt; die Substanz des Nucleolus stellt gleich- sam die Wandung einer Hohlkugel dar, welche ziemlich dünn ist und an einer Seite der Kugel noch etwas breiter sein kann als an der anderen. Was den Inhalt dieser Hohlkugel betrifft, so wäre zu bemerken, dass er jetzt vielleicht um ein Weniges gröber erscheint als zuvor.

FLODERUSs’ (18) Befunde an Eiern von Ciona intestinalis scheinen auf ähnliche Verhältnisse hinzuweisen. Nach ihm hat in den älte- sten (cf. 1. e. Taf. X, Fig. 17) Ovarialeiern die Vacuole oft eine so große Ausdehnung, dass sie das Volumen des Nucleolus zum größten Theil einnimmt, so dass in der Peripherie nur eine schmale Zone übrig bleibt. Verfasser würde diese Randschicht der von JuLIn (25) bei Siyelopsis beschriebenen »paroi propre« vergleichen, wenn sie sich nicht im Gegensatze zu der von ihm beschriebenen Membran, die »entierement achromophile« ist, als färbbar erwiesen. Es weist nun Ciona intestinalis noch eine Anzahl fester, lichtbrechender Körnchen auf (ef. 1. c. Fig. 17), welche FLoDErus für durch die Fixirung entstandene Coagulationsprodukte hält. Diese Bemerkung veranlasst mich, zu erwähnen, dass ich gelegentlich in der großen Vacuole ein Gebilde vorfand, welches ich als ein zufällig in das Innere hineingerathenes Partikelchen der Keimfleckwandung anspreche, ein Vorkommnis, welches leicht beim Schneiden verursacht wird. Einen ähnlichen Bau, wie den soeben beschriebenen fand PFLÜCKE (51) zuweilen bei Kernkörpern der Nervenzellen von Gastropoden. Die Vacuolen erlangen dort, »wenn sie in der Einzahl vorhanden sind, nicht selten eine derartige Ausdehnung, dass selbst die Masse des Nucleolus bis auf einen schmalen Randstreifen verschwunden sein kann«. Verfasser bemerkt ausdrücklich, dass ein derartiges Aus- sehen nicht nur die Kernkörper in konservirtem, sondern auch in

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 199

frischem Material darboten. (Hierzu vergleiche 1. ec. Taf. XXVIL, Fig. 11a.) VıcrorR Carus (6) bildet einige Keimflecke von Mecrommata smaragdula ab (l. c. Taf. IX, Fig. 204 und d), welche hohl sind und in ihrer Beschaffenheit an eine gewisse Dotterkernbildung erinnern (l. e. Fig. 153g, Taf. IX). MeresKowsky (48, p. 103) beobachtete im Keimfleck von Obelia ebenfalls eine bis zu einem gewissen Stadium zunehmende Vacuole, die allerdings später nicht mehr vorhanden ist.

Drassus quadripunctatus.

Die jüngsten Eizellen von Drassus quadripunetatus weisen zwei ungleich große eyanophile Kernkörperchen auf, wie aus der Fig. 61 hervorgeht. Recht häufig finden sich Zellen, die man vielleicht nach ihrer Größe als ein klein wenig älter ansprechen könnte (Fig. 62). Diese besitzen stets einen langgestreckten, großen Nucleolus, welcher offenbar das Verschmelzungsprodukt der erwähnten Keimflecke dar- stell. Bis etwa zu einem Stadium, welches Fig. 63 zeigt, ist nun stets eine unbestimmte Anzahl cyanophiler Keimflecke vorhanden. Dieselben entsprechen in ihrer Größe dem betreffenden Alter des Eies. In der durch diese Figur wiedergegebenen Eizelle geht offenbar eine Verschmelzung der Nucleolen vor sich. Das erythrophile Chro- matin zeigt noch bis zum folgenden Stadium eine eigenthümlich reselmäßise Anordnung im Keimbläschen, welche demselben ein ähnliches Aussehen verleihen, wie es den jüngeren Keimbläschen von Dol. fimbriatus zukommt (Fig. 65). Es tritt nämlich überall der Form nach in gleichmäßigen Bröckchen auf, die ziemlich dicht neben einander liegen. Bei Dol. fimbriatus ändert sich nur diese Art der Vertheilung des Chromatins früher als bei Drassus quadrı- punctatus.

Geht man einen Schritt in der Eibildung weiter (Fig. 64), so bemerkt man, dass sich die cyanophile Substanz zu einem größeren Kernkörper vereinigt. Es kann auch jetzt gelegentlich ein selb- ständiger, cyanophiler Keimfleck außer dem größeren vorkommen; späterhin ist jedoch stets nur die Anwesenheit des größeren Nucleolus im Keimbläschen zu konstatiren. Dieser lässt bald eine Sonderung aus den zwei tinktionell verschieden reagirenden Substanzen erkennen, was aus der nächstfolgenden Abbildung, Fig. 65, ersichtlich ist. In diesem Alter ist dann stets ein noch kleiner, erythrophiler Kern- körper dem Keimbläschen eigenthümlich, welcher mit dem wachsen- den Ei ebenfalls etwas an Umfang zunimmt, und wieder möchte ich auf die Verhältnisse bei Dol. fimbriatus hinweisen, wo gleichfalls

200 Paul Obst,

neben dem großen, cyanophilen Nucleolus ein kleinerer, blasserer existirt; ein Unterschied besteht nur darin, dass besagter Keimfleck dort bereits viel früher auftritt und sich viel intensiver tingirt, als hier, wo er stets ein blasses Aussehen bewahrt. Ich möchte über ihn nur hinzufügen, dass er noch in den ältesten unreifen Eiern gegen- wärtig ist.

Hier möchte ich eine Schilderung von FLODErRUs (18) einfügen, welche ebenfalls Nebennucleolen bei Crona intestinalis betrifft. Nach ihm tauchen oft in den etwas älteren Keimbläschen außer dem großen Nucleolus noch ein oder mehrere kleinere auf. Gewöhnlich aber ist nur ein Nebennucleolus vorhanden. Dies Verhalten erinnert an das- jenige von Dol. fimbriatus und Drassus quadripunctatus. Nach FLo- DERUS beherbergen jedoch bei seinem Objekt nicht alle Keimbläschen solche Kernkörper. In den allerersten Stadien, wo die Eier noch im Keimepithel liegen, sind sie nicht gegenwärtig, werden aber bald darauf in einzelnen Eiern angetroffen: »Jedoch enthalten bei Weitem nicht alle Eier solehe Körper.< Bei den zuletzt genannten Spinnen ist dieser Keimfleck konstant anwesend, bei Drassus quadripunctatus sah ich, allerdings ganz ausnahmsweise, sogar zwei solcher Gebilde. Auch bei COkona intestinalis liegen diese kleinen Nueleolen im All- gemeinen in der unmittelbaren Nähe des großen (l. e. Taf. X, Fig. 17) und sind erheblich kleiner als jener, da sie nur selten dessen halben Durchmesser erreichen (l. e. Fig. 12). In vereinzelten Fällen erlangen sie indessen nahezu die Größe des Hauptnucleolus. Scheinbar ent- hielten dann solche Eier zwei Hauptkeimflecke. Dies habe ich bei den beiden Spinnen niemals beobachtet. Bei Okona intestinalis treten auch in keinem späteren Stadium mehr als zwei Nebenkörper auf, während RouLe (55) behauptet, dass letztere später an Zahl zunehmen (fünf bis sechs). RouLe selbst bildet in einer späteren Arbeit (56) niemals eine größere Anzahl, wie zwei »nucleoles secondaires« als in einem Keimbläschen vorkommend, ab (cf. 1. ec. Pl. VIH, Fig. 80 5).

Erwähnenswerth ist noch, dass FLODERUS bei Olavellina lepadı- formis als der einzigen Form, trotz genauer Durchmusterung mehrerer Schnittserien verschiedener Ovarien keine Nebennucleolen hat vor- finden können. Diese Angabe stimmt völlig überein mit den Beob- achtungen VAN BENEDEN’s und JuLIn’s (6) an ÜOlavellina Rissoana. Interessant ist die Angabe von FLODERUs, dass der kleine Nucleolus bei Doppelfärbung mit Hämatoxylin-Eosin eine entschiedene Affinität für das Eosin zeigt. Wenn nach ihm bisweilen eine gleichmäßige Aufnahme beider Farbstoffe stattfindet, so ist hieran meiner Ansicht

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 201

nach allein das Hämatoxylin Schuld, ein Farbstoff, der für eine zuverlässige Tinktion von Nucleolen absolut untauglich ist, so weit wenigstens meine Erfahrungen reichen.

Folgen wir nun dem Entwicklungsgange der Eier von Drassus quadripunctatus weiter, so ist in etwas älteren Keimbläschen (Fig. 66) für den großen Kernkörper immer eine Zusammensetzung aus den zwei chromatophilen Substanzen charakteristisch. Was die Verlage- rung derselben zu einander betrifft, so fand ich keine Regelmäßig- keit vor; zumeist kehrt die Anordnung der Substanzen in dreierlei Gestalt wieder. Die erste Form, welche entschieden die häufigste zu nennen ist, giebt Fig. 67 wieder. Sie stellt gleichzeitig das älteste unreife Ei dar, welches zur Beobachtung gelangte. An drei Stellen der Peripherie hat der Kernkörper seine Affinität für das Methyl- srün behalten; die gesammte andere Partie verhält sich eyanophil. In beiden chromatophilen Massen sind Vacuolen von wechselnder Zahl vorhanden.

Als ich den ersten derart beschaffenen Keimfleck zu Gesicht be- kam, glaubte ich sicherlich, ein solches Bild wäre ein Kunstprodukt, hervorgerufen durch die extrahirende Wirkung des Alkohols. Diese Vermuthung wies ich jedoch bald zurück, als ich auf den ver- schiedensten Objektträgern immer dasselbe Bild wiederkehren sah. Um aber vollends sicher zu gehen, dass hier keine Täuschung ob- walte, untersuchte ich die nur mit Boraxkarmin behandelten Präpa- _ rate. Durch sie konnte ich mich dann völlig davon überzeugen, dass thatsächlich die entsprechenden drei Partieen aus anderer Sub- stanz als der übrige Nucleolus bestehen müssten (Fig. 68). Dieselben nahmen den Farbstoff viel intensiver auf als der Rest des Nucleolus, welcher sich verhältnismäßig nur schwach tingirte. Es kann kaum zweifelhaft sein, dass man es hier mit zwei verschiedenen Substanzen zu thun hat, welche eigenthümlich regelmäßig angeordnet sind.

Sehr oft bemerkte ich dann eine Anordnung, welche nur zwei eyanophile Partieen, häufig auch eine, welche sogar vier solche an einem Keimfleck zeigte; letzteres ist bei dem in Fig. 69 abgebildeten Keimfleck der Fall.

Was das Größenverhältnis dieser sich blau tingirenden Abschnitte betrifft, so fiel es mir auf, dass mit der geringeren Zahl ihr Volumen zunahm. Es ist dies also eine weitere Komplikation im Bau des Kernkörpers, deren Bedeutung vorläufig dunkel erscheint.

Bei Drassus liegt im Keimbläschen sehr häufig noch ein Klumpen erythrophilen Chromatins von ziemlichem Umfange; da seine Zu-

202 Paul Obst,

sammensetzung aus kleinsten Chromatinpartikelehen deutlich zu er- kennen ist, und er durch keinen Kontour begrenzt wird, kann man diese chromatische Anhäufung nicht als einen Kernkörper ansprechen.

Zusammenfassung.

Als Resultat ergiebt sich Folgendes:

Bei allen untersuchten Objekten finden sich vielteieh mit Aus- nahme von Teg. domestica im Laufe der Ausbildung des unreifen Eies zwei deutlich verschiedene chromatophile Nucleolarsubstanzen. Dieselben bilden entweder Bestandtheile eines großen Kernkörpers, oder kommen als selbständige Keimflecke vor. Es ist schließlich auch Teg. domestica eine in gewissem Grade erythrophile Masse in Form kleinster Nucleolen nicht abzusprechen.

Die Keimflecksubstanz, welche sich in den hier behandelten Fällen stets cyanophil verhält und offenbar dem »Paranuelein< nach OÖ. HerTwIgG entspricht, ist bei diesen Thieren stets in allen Phasen der Eibildung anzutreffen, nicht so die erythrophile, welche zuweilen in den jüngsten Eiern fehlt, so bei Helix pomatia, Limaz maximus, Unio batavus, Teg. domestica und Drassus quadripunctatus. Aus diesem Grunde darf man annehmen, dass die cyanophile Substanz in der Eizelle die wichtigere von beiden darstellt. Sie ist ferner als die ursprünglichere von beiden zu bezeichnen, da sie zumeist in Gestalt von ein oder mehreren Nucleolen sogar schon in den jüng- sten Primordialeiern vorhanden ist.

Das Erscheinen der erythrophilen Substanz fällt, wie wir sahen, bei den einzelnen Thieren auf ganz verschiedene Zeitpunkte. Im jüngsten Eistadium bereits gegenwärtig war sie nur bei Epeira dia- demata und Dol. fimbriatus. Frühzeitig zeigte sie sich bei Limazx mazimus und Unio batavus und auch, wenn man so will, bei 7eg. domestica. In einem bereits verhältnismäßig weit vorgeschrittenen Eistadium war ihre Anwesenheit bei Drassus quadrıpunctatus zu konstatiren, und sogar erst gegen das Ende der Eibildung erschien sie bei Helix pomatia.

Die Art und Weise der Bildung der cyanophilen Substanz ist nicht sicher zu beobachten, da, wie ich zuvor bemerkte, diese Masse schon in den jüngsten Eizellen angetroffen wird. Ihre Zunahme bezw. ihr Wachsthum ist bei Zel. pomatia dadurch zu erklären, dass feinste, chromatische Partikelchen, die sich eyanophil verhalten, plötzlich hier und da im Keimbläschen auftauchen; sie verschmelzen mit einander zu größeren Nucleolen, welche sich ihrerseits schließ-

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 203

lich alle zu einem großen, cyanophilen Keimfleck vereinigen. Ähn- liche Verhältnisse sehen wir bei Teg. domestica wiederkehren, nur ist dort das Resultat der Verschmelzungen nicht ein einziger, äußerst umfangreicher Keimfleck, wie bei Helix pomatia, sondern es entstehen zwei bis drei größere Kernkörper. Ferner halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass die bereits größeren, eyanophilen Nucleolen außerdem gelegentlich kleinere Klümpchen des im Keimbläschen vertheilten Chromatins aufnehmen. Dafür sprechen Bilder, wie ich sie in den Figuren 4, 5, 6, 9 und 11 wiedergab. In ähnlicher Weise wird man sich wohl das Wachsthum dieser kleinen, eyanophilen Körnchen zu denken haben, nur dass das Verhältnis der Größe dieser feinsten chromatischen Partikelchen zu den blau gefärbten Körnchen natürlich das entsprechende bleibt und in Folge dessen der Beobach- tung äußerst schwer, oder gar nicht zugänglich ist. Auch bei Zimaz mazimus waren Keimflecke vorhanden, die einen derartigen Saum von rothen Chromatinpartikelchen, wie bei Helix pomatia, besaßen (Fig. 17 und 18 besonders 20—22). Von einer Ausziehungserschei- nung kann hier nicht die Rede sein, denn sonst müsste der erythro- phile Saum homogen erscheinen; man kann aber deutlich einzelne rothe Chromatinbrocken unterscheiden. Bei Limax maximus erfolgt das Wachsthum des eyanophilen Keimfleckes also höchstwahrscheinlich nur durch Aufnahme der andersartigen Substanz, denn derselbe ist stets nur in der Einzahl vorhanden, kann also von cyanophiler Sub- stanz, die ja nirgends im Keimbläschen vorkommt, eine Zufuhr nicht erlangen. Bei Unio batavus habe ich einen solchen, sich roth tingi- renden Saum wohl auch vorgefunden, hier war jedoch unzweifelhaft eine Auszieherscheinung zu konstatiren. Auch bei diesem Objekt hat man an konservirtem Materiale keinen Anhalt, auf tinktionellem

Wege die Zunahme seiner Masse erklären zu können. Ahnliches

gilt für Dol. fimbriatus und Drassus quadripunctatus, wo dieselben Zustände wiederkehren. Bei Epeira diademata werden offenbar die erythrophilen Nebenkeimflecke, welche sich späterhin dem cyano- philen Hauptkernkörper dicht anlegen, von diesem aufgenommen und vergrößern seinen Umfang. Die Art und Weise ihrer Zunahme vor dem Auftreten dieser Nebennucleolen entzieht sich, wenigstens auf tinktionellem Wege, jeglicher Beobachtung. Das Auftreten und die weitere Ausbildung der erythrophilen Substanz ist bei den einzelnen hier untersuchten Formen eine völlig: verschiedene. Bei Limazx mazxıimus sehen wir schon bei einem sehr jungen Ei (Fig. 15) einen kleinen, sich roth färbenden Keimfleck entstehen; er wächst offenbar auf Kosten

204 Paul Obst,

des ebenfalls erythrophilen, fein vertheilten Chromatins zunächst nur wenig, um plötzlich ungefähr im Stadium der Fig. 18 jene eigenthümliche Umbildung zu erfahren, welche ich bereits früher beschrieb. An seiner Statt ist ein cyanophiler Keimfleck entstanden: . dieser muss jenem ursprünglich erythrophilen seinen Ursprung ver- danken, da seine Entstehungsweise sonst unerklärlich bleibt. Als Ersatz für diese verloren gegangene, roth reagirende Masse können wir bald darauf kleine Ansammlungen rother Partikelehen bemerken, die in eine unbestimmte Anzahl, häufig ziemlich großer, Nueleolen auswachsen (Fig. 24). Bei Do/. fimbriatus und Drassus quadripunc- Zatus nimmt die erythrophile Substanz als kleinstes Kügelchen ziemlich unvermittelt ihre Entstehung. Sie verdankt ihr Wachsthum niemals geformten Bestandtheilen des Chromatins, da eine Anlage- rung solcher nicht nachzuweisen ist. Diese kleinen Kernkörper müssen also auf Kosten des Keimbläscheninhaltes wachsen. Das Gleiche wäre über Ep. diademata zu sagen und, betreffs des Auf- tretens der kleinen Körper, auch über Teg. domestica. Bei letzterem Objekt erleiden dieselben jedoch mit zunehmendem Umfange eine Umbildung, indem sie allmählich immer mehr zur Cyanophilie neigen.

Bei Unio batavus wird die erythrophile Keimflecksubstanz nicht in einem so jungen Entwicklungsstadium (Fig. 31) gebildet. Sie tritt stets im Zusammenhange mit dem ceyanophilen Keimflecke auf, an dem sie nach Art von Knospen hervorsprosst, während sie sich in den ältesten unreifen Eiern auch gelegentlich von jenem getrennt finden lässt. Zuletzt gewinnt sie entschieden die Oberhand (Fig. 36), sanz abgesehen von den überaus zahlreichen, kleinen, sich noch zu- letzt bildenden Nucleolen, die im Farbenton theils dem des Keim- fleckes, theils dem des netzförmig vertheilten Chromatins ent- sprechen.

Bei Helix pomatia liegen die Verhältnisse wiederum ganz anders. Dort zeigt erst das ältere Ei eine Differenzirung der Keimflecksub- stanzen. Aber während wir bei einigen der untersuchten Thiere das erythrophile Element mehr oder weniger als selbständigen Keimfleck sahen, ist diese Substanz hier nur als ein kleiner Theil des Kern- körpers, als Calotte, vorhanden (Fig. 13).

Bei dieser Zusammenfassung ließ ich die Zugehörigkeit der be- handelten Arten zu ganz verschiedenen Abtheilungen des Thierreiches unberücksichtigt, sondern betrachtete allein das morphologische Ver- halten der Nucleolen.

Man hat aus der vorstehenden Darstellung bereits gesehen, dass

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 3205

ich hauptsächlich die Entstehung und Umbildung der Nucleolen zu verfolgen suchte und die Bedeutung dieser Vorgänge nur in so fern besprach, als sie für das morphologische Verständnis nöthig oder unerlässlich erschien. Was nun die Bedeutung der zweitheiligen Nucleolen oder der verschiedenartigen Nucleolarsubstanzen überhaupt betrifft, so ist diese, wie die Bedeutung der Nucleolen selbst, leider eine recht dunkle. Man hat zwar oft von Haupt- und Nebennucleolen Sesprochen und ihnen eine verschiedenartige Bedeutung zugeschrieben (man vergleiche z. B. HAECKER's ausführliche Behandlung dieses Gegenstandes), ohne jedoch im Allgemeinen damit den Boden der Hypothese verlassen zu können. Es liegt nicht in meiner Absicht den bisher geäußerten Vermuthungen weitere hinzuzufügen; hinweisen möchte ich nur noch auf die auch von mir beobachtete Thatsache, dass, wie bei anderen Arten, auch bei Limax der Nucleolus offenbar nicht zur Ausbildung des Chromatins verwendet wird. Wegen dieses Verhaltens verweise ich auf den Anhang.

Beobachtungen über das weitere Schicksal des Nucleolus in den Eiern von Limax maximus.

In den vorhergehenden Abschnitten wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass das Studium der späteren Schicksale des Nueleolus in den Eiern der untersuchten Formen gewisse Schwierigkeiten bietet. Nun erhielt ich durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. J. MEISEN- HEIMER von zwei Nacktschnecken, nämlich von ZLimaxz mazimus und _ Arion empiricorum, eine größere Anzahl Eier, welche er dem Uterus entnommen und für die Untersuchung der hier interessirenden Punkte sorgfältig konservirt hatte. Meinen Dank für diese Bemühungen möchte ich ihm auch an dieser Stelle aussprechen.

Bezüglich der Eier von Arion sei gleich hier erwähnt, dass in ihnen ein Hauptnucleolus niemals aufzufinden war, trotzdem ein reicheres Material als von Limax zur Verfügung stand. Der Haupt- nucleolus, welcher bei Arion sehr ähnliche Gestaltungsverhältnisse, wie bei Limax zeigt, muss offenbar hier außerordentlich früh und weit eher als bei Limax einer Auflösung verfallen. Die Stadien, welche dar- über hätten Aufschluss geben können, nämlich die mit dem schon in Umwandlung begriffenen Keimbläschen, waren unter dem Material nicht vorhanden, obwohl dasselbe Eier mit Keimbläschen und gut erhaltenen Nucleolen und andererseits mit der in Ausbildung begrif- fenen ersten Richtungsspindel aufwies.

Bei Limax fand ich folgendes Verhalten:

206 - Paul Obst,

Die jüngsten im Uterus enthaltenen Eier wiesen ein im Ganzen noch unverändertes Keimbläschen mit Membran und Nucleolen auf. Die beiden Substanzen, wie wir sie im ältesten Eierstocksei be- obachteten, waren hier noch vorhanden. Jedoch musste ich auf das Resultat meiner Doppelfärbung verzichten, da ich nur einige wenige Präparate dieses Stadiums hatte, welche in Folge der mit ihnen unternommenen vielfachen Doppelfärbungsversuche eine diffe- rente Färbung nicht mehr zeigen konnten. Erst in diesen Eiern er- schien es mir zweifellos, dass der große Nucleolus von äußerst vielen kleinen Vaeuolen durchsetzt war, welches Verhalten sich vorher nicht so deutlich erkennen ließ. Die um Weniges älteren Eier zeigten bereits die Chromosome der ersten Richtungsspindel ausgebildet. Sie hatten sich jedoch noch nicht zur Äquatorialplatte formirt, sondern lagen oft ziemlich weit von einander getrennt im Eiplasma; hierbei waren die Strahlun- sen der Üentrosome gewöhnlich deutlich sichtbar. Die Membran des Keimbläschens war nicht mehr vorhanden. In Eiern dieses Sta- diums (ef. Fig. III) fand

y sich ein großer Keim-

Mi fleck vor, dessen Habi-

< . tus dem des Keim-

len bläschenstadiums ent- Textfig. II.

sprach, nur fehlte von jetzt ab stets die Sub- stanz, welche an Masse als die geringere auftrat. Der große Keimfleck stellte ein kugeliges Gebilde mit zahlreichen Vacuolen dar. Seine Lage im Eikörper ist gewöhnlich eine periphere. Während jedoch die Vacuolen früher fast alle annähernd gleich groß waren, machen sich bereits jetzt deutlich Größenunterschiede bemerkbar. Dieses Stadium kam mir öfter zu Gesicht. Die in Ausbildung begriffene Spindel mit weitabgelagertem Nucleolus fand ich in mindestens 25 Eiern auf. Ich muss hierbei erwähnen, dass ich in einem und zwar in dem hier (in Fig. III) abgebildeten Falle außer dem einen noch zwei andere, etwas kleinere Nucleolen neben der in Bildung be-

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 207

sriffenen Spindel antraf. Da die Größendifferenz dieser Nucleolen keine sehr bedeutende, und ihre Struktur eine sehr übereinstim- mende ist, nehme ich an, dass diese Kernkörper an Substanz nicht verschieden sind, sondern an Stelle eines größeren nur drei kleinere Nueleolen zur Ausbildung gelangten.

Interessant ist nun, dass sich der große Kernkörper in keiner Weise am Aufbau der Spindel betheiligt: Er ist nämlich im Stadium der fertig gebildeten ersten Richtungsspindel noch im Ei vorhanden (ef. Fig. IV).

Ein ähnliches Verhalten der Nucleolen von Eizellen ist bereits von anderer Seite des öftern konstatirt wor- den. Einige mir bekannte diesbezügliche Beobachtun- sen möchte ich bei dieser Ge- legenheit erwähnen. KosTA- NECKI (38) giebt an, dass der kolossale Keimfleck bei Myzostoma glabrum während des Verlaufes der Richtungs- ar: mitosen im mittleren Zell- Textüig. IV. theile zu sehen ist. Dabei nimmt sein Umfang ganz allmählich ab unter Beibehaltung seiner rund- lichen Gestalt. Je mehr sich die Furchungsmitose ihrem Ende nähert, desto mehr wird das Kernkörperchen gegen den vegetativen Eipol verdrängt, bis es schließlich in den sogenannten Dottersack geräth. WHEELER, dessen Untersuchungen sich ebenfalls auf Myzostoma gla- brum beziehen, konnte den Keimfleck bis zum achtzelligen Stadium verfolgen (69). Jedoch verschwindet er nicht immer bis zu einem gewissen Zeitpunkte, sondern er geht bald früher, bald später zu Grunde (70, p. 35). Diese Fälle zeigen klar, dass der Keimfleck an den Processen der Reifung und Furchung keinen Antheil nimmt und somit für dieselben bedeutungslos ist. |

In anderen Fällen wurde seine Anwesenheit neben den Chromo- somen zur ersten Richtungsspindel nachgewiesen, so von BovERrI (10) und HAEcKER (24) im reifenden Ei von Echinus microtuberculatus, von KORSEHELT (37) bei Ophryotrocha puerilis und RÜCKERT (57) bei Copepoden.

208 Paul Obst,

Bei Limax zeigt dieser Kernkörper nun ein eisenthümliches Verhalten. Während er nach den Beobachtungen der obengenannten Forscher ohne weitere Strukturveränderung allmählich an Größe ab- nimmt, bis er endlich völlig verschwunden ist, fand ich, dass im Keimfleck des Eies von Limax mazimus die vielen Vacuolen schließlich zu einer einzigen ver- schmelzen; dieselbe erfüllt dann das ganze Innere des Kernkörpers bis auf eine schmale Randpartie (ef. Fig. Va—d). Der Inhalt der durch das Zusammenfließen der kleineren Vacuolen entstehenden größeren Va- cuole ist, sobald letztere einen be- trächtlicheren Umfang erreicht hat, nn mit den beiden von mir in Anwen-

Textfig. V. dung gebrachten Farbstoffen un- färbbar.

Dieser Kernkörper befindet sich somit offenbar in demselben Zustande, welchen bereits der Keimfleck des unreifen Eies von Dolomedes fimbriatus (cf. Taf. XIII, Fig. 60) darbietet.

Die wenigen mir zur Verfügung stehenden Stadien während der Bildung des zweiten Richtungskörperchens zeigten niehts mehr von der Anwesenheit des früheren Keimfleckes, jedoch gebe ich die Mög- lichkeit zu, dass er hier noch gelegentlich aufgefunden werden könnte. Jedenfalls kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich von ihm in den Stadien nach der Bildung des zweiten Richtungskörperchens keine Spur mehr aufgefunden habe. Ich nehme an, dass die geschilderte Vaeuolisirung und Aushöhlung des Nucleolus mit seiner Auflösung in direktem Zusammenhang steht. Aus meiner Darstellung sowohl für die Eier der behandelten Mollusken als Araneinen geht hervor, dass der Nucleolus mit fortschreitender Ausbildung des Keimbläschens eine immer größere Neigung zur Vacuolenbildung zeigt. Wie man aus meinen Abbildungen der Ovarialeier von Dolomedes fimbriatus (Fig. 60, Taf. XIII) und der Uteruseier von Zimax mazimus (Fig. IV) erkennt, kann die Aushöhlung im einen Falle früher, im anderen später stattfinden.

Marburg, im Januar 1899.

[9]

20.

ar

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 209

Litteraturverzeichnis.

L. AUERBACH, Über einen sexuellen Gegensatz in der Chromatophilie der Keimflecksubstanzen nebst Bemerkungen zum Bau der Eier und Ova- rien niederer Wirbelthiere. Sitzungsber. der Kgl. Preuß. Akad. der Wiss. zu Berlin. 1891.

E. G. BaLBIanı, Sur les mouvements qui se manifestent dans la tache serminative chez quelgues animaux. Gazette mödicale de Paris 36. Jahrgang. 3. Serie. Bd. XX. 1865.

E. G. BALBIANI, Centrosome et Dotterkern. Journ. del’Anat. et dela Physiol. Paris ”9 Annde 1893.

J. F. van BEMMELEN, Untersuchungen über den anatom. und histolog. Bau der Brachiopoda Testicardinia. Jenaische Zeitschr. Bd. XVI. p. 131. 1883.

E. vAn BENEDEN, Recherches sur la maturation de l’oeuf, la f&condation et la division cellulaire. Gand et Leipzig et Paris 1883. p. 105.

E. vAy BENEDEN et CH. JULIn, Recherches sur la morphologie des Tuni- eiers. Arch. de Biol. T. VI. Gand et Leipzig. Paris 1887. p. 237.

R.S. BERGH, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Ge- schlechtsorgane der Regenwürmer. Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1886.

T#, L. W. BiscHorr, Widerlegung des von Herrn Dr. KEBER bei den Naja- den behaupteten Eindringens der Spermatozoen in das Ei. Gießen 1854.

L. Böhmig, Beiträge zur Anatomie und Histologie der Nemertinen. Diese Zeitschr. Bd. LXIV. 1898. auch: Arb. aus dem zool. Institut zu Graz. BibVl Nr...

Ta. Boverı, Zellstudien. Heft 3. 1890.

F. BRAEM, Die geschlechtliche Entwicklung von Plumatella fungosa. Biblio- theca zoolog. Heft 23. p. 16. Stuttgart 1897.

V. Carus, Über die Entwicklung des Spinneneies. Diese Zeitschr. Bd. II. p. 97. 1850.

E. CLAPAREDE, Histologische Untersuchungen über den Regenwurm. Ibid. Bd. XIX. 1870.

DAVENPORT, Observations on Budding in Paludicella and some other Bryo- zoa. Bull. of the Mus. of Comp. zool. at Harvard College. Bd. XXII.

W. FLEMMING, Studien in der Entwicklungsgeschichte der Najaden. Sitzber. der Kais. Akad. zu Wien. Bd. LXXI. Abth. II.

W. Fremming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Leipzig 1882.

W. Fremummng, Über die ersten Entwicklungserscheinungen am Ei der Teich- muschel. Archiv für mikr. Anat. Bd. X. p. 257. 1874.

M. FLoDErus, Über die Bildung der Follikelhüllen Be den Ascidien. Diese Zeitschr. Bd. LXI. 1896.

H. For, Sur l’origine des cellules du folliele et de l’ovule chez les Asei- dies et chez d’autres animaux. Compt. Rend. de l’Acad. desSe. T.XCVI. Paris 1883. p. 1591.

.H. For, Sur l’anatomie mieroscopique du Deniale. Arch. de zool. exp. et gen. II. Serie. Tome VII. Paris 1889. p. 128.

JOH. FRENZEL, Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses und die amitotische Zelltheilung. Archiv für mikr. Anat. Bd. XLI. 183.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 14

210

44.

45.

46.

47.

Paul Obst,

. FROMMANN, Die Zelle. Leipzig 1890.

. HAECKER, Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. I. Theil. Archiv für mikr. Anat. Bd. XLI. p. 472. 1893.

. HAECKER, Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen. II. Theil. Ibid. Bd. XLII. 1894.

V. HAECKER, Die Vorstadien der Eireifung ete. Ibid. Bd. XLV. 1895.

F. Hennesuy, Lecons sur la cellule. Paris 1896.

F. HERMANN, Beiträge zur Biologie des Hodens.. Archiv für mikr. Anat. Bd. XXXIV. 1889.

OÖ. HErRTwıG, Beiträge zur Kenntnis der Bildung und Befruchtung des thie- rischen Eies. Morphol. Jahrbuch. Bd. I, II, IV.

OÖ. HERTwIG, Beiträge zur Kenntnis der Bildung und Befruchtung des thie- rischen Eies. Ibid. Bd. III. p. 271—279. 1877.

O0. HERTWIG, Beiträge zur Kenntnis der Bildung und Befruchtung des thie-

risches Eies. Ibid. Bd. IV. p. 156—175 und p. 177—210. 1878.

. HERTwiG, Die Zelle und ihre Gewebe. Jena 1893.

. HessLınG, Die Perlmuschel und ihre Perlen. Leipzig 1859.

v. HessLinG, Einige Bemerkungen zu des Herrn Dr. KEBER Abhandlung: Ȇber den Eintritt ete.< Diese Zeitschr. Bd. V. p. 332. 1854.

J. HEUSCHER, Zur Anatomie und Histologie der Proneomenia Sluiteri Hub- recht. Jenaische Zeitschr. Bd. XX. p. 503. 1892.

CH. JULIN, Structure et developpement des glands sexuelles; ovogen£se, spermatog. et fecondation chez Styelopsis grossularia. Bull. seient. de la France et de la Belg. T. XXIV. p. 208. Paris 1892.

CH. JuLin et E. vAn BENEDEN cf. E. VAN BENEDEN.

E. KORSCHELT, Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Zellkernes. Jena 1891 oder Zool. Jahrbücher Bd. IV.

E. KORSCHELT, Ophryotrocha puerilis. Diese Zeitschr. Bd. XVIII. 1895.

K. KoSTANECKI, Die Befruchtung des Eies von Myzostoma glabrum. Archiv für mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. LI. 1898.

LACAZE-DUTHIERS, Recherches sur les organes genitaux des Ace£phales lamellibranchiates. Annal. d. sc. nat. Zool. 4. Serie. T. II. 1854.

LACAZE-DUTHIERS, Histoire de l’organisation et du developpement du Dentale. Annales des sciences nat. 4. ser. T. VII. p. 181. 1857.

F. LeyDiG, Über Cyclas cornea. Archiv für Anat. u. Physiol. 1855.

F. LeyDıG, Über Synapta. Archiv für Anat. u. Physiol. 1852. p. 516.

F. LeyviıG, Beiträge zur Kenntnis des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. Zool. Jahrbücher. Abth. f. Anat. u. Ontog. Bd. III, Heft 2. p. 287. Jena 1888.

TH. List, Beiträge zur Chemie der Zelle und Gewebe. (1. Über die Fär- bung thierischer Gewebe mit Berlinerblau.) Mitth. aus der Zool. Stat. zu Neapel. Bd. XII, Heft 3. 1896.

E. LÖNNBERG, Kernstudien. Verh. d. Biol. Vereins in Stockholm. Bd. IV. Nr 414291892.

S. M. LuKJAnow, Beiträge zur Morphologie der Zelle. I. Über die epithelialen Gebilde der Magenschleimhaut bei Salamandra maculosa. Archiv für Anat. u. Physiol. Phys. Abth. Jahrg. 1887. p. 66—90.

A. MAuaQquın, Recherches sur les Syllidiens. Morphol., Anatom., Reproduct.

Developpement. Me&m. de la Soc. des Arts de Lille. 4. Serie. T. XVII.

in

<

=)

62.

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 311

C. DE MERESCHKOWSKY, Developpement de la Meduse Obelia. Bull. de 1a Soe. Zool. de France. Tome VIII. 1883.

A. MıcHEL, Sur la composition des Nucleoles. (Note de M. Aug. MICHEL, presentee par M. GIARD.)

M. OGATA, Die Veränderungen der Pankreaszellen bei der Sekretion. Archiv für Anat. u. Phys. (Phys. Abth.) Jahrg. 1883. p. 405—137.

M. PFLÜckE, Zur Kenntnis des feineren Baues der Nervenzellen bei Wirbel- losen. Diese Zeitschr. Bd. LX. 1895.

G. PLATNER, Über die Spermatogenese bei den Pulmonaten. Archiv für mikr. Anat. Bd. XXV. 1585.

G. PLATNER, Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. Ibid. Bd. XXVI. 1886.

W. REINHARD, Skizze des Baues und der Entwicklung der Süßwasser- bryozoen. Charkow (Russland).

L. RouLE, La structure de l’ovaire et la formation des oeufs chez les Phallusiadees. Compt. Rend. de l’ Acad. des Sc. T. XCVI. Paris 1883. p. 1069.

L. RouULE, Recherches sur les Ascidies simplex des cötes de Provence. Annal. du Mus. d’Hist. nat. de Marseille T. II. Me&m. No. I. 1884.

J. RÜCKERT, Zur Eireifung bei Copepoden. Anatom. Hefte (MERKEL- Bonner’s Ergebnisse). I. Abth. Heft 12. (IV. Bd., Heft 2.)

SANFELICE, Spermatogenese chez vertebres. Arch. ital. de Biol. (Mosso.) Bd. X. 1888.

V. SIEBOLD, Beiträge zur Naturgeschichte der wirbellosen Thiere. Neueste Schriften der Naturforschenden Gesellschaft Danzig. Bd. III, Heft 2.

H. STAUFFACHER, Eibildung und Furchung bei Cyclas cornea. Jen. Zeit- schrift für Naturwissensch. Bd. XXVIII. 1894.

P. STEPANOFF, Über die Entwicklung der weiblichen Geschlechtselemente von Phallusia. Bull. de ’Acad. des Sc. de St. Pötersbourg. T. XII. 1869. p. 209.

STOLNIKOW, Vorgänge in den Leberzellen, insbesondere bei der Phosphor- vergiftung. Archiv für Anat. u. Physiol. Phys. Abth. Jahrg. 1837. Suppl. p. 1—27.

v. LA VALETTE St. GEORGE, Über die Genese der Samenkörper. Archiv für mikr. Anat. Bd. XV.

v. LA VALETTE St. GEORGE, Über den Keimfleck und die Deutung der Eitheile. Archiv für mikr. Anat. Bd. II. 1866.

FR. VEJDOVSKY, Untersuchungen über die Anatomie, Physiologie und Ent- wicklung von Sternaspis. Denkschr. der Kaiserl. Akademie der Wissen- schaften. Math.-naturw. Klasse. Bd. XLI. Wien. p. 63. 1879.

W. Voigt, Über Ei- und Samenbildung bei Branchiobdella. Arb. aus dem zool.-zoot. Inst. zu Würzburg. 1885.

R. WAGNER, Artikel »Ei«e. In ErscH und GRUBER’s Encyklopädie. I. Sekt. 32. Theil. p. 1-11. 1839.

R. WAGNER, Beiträge zur Geschichte der Zeugung und Entwicklung. Abhandl. der math.-naturw. Klasse der Königl. Bayer. Akad. der Wiss. Bd: IE 1837.

' W. M. WHEELER, The Behavior of the Centrosomes in the Fertilized Egg

of Myzostoma glabrum Leuckart. Journ. of Morph. Vol. X. p. 307. Textfigur 4. 1895. 14*

242 Paul Obst,

70. W. M. WHEELER, The Maturation, Feeundation and Early Cleavage of Myzostoma glabrum Leuckart. Arch. de Biol. Tome XV. 1897.

71. E. B. Wırson, The cell in development and inheritance. New York 1896.

72. R. WOLTERECK, Zur Bildung und Entwicklung des Ostracoden-Eies. Diese Zeitschr. Bd. LXIV. 1898.

73. K. W. ZIMMERMANN, Über den Kerntheilungsmodus in der Spermatogenese

von Helix pomatia. Anat. Anz. 6. Jahrg. 1891. Ergänzungsheft.

Erklärung der Abbildungen.

Sämmtliche Figuren sind mit dem Zeıss’schen Zeichenprisma (Camera lueida) bei einer Tubuslänge von 150 mm mit Oe. A, die Fig. 1—17 mit ZEISs’ homo- gener Immersion 2 mm, Ap. 1,30, die Fig. 18—67 mit Leitz’scher Öl-Immersion 1/12, Ap. 1,30 entworfen. Bei den Fig. 12 und 13, 23—26, 3436, 43 und 44, 51—53, 59 und 65—67 wurde das Plasma nur in der Umgebung des Keimbläs- chens angedeutet; die Fig. 45—49 geben nur die betreffende Partie des Keim- bläschens wieder, in welcher jedes Mal der betreffende Keimfleck lag. Bei Fig. 11 wurde nur ein Theil des Plasmaleibes gezeichnet.

Tafel XII und XIII.

Fig. 1—36. Mollusken.

Fig. 1--13. Helix pomatia.

Fig. 1—3. Jüngste Eier; Keimfleck blau tingirt.

Fig. 4 u. 5. Aneinanderlagerung von Keimflecken behufs Verschmelzung.

Fig. 5 u. 6. Chromatin in feinster Vertheilung peripher angeordnet.

Fig. 7. Ei mit länglichem, durch Verschmelzung entstandenem Keimfleck.

Fig. 8 u. 9. Eier mit mehreren Nucleolen.

Fig. 10. Etwas älteres Ei mit in Verschmelzung begriffenem Keimfleck.

Fig. 11. Zwei noch isolirte, größere Keimflecke.

Fig. 12 u. 13. Keimflecke mit cyanophiler und erythrophiler Nucleolar- substanz.

Fig. 14—26. Limax maximus.

Fig. 14. Jüngste Eier; Keimfleck blau tingirt.

Fig. 15. Auftreten eines kleinen, erythrophilen Keimfleckes.

Fig. 16—22. Wachsthum des eyanophilen und Umbildung des erythro- philen Kernkörpers.

Fig. 23. Verschmelzung der beiden cyanophilen Keimflecke; Bildung kleiner erythrophiler Keimflecke.

Fig. 24. Wachsthum dieser kleinen, erythrophilen Keimflecke.

Fig. 25 u. 26. Eigenthümliche Differenzirung am ältesten Keimfleck nach längerer Extraktion des Methylgrüns durch Alkohol.

Fig. 27—36. Unio batavus.

Fig. 27. Jüngste Eier; Keimfleck blau tingirt. |

Fig. 2S—30. Wachsthum dieses eyanophilen Keimfleckes.

Fig. 31. Auftreten erythrophiler Substanz am cyanophilen Keimfleck.

Fig. 32 u. 33. Die erythrophile Substanz nimmt an Masse zu; Wachsthum des cyanophilen Keimfleckes.

Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 913

Fig. 34 u. 35. Trennung beider chromatophilen Substanzen. Bildung kleinster, erythrophiler Kernkörper.

Fig. 36. Ältestes Eistadium; die erythrophile Nucleolarsubstanz überwiegt an Masse.

Fig. 37—67. Arachnoiden. Fig. 37—48. Epeira diademata. Fig. 37. Jüngste Eier; zwei Nucleolarsubstanzen. Fig. 33—42. Die Keimflecke weisen beide chromatophilen Nucleolar- substanzen auf. Fig. 40—42. Auftreten eines kleinen, erythrophilen Keimfleckes. Fig. 43. Hauptkeimfleck nach dem Lamellibranchiaten-Typus aufgebaut. Fig. 44—47. Bildung und Wachsthum vieler kleinerer und größerer, ery- throphiler Keimflecke, welche sich späterhin an den Hauptkeimfleck anlegen. Fig. 46 u. 47. Ein und derselbe Keimfleck eines Keimbläschens in zwei auf einander folgenden Schnitten dargestellt. Fig. 48. Ein Keimfleck, bei welchem die cyanophile Substanz beiden Polen der erythrophilen kappenförmig aufsitzt. Fig. 49—54. Tegenaria domestvca. Fig. 49. Kleine, cyanophile Keimflecke mit großer Vacuole. Fig. 50. Etwas älteres Ei mit cyanophilen Keimflecken. Fig. 51. Keimbläschen mit vier bereits größeren, cyanophilen Keimflecken und kleinen in Bildung begriffenen Kernkörpern. Fig. 52. Älteres Keimbläschen mit drei großen, cyanophilen Keimflecken. Fig. 55. Zerfall der cyanophilen Keimflecke in den ältesten Keimbläschen. Fig. 54. Ein eyanophiler Keimfleck, welcher im Zerfall begriffen ist. Fig. 55—60. Dolomedes fimbriatus. "Fig. 55. Der Keimfleck setzt sich bereits aus den beiden chromatophilen Substanzen zusammen. Fig. 56. Der große Keimfleck ist nur cyanophil; neben ihm tritt plötz lieh ein kleiner, erythrophiler Kernkörper auf. Fig. 57. Beide Kernkörper haben an Umfang zugenommen. Fig. 58—60. Bildung einer allmählich immer größer werdenden Vacuole. Fig. 60. Ältester Keimfleck mit großem Hohlraum, allein dargestellt. Fig. 61—69. Drassus quadripunctatus. Fig. 61 u. 62. Jüngste Eier; Keimflecke blau tingirt. Fig. 63. Ei, welches noch mehrere eyanophile Keimflecke enthält; von ihnen sind zwei in Verschmelzung begriffen. Fig. 64. Ein bereits größerer, durch Verschmelzung entstandener, cyano- philer Keimfleck. Fig. 65 u. 66. Der Keimfleck setzt sich aus den beiden chromatophilen Substanzen zusammen; Auftreten eines kleinen, erythrophilen Kernkörpers. Fig. 67. Ältestes Eistadium; der Keimfleck zeigt an drei Stellen seiner Peripherie cyanophile Substanz. Fig. 68. Etwas jüngerer Keimfleck, welcher seine Substanzverschieden- heiten schon bei alleiniger Anwendung von Boraxkarmin zeigt. Fig. 69. Ein Keimfleck, bei welchem die cyanophile Substanz an vier Stellen seiner Peripherie angeordnet ist.

a

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbesondere ihrer Verbindung.

Von

Josef Schaffer (Wien).

Mit Tafel XIV und XV.

Inhalt: Einleitung. I. Der gegenwärtige Stand der »Intercellularbrückenfrage«. II. Eigene Untersuchungen. A. Ergebnisse an frisch untersuchten Muskelzellen. B. Die glatten Muskelzellen des Pferdedarmes und die sog. Ver- dichtungsknoten. ©. Die Einwirkung von Reagentien auf die kontraktilen Faser- zellen. D. Beobachtungen an Schnittpräparaten; Färbetechnik zur Tren- nung der Muskel- und Bindesubstanz. III. Epikrise.

Die Frage nach der Art und Weise, wie die glatten Muskelfasern unter einander verbunden sind, scheint durch die zahlreichen Unter- suchungen der letzten Jahre an Klarheit nichts gewonnen zu haben.

An Stelle der alten Anschauung, dass die glatten Muskelzellen durch eine Kittsubstanz verbunden sind, hatte zuerst N. KuLr- SCHITZKY (28)! die neue gesetzt, dass sie »mittels kleiner protoplas-

1 Ich schreibe mit der Mehrzahl der neueren Autoren [BARFURTR (l), DE BRUYNE (8), WERNER (45), SCHULTZ (40), KoLossow (27)] KULTSCHITZKY, muss aber bemerken, dass in der Schreibweise dieses Namens eine heillose Ver- wirrung herrscht. In der Originalmittheilung erscheint N. KuLTscHızny als Autor und wird der Name auch im Inhaltsverzeichnis und Autorenregister so geschrieben, ohne dass ich eine Berichtigung gefunden hätte. Demnach müsste man KULTSCHIZNY eitiren, wie dies folgerichtig NICOLAS (32) und BusAchHı (9) gethan haben. TRIEPEL (48) schreibt KuULTSCHIzKY und bemerkt dazu, dass im Biolog. Centralblatt in Folge eines Druckfellers KULTSCHITZNY angegeben ist, was jedoch auch nicht richtig ist. KLEck1 (23) schreibt KULTSCHIZKY, dann wieder

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 215

matischer Brückchen an einander haften, und dass zwischen den Zellen Intercellularräume übrig bleiben«.

Es war damit die Verbindung der glatten Muskelzellen in Paral- lele gestellt mit der von Epithelzellen in geschichteten Pflasterepi- thelien.

Seit dieser kurzen Mittheilung Kurtscaırzey’s haben sich über ein Dutzend Arbeiten mit derselben Frage beschäftigt; auf eine historische Besprechung derselben kann ich hier verzichten, indem die Anschauungen der einzelnen Autoren im Laufe meiner eigenen Darstellung berücksichtigt werden sollen. Hier beschränke ich mich darauf hinzuweisen, dass uns sämmtliche Arbeiten zu keiner einheit- lichen und klaren Auffassung dieser sogenannten Intercellularbrücken geführt haben; wohl aber ist die Darstellung Kuutscaitzey’s bereits in mehrere Lehrbücher der Histologie übergegangen, wozu mir die Sache noch nicht spruchreif genug erscheint.

I. Der gegenwärtige Stand der „Intercellularbrückenfrage“.

Als zweifellos feststehend kann die Beobachtung gelten, dass man an dünnen Querschnitten kontraktiler Faserzellen gelegentlich zwischen den Querschnittsfeldern der Zellen zarte Verbindungen sehen kann, welche an das bekannte Bild der Intercellularbrücken in der Stachelzellenschicht der Epidermis erinnern. Alle weiteren Behauptungen über die Natur dieser Brücken müssen als derzeit zweifelhaft bezeichnet werden.

Jedoch nicht nur an Querschnitten sind brückenähnliche Verbin- dungen gelegentlich zu sehen, sondern auch an Längsschnitten, welche Thatsache wiederholt, so von NicoLAs (32), DE BrRUYNE (85), BOHE- MAN (6), TRIEPEL (43) festgestellt worden ist und von der man sich am leichtesten an einem Längsschnitte durch die glatten Muskeln von mittels Sublimat fixirten Nabelstranggefäßen überzeugen kann. STÖHR (42) bildet solche »Intercellularbrücken« an einem, Längs- schnitte durch die Darmmuskulatur des Meerschweinchens (Fig. 39), BoHEMmAN (6) von der Katze ab (Fig. 2. Um so verwunderlicher er- scheint es, dass BARFURTH (2) dieser Thatsache gegenüber noch heute an seiner älteren Anschauung über die Art und Weise der Verbindung

KULTSCHITZKY, ROLLETT (33) KuULSCHITZKY. Im Registerband der Zeitschrift für wiss. Mikrosk. erscheint ein N. KULTScHITzkyY und ein W. K., die offenbar identisch sind; endlich auch ein L. K. KurtscHuizky. In einem Referat von L. HEYDENREICH (Wilna) in der Zeitschr. für wissensch. Mikr. Bd. VI, 1889, p. 315 lese ich N. K. Kuutscaitzet u. 8: £.

216 Josef Schaffer,

glatter Muskelzellen durch längsverlaufende Leisten, die im Quer- schnitte als Brücken erscheinen müssen, festhält. BARFURTH (1) sieht an Längsschnitten »nur feine, etwas unregelmäßig verlaufende Längs- linien<«, die er als optischen Ausdruck dieser Längsleisten auffasst. Diese Darstellung hat auch Krecki (23), ein Schüler BARFURTH’sS, zu begründen gesucht und ist dieselbe auch von KuLrscHITzky (29) an- erkannt und von SCHIEFFERDECKER (39) und BöHm und v. DAVIDorF (5) aufgenommen worden. Ich hoffe im Laufe dieser Mittheilung eine befriedigende Erklärung für die Auffassung BARFURTH’s geben zu können; es sei aber gleich hier bemerkt, dass die »Intercellular- brücken« BARFURTH’s, welche er an den Querschnitten beschrieben hat, etwas ganz Anderes sind, als diejenigen, welche von anderen Autoren an Längsschnitten gesehen worden sind.

Eine andere Darstellung vom Zusammenhange der glatten Muskel- fasern hat P. Schuutz (40) gegeben. Nach ihm sollen es die Fibrillen der Muskelzellen sein, welche den Zusammenhalt derselben bewerk- stelligen und wirkliche Intercellularbrücken bilden.

Diese Behauptung hätte einer gründlicheren Beweisführung be- durft, als sie ihr Scuhurtz zu Theil werden ließ. Aus der Schilde- rung, welche er p. 538 von den Verhältnissen giebt, und die er durch den Hinweis auf die Fig. 6 und 7 unterstützt, wird kein unbefange- ner und kritischer Leser die Überzeugung gewinnen, dass es sich hier in der That um durch Fibrillen gebildete Brücken handelt. Dies um so weniger, als das Objekt, welches ScHuLTtz als besonders ge- eignet zur Darstellung des von ihm behaupteten Verhaltens bezeich- net, nämlich die glatten Muskelzellen der Giftdrüsen beim gefleckten Salamander von anderer Seite Gegenstand einer gründlichen Unter- suchung gewesen sind, welche betrefis der sog. Intercellularbrücken zu ganz anderen Anschauungen geführt haben.

DraschH (11), dessen Arbeit ScHhuLtTz nicht gekannt zu haben scheint, wenigstens nicht erwähnt, findet die glatten Muskelfasern der Giftdrüsen, die er als zusammenhängende Lage isolirte und so nicht nur an Schnitten, sondern auch von der Fläche her untersucht hat, an ihrer Innenfläche von einer dünnen Substanzlage elastischer Natur bedeckt, welche sich in die intercellulären Spalten einsenkt und mit der die Außenfläche bedeeckenden Membrana propria verkittet, so dass jede Faser eine dünne Scheide besitzt; diese Scheide zeigt nun bei der Kontraktion mannigfache Fältelungen, die im Allge- meinen quer zur Faserrichtung verlaufen und bei tiefer Einstellung das Bild von Intercellularbrücken gewähren.

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 217

Ich selbst konnte mich von der Richtigkeit dieser Darstellung sowohl an den Originalpräparaten von DRASCH, als an eigenen über- zeugen; hier muss ich aber auch gleich erwähnen, dass es leicht gelingt an einfach in 70°/,igem Alkohol konservirten Giftdrüsen die Muskelfasern als ganz glattrandige Gebilde zu isoliren, was unmög- lich wäre, wenn die von ScHuLtz behauptete Verbindung durch Fibrillen vorhanden wäre. Gegen die letztere spricht aber auch der Umstand, dass die von ScuuLrz empfohlene Methode, welche die fibrilläre Struktur der glatten Muskelzellen am deutlichsten zur Wahr- nehmung bringen soll, nämlich die Behandlung der frischen Fasern mit 10°/,iger Salpetersäure, durchaus nicht auch die Intercellular- brücken an Längsschnitten am besten erkennen lässt. Vielmehr sind, wie noch weiter ausgeführt werden soll, an solchen mit starken Säuren behandelten Objekten »Intercellularbrücken« vielfach auch dort nicht zu sehen, wo sie bei Anwendung anderer Fixirungsmittel deutlich hervortreten.

Die meisten übrigen Untersuchungen haben in mehr oder minder nachdrücklicher Weise das Vorkommen und Eindringen von Binde- sewebe zwischen die Muskelfasern dargethan, wenngleich die be- treffenden Autoren das gleichzeitige Vorkommen von Intercellular- brücken protoplasmatischer Natur nieht in Abrede stellen, sondern nur die Reichlichkeit ihres Vorkommens in Frage ziehen.

Von Interesse scheint mir, dass KÖLLIKER, dem wir wohl die _ meisten Kenntnisse über den feineren Bau des glatten Muskelgewebes verdanken, in der neuesten Auflage seines Lehrbuches von den Intercellularbrücken keine Notiz nimmt. Nach ihm (26, p. 136) wer- den die Fasern unter Mitwirkung eines nicht unmittelbar zu beob- achtenden Bindemittels oder von zartem Bindegewebe zu Bündeln verbunden.

Besonders in jüngster Zeit ist von mehreren Seiten die Frage aufgeworfen worden, ob nicht die Anwesenheit dieses zarten Binde- gewebes zwischen den kontraktilen Faserzellen mit dem Vorkommen der sog. Intercellularbrücken in Zusammenhang zu bringen sei, ja letztere vielfach geradezu nur auf Rechnung desselben zu setzen, also etwas ganz Anderes wären, als die Intercellularbrücken zwischen Epithelzellen, wie dies KuLTscHItzkY zuerst gemeint hat.

Wir haben es hier offenbar mit ganz verschiedenen Dingen zu thun, welche unter demselben Titel »Intercellularbrücken« beschrieben worden sind; was BARFURTH und seine Schüler geschildert haben, sind Bilder, die an glatten Muskelfasern wirklich zur Beobachtung

218 Josef Schaffer,

kommen und die nichts mit Bindegewebsnetzen zwischen den Muskel- fasern zu thun haben; in so fern ist BARFURTH vollständig berechtigt, auf der Richtigkeit seiner Schilderung zu bestehen. Andererseits be- ruhen jedoch die neuesten Schilderungen von GARNIER (15) und HoEHL : (22) eben so auf thatsächlich vorhandenen Verhältnissen, welche ge- wiss einen oder den anderen der Beobachter, aber nicht BARFURTH, zur Verwechslung mit Intercellularbrücken Anlass gegeben haben. Es sind verschiedene Dinge, aber für keines derselben kann die Bedeu- tung von Intercellularbrücken im Sinne KuLTscHItzky’s aufrecht erhalten werden.

Dass die Intercellularbrücken überhaupt keineswegs eine allge- meine Eigenschaft der glatten Muskelfasern sind, hat FLemming (14) unlängst betont; KoLossow (27) stellt ihr Vorkommen neuestens sehr bestimmt in Abrede, obgleich er sonst im Auffinden von Intercellu- larbrücken, allerdings auf Grund einer sehr anfechtbaren Methode, alle bisherigen Beobachter übertroffen hat. »Zwischen den glatten Muskeln kommen bei Wirbelthieren keine Verbindungsbrücken vor. Ich kann dies auf Grund meiner eigenen Untersuchungen, welche den Angaben aller Autoren, die sich im Verlaufe der letzten zehn Jahre mit dieser Frage beschäftigt haben, widersprechen, mit Be- stimmtheit behaupten, da ich mich vollkommen davon überzeugt habe, dass bei Wirbelthieren aller Klassen zwischen diesen Zellen nur scheinbare Verbindungsbrücken zu sehen sind, welche bei der Kon- traktion der Muskelzellen in Folge einer eigenthümlichen Struktur derselben auftreten. «

Dass die Kontraktion der glatten Muskelfasern auf das Aussehen des mikroskopischen Bildes derselben von Einfluss sein muss ist klar; dieser Einfluss macht sich nicht nur auf die Fasern selbst, sondern auch auf das Bindemittel derselben geltend. Sämmtliche Autoren, welche Intercellularbrücken beschreiben, haben ihr Material lebens- warm, also in noch kontraktionsfähigem Zustande mit Fixirungs- mitteln behandelt; bei den glatten Muskelfasern können aber durch diese Behandlung noch längere Zeit nach dem Tode ich konnte dies wiederholt 12—24 Stunden p. m. feststellen Kontraktions- erscheinungen ausgelöst werden.

Wenn daher KotLossow behauptet, dass die scheinbaren Ver- bindungsbrücken erst in Folge der Kontraktion auftreten, so ist diese Möglichkeit durch die bis jetzt vorliegenden Untersuchungen nicht ausgeschlossen; vielmehr haben schon frühere Beobachter festgestellt, dass zwischen Kontraktion und Verbindungsbrücken ein Zusammen-

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 9219

hang besteht. Nach DrascH (11) werden die »scheinbaren Inter- cellularbrücken« bei der Kontraktion deutlicher, und eben so fanden KLEoKI. und WERNER, zwei Schüler BARFURTH’s, die Zellbrücken um so ausgeprägter und zahlreicher, je hochgradiger die Kontraktion des Muskels war. Bemerkenswerth ist auch die Angabe Kreckrs (23), dass die Brücken im dilatirten Ösophagus, sowie in der Blase fehlen, während sie nach WERNER (45) diese Organe im Kontraktionszustande deutlich erkennen lassen.

Ein anderer schwacher Punkt in den Darstellungen jener Auto- ren, die von Protoplasmabrücken sprechen, ist der, dass ein Nach- weis der protoplasmatischen Natur nicht erbracht erscheint; die Behauptung stützt sich lediglich auf die oft sehr fragliche Ähnlichkeit der Bilder mit den zweifellosen Protoplasmabrücken der Epithelzellen. |

Damit glaube ich den gegenwärtigen Stand dieser Frage hin- länglich gekennzeichnet zu haben, um meine Eingangs dieser Mit- theilung aufgestellte Behauptung gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Il. Eigene Untersuchungen.

Meine eigenen Erfahrungen in der Frage reichen auf mehrere Jahre zurück, und waren es zuerst Beobachtungen an den Muskeln der Nabelstranggefäße des Menschen, welche mich zur Erkenntnis

seführt haben, dass die gewöhnliche Darstellung vom Vorhandensein protoplasmatischer Verbindungsbrücken zwischen den glatten Muskel- fasern unhaltbar seien.

Die Muskelfasern der Nabelstranggefäße sind in so fern ein sehr sünstiges Untersuchungsobjekt, als sie ziemlich diek, nicht zu dicht gedrängt und auch im frischen Zustande leicht isolrbar sind. Man kann die Gefäße aus dem frischen Nabelstrang ohne Schwierigkeit herauspräpariren, allenfalls der Länge nach aufschneiden und im gespannten oder ungespannten Zustande fixiren.

Darin bestand auch vornehmlich meine Untersuchungsmethode. Die Fasern wurden wiederholt an frisch angefertigten Isolations- präparaten in !/,%/yiger Kochsalzlösung, dann aber auch, um die Wirkung verschiedener Reagentien zu erforschen, an Isolations- und Schnittpräparaten fixirter, gehärteter oder macerirter Nabelstrangefäße "untersucht. Außerdem wurde aber auch die glatte Muskulatur des Darm- und Urogenitaltractes des Menschen und verschiedener Thiere in den Bereich der Untersuchung gezogen.

220 Josef Schaffer,

A. Ergebnisse an frisch untersuchten Muskelzellen.

An frisch zerzupften Stücken der Nabelstranggefäße gelingt es, wie gesagt, leicht einzelne Bündel oder Fasergruppen isolirt zur An- sicht zu bekommen. Die Oberfläche der Fasern erscheint dort, wo sie noch im Zusammenhang zu sehen sind, nicht glatt, sondern zeigt eine undeutlich netzige, stellenweise auch querfaltige Beschaffenheit (Fig. 1).

Bei scharfer Einstellung auf die Ränder der Fasern sieht man manchmal deutlich glänzende, gewellte Linien, welche wie leicht ge- schlängelte, in der Längsrichtung der Muskelfasern verlaufende elasti- sche Fasern aussehen. Setzt man zu einem solchen frischen Objekt Essigsäure unter dem Deckglase zu, dann kann man die Mehrzahl dieser glänzenden Linien durch Aufquellung verschwinden sehen; einzelne jedoch treten nun deutlicher hervor und werden leicht als elastische Fäserchen erkannt, welche den Muskelzellen auf- oder anliegen. In solchen gequollenen Bündelchen treten die Grenzen der Muskelfasern scharf als vollkommen glattrandige hervor.

Am Rande solcher Bündelchen findet man nun an gut zerzupften Präparaten nicht selten einzelne Muskelfasern oder wenigstens Theile von solchen vollkommen frei aus dem undeutlichen Netzwerk, wel- ches die übrigen bedeckt, herausragen (Fig. I zf), und solche Fasern zeigen dann stets eine vollkommen glatt begrenzte Oberfläche, keine Spur von Zacken oder Zähnchen an derselben. Sie sind mechanisch aus dem Netz- oder Wabenwerk herausgerissen, in dem sie darinnen stecken, wie vielleicht an einer in Äther-Chloroform gekochten mark- haltigen Nervenfaser der sogenannte Achsencylinder im Neurokeratin- serüst; ein Vergleich, den, wie ich erst später fand, schon DRASCH (11) gemacht hat, was gewiss für seine Anschaulickeit spricht.

Ganz dieselbe Beobachtung konnte ich an den glatten Muskel- fasern der Dickdarmtänien eines Affen (Mac. eynomolgus) machen. Beim Zerzupfen des frischen Muskels in Kochsalzlösung gelingt es nur schwer einzelne Fasern zu isoliren, wohl aber dünne Bündelchen (Fig. 2). Zwischen den einzelnen Muskelfasern sieht man wieder an- scheinend wellige Fasern, welche durch unregelmäßige, quer ver- laufende, geschlängelte Äste zu einem dichten, die Muskelzellen ein- scheidenden Netz- oder Wabenwerke verbunden werden. Am Rande des abgebildeten Bündelchens erschienen wieder Theile von Fasern” aus demselben herausgerissen und zeigen vollkommen glatte Kon- touren (Fig. 2 :f).

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 221

Bei Essigsäurezusatz treten die Grenzen der Muskelfasern im Bündel deutlicher hervor und im Beginne erscheint in den Inter- cellularspalten bei scharfer Profileinstellung eine Verzahnung der Fasern, die ganz den Eindruck der von den Autoren beschriebenen Intercellularbrücken macht, jedoch bei weiterer Quellung bald ver- schwindet.

An frisch zerzupfter Muscularis des Rattendarmes lassen sich die dünnen, langen Fasern leicht vollkommen glattrandig isoliren; dort, wo man sie in dünnen Bündelchen oder Platten im Zusammenhange sieht, erscheinen ihre Ränder durch leicht wellige, stärker licht- brechende Streifen gekennzeichnet. Ein Netzwerk, welches die Fasern einhüllen würde, ist nicht deutlich wahrnehmbar.

Etwas anders gestaltet sich das Verhalten bei der Darmmusku- latur der Katze. Hier sieht man 1) viel deutlicher wellige Längs- streifen oder scheinbare Fasern zwischen den Muskelelementen, deren enge Biegungen dem Rande der Muskelfasern oft ein gezähntes Aus- sehen verleihen und oft durch zarte quere Brückchen oder Fältchen verbunden sind; 2) lassen sich vereinzelte dieser welligen Fasern leicht als elastische Fasern erkennen.

Leicht gelingt es auch hier einzelne Muskelfasern vollkommen oder zum Theil zu isoliren; dieselben sind wieder durch voll- kommen glatte Kontouren und eine zarte, fibrilläre Längsstreifung ausgezeichnet. | i Bei Zusatz von Kalilauge zum frischen Präparat verschwindet die Fältelung zwischen den Fasern, sowie die Querstreifen; die Grenzen der Muskelzellen treten als geradlinige, glatte helle Kon- touren hervor und einzelne längsverlaufende elastische Fasern werden deutlich.

Verhältnismäßig leicht gelingt die Isolirung von Faserstücken auch aus der Darmmuskulatur von Triton alpestris. Dieselben sind wieder vollkommen glattrandig, leicht längsgestreift und lassen an den Kernpolen einige gröbere Körnchen erkennen. Wo die Fasern im Zusammenhange von der Fläche gesehen werden, ist an denselben eine feine querstreifige Zeichnung sichtbar. Eigenthümlich ist, dass während der Beobachtung der Fasern in !/,%/,iger Kochsalzlösung zwi- schen dem Kern und dem kontraktilen Inhalt reihenartig neben ein- ander um den ganzen Kernumfang Vacuolen auftreten, so dass förm- lich eine Loslösung des kontraktilen Inhaltes vom Kerne stattfindet. Eine ähnliche Vacuolenbildung tritt auch zwischen einzelnen Fasern, deren Grenzen am frischen Objekt als glänzende Streifen deutlich

pp) Josef Schaffer,

sichtbar sind, auf. Die Vacuolen bilden oft Reihen und hängen zwischen ihnen die Fasern durch ausgezogene Spitzen zusammen.

Zwischen den Fasern konnte ich auch einmal zweifellos einen Leukoeyten beobachten, was M. HEIDENHAIN (20) auch im Darm vom Salamander gelegentlich sah. Bei Essigsäurezusatz verschwinden die Zellgrenzen im Anfange ganz und die Fasern werden deutlich längsstreifig; nach einiger Zeit treten die Zellgrenzen wieder sehr deutlich als glänzende Linien hervor.

Ungleich fester erschienen die Fasern in der Magen-Darm- muskulatur eines Pseudopus und beim Frosche verbunden. Bei ersterem gelang es nur schwer beim Zerzupfen des frischen Gewebes einzelne Faserenden zu isoliren; diese erschienen aber vollkommen glattrandig.

Beim Frosch gelingt die Isolation am frischen Objekt überhaupt kaum; an dünnen Bündelehen konnte man aber die Grenzen der ein- zelnen Muskelzellen gut als wellige, glänzende Linien wahrnehmen. An manchen Stellen waren zwischen den Fasern Spalträume zu sehen, welche von queren Brücken durchsetzt erschienen; bei Essig- säurezusatz konnte ein Theil derselben als feine elastische Fäserchen erkannt werden, die sich über die Breite mehrerer Muskelzellen hin- weg verfolgen ließen.

Diese bisher angeführten Beobachtungen an den frischen Muskelzellen der verschiedensten Thiere lassen einmal zweifellos erkennen: 1) dass zwischen den Muskelzellen ein geformtes Bindemittel vorkommt, das zum Theil faseriger Natur ist, 2) dass der Rand der lebenden Muskelzelle vollkommen glatt er- scheint, ohne eine Spur von Zähnchen oder Höckerchen zu zeigen und 3) dass quer zur Längsrichtung der Muskelzellen ge- stellte brückenartige Bildungen entweder Faltungen des seformten Bindemittels oder faserige Gebilde sind, endlich auch, wie wir beim Triton gesehen haben, als Spitzen oder Höcker an der Oberfläche der Muskelzelle selbst durch eine Art von Schrum- pfungsvorgang entstehen können.

Eine besondere Beachtung erfordern die welligen Linien oder scheinbaren Fasern, welehe an den frischen, isolirten Muskelbündel- chen stets zwischen den kontraktilen Zellen erscheinen und die Grenzen derselben bilden (Fig. 1 bei tiefer und 2 bei hoher Einstellung).

Verfolgt man dieselben aus der scharfen Profileinstellung dureh langsames Heben der Mikrometerschraube, so bekommt man nicht den Eindruck drehrunder Fasern, sondern den, dass es sich um den

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 2923

optischen Durchschnitt einer membranartigen gefalteten Hülle oder Scheidewand zwischen den Muskelfasern handelt. Die welligen Linien gehen ganz allmählich über in die oberflächliche netzartige oder querfaltige Zeichnung der Muskelfasern, wo eine solche zu sehen ist.

Dass es sich in der That um eine Art membranöser Hülle han- deit, geht aber auch aus anderen Beobachtungen hervor.

Zerzupft man z. B. Gefäßmuskulatur des Nabelstranges frisch in

BANNwARTH’s Eosin!, so gelingt es isolirte Fasern zur Ansicht zu bekommen, deren Inhalt deutlich fibrillär längsgestreift erscheint, während ihre vollkommen glattrandige Oberfläche von einem zarten Doppelkontour begrenzt wird, der an das Sarkolemm der Skelett- muskelfasern erinnert und sich in dem Fig. 3 h4 abgebildeten Falle als kurzes, häutiges Rohr über das freie, zugespitzte Ende der Muskelfasern hinaus verfolgen ließ. Legt man ein Stückchen Magen- oder Darmmuskulatur vom Frosch auf 24 Stunden in 70°/,igen Alkohol, so gelingt es beim Zer- zupfen wenigstens einzelne Faserstücke zu isoliren; die Oberfläche derselben erscheint dann stellenweise noch von häutchenartigen Be- legen bedeckt, welche ungemein fest mit der Faseroberfläche ver- bunden zu sein scheinen, worin auch der Grund für die schwere Isolirbarkeit dieser Fasern im frischen Zustande gesucht werden dürfte. Noch viel deutlicher tritt aber die Natur des die kontrak- tilen Faserzellen vereimnigenden Gewebes an verschieden fixirten und gefärbten Schnitten hervor. Bevor ich jedoch diese bespreche, muss ich noch eines besonders günstigen Untersuchungsobjektes gedenken, das mir der Zufall in die Hände gespielt hat.

B. Die glatten Muskelzellen des Pferdedarmes und die sog. Verdichtungsknoten.

Ein ganz eigenthümliches Verhalten bot nämlich die glatte Darm- muskulatur des Pferdes bei der Untersuchung im frischen Zustande dar. Aus der Gegend der Cardia und des untersten Duodenums wurden von einem beiläufig achtmonatlichen Fohlen und mehreren erwachsenen Pferden kleine Stückchen der Muskelhaut in !/,%/,iger Kochsalzlösung zerzupft. Dabei konnten leicht zahlreiche Fasern vollkommen isolirt werden; schon bei wenig sorgfältigem Zerreißen der Muskelstückchen mit den Nadeln wurde eine größere Anzahl der

1 Archiv für mikr. Anat. Bd. XXXVIII. 1891.

224 Josef Schaffer,

Fasern frei schwimmend in der Flüssigkeit gefunden. Dabei zeigen dieselben vollkommen glatte Ränder und ausnahmslos eine geringere oder größere Anzahl von Verdichtungsknoten, so dass manche Faser wie in glänzende Schollen zerfallen erscheint. Diese Verdichtungs- .knoten, welche bis zu sieben und mehr an einer Faser zu beob- achten waren, erschienen stark glänzend, homogen, bald als dickere Knoten (Fig. 4 A), bald als schmälere quer oder schräg gestellte Bänder, die oft auch nur einen Theil des Faserquerschnittes betrafen (Fig. 4 #), kurz, sie zeigten ein ganz analoges Verhalten, wie die gleichnamigen Gebilde an quergestreiften Skelettmuskelfasern.

Die Abschnitte zwischen den Knoten waren schwach licht- brechend und ließen eine deutliche fibrilläre Längsstreifung erkennen (Fig. 4 und 5). Diese Befunde waren so auffallend, dass ich an irgend welche pathologische Reizzustände dieser Muskelfasern denken musste; Nachforschungen über die Herkunft der untersuchten Objekte ergaben, dass das Fohlen an Pneumonie zu Grunde gegangen war, und die Muskeln erst beiläufig 10—12! p. m. in meine Hände ge- langt waren. Ein erwachsenes Pferd, das dieselben Verhältnisse zeigte, wie das Fohlen, war an Sepsis verendet und erhielt ich die Muskeln 6!1/," p. m. zur Untersuchung.

In diesen Fällen konnte man also mit Recht an einen Zusammen- hang zwischen Erkrankung und dem Auftreten der zahlreichen Ver- diehtungsknoten denken. Daher war es mir sehr willkommen auch von einem ganz gesunden Pferde unmittelbar nach dem Tode die glatten Muskelzellen in analoger Weise untersuchen zu können.

Die Fasern waren weniger leicht isolirbar; aber es gelang doch eine große Anzahl von solchen frei zu bekommen, welche einen vollkommen glatten Kontour besaßen und auch von Verdichtungs- knoten frei waren. Die Mehrzahl zeigte jedoch wieder solche, wenn auch nicht in so hohem Grade, wie bei den anderen Pferden. In breiteren Muskelbündeln fanden sich die Knoten in gleichen Höhen, so dass glänzende, wellige oder gebrochene Bänder über das ganze Bündel ziehen, die oft in ziemlich weiten Abständen (halbe Faser- länge) stehen. Die Fibrillen waren an manchen Fasern deutlich sichtbar und zwischen denselben nicht selten stärker lichtbrechende Körnchen, gleich den interstitiellen Körnchen der _ quergestreiften Muskelfasern, wie ich sie schon bei den vorher untersuchten Thieren gesehen hatte (Fig. 5 f). Von einem Netzwerk um die Fasern war nichts zu sehen; eben so wenig waren die Fasern ausgefranst oder mit Zacken, Höckern ete. versehen. Nur an Stelle der Verdichtungs-

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 295

knoten erschienen die Fasern gegenüber den übrigen Abschnitten verdickt, ihr Rand vorgebuchtet, wie dies an- solchen Stellen die Regel ist. Dies kommt jedoch nicht einer absoluten Verdickung der Faser, wie sie bei der physiologischen Kontraktion auftritt, gleich. Fasern mit den irregulären Verdichtungsknoten erscheinen vielmehr, wie wir noch sehen werden, fast ausschließlich dünner als die nor- male ruhende Faser. Dabei geht auch zumeist die bandförmige Ge- stalt der letzteren in eine mehr eylindrische über.

Die leichte Isolirbarkeit dieser Muskelfasern ist nun, bei dem sonst bekannten, festen Zusammenhalte der glatten Muskelzellen im frischen Zustande, von großem Interesse und soll im Folgenden er- klärt werden. Aber auch das Vorkommen der Verdichtungsknoten, welches bis jetzt wenig beachtet oder nicht richtig gedeutet worden ist, erfordert eine kurze Besprechung, da dasselbe in Verbindung mit der fibrillären Struktur und dem Nachweise von interstitiellen Körn- chen das feinere physiologische und histologische Verhalten der glatten Muskelzellen dem der quergestreiften sehr nähert.

Schon KÖLLIKER (25) giebt an, dass sich die Muskelfasern des Darmkanals durch ein eigenthümlich knotiges Aussehen auszeichnen und beschreibt und deutet diese Knoten in zutreffender Weise: Sie zeigen sich entweder als mehr längliche Anschwellungen, die oft durch bedeutend verengte Stellen zusammenhängen oder als schmä- lere, mehr wie Runzeln sich ausnehmende Querstreifen, die durch ihre oft ziemlich regelmäßige Lagerung den Faserzellen ein ganz eigenthümliches Aussehen giebt.< Er fand sie 6—12 an einer Faser und hält sie für zusammengezogene und daher diekere Stellen.

R. HEIDENHAIN (17) beobachtete an überlebenden Muskelfasern das Auftreten von mehreren Kontraktionsknoten hinter einander an einer und derselben Faser und bezeichnet dies als eine Kontraktions- erscheinung, die jedoch nur bei herabgesetzter Leistungsfähigkeit vorkomme (l. ec. p. 195). Gleichzeitig theilt derselbe (18) eine Beob- achtung mit, welche offenbar dieselbe Erscheinung betrifft, ohne dass HEIDENHAIN jedoch die Zusammengehörigkeit dieser Dinge erkannt hätte. Er isolirte nämlich aus der Muskulatur eines Rinderdarmes 18 Stunden p. m. Faserzellen, »die in ihrem Inneren einen Zerfall in zwei Substanzen, eine helle schwach lichtbrechende und eine dunkle, stark lichibrechende zeigten. Letztere verliehen der Zelle oft ein grob querstreifiges Aussehen«. HEIDENHAIN hielt diese Erscheinung hier für eine Gerinnung, obwohl er dieselbe schon

1!/, Stunde p. m. gefunden hat, also zu einer Zeit, wo glatte Muskeln Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 15

226 Josef Schaffer,

noch ihre vollkommene Kontraktilität besitzen, und obwohl er sah, dass Säuren und Alkalien die »Stücke auflösen«, d. h. die Knoten ver- schwinden machen.

Ich glaube, es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sich hier um analoge Dinge handelt, wie ich sie an frischen Skelettmuskel- fasern beschrieben habe (37, p. 40); um die auch von HEIDENHAIN geschilderten Kontraktionsknoten, welche zu mehreren, endlich sehr zahlreich an absterbenden Fasern auftreten, im Beginne sich noch zurückbilden können, endlich aber stehen bleiben und der Faser das seschilderte Aussehen verleihen.

Sehr eigenthümlich ist nun die Schilderung und Erklärung, welche P. ScHhuLtz (40) von diesen Dingen gegeben hat, und noch eigen- thümlicher, dass er R. HEIDENHAIN (17), aus dessen erster Mitthei- lung er ganze Seiten eitirt, ohne der zweiten zu erwähnen, gleichsam als Gewährsmann für seine Erklärung hinzustellen versucht. So viel ich aus HEIDENHAIN’s angeführten Mittheilungen ersehen konnte, er- klärt derselbe durchaus nicht alle an glatten Muskelzellen zur Beob- achtung gelangenden scheinbaren Querstreifungen durch Ziekzack- biegungen der Zellen, wie man nach der Darstellung von SCHULTZ annehmen möchte.

Er behandelt die Frage unter dem Titel »Querstreifung« (p. 527 ff.), hat aber dabei neben wirklich in Zickzack gelegten Fasern, wie aus seinen zahlreichen Abbildungen hervorgeht, dasselbe vor Augen ge- habt, was ich oben geschildert habe. Er eitirt eine Stelle aus HEIDENHAIN (17), an welcher dieser Forscher scheinbare Spiralformen slatter Muskelzellen auf die Flächenansicht von im Ziekzack gefal- teten Zellen zurückführt und fährt unmittelbar fort: »Und in der That, dies ist, wie meine eingehenden Untersuchungen nun bestätigen können, der wahre Sachverhalt. Alle diese Querstreifungen und Linien, diese Verdiekungen und Anschwellungen, diese spiraligen Windungen sind ein und dasselbe, sind nichts Anderes, als der opti- sche Ausdruck einer Faltenbildung der Zellen« (p. 530). Die Be- weise, welche ScHuLtz für diese Behauptung beibringt, sind nun allerdings nicht sehr stichhaltig, und dies um so weniger, als nicht einmal die histologischen Beobachtungen, welche denselben zu Grunde liegen, fehlerfrei sind. Wenigstens hat ScHhuLrz ein Moment, welches für die Deutung der »Querstreifen« von großer Bedeutung ist, nicht genügend hervorgehoben. Er lässt in vielen Figuren, so z. B. Fig. 18, 25—27, 31, 32 in den knotenartigen Querstreifen die fibrilläre Längs- streifung eben so deutlich erscheinen, als in den übrigen Faser-

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen. insbes. ihrer Verbindung. 2927

abschnitten. Das ist jedoch unrichtig; es ist geradezu charakteristisch für die »Querstreifen«, dass sie im Zustande ihrer vollen Ausbil- dung ein homogenes, stark lichtbrechendes Aussehen besitzen und sehr häufig bei jeder Stellung der Fasern als verbreiterte Stellen erscheinen, allseitig über den Kontour der Faser vorragen, also alle Merkmale eines echten Verdichtungsknotens besitzen, wie ich (37) sie an den quergestreiften Muskelfasern ausführlich beschrieben habe.

Als weiteres Argument, als »stärksten Beweis«, dass es sich um Faltungen der Fasern handelt, führt ScauLtz das Verhalten des Kernes an. »Liegt eine Faltenbildung der ganzen Faser vor, so muss auch der Kern daran Theil nehmen und ebenfalls gefaltet und verkürzt erscheinen.«

Letzteres kommt nun, wie ich ScHuLTz zugeben muss, in der That vor; aber die Faltung des Kernes, beziehungsweise eines Theiles desselben kann sehr häufig an kontrahirten Fasern gesehen werden, an denen keine Spur von Verdichtungsknoten zu sehen ist. Der chromatische Inhalt des Kernes zieht sich zu einem stäbchen- oder wurstförmigen Gebilde zusammen und erscheint, da ihm eine aktive Verkürzungsfähiskeit mangelt, um so stärker geschlängelt, passiv zusammengedrückt, je stärker die Kontraktion d. h. die Verkürzung der Faser ist. | |

An Querschnitten durch eine Hautvene vom Unterschenkel des Menschen finde ich eine auffallend deutliche fibrilläre Längsstreifung der netzartig angeordneten, mächtigen eirkulären Muskelschicht ohne jede Spur von Verdichtungsknoten. Trotzdem erscheinen in den stark kontrahirten Fasern die Kerne der innersten Muskellagen, die am stärksten verkürzt sind, auch am stärksten wellenlinienartig gefaltet, welche Faltung gegen die Peripherie der Vene immer schwächer wird und in den äußersten Faserlagen endlich ganz aufhört; hier besitzen die Kerne die gewöhnliche stäbchenförmige Gestalt.

Dass neben den Verdichtungsknoten, die man leicht in Schnitten lebenswarm fixirter Därme des Menschen oder beliebiger Thiere sehen kann, auch wirklich ziekzackartige Stauchungen und Faltungen vor- kommen können, ist sicher, doch handelt es sich dabei nur um Kunstprodukte durch passive Veränderung der Fasern, wie dies HEIDENHAIN bereits richtig betont hat. Dieser Forscher hat aber auch noch einen weiteren Grund für das Auftreten scheinbarer Quer- ‚streifung hervorgehoben, den ScHuLTz unerwähnt lässt und auf den ich noch zurückkomme.

Wesentlich erscheint mir noch, dass man die Verdichtungsknoten

15*

228 Josef Schaffer,

auch an Querschnitten erkennen kann, und zwar in vollkommener Analogie mit den von mir bei den Skelettmuskeln beschriebenen Ver- hältnissen am ungefärbten Schnitt als heller glänzende, d. h. stärker lichtbrechende, am gefärbten als stärker gefärbte Felder. Man kann also auch bei den glatten Muskelfasern an gefärbten Querschnitten »dunklere oder hellere« Felder unterscheiden, wie dies z. B. schon BARFURTH (1, Fig. 1 und 2) und Kreckı (22, Fig. 1a und 5«) abge- bildet haben, ohne eine Erklärung dafür zu geben.

An Querschnitten durch die in gesättigter Sublimatlösung fixirte Darmmuskulatur der Katze zeigten die homogenisirten, stärker licht- brechenden Faserquerschnitte fast ausschließlich die Form unregel- mäßiger sphärischer Polygone, während die dazwischen liegenden, schwächer liehtbrechenden und schwächer färbbaren Querschnitts- felder größer und rundlich erschienen; außerdem zeigten letztere eine scharfe Punktirung als Ausdruck ihrer Zusammensetzung aus Fibrillen

(Fig. 6). Besonderes Gewicht ist bei dieser Beobachtung darauf zu legen, dass durch den in seinem Wesen noch immer nicht vollständig

klargelegten Verdichtungsvorgang auch bei den glatten Muskel- fasern wie ich schon erwähnt habe eine Verdünnung der Faser eintreten kann, eine Art Schrumpfung, wie sie an quergestreiften Muskelfasern Exner (13) beobachtet hat. Der Vorgang ist von der typischen Kontraktion eben durch diese Verminderung des Volumens wesentlich unterschieden und von ROLLETT (34) passend als Schrumpf- kontraktion bezeichnet worden.

Wir haben demnach auch bei den glatten Muskelzellen Kon- traktionsbäuche, wie wir sie noch kennen lernen werden (vgl. Fig. 8), und wie ich sie in besonderer Weise auch an den Muskeln der menschlichen Prostata, des Ductus deferens (Fig. 7), und a. a. ©. sesehen habe und Schrumpfkontraktionen zu unterscheiden, wie ich sie beim Pferde (Fig. 4, 5) beschrieben habe.

Besonders betonen muss ich nochmals, dass diese Verdichtungen, serade wie bei den quergestreiften Muskeln auch bei der glatten Muskelzelle nicht immer den ganzen Faserquerschnitt betreffen, sondern, dass oft oberflächliche Fibrillenlagen oder -gruppen in die Verdichtung nicht einbezogen erscheinen (Fig. 4 4).

Die Kenntnis dieser Thatsachen ist für die Beurtheilung ge- wisser Querschnittsbilder der glatten Muskelfasern von wesentlicher Bedeutung und soll später darauf noch näher eingegangen werden.

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 229

C. Die Einwirkung von Reagentien auf die kontraktilen Faserzellen.

Wenn ich mich nun zur Besprechung der Durchschnittsbilder verschiedenartig vorbehandelter Objekte wende, so muss darauf hin- sewiesen werden, dass die Veränderungen, welche die gebräuchlichen Isolations- und Fixirungsmittel an den glatten Muskelfasern hervor- rufen, sehr verschiedene und recht beträchtliche sein können; wir haben es ja mit aktiv veränderlichen Gewebeelementen zu thun, welche durch den Reiz dieser Mittel zu typischen oder atypischen Kontraktionserscheinungen gebracht werden können. Diese müssen nicht nur das Bild der Muskelfaser selbst, sondern auch dasjenige des Bindemittels dieser kontraktilen Faserzellen in hohem Grade beeinflussen.

Schon DraschH (il) erwähnt, dass das Netzwerk zwischen und auf den Fasern deutlicher wird bei Behandlung mit 31/2%/,iger Salpetersäure und 20/yiger Chromsäure, weniger deutlich mit MÜLLERr’scher Flüssigkeit; bei Behandlung mit Osmiumsäure oder FLEMMING’s Gemisch erscheint dasselbe als eine fein- sekörnte, von kleinen rundlichen Lücken durchbohrte Masse. Nach RoLLETT (33) erscheinen die Ränder isolirter Faserzellen »glatt oder wellig geschwungen oder auch fein gezähnelt«. Das Letztere ist besonders dann der Fall, »wenn das angewendete Isolirungsmittel eine Schrumpfung der Muskelfasern .... zur Folge hatte«.

Solche gezackte oder gezähnelte Fasern sind wiederholt abgebildet wor- den; so von SCHIEFFERDECKER (39, Fig. 625), Dısse (10, Fig. 23), BENDA (4, Taf. XI, Fig. 7) u. A. Während Ersterer diese Zacken ausdrücklich als eine Folge der Schrumpfung bezeichnet, scheint sie Dısse für eine normale Eigen- schaft zu halten, obwohl er daneben auch noch von den Barrurrt#’schen Längs- leisten spricht; BENDA endlich erklärt den unregelmäßig gezähnten Rand ohne Weiteres als »Reste von Intercellularbrücken«.

HoEur (22) sah bei Zusatz der Fixirungsflüssigkeiten zu frischen Muskel- zellen unter dem Mikroskope den vorher kreisrunden Querschnitt derselben in einen sternförmigen übergehen; leider erwähnt er nichts über die Methode, mittels der er diese Beobachtung gemacht hat.

Da nun eine genaue Kenntnis der Reagentienwirkung auf die frische kon- traktile Faserzelle zur Beurtheilung der Schnittbilder, auf welche ja die Lehre von den Intercellularbrücken aufgebaut ist, von der größten Bedeutung er- scheint, habe ich zunächst die Veränderungen untersucht, welche lebende Muskelfasern der Nabelstranggefäße vom Menschen. sowie des Darmtraetus vom Pferd unter dem Einfluss einiger Reagentien erleiden.

Ich habe diese zwei Objekte gewählt, weil sie gleichsam zwei Extreme darstellen; zwischen den Fasern der Nabelstranggefäße ist schon im frischen Zustande ein geformtes, zartes Bindegewebe leicht und zweifellos nachweisbar. Bei den auffallend leicht isolirbaren Fasern der Darmmuscularis vom Pferd ist ein solches oder anderes Bindemittel nicht unmittelbar zu beobachten.

Die vom anhaftenden Bindegewebe möglichst frei präparirten Gefäß-

330 Josef Schaffer,

stückchen oder Theile der Darmmuskelhaut wurden, nachdem der Befund am frischen Isolationspräparat festgestellt war, auf 24 Stunden in die verschiedenen Flüssigkeiten gebracht und dann die Fasern wieder isolirt. Dabei zeigten die Muskelstückchen schon makroskopisch erkennbare, sehr. verschiedene Volums- veränderungen.

1/e Joige Chromsäure; von BARFURTH (1) zur Darstellung der Intercellu- larbrücken empfohlen. Die Fasern sind geschrumpft und so deutlich in Fibril- len gesondert, dass man im Zupfpräparat einzelne Fibrillen isolirt findet. Dabei erscheinen die Fasern wie in Fibrillenröhren umgewandelt, die fibrilläre Sub- stanz an die Peripherie gedrängt, wesshalb die Fasern scharf und dunkel kon- tourirt erscheinen, während der Kern und die centralen Partien wie leer aus- sehen. Diese Fasern liegen in einem zarten Netzwerk eingebettet, das oft ein körniges Aussehen besitzt.

Untersucht man in gleicher Weise eine vorher gedehnte und im gespann- ten Zustande fixirte Nabelstrangarterienwand, so erscheinen die Fasern verdünnt und verlängert, vollkommen glattrandig, und die Zwischenräume zwischen denselben sehr schmal. Das außerordentlich feinfaserige Netzwerk zwischen den Fasern ist nur in Wasser sichtbar; deutlich tritt es in Form theilweise quer zwischen den Muskelzellen ausgespannter Fäserchen im eingetrockneten Präparat hervor.

Die Fasern aus der Darmmuscularis vom Fohlen sind nach der Chrom- säureeinwirkung wenig verändert, isolirbar, glattrandig bis auf die erhaltenen, stark glänzenden Verdichtungsknoten und deutlich fibrillär gestreift.

Drittelalkohol; die Fasern der Nabelstranggefäße sehr blass und in ähnlicher Weise isolirbar, wie am frischen Objekt; das ganze Stück stark ge- quollen. Vielfach tritt an den isolirten Fasern mit großer Deutlichkeit die glänzende, wellige Kontourlinie hervor. Eine Anzahl der Fasern zeigt deut- liche Kontraktionsbäuche, welche sich z. B. mit Congoroth intensiv färben. Der ganze Faserinhalt erscheint dann innerhalb einer Art schlauchförmigen Umhüllung wie retrahirt (Fig. 8), ein Bild, das sehr an die von WERNER (45) dargestellte Fig. 4 erinnert; hier erscheinen stark gedehnte Fasern im Längs- schnitt dargestellt. Bauchig verdickte, also offenbar kontrahirte Stücke wer- den durch anscheinend leere schlauchförmige Hüllen verbunden. WERNER bezeichnet diese Muskelbäuche als »abgerissene« Faserenden; es kann sich aber nach meiner Erfahrung auch einfach um maximal verkürzte und verdichtete Fasern gehandelt haben.

Die Fasern vom Fohlen waren nach Drittelalkoholwirkung so leicht zu isoliren, wie am frischen Objekt, ihr Aussehen sammt den Knoten fast unver- ändert, nur die feine fibrilläre Längsstreifung zeigt vielfach, wie durch Vacu- olenbildung, ein mehr längsnetziges Aussehen.

ige Osmiumsäure; die Fasern der Nabelstranggefäße der Mehr- zahl nach ad maximum verkürzt und verdickt, so dass man nur spindelförmige Bruchstücke vor sich zu haben glaubt. Dieselben zeigen an ihrer Oberfläche oft diehte feine Runzeln und Wülstchen, welche dem Profil der Fasern ein sezähntes Aussehen verleihen. Entsprechend einer starken Quellung des ganzen Stiickes findet man auch das Netzwerk zwischen den Fasern verquollen. Über einzelnen Fasern sieht man jedoch zarte, glänzende Häutchen in dichte und feinste Querfalten gelegt; auch netzartig durchbrochene solche Umhüllungen einzelner Fasern kommen im Isolationspräparat zur Ansicht.

Die Fasern vom Fohlen erschienen in ihren Dimensionen und Aussehen

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 231

wenig verändert, leicht braun gefärbt, die Knoten erhalten; nur waren die Fasern schwerer isolirbar und die fibrilläre Struktur nicht mehr gut sichtbar geworden.

0,250,iges Palladiumchlorid. Das Stückchen Nabelstranggefäß im Ganzen etwas gequollen, intensiv braun gefärbt und so gehärtet, dass die Fasern nicht mehr isolirbar, stark brüchig geworden sind. Ihr Inhalt erscheint voll- kommen homogenisirt, das Netzwerk zwischen den Fasern durch Quellung un- deutlich geworden.

Eine auffallende Einwirkung ließ dieses Reagens auf die Fasern vom Fohlen erkennen. Auch diese waren kaum zu isoliren, vollkommen scharf- und glattrandig, die fibrilläre Struktur aber auch die glänzenden Verdich- tungsknoten spurlos verschwunden.

200%,pige Salpetersäure. Die Fasern aus den Nabelstranggefäßen leicht isolirbar, theils glattrandig, theils erscheint ihre Oberfläche mit körnchenartigen Resten des durch die Säure aufgelösten Bindemittels besetzt, so dass ihre Rän- der wie ausgefranst oder mit Zacken, Zähnchen etc. besetzt erscheinen. Ein großer Theil der kontraktilen Fasern hat aber tiefgreifende Veränderungen erfahren; die am meisten ins Auge springende ist die, dass die Ränder der aus ihrem Netzwerk vollständig isolirten Faser unregelmäßig, bald feiner, bald gröber gezackt erscheinen, während von einem Theile dieser Zacken aus wulstartige Erhebungen quer über die Faser verlaufen. In der Aufsicht erscheinen diese Zacken als glänzende Punkte. Außerdem erscheint die Faser im Ganzen stellen- weise verdickt, dann wieder verdünnt (Fig. 9), so dass sehr unregelmäßige Formen entstehen. Schon LEYDIG erwähnt in seinem Lehrbuche der Histologie (1857, p. 48), dass bei der Salpetersäure-Isolation die glatten Muskelfasern schmäler werden und zahlreiche »Einknickungen oder Drehungen« erleiden. Auch deutliche Ziekzackbiegungen konnte ich an einigen Fasern sehen.

In 10%,igem Formalin erhalten sich die Fasern aus der Darmmuskula- tur eines Pferdes unverändert mit ihren Verdichtungsknoten; sie bleiben iso- lirbar und tritt an den nicht verdichteten Theilen die fibrilläre Struktur außer- ordentlich deutlich hervor.

Die Fasern des Nabelstranges sind theilweise gut mit vollkommen glattem Rande isolirbar, theilweise stark kontrahirt, verkürzt und verdickt, mit queren feinen Runzeln versehen, von denen es nicht immer zu entscheiden ist, ob sie einer Fältelung des Bindemittels oder engen Verdichtungsscheiben der Faser selbst entsprechen; sie verleihen jedoch bei scharfer Profileinstellung dem Rande ein gezähntes Aussehen. Stellt man hingegen auf die Oberflächen solcher, noch zu Bündeln vereinigter Fasern ein, so erhält man den Eindruck einer oft sehr gleichmäßigen und engen Querstreifung, die über dieselben hinwegzieht.

Vereinzelte Fasern erscheinen auch mit wirklichen Spitzen und Höckern besetzt, die zweifellos der Muskelfaser selbst angehören. Das Auftreten solcher Querstreifen an kontrahirten Muskelfasern ist bereits von den älteren Beob- achtern [LEBERT (30), MEISSNER (31)] zutreffend geschildert worden, besonders aber von R. HEIDENHAIN (17), der dasselbe bei Wirbelthieren sowohl als auch bei Wirbellosen sah. SCHULTZ übergeht diese Angaben stillschweigend, obwohl sie in einer »Geschichte der Querstreifung<, von der er spricht, hätten erwähnt werden müssen.

Bei der Kontraktion der glatten Muskelbündel in der Froschblase sah HEIDENHAIN (17) das Auftreten sehr feiner, über das Bündel zerstreuter feiner Querlinien, welche den optischen Ausdruck von Falten darstellten. Er konnte

232 Josef Schaffer,

aber nicht entscheiden, ob diese Falten den Muskelfasern selbst oder dem sie bedeckenden Bindegewebe angehören. Dagegen konnte er sich an den Muskel- fasern von Wirbellosen (Blutegel, Naiden), bei denen eine Hülle (Zellwand) zweifellos nachweisbar ist, leicht überzeugen, dass es diese Hülle ist, welche sich bei Wasserzusatz oder bei der Kontraktion >in oft sehr regelmäßige und zierliche, in bestimmten Abständen von einander stehende Querfalten legt« (17, p. 188). Bei der Erschlaffung gleichen sich dieselben wieder aus; an den Rän- dern der Zelle machen sie sich als eine feine Zähnelung bemerkbar.

Die oben von mir geschilderten Veränderungen traten noch viel klarer an der Darmmuskulatur eines Affen, Rhesus nemestrinus hervor, von der ich kleine Stückchen in das Formalingemisch von KAISERLING! eingelegt hatte. Da diese leicht als Reagenswirkung auf die lebende Muskulatur festzustellenden Bilder wesentlich zum Verständnis der sog. Intercellularbrücken, sowie der Schrumpfkontraktion beitragen, sei die Wiederholung in der Beschreibung ent- schuldigt.

Betrachtet man am einfach in Glycerinwasser untersuchten Zupfpräparat ein kleineres Bündelchen bei oberflächlicher Einstellung, so erscheint dasselbe wie quergestreift (Fig. 11 A). Diese scheinbare Querstreifung zieht über eine ganze Anzahl neben einander liegender Fasern und ihre Zwischenräume hinweg. Bei starker Vergrößerung erkennt man leicht, dass es sich um dichte Fältchen einer die Oberfläche der Fasern bedeckenden, beziehungsweise die Fasern um- hüllenden, zarten Bindesubstanz handelt. Senkt man die Schraube zur Einstel- lung auf die Seitenränder der Fasern, so kann man das querfaltige Bindemittel sich in die Intercellularspalten einsenken und die Fasern brückenartig verbin- den sehen (Fig. 112).

Vergleicht man mit dieser Schilderung die, welche DrASCH in seiner be- reits erwähnten, ausgezeichneten Untersuchung von den glatten Muskelfasern in den Giftdrüsen des Salamanders gegeben hat, so wird man die große Über- einstimmung in den Beobachtungen und Schlussfolgerungen nicht übersehen können. Ohne das Wort »Intercellularbrücken« zu brauchen und ohne Kennt- nis von der Arbeit KULTSCHITZ&Ky’s beschreibt DrAscH an der Hand vorzüg- licher Abbildungen die scheinbaren brückenartigen Verbindungen der glatten Muskelfasern, die er ein besonders günstiger Umstand für die Beobachtung an seinem Objekt in einer einfachen Lage im Flächenpräparat vor sich hatte. Er schildert das über die Muskelfasern hinziehende feine Geäder und den Zu- sammenhang desselben mit den Zacken in den Muskelspalten und erkennt schließlich, dass es sich um dünne Scheiden oder Hüllen der Muskelfasern handelt, welche unter dem Einfluss der Reagentienbehandlung das Bild einer scheinbaren Verzahnung der Muskelzellen hervorruft.

An unserem Objekte wird dieser täuschende Eindruck von Intercellular- brücken noch verstärkt durch ein eigenthümliches Aussehen der Muskelfasern selbst. Es gelingt leicht, solehe beim Zerzupfen vollkommen zu isoliren und so die Veränderungen festzustellen, welche sie im Formalingemisch erlitten haben. Sie zeigen sich einmal sämmtlich homogen, glänzend, wie kontrahirt, ohne den Kern deutlich erkennen zu lassen; dann findet man aber auch viele -Tingsum mit zahlreichen Spitzen, Höckern und schmalen, ringförmigen Ver- dichtungswülstchen besetzt, so dass sie im Profil gesehen eine scharfe Zähnung darbieten (Fig. 10 a, 5).

! Vırcaow’s Archiv. Bd. CXLVII. p. 389,

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 233

Weiter erscheinen diese Fasern gegenüber den frischen (Fig. 2) geschrumpft, daher auch die Intercellularspalten weiter, und so sieht man an Stelle der am frischen Objekt zwischen den Fasern sichtbaren welligen Streifen schein- bare Intercellularbrücken, gebildet von den Zacken der Fasern und dem in Querfalten gelegten intercellulären Bindemittel. Das Zustandekommen dieser Querfalten müssen wir in erster Linie auf die Verkürzung der Muskelfaser, d. h. auf einen Zug in der Längsrichtung derselben zurückführen.

Die Veränderung, welche die Fasern erlitten haben, lässt sich am besten mit der sternförmigen Verschrumpfung der rothen Blutkörperchen vergleichen und giebt uns dieser Vorgang auch eine Erklärung für die später zu schildern- den Querschnittsbilder.

_MÜLLERrR's Flüssigkeit; diese bewirkt an den Muskelstückchen in der ersten Zeit eine Quellung, welche zum Theil die kontraktilen Faserzellen selbst betrifft. Dieselben sind sowohl aus den Nabelstranggefäßen, als noch leichter - aus der Darmmuskulatur des Pferdes theilweise mit vollkommen glattem Kon- tour isolirbar und unterscheiden sich dann von den frischen Fasern nur durch eine geringe Volumzunahme in Folge der Quellung, den deutlich gewordenen Kern und die etwas verwaschene, mehr in ein längsnetziges Aussehen übergegangene Fibrillenstreifung. Besonders die Fasern aus der Darmmuscularis vom Pferd geben bei 8—14tägiger Einwirkung von Mürrer’scher Flüssigkeit vorzügliche Bilder, welche sich auch weit besser, als mit starker Salpetersäure oder Kali- lauge isolirte Muskelzellen zur Demonstration im mikroskopischen Kursus eig- nen. Man kann kleine Stückchen vor dem Zerzupfen mit DELAFIELD’s Häma- toxylin-Thonerde färben, und erhält dann die langen Kerne intensiv gefärbt, während der Zellleib einen blaugrauen Ton angenommen hat. An solchen vollkommen isolirten Fasern (Fig. 12) erkennt man leicht die bandförmige, abgefiachte Form (d) und die fein zugespitzten, manchmal gegabelten Enden (Fig. 10a); der Kontour ist in den meisten Fällen vollkommen glatt, der Kern liegt in vielen Fasern einem Ende näher, nicht in der Mitte. In diesem Falle - fehlten auch die reichlichen Verdichtungsknoten, die ich bei den anderen, im frischen Zustande isolirten Fasern von Pferden gefunden habe.

Eine Anzahl von Fasern zeigte jedoch auch nach Einwirkung von MÜLLER- scher Flüssigkeit Veränderungen ihrer Form; so fand ich besonders unter den Fasern der Nabelstrangarterie verkürzte und verdickte Fasern mit quer runze- liger Oberfläche und gezähntem Profil. Das intercelluläre Netzwerk erschien leicht verquollen.

Aus diesen Beobachtungen ersieht man, dass die verschiedenen chemischen Agentien vielfach verändernd auf die glatte Muskelfaser einwirken.

Diese Veränderungen scheinen stets nur eine gewisse Anzahl von Fasern zu betreffen, und auch bei Fasern verschiedener Organe nicht durchaus gleich zu sein, wie man aus dem vergleichsweise zusammen- gestellten Verhalten der Fasern aus den Nabelstranggefäßen und der Darmmusecularis schließen muss.

Ob dieser Unterschied in strukturellen oder physiologischen Ver- schiedenheiten der Fasern, oder ob er auf rein äußeren Momenten,

234 Josef Schaffer.

z. B. dem verschiedenen Zeitpunkte des Einbringens der Fasern in die Flüssigkeit, mechanischer Läsion (Zerrung, Druck) der Fasern vor der Reagenswirkung etc. beruht, kann durch diese Versuche nicht entschieden werden.

Durch diese Veränderungen geht vielfach der vorher glatte Kon- tour der Muskelfasern verloren und wandelt sich durch Bildung querer Verdichtungswülstchen in einen scheinbar gezähnten um.

Vielfach werden die Fasern durch die Reagenswirkung aber auch zu regelrechter Kontraktion gebracht, in welcher sie absterben. Im ausgeschnittenen Stück, in dem die Fasern im Zusammenhange bleiben, müssen diese Kontraktionen auf das allenfalls vorhandene, geformte Bindemittel einen Zug in der Längsrichtung der Fasern und damit eine Fältelung senkrecht zum Faserverlaufe bewirken. An Längsschnitten müssen diese Faltungen im Wesentlichen als eine über die Fasern gehende Querstreifung, oder, bei geänderter Ein- stellung, als quere intercelluläre Bildungen in die Erscheinung treten.

Umgekehrt muss eine Schrumpfung des Faserinhaltes einen ähn- lichen Zug in der Querschnittsrichtung ausüben, während Quellung der Fasern eine gleichmäßige Kompression des Bindemittels in den verengten Intercellularräumen bewirken muss.

Wenn dieses Bindemittel auch im frischen Zustande ein geform- tes ist, wie die Beobachtung an den überlebenden Faserbündeln aus den Nabelstranggefäßen gezeigt hat, so kann sein Charakter durch den Einfluss von Säuren, welche es zur Quellung bringen, verloren gehen; es kann in eine homogene Masse umgewandelt oder theil- weise aufgelöst werden.

Wir müssen also bei Beurtheilung der Schnittbilder die größte Kritik walten lassen, um Reagenswirkungen und Strukturen aus einander zu halten.

Dies wird um so schwerer, je dünner die Muskelfasern und je zarter das Bindemittel derselben ist, d. h. je dichter gedrängt sie erscheinen. Daher ist es nöthig zunächst ein Objekt zu untersuchen, welches durch dieke, nicht zu dieht gedrängte Fasern ausgezeichnet ist, somit auch das Bindemittel deutlich erkennen lässt. Weiter müssen wir Färbemethoden anwenden, welche eine scharfe Sonde- rung dieses Bindemittels und des kontraktilen Zellkörpers gestatten.

Ich werde daher zunächst die Schnittbilder von mannigfach fixirten und gefärbten Nabelstranggefäßen vom Menschen besprechen und dann zu den anderen, klassischen Untersuchungs- objekten der Autoren übergehen.

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 235

D. Beobachtungen an Schnittpräparaten; Färbetechnik zur Trennung der Muskel- und Bindesubstanz.

Betrachtet man Längsschnitte durch die glatten Muskeln eines in Pikrinsäure-Sublimat fixirten und in der gewöhnlichen Weise mittels Hämalaun-Eosin doppelt gefärbten Nabelstranggefäßes (Fig. 13), so sieht man die intensiv roth gefärbten, glattrandigen und deutlich fibrillär längsgestreiften Muskelzellen durch schmälere oder breitere Spalträume getrennt, welche anscheinend von queren zarten und schwächer roth gefärbten Verbindungsbrücken durchzogen werden.

Wo die Spalten zwischen zwei benachbarten Muskelzellen sehr schmal sind, machen diese Verbindungen ganz den Eindruck von Intereellularbrücken und kann man hier auch vielfach, wie dies NıcoLas (32), BOHEMAN (6) und TRIEPEL (43) schildern, sehen, dass manche dieser Brücken über eine oder mehrere Muskelzellen hin- wegziehen, um sich erst an entferntere anzusetzen.

Dieses, echten Intercellularbrücken nicht zukommende Verhalten hat TRIEPEL allerdings schon zweifelhaft gemacht, ob man es da nicht mit feinen Bindegewebsfasern zu thun habe.

Wo jedoch die Spalträume breiter sind, erkennt man leicht, dass die anscheinenden Verbindungsbrücken einem Zwischengewebe ange- hören, welches ein ganz eigenthümliches Aussehen besitzt und von den Muskelzellen selbst substantiell wesentlich verschieden ist. Dies wird sofort klar, wenn man solche Schnitte statt mit Eosin, welches Muskelzellen und Zwischengewebe gleich färbt, mit einem Gemische von Pikrinsäure und Säurefuchsin (Säurerubin, Nigrosin) nachfärbt.

Es ist eine bereits seit der ersten Anwendung des Pikrokarmins bekannte Thatsache, dass aus dieser Mischung Muskelfasern gelb, Bindegewebe roth ge- färbt erscheinen (SCHWARZ, Sitzungsber. der k. Akad. der Wissensch. Wien, Bd. LV; Srircıng, Journ. Anat. Physiol., Bd. XV und a. a. O.). Viel schärfer und rascher gelingt die färberische Trennung dieser zwei Gewebe durch die von VAN GIESoN (The New York Med. Journ. Vol. I, 1889) zur Untersuchung des Nervengewebes empfohlene Mischung von gesättigter, wässeriger Pikrin- säure und Säurefuchsin. Die Methode wurde meines Wissens bei uns zuerst von P. ERNST (ZIEGLER’s Beiträge zur pathol. Anat., Bd. XI, 1892) zum Nach- weise von Hyalin eingeführt. Ich selbst habe bereits an anderer Stelle (Wiener klin. Wochenschr., Jahrg. 1896, Nr. 45) die allgemeine Verwendbarkeit dieser Methode kurz besprochen und besonders hervorgehoben, dass mittels derselben durch die ungemein scharfe Rothfärbung des Bindegewebes der Nachweis dünnster Fäserchen gelingt. Da andererseits Muskeln und elastische Fasern gelb gefärbt werden, ist diese Färbung geradezu als eine specifische zum Nach-

weise von Bindegewebe zu bezeichnen. Besonders die Möglichkeit, glatte Muskelfasern im Bindegewebe zu differenziren, ist eine sehr werthvolle Eigen-

2336 Josef Schaffer,

schaft derselben. Für die geringe Haltbarkeit und das baldige Ausblassen ge- rade der Rothfärbung wusste ich damals keinen Grund anzugeben. Ich habe seither auch in dieser Beziehung einige Erfahrungen gesammelt und Versuche gemacht. Da Säurefuchsin ein säurebeständiger Körper ist, konnte ein all- fälliger Säuregehalt des Balsams nicht der Grund des Verblassens sein. Ver- setzt man eine Pikrofuchsinmischung mit Säure, so bleibt sie roth; dagegen tritt alsbald die rein gelbe Farbe der Pikrinsäure hervor, wenn man einen Tropfen Alkali zusetzt. Auch konnte ich seit längerer Zeit beobachten, dass z. B. Ossifikationspräparate, welche mittels Säure entkalkt waren und vielleicht noch eine Spur derselben enthielten, jahrelang die reiche Farbendifferenzirung bewahrten, und so lag der Schluss nahe, dass es der Alkaligehalt des Glases (Objektträger, Deckglas) sei, welcher an säurefreien Präparaten die Rothfärbung zum Schwinden bringt. Ich habe daher eine Säuerung der Präparate versucht, die aber nicht zu stark sein darf, weil sonst wieder die Pikrinsäurefärbung nicht zur Geltung kommt. Vielleicht haben ähnliche Erfahrungen die neuesten Mit- theilungen über die Pikrofuchsinfärbung von MÖLLER (Bemerkungen zur VAN GIE- son’schen Färbungsmethode, Zeitschr. für wiss. Mikr., Bd. XV, 1898, p. 172) und HAnsSEn (Eine zuverlässige Bindegewebsfärbung, Anat. Anz., Bd. XV, 1898, p. 151) veranlasst. Ersterer empfiehlt dem Spülwasser und dem Alkohol zum Entwässern der Schnitte einige Tropfen des Pikrofuchsingemisches zuzusetzen, offenbar ebenfalls, um die Farben besser zu erhalten. Wenn MÖLLER es als »wesentliche Ungelegenheit« beklagt, dass ein festes Maßverhältnis zwischen Pikrinsäure und Säurefuchsin sich nicht angegeben findet, so erinnere ich noch- mals daran, dass RAmön Y CAJAL ein solches von 0,1 Säurefuchsin auf 100 ccm kalt gesättigter Pikrinsäure empfohlen hat (siehe TERRAZAS, Riv. trimestr. microgr. Vol. I, 1896, p. 117). Ich selbst habe diese Mischung seit mehreren Jahren als ausgezeichnet erprobt. HANSEN empfiehlt die Pikrofuchsinfärbung sehr warm als »zuverlässige Bindegewebsfärbung« und hat genaue Vorschriften für dieselbe gegeben, von denen jedoch nur ein geringer Essigsäurezusatz zur Farbmischung als wesentlich neu erscheint. Ich kann die Angabe des Autors, dass mittels dieser Methode Bindegewebe leuchtend roth, alles Andere gelb gefärbt erscheint, und dass diese Differenzirung augenblicklich, wie eine Reaktion eintritt, nur bestätigen (doch hätte nach meiner Empfindung Hansen bei der Beschreibung der »von ihm gefundenen< Methode der ursprünglichen Angabe vAn GIESoN’s anders gedenken müssen, als so nebenbei in der Klammer). Aber auch bei stundenlangem Liegen in der Mischung tritt keine Überfärbung, oder Färbung anderer Gewebstheile auf und bleibt auch das Celloidin vollkommen ungefärbt. Das von MÖLLER empfohlene kurze Verweilen in der Pikrofuchsinmischung ist nur geboten, wenn mit Hämatoxylin-Thonerde vorgefärbt wurde. Wesentlich für die Reinheit der Farbendifferenzirung ist aber die Art der Fixirung des Objektes und habe ich im Allgemeinen Chromsäuregemische (MÜLLER’s, FLEM- MING’s, GOLGI’s und KULTSCHITZKY’s Gemisch) ungünstig befunden; am reinsten tritt die Reaktion nach Fixirung in Sublimat, Pikrinsublimat oder absolutem Alkohol auf. Die von vAn GIESoNn angegebenen Nebenwirkungen (Rothfärbung der Ganglienzellen, Glia, Blutgefäße), sowie die Angabe von P. ERNST, dass sich gewöhnliches Bindegewebe nicht, sondern erst in hyaliner Degeneration begriffenes roth färbt, beruhen theils auf unzweckmäßiger Vorbehandlung, theils auf mangelhafter Differenzirung (Schwenkung) der gefärbten Schnitte im Alkohol.

Die von UnnA (Monatshefte für prakt. Dermat., Bd. XVIII, 1894, p. 509) empfohlene »speeifische Färbung des Collagens< mittels Säurefuchsin und

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 9237

Pikrinsäure ist allerdings nicht mit der van GIESoN’s zu verwechseln. Aber gerade im Gegensatz zu Unna muss ich nach meiner Erfahrung sagen, dass seine Methode zur elektiven Bindegewebsfärbung nicht geeignet ist, da mittels derselben die feinsten Bindegewebszüge entfärbt werden, außerdem aber auch eine Rothfärbung der Kerne auftritt.

Eben so leicht und scharf gelingt die Bindegewebsfärbung mittels der

von KULTScHITzKky zur Neurogliafärbung empfohlenen Pikrorubinmischung (Anat. Anz., 8. Jahrg., 1893, p. 357). Dass KULTscHIitTzky mittels derselben Gliafärbung erhielt, beruht nur auf der Vorbehandlung der Gewebe und dem hohen Säuregehalt des Farbgemisches. Ich habe mir dasselbe zur elektiven Bindegewebsfärbung in folgender Weise modifieirt: gesättigte, wässerige Pikrin- säure 100, Patent-Säurerubin 0,15, Eisessig 2 Tropfen. Vorbehandlung mittels Sublimat oder Alkohol; Färbedauer 1 Minute bis Stunden, wenn nicht mittels Hämatoxylin-Thonerde vorgefürbt wurde; Übertragen der Schnitte direkt in 95%%,igen Alkohol, in dem sie gut ausgeschwenkt werden müssen. Die Sub- mucosa des Darmes wird dann z. B. schon für das freie Auge als leuchtend rother Streifen sichtbar. Wo es sich um die Wahrnehmung dünnster Häutchen von der Fläche handelt, werden aber diese Methoden noch übertroffen durch die von FREEBORN empfohlene Pikro-Nigrosinfärbung (vgl. Notes on histological technique. Americ. Month. Mier. Journ., Vol. IX, 1888, p. 231 und Staining connective tissue with nigrosine [indulin, anilin, blueblack]. Journ. R. Mier. Soc. 1889, p. 305). Die Farbenkontraste sind weniger schön, als bei den vorigen Methoden, aber da- für ist die Haltbarkeit der Färbung größer und, wie gesagt, auch die Wahr- nehmung dünnster Bindegewebshäutchen zwischen den Muskelfasern möglich. Hierzu sind dünne Paraffinschnitte am günstigsten. Die mit Wasser aufge- klebten Schnitte werden !/, Stunde (FREEBORN sagt 3 Minuten, was ich zu kurz fand) oder länger in dem Gemische von ges. wässr. Pikrinsäure 90, 10), wässr. - Nigrosinlösung 10 gefärbt, ausgewaschen, entwässert und in Balsam einge- ‚schlossen. Muskelfasern graugrün (Verdichtungs- und Kontraktionsknoten leuch- tend gelb), Bindegewebe blauschwärzlich. Die Färbung gelingt auch an Cel- loidinschnitten, doch empfiehlt sich dann eine längere Färbedauer (24 Stunden) und Lösung des Celloidin mittels Nelkenöl vor dem Einschluss.

Färbt man nun Schnitte durch ein Nabelstranggefäß aus Pikrin- sublimat mittels Pikrofuchsin oder Pikrorubin in der angegebenen Weise, so treten die glatten Muskelfasern als gelb gefärbte, mehr oder minder deutlich fibrilläre Spindelzellen hervor, während das ge- sammte Intercellulärgewebe eine leuchtend rothe Farbe angenommen hat. Dasselbe bietet bei schwächerer Vergrößerung das geschilderte Bild anscheinend querer, oft verzweigter Verbindungsbrücken, die manche Fasern überbrücken oder unter denselben durchziehen, um eine entferntere zu erreichen (Fig. 13).

An der Oberfläche der Faserzellen verdichtet sich dieses Netz- werk zu einer die gelb gefärbten kontraktilen Zellen einhüllenden Membran, welche in der Profilansicht wie ein glänzender roth ge- - färbter Kontour erscheint und so das Bild eines Sarkolemms gewährt.

238 Josef Schaffer,

Diese Bezeichnung könnte jedoch eine falsche Vorstellung er- wecken; darum sei sofort betont, dass diese Oberflächenumhüllung kein selbständiges Häutchen ist, wie das Sarkolemm der quergestreif- ten Muskelfasern, sondern durch die Wände des intercellulären Netz- werkes mit den gleichartigen Hüllenbildungen der benachbarten Fasern zusammenhängt.

An Querschnitten durch die Muskelzellen zeigt jede derselben sich von der Nachbarzelle durch eine solche Hülle getrennt, die dort, wo die Zellen sehr dieht gedrängt sind, als einfache, roth gefärbte Linie erscheint. Wo die Intercellularspalten weiter sind, werden diese die Fasern unmittelbar umschließenden Hüllen unter einander durch ebenfalls roth gefärbte Brücken verbunden (Fig. 14 g).

Wo dieses intercelluläre Netzwerk reichlicher entwickelt ist, sieht man dasselbe bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 14) durchsetzt von zahlreichen kreisrunden oder ovalen Lücken, die oft eine be- trächtliche Größe erreichen und dem ganzen Gewebe ein schaumiges oder schwammiges Aussehen verleihen.

An Präparaten, die in Sublimatgemischen fixirt und mittels Pikro- fuchsin oder auch Congoroth gefärbt sind, erkennt man wenn die Schnitte nicht zu dünn sind deutlich, dass die Scheidewände zwi- schen den Brücken häutchenartige Bildungen sind, deren optische Durchschnitte wie Fasern erscheinen. In der That sind auch dreh- runde Fasern, sowohl an Quer- wie an Längsschnitten nur äußerst spärlich zu sehen; die Hauptmasse dieses Zwischengewebes ist ein vielfach durchbrochenes Wabenwerk oder Alveolensystem dünner Häutchen.

Der Inhalt dieser Alveolen färbt sich stellenweise deutlich mit Schleimfärbemitteln.

An Querschnitten durch den ganzen Nabelstrang sieht man dieses eigenthümliche Zwischengewebe an der Oberfläche der Gefäße im un- mittelbaren Zusammenhange mit dem Bindegewebe des Nabelstranges.

Färbt man die Schnitte nach UnxA mit saurem Orcein, so findet man die bereits am frischen Isolationspräparat gemachte Beobachtung bestätigt, dass nämlich in diesem Zwischengewebe auch einzelne längsverlaufende, geschlängelte elastische Fasern vorkommen, welche oft durch quere Anastomosen die Muskelfasern überbrücken.

Endlich kann man im Intercellulargewebe spärliche Zellkerne beobachten. Die Mehrzahl derselben ist oval, abgeplattet, so dass sie im Profil stäbcehenartig erscheinen, besitzt eine deutliche Kern- membran und sind dieselben entweder im Zuge der quergestellten

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 239

Alveolenwände gelegen (Fig. 13 %), oder in den Zwiekeln zwischen mehreren solchen Wänden eingeschlossen. An Hämalaun-Eosin-Prä- paraten, an denen Zellprotoplasma und Alveolenwerk gleich gefärbt sind, glaubt man dann oft verästelte Zellen vor sich zu haben.

An Pikrofuchsin-Präparaten jedoch sieht man deutlich, dass die vermeintlichen sternförmigen Zellkörper eben so roth gefärbt sind, wie das übrige Bindegewebe, und dass ein zu den Kernen gehöriger Zellkörper deutlich nicht nachzuweisen ist. Das Aussehen dieser Zellkerne stimmt aber vollkommen mit dem der Bindegewebskerne des Nabelstranges außerhalb der Gefäße überein, so dass kein Zweifel sein kann, dass wir es hier mit Kernen von Bindegewebs- zellen zu thun haben, welche vielleicht als stark abgeflachte, ver- ästelte Gebilde den Alveolenwänden dicht anliegen und daher der färberischen Isolation entgehen.

Wie Beobachtungen an Nabelsträngen jüngerer Föten und Em- bryonen lehren, handelt es sich bei den beschriebenen Gebilden um Reste der ursprünglichen Bildungszellen des Zwischengewebes.

Außerdem finden sich aber im Zwischengewebe auch zweifel- lose Wanderzellen (Fig. 14 /), wie dies schon die Beobachtung am überlebenden Gewebe des Kaltblüters ergeben hat und GARNIER (15) von der Schildkröte (Fig. 1) abgebildet hat. Ihre intensiv und: gleich- mäßig gefärbten Kerne lassen oft die bezeichnende, vielgestaltige Form, sowie einen umgebenden Protoplasmakörper erkennen; auch liegen sie meist in Lücken des Zwischengewebes.

Was die Muskelfasern anlangt, so sind dieselben, wie schon er- wähnt, glattrandig und zumeist deutlich längsgestreift; wie die Quer- schnitte lehren, ist die Mehrzahl der Fasern auch hohl und, was für das Aussehen des Zwischengewebes von Bedeutung ist, kontrahirt. Die Kerne sind durchweg wurstförmig, wellig gebogen, oder sogar halbmondförmig auch ganz unregelmäßig zusammengedrückt und liegen in scharf begrenzten, hellen Räumen (Fig. 13, 14), wie dies bereits SCHWALBE (41) beschrieben hat.

Dieses Aussehen von Fasern und Zwischensubstanz erleidet nun je nach der Art des Fixirungsmittels mannigfache Veränderungen.

Im Wesentlichen ähnlich wie Pikrinsublimat sind die Bilder, welche man nach Anwendung einfach wässeriger Sublimatlösung, 1//yige Chromsäure und FLEMMING’s Gemisch erhält.

- Die auffallende Größe der Lücken und straffe Spannung der dieselben trennenden Zwischenwände an allen diesen Präparaten, die nach der Fixirung in Wasser ausgewaschen zu werden pflegen, dürfte auf einer hierdurch beding- ten Quellung des schleimigen Inhaltes beruhen.

240 Josef Schaffer,

An Präparaten aus absolutem Alkohol zeigt das Zwischengewebe eben- falls deutlich eine vacuoläre Beschaffenheit, nur sind die Lüsken viel kleiner und dichter; vielfach sind die Intercellularspalten so eng, dass das Bindemittel wie ein homogener Kitt erscheint, der aber durch seine Rothfärbung bei der Pikrofuchsinmethode seine Übereinstimmung mit dem Netzwerk in den weiteren Spalten erkennen lässt. Die Muskelfasern sind wieder größtentheils kontrahirt, ihre Querschnitte vollkommen glattrandig, während am Längsschnitte viele Fasern einen scheinbar gezähnelten Kontour besitzen, der aber durch Faltungen in der roth gefärbten Hülle hervorgerufen wird. An Schnitten aus !/,°/,iger Osmium- säure zeigt sich das Zwischengewebe größtentheils verquollen, undeutlich gewor- den und an seiner Stelle findet man zahlreiche kleinere und größere Tröpfehen, welche sich mit Congoroth, Orcein ete. färben. Die Faserquerschnitte erscheinen rund oder oval, glatt oder mit diesem körnchenartigen Detritus besetzt.

In 1/,/sigem Palladiumchlorid hat das ganze Zwischengewebe das Aus- sehen einer einheitlichen Masse angenommen, in der man nur spärlich Lücken und ganz verwaschene, quer zwischen den Muskelfasern ausgespannte Brücken sieht. Die Muskelfasern erscheinen vollkommen homogenisirt und dadurch tre- ten die Oberflächenhüllen derselben deutlich, besonders am Querschnitte als scharfe Linien hervor.

An Schnitten aus MürLrer’scher Flüssigkeit erscheinen vor Allem die Muskelfasern dicker, mit glatten, stäbchenförmigen Kernen versehen, also in der Mehrzahl nicht kontrahirt. Die Intercellularräume sind eng und das Zwischen- sewebe vielfach auf eine homogene, an Pikrofuchsinpräparaten röthlich gefärbte Linie zusammengedrückt. Nur dort, wo weite Zwischenräume zwischen den Fasern sind, erkennt man das Alveolenwerk, jedoch unscharf, verwaschen, mit viel kleineren Lücken und ohne die ausgeprägte Querstellung ihrer Scheide- wände, wie an Sublimatpräparaten.

Fassen wir nun die an den glatten Muskelfasern der Nabelstrang- sefäße des Menschen gemachten Beobachtungen zusammen, so kom- men wir zu folgenden Schlüssen: Zwischen den Muskelfasern findet sich ein zartes, von Lücken durchsetztes Binde- sewebe, welches schon an frisch isolirten Bündeln als undeutlich netzige, stellenweise querfaltige Zeichnung zu beobachten ist und welches mit dem Bindegewebe des Nabelstranges in unmittelbarem Zusammenhange steht.

Es besteht der Hauptmasse nach aus durchbrochenen, häutchenartigen Bildungen, aus einem Wabenwerk, dessen Scheidewände im optischen oder sehr dünnen wirklichen Durehsehnitte ein Fasernetz vortäuschen kann. Außerdem finden sich in diesem Zwischengewebe spärliche elastische Fasern und zellige Elemente.

An der Oberfläche jeder Muskelfaser bildet es eine schlauchartige Hülle, welche sich dem jeweiligen Spannungs- zustande der Faser leicht anpassen kann, und welche im frischen Zustande in Form von meist leicht gewellten glänzenden Linien

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 241

zwischen den Fasern in die Erscheinung tritt. Die Umhüllungen be- nachbarter Fasern sind durch das Wabenwerk ununterbrochen ver- bunden, sie sind nichts Selbständiges, wie das Sarkolemm der Skelett- muskelfasern, sondern nur ein durch die Oberfläche der Muskelzelle modifieirter Theil des Zwischengewebes. Dort, wo dieses in breiten Intereellularspalten in größerer Masse frei zu beobachten ist, wird seine Natur leicht erkannt; wo.jedoch die Muskelfasern dichter ge- drängt erscheinen, da können die quer zur Längsachse der Muskel- fasern gestellten Platten und Falten des Wabenwerkes und der Hül- len im Längsschnitte das Bild von Intercellularbrücken vortäuschen. Dies um so eher, wenn man sehr dünne Schnitte mit Tinktions- mitteln behandelt, welche Muskelzellen und Zwischengewebe gleich- artig färben. |

Das Wabenwerk ist in kontrahirten Gefäßwänden am deutlichsten; durch starke Dehnung oder Quellung verschwindet es und sind an _ seiner Stelle nur homogen erscheinende Scheidewände zwischen den slattrandigen Muskelfasern sichtbar, welche stellenweise das Vor- handensein einer formlosen Kittsubstanz vortäuschen können; eine solche ist als Bindemittel der Fasern jedoch nirgends nachweisbar.

Im Querschnitte erscheinen die Fasern stets glattrandig, ihre Hülle deutlich nachweisbar; sind die Faserquerschnitte durch weitere Räume getrennt, so kann man in den letzteren, wie am Längsschnitte das verbindende Wabenwerk beobachten. Intercellularbrücken im Sinne KurrtscHhitzkY-BARFURTE’S sind nicht vorhanden. | Das hier geschilderte, reichliche Vorkommen eines intercellulären Bindegewebes in glatter Muskulatur ist nicht etwas Vereinzeltes; in demselben Maße und in gleicher Weise fand ich es in der glatten Muskulatur der Speiseröhre bei vielen Reptilien; so bei Python mo- lurus, Phrynosoma, Eumeces, Zamenis, Eryx jaculus u. A., ein Mate- ‚rial, für dessen freundliche Überlassung ich Herın Privatdocenten Dr. Ta. Beer zu Danke verpflichtet bin. Das Bild, welches hier die glatte Muskulatur an Schnitten darbot, die in Zenker’scher Flüs- sigkeit fixirt und in gewöhnlicher Weise gefärbt worden waren, ent- sprach vollkommen den Abbildungen, welche GARNIER (15) von der Dpeiseröhrenmuskulatur der Schildkröte gegeben hat: die glattrandigen Muskelfasern scheinen in ein weitmaschiges Netzwerk eingebettet. Unter Anwendung von Congoroth, Fuchsin oder Rubin ließ sich aber wieder leicht feststellen, dass es sich, wie in den Nabelstranggefäßen des Menschen um ein intercelluläres Fachwerk dünnster Häutchen

handelte, welches an der Oberfläche der Muskelzellen eine zusammen- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIV. Bd. 16

242 Josef Schaffer.

hängende Hülle bildet; diese Hüllen erscheinen im optischen Durch- schnitt wie längsverlaufende Bindegewebszüge zwischen den Muskel- fasern, als welche sie GARNIER auch aufgefasst hat (vgl. seine Fig. I, II, III bei 5; die am unteren Ende der Fig. II dargestellten queren -Verbindungsäste machen aber deutlich den Eindruck von Falten einer membranartigen Hülle, in welcher die geschrumpfte Muskelfaser steckt).

Dort, wo Follikel im Ösophagus sind, sieht man zahlreiche Leuko- cyten auch im Zwischengewebe der glatten Muskelfasern; außerdem ist es aber auch reicher an Bindegewebskernen, als das Zwischen- gewebe in den Nabelstrangsefäßen. Das reichliche Vorhandensein eines solchen intercellulären Bindegewebes bei den Reptilien wird man wohl nicht mit Unrecht mit der enormen Dehnbarkeit ihrer Speise- röhre in Zusammenhang bringen dürfen.

Während in den Nabelstranggefäßen von vier-, fünf- und sechs- monatlichen menschlichen Embryonen das Zwischengewebe bereits fast das Aussehen wie beim Neugeborenen zeigt, nur dass eine größere Anzahl von Bindegewebskernen in demselben gefunden wird, bot dasselbe beim Kalbe und Fohlen an Präparaten aus ZENKEr’scher Flüssigkeit ein mehr homogenes, nur undeutlich vacuolisirtes Aus- sehen dar; auch färbte sich dasselbe kaum mit Eosin, so dass sich die verästelten und vielfach anastomosirenden Muskelzellen deutlich davon abhoben. In diesem reichen Zwischengewebe fanden sich wie- der Bindegewebskerne, Leukocyten und elastische Fäserchen ein- gelagert.

Ein derberes Bindegewebe ist bekannterweise auch zwischen den Muskelfasern des Duetus deferens entwickelt, worauf ich noch zurückkomme. Hier möchte ich nur noch auf ein derartiges Beispiel hinweisen, welches das Vorkommen stärkerer Bindegewebszüge zwi- schen den einzelnen Muskelfasern in ausgezeichneter Weise zeigt; es ist dies die Museularis mucosae des Froschmagens, von welcher bereits GRUENHAGEN (16) und besonders DE BrRUYNE (8) (Fig. 6) gute Abbildungen gegeben haben. Hier lässt sich besonders an mittels Pikrorubin oder Pikronigrosin gefärbten Querschnitten der auch von DE BRUYNE geschilderte direkte Zusammenhang der intercellulären Balken mit dem Bindegewebe der Submucosa in ausgezeichneter Weise feststellen. Dieser Umstand, sowie das gelegentliche, aller- dings, wie DE BRUYNE richtig bemerkt, seltene Vorkommen von Kernen in diesen Balken und ihre ungleichmäßige Dicke bewahren Einen auch vor der Vorstellung, dass man es hier mit einer durch die Fixation geronnenen und selbständig hervortretenden Kittsubstanz

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 243

zu thun hat, wie dies GRUENHAGEN dargestellt hat. An meinen gut differenzirten Schnitten sehe ich auch, dass jede Muskelfaser einzeln von diesen Balken umschlossen wird und niemals auch nur zwei ge- meinsam in einer Lücke liegen, wie DE BRUYNE meint. Auch finde ich in der Anordnung des Zwischengewebes keinen Unterschied zwi- schen den zwei Lagen der Muscularis mucosae, indem die innere Längsfaserschicht am Querschnitt dasselbe Aussehen darbietet, wie die äußere eirkuläre Lage. GRUENHAGEN, wie DE BRUYNE lassen die Faserquerschnitte die Bindegewebslücken nicht ganz ausfüllen; nach DE BRUYNE wäre dies an allen von ihm untersuchten Muskelhäuten die Regel; wir werden sehen, dass sich dieser Befund anders erklärt.

Nach diesen Erfahrungen war ich begierig zu sehen, welche Bilder die Darmmuseularis des Pferdes an ähnlich behandelten Schnit- ten darbieten werde. Im frischen Zustande war mir an diesem Ob- jekt der Nachweis irgend eines Bindemittels nicht gelungen, vielmehr eine ungemein leichte Isolirbarkeit der Fasern aufgefallen.

Während an Nabelstrangdurchschnitten nach van GiEson-Färbung die Gefäße für das freie Auge eine bräunlich-gelbe Farbe zeigen eine Folge der innigen Mischung rein gelb gefärbter Muskelfasern und roth gefärbten Bindegewebes fällt an eben so behandelten Darmdurchschnitten vom Pferd eine fast rein gelbe Färbung der Muskelschichten auf, während die Submucosa mit ihrem derben Binde- gewebe eine leuchtend rothe Farbe angenommen hat.

Bei mikroskopischer Untersuchung findet man an Längsschnitten der Muskelfasern dieselben nach Fixirung in ZENkEr’s Flüssigkeit, Sublimat u. A. deutlich fibrillär gestreift, welche Streifung von Stelle zu Stelle von einem Verdiehtungsknoten unterbrochen erscheint. Die Gesammtheit dieser Knoten verleiht dem Schnitte ein Aussehen, als wäre er mit einem unscharfen Messer angefertigt. Die Grenzen der Fasern sind als helle, geradlinige Spalten sichtbar, in denen man hier und da einen röthlich gefärbten, zarten, unregelmäßig gewellten Streifen verlaufen sehen kann. Die Fasern sind gelb gefärbt und zeigen keine Spur von quer über oder zwischen denselben verlaufen- den Bildungen.

Die Bindesubstanz ist hier also jedenfalls auf ein Minimum reducirt.

Deutlicher tritt ihr Verhalten an Querschnitten hervor. Auch hier ist die Mehrzahl der Muskelfasern durch helle, anscheinend leere Spalten getrennt, offenbar eine Folge der Schrumpfkontraktion, wel- cher die Mehrzahl der Fasern verfallen sind. In diesen Spalten

16*

244 Josef Schaffer,

kann man nun bei genauer Beobachtung an günstigen Stellen roth gefärbte, feine Linien durchgehen sehen (Fig. 15 C), welche in ihrer Gesammtheit ein zierliches Netz bilden, in dessen Maschenräumen theils frei, theils mit einer oder mehreren Seiten, manchmal auch nur mit einer ausgezogenen Spitze (f), mit den Netzbalken in Ver- bindung die gelb gefärbten Faserquerschnitte gelegen erscheinen.

Während die Beobachtung dieser feinen Linien dort, wo sie die hellen Spalten zwischen den retrahirten Faserquerschnitten durch- ziehen, leicht ist, wird ihre Wahrnehmung zwischen eng an einander gepressten Querschnitten schwerer; an ganz frisch nach van GIESON gefärbten Präparaten kann man aber auch hier die Kontinuität des Netzwerkes beobachten, so dass jeder Faserquerschnitt von den be- nachbarten durch eine vollkommen geschlossene, roth gefärbte Um- hüllung getrennt wird.

Dabei machen diese Umhüllungen nirgends den Eindruck von Fasern, die sich durchflechten würden, vielmehr deutlich den eines zusammenhängenden, einheitlichen Netzwerkes, welches an einzelnen Stellen zwickelartige Verdiekungen zeigt, in denen dann auch meist ein Bindegewebskern beobachtet werden kann (Fig. 15 0, b). Wo dickere Bindegewebssepten die Muskulatur durchsetzen oder abgren- zen, hängt das roth gefärbte intercelluläre Netzwerk direkt mit den- selben zusammen.

Dieses geschilderte Aussehen des Netzwerkes am Querschnitt, verbunden mit der Beobachtung der zarten, gelegentlich an Längs- schnitten gesehenen längsverlaufenden Linien in den Spalten lässt kaum einen anderen Schluss zu, als dass wir es in den Balken des Netzwerkes mit Durechschnitten dünner Membranen zu thun haben, welche unter einander zusammenhängen und, indem sie jede Muskel- faser umhüllen, ein kontinuirliches Fach- oder Wabenwerk zwischen denselben bilden.

Die ungemeine Zartheit dieses Wabenwerkes erklärt einerseits seine Unsichtbarkeit im frischen Gewebe, andererseits seine leichte Zerreißlichkeit. Letztere, verbunden mit der Thatsache, dass die Mehrzahl der Fasern durch Schrumpfung von ihrer Umhüllung los- gelöst ist, macht die leichte Isolirbarkeit der frischen Fasern ver- ständlich.

Durch sein Verhalten gegen Pikrofuchsin und den direkten Zu- sammenhang mit zweifellosen, kernführenden Bindegewebsmassen wird andererseits die bindegewebige Natur dieses Wabenwerkes erwiesen. An Orceinpräparaten sieht man auch zarte, elastische Fäserchen

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 245

zwischen die Muskelzellen eindringen und einzelne derselben um- spinnen. Auch das intercelluläre Bindegewebe ist an solchen Präpa- raten ganz gut sichtbar.

Wir haben demnach hier prineipiell dasselbe Verhalten, wie bei den Muskelfasern der Nabelstranggefäße; nur erscheint hier das Zwischengewebe auf die zarten Oberflächenumhüllungen der Fasern redueirt.

Dieses hier geschilderte Aussehen zeigt die überwiegende Mehr- zahl der Faserquerschnitte; daneben finde ich jedoch im gleichen Präpa- rate wesentlich andere Bilder, durch mannigfache Übergänge mit dem bisher beschriebenen verbunden.

Einmal stößt man, besonders in den oberflächlichen Lagen der Präparate, auf Bündelquerschnitte, welche aus verhältnismäßig größe- ren, ausgesprochen polygonalen Feldern zusammengesetzt werden, zwischen denen man keine Spalten, sondern nur äußerst dünne, von einer homogen erscheinenden Masse erfüllte Durchgänge wahrnehmen kann, welche nur unter günstigen Verhältnissen eine röthliche Fär- bung zeigen (Fig. 15 A). Es ist dies ein Bild, wie man es z. B. an Querschnitten aus MÜLLer’scher Flüssigkeit zu sehen gewohnt ist.

Endlich findet man daneben Partien, in denen die Zwischenräume zwischen den Faserquerschnitten etwas breiter, jedoch immerhin nicht so breit wie zwischen den gänzlich retrahirten Querschnitten sind. Außerdem sind sie mehr abgerundet, zeigen einen fein gezähnten oder gezackten Rand und scheimen mittels dieser brückenartigen Zacken verbunden zu sein (Fig. 15 2).

Bei aufmerksamer Betrachtung kann man aber in einzelnen Spal- ten noch eine zarte, röthlich gefärbte Scheidelinie (Fig. 15 2, s) zwischen den gezähnten Rändern durchgehen sehen, so dass die Zähnelung einer Faser niemals direkt mit der der Nachbarfasern zusammenhängt. Fehlt jedoch die Rothfärbung dieser Zwischenlinie, wie dies-an älteren van GIEson-Präparaten oder an Hämalaun-Eosin- Präparaten meist der Fall ist, dann hat man das täuschende Bild durch Intercellularbrücken verbundener Faserquerschnitte vor sich, ein Bild, wie es KuLtscHitzky, BARFURTH und seine Schüler be- schrieben haben und wie es z. B. auch Stönr (42) in Fig. 42 4 von einem mittels ZENKER’scher Flüssigkeit fixirten Kaninchendarm ab- bildet. |

Vergleicht man diese drei geschilderten Bilder, welche in Fig. 15 A, B, C aus demselben Schnitte, bei gleicher Vergrößerung, dargestellt sind, so sieht man, dass die Intercellularräume in dem

246 Josef Schaffer,

Maße an Breite zunehmen, als die Faserquerschnitte an Durchmesser abnehmen, wobei auch die polygonale Form der letzteren in eine abgerundete übergeht. Bei der Unregelmäßigkeit der Querschnitts- felder ist eine Aufstellung von verlässlichen Maßen, welche dieses reciproke Verhältnis zum Ausdrucke gebracht hätte, unmöglich, und habe ich mich mit der möglichst genauen Nachbildung der Größen- verhältnisse mittels des Zeichenprismas von OBERHÄUSSER begnügt.

Es kann wohl kaum zweifelhaft sein, welches dieser drei Bilder der Norm entspricht, da 3 und C zu sinnfällig verschiedene Schrum- pfungsstadien von A darstellen.

Die zarten, Kittstreifen ähnlichen Durchgänge s in A entsprechen der Zwischensubstanz, welche in Fig. 15 C deutlich als roth gefärb- tes Netz sichtbar wird und auch in Fig. 15 3 in Gestalt der Scheide- wände zwischen einzelnen Faserquerschnitten hervortritt. Die Faser- oberflächen schließen in A dicht an die Zwischensubstanz an, sind mit derselben verbunden, ähnlich wie der Inhalt einer Skelettmuskel- _ faser mit dem Sarkolemm, wie dies als nothwendig für die Mechanik der Zugwirkung auch der glatten Muskelfasern vorausgesetzt werden muss. In B haben sich durch einen leichten Schrumpfungsyorgang im kontraktilen Inhalt, wahrscheinlich durch den Beginn einer Schrumpfkontraktion die Oberflächen theilweise vom Zwischengewebe losgelöst, sind aber mit demselben noch vielfach durch Brücken in Verbindung geblieben, welche am Querschnitt als spitzenartige Fort- sätze erscheinen. In Fig. 15 C endlich ist die Loslösung bei vielen Fasern vollständig geworden, nur hier und da stehen dieselben noch mit einer Fläche oder mittels eines spitzenartigen Fortsatzes mit der Oberflächenhülle in Verbindung (Fig. 15 C bei f).

Dadurch entsteht zwischen den Faseroberflächen und den Scheide- wänden ein heller Spaltraum, und diese Spalträume sind es, welche DE BRUYNE (8) als Kittsubstanz gedeutet hat.

Fragen wir uns nach der auffälligen Thatsache, dass solche par- tielle Loslösungen der Fasern von ihrer Oberflächenumhüllung ein Vorgang, welcher durch die an der überlebenden Darmmuskulatur beobachtete Vacuolenbildung am Rande der Fasern (s. 0. p. 221) eingeleitet werden dürfte und am besten mit der Schrumpfung einer Knorpelzelle innerhalb der Kapsel oder des hämoglobinhaltigen Theiles eines Tritonblutkörperchens innerhalb des Stromas im Beginne der Borsäurewirkung verglichen werden kann, wobei auch stets spitzen- artige Verbindungen mit der Kapsel, beziehungsweise der Rand- schicht des Stromas stehen bleiben an den Fasern der Nabel-

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 247

stranggefäße nicht zu sehen waren, so müssen wir uns vor Augen halten, dass bei diesem Schrumpfungsvorgange ein Zug an der unmittelbaren Umhüllung des kontraktilen Faserinhaltes ausgeübt wird. Während nun bei den Muskelfasern des Pferdedarmes nach der geschilderten Einrichtung dieser Zug bei gleichmäßiger Schrum- pfung benachbarter Fasern die gemeinsame Scheidewand gleichsam in einer starren, unnachgiebigen Lage erhält, die Scheidewand also dem Zuge nicht folgen kann, haben wir zwischen den Hüllen der Fasern in den Nabelstranggefäßen ein Alveolenwerk mit dehnbaren Wänden, welches dem bei der Schrumpfung auftretenden Zuge in der Querschnittsrichtung folgt, angespannt wird, so dass diese Zug- wirkung nicht im Stande ist die Verbindung der Faser mit der Ober- flächenumhüllung zu lösen.

Demnach müssen wir die an Querschnitten glatter Muskelfasern zu beobachtenden, Intercellularbrücken ähn- lichen Verbindungen, wie sie KULTSCHITZKY und BARFURTH beschrieben haben, als ein Kunstprodukt bezeichnen, entstanden durch die Schrumpfung der kontraktilen Faserzellen innerhalb einer im gewissen Sinne unnachgiebigen Hülle.

Zur weiteren Unterstützung dieser Auffassung führe ich Beob- achtungen an den Muskelfasern des Ductus deferens vom Menschen an. Von diesen Muskelfasern ist es lange bekannt, dass sie eine Hülle besitzen und »ein zartes Bindegewebe als Bindemittel« erkennen lassen (KÖLLIKER, 26).

Im distalen Abschnitt besteht die Muskelhaut des Ductus defe- rens aus drei Schichten: einer inneren schwach, einer äußeren ziem- lieh mächtig entwickelten Längsfaserschicht, und einer mittleren Ringfaserschicht. Sämmtliche Schichten sind ungemein reich von Bindegewebe durchsetzt, was am besten an nach van GIESON ge- färbten Querschnitten in die Augen springt. In dieses derbe Binde- gewebe erscheinen Muskelbündelchen eingelagert, welche aus zwei bis zwölf Fasern bestehen; es finden sich aber auch einzelne Fasern ringsum von fibrillärem Bindegewebe umschlossen.

An einem lebenswarm in Zexker’scher Flüssigkeit fixirten Samengange von einem Hingerichteten zeigten nun die Querschnitte dieser Fasern das mannigfaltigste Aussehen (Fig. 16), Bilder, welche sich zwanglos an einander reihen und uns eine klare Vorstellung über die Veränderungen der Fasern durch den Fixirungsvorgang ge- winnen lassen.

In der mittleren eirkulären Schicht erscheinen die Fasern unge-

248 Josef Schaffer,

mein dicht durch einander geflochten, und zwar nicht in rein ring- förmig verlaufenden Lagen, sondern in schräg gestellten Touren, die sich unter stumpfen Winkeln durchkreuzen, eine Einrichtung, die für die Vorwärtsbewegung des Inhaltes von Bedeutung sein muss. Außer- dem fällt an den längsgetroffenen Fasern die ebenfalls bereits von KÖLLIKER erwähnte Thatsache auf, dass dieselben theilweise eine außerordentlich scharf hervortretende fibrilläre Struktur besitzen, förmlich in Fibrillen zerfallen sind, so dass ihre Grenzen sich an sewöhnlich gefärbten Präparaten schwer wahrnehmen lassen. Jede Faser besitzt jedoch eine oder mehrere Stellen, an denen sich diese losen Fibrillen, theilweise oder in ihrer Gesammtheit, zu einem keine Längsstreifung zeigenden, verdichteten Abschnitte vereinigen.

Demnach kann ein und dieselbe Faser, je nach der Höhe, in der sie getroffen ist, verschiedene Querschnittsbilder geben. Am leichtesten verständlich sind Bündelquerschnitte, wie sie in Fig. 16 bei « abgebildet sind. Sie entsprechen im Allgemeinen dem gewohn- ten Ansehen von Querschnitten glatter Muskelfasern aus MÜLLER’scher Flüssigkeit: unregelmäßige, sphärisch-polygonale Felder von homo- senem Aussehen und verschiedener Größe erscheinen durch helle Durchgänge, die den Eindruck von Kittlinien machen, getrennt. In den größten dieser Querschnittsfelder sieht man auch einen Kern, die kleineren sind kernlos. Das ganze Bündelchen erscheint von Bindegewebe (%) umhüllt, dessen fibrilläre Struktur leicht erkannt wird, während über die Natur der die Felder trennenden Linien an gewöhnlich (Hämalaun-Eosin, Karmin) gefärbten Präparaten nichts Bestimmtes ausgesagt werden kann.

Der Umstand, dass eine fibrilläre Punktirung hier nicht zu sehen ist, in Verbindung mit den geschilderten Längsansichten lässt uns erkennen, dass es sich hier um Durchschnitte verdichteter Faser- abschnitte handelt.

Daneben findet man rundliche Querschnittsfelder, welche eine deutliche fibrilläre Punktirung zeigen (5); der fibrilläre Inhalt wird gegen das umgebende Bindegewebe durch eine scharfe, mit Eosin etwas stärker färbbare Linie vom umgebenden Bindegewebe abge- srenzt (A).

Besonders deutlich tritt diese Grenzlinie an Faserquerschnitten hervor, an denen sich der kontraktile Inhalt durch Schrumpfung retrahirt hat (Fig. 16 c—/). Man sieht dann im derben Bindegewebe eine scharfrandige Lücke, deren Rand (A) etwas intensiver mit Eosin gefärbt ist, als das unmittelbar anschließende Bindegewebe (4) und

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 249

im Inneren der Lücke liegt der Querschnitt der geschrumpften Faser. Unter Zuhilfenahme der Pikrofuchsintärbung erscheint letzterer gelb, der Rand der Lücke roth, wie das umgebende Bindegewebe gefärbt. Man wird leicht erkennen, dass man es hier mit dem Durchschnitte einer membranartigen Hülle der Muskelfaser zu thun hat, welche in der Regel dem Faserinhalte direkt aufliegt, bei Schrumpfungsvor- sängsen des letzteren jedoch ihre Zugehörigkeit zum Bindegewebe zeigt, in dem sie als Randschicht desselben in situ bleibt, ohne dem Zuge der schrumpfenden Faser zu folgen.

Der Inhalt dieser Schläuche bietet nun ein sehr mannigfaches Aussehen. In vielen Fällen erscheint er nur theilweise von seiner Umhüllung abgelöst; die Faser liegt dann mit einem Theile ihres Umfanges glatt und dicht der Schlauehwand an (Fig. 16 c), während der übrige, im Schlauch freiliegende Rand entweder ebenfalls glatt (Fig. 16d, mf), oder wie gezähnt, mit dornartigen Zacken besetzt er- scheint (Fig. 16 c). |

"Andere Fasern liegen gleichmäßig geschrumpft mitten im Schlauch, sind aber mit demselben durch länger oder kürzer ausgezogene Fort- sätze in Zusammenhang geblieben (Fig. 16. d, e). Sehr eigenthümlich sestaltet sich dieses Bild, wenn die Fasern eines ganzen Bündelchens dieses Verhalten zeigen (Fig. 16 4). Im Bündel selbst dringt zwi- schen die einzelnen Fasern nur eine ganz dünne Lamelle des Binde-

sewebes, eben das geschilderte Oberflächenhäutchen zwischen die Fasern ein (7) und bildet ein Scheidewandsystem, wie ich es bei den Darmmuskeln vom Pferd geschildert habe. An diese Scheidewände heften sich wie fadenförmige Brücken die Fortsätze, mittels derer die geschrumpften Faserzellkörper mit ihrer Hülle in Zusammenhang geblieben sind.

So entstehen Bilder, als wären die Faserquerschnitte durch lange Intercellularbrücken verbunden, während dünne Scheidewände in gleichen Abständen von den Querschnitten die Intercellularräume durchsetzen; diese Bilder stimmen im Wesentlichen mit den in Fig. 15 dargestellten Querschnitten von der Darmmuskulatur des Pferdes überein, nur dass im Ductus deferens durch die Dicke der Fasern und die Mächtigkeit des Bindegewebes alle Verhältnisse viel derber und schon bei schwächerer Vergrößerung deutlich hervortreten. Fragen wir uns nun nach der Natur dieser scheinbaren Intercellular- brücken, so scheint mir durch die vorangehenden Auseinandersetzun- gen, besonders jedoch durch die Beobachtung solcher stachelförmiger Fortsätze an der Oberfläche einzelner, rings von Bindegewebe um-

50 Josef Schaffer,

schlossener Faserquerschnitte der Beweis erbracht, dass es sich nur um Schrumpfungserscheinungen der kontraktilen Faserzellen handelt. Behalten wir dabei im Auge, dass letztere nach den Untersuchungen von KÖLLIKER (25), ENGELMANN (12) u. A., wie die Skelettmuskel- fasern aus kontraktilen Fibrillen und einer dieselben verbindenden Masse, welche interstitielle Körnchen enthalten kann, daher wohl als Sarkoplasma bezeichnet werden muss, besteht, so ist es klar, dass die lang ausgezogenen Fortsätze an den Faserquerschnitten nur die- sem Sarkoplasma angehören können.

Als bester Beweis dafür können Querschnittsbilder von Fasern des Duetus deferens dienen (Fig. 16 f), an denen man innerhalb der Hülle 7%’ nur noch ein zartes Netzwerk wahrnehmen kann, aus dessen Lücken sich offenbar durch starke Verkürzung die Fibrillen voll- ständig zurückgezogen haben, während das sarkoplasmatische Netz in Verbindung mit der Oberflächenhülle geblieben ist.

Bei Bildern, wie Fig. 16 c eines wiedergiebt, könnte man aller- dings auch daran denken, dass die gleichmäßigen, dornartigen Höcker an der Oberfläche des Faserquerschnittes einer Fibrillenlage ent- sprechen, welehe nicht in die Verdichtung der übrigen Faser mit einbezogen worden ist.

Nachdem ich an Muskelfasern so verschiedener Art überein- stimmende Erfahrungen gemacht hatte, zog ich auch die von an- deren Autoren mit Vorliebe untersuchten Objekte in den Kreis meiner Betrachtung, nämlich die Darmmuskulatur der Katze, des Hundes und des Frosches.

Ein längliches Darmstückchen der Katze wurde in zwei Theile geschnitten, wovon der eine in gesättigte wässerige Sublimatlösung allein, der andere in eben solche mit Zusatz von 5%/, Eisessig ge- bracht wurde. Es wurden Längsschnitte angefertigt, so dass die mächtige innere Ringfaserschicht quer getroffen erscheint. Durch Verkürzung (Kontraktion) der Längsfaserschicht erscheint die Schleim- hautfläche konvex gewölbt, die Serosa in Falten gelegt. Dieser Zu- stand musste bei seinem Entstehen in den äußeren Lagen der Ring- muskelschicht eine leichte Kompression der Muskelfasern, in den unmittelbar an die Submucosa grenzenden eher einen Zug in der Richtung gegen die Schnittränder bewirken.

Untersucht man nun die Querschnittsbilder der Fasern am un- gefärbten Schnitt, so gewähren dieselben durchaus nicht überall das- selbe Aussehen und fällt zunächst, besonders in dem ohne Säure- zusatz fixirten Stücke auf, dass rundliche Faserquerschnitte, welche

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen. insbes. ihrer Verbindung. 251

eine deutliche Punktirung als Ausdruck ihrer fibrillären Struktur und dazwischen mannigfach verdrückte, bandförmig abgeflachte, welche homogen und stark lichtbrechend erscheinen, bunt durch einander sewürfelt erscheinen; ein Bild, das ich bereits oben erklärt und in Fig. 6 abgebildet habe.

Färbt man einen solchen Schnitt mit Pikrofuchsin oder -rubin, so findet man, anstoßend an die lebhaft roth gefärbte Submucosa, die gelb gefärbten Faserquerschnitte getrennt durch ein verhältnis- mäßig reich entwickeltes, ebenfalls intensiv roth gefärbtes Balkenwerk (Fig. 18 5), welches leicht als eine direkte Fortsetzung des Binde- sewebes der Submucosa erkannt wird. Die Faserquerschnitte er- scheinen meist abgerundet und lassen eine Fibrillenpunktirung nicht erkennen. Beice war eine Lücke im Balkenwerk, in der der Durch- schnitt einer Kapillare wahzunehmen war.

Weiter gegen die tieferen Lagen werden die Querschnitte aus- gesprochen polygonal (Fig. 19), rücken enger an einander, so dass man sie nur durch zarte, röthliche Linien getrennt sieht. Die gelb sefärbten Querschnittsfelder sind deutlich punktirt und füllen die Maschenräume vollkommen aus; nur bei a lag der Querschnitt eines Faserendes durch einen Spaltraum getrennt in der Mitte der roth sefärbten Umsäumung. Diese macht im Ganzen einen homogenen Eindruck, nur an einigen Stellen (7 und Z') wich sie aus einander, um kleine Lücken frei zu lassen.

An anderen Stellen, und zwar in den tieferen Lagen gegen die Längsmuskelschieht zu, erscheinen die polygonalen Querschnitte nicht mehr von geraden Linien begrenzt, sondern zeigen feine wellen- oder ziekzackförmige Kontouren (Fig. 20), so dass das einzelne Querschnittsfeld an seiner Oberfläche eine Art Zähnelung zeigt, welche in die der Nachbarfaser eingreift, ein Bild, wie es BARFURTH in seiner Fig. 1 und 3 abgebildet hat. Solche Stellen können leicht den Eindruck machen, als seien hier die Faserquerschnitte durch Intereellularbrücken verbunden. Dieser Eindruck wird um so täu- schender, wenn man nicht reine Querschnitte, sondern Schrägschnitte vor sich hat. |

An Präparaten jedoch, an denen sich das zarte Zwischengewebe durch konstrastirende Färbung vom Zellkörper abhebt, erkennt man, dass die Zähnelung der Oberfläche einer in Längsfalten gelegten Hülle, beziehungsweise einer kannelirten Oberfläche der Faser ent- spricht, wie dies BARFURTH und seine Schüler beschrieben haben. Die beste Vorstellung des geschilderten Verhaltens giebt die Fig. 4 a

252 Josef Schaffer,

von KLEck1, bei deren Betrachtung gewiss Jedermann den Eindruck empfangen wird, dass es sich hier um schräg getroffene Längsfal- tungen einer Substanz zwischen den Fasern handelt und nicht um Intercellularbrücken.

| Da man diese Bilder nur in den mittleren und tieferen Partien des Schnittes trifft, wo durch die Verkürzung der angrenzenden Längs- muskellage eine Art Kompression entsteht, wird man das Zustande- kommen der Faltungen wohl teilweise auf Beruun zn dieser Kom- pression setzen dürfen.

Endlich findet man noch Gruppen von Faserquerschnitten, welche die Maschenräume des roth gefärbten Netzwerkes (Fig. 21 5) nicht mehr vollkommen ausfüllen, sondern verschiedene Grade der Schrum- pfung, Retraktion innerhalb derselben zeigen. Einzelne Fasern (a, «') sind noch mit einem mehr oder minder großen Theil ihrer Ober- fläche in Verbindung mit den roth gefärbten Balken und zeigen unregelmäßige, aber desto leichter erkennbare Schrumpfungserschei- nungen. Andere sind sehr regelmäßig geschrumpft in der Weise, ‚dass sie durch zackenartige Fortsätze ringsum mit ihrer Umhüllung in Verbindung geblieben sind. Die Zacken der einen Faser sind von denen der benachbarten nur durch die roth gefärbte Linie d ge- trennt, die ja DE BRUYNE zuerst gesehen hat. Träte diese Linie nicht durch die Färbung deutlich hervor, so hätte man das täuschende Bild von Querschnitten vor sich, die durch Intercellularbrücken ver- bunden sind.

An den Schnitten des in Sublimat-Eisessig fixirten Darmes findet man sogar Stellen, an denen sich die Fasern, ähnlich wie ich dies vom Pferdedarm beschrieben habe, gänzlich retrahirt haben (Fig. 17), so dass ihre Querschnitte frei in den Lücken des Maschenwerks liegen. Diese Retraktion muss jedoch auch in der Längsrichtung der Fasern stattgefunden haben, da man einzelne Lücken ganz leer (Fig. 17) oder nur von einigen Punkten (Fibrillendurchschnitten ?) (Fig. 21 d) erfüllt findet.

Der Eisessigzusatz hat das intercelluläre Bindegewebe auch zur Quellung gebracht, es erscheint besonders in den Zwickeln, wo mehrere Fasern zusammenstoßen, aber auch in den Intercellular- spalten verbreitert. Dieser Umstand, sowie der direkte Zusammen- hang mit stärkeren Bindegewebsbalken (Fig. 17 d, Fig. 21 5) lässt auch hier wieder keinen Zweifel über die bindegewebige Natur dieses die Fasern trennenden Fachwerks.

Andererseits zeigte die Verschiedenartigkeit der Querschnitts-

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 253

bilder, welche hier auf kleinem Raum neben einander getroffen wer- den und durch zahlreiche Zwischenstadien verbunden erscheinen, deutlich, dass wir es nur mit verschiedenen Erscheinungsformen der Muskelzellen zu thun haben, welche durch die Art und Weise zu Stande kommen, wie die kontraktionsfähigen Fasern durch das Fixi- rungsmittel abgetödtet werden.

Ähnliche Verhältnisse fand ich im Allgemeinen an der Mast- darmmuskulatur des Hundes. An Querschnitten der in van GE- HUCHTEN’s Gemisch (Alkohol-Chloroform-Eisessig) fixirten Muskel- fasern erscheinen dieselben nicht geschrumpft, aber stark kontrahirt. Sie füllen die Maschenräume ihres Bindemittels vollkommen aus, welches an Pikrorubinpräparaten als zartes, gleichmäßiges und deut- lich roth gefärbtes Scheidewandsystem zwischen den gelb gefärbten Faserquerschnitten durchgeht, ähnlich wie ich es in Fig. 18 von der Katze dargestellt habe. _

An den Längsschnitten sieht man, entsprechend der Verkürzung der Fasern, die Serosa in 'enge Falten gelegt; von diesen Falten ausgehend und mit ihnen gleich gerichtet, zieht eine feine, enge Querstreifung über die Muskelzellen, welche bei sorgfältiger Ver- stellung der Mikrometerschraube wieder als Fältelung der Umhüllung der Muskelzellen erkannt werden kann.

‚Vom Frosche wurde ein Stück des Pylorustheiles des Magens in Kochsalz-Sublimat fixirt. Die Muskelfasern zeigen sich nahezu nicht geschrumpft, wohl aber vielfach kontrahirt und schließen dicht an einander. An dünnen, mittels Pikrorubin gefärbten Paraffinschnitten zeigen dieselben an Längsschnitten auf den ersten Anblick ein Bild, wie es BOHEMAN in seiner Fig. 2 von der Darmmusecularis der Katze wiedergegeben hat: die Muskelfasern ziemlich breit, deutlich fibrillär längsgestreift, die Kerne gestaucht in Folge der Kontraktion. Die Fasern stoßen dicht an einander und zeigen dann als Grenze eine unregelmäßige Wellen- oder Ziekzacklinie, welche durch ihre röth- liche Färbung von dem gelb gefärbten, fibrillär gestreiften Zellkörper absticht. |

Da und dort findet sich ein engerer oder weiterer Spaltraum zwischen zwei benachbarten Fasern, welcher dann von quergestellten, röthlich gefärbten, oft gegabelten Brücken durchsetzt erscheint. Diese Brücken machen dort, wo der Schnitt sehr dünn. ist, den Eindruck von Fasern; an denselben fällt aber einmal auf, dass sie vielfach über die ganze Breite einer Faser hinwegziehen und so scheinbar zwei durch eine dritte, zwischengelagerte Faser getrennte Fasern

351 | Josef Schaffer,

verbinden und dann, dass man sie nirgends quergetroffen als Punkte sieht.

Bei guter Beleuchtung und aufmerksamer Beobachtung erkennt man jedoch, dass an den Stellen, wo man die scheinbaren Brücken über die Fläche einer Faser ziehen sieht, der Farbenton der Faser, der dort, wo man dieselbe wirklich im Längsschnitt vor sich hat, fast rein gelb ist, durch einen röthlichen Ton gedeckt erscheint und dass die Grenze zwischen diesen zwei Farbentönen sehr häufig eine ganz scharfe ist. Mit anderen Worten, man empfängt den Eindruck, als sei an solchen Stellen eine dünne querfaltige Membran der Faser aufgelagert, welche in die welligen oder zickzackförmigen Grenzlinien zwischen den Fasern übergeht und nun an vielen Stellen durch den Schnitt von der Faseroberfläche abgetragen worden ist.

Bei der Dünnheit dieser Membran kann man dieselbe dort, wo sie der Muskelzelle glatt aufliegt, kaum wahrnehmen, da auch ihre Färbung eine ganz schwache ist. Die Membran tritt aber deutlich hervor dort, wo sie Falten bildet, welche dann als quere Brücken erscheinen oder, wo sie im optischen Durchschnitt gesehen wird, wie dies zwischen den Fasern der Fall ist, wo sie uns dann als die vielfach besprochene wellige oder ziekzackgebogene Grenzlinie wahr- nehmbar wird.

Mit zweifelloser Klarheit treten die so eben geschilderten Ver- hältnisse an Präparaten hervor, welche mittels Pikronigrosin gefärbt worden sind; Fig. 22 soll eine Vorstellung davon geben. Die Muskel- zellen (f) erscheinen grünlich gelb oder deutlich fibrillär gestreift; gegenseitig grenzen sie sich durch intensiv blaugrün gefärbte, wellig gebogene Linien (A’) ab, welche Linien meist einfach sind, so dass dort, wo sie sich mit einer Muskelzelle retrahirt haben (m), die gegen- überliegende Zelle (m’) an dieser Stelle hüllenlos erscheint. An man- chen Stellen jedoch weichen die Linien (bei 4” z.B.) aus einander und lassen dann Lücken oder Spalten zum Durchtritt von Blutkapil- laren, elastischen Fasern, Nerven u. 8. f.; vielfach lassen sich diese Grenzlinien nun ganz deutlich in Membranen an der Oberfläche der Muskelzellen verfolgen, welehe durch ihren blass-blaugrünen Ton be- sonders dort erkenntlich sind, wo sie, zum Theil durch den Schnitt von den Fasern abgetragen (4), mit scharfen Rändern sich von dem selb gefärbten kontraktilen Inhalt absetzen. Oft schaut letzterer nur wie durch ein Fenster hervor (f’), wenn die Faser nur an einer kon- vexen »telle durch den Schnitt gekappt erscheint. An eben so ge- färbten Querschnitten erhält man wieder ein Bild, wie es z. B.

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 255

BOHEMAN in seiner Fig. 4 abbildet und wie es meine Fig. 18 dar- stellt: die polygonalen oder rundlichen Faserquerschnitte, welche erünlich gelb gefärbt erscheinen, sind in ein nahezu blauschwarzes Netzwerk eingetragen, welches den Eindruck einer Kittsubstanz macht. Die Ungleichmäßigkeit der Balken dieses Netzwerkes, sein direkter Zusammenhang mit dem gleichgefärbten Bindegewebe der Submucosa oder des Peritoneums, sowie der Vergleich mit dem ge- schilderten Längsschnittbilde lässt jedoch keinen Zweifel, dass wir es mit einem Zwischengewebe bindegewebiger Natur zu thun haben, das in Form von zarten Häutchen die Muskelzellen umhüllt. Quer- faltenbildungen dieser Häutchen, durch die Kontraktion der Muskel- zellen entstanden, täuschen am Längsschnitt vielfach das Bild von Intercellularbrücken vor.

Ill. Epikrise.

Fragen wir uns nun, wie das Ergebnis dieser Untersuchung mit den bisherigen Anschauungen der Autoren in Einklang gebracht wer- den kann, so habe ich bereits im Vorstehenden wiederholt die Über- einstimmung meiner Beobachtungen am Präparat mit jenen verschie- dener anderer Untersucher feststellen können.

Alle die verschiedenartigen Bilder, welche ich hier geschildert habe, trifft man auch schon bei dem einen oder anderen Autor in mehr oder minder großer Genauigkeit wiedergegeben; was jedoch bisher gefehlt hat, das ist eine einheitliche Auffassung und Deutung des Gesehenen.

Im Folgenden sollen kurz die Gründe hierfür aus einander ge- setzt und gezeigt werden, dass alle die im Einzelnen weit aus ein- ander gehenden Anschauungen ungezwungen erklärt werden können, wenn man 1) die Befunde an der frischen, isolirten Muskelzelle, 2) die Veränderlichkeit derselben durch mechanisehe oder chemische Einflüsse, 3) das bereits von anderen Autoren nachgewiesene Vor- kommen eines geformten Bindemittels zwischen den Muskelzellen, und 4) die im Vorstehenden nachgewiesene Möglichkeit einer färbe- rischen Trennung bindegewebiger und protoplasmatischer Substanz im Auge behält. |

Betrachten wir von diesen Gesichtspunkten aus zunächst die Anschauung jener Autoren, welche »Intercellularbrücken« nur am Querschnitte der glatten Muskelfasern sehen und dieselben als längs- verlaufende, niedrige Leisten auffassen, die optisch als eine feine, etwas unregelmäßig verlaufende Längsstreifung der Muskelzellen in die

256 Josef Schaffer,

Erscheinung treten, so hat BARFURTH (1), der Hauptvertreter dieser Ansicht, die »Intereellularbrücken« in vielen Fällen vermisst und an ihrer Stelle deutlich eine durch ihren Glanz ausgezeichnete Kittsub- stanz gesehen. Diese »Kittsubstanz« soll sich intensiv mit Eosin, ‚Vesuvin, kurz mit Plasmafärbemitteln färben. Diese Färbemittel gestatteten es BARFURTH nicht, die mikrochemische Verschiedenheit des Bindemittels und der Muskelzellen zu erkennen. Wie die Er- gebnisse der Pikrofuchsinfärbung lehrten, ist diese Kittsubstanz nichts Anderes, als das intercelluläre Bindegewebe, welches dort, wo die Muskelfasern nicht geschrumpft sind, den Eindruck von Kittlinien macht.

Die Flüssigkeiten, welche BARFURTH als am günstigsten zum Nachweise der »Intercellularbrücken« bezeichnet, Chromessigsäure und !/,/,ige Chromsäure, bewirken, wie ich von letzterer gezeigt habe, eine leichte Schrumpfung der Fasern und lassen die fibrilläre Struktur derselben deutlich hervortreten. Am Querschnitte wird man demnach Bilder, wie sie den Figeg. 15 B und 21 entsprechen, er- halten, am Längsschnitte die von BARFURTH beschriebene Längs- streifung als Ausdruck der fibrillären Struktur und der rinnenförmigen Einsenkungen zwischen den Sarkoplasmafirsten, welche mit der binde- sewebigen Umhüllung der Faser in Zusammenhang geblieben sind. Damit erklärt sich auch die Angabe BARFURTH’s, dass die »Inter- cellularbrücken« am schönsten auch an Querschnitten von Fasern zu sehen sind, die durch Kontraktion den Zusammenhang mit benachbarten Fasern bereits verloren haben.

Dass BARFURTH an solchen Stellen das an seinen Objekten schwach entwickelte Zwischengewebe übersehen konnte, erklärt sich daraus, dass er vornehmlich mittels Kernfärbemitteln (Boraxkarmin, Hämatoxylin) gefärbte, stark aufgehellte und sehr dünne Schnitte (nieht über 5 «) untersucht hat, in welchen das Zwischengewebe in der That unsichtbar wird. Krecxı (23) hat, obwohl er im Allge- meinen die Ansicht BARFURTH’s bestätigte, unbewusst auch bereits das membranöse Zwischengewebe in seiner Fig. 4 a abgebildet, dessen Längsfaltung im Querschnitte Intercellularbrücken vortäuscht, wie ich schon bemerkt habe.

Deutlich sah jedoch WERNER (45) dieses Zwischengewebe in Form zarter Zwischenwände sowohl am Längsschnitte (Fig. 4) als am Querschnitte (Fig. 1), und hat er dasselbe richtig als eine diffe- renzirte Umhüllungsschicht, welche die scharfe Abgrenzung der Muskelfaser bewirkt, gedeutet und auch gesehen, dass dieselbe sehr innig mit dem Bindegewebe zusammenhängt.

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 957

Demnach war WERNER eigentlich nicht mehr berechtigt, von Intercellularbrücken zu sprechen, und zeigt seine Fig. 2 auch deut- lieh, dass »die kurzen und langen Zellbrücken< nur verschiedenen Graden der Schrumpfung ihre Entstehung verdanken. Aber auch an Längsschnitten durch Darmmuskelfasern der Katze sah WERNER bereits die durch Verkürzung der Muskelfasern entstandenen Quer- falten der Umhüllungsmembran als »außerordentlich deutliche Quer- streifung« der Fasern, über deren Zustandekommen er die Ansichten zahlreicher Autoren anführt.

- Die von KuurtscHitzky und BARFURTH beschriebenen »Inter- eellularbrücken« haben also mit dem intercellulären Bindegewebe nichts zu thun; dass letzteres aber zur Verwechselung mit denselben Veranlassung gegeben hat, wie dies neuestens GARNIER (15) und HoEHL (22) behaupten, geht zur Genüge aus der Arbeit von BOHE- MAN (6) hervor; wir kommen damit zur Besprechung jener Arbeiten, welche das Vorhandensein von Bindegewebe zwischen den glatten Muskelfasern nachgewiesen haben.

Diesen Nachweis hat zuerst DE BRUYNE (7) mit aller Bestimmt- heit erbracht. Er beschreibt in der Muskulatur des Darmes vom Frosch und Meerschweinchen »ein Maschenwerk oder Reticulum von verschiedener Dichtigkeit, welches die Muskelfasern eng umtflicht. Nieht selten kann man einzelne Bälkchen der Länge nach in einem interfibrösen Spaltraum verfolgen. Durch die seitlichen Äste und Anastomosen dieser Bälkchen täuschen sie eine Hülle von Zähnchen vor, welche sich zu ähnlichen Zähnchen benachbarter Fasern be- geben. Das Ganze erinnert an Intercellularbrücken. Das ist aber nur eine optische Täuschung; bei Gebrauch der Mikrometerschraube sieht man das Netz«.

Während DE BruYNnE die Fasern dieses Netzwerkes nun einer- seits als Ausläufer von stern- oder spindelförmigen Zellen bezeichnet, betont er andererseits, dass die innige Verbindung dieses intramus- kulären Netzes mit den Elementen der Schleimhaut und Serosa, sein Aussehen und seine chemischen Eigenschaften keinen Zweifel über seine bindegewebige Natur lassen.

Sieht man ab von dem Umstande, dass DE BruynE ein Faser- netz sieht, wo ich Durchschnitte durch ein Alveolenwerk oder Fal- tungen eines membranösen Zwischengewebes beschrieben habe, eine Differenz, welche sich leieht aus der Verschiedenheit unserer Technik erklären. lässt, so entspricht seine Darstellung vollkommen der meinen

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 17

358 Josef Schaffer,

und ist er auch der Erste, welcher die Ähnlichkeit des Bildes an Längsschnitten mit Intercellularbrücken erwähnt und richtig deutet.

Von dieser richtigen Deutung hat sich aber DE BRUYNE meiner Meinung nach in seiner ausführlichen Mittheilung (8) wieder weiter ‚entfernt. Hier betont er mit Nachdruck, dass das netzartige Gitter zwischen den Muskelfasern aus den anastomosirenden Fortsätzen sternförmiger Zellen gebildet werde, obwohl seine Fig. 3 und 6 zweifellos die bindegewebige, von Zellen unabhängige Natur dieses Netzes erkennen lassen.

Neben diesem, die Muskelfasern einscheidenden Netz, welches zu Verwechselungen mit Intercellularbrücken Veranlassung geben kann, beschreibt DE BRUYnE aber nunmehr bei Säugethieren auch »Intercellularbrücken« im Sinne BARFURTH’s, und zwar wählt er als Beispiel die Darmmuskulatur der Katze.

Wie ich, fand er am Querschnitte die Muskelfasern von sehr verschiedenem Aussehen: die einen stellen rundliche oder polygonale Felder dar, welche in den Maschen eines deutlichen Bindegewebs- netzes liegen; das Ganze ist in eine mehr oder weniger reiche Grund- substanz eingelagert, den vereinigenden Kitt. Die anderen erscheinen an ihrer Oberfläche in gleichen Zwischenräumen von kleinen Stacheln besetzt, welche bis zur Länge der Bindegewebsbälkchen heranreichen können. Die dritten endlich stehen mittels ihrer seitlichen Verlänge- rungen in Verbindung mit gleichartigen Bildungen benachbarter Fa- serzellen und stellen so wirkliche Vereinigungsbrücken dar. In letzterem Falle sieht man fast immer eine dunkle Linie senkrecht zur Richtung der Brücken, welche meist in gleichen Abständen zwi- schen den vereinigten Fasern hinzieht. Zwischen diesen drei Er- scheinungsweisen giebt es unmerkliche Übergänge; wo das Binde- sewebe zwischen den Fasern sehr zart wird, stellt es die beschriebene Linie dar.

Diese Darstellung DE BRUYNE’s, sowie seine schematischen Ab- bildungen a, d, e Fig. 10 stimmen fast vollkommen mit der von mir gegebenen Schilderung und meiner Fig. 15 B, C überein. Danach scheint mir aber DE BRUYNE nicht mehr berechtigt, die Zähnchen an der Oberfläche der Faserquerschnitte als »Intercellularbrücken< zu bezeichnen, da sie ja zumeist nicht direkt mit den gleichartigen Bil- dungen benachbarter Fasern, sondern mit der bindegewebigen Scheide- wand zusammenhängen. Wo diese zu fehlen scheint, wie in seiner offenbar etwas schematisirten Fig. 8, dürfte sie ihm in Folge mangel- hafter Färbung entgangen sein.

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 259

Da DE Bruyne keine einzige Abbildung giebt, in der die Muskel- fasern am Querschnitte dicht an ihr Bindemittel anschließen, so ver- muthe ich, dass er überhaupt nur leicht geschrumpfte Fasern vor sich gehabt hat, woraus sich dann seine Annahme der BARFURTH- schen Brücken, sowie die verschiedenen Grade in der Entwicklung derselben leicht erklären würden.

Gegen die zellige Natur des intramuskulären Netzes habe ich sehon in meiner vorläufigen Mittheilung (38) geltend gemacht, dass dasselbe einmal die färberische Reaktion von Bindegewebe giebt, dann, wie DE BRUYNE selbst gefunden hat, direkt mit fibrillärem Bindegewebe zusammenhängt und endlich, dass es auf große Strecken hin kernlos ist, wie dies ebenfalls DE BruYneE (8) selbst in seinen Figg. 2 und 3 darstellt.

Dass DE BRUYNE und nach ihm alle Autoren, welche das Vor- kommen von Bindegewebe zwischen den Muskelfasern beschrieben haben, wie GARNIER (15), HoEHL (20), aber auch BoHEMmAN (6) und TRIEPEL (43), die membranöse Natur dieses intercellulären Binde- sewebes nicht erkannt haben, ist leicht begreiflich, obwohl Quer- schnittsbilder, wie sie DE BRUYNE in seinen Figg. 3 und 10 giebt, in denen jeder Faserquerschnitt in einer geschlossenen Umhüllung liest, durchaus nicht dem Vorhandensein eines: aus drehrunden Fa- sern bestehenden Netzwerkes entsprechen. Würde es sich in der That um ein solches handeln, so müsste man doch häufig Querschnitte dieser Fasern wahrnehmen, was jedoch mit Ausnahme der eben- falls vorkommenden spärlichen elastischen Fäserchen nicht der Fall ist und was ich auch nirgends dargestellt gefunden habe.

Andererseits ist es an sehr dünnen Paraffinschnitten (2—3 4), wie sie von einigen Autoren zur Untersuchung der »Intercellular- brücken« geradezu als unumgänglich nothwendig verlangt werden, unmöglich optische Durchschnitte dünner Membranen (Falten) oder wirkliche Durchschnitte derselben von Fasern zu unterscheiden. Während an diekeren Durchschnitten (10—15 u) von Muskelfasern mit reichlich entwickeltem Zwischengewebe (Gefäße des Nabelstranges, Darmmuskulatur der Reptilien) bei Anwendung scharfer Plasmafär- bung die Erkennung des membranösen Charakters leicht ist, gehört bei den zarten Hüllen in der Darmmuskulatur der Säugethiere (Katze, Hund, Pferd) und des Frosches auch bei gut differenzirender Färbung große Aufmerksamkeit dazu, die Häutchen in der Fläche wahrzu- nehmen. Übrigens verweise ich auf die Fig. 1 von Hornu (22), welche auf den unbefangenen Beobachter auch eher den Eindruck

rt

360 Josef Schaffer,

vom Vorhandensein einer querfaltigen, membranösen Hülle, als den eines Fasernetzes macht!.

Eine Erklärung der Angaben von BoHEMAN (6) habe ich bereits oben gegeben; hier ist nur noch zu bemerken, dass derselbe ohne Weiteres von Protoplasmabrücken spricht, ohne für die protoplas- matische Natur der von ihm dargestellten Verbindungen einen Be- weis erbracht zu haben. Wichtig erscheint mir auch seine Angabe, dass er mittels der GoteT'schen Methode niemals eine vollständige Brücke imprägnirt erhalten konnte, wohl aber das interfibröse Netz im direkten Zusammenhange mit ebenfalls geschwärzten Bindegewebs- zügen fand. GARNIER (15) und Horut (22) haben nur das interfibröse Bindemittel dargestellt, nicht jedoch die von BARFURTH beschriebenen Muskelbrücken; eine Verwechselung dieser beiden Dinge ist wohl kaum möglich, wie die beiden Autoren vermuthen. Wo dieselbe vor- gekommen ist, haben die betreffenden Beobachter eben die Brücken BARFURTH's nicht gesehen.

GARNIER hat nur Muskeln mit reichlichem Zwischengewebe (Ösophagusmuskulatur der Schildkröte; Zurückzieher des Augenstieles von Helix pomatia) untersucht und stimmen seine Beobachtungen voll- kommen mit meinen Befunden an der Muskulatur der Nabelstrang- sefäße überein. Trotzdem kann sich sowohl GARNIER als auch HoEHL von der Annahme »wirklicher Intercellularbrücken« nicht ganz frei machen; nur halten sie ihr Vorkommen für seltener, als bisher an- genommen wurde.

Zum Schlusse sei aber auch auf eine Reihe von Angaben hin- sewiesen, nach welchen den glatten Muskelfasern eine membranöse Hülle, wie ich sie geschildert habe, zukommen soll.

Ich sehe hier von den wiederholt angeführten Angaben von BascH (3) und R. HeıpexHain (19) ab, weil es sich bei genauerer Prüfung derselben offenbar nur um scheidenartige Umhüllungen dün- ner Bündel von Darmzottenmuskeln gehandelt hat.

Dagegen hat KÖLLIKER, wie ich schon erwähnt habe, für eine sewisse Anzahl von Muskeln, und zwar für die des schwangeren

! Es scheint mir, dass die einseitige Anwendung einer bestimmten Tech- nik in letzter Zeit wiederholt zur Annahme von Netzwerken geführt hat, wo es sich leicht nachweisbar um dünne Membranen handelt. Wenn auch behauptet wird, dass die Verdauungsmethode keine Kunstprodukte schafft, so kann man doch die mittels derselben erhaltenen Bilder nicht für wahrheitsgetreuer halten, als die, welche ohne eingreifende Vorbehandlung, frische oder einfach erhärtete Objekte bei der Untersuchung ergeben.

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 261

Uterus, des Ductus deferens und der Wirbellosen einen deutlichen Unterschied zwischen Inhalt und Hülle erkannt. Für die Muskeln einiger Wirbellosen hat auch schon R. HEIDExHAIN (17) diese Hülle deutlich beschrieben. Wie ich gezeigt habe, ist diese Hülle an Querschnitten des Ductus deferens besonders dort leicht als zarte, vom umgebenden Bindegewebe sich abhebende Linie zu erkennen, wo sich der kontraktile Faserinhalt von ihr retrahirt hat.

Nach diesen Befunden an isolirt im Bindegewebe liegenden Muskelfasern müssen wir annehmen, dass de norma der kontraktile Zellkörper durch das Sarkoplasma an seiner ganzen Oberfläche innig mit dieser Hülle zusammenhängt, ähnlich wie die quergestreifte Skeletmuskelfaser mit ihrem Sarkolemm.

An solchen isolirt verlaufenden Fasern hat auch Krem (24) im Mesenterium von Tritonen eine Scheide beschrieben, die er für wahr- scheinlich elastischer Natur hält und die sich bei der Kontraktion in quere Runzeln legen soll (man vgl. auch die Fig. 47 in Kreix- KoLLmAnN’s Grundzügen der Histologie. 2. Aufl. 1890). SCHÄFER- Krause (36) bilden in Fig. 792 eine bei der Isolation abgebrochene Zelle ab, an der sich »die zarte Umhüllungsmembran am abgehro- chenen Ende ein wenig jenseits der Zellsubstanz fortsetzt«.

Die bestimmten Angaben über Scheiden der glatten Muskelfasern von DrAascH und WERNER habe ich bereits besprochen. GARNIER wendet sich gegen die Bezeichnung Sarkolemm, welche WERNER dieser Hülle gegeben hat, weil WERNER durch dieses Häutchen hindurch die Muskelfasern mittels Leisten verbunden sein lässt. Er selbst hat aber bei Helix neben einem groben Netzwerk um die Muskelfasern noch eine membranöse Hülle analog dem Sarkolemm beschrieben. Nach GARNIER soll sie nur am optischen oder reellen Durchschnitt sichtbar sein, den Eindruck einer zarten Schnürchen - Einfassung (lisere) machen, welche etwas dunkler erscheint als die kontraktile Substanz und dieselbe allseitig begrenzt. Die von GARNIER ange- wendete Doppelfärbung (Echtgrün-Safranin) erlaubte ihm nicht, die mikrochemische Differenz dieser Membran vom kontraktilen Zellleib und ihre Übereinstimmung mit dem »Bindegewebsnetz« zu erkennen, wesshalb er sie als die primäre Zellmembran deutet, welche nach RotuLe (35) die Muskelelemente in den ersten Stadien ihrer Entwicklung umhüllen soll. Da jedoch die Annahme einer solchen Zellmembran für die glatten Muskelfasern, die sich aus gewöhnlichen Mesoderm- zellen entwickeln, eben so wenig wie für die quergestreiften gerecht- fertigt erscheint, ist die von GARNIER beschriebene Membran offenbar

262 Josef Schaffer,

identisch mit der von mir an den glatten Muskelfasern der Nabel- stranggefäße ete. beschriebenen Grenzschicht des interfibralen Waben- werkes, dies um so mehr, als auch GARNIER den innigen Zusammen- hang der Membran an der Oberfläche der Fasern mit dem »Netz- werk« zwischen denselben betont.

Endlich sei noch an die zutreffende Schilderung, welche Warsey (44) vor langer Zeit vom Bindegewebe der Darmmuskulatur gegeben hat, erinnert; dieselbe stimmt mit meinen Befunden vollständig über- ein und kann um so mehr als Stütze derselben dienen, als sie auf Grund einer ganz anderen Technik gewonnen wurde. WaArney findet, dass das Reticulum der Darmschleimhaut sich auch zwischen den Muskelfasern findet, so dass hier jede Muskelfaser in ein Netzwerk eingescheidet ist. Dieses Reticulum darf aber nicht als ein Netzwerk von Fäden allein betrachtet werden, sondern bildet bis zu einem ge- wissen Grade auch häutchenförmige Umhüllungen. Also haben die Muskelfasern membranöse Hüllen, welche im Zusammenhange stehen mit dem Reticulum und in der That einen Bestandtheil desselben bilden. Dies kann man am besten an Schrägschnitten durch die Muskelfasern sehen.

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung müssen nach ver- schiedener Richtung eine gewisse Befriedigung hervorrufen. Einmal erschien es bisher doch schwer verständlich, dass hochdifferenzirte mesodermale Elemente, die auf Bewegung eingerichtet sind, dieselbe Einrichtung einer intimen Verbindung besitzen sollten, wie epitheliale Elemente, welche von der ersten Entwicklung an, ohne wesentlich ihre Form zu ändern, wohlgefügte Zellverbände bilden. |

Allerdings kennen wir ja auch epitheliale Muskelzellen, sowohl ekto- als entoblastischen Ursprunges, und wenn Intercellularbrücken glatten Muskelfasern überhaupt zukommen, so mussten wir sie hier zuerst suchen und finden. Nun sind mir aber gerade z. B. die Muskel- fasern der Schweißdrüsen von jeher durch ihre glatte, ich möchte sagen starre Form aufgefallen, und konnte ich zwischen denselben niemals eine Andeutung von »Intercellularbrücken« wahrnehmen. Die scheinbaren Zellbrücken zwischen den Muskelfasern der Gift- drüsen vom Salamander hat Drasca (11) befriedigend erklärt, und kann ich daher dem Befunde von M. HEIDENHAIN (21) von angeb- lichen Intercellularbrücken zwischen glatten Muskelzellen und Epithel- zellen des äußeren Keimblattes nicht eine Beweisfähigkeit für das Gegentheil zuerkennen. Es ist sehr leicht denkbar, dass HEIDENHAIN

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 263

die von DrascH nachgewiesene zarte Membran zwischen Muskelfaser und Epithelzelle übersehen hat und dass eine regelmäßige Fältelung dieser Membran am Durchschnitte die beschriebenen »Intercellular- brücken< vorgetäuscht hat.

Nach Drascn (11, p. 245) kann »das Vorhandensein vorgebilde- ter Muskelscheiden nicht bezweifelt werden. Ja es müssten solche nach seiner Meinung sogar postulirt werden, denn, dass sich eine

+ Epithelzelle unvermittelt mit einer Muskelfaser verbinden soll, ist an

sieh unwahrscheinlich, wenn man nur das Eine bedenkt, dass bei jeder Kontraktion des Muskels die Zelle ja gelockert werden müsste. Dieses tritt aber nicht ein, wenn die Zelle an der Scheide befestigt ist, unter welcher der Muskel für seine Funktion einen gewissen Spielraum hat. Von dieser mechanischen Bedeutung der Scheide abgesehen, lässt sich durch ihr Vorhandensein auch die Ernährung der Muskeln besser verstehen«.

Wie HEIDENHAIn den vermeintlichen Nachweis von Intercellular- brücken als Beweis für die ektoblastische Natur der Giftdrüsenmuskeln angeführt hat, möchte ich umgekehrt den Schluss ziehen, dass hier durch die Umwandlung zu kontraktilen Zellen ursprünglich vorhan- dene Intercellularbrücken zu Grunde gegangen sind und gehen mussten. Die angeführten Erwägungen von DrascH gelten aber auch für die Annahme von »Intercellularbrücken« zwischen kontraktilen Faser- zellen überhaupt. Dieselbe erschien mir physiologisch und mecha- nisch stets unverständlich, da ja diese zarten Verbindungen bei jeder Kontraktion wenigstens zum Theil zerreißen müssten. Eine ganz andere Bedeutung haben jene Muskelbrücken, welche HEYMmAnSs (... sur la terminaison des nerfs dans les muscles lisses de la sangsue ete., Bruxelles 1889, p. 29) in der Darmmuskulatur des Blutegels beschrie- ben hat, die aber ebenfalls von einigen Autoren als Beleg für das Vorhandensein von »Intercellularbrücken« herangezogen wurden. Hier handelt es sich jedoch um netzartig verbundene, verzweigte Muskel- fasern, wie sie sich auch an anderen Orten finden.

Andererseits bleiben die theoretischen Erörterungen über die Be- deutung der Intercellularbrücken für die Ernährung der Muskelfasern unberührt, wenn man an die Stelle von Brücken und Lücken ein zartes, Eschen den Muskelfasern wie ein Dochtwerk angeordnetes Bindegewebe setzt. | Schon BARFURTH (1) hat die Thatsache, dass er dort, wo die Muskulatur reich mit Bindegewebe durchsetzt ist, seine Brücken ver- geblich gesucht hat, dahin zu erklären versucht, dass hier schon

264 Josef Schaffer,

durch die Anwesenheit des Bindegewebes die Cirkulation der Lymphe gesichert sei; DE BRUYNE (8) hält die Deutung der »Intereellular- lücken« als Lymphwege in dem Sinne Kurrscnairzky’s und Bar- FURTH’s bei dem von ihm erbrachten Nachweise von Bindegewebe zwischen den Muskelfasern für überflüssig.

Das Vorhandensein dieses intercellulären Bindegewebes macht aber auch das Vorkommen von Kapillaren zwischen den Muskel- fasern verständlich. | \

Endlich lässt die im Vorstehenden gegebene Erklärung für das Zustandekommen von Intercellularbrücken-Bildern auch die wider- sprechenden Angaben der Autoren über Vorhandensein und Fehlen der »Intercellularbrücken« bei verschiedenen Thieren und bei dem- selben Thiere in verschiedenen physiologischen Zuständen verständ- lich und hinfällig erscheinen.

Was die von BARFURTH zuerst ausgesprochene und von vielen Physiologen postulirte Bedeutung der »Zeilbrücken« für die Reiz- leitung in der glatten Muskulatur anlangt, so muss man nunmehr entweder annehmen, dass jede Muskelfaser ein Nervenende besitzt, oder dass das zarte intercelluläre Bindegewebe kein Hindernis ist für die Fortpflanzung einer von einem Punkte ausgehenden Erregung, wofür wir ja in der paradoxen Zuckung ein Beispiel haben.

Wien, im Februar 1899.

Bemerkung bei der Korrektur: In einem Artikel von R. S. BERGH, der den allgemeinen Titel führt: Beiträge zur vergleichenden Histo- logie (Anat. Hefte, Bd. X, 1898, p. 105), bildet BERGH in Fig. 9, Taf. VII und VIII ein kleines Fragment eines Querschnittes der Aorta cephalica von Helix pomatia nach einem mittels der van GIESON- Methode gefärbten Schnitte ab. Man sieht gelb gefärbte Quer- und Längsschnitte von Muskelfasern und zwischen den ersteren ein zu- sammenhängendes Netz roth gefärbter Linien; zwischen und über den Faserlängsschnitten zeichnet BERGH ziekzackförmig gebogene Linien. In der Erklärung (p. 114) sagt er: »Zwischen den Muskelfasern sieht man die reichliche, durch Säurefuchsin roth gefärbte Grundsubstanz des Bindegewebes..... Diese Grundsubstanz zeigt sich oft als wellen- förmig gebogene Häutchen, die am Schnitte eine gewisse Ähnlichkeit mit Bindegewebsbündeln darbieten. Mit solchen sind sie jedoch abso- lut nicht zu vergleichen; wodurch aber das sehr eigenthümliche Bild

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 265

zu Stande kommt, vermag ich vorläufig nicht zu sagen. Am Quer- schnitte der Längsmuskelbündel ist deutlich erkennbar, wie die ein- zelnen Muskelfasern durch Bindegewebssrundsubstanz von einander setrennt sind.« Ähnliche Verhältnisse zeigen die Figg. 21 und 22 von BERGH. In Fig. 21 erscheinen die roth gefärbten Scheidewände an der Oberfläche einer längsgetroffenen Muskelfaser auch durch quere, ebenfalls roth gefärbte Balken nach Art von Brüeken verbunden.

t Die Deutung dieser Bilder dürfte nunmehr keinem Zweifel unter- jegen.

Litteraturverzeichnis.

D. BARFURTH, Über Zellbrücken glatter Muskelfasern. Arch. für mikr. Anat. Bd X&XXVIM 1891.0.9..38.

2. —— Zelllücken und Zellbrücken im Uterusepithel. Anat. Hefte. Bd. IX. (Festschrift für Fr. MERKEL.) 1897. p. 79.

3. v. BAscH, Die ersten Chyluswege und die Fettresorption. Sitzungsber. der k. Akad. der Wiss. Bd. LVI. II. Abth. 1870.

4. BENDA u. GUENTHER, Histologischer Handatlas. Leipzig u. Wien, F. Deu-

stieke, 1895. Taf. XI, Fie..T.

5. Böhm u. v. DAvıDorr, Lehrbuch der Histologie des Menschen. 2. Aufl. Wiesbaden 1898. p. 90.

6. BOHEMAn, Intercellularbrücken und Safträume der glatten Muskulatur.

Vorl. Mitth. Anat. Anz. Bd. X. 1895. p. 305. DE BRUYNE, De la presence du tissu r&ticule dans la tunique musculaire de l’intestin. Compt. R. Acad. Se. Paris. T. CXIIl. 1891. p. 865. 8 ——- Contribution & l’etude de l’union intime des fibres musculaires lisses. BeNrchid. Biol. 1: XH. ;1892..p: 345.

9. BusacHı, Über die Neubildung von glattem Muskelgewebe. Beitr. zur path. Anat) us zur allcem., Path.. Bd. IV. 1888, ‚p. 111,

10, Disse, Grundriss der Gewebelehre. Stuttgart 1892. p. 45.

11. 0. DrascnH, Der Bau der Giftdrüsen des gefleckten Salamanders. Arch. für Anat. u. Phys. Anat. Abth. 1894. p. 225.

12. ENGELMAnN, Kontraktilität und Doppelbrechung. PrLücer’s Arch. Bd. XI. Über den faserigen Bau der kontraktilen Substanzen, mit beson- derer Berücksichtigung der glatten und doppelt schräg gestreiften Muskelfasern. PrLüGeEr’s Arch. Bd. XXV. 1881.

13. $. Exner, Über optische Eigenschaften lebender Muskelfasern. Arch. für die ges. Physiol. Bd. XL. 1887. p. 373.

14. W. Fremming, Zelle. Referat in: Ergebn. der Anat. u. Entwicklungsgesch.

Bd. VI. 1896. Wiesbaden 1897. p. 260.

15. CH. GARNIER, Sur l’apparence de ponts intercellulaires produits entre les

fibres musculaires lisses par la presence d’un reseau conjonctive.

Journ. de l’Anat. et de la Physiol. 1897. p. 405.

u .

266

16.

Josef Schaffer,

GRUENHAGEN, Über die Muskulatur und die Bruch’sche Membran der Iris. Anat. Anz. Bd. III. 1888.

R. HEIDENHAIN, Zur Frage nach der Form der kontraktilen Faserzellen während ihrer Thätigkeit. Studien des physiol. Inst. zu Breslau. 1. Heft. 1861. p. 177 |

—— Gerinnung des Inhaltes der kontraktilen Faserzellen nach dem Tode. Ebendort p. 199.

—— Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünndarmschleimhaut. Arch. für die ges. Physiol. Suppl. 1888.

M. HEıpenuAmn, Über Kern und Protoplasma. Festschrift für A. v. KöR- LIKER. Leipzig 1892. p. 111.

—— Über das Vorkommen von Intercellularbrücken zwischen glatten Muskelzellen und Epithelzellen des äußeren Keimblattes und deren theoretische Bedeutung. Anat. Anz. Bd. VIII. 1893. p. 404.

Erw. Hornt, Über das Verhältnis des Bindegewebes zur Muskulatur. Anat. Anz. Bd. XIV. 1898. p. 253.

C. Kreckı, Experimentelle Untersuchungen über die Zellbrücken in der Darmmuskulatur der Raubthiere. Dorpat 1891.

E. KLEın, Observations on the structure of cells and nuclei. I. Quart. Journ. micr. sc. 1878. p. 315.

KÖLLIKER, Beiträge zur Kenntnis der glatten Muskeln. Diese Zeitschr. Bd. I. 1849. p. 48.

—— Handbuch der Gewebelehre. Leipzig 1889. Bd. I. p. 136.

Korossow, Eine Untersuchungsmethode des Epithelgewebes, besonders der Drüsenepithelien und die erhaltenen Resultate. Arch. für mikr. Anat. Bd. LII. 1898. p. 4.

N. Kurtscuitzky (KULTSCHIZNY), Über die Art der Verbindung der glatten Muskelfasern mit einander. Biol. Centralbl. Bd. VII. 1887/88. p. 572.

—— Sitzungsber. der Dorpater Naturforscherges. 18. Jahrg. 1891. p. 417.

LEBERT, Recherches sur la formation des muscles dans les animaux verte- bres et sur la structure de la fibre musculaire dans les diverses classes d’animaux. Annales d. sc. nat. T. XII.

MEISSNER, Über das Verhalten der muskulösen Faserzellen im kontrahirten Zustande. Zeitschr. f. rat. Med. III. R. Bd. II. p. 316.

NıcoLAs, Note sur les ponts intercellulaires des fibres musculaires lisses. Bull. des seances de la Soc. sc. de Nancy. 1892. 4. Ann. p. 39.

A. RoLLETT, Muskel (histologisch) in: EULENBURG’s Realencyklopädie. III. Aufl.

—— Untersuchungen über Kontraktion und Doppelbrechung der querge- streiften Muskelfasern. Wiener Denkschr. Bd. LVIII. 1891. p. 55.

Rourz, Etude sur la strueture et le developpement du tissu musculaire. These. Paris 1891.

SCHÄFER-KRAUSE, Histologie für Studirende. Leipzig 1889. p. 76.

J. SCHAFFER, Beiträge zur Histologie und Histogenese der quergestreiften Muskelfasern des Menschen und einiger Wirbelthiere. Wiener Sitzungs- berichte. Bd. CII. Januar 1893. p. 38 ff.

—— Über die Verbindung der glatten Muskelzellen unter einander. Vorl. Mitth. Anat. Anz. Bd. XV. 1898. p. 36.

SCHIEFFERDECKER u. KOSSEL, Gewebelehre, 1. Abth. Braunschweig 1891. p- 105 ff.

Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 267

40. P. ScHhuLtz, Die glatte Muskulatur der Wirbelthiere. (Mit Ausnahme der Fische.) I. Ihr Bau. Arch. für Anat. u. Phys. Phys. Abth. 1895. p. 517.

41. SCHWALBE, Beiträge zur Kenntnis der glatten- Muskelfasern. Arch. für mikr. Anat. Bd. IV. 1868. p. 392.

42. PH. Stöhr, Lehrbuch der Histologie etc. S. Aufl. Jena 1898. p. 75.

43. H. TRıEPEL, Zu den Zellbrücken in der glatten Muskulatur. Anat. Anz. Bd. XIII. 1897. p. 501.

44. Warsey, The minute Anatomy of the Alimentary Canal. Philos. Transact. Vol. CLXVI 1876.

3. G. WERNER, Zur Histologie der glatten Muskulatur. Dorpat 1894.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XIV und XV,

Fig. 1. Isolirtes Faserbündel aus einem frischen Nabelstranggefäß des Menschen in !/>°/siger Kochsalzlösung untersucht. :/, eine aus dem Verbande herausgerissene Muskelzelle.. Vergr. 490.

Fig. 2. Ein isolirtes Bündel glatter Muskelfasern aus der Diekdarmtänie eines Affen (Mac. cynomolgus); frisch in !//siger Kochsalzlösung. Zwischen den Fasern im Bündel glänzende, wellige Linien; :/, herausgerissene Faser mit glatten Rändern. Vergr. 49.

Fig. 3. Ende einer frisch in BAnnwarT#'s Eosin isolirten glatten Muskel- faser aus einem Nabeistranggefäiß vom Menschen. f, Körper der Faser mit deutlicher fibrillärer Streifung; A, Hülle des kontraktilen Inhaltes; A’, röhren- förmige Fortsetzung derselben über das Faserende hinaus. Vergr. 490.

Fig. 4 Frisch isolirte Muskelzelle; Cardia eines Smonatlichen Fohlen, 12 Stunden p. m. x, Kern; %, Verdichtungsknoten; %’, Verdichtungsscheibe, welche nicht den ganzen Querschnitt der Faser betrifft. Vergr. 490.

Fig. 5. Eine eben solche Faser vom erwachsenen Pferd, 6Y/» Stunden p- m. /, Fibrillen und interstitielle Körnchen. Die übrigen Bezeichnungen wie Fig. 4. Vergr. 316.

Fig. 6. Querschnitt durch die mittlere Partie der Ringmuskelschicht des Katzendarmes. Gesättigte, wässerige Sublimatlösung, va GIEsoNx-Färbung. a, nieht verdichteter Faserquerschnitt mit deutlicher Fibrillenpunktirung; a’. verdichteter, homogener und stärker färbbarer Querschnitt; s. Zwischengewebe. Vergr. 700.

Fig. 7. Glatte Muskelfasern mit Kontraktionsknoten; aus einem Schnitt durch die Ampulle des Samenganges eines Hingerichteten. ZENKER’s Flüssig- keit, Hämalaun-Eosin. Vergr. 700.

Fig. 8. Isolirte Faser aus einem mit Drittelalkohol behandelten Nabel- stranggefäß vom Menschen. Färbung mit Congoroth. n, stark gefärbter Kon- traktionsbauch; A, Hülle. Vergr. 700.

Fig. 9. Eine eben solche Faser nach Behandlung mit 200/,iger Salpeter- säure isolirt. Vergr. 700.

Fig. 10a und 5. Zwei isolirte Muskelfasern aus der Darmwand von Rhe- sus nemestrinus nach Behandlung mit KAIsERLING's Formalingemisch. Vergr. 700,

268 Josef Schaffer, Zur Kenntn. d. glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung.

Fig. 11. Von einem isolirten Bündel aus der Darmmuscularis desselben Thieres; dieselbe Behandlung. Bei 7 hohe, bei ? tiefe Einstellung. Vergr. 700. Fig. 12. Durch Maceration in MÜLLER’s Flüssigkeit isolirte Mukelfasern aus der Darmwand des Pferdes; beia von der Fläche, bei 5 im Profil. Vergr. 270.

Fig. 13. Querschnittspartie von einem Nabelstranggefäß des Neugebore-

. nen; Pikrinsublimat, Hämalaun-Eosin. Muskelfasern im Längsschnitt. %, Keine des Zwischengewebes. Vergr. 270.

Fig. 14. Eine Stelle vom gleichen Objekt bei stärkerer Vergr. (490); VAN GIESoN-Färbung. qw, Muskelfasern im Querschnitt; /, Leukoeyt.

Fig. 15 A, B, C. Drei Fasergruppen aus ein und demselben Querschnitte durch die Längsmuskelschicht des Pferdedarmes. ZENKER, VAN GIESON. B und C' verschiedene Schrumpfungsstadien von A. s, intercelluläres Fachwerk im Durehschnitte. In C bedeutet 5 eine verbreiterte Stelle desselben mit einem Kern, f eine nicht vollständig retrahirte Faser. Vergr. 1100.

Fig. 16. Eine Reihe von Querschnittsbildern glatter Muskelfasern aus dem Ductus deferens eines Hingerichteten. ZENKER’s Flüssigkeit, Hämalaun- Eosin. A, fibrilläres Bindegewebe; 4’, Hülle des kontraktilen Inhaltes; m/f, eine glatt retrahirte Muskelfaser; sp, Sarkoplasmadurchgänge, aus denen sich die kontraktile Substanz gänzlich retrahirt hat. Vergr. 700.

Fig. 17. Aus einem Querschnitte durch die Muskelhant des Katzen- darmes. Sublimat-Eisessig, VAN GIESON. 5 stärkerer Bindegewebsbalken mit Kernen %. Muskelfasern größtentheils geschrumpft, das Netzwerk n zwischen denselben ist gequollen und zeigt mehrere leere Lücken. Vergr. 700.

Fig. 18—21. Verschiedene Querschnittspartien aus der Ringfaserschicht des Katzendarmes. Fixirung in gesättigter wässeriger Sublimatlösung, Färbung mittels Pikrorubin allein (18—20) oder nach Vorfärbung mittels Hämalaun. a, a’, geschrumpfte Muskelfasern; DB, Bindegewebsbalken der Submucosa mit Kernen; 5, intercelluläres Bindegewebe; c, Kapillare; /, ’, Lücken im Zwischen- gewebe; d, Maschen des Zwischengewebes, aus denen sich die Muskelzellen nahezu ganz retrahirt haben. Vergr. 700.

Fig. 22. Aus einem Längsschnitt durch die glatten Muskelfasern des Frosch- magens. Fixirt in Kochsalz-Sublimat, Färbung nach FREEBORN (Pikronigrosin); Paraffin. A, die häutchenartige Umhüllung der Muskelfasern von der Fläche gesehen, bei }’im Profil zwischen zwei Fasern; 4”, intercellularbrückenähnliche Faltenbildungen dieses Häutchens; /, ‚f’, durch den Schnitt frei gelegte Muskel- faserpartien; Ak, Kern der Muskelfaser. Zwischen m und m’ durch Retraktion der Fasern künstlich entstandener Spaltraum. Vergr. 490.

Über zwei Zoantheen. Von Professor Dr. A. R. v. Heider,

Privatdocent für Zoologie in Graz.

Mit Tafel XVI und XVII.

Der Beschreibung von Zoantheus chierchiae! lasse ich, nach leider unbeabsichtigt langer Pause, diejenige zweier weiterer Formen aus der Zoantheensammlung des italienischen Schiffes Vettor Pisani fol- gen. Die Speciesbestimmung desselben hat mir bei dem Mangel jeglichen Vergleichsmaterials in unseren Museen unterschiedliche Schwierigkeiten bereitet, und auch dies Mal muss ich die Aufstel- lung einer neuen Art und Identifizirung der zweiten Form mit einer von DUERDEN im Vorjahre beschriebenen als provisorisch bezeichnen.

1. Palythoa brasiliensis n. sp. Taf. XVI, Fig. 1—21.

Fig. 1 giebt die Form in natürlicher Größe. Der Stock bildet eine halbkugelige Masse von ockergelber Farbe, indem die dicht an einander gedrängten Polypen einen spitzen Stein umwachsen und vollständig einhüllen. Dem in Fig. 1 abgebildeten Stocke dient eine aus Muschelkalk bestehende Felsspitze als Unterlage; die Dicke der das Felsstück in Gestalt einer halbkugelig gekrümmten Platte über- ziehenden Kolonie beträgt durchschnittlich 20 mm. Es ist dies zu- gleich die Höhe der einzelnen Polypen, deren Leibeshöhlen bis an die Basis reichen und hier von einer schwammigen Masse abge- schlossen werden, die in Verbindung mit den Basen der anstoßbenden Polypen als gemeinsame Cönenchymausbreitung von 2—3 mm Dicke die Unebenheiten der steinigen Grundlage ausfüllt (Fig. 4 und 5).

1 Diese Zeitschr. Bd. LIX. 1895. p. 1.

270 A. R. v. Heider,

Die Polypen sind fast der ganzen Länge nach mit einander verbun- den, nur ihr oberster Theil, in der Länge von ungefähr 3—4 mm, ist frei und bildet das Köpfchen (Capitulum). Die Oberfläche des Stockes zeigt diese, der Mehrzahl nach völlig geschlossenen, nach Maßgabe ihrer Aneinanderdrängung mehr rundlichen oder polygonal abgeplatteten Köpfchen, deren Querdurchmesser im Mittel bei den ausgewachsenen Polypen 7 mm beträgt. Zwischen diesen finden sich hin und wieder die Köpfchen von jüngeren Individuen mit Durch- messern bis zu 3 mm, deren Leibeshöhlen ebenfalls bis zum basalen Cönenchym reichen und, so weit meine Beobachtungen gehen, nie aus Röhren älterer Polypen entspringen. Die Vermehrung der Po- Iypen geschieht wohl nie durch Sprossung, sondern größtentheils durch Cönenchymknospung und gelegentlich durch Längstheilung, wofür eine Stelle am Rande der Kolonie spricht (Fig. 3), an welcher unzweifelhaft zwei verschiedene Stadien von Längstheilung vorhanden sind; die Sondirung der beiden Mundöffnungen des Polypen rechts (Fig. 3) ergab zwei gesonderte Schlundrohre, die in eine gemeinsame Körperhöhle münden.

Im Centrum der Kuppe der vollständig geschlossenen Köpfchen liegt als kleine, rundliche oder spaltförmige Öffnung: der Zugang zur vom kontrahirten freien Mauerblattrande überdeekten Mundscheibe. Diese Öffnungen sind von je nach dem Kontraktionszustande mehr oder weniger deutlichen Höckern umgeben, die dem Centrum der Kuppe ein sternförmiges Aussehen verleihen. Durchschnittlich finden sich auf jedem Köpfchen 17—18 solcher Höcker. Die geöffnet er- haltenen Köpfchen sestatten einen Einblick auf die Mundscheibe. Dieselbe ist nach außen begrenzt von den erwähnten, aus der übri- sen mehr glatten Ektodermüberkleidung in regelmäßigen Abständen sich erhebenden, radiären Wülsten von rauher, derber Konsistenz. Innerhalb dieses Höckerkranzes liegen zwei alternirende Kreise von Tentakeln, die durch ihre glatte Oberfläche, wie die Mundscheibe selbst, von den sie umschließenden Höckern schon bei Lupenbetrach- tung auffallend kontrastiren (Fig. 2). Ich zählte am ausgewachsenen Polypen meist 32 oder 34 Tentakel, welche fast immer zu kleinen, kaum 0,5 mm im Durchmesser messenden Knöpfehen kontrahirt sind; wie einige weniger zusammengezogene Mundscheiben zeigen, sind die Tentakel einfach, konisch, und dürften auch im ausgestreckten Zu- stande kaum mehr wie 1—2 mm lang sein. Der äußere Kreis mit 16—17 Tentakeln entspricht der Lage nach den Zwischenräumen zwischen den Höckern, der innere Kreis kommt vor die letzteren zu

..

Über zwei Zoantheen. DA

liegen. Von den Basen der Tentakel ziehen, nur schwach ange- deutet, hellere und dunklere Radiärstreifen gegen die Mitte der Mundscheibe, wo sich die Mundöffnung in Gestalt einer schmalen, langen Spalte befindet. An den ausgestreckten Polypen ist die Mundscheibe in Folge der Konservirung meist zu einer dünnhäutigen Blase ausgebaucht, deren Ektodermüberzug mehr oder minder macerirt erscheint, so dass über die eigentliche Beschaffenheit der Mundscheibe keine genauen Angaben möglich sind.

Schon bei Lupenbetrachtung erkennt man die die Mesogloea der Körperwand erfüllenden Sandpartikeln, die sog. Inkrustation, welche dem Stocke beim Berühren eine eigenthümlich rauhe Beschaffenheit verleiht und besonders dicht in den Höckern des oberen Mauerblatt- randes enthalten ist. Die Inkrustation macht sich bei Versuchen, die Polypen in Schnitte zu zerlegen, sehr unangenehm bemerkbar und bildet bis nun fast ein unbesiegbares Hindernis für eingehende histologische Untersuchung vieler Zoantheen. Auch bei der vorliegen- den Form gelangen mir, so weit es sich um feinere Details handelte, mikroskopisch brauchbare Sehnitte nur theilweise, und deren Er- langung war nur vom Zufalle abhängig; eine Entkalkung mit den üblichen Säuren hat wenig Erfolg, weil die kieseligen Bestandtheile des Sandes von derselben nicht angegriffen werden. Ich verfertigte mit immer frisch geschliffenen Messern eine große Zahl von Schnitt- serien aus mehreren in Paraffin eingeschmolzenen Polypen und ori- entirte mich während des Durchsuchens derselben nach halbwegs brauchbaren Stellen behufs Studiums der Histologie über den all- semeinen Bau der Zoanthee.

Von einem eigentlichen Mauerblatte, bestehend aus den drei typischen Schichten Ektoderm, Mesogloea und Entoderm kann nur im Bereiche der freien Köpfchen gesprochen werden; das Ektoderm überzieht nur die Oberfläche des Stockes, in dessen Tiefe werden die Polypen ausschließlich von Mesogloea begrenzt. Diese ist dort, wo mehrere Polypen zusammenstoßen, zu größeren Massen angehäuft, verjüngt sich dagegen an den Berührungsstellen zweier Polypen zu einer ganz dünnen Lamelle, welche bei Querschnitten durch mehrere zusammenhängende Polypen leicht einreißt. Die Querschnitte der einzelnen Polypen sind im Allgemeinen rundlich oder unregelmäßig polygonal (Fig. 6), von einem gemeinsamen Cönenchym, in welches die Polypen versenkt wären, kann hier füglich nicht gesprochen werden, da es an den Berührungsstellen der Polypen vollständig fehlt und nur in den drei- oder viereckigen Räumen zwischen drei

169)

72 A. R. v. Heider,

oder vier Individuen eine mesogloeale Ausfüllmasse vorkommt, die dem Begriffe des Cönenchyms bei anderen Anthozoen nicht entspricht.

Im Übrigen weicht die Anatomie der Polypen von dem genügend bekannten Baue der Zoantheen in keinem wesentlichen Punkte ab. Die Mesenterien befolgen den Mikrotypus und sind bei den erwach- senen Polypen, so weit dieselben zur Untersuchung gelangten, in der Zahl von 32—34 vorhanden und in der bekannten Weise paarig an- geordnet. So viel es der unregelmäßige Kontraktionszustand der halb oder ganz geöffneten Köpfehen zu konstatiren erlaubte, glaube ich gefunden zu haben, dass der äußere Tentakelkranz den Binnen- fächern (Endocoelen), der innere den Zwischenfächern (Exocoelen) der Mesenterien entspreche.

Der schwach ausgebildete Sphinkter ist, wie Schnitte durch den oberen Mauerblattrand zeigen, einfach und mesodermal (SpA Fig. 8, 9, 10), und die angegebenen Merkmale genügen, um in der beschrie- benen Zoanthee eine Palythoa zu erkennen, welche nach HADpoN und SHACKLETON! durch die Merkmale: Mikrotypus der Mesenterien, Inkrustation der Körperwand, einfacher mesogloealer Sphinkter, Po- lypen in Cönenchym versenkt gekennzeichnet wird.

Schwierig ist die Artbestimmung. HappoN und SHACKLETON? haben sich in neuester Zeit der Mühe unterzogen, die Verwirrung, welche bezüglich der Systematik der Zoantheen herrscht, zu be- seitigen und besonders in die artenreiche Gattung Palythoa einige Ordnung zu bringen, getrachtet. Bei Durchsicht der von diesen bei- den Autoren als derzeit feststehend genannten Arten und Vergleichung derselben mit unserer Species können nur P. ocellata Ell. und Sol. und P. howesii H. und S. in Betracht kommen, mit welehen beiden Formen erstere am meisten übereinstimmt, in so fern das Hauptge- wicht auf die Dimensionen der Polypen und das Maß der Erhebung der kontrahirten Polypen über die Oberfläche des Stockes gelegt wird. Abgesehen davon, dass Merkmale, wie die angegebenen, als sehr variabel keinen großen Werth beanspruchen können, hegte ich indess auch sonst noch Zweifel, ob ich es mit einer dieser beiden Species zu thun habe, indem für P. ocellata 56 Tentakel mit 26 Sep- tenpaaren angegeben sind, und die für P. howesii angeführte reihen- weise Anordnung der Polypen an unserer Form auch nieht einmal

! HADDOoN and SHACKLETON, A revision on the british Actiniae. II. The Zoantheae. Trans. R. Dublin Soe. (2) Vol. IV. 1891. p. 609.

®2 HADDON and SHACKLETON, Reports on the zoologieal colleetions made in Torres straits. Ibid. p. 673.

Über zwei Zoantheen. 373

angedeutet ist. Desshalb war ich gezwungen, die Zahl der vorhan- denen Palythoa-Species um eine weitere zu vermehren und nannte sie Palythoa brasiliensis, da sie vom Riffe von Pernambuco stammt und thatsächlich der brasilischen Küste eigenthümlich zu sein scheint.

Die mikroskopische Untersuchung des Thieres musste leider ziemlich unvollständig bleiben. Zum Theile verhinderte die Mace- ration des ektodermalen Belages der äußeren Oberfläche der Köpf- chen, sowie die nicht günstige Erhaltung der entodermalen Ausklei- dung der Körperhöhle mit Ausnahme weniger Schnitte einen befriedigenden Einblick in den feineren Bau dieser Körperschichten, zum großen Theile bot aber die Inkrustation jener mesodermalen Abschnitte des Polypen, welche beim solitären Thiere das Mauerblatt bilden würden, ein großes Hindernis für die Erreichung guter Schnitte.

Das Mesodermgewebe, Mesogloea, erfährt durch die Alkohol- konservirung eine sehr bedeutende Schrumpfung; gewiss werden in anderer Weise getödtete und aufbewahrte Anthozoen bessere und riehtigere mikroskopische Präparate geben. Immerhin konnte ich auch bei dem mir zur Verfügung gestandenen Materiale an einzelnen, nur zufällig gelungenen Schnitten feinere Details studiren.

Die Besichtigung der der Länge nach eröffneten Polypen zeigt, dass dieselben ungemein dicht an einander stehen und ihre Körper- höhlen nur durch eine, oft äußerst dünne Membran von einander getrennt werden (Fig. 4, 5). Diese Membran, aus Mesogloea be- stehend und selbstverständlich an beiden Seiten mit Entodermzellen bekleidet, stellt die gemeinsame Körperwand der an einander gren- zenden Polypen dar; sie ist hier meist nur wenige Zehntel Millimeter stark und geht direkt in die Cönenchymmasse über, welche die durch das Zusammenstoßen von drei oder vier Polypen entstehenden drei- oder viereckigen Lücken erfüllt (Fig. 6, 7). Dieses Cönenchym, welches ich Mauereönenchym nennen möchte, steht nach unten mit dem basalen Cönenchym der Kolonie in Verbindung und setzt sich nach oben in die Mesogloea der Köpfchen fort, sie zeigt überall den- selben Bau, und ist ein von Hohlräumen mehr oder minder stark durch- setztes Mesodermgewebe, welches die Fähigkeit aquirirt hat, Sand- partikelchen in großer Menge aufzunehmen, also das zu bilden, was man Inkrustation nennt (Fig. 7). Man findet diese Fremdkörper ver- schiedenster Größe entweder in die sonst homogene Mesogloealmasse eingebettet oder in den Kanälen des Cönenchyms liegen; eigentlich wird wohl nur die Mesogloea selbst die Fremdkörper aufnehmen und diese dürften, falls sie im Lumen der Kanäle gefunden werden,

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 18

374 A. R. v. Heider,

künstlich durch das Schnittmesser dahin gebracht worden sein. Immerhin ist es auch denkbar, dass die Kanäle im lebenden Thiere den Weg darstellen, auf welchem die Sandpartikel von der Peri- pherie in das Innere der Kolonie befördert werden, indem jene erst, wenn sie an ihrem Bestimmungsorte innen angelangt sind, in die Mesogloea gepresst werden. |

Normal sind die Mesogloealkanäle von zelligen Elementen aus- gekleidet oder erfüllt, die bei den untersuchten Pulypen nicht ge- nauer erkannt werden konnten, da der Inhalt der Kanäle und Lücken offenbar durch die Art der Konservirung in einen undefinir- baren Detritus umgewandelt ist. Ich konnte desshalb auch nicht die Angaben anderer Zoantheen-Untersucher kontrolliren, welche da- hin lauten, dass dieser Zellbelag eine Fortsetzung des Entoderms der Körperhöhle darstelle; die Schnitte, aus welchen ich auf eine that- sächliche Kommunikation des Kanalsystems der Mesogloea mit der Leibeshöhle durch von derselben nach innen sich erstreckende La- kunen und Buchten hätte schließen können, waren zu unvollkommen und unverlässlich.

Während das Cönenchym, also die Mesogloea im Bereiche der verwachsenen Mauerblätter der Polypen gleichmäßig: mit Inkrustation erfüllt zu sein scheint, scheint letztere im Bereiche der über die allgemeine Oberfläche vorragenden freien Köpfehen nur einer, etwa ein Drittel der ganzen Breite messenden äußeren Zone der Mesogloea zuzukommen; am oberen Mauerblattrande hatte ich bei den meisten Schnitten den Eindruck, als wenn die Inkrustation ausschließlich den tieferen Schichten des Ektoderms zukäme (Fig. 9, 10), resp. nur der äußeren Oberfläche der Mesogloea aufläge. Hier ver- stärken auch besondere Anhäufungen von Fremdkörpern in und unter dem Ektoderm jene, eigentlich nur durch Verdickungen der Mesogloea hervorgebrachten Höcker, welche die Mundscheibe um- säumen.

Die Höhlungen und Kanäle, von welchen das Cönenchym durch- zogen wird, lassen bis auf den meist deutlichen sog. basalen Längskanal an der Basis der Septen keine besondere Anordnung erkennen, und verlaufen in den in Alkohol konservirten Exemplaren in allen Richtungen; eigentlich sind es rundliche Hohlräume von sehr verschiedener Größe, die mit einander kommunieiren und dem Cönenchym im Durchschnitte ein schwammiges Gepräge verleihen. Das ganze Lückensystem des die Polypen umgebenden Mauereönen- chyms steht wohl hauptsächlich mit den Hohlräumen des Basaleönen-

Über zwei Zoantheen. 275

ehyms in Verbindung, welche wieder direkt mit den Leibeshöhlen der Polypen kommuniciren; eine Kommunikation der Leibeshöhlen mit den Lücken des Körpereönenchyms konnte ich nicht sicher kon- statiren, die Leibeshöhlen sind durch eine dichtere Schicht von Me- sogloea, welche sich auch durch stärkere Tinktion bei Hämatoxylin- färbung kennzeichnet, gegen das Körperceönenchym abgeschlossen, und ich vermochte nie präformirte in das Körpercönenchym führende Lücken in dieser, als eigentliches Mauerblatt figurirenden, dichteren Gewebsschicht zu erkennen.

Im oberen Polypentheile ist die innere Fläche der Körperwand mit einer Schicht schwach ausgebildeter, entodermaler Ringmuskel- fasern ausgekleidet. Diese versenkt sich im Bereiche des Köpfchens allmählich und kräftiger werdend in die Mesogloea und erzeugt den Sphinkter (Fig. 13 SpA), indem die Muskelfasern die Innenfläche von hier in einfacher Reihe gegen den Mauerblattrand ziehenden rund- lichen Höhlen von etwa 0,03 mm Durchmesser überkleiden (Fig. 9, 10 Spk). Dadurch wird der Sphinkter mesodermal, er liegt in von Inkrustation freier Mesogloea und ist in der Region der Höcker am äußeren Mauerblattrande am meisten ausgebildet; im Vergleich mit anderen Zoantheen bleibt er bei Palythoa brasiliensis schwach und unscheinbar.

An vielen Schnitten fällt in der Mesogloea der Reichthum an Fasern und zelligen Gebilden auf; beide sind schon des öftern be- schrieben worden, indess glaube ich sie dennoch wieder erwähnen zu sollen, da ich Gelegenheit hatte, manche Details in jener Gegend des Polypenkörpers, wo die Mesogloea von Inkrustationen frei und nicht durch ein Höhlen- oder Kanalsystem zerklüftet ist, d. i. am oberen Mauerblattrande, sehr genau zu beobachten. Diese meso- gloealen Zellen und Fasern sind nicht immer gleich deutlich, und es wird wahrscheinlich von gewissen physikalischen Zuständen der Mesogloea im Momente der Tödtung und Konservirung abhängen, ob diese Gebilde später durch die histologische Behandlung mehr oder weniger gut ersichtlich zu machen sind. Nur so kann man sich er- klären, dass dieselben Körperstellen verschiedener Polypen bei gleicher Behandlung so verschieden deutliche mikroskopische Bilder liefern.

Die Fasern finden sich nur in jenen Mesogloea-Abschnitten, welche zugleich Muskelfasern ausgebildet haben, d. i. ganz besonders in der Gegend des Sphinkters, dann aber auch in den unter dem eigentlichen Sphinkter gelegenen Partien des Manerblattes, wo jener

18*

276 A. R. v. Heider,

in die entodermale Ringmuskulatur übergeht (Fig. 13, 15 F). Sie durchziehen die Mesogloea als verschieden starke, 0,6 bis 0,8 « mes- sende, schwach wellige und im Allgemeinen parallele Linien; zu- weilen kann man sie vom oberen, ektodermalen Rande der Mesogloea bis zu deren unterem entodermalen Rande verfolgen, in der Mehrzahl sind sie allerdings im feinen mikroskopischen Schnitte nur strecken- weise getroffen. Einen besonderen Reichthum an Fasern zeigt der in Fig. 13 dargestellte Längsschnitt durch die Mesogloea der Sphinkter- gegend. Da das Ektoderm in den Schnitten gewöhnlich von seiner Unterlage abgehoben ist, konnte ein Zusammenhang der Zellen dieser äußeren Körperschicht mit den Fasern direkt nieht konstatirt werden, wohl aber machen die mikroskopischen Schnitte den Ein- druck, dass die Fasern mit den Ektodermzellen oder gewissen Ele- menten des Ektodermlagers in Verbindung stehen. An der inneren, entodermalen Fläche enden die Fasern zum größten Theile in der Gegend der Muskulatur, andere Fasern konnte ich zwischen den Sphinkterhöhlungen durch bis zum Entoderm verfolgen, gelegentlich beginnt oder endet eine Faser an einer der hier ebenfalls sehr zahl- reichen Zellen; Letzteres dürfte jedoch nur scheinbar der Fall sein, indem das Schnittende einer daneben vorübergelaufenen Faser zu- fällig mit einer Zelle zusammentrifit. Die Fasern sind mit Häma- toxylin oder Alaunkarmin gut zu tingiren und sind entweder faden- förmig dünn und scharf kontourirt oder breiter und dann blass gefärbt. Ich möchte die Fasern für Leitungsbahnen zwischen Ektoderm einer- und Muskulatur andererseits ansehen; danach müssen sie zum nervösen System gerechnet werden. nn

Neben den Fasern enthält die Mesogloea Zellen von verschie- denem Aussehen. Sie sind von der Mesogloea vollständig einge- schlossen, welcher sie entweder dicht anliegen, oder es wird an einer oder der anderen Stelle ein hellerer freier Raum zwischen Mesogloea und Zellkontour freigelassen (Fig. 15). Die Mehrzahl der Zellen hat feinkörnigen, sich stark färbenden protoplasmatischen Leib, einen deutlichen runden Kern mit Kernkörperchen und sehr verschiedene Gestalt, neben ovalen oder rundlichen Zellen (Fig. 15) finden sich häufig solche, welche feine Fortsätze in die Mesogloea aussenden (Fig. 20) und dann unregelmäßig sternförmig sind. Auch vielkernige Protoplasmaklümpchen von größeren Dimensionen (Fig. 16 und 17) finden sich gelegentlich und diese zeigen die mannigfachsten Ausbuchtungen und Abspaltungen, wie sie nur die einzelnen Stadien der Zellvermehrung liefern können. Fig. 13 links unten, ferner

Über zwei Zoantheen. 377

Fig. 16 und 17 zeigen ganze Nester von in protoplasmatischer Substanz eingelagerten Kernen, Fig. 19 giebt eine Zelle, welche mit einem, von dünner Plasmaschicht umgebenen großen Kerne nur mehr durch einen dünnen Strang verbunden ist.

Ein anderes Aussehen im Mikroskop bieten nur sporadisch zu findende Zellen von einförmiger, länglicher Gestalt (Fig. 18); sie sind sehr klein, ihre Länge misst zwischen 10 und 20 u, sie besitzen einen grobkörnigen, mit Eosin sich tief roth färbenden Leib und kleinen, meist excentrisch gelegenen Kern. Diese Zellen erinnern stark an die Wanderzellen im Körper der höheren Thiere, und ich glaube auch sie als solche ansprechen zu müssen. Mir scheint der Schluss nahe- liegend, dass alle zelligen Einschlüsse der Mesogloea, wie sie von verschiedenen Untersuchern der Zoantheen und für die Anthozoen überhaupt beschrieben wurden, eine einzige Kategorie von Gewehs- elementen in verschiedenen Entwicklungs- und Lebensstadien dar- stellen. Es sind Bindegewebszellen, welche vielleicht vom Ektoderm oder der in den tieferen Schichten desselben liegenden, so häufig zu findenden Körnerschicht abstammen und die Aufgabe haben, die vegetativen Vorgänge in der der präformirten Nährkanäle entbehren- den Mesogloea aufrecht zu halten.

Die Anhäufung von Mesogloea am oberen Rande der Körper- wand, welche äußerlich durch die Höcker gekennzeichnet ist, scheint mit ihren Differenzirungen, wie dem Sphinkter, den zahlreichen Fasern und den zwischen ihnen aufgespeicherten Zellen, eine besonders wichtige Region des Zoantheenkörpers zu bilden, und es wäre sehr wünschenswerth, an geeignet konservirtem Material hier auch nach etwa besonders ausgebildeten nervösen Elementen zu fahnden.

Über die Ektodermlage vermag ich nur wenig Angaben zu machen. Am unverletzten lebenden Stocke wird wohl dessen ganze freie Oberfläche von einer Schieht von Ektodermzellen gleichmäßig überzogen sein; an dem von mir untersuchten Stocke war von dieser Zellenschicht nur in einigen Schnitten und gerade so viel erhalten, um daraus zu ersehen, dass sie vom bekannten Baue des Ektoderms der Zoantheen nicht abweicht (Fig. 11). Charakteristisch ist der Gehalt des Ektoderms an Zooxanthellen, welche sich hier oft in mehrfachen Lagen vorfinden. Am oberen Mauerblattrande, und ganz besonders in der Gegend der Höcker, findet sich zwischen Ekto- und Mesoderm die Inkrustation in Gestalt mehr oder minder zahlreicher Sandkörnehen verschiedenster Größe; in geringer Menge liegen zwi-

375 A. R. v. Heider,

schen diesen auch Stücke von Spongiennadeln und Diatomeen- Skelette. Diese Fremdkörper drängen sich zwischen das Ekto- und Mesoderm und machen die Verbindung beider Gewebsschichten zu einer ungemein losen, so dass das Ektoderm in mikroskopischen Schnitten nur selten erhalten bleibt; es ist zum Theil schon während der Manipulation des Färbens, Härtens und Einbettens von der meso- sloealen Unterlage abgehoben und hinweggeschwemmt worden, zum Theil geschieht dies noch beim Aufkleben der fertigen Schnitte. Dort, wo das Ektoderm zufällig doch noch erhalten blieb, findet sich im Bereiche des Mauerblattes immer eine mehr oder minder große Lücke zwischen ihm und Mesogloea, eine Lücke, die durch mecha- nische Abhebung der zusammenhängenden Ektodermschicht ent- standen ist, wie deren meist dem oberen Mesogloearande parallel verlaufender unterer Rand beweist (Fig. 8—11 Ec). Die Fremdkörper der Inkrustation finden sich an Schnitten des oberen Mauerblatt- randes gewöhnlich in verältnismäßig geringer Zahl, da sie bis zum Einlegen des fertigen Schnittes größtentheils hinweggeschwemmt wurden; nur ab und zu erscheint noch eine größere Zahl Sand- körnehen, durch einander gewürfelt im Raume unter dem Ektoderm und auch deren Lage wird wohl fast immer künstlich durch das Messer hervorgebracht sein. Nur die mannigfaltigen Eindrücke und Lücken im zerrissenen oberen Rande der Mesogloea lassen er- kennen, dass sich hier im intakten Thiere die Fremdkörper be- fanden; sie kommen ausschließlich der Mesogloea zu, deren, zwi- schen die Fremdkörper eingeklemmte Fortsätze nach oben die einzige schwache Verbindung der mittleren Körperschicht mit dem Ektoderm bildeten.

Bisher sind von den einzelnen Untersuchern der Zoantheen nicht einmal Vermuthungen darüber ausgesprochen worden, wie man sich die Aufnahme der Inkrustation durch das Thier in seine Mesogloea vorstellen könnte. Offenbar wird diese Aufnahme zum größten Theile während des Wachsthums des jugendlichen Polypen stattfinden, in- dess ist nicht ausgeschlossen, dass sie auch beim erwachsenen Thiere nach Bedarf und Umständen möglich sei. Den Ort der Auf- nahme von Inkrustationen möchte ich in die Gegend des Mauerblatt- Ektoderms verlegen, welches vielleicht die Fähigkeit besitzt, zwischen seinen Zellen temporäre Lücken zu erzeugen, durch welche mechanisch aufgeschwemmte feste Körperchen nach innen an die Mesogloea ge- langen. In dieser Beziehung scheint mir einen Fingerzeig der Um- stand zu liefern, dass gerade bei den Zoantheen, welche sich durch

Über zwei Zoantheen. 279

die Inkrustation auszeichnen, das Ektoderm der Tentakel und der Mundscheibe jene, bei anderen Anthozoen nur im Entoderm vor- kommenden kommensalen Algen, die Zooxanthellen in großer Menge enthält; auch diese werden meiner Ansicht nach von außen auf- senommen, und es muss dem Ektoderm der inkrustirenden Zoantheen die Fähigkeit zugesprochen werden, Fremdkörper, welche in irgend einer Beziehung für den ganzen Organismus von Nutzen sind, gleich- sam zu verschlingen. Solche Fremdkörper sind für die Region der Tentakel und der Mundscheibe die erwähnten Algen, für die Region des Mauerblattes die starren Körperchen der Inkrustation. Die Fort- schaffung der letzteren von der Oberfläche der Mesogloea in das Innere derselben und in das Cönenchym ist wohl bei der plastischen Beschaffenheit der homogenen Grundsubstanz der Mesogloea nicht schwer zu erklären, indem die Kontraktionen des Polypen eine Ver- theilung der Sandpartikel in seinem Innern bewirken werden.

Das Ektoderm der Tentakel und der Mundscheibe zeigt den bekannten Bau; es ist ausgezeichnet durch die schon erwähnten Zooxanthellen und kleine schlanke Nesselkapseln (Fig. 11). Die ektodermale Längsmuskelschicht ist ziemlich gut ausgebildet, Ten- takel, Mundscheibe und Schlundrohr besitzen nie Inkrustations- körperchen.

Die entodermale Auskleidung der Polypen war am untersuchten Stocke srößtentheils macerirt. Die wenigen Stellen an Schnitten, wo Entoderm erhalten geblieben war, zeigten nichts besonders Er- wähnenswerthes; auch das Entoderm ist mit Zooxanthellen mehr oder weniger dicht besetzt.

Von den meisten neueren Untersuchern wird die Auskleidung der Mesogloea-Kanäle als entodermal angenommen; die untersuchte Palythoa gab in dieser Frage keinen Aufschluss, weil die Kanäle meist leer waren oder der Detritus, mit welchem sie sich gelegent- lich erfüllt zeigten, keinen Schluss auf seine Provenienz gestattete. Wie schon erwähnt, habe ich bei der untersuchten Form eine direkte Kommunikation des genannten Kanalsystems mit der Körperhöhle des Polypen im Bereiche des Mauerblattes nicht finden können; ob sich aber das Entoderm der Basis der Körperhöhle in die Cönenchym- kanäle und von diesen in die Lücken des Körpereönenchyms fortsetzt, konnte ich in meinen Präparaten nicht entscheiden. Die Anwesen- heit von Zooxanthellen im Inhalte der Kanäle spricht allerdings für die entodermale Natur derselben, die Algen können übrigens auch mechanisch in die Kanäle gespült worden sein.

280 A. R. v. Heider,

In den Septen, welche meist schlecht erhalten waren, konnten keine Geschlechtsorgane gefunden werden. Der Entodermbelag ist meist verschwunden, indess konnte ich an manchen Flächenpräparaten von vorsichtig der Körperhöhle der Polypen entnommenen und tin- girten Mesenterien eine große Zahl von unregelmäßigen protoplas- “matischen Zellen beobachten, welche, anscheinend der septalen Stütz- lamelle anliegend, ihrer Gestalt und Lage nach als Wanderzellen aufzufassen sein dürften (Fig. 14). Gelegentlich sind die, anscheinend spärlich vorhandenen, Längsmuskelfasern durch theilweise Maceration von der Stützlamelle abgelöst und zeigen dann häufig einen proto- plasmatischen Anhang mit deutlichem Kern (Fig. 21). Meines Er- achtens können solche Gebilde nur als entodermale Neuro-Muskel- zellen angesprochen werden.

2. Gemmaria variabilis Duerd. Taf. XVII, Fig. 22—29.

Es ist eine auf steiniger Unterlage kolonial lebende Zoanthee von der Korallenbank von Singapore; ihre Polypen sind von beträcht- licher Größe, nur mit ihren Fußblättern unter einander vereinigt (Fig. 22). Cönenchym ist demnach im Bereiche der Mauerblätter gar nicht entwickelt, und die aus der Verwachsung der dicht neben ein- ander gedrängten Polypenbasen entstandene gemeinsame Platte er- siebt nur ein Basalcönenchym. Die Polypen erreichen an der in Alkohol konservirten Kolonie eine Länge bis zu 20 mm, nur wenige bieten eine anscheinend vollkommen ausgestreckte Mundscheibe, welche in diesem Falle bei den größten Polypen einen Durchmesser von etwa 12 mm besitzt. Die Mehrzahl hat den Tentakelrand mehr oder weniger gegen den Mund eingeschlagen und cylindrische oder ausgesprochen konische Gestalt. Die Oberfläche der Polypen fühlt sich wegen der in der Körperwand enthaltenen Sandkörner rauh an und ist auch von starrer Konsistenz, im Übrigen zeigt sie keine Quer- oder Längsrunzeln.

Die Mundscheibe ist weichhäutig und gegen den oberen Mauer- blattrand durch den Tentakelkranz abgeschlossen. Die Tentakel sind verhältnismäßig klein, sie scheinen auch beim lebenden Polypen nur kurze, kegelförmige Ausstülpungen des Mundscheibenrandes zu bilden (Fig. 23, 24) und sind, wie die Betrachtung ausgestreckt erhaltener Individuen ergiebt, in zwei Kreisen angeordnet. Ich habe auf den Mundscheiben der größten Polypen bis 60, d. i. zwei Kreise zu je 30 Tentakeln gezählt; sie sind im Umkreise einer Mundscheibe je

Über zwei Zoantheen. 381

nach dem Kontraktionszustande entweder überall zu niederen, mit- freiem Auge oft kaum sichtbaren, halbkugeligen Erhebungen zusam- mengezogen oder theilweise noch in ihrer konischen Form erhalten, wie sie etwa beim ausgestreckten lebenden Thiere erscheinen dürften. Wenn ein Größenunterschied an den Tentakeln der beiden Kreise überhaupt vorhanden ist, so dürften die Fangarme des äußeren Kreises an Länge überwiegen (Fig. 24).

In der Mitte der flach ausgebreiteten Mundscheibe ist die Mund- spalte auf einer kegelförmigen Erhebung zu sehen; von ihr ziehen radiäre Streifen zum Rande, welche wohl als eine Kontraktions- wirkung zu betrachten sind, aber auch Überreste dunkleren Pigmentes sein können. Die Körperwand hat ein rauhes, gekörntes Ansehen; über sie ragt bei den Polypen mit ausgestreckt erhaltener Mund- scheibe der Rand der letzteren weit hinaus, wodurch ein den oberen Polypenrand krönender Wulst erzeugt wird, der, wie die Untersuchung lehrt, hauptsächlich von massenhafter Einlagerung von Sand unter das Ektoderm und in die Mesogloea hervorgebracht wird und bei Lupenbetrachtung eine eigenthümlich grobkörnige, von unregelmäßigen Furchen zerklüftete Oberfläche zeigt (Fig. 23). Betrachtet man eine solehe Munrdscheibe von oben, so sieht man, dass die weichhäutige, der Fremdkörper bare Mundplatte mit den ebenfalls weichen Ten- takeln gegen den Randwulst der Körperwand scharf abgesetzt ist und dadurch ein völlig verschiedenes Ansehen bietet (Fig. 24). Dieser Randwulst erscheint, über der Mundscheibe eingeschlagen, von Falten bedeckt, welche indess nur im Allgemeinen eine radiäre Richtung nach außen verfolgen und häufig unregelmäßige, verschieden große Felder einschließen, die an den einzelnen Polypen derselben Kolonie in sehr variabler Zahl, 15 bis 30 und mehr, vorhanden sind und kaum in gleicher Weise zur Speciesbestimmung verwendet werden können, wie die viel regelmäßiger gestalteten Höcker (ridges) bei Palythoa.

Die Anwesenheit der Sandkörner in den äußeren Schichten der Körperwand giebt, wie bei Palythoa, für die Herstellung von mikro- skopischen Schnitten ein fast unüberwindliches Hindernis. Ich habe verschiedene Methoden der Erzeugung von Schnittserien versucht, das Ergebnis bestand jedoch fast ausnahmslos aus undurchsichtigen Präparaten, welche nur einen sehr unvollkommenen Einblick in die Anatomie des Thieres gestatteten und aus schartigen Messern. Ich muss mich also darauf beschränken, einige wenige anatomische An- gaben zu machen, so weit dies eine oder die andere, zufällig brauch-

383 A. R. v. Heider,

-bar dünn gewordene Stelle einzelner Quer- oder Längsschnitte ge- stattete. Die Einschmelzung des mit Hämatoxylin stark gefärbten Polypen in weißes Siegelwachs und Verfertisung von Schliffen, in welchen die Polypentheile dunkelblau auf weißlichem Grunde er-

. scheinen, ist eine ziemlich rohe Präparation und konnte nur für die

Orientirung über die Zahl und Lage der Mesenterien, die Gestalt des Schlundrohres etc. behilflich sein (Fig. 25).

Wenn auch von den zahlreichen Schnitten und Schliffen, welche ich behufs genaueren Studiums der Anatomie des Thieres angefertigt habe, nur die wenigsten eine die Aufbewahrung lohnende Beschaffen- heit hatten, erhielt ich doch aus deren Gesammtheit den Eindruck, dass der Aufbau des Polypen im Wesentlichen mit dem schon be- kannten Bau der Zoantheen übereinstimmt.

Die vorliegende Form ist nach dem Mikrotypus gebaut, die typische dorsale Region zeigte bei den von mir untersuchten Polypen nie Unregelmäßigkeiten, wie solche in der ventralen Region ab und zu zu finden waren. Der Querschnitt des Schlundrohres (Fig. 25) bietet jene eigenthümliche Figur, welche McMurricH! für seine Gem- maria isolata abbildet, und welche dadurch charakterisirt ist, dass in der Gegend der ventralen Schlundrinne die, im übrigen Theile sefaltete, Ektodermauskleidung glatt verläuft und der Grund der Schlundrinne von einem, quer zwischen die Ursprünge der beiden ventralen Richtungssepten ausgespannten Stücke der Schlundrohrwand gebildet wird. Für die Gattung Gemmaria scheint dieser ausgespro- chen birnförmige Schlundrohrquerschnitt charakteristisch zu sein, da McMurricH? ein ähnliches Bild für das Schlundrohr von Gemmaria rusei Duch. u. Mich. giebt; indess ist diese Bildung nicht immer so deutlich ausgesprochen, andererseits kommen Übergänge hierzu auch bei anderen Zoantheen vor. |

Längsschnitte durch den oberen Mauerblattrand zeigen einen ein- fachen, mesodermalen Sphinkter (Fig. 26,8p%); derselbe ist bei den einzel- nen Individuen verschieden stark ausgebildet, besteht jedoch immer aus neben einander liegenden Mesogloea-Lücken, deren innere Oberfläche von sehr feinen Ringmuskelfasern ausgekleidet wird. Diese Lücken sind in der obersten Mauerblattgegend dicht gedrängt neben einander,

1 Actiniaria of the Bahama Islands. Journ. Morph. III. 1889. Taf. IV, Fig. 209.

? Actinology of the Bermudas. Proc. acad. nat. sc. Philadelphia 1889. Zoantheae.

Über zwei Zoantheen. 283

dagegen nach unten zu durch immer größer werdende Mesogloea- partien getrennt. Da in dieser unteren Gegend des Sphinkters die Muskelfasern in den Lücken immer seltener werden, dagegen die der Mesogloea eigenthümlichen Lakunen und. Entodermkanäle häufig auftreten, ist eine scharfe untere Grenze des Sphinkters schwer zu fixiren und sind die dem letzteren angehörigen Lücken von den übrigen Lakunen an Längsschnitten nur dadurch zu unterscheiden, dass die Sphinkterlücken, abgesehen vom charakteristischen Gehalte an Muskelfasern, im Allgemeinen eine mit der Körperoberfläche parallele Reihe bilden und sich dadurch als eine besondere, ungefähr das obere Viertel des Mauerblattes einnehmende, nach unten allmäh- lich verschwindende Bildung erweisen. Im Vergleich zu anderen Zoantheen ist der Sphinkter hier schwach ausgebildet.

In der beschriebenen Zoanthee liegt unzweifelhaft eine Gem- maria Duch. u. Mich. vor, welche nach HAppon und SHACKLETON! durch Merkmale, wie die inkrustirte Leibeswand, der einfache meso- dermale Ringmuskel und freie, nur durch stolonenartiges Cönenchym verbundene Polypen scharf charakterisirt ist. Dagegen bereitete die Bestimmung der Species größere Schwierigkeiten.

McMurricH? beschreibt eine sp. n. Gemmaria isolata von Rose Island; deren Polypen wurden nur einzeln gewonnen und es blieb zweifelhaft, ob dieseiben nicht doch durch ein dünnes, basales Cön- enchym unter einander verbunden waren, welche Möglichkeit Verf. _ nieht in Abrede stellt, in welchem Falle die Speeiesbezeichnung allerdings nicht glücklich gewählt wäre. Die Form stimmt mit der von mir beschriebenen bezüglich der Größenverhältnisse nicht über- ein, auch liegen die Fundorte so weit von einander, dass eine Art- identität kaum angenommen werden kann.

Die von GrAY? unter dem Namen Triga beschriebene, offenbar eine Gemmaria darstellende G. philippinensis* stammt aus der- selben Meeresregion, wie unsere Form, indess erhellt aus der, übri- gens sehr kurzen Beschreibung ganz positiv, dass sie solitär lebt und ihre Polypen erreichen eine bedeutendere Länge, wie bei unse- rer Form.

1 A revision of the british Actiniae. II. The Zoantheae. Trans. R. Dublin soc. (2) IV. 1891. p. 628. . 2 Actiniaria of the Bahama Islands. 1. c. 3 Proc. zool. soc. London. 1867. p. 239. * McMürricH (Actinology of the Bermudas, 1. c. p. 113) ist geneigt, sie für identisch mit G. rusei D. u. M. zu halten.

3s1 A. R. v. Heider.

G. eanariensis H. u. S. von den Canaren sowie G. macmurrichi H. u. S. und G. mutuki H. u. S. von der Torresstraße haben be- deutend kleinere Polypen, bei ersterer ist auch die Gestalt der Polypen anders, wie bei unserer Gemmaria, dagegen sind sie durch eine basale Cönenehym-Ausbreitung unter einander verbunden. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dass HADDoN und SHACKLETON als specifische Merkmale (neben anderen, wie Größe, Gestalt, Färbung der Polypen) die Kontinuität oder Diskontinuität des Ektoderms be- nutzen. Sollte sich das Vorkommen dieser letzteren bewahrheiten, so müsste sie allerdings als ein sehr passendes Art-Unterscheidungs- merkmal betrachtet werden.

G. elavata D. u. M. ist unserer Form sehr ähnlich, ich konnte auch bei letzterer Seitenknospen aus dem unteren Theile des Mauer- blattes beobachten. Im Übrigen sind G. elavata und @. swiftü D. u. M. westindische Formen und nach HADDon und SHACKLETON! überhaupt zweifelhafte Arten.

G. fusca Duerd. ist von unserer Art durch den geringeren Gehalt an Inkrustation, den Bau des Sphinkters, sowie die Zahl der Mesen- terien unterschieden.

(G. variabilis Duerd.? stimmt so sehr mit unserer Form, dass ich diese vorläufig damit identifieiren möchte. Thatsächlich spricht da- gegen nur die große räumliche Entfernung beider Fundorte: West- indien für G. variabilis und Ostindien für unsere Art; leider verfüge ich nicht über eine Beschreibung der lebenden Polypen, welche für eine gewissenhafte Vergleichung mit der von DUERDEN beschriebenen Form so nöthig wäre. So weit ein Alkoholpräparat mit einer nach dem lebenden Thiere gegebenen Aufzählung der Merkmale verglichen werden kann, müsste unsere Form unzweifelhaft für G. variabilis erklärt werden und, da ich es nicht für zweckmäßig halte, immer wieder neue Species zu gründen, habe ich sie als solche aufge- nommen, mit dem Vorbehalte, dass weitere Untersuchungen die Be- denken über die Entfernung der beiderseitigen Fundorte zerstreuen, oder dass eine Beschreibung der lebenden Kolonie von G. varia- bilis aus Ostasien denn doch Unterschiede gegen jene aus West- indien zu Tage brächte, welche zur Aufstellung einer neuen Species zwingen würden.

Auch für Gemmaria ist, wie schon erwähnt, die Eigenthümlich-

! Torres-straits Zoanthee. Transact. R. Dublin soe. (2) IV. 1891. p. 687. ° Jamaican Actiniaria. Transact. R. Dublin soc. (2) VI. 1898. p. 350.

Über zwei Zoantheen. 285

keit der Aufnahme fremder Körper, größtentheils kleiner und klein- ster Sandkörnchen, in das Mauerblatt für die Untersuchung äußerst störend. Diese Sandpartikel sind in mehr oder minder dichter Lage in die äußere Region der Mesogloea eingedrückt, und sie werden bei der Anfertigung von Schnitten durch die Messerschneide gewöhnlich aus ihrer ursprünglichen Lage gebracht. Die mikroskopischen Präpa- rate aus solchen Schnitten können desshalb nie die richtige Vorstel- lung der feineren, natürlichen Lageverhältnisse zwischen den Fremd- körpern und den thierischen Geweben geben. Aus den wenigen Quer- und Längsschnitten, welche eine Verwerthung für die histo- logische Untersuchung erlaubten, glaube ich schließen zu können, dass die einzelnen Sandkörner von Mesogloeasubstanz vollständig eingehüllt werden; diese lässt sich oft in die Lücken zwischen die Körner in Gestalt sehr dünner Fortsätze verfolgen (Fig. 27), und da die letzteren beim Schneiden gewöhnlich einreißen, erscheint die äußere Oberfläche der Mesogloea immer vielfach zerklüftet und unregelmäßig ausge- franst. Eine Fortsetzung der Mesogloea über die äußere Fläche der Fremdkörperlage konnte ich direkt nicht konstatiren, weil wohl immer der größere Theil der Fremdkörper und hiervon zunächst die äußeren Partien durch die Messerschneide völlig abgeschabt werden, also die- jenigen Elemente, aus welchen diese Theile der Inkrustation bestehen, in mikroskopischen Schnitten gar nicht zur Ansicht gelangen. Es scheint mir indess die Annahme, dass die Sandkörnchen vollständig von der Mesogloea aufgenommen werden, desshalb unabweislich, weil die _ Verbindung zwischen Mesogloea und Ektoderm sonst ganz unter- brochen wäre; eine Ektodermlage findet man jedoch über die ganze Oberfläche der Polypen ausgebreitet, wenn diese vorsichtig untersucht wird, sie erhält sich auch noch gelegentlich an Schnitten und dürfte nur dort verloren gehen, wo die Polypenoberfläche bei der Konser- virung mechanisch abgerieben wird. Man muss sich demnach vor- stellen, dass die Mesogloea allein die Fremdkörper aufnimmt, und am intakten lebenden Polypen über der Inkrustation nach außen noch eine mehr oder minder dünne Lage Mesogloea zu liegen kommt, welcher das Ektoderm aufsitzt. .

Die Fremdkörper findet man nur im Maäuerblatte angehäuft, Mundscheibe und Tentakel erscheinen völlig frei davon; sie sind in überwiegender Menge am oberen Rande des Mauerblattes zu- sammengedrängt und bilden dort jenen, schon erwähnten, derben Wulst, der den Tentakelkranz nach außen umgrenzt und bei der Kontraktion des Sphinkter sich so vollständig über die Mund-

386 A. R. v. Heider,

scheibe legt, dass nur eine centrale Öffnung über dem Munde frei bleibt.

Die vom Mesoderm aufgenommenen Fremdkörper bilden ein Ge- misch von kleinen und kleinsten Sandkörnchen und Fragmenten von Spongien-Skeletttheilen; sehr deutlich war an wenigen gelungenen Längsschnitten durch die obere Körperwand eine Art Auslese in der Vertheilung dieser Inkrustation zu bemerken, indem Stücke von Spongiennadeln und Sterne fast ausschließlich die oberen Partien der Mauerblattwülste erfüllten, wogegen das ganze übrige Mauer- blatt Sandkörner enthält (Fig. 28). Desshalb führt auch eine Be- handlung der Polypen mit Säuren zum Zwecke der Entkalkung nicht zum Ziele, da hierdurch nur der obere Mauerblattrand größtentheils von Inkrustation befreit wird, die aus Kieselsäure und Feldspat bestehenden Sandkörner des übrigen Mauerblattes aber von Säuren nicht angegriffen werden. In Fig. 26 gebe ich den Längsschnitt eines mit verdünnter Salzsäure behandelten Mauerblattrandes, an welchem die Entfernung fast der gesammten Inkrustation gelungen war, an welchem aber, mit Ausnahme des deutlich hervortretenden Sphinkters, die histologischen Details durch die Säureeinwirkung ziemlich ver- wischt sind.

Das Ektoderm ist schlecht erhalten; überall ist es durchsetzt von Zooxanthellen. Am oberen Mauerblattrande bestand es an einem Schnitte (Fig. 29) aus hohen schlanken Zellen, wie bei den Aktinien. Auch hier konnte ich die Abtheilung der Zellen in Kästchen durch mesogloeale Fortsätze und eine vom Ektoderm völlig abgesonderte Cutieula nicht finden; mir scheint demnach diese Bildung bei Zoan- theen noch immer zweifelhaft, ohne dass ich aber für meine Meinung einen anderen Beweis bieten könnte, wie, dass ich ein »diskontinuir- liches Ektoderm« in meinen Präparaten selbst noch nicht beobachten konnte. McMurrIıcH! und DUERDEN? beschreiben solche eingesenkte Ektodermpackete neuerdings bei Isaurus, früher schon haben HApDDoN und SHACKLETON® solche für Gemmaria macmurrichi angegeben, wenn demnach solche Beobachtungen bei Zoantheen immer zahlreicher wer- den, erfordern sie um so größeres Interesse, als ihre morphologische Bedeutung vorläufig noch ganz unklar wäre. Jedenfalls würde die

i Notes on some Actinians from the Bahama Islands. Ann.N. Y. Acad. sc. IX. 1896. p. 192.

?2 Jamaican Actiniaria. 1. ce. p. 347.

3 Torres-straits Zoantheae. 1. e. p. 688.

Über zwei Zoantheen. 287

Bildungs des diskontinuirlichen Ektoderms analog sein mit der in neuester Zeit bei Würmern gefundenen Einsenkung von Epithel in den Hautmuskelschlauch mit dem Unterschiede, dass hier die Epi- thelzellen noch mit der Cuticula in Verbindung bleiben, bei den Zoan- theen aber diese Verbindung zwischen eingesenktem Ektoderm und Cutieula, welche man nur für ein Ektodermprodukt halten kann, durch die zwischengeschobene sog. Subeuticula vollständig unterbrochen ist. Zur Lösung dieser, wie so mancher anderen Frage, wird erst die Entwieklungsgeschichte von Zoantheenformen, welche uns bis nun ganz fehlt, beitragen können.

Graz, im Februar 1899.

Erklärung der Abbildungen.

Buchstabenbezeichnungen:

dR, dorsales (suleulares) Richtungs- Me, Mesenterium;

paar; mf, Muskelfasern; Ee, Ektoderm; Mp, Mundplatte; En, Entoderm; Mu, Muskel; F, Fasern der Mesogloea; O, Mundöffnung; H, Höcker; Sph, Sphinkter; I, Inkrustation; T, Tentakel; M, Mesogloea; Z, Zooxanthellae.

Tafel XVI.

Fig. 1. Palythoa brasiliensis.. Kolonie in natürlicher Größe. Alkohol- exemplar.

Fig. 2. Ein halb ausgestreckter Polyp von oben. 6:1.

Fig. 3. Vier Köpfchen in der Aufsicht. Theilungsbilder. 4:1.

Fig. 4 Einige Polypen der Länge nach geöffnet, mit dem basalen Cön- enchym die Unebenheiten der Unterlage ausfüllend. Nat. Größe.

Fig. 5. Längsschnitt durch einige Polypen. Schema.

Fig. 6. Querschnitt durch einen Polypen in der Höhe des unteren Schlund- rohrrandes. 5:1.

Fig. 7. Ein Stück Mesogloea aus vorigem Querschnitte. 122:1.

Fig. 8. Tangentialschnitt durch die Region der extratentakularen Höcker. 65:1.

Fig. 9. Radialschnitt durch einen extratentakularen Höcker, etwa in der Richtung yz der Fig. 8. 65:1.

Fig. 10. Dasselbe in der Richtung vx der Fig. S. 65:1.

Fig. 11. Radialschnitt durch die Mundscheibe. 550:1.

Fig. 12. Mesogloea mit Zellen aus einem Längsschnitte der Körper- wand. 700:1.

288

Fig. Fig.

Fig. Fig. Fig. Fig.

Fig.

Fig. Fig. Fig. der Höhe Fig. Fig. Fig.

A. R. v. Heider, Über zwei Zoantheen.

13. Stelle a aus Fig. 9. 440:1. 14. Stück eines Mesenteriums von der Fläche. 700:1.

Tafel XVII.

15. Höcker a aus Fig. 8. 550:1.

16—18. Zellige Einschlüsse der Mesogloea. 700:1.

19 u. 20. Mesogloea-Zellen. 700:1.

als Isolirte Muskelzellen eines Mesenteriums. 1062:1.

22. Gemmaria variabilis. Alkoholexemplar. Nat. Größe.

23. Die orale Hälfte eines ausgestreckten Polypen. 4:1.

24. Derselbe Polyp von oben. 5:1

25. Querschliff eines in Siegelwachs eingeschmolzenen Polypen in des Schlundrohres. 6:1.

26. Längsschnitt durch die Sphinktergegend. 222:1.

27. Längsschnitt durch die obere Partie der Körperwand. 184:1. 28. Längsschnitt durch eine Hälfte der Mundscheibe mit eingeschlage-

nem Mauerblattrand. Schlundrohr tangential getroffen. 102:1.

Fig.

29. Ektoderm des oberen Randes der Körperwand. 584:1.

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren, Von Dr. Enoch Zander,

Assistent am zoologischen Institute in Erlangen.

Mit Tafel XVIII und XIX.

(Aus dem zoologischen Institute in Erlangen.)

Trotz der zahlreichen Untersuchungen, welche den Stachelapparat der Hymenopteren behandeln, ist die Frage noch nicht geklärt wor- den, ob derselbe ein ganz eigenartiger Anhang des Hymenopteren- körpers sei, oder ob er morphologische Beziehungen zum Hautskelett aufweise. Eine Lösung dieser Frage habe ich hier versucht.

Bevor ich jedoch an die Darstellung meiner Ansichten herantrete, will ich in aller Kürze an die wesentlichen Bestandtheile des Stachelapparates erinnern und die Verhältnisse bei der Honigbiene der Schilderung zu Grunde legen (Fig. 6).

Man kann am Bienenstachel einen starren und einen beweglichen Abschnitt unterscheiden. Der starre Abschnitt erscheint in Gestalt von zwei symmetri- schen oblongen Platten, zwischen welchen median eine schalenförmig ge- krümmte, mit feinen Chitinhaaren besetzte, dünnere Membran, der Stachel- rinnenwulst, eingeschaltet ist. Die Platten tragen am oralen Rande je einen stielförmigen Fortsatz; mit demselben sind zwei, transversal gerichtete, bogenförmige Chitinleisten, die Schienenbögen untrennbar verschmolzen. Letztere konvergiren gegen die Medianebene und setzen sich an die Basis der langen kegelförmigen Stachelrinne an. Die Stachelrinne selbst lässt einen oralen, kolbig erweiterten Abschnitt, den Rinnenkolben, und eine schmälere Rinne im engeren Sinne unterscheiden. Der orale Rand des Stachelrinnenkolbens ist mit dem oralen Rande des Stachelrinnenwulstes fest verwachsen, und der letztere durch ein gabeliges Chitinstück, Fureula, me- dian versteif. Am analen Ende der oblongen Platten springen zwei abge- plättete Chitinfortsätze, die Stachelscheiden, vor; dieselben sind parallel der Stachelrinne gerichtet.

Der bewegliche Abschnitt besteht aus den beiden Stechborsten und

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 19

290 Enoch Zander,

den quadratischen Platten. Die Stechborsten bedecken die ventralen Rän- der der ganzen Stachelrinne und ziehen vom Stachelrinnenkolben auf den beiden Schienenbögen in entsprechender Krümmung lateral als Stechborstenbögen, um in ein A-artig verdicktes Chitinstück, den Winkel, überzugehen. Derselbe steht rechtwinkelig zum Stechborstenbogen, der ihn mit einem kurzen Fortsatz, Bogenfortsatz, überragt. Die analen Fortsätze des Winkels artikuliren mit der oblongen und quadratischen Platte. Die dorsale Fläche jeder Stech- borste wird von einer Nutrinne durchfurcht, in welche je eine vorspringende, ganz schmale Chitinleiste der Stachelrinne und der Schienenbögen eingreift, so dass die Stechborsten, mit der Stachelrinne in Nut und Feder verbunden, sicher längs der Stachelrinne vorgeschoben werden können. Die quadratischen Platten liegen lateral und etwas dorsal von den oblongen Platten und über- decken deren dorsal gerichtete Ränder.

I. Historische Darstellung der bisherigen Deutungsversuche.

Meine Absicht geht dahin, die Frage zu klären, welche morpho- logische Bedeutung dem Stachelapparate zukommt. Ist er, wie manche Organe des Thierkörpers, eine ganz besonders isolirt dastehende Bil- dung, welche keine morphologische Beziehungen zu anderen Organen besitzt, oder sind die einzelnen Theile des Stachelapparates nur stark modifieirte Stücke des chitinösen Hautskelettes?

Zu Beginn dieses Jahrhunderts war dieses Problem noch nicht recht klar gestellt. Desshalb blieben auch die Antworten unge- nügend.

Der erste, wenn auch verfehlte, Versuch einer morphologischen Deutung der Stacheltheile tritt uns in BURMEISTER’s Handbuch der Entomologie (3) ent- segen. Ihm war aufgefallen, dass bei den Insekten die Zahl der Körper- segmente während der Larvenzeit nicht mit der Segmentzahl des Imago übereinstimmt. Das Verschwinden eines Segmentes suchte er durch die An- nahme zu erklären, dass in vielen Fällen das letzte Hinterleibssegment kleiner und endlich vom vorletzten ganz verdeckt werde. Indem es auf diese Weise scheinbar verschwände, entstehe an der hinteren Spitze des Abdo- mens eine Höhle, worin der After und unter diesem die Scheidenöffnung lie- sen. Den Gang der Scheidenöffnung versteifen meist hornige Gebilde, welche die Vagina ausgedehnt erhalten. Bei den mit Legestacheln oder Legeröhren versehenen Kerfen wachsen nach BURMEISTER’s Meinung (3, Bd. I, p. 208) diese Horngräten über die Scheide hinaus und bilden die Klappen und Stacheln dieser Legeapparate.

BURMEISTER’s theoretische Deutungen stützen sich nicht auf besonders eingehende Untersuchungen, sondern scheinen mehr das Resultat allgemeiner Erwägungen gewesen zu sein. Sie konnten desshalb einer genaueren Analyse der Thatsachen nicht Stand halten.

LACAZE-DUTHIERS (7) vertrat auf Grund eingehender Studien über die Geschlechtsapparate der Orthopteren, Hemipteren, Hymenopteren ete. die An- schauung, dass der Legestachel aus umgebildeten Theilen der letzten Hinter-

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 291

leibsringe bestehe. Er ging dabei von den Angaben Aupoum’s aus, der für die Thorakalsegmente der Insekten die Zusammensetzung aus folgenden Stücken beobachtet hatte. Jedes Thorakalsegment (Zoonite) ‘besteht aus sechs Chitin- platten: Dorsal liegt das unpaare Tergum, ventral das Sternum; die Seiten- theile werden aus zwei Paaren von Platten gebildet, an das Sternum stößt jederseits das Episternum, an das Tergum das Epimere an. Jedes Zoonite des Thorax trägt zwei oder vier Anhänge. LACAZE-DUTHIERS behauptete nun, dass bei Hymenopteren die ersten sechs vollkommenen Abdominalsegmente (Urites aus je einer Rücken- und Bauchschuppe, Tergite und Sternite, bestehen. Vom siebenten Segmente ist nur die Rückenschuppe vorhanden, die sattelförmig dem Stachelapparate aufliegt. Das achte Segment aber tritt in den Dienst der Generation und ist gleich den Thorakalsegmenten in sechs Stücke zerfallen. Die Theile dieses Segmentes werden im Anschluss an die von AUDOUIN ge- wählte Nomenklatur als ein dorsales Tergite, ein ventrales Sternite und je ein laterales Epitergite (Epimere) und Episternite bezeichnet. Die einzelnen Theile des Stachelapparates entsprechen nun folgendermaßen diesen Segmentstücken. Die Stachelrinne ist das Sternite, die oblonge Platte das Episternite, der Win- kel das Epitergite (Epimere) des achten Segmentes. Die quadratischen Platten bilden das Tergite. Jedes Epitergite trägt als Anhang (Rhabdite) eine Stech- borste, jedes Episternite eine Stachelscheide.

Die exakte Grundlage der Ansichten LacazE-Durniers’ bildeten anato- mische Beobachtungen der fertigen Apparate. Als aber gegen Ende der 60er Jahre entwicklungsgeschichtliche Studien auch an Insekten häufiger angestellt wurden, erkannte man, dass äußere Anhänge sich an der Stachelbildung be- theiligen. Mit der zunehmenden Zahl ontogenetischer Arbeiten stellte sich mehr und mehr heraus, dass der Stachelapparat sich zum Theil aus Sticken des Hautskelettes, zum Theil aus Anhängen entwickelt.

Entwicklungsgeschichtliche Studien an Pteromalinen (Platygaster, Poly- nema, Ophioneurus) lehrten zuerst GAnn (11) die Thatsache, dass die äußeren Geschleehtsanhänge dieser Hymenopteren in beiden Geschlechtern aus drei Paar Epidermisverdiekungen an der Bauchseite der drei vorletzten Segmente her- vorgehen; doch erwähnt GAnINn diese Beobachtungen nur beiläufig, ohne ihre theoretische Bedeutung zu erörtern.

OULJANIN (13) sandte der dritten Versammlung russischer Naturforscher im Jahre 1872 einen kurzen Bericht über die Entwicklung des Stachels der Arbeitsbiene und der Wespe ein, in welchem er angiebt, dass die Stacheltheile in vier Epidermisfalten an der Bauchseite der beiden letzten Segmente ent- stehen. Die Stachelrinne und die Stachelscheiden werden am dreizehnten, die Stechborsten am zwölften Segmente angelest.. So weit sich aus dem kurzen Referate ersehen lässt, glaubt OULJANIN, dass auch die übrigen Stacheltheile aus den Segmentanhängen hervorwachsen. »Diese Art der Entwicklung beweist die Unhaltbarkeit der Ansicht, nach welcher die Theile des Hymenopteren- stachels als veränderte Theile der Bauchsegmente angenommen wurden.«

KRAEPELIN (14) verdanken wir eine sehr eingehende, ausgezeichnete Be- schreibung des Bienenstachels. Da seine Untersuchungen mehr auf die ana- tomischen und funktionellen Eigenschaften des Geschlechtsapparates hinzielten, hat er die Frage nach der morphologischen Deutung nur nebenbei gestreift. Er ist gleichfalls ein entschiedener Gegner der Ansicht, dass der Stachelappa- rat lediglich durch Metamorphose der letzten Hinterleibssegmente entstanden

19=

293 Enoch Zander,

sei und sucht derselben durch entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen den Boden zu rauben!.

Während die älteren Autoren (LACAZE-DUTHIERS u. A.) den Stachelapparat lediglich aus den letzten metamorphosirten Abdominalsegmenten herleiteten, und OULJANIN eben so einseitig die Genese desselben aus ventralen Segment- anhängen behauptete, liegt der Fortschritt der Untersuchungen KRAEFPELIN’s in

der zum ersten Male klar ausgesprochenen Erkenntnis: >»Der Stachelappa- rat in seiner Gesammtheit setzt sich sowohl aus Segmentanhängen als auch aus metamorphosirten Segmenten selbst zusammen« (14, p- 424 Anmerkung).

Nur die geraden Abschnitte der Stechborsten, die Stachelrinne und Stachel- scheiden gehen aus ventralen Anhängen hervor. An der Bauchseite der zwei vorletzten Segmente entstehen zwei Paare von wulstförmigen Imaginalscheiben des Stachels. Aus den Anhängen des elften Segmentes entwickeln sich die Stechborsten. Die zwei Wärzehen des zwölften Segmentes gehen durch Längs- theilung in vier neben einander liegende über, von denen die beiden mittleren zur Stachelrinne verschmelzen, während die äußeren sich zu den Stachelscheiden ausbilden. {

Die Umbildung der Chitinhaut des elften und zwölften Segmentes in Theile des Stachelapparates geht nach KRAEPELIN folgendermaßen vor sich.

Während der Larvenzeit schieben sich die letzten Segmente stark in ein- ander, so dass das zehnte Segment die drei vorletzten und das elfte das ihm nachfolgende zwölfte Segment verdeckt. Dadurch werden auch die zwei Zapfen des elften Segmentes der Stachelrinne aufgelagert und die beiden vorletzten Segmente stark umgebildet. Sie gliedern sich aber rasch in eine Rücken- und Bauchschuppe. Die Bauchschuppe des elften Segmentes bleibt zum größeren Theile häutig und zeigt nur eine am vorderen Rande liegende bogenförmige Verdickungsschicht, mit welcher sich die Zapfen des elften Segmentes nach vorn verlängert haben. Diese Verdickung differenzirt sich zu Schienen- und Stechborstenbögen. Außerdem entsteht aus dem elften Segmente das Gabel- bein und der Winkel. Durch Faltungen gliedern sich an der zwölften Bauch- schuppe oblonge und quadratische Platte von einander. Der mittlere Theil der zwölften Bauchschuppe wird zum Rinnenwulst. Die Rückenschuppen des elften und zwölften Segmentes sind häutig und klein, die des zwölften Segmentes ist ein ganz dünner Streif, die des elften bildet zwei rudimentäre Rückenplatten. Der ganze Stachelapparat wird also von den Bauchschuppen des elften und zwölften Segmentes und deren Anhängen gebildet.

Kurze Zeit darauf trat Dewiırz (16) dieser Auffassung schroff entgegen und leitete aus seinen entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen die Be- hauptung ab, dass der Stachel der Hymenopteren sowohl, wie die Legescheide der Orthopteren aus zwei Paaren von Imaginalscheiben des elften und zwölften Körpersegmentes der Larven entstehen, welche sich an der Ventralfläche der

1 Das Verständnis der verschiedenen Arbeiten über den Hymenopteren- stachel wird häufig dadurch erschwert, dass die einzelnen Autoren, je nach- dem sie den Kopf als Segment rechnen oder nicht, vierzehn beziehungsweise dreizehn Larvensegmente zählen. Der Einheitlichkeit wegen beziehe ich die verschiedenen Angaben von jetzt an auf die Zahl von dreizehn Segmenten, indem ich den Kopf aus naheliegenden Gründen nicht als Segment schätze.

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 293

eben genannten Segmente mächtig entfalten. Die letzten Körpersegmente sollen nur einen ganz untergeordneten Antheil an der Stachelbildung nehmen. Dewırz betont an vielen Stellen seiner Abhandlung nachdrücklich, dass die Anhänge des elften und zwölften Segmentes nicht bloß frei über die Körperfläche sich in die Länge strecken (in analer Richtung), sondern dass sie auch, oralwärts vorwachsend, an die Wand der beiden vorletzten Körpersegmente sich anlegen, verdickt werden und lateral gekrümmt als Schienen- und Stechborstenbögen sich verlängern. Die drei letzten Körpersegmente nehmen unterdessen an Größe ab, schieben sich besonders ventral, später auch dorsal in einander und kom- men so immer mehr innerhalb des großen zehnten Segmentes zu liegen. »Bei der ausgebildeten Puppe erblickt man nur noch schwache Andeutungen der jetzt sehr verkümmerten beiden vorletzten Segmente, welche früher den übrigen an Größe gleichkamen.< Inzwischen haben sich die Anhänge mächtiger ent- wickelt; die symmetrischen Anlagen der Stachelrinne sind mit einander fast vollständig verwachsen, nur ihre vorderen dem zwölften Segmente anhaftenden Basalstücke bleiben getrennt, wachsen dem zwölften Segmente an und bilden, indem sie sich seitlich krümmen, die künftigen Rinnenschenkel. In gleicher Weise gehen aus den Anhängen des elften Segmentes, welche niemals median verwachsen, die Stechborsten hervor, und ihre vorderen Endstücke, die un- mittelbar unter den künftigen Rinnenschenkeln liegen, bilden sich zu den Stechborstenbögen um. Die beiden seitlichen Anhänge des zwölften Segmentes verwachsen an ihrem vorderen Theile mit dem vorletzten Segmente, nur ihre’ hinteren Enden bleiben frei. Dadurch entsteht zwischen den vorderen Stücken dieser Anhänge eine rinnenartige Vertiefung, der künftige Rinnenwulst, und die vorderen verwachsenen Stücke bilden die oblongen Platten. Die frei blei- benden Abschnitte der beiden Anhänge wachsen zu den eigentlichen Stachel- scheiden aus. Aus dem verkümmerten vorletzten Segmente wird nur ein kleiner Theil in den Stachelapparat einbezogen, nämlich die Seitenstücke, welche zu den quadratischen Platten erhärten und »weiter nach seinem vorderen Rande zu bildet sich in der weichen Körperhaut ein Chitinstück, der Winkel, welcher die Verbindung zwischen den quadratischen Platten und den Stechborsten- schenkeln herstellt. Welchem Segmente derselbe entstammt, konnte DEwITz nicht feststellen, da die verkümmerten Segmente gar zu wenig von einander abgegrenzt sind.

BEyER’s (27) Untersuchungen über den Stachelapparat verschiedener Hymen- opteren bezeichnen eigentlich keinen Fortschritt in der Erkenntnis der weib- lichen Geschlechtsanhänge dieser Insekten. So weit die Stacheltheile aus Seg- mentanhängen hervorgehen, bestätigen seine Untersuchungen an Apis, Vespa, Myrmica laevinodis und Formica rufa die Angaben von Dewıtz. In der Schilderung der Entwicklung aller übrigen Stacheltheile tritt uns eine Ver- mischung der Resultate von KRAEPELIN und DEWITZ entgegen. So lässt BEYER mit KRAEPELIN die Bögen der Stachelrinne und der Stechborsten aus dem drittletzten Segmente hervorgehen. Die oblongen Platten entstehen analog den Untersuchungen von DEWITZ aus zwei Wülsten, die lateral von der Stachel- Tinne liesen und nach hinten in die Stachelscheiden übergehen. Die äußere Hälfte dieser Partie bildet die Anlage der quadratischen Platte. Beide Gebilde gehören zum vorletzten Segmente, dem auch der Rinnenwulst entstammt. Der Winkel wird in der seitlichen, das Gabelbein in der medianen Partie des dritt- letzten Segmentes angelegt.

In neuerer Zeit untersuchte KAHLENBERG (28) die Entwicklung des Bienen-

394 Enoch Zander,

stachels und bestätigte, beziehungsweise erweiterte die Angaben von DEWwITZ. Morphologische Fragen hat KAHLENBERG nicht berührt. Aus seinen entwick- lungsgeschichtlichen Resultaten geht jedoch hervor, dass er eine größere Betheiligung des Hautskelettes an der Stachelbildung beobachtete als Dewırz und BEYER. Die Stechborsten werden nach KAHLENBERG aus zwei Epidermis- verdiekungen der elften, Stachelrinne und Stachelscheiden aus viervon Anfang

an getrennten Zapfen der zwölften Bauchschuppe gebildet. Die Wurzeln der Stechborsten sind bei einer vierzehn Tage alten Larve als künftige Borsten- schenkel charakterisirt, indem sie, weiter von der Mittelebene entfernt, seitlich gebogen sind. Das hintere Ende der Stechborstenschenkel verdickt sich zum Winkel. Die Schienenbögen entstehen aus bogenförmigen Verdickungen der Körperhaut am Vorderrande des zwölften Segmentes.

Während die älteren Autoren nur eine Betheiligung der Bauchschuppen am Aufbau des Stachels kannten, beobachtete KAHLENBERG, dass der ganze zwölfte Körperring, von dem die Stachelscheiden vorgewachsen sind, sich in je zwei laterale Stücke gliedert, von denen die beiden inneren die oblongen, die äußeren die quadratischen Platten bilden. Diese Beobachtung bezeichnet einen bedeutenden Fortschritt gegenüber den früheren Untersuchungen.

Die neueste Arbeit auf diesem Gebiete, von KULAGIN (32), bewegt sich, was die Geschlechtsanhänge betrifft, in den Bahnen der verwandten Unter- suchung von GAnIn(1l) und enthält über die Geschlechtsbewaffnung nur kurze Angaben.

Abgesehen von den Thysanuren (Nicoletia, Machilis, Lepisma, Lepismina), bei denen nach E. HAASE (22) nur je zwei ventrale Anhänge am achten und neunten Abdominalsegmente auftreten, entwickeln sich auch bei anderen Insektengruppen die Legeapparate aus anologen Anhängen des vorletzten und drittletzten Segmentes, so bei Orthopteren (DEwITZ, PEYTOUREAU) und Hemi- pteren (HEYMmonSs, 31a).

Überblickt man die Resultate der bisherigen Untersuchungen, so kann es nicht entgehen, dass die allgemeine Anschauung von der Genese des Hymenopterenstachels im Laufe der Zeiten mannigfach wechselte. LACAZE-DUTHIERS und seine Zeitgenossen glaubten in demselben lediglich metamorphosirte Segmente erkennen zu müssen, während OULJANIN ihn ausschließlich aus ventralen Segmentanhängen hervorgehen ließ. KRAEPELIN’s Verdienst ist es, die moderne An- schauung von der Entstehung des Stachels angebahnt zu haben. Die entwicklungsgeschichtliche Forschung der beiden letzten Jahrzehnte lieferte hierauf den sicheren Nachweis, dass der Stachelappa- rat der Hymenopteren theils aus ventralen Segmentan- hängen, theils aus der benachbarten Körperhaut selbst hervorgeht.

Unzweifelhaft steht fest, dass die geraden Theile des Stachel- apparates aus sechs ventralen Epidermisverdickungen des elften und zwölften Körpersegmentes entstehen, und zwar gehören die Stech-

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 295

borsten dem elften, die Stachelrinne und die Scheiden dem zwölften Segmente an.

Über die Betheiligung des Hautskelettes am Aufbau des Stachels herrscht dagegen noch nicht die wünschenswerthe Klarheit und Einigkeit. Aus der Körperwand differenziren sich nach KRAEPELIN sämmtliche Stücke des Stachels mit Ausnahme der geraden Theile, nach DEwITz nur quadratische Platte und Winkel, nach Beyer Bögen, Rinnenwulst, Winkel und Gabelbein, und nach KAHLENBERG sämnt- liehe Stacheltheile mit Ausnahme von Stechborstenbogen und Winkel, sowie der geraden Anhänge. Wie sich die Theile des Stachelapparates nach den Ansichten der einzelnen Autoren auf die beiden in Frage kommenden Segmente vertheilen, lehrt folgende Tabelle.

Autoren S = = Er S & = z = = = wen ee ae ee RR SS ala 202 I & = & nme Nbrkin te

KRABPELIN ||e | —. XI |xXIs | x | XI | xIe Dewirz Sayr | HE IE REIHE 5 | XER BEYER SSXE XIX © x, x |xı |x% XIe | X KAHLENBERG | = | | XI |XII« XI | x XI XIe|

* bezeichnet diejenigen Stacheltheile, die der Körperhaut entstammen.

_ Aus dieser Tabelle ersieht man, dass Winkel und Stechborsten- bögen nach dem übereinstimmenden Resultate aller Autoren und nach KRAEPELIN und BEYER auch das Gabelbein zum elften Seg- mente gehören, während Rinnenwulst, oblonge und quadratische Platten dem zwölften Segmente entstammen. Ob die Stachelrinnen- bögen aus dem elften oder zwölften Segmente hervorgehen, ist noch unentschieden. KRAEPELIN und BEYER rechnen dieselben zum elften, Dewitz und KAHLENBERG zum zwölften Segmente.

ll. Der Antheil des Hautskelettes am Aufbau des Stachel- apparates.

Nachdem die entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen mit Sicherheit erwiesen haben, dass der Stachel nicht ausschließlich aus ventralen Anhängen sich entfaltet, und dass das Hautskelett nicht ganz zu Grunde geht, sondern zum Theil in den Stachelapparat ein- bezogen wird, erhebt sich die Frage, ob diese Skeletttheile voll- ständig umgebildet sind zu Stücken, die in Anpassung an die mecha-

296 Enoch Zander,

nische Funktion des Stachels ihre typischen Formceharaktere ganz verloren haben, oder ob sie noch morphologische Beziehungen zum Hautskelett erkennen lassen. Da die bisherigen Beobachter, abze- sehen von LACAZE-DUTHIERS, der auch andere Hymenopterenspecies heranzog, fast ausschließlich den Verhältnissen bei der Honigbiene ihre Aufmerksamkeit zuwandten, hoffte ich durch die vergleichend- anatomische Untersuchung einer möglichst großen Zahl von Arten verschiedener Familien bessere Aufschlüsse zu gewinnen und bin in dieser Erwartung nicht getäuscht worden. Fehlt auch meiner Dar- stellung der entwicklungsgeschichtliche Nachweis, da die Beschaffung des nöthigen Materials nicht möglich war, so hat mich doch die vergleichende Methode sichere Resultate finden lassen. Ich beginne nun mit der Schilderung meiner Befunde.

1. Die Gliederung des abdominalen Hautskelettes.

Die chitinöse Cutiecula des Insektenleibes, das Exoskelett, bildet nicht einfach einen cylindrischen Schlauch von gleichmäßiger Dicke, sondern stellt sich als eine Hülle mit Zonen von verschiedener Chitin- stärke dar. Jede Hymenopterenlarve wird so, abgesehen vom Kopfe, von dreizehn vollkommen geschlossenen, ungefähr gleichmäßig starken, Chitinringen umkleidet, die durch intersegmentale Ringtaschen mit schwächerer Chitinablagerung von einander abgegrenzt sind. Anal werden die Segmente enger.

Diese dreizehn Körpersegmente der Larve sind während der Imaginal- und Subimaginalperiode nicht mehr so leicht erkennbar als während der früheren Larvenzeit, da die von der Epidermis der ein- zelnen Segmente gebildeten Stücke des chitinösen Exoskelettes ganz verschiedenartig entwickelt werden. Die drei vordersten Segmente büßen ihre gegenseitige Beweglichkeit schnell ein und verschmelzen mehr oder weniger fest zum starren Thorax. Der Chitingürtel jedes dieser drei Segmente gliedert sich dabei in mehrere starr verbundene Stücke. Von den nächstfolgenden Abdominalsegmenten tritt bei Hymenopteren das vorderste, also das vierte Körpersegment (Mittel- segment), dicht an die Thoraxsegmentgruppe heran und verschmilzt so vollständig mit ihr, dass meist nur seine Rückenschuppe als Ab- schlussplatte der hinteren Thoraxwand nachweisbar bleibt.

Die übrigen Abdominalsegmente erhalten sich in höherem Grade selbständig und freier beweglich, nur die letzten Körperringe erlei- den bedeutendere Umbildungen. Ihr Durchmesser wird geringer, so dass das Abdominalende kegelförmig zuläuft. Der Chitingürtel der

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 297

Abdominalsegmente zerfällt am Beginn der Imaginalzeit in je eine dorsale und ventrale Zone, in Rücken- und Bauchschuppe, welche durch laterale dünnere, taschenartig unter die Rückenschuppe ein- gefaltete Chitinmembranen, Lateralmembranen, in beweglichem Zusammenhang stehen. Die äußerlich sichtbaren Rückenschuppen tragen stets ein Stigmenpaar. Auch die Chitingürtel der auf ein- ander folgenden Segmente sind durch dünnere, ringförmige, ebenfalls nischenartig unter die jeweils vorhergehenden Rücken- beziehungs- weise Bauchschuppen vorspringende Chitinmembranen, Interseg- mentalmembranen, beweglich verbunden, so dass jedes vorher- sehende Segment das nächstfolgende deckt. Den oralen und analen Rand jedes Segmentes bezeichne ich künftighin als prä- und postsegmentalen. Der eben geschilderte Charakter der Chitin- bedeckung der Abdominalsegmente ist gegen das hintere Körperende weniger ausgeprägt. Bei Hymenopteren bilden nur sechs Abdominal- sesmente, nämlich die Körpersegmente V—X, deutliche Rücken- und Bauchschuppen. Vom elften Segmente ist nur die Rückenschuppe nachweisbar, dann folgt der Stachelapparat und die kleine After- schuppe.

Da die letzten Abdominalringe bei allen Aculeaten stark modi- fieirt und vollständig verdeckt sind, so dass ohne weiteres ver- gleichendes Material ihr morphologischer Werth nicht zu bestimmen ist, will ich von den Verhältnissen bei Terebrantiern ausgehen, deren langes Abdomen sowohl sämmtliche Bauch- und Rückenschuppen als auch den Stachelapparat frei zu Tage treten lässt. Nur durch das Studium der einfachen Verhältnisse bei Terebrantiern können wir das richtige Verständnis für die aus dem Hautskelett hervor- gegangenen Stacheltheile finden, denn hier liegt der Stachel- apparat frei und stellt einen vollkommen geschlossenen Ring dar.

Von Terebrantiern konnte ich bisher untersuchen Ichneumon buceulentus, Amblyteles castigator, Trogus lutorius, Cryptus migra- torius, Rhyssa persuasoria, Ephialtes mesocentrus und tubereulatus, Pimpla instigator, Anomalon eircumflexum, ÖOphion luteus, Paniscus testaceus; Cynips querceus folii; Cimbex variabilis, Hylotoma pagana und ustulata, Tenthredo spee., Dolerus eglanteriae; Sirex juvencus und gigas, die ich zum Theil der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Dr. Hauser in Erlangen verdanke.

Meiner Schilderung des abdominalen Hautskelettes dieser Gruppe lege ich als leicht verständliches Beispiel

293 Enoch Zander,

Hylotoma pagana (Fig. 1) zu Grunde.

Das Abdomen ist dorsoventral wenig komprimirt. Abgesehen

vom ersten Abdominalsegmente, das an den Thorax herangezogen ist,

sind sechs vollständige Segmente frei nachweisbar, nämlich die Körpersegmente V—X. Die chitinöse Cuticula der einzelnen Seg- mente ist in je eine größere Rücken- und kleinere Bauchschuppe zerfallen. Jede Rückenschuppe greift mit ihrer lateralen Partie über den dorsalen Rand der entsprechenden Bauchschuppe herüber. Die Lateralmembran ist taschenartig unter die Rückenschuppe einge- schlagen. Die Beziehungen je zweier auf einander folgender Seg- mente erinnern in so fern noch etwas an larvale Verhältnisse, als nur die laterale Partie der ringförmigen Intersesmentalmembranen voll- ständig unter die jeweils vorhergehende Rückenschuppe eingefaltet ist, während die größere dorsale und die ventrale Zone theilweise frei liegt (Fig. 1 /s). Analwärts werden die Chitingürtel enger, da das Abdomen stumpf-kegelförmig zuläuft.

Während bei sämmtlichen Aculeaten das elfte Segment äußerlich nicht erkennbar ist, folgt bei Hylotoma hinter dem zehnten Segmente noch die Rückenschuppe des elften, die sich, abgesehen von ihrer geringeren Größe, in nichts von den vorhergehenden unterscheidet (Fig. 1 X/d). An diese und die zehnte Bauchschuppe schließt sich der Stachelapparat an, durch eine Ringmembran mit den vorher- gehenden Chitinstücken verbunden. Derselbe ist nicht, wie bei den Aculeaten, unter die letzten Rücken- und Bauchschuppen geschoben, sondern reiht sich diesen, allseitig äußerlich sichtbar, an (Fig. 1). Die Anordnung seiner Theile ist trotz mancher Abweichungen im Bau derselben die gleiche wie am Stachel von Apis mellifica. Ganz ven- tral ragen die beiden Stechborsten nach hinten (Fig. 1 S2). Dieselben hängen mit der Stachelrinne und ihren Bögen so locker zusammen, dass sie beim Abtrennen des Stachelapparates vom übrigen Haut- skelette fast regelmäßig an der den Stachel mit der zehnten Bauch- schuppe verbindenden Membran hängen bleiben und dann direkt unter der elften Rückenschuppe liegen.

Der übrige Theil des Stachelapparates bildet einen vollkommen geschlossenen Ring, der als der Chitingürtel des zwölften Segmentes zu betrachten ist, weil er hinter der elften Rückenschuppe liegt. Wichtig für diese Deutung ist die That- sache, dass hier an Stelle der vollkommen getrennten quadratischen

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 299

Platten der Honigbiene ein breiter dorsal gekrümmter Chitinreif, das Epipygium (Fig. 1 Ep), sich findet. Anpr& (17, I, Taf. I, Fig. 1 48) bezeichnet dasselbe als Rückenschuppe des achten Abdominalseg- mentes (im Sinne LAcAzE-DUTHIERS?). Da AnDr& das erste, an den Thorax herangetretene Abdominalsegment, das segment mediaire, nicht zählt, entspricht die achte abdominale Rückenschuppe der zwölften unserer Zählung. Beweise für die Rückenschuppennatur des Epipygium finde ich bei AnprE nicht. Die Beziehungen des- selben zum übrigen Hautskelett lassen sich jedoch leicht beobachten und entsprechen vollkommen denen der übrigen Rückenschuppen. Zwischen dem postsegmentalen Rande der elften Rückenschuppe und dem präsegsmentalen des Epipygium spannt sich eine Membran (Fig. 1 /s), die den Intersegmentalmembranen homolog ist. Auch von dieser Membran ist nur der laterale Bezirk vollständig unter den postsesmentalen Rand der elften Rückenschuppe eingefaltet (Fig. 1), genau so, wie ich es für die Intersegmentalmembranen der vorher- sehenden Segmente geschildert habe. Die zwölfte Rückenschuppe springt ferner in der gleichen Weise, wie alle anderen freien Rücken- schuppen es thun, lateral über den ventral liegenden Chitinbogen vor und deckt dadurch die zarte laterale Membran desselben. Der letztere ist desshalb als die zugehörige Bauchschuppe des zwölften Sesmentes zu betrachten. Der ventrale Bogen ist nicht von gleich- mäßiger Chitindieke, sondern in drei Zonen differenzirt: die lateralen Partien dieser zwölften Bauchschuppe stellen die beiden oblongen _ Platten dar. In der ventralen Medianebene wird der Chitingürtel des zwölften Segmentes bei allen Hymenopteren durch eine dem Rinnenwulst bei Apis homologe Membran geschlossen, die zwischen den medianen (ventralen)! Rändern der oblongen Platten ausgespannt auch dem oralen Ende der Stachelrinne angewachsen ist. Die Be- ziehungen des dorsalen Epipygium zu den oblongen Platten als late- tale Bauchschuppenpartien sind dadurch etwas modifieirt, dass beide gegen einander, wenn auch nur wenig, in der folgenden Weise ver- schoben sind. Während nämlich an den übrigen Segmenten jede Rückenschuppe nur mit ihrer lateralen Partie die zugehörige Bauch- schuppe deckt (Fig. 1 X), liest das Epipygium mit seiner größeren postsesmentalen Randzone der oblongen Platte (Fig. 1 0.p) auf. Dieses eigenthümliche Verhalten findet darin seine einfache Erklärung, dass

i Wo sich, wie hier, die morphologischen Bezeichnungen nicht mit den topographischen decken, füge ich letztere in () hinzu.

300 Enoch Zander,

das hintere Körperende stumpf-kegelförmig zuläuft, wodurch Epipy- sium und oblonge Platte einander anal so sehr entgegengeneigt werden, dass der laterale (dorsale) Rand der letzteren unter den postsegmentalen der Rückenschuppe rückt. Bei den Aculeaten wer- den wir einer noch viel weiter gehenden Verlagerung beider Platten begegnen.

Die Gliederung der aus dem zwölften Segmentringe hervorgegangenen Stacheltheile entspricht also bei Hylo- toma pagana durchaus den Gliederungsgesetzen der üb- rigen Abdominalegmente Das Epipygium bildet die Rückenschuppe, die oblongen Platten sammt Rinnenwulst die Bauchschuppe des zwölften Segmentes. Diese vier Stacheltheile bilden einen vollkommen geschlossenen Ring.

Dorsal vom Stachelapparat mündet im dreizehnten Segmente der Enddarm. Da das Segment selbst klein ist, ist auch der Chitingürtel desselben nur schwach entwickelt, zeigt aber die typische Gliederung in Rücken- und Bauchschuppe, welche wie zwei Klappen den After umschließen. Die Ausbildung dieser Klappen ist bei den Hymen- opteren großen Schwankungen unterworfen. Bei Hylotoma pagana ist nur die Rückenschuppe stark ausgeprägt (Fig. 1 X/I//d) und mit dem Epipygium fest verwachsen, wie dies auch bei anderen Tere- brantiern zu beobachten ist. Unmittelbar unterhalb des lateralen Randes dieser Schuppe sitzt in der von den oblongen Platten dorsal ziehenden weichen Membran je ein kleines, beborstetes, Zäpfchen, der Analtaster (Fig. 1 AZ). Dieses für die Terebrantier charakteri- stische Gebilde fehlt den Aculeaten.

Unter den Terebrantiern erleiden die soeben an Hylotoma ge- schilderten Grundzüge des Stachelbaues nur geringfügige Verände- rungen.

In den einzelnen Gruppen der Aculeaten sind dieselben jedoch mehr oder weniger stark modifieirt, so dass es ohne Kenntnis der bei Terebrantiern herr- schenden Verhältnisse oft unmöglich sein würde, die einzelnen Stacheltheile richtig zu deuten.

Unter den Terebrantiern stehen die Uroceriden Hylotoma pagana am näch- sten. Sirex gigas und juvencus unterscheiden sich von derselben hauptsächlich durch die stärkere Zusammenschiebung der Chitinringe. Während bei Hylotoma die Bauch- resp. Rückenschuppen einander nur theilweise decken, sind diesel- ben bei Sirex so stark in einander geschoben, dass die Intersegmentalmembranen nicht ınehr sichtbar sind. Auch der Stachelapparat, dessen Theile einen

breiten, allseitig geschlossenen Ring bilden, ist näher an die letzten freien Rücken- und Bauchschuppen herangezogen, so dass die orale Partie

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 301

desselben verdeckt wird. Immerhin ist aber noch der größere anale Theil des Stachels direkt sichtbar.

Bei den meisten Ichneumoniden (Ichneumon, Amblyteles, Trogus) ist der Stachelapparat noch weiter unter die vorhergehenden Ringe geschoben. Be- sonders das Epipygium ist fast vollständig von der elften Rückenschuppe verborgen. Die Ventraltheile des Stachels liegen dagegen noch mit Ausnahme der vorderen Bogenpartien völlig frei. Das Stachelrinnensegment (XIJ) ist stets als vollkommen geschlossener, breiter, Ring nachweisbar.

In den Vertretern der Gattung Cimbex lernen wir Terebrantier kennen, die in mancher Hinsicht schon an die Aculeaten erinnern. Die abdominalen Hautskelettelemente sind nämlich so stark in ein- ander geschoben, dass selbst an der Ventralseite nur noch wenig vom Stachelapparate sichtbar ist. Das Stachelrinnensegment ist zwar noch vollkommen ringförmig geschlossen, aber das Epipy- sium stellt keinen überall annähernd gleich breiten Chitinbogen dar, sondern besteht in ähnlicher Weise, wie wir es später bei manchen - Aculeaten beobachten werden, aus zwei großen lateralen Platten, die durch eine schmälere Brücke dorsal verbunden sind.

Diese Verhältnisse leiten zu den Aculeaten über. Bei den- selben scheinen die letzten Segmente ganz zu fehlen, da bei keiner Art dieser Gruppe elfte Rückenschuppe, Stachelapparat und After- schuppe äußerlich sichtbar sind. Abgesehen von den Chrysiden, bei denen meist nur drei bis vier Ringe äußerlich nachweisbar sind, zählen wir auch bei Aculeaten sechs vollständige Rücken- und Bauch- schuppen, die den Segmenten V—X angehören und stark zusammen- geschoben sind, so dass nicht bloß die Intersegmentalmembranen, sondern auch schmale Zonen der Segmentgürtel selbst über einander liegen !.

1 Die Gestalt des Abdomens beeinflusst Form und Anordnung der Bauch- und Rückenschuppen bei den Aculeaten sehr. Das Abdomen der Terebrantier, dessen einzelne Hautskelettstücke verhältnismäßig wenig über einander greifen, besitzt meist die Form eines langgestreckten, dorsoventral oder lateral komprimirten, Cylinders, der anal, ohne sich bedeutend zu verengern, stumpf-kegeltförmig zuläuft. Ferner setzt sich das Abdomen der Terebrantier meist in seiner ganzen Breite an den Thorax an, so dass der mittlere Körperabschnitt direkt in den Hinterleib übergeht. Ausnahmen sind z. B. Chaleiden und Cynipiden (Leucopsis, Chaleis, Eucharis, Torymus, Ibalia ete.), bei denen wie bei Aculeaten ein mehr oder weniger deutlicher Stiel vorhan- den ist. Bei den Aculeaten dagegen sind das zweite oder das zweite und dritte Abdominalsegment ganz oder theilweise zu einem mehr oder weniger beweglichen Hinterleibsstiel stark verengert, durch den das Abdomen stets deutlich vom Thorax abgesetzt erscheint. Die übrigen freien Chitingürtel um- schließen kein langgestreckt eylindrisches sondern ein meist spitz kegel-

302 Enoch Zander,

Ferner ist die eigenthümliche gegenseitige Verlagerung der letzten Rücken- und Bauchschuppen, auf die schon bei Hylotoma kurz hingewiesen wurde, in weit höherem Grade am Abdomen der Aculeaten ausgeprägt. Betrachten wir die Skizze eines Abdomens von Vespa crabro (Fig. 2), so fällt Folgendes auf. Sämmtliche Bauchschuppen liegen fast in einer Ebene. Am sechsten und siebenten Segmente (Fig. 2 V/und VI/) sind Bauch- und Rücken- schuppen annähernd parallel zu einander gerichtet. Anal werden die Segmente enger, und gleichzeitig biegen sich die Rückenschuppen mehr und mehr zur Ventralebene herunter (Fig. 2 VIIId, IXd), so dass die zehnte Rückenschuppe unter einem spitzen Winkel gegen die entsprechende Bauchschuppe geneigt ist (Fig. 2 Xd). Dadurch werden die Rückenschuppen derart verlagert, dass der präsegmentale Rand nicht mehr oral, sondern fast dorsal und der postsegmentale nicht mehr anal, sondern ventral schaut. Dann überragt die Rücken- schuppe nicht mit ihrem lateralen sondern mit ihrem postsegmentalen Rande die Bauchschuppe. Bei Formieiden sind die letzten Rücken- schuppen einer noch weiter gehenden Verlagerung unterworfen, wie die Skizze des Abdomens von Atta cephalotes (Fig. 3) zeigt. Hier steht die zehnte Rückenschuppe fast im stumpfen Winkel auf der Bauchschuppenebene (Fig. 3 X.d). |

Rücken- und Bauchschuppe des zehnten Segmentes scheinen das hintere Körperende zu begrenzen. Hebt man jedoch die zehnte Rückenschuppe auf, so sieht man in eine Höhle hinein, in welche die letzten Segmente eingezogen sind. Zieht man den Stachel- apparat vorsichtig aus dem zehnten Segmentringe heraus, so erhält man ein Bild, das ich zunächst an einem Crabroniden genauer be- schreiben will.

Ammophila sabulosa. (Fig. 4.)

Dem aus der Abdominalhöhle hervorgezogenen Stachelapparate sitzt dorsal zunächst die elite Rückenschuppe (Fig. 4 X/d) sattelförmig auf. Dieselbe besteht aus zwei größeren lateralen Stücken, die durch einen breiten dorsalen Bogen (Fig. 4 dd) mit einander verbunden sind.

förmiges oder, wie bei den Ameisen, einkugelförmiges Abdomen. Da die eigentliche abdominale Leibeshöhle der Aculeaten relativ nicht kleiner, die Zahl der schützenden Cuticulartheile jedoch geringer ist als bei den Tere- brantiern, so sind die stark in einander geschobenen Bauch- und Riücken- schuppen des Aculeatenabdomens viel länger als die der Terebrantier.

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 303

Während also bei den Terebrantiern diese Schuppe den übrigen Rückenschuppen vollkommen gleichwerthig angereiht ist, liegt dieselbe bei Ammophila sabulosa und den Aculeaten überhaupt nicht mehr frei zu Tage, sondern ist engere Beziehungen zum Stachelapparate einge- sangen und mit diesem in das Abdomen hineingeschoben worden.

Eine breite, ringförmige Membran zieht vom postsegmentalen Rande des zehnten Segmentes zum Stachelapparate und setzt sich dorsal an den präsegmentalen Rand der elften Rückenschuppe und ventral an die Bögen des Stachelapparates an. Dieselbe ist der Intersesmentalmembran zwischen dem zehnten und elften Segment- ringe homolog und stets breit unter die Chitinhaut des zehnten Seg- mentes eingeschlagen.

Die Stechborsten und ihre Bögen befinden sich im engsten Ver- bande mit der Stachelrinne und den Schienenbögen, so dass morpho- logische Beziehungen zum Hautskelette nicht mehr erkennbar sind. Der übrige Theil des Stachelapparates ist auch bei Ammo- phila sabulosa noch zu einem vollständigen Ringe ge- schlossen, dessen dorsale Hälfte die beiden quadratischen Platten bilden (Fig. 4 gu.P). Die Rückenschuppennatur derselben ist nicht mehr so deutlich wie am Epipygium der Terebrantier, da sie nur durch einen ganz schmalen dorsalen Bogen (Fig. 4 db) mit einander verbunden sind, was wir schon am Epipygium von Cimbex beob- achten konnten. Den quadratischen Platten liegen die Seitenstücke der elften Rückenschuppe auf. Die Verbindung beider Platten _ wird durch die Intersegmentalmembran (Fig. 4 /s) hergestellt, die zwischen dem postsegmentalen Rande der elften Rückenschuppe und dem präsegmentalen der quadratischen Platten ausgespannt ist. Die ventrale Schuppe des Stachelrinnensegmentes wird, wie bei den Terebrantiern, von den beiden oblongen Platten und dem Rinnen- wulste gebildet. Die Beziehungen der oblongen zu den quadratischen Platten sind nur verständlich, wenn wir jene oben geschilderte Ver- lagerung der letzten Rückenschuppen berücksichtigen, da dieser Verschiebung auch die dorsalen Stacheltheile unterworfen sind. In Folge dessen ragt der präsegmentale Rand der elften Rückenschuppe und der quadratischen Platten bei Ammophila: dorsal (Fig. 4). Ihre gegenseitigen Lagebeziehungen werden dadurch nicht geändert, da Ja beide in der gleichen Weise verschoben sind. Die ventralen ob- longen Platten dagegen werden jetzt derart von den quadratischen überdeckt, dass nicht die laterale, sondern die postsegmentale Rand- partie der letzteren über den lateralen (dorsalen) Rand der oblongen

304 Enoch Zander,

Platten herübergreift. Die Anordnung der Stacheltheile unter einan- der ist mithin in genau der gleichen Weise modifieirt, wie wir dies schon an den vorhergehenden Hautskelettelementen beobachten können. Eine Lateralmembran verbindet oblonge und quadratische Platte jeder Seite:

Wir sehen also, dass auch bei Ammophila die Gliede- rung der Haut des Stachelrinnensegmentes sich im eng- sten Anschluss an die Stilgesetze der abdominalen Exo- skelettelemente vollzogen hat.

Die Afterschuppe ist bei sämmtlichen Crabroniden vollkommen membra- nös und lässt, abgesehen von der dorsalen Lage, keine Beziehungen zum Stachelapparat erkennen.

Bei Pompiliden und Heterogynen, von denen ich zahlreiche Species unter- suchen konnte, begegnen wir ganz analogen Verhältnissen. Stets ist der Stachel- apparat vollkommen ringförmig geschlossen, wenn gleich die dorsale Partie dieses Ringes meist sehr schmal ist.

Bisher haben wir den Chitingürtel des Stachelrinnensegmentes als geschlossenen Ring kennen gelernt. Bei Hylotoma, Sirex und anderen Terebrantiern war der dorsale Bogen dieses Segmentes, das Epipygium, als deutliche Rückenschuppe vorhanden. Aber schon bei Cimbex machte sich eine Reduktion der medianen Partie des Epipygium zu einer schmalen, zwei große laterale Platten verbinden- den, Chitinbrücke bemerkbar. Während die quadratischen Platten der Crabroniden, Pompiliden und Heterogynen dorsal noch durch einen, wenn auch sehr schwachen, Chitinbogen zusammengehalten werden, ist bei den Vespiden der gänzliche Zerfall des zwölf- ten Ohitinringes, wie wir ihn bei der Honigbiene beobachten, da- durch angekündigt, dass der dorsale Verbindungsbogen der quadra- tischen Platten in der Medianlinie unterbrochen ist.

Vespa media. (Fig. 5.)

Betrachten wir den Stachelapparat von Vespa media genauer, so ist zunächst zu bemerken, dass die Lagebeziehungen seiner Theile genau die gleichen bleiben, wie bei Ammophila sabulosa. Hier wie dort zieht eine breite, unter den postsegmentalen Rand des zehnten Segmentringes tief ringförmig eingeschlagene Intersegmentalmembran zu dem innerhalb des zehnten Segmentes liegenden Stachelapparat und der elften Rückenschuppe. Die letztere besteht aus zwei größe- ven lateralen Platten, die durch einen schmalen präsegmentalen Steg verbunden sind (Fig. 5 db). Der Stachelapparat ist zwar dorsal zu-

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 323

eine mehr aufgerichtete Stellung ein, so dass der Rand mit dem Stigma dem After zugekehrt ist und als hinterer bezeichnet werden muss.< Dewirz giebt diesem Gebilde keinen Namen. Dass das- selbe, so weit sich aus Dewırz’ Schilderung ersehen lässt, nicht etwa der elften Rückenschuppe entspricht, die ja meistens ein Stigma trägt, geht aus der weiteren Beschreibung der fraglichen Platte deutlich hervor: »Dieser Rand (nämlich der hintere) schlägt sich nach innen und vorn um und geht in ein gehöhltes Chitinstück über. Am vorderen unteren Ende läuft letzteres in einen kurzen Stiel aus, der sich dem Winkel inserirt, am hinteren oberen Ende verschmilzt es gänzlich mit der übrigen Plattenfläche. Von dieser geht ein Chitinstreif aus, der über das ganze vorletzte Rückensegment verläuft, um in die gleichnamige Platte der anderen Seite überzugehen.« Ich habe schon bei Vespa auf die mediale Umbiegung der präsegmen- talen (dorsalen) Randzone der quadratischen Platte, sowie auf die Beziehungen dieses gehöhlten Stückes zum Winkel hingewiesen. Diese Analogie und die dorsale Verbindung dokumentiren das frag- liche Gebilde bei Typhlopone unzweifelhaft als quadratische Platte, an der das Vorhandensein eines Stigmas von hohem morphologischem Interesse wäre. Es war mir jedoch nicht möglich, die Richtigkeit dieser Angabe zu kontrolliren. Ferner will Anpr& am Epipygium einiger Terebrantier (Leucopsis, Phaganophora, Ibalia) Stigmen beob- achtet haben. Auf Grund eigener Untersuchungen kann ich für die genannten Terebrantier Anpr£’s Angabe nicht bestätigen, da bei diesen nicht das Epipygium, sondern die elfte Rückenschuppe die Stigmen trägt, während das Epipygium, sekundär stark modifieirt, sammt dem ganzen Stachelapparate so tief in das Abdomen hinein- geschoben ist, dass dasselbe äußerlich nicht sichtbar ist. Ob bei anderen Hymenopteren die quadratischen Platten Stigmen tragen, will ich vorläufig dahingestellt sein lassen, da meine diesbezüglichen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. Ich hoffe darüber bald Mittheilungen machen zu können.

Wenn ich hiermit die vergleichende Untersuchung über die fei- nere Skulptur des Stachelapparates schließe, so glaube ich zur Ge- nüge nachgewiesen zu haben, dass sich stark ausgeprägte Relief- eisenthümlichkeiten der Bauch- und Rückenschuppen auch an den Stacheltheilen nachweisen lassen. Da die feinere Skulptur nicht überall gleich deutlich hervortritt, habe ich mich nicht auf eine oder einige Arten beschränkt, sondern aus einer möglichst großen Anzahl von Arten aller Gruppen passende Vergleichsobjekte ausgewählt, die

21*

24 Enoch Zander,

den Beobachter mit den intimeren Formeigenthümlichkeiten des ab- dominalen Hautskelettes und seiner Derivate vertraut machen. Die so gewonnenen allgemeinen Resultate meiner vergleichenden Studien lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen.

Während der Larvenzeit ist die Haut der einzelnen Segmente gleichmäßig stark chitinisirt.

Während der mehrfach wiederholten Larvenhäutungen treten an den Chitingürteln sekundäre Versteifungen auf, die besonders am präsegmentalen und lateralen Rande der Bauch- und Rücken- schuppen in Form von Leisten und Vorsprüngen auftreten (Präseg- mentalleisten und -Höcker, Lateralleiste und -Fortsatz).

Diese sekundären Wandverdiekungen sind nicht an allen Bauch- und Rückenschuppen gleichmäßig ausgebildet, sondern weisen in oral- analer Richtung graduelle Verschiedenheiten auf.

Homologe Verdiekungen treten auch an den aus dem Hautskelett hervorgegangenen Stacheltheilen auf, die stets die extremsten Umbildungsformen der Reliefeigenthümlichkeiten der einzelnen Rücken- und Bauchschuppen darstellen.

Folgende Theile des Stachelapparates lassen sich mit sekundären Wandversteifungen der Bauch- und Rückenschuppen homologisiren.

Die Stechborstenbögen entsprechen der Präsegmentalleiste der elften Bauchschuppe.

In den Schienenbögen erkennen wir die Präsegmentalleiste der zwölften Bauchschuppe.

Wenn an den Bögen des Stachelapparates kräftige Fortsätze entwickelt sind (Bombus), so lassen sich diese dem Präsegmental- höcker der übrigen Bauchschuppen vergleichen.

Der Winkel ist eine einfache Verdickung des vorderen Drittels der Seitenrandleiste der elften Bauchschuppe und in besonderen Fällen dem Lateralfortsatz homolog.

Der Stiel der oblongen Platte, homolog dem unpaaren Stamm des Winkels, repräsentirt das vordere Drittel der Seitenrandleiste der zwölften Bauchschuppe.

Der dorsale Verbindungsbogen der quadratischen Platten und die Rudimente desselben entsprechen der Präsegmentalleiste der übri- gen Rückenschuppen.

Neben diesen, dem ganzen aommalen Hautskelett eigenen se- kundären Wandverdickungen treten sowohl an den Bauch- und Rückenschuppen, wie auch am Stachelapparate Neubildungen auf, die sich nicht an allen Skelettstücken gleichmäßig finden und die

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 325

wir füglich als tertiäre Versteifungen bezeichnen können. Hier- her rechne ich z. B. eine bei Vespiden, Crabroniden ete. in der elf- ten Rückenschuppe seitlich vom Stigma verlaufende Chitinleiste und am Stachelapparat neben manchen im speciellen Theil genannten Bildungen, besonders das Gabelbein, das eine dem median-oralen Theile der zwölften Bauchschuppe eigene Wandverdickung ist.

Es erübrigt mir zum Schluss noch, das Gesammtresultat der bisherigen Untersuchung kurz festzustellen. Als Lacaze- DuTHIErRS um die Mitte dieses Jahrhunderts die Morphologie des Stachelapparates zu ergründen suchte, scheiterte sein Versuch daran, dass er seinen Studien das Gliederungsgesetz zu Grunde legte, welches Aupovın für die Thorakalsegmente gefunden hatte, in der Voraussetzung, dass dasselbe auch für das Skelett der Abdominal- segmente gelte. Ich glaube evident nachgewiesen zu haben, dass sich das Stachelrinnensegment eben so wie die abdomi- nalen Chitinringe nur in je eine Bauch- und Rücken- schuppe gliedern, und dass sogar feinere Skulpturformen der freien Bauch-und Rückenschuppen auch am elften und zwölften Segment vorhanden sind.

Beide Thatsachen lassen die aus der Körperhaut her- vorsesansenen Theile des Stachelapparates als voll- werthige Glieder des abdominalen Hautskelettes erschei- nen, mögen auch sekundäre, in Anpassung an speecielle _ Bedürfnisse erfolgte, Modifikationen im einzelnen Falle die morphologische Deutung erschweren.

Ill. Die Morphologie der Geschlechtsanhänge. (Stechborsten, Stachelrinne und Stachelscheiden.)

Die bisherige Untersuchung beschränkte sich auf die morpholo- sische Deutung derjenigen Partien des weiblichen Legeapparates, die der Körperwandung entstammen. Diese Skelettelemente sind die Träger ventraler Anhänge, der Geschlechtsanhänge, Gonapo- physen im engeren Sinne, nämlich der Stechborsten, Stachelrinne und Scheiden, die morphologisch noch nicht gewürdigt wurden. Schon frühzeitig wurde die Frage aufgeworfen, ob die Geschlechts- anhänge eine Bildung besonderer Art oder anderen Anhängen der Ventralseite homolog seien. An Interesse gewann diese Frage noch, als um die Mitte dieses Jahrhunderts mit dem Aufblühen der em- bryologischen Forschung Thatsachen bekannt wurden, die zu der

326 Enoch Zander,

Vermuthung zu berechtigen schienen, dass die Gonapophysen den ‚Thorakalbeinen homolog seien.

Nachdem RATHkE (5) im Jahre 1844 an Embryonen der Maul- wurfsgrille Abdominalanhänge beobachtet hatte, wandte sich die Auf- merksamkeit der Forscher eifrigst diesen interessanten Gebilden zu und es gelang, auch bei Vertretern anderer Insektengruppen ähnliche Embryonalbildungen nachzuweisen. Besonders GRABER (19) hat in seinen. Untersuchungen über diesen Gegenstand zahlreiche Beobach- tungen über derartige Anhänge niedergelegt. Trotzdem sind wir auch heute noch über die Bedeutung dieser Gebilde völlig im Unklaren. Nur das steht fest, dass diese Abdominalanhänge rasch vergängliche, nur während der Embryonalzeit bestehende Bildungen sind.

Als ventrale Anhänge entstehen während der Embryonalzeit auch die Thorakalbeine und die Mundwerkzeuge. Dieselben werden je- doch im Gegensatz zu den Abdominalanhängen beim Übergang: in das Larvenstadium nicht zurückgebildet, sondern erhalten sich als schlummernde, stets nachweisbare Anlagen. Die frühzeitige Ent- stehung der cephalen, thorakalen und abdominalen Anhänge hat nun die interessante Frage angeregt, ob man in denselben homologe Bildungen erkennen dürfe. So sieht man Antennen und Mundwerk- zeuge als Anhänge von vier Kopfsegmenten an. Die ektostichen Styli am neunten Abdominalsegmente von Periplaneta sind auf den distalen Theil eines neunten Abdominalanhanges und die Cerci auf die Anhänge eines elften embryonalen Abdominalsesmentes von HEY- MONS (31a) zurückgeführt worden. In neuester Zeit hat JAWOROWSKI (30) die Spinnwarzen von Trochosa singoriensis mit Abdominalan- hängen homologisirt.

Seit GAnIn’s Untersuchungen an Pteromalinen ist der Gedanke, auch in den Geschlechtsanhängen der Insekten Homologa der übrigen Ventralanhänge erblicken zu müssen, nicht aus der Diskussion ver- schwunden. Auf die einschlägigen Arbeiten im Einzelnen einzu- sehen, würde zu weit führen. Während die Mehrzahl der älteren Autoren (GANIN, OULJANIN, KRAEPELIN, DEWITZ u. A.) die Frage nach der Extremitätennatur der Gonapophysen ohne Rückhalt be- jahen, hält man in neuerer Zeit dieselbe noch für eine offene, weil bisher nicht nachgewiesen sei, dass sich die Geschlechtsanhänge aus den beim Embryo vorhandenen Extremitätenanlagen entwickeln (KORSCHELT-HEIDER 23, KULAGIN 32). Heymons (31) verneint die vorliegende Frage sogar auf das entschiedenste.

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 327

Über embryonale Abdominalanhänge bei Hymenopte- ren sind mir nur zwei Angaben bekannt, die beide wenig geeignet erscheinen, die Gliedmaßennatur der Geschlechtsanhänge zu beweisen. Die eine stammt von BÜTscHLI; an passender Stelle werde ich auf die- selbe zurückkommen. Ferner theilt BÜRGER (34) einige Angaben CAr- RIERE’S über Hinterleibsanhänge bei Chalicodoma muraria mit: » Anlagen von Hinterleibsbeinen sind selten zu beobachten, niemals frühzeitig, sondern gewöhnlich erst, wenn die Brustbeine die Höhe ihrer Ent- wieklung erreicht haben; nie habe ich mehr als zwei Paar von Ab- dominalbeinanlagen deutlich erkennen können und nur einmal als kleine freie Zäpfchen; doch zeigten sich in manchen Fällen auch noch auf dem dritten uud vierten Hinterleibssegmente an entsprechender Stelle kleine kreisförmige Verdickungen, vielleicht ganz rudimentäre Anlagen.«e Den letzten Abdominalsegmenten fehlten also bei Chalicodoma Ventralanhänge vollkommen, auf welche die Gonapophysen zurückgeführt werden könnten. Diese Thatsache ist mit dem von Heywmons (31a) erwähnten Verhalten der Nepa-Embryonen in Parallele zu setzen.

Als eines der wichtigsten Kriterien für die Extremitätennatur der Geschlechtsanhänge wird von VERHOEFF (33) die häufig zu be- obachtende Gliederung derselben ins Feld geführt, wenn er gegen Heymons behauptet: »Da alle bekannten myriopodenartigen Formen gegliederte Laufbeine haben, so ist für die Beurtheilung der Glied- maßennatur der Tracheatengonapophysen die Gliederung derselben nicht nur nicht von untergeordneter Bedeutung (wie HEYMoNs meint, sondern von allerhöchster Bedeutung, ganz abgesehen davon, dass schon das Wort Gliedmaße hier das Richtige anzeigt. Dass Gebilde, die in gar keiner Verwandtschaft mit den hier behandelten Organen stehen, wie die Schwanzfäden, gegliedert sein können, thut ja nichts zur Sache!< Nun mögen ja vielleicht die Schwanzfäden nichts zur Sache thun; andere Vorkommnisse jedoch mahnen zu großer Vorsicht bei der morphologischen Verwerthung der Gliederung abdo- minaler Anhänge. So besitzt beispielsweise die Larve von Sialis lutaria an allen Hinterleibssegmenten lange gegliederte Anhänge, die als Kiemen funktioniren und in die Muskeln und Tracheen hinein- ziehen; und doch können dieselben niemals als Abdominalgliedmaßen angesehen werden, da ihre durchaus laterale, ektostische, Stellung trotz der Gliederung eine Homologie mit den Thorakalbeinen un- möglich macht.

Auch bei Hymenopteren kommen gegliederte Gonapophysen vor.

3938 Enoch Zander,

So besitzen Crabroniden, Pompiliden und Heterogynen Stachel- scheiden, die in ein basales und ein distales Stück gegliedert sind, eine Eigenthümlichkeit, die VERHOEFF natürlich gleichfalls zu Gunsten der Extremitätennatur der Geschlechtsanhänge verwerthet. Vor der Hand fehlt jedoch hierfür noch jede positive Grundlage, da, so weit mir bekannt, keine einzige entwicklungsgeschichtliche Beobachtung existirt, die uns Aufschluss über den Zeitpunkt des Auftretens dieser Eigenthümlichkeit geben könnte.

Als weiteres Moment gegen die Extremitätennatur der Gonapo- physen ist ihre Stellung am Segmente von Bedeutung. Schon GrA- BER und E. HAAsE haben darauf hingewiesen, dass man die Ventral- anhänge ihrer verschiedenen Stellung an den Bauchschuppen wegen nicht immer unter einander homologisiren dürfe. Nur diejenigen Anhänge können als den Thorakalbeinen homolog angesehen werden, die orthostich mit den wahren Extremitäten entstehen. Bei Apis treten nach KAHLENBERG erst am vierten Tage des Larvenlebens die ersten Anlagen der Geschlechtsanhänge auf und zwar unmittelbar unter dem Ganglienknoten des elften resp. zwölften Segmentes, d.h. direkt neben der ventralen Medianlinie.e Auch meine Schnittserien durch Larven von Rhodites rosae und Cynips quercus folii führen mich zu demselben Ergebnisse. Selbst wenn man die Verschmäle- rung der hinteren Körperpartie in Betracht zieht, stehen die Geschlechts- anhänge der Medianlinie immer noch näher wie die Brustbeine. Auch ein Blick auf die Abbildungen der Larven von Platygaster und Polynema in GanIn’s Arbeit lehrt die durchaus entostiche Stellung der Gonapophysen.

Bei den Hymenopteren stehen also die Gonapophysen viel zu sehr entostich, um den wirklichen Extremitäten sleichwerthig sein zu können. |

Als letztes und wichtigstes Argument gegen die Gliedmaßen- natur der Gonapophysen macht sich der Zeitpunkt des ersten Auftretens derselben geltend. KORSCHELT-HEIDER, HEYMONS und Kurasın sehen hierin das bedeutendste Hindernis für eine Homolo- sisirung der Gonapophysen mit den Extremitäten. BürscHLı da- sesen zweifelt nicht, dass die embryonalen Abdominalanhänge der letzten Segmente bei Apis in genetischer Beziehung zu den Ge- schleehtsanhängen stehen, trotzdem sie nach seiner eigenen Angabe schon gegen Ende der Embryonalzeit vollkommen zurückgebildet werden.

Die erste Anlage der Brustbeine gehört aber bei Apis der frühen

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 329

Embryonalzeit an, während die Geschlechtsanhänge erst bei einer vier Tage alten Larve angelegt werden.

Auch bei Platygaster bilden sich nach Kuracım die Geschlechtsan- hänge erst in späteren Stadien der Entwicklung, wenn der Darm schon entwickelt ist. Schlupfwespenlarven, die während ihres ganzen Lebens schmarotzen, durchlaufen nach demselben Autor zwei Stadien, eines im Ei und ein zweites außerhalb desselben; erst während der letz- teren Periode bilden sich die Anhänge der Geschlechtsorgane; Larven, die aus dem Wirth ausschlüpfen, zeigen erst zu dieser Zeit die An- lage der Geschlechtsanhänge.

Alle diese Thatsachen lehren klar und deutlich, dass die erste Anlage der embryonalen Abdominalanhänge und der @onapophysen auch beiHymenopteren zwei verschie- denen Entwieklungsepochen angehört. Erstere sind rein embryonaler Natur und nur während des Eilebens nachweisbar; letztere werden erst im Larvenstadium an- gelegt. Und so lange nicht nachgewiesen werden kann, dass die eine Bildung in die andere übergeht, dürfte jeder Versuch einer Identifieirung der Gonapophysen mit den embryonalen Abdominalan- hängen resp. den Extremitäten als verfehlt zu bezeichnen sein. Das vollständige Verschwinden der Abdominalanhänge oder ihre ander- weitise Verwendung gegen Ende der Embryonalzeit machen es vor der Hand weit wahrscheinlicher, dass die Geschlechtsanhänge durchaus selbständige Bildungen sind, die in keiner Be- _ ziehung zu den Extremitäten stehen.. Dafür spricht auch die Thatsache, dass nach E. Haase schon bei den niedrig stehenden Thysanuren homologe Geschlechtsanhänge auftreten. So wird bei Machilis, Lepisma und Lepismina die Legescheide aus vier Anhängen des achten und neunten Abdominalsegmentes gebildet.

Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. FLEISCHMANN, auf dessen Anregung hin und unter dessen Leitung und thatkräftiger Unterstützung die vorliegende Untersuchung im zoologischen Institute zu Erlangen ausgeführt wurde, auch an dieser Stelle meinen auf- richtigsten Dank auszusprechen, ist mir eine angenehme Pflicht.

Erlangen, Februar 1899.

Enoch Zander,

Verzeichnis der untersuchten Hymenopteren.

Apis mellifica. Bombus spec.

- Eucera longicornis.

Xylocopa violacea.

Vespa crabro. media. germanica. » vulgaris.

Crabro fossorius. Trypoxylon figulus. Bembex integra. Mellinus arvensis.

Priocnemis spec.

Sapyga 5-punctata. Discolia 4-punctata.

Apidae. Sphecodes gibbus.

Chaliecodoma muraria. Anthidium manicatum. Psithyrus vestalis.

Vespidae.

Polistes gallieus. Eumenes coarctata. Odynerus parietum.

Crabronidae.

Cerceris arenaria.

» 4-faseiata. Sphex flavipennis. Ammophila sabulosa.

Pompilidae.

Pompilus viaticus. » 4-punctatus.

Heterogyna.

Tiphia femorata. Mutilla europaea.

Chrysidae. Chrysis fulgida. Hedychrum nobile. » Iyncea. Formicidae. Camponotus ligniperdus. Lasius niger. Atta cephalotes. Terebrantia.

Ichneumon buceulentus. Amblyteles amatorius. Trogus lutorius. Ephialtes tubereulatus. » mesocentrus. Pimpla instigator.

Leucopsis dorsigera. Smiera clavipes.

Cynips quercus folii.

Cimbex variabilis. Hylotoma pagana. » ustulata.

Sirex gigas.

Cryptus viduatorius. Tryphon rutilator. Rhyssa persuasoria. Anomalon cerinops. Ophion luteus. Paniscus testaceus.

Phaganophora conica. Torymus bedeguaris.

Ibalia eultellator.

Allantus spec. Tenthredo spee. Dolerus eglanteriae.

Sirex juvencus,

De ee er

16a.

16.

16.

K. 18.

19a.

19b

19e.

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 331

Litteraturverzeichnis.

SWAMMERDAM, Bibel der Natur. 1738.

REAUMUR, Phys.-ökonomische Geschichte der Bienen. 1759.

BURMEISTER, Handbuch der Entomologie. Berlin 1832.

LEON DUFOUR, Recherches anatomiques et physiologiques sur les Orthopteres, les Hymenopteres et Neuropteres. Me&m. de l’acad. des sc. savants etrangers. Serie. T. VII. 1841.

RATHKE, Zur Entwicklungsgeschichte der Maulwurfsgrille. MÜLLERr’s Arch. für Anat. und Phys. 1844. p. 27.

STEIN, Vergl. Anatomie und Physiologie der Insekten. I. Die weiblichen Geschlechtsorgane der Käfer. Berlin 1847.

. LACAZE-DUTHIERS, Recherches sur l’armure gönitale des Insectes. Annales

des sc. natur. 3e Serie. T. XII. 1849. T. XIV. 1850.

. Idem., Recherches sur !’armure genitale femelle des Insectes. Ibid. Serie.

BEER EI 1852. 1. X VII. 1852. T..XIX. 1853.

GERSTAECKER, Handbuch der Zoologie. II. p. 187. 1863.

SOLLMANN, Der Bienenstachel. Diese Zeitschr. XIII. 1863.

FENGER, Anatomie und Physiologie des Giftapparates bei den Hymenopteren. TROSCHEL’s Arch. für Naturgesch. 29. Jahrg. Theil V. 1863.

GAnın, Beitrag zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte bei den Insekten. Diese Zeitschr. XIX. p. 381. 1869.

BürschLı, Zur Entwicklungsgeschichte der Biene. Diese Zeitschr. XX. p. 537. 1870.

OULJANIN, Sitzungsber. der zool. Abth. der III. Vers. russ. Naturf. in Kiew. Diese Zeitschr. XXII. p. 289. 1872.

KRARPELIN, Untersuchungen über den Bau, Mechanismus und Entwicklungs- geschichte des Stachels der bienenartigen Thiere. Diese Zeitschr. RXITEL 9. 289. 1873.

GEGENBAUR, Grundriss der vergleichenden Anatomie. Leipzig 1874.

Derwırz, Vergleichende Untersuchungen über Bau und Entwicklung des Stachels der Honigbiene und der grünen Heuschrecke. Dissertation. Königsberg 1874.

Idem, Über Bau und Entwicklung des Stachels und der Legescheide einiger Hymenopteren und der grünen Heuschrecke. Diese Zeitschr. XXV. p. 174. 1875.

Idem, Über Bau und Entwicklung des Stachels der Ameisen. Diese Zeitschr. SSSUIIL. np. 527. 1878.

ED. ANDRE, Species des Hymenopteres d’Europe et d’Algerie. 1882—1896.

Horz, Anatomische Studie des Bienenstachels. Bienenzeitung. XXXIX.

p. 194. 1888. GRABER, Über Polypodie bei Insektenembryonen. Morph. Jahrb. XIII. p. 586. 1888.

. Idem, Über den Bau und die phylogenetische Bedeutung der embryonalen

Bauchanhänge der Insekten. Biol. Centralbl. IX. p. 355. 1889. Idem, Vergleichende Studien am Keimstreif der Insekten. Denkschr. Akad. Wiss. Wien. 1890.

932 Enoch Zander, 19d. GRABER, Über die morphologische Bedeutung der ventralen Abdominalan- hänge der Insektenembryonen. Morph. Jahrb. XVII. p. 467. 1891. 20. ÜCHOLODKOVSKY, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Insekten. Diese Zeitschr. XLVIII. p. 89. 1889. 21. M. WHEELER, Über drüsenartige Gebilde im ersten Abdominalsegment der Hemipteren-Embryonen. Zool. Anz. XII. p. 500. 1889. 22. E. HAAsE, Die Abdominalanhänge der Insekten mit Berücksichtigung der Myriopoden. Morph. Jahrb. XV. p. 331. 1889. 23. KORSCHELT-HEIDER, Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Thiere. 1890. 24. CARLET, Memoires sur le venin et l’aiguillon de l’Abeille.. Ann. sc. nat. zool. ‘e Serie. T. IX. 1890. 25. NUSBAUM, Zur Embryologie des Meloe proscarabaeus. (Polnisch.) Kosmos, Lemberg 1891. Citirt nach KOoRSCHELT-HEIDER (23). 26. ÜARRIERE, Die Drüsen am ersten Hinterleibsringe der Insektenembryonen. Biol. Centralbl. XI p. 1107 1391: 27. BEYER, Der Giftapparat von Formica rufa, ein redueirtes Organ. Jen. Zeitschr. f. Naturw. XXV. p. 26. 1891. 28. KAHLENBERG, Über die Entwicklung des Stachelapparates etc. bei der Honigbiene. Dissertation. Erlangen 1895. 29. PEYTOUREAU, Contribution a l’Etude de la morphologie de l’armure geni- tale des Insectes. Paris 1895. 30. JAWOROWSKY, Die Entwicklung des Spinnapparates bei Trochosa sin- gsoriensis mit Berücksichtigung der Abdominalanhänge und der Flügel bei den Insekten. Jen. Zeitschr. für Naturw. XXX. p. 39. 1896. 3la. Heymons, Zur Morphologie der Abdominalanhänge der Insekten. Morph. Jahrb. XXIV. p. 178. 1896. 3lb. Idem, Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Lepisma saccharina. Diese Zeitschr. LXII. p. 581. 1897. 32. Nıc. Kuracın, Beiträge zur Erkenntnis der Entwicklungsgeschichte von Platygaster. Diese Zeitschr. LXIII. p. 195. 1897. 33. VERHOEFF, Noch einige Worte über Segmentanhänge bei Insekten und Myriopoden. Zool. Anz. XXI. p. 33. 1898. 34. CARRIERE-BÜRGER, Die Entwicklung der Mauerbiene (Chalicodoma muraria Fabr.) im Ei. Abhandl. der Kaiserl. Leop.-Carol. deutsch. Akad. der Naturf. LXIX, 2. p. 340. 1898. Erklärung der Abbildungen, Die römischen Ziffern bezeichnen die Körpersegmente, d, Rückenschuppe, v, Bauchschuppe. Buchstabenbezeichnung: A, After; db, dorsale Verbindung; At, Analtaster; Ep, Epipygium;

Cs, Chitinsaum; F, Fureula;

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 333

Gg, Giftdrüsengang; Sg, Stigma; Is, Intersegmentalmembran; SI, Seitenrandleiste;

Z, Lamelle;

Sr, Stachelrinne;

Lf, Lateralfortsatz; Srb, Schienenbogen;

Lm, Lateralmembran; Srf, Schienenbogenfortsatz; M, Membran; Srk, Rinnenkolben;

N, tertiäre Verdiekung der Körperhaut; St, Stechborste;

Op, oblonge Platte; Stb, Stechborstenbogen;

qu.P, quadratische Platte;

Stf, Stechborstenbogenfortsatz;

RI, Randleiste; Vh, Präsegmentalhöcker; Rw, Rinnenwulst; VI, Präsegmentalleiste; S, Stachelscheide; W, Winkel.

Fig. Fig. Fig.

Re 2. 3.

Tafel XVIII und XIX.

Hylotoma pagana, Abdominalende. 25:1. Skizze des Abdomens von Vespa crabro. 3:1. Skizze des Abdomens von Atta cephalotes. 3:1.

Rechte Hälfte des Stachelapparates von:

Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig.

.160:1.

Fig. Fig.

4.

ee

9.

10. 11. 12. 13. 14.

15. 16.

Ammophila sabulosa. 20:1.

Vespa media. 30:1.

Apis mellifiea. 40:1.

Stachelapparat von Atta cephalotes, Ventralansicht. 25:1.

Apis mellifiea, Bauchschuppen F/I—.X, rechte Hälfte. 10:1. Atta cephalotes, Bauchschuppen VIII—X, rechte Hälfte 10:1. Linke Hälfte les Stachelapparates von Chrysis fulgida. 70:1. Bauchschuppen VI—X von Chrysis fulgida. 12:1.

Oblonge Platte und Schienenbogenfortsatz von Bombus. 15:1. Präsegmentalhöcker der zehnten Bauchschuppe von Bombus. 15:1. Linker Lateralfortsatz der zehnten Bauchschuppe von Apis.

Winkel derselben Seite von Apis. 160:1. Oblonge Platte derselben Seite von Apis. 80:1. * und + be-

zeichnen homologe Partien in den Fig. 14—16.

Kim. 17.

Beziehungen zwischen Gabelbein, Rinnenwulst und Stachelrinne,

Längsschnitt. 40:1. Fig. 18. Linke Hälfte der Rückenschuppen und quadratische Platte von

' Vespa erabro.

= 1,

Fig. 19. Rückenschuppen VIII—X von Chıysis fulgida. 12:1.

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 305

sammengebogen, eine vollständige dorsale Verbindung der qua- dratischen Platten (Fig. 5 qgw.P) fehlt jedoch. Als letzter Rest einer einheitlichen dorsalen Brücke, wie sie Ammophila eisen ist, ist je ein vom hinteren Rande der quadratischen Plat- ten dorsal ragender, langer, schmaler Fortsatz (Fig. 5 db) zu be- trachten, der sich jederseits der Rückenschuppe des Aftersegmentes anlegt. Alle übrigen morphologischen Beziehungen bleiben die gleichen wie bei den Crabroniden. Die elfte Rückenschuppe und die quadra- tischen Platten sind durch die Intersegmentalmembran (Fig. 5 Z/s) ver- bunden; die postsegmentale Randpartie der quadratischen Platte deckt die dorsale der oblongen entsprechend der Verlagerung der letzten Rückenschuppe.

Ein erhöhtes Interesse beansprucht das Aftersegment von Vespa. Dasselbe ist sehr stark entwickelt (Fig. 5 X//T) und besteht aus einer deutlichen Bauch- und Rückenschuppe, die den After umsäu- men. Eine nicht eingefaltete Intersegmentalmembran (Fig. 5 7s) zieht vom präsegmentalen Rande des Aftersegmentes zunächst dorsal an die Rudimente des Verbindungsbogens der quadratischen Platten (Fig. 5 dd) und den postsesmentalen Rand der Platten selbst, um sich schließlich ventral zwischen den beiden Stachelscheiden (Fig. 5 $) an das hintere Ende der oblongen Platten anzusetzen.

Der Stachelapparat von Vespa fügt sich also den benachbarten Chitinstücken als vollwerthiges Glied des abdominalen Haut- skelettes ein, trotzdem derselbe nicht mehr zu einem vollständigen _ Ringe geschlossen ist.

Apis mellifica. (Fig. 6.)

Bei den Apiden sind auch die letzten Reste einer dorsalen Ver- bindung der quadratischen Platten verschwunden. In Folge dessen ist der ganze Stachelapparat dorsal nicht mehr zusammengebogen, sondern mehr in die Breite gelegt. Die morphologischen Beziehungen zum Hautskelette sind nur noch schwer zu erkennen.

Schon die elfte Rückenschuppe (Fig. 6 X/d) ist bei der Honig- biene in zwei laterale Stücke zerfallen, die dorsal nur noch durch eine ganz schwache Membran zusammengehalten werden und den quadratischen Platten, loeker mit ihnen verbunden, auflagern. Die ‘quadratischen Platten aber sind zwei vollkommen von einander un- abhängige Stücke (Fig. 6 guP). Trotz der zahlreichen Untersuchungen an der Honigbiene ist der morphologische Werth der quadratischen

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 20

306 | Enoch Zander,

Platte niemals erkannt worden, weil man sich zu einseitig auf die Biene beschränkte und die an den Terebrantiern und anderen Hymen- opteren beobachteten Thatsachen nicht zum Vergleiche heranzog. Aus unserer vergleichenden Betrachtung ergiebt sich aber unzweifel- haft die Rückenschuppennatur der sekundär stark modifieirten quadra- tischen Platte. Die entwicklungsgeschichtliche Forschung bestätigt diesen Befund. Nach KAHLENBERG gliedert sich der zwölfte Körper- ring, von dem die Stachelscheiden und Stachelrinne vorgewachsen sind, in je zwei laterale Stücke, von denen die beiden inneren die oblongen, die äußeren die quadratischen Platten hilden. Diese Gliede- rung des zwölften Körperringes ist nun ein Vorgang, der sich wäh- rend der Subimaginalperiode der Biene auch an allen übrigen Segmen- ten abspielt, nämlich die Differenzirung der ursprünglich einheitlichen Chitinringe in Rücken- und Bauchschuppe. Hierfür sprechen auch die Beziehungen beider Platten zu einander, wie wir sie am fertigen Insekt beobachten können, wenn man die Verlagerung der letzten Rückenschuppen berücksichtigt. Auch bei Apis deckt die quadra- tische Platte nicht mit ihrem lateralen, sondern mit ihrem postseg- mentalen Rande den dorsalen der oblongen Platte. Eine laterale Membran ist unter die quadratische Platte eingefaltet.

An der Hand der Entwicklungsgeschichte und des morphologischen Vergleiches ist es also auch bei Apis möglich nachzuweisen, dass trotz der Anpassung an specielle Bedürfnisse die dem Chitin- sürtel des Stachelrinnensegmentes entstammenden Stachel- theile die morphologischen Charaktere, wie Sie allen Rücken- und Bauchschuppen zukommen, nicht verleugnen.

Die Afterschuppe ist bei Apis sehr schwach entwickelt, eben so bei An- thidium, Andrena, Bombus, Psithyrus, Chalicodoma, Eucera. Bei Xylocopa violacea beobachtete ich eine etwas stärkere Chitinisirung dieses Segmentes.

Atta cephalotes. (Fig. 3 und 7.)

Während der Stachelapparat der bisher untersuchten Hymenopteren inner- halb einer Gruppe (Crabroniden, Vespiden oder Apiden) nur sehr geringfügigen Modifikationen unterworfen war, ist derselbe bei den einzelnen Arten der Formi- ciden sehr verschiedenartig gebaut. Zwar weist der Stachelapparat der Ameisen die gleichen Theile auf, wie bei den übrigen Hymenopteren, aber dieselben, besonders oblonge und quadratische Platte, sind meist stark modifieirt, so dass wir dieselben gesondert behandeln müssen. Ich stelle daher die Ameisen an das Ende meiner vergleichenden Betrachtung.

Das kugelförmige Abdomen (Fig. 3) wird von den vier Chitinringen der Körpersegmente VII—X umschlossen, da die Segmente V und VI den Hinter-

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 307

leibsstiel bilden. Die letzten Rückenschuppen neigen sich so stark zur Bauch- schuppenebene herunter, dass die zehnte Dorsalschuppe vollkommen senkrecht auf der entsprechenden Bauchschuppe steht (Fig. 3 Xd). Die kugelige Form des Abdomens beeinflusst auch die Anordnung der Stacheltheilee Hebt man nämlich die zehnte Rückenschuppe in die Höhe, so sieht man auf eine schwach nach außen gewölbte Membran (Fig. 7 M), die zwischen den breit aus einander gelegten Stacheltheilen ausgespannt ist. Diese Membran müssen wir als den Chitinmantel des Stachelrinnensegmentes betrachten. In derselben liegen die Theile des Stachelapparates in folgender Anordnung. Median ragen Stachel- rinne (Fig. 7 Sr) und Stechborsten (Fig. 7 St) dorsal, im Gegensatz zu anderen Hymenopteren, bei denen die Rinne anal gerichtet ist. Lateral und dorsal wird die Membran begrenzt von den beiden quadratischen Platten (Fig. 7 qu.P), die jedoch nicht wie bei Apis, plattenförmig, sondern als starke Chitinstäbe entwickelt sind; dieselben sind durch einen dorsalen Bogen verbunden (Fig. 7 db) und werden theilweise von den Rudimenten der elften Rückenschuppe verdeckt. Ventral und median von den quadratischen Platten sind die oblongen Platten (Fig. 7 op) gleichfalls in Gestalt zweier Stäbe sichtbar. Noch mehr ventral ver- laufen Schienen- und Stechborstenbögen (Fig. 7 Srb und Std). Weitere morpho- logische Beziehungen sind zwischen den Stacheltheilen nicht nachweisbar. Trotz des fremdartigen Baues der einzelnen Stücke bleibt mithin die Zahl und Anord- nung der Stacheltheile bei Atta die gleiche wie bei anderen Hymenopteren.

Ganz ähnlichen Verhältnissen begegnen wir nach BryEr bei Myrmica lae- vinodis und nach Drwırz bei Typhlopone oraniensis. Der Stachelapparat dieser beiden Ameisen unterscheidet sich von Atta hauptsächlich durch die mehr plattenförmige Ausbildung der quadratischen Platten, die durch einen dorsalen Bogen in Zusammenhang stehen. Bei Lasius, Camponotus und Formica schwindet auch der dorsale Verbindungsbogen der quadratischen Platten, und der ganze Stachelapparat besteht aus einem System einzelner den Ausgang der Giftdrüse stützender Chitinstäbe, deren richtige Deutung manche Schwierigkeiten ge- boten hat.

Das Resultat der bisherigen Untersuehung ist folgendes.

Bei allen Hymenopteren ist die Gliederung der Haut des zwölften Degmentes nach denselben Regeln erfolgt, die für das übrige abdominale Hautskelett Geltung haben. Die quadratischen Platten (Epipygium) sind der Rückenschuppe, die oblongen Platten sammt dem Rinnenwulst der Bauchschuppe des zwölften Segmentes homolog. Diese Gliede- rung ist jedoch nicht überall gleich deutlich zu erkennen. Die Tere- brantier bieten die ursprünglichsten Verhältnisse dar, da die der Haut des zwölften Körperringes entstammenden Stacheltheile zu einem vollständigen Ringe geschlossen sind, der meist äußerlich siehtbar _ den übrigen abdominalen Chitinringen angereiht ist. Die quadvati- schen Platten sind als einheitliche Rückenschuppe (Epipygium) er- _ halten, deren Beziehungen zu den benachbarten Hautskelettelementen ohne Weiteres verständlich sind. Die Verhältnisse bei Cimbex leiten über zu den Aculeaten, bei denen der Stachelapparat sammt der

202:

308 Enoch Zander,

elften Rückenschuppe in das Abdomen hineingezogen ist. Crabro- niden, Pompiliden und Heterogynen stehen den Terebrantiern am nächsten, da der Chitingürtel des Stachelrinnensesmentes noch einen vollständigen Ring bildet, wenn auch die dorsale Partie desselben zu einem schwachen, die quadratischen Platten verbindenden Bogen redu- eirt ist. Bei den Vespiden ist zwar der ganze Stachelapparat dorsal noch zusammengebogen, aber der Chitingürtel ist in dieser Region unterbrochen. Der Stachelapparat der Apiden schließlich entbehrt jeglichen dorsalen Zusammenhanges und ist mehr in die Breite ge- legt. Dass auch hier die Gliederung des zwölften Körperringes nach den für alle Abdominalsegmente gültigen Regeln erfolgte, konnte mit Hilfe der vergleichenden Untersuchung und der entwieklungsgeschicht- lichen Befunde nachgewiesen werden. Bei den Formieciden gestattete uns nur noch die gleiche Zahl und Anordnung der Stacheltheile wie bei den übrigen wel. einen Rückschluss auf ihren morpho- logischen Werth.

2. Die feinere Skulptur des abdominalen Hautskelettes.

Nachdem wir im Allgemeinen nachgewiesen haben, dass der größere Theil des Stachelapparates sich aus mehr oder weniger stark modifieirten Stücken des Chitinpanzers des vorletzten Abdominal- segmentes zusammensetzt, müssen wir die weitere Frage studiren, ob die am Aufbau des Stachels betheiligten Stücke des Hautskelet- tes auch Eigenthümlichkeiten der feineren Skulptur bewahrt haben, welche an den Panzerstücken voranliegender Körpersegmente vorhanden sind. Unter der feineren Skulptur verstehe ich sekun- däre Verdiekungen, welche während der Subimaginalzeit an den bis dahin gleichmäßig starken Chitingürteln der einzelnen Segmente auftreten. |

Diese Versteifungen des Hautskelettes, die besonders als Leisten und Vorsprünge erkennbar sind, sind in den einzelnen Gruppen der Hymenopteren in sehr verschiedenem Grade entwickelt. Während bei Hylotoma z. B. die Chitinlage der einzelnen Segmente fast überall ziemlich gleichmäßig stark und nur am präsegmentalen Rande kaum merklich verdickt ist, weisen die Bauch- und Rückenschuppen an- derer Terebrantier (Tenthredo, Rhyssa, Sirex) dagegen eine deut- liche präsegmentale Randleiste auf, die schwache orale Fortsätze treibt. Bei den Aculeaten sind derartige Bildungen mächtig entfaltet, so dass intimere Beziehungen zwischen den abdominalen Hautskelett- elementen und den Stacheltheilen nachweisbar sind. Den präsegmen-

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 309

talen Rand der Bauch- und Rückenschuppen zeichnet bei den Acu- leaten stets eine kräftige Präsegmentalleiste (Fig. S V7) aus, die jederseits einen starken Präsegmentalhöcker (Fig. 8 V7) von wechselnder Gestalt entsendet, und sich auf den lateralen Rand als Seitenrandleiste (Fig. 8 SZ) fortsetzt, um hier nach meist kurzem Verlauf zu enden oder sich in manchen Fällen zu einem Lateral- fortsatz (Fig. 8 ZLf) zu verdicken.

Diese orientirenden Bemerkungen vorausgeschickt beginne ich mit der vergleichenden Schilderung meiner Befunde.

A. Die Bauchsehuppen. Apis mellifica. (Fig. 8.)

Längs des präsegmentalen und lateralen Randes jeder Bauch- schuppe zieht eine Leiste (Fig. 8 V7T), die besonders am Präsegmen- talrande stark ausgeprägt ist und am vorderen Rande der Bauch- schuppen ziemlich lateral einen kurzen, zahnartigen, nach vorn und medial gerichteten Präsegmentalhöcker (Fig. 8 VA) besitzt. Von der lateral ziehenden Leiste (Fig. 8 87) springt ein längerer, nach hinten Ssekrümmter, ziemlich spitz auslaufender Zapfen vor, der lateral und dorsal gerichtet ist, der Lateralfortsatz (Fig. 8 Lf). Beide Zapfen dienen Muskeln zur Insertion.

Die ungefähr viereckige Form der Bauchschuppen der vorderen Abdominalsesmente (Fig. 8 VI/v, VITv) geht an den hinteren Seg- menten dadurch in eine mehr abgerundete über, dass die beiden Höcker weiter aus einander rücken und die Verbindungsleiste zwi- schen denselben sich nach außen krümmt (Fig. S VIIZv ete.). Der Präsesmentalhöcker erscheint an den hinteren Segmenten kleiner, verliert mehr und mehr die einer phrygischen Mütze vergleichbare Gestalt und besteht an der zehnten Bauchschuppe (Fig. 8 Xo) nur noch als eine niedrige, halbmondförmige Chitinverdiekung. Während der präsesmentale Rand der sechsten Bauchschuppe (Fig. 8 V/v, V7) zwischen den beiden Höckern (Fig. 8 YA) noch fast geradlinig zieht, buchtet sich der mediane Theil dieser Leiste an den folgenden Bauch- schuppen mehr und mehr in die Schuppe hinein. Dadurch erhält die zehnte Bauchschuppe ein fast herzförmiges Aussehen (Fig. 8 X). Vergleicht man nun die zehnte Bauchschuppe mit dem Stachelapparat, so fällt unser Auge sofort auf die beiden Bogenpaare der Stech- borsten und der Stachelrinne, die der präsegmentalen Randleiste der Bauehschuppen homolog erscheinen. Man braucht sich nur vorzu-

310 Enoch Zander,

stellen, dass die mediane Einbuchtung der Randleiste in die elfte und zwölfte Bauchschuppe noch weiter eindrinst und eine schmale mediane Zone der Leiste nicht mehr entwickelt wird, so erscheint es begreiflich, dass die Bogentheile des Stachelapparates den Randleisten zweier Segmente entsprechen, und dass ihre beiden getrennten Schenkel mit den aus der medianen Zone der Bauchschuppen hervorwuchernden Stechborsten und Stachelrinne verwachsen seien.

Diese Deutung der Bögen des Stachelapparates als Präsegmental- leisten der elften und zwölften Bauchschuppe wird durch das Studium des Bauchschuppenreliefs anderer Hymenopteren bestätigt und ergänzt.

Vespa crabro.

Während bei Apis die Präsegmentalleiste an der zehnten Bauch- schuppe median zwar stark eingebuchtet war, aber noch ununterbrochen und gleich stark zwischen den beiden Höckern verlief, ist an der gleichen Schuppe bei Vespa crabro die mediane Verbindung nicht mehr vollständig ausgebildet.

Der starken Präsegmentalleiste der sechsten Bauchschuppe sitzt oral eine breite Lamelle auf, welche jederseits in einen mächtigen Höcker übergeht, in den schwach entwickelte Zweige der Prä- sesmentalleiste hineinziehen. Der Seitenrand ist schwach chitinisirt und trägt im hinteren Drittel eine winzige zahnartige Verdiekung.- An den nächsten Bauchschuppen ist der Präsegmentalhöcker kleiner und schmäler; die Präsegmentallamelle schwindet besonders in ihrem medianen Theile. An der zehnten Bauchschuppe ist der Präsegmental- höcker zwar noch stark entwickelt, aber schmäler als an allen vor- hergehenden. Die Lamelle ist fast vollständig verschwunden und die Leiste nur in der dicht an den Höcker grenzenden Region entwickelt. In Folge dessen erscheinen diese Verhältnisse geeignet, die für Apis ausgesprochene Deutung zu ergänzen, in so fern als bei Vespa crabro die Präsegmentalleiste entsprechend dem getrennten Verlauf der beiderseitigen Stechborstenbögen schon an der letzten freien Bauch- schuppe median nur noch schwach entwickelt ist.

Ganz analoge Beziehungen zwischen Stachelbögen und Prä- segmentalleiste beobachten wir bei

Atta cephalotes. (Fig. 9.) An der Bauchschuppe des siebenten Segmentes sind Präsegmental- und Seitenrand stark verdickt. Von den Präsegmentalecken erhebt

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 311

sich jederseits ein kräftiger zahnartiger Vorsprung, der Präsegmental- höcker (Fig. 9 VA). Die achte Bauchschuppe bildet einen Halbring mit annähernd parallelen Rändern (Fig. 9 VI/Tv). Der stark chitini- sirte Präsesmentalrand (Fig. 9 Ve) trägt einen breiten, sattelförmigen Präsesmentalhöcker (VA) und setzt sich als rundlicher Grat (Fig. 9 87) auf den Seitenrand fort; der Seitenrand ist nur in der vorderen Partie stärker chitinisirt. Etwas hinter der Mitte desselben erhebt sich auf eine kurze Strecke ein niedriger, stark chitinisirter Grat. Die folgen- den Bauchschuppen werden besonders in der Längsrichtung des Kör- pers schmäler, und ihre laterale Randpartie rundet sich nach hinten zu mehr und mehr ab. Die neunte Bauchschuppe (Fig. 9 /X v) weicht 'in ihren Formeigenthümlichkeiten nur in so weit von der achten ab, als zwischen den beiden Höckern (V%), die niedrig geworden sind, die Präsegmentalleiste nicht mehr gerade, sondern median schwach eingebuchtet verläuft. Die zehnte Bauchschuppe ist besonders in ihrem medianen Bezirk sehr schmal geworden. Außerdem hat sich die Präsegmentalleiste median stark in die Bauchschuppe einge- buchtet und ist an dieser Stelle nur als ganz schwache Leiste nachweisbar. Die stärkeren lateralen Partien der Präsegmentalleiste ziehen von hier aus zunächst ziemlich gerade nach außen und vorn, um sich an den lateralen Ecken unter bogenförmiger Krümmung auf den Seitenrand fortzusetzen und hier nach kurzem Verlauf schroff und schwach verbreitert (Fig. 9 *) zu enden. Ganz homolog verläuft der Stechborstenbogen bei Atta (Fig. 7 Std). Von der Stech- borste (Fig. 7 St) geht unter stumpfem Winkel ein schlanker gerader Bogen aus, der schräg nach vorn und lateral zieht und sich erst im lateralen Bezirk leicht umbiest, um sich am Ende zum Winkel zu verdicken (Fig. 7 w).. Auch bei Myrmica laevinodis und Typhlopone oraniensis ist, nach den Abbildungen von BzEyEr und Dewrrz zu urtheilen, das gleiche Verhalten des Stechborstenbogens zu beob- achten.

Interessant und für die morphologische Deutung der Bögen des Stachelapparates wichtig ist die Untersuchung der in Frage kom- menden Bauchschuppenpartien von

Chrysis fulgida. (Figg. 10 und 11.) Bei den Chrysiden setzen sich bekanntlich an Stechborsten und Stachelrinne nieht wie bei Apis lateral divergirende, gekrümmte Bögen an, sondern dieselben verlaufen (Fig. 10 Std, Srd) parallel

312 Enoeh Zander,

mit einander und mit der Längsachse des Körpers gerade nach vorn. Ein ganz ähnliches Verhalten beobachten wir an der Präsegmentalleiste der Bauchschuppen (Fig. 11).

Die nahezu quadratische Form der sechsten Bauchschuppe (Fig. 11 V Tv) geht an den folgenden Schuppen mehr und mehr in eine schmal-rechteckige über. An der sechsten Bauchschuppe ist, die Präsegmentalleiste (V7) median schwach in die Bauchschuppe eingesenkt und erhebt sich lateral zu je einem niedrigen Präseg- mentalhöcker {V7). Die präsegmentale Partie der siebenten Bauch- schuppe zeigt einen tiefen, herzförmigen Einschnitt, der von der schmalen Präsegmentalleiste (V7) begrenzt ist; der Höcker (V}) ist etwas höher, wie an der vorhergehenden Schuppe, und spitzig. Median setzt sich die Präsegmentalleiste als ganz schwache Ver- diekung auf die Ränder eines die Bauchschuppe in zwei symme- trische Hälften theilenden Trennungsspaltes fort; dadurch zerfällt auch die Präsegmentalleiste in zwei Stücke. An der achten Bauchschuppe (Fig. 11 V/IIv) sind diese beiden Theilstücke weiter aus einander und dem lateralen Bauchschuppenrande näher gerückt. Schmale Partien der Segmentwandung setzen sich den beiden Leisten median und oral lamellenartig an. Ein eigentlicher Präsegmentalhöcker ist nicht mehr vorhanden. Die neunte Bauchschuppe (Fig. 11 /Xo), welche um die Hälfte schmäler ist als die achte, trägt die Theil- stücke der Präsegmentalleiste (W7) als schwach gekrümmte Leisten, annähernd parallel mit einander nahe dem Seitenrande ziehend. Die median-orale Partie der zehnten Bauchschuppe (Fig. 11 Xo) ist bis auf geringe, den Theilstücken der Präsegmentalleiste anliegende Reste redueirt, so dass dieselben als schmale Stäbe frei über den oralen Bauchschuppenrand vorragen (Fig. 11 V7Z). Die leicht ge- bogenen analen Enden der beiden Leisten sind einander median etwas näher gerückt. Denkt man sich nun, dass an der elften und zwölften Bauchschuppe die mediane Körperwand noch weiter redueirt wird, so müssen schließlich die beiden Präsegmentalstäbe vollkommen frei liegen, um als Stechborsten- und Schienenbögen mit den Geschlechtsanhängen zu verwachsen.

Der in engster Beziehung zur Präsegmentalleiste stehende Präsegmentalhöcker lässt sich auch an den Bögen des Stachel- apparates vielfach deutlich nachweisen. Bei den meisten Aculeaten gehen nämlich die Bögen an ihren lateralen Enden nicht direkt in den Winkel, beziehungsweise den Stiel der oblongen Platte über, sondern verlängern sich über die Ansatzstelle des Winkels und der

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 313

oblongen Platte hinaus lateral zu mehr oder minder deutlichen Fort- sätzen, den Bogenfortsätzen (Fig. 12 Srf). Bei Apis, manchen Cra- broniden und Pompiliden ist dieser Zapfen zwar vorhanden, aber wenig ausgebildet. Am Schienenbogen von Bombus ist derselbe je- doch sehr kräftig entwickelt (Fig. 12 Srf) und ragt als langer, leicht- sebogener Fortsatz dorsal. Er muss seiner ganzen Lage nach dem Präsesmentalhöcker der Bauchschuppen (Fig. 13 VAR) homolog gesetzt werden. Der letztere steht nämlich bei Bombus an den präsegmen- talen Ecken der annähernd viereckigen Bauchschuppen und ist durch einen nasenartig nach hinten gerichteten Fortsatz ausgezeichnet. An der zehnten Bauchschuppe (Fig. 13) ist der Höcker bedeutend schmäler aber länger und erhebt sich genau an der gleichen Stelle, an der sich am Schienenbogen (Fig. 12) der Bogenfortsatz erhebt, so dass wir in beiden homologe Bildungen erblicken müssen.

Wenn in anderen Fällen ein Bogenfortsatz nicht entwickelt ist, und der Stechborstenbogen, wie z. B. bei Chrysiden und Formieciden (Fig. 7 und 10), direkt in den Winkel übergeht; dann ist auch der Präsesmentalhöcker entweder an allen Bauehschuppen sehr schwach, wie bei den Chrysiden, oder er obliterirt schon an den letzten freien Bauchsehuppen (Atta).

Der morphologische Vergleich, welcher die Deutung der Bogen- paare als Präsegmentalleisten der elften und zwölften Bauchschuppe unzweifelhaft sicherstellt, ergänzt und bestätigt so die entwicklungs- geschichtlichen Resultate und beseitigt zugleich die bis jetzt bestehen- den Widersprüche. KRAEPELIN lässt zwar die beiden Bogenpaare aus einer Verdickung am Vorderrande der zwölften Bauchschuppe hervorgehen, aber schon Dewırz und KAHLENBERG wiesen nach, dass diese Partien in zwei verschiedenen Bauchschuppen entstehen. Während DewIrz beide Bögen aus den Anhängen hervorwachsen lässt, beobachtete KAHLENBERG, dass die Schienenbögen als bogen- förmige Verdickungen der Körperwand am Präsegmentalrande der zwölften Bauchschuppe angelegt werden. Die Stechborstenbögen betrachtet KAHLENBERG allerdings als die oralen Theile der Stechborsten, wenn er sagt, dass diese Partie, lateral gebogen, als künftige Borsten- schenkel charakterisirt sei. Ich habe aus KAHLENBERG’S Präparaten jedoch diesen Eindruck nicht gewinnen können.

Die vergleichende Betrachtung der Präsegmentalleiste und der Bogenpaare des Stachelapparates lässt uns in beiden homologe Bildungen erkennen und zwar entspricht der Stechborstenbogen der Präsegmentalleiste der elften

814 Enoch Zander,

und der Schienenbogen derjenigen der zwölften Bauch- schuppe. Von der elften Bauchschuppe bleibt fast nur die Prä- segmentalleiste erhalten und der übrige Theil der Schuppe wird nicht chitinisirt, am zwölften Segmente setzen sich noch Theile der schwächeren Bauchschuppenwandung dem Schienenbogen an. Gemäß dem allgemeinen Gesetze, dass jede vorhergehende Bauchschuppe die nächstfolgende deckt, lagern die Bögen der Stechborsten, d. h. die Präsegmentalleiste des elften Sesmentes den Schienenbögen, d. h. der Präsegmentalleiste des zwölften Segmentes ventral auf.

Auch der Lateralfortsatz der Bauchschuppen steht in Be- ziehung zum Stachelapparat.

Apis mellifica. (Fig. 8.)

An der sechsten Bauchschuppe (V7v) steht der Lateralfortsatz (ZLf) mit dem Präsegmentalhöcker (V%) in ungefähr gleichem Niveau, so dass der Anschein erweckt wird, als bilde er die Fortsetzung der Präsegmentalleiste (V7), aber an allen übrigen Bauchschuppen ist er mehr lateral gerückt, indem die Verbindungsleiste zwischen beiden Fortsätzen sich mehr in die Länge streckt. Die vorderen Eeken der Bauchschuppen runden sich allmählich ab und gleichzeitig krümmt sich der laterale Zapfen so stark nach hinten, dass er an der zehn- ten Bauchschuppe der lateralen Chitinleiste fest anliegt und mit ihr bis auf die äußerste Spitze verwächst (Fig. 8 X).

Betrachtet man den Lateralfortsatz der zehnten Bauchschuppe bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 14) und vergleicht damit das Bild des Winkels derselben Seite (Fig. 15), so fällt die eminente Ähnlich- keit beider in die Augen. Längs des lateralen Randes der zehnten Bauchschuppe zieht eine starke, dunkelgefärbte Randleiste (Fig. 14 2), sie verjüngt sich (Fig. 14 7) gegen die Ansatzstelle des Lateralfort- satzes (Fig. 14 ZLf), sich schwach gegen denselben krümmend, um dann weiter nach vorn ziehend rasch spitz zu enden (Fig. 14°). Ein vom Präsegmentalrande ausgehender, breiter, aber minder starker Saum (Fig. 14 Cs) legt sich außen der Randleiste an, verbreitert sich nach hinten zu allmählich und endet an der Stelle, wo sich die starke, dunkelgefärbte Seitenrandleiste (727) unter Verjüngung (+) nach außen krümmt, in einem rückwärts gerichteten Zapfen (Fig. 14 Zf), der durch eine schwächere, annähernd halbmondförmige Chitinmembran Fig. 14 M) mit der starken Randleiste (72) verbunden ist. Alle diese Einzelheiten sind auch dem Winkel aufgeprägt (Fig. 15). Die

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 315

bogenförmige Krümmung (Fig. 15 7) der hinteren starken Randleiste erkennen wir in dem mit + bezeichneten Wulst. Von demselben zieht in genau der gleichen Weise, wie an der zehnten Bauchschuppe eine schwache Chitinleiste (Fig. 15*) nach vorn, um sich nach dem Stechborstenbogen hin zu verlieren. Vom Stechborstenbogen geht wie an der zehnten Bauchschuppe, eine breite Chitinlamelle (Fig. 15 Os) aus, die in der Gegend der bogenförmigen Leiste (7) sich zum äußeren Zapfen des Winkels (Zf) verdickt, der mit der Bogenleiste (F) durch eine starke Membran (M) verbunden ist.

Lateralfortsatz und Winkel sind mithin bei Apis ho- mologe Bildungeu und morphologisch nichts weiter als einfache Verdiekungen der Seitenrandleiste mit dem ge- meinsamen physiologischen Zwecke, Muskeln zur Inser- tion zu dienen.

Dieses Resultat bestätigt und erweitert die embryologischen Be- funde Nach den Untersuchungen von KRAEPELIN, DEwITrz (?) und BEYER entsteht der Winkel am lateralen Rande der elften Bauch- schuppe. KAHLENBERG beobachtete, dass sich das hintere Ende des Stechborstenbogens zum Winkel verdickt. Aber während die Ent- wicklungsgeschichte den Eindruck erweckt, als wäre der Winkel eine Neubildung des elften Segmentes, lehrt die morphologische Be- trachtung, dass wir bei Apis in demselben nur eine Form- eisenthümlichkeit zu erblicken haben, die in gleicher Weise allen vorhergehenden Bauchschuppen zukommend, in diesem Segmente besonders stark entwickelt wird, nämlich den Lateralfortsatz.

Bei anderen Hymenopteren sind die morphologischen Beziehungen des Winkels zum Lateralfortsatz weniger deutlich, weil der letztere meist zu schwach entwickelt ist, um eine so eingehende Vergleichung _ wie bei Apis zu gestatten.

Vespa crabro.

An der zehnten Bauchschuppe hat sich die Präsegmentalleiste etwa unter rechtwinkliger Kniekung auf das vordere Drittel des Seitenrandes fortgesetzt und ist hier im Gegensatz zu den vorher- gehenden Bauchschuppen stark verdickt. Diese Seitenrandleiste erhebt sich an ihrem hinteren Ende zu einem schwachen Fortsatz, der dem Lateralfortsatz der zehnten Bauchschuppe bei Apis ent- spricht.

Der Winkel spiegelt diese wenig plastisch ausgeprägten Ver-

916 Enoch Zander,

hältnisse der zehnten Bauchschuppe getreu wieder, indem er einen längeren Stamm erkennen lässt, der sich am hinteren Ende ver- breitert und verdickt und zwei kurze Fortsätze treibt, die mit der oblongen und quadratischen Platte artikuliren. Der Winkel ist mit dem Stechborstenbogen seiner Herkunft gemäß verbunden und von demselben rechtwinklig abgesetzt. Der winzige Lateralfort- satz der zehnten Bauchschuppe, die Stelle bezeichnend, wo sich die Seitenrandleiste zur hinteren Winkelpartie verdickt, entspricht dem dorsalen Fuß des Winkels. Der unpaare Stamm des Winkels ist der verdickten Seitenrandleiste homolog, die sich eben so wie der Winkel vom Stechborstenbogen, von der Präsegmentalleiste recht- winklig absetzt.

Während bei Vespa crabro, wie überhaupt bei den meisten Tıymcnopteren, der Winkel deutlich und rechtwinklig vom Stech- borstenbogen abgesetzt ist, und der letztere stets mit einem mehr oder weniger kräftigen Bogenfortsatz den Winkel überragt, geht bei Chrysiden und Formieiden der Bogen unter schwacher Krümmung direkt in den Winkel über (Figg. 7 und 10). In diesen Fällen setzt sich auch die Präsegmentalleiste nicht unter rechtwinkliger Kniekung, sondern bogenförmig auf den Seitenrand fort, um hier, wie dies die zehnte Bauchschuppe von Atta (Fig. 9 Xo) sehr schön veranschaulicht, nach kurzem Verlaufe schroff und schwach verbreitert zu enden. Man braucht sich nur vorzustellen, dass an der elften Bauchschuppe das Ende der Seitenrandleiste noch stärker verdiekt wird, während die schwächer chitinisirte Bauchschuppenwandung obliterirt, so steht der Vergleichung des Winkels mit jener Partie nichts im Wege.

Von der elften Bauchschuppe bleibt also nur die Prä- segmental- und Seitenrandleiste sammt deren Höckern und Fortsätzen erhalten, die zweckmäßig modifieirt als Stechborstenbogen und Winkel an den Stachelapparat herantreten.

Wenden wir uns jetzt zur zwölften Bauchschuppe, so ist zunächst die Stachelrinne als ventraler Anhang außer Acht zu lassen und nur die übrigen in der Bauchwand liegenden Theile, oblonge Platten, Schienenbögen, Rinnenwulst und Gabelbein in Betracht zu ziehen. Da von diesen die Schienenbögen schon als Präsegmental- leiste der zwölften Bauchschuppe gedeutet wurden, bespreche ich so- gleich die morphologische Vergleichung der lateralen Bauchschuppen- partie und der oblongen Platte.

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 317

Apis mellifica.

Während der größere Theil der elften Bauchschuppe zu Grunde seht und nur der Lateralfortsatz als Winkel mächtig entfaltet wird, ist an der zwölften Bauchschuppe das Umgekehrte der Fall. Nur der an die vordere Partie der Seitenrandleiste grenzende Bezirk der Bauehsehuppe wird redueirt, so dass die laterale Leiste als schmaler »Stiel der oblongen Platte« dem unpaaren Stamm des Winkels homolog erschemt (Fig. 16). Der übrige Theil der lateralen Fläche wird zur oblongen Platte umgebildet, die ihre eigenthümliche Gestalt hauptsächlich durch die laterale Randleiste der zwölften Bauchschuppe erhält. Eine von hinten kommende Randleiste (Fig. 16 77) zieht an der oblongen Platte in ihrer ganzen Ausdehnung nach vorn bis zu der Stelle, wo beim Winkel die von vorn kommende äußere Lamelle (Fig. 15 Cs) sich in den dorsalen Zapfen (Lf) verlängert. Dieser Zapfen ist auch an der oblongen Platte vorhanden, aber nicht so deutlich ausgeprägt, wie am Winkel (Figg. 15 u. 16 Zf), eben so ist die Lamelle stark redueirt (Fig. 16 Cs) und liegt als schmaler Streif dem Plattenstiel (Fig. 16 *) an.

Als Neubildung tritt in der oblongen Platte eine verdickte Chitinleiste (Fig. 16 N) auf, die bogenförmig vom hinteren Ende der Platte bis zum Lateralfortsatz (Fig. 16 Zf) verläuft.

Ganz ähnlich sind die oblongen Platten der meisten anderen Hymen- _ opteren gebaut. Bei Bombus {Fig. 13 Zf) endet nur an der zehnten Bauch- ‚schuppe die Seitenrandleiste in einem kurzen, nach vorn gerichteten, Lateral- fortsatz (Zf). Auch an der oblongen Platte ist der entsprechende Fortsatz in derselben Weise gekrümmt (Fig. 12 Zf). Die große oblonge Platte von Vespa erabro ist durch einen langen kräftigen Stiel mit dem Schienenbogen verbunden. Dieser Stiel entspricht wie bei Apis dem vorderen Theile der Seitenrandleiste und ist somit auch dem Stamm des Winkels homolog. Der Schienenbogen verlängert sich eben so wie der Stechborstenbogen über die Ansatzstelle des Stiels der oblongen Platte hinaus in einen nach hinten gerichteten Fortsatz.

Während bei Apiden, Vespiden, Crabroniden und Pompiliden an einer schmalen Zone zwischen Schienenbogen und oblonger Platte die Chitinablagerung unterbleibt, so dass der orale Rand der oblongen Platte nicht direkt an den präsegmentalen Schienenbogen stößt und mit demselben nur durch den von der Seitenrandleiste gebildeten schmalen Stiel in Verbindung steht, ist bei Formieiden und Tere- brantiern die Scheidung der beiden ein und demselben Segmente zu- gehörigen Theile nicht vollzogen, da die oblongen Platten in ihrer ganzen Breite mit dem Schienenbogen verwachsen sind. Eine in ge-

318 Enoch Zander,

ringerem Grade ausgesprochene Trennung dieser Partien bemerken wir schon bei Heterogynen und Chrysiden (Fig. 10. Bei denselben ist das laterale Ende des Schienenbogens stark verbreitert: diese Partie besitzt die Form eines Dreiecks, an dessen anale Spitze sich die oblonge Platte direkt ansetzt, so dass ein längerer Stiel nicht mehr ausgebildet ist. In diesen Fällen ist offenbar nicht allein die Seiten- randleiste, sondern auch die an den oralen Theil derselben und die Präsegmentalleiste angrenzende Bauchschuppenwandung noch erhalten. Am vollständigsten ist, wie schon angedeutet wurde, die laterale Partie der zwölften Bauchschuppe bei manchen Formieiden und Terebrantiern nachweisbar, da bei denselben die ganze seitliche Wand der zwölften Bauchschuppe dem Stachelapparate angegliedert ist, ohne dass ein Stiel der oblongen Platte differenzirt wurde. Sehr deutlich erkennen wir diese Verhältnisse am Stachelapparate von Atta cepha- lotes (Fig. 7). Die eigentliche oblonge Platte besteht hier aus einer starken Spange, die als laterale und postsegmentale Randverdiekung der zwölften Bauchschuppe aufzufassen (Fig. 7 Op) ist. Diese und den präsegmentalen Schienenbogen verbindet die schwächere Bauch- schuppenwandung. Auch bei Typhlopone oraniensis schildert DewItz den untrennbaren Zusammenhang von Schienenbogen und oblonger Platte.

Da schon bei der Schilderung der Gliederung des Stachelappa- rates von Apis darauf hingewiesen wurde, dass die Deutung der ob- longen Platte als laterale Zone der zwölften Bauchsehuppe durchaus mit den Resultaten der entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen in Einklang steht, wende ich mich zur Schilderung der übrigen zur zwölften Bauchschuppe gehörenden Stacheltheile.

Die mediane Zone der zwölften Bauchschuppe ist schon oben (p. 299) in ihrer Umbildung zum Rinnenwulste gewürdigt worden.

Einer etwas eingehenderen Besprechung bedarf dagegen das Gabelbein. Dasselbe tritt als eine Zone stärkerer Chitinablagerung in der vorderen medianen Partie des Rinnenwulstes auf und ist ent- gegen den Angaben von KRAEPELIN und BEYER, die dasselbe zum elften Segment rechnen, als zur zwölften Bauchschuppe gehörig zu betrachten. Gehörte dasselbe nämlich zur elften Bauchschuppe, so müsste es unbedingt zwischen den beiden Stechborsten ventral von der Stachelrinne liegen. Thatsächlich liegt es aber dorsal von der- selben. Es kann also nur der zwölften Bauchschuppe entstammen, zumal auch der Rinnenwulst, mit dem das Gabelbein verwachsen ist, dorsal von der Stachelrinne sich zwischen den oblongen Platten

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 319

ausspannt. Auch entwicklungsgeschichtlich lässt sich die Zugehörig- keit des Gabelbeins zum Hautskelett des zwölften Segmentes leicht nachweisen. Auf medianen Längsschnitten durch das Abdomen von Apis sieht man während der Subimaginalzeit sehr deutlich, dass sich die an das orale Ende der Stachelrinne angrenzende Partie der Segmenthaut (Fig. 17 F) dorsal und anal tütenförmig unter Verdiekung eingesenkt hat und dass in dieser Einsenkung das Gabelbein entsteht. Das Gabelbein ist mithin eine einfache Verdiekung der vorderen medianen Partie des Rinnenwulstes, die nur am zwölften Segmente auftritt und dem Ansatz von Muskeln dient. Für diese Auffassung spricht auch die Thatsache, dass die Entwicklung des Gabelbeins in den einzelnen Hymenopterengruppen sroßen Schwankungen unterworfen ist; bei den Terebrantiern fehlt dasselbe sogar vollständig.

B. Die Rückenschuppen.

Das Relief der Rückenschuppen bietet wenig Bemerkenswerthes. Nur die Präsegmentalleiste und die für die Rückenschuppen charakteristischen Stigmen bedürfen einer etwas eingehenderen ‚Schilderung.

Die Präsegmentalleiste ist in den einzelnen Gruppen der Hymenopteren mehr oder weniger stark entwickelt und entsendet lateral vielfach je einen Präsegmentalhöcker.

An den Rückenschuppen der Terebrantier sind sekundäre Wand- verdickungen eben so wenig deutlich entwickelt wie an den Bauch- schuppen. Das Epipygium, das im Allgemeinen stärker chitinisirt ist, wie die vorhergehenden Hautskelettelemente, schließt bei der Mehrzahl der Terebrantier sich in seiner Form den übrigen Rücken- schuppen so eng an und wurde in seiner morphologischen Bedeutung schon oben so eingehend gewürdigt, dass jede weitere Besprechung überflüssig ist.

Bei sämmtlichen Aculeaten erleidet die zwölfte Rückenschuppe mehr oder weniger tiefgreifende Modifikationen, besonders dadurch, dass der größere Theil der ursprünglichen zwölften Rückenschuppe obliterirt. Schon bei Cimbex kann man beobachten, dass das Epipy- sium aus zwei größeren lateralen Platten gebildet wird, die im Gegensatz zu anderen Terebrantiern nur durch einen stark verdickten, breiten, dorsalen Bogen verbunden sind. In ganz ähnlicher Weise werden auch die quadratischen Platten der Crabroniden, Pompiliden und Heterogynen durch einen, wenn auch schwächeren, Chitinbogen

320 Enoch Zander,

dorsal zusammengehalten. Den quadratischen Platten der Vespiden fehlt ein kontinuirlicher dorsaler Verbindungsbogen; zwei vom analen Rande der Platten ausgehende Chitinfortsätze habe ich oben als Reste des dorsalen Bogens angesprochen.

Es entsteht nun die Frage, ob diese dorsale Chitinbrücke eine der zwölften Rückenschuppe eigene Neubildung oder der Präseg- mentalleiste der vorhergehenden Rückenschuppen zu vergleichen ist. Dass das Letztere der Fall ist, lässt sich selbst für die beträchtlich modifieirten quadratischen Platten der Vespiden durch eine sorgfäl- tige Vergleichung mit den übrigen Rückenschuppen nachweisen.

Vespa crabro. (Fig. 18.)

Die Rückenschuppen VI/—X sind übereinstimmend geformt. Jede derselben trägt ein laterales Stigma (Sy) und ist durch eine starke gerade Präsegmentalleiste (Y7) ausgezeichnet, der wie bei den Bauchschuppen eine breite Lamellle (Z) aufsitzt, die sich lateral zu je einem großen Präsegsmentalhöcker (YA) von annähernd dreieckiger Form erhebt. An der zehnten Rückenschuppe macht sich eine all- semeine Reduktion geltend. Die Präsegmentalleiste obliterirt in der Höckergegend; dieser selbst und die Lamelle werden kleiner. An der elften Rückenschuppe der Vespiden ist die Reduktion noch weiter geschritten, während dieselbe bei Crabroniden, Pompiliden und Heterogynen meist vollständig erhalten ist; die Lamelle ist ver- schwunden; vom Präsesmentalhöcker ist nur noch eine winzige Spitze vorhanden. Die Präsegmentalleiste ist dagegen noch sehr stark, während die ganze mediane Partie der Rückenschuppe bis an die Präsegmentalleiste redueirt ist, so dass die elfte Rückenschuppe aus zwei lateralen Stücken besteht, die durch einen star- ken dorsalen Bogen verbunden sind (Fig. 18 db). Jedes Stück trägt ein Stigma. Seitlich vom Stigma tritt in jeder Platte als neues Gebilde eine Hautverdiekung auf, die als starke Chitinleiste (Fig. 18 N) vom vorderen lateralen zur Mitte des hinteren Randes verläuft. Die Form der lateralen Stücke der elften Rückenschuppe entspricht genau der lateralen Partie der zehnten Rückenschuppe (Xd). Wenden wir uns jetzt der quadratischen Platte (Fig. 18 X//d) zu, so fällt zunächst die eminente Formähnlichkeit mit der elften Rückenschuppe auf. Bei beiden ist der laterale Rand in der Mitte in gleicher Weise leicht eingebuchtet, während der hintere hand stark nach außen gebogen verläuft. Schon diese geringfügigen

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 391

Formeigenthümlichkeiten charakterisiren die quadratischen Platten als Endglied einer Reihe von Umbildungen, denen die einzelnen Rückenschuppen unterworfen sind. Betrachtet man die seitliche Partie der neunten Rückenschuppe (Fig. 18 /Xd), so sieht man, dass die annähernd dreieckige Form derselben an der zehnten (Xd) in eine mehr viereckige übergeht, um sich an der elften und zwölften mehr und mehr abzurunden. Noch schärfer tritt diese Stellung der quadratischen Platte in andern Eigenthümlichkeiten hervor. Während nämlich bei sämmtlichen Crabroniden, Pompiliden und Heterogynen ‚die durch den dorsalen Verbindungsbogen repräsentirte Präsegmen- talleiste der elften Rückenschuppe auch an den quadratischen Platten noch als kontinuirlicher Bogen die seitlichen Partien verbindet, finden sich bei Vespa crabro an der entsprechenden Stelle nur zwei laterale Fortsätze (Fig. 18 X//d, db), die über das Aftersegment (XIH in Fig. 5) herübergreifen. Die an die Präsegmentalleiste srenzende, annähernd dreieckige, Randzone der quadratischen Platte (Fig. 18 XIId) ist median umgebogen und bildet so eine lateral offene Rinne. Diese umgeschlagene Partie erhebt sich oral zu einem als Gelenkhöcker für den Winkel dienenden kleinen Fortsatz, der unzweifelhaft dem Präsegmentalhöcker der übrigen Dorsalschuppen entspricht.

Während bei der Mehrzahl der Aculeaten die quadratischen Platten als breite Stücke dem Stachelapparate angefügt werden, sind dieselben bei den Chrysiden und manchen Ameisen in Gestalt zweier langer Chitinstäbe entwickelt. Dass diese Stäbe nichts An- deres vorstellen als die Präsegmentalleiste der zwölften Rücken- schuppe, lehrt in demonstrativer Weise die morphologische Vergleichung der Rückenschuppen von

Chrysis fulgida. (Fig. 19.)

Die achte Rückenschuppe (VZI1d) ist stark ventral gewölbt, ihr präsegmentaler Rand tief herzförmig ausgeschnitten und stark ver- diekt (77). Von der Mitte der Präsegmentalleiste geht median eine starke Wandverdickung aus, die anal etwa bis zur Mitte der Rücken- schuppe reicht. Die neunte Rückenschuppe ist mehr in die Länge gestreckt; ihre präsegmentale Randleiste (V7) ist tiefer in die Rücken- schuppe eingesenkt und an den oralen Enden leicht verdickt, während die lateralen Hautpartien membranös geworden sind. Die mediane

Wandverdickung erstreckt sich, wenn auch nur schwach chitinisirt, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd, 21

322 Enoch Zander,

bis an den analen Rand der Schuppe. Die vordere Partie der zehn- ten Rückenschuppe (Xd) ist noch schmäler; die Präsegmentalleiste hat sich anal tief eingesenkt und setzt sich median als stark chitini- sirte unpaare Wandverdieckung nach hinten fort, um vor dem post- sesmentalen (analen) Rande mit zwei kurzen Gabelästen zu enden. “Nur die anale Partie der zehnten Rückenschuppe ist noch etwas stärker chitinisitt. An der elften Rückenschuppe (XI/d) ist die schwächere präsegmehtale (orale) Wandung obliterirt, so dass diese kückenschuppe die Form eines Spatens mit gegabeltem Stiel erhält. ‚Die Präsegmentalleiste (V7) ist bis auf einen kurzen unpaaren Stamm oral und anal in zwei unter spitzen Winkeln konvergirende Stäbe zerfallen. Die quadratischen Platten (Fig. 10 gu.P) sind das Endglied dieser Umbildungsreihe, da an derselben die Prä- segmentalleiste vollständig in zwei Stäbe (gw.P) gespalten ist, die durch Reste der schwächeren Rückenschuppen- wandung zusammengehalten werden (Fig. 10 db).

Wenn wir die verschiedenen Formen zusammenstellen, in denen -uns die zwölfte Rückenschuppe der Larve am Imago begegnet, so kann es nicht entgehen, dass dieselbe besonders bei den Aculeaten einer weitgehenden, in den einzelnen Gruppen graduell verschie- denen, Reduktion unterworfen ist, der selbst die verdickte Präseg- mentalleiste nicht Stand zu halten vermag. Das einheitliche Epipy- gium der Terebrantier steht den echten Rückenschuppen am nächsten. An Stelle desselben beobachten wir bei den meisten Aculeaten zwei quadratische Platten, welche durch die Präsegmentalleiste dorsal zusammengehalten werden. Während nun bei Vespiden und Apiden die quadratischen Platten nur in so fern modifieirt werden, als bei ersteren der mediane Theil der Präsegmentalleiste theilweise, bei letzteren vollständig obliterirt, wird bei den Chrysiden und manchen Formiciden die ganze Rückenschuppenwandung bis an die Präseg- mentalleiste, ja im extremsten Falle sogar diese selbst bis auf je ein laterales Stück redueirt.

Da für die meisten Rückenschuppen je ein Stigmenpaar charakteristisch ist, würde meine morphologische Deutung der quadra- tischen Platten an Sicherheit gewinnen, wenn auch an diesen Stigmen nachzuweisen wären. Über das Vorhandensein eines solchen sind verschiedentlich Angaben gemacht worden. So beschreibt Dewırz (16b) die quadratischen Platten von Typhlopone oraniensis folgendermaßen: »Seitlich von den Scheiden liegt eine große Chitinplatte mit einem großen Stigma am Hinterrande. In natürlicher Lage nimmt dieselbe

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten.

Von Dr. R. Wolfg. Hoffmann.

Mit Tafel XX—XXI und 5 Figuren im Text. _

- (Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.)

| | Entwicklung des Darmtractus.

Die Gründe, welche mich veranlassten die Genese des Oligo- chätendarmes eingehend zu studiren, waren mannigfaltiger Art. Zu- nächst bietet schon die Homologisirung der einzelnen Darmabschnitte mit denjenigen anderer Anneliden gewisse Schwierigkeiten. Wäh- rend nämlich bis jetzt bei allen übrigen Anneliden für. Ösophagus und Pharynx eine ektodermale Herkunft nachgewiesen worden war, sollte bei den Oligochäten der Pharynx aus dem Ektoderm, der Ösophagus aus dem Entoderm herzuleiten sein!. VEsDoVskY, der den eben erwähnten Befunden älterer und jüngerer Forscher An- fangs zustimmte, kommt indessen am Ende seiner entwicklungs- geschichtlichen Untersuchungen bei Rhynchelmis zur Überzeugung, dass auch der Pharynx entodermaler Natur sei, und dass das Stomo- däum nur einen ganz geringfügigen Abschnitt des Verdauungstractus darstelle. Er hält es überdies für wahrscheinlich, dass sich diesel- ben Verhältnisse auch bei den Lumbrieiden auffinden lassen, sofern die Anfänge der Pharynxbildung in jüngeren Stadien wie bisher gesucht werden, »wo sich das angeschwollene Archenteron von vorn nach hinten zu verengen beginnt«.

Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass die vor-

i Auf die Art und Weise, wie EısıG es versucht, basirend auf seinen Befunden bei Capitelliden, die Verhältnisse der Oligochäten mit denjenigen der übrigen Anneliden in Einklang zu bringen, werde ich später zu reden kommen. {

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 22

336 R. Wolfg. Hoffmann,

liegenden Untersuchungen vielleicht auch von einigem Interesse in Bezug auf die jetzt so modernen Versuche über Regeneration sind. Gerade die Oligochäten bieten hierfür höchst geeignete Objekte. Dem zufolge existirt schon eine ganze Reihe Untersuchungen über die Art und Weise, wie sich hier der Darm regenerirt. Zum großen Theil beziehen sich dieselben auf Lumbrieciden (KORSCHELT, RIEVEL, MICHEL, HESCHELER). Die Frage ob und wie weit ontogenetische Vorgänge sich mit Regenerationserscheinungen homologisiren lassen, wird in diesen Arbeiten stets von Neuem erörtert. Da solche Ver- gleiche natürlich nur dann einen Werth haben, wenn die ent- wicklungsgeschichtlichen Vorgänge des betreffenden Objektes ge- wissenhaft erforscht sind, so hoffe ich, dass meine Untersuchungen auch für solche Arbeiten einigen Werth haben.

Es ist mir eine angenehme Pflicht an dieser Stelle meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. KORSCHELT, für mannigfaltige An- regungen und Rathschläge, sowie für das lebhafte Interesse, das er meinen Untersuchungen stets entgegenbrachte, meinen herzlichsten Dank auszusprechen.

Gemäß den Andeutungen, die VEIDoVskY in seinen »Entwick- lungsgeschichtlichen Untersuchungen« macht, verfolgte ich die Darm- bildung schon von frühen Stadien aus, wenngleich ich auch die ersten Furchungsvorgänge unberücksichtigt ließ. Ersteres schien mir auch desshalb besonders wünschenswerth, weil gerade die Bil- dung der frühen Larvenstadien von den Autoren nicht einheitlich geschildert werden. ya

Meine Untersuchungen wurden hauptsächlich an Allolobophora putris Hoffm. vorgenommen, jener Form, die auch VEIJDoVsKY für seine Studien an Zumbriciden vornehmlich benutzt hat. Es ist ein kleiner Wurm von röthlicher Färbung, der mit Vorliebe solche Orte auf- sucht, an welchem übelriechende, verwesende Stoffe in größerer Menge vorhanden sind. Besonders Pferdemist scheint ihm sehr zu behagen. Seine Kokons sind nicht sehr groß und derartig durch- sichtig, dass man die Embryonen in ihnen mit voller Klarheit wahr- nehmen kann. Weiterhin zeichnen’ sich die Embryonen von Allolobo- phora putris sehr vortheilhaft vor denjenigen anderer Zumbriciden durch die relativ geringe Eiweißmenge aus, die sie in sich aufnehmen, was namentlich in Bezug auf die Anfertigung der Schnitte von nicht geringer Bedeutung ist.

Das Resultat der Furchung, die ich nicht von Anfang an verfolgt

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 337

habe, ist eine Blastula mit gut ausgebildetem Blastocöl, ähnlich, wie dies schon WırLson für Allolobophora foetida Savigny nachgewiesen hat!. Sehr bald jedoch wird die Furchungshöhle durch Derivate des Mesoderms sehr eingeengt; indessen lassen sich Spuren dersel- ben auch noch während der Gastrulation nachweisen. Schon für diese Stadien stehen VEsDovskY’s Befunde im Widerspruch mit den- jenigen anderer Forscher (KowALEVSKY, HATSCHEK, WıLsox). So wurde früher allgemein der Urdarm vom Entoderm einer Invagi- nationsgastrula abgeleitet. Aus dem Blastoporus geht nach dieser Auffassung direkt der Mund, und durch Einwachsung des denselben umgebenden Ektoderms in letzteren das Stomodäum hervor. Nach VEJDOVsKY jedoch »senken sich in den meisten Fällen die ursprüng- lichen Hypoblastkugeln in den Epiblast, während in seltenen Fällen (Dendrobaena, Allolobophora foetida) eine Einstülpung stattfindet, wo- durch nach Schließung des Blastoporus ein allseitig geschlos- senes Archenteron zu Stande kommt« (Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen, II. Abschn., p. 316). Bei dem gewöhnlichen Ent- wieklungsmodus, d. h. dem erst erwähnten, den nach VEJDovskKY’s Untersuchungen auch Allolobophora putris einschlagen soll, bildet sich alsdann nach Schluss des Blastoporus, in der massiven Hypo- blastkugel central ein Spaltraum aus, der allmählich immer mehr heranwächst und sich schließlich nach vorn mit dem inzwischen sich einstülpenden Stomodäum in Verbindung setzt.

Ich konnte von einer solchen epibolischen Gastrula bei AZlo/o- bophora putris nichts bemerken. Hingegen konstatirte ich in allen Fällen Invaginationsgastrulae. Da ich dieselbe Erfahrung auch für eine Anzahl anderer Lumbrieiden machte, so liegt für mich die Ver- muthung nahe, dass der von VEspvoskY als Ausnahme bezeichnete Modus der häufigere, wenn nicht der einzige ist.

Die Blastula, die Anfangs Kugelgestalt hat, deren Pole jedoch schon zu dieser Zeit durch zwei Merkmale die Urmesodermzellen und die Exkretionszellen bestimmt sind, beginnt sich nun stark dorso- ventral abzuplatten. In dieser Periode sind die Exkretionszellen in voller pulsatorischer Thätigkeit, die in ihrem Maximum das Volumen ersterer auf das zwei- und dreifache der Ruheform vergrößern können? Bis jetzt liegen die Exkretionszellen noch frei zu Tage;

i VEJDOVskyY giebt freilich gerade für diese Form eine in den meisten Fällen gänzlich redueirte, für Allolobophora putris nur eine sehr redueirte Furchungshöhle an, was ich Beides nicht bestätigen kann.

2 Ich verweise hierbei auf die schönen und eingehenden Untersuchungen

IF

338 R. Wolfg. Hoffmann,

aber schon während der Gastrulation beginnt sich eine dünne Ekto- dermlamelle- über sie hinwegzuschieben, so dass sie am Schluss dieses Vorganges vollständig vom oberen Keimblatt umwachsen sind. In der Folgezeit kommen sie immer tiefer und weiter vom oralen Pole ab zu liegen, wobei sie progressiv der Resorption anheimfallen. Doch kehren wir wieder zur Blastula zurück. Die Abplattung der- selben geht nun so lange weiter, bis sie eine sehr dünne Scheibe dar- stell. Alsdann biegen sich ihre seitlichen und hinteren Ränder ventral um und wachsen nach vorn zu (Fig. 1, Taf. XX). Der Blasto- porusrand ragt hierbei kraterförmig empor. Je mehr die Verengung des Urmundes fortschreitet, desto stärker erheben sich die Rand- wülste, so, dass der Querschnitt einer solchen Gastrula schließlich das Aussehen eines gleichschenkeligen Dreiecks hat. Nur der vordere Rand, d. h., die Gegend der Exkretionszellen, bleibt ungefaltet. Letztere bilden jetzt und während der nächsten Stadien die vordere dorsale Decke des Urdarmes. Fig. 2, Taf. XX stellt einen Sagittal- schnitt: durch eine Gastrula mit ziemlich stark verengtem Urmund dar. (Die Exkretionszellen sind nicht in ihrer vollen Ausdehnung auf dem Schnitte getroffen.) Die Elemente der Ektodermschicht, die noch ganz ihren ursprünglichen Charakter bewahrt haben, fangen schon an, die Exkretionszellen zu überwuchern. Das Entoderm ist dicht mit Eiweißtröpfehen vollgepfropft. Auf einem späteren Stadium (Fig. 3, Taf. XX) sehen wir die eben angedeuteten Verhältnisse weiter fortgeschritten. Nach VEJIDOVSKY soll sich nun nicht nur bei den Formen mit typisch epibolischer Gastrula (wie Allolobophora putris?) sondern auch bei den wenigen (?) Formen mit Invaginations- gastrula der Blastoporus schließen. An derselben Stelle wo letzterer verschwand, soll sich alsdann ein Stomodäum einstülpen, das sich mit der (entweder durch Faltung, oder durch Spaltbildung entstandenen) centralen Urdarmhöhle in Verbindung setzt. Ich konnte nun niemals einen solchen Vorgang beobachten, so viele Larven ich auch darauf- hin untersuchte. Stets ging aus dem Blastoporus direkt der Mund hervor, wie dies auch KOWALEVSKY stillschweigend annimmt und wie es Wırson für Allolobophora foetida für wahrscheinlich hält. In Fig. 3, Taf. XX ist schon die Tendenz zur Vorderdarmbildung gegeben. Die Exkretionszellen sind nun äußerlich vollständig vom

VEJDOVSKy’s über diesen Gegenstand, welchen ich in Allem, was ich davon sehen konnte, zustimme. Ich komme hierauf noch in dem Kapitel über die Urniere zu sprechen.

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 339

Ektoderm umwachsen. Nach vorn zu werden sie von einem Zell- haufen begrenzt, der zugleich den oberen Theil der Stomodäalanlage bildet!. Nach unten zu wird letztere zur Zeit nur (auf dem Schnitt) durch eine einzige große Ektödermzelle repräsentirt, die sich nach der Urdarmhöhle zu einschlägt. Letztere ist bereits sehr umfangreich und ganz mit Eiweiß angefüllt. Die Entodermzellen, die noch in Fig. 2, Taf. XX gewölbt in das Blastocöl ragen, schließen sich nun an ihrem freien Rand zu einer einzigen Kurve an einander. Dieses Verhalten ist wahrscheinlich auf den Druck der Eiweißmassen zurück- zuführen. Es bleibt nur noch für Fig. 3 zu erwähnen übrig, dass selbst in diesem Stadium ein Theil der Exkretionszellen die obere Partie der Urdarmwand bildet.

Ich möchte hier einer Beobachtung Erwähnung thun, die ich stets beim Durchmustern älterer und jüngerer Embryonen machte, und die vielleicht in histologischer Beziehung einiges Interesse be- ansprucht. Bekanntlich zeichnen sich die Flimmerzellen des Ekto- derms, also vornehmlich die Elemente der Flimmerrinne, durch be- deutende Größe aus. In Fig. 10, Taf. XXI habe ich ein Stück einer solchen Zelle mit starker Vergrößerung wenn auch nicht mit stärkster gezeichnet. Jede dieser Zellen hat ein merkwürdig hya- lines und vacuolisirtes Aussehen. In Fig. 4, Taf. XX tritt deutlich hervor, wie sehr sie sich von den angrenzenden: ektodermalen Ele- menten unterscheiden. Ihr freier Rand nun, d. h. derjenige Theil, an dem die Wimpern zu Tage treten, ist stets von einem dunkeln Saume umgeben, der sich etwa vom freien Rande aus bis zu !/, des Zelldurchmessers erstreckt. Betrachten wir diesen Saum mit starker . Vergrößerung, so sehen wir, dass in ihn die Wimpern in schiefer Richtung hineinragen. An den Durchtrittsstellen hat jedes Flimmer- band deutlich ein kleines Knötehen?. Da die Zellen außerordent- lich breit sind, so können die Endtheile der Wimpern nur an einem relativ kleinen Theil in Berührung mit dem Kern treten. Im

1 Ich erlaube mir an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die erwähn- ten Zellen vielleicht den von Eısıc als Stomatoblasten und Ösophagoblasten bezeichneten Elementen entsprechen dürften. Darüber kann natürlich nur ein eingehendes Studium der Furchung vom Ei aus entscheiden.

® Dieses Knötchen (Basalkörperchen) ist jetzt schon an den Wimpern einer ganzen Anzahl von Flimmerzellen bei den verschiedensten Objekten aufge- fünden worden. Es ist, wie neuerdings CARL PETER experimentell bewiesen hat, das Centrum der Bewegung. Nach HenxEsurY’s und v. LENHOSSER’s Hypo- these ist es ein umgewandeltes Centralkörperchen.

340 R. Wolfg. Hoffmann,

Übrigen bilden ihre innern Endpunkte eine etwas wellenförmig Be eue Linie, die der Grenze der dunkeln Zone entspricht.

Mehr und mehr wächst das Stomodäum nun zu einer langen Röhre aus; hierbei wird sein Lumen bedeutend verengt. Hand in Hand mit dem Auswachsen des Stomodäums geht die Umwandlung seiner sich Anfangs dunkel färbenden plasmareichen Ektodermzellen in helle, stark vacuolisirte Elemente von statten, die sich in nichts mehr von den geschilderten Zellen der Flimmerrinne unterscheiden. Dies ist leicht zu verstehen, da erstere den letzteren nun auch dadurch ähn- lich werden, dass sie sich mit einem dichten Cilienbesatz versehen, der sich bis zur Mündungsstelle des Stomodäums in den Urdarm er- streckt. Interessant sind die Lagenverhältnisse des Stomodäums. Seine schlanke, hyaline Röhre mündet keineswegs mehr in gerader Richtung in den Urdarm, sondern beschreibt nun eine zweimal aus- gebogene $-förmige Kurve, deren Ende sich dorsal bis zum vorderen Theil des Urdarmes erstreckt. Diese seltsame Erscheinung lässt sich auf folgende Weise erklären: |

Es sind namentlich zwei Faktoren, welche das schnelle Wachs- thum des Oligochäten-Embryos bedingen, einmal die Vermehrung seiner Zellelemente durch mitotische Theilungen; sodann aber der Druck, den die im Urdarm eingeschlossenen Eiweißmassen auf die umgebenden Wände ausüben. Namentlich in der mittleren Embryo- nalperiode hat letzterer Faktor vor ersterem das Übergewicht, was daraus hervorgeht, dass die Zellvermehrungen nicht schnell genug vor sich gehen, um für die in den Urdarm massenhaft eintretenden Eiweißmassen Raum zu schaffen. Die Folge davon ist, dass die Zellelemente des ganzen Embryos, namentlich aber des Entoderms aus einander gerissen und hierdurch oft sehr stark abgeplattet werden, so dass beispielsweise die außerordentlich lang gestreckten Urdarm- zellen an manchen Stellen aus einem hohen Cylinderepithel zu einem flachen Pflasterepithel werden, das sich seiner Form nach in nichts mehr von dem anliegenden, gleichfalls abgeplatteten Ektoderm unter- scheidet. Die dorsale Seite ist für diese Abplattung. besonders ge- eignet, weil hier, wo das Mesoderm lange Zeit mangelt, der Embryo- nalkörper an und für sich am wenigsten mächtig ist und desshalb dem Druck der Eiweißmassen am ehesten nachgeben kann. Mündet nun Anfangs das Stomodäum etwas schief nach oben (Fig. 3, Taf. XX) in den Urdarm, so legt sich die Wandung des letzteren gar bald, gemäß seiner Tendenz, dem Druck der Eiweißmassen im Inneren nachzugeben, der Röhre an, drängt sie nach oben und giebt

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 341

ihr hierdurch eine steilere Lage, die zu verlassen sie der auf die Urdarmwand ausgeübte Druck verhindert. Je steiler aber die Stomo- däalröhre in die Höhe gerichtet ist, je dichter sie der Urdarmwand angeschmiegt liegt, desto größer wird auch die Kurve ausfallen, die sie zur Einmündung in den Urdarm bedarf und desto höher wird sich naturgemäß auch diese Stelle befinden.

Gerade der umgekehrte Vorgang lässt sich hingegen zu Ende der Embryonalentwicklung verfolgen. Das Wachsthum durch Zelltheilung tritt nun wieder ganz in den Vordergrund. Es gleichen sich als- dann die abnormen Lagenverhältnisse des Stomodäalantheils des Darmes wieder aus. Doch davon später! Es will mir nun scheinen, als ob die merkwürdige, scheinbar sehr unpraktische Ver- lagerung der inneren Stomodäalmündung doch auch einen bestimmten Zweck befolgt, nämlich denjenigen, zu verhüten, dass Eiweißmassen, die sich bereits im Urdarm befinden, wieder aus letzterem heraus- quellen. Würde das Stomodäalrohr auf geradem Wege, oder nur wenig geneist in den Urdarm münden, so müsste der Verschluss auch mit Hilfe von Muskelelementen doch nur sehr unvoll- kommen sein. Es könnte alsdann nur so viel Eiweiß im Embryo bleiben, wie der Urdarm bequem ohne Dehnung der Gewebe zu fassen vermöchte. Alles übrige eingeschluckte Material würde in Folge der- eiastischen Spannungskräfte der Gewebe wieder nach außen befördert werden. Anders ist es in unserem Fall: Hier be- wirkt der Druck der Eiweißmassen im Inneren zugleich auch einen festen Verschluss der Stomodäalröhre, da letztere und die Urdarm- wand für eine relativ große Strecke parallel zu einander laufen. Wir haben es hier also mit Verhältnissen zu thun, die sich, dem Prineip nach, ganz gut mit den Verschlussvorrichtungen an der Wirbelthierharnblase vergleichen lassen, die verhindern, dass der Ham in die Harnleiter zurücktritt'.

Vergleichen wir Fig. 4 und Fig. 3? mit einander (die Ver-

! Bekanntlich münden die Ureteren nicht l zur Wand der Harnblase, son- dern in schiefer Richtung; je mehr also der Druck gegen die Blasenwand zu- nimmt, desto fester wird auch der Verschluss.

2 Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass Fig. 4 nicht dieser »mittle- ren Periode« entspricht, sondern in die erste fällt, wo das Wachsthum durch mitotische Theilungen noch vollauf genügt, um den eindringenden Eiweiß- massen Raum zu schaffen. Im Stadium der Textfig. 1 hingegen ist der Em- bryo schon in der letzten Periode angelangt; die Deformationen durch den Druck der Eiweißmassen haben sich hier schon nahezu vollständig ausgeglichen. Ich habe es nicht für nöthig gefunden bildliche Belege für die mittlere Wachs-

349 R. Wolfg. Hoffmann,

größerungen sind zwar nicht ganz dieselben, trotzdem kann man je- doch das Folgende erkennen), so sehen wir, dass in dem älieren Embryo die Entodermzellen weit höher, säulenförmiger geworden sind. Zugleich ragen letztere auch wieder bogenförmig in das Darmlumen. Ganz besonderes Interesse, aus Gründen, die ich unten mittheilen werde, verdient die Thatsache, dass vier Zellen. die an der Ein- mündungsstelle des Stomodäums in den Urdarm liegen und letzterem anzugehören scheinen, sich wesentlich von allen anderen Zellele- menten unterscheiden. Ihre Breite, ihr großer Kern, vor Allem aber ihr hyalines, plasmatisches Aussehen verleiht ihnen ein ganz beson- deres Gepräge. Sehr auffallend ist ihre Ähnlichkeit mit den Stomo- däal- und den Exkretionszellen. Dass sie aus umgewandelten Ur- darmzellen hervorgehen scheint mir sicher zu sein, obgleich ich trotz mancher Bemühungen diesen Umwandlungsprocess nieht in seinen einzelnen Etappen verfolgen konnte. Die Bedeutungen dieser Bildungen sind mir vollständig unklar; gleichwohl sind sie mir bei meinen Untersuchungen sehr nützlich gewesen; denn da sie eine zeraume Zeit persistiren, so können sie gleichsam als Marke für den Über- gang des Ektoderms in das Ento- derm dienen; mit anderen Worten,

sie geben die Stelle an wie wir bald sehen werden wo der Pha- rynx aufhört und der Mitteldarm beginnt.

Es würde nun zu weit führen, wollte ich aller Veränderungen Er- wähnung thun, die der Embryo bis zur Ausbildung des Pharynx durch- macht. Letzterer wird von allen Darmtheilen zuerst fertiggestellt. Zwischen Fig. 4, Taf. XX und Text- firur 1 liegen noch Stadien (die mittlere Wachsthumsperiode), in denen der Urdarm durch die kolossale Eiweißaufnahme zu einem unför- migen Sack aufgebläht wird; freilich geht dies hier nicht so weit, wie bei anderen Lumbriciden (z. B. Allolobophora foetida), wo sich der ganze Embryo in eine große Kugel verwandelt, deren Körper-

thumsperiode zu geben, da dieselbe von allen Autoren, die über Oligochäten- entwicklung gearbeitet haben, sehr übereinstimmend geschildert wird.

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 343

decke so dünn ist, dass sie bei der geringsten unzarten Berührung mit der Präparirnadel zerreißt. Es gewährt dann einen eigenartigen Anblick, wenn hierbei die Eiweißmasse in Folge des Druckes der Gewebe, wie ein kleiner Springbrunnen hervorquillt und der Embryo auf knapp !/, seiner ehemaligen Größe zusammenschrumpft.

In Textfig. 1 hat aber der Process der Eiweißaufnahme schon längst seinen Höhepunkt überschritten. Der Urdarm ist zwar noch immer sackartig erweitert und zeigt bis jetzt noch nichts von einem sewundenen Verlauf, sein Verhältnis zum Stomodäum ist jedoch ein sanz anderes geworden. Auch innerhalb seiner Zellelemente sind bemerkenswerthe Veränderungen vor sich gegangen. Während zur Zeit der größten Eiweißaufnahme das Protoplasma der Art mit Nahrungskugeln erfüllt ist, dass (in Folge der starken Färbbarkeit dieser Elemente) nichts von Zellgrenzen, kaum etwas von Kernen zu sehen ist, so hat hier schon eine Verarbeitung der Nährsubstanzen stattgefunden. Das Plasma der Zellen ist zwar noch immer von kleinen Eiweißtröpfehen erfüllt; indessen haben dieselben nicht mehr den bedeutenden Umfang wie früher; auch lassen sich jetzt Zell- srenzen und Kerne klar und deutlich unterscheiden.

Die bedeutendsten Veränderungen hat jedoch das Stomodäum durchgemacht. Wie weit der Vorderdarm geht, zeigen deutlich die oben erwähnten hyalinen Entodermzellen an, die auch in diesem Stadium noch gut erhalten sind. Derselbe wird wie man sieht ausschließlich durch den Pharynx präsentirt. Somit stammt der Pharynx zweifellos aus dem Ektoderm. Es ergiebt sich daher, wenn die VEespovsky’schen Untersuchungen an Rhynchelmis richtig sind, innerhalb der Oligochätengruppe für die einzelnen Ver- treter eine bemerkenswerthe Differenz in der Embryonalentwicklung.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass auch für Regenerationsversuche an Oligochäten verschiedene Bildungsmoden des Vorderdarmes nachgewiesen worden sind. So gab F. v. WAGNER in seiner ersten diesbezüglichen Publikation für Lumbriculus varıegatus an, dass sich der Darmkanal bei Regeneration des Vorder- und Hinter- endes aus dem Entoderm erneuere. Dieser Befund wurde von RIEVEL auch für Ophryotrocha, Nais und Lumbricus ‚bestätigt. Später hat nun F. v. WAGNER seine erste Deutung für falsch erklärt; er giebt nunmehr an, dass die ontogenetischen und regenerativen Vorgänge bei der Bildung des Vorderdarmes übereinstimmen. In einer Unter- suchung dieser Verhältnisse bei Tubifez wurde von HaasE gezeigt, dass der Pharynx bei diesem Limicolen zweifellos aus dem Entoderm,

344 R. Wolfg. Hoffmann,

der Enddarm hingegen aus dem Ektoderm regenerirt werde und dass, nach F. v. WAGNneErR’s Darstellung der Befunde, dies auch bei Lum- briculus der Fall sein müsse. Ich darf nicht unerwähnt lassen, dass nach meiner Ansicht sich der Enddarm hier wahrscheinlich aus beiden primären Keimblättern regenerirt haben dürfte; da ja wie ich später nachweisen werde das Proctodäum nicht bis zum letzten oder vorletzten Segment (V0JDovsKy) reicht, sondern minde- stens bis zum sechsten, vielleicht sogar bis zum siebenten und achten!. Die Haase’schen Regenerationsbefunde scheinen sich nun im Allge- meinen mit den Vrypovskyschen Angaben über die Genese des Darmes von Rhynchelmis zu decken. Möglicherweise gehen also hier ontogenetische und regenerative Vorgänge auf gleiche Weise von statten. HaAsE hebt ausdrücklich hervor, dass die jetzt bestehenden Differenzen in der ontogenetischen und regenerativen Bildung des Vorderdarmes bei ein und derselben Form nur durch das eingehende Studium sowohl der Embryonalentwicklung wie auch der Regenera- tionsvorgänge an derselben Art geklärt werden können. Ich hatte Anfangs die Absicht die Entwicklung des Darmtractus von Tubifex rivulorum zu studiren, ließ mich jedoch durch die Verpovsky’schen Befunde, die für die Darmentwicklung der Land-Oligochäten viel Neues versprachen, zum Studium der letzteren bewegen. Wahrschein- lich werde ich diese Verhältnisse später auch für Tubifex prüfen; ich hoffe, dass hierdurch Gelegenheit gegeben wird, die HAAseE’schen Regenerationsbefunde mit den embryologischen Vorgängen direkt zu vergleichen. Bezüglich desjenigen, was sich jetzt schon darüber sagen lässt, verweise ich auf HaAse’s Darstellung und die von ihm eitirten Autoren.

Dass der Pharynx in Textfig. 1 wirklich schon angelegt ist, tritt wohl klar hervor. Er ist auch ohne dass wir die hyalinen Merk- zellen berücksichtigen scharf von dem Mitteldarm abgesetzt. Sein Verlauf zeigt überdies die eharakteristische, nach unten ausgehogene Kurve. Die obere Pharynxwand ist ferner schon, wie beim ausge- ! Wie hinfällig indessen gerade hier der Keimblätterbegriff wird, geht schon daraus hervor, dass sich beim ausgewachsenen Wurm weder morpho- logisch noch physiologisch ein Kennzeichen für den ektodermalen oder ento- dermalen Antheil der hinteren Darmpartie ergiebt; beide Blätter verhalten sich also vollständig identisch. Desshalb erscheint es mir auch keineswegs als etwas besonders Merkwürdiges, wenn während der Regeneration selbst bei nahe ver- wandten Formen verschiedene Keimblätter denselben Organtheil bilden können. Lagebeziehungen, Correlationsvorgänge und manche anderen äußeren Mo- mente mögen hierbei in erster Linie Ausschlag gebend sein.

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 345

wachsenen Thiere, bedeutend stärker als die untere. Auch das Hauptcharakteristikum dieses Darmtheils, das dorsale Muskelpolster, ist vollständig ausgebildet. Das Einzige was noch fehlt ist die ver- tikale Falte, welche später den ganzen Pharynx durchzieht und ihn nahezu in zwei symmetrische Stücke theilt.

Vergleichen wir Fig. 4, Taf. XX mit Textfig. 1 und dem späteren Stadium Textfig. 2, so werden uns sofort die Ursachen klar, welche die neuen Lageverhältnisse der Darmtheile bewirkt haben: Die Ver- ringerung der Spannung innerhalb des Mitteldarmes, so wie ein ge- steigertes Längenwachsthum. Der Pharynx liegt in Textfig. 1 und 2 nicht mehr dem Urdarm angeschmiegt, wie dies bei Fig. 4, Taf. XX der Fall ist. Denn nun sind die Eiweißmassen im Darm schon ziem- lich aufgebraucht und was darin ist, so wie das Wenige, was noch hinzukommt, findet reichlich in der Darmhöhle Unterkunft, ohne dass hierbei die dem Urdarm anliegenden Organe eingepresst werden müs- sen. Indem nun der Embryo nach hinten und vorn auswuchs, ver- längerte sich doch nicht im gleichen Maße das Stomodäum; es be- snüste sich vielmehr damit, seine Elemente wesentlich zu verstärken. Die Folge dieses Verhaltens war, dass es sich gleichsam vom Urdarm abrollte und seine in Textfig. 2 angegebene Gestalt annahm.

In Bezug auf die entodermalen Mitteldarmabschnitte will ich mich möglichst kurz fassen; da dieselben weder in morphologischer noch entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht besonderes Interesse bieten. - Bekamntlich zerfällt der Mitteldarm in vier Abschnitte, die sich weniger durch specielle histologische Verhältnisse als durch die ver- schiedene Größe und Mächtigkeit ihrer Elemente von einander unter- scheiden. Der vorderste Mitteldarmabschnitt, der Ösophagus, der nach CLAPAREDE niemals dauernd Nahrungsbestandtheile enthält, also wohl auch nur als Zuleitungsröhre dient, ist der schlankste Theil, dann folet der Kropf, welcher nur eine Auftreibung des Darmrohrs darstellt, sodann der Muskelmagen mit einem mächtig entwickelten Muskelbeleg und endlich der langgestreckte letzte Abschnitt des Mitteldarmes mit der Typhlosolis.

Dasjenige Stück, das am frühesten vom Mitteldarm zur Aus- bildung kommt, ist der Ösophagus, wie denn auch die Differenzirung des Darmkanals von vorn nach hinten fortschreitet. In Textfig. 3 ist hierfür ein deutlicher Beleg gegeben. Wir sehen, dass schon jetzt die Grenze festgelegt ist, bis zu welcher der Ösophagus beim ausgewachsenen Thiere geht, nämlich etwa das 13. Segment. Bis hierher erstreckt sich das ziemlich gerade geriehtete Darmrohr, ohne

346 R. Wolfg. Hoffmann,

nur eine Windung zu machen und hebt sich hierdurch scharf von den großen, weiten Aussackungen des übrigen Mitteldarmes ab. Letztere sind noch in keiner Weise differen- zirt. Was die Bildung des Kropfes und des Muskelmagens anbelangt, so sehen beide aus der ersten der sackartigen Erweiterungen hervor, die dem Ösophagus folgen; der übrige Darm wird zum Mitteldarm mit der Typhlosolis (dass letztere durch eine dorsale Einfaltung der Darmwand entsteht, leuchtet ein).

Ich komme nun zum letzten Ab- schnitt, dem ektodermalen Procto-

IN ; = Be Ne zu f FE 3 3,4” % © Re]

Textfig. 3.

däum. Er wird gemäß der von vorn nach hinten fortschreitenden Differenzirung auch zuletzt oder nahezu zuletzt angelegt, da zur Zeit seines Auftretens sich Kropf und Muskelmagen noch nicht von ein- ander gesondert haben. Die Mesoblasten am analen Pole sind bereits

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 347

in einen Haufen indifferenter Zellen zerfallen, die das Material für die letzten Segmente liefern.

Die Anlage des Proctodäums erfolgt terminal, wenngleich auch etwas ventral verschoben als Einstülpung des Ektoderms, die stets sofort mit dem Mitteldarm in Fühlung tritt. Im Allgemeinen hat die Einstülpung wohl, wie WıLsox behauptet, die Gestalt eines feinen Schlitzes; ein Blick auf Fig. 5, Taf. XX zeigt jedoch, dass dieser Schlitz unter Umständen ganz bedeutende Weite haben kann (freilich haben wir es hier mit einem schon älteren Stadium zu thun; ich bitte auch die etwas schräge Schnittrichtung unbeachtet zu lassen). Später schließt sich das Proctodäum in gerader Richtung an den Mitteldarm an!. ic }

Im Gegensatz zu Wırson finde ich, dass sich Proetodäum und Mitteldarm stets sehr lange von einander unterscheiden lassen. Dieser Forscher sagt (p. 414): »The stomodaeal invagination has the form of a longitudinal slit which at first faces upwards owing to the curva- ture of the body, but gradually is turned backwards as the body straishtens. out. Its walls fuse completely with those of the archenteron and assume the same histological cha- racter, and every trace of the limit between them dis- appears. It is therefore unpossible to determine how far forward the proctodaeum extends, but its extends is cer- tainly very limited.«

Ein Blick auf Fig. 6 und 7 wird meine Ansicht bestätigen. Zu- nächst finde ich immer am Innenrand der Einstülpung eine helle plasmatische Zone, von der am Mitteldarm nichts zu sehen ist. So- dann zeichnet sich die Proctodäaleinstülpung durch eine große An- zahl dunkel sich färbender Kerne aus. Das stärkste Unterscheidungs- merkmal bildet jedoch die Färbung. Bei der von mir angewandten Konservirung und Tinktion (Konservirung mit HERMANN’s Flüssigkeit, Färbung mit der HEIDENHAIN’schen Eisen-Hämatoxylin-Methode) be- sitzt der Mitteldarm stets in dieser Periode einen gelblichen Ton, alle ektodermale Elemente jedoch eine typische blaue Hämatoxylin- farbe. Die erstere Thatsache führe ich auf den hohen Eiweißgehalt der Entodermelemente zurück. Erst relativ spät verschwinden diese Differenzen. Ich habe es versucht letztere etwas in meinen Figuren anzudeuten, muss jedoch gleich hinzufügen, dass der Unterschied in Wirklichkeit weit bedeutender ist, da ja überall da, wo der grau-

AN

1 Ich habe desshalb nur solche Schnitte (außer Fig. 5, gemeinschaftliche Achse beider getroffen ist.

abgebildet, wo die

348 R. Wolfg. Hoffmann,

braune Tuschton auf. meinen Zeichnungen hervortritt, der blaue Hämatoxylinton vorhanden sein müsste.

Die Frage, bis zu welchem Segment sich das Proctodäum er- streckt, wie sie bei dieser Gelegenheit stets aufgeworfen wird, hat natürlich nur dann Sinn, wenn man sich damit nach dem Antheil des Darmtractus erkundigt, der aus dem Proctodäum hervorgegangen ist, sowie nach der Anzahl der Segmente, die derselbe durchläuft. Da ja schon gleich Anfangs die Proctodäaleinstülpung in Berührung mit dem Mitteldarm tritt, und da sich ja fortwährend neue Metameren bilden, so reicht dieselbe in verschiedenen Zeiten bis zu verschiede- nen Segmenten. Dass das Proctodäum sich schon sehr bald über verschiedene Segmente erstreckt, geht wohl schon aus Fig. 6 und 7 hervor. In Fig. 7 lassen sich vier Segmente unterscheiden; eben so in Fig. 8. Beide Bilder geben deutlich den Modus der Ver- schmelzung an zwischen Proctodäum und Mitteldarm. Dass dies jedoch nicht nach der Wırson’schen Deutung vor sich geht, zeigen beide Bilder wohl klar. Eine Verschmelzung der Elemente beider Keimblätter findet zunächst keineswegs statt. In Fig. 7 sehen wir noch, wie sich das Proctodäum glatt an die Mitteldarmwand anlegt. Von einem Durchbruch ist hier noch keine Spur angedeutet. An- ders in Fig. 8. Hier haben sich die an einander stoßenden Wände merklich verdünnt; trotzdem kann auch hier keinerlei Fusion beider konstatirt werden. Merkwürdigerweise hat sogar noch einmal eine Ablösung beider Wände von einander stattgefunden. Zwischen ihnen hat sich ein deutlicher Lymphraum ausgebildet. Der Durchbruch scheint immer bei der Ausbildung des vierten Segments stattzufinden, wovon ich mich an mehreren Beispielen überzeugen konnte. Hand in Hand mit diesem Vorgang geht eine Erweiterung des Mitteldarmes und des anschließenden Proctodäalantheils. Letz- terer bleibt jedoch noch für lange Zeit viel enger als ersterer (Fig. 8, Taf. XX). Diese Thatsache, sowie die große Anhäufung von Kernen lassen auch noch lange nach dem Durchbruch den Proctodäalantheil des Darmes erkennen. Dass auch nach dem Durchbruch noch eine Vermehrung der hinteren Segmente er- folgt, geht aus Fig. 8 hervor. Hier hat sich das Proctodäum seit seinem Durchbruch noch um zwei Segmente vermehrt;. es reicht hier also bis zum sechsten Segment. Trotzdem lässt sich am Ende des Wurmes noch eine indifferente Zone erkennen; somit dürfte auch noch eine weitere Segmentvermehrung angenommen werden. Vielleicht ist es möglich nachzuweisen, dass der ektoder-

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 349

male Enddarm des Wurmes sich später noch bis zum siebenten und achten Segment erstreckt. Jedenfalls tritt aber jetzt sehr bald ein Zeitpunkt ein, wo sich ektodermaler und entodermaler Antheil nicht mehr von einander unterscheiden lassen.

Wie ich schon in der Einleitung erwähnt habe, entsprechen die einzelnen Abschnitte des Oligochäten-Darmes (sowie desjenigen der Hirudineen) nicht vollständig den gleichnamigen Gebilden der übri- sen Anneliden. Wie ist dies zu verstehen? Eisıe giebt hierfür in seiner »Entwicklungsgeschichte der Capitelliden« eine ganz plausible Erklärung. Nach seiner Ansicht lässt sich der Oligochätendarm sehr sut mit demjenigen der Anneliden in seinen Haupttheilen homologi- siren; dies sei indessen bis jetzt noch nicht geschehen. Der Pha- rynx der Oligochäten allein sei homolog dem Stoma und dem Ösophagus-Pharynx der übrigen Anneliden. Der Tractusabschnitt hingegen, dem man topographisch-anatomisch den Namen Ösophagus beilege, führe diese Bezeichnung mit Unrecht. Derselbe müsse daher fortan, seiner Abstammung gemäß, zum Mitteldarm gerechnet wer- den und sei höchstens als vorderer Mitteldarm vom hinteren Mittel- darm zu unterscheiden. Ösophagus und Pharynx sind nach Eısıg’s Befunden als Derivate derselben Anlage auch nur Abschnitte des- selben Theiles und als Synonyme zu betrachten.

So sehr mir nun auch die Theorie Eısıg’s einleuchtet, so habe ich doch nicht das Recht, darüber zu entscheiden; dies kann nur durch ein eingehendes Studium der Entwicklungsgeschichte vom Ei aus nachgewiesen werden. Es müsste sich alsdann zeigen lassen, dass die von Eısıe als »Ösophagoblasten« bezeichneten Zellgruppen, sich auch bei Oligochäten vorfinden, und dass aus ihnen der Pharynx hervorginge.

Ich habe hierbei außer Acht gelassen, dass VEJDOVSKY für Rehynchelmis (einen Limicolen) nachzuweisen sucht, dass dort nicht nur der Ösophagus sondern auch der Pharynx aus dem Ektoderm stammt! und dass nur ein ganz kleiner Theil des Darmes der Mund aus dem Ektoderm hervorgeht. Hat sich dieser Forscher hierin nicht getäuscht, so dürfte die Definition Eısıe’s höchstens für die Terricolen ausschließlich Geltung haben; innerhalb der OZ- gochäten-Gruppe selbst wäre hingegen eine sehr merkwürdige Ver- schiedenheit der Entwicklung morphologisch und physiologisch gleich- werthiger Organe zu konstatiren.

! Diesen Ergebnissen stehen die Befunde RouLE’s für Enchytraeoides marioni entgegen, wo sich der Darm im Ganzen so verhält, wie bei Allolobophora putris.

359 R. Wolfg. Hoffmann,

Larvale Exkretionsorgane.

Der erste Nachweis einer exkretorischen Funktion des Embryo- nalkörpers der Obgochäten lässt sich schon für ein sehr frühes Entwicklungsstadium bringen. So fand VEIDOVSKY bereits bei aus zehn Blastomeren bestehenden Embryonalstadien drei gut ausgebildete pulsirende Exkretionszellen. Er deutet sie »als Furchungskugeln, die sehr frühzeitig ihre durch das Vorhandensein vielfach verschlungener Kanälchen und Vacuolen sich auszeich- nende exkretorische Funktion dokumentiren<«. In Bezug auf letztere verweise ich auf VEsDovskY’s eingehende Schilderungen. Wie dieser Forscher schon berichtet, hört die Thätigkeit der Exkre- tionszellen auch dann noch nicht auf, wenn dieselben bereits vom Ektoderm umwachsen sind und in der primären Furchungshöhle liegen.

Ich habe nun der Art und Weise, wie die Exkretbildung inner- halb dieser Zellen von statten geht, meine Aufmerksamkeit geschenkt und kam zu der Überzeugung, dass der Kern hierbei eine hervor- ragende Rolle spielt. Betrachten wir Fig. 12, Taf. XXT (die noch zu einem anderen Zwecke dient), so sehen wir, wie sich in der Ex- kretionszelle, rings um den Kern, große Vaecuolen angesammelt haben, deren körniger Inhalt sich dunkel färbt. Die Peripherie des Kerns bildet keine geschlossene Kurve, wie bei gewöhnlichen Kernen, sondern ist an mehreren Stellen stark eingebuchtet. Das Innere ist ganz mit kleinen Tröpfchen erfüllt. Sehr merkwürdig sieht der Nucleolus aus. Während derselbe für gewöhnlich die Gestalt einer Kugel besitzt, ist er hier mit einer Anzahl Spitzen besetzt, die pseu- dopodienartig in die Kernsubstanz hineinragen. Die Anfüllung der Zelle mit Exkret ist in Fig. 12 noch lange nicht auf ihrem Höhe- punkt angelangt; vielmehr hat dieselbe erst begonnen. Wenn die Zelle die größte für sie noch fassbare Menge Exkret erzeugt hat, haben Kern und Zellleib die Gestalt sehr umfangreicher Blasen an- genommen, deren strukturloses Innere nur von wenigen mächtigen Vacuolen ausgefüllt ist.

Fälle, wo die Sekretion und Exkretion unter Einwirkung von Zellkernen stattfindet, sind übrigens schon lange bekannt. Kor- SCHELT wies diese Thatsache z. B. für eine ganze Reihe von Drüsen- zellen nach; so für gewisse Follikelzellen bei Zanatra und Nepa, welche die sogenannten Strahlen. der Eier dieser. Formen zu liefern haben; sodann für die Drüsenzellen am Genitalapparat von Branchi-

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 351

pus, so wie die Spinndrüsen der Schmetterlingsraupen. Ich selbst habe einen ähnlichen Vorgang schon in meiner Arbeit über Zell- platten erwähnt und abgebildet. Ich fand nämlich, dass hier die vacuolisirten Zellen des Tentakelentoderms der HAydroiden ebenfalls durch Sekretausscheidungen entstehen, die zuerst rings um den Zellkern in Gestalt eines hellen Hofes auftreten.

Die erwähnten Exkretionszellen, die nach VEJDovsKY allen Lumbrieiden mit Ausnahme von Allolobophora foetida zukommen, sind wahrscheinlich nur als sekundäre Bildungen zu betrachten, die ihren Ursprung den veränderten äußeren Entwicklungsbedingungen, d.h. dem Übergang von einer freilebenden Larve zu einer solchen innerhalb des Eiweißes von Kokons, zu verdanken haben. Die kon- centrirtere Nährsubstanz mochte auch einen lebhafteren Stoffwechsel zur Folge haben; derart, dass schon vor dem Auftreten der lar- valen Urniere Exkretionsstoffe erzeugt und demgemäß Organe zur Ausscheidung derselben geschaffen werden mussten. War Anfangs die Exkretion als Nebenfunktion noch an alle Zellen gebunden, so speeifieirten sich später bestimmte Elemente hierfür, an die von nun an die sesammte ausscheidende Thätigkeit übertragen wurde.

Was nun die larvale Urniere betrifft, so wurde dieselbe zuerst bei den Oligochüten von BERGH für Criodrelus nachgewiesen. Die- selbe besteht hier aus zwei röhrenförmigen Organen von derartiger Ausdehnung, dass man sie schon mit Lupenvergrößerung erkennen kann. »Sie verlaufen im Bogen vor der Mundregion bis etwa an die _ Mitte des Embryonalkörpers, wo sie ein Stück seitwärts des Keim- streifens endigen.« Die Urniere ist unverzweigt, etwas abgeplattet und liest stets zwischen Epidermis und Darmrohr eingebettet. Ein eisentliches Drüsenepithel giebt es nicht. Die Röhre besteht aus durchbohrten Zellen, deren Grenzen nicht zu erkennen sind. Hier und

da lassen sich Kerne mit Kernkörperchen unterscheiden; besonders

im vorderen Theil der Urniere sind die Kerne von sehr bedeutender Größe. Flimmerung konnte BERGH nur einmal bei einem ganz jungen Embryo von Kugelgestalt erkennen. Die Wimpern waren hier gegen das Wurmende gerichtet. Am Hinterende ließ sich zweifellos eine äußere Mündung des Organs nachweisen. Nahe an der Höhle des Mundsesmentes nach vorn endigte die Urniere in Gestalt eines Blindsackes, der sich durch keine Besonderheiten von der übrigen Röhre unterschied.

Die Angaben Vespovsky’s betreffs der Urniere der Lumbriciden unterscheiden sich in manchen Punkten wesentlich von denjenigen

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 23

52 R. Wolfg. Hoffmann,

BErGH’s. Für ihn hat die Urniere einen inneren und einen äußeren Bestandtheil. Letzterer sind die Exkretionszellen; den inneren Theil hingegen bilden feine Kanälchen, die mit von hinten nach vorn schlagenden Wimpern besetzt sind. »Weil das Lumen sehr unbe- deutend ist, so giebt sich das Vorhandensein der Wimpern als eine Welle kund.«e Nur bei Zumbdricus rubellus hat VEIDOVSKY »die vermeintliche innere Mündung« in Form einer Flamme konstatirt. Für Dendrobaena sowie für Allolobophora putris konnte VEJDOVSKY zwei Urnierenkanälchen feststellen. Jedes derselben verläuft von den Exkretionszellen auf der Rückenseite nach hinten, begiebt sich dann in das letzte Drittei der Körperlänge nach vorn und zur Bauchseite. Den weiteren Verlauf gelang es VEJIDoVskY nicht festzustellen. Was nun die Thätigkeit der larvalen Pronephridien betrifft, so stellt sich VEJDOVSKY dieselbe der Art vor, dass durch die Kanälchen in Folge der von hinten nach vorn gehenden Flimmerung, irgend welche flüssige Stoffwechselprodukte in die Exkretionszellen geschafft werden, welche letzteren ihrerseits noch Exkret hinzuliefern können. Von dort aus soll das Exkret durch einen winzig kleinen Porus in der Medianlinie der vorderen Rückenseite von den Exkretionszellen nach außen befördert werden. Dieser Exkretionsporus, den ich leider niemals sehen konnte, wurde später auch von BERGH’s Frau be- obachtet.

Meine Untersuchungen über die larvalen Pronephridien geben nun mit denjenigen keiner der beiden Forscher identische Resultate; indessen darf ich nicht unerwähnt lassen, dass die BERGH’schen Be- funde den meinigen doch noch am nächsten stehen. Die Urniere von Allolobophora putrıs ist nach meinen Untersuchungen paariger Na- tur, beginnt in der Kopfhöhle und zieht sich dann eine Strecke weit dorsal zwischen Ektoderm und Urdarm hin, um dann später ventral- wärts bis etwa !/, der Höhe des Embryos herabzusinken. Ungefähr in dieser Gegend mündet sie nach außen. Schildert VEJDOVSKY die Urniere als sehr feine Kanälchen, für deren Oberfläche sich sehr schwierig Zellen oder kernartige Gebilde nachweisen lassen, so war dasjenige Merkmal, was mir an der Urniere zuerst auffiel, serade die ungeheuer großen Kerne derselben, die etwa das Zehn- fache des Umfangs gewöhnlicher Kerne besitzen!. Im Ganzen be- obachtete ich vier bis fünf Kerne. Drei derselben traf ich stets an der- selben Stelle; sie scheinen also wohl fixirt zu sein.

1 Auch für Criodrilus sind nach BERGH die Kerne im vorderen Theil der Urniere von sehr bedeutender Größe.

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 353

Zunächst einer, der größte, am Anfang der Urmiere Fig. 12, Taf. XXI, dann ein weiterer, kleinerer, Fig. 13, Taf. XXI und schließ- lieh noch einer ganz am Ende und nahe an der Ausmündung des Organs. Wie BERGH Tasse ich die Urnierenröhre als eine Reihe Zellen auf, zu welchen die erwähnten Kerne gehören und deren Plasmaleiber durchbohrt sind. Was nun die Behauptung VEJDoVskyY’s betrifft, dass die Urniere im Zusammenhang mit den Exkretions- zellen stehe, so zeigt ein Blick auf Fig. 12, Taf. XXI das Unzuläng- liehe derselben. Freilich liest die Urniere an einer Stelle dicht den Exkretionszellen an; die Röhre mündet jedoch keineswegs in dieselben ein, sondern erstreckt sich noch um ein gutes Stück weiter. Die Anfangsstelle der Urniere liegt in der Kopfhöhle, in die sie deutlich mit weiter Öffnung einmündet. Wir haben es also mit einer offenen Urniere zu thun. Das Endstück ist kolbig aufgetrieben und lagert fest angeschmiegt an der Darmwand, von der es sich durch seine hyaline Beschaffenheit deutlich und scharf abhebt, Fig. 11, Taf. XXI. Fig. 9, Taf. XX giebt ein Situations- bild des Endapparates. Der Urnierenkanal ist nun nicht etwa mit gleichmäßig vertheilten Wimpern besetzt, sondern besitzt typische, mächtige Flimmerlocken, deren größte aus dem kolbig verdickten Anfanssstück hervorgeht. Diese Flimmerlocke durchzieht einen sroßen Theil des Kanals. Je an den Partien der Röhre, wo die großen Kerne sitzen, scheinen mir andere Wimperbüschel zu entspringen, die sich gleichfalls nach rückwärts in das Kanallumen erstrecken. Letzteres scheint mir um so wahrscheinlicher zu sein, als sich sicher Wimpern vom Anfang bis zum Ende der Röhre erstrecken, die eine Flimmer- locke am Anfangsstück jedoch kaum den mamnigfaltig gebogenen Kanal wirkungsvoll in seiner ganzen relativ bedeutenden Aus- dehnung: mit ihren Elementen versorgen könnte.

Den Ausführgang habe ich nur zweimal beobachtet; derselbe war jedoch jedes Mal so ungünstig im Schnitt getroffen, dass ich nur ein Kombinationsbild davon geben könnte. Ich unterlasse dies um so eher, als schon BERGH eine gute Zeichnung des Ausführganges giebt. Nur möchte ich bemerken, dass an jener Stelle bei Allolobophora putris die Elemente des Ektoderms gegenüber den Nachbarzellen bedeutend umfangreicher sind. Der Kanal mündet also in einem diehten Zellpolster nach außen. Ganz nahe an der Mündungsstelle befindet sich, wie ich oben schon erwähnt habe, ein umfangreicher Kerm, der der Urniere angehört. Von hier aus erstreckt sich die

23*

394 R. Wolfg. Hoffmann,

letzte Flimmerlocke in das Lumen. Sie reicht bis zur Öffnung, wo noch einige Wimpern nach außen schlagen können. Dass man den Ausführgang der Urniere so selten erblickt, beruht wahrscheinlich, wie schon BERGH angiebt, auf den Kontraktionen, die der Embryo während der Konservirung erleidet.

Was die Funktion der Urmiere anbelangt, so scheint sie zunächst als Leitungsröhre zu dienen, welche die Aufgabe hat, die in der Kopfhöhle angesammelten Stoffwechselprodukte aus dem Körper zu schaffen. Dass hierbei natürlich keine von hinten nach vorn gehende Flimmerung vorhanden sein kann, wie VEJDOoVskY behauptet, liegt wohl auf der Hand. Übrigens hat ja schon BER6GH, wie ich oben bereits erwähnt habe, freilich nur an einem lebenden Embryo, eine von vorn nach hinten gehende Flimmerung beobachtet. Auch der Urnierenkanal scheint Exkrete abzusondern; wenigstens findet man an vielen Stellen die sonst hyaline Wand mit dunkel sich färbenden Exkrettröpfehen imprägnirt.

Dass BERSH nicht die Wimperflamme nachweisen konnte, die doch aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei Criodrilus vorhanden sein dürfte, scheint mir lediglich an der Konservirung zu liegen, sonst wäre sie einem so exakten Beobachter nicht entgangen. VEJ- Dovsky hingegen konnte sie wohl desshalb nicht sehen, weil er seine Untersuchungen nur an lebendem Material (vielleicht auch an Total- präparaten; vornahm. Seine Bilder lassen demgemäß auch von der Urniere im optischen Schnitt kaum mehr als zwei feine parallele Striche erkennen.

Hinsichtlich der Beziehungen zwischen der Urniere der Ahru- dineen und derjenigen der Oligochäten steht es bei mir fest, dass beide auf die Kopfniere der Polychäten zurückzuführen sind. In- dessen halte ich eine Homologisirung einzelner Theile der Urniere beider Annelidengruppen für mehr als problematisch, da zweifellos das Organ der Zirudineen sehr wenig ursprüngliche Merkmale mehr besitzt. Ich sehe desshalb von einem Vergleich mit den morpholo- gischen Verhältnissen der Herudineen-Urniere ab und verweise hier- für auf die beiden am Schluss eitirten Arbeiten von BERGH.

! Bei Z. rubellus scheint VEJDoVSKY die obere Wimperflamme beobachtet zu haben. Ich eitire hier noch einmal die bezügliche Stelle, aus der dies her- vorgeht: »Nur bei Lumbricus rubellus habe ich die vermeintliche innere Mün-

dung in Form einer Flamme konstatirt.< Aus der Abbildung lässt sich leider wenig sehen.

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 355

Wenn ich mir am Schluss noch erlaube zwei Bilder von Hirudineen- nephridien nach MOORE zu geben, so will ich natürlich hiermit nicht die Oligochäten-Urniere homologisiren. Indessen scheinen mir die morphologi- schen Verhältnisse beider Organe so viel Übereinstimmendes zu haben, dass man

gewiss auch mit einigem Recht auf eine funktionelle Ähnlichkeit derselben sehließen darf.

Ähnlich wie bei der Urniere von Allolobophora putris haben wir es auch hier mit einem feinen hyalinen Kanal zu thun, der am vorderen Ende mit der Leibeshöhle kommuniecirt (bei der Urniere von Allolobophora putris ist es natür- lich die primäre Furchungshöhle). Ferner besitzt das Organ ebenfalls eine kol- bige Anschwellung am Vordertheil, von welcher eine umfangreiche Flimmerlocke ausgeht. Eben so entspringt je in der Gegend eines Kernes ein Flimmerbüschel, das sich nach rückwärts in das Lumen des Kanals erstreckt.

Neapel, am 27. Februar 1899.

Litteraturverzeichnis,

1. R.S. Ber6u, »Über die Metamorphose von Nephelis.« Diese Zeitschr.

Bd. XLI. 1885.

- »Die Metamorphose von Aulostoma gulo.« Arbeiten aus dem zool. Inst.

in Würzburg. Bd. VII. 1885.

3. —— Zur Bildungsgeschichte der Exkretionsorgane von (riodrilus.< Arbei- ten aus dem zool.-zoot. Inst. in Würzburg. Bd. VIII. 1888.

ED. CLAPAREDE, »Histologische Untersuchungen über den Regenwurm.<« Leipzig 1869.

356

20.

21.

R. Wolfg. Hoffmann,

Huco Eısig, »Zur Entwicklungsgeschichte der Capitelliden.< Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. XIII. 1. u. 2. Heft. 1898.

H. Haase, »Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum.« Diese Zeitschr. Bd. LXV. 2. Heft.

B. HATSCHER, »Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden.< Arb. aus dem zool. Inst. der Univ. Wien. 3. Heft. 1878.

F. Hsp&£, »Über histo- und organogenetische Vorgänge bei den Regene- rationsprocessen der Naiden.< Diese Zeitschr. Bd. LXIII. 1897.

K. HESCHELER, »Über Regenerationsvorgänge bei Zumbriciden.< 1.u.2. Theil. Jen. Zeitschr. für die ges. Naturwissensch. Bd. XXX. 1896 u. 1898.

NIK. KLEINENBERG, »The Development of the Earthworm.« Quarterly Journ. Mier. Se. Bd. XIX. 1879.

E. KORSCHELT, »Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Zellkerns.< Zool. Jahrb. Bd. IV. 1889.

—— »Über Regenerationsvermögen der Regenwürmer.< Sitzungsber. der

Gesellsch. zur Bef. der ges. Naturw. Marburg 1897.

Ȇber Regenerations- und Transplantationsversuche an Zumbrieiden.<

Verhandl. der deutschen zool. Gesellschaft auf der 8. Jahresvers.

Leipzig 1898.

MOORE, »On the structure of the discodrilid Nephridium.«< Journ. of Morph. Vol. XIII. May 1897. No. 3.

K. PETER, »Das Centrum für die Flimmer- und Geißelbewegung.< Anat. Anz. Bd. XV. 25. Jan. 1899.

H. RıeveEL, »Die Regeneration des Vorderdarmes und Enddarmes bei eini- gen Anneliden.< Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896.

Lovis ROULE, Etudes sur le developpement des Annelides.< Ann. Se. Nat. Z0012 IE SVIM21883:

FR. VEJDOVSKY, »Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen.< Prag 1888 —1892.

EpmunD B. Wınson, »The Embryologie of the Earthworm.< Journ. of Morph. Vol. III. Dec. 1889.

F. v. WAGNER, »Einige Bemerkungen über das Verhältnis von Ontogenie und Regeneration.< Biol. Centralbl. Bd. XIII. 1873.

—— »Zwei Worte zur Kenntnis der Regeneration des Vorderdarmes bei Lumbrieulus.< Zool. Anz. Bd. XX. 1897.

Erklärung der Abbildungen.

Sämmtliche Zeichnungen sind mit dem AppE’schen Zeichenapparat von

Zeıss auf der Höhe des Objekttisches entworfen. Gebraucht wurden ausschließ-

lich apochromatische Systeme.

Zeichenerklärung: B, Blastoporus; En, Entoderm; . Bas, Basalknötchen; Endd, Enddarm; Brst, Borsten; Ex, Exkretionszelle;

ER,

Ektoderm; Eıxk, Exkretionszellkern;

Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Oligochäten. 35

—I

FI, Flimmerzelle; Ur, Urnierenkanal;

K, und Ks, erster und zweiter Kern U.M, Urmesodermzelle; des Urnierenkanals ; Ur, Urniere;

M, Mesoderm; V, Exkretvacuole;

Pr, Proctodäum; W, Wimperflamme;

St, Stomodäum; Wp, Wimpern.

Tr, Triehter der Urniere;

Tafel XX.

Fig. 1. Gastrula. Totalpräparat. Comp. Oc. 4, Obj. 8 mm Brw.

Fig. 2. Sagittalschnitt durch eine Gastrula. Comp. Oc. 4, Hom. Imm. 2 mm Brw.

Fig. 3. Sagittalschnitt durch einen jungen Embryo. Die Bildung des Stomodäums hat begonnen. Die Exkretionszellen sind vom Entoderm über- wuchert. Comp. Oc. 12, Obj. 8 mm Brw.

Fig. 4. Sagittalschnitt. Älterer Embryo. Das Stomodäum hat sich zu einem langen hyalinen Rohr ausgebildet. Die ersten Segmente sind angelegt. Comp. Oe. 6, Obj. 8 mm Brw.

Fig. 5. Schiefer Schnitt durch das Hiinferendd eines älteren Embryo. Be- sinnende Proctodäaleinstülpung. Comp. Oc. 4, Obj. 8 mm Brw.

Fig. 6. Frontalschnitt durch das Ende eines Embryos. Die Procto- däaleinstülpung ist bis zum dritten Segment fortgeschritten. Es ist noch nichts von einer Verschmelzung derselben mit dem entodermalen Mitteldarm zu sehen. Comp. Oe. 4, Obj. 8 Brw.

Fig. 7. Frontalschnitt durch das Hinterende eines älteren Embryos. Die Proetodäumeinstülpung reicht bis zum vierten Segment. Die Proctodäumwand und die Mitteldarmwand haben sich an ihrer Berührungsstelle merklich ver- dünnt. Zwischen beiden hat sich ein Lymphraum ausgebildet. Comp. Oe. S, Obj. 16 mm Brw.

Fig. 8. Frontalschnitt durch das Hinterende eines älteren Embryos. Der Durchbruch des Proctodäums ist erfolgt. Dasselbe hat sich noch über zwei weitere Segmente erstreckt; es reicht also jetzt bis zum sechsten Segment. Die Stelle, wo der Mitteldarm anfängt, lässt sich noch deutlich erkennen. Comp. Oe. 4, Obj. 8 mm Brw. «

Fig. 9. Sagittalschnitt durch einen alten Embryo. Situationsbild zur Demonstration der Urnierenmündung. Comp. Oc. 8, Obj. 16 mm Brw.

Tafel XXI.

Fig. 10. Wimperzelle der Flimmerrinne. Eintritt der Wimpern in den Zellleib. Comp. Oc. 12, hom. Imm. 2 mm Brw.

Fig. 11. Sagittalschnitt. Endapparat der Urniere. Comp. Oc. S, hom. Imm. 2 mm Brw.

Fig. 12. Stück des Urnierenkanals mit dem ersten Kern. Ex, Exkre- tionszelle mit Exkretvacuolen. Der Kern ersterer charakteristisch verändert. Comp. Oec. 8, hom. Imm. 2 mm Brw.

Fig. 13. Stück des Urnierenkanals mit dem zweiten Kern. Comp. Oe. S, hom. Imm. 2 mm Brw.

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen und die Methylenblaufixirung nach Bethe. Von Professor Dr. A. 8. Dogiel

St. Petersburg.

Mit Tafel XXII und XXI.

Bereits im Jahre 1891 habe ich! zuerst die von mir modifieirte Methode EHrLIcH’s zur Untersuchung der Nervenendigungen in den GrAaNDRY’schen und HERBST’schen Körperchen angewandt, wobei ich in Bezug auf die letzteren in der Lage war, die Beobachtungen von MERKEL, RETZIUS und anderen Autoren zu bestätigen und zu ver- vollständigen. Unter Anderem hatte ich die Beobachtung gemacht, dass der Achsencylinder nach seinem Eintritt in den Innenkolben zuweilen in zwei bis drei Ästchen zerfällt, die mit Anschwellungen endigen, oder aber, dass vom Achsencylinder in der Nähe der End- anschwellung sich ein dünner Seitenast abzweigt, der alsdann in ein Knöpfehen übergeht. Was die Endanschwellung selber betrifft, so besteht dieselbe aus einem Bündel feinster, kurzer, zuweilen gewun- dener, durch eine körnige interfibrilläre Substanz verbundener Fädchen, welche dem Knöpfchen die charakteristische Form verleiht.

Nach meiner Arbeit erschienen die Abhandlungen von GEBERG? und SZYMONOWICZ>, in denen vorwiegend die Beziehungen der Nerven zu den GrAanDrY’schen Körperchen behandelt werden, während über die Hergst’schen Körperchen nur sehr Weniges mitgetheilt wird.

GEBERG weist nur auf die Vertheilung der genannten Körperchen

! Die Nervenendigungen in Tastkörperchen. Archiv für Anat. und Phys. Anat. Abth. 1891.

2 Über die Innervation der Gaumenhaut bei Schwimmvögeln. Internat. Monatschr. für Anat. und Phys. Bd. X. 1893.

3 Über den Bau und die Entwicklung der Nervenendigungen im Enten- schnabel. Archiv für mikr. Anat. Bd. XLVIII. 1897.

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen etc. 359

in der Gaumenhaut der Schwimmvögel hin; über ihren Bau berichtet er nur, dass sie darin den PAcıntschen Körperchen am nächsten stehen.

SZYMONOWICZ giebt in seiner Arbeit eine ausführlichere Beschrei- bung der Herest’schen Körperchen, im Wesentlichen jedoch fügt er, Senau genommen, nichts Neues hinzu zu dem, was bereits früher über dieselben bekannt war. Nach seinen Beobachtungen wird der im inneren Kolben gelegene Achsencylinder von einer besonderen, voll- ständig homogenen, plasmatischen Schicht umgeben er liegt in ihr wie der Finger im Handschuhe. Längs dem Rande der ge- nannten Schicht, links und rechts, ist eine Reihe von sechs bis acht Zellen gelagert, die aus einer dünnen Lage Protoplasma und einem verhältnismäßig großen, sehr chromatinarmen Kern bestehen. Die Plasmaschicht hält SzymonowiIcz für eine Substanz, die zur Ver- bindung der Tastzellen, resp. der Zellen des inneren Kolbens mit dem Achseneylinder dient (eine Art Kittsubstanz), wobei die zwei Reihen von Zellen, die um den Achsencylinder gelagert sind, nach seiner Meinung dieselbe Rolle erfüllen, wie die Zellen in den MERKEL- schen Körperchen.

Das Angeführte ist Alles, was wir im Wesentlichen von den HerBsT’schen Körperchen in den Arbeiten von SZYMoxowIcz finden.

Als ich jetzt von Neuem die genannten Körperchen bei den Sehwimmvögeln untersuchte, fie mir in ihnen eine dermaßen eigen- thümliche Endigungsweise der Nerven auf, dass die längst feststehende Ansicht über den Bau dieser Körperchen, wie es mir däucht, durchaus umgeändert werden muss.

Bevor ich jedoch die von mir gefundenen Resultate mittheile, ‚halte ich es für nothwendig, die Methoden der Färbung und Fixirung der Präparate zu berühren, da die Möglichkeit, die Beziehung der Nerven zu den zu beschreibenden Körperchen klar zu legen, eng mit ihnen verbunden ist. Zu meinen Untersuchungen bediente ich mich der Gaumenhaut der Hausente und der Gans.

Die Färbung der Nerven erfolgt in einer !/,—!/s '/„igen Lösung von Methylenblau in physiologischer Kochsalzlösung in folgender Weise. Mit Hilfe eines scharfen Rasirmessers wurden möglichst dünne Schnitte aus Stücken der Gaumenhaut angefertigt, die zu diesem Zweck in Holundermark eingeschlossen wurden. Darauf wurden die Schnitte auf einen breiten Objektträger übertragen, dessen Oberfläche vorher mit einigen Tropfen Methylenblaulösung in der

360 A. S. Dogiel,

oben genannten Koncentration befeuchtet worden war. Auf einem Objektträger plaeirte ich gewönlich 15—20 Quer- und Flachschnitte: die letzteren wurden dermaßen angefertigt, dass ein Theil der Gaumen- haut über die Kuppe des Fingers gespannt und alsdann von der - Epithelseite mit dem Rasirmesser dünne Scheiben abgeschnitten wurden. Die Schnitte dürfen nicht in der Methylenblaulösung schwimmen, sondern von ihr nur leicht benetzt sein. Die Objekt- träger mit den Schnitten wurden mit einem Uhrschälchen bedeckt und in einen Thermostaten bei einer Temperatur von 34,5—36,0°C. aufgestellt. Nach 5—10 Minuten wurden die Schnitte bei schwacher Vergrößerung durchmustert, wobei die angeführte Zeit gewöhnlich vollkommen für eine recht gute und vollständige Färbung der Ner- ven in den Schnitten genügte.

Wenn das Verweilen der Schnitte im Thermostaten für die Dauer von 5—10 Minuten sich nicht als genügend erwies und die Ner- ven schwach gefärbt oder vollkommen ungefärbt geblieben waren, so wurden auf dem Objektträger ein bis zwei Tropfen Methylenblau- lösung hinzugefüst und derselbe wiederum für einige Minuten in den Thermostaten gebracht, worauf das Präparat wieder unter dem Mikroskop durchmustert wurde. Wenn jedoch im Präparat nach Verlauf von 5—20 Minuten eine genügende Färbung der Nerven erfolgt, so ist in der Mehrzahl der Fälle nichts mehr von ihm zu erwarten, da wir nach weiterer Einwirkung der Farblösung nur eine Färbung elastischer Fasern, Bündel von Bindegewebsfibrillen u. dergl. hervorrufen. So viel ich beobachten konnte, können wir in der Mehrzahl der Fälle bei Anwendung der oben beschriebenen Färbemethode fast sicher darauf rechnen eine vollkommene Färbung der Nerven zu erhalten. Szymoxnowıcz wandte ebenfalls die zu- erst von mir! vorgeschlagene und beschriebene Methode der Nerven- färbung an; er unterwarf jedoch seine Präparate einer langdauern- den Einwirkung (von 3/, bis 1 Stunde) der Methylenblaulösung, was man nicht thun darf, sobald man eine gute und reine Färbung erhalten will. |

Die zweite Methode, die ich Zwecks einer Nervenfärbung an- wandte, bestand darin, dass durch das Herz des Thieres eine !/, bis !/,%/nige Methylenblaulösung (nach vorhergehender Erwärmung bis auf 37—38° C.) in die Blutgefäße der vorderen Körperhälfte injieirt wurde. Nach Verlauf von 20—30 Minuten wurde die Gaumenhaut

1a:

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 361

abgelöst und von ihr Schnitte angefertigt, die auf einem mit einer 1/, —!/5s/igen Methylenblaulösung befeuchteten Objektträger ausge- breitet und im Thermostaten nach dem oben angegebenen Verfahren zu Ende geführt wurden.

Bei Anwendung des eben beschriebenen Verfahrens erhielt ich sewöhnlich eine weit vollkommenere Nervenfärbung als im ersten Fall.

Die gefärbten Präparate fixirte ich auf zweierlei Weise: mit pikrinsaurem Ammonium und nach der Methode von BETHE.

Im ersten Fall wurden die Schnitte in eine gesättigte Lösung von pikrinsaurem Ammonium für '/ bis 1 Stunde übertragen, wor- auf sie in Glycerin, das mit dem gleichen Volumen pikrinsauren Ammoniums versetzt war, eingeschlossen wurden.

Im zweiten Fall verfuhr ich folgendermaßen: ich setzte eine 5—10°/,ige Lösung von molybdänsaurem Ammonium an und über- trug die Schnitte auf 12—18 Stunden in dieselbe, ohne sie abzu- kühlen, oder ihr Wasserstoffsuperoxyd oder Salzsäure zuzufügen. Nach genannter Zeit wurden die Schnitte während 1, bis 1 Stunde in destillirtem Wasser ausgewaschen, alsdann in absolutem Alkohol entwässert und nach einander in Bergamottöl und Xylol aufgehellt und endlich in Dammar-Xylol eingeschlossen. In den auf diese Weise fixirten Präparaten blieb die Färbung der Ner- ven eben so gut erhalten wie auf Präparaten, die durch die BETHE- ‚sche Mischung: fixirt waren. Bei Kontrollversuchen mit Fixirungen nach der von mir vereinfachten Fixirungsmethode und nach der reinen BETHE’schen Methode, habe ich außerdem die Beobachtung semacht, dass in den Präparaten, welche nach letzterer Methode bearbeitet worden waren, die Zellen der Granpry’schen Körperchen stark geschrumpft erschienen und sich sowohl von der Kapsel, als auch von einander abgelöst hatten. Die Zwischenräume zwischen den Zellen hatten oft das Aussehen breiter Spalten. Eben so ge- schrumpft erscheinen die Hergsr’schen Körperchen, während auf den nach dem vereinfachten Verfahren fixirten Präparaten die ge- nannten Veränderungen nur in seltenen Fällen und auch dann im bedeutend geringerem Grade beobachtet werden konnten. In der Folge habe ich bei Färbungen von sympathischen und spinalen Ganglien der Nerven im Eierstock und anderen Organen mit Methylenblau und bei Fixirung der Präparate nach dem reinen BErHE’schen Ver- fahren stets Dasselbe beobachtet: nämlich eine recht starke Schrum- pfung der sympathischen und spinalen Nervenzellen, der Eifollikel u. A.

62 A. S. Dosgiel,

Eine derartige unerwünschte Wirkung des BETHE’schen Gemisches auf die Zellen, wie überhaupt auf die Elemente der verschiedenen Gewebe, erkläre ich mir durch die stark sauere Reaktion des Ge- misches, in Folge deren wahrscheinlich eine Quellung des Zellplas- mas und der leimgebenden Faserbündel ete. stattfindet; die unter der Einwirkung des Gemisches gequollenen Elemente schrumpfen nachträglich bei Einwirkung von Alkohol. Die reine Lösung von molybdänsaurem Ammonium ohne Beimischung von Säuren hat eine schwach saure, fast neutrale Reaktion, in Folge dessen sie auch nicht die Wirkung ausübt wie das Gemisch von BETHE. Die Bei- mischung von Salzsäure zur Lösung des molybdänsauren Ammoniums erscheint daher nicht nur überflüssig, son- dern direkt schädlich. Als unnöthig erweist sich gleich- falls die Beimischung von Wasserstoffsuperoxyd und die Abkühlung der Lösung des molybdänsauren Ammoniums während der ganzen Zeit des Verweilens der Präparate in ihr. |

BETHE hält die Beimischung der Säure zu allen, von ihm so- sowohl in seiner ersten! als auch in den folgenden Abhandlungen zur Fixirung vorgeschlagenen Gemischen für durchaus erforderlich und nur in dem zur Fixirung des Methylenblaus bei Wirbellosen empfohlenen Recept wird nichts von der Säure erwähnt.

SZYMONoWIez versuchte häufig die Präparate aus der Schnabel- haut der Schwimmvögel direkt in einer 10°/,igen Lösung von molyb- dänsaurem Ammonium zu fixiren und erzielte damit gute Resultate. Ich persönlich, sowie alle in meinem Laboratorium Arbeitenden wen- den das von mir beschriebene Verfahren der Fixirung an verschie- denen Organen und Geweben der Wirbelthiere bereits länger als seit einem Jahre an, wobei sich das Verfahren einfacher und besser als die übrigen erweist.

Was die niedrige Temperatur + 2 und 2°C.) des Fixirungs- semisches anbetrifft, so halten, so weit mir bekannt, sowohl BETHE selber als auch alle Autoren, die sein Verfahren angewandt haben, sie für eine durchaus nothwendige Bedingung, für eine erfolgreiche Fixation des Methylenblaus. Späterhin erst räth BETHE, geleitet vom Wunsche die großen Unbequemlichkeiten zu beseitigen, die mit der Abkühlung des Gemisches verbunden sind, die gefärbten Präparate

! Angaben über ein neues Verfahren der Methylenblaufixation. Archiv

für mikr. Anat. Bd. XLIV. 1895. Eine neue Methode der Methylenblau- fixation. Anat. Anz. XII. 1896.

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 363

vorher in einer Lösung von pikrinsaurem Ammonium (während 10 bis 15 Minuten) zu fixiren, und sie darauf in sein Gemisch, ohne das- selbe abzukühlen, zu übertragen. Meine Beobachtungen zeigen, dass die Abkühlung der Lösung des molybdänsauren Am- moniums keine Rolle bei der Fixirung des Methylenblaus spielt und als eine vollkommen überflüssige und viele Unbequemlichkeiten bereitende (namentlich im Sommer) Manipulation vollständig fallen gelassen werden muss. Die Temperatur der Lösung des molybdänsauren Ammoniums, in der ich meine Präparate fixirte, betrug gewöhnlich + 17, 18 und 19° C.

Um mich endgültig davon zu überzeugen, ob die Färbung der Nerven sich verändert, falls die Fixirung in einer Lösung von molyb- dänsaurem Ammonium, deren Temperatur —+ 2 übersteigt, vorgenom- men wird, unternahm ich eine Reihe folgender Versuche:

In je zwei Gefäße &oss ich eine 5°/,ige und eine 10°/,ige Lösung von molybdänsaurem Ammonium (ohne Wasserstoffsuperoxyd und ohne Salzsäure) und legte in dieselben Schnitte von der Schnabel- haut einer Ente oder Gans ein, nachdem ich mich vorher überzeugt hatte, dass in denselben die Nerven in genügendem Maße gefärbt waren. Je ein Glas mit einer 5°/,igen und einer 10°/,igen Lösung des molybdänsauren Ammoniums ließ ich bei gewöhnlicher Zimmer- temperatur stehen, die beiden anderen Gläser stellte ich in den Thermostaten. Nach 12—18 Stunden bestimmte ich zunächst die - Temperatur der Flüssigkeit in den ersten zwei Gläsern sie schwankte, “wie bereits oben angeführt wurde, zwischen + 17, 18 und 19°C. Dar- auf bestimmte ich die Temperatur der Lösung in den Gläsern, wel- che in den Thermostat gestellt waren; sie betrug in ihnen im Mittel —- 32—38—40°C. Bei Durchmusterung der aus den Gläsern der ersten und zweiten Kategorie entnommenen Präparate unter dem Mikroskop, habe ich die Beobachtung gemacht, dass die Nerven sowohl in den einen, wie in den anderen Präparaten ihre ursprüngliche Färbung vollkommen erhalten hatten. Diese mehrfach wiederholten Versuche zeigen aufs deutlichste, dass die Temperatur wenigstens in der Breite von 17—38—40° C. keine besondere schädliche Einwirkung auf die Färbung der Nerven ausübt, sogar in dem Falle, dass die Präparate bei dieser Temperatur im Verlauf von 12—18 Stunden verbleiben.

Zu dem Gesagten muss ich endlich noch Folgendes bemerken: Ich war oft in der Lage die in der Lösung von molybdänsaurem Ammonium fixirten Präparate in Celloidin einzuschließen; in diesen Fällen wurden die Präparate für Y/, bis 1 Stunde je nach der

364 A. S. Dogiel,

Größe derselben in absoluten Alkohol übertragen, alsdann auf unge- fähr dieselbe Zeitdauer in Celloidin, worauf sie auf Kork aufgeklebt und zur Erhärtung des Celloidins schließlich in 70°%/,igen Alkohol eingelegt wurden. Damit ein längerer Aufenthalt der Präparate im 70°/,igen Alkohol keinen schädigenden Einfluss auf die Färbung der Nerven ausübe und keine Entfärbung herbeiführe, musste man sich mit der Anfertigung der Schnitte beeilen. Sobald jedoch, sei es aus Mangel an Zeit oder aus anderen Gründen, es nicht gelang die Schnitte zur rechten Zeit anzufertigen und die Präparate 12 oder 24 Stunden in dem 70°/,igen Alkohol verblieben, so erwiesen sich zu dieser Zeit die Nerven bereits stark oder sogar ganz entfärbt. In letzter Zeit ist es mir gelungen auch diese Unbequemlichkeit zu ver- meiden, indem die in Celloidin eingeschlossenen Präparate nach Er- härtung des ersteren in 70°/,igem Alkohol in Wasser übertragen wurden, worin sie ohne jegliche Gefahr für die Färbung der Nerven 24, 48 Stunden und länger verbleiben können. Nach Verlauf dieser Zeit wurden die Präparate auf dem Mikrotom zerlegt, wobei gewöhn- lich die Nerven dieselbe Färbung behalten hatten, die sie vor ihrer Übertragung in die Lösung des molybdänsauren Ammoniums hatten.

Die nach dem von mir modificirten Verfahren von BETHE fixirten Sehnitte wurden bisweilen in Alaunkarmin gefärbt.

Das sind die Methoden der Färbung und Fixation der Präparate, die von mir im gegebenen Fall für die Schnabelhaut der Schwimm- vögel angewandt worden sind, sowie auch für verschiedene andere Organe angewendet werden.

An den, nach dem angegebenen Verfahren gefärbten und fixirten Präparaten war es möglich einerseits den Oharakter der Zellen klarzu- stellen, welche der Oberfläche der Kapseln in den HerBsT’schen Körperchen anliegen, andererseits die Nervenendigungen im inneren Kolben genauer zu studiren. Seit längerer Zeit ist es bekannt und von verschiedenen Autoren (W. KrAusE, G. RETzıus u. A.) beschrie- ben worden, dass die Hülle der Körperchen aus einem System äußerer Kapseln besteht, die allmählich und unbemerkbar in das System der inneren Kapseln übergeht, wobei der Oberfläche der einen wie der anderen, Kerne, von geringer Menge Protoplasma um- geben, anliegen. In der Litteratur habe ich nun keine Hinweise darauf gefunden, ob die genannten Zellen zu den Pflasterepithelzellen (Endothelzellen), wie sie sich in den Pacrmr’schen Körperchen finden, oder zu einer anderen Art Zellen gehören.

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 365

Bei Behandlung der Schnitte aus der Schnabelhaut mit Methylen- blau im Verlauf einer längeren Zeit (20—30 Minuten), als es zur Nervenfärbung erforderlich ist, gelingt es die genannten Zellen zu färben und damit ihre Zugehörigkeit sowie ihre Beziehungen zu den Kapseln zu bestimmen.

Auf Quer- und Längsschnitten durch die Körperchen, sowie auch auf Körperchen, die in toto geblieben (unzerschnitten) sind, erscheint es zur Evidenz, dass alle Zellen, die der Oberfläche der Kapseln an- liegen, als Bindegewebszellen angesehen werden müssen. Der Körper einer jeden Zelle hat gewöhnlich das Aussehen eines dünnen eckigen Plättehens (Figg. 1, 2 und 3 D), in welchem bald im Centrum, bald näher zum Rande hin ein recht großer, runder oder ovaler Kern ge- lesen ist. In der Mehrzahl der Fälle färbt sich der Kern mit Methylen- blau intensiver als das Plasma der Zelle, bisweilen jedoch wird auch das Umgekehrte beobachtet. Von den Ecken des Körpers genannter Zellen entspringen viele (von vier bis acht) membranöse Fortsätze, die unter allmählicher Theilung in eine bedeutende Anzahl äußerst dün- ner, stellenweise rosenkranzförmig verdickter Ästchen zerfallen (Fige. 1, 2 und 3). Die Länge der Fortsätze ist verschieden: einige von ihnen erscheinen kurz, andere dagegen haben das Aussehen äußerst dünner und varieöser Fäden, in Folge dessen sie in einem gewissen Grade an die Endverzweigungen von Dendriten der Nervenzellen erinnern. Der Körper der Zelle liegt der Kapseloberfläche dicht an, ihre Fort- sätze verlaufen jedoch in verschiedenen Richtungen: die einen ziehen längs der Oberfläche einer zugehörigen Kapsel, andere dringen wahr- scheinlich zwischen die Bündel der Bindegewebsfasern der Kapseln und begeben sich nach außen, wieder andere durchziehen den kapil- laren Raum zwischen den einzelnen Kapseln und bilden eine Art von Brücken. Die dünnen Verzweisungen der Zellfortsätze, die auf den Oberflächen aller, die Hülle eines Körpers bildenden Kapseln ge- legen sind, anastomosiren mit einander und bilden ein mehr oder weniger dichtes Netz. Eine derartige Beziehung der Zellen zu den Kapseln und zu einander tritt sowohl auf Schnitten durch die Körper- chen, als auch auf den in toto gebliebenen (wie dieses häufiger auf lesen Schnitten der Fall ist) hervor.

Die Körper der mit Fortsätzen versehenen Zellen erscheinen natürlich in größerem oder geringerem Grade gebogen, in Folge der koncentrischen Anordnung der Kapseln selber, wobei die vom Körper einer jeden Zelle gebildete Wölbung um so größer sein wird, je näher dieselbe zum inneren Kolben gelegen ist. Die an der Oberfläche der

366 A. S. Dogiel.

am meisten nach innen zu gelegenen und den Innenkolben begrenzen- den Kapseln gelegenen Zellen erscheinen rinnenförmig gebogen, wobei ihre sich an der Oberfläche der Kapsel selber verästelnden Fortsätze häufig mehrere Male den inneren Kolben umkreisen (Fig. 1 B). Bis- weilen vereinigen sich mehrere Zellen, welche der Oberfläche der am meisten nach innen zu gelegenen Kapseln anliegen, mit ihren Fortsätzen und bilden um den Innenkolben resp. um die Zellen des Kolbens eine Art Zellenkorb (Fig. 2).

Die beschriebenen Zellen unterscheiden sich überhaupt durchaus nicht von den Bindegewebszellen und ähneln, wie es mir scheint. am meisten den Bindegewebszellen der Subst. propria der Hornhaut.

Die auf Durchschnitten spindelförmig erscheinenden Zellen wurden bisher für Endothelzellen gehalten (in den Pacmrschen Körperchen), in Wirklichkeit jedoch müssen sie den flachen mit Fortsätzen versehenen Zellen des Bindegewebes zuge- zählt werden.

Im inneren Kolben der Körperchen sind, wie bekannt, besondere Zellen »Kolbenzellen« gelagert (in der Mehrzahl der Fälle in zwei Reihen), die den Achseneylinder umgeben. Zu dem bereits längst von diesen Zellen Bekannten kann ich nur Folgendes hinzufügen. Bisweilen, besonders nach länger dauernder Einwirkung des Methylen- blaus, färben sich recht intensiv feine Körnchen (Granula) im Zell- körper, die den Körnchen vollkommen analog sind, welche beständig in allerlei Arten von Nervenzellen gefunden werden. Die Kerne der Zellen bleiben in diesen Fällen vollkommen ungefärbt oder aber nehmen eine blaue Färbung an. Die Anwesenheit der Körnehen ir den Zellen giebt die Möglichkeit in die Hand mit Leichtigkeit kon- statiren zu können, dass sie sowohl den Achseneylinder umgeben, als auch seine keulenförmige oder knopfförmige Endigung im Kolben.

Zu einem Pol eines jeden Körperchens tritt eine mehr oder we- niger dicke markhaltige Nervenfaser, welche sich, einer bereits längst feststehenden Ansicht gemäß, in den Innenkolben begiebt, auf diesem Wege die Markscheide verliert und in Gestalt eines nackten Achsen- eylinders durch den Achsentheil des Kolbens hindurchzieht bis hart zu dem entgegengesetzten Ende desselben, wo sie mit einer knopf- törmigen oder keulenförmigen Anschwellung endigt.

Bei der Durchmusterung meiner Präparate habe ich die Beob- achtung gemacht, dass in einem Fall, häufiger nach länger andauernder Einwirkung des Methylenblaus, der im Innenkolben gelegene Abschnitt des Achseneylinders in Gestalt einer dieken Faser erscheint, im an-

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 367

deren Fall er umgekehrt das Aussehen eines bisweilen äußerst dünnen Fadens hat. Bei genauerer Betrachtung des Achsencylinders, beson- ders mit starken Vergrößerungen (homog. Imm. 1,5 Apert. 1,30, Oe. 12 mm), war es im ersten Fall nicht schwer zu konstatiren, dass er aus zwei Theilen zusammengesetzt ist: einer Achsenfaser und einer dieselbe umgebenden peripherischen Schicht (Figg. 1, 3 und 4). Die Achsenfaser erscheint nicht selten längsgestreift und be- steht aus einer sroßen Anzahl feinster Fibrillen, die so dicht bei einander gelagert sind, dass zwischen ihnen kaum bemerkbare Zwischenräume verbleiben. In Methylenblau färben sich die Fibril- len viel intensiver als die peripherische Schicht, in Folge dessen die Achsenfaser sich bald mehr bald weniger von letzterer abhebt. Am Ende des Achseneylinders entfernen sich die Fibrillen weiter von einander als es in der Achsenfaser selber der Fall ist, wo- bei sie gleichzeitig sich häufig winden und durchflechten, wodurch sie eine Art Pinsel oder eine sogenannte Endanschwellung bilden (Fig. 38). Eine derartige Zusammensetzung der Endanschwellung des Achseneylinders tritt sowohl an optischen Längs- als auch Quer- schnitten deutlich hervor, im Fall diese, wie es häufig auf dieken Schnitten geschieht, in toto erhalten und mit dem oberen Pol dem Beobachter zugekehrt sind. Was den peripherischen Theil des Acheneylinders anbetrifft, so besteht derselbe aus einer homogenen strukturlosen Substanz, die in einer ziemlich dieken Schicht den Achseneylinder in seiner ganzen Ausdehnung umgiebt, und sämmtliche Zwischenräume zwischen den Fibrillen ausfüllt; in Methylenblau färbt sie sich mehr oder weniger intensiv, jedoch in der Mehrzahl der Fälle bedeutend schwächer als der Achsenfaden (Figg. 3 A, ©, D, E). Selten konnte man in ihr noch die Anwesenheit von äußerst kleinen Körnehen feststellen (Fisg. 3 D und E). Je länger die Einwirkung der Methylenblaulösung auf die Präparate andauerte, um so stärker färbt sich die peripherische Schicht des Achseneylinders und Hand in Hand damit verschwindet auch allmählich die scharfe Grenze zwischen ihr und der Achsenfaser, wobei jener in diesem Falle als eine dieke Faser erscheint. Auf Präparaten, die, wenn man sich so ausdrücken darf, in Methylenblau nicht überfärbt sind, bleibt die, den peripherischen Theil des Achseneylinders bildende Substanz voll- kommen ungefärbt, während der eentrale Theil desselben das Aus- sehen eines dünnen, intensiv blau gefärbten Fadens enthält (Figg. 1 5, 4, 10, 14 A, C, D). Die beschriebene Substanz setzt sich auch, so

viel ich sehen konnte, auf die Endanschwellung des Achsencylinders Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 24

368 A. S. Dogiel,

fort, wo sie sich zwischen den Fibrillen vertheilt als verbände sie dieselben und außerdem noch die Anschwellung selber in dünner Schicht umgiebt. Indem die genannte Substanz zwischen den Fibrillen und um die Endverzweigungen des Achseneylinders gelagert ist, verleiht sie demselben, wie es mir scheint, die eigen- artige Keulen-, Knopfform u. dergl. Auf diese Weise treten in dem, im inneren Kolben gelegenen Abschnitt des Achseneylinders mehr oder weniger scharf hervor: der aus Fibrillen zusammenge- setzte Achsenfaden und eine an seiner ganzen Peripherie gelegene ziemlich dicke Schicht einer homogenen, augen- scheinlich strukturlosen Substanz (Mantel des Achsency- linders); letztere nimmt dessgleichen alle Zwischenräume zwischen den Fibrillen ein. SZYMonowıIcz giebt der genannten homogenen Substanz die Benennung »Plasmascheide« und hält sie augenscheinlich für eine besondere Substanz, für eine Art Kittsubstanz, wobei er die Vermuthung ausspricht, dass sie dazu dient, um eine enge Verbindung zwischen den Zellen des Kolbens (Tastzellen) und dem Achseneylinder selber herzustellen; mit anderen Worten, er hält die Plasmascheide für etwas vom Achseneylinder Gesondertes. So viel ich auf Grundlage meiner Präparate beurtheilen kann, ist die Substanz, die den Achsenceylinder (oder richtiger den Achsenfaden) umgiebt, kontinuirlich mit dem Achseneylinder verbunden und ist nichts Anderes als ein Bestandtheil des letzteren oder die sogenannte interfibrilläre Substanz. In dem inneren Kolben der Hergsr’schen Körperchen erscheinen die zwei beständigen Bestandtheile des Achsen- cylinders die Fibrillen und die interfibrilläre Substanz schärfer von einander gesondert, als es im Übrigen, außerhalb des Innen- kolbens gelegenen Verlauf der Nervenfaser der Fall ist. Die Fi- brillen nähern sich hier, legen sich zu einem mehr oder weniger dünnen Bündel zusammen Achsenfaser während eine gewisse Menge inter- fibrillärer Substanz zur Peripherie gedrängt wird und um die Achsen- faser eine Art Mantel bildet (»Plasmascheide« von SZYMONOWICZ).

Eine derartige Vertheilung der Fibrillen und der interfibrillären Substanz ist bereits längst von vielen Autoren, unter anderen auch von mir beschrieben worden und wird in verschiedenen Endappa- raten, z. B. in den motorischen Nervenapparaten, in den Genitalnerven- körperchen ete. beobachtet. |

Außer dem Beschriebenen kann man auf vielen Präparaten sehen, dass von der interfibrillären Substanz, auf dem ganzen Verlauf des Achseneylinders im Innenkolben, nach allen Seiten unter rechten oder

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 369

spitzen Winkeln eine Menge kurzer, zuweilen sich verästelnder, Seitensprossen abgeht, deren Basis häufig verbreitert erscheint, in Folge dessen sie das Aussehen von Dornen erhalten (Fig. 3 C und D). Verfolst man das weitere Schicksal dieser dornmenartigen Seiten- sprossen, so ist es nicht schwer sich davon zu überzeugen, dass sie nur die Zellen des Innenkolbens erreichen, sich wie Keile zwischen die letzteren einschieben und augenscheinlich hier mit zugespitzten Enden endisen (Fig. 3 D). Das Methylenblau färbt die genannten Seitensprossen, ähnlich der interfibrillären Substanz, mehr oder we- niger intensiv, in Folge dessen sie mehr oder weniger deutlich her- vortreten. Bereits Szymoxowicz hat die Aufmerksamkeit auf die ge- nannten Seitensprossen gelenkt; er nennt sie einfach »Streifen« und sagt unter Anderem, dass sie vom Achseneylinder ausgingen, seine Plas- mascheide durchsetzten und bis hart an den Rand oder den Kern der Zellen des Innenkolbens sich erstrecken. Welchem Zweck die von ihm beschriebenen Streifen dienen darauf giebt Szymoxowıcz keine Ant- wort »denn dieselben sind sehr undeutlich und treten nicht in jedem Präparate auf«. Nichtsdestoweniger sagt SZYMONowIcz, da er seine »Plasmaschicht« für eine besondere Art Kittsubstanz hält, von den ge- nannten Streifen Folgendes: »Ob die durch die Kittsubstanz verlaufenden Streifen nicht etwa Kommunikationswege darstellen und nicht eine zu diesem Zwecke differenzirte Substanz bilden, kann bei der Benutzung der sSegenwärtigen Untersuchungsmittel kaum entschieden werden.« Aus meinen Beobachtungen ist es ersichtlich, dass die Streifen von SZYMO- Nowıcz nichts Anderes vorstellen als Seitensprossen der interfibrillären Substanz, die den centralen Theil des Achseneylinders umgiebt. Aus- gehend von der Thatsache, dass in allen Nervenendapparaten, in denen eine scharfe Scheidung der Fibrillen des Achsencylinders von der interfibrillären Substanz stattfindet, eine derartige Sonderung auch in jedem durch Theilung des ersteren entstandenen Endästchen beobachtet wird, setzte ich voraus, dass auch in dem gegebenen Fall dieselbe Erscheinung vor sich geht. Bei genauer Beobachtung der Präparate selang es mir in der That zu konstatiren, dass von dem fibrillären Theil des Achseneylinders unter verschiedenen Winkeln sich feine Fäden abzweigen, die sich häufig gabelförmig in noch feinere Fädcehen theilen, in den Seitensprossen der interfibrillären Substanz gelagert sind und mit ihr in die Zwischenräume zwischen den Zellen des Innenkolbens eindringen (Fig. 3 C, D, E und Fig. 4). Ein derartiges Verhalten der Fäden tritt besonders deutlich auf optischen Quer- schnitten der Körperehen hervor (Fig. 5). Die genannten Fädchen

24*

370 A. 8. Dogiel,

färben sich in der That in Methylenblau ziemlich schwer und sind selten auf dem ganzen Verlauf des Achseneylinders durch den Innen- kolben sichtbar, nichtsdestoweniger sind sie, wie es auch auf den beigegebenen Figg. 3, 4 dargestellt ist, in vielen Körperehen in ‚größerer oder geringerer Zahl sichtbar. Öfters findet man Körper- chen, in denen man bemerken kann, dass einige von den beschrie- benen Fädchen nur auf eine bestimmte Strecke gefärbt sind und die Schicht der interfibrillären Substanz, welche die Achsenfaser umgiebt, nicht überschreiten (Fig. 3 D und E), oder aber es erscheint nur die Achsenfaser sammt den von ihr abgehenden Seitenfädchen gefärbt (Fig. 4). Was die Endanschwellung des Achseneylinders anbetrifft, die, wie oben erwähnt worden ist, ein pinselförmiges Aussehen hat, so gehen auch von ihr viele sich verästelnde kurze Fäden ab, die sich in Form einer Fontaine in verschiedener Richtung ausbreiten und in die Zwischenräume zwischen den, das Ende des Achseney- linders umgebenden Zellen des Kolbens eindringen (Fig. 3 A und Fig. 4). Auf Grund meiner Beobachtungen endigt der Achseneylinder im Innenkolben folgendermaßen: nach seinem Eintritt in den Innenkolben giebt er auf seinem ganzen Verlauf (einge- schlossen sein verdiektes Ende) eine Menge feiner, kurzer, häufig sich wiederholt theilender Seitenäste (Sprossen) ab, die zwischen den Zellen des Kolbens endigen. Die ge- nannten Äste entspringen vom Achseneylinder unter ver- schiedenen Winkeln und bestehen aus Fibrillenbündeln, die von einer dünnen Schicht interfibrillärer Substanz um- geben sind.

Zu Gunsten der Existenz der von mir beschriebenen Seiten- sprossen sprechen die Beobachtungen von RETzZIus! an den PAcnI- schen Körperchen im Mesenterium der Katze. Bei Anwendung der GorsTschen Methode hat dieser hervorragende Forscher bereits im Jahre 1894 die genannten Sprossen bemerkt und in einer soeben er- schienenen Arbeit seine Beobachtungen bestätigt. Er vergleicht sie mit den feinen Sprossen (Dornen), die von den Dendriten der Pyramidenzellen der Hirnrinde und den PurkınJE’schen Zellen ab- sehen, und schreibt: »jedenfalls ist zu beachten, dass die Seiten- sprossen nicht mittels anderen Methoden, v. A. nicht mittels der Methylenblaufärbung nachgewiesen worden sind<. Da an den nach GorsI behandelten Präparaten die Struktur der Nervenelemente

1 G. Rerzıus, Biolog. Untersuchungen. N. F. Bd. VI. 1894. Biolog. Untersuchungen. N. F. Bd. VIII. 1898.

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 371

nieht sichtbar ist, so ist es verständlich, dass auch Rerzıus die von mir beschriebene Zusammensetzung des Achsencylinders so wie der von ihnen abgehenden Seitensprossen nicht hat konstatiren können.

Derartige Seitensprossen sind auch von Tımorsrw beschrieben worden, in den in Methylenblau gefärbten Pacint'schen Körperchen der Prostata.

Nach allem Gesagten entsteht unwillkürlich die Frage wie denn ihrerseits die Nervenästchen endigen, die zwischen den Zellen des Kolbens gelagert sind? Eine definitive Antwort ist auf diese Frage zur Zeit sehr schwer zu geben, wenigstens in Bezug auf die Hergsr’schen Körperchen wegen der Feinheit der Ästchen selber und der unbedeutenden Größe der Zellen des Kolbens. Auf Grund jedoch von noch nicht im Druck erschienenen Beobachtungen von mir und cand. rer. nat. K. WILLANEN! an GrAnDrRY'schen Körper- chen lasse ich als Vermuthung zu, dass die Fibrillen, welche die senannten Ästchen bilden, in enger und unmittelbarer Verbindung mit dem Protoplasma der Zellen des Innenkolbens stehen; die letz- teren müssen daher, in Übereinstimmung mit früheren Beobachtungen F. MErKEL's, als echte sensible peripherische Nervenzellen angesehen werden.

Damit sind jedoch meine Beobachtungen an den Endigungen der Nerven in den HergsT’schen Körperchen noch nicht erschöpft. Außer der, im Achsentheil des Innenkolbens gelegenen und zwischen den Zellen, oder, wie ich voraussetze, in die Zellen selber des Kolbens endisenden Nervenfaser, tritt zum Pol eines jeden Körperchens mit der ersten Faser noch eine zweite, die sich in Methylenblau be- deutend schwieriger als die erste färbt und desswegen nicht auf allen sondern nur auf einigen Schnitten sichtbar ist (Figg. 6 bis 12).

Diese Faser erscheint viel dünner als die erstere und erhält eine Markscheide erst in einer großen Entfernung vom Körperehen. Nicht selten gelangen zu einem Körperchen zwei dünne Fasern, wobei die

i Nach meinen und K. WırrAanen’s Beobachtungen endigen in den GRANDRY’schen Körperchen zweierlei Arten von Nervenfasern. Die einen, dicke markhaltige Fasern, treten in das Körperchen ein und verlieren die Markscheide, wobei ihr Achseneylinder zwischen die Zellen des Körperchens eindringt, sich abplattet und die Form einer Scheibe annimmt (Tastscheibe Ranvırr’s). Die Fibrillen, aus denen er besteht, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Protoplasma der Tastzellen. Die Fasern der zweiten Art, dünne, mark- . haltige Fasern, dringen, nach Verlust der Markscheide, unter die Hülle eines Körperehens und endigen auf der äußeren Oberfläche der Tastzellen in Gestalt eines Netzes, resp. umflechten die genannten Zellen von außen.

872 A. S. Dogiel,

eine in diesen Fällen als dünner varicöser Faden erscheint, der zu- weilen eng der ersten dicken Faser anliegt und häufig sogar sich um sie windet. Es gelang mir diese zweite dünne Faser auf weite Strecken zu verfolgen und zu konstatiren, dass sie nur ein Ästehen darstellt, hervorgegangen aus einer Theilung der diekeren Faser weit ‘vor deren Eintritt in den inneren Kolben (Fig. 7).

Gewöhnlich erreicht die erwähnte Faser mit der ersteren dicken, markhaltigen Faser den Anfang des Innenkolbens, wo sie sofort in mehrere mehr oder weniger dünne varicöse Fädchen zerfällt (Figg. 6, 7, 8, 9 und 12). Die genannten Fasern begeben sich an die Peri- pherie des Innenkolbens, d. h. mit anderen Worten, verlaufen zwischen der letzten Kapsel und den Kolbenzellen und zerfallen schließlich in der Nähe des blinden Endes des Kolbens in viele sehr dünne Fäd- chen (Figg. 6, 7, 8, 9 und 12). Alle Fäden, die durch Theilung aus der genannten Faser entstehen, geben auf ihrem ganzen Verlauf eine ungeheuere Menge feiner Seitenfädchen ab, welche sich von Neuem vielfach theilen, sich verflechten und unter einander verbinden, in Folge dessen sie zum Schluss ein äußerst dichtes Netz bilden (Figg. 6, 7, 8, 9). Die Fädchen genannten Netzes erscheinen häufig mit verschieden großen runden oder spindelförmigen Varicositäten besetzt, wobei im Falle ungenügender Färbung des Netzes viele der Fädchen (Fig. 12) frei mit größeren oder kleineren Verdickungen zu endigen scheinen. Beim Studium des Verhaltens der Fädchen des senannten Netzes zu den Zellen des Kolbens auf Quer- und Längs- schnitten ist es äußerst schwer die Frage zu entscheiden ob sie den Innenkolben nur von der Peripherie umspinnen oder aber von allen Seiten, d. h. zwischen die Zellen des Kolbens eindringen. Bis- weilen trifft man Bilder an, wie aus Figg. 6, 7,8 Bund C, 9 und 13 ersichtlich, die mehr zu Gunsten einer peripherischen Aus- breitung des Netzes sprechen, bisweilen jedoch erscheint es umge- kehrt, als wären die Zellen des Kolbens von allen Seiten vom Faser- netz umsponnen. Auf Grund meiner Präparate bin ich jedoch mehr Seneigt anzunehmen, dass die Endverästelungen der genannten Fasern nur an der Peripherie der Kolbenzellen gelagert sind. In Betreff der Fäden, in welche die dünne Faser beim Eintritt in den Innenkolben zerfällt, muss bemerkt werden, dass sie in einigen Fällen bis an das blinde Kolbenende angelangt, umbiegen und beinahe bis zur Eintritts- stelle in den Kolben zurückverlaufen, um darauf wieder in umgekehrter tichtung zu verlaufen, wobei sie sich schraubenförmig um die Zell- reihen des Kolbens winden (Fig. 11).

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 373

In der Regel bleibt in den Fällen, in welchen die genannte Faser mit ihren Endverzweigungen gefärbt erscheint, der Achsen- eylinder der anderen, im Achsentheil des Innenkolbens gelegenen Faser ungefärbt; nebenbei jedoch trifft man Körperchen an, in dessen Innenkolben mehr oder weniger deutlich die Endigungen beider Arten von Fasern sichtbar sind. Die Existenz irgend welchen un- mittelbaren Zusammenhanges der Endverzweigungen beider Arten von Fasern ist mir zu beobachten nicht gelungen.

Auf diese Weise endigen im Innenkolben eines jeden Hergsr’schen Körperchens, wie es aus meinen Beobachtungen ersichtlich, zwei Nervenfasern: eine dicke Faser, die im Achsentheil des Innenkolbens gelegen ist und eine Menge kurzer und dünner Seitenäste abgiebt, welche ihrerseits zwischen die Zellen des Kolbens eindringen und aller Wahrscheinlichkeit nach im Plasma der Zellen selber endigen. Die andere Faser erscheint dünner als die erstere, tritt in den inneren Kolben ein und zerfällt in eine bedeu- tende Anzahl dünner Fädchen, die alle Zellen des Innen- kolbens umflechten. Welche Rolle in der Aufnahme und Über- sabe gewisser Empfindungen eine jede von diesen Fasern spielt müssen spätere Beobachtungen klar stellen.

Die von mir beschriebene Endigungsweise der Nerven erscheint nicht als vereinzelt in ihrer Art. D. Tımoreew! fand in der äußeren bindegewebisen Hülle der Prostata und in ihrem Gewebe selber (beim Hunde und bei der Katze) besondere eingekapselte Körperchen, in denen, so wie in den Hergsr’schen Körperchen zwei Fasern endisen: der Achseneylinder der einen dieken Faser liegt im Innen- kolben, hat die Gestalt eines Bandes und endigt mit einer knopf- förmigen Anschwellung. Was die andere dünne Faser anbetrifit, so zerfällt ihr Achseneylinder in eine Menge Fäden, die im inneren Kolben an dessen Peripherie ein engmaschiges Geflecht um die erste Faser bilden. Die Endigung beider Arten-Fasern sind, nach der Meinung von TIMOFEEW von einander durch eine Schicht körniger, kernhaltiger Masse getrennt, aus welcher der Innnenkolben besteht. TIMoFEEW ist es nie gelungen den Abgang von »Seitenästen vom Achseneylinder der dieken Faser in die genannte Masse zu beobachten. Mir scheint es, dass die von Tımorszw beschriebenen Körperchen und die Hergst’ehen Körperehen zu einem und demselben Typus

1 Über:die Endigungen der Nerven in den männlichen Geschlechtsorganen der Säugethiere und des Menschen. Diss. Kasan 1896. (Russisch.)

374 A. S. Dogiel,

von Endkörperchen gehören und dass, aller Wahrscheinlichkeit nach, bei sorgfältigerer Untersuchung und einer vollkommeneren Färbung der Nerven sowohl die Zusammensetzung der körnigen Masse aus Zellen als auch die von mir beschriebene Beziehung der dieken Faser zu den Zellen konstatirt werden könnte. Mehr noch, ich lasse es zu, dass die Pacınt’schen Körperchen und andere, dem Bau nach ihnen nahestehende, nach der Art der Nervenendigung in ihnen, in eine Gruppe mit den Hergsr’schen Körperchen zu stellen sind. Zu Gunsten dieser Ansicht spricht zum Theil die Beobachtung von Rertzıus! an den VATER-PacısTschen Körperchen der Katze. Ob die von mir ausgesprochene Vermuthung richtig ist oder nicht, das werden natürlich weitere Untersuchungen lehren. |

Am Schlusse meiner Abhandlung angelangt, muss ich hinzufügen, dass nicht selten der Achsenceylinder der dieken Faser, nach seinem Eintritt in den inneren Kolben, sich sofort gabelförmig in zwei Äste von gleicher oder verschiedener Länge theilt, die nach verschiedenen Richtungen aus einander gehen. In solchen Fällen nimmt das ganze Körperchen, wie aus Fig. 14 A und D ersichtlich, eine unregel- mäßige, bisweilen herzförmige Gestalt an, wobei jeder Ast gewöhn- lich seinen eigenen inneren Kolben hat. Außerdem trifft man häufig Körperchen an, in denen der Achseneylinder, auf seinem Verlauf im inneren Kolben, einen oder mehrere kurze Seitenäste unter rechtem oder spitzen Winkel abgiebt, oder aber derselbe sich in kurzer Entfernung von dem, dem Eintritt gegenüberliegenden, Ende des Innenkolbens gabelförmig in zwei kurze Ästchen theilt (Fig. 14 B und C). In diesen Fällen hat jedes Ästchen wieder einen eigenen inneren Kolben, oder mit anderen Worten: derselbe theilt sich mit der Theilung des Achseneylinders. Die beschriebenen Körperchen können zum Unter- schiede von den anderen zusammengesetzte HERBST'sche Körperchen genannt werden. Was’ die Endigungsweise jener Ver- ästelungen anbetrifft, in denen die dünnen Nervenfasern in diesen zusammengesetzten Körperchen zerfallen, so ist es mir mehrfach ge- lungen zu beobachten, dass sie in jedem einzelnen Innenkolben vor- handen sind und sich eben so zu den Zellen des Kolbens verhalten, wie in den einfachen HergsrT’schen Körperchen.

Zum Schluss bleibt mir noch übrig hinzuzufügen, dass im Ver- lauf der dieken Nervenstämmchen häufig kleine sympathische Ganglien und einzelne Zellen gelagert sind. Sowohl jene wie

1 I:

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 375

diese liegen in der Regel in den tiefen Schichten der Haut des harten Gaumens, - wobei die Nervenfortsätze der Zellen sich zu den Blutgefäßen begeben.

St. Petersburg, im März 1899.

Erklärung der Abbildungen,

Tafel XXII und XXIII.

Fig. 1A,B, C. HerBsT’sche Körperchen. a, Außenkolben; d, Innenkolben; c, Achseneylinder. A und (', sternförmige Zellen (d), die der Oberfläche der Kapseln anliegen. B, sternförmige Zellen (d), welche der am meisten nach innen zu gelegenen Kapsel anliegen; e, Kerne der Zellen des Innenkolbens. Fig. C ist bei Vergrößerung mit Obj. 6, alle übrigen Figuren sind bei Ver- srößerung mit Obj. 8a REICHERT gezeichnet worden.

Fig. 2. Ein HeRBST’sches Körperchen. a, Außenkolben; 5, Innenkolben; c, dieke, markhaltige Nervenfaser; d, sternförmige Zellen, welche der Oberfläche der innersten Kapsel anliegen und gleichzeitig mit ihren Fortsätzen den Innen- kolben umflechten. Obj. IX. REICHERT.

Fig. 3A, B,C, D und E. Herest’sche Körperchen. a, Außenkolben; 5, Innenkolben; c, sternförmige Zellen; d, Zellen des Innenkolbens. A, der Achsen- eylinder (e) besteht aus der Achsenfaser und ist von einer Schicht interfibril- lärer Substanz umgeben; von der keulenförmigen Anschwellung des Achsen- eylinders gehen feine Fäden ab und dringen in die Zwischenräume zwischen den Zellen des Kolbens ein. Obj. 8a. REICHERT. BD, optischer Querschnitt eines Körperchens; es ist die Zusammensetzung der Endanschwellung des Achsen- eylinders aus feinsten Fibrillen sichtbar. C, von der Achsenfaser des Achsen- eylinders entspringen sich theilende Seitenästchen, wobei sowohl die letzteren ‚als auch die Fasern von einer Schicht interfibrillärer Substanz umgeben sind. Obj. Apochrom. Zeıss 4,0. D, eine Achsenfaser und die dieselbe in Form eines Mantels umgebende dicke Schicht interfibrillärer Substanz, welche leicht körnig erscheint. Von der Achsenfaser lösen sich Fäden ab, die in die Zwischenräume zwischen den Zellen des Kolbens eindringen; einige Fäden haben sich nur auf eine gewisse Entfernung gefärbt und treten nicht aus dem Bereich des Mantels heraus. Obj. IX. REICHERT.

Fig. A. Ein Hergst’sches Körperehen. In Methylenblau hat sich bloß die Achsenfaser (a) und ihre Endanschwellung mit den von ihnen abgehenden Seiten- fäden gefärbt. Obj. 8a. REICHERT. |

Fig. 5. Ein Querschnitt durch ein HrrgsT’sches Körperchen; sichtbar sind die von der Achsenfaser abgehenden Seitenfäden, die in die Zwischenräume zwischen den Kolbenzellen eintreten. Obj. 8a. REICHERT.

Fig. 6. Ein HrrgsrT’sches Körperchen mit der im Innenkolben endigenden dicken (a) markhaltigen Faser und der an der Peripherie des Kolbens sich ver- zweigenden dünnen, marklosen, Faser (b). Obj. IX. REICHERT.

Fig. 7. Eine feine Nervenfaser theilt sich vor dem Eintritt in ein HERBST- sches Körperchen in zwei Äste (a und b), welche sich an der Peripherie des

376 A. S. Dogiel, Zur Frage üb. d. Bau der Herbst’schen Körperchen ete.

Innenkolbens verzweigen und ein dichtes Netz bilden; c, der in Methylenblau schwach gefärbte Achseneylinder der dieken markhaltigen Faser. Obj. IX. REICHERT. |

Fig. 8A, Bund C. HerBsT’sche Körperchen, an der Peripherie des Innen- kolbens verzweigen sich dünne Nervenfasern (a) und bilden um denselben ein Netz; 5, flache Zellen, die der Nervenfaser anliegen. Auf der Fig. C' ist das

Körperchen mit seinem Pol dem Beobachter zugekehrt; die Verzweigungen der dünnen Faser, die das blinde Ende des Innenkolbens umflechten, sind dunkler gezeichnet als die den übrigen Theil des Kolbens umgebenden Fäden. Fig. A ist bei Vergrößerung mit Obj. IX, Fig. Z und C bei Vergrößerung mit Obj. 8a REICHERT gezeichnet worden.

Fig. 9. Der obere Pol des in Fig. SC dargestellten Körperchens, gezeich- net bei einer Vergrößerung mit hom. Imm. Zeıss 1,5 mm, Apert. 1,30, Oe. 4.

Fig. 10. Eine dicke markhaltige Faser (a), welche im Innenkolben eines HERBST'schen Körperchens endigt; am blinden Ende des Kolbens ist nur ein Theil des denselben umflechtenden Nervennetzes sichtbar, der übrige Theil sowie die dünne Nervenfaser haben sich in Methylenblau nicht gefärbt. Obj. 8a. REICHERT.

Fig. 11A und ZB. Eine dünne Nervenfaser (a) verzweigt sich an der Peri- pherie des Innenkolbens Hergsr’scher Körperchen, wobei viele Fäden, die aus ihrer Theilung hervorgegangen, nach Erreichung des blinden Endes des Kol- bens, rückwärts bis zum entgegengesetzten Ende verlaufen, darauf sich wieder nach oben begeben etc. Obj. 8. REICHERT.

Fig. 12. Eine dünne Nervenfaser (a) zerfällt, nachdem sie den Innenkolben eines Hergsr’schen Körperchens erreicht hat, in zwei Ästchen, welche an der Peripherie des Kolbens hinziehen und auf ihrem Verlauf eine Menge Seitenäste abgeben. Einige von den letzteren haben sich nicht auf dem ganzen Verlauf gefärbt und scheinen frei zu endigen. Obj. IX. REICHERT.

Fig. 13. Ein optischer Schnitt durch ein HErBST’sches Körperchen, aus dem ersichtlich ist, dass die Nervenfäden, welche den Innenkolben umflechten, an dessen Peripherie gelagert sind. Obj. Sa. REICHERT.

Fig. 144, B, C und D. Verschiedene Formen zusammengesetzter HERBST- scher Körperchen mit zwei Innenkolben. Obj. 6. REICHERT.

Alle Zeichnungen sind mit Hilfe des Zeichenprismas angefertigt von Prä- paraten aus der Haut des harten Gaumens der Hausente.

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern.

Von Boris Sukatschoff

stud. rer. nat,

(Aus dem zoologischen Institut der Universität Heidelberg.)

Mit Tafel XXIV—XXVI und einer Figur im Text.

In den letzten Jahren (1892, 1894, 1896, 1898) untersuchte Professor O. BürscHLı den feineren Bau verschiedener nichtzelliger, quellbarer Stoffe des Organismus; als ich im Sommer-Semester 1897 in dem Zoologischen Institut der Universität Heidelberg unter seiner Leitung arbeitete, empfahl er mir, seine Studien fortzusetzen und zu erweitern durch Untersuchungen über den feineren Bau der Horn- fasern der Spongien, der Cuticulae verschiedener Würmer und des Chitinpanzers der Crustaceen; später zog ich auch, auf Grund - selegentlicher Beobachtungen, die Kokons von Nephelis vulgaris Mg. Tnd. in den Kreis der Untersuchung. Im Folgenden will ich die Resultate dieser Untersuchungen mittheilen, welche fast alle nur als Bestätigung und Erweiterung der von BürscHLı früher und in dem jüngst erschienenen Werke »Über Strukturen ausgesprochenen Anschauungen dienen können.“ Alle von mir untersuchten Objekte zeigten eine feinwabige Struktur, die meistens recht klar und sicher festzustellen war. Die Untersuchungsmethoden sollen in jedem ein- zelnen Falle angegeben werden.

I. Die Hornfasern von Hircinia!. (Taf. XXIV, Fig. 1—6, Taf. XXVI, Fig. 2—3.) Wie es schon seit langer Zeit festgestellt ist, kann man in den Horn- fasern von Hircinia zwei Partien unterscheiden: eine äußere Rinden- 1 Ich habe zwei Arten, Hircinia variabilis (0. Schmidt) Schulze und

H. flavescens O. Schm. untersucht, welche gleiche Verhältnisse zeigten. Dar- um werde ich sie nicht abtrennen.

378 Boris Sukatschoff,

zone und die innere Marksubstanz, welche beide fast unmerkbar in einander übergehen. Die äußere Rindenzone besteht aus zahlreichen Schichten und stellt daher gewissermaßen mehrere sich umschließende Oylinder dar. Auf dem optischen Längsschnitt einer Hornfaser sieht man diese Schichten durch dunkle oder helle Linien (je nach der Einstellung des Mikroskops) getrennt; dieses sind nur die Grenzen der einzelnen Schichten (resp. Cylinder). Die Marksubstanz, welche bei gewissen Hornschwämmen ganz unbedeutend ist, ist dagegen bei Hireinia ziemlich stark entwickelt. Bei schwächerer Vergrößerung zeigt sie auf den Totalpräparaten eine feinkörnige Struktur; die Körnchen sind in Reihen parallel der Längsachse der Faser angeordnet; da, wo sich drei oder mehrere Hornfasern des Netzes zu einem Knoten- punkt vereinigen, sind diese Körnchen in den äußeren Partien der Marksubstanz den Schichten der Rindenzone parallel, während sie im Centrum der Knotenpunkte ganz unregelmäßig angeordnet sind. Bei genauer Untersuchung kann man häufig eine feine, schief gekreuzte spiralige Streifung der Rindenschicht und Marksubstanz an den Fasern beobachten, welche durch die ganze Dicke der Faser zu verfolgen ist (Fig. 1, Taf. XXIV). Diese Streifung wurde zuerst im Jahre 1896 (p. 4) von BürschLı beobachtet und dann auch in dem jüngst erschienenen Werke »Über Strukturen« (1898, p. 337) von ihm beschrieben. Bei einigen Fasern konnte ich jedenfalls durch Zug- wirkung hervorgerufene ziekzackförmige Risslinien beobachten, die quer durch die Fasern liefen (Fig. 1, Taf. XXIV). Die einzelnen Elemente, aus welchen diese Ziekzacklinien sich zusammensetzen, entsprechen vollständig den zwei Richtungen der Kreuzstreifung.

Ich untersuchte die Hornfasern ferner nach der Austroceknungs- methode, die von BürschLı (1896, p. 2) angegeben wurde. An einigen Stellen konnte man jedoch auch ohne specielle Behandlung des Objektes, bei Betrachtung mit starken Vergrößerungen, eine sehr eigenthümliche wabige Struktur auf dem optischen Längsschnitt be- obachten; namentlich sah man der Länge der Faser nach abwechselnde Wabenreihen, die einen hell, die anderen dunkel, wie es auf Fig. 2, Taf. XXIV dargestellt ist. Dieselbe Abwechselung heller und dunk- ler Reihen hat BürscHLı (1892, p. 89 und Fig. 35, Taf. IV) in der Cuticula von Branchiobdella beobachtet.

Um möglichst reine Schwammfasern zu erhalten, kn kleine Stückehen des Schwammes mit künstlichem Magensaft behandelt, bis das weiche Schwammgewebe völlig verdaut oder abgelöst war; dann wurden sie mit 5°%/,iger Kalilaugelösung auf dem Wärmschrank bei ca.

Über den feineren Bau einiger Cutieulae und der Spongienfasern. 379

40° C. bis zwei Tage behandelt, mehrmals in Wasser ausgewaschen und durch Alkohol in Xylol übergeführt. Aus Xylol wurden dann kleine Fragmente solcher Fasern auf dem Objektträger unter der Luftpumpe bei höchstens einigen Centimeter Quecksilberdruck aus- setrocknet. Die so ausgetrockneten Fasern verändern ihre Gestalt nicht, verlieren aber ihre braune Farbe und werden kreideweiß in Folge Auftretens von Luft oder Gas in ihrem Inneren. Im durch- fallenden Licht sind sie daher sehr undurchsichtig. Sie wurden unter dem Deckglas direkt in Luft untersucht oder in geschmolzenen Kanadabalsam, der rasch fest wird, eingeschlossen. Zu diesem Zwecke wurde ein Tropfen Kanadabalsam auf einem Deckgläschen erwärmt, bis er beim Abkühlen fest erstarrte. Dann wurde das Objekt schnell in den zum Schmelzen erwärmten Balsam eingeschlossen, indem man das Deckglas mit dem Kanadabalsam auf das Objekt legte und etwas aufdrückte, wobei der Balsam rasch erstarrt. Zuweilen wurde es nöthig, das in dem Balsam befindliche Präparat noch mehrmals über der Flamme bis zum Schmelzen des Balsams zu erhitzen. Bei dem Austrocknen unter der Luftpumpe werden die einzelnen Waben- hohlräumchen mit Gas erfüllt, was an sehr dünnen Theilen besonders sut zu sehen ist. In den Präparaten, die in geschmolzenen, rasch erstarrenden Kanadabalsam eingeschlossen sind, durchdringt der letz- tere die Fasern nicht überall, so dass man Stellen trifft, welche die gaserfüllte Struktur sehr schön zeigen. Häufig beobachtet man - Stellen mit geringer Gaserfüllung, wo einzelne Wabenhohlräumehen gaserfüllt blieben und als Gasbläschen durch die strukturlose Um- gebung ziehen (Fig. 3, Taf. XXIV). Diese Bläschen sind immer in zwei Richtungen, entsprechend der geschilderten schiefen Kreuz- streifung angeordnet, wie es Fig. 4, Taf. XXIV erkennen lässt. Wo aber das Präparat vollständig von Kanadabalsam durchdrungen ist,

_ kann man keine feinere Struktur erkennen; hier sind nur die Schich-

ten der Rinde zu sehen, aber nicht die feinere Struktur dieser Schichten. Das oben geschilderte Bild der wabigen Struktur der Hornfasern wurde zuerst von BÜTscHLı (siehe oben 1898, p. 336) be- obachtet. Auch hat er schon die schief gekreuzte Anordnung der Waben gesehen und die Meinung ausgesprochen, dass von ihr die Kreuzstreifung der Fasern herrühre. Die wabige Struktur lässt sich jedoch nieht nur in den Schichten der Rinde der Hornfasern, sondern auch in der Marksubstanz erkennen.

Besonders überzeugende Resultate wurden durch Maceration der Hornfasern erhalten; sie lassen keinen Zweifel, dass wir eine wabige

380 Boris Sukatschoff,

Struktur vor uns haben. Die in der oben angegebenen Weise ge- reinigten Hornfasern wurden mit JAVELLE’schem Wasser 1/,—1 Stunde behandelt, darauf mehrmals in Wasser ausgewaschen und nach Vor- behandlung mit 1%,iger Chromsäurelösung mit Gentianaviolett (Anilin- wasserlösung) stark dunkelblau gefärbt. Die Fasern wurden dann in Wasser unter einem Deckglas, dessen Rand mit Paraffın festge- jegt und verschlossen war, eingeschlossen. Alsdann wurde leicht auf das Deckglas geklopft, bis die Fasern zu feinem Pulver zerfallen waren. Die Untersuchung der Zerfallprodukte muss mit den stärksten Vergrößerungen ausgeführt werden. Die ganze Faser zerfällt in ein- zelne Blättehen und Fragmente (Fig. 5 a—c, Taf. XXIV), die meist nur aus einer Schicht von Waben bestehen; auch diese Blättchen und Fragmente können weiter in einzelne Gruppen von Waben und sogar in einzelne Waben zerfallen.- Häufig erhält man auch Frag- mente des Wabengerüstes, namentlich kleinste Knotenpünktchen mit drei davon ausgehenden Fäserchen, resp. Wänden. Eine isolirte Partie einer Schicht hat das Aussehen eines Netzwerks, dessen ein- zelne Fäden schief gekreuzt sind, was vollständig der oben ange- deuteten Kreuzstreifung der Hornfasern entspricht. Die Knoten- pünktchen, die in den Punkten, wo sich die scheinbaren Fäden kreuzen, liegen, treten besonders deutlich hervor. Isolirte Fibrillen wurden niemals angetroffen; wo solche scheinbar vorkommen, zeigt die genauere Untersuchung stets deutlich die gereihten Knotenpunkte und die Reste der von ihnen abgehenden Gerüstwände des Wabenwerks. Aus diesen Ergebnissen folgt mit aller Bestimmtheit, dass die Kreuz- streifung nicht durch alternirende Schichten von Fasern, deren Ver- laufsrichtungen sich kreuzen, hervorgerufen sein kann.

Von besonderer Wichtigkeit ist noch die Untersuchung von Querschnitten der Hornfasern. Diese sind wegen der Härte der Fasern nicht leicht zu machen. Geschnitten wurde nach Einbettung der Fasern in Gummiglycerin (1 Theil Glycerin, 10 Theile einer dicken Lösung von Gummi arabicum), welches an der Luft bis zur schnitt- fähigen Konsistenz eingetrocknet wurde. Auf solchen Schnitten, die mit dem Rasiermesser gemacht wurden, sah man schön eine mehr oder weniger koncentrische, jedoch etwas unregelmäßige Schichtung, wie es auf Fig. 6, Taf. XXIV und Photographie 2, Taf. XXVI dar- gestellt ist. Letztere und die Fig. 3, Taf. XXVI sind Reproduk- tionen zweier Photographien, die von Herrn Professor 0. BÜTSCHLI aufgenommen wurden; die Fig. 3, Taf. XXVI ist ein Theil der

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 381

Fig. 2, Taf. XXVI bei stärkerer Vergrößerung'. Man sieht auf Fig. 2, Taf. XXVI, dass die koncentrischen Linien, welche die Grenzen der einzelnen Lagen andeuten, nicht überall parallel ziehen, sondern mehr oder weniger wellig verlaufen, sich manchmal sogar auskeilen. Jede Lage zwischen zwei schärfer hervortretenden Grenzlinien, die bei tiefer Einstellung des Tubus hell erscheinen, ist von etwa fünf bis acht und mehr Wabenschichten gebildet. Die Waben sind in kon- centrischen Reihen angeordnet mit einer Neigung zur radiären An- ordnung einzelner Waben der benachbarten Reihen. Die helle Grenz- linie zwischen zwei benachbarten Lagen ist eine Schicht von etwas srößeren Waben. In dem Centrum, welches der Marksubstanz der Faser entspricht, sind die Waben unregelmäßig angeordnet.

Auch die Querschnitte bestätigen daher durchaus den wabigen Bau der Hornfasersubstanz.

Il. Die Cuticula von Lumbricus terrestris L. (Taf. XXIV, Fig. 7—10.)

Ich untersuchte die Cuticula frischer Regenwürmer, die von den Thieren durch Maceration mit !/, Alkohol abgelöst war, sowie die von Würmern, welche lange Zeit in Alkohol konservirt waren. Beide zeisten dieselben Verhältnisse.

Untersucht man die Cutieula bei mittleren nen so erscheint sie als eine dünne, farblose, kreuzgestreifte Membran. Zahl- reiche Beobachter, so FR. Leypıc (1865, p. 258), Ep. CLAPAREDE (1869, p. 567), W. Voıgr (1883, p. 142) und Andere haben diese sich kreuzende Streifung beobachtet”. Nach den Untersuchungen dieser Forscher soll die Cuticula des Regenwurms aus feinen, sich fast recht- winklig kreuzenden Fibrillen bestehen. Nach Ep. CLAPAREDE (1869, p- 567) kreuzen sich die Fibrillen unter einem Winkel von 70—75°, nach Vogr und Jung (1888, p. 448) unter einem solehen von 70—80°. Die beiden Streifensysteme ziehen schief zur Längsachse des Wurms, welche den Winkel zwischen ihnen halbirt. Nach den Beobachtungen von Mossısovics (1877, p. 12) ist die Cuticula des Regenwurms

1 Die Photographie, nach welcher die Fig. 2, Taf. XXVI gemacht ist, ist mit Obj. 16 mm und Proj. Oc. 4 (Zeıss) aufgenommen. Die Fig. 3, Taf. XXVI stellt einen stärker vergrößerten Theil der ersten dar, Obj. 2 mm, Oe. 8 (Zrıss). Beide Photographien wurden dann 2!/amal vergrößert.

2 D'’ÜDEREM spricht in seinem »M&moire sur les Lombrieienss (1865, p. 16) von der Cuticula der Lumbrieinen als von einer »membrane sans structure, transparente, composde chimiquement de chitine«. Weiter unten (p. 19) spricht er jedoch von einer Kreuzstreifung der äußeren (?) Oberfläche der Cutieula.

382 Boris Sukatschoff,

mehrschichtig, indem die dünnere äußere Schicht nur von längslaufen- den Fibrillen, die stärkere innere Schicht dagegen nur von eirku- lären Fibrillen gebildet wird. Ich kann bestimmt sagen, dass alle Schichten der Cutieula das gleiche Aussehen haben, dass demnach ein derartig verschiedener Faserverlauf nicht vorkommt. KuLacın (1839, -p. 16) dagegen hält die Cutieula für eine strukturlose Haut. Ferner _ spricht er jedoch davon, dass sie aus zwei oder drei Schichten von Fibrillen, die sich unter Winkeln von 45—90° kreuzen, zu bestehen scheine. WALTER VoIgrt (1883, p. 142) fand, dass die Fibrillen, welche die Cutieula des Regenwurms bilden, »schräg, etwa in einem Winkel von 45° zur Längsachse des Thieres verlaufen«. Auch spricht er von mehreren Schichten der Cuticula. In einer anderen Arbeit (1886), die speciell Branchiobdella varians behandelt, hat er interessante parallele Untersuchungen über die Cuticula weiterer Hirudineen und Chaetopoden (darunter auch Lumbriecus) angestellt. Unter Anderem giebt er einige Abbildungen der Cutiecula von Lumbri- cus, die erkennen lassen, dass sie jener von Branchiobdella sehr ähnlich ist.

Schon bei schwachen Vergrößerungen bemerkt man in der ea. 0,007 mm! dieken Cuticula eine Menge von Poren, welche Öffnungen der einzelligen Hautdrüsen sind und sich namentlich in der mittleren, äquatorialen Zone jedes Segmentes finden. W. Vorgr (1886, p. 109) hat eine ziemlich genaue Beschreibung und Erklärung der Entstehung der eigenthümlichen Kreuze, die bei Flächenansicht der Poren zu beobachten sind, gegeben, darum werde ich sie nicht beschreiben. Über die Vertheilung und Anordnung der Poren willich nur bemerken, dass sie nicht auf der ganzen Fläche des Segmentes gleichmäßig ange- ordnet sind, sondern namentlich in der mittleren, äquatorialen Zone un- regelmäßig zerstreut und immer vereinzelt, nicht zu Gruppen vereinigt sich finden; in dieser Region ist die schiefe Kreuzstreifung ganz regulär ausgebildet. In der vorderen Zone des Segmentes dagegen sind die Poren sruppenweise angeordnet und viel kleiner, als die der mittleren, äquatorialen Zone. In der hinteren Zone fehlen die Poren ganz. Die er- wähnten Gruppen der Vorderregion bestehen aus 5—15 Poren. In der vorderen und hinteren Segmentzone wird ferner die Streifung der Cuti- cula recht unregelmäßig, indem die scheinbaren »Fibrillen« zuweilen parallel der Grenzlinie zwischen zwei benachbarten Segmenten verlaufen und die typische Kreuzstreifung nicht mehr recht zu erkennen ist.

Auf optischen Durchschnitten der Cuticula konnte ich nachweisen,

! Diese Dicke variirt nach KuLAcın (1889, p. 16) mit den Jahreszeiten.

Über den feineren Bau einiger Cutieulae und der Spongienfasern. 383

dass sie mehrschichtig ist und dass die Anzahl der Schichten »sechs« nieht überschreitet. Auf diesen Durchschnitten (Fig. 7, Taf. XXIV) sah man ganz deutlich, dass die Cutieula nicht faserig, sondern fein- wabig ist. Die Waben sind in Schichten angeordnet, die parallel der Oberfläehe verlaufen. Auch auf einem in verdünntem JAVELLE-

schen Wasser (1 Theil und ein Theil Wasser) macerirten Stück Outi- _ eula konnte ich die optischen Durchschnitte sehen, die eine klare wabige Struktur zeigten; in den Punkten, wo sich die Wände der Waben vereinigen, sah man deutliche Knötchen. Die Bilder der opti- schen Durchschnitte wurden an Querschnitten (Fig. S, Taf. XXIV durch die Haut eines in Alkohol konservirten Regenwurms bestätigt. Das Objekt war mit essigsaurem Eisenoxyd und Hämatoxylin stark dunkelblau gefärbt. Obgleich auf den Schnitten nur kleine Reste der Cuticula verblieben waren, so genügten diese doch um die ge- schilderte Struktur sicher zu konstatiren. Schon 1892 (p. 89 und Fig. 35, Taf. IV) konnte BÜüTscHLı ein ganz übereinstimmendes Bild an den Querschnitten der Cutieula von Phascolosoma und Bran- ehiobdella beobachten. Er giebt auch eine Abbildung des Flächen- bilds (1892, Fig. 3c, Taf. IV) der Cutieula von Branchiobdella. Diese Abbildung entspricht derjenigen von VoIsT (1886) vollständig. Es scheint also eine große Ähnlichkeit zwischen der Cutieula von Lumbriceus und der von Branchiobdella zu bestehen: in dem äußeren Aussehen nach VoIgT (1886) und BürscaLı (1892) und den Querschnitten (BürscHLı 1892).

Die optischen Durchschnitte und die Querschnitte widerlegen also die Meinung, dass die Cutieula aus sich kreuzenden Fasern gebildet wird. Hätten wir wirklich einzelne Fibrillen, dann müssten wir auf den Querschnitten sowohl, als auf den optischen Durchschnitten keine Wabenräumchen sehen, sondern die Durchschnitte dieser Fibrillen.

Dieselben positiven Resultate habe ich an den nach der oben (p- 378) geschilderten Methode im Vakuum ausgetrockneten Präparaten erhalten. Schon früher hatte Prof. O. BürscHLi einige derartige Präparate hergestellt und aus ihnen den wabigen Bau der Cutieula vermuthet. Die Fig. 9, Taf. XXIV kann als ein Beispiel dienen. Die unter der Luftpumpe ausgetrocknete Cutieula ist opak, milch- weiß und opalisirt ein wenig, allerdings nicht so stark, wie die in Wasser oder Alkohol befindliche. Sie wurde auf ähnliche Weise wie die Hornfasern in geschmolzenen Kanadabalsam eingeschlossen. Die einzelnen Waben sind als kleinste Gasbläschen sehr schön zu sehen; man kann auch ganze Reihen von ihnen beobachten. Diese

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 25

384 Boris Sukatschoff,

Reihen sind nach zwei sich fast rechtwinkelig kreuzenden Richtungen angeordnet, was vollständig der erwähnten Kreuzstreifung der Cutieula entspricht. Auch die Poren sind auf solchen Präparaten sehr deut- lich, sowie ihre einzelnen Theile, besonders die bekannten Kreuze.

Die Maceration der Cuticula von Lumbrieus gelang mir nicht wegen ihrer Löslichkeit in verschiedenen Macerationsflüssigkeiten. Untersucht man jedoch die Rissstellen von in Wasser zerzupfter Cuti- cula, so bieten diese einen gewissen Ersatz für Macerationspräparate. Bei der ersten Betrachtung scheinen derartige Präparate mit Bestimmt- heit für die Zusammensetzung der Outicula aus sich überkreuzenden Fibrillen zu sprechen. Man sieht an den Rissstellen zahlreiche an- scheinende Fibrillen frei hervorragen. Die genauere Untersuchung zeigt jedoch, dass diese scheinbaren Fibrillen häufig deutlich knötchen- artige Verdiekungen besitzen, und dass auch vielfach feine seitliche Ausläufer von ihnen entspringen. Schließlich trifft man auch be- nachbarte Fibrillen, die noch durch quere Verbindungsfädchen zu- sammenhängen (Fig. 10, Taf. XXIV). Alle diese Befunde sprechen auch hier lebhaft dafür, dass es sich nicht um sich überkreuzende Fibrillen, sondern um ein schief gekreuztes Wabenwerk handelt, welches beim Zerreißen anscheinend in Fibrillen zerlegt wird, parallel der Kreuzungsrichtung der Waben, in ähnlicher Weise wie dies BürsckLı (1898, p. 214) bei pflanzlichen Zellmembranen gefunden hat.

Ich will bei dieser Gelegenheit einige Worte über das chemische Verhalten der Cuticula von Lumbricus zufügen. E. GooDrIcH (1897, p. 65—67) hat mehrere chemische Reaktionen mit der Cuticula an- gestellt und gefunden, dass sie sich schon beim Kochen in Wasser vollständig, ohne Rückstand löst, eben so in Schwefelsäure, Salzsäure, Essigsäure, Kalilauge und Kalkwasser (Genaueres über den Procent- gehalt dieser Lösungsmittel fehlt). Dasselbe Verhalten gegen Kali- lauge und Natronlauge erwähnt Eısıc (1887, p. 20) für die Cuticula der Polychaeta, die also eben so wenig, wie jene von Lumbrieus, aus eigentlichem Chitin bestehen kann. GoopricH (1897) hat die Cutieula auch auf Eiweiß geprüft. Mit dem Mırzon’schen Reagens färbte sie sich »pale pink«, mit der Xanthoproteinprobe »pale yellow«, mit der Biuretprobe dagegen erhielt er eine »pale lila« Färbung. Kuracın (1889, p. 17) ließ von dem Privatdocenten der Uhemie KABLUKOFF eine Analyse der Lumbricus-Cuticula ausführen; dieselbe ergab 45,16°/, Kohlenstoff, 6,49%), Wasserstoff, 19,40%, Stickstoff und 18,95°/, Sauerstoff; den Gehalt des letzteren habe ich aus der Differenz berechnet. KULAGIS ist der Meinung (1889, p. 17),

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 385

dass nach dieser Analyse die Lumbrieus-Cutieula nahezu Chitin sei, von dem sie sich durch den größeren Gehalt an Stickstoff unter- scheide (Chitin enthält jedoch nach den neueren Erfahrungen höch- stens 7—8°/, Stickstoff).

Ich kann fast alle oben angegebenen Versuche von GOODRICH bestätigen. Die Cuticula löst sich schon bei gewöhnlicher Temperatur nach 2—3 Minuten in 5°/,iger Kalilauge; sie löst sich in koncen- trirter Essigsäure, in 5°%/,iger Schwefelsäure, doch nicht so schnell wie in Kalilauge. Sie wird fast momentan gelöst in rauchender Salzsäure (35,7 %/,), sowie schon in 1°/,iger Salzsäure. Zuweilen habe ich beobachtet, dass sie sich sogar in 1°/,, Salzsäure löste. Es kann wohl sein, dass die Löslichkeit von der Zeit, die die Cutieula in schwachem Alkohol gelegen hat, etwas beeinflusst wird. Die Reak- tionen auf Eiweiß fand ich ähnlich wie GooDrIıcH (1597). Mit dem Mırvon’schen Reagens giebt die Cuticula von Lumbricus eine schwache rosenrothe Färbung; die wässrige Lösung der Cutieula gab dagegen keine kenntliche Eiweißreaktion mit Mırnox. Bei der Xantho- proteinprobe erhält die Cutieula eine gelbe Färbung, doch wird sie dabei größtentheils gelöst. Weiter wurde ein Stück Cutieula in drei Tropfen 89%/,iger Schwefelsäure gelöst und die Lösung 24 Stunden bei ea. 40°C. erhalten, wobei die Lösung sich gelblich färbte. Hier- auf wurde mit Wasser ca. 15fach verdünnt und auf dem Wasserbad einige Stunden auf 100° C. erwärmt. Nach der Neutralisation mit Kalilauge war in der Lösung mit der Fenuine’schen Probe kein Zucker nachzuweisen. | Alle diese Erfahrungen, wozu sich namentlich der hohe Stickstoff- sehalt zesellt, welcher dem des Collagens (bis 19%/,) am nächsten kommt, zeigen übereinstimmend, dass die Outicula zweifellos kein Chitin ist!, sondern, wie schon GooDrich (1897, p. 67) richtig ver- muthete, zu den Albuminoiden zu rechnen ist.

i Im Gegensatz zu dem, was GRUBE im Jahre 1850 bemerkte (p. 253). Ich möchte hier zufügen, dass nach den Angaben dieses Forschers (ibidem) und sehr verbreiteter Meinung die Cutieula von Ascaris die Art ist nicht angegeben auch aus Chitin bestehen soll. Bei gelegentlichen Versuchen konnte ich nun nachweisen, dass die Cuticula von Ascaris megalocephala (das Thier war seit 1894 in Alkohol konservirt) sich beim Kochen in 35°/,iger Kalilauge voll- ständig löst und mit dem MiıtLLon’schen Reagens deutliche Eiweißreaktion giebt; sie besteht also nicht aus Chitin. In künstlichem Magensaft bei ca. 40° C. löst sich nach 2—3 Tagen die Cutieula völlig auf, bis auf die äußere dünne, sog. »Rindenschicht< (vgl. A. van BÖMMEL in: Arbeiten Zoolog. Institut Würzburg Bd. X‘, welche sich wochenlang unverändert. in der Verdauungsflüssigkeit er-

25*

| 386 Boris Sukatschoff,

Ill. Die Cuticula von Aulastomum qgulo Mogq. Tand. und Hirudo medicinalis L. "Taf. XXIV, Fig. 11—18)

Von besonderem Interesse erscheint die Struktur der Cutieula bei Aulastomum und Hirudo, welche Gattungen in dieser Hinsicht nahe übereinstimmen. Die Cutieula dieser Hirudineen wurde bis jetzt mei- stens als homogen und strukturlos beschrieben. So untersuchte schon 1849 Leypie (p. 103), während er mit dem Studium der Anatomie von Piseicola beschäftigt war, die Cuticulae von Hirudo und eini- ger anderer Hirudineen. Dieselbe ist nach seinen Untersuchungen »vollkommen glatt« (auch von der Cuticula von Piseicola spricht er als von einem »durchaus strukturlosen wasserhellen Oberhäutchen«). Nach R. LEUCKART (1894, p. 557) ist die Cuticula der Hirudineen »eine völlig strukturlose Membran von fester Beschaffenheit, hier und da fein gestrichelt«. RAY LANKESTER (1880, p. 304) und GieLio-Tos (1889, p. 2) konnten keine Spur von Struktur in der Cuticula von Hirudo (LANKESTER) und Aulastomum (GieLIo-Tos) sehen. Auch nach Vogt und Yun (1888, p. 317) ist die Cuticula von Hirudo eine strukturlose Haut. Diesen Forschern kann man auch A. BoURNE (1884, p. 428) zureihen; doch hat dieser manchmal eine Streifung in der Cuticula der Hirudineen gesehen, obgleich er sagt, dass sie struk- turlos und hyalin ist. Remy SamTr-Lour (1889, p. 27) konnte eine Kreuzstreifung in der Cuticula der Hirudineen beobachten, bei wel- chen, giebt er nicht an. BürscaLiı (1892, p. 89) endlich hat die Cuti- cula von Branchiobdella (die jedoch richtiger zu den Oligochaeta gehört) untersucht und gefunden, dass sie eine wabige Struktur besitzt.

W. Voıgr (1886, p. 105) fand, dass sich die Cuticula von Aula- stomum beim Kochen in Kalilauge (der Procentgehalt ist nicht an- gegeben) nicht löst. Ich kann diese Beobachtungen von VoıgT be- stätigen und fand dasselbe auch für Hirudo mediecinalis, dessen Cutieula sogar beim Kochen in 200°/,iger Lauge also hoch kon- centrirter sich absolut nicht löste. Diese Thatsache bezieht sich aber nur auf die Cuticula, die vom frisch getödteten Thiere abgelöst oder von lebenden Thieren frisch abgeworfen ist. Anders verhält sich die Cuticula, wenn sie von Thieren herstammt, die mehrere Jahre in Alkohol gelegen haben. Diese (von Aulastomum und Hirudo) löste sich leicht beim Kochen in 35°/,iger, sogar in 5 '/,iger hielt und leicht in die einzelnen Ringel und Bänder zerfiel. Dennoch zeigte dieser unverdauliche Theil noch Rothfärbung mit dem Mırron’schen Reagens.

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 387

Kalilauge. Wahrscheinlich hatte es Krawkow (1893, p. 190) mit soleher Cutieula zu thun, weil er die Löslichkeit der Cutieula von Hirudo in 20%,iger Kalilauge (beim Kochen) beobachtete. Weiter wurden mit der Cuticula von Hirudo dieselben Reaktionen wie mit der Lumbrieus-Cuticula angestellt. Namentlich wurde die ganze Cuti- cula von einem Blutegel mit zwei bis drei Tropfen koncentrirter 89%/,iger Schwefelsäure auf dem Wärmeschrank bei einer Tempera- tur von ca. 40° C. in einigen Stunden vollständig gelöst und dann, nachdem die bräunlich gefärbte Lösung stark (etwa 1ödfach) mit Wasser verdünnt war, ein Paar Stunden auf dem Wasserbad bei 100° ©. erwärmt. Diese Lösung ergab nach der Neutralisation mit Natronlauge beim Zusatz eines Tropfens 10° ‚iger Kupfersulfatlösung und einiger weiterer Tropfen 35°/,iger Natronlauge beim Erwärmen schwache Kupferreduktion. Es wird hier also beim Erwärmen in Schwefelsäure Traubenzucker gebildet, was für Chitin charakte- ristisch ist. Es wäre interessant, eine genauere chemische Analyse dieser Cuticulae zu machen!. Im Allgemeinen zeigt die Cuticula beider Egel in ihrem feineren Bau viel Ähnlichkeit mit der Chitinhaut von Gammarus und Astacus und zweifellos auch anderer Arthro- poden. |

Die Cuticula beider Blutegel ist eine sehr dünne, nur bis 0,001 mm dieke Membran, welche auf den Durchschnitten keinerlei Schichtung zeigt, vielmehr aus einer einzigen Schicht besteht. Auf in Wasser aufgestellten, ungefärbten Flächenpräparaten (um so weniger an den in Kanadabalsam eingeschlossenen) kann man nur undeutlich bemerken, dass die Membran nicht strukturlos ist. Ihre feinwabige Struktur tritt am schärfsten auf den im Vakuum ausgetrockneten Präparaten hervor. Von der Thatsache, dass die Cutieula einschichtig ist, d.h. nur aus einer einzigen Wabenlage besteht, kann man sich bei Be- trachtung der optischen Durchschnitte überzeugen, die relativ häufig an den Faltungsstellen der Präparate zu beobachten sind. Diese Durchschnitte (Fig. 11, Taf. XXIV) zeigen eine Reihe kleinster Waben, deren äußere Wand etwas konvex vorspringt, während die innere als gerade Linie an die unterliegenden Epithelzellen grenzt. Die

1 Dass die Cutieula einiger Hirudineen aus Chitin besteht, wurde schon im Jahre 1350 von GRUBE (p. 253) ausgesprochen, der aus den Untersuchungen, die auf seine Veranlassung von C. ScHmipr gemacht wurden, schloss, dass die Cutieula von Hirudo, Clepsine, Piscicola, Pontobdella und anderen Würmern aus Chitin besteht. Auch für Lumbricus behauptete er das Gleiche; wir haben schon oben gesehen. dass diese letzte Meinung unrichtig war.

388 Boris Sukatschoff,

seitlichen Wabenwände stehen, wie zu erwarten, nach Art deren eines Alveolarsaumes, alle senkrecht zu den Grenzflächen. Die Knotenpünktchen der Wabenwände treten besser auf der Innen- grenze hervor. Wie gesagt, sind die ausgetrockneten Präparate der Cutieula die geeignetsten zur Untersuchung der Flächenstruktur und wegen der Dünne der Cuticula, die sehr leicht auch von geschmol- zenem Kanadabalsam durchsetzt wird, ist ein Einschluss in letzteren nicht zu empfehlen. Die ausgetrockneten Cutieulae von Hirudo und Aulastomum sind kreideweiß, mit einer schwachen gelblichen Nuance. Wenn man eine derartig präparirte, in Luft aufgestellte Cutieula von der Fläche beobachtet, so zeigt sie eine feine Struktur, die bei schwacher Vergrößerung als körnige, bei stärkerer aber als eine feinwabige sich zu erkennen giebt (Figg. 17—18, Taf. XXIV). Die Waben scheinen nun eine etwas verschiedene Anordnung bei den beiden Egeln zu haben. Während man in der Cuticula von Aulastomum manchmal eine Art von Streifung sieht (die Waben sind reihenweise angeordnet, was sich aber nicht überall deutlich sehen lässt), ist in der Cuticula von Hirudo keine Streifung zu sehen. Hier sind die Waben ganz un- regelmäßig angeordnet. Auf die interessanten Zellbezirke, welche sich bei beiden Hirudineen in der Cuticula wahrnehmen lassen, soll weiter unten näher eingegangen werden.

Die Poren der einzelligen Hautdrüsen, die zuerst von CARENA und JOHNSON [ich citire nach Moauın-TAnDon (1546, p. 39), weil ich mir leider die beiden Arbeiten nicht beschaffen konnte] nachgewiesen wurden, finden sich in ziemlich großer Anzahl, doch nicht so häufig als bei Lumbricus. Was ihre Anordnung betrifft, so haben sie keinen Zusammenhang mit der Segmentirung des Thierkörpers, und ich konnte keine Gesetzmäßigkeit in dieser Beziehung bemerken. Die äußere Ansicht der Poren ist ganz verschieden von der bei Lumbri- cus, was wahrscheinlich mit der Unregelmäßigkeit der Anordnung der Waben zusammenhängt. Der Durchmesser der Porenöffnung be- trägt 0,001—0,004 mm. Man kann fast an jedem Porus drei Theile unterscheiden (a, r, o, Fig. 12, Taf. XXIV): einen äußeren Wulst «, den inneren Rand r und die Öffnung selbst o des Porus. Der äußere Wulst a, der bei Aulastomum schon früher von W. VoIsT (1856, p. 109) konstatirt und als »kleine kraterartige Verdickung« bezeichnet wurde, besteht aus einer einzigen Reihe von regelmäßig radiär ge- stellten Waben, deren Knotenpünktchen sehr scharf hervortreten; er ist bedeutend dicker, als die umliegende Cuticula und stark licht- brechend. Auf einem optischen Durchschnitt (Fig. 14, Taf. XXIV) sieht

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 389

er wie eine regelmäßige Verdickung v und r der Cuticula aus; seine Breite ist etwa '!/, des ganzen Durchmessers des Porus. Der äußere Wulst grenzt unmittelbar an den inneren Rand r des Porus, der schwach lichtbrechend ist und von einer Reihe dieker Knöpfehen ge- bildet zu sein scheint; die Breite des Randes ist viel geringer als die des Wulstes.. Zuweilen (Fig. 13, Taf. XXIV) kann man be- ‚obachten, dass ein Porus nur den äußeren Wulst und keinen inneren Knöpfchenrand hat. Solch eine doppelte Pore (siehe weiter unten) ist in Fig. 14, Taf. XXIV im optischen Durchschnitt dargestellt. An einigen Stellen konnte ich einen interessanten optischen Durchschnitt der Poren beobachten, welcher auf der Fig. 15, Taf. XXIV darge- stellt ist. Endlich haben wir die Öffnung der Pore selbst. Die- selbe kann kreisförmig sein (Fig. 13, Taf. XXIV) oder die Gestalt einer Ellipse haben (Fig. 12, Taf. XXIV), wonach sich auch die Form des umgebenden Randes und Wwulstes richtet. Manchmal sieht man im Lumen des Porus ein stark lichtbrechendes Körperchen, welches wahrscheinlich ein Rest des Drüsensekretes ist. Ähnliches wurde auch bei Lumbricus beobachtet.

Ziemlich häufig begegnet man doppelten oder Zwillingsporen (Fig. 16, Taf. XXIV), deren äußere Wülste verschmolzen sind, deren Öffnungen aber setrennt bleiben. Form und Größe zweier solcher vereinigter Poren können verschieden sein. Auf Fig. 14 (Taf. XXIV) ist, ein doppelter Porus im optischen Durchschnitt dargestellt.

Häufig trifft man sehr eigenthümliche Gruppen kleinster Poren (Fig. 17, Taf. XXIV), deren Durchmesser 0,001 mm und weniger be- trägt. Solch eine Gruppe findet sich immer auf einem kreisförmigen hellen Feld, das von der umgebenden Cutieula unterschieden ist. Die Struktur der Cuticula zwischen den einzelnen Poren des Feldes war nur sehr undeutlich zu sehen. Es scheint sich hier um eine relativ sehr feine Struktur der Cutieula zu handeln. Die einzelnen Poren, die in der Zahl 10—25 vorkommen, lassen bei tiefer Ein- stellung einen dunklen Rand erkennen. Im Ganzen beträgt der Durchmesser einer Gruppe bis zu 0,04 mm. Fr. Leypıe giebt in seinem Werke »Zelle und Gewebe« auf Taf. II zwei Abbildungen (Figsg. 29 und 30) von den Sinnesorganen bei Nephelis, deren Zellen je ein Sinneshaar tragen; auf zwei anderen Abbildungen (Figg. 31 und 32) derselben Taf. II sind die Sinnesorgane von Clep- sine complanata und Clepsine marginata dargestellt. Auch ArAray (1888) giebt eine entsprechende Abbildung der Tastkegel- chen von Clepsine heteroelita. Sie entsprechen alle, besonders

390 Boris Sukatschoft,

die Fig. 29 von LEYDIG dem, was ich in der Cutieula von Aula- stomum und Hirudo gesehen habe und es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die beschriebenen Porenfelder dem Austritt der Gruppen von Sinneshaaren der Hautsinnesorgane dienen.

Besonders interessant ist die Zellenzeichnung auf der Cutieula, “welche sich auf gut ausgetrockneten Präparaten (bei Hirudo und Aulastomum) erkennen lässt. Diese Zeichnung habe ich auch am Chitinpanzer von Gammarus fluviatilis (Fig. 19, Taf. XXIV) ge- sehen und ist sie seit langer Zeit in der oberen Schicht des Chitin- panzers von Astacus fluviatilis und anderer Decapoda konstatirt worden, von wo sie BürscHLı neuerdings (1894 und 1898) auch in Bezug auf die feineren Strukturverhältnisse schilderte. Sie erinnert in auffallender Weise an das Bild, welches die Epithelzellengrenzen von der Fläche gesehen darbieten und es unterliegt auch keinem Zwei- fel, dass die Zellbezirke der Cuticula den einzelnen Epithelzellen genau entsprechen. Die ganze Cutieula von Hirudo und Aula- stomum ist bei tiefer Einstellung des Tubus durch dunkle (bei hoher Einstellung durch helle) Linien in polygonale Felder getheilt, die meistens fünf- oder sechseckig sind. Die Linien, welche die Grenzen der Polygone bilden, sind nicht gerade, sondern ziekzackförmig (Fig. 18, Taf. XXIV) und ihre Elemente werden gebildet von den Wänden der beiderseits an diese Linien anstoßenden Waben. Sie sehen sehr scharf aus wegen der größeren Dicke dieser Wände und der regelmäßigen senkrechten Anordnung der beiden angrenzenden Wabenreihen, die sich wie Alveolarsäume verhalten.

IV. Der Chitinpanzer von Gammarus fluviatilis Rös.

(Rat. XIV Eis: 1921)

Vom Gammarus wurden nur die Coxalplatten und die Dorsal- wand der Leibesringe untersucht; die ersteren nur von der Fläche, von der zweiten das Flächenaussehen, sowie Querschnitte und Macerationsprodukte. Die frisch getödteten, sowie die in Alkohol konservirten Exemplare wurden zuerst mit künstlichem Magensaft mehrere Tage (bis sechs) auf dem Wärmschrank bei einer Temperatur von eirca 40° C. behandelt, bis sie fast ganz durchsichtig waren, dann in absolutem Alkohol und Äther von Pigment und Fett befreit. Nach dieser Behandlung wurden die Stückchen entweder direkt im Wasser, oder nachdem sie nach der schon bekannten Methode (siehe oben p. 378) unter der Luftpumpe aus Xylol ausgetrocknet waren, unter dem Deckglas in Luft untersucht. Querschnitte wurden von

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 391

den in Paraffın eingebetteten Stückchen der Rückenwand gemacht und dann stark blau gefärbt mit '/, °/, Hämatoxylinlösung (in Wasser) nach Vorbehandlung mit essigsaurem Eisenoxyd. Für die Macerations- präparate habe ich Stückchen des Notums (Rückenwand), nachdem sie mit künstlichem Magensaft behandelt waren, zwei Tage mit 5%), iger Kalilaugelösung, dann mit Alkohol und Äther und endlich 24 Stun- den mit halbverdünnter rauchender Salzsäure (von 36,5°/,) behandelt. Darauf wurden die Objekte vorsichtig mit essigsaurem Eisenoxyd und dann 1/,°/,iger wässriger Hämatoxylinlösung stark blau ge- färbt und wie bei Hircinia (siehe oben p. 380) unter dem Deckglas leicht zerklopft. Alsdann wurde um das Deckglas ein Rand von Paraffıin gelegt.

Die nach der oben geschilderten Methode ausgetrockneten Theile des Panzers sind kreideweiß, wie wir es schon bei Hireinia, Hi- rudo, Aulastomum und auch Lumbrieus gesehen haben. Die ausgetrockneten Präparate der Coxalplatte, sowie die der Rücken- wand des Panzers zeigen bei Flächenbetrachtung dasselbe Bild wie die Cutieulae von Hirudo und Aulastomum. Sie lassen schon bei schwachen Vergrößerungen deutlich die polygonalen Felder oder Zellbezirke erkennen. Auf Fig. 19, Taf. XXIV sind diese Zellbe- zirke dargestellt. Nach Bürscuaui (1898, p. 346 und 363) wurden sie schon von CARPENTER, QUECKETT und später vielen Anderen beobach- tet, die sie in der äußeren sogenannten »Pigmentlage« des Chitin- panzers von Astacus fluviatilis und anderer Decapoden beobach- teten und diese Lage daher zuweilen als eine von Zellen zusammen- gesetzte bezeichneten. Auch Levpıe (1855, p. 379) hat diese »zellig- polygonale Zeichnung« bei Astacus, sowie bei einigen niederen Crustaceen und Arthropoden an dem Chitinpanzer gesehen. Diese Zellbezirke lassen sich durch die ganze Dicke des Notums von Gammarus verfolgen und zeigen dieselben feineren Verhältnisse, wie bei Aulastomum und Hirudo. Die Grenzlinie zwischen zwei benachbarten Zellbezirken ist auch hier eine Zickzacklinie, die zwischen zwei alveolarsaumartigen Grenzreihen von Waben verläuft; die Waben der Zellbezirke sind im Übrigen ganz unregelmäßig an- geordnet. | Ä |

Die Querschnitte durch die Rückenwand zeigen (Fig. 20, Taf. XXIV), dass die ganze Wand aus mehreren Lagen gebildet ist. Die Anzahl dieser Lagen ist jedoch nicht überall die gleiche; es können drei oder auch nur zwei Lagen vorhanden sein. Die äuberste Lage (a, Fig. 20, Taf. XXIV) wird von einer dünnen, nur eireca 1 « dieken

892 Boris Sukatschoff,

Membran dargestellt. Nach ihrem Verhalten zu rauchender Salzsäure, in welcher sie sich nicht löst, während die übrigen Lagen von ihr fast momentan gelöst werden, ist sie identisch mit der »Grenz- membran«, welche von BürschLı (1894, p. 54 und 1898, p. 372) am Chitinpanzer des Flusskrebses nachgewiesen wurde. Die ihr entsprechende Lage wurde auch bei Homarus vulgaris von TULLBERG (1881, p. 8) angedeutet. Wie die Grenzmembran von Astacus, besteht diejenige von Gammarus aus einer einzigen Schicht von Waben und unterscheidet sich durch relativ starkes Lichtbrechungsvermögen von den anderen Schichten. Die zweite Lage (m, Fig. 20, Taf. XXIV) besitzt ungefähr !/; der ganzen Dicke des Notums. Sie lässt keine deutlichen Schichten erkennen und be- steht aus Waben, die unregelmäßig angeordnet sind. Diese Lage konnte ich auf einigen Präparaten nicht finden. Bei Astacus scheint es keine ihr entsprechende Lage zu geben, doch wäre es möglich, dass die sogenannte »Außenlage«, welche bei Astacus auf die »Grenzmembran« folgt, dieser Lage entspricht. Nun folgt die dritte, untere Lage, die auf Fig. 20, Taf. XXIV mit x be- zeichnet ist. Sie lässt sich überall erkennen und grenzt in dem Fall, wo die mittlere Lage m fehlt, unmittelbar an die »Grenz- membran«. Diese Lage zeigt eine deutliche, regelmäßige Schich- tung, die hier und da von aufsteigenden Bälkchen durchsetzt scheint. Diese Bälkchen beruhen auf einer vertikalen Anordnung einzelner Waben von mehreren Schichten; manchmal steigen solche Bälkchen auch etwas schief auf. Abgesehen von diesen Bälkchen sind die Waben dieser Lage ganz regelmäßig parallel der Oberfläche in Schich- ten angeordnet. Fig. 20 der Taf. XXIV ist nach einem Präparat ge- zeichnet, auf welchem man die drei Lagen ganz klar unterscheiden konnte. Die zweite Lage m wurde etwa 4 u dick, während die Dicke der unteren Lage # 8 u betrug. Dieser Dicke von 8 u ent- sprachen 14 Schichten von Waben, was eine Dicke von weniger als I u (etwa ?/, u) für jede Schicht ergiebt.

Die Zerklopfungspräparate (nach der Maceration) bestätigten auch in diesem Falle das Vorkommen der wabigen Struktur. Auf Fig. 21 (Taf. XXIV) sind einige Fragmente des Notums dargestellt. Man kann keine echten Fasern finden; die scheinbaren Fasern, die man beobachtet, besitzen immer die Knotenpünktchen und die von ihnen ausgehenden Wände der Waben. Was aber sehr interessant war, war die Thatsache, dass man häufig bemerken konnte, dass beim Zerklopfen die Panzerstückchen in isolirte Platten zerfielen,

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 393

die den einzelnen Schichten entsprechen, auf welchen man die schon oben geschilderten polygonalen Felder sah; bei weiterem Zerklopfen zerfielen diese Platten in einzelne polygonale Felder, also nach den Grenzen der Zellbezirke, wo, wie es scheint, der Zusammen- hang der Waben am schwächsten ist. Hieraus folgt, dass die Zell- bezirkszeichnung durch die gesammte Dicke der Cutieula hindurch- seht. Dass sie mit den unterliegenden Epithelzellen übereinstimmt, darf für die Decapoda, nach den Erfahrungen der früheren Forscher, als sicher betrachtet sein (M. Braun, 1875).

V. Die Struktur des Kokons von Nephelis vulgaris Moq.-Tand.

Da ich zufällig beobachtete, dass die Kokons von Nephelis schöne wabige Strukturen zeigen, so habe ich auch dieses Objekt etwas näher untersucht.

Wie bekannt (s. z. B. R. LEUCKART 1863, p. 685, VogT und Yuna 1888, p. 340) werden die Kokons von Nephelis wie die anderer Hirudineen von Drüsen des Clitellums zuerst als ein Schleim aus- seschieden, der nachher feste Konsistenz erhält. Nach der Befesti- gung des Kokons zieht sich die Nephelis unter drehenden Be- wegungen heraus und der Kokon, der einen elliptischen Umriss hat, wird endlich an beiden Polen durch zwei Pfropfen verschlossen. Der Kokon bleibt einige Zeit (zuweilen bis 12 Stunden) weiß mit einer gelblichen Nuance, dann wird er allmählich mehr und mehr gelb - bis gelbbraun und behält diese Farbe sowohl bei langem Liegen im Wasser als in Alkohol; weder beim Kochen in koncentrirter rau- ehender Salzsäure (35,7°%,), noch in Kalilauge (35%) wird die gelbe Farbe verändert oder entfernt. Die Kokons sind nicht hart, sondern biegsam, elastisch und für Paraffinschnitte recht geeignet. Ich habe nur alte Kokons untersucht, die schon mehrere Monate in Wasser gelegen hatten. Da dieser Theil der vorliegenden Arbeit im _ Spätherbst gemacht wurde, so konnten frische Kokons nicht beschafft werden.

An dem Kokon kann man zwei Wände unterscheiden: die obere, welche konvex gewölbt ist und die untere, ebene, mit der der Kokon an fremden Körpern befestigt ist. Diese beiden Wände des Kokons, sowie der Rand, in welchem beide Wände in einander übergehen, wurden auf Totalpräparaten und Querschnitten untersucht. Beide Wände wurden von außen, sowie von innen betrachtet und ich unterscheide darum eine äußere und eine innere Fläche. Die äußere Fläche der oberen Wand ist frei, während diejenige der unteren

394 Boris Sukatschoft,

Wand an einem fremden Körper befestigt ist. Die beiden inneren Flächen gehen in einander über und bilden die Grenze der Höhle des Kokons. Auf einem Querschnitt erscheint der Kokon wie es nebenstehende Textfigur darstellt. Die gestrichelten Theile der Figur, die mit Buchstaben R, O, U, bezeichnet sind, entsprechen den Figuren 293.27,1,29, die, außsderisTaf. XRXMeiber u Vergrößerung in Schnitten dargestellt sind.

GEH

Schematischer Querschnitt durch den Kokon von Nephelis. Die gestrichelten Theile entsprechen

den Figuren 25, 27 und 29, Taf. XXV. AR, der Rand entspricht der Fig. 25; O, die obere Wand ent-

spricht der Fig. 27; U, die untere Wand der Fig. 29 (die letztere U ist relativ sehr dick gezeichnet,

sie muss etwa 1/; der Dicke der oberen Wand sein); a, äußere Fläche der oberen Wand; a', äußere Fläche der unteren Wand; i, beide innere Flächen.

So viel mir bekannt ist, wurde die feinere Struktur des Nephelis- kokons bis jetzt nicht untersucht. Mogumn-TAnDoNX (1846, p. 174, 177), der die äußere Gestalt der Kokons von Hirudo und Nephe- lis (bei letzterer nennt er die Kokons »Kapseln« [capsules]) genau beschreibt, sagt nichts über die feinere Struktur derselben. RATHKE (1862, p. 3) bemerkt, die Kokons von Nephelis sind strukturlos. Wir werden gleich sehen, dass dies nicht der Fall ist. Ich schildere zu- erst das äußere Aussehen des Kokons.

Wenn man die obere Wand von außen mit mittleren Ver- srößerungen betrachtet, so scheint ihre ganze Oberfläche bei tiefer Einstellung des Tubus von dunklen sich kreuzenden Linien durch- setzt (Fig. 22, Taf. XXV), die in ziemlichen Abständen von einander in einer fein granulirten Grundsubstanz verlaufen. Diese Linien sind immer wellig. Es lässt sich wahrnehmen, dass sie in ihrem Verlauf zuweilen eine bestimmte Richtung einzuhalten neigen, ohne. gerade parallel zu verlaufen. Unter einander anastomosiren sie reichlich und geben auch Zweige ab, die keine weiteren Verbindungen mit benachbarten Linien eingehen, sondern frei endigen. Bei oberfläch- licher Betrachtung scheint man es mit einer Skulptur, ähnlich der- jenigen des Kokons von Hirudo medicinalis zu thun zu haben. Die genauere Untersuchung stimmt aber mit dieser Anschauung nicht überein. Wenn man diese Struktur mit stärkerer Vergrößerung unter- sucht, so beobachtet man, dass die dunklen Linien nieht nur in dem

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 395

äußeren Theil der Wand sich finden, sondern auch bei tieferer Ein- stellung des Tubus sich in den tieferen Schichten der Wand er- kennen lassen. Sie ziehen über einander hin und können also keine Skulptur sein. Ferner bemerkt man bei starker Vergrößerung auch zwischen den Linien in der scheinbar feingranulirten Grundsubstanz bei einfacher Untersuchung in Wasser, ohne weitere Behandlung oder Färbung, eine feine Struktur, die ähnlich der schon erwähnten fein- wabigen Struktur der Cuticula von Hirudo, Aulastomum und Gammarus ist. Diese Struktur ist auf Fig. 23, Taf. XXV bei etwa 2250facher Vergrößerung dargestellt. Wahrscheinlich hängen die dunklen Linien oder Fasern, die hier auch dargestellt sind zum Theil von einer bestimmten Anordnung der Waben ab, resp. sind sie diekere Züge der Grundsubstanz des Wabenwerks, die nichtwabig oder sehr feinwabig sind. Ähnliche Verhältnisse treten auch, wie BürscaLı (1898, p. 58) zeigte, in feinwabig geronnenen Substanzen hier und da auf. Wie man bemerkt, sind die Waben hier ganz un- regelmäßig angeordnet; selten sieht man eine Anzahl derselben in einer Reihe angeordnet. Wenn aber diese Anordnung auftritt, so ist diese Reihe durch ihre schärfere Abgrenzung von der umgebenden Masse deutlich zu unterscheiden. Wenn man jetzt das Mikroskop auf die tieferen Lagen der Wand einstellt, oder noch besser, wenn man dieselbe Wand von Innen betrachtet, so erblickt man das Bild, welches auf Fig. 24, Tafel XXV dargestellt ist. Das Aussehen der Wand des Kokons ist hier wesentlich verschieden; man sieht vor ‚Allem keine dunklen Linien oder Fasern, wie in den oberen Schichten. Die innere Fläche der Wand ist ganz glatt. Die Substanz der Wand ist von einer großen Menge ziemlich ansehnlicher, blasiger Hohl- räume durchsetzt. Alle diese Hohlräume oder Blasen haben (Fig. 24, Taf. XXV) mehr oder weniger rundliche Umrisse und sind zuweilen - 80 dicht neben einander angeordnet, dass die Zwischensubstanz wie ‘ein Gerüst von dünnen Balken erscheint. Diese Blasen sind abge- plattet, wie dies namentlich aus der Untersuchung der Querschnitte hervorgeht. Wenn man den Tubus hebt und senkt, so verschwinden die einen, während andere auftreten, woraus folgt, dass sie in ver- schiedenen Höhen die innere Partie der Wand durchsetzen. Im All- gemeinen zeigt also die tiefere oder untere Wandpartie die Be- schaffenheit eines Schaumes, dem gröbere Schaumblasen beigemischt sind. Auf die Beschreibung der feineren Struktur der Grundsubstanz der tieferen Wandpartie werde ich erst bei der Betrachtung der

306 Boris Sukatschoff,

Querschnitte eingehen, weil ihre Strukturverhältnisse auf Flächen- präparaten sich nicht hinreichend deutlich zu erkennen geben.

Einfacher ist die untere Wand des Kokons gebaut. Von außen betrachtet, zeigt sie keine dunklen Linien oder Fasern in der Art wie die obere Wand. Auf den Präparaten, die unter der Luftpumpe aus Xylol ausgetrocknet worden waren, konnte man sehr klar die feinwabige Struktur der Grundsubstanz beobachten, in der auch bla- sige Hohlräume in geringer Anzahl auftreten, wie sie schon oben aus der oberen Wand beschrieben worden sind. Fig. 3, Taf. XXVI ist die vergrößerte Reproduktion einer Photographie, die von Herrn Professor O. BürschLi bei 1700facher Vergrößerng /Obj. 2 mm Oe. 8) bei tiefer Einstellung aufgenommen wurde. Die Figur stellt eine durch Zerreißen abgeblätterte ganz dünne Lamelle der unteren Wand dar. Der Rand der Abbildung zeigt eine Rissstelle. Man sieht recht klar die feinwabige Struktur der abgeblätterten Lamelle, in welcher selten einzelne Wabenreihen durch ihre schärfere Abgrenzung sich unterscheiden.

Ich gehe jetzt zur Besprechung der Querschnitte über, die meistens sehr gut gelungen waren, in Folge der geringen Härte der Kokons. Die Querschnitte (3>—5 u diek) durch den Kokon wurden mit Wasser auf die Unterseite des Deckglases, dem Rathe von Herrn Professor ©. BürscHLı folgend, aufgeklebt und entweder mit DELA- FIELD’schen Hämatoxylin stark gefärbt, oder direkt in Wasser unter- sucht. Noch geeigneter jedoch waren die Schnitte, welche aus Xylol unter der Luftpumpe ausgetrocknet wurden. Auf solehen Schnitten konnte man sehr klar die feine Struktur der beiden Wände, sowie die des Randes erkennen. Ich will mit der Betrachtung der beiden Wände beginnen, die bedeutend verschieden sind.

Die obere Wand (Fig. 27, Taf. XXV) ist circa 0,030 mm dick. Ihre äußere Grenzfläche « erscheint auf dem Querschnitt als eine mehr oder weniger wellige Linie, ist also nicht ganz glatt und eben, sondern unregelmäßig wellig. Diese unregelmäßige Skulptur der Oberfläche hat jedoch nichts mit den dunklen Linien oder Fasern zu thun, die oben aus der äußeren Partie der oberen Wand geschil- dert wurden, denn diese gehören der Substanz der Wand selbst an, sind keine Reliefzeichnungen, wie die genauere Untersuchung er- siebt. Die innere Grenzfläche 2 ist ganz flach wellig. In der sanzen Dieke der Wand kann man vier verschiedene Lagen unter- scheiden: je eine äußerste oberflächliche a, eine innerste, den Hohl- raum des Kokon begrenzende dünne Membran ? und zwei mittlere,

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 397

diekere Lagen m und 4. Die äußere und die innere Grenzmembran sind einander ganz ähnlich. Beide sind etwas stärker lichtbrechend und bestehen aus einer einzigen Schicht von Waben und erreichen eine Dicke von kaum 1 u. Die äußere war überall wahrzunehmen, während die innere sich nur sehr selten erkennen ließ. Beide Grenz- membranen haben etwa den Charakter von Alveolarsäumen. Die mittlere Hauptmasse zeigt zwei Lagen, die obere dünnere »2 erreicht etwa 1/, der ganzen Wanddicke, die untere, diekere } nimmt dann die übrigen ?2/;, der Wand ein. Beide zeigen den feinwabigen Bau sehr klar. In der oberen Schicht m sind die Waben bald unregel- mäßig, bald mehr schichtenweise angeordnet; die Schichtung ist je- doch stets recht unregelmäßig, indem die Schichten mehr oder weniger wellig verlaufen, wobei sich häufig einzelne Schichten aus- keilen. Häufig tritt jedoch auch stellenweise eine Neigung der Waben zu säuliger Anordnung hervor. In dieser Lage sieht man zuweilen auch größere Lücken, die als Spaltungen zwischen den Schichten auftreten. Die oben geschilderte obere Lage geht un- mittelbar in die diekere untere 4 über, so dass man keine scharfe Grenze bemerken kann. Letztere bildet die Hauptmasse der oberen Wand des Kokons. Von der oberen mittleren Lage unterscheidet sich diese Lage hauptsächlich durch die große Anzahl der in ihr vor- kommenden abgeplatteten bis unregelmäßigeren Lückenräume, welche den blasigen Hohlräumen entsprechen, die oben bei Besprechung des Flächenbildes der inneren Lage der oberen Wand des Kokon geschil- - dert wurden (vgl. Fig. 24, Taf. XXV). Diese Lückenräume erscheinen auf dem Querschnitt immer parallel der Membranfläche gestreckt, und senkrecht zu ihr stark abgeplatte*. Fig. 28, Taf. XXV stellt ein zerrissenes Fragment eines solchen dünnen Querschnittes dar. Die zerrissenen Ränder dieses Fragmentes lassen wiederum deutlich erkennen, dass es sich nicht um Fasern oder Fibrillen, sondern um Wabengerüste handelt.

Die untere Wand (Fig. 29, Taf. XXV) des Kokon bietet auch auf den Querschnitten einen viel einfacheren Bau dar. Ihre Dicke beträgt bis 0,005 mm und ist bedeutend geringer als die der oberen Wand. Diese Wand besteht aus drei Lagen, .aus einer mittleren, diekeren und zwei dünneren Grenzsäumen, von denen der eine den Kokon nach außen (a’), der andere (2) den Hohlraum des Kokon be- grenzt. Die letztere Grenzmembran ist nichts Anderes als die Fort- setzung der entsprechenden Membran der oberen Wand und eben so entspricht die äußere Grenzmembran der der oberen Wand. Beide

398 Boris Sukatschoff,

zeigen nur eine Schicht von Waben. Ihre Dicke erreicht nur selten 1 u. Beide verlaufen fast ganz gerade und parallel zu einander, sie zeigen höchstens eine geringe Wellung. Zwischen diesen beiden Grenzmembranen liegt die mittlere Lage, die aus mehreren Waben- schichten besteht, deren Zahl zwischen 4 und 8 schwankt. Man sieht

hier relativ weniger von den für die obere Wand so charakteristischen

Lücken oder Blasen. Wenn sie aber auftreten, so sind sie gleich- falls längsgestreckt und abgeplattet. Die Schichtung tritt meistens sehr deutlich hervor.

Der Querschnitt durch den Rand ist auf Fig. 25 (Taf. XXV) dargestellt. Die äußeren Grenzmembranen « und a’ stellen hier eine obere und eine untere Schicht vor. Die inneren Membranen vereinigen sich und begrenzen den Randtheil von innen. Zwischen diesen einschichtigen Grenzmembranen liegt die Hauptmasse des Randes, die im Allgemeinen aus einer feinwabigen Grundsubstanz besteht, die von größeren mehr oder weniger unregelmäßigen Hohl- räumen reichlich durchsetzt ist. In der Nähe der dünnen äußeren und inneren Membranen sind die feinen Waben, parallel der Ober- fläche, in Schichten angeordnet und auch die großen Hohlräume laufen diesen Schichten mehr oder weniger parallel und sind ent- sprechend längsgestreckt. Die in der mittleren Partie des Randes liegenden Waben und Hohlräume haben eine mehr unregelmäßige Anordnung. Die Umrisse der blasigen Hohlräume sind immer rund- lich. Letztere sind zuweilen so dicht zusammengedrängt, dass nur dünne einwabige Wände zwischen ihnen bleiben oder sogar ganz feine Membranen, in welchen von Struktur nichts mehr nachzuweisen ist. Die Grundsubstanz zeigt den feinen Wabenbau ganz vorzüglich mit schöner Ausprägung der Knotenpunkte. Häufig lässt sich auch an angeschnittenen Hohlräumen die wabige Struktur der Wand in der Flächenansicht schön wahrnehmen, wie dies auf Fig. 25 und 26 (Taf. XXV) bei W dargestellt ist.

Ich will hier noch Folgendes hervorheben. An den Quer- schnitten kann man Poren beobachten, welche die obere Wand des Kokons durchdringen. Es sind ganz einfache, unverzweigte, eylin- drische Kanälchen, die einen Durchmesser von 0,002—0,004 mm er- reichen. Ihr Verlauf ist senkrecht zur Oberfläche. Selten ließ sich an einem Porenkanal ein nach oben gehender blinder Seitenzweig be- obachten, der sehr kurz war. Eine besondere Struktur der Wand des Kokons in der Umgebung der Poren war nicht aufzufinden. In der unteren Wand waren nie Poren zu sehen; auch bei der Flächen-

Über den feineren Bau einiger Cutieulae und der Spongienfasern. 399

betrachtung der oberen Wand einiger anderen Kokons konnte ich keine nachweisen. Wegen augenblicklichen Mangels an Material habe ich keine weiteren Untersuchungen hierüber gemacht.

Da die Kokonsubstanz ein Sekret der Hautdrüsen ist, das zweifel- los im flüssigen Zustand an die Hautoberfläche tritt, um die Membran des Kokons zu bilden, so dürfen wir die beobachteten Bauverhält- nisse der Kokonwand wohl sicher als die eines schaumig geronnenen, ursprünglich gelösten Stoffes betrachten. Dabei ist nicht ausge- schlossen, dass schon das ursprüngliche Sekret einen mehr oder weniger emulsiven oder schaumigen Charakter besitzen kann, welcher bei der unter dem Einfluss des umgebenden Wassers eintretenden Erstarrung und Gerinnung weiterhin vermehrt wird. Zur Entschei- dung dieser Frage ist eine genauere Untersuchung des frischen Sekretes nöthig. Die größeren Hohlräume des allgemeinen Waben- werks der Kokonwände können ihren Ursprung recht wohl der lang- samen Gerinnüng verdanken, welche es gestattet, dass stellenweise Schaumbläschen zu größeren Hohlräumen zusammenfließen. Hierfür spricht auch der Umstand, dass die Hohlräume in allen Größenab- stufungen bis zur gewöhnlichen Wabengröße der Grundsustanz herab vorkommen. |

Am Schlusse dieser Mittheilung will ich das chemische Verhalten der Kokons von Nephelis und Hirudo auf Grund der früheren - Erfahrungen und einiger eigener Untersuchungen berücksichtigen. Ein Überblick der früher in dieser Richtung gemachten Studien er- giebt Folgendes.

Moquin-TAnDon (1846, p. 179, 180) theilte eine von FILHoL aus- seführte Analyse des äußeren schwammartigen Theils des Kokons von Hirudo medicinalis mit. Die Analyse ergab: Kohlenstoff

: 48,850%/,, Wasserstoff 6,37%,, Stickstoff 17,32%,, Sauerstoff

und Schwefel 27,46%, Aus dieser Analyse schließt FiLHor: »Il est evident que cette substance doit &tre classee, par sa com- position, A cöte des tissus cornes, comme BOoULLAY l’a indique.« BourLrAY (1838, p. 310, ich eitire nach MoQuın-TAnDon, weil ich mir BouLLAY’s Arbeit leider nicht beschaffen konnte) meint, die innere Kapsel des Kokons von Hirudo sei eiweißartiger Natur (»est de nature albumineuse«), nach seinen Untersuchungen sei ihre Reaktion die des geronnenen Eiweißes. Dies ist jedoch nicht die Meinung von FınsoL (siehe Moguın-Tanpon 1846, p. 181), der fand, dass »cette matiere appartient &videment ä la elasse des tissus cornes; sa Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 26

400 Boris Sukatschoff,

composition est sensiblement la meme que celle de l’eEpiderme, des cheveux, de la laine<«. Eine von FILHoL ausgeführte Analyse er- gab, dass die innere Kapsel des Kokons von Hirudo folgende che- mische Zusammensetzung hat: Kohlenstoff 50,72%/,, Wasserstoff 7,000, Stiekstoff 17,48%, Sauerstoff und Schwefel 24,80°,. Nach FırmoL und Bourtay löst sich die Substanz des Kokons von Hirudo in koncentrirter Salzsäure, Salpetersäure und Kalilauge, in beiden letzteren sehr schwer.

Leider scheinen diese aus den Jahren 1838 und 1846 stammen- den Angaben den späteren Forschern, welche die Substanz der Kokons von Hirudo und von Nephelis meist als Chitin betrachtet haben, fast unbekannt geblieben zu sein.

Max SIGMUND SCHULTZE bemerkte (1851, p. 33): »die leder- artigen Kapseln der Eier von Clepsine und Nephelis« sind voll- kommen unlöslich in kochender koncentrirter Kalilauge, in Ammoniak und Essigsäure, löslich dagegen in kochender koncentrirter Schwefel- säure, sowie in einer mäßig koncentrirten kochenden Chromsäure- lösung. In kochender Salzsäure sind sie nach ihm sehr schwer löslich. Aus diesem Grunde vergleicht SCcHULTZE die Kokonsubstanz beider Hirudineen mit Chitin. R. LEUCKART (1852, p. 25) sagt, dass die von ihm gemachten Untersuchungen an verschiedenen Würmern sowie an dem Kokon von Hirudo die Angaben C. ScHMIDT’s und M. Schuutze’s über die Verbreitung des Chitins bei den Ringel- würmern bestätigen. Später (1863, p. 684 Anm.) bemerkt LEUCKART, die auf seine Veranlassung von Dr. KÖRNER ausgeführten Unter- suchungen der Kokons von Hirudo haben seine »früheren Angaben, dass dieselben aus Chitn beständen, vollkommen bestätigt«. Dr. KÖRNER hatte gefunden, dass die Kokons in verdünnten Säuren und Kalilauge unlöslich waren. Nach mehrstündiger Behandlung mit Schwefelsäure lösten sich die Kokons vollständig. »Die kaum gefärbte Lösung wurde mit dem 100fachen Volum Wasser verdünnt (wobei sich keine Trübung zeigte) und unter Ersatz des verdampfen- den Wassers zum Sieden erhitzt und schließlich mit Kalk neutra- lisirt, wobei sich deutlich Ammoniak entwickelte. Die vom aus- gseschiedenen Gips durch Filtration getrennte Flüssigkeit reduecirte Fentine’sche Lösung mit Leichtigkeit.< Die letzte Angabe deutet auf Chitin hin, während die erste, die Unlöslichkeit in verdünnten Säuren und Kalilauge, jedenfalls nicht als Nachweis des Chitins (dienen kann, weil dasselbe sich in ganz koncentrirter Kali- laugelösung beim Kochen nicht löst, die Löslichkeit der Kokon-

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 401

substanz in koncentrirter Kalilauge wurde aber schon von FILHOL (siehe oben) hervorgehoben, was gegen Chitin spricht. In der zweiten Auflage seiner »Parasiten des Menschen« (1894, p. 537) sagt R. LEUCKART nur ganz kurz, die Kokons sind »chitinige Kapseln«.

Ich will schießlich noch W. Voıgr’s Angabe (1886, p. 105) an- führen, der sagt, dass die Kokonmembran von Branchiobdella nicht aus »echtem Chitin« bestehe, weil sie sich in Kalilauge löse.

Ich gehe nun zu einigen eigenen Untersuchungen über, die mit den Kokons von Nephelis und Hirudo angestellt wurden. In beiden Fällen wurden alte, mehrere Monate, oder bei Hirudo jahre- lang in Alkohol konservirte Kokons verwendet.

Die von mir untersuchten Kokons von Nephelis, sowie die Stück- chen des Kokons von Hirudo lösen sich schwer, etwa nach fünf bis zehn Minuten langem Kochen in 35°/,iger Kalilauge; eben so auch beim Kochen in 36°/,iger Salzsäure. In beiden Fällen erhält sich die selbe Farbe der Substanz bis zuletzt, wo die Masse schließlich plötzlich in kleinste Stückchen zerfällt, die sich bei weiterem Kochen in eini- sen Sekunden völlig lösen. Die Substanz der Kokons von Nephe- lis und Hirudo löst sich bei gewöhnlicher Temperatur nicht oder jedenfalls äußerst schwer und langsam in 89 %/,iger Schwefelsäure. Sie blieb zwei Tage in derselben unverändert. Auf dem Wärmschrank bei- eirca 40° C. erhalten die Kokonstückchen zunächst in der Schwefelsäure eine tief rothbraune Färbung und lösen sich nach zwei bis drei Tagen ziemlich vollständig zu tief rothbrauner Flüssig- keit. Werden Stückchen von geronnenem Hühnereiweiß oder Horn- substanz des Nagels mit 890%/,iger Schwefelsäure in ähnlicher Weise behandelt, so nehmen sie gleichfalls früher oder später eine tief rothe bis rothbraune Farbe an und gehen schließlich in Lösung. Mit Jodtinktur färbt sich die Substanz der Kokons beider Egel sehr rasch tief gelb bis braun, giebt jedoch hierauf bei Schwefelsäure- zusatz keine Cellulosereaktion.

Wie schon BouLLAY (siehe oben) nachwies, geben die Kokons von Hirudo und wie ich fand, noch kräftiger die von Nephelis, die Eiweißreaktionen. Die LIEBERMANN’sche Reaktion gelang mit dem Kokon von Nephelis sehr gut: bei Behandlung des Kokons mit rauchender (35,7°/,iger) Salzsäure und Zusatz eines Tropfens von 890/,iger Schwefelsäure erhielt der Kokon beim Erwärmen eine deutliche violette Färbung. Auch die Xanthoproteinreaktion war

ganz deutlich. Besonders überzeugend ist ferner bei Nephelis die 26*

| 402 Boris Sukatschoff,

Reaktion mit dem Miıtvon’schen Reagens, wobei sich der Kokon tief roth färbt.

Die Kokons beider Egel sind sehr resistent gegen künstlichen Magensaft, in welchem sie 7 Wochen bei einer Temperatur von circa 40°C. blieben, wobei die von Nephelis keine deutliche Veränderung zeigten, und noch die Eiweißreaktion mit MILLoN’schem Reagens gaben, während die Stückchen des Hirudo-Kokons erst nach drei bis vier Wochen in kleinste Fragmente zerfielen und sich theilweise lösten.

Weiter wurde ein Kokon von Nephelis in drei bis fünf Tropfen 890/,iger Schwefelsäure nach zwei bis drei Tagen Erwärmen auf dem Wärmschrank bei circa 40° C. gelöst. Die Lösung wurde hier- auf mit Wasser circa 15fach verdünnt und auf dem Wasserbad ein paar Stunden auf 100° C. erwärmt. Nach der Neutralisation mit Kali- oder Natronlauge konnte man in der Lösung mit der Fentin@’schen Probe keine oder nur geringste Spuren von Zucker nachweisen. Derselbe Versuch wurde mit einem Stück Kokon von Hirudo angestellt, ohne Zuckerreaktion zu erhalten.

Alle diese Erfahrungen sprechen dafür, dass die Kokonsubstanz dieser Hirudineen kein Chitin ist, sondern ein Stoff, welcher den Albuminoiden zugerechnet werden muss, wie es schon früher von BouLLAaY (siehe oben) hervorgehoben wurde. Die Kupferreduktion bei Nephelis, die nur ganz gering war, kann vielleicht auf einer zufälligen unbedeutenden Beimengung von Mucin beruhen. Eine ge- nauere chemische Analyse dieser Kokons, namentlich auch die Be- stimmung des Schwefelgehaltes, wäre von Interesse wegen der even- tuellen Beziehungen der Substanz zu Keratin.

Zum Schluss fühle ich mich verpflichtet, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Dr. OÖ. BürscHLı, unter dessen Leitung und steter Mitwirkung diese Arbeit ausgeführt wurde, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Gleichzeitig danke ich auch Herrn Professor Dr. A. SCHUBERG für seine liebenswürdigen Rathschläge und Mithilfe.

Heidelberg, im März 1899.

1888.

1894.

1838.

1884.

1875.

1892.

1894,

1896.

1898.

Über den feineren Bau einiger Cutieulae und der Spongienfasern. 403

Verzeichnis der citirten Litteratur,

StEepH. ApAtay, Analyse der äußeren Körperform der Hirudineen. Mit- theilungen aus der Zool. Stat. Neapel. Bd. VIII, 2. Heft.

A. van BÖMMEL, Über Cutienlarbildungen bei einigen Nematoden. Arbei- ten aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg. Bd. X.

BOULLAY, siehe ÜHARPENTIER.

A. BouURNE, Contributions to the Anatomy of the Hirudinea. Quart. Journ. of microscop. sc. Vol. XXIV.

M. Braun, Über die histologischen Vorgänge bei der Häutung von Astacus fluviatilis.. Arbeiten aus dem zool.-zoct. Institut Würzburg. Bd. I. >

O0. BüTscHLI, Untersuchungen über mikroskopische Schäume und das Protoplasma. Leipzig.

Vorläufiger Bericht über fortgesetzte Untersuchungen an Ge- rinnungsschäumen, Sphärokrystallen und die Struktur von Cellulose- und Chitinmembran. Verhandlungen des naturhist.-medic. Vereins zu Heidelberg. N. F. Bd. V.

—— Über Strukturen künstlicher und natürlicher quellbarer Substanzen. Verhandlungen des naturhist.-medic. Vereins zu Heidelberg. N. F. Bd. V, 4. Heft.

Untersuchungen über Strukturen, insbesondere über Strukturen niehtzelliger Erzeugnisse des Organismus und über ihre Beziehungen zu Strukturen, welche außerhalb des Organismus entstehen. Leipzig.

A. CHARPENTIER, Rapport par BoULLAY et GUIBOURT. Journ. Pharm. Tome XXIV.

ED. CLAPAREDE, Histologische Untersuchungen über den Regenwurm (Lumbricus terrestris L.). Diese Zeitschr. Bd. XIX.

M. D’ÜDEKEM, Memoire sur les Lombrieiens. M&m. de l’Acad. R. des sciences etc. de Belgique. Tome XXXV.

Huco EısıiG, Monographie der Capitelliden des Golfes von Neapel. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. Bd. XVI. Berlin.

GIGLIo-Tos, Studio istologico sull’ integumento del’ Aulastomum gulo Moqu.-Iand. Bolletino dei Musei di Zool. ed Anat. comp. della R. Univers. di Torino. No. 69. Vol. IV.

S. EDwın GOODRICH, Notes on Oligochaetes with the Description of a New Species. Quart. Journ. of mierose. sc. Vol. XXXIX.

A. E. GRUBE, Die Familien der Anneliden. Archiv für Naturgeschichte. XVI. Jahrg.

N. P. Krawkow, Über verschiedenartige Chitine. Zeitschr. für Biologie. N. F. Bd. XI. (Bd. XXIX der ganzen Reihe.)

N.M. Kuracın, Materialien zur Naturgeschichte der Regenwürmer (Fam. Lumbrieidae Vejd.). Nachrichten der K. Gesellschaft der Freunde der Naturk., Anthrop. und Ethnogr. Vol. LVIII, 2. Heft. (Russisch.)

RAY LANKESTER, On Intra-Epithelial capillaries in the Integument of the Medieinal Leech. Quart. Journ. of microsc. sc. Vol. XX.

R. LEUCKART, Über das Vorkommen und die Verbreitung des Chitins bei den wirbellosen Thieren. Archiv für Naturgesch. XVIII. Jahrg.

404 Boris Sukatschoff,

1863. R. LEUCKART, Die menschlichen Parasiten. Bd. I. 1. Auflage. Leipzig u. Heidelberg.

1894. —— Die Parasiten des Menschen. 2. Aufl. Bd. I, 5. Lief. Leipzig.

1849. FR. LEYDIG, Zur Anatomie von Piscicola geometrica mit theil- weiser Vergleichung anderer einheimischer Hirudineen. Diese Zeitschr.

Bay 1855. —— Zum feineren Bau der Arthropoden. Archiv für Anat. u. Physiol. u. wiss. Mediein. 1865. —— Über Phreoryctes Menkeanus Hoffm. nebst Bemerkungen über den Bau anderer Anneliden. Archiv für mikr. Anat. Bd. I. 18855. —— Zelle und Gewebe. Bonn.

1877. A. v. Moysısovics, Kleine Beiträge zur Kenntnis der Anneliden. Sitz.- Ber. Akad. Wien. Math.-naturw. Klasse. Abth. 1. Bd. LXXVI.

1846. Mogauımn-TAnDon, Monographie de la famille des Hirudinees. Nouv. Edi- tion. Paris.

1862. H. RATHKE, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. Leipzig.

1889. Remy Samt-Loup, Recherches sur l’organisation des Hirudinees. An- nales des Se. nat. Zoologie. VI. Serie. T. XVII.

1851. MAx SIGMUND SCHULTZE, Beiträge zur Naturgeschichte der Planarien. Greifswald.

1882. TycHo TULLBERG, Studien über den Bau und Wachsthum des Hummer- panzers und der Molluskenschalen. Kon. Svenska Vet.-Akad. Handl. Bd. XIX. No. 3.

1888. C. VosT und E. Yung, Lehrbuch der praktischen vergleichenden Ana- tomie. Bd. I. Braunschweig.

1883. W. VoıGT, Die Varietäten der Branchiobdella Astaci Odier. Zool. Anz. VI. Jahrg. Nr. 134.

1886. —— Beiträge zur feineren Anatomie und Histologie von Branchiob- della varians. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg. Bd.’ VPE:

Erklärung der Abbildungen.

Die feineren Strukturen sind stets mit stärksten Vergrößerungen Obj. 2 mm (ZEISS oder SEIBERT) und den Ocularen 12 und 18 untersucht und ge- zeichnet, auch wo dies nicht besonders bemerkt ist.

Tafel XXIV.

Fig. 1. Ein Stück der isolirten Hornfaser von Hireinia flavescens. Präparat im Wasser.

Fig. 2. Ein Stück der isolirten Hornfaser von H. variabilis. Präpa- rat im Wasser. Optischer Längsschnitt.

Fig. 3. Ein Stück der isolirten Hornfaser von H. flavescens. Aus Xylol unter der Luftpumpe ausgetrocknet, darauf in geschmolzenen Kanadabalsam eingebettet.

Fig. 4 Ein Stückchen der isolirten Hornfaser von H. variabilis. Aus Xylol unter der Luftpumpe ausgetrocknet. Präparat in Luft.

Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 405

Fig. 5a—c. Fragmente macerirter Hornfasern von Hireinia flaves- eens. Behandlung mit JAVELLE’schem Wasser. Färbung mit Gentianaviolett. Genaueres im Text p. 380. Präparat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 12 (ZEISS).

Fig. 6. Querschnitt durch eine Hornfaser von H. flavescens. Präparat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 12 (Zeiss).

Fig. 7. Optischer Durchschnitt von einem Stück Cutieula von Lumbri- eus terrestris. Färbung mit essigsaurem Eisenoxyd und Hämatoxylin. Prä- parat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT, Oc. 12 (Zeiss).

Fig. 8. Querschnitt durch die Haut von Lumbricus. Färbung mit essigsaurem Eisenoxyd und Hämatoxylin. Zp, Epithelzellen; Cu, Cuticula. Prä- parat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (ZE1ss).

Fig. 9. Stück Cutieula von Lumbricus. Aus Xylol unter der Luft- pumpe ausgetrocknet. Präparat in geschmolzenen Kanadabalsam eingebettet. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 12 (Zeiss).

Fig. 10. Der Rand eines zerrissenen Stückes von Lumbrieus-Cutieula. Färbung mit essigsaurem Eisenoxyd und Hämatoxylin; darauf mit Nadeln zer- zupft. Präparat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (ZEISS).

Fig. 11. Optischer Durchschnitt von einem Stück Cuticula von Aula- stomum gulo. Aus Xylol unter der Luftpumpe ausgetrocknet. Präparat in Luft. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 18 (Zeıss).

Fig. 12. Dasselbe Stück von Cutieula wie Fig. 11. Der Porus einer Hautdrüse. a, äußerer Wulst; r, Rand; o, die Öffnung des Porus selbst. Obj. 2 mm (SEIBERT), de. 12 (ZEıss).

Fig. 13. Dasselbe Stick Outicula v von Aulastomum wie auf denFigg.11,12. Eine andere Art von Poren der Hautdrüsen. a, äußerer Wulst; o, die Öffnung der Poren. Obj. 2 mm (SEIBERT), De. 12 (Zeıss).

Fig. 14. Optischer Durchschnitt durch die Cutieula von Aulastomum; eine doppelte Pore ist im Durchschnitt getroffen. Behandlung wie Fig. 11—13.

Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (Zeiss). Fig. 15. Eine andere Art von Pore in optischem Querschnitt. Behand- lung der Cutieula (Aulastomum) wie bei Fig. 11—13. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 12 (Zeiss).

Fig. 16a@—e. Drei verschiedene Formen der doppelten Poren in der Cuti- eula von Aulastomum. Flächenansicht.

Fig. 17. Eine Gruppe der zu einem Sinnesorgan gehörigen Poren auf einem hellen Feld in der Cuticula von Aulastomum. Färbung mit essigsau- rem Eisenoxyd und !/0/,igem Hämatoxylin. Flächenansicht. Präparat im Was- ser. Obj. 2 mm fSEIBERT), Oc. 12 (Zeiss).

Fig. 18. Ein Stückchen der Cutieula von Aulastomum. Flächenansicht (Schema). Die Ziekzacklinie «—b zeigt die Grenze zwischen zwei polygonalen Zellbezirken. Nach einem aus Xylol im Vakuum ausgetrockneten Präparat. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (Zeiss).

Fig. 19. Die polygonalen Zellbezirke in dem Chitinpanzer 'Notum) von Gammarus fluviatilis. Aus Xylol unter der Luftpumpe ausgetrocknet. Prä- parat in Luft. Tief eingestellt. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (Zeiss).

Fig. 20. Querschnitt durch die Rückenwand des Chitinpanzers von Gam- marus fluviatilis. Färbung mit essigsaurem Eisenoxyd und !/aP/,igem Häma- toxylin. a, äußere Schicht (Grenzmembran); »n, mittlere Lage; «, untere Lage. Präparat im Wasser. Obj. 2 mm /SEIBERT), Oc. 12 (Zeiss).

A0& Boris Sukatschoff, Über den feineren Bau einiger Cutieulae ete.

Fig. 21a—c. Macerationsprodukte des Chitinpanzers von G. fluviatilis. Präparat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 12 (Zeıss). Tafel XXV.

Fig. 22. Kokon von Nephelis vulgaris. Obere Wand von außen. Obere Partie. Tief eingestellt. Präparat im Wasser. Schwächere Vergrößerung. Obj.

'- 2 mm (SEIBERT), Oe. 6 (ZEISss).

Fig. 23. Kokon von Nephelis. Obere Wand von außen. Obere Partie. Präparat im Wasser (dasselbe wie Fig. 22). Tief eingestellt. Stärkere Ver- srößerung. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 18 (ZEISS).

Fig. 24. Kokon von Nephelis. Obere Wand von innen. Tiefere Partie der Wand; tief eingestellt. Präparat im Wasser. Obj. 1/12 hom. Imm. (SEIBERT), Oe. 12 (ZEIsS).

Fig. 25. Kokon von Nephelis. Querschnitt durch den Rand. Aus Xylol im Vakuum ausgetrocknet. Präparat in Luft. a, äußere Grenzmembran der oberen Wand: a’, die der unteren Wand; :z, die innere Grenzmembran; o, der Übergang in die obere Wand, x, der in die untere Wand. W, die Wände der blasigen Hohlräume in Flächenansicht getroffen. Obj. 1/12, hom. Imm. (SEIBERT), Oe. 12 (Zeiss).

Fig. 26. Dasselbe Präparat wie Fig. 25. Ein Detail bei stärkerer Ver- srößerung. W, die Wand des Hohlraumes im Querschnitt fach getroffen. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oec. 18 (ZEISS).

Fig. 27. Kokon von Nephelis. Querschnitt durch die obere Wand. Be- handlung wie bei Fig. 25. a, äußere Grenzmembran; n, obere mittlere Lage; h, untere mittlere Lage; :, innere Grenzmembran. Obj. 1/12 hom. Imm. (SEIBERT), De. 12 (Zeiss).

Fig. 28. Kokon von Nephelis. Zerrissenes Stück der mittleren Lage der oberen Wand von demselben Präparat wie Fig. 27. Stark vergrößert. Obj. 1/12 hom. Imm. (SEIBERT), Oc. 12 |ZEIss).

Fig. 29. Kokon von Nephelis. Querschnitt durch die untere Wand; dasselbe Präparat wie Fig. 27 und 28. :, innere Grenzmembran; , mittlere Lage; a’, äußere Grenzmembran. Obj. 1/12 hom. Imm. (SEIBERT), Oe. 12 (Zeıss).

Tafel XXV1.

Die Figuren dieser Tafel sind vergrößerte Reproduktionen von Mikrophoto- sraphien, die von Herrn Professor O0. BÜTSCHLI hergestellt wurden.

Fig. 1. Kokon von Nephelis vulgaris. Untere Wand in Flächen- ansicht. Eine abgeblätterte Lamelle. Aus Xylol im Vakuum ausgetrocknet. Präparat in Luft. Obj. 2 mm, Oe. 8. Einstellung tief. Vergr. 3000.

Fig. 2. Querschnitt durch eine Hornfaser von Hireinia flavescens. Präparat im Wasser. Obj. 16 mm Proj. Oe. 4. Vergr. 200.

Fig. 3. Eine Partie der Fig. 2 bei stärkerer Vergrößerung. Obj. 2 mm, Oe. 8. Vergr. 3000.

Über die Entwicklung des knöchernen Rückenschildes (Carapax) der Schildkröten, _ Von

A. Goette

(Straßburg i. E.).

Mit Tafel XXVII—XXIX und 3 Figuren im Text.

Die Untersuchung wurde in der Hauptsache an einer Reihe von Föten der Chelone imbricata ausgeführt, die ich der Güte des Herrn Dr. VoELTZzkow verdanke Zur Ergänzung dienten Föten von Po- docnemis sp., Emydura albertsii und ganz junge Clemmys caspica. Die angegebenen Längenmaße beziehen sich auf den integumentalen Rückenschild. Von allen diesen Stücken wurden Querdurchschnitte und Sagittalmediandurchschnitte durch die Mitte des Rumpfes, meist auch durch seine Endabschnitte hergestellt und die Abbildungen - durehweg in derselben Vergrößerung gezeichnet.

Chelone imbricata. Fötus (1 em).

Der Rücken dieser Föten ist gleichmäßig gewölbt, glatt, der

wulstige Seitenrand des Hautschildes liegt noch über der Mitte der

Körperhöhe, die Bauchseite wölbt sich eben so stark hervor wie bei anderen Reptilienföten (Fig. 1).

Am Stammskelett zeigt sich die Chorda etwas dorso-ventral abgeplattet, intervertebral an der Unterseite etwas eingezogen, so dass der untere Längskontour festonartig verläuft (Fig. 4). Der Gallert- körper der Chorda ist nicht mehr ganz intakt. Die zellige Chorda- scheide ist in der Längsrichtung der Chorda noch genau angepasst, vertebral ausgebaucht, intervertebral eingeschnürt; in der Einschnürung befindet sich aber ein schwach vorspringender Wulst, der jedoch eben so wie die Einschnürung an der Oberseite der Scheide ver-

408 A. Goette,

streicht (Fig. 4). Der ganze Intervertebralring besteht aus einer koneentrisch faserigen Masse, während die übrige Chordascheide schon knorpelähnlich ist (Fig. 2). Ihr vertebraler Abschnitt oder der pri- märe Wirbelkörper ist seitlich und aufwärts in einen wulstigen Rand ausgewachsen, der ganze Körper daher kahnförmig (Fig. 3).

Die gleichfalls schon halb knorpeligen oberen Wirbelbögen liegen intervertebral, indem sie, wie die Übergänge zu den Hals- und den Schwanzwirbeln lehren, sich über die Vordergrenze ihrer Wirbelkörper verschoben haben (Fig. 5). Ihre Basen keilen sich von oben zwischen die Randwülste der angrenzenden Wirbelkörper, die dadurch etwas aufgebogen erscheinen; abwärts verschmälern sich die Basen zu lang dreieckigen Zipfeln, die die Intervertebralringe bis zur halben Höhe verdecken. An den Querdurchschnitten verläuft daher die deutliche Grenze zwischen Bogen und Körper nur innerhalb des Bereichs des schmalen Intervertebralringes koncentrisch zur Chorda und seitlich von ihr (Fig. 2); davor und dahinter befindet sie sich aber ausschließlich über dem Rande des kahnförmigen Wirbelkörpers (Fig. 1); und da diese oberen Theile der Wirbelbögen sich schnell in der Richtung von vorn nach hinten verbreitern, so sind die letzt- genannten vertebralen Querdurchschnitte häufiger anzutreffen, als die intervertebralen mit den tief hinabreichenden Bogenbasen, die, wie es scheint, bisher übersehen wurden (HOFFMANN, HAYCRAFT).

Die aufsteigenden Theile der Wirbelbögen sind ebenfalls breit und entsenden in halber Höhe einen vorderen und einen hinteren Gelenkfortsatz; die einander entgegenwachsenden Fortsätze zweier Wirbel erreichen einander aber nie (Fig. 5). Zwischen beiden Fort- sätzen erhebt und verdickt sich das oberste Ende des Bogens zu einem stumpfen Höcker (Spinalhöcker), der aber von seinem Gegen- stück getrennt seitlich liegen bleibt (Fig. 1—3). Von der Basis jedes Spinalhöckers wächst jedoch ein dünner Knorpelsaum über den Wirbel- kanal zur anderen Seite hin. Zwischen den auf einander folgenden Wirbelbögen spannt sich eine dichte und dieke Bindegewebsmasse aus, die in das Perichondrium der Bögen übergeht und nur an den Durchtrittsstellen der Spinalnerven unterbrochen ist: das Zwischen- bogenband oder Intereruralligament (Fig. 5).

Die Rippen gehen von den Wirbelbogenbasen aus und ihre Köpfchen greifen erst ganz wenig auf die anstoßenden Wirbelkörper über (Fig. 1, 5. Am vorderen Rande scheinen sie kontinuirlich in die Bögen überzugehen (Fig. 2), weiter rückwärts zeigt sich aber zwischen ihnen eine dunkle Grenzzone wie bei den gewöhnlichen

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 409

sich abgrenzenden Rippen. Ein ähnliches Gewebe liegt zwischen den Rippenköpfehen und den Wirbelkörpern. Mit den Intervertebral- ringen kommen die Rippen überhaupt nicht in Berührung. Die An- gabe HorFmann’s (18, p. 99), dass die Rippen der Schildkröten Aus- wüchse des Intervertebralknorpels seien, beruht eben nicht auf der Kenntnis ihrer Entwicklung, sondern bloß ihrer späteren Zustände. Nur am proximalen Ende sind die Rippen etwas nach oben aus- sebogen, ihr übriger Verlauf ist ein gerader; sie enden am Rand- wulst des häutigen Rückenschildes, dringen aber noch nicht in ihn ein (Fig. 1). Ihr Perichondrium ist nach allen Seiten deutlich ab- gesetzt und in keine von Rippe zu Rippe sich fortziehende Fascie fortgesetzt (Fig. 6—8). RATAKE kam auf die Beschreibung einer solchen Fascie durch ungenaue Beobachtungen älterer Entwick- lungsstufen der Schildkröten, was sich aus der damaligen Unter- suchungsmethode zur Genüge erklärt. Ganz unbegreiflich ist aber die aus zahlreichen Durchschnitten verschiedener Entwicklungsstufen seschöpfte Behauptung HAYcRAFT’s, dass die Wirbel und Rippen der Schildkröten überhaupt kein Perichondrium oder Periost be- säßen!; es ist vielmehr in den Rippen der Schildkröten, wie ich noch zeigen werde, schärfer ausgeprägt als bei irgend welchen anderen Thieren.

Die dorsalen Stammmuskeln beginnen mit einem verdickten Rand etwas über den Wirbeln und ziehen dann in dünner Schicht bis an den äußeren Randwulst, wo sie in einen starken Muskelbauch - übergehen, der bereits der künftigen Bauchseite angehört (Fig. 1—3). Über den Wirbelbögen hängen die Muskelsegmente unmittelbar zu- sammen (Rückenmuskeln); weiter abwärts verbreitern sich aber die über den Rippen liegenden Zwischenmuskelsehnen ganz außer- ordentlich auf Kosten der verschmälerten eigentlichen Muskelsegmente, die sich rinnenförmig zwischen die Rippen einsenken (äußere Inter- costalmuskeln Fig. 6-8). Der Übergang der Rückenmuskeln in die Intercostalmuskeln bezeichnet auch ungefähr die Grenze von Rippenkörper und Rippenhals. Die breiten Sehnen der Inter- costalmuskeln sind übrigens nur noch über den oberen Rippenab- schnitten kenntlich; weiter abwärts verschwinden sie vollständig, so

1 Die Abbildungen HayvcrArr’s, die sich auf Föten der gemeinen Süß- wasserschildkröte, von Chelone mydas und »Horopas« (soll heißen: Homopus, areolatus beziehen, entsprechen allerdings seiner Ansicht, aber nicht den An- Sprüchen, die man heute bei der Wiedergabe histologischer Bilder billigerweise erheben kann.

410 A. Goette,

dass die schmalen Muskelstreifen ganz frei in der Tiefe zwischen den Rippen liegen. /

Mit deutlichem Abstande von dieser Muskulatur liegt über ihrem oberen Dritttheil eine dünne Schicht eines dichten indifferenten Ge- webes, die nach oben und nach unten wieder verstreicht, intercostal ebenfalls ein wenig eingesenkt, aber dort gerade am dünnsten, über den Rippen am stärksten ist. Nach ihrer Lage kann diese Außen- schieht nur auf die rudimentäre Anlage eines M. obliquus externus bezogen werden (Fig. 1—3, 6—8 ex).

Die Spinalnervenstämme spalten sich vom Ganglion ab in zwei Äste, von denen der eine unter den Intereostalmuskeln hinab- zieht, der andere, nachdem er zwischen ihnen und den Rücken- muskeln hindurchgetreten ist, die ersteren außen begleitet (Fig. 3, 6—8).

Die beschriebenen Skeletttheile und Muskeln stehen von der noch sehr dünnen Oberhaut ziemlich weit ab; dieser Zwischenraum ist mit einem sehr lockeren, nicht geschichteten oder verfilzten, sondern bloß netzartigen Bindegewebe ausgefüllt, das neben den Rippen bis zu dem von ihnen gleichfalls noch weit abstehenden Bauchfell vor- dringt (Fig. 1—3, 6—8). Unmittelbar unter der Epidermis ist das Bindegewebe dichter und dunkler; gegen den Randwulst hin sondert sich diese Schicht immer deutlicher ab, umkreist in einiger Entfernung die Rippenenden und erhält in der Bauchwand eine beinahe liga- mentöse Begrenzung gegen das unterliegende lockere Bindegewebe (Fig. 1). Da in dieser subepidermoidalen Schicht der Bauchwand bereits die Anlagen der Plastronstücke (pl) sichtbar werden, ist jeder Zweifel ausgeschlossen, dass es sich um eine wirkliche Cutis han- delt, die also überall durch ein reichliches subeutanes Bindegewebe von den Muskeln und dem Stammskelett getrennt ist.

HavcrAFr hat ausdrücklich jede derartige Sonderung: des sub- epidermoidalen Bindegewebes in Abrede gestellt. Sein Irrthum wird dadurch noch auffälliger, dass jene Sonderung auf der folgenden Entwicklungsstufe sich noch schärfer ausprägt.

Chelone imbricata. Fötus (1,1 cm).

Am Rücken beginnt die Abgrenzung der großen Schuppen: die Reihe der mittleren spinalen Schuppen ist von den seitlichen und diese sind von dem Randwulst durch seichte Furchen gesondert; der letztere ist tiefer hinabgerückt.

Die Veränderungen an den Wirbeln beschränken sich auf eine

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 411

geringe allgemeine Vergrößerung und eine stärkere Ausbildung der Spinalhöcker (Fig. 10, 11). Während sie wallartig bis über das Niveau der anliegenden Muskeln auswachsen, vereinigen sich zwischen ihnen die beschriebenen Säume über dem Wirbelkanal, so dass sie den Boden einer zwischen den Höckern liegenden Rinne bilden. Die Spinalhöcker selbst vereinigen sich niemals, sondern verwandeln sich in die Seitenränder des flachen Daches.

Die Rippen sind etwas verlängert, aber sonst unverändert; die Intercostalmuskeln sind noch tiefer gesunken und die beiden Nerven liegen ihnen eng an (Fig. 11). Diese Lageveränderung ist die Folge davon, dass das ganze subeutane Bindegewebe, einschließlich seiner Fortsetzung bis zum Bauchfell, ganz außerordentlich zusammen- gefallen ist und dadurch einerseits die Cutis, andererseits das Bauchfell den Rippen und der Muskelschicht genähert hat (vgl. Fig. 8 und 11). In Folge dessen sinkt das ganze Integument zwischen den Rippen et- was ein und bildet über ihnen flache Wülste, die den Verlauf der ersteren schon äußerlich erkennen lassen. Auch über den Wirbeln und Rückenmuskeln ist das subkutane Bindegewebe zusammengefallen, doch nicht so stark wie über den Rippen. Die beschriebene Außen- schicht, die mitten in jenem Bindegewebe lag, ist durch dessen Zusammenziehung an die unterliegenden Theile gepresst; so bedeckt sie wie eine Fascie die Rückenmuskeln, um von dort in das Periost der Wirbelkörper und abwärts in dasjenige der Rippen überzugehen (Fig. 9, 10). Und zwar entsteht diese die Muskeln überspannende häutige Verbindung der Wirbelbögen und Rippen zu einer Zeit, wann sie noch durch eine deutliche subeutane Bindegewebsschicht von der Cutis getrennt ist, in der allein die unzweifelhaften Hautknochen sich entwickeln.

Chelone imbricata. Fötus von 1,3—1,6—1,8 em Länge.

Während der Rückenschild sich seitlich ausdehnt und abflacht, in der Mittellinie aber sich stärker erhebt, so dass im Querdurch- schnitt sich ein dachförmiger Kontour zeigt (Fig. 17), wird die untere Rumpfhälfte noch viel mehr abgeplattet, bis die Bauchwand endlich unter dem dachförmigen Obertheil einen nur schwach konvexen Boden bildet. Zugleich ist die Schuppenbildung bis zur Einfaltung der Epidermis an den Seiten und am Hinterrande der Schuppen- felder vorgeschritten.

Die Chorda ist nunmehr von den Seiten her stark zusammen-

412 A. Goette,

gezogen, so dass nicht mehr ihr Querdurchmesser, sondern ihr Höhen- durehmesser überwiegt. Ihr Gallertkörper ist schon ziemlich zer- setzt. Die verlängerten, muldenförmigen Wirbelkörper zeigen kaum noch Spuren der ventralen Ausladung, da ihre Enden und die -Intervertebralringe stärker vorgewulstet sind (Fig. 13). Hand in Hand mit der Verlängerung der Wirbel sind auch die Bögen breiter ge- worden, ohne jedoch einander näher gerückt zu sein (Fig. 12). Die quere Verbindung der Spinalhöcker ist so verdickt, dass die Rinne zwischen ihnen ausgeglichen ist; das geschlossene Wirbel- dach stellt daher eine breite, ebene Platte dar, deren scharfe, hori- zontal etwas ausgezogene Ränder von den ursprünglichen Spinal- höckern herstammen. Sie kann füglich als knorpelige Spinal- platte bezeichnet werden (Fig. 17, 18).

An diesen Föten sind die intervertebral hinabsteigenden Bogenbasen noch nachweisbar (Fig. 18); später verwischen sich ihre Grenzen. Die Andeutung der Rippengelenke und die Grenzen zwischen den Bögen und den Wirbelkörpern bleiben jedoch bestehen. Nachdem die Intercostalmuskeln sich bis auf einzelne Muskelfasern zwischen den zusammengerückten Nervenästen zurückgebildet haben, sind die Rückenmuskeln vollständig isolirt und die einzigen Reste der dor- salen Stammmuskeln.

Der Schwund des subeutanen Bindegewebes ist noch weiter fortgeschritten; es ist aber wahrscheinlich nicht einfach unterdrückt, sondern in die vordringende Cutis aufgenommen, ihr angepasst worden. Dafür spricht der Umstand, dass die nunmehr deutlich ver- filzte Cutis zwischen den Rippen bis an die Nerven und Muskeln reicht, aber nicht in Folge einer tieferen Einsenkung der ganzen Haut, sondern durch eine entsprechende intercostale Verdiekung der Cutis, die nur auf Kosten des unterliegenden Gewebes erfolgen kann (Berl).

Diese Einscheidung der Rippen durch die Cutis nimmt gegen den Randwulst des häutigen Rückenschildes zu und führt dort zur vollständigen Umwachsung der Rippenenden durch die Cutis (Fig. 14). Dorsalwärts hindern aber die Rückenmuskeln und die Spinalganglien eine Einsenkung der Cutis zwischen die Rippenhälse, so dass sie schon über die oberen Enden der Rippenkörper flach hinzieht (Fig. 16). Da das subeutane Gewebe jetzt auch am Rücken in der angegebenen Weise verschwunden, d. h. in die Unterhaut einbezogen ist, so berührt die letztere das Periost der Wirbelbögen und die vertebro-costale Verbindungshaut (Fig. 17). Eine aktive Wucherung

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 413

der Unterhaut nach außen findet überall dort statt, wo sich die Falten- ränder und Kiele der Schuppen bilden.

In den mittleren und oberen Abschnitten der Rippen hat die Rinde des Knorpels sich in eine dünne Knochenhülse zu verwandeln begonnen; das angrenzende Periost ist aufgelockert und nach dem theilweisen Schwund der Fasern in einen von unregelmäßigen Zellen durchsetzten Spaltraum verwandelt, der aber nach außen durch eine feste Faserschicht deutlich abgegrenzt wird. Diese Grenzschicht ver- läuft im größten mittleren Abschnitt der Rippen nicht genau kon- centrisch zur Knorpeloberfläche, sondern buchtet sich an der vor- deren und hinteren Seite jeder Rippe zu einer stumpfen Kante aus (Fig. 15, 16). Der Querdurchschnitt des ganzen Periostes erscheint daher eitronenförmig. Die an jene Kanten sich anschließende tiefste Cutisschicht hat offenbar RATHKE zur Annahme einer besonderen, alle Rippen verbindenden und ihre Verknöcherung leitenden Fascie veranlasst; wie die Folge lehrt, hat aber jene Schicht mit der Rippen- verknöcherung gar nichts zu thun.

Chelone imbricata. Fötus von 2,3—3,2 cm Länge.

Diese Föten bezeichnen die letzten Stadien des Eilebens. Neben dem ansehnlichen Wachsthum aller Theile fällt äußerlich die Ver- hornung der Oberhaut und innen die Verknöcherung des Skeletts be- sonders in die Augen. Die Verhornung geht so vor sich, dass die äußerste Schicht der verdiekten Oberhaut sich in kleinen runden Höckern erhebt, in die kegelförmige Spitzen der mittleren Schicht hineinragen (Fig. 26, 27). Diese aus ganz abgeplatteten, geschichtet liegenden Zellen bestehende Mittelschicht verhornt allein, die Außen- schicht bleibt weich, färbbar und löst sich leicht ab. Die Grund- schicht ist gegen die Hornschicht ebenfalls ausgezackt, nach innen aber ganz glatt, ohne Spur von Papillen.

Die Schuppenbildung schreitet se weit fort, dass die freien Scehuppenränder über ihre Umgebung weit vorragen und die Kiele sich sehr hoch erheben (Fig. 22). Von einer Knochenbildung un- mittelbar unter den Schuppen ist keine Spur vorhanden, auch nicht unter den marginalen Schuppen, während die Nackenplatte und die Stücke des Plastron in der tieferen Schicht der Cutis schon früher aufgetreten waren (siehe unten).

Die Intercostalmuskeln und das subeutane Bindegewebe sind bei diesen älteren Föten, theilweise aber auch schon früher (Fig. 15,

414 A. Goette,

16) vollständig verschwunden. Die Intercostalnerven liegen zwischen Cutis und Bauchfell eingeklemmt. Die Chorda enthält schon in den jüngeren Exemplaren dieser Periode einen peripherischen Belag von knorpelähnlichen Zellen (Chordaknorpel) in den vertebralen Ab- ‚schnitten; es ist dort ferner eine dünne Knochenhülse um die Chorda und eine ebensolche Knochenschicht an der Außenfläche des Knorpels im Entstehen begriffen. In den älteren Föten (3,2 cm Länge, Fig. 22, 24) dringt der Chordaknorpel schon in den Gallertkörper vor und es beginnt die Einschmelzung des perichordalen Knorpels zu unregel- mäßigen Markräumen: die periostale Knochenlamelle überzieht un- unterbrochen einerseits die Bögen, andererseits die vertebralen Wirbel- körperabschnitte und läuft nur an den gegenseitigen Grenzen dieser Theile und der Rippen, sowie an den Intervertebralringen mit scharfen Rändern frei aus. Auch dringt die Verknöcherung von dieser Lamelle aus in das umgebende Periost vor, aber nur an den Wirbelbögen. An der Innenseite der letzteren wachsen kurze Knochenleisten schräg von der Grundlamelle aus und stets paar- weise einander entgegen, so dass sie zuerst Ausbuchtungen der Knochenoberfläche und dann geschlossene Binnenräume der Knochen- substanz bilden (Fig. 22). Die Oberseite der Spinalplatte und die Außenseiten der Wirbelkörper bleiben größtentheils glatt; nur an den Seitenkanten, wo jene Flächen zusammenstoßen, entstehen kurze dachförmige Knochenvorsprünge, die schräg nach außen und unten in die vertebro-costale Verbindungshaut vorwachsen und die dorsalen Kanten der Rückenmuskeln überragen (sf). Am vorderen und hin- teren Rande der Spinalplatten und Bögen ist aber die Leistenbildung an der knöchernen Grundlamelle bereits weit vorgeschritten; die Leisten ziehen eine Strecke weit in das Zwischenbogenband hinein und stellen dort durch mannigfache Verlöthungen eine zarte schwam- mige Knochenmasse her, die den ganzen Wirbelbogen nach vorn und hinten verbreitert, während die knorpelisen Querfortsätze sich mehr und mehr zurückbilden (Fig. 23, 24).

Diese Knochenbildung vollzieht sich auch an den Rändern der Oberseite der Spinalplatten durchaus subeutan in dem ursprüng- lichen Periost, das sich vorher genau so, wie ich es von den Rippen der viel jüngeren Föten beschrieb, aufgelockert hatte und von der dichten, verfilzten Cutis scharf gesondert bleibt. Am voll- kommensten wird jedoch die rein periostale Verknöcherung an den sippen unserer älteren Föten ersichtlich; und da sie dort am oberen Ende beginnt und nach unten fortschreitet, so lassen sich

Über die Entw. des knöchernen Riückenschildes der Schildkröten. 415

ihre verschiedenen Entwicklungsstufen auch schon an einer einzigen Rippe verfolgen.

An den jüngeren Föten von 1,6 cm Länge hatten sich bereits an jeder Rippe zwei stumpfe seitliche Kanten ihres Periosts auszu- bilden angefangen (Fig. 15). Am oberen Ende des Rippenkörpers verschieben sich diese Kanten gegen die Oberseite der Rippe, um am Rippenhals ganz aufzuhören (Fig. 16); in einigem Abstande über dem freien unteren Rippenende hören sie ganz auf. Darauf wachsen sie nun in der angegebenen Abstufung von oben nach unten immer mehr aus, so dass der Querdurchschnitt des Periosts in den breiteren Abschnitten von der Citronenform zur Spindelform übergeht (Fig. 25 bis 29). Innerhalb des ganz scharf gezeichneten Kontours liegen zunächst feine Längsfasern, die sich namentlich in den Kanten an- häufen und im Querdurchschnitt wie eine Punktmasse erscheinen; nach innen folgt dann der Spaltraum, in dem sich nur spärliche Fasern, aber zahlreiche Osteoblasten befinden. Nur in den breitesten Abschnitten dieses Periosts sieht man zarte Fasern den Spaltraum von der Außenschicht zur Mitte hin in welligem Verlauf durchsetzen. In jene seitlichen Buchten des Rippenperiosts entsendet die peri- chondrale Knochenhülse zuerst zwei mehr oder weniger horizontale dünne Knochenleisten, die eben so wie das Periost selbst an den distalen Rippenabschnitten schmal beginnen und sich proximalwärts verbreitern. Sie füllen jedoch den weiten Periostraum keineswegs aus, sondern bleiben in gehörigem Abstand von seiner Außengrenze. In der Folge erfahren sie unregelmäßige Krümmungen und treiben kurze Zweigleisten hervor; allmählich gesellen sich zu den zwei ersten Hauptleisten andere darüber und darunter, worauf die ver- schiedenen Lamellen sich in derselben Weise wie an den Wirbeln zu verbinden anfangen. Gegen das proximale Ende des Rippen- körpers treten auch an der Ober-(Außen-)seite schräge, horizontal verbundene Leisten hinzu, die aber an den Rückenmuskeln zunächst mit einem freien Rand aufhören (Fig. 22 rp').

Die Verknöcherung der Rippen erfolgt also nicht nur von der ersten perichondralen Knochenhülse aus, sondern auch ausschließlich innerhalb eines deutlich abgegrenzten und nur ungewöhnlich erweiterten Periosts. Es sind daher alle bisherigen entwicklungsgeschichtlichen Angaben über eine außer- halb des Periosts stattfindende Knochenbildung der Rippen entsprechend zu beriehtigen. Die irrigen Annahmen RaAruke’s und HAYcrAFT'S wurden schon erwähnt; ihnen schließt sich als eine neue Variante

Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 27

416 A. Goette,

die Behauptung Horrmann’s an, dass der Knochen der Spinal- und Rippenplatten außerhalb des Periosts rein cutan entstände. Wie HOFFMANN zu dieser eben so bestimmten wie völlig unzutreffenden Ansicht gelangte, ist aus seinen Abbildungen nicht zu ersehen, die eben nur die schematisirten Durchschnitte der Skeletttheile, aber nichts von den umgebenden Geweben zeigen.

Die Cutis der ältesten Föten (3,2 em Länge) ist, wo nicht die Erhebungen der Schuppenbildung in Frage kommen, sowohl über den Wirbelbögen wie über den Rippen absolut dünner geworden (Fig. 22c). Da diese Abnahme weiterhin andauert, so ist schon in dieser Periode eine theilweise Rückbildung der Cutis nicht zu ver- kennen.

Chelone imbricata juv. (4,5 cm.)

Diese letzte von mir untersuchte Entwieklungsstufe betrifft junge Thiere, die nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei noch einige Tage gelebt hatten. Die Wirbel sind im Ganzen nicht höher, aber der Wirbelkanal weiter geworden, indem die Mitte des Wirbelkörpers rund um die Chorda unter vollständiger Einschmelzung des Knorpels dünner geworden ist (Fig. 30). Die Chorda ist von dem sogenannten Chordaknorpel ganz durchsetzt, um schließlich in die Verknöcherung mit einbezogen zu werden. Bemerkenswerth ist die schon von Horr- MANN beschriebene Bildung des intervertebralen Chordaabschnittes, der aus einem mittleren Fadenstück zwischen einer vorderen und einer hinteren spindelförmigen Erweiterung besteht. Anscheinend kommt dies bei anderen Schildkröten nicht vor; dagegen habe ich dieselbe Form der intervertebralen Chorda bei Sphenodon punctatum angetroffen (15). Der Intervertebralknorpel ist übrigens sehr breit ge- worden, und so versteht sich, dass noch am ÜCarapax von 20 cm Länge die Wirbelkörper nicht synostotisch zusammenstoßen, sondern durch eine Knorpelmasse getrennt sind. Eine solche befindet sich auch zwischen Rippen und Wirbeln.

Die Verknöcherung der Wirbelbögen hat weitere Fortschritte gemacht; die knöchernen Seitenränder der Spinalplatten sind aller- dings wenig gewachsen (Fig. 30sf), ihre vorderen Ränder kommen aber ihren Gegenstücken schon sehr nahe, so dass man deutlich er- kennt, wie der vollkommene Abschluss des Wirbelkanals bis auf die Durchtrittsstellen der Nerven lediglich durch Bindegewebsknochen (Zwischenbogenband) hergestellt wird, ohne dass die auf einander

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 417

folgenden ursprünglichen Wirbelbögen die ersten Brustwirbel aus- genommen einander nahe kommen (Fig. 31). Es erinnert dies durchaus an den Wirbelbau einiger Knochenfische (14).

Die Knochenbildung der Rippen ist so weit gefördert, dass der Knorpel oben und seitlich von porösem Knochen umgeben und im mittleren Drittel seiner Länge vollständig in eine Markmasse ein- geschmolzen ist (Fig. 30, 32). Die ganze Knochentafel hat den bekann- ten spindelförmigen Durchschnitt und einen scharfen vorderen und hin- teren Rand. Gegen das proximale Ende des Rippenkörpers erhebt sich die spongiöse Masse mit ihren Rändern bis auf die Oberseite des Rippenknorpels, der im übrigen Umfang nur von der perichon- dralen Knochenhülse bedeckt ist. Diese Hülse geht allein auf den Rippenhals über; die bezeichnete oberflächliche Knochentafel trennt sich aber von ihm und wächst in die vertebro-costale Verbindungs- haut hinein, dem spinalen Knochenrande entgegen (Fig. 30, 33 rp'). Damit sind alle wesentlichen Theile des vertebralen Skelett- systems des Carapax angelegt, und es bedarf nur ihres weiteren Auswachsens, um den definitiven Zustand herzustellen.

Die Rückbildung der Cutis hat ebenfalls in der schon geschil- derten Weise zugenommen; an der Wurzel der Schuppen ist sie schon dem vollen Schwunde nahe (Fig. 30 c). Endlich zeigen die Rücken- muskeln in voller Deutlichkeit eine Umwandlung, die schon in den reifen.Föten begonnen hatte. Mitten durch die Muskelmasse ziehen starke Bindegewebsstränge, in die unter spitzen Winkeln die anliegen- den Muskelfasern übergehen, wie eine Federfahne in den Schaft. Diese neue Bildung ist nur so zu verstehen, dass die Muskelfasern theilweise in jene Bindegewebsstränge sich verwandeln. Dies wird dadurch vollends evident, dass an der Oberfläche der Muskelmassen ganze Muskelbündel in die Cutis übergehen und in ihr Gewebe ver- wandelt werden (Fig. 33 m), so wie sie vorher schon das_ lockere subeutane Bindegewebe in sich aufnahm.

Podocnemis sp. Fötus. Clemmys caspica juv. Emydura albertsii Fötus.

Die reifen Föten von Emydura waren nur in so fern inter- essant, als sie bereits die Eigenthümlichkeit des fertigen Carapax erkennen ließen, der in der Gattung Emydura überhaupt keine nach außen hervortretenden Spinalplatten enthält, indem die Rippen- platten sich über den Wirbeln direkt vereinigen. An den Föten war

418 A. Goette,

die Verknöcherung der Wirbelkörper schon im Gange, und die Rippen- platten überdeckten bereits die größere Hälfte der Rückenmuskeln, wogegen an den knorpeligen Spinalplatten nicht einmal die erste ober- tlächliche Knochenlamelle gebildet war. Es ist daher vorauszusehen, dass die Bildung der knöchernen Spinalplatten unter den darüber zusammenstoßenden Rippenplatten so gut wie ganz unterdrückt - wird.

Im vollsten Gegensatze dazu zeigte sich die junge Clemmys; der Periostknochen ihrer Spinalplatten war so mächtig entwickelt, dass er mit drei Lagen von Markräumen sich über den Knorpel er- hob und mit den entsprechenden Knochenplatten der angrenzenden Wirbel zusammenstieß (Fig. 34). Die Cutis war über diesen dieken Spinalplatten sehr merklich, aber kaum mehr als über den Rippen reducirt. Immerhin könnte man zweifeln, ob der dicke Spinalknochen rein periostal entstand, da das spinale Periost der Chelone auch nach dem Beginn der Verknöcherung nur sehr dünn ist (Fig. 30 pr). Daher ist es nicht unwichtig, an den jungen Föten von Podocnemis, deren fertiger Carapax sich durch seine Dicke auszeichnet, feststellen zu können, dass ihr gut gesondertes spinale Periost ebenfalls von einer außerordentlichen Stärke ist, noch bevor die Verknöcherung begonnen hat (Fig. 20). Zudem ist dieses Periost mit den Fasern der Rückenmuskeln verwebt, die zwischen den Spinalplatten bis zur Medianebene und gegenseitiger Berührung vorrücken. Es ist daraus zu entnehmen, dass besonders starke Spinalplatten auch eine ent- sprechend stärkere wohlgesonderte periostale Grundlage haben (vgl. Fig. 19 und 20), die durch Muskelfasern verstärkt und daher unter allen Umständen eine subeutane Schicht ist.

An der jungen Ulemmys verdient noch hervorgehoben zu wer- den, dass die Schuppenbildung eben so angelegt wird wie bei Chelone; die breiten dorsalen Schuppen liegen aber ganz dieht über den Wurzeln der folgenden Schuppen, und ihre Seitenränder sind bereits mit der übrigen Haut verwachsen, so dass unter ihnen je ein spaltförmiger Taschenraum entsteht, der später ganz ver- wächst und schwindet, wodurch die Schuppen in Schilder verwandelt werden.

Die Verwandlung der Rückenmuskeln in Bindegewebe war bei denselben Clemmys sehr deutlich, aber nur auf deren mehr oder weniger abgesonderte obere Kanten beschränkt; dort sah man die Muskelfasern zum Theil nur noch in zerstreuten mageren Bündeln und die angrenzenden Knochenleisten in das Bindegewebe einwachsend,

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 419

J

so dass die Überführung dieser Muskeln in Krledensuhaene kaum zweifelhaft erscheint!.

Die Hautknochen.

In den untersuchten Chelone fanden sich auch schon die ersten Hautknochen, und zwar zuerst und sehr früh Stücke des Plastron und die Nackenplatte. Die letztere erstreckt sich in der tieferen Schicht der Cutis über die drei hinteren Halswirbel, steht aber von der Spinalplatte des zweiten Brustwirbels noch weit ab (Fig. 21). Bis zur Verbindung dieser beiden Stücke muss nicht nur die Nacken- platte weiter nach hinten auswachsen, sondern auch die unter ihr liegende Cutisschicht verschwinden. Dasselbe gilt natürlich auch für die Verbindung der Nackenplatte mit dem ersten Rippenpaar. Die Rand- und Pygalplatten erscheinen merklich später; ihre ersten Anlagen fand ich in den jungen Chelone, etwas stärker bei der jungen Clemmys. Sie waren von den Rißgenenden noch ziemlich weit entfernt.

In diesem Hautskelett geht übrigens die Verknöcherung genau so vor sich wie im Periost: zuerst entsteht in der Cutis eine der Form des Knochens entsprechende Verdichtung, deren Centrum sich alsdann aufhellt und die ersten Knochenlamellen sich entwickeln lässt; an diese schließt sich in der beschriebenen Weise die übrige spongiöse Masse an.

Die Deutung des Carapax.

Der ganze Lokomotionsapparat des eigentlichen Rumpfes der Schildkröten wird größtentheils zurück- und umgebildet zur Herstel- lung eines bloßen Schutz- und Stützapparates. Die Rückbildung be- trifft vor Allem die Intereostalmuskeln, die vollständig verschwinden, theilweise auch die Rückenmuskeln, dann die Gelenkfortsätze, die intervertebralen und die Rippengelenke. Mit der Rückbildung der Intervertebralgelenke hängt wohl auch die intervertebrale Lage der Wirbelbögen zusammen. Mit diesem Schwunde der Beweglichkeit sing Hand in Hand die weitere Verfestigung dös Stammes durch die Ausbildung des Carapax und des Plastron. Dies geschah 1) ver- mittels der periostalen Ausbreitungen der Rippen (Rippenplatten) und der zu diesem Zweck abgeplatteten oberen Wirbelbogenstücke (Spi- nalplatten), sowie der Bindegewebsverknöcherungen der intereruralen

1 STANNIUS giebt an, dass er dasselbe gesehen habe (26, p. 111.

420 A. Goette,

Bänder, 2) vermittels echter Hautknochen (Nackenplatte, Rand- und Schwanzplatten, Plastron). |

Die Bedeutung der zuletzt genannten Stücke als Hautknochen ist nicht zu bezweifeln. Dagegen ist die alte Streitfrage, wie weit auch an der Herstellung der Rippen- und Spinalplatten Hautknochen betheiligt sind, noch keineswegs entschieden (vgl. die Übersicht der ‚Litteratur bei HoFFMAnN). Bekanntlich brachte Carus die Lehre auf, dass in den ventralen und costalen Stücken des Carapax Haut- knochen enthalten seien, und J. MÜLLER und PETERS schlossen sich ihm an. Dagegen trat RATHKE in seiner Entwicklungsgeschichte der Schildkröten mit großer Bestimmtheit auf, ohne jedoch zu überzeugen; denn nach ihm bekannten sich OwEN, STANNIUS, GEGENBAUR (10), HoFFMANN wieder zu der älteren Ansicht, die gegenwärtig auch bei den Paläontologen die herrschende ist (ZITTEL, CoPE, BAUR, DOLLO u. A.. Nur Huxtey theilte Rartake’s, im Grunde auf CuVvIER zu- rückgehende Ansicht, und neuerdings bezeichnet GEGENBAUR die von ihm vertretene Einbeziehung von Hautknochen in die fraglichen Skelett- theile nur noch als eine berechtigte Hypothese (11, p. 177).

Hypothetisch ist auch in der That jede der beiden entgegen- gesetzten Auffassungen über die Zusammensetzung des Carapax ge- blieben, da weder anatomisch noch entwicklungsgeschichtlich irgend welche überzeugende Thatsachen für die eine oder andere Ansicht vorgebracht waren. Nirgends ist an den Spinal- und Rippenplatten eine Trennung in das ursprüngliche Stammskelett und die angeblich hinzugekommenen Hautknochen beobachtet worden, nachdem RATHKRE die Hinfälligkeit der bezüglichen Angaben von PETERS aufgedeckt und ein für alle Mal festgestellt hatte, dass jene Knochenplatten sich durchaus kontinuirlich mit dem Stammskelett entwickeln. Aber aller- dings gelang es ihm nicht, einwandfrei zu beweisen, dass diese Kon- tinuität eine ursprüngliche ist, und die Knochenplatten folglich nur rein periostale Bildungen seien. Die von ihm beschriebene, alle Rippen mit einander vereinigende und auch über die Rückenmuskeln hinziehende Fascie, worin die von den Rippen ausgehenden Knochen- tafeln sich ausbreiten sollten, konnte doch nicht ohne Weiteres dess- halb zum Periost gerechnet werden, weil sie mit einem solchen zu- sammenhing, und durfte vielmehr, da sie von der Cutis unmittelbar bedeckt sein sollte, ganz wohl als eine cutane Bildung angesehen werden, die sich frühzeitig mit dem Periost der Wirbel und Rippen verband und dadurch ihre eigene Hautknochenbildung mit der perio- stalen Verknöcherung jener Skeletttheile von vorn herein in Kontinuität

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 491

brachte. Noch nachtheiliger für seine eigene Ansicht war die Be- hauptung RATHKE's, dass das Periost der Rippen noch vor der Ent- stehung der sie bedeckenden spongiösen Knochenmasse sich auflöse, und die Cutis in deren offene Markräume hineinwachse. Denn in Folge dessen konnte HorFFmAnn in RATHkE’s Beschreibung geradezu Belege für seine entgegengesetzte Ansicht zu finden glauben, die er mit evidenten eigenen Beobachtungen zu stützen nicht im Stande war. Diese Ansicht, dass das Periost des Stammskelettes und die es bedeckende Cutis im Zusammenhange verknöchern, ging daher über den Werth einer Hypothese nicht hinaus.

Mit großer Bestimmtheit erklärte dagegen HAYCRAFT, auf Grund von Untersuchungen verschiedener Entwicklungsstufen, dass nicht einmal das von HOFFMANN zugestandene Periost des Stammskelettes der Schildkröten existire, und vielmehr ein und dasselbe ungeson- derte Bindegewebe den ganzen Zwischenraum zwischen der Epidermis und dem knorpeligen Skelett ausfülle. Allerdings zog HAYcRAFT aus diesen seinen Beobachtungen keine weiteren Schlussfolgerungen; ihre Richtigkeit vorausgesetzt, würde sich aber daraus mit Noth- wendigkeit ergeben, dass die knöchernen Rippen- und Spinalplatten in derselben subepidermalen Gewebsschicht wie die unzweifelhaften Hautknochen, d. h. ebenfalls in der Cutis entständen. Nun wird aber kaum Jemand behaupten wollen, dass HAycrArFT’s von mir schon charakterisirte. Abbildungen (s. 0. p. 409) irgendwie im Stande wären, seine Versicherung von dem vollständigen Mangel des Periosts zu begründen und glaubhaft zu machen, geschweige denn unsere ganze Streitfrage zu erledigen. Als wirklich feststehend konnte also bisher nur gelten, dass die Rippen- und Spinalplatten nicht getrennt von den knorpeligen Rippen und Wirbeln, sondern von ihnen aus sich entwickelten (RATHKE), was aber, wie wir sahen, für die ur- sprüngliche Zusammengehörigkeit dieser Theile noch nicht ent- scheidend war.

Die von mir mitgetheilten Beobachtungen geben nun eine ganz unzweideutige Auskunft über die fraglichen Beziehungen. Danach besteht die Leibeswand der jüngeren Föten von Chelone aus fol- genden Schichten: 1) der Epidermis, 2) der Cutis, 3) dem subeutanen Bindegewebe, 4) einer darin eingebetteten, wenig differenzirten aber deutlich gesonderten Gewebsschicht, wahrscheinlich der rudimentären Anlage eines M. obliquus externus, 5) den Intercostal- und Rücken- muskeln, 6) den knorpeligen Rippen mit ihrem deutlich abgegrenz- ten Perichondrium bez. Periost. Die Schichten 3—5 schwinden

422 A. Goette,

theils durch Atrophie, theils durch Umwandlung in eutanes Gewebe; es bleiben nur Reste der Rückenmuskeln, so weit sie nicht für die angrenzende Knochenbildung verwendet werden, und die sie über- lagernde Schicht 4 zurück. Auch die Cutis beginnt nach der Anlage der Schuppen zu schwinden. Die Rippenplatten entstehen ausschließ- lich im Inneren des Periosts, so dass sie seine Grenzschicht zunächst gar nicht berühren; eine Berührung der Outis und der schon gebil- deten Platte tritt erst sekundär ein, nachdem die erstere bereits zu schwinden angefangen hat. Eben so sicher subeutan wächst die Fortsetzung der Rippenplatte gegen die Spinalplatte in der rudi- mentären Muskelschicht 4 Die ganze knöcherne Rippen- platte ist also thatsächlich nichts weiter als ein stark verdickter Periostknochen der knorpeligen Rippe, nebst einer Fortsetzung in einer rückgebildeten Muskelschicht. Nichts berechtigt zu der Annahme, dass bei anderen Schildkröten die Sache anders liegen könnte, da selbst junge Dermochelys dieselbe Form von Rippen zeigen (Textfig. 1), obgleich sie darüber noch ein vollkommenes Hautskelett entwickeln.

Wesentlich eben so wie die Rippenplatten verhalten sich die Spinalplatten von Chelone und Podocnemis. Ihr Außenknochen ent- steht ebenfalls in einem mehr oder weniger verdickten Periost, und wächst von diesem aus eben so deutlich subeutan in die Zwischenbogen- bänder und in die Schicht 4 gegen die Rippenplatten aus, und zwar zu der Zeit, wenn die Outis sich zurückzubilden anfängt. Diese Spinal- platten sind also gleichfalls subeutane, theils periostale, theils ligamentöse Verknöcherungen, wie sie an denselben Stellen auch bei Fischen und Amphibien vorkommen (13— 15), während die unzweifelhaften Hautknochen (Nacken-, Rand-, Pygalplatten, Pla- stron) ganz sicher in der ursprünglichen Cutis entstehen.

Nach den entwieklungsgeschichtlichen Befunden steht es also fest, dass die Wirbel und Rippen der Chelone und wohl aller Schildkröten keine Spur von Hautknochen ent- halten.

Nun hat aber GEGENBAUR die alte Hypothese von der Ver- schmelzung eutaner und innerer Skeletttheile im Carapax der Schild- kröten neuerdings (11) in einer Art und Weise erläutert, die von meinen entwieklungsgeschichtlichen Ergebnissen ganz unabhängig bleibt. Er geht von den Dermocheliden oder Atheca aus, die noch keinen Carapax, aber über dem Stammskelett ein von ihm vollständig setrenntes mosaikartiges Hautskelett besitzen, das bei der recenten

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 4923

Dermochelys coriacea jedoch offenbar in Rückbildung begriffen sei, da es erst sehr spät, nach dem Eileben entsteht. Bei dem einstigen Übergange solcher atheken Formen in die mit einem Carapax ver- sehenen Schildkröten (Thecophora) könne sich nun der völlige Schwund jenes Hautskeletts so vollzogen haben, dass die dazu nicht mehr benöthigten Osteoblasten bei dem Aufbau des außer- ordentlich verstärkten inneren Skeletts verwendet wurden; oder er er- folgte dadurch, dass die Hautknochen der Dermocheliden direkt mit dem Stammskelett verschmolzen und in dasselbe »aufgingen« (11, p. 175 bis 177). Da GEGENBAUR nicht angiebt, ob nach seiner Ansicht auch im ersten Fall eine Einbeziehung des verschwundenen Hautskeletts in das innere Skelett vorliegen würde, so soll hier nur die andere Möglichkeit erwogen werden, wonach eine solche Verbindung beider Skelettapparate unmittelbar durch Verschmelzung erfolgte.

. Zu Gunsten dieser Auffassung erwähnt GEGENBAUR zwei That- sachen. In der Hautknochenmosaik des fossilen Dermocheliden Psephoderma treten drei longitudinale Hauptreihen deutlich hervor; es wäre möglich, dass darin der Anfang zur Verschmelzung der kleinen Plättchen in drei Reihen von größeren Platten vorliege, die alsdann mit den vertebralen Spinalplatten und den Rippen ver- schmelzen. Aber abgesehen davon, dass Dermochelys fünf dorsale Hauptreihen in ihrem Hauptpanzer besitzt (Fig. 35), die Dreizahl von Psephoderma also keine grundsätzliche Bedeutung haben kann, halte ich die daraus gezogene Folgerung für viel zu weitgehend, um so mehr als die zweite von GEGENBAUR citirte Thatsache einer unmittelbaren Verschmelzung der kleinen Plättehen mit den Rippen viel bestimmter das Wort redet. Angeblich sollen nämlich nach einer Beobachtung Baur’s bei der fossilen Form Eretmochelis die Rippenplatten in kleine Stücke zerfallen sein, die ganz wohl die mit den Rippen verschmol- zenen Hautpanzerstücke der Dermocheliden bedeuten könnten. Diese Thatsache wäre allerdings von nicht geringem Gewicht, wenn sie sich als stichhaltig erwiese. »Eretmochelys« ist aber nicht der Name einer alten »fossilen« Form, sondern ein Synonym für die von mir untersuchte Chelone imbricata, und Baur’s Befund betrifft daher, auch nach seiner eigenen Angabe (1, 2), nur eine gelegentliche Ab- normität an dieser recenten Schildkröte, aus der man um so weniger stammesgeschichtliche Schlüsse ziehen kann, als sie sich aus dem von mir beschriebenen diskontinuirlichen Wachsthum des Periost- knochens an seiner Oberfläche sehr einfach erklärt.

Die angeführten Belege für eine Verschmelzung des ursprüng-

424 A. Goette,

lichen Hautpanzers mit dem Stammskelett sind also hinfällig. Damit wäre jedoch der ganzen Hypothese noch nicht das Urtheil gesprochen, so lange sie sonst durchführbar, d. h. mit den nicht zu bestreitenden vorliegenden Thatsachen irgendwie vereinbart erscheint. Zu ihrer Begründung musste also eine einwandfreie Vorstellung gefunden werden, wie denn der angenommene Verschmelzungsprocess in den gegenwärtigen Entwicklungsverlauf des Carapax überging, in dem eine Verbindung heterogener Theile in keiner Weise mehr nachweis- bar ist. GEGENBAUR glaubt dies so erklären zu können (a. a. O.), dass der ursprüngliche Vorgang der hypothetischen Verschmelzung jetzt so abgekürzt sei, dass die Hautknochen gar nicht mehr cutan entstehen, sondern von Anfang an als Ossifikationen des inneren Skelets auftreten. Desshalb spricht er es an einer späteren Stelle (11, p. 285) geradezu aus, dass die Rippen der Schildkröten »in Costal- platten des Dermalskeletts ausgebreitet« sind.

Diese Erklärung birgt jedoch eine grundsätzliche und gar nicht zu beseitigende Schwierigkeit. Man kann ohne Weiteres zugeben, dass manche ursprünglich getrennte Körpertheile sich endlich so innig mit einander vereinigen können, dass auch ihr individueller Ursprung als ein einheitlicher erscheint. Dies ist aber doch nur unter gewissen Bedingungen denkbar, die für die uns hier beschäf- tigenden Bindegewebsknochen der Cutis und des Periosts am Stamm- skelett nicht zutreffen. Diese sind überhaupt keine nach Form und Bedeutung selbständigen Theile, sondern genau genommen, bloß eine besondere Art von allgemeinem Gewebe, das an sich überall dasselbe bleibt und nur von der Grundlage, in der es entsteht, die Form- und Lagebeziehungen entlehnt, die ihm eine besondere Bedeutung ver- leihen. Ein Hautknochen behält daher diese seine Bedeutung und seine Identität nur so lange als er in der Cutis entsteht; ohne diese Voraussetzung existirt er überhaupt nicht, so wenig wie ein Periost- knochen ohne den genetischen Zusammenhang mit seinem Skelett- theil. Folglich kann auch von der Verwandlung eines Hautknochens in die Periostverknöcherung eines subeutanen Skeletttheils nicht die Rede sein. Allerdings kann man sich vorstellen, dass ein Haut- knochen und ein Periostknochen, die in unmittelbarer Berührung ent- stehen, von Anfang an kontinuirlich verbunden erscheinen, aber stets nur unter der Voraussetzung, dass jeder von ihnen in seiner eigenen Grundlage entsteht, so wie etwa HoFFMAnN sich die Entwicklung der Rippenplatten dachte. Lässt sich aber an einem angeblichen derartigen Verschmelzungsprodukt, wie an den fraglichen Rippen-

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 425

und Spinalplatten, kein Theil mehr unmittelbar auf einen cutanen Ursprung zurückführen, so ist der über den Periostknochen einst vorhanden gewesene Hautknochen schlechtweg verloren gegangen. Tritt nun während des Schwundes des Hautknochens eine Ver- srößerung des benachbarten Periostknochens ein, so könnte allenfalls von einer Korrelation beider Processe gesprochen werden, nicht aber von der Einbeziehung eines Knochens in den anderen. Wenn GEGEN- BAUR in seiner Bemerkung über die Osteoblasten (s. o. p. 423) bloß eine solche Korrelation im Auge hatte, so wäre nichts dagegen einzu- wenden; die von ihm daneben vertheidigte Verschmelzungstheorie kann ich aber, nachdem die Abwesenheit von eutanen Knochenbil- dungen an den Rippen- und Spinalplatten der Schildkröten erwiesen ist, nicht anerkennen'.

Damit kann aber in der Diskussion über den Carapax der Schildkröten nicht das letzte Wort gesprochen sein. Die besprochene Verschmelzungstheorie würde sich heute nicht einer so allgemeinen Anerkennung erfreuen, wenn sie nicht für eine eben so noth- wendige wie natürliche Nothwendigkeit gehalten würde. Geht man davon aus, dass die Vorfahren der mit einem Carapax ver- sehenen Schildkröten oder der Thecophora einen Hautpanzer be- saßen, wie ihn die Dermocheliden oder Atheca noch besitzen, dass ferner nach Analogie der letzteren unter jenem Haut- panzer der Urschildkröten ein Carapax noch nicht vorhanden war, aber sich herausbildete, während der selbständige Hautpanzer schwand, und dass endlich Hautpanzer und Carapax in dem Ge- füge und der Anordnung gekielter Knochenplatten eine unverkenn- bare Ähnlichkeit aufweisen, so erscheint es als eine unvermeidliche Konsequenz, alle diese vergleichend-anatomischen und paläonto- logischen Thatsachen in einer positiven Vorstellung von der genea- logischen Entwicklung des Carapax zusammenzufassen. Böte sich dafür keine andere Möglichkeit, als die Annahme der Verschmelzung beider Skelettapparate, so würden die widersprechenden entwick- lungsgeschichtlichen Befunde und sonstigen Erwägungen vielleicht nur ein non liquet in der ganzen Frage begründen. Nun lässt sich aber der Nachweis führen, dass ein solcher Widerspruch gar nicht besteht, und dass die vergleichend-anatomische Untersuchung genau

1 Nur ganz beiläufig sei hier die wunderliche Annahme BAur’s erwähnt, dass die aus der Cutis stammenden Rippen- und Spinalplatten der Schildkröten sich gelegentlich wieder vom Stammskelett ablösten, um das Hautskelett der angeblich jüngeren Dermocheliden herzustellen (3).

496 A. Goette,

zu demselben Ergebnis führt wie die entwicklungsgeschichtliche, nämlich dass der fragliche Hautpanzer schwand, ohne mit dem Stammskelett zu verschmelzen.

Es kann unbedenklich angenommen werden, dass die Vorfahren der 'Thecophora einen vollständigen dorsalen Hautpanzer besaßen. Dafür sprechen seine nachweisbaren Reste in den Randplatten der Thecophora (s. u.), ferner das Vorhandensein eines solchen Haut- panzers bei den nahverwandten Atheca, endlich die allgemein an- erkannte Zurückführung aller Reptilien auf die mit Hautknochen versehenen Stegocephalen!. Aus der vergleichenden Anatomie der Atheca lässt sich nun mit großer Wahrscheinlichkeit erschließen, dass und wie die Thecophoren-Ahnen ihren Hautpanzer einbüßten.

Da das Stammskelett der fossilen Protostega, Protosphargis und Psephophorus mit demjenigen der recenten Dermochelys coriacea über- einstimmt, so darf dasselbe auch für Psephoderma, von dem es noch nicht bekannt ist, d. h. für alle bekannten Atheca angenommen werden. Dieses Stammskelett gleicht nun in allen hier in Frage kommenden Stücken vollkommen demjenigen der jungen Chelonen, das doch alle Elemente des späteren Mittelstückes des Carapax schon enthält (vgl. Textfigg. 1, 2 und die Abbildungen von RATHKE Taf. IV, Fige. 1, 3, HOFFMANN Fig. 77, GEGENBAUR Fig. 164). Die breiten Rippen- platten mit den Ansätzen zur Fortsetzung gegen die Spinalplatten, diese letzteren selbst und die Verbindungen der Wirbelbögen durch Knochengewölbe ohne Gelenke dies Alles kommt auch den Atheca zu (vgl. 12), so dass ihr Stammskelett nur graduell von einem vollkommenen Carapax verschieden ist, nicht anders als wie sich die Stammskelette junger und alter Thecophora unter- scheiden. |

Der dorsale Hautpanzer der Atheca ist, wo er vorkommt, überall von wesentlich gleicher Zusammensetzung, ein Mosaikgefüge von kleinen Knochenscheiben, worin einige Längsreihen von gekielten größeren Platten enthalten sind (ZITTEL, SEELEY, DOLLO, GERVAIS). An dem Panzer von Psephoderma sind die mit dem übrigen Panzer noch fest verzahnten randständigen Scheiben in einer fortlaufenden Kante nach unten umgebogen (27) Psephophorus ist wiederum

ı Cops hat zum Überfluss in den fossilen Otocöliden sowohl nahe Be- ziehungen zu den Schildkröten, wie andererseits einen Hautpanzer gleich dem- jenigen gewisser Stegocephalen (Dissorhophus) gefunden (7).

? Ich halte dies für ein sicheres Zeichen, dass Psephoderma in der That eine Schildkröte ist, was in Unkenntnis des übrigen Skelettes bezweifelt worden ist.

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 497

durch einen sehr starken Panzer ausgezeichnet, während er bei Dermochelys außerordentlich dünn, also wohl schon in Rückbildung begriffen ist; der Seitenrand dieses Panzers ist ebenfalls umgebogen (vgl. Gervaıs Taf. IX, Fig. 31). Nur bei Protostega und Proto- sphargis hat sich keine Spur des Rückenpanzers gefunden (Hay, CAPELLINI), was aber nicht ohne Weiteres für die Folge eines zu- fälligen Defektes an den fossilen Stücken erklärt werden kann. Diese beiden Formen zeichnen sieh noch durch andere Eigenthümlichkeiten vor den panzertragenden Atheca aus. Vor Allem besitzen sie die gleichen selbständigen Randplatten wie die Thecophora, längliche Knochenstücke, ähnlich wie bei Chelone (Textfigg. 2, 3), die bei

Textfig. 1. Wextiig. 2.

Stammskelett und Plastron (p) von Dermochelys Stammskelett, Plastron (p) und Randplatten (r coriacea, nach GERVAIS. von Protosphargis veronensis, nach CAPELLINT.

Protostega sogar die Rippenenden in Gruben aufnehmen (Baur, 3). Die deutlichen Einkerbungen und Nähte an diesen Randplatten (CAPELLINI) lassen schließen, dass sie durch Verschmelzung aus den umgebogenen wulstigen Randstücken des Panzers (s. 0.) hervorge- sangen sind; ihre geradlinigen dorsalen Kanten beweisen jedoch, dass sie sich aus dem mosaikartigen Gefüge des Panzers herausgelöst und von ihm vollständig gesondert hatten, so dass er bei diesen Formen jedenfalls nicht mehr in der früheren Integrität bestanden haben kann. | Ferner ist das Plastron von Protostega und Protosphargis nicht aus spangenförmig dünnen Stücken zusammengesetzt wie bei der panzertragenden Dermochelys, sondern aus eben solchen langgezahn-

498 A. Goette,

ten Platten, wie sie bei Chelone vorkommen (Textfigg. 1—3). End- lich sind die Rippenplatten von Protosphargis und Protostega (BAUR) breiter als die Rippen von Dermochelys und stehen dadurch der Carapaxbildung näher. Wenn wir aber auch von diesem letz- ‘teren nicht bedeutenden Unterschiede absehen, so gleichen doch Protostega und Protosphargis durch ihre selbständigen Randplatten und das aus Platten zusammengesetzte Plastron viel mehr den The- cophora als den anderen Atheca, so wie die unzweifelhafte Auflösung ihres Panzers genau in derselben Entwicklungsrichtung liegt. Unter diesen Umständen kann aber das vollständige Fehlen seiner centralen Theile, während die Randplatten sich erhalten haben, nicht mehr als ein zufälliges gelten. Ich halte vielmehr für gewiss, dass jene centralen Pan- zertheile bei Protostega und Protosphargis, die ohnehin eine Mittelstellung zwischen den anderen Atheca und den Thecophora ein- nehmen, wirklich zurück-

n

22 DU 1% BUND .2: 7,2, za 177

17

= 32 gebildet und, vielleicht mit al D Ausnahme geringer Reste, N seschwunden waren. 7 So ergiebt sich eine na-

türliche genetische Einthei- lung der bekaniten Atheca in | Textfig. 3. 1)solche, die noch einen voll- Corona [iammekleit, Kackenpake() Renlaieriund Kommenen orsalen Hat

panzer besitzen, die Pse- phophoridae (Psephoderma, Psephophorus, Dermochelys), und 2) die Protosphargidae, die jenen Panzer bis auf die Randplatten einge- büßt haben (Protostega, Protosphargis).

Die Schlussfolgerung aus diesen Vergleichen ist sehr einfach. Ging der Mitteltheil des Hautpanzers der Atheca verloren, bevor ihr Stammskelett, sowie es schon vorher gebildet war, sich merklich veränderte, und jedenfalls lange bevor es sich zu einem Carapax zusammenschloss, so fehlt nicht nur jede Nöthigung, sondern selbst die Möglichkeit, den Schwund des Panzers dadurch zu erklären, dass er mit dem darunter liegenden Stammskelett verschmolz und dadurch die Bildung des Carapax veranlasste Die Verschmel-

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 429

zungstheorie hat also vom vergleichend anatomischen Stand- punkt eben so wenig Berechtigung wie nach den entwick- lungsgeschichtlichen Ergebnissen, und ist daher ganz aufzu- seben. Der stammesgeschichtliche Verlauf der Carapaxbildung ging eben so vor sich wie ihre individuelle Entwicklung noch heute erfolgt: in beiden Fällen entsteht der Carapax wesentlich aus dem Stammskelett allein, zu dem sich erst sekundär die cutanen Randplatten gesellen.

Unter diesen Umständen kann natürlich die oben erwähnte un- verkennbare Ähnlichkeit des Reliefs am Hautpanzer und am Carapax für die Verschmelzungstheorie nicht weiter in Betracht kommen. Freilich ist sie keine zufällige Erscheinung, sondern lässt sich auf eine gemeinsame Ursache der beiderlei Kielbildungen zurückführen ; das hat aber mit der Identität der verschiedenen gekielten Knochen nichts zu thun. Immerhin ist die Untersuchung jener gemeinsamen Ursache, nämlich der Schuppenbildung, nicht ohne Bedeutung für die genealogischen Beziehungen der Atheca und Thecophora.

Die jungen Dermochelys sind am ganzen Körper mit Schuppen bedeckt, die am Rücken und Bauch am stärksten entwickelt sind. Am Rücken verlaufen zwischen den unregelmäßig an einander gefügten Schuppen von verschiedener Größe sieben einfache Längsreihen von gleich großen helleren Schuppen, eine in der Medianebene, zwei marginale und jederseits zwei zwischen der mittleren und der mar- sinalen Reihe (Fig. 35). Diese Schuppen der »Hauptreihen« sind alle deutlich gekielt; häufig, namentlich an den Randschuppen, läuft der Kiel in .ein rückwärts gerichtetes Ende aus, das die folgende Schuppe etwas dachziegelförmig überragt. Die übrigen Schuppen sind mehr schildartige Erhebungen der ganzen Haut, nicht selten jedoch mit einem nach hinten geneigten Dorn versehen, vielleicht einem Rudiment eines Kiels (Fig. 36). Überall lässt sich an der Epidermis eine Schleimschicht mit runden Zellen, eine Übergangs- schicht mit platten Zellen und eine ziemlich mächtige, sehr locker geschichtete Hornschicht unterscheiden. Die Cutis ist, wenigstens am Bauch, einfach verfilzt.

An der heranwachsenden Dermochelys entstehen unter diesen Schuppen und in genauer Anpassung an sie die Hautknochen, die folglich dasselbe Gefüge mit den sieben Hauptreihen aufweisen, deren Knochenscheiben ebenfalls gekielt sind (TEMMINCK u. SCHLEGEL, 25). Während alsdann die Epidermisschuppen zurücktreten und nur in den Hauptreihen an den Kielen kenntlich bleiben, verbinden sich die Knochenscheiben zu den mosaikartigen Panzern mit den gekielten

430 A. Goette,

Hauptreihen. Diese seine Bildung ist also lediglich aus einer An- passung an die Epidermisschuppen hervorgegangen.

Die Schuppenbildung der übrigen Atheca wird nicht wesentlich anders gewesen sein. Sie schwand jedoch nicht gleichzeitig mit ihrem Panzer, sondern hat sich bei einigen Thecophora, nämlich ge- wissen Trionyciden, noch in kenntlichen Resten erhalten. Am auffälligsten finde ich sie an einem Trionyx cartilagineus juv. von 4,35 em Schildlänge, wo die marginalen Schuppen, die mittlere Reihe und zahlreiche seitliche Reihen neben isolirten Schuppen zu unter- scheiden sind; die letzteren laufen vielfach in ein nach hinten umgelegtes freies Ende aus (Fig. 37)1. Trionyx sinensis besitzt am Rücken nur einige unregelmäßige Wülste, im weichen Rand aber einzelne Schuppen, deren Durchschnitte den Kontour von Saurierschuppen und offenbar auch von den dachziegelförmigen Schuppen des Trionyx ceartilagineus und der Dermochelys coriacea wiederholen (Fig. 38). Trionyx spinifer trägt scheinbar nur einzelne zerstreute Dornen auf der Rücken- haut (Fig. 39); an mikroskopischen Durchschnitten zeigt es sich aber, dass manche dieser Dornen, die sich auf einer Cutispapille erheben und von einer stärkeren, festen Hornschicht üherzogen sind, auf wohl abgegrenzten vorgewölbten Schuppen aufsitzen. Trägt eine solche Schuppe nur einen einzigen Dorn, so ist darin eine Wiederholung der von Dermochelys beschriebenen Dornschuppen nicht zu verkennen; größere Schuppen mit mehreren Dornen (Fig. 40) können nur aus einer Verschmelzung mehrerer einfachen Schuppen entstanden sein, so- wie die Dornen auf ganz glatten Epidermisstellen offenbar als Reste von zurückgebildeten Schuppen anzusehen sind. Die Cutis der Triony- ciden zeigt die von HOFFMANN beschriebene Schichtung?.

Aus diesen Thatsachen lässt sich mit großer Sicherheit schließen, dass die Schuppenbildung der Atheca auf die Thecophora über- gegangen ist. Bei den Urypto- und Pleurodira ist sie aber nicht

! Diese Beschreibung ist nach einem Stück des Berliner zoologischen Museums gemacht worden, wovon mir Herr Dr. TORNIER in dankenswerther Weise eine Photographie besorgte. Auch die Fig. 35 (Dermochelys) hat den- selben Ursprung.

?2 HOFFMANN, der die Rückenhaut einer nicht genannten Trionyx-Art unter- suchte, weiß von unseren Schuppen nichts, beschreibt aber solide kegelförmige Erhebungen der Epidermis, die er für eine Art von Sinnesorganen hält (18, p- 44, Fig. 52). Ich kenne diese Bilder; es sind die seitlich angeschnittenen Dornen, die genau durch Spitze und Papille zu treffen wegen der festen Horn- schicht in der That schwer gelingt. Andere Angaben über unsere Schuppen sind mir nicht bekannt.

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 431

wie bei den Trionyeiden rudimentär geworden, sondern eigenthüm- lich metamorphosirt. Ihre großen Hornschuppen sind zweifellos durch Verschmelzung von reihenweise angeordneten kleineren Schuppen entstanden, da ein solcher Vorgang nicht nur bei Sauriern und Krokodilen, sondern auch bei Trionyciden (siehe oben) unmittel- bar festgestellt werden kann. Diese Schuppenbildung beginnt sehr früh, noch vor dem Anfang der Verknöcherung des Carapax und führt Anfangs auch dort, wo später nur flache Schilder zu sehen sind (Clemmys), zur Herstellung von gekielten, sich dachziegelförmig deekenden Schuppen. Wo diese Form längere Zeit oder dauernd erhalten bleibt, da passt sich auch die Oberfläche des Carapax, nachdem er unter Rückbildung der Cutis bis an die Epidermis aus- gewachsen ist, den Kielen und Schuppengrenzen an, ohne dass je- doch diese Erhebungen und Vertiefungen irgendwie mit den Grenzen der Spinal- und Rippenplatten übereinstimmen!. Kommen die Kiele der Hornschuppen nicht zu voller Entwicklung, so bleibt auch der Carapax glatt. Das Relief des letzteren beruht also unter allen Um- ständen auf einer Anpassung an die Epidermis. Die Ähnlich- keit zwischen den Kielreihen des Hautskeletts der Atheca und denen des Carapax vieler, namentlich junger Thecophora lässt sich also auf dieselbe veranlassende Ursache, nämlich die homologe Schuppen- bildung der Epidermis zurückführen; desshalb bleibt sie aber eine von außen entlehnte, mit dem Ursprung der beiderlei Knochen nicht zusammenhängende Erscheinung. Wichtiger als dieses Ergebnis ist aber die aus unserem Vergleich folgende Übereinstimmung der Atheca und Thecophora auch in Bezug auf die Hautbildung.

Mit dem besprochenen Hautskelett, dem Panzer der Atheca und seinen Resten bei den Thecophora, den Randplatten, haben die übrigen Hautknochen, die allen Schildkröten gemeinsam sind, die Nackenplatte und das Plastron, nichts zu thun. Sie liegen bei der Atheea nicht nur unter dem Panzer, sondern entstehen auch so viel früher?, dass an einen genetischen Zusammenhang beider Theile

1 Da die Randplatten von den ursprünglichen Schuppenknochen abstammen,

so sollten sie eigentlich mit den Epidermisschuppen übereinstimmen; dass dies

nicht geschieht, hängt wohl damit zusammen, dass die Randplatten bei den

. jüngeren Atheca bereits gebildet waren, bevor die großen Hornschuppen ent- standen. _

2 Bei den jungen Dermochelys sind Nackenplatte und Plastron bereits

vorhanden (RATHKE, GERVAIS), während der Hautpanzer erst viel später erscheint;

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 28

432 A. Goette,

nieht gedacht werden kann. Es ist aber allerdings mehr als wahr- scheinlich, dass Nackenplatte und Plastron ebenfalls aus Schuppen- knochen hervorgingen; die Plastronstücke der jungen Dermochelys erinnern durchaus an die aus Schuppenknochen entstandenen »Bauch- rippen« anderer Reptilien (vgl. RATHKE, GERVAIS. Wir haben also bei den Schildkröten ein doppeltes Hautskelett zu unterscheiden, serade so wie am Schädel der Lacertiden über den eutanen Deck- knochen noch die später hinzukommenden Schuppenknochen liegen. Merkwürdigerweise unterliest bei den Schildkröten gerade das spätere, äußere Hautskelett einer umfassenden Rückbildung, während das Plastron sich ganz auffallend weiter entwickelt. Im vollstän- digen Carapax vereinigen sich aber Theile beider Hautskelette mit dem Stammskelett.

Straßburg i/E., im Mai 1899.

Litteratur-Übersicht, 1. BAur, Osteologische Notizen über Reptilien. (Zool. Anz. 1886. p. 685.) 2. —— Dasselbe. (Zool. Anz. 1888. p. 423.) 3. —— Die systematische Stellung von Dermochelys. (Biol. Centralbl. Bd. IX.

p. 184.)

4. BOULENGER, Catalogue of the Chelonians etc. in the British Museum. 1889.

5. CAPELLINI, Le piastre marginali della Protosphargis veronensis. (Rend. d. Sessioni d. R. Accad. d. Sc. Bologna. 1897—1898.)

6. C.G. Carus, Von den Ur-Theilen des Knochenr- und Schalengerüstes. 1828.

7. CoPE, Second Contribution to the History of the Cotylosaura. (Proc. of Amer. Philos. Soc. Vol. XXXV. 1896.)

8. CUVIER, Recherches sur les ossements fossiles. Tome V. 1835—1837.

9. Doro, Sur les Cheloniens oligocenes et neogenes de la Belgique. (Bull. Mus. R. d’hist. nat. Belgique. 1888. Tome V.)

10. GEGENBAUR, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. 1870.

11. —— Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. I. 1898.

12. GERVAIS, Osteologie du Sphargis Luth. (Nouv. Arch. Mus. d’hist. nat. Paris. Tome VIII. 1872.)

13. GOETTE, Die Entwicklungsgeschichte der Unke. 1875.

14. —— Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skelettsystems der Wirbel- thiere. II. Die Wirbelsäule und ihre Anhänge. 5. Die Teleostier. (Archiv f. mikr. Anat. Bd. XV1.)

15. —— Über den Wirbelbau bei den Reptilien und einigen anderen Wirbel- thieren. (Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896.)

eben so werden bei den Thecophora jene ersteren Skeletttheile schon in den Jungen Föten angelegt, die Reste des Hautpanzers, die Randplatten, erst nach dem Eileben.

Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 433

16. Hay, On certain portions of the sceleton of Protostega gigas. (Field Co- lumbian Museum. Zoolog. Ser. Vol. I. 1895.)

17. HAYycRAFT, The development of the Carapace of the Chelonia. (Transaet. R. Soc. Edinburgh. Vol. XXXVI. 1892.)

'18. HOFFMANN, Beiträge zur vergleichenden Anat. der Wirbelthiere. Archiv f. Zoologie. Bd. IV. 1879.)

19. Huxtey, Handbuch der Anat. der Wirbelthiere. Übers. von RATzEL. 1873.

20. JOH. MÜLLER, Jahresbericht in MÜLLER’s Arch. für Anatomie ete. 1835. p. 60.

21. Owen, On the development and homologies of the earapace and plastron of the Chelonian Reptiles. (Phil. Transact. London 1849.)

22. PETERS, Über die Bildung des Schildkrötenskelettes. (MÜLLER’s Arch. für

(Niederl.

Anatomie ete. 1839.)

23. RATHEE, Über die Entwicklung der Schildkröten. 1848. 24. SEELEY, Note on the Psephophorus polygonus. (Quart. Journal of the Geol.

Soc. London. Vol. XXXVl.

1880.)

25. V. SIEBOLD, Fauna japonica. Reptilia von TEMMINcK u. SCHLEGEL. 1833.

26. Srtannıus, Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 2. Aufl.

1854.

27. ZiTTEL, Paläozoologie. III. Testudinata. 1887—1890.

Erklärung der Abbildungen,

Allgemeine Bezeichnungen:

au, Austrittsstelle des Spinalnerven; bm, Bauchmuskel;

ce, Cutis;

ch, Chorda;

chs, Chordascheide = primärer Wirbel- körper;

ep, Epidermis, ep’, ihre Schleimschicht;

ex, M. obliquus externus vertebro-

costale Verbindungshaut; gf,vorderer, 9f’,hinterer Gelenkfortsatz;;

h, Hornschicht der Epidermis;

ic, Zwischenbogenband;

im, Intercostalmuskel;

in, innerer, in’, äußerer Intercostalnerv;

iv, Intervertebralring;

mk, Markräume;

np, Nackenplatte;

pl, Plastron;

pr, Periost, pr’, Periostknochen;

pt, Peritoneum;

r, Rippe;

rm, Rückenmuskel;

rp, Rippenplatte, rp’, ihr medialer Fort- satz;

rw, Randwulst der häutigen Rücken- schilder;

sc, subeutanes Bindegewebe;

sf, Seitenrand der knöchernen Spinal- platte;

sh, Hautschuppen;

sp, Spinalhöcker, sp’, knorpelige, sp”, knöcherne Spinalplatte;

wb, Wirbelbogen;

wk, Wirbelkörper.

Tafel XXVII. Alle Figuren stammen von Chelone imbricata und sind in derselben Ver-

srößerung gezeichnet.

Figg. 1—8 Fötus von 1,0 em Schildlänge.

Fig. 1.

Querschnitt aus der Mitte des Rumpfes, längs des Verlaufes einer

Rippe und durch das Vorderende des Wirbelkörpers.

Bie4?: Fig. 3.

Eben so, aber genau intervertebral. Eben so, vertebral und längs des Verlaufes der Intercostalnerven.

(In Fig. 1 und 3 sind wegen der etwas schrägen Richtung der Rippen und Ner- ven diese Theile aus den benachbarten Schnitten ergänzt.)

Fig. 4. Fig. 5. mittleren Brustwirbel.

Mediandurchschnitt durch die Wirbelkörper. Aus Sagittaldurchschnitten konstruirte linke Seitenansicht der

283%

434 A. Goette, Über die Entw. des knöch. Rückenschildes d. Schildkröten.

Figg. 6—8. Sagittaldurchschnitte durch die seitliche Rückenwand, am Rippenhals (Fig. 6), am oberen Ende des Rippenkörpers (Fig. 7), in seiner Mitte (Fig. 8).

Figg. 9—11. Fötus von 1,1 cm Schildlänge.

Fig. 9. Querdurchschnitt aus der Körpermitte und durch das Vorderende des Wirbels.

Fig. 10. Eben so, durch die Mitte des Wirbels.

Fig. 11. Sagittaldurchschnitt durch die seitliche Rückenwand.

Figg. 12—16. Fötus von 1,6 cm Schildlänge.

Fig. 12. Linke Seitenansicht der mittleren Brustwirbel, wie Fig. 5.

Fig. 13. Mediandurchschnitt durch die Wirbelkörper.

Figg. 14—16. Sagittaldurchschnitte durch die seitliche Rückenwand, am unteren Ende der Rippen (Fig. 14), in ihrer Mitte (Fig. 15), an ihrem oberen Ende (Fig. 16).

Figg. 17, 18. Fötus von 1,8 cm Schildlänge.

Fig. 17. Querdurchschnitt am Vorderende des Wirbels.

Fig. 18. Querdurchschnitt durch den Intervertebralring.

Tafel XX VIII.

Alle Figuren, ausgenommen Fig. 20, stammen von Chelone imbricata, in gleicher Vergrößerung gezeichnet.

Fig. 19. Sagittaldurchschnitt durch die Spinalplatten eines Fötus von 1,6 cm Länge (vgl. Figg. 12—16).

Fig. 20. Dasselbe durch einen jungen Fötus von Podocnemis sp.

Fig. 21. Mediandurchschnitt durch die Spinalplatten der drei hinteren Halswirbel (6, 7, 8) und des ersten Brustwirbels (7) einer Chelone imbricata von 2,3 cm Länge.

Figg. 22—29. Fötus von 3,2 cm Länge.

Fig. 22. Querdurchschnitt durch das Vorderende eines mittleren Wirbels.

Fig. 23. Querdurchschnitt durch das Vorderende einer Spinalplatte.

Fig. 24. Querdurchschnitt durch die Mitte eines Wirbels.

Figg. 25—29. Querdurchschnitte durch eine Rippe am unteren Ende (Fig. 25), am Mittelstück (Fig. 26—28), am oberen Ende Fig. 29).

Figg. 30—33. Junge Chelone imbricata von 4,5 cm Schildlänge.

Fig. 30. Querdurchschnitt durch das Vorderende eines Wirbels; die ver- hornte Epidermis ist fortgelassen.

Fig. 31. Mediandurchschnitt durch die Spinalplatten.

Fig. 32. Querdurchschnitt durch die Mitte einer Rippe, Fig. 33 durch ihr oberes Ende; die Epidermis ist fortgelassen.

Tafel XXIX. Figg. 34, 36, 38—40 in gleicher Vergrößerung wie die vorigen Figuren. Fig. 34. Querdurchschnitt durch einen mittleren Wirbel einer jungen Clemmys caspiea. Fig. 35. Das häutige Rückenschild einer jungen Dermochelys coriacea von 7 em Schildlänge. Aha, Hals; a, Arme. Fig. 36. Längsdurchschnitt einer Schuppe von der Bauchseite einer sol-

chen Dermochelys. Fig. 37. Der häutige Rückenschild eines Trionyx cartilagineus von 4,8 cm

Fig. 38. Längsdurchschnitt einer dorsalen Schuppe von Trionyx sinensis. Fig. 39. Ein einzelner Hautdorn von Trionyx spinifer. Fig. 40. Eine mit mehreren Dornen besetzte Schuppe von Trionyx spinifer.

Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. Von R. 8. Bergh.

Mit Tafel XXX.

Nachdem ich schon zweimal allerdings vor längerer Zeit Mittheilungen über die Entwicklungsgeschichte der Segmentalorgane ' gemacht habe, bedarf es zunächst einer kurzen Motivirung dessen, dass ich nun wieder zum dritten Male das genannte Thema auf- genommen habe.

Durch Untersuchungen an Criodrilus und Lumbricus meinte ich endgültig Folgendes festgestellt zu haben: »Triehter-, Schlingen- und ei differenziren sich aus einer einheitlichen Anlage her-

;. die in den inneren :Muskelplatten ohne Betheiligung der Epi- Be entsteht. Und die auf einander folgenden Nephridien stehen gleich von ihrem ersten Anfang an unter einander in keinem Zu- sammenhang?.« Die Bildung des ganzen Organs geht, wie ich nach- wies, von einer größeren, im ventralen Theil des Septum gelegenen Zelle aus, welche ich Trichterzelle nannte. Die ganze ältere Littera- tur über diesen Gegenstand ist in den genannten Arbeiten sehr ein- gehend behandelt, so dass ich in Bezug darauf auf jene verweisen kann. Etwas vor dem Erscheinen meiner Zumbdricus-Arbeit erschien die größere Abhandlung von E. B. Wınsox über die Embryologie derselben Gattung’, so dass die in derselben enthaltenen abweichen- den Angaben in einem Nachtrag besprochen werden konnten; es wurde daselbst hervorgehoben, dass Wırson durch Untersuchung

1 Zur Bildungsgeschichte der Exkretionsorgane bei Crxodrilus. Arbeiten a. d. zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. VIII. 1888. p. 223 ff. Neue Beiträge zur Embryologie der Anneliden. I. Zur Entwicklung und Differenzirung des Keimstreifens von Zumbricus. Diese Zeitschr. Bd. L. 1890. p. 469 ff.

2 Diese Zeitschr. Bd. L: p. 501.

3 The Embryology ofthe Eartnworm. Journ. ofMorph. Vol. III. 1389. p. 387 fi.

436 R. S. Bergh,

später Stadien, die nichts entscheiden können, zu seinen Ergebnissen gelangt ist. Mit dieser in anderer Beziehung sehr verdienstvollen Arbeit brauche ich mich desshalb hier nicht mehr zu beschäftigen.

Meine Darstellung wurde seitdem von mehrfacher Seite bestätigt. So wurden zunächst für die Hirudineen von BÜRGER! meine Angaben für durchaus richtig erklärt; bei den Hirudineen entsteht übrigens, wie ich schon früher angegeben hatte, die Endblase als eine Epider- miseinstülpung und hat demnach kein Homologon in den Segmental- organen der Lumbriciden. Ferner wurde die obige Darstellung von MıcHEL? durch dessen Untersuchungen über die Regeneration bei den Anneliden bestätigt: die Segmentalorgane bilden sich hier ganz nach dem von mir gegebenen Schema der embryonalen Entwicklung.

Indessen wurde auch von sehr kompetenter Seite kurz nach der Publikation meiner zweiten Arbeit eine abweichende Darstellung der Entstehung der Segmentalorgane bei Ahynchelmis und bei der Lumbri- cidengattung Dendrobaena gegeben. Nämlich von VEJDOVskY:. Und diese Darstellung war es, welche mich, als ich in diesem Frühjahr ein sehr reichliches Material der Kokons von Ahynchelmis mir ver- schaffen konnte, dazu veranlasste, die Untersuchungen an den schönen wunderbar durchsichtigen jungen Exemplaren dieses Thieres noch- mals aufzunehmen.

Zunächst muss aber in möglichster Kürze der Hauptinhalt der Mittheilungen VEJDovsKY’s besprochen werden.

Der genannte Verfasser hofft, durch seine hier zu analysirenden Untersuchungen die früheren Angaben von ihm selbst, von WILsSoN und von mir in Einklang gebracht zu haben (l. e. p. 353); er nähert sich aber in der That viel mehr den Ansichten Wırson’s als der meinigen oder als seiner eigenen früheren Anschauung. WILSON ließ von den vier bekannten, im Ektoderm verlaufenden und von Teloblasten entspringenden Zellreihen Nr. 2 und 3 in die Bildung der Nephridien aufgehen; er leitete dieselben also von einem zu- sammenhängenden ektodermalen Strang her, während ich die ge- nannten Zellreihen (+ Nr. 4) in die Bildung der Ringmuskulatur auf- sehen ließ. VEJDOVSKY sucht nun allerdings in so fern zu ver- mitteln, als er bei Dendrobaena die Reihe 2 in die Bildung der

1 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. Zool. Jahrbücher. Abth. für Anat. u. Ontog. Bd. IV. 1891. p. 697 ff. Neue Beiträge zur Ent- wicklungsgeschichte der Hirudineen. Diese Zeitschr. Bd. LVIII. 1894. p. 440 ff.

2 Recherches sur la r&generation chez les Annelides. Bull. sceientif. de la France et de la Belgique. Tome XXXI. 1898. p. 245 ff.

3 Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. Prag 1888—1892. p. 335 ff.

Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. A437

Segmentalorgane aufgehen lässt, während die Reihen 3 und 4 die Rinsmuskulatur bilden sollen. Von der zweiten Reihe (dem »Ne- phridostich«) sollen sich vorn schräg gestellte Zellreihen abgliedern, welche mit den großen Trichterzellen abschließen; das sind die An- lagen der Segmentalorgane, und der ganze »Nephridostich« soll nach und nach in diese Anlagen aufzehen. Somit stimmt VEIDOVSKY in dem Hauptpunkt mit WıLsox überein, indem er nämlich die einzelnen Segmentalorgane nicht diskontinuirlich aus den inneren Muskelplatten (dem Mesoderm), sondern aus einer kontinuirlichen ektodermalen An- lage entstehen lässt; sowohl Trichter wie Schlingentheil entstehen aus dieser Anlage. Was die kontraktile Endblase betrifft, wider- spricht VEJDovsky auch meinen Angaben, indem er sie von einer selbständigen ektodermalen Einstülpung herleitet.

Da ich selbst Dendrobaena nicht habe untersuchen können, muss ich mich, was diese Form betrifft, auf eine Kritik der Darstellung VEIDOVskY’s beschränken. Und muss es denn gesagt werden, dass seine Angaben über diese Form nebst den zugehörigen Abbildungen durchaus nicht beweiskräftig sind. VEJDOoVsKY erläutert seine Auffassung der frühesten Entwicklungsgeschichte der Segmental- organe nur durch drei Figuren, von denen die eine (Taf. XXX, Fig. 10) nach dem lebenden Objekt gezeichnet ist, während die beiden anderen (Taf. XXXII, Fig. 10 und 11) nach schräg geführten Schnitten dargestellt sind. Was die erste Figur betrifft, so ist es nieht möglich, dieselbe als Beweis für die These VEJDovsky’s an- zunehmen; denn es kann aus derselben keineswegs die Lage der Triehterzellen im Ektoderm oder ihr Zusammenhang mit dem »Nephridialstreifen« mit Sicherheit erschlossen werden. Es wäre nothwendig gewesen, durch gut geführte Querschnitte und Längs- oder Schrägschnitte der betreffenden Region eine derartige Lage und eine solehe Verbindung nachzuweisen, und ich lasse mich um so weniger überzeugen, als etwas dergleichen meinen Erfahrungen an Lumbrieus durchaus widersprechen würde: die Trichterzellen liegen hier, sobald sie erkennbar werden, an der Grenze der Haut- muskelplatte und der sich bildenden Dissepimente. Und was die Schnittfiguren VEJDovsky’s betrifft, so gilt denselben genau der gleiche Vorwurf, den ich früher den sehr ähnlichen Figuren WıLsox’s machte: es sind ganz weit vorgeschrittene Stadien, die hier abgebil- det sind, Stadien, in denen die von den Trichterzellen producirten Zellstränge ins Ektoderm hinauswachsen. Ich kenne solche Bilder sehr gut und habe sie auch in meinen Arbeiten dargestellt. Wie so

438 R. S. Bersh,

späte Stadien als Beweise für die erste Entstehung der Segmental- organe sollen gelten können, ist mir nicht verständlich.

Für Zehynchelmis hat nun VEJDOVSKY eine Darstellung gegeben, die von der eben erwähnten sehr abweicht. Denn trotzdem bei der ‚genannten Gattung dieselben vier ektodermalen Zellreihen wie bei Lumbricus und Dendrobaena zur Entwicklung kommen, wird ein Hervorgehen der Segmentalorgane aus einer derselben eigentlich nur stillschweigend angenommen und ein Jeder muss aus der Darstellung des Verfassers (p. 339) sowie aus seinen Figuren (Taf. XXVI) in Übereinstimmung mit seiner früheren Schilderung! zu dem Schluss gelangen, dass die Trichterzellen nicht in Verbindung mit einander sind, und dass sie von vorn herein in den Dissepimenten gelegen sind. Im Übrigen macht V£JDovsky sehr interessante und zum Theil überraschende Angaben: nachdem die Trichterzelle sich in zwei zerlegt hat, soll sich zwischen denselben eine »allseitig geschlossene Vacuole« bilden, in welcher bald eine sehr deutlich hervortretende Geißel lebhaft schwingt. In dieser Form verharrt die Trichter- anlage eine Zeit lang, dann theilen sich die zwei Zellen in vier; erst nachdem alle »acht Zellen, die für den Nephridiostom der er- wachsenen Würmer charakteristisch sind«, vorhanden sind, öffnet sich der Trichter in die Leibeshöhle hinein, und es kommen kleinere Wimperhaare an den Zellen des Trichters zum Vorschein; neben den- selben fungirt aber noch lange Zeit die Geißel. In seiner früheren Arbeit (Syst. u. Morph. der Oligoch., p. 123) hatte VEJDOVSKY die Entstehung der »kontraktilen Endblase« durch Einstülpung der Epi- dermis angegeben, ohne jedoch wie weiter unten zu erwähnen senügende Beweise dafür zu liefern. Dieselbe Entstehung behauptet er in seiner späteren Arbeit auch für die Lumbrieciden.

Durch die eigene Untersuchung der lebenden und konservirten Rhynchelmis-Jungen konnte ich in mehrfacher Hinsicht VEIDOVSKY’s Angaben bestätigen, in anderer Hinsicht aber auch berichtigen und erweitern, wie sich aus der folgenden Darstellung ergeben wird.

Ein paar Worte über den Bau des voll ausgebildeten Trichters _ muss ich vorausschicken, weil VEs3povsky’s Darstellung desselben

! System und Morphologie der Oligochäten. Prag 1884. p. 123: »Nirgends aber lassen sich diese Anfänge der Exkretionsorgane „längs der Seitenlinie als kontinuirliches Gebilde durch eine Reihe von Segmenten verfolgen‘, wie HAT- SCHEK will, sondern besitzt jedes Dissepiment seine eigene, mit der hinteren nicht zusammenhängende Anlage zur Bildung der exkretorischen Röhren.«

Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 439

nicht ganz vollständig ist. Die Wimperrosette desselben besteht, wie er richtig angiebt, aus acht Zellen, welche zusammen ich als Ober- lippe bezeichnen will. Vespovsky’s Figur (Syst. u. Morph. der Obligoch., Taf. XIH, Fig. 2) stellt nun aber ganz richtig die ge- nannten acht Zellen nicht als geschlossenen Kreis dar, sondern es ist an einer Stelle eine Unterbrechung vorhanden; was aber hier die Ausfüllung bildet, darüber findet sich bei ihm keine Erläuterung. Es liegen nun hier vier ziemlich kleine Zellen dicht zusammengedrängt; sie tragen jedenfalls keine in die Segmenthöhle hinein schlagende Wimpern. Sie bilden die Unterlippe und liegen dem Septum nahe an, während die Wimperrosette (Oberlippe) von dem Septum aus in die Sesmenthöhle bedeutend vorragt. Die Oberlippe ist meistens deutlich medial, die Unterlippe lateral am Septum gelegen, so dass der Trichter von der Ventralseite aus meistens in Profil gesehen wird. Das Profilbild (optischer Durchschnitt) eines solchen Trichters (aus den vordersten Leibessegmenten einer jungen Ahynchelmis, die seit mehreren Tagen den Kokon verlassen hatte) ist in Fig. 13 (Taf. XXX) dargestellt; an der Rückseite der Oberlippe finden sich gewöhnliche Peritonealzellen. Es ist übrigens nicht ganz leicht, diese Einsicht in den Bau des ausgebildeten Trichters zu erhalten; das Studium der Entwicklung des Organs hilft dabei ganz bedeutend.

Die Entwicklung der Segmentalorgane habe ich diesmal haupt- sächlich an den lebenden Objekten studirt; nebenbei benutzte ich auch fixirte und gefärbte Präparate der abpräparirten Leibeswand (Ventralwand) der Embryonen und der jungen Würmer (diese Präpa- rate müssen, von innen [oben] gesehen, in Wasser oder in verdünntem Glycerin untersucht werden). Endlich wurden Quer-, Frontal- und Sagittalschnittserien untersucht.

Das erste Auftreten der Segmentalorgane markirt sich bei RBhynchelmis wie bei anderen Obligochäten (und Hirudineen) dureh sroße, an der Vorderwand der Septa gelegenen Zellen, die ich früher Triehterzellen nannte, die ich aber nach meinen neuen Unter- suchungen eher mit dem indifferenteren Namen Nephridioblasten oder Nierenbildner belegen möchte. Die Nephridioblasten der ein- zelnen Segmente haben mit einander keine Verbindung: sobald sie kenntlich werden, liegen sie deutlich isolirt von einander; von einem sie verbindenden Längsstrang ist keine Rede: weder am lebenden _ Objekt noch an fixirten Flächenbildern, noch an Schnittserien ist die geringste Spur eines dergleichen nachzuweisen. Auch sind sie niemals im Ektoderm gelegen; sobald sie kenntlich werden, liegen sie in den

440 R. S. Bergh,

Dissepimenten. Das Alles stimmt mit dem, was VEJDovsky in Bezug auf Rhynchelmis beschrieben und abgebildet hat, ganz genau überein.

Die Nephridioblasten markiren sich bei Ahynchelmis nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch den Gehalt ihres Protoplasmas „an ansehnlichen, stark lichtbrechenden Körnchen oder Tröpfchen, welche in allen anderen Zellen der Dissepimente fehlen (Fig. 1, Taf. XXX); diese Körnchen liegen oft innerhalb der Zelle stellen- weise in größeren Gruppen, sind aber auch vereinzelt vorkommend. In Bezug auf ihre Masse herrscht eine ziemliche Variabilität: in ein- zelnen Nephridioblasten können sie fast fehlen, ja in ganzen Individuen von Rhynchelmis-Jungen können sie recht sparsam vorhanden sein; ın den weitaus meisten Fällen sind sie aber sehr reichlich vorhanden, und wo sie zahlreich vorkommen, erleichtern sie die Untersuchung ganz bedeutend; ich zweifle überhaupt daran, dass ich so vollstän- dige Klarheit über die Genese des Trichters erlangt hätte, falls dieses Kennzeichen der Nephridioblasten und seiner Descendenten nicht vor- handen sei. Durch Osmiumsäure werden sie stark gebräunt oder seschwärzt; ich habe sie nur an frischen und Osmium-Präparaten sehen können; durch Sublimat-Essigsäure so wie durch die Vor- behandlung für die Paraffin-Einbettung werden sie zum Verschwinden gebracht.

Merkwürdigerweise hat VEJDOVSKY diese ins Auge springende Eigenthümlichkeit der Nierenbildner in keiner seiner Figuren an- gedeutet und mit keinem Wort erwähnt.

Die große, körmige Zelle sprosst bald kleinere Zellen, so dass ein aus kleineren Zellen bestehender, einreihiger Strang sich ihr hinten anschließt (Figg. 2, 3). Es ist dieser Strang die gemein- same Anlage des Schlingentheiles und des Ausführungsganges des Seg- mentalorgans. Die Zellen dieses Stranges haben in den weitaus zahlreichsten Fällen denselben Inhalt an Körnchen wie der Nephri- dioblast; schon dadurch erweisen sie sich als wahrscheinliche Ab- kömmlinge desselben, was denn auch durch die Beobachtung der Zellsprossung (vgl. weiter unten‘ zur Gewissheit erhoben wird. Die dem Strang anliegenden Zellen der Hinterwand des Septum wachsen mit ihm aus und bilden seine Peritonealumhüllung.

Etwa zu derselben Zeit damit, dass diese Sprossung der kleine- ren Zellen aus den Nephridioblasten anfängt, heben sich die an der Vorderwand des Dissepiments genau mediad des Nephridioblasten liegenden schärfer. von der Umgebung ab: die Peritonealzellen des Septum sind sonst flacher geworden, aber die an der genannten

Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 441

Stelle gelegenen Elemente springen in die Höhle vor (Figg. 2, 3, 4, 5). Erst sieht man zwei solche Zellen, welche sich aber sehr bald in vier theilen; diese Gruppe von vier Zellen bleibt dann sehr lange be- stehen. Die genannten Zellen können passend als Oberlippen- zellen bezeichnet werden. Sie haben eine feinkörnige Zellsubstanz und enthalten nicht die vorher erwähnten stark lichtbrechenden Körnehen oder Tröpfehen; dadurch heben sie sich meistens sehr scharf von dem Nephridioblasten ab. Auch habe ich nie etwas ge- sehen, was darauf hindeuten könnte, dass sie durch Sprossung aus jenem entstehen: sobald der Nephridioblast als solcher sich deut- lich charakterisirt, sprosst er nur die Zellen des Stranges.

Ich kann nun versichern, dass die von VEJDOVSsKkY erwähnte »Vacuole« jedenfalls bei unserer dänischen Ahynchelmis sich erst ausbildet und die Geißel in ihr erst zum Vorschein kommt, wenn vier Oberlippenzellen vorhanden sind; um diese Zeit ist auch ein aus sechs bis sieben Zellen bestehender Strang vorhanden. VEJ- Dovsky behauptet ein viel früheres Erscheinen der »Vaeuole« und der Geißel. Ich habe mir alle erdenkliche Mühe gegeben, um die- - selben in solchen frühen Stadien zu finden. Nicht ein einziges Mal ist es mir geglückt; immer beobachtete ich von dem vorher er- wähnten Stadium an die »Vacuole« und das Schwingen der Geißel in derselben mit großer Deutlichkeit, früher aber nie auch nur eine Andeutung dieser Erscheinungen. Und zwar wurden alle diese Be- obachtungen mittels einer sehr feinen und scharfen apochromatischen Öllinse von Zeiss angestellt.

VE3povsky behauptet nun, dass die »Vaeuole« in allen diesen früheren Stadien und noch bis weit später vollkommen geschlossen sei. Ich weiß nicht recht, wie er sich das eigentlich vorstellt, da die sie begrenzenden Zellen doch nach seinen eigenen Zeichnungen gegen die Segmenthöhle zu aus einander weichen. Denkt er sich eine breite Intercellularbrücke zwischen den Zellen als Abschluss der »Vacuole« ausgespannt? Sonst muss doch die Vacuole nur als Fortsetzung des Zwischenraums zwischen den Zellen erscheinen.

Ich bin aber im Stande, bestimmt nachzuweisen, dass es sich damit anders verhält: dass die »Vacuole« keine‘ Vacuole, sondern eine Fortsetzung der Segmenthöhle, gegen diese offen ist. Allerdings ist es richtig, dass sie sich nach hinten erweitert, und allerdings können die Ränder der Nephridioblasten und der Oberlippenzellen sich mitunter so dicht an einander legen, dass die »Vacuole« wirk- lich wie geschlossen aussieht, aber in anderen Fällen (Fige. 6, 7, S),

449 R. S. Bergh,

klaffen die Ränder ganz deutlich, so dass die »Vacuole< als ein Divertikel der Segmenthöhle erscheint. Dasselbe konnte außer am lebenden Objekt noch an Frontalschnittserien (Figg. 14—16) nach- gewiesen werden. Und endlich beobachtete ich einmal eine Abnor- mität, die an und für sich schon als genügender Beweis gelten dürfte. Die Geißel hatte nämlich eine verkehrte Richtung genommen und führte anstatt in der »Vacuole« in der Segmenthöhle ihre Schwin- sungen aus (Fig. 7). Ich meine auch gesehen zu haben, wie der Nephridioblast und die Oberlippenzellen z. B. durch die Kontraktion von benachbarten Blutgefäßampullen zur Berührung genähert und dann wieder von einander entfernt werden können, so dass die »Vacuole« bald geschlossen, bald offen erscheint. Doch ist es schwierig dies mit genügender Sicherheit zu verfolgen.

Ob die Geißel von dem Nephridioblasten oder von einer der Oberlippenzellen entspringt, habe ich nicht mit völliger Sicherheit entscheiden können; desshalb ist auch in meinen Abbildungen ihre Ursprungsstelle nicht angegeben. Doch bin ich geneigt, mit VEJ- DOVSKY anzunehmen, dass sie von den Nephridioblasten ausgeht. Allerdings war ich eine Zeit lang dieser Ansicht sehr abgeneigt . wegen der Richtung, in welcher die Sprossung der kleineren Zellen aus der genannten größeren Zelle stattfindet: An fixirten und ge- färbten Präparaten von der Bauchwand junger, dem Kokon ent- nommener Rhynchelmis! habe ich sehr oft Kerntheilungsfiguren in den Nephridioblasten beobachtet, und zwar ist die Theilungsrichtung eine sehr konstante: die Äquatorialplatte und die Tochterplatten stehen immer etwa senkrecht zur Fläche des Septum (Figg. 17, 18) und die kleineren Zellen werden mediad gesprosst, also in der Rich- tung gegen die Oberlippenzellen. Hier sieht man denn auch oft (Figg. 17, 19) dem Nephridioblasten eine kleinere Zelle ansitzen, offenbar die durch die letzte Sprossung erzeugte Strangzelle Die- selbe trennt anscheinend den Nephridioblasten von den Oberlippen- zellen, und ich war desshalb, bis die topographischen Verhältnisse mir ganz klar geworden waren, nicht der Ansicht geneigt, dass die Geißel jener Zelle angehöre, da diese in solchen Fällen von der »Vacuole« ausgeschlossen zu sein schien. Das ist sie aber in der That nicht; denn die kleineren Zellen werden nieht genau mediad,

! An jungen Würmern, die schon eine Zeit lang aus dem Kokon heraus waren und ihren Dotter verbraucht hatten, fand ich nur ganz ausnahmsweise Theilungen des Nierenbildners; auch in der Epidermis waren Theilungen nicht häufig, wahrscheinlich wegen viel zu knapper Ernährung.

Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 443

sondern etwas in schräg dorsader Richtung abgeschnitten. Schon in Figg. 17 und 19, welche von oben (innen) gesehen sind, erkennt man, dass die vorderste Strangzelle einen Theil von einer Oberlippenzelle verdeckt, und sehr deutlich lässt sich an Querschnitten (Fig. 20) be- obachten, dass der Nephridioblast noch lateroventrad die »Vacuole« begrenzt, während dieselbe laterodorsad von der vordersten (jüngsten) Strangzelle, mediad von den vier Oberlippenzellen umschlossen wird.

Der Nephridioblast ist also ein echter Teloblast, der lange Zeit hindurch kleinere Zellen sprosst. Die älteren derselben werden durch die fortgesetzten Sprossungen neuer Zellen nach hinten gedrängt, so dass der Strang den in Fig. 14 dargestellten typischen Verlauf hat (was in den Figuren nach den lebenden Objekten nicht deutlich erkennbar ist). Die Theilungspotenz des Nephridioblasten ist größer als die der kleineren Strangzellen, was daraus ersehen werden kann, dass die ihr zunächst gelegene (zuletzt gesprosste) Zelle nie m Theilung sefunden wird; weiter hinten im Strang sind dagegen (in früheren Stadien) sehr häufig Theilungen zu beobachten. Jedoch habe ich die relativen Theilungspotenzen in diesem Falle nicht berechnet!.

Wenn eine (wahrscheinlich genau bestimmte) Zahl von Strang- zellen gesprosst ist, hört der Nephridioblast mit der Produktion der- selben auf, und es findet nun eine Theilung desselben in zwei gleiche Zellen statt (Fig. 11). Schon früher (Fig. 9) haben sich die Ober- lippenzellen in die definitiven achte getheilt (in gefärbten Präparaten habe ich einzelne Male Theilungsfiguren in diesen Zellen beobachtet). Erst nachdem alle acht gebildet sind, erhalten sie feine Wimperhaare (Figg. 10, 11, 12, 13), aber lange Zeit beobachtet man noch immer die viel mächtigere Geißel, die in dem vorderen Theil der Röhre schwingt. Die zwei durch die äquale Theilung des Nephridioblasten hervorgegangenen Zellen haben keine solche feinere Wimpern; sie stellen nun die Anlage der Unterlippe des Trichters dar und machen nun bald eine weitere Theilung durch, so dass also die vier defini- tiven Zellen entstehen (Fig. 12). Erst dann werden die stark licht- brechenden Körnehen oder Tröpfehen undeutlich, und die Unterlippen- zellen werden sehr unscheinbar und nicht ganz leicht zu erkennen. Kurz vor oder nach der ersten äqualen Theilung des Nephridio- blasten verlängert sich erst die »Vacuole« in eine längere Röhre, und es findet nun sehr schnell die Aushöhlung des ganzen Schlingen- theils sowie des Ausführungsganges statt.

! Val. meine Abhandlung: Über die relativen Theilungspotenzen einiger Embryonalzellen. Arch. f. Entwicklungsmech. Bd. II. 1895. p. 281 ft.

444 R. S. Bergh,

Also, um das Vorhergehende kurz zusammenzufassen: aus dem Nephridioblasten entstehen zunächst dureh Sprossung in mediader und schräg dorsader Richtung die Zellen, welche später die Schlinge und den Ausführungsgang bilden und ‘-zunächst einen einreihigen, soliden Strang zusammen- setzen; später entstehen aus dem Nephridioblasten durch äquale Theilungen die vier Zellen der Unterlippe. Die Oberlippe bildetsich aus feinkörnigen, mediad zum Nephri- dioblasten gelegenen Zellen. Die »Vacuole« VEJDOVSKY’s ist keine solche, sondern erscheint als Divertikel der Seg- menthöhle.

Mit der speciellen Ausbildung des Schlingentheiles habe ich mich nicht eingehender beschäftigt und kann ich VEs3povsky’s Darstellung dieses Gegenstandes nichts Wesentliches beifügen. Hervorheben möchte ich nur, dass der vorderste erweiterte Theil des postseptalen Abschnittes der voll ausgebildeten Segmentalorgane der jungen Würmer mit den für den Nephridioblasten charakteristischen Körn- chen geradezu überladen ist, und desshalb in Osmiumpräparaten schwarzbraun erscheint, während der darauffolgende, größere Ab- schnitt der Schlinge vor jenen Körnchen frei ist. Ein derartig diffe- renzirter, vorderster Theil der Röhre kommt auch bei einigen anderen Oligochäten vor, so z. B. bei Stylaria proboscidea: es gelingt hier durch vitale Färbung der Körnehen mittels Neutralroth diesen Abschnitt sehr scharf hervortreten zu lassen. Bei C’hälogaster lässt sich ein solcher Absehnitt nicht scharf erkennen.

Die Bildung des Ausführungsganges habe ich aber noch senauer darzulegen, weil VEJDoVskyY’s Angaben hierüber mit meinen alten und neuen Erfahrungen sich durchaus nicht vereinigen lassen. Ich darf wohl sagen, dass ich seiner Zeit an die Untersuchung der Lumbrieiden ohne irgend welches Vorurtheil in dieser Hinsicht herangegangen bin, da ich schon lange vorher durch Untersuchungen an Hirudineen mit Sicherheit wusste, dass eine kontraktile Endblase an den Sesmentalorganen als Einstülpung der Epidermis bei Anne- liden sich sehr wohl anlegen kann!. Die thatsächlichen Befunde fielen aber so aus, dass ein derartiger Vorgang bei Criodrilus und Lumbricus nicht annehmbar schien; ich konnte nachweisen, wie der von dem Nephridioblasten produeirte Zellstrang ins Ektoderm hinaus- wächst und hier nach außen durchbricht. Die Gegenbeweise VEJ- DOVsKY’s sind in genannter Beziehung sehr schwach. Er bildet in

! Die Exkretionsorgane der Würmer. Kosmos. 1885. Bd. II. p. 113.

Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 445

seinem Oligochätenwerke' zwei Stadien (von Tudifez und von Rhyn- chelmis) ab, in denen man die fast fertig ausgebildete Endblase sieht; aber eine wirkliche Vermehrung, Einwucherung oder Einstül- pung von Epidermiszellen an der Ausmündungsstelle der Segmental- organe hat er durchaus nicht nachgewiesen. Und eben so scheinen seine neueren Angaben über die Lumbrieiden?, die auch nicht von Abbildungen begleitet sind, sehr wenig überzeugend.

_ In der That konnte ich bei Rhynchelmis eben so wenig wie bei Oriodrilus oder Lumbricus eine epidermoidale Entstehung des Endstücks der Segmentalorgane nachweisen. Der eben erwähnte Strang, welcher die Anlage des Schlingentheils und des Ausführungsganges darstellt, er- weist sich schon ganz früh mit seinem Hinterende an die Haut fest angeheftet, was besonders leicht erkannt werden kann, wenn das Septum mit dem ganzen vorderen Theil der Nephridialanlage hin und her bewegt wird: die Anheftungsstelle an der Haut ist bei diesen Bewegungen gleich wie ein fixer Punkt. An Schnitten sieht man in frühen Stadien Bilder wie Figg. 21 und 22: es ist nicht ganz leicht, hier zu bestimmen, ob die Fortsetzung der Nephridialanlage in der Epidermis dieser letzteren oder der Nephridialanlage selbst angehört. Eine scharfe Abgrenzung der letzteren gegen die erstere traf ich in solchen Stadien nie, und bin ich nach meinen früheren Befunden an Lumbrieiden, bei denen die Sache viel klarer ist, _ nieht in Zweifel darüber, dass die Nephridialanlage in die Epidermis hinauswächst, um die äußere Öffnung zu erhalten. So wenig in diesen wie in den späteren Stadien ist je eine besondere Wucherung oder Einstülpung der Epidermiszellen nachzu- weisen, und zwar durch keine Behandlungsweise (weder am lebenden Objekt, noch an ganzen fixirten Stücken, noch an Schnitten). Über- haupt finde ich die von VEJDOVsKkY beschriebene Enderweiterung nur in relativ seltenen Fällen (Fig. 24, Flächenbild und Fig. 26, Quer- schnitt). Meistens ist die Nephridialröhre bis an die Mündung gar nicht besonders erweitert, sondern geht als dünne Röhre bis an die Epidermis heran, oder lässt sich in dieselbe hinaus verfolgen (Figg. 25, 27), so auch noch in den vordersten Segmenten bei jungen Würmern, die schon wochenlang im Freien gelebt hatten. Das jüngste Stadium, in welehem ein Porus erkennbar war, ist in Fig. 23 dar- gestellt: ein einfacher eylindrischer Strang verläuft bis zum Porus (die Mündungen finden sich dieht vor oder mediad der ventralen Borsten).

i System und Morphologie der Oligochäten. Prag 1884. p. 123. ?2 Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. p. 348—349.

446 R. S. Bergh,

Nach alledem meine ich meine ursprüngliche These, dass Trichter-, Schlingen- und Endabschnitt bei den Oli- sochäten aus einer einheitlichen Anlage hervorgehen, auch für ZRäynchelmis festhalten zu müssen. Nur ist die ' Triehteranlage frühzeitig in Oberlippe und Unterlippe dif- ferenzirt, und wächst der Schlingentheil von der Unter- lippe aus.

In Bezug auf die allgemein-morphologische Auffassung der Seg- mentalorgane der Anneliden steht Verfasser dieser Arbeit auf einem von demjenigen der meisten anderen Autoren verschiedenen Stand- punkt. Während diese die Summe der Segmentalorgane als Homo- logon des verzweigten Exkretionsapparats der Plattwürmer und Räderthiere anzusehen geneigt sind und demgemäß ihre Beziehungen zu den Ursegmenten als sekundäre auffassen, habe ich nie genügende Anhaltspunkte für eine derartige Ansicht finden können und bin zu einer ganz anderen Auffassung gelangt. Ich legte nämlich das Haupt- gewicht auf die fundamentale anatomische Thatsache, dass die Seg- mentalorgane Verbindungsröhren zwischen den Ursegmenten und der Außenwelt sind. Dies scheint ein ganz typisches Verhältnis zu sein und wird durch die Entwicklungsgeschichte aufs klarste bestätigt, und indem ich nun die Ursegmente der Anneliden mit den Ge- schlechtsfollikeln der Nemertinen gleichstellte?, erblickte ich in den Sesmentalorganen Homologa der Ausstülpungen, welche von jenen auswachsen um die Ausführungsgänge für die Geschlechtsprodukte zu bilden. Hierdurch wären denn ihr typisches segmentales Auf- treten und die Existenz von inneren Öffnungen genügend erklärt, und sie dürften demnach zu dem verzweigten Exkretionsapparat der Plattwürmer und Räderthiere, welche keine Relation zu Geschlechts- follikeln oder Ursegmenten hat, nicht in Beziehung gebracht werden.

Ich habe seiner Zeit im mehreren meiner angeführten Schriften die Argumente für die »Einheitstheorie des Exkretionsapparates« scharf und ausführlich kritisirt und kann also, was die frühere Lit- teratur über diesen Gegenstand betrifft, auf jene verweisen. Hier sind nur noch ein .paar Bemerkungen über einiges später Hinzu- sekommene zu machen. Ein besonders ins Feuer gebrachtes Argu-

! Eine Revision der früheren Untersuchungen von mir u. A. über die Ent- stehung des Trichters bei Lumbrieiden ist nun nothwendig geworden. Was wird hier aus der Trichterzelle?

?2 Die Exkretionsorgane der Würmer. 1. c. p. 120.

a

Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. AAT

ment war schon damals die Existenz eines »nephridialen Netzwerkes: sowie die Vervielfältigung der Segmentalorgane bei verschiedenen Lumbrieiden, indem dieses anatomische Verhalten leichthin als ein primitives, ursprüngliches angenommen wurde. Sowohl VEJDovskY! wie BEDDARD? haben nun durch entwicklungsgeschichtliches Be-

> =Iro

_ obachten nachgewiesen, dass sowohl das Zahlreichwerden wie das

Netzwerkbilden der Segmentalorgane sekundäre Erscheinungen sind, und dass der ursprüngliche Zustand immer ein solcher ist, wo ein- fache, paarige Nephridien vorhanden sind. BEDDARD giebt auch offen zu (l. e. p. 534), dass diese Thatsachen >have shaken considerably the position, which I have taken up in regard to the phylogenetie development of the nephridia in the Oligochaeta«, sucht aber nichts- destoweniger immer noch 18953 einen Rest seiner »Theorie« zu retten und will keineswegs zu dem entgegengesetzten Standpunkt übergehen. Und was muss man nun erst von der Methode BEnHAu’s* sagen, der einfach die genannte Thatsache die ursprüngliche Existenz von einfachen paarigen Nephridien bei Formen, bei denen später Vervielfältigung und Netzwerkbildung zu Stande kommen für >merely caenogenetic« erklärt? Man frägt die Natur, indem man sie beobachtet, um Aufklärung über die Richtigkeit oder Un- richtigkeit einer Theorie. Lautet ihre Antwort günstig für die Theorie, so hat die Natur richtig geantwortet; lautet sie ungünstig, so hat die Natur einfach gefälscht, und man erspart es sich aus leieht zu verstehenden Gründen die Motive anzugeben, wegen derer sie gefälscht habe. Die Methode ist bequem: man wird durch solches Verfahren überhaupt jede Theorie allem Geschehen der Natur gegenüber ‚retten können.

1 Zur Entwicklungsgeschichte des Nephridialapparates von Wegascolides australis. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XL. 1892. p. 552 #.

2 Researches into the Embryology of the Oligochaeta. I. Quart. Journ. of mier. sc. Vol. XXXIII. 1892. p. 495 ff.

3 A monograph of the order Oligochaeta. Oxford 1895. p. 52. >This view das Netzwerk als primitiv must evidently now be given up; but on the other hand, it is by no means permissible to adopt the converse view allready suggested. It does not follow, that the diffuse nephridia are the outcome of a branching and specialization of the paired nephridia; on the contrary the developmental facts absolutely disprove this (!!,. What they do prove, is that both paired and diffuse nephridia are formed out of similar pronephridia; that in faet both kinds of exeretory organs are equally ancient.«

* The Nephridium of Zumbricus and is Blood-supply; with Remarks on the Nephridia in other Chaetopoda. Quart. journ. of mier. se. Vol. XXXI. 1891. p. 315.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 29

AA R. S. Bergh,

Wirkliche Thatsachen, die für die eben besprochene Theorie sprechen könnten, hat seit meinen früheren Arbeiten hierüber, so viel ich weiß, nur VEJDovsky beizubringen versucht, nämlich theils die vermeintliche Abgliederung der Segmentalorgane von einem kon- tinuirlichen, ektodermalen Nephridialstrang bei Lumbrieiden, theils das vermeintlich ursprüngliche Geschlossensein der Trichterhöhle (der »Vacuole«) bei Ahynchelmis. Ich habe oben, was den ersten Punkt betrifft, nachgewiesen, dass VEIDOVskY's Beobachtungen ab- solut nichts beweisen; was die zweite Sache betrifft (die Bildung des Trichters), so sind seine Untersuchungen nach den hier vorgelegten Beobachtungen entschieden unvollständig und theilweise unrichtig, letzteres gerade, was das Geschlossensein anbelangt.

Nach alledem sehe ich auch hier nicht die geringste Veranlassung, den früher von mir vertretenen Standpunkt zu verlassen oder zu modifieciren.

Kopenhagen, Mai 1899.

Nachtrag,

Nachdem das Manuskript obiger Abhandlung schon lange in den Druck geschickt war, hatte ich Gelegenheit, über die Entwick- lung der Segmentalorgane in dem wachsenden Hinterende bei Styla- rıa proboscidea Beobachtungen anzustellen. Die Entwicklung verläuft hier in sehr ähnlicher Weise wie bei den Alynchelmis-Embryonen. Auch hier tritt zunächst ein kleiner Divertikel der Segmenthöhle auf, in die hinein eine kräftige Geißel schlägt; doch treten diese Erschei- nungen relativ ein wenig später auf als bei Ahynchelmis; aber dann geht auch die weitere Entwicklung schneller vor sich: nur wenige Segmente vor demjenigen, in dem die »Vacuole« und die Geißel auf- traten, findet man die ganze Röhre ausgehöhlt und den Trichter voll ausgebildet. Zunächst tritt auf einer der Oberlippenzellen ein einziges langes Wimperhaar auf, welches in der Segment- höhle pendelartig sich bewegt (während die in der »Vacuole« schla- sende starke Geißel eine undulirende Bewegung zeigt). Bald tritt neben demselben ein kleineres Wimperhaar auf, und kurz danach sind an den Oberlippenzellen zahlreiche Wimperhaare vorhanden. Übri- sens ist für das Studium der Entwicklung der Segmentalorgane Stylarıa kein ganz so günstiges Objekt wie Arhynchelmis.

In den ausgebildeten Segmentalorganen einer Pachydrilus-Art

Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 449

findet sich der scharfe Gegensatz zwischen den kleineren, in der Segmenthöhle schlagenden Wimperhaaren, und den sehr langen in dem vordersten Theil der Röhre undulirenden Geißeln sehr ausgeprägt.

Juli 1899.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XXX,

Fig. 1—13 sind nach dem Leben, von der Bauchfläche gesehen, gezeichnet (Zeıss, Apochr. 2 mm, 1,30. Comp. Oe. 4).

Fig. 1. Jüngstes Stadium, der Nephridioblast an der Vorderwand des Septum.

R Fig. 2—4. Successive Stadien der Sprossung des Stranges und des Er- scheinens der Oberlippenzellen.

Fig. 5. Flächenbild des Nephridioblasten und der vier Oberlippenzellen.

Fig. 6. Erscheinen der »Vacuole< und der Geißel.

Fig. 7. Abnorme Verlaufsrichtung der Geißel: sie schwingt in die Seg- menthöhle hinein.

Fig. 8. Weiteres Stadium: die Zellgrenzen im Strang sind nicht zu sehen; die Oberlippenzellen haben sich vermehrt.

Fig. 9. Flächenbild des Nephridioblasten und der acht noch wimperlosen Oberlippenzellen.

Fig. 10. Die Wimperhaare sind an den Oberlippenzellen erschienen; der Strang hat sich ausgehöhlt.

Fig. 11 u. 12. Flächenbilder der Trichteranlage in zwei weiteren Stadien (mit zwei resp. vier Unterlippenzellen).

Fig. 13. Der in allem Wesentlichen fertige Trichter in optischem Durch- schnitt.

Fig. 14—16. Junge Segmentalorgananlagen aus Frontalschnittserien. Die Einsenkung zwischen dem Nephridioblasten und den Oberlippenzellen (das Offensein der »Vacuole<«) sehr deutlich. Fig. 16 ist ein erheblich älteres Sta- dium als Fig. 14 und 15.

Fig. 17—19. Junge Segmentalorgananlagen nach Ganzpräparaten der Bauch- wand (von oben oder innen gesehen). In Fig. 17 u. 18 sieht man die Sprossung der kleineren Zellen aus dem Nephridioblasten. Sublimat-Alaunkarmin.

Fig. 20. Querschnitt durch eine junge Trichteranlage. Der Hohlraum ist begrenzt mediad von den vier Oberlippenzellen, lateroventrad von dem Nephridio- blasten, laterodorsad von der jüngsten Strangzelle.

Fig. 21. Junges Segmentalorgan aus einer Sagittalschnittserie (Anfang am Septum, Ende in der Epidermis). Neben demselben eine Blutgefäßampulle.

Fig. 22. Endstück eines jungen Segmentalorgans sowie die benachbarten Epidermiszellen (Sagittalschnitt).

Fig. 23. Jüngstes Stadium, in dem die äußere Mündung als feiner Porus deutlich ist, Flächenbild. Osmiumsäure.

Fig. 24. Weiteres Stadium; das Endstück ist schwach erweitert und zeigt nahe der Mündung zwei Kerne; die angrenzenden Epidermiszellen bilden eine Rosette. Flächenbild, Osmiumsäure.

Fig. 25—27. Querschnitt durch die Mündungsstellen von weit entwickel- ten Segmentalorgananlagen und der benachbarten Epidermis und Ringmuskula- tur. Nur in Fig. 26 ist eine kleine Erweiterung vorhanden. Fig. 27 stammt von einem der Geschlechtssegmente einer jungen Rhynchelmis, die schon seit etwa einer Woche aus dem Kokon heraus war.

Fig. 14—27 bei derselben Vergrößerung wie Fig. 1—13, zum Theil mit dem Prisma entworfen.

29%

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren.

(Aus dem zoologischen Institute der Universität Berlin.) Von Dr. Erich Schwartze

(Frankfurt a. M.).

Mit Tafel XXXI—XXXIV.

Einleitung.

Seit HEROLD 1815 seine »Entwicklungsgeschichte der Schmetter- linge, anatomisch und physiologisch bearbeitet«, herausgegeben hat, sind im Laufe der Jahre eine große Anzahl von Arbeiten erschienen, die sich mit der Entwicklungsgeschichte der Insekten beschäftigen. Besonders während der letzten zwanzig Jahre ist die Litteratur auf diesem Gebiete mit immer steigender Schnelligkeit angewachsen, so dass heute die hierher gehörigen Abhandlungen bereits nach Hun- derten zu zählen sind. Auch über die Entwicklung einzelner Organe und Organsysteme, z. B. des Genitalsystems, des Nervensystems, des Verdauungskanals etc. finden sich meist schon eine ganze Reihe von Arbeiten, die indess vielfach zu durchaus abweichenden Resultaten gelangen. Man muss in Folge dessen zugestehen, dass wir trotz der im Ganzen gewaltigen Menge von Beobachtungen und Untersuchungen, die wir in der Litteratur niedergelegt finden, doch über einzelne Vorgänge bei der Entwicklung der Insekten noch nicht völlig im Klaren sind.

Eine solche Frage, die von den verschiedenen Autoren in sehr verschiedenem Sinne beantwortet worden ist, bezieht sich auf die Entwicklung des Mitteldarmes. Drei Ansichten sind hierüber aufge- stellt worden: nach der einen sollte das Epithel des Mitteldarmes von den Dotterzellen gebildet werden; nach der zweiten entsteht es aus einer vorderen und einer hinteren »Entodermanlage«, die sich vom »Entomesoderm« bald nach dessen Entstehung aus dem Ektoderm ab-

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 451

sondern; nach der dritten Meinung endlich ist der ganze Darm- trakt ektodermaler Natur. Die Anhänger der ersten Anschauung sind DoHrn (66, 76), PAuL MAYER (76), BOBRETZKY (78), BALFOUR (80), HErTwIG (81), PATTEN (84), Ayers (84), WırL (88) und TıcHomI- RowA (90, 92). TicHOMIROFF (79, 82) hat die erste und die zweite Bildungsart beobachtet, GRABER (88, 89, 90, 91) an verschiedenartigen Objekten alle drei Arten. Im Übrigen sind für die zweite Art der Entwicklung eingetreten HATSCHER (77), GRassı (54), KOROTNEFF (85), HEIDER (89), KOwWALEWSKY (71), NUSBAUM (88), CHOLODKOWSKY (85), WHEELER (89) und RITTER (90), und für die Entwicklung des Mittel- darmes aus ektodermalen Lamellen, die vom Vorder- und Enddarm auswachsen, GAnIn (74), Wırvaczın (84), VOELTZKOW (89), HEYMons (95, 96, 97, 98), LECAILLON (98) und Ragıro (98). Doch haben von den Vertretern der letzten Anschauung die drei erstgenannten nur mehr oder weniger vage Vermuthungen geäußert, und unbestreitbar gebührt Hrymons das Verdienst, zuerst den ektodermalen Ursprung des Mitteldarmes klar und genau bewiesen zu haben.

Mit der Art der Entwicklung des Mitteldarmes bei Lepidopteren soll sich die vorliegende Arbeit im Wesentlichen befassen; doch sollen auch einige andere Fragen, z. B. die Natur der ersten Ent- wicklungsvorgänge im befruchteten Ei, die Bildung des Mesoderms und der Blutzellen, berührt werden; schließlich werde ich noch einige Bemerkungen über die Keimblätter im Allgemeinen anfügen.

Material und Konservirungsmethoden.

Zur Untersuchung der Darmentwicklung habe ich in der Haupt- sache Eier von dem chinesischen Spinner Lasiocampa fasciatella Men. var. excellens benutzt. Die Eier zeigen eine schön rothbraune mit hel- lerer Marmorirung untermischte Färbung; an jedem Pole liegt ein heller Fleck, in einem derselben in der Mitte ein kleineres dunkelbraunes Fleckchen, dessen Centrum die Mikropyle einnimmt. Der Dotter ist von grüner Farbe. Die Längsachse des Eies misst ca. 2,7 mm, seine größte Querachse ca. 2,2 mm. Für die Beobachtung der jüngsten Stadien habe ich außerdem Eier von Oeneria dispar L. angewendet, die bekanntermaßen in den sogenannten Schwämmen, d. h. haufenweise von der Afterwolle des Weibehens umkleidet, abgelegt werden. Diese Eier sind von einheitlicher hellerer oder dunklerer gelbbrauner Färbung und haben die Gestalt eines abgeplatteten Ellipsoides, dessen kurze Längsachse 1,0 mm, dessen längere Querachse 1,2 mm misst. Die Farbe des Dotters ist gelblich. Zur Vergleichung wurden außer-

452 Erich Schwartze,

dem einige Schnittserien von Embryonen von Porthesia chrysorrhoea L. und P. auriflua Fabr. so wie von Attacus eynthia Dru. und Pieris brassicae L. angefertigt.

Als Konservirungsflüssigkeiten kamen Pikrinsäure, Pikrinschwefel- ‚säure, Pikrinsalpetersäure und koncentrirte Sublimatlösung kalt oder auf ca. 70° C. erwärmt zur Anwendung; im ersteren Falle wurden die Eier vorher mit 90° heißem Wasser abgetödtet, stets aber zuerst angestochen. Bei sehr alten Embryonen eignet sich erwärmter Subli- matalkohol am besten. Zur Färbung wurden Karminfarben, seltener Hämatoxylin benutzt. Für die Konservirung von Raupendärmen ge- brauchte ich nach einer mir von Herrn Dr. REGEL freundlichst an- gegebenen Methode die sogenannte HerMmAanN’sche Lösung (Platin- chloridosmiumessigsäure) und Holzessig. Eine Färbung wird bei dieser Methode nicht mehr angewendet, da auch ohne diese die Kerne deutlich differenzirt erscheinen.

Einige Bemerkungen über die ersten Entwicklungsstadien bis zur Blastodermbildung.

Es ist bekannt, dass die Furchungszellen durch mitotische Theilung des befruchteten Eikernes entstehen. Ich habe nun bei den Eiern von Lasiocampa und Ocneria zwar diesen Vorgang nicht direkt beobachten können, wohl aber einige Stunden alte Stadien vorgefunden, bei denen nur einige wenige Furchungszellen im Cen- trum des Eies liegen, ein Umstand, der die Entstehung derselben durch Theilung der ersten Furchungszelle, d. h. der Zelle, die ge- bildet ist aus dem befruchteten Eikern und seinem Plasmahof, sehr wahrscheinlich macht. Dass es sich hierbei um wirkliche Zellen und nicht bloß, wie manche frühere Autoren annahmen, um isolirte Kerne handelt, die höchstens durch feine Protoplasmastränge mit einander zu einem Syneytium verbunden sein sollten, das folgt mit vollkommener Sicherheit daraus, dass stets um den stark gefärbten Kern herum ein schwächer gefärbter Plasmakörper deutlich wahrnehmbar ist. Der letztere ist von amöboider Gestalt, mit zahlreichen unregelmäßig gestalteten, aber stets spitz auslaufenden Fortsätzen versehen. Diesen Plasmaleib von sternförmiger Gestalt haben einzelne ältere Forscher zwar beobachtet, aber trotzdem diesen Gebilden nicht die Natur wirklicher Furchungszellen zuerkannt. Ich vermag aber den Unter- schied zwischen einer Zelle und einem von Plasma umgebenen Zell- kern nicht wohl einzusehen.

Wenn es soeben abgelehnt wurde, die Gesammtheit der Furchungs-

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 453

zellen als ein Synceytium anzusehen, so soll damit nicht gesagt sein, dass feine Plasmaverbindungen zwischen den Furchungszellen nicht vorhanden seien. Deren Existenz scheint mir im Gegentheil sogar vollkommen sicher, da der Dotter im Centrum, in dem die Zellen liegen, bedeutend stärker mit Plasma durchsetzt ist, als weiter außen. Während nämlich außen die Dotterschollen scharf kontourirt erscheinen, sind ihre Umrisse in der Nähe der Furchungszellen ver- schwommen, die Grenzen stellen sich nur als ein mehr oder weniger deutliches Netzwerk dar. Dieser Unterschied im Aussehen des Dot- ters ist besonders groß bei Oceneria; bei Lasiocampa tritt er weniger scharf hervor, ist aber auch hier deutlich zu erkennen.

Die Furchungszellen zeigen in diesem Stadium zum großen Theil sehr deutliche karyokinetische Figuren, in denen auch die achroma- tischen Spindeln gut erkennbar sind. Da, wo die Dotterkugeln scharf kontourirt sind, zeigt es sich, dass ihre Gestalt kugelförmig ist, aller- dings oft mit schwachen Abplattungen in Folge des gegenseitigen Druckes, und dass ihr Durchmesser zwischen 24 « und 7 u schwankt: am Rande des Eies werden sie noch kleiner, die äußersten erscheinen bei 70facher Vergrößerung noch fast punktförmig. Eine solche fein granulirte äußerste Dotterschicht hat auch BoBRETZKY (78) bei Por- thesia und Pieris und GIArRDINA (98) bei Mantis beobachtet. Eine äußere dotterfreie Plasmaschicht, ein WEIsumanNn’sches Keimhautblastem, ist entweder gar nicht oder höchstens als ganz feines Häutchen vor- handen. Auch hierin stimmen die Verhältnisse bei Mantis und bei Porthesia und Pieris nach den Untersuchungen der oben genannten Autoren mit den hier beschriebenen überein. Jedenfalls ist das Keim- hautblastem an Masse so unbedeutend, dass es bei der Blastoderm- bildung durchaus keine so große Rolle spielen kann, wie WEISMANN und Andere ihm zugeschrieben haben. Bei Lepidopteren ist über- haupt, so viel ich weiß, niemals ein Blastem beobachtet worden.

Auf Querschnitten durch Eier von Ocneria dispar, die ungefähr 24 Stunden nach der Ablage konservirt sind, erhält man Bilder, die das Ansehen von Fig. 1 darbieten. Eine Anzahl der jetzt schon viel zahlreicheren Furchungszellen haben sich in eine außerordentlich regelmäßige Ellipse gestellt, die dem Umfange des Eies koncentrisch ist. Schnitte in verschiedener Richtung ergeben ganz ähnliche Bil- der; man kann also hieraus den Schluss ziehen, dass im Raume diese Furchungszellen so gelagert sind, als ob sie an einer der Ober- fläche des Eies ähnlichen und koncentrischen Fläche angeheftet wären. In diesen Zellen findet man zahlreiche karyokinetische Figuren, und

454 Erich Schwartze,

die Theilungen finden alle tangential zu der von den Zellen einge- nommenen Fläche, also paratangential zur Oberfläche des Eies statt. Diese Zellen sind in eine Schicht von stärker proteplasmatischem Dotter eben so eingelagert, wie früher, als sich noch alle Zellen im Centrum befanden. RER

Nun liegen aber nicht sämmtliche Furchungszellen in dieser ellip- soidischen Fläche, vielmehr sind auch eine ganze Anzahl innerhalb derselben im Centrum des Eies in unregelmäßiger Vertheilung zurück- geblieben; in deren Umgebung sind aber die Dotterkugeln scharf von einander gesondert, eben so wie in der äußersten Schicht des Eies außerhalb von dem stärker protoplasmatischen Mantel. Auch habe ich an diesen Zellen nirgends mehr eine Karyokinese wahrnehmen können, wohl aber zeigen viele derselben einen Zerfall der Kernsub- stanz in einzelne Ohromatinbrocken, wie es Fig. 2 darstellt, in der eine der in Fig. 1 im Inneren liegenden Zellen (in Fig. 1 mit z be- zeichnet) bei 1120facher Vergrößerung wiedergegeben ist.

Im Laufe der weiteren Entwicklung wandern nun die äußeren Zellen immer weiter nach außen, behalten aber ihre regelmäßige Stel- lung bei und vermehren sich durch fortgesetzte indirekte paratangen- tiale Theilungen. Immer ist die Schicht des Dotters, in der diese äußeren Furchungszellen liegen, stärker protoplasmatisch als der innen liegende Kern mit den zurückbleibenden Furchungszellen und als der äußere Mantel. Es scheint also, als ob die Zellen auf das im Ei ursprünglich gleichmäßig zwischen den Dotterkugeln vertheilte Proto- plasma wie Attraktionscentren wirkten und dasselbe bei ihrer Wande- rung mit nach der Peripherie zögen.

Die äußeren Furchungszellen erreichen die Peripherie des Eies zuerst am Äquator, zuletzt an den Polen. An der Oberfläche ordnen sich nun die Zellen unter fortgesetzten lebhaften Theilungen in tangen- tialer Richtung gleichmäßig neben einander an und bilden so das Blastoderm. Hierbei drängt sich mir die Ansicht auf, dass die Zellen des Blastoderms das im Dotter enthaltene Protoplasma, in dem sie vorher eingebettet lagen, resorbiren; denn in etwas späteren Stadien sind die Elemente des Dotters durcehgehends scharf kontourirt, stärker protoplasmatische Stellen also nicht mehr vorhanden. Möglicherweise liest also in der Fähigkeit der äußeren Furchungszellen, das im Dot- ter zerstreute Plasma aufzusammeln, ein Ersatz für das Fehlen des Keimhautblastems, dessen Plasma in anderen Fällen von den Fur- chungszellen resorbirt wird und so beim Aufbau des Blastoderms mithilft. Eine Rückwanderung von Blastodermzellen in den Dotter,

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 455

wie sie für verschiedene. Formen festgestellt worden ist, habe ich hier nicht beobachten können.

Bei Lasiocampa verlaufen die ersten Entwicklungsstadien in durchaus analoger Weise, doch ist diese Form für die Beobachtung dieser frühen Stadien weniger günstig, weil, wie schon oben erwähnt, der Unterschied zwischen dem mit Plasma gefüllten und dem Plasma nicht enthaltenden Dotter bei Weitem nicht so scharf hervortritt wie bei Ocneria.

Aus dem Gesagten und aus Fig. 1 ergiebt sich ohne Weiteres, dass schon in außerordentlich früher Zeit eine Scheidung der Fur- chungszellen in zwei Gruppen erfolgt: Die einen wandern nach außen und bilden das Blastoderm, die anderen bleiben im Dotter liegen und vertheilen sich unregelmäßig in demselben. Diese letzteren sind die Dotterzellen des Eies und stellen als solche, wie weiter unten genauer ausgeführt werden soll, das Entoderm dar, dessen Elemente unmittel- bar nach ihrer Trennung von den übrigen Zellen schon zu degene- riren beginnen. Denn wir haben in dem Zerfall der Kernsubstanz (Fig. 2) zweifellos eine Degenerationserscheinung vor uns, die in ihrem weiteren Verlaufe die Auflösung der Kernmembran, eine starke Ver- mehrung der einzelnen Chromatinbrocken und eine Vertheilung der- selben durch den ganzen Plasmakörper der Zelle zur Folge hat, so dass dieser dann auf Schnitten gar nicht mehr sichtbar ist.

Bildung des unteren Keimblattes und der Blutzellen.

Über den Verlauf der Formirung des Keimstreifs und die Bildung der Embryonalhäute während des zweiten Entwicklungstages habe ich keine Untersuchungen angestellt. Es herrschen indess in diesem Punkte auch wohl kaum größere Meinungsverschiedenheiten unter den einzelnen Autoren; vielmehr kommen dieselben dahin überein, dass sich ein durch zwei seitliche Furchen begrenzter Theil des Blastoderms an der Ventralseite des Eies ins Innere einsenkt und allmählich durch eine vordere, eine hintere und zwei seitliche Amnion- falten überwachsen wird, die schließlich in der Mittellinie verlöthen und so eine innere, dem Keimstreif an seiner äußeren, ventralen Seite anliegende Haut, das Amnion, abtrennen von der den ganzen Inhalt des Eies in sich einschließenden äußeren Embryonalhülle, der Serosa.

Betrachten wir zunächst einen eben fertig gebildeten Keimstreifen in einem zwei Tage alten Ei von Ocneria, von dem Fig. 3 einen Quer- schnitt durch das Vorderende wiedergiebt. Dass derselbe thatsächlich

456 Erich Schwartze,

sich erst ganz kurze Zeit vor der Konservirung vollkommen aus dem Zusammenhang mit dem übrigen Blastoderm, das jetzt die Serosa darstellt, gelöst hat, das ergiebt sich daraus, dass das Amnion (a) der Serosa (s) noch dicht anliegt. Später rückt der Keimstreif mit dem Am- ' nion weiter ins Innere und wird so immers, indem Dotter zwischen Amnion und Serosa eindringt. Während der Bildung des Keimstreifs und der Embryonalhäute hat sich eine Differenzirung der ursprünglich gleichmäßig ungefähr kubischen Blastodermzellen vollzogen: Die Zel- len des Keimstreifs haben sich erhöht und erscheinen nun eylindrisch, die Zellen der Embryonalhäute dagegen haben sich so stark abge- flacht, dass ihr Querschnitt fast nur noch linienförmig ist und nur an den Stellen, an denen die großen, linsenförmigen Kerne liegen, Ver- diekungen zeigt. Das Amnion liegt dem Keimstreif noch sehr dicht an, der Zwischenraum zwischen beiden, die Amnionhöhle (ak), ist in Folge dessen noch sehr eng, während sie sich in späteren Stadien bedeutend erweitert.

Der Keimstreif selbst ist noch in allen seinen Theilen streng einschichtig; die Zellwände verlaufen sämmtlich annähernd senkrecht zur Oberfläche desselben. Die Länge des Keimstreifs beträgt 0,8 mm, die Breite vorn 0,35 mm, hinten 0,2’ mm. Seine Gestalt ist also noch scheibenförmig. Auf dem gezeichneten Querschnitt sind gegen 40 Zellen getroffen; weiter hinten ist die Zahl natürlich entsprechend der geringeren Breite am Hinterende geringer. Am Keimstreif und an der Serosa entlang zieht sich auch jetzt noch eine feinkörnige Dotterschicht, während weiter innen die Dotterkugeln die oben an- gegebenen Größenverhältnisse haben!. Im Dotter sieht man an einigen Stellen (Fig. 3 sy, m Fig. 4 stärker vergrößert) eigenthüm- liche Bildungen, die wohl den von Le£caAıLLon (98) bei Lina be- obachteten Dottersyneytien entsprechen: in einer sternförmigen Plasmamasse, deren Strahlen zwischen je zwei Dotterkugeln ein- dringen, liegen mehrere kugelförmige Kerne (in dem in Fig. 4 dar- gestellten Falle deren fünf), die offenbar durch amitotische Theilung des Kernes einer ursprünglich einkernigen Dotterzelle entstanden

! Um diese Differenz zu zeigen, habe ich in Fig. 4 die Dotterkugeln ein- zeln eingezeichnet; in den späteren Figuren ist der Dotter der Einfachheit hal- ber nur durch homogene Gelbfärbung angegeben, was aber nicht so aufzufassen ist, als ob der Dotter wirklich homogen wäre; es sind dann nur größere und kleinere Kugeln regellos vertheilt. Auch die Gelbfärbung selbst ist nur sche- matisch, thatsächlich erscheint der Dotter auf Schnitten etwas von der zum Nachfärben gebrauchten Farbe gefärbt, bei Nachfärbung mit Boraxkarmin allein fast farblos.

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 457

sind. Da sich solche Syneytien in späteren Stadien nicht mehr finden, so liest die Vermuthung nahe, dass einige Zeit nach dem Kernzerfall auch der Plasmakörper der Zelle sich in eben so viele Theile theilt, worauf sich die während der Theilung zusammen- seballten Chromosomen wieder gleichmäßig im Plasma der Tochter- zellen vertheilen.

In einem um einen Tag älteren Stadium hat der Keimstreifen an Länge und besonders an Breite bedeutend zugenommen; seine Länge beträgt jetzt 0,9 mm, seine Breite vorn 0,55 mm, hinten 0,3 mm; ein Querschnitt (Fig. 5) trifft ungefähr die doppelte Anzahl von Zellen wie vorher. Diese stehen nicht mehr genau in einer Schicht, vielmehr sind an vielen Punkten einzelne Zellen von der Oberfläche abgedrängt und haben keilförmige Gestalt angenommen. Die Zwischenwände der Zellen stehen in Folge dessen jetzt theil- weise schief zur Oberfläche des Keimstreifs. Immerhin ist die Ein- schichtiskeit an vielen anderen Punkten noch gewahrt. Das Amnion ist in Folge der Flächenvergrößerung: des Keimstreifs aus einander sezogsen worden; die Zahl seiner Kerne scheint sich nicht vermehrt zu haben; dieselben liegen jetzt weiter zerstreut, und der Plasma- körper der Amnionzellen ist noch flacher geworden als vorher. Der Keimstreif mit dem Amnion ist inzwischen in den Dotter eingesunken; die feinkörnige äußere Dotterschicht ist verschwunden, eben so die vielkernigen sternförmigen Dotterzellen; vielmehr haben die letzteren (dz) jetzt sämmtlich ihr typisches Aussehen angenommen.

Die Bildung des inneren Blattes, des Mesoderms, vollzieht sich bei Ocneria im Laufe des vierten und fünften Entwicklungstages durch deutliche Einsenkung des mittleren Theiles des Keimstreifs zu einem in der Mediane verlaufenden Rohre. Die Figg. 6, 7 und 3 veranschaulichen den Vorgang. Sie sind von verschiedenen Quer- schnitten derselben Serie genommen, Fig. 6 vom Vorderende, Fig. 7 aus der Mitte, Fig. 8 vom Hinterende des Keimstreifs. Die Figuren können aber auch in der umgekehrten Reihenfolge als Darstellungen von drei Stadien der Mesodermbildung an derselben Stelle des Keim- streifs aufgefasst werden, abgesehen von der verschiedenen Breite des Keimstreifs in seinen verschiedenen Theilen, die gerade bei der Vergleichung dieser drei Figuren sehr deutlich hervortritt. Die Ein- senkung des Rohres erfolgt zuerst am Hinterende des Embryos und setzt sich allmählich weiter nach vorn fort. Zuerst zeigt dasselbe ein deutliches Lumen (Fig. 6), aber schon in diesem Stadium haben die Zellen die Tendenz sich seitlich auszubreiten; bald darauf ver-

458 Erich Schwartze,

löthen die Wände des Einstülpungsrohres mit einander, indem das Lumen desselben mit Zellen ausgefüllt wird (Fig. 7); es ist jedoch noch keine Grenze zwischen den Zellen des äußeren und des inneren

Blattes vorhanden, vielmehr gehen die Zellen des einen ganz all-

- mählieh in die des anderen über. Die Mesodermmasse hat sich ein

wenig mehr abgeflacht und seitlich ausgedehnt. Wieder etwas später endlich (Fig. 8) ist die Mesodermschicht noch flacher geworden, hat sich aber über einen großen Theil der Breite des Ektoderms nach den Seiten hinweggeschoben und ist von diesem hier durch eine scharfe Grenze getrennt; nur in der Mediane, wo die Einstülpung stattgefunden hatte, ist noch ein allmählicher Übergang der Zellen der beiden Keimblätter in einander wahrzunehmen!. Schließlich bildet sich auch hier eine scharfe Grenze zwischen dem oberen und dem unteren Blatte. Das Hinterende des Embryos hat dieses Stadium zu einer Zeit schon erreicht, in der das Vorderende noch ein deutliches Einstülpungsrohr zeigt. Der Process schreitet, wie schon erwähnt, von hinten nach vorn fort, aber nicht gleichmäßig; es bleibt vielmehr die Segmentmitte stets beträchtlich gegen die Segmentgrenzen zurück, so dass in diesen das Einstülpungsrohr schon verstrichen ist, während es in der Mitte der Segmente sich noch nach außen öffnet. Überhaupt scheint an den Segmentgrenzen die Einsenkung von vorn herein schwächer zu sein; sicher wird hier nur wenig Mesoderm gebildet, und dasselbe zieht sich sehr bald nach den Seiten zurück, eine Erscheinung, die später auch in der Segment- mitte stattfindet, so dass schließlich die ganze Medianlinie von Meso- derm entblößt ist. |

Die Einschichtigkeit des Keimstreifs ist in dem abgebildeten Sta- dium vollständig verloren gegangen; die Zellgrenzen weichen im Ektoderm oft bedeutend von der zur Oberfläche des Embryos senk- rechten Lage ab, sind aber hier überhaupt meist nur schlecht zu er- kennen; besser gelingt das im Mesoderm, und hier laufen dieselben in den mehrschichtigen Theilen regellos bald in einer, bald in einer anderen Richtung. Die Länge des Embryos beträgt jetzt ea. 1,05 mm, seine Breite vorn 0,35 mm, hinten 0,25 mm. Die Länge steht also jetzt zur Breite in einem solchen Verhältnis, dass erst jetzt der Name Keimstreif wirklich berechtigt erscheint, während man in

! Hier und in allen folgenden Figuren ist das untere Blatt dunkler, das obere heller angegeben, was aber wieder bloß als schematisches Unterscheidungs- mittel aufzufassen ist, nicht so, als ob thatsächlich das untere Blatt immer stärker gefärbt wäre als das obere.

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 459

früheren Stadien, wo der Embryo noch eine schildförmige Gestalt hat, wohl besser von einer Keimplatte oder Keimscheibe redet. Der Dotter lässt in diesem Stadium andeutungsweise die sogenannte sekundäre Dotterfurchung erkennen, d. h. einen Zerfall in größere Haufen von Dotterkügelchen ; aber die Erscheinung ist hier nur wenig deutlich ausgebildet, und ich habe eine gesetzmäßige Lagerung der Dotterzellen in den einzelnen Furchungshaufen nicht beobachten können, wie das z. B. bei Pieris in diesem Stadium sehr deutlich ausgeprägt ist, wo im Üentrum eines jeden der scharf getrennten Ballen von Dotterkugeln ein annähernd rundlicher Dotterkern liegt. Später verlieren die Dotterkerne auch hier ihre Kugelform und gestalten sich unregelmäßig.

Mit dem eben beschriebenen Stadium schließen meine genaueren Untersuchungen an Ocneria ab. Ich gehe nun zu den Verhältnissen bei Lasiocampa fasciatella var. excellens über, an der ich die Haupt- frage meiner Arbeit, die Entwicklung des Darmes, untersucht habe. Lasiocampa verdient bei genauer Untersuchung der Entwicklung eines bestimmten Organsystems vor Ocneria desswegen den Vorzug als Untersuchungsmaterial, weil die Lasiocampa-Eier zu ihrer Ent- wicklung drei bis vier Monate gebrauchen, sich also alle Verände- rungen viel allmählicher vollziehen, als bei den Ocneria-Eiern, die, obwohl sie ebenfalls überwintern, doch bereits nach kaum drei Wochen die fertige Raupe in sich enthalten.

Betrachten wir zunächst wie bei Ocneria die Vorgänge, die sich an dem eben fertig gebildeten Keimstreifen aus einem fünf Tage alten Ei vollziehen. Fig. 9 stellt bei schwacher Vergrößerung einen Querschnitt durch die vordere Partie eines solchen dar, der aber be- reits in den Dotter versenkt ist. Die Seitenränder sind nach innen, d. h. dorsalwärts umgeschlagen; die Länge beträgt 0,50 mm, die Breite vorn 0,75 mm, hinten 0,50 mm. Die Zellen liegen zum größten Theile in einer Schicht, doch sind auch schon viele von der Oberfläche abgedrängt und in Folge dessen keilförmig, gegenüber der eylindrischen Gestalt der übrigen. Die schwach vergrößerte Fig. 9 macht freilich nieht den Eindruck einer einzigen Zellschicht; das rührt aber daher, dass die Kerne nicht, wie bei Ocneria in diesem Stadium, ungefähr in einer Ebene liegen, sondern bald weiter nach außen, bald weiter nach innen gerückt sind. Nur in so fern ‚sind die Kerne regelmäßig angeordnet, als sie das innerste Drittel der Zellräume frei lassen. Nach innen trägt nämlich fast jede Zelle eine große Vacuole, die offenbar in Beziehung zu der Resorption

460 Erich Schwartze,

des Nahrungsdotters durch den Keimstreifen zu setzen ist. Wenn an einzelnen Stellen auch ganz dicht an der Innenfläche des Keim- streifs Kerne liegen, dann handelt es sich hier um besondere Ver- hältnisse, die weiter unten besprochen werden sollen. In der Mitte zeigt der Keimstreif eine hier noch ganz seichte, längsverlaufende Einsenkung (Fig. 9 r). Das Amnion liest dem Embryo dicht an, eine Amnionhöhle ist also noch kaum vorhanden. Die Amnionzellen und eben so die der Serosa haben sich bereits vollkommen abgeflacht und zeigen den gleichen linienförmigen Querschnitt wie bei Ocneria. Der Durchmesser der linsenförmigen Kerne beträgt ea. 15 u. Im Dotter sind größere und kleinere Dotterkugeln regellos vertheilt, doch liegen die von der Wölbung des Keimstreifs eingeschlossenen Dotterkugeln etwas dichter als die äußeren, und unter den letzteren erreichen einzelne einen Durchmesser von 12 «u, während der Durch- messer der inneren höchstens 10 u beträgt. Auch liegen in diesem inneren Theile des Dotters mehr Dotterzellen. Diese haben, was ihren inneren Bau anbetrifft, bereits ihr typisches Aussehen ge- wonnen, sie erscheinen nur als ein Haufwerk von Chromatinbröck- chen, wie es Fig. 10 in 1120facher Vergrößerung wiedergiebt. Die Gestalt der Dotterzellen ist indess hier noch nicht ganz unregelmäßig, wie später, sondern noch annähernd kugelförmig; ihr Durchmesser beträgt durchschnittlich ca. 20 u, doch ist ihre Größe ziemlich va- riabel. Sie vermehren sich durch einfachen Zerfall.

Ein um einige Stunden älteres Stadium unterscheidet sich von dem eben beschriebenen nur durch seine etwas bedeutendere Größe: die Länge ist jetzt 0,85 mm, die Breite vorn 1,1 mm, hinten 0,65 mm. Die Breite hat also viel stärker zugenommen als die Länge und über- trifft diese jetzt erheblich. Außerdem aber hat sich die vorher ganz seichte mediane Längseinsenkung inzwischen zu einer deutlichen Rinne (Fig. 11 r) vertieft. Das Amnion ist dieser Vertiefung nicht gefolgt, sondern spannt sich jetzt membranartig über die Rinne hinweg von der einen Seite des Keimstreifs zur anderen. Bei einem ungefähr gleichaltrigen Embryo (Fig. 12), dessen Entwicklung aber schon etwas weiter fortgeschritten ist, haben sich die erwähnten Veränderungen stärker ausgeprägt; die Größe hat weiter zugenommen (Länge 0,95 mm, Breite vorn 1,25 mm, hinten 0,50 mm); die Zellen haben außerdem die Anordnung in eine Schicht jetzt fast überall verlassen, und der Keimstreif hat in Folge dessen auch an Dieke ein wenig zugenommen; dieselbe beträgt jetzt durchschnittlich 50 u, gegen 40 u im vorhergehenden Stadium. Die mediane Längsrinne (Fig. 12 r)

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 461

hat sich wiederum ganz bedeutend vertieft, und die dieselbe be- srenzenden Zellen sind fast alle in karyokinetischer Theilung be- sriffen, haben also die Tendenz sich sehr lebhaft zu vermehren. Am Boden der Rinne liegen die Zellen noch in einer Schicht, was sich ohne Weiteres aus der starken Ausdehnung dieser Region bei der Vertiefung der Rinne erklärt. Karyokinetische Figuren zeigen sich übrigens reichlich in allen Partien des Keimstreifs vertheilt, da ja überall starkes Wachsthum vorliegt. Auch hier ist eine sekundäre Dotterfurchung vorhanden, aber eben so wenig deutlich wie bei Oeneria. |

Wie schon oben bei der Beschreibung des ersten Stadiums und dasselbe silt für die beiden folgenden erwähnt wurde, lassen die Zellkerne im Allgemeinen die Innenfläche des Keimstreifs frei. Die Kerne, die man trotzdem von Strecke zu Strecke innen liegen findet, gehören solchen Zellen an, die aus dem Zellverbande des Keimstreifs in den Dotter auswandern. Fig. 13 stellt einen kleinen Theil des in Fig. 11 abgebildeten Querschnittes bei stärkerer Vergröße- rung dar. Man erkennt deutlich die annähernd einschichtige Lage- rung der Zellen, deren jede an der Innenseite eine große Vacuole (v) trägt; manche haben außerdem noch einzelne kleinere Vacuolen. An mehreren Kernen sind karyokinetische Figuren erkennbar. In der Mitte der abgebildeten Schnittpartie liegt nun eime etwa birnförmig sestaltete Zelle am Innenrande des Keimstreifs, und zwar so, dass der verjüngte Theil der Zelle noch zwischen die normalen eylindri- schen Zellen eingekeilt ist, der größere bauchige Theil mit dem Kern aber frei über die Oberfläche des Keimstreifs in den Dotter hervor- ragt (Fig. 13 2,)). Das Volumen dieser Zelle ist beträchtlich kleiner als das der normalen Keimstreifzellen, wesentlich wohl desshalb, weil die große Vacuole verschwunden ist und statt ihrer nur eine Anzahl kleiner rings um den Kern herum angeordnet sind. Dieser selbst zeigt hier noch ein normales Aussehen; doch ist er in anderen Fällen bei ganz eben so gelagerten und gestalteten Zellen bereits in mehrere unzusammenhängende unregelmäßig gestaltete Chromatinbrocken zer- fallen. Außerdem liegen Zellen mit mehr oder weniger deutlichem Plasmakörper, in den solehe Chromatinstückchen in wechselnder Zahl eingelagert sind, in diesen Stadien in reichlicher Menge nahe an der Innenseite des Keimstreifs im Dotter (Fig. 13 2). Es handelt sich hier also ohne Zweifel um eine Einwanderung von Zellen aus dem Keimstreif in den Dotter und gleichzeitig oder etwas später erfolgende Degeneration dieser Zellen. Heymoxs (95) hat denselben Vorgang

499 Erich Schwartze,

bei Forfieula und verschiedenen Orthopteren beschrieben und die Zellen als Paracyten bezeichnet; auch GTARDINA (98) hat dieselben bei Mantis beobachtet. Ich schließe mich der Ansicht von Herymoxs vollkommen an, dass diese Zellen mit den »sekundären (kleinen) Dotterzellen« _ CHOLODKOWSKY’s (91), die nach Hrymons’ und meinen Untersuchungen nichts Anderes darstellen als die Blutzellen, und deren Einwanderung etwas später erfolgt, durchaus nicht identifieirt werden dürfen. Eben so wenig kann ich die Behauptung als richtig gelten lassen, die LECAILLON gegenüber HEYMoNS aufgestellt hat. LECAILLON (98) be- hauptet nämlich, dass es sich hier nicht um Zellen handelte, die zur sofortigen Degeneration bestimmt seien, sondern um eine Vermehrung der Dotterzellen durch diese aus dem Keimstreif auswandernden Zellen. Dass thatsächlich keine Umwandlung der Paracyten in Dotter- zellen stattfindet, das geht mit Sicherheit daraus hervor, dass der Plasmakörper derselben allmählich immer mehr der Auflösung an- heimfällt, dabei aber nicht wie bei den Dotterzellen eine Vermehrung des Chromatins eintritt, sondern die einzelnen Chromatinbröckehen einfach aus einander fallen und sich zwischen den Dotterkugeln zer- streuen. Man sieht solche einzelne Chromatinstückchen zahlreich im Dotter liegen; in einem nur wenig späteren Stadium sind sie aber schon spurlos verschwunden. Die Paracyten degeneriren also voll- kommen und ausnahmslos.

Noch eine interessante Erscheinung ist in diesem Stadium wahrzu- nehmen, nämlich die direkte Kerntheilung in den Zellen der Serosa, die schon von mehreren Autoren beschrieben worden ist. Fig. 14 zeigt einen Tangentialschnitt durch den einen Pol desselben Eies, das den Embryo Fig. 12 enthielt. Die oberste Kuppe ist abgeschnit- ten und desshalb ist die Mitte des abgebildeten Schnittes von Dotter erfüllt. Wir sehen fast in allen vom Schnitte getroffenen Zellen zwei Kerne liegen, in einigen einen in der Mitte sich spaltenden Kern (Fig. 14 am). Die amitotische Theilung erzeugt also hier an den Kernen nicht die bekannte biskuitförmige Figur, sondern der linsen- förmige Kern zerfällt einfach in zwei Halblinsen, die sich allmählich wieder zur ursprünglichen Gestalt abrunden. Die Zellen theilen sich später ebenfalls, denn in späteren Stadien besitzt jede Serosazelle nur einen Kern. Dass die Theilkerne in der Figur so verschieden groß erscheinen, liegt lediglich daran, dass sie in verschiedener Höhe geschnitten sind; ein Totalpräparat von einem Stückchen abgenommener Serosa zeigt, dass sämmtliche Theilkerne genau die gleiche Größe haben.

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 463

Gehen wir nun wieder zur Betrachtung der Bildung des inneren Blattes über, so zeigen uns Stadien, die einige Tage älter sind als das in Fig. 12 dargestellte, dass in dem größeren vorderen Theile des Keimstreifs am Boden der schon vorhin besprochenen Rinne sich die Zellen aus dem epithelartigen Verbande der Rinnenwand lösen und sich ihr massenhaft außen, d. h. nach der Innenseite des Eies hin, an- lagern. Eine Grenze zwischen den so gebildeten Mesodermzellen und den Wandzellen der Rinne ist vorläufig durchaus noch nicht vorhanden, am Boden der Rinne ist in vielen Fällen indirekte Kerntheilung zu beobachten, hier findet also eine starke Zellwucherung statt. Allmäh- lich schieben sich die so entstandenen Mesodermmassen mehr nach den Seiten hin und sind hier natürlich sofort scharf von dem äußeren Keimblatte getrennt. Die Figg. 15 und 16 zeigen diese Verhältnisse. Die Schnitte sind in etwas verschiedener Höhe geführt, der in Fig. 15 dargestellte etwas weiter vorn, an einer Stelle, an der sich der Kopf des Embryos bereits dorsal geschlossen hat, ein Vorgang, der ganz vorm also sehr früh erfolgt. In dieser dorsalen Kopfkappe, an der die Ansatzstelle des Amnions in der Figur deutlich hervortritt, liegt an der Ventralseite jederseits ebenfalls eine Mesodermschicht, hier aber scharf von dem darüberliegenden Ektoderm abgegrenzt. ‚Diese Mesodermstreifen stehen in der vorderen Wölbung des Kopfes mit dem ventralen Mesoderm in Verbindung, sie stellen nur Ausläufer des letzteren dar, die bei dem dorsal- und etwas rückwärts gerichteten Wachsthum des vorderen Ektoderms bei der Bildung der Kopfkappe mitsewachsen sind. Fig. 16 stellt einen ein wenig weiter hinten liegenden Querschnitt durch einen anderen etwa gleichalterigen Keim- streif dar. Die Kopfkappe reicht nicht bis zu dieser Region, also erscheint der Keimstreif dorsal offen. Wir bemerken auch hier die mediane Ektodermrinne, deren Tiefe aber an dieser Stelle schon be- deutend redueirt ist, und den allmählichen Übergang der Zellen des äußeren in die des inneren Blattes am Boden der Rinne.

Bei dem starken Längenwachsthum, welches der Embryo in der Zeit zwischen dem zuletzt und dem vorher beschriebenen Stadium er- fahren hat, ist die bekannte Einkrümmung mit der Bauchfläche nach außen erfolgt. Die mediane Rinne ist nach hinten ebenfalls länger geworden, erreicht aber nieht ganz das Ende des Keimstreifs. In dem letzten Sechstel desselben etwa tritt vielmehr die Mesodermbil- dung nach einem anderen Typus ein, den man als seitliche Über- schiebung bezeichnet hat. Der mittlere Theil des Keimstreifs löst sich nämlich in zwei Längslinien von den Seitentheilen ab und senkt

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, LXVI. Bd. 30

464 Erich Schwartze,

sich etwas tiefer in den Dotter ein, während sich die Seitenflächen ventral allmählich über den Mitteltheil hinüber schieben und sich schließlich in der Mediane wieder vereinigen. Fig. 19 zeigt ein Stadium, in dem die Mittelplatte zwar schon seitlich vom Ektoderm überwachsen ist, aber um die Mediane noch mit einer ziemlich breiten Oberfläche frei liegt; in Fig. 20 dagegen, die einen Querschnitt durch einen anderen Keimstreif etwas weiter hinten darstellt, berührt das keilförmig gestaltete Mesoderm die Oberfläche nur noch mit einer einzigen Zelle. Fig. 21 endlich stellt dieselben Verhältnisse auf einem annähernd in der Mediane geführten Längsschnitte durch das Hinterende eines Embryos dar. Wir sehen, dass das Mesoderm in der Mediane noch in ziemlich großer Ausdehnung frei liegt, dass aber am hintersten Ende die Überschiebung bereits bis zur medianen Verwachsung der Seitenplatten gediehen ist. Weiter vorn ist die Mesodermbildung durch Einsenkung einer Rinne schon beendet, an den Segmentgrenzen hat das Mesoderm die Mediane bereits verlassen.

Abgesehen von diesem späteren Abschlusse der Mesodermbildung am Hinterende erfolgt dieselbe auch hier, wie bei Ocneria, von hinten nach vorn fortschreitend, und auch hier verstreicht die Ektodermrinne an den Segmentgrenzen schneller als in der Mitte der Segmente, und an den Grenzen wird nur wenig Mesoderm gebildet, das sich hier sehr bald von der Mediane zurückzieht und nur jederseits einen dünnen lateralen Streifen bildet. Diese Streifen verbinden die weit stärkeren lateralen Mesodermmassen, die in der Mitte des Längsverlaufes der Segmente liegen. Etwas später als an den Segmentgrenzen weicht auch in der Mitte der Segmente das Mesoderm von der Mediane zurück; die Ge- sammtmasse desselben ist also dann in zwei seitlichen Längssträngen mit segmentalen Verdiekungen angeordnet. In diesen Verdiekungen bildet sich allmählich ein mittlerer Hohlraum, um den die Zellen auf (Querschnitten in einem Dreieck gelagert sind. Diese Hohlräume sind die Cölomsäckchen, die einige Zeit erhalten bleiben, später aber, wenn ihre Wände zur Bildung der verschiedenen mesodermalen Organe ver- braucht werden, sich mit dem großen ventralen, zwischen Darm und Nervensystem liegenden Blutsinus, dem Epineuralsinus, vereinigen.

Gehen wir nun noch einmal zu dem Stadium der Mesodermbil- dung zurück. Dieselbe erreicht also am Vorderende des Keimstreifs am spätesten ihren Abschluss und ist außerdem hier von einer In- tensität, wie an keiner anderen Stelle. Hier zeigt sich nun eine sehr auffällige Erscheinung. Während am Boden der Ektodermrinne noch fortwährend neues Mesoderm gebildet wird, löst sich an dem

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 465

First der hier zu einem mächtigen keilförmigen Haufen angewachse- nen Mesodermmasse der Zusammenhang der Zellen und eine Menge von einzelnen Zellen oder kleinen Zellgruppen, die aber auch bald aus einander fallen, wandern in den Dotter aus. Fig. 15 zeigt bei bl dies Verhalten sehr deutlich; auch auf Fig. 16 ist es zu erkennen; eben so stellt der Sagittalschnitt in Fig. 17 diese Erscheinung dar. Derselbe ist nicht ganz median geführt und zeigt desshalb eine scharfe Grenze zwischen dem oberen und dem unteren Keimblatte, die aber in der Mediane hier natürlich eben so wenig vorhanden ist, wie sonst. Die auswandernden Zellen zerstreuen sich nun im Dotter, sehen aber nicht über den vom Keimstreifen überwölbten Theil des- selben hinaus. Am zahlreichsten finden sie sich später in der Nähe der Körperwand des Embryos. Bei und nach der Auswanderung vergrößern sich die Zellen etwas und runden sich zu annähernd kugelförmiger Gestalt ab, zuerst oft noch mit einem oder mehreren langen, pseudopodienartigen Fortsätzen, die aber bald verschwinden. Der Körper der Zellen scheint bei der Vergrößerung nicht an Masse zuzunehmen, sondern es bilden sich in demselben zahlreiche oft sehr sroße Vacuolen, die den Zellen bei schwacher Vergrößerung eine ganz helle Farbe und ein netzartiges Aussehen verleihen, bei sehr starker Vergrößerung dagegen einen ähnlichen Eindruck machen, wie ein Haufen an einander hängender Seifenblasen, nur dass die Zwischenwände relativ viel dicker und die einzelnen Bläschen nicht so stark abgeplattet sind, sondern immer noch die Kugelform er- kennen lassen. Fig. 18 stellt eine solche Zelle in 1120facher Ver- srößerung dar; der Kern ist fast immer excentrisch, zuweilen einer Vacuole dicht angelagert. Der Durchmesser der Zellen beträgt 12—16 u.

Was die Funktion dieser Zellen anbetrifft, so stellen sie, wie bereits Heymons (95) für Orthopteren und Forficula und LECAILLON (98) für verschiedene Chrysomeliden konstatirt haben, die Blutzellen dar. Bewiesen ist das dadurch, dass man diese Zellen von hier an durch alle Stadien hindurch verfolgen kann und sie schließlich massenhaft im Herzen und in den übrigen Blutbahnen liegen findet. Diese Be- stimmung der Zellen schließt durchaus nicht aus, dass sich dieselben auch an der Auflösung des Dotters betheiligen; das ist sogar sehr wahrscheinlich, da sie durchaus das Aussehen haben, was resor- birenden Zellen im Allgemeinen zukommt. Man kann daher die Bezeichnung »sekundäre Dotterzellen«, die CHOLODKOWSKY (91) diesen Zellen gegeben hat, wohl als richtig gelten lassen, aber dieser zweite Name für dieselbe Sache hat keinen rechten Zweck.

30*

466 Erich Schwartze,

Während nun Hrymons und LicAıLLon bei den von ihnen unter- suchten Formen eine Einwanderung von Blutzellen in den Dotter von der ganzen Medianlinie des Keimstreifs aus beobachtet haben, weise ich hier noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass bei Lasiocampa diese Einwanderung beschränkt ist auf diejenige Stelle des Embryos, an der sich die Ektodermrinne vorn zuletzt schließt, d. h. auf einen sehr geringen Theil der ganzen Länge des Keimstreifs. Zwar bilden sich auch an weiter hinten liegenden Theilen segmentale Mesoderm- anhäufungen (vgl. Fig. 21), aber dieselben erreichen niemals die Mächtigkeit wie die vordere Mesodermmasse, und zeigen niemals eine Lockerung ihrer Zellen. Auch finden sich vor der Bildung der vorderen Mesodermanhäufung niemals Blutzellen im Dotter, und kurz nach ihrer Bildung liegen dieselben nur in unmittelbarer Nähe der Mesodermmasse, während sie sich später immer weiter nach hinten verbreiten. Auch in der Gestalt der Blutzellen zeigen sich bei den verschiedenen Formen beträchtliche Unterschiede; nach LECAILLON sind sie bei den Chrysomeliden zwar auch kugelförmig, aber er sagt ausdrücklich: »Le noyau, lui m@me spherique, est au centre du protoplasma.« Bei den von Hrymons untersuchten Formen haben da- gegen die Blutzellen eine amöboide Gestalt und sind auch amöboid beweglich. Bei den von den genannten Autoren beschriebenen Formen erfolgt die Blutzellenbildung auch etwas später, nämlich erst nach dem Abschlusse der Mesodermbildung.

Ob thatsächlich, wie SCHÄFFER (89), allerdings für entwickelte Raupen, angiebt, eine nachträgliche Vermehrung der Blutzellen durch Zellen, die aus dem mesodermalen Fettkörpergewebe auswandern, stattfindet, das vermag ich leider nicht zu entscheiden. Darin hat der genannte Autor jedenfalls recht, dass die Zellen des Fettkörpers nach ihrer Differenzirung von dem übrigen Mesoderm wegen ihres ebenfalls von großen Vacuolen erfüllten Plasmas mit den Blutzellen die allergrößte Ähnlichkeit haben, und da überdies das Fettkörper- gewebe gegen die definitive Leibeshöhle ziemlich unregelmäßig be- grenzt ist, habe ich mir kein Urtheil darüber bilden können, ob eine Auswanderung erfolgt oder nicht.

Wenn einzelne ältere Autoren, wie TICHOMIROFF (79) und Woop- WORTH (89), behauptet haben, die Dotterzellen betheiligten sich an dem Aufbau .des Mesoderms, dann rührt diese Auffassung, wie mir scheint, von einer falschen Deutung der Auswanderung der Blutzellen her, als ob nicht diese aus dem Mesoderm in den Dotter auswanderten, sondern sich im Gegentheil Dotterzellen an das Mesoderm anlegten.

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 467

Ungefähr gleichzeitig mit dem vollkommenen Schlusse der Ekto- dermrinne ist auch die Auswanderung der Blutzellen beendigt; die vordere Mesodermanhäufung hat sich verloren, so dass das Mesoderm hier jetzt keine stärkere Lage bildet als irgendwo anders. Die Länge des Keimstreifs hat in diesem Stadium ganz bedeutend zugenommen, sie beträgt jetzt 3 mm; auch die Dicke hat sich erheblich vergrößert; für dieselbe lässt sich aber jetzt keine bestimmte Zahl mehr angeben, da sie ganz verschieden ist, je nach der größeren oder geringeren Höhe oder dem gänzlichen Fehlen des Mesoderms an den verschie- denen Stellen. Beide Dimensionen haben aber auf Kosten der dritten zugenommen: Die Breite hat sich vorn auf 0,45, hinten auf 0,15 mm vermindert. Die Zellen sind jetzt in beiden Keimblättern ziemlich unregelmäßig gelagert. Die Amnienhöhle hat sich stark erweitert, die Kerne des Amnions liegen in Folge dessen noch weniger dicht als früher; an den Stellen, wo die Zellen um die Kerne herum ver- diekt sind, tragen sie oft hakenartige Fortsätze, die in den äußeren Dotter hervorragen (Fig. 15 azf, urd in vielen der folgenden Figuren). Die Segmentirung ist schon einigermaßen zu erkennen, wenn auch noch nicht so deutlich, dass man die Segmente abzählen könnte. Auch die Extremitätenanlagen sind theilweise schon durch seichte Hervor- stülpungen jederseits an der Ventralseite der Segmente angedeutet. Die Dotterzellen haben jetzt eine vollkommen unregelmäßige Gestalt und Größe angenommen; die Länge der größten habe ich zu 23 u semessen. Aus dem Mesoderm wandern hier und da einzelne Zellen aus, die eine Auflösung des Plasmakörpers und einen Zerfall der Kernsubstanz zeigen; wir haben es hier wiederum mit Paracyten zu thun, die im Dotter zu Grunde gehen. Dieselben sind aber jetzt bei Weitem nicht so zahlreich wie bei der Auswanderung aus dem noch einschichtigen Keimstreif. Immerhin ist hiermit die Angabe von Heymons (95) durchaus bestätigt, dass die Paracyten nicht an ein bestimmtes Keimblatt gebunden sind.

Die Bildung des Darmes. a) Vorderdarm und vordere Mitteldarmanlage.

Bald nachdem die vordere Mesodermanhäufung sich abgeflacht hat, entsteht am vorderen, dorsalwärts umgeschlagenen Ende des Keimstreifs, noch vor der Stelle, die vordem die Mesodermanhäufung _ eingenommen hatte, eine seichte Vertiefung in der Mediane. Fig. 22 zeigt dieselbe im Längsschnitte bei si. Wir sehen, dass die höchste Kuppe der Vorwölbung vom Mesoderm entblößt ist und frei dem Dotter

465 Erich Schwartze,

anliegt. In dieser vorläufig noch ganz seichten Einstülpung haben wir die erste Anlage des Vorderdarmes oder Stomodäums zu erblieken. In diesem Stadium beginnt auch, besonders am Hinterende des Keim- streifs deutlich wahrnehmbar, die Bildung der Cölomsäckehen durch . Auseinanderweichen des mehr dorsalen und mehr ventralen Theiles der Mesodermmasse jederseits in der Mitte der Segmente. Das Stomodäum nimmt an Größe sehr bald zu; das folgende, in Fig. 23 abgebildete Stadium zeigt, dass sich die Einstülpung bedeutend vertieft hat; sie hat das Mesoderm weit aus einander gedrängt und ist jetzt am Grunde nicht mehr einfach kuppelförmig gewölbt, sondern besitzt eine mehr oder weniger gerade abgeschnittene Endfläche. Die Zellen der Wand sind in lebhafter Theilung begriffen; die innersten Zellen, d. h. die- jenigen, die am Boden der Einstülpung liegen, zeigen auf vielen Schnit- ten die Tendenz seitlich gerichtete Fortsätze (Fig. 23 zf) zu bilden. Diejenige Mesodermpartie, die dem Stomodäum an der hinteren Seite anliegt, hat inzwischen eine eigenthümliche Umwandlung erlitten; die Zellen haben sich etwas vergrößert, ihr Plasma ist heller geworden und erscheint äußerst feinkörnig und von vielen sehr kleinen Vacuolen durchsetzt. Diese Bildung wird als der Subösophagealkörper (Fig. 23 s«) bezeichnet und dient nach der Angabe von HEymons (95) wahrschein- fich der exkretorischen Funktion. Er liegt während dieser und der nächsten Stadien der Basis des Stomodäums dicht an: diese erscheint also auf Querschnitten von einem Mesodermring umschlossen, der an der hinteren, später ventralen Seite von den Zellen des Subösophageal- körpers unterbrochen ist. An Länge vergrößert sich der Keimstreif in dieser Periode nicht wesentlich, doch nimmt die Masse desselben bedeutend zu. Die Cölomsäckchen sind jetzt überall gut entwickelt; die Extremitäten haben sich vergrößert, und es ist Mesoderm von den Cölomsäckchen aus in ihre Höhlung eingedrungen. Im Dotter sind Dotterzellen und Blutkörperchen unregelmäßig vertheilt, nur liegen die letzteren nahe an der Innenfläche des Keimstreifs in etwas größerer Zahl als weiter davon entfernt. Hier und da finden sich in dem Theile des Dotters, der vom Keimstreif überwölbt wird, Stellen, an denen die Dotterkugeln in Folge der Thätigkeit der im Dotter ent- haltenen zelligen Elemente aufgelöst und zu einer Flüssigkeit ver- ändert worden sind, die im geronnenen Zustande als eine sehr fein sranulirte Masse erscheint. Wir haben es hier offenbar mit den ersten Spuren von Blutflüssigkeit zu thun, die in den späteren Sta- dien die ganze definitive Körperhöhle erfüllt.

Ein Medianschnitt durch das Vorderende eines um einige Tage

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 469

älteren Stadiums hat das Aussehen von Fig. 24. Das Stomodäum hat sich wieder erheblich vertieft, in der Mitte seines Längsverlaufes verengt sich das Lumen desselben, um sich aber am Boden wieder etwas zu erweitern. Die Endfläche zeigt auch jetzt an ihrem Außen- rande noch die eigenthümlichen Zellfortsätze (Fig. 24 z2f) wie in dem vorhergehenden Stadium; ich habe dieselben, als ich sie zuerst beob- achtete, in Beziehung zu der Anlage des Mitteldarmes gesetzt; ein solcher Zusammenhang besteht aber, wie ich später gefunden habe, nicht, vielmehr glaube ich, dass die Entstehung dieser Zellfortsätze darauf zurückzuführen ist, dass die in den Dotter hineinwachsende Kuppe des Stomodäums zunächst, wenn die Einstülpung noch flach ist, an dem angrenzenden Mesoderm, beziehungsweise dem Suböso- phagealkörper, später, wenn die Einstülpung sich weiter vertieft hat, an dem Dotter eine bedeutende Reibung erfährt, die den äußeren Theil der Zellen zurückzuhalten sucht. Dieser Ansicht entspricht vollständig die Thatsache, dass die Fortsätze an dem vorderen, später dorsalen Theil des Randes der Endfläche stärker sind als an dem hinteren, später ventralen Theile. Denn da das Stomodäum nicht senkrecht zur Oberfläche des Keimstreifs an der betreffenden Stelle auswächst, sondern die Neigung hat sich ein wenig ventralwärts, d. h. nach dem Keimstreif hin zu krümmen, so muss natürlich das Wachs- thum an der so konvex werdenden Rückenseite stärker sein als an der konkaven Bauchseite.e Demgemäß wird auch der beim Wachsen von den reibenden Theilen ausgeübte Zug dorsal stärker sein als ventral. In Fig. 23 hat sich der dorsale Fortsatz etwas vorwärts in den Dotter hineingeschoben, auf vielen anderen Schnitten liegt der- selbe aber dem Mesoderm dicht an und macht dann besser den Ein- druck des Anhaftens. Dass eine solche Adhäsion des Mesoderms an der Dorsalseite wirklich besteht, dafür spricht noch deutlicher der Umstand, dass in der dorsalen Wand des Stomodäums, so weit der- selben außen Mesoderm angelagert ist, die Zellgrenzen sämmtlich derartig schräg verlaufen, dass ihr inneres, dem Lumen der Einstül- pung: zugekehrtes Ende dem Hinterende des Stomodäums viel näher liest, als ihr äußeres Ende. Es ist also der äußere Theil der Zellen, der nur Protoplasma enthält, in Folge der Adhäsion an das Mesoderm gegenüber dem inneren, den Kern enthaltenden Theil zurückgeblieben. Ziemlich in der Mitte der Endfläche, ein wenig mehr nach der Ven- tralseite hin sind außerdem in Fig. 24 zwei Zellen (onZ) sichtbar, die sich etwas über die anderen erhoben haben und einen Vorsprung der Endfläche bilden. In diesen und den entsprechend liegenden Zellen,

470 Erich Schwartze,

im Ganzen nur in einigen wenigen Zellen, haben wir die erste An- deutung der vorderen Mitteldarmanlage zu erkennen. Der Subösopha- gealkörper hat an Größe etwas zugenommen, nicht aber an Zellenzahl, vielmehr haben sich die einzelnen Zellen vergrößert, sie enthalten . jetzt deutlich sichtbare Vacuolen, die fast die Größe der Zellkerne erreichen. In Folge dessen ist der Subösophagealkörper jetzt noch etwas heller gefärbt als früher.

Die Seitentheile des Kopfes, die etwas weiter nach vorn reichen, als der mittlere Theil, haben sich inzwischen stark vergrößert, ihr Rand ist deutlich gelappt, ihre Zellkerne zeigen zumeist in einem äußerst feinen Ohromatinnetz suspendirt ein einziges großes Kern- körperchen. Diese Seitenlappen des Kopfes, in denen das Mesoderm nicht bis zum Außenrande reicht, stellen die Anlage des Gehirns dar.

Betrachten wir endlich das Stomodäum in demjenigen Stadium, von dem Fig. 25 einen Medianschnitt, Fig. 26 einen etwas mehr late- ralen Sagittalschnitt aus derselben Serie wiedergiebt. Eine erhebliche Vertiefung des Stomodäums hat nicht mehr stattgefunden, das Lumen desselben hat sich aber am Grunde zu einer geräumigen Höhlung erweitert, wodurch die Endfläche sich zu einer dünnen, an den meisten Stellen nur aus einer Zellschicht bestehenden Membran ausgezogen hat. Etwas ventralwärts von dem Mittelpunkte der Endfläche, die wir von jetzt an mit Herymons (95) als vordere Grenzlamelle (vgZ) bezeichnen wollen, d. h. genau an der Stelle. wo im vorhergehenden Stadium die hervortretenden Zellen lagen, entspringt jetzt jederseits eine deutliche einschichtige Lamelle von Zellen (Fig. 25 om2). Vorläufig sind diese Lamellen noch ganz kurz; auf dem gezeichneten Schnitte liegen erst drei Zellen in einer Reihe; sie verlängern sich aber ziem- lich schnell und gehen immer weiter nach den Seiten, bis sie der dorsalen Wand der Cölomsäckchen dicht anliegen. Die Lamellen sind zunächst sehr schmal; an der Basis zeigt der Querschnitt eine Anzahl von etwa 206 Zellen neben einander, die dann nicht mehr nur eine Schicht bilden, sondern unregelmäßig gelagert sind. Je weiter man nach hinten seht, um so kleiner wird die Zahl der von einem Querschnitte getroffe- nen Zellen. Die hintersten Enden der beiden Lamellen stellen nur noch zwei Fäden aus einzelnen hinter einander liegenden Zellen dar.

In dem hier gezeichneten Stadium ist eine mittlere ventrale Verbindung der beiden Lamellen nur in so fern vorhanden, als die vor- dere Grenzlamelle in der Medianlinie ventral von ihrem Mittelpunkt eine Verdiekung (Fig. 26 og) zeigt, in der die Zellen nicht wie sonst über- all einschichtig gelagert sind. Etwas später wächst auch diese Ver-

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 471

diekung allmählich, in ihren seitlichen Theilen beginnend, nach hinten aus, doch nicht so, dass dadurch nun etwa eine neue Lamelle gebildet würde; es werden vielmehr nur die beiden vorhandenen ventral ver- breitert und ihre Ränder einander von vorn nach hinten fortschreitend senähert. Wie viel bei dieser Vergrößerung auf ein nach hinten ge- richtetes Wachsthum von den Zellen von der Verdiekung der Grenz- lamelle aus, und wie viel auf ein medianwärts gerichtetes Breiten- wachsthum der vorhandenen Mitteldarmlamellen zu rechnen ist, das wird sich kaum entscheiden lassen. Jedenfalls wirken beide Faktoren dahin zusammen, dass schließlich auf der Ventralseite der vorderen Grenzlamelle ein etwa drittelkreisförmiger Wall entsteht, der in der Mitte am niedrigsten ist und sich seitlich allmählich erhöht, um an seinen Enden durch die beiden seitlichen Lamellen wie durch Eck- pfeiler, die seine Höhe um das Vielfache übertreffen, begrenzt zu werden. Etwas später, nachdem an der Basis die ventrale Verbindung bereits eingetreten ist, verbreitern sich die Lamellen aber auch an ihrer dorsalwärts und nach außen gerichteten Seite, zunächst ebenfalls an der Basis, und zwar so lange, bis die beiderseitigen Verbreiterungen, wieder unter Mithilfe von Zellen, die von der Grenzlamelle nach hin- ten auswachsen, immer dem von dem ventralen Zellenwall begon- nenen Kreise folgend, sich in der dorsalen Mediane erreicht haben. Wenn das geschehen ist, dann erhebt sich also auf der vorderen Grenzlamelle ein vollkommener Ringwall, der ventral jederseits in eine lange Seitenlamelle ausläuft; in den beiden von der Mediane geschnittenen Punkten des Walles liegen seine beiden Höhenminima, von denen aber das an der Dorsalseite viel niedriger ist als das ventrale.

Betrachten wir noch einmal die Figg. 25 und 26, so zeigt es sich, dass sich im Ektoderm eine deutliche Sonderung der Zellen vollzogen hat, die andeutungsweise an einzelnen Stellen auch schon in Fig. 24 vorhanden war. Um die Mediane verläuft en zusammenhängender Zellenstrang, der scharf von den übrigen Ektodermzellen, die weiter ventral in den Segmentwülsten oder weiter nach der Seite liegen, getrennt ist. Es handelt sich hier um die Anlage des Nervensystems (Figg. 25, 26 »), in dem bereits die Ganglien als deutlich abgegrenzte rundliche Zellmassen mit ziemlich schwach gefärbten Kemen sicht- bar sind (Fig. 26 ga).

Die Figg. 27 und 28 stellen Querschnitte durch das Vorderende eines etwas weiter entwickelten Keimstreifs dar; in Fig. 27 ist das Stomodäum noch getroffen. Der Schnitt ist so geführt, dass rechts noch das Hinterende der Mandibel durchschnitten ist, links dagegen

472 Erich Schwartze,

der Anfang der Ausstülpung der ersten Maxille. Der Schnitt geht also links ein wenig schräg nach hinten. Dementsprechend ist die Meso- dermmasse links stärker als rechts; links ist nur noch die hintere Begrenzung des Kopflappens zu sehen, rechts dagegen trifft der Schnitt noch Gehirnzellen (g), deren weniger dicht als sonst im Ektoderm ge- lagerte Zellkerne hier sehr deutlich das oben erwähnte Aussehen zeigen, dass sie nämlich nur ein großes Kernkörperchen enthalten. Der Durchschnitt durch den Ösophagus zeigt dessen dorsoventral zu- sammengedrückten Querschnitt und lateral sehr deutlich die aus- wachsenden Lamellen (oml). Die Zellen des Stomodäums sind meist radiär gestellt; nur da, wo die Lamellen auswachsen, verliert sich diese Anordnung. Der Subösophagealkörper liegt dem Stomodäum ventral dicht an, ist aber von demselben leicht durch die helle Farbe seiner Zellen zu unterscheiden. Derselbe steht jetzt in keiner Ver- bindung mehr mit dem Ektoderm, das die Körperwand bildet; das Stomodäum hat ihn bei seinem Wachsthum mitgenommen, so dass er jetzt auch weiter hinten liegt als vorher.

Fig. 28 ist von einem Schnitte derselben Serie genommen, der ca. 50 u hinter dem eben beschriebenen liegt und natürlich die gleiche Schiefe hat wie dieser. Seine rechte Seite liegt jetzt etwa in der Höhe, in der bei dem vorigen Schnitte die linke lag; seine linke Seite trifft die Mitte des ersten Maxillarsegmentes.. Das Mesoderm, das wieder links stärker entwickelt ist, füllt die Extremitätenhöhlen vollkommen aus. Vom Gehirn ist keine Spur mehr zu sehen, wohl aber links und rechts von der medianen Furche, der »Primitivrinne« (pri) des Nervensystems, die nichts mit der bei der Mesodermbildung vor- handenen Rinne zu thun hat, die Querschnitte von Längskommissuren (x), die sich wiederum von dem übrigen Ektoderm durch ihre matte -Kernfärbung und die Deutlichkeit der Zellgrenzen scharf unterscheiden. Die rechte Mitteldarmlamelle, die dicht an ihrer Basis geschnitten ist, zeigt auf dem Querschnitte noch 16 Zellkerne, die linke dagegen, die weiter hinten getroffen ist, nur noch deren fünf. Beiderseits aber liegen die Lamellen (vn!) nahe an der dorsolateralen Kante der Meso- dermstreifen und lassen sich nach hinten in dieser Schnittserie bis in die Mitte des zweiten Thorakalsegmentes verfolgen. e

b) Enddarm und hintere Mitteldarmanlage. Am Hinterende des Embryos bildet sich ungefähr zu derselben Zeit oder doch nur ganz wenig früher, als vorn die Anlage des Stomo- däums entsteht, ebenfalls eine solche Einstülpung, die indessen von

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 473

vorn herein viel breiter und umfangreicher angelegt wird als diejenige am Vorderende. In dieser hinteren Einstülpung, die übrigens dem Hinterende des Embryos sehr viel näher liegt als die vordere dem Vorderende, haben wir die Anlage des Enddarmes oder Proctodäums zu erblicken. Dieselbe durchbricht, genau wie wir es am Stomodäum gesehen haben, die Mesodermschicht und ist in Folge dessen etwas später an ihrer Basis von einem Mesodermring umgeben, der zunächst in der ventralen Mediane am stärksten entwickelt ist und nach der Dorsalseite hin immer dünner wird, um schließlich in der dorsalen Mediane bis auf ganz wenige oder nur eine einzige Zelle redueirt zu . sein. Eine Unterbrechung wie beim Stomodäum erleidet der Ring aber an keiner Stelle. Obwohl fast gleichzeitig mit dem Stomodäum angelegt, hat doch das Proctodäum schon in der Zeit, wo das Stomo- däum noch das Ansehen von Fig. 23 zeigt, dasjenige Stadium erreicht, in dem es in seiner Entwicklung der des Stomodäums in den Figg. 25 und 26 entspricht. Diese Entwicklungsstufe zeigen die Figg. 29 und 30. Sie sind aus derselben Schnittserie abgezeichnet, wie Fig. 23; Fig. 29 stellt einen Schnitt durch das Hinterende des Keimstreifs annähernd in der Mediane dar, Fig. 30 einen Parallelschnitt, der ungefähr um 40 u weiter nach der Seite hin abgenommen ist. Der Medianschnitt zeigt nichts besonders Bemerkenswerthes; wir sehen die größere Breite des Proetodäums (pr) im Verhältnis zum Stomodäum und seine Lage . ganz am Hinterende des Embryos. Die Kuppe seiner Einstülpung, - die hintere Grenzlamelle (AgZ), besitzt nirgends eine besonders differen- zirte Stelle, eine Verdickung oder dergleichen, ist aber im Ganzen eben so diek wie die übrigen Wandtheile. Der Mesodermring an der Basis des Enddarmes erscheint hier von dem weiter vorn liegenden Mesodermstrang, der die Mediane in diesem Stadium noch bedeckt,

: vollkommen getrennt; aber diese Trennung ist wohl nur durch die

- Präparation künstlich herbeigeführt worden; die Ränder erscheinen nicht glatt, sondern wie zerrissen.

Der weiter seitlich geführte Schnitt trifft die Seitenwand des Procto- däums und außerdem eine deutliche, von der Kuppe ausgehende ekto- dermale Zelllamelle, die eine der beiden hinteren Mitteldarmlamellen (kml), die hier noch genau einschichtig ist, und auf dem hier getrof- fenen Längssehnitte vier Zellen enthält. Auch an der dorsalen Seite sehen wir eine Hervorragung, die aber noch nicht zu einer wirklichen Lamelle ausgewachsen ist. Das weitere Wachsthum der hinteren Mitteldarmanlage vollzieht sich in durchaus analoger Weise wie bei der vorderen. Auch hier wachsen die beiden seitlichen ventralen Lamel-

474 Erich Schwartze,

len zuerst ziemlich schnell in die Länge, nehmen dann an der Basis zunächst nach innen hin an Breite zu und nähern sich einander so bis zur Berührung und Verwachsung in der Mediane, und wachsen dann auch an der Außenseite dorsalwärts, um sich schließlich auch in der dorsalen Mittellinie zu vereinigen. Wiederum wirken bei die- sem Wachsthum auch die Zellen der hinteren Grenzlamelle (%gZ) mit. Der ventrale Theil des Mesodermringes steht hier in Verbindung mit dem weiter nach vorn folgenden Mesoderm; der dorsale Querschnitt desselben weist nur drei Zellen auf, also noch weniger als in Fig. 29. Dieser Umstand erklärt sich wohl aus einer geringen Schiefe der Schnitte gegen die Symmetrieebene. In der Nähe der Kuppe des Proctodäums zeigt seine Wand eine von Kernen fast vollständig freie Stelle mit zwei kleinen Löchern. Wir haben es also hier mit einer seitlichen Ausbauchung (voM) des Proetodäums zu thun, die an zwei Stellen etwas tiefer geht. Bei anderen Schnittserien von fast gleich- alterigen Stadien zeigen sich an der kernfreien Stelle drei solche Aus- bauchungen; es scheint also, als ob eine derselben eine ganz kurze Zeit nach den beiden anderen angelegt würde. Diese drei seitlichen Ausstülpungen an jeder Seite des Proctodäums sind die Exkretions- organe, die MAuLpıGHrschen Gefäße. Dass von denselben zwei Paare etwas früher angelegt werden, als das dritte, scheint mir bemerkens- werth als eine gewisse Rekapitulation des Verhaltens niederer Insek- ten, die großentheils überhaupt nur zwei Paare von Vasa Malpighii besitzen. Die Gefäße sitzen zunächst knospenförmig an jeder Seite des Darmes zu dreien an, verlängern sich aber sehr bald beträchtlich nach hinten. Sie besitzen, wie dies schon von mehreren Autoren über- einstimmend konstatirt worden ist, von vorn herein ein deutliches Lu- men. Ein gemeinsames Basalstück »trone basilaire« CHOLODKOWSKY'S (85) ist hier vorläufig nicht vorhanden, wenn man nicht die außer- ordentlich seichte Hervorwölbung des Proctodäums, in welche die VYasa Malpighii jederseits einmünden, als ein solches auffassen will; das scheint mir aber nicht thunlich. Auch ist keines der drei Gefäße etwa eine Abzweigung eines anderen, sondern alle drei sind vorerst vollkommen gleich geordnet. Auf ihr späteres Verhalten komme ich weiter unten noch einmal zurück.

Ein Stadium, in dem die MarpıcHr'schen Gefäße schon eine be- trächtliche Länge erreicht haben, stellt der in Fig. 31 abgebildete (Querschnitt dar. Dieser liegt 0,2 mm vor dem Hinterende des Em- bryos, ein wenig vor der Mitte des Proctodäums. In dem letzteren liegen die Zellen mehrschichtig, die Längsachse der Kerne ist radiär

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 475

sestellt, das Lumen hat bereits die für Lepidopteren typische Gestalt eines regelmäßigen sechsstrahligen Sternes angenommen. Das ganze Proetodäum ist bis an die Außenseite der hinteren Mitteldarmlamellen rinssum von einem Mesodermmantel umschlossen, der durch nach- trägliches Auswachsen des mesodermalen Ringes um die Basis des Proctodäums entstanden ist. Die Anordnung der Zellen dieses Meso- dermmantels ist vorläufig eine ganz regellose; an manchen Stellen liegen sie in einer, meistens aber in mehreren Schichten. Jederseits vom Proctodäum liegen drei Vasa Malpighii (vM); der Querschnitt ihres Lumens ist kreisrund und sehr klein im Verhältnis zur Dicke der Wand. Die Zellen, deren auf einem Querschnitte ca. 15 getroffen sind, stehen überall in einer Schicht, die Längsachse ihrer Kerne ver- läuft radiär. Auch an den ManpisHrschen Gefäßen ist das Mesoderm entlang gewachsen, aber nicht in Gestalt eines geschlossenen Mantels, sondern nur in einzelnen Strängen, die auch nicht überall dem Ge- fäße dicht anliegen.

Weiter vorn, am inneren Ende des Proctodäums, plattet sich das- selbe dorsoventral ab; die hintere Grenzlamelle ist nicht von Meso- derm bekleidet. Fig. 32 giebt einen Schnitt wieder, der derselben Serie entstammt, wie der in Fig. 31 abgebildete, aber etwa 0,1 mm weiter nach vorn liegt. Der etwas schief von rechts vorn nach links hinten geführte Schnitt zeigt auf der linken Seite noch einen beträcht- lichen Theil der hinteren Grenzlamelle; rechts ist dagegen nur noch die eine hintere Mitteldarmlamelle getroffen. Bei dem Auswachsen dieser Lamellen macht sich nun ein bemerkenswerther Unterschied gegen das Verhalten derselben am Vorderdarm geltend. Hier wuchs, wie wir sahen, nur die ektodermale Lamelle aus. Anders beim End- darm. In dem oben an den Sagittalschnitten beschriebenen Stadium ist die auswachsende Lamelle noch sehr kurz und besteht nur aus Ektodermzellen; das Mesoderm umgiebt nur die Basis des Enddarmes rinsförmig. Dieser Mesodermring wächst nun aber sehr schnell zu dem im letzten Stadium vorhandenen Mesodermmantel aus, so schnell, dass dieser bereits die Basis der Mitteldarmlamellen erreicht hat, wenn diese selbst noch ziemlich kurz sind. Nun wächst jederseits ein Mesodermstreifen an der nach außen und ventralwärts gerichteten Seite der betreffenden ektodermalen hinteren Mitteldarmlamelle entlang, bis das Vorderende derselben erreicht ist, und dann mit dieser in gleicher Geschwindigkeit weiter. In dem hier abgebildeten Stadium lässt sich die Ektodermlamelle bis in die Mitte des Abdomens verfolgen. Da sie aber an ihrem Vorderende der dorsolateralen Kante des seitlichen

476 Erich Schwartze,

Mesodermstreifs dicht anliegt, so lässt sich hier nicht mehr entschei- den, ob etwa auch hier noch das unmittelbar anliegende Mesoderm von der mesodermalen Hülle des Enddarmes abstammt, oder ob das- selbe stets ein Theil des seitlichen Mesodermstranges gewesen ist. “Wahrscheinlich geht das Mesoderm des einen ep ganz all- mählich in das des anderen über.

Werfen wir nun noch einen Blick auf die übrige Organisation des Embryos in diesem Stadium, welches etwas weiter fortgeschritten ist, als dasjenige, dem die Figg. 25 und 26 entnommen sind. Das Am- nion ist besonders an den Enden des Keimstreifs weit aufwärts ge- wachsen und bildet so einen provisorischen Rückenverschluss, der freilich um die Mediane eine weit nach vorn und hinten sich erstreckende Öffnung besitzt, die in der Mitte am breitesten ist. An den Enden der so einigermaßen abgegrenzten Körperhöhle ist jetzt die Blutflüssig- keit den Dotterkugeln gegenüber stark im Übergewicht; dement- sprechend sind auch die Dotterkerne spärlich geworden, die Blutzellen dagegen haben sich stark vermehrt. Hier und da, z. B. in Fig. 32 57, habe ich zwei Kerne in einer Blutzelle gefunden, doch an keiner Stelle mitotische Theilungsfiguren. Es wäre aber nicht berechtigt, daraus den Schluss ziehen zu wollen, dass eine Karyokinese hier nicht vorkäme; vielleicht vollzieht sich dieselbe zu bestimmter Zeit gleich- zeitig in sehr vielen Blutzellen. Denn ich möchte die Amitose bei diesen Zellen, die wenigstens während des Embryonalzustandes nicht funktionslos werden, nicht für das Normale halten. Vielleicht findet überhaupt keine Theilung der Blutzellen statt. Am Hinterende findet sich nur ventral vom Proctodäum noch eine größere Menge von Dotter- kugeln; in der Mitte des Keimstreifs haben dieselben bereits einer großen ventralen Blutlakune, dem Epineuralsinus, Platz gemacht, doch ist noch keine deutliche Grenze zwischen Blut- und Dotterraum vorhanden.

Im Körper des Embryos selbst haben sich ebenfalls manche Ver- änderungen vollzogen. Die nach innen gerichteten Theile des Meso- derms sind heller geworden, die Zellen haben sich vergrößert und sind von zahlreichen Vacuolen durchsetzt; sie bilden das Fettkörpergewebe (f%), dessen Entstehung von vorn nach hinten fortschreitet; der Schnitt in Fig. 32 hat dies Stadium bereits erreicht, nicht aber der weiter hinten liegende in Fig. 31. Andere weiter ventral gelegene Theile des Meso- derms haben sich zu Muskeln (mx) umgewandelt; hier liegen die Kerne etwas weniger dicht und haben sich in der Richtung des Längsver- laufes des betreffenden Muskels verlängert; die Zellgrenzen sind nicht deutlich erkennbar. Von dem übrigen Ektoderm sondert sich in diesem

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 477

Stadium das Nervensystem, ebenfalls von vorn nach hinten fortschreitend, vollständig ab; in Fig. 32 liegen die Querschnitte der Längskommis- suren (») frei zu beiden Seiten des mittleren Ektodermzapfens (ez), in Fig. 31 dagegen noch im übrigen Ektoderm eingebettet. Die Zellen des Nervensystems sind noch überall deutlich gesondert; sie sind sehr hell gefärbt.

Als Einstülpungen des Ektoderms jederseits etwa in der Mitte der Thorakal- und Abdominalsegmente entstehen die Tracheen. Die- selben stellen dünne Röhren mit engem Lumen dar, die von ihren Mündungen, den Stigmen, etwas nach innen und vorn verlaufen, sich aber bald verzweigen. In Fig. 31 ist rechts bei /” eine Trachee schief seschnitten, in Fig. 32 links eine solche dicht an einer Verzweigung. Die Zellen sind hell, ohne scharfe Grenze. In den ersten acht Ab- dominalsesmenten bildet sich jederseits noch eine zweite Einstülpung etwas weiter hinten und innen als die Stigmen. Hierdurch werden rundliche Zellhaufen vom übrigen Ektoderm getrennt, deren Zellen sich allmählich hell färben, scharf von einander abgrenzen und bedeu-- tend vergrößern. Es sind dies die von WIELOWIEJSKY so benannten und von zahlreichen Autoren beobachteten Önoeyten (Figg. 31 u. 32 rechts, oe).

e) Abschluss der Mitteldarmbildung und Umbildung der Wand des Mittel- darmes bis zum definitiven Bau bei der erwachsenen Raupe.

Die vorhin beschriebenen Mitteldarmlamellen, von denen auf jeder - Körperseite je eine vordere und eine hintere vorhanden ist, wachsen nun im weiteren Verlaufe der Entwicklung auf einander zu, bis sie sich jederseits in der Mitte, d. h. in der Gegend des zweiten oder dritten Abdominalsesmentes treffen. Hier verwachsen sie so innig, dass eine Trennung des vorderen von dem hinteren Theile nachher nicht mehr möglich ist. Gleichzeitig legt sich auch an die Vorder- hälften der beiden nun zusammenhängenden Lamellen eine Mesoderm- schicht, die von dem dorsolateralen Rande der seitlichen Mesoderm- streifen herstammt, dicht an, so dass schließlich die beiden ektoder- malen Bänder in ihrer ganzen Länge an der Außenseite von je einem schmalen, aber ziemlich dieken Mesodermstreifen begleitet werden. Die Ektodermlamellen wachsen nun an ihrer nach innen gewendeten Kante besonders vorn und hinten immer weiter nach der Mediane zu, den schon oben bei der Beschreibung der vorderen Mitteldarmanlage dargestellten Process weiter verfolgend. So bleibt in der ventralen Begrenzung des Mitteldarmlumens bald nur noch ein etwa ovales Loch offen, das sich durch allseitiges Wachsthum der Ränder, beson-

478 Erich Schwartze,

ders aber von vorn und hinten her mehr und mehr verkleinert und endlich vollständig verschwindet, zuletzt in der Höhe des zweiten Abdominalsegments. | Ganz ähnlich verlaufen die Vorgänge bei der Bildung der dor- 'salen Mitteldarmwand. Die Lamellen wachsen nicht nur nach innen, sondern auch an der Außenseite, und auch hier an der Basis am inten- sivsten, so dass auch hier schließlich noch eine langgestreckte Öffnung um die Mediane herum zurückbleibt. Da nun die ursprünglichen La- mellen nicht genau lateral, sondern etwas ventral lagen, so ist es natürlich, dass die an der Dorsalseite zu überwachsende Fläche eine viel größere ist als die ventrale, dass daher ventral der Schluss der Darmwand viel früher eintritt als dorsal. Außerdem scheint das dor- salwärts gerichtete Wachsthum auch an sich langsamer zu erfolgen. Wenigstens bleibt eine mittlere dorsale Öffnung in der Darmwand so lange bestehen, bis der gesammte noch außerhalb des Amnions ge- legene Dotter durch den sogenannten Rückennabel, d. h. diejenige Öffnung, die das Amnion bei seinem von allen Seiten dorsalwärts ge- richteten Wachsthum noch gelassen hat, in den Darm aufgenommen ist. Das Mesoderm, das den ursprünglichen Mitteldarmlamellen an- liegt, wächst nicht mit derselben Geschwindigkeit nach den Seiten wie das ektodermale Darmepithel; in Folge davon sind dessen jüngere Theile stets frei von einer Mesodermbekleidung. Fig. 33 stellt ein Stadium dar, in dem die mediane Verwachsung der Lamellen an der Ventralseite schon ziemlich weit gediehen, an der Dorsalseite dagegen erst dicht an der Ansatzstelle der Lamellen am Vorder- und Enddarm vorhanden ist und die Mesodermbekleidung die Mediane noch an keiner Stelle erreicht hat. Der Schnitt verläuft annähernd in der Mediane, doch nicht ganz genau, da die Pedes spurii (psp) der einen Seite im dritten bis sechsten Abdominalsesment angeschnitten sind. Wir sehen die langen ventralen und die kurzen dorsalen Mitteldarm- lamellen; besonders die hintere dorsale Lamelle bildet erst einen un- bedeutenden Vorsprung an der hinteren Grenzlamelle Die hier ge- troffenen Theile der Begrenzung des Mitteldarmes sind fast überall einschichtig, entsprechend ihrer erst kürzlich erfolgten Entstehung. Der Dotter hat sich aus der definitiven Leibeshöhle vollständig zu- rückgezogen, auch ventral vom Proctodäum bleibt keine Spur von Dotter in der Leibeshöhle liegen, wie das für manche Formen in diesem und sogar in noch späteren Stadien beschrieben worden ist; wohl aber findet sich hier eine starke Anhäufung von Blutzellen, die also anscheinend schon vorher die früher (Fig. 31) hier gelegenen

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 479

Dotterpartikeln resorbirt haben. Der Dotter ist auch da, wo die Mitteldarmbegrenzung noch fehlt, scharf von der Leibeshöhle getrennt; nur durch den Rückennabel (Fig. 33 ra) hängt derselbe noch mit dem äußeren Dotter zusammen. Hier ist auch die einzige Stelle, wo noch Blutzellen im Dotter liegen. Aus dem Raume, der später zum Darm- lumen wird, haben sie sich sämmtlich zurückgezogen, liegen indess zahlreich unmittelbar an der Grenze der Leibeshöhle gegen den Dotter an den Stellen, wo das Darmepithel noch gar nicht oder erst seit kürzester Zeit vorhanden ist. Es sind das jedenfalls die aus dem Dotter zuletzt ausgewanderten Blutzellen. Eine Degeneration von Blut- zellen im Dotter habe ich an keiner Stelle bemerken können; ich fand allerdings an späteren Stadien, bei denen der Darm vollständig ge- schlossen war, im Dotter eine Erscheinung, die ich zuerst als Degene- ration von Blutzellen auffasste, die sich aber bei genauerer Untersuchung als etwas ganz Anderes herausstellte. Es lagen nämlich an einzelnen Stellen stark gefärbte Kernstücke inmitten einer vacuoligen Masse, wodurch der Eindruck einer etwas in Auflösung begriffenen Blutzelle täuschend nachgeahmt wurde. Es handelte sich aber thatsächlich um Dotterkerne, deren Chromatin sich zusammengeballt hatte, und in deren Umgebung der schon größtentheils zu einer homogenen Masse zusammengeflossene Dotter eine blasige Beschaffenheit angenommen hatte. Ich glaube also bestimmt behaupten zu dürfen, dass eine Ein- schließung von Blutzellen in den Mitteldarm, die dann natürlich die Auflösung dieser Zellen zur Folge hätte, thatsächlich nicht statt- findet. Außer an den oben bezeichneten Stellen liegen Blutzellen in reichlicher Menge an der ganzen Leibeswand und an den Wänden von Stomodäum und Proctodäum vertheilt.

Diese beiden Darmabschnitte haben sich noch etwas verlängert,

. das Stomodäum reicht jetzt bis ins zweite Thorakalsegment, das Procto-

däum bis ins sechste Abdominalsesment. Die vordere Grenzlamelle hat sich noch mehr verdünnt, so dass ihre Kerne jetzt ähnlich wie im Amnion deutliche Hervorragungen nach beiden Seiten bilden, und über- wölbt in flacher Glockenform das Vorderende des Stomodäums. Die Verdünnung der Grenzlamelle hat gleichzeitig zur Folge, dass der Kreis, in dem die Mitteldarmwand ihr aufsitzt, sich erweitert hat. Die Grenze zwischen Vorder- und Mitteldarm und entsprechend diejenige zwischen Mittel- und Enddarm besteht auch hier, wie es bei zahl- reichen anderen Formen beobachtet worden ist, nur aus dieser einen Grenzlamelle, wie ich hier in Übereinstimmung mit Versox (97) noch einmal ausdrücklich konstatire, der seinerseits schon den Angaben Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 31

480 Erich Schwartze,

von SELVATICO (81) für Bombyeiden überhaupt und von TicHOMIROFF (82) für Bombyx mori entgegengetreten ist, nach denen der Mittel- darm ein allerseits durch eigene Wand abgeschlossener Blindsack sein sollte, die Grenzlamellen also vorn so gut wie hinten aus zwei Schich- ten bestehen sollten.

Die Mesodermmasse, die in früheren Stadien (s. z. B. Fig. 25) dor- sal vom Stomodäum lag, hat sich allmählich auch nach hinten verlängert, sie reicht jetzt in der dorsalen Mediane bis zu der Stelle, an der das ektodermale Vorderdarmepithel sich ziemlich plötzlich verdünnt, um kurz dahinter in die Grenzlamelle überzugehen. Je weiter nun das Mesoderm nach hinten gewachsen ist, um so stärker hat es sich auch seitlich verbreitert, so dass es auf Querschnitten durch das Stomodäum immer weiter ventralwärts reicht, je weiter nach hinten der Schnitt gele- gen ist; ganz am hintersten Ende treffen die beiden seitlichen Verbreite- rungen in der ventralen Mediane wieder zusammen, so dass hier ein vollständiger Mesodermring das Stomodäum umgiebt; im Übrigen ist aber die ventrale Mediane desselben noch frei von Mesoderm. Schon etwas vorher haben sich in der dorsalen Mediane des Stomodäums von seinem Lumen aus in dem ektodermalen Epithel drei Einstül- pungen gebildet, deren vorderste etwa in der Mitte der Länge des : Stomodäums liegt. Dieselben schnüren sich bald von dem übrigen Ektoderm ab, und wandern etwas dorsalwärts in das Mesoderm ein, wo sie sich mit einander verbinden und so die also ebenfalls rein ektodermale Anlage des Schlundnervensystems (Fig. 33 s») darstellen. Ventral vom Vorderdarm, in der Nähe seines inneren Endes liegt der Subösophagealkörper, jetzt nicht mehr dem Darme dicht angelagert, sondern in einiger Entfernung davon. Seine Zellen zeigen bereits Spuren beginnender Auflösung, die allmählich immer weiter fortschrei- tet. Bei der jungen Raupe habe ich ihn nicht mehr wahrgenommen.

Was den Enddarm anbetrifft, so ist seine Wand ringsum von einem an keiner Stelle durchbrochenen Mesodermmantel bekleidet, der aber weniger dick ist, als die dorsale Mesodermlage am Vorderdarm. Ungefähr in der Mitte ist das Lumen des Enddarmes verengt; die von hier aus nach innen gelegene Hälfte zeigt im Querschnitt die charakteristische sechsstrahlige Figur; in der äußeren Hälfte ist diese dagegen nicht mehr vorhanden, vielmehr stellt sie jetzt eine geräu- mige Höhlung mit ziemlich glatten Wänden dar. Die hintere Grenz- lamelle hat sich nicht nennenswerth verdünnt.

Betrachten wir die Mitteldarmlamellen weiter seitlich, an einer Stelle, wo das Mesoderm bereits vorhanden ist, bei stärkerer Vergröße-

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 481

rung, so finden wir dieselbe so zusammengesetzt, wie das Fig. 34 im Längsschnitte zeigt. Dem Dotter, der, wie schon oben ausgeführt, nur noch Dotterzellen enthält, zunächst liegt das ektodermale Darmepithel (de), dessen Zellen unregelmäßig bald in einer, bald in mehreren Schich- ten gelagert sind. Außen davon liegt das Mesoderm, aus dem die Muscu- laris entsteht. Die beiden Theile derselben sind bereits deutlich zu er- kennen: innen befindet sich eine einzelne Zellenschicht, deren längliche Kerne an den meisten Stellen in einer Linie liegen und mit der Längs- achse radiär gestellt sind. Hieraus geht die Ringmuskulatur (rm) her- vor. Außerhalb dieser Schicht liegt eine diekere Mesodermlage, deren Zellen unregelmäßig und mehrschichtig angeordnet sind: aus diesen Zellen entsteht später die Längsmuskulatur (mn). Von Strecke zu Strecke legen sich von hinten kommende Tracheen beiderseits dem Darme an; Fig. 34 zeigt eine solche bei ?r kurz vor einer Gabelung schräg durchschnitten. Die gleiche Sonderung in zwei Schichten zeigt auch die Mesodermbekleidung des Vorderdarmes; am Enddarm ist dieselbe nicht so deutlich ausgeprägt; bei genauerer Betrachtung findet man, dass hier von der ohnehin schon dünnen Mesodermschicht auf die äußere Lage, die spätere Längsmuskulatur, nur der aller- kleinste Theil entfällt.

Auch die allgemeine Organisation des Embryos hat inzwischen bedeutende Fortschritte gemacht; die Seitenwände des Körpers haben sich dorsalwärts bereits stark erhöht; das Nervensystem (2) hat sich vollkommen von dem übrigen Ektoderm, das nun die Epidermis bildet, losgelöst; in den Ganglien haben sich die Ganglienzellen (gz), welche die äußere Rinde und einen dorsoventralen mittleren Pfeiler bilden, gesondert von den den übrigen Raum der Ganglien einnehmenden Nervenfibrillen. Auch die Önocyten haben sich schärfer von der Epi- dermis abgetrennt und vergrößert, sie erreichen nach innen vordringend das Fettkörpergewebe An die Mitteldarmlamellen haben sich im fünften Abdominalsegment seitlich zwei rundliche Körper angelegt, welche die Anlage des Genitalsystems darstellen. Diejenige Stelle an jeder Seite des Enddarmes, an der die Vasa Malpighii aufsitzen, hat sich nun nachträglich etwas weiter ausgestülpt,. so dass nun allerdings ein gemeinsames Basalstück für alle drei Vasa jeder Seite vorhanden ist; auch scheint es mir, als ob von diesem Basalstück sich ein Ge- fäß ein wenig unterhalb der Trennung der beiden anderen abzweigte: es wäre also auch hier der von CHOLODKOWSKY (85) bei verschie- denen Formen beobachtete »trone secondaire«, d. h. ein Stück zwi- schen der Trennungsstelle des ersten Gefäßes vom Basalstück und

31*

482 Erich Schwartze.

der Theilung der beiden anderen, vorhanden, wenn auch nur sehr kurz. Aber ich weise noch einmal darauf hin, dass dieser Bau hier erst in einem späteren Stadium entsteht und nicht den primitiven Zu- ‚stand darstellt. Desswegen kann ich mich der Ansicht von CHOLoD- KOWSKY nicht anschließen, dass die Mehrzahl von Vasa Malpighii phylogenetisch immer durch Verzweigung des ursprünglich einzigen Gefäßes auf jeder Seite entstanden sei; vielmehr scheint mir die An- nahme eben so gerechtfertigt, dass neben dem ersten und unabhängig davon auch ein zweites und ein drittes jederseits entstanden sein könne. Leider habe ich in Folge von Mangel an Material nicht fest- stellen können, welchen Bau der Exkretionsapparat an der erwach- senen Raupe von Lasiocampa fasciatella besitzt, und ob hier wirklich ein tronc secondaire vorhanden ist oder nicht.

Die Mundtheile und die Thorakalfüße besitzen eine deutliche Gliederung; die Extremitätenanlagen am ersten, zweiten und siebenten bis neunten Abdominalsegment haben sich vollkommen zurückgebildet, an den übrigen, d. h. am dritten bis sechsten und zehnten Abdominal- segment haben sich die Pedes spurii der Raupe entwickelt. Am zwei- ten Maxillarsegment münden die inzwischen gebildeten paarigen Spinn- und Speicheldrüsen aus, jene nahe der Mediane, diese weiter seitwärts. Die Spinndrüsen sind dünne Schläuche mit sehr engem Lumen und reichen bis ins vierte Abdominalsegment; die Speicheldrüsen dagegen sind viel weiter, reichen aber nur bis ins erste Thorakalsegment.

Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wird allmählich sämmt- licher Dotter, der noch außerhalb des Embryos zwischen Amnion und Serosa liegt, durch den Rückennabel in die Mitteldarmhöhle über- geführt und hier theils durch die Thätigkeit der Dotterzellen, theils aber, besonders in etwas späteren Stadien, durch die verdauende Einwirkung der Darmwand gelöst. Während dieser Einwanderung des Dotters in den Darm schließt sich dieser an der Ventralseite voll- ständig und nach Vollendung derselben auch an der Dorsalseite. Gleichzeitig obliterirt der Rückennabel, indem die Ränder der Amnion- falten in der Mitte verlöthen und die äußere Schicht sich von der inneren abtrennt. Die äußere umhüllt dann eben so wie die Serosa und dieser ziemlich nahe anliegend den ganzen Embryo; die innere bildet den provisorischen Verschluss des mittleren Theiles des Rückens, der noch nicht von der Wand des Keimstreifs selbst überwachsen ist. Sehr bald findet aber auch hier der definitive Abschluss des Rückens statt. In dieser Zeit ändert der Embryo auch seine Lage derartig, dass nun die Bauchfläche konkav, die Rückenfläche konvex gekrümmt wird.

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 483

Während dieser Vorgänge haben sich die seitlichen Theile der Mitteldarmwand allmählich immer mehr von den Körperseiten nach der Mitte hin zurückgezogen, so dass die breite sackförmige Gestalt des Mitteldarmes in eine mehr cylindrische mit kreisrundem Quer- schnitte übergeht, der sogar eine Zeit lang kleiner ist als der des Vorder- oder Enddarmes. Allmählich umwächst nun auch das Meso- derm lückenlos den ganzen Darmtrakt; am spätesten wird natürlich die dorsale Mediane des Mitteldarmes vom Mesoderm bedeckt. weil dasselbe beim Wachsthum bis an diese Stelle den weitesten Weg zu- rückzulegen hat. Es scheint nun, als ob dieses Wachsthum nur zum Theil auf wirklicher Vermehrung der Masse des Mesoderms beruhe, zum anderen Theile dagegen auf einer bloßen Ausbreitung des dicken Mesodermstranges, der den ursprünglichen Mitteldarmlamellen aufge- lagert war, über die ganze Oberfläche des Darmes. Die Mesoderm- schichten, Ring- wie Längsmuskulatur, sind nämlich um so dünner, je älter das betreffende Stadium ist.‘ Besonders die Längsmuskulatur nimmt an Mächtigkeit allmählich ganz außerordentlich stark ab. Ge- nau der entgegengesetzte Vorgang tritt bei dem Epithel des Mittel- darmes ein. Dieses besaß früher nur etwa den dritten bis vierten Theil der Mächtigkeit, die die gesammte Muskulatur aufwies; später nimmt das Epithel an Dicke fortwährend zu; die Kerne liegen zunächst überall mehrschichtig. Fig. 35 stellt einen Theil eines Querschnittes durch den Mitteldarm auf dieser Entwicklungsstufe dar. Wir erkennen die beiden dünnen Muskelschichten; in der äußeren sind die Kerne kleiner und zahlreicher, außerdem stärker gefärbt als in der inneren. Im Epithel liegen zahlreiche Kerne in unregelmäßiger Vertheilung, die Zellgrenzen sind nicht deutlich erkennbar. An der Innenseite sieht man hier und da kleine Vacuolen. Der Dotter enthält noch Dotter- kerne und Dotterkugeln.

Das Stomodäum hat in dieser Periode schon so ziemlich sein definitives Aussehen angenommen. Das Epithel hat sich im Gegen- satz zu dem des Mitteldarmes sehr stark verdünnt, es stellt jetzt ein einschichtiges Cylinderepithel von geringer Höhe mit runden, nicht sehr eng gelagerten Kernen dar. Die Muscularis hat sich noch stärker verdünnt als beim Mitteldarm; die Ringmuskelschicht erscheint als äußerst dünne Membran, in der nur an ganz vereinzelten Stellen noch Kerne aufzufinden sind; die Längsmuskelschieht ist nieht mehr zu- 'Sammenhängend, sondern hat sich in einzelne Längsmuskelzüge aut- gelöst, die aber so außerordentlich fein und so spärlich vertreten sind, dass es Mühe macht, sie überhaupt aufzufinden. Abgesehen von dieser

484 Erich Se

Strukturveränderung erfährt das Stomodäum auch noch ein weiteres Längenwachsthum, indem sich das Hinterende desselben unter gleich- zeitiger Verengerung seines Lumens in das Vorderende des Mittel- darmes einsenkt. So entsteht ein rüsselförmiger Fortsatz, der in den Mitteldarm hineinragt und zunächst noch von der vorderen Grenz- lamelle verschlossen wird. Die Muscularis des Enddarmes gewinnt um diese Zeit genau das gleiche Aussehen wie die des Vorderdarmes; das Epithel des Enddarmes dagegen hat sich wohl ein wenig ver- flacht, sonst aber noch nicht wesentlich verändert.

Was die Entwicklung der übrigen Organe anbetrifft, so fallen besonders zwei Neubildungen auf, nämlich das Herz und die Haar- bildungszellen oder Trichoblasten. Das erstere liegt in der dorsalen Mediane und besteht auf jedem Querschnitte aus zwei schmal halb- mondförmigen Zellen, die mit ihren spitzen Enden in der Mittellinie zusammenstoßen und an der breitesten Stelle, also lateral den Kern tragen. Vorläufig ist das Lumen des Herzens noch sehr eng, Blut- zellen sind noch nicht in demselben vorhanden. Die Trichoblasten sind aus Epidermiszellen entstanden und liegen in Gruppen, deren jedes Segment vier enthält, zwei an den Seiten und zwei am Rücken rechts und links von der Mediane. Fig. 36 stellt eine seitliche Tricho- blastengruppe dar. Die Trichoblasten zeichnen sich durch ihre ver- hältnismäßig riesige Größe aus; sie erreichen einen längsten Durch- messer von fast 100 «, die rundlich oder unregelmäßig gestalteten Kerne einen solchen von 30 u; ihr Chromatingerüst ist äußerst fein. Ganz ähnliche Trichoblasten habe ich auch bei Porthesia chrysorrhoea und P. auriflua gefunden. Oft liegen die Trichoblasten direkt an der Oberfläche, ragen zuweilen sogar ein wenig über dieselbe hervor. In anderen Fällen liegt eine Ansammlung von Zellen der Epidermis über ihnen. Letztere ist an den meisten anderen Stellen einschichtig geworden, ihre Kerne stehen mit der Längsrichtung radial. Nächst den Triehoblasten sind die Önoeyten die größten Zellen des Embryos; sie haben sich ebenfalls vergrößert und können jetzt einen Durch- messer von 18 u erreichen. Sie liegen zwar noch in Gruppen, aber nicht mehr so dicht gedrängt, wie früher.

Nachdem der Mitteldarm ein bestimmtes Minimum von Dicke er- reicht hat, erweitert sich sein Lumen wieder beträchtlich; der Durch- messer des Querschnittes wächst bis auf 430 u, während er in dem in Fig. 35 abgebildeten Stadium nur 180 u betrug. Die Struktur der Darmwand nach dieser Erweiterung stellt der Querschnitt in Fig. 37 dar. Die Zellen des Darmepithels haben an Höhe noch weiter zuge-

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 485

nommen, sie messen jetzt ca. 25 u und liegen, abgesehen. von ein- zelnen Zellen besonderer Art, in einer Schicht. Die rundlichen Kerne liegen ungefähr in der Mitte der Zellen, nach innen von denselben zeigen viele Zellen eine große Vacuole. Hier und da liegen an der Basis der normalen Darmepithelzellen noch andere Zellen von keil- förmiger Gestalt, die das Lumen des Darmes nicht erreichen. Es sind dies die sogenannten Kryptenzellen (Fig. 37 er), die im Darm der Raupe die Regeneration des Darmepithels bewirken. Die Ringmuskulatur hat sich noch weiter verdünnt, Kerne sind in derselben nur noch an ganz vereinzelten Stellen wahrnehmbar; die Längsmuskulatur ist jetzt auch hier in eine Anzahl von Längsmuskelzügen zerfallen, die eben- falls sehr dünn sind, aber viel zahlreicher als am Vorder- und Enddarm.

Der Vorderdarm hat sich nicht mehr merklich verändert; nur sein rüsselförmiger Fortsatz ist noch etwas länger geworden, und die Grenz- lamelle hat sich aufgelöst. Zuerst ist das Ende des Vorderdarmfort- satzes noch durch einen Protoplasmayfropfen verschlossen, bald ver- schwindet aber auch dieser und es tritt ein Theil der Dottermasse, die nun zu einer durchaus homogenen Flüssigkeit geworden ist, und deren Dotterkerne sich aufgelöst haben, in den Vorderdarm über. Im Enddarm hat sich das Epithel nun eben so verdünnt, wie im Vorderdarm; an die Stelle der sechs ins Lumen hineinragenden Leisten sind eben so viele Längsfalten getreten, die septenartig fast bis zur Mittellinie des Darmes vorspringen. Zwischen je zweien dieser großen Falten finden sich noch zwei nur etwa halb so tiefe. Am Hinterende des Enddarmes bleibt die weite Höhlung erhalten. Jetzt ist auch die hintere Grenzlamelle verschwunden. Die Innenwände von Vorder- und Enddarm sind bereits dünn chitinisirt, eben so wie die gesammte Epidermis. Das Chitin erscheint auf Schnitten als eine Schicht von äußerst feinen radiär gestellten Stäbchen von gelber Färbung und starkem Lichtbrechungsvermögen. Die Trichoblasten haben lange Chi- tinborsten erzeugt, die an der Basis von einem Chitinwall scheiden- artig umgeben sind, haben aber selber dabei an Größe bedeutend abgenommen. Das Herz hat sich mittlerweile erweitert und enthält Jetzt zahlreiche Blutzellen. Die Körpermaße eines solchen Embryos, der ziemlich fertig ist zum Auskriechen, sind 2,8 mm Länge, 0,9 mm Breite und 0,6 mm dorsoventrale Dicke.

Bei der eben ausgeschlüpften Raupe, die noch kein Futter zu sich genommen hat, hat sich das Mitteldarmepithel abermals etwas erhöht, seine Höhe beträgt jetzt ca. 50 u. Die Kerne liegen, wie vor- her, in halber Höhe, nach innen von denselben enthält jede Zelle jetzt

486 Erich Schwartze,

eine Anzahl großer Vacuolen; einzelne kleinere liegen auch in der äußeren Hälfte der Zelle. Die Kerne haben sich etwas vergrößert. Die Kryptenzellen haben die frühere Lage beibehalten und ihre Kerne sind nicht gewachsen. Der Mitteldarm stellt zu dieser Zeit noch ein ziemlich glattes Rohr dar.

Im Verlaufe der larvalen Entwicklungsperiode wächst der Mittel- darm natürlich in demselben Verhältnis wie der gesammte Körper. Die Darmepithelzellen sind verschieden hoch; die Kerne liegen stets in der Nähe der Basis; der mehr oder weniger hohe weiter innen gelegene Theil der Zellen enthält zahlreiche große Vacuolen, deren einzelne aber auch zwischen den Kernen und noch weiter nach außen liegen; an der Basis der Epithelzellen finden sich hier und da Krypten- zellen, deren Kerne kleiner sind als die der eigentlichen Epithelzellen. Umhüllt wird der gesammte Mitteldarm von einer geschlossenen, zwar dünnen, aber doch überall deutlich erkennbaren Ringmuskelschicht, der außen die einzelnen Längsmuskelstränge anliegen. Dieselben haben an Dicke wieder etwas zugenommen, ihr Querschnitt stellt eine Ellipse dar, deren Längsachse tangential zur Darmwand gerichtet ist. An einzelnen Stellen liegen in ihrem Centrum feine Hohlräume. Hier und da sieht man auf Schnitten äußerst feine hautartige Stränge zwi- schen je zwei Längsmuskeln. Die Gesammtheit dieser Stränge stellt wahrscheinlich ein bindegewebiges Netz dar, welches den Darm um- giebt. Ein solches ist für verschiedene Formen beobachtet worden. Sicherlich bilden aber diese Stränge keine geschlossene Membrana propria um den Darm, wie eine solche in einzelnen Fällen, z. B. von REnGEL bei Hydrophilus gefunden worden ist. Einzelne derartige Stränge sind mir auch auf Querschnitten durch den Mitteldarm einer Raupe von Gastropacha Neustria aufgefallen. Bei dieser Art behält der Mitteldarm auch bei der erwachsenen Raupe die einfache Oylinder- form bei; bei Lasiocampa dagegen lest sich die Darmwand im Laufe des Wachsthums der Raupe in zahlreiche unregelmäßige Längs- und Querfalten, die dazu dienen, die verdauende Oberfläche zu vergrößern.

Zusammenfassung.

Fassen wir nun die Resultate der Beobachtungen noch einmal kurz zusammen, so erhalten wir folgende Sätze:

1) Die Dotterzellen sondern sich bereits vor der Blastodermbildung von den übrigen Zellen ab; dieselben bleiben sämmtlich im Inneren des Dotters liegen und erhalten keinen Zuwachs durch Zellen, die aus dem Blastoderm in den Dotter zurückwandern.

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. A487

2) Aus dem einschichtigen Keimstreif und später aus dem Meso- derm wandern einzelne Zellen, die Paracyten, in den Dotter aus, wer- den aber nicht zu Dotterzellen, sondern gehen sofort zu Grunde. Die Paracyten lassen sich keinem bestimmten Keimblatte zurechnen.

3) Die Bildung des Mesoderms ist bei Lepidopteren nicht an ein bestimmtes Schema gebunden, sondern erfolgt bald durch Einsenkung eines Rohres, bald durch Zellwucherung vom Boden einer Rinne aus, bald durch seitliche Überschiebung; es kommen sogar in den ver- schiedenen Körperregionen desselben Embryos verschiedene Formen der Mesodermbildung vor.

4) Die Blutzellen bilden sich bei Lasiocampa noch während der Mesodermbildung durch Auswanderung von Zellen aus einer vorderen medianen Mesodermanhäufung in den Dotter. Ob eine nachträgliche Vermehrung der Blutzellen durch umgewandelte Zellen aus dem Fett- körpergewebe stattfindet, konnte ich nicht feststellen.

5) Vorder- und Enddarm entstehen als Ektodermeinstülpungen, das Mitteldarmepithel aus seitlichen Zelllamellen, die von den blinden Enden des Vorder- und Enddarmes aus auf einander zuwachsen, bis sie sich jederseits in der Mitte treffen, und sich dann in Folge starken Breitenwachsthums erst ventral, dann dorsal in der Mediane vereinigen. Der Mitteldarm ist also, abgesehen von der mesodermalen Museularis, wie Vorder- und Enddarm rein ektodermaler Natur.

Einige Bemerkungen über die Keimblätter der Insekten.

Durch die Untersuchungen mehrerer älterer Embryologen, unter denen besonders KOWALEWSKY zu nennen ist, hat sich ergeben, dass bei zahlreichen Thierformen aus den verschiedensten Metazoenstämmen sich zwei Zellschichten, die beiden primären Keimblätter, nämlich Ektoderm und Entoderm, sehr frühzeitig von einander trennen, und zwar in der Regel dadurch, dass sich an der Hohlkugel oder Blastula, die der Embryo in einem gewissen Stadium darstellt, ein Theil der Zellwand ins Innere einstülpt und so zum Entoderm wird. Das so entstandene Stadium wurde als Gastrula bezeichnet, und man glaubte, dass alle Metazoen dies Stadium durchlaufen müssten, und dass aus dem gleichen Keimblatt auch stets die gleichen Organe hervorgingen, dass also die primären Keimblätter bei allen Metazoen homolog seien. Diese Theorie von der Homologie der Keimblätter ist später auch auf das dritte Keimblatt, welches sich zwischen die beiden primären nachträglich einschiebt, übertragen worden; auch dieses, das Meso- derm, sollte im ganzen Thierreiche homolog sein. Diese Erweiterung

488 Erich Schwartze,

der Theorie hat aber von vorn herein heftigen Widerspruch erfahren, die Theorie von der Homologie der beiden primären Keimblätter wurde dagegen ganz allgemein angenommen. Von ihr ausgehend stellte HAECKEL (77) den unter dem Namen der Gasträatheorie bekannt gewor- “denen Satz auf, dass alle Metazoen auf eine der Gastrula entsprechende semeinsame Urform zurückzuführen seien, die er als Gasträa be- zeichnete. Diese Theorie war eine Konsequenz aus dem biogenetischen Grundgesetz, nach dem die Ontogenie eine verkürzte Wiederholung der Phylogenie ist.

Auch die Gasträatheorie gewann allgemeine Verbreitung und würde auch sicherlich für die Kenntnis der Descendenz der Metazoen von der größten Bedeutung sein, wenn ihre beiden Voraussetzungen wirklich zutreffend wären, wenn nämlich thatsächlich immer ein Gastrulastadium durchlaufen würde, und wenn außerdem die primären Keimblätter immer homolog wären, d. h. immer die gleichen Organe aus sich entstehen ließen. Beide Annahmen haben sich aber nament- lich dadurch, dass die Entwicklung der Insekten besser bekannt wurde, als unzutreffend erwiesen.

Wie schon in der Einleitung erwähnt, waren mehrere ältere Autoren der Ansicht, dass sich der Mitteldarm der Insekten aus Dotter- zellen zusammensetzte. Diese wurden demgemäß in Übereinstimmung mit der Keimblättertheorie als das Entoderm aufgefasst und man glaubte, dass sich dasselbe durch einen mehr oder weniger stark modifieirten Gastrulationsprocess vom Ektoderm trenne. Bald darauf 'wurde aber die Beobachtung gemacht, dass sich bei einzelnen Insek- ten das innere Blatt durch Invagination eines medianen Rohres bildet, und dieser Process wurde nun von HaAEckEL (77) als die eigentliche Gastrulation aufgefasst, eine Anschauung, die sich zu bestätigen schien, als andere Autoren, wie Grassı (84), KowaLkwsky (71), HEIDER (89) u. A. konstatirten, dass sich das Mitteldarmepithel nicht aus den Dotterzellen bildet, sondern, wie sie annahmen, aus je einer vorderen und einer hinteren Entodermanlage, die dem blinden Ende des Vorder- bezw. des Enddarmes aufgelagert sei. Bedenklich war nur, dass das Mesoderm hier bei Weitem die größte Menge des eingestülpten Zellmate- rials darstellt, und dass sich überhaupt nur an den beiden Enden der Gastrulationsrinne etwas Entoderm bilden sollte. KoWALEWSKY suchte diese Erscheinung so zu erklären, dass bei der großen Länge des Gastrulamundes der Entodermstreifen in der Mitte zerrissen sei, und dass desshalb hier die ursprünglich lateralen Theile der Invaginations- rinne, die, ähnlich wie bei Sagitta, das Mesoderm lieferten, sich in

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 489

der Mediane vereinigt hätten. Nun war es die Frage, wie man die Dotterzellen unterbringen sollte. Als Entoderm konnte man dieselben nicht mehr auffassen, da sie sich nicht an der Darmbildung bethei- listen; einem anderen Keimblatte waren sie erst recht nicht zuzurech- nen, es blieb also nichts Anderes übrig, als sie als Zellen sui gene- ris anzusehen, die unabhängig von den Keimblättern seien. Ganz außer Acht gelassen wurde der Umstand, dass sich das untere Blatt Sar nicht immer, sondern, wie sich später herausgestellt hat, nur in ziemlich seltenen Fällen als eine wirkliche rohrförmige Einstülpung anlegst, und dass sogar nicht eine Spur von einer Rinne vorhanden zu sein braucht, wie das schon KoROTNEFF (85) für Gryllotalpa kon- statirt hat. Eine eben solche Mesodermbildung durch bloße Ablösung der unteren Zellschicht haben später Heymons bei Phyllodromia und wieder bei Gryllotalpa und LECAILLoN (98) bei Agelastica alni in der Körpermitte beobachtet.

Schon früher erhob sich nun von verschiedenen Seiten Wider- spruch gegen die erwähnte Auffassung der Entstehung des Mittel- darmes aus den beiden Entodermmassen am Vorder- und Enddarm; vielmehr entstehe der Mitteldarm thatsächlich durch Wucherung von den ektodermalen Epithelien von Vorder- und Enddarm. HEyMons (95) hat den ektodermalen Ursprung des Mitteldarmepithels zuerst genau bewiesen, und zwar für Blattiden, Grylliden und Dermapteren, später (97b) auch für Phasmiden. Zu dem gleichen Ergebnisse ist LECAILLON (98) bei Chrysomeliden und RAgrro (98) bei Mantis gelangt, und meine Untersuchungen haben für Lasiocampa mit Sicherheit dasselbe Resul- tat ergeben; auch glaube ich aus dem Aussehen einiger Schnittserien von anderen Lepidopteren den Schluss ziehen zu dürfen, dass die Verhältnisse bei allen Lepidopteren eben so liegen. Es ist wenigstens anzunehmen, dass durch weitere Untersuchungen, besonders auch an Mikrolepidopteren, diese Annahme noch bestätigt wird.

Man könnte nun sagen, man bezeichne jetzt die vom Vorder- und Enddarm auswachsenden Lamellen einfach als Entoderm, weil die- selben eben das Mitteldarmepithel bilden. Eine solche Bezeichnung würde allerdings dem von BrAru (95) formulirten Begriffe des Keim- blattes entsprechen, sofern man letzteres eben in rein physiologischem Sinne aufgefasst wissen will.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass dieses »Entoderm« dann aber jedenfalls bei den Insekten nicht durch eine Gastrulations- erscheinung irgend welcher Art und ähnlich dem der anderen Thiere entsteht, denn die Lamellenbildung ist der Gastrulation so unähnlich

490 Erich Schwartze.

wie möglich. Deutet man dagegen die Keimblätter der Insekten im herkömmlichen Sinne, so ist das Mitteldarmepithel thatsächlich rein ektodermaler Natur, der ganze Embryo wird also aus dem Ektoderm und dem von ihm abstammenden Mesoderm gebildet; das Entoderm nimmt an seinem Aufbau keinen Antheil.

Vorhanden ist dasselbe aber trotzdem. Es ist das Verdienst von HEYMOoNS, zuerst mit Sicherheit festgestellt zu haben, dass die Dotter- zellen das wahre Entoderm darstellen. In diesem Punkte stimmt also die moderne Anschauung mit der jener älteren Autoren überein, die das Entoderm ebenfalls in den Dotterzellen erblickten, allerdings nur desshalb, weil diese ihrer Meinung nach das Mitteldarmepithel zu bilden hätten. Schon in seiner Arbeit über die Embryonalentwieklung der Orthopteren und Dermapteren (95) hatte Hrymoxs die Meinung ausgesprochen, dass die Dotterzellen das Entoderm der Insekten dar- stellten. Bestätigt wurde diese Meinung durch die späteren Unter- suchungen desselben Forschers an Campodea (97c) und Lepisma (97a). An diesen Objekten ergab sich nämlich das interessante Verhalten, dass sich hier das Mitteldarmepithel wirklich aus den Dotterzellen bildet. Bei Campodea werden alle Dotterzellen zu Darmepithelzellen, bei Lepisma geht ein Theil zu Grunde; ähnlich verhalten sich die Odonaten, die Heymoxs (96) ebenfalls untersucht hat. Auch nach LECAILLON (98) hat man die Dotterzellen als Entoderm aufzufassen. Die Odonaten und Lepisma bilden den Übergang von Campodea zu den bisher untersuchten höheren Insekten, bei denen das Entoderm während der Embryonalzeit vollständig zu Grunde geht. Aber die Reduktion desselben geht noch weiter. Nach Wirt (88) ist bei den Aphiden die Zahl der Dotterzellen gering, so dass das Entoderm hier auf einige wenige Zellen beschränkt ist. Der extremste Fall endlich liegt bei parasitischen Hymenopteren vor. Hier ist nach den Unter- suchungen von KOULAGUINE (92) in gewissen Fällen gar kein Dotter und dem entsprechend keine Dotterzellen, mithin kein Entoderm mehr vorhanden.

Es giebt hiernach Thiere, bei denen das innere Keimblatt resp. die aus ihm in der Regel hervorgehenden Gewebe während der ge- sammten postembryonalen Lebensdauer fehlen, oder bei denen sogar das Entoderm niemals, nicht einmal mehr in der Embryonalzeit vor- handen ist. In derartigen Fällen pflegt also bei den Insekten das primäre äußere Keimblatt die Funktionen zu übernehmen, die für ge- wöhnlich dem hier fehlenden inneren Blatte eigen sind. Hiermit zeigt sich, dass ein bestimmter physiologischer Charakter den Keimblättern

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 491

jedenfalls nicht innewohnt, dass vielmehr die Leistungen des Ento- derms sehr wohl von indifferenten, d. h. noch nicht in bestimmter Richtung specialisirten Ektodermzellen übernommen werden können. Ließ sich ein solches Verhalten bisher für die Insekten mit Sicherheit nachweisen, so ist wohl auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass im Laufe der phylogenetischen Entwicklung Ähnliches vielleicht auch bei anderen Metazoen bereits eingetreten sein kann.

Wenn die Keimblätter an bestimmten physiologischen Merkmalen nicht zu unterscheiden sind, so ist, wie besonders schon von Bram (95) hervorgehoben wurde, es fast noch schwerer, durchgreifende morpho- logische Charaktere auf Grund ihrer Lage oder Bildungsweise für dieselben aufzufinden. Schon bei den Insekten kann die Bildung des Entoderms (der Dotterzellen) in der verschiedenartigsten Weise ver- laufen, jedenfalls in der Regel sogar in einer Weise, die sich mit dem üblichen Schema einer Gastrulation nicht gut in Einklang bringen lässt. Auch bei anderen Thieren pflegt bekanntlich die Bildung und Differenzirung der ersten Embryonalschichten auf dem verschieden- artigsten Wege zu erfolgen, so dass es wohl kaum möglich ist diese Vorgänge stets auf ein gemeinsames Grundschema zurückzuführen.

Aus diesen Gründen kann ich auch die Annahme noch nicht für erwiesen halten, dass eine vollkommene Homologie der Keimblätter im ganzen Thierreiche existirt, und es scheint mir die Bedeutung, welche gerade die Keimblätter für die Phylogenie der Metazoen be- sitzen sollen, vielfach überschätzt worden zu sein.

Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geh. Re- gierungsrath Prof. Dr. F. E. SchuLze für die gütige Überlassung eines Arbeitsplatzes im zoologischen Institute der Universität Berlin, sowie Herrn Dr. Hrymons für die Anregung und freundliche Förderung durch Rath und That meinen ergebensten und herzlichsten Dank auszusprechen.

Berlin, im Mai 1899.

Litteraturverzeichnis,

AYERS (84), On the development of Oecanthus niveus and its parasite Teleas. Mem. Boston Soc. nat. Hist. Vol. III. No. 7. 1884.

- BALFOUR (80), Handbuch der vergleichenden Embryologie. Übersetzt von Dr. B. VETTER. Jena 1880.

BOBRETZKY (78), Über die Bildung des Blastoderms und der Keimblätter bei Insekten. Diese Zeitschr. Bd. XXXI. 1878.

492 Erich Schwartze,

BRAEM (95), Was ist ein Keimblatt? Biol. Centralbl. Bd. XV. 1895.

CHOLODKOWSKY (85), Sur la morphologie de l’appareil urinaire des l&pidopteres. Archives de Biologie. Tome VI. 1885.

CHOLODKOWSKY (91), Die Embryonalentwicklung von Phyllodromia (Blatta) ger- manica. Mem. Acad. St. Petersbourg. (7.) Tome XXXVIII. No.5. 1891.

- . DoHrn (66), Zur Embryologie der Arthropoden. Centralbl. f. d. med. Wissensch.

Nr. 54. Berlin 1866.

DoHrn (76), Notizen zur Kenntnis der Insektenentwicklung. Diese Zeitschr. Bd. XXVI, 1. Heft. 1876.

GAnIn (74), Über das Darmdrüsenblatt der Arthropoden. Warschauer Universi- tätsberichte. Bd. I. 1884. (Russisch.)

GIARDINA (98), Primi stadi embrionali della Mantis religiosa. Monit. Zool. Ital Anno 8. No. 12. 1898.

GRABER (88), Vergleichende Studien über die Keimhüllen und die Rückenbildung bei Insekten. Denkschr. Akad. d. Wiss. Bd. LV. Wien 1888,

GRABER (89), Vergleichende Studien über die Embryologie der Insekten und insbesondere der Musceiden. Denkschr. Akad. Wiss. Bd.LVI. Wien 1889.

GRABER (90), Vergleichende Studien am Keimstreifen der Insekten. Ebenda. Bd. LVII. Wien 189.

GRABER (91), Beiträge zur vergleichenden Embryologie der Insekten. Ebenda. Bd. LVIIl. Wien 1891.

GrRASSI (84), Intorno allo sviluppo delle api nell’ uovo. Atti Accad. Gioenia Seienz. Nat. Catania. (3.) Vol. XVIII. 1884.

HAECcKEL (77), Studien zur Gasträatheorie. Jena 1877.

HATSCHER (77), Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. Jen Zeitschr. f. Naturwiss. Bd. XI. 1877.

HEIDER (89), Die Embryonalentwicklung von Hydrophilus piceus L. I. Theil. Jena 1889,

HEROLD (15), Entwicklungsgeschichte der Schmetterlinge, anatomisch u. physio- logisch bearbeitet. Kassel und Marburg 1815.

O0. u. R. HERTwIG (81), Die Cölomtheorie. Jena 1881.

Heymons (95), DieEmbryonalentwicklung von Dermapteren und Orthopteren unter besonderer Berücksichtigung der Keimblätterbildung. Jena 1895.

HEYMmons (96), Grundzüge der Entwicklung und des Körperbaues von Odonaten und Ephemeriden. Abhandl. Akad. d. Wiss. Berlin. Anhang. 1896.

Heymons (97a), Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Lepisma saccha- rina L. Diese Zeitschr. Bd. LXII, 4. Heft. 1897.

Hrymoxs (97b), Über die Organisation und Entwicklung von Baeillus Rossii Fabr. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. Berlin. 1897.

Hryumons (97e), Über die Bildung und den Bau des Darmkanals bei niederen Insekten. Sitzungsber. d. Ges. naturforsch. Freunde. Berlin 1897.

HEyMmoNns (98), Zur Entwicklungsgeschichte der Chilopoden. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1898. |

KOROTNEFF (85), Die Embryologie der Gryllotalpa. Diese Zeitschr. Bd. XLI. 1888.

KORSCHELT-HEIDER (92), Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Thiere. Jena 1892.

KOULAGUINE (92), Notice pour servir & l’histoire du developpement des hymen- opteres parasites. Congres international de Zool. 2. Session & Moscou. Bart 27221892:

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 493

Kuracın (98), Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte von Platy- gaster. Diese Zeitschr. Bd. LXIII. 189.

KOWALEwWsKY (71), Embryologische Studien an Würmern und Arthropoden. M&m. Acad. St. Petersbourg. (7.) Bd. XVI. Nr. 12. 1871.

LECAILLON (98), Recherches sur !’oauf et sur le developpement embryonnaire de quelques Chrysomelides. Paris 1898.

MAYER (76), Über die Ontogenie und Phylogenie der Insekten. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. X. 1876.

NUSBAUM (88), Die Entwicklung der Keimblätter bei Melo& proscarabaeus Marsham. Biol: Centralbl. Bd. VIII. Nr. 15. 1888.

PATTEN (84), The Development of Phryganids with a preliminary note on the Development of Blatta germanica. Quart. Journ. Mier. Sc. Vol.XXIV. 1884.

RABITo (98), Sull’ origine dell’ intestino medio nella Mantis religiosa. Palermo 1898.

RITTER (90), Die Entwicklung der een. und des Darmes bei Chiro- nomus. Diese Zeitschr. Bd. L,.3. Heft. 1890. SCHÄFFER (89), Beiträge zur Histologie der Insekten. Zool. Jahrb. Abth.£. Anat. u. Ontog. Bd. III. 1889. | SELVATICO (81), Sullo sviluppo embrionale "dei Bombieini. Boll. Bachieoltura. Anno 8. 1881.

TiCHOMIROFF (79), Über die a 2 ehe des Seidenwurms. Zool. Anz. ESH9 NT: 20.

TICHOMIROFF (82), Zur Entwicklungsgeschichte von Bombyx mori. Arb. Labor. Zool. Mus. Moskau. 1882. (Russisch.)

TICHOMIROWA (90), Zur Embryologie von Chrysopa. VIII. russ. Naturf.-Vers. St. Petersburg. 1890. Ref. im Biol. Centralbl. Bd. X. Nr. 13, 14. 1890.

res (92), Sur Y’histoire du d&veloppement de Chrysopa perla. Congr. intern. d. Zool. 2. Session & Moscou. Part. I. 1892.

VERSON (97), La evoluzione del tubo intestinale nel filugello.. Padova 1897.

VOELTZKOW (89a), Entwicklung im Ei von Musca vomitoria. Arb. Zool.-Zoot. Inst. Würzburg. Bd. IX. 1889,

VOELTZKOW (89b), Melolontha vulgaris. Ein Beitrag zur Entwicklung im Ei bei Insekten. Arb. Zool.-Zoot. Inst. Würzburg. Bd. IX. 1889,

WHEELER (89), The Embryology of Blatta germanica and Doryphora decem- lineata. Journ. of Morphology. Vol. III. No. 2. 1889.

Wir (88), Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. Zool. Jahrb. Abth. f. Anat. u. Ontog. Bd. III. 1888.

WiTLAczIL (84), Entwicklungsgeschichte der Aphiden. Diese Zeitschr. Bd. XL, 4. Heft. 1884.

WOooDWOoRrTH (89), Studies on the embryologicaldevelopmentofEuvanessa Antiopa. In: The Butterflies of the Eastern United States and Canada with speeial reference to New-England. Cambridge 1859.

Erklärung der Abbildungen,

Zeichenerklärung: a, Amnion; am, Serosakerne in ami- asf, Amnionzellen mit ah, Amnionhöhle; totischer Theilung; Fortsätzen;

494

bl, Blutzellen;

54, Blutzellen mit Kernen;

er, Cryptenzellen;

de, Darmepithel;

‘dz, Dotterzellen;

ec, Ektoderm;

ez, Ektodermzapfen;

Fk, Fettkörper;

hgl, hintere Grenzlamelle;

hmi, hintere Mitteldarmla- melle;

9, Gehirn;

ga, Ganglien;

gz, Ganglienzellen;

Im, Längsmuskulatur;

m, Mesoderm;

zwei

Erich Schwartze,

mand, Mandibel;

mazı, erste Maxille;

mu, Muskeln;

n,. Nerven;

oe, Önveyten;

pı, Paracyten Kernzerfall;

pa, Paracyten nach dem Kernzerfall;

pr, Proctodäum;

pri, Primitivrinne des Ner- vensystems;

psp, Pedes spurii;

r, Rinne, die bei der Meso- dermbildung auftritt;

rm, Ringmuskulatur;

rna, Rückennabel;

vor dem

Tafel XXXI—XXXIV.

s, SETO8a;

sn, Schlundnervensystem;

st, Stomodäum;

su, Subösophagealkörpe:r ;

sy, Dottersyneytien;

tr, Tracheen;

v, Vacuolen;

vg, mediane Verdickung der vorderen Grenzla- melle;

vgl, vordere Grenzlamelle;

vM, Vasa Malpighii;

vml, vordere Mitteldarm- lamelle;

zf, Zellfortsätze am Rand der vorderen Grenzla- melle.

Der Dotter ist durch gelbe Farbe, das Ektoderm durch hellere, das Meso- derm durch dunklere graue Farbe angedeutet. Besonders differenzirte Gewebe sind je nach ihrem Aussehen im Aulanonlaup Selle Bilde heller oder dunkler an-

gegeben.

Die Figg. 1—8 beziehen sich auf Ocneria dispar.

Fig. 1.

Querschnitt durch ein ganz junges Ei vor der Blastodermbildung.

Die späteren Blastodermzellen sind bereits von den späteren Dotterzellen ge-

sondert. Vergr. 70. iee2!

Chromatinsubstanz des Kernes ist zerfallen. Querschnitt durch einen ganz jungen einschichtigen Keimstreifen, Vergr. 190.

Fig. 3.

dessen Amnion der Serosa noch dicht anliegt. Das in Fig. 3 mit sy bezeichnete Dottersyneytium stark vergrößert.

Fig. 4.

Der Plasmakörper enthält fünf Kerne. Querschnitt durch einen etwas älteren, aber auch noch einschich- Vergr. 190. Querschnitt durch das Vorderende eines Keimstreifs während der

Fig. 5. tigen Keimstreifen. Fig. 6.

Mesodermbildung. Das Mesodermrohr zeigt ein deutliches Lumen. Querschnitt durch denselben Keimstreifen etwas weiter hinten.

ae Te

Das Lumen der Mesodermeinstülpung ist verschwunden. Querschnitt durch denselben Keimstreifen noch weiter hinten.

Fig. 8.

Das Mesoderm liegt dem Ektoderm hier bereits flach an.

Vergr. 725.

Die in Fig. 1 mit z bezeichnete innere Zelle stark vergrößert. Die Vergr. 1120.

Verg. 190. Vergr. 190.

Vergr. 190.

Die übrigen Figg. 9—37 beziehen sich auf Lasiocampa fasciatella, var.

excellens. Fig. 9. Mesoderm besitzt. Fig. 10. Kie 11. Rinne hat sich vertieft. Fig. 12. streifen.

Einzelne Dotterzelle. Querschnitt durch einen etwas älteren Keimstreifen. Die mediane Vergr. 45. Querschnitt durch einen noch etwas weiter entwickelten Keim- Die mediane Rinne ist noch tiefer geworden. Vergr. 45.

Vergr. 1120.

Querschnitt durch einen ganz jungen Keimstreifen, der noch kein In der Mitte zeigt er eine seichte Einsenkung r. Vergr. 45.

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 495

Fig. 13. Theil des in Fig. 11 dargestellten Schnittes stärker vergrößert. Eine Paracyte mit noch intaktem Kerne (»,) ist in der Auswanderung begrif- fen, eine andere (9») liegt frei im Dotter, ihr Kern ist zerfallen. Vergr. 435.

Fig. 14. Tangentialschnitt durch die Serosa mit mehreren Kernen in ami- totischer Theilung (am). Vergr. 190.

Fig. 15. Querschnitt durch das vordere, dorsal schon geschlossene Ende eines Keimstreifs während der Bildung des Mesoderms und der Blutzellen. Vergr. 190.

Fig. 16. Querschnitt ein wenig weiter hinten; er zeigt die gleichen Er- scheinungen wie der vorige, nur schwächer, und ist dorsal offen. Vergr. 190.

Fig. 17. Sagittalschnitt durch das Vorderende eines Keimstreifs im gleichen Stadium, zeigt die Bildung der Blutzellen sehr deutlich. Vergr. 29.

Fig. 18. Einzelne Blutzelle. Vergr. 1120.

Fig. 19. Querschnitt durch das Hinterende eines Keimstreifs im gleichen Alter. Die Mesodermbildung erfolgt hier durch Überschiebung. Vergr. 190.

Fig. 20. Querschnitt durch das Hinterende eines etwas älteren Keimstreifs. Nur eine Mesodermzelle berührt noch die Oberfläche. Vergr. 190.

Fig. 21. Sagittalschnitt durch das Hinterende eines Keimstreifs von etwa gleichem Alter. Das Mesoderm berührt die Oberfläche in einer ziemlich langen Strecke. Vergr. 190.

Figg. 22—26 stellen Sagittalschnitte durch die Anlage des Stomodäums dar. Vergr. 190.

Fig. 22. Erste Anlage des Stomodäums (s?).

Fig. 23. Dieselbe vertieft mit seitlichen Zellfortsätzen (zf).

Fig. 24. Dieselbe weiter verlängert. An der Kuppe treten einzelne Zel- len (vl) hervor.

Fig. 25. Seitlicher Schnitt mit deutlicher Mitteldarmlamelle (vm]).

Fig. 26. Medianschnitt aus derselben Serie mit ventraler Verdickung (vg) der Grenzlamelle (vgl).

Fig. 27. Querschnitt durch das Vorderende in etwas höherem Alter. An den Seiten des Stomodäums wachsen die Mitteldarmlamellen (vm/) aus. Vergr. 190.

Fig. 28. Querschnitt aus derselben Serie etwas weiter hinten. Die Mittel- darmlamellen sind quer getroffen. Vergr. 190.

Fig. 29. Medianschnitt durch das Hinterende eines Keimstreifs mit der Anlage des Proctodäums (pr). Vergr. 190.

Fig. 30. Etwas weiter seitlich gelegener Sagittalschnitt aus derselben Serie. Getroffen ist die Wand des Proctodäums mit der hinteren Mitteldarmlamelle (kml) und den Anlagen der beiden ersten Vasa Malpighii M). Vergr. 190.

Fig. 31. Querschnitt durch das Hinterende eines etwas älteren Keimstreifs. Das Lumen des Enddarmes zeigt einen sechseckigen Querschnitt; seitlich liegen jederseits drei Vasa Malpighii (oM); das übrige Körpergewebe hat sich mannig- faltig differenzirt. Vergr. 190.

Fig. 32. Querschnitt aus derselben Serie etwas weiter vorn; links ist noch ein Theil der Kuppe des Proctodäums, rechts nur die hintere Mitteldarmlamelle (Ami) mit ihrer Mesodermbekleidung sichtbar. Vergr. 190.

Fig. 33. Sagittalschnitt durch einen älteren Keimstreifen. Die Mittel- darmlamellen haben sich besonders ventral stark verlängert, der Dotterraum ist scharf gegen die Leibeshöhle abgegrenzt und hängt nur durch den Rücken- nabel ("na) noch mit dem äußeren Dotter zusammen. Vergr. 70.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 32

496 Erich Schwartze, Zur Kenntnis der Darmentwickl. bei Lepidopteren.

Fig. 34. Lateraler Längsschnitt durch die Mitteldarmwand im gleichen Stadium. Die Mesodermbekleidung des Darmepithels (de) ist in Ring- (rm) und Längsmuskulatur (m) zerfallen. tr Tracheenast. Vergr. 190.

Fig. 35. Querschnitt durch die geschlossene Mitteldarmwand; das nn: -epithel hat sich erhöht, die Muskelschichten sind dünn geworden. Vergr. 435.

Fig. 36. Gruppe von Trichoblasten. Vergr. 190.

Fig. 37. Querschnitt durch die Mitteldarmwand eines zum Auskriechen fertigen Embryos. Die Darmepithelzellen (de) liegen einschichtig, abgesehen von den an ihrer Basis liegenden Kryptenzellen (cr). Die Ringmuskulatur hat sich weiter verdünnt, die Längsmuskulatur ist in einzelne Stränge zerfallen. Vergr. 435.

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden, Von

Guido Schneider (Sebastopol).

Mit Tafel XXXV.

Einleitung.

Bereits im Sommer 1895 begann ich auf der Zoologischen Station des Weißen Meeres, Solowetzk, Material zu der vorliegenden Arbeit zu sammeln und publicirte einige Resultate schon im folgenden Jahre theils in den Arbeiten der Kaiserlichen Naturforschergesellschaft zu St. Petersburg (8), theils in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoo- logie (9). Darauf wurden die Arbeiten auf der finnländischen Zoolo- gischen Station Esbo-Löfö, auf der deutschen Zoologischen Station zu Neapel und zuletzt in Sebastopol auf der biologischen Station der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften fortgesetzt. Die Unter- suchungen nahmen aber leider einen langsamen Verlauf, da ich sie wegen Reisen und Amtspflichten oft unterbrechen musste, wobei etliches Material unbearbeitet verloren ging oder verdarb.

Die Aufgabe, welche ich mir dieses Mal gestellt hatte, war fol- gende: es lag mir vor Allem daran, mich über das Wesen der Pha- gocytose in Segmentalorganen zu orientiren, durch das Studium der- selben an verschiedenen Annelidenspecies mit Hilfe physiologischer Injektionen und Fütterung der Thiere mit verschieden kombinirten Substanzen. Ferner wollte ich die Beziehungen zwischen den beiden Funktionen der Phagocytose und der Exkretion, so weit mir möglich, klar legen, dabei auch noch nach anderen phagocytären Organen forschen bei Species, wo ich dieselben noch nicht studirt hatte, und nebenbei neue Daten zur Beurtheilung des Wesens und der Funktion des Herzkörpers gewinnen.

Die Phagoeytose in den Segmentalorganen der Anneliden wurde zuerst von E. G. RacovItza (6) gesehen, aber nieht als solche erkannt,

Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 38

498 Guido Schneider,

sondern für Diapedese gehalten: »Comme les granules d’enere de sepia«, heißt es auf p. 466, »s’accumulent en abondance dans la paroi nephridiale, il est probable, que cette region offre aussi un bon terrain A la diapedese. Cela expliquerait aussi la presence dans la nephridie de granules ä charactere chloragogene.«

Darauf entdeckte ALEXANDER KOWALEVSKY (3) analoge Vorgänge bei Olepsine und Euaxes. Diese und meine Untersuchungen an Oli- sochäten (9) ließen zuletzt keinen Zweifel übrig an der Fähigkeit gewisser, zum Bestande des Epithels der Nephridialkanäle gehörender Zellen, auf phagocytäre Weise Fremdkörper in sich aufzunehmen.

Nun entstand aber die Frage: können dieselben Zellindividuen aus dem Lumen des Nephridialcanales Fremdkörper in sich auf- nehmen und gleichzeitig die Exkretionsstoffe des Körpers, die sie aus dem Blute erhalten, durch sich hindurch in das Lumen austreten lassen? und wie verhalten sich die verschiedenen Stoffe im Innern der Zelle zu einander und zu den Bestandtheilen der Zelle selbst, zu Kern, Protoplasma und Vacuolen?

Werfen wir zunächst einen Überblick über die zur Anwendung gelangten Methoden, denn diese müssen vor Allem selbst erst genau studirt werden, um Vertrauen erweckende Resultate zu liefern.

Es genügte bald nicht mehr, die in den Exkretionszellen vorge- fundenen Exkretkörnchen und zur Ausscheidung gelangenden Flüssig- keiten allein zu studiren, und man begann solche leicht lösliche Sub- stanzen den Versuchsthieren zu injieiren, die sich durch geeignete Behandlung in sichtbarer Form in den Nephridialzellen fixiren und nachweisen lassen. Seit längerer Zeit dienen indigschwefelsaures Na- trium oder Indigokarmin und karminsaures Ammoniak zu experimen- tellen Untersuchungen über Exkretion. Beide Farbstoffe haben jedoch sroße Nachtheile. Das indigschwefelsaure Natrium ist in Meerwasser schwer löslich und bildet, Meeresthieren injieirt, blaue Niederschläge, die auf phagocytärem Wege aufgenommen werden und das Bild stören. Lösungen von karminsaurem Ammoniak in Seewasser sind beständiger, erfordern aber ein sorgfältiges Filtriren jedes Mal vor dem Gebrauche und haben noch den Vorzug, dass das durch ein beliebiges saures Fixirmittel gefällte Karmin sich sehr schwer wieder löst, und die Präparate vorzüglich nachgefärbt werden können, was beim Indigokarmin nicht der Fall ist. Zuverlässig hinsichtlich der zu vermeidenden Niederschläge in den lebenden Versuchsthieren sind aber beide nicht, und eben so wenig das oft angewendete Eisenpräparat, Ferrum oxydatum saccharatum, das so vorzüglich von allen Thieren

/

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 499

vertragen wird. Das Eisen hat noch den Nachtheil, dass es schon in der Natur so weit verbreitet ist, und desshalb hielt ich es für wünschenswerth, mich nach einem andern Schwermetalle umzusehen, das sonst im Thierkörper nicht vorkommt. Meine Wahl fiel nach langen vergeblichen Versuchen auf das Uran, weil es genau unter den gleichen Umständen, wo Eisen die bekannte Berlinerblaureaktion zeigt, als braunrother Niederschlag gefällt wird. Uran ist giftig, wird aber doch von einigen Thieren sowohl in unlöslichen Verbin- dungen, als auch in der sehr leicht löslichen Form, als Uran-Natrium- - Carbonat vertragen. Dieses letztere Salz erhielt ich durch Hinzufügen von Natriumbicarbonat zu einer Lösung von Urannitrat und Entfernung des Niederschlages durch Filtriren. Die nach mehrfachem Filtriren erhaltene hellgelbe klare Flüssigkeit enthält neben Natriumsalpeter sehr viel Uran in Lösung. Die mikrochemische Reaktion entspricht jedoch nieht den Erwartungen, welche die Reagensglasprobe zu recht- fertigen scheint, denn der durch Ferrocyankali und Säure erhaltene Niederschlag ist unter dem Mikroskop sehr hell und undeutlich.

Anilinfarbstoffe bringt man den Versuchsthieren am besten bei, indem man sie längere oder kürzere Zeit in einer Lösung des be- treffenden Farbstoffes in Seewasser und darauf in reinem fließenden Seewasser hält, bis die Exkretion deutlich vor sich geht und die Würmer abblassen. Von den Anilinfarben verdient das Methylenblau Beachtung, weil es nach den von BETHE (2) erfundenen Methoden durch molybdänsaures Ammonium fixirt werden kann. Allerdings sind die damit gewonnenen Resultate immerhin mit Vorsicht aufzu- nehmen, wie der Vergleich mit lebenden Zellen lehrt.

Von festen Körpern gelangten bei den Injektionen chinesische Tusche, Karmin in Form der englischen Aquarellfarbe und lebende Spermatozoen von Aseidien zur Anwendung.

Eine Reihe anderer Substanzen wurde auch noch versuchsweise angewendet sowohl bei physiologischen Injektionen, als auch bei Fütterungen, aber gab keine Resultate, weil entweder die Stoffe schlecht vertragen wurden, oder mikrochemisch nicht gut aufzufinden waren.

Die oben angeführten mehr oder weniger leicht unter dem Mikro- skope auffindbaren Substanzen wurden verschiedenen alten und jungen Exemplaren mehrerer Annelidenspecies durch Injektion in die Leibes- höhle oder durch Fütterung beigebracht. Von den untersuchten Spe- eies können jedoch nur diejenigen hier abgehandelt werden, die positive Resultate ergaben, d. h. wo Phagocytose in den Segmental-

33*

00 Guido Schneider,

organen konstatirt wurde. Denn. negative Resultate können nur zu leicht durch Misslingen der Experimente bedingt sein und bedürfen genauester Nachuntersuchung an möglichst großem Materiale.

Die Species der polychäten Anneliden, an denen ich hauptsäch-

lieh experimentiren konnte, waren Arenicola marina L., Travisia

forbesi Johnst., Peetinaria hyperborea Malmgr., Terebellides stroemi Sars und Polymnia nesidensis D. Ch. aus dem Weißen Meere und Arenicola claparedei Lev., Pectinaria auricoma Müll., Lanice conchilega Pall, Polymnia nebulosa Mont. und Terebellides stroemi Sars aus dem Mittelländischen Meere.

Grundzug des Baues der Annelidennephridien.

Die Segmentalorgane oder Nephridien der verschiedenen von mir untersuchten Annelidenspecies unterscheiden sich, wie wir sehen werden, recht bedeutend von einander, und zwar in der Structur der Zellen des secernirenden Epithels. Zur allgemeinen Orientirung kann man an jedem Nephridium drei Haupttheile unterscheiden: Den Trichter, das secernirende Mittelstück und den Endabschnitt oder Ausführungsgang. Letzterer ist bei den in dieser Arbeit in Betracht kommenden sedentären polychäten Anneliden sehr kurz. Am Mittelstück lässt sich bei vielen Arten, nach dem Beispiele von E. Meyer (4) noch ein Innen- und ein Außenschenkel unterscheiden, nämlich bei denen, wo das Nephridium in der Mitte umgebogen ist. Die beiden Schenkel unterscheiden sich meist histologisch von ein- ander.

Nephridien und Herzkörper von Pectinaria.

Die größten Epithelzellen habe ich in den Nephridien der beiden Species von Pectinaria, P. hyperborea und P. auricoma, gefunden und beginne mit der Schilderung der Nephridien bei diesen Würmern, weil sie sehr typische Resultate ergaben und die Beurtheilung der Exkretionsorgane bei anderen Species, wo die Verhältnisse weniger deutlich sind, erleichtern.

Die großen diehtbewimperten Zellen enthalten eine große Menge Vacuolen, zwischen denen nur sehr wenig Protoplasma übrig bleibt. Der Kern liegt in verschiedener Höhe, bald näher der Leibeshöhle, bald nahe der Lumenoberfläche der Zelle. Das Protoplasma zwischen den Vacuolen und um den Kern herum bildet nur ganz dünne Schich- ten. Die Vaeuolen scheinen eine etwas diekflüssige homogene Sub- stanz zu enthalten, die sich nach Injektion oder Fütterung des Thieres

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 501

mit Methylenblau lebhaft färbt und in der meist eine feste gelbe Exkretkugel frei im Centrum suspendirt ist. Fig. 1 ist nach einem frischen Präparate gezeichnet und stellt den aus einer zerrissenen Nephridienzelle ausgetretenen und kugelförmig zusammengeballten Zellinhalt dar, der im optischen Querschnitte aus acht Vacuolen be- steht, in deren jeder eine gelbe Exkretkugel suspendirt ist. Das völlig erwachsene Exemplar von Pectinaria auricoma war zwei Tage in Methylenblau-Seewasser-Mischung und darauf vier Tage in reinem fließenden Seewasser gehalten worden. Nerven und Blut erwiesen sich ungefärbt, der Mitteldarm war stark blau (dort geht also die Resorption offenbar vor sich), und auch der Herzkörper erwies sich sebläut. Die Mittelstücke besonders der hinteren beiden Nephridien waren dunkelblau. Im Gegensatz zu diesem Bilde, das man am frisch zerzupften Nephridienepithel sieht, steht das Bild, das durch Konservirung mit molybdänsaurem Ammonium hervorgebracht wird. Während am frischen Objekte der ganze Inhalt der Vacuolen blau, das Protoplasma, d.h. die feinen Grenzen der Vacuolen, und die selben Exkretkörner aber ungefärbt sind, sieht man auf Schnitten durch konservirtes Material genau das Umgekehrte: Exkretkugeln und Vacuolengrenzen sind blau, der Inhalt aber scheinbar ungefärbt. Dieser Gegensatz erklärt sich leicht dadurch, dass das den flüssigen Vaeuoleninhalt färbende Methylenblau durch Einwirkung des molyb- dänsauren Ammoniums gefällt wird und sich auf die genannten Theile in fester Form niederschlägt. Dadurch wird das falsche Bild hervorgerufen, als färbten sich Protoplasma und Exkretkörn- chen blau.

Feste Körper, wie Tusche- und Karminkörnehen, werden auf phagoeytärem Wege von den Zellen des Nephridialepithels aufge- nommen und zwischen den Vacuolen im Protoplasma abgelagert. An alten Thieren, wo das Protoplasma dürftig ist, sieht man es weniger deutlich, als an jungen. Fig. 2 stellt einen Querschnitt durch den Mitteltheil eines Nephridiums dar, das einem jungen Exem- plare zwanzig Stunden nach einer Tuscheinjektion in die Leibeshöhle entnommen wurde. Die Zellgrenzen sind nicht mehr zu erkennen, die Kerne liegen verschieden weit von der Peripherie, und im Proto- plasma, das noch sehr deutlich zu erkennen ist, sieht man Vacuolen in weit geringerer Zahl, als beim Erwachsenen. Sowohl in den Vacuolen, als auch im Protoplasma finden sich die gelben Exkret- kugeln. Die injieirten Tuschekörnchen sind vom Protoplasma auf- genommen worden, ohne in die Vaecuolen einzutreten. An den Cilien,

502 Guido Schneider,

die in diesem Stadium verhältnismäßig sehr lang sind, kleben Tusche- körnchen.

Eisen findet sich in den Nephridien nur in ganz geringen Spuren, wenn es als Ferrum oxydatum saccharatum in Seewasser gelöst in- - .Jieirt wurde, sonst normaler Weise gar nicht, auch dann nicht, wenn die Mitteldarmzellen und der Herzkörper, wie ich das schon früher geschildert habe (8), von Eisen förmlich erfüllt sind. Das Eisen wird also normalerweise ‚nicht durch die Nephridien ausgeschieden, son- dern im Herzkörper aufgespeichert, wenn es durch den Mitteldarm mit der Nahrung aufgenommen wurde.

Im Gegensatz zu Methylenblau, das den Vaeuoleninhalt färbt, färbt Indigkarmin das Protoplasma zwischen den Vacuolen. Bei ge- nauerer Betrachtung sieht man aber, dass es in Form von Körnchen aufgenommen ist, und das beweist, dass es phagocytär als fester Körper resorbirt wurde. Wie bereits in der Einleitung gesagt wurde, löst sich Indigkarmin schwer in Seewasser und bildet leicht Nieder- schläge, wenn es in verdünntem Seewasser gelöst injieirt wird.

Füttert man Pectinaria mit Karminpulver, so findet man dasselbe massenhaft gelöst im Hinterdarme und ein wenig in der Leibes- höhlenflüssigkeit vollkommen gelöst. In den Nephridien färben sich, wie ich mich an lebenden Exemplaren von Peetinaria auricoma nach 13tägiger Karminfütterung überzeugen konnte, einige Vacuolen und die darin befindlichen gelben Körper blassroth.

Nephridien und Herzkörper der Terebelloiden.

Gehen wir von den Amphicteniden zu den Terebelloiden über, so finden wir Verhältnisse in der Struktur der Nephridienzellen, die sich auf den ersten Blick wesentlich von dem zu unterscheiden scheinen, was wir bei Pectinaria beobachteten. Die sekretorischen Nephridienzellen sind bei Polymnia nebulosa und nesidensis und bei Terebellides stroemi höher als breit, oft sogar lang ünd schmal, mit Kernen in verschiedener Höhe und großen und kleinen Vacuolen, die aber nicht in allen Zellen anzutreffen sind. EDUARD MEYER (4, p. 615) unterscheidet bei Polymnia nebulosa zwei Zellformen: »Die einen von ihnen sind schmal, eylindrisch, haben ein grobgranulirtes Proto- plasma und in ihrem basalen Theile einen hellen bläschenartigen ovalen Kern, welcher mit einem oder mehreren dunklen Kernkörper- chen versehen ist. In der inneren, der Lichtung des Organs zuge- wandten Hälfte der Zellen befindet sich eine bald größere, bald ge- ringere Anzahl gelblicher Körnchen von krystallinischer Gestalt

Über Phagoceytose und Exkretion bei den Anneliden. 503

und verschiedener Größe es sind die festen, geformten Ausschei- dungsprodukte oder Exkretionskörperchen. Die andere Zellenform ist blasig aufgetrieben und enthält einen großen Hohlraum, dem segenüber das spärlich vorhandene körnige Protoplasma als eine dünne, häutige Hülle erscheint; der Zellkern ist flach, dunkel ge- färbt, wandständig und kann im Zellkörper eine verschiedene Lage einnehmen. In der Exkretionsvacuole liegen gewöhnlich die gleichen pigmenthaltigen Konkretionen, wie sie im Protoplasma der ersten Zellart in der Regel vorhanden sind. Im frischen Zustande ist die Vacuole mit einer klaren wasserhellen Substanz, der Exkretions- flüssigkeit, angefüllt, in welcher die krystallinischen Körnchen frei suspendirt sind.«< Im Weiteren sagt E. Meyer, dass zwischen beiden Zellarten kein wesentlicher Unterschied besteht, und leitet ihr differentes Aussehen vom verschiedenen Vorwiegen der flüssigen und festen Ausscheidungsprodukte in den Zellen her. Lange schmale Zellen, »an denen keine Spur von Protoplasma zu bemerken iste, werden für »Exkretionszellen in der Endphase ihrer Funktion« er- klärt, welche von den Nachbarzellen zusammengedrückt worden sind. Hinsichtlich der Vertheilung der beiden Zellarten findet E. MEYER, dass bei den vorderen Nephridien im ganzen Innenschenkel die Zellen vorherrschen, welche nur die gelben Exkretkörperchen ent- halten, im Außenschenkel aber die vacuolisirte Zeliart, »welche mehr flüssige als feste Ausscheidungsprodukte liefert«. »Die sanzen Schläuche der hinteren Nephridien erinnern im All- semeinen mehr an die Innenschenkel der vorderen, da ihr Epithel fast durchweg aus Zellen der ersten Art gebildet ist; nur sesen das distale Ende derselben zeigen sich in den Wandungen vereinzelte Vacuolen.«e Ganz ähnliche Verhältnisse finde ich auch bei Polymnia nesidensis.. Von den sechs Nephridienpaaren ist das vorderste durch lange Schläuche vor den übrigen ausgezeichnet. Fig. 3 zeigt ein Stück der Wand des Außenschenkels mit den zum Theil sanz riesengroßen Vacuolen, welche die benachbarten Zellen ganz zusammendrücken. In einigen von den kleineren Vacuolen und im Protoplasma finden sich gelbe Exkretkörner, und die dem Exemplar 24 Stunden vor der Konservirung in die Leibeshöhle injieirte Tusche ist von den dem Lumen zugewandten Enden sämmtlicher Zellen auf- senommen worden, ohne aber in die Vacuolen einzudringen.

Beide Schenkel des Mittelstückes erweisen sich als phagoeytär, so weit das Exkretionsepithel reicht, gleichviel ob es Vacuolen oder nur Exkretkörnchen enthält.

504 Guido Schneider,

Fig. 4 zeigt einige Zellen aus dem vacuolenfreien Innenschenkel des vordersten Nephridiums von einem noch ganz jungen Exemplare von Terebellides stroemi, dem gleichfalls Tusche 24 Stunden vor dem Tode injieirt worden war. Wir finden die Tusche hier ebenfalls in der dem Lumen zugekehrten Hälfte aller Zellen zwischen den Exkretkörnern eingelagert.

Genau so wie die vorderen, verhalten sich auch die hinteren Nephridien in Bezug auf Phagocytose. Sowohl der enge, von Vacuo- len freie Anfangstheil, als auch der daran sich anschließende kurze, Vaeuolen führende Abschnitt, der dem Außenschenkel entspricht, ent- halten Tusche in allen ihren Zellen, oder andere in Pulverform in die Leibeshöhle eingeführte ungelöste Substanzen. Eisen fand sich bei den Terebelloiden nie in den Nephridien, sondern immer nur im Herzkörper, wenn es in löslicher Form injieirt wurde. Auch an in- takten Exemplaren ist es sehr oft, wenn auch nicht immer, durch die Berlinerblaureaktion in den Herzkörperzellen nachweisbar.

Die Nephridien von Lanice conchilega sind so vorzüglich von E. Meyer beschrieben worden, dass eine allgemeine Schilderung hier überflüssig ist (vgl. 4, p. 618—625). Das Exkretionsepithel unterscheidet sich von demjenigen der übrigen Terebelloiden dadurch, dass die Zellen im Allgemeinen niedriger sind und keine Längsstreifung zeigen, wie z. B. in Fig. 3 die Nephridialzellen von Polymnia nesidensis. Die Cilien sind verhältnismäßig lang und stehen weit weniger dicht als bei den übrigen Terebelloiden.

Fig. 5 stellt einige Zellen aus der Dorsalwand eines hinteren Nephridialganges dar.. Wir sehen dieselben riesigen Vacuolen, wie bei Polymnia, und gelbe Exkretkörnchen im Protoplasma. Tusche- körnchen, die dem Exemplare zusammen mit Ferrum oxydatum sac- charatum 24 Stunden vor dem Tode in die Leibeshöhle injicirt worden waren, sieht man in den dem Lumen zugekehrten Theilen des Zellenprotoplasmas. Eisen wird also auch hier nicht in den Nephridien ausgeschieden.

Als Phagocyten bethätigen sich alle Zellen sowohl der Nephri- dialschläuche selbst, als auch der Nephridialgänge, durch welche die Nephridien gemeinsam nach außen münden. Auch die ganz flachen Zellen der Ventralwände der Nephridialgänge nehmen begierig Tusche- körnchen auf in derselben Weise, wie die übrigen Zellen des Nephri- dialepithels.

Nur die Zellen des Trichterabschnittes aller Nephridialschläuche

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 505

und diejenigen des ganzen dritten vorderen Nephridienpaares von Lanice conchilega scheinen keine Phagocyten zu sein.

Eisen wird von den Zellen des Herzkörpers resorbirt und findet sich in deren Protoplasma nach der Berlinerblaureaktion als blaue kleine Kugeln (Fig. 6 u. 7) zwischen den grünlichgelben Kugeln ver- streut, die in großer Menge den ganzen Herzkörper erfüllen. Fig. 6 stellt einen Schnitt aus einem Randzipfel, Fig. 7 einen Schnitt aus der Mitte des Herzkörpers dar. Die grünlichen Körnchen, die den Zellen des Herzkörpers charakteristisch sind, sind in beiden Figuren unnatürlich gelb wiedergegeben, um keine Verwechslung mit den blauen eisenhaltigen Körnchen zu veranlassen. Im Centrum der Fig. 7 sieht man einen dichten Haufen grünlicher Körnchen, von dem aus das Protoplasma der benachbarten Zellen grünlich infiltrirt erscheint. Solcher zu größeren Kugeln zusammengeballter grünlicher Körnchen begegnet man häufig im Herzkörper von Lanice. Über ihre ver- muthliche Entstehung soll im speciellen Kapitel über den Herzkörper die Rede sein.

Die Nephridien von Arenicola.

Hinsichtlich der Ausscheidung von Eisen nehmen die Nephridien der Arenicola-Arten, wie es’ scheint, eine Sonderstellung unter den Nephridien der übrigen bisher besprochenen Polychätenspecies ein, denn es lässt sich nach Injektion von Ferrum oxydatum saccha- - ratum Eisen in großer Menge in allen exkretorisch thätigen Epithel- zellen der Nephridien nachweisen. Werden ungelöste Substanzen, wie Tusche oder Karmin, zugleich mit einer Lösung von Ferrum oxydatum saccharatum injieirt, so werden beide Substanzen, sowohl Eisen, als auch Tusche oder Karmin, in ein und denselben Zellen neben einander aufgefunden.

Fig. 8 stellt einen Schnitt durch den Anfangstheil (2) eines Nephri- diums dar, von einem Exemplare von Arenicola marina, dem 48 Stun- den vor dem Tode Karminpulver mit Ferrumsaccharatlösung in die Leibeshöhle injieirt worden waren. Das Blutplasma in den Blutgefäßen (2) ist durch die Berlinerblaureaktion gleichmäßig blau gefärbt, und in den Nephridialzellen (x) sieht man Eisen und Karminkörnchen neben einander. Außerdem weist der Schnitt die in der Nähe jedes Nephri- dialtrichters liegende Gonade (g) und das damit verbundene Iymphoide Organ (lo) auf, von dem weiterhin die Rede sein wird.

Fig. 9 stellt einen Schnitt durch eine andere Stelle desselben Nephridiums dar, und zwar bei stärkerer Vergrößerung. Getroffen ist

806 Guido Schneider,

eine Stelle, wo der mittlere, sackartig erweiterte Abschnitt des Nephri- diums auf den Anfangs- oder Trichtertheil zurückgebogen erscheint. In den Zellen des Trichtertheiles (a), die höher sind und deutliche Geißeln aufweisen, sieht man eben so Eisen und Karmin bei einan- .der, und zwar in der dem Lumen zugekehrten Hälfte, wie in den flacheren Zellen des Mitteltheiles ()), wo die Wimpern bei diesem Exemplare nicht deutlich zu sehen waren und daher in der Zeich- nung fehlen. Zwischen beiden neben einander liegenden Wänden der beiden verschiedenen Abschnitte sieht man ein Blutgefäß, dessen Blutplasma, eben so wie in Fig. 8, nach der Berlinerblaureaktion bedeutenden Eisengehalt aufweist.

Ferner bemerkt man in beiden Abschnitten Leukoeyten, die eben so wie die phagocytären Nephridialzellen Karmin und Eisen enthal- ten. Die Leukocyten im Trichtertheile haben noch deutliche Pseudo- podien und Kerne (22), während sie im Mitteltheile (2) meist ellipsoi- dale und kugelförmige kernlose, oder mit hellem Kerne versehene Blasen darstellen, die, mit Eisen und Karmin erfüllt, sich offenbar passiv von den Geißeln herumwirbeln lassen, und den Eindruck von abgestorbenen und absterbenden Zellen machen (vgl. E. MEYER 4, p. 648).

Durch die während 48 Stunden erfolgte sehr reichliche Aufnahme von Eisen und Karmin ist in den beschriebenen Präparaten die ur- sprüngliche Struktur der Zellen fast ganz verdeckt durch die Fremd- stoffe. Desshalb ist Fig. 10 A einem Exemplare entnommen, das schon eine Stunde nach einer Injektion von Karminpulver, vermischt mit lebenden Spermatozoen von Polycarpa rustica, getödtet wurde. Der abgebildete Schnitt stammt aus dem Mitteltheile eines Nephridiums, ist jedoch für das ganze phagocytäre und exkretorische Nephridial- epithel von Arenicola typisch. Wir sehen verschieden weit in das Lumen vorspringende mit je einer Geißel ausgestattete Zellen, deren Kerne fast alle in gleicher Höhe liegen. Das Protoplasma enthält srößere und kleinere Vacuolen, von denen etliche je einen gelben Exkretkörper bergen. Solche Exkretkörper liegen aber auch zum Theil im Protoplasma selbst. Zwei Zellen haben an ihren äußersten, dem Lumen zugekehrten Enden einige Karminkörnchen aufgenommen. Die Spermatozoen von Polycarpa rustica jedoch lagen frei in der Leibeshöhle und in den Lumina der Nephridien nicht nur bei diesem Exemplare, sondern auch bei solchen, die weit längere Zeit nach der Injektion konservirt wurden. Daraus ist zu schließen, dass die frem- den Spermatozoen sich im Leibe von Arenicola marina lebensfähig

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 507

erhalten konnten und darum auch nicht von den Phagoeyten gefressen wurden, eben so wenig wie etwa die lebenden Geschlechtsprodukte des eigenen Thieres.

Verstreicht eine längere Zeit nach der Injektion, so sammeln sich oft viele der injieirten Körnchen in kugelförmigen Vacuolen an, wie solche in Fig. 10 5 dargestellt sind. Dem Exemplare wurde 24 Stunden vor dem Tode Karminpulver in die Leibeshöhle injieirt.

Die Nephridien von Travisia forbesi.

Hinsichtlich der Vertheilung des phagocytären und exkretorischen Epithels in den Nephridien und auch in anderen Punkten weist Travisia forbesi Besonderheiten auf, die hier erwähnt werden müssen, obgleich mir nur drei lebende Exemplare dieses interessanten, aber wegen seines intensiven knoblauchartigen Gestankes! unsympathi- schen Untersuchungsobjektes aus dem Weißen Meere zur Verfügung standen. |

Die ganze Leibeshöhle der von mir untersuchten Exemplare war angefüllt von blassen, großen Zellen mit kleinen deutlichen Kernen (s. Fig. 13 u. 14 2), zwischen denen vereinzelte Leukocyten (Fig. 14 2), beladen mit Fremdkörpern, und Gruppen von Eiern oder Spermato- zoen sichtbar wurden.

Von Nephridien konnte ich zehn Paare konstatiren, die sich nicht wesentlich von einander unterscheiden. Auf den Trichter folgt - der Innenschenkel, der mit scharfer Biegung in den Außenschenkel übergeht. Phagocytär ist nur das Epithel des Innenschenkels. Fig. 11 zeigt uns ein Stück der Wand eines Nephridieninnenschenkels (»), dem nach außen ein Blutgefäß (2) und ein Haufe von Spermatozoen (sp) aufsitzen. Dem Exemplare war 24 Stunden vor der Tödtung Tusche in die Leibeshöhle injieirt worden. In den Zellen des Nephridial- epithels sehen wir, eben so wie bei den übrigen polychäten Anneliden, selbe Exkretkörner, die zum Theil noch in Protoplasma liegen, zum Theil aber schon in Vacuolen enthalten sind. Die phagocytär auf- senommenen Tuschekörnchen finden sich zumeist in der dem Lumen zugekehrten Hälfte, einzelne jedoch sind tiefer, sogar bis hinter den Zellkern vorgedrungen. Die starken Geißeln erinnern an die ent- sprechenden Gebilde von Arenicola.

Ein ganz anderes Bild erhalten wir vom Außenschenkel. Hier

i Vgl. Ergebnisse der Hamburger Magalhäenischen Sammelreise. 1. Lief. 1896. Reisebericht von Dr. MICHAELSsEn. p. 10. »Besonders auffallend war mir eine Travisia, ihres auffallenden Geruches wegen.

508 Guido Schneider,

fehlen, wie wir an Fig. 12 sehen, die nach einem Schnitte aus dem- selben Exemplare, von dem bisher die Rede war, gezeichnet wurde, in den Zellen sowohl die Exkretkugeln, als auch die Tuschekörnchen. Anstatt dessen sehen wir bloß mit Flüssigkeit gefüllte Vaeuolen. - Nur eine Zelle zeichnet sich durch gewaltige Größe aus und kom- primirt deutlich die anliegenden Zellen. Solcher enorm erweiterter Zellen findet man nur ganz wenige in den Nephridien überhaupt. Ihr Inhalt besteht aus einer feinkörnigen Substanz, in der der ge- schrumpfte Kern, mit einem Rest von Protoplasma umgeben, einge- bettet ist. Es findet also auch hier statt, was schon E. MEYER für die Nephridien der Terebelloiden feststellt, dass nämlich »die Bil- dung der festen Ausscheidungsprodukte im Innenschenkel, die der flüssigen dagegen im Außenschenkel vorherrschend sind« (vgl. 4, p. 647). Es kommen aber bei Travisia forbesi noch die großen ab- sterbenden Zellen des Außenschenkels in Betracht (Fig. 12), die wir soeben erwähnten, als ein Element, das in den Nephridien der übri- sen Anneliden, so viel ich weiß, noch nicht beobachtet worden ist. Sie liefern wahrscheinlich einen Schleim, der das Thier beim Wühlen im Meeresboden unterstützt.

Lymphoide Organe.

Die lymphoiden Organe, d. h. jene phagocytären Organe, die die Leukocyten entstehen lassen und modifieirte Theile des Perito- nealepithels sind, zeigen bei den sedentären Polychäten eine große Konstanz, so dass man sie, so weit ich sie bisher kenne, in einem Kapitel zusammen beschreiben kann. Sie zerfallen in zwei Gruppen: erstens die schon von E. MEYER (4, p. 643) beschriebenen »Lymph- körperdrüsen oder Bildungsstätten der Iymphoiden Zellen« und zwei- tens die Peritonealumhüllung der Blutgefäße, die bei einigen Arten nachgewiesenermaßen phagocytär ist und in diesem Falle vielleicht auch freie Phagocyten liefert. Letzteres ist aber noch unbewiesen, und wenn ich die zweite Gruppe trotzdem zu den Iymphoiden Or- sanen zähle, so geschieht es desshalb, weil ich auch hier Ablösung von Zellen und Entstehung freier Phagocyten für recht wahrschein- lich halte, nicht aber um den Begriff »lymphoide Organe« zu er- weitern (vgl. 10, p. 399).

Besonders deutlich kann man diese beiden Gruppen Iymphoider Organe bei Travisia forbesi erkennen, weil hier die phagocytären Peritonealepithelzellen eine außerordentlich weite Verbreitung im

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 509

Körper haben und, wie mir scheint, alle in die Leibeshöhle vor- springenden Blutgefäße bekleiden.

In Fig. 13 ist ein Theil eines Querschnittes durch ein Exemplar von Travisia forbesi wiedergegeben, dem 24 Stunden vor der Kon- servirung Karminpulver injieirt worden war. Zu sehen sind in dieser Zeichnung die schrägdurchschnittenen Innen- und Außenschenkel eines Nephridiums und x’), umgeben von den bereits erwähnten klaren Zellen mit kleinen dunklen Kernen (z), die die Leibeshöhle ausfüllen. Über dem Nephridium liegt eine Schicht Muskelfasern (m), die die Nierenkammer nach oben von der übrigen Leibeshöhle abgrenzt, und diesen Muskelfasern aufsitzend sehen wir einen Theil des zum Trichter dieses Nephridiums gehörenden lymphoiden Organs (lo), oder die »Lymphkörperdrüse« nach E. Meyer (4). Solche Iymphoide Organe finden sich je eines bei jedem Nephridium: also zehn Paare im Ganzen.

In Fig. 8 ist das homologe Organ von Arenicola marina abge- bildet. Der Gonade (g) dicht anliegend sehen wir gegen den Trichter- eingang hin ein Iymphoides Organ (lo) sich erstrecken, dessen Zellen Karmin und Eisen aufgenommen haben. Gleich der Gonade sitzt es hier dem Trichterabschnitte des Nephridiums dicht auf.

In Fig. 11 sehen wir einen anderen Theil eines Querschnittes von einem Nephridium (x) von Travisia forbesi im Zusammenhang mit einem Iymphoiden Organe (dl). Letzteres ist aber nichts weiter, als ein Blutgefäß, dessen aus großen drüsenartigen Phagocyten be- stehender Peritonealüberzug das phagocytäre Organ darstellt, und das hier an den Innenschenkel des Nephridiums herantritt. Die jedem Nephridium zukommende typische Lymphkörperdrüse ist in diesem Schnitte nieht getroffen worden und eben so wenig die Gonade. Der Spermatozoenhaufen (sp) hängt nur zufällig dem Nephridien- schenkel an. In den das Blutgefäß (2) bedeckenden Phagoeyten sieht man große und kleine Tuschekörner in regelloser Anordnung aufgehäuft. |

In Fig. 14 ist der Querschnitt eines in der vorderen Hälfte der Leibeshöhle verlaufenden kleinen Gefäßes dargestellt, dessen Wand ebenfalls aus großen, großwabigen Zellen gebildet ist, die durchaus wie Chloragogenzellen aussehen, ein gelbes Pigment in Form von Körnern führen und ungelöstes Karmin aufgenommen haben. In der Umgebung liegen in großer Menge die klaren, strukturlosen Lymph- zellen (z), von denen fünf gezeichnet sind, und zwischen ihnen kleine phagocytäre Leukocyten.

510 Guido Schneider,

In Fig. 15 ist ein Schnitt durch die ventrale Wand des End- darmes mit dem ventralen Mesenterium, dem subintestinalen Blutge- fäße, davon abgehenden Seitenzweigen und lappenartigen Anhängen sezeichnet worden. Die Zellen der Peritonealumkleidung der Blut-

. gefäße und der Anhänge haben reichlich Karmin offenbar phagoeytär

aufgenommen.

Es fungiren also bei Travisia forbesi Zellen, die den Chlora- sogenzellen der Oligochäten ihrem Inhalte und zum Theil wohl auch ihrer Lage nach entsprechen, noch als Phagocyten, während sie bei den Oligochäten, so weit bisher bekannt ist, nur der Auf- nahme gelöster Substanzen, der Aufspeicherung von Reservenahrung und Abgabe derselben in flüssigem Zustande an das Blut oder die Leibeshöhlenflüssigkeit ‚dienen. Ganz dasselbe sehen wir bei Are- nicola. Auch bei Arenicola sind die Hauptstämme, z. B. das Herz (Fig. 16) nebst den davon abgehenden Gefäßen mit hohen drüsigen Zellen besetzt, welche an die Chloragogenzellen der Oligochäten erinnern und dennoch phagocytäre Fähigkeiten, wie bei Travisia, besitzen. Bei keiner der übrigen bisher von mir untersuchten Poly- chätenspecies habe ich mit Sicherheit eine ähnliche Erscheinung fest- stellen können und muss daher vorläufig annehmen, dass bei Pecti- naria und den Terebelloiden die zweite Form Iymphoider Organe fehlt, nämlich die bei Arenicola und Travisia beobachteten phagocy- tären, chloragogenzellenartigen Peritonealüberzüge der Blutgefäße.

Der Herzkörper.

Über den Herzkörper, seinen Bau und seine vermuthliche Funk- tion ist kürzlich eine ausführliche Arbeit von James L. Pıcron (5) erschienen, in der auch meiner vorläufigen Mittheilung über das Vorkommen von Eisen in den Herzkörpern von Terebellides stroemi und Pectinaria Erwähnung geschieht (8), Seither habe ich nun ge- funden, dass auch die übrigen Species der Terebelloiden und Am- phieteniden, an denen ich die Funktion der Nephridien und phago- cytären Organe untersucht habe, Eisen im Herzkörper enthalten. Bei mtakten Exemplaren zeigte die Berlinerblaureaktion häufig, wenn auch nicht jedes Mal, Eisen in den Herzkörperzellen, das sich in rundlichen Körnchen findet, die sich intensiv bläuen und zwischen den grüngelben zerstreut sind, wie Figg. 6 u. 7 von Lanice conchilega zeigen. Die größten Ansammlungen von Eisen fand ich jedoch bei Peetinaria hyperborea, wo alle übrigen Theile der Herzkörperzellen derart von den .eisenhaltigen Körnchen verdeckt sind, dass man oft

Über Phagoeytose und Exkretion bei den Anneliden. 511

nur den Kern innerhalb einer blauen Körnchenmasse erkennen ‘kann. 35 Von den übrigen durch Injektion und Fütterung den Polychäten beigebrachten gelösten oder ungelösten Substanzen gelang es mir nicht eine Spur in den Herzkörperzellen zu entdecken mit alleiniger Ausnahme von Methylenblau, wovon ich nach zweitägiger Fütterung eine beträchtliche Menge im Herzkörper von Pectinaria antraf. Über das Vorkommen von Methylenblau bei Audouinia filigera wird weiter unten die Rede sein.

Wegen der großen Ähnlichkeit der Herzkörperzellen mit den Chloragogenzellen der Oligochäten müsste man annehmen, dass auch andere leichtlösliche Farbstoffe, z. B. Indigokarmin, von ihnen, eben so wie von den Chloragogenzellen, aufgenommen werden. Indigo- karmin ist nun aber, wie wir früher sahen, in Seewasser nicht leicht löslich und kann daher dem Herzkörper höchstens eine grünliche Färbung verleihen, die er meistens schon von Natur hat. So besagt das Nichtgelingen des Experimentes noch nicht, dass Indigokarmin überhaupt nicht aufgenommen wird.

Meiner Ansicht nach hat Pıcron (5, p. 295) Recht, wenn er im Anschluss an meinen Vergleich der Chloragogenzellen mit Leberzellen (9) den Vergleich noch weiter auf die Herzkörperzellen ausdehnt, indem er in Bezug auf die letzteren hinzufügt: »The analogy with the liver of Vertebrates is emphasised when the chloragogen is in the form of a heart-body; it is then situated in the stream of blood from the alimentary to the respiratory organs in the portal blood, in fact; and it is reasonable to conclude that its functions play a si- milar part in the economy of the worm to that undertaken by the liver in as far as the latter may be regarded as a ductless gland.« - Es will mir nämlich scheinen, dass die grünlichgelben, die eisen- haltigen und andere Körnchen in den Herzkörperzellen nichts Anderes als aufgespeicherte Reservenahrung sind, eben so wie die fetthaltigen Körnehen, die sich durch Osmiumsäure schwarz färben, und dass alle diese Körnchen, eben so wie in den Chloragogenzellen, direkt von dem Protoplasma gebildet werden aus flüssigen Substanzen, die aus dem Blute bezogen werden. Das Aussehen und gegenseitige Verhältnis der Körnehen bei verschiedenen Individuen ist nämlich ungleich, was aus verschiedenen Ernährungszuständen erklärt werden kann. Auch die Farbe der Herzkörper wechselt bei derselben Art.

Ich kann nun aber nicht verstehen, wie Pıcrox (5) bei Bespre-

chung des Herzkörpers von Audouinia filigera hinsichtlich der Ent-

Su Guido Schneider,

stehung der Zellengranulation zu einer ganz abweichenden Ansicht kommt. Er beschreibt im Herzkörper von Audouinia filigera Hohl- räume, in denen sich meist ein bis acht runde oder haferkornförmige Körper (oat-shaped bodies) befinden. An diesen merkwürdigen Ge-

'- bilden beschreibt Pıctox eine Art von Entwicklungsstadien, die etwa

an die Sporenbildung einzelliger Parasiten erinnern kann. Anstatt nun wirklich selbständige Wesen in ihnen zu erblicken, lässt PıicToN den Inhalt eventuell austreten »into the ground-work, where it under- goes a transformation which gives rise to the rich granulation that characterises the heart-body« (p. 275 1. e.). Ich sehe nicht ein, warum die Granulation auf diesem seltsamen Wege entstehen sollte, da sie doch bei allen Anneliden vorkommt, bald im Herzkörper, bald in Chloragogenzellen, und zwar bei Arten, welche jene »oat-shaped bodies« nicht besitzen. Es kommen ja wohl auch sonst Parasiten, z. B. in den Chloragogenzellen von Regenwürmern vor (9, p. 387), aber Niemand wird sie für die Bildung von Körnchen oder Granula verantwortlich machen wollen. Die Lage des Herzkörpers mitten im Blutstrome, der von den Verdauungsorganen, die der Infektion leicht zugänglich sind, zu den Athmungsorganen führt, zwingt zur Annahme, dass hier Infektionskeime am ehesten sich entfalten können, gleich wie in der Leber der Vertebraten.

Ich habe in Neapel gleichfalls Gelegenheit gehabt, die von PICToN bei Audouinia filigera beschriebenen oat-shaped bodies zu untersuchen, und bin zur Annahme geneigt, dass sie in der That Entwicklungs- stadien eines Parasiten sind. Sie sind es auch, welche sich nach Injektion von Methylenblau in die Leibeshöhle von Audouinia blau färben und daher bei flüchtiger Betrachtung den Schein erwecken, als werde diese Farbe vom Herzkörper selbst absorbirt. An Schnitten durch Exemplare, die mit Methylenblau injieirt und nach der BETHE- schen Methode mit molybdänsaurem Ammonium fixirt waren, fand ich die Herzkörperzellen ungefärbt, die vermuthlichen Parasiten aber tiefblau.

Eisen wird in derselben Weise im Herzkörper von Audouinia filigera deponirt, wie bei den Terebelloiden, und wie ich in den Figg. 6 und 7 aus Schnitten von Lanice conchilega dargestellt habe, d.h. in spärlich zerstreuten Körnchen oder Kügelchen.

Des Zusammenhanges wegen wurden die Figg. 6 und 7 bereits unter dem Kapitel »Nephridien und Herzkörper der Terebelloiden« kurz beschrieben und in Fig. 7 wurde die dichte Ansammlung von grüngelben Körnchen hervorgehoben, von welcher aus eine grüngelbe

Über Phagoeytose und Exkretion bei den Anneliden. 513

Infiltration der umliegenden Zellen stattfindet. Derartige Ansamm- lungen kommen besonders in den centralen Theilen des Herzkörpers oft vor und scheinen kein Ort für Granulabildung zu sein, ‘sondern im Gegentheil durch den Tod einer Zelle hervorgerufen zu werden, Bei den Oligochäten reißen sich oft Chloragogenzellen los, treiben eine Zeit lang passiv im Lymphstrome, gerathen entweder in ein phagocytäres Organ (vgl. 9, Fig. 5 cz), oder werden von vagirenden Phagocyten (Leukocyten) angefallen und vertilgst. Stirbt dagegen eine Herzkörperzelle ab, besonders im Centrum des Herzkörpers, so muss man annehmen, dass sie durch den Druck ihrer lebenden Nachbar- zellen zusammengepresst und zuletzt sammt ihrem sich verflüssigenden Inhalte aufgesogen wird. Absterbende Zellen der Randzone werden wahrscheinlich vom Blutstrome ergriffen und fortgeführt werden.

Allgemeines.

Fassen wir die Resultate meiner Untersuchungen über die Funk- tionen der Annelidennephridien zusammen, so ergiebt sich, dass die Nephridialzellen sehr vieler Ordnungen Phagocyten sind, dass aber die Phagocytose in den Nephridien der Anneliden keine allgemeine Verbreitung zu besitzen scheint, denn bei den Perichäten unter den kegenwürmern und bei vielen Polychäten habe ich noch keine Pha- gocytose in den Nephridien nachweisen können. Das beweist aber allerdings noch nicht, dass sie dort nicht vorkommen kann. Ferner zeigt die Untersuchung der Polychäten deutlich, dass gerade die am meisten exkretorisch thätigen Zellen, d. h. diejenigen, welche außer der in Vacuolen eingeschlossenen Flüssigkeit auch noch feste Exkrete (oder ausschließlich letztere) in Form kleiner kugelförmiger Körper abgeben, auch am meisten sich an der Phagocytose betheiligen. Das sind nämlich die Zellen der Innenschenkel der Nephridien. Bei Travisia sind sogar nur die Zellen der Innenschenkel phagoeytär, nicht aber die der Außenschenkel der Nephridien.

Wie bei den Polychäten, so kann auch bei den limicolen Oligo- chäten von einem Innen- und Außenschenkel geredet werden. Der Innenschenkel der Polychäten entspricht demjenigen Abschnitte des Nephridiums der Limieolen, dem ich in meiner früheren Arbeit den Namen Filter gegeben habe, und der allein Phagocyten enthält (9, Taf. XVII Fig. 17). Vermuthlich besorgt auch dieser Abschnitt hauptsächlich die Exkretion, während der nicht phagoeytäre, von mir Ausführungsgang genannte Abschnitt, dem Außenschenkel ver- gleichbar ist. Sogar auf die terricolen Oligochäten lässt sich der

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 34

914 Guido Schneider, |

Vergleich noch ausdehnen, obgleich hier eine bedeutend weitere Differenzirung Platz gegriffen hat und jedes Nephridium, wie bekannt, bei den Lumbrieiden z. B. in eine ganze Reihe von verschieden ge- baute und daher wohl auch verschieden funktionirende Abschnitte zerfällt. Hinsichtlich der genaueren Beschreibung verweise ich auf die Arbeit von W.B. BenHam (1) und will hier nur kurz des Ver- gleiches wegen einige Punkte rekapituliren. Auf den Trichter folst ein ganz enger Kanal aus blassen Röhrenzellen bestehend, über dessen Funktion sich nichts Bestimmtes aussagen lässt. An diesen engen Kanal schließt sich ein etwas weiterer an, dessen Zellen phagocytär sind, und den ich als »Mittelstüick« in meiner oben ge- nannten Arbeit (9) mehrfach erwähnt und abgebildet habe, besonders mit Bezug auf die phagocytär von seinen Zellen aufgenommenen Fremdkörper. Es ist nun aber auch schon lange bekannt, dass eben dieser Abschnitt auch die festen Exkrete der Nephridien liefert. W.B. BenHam (1, p. 305) sagt von ihm: »In the living state this middle tube has a brownish, semiopaque appearence, and cilia can be seen actively moving within; under a hish power small pale yellowish spherules can be seen in the protoplasm of the cells (ig. 11), and it is to these spherules that this middle tube owes its opacity.« Dieselben Körperchen findet BeEnuAm auch im Lumen dieses Abschnittes, wohin sie also offenbar ausgeschieden werden.

Der nächste bedeutend weitere Abschnitt ist nur ganz im An- fang phagocytär, scheidet zwar auch noch feste Exkretkörnchen aus, enthält aber dabei stark vacuolisirte Zellen (9, Fig. 15), die ver- muthlich neben den festen auch schon flüssige Produkte ausscheiden. Während also der vorhergehende Abschnitt sich durch seine phago- cytären und exkretorischen Eigenschaften physiologisch dem Innen- schenkel der Polychäten vergleichen lässt, so ist dieser letztere Ab- schnitt schon mehr dem Außenschenkel analog zu betrachten; er mündet durch den muskulären Abschnitt, der wahrscheinlich keine Exkrete liefert, nach außen. Feste Körper werden also, wie wir gesehen haben, entweder von allen Zellen beider exkretorischen Abschnitte der Nephridien phagocytär aufgenommen, z. B. bei Pecti- naria, Terebelloiden und Arenicola, oder nur von den Zellen des Innenschenkels, wie bei Travisia und den Oligochäten. Die Schei- dung in Innen- und Außenschenkel ist bei Arenicola übrigens nicht deutlich erkennbar.

Hinsichtlich der Ausscheidung künstlich durch Injektion oder Fütterung beigebrachter leichtlöslicher Stoffe hat sich ergeben, dass

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 515

dieselben Zellen, welche Fremdkörper phagoeytär aufnehmen und feste und flüssige Exkrete ausscheiden auch gelösten Karmin durch sich hindurch passiren lassen. Das zeigen die Versuche mit Injek- tion und Fütterung von karminsaurem Ammoniak und besonders deutlich der oben (p. 502) erwähnte Fütterungsversuch bei Peetinaria.

Die Versuche an Oligochäten hielt ich bisher noch nicht für einwandfrei, weil der Ammoniakkarmin, den ich früher anwandte, leicht Niederschläge giebt, die phagocytär aufgenommen werden können. Aber bei einem so günstigen Objekte, wie Pectinaria, wo man durch Zerzupfen Theile lebender Nephridienzellen isoliren kann, habe ich mich vollkommen überzeugt, dass Karmin gelöst durch die Nephridien ausgeschieden wird.

Karminsaures Ammoniak wird sowohl bei den Oligochäten, als auch bei den Polychäten in allen Phagocyten gefunden. Nicht so das Eisen. Nach Injektion von Ferrum oxydatum saccharatum fand ich bei Peetinaria nur ganz geringe Spuren, bei den Terebelloiden niemals Eisen in den Nephridien, sondern nur im Herzkörper. Are- nicola und die Lumbrieiden (Travisia hat leider keine Eiseninjektion erhalten können) enthalten dagegen unter sonst gleichen Umständen massenhaft Eisen in den Zellen ihrer phagocytären Nephridienab- schnitte. Ich habe früher gezweifelt, dass das Eisen in den ge- nannten Nephridienabschnitten nach außen ins Lumen ausgeschieden wird, und in Erwägung gezogen, dass es vielleicht in der Leibeshöhle ausgefällt und dann phagocytär aufgenommen sein könnte. Das Nicht- vorkommen von Eisen in den Phagocyten der Nephridien von Terebel- loiden und, man kann auch sagen, von Pectinaria (da es hier nur in ganz schwachen Spuren auftritt, die einen Irrthum nicht ausschließen) beweist aber, dass es in der Regel nicht auf phagocytäre Weise in die Nephridienzellen gelangt, sondern höchst wahrscheinlich, dort wo es vorkommt, gelöst ausgeschieden wird. Es müsste denn sonst in allen Phasoeyten zu finden sein, die sonst alle festen todten Körn- chen, welche in ihre Nähe kommen, in sich aufnehmen und gar nicht wählerisch sind.

Da das Eisen schon in der Natur so weit verbreitet ist, ver- suchte ich anstatt seiner die in der Einleitung beschriebene Uran- lösung zu injieiren. Die Versuche sind bisher nur an Lumbrieiden der Gattung Allolobophora gemacht worden. Bei Behandlung der Schnitte mit einer Mischung von Pikrinschwefelsäure und 4°/,iger Lösung von Ferroeyankalium zu gleichen Theilen bräunte sich der distale nichtphagocytäre Theil des exkretorischen Abschnittes, doch

34*

516 Guido Schneider,

fand ich den bräunlichen Niederschlag nicht in den Zellen, so dass ich nur sagen kann, dass auch Uran durch die Nephridien ausge- schieden wird, aber nicht sicher angeben kann, durch welchen Ab- schnitt.

Übrigens wird normaler Weise Eisen nie in den Sesmental- organen gefunden, wenn es nicht im Überschusse dem Wurme durch Injektion beigebracht worden war. Es wird offenbar durch den Darm nicht mehr Eisen aufgenommen, als der Körper braucht und vorräthig in den Chloragogenzellen, resp. Herzkörperzellen aufspei- chern kann.

Hinsichtlich des normalen Modus der Sekretion durch die Ne- phridienzellen komme ich zu denselben Resultaten, wie sie PH. SCHOPPE (11, p. 436) in folgenden Worten ausspricht: »Die Harn- kügelchen treten im ganzen Zellleibe auf; der Kern ist direkt in keiner Weise betheiligt. Die secernirende Zelle geht nicht, wie bis- her angenommen wurde, zu Grunde. Das Sekret wandert aus der Zelle aus, vielleicht unter Mitnahme eines Theiles des Protoplasmas; der etwaige dadurch entstehende Verlust wird durch Ergänzung des noch Vorhandenen ausgeglichen. Ein Alterniren der verschiedenen Nierentheile ist darum nicht unbedingt nothwendig.« Solch ein Alter- niren scheint bei den Anneliden, eben so wie bei den Vertebraten, ausgeschlossen zu sein. Auch die einzelnen Zellen, welche feste Exkretionskörnchen bilden, scheinen ohne Pause zu secerniren. Nur diejenigen Zellen, besonders im Außenschenkel, welche oft so große Flüssigkeitsansammlungen aufweisen, dass die Nachbarzellen ganz durch sie komprimirt werden, scheinen mit den erwähnten Nachbar- zellen zu alteıniren. E. MEYER (4, p. 615) lässt die Frage offen, ob sich diese zusammengedrückten Zellen regeneriren können, oder ob sie zu Grunde gehen. Ich meine, sie funktioniren weiter, weil ihre Kerne durchaus keine Anzeichen von Degeneration aufweisen und ihr Protoplasma Fremdkörper phagocytär aufnimmt.

Die Ausstoßung der festen Exkretkörner scheint ein ganz merk- würdig komplieirter Vorgang zu sein. Dieselben Zellen, welche die festen Exkrete liefern, sind, wie wir gesehen haben, meist zugleich Phagoeyten. Injieirt man ein Pulver in die Leibeshöhle, so füllen sich in kurzer Zeit alle diese Zellen mit Fremdkörpern, die weit in das Innere eindringen, Anfangs jedoch an den dem Lumen zuge- kehrten Enden der Zellen bemerkt werden. Das deutet auf be- deutende Protoplasmaströmungen hin, die in den Zellen stattfinden müssen, aber wegen der Kleinheit des Objektes bisher noch nicht

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 517

im Leben betrachtet werden konnten. Ferner muss ein reger Aus- tausch von Stoffen zwischen dem Lumen des Nephridialkanales und dem Innern der Zellen stattfinden ein mehrfaches Ein- und Aus- treten von Stoffen, ähnlich wie es AnoLr Schamipr (vgl. 7 und 10) in der Wirbelthierniere vermuthet hat. In wie weit dabei Pseudo- podien gebildet werden, ist schwer zu entscheiden, da sie sich nicht sehr von den Cilien und Geißeln auf Schnitten unterscheiden werden und möglicherweise sogar mit ihnen identisch sind. Es kann eben sein und ist recht wahrscheinlich, dass Cilien, an denen Fremdkörper kleben, eingezogen werden. Man sieht recht oft Cilien in allen möglichen Verkrümmungen und Knickungen mit daran haftenden Tusche- oder Karminkörnchen.

Die Iymphoiden Organe der Polychäten und Oligochäten gleichen einander nur in einem Punkte: darin nämlich, dass sie sowohl bei den polychäten, als auch bei den, oligochäten Anneliden nichts Anderes als modificirtes Peritonealepithel sind. Die physiologischen Leistungen sind die gleichen, aber an eine Homologie ist nicht zu denken. Es sind ja nicht einmal die lymphoiden Organe der ein- zelnen Oligochätenfamilien unter einander homolog (vgl. 9). Unter den Polychäten sehen wir dagegen eine Art Iymphoider Organe weit verbreitet. Das sind die von E. Meyer (4) so benannten Lymph- körperdrüsen. Durch ihre weite Verbreitung, Konstanz und nahe Beziehung zu den Gonaden machen diese Lymphkörperdrüsen den Eindruck morphologisch alter Gebilde, während alle übrigen lym- phoiden Organe der Anneliden cänogenetisch zu sein scheinen.

Interessant sind die phagocytären Eigenschaften der Chloragogen- zellen bei Travisia und Arenicola und erfordern noch weitere Unter- suchungen an nahestehenden Annelidengruppen. Bei den echten Chloragogenzellen der Oligochäten habe ich niemals Phagocytose be- obachtet. Sie fallen, wenn sie von ihrer Anheftungsstelle einmal losgerissen worden sind, der Vernichtung anheim. Bei Arenicola und Travisia dürften die chloragogenzellenartigen Phagocyten zu Wanderphagocyten werden können, eben so wie die gleichfalls dem Peritonealepithel entstammenden Leukocyten. - Es lässt sich nämlich nicht annehmen, dass sie, wenn sie einmal von ihrer Anheftungsstelle sich losgerissen haben, ihre phagocytäre Natur sofort verlieren und absterben. Gewiss sind sie im Stande eine vielleicht kurze Zeit als freie Phagocyten in der Leibeshöhle zu existiren.

Am meisten scheinen den Chloragogenzellen der Oligochäten die Zellen des Herzkörpers analog zu sein, doch konnte leider bisher

518 Guido Schneider,

noch nicht festgestellt werden, ob sie nicht auch phagoeytär sind, da es nicht gelang, ungelöste Stoffe in Pulverform in die Blutbahn solcher Anneliden mit Herzkörper zu bringen.

Meinem hochverehrten Chef und Lehrer Herın Geheimrath A. Kowarevsky und den Herren Professoren J. A. PALMEN und W.M. SCHIMKEWITSCH spreche ich hier zum Schluss meinen verbindlichsten Dank aus für Erwirkung von Arbeitsplätzen auf den Zoologischen Stationen zu Neapel, Esbo-Löfö und Solowetzk. Herrn Dr. S. Lo Bıanco in Neapel bin ich noch besonders dankbar für Beschaffung des zur vorliegenden Arbeit verbrauchten, sehr umfangreichen Anne- lidenmaterials.

Sebastopol, im Mai 1899.

Litteratur.

W. B. BEnHAm, The Nephridium of Lumbrieus and its Bloodsupply; with Remarks on the Nephridia in other Chaetopoda. Quart. Journ. Mier. Se. Vol. XXXII. p. 293—334. 1891. 2. A. BETHE, Eine neue Methode der Methylenblaufixation. Anat. Anz. Bd. XII. p. 438—446. 1896. 3. A. KOWALEVSKY, Etudes biologiques sur les Clepsines. M&moires de l’Aca- d&emie Imp. des Se. St. Pötersbourg. Ser. VIII. Vol. V. No.3. 1897. EDUARD MEYER, Studien über den Körperbau der Anneliden. Mittheil. aus der Zool. Stat. zu Neapel. Bd. VII. p. 592—741. 1887. 5. J.L. PıcTon, On the Heart-body and Coelomie Fluid of certain Polychaeta. Quart. Journ. Mier. Sc. Vol. XLI. p. 263—302. 1898. E. G. RAcowıtzA, Sur le röle des Amibocytes chez les Annelides poly- chetes. Compt. rendus hebd. de l’Academie des Se. Paris. Vol. CXX. p. 464—467. 1895. 7. A. Semmpr, Zur Physiologie der Niere. PrLüger’s Archiv. Bd. XLVII. 1891. 8. GUIDO SCHNEIDER, Über die Segmentalorgane und den Herzkörper einiger Polychäten. Arb. d. Kaiserl. Naturf. Ges. St. Petersburg. Bd. XXVII.

[. °

be

=

1897.

9. —— Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. Diese Zeitschr. Bd. LXI. p. 363—392. 1896.

10. —— Über die Niere und die Abdominalporen von Squatina angelus. Anat.

Anz. Bd. XIII. p. 393—401. 1897. 11. PH. SCHOPPE, Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbelthieren. Anat, Hefte von MERKEL u. BONNET. Bd. VII. p. 407—439. 1897,

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 519

Erklärung der Abbildungen,

Tafel XXXV.

Fig. 1. Von Peetinaria auricoma, zwei Tage in Methylenblau-See- wasserlösung und darauf vier Tage in reinem, fließenden Seewasser gehalten, Stück einer zerzupften Nephridienzelle. Blau ist der Inhalt der Vaeuolen, gelb sind die Exkretkörnchen gezeichnet. Vergr. ca. 700/1.

Fig. 2. Von einer jungen Pectinaria auricoma, die 20 Stunden nach einer Tuscheinjektion in die Leibeshöhle getödtet wurde, Schnitt durch ein Nephridium. Schwarz sind die Tuschekörnchen, gelb die Exkretkörnchen sezeichnet. Vergr. 730/1.

Fig. 3. Von Polymnia nebulosa, 24 Stunden nach einer Tuscheinjek- tion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch die Wand eines Außenschenkels des ersten Nephridienpaares. Farben wie in Fig. 2. Vergr. 600/1.

Fig. 4 Von Terebellides strömi, junges Exemplar 24 Stunden nach einer Tuscheinjektion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch die Wand eines Innenschenkels des ersten Nephridienpaares. Farben wie in Fig. 2. Ver- srößerung 600/1.

Fig. 5. Von Lanice conchilega, 24 Stunden nach einer Injektion in die Leibeshöhle von Tusche und Ferrum oxydatum saccharatum getödtet, Schnitt durch die Dorsalwand eines hinteren Nephridialganges. Farben wie in Fig. 2. Vergr. 600/1.

Fig. 6. Dasselbe Exemplar, wie in Fig. 5. Schnitt aus dem Rande eines Herzkörperzipfels.. Blau sind die eisenhaltigen, gelb die eisenfreien grünlich- gelben Körnchen gezeichnet. Vergr. 600/1.

Fig. 7. Dasselbe Exemplar, wie in Fig. 5. Schnitt aus dem Inneren des Herzkörpers. Sonst Alles wie in Fig. 6.

Fig. 88 Von Arenicola marina, 48 Stunden nach einer Injektion von Karmin und Ferrum oxydatum saccharatum in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch den Anfangsabschnitt eines Nephridiums (r) mit Gonade (g) und lymphoi- dem Organ (Lymphkörperdrüse) (lo). dl, Blutgefäß; m, Muskulatur. Die Kar- minkörnchen sind roth, eisenhaltige Körnchen blau gezeichnet. Vergr. 140/1.

Fig. 9. Von demselben Exemplar wie in Fig. 8. Schnitt aus der Wand des Anfangsabschnittes («) und des Mitteltheiles (d) eines Nephridiums. 52, Blut- sefäß; U, Leukoeyten; /, absterbende Leukocyten. Vergr. 600/1.

Fig. 104. Von Arenicola marina, eine Stunde nach Injektion von Kar- min und lebenden Spermatozoen von Polycarpa rustica in die Leibeshöhle ge- tödtet, Schnitt durch die Wand eines Nephridiums. Vergr. 600/1.

Fig. 102. Dasselbe von einem Exemplare, welches 24 Stunden nach der gleichen Injektion getödtet wurde. Karminkörnchen roth. Vergr. 600/1.

Fig. 11. Von Travisia forbesi, 24 Stunden nach einer Tuscheinjek- tion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch die Wand des Innenschenkels _ eines Nephridiums (»). dl, Blutgefäß; sp, Spermatozoen. Vergr. 500/1.

Fig. 12. Von demselben Nephridium, wie in Fig. 11, Schnitt durch die Wand des Außenschenkels. Vergr. 500/1.

Fig. 13. Von Travisia forbesi, 24 Stunden nach einer Karmininjek-

590 Guido Schneider, Über Phagocytose u. Exkretion bei den Anneliden.

tion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch den Innenschenkel (r») und den Außenschenkel (n’) eines Nephridiums nebst Iymphoidem Organ (Lymphkörper- drüse) (lo). m, Muskelfasern; z, nichtphagocytäre Lymphzellen. Vergr. 100/1.

Fig. 14. Von demselben Exemplare, wie in Fig. 13, Schnitt durch ein kleines Blutgefäß (d2) aus dem Vorderende. Karminkörnchen sind roth, das „natürliche Pigment ist gelb gezeichnet. /, Leukocyt; z, nichtphagocytäre Lymph- zellen. Vergr. 500/1.

Fig. 15. Von demselben Exemplare, wie in Fig. 13, Querschnitt durch die ventrale Wand des Enddarmes mit anhängendem Subintestinalgefäße und von ihm abgehenden Seitenzweigen. Vergr. 340/1.

Fig. 16. Von Arenicola marina, 24 Stunden nach einer Karmininjek- tion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch die Wand des Rückengefäßes. Karminkörnchen roth. Vergr. 500/1.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobachtungen in Bulgarien. Von Prof. P. Bachmetjew.

Mit 5 Figuren im Text.

(Aus dem physikalischen Institute der Hochschule in Sophia.)

Geschichtliche Übersicht.

Die Frage über die Temperatur der Insekten interessirte seit langem die Gelehrten. Ich werde hier die Ergebnisse ihrer einschlägigen Arbeiten in ehronologischer Reihenfolge folgen lassen.

Der Erste, der mit dieser Frage sich befasste, war REAUMUR (1734—1742, 50%. Er fand, dass die Raupen Vanessa cardui, geköpft und nicht geköptt, auch bei —15° R. nicht einfroren. Der Autor erwähnt jedoch nicht, wie lange die Wirkung der Kälte andauerte.

Die Beobachtungen mit unterirdischen Puppen vieler Schmetterlinge zeig- ten, dass dieselben bei bis nicht sterben. Sogar Puppen, welche sich - in freier Luft befinden, wie z.B. Pieris brassicae, sterben nicht bei 16°.

Als er die Temperatur in einem Bienenstock untersuchte, fand er in dem- selben im Monat Mai 2=-+ 31° R. Im Januar war diese Temperatur + 10°, während die Temperatur der äußeren Luft gleich war. Dieselben Resul- tate gab auch ein gläserner Bienenstock.

Welche Temperatur ein Insektenei ohne Schaden zu leiden aushalten kann, ist aus den Versuchen JOHN HunTer’s (1792, 30) mit Hühnereiern ersichtlich, welche ihrer Konsistenz nach wohl denjenigen der Schmetterlinge ähnlich sind. Sie erfroren bei ihm erst bei —15° F. = ca. 26° C.

Im Jahre 1800 stellte Jucz (1800, 31) Wärmeentwicklung in einem Ameisen- haufen fest. |

Der Erste, der die Temperatur einzelner Insekten, also nicht im Haufen, feststellte, war HAUSMAnN (1803, 24). Er legte eine Sphinx convolvuli inein Glasgefäß mit einem kleinen Thermometer. 2 der Luft im Glase, Anfangs bei 17° R., stieg nach einer 1/, Stunde bis 19° und fiel bald nachher wieder bis 17°.

Die Versuche mit Carabus hortensis gaben dieselben Resultate.

SPALLANZANI (1803, 59) machte die Beobachtung, dass die Eier des Bom- byx rubi während 5 Stunden 39° C. und sogar 50° aushalten können, ohne Schaden für die Entwicklung zu nehmen.

! Die Zahlen hinter den Erscheinungsjahren nach den Autorennamen be- ziehen sich auf das am Schluss befindliche Litteratur-Verzeichnis.

599 P. Bachmetjew,

F. HuBEr (1792—1814, 27) untersuchte die Temperatur eines bewohnten Bienenstockes. Derselbe konnte hermetisch zugemacht werden. Sobald der Stock mit den Bienen zugemacht wurde, kühlte sich die innere Luft bis zur Temperatur der äußeren ab, sonst aber war die Temperatur im Inneren des Bienenstockes höher als die der äußeren Luft. Der Autor erklärt diese Er-

'- scheinung durch Ersticken der Bienen, da sie thatsächlieh solehe Symptome

zeigten. Als der Verkehr der inneren Luft mit der äußeren wieder hergestellt war, stieg die Temperatur im Inneren des Bienenstockes wieder.

P. Huger (1810, 25) fand ebenfalls, dass die Ameisen und ihre Milchkühe bei R. einfrieren.

REGNAULT (1819, 51) brachte Maikäfer in einen Sack mit freier Luftventi- lation und fand in demselben die Temperatur um R höher als diejenige der umgebenden Luft.

Die innere Körpertemperatur der Insekten wurde zuerst von J. Davy (1826, 8) festgestellt. Er führte in den Körper der Insekten ein kleines Queck- silber-Thermometer ein und fand:

Luft: Insekt:

Blatta orientalis 2) 23,90 > > 23,3 23,9 Grille 16,7 22,5 Wespe 23,9 24,4 > 24,3 25,0 Leuchtwurm 22,8 23,0 > 26,6 25,8

Im Jahre 1817 beobachtete RENGGER (53) in einem mit Insekten gefüllten Thongefäße die Lufttemperatur und stellte fest, dass sie höher als diejenige der umgebenden Luft ist.

Seit 1831 beginnt die Anwendung der Thermoelektrieität zum Studium der t der Insekten. So haben NopgiLı und MELLoNI (47) mit Hilfe einer thermo- elektrischen Batterie, welche aus Wismuth- und Antimoniumstäbchen bestand, eine Reihe Versuche über die Temperatur der Raupen, Puppen und Schmetter- linge gemacht; dabei berührten die einen Löthstellen der Stäbchen den In- sektenkörper, die anderen blieben frei.. Sie kamen hierbei zu dem Resultate, dass die Temperatur eines Insektes höher als diejenige der umgebenden Luft, und die Temperatur der Raupen höher als die der Schmetterlinge und Puppen ist.

RATZEBURG (1832, 4) behauptet, dass die Temperatur in einem Bienen- stock im Winter 20° R. beträgt.

BERTHOLD (1835, 3) fand, dass die Temperatur des Geotrupes sterco- rarius höher ist als diejenige der umgebenden Luft.

Mussenu (1836, 43) hat ermittelt, dass die einzelne Biene (Apis mellifica) bei +5° R. erstarrt, während sie in Gesellschaft auch bei einer inneren Tempe- ratur des Bienenstockes von nicht erfriert.

Bis zur Zeit ist die Temperatur der Insekten noch nicht ein Gegenstand syste- matischer Forschungen gewesen, jedoch, als das faktische Material sich anhäufte, stieg das Interesse fiir ähnliche Forschungen, und unter den Entomologen und Physiologen begannen sich Leute zu finden, welche sich zur speciellen Aufgabe machten, die eigenthümliche Temperatur der Insekten zu erforschen.

Im Jahre 1837 veröffentlichte GEORGE NEWPORT (44), Mitglied der könig- lichen Gesellschaft (Royal Society) in London, seine ausgedehnten Forschungen

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 523

über die Temperatur der Insekten unter dem Titel: »On the Temperature of Inseets, and its connexion with the Functions of Respiration and Circulation in this class of Invertebrated Animals.< Bei seinen Forschungen bediente er sich eines FARENHEIT-Quecksilber-Thermometers, welches entweder in das mit Insekten gefüllte Gefäß gestellt wurde und somit die Temperatur der inneren Luft zeigte, oder an den Insektenkörper angelegt wurde. Nur einmal führte er sein Thermometer in den aufgeschlitzten Magen eines Maikäfers (Melolontha vulgaris) hinein und fand die Temperatur 63,3° F., während die Temperatur der umgebenden Luft = 61,3°F. war. Diese Temperatur blieb während 10 Minuten ständig und begann nachher zu fallen.

Der Autor fand, dass die Temperatur eines Insektes im Zustande der Ruhe stets niedriger als bei seiner Bewegung ist. Ich gebe hier einige Beispiele:

Cerura vinula (Tabelle V bei NEewProrr).

Differenz:

April 22 p.m. 4h 0,2° 1), Stunde nach dem Entpuppen.

April 22 p.m. 4 0,3 Bewegt sich leicht.

April 22 p.m. 5ia 0,6 Etwas aufgeregt.

April 22 p.m. 61a 1,2 Etwas mehr aufgeregt.

Be am, 10 ne Ne einiger Stunden, bewegt sich aber

April 23 a.m. 73/4 2,5 Beginnt sich aufzuregen.

April 23 m. 8 . 3,7 Starke Aufregung.

23 2m. 10 22 War während 2 Stunden ruhig, beginnt sich aufzu- regen.

April 23 p.m. 21; 1,1 Ruhig während einiger Stunden.

April 23 p.m. 2h20’ 5,0 Sehr stark aufgeregt.

April 23 p.m. 21» 6,6 Außerordentlich aufgeregt wie bei schnellem Fluge.

Hier sind in der Spalte unter »Differenz« die Grade nach FARENHEIT ge- seben, welche zeigen, um wie viel Grad das Insekt wärmer als die Luft war (die letztere verblieb fast stets bei 64° F.).

Lucanus cervus (bei Newrorr Tab. V]).

i der Luft: t des Insektes: Differenz: Um 7h 67,0° 67,3° 0,3° Ruhig. » 91, 66,9 67,4 0,5 Beginnt sich aufzuregen. » 101/g 66,6 68,6 2,0 Aufgeregt. » 103), 66,6 69,2 2,6 Sehr aufgeregt. » 4 71,0 ul) 0,5 Fast ruhig.

NEWPORT unterwarf den Versuchen mehr als 30 Insektenarten, wobei einige in verschiedenen Entwicklungsstadien. Ich werde hier nur diejenigen anführen, für welche der Autor Ziffern giebt.

Die Temperatur der Insekten war höher als

Ortho ptera: diejenige der umgebenden Luft um: NO BIdissima ne NEL ESELIOE Hymenoptera: Bompnlsr tertestuisel 3.8 RER 655

» SuBaveaumen DILL. SuSE nd TO

524 P. Bachmetjew,

Die Temperatur der Insekten war höher als diejenige der umgebenden Luft um:

Bombus lapidarius. .:. . ... .... ses > "MUSCOTUM ° .:. . u... uch. So ee >»... Jonella 2... 0. 0000000 ee:

Lepidoptera:

Sphinx lieustri $= .. ..... . 0 0 ln

» » Oi ee el a ne ER vr Coleoptera:

Melolontha vulgarıs I... 2 Er Ya >». VI... 0. 200 solstitialis Tl. .... 2.2 See > > Ve. ee et > > IX, 30... once es > XVII. 00. 200 eo

Coceinella 7-punetata . . . . . 2... 2703

Proscarabaeus violaceus . . . . ... 72706

» vulgaris... .... 2% 0000 Be

Staphylinus olens.. - ., . . 2.2 2 em » eTythropterun ... ., 2 a

Carabug nemoralis:. . . „2... 02, SR = monllis .“® „0.0. 1000 ee >; „vlOlaCEeUS. u... 2

Blaps mortisaga. ".. ..... 0000 Deo

Auf Grund dieser Daten kommt NEWPORT zu dem Schlusse, dass fliegende Insekten eine höhere Temperatur haben als die kriechenden, obgleich die einen sowie die anderen in Ruhe waren. Außerdem findet er, dass die Tempe- ratur der Raupe stets niedriger als die Temperatur der entwickelten In- sekten ist.

Weitere Forschungen führten den Autor zur Feststellung der Thatsache, dass die Temperatur der Insekten mit der Zunahme der Athmungsbewegungen sich hebt, eben so bei Zunahme der Pulsationen; sie sinkt aber bei Mangel an Nahrung.

Drei Jahre nach der Veröffentlichung der Forschungen NEWPORT's erschien, dieselbe Frage betreffend, die Abhandlung DUTROCHET’s (1840, 14): »Recherches sur la chaleur propre des &tres vivants & basse temperature« (Chapitre II I. Recherches sur la chaleur propre des animaux & basse temp£rature).

Dieser Autor bediente sich schon bei seinen Forschungen eines elektri- schen Thermometers (13), aus Nadeln bestehend, von zwei Metallen: Anti- monium und Wismuth zusammengelöthet. Eine dieser Nadeln wurde in den Körper des Insekts, dessen Temperatur man ermitteln wollte, gesteckt, die andere wurde in Papier gewickelt oder in den todten Körper eines Insekts derselben Species gesteckt. Beide Nadeln waren unter sich und mit dem Multiplikator mittels Drähten vereinigt.

Aus der folgenden kurzen Beschreibung des Versuches mit einer wilden Biene (Bombus lapidarius) ist der Gang der Versuche des Autors ersichtlich:

Die Biene wurde mittels eines Fadens an einem Stock befestigt, wobei in ihren Leib die oben erwähnte Nadel in der Tiefe von 5 mm hineingesteckt wurde (der Leib war li cm dick). Die andere Nadel wurde in Papier einge-

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 525

wickelt, um sie vor Strahlung zu schützen. Die Lufttemperatur war während 4 Stunden konstant (19,2° C.). Dieser Versuch ergab, dass das Insekt um 0,18° C. kälter war, als die umgebende Luft. Der Verfasser glaubt, dass dies in Folge der Verdunstung beim Athmen geschah, da dieselbe Biene in einer mit Wasserdampf gefüllten Glasglocke eine um 0,18° höhere Temperatur be- saß, als diejenige der Luft war. Als die Glocke entfernt wurde, ergab sich die Temperatur des Bienenkörpers um 0,25° und nicht, wie früher, um 0,18° tiefer als diejenige der umgebenden Luft. Diesen letzteren Umstand erklärt der Ver- fasser durch die Verdunstung der sich auf den Haaren des Insektes nieder- schlagenden Feuchtigkeit.

Alle darauf folgenden Versuche führte DUTROCHET daher in der freien Luft und unter der mit Wasserdampf gefüllten Glasglocke aus.

Ich lasse hier die vom Verfasser erhaltenen Werthe folgen:

Temperaturüberschuss des Insektes über die Lufttemperatur

in der freien Luft: unter der Glasglocke:

Bombus terrestris _ 0,250 €. » hortorum _ 0,25 Xylocopa violacea _ 0,25 Melolontha vulgaris 0,09° 0,18 » (larva) 0,04 » solstitialis 0,09 0,25 Lueanus cervus 0,10 0,22 > bei der Bewegung 0,31 Carabus monilis 0,03 bis 0,06 0,18 » auratus 0,03 bis —- 0,06 0,18 Blaps mortisaga 0,03 bis 0,06 0,12 Cetonia aurata 0,25 0,25 Chrysomela tenebricosa 0,12 0,34 Geotrupes vernalis I 0,12 0,18 » > II 0,12

Gryllus viridissimus 0,06 bis 0,01 0,31 bis 0,34 » verrucivorus - 0,40 > » nach Stägig. Hungen 0,22 > campestris 0,40 > srylliotalpa 0,16 Sphinx stellatarum! _- 0,29 > » (larva) 0,11 » atropos (ohne Bewegung) 0,58

» tiliae (Raupe unmittelbar

vor der Verpuppung) 0,43

Die Lufttemperatur betrug dabei im Durchschnitt 18° C.

Außerdem wurden Versuche mit Bombus hortorum angestellt, wobei die thermoelektrische Nadel nicht in den Körper hineingesteckt, sondern nur an den Leib angedrückt wurde. Das Insekt wurde in durchsichtigen Gaze- stoff eingewickelt und befand sich dabei in großer Aufregung. Die Tempera- tur des Insektes gegenüber derjenigen der umgebenden Luft war unter diesen

i Ich lasse hier die alten Benennungen der Insekten so stehen, wie sie beim Verfasser angeführt sind.

5236 P. Bachmetjew,

Umständen um 0,5° höher. Als dasselbe sich beruhigte, war seine Temperatur 0,03° unter der Lufttemperatur.

Auf diese Weise geht aus den Versuchen DUTROCHET’s hervor, dass die Insekten (Bombus hortorum und Lucanus cervus) in der Bewegung höhere eigene Temperatur besitzen, als wenn dieselben im Ruhezustande sich

- befinden, und dass die Temperatur der Larven (Melolontha vulgaris, Sphinx

stellatarum) geringer ist, als bei entwickelten Insekten. Die Temperatur der Insekten im Ruhezustande ist fast immer derjenigen der umgebenden Luft gleich.

Darauf folgt wieder eine Reihe kleiner Versuche.

Nıcorer (1841, 46) fand, dass Podura similata, indem dieselbe für einige Sekunden ins Wasser bei + 25° bis + 38° C. eingetaucht wurde, zu Grunde ging. In der Luft tritt der Tod bei + 35° ein.

Diese Thiere wurden zum Gefrieren gebracht und noch weiter bis 11° abgekühlt, wobei sie bei dieser Temperatur 12 Stunden lang lagen. Nachdem dieselben langsam aufgethaut wurden, kamen sie nach einer Stunde wieder zum Leben und liefen davon. Andere Exemplare, auch eingefroren und während 10 Tagen in diesem Zustande gelassen, wurden nach dem Aufthauen wieder lebendig.

BECQUEREL (1844, 2) führte die Versuche mit einem Quecksilberthermo- meter und mit einer thermoelektrischen Nadel aus. Er beobachtete die Tempe- ratur im Inneren des Insektes nie niedriger als die der umgebenden Luft. Er erhielt außerdem noch folgende Resultate:

Zimmertemperatur = 22,5. Temperatur des Schwabenkäfers war höher als diejenige der Luft um: 0,75°

> der Nasicornis-Larve » 1,5

> » Seiden-Raupe » 0,75—1,0 » » Sphinx-Raupe » 0,27—0,55 > » Ach. atropos im aktiven Zustand 1,66

» > > » » Tuhenden Zustand » 0,0

DECROSEN (1845, 9) fand in Torferde bei lebende Fliegen.

Wyman (1856, 64) in Boston fand, dass eine Wespe bei 26° C. nicht gefroren war und beim Anrühren noch reflektorische Bewegungen machte; er sagt weiter: »wie bedeutend der Schutz der Puppe durch ihr Gespinnst gegen- über der Kälte war, beweist der Umstand, dass der flüssige Saft, welcher aus der Puppe herausgedrückt wurde, sofort einfror«.

Dieser Forscher ist der Meinung, dass das Insekt eine innere Wärmequelle besitzen müsse, um der Kälte zu widerstehen.

BREYER (1360, 5) steckte ein Quecksilber-T'hermometer in einen soeben beim Fliegen gefangenen Sphinx convolvuli und fand dessen Temperatur = 27°C. Die Lufttemperatur war 17°. Bei diesem Versuche wurden alle Maßregeln ge- troffen, um die Temperatur des Insekts nicht zu erhöhen. Der Verfasser meint, dass, wenn das Thermometer die Wärme vom Insekt nicht absorbiren würde, das Insekt ca. 32° gegeben hätte. Er glaubt auch, dass dieses Insekt im Ruhezustand keine höhere Temperatur als diejenige der Luft zeigen würde.

H. Lecog (1862, 38) erwähnt in seiner kurzen Mittheilung: »De la trans- | formation du mouvement en chaleur chez les animaux« eigene Versuche über die Temperatur der Schmetterlinge aus der Gattung Sphinx, und zwar Sphinx

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 527

liseron und Sphinx pinastri. Die von ihm erhaltenen Resultate zeigten, dass die Temperatur dieser Schmetterlinge während der Bewegung rasch steigt, diejenige des Menschen überschreitet und sogar die Temperatur der Vögel er- reicht. Diese Steigung ist bei der ersten Art bedeutender als bei der zweiten, da Sphinx pinastri weniger beweglich ist als Sphinx liseron.

Der Verfasser führt aber keine Beschreibung seiner Beobachtungsmethode

an und überhaupt keine Ziffernwerthe. Die Erhöhung der Temperatur bei der Bewegung der Schmetterlinge er- klärt er durch die Verbrennung des Zuckers, welche durch eine energischere Athmung des Insektes hervorgerufen wird. Die Sphinxe unterbrechen wahr- scheinlich desshalb ihren Flug, weil es ihnen zu warm wird und sie dabei ohn- mächtig werden.

F. PoucHEr (1866, 49) führt in seiner Arbeit, welche ich leider im Original nieht gelesen habe, Werthe für minimale Temperatur an, bei welcher die In- sekten noch existiren können. Ich lasse hier die »Übersicht der Versuche von POUCHET« gerade so folgen, wie dieselbe bei Hugo RoEDEL (1886, 54) angeführt ist.

Genus und Species: Anzahl: TS ee 0°: Limax rufus 4 2 19 Engerling von Melolontha vulg. 5 1 14 Zwei Exempl. todt. » » > » 2 3 15 Alle Exempl. todt. Melolontha vulgaris 30 11/5 18—20 > 5 10 11 19 Papilio io (Raupe) 3 2 17—19 >. > > 1 1 17—19 Bombus terrestris 10 2 19 Cetonia aurata 1 2 19 . Melolontha solstitialis 2 2 19 - Hydrophilus piceus 1 2 7 Dytiscus marginalis 1 2 17 Helix hortensis 10 3 14—18 » pomatia 4 3 14—18 Planorbis corneus 2 3 16 Limnaeus stagnalis 2 3 16 Planorbis corneus 5 3 14—18 Im Wasser. Limnaeus stagnalis 2 3 14—18 Lumbrieus terrestris 20 1 18 Astacus fluviatilis 2 1 Tag 11,5 Im Wasser. » » 2 1 Nacht 13 Im Wasser. Hirudo mediecinalis 5) 1 Nacht 13,5 Im Wasser, Eis roth. » » 3 1 Nacht 13,5 Im Wasser, Eisroth. Dytiscus marginalis 1 Colymbetes sp. 1 Banatra linearis 3 Naucoris eimicoides 2 3 16 Notonecta glauca 2 Gyrinus natator 4 Libellula compressa 1 Hydrophilus piceus 1

328 P. Bachmetjew,

Die Größen in der Kolonne »Z unter bedeuten wahrscheinlich »untere Temperaturgrenze«, bei welcher das gegebene Insekt noch existiren kann, da Huco ROEDEL nach dieser Tabelle sofort seine eigene anführt, in welcher eine Kolonne diese Benennung trägt.

1869 erschien eine von mehreren Arbeiten von M. GIRARD (20): »Etudes

. sur la chaleur libre degagde par les animaux invertebres et specialement les

inseetes.«< Er führt zuerst folgende Thatsachen an:

Die Fischer spüren beim Gebrauchen der Larven von Musca vomitoria, Sarcophaga carnaria, Lucilia caesar etc. zu ihren Zwecken beim An- rühren dieser Larven ein Wärmegefühl (p. 139).

In heißen Quellen fand man nicht selten Käfer, Hydrocanthares, lebend. Die Wespen und Termiten in heißen Gegenden »supportent tous les exces de chaleur intol&rable« (p. 141).

Weiter sagt er, dass die Larven von Galleria cerella in Haufen die Temperatur: 24,2°, 27,4°, 23,9° zeigten, während die Luft nur 12° hatte.

Was nun den Futtermangel betrifft, so zeigten seine Versuche, dass die Erdbienen bei Honigmangel niedrigere Temperatur hatten (p. 154).

Bei seinen Beobachtungen wandte er zwei Methoden an:

1) DasDifferential-Thermometer von LESLIE, auf dessen einer Seite sich zwei koncentrische Glaskugeln befanden. In die innere Kugel, welche mit der äußeren Luft mittels einer engen Röhre kommunieirte, wurde das zu unter- suchende Insekt placirt. Der Apparat wurde gegen Strahlung durch Schirme geschützt, und die Ablesungen machte man aus großer Entfernung. Die Em- pfindlichkeit dieses Thermometers war '/4o°, obwohl der Verfasser selbst zuge- steht, dass seine Werthe in Folge der Strahlung stets niedriger als die wirk- lichen sind. Das Insekt wurde bei diesen Versuchen mittels langer Holzzange gefasst, um es nicht zu. erwärmen.

2) Das elektrische Thermometer. Drei verschiedene Apparate: A be- stand aus der thermoelektrischen Batterie, welche aus 30 Thermoelementen zu- sammengesetzt war; BD, welcher für große Insekten angewandt wurde, bestand aus 34 Löthstellen, war aber weniger empfindlich als 4; und endlich C' war größer als A, wurde aber selten verwendet. Gewöhnlich legte man einen von diesen Apparaten an den Leib des Insektes, zuweilen aber steckte man eine »thermoelektrische Nadel« in den Insektenkörper hinein. Leider ist die Tempe- ratur in der Abhandlung nicht in Temperaturgraden, sondern in Ablenkungs- graden der Magnetnadel angegeben. Auch die thermoelektrischen Konstanten, welche zur Reduktion der Nadelablenkungen auf Temperaturgrade dienen sollten, sind weggelassen. Ich lasse desshalb hier seine Tabellen aus und be- schränke mich nur auf eine Tabelle für Schmetterlinge:

{-Überschuss des

der Luft: Schmerene Apparat: Liparis dispar 6 20,1 90 B > > © al 15 Aglia tau (6) 16,8 73 (6 » » Q 16,8 38 C » » ö 16,9 98 B > & 15,6 80 B Attacus carpini & 14,3 54—59 B » » Q 14,3 53 DB

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 529

t-Überschuss des

der Luft: Sen eenon: Apparat: Liparis dispar & 18,9 0,30° Diff.-Therm. » ee 20,6 0,025 ° > Sesia apiformis & 22,0 0,45° > 3 - Q 19,7 0,20—0,40° > Bombyx quereus 5 25,4 0,50° > » > Q 25,4 0,35° >

GIRARD beobachtete noch, dass Bombus terrestris im Frühjahr fast doppelt so warm ist als im Herbst.

Dieser Gelehrte erforschte in Bezug auf Temperatur viele Insekten, und zwar: Orthoptera und Dermaptera vier Arten, Neuroptera vier Arten, Hemiptera vier Arten, Bienenarten vier, Lepidoptera sechs Arten, Coleo- ptera zwei Arten, 28 Puppen von Lepidoptera und 23 Raupen und Larven.

Ich führe hier die von ihm erhaltenen allgemeinen Resultate an:

1) Ein entwickeltes Insekt zeigt nie, nicht einmal im schlafenden Zustande oder geschwächt, eine Temperatur, welche niedriger ist als diejenige der um- gebenden Luft. h

2) Larven mit unvollständiger Metamorphose haben eine Temperatur, welche gleich oder höher als die der umgebenden Luft ist.

3) Dies ist aber nicht immer der Fall bei Insekten mit vollständiger Metamorphose. Oft kann man beobachten, dass Raupen mit glatter Ober- fläche des Körpers niedrigere Temperatur als die umgebende Luft zeigen, was durch ihr Schwitzen und die Verdunstung dieses Schweißes erklärt wird.

4) Seiden- oder Erdkokon schützt die Puppe vor rascher Austrocknung, und desshalb ist ihre Temperatur nach dem Herausnehmen aus dem Gespinnst zuerst höher und nachher niedriger als die Lufttemperatur.

5) Im Winter haben die nackten, starr gewordenen Raupen und Puppen entweder die Temperatur der umgebenden Luft, oder eine etwas höhere. Die äußere Abkühlung, welche in Folge der Verdunstung geschieht, wird nur dann beobachtet, wenn die Temperatur dem nahe steht. Es kommt jedoch öfters vor, dass einige Exemplare, unter sonst gleichen Umständen, etwas wär- mer sind als die übrigen.

6) Neuroptera haben auf der Oberfläche ihres Körpers eine etwas nie- drigere Temperatur als die Erdbienen bei gleichem Körpergewicht. Dieselbe ist aber die gleiche wie bei den Hymenoptera.

7) Hymenoptera zeigen stets eine etwas höhere Temperatur als die um- gebende Luft, aber eine bedeutend niedrigere als Lepidoptera, Diptera und Hymenoptera.

8) Die Temperatur auf der Oberfläche der Käfer ist mittelmäßig, dank schlechter Wärmeleitung und der Dicke ihrer Haut. Bei Meloe ist diese Temperatur bedeutender, da ihr Körper weich ist.

9) Wasserinsekten (Dytiscidae, Gyrinus, Hydrocoris) ergaben die- selben Resultate, wie die Erdinsekten.

10) Das Geschlecht hat einen bedeutenden Einfluss auf die Oberflächen- temperatur, aber nur bei gewissen Insektengruppen, so z. B. sind bei Bombyces, Aglia tau.ete. die Männchen wärmer, während es bei Erdbienen und verschie- denen Arten Phalaeniden, Nocetuen und Libellen nicht beobachtet wird.

11) Die Temperatur bei Raupen wird nicht nur in einigen Gliedern

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 39

530 P. Bachmetjew,

lokalisirt, sondern ist am ganzen Körper gleichmäßig vertheilt, was der Ver- theilung der Nervencentra entspricht.

Bei entwickelten Insekten mit starker Lufteirkulation wird eine bedeu- tende Temperaturdifferenz im Thorax und im Bauch beobachtet. Der Thorax stellt eine wirkliche Wärmequelle dar. Bei Erdbienen und Sphinxen (Insekten mit

- „starkem Fluge) erreicht diese Differenz 4—6° und zuweilen 8—10°. Bei Insek-

ten mit mittelstarkem Fluge (Bombyces) erreicht diese Differenz 3—4°. Bei Insekten, welche schwachen Flug haben oder gar nicht fliegen, wird keine Differenz beobachtet.

Die Wunde, welche bei diesen Versuchen nöthig ist, hat nicht jene wichtige Folge, welche z. B. bei Säugethieren beobachtet wird. Insekten, welche ge- nadelt sind, leben noch einige Monate, ernähren sich und machen ihre Meta- morphosen durch.

Allgemeines Gesetz. Bei fliegenden Insekten koncentrirt sich die Wärme im Thorax und ist proportional der Flugstärke. Da im Thorax sich die starken Muskeln der Flügel und Beine befinden, welche während des Fluges stark in Anspruch genommen werden, so erklärt sich daraus die Temperatur- differenz im Thorax und im Bauch.

Dieses Resultat, welches mittels zwei Methoden, ohne das Insekt zu ver- wunden, erhalten wurde (mittels Quecksilber- und elektrischen Thermometers), zeigt, dass die Säfteeirkulation bei Insekten sehr schwach ist.

12) Bei Erdbienen und Xylocopes steht die Wärmeentwicklung des eigenen Körpers nach außen in direktem Verhältnisse zu dem Summen. Wenn kein Summen vorhanden ist, sinkt die Körpertemperatur.

13) Das Insekt entwickelt eine höhere Temperatur, wenn es freiwillig sich bewegt, als wenn es dazu gezwungen wird.

14) Bei Larven wird eine größere Temperaturdifferenz des Körpers in seinem Inneren und auf seiner Oberfläche beobachtet. Diese Differenz ist zehnmal größer als bei entwickelten Insekten. Die Ursache dieser Erschei- nung ist die Verdunstung an der Oberfläche der Haut.

Darauf erschienen noch sieben kleine Abhandlungen, und zwar:

DÖNHorFF (1872, 10) fand, dass die Bienen und Ameisen bei 15° ster- ben. Mit Fliegen (Musca domestica) erhielt er folgende Resultate:

1) 5 Stunden bei 1,5° C. Die Thiere bewegen sich.

2) 8 Stunden, Anfangs bei 3°, zuletzt bei —2° Die Thiere bewege

die Beine und lebten ganz auf.

3) 12 Stunden, Anfangs bei 3°/4°, zuletzt bei 61/4°. Scheintodt. Beim

Erwärmen lebten sie wieder auf.

4) 3 Stunden, Anfangs bei 10°, zuletzt bei 6°. Sind gestorben.

O0. Bürschaui (1874, 6) giebt für Blatta orientalis das vitale Maximum 33°. C. an.

Aug. WEISMAnN (1875, 62) untersuchte die Frage über Saison-Dimorphis- mus der Schmetterlinge und hat die Temperatur von + 10° R. bis auf Pup- pen einwirken lassen. Die Puppen blieben dabei am Leben.

Huco Scaurz (1877, 57) bestimmte die Quantitäten von CO,, welche Am- phibien und Insekten bei verschiedenen Temperaturen ausscheiden. Eigene Temperatur der Insekten bestimmte er nicht. Es ist interessant zu bemerken, dass die Frösche (Rana esculenta) stark beunruhigt wurden, als die Tempe- ratur der umgebenden Luft + 35,2° C. erreichte, und sich wieder beruhigten, als diese Temperatur bis 33,6° sank.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 531

Morın (1880, 41) bestimmte die Temperatur im Bienenhaufen und fand dieselbe im Winter zwischen + 10° und + 12° R.; auf der Peripherie des Haufens war diese Temperatur + bis S’ R.

Dugosr (1880, 12) fand im Sommer die Temperatur der Bienenfamilie gleich 25° R.; im Winter war dieselbe +16 bis + 20°R

DORFMEISTER (1880, 11) führte Versuche über den Einfluss der Tempera- tur auf Schmetterlingspuppen aus (Vanessa atalanta,levana und urticae), wobei er dieselben von + 11° bis —2° R. abkühlte. Die Puppen starben da- bei nicht.

W. v. REICHENAU (1882, 52) unterwarf Urticae-Raupen der Einwirkung der Sonnenstrahlen von ca. 45°C. und erhielt auf diese Weise Vanessa urticae var. tureica.

1886 veröffentlichte H. RÖDEL (54) in Frankfurt a. O. eine bemerkenswerthe Abhandlung: »Über das vitale Temperaturminimum wirbelloser Thiere«.

Er stellte sich zur Aufgabe, »das vitale Temperaturminimum, das Ab- weichen der unteren Lebensgrenze von dem Lebensoptimum für wirbellose 'Thiere zu bestimmen, dabei zugleich auf die sogenannte Kältestarre und das Wieder- aufleben der Thiere Rücksicht zu nehmen, sowie verwandte Punkte noch in Betracht zu ziehen« (p. 183).

Als Kaltbad diente ihm ein Reagensglas, welches in ein großes Gefäß, mit einer Mischung von Schnee, Kochsalz, Ammoniak oder Salpeter gefüllt, placirt ward. Dieses Bad hatte während des Versuches eine konstante Temperatur. Die Lufttemperatur im Reagensglase wurde mittels Quecksilberthermometers gemessen. Jeder Versuch wurde mit 10 Exemplaren einer und derselben In- sektenart ausgeführt.

Ich werde hier die Bemerkungen des Verfassers, jede einzelne Insekten- klasse betreffend, anführen:

1) Hymenoptera. »Es ist bekannt,« sagt der Verfasser, »dass einzelne Bienen schon bei +5° R. erstarren, dagegen sind sie in Gesellschaft viel widerstandsfähiger gegen die Kälte« (p. 194).

Was nun Ameisen betrifft, sagt er, dass diese Insekten bei erstar- ren, aber nicht sterben und sogar —19° während !/, Stunde aushalten. Als vitales Temperaturminimum, welches während 3 Stunden einwirkt, giebt er für Ameisen im Mittel 15° an.

2) Coleoptera. Mehrere Käferlarven verschiedener Gattungen hielten aus und starben, als dieselben »durch und durch gefroren waren«. Oniscus starb bei 6°.

3) Lepidoptera. Indem er über das Erstarren der geköpften Raupe spricht, schreibt er: »Zuerst erstarrte der Inhalt des Darmtractus und die Ge- fäßsehieht, nach einer Stunde (die Temperatur war mittlerweile auf ge- sunken) erwies sich das Hautparenchym fest und die Fettschicht noch ungefroren. Erst eine Verminderung der Temperatur auf 10° C. brachte sie zum Gefrieren, dieselbe Behandlung führte auch den Tod unversehrter Exemplare herbei« (p. 199).

Er führte auch die Versuche mit 36 Puppen von Pieris brassicae zu- erst bei +5° aus, und nachher bei 25°, aber keine davon erfror. Als diese Puppen im April in ein warmes Zimmer gebracht wurden, entwickelten sich daraus Schmetterlinge; nur aus vier Puppen kamen verkrüppelte Indivi- duen heraus.

35*

532 P. Bachmetjew,

4) Diptera. Fliegen verlieren ihre Bewegung bei 5°. Am Ende der Abhandlung giebt der Verfasser die folgende Tabelle seiner Versuche über die Insekten an!:

Zeit in Minuten: >.

Apis mellifica 210 1:5% Formica rufa | 180 1,5 Lema spec. 30 6 Paederus riparius 45 4 Phytonomus spec. 90 12 Vanessa cardui 600 15 Smerinthus populi:

1) Blut 2—3 Gefrierpunkt.

2) Geköpfte Raupen 150 10

3) Lebende Raupen 150 10 Bombyx dispar 30 4 Culex pipiens, Larve 60 4 Musca domestica 5 12

» » 20 8

» 40 5

Zum Schlusse führt er folgende allgemeine Resultate seiner Beobach- tungen an:

1) Niedere Thiere erfrieren, je nach dem Genus und Species, bei sehr verschiedenen Temperaturen.

2) Völlig erfrorene niedere Thiere, die einen Cirkulationsapparat besitzen, beleben sich nicht wieder.

Was diesen Punkt anbetrifft, sagt er: »Es scheint nur, dass das Gefrieren des gesammten Blutes ein Hauptgrund ist, wesshalb das Gefrieren schädlich auf den thierischen Organismus wirkt (zu gleichem Resultat ist auch POUCHET gelangt)< (p. 209).

Prof. V. GRABER (23) in Czernowitz veröffentlichte 1887 folgende Abhand- lung: »Thermische Experimente an der Küchenschabe (Periplaneta orien- talis).«

Er untersuchte Küchenschaben in einem besonders konstruirten Blech- kasten, dessen eine Seite erwärmt und dessen andere abgekühlt wurde. Die Temperatur sowohl des Kastenbodens als auch der Luft über diesem Boden wurde mittels Quecksilberthermometer gemessen.

Bezüglich des sogenannten »lokomotorischen Minimums«< sagt der Ver- fasser: »der schlaftrunkene Zustand stellt sich ohne Ausnahme binnen ? bis 3 Stunden bei allen Individuen ein, wenn man die Temperatur bis auf über Null sinken lässt< (p. 243). Dieses Minimum war bei diesen Insekten im Mittel AB

Als die Temperatur —4° der Luft, —5° des Bodens war, hatten die Thiere die Fähigkeit der freiwilligen Ortsbewegung für immer verloren.

Die Temperatur der Luft, des Bodens, welche auf Küchen-

1 Seine Resultate mit Mollusken, Spinnen, Krebsthieren und Würmern lasse ich hier aus, wie es auch für andere Autoren, welche oben angeführt sind, geschah.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 533

schaben während 10—20’ einwirkt, ist tödlich (»wobei die Thiere noch keines- wegs durchgefroren sind«).

Das vitale Minimum (für eine Stunde Expositionsdauer) liegt somit zwischen und 6°, während das vitale Maximum = 41° der Luft, 42° des Bodens ist.

Auf ganz kurze Zeit (5’) ertragen die Küchenschaben dagegen Tempera- tur bis zu 60°.

Somit beträgt die thermische Breite —6 + (+42) = 48° €.

Nach den Beobachtungen von ANDRIASCHEW (1890, I) steigt die Tempera- tur im Sommer in einem Bienenstock nicht selten höher als + 30° R., wäh- rend dieselbe im Winter in einem Bienenhaufen gewöhnlich +S° bis 12° R. und an der Peripherie des Haufens + bis + 10° R. beträgt.

PoTEcHın (1891, 48) beobachtete die Temperatur der Bienen in einem Bienenstock und giebt dieselbe im Winter in einem Bienenhaufen zu + 10° bis + 12° R., und an der Peripherie des Haufens zu + bis +8° R. an. Außerdem fand er, dass die Temperatur im Bienenhaufen im Bienenstock bis —3° R. war, während die Temperatur der äußeren Luft bis 15° R. betrug.

Nach den Beobachtungen von Prof.. ZIESIELSKI (1895, 66) schwankt die Temperatur in einem Bienenhaufen in ruhigem Zustande im Winter zwischen +8 und +9,6°R. In kalten dünnwandigen Bienenstöcken erhöht die äußere Kälte die Temperatur der Bienen zuweilen bis zu + 24° R. Die Temperatur steigt auch bei unerwartetem Alarm der Bienen und erreicht zuweilen + 25,6°R.

KOoSCHEwNIKOwW (1895—1896, 35) beobachtete im Sommer die Temperatur im Inneren eines Bienenstockes gleich + 29° R., meint aber, dass die Steige- rung der Temperatur die Bienenfamilie selbst nicht erzeugt, sondern dass die- selbe wahrscheinlich durch die Sonnenwärme hervorgerufen wird. Die mini- male Temperatur, welche er in einem schlecht gebauten Bienenstock beobachtete, war am 9./21. Juli nach einer kalten Nacht gleich + R.

1891 placirte MÜLLER-ERZBACH (42) außer anderen Thieren noch Wasserkäfer in kaltes Wasser, bis dasselbe völlig fest geworden war, und ließ nachher diese Insekten noch 5 Stunden im Freien bei einer Temperatur von —6° bis 8°C. liegen. Nachdem dieselben in ein mäßig warmes Zimmer gebracht waren, konnten sie nicht wieder belebt werden (unter diesen Umständen behandelte Frösche wurden wieder belebt).

ZELLER (1894, 65) beobachtete während eines Hagelfalls in Oberdorf (bei Salz- burg) am 21. Mai unter den niederfallenden Schloßen, welche eine durchsichtige Schale und einen weißen Kern hatten, eine, an welche ein Schmetterling (Smerinthus ocellata 5) angefroren war. Dieser Schmetterling war mit den Füßen einige mm tief in die langsam niederfallende Schloße eingefroren und schien vollkommen leblos, war aber, als er nach dem Aufthauen befreit wurde, sehr lebhaft.

In verschiedenen entomologischen Zeitschriften werden Versuche ange- führt, mittels welcher man Aberrationen verschiedener Schmetterlinge erhalten kann, indem man Puppen der Einwirkung der extremen Temperaturen unter- wirft. Ich werde hier die uns interessirenden Angaben nur einiger Autoren anführen.

1895. erschien die erste Untersuchung von Dr. med. E. Fischer (15) in Zürich: »Transmutation der Schmetterlinge in Folge Temperaturänderungen«. In dieser Abhandlung beschreibt der Verfasser seine Versuche mit lebenden

534 P. Bachmetjew,

Puppen aus Vanessa-Gruppen, und zwar: Vanessa urticae, antiopa,poly- chloros, jo, prorsa, cardui, atalanta und C-album und noch Papi- lio machaon. Diese Puppen lagen drei Wochen lang auf dem Eise bei + bis C., und nachher im Zimmer bei +35 bis + 38° (die letzt ange- führten Vanessa-Arten bei 25°), und ergaben aberrative Formen.

Der Verfasser fügt Folgendes hinzu: »Die Puppen derjenigen Arten, die im Puppenstadium in der freien Natur nicht überwintern und die Va- nessen gehören ja zu diesen (levana ausgenommen) ertragen ja die Tempe- ratur von nicht immer, ohne Schaden zu nehmen, selbst wenn sie völlig trocken gehalten werden« (p. 28).

Seine Versuche mit denselben Puppen zeigten, dass sie nicht verdorben werden, wenn man sie 2 bis 3 Stunden bei + 40° bis +42° C., und nachher einige T'age bei + 35° bis + 35° C. hält. Was nun höhere Temperaturen an- belangt, sagt der Verfasser: »Temperaturen von ca. + 45° C. dürfen nicht an- gewendet werden, weil bald der Tod, wahrscheinlich durch Gerinnung der Eiweißkörper, eintritt< (p. 35).

Die Versuche mit Temperaturen unter beschrieb E. FISCHER im Jahre 1896 (16). In seinem interessanten Buche findet man die folgende Stelle: »Bei 23° C. starben mir einmal eine Anzahl Puppen bald ab (ich schrieb dies der großen Kälte zu, vielleicht war Infektion die Ursache, Sicheres konnte man nicht feststellen)< (p. 15).

Er führte desshalb seine weiteren Versuche bei Temperaturen, welche nicht niedriger als 20° C. waren, aus und erhielt sehr schöne Aberrationen. Der Versuch selbst wurde folgendermaßen ausgeführt: »Die Puppen wurden aus der Zimmertemperatur (ca. 25°C.) zuerst in den Keller, und nach einigen Stun- den in die Kältemischung gestellt; die Temperatur sank ca. 1 Stunde hierauf unter 0°, blieb dann 2 bis 4 Stunden bei 20°, bis sie sich im Laufe der folgenden 5 bis 8 Stunden wieder allmählich auf erhöhte (p. 15).

Ich will hier die minimalen Temperaturen, mit welchen dieser Forscher arbeitete, anführen, wobei die Puppen diesen Temperaturen während 2 bis 4 Stunden ausgesetzt waren:

Vanessa jo von 8 Stück starben 3

Re » antiopa > 12 > > 7 A » > s.1200 9 > 10 >». urticae 22007 > > 24192

Der Tod trat bei den meisten Exemplaren, wie der Verfasser schreibt, »sicher an Infektion eine. Die anderen Puppen ergaben Schmetterlinge.

A a andre As prorsa von 50 Stück starben 27 » polychloros 20 > 8

t= 10 bis —12°C. » cardui > 14 2 » 9 Schi dn » » » 25 » » 12

6 bis 10° atalanta » 13 » » 6

4 bis » urticae > ADS » N)

Bei diesen Temperaturen trat der Tod einiger Puppen ein, »weil sie zu weich (zu früh) der Kälte ausgesetzt wurden« (p. 19).

Dass das rapide Fallen der Temperatur auf die Puppen nur bei gewisser Größe der thermischen Amplitude tödlich einwirkt, belegt E. FISCHER in seiner

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 535

weiteren Abhandlung (16) wie folgt: >Während z. B. eine Temperaturerniedri- gung von + 20° auf C., also eine Differenz von 22°, eine Aberration zu erzeugen vermag, kann eine nur um wenige Grade stärkere Kälte, wie eine Erniedrigung von + 20° auf C. innerhalb eines Zeitraumes von 50 Minu- ten und mit einem Anhalten der Temperatur von 4°, während bloß 3 bis 4 Minuten bereits deletäre Eigenschaften auf den Puppenkörper äußern; sie er- wacht nicht mehr nach dem Erwärmen« (p. 7).

In einer Reihe Abhandlungen von E. FiscHEr (18) finden wir folgende uns interessirende Thatsachen:

»Die zwei- bis dreimal pro Tag vorgenommene Abkühlung bis zu 3°C. wurde von den Puppen von Vanessa urticae, jo, antiopa und polychlo- ros bis zu einer gewissen Anzahl von Tagen ohne Schaden ertragen; dagegen erwiesen sich Vanessa cardui und atalanta gegen mehrmalige Abkühlung auf sehr empfindlich; sie starben ab.«e Diese Versuche wurden nur wäh- rend drei Tagen angestellt, und zwar so, dass zuerst die Puppen bei + 22° sich befanden, nachher bei + 15° und schließlich bei bis 4°, worauf die Temperatur in umgekehrter Reihenfolge stieg. Die Sterblichkeit war da- bei folgende:

Vanessa polychloros von 10 Puppen starben 3

> antiopa 20 > > 6 > J [6] >. 20 > > 0 » C-album > 14 » 2 ceardui such > > 0 > atalanta 210 3 > urtieae > 30 > 1

Der Einfluss mehr rapiden Fallens der Temperatur wurde von E. FISCHER an Puppen von Vanessa antiopa erprobt. Die Temperatur von + 25° sank innerhalb !/» Stunde bis 6°. Dabei starben von 13 Puppen #, >und zwar sehr wahrscheinlich in Folge der rapiden Abkühlung«.

Hier treffen wir auch folgende zufällige Bemerkung:

Als dieser Forscher Versuche mit 30 Puppen von Vanessa urticae machte, starb davon nur 1 Puppe, 15 ergaben Falter, >und die übrigen Puppen waren von Fliegenlarven bewohnt, die in der Kälte nicht abgestorben waren«e. Die Kälte betrug C.

Im Jahre 1899 erschien eine weitere Abhandlung desselben Verfassers: '»Experimentelle kritische Untersuchungen über das procentuale Auftreten der durch tiefe Kälte erzeugten Vanessen-Aberrationen« (19), in welcher die Mor- talität der Puppen bei diesen Kälteversuchen behandelt wird. Als Haupt- ursache bedeutender Sterblichkeit der Puppen beim Einwirken der Kälte be- trachtet der Verfasser den Härtegrad der Chitinhaut der Puppen: >»zu früh, also noch zu weich in die tiefe Temperatur gebracht, sterben die Puppen ab«.

In dieser Abhandlung finden wir die folgende Stelle: »Für Temperaturen von bis 12° C. hat es sich ergeben, dass die Abkühlung täglich dreimal je i Stunde lang und im Ganzen 4 Tage lang vorgenommen werden sollte.< Damit werden die früheren Versuche desselben Forschers bestätigt, dass inter- mittirende Abkühlung die Puppen in gewissen Grenzen nicht tödtet.

Auch noch eine wichtige Bemerkung enthält die Abhandlung von E. FISCHER (16, p. 39): »Man hat die Erfahrung gemacht, dass, wenn man mit Infektions- trägern behaftete Eier von Bombyx mori einer Temperatur von 40° C.

9936 P. Bachmetjew,

aussetzt, die Mikroben zu Grunde gehen, die Faltereier aber keinen Schaden nehmen und ohne Nachtheil zur Weiterzucht verwendet werden können.«

Im Jahre 1898 veröffentlichte Dr. phil. M. Stanpruss (60), Docent beider Hochschulen zu Zürich, seine »Experimentelle zoologische Studien mit Lepi- dopteren«, zu welcher er über 42000 Puppen von 56 verschiedenen Schmetter- . lingsarten gebraucht hat.

Er führte die Versuche mit Puppen aus, um aberrative Formen zu erhal- ten, sowohl mit Temperaturen bis zu +45° C,, wie auch mit Temperaturen bis zu —20° C.

Die Puppen »bei dreimaliger täglich zweistündiger Einwirkung von + 45° (p. 12) ergaben Aberrationen und konnten folglich diese hohe Tempera- tur aushalten. Auch die Puppen bei Temperaturen bis zu —20°C., wobei »bei jedem Versuche die Minimaltemperatur 2 Stunden lang innegehalten wurde« (p. 9), entwickelten sich dann zu Aberrationen. Die Dauer der Einwirkung dieser niedrigen Temperaturen auf die Puppen betrug 6 Tage.

Warum dieser Forscher keine noch höheren oder niedrigeren Temperatu- ren gebrauchte, sagt er selbst wie folgt: ».... bei diesen, bis an das äußerste des auch nur vorübergehend Ertragenen, hochgespannten Graden wirkt eine selbst kleine weitere Steigerung tödlich oder doch missbildend« (p. 16).

N. KurLacın (1898, 37), Prof. des landwirthschaftlichen Instituts in Moskau, untersuchte die Temperatur in Bienenstöcken von Route jeden Tag vom Mai 1895 bis März 1897 und erhielt folgende mittlere Resultate:

| t{° im Bienenhaufen \ i{° im Bienenstock

ner il Maximum Minimum ) Maximum | Minimum Januar | 31,5 24 5,5 2,5 Februar | 33 19—24 9 0 März | 35 31 | 9—23 —ı u ==) April | 37 22 I, 85 7 Mai I 38 22—34 | 35 28 Juni 38,5 37 | —} Juli I 38 36 | .— August | 36 30 I September | 30 24 ı 26 16 Oktober | 28,5 19 ') 65 5—10) November | 32 41—27 5—_10 5 bis —1 December | 34 24 | 4,5 | 0

Dabei wurde rapides Sinken der Temperatur von Sh Abends und sehr oft Nachts gegen bh Morgens beobachtet. Die Temperatursteigerung ge- schah meistentheils gegen Mittag. Die Beobachtungen ergaben auch, dass dem Temperatursinken im Bienenstock das Temperatursinken der Luft vorausgeht.

Derselbe Gelehrte theilt in seiner Abhandlung: »Zur Biologie von Oeneria dispar in Russland« (34a) mit, dass die Kälte bis 40° R. keine Wirkung auf normal selegte Eier dieses Schmetterlings ausübt. Die Eier, welche ihrer schützenden Wolle beraubt waren, wurden von 15° R. Kälte getödtet. Auf mein Ersuchen, den Gang dieser Versuche genauer zu beschreiben, erhielt ich vom Herrn Prof. KuLacın einen Brief (15/27. IV. 1899), in welchem er unter Anderem schreibt: »Genaue Versuche über die Temperatur der Eier von Oc- neria dispar habe ich nicht gemacht. Ich habe Gelegenheit gehabt zu beobachten, dass Eier dieses Seidenspinners, welche an Bäumen sich befanden, die Winterkälte

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 537

von —40° R. gut ertragen konnten und im darauf folgenden Frühjahre sich entwickelten. Ich habe darauf im Jahre 1894 den folgenden Versuch aus- geführt: ich habe die Eier von Ocneria dispar enthaart und hielt dieselben auf dem offenen Balkon in einer Glasuntertasse innerhalb eines Monats. Während dieser Zeit zeigte das Thermometer nicht selten 15° R. Im Frühjahre ent- wiekelten sich diese Eier nicht, hingegen entwickelten sich Raupen aus den- jenigen Eiern, welche auf demselben Balkon aber behaart an einem Holzklotz befestigt waren.« Leider ist aus diesem Briefe nicht zu ersehen, was geschehen würde, wenn die behaarten Eier auf einer Glasuntertasse den Winter zu- gebracht hätten.

Ich will hier nur noch die Versuche des in Deutschland wenig bekann- ten englischen Entomologen F. MERRIFIELD (189%, 40) erwähnen. Er unter- warf die Puppen von Pararge egeria, Pieris napi, Vanessa levana, V. polyehloros, V. atalanta, V. C-album, V.jo und V. antiopa der Temperaturwirkung von +40°C. bis und übertrug sie auch öfters von einer Temperatur in die andere. Dabei ergab sich, dass zwei nach einander folgende Generationen eines und desselben Schmetterlings einen großen Unterschied in der Empfindlichkeit gegen Temperaturreize aufweisen, selbst wenn dieselben ihre Puppenzeit normalerweise unter ganz ähnlichen Temperaturverhältnissen durchmachen.

Zum Schlusse werde ich hier noch die Arbeiten von W. Kochs anführen, obwohl dessen Untersuchungen die Insekten nicht direkt behandeln (mit Aus- nahme von Wasserkäfern), sondern als Objekte: Frösche, Fische, Schwamm- sporen, Pflanzensamen, Schnecken, kleine Krebse (Cypris) ete. haben; sie stehen aber mit den Resultaten meiner gegenwärtigen Arbeit in näherem Zu- sammenhange.

1890 plaeirte W. Kocns (33) Frösche, Fische und Wasserkäfer in Wasser, welches der Kälte ausgesetzt war. Das Wasser gefror zuerst an den Wänden des Gefäßes, und sein flüssiger Theil wurde immer geringer und geringer, be- saß aber noch immer +2°C. Die Thiere bewegten sich in demselben bei dieser Temperatur noch ziemlich lebhaft. Als das ganze Wasser gefror, hörte die Be- wegung der Thiere auf, und in demselben Momente hörte auch ihr Leben auf. Die erstarrten Thiere konnten nach dem Aufthauen nicht mehr ins Leben zu- rückgerufen werden.

1892 veröffentlichte W. KochHs (34) eine Abhandlung: »Über die Vorgänge beim Einfrieren und Austrocknen von Thieren und Pflanzensamen«, in welcher er sagt, dass, wenn es gelingt, das Wasser (luftfrei), ohne dass es erstarrt, bis zu —4,5° C. abzukühlen, so bewegen sich in demselben noch die Thiere (kleine Krebse, Schnecken, Blutegel.. Was nun die Eisbildung im Inneren des Thier- körpers betrifft, so erwähnt der Verfasser zwei Umstände, welche diese Eisbil- dung verlangsamen; erstens befindet sich im Thierkörper kein reines Wasser, sondern Salzlösungen und Eiweiß; zweitens muss man in Betracht ziehen, dass die Kapillarität und Adhäsion das Gefrieren erschweren. Wenn die Ab- kühlung langsam vor sich geht, bewerkstelligen im Inneren des Thierkörpers die sich bildenden kleinen Eiskrystalle zwar kein Zerreißen, das Protoplasma aber erleidet dennoch eine tiefe physikalische und chemische Veränderung, wo- durch dann das Zurückkehren des Thieres zum Leben unmöglich wird.

Aus der historischen Übersicht der hier angeführten Arbeiten über die Temperatur der Insekten ist ersichtlich, dass verschiedene Forscher oft zu ver-

538 P. Bachmetjew,

schiedenen Resultaten gelangt waren: bei den Einen war die Temperatur für eine und dieselbe Insektenart höher, bei den Anderen niedriger als diejenige der umgebenden Luft. Bei Manchen war der Temperaturüberschuss des Insektes über die umgebende Luft klein, während er bei Anderen für dieselbe Insekten- art sehr bedeutend war etc.

Die erste Ursache dieser Nichtübereinstimmung muss man natürlich in der Temperaturverschiedenheit bei verschiedenen Zuständen des Insektes suchen. So beeinflusst z. B. die Bewegung oder die Ruhe des Insektes ohne Zweifel die Temperatur seines Körpers. Dazu kommt noch der Mangel an Futter, das Alter und das Geschlecht des Insektes und auch vielleicht noch sein Stammort.

Die zweite Ursache die Ungenauigkeit der Methode. Es wäre interes- sant, wenn man die Temperatur, welche mittels eines Thermoelementes durch sein Andrücken an den Insektenkörper erhalten wird, für verschiedene In- sektenarten vergleichen wollte. Bei einigen Insekten ist der Körper mit dich- ten Haaren bedeckt, bei anderen ist er fast nackt, und folglich wird auch die Wärmeleitungsfähigkeit an der Kontaktstelle verschieden sein müssen. Außer- dem musste in solchen Fällen, wo ein Quecksilberthermometer in einen brei- ten Schnitt in den Insektenkörper hineingesteckt wurde, dadurch natürlich auch in dessen Zustande eine starke Störung stattfinden; auch musste in Folge des Austretens und der Verdunstung des Saftes aus der Wunde die Temperatur sinken. Auch das Differentialthermometer, welches GIRARD ge- brauchte, konnte ihm keine genauen Resultate liefern, da er die Strahlung der Glaskugel, in welcher sich das zu untersuchende Insekt befand, nicht in Be- tracht gezogen hat, wobei er seine Beobachtungen einmal mit der versilberten, das andere Mal mit der berußten Kugel anstellte.

Die dritte Ursache der erwähnten Nichtübereinstimmungen kann geradezu in der Unrichtigkeit der Methode liegen. BECQUEREL sagt bei der Kritik der Versuche von DUTROCHET, dass derjenige, welcher mit dem thermoelektri- schen Apparate nicht umgehen kann, sehr leicht in einen Fehler gerathen könne Als ich die elektrische Methode, welche verschiedene Forscher zu ihren Versuchen verwandten, studirte, konnte ich bei keinem derselben weder die Angabe betreffs der Dicke der zusammengelötheten Drähte, welche »die Nadel« bildeten, finden, noch auch, was die Hauptsache ist, wie diese »Nadel« mit dem Galvanometer (resp. Multiplikator) verbunden war. Und in der That, wenn die Nadel z. B. aus Eisen- und Platindraht bestand und darauf mit dem Galvanometer mittels Kupferdrähte verbunden wird, so werden an der Löth- stelle der Kupferdrähte mit der »Nadel« stets Nebenströme entstehen (in Folge der Temperaturverschiedenheit an den Löthstellen), welche den Hauptstrom entweder schwächen oder verstärken werden. Hinzu kommen noch die in der Kette entstehenden Kommutatorenströme, Galvanometerströme ete., deren Ent- stehungsursache bis jetzt noch nicht genau bekannt ist!. Ich spreche hier noch

1 Es ist zu verwundern, dass DUTROCHET (14) die eine Löthstelle seiner »Nadel< in den Insektenkörper von der Temperatur hineinsteckte, die andere dagegen nicht bei konstanter Temperatur hielt (z. B. in einem großen Gefäß mit flüssigem Paraffin), sondern diese zweite Löthstelle auch in ein Insekt steckte, welches todt war, und dessen Temperatur im gegebenen Moment höher oder niedriger als die Lufttemperatur sein konnte. Folglich konnte bei ihm der thermoelektrische Strom nur die Temperatur des lebenden Insektes nicht ausdrücken.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 539

nicht vom Aufstellen des Galvanometers in den magnetischen Meridian, von genauer Bestimmung der thermoelektrischen Konstanten! ete., welche Umstände auch ihren Einfluss auf die Genauigkeit der Resultate haben.

In Anbetracht dessen unternahm ich neue Untersuchungen über die Tempe- ratur der Insekten, um so mehr, da ich als Physiker die nöthigen guten Appa- rate zu meiner Verfügung hatte und außerdem eine mehrjährige Erfahrung in den Messungen der thermoelektrischen Größen besitze?.

Ich habe im Anfang mir zur Aufgabe gestellt, die eigene Temperatur der Insekten zuerst in Bulgarien, nachher aber bei denselben Arten in anderen Ländern zu bestimmen, und auf diese Weise die Frage über die geographische Verbreitung der Insekten klar zu stellen, wovon, wenn auch nur oberfläch- lich, schon RÖDEL (54) schreibt: >So hat man denn auch mit Recht das Vorkommen einzelner Species im hohen Norden, wo die Fauna sonst der allen Leben feindlichen Kälte weichen muss, erklärt aus der verschiedenen Resistenzfähigkeit der einzelnen Entwicklungsformen gegen den Frost« (p. 193). |

Außerdem war meine Aufgabe das Bestimmen der Bedingungen, welche auf die eigene Temperatur der Insekten einer und derselben Art Einfluss haben, und zwar der Einfluss der Temperaturerhöhßng der umgebenden Luft, haupt- sächlich aber der Einfluss der Temperaturerniedrigung.

Bei diesen Beobachtungen stieß ich auf Erscheinungen, welche bis jetzt von anderen Forschern nicht beobachtet wurden, und welche die bis jetzt dunkel gebliebenen Fragen gut erklären können. Mir ist es nämlich gelungen, den »kritischen Punkt«< der Insekten zu entdecken, der ihre Wider- standsfähigkeit gegen Kälte erklärt. Bezüglich dieser Frage sagt RÖDEL (54): »Woher die enorme Widerstandsfähigkeit der Insekteneier gegen Kälte komme, darüber ist zur Zeit noch lange keine genügende Erklärung gegeben, und es geht auch über den Zweck der vorliegenden Arbeit hinaus, eine solche zu versuchen< (p. 194).

Über diese Untersuchungen habe ich auf der 70. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Düsseldorf im September 1898 einen Vortrag ge- halten (Abtheilung: Zoologie Entomologie)?. Ein unbedeutender Theil dieser Untersuchungen ist in dem Entomologischen Jahrbuch von Dr. 0. KRANCHER, Leipzig, VIII. Jahrgang, p. 121—131, 1898 veröffentlicht worden.

Ich halte es für eine angenehme Pflicht, hier meinen herzlichen Dank folgenden Herren auszusprechen:

1 P. BACHMETJEw, Hysteresis bei Thermoelementen. Journ. der russ. phys.- chem. Gesellsch. XXIX. p. 108. 1897.

2 Meine thermoelektrischen Arbeiten sind veröffentlicht worden in: Journ. der russisch. phys.-chem. Gesellsch. in St. Petersburg: XVI, p. 81, 1883; XVT, p. 257, 1884; X VIII, p. 47, 1886; XXI, p. 364, 1889; XXIII, p. 220, 1891; Paul p. 301, 1891: XXIII, p. 370, 1891; XXIII, p. 430, 1891; XXIV, p. 1, 1832; XXV, p. 115, 1893; XXV, p. 138, 1893; XXV, p. 236, 1893; XXV, p. 256, 1893; XXIX, p. 108, 1897. Exner’s Repertorium der Physik: XXVI, p. 05, 1890; XX VII, p. 142, 15891; XXVII, p. 625, 1891; XXVII, p. 607, 1891. WIEDE- MANN’s Annalen der Physik: XLIII, p. 723, 1891. Sitzungsber. der Akad. der Wissensch. in Wien: CIV, Abth. IIa, Februar 1895 ete.

3 Vid. Tageblatt der 70. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Düsseldorf vom 19. bis 24. September 1898,

540 P. Bachmetjew,

Herrn Dr. REBEL in Wien für liebenswürdige Mittheilung einiger Titel der betreffenden Litteratur,

Herrn Dr. SCHISCHKOW in Sophia für seine Hilfe bei einigen Beobachtungen,

Herrn Dr. WELBEL für die freundliche Zusendung der nöthigen Bücher.

Einen besonderen Dank aber Herrn Dr. P. LEVERKÜHN, Direktor der wissenschaftlichen Institute und der Bibliothek S. K. H. des Fürsten von Bul- garien, für das freundliche Durchsehen dieser Abhandlung im Manuskript und bei der Korrektur und für bibliographische Angaben.

Methode.

Die von mir gewählte Untersuchungsmethode beruht auf den Prineipien der Thermo-Elektriecität.

Es ist aus der Physik bekannt, dass, wenn zwei Metalle an ein- ander gelöthet sind, sie bei Erwärmung oder Abkühlung einen thermo- elektrischen Strom erzeugen. Auf dieser selben Eigenschaft ist auch mein sogenanntes »elektrisches Thermometer« begründet.

Seine Konstruktion sowie die Vertheilung der anderen Apparate ist aus Fig. 1 ersichtlich.

uoydıs

Kaltbad

Fig. 1. Das Schema der Vertheilung der gebrauchten Apparate: Die thermo-elektrische Nadel (D) ist in das Insekt hineingesteckt, welches sich im Gefäße M befindet. Dieses Gefäß befindet sich in einem größeren Gefäße Q, welches mit der Kältemischung gefüllt ist. Ein selbstthätiger Heber beseitigt aus dem Ge- fäße Q die unnöthige Flüssigkeit. Das Glasrohr A enthält zwei isolirte Drähte « (Nickelin) und db (Stahl). Der Draht « besteht aus Nickelin, während c und c Kupferdrähte sind. Das Gefäß B enthält Spiritus und P Paraffin (flüssig). 7 ist ein Thermometer, * Kommutator, g Galvanometer.

Es bezeichnen a und 5 feine Drähtchen (?2r = 0,1 mm), das eine von Stahl, das andere von Manganin, welche im Punkte D zu- sammengelöthet sind. Sie sind durch Glasröhrchen A und 7 gezogen, durch welche sie isolirt werden; dabei ist das Manganindrähtchen an das Stahldrähtehen «a, gelöthet und die Löthstelle in das mit Spi- ritus gefüllte Gefäß B gelegt, in welchem sich das Thermometer 7 befindet; die Drähtechen a und a, sind an die Kupferdrähtehen ce

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 541

selöthet und ihre Löthstellen in das flüssiges Paraffin enthaltende Ge- fäß P getaucht. Eines der Drähtchen ce ist mit dem WIEDEMANN- schen Galvanometer g in Verbindung gebracht, das andere wird ebenfalls mit ihm verbunden, nachdem es aber zuerst einen Queck- silber-Kommutator passirt hat. Die Stärke des thermo-elektrischen Stromes wurde im Galvanometer g mittels eines Fernrohres, einer Skala und eines Spiegels beobachtet, wobei der letztere mit dem Magnet des Galvanometers verbunden war (Methode Gauss und POGGENDORFF), was aber auf der Zeichnung nicht sichtbar ist.

Dabei ist Folgendes zu bemerken: Die Löthstellen der Drähte a und a, mit den Drähten ce und ce wurden desshalb in das Paraffin- bad P getaucht, um bei Veränderung der Lufttemperatur das Er- scheinen von sekundären thermo-elektrischen Strömen zu verhindern; obgleich das flüssige Paraffin, indem es als Isolator dient, seine Temperatur auch ändert, so geschieht dies so allmählich, dass, wenn die in ihm befindlichen Löthstellen nicht weit von einander liegen, man sagen kann, dass die Löthungen a mit ce und a, mit c immer bei gleicher Temperatur verbleiben. Daher kommt es, dass bei Ab- wesenheit von Temperaturdifferenz zwischen den beiden Löthstellen die Entstehung von Nebenströmen unmöglich wird.

Der Kommutator X dient zur Kontrolle der Ruhelage (7?) des Mag- net$ im Galvanometer. Wenn durch das Galvanometer g ein elektrischer . Strom fließt, wird dessen Stärke nach der Ablenkung des Magnets von ‚seiner Ruhelage gemessen; diese Ruhelage ist aber nicht beständig, da die Masnetdeklination sich fortwährend ändert; besonders starke Ab- weichungen werden gegen 12 Uhr Mittags in Sophia beobachtet. Dess- halb ist es nothwendig, die Skala, auf welcher die vom elektrischen Strome bewirkten Ablenkungen von der Ruhelage markirt werden, von Zeit zu Zeit so zu reguliren, dass das Fadenkreuz des Fernrohres mit der Null der Theilungen, wenn durch das Galvanometer kein Strom fließt, zusammenfällt; dieses wird mit Hilfe des Kommutators X eızielt.

Wenn ein Schmetterling oder ein anderes Insekt auf die Nadel D gesteckt wurde, musste, um seine Temperatur zu messen, noth- wendiger Weise zuerst das elektrische Thermometer kalibrirt werden.

Zu diesem Zwecke wurde die Nadel D bei verschiedenen Tem- peraturen (t,) in Wasser getaucht, wobei die Temperatur im Gefäß B (t,) ständig verblieb, und die Stärke des elektrischen Stromes (r) im Galvanometer g wurde jedes Mal in Millimetern abgelesen (d. h. in Theilungen der Skala).

549 P. Bachmetjew,

Somit, wenn die Temperatur der Nadel D z.B. 32,8° betrug, die Temperatur des Spiritus im Gefäß B 18,0° und der Strom im Galvanometer g die Stärke 109,1 mm hatte, ergiebt sich auf Grund des thermo-elektrischen Gesetzes, laut welchem die Stärke des thermo-elektrischen Stromes (2) proportionell der Temperaturdifferenz der beiden Löthstellen (d.h. in D und BD), nämlich der Größe 4,—1, ist, dass | N 74 N9 iaeemen u oder in unserem Falle

gs u

Da die Größe /, der Löthstelle D in verschiedenen Fällen bei der Kalibrirung variirte, bringe ich hier eine kleine Beobachtungs- tabelle, welche veranschaulicht, dass die Größe X sich nieht immer als ständig ergab, die Abweichungen aber so minimale waren, dass man für X das arithmetische Mittel annehmen konnte.

| K 32,8°| 7,4 le 390 | 743 6 30 Mo 2 0 0

Mittel = 1,5

Folglich ergiebt sich, wenn die Temperatur der Löthstelle D um 1,0° höher als diejenige der Löthstelle im Glase BD ist, für die Strom- stärke im Galvanometer 7,5 mm, und zwar bei derjenigen Aufstellung der Apparate, die ich gewählt hatte.

Die Berechnung der Temperatur eines Insektes geschah auf folgende Weise:

Aus der Formel (TI) und zwar : A, wobelr 4, 2, er NIT) iebt sich N z SE to oder N ı = 7% are bo. Wenn wir nun für X seine Größe einsetzen, erhalten wir nn = —bh (II)

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 543

Somit ist zur Bestimmung der Temperatur eines Insekts die Kenntnis von zwei Größen erforderlich: der Stromstärke (») in Milli- metern und der Temperatur des Spiritus (/,) im Gefäße B.

Vorläufige Untersuchungen.

Zuerst wurde folgendes Experiment gemacht: eine Saturnia pyri 9! (großes Nachtpfauenauge), welche sich am 13./25. April 1898 entpuppte, wurde mit dem Rücken (Thorax) auf die Nadel D gesteckt; dabei wurde das Röhrchen A auf einer Unterlage befestigt und unter die Füße des Schmetterlings ein glattes Brettchen gelegt, damit er sich von der Nadel nicht herunterreiße.

Die Messungen des thermo-elektrischen Stromes wurden jede halbe Minute und die Prüfungen der Ruhelage des Magnets im Gal- vanometer alle fünf Minuten vorgenommen. Die folgende Tabelle zeigt die gewonnenen Resultate.

13./25. April 1898. Saturnia pyrig e.l. 13./25. April 1898. Saturnia pyrid el. | Temperat.| Temperat. es des Stunde n et Bemerkungen Stunde N re Bemerkungen (berech- (berech net) net) 10505’ |38,0| +20,9° AufdenFlügelnbefindet 10h31,5//64 | +24,6° Vollst.ruhig. sicheine Bleibelastung. 32 160 24,1 » 10 | 29,0 19,6 2 32,5 155 23,4 » » 12 127,01 33 52 22,9 13 1330| 33,9 |45 = » » 14 |38,0|1 20,9 sa M03 Ds 2 > 15 134,01 34,5 |42,5| > » 16 131,0 35 [40,0 21,2 » » 17 127,51 19,5 |Stark aufgeregt. 35,5 [3755| > > 18 30,0 19,8 36 184,5 20,4 » » 197 7.136,5 20,7 36,5 33,0 au > > 22 | | DieFlügelsind nicht be- 37 |31,01 » » lastet worden. 37,5 30,0] 19,8 | Aufgeregt. 23 |45,0 21,9 38 _ \34,0 20,3 > 23,51500) 38,5 140,01 > 24 158,0 23,8 39 146,0 22,1 » 24,5[66,0| 24,9 | Vollständig ruhig. 395 Br > 25 [63,0] - 24,5 » 40 60,0 24,0 | Ruhig. 25,5159,0| » > 40,5 |54,5| » 26 [55,0 23,4 » > 41 |51,0 22,8 » 26,5151,01 » > 41,5 |47,5 » 27 |48,0 22,4 > > 42 144,0 21,8 | » 27,5 45,0 » > 42,5 40,51 > 28 142,0 » » 43 |38,7 21,04 | Selm 28,5/39,5|1 21,1 | Sehr aufgeregt. 43,5 |36,3| » 29 |43,0 21,6 » » 44 |34,5 20,5 > 29,550 _ » > 44,5 132,01 | » Sun 131 .\ı 23,6 > 455 130,8] 19,9 > 30,5|68 —_ » » 45,5 1292| ı » 31 j1 | 25,6 , Vollständig ruhig. 46 1282| 195 | >

44 P. Bachmetjew,

13./25. April 1898. Saturniapyrig e.l. 13./25. April 1898. Saturnia pyrig e.l. 'Temperat. Temperat. des des Stunde N. a | Bemerkungen Stunde nv a Bemerkungen (berech- | (berech- | net) | | net) | 10h46,57|) 27,01 | Ruhig. 10b55’ | 29,5 | +19,9°| Ruhig. 27 1 25,81 249297 > 55,5 | 28,0| > 175 So > 56 1265| 195| 187 | 2200 0 56,5] 25,31... ne 48,5| 22,2, 18,7 | Aufgeregt. 57 [242] 31) > 49 abe > 575 | 23,0 > 49,5| 33,0| > 58...) 224,2] Bel 50 139,01 21,1 > 58,5] 210] ee 50,5| 41,01 > 59 1208| 186 | » 51 | 50,0° 22,6 | Ruhig 595| 2008| > 01 51,5| 46,0 22,3 > 11600’ | 198| 185 | > 52 |435| 21,9 > 00,5, 20,01 | Aufgeregt. Ba > 01 |2z0| walı 53 | 380| 211 > 01,5) 33,0| | > 59,51 355, 0 00 > 02 | 39,0! 21,3 > 54 | 338| 20,5 02,5 46,0) 22,3 | Ruhig. 54,5|31,5| > 03°] 41.84. Sn

Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass die Temperatur des Schmetterlings während der ganzen Beobachtungszeit nicht konstant blieb, sondern mehr oder weniger starken Schwankungen unter- worfen war.

Um diese Temperaturschwankungen klarer zu veranschaulichen, stellen wir sie uns graphisch dar, indem wir als Ordinate die Tem- peratur des Schmetterlings und als Abseisse die Zeit in Minuten (s. Fig. 2) annehmen.

Aus der so gewonnenen Kurve ersehen wir, dass deren Minima mit dem Anfange der Flügelbewegung (s. die vorangehende Tabelle) und deren Maxima mit dem Eintreten der Ruhe des Schmetterlings zusammenfallen, d.h. dass während der Flügelbewegung des Schmetterlings seine Temperatur steigt und sofort fällt, sobald er seine Flügel zu bewegen aufhört.

Dieselbe Kurve zeigt uns noch, dass (angefangen von 10%23,5’) die maximalen Temperaturerhöhungen des Schmetterlings immer ge- ringer werden und die Minima immer niedriger werden, indem sie sich der Zimmertemperatur (17,5°) nähern.

Somit können wir sagen, dass der Schmetterling (Saturnia pyri) im Zustande der Ruhe die Temperatur der ihn umgebenden Luft besitzt. Dieser Schluss, wie wir weiter unten sehen werden, ist auch für Temperaturen unter Null richtig.

Dieses Resultat stimmt somit überein mit den Beobachtungen

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien.

von GIRARD (20), H. Lecog (38), BREYER (5), BECQUEREL (2), Haus- MANN (24), NOBILI und MELoNI (47) und Anderen. Nur DUTRochHEr (14) fand, dass der Insektenkörper im Ruhezustande manches Mal kälter als die umgebende Luft ist, ob- gleich auch bei ihm Insekten, welche sich im Wasserdampfe befanden, bei Bewegung eine höhere Temperatur hatten als im Zustande der. Ruhe. Die bemerkenswertheste Übereinstim- mung aber weisen die Ergebnisse

NEwPOorT’s (44) auf, welche er mit

Cerura vinula (Harpyia vinula) gewann. So wie bei ihm dieser Schmetterling, so war auch bei mir Saturnia pyri zeitweise in Bewe- sung, beruhigte sich dann und be- wegte sich wieder. Der allgemeine Temperaturgang des Insektenkörpers hat in unseren Versuchen denselben Charakter (obgleich NEWPORT sein Thermometer an den Schmetterlings- körper nur anlegte, ich aber das- selbe in den Körper hinein- ‚steckte).

Um die Frage zu lösen, welche maximale Temperatur ein Schmetter- ling, ohne zu sterben, aushalten kann, wurde folgendes Experiment ange- stellt:

Ein Glastrichter wurde mit sei- ner breiten Öffnung auf ein Sand- bad, welches von unten durch eine Lampe gewärmt wurde, gestellt. In der schmalen Öffnung des Trich- ters befand sich das elektrische Thermometer A (Fig. 1), und unter

den Trichter wurde auf die Nadel Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd.

Br. 0 ar En

Zeitintervalle in Minuten

elay Sr

Saturnia pyrl ® bei Zimmertemperatur 18° ( 23, 17.1898)

20

Nur Le 7 DM sy ur ınJvdadurs]

36

945

ie)

Die Kurve stellt den Gang der eigenen Temperatur von Saturnia pyri (5 dar, bei +18° ©. Zimmertemperatur.

546 P. Bachmetjew,

D der Schmetterling Saturnia pyri © e.1. gesteckt, welcher sich mit den Füßen auf ein Torfplättchen stützte.

In der unten angeführten Tabelle (im Auszug) sind die Zahlen für den elektrischen Strom (r) der Kürze halber weggelassen und die Temperatur (t,) des Körpers des Schmetterlings schon ausge- rechnet angegeben.

18./30. April 1898. SaturniapyriO®© e.l.

Stunde ii Bemerkungen. 2h26’ 20,7° | Der Schmetterling ist ruhig. 37 19,9 Das Luftbad ist erwärmt worden. 47 21,0 Die Lampe ist ausgelöscht. 48 23,2 49 25,9 au. ade 51 31,1 52 33,2 53 33,7 Im Trichter ist vom Sande Dampf gebildet worden. 54 35,8 55 37,5 56 38,9 3h00 37,8 Der Schmetterling ist ruhig. 02 38,3 » » 04 38,5 » > » » 06 38,3 » » » » = 55 Das Bad wurde erwärmt und die Lampe nachher ausgelöscht. 7,9 13 38,9 Der Schmetterling ist aufgeregt. 14 41,7 » » » 16 43,4 » » » 18 42,8 » » » 20 42,7 Das Bad wurde wieder erwärmt und die Lampe ausgelöscht. 24 43,0 Der Schmetterling ist matt geworden. 28 44,5 » » » » » 31 45,0 » » » » » 39 45,7 Das Bad ist noch einmal erwärmt worden. 42 45,8 Der Schmetterling ist bewegungslos. 50 50,2 56 | 533

Hieraus ist zu ersehen, dass der Schmetterling (Sat. pyri) sehr unrubig wird bei ungefähr 39° und dass er stirbt, wenn die Tempe- ratur seines Körpers 46° erlangt.

Diese Ziffern sind etwas höher als diejenigen, welche von an- deren Forschern erzielt wurden. So fand NiIcoLer (46) das vitale Maximum für Podura similata bei + 35°C.; O. Bürschui (6) für Blatta orientalis bei + 33°C. Bei H. Scuuzz (57) zeigte der Frosch bei -+ 35,5°C. Krämpfe und beruhigte sich bei + 33,6°C.

Ich gebe hier noch einige Daten für das vitale Maximum aus der Pflanzenphysiologie.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 547

MAx SCHULTZE (56) untersuchte die Härchen der Staubfäden von Tradescantia virginica, die brennenden Härchen der Urtiea urens und die Zellen der Blätter von Vallisneria spiralis und fand, dass die Temperatur, welche absolut tötlich auf das Proto- plasma der Zellen wirkt, zwischen 47° und 48° Jiegt.

JuLIus SacHs (55) fand bei Untersuchungen von Vallisneria spiralis, dass dieselbe bei 45° stirbt, und erklärt die Nichtüber- einstimmung seines Resultates mit demjenigen von SCHULTZE dadurch, dass bei SCHULTZE die Erwärmung der Pflanze auf diese Temperatur nur 2—3 Minuten, währenddem sie bei Sacas 10 Minuten dauerte.

Bei mir starb der Schmetterling Sat. pyri bei ungefähr 46°, welche Zahl zwischen denjenigen von SCHULTZE und SacHs für das Protoplasma der Pflanzen liegt.

Eine merkwürdige Übereinstimmung zeigt aber die Temperatur, bei welcher der Schmetterling sehr unruhig zu werden beginnt (ca. 39°). SCHULTZE äußert sich folgenderweise in Bezug auf Bewegung des Protoplasma bei den drei genannten Pflanzenarten: »Die Bewe- sung verlangsamt sich in allen Fäilen von 38—40° an, kehrt aber, wenn die Temperatur nicht über 48° stieg, bei der Abkühlung meist bald zu der ursprünglichen Schnelligkeit zurück. «

Bei mir begann die Sat. pyri, vorher ruhig, bei 38,9° (um 2.56) so stark zu flattern, dass sie sich von der Nadel D hinunter- riss; vier Minuten später (um 3200’) war die Temperatur des Schmetterlings nur 37,5°, und er beruhigte sich. Bei allmählicher Er- wärmung des Sandbades stieg die Temperatur des Schmetterlings abermals und, bei 38,9° angelangt, begann er wieder zu flattern. Somit steht dieses Ergebnis in vollem Einklang mit den Beobach- tungen SCHULTZE’*.

Bezüglich jener niedrigen Temperatur, bei welcher die In- sekten noch leben, d.h. wenn sie während einer gewissen Zeit einer solchen Temperatur unterworfen waren, nachher aber in Zimmertem- peratur wieder aufleben können, wurden folgende vorläufige Expe- timente gemacht.

Ein ceylinderförmiges Glas (2? r = S0 mm, A = 60 mm) wurde mit einem Glasplättchen bedeckt, welches in der Mitte eine Öffnung hatte, in die ein Quecksilber-Thermometer gestellt wurde. In der Mitte (auf der halben Höhe) war das Glas durch ein Stück Karton getheilt, auf welches die Insekten gelegt wurden. Dieses Glas wurde in gestoßenes Eis gestellt, welches, um die Kälte zu steigern, mit Kochsalz und Spiritus gemischt wurde.

36*

548 P. Bachmetjew,

Im Glase befanden sich Anfangs folgende Insekten: Käfer: Dorcadion sturmii, Dore. rufipes, Larinus turbinatus und einige Zimmerfliegen.

Stunde: 24097, "2811, 2137, 945, 217, aus, Sa, "rn 4 73, N

Nachdem das Glas geöffnet wurde, bewegte sich am stärksten Dore. rufipes, Dore. sturmii sehr schwach, und die Fliegen waren bewegungslos. Dann wurden alle herausgenommen, und nach einigen Minuten lebten alle, auch die Fliegen, auf.

In das Glas wurden wieder dieselben Arten in frischeren Exem- plaren gesetzt:

Stunde: 3427’, 3035’, 2239’, 342’, Zu45’, Zhag’, 3250, 460%, 406’, : = 5523,605,24,30°=5;68, 7,10, 810°, Son e

Die Insekten waren bewegungslos nnd erwiesen sich, bei Zimmer- temperatur auf den Tisch gelegt, alle als todt, ausgenommen die Fliegen, welche nach Verlauf von einigen Minuten wieder auflebten.

Ein weiterer Versuch zeigte Folgendes:

Stunde: 413°, Aa’, 417’, Ag’, A491’, Ah9y, 20: 5,2%, —5,9°%, —6,0°%, —6,0°%, —6,2°.

Die Insekten der vorherigen Arten, aus dem Glase genommen, lebten alle auf dem Tische wieder auf.

Endlich wurden dieselben Arten, aber neue Exemplare, in das Glas gelegt und einer stärkeren Kälte unterworfen, nämlich: Stunde: A233’, ar38/, ara0', Away, Ana7/, An50, Abs6t, AT’,

0: —9,9°, —11,1°, —13,2°, —15,2,, —15,9°, —16,8°, —17,0°.

Obgleich die Insekten, nachdem sie aus dem Glase genommen, über eine Stunde bei Zimmertemperatur (+ 21°) auf dem Tische ge- legen, erholten sie sich nicht wieder.

Darauf wurde eine Reihe ähnlicher Experimente mit anderen In- sekten gemacht, und zwar mit Schmetterlingen: Aporia cerataegi, Polyommatus thersamon, Pol. aleiphron v. gordius, Lycaena icarus, Lyce. astrarche, Vanessa atalanta, Nisoniades tages, Coenonympha pamphilus, Eucelidia glyphieca und mit Käfern: Larinus turbinatus, Cerambyx scopoli, Melasoma populi, Semiadalia 11-notata, Phytoecia affinis, Melolontha hippoca- stani, Doreadion olympiecus und mit einer Libellula depressa. Stunde: 9645’, *9h58’, 10410710816’, 10:23,.1058 7 11.571137

0: 42,0%, 1,90, 9 7 ag gg pe Eng

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 549

Bei Zimmertemperatur lebten wieder auf nur: Cerambyx sco- puli und Libellula depressa.

Bei einem weiteren Versuche wurden frische Exemplare genom- men, wenn auch nicht alle Arten des 1. Versuches:

Be 50, 12307, 1838, 1har’, 1Ra77, 150, 1n5sr, re 5,90 4,3% 25,00 .26,30 ) ig 70 Lage Bae20200, 22037, 2206, 2008‘, 219, 2516, 9227’, 9695” 300, 28,90, 940, 10,19, 10,59%, 10,6%, 210,20. Starben: Polyommatus alceiphron v. gordius, Lycaena astrarche gi, Phytoecia affinis, Semiadalia 11-notata, Mela- soma populi, Cerambyx scopuli, Melolontha hippocastani,

Doreadion olympicus.

Lebten wieder auf bei Zimmertemperatur: Aporia crataegi, Lyeaena astrarche Q, Vanessa atalanta, Coenonympha pam- philus, Euelidia glyphica, Larinus turbinatus.

Die Versuche bei größerer Kälte zeigten:

Stunde: 235°, ag’, My, ah5y/, 59, 3H02, 3h05’, 3010, ee 790 11,30, 13,90 213,80 213,80) 13,79, 13,00. Starben: Polyommatus thersamon, Lycaena icarus ©,

Larinus turbinatus.

Lebten wieder auf: Coenonympha pamphilus.

Die letzte Schmetterlingsart, auf eine halbe Stunde wieder ins Glas gelegt, lebte bei © = —18° nicht wieder auf.

Zuletzt wurde eine Reihe Versuche vorgenommen mit Haus- wanzen (Cimex lectularius), großen Fliegen, die sich bei mir aus den Puppen Saturnia spini entwickelt hatten, und einem Schmetter- ling Aporia crataegi.

Stunde: 4436’, An29, Aab3y7, An3E’, Au0/, Ana0/, Ab, Any’, eo oa 4ge 510) 25,90%, 5,90 5,0% Alle Arten lebten bei Zimmertemperatur wieder auf.

Dieselben Arten, nur andere Exemplare: de 5200), 520275603) 5057, 5807’, 5bı1’, 5b18’, 527’, 5028,

go go 0 1029 90 210,70, 11,40, 11,50 A1NES,

Alle Arten lebten wieder auf, jedoch von den 20 Exemplaren des Schmetterlings Ap. erataegi nur eirca die Hälfte.

Somit sterben verschiedene Species bei verschieden niedrigen

990 P. Bachmetjew,

Temperaturen, und das vitale Minimum variirt sogar bei einer und derselben Species, wie dies z. B. aus den Versuchen mit Ap. erataegi ersichtlich ist.

Es ist von Interesse, diese Daten mit denjenigen anderer Forscher ‘zu vergleichen:

PoucHer (49) fand das vitale Minimum für Melolontha vul- garis einmal bei 18 bis 20° bei 11/,stündiger Einwirkung dieser Kälte; ein anderes Mal, als während 1 Stunde die Kälte von 14° einwirkte, starben von fünf Exemplaren zwei.

Ich bekam für eine verwandte Species, nämlich Melolontha hippocastani: Einwirkung der Kälte 3 Stunden; Anfangs 5,7°, am Ende 10,2°. Das Exemplar starb. D.h., dass in meinen Ver- suchen das vitale Minimum viel höher liegt als bei PoucHEer.

PouchHer fand, dass Libellula compressa bei 16° während 3 Stunden stirbt. Bei mir starb die verwandte Species Libellula depressa bei —7,5° (Anfangs + 2,0°) während 1 Stunde und 23 Mi- nuten, d. h. wiederum nicht bei einer so niedrigen Temperatur wie bei PoucHET.

Da man nicht sagen kann, ob die der oben erwähnten Unter- suchung unterworfenen Insekten die Temperatur der umgebenden Luft hatten, so ist es auch unmöglich aus den hier beschriebenen vor- läufigen Versuchen genau zu ermitteln, bei einer wie niedrigen Tempe- ratur die eine oder die andere Art stirbt. Zu diesem Zwecke wurde folgender Versuch mit dem im botanischen Garten der Hochschule eingefangenen Schmetterling Sphinx ligustri gemacht; bei diesem Versuche wurde das oben beschriebene Glas verwendet mit dem Glas- deckel, in dessen Öffnung jetzt nicht ein Quecksilberthermometer, sondern das elektrische Thermometer A (Fig. 1) sich befand und noch ein zweites ähnliches, für die Messung der Temperatur der Luft im Glase bestimmt (dieses letztere war mit einem anderen Galvanometer, auf dieselbe Weise wie das erstere, verbunden).

In der angeführten Tabelle ist somit unter » die Stärke des thermo-elektrischen Stromes vom Schmetterling und der umgebenden Luft zu verstehen. In der Kolumne »/, für Spiritus« befinden sich die Zahlen für die Temperaturen des Spiritus im Gefäße B (Fig. 1) und im Gefäße, welches zur Messung der Temperatur der umgeben- den Luft dient. Die Kolumne ?, enthält die ausgerechnete Tempe- ratur des Schmetterlings und der umgebenden Luft.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 551

15./27. April 1898. Sphinx ligustri

Be, für

to für Spiritus |

für

für

ı

aunde a für Luft | Schmet- | für Luft | Schmet- | für Luft Bemerkungen terling | terling terling ou. | 142° | 150° | 414,6 | 15,0° 52: 15,0 4h00 |— 58,5| —12,0 | 14,0 14,9 + 6,2 Das Bad besteht aus rei- 02 | 67,3 —32,0 nem Eis. 09 |— 84,5| —35,5 16 |— 85,0) —35,6| 14,0 14,6 |+ 2,7 |+ 0,4 |Schwache Bewegung. 20 \— 89,0| —36,0 \ > Bel 139 | 145 ; i | 3930| 36,5 ; \ 30 |— 96,3| —36,9 | x : es 36 1 | 142 : £ Be 1013| 36,8 ; 27095) 36,5 | 13,7 | 142 5 \ 55 |—103,2| —36,8 0.0.06 5h02 |—105,0| —39,0 0,3 ı— 1,6 | Das Bad besteht aus Eis 9 1064| —40,2| 13,7 | 14,0 + Nall. 06 |—108,2| —41,2 09 | 1111| —42,5 1 1195|, 454 2.931043 20. 1250) —47,0 = 1530 493.136 | 13,8 = 7580 508 Au 119g 51,1 es eo 5 135 | 13,7 a7 A, 52,0 98 52,0| 134 | 13,6 0 5 53,2 u 7 40 |—149,2| —51,5 , 13,3 13,6 Ist in diesem Bade die 16./28. April 1898. ganze Nacht gelassen. 8h13’ I— 99,2| —45,5 | 13,1 13,7 |— 0,1 | 4,5 | Ins Bad ist frische Luft 27 |— 84,0) —42,3 eingelassen. 30 |— 98,5| —47,0 Ss 11035) 482 32 |—108,5| —49,6 jo —51,5 953 —59,7 ee 35 | 140 | 35 a0 1359| 543 BASE NIT 55 | 1535, 56,4 269 9hy1 |—157,2| —56,7 7,3 |— 8,6 |Zum Eise ist Kochsalz Bee 5852| 136 141 |—- 7,8 | 92 beigemischt. 10 | 1641| —60,0 2820098 15 |—167,1| —60,8 8,7 | —10,0 | Zum Eise ist noch Spiri- 24 | -171,8| —61,1 9,3 | —10,0 tus beigemischt. 38 |—115,0| —59,0 on 30 | 119,0) —63,0 ar 210,6 31 |—123,0| —63,5 2,8 | —10,8 EB 116,01 eig 71065 die zn | as a tiss, 14,5 a io 14,5 41 |—106,9 14,5 A olg 14,5 Ba 14,5 Ds 14,5

552 P. Bachmetjew, 16./28. April 1898. Sphinx ligustri | n | % für Spiritus ıı | Sun ee für Luft | Schmet- | für Luft | Schmet- | für Luft Pe terling | terling terling 9650’ 485 13,82 14,5° Schien todt zu sein, lebte 2500. | 13.31.20 0450| 15202 2 (es Ta: aber um 11h wieder 10 0,2 3,5 | auf. 15 45,5] —23,0| 148 | 15,3 >53 830, 39 26. | 187.0 387 32 95,6] —35,2 | 14,5 15,2 | + 1,7 [+ 1,1 | Bewegt sich. A6 1525| 570 | 27221620, 61, 48 221990) - 635 49 |—180,0| —67,0 50 18720) 7150 511930, 7910 420.188 52 121985 7255 195 MD 53 |--203,0| —73,0 = 13,0, 144 531) —171,0| -—59,0 8.8.1 388 54 |—176,5| —67,0 96 |=120 55 1802| 71,9) 14.0: | 14,8 10.09. 700 58 | 180,7] 72:0 10,1 1400 3102 1800 2755 0 142 | 4810-719 20 |—184,8| 70,9 33 |2189,1| - 70.8 35 1926| 70:9 9420| 138 97 | 1962) 70,6 39 | 1995) 705 32 29032 70% 367420078, 2710138 | 145 | 138 138 So 43,5 2118|, 720 | 48 |—213,6| —72,6 Das Eis im Bade wurde 54 |—214,8| 75,6 hineingedrückt. 400 —215,0| 74,0 eg 2 0 a 2 i6 a 7 37. 12070) 15 1387 | 12m, 0 sen 37 70— 90| +15,8 | Bei Zimmertemperatur. ss 15,8 So | 15,8 40.0.2600 15,8 4 Be 15,8 a 15,8 As oe 15,8 a 15,8 5 |-630 2130.) 2158

Aus dieser Tabelle, obgleich wir Folgendes: Sphinx ligustri, ins Eis gelegt, nahm die Temperatur des Eises (0,0°) erst nach 55 Minuten an (von 4?00 bis 4#55’), wobei er noch schwache Bewegungen zeigte. Dieser Schmetterling, bis zu dem Grade abgekühlt, dass sein

nur im Auszug angeführt, ersehen

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 553

Körper um 6°20 eine Temperatur von —6,7° zeigte, und die ganze Nacht im Eise gelassen, lebte dennoch, bei Zimmertemperatur gelassen, am folgenden Morgen wieder auf.

Das Bemerkenswertheste ereignete sich aber um 9428’. Der Schmetterling kühlte sich vorher allmählich und ziemlich regelmäßig ab, und sein Körper zeigte um 924’ eine Temperatur gleich 9,3°; um 928’ aber stieg seine Temperatur plötzlich bis —1,7°, wonach er wieder sich abzukühlen begann. Nachdem er dann an der Luft bei Zimmertemperatur gelassen war, stieg seine Temperatur Anfangs langsam, dann aber immer rascher, bis er endlich um 11 Uhr wieder auflebte. |

Nachdem er abermals ins Eisbad gelegt war, bewegte er seine Flügel noch bei einer Temperatur seines Körpers von +1,7°, wonach er, sich regelmäßig abkühlend, um 2"53’ wieder einen Temperatur- sprung zeigte, und zwar stieg seine T’emperatur plötzlich während einer halben Minute bis —8,3°; nachher fuhr er fort, sich langsam bis 15,2° (um 3637’) abzukühlen. Nachdem er dann beiZimmertemperatur selassen wurde, konnte er nicht mehr zum Leben gebracht werden.

Somit zeigt uns diese Tabelle das Vorhandensein einer besonderen Temperatur, bei welcher die Säfte des Schmetterlings erstarren; in Folge dessen entwickelt sich die latente Erstarrungswärme, welche ihrerseits die Temperatur des Schmetterlings auch erhöht. Dieser - Umstand wirkt jedoch nicht tödlich auf den Schmetterling. Bei Wiederholung des Versuches begannen die Säfte des Schmetterlings schon bei einer niedrigeren Temperatur, als beim ersten Versuche, zu erstarren, und der Schmetterling starb erst, nachdem er eine Temperatur von —15,2° erreicht hatte.

Dass die Insekten einfrieren und, nachdem sie aufthauen, unter gewissen Bedingungen wieder aufleben, wurde von verschiedenen Forschern beobachtet.

So hat NıcoLErT (46) dem Erfrieren Podura similata unter- worfen. Sie verblieben in der abkühlenden Mischung von —11° während 12 Stunden; als sie dann langsam aufthauten, lebten sie nach Verlauf einer Stunde auf und liefen eilig davon. Andere Exemplare wurden zum Erfrieren gebracht und in diesem Zustande während 10 Tagen gelassen, lebten dann wieder auf.

. RÖDEL (54) beobachtete die Erstarrung bei den Ameisen bei 0°; der Tod trat jedoch nur bei Einwirkung einer Kälte von 19° während einer '/, Stunde, oder bei Einwirkung einer Kälte von 15° während 3 Stunden ein.

554 P. Bachmetjew,

Aus der im Anfang dieses Aufsatzes angeführten Litteratur ist es ersichtlich, dass die Insekten bei Abkühlung abhängig von der Zeit, während welcher die Kälte einwirkte, sterben; ob sie erst eine sewisse niedrige Temperatur erreichen müssen, ehe das andauernde

- Einwirken der Kälte ihren Tod zur Folge hat, ist aus den bis jetzt

bekannten Beobachtungen nicht zu ersehen. Nur RÖDEL sagt, dass »völlig gefrorene Thiere, die einen Cirkulationsapparat besitzen, sich nicht wieder beleben«.

Die nicht erfrorenen, wenn auch abgekühlten Insekten sterben nicht, sondern sie verlieren nur bei einer gewissen Temperatur die ‘Fähigkeit, sich frei zu bewegen, wie dies aus den Versuchen ver- schiedener Forscher ersichtlich ist:

So sagen Kırby und SPENCE (32), dass wenn Geotrupes ster- corarius völlig erstarrt waren, die ihnen anhaftenden Milben ganz munter waren.

Wyman (64) fand, dass eine Wespe bei —25° nicht erstarrte und reflektorische Bewegungen beim Anrühren machte.

DEcROSEN (9) fand in Torferde bei —S° lebende Fliegen.

DÖNnHorF (10) beobachtete, dass Fliegen nach achtstündiger Ein- wirkung einer Kälte von —3° noch ihre Füße bewegten. Nach zwölfstündiger Einwirkung einer Temperatur von —61/,° haben sie Scheintod, leben jedoch bei Erwärmen wieder auf. Nur eine Kälte von 10° während 3 Stunden tödtet sie völlig.

RÖDEL (54) sagt, dass mehrere Käferlarven verschiedener Gat- tungen eine Temperatur von —6° aushielten und starben, als sie »durch und durch gefroren waren«.

Derselbe Forscher beobachtete, dass die Puppen von Pieris brassieae bei 25° nicht sterben und dann, in ein warmes Zimmer gebracht, Schmetterlinge erzeugen.

REAUMUR (50) stellte fest, dass Raupen von Vanessa cardui bei —15° R. nicht erfrieren. Die Puppen von Pieris brassicae sterben bei —16° R. nicht. Im Allgemeinen sterben die Puppen vieler Schmetterlinge bei —7° bis —8° R. nicht.

SPALLANZANI (59) behauptet, dass die Eier von Bombyx rubi eine Temperatur von —50° ohne Schaden für die Entwicklung aus- halten.

Dass der-Erstarrungspunkt bei verschiedenen Insekten verschie- den ist, davon spricht RÖDEL (54).

Es entsteht somit eine ganze Reihe von Fragen:

1) Welche Faktoren verhindern die erfrorenen Insekten, nach-

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. _ 555

dem sie aufthauten, wieder aufzuleben, resp. ist die Ansicht RÖDEL’s, dass durch und durch gefrorene Insekten nicht mehr belebt werden können, richtig?

2) Weisen alle Insekten einen »Temperatursprung« ihres Körpers auf, und wenn so, dann bei welchen Temperaturen ?

3) Tritt bei Wiederholung des Versuches der »Sprung« stets bei einer niedrigeren Temperatur, als beim vorhergehenden Versuche ein?

4) Bis zu welcher Höhe steigt die Temperatur der Insekten nach dem »Sprunge« bei verschiedenen Arten?

5) Wie ist diese Überkühlung der Säfte der Insekten zu erklären?

6) Warum erfrieren die Insekten bei sehr verschiedenen Tem- peraturen und warum variirt diese Größe bei verschiedenen Exem- plaren einer und derselben Art?

Antwort darauf geben die

Definitiven Experimente,

I. Wann tritt bei Einwirkung von Kälte der Tod der Insekten ein?

In den unten angeführten Tabellen führe ich der Kürze halber die Werthe für die Stromstärke nicht an und gebe nur die aus- serechnete Temperatur der den Schmetterling umgebenden Luft und die Temperatur seines Körpers.

18./30. April 1898. SaturniapyriQ el.

Teheran Temperatur

Stunde | umgebenden des Bemerkungen | Luft | Schmetterlings |

11553’ Eu | +31,7° | Der Schmetterling bewegt sich. 54 31,7 57 +15, ge 29,7

12,07 19,7 Ins Eis gebracht.

2,22 ae 02

3,22 0,0

3,43 9, 9 2,5 Bewegt sich nicht mehr.

3,44 —3,4 Eis + NaCl. 45 1 ‚9 ey) 46 7 47 _12 7 54 48 sr 5,8 49 43,9 Be 50 Bi 68 51 is 4 17,2 Das Hammerklopfen auf den Tisch, auf 52 gr ‚6 17,6 welchem sich das Bad befand, hat kei- 93 8,0 nen Einfluss auf die Abkühlung. 2 FE 9 59 —l| 3, R>) 8,6 56 41 2290 57 14,2 ug

556 P. Bachmetjew,

18./30. April 1898. SaturniapyriQ el.

| Temperatur der| Temperatur Stunde | umgebenden des Bemerkungen | Luft Schmetterlings | 3h5g’ —14,0° —9,4° 59 2499 4 M 4 00 198 1,4 01 1120 > 03 a 15 05 —435 15 06 —19,4 —1,5 07 = 1,5 08 sd un 10 95 5 12 138 7 14 35 ag 15 2485, 94 19 +16,1 32 20 +16,1 3 21 > 2) 23 \ 91 24 » —2,0 35 » —1,9 27 > —1,7 Bewegt sich noch nicht. 28 » —1,5 » » » » 239 » —1,4 » » > » 30 | » —1,5 » » » » 31 | » —1,2 » » » » 32 | » —0,3 » > » » 34 | » +3,5 » > > » 35 » —+5,0 » > > »

Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass der Schmetterling, wäh- rend er sich allmählich abkühlte, einen plötzlichen Temperatursprung von —9,4° auf —1,4° zeigte, wonach seine Temperatur während 11 Minuten (3?59’ bis 410’) ständig verblieb. Dieser Umstand be- weist, dass das Erstarren der Säfte noch nach dem »Sprung« fortdauerte.

Dieser Schmetterling lebte, nachdem er bei Zimmertemperatur auf den Tisch gelegt war, um 520’ desselben Abends wieder auf. Er blieb auch den folgenden Tag am Leben und legte während des- selben viele Eier.

Es ist also hieraus ersichtlich, dass das alleinige Erstarren der Säfte des Schmetterlings dessen Tod nicht verursachen kann.

Ich führe hier noch eine in Abkürzung gegebene Beobachtungs- tabelle an:

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien.

13./25. April 1598.

997

Saturniapyridg e.l.

Temperatur der Temperatur | Stunde umgebenden es Bemerkungen Luft Schmetterlings | 2h05’ 1,5° 0,8° | 10 eg 99 15 5,0 4,3 20 95,1 5,9 | 25 1 26.0 30 5,1 6,3 35 5,1 6,4 50 _49 6,6 3h30 7,0 1,2 Ist bei der Zimmertemperatur gelassen. 35 IM) 4,7 Lebt auf. 40 2100 el 45 | 18 50 —10,4 8,1 95 —10,5 9,2 4h00 —10,5 9,7 05 —10,4 08 14 2110 > 20 cn —10,6 25 —13,0 —11,6 30 15,0 1,1 45 14,0 4,1 50 —13,8 8,4 bp) —13,2 —11,6 5h00 2130 —14,5 10 19,8 —15,6 30 3,8 8,9 Das Eis ist entfernt worden. 50 123,9 3) 6h15 —+10,8 0,0 | Bei Zimmertemperatur.

Auch diese Tabelle zeigt, dass um 4"25’, als die Temperatur des

Schmetterlings 11,6° betrug, dieselbe auf einmal bis —1,1° stieg, d. h., dass im Gange der Temperatur des Schmetterlings der in den vorhergehenden Tabellen erwähnte Sprung sich ereignete. Wenn wir den Schmetterling bald nachher aus dem Eisbade genommen hätten, so würde der Schmetterling auf Grund der vorhergehenden Tabelle wieder aufgelebt sein; der Schmetterling wurde aber dem weiteren Einwirken der Kälte ausgesetzt, und um 5?10’ zeigte sein Körper die niedrigste Temperatur von —15,6°. Alsdann wurde mit der Abkühlung nachgelassen, und um 615’ wurde der Schmetterling bei Zimmertemperatur (18°) liegen gelassen. Er konnte jedoch nicht wieder ins Leben zurückgerufen werden.

Auf Grund dieser Thatsachen kann man annehmen, dass der Schmetterling bei Abkühlung daran stirbt, wenn er nach dem Sprunge seiner Temperatur einer weiteren Abkühlung bis zu einem gewissen Grade unterworfen wird, wobei diese Temperatur jedenfalls, wie die

558 P. Bachmetjew,

Tabelle vom 18./30. April zeigt, nicht höher als —2,5° und nicht über —15,6° sein muss (s. die eben angeführte Tabelle).

Um diese Temperatur genauer zu bestimmen, wurden Versuche mit dem Schmetterlinge Aporia crataegi ausgeführt, wobei zu jedem Versuche ein neues Exemplar genommen wurde.

22. Mai/3. Juni 1898. Aporia crataegi

| m to im Gefäße B | berechnet

San en für Luft Sonet. | für Luft a | für Luft en uber \ terling | terling | terling | | I. Exemplar: 25587 |—130,0| —71,8| 20,9° | 21,9° |+ 3,6 |— 6,8 3.00 190 79% ı— 2.0. 1729,09 01 |—186,5| —80,9 02 |-196,5| —81,1 03. 129083 e 2er 02 20 05. | 9158| 83.0 | 06.1.22209) 8530 | 07 oa 08 |-- 226,5) —83,3 = 191 09 | 228,8) —83,2 IM 102 122504 8330 08 104/5|—231,4| 82,0 —10,0 1 —11,0 11 1—165.0 —82.0| 20,8 | 21,8 |— 1.2 —11,0 | Lebtebei Zimmertempe- II. Exemplar: ratur (21,5°) auf. nos” | 100.0] 50,1. 21,503 29410] 2 82 Fr 15 |—144,5| —60,8 | 50°. 2 1850| 782 | 23 1 —202,3) —80,0 24 |—206,3| —80,5 95.1 210,2] > 854 6,7 56. 1 9119 851 ed a ro | 2278012795 271/9| —166,3| 86,0 | 21,3 22,2 1 08 98 1 1665)) 869 | 08 29 |—166,2| —85,9 | 30 |—166,2) —S8,0 | 31 166,2) 88.2 | 4:0 45 |—204,0| —85,2 | 2 60 | 46 |—208,0| —85,0| | 6,5 | —11,9 | Lebte bei Zimmertempe- III. Exemplar: ratur auf. 30277 163.0] 6701 20.800 21802 2209 5,0 29 |—181,3| —67,8| | 320.1 191.8) 2 629 32 | 1964) 74.0 een 35 |-—200,5| —76,0| ee 36,412 2008, 2 206 67 ne 68 377, 16301. 2768 111‘ 38.116381 782 10 a0l.l= 163,80 79,1, 413 42 | 165.210 80) ln 46 |—176,0| —81,0 al 5611 226,81, 81,81 | oa 57 1—2280| | 20,4 | —10,0 ı |lst gestorben.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 559

Wie aus dieser Tabelle ersichtlich, zeigte der erste Schmetter- ling den »Sprung« bei —10,0°, wobei seine Temperatur bis —1,2° stieg. Er wurde sofort herausgenommen und lebte dann auf.

Der zweite Schmetterling zeigte den »Sprung« bei —8,0°, wo- nach seine Temperatur bis —0,5° hinaufstieg. Er wurde weiter abgekühlt und, nachdem seine Temperatur —6,5° erreicht hatte, aus dem Bade genommen, wonach er auflebte.

Der dritte Schmetterling zeigte den »Sprung« bei —6,3°, und die Temperatur seines Körpers stieg bis —1,1°. Nachher wurde er bis —10,0° abgekühlt und starb.

Dabei wurde bemerkt, dass, je eher der Schmetterling nach dem Sprung aus dem Bade genommen wird, desto kräftiger sein Leben sich äußert.

Somit ergiebt sich aus diesen Versuchen, dass ein Schmetter- ling dann stirbt, wenn die Temperatur seines Körpers nach dem Sprung wieder ungefähr bis auf diejenige herunter- sinkt, bei welcher der Sprung stattfand.

Ich bringe hier im Auszug noch einige Tabellen, welche diesen Schluss bestätigen.

16./28. Mai 1898. Aporia crataegi. Stunde: ae 21 02, 93,.94,°25 26, 30,‘ 34,087 t, desSchmetterl.:—8,8°, —9,0,—9,1,—9,2,—1,4,—1,5,—1,7,—8,5,—7,7,—9,6, Der Sprung fand hier bis —9,2° statt und der Schmetterling kühlte sich nachher bei —9,6° ab. Er starb. 28. Mai/9. Juni 1898. Vanessa cardui. Stunde: 02594 571% 10200; 01,: 02,203, 03, 04, 12 BE Behmeiterl.: 1,70, —4,9, -6,2, -6,3, -6,8, —7,0, —1,0, —1,2, —7,2 | Der Sprung fand bei —7,0° statt, und als der Schmetterling bis —7,2° sich abkühlte, starb er. 9./21. Mai 1898. Cerambyx scopoli. Stunde: 10230 200039, 40,58 114 Beten Ba, 19, 22, —7,7, 114 Hier fand der Sprung bei —8,6° statt, und der Käfer wurde bis —11,4° abgekühlt. Er konnte nachher nicht belebt werden. 12./24. Mai 1898. Saturnia pyri g'. Stunde: 257 58, 59,,.83200°, -3200,5,, Sal &, des Schmetterl.: —2,3°, —8,8, —9,0, —9,3, —1,4, —4,0

560 P. Bachmetjew,

Hier war der Sprung bei —9,3°. Nach der Abkühlung bis —4,0° lebte der Schmetterling wieder auf.

5./17. Mai 1898. Smerinthus ocellatus ©. Stunde: 3:36’, 32, .37, 38, 40, 205, A Ahıı t, desSchmetterl.: +7,8°, +2,6, —0,8, —1,7, —3,7, —1,2, —1,1, —1,1, —9,2. Hier fand der Sprung bei —3,7° statt, und der Schmetterling wurde nachher bis —9,2° abgekühlt. Er starb. 23. Juni/5. Juli 1898. Oryctes nasicornis ©. Stunde: 14201’, 44, An, Mo ft, des Käfers: +1,0°%, —7,6, —7,7, —1,4, —1,4 Dieser Käfer lebte wieder auf.

1./13. Juli 1898. Cetonia aurata ©. Stunde: 11%18,- 19, 193/,,.2 20,0 2m 38 t, des Käfers: —2,9°, —4,7, —5,5, —1,9, —2,1, 3,6, —5,9 Dieser Käfer zeigte den Sprung bei —5,5° und lebte, nachdem er bis —5,9° abgekühlt wurde, nicht mehr auf.

24. Juni/6. Juli 1898. Pieris rapae g'. Stunde: 3245’, 4405’, 06, 07,207, 208 0 t, des Schmetterl.: —1,8°, —9,6, 10,2, 10,7, —1,5, —1,6, —7,6 Der Sprung war hier bei 10,7° und, als der Schmetterling nach-

her bis 7,6° abgekühlt wurde, lebte er wieder auf, nachdem er bei Zimmertemperatur liegen gelassen war.

25. Juni/7. Juli 1598. Carabus cancellatus. Stunde: 22170, 18... 183/,, 18%, 1972730; 39 ti, des Käfers: +0,3°%, —1,9, —2,8, —1,4, —1,4, —1,8, —2,8 Der Käfer wurde nach dem »Sprunge«, welcher bei —2,8° statt- fand, bis —2,8° abgekühlt und lebte wieder auf, nachdem er 4 Minuten bei Zimmertemperatur verblieben war. Ich lasse hier noch eine große Anzahl von solchen Tabellen aus, da wir ähnliche Werthe in den weiter unten angeführten Tabellen finden

werden. Jetzt aber wollen wir die erhaltenen Werthe zusammen- stellen.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 561

Der ee Datum Name „000 | Pemperatur o,gende | Bemerkung Temperatur | stieg bis | Aunarte mi von | 16./28. V. Aporia crataegi 9,2° —1,4 9,6 | todt 22. V./3. VI. > » —10,0 —1,2 1,2 | lebend

» » » » —— 8,0 —0,8 re 6,5 »

» » » » == 6,8 —1,1 —10,0 todt 13./25. IV. Saturnia pyli 5 —11,6 —1,1 15.6 » 18./30. IV. > oO 9,4 —1,4 2,4 | lebend 12./24. V. > > 9,3 —1,4 4,0 » 15./27. IV. Sphinx ligustri 9,3 —1,7 —_. 2,8 > 16./28. IV. > a 8,8 A Ho 28. V./9. VI. | Vanessa cardui —- 7,0 —1,0 —ın2 9.421. V. Cerambyx scopoli 80 —1,9 il T.V. ' ı Smerinthus ocellatus Q | 37, —12 a 23. V1./5. VII. | Oryctes nasicornis Q all, 14 1,4 | lebend 1./13. VLL. Cetonia aurata © 5,9 | —1,9 5,9 | todt 24. V1./6.VIl.| Pieris rapae & 10,7 | —ı.5 7,6 | lebend 25. V1./7. VII. | Carabus cancellatus 2,8 | —1,4 = 28 »

Aus dieser Tabelle ist deutlich ersichtlich, dass, wenn die Temperatur, bis zu welcher das Insekt nach dem »Sprung« abgekühlt wurde, gleich oder höher war als diejenige, bei welcher der »Sprung« stattfand, das Insekt noch zum Leben gebracht werden konnte; wenn jedoch das Insekt unter die Temperatur des »Sprunges« abgekühlt wurde, so starb es. | Da JuLius Sacas (55) in seinem Buche schreibt, dass der Tod der Pflanzen durch die Art des Aufthauens nach dem Erfrieren bedingt wird, d.h. ob dieses Aufthauen rasch oder langsam vor sich geht, sah ich mich veranlasst, auch in dieser Richtung Versuche zu veranstalten.

6./18. Juni 1898. Aporia crataegi. Stunde: 940, 9b45, 9150, 954, 9655, 9455, 1005, 1020 t des Schmetterl.: +2,9, —2,5, —6,9, —8,3, —8,7, —0,9, —4,5, —8,6

Nachher wurde der Schmetterling an die Sonne gelegt (Tempe- ratur ca. 40°. Nach Verlauf einiger Minuten lebte er auf.

Während meiner zahlreichen Versuche gelang es mir sogar zu beobachten, dass, wenn nach dem Sprunge bei weiterer Abkühlung die Temperatur des Schmetterlings etwas höher als diejenige des Dprunges war, der Schmetterling wieder aufzuleben pflegte, nachdem er sofort herausgenommen und in ein Luftbad bei 70° gelegt war. Besonders deutlich äußerte sich das bei dem Käfer Cetonia aurata.

Diese Versuche zeigen also, dass die Art des Aufthauens der

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 37

562 P. Bachmetjew,

Insekten nach dem Erstarren ihrer Säfte keinen merk- baren Einfluss auf deren Aufleben hat. In der That: nach- dem Aporia erataegi nach dem Sprunge auf eine ganze Nacht ins Eis bei gelegt war, hatte sie, wie man sagen könnte, genug Zeit gehabt, damit ihre Säfte wieder langsam aufthauten, da der nor- male Erstarrungspunkt ihrer Säfte in unserem Falle —1,7° und —0,9° war; trotzdem waren bei Zimmertemperatur beide Exemplare am folgenden Tage todt.

Dasselbe zeigen auch entgegengesetzte Versuche, und zwar, statt den Schmetterling langsam aufzuthauen, wurde die Aporia cra- taegi plötzlich an die Luft bei einer Temperatur von +40° ge- legt, nachdem sie eine vorherige Temperatur von —8,6° hatte. Ungeachtet eines solchen raschen Aufthauens lebte der Schmetter- ling jedoch nach Verlauf einiger Minuten auf. Dasselbe zeigen die Versuche mit Cetonia aurata im Luftbade bei 70° (gewiss hatte Cetonia aurata diese Temperatur nicht, für uns aber ist hier die große - Schnelligkeit des Aufthauens des Käfers von Wichtigkeit, welche natürlich hierbei stattfinden musste).

Aus diesen Versuchen ist abermals die Bestätigung des oben gezogenen Schlusses bezüglich der Bedingungen für das Eintreten des Todes der Insekten bei Abkühlung ersichtlich, und zwar:

Im ersten Falle zeigte Aporia erataegi den Sprung bei —7,2°, als sie dann bis —7,25° abgekühlt wurde, starb sie.

Im zweiten Falle war der Sprung bei —10,0°, und die Abkühlung dauerte bis —11,5°. Auch in diesem Falle starb der Schmetterling.

In den beiden Fällen war die weitere Abkühlung unter der Temperatur des Sprunges.

Im dritten Falle wurde die weitere Abkühlung nicht unter die Temperatur des Sprunges gebracht, sondern blieb auf —8,7 (—8,6) 0,1° höher, und der Schmetterling lebte auf.

In Anbetracht der Wichtigkeit der Temperatur, bei welcher der Sprung stattfindet, für das Insektenleben, schlage ich vor, dieselbe den »kritischen Punkt« zu nennen.

Auf Grund der sich aus diesem Kapitel ergebenden Resultate zur Lösung der Frage bezüglich des Moments des Eintretens des Todes der Insekten bei Abkühlung ist es von Interesse, die For- schungen früherer Experimentatoren in dieser Richtung von dem neuen Gesichtspunkte aus zu beleuchten.

Im Jahre 1850 schreibt C. SEMrER (58) in Bezug auf diese Frage Folgendes:

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 563

»In Bezug auf die Fähigkeit mancher Thiere oder selbst einzel- ner Organe derselben, das Einfrieren zu ertragen, ohne nach dem Aufthauen das Mindeste von ihrer Lebensfähigkeit eingebüßt zu haben, liegen wohl zahlreiche Beobachtungen, aber so gut wie gar keine konsequent durchgeführte Experimentreihe vor.«

Sechs Jahre später sagt schon RÖDEL (54): »Es scheint mir, dass das Gefrieren des gesammten Blutes ein Hauptgrund ist, wess- halb das Gefrieren schädlich auf den thierischen Organismus wirkt.«

Zu gleichem Resultat ist auch Poucher (49) gelangt.

Dass thatsächlich nicht alle Bestandtheile des Insektenkörpers zugleich erstarren, zeigen die Versuche RÖDEL’S; und zwar »erstarrte zuerst der Inhalt des Darmtractus und die Gefäßschicht, nach einer Stunde (die Temperatur war mittlerweile auf —4° gesunken) erwies sich das Hautparenchym fest und zu allerletzt, nach zwei Stunden, zeigte sich die Fettschicht noch ungefroren. Erst eine Verminderung der Temperatur auf —10° brachte sie zum Gefrieren; dieselbe Be- handlung führte auch den Tod der unversehrten Exemplare herbei«.

Meine Versuche zeigen, dass bei Abkühlung des Insektes bis zum kritischen Punkte und bei der darauf folgenden plötzlichen Erhöhung der Temperatur des Insektes nicht alle seine Säfte auf einmal er- frieren, sondern nach und nach bei weiterem Abkühlen zum Erstarren gebracht werden. =

Die Versuche Röper’s mit der Erstarrung der Insektensäfte - außerhalb des Insektenkörpers, z. B. in einem Reagensglas, zeigen, dass dieselben bei —2°, —3° erstarren.

Meine Versuche, auf Grund des Temperaturganges des Insektes, welches sich in einem kalten Luftbade befindet, zeigen, dass der normale Erstarrungspunkt der Insektensäfte bei verschiedenen Tem- peraturen liegt, und zwar für verschiedene Species in den Grenzen zwischen —0,8° und —8,8°.

Die Versuche Rzaumur’s (50), dass der Saft bei nicht geköpften und geköpften Raupen von Vanessa cardui sogar bei 15° nicht erstarrt, zeigen, dass die Überkühlung der Säfte, welche ich an anderen Insekten beobachtete, in keiner Abhängigkeit davon steht, ob das Insekt lebt oder todt ist. Analoge Versuche Röper’s (1886) mit Raupen von Smerinthus populi zeigen dasselbe.

Somit kann die Meinung Wyman’s (64), dass das Insekt, um der Kälte zu widerstehen, eine innere Wärmequelle besitzen muss, nicht als richtig bezeichnet werden.

Eben so unrichtig ist auch die Behauptung Wyman’s: » Welchen

37

564 P. Bachmetjew,

bedeutenden Schutz gegen die Kälte der Puppe ihre Decke bot, be- weist der Umstand, dass der flüssige Saft, nachdem er aus der Puppe ausgepresst war, sofort erstarrte.< Freilich waren hier die Säfte der Puppe im überkühlten Zustande, und, als sie ausgepresst waren, erstarıten sie bei normalem Erstarrungspunkte der Säfte.

Eben so lässt sich der unklare Ausdruck RÖDEL’s: »verschiedene Resistenzfähigkeit der einzelnen Entwicklungsformen gegen den Frost« durch verschiedene Grade der Überkühlung der Insekten- säfte in verschiedenen Stadien erklären.

Warum die Säfteüberkühlung bei verschiedenen Arten und Ent- wicklungsformen verschieden ist, erkläre ich am Schlusse der gegen- wärtigen Abhandlung.

Die längst von SPALLANZANI (59) gemachten Beobachtungen, wonach die Eier des Bombyx rubi keinen Schaden erleiden, wenn sie während dreier Stunden einer Temperatur von 50° ausgesetzt sind, zeigen, dass die Überkühlung der flüssigen Bestandtheile des Eies eine sehr niedrige Temperatur erreicht eben darum, weil diese Bestandtheile sich in einer von allen Seiten geschlossenen Decke befinden; andernfalls würde der flüssige Inhalt bei einer viel kleineren Kälte erstarrt sein, wenn er in einem offenen Gefäße stände.

Die zahlreichen Versuche verschiedener Forscher in Bezug auf das vitale Minimum gaben verschiedene Resultate bei verschiedener Dauer der Einwirkung einer gewissen niedrigen Temperatur in Folge nachstehender Umstände:

Das Insekt stirbt, wie meine Versuche es zeigen, wenn es nach der Erreichung des kritischen Punktes und der darauf stattfindenden Erhöhung der eigenen Körpertemperatur wieder bis zum nn Punkte (oder niedriger) abgekühlt wird.

Nehmen wir für unsere Betrachtung ein Beispiel aus den Ver- suchen RÖDEL’s, und zwar seine Beobachtungen bezüglich der Musca domestica. Dieses Insekt starb bei ihm nach 5 Minuten bei 12°, nach 20 Minuten bei —8° und nach 40 Minuten bei —5°. Mir ist der kritische Punkt dieser Fliege noch nicht bekannt, wenn wir ihn aber beispielshalber als —5° annehmen und den normalen Erstarrungspunkt ihrer Säfte = —2°, so bekommen wir die folgende Vorstellung:

Als die Musca domestica in ein kaltes Bad bei —12° gelegt wurde, kühlte sie sich rasch bis —5° ab, und dann in Folge plötz- licher Erstarrung der Säfte erwärmte sie sieh bis 2°, dann aber kühlte sie sich wieder bis —5° ab und später noch mehr und

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 565

musste folglich sterben. Im zweiten Falle, we das Bad nur —S° hatte, dauerte die Abkühlung bis —5° und dann von —2° bis —5°, auf Grund des Gesetzes von NEwroN selbstverständlich länger, d.h. anstatt 5 Minuten, wie im ersten Falle, 20 Minuten. Im dritten Falle müsste dieser Vorgang in Folge geringerer Kälte des Bades (—5°) noch länger dauern, d. h. 40 Minuten. Man könnte sicher be- haupten, dass wenn das Bad im vierten Falle nur hätte, das Insekt nicht gestorben wäre, da seine Säfte nicht erstarren konnten, und folglich wäre der kritische Punkt nicht erreicht.

Was geschehen würde, wenn die in den Umständen des dritten Falles sich befindende Fliege nach Erstarrung ihrer Säfte und der darauf stattfindenden Erhöhung der eigenen Temperatur bis —2° in das Bad des vierten Falles (d.h. bei —4°) übertragen würde, ist nieht besonders leicht zu beantworten. In der That könnte sie zum zweiten Mal den kritischen Punkt (—5°) nicht erreichen, ihre Säfte aber sind nicht mehr flüssig, sondern stellen eine harte Masse dar (obgleich einige Bestandtheile ihres Körpers auch flüssig blieben, wie RÖDEL in Bezug auf die Fettschicht sagt). Nach meiner oben erwähnten Regel muss dieses Insekt in den gesagten Umständen am Leben bleiben, resp. wieder aufleben, wenn es in warme Luft gelegt würde. Wie lange kann es aber in dieser Art lethargischen Schlafes, ohne seine Lebensfähigkeit zu verlieren, verbleiben?

Diese Frage, deren Wichtigkeit ein Jeder einsehen wird, hoffe ich im laufenden Jahre für verschiedene Insekten und einige Warm- blütige zu lösen. (Ich erwähne dies nur, um mir hiermit die Priorität zu bewahren.)

Es bleibt mir nunmehr noch übrig, diejenigen Fälle zu besprechen, wo einige Exemplare einer und derselben Species, in ein Luftbad von gleicher Temperatur gesetzt, nach Verlauf einer gewissen Zeit, nicht alle zugleich, sterben. Einen solchen Fall hatte POUCHET mit Engerlingen von Melolontha vulgaris, wo von fünf Exemplaren bei 14° nach Verlauf einer Stunde nur zwei Exemplare starben. Einen gleichen Fall hatte auch ich, indem von 20 Exemplaren von Aporia cerataegi bei —11,4° nach 28 Minuten nur circa die Hälfte gestorben war.

Dieser Fall erklärt sich dadurch, dass verschiedene Exemplare einen verschiedenen kritischen Punkt haben, obwohl man nicht leugnen kann, dass es möglich sei, dass die Abkühlung der ver- schiedenen Exemplare in Folge ihrer verschiedenen Größe ete. mit un- gleicher Schnelligkeit vor sich ging.

566 P. Bachmetjew,

Aus dem Gesagten geht hervor, dass der Begriff vom vitalen Minimum ein komplieirter ist und außerhalb der Vorstellung vom kritischen Punkte undenkbar ist. Obgleich das vitale Minimum seiner Größe nach dem kritischen Punkte gleich kommt, so stirbt

- doch das Insekt erst dann, wenn es, im gegebenen Luftbade gelassen,

abermals den kritischen Punkt erreicht hat.

II. Welche Faktoren beeinflussen den ‚‚kritischen Punkt‘‘ und die normale Temperatur der Säfteerstarrung der Insekten?

Es war schon aus den vorhergehenden Tabellen ersichtlich, dass der »kritische Punkt« bei verschiedenen Insekten-Arten nicht gleich ist und sogar bei verschiedenen Exemplaren einer und derselben Art in gewissen Grenzen variirt.

Wir wollen zuerst sehen, wie er bei verschiedenen Arten und verschiedenen Individuen einer und derselben Art zu variiren pflegt.

Ich lasse hier alle Beobachtungstabellen weg und bringe nur deren Resultate, wobei in der Kolumne »Differenz« diejenigen Zahlen angeführt sind, welche die Differenz zwischen dem kritischen Punkte und der Temperatur, bis zu welcher der Körper des Schmetterlings nach dem Sprunge sich erwärmt hatte, zeigen.

| | Die | Wurde a en Der ki | ae |. eh dem) Bemer- Nr. Stiles) Neue an | stieg un u kungen | 1898 darauf = | bis | Schmetterlinge 1, 3. VI. | Aporia crataegi 8,0| —0,8 7,2 |— 6,5 |lebte auf. 2" 3.91: > > —10,0| —1,2 88 |ı—12| > 317 3.91. > > —68| —1ı1| 57 |--10,0 |starb. 4 128. V. > 92| —14 78 |— 9,6 > 5 110. VI. » > 7,22| —1,2 6,0 |— 725 > 6 10. VI. > > 99). -—12.| Br) San 7 29. V. > —110| —ı,r]) sen a 8 15. VI. > —10,9| —1,1 | 98 Michie Auf 9243. 77, > 6,2 —0,7 5,5 |— 85 |starb. 10 18. VI. 87) —0,9 | 78 |— 8,6 | lebte auf. 11 117. V1. > 691. 0,8]| 519 aa TO FES FE > > 79) —09) m Pen 13 30.IV. |Saturnia pyri Q —.94|.—14 | SD IE Bun 14 125. IV. > > 3116| —11| 105 ge 15 |24.V. ae le cs Ya 7,9 | 4,0 | lebte auf. 16 27.IV. | Sphinx ligustri 93) —1,7 716 |— 28] > 17 128.IV. > > 18,1] =88.| 43 0 bodstarh 18 1.9. VAT eo » 25 —12 13 '— 1,6 lebte auf. 19 117.V. |Smerinthus ocellatus @Q| 3,7) —12 | 25 |— 92 |starb. 20 31.V. ‚Phalera bucephala —11,0| —14| 96 |— 2329| > 21 | 4.VI. |Pieris rapae 86) —82 | 04 ,‚— 9,1 |lebte auf. 22) 5. VAT. > > 10,7): —15 [2.02 Neue

- [77

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 567

Wurde |

Datum |

(neuen Names neh dem| Bemer-

ee Anz ekaht kungen Schmetterlinge

6. VII. |Pieris rapae 9,5 | —2,0 7,4 | lebte auf. 21. VII > > —12,0° —2,1 ---10,4 starb. 22..VIl. > > ,ı—13 | [+14 |lebte auf. 22. VII. Sa re Bee Rt N

4.VI. |Plusia gamma 7,81 —16 | 62 |-- 1,7 |starb.

4. Vl. » > 0,31. 20 14083 | 7,0: 2

8. VI. !Cossus eossus © 75, —1,0 6,5 |— 6,4 | lebte auf. .yL | > > 8312 12.11.71. 12.6.0 |starb.

9.VI. , Vanessa cardui 701 —10 | 60 ı— 72|

13. VI. > > 471 —0,1 | 46 |— 2,8 | lebte auf.

SA A > 9 0:9.11.00 | 28 |, > 22. VI. | Epinephele janira Q 6,851 —0,8 | 60 |—56 | "13. VII. | Heliothis armiger 8.71. 1,3.|7.354- 1 /1,4.|0 >.» 22. VI. | Vanessa atalanta Se u a a a 20. VII. > > SIT 0 ine 23. VIL. > > GERE12 ..57 el nis 23. VII. > > 2,27 —1,3 1.08 | 27,» » 28. VII. |Satyrus hermione 5 901 —12 | 78 |— 14| > 28. VII. | Lycaena corydonä 12,12) 60.)—14|

28. VII. > > zo 12.00.58 1A 28. VII. » » Q 90| —1,4 | 76 .|— 2,7 » »

9. VIII.| Deilephila euphorbiae 8,6 | —1,2 7,4 |— 9,2 |starb.

5. VIII.| Papilio podalirius Q 21 —12 | 10,9 | 1,9 | lebte auf. 2 VIH. > » 991 —13 | 86 | 1,3 > > 20. VII. | Oeneria dispar © 91) 13 | TE ı— LT. > 23. VII. | Apatura ilia v. elytia Da 3 ee > 22. VII. | Vanessa atalanta 1,7 —1,3 0,4 | —14,4 | starb.

Käfer 21. V. Cerambyx scopoli 86 —1,9 6,7 ı—-114|

5. VII. | Oryetys nasicornis Q 7,7) —14 | 6,3 |— 1,4 | lebte auf. 23. VI. | Calösoma sycophanta 6 le 50a > 13. VII. | Cetonia aurata 5 A te Bio a SENT. » » (©) 5,9 —1,9 | 3,6 > 5,9 starb.

15. VII. Dee 6,01 —18 | 42 |— 21 |lebte auf. 15. VII. » » 7,1| —2,5 46 |— 2,5 sur,» 15. VII. » » 7,4 —2,8 | 4,6 =— 2,8 » 15. VII. > > zo ae 3 nn

2. VII. > > Sr _

VII. » » 3,8 —1,1 | 2,1 1,2 lebte auf.

8. VII. » > 5,3 | —1,3 40.1 1,8), >7,>

8, VII. » » 6,1 —1,4 4,7 = 9,3 » >

8. VII. > » GA 11. 5,5 = u

9. VL. » > & 6,3 —12 51 |— 2,1 |lebte auf.

9, VII. x 3 ° EIN

9. VII. » » 6) 5,2 | —-1,3 39: 1ı— 1413| >

VI. » » 6) 70) 13,520, 18 2 8

9. VII. > » Ba konlaraT 28 > ı 8. VII. | Clytus 6-punetatus 72 —3,4 | 3,8 5,1 >

7. VII. |Carabus cancellatus 2,8, LARA 28 | a0 | 7. VII. |Geotropus vernalis 6,5) —1,4 3.2. =i,8 >

1. VI. > > Gt

Puppen |

15. VII. | Saturnia spini 931 1,3 \— 1,3 | lebte auf. | Raupen.

‚4. VI. |Saturnia spini Cu 93 aa a N E

568 P. Bachmetjew,

Das in dieser Tabelle angeführte Material erlaubt uns schon jetzt, einige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Aus meinem Beobachtungstagebuche ist ersichtlich, dass die Nrn. 10, 11, 12 des Schmetterlings Aporia crataegi sofort nach

- ihrem Einfangen im Garten der Hochschule der Untersuchung

unterworfen wurden, während die Nrn. 5, 6, 7 und 8 dieses Schmetterlings nach dem Einfangen vier Tage ohne Nahrung in einer Netzkiste verweilten, bevor die Untersuchung begann. Die weiter unten angeführte Tabelle enthält die Daten für Aporia cera- taegi der ersten und zweiten Kategorie, dabei bedeutet 7 den kri- tischen Punkt und E die Temperatur, bis zu welcher der Körper des Schmetterlings nach: dem Sprunge stieg, d. h. mit anderen Worten, dass EZ den normalen Erstarrungspunkt der Säfte bedeutet:

Aporia cerataegi.

II. Kategorie

I. Kategorie Nr. | 7 | E Nr. | T | E 10° 8701 Zoo sr ee IK... 690808 6.1.20 2 0.2779 11.509 7... 10,000 Mittel | —7,8°] —0,9° 8. 10

Mittel | 9,8°| —1,3°

Hier fällt uns sofort die Differenz der Zahlen der I. und I. Kategorie auf, wie für 7’ so auch für &.

T bei der ersten Kategorie liest im Durchschnitt um höher als bei der zweiten; ebenfalls erstarren die Säfte bei der ersten Kategorie Schmetterlinge im Durchschnitt bei —0,9° und bei der zweiten bei —1,3°.

Die Erkläran: dieser Erscheinung ist selbstverständlich in dem Umstande zu suchen, dass der Schmetterling, welcher in unserem Falle vier Tage ohne Nahrung bleibt, einen Theil des Wassers seiner ‘Säfte verliert, wobei der Saft sich verdichtet, und folglich auch bei einer niedrigeren Temperatur erstarren wird (d. h. anstatt bei —0,9° im Durchschnitt bei —1,3°).

Warum die Überkühlung eines solchen verdichteten Saftes eine niedrigere Temperatur (7) als bei den Schmetterlingen der I. Kate- gorie erreicht, ist vorläufig noch unerklärlich; die Thatsache ist aber unzweifelhaft.

Der Einfluss des Hungers auf die Größen 7 und Z bei den In- sekten ist noch sichtbarer bei dem Käfer Cetonia aurata.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 569

Diese Käfer wurden im Germankloster (15 Kilometer von Sophia) am 22. Juni/4. Juli eingefangen; in Sophia angelangt, wurden sie in einer Netzkiste ohne Nahrung gelassen. Die Versuche mit denselben begannen am 7. Juli (n. St.) und dauerten bis 15. Juli. Somit erhalten wir fünf folgende Kategorien immer mehr ausgehungerter Exemplare:

Cetonia aurata.

Kategorie zeuude Datum T E a = [| 5 | nvır| -33 | -12 | _ ni 60 TNaL.ı: 38 ii 0, ul 61 8.VIL.| —53 | —1,3 1! 62 8.VIL.| —61 —14 | —6,0 | —1,3 63 8.VIL.| —6,7 | —12 64 9.vIL.| —6,3 | —12 65 9.VIL.| —5,9 | —1,5 II. 2 | +66 9.VIL.| —52 —13 | —61 | —14 | 67 9.vIr.| —70 | —1,3 68 9.VIL| —63 | —1,6 53 /13.vV1m| —45 | —1,7 ® IV 52 en ee en a. 5 ,15.VIL| —60 | —1,8 56 Au VW.) 71 —25 2 nn 14.98, .| 58 /1.VI.| —z0o | —1,9

Hieraus ist deutlich zu ersehen, dass je länger der betreffende Käfer ohne Nahrung bleibt, desto niedriger die Erstarrungstemperatur (2) seiner Säfte ist; parallel sinkt auch der kritische Punkt (7). Eine Ausnahme für 7 zeigt scheinbar die Gruppe IV, da aber in derselben nur zwei Käfer enthalten sind, könnten dieselben zufälliger Weise besondere Veränderungen in ihren Organismen gehabt haben.

Somit erscheint als einer der Hauptfaktoren in der Veränderung des kritischen Punktes und des normalen Erstarrungspunktes der Säfte bei den Insekten der Nahrungsmangel.

Es ist von Interesse hier zu bemerken, dass NEWPoRT (44) die Körpertemperatur der Insekten mit ungenügender Nahrung niedriger fand als bei Insekten mit normaler Ernährung.

Dieselbe Thatsache wurde auch von GIRARD (20) konstatirt, indem er sagt, dass bei den Erdbienen mit dem Mangel an Honig die eigene Körpertemperatur sinkt. Außerdem bemerkte er, dass Bombus terrestris im Frühling fast zweimal so warm ist als im Herbst (ob- gleich diese letzte Thatsache dadurch erklärt werden kann, dass das

570 P. Bachmetjew,

Insekt im Frühling sich mehr bewegt als im Herbst, und nicht durch Mangel an Nahrung im Herbst).

Es wird hier gerade am Platze sein, die Größen für T und E bei einer und derselben Insektenart, aber verschiedenen Ge-

schlechts zu vergleichen.

GIRARD (20) fand bereits, dass im Allgemeinen männliche Exem- plare eine höhere Temperatur als die weiblichen einer und derselben Species bei gleichen allen anderen Umständen aufweisen, besonders Schmetterlinge aus der Familie Bombyces, Agliatau etc. (Bei der Erdbiene, ebenfalls bei verschiedenen Arten Phalaenides, Noctui- dae und Libellulidae wird dies nicht beobachtet.)

Diesen Umstand erklärt er dadurch, dass die Muskeln der männlichen Exemplare kräftiger sind, als diejenigen der weiblichen, und dass im Allgemeinen die männlichen Exemplare kleiner sind als die weiblichen! und demnach mehr Wärme entwickeln können.

Ich bringe hier meine Beobachtungen der Größen 7 und E bei Lyceaena corydon und Cetonia aurata, welche aus der Tabelle im Anfang dieses Kapitels entnommen sind:

Nr. | Datum | | 4B E | Bemerkungen

41 |28. vi.| Lycaena corydon 5 | —1,2 —1,2 | 42, 7728. N. 3! —7,0 —1,2 I Tage ohne Futter.

43 128. VII. » > Q | —9,0 —1,4

53 |13. VII. | Cetonia aurata | —4,5 —17

>54 |13. VIE 2 A ° 25 19 „9 Tage ohne Futter.

64 9. VII. | Cetonia aurata | —6,3 —1,2

66 9. VII. » > | —5,2 —1,3

67 | 9. VIL i : 3 270 13 h Tage ohne Futter.

65 9, VII. » > on 5,9 1,5

1 Meine Messungen der Spannweite (d) der bulgarischen Schmetterlinge aus der Familie Satyridae zeigten, dass diese Größe bei @Q Exemplaren bedeutender ist als bei den $ und zwar (Durchschnitt von 10 Exemplaren) bei:

Melanargia galathea um 9,40/, Satyrus hermione > 3

briseis » 12,9

» semele » 74

» statilinus » 7,8 Pararge maera >.:1,9

megera 2) 9,9 Epinephele janira » 8,8

tithonus » 14,8

Coenonympha pamphilus 3,9 | (»Über die Größe der bulgarischen Schmetterlinge im Vergleiche mit denjenigen von West-Europa.« Periodische Zeitschr. LVII. 1898. [Bulgarisch.]).

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 571

Hieraus ist ersichtlich, dass bei den angeführten Insekten der Vergleich nur für eine und dieselbe Species und bei gleichen Um- ständen gemacht werden kann; daraus geht hervor, dass die Größe 7 bei den männlichen und weiblichen Exemplaren scheinbar sich keiner Regel unterwirft!; für EZ jedoch giebt es folgende Regel: bei männ- lichen Exemplaren einer und derselben Species und bei sonst gleichen Umständen ist der normale Erstarrungs- punkt ihrer Säfte höher, als bei den weiblichen Exem- plaren.

Wir wollen nun sehen, in welchem Verhältnis die Größen 7 und E zu dem Gesammtgewichte des Insektes (P) und zu dem Ge- wichte der Säfte desselben (%) stehen.

Für die Bestimmung des Gewichts der Säfte (M), welche in einem Insekt enthalten sind, wurde das betreffende Insekt, nachdem es aus dem Eisbade, wo die Größen 7 und EZ ermittelt wurden, ge- nommen, mittels einer empfindlichen Waage mit einer Genauigkeit bis zu 0,001 Gramm abgewogen und nachher am selben Tage in ein Luftbad bei 120° auf ein bis drei Stunden, je nach der Größe des Insektes, gelegt. Die Differenz im Gewicht vor und nach dem Aus- troeknen ergab die Größe M.

In den angeführten Tabellen sind die Exemplare in absteigenden Stufen in Bezug auf die Größe E angeführt; dabei bedeuten die Nr. die Insekten aus den vorherigen Tabellen.

Aporia crataegi.

M Nr. T | E | M | P | Be 7 ei 0,065 10,120 |..0,54 An 1 | 0.098; 04175 1.056 2. ae ee z ü, Sera 28 |.0,090. 0,185. |: 0,629 eg 5 | 015 0260 | 0.60 | a Ru = og in, 0,135 41.0,215° [#0 0,68? Po 00 10155 | 0270 | 0,8 a a |, = e ar 209 08 | 0140 | 0250 | 061 91-62 | -07 | 0113 | 0,183 | 0,618

er)

Wenn wir die Größen E mit g vergleichen, finden wir, dass die Spalte unter g in steigender Reihe begriffen ist. Eine Ausnahme

1 Obwohl beiLycaena corydon und Cetonia aurata der ersten Gruppe T mit dem Sinken von Z ebenfalls sinkt.

>72 P. Bachmetjew,

weisen scheinbar die Nrn. 5, 6 und 8 auf. Aus der vorhergehenden Tabelle ist jedoch ersichtlich, dass diese Exemplare eben diejenigen waren, welche den Versuchen erst dann unterworfen waren, nach- dem sie in der Netzkiste 4 Tage ohne Nahrung verblieben. Somit müssen wir diese Nummern als zu einer andern Kategorie gehörig weglassen.

Auf diese Weise erhalten wir eine bemerkenswerthe Abhängis- keit, und zwar nimmt mit der Abnahme der Größe E die Größe g zu, wenn die Versuche unter sonst gleichen Umständen stattfinden.

Nehmen wir nun Exemplare des Käfers Cetonia aurata.

Cetonia aurata.

M Nr. Ih | E | M | B | Up 57 | 14 1 22800123 1,0536 0,34 56. 7,1 .| = 25 2,0150 0,41 52-55. | 19 03622 100955 0,59 58%] 20.702 159 20183 De 0,58 55 | - 6:05] 2 1,8021 0.2282 0388 0,61 5353| —45 | —1,7 0,325 BE 6 0,380 65 10 -5,9 | 1,50 ,.0283 0 0059 0,62 62) 26,1 1 1,4 21..0,297 00953 0,65 Sl ln _ 660 520, 1.30.0029, 1.06 0,65 ae | ul | 63 | dat Ze rn Ga Br 122 009820 0,65 59a 35 12 0,475 60a TE EDS EOS 0,67

=

Auch hier steigt die Größe g bei Verminderung der Größe E.

Somit kommen wir zu dem folgenden Schlusse:

Je größer das Verhältnis g des Säftegewichts des In- sektes zum Gesammtgewichte seines Körpers (für verschie- dene Exemplare einer und derselben Art) ist, desto höher ist der normale Erstarrungspunkt der Säfte des Insektes.

Die mathematische Untersuchung dieser Abhängigkeit konnte

jedoch zu keiner einfachen Formel führen, da g weder lineäre noch Quadratfunktion von & ist.

Fig. 5 (p. 598) zeigt die Abhängigkeit des E von g für Cetonia aurata. Aus derselben ist ersichtlich, dass Nr. 53, 68 und 64, für welche das Gewicht ? bekannt ist, und zwar: 0,325, 0,380 und 0,372, successiv g gleich 0,61, 0,625 und 0,66 haben müssen, oder mit anderen Worten auf Grund der Formel:

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 573

7 - Y—,P.4 müssen ihre Säfte wiegen: M = 0,325 : 0,61 = 0,198 g M, = 0,380 - 0,625 2,237 g M, = 0,372 . 0,66 —= 0,245 g. Künftige Versuche sollen die Richtigkeit dieser Abhängigkeit bestätigen. Wenden wir uns nun zur Größe 7, indem wir uns auf die letzten zwei Tabellen beziehen. | Eine genaue Abhängigkeit der Größe 7’ von E oder g ist nicht zu bemerken, eine Tendenz besteht jedoch, dass T mit E parallel sehen; so z. B. in der Tabelle für Cetonia aurata geht E ab- wärts; eben so gehen die Größen für T bei wenigen Ausnahmen ebenfalls abwärts. Dasselbe bezieht sich auch auf die Tabelle für Aporia crataegi. Die folgende Tabelle enthält eine Aufstellung derselben Größen für verschiedene Arten, wobei die Größe E in herabsteigender Stufe folgt:

Name | Nr. | 2 | E | M | j& g= a

| P

Pieris rapae si 86 | 82 1.0045 1.0070. | 0,64 Clytus 6-punctatus 69 I 72 | 3,4 0,038 0,075 0,51 Plusia gamma 28 | —103 | —2,0 0,062 0,087 0,71 Cerambyx scopoli 50 —86 | —1,9 0,006 0,400 0,015 Geotrupes vernalis 122 66 | --1,5 0,298 0,485 0,62 - Sa ray 1.0.0322 0.062 0,51

N R 1 65 | 714 0260. |.0445 0,58 Carabus cancellatus 00 —28 | —1,4 0,182 0,235 0,77 Saturnia pyri ö 13.02.93. 2714 0,820 1,450 0,57 Phalera bucephala 26 | —11,0 | —1,4 0,205 0,275 0,71 Aporia crataegi 4 I|—92 | —1,4 0,098 0,175 0,56 Oeneria dispar Q 1—91| —1,3 0,304 0,428 0,71 Pieris rapae Q |—67 | —1,3 0,046 0,068 0,68 Cossus cossus 30 |—83 | —12 0,578 0,333 0,43 Calosoma sycophanta 2 | —61 |, —ii 0,420 | 0,890 0,47 Vanessa cardui 31 ;, 70 | —1,0 0,040 0,105 0,38 Saturnia spini (Raupe) 737 —713 | —0,9 2,275 2,565 | 0,88 Vanessa atalanta 36 - 81 | —0,8 0,133 0,200 | 0,66 Vanessa cardui 323 —47, —01 0,070 0,105 | 0,66 Lycaena icarus 5 116 | —1,0 0,018 0,030 | 0,60 Deilephila euphorbiae 9 ; 86 , —12 0,272 0,595 | 0,55

Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass 7’ in keinem Abhängig- keitsverhältnis zu g steht. Da jedoch die vorhergehenden Tabellen für Cetonia aurata und nachher für Aporia crataegi zeigen, dass zwischen g und E eine nahe Abhängigkeit besteht, so folgt

574 P. Bachmetjew,

hieraus, dass diese Abhängigkeit nur bei einer und derselben Art (wenn auch verschiedenen Exemplaren) besteht und auf alle Arten Insekten im Allgemeinen nicht ausgedehnt werden kann. Ich möchte sagen, dass jede Art Insekten eine eigene besondere Ab- hängigkeit zwischen g und E hat. Künftige Forschungen werden diese Frage zu lösen haben. |

Hier ist es von Interesse, die Versuche GIRARD’s (20) über die Temperatur der Insekten einer und derselben Species in Abhängig- keit von ihrem Körpergewicht anzuführen.

Ich gebe hier im Auszug seine Beobachtungen (mit Hilfe eines Differentialthermometers) über Bombus terrestris.

Temperatur-

£ der Luft: h Gewicht:

überschuss:

21. April 1863 16,6° 3,85 0,729 g 22. » » 16,4 3,05 0,723 = 24. » » 16,4 4,39 0,700 = Die » 15,3 3,20 0,750 g 28...» » 15,6 2,69 0,690 g 29.» 13,7 4,99 0,686 g 80. > 12,4 1,20 0,645 g

Nachher starb das Insekt.

Hieraus ist ersichtlich, dass bei diesem Insekt in dem Maße, als sein Körper leichter wurde, im Allgemeinen auch seine Körper- temperatur sank, obwohl in den Beobachtungen einige Unregel- mäßigkeiten zu bemerken sind.

Seine Versuche mit Hilfe eines Thermo-Elementes mit Gryllus campestris sind besser ausgefallen und zwar: |

it der Luft: B Gewicht: 27. Mai 1863 16,3° 21,0 (Batterie B) 1,033 g 2. Jun > 20,0 33,0 (Batterie A) 1,020 g > 22,6 44,0 1,0385 8 9. 52 » 16,7 13,0 » 0,939 g

Hieraus ist ersichtlich, dass je kleiner das Gewicht des In- sektes ist, desto niedriger seine Temperatur ist. Es ist selbstver- ständlich, dass man die mit der Batterie 3 gewonnenen Resultate mit denjenigen mit der Batterie A nicht vergleichen darf.

Hier müssen wir nunmehr einen Umstand aufklären, welcher

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 575

die Größen E und 7 beeinflusst und zwar, wie sich diese Größen verändern, wenn das Erstarrungsverfahren einige Mal wiederholt wird.

Ich bringe hier einige Experimente in dieser Hinsicht.

9./21. Juli. Papilio podalirius.

Der Versuch begann um 10°47’. Um 11%09’ erreichte der Schmetter- ling die Minimaltemperatur von —9,9°, wonach der plötzliche >»Sprung« der Temperatur stattfand, wobei die letztere bis 1,3° stieg. Somit ist in diesem Falle 7 —= —9,9° und E = —1,3°. Der Schmetter- ling wurde sofort nachher aus dem Eisbade genommen und bei Zimmertemperatur gelassen. Er lebte auf.

Am folgenden Tage um 9°40’ wurde der Schmetterling abermals in das Eisbad gelegt und zeigte nach Verlauf von 2!/, Stunden, und zwar um 12°10', als ich mit dem Versuche schließen wollte, den Temperatursprung bei —15,7°, wobei die Körpertemperatur bis 2,0° stieg. Folglich war hier 7T= —15,7° und E = —2,0°.

Am selben Tage Nachmittags, als der Schmetterling wieder auf- gelebt war, wurde um 2%°50’ der dritte Versuch veranstaltet, welcher bis 3237’ dauerte. Der Schmetterling zeigte jedoch keinen >Sprung« seiner Temperatur, wie aus folgender Tabelle ersichtlich, die ich hier abgekürzt anführe.

10./22. Juli 1895. Papilio podalirius.

Stunde [Stromstärke N Stunde |Stromstärke Stunde |Stromstärke Stunde Stromstärke

zn = 7 —, —e

2h52” | 163,0 3hQu’ 183,1 3508 217,5 3620 254,0 533 | 180,0 01 184,3 09 225,0 23 261,2 54 | 179,4 02 186,1 10 231,2 27 264,8 5 | 179,6 03 188,4 11 236,2 32 263,5 56 | 180,4 04 192,0 12 239,6 34 265,9 Sn u 1: I 05 196,4 13 242,3 36 268,0 58 | 181,8 06 201,6 14 243,8 37 268,3 59 | 182,6 07 209,5 15 246,2 _

In dieser Tabelle ist nicht die Temperatur des Schmetterlings angegeben, sondern die ihr entsprechende Stärke des thermo-elek- trischen Stromes (k = 7,5; 4 22,4°). Hieraus ist zu ersehen, dass die Stromstärke (z) Anfangs plötzlich von 163,0 auf 180,0 stieg, nachher verlangsamte sich das Steigen, von 3 Uhr aber ab wuchs der Strom immer rascher und rascher, zeigte jedoch keinen »Sprung«. Die Thatsache, dass der Strom um 2”54’ schwächer als

576 P. Bachmetjew,

um 2%53’ war, zeigt, dass hier eine Entwicklung latenter Wärme statt- fand, d. h. das Erfrieren der Säfte des Insektes, wobei nach der Berechnung rn = 180,0 —1,6° entspricht und » 179,4 gleich 1,5° ist. Die Stromstärke stieg nachher fast nicht, weil die Temperatur . ständig bei —1,6° verblieb. Als jedoch der ganze Saft endlich er- starrte, begann die Temperatur (d. h. die Stromstärke z) rasch zu steigen und zwar in Folge der Abkühlung des erstarrten Saftes, welcher keine latente Wärme mehr abgab. Somit ist hier T7= —1,6° und Z= —1,5°. Wir haben folglich:

Versuch JH | E

Togo en mie Bee I. eo

Das heißt, nach dem zweiten Erstarren des Schmetterlings sanken sein Z sowie sein 7. Bei dem dritten Versuche fand die Säfteerstarrung fast ohne Uberkühlung statt, d. h. normal.

13./25. August 1898. Pieris rapae ©.

Das Exemplar wurde am selben Tage eingefangen und zeigte: T—= —6,7° und E= —1,3°. Aus dem Eisbade genommen und bei Zimmertemperatur gelassen, lebte es auf nach Verlauf von 3 Minuten (da es nach stattgehabter Temperaturerhöhung nach dem Sprunge nur bis —2,1° abgekühlt wurde) und begann zu fliegen.

Am Nachmittage, 3!1/, Stunde nach dem ersten Versuche, wurde der Schmetterling wieder ins Eisbad gelegt und hatte folgenden Tem- peraturgang seines Körpers (hier wird anstatt der Temperatur die Stärke des thermo-elektrischen Stromes —= n angegeben, wobei {, 21,5° und.z 192 180):

Stunde n | Stunde | m Stunde m Stunde N

2h45’ 153,0 2h471/| 179,0 2h50’ 171,2 2h537 173,8 451/31, 161,5 473/, 171,0 501%, | 171,8 54 | 1762 46 170,0 48 | 170,0 5 1720 55 | 180,0 461/, 176,5 4 | 1705 51a), 1001 56 | 186,0 47. 4.1780 491/,| 171,0 52 173,0 57 | 194,0

Als » 201 erreichte, wurde der Schmetterling aus dem Bade genommen (2 = 201 entspricht —5,3°). Um 2%47!/,’ fand der Tem-

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 577

peratursprung statt, da von 179,0 bis 171,0 gesunken ist. Die erste Zahl entspricht T —2,4°, die zweite E = —1,2°. Also haben wir:

Versuch | 2 3 E gegsetre,

u 24 | 12

d. h. dass beim zweiten Versuche der Schmetterling keine so große Uberkühlung seiner Säfte zeigte wie beim ersten.

27. April 1898. Sphinx ligustri

wurde um 4 Uhr ins Eisbad gelest und um 7 Uhr Abends, nachdem er —6,7° erreicht hatte, in ein Bad bei übertragen, in welchem er die ganze Nacht verblieb. Morgens um S Uhr lebte er auf und wurde abermals in ein kaltes Bad gelegt. Um ca. 9',, Uhr zeigte er T—= 93° md E= —1,7°. Nachdem die Temperatur des Schmetterlings 2,3° erreicht» hatte, wurde er bei Zimmertemperatur gelassen und lebte um 11 Uhr auf. Abermals ins Eisbad gelest, zeiste er nach 40 Minuten = —13,1° nd E= —8,S°, und da er nachher bis 15,2° abgekühlt wurde, konnte er nicht mehr zum Leben gebracht werden.

Somit haben wir: Versuch T E I = y3.1 —LI® II —13,1 —S,8

28. Juli /9. August 1598. Deilephila euphorbiae wurde um 11 Uhr ins Eisbad gelegt und zeigte um 12!/, Uhr T= —-86° und E= —1,2° Nachher, als die Temperatur des Schmetterlings = —9,2° war, wurde er aus dem Bade genommen, konnte aber nicht wieder aufleben. Um 2!/, Uhr wurde er abermals ins Eisbad gelegt und zeigte um 3 Uhr T = —38’ nd E= —1,1°. | Wir haben folglich:

Versuch T BE | —86° | —1,2° II. —88 =

Zeitschrift £ wissensch. Zoologie. LXVL Bi 38

573 P. Bachmetjew,

Wenn wir nun diese kleinen Tabellen neben einander stellen, er- halten wir:

Name 1. Einfrieren | II. Einfrieren TIL. Rinfrieren Papilio podalirius | 2 a =. | a Pieris rapae 5 | = 77 = = Sphinx ligustri a | 2, Be Be Deilephila euphorbiae, 2 | = 07 Ä _-

Hieraus ist ersichtlich, dass beim zweiten Einfrieren der »Sprung« der Temperatur des Schmetterlingskörpers gewöhnlich bei einer nie- drigeren Temperatur stattfindet als beim ersten Male; nachher aber, bei weiteren Wiederholungen des Einfrierens, äußert sich die Er- scheinung der Überkühlung nicht mehr, so scharf. Bei schwächeren Schmetterlingen (wie z. B. Pieris rapae) ist die Überkühlung schon beim zweiten Einfrieren nicht mehr so stark. Was die Normaltem- peratur der Säfteerstarrung (Z) anbelangt, so. bleibt dieselbe fast konstant auch beim II. Einfrieren oder sinkt.

III. Analogie der Erscheinungen, welche man bei der Abkühlung der Insekten beobachtet, mit denselben Erscheinungen bei den Pflanzen.

Bei diesen Versuchen blieb die Anordnung der Apparate dieselbe wie früher, nur wurde anstatt des Insektes ein Stückehen vom Sten- ee] einer beliebigen Pflanze genommen, in welches das elektrische Thermometer hineingesteckt wurde.

Zuerst wurde der Versuch mit einem frischen Stückchen Stengel von Malva sylvestris vorgenommen. Seine Länge war ca. 20 mm und seine Haut (Epidermis) wurde nicht abgezogen. Die folgende Tabelle enthält die Ergebnisse der Beobachtungen; hier ist anstatt der Temperaturgrade die Stärke des thermo-elektrischen Stromes angeführt (k 7,5; {, 19,5°. Für die Luft im Inneren des Bades ist %& 2,5, 09, 20.09:

Bupzar >

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 5

—ı Ne)

19./31. Mai 1898. Malva sylvestris.

- | a

lungstemperaiur.

Stunde | für die ee Bemerkung Stunde | für die de Bemerkung Bade Pflanze Bade 4605| 21,0 61,0 4h27’| 166.0, 80,5 | Der »Temperaturen- ı 44,0| 61,5 28 | 163,5 | 83,0 ara

7| 64,0| 621 91 |

8 5810| 623,8 30 | 163,3| 84,0

| Bo 31 | 1625| 85,0

10 107,3 | 63,0 32 | 163,0| 35,0

Br 1653| 33 | 1630|

13 1335| 63,0 34 | 163,0) 86,0

A|103| 35: 1630|

15 | 147,2 66,2 36 | 1630|

16 | 153,1| 672 37 | 163,0) 86,1

17 |1590| a8. [1631|

18 1635| 68,0 39 | 1632|

19 | 1680| 40 | 163,6 86,3

20 172,0| 70,8 #1 | 1640|

21 1754 42 | 164,3 | 86,5

22 | 178,8 | 72,0 43 | 1646|

23 | 182,0: 71,8 | 44 | 164,9| 86,3 |

MWiıs50 45 | 1653|

25 | 187,8; 73,0 46 | 165,5 | 862

26 | 191,3| 78,5 Die niedrigste Überküh-| 5538 | 226,3 0.0

Hieraus ist zu ersehen, dass die Pflanze, sich allmählich ab- kühlend, um 4"26’ die Minimaltemperatur von 6,1° erreichte (der Strom z 191,3 entspricht 6,1°), wonach um 4°27’ die Tempe- ratur der Pflanze plötzlich bis —2,6° stieg (na = 166 entspricht 2,6°) und fast unveränderlich während einer !/, Stunde blieb. Um 538 war die. Temperatur der Pflanze 10,8° (d.h. n = 226,3). Die Lufttemperatur im Bade von 4°27’ bis 5°38’ schwankte zwischen 12° und 14°.

Somit wird bei dieser Pflanze dieselbe Überkühlung beobachtet, welche wir bei den Insekten hatten, eben so auch der rapide Tempe- ratur->Sprung«.

Die Pflanze wog vor dem Versuche 1,575 g, nachdem sie aber in einem Luftbade bei 120° ausgetrocknet wurde, war ihr Gewieht 0,160 8, d.h. ihr Saft wog 1,415 g. Hieraus 1,415 : 1,575 —= 0,90 ES 9-

Nachher wurden diese Versuche mit dem Stengel einer anderen Pflanze gemacht, und zwar:

17./29. Juli. Euphorbia spee. Das Gewicht des Stengels vor dem Versuche war 0,325 g. Die

Pflanze wurde sehr langsam abgekühlt und erwärmte sich, nachdem 38*

980 P. Bachmetjew,

sie die Temperatur von —5,0° erreicht hatte, plötzlich bis 2,0°. Zwei Minuten nach diesem »Sprunge« wurde sie herausgenommen und auf 1!/, Stunden bei Lufttemperatur gelassen.

Darauf wurde dasselbe Stückchen Stengel noch einmal dem Er-

frieren unterworfen und zeigte 7—= —6,5° und E= 2,0°.

Nach Verlauf einer halben Stunde wurde dieselbe Pflanze dem Erfrieren zum dritten Male unterworfen und zeigte 7 —= —7,6° und Eee

Wir haben folglich:

Versuch 7 E ee en, Iren I

d. h.: je öfter eine und dieselbe Pflanze dem Erfrieren unter- worfen wird, bei desto niedrigerer Temperatur erstarren ihre Säfte. Der normale Erstarrungspunkt bleibt dabei ständig.

Somit sind auch hier, wie bei den Insekten, der normale Er- starrungspunkt der Säfte eben so wie die minimale Temperatur, bis zu welcher die Überkühlung stattfindet, bei verschiedenen Arten nicht gleich, und zwar:

Bei Euphorbia Z = —2,0° und bei Malva sylvestris Z = —2,6°. Bei der ersten Pflanze it 7—= —5,0°, bei der zweiten 7 —6,1°.

IV. Physikalische Versuche, das künstliche Hervorrufen der Erschei- nungen betreffend, welche man beim Abkühlen der Insekten und Pflanzen beobachtet.

Zuerst wurden Versuche mit dem Erstarren des zellenlosen Pro- toplasmas gemacht. Dazu wurde der aus der Pflanze ausgepresste Saft durch gewöhnliche Leinwand filtrirt und in ein kleines Probir- släschen gegossen und verkorkt mit einem Pfropfen, durch welchen ein Quecksilberthermometer mit !/,,°-Theilungen gesteckt wurde. Das Probirgläschen wurde in ein Gefäß gestellt, welches gestoßenes Eis, gemischt mit Salz und Spiritus, enthielt. Die Versuche wurden mit dem Protoplasma der Pflanze und dem Safte einer Birne ge- macht.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 581

13./25. Juli. Protoplasma einer Cactus-Pflanze.

Stunde | de Bemerkungen | Stunde | Bemerkungen gh38' | 9,1° Reines Eis. 10600’ 5,9°

39 | 84 Id 69

40 7,8 1 509.850

41 7,4 029

42 7,0 | 04 |—10,1

521/) —0,8 Eis + Spiritus. 05 —10,6

3 —11 06 Er)

Bl 1,4 00 2113

1,7 08 —11,4

292 09 |—11,7

551), --2,4 102) 11,8

E97 11) 119

561/| —3,0 | 12 —11,9 Eis-+ Spiritus + Kochsalz.

3,4 16 [13,5 |

BB | 42 18+ 12,8]

59 |--5,0 19 13,0 |

24. Juli /5. August. Saft einer Birne.

Stunde | to | Stunde t>

11nsg | 42,4 || 12m06° | —3,8 59 Do ag

12500 | —15 Sun Des or, 02 | 32 100 er Ba Me 50 as 2 | 53 05 | —3,55

Die erste dieser Tabellen zeigt keine Unregelmäßigkeiten im Gange der Temperatur, d.h. die Safterstarrung ging hierbei regel- mäßig vor sich ohne jedwede Überkühlung in der Pflanzen- oder Thierzelle. | |

Die zweite Tabelle zeigt ebenfalls einen regelmäßigen Gang, nur ist um 12°04’ die Temperatur anstatt zu fallen, um 0,1° ge- stiegen. Dieser Umstand aber konnte auch von den im Safte be- findlichen, noch nicht zerstörten Zellen herrühren. Jedenfalls werden hier im Gange der Temperatur keine heftigen Sprünge beobachtet, und folglich kann die Ursache der bei den Insekten beob- achteten Überkühlung nicht mit den alleinigen Eigenschaf- ten der Säfte erklärt werden.

Um den Umständen, unter welchen die Erstarrung der Insekten- (oder Pflanzen-)Säfte stattfindet, näher zu kommen, goss ich den Saft einer Birne in ein kleines poröses Thongefäß und verkorkte es mit einem Kautschukstöpsel, durch welchen ein Quecksilberthermometer gezogen war. Das Gefäß war ganz voll mit Saft und seinerseits

582 P. Bachmetjew,

in ein mit einem Stöpsel zugedecktes Glas gestellt, welches dann in gestoßenes, mit Salz gemischtes Eis gestellt wurde. Die folgende Tabelle zeigt die erhaltenen Resultate.

24. Juli/5. August. Der Saft einer Birne in einem verkorkten Thoneylinder.

Stunde | Stunde | 22 | Stunde

115197 | +3,90 || 11297 | —3,0° | 11ma27 | —2,750 %0 2.8 0 43 | —2,78 21 18 31..| 229 || m 22 0.9 39.| 285 ae 33 0.0 33) 2,80 | Ss 24.| 207 35.197 | een 56 1,50 37.107 | a ss 297 5 | 28 | —28 10.| 4 en

|

Hieraus ist ersichtlich, dass der Saft sich Anfangs regelmäßig abkühlte, um 11"31’ aber anstatt der Abkühlung eine allmähliche Erwärmung zeigte. Hier hat folglich eine schwache Überkühlung stattgefunden und zwar bis —3,0°, während der Normalpunkt der Erstarrung des Birnensaftes bei —2,7° liegt, wie die Zahlen von 11335’ bis 1140’ zeigen. Es ist zu bemerken, dass das umgebende Eis eine ständige Temperatur von 18° beibehielt.

Ein ähnlicher Versuch wurde mit dem Safte einer Citrone ge- macht. Diesmal wurde der Saft in einen birnenförmigen Pasteur- filter (aus Thon) gegossen, in welchem sich das Thermometer befand; außerdem ging durch den Stöpsel ein mit Glashahn versehenes Glas- röhrchen, welches mit einer Vorlage verbunden war; die letztere war mit demselben Saft gefüllt. Das ganze System wurde ins Eis ge- stellt, wobei der Pasteurfilter sich noch in einem Glase befand, um die unmittelbare Berührung zwischen ihm und dem Eise zu ver- hindern. Als der Saft im Pasteurfilter, sich allmählich abkühlend, seinen Umfang verminderte, floss aus dem Glaskolben in den Filter neuer Saft zu, so dass derselbe immer voll blieb. Als die Temperatur des Saftes erreichte, wurde der Hahn zugedreht. Die Temperatur des Eises schwankte zwischen 15° und 20°.

Die hier angeführte Tabelle giebt die Angaben im Auszuge; die Beobachtungen wurden jede Minute gemacht.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 583

27. Juli / 8. August. Citronensaft.

Stunde £> Stunde | > Stunde Stunde 36 | +3,50 | ans | —1,1° | 5n39 | —1,00 | mar | 1,7° 38 3,0 500 | —1,1 Aa 47 | 18 40 2,4 01 u Ber 49° | 1,9 En -;1,8 2 6606 | 1,1 Ben Ber 01] 04 |) —10 | Ne I I 24 Bro 22 | 13 7608 | 3,9 | 906 | Dr 10 3 6 14 12255 I 10 | er 10 30 | —15 20° 1 023 | zer, 26 | 8,9 | | 33 1 —10,5

Der sich gleichmäßig abkühlende Saft zeigte um 5°03’ anstatt Abkühlung eine Erwärmung auf 0,1° (d. h. eine Temperatur von 1,0°); um 5%44’ begann die Temperatur wieder zu fallen. Somit wird auch hier eine kleine Überkühlung beobachtet, welche 0,1° unter dem normalen Erstarrungspunkte liegt (—1,0°).

Eine genaue Betrachtung des Filters ergab, dass der Kautschuk- stöpsel auf eine gewisse Höhe herausgeschoben war, welcher Um- stand entweder durch Ausdehnung des Saftes bei Abkühlung oder durch Umfangvergrößerung des Saftes beim Übergange desselben in den festen Zustand zu erklären ist.

In Anbetracht des letzten Umstandes habe ich den folgenden Versuch gemacht:

Ich nahm ein diekwandiges gläsernes Kapillarröhrchen mit einer kleinen Kugel am Ende, in welcher sich gewöhnliches, der städtischen Wasserleitung entnommenes Wasser befand; über dem Wasser war Quecksilber, dann Luft. Das Röhrchen war oben zugelöthet.

Dieser Apparat wurde in ein Glas mit Spiritus gestellt und das ganze System in Eis + Salz eingegraben. Die Temperatur des um- gebenden Eises (2°) wurde mittels eines besonderen Thermometers gemessen, die Höhe der Luftsäule (7) über dem Quecksilber mittels einer Skala mit Millimetertheilungen, wobei in der unten folgenden Tabelle nieht die Größen für 7, sondern der ihnen entsprechende Luftdruck in Atmosphären (A) angeführt sind, unter welchem sich die Luft in der Kugel befand.

A | Fi an 34

0 | +30°| 19 | —45° ee, || 22.50 a ee: 28 | —60 = 150 32. 65 Bags 36. 0 1,6 —4,0 4,0 —3,0

584 P. Bachmetjew,

Bei diesem Versuche wurde bemerkt, dass, als das Wasser in der Kugel bei Abkühlung sich zusammenzuziehen aufhörte und sich auszudehnen begann, d.h. als das Wasser die Temperatur von + erreichte, die Temperatur des umgebenden Spiritus + war. Hier- aus folgt, dass bei der Temperatur des umgebenden Spiritus von das Wasser in der Kugel eine Temperatur von eirca 6,5° hatte und sich zu dieser Zeit unter einem Drucke von 4 Atmosphären befand, wonach die Kugel platzte. Eis hat sich jedoch dabei nicht gebildet, da das überkühlte Wasser im Moment der Explosion der Kugel mit dem Spiritus sich vermengte.

Jedenfalls zeigt dieser Versuch, dass Wasser unter einem Druck sich überkühlen kann, d. h. eine viel niedrigere Temperatur er- reichen kann, als dessen normaler Gefrierpunkt (0,0°).

Nachher wurden Versuche mit einer mit Wasser gesättigten Thonkugel (12 mm im Durchmesser) veranstaltet. Die trockene Kugel wog 1,595 g, die mit Wasser gesättigte 1,945 g. Somit war das Wassergewicht 0,350 g, und 0,350 : 1,945 —= 0,18 g.

In eine der Öffnungen, die mittels einer Nadel in der Kugel semacht waren, wurde das oben beschriebene elektrische Thermo- meter gesteckt und die Kugel an Stelle des Insektes in den oben beschriebenen Apparat gestellt, wobei die Temperatur des Bades während der ganzen Zeit des Versuches bei 13° verblieb.

Da dieser Versuch mit denjenigen mit Insekten die größte Ähn- lichkeit bietet, so führe ich hier eine Tabelle ohne Abkürzungen an.

31. Juli / 12. August. Mit Wasser imprägnirte Thonkugel.

Stunde 1 | Stunde | nv | Stunde | n | Stunde | 7 31440 | 82,0 | sh587 | 172,7 || Anis | 186,6 | Ang2r | 181,0 45.1.1055. | 59 | 1728 | 16..|,1893 | 0 Ss 5 46 | 124,5 | 4.00 | 122,9 7 1952 47. 1531395: 01%.].193,2 510,518 1.195000 ga e 48 | 151,8 02 1.1732 | 19°.) 202,7 | ca 419 | 162,2 03..17173,32], ° 20.207,20 Wesen gs 50 | 170,8 04: \.1735....21 | 2120) ea 531 | 1755 05 11741. | 22°] 2i6s0 ren: 511/4| 172,0 06.5] 174.6: ||. 23% 1.219,82 0 map 514%,| 171,6 |. . 07 | 1752 | -94 | 229 200 51s/,| 171,5 | 08 1126,00 | 0 25) 225.821 oa 52 | 171,6... 209. | san 26: | 2083 43 | 1585 53 | 171,8 10 | 19760 . 272) 2309 44 | 156,0 54 | 1721 117: 219890 109,.28 12990 45.141597 55 | 1723 |. 1% | 1809 || >29 | 2505 | a 56 |: 1725 Was 1SBE 30 | 2015 | Are 57. | 1726 | 12 | 1840 31 | 1890.| der ups | | | | 1

m #

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 585

Hieraus ist ersichtlich, dass die sich Anfangs regelmäßg ab- kühlende Kugel um 3°51!/,' nicht mehr Abkühlung, sondern Er- wärmung zeigte, welche bis 3°513/,’, d.h. eine halbe Minute andauerte, wonach die Kugel langsam sich abzukühlen begann.

Somit fand hier, wie auch bei den Insekten, em Temperatur- »Sprung« statt, und zwar von = 175,5 bis = 1715 (dak = 17,5 und i, = 22,2°, so stieg die Temperatur von —1,2° bis —0,7°). Um 4538’ wurde die Thonkugel aus dem Eisbade genommen und bei Zimmertemperatur liegen gelassen.

Zum Zwecke einer mehr anschaulichen Darstellung dient Fig. 4 (p- 596) Kurve F, wo die Abseissen die Zeit bedeuten und die Ordi- naten die Temperatur der Kugel (d. h. die Stärke des elektrischen Stromes n).

Aus dieser graphischen Darstellung ist ersichtlich, dass das Wasser, nachdem es sich bis » = 175,5 (d.h. bis —1,2°) abkühlte, fast plötzlich bis » = 171,5 (d.h. bis —0,7°) sich erwärmte. Dieser "Sprung fand in Folge des Erstarrens des überkühlten Wassers statt, welches die latente Erstarrungswärme abgab. Jedoch, wie die Kurve zeigt, fand auch nachher noch ein Gefrieren des Wassers statt, welches aber nicht mehr bis —1,2° überkühlt war. Dieser Gefrier- process dauerte von 3°51’ bis eirca 4°05’, wonach das entstandene Eis sich weiter abkühlte.

Wie die Kurve E der Fig. 4, den Gang der Temperatur ver- - anschaulichend, zeigt, sind die Erscheinungen, welche man beim Ab- kühlen der Insekten beobachtet, denjenigen ähnlich, welche bei der Abkühlung einer mit Wasser imprägnirten Thonkugel stattfinden: es sind dieselben >»Sprünge« und dieselbe Überkühlung, nur in klei- nerem Maßstabe als bei den Insekten.

Bei der Wiederholung des Versuches mit einer Ziegelkugel zeizte das in derselben enthaltene Wasser keine Überkühlung mehr und das Gefrieren ging normal vor sich.

Eine ähnliche Erscheinung wurde auch bei den Insekten beob- achtet, wie z. B. bei Papilio podalirius.

Ein Versuch mit einem Stückchen mit gewöhnlichem Wasser gesättisten Pasteur-Thonfilters zeigte T —7,3° und E= —6,9°, wobei der Sprung plötzlich stattfand. Ich bringe hier im Auszuge eine Tabelle dieser Beobachtungen:

586 P. Bachmetjew,

31. Juli/ 12. August. Ein Stück Pasteur-Thonfilter mit gewöhnlichem Wasser imprägnirt.

Stunde n | Stunde | m | Stunde | 7 | Stunde | N 106337 | 81,0 | 10649 | 182,6 | 11h15° | 215,8 || 11n21” | 220,0 35 | 105,0 51..\ 183,2 16 | 216,0 | 2025 40 | 136,0 55 | 186,8 17 | 2163 | 25 | 2252 4551775 |. 56, 2.1870 18 | 249,5: |.: 0000983 46 | 179,6 || 11601 | 189,0 19. | 2220 || DOSE 47: 11,181%0 05 ı 200,5 191/5| 218.87. ss 48 | 182,1 10 | 213,2 20.1.2188 | Senn

Aus dieser Tabelle ist außer dem Sprung um 11%15’ ersicht- lich, dass das Erstarren, obgleich allmählich, eigentlich um 10448’ begann, als die Temperatur viel schwächer zu fallen anfing, als vor- dem, welche Erscheinung bis 10"56’ andauerte, zu welcher Zeit die Temperatur rascher zu fallen begann (s. auch Fig. 4, Kurve CO).

Wenden wir uns nun zu einer anderen Art Analogien.

Der Versuch mit dem Stückchen Pasteurfilter zeigt, dass das Wasser an der Oberfläche der Poren gleich am Anfang zu er- starren beginnt und erst nachher die Überkühlung des Wassers, welches sich im Innern der Filtermasse befindet, stattfindet. Diese Überkühlung konnte von dem Umstande herrühren, dass das innere Wasser von durch die Abkühlung an der Oberfläche entstandenem Eis umzogen, sich nun unter einem Drucke befindet (da das Wasser bei Abkühlung von +4° hinab sich ausdehnt) und folglich sein Ge- frierpunkt fallen muss (s. die vorhergehenden Versuche mit der Glas- kugel). Diese Überkühlung konnte aber scheinbar auch in Folge des Umstandes stattfinden, dass das Wasser in den Kapillarröhrchen der Filtermasse sich befand; in dieser Weise wenigstens ist die Er- scheinung in der oben untersuchten Ziegelkugel zu betrachten, wo ein vorhergegangenes Gefrieren nicht stattfand, sondern die Über- kühlung sofort eintrat, obgleich dieselbe auch nicht bedeutend war (bis 1,2°).

In Anbetracht dessen wurde die Veranstaltung von Versuchen mit Abkühlung des Wassers in Kapillarröhrchen nothwendig.

Zuerst wurde ein Versuch mit einem an einem Ende zugelötheten Kapillarröhrehen (2 0,30 mm, /= 40 mm) gemacht. Das Röhr- chen wurde bis oben mit gewöhnlichem Wasser gefüllt und in das- selbe das elektrische Thermometer gestellt. Das Röhrchen wurde in ein zugedecktes Glas gestellt, welches letztere mit Eis von 11° umgeben war. Das Wasser überkühlte sich ohne vorange-

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 587

sangenes Gefrieren bis —4,5°, und nachher stieg seine Tem- peratur plötzlich bis 0,0°, wobei das Wasser erstarrte.

Weitere Versuche mit anderen ähnlichen Röhrchen zeigten, dass, je kleiner der Durchmesser des Röhrchens ist, desto stärker sich scheinbar in ihm die Überkühlung des Wassers äußert, außerdem hing diese Überkühlung wie von der Höhe des Kapillarröhrchens, so auch von der Länge der Wassersäule ab. In Anbetracht dessen, dass die erhaltenen Resultate nicht immer übereinstimmen, was, wie sich herausstellte, von der ungleichen Veränderung des Wasser- Meniseus im Röhrchen, in Folge des Versenkens der Drähtchen für Temperaturmessung, abhing, wurden die weiteren Versuche mit dünn- wandigen Röhrchen in Form des Buchstabens U gemacht, wobei das elektrische Thermometer außerhalb des Röhrchens an die Bie- sungsstelle anstieß. |

Da es unmöglich war, ein Röhrchen von durchgehend gleichem Durchmesser zu verfertigen, so stand das Wasser in einem Knie immer etwas höher als im andern. Daher wurde die Höhe der Wassersäule stets in dem Knie gemessen, in welchem sie höher war. Es wurde sewöhnliches Wasser genommen, da destillirtes Wasser nicht einmal bei —15° gefror, während in demselben Röhrchen gewöhnliches Wasser schon bei —8,8° erstarıte. Die Höhe jedes Röhrchenknies war 30 mm. Die Temperatur des Bades schwankte zwischen —13° und 15°.

Ich bringe hier eine ausführliche Tabelle für den Versuch mit einem solchen Röhrchen, wobei die Höhe der Wassersäule 18,0 mm bei = + 22,0° war.

11./23. August. Kapillarröhrchen von 0,56 mm innerem

Durchmesser. Stunde | n | Stunde | n Stunde 7 | Stunde | 7 10515’ | 168,5 || 10625” | 224,0 | 10635’ | 238,2 | 10h45’ | 252,0 16 | 188,0 26.9053. |. 86|239,8 + 45°] 213,0 17 | 199,5 ee 37 | Mo. > a51/,| 211,9 18 | 206,7 28 a 38.10.2499 |, 457512 215:0 211,8 23002230 | 39 | 2436 | 453/,| 221,5 2002| 214,3 308223055 3101540 244,6 | 46 | 236,0 212 217,0 Su a a | 464), 244,5 22 | 219,0 See . 412: || 246,0 || 2 47 | 249,0 23 | 221,0 San 1023327. °7..43.2|.248,0 || . +48, | 254,2 3412922 32359, 44 °|,2490. |. 49. .) 257,3

Aus dieser Tabelle, welche in Fig. 4, Kurve D, graphisch dar- gestellt wird, ist ersichtlich, dass der Temperatursprung bei 2 = 252

588 P. Bachmetjew,

stattfand, wobei die Temperatur nicht plötzlich, sondern allmählich innerhalb einer !/, Minute bis » = 211,9 stieg. Die erste Zahl (252) entspricht nach Berechnung —11,6° und die zweite (211,9) der Tem- peratur —6,2°. Da das Wasser, obgleich überkühlt, im Moment des Gefrierens 0,0° zeigt, so müssen wir auch 6,2° gleich 0,0° an- nehmen, dann wird —11,6° der wirklichen Temperatur —5,4° ent- sprechen, bis zu welcher sich das Wasser im Kapillarröhrehen auch überkühlte (hier entstanden selbstverständlich diese scheinbaren Temperaturen in Folge schlechter Wärmeleitung des Glasröhrchens und in Folge der starken Kälte der Luft, welche das elektrische Ther- mometer abkühlte).

Versuche mit anderen Höhen (7) der Wassersäule und demselben Röhrehen führten zu den Resultaten, welche in der folgenden Tabelle enthalten sind, wo Z, die wirkliche Temperatur bedeutet, bis zu welcher die Überkühlung stattfand und nach welcher das Wasser gefror:

2r | hin mm | 0,56 18,0 © 5m 0,56 12,60, 1803 0,56 5,0 | Mittel —5,4°

D.h. die Höhe der Wassersäule im U-förmigen Kapillar- röhrchen hat, wie es scheint, keinen Einfluss auf die Über- kühlungstemperatur des Wassers.

In einem Kapillarröhrchen, dessen Knielänge 40 mm, Durch- messer 0,36 mm betrug und die Wassersäule A = 22 mm, überkühlte sich das Wasser bis 4 = —5,0°.

In einem Röhrchen, dessen Durchmesser 0,23 mm und in dem die Länge der Wassersäule 12,2 mm war, überkühlte sich das Wasser bis 352 |

Somit haben wir:

2r | tı° | Bemerkungen

0,90 | —4,5 | gerades Röhrchen.

0,56 | —5,4 | knieförmig gebogenes Röhrchen. 0,36 | —9,0 » » »

0,28 | —),) »

Hieraus ergiebt sich, dass gewöhnliches Wasser in Kapillar- röhrchen von verschiedenen Durchmessern sich bis zu einer fast gleichen Temperatur überkühlt (circa —5,1° im Durchschnitt),

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 589

Ich betrachte keineswegs diese Schlüsse als endgültige; die hier beschriebenen Versuche zeigen aber eine keinem Zweifel unterliegende Uberkühlung des Wassers im Kapillarröhrchen.

Allgemeine Erörterungen.

Mit den gegenwärtigen Forschungen ist erwiesen, dass die Tem- peratur der Insekten keine beständige Größe darstellt und im All- gemeinen der Temperatur der umgebenden Luft gleich zu werden strebt.

Diese Eigenschaft der Insekten ist selbstverständlich als eine ‘durch Jahrtausende entstandene Fähigkeit im Kampfe ums Dasein zu betrachten. In der That besitzen die Insekten keine solche Mittel, um sich vor Kälte zu schützen, wie die anderen Thiere; die Vögel z. B. ziehen während der kalten Monate in wärmere Länder: die Säugethiere sind zum Schutze vor Kälte und Hitze mit Haaren be- deckt ete.e Bei den Insekten hat sich im Wege der natürlichen Zuchtwahl die Fähigkeit entwickelt, ihre Körpertemperatur der um- sebenden Mitte gemäß zu ändern und somit ihr Leben vor dem Temperaturwechsel der Luft zu schützen.

Diese Fähigkeit bildete sich nieht nur bei entwickelten Insekten aus, sondern auch bei deren Puppen und Raupen, wie die in dieser Abhandlung angeführten Messungen zeigen. Das ist auch kein Wunder, denn es giebt viele Raupen, welche während des Winters schlafen und mit Anfang des Frühlings wieder aufwachen (z. B. die Raupen der Art Satyrus), und die Mehrzahl der Schmetterlinge überwintern als Puppen. Nur einige von den Schmetterlingen, wie verschiedene Arten aus der Gattung Vanessa, Macroglossa stellatarum u. a., über- wintern als entwickelte Schmetterlinge und flattern, wenn es während der Wintermonate irgend einmal warm wird, lustig herum.

Nehmen wir als Beispiel Rhodocera rhamni (Citronenfalter und sehen wir, wie er mit Hilfe der erwähnten Eigenschaft um sein Dasein zu kämpfen vermag. Seine Mutter legte im Frühling die Eier, aus welchen im Mai kleine Raupen herauskamen, welche sofort die jungen Blätter der Pflanze Rhamnus frangula und cathar- tiea zu fressen begannen. Ende Juni verwandelten sich die Raupen in Puppen, aus welchen im August sich schöne gelbe Schmetterlinge entwickelten. Als es heiß wurde, stieg auch die Körpertemperatur des Schmetterlings; bei eintretender Kälte wurde der Körper des Schmetterlings auch kalt er fühlte daher keine schädlichen Ein- flüsse der Veränderung der klimatischen Verhältnisse, da er die

590 P. Bachmetjew,

Möglichkeit hatte, sich an dieselben anzupassen. Endlich kam der Herbst mit seinen kalten Nächten und trüben Tagen; es fehlte die warme Sonne, welche ihn erwärmte und ihm die Kraft zum munteren Herumflattern von Blume zu Blume verlieh. Auch die Menge der

. Nahrung hat sich vermindert: die meisten Blumen sind abgeblüht.

Unser Schmetterling verlor in Folge Nahrungmangels an Gewicht, sein Protoplasma verdichtete sich, und zugleich sank der kritische Erstarrungspunkt der überkühlten Säfte des Schmetterlings niedriger, als er im Sommer war. Zuletzt kam der November und December mit ihren Schneestürmen, und der Schmetterling verbarg sich in eine Spalte der Rinde eines Baumes. Die Lufttemperatur ist bedeutend gesunken, der Schmetterling wurde aber beschützt vor der tödtenden Wirkung der Kälte theils durch die Baumrinde und theils durch den Umstand, dass seine Säfte sich abkühlten, bedeutend unter den normalen Gefrierpunkt sich überkühlten und trotzdem nicht ge- froren. Der Schmetterling ist längst eingeschlafen, aber nicht ge- storben. Eines Tages, im Anfang Januar, wurde die Kälte besonders stark, und die Säfte des Schmetterlings erstarrten auf einmal. Eben- falls erstarrten die Säfte der Baumrinde, welche den Schmetterling umgab, und seine Temperatur stieg plötzlich bis —1,5°. Dies dauerte aber nicht lange; als alle seine Säfte erstarrten, begann die Eismasse sich wieder abzukühlen und der Schmetterling wäre gestorben, wenn er sich bis zu jener Temperatur abgekühlt hätte, bis zu welcher seine Säfte vor dem Gefrieren sich überkühlt hatten; den andern Tag aber wurde es wärmer, und die Temperatur seines Eiskörpers konnte nicht so niedrig fallen. Im Februar kamen warme Tage, und einmal thaute der Schmetterling auf. Als es an der Sonne 14° wurde, begann der Schmetterling lustig zu flattern, gegen Abend wurde es aber wieder kalt, und er schlief in der Spalte eines anderen Baumes wieder ein. Fröste stellten sich abermals ein und wie absichtlich stärker als im Januar. Die Säfte des Schmetterlings gefroren diesmal jedoch nicht, da er nun zum zweiten Male der Abkühlung unterworfen war. Ende März verließ er seinen Zufluchtsort, um nicht wieder zurückzukehren. Im April fand unser Schmetterling einen Lebensgefährten, legte Eier, und starb einige Tage nachher, aber nicht durch Kälte, sondern an Altersschwäche, welche sich seiner bemächtigte, nachdem er seine Pflicht, Nachkommen zu hinterlassen, erfüllt hatte.

Wenn also der Schmetterling, der Käfer oder ein anderes Insekt die Fähigkeit, in gewissen Grenzen ihre Körpertemperatur zu ändern, im Wege der natürlichen Zuehtwahl erworben haben, so muss in den

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 591

Gegenden, wo die durehschnittliche minimale Temperatur sehr niedrig ist, auch der kritische Punkt des Insektes niedriger sein, als in den Gegenden, wo dieses Minimum nicht so niedrig ist. Mit anderen Worten, die Säfte der Insekten, welche z. B. in Grönland leben, müssen sich bis zu einer bedeutend niedrigeren Temperatur über- kühlen (ohne zu gefrieren), als die derjenigen Insekten, welche man z. B. in tropischen Gegenden vorfindet.

Nehmen wir einige Beispiele.

In Sophia ist die Durchschnittstemperatur der kalten Monate —5,5° und die höchste Kälte —21,8° (Durchschnitt für einige Jahre). In Paris sind die respektiven Temperaturen + 3,0° und —10,0°. Wenn die oben erwähnte Voraussetzung richtig ist, so muss z. B. eine Rhodocera rhamni, welche in Sophia überwintert hat, einen niedri- geren kritischen Punkt haben, als ein gleiches Exemplar, welches in Paris überwinterte; dasselbe muss auch Bezug auf Raupen haben, z.B. Satyrus briseis, welche im Winter schlafen, eben so wie auf alle Insekteneier, welche der Winterkälte ausgesetzt sind.

Dass gewisse Insekten dem Klima einer gegebenen Gegend sich nicht anpassen konnten und daher in derselben nicht angetroffen werden, ist aus Tausenden von Beispielen bekannt. So wird Va- nessa cardui auf der ganzen Erdkugel angetroffen, wie in der südlichen, so auch in der nördlichen Halbkugel; in den tropischen Gegenden dagegen existirt sie nicht. Deilephila nerii hat ihr Vaterland in Südeuropa, Nordafrika und Kleinasien, wird aber bei sünstigem starken Winde bis nach Deutschland (auch Sophia) ver- schlagen, wo sie auf dem Oleander (Nerium Oleander) ihre Eier legt. Die entstandenen Raupen verwandeln sich im August in Pup- pen, aus welehen im September und Oktober sich schöne, große, srüne Schmetterlinge entwickeln. Obgleich diese Schmetterlinge, jetzt Sophianer geworden, auch wieder Eier legen, aus welchen wieder Raupen entstehen, welche letztere ihrerseits, wenn der Herbst warm ist, noch Zeit haben, sich in Puppen zu verwandeln, entstehen aus diesen Puppen im Frühling doch keine Schmetterlinge mehr, weil die Winterkälte sie tödtete. Nur sehr selten in Deutschland, wenn der Winter warm ist, entwickeln sich aus den überwinterten Puppen Schmetterlinge. Zu dieser Kategorie gehört auch der Schmetterling »Todtenkopf« (Acherontia atropos) und noch viele andere.

Ob die Insekten die Lage des kritischen Punktes auf der Ther- mometerskala zu ändern vermögen und auf welche Weise, d. h. welche Eigenschaften sie besitzen zur Änderung der Temperatur, bis zu wel-

592 P. Bachmetjew,

cher die Überkühlung ihrer Säfte stattfindet darauf antwortet uns die gegenwärtige Untersuchung.

Der Insektenkörper besteht aus Zellen, welche mit Säften ge- füllt sind; außerdem befinden sich in ihm verschiedene Organe,

. welche zur Verdauung, Aufnahme von Nahrung ete. dienen und die

Eigenschaft von Kapillarröhrchen besitzen. Der Saft der Insekten tritt bei Abkühlung unter theilweise aus den Zellen heraus und bildet um dieselben eine Eisdecke (wenn auch aus unreinem Eise), welche auf den dichteren Rest einen Druck ausübt und damit das Gefrieren desselben bei dem Normalpunkt (z. B. bei —1,5°) verhin- dert, wie es die Versuche mit dem porösen, mit Birnensaft gefüllten Thoneylinder zeigten, oder noch besser die Versuche mit der mit Wasser gefüllten Glaskugel (welche die Rolle der Eiskruste spielt). In Folge des Druckes findet die Überkühlung des Restes der Säfte statt und zuletzt, wenn der Eispanzer in Folge der Saftaus- dehnung beim Abkühlen den Druck aus dem Inneren der Zelle nicht mehr aushalten kann, platzt er, und der Rest des Saftes gefriert nun- mehr bei gewönlicher Temperatur plötzlich, wobei die Temperatur bis zum normalen Gefrierpunkt der Säfte steigt. Natürlich gestatten auch kapillare Organe der Insekten eine Überkühlung der in ihnen befindlichen Säfte, wie es die Versuche mit Kapillarröhrehen zeigten; obwohl die angeführten Versuche dabei nicht ergaben, dass der Überkühlungsgrad, wie es scheint, vom Durchmesser der Röhren in Grenzen von 0,90 bis 0,25 mm unabhängig sei, kann man dennoch mit großer Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass bei noch geringeren Durchmessern der Überkühlungsgrad der Flüssigkeiten in Kapillar- röhren größer wird.

Welcher Theil der Insektensäfte beim »Temperatursprunge« nach ihrer Überkühlung erstarrt, kann man vorläufig noch nicht genau sagen, man kann jedoch schon jetzt mit Sicherheit behaupten, dass unmittelbar nach dem »Temperatursprunge«< der ganze Saft nicht völlig erstarrt und zwar aus folgenden Gründen:

Wasser hat, wie bekannt, die latente Erstarrungswärme 80 Ka- lorien. Wenn der »Sprung« eines Grammes Wasser bei dessen Über- kühlung z. B. bei —S0° stattfinden würde, so hätte dieses Wasser beim Erstarren SO Kalorien latente Wärme entwickelt; da aber das Wasser bereits 80 Kalorien besaß (spec. Wärme —= 1), so erhält man im Resultate:

+80 80 = 0 Kalorien,

oder, was dasselbe ist, 0°; d. h. die ganze Masse hätte eine Tem-

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 593

peratur von und ohne jegliche latente Wärme; dies aber stellt Eis vor. Auf diese Art würde das ganze Wasser in diesem Falle sich in Eis bei verwandeln.

Wenn der »Temperatursprung« bei Überkühlung des Wassers bis zu 40° stattfinden würde, so hätte in diesem Falle das Wasser +80 Kalorien entwickelt, während es vor dieser Entwicklung nur —40 Kalorien besaß, d. h. man hätte als Resultat erhalten:

+80 40 = +40 Kalorien,

wobei die ganze Masse in Folge der Eisbildung wiederum die Tem- peratur von hätte. Dies bedeutet, dass die Hälfte des Wassers sich bei in Eis verwandelte, während die andere Hälfte des Wassers auch hat, aber die latente Wärme beträgt nur 40 Kalorien, d. h. diese Hälfte kann kein Eis vorstellen, sondern nur Wasser.

Mittels weiterer ähnlicher Betrachtungen würden wir zu dem Schlusse gelangen, dass das überkühlte Wasser, z. B. bis zu —10°, nach dem »Temperatursprunge« nur '/; (nach Gewicht) Eis bei bilden möchte, während die anderen ’/; als Wasser bei übrig bleiben.

Daraus folgt, dass, wenn die Insektensäfte nur aus reinem Wasser beständen, bei der Überkühlung ihrer Säfte bis zu —10° und der darauf folgenden Erstarrung dieser Säfte (»Temperatursprung«) nur 1% aller Säfte erstarren würde, während die übrigen ”/; noch flüs- sig blieben. Bei weiterer Abkühlung nach dem »Sprunge« würden diese ?/;, ihre latente Wärme allmählich verlieren und sich in Eis verwandeln, bis schließlich nach dem Verlust dieser vorräthigen Kalorien der ganze Saft sich in Eis bei verwandeln würde. Bei noch weiterer Abkühlung würde der erstarrte Saft schon Tempera- turen von 1°, —2°, etc. zeigen.

Wir kennen vorläufig noch nicht die latente Erstarrungswärme der Insektensäfte, noch weniger aber ihre specifische Wärme, dess- halb kann man auch vorläufig von einer genauen Bestimmung des Quantums des erstarıten Saftes nach dem »Temperatursprunge«, wie oben erwähnt, noch nicht reden; wir müssen aber zulassen, dass ein Theil dieser Säfte aus Wasser als Lösungsmittel besteht und aus Wasser, welches nach Sachs (55) »von den Adhäsionskräften in Molekularporen der Zellhaut und der Protoplasmagebilde als Imbi- bitionswasser festgehalten wird« (p. 44). Dieser zweite Theil des Wassers kann wirklich eine geringere specifische Wärme und auch

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 39

9 0967 UOA anyerodwegygn top toq aoqe ‘ep O Tıkd wruangeg uoA ınyeroduo], uouodro op Zurn uap [098 OAaınyy or

uvaznuayy Wr ONDASOJUIJT27

01

Jew,

U N

P. Bachmet

e

1% [A

9 9 2} 73 OL

NS

0.9 U SDUMLBJ9UNJIS sop ın79Taduus]

N

VS6PIMOE) Is GEL 109 DDq1joy ung 2ıhd vnLmg]Dg

994

-- m

0

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 595

latente Erstarrungswärme besitzen !, der erste Theil aber kann nicht sehr stark von 1 resp. S0 Kalorien abweichen, und es würde sich folg- lich bei der Überkühlung der Insektensäfte, z. B. bis zu —16°, nur !/, Theil dieses auflösenden Wassers nach dem »Sprunge« in Eis verwandeln.

Wir müssen jedoch den oben erwähnten Umstand nicht außer Acht lassen, dass bei der Abkühlung des ganzen Insektes ein Theil des Wassers, welches in seinen Säften enthalten ist, aus den Zellen seines Körpers früher austritt, als die Uberkühlung der Säfte statt- findet, und somit eine Art Eispanzer auf der Oberfläche der Zellen oder ihrer Konglomerate bildet, wodurch die Überkühlung der übri- sen Flüssigkeit bedingt wird. In Folge dessen bleibt nicht viel von überkühltem Wasser übrig. Für die vollständige Erstarrung des Wassers nach dem »Temperatursprunge« ist jedoch eine Abkühlung bis zu —80° nothwendig. Da die Überkühlung der Insektensäfte nicht tiefer als von 10° bis 15° C. stattfindet, so kann folglich auch ihre Erstarrung nach dem »Sprunge« nicht vollständig, sondern nur theilweise zu Stande kommen.

Die Kurve in Fig. 3 zeigt, dass nach dem »Temperatursprung« (36 Minuten) von —9,5° auf —1,3° die Temperatur des Schmetter- lings (—1,3°) innerhalb 4 Minuten konstant blieb, um darauf zu fallen. Dieser Umstand zeigt, dass wirklich nicht der ganze Saft nach dem »Sprunge« erstarrte, und dass der noch nicht erstarrte Theil bei weiterer Abkühlung erst nach 4 Minuten zur Erstarrung gelangte, worauf die Temperatur dieses festen erstarrten Theils innerhalb 2 Minuten (bis zu 42 Minuten) sank, danach noch ein anderer Theil des Saftes mit etwas niedrigerem Erstarrungspunkt anfing, inner- halb 6 Minuten fest zu werden (da die Temperatur während dieses Zeitintervalles wieder konstant blieb). Schließlich erstarrte auch dieser Theil, um sich weiter abzukühlen. Auf diese Weise zeigt die gegebene Kurve im Safte das Vorhandensein wenigstens zweier Flüssigkeiten mit verschiedenen Erstarrungspunkten (—1,3° resp. 1,6°).

Der Verlauf der Kurve c in Fig. 4 für den Schmetterling Pa- pilio podalirius ist vor und nach dem »Temperatursprunge« ganz verschieden. Die Kurve nach dem »Sprunge« zeigt, dass eine der überkühlten Flüssigkeiten des Saftes nach dem »Sprunge« auf

i Vide meine Abhandlung: »Einige physikalische Eigenschaften von Kupfersulphat.< Journ. der russ. phys.-chem. Gesellsch- XXV. p. 265. 1899. 39*

596 P. Bachmetjew,

Teımperatur verschiedener Objekte in verschiederen Einheiten

D}

U}

varnuyy A 3] waraFu1]122 El

te

Famsee BERN

08

Ce

g9E

:

se

Dee S

29 x

Re ze See. Bart ese Pe |

I a) Ir rt CHZ Se \ 0 x D N N

an 24 ı ei asien = DE r n l N S D D m { ® I Q IS R [7% nr NG SEES & a m ala N IN a Nr RIENEEH S > I Zus N] x NEN \ SR a S © S N an N S S Ri n Sg ? I 5 Ss = ot Q S an kl |

Fig. 4. Alle Kurven stellen den Gang der eigenen Temperatur, abhängig von der Zeit, dar und zwar: A von Papilio podalirius bei Lufttemperatur von —14°C.; ZB von einem mit Wasser imprägnirten Ziegel- steinkügelchen bei Lufttemperatur von —1S° C.; C von einem mit Wasser imprägnirten Stückchen des Porzellanfilters (von PAsrtEeur) bei Lufttemperatur von —1S°C.; D von gewöhnlichem Wasser in einem Kapillarrohr (2r = 0,56 mm) bei Lufttemperatur von —14° C.; E von einem Stück des Stengelchens von Malva sylvestris bei Lufttemperatur von —13° C.; F vom Birnensaft in einem verschlossenen Gefäß bei Lufttemperatur von —18° C. Die Ordinaten sind in dieser Figur für alle Kurven (mit Aus- nahme der Kurve #)in verschiedenen Temperatureinheiten [n = % (to x)] ausgedrückt. Die Ziffern, welche beim Maximum oder Minimum jeder Kurve stehen, bedeuten Celsiusgrade. Die Abscissen be- deuten Zeitintervalle in Minuten.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 597

einmal erstarrte, und desshalb verläuft die Kurve während der ersten Minute (von der 8. bis 9. Minute) parallel mit der Kurve vor dem »Sprunge«. Darauf fand die Abkühlung langsam statt, d. h. ein anderer Theil des Saftes, ohne bestimmten Erstarrungspunkt, fing an zu erstarren, da die Kurve zur Abseisse nicht parallel verläuft. Es ist möglich, dass diese Erstarrung dem Imbibitionswasser zuzu- schreiben ist, welches aus den Zellenporen und aus dem Protoplasma heraustrat.

Das Studium der Kurven des Temperaturverlaufes der Insekten bei der Abkühlung (abhängig von der Zeit) nach dem »Sprunge« kann uns eine Vorstellung über thermische Eigenschaften der Säfte- bestandtheile der Insekten verschiedener Arten geben, besonders wenn man die Empfindlichkeit der in dieser Abhandlung beschriebenen Methode für die Temperaturmessung noch weiter steigern wird.

Ich will hier noch einige Worte über eine wahrscheinliche Hy- pothese sagen, welche das Moment des Auftretens des Todes der Insekten beim Abkühlen ihres Körpers erklären kann.

Die gegenwärtige Untersuchung zeigte, dass der Tod erst dann eintritt, wenn die Temperatur bei der Abkühlung des Insektenkörpers nach dem »Temperatursprung« wieder bis zu jenem Punkte sinkt, bis zu welchem die Säfte vor dem »Sprunge« überkühlt waren.

Die aufzustellende Hypothese, welche diese Thatsache erklärt, besteht in Folgendem:

Im Insektensafte sind verschiedene Flüssigkeiten und auch feste Substanzen mit speciellen Funktionen für die Lebensthätigkeit der Insekten vorhanden. Diejenige Thatsache, welche ich Gelegenheit hatte öfters zu beobachten, dass beim Überkühlen der Säfte aber nicht bei ihrem Erstarren das Insekt wieder belebt wird, wenn es bei Zimmertemperatur gelassen wird, wobei der Grad der Lebens- thätigkeit nach seiner Energie wieder derselbe wird, zeigt, dass dabei keine für das Leben schädlichen Veränderungen (physikalische oder chemische) im Insektenkörper bei dieser Überkühlung stattfinden.

Etwas Anderes findet bei der Überkühlung der Säfte nach dem »Temperatursprung« statt. Ein Theil derselben erstarrt dabei in den Zellen selbst, und diese Erstarrung dauert auch bei weiterer Ab- kühlung nach dem erwähnten »Sprunge« fort. Auf diese Art erfolgt bereits eine gründliche Veränderung des Zellensaftes, welche die Lebensfähigkeit des Insekts mehr und mehr vermindert. Wenn man das Insekt jetzt der Zimmertemperatur aussetzt, lebt es wieder auf, wobei jedoch seine jetzige Lebensthätigkeit nur ein Bruchtheil der-

598 P. Bachmetjew,

jenigen Lebensthätigkeit darstellen wird, welche es vor der Erstarrung hatte. Dieser Bruchtheil wird desto geringer sein, je mehr die Ab-

13

u fhe z fonia \aurata von Wem 25 13 16 17 ; ee y BER: Re a [2 Antec Mal a a PERFRRBeR R BEEmPAREE > - E17 Er ee u a 1 te ee MEI ZABEEREE PREREBEREEE „br bo

0354 0327 040.09 0 0 0.5. 0 058 061 06% 0672 0

ne 5.

Die Kurve zeigt die Abhängigkeit des normalen Erstarrungspunktes der Säfte von Cetonia aurata

wo P das Gesammtgewicht und M das Gewicht des Insektensaftes bedeutet,

von dem Säftekoefficient q = a

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 599

kühlung des Insektes nach dessen »Temperatursprung< sich dem kritischen Punkt (7) nähert, und dieser Bruchtheil wird gleich 0 werden, wenn die Abkühlung des Insektes mit 7 zusammenfällt.

Diesen letzteren Umstand kann man sich folgendermaßen er- klären: Im Insektensaft ist eine gewisse Substanz z vorhanden, deren Erstarrung (oder vielleicht Gerinnen) unbedingt tödlich für das In- sekt ist. Diese Substanz hat eine sehr geringe Erstarrungswärme und auch Erstarrungstemperatur = 7 (der oben erwähnte kritische Punkt). Bei der Überkühlung der Insektensäfte wird nämlich dess- halb im Temperaturverlauf des Insektenkörpers ein »Sprung« er- halten, weil im Momente, wo die Überkühlung den Punkt 7 erreicht, die Substanz x bei diesem ihren normalen Erstarrungspunkte (7) er- starren »wolle«; sie ertheilt jedoch dadurch, dass sie, wenn auch nur ein einziges, festes Molekül gebildet hat, der überkühlten Flüssigkeit, deren Erstarrungspunkt höher als 7' liest (gewöhnlich bei 1,5°), einen Stoß, durch den die Erstarrung hervorgerufen wird. Die Sub- stanz x wird keine Zeit haben, weitere feste Moleküle zu bilden, da beim Erstarren des Wassers eine große Quantität der Erstarrungs- wärme frei wird, und desshalb wird sie nach dem »Temperatur- sprunge« des Insektes wieder weiter flüssig bleiben. Auf diese Weise bleibt der für die Lebensthätigkeit des Insektes hauptsächlichste Theil der Substanz x unverändert. Wenn schließlich die Temperatur nach dem »Sprunge« wieder bis zu 7 fällt, erstarrt die Substanz x, und das Insekt stirbt unwiderruflich.

Da in dem Kurvenverlauf für Papilio podalirius (Fig. 3, Kurve A) keine scharfe Veränderung nach dem »Sprunge« bei 7 beobachtet wird, so weist dieser Umstand darauf hin, dass von der Substanz z im Insektenkörper sehr wenig vorhanden ist, wobei, wie oben vermuthet, auch ihre Erstarrungswärme sehr gering ist.

Da die Größe 7 für verschiedene Insektenarten verschieden ist, so bedeutet dies, dass die Substanz x keine konstanten Eigenschaften besitzt. Als Beispiel der Veränderlichkeit dieser Eigenschaften kann im sesebenen Falle Eiweiß dienen. Lewiıra (39) untersuchte globu- linfreies Eieralbumin, welches im Wasser sehr leicht löslich ist, und dessen Lösung bei 56° bis 57°C. gerinnt. Das Eiweiß mit 25% Wasser gerinnt bei 74° bis S0°, dasselbe mit 18°/, Wasser bei S0° bis 90° und das Eiweiß mit 6°/, Wasser bei 145°; das ganz wasser- freie Eiweiß gerinnt nach Maas erst bei 160° bis 170%.

600 P. Bachmetjew,

Schlusswort.

Wenn wir alles hier Erörterte in Bezug auf die Temperatur der Insekten zusammenfassen, kommen wir zu folgenden Schlussfolge-

- . rungen:

1) Die Temperatur der Insekten wechselt in sehr weiten Gren- zen, ohne scheinbar böse Folgen für ihr Leben nach sich zu ziehen, und ist bei in Ruhe sich befindenden Insekten der Temperatur der umgebenden Luft gleich. Bei der Bewegung der Insekten steigt die Temperatur ihres Körpers.

2) Beim Steigen der Lufttemperatur zeigen Anfangs die Insekten keine besondere Unruhe; sobald aber ihre Körpertemperatur bis 39° steigt, beginnen sie sich stark zu bewegen und sterben bei 46°—47°.

3) Beim Sinken der Temperatur der umgebenden Luft steigt die Körpertemperatur der Insekten Anfangs gleichmäßig, dann plötzlich (dieser Punkt entspricht der normalen Temperatur des Gefrierens der Säfte) und sinkt nachher wieder langsam. Der Anfang dieses »Sprun- ges« liegt zuweilen sehr niedrig (—15°), und die plötzliche Tempe- raturerhöhung beim »Sprunge« erreicht gewöhnlich —1,5°.

4) Das Insekt stirbt bei der Abkühlung, wenn seine Körper- temperatur nach dem »Sprunge« ungefähr bis zu derjenigen Tempe- ratur, bei welcher dieser »Sprung« (kritischer Punkt) stattfand, oder noch niedriger sinkt.

5) Die Art des Aufthauens der Insekten nach dem Gefrieren ihrer Säfte hat keinen bemerkbaren Einfluss auf ihre Rückkehr zum Leben, sondern nur auf die Intensität des letzteren.

6) Der »kritische Punkt« ist nicht gleich bei verschiedenen Arten Insekten, sogar bei verschiedenen Exemplaren einer und der- selben Art, und variirt in gewissen Grenzen.

7) Die Größe des »kritischen Punktes« und die normale Tem- peratur des Säftegefrierens beeinflussen:

a. die Nahrung; und zwar je länger ein gegebenes Insekt ohne Nahrung bleibt, desto niedriger ist die normale Temperatur des Gefrierens seiner Säfte; parallel damit sinkt auch der kritische Punkt; und:

b. das abermalige Einfrieren, welches den »kritischen Punkt« heruntersetzt, eben so wie die normale Temperatur des Säftegefrierens. Bei weiteren Wiederholungen des Einfrierens zeigt das Insekt keine Überkühlung der Säfte mehr, sondern diese gefrieren in normaler Weise gleich beim Anfange der Abkühlung des Insektes.

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 601

8) Je größer das Verhältnis des Säftegewichtes des Insektes zum Gesammtgewicht seines Körpers (für verschiedene Exemplare einer und derselben Art) ist, desto höher ist der normale Punkt der Säfteerstarrung des Insektes.

9) Die Pflanzen zeigen ebenfalls bei Abkühlung einen Tempe- ratur->Sprung«, analog dem bei den Insekten beobachteten. Genau wie bei den letzteren sinkt, je öfter eine und dieselbe Pflanze dem Erfrieren unterworfen wird, die Überkühlung ihrer Säfte desto niedriger.

10) Alle bei der Abkühlung der Insekten beobachteten Erschei- nungen erklären sich durch Säfteüberkühlung, wie dies analoge Ver- suche mit dem Gefrieren des Wassers in Kapillarröhrchen, in der Ziegelkugel, in der zugelötheten Glaskugel und die Versuche mit dem Gefrieren des Birnen- und Citronensaftes in verschlossenen porösen Thonecylindern zeigen.

Sophia, im Juni 1899.

Litteraturverzeichnis.

1. ANDRIASCHEW, Handb. für die rationelle Bienenzucht. Kjew 1590. (Russisch.) 2. BECQUEREL, Traite de physique consideree dans ses rapports avec la chimie et les sciences naturelles. Paris. Tome II. p. 59, 60, 61. 1844. 3. BERTHOLD, Neue Beobachtungen über die Temperatur der kaltblütigen Thiere. Göttingen 1835. 4. BRANDT u. RATZEBURG, Darstellung und Beschreibung der in der Arznei- mittellehre in Betracht kommenden Thiere. Berlin 1832. 5. BREYER, Ann. Soc. entomolog. belg. Tome IV. p. 92. 1860. 6. BürscaLı, Ein Beitrag zur Kenntnis des Stoffwechsels, insbesondere der Respiration bei den Insekten. Archiv für Anat. u. Physiol. u. wiss. Medicein von REICHERT u. DU BoIs-REeyMonD. p. 348—361. 1874. 1. [J. Davıp], Ann. de phys. et chim. 2e serie. Tome XXXIII. p. 180. 1826. [Citirt nach DUTROCHET. Offenbar eine Verwechslung mit dem darauf folgenden Autor.) 8. DAvy, JoHn, Observations sur la temperature de l’'homme et des animaux des divers genres. Ann. de phys. et chim. serie. Tome XXXIII. p: 180—197, 1826. 9. DECROSEn, Oren’s Isis. p. 734. 1845. 10, DÖNHOorFF, Archiv für Anat. und Physiologie und wissensch. Mediein von REICHERT und DU Bois-REyYMonD. p. 724. 1872. 11. DORFMEISTER, GEORG, Über den Einfluss der Temperatur bei der Erzeu- gung der Schmetterlingsvarietäten. Graz 1830. 12. Dusost, Methode avantageuse de gouverner les abeilles fondee sur de nouvelles experiences. XII + 139 pag. 1880, Bourg.

602

13.

14.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

23.

P. Bachmetjew,

DUTROCHET, Recherches sur la chaleur propre des ätres vivans ä basse temperature. Ann. des sciences naturelles. Partie botanique. s£rie. XIII. p. 5—49, avec 1 fig. 1840.

—— Recherches sur la chaleur propre des €tres vivans & basse temperature. Chapitre II. Recherches sur la chaleur propre des animaux ä basse temperature. Ann. des sciences naturelles. Zoologie. serie. XIII. p. 5—58. Jan. Juin 1840,

FISCHER, E., Transmutation der Schmetterlinge in Folge Temperaturände- rungen. Experimentelle Untersuchungen über die Phylogenese der Vanessen. Berlin. 36 pag. 1895.

—— Neue experimentelle Untersuchungen und Betrachtungen über das Wesen und die Ursachen der Aberrationen in der Faltergruppe Va- nessa. Berlin. 67 pag. mit 12 Abbildungen und 2 Tafeln. 1896.

—— Zwei sonderbare Aberrationen von’Vanessa antiopa und eine neue

Methode zur Erzeugung der Kälteaberrationen. Sonderdruck aus der »Illustr. Wochenschr. für Entomologie<. Neudamm. 7 pag. 1897.

—— Beiträge zur experimentellen Lepidopterologie. Illustr. Wochenschr. für Entomologie. Neudamm. Bd. II: Nr. 33, p. 513—516; Nr. 37, p. 577 —583; Nr. 38, p. 595—600; Nr. 44, p. 689—695; Bd. III: Nr. 4, p. 49 —53; Nr. 12, p. 181—183; Nr. 16, p. 241-243; Nr. 17, p. 262-264. Nr. 18, p. 278—280; Nr. 23, p. 354—357. 1898. Bd. IV: Nr. 3, p. 33 —34; Nr. 5, p. 67—69. 1899.

—— Experimentelle kritische Untersuchungen über das procentuale Auf- treten der durch tiefe Kälte erzeugten Vanessen-Aberrationen. Societas entomologiea. XIII. Nr. 22. p. 169—171; Nr. 23, p. 177—179. 1899,

GIRARD, MAURICE, Etudes sur la chaleur libre degagee par les animaux invertebres et speeialement les insectes. Ann. des sciences naturelles. Zoologie. 5e serie. XI. p. 134—274. 1869.

—— Les möthodes experimentelles pouvant servir & rechercher la chaleur propre des animaux articules et specialement des inseetes. Paris 1862.

—— Recherches sur la chaleur des artieul&s. Ann. Soc. entomolog. de France. TomeI, p.503—508. 1861; TomelII,p.345—347. 1862. Tome III: p. 92—98. 1863.

GRABER, VEIT, Thermische Experimente an der Küchenschabe (Periplaneta orientalis). Arch. für die gesammte Physiologie des Menschen und der Thiere von PFLÜGER. Bd. XLI. p. 240—256. 1887.

HAUSMANN, De animalium exsanguinum respiratione. Gottingae 1803.

HUBER, P., Recherches sur les moeurs des fourmis indigenes. Aveec 2 pl. Paris et Geneve 1810.

—— The natural History of ants, translated from the French with notes, by J. R. Joussox. London 1820.

HUBER, FRANcoIs, Nouvelles observations sur les abeilles. 2e edition, consi- derablement augmentöe (par son fils PIERRE HugBer). 2 Tomes. Paris et Geneve 1792—1514.

—— Neue Beobachtungen über die Bienen, in Briefen an BOnNET. Aus dem Französischen mit Anmerkungen und Zusätzen vermehrt von RıEm. Dresden 1793.

—— Neue Beobachtungen über die Bienen. VoısGT’s Magazin für den neuesten Zustand der Naturkunde, mit Rücksicht auf die dazu ge- hörigen Hilfswissenschaften. Bd. VIII. p. 433—434, 1804,

30. 1. 32, 33. 34. 35. 36. 37.

38.

39. 40. 4. 2.

43. 44,

45. 46.

47.

dl,

Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 603

HUNTER, Philos. Trans. 1792.

JucH, CARL WILHELM, Ideen zu einer Zoochemie, systematisch dargestellt. Mit Zusätzen und einer Vorrede versehen von JOH. BARTHOLOMÄ TROMMSDORFF. Erfurt 1800.

Kırey u. Spence, Einleitung in die Entomologie. Übersetzt von OkEn. Er 9.497.

Kocas, W., Kann die Kontinuität der Lebensvorgänge zeitweilig völlig unterbrochen werden? Biologisches Centralblatt. Bd. X. p. 673. 1890.

—— Über die Vorgänge beim Einfrieren und Austrocknen von Thieren und Pflanzen. Ebenda. Bd. XII. p. 330. 1892.

KOSCHEWNIKOw, T., Über die Bedeutung der die Bienen umgebenden Luft- temperatur für ihr Leben und über die Temperatur der Bienen selbst. Russische Bienenliste. 1895—1896. (Russisch.)

KurAcm, N., Zur Biologie von Ocneria dispar in Russland. Sonderdruck aus der »Illustr. Wochenschr. für Entomologie.<c Neudamm.

—— Beobachtungen über die Temperatur der Bienen im Bienenstock von Route. Journ. der Land- und Forstwirthschaft. Bd. CLXXXIX. Nr. 4. p. 163—169. Moskau 1898. (Russisch.)

LEcog, H., De la transformation du mouvement en chaleur chez les animaux. Comptes rendus des seances de l’Acad. des sciences. Paris. Tome LV. p. 191—192. 1862.

LEWITH, S., Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. XXVI. p. 341. 1890.

MERRIFIELD, F., Transact. Entom. Soc. p. 425. 1884.

MoLm, R., Das Leben und die rationelle Zucht der Honigbiene. Wien. XII + 212 pag. mit 31 Grav. 1880.

MÜLLER-ERZBACH, Die Widerstandsfähigkeit des Frosches gegen das Einfrie- ren. Zool. Anz. p. 383. 1891.

MusseHL, Über das Winterleben der Stockbiene. Oxknw’s Isis. p. 572. 1836.

NEWPORT, GEORGE, On the Temperature of Insects, and its connexion with the Functions of Respiration and Circulation in this Class of Inverte- brated Animals. Philosophieal Transactions of the Royal Society of London. Vol. CXXVII. Part. II. p. 259—339. 1837.

—— Philos. Transaet. Part. II. p. 551. 1836.

NICOLET, HERCULE, Recherches pour servir & l’histoire des Podurelles. M&m. de la societe helvetique. Tome VI, avec 9 planches. 88 pag. 1841. Parallel-Titel: Neue Denkschriften der allgemeinen Schweizer Gesell- schaft für die gesammten Naturwissenschaften.

NoBIL1 et MELONI, Recherches sur plusieurs ph&enome£nes calorifiques entre- prises en moyen du thermomultiplicateur. Ann. de phys. et chim. Tome XLVIII. p. 198—217. 1831.

PoTECHIN, L., Nachschlagebuch für die Bienenzüchter. St. Petersburg 1891. (Russisch.)

PoucHgr, F. A., Recherches experimentales sur la cong&lation des animaux. Ropın’s Journal de l’anatomie et de physiologie. III. p. 1. 1866.

REAUMUR, M&moires pour servir & l’histoire naturelle des insectes. Pariser Ausgabe: I. 1734; II. 1736; III. 1737; IV. 1738; V. 1740; VI. 1742; Amsterdamer Ausgabe: I. u. II. 1737; III. 1738; IV. 1740; V. 1741; VI. 1748.

REGNAULT, Ann. de phys. et chim, serie. XXVI. p. 517, 1819,

604

52.

59.

54.

58.

59.

60.

61.

62.

63.

64.

65. 66.

P. Bachmetjew, Über die Temperatur der Insekten ete.

REICHENAU, W. v., Die Züchtung des Nesselfalters (Vanessa urticae L.), ein Beweis für den direkten Einfluss des Klimas. Kosmos. V. 12. p. 46. 1882.

RENGGER, J. R., Physiologische Untersuchungen über die thierische Haus- haltung der Insekten. Tübingen 1817.

RÖöpDEL, Hu6o, Über das vitale Temperaturminimum wirbelloser Thiere. Zeitschr. für Naturwissenschaften. Vierte Folge. LIX. V. Bd. p. 183 —214. 1886.

SACHS, JULIUS, Gesammelte Abhandlungen über Pflanzenphysiologie. Bd. I. Leipzig 1892.

SCHULTZE, MAx, Das Protoplasma der Rhizopoden und der Pflanzenzellen. p. 48. 1863.

Schurz, H., Über das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Stoffwechsel und Körpertemperatur bei Amphibien und Insekten. Inaug.-Dissert. Bonn 20 pag. 1877.

SEMPER, CARL, Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. Mit 106 Abbild. und 2 lithograph. Karten. 1. Theil. X + 299 pag.; 2. Theil. VIII + 296 pag. Leipzig 1880. (Bildet Bd. XXXIX u. XL der inter- nationalen wissenschaftlichen Bibliothek.)

SPALLANZANI, LAZARO, Trois memoires sur la respiration, traduits en fran- gais, d’apres le manuserit inedit de l’auteur, par J. SENEBRER. Geneve 1803.

STANDFUSS, M., Experimentelle zoologische Studien mit Lepidopteren. Denk- schrift der Schweiz. Naturforsch. Gesellsch. Bd. XXXVI. 831 pag. mit 5 Tafeln in Lichtdruck. 1898.

Tımm, D., Die Biene und die Bienenwohnung. Güstrow 1882.

WEISMANNn, Aug., Über den Saisondimorphismus der Schmetterlinge. Leipzig. 94 pag. und 2 Tafeln. 1875.

—— Neue Versuche zum Saisondimorphismus der Schmetterlinge. Zoolog. Jahrbücher. Jena. Bd. VIII. 74 pag. 1895.

WymaAn, Proc. of the Boston Society of Nat. History. Tome V. p. 157. 1856.

ZELLER, Meteorolog. Zeitschr. p. 274. 1894.

ZIESIELSKI, Bienenzucht, gegründet auf Wissenschaft und langjähriges Praktikum. Übersetzt ins Russische von J. W. LuBARskı. Kasan 189. (Russisch.)

Aus dem Gebiete der Regeneration. Von Eugen Schultz.

Mit Tafel XXXVI und XXXVI.

(Aus dem Zoologischen Laboratorium der K. Universität zu St. Petersburg.)

Über Regeneration der hinteren Körperhälfte bei Polychäten.

Das Material für die vorliegende Untersuchung hatte ich auf der zoologischen Station zu Roscoff (1897) und den Sommer darauf auf der biologischen Station auf der Insel Solovetzky im Weißen Meere sesammelt. Für die gastfreundliche Aufnahme im ersteren Laborato- rıum erlaube ich mir Herrn Akademiker LACAZE-DUTHIERS sowie allen Angestellten daselbst meinen besten Dank auszusprechen, der Besuch der zweiten Station wurde mir durch die Unterstützung der St. Peters- burger Naturforschergesellschaft ermöglicht, wofür ich auch ihr meinen "tiefsten Dank sage, sowie auch vor Allem Herrn Prof. SCHIMKEWITSCH, auf dessen Anregung und unter dessen Leitung und Überwachung die vorliegende Untersuchung ausgeführt wurde.

Als Objekte für meine Untersuchungen dienten mir die Gattungen Harmotho&, Phillodoce, Nephthys und einige Sabelliden. Die klarsten Resultate ergab Harmotho&, auf ihr sind meine Schlussfolgerungen begründet; die anderen Formen dienten mir nur zu Vergleichungen und zur Kontrollirung. Meine Untersuchungen beschränken sich auf das regenerirende hintere Ende der genannten Polychäten.

Das Regenerat war anfänglich stets dünner und kleiner als normal (Fig. 1, 2) und wuchs immer nach dem BarrurrH’schen Ge- setze senkrecht zur Durchschneidungsfläche, so dass der regenerirende Theil oft mit dem alten einen Winkel bildete. War der Schnitt aber sehr schräg geführt, so dass nur die eine Seite eines Degmentes übrig blieb, so wurde dieses ganz ausgeschlossen und fiel mit der Zeit ab, so dass auf solche Weise ein schief gewachsenes Regenerat wieder seine normale Richtung einnahm.

606 Eugen Schultz,

Irgend welche Abweichungen in äußeren Artmerkmalen, wie ich sie selbst und auch Andere bei Regeneration von Arthropodenextre- mitäten beobachteten, wie sie auch bei der Regeneration des Eidechsen- schwanzes gesehen wurden, konnte ich nicht zu Gesicht bekommen. Augenscheinlich ist hier der ganze Regenerationsmechanismus voll- kommener, angepasster und lässt keine großen Schwankungen zu, was ja auch verständlich erscheint, wenn wir in Betracht ziehen, dass die Theilung und Regeneration oft sogar sich zu einem nor- malen Modus der Vermehrung erheben.

Die ausführliche, histologische Untersuchung ergab folgende Re- sultate: |

Enddarm.

Während die Untersuchungen über die Regeneration des Vorder- darmes zu ziemlich übereinstimmenden Resultaten geführt haben und es sich erwiesen hat, dass sich bei Regeneration ein typisches Stomodäum anlegt und folglich die Regeneration hier mit dem em- bryonalen Entwicklungsgange übereinstimmt, herrschen über die Regeneration des Enddarmes die widersprechendsten Angaben. Wir haben zwar eine Reihe sehr eingehender und gediegener Arbeiten, aber dennoch kann man die Frage kaum als entschieden ansehen, um so weniger, als in letzter Zeit die Arbeit HEpke’s (13), wie wir sehen werden, sich so unverbindend und schroif hineingedrängt hat, dass sie wieder in diese anscheinend so einfache Frage Verwirrung und Zweifel brachte.

Gehen wir zu einer kurzen Übersicht der von Anderen gewon- nenen Erkenntnisse über, damit es nachher klar liegt, auf welchen Beobachtungen wir fußen können. |

Miss RANDOLPH (22) (Lumbriculus) befasste sich zuerst mit der Frage. Sie schildert kurz und das Ganze nicht beweisend genug mit der Zeichnung illustrirend, wie sich das Ende des durchschnitte- nen Wurmes schließt, der Darm gleichfalls, sich vom Körperepithel zurückziehend, verwächst und sich dann ein typisches Proctodäum anlegt, welches als Sack dem Mitteldarm entgegenwächst und mit ihm verschmilzt.

WAGNER (30) (Lumbriculus), auf die Untersuchungen L. ScHMmiDT's sich beziehend, beschreibt den Verschluss des Ektoderms, das Zurück- ziehen des Darmes und das Wachsthum des letzteren, bis er das Ektoderm wieder durchbricht. Nach WaAgner’s Ansicht ist somit der

Aus dem Gebiete der Regeneration. 607

Enddarm entodermaler Herkunft, eine Schlussfolgerung, die wir später noch zu widerlegen haben werden.

RıEvEL (25) (OÖphryotrocha, Nais, Allolobophora, Lumbriecus) stimmt in seinen Beobachtungen mit WAGNER überein. Ein Proetodäum wird auch nach ihm nicht gebildet. Den Enddarm hält auch er, auf dem- selben logischen Irrthume fußend, für entodermal.

Durch WAGNER und RIEVEL schien die Frage über die Regene- ration des Enddarmes somit entschieden, als unerwarteter Weise die Arbeit Hepke’s (15) (Nais) alle früheren Untersuchungen umstürzen wollte. Er beschreibt, nach Verschluss von Körperepithel und Darm, ein Auswandern von Ektodermzellen zu dem Darmende. Diese Zellen bilden einen Strang, welcher ein Lumen erhält, das mit dem Lumen des Mitteldarmes verschmilzt und zum Enddarme wird. Somit wäre der Enddarm, wie es sich gehört, ektodermaler Herkunft.

Auch WAasner (31) (Lumbrieulus) veränderte plötzlich seine An- sicht und beschrieb für den Vorderdarm die Bildung eines typischen Stomodäums. Diese Beobachtung bezog sich freilich nur auf den Vorderdarm, aber sie warf zu gleicher Zeit einen Zweifel auf seine eigenen und RıEvEL’s sich auf den Enddarm beziehenden Beobach- tungen, um so mehr, da die Arbeit Herke’s vorlag.

v. Bock (2) (Chätogaster) schien indirekt die älteren Beobach- tungen rehabilitiren zu wollen. Bei Knospung beschreibt er ein Ver- löthen der Ränder des Körperepithels mit denjenigen des Darmes und _ findet keine ektodermale Einstülpung. Gleichzeitig fast arbeiteten an der Frage Mıcakr, (20) (Allolobophora, Lumbrieulus, Arieia, Cirratulus, Nerine, Phyllodoce, Nephthys) und Haasz (8) (Tubifex), aber auch hier wurde keine Übereinstimmung erzielt. MicHEL beschrieb, dass die Darmwand gleich nach der Operation mit dem Rande des Körper- epithels verschmilzt, dass also die Darmöffnung während der ganzen Regenerationsperiode persistirt; Haase dagegen lässt den Darm sich schließen und vom Körperepithel umwachsen werden. MiıcHEL sah keine ektodermale Einstülpung, Haase lässt das Ektoderm in das Darmlumen hineinwachsen. |

Und doch stehen sich die Angaben MicHer’s und Haase's nicht so schroff gegenüber, wie sie es selbst glauben. Nach dem, was ich gesehen habe, muss ich eine vermittelnde Stelle zwischen ihnen einnehmen und sehe es auch für vollständig möglich an, meine Beobachtungen mit denjenigen WAGnERr’s, RIEvEL’s und v. Bocx’s in Einklang zu bringen. Nur die Hrpke’schen Resultate muss ich direkt als falsch bezeichnen, sowie aüch die frühere An-

608 Eugen Schultz,

sabe von RANDOLPH über Anlage einer typischen Ektodermeinstül- pung (Proctodäum).

Betrachten wir zuerst, was gleich nach Durchschneidung der Würmer mit dem Darme geschieht. Nach den meisten Autoren schließt . sich Darm und Körperepithel, nach MiıcHEL nicht. Nun konnte ich Folgendes beobachten. In einigen Fällen sah ich wirklich den Darm sich zurückziehen, das Körperepithel sich über ihm schließen, die Darmwände mit einander verwachsen. Sehr bald schon, oft am dritten Tage, bricht der Darm wieder durchs Körperepithel durch, und seine Wände verwachsen mit dem Epithel des Körpers. Diese Beobach- tungen würden also mit denjenigen WAGNER’s, RIEVEL’s und HaAAsr’s übereinstimmen. In anderen Fällen sah ich aber oft, bei Harmotho£- ‘Arten sogar fast immer, dass der Darm sich nicht zurückzog, das Körperepithel sich nicht schloss und dass die Darmwände direkt mit dem Körperepithel verlötheten. Dies würde mit der Beschreibung Mıcner’s übereinstimmen. Ziehen wir noch die Angaben RıEvEL’s und HESCHELERr’s (14) heran, welche gleichfalls eine bleibende Öffnung des Darmes in einigen Fällen beobachteten, sie aber für einen zu- fälligen Durchbruch desselben hielten, so müssen wir den Satz auf- stellen, dass bei Regeneration des hinteren Endes von Anneliden sich das Körperepithel oft über dem Darme schließt, oft der letztere aber gleich mit der Körperwand verlöthet und die ganze Zeit nach außen geöffnet bleibt. Wenn wir in Betracht ziehen, dass die Art der Ver- letzung, also auch der Ausgangspunkt der Regeneration unendlich mannigfach sein kann, so ist es eben wunderbar genug, wenn diese atypischen Ausgänge dennoch zu typischem Ende führen, die Wege aber zu diesem Ziele müssen eben so mannigfach sein, wie die Ausgangspunkte. Wir müssen uns hier das Wort Roux’s in Erinne- rung rufen, »dass die Produkte konstanter sind, als die speciellen Arten ihrer Herstellung«.

Sehen wir schon in der embryonalen Entwieklung, wo doch der Ausgangspunkt ein typischer ist, Schwankungen im Gang der Ent- wicklung, wie viel größer müssen diese Schwankungen bei der Re- seneration sein. Im vollständigen Ignoriren dieser Schwankungen scheint mir die Ursache der großen Uneinigkeiten zu liegen, die immer in Fragen der Regenerationsprocesse auftreten. Hier ist ein strenges Dogmatisiren schwer und gefährlich. Nur die konstantesten Processe können hier ein theoretisch morphologisches Interesse be- anspruchen.

Nach Durchbruch oder Verlöthung des entodermalen Darmepithels

Aus dem Gebiete der Regeneration. 609

mit dem Körperepithel treten die anderen regenerativen Processe ein, die mit dem Wachsthum des hinteren Endes verbunden sind. Da das Wachsthum der Bauchseite schneller vor sich geht, wie das- jenige der Rückenseite, so liegt der neu gebildete Anus weit an der Rückenseite, über den Aftercirren. KoRsScHELT (17) sieht in diesem stärkeren Wachsthum der Bauchseite einen Anklang an den embryo- nalen Process bei Lumbricus, wo ja auch die Bauchseite so viel schneller sich entwickelt, als die Rückenseite.. Da meine Unter- suchungen (und auch diejenigen MicHer’s) dasselbe Verhalten bei Regeneration von Polychäten aufweisen, bei denen wir in der embryo- nalen Entwicklung keinen Unterschied im Wachsthum der Bauch- und Rückenseite bemerken, so können wir in deren anfänglichen Rücken- lage des Afters wohl kaum einen Anklang an ontogenetische Vor- gänge erblicken.

Wenn der regenerirende Wurm schon mehrere neue Segmente gebildet hat, so sehen wir auch den Mitteldarm weiter wachsen, wir sehen in ihm viele Mitosen auftreten. Überhaupt geht sein Wachs- thum wohl im Ganzen sehr schnell vor sich, denn anfänglich ragt der Enddarm oft noch ein Stück aus dem After hinaus (Fig. 3), nachher bildet er Aussackungen und Erweiterungen im analen Theile (Fig. 4). Später scheint sein weiteres Wachsthum dann aufzuhören und die Aussackungen gleichen sich aus: der Darm bekommt seine natürliche Gestalt. Was aber höchst merkwürdig ist, und worin meine Beobachtungen mit denjenigen Haasr’s aus einander gehen, ist, dass ich selbst bei vollkommen regenerirten Würmern, wie z. B. bei einer Nephthys, deren regenerirtes Hinterende als ein solches nur noch durch seine hellere Färbung zu erkennen war, dass ich selbst bei ganz ausgewachsenen Regeneraten keine Spur eines ektodermalen Enddarmes entdeckte (Fig. 5). Der Mitteldarm endet direkt am Anal- _ rande und seine Grenze mit dem Ektoderm ist scharf und deutlich. Ein Enddarm wird folglich überhaupt nicht gebildet. Dieses ist nicht so wunderbar, schon SPALLANZANI wusste, dass lange nicht Alles re- senerirt, was wir abschneiden. Wenn wir in Betracht ziehen, dass der Enddarm bei Polychäten überhaupt sehr kurz ist und allem Anscheine nach wohl kaum eine große physiologische Bedeutung hat, so scheint uns ein solches Nichtregeneriren des Enddarmes ziem- lich zweekentsprechend. Hier findet wohl auch in gewissem Sinne eine funktionelle Anpassung des Mitteldarmes an die Funktionen des Enddarmes statt, die um so vollständiger sein kann, da die das Afterende in allen Richtungen durchziehenden Muskelfasern gemein-

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 40

610 Eugen Schultz,

sam mit der gewöhnlichen Ringmuskulatur des Mitteldarmes sehr wohl den Sphinkter vertreten können.

Schon öfters haben wir gesehen, dass unwichtige Organe nicht regenerirt werden. WAGNER, RIEVEL, v. Bock sahen gleichfalls keinen ektodermalen Enddarm sich bilden, folgerten aber daraus unbegreiflicher Weise, dass der Enddarm aus dem Entoderm gebildet werde. Und diese unlogische Schlussfolgerung wurde überall wieder- holt und sehr ernst genommen als ein schwerer Beweis gegen die Keimblätterlehre. Es beweist aber nur, wozu das Unkritische unserer zoologischen Litteratur führen kann. Beobachtung kann freilich nur durch Beobachtung kritisirt werden. Aber der Übergang von der Beobachtung zur Schlussfolgerung, die Geistesarbeit des Forschers könnte von jedem denkenden Zoologen überwacht werden. Da also eine Regeneration des Enddarmes nicht stattfindet und sich kein Proctodäum bildet, so müssen wir auch der Schlussfolgerung BüLow’s, dass »bei den Oligochäten caudale und embryonale Keimschichten dynamisch gleichwerthige Primitivorgane sind«, ihre Bedeutung für die Polychäten wenigstens absprechen.

Während, wie wir eben sahen, der Enddarm nicht regenerirt oder seine Stelle durch den auswachsenden Mitteldarm ausgefüllt wird, entstehen alle anderen Organe aus neuen Anlagen und nicht aus dem alten Gewebe vom selben Typus. Dank einer großen Reihe von Untersuchungen, welche sich eigentlich ausschließlich auf die Wirbelthiere bezogen, hatte sich das Gesetz formulirt, dass jedes re- senerirende Gewebe aus dem alten Gewebe vom selben Typus ent- steht: Nerv von alten Ganglien, Muskeln aus alten Muskelkernen ete. Dieses »Gesetz« konnte ich auch an regenerirenden Spinnenfüßen be- stätigen. Hier aber, bei Regeneration von Anneliden, findet es keine Anwendung. Bauchmark, Cölom und alle Muskeln entstehen neu, aus indifferenten Anlagen, und die alten Gewebe nehmen nur in so weit am Regenerate Theil, als sie ein geringes, normales Wachsthum zeigen, Dank welchem die Verlöthung mit den neugebildeten Organen hergestellt wird.

Bauchmark.

Dass das regenerirende Bauchmark ektodermaler Herkunft ist, darin stimmen alle Angaben überein. SEMPER (28) behauptete zwar den Hin- zutritt mesodermaler Elemente, doch wurde diese Ansicht einstimmig von KenxeL (15), BüLow (3), EMERY (4), RANDOLPH (22), MAKAROW (18), HEpke (13), v. Bock (2), HESCHELER (14), MicHeL (20) und HAASE

Aus dem Gebiete der Regeneration. 611

(8) widerlegt, so dass wir an der rein ektodermalen Herkunft des neuen Bauchmarkes wohl nicht mehr zweifeln können. Nur FRIED- LÄNDER (6) schreibt bei verletztem Bauchmarke den Leukocyten eine reseneratorische Thätigkeit zu, doch er selbst besteht nicht sehr auf dieser Ansicht; aus seinen Photogrammen lässt sich überhaupt nichts ersehen. Vielleicht sind diese sogenannten Leukocyten doch ein- sewanderte Ektodermzellen. Ob die regenerirende Bauchganglien- anlage paarig: ist, darüber gehen die Ansichten auch aus einander. Nach SEMPER, HEPKE, HAASE ist sie unpaar, nach BüLow und v. Bock paarig. Fast von allen Autoren, welche näher auf den Process ein- sesangen sind, wird das neue Bauchmark aus einwandernden Ektodermzellen (HrPkE, v. Bock, MicHhen und Haase) gebildet, wobei nach den einen (v. Bock, HESCHELER) das alte Bauchmark sich an der Regeneration betheiligt, nach den anderen (Hzpke, MicHEL) nicht.

Das neue Bauchmark ist ektodermaler Herkunft. Bald nach Schluss der Wunde lest das Neurogliagewebe sich um den durch- schnittenen Stumpf an (Fig. 6 nor), denselben schützend. Doch bevor noch dieses Gewebe eine größere Dicke erreichen kann, bricht das alte Bauchmark von Neuem durch und wächst auf die alte Wunde los (Fig. 6 rechts). So sah es auch HescHELer. Dieses fortwachsende alte Bauchmark besteht wohl nur aus Neurogliafasern, vielleicht auch aus einigen Ausläufern weiter nach vorn gelegener Ganglienzellen. - Man sieht in diesem Gewebe wohl unter den Fasern einige Kerne, die aber unzweifelhaft Neurogliakerne sind. Die Ganglienzellen des alten Bauchmarkes theilen sich nicht und nehmen an der Regeneration keinen Antheil. Nie habe ich eine karyokinetische Figur im alten Bauchmarke zu Gesicht bekommen; nie drangen die alten Ganglien- zellen nach hinten vor. Auf dieses Auswachsen der Neuroglia be- schränkt sich die regeneratorische Thätigkeit des alten Bauchmarkes; alles Andere wird neu aus dem Ektoderm angelegt. Hier entsteht somit neues Nervengewebe nicht aus altem, wie es für Wirbelthiere als allgemeine Regel angenommen wurde.

Sehr früh, früher als irgend ein anderes Gewebe, beginnt das Bauchmark sich neu zu bilden. Bei anderen Thieren (Wirbelthiere, Spinnen) entsteht es als komplieirteres Gewebe am spätesten. Hier bildet es sich wohl so früh, weil es ein direktes Derivat des Ekto- derms ist und weil auch im wachsenden Schwanzende der Anneliden sich Ektoderm fortgesetzt in Nervengewebe umwandelt. Wir sehen Jedenfalls daraus, dass eine allgemeine Stufenleiter für die Reihen-

40*

612 Eugen Schultz,

folge der Regeneration von Geweben aufzustellen wohl für einzelne Thiergruppen, nicht aber für das ganze Thierreich möglich ist.

Sehr bald treten karyokinetische Figuren im Ektoderm auf. Die Zellen vermehren sich und durchbrechen die Basalmembran,

. welche das Ektoderm nach innen abscheidet (Fig. 6). Zuerst sehen

wir nur einzelne Zellen immigriren. Sie legen sich ans Bauchmark an und haben den Habitus gewöhnlicher Ganglienzellen (Fig. 7). Andere Ektodermzellen wiederum theilen sich nieht, sondern ziehen sich in die Länge und geben Fortsätze, welche sich in das aus- wachsende und sich neu bildende Bauchmark versenken, es durch- setzend (Fig. 8), und somit das typische Neurogliagewebe bilden. Es ist interessant, dass man solche den Neurogliazellen sehr ähnliche Zellen, aber mit unverzweigtem Fortsatze, immer im Ektoderm findet, besonders an Stellen, wo dieses dicker wird und doch einschichtig bleibt. Für die Neurogliazellen ist somit die Umdifferenzirung der Ektoderm- zellen nicht groß. Dagegen muss sie für die Ganglienzellen recht be- deutend sein. Es ist interessant, dass wir hier eine solche Umdifferen- zirung genau beobachten können. Wir sehen, wie die Ektodermzelle sich von ihrer Hülle löst, sich theilt, dieselbe verlässt und zur Gan- glienzelle wird. Ich habe an normalem Ektoderm mit nicht geringem Fleiße nach Zellen gesucht, die man äußerlich als undifferenzirte an- sehen könnte, nach Zellen, wie wir sie bei knospungsfähigen Thieren (z. B. Loxosoma, Botryllus) dort auffinden, wo die Knospe sich ent- wickeln soll, aber stets vergebens.

Auf Querschnitten durch regenerirendes Bauchmark unterscheiden wir deutlich diese zwei Zellenarten: Neuroglia und Ganglien. Die Neurogliazellen nehmen immer die Mitte ein, legen sich aber, wenn auch in geringerem Maße, seitwärts ans Bauchmark an. Alle Zellen zwischen den Seitenneurogliazellen und der mittleren Lamelle werden zu Ganglienzellen (Fig. 8). Beide Zellenarten lassen sich schon nach ihren Kernen gut unterscheiden. Die Ganglienzellen‘ haben runde, kleinere Kerne, die sich stark färben; die Neurogliakerne sind groß, klar und enthalten immer ein oder zwei Kernkörper.

Das von mir gegebene Bild der Neuroglia könnte mit dem Schema Wawrzik’s (32) und den Ansichten Roupe’s (24) überein- stimmen, widerspricht aber der Ansicht HArLLer’s (9), welcher die subeutieulare Natur des Stützgewebes leugnet. Jedenfalls halte ich die ektodermale Natur der Neuroglia für über jeden Zweifel erhaben.

Dort, wo ein Seitennerv gebildet werden muss, sehen wir außer der mittleren Lamelle keine Neurogliazellen (Fig. 9), da ja der Seiten-

Aus dem Gebiete der Regeneration. 613

nerv selbst, rings von Muskulatur und Epithel eingeschlossen, keiner weiteren Stütze bedarf. Der ganze Raum wird von Ganglienzellen eingenommen, welche direkt aus dem Ektoderm stammen. Somit haben die Seitennerven dieselbe Entstehungsweise wie der mittlere - Theil des Bauchstranges und sind, entgegen der Meinung SEMPER’s, gleichfalls ektodermaler, nicht mesodermaler Natur. Wenn wir Fig. 9 mit Fig. 10 vergleichen, so sehen wir deutlich, dass schon im rege- nerirenden Bauchmarke die Segmentirung eintritt. Fig. 9 geht durch das Ganglion, Fig. 10 durch die hier so kurzen Längskommissuren. In einem Falle geht die mittlere Lamelle bis zum unteren Theile des Bauchmarkes, im zweiten Falle durchbricht sie dasselbe. Ob es diese Neurogliafasern sind, welche die Kommissuren verursachen?

Noch eine kleine Bemerkung muss ich einschalten. Nach HaasE bildet sich das neue Bauchmark von einem Punkte aus und diese Stelle bleibt bei weiterer Regeneration des hinteren Endes weit vor dem After liegen. Ich habe Bilder (Fig. 11) erhalten, welche bei Hüchtiger Betrachtung die Ansicht Haase’s stützen könnten. Aber sowohl auf Querschnitten, als auch an der vorliegenden Zeichnung sieht man sehr wohl, dass das neue Bauchmark fast bis zum After neu gebildet ist (2), aber da die Faser und Punktsubstanz noch sehr dünn ist, so fällt dieses neu regenerirende Bauchmark nicht in die Augen. Wenn dieses neue Bauchmark dicker wird und bei weiterem Wachsthum des hinteren Endes horizontaler zu liegen kommt, so verbindet es sich mit dem alten und die Grenze zwischen alt und neu wird endgültig verwischt. Die Regeneration des Bauchmarkes geht somit an der ganzen Bauchseite des Wurmes vor sich und nicht an nur einer Stelle desselben.

Cölom.

SEMPER (28) war der Erste, der seine Aufmerksamkeit auf die regenerative Bildung des Cöloms lenkte. Er gab es als wahrschein- lieh an, dass das »Mesoderm« sich aus dem Ektoderm bilde, und beschrieb eine unpaare Mesodermplatte auf der Neuralseite, die, zwischen sich die Chorda lassend, paariges Cölom wird. Diese An- sabe stand der Wahrheit sehr nahe, entsprach aber den nachher auftauchenden und sich breit machenden Theorien nicht. KENNEL (15) suchte daher das neue Mesoderm auf das alte zurückzuführen und BöLow (3) ließ zwei Keimstreifen aus der Stelle, wo Ekto- und Entoderm in einander übergehen, hervorwachsen. EMERY (4) unter- suchte nicht die Herkunft des Cöloms, er sah es fertig und sah die

614 Eugen Schultz,

Längsmuskeln aus ihm hervorgehen. Pruvor (21) führte wieder das neue Mesoderm auf alte Peritonealzellen zurück. Miss RAnDoLPpH (22) beschrieb darauf einen Vorgang, in welchem es schwer ist, sich zu- rechtzufinden. Nach ihr bildet sich das Mesoderm aus Neoblasten Chordazellen SEMPER), welche sich in eine mediane und zwei seitliche Massen anordnen. Aus der medianen Masse bildet sich das ventrale Mesenterium und die ventralen Blutgefäße. Die seitlichen Massen ergeben die seitlichen Mesodermorgane. Außerdem sah sie kleine Zellen, welche wahrscheinlich die Ringmuskulatur, die dorsale Längsmuskulatur und dorsale Blutgefäße geben sollten. Das dor- sale Mesoderm entsteht demnach getrennt vom ventralen; eine An- sicht, deren Entstehen uns in der weiteren Auseinandersetzung begreiflich werden wird. MAkArow (18) beschreibt in einer ganz kurzen Mittheilung ein zweifaches Mesoderm. Das eine soll aus zwei am Anus gelegenen Entodermdivertikeln entstehen (wir haben es wohl hier nur mit jenen durch schnelles Wachsthum des Mittel- darmes entstandenen Aussackungen zu thun), das andere entsteht aus zwei seitlichen ventralen Ektodermverdickungen, welche zum Cölom werden. Während alle genannten Autoren die Herkunft des Meso- derms entweder unentschieden lassen, oder ganz irrthümliche Angaben machen, beschreibt erst HEPRE (13) ganz richtig, dass sich das »Mesoderm« aus eingewanderten Ektodermzellen bilde. Diese Ein- wanderung geschieht an der Stelle, wo Ektoderm in Entoderm über- geht. Dieser ungeordnete, zwei Platten bildende Haufen sondert sich in Cölom, zwischen je zwei Cölomsäcken eine Zellenreihe zurück- lassend, welche zum Dissepiment wird. Aus diesen Cölomanlagen sehen die Längsmuskulatur, Nephridien, Seitenlinie, die Dissepimente, Leberzellen und Blutgefäße hervor. Nur die Ringmuskulatur bildet sich direkt aus dem Ektoderm. Demnach beschrieb HEPKE richtig die ektodermale Herkunft des Cöloms und die doppelte Herkunft des Mesoderms (Cölom und Ringmuskulatur), trotzdem er Alles nicht genau genug verfolgte und sich auch nicht der Tragweite seiner Be- obachtungen recht klar war. Erst die Arbeit MicHer’s (20) brachte mehr Klarheit in die Frage und er hätte sie gewiss zu vollstän- diger Klarheit gebracht, wenn er ein dankbareres Material, als es gerade Nephthys und Phyllodoce unter den Polychäten ist, gehabt hätte. Er unterscheidet zweierlei Mesoderm: Cölom und Mesenchym. Das letztere hat vielerlei Ursprung: Es entsteht aus immigrirenden Ektodermzellen, aus Cölom und vielleicht auch aus dem Entoderm. Das Cölom (bande germinalle) entsteht aus immigrirenden Ektoderm-

Aus dem Gebiete der Regeneration. 615

zellen und wird durch die ventrale Längsmuskulatur in zwei Blätter getheilt: in ein neurales-epidermales und ein eigentlich mesodermales. Die Theilung in Cölomsäcke geschieht durch ektodermale Dissepi- mente.

Nach dieser kurzen Litteraturübersicht gehe ich direkt zur Be- schreibung meiner Befunde über, mich weiterhin an keine der eitir- ten Arbeiten haltend. Sie sind alle zu widerspruchsvoll und die meisten Ansichten werden nicht einmal durch Zeichnungen genügend illustrirt, so dass man ihre Entstehung nicht verfolgen kann. Selbst die eißige und achtbare Arbeit MıcHer’s lässt sich nicht klarlegen.

Das Cölothelium entsteht in der nächsten Umgebung des Bauch- markes durch Immigration von Ektodermzellen (Fig. 12). Eine feste Grenze zwischen der Anlage des Bauchmarkes und der Cölomanlage lässt sich nicht feststellen. Das Ganze erinnert sehr an die Bilder, welche KLEINENBERG (16) uns über die Bildung der ventralen Muskel- platten aus Neuromuskelanlagen gegeben hat. Ziehen wir noch in Betracht, dass die Immigration der Zellen der ganzen wachsenden Bauchseite entlang vor sich geht, also in gewissem Sinne segmental ist (Fig. 13), so wird die Ähnlichkeit mit den KLEIENBERG’schen Befunden noch größer. Auch Meyer (19) sah an demselben Objekte ein enges Nebeneinander der Bauchmark- und Cölomanlage, glaubt, dass beide Anlagen aber dennoch selbständig sind und nur nahe an einander gerückt erscheinen. Das wäre ja dann nur ein Wort- - streit, wenn nicht gegen die KLEINENBERG’sche Anschauung ent- schieden der Umstand spräche, dass wir es in unserem Falle durch- aus nicht mit einer Muskelplatte, sondern mit echtem Cölom zu thun haben, aus welchem sich nicht nur Muskeln, sondern auch ein Theil der Nephridien, Chloragogenzellen und vielleicht auch gar Geschlechts- zellen entwickeln. Ein solches Organ aber hätte ja auch nach der Neuromuskeltheorie nichts Besonderes mit der Nervenanlage zu thun.

Gehen wir zu einer ausführlicheren Beschreibung des ganzen Herganges über. Das Cölom bildet sich durch Immigration von Ek- todermzellen, und zwar beginnt diese Immigration immer am hinter- sten auswachsenden Körperende, ventral, gleich vor den Aftereirren und zu beiden Seiten vom Bauchmarke. Karyokinetische Figuren sind häufig. Diese Zellen erfüllen den ganzen Raum zwischen der hin- teren Körperwand, den Seitenwänden des Körpers und stoßen nach vorn an die Wände des vor ihnen liegenden Cöloms. Beim weiteren Wachsthum des Körpers wachsen einige Ektodermzellen hinter dem

616 Eugen Schultz,

neugebildeten Cölom aus und bilden den mesenchymalen Theil des Dissepimentes, hinter welchem eine neue Immigration vor sich geht eine neue Cölomanlage etc. (Fig. 13). Dass die Mesenchymele- mente der Dissepimente, wie es schon MıcHEL angab, vom Ektoderm - abstammen, lässt sich leicht ersehen (Fig. 14 md). Das Wachsthum geschieht so schnell, dass sich die Zellen der mehr nach vom liegenden Cölomsäcke noch nicht vollständig geordnet haben, wenn das neue Cölom sich hinten anlegt; auch hat die Immigration noch nicht aufgehört und das Ektoderm sich noch nicht vom Cölomepithel ge- sondert (Fig. 13 cöl. T—cöl. IV). So sehen wir oft vier bis fünf Paar Cölomsäcke hinter einander noch in der Bildung begriffen. Dieser Vor- gang weist darauf hin, dass die Cölomanlagen, ob wir in ihnen frühere Gonaden oder Exkretionsorgane erblicken, jedenfalls in verschiedenen Körpergegenden eine unabhängig von der andern auftreten. So fasst es auch Ep. MEYER vom Standpunkte seiner Theorie auf (p. 319).

Die Entwicklung des Cöloms aus zwei Mesoblasten der embryo- nale Hergang ist gewiss eine cänogenetische Erscheinung, eben

so wie jede teloblastische Entwicklung. Ursprünglich entstanden natürlich Nerven, Muskeln und wahrscheinlich auch Cölom an der ganzen Körperoberfläche. Nehmen wir diese, von MEYER letzt- hin ausgesprochene Ansicht an, so kommen wir zu dem Schlusse, dass die Entwicklung durch Regeneration in diesem Falle einen ursprünglicheren Charakter sich aufbewahrt hat. Vielleicht sind regenerative Processe noch reich an solchen angenehmen Über- raschungen, an solchen alterthümlichen Hergängen, und bewahren uns Manches, was im embryonalen Geschehen längst verwischt ist.

Das Faktum, dass das Cölom bei Regeneration aus dem Ekto- derm seinen Ursprung nimmt und weder aus dem alten Mesoderm, noch aus dem Entoderm, ist zwar nicht überraschend, immerhin aber in der Hinsicht wichtig, als man oft und andauernd eine überlebte Theorie widerlegen muss, um sie endgültig todt zu machen.

Dass das Cölom sich nicht aus dem schon vorhandenen Mesoderm anlegt, ist in Verbindung mit dem von Ep. MEYER und gleich unten von mir beobachteten Faktum der vielfachen Herkunft des Meso- derms ein Beweis mehr, dass das Mesoderm überhaupt kein Keim- blatt ist. Mit Recht ging Ewmery (4) a priori von der Ansicht aus, dass die neuen Keimblätter aus den alten stammen müssen; ist dieses nicht der Fall, wie oben beschrieben, so haben wir es eben mit keinem Keimblatte zu thun.

Die Beobachtung, dass das Cölom bei Regeneration auf das Ek-

Aus dem Gebiete der Regeneration. 617

toderm zurückzuführen ist, stimmt mit den von KLEINENBERG (16), SALENSKY (27), BERGH (1), VEsDovsky (29) in der embryonalen Ent- wicklung angegebenen Herkunft überein. Entsteht ja auch das Cölom der Mollusken nicht aus Darmdivertikeln, sondern in Form von Urmesodermzellen oder sogar, wie nach MEISENHEIMER bei Limax, aus dem Ektoderm. Die hauptsächlich aus theoretischen Gründen behauptete entodermale Herkunft des Cöloms, welche von REPIACHOFF (23), GOETTE (7), ROULE (26), HATscHEk (11) u. A. ver- fochten wurde, hat auch unabhängig von den eben geschilderten Befunden, schon Dank der Kritik Ev. MeyEr’s, alle Wahrscheinlich- keit eingebüßt. Andererseits aber ist der regenerative Vorgang schwer mit der Ansicht MEyer’s in Einklang zu bringen, dass die Mesoblasten Blastomeren sind und auf keines der Keimblätter zurückgeführt werden können.

Wenn die Cölome auswachsen und sich ausweiten, treffen sie ventral zusammen und bilden das ventrale Mesenterium. Dorsal reichen die Cölomsäcke meist nicht über das Niveau des Darmes hinaus. Die ganze Rückenseite ist dann von primärem Muskelge- webe eingenommen, von welchem wir weiter unten sprechen werden. Hinter einander sind die Cölomsäcke durch die mesenchymatösen Theile der Dissepimente geschieden, die, wie erwähnt, durch hinein- wachsende Ektodermzellen, also primäres Mesoderm im Sinne MEYEr’s, entstanden sind (Fig. 14).

Die ersten Bildungen, die wir an dem auswachsenden Cölom erkennen, sind die Längsmuskeln die einzigen Muskeln, welche aus dem Cölom selbst entstehen. Auch darin sehen wir eine schöne Übereinstimmung mit den Angaben Mryer’s über Lopadorhynchus. Auch dort, in der embryonalen Entwicklung, wird die Längsmusku- latur aus dem Cölom gebildet. Wir sehen einzelne Cölomzellen der Somatopleura sich aus dem Verbande lösen und nach außen vor- rücken. Diese Zellen sondern von einer Seite die kontraktile Sub- stanz aus (Figg. 15 u. 16). Ob jede Zelle eine Muskelfaser ergiebt, wie HÄckER (12) und MEYER angeben und es auch wahrscheinlicher ist, oder ob eine ganze Reihe Myoblasten sich zusammenthun, um eine Faser zu bilden [HArscher (10), FrAıpont (5)], Konnte ich nicht bestimmen. Nach HÄckER und MEvEr aber scheiden die Muskel- zellen nicht aus dem Epithelverbande aus, was übrigens auch nur zum Theil vor sich zu gehen scheint, da auch die Cölomzellen direkt Muskelsubstanz bilden, wie auf Fig. 16 zu sehen ist.

Später erst treten in der Cölomhöhle auch die Nephridien und

618 Eugen Schultz,

die Chloragogenzellen auf, deren Bildung ich nicht ausführlich verfolgt habe.

Geschlechtszellen bilden sich, so weit ich es bei vielen voll- ständig ausgewachsenen Thieren untersuchen konnte, deren übrig gebliebener Theil Geschlechtszellen in Masse aufwies, in den rege- nerirten Theilen nicht. Dasselbe beobachtete auch HEPKE. Dieses scheint mir auch in vieler Hinsicht sehr wahrscheinlich. Alles Mesoderm können wir zwar auf Ekto- oder Entoderm zurückführen, nicht aber die Geschlechtszellen, diese sind Primitivzellen und von keinem Keimblatte abhängig, an dasselbe nur äußerlich gebunden. Sie können desswegen auch nie aus einem der beiden Keimblätter regenerirt werden.

Primäres Mesoderm.

Noch 1894 behauptet HArscHer, dass »das Mesenchym genetisch mit den Cölomsäcken verknüpft sei und dass das Mesoderm (im Sinne der älteren Terminologie) eine genetisch einheitliche Anlage sei, welche sich in mesepitheliale und mesenchymatöse Bildungen gliedere«. Das Mesenchym entsteht nach ihm durch Auswanderung von Meso- dermzellen aus dem ersten Cölompaare. Ohne weiter auf die vielen embryologischen Arbeiten einzugehen, welche bald seine Ansicht unterstützten, bald andere Quellen für das Mesenchym auffanden, verweise ich nur auf die gewissenhafte und zielbewusste Arbeit Meyver’s, welcher überzeugend genug nachwies, dass wir bei den Anneliden zweierlei Mesoderm haben: das primäre Mesoderm (primä- res Mesenchym), welches aus ektodermalen Neuromuskelanlagen ent- steht, und das Cölothel oder sekundäre Mesoderm.

Diese doppelte Herkunft des Mesoderms, welche in der embryo- nalen Entwicklung zu beweisen so viel Mühe kostete, tritt klar und unzweifelhaft bei der Regeneration zu Tage. Auch hier sehen wir die vollständige Tauglichkeit von Untersuchungen über Regeneration für phylogenetische Zwecke.

Das primäre Mesoderm, welches in der Larve aus dem Ekto- derm entsteht, hat auch bei der Regeneration denselben Ursprung. Es bildet alle Muskeln, außer der beschriebenen Längsmuskulatur, und das wenige Bindegewebe, welches wir bei Anneliden vorfinden.

Zum Theil entsteht dieses Mesoderm direkt ohne Neuromuskel- anlage durch Einwandern oder Eindringen von Ektodermzellen. So die Muskeln der schon oben beschriebenen Dissepimente. Sie drängen sich ventral seitwärts zwischen die Cölomsäcke (Fig. 14), wie es

Aus dem Gebiete der Regeneration. 619

schon MıcHer sah, und bedingen, wie oben bei Beschreibung des Cöloms erwähnt wurde, die Segmentirung desselben.

Alles übrige primäre Mesoderm entsteht aus Neuromuskelanlagen, in so weit wenigstens, als wir die Ringmuskulatur des Darmes igno- riren wollen. Die Herkunft derselben ist ganz dunkel. Wenn MicHer behauptet, sie entstehe aus dem Entoderm, so weiß er diese Be- hauptung durch nichts zu stützen. Mit der Splanchnopleura der Cölom- säcke scheint diese Muskulatur auch nirgends in Verbindung zu stehen; aber sie direkt mit dem übrigen primären Mesoderm aus theoretischen Gründen in einen Haufen zu werfen, haben wir noch kein Recht.

Als Neuromuskelanlagen haben wir vor Allem die Seiteneirren anzusehen, welche dorsal und ventral vom Borstensacke auftreten (Fig. 17), ehe noch die Anlage der Parapodien zu sehen ist. Die dorsalen Seiteneirren scheinen keine so wichtige Nebenrolle zu spielen, wie die ventralen. Die letzteren bilden aus ihren mittleren Theilen die Nervensubstanz, welche direkt in die Seitennerven des Bauchmarkes übergehen (Fig. 17 ve). Die weiter nach innen liegen- den Zellen dieser Neuromuskelanlage wandern weiter ein und bilden die Quermuskeln, welche sich vom Bauchmark bis zu den Parapodien hinziehen (Fig. 18). Jede Zelle ergiebt hier eine besondere Muskelfaser. Vergleichen wir unsere eben eitirten Zeichnungen und Befunde mit den Befunden MEYERr’s und seiner Fig. 116, so sehen wir, dass auch hier der regenerative Vorgang mit dem embryonalen übereinstimmt.

Eine den Seiteneirren homologe Neuromuskelanlage bilden die Analeirren. Ihr Charakter und ihr Bau ist bei erwachsenen Formen den Seiteneirren ganz ähnlich; ihre Bildung aber, wenig- stens bei der Regeneration, und ihre Rolle als Neuromuskelanlagen ist von den letzteren verschieden. Die Analeirren bilden sich sehr früh, ihre Bildung beginnt sogar früher als die Bildung irgend eines anderen Organs. Auch in der embryonalen Entwicklung treten sie ja sehr frühzeitig auf. Das Erste, was wir an der Stelle der zu- künftigen Analeirren beobachten, ist häufige Theilung des am Körperende gelegenen Ektoderms und theilweise Einwanderung des- selben (Fig. 19). Die nach innen einwandernden Zellen strecken sich und werden zu Muskelzellen (Fig. 19). Die Bildung geht hier noch der Bildung des Nerven voraus. Erst später bilden sich zwei Kegel aus jungen, ganz gleichen Ektodermzellen, welche sich darauf zum Theil in Stützzellen, zum Theil in Nervenzellen umwandeln, die sich direkt, wie auch bei den ventralen Seiteneirren, in das Bauch- mark fortsetzen.

620 Eugen Schultz,

Die Bildung von Muskelzellen hört auf diesem Stadium schon auf. Die aus diesen Neuromuskelanlagen hervorgegangenen Muskelzellen bilden die dorsale Muskulatur (außer den dorsalen Längsmuskeln), welche, ehe noch das Cölom dorsal zusammenstößt, die ganze Rücken- seite erfüllt. In wie weit es sonst an der Bildung der Blutgefäße oder vielleicht auch an der Bildung der Ringmuskulatur des Darmes Theil nimmt, ist zweifelhaft. Die Analeirren selbst entstehen sehr früh und wachsen zu beträchtlicher Länge aus, ehe noch die homo- logen Seitenorgane sich entwickelt haben (Fig. 1, 2).

Borstensäcke, Parapodien.

Es entsteht jedem Cölomsacke entsprechend ein Borstensack als ektodermale Einstülpung oder Einwucherung (Fig. 17, 18). Wie aus ihm oder unabhängig von ihm der zweite Borstensack sich ent- wickelt, konnte ich nicht zu Gesicht bekommen. Eine Invaginations- rinne, wie sie KLEINENBERG bei der Bildung des Borstensackes be- schreibt, konnte ich nicht sehen. Ventral und dorsal vom Borstensacke liegen die Cirren (Neuromuskelanlagen). Der Borstensack treibt, in den Körper hineinwachsend, das Cölomepithel vor sich hin, scheint es aber nirgends zu durchbrechen, wie es KLEINENBERG beschreibt. Wenn ein Durchbruch der Somatopleura vor sich geht, so geschieht es durch die ventralen Neuromuskelanlagen, welche die Quermusku- latur liefern (Fig. 18).

Borstensäcke und Seiteneirren entstehen, wie ich und viele An- dere vor mir sahen, getrennt. Erst nachdem sie angelegt sind und sich bedeutend entwickelt haben, erhebt sich das Ektoderm in ihrer Nähe zur Bildung der Parapodien (Fig. 20). Mit Recht sieht KLEINEN- BERG in ihnen sekundäre Gebilde zusammengesetzter Natur; die Ele- mente der Parapodien (Borstensäcke und Seiteneirren) sind von ihnen unabhängig entstehende Gebilde. Die dorsalen und ventralen Para- podien entstehen aus gemeinsamer Anlage, wie bei allen Errantia im Gegensatz zu den getrennt von einander sich anlegenden dorsalen und ventralen Parapodien der Sedentaria.

Aus allen geschilderten Processen ersehen wir, dass fast alle Organe im regenerirenden Theile der Polychäten neu angelegt und gebildet werden. Und zwar wird das Mesoderm vom Ektoderm her neu regenerirt. Entoderm und Ektoderm halten ihren Charakter als typische Keimblätter fest, nur das Mesoderm büßt seine Bedeutung

Aus dem Gebiete - der Regeneration. 621

als ein solches ein. Vor Allem ist es das Ektoderm, welches hier als Keimblatt par excellence auftritt. Und zwar sind es die ventralen Ektodermzellen, welche hier als Regenerationszellen fungiren. Wenn wir in Betracht ziehen, dass das Ektoderm der Bauchseite bei den Polychäten überhaupt keine eng specialisirte Aufgabe hat, und keine Schutzorgane, Borsten oder sonstige Gebilde trägt, welche mit einem Absterben der Zellen verbunden sind, so wird es uns sehr begreiflich, dass gerade hier die Zellen liegen, welche für eine etwaige Regene- ration ihre Fähigkeit beibehalten. Ohne mich für WEISMAnN oder O0. HERTwIG auszusprechen, will ich nur konstatiren, dass die Rege- nerationszellen auf der Bauchseite der Anneliden in Bänder gruppirt erscheinen (Fig. 21. Wirklich regeneriren die mittleren Zellen die Neuroglia, seitwärts von ihnen liegen die Regenerationszellen des Bauchmarkes, des Cöloms, der. Seitencirren und der Borstensäcke. Auf Fig. 21 habe ich diese Zellengruppirung dargestellt. So wären doch in jedem Segmente, gesondert von den entsprechenden Organen, Zellen vorhanden, welchen die etwaige Regeneration dieser Organe obliegt.

In der Anordnung dieser Regenerationszellen sowohl, als auch in allen regeneratorischen Processen sehen wir eine ziemlich voll- kommene principielle Übereinstimmung mit der embryonalen Ent- wicklung; freilich nicht wenn wir die Keimblättertheorie als das srundlesende Princeip aller Morphologie hinstellen wollen. Wenn es daher für v. Bock »den Eindruck erweckt, als ob der Organismus bei der regenerativen Neubildung in der Wahl des hierzu erforder- lichen Materials die größte Freiheit genießt und es eben daher be- zieht, wo das aus physiologischen oder rein mechanischen Gründen am geeignetsten erscheint«, so ist dieser Eindruck wohl kaum ein richtiger und enthält in sich eine Entwerthung aller Arbeiten über Regeneration.

Mir scheint es vollkommen möglich und angebracht, aus den, bei ungeschlechtlicher Vermehrung beobachteten, Vorgängen Rückschlüsse auf die Phylogenese zu ziehen. Auch der Grundsatz SEMPER’s, mit welchem er als Erster an die Untersuchung innerer Vorgänge bei der Regeneration von Anneliden herantrat, scheint mir nicht wider- lest, so viel man an ihm auch gerüttelt hat. Er sagt: »Ich ging von der Hypothese aus, welche Grundlage unserer modernen morpholo- gischen Untersuchungen ist: dass kein Glied eines Thierkörpers auf zweierlei typisch verschiedene Weisen innerhalb homologer Grup- pen entstehen könne«. Aller Streit natürlich geht um das Wort

622 Eugen Schultz,

typisch. Jedenfalls aber scheint mir das Gebiet der Regeneration kein solches zu sein, wo Alles vor sich gehen kann und gelegentlich auch »Wunder« geschehen.

St. Petersburg, 15. Mai 1899.

Litteratur.

1. R.S. BerGu, Über die Deutung der allgemeinen Anlagen am Ei der Clep- sinen und der Kieferegel. Zool. Anz. 9. Jahrg. 1886.

2. M. v. Bock, Über die Knospung von Chaetogaster diaphanus. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXXI. 1897.

3. C. BüLow, Die Keimschichten des wachsenden Schwanzendes bei Lumbri- culus variegatus. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883.

4. C. EmeRY, La regeneration des segments posterieurs du corps chez quelques Annelides Polychetes. Arch. ital. Biol. Tome VII. 1886.

5. J. FRAIPONT, Le genre Polygordius. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. Monographie. XIV. 1888.

6. B. FRIEDLÄNDER, Über die Regeneration herausgeschnittener Theile des Centralnervensystems von Regenwürmern. Diese Zeitschr. Bd. LX. 1895.

71. A. GOETTE, Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. I. Unter- suchungen zur Entwicklungsgeschichte der Würmer. 1882.

8. H. Haase, Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. mit besonderer Berücksichtigung des Darmkanals und Nervensystems. Diese Zeitschr. Bd. LXV. 2. Heft. 1898.

9. B. HALLER, Textur des Centralnervensystems höherer Würmer. Arbeiten aus dem zool. Institut der Univ. Wien. Bd. VIII. 1889.

10. B. HATSCHEK, Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Arb. Zool. Inst. Wien. Bd. I. 1878.

11. B. HATscHex, Über den gegenwärtigen Stand der Keimblättertheorie. Verh. der Deutsch. zool. Ges. Bd. III. 1894.

12. V. HÄCKER, Die spätere Entwicklung der Polyno&-Larve. Zool. Jahrb. Morph. Abth. Bd. VIII. 1895.

13. P. Hepke, Über histo- und organogenetische Vorgänge bei den Regene- rationsprocessen der Naiden. Diese Zeitschr. Bd. LXIII. 1897.

14. K. HESCHELER, Über Regenerationsvorgänge bei Lumbrieiden. II. Histo- u. organogenetische Unters. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXXI. 1898.

15. J. v. KENNEL, Über Ctenodrilus pardalis. Arbeiten Zool. Inst. Würzburg. Bd. III. 1876/1877.

16. N. KLEINENBERG, Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopado- rhynchus. Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1886.

17. E. KoRSCHELT, Über Regenerations- u. Transplantationsversuche an Lumbri- ciden. Verh. der Deutschen Zool. Gesellsch. Bd. VIII. 1898.:

Aus dem Gebiete der Regeneration. 623

18. N. MAKAROWw, Zur Frage über die Bildung neuer Segmente bei Oligo- chäten. (Russisch.) in: Zool. Anz. 18. Jahrg. p. 195—196.

19. ED. Meyer, Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Anneliden. (Russisch.) Arbeiten der Naturf. Gesellsch. bei der kais. Kasanschen Universität. Bd. XXXI. 4. Heft. 1897.

20. Aug. MiCHEL, Recherches sur la r&generation chez les Annelides. These. Lille 1898.

21. G. Pruvor, Sur la regeneration des parties amputees comparde ä la stolonisation normale chez les Syllid&s. Assoe. frang. Avanc. Sc. 1890.

22. HARRIETT RANDOLPH, The regeneration of the tail in Lumbriculus. Journ. of Morphol. Vol. VII. 1892.

23. BREPIACHOFF, Zur Entwicklungsgeschichte des Polygordius flavocapitatus und Saccoeirrus papillocereus. Zool. Anz. IV. 1881.

24. ROHDE, Histologische Untersuchungen über das Nervensystem der Poly- chäten. SCHNEIDER, Zool. Beiträge. Bd. II. 1890.

25. H. RıkrvEL, Die Regeneration des Vorderdarmes und Enddarmes bei eini- sen Anneliden. Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896.

26. L. RoULE, Sur la formation des feuillets blastodermiques chez une ann£lide polychete (Dasychone lucullana). Compt. Rend. Tome CV.

27. W. SALENSKY, Etudes sur le d&veloppement des ann&lides. II. Conelusions et reflexions. Arch. d. Biol. Tome VI. 1887.

28. C. SEMPER, Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. Die Knospung der Naiden. Arbeiten Zool. Inst. Würzburg. Bd. III. 1876 bis 1977.

29. F. VEIDOVsKy, Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. Prag 1888—1892.

30. FR. v. WAGNER, Bemerkungen über das Verhältnis von Ontogenie und Re- generation. Biol. Centralbl. Bd. XIII. 1893.

31. FR. v. WAGNER, Zwei Worte zur Kenntnis der Regeneration des Vorder-

darmes bei Lumbriculus. Zool. Anz. 1897.

32. E. WAwrzIK, Über das Stützgewebe des Nervensystems der Chätopoden. Bd. II. 1891.

Erklärung der Abbildungen. Allgemeine Bezeichnungen:

a, Anus; g, Ganglienzellen;

a.c, Analeirren; m.d, Mesenchym der Dissepimente;

b.m, Bauchmark ; n, Bauchmark;

b.s, Borstensack ; n.v.r, Neuroglia;

coel, Cölom; par, Parapodien;

coel.ep, Cölomepithel; qu.m, Quermuskeln;

d.e, Dorsaleirren ; s.n, Seitennerv;

d.l.m, dorsale Längsmuskeln ; v.c, Ventraleirren;

ect, Ektoderm; v.l.m, ventrale Längsmuskeln.

en, Entoderm;

624 Eugen Schultz, Aus dem Gebiete der Regeneration.

Tafel XXXVI und XXXVLII.

Fig. 1. Regenerirter Theil einer Harmotho&.

Fig. 2. Dasselbe.

Fig. 3. Verschmelzung des Mitteldarmes mit dem Körperepithel (Harmotho£).

Fig. 4. Frontalschnitt durch ein regenerirendes Hinterende einer Sabellide.

Fig. 5. Sagittalschnitt durch ein vollständig regenerirtes Hinterende einer Nephthys.

Fig. 6. Frontalschnitt durch regenerirendes Bauchmark (Harmothoߣ).

Fig. 7. Dasselbe.

Fig. 8. Regenerirendes Bauchmark (Harmothoe£).

Fig. 9. Querschnitt durch regenerirendes Bauchmark. Querkommissur (Harmothoß).

Fig. 10. Dasselbe. Längskommissur.

Fig. 11. Sagittalschnitt durch regenerirendes Bauchmark (Harmotho@). Der Schnitt ist etwas schräg geführt, so dass man an einer Stelle die neue Neuro- glia, an anderen die neuen Ganglienzellen sieht.

Fig. 12. Neu sich bildendes Cölomepithel. Querschnitt durch das regene- rirende Hinterende einer Harmothoe.

Fig. 13. Sagittalschnitt durch regenerirende Cölomsäcke einer Harmotho&@ (etwas schräg geführt).

Fig. 14. Neu sich bildende Cölomsäcke mit zwischen denselben eindringen- dem primärem Mesoderm (Harmothoß).

Fig. 15. Bildung der dorsalen Längsmuskeln (Querschnitt durch Harmothoß).

Fig. 16. Bildung ventraler Längsmuskeln (Querschnitt durch Harmothoß).

Fig. 17. Anlage der Borstensäcke und Cirren (Querschnitt durch Harmothoß).

Fig‘ 18. Anlage der Ventraleirren und Bildung der Quermuskeln (Quer- schnitt durch Harmothoß).

Fig. 19. Anlage der Analeirren (Sagittalschnitt durch Harmothoߣ).

Fig. 20. Bildung der Parapodien (Querschnitt durch Harmothoeß).

Fig. 21. Schema der Lagerung von Regenerationszellen an der Bauchseite eines Polychäten.

Zur Embryologie von Salpa maxima africana.

Von

Alexis Korotneff (Villafranca).

Mit Tafel XXXVIII—XL.

Diese meine Untersuchungen sind nach ihren Ergebnissen eine Vervollständigung der vor ein paar Jahren publieirten Arbeiten über Salpa runeinata-fusiformis; in den Hauptzügen erscheint die Entwick- lung dieser zwei Formen ziemlich gleichartig, das Material aber, das ich über Salpa maxima besaß, erlaubte mir meine Aufmerksamkeit mehr den ersten Erscheinungen der Entwicklung zu widmen, was ich ohne eigene Schuld bei der Salpa fusiformis vernachlässigte. | Professor ToDAro! hat die erwähnten Erscheinungen ziemlich - vollständig, was die Bildung der Polzellen, sowohl als auch die Be- fruchtung anbetrifft, beschrieben, aber schon theoretisch sind einige von seinen Ergebnissen kaum anzunehmen; bei der Befruchtung nimmt er zum Beispiel an, dass der männliche Kern in viele Frag- mente zerfällt, die sich dem weiblichen anschmiegen und mit ihm endlich zusammenfließen. Ich selbst habe nur die Bildung der Pol- zellen beobachtet, die Befruchtung aber fortgelassen, da diese bei der Salpa maxima mit Sicherheit kaum zu untersuchen ist. Ein günstiges Material in dieser Hinsicht wäre die Salpa pinnata, bei der die Em- bryonen der Kolonie nicht wie gewöhnlich dieselbe Entwicklungsstufe besitzen, oder sehr verschieden nach der Größe sind (wie bei der Dalpa zonaria), sondern sich successive nach einander folgen und eine ununterbrochene Entwicklungsserie bilden.

In toto, wie es überhaupt für alle Salpen der Fall erscheint, ist kaum viel zu sehen, da die Follikelwand eine Schieht von dicht ge-

i ToDARO, Studii ulteriori sulla sviluppo delle Salpe. Reale Accademia dei Lincei. Anno 1884—1885.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 41

626 Alexis Korotneff,

drängten Cylinderzellen bildet und desswegen wird man gezwungen, von Anfang an sich an die Schnitte zu wenden. Die ersten Erschei- nungen, die ich traf, sind von zwei successiven Schnitten (Fig. 1a und 15) abgebildet; wir finden hier nämlich, wie überall, einen gestielten

Follikel, der vom Ei nicht gänzlich ausgefüllt wird und einen be-

trächtlichen freien Raum enthält. Im Ei, das einen klumpigen Körper darstellt, ist ein ovales, glattes Keimbläschen vorhanden (Fig. 1a). Der nächste Schnitt durch denselben Follikel lässt uns an der Seite des Eies einen anderen Körper annähernd derselben Größe, oder sogar etwas größer sehen, in welchem auch ein Kern zu treffen ist; dieser Kern ist aber erstens wandständig und zweitens hat er ein geschrumpftes Aussehen, sein Inhalt ist grobkörnig und besitzt keinen Chromatinfilz, wie im ersten Falle; anders gesagt, dieser zweite Kern ist ohne Zweifel einem Reduktionsprocess unterworfen. Ich will gleich vorweg sagen, dass es sich hier um einen Polkörper handelt, der fast eben so groß, wie das Ei selbst ist. Das Ei wird hier also in zwei ungefähr gleiche Hälften getheilt und die eine Hälfte wird bald redueirt. Die erwähnten Verhältnisse sind möglicherweise noch klarer aus der Fig. 2 zu ersehen. In einem verlängerten Follikel, der auch nicht gänzlich ausgefüllt ist, befinden sich zwei Zellen, die bedeutend verschieden aussehen. Die eine Zelle besitzt einen rundlichen Kern und ein feinkörniges Plasma, die andere aber einen blasig aufgetrie- benen und unregelmäßigen Kern, der wasserhell aussieht; ihr Plasma ist auch hell und feinkörnig. Die erste Zelle ist unbestreitbar eine wahre Eizelle, die andere, die, wie gesagt, einer Reduktion unter- worfen, ist ein Polkörper. Die Eizelle scheint hier noch unbe- fruchtet zu sein, und in dem Lumen des Follikels fand ich einen Körper, den ich für ein Spermatozoid ansehe. Fast dieselben Ver- hältnisse konnte ich ein anderes Mal an einem anderen Follikel in toto finden (Fig. 3). Der plasmatische Körper, der sich im Follikel befindet, besitzt ein großes, ziemlich regelmäßiges Keimbläschen, in dem ein stark entwickeltes Chromatinnetz vorhanden ist und zu gleicher Zeit zwei helle bläschenförmige ungleich große Flecke. Eine Trennungslinie, die den erwähnten Körper in einzelne Zellen zerlegen könnte, ist hier nicht zu treffen. Das Keimbläschen gehört gewiss einer Eizelle, die hellen Flecken sind den Polzellen eigen und be- finden sich, wie es scheint, in einem regressiven Zustande. Es ist noch zu erwähnen, dass in demselben Follikel, oder genauer, in seinem frei gebliebenen Raume sich eine Anzahl von Spermatozoen befindet. Eine etwas weiter vorgeschrittene Erscheinung ist an der

Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 627

Fig. 4 zu sehen; es ist hier nämlich eine große Eizelle vorhanden, von der sich zwei grobkörnige Zellen abgetrennt haben und in die Follikelwand wie eingedrungen sind. In der Eizelle selbst befindet sich ein mächtiges Keimbläschen und hinter ihm ein ausgezogener Kern. Sind es nicht, wie TOoDArRoO meint, der männliche und weib- liche Kern, die im Begriff sind, sich zu vereinigen?

Meines Wissens besitzen wir hier das einzige Beispiel einer außerordentlichen Entwicklung einer Polzelle, welche möglicherweise auf die primitiven Verhältnisse hinweist. Die schon früher von Bo- VERI geäußerte Meinung bekommt hierdurch eine vollständige Unter- stützung: die Polzelle ist einer Eizelle gleich und nur ihre ferneren Schicksale deuten darauf hin, dass man es hier mit einer abortiven Eizelle zu thun hat.

Das nächste Stadium, das ich fand,. besaß zwei gleich große Blastomeren (Fig. 4), die ungefähr nur die Hälfte des Follikellumens einnahmen und zwei Spindeln behielten, die eine verschiedene Rich- tung hatten. Demnächst werden wir uns überzeugen, dass aus dem Ei zwei Arten von Blastomeren entstehen und desswegen frägt es sich, ob die verschiedene Spindelrichtung nicht auf eine verschiedene, weitere Produktion der ersten zwei Blastomeren hinweist?

Wenn wir uns zum nächsten von mir beobachteten Stadium wenden, so treffen wir hier eine mit Spindel versehene Blastomere - (Fig. 6) und eine andere, die in weiterer Theilung begriffen ist; die letztere besitzt einen Kern und eine neue Spindel. Ich zweifle nicht: dass die Blastomere / große und die Blastomere // in weiterer Thei- lung kleine produeirt.

Weiter haben wir im Follikel schon vier Blastomeren (Fig. 7), zwei große und zwei kleine und zufälligerweise zwei kleine Pol-

: zellen; die Vertheilung der Blastomeren scheint sehr regelmäßig zu sein.

Ein in einer etwas anderen Richtung zersetzter Eifollikel weist auf ähnliche Verhältnisse (Fig. 3); es kommen hier zwei große und zwei kleine Blastomeren vor und zu gleicher Zeit treffen wir bei den Fol- likelzellen eine Neigung sich zu vermehren und Einwüchse ins Innere des Follikels zu bilden. Schon von jetzt ab ist die Zahl der Blasto- meren nicht mehr mit genügender Sicherheit festzustellen, da die kleinen Blastomeren sich sehr rasch vermehren; jedenfalls bleiben die zwei großen Blastomeren der Fig. 8 erhalten und es sind gerade die zwei kleineren, die sich fortwährend theilen. Als Resultat bekommen wir eine Disposition von Blastomeren, die an der Fig. 9 zu sehen ist: die zwei großen, von welchen nur eine (/) getroffen ist, liegen 41*

628 Alexis Korotneff,

wie in einem Becher, der von den kleineren gebildet wird. Außer- dem ist die ganze Blastomerenmasse von den Follikelzellen umgeben in der Weise, dass der leere Raum des Follikels ganz abgetrennt wird. Sehr lehrreich erscheinen die drei auf einander folgenden "Sehnitte der Fig. 10 (a, 5 und c). Die Abbildung « stellt uns nämlich eine große Blastomere vor, die mit kleineren umgeben ist, die Ab- bildung 5 die nächste grobe, die in derselben Weise umgeben ist, und endlich auf der Abbildung ce sind die kleinen Blastomeren nur angedeutet und unter ihnen befinden sich zwei, die sich wesentlich in ihrem Aussehen von den übrigen unterscheiden; sie sehen wie homogen aus und besitzen einen sich besonders stark färbenden Kern. Diese Zellen äußern eine bedeutende Neigung sich zu vermehren. Das weitere Schicksal dieser Elemente ist nicht besonders schwer zu verfolgen: es sind Keimzellen, die zur Entstehung der Geschlechts- produkte dienen. Die Follikelzellen dieser Schnitte vermehren sich bedeutend und streben schon zwischen die Blastomeren hineinzu- dringen und sie von einander zu trennen; das Follikellumen ist gerade jetzt am höchsten entwickelt und bildet einen Raum, in den das segmentirte Ei knospenartig hineinragt. Fast dasselbe Stadium ist an der Fig. 11 angegeben: die kleineren Blastomeren sind fortwährend in Theilung begriffen; unter ihnen fällt eine Zelle besonders auf (kmz), die, wie gesagt, ein Keimelement vorstellt. Eine bedeutend mehr entwickelte Stufe besitzt man in der Fig. 12. Die zwei ab- gebildeten großen Blastomeren haben sich ganz merklich in zwei getheilt und vier große Blastomeren gebildet (7a und Id); die Thei- lung der kleineren äußert sich besonders in dem Vorhandensein der Größe nach sehr verschiedener Zellen. Zu dieser Zeit wächst der Embryo ganz bedeutend und verdrängt die Follikularhöhle, welche sich verengt, in der Weise, dass sie am Schnitte in zwei getheilt erscheint, was in der That nicht vorhanden ist, da die beiden Lumen in einander übergehen.

Die nächste Entwicklungsstufe (Fig. 13) zeichnet sich aus durch die Entstehung von besonderen Dotterbildungen, die als Klumpen in den großen Blastomeren vorkommen (dt). Ich habe mich entgegen den Beobachtungen von BROOKS und HEIDER schon mehrere Male in dem Sinne geäußert, dass diese Dotterablagerungen keine von den Blastomeren verzehrte Follikelzelleu seien. Vor ein paar Jahren hat sich M. MErcALr!, auf seine Untersuchungen der Salpa hexagona

1 M. METCALF, The Follicle cells in Salpa. Zool. Anz. Bd. XX. p. 210—217.

Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 629

gestützt, wieder in dem Sinne von HEIDER ausgesprochen. Als besten Beweis seiner Meinung giebt er eine Abbildung eines Blastomeren- schnittes, in den Dotterablagerungen eingeschlossen sind, der äußer- lich von eigentlichen Follikularkernen umgeben ist. Ich muss ge- ‘stehen, dass ich die erwähnte Abbildung, mag sie vollständig naturgetreu sein, gar nicht beweisend finde, da ich zwischen den zwei erwähnten Körpern (Dotter und Follikelkeıne) gar keinen Über- gang sehe; dass die Form dieser Bildungen übereinstimmt, scheint mir nicht sehr beweisend zu sein; ich möchte noch hinzufügen, dass bei der Salpa maxima die Dotterklumpen bedeutend größer sind, als die Follikelkerne. Desswegen behaupte ich ganz positiv nochmals, dass die Follikelzellen nie von den Blastomeren verzehrt werden und dass die Dotterablagerungen nichts weiter als Verdichtungen des Blastomerenplasmas sind.

Außer der Dotterentstehung finden wir in diesem Stadium eine ziemlich regelmäßige Anordnung der verschiedenen Blastomeren: die großen nämlich bilden ein Oval, in dessen Centrum und zu gleicher Zeit etwas seitlich von ihnen kleinere liegen und eine ziemlich zu- sammengedränste Gruppe bilden.

Die weitere Entwicklung des Embryos verläuft in der Weise, dass der Embryo (durch den der Schnitt etwas seitlich geführt ist) das Follikellumen gänzlich ausfüllt und, so zu sagen, nur einen Spalt übrig lässt (Fig. 14 spt). An diesem Schnitte finden wir, dass die großen Blastomeren sich in reger Theilung befinden und karyokinetische Figuren besitzen. Die Follikelwand hat sich unter dem Embryo in zwei Zapfen ausgezogen; diese Zapfen bilden bald unter dem Em- bryo einen Körper, der unter dem Namen »Blutknospe« bekannt ist!. Gerade jetzt kommt eine neue Erscheinung zum Vorschein: die Ek- todermschicht, die den Embryo umgiebt, bildet Falten, die sich mehr und mehr krümmen und sich, über den Embryo erhebend, denselben mit einem Amnion zu umgeben streben; dieses, wenn man so sagen darf, Streben ist am besten in der Fig. 15 wahrzunehmen. Von diesem Stadium ab sehen wir erstens, dass die Dotterablagerungen bald absorbirt werden und zweitens, dass der Unterschied zwischen den großen und kleinen Blastomeren verschwindet. An dem Schnitte bleibt die Anordnung der Blastomeren sehr regelmäßig, wird aber durch eine bedeutende Anzahl von Follikelzellen geschieden. Nach

ı Es dünkt mich, dass es richtiger wäre die erwähnte Bildung mit dem Namen »basale Knospe« zu bezeichnen, da der frühere Name »Blutknospe« eine falsche Deutung zulässt.

630 Alexis Korotneff,

der Disposition der sich in der Fig. 15 befindlichen Blastomeren und nach dem Vergleich mit der Salpa fusiformis und punetata kann man voraus sagen, welches die Rolle ist, die diese Blastomeren über- nehmen werden: die unteren sind nämlich Kiemen-, die mittleren CGloacal- und endlich die oberen Ektodermblastomeren. An der Seite befindet sich eine Anhäufung von kleinen Zellen (Blastoeyten direkte Abkömmlinge der Blastomeren), die als Keimzellen an- zusehen sind. Die Keimzellen sind auch leicht an dem nächsten Schnitte zu erkennen (Fig. 16); sie erscheinen hier als besondere helle Zellen mit einem großen und grobkörnigen Kern; der ganze Haufen ist von einer besonderen aus Follikelzellen bestehenden Zell- schicht eingeschlossen. Etwas höher trifft man auch Abkömmlinge der Blastomeren, die ich für Neurocyten (dc) halte.

Zu dieser Zeit treten im Embryo besondere Höhlen auf: zuerst entsteht die Cloacalhöhle (Fig. 17, im Centrum der Bildung c/). In meiner Arbeit über die Entwicklung der Salpa runcinata fusiformis habe ich erwähnt, dass die Beschreibung von HEIDER, nach dem die Entstehung dieser Höhle als eine sich einsenkende Einstülpung an- zusehen ist, kaum richtig erscheint und dabei habe ich die Frage aufgestellt, ob dieser Gegenstand nicht so anzusehen wäre, dass, nachdem die Follikelzellen sich reihenartig angeordnet haben, eine Spalte erscheint, die sich nach allen Seiten ausbreitet und die an- gegebene Höhle zur Entstehung bringt. Bei der Salpa maxima hat sich die von mir geäußerte Vermuthung vollständig bewahrheitet; als bester Beweis kann die Fig. 17 dienen: wir haben hier ein Lumen, das sich direkt in einer Follikelzellenmasse gebildet hat und dessen selbständige Entstehung (nicht als Einstülpung, sondern Auseinander- weichen der Elemente) sich in dem äußert, dass gerade in der Mitte des Lumens die gegenüberstehenden Elemente sich noch nicht getrennthaben; demungeachtet haben sich die Zellen, die dieses Lumen austapeziren, palissadenartig geordnet und etwas weiter nach unten an einander gereiht und den künftig entstehenden Kanal markirt. Die spätere Amnionhöhle (a7) ist schon als Spalte vorhanden. Die zur Seite des Oloacallumens vorkommenden Zellen besitzen ein besonderes Aussehen und bilden zwei Polster, die sich der Amnionfalte dicht anlegen, ohne aber sogleich in direkte Verwachsung mit ihr zu treten, wie es zum Beispiel bei Salpa punctata der Fall ist. Unter den Blasto- cyten, welche in die Follikularzellenmasse eingebettet sind, haben die Kiemenblastoeyten eine ganz bestimmte Lagerung (kdc). Außerdem kommt im Schnitte ein Ektodermblastocyt vor und unter dem rech-

Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 631

ten Polster ein anderer, dessen Bedeutung ich mit Sicherheit nicht bestimmen kann. Im Allgemeinen muss man sagen, dass die Zahl der Blastocyten im Embryo noch ziemlich gering ist, da sie sich noch wenig vermehrt haben. Es wäre noch zu erwähnen, dass die Amnionfalten noch nicht zusammengetroffen sind und den Scheitel des Embryos, wo sich das künftige Ektoderm anlegt, noch frei lassen.

Ein Vergleich der Fig. 17 mit der nächsten lässt keinen Zwei- fel über die Bedeutung der einzelnen Theile der letzteren; wir treffen zunächst eine geräumige Höhle (Fig. 18 aA), die aus Verbindung der Amnionhöhle mit der Cloacalhöhle entstanden ist; anders gesagt, man kann es als eine einzige geräumige Höhle ansehen, in die von beiden Seiten ein Zapfen hineinragt, der im Inneren einen Kiemen- blastoeyten enthält. Dieser Zapfen erscheint in dem Stadium Fig. 18 als eine einfache Falte, die vermittels eines Kanals in der Richtung des Polsters (p/) sich hinzieht. Innerhalb der provisorischen Ekto- dermschicht sind verschiedene Ektodermocyten, aus denen das defini- tive und eigentliche Ektoderm gebildet wird, eingeschlossen. In dieser Entwicklungsstufe sind die Amnionfalten schon in Berührung mit ein- ander. Die Polster scheinen hier mit der inneren Schicht der Amnion- falte zusammenzuwachsen. Ein Schnitt aus einem etwas früheren Sta- dium (Fig. 19) stellt eine Anhäufung von Neurocyten (r.bc) dar, die einen Hügel bilden, der in der Nähe der Ektodermocyten sich befindet.

In dieser Weise ist der Übergang zum Schnitte Fig. 20 schon leieht verständlich; im Großen und Ganzen unterscheidet er sich von den früheren nicht sehr bedeutend, obwohl die Entwicklung schon vorgeschritten ist. Als das prägnanteste Merkmal erscheint dabei das Aussehen des Amnions; wir finden nämlich, dass die beiden Fal- ten zusammengetroffen sind und einen Kamm bilden, der eine starke Entwicklung erfährt. Die inneren Veränderungen beziehen sich auf das fortwährende Wachsthum der Kiemenzapfen, die sich fast be- rühren und im Inneren schon getheilte Blastocyten einschließen. Das obere Dach der künftigen Cloacalhöhle schließt besondere Blasto- eyten ein, die zum Aufbauen der Cloacalwand dienen werden; an- dere Arten von Blastoeyten kommen an diesem Schnitte nicht vor. Am Scheitel der Bildung, gerade unter dem Amnionkamme, befindet sich eine Vertiefung, in der eine Anzahl von freien Zellen (wahr- scheinlich der Mutter entstammende Blutzellen) sich befinden. Weiter sehen wir, dass die Polster nicht mehr eine verhältnismäßig kompakte Masse bilden, sondern sich schichtenartig ausbreiten. Aus der That-

632 Alexis Korotneff,

sache, dass am letzten Schnitt, sowohl als an vielen anderen, keine Verbindung der inneren Falte des Amnions mit den Zellen des Pol- sters vorkommt, obschon diese doch existirt, wie es die Fig. 25 wie- der andeutet, muss man schließen, dass diese Verbindung nicht rund

herum, sondern nur an bestimmten Punkten vorhanden ist.

Diesem Stadium gehört die Anlage der Basalplatte an, der HEIDER, seiner Zeit, eine besondere Bedeutung zuschrieb, indem er dachte, dass die Abschließung des Ektoderms von unten ihr gehöre. Für die Salpa fusiformis habe ich gezeigt, dass eine solche Anschauung ganz unbe- gründet ist, und dass die Basalplatte eine aus Follikelzellen bestehende, ganz provisorische Bildung ist, welcher keine embryogenetische Wichtigkeit zugeschrieben sein kann. Bei der Salpa maxima treffen wir nochmals eine Bestätigung dieser von mir ausgesprochenen Mei- nung. In diesem Falle finden wir, dass eine einschichtige Zell- membran, welche die Amnionhöhle von der Placenta abschließt, in ihrer Mitte die Basal-(Blut-)knospe trägt; die Zellen des oberen Theiles dieser Basalknospe, welche in die Amnionhöhle hineinragen, bilden also ein Polster (Fig. 20 und 22), das sich allmählich vergrößert und die erwähnte Basalplatte bildet. Von einer Betheiligung dieser Platte an der Ausbildung des Ektoderms wird schon desswegen keine Rede sein, da in ihr die Blastomeren absolut nicht vorkommen.

Die bis jetzt beschriebenen Erscheinungen sind von den früheren Forschern (TODARO, BARROIS und SALENSKY) ganz verschieden auf- gefasst worden, aber die Zusammenstellung und Deutung der An- saben können kaum zur Lösung unserer Aufgaben dienen, und nur aus diesem Grunde darauf verzichtend, bemerke ich über die späteren Schriften von SALENSKY, dass der princeipielle Unterschied unserer Untersuchung hinsichtlich der Salpa maxima der frühere bleibt: nämlich SALENSKY leugnet die plastische Rolle der Blasto- meren und bringt die Kalymmocyten in den Vordergrund, ich aber mache das Entgesengesetzte und schreibe den Blastomeren den ganzen konstruirenden Process im Embryo zu. So steht es mit den ersten Erscheinungen im Salpenei; was aber die Organogenie betrifft, so bieten uns die Untersuchungen von SALENSKY für die Salpa maxima weniger als für die übrigen Salpen, da seine Schnitte bei diesem Objekte nicht eine genügend genaue und günstige Richtung gehabt haben und nur von seinen Figg. 11 und 12 (Taf. XVII), wo die Kiemenentstehung abgebildet ist, kann man sagen, dass diese einer günstigen Schnittrichtung entsprechen.

Bezüglich der Kiemenentstehung habe ich nicht viel Neues zu

Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 633

sagen, was den Erscheinungen bei Salpa fusiformis nicht Strich für Strich entspräche, kurz und gut, die Kiemenzapfen wuchern gegen einander (Fig. 20), um endlich zusammenzuwachsen (Fig. 21) und eine Seheidewand zu bilden (wie bei Salpa fusiformis ist diese Scheide- wand auch unvollständig, da zu beiden Seiten große Öffnungen vor- handen bleiben). Jedenfalls trennt diese Scheidewand den Cloacal- raum von der Amnionhöhle'.

Die Cloacalwand entsteht bei der Salpa maxima etwas verschieden von dem, wie wir diesen Process bei der Salpa fusiformis beschrieben haben. In beiden Fällen ist aber der Anfang derselbe und äußert sich in der Entstehung des Lumens, aber später fanden wir, dass die Cloacalblastoeyten (Fig. 23) bei der Salpa maxima einer inten- siven Theilung unterworfen sind, die zur Entstehung von besonderen, so zu sagen Knospen führt, die aus angehäuften Histogenen bestehen und ins Innere des Cloacallumens hineinragen.

An der Abbildung Fig. 20 und 21 haben wir es mit zwei neuen Bildungen, im Vergleiche zu den anderen Salpen, zu thun, die aber wegen ihrer Zusammensetzung aus Kalymmocyten keine besondere embryogenetische Bedeutung haben und nur als provisorische Bil- dungen anzusehen sind, dem ungeachtet aber nicht ohne Wichtigkeit in der Ökonomie des entstehenden Organismus erscheinen. Ich meine hier erstens zwei Falten der Membran, welche die äußere Begrenzung _ der Placentalhöhle bilden (Fig. 21, 22 und 25 ft). Anfänglich sind diese Falten ihrer ganzen Länge nach aus gleichförmigen Cylinderzellen gebildet, später aber wachsen und entwickeln sich diese Zellen ganz bedeutend und bilden endlich einen Fußboden, auf dem der Embryo mit der Placenta ruht. Diese flügelförmigen Erweiterungen halten die Amnionhüllen wie gespannt und in einem bestimmten Abstande von dem Embryo selbst.

Zweitens bemerken wir dem Anheftungspunkte gegenüber und ins Innere der Amnionhöhle hineinragend zwei Auswüchse (pr.w), die rund herum gehen und, so zu sagen, Schritt für Schritt eine Scheide- wand bilden, welche die Amnionhöhle in zwei Abtheilungen (obere und untere) trennt und die im Centrum eine bedeutende, aber immer mehr sich verengernde Offnung besitzt. Diese Scheidewand, die nur der Salpa maxima eigen zu sein scheint, wird zu gleicher Zeit immer

1 SALENSKY hat ganz richtig die Entstehung der Kiemen beschrieben, in- dem er sagt: »Die Kieme entsteht durch die Vereinigung der beiden ur- sprünglichen Kiemeneinstülpungen, welche sich in der Mitte berühren und verwachsen.<_

694 "Alexis Korotneff,

dieker und legt sich auf die unten entstehende Basalplatte; in dieser Weise wird das Lumen der Placentalhöhle mehr und mehr ausge- füllt, bis endlich die ganze Placenta (Fig. 25 7) einen soliden Körper darstellt.

Die weitere Ausbildung der Kiemen ist sehr dem ähnlich was wir, wie gesagt, bei der Salpa fusiformis getroffen haben: in der Dicke der Blastocyten der künftigen Kieme kommt eine Spalte vor, die sich erweitert; in Folge dessen bekommen wir eine kanalähn- liche Bildung, die im Inneren, wie gesagt, mit Blastoeyten (Fig. 25 2, c) austapeziert und von außen mit in Reduktion begriffenen Kalymmo- cyten bekleidet ist. Dann wird der obere Theil dieser Bildung zur Kieme verwandelt, der untere aber bildet das Epithel des Pharynx, das mit dem Cloacalepithel sich vereinigt, um eine gemeinsame Epithelschicht der Kiemenhöhle entstehen zu lassen. Die Fig. 26 stellt uns die Kieme vor, wenn sie noch nicht frei geworden ist und dem Zellstrange (zsit) angeheftet erscheint. Nach der Abtrennung zieht sie sich von den Wänden der Cloacalhöhle ab und erscheint als eine doppelschichtige Membran (Fig. 27 X), deren untere Zellen eigent- liche Histogenen und obere Kalymmocyten sind. Mit der Reduktion der letzten krümmt sich die Histogenenschicht und bildet eine den Salpenkiemen charakteristische Röhre (siehe Salpa fusiformis).

Die Ausbildung des Ektoderms ist aus der Fig. 24 ersichtlich: zuerst kommen einige Zellen gerade dort vor, wo sich die Amnion- falten schließen, diese Zellen vermehren sich und bilden eine An- häufung, deren Elemente sich bald ausbreiten und das provisorische Ektoderm (Fig. 25) aus einander schieben. Gerade wo das definitive Ektoderm mit dem provisorischen zusammenstößt (Fig. 25) kann eine Verbindung mit der Faltenhülle entstehen, was aber nicht an allen Punkten, wie gesagt, vorkommt (Fig. 27).

Ich habe mich in dem Sinne geäußert, dass die provisorische Scheidewand (Fig. 22 pr.w), die mit der Placenta zusammenfließt, obschon sie keinen Antheil an dem Aufbau des Embryos nimmt, dem ungeachtet nicht ohne Bedeutung in seiner Existenz erscheint. Schon vom Anfange an sieht man, dass die Grenzen der sie zu- sammensetzenden Zellen nicht besonders deutlich erscheinen, aber wenn die gegenüberstehenden Auswüchse zusammenstoßen, oder an- ders gesagt, wenn die Öffnung der entstandenen Scheidewand ver- schwindet, so bildet sich gerade in der Mitte eine Plasmamasse, ein Syneytium, das massenhaft die Kalymmocyten absorbirt; dabei kann man verschiedene Stufen dieser Absorbirung beobachten. Die Kerne

Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 635

verlieren ihre Form, werden unregelmäßig und sind ohne jede Ord- nung: im Plasma zerstreut. Ich will nicht sagen, dass alle Kalymmo- eyten in derselben Art und Weise vergehen, da in der Cloacal- so- wohl als auch in der Pharynxhöhle eine Anzahl von desorganisirten frei gelegenen Zellen vorkommt, aber jedenfalls findet die größte Anzahl von Kalymmoecyten im Syneytium ihr Ende (Fig. 24 und 25).

Schritt für Schritt habe ich die Entwicklung des Nervensystems nicht verfolgt; das späteste von mir beobachtete Stadium besitzt das- selbe in Form einer Blase (Fig. 25 Nr), das an der Seite der Cloa- calhöhle liest, wenn letztere mit dem Pharynx sich noch nicht ver- einigt hat.

Das Herz habe ich in Form eines Bläschens getroffen, das auch dem Pharynx anliest und mit einem Haufen von Zellen verbunden ist (Fig. 26), der die Keimanlage vorstellt.

Villafranca, im Juli 1899.

Erklärung der Abbildungen.

Buchstabenerklärung:

I, große Blastomeren; k.bce, Kiemenblastocyten; II, kleine Blastomeren; k.ep, Kiemenepithel;

ah, Amnionhöhle; km.z, Keimzellen;

Bl.s, Blutsinus; Nr, Nervensystem; |

bs.k, basale Knospe; n.be, Nervenblastocyten;

b.p, basale Platte; Pl, Placenta;

cl, Kloake; ; p.ec, provisorisches Ektoderm; el.be, cloacale Blastocyten; ph.ep, Pharynxepithel;

d.t, Dotterablagerungen; pl, Polster;

ec, Ektoderm; pr.w, provisorische Scheidewand; ‚ft, Falte; ».2, Polzellen;

Hz, Herz; sp, Spermatozoen;

K, Kieme; spt, Spalte.

Tafel XXXVIII—XL.

Fig. 1a. Gestielter Follikel mit einer Eizelle. Fig. 1b. Derselbe Follikel mit einer Polzelle. Fig. 2. Follikel, in dem die Eizelle mit der Polzelle getroffen ist. Fig. 3. Follikel in toto. Fig. 4. Follikel mit Eizelle und Polzellen; zur Seite der Follikelstiel durchschnitten. Fig. 5. Zwei Blastomeren mit verschieden gerichteten Spindeln, Fig. 6. Zwei in Theilung begriffene Blastomeren,

636 Alexis Korotneff, Zur Embryologie von Salpa maxima africana.

Fig. 7. Im Follikel sind vier Blastomeren eingeschlossen: zwei große und zwei kleine und zwei Polzellen.

Fig. 8. Dasselbe Stadium; die Follikelzellen fangen an hineinzuwachsen.

Fig. 9. Die kleinen Blastomeren vermehren sich.

Fig. 10a. Große und kleine Blastomeren.

Fig. 105. Der nächste Schnitt desselben Follikels.

Fig. 10c. Der weiter folgende Schnitt, in dem die Keimzellen erscheinen.

Fig. 11 u. 12. Successive Stadien der Theilung der Blastomeren.

Fig. 13. In den großen Blastomeren erscheinen besondere Dotterablage- rungen.

Fig. 14. Das Follikellumen ist von dem Embryo ganz eingenommen. Es entsteht die Basalknospe.

Fig. 15. Blastocyten bekommen eine regelmäßige Vertheilung. Amnion- falten bilden sich aus.

Fig. 16. Embryo vor der Bildung der Höhlen.

Fig. 17. Die Höhlen (Cloacal- und Amnionhöhle) werden angelegt.

Fig. 18. Es entstehen im Embryo die Kiemenzapfen.

Fig. 19. Im Embryo sind Kiemen-, Ektoderm- und Nervenblastocyten zu unterscheiden.

Fig. 20. Die Entwicklung der Kiemen schreitet vor.

Fig. 21. Die Kiemenzapfen wachsen zusammen und es entsteht eine provi- sorische Scheidewand (pr.w).

Fig. 22. Weitere Ausbildung des Embryos.

Fig. 23. Besondere Blastocytenknospen (b.kp), die das Cloacalepithel aus- bilden. Der Schnitt ist schräg geführt und desswegen ist nur ein Kiemenzapfen vorhanden.

Fig. 24. Weitere Ausbildung der Kiemen und Entstehung des Syncey- tiums (pr.w).

Fig. 25. Ausbildung des Nervensystems und Herzens im Embryo.

Fig. 26. Ausbildung der Kieme.

Fig. 27. Kieme in Form einer besonderen Zellplatte.

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. Von

Bjarne Eide

aus Christiania.

Mit 14 Figuren im Text.

Dem Geheimrath v. KÖLLIKER in tiefer Verehrung und Dankbarkeit gewidmet.

Die Molekularlage des Kleinhirns enthält bekanntlich erstens die Korbzellen und zweitens die sogenannten »kleinen Rindenzellen«. Während die ersten sehr gut untersucht und bekannt sind, haben die letzteren sich der Gorsr’schen Methode gegenüber sehr refraktär sezeist, so dass die meisten Autoren über ihre Natur und speeiell über das Verhalten der Axonen nichts zu berichten haben. Doch sind besonders in der letzten Zeit einzelne positive Beobachtungen ‚hierüber veröffentlicht worden, aber dieselben sind noch ziemlich spärlich vorhanden und meistens mehr oder weniger unvollständig.

Die erste Beschreibung der Axonen dieser Zellen stammt schon von 1883 und wurde von Fusarı! gegeben. Derselbe beschreibt erst die später als Korbzellenaxonen erkannten »fibre arcuate«, dann sagt er: »Doch betheiligen sich nicht alle kleinen Zellen mit ihren ner- vösen Fortsätzen an der Bildung der Bündel der ‚Bogenfasern‘, sondern der größte Theil von ihnen, ohne Ordnung in der ganzen Dicke des Stratums vertheilt, giebt einem nervösen Fortsatze den Ursprung, der, nachdem er die verschiedensten Richtungen eingenommen hat, plötzlich in eine zahlreiche Reihe von Fibrillen sich auflöst; doch kann derselbe auch seine Individualität eine Strecke lang behalten, um sich dann mehrmals in komplicirter Weise zu theilen.«

Mehrere Verfasser haben lange, oberflächliche, dünne Axonen gesehen, deren Verbindung mit den Faserkörben um die PURKINJE-

1 Sul’ origine delle fibre nervose nello strato molecolare delle eirconvolu- zioni cerebellari dell’ uomo. In: Atti d. R. Acead. di scienze di Torino. Vol. XIX. Disp. 1a. (November bis December 1883.)

638 Bjarne Eide,

schen Zellen jedenfalls nicht zu beobachten war, so Ramön Y CAJAL (in »Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie« 1889, p. 167), aber gewöhnlich wird die Frage nach ihrer Bedeutung ob dieselben nur auf schlecht gelungener Färbung beruhen oder wirklich selbständige Bildungen sind entweder unentschieden gelassen oder nach der ersten Richtung hin beantwortet.

C. FaLconxe! beschreibt 1893 verschiedene Formen dieser Zellen, sowohl solche mit langen oberflächlichen Ausläufern, von denen er annimmt, dass sie zwischen den protoplasmatischen Fortsätzen der PurkınJe’schen Zellen enden, als auch Zellen vom zweiten Typus in den tieferen Theilen der Molekularlage, die sich wie »Korbzellen mit beschränktem Ausbreitungsbezirk« verhalten sollen, und endlich Zellen, die einen Nervenfortsatz zu der Oberfläche senden, so dass hier ein Tangentialfasergeflecht gebildet werden soll.

ERNESTO LuUGARO? (1894) nimmt an, dass die von ihm beschrie- benen oberflächlichen, in Transversalebenen verlaufenden Axonen sich wahrscheinlich wie die Fortsätze der Korbzellen verhalten.

STÖHR? (1896) spricht die Meinung aus, dass sämmtliche Zellen in der Molekularlage Korbzellen sind und v. KÖLLIKER!, der horizon- tale und direkt nach unten gehende Axonen von »kleinen Rinden- zellen< beschreibt, sieht auch als wahrscheinlich an, dass dieselben in Beziehung zu den Körpern der PurKInJE’schen Zellen treten.

Anfang 1897 beschreibt Pont? Zellen vom zweiten Typus in der Molekularlage. Ich werde später Gelegenheit haben, diese Arbeit zu berücksichtigen.

E. Smirnow in Tomsk® (1897) beschreibt endlich zwei Formen von Zellen, erstens solche vom gewöhnlichen zweiten Typus und dann solche mit langen transversal gehenden Axonen, die frei in der Mo-

I La corteccia del cerveletto. Studi d’istologia e morfologia comparate. Napoli 1893. p. 116 ff.

2 Sulle connessioni tra gli elementi nervosi della corteceia cerebellare ete. Rivista sperimentale di freniatria e di medieina legale. Vol. XIX. F. III —IV. 1894.

3 Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns des Menschen. Anat. Anz. X.

* Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft bei ihrer Versammlung in Zürich. August 1896.

5 Sulla corteceia cerebellare della ecavia. Monitore zoologico italiano. p. 36—40. Ä

6 Über eine besondere Art von Nervenzellen in der Molekularschicht des Kleinhirns bei erwachsenen Säugethieren und Menschen. Anat. Anz. Bd. XIII.

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 639

lekularlage enden. Auch auf diese Arbeit werde ich später zurück- kommen.

Fr. CrevArın ! hat auch ähnliche Zellen gesehen und schlägt vor, sie die FusArı-PontrY’schen Zellen zu nennen, welchem Vor- schlage ich nicht beistimmen kann, da weder Fusarı noch Ponrı diese Zellen in ihren Verhältnissen vollständig beschrieben haben. Ich werde sie mit dem ihnen von v. KÖLLIKER gegebenen Namen »die kleinen Rindenzellen« benennen.

Vom Kleinhirn einer jungen Katze von eirca 6 Wochen habe ich mittels der Formolchromsilber-Methode Präparate bekommen, in denen auf der einen Seite nur wenige PurkınJe’sche Zellen und Korb- zellen, auf der anderen aber sehr viele Körnerzellen und »kleine Rindenzellen« mit ihren Axonen gefärbt waren, und sind im Folgen- den meine Erfahrungen hierüber, die im Wesentlichen mit denjenigen SMIRNOW’s übereinstimmen, dargestellt.

Die kleinen Rindenzellen sind sehr zahlreich, ohne jedoch die Zahl der Körnerzellen zu erreichen. Sie kommen überall in der Molekularschicht vor, von den äußersten bis zu den innersten Schich- ten, so dass auf der einen Seite eine solche Zelle dicht unterhalb der Pia, scheinbar mehr auf als in der Kleinhirnsubstanz, liegen kann, während man auf der anderen Seite auch solche Zellen findet, ‚die dicht auf der Lage der PurkInse’schen Zellen ihren Sitz haben. Ihre Zahl ist am größten in dem oberflächlichen Theile der Mole- kularlage und nimmt nach innen zu allmählich ab. Eine verschie- dene Vertheilung der zwei Smirnow’schen Hauptformen habe ich hier in so fern nachweisen können, als die Zahl der Zellen mit langen transversalen Axonen nach innen zu rascher abnimmt, als die der übrigen Zellen, so dass man in der Tiefe der Molekularlage verhältnis- mäßig mehr Zellen vom einfachen zweiten Typus sieht, höher oben mehr Zellen mit langen Axonen.

Die Zellenkörper sind von verschiedener Größe. Die inneren sind von derselben Größe wie die Korbzellen, oder etwas kleiner; gegen die Oberfläche hin nimmt die Größe der Zellen etwas ab, so dass die hier liegenden Zellen oft kaum die Hälfte der Größe einer gewöhnlichen Korbzelle erreichen. Die Zellen sind multi-, bi- oder unipolar (die letzten Kunstprodukte durch Abschneiden der Fortsätze?). Da die Protoplasmafortsätze ziemlich schmal aus den Zellkörpern entspringen,

1 Über die Zellen von Fusarr und Poxtt in der Kleinhirnrinde von Säuge- thieren. Anat. Anz. Bd. XIV. 1898. p. 433—436.

640 Bjarne Eide,

sind diese meistens von rundlichen Linien begrenzt kugelig, spin- delförmig, oder bei unipolaren Formen keulenförmig. Nicht selten sieht man halbmond- oder helmförmige Bildungen, indem bei bi- polaren Zellen die zwei Fortsätze von jedem Zellenpole nach der- selben Seite abgehen.

Die protoplasmatischen Fortsätze springen zu ein, zwei bis fünf oder selten mehr an Zahl, wie gesagt, ziemlich schmal aus den Zell- körpern hervor. Die Ausbreitung dieser Fortsätze liegt, wie Tan- gential- und Longitudinalschnitte lehren, genau in den Transversal- ebenen der Windungen. Sie theilen sich gewöhnlich unter langsamer Abnahme der Dicke zwei bis fünf Mal oder mehr; die Theilungsäste bilden spitze Winkel mit einander und senden gewöhnlich nur wenige Seitenäste ab. Der Verlauf richtet sich nach den örtlichen Verhält- nissen, so dass die Protoplasmafortsätze der oberflächlichsten Zellen wesentlich parallel mit der Oberfläche gehen, weniger häufig nach innen; die der mittleren gehen nach allen Richtungen, und endlich diejenigen der innersten Zellen treten meistens fächerförmig gegen die Oberfläche; dieser so gebildete Fächer kann oft ganz schmal sein, indem die Fortsätze beinahe einander parallel der Oberfläche zu- streben. Bei den am tiefsten liegenden Zellen sieht man oft, dass Protoplasmafortsätze die PuRKINJE’sche Schicht durchqueren und mehr oder weniger tief in die Körnerlage hineindringen. Die Länge dieser Fortsätze ist sehr verschieden nach der Größe der Zelle; sie kann so groß sein, dass z. B. die tiefsten Zellen ihre Fortsätze durch die ganze Molekularlage hindurch zu der Oberfläche senden, oder die Fortsätze können ähnliche Strecken parallel mit der Oberfläche durch- laufen. Die Protoplasmafortsätze werden von Pontı als sehr fein und stark varicös abgebildet, und solche Bildungen habe ich auch oft gesehen; aber nach meinem Eindrucke besonders an weniger gut gefärbten Präparaten. Wo die Zellen gut und kräftig gefärbt sind, zeigen die Fortsätze bis zu den letzten Enden eine gleichmäßig ab- nehmende Dicke ohne Spur von Varicositäten. Dornen oder ähnliche Bildungen, die an den Fortsätzen der Purkinje’schen Zellen so häufig zum Vorschein kommen, sieht man hier nicht oder nur an- deutungsweise.

Die Axonen entspringen entweder direkt vom Zellkörper oder von einem Protoplasmafortsatze. Von ihnen gilt dasselbe, was eben von den protoplasmatischen Fortsätzen gesagt wurde: sie können sanz glatt und eben oder in verschiedenem Grade varicös sein, ein

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 641

Umstand, auf den ich nach dem oben von den Protoplasmafortsätzen Gesagten, nur wenig Gewicht legen kann.

Bei der Beschreibung des näheren Verhältnisses der Axonen werde ich aus praktischen Rücksichten die von Suirvow aufgestellte Eintheilung in a) Zellen mit kurzen, in der nächsten Nähe sich auf- theilenden Axonen, und b) Zellen mit langen transversal verlaufenden Axonen, beibehalten.

Die Zellen der ersten Kategorie, die also vom gewöhnlichen zweiten Typus sind und keine besondere Anordnung ihrer Axonen zeigen, sind nach meiner Erfahrung relativ selten, doch kommen sie in allen Lagen der Molekularschicht vor. Eben bei diesen Zellen

Fig. 1. Fig. 2 Zellen vom II. Typus; die erste liest oberflächlich und hat ihre Axonverästelung nach oben, die zweite liegt in der tiefen Hälfte der Molekularlage, und sendet ihren Axon nach unten und nach der Seite.

sieht man oft, dass der Achseneylinder ganz glatt und von gleich- mäßiger Dicke ist und keine Spur von Varicositäten zeigt. Die Verästelung ist, wie die Figuren zeigen, nicht besonders reichlich, kann nach der Oberfläche zu liegen oder nach innen zu, oder end- lieh an der Seite der Zelle, anscheinend regellos; nur für die am tieisten liegenden dieser Zellen gilt als Regel, dass sie die Veräste- lung nach oben senden, und habe ich nie Äste in die PurkıwJr’sche Schicht oder durch dieselbe sich durchdrängen sehen. Diese Zellen gehören im Allgemeinen zu den kleineren Zellen der Molekularlage.

Die Zellen mit langen transversal verlaufenden Axonen sind die

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 42

642 Bjarne Eide,

am meisten charakteristischen von den zwei Arten. Ich werde erst ihr Verhalten in großen Zügen feststellen und nachher auf Einzel- heiten eingehen.

Diese Zellen kommen auch in der ganzen Dicke der Molekular- lage vor, aber weitaus am zahlreichsten in der äußeren Hälfte der- selben, wo ihre Eigenthümlichkeiten auch am besten sich zeigen. Sie sind viel zahlreicher als die eben besprochenen Zellen und bilden die Hauptmasse der kleinen Rindenzellen. Die Axonen entspringen vom Zellkörper oder von einem protoplasmatischen Fortsatze aus und

Eine Zelle mit einer sehr reichlichen, nur nach unten gehenden Anfangsverästelung und mit dem Anfangs- stücke des transversalen Ausläufers.

zeigen nach kurzem Verlaufe eine »Anfangsverästelung«, indem sie nach den Seiten hin Äste treiben, die sich weiter mehr oder weniger reich theilen. Diese Anfangsverästelung muss ich als etwas für diese Zellen sehr Charakteristisches betrachten. Nachher verlaufen die Axonen in Transversalebenen der Windungen mehr oder weniger parallel mit der Oberfläche, indem sie spärliche Äste in verschiedenen Richtungen aussenden, und endigen zuletzt mit einer gewöhnlich recht spärlichen Endverästelung.

Wenn der Axon von einem Protoplasmafortsatze entspringt, so

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 643

kann dies in ziemlich großem Abstande vom Zellkörper geschehen, oft nachdem schon der betreffende Protoplasmafortsatz sich ein- oder zweimal getheilt hat. Das Anfangsstück ist in der Regel ziemlich

)

een re, were ee 02 22

Fig. 4. Eine Zelle von dem mittleren Theile der Molekularlage mit einer mehr spärlichen Anfangsverästelung, die deutlich den Verästelungsmodus und die Endigungen oberhalb der PurkınJE’schen Schicht zeigt (letztere ist durch zwei horizontale Striche angedeutet).

- diek und stark gefärbt, aber sehr bald wird die Färbung schlechter und der Axon dünner, so dass man ihn oft nur mit großer Mühe bis zur Anfangsverästelung verfolgen kann, von wo an er wieder dieker und deutlicher wird. Dieser Theil des Axons zeichnet sich auch durch einen konstanten Mangel an Ästen und an Varicositäten aus und eben so sind Schlängelungen, die im späteren Verlaufe des Axons gewöhnlich stark ausgesprochen sind, hier nur spärlich vorhanden. In einzelnen Fällen habe ich Axonen gesehen, die von Anfang an gleichmäßig gefärbt und von gleichmäßiger Dicke waren, und auch solche, bei denen der eben besprochene Theil schlecht gefärbt war und anscheinend sehr dünn, sich aber doch bei genauer Einstellung als von gleichmäßiger Dicke zeigte. Es wird daher vielleicht eine offene Frage sein, ob nicht das starke Dünnerwerden, das sowohl von Pontı als von Smirnow besprochen wird, doch nur auf undeut- licher schlechter Färbung beruhe. Jedenfalls wird wohl dieser Theil des Axons als derjenige angesehen werden müssen, der den bekannten zähen Widerstand gegen die Einwirkung der Reagentien setzt. Dafür 42*

544 Bjarne Eide,

spricht erstens, dass man immer, wenn dieser Theil überhaupt, wenn auch nur schlecht gefärbt worden ist, den Rest des Axons bis zu den

Fig. 5. Eine Zelle von der Mitte der Molekularlage mit einer nicht reich- lichen Anfangsverästelung, die nach oben und unten geht und nur von zwei Hauptästen entspringt.

letzten Endigungen gut gefärbt bekommt, und zweitens eben der bespro- chene Mangel an Vari- cositäten und Schlänge- lungen, indem diese Er- scheinungen wohl alle beide als Wirkungen der Reagentien zu be- trachten sind (siehe KÖLLIKER, Gewebelehre des Menschen, II, p. 80 und 82), und drittens endlich meine oben be- sprochenen direkten Be- obachtungen.

Von der »Anfangs- verästelung« sagt SMIR- now: »Gewöhnlich geht vom Neurit in der Nähe

seines Ursprunges eine Collaterale, seltener zwei aus, welche sich in der Molekularlage reichlich verzweigen.« Poxtı beschreibt diese Zellen

Fie. 6.

Eine mittlere Zelle mit reichlicher, nach allen Seiten hin sich ausbreitenden Anfangsverästelung.

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 645

überhaupt eigentlich nicht, doch giebt er eine gute und charakteristische Beschreibung sowohl alsauch Zeichnungen von solchen Anfangsveräste- lungen; aber die davon weiter gehenden langen Transversalfasern hat er nicht gesehen (Op. eit. p. 39, Fig. 11 u. 13). Diese Anfangsverästelung wird dadurch gebildet, dass selten nur ein, gewöhnlich drei bis fünf oder mehr Äste unter rechten Winkeln dicht neben einander oder auf einer kleinen Strecke vertheilt vom Axon entspringen und sich weiter nach den Seiten zu mehr oder weniger reichlich verästeln. Häufig seht die Anfangsverästelung nur nach einer Richtung und dann gewöhn- lich nach unten; doch sieht man auch bei tiefer liegenden Zellen, dass diese Verästelung hauptsächlich oder ausschließlich nach oben geht-

Bier u.

Eine Zelle mit spärlicher Anfangsverästelung von einem Tangentialschnitte.

Nicht selten sieht man die Verästelung sich sowohl nach unten als nach oben ausbreiten und Tangentialschnitte zeigen, dass die Aus- breitung auch in dieser Ebene stattfinden kann. Niemals drängen sich

Fig. 8. Transversalschnitt. Eine unipolare (?) Zelle, beinahe ohne Anfangsverästelung mit kurzem, sich bald in eine spärliche Endverästelung auflösenden Axon.

Ausläufer von dieser Verästelung in die PuRKINJE’sche Schicht hinein, und nie verhalten sich dieselben wie die korbbildenden Aste der Korb- zellen. Alle enden in größerem oder kleinerem Abstande von dieser

646 Bjarne Eide,

Schicht, oft dicht darüber (Fig. 4), indem sie sich in immer feinere Aste auflösen. Nur in seltenen Fällen habe ich Zellen gesehen, die einer Anfangsverästelung ganz oder fast ganz entbehren, und glaube ich,

. dass es sich hier jedenfalls meistens um Kunstprodukte handelte, in-

dem die von mir beobachteten Zellen ganz nahe an der Schnittfläche des Präparates lagen, so dass die Verästelung leicht weggeschnitten sein konnte (Fig. 7, 8, 9).

Gleich vor oder während der Anfangsverästelung wird gewöhn- lich der Achsencylinder wieder gut gefärbt und, wenigstens scheinbar, dieker. Nach derselben verläuft er, oft geschlängelt und varicös auf lange Strecken hin in transversaler Richtung, indem er Anfangs etwas dicker, später gegen das Ende wieder dünner wird. SMIRNOW nimmt an, dass diese Zunahme an Dicke von einer sich anlagernden Markscheide verursacht wird. Ich habe jedoch an meinen Präparaten niemals etwas gesehen, was als Markscheide gedeutet werden könnte, und muss ich daher glauben, dass entweder der Achseneylinder selbst dicker wird, oder dass an dieser Stelle der färbende Niederschlag am stärksten ist. Während dieses Theiles seines Verlaufes giebt der

v a

Fig. 9.

Verschiedene Formen von Endverästelungen.

Achsencylinder gewöhnlich nur wenige und oft gar keine Äste ab. Die Äste, die sich hier überhaupt finden, verlaufen nach allen Rich- tungen hin nach oben, nach unten und tangential; der letzte Fall scheint mir der häufigste zu sein. Die Äste verhalten sich verschie- den: die meisten theilen sich auf in eine spärliche Verästelung, viele aber enden doch auch frei und ungetheilt; diese letzteren können oft

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 647

einen ganz langen Verlauf haben, besonders die nach unten gehen- den, aber von diesen gilt dasselbe wie auch von der Anfangsver- ästelung: sie erreichen nie die Lage der PurkınJe’schen Zellen. Nach einem oft sehr langen Verlaufe löst sich die Faser in eine Endverästelung auf. Dieselbe ist nicht besonders charakteristisch, es sei denn durch ihre Spärlichkeit. Oft theilt sich die Faser nur in zwei bis drei Endäste, die sich stark verdünnend und unter Abgabe von wenigen ganz feinen Seitenästen frei enden. Es kommen jedoch auch etwas reichlichere Endverästelungen vor, die mit längeren, oft

Fig. 10. Eine Zelle mit spärlicher Anfangsverästelung und mit einem transversalen Ausläufer, der nach einer Umbiegung in der Nähe der Ursprungszelle endet.

unter rechten Winkeln abgehenden Seitenästen versehen sind, so dass sie den Anfangsverästelungen etwas ähnlich sehen können. Die- selben können in allen Schichten der Molekularlage liegen, sind aber am häufigsten in den oberflächlichsten Theilen derselben. Auch von ihnen gilt, dass sie keine Beziehung zu den Körpern der PURKINJE- schen Zellen zeigen.

Was den Gesammtverlauf dieser Fasern anbelangt, so ist erstens

648 Bjarne Eide,

festzustellen, dass sie eine bedeutende Länge erreichen können; ich habe eine solche gemessen, die von der Ursprungszelle bis zur End- verästelung eine Ausdehnung von 832 u hatte, und dabei fand noch die Messung in gerader Richtung statt, während die Faser einen großen Bogen über ein Windungsthal hinüber beschrieb, so dass die wahre Länge wohl auf etwa 1 mm angenommen werden kann. Oft kann man Fasern verfolgen, die etwa dieselbe Länge haben, ohne dass man den Ursprung oder das Ende derselben sehen kann, so dass ich mich wohl kaum irre, wenn ich glaube, dass die Fasern häufig eine Länge von 1 mm und darüber erreichen. Ferner folgen die Fasern nicht immer der ursprünglichen Richtung, vielmehr können dieselben in die entgegengesetzte Richtung umbiegen,

rm een

EN

, 2 N 2 /

Fig. 11. Axon mit Schlingenbildung. Anfangsverästelung hier reich, aber schwer zu verfolgen, wesshalb sie nicht in der Zeichnung ausgeführt ist.

ja sogar nach einer zweiten Umbiegung die ursprüngliche Richtung wieder einnehmen, so dass je nachdem eine S-förmige Figur oder eine der von STÖHR beschriebenen Schlingen gebildet werden kann. Eine solche Umbiegung kann überall im Verlaufe eines Axons statt- finden, sowohl gleich nach dem Ursprunge als irgendwo im späteren Verlaufe. Außerdem beschreiben die Fasern oft größere oder kleinere Bögen, oder gehen schräg nach unten oder nach der Oberfläche zu. Auf Tangentialschnitten sieht man, dass der Achseneylinder nicht selten eine Umbiegung in der Tangentialebene macht, und also im weiteren Verlaufe nicht in derselben Transversalebene wie die Ursprungszelle liegt, wodurch erklärt wird, dass man selbst

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 649

in guten Transversalschnitten viele kurz abgeschnittene Axonen Sieht. : |

In Betracht der Verhältnisse könnte man sich denken, dass es in der Molekularlage nur Zellen giebt, deren Axonen sich wie die letzt- besprochenen, langen transversalen Fasern verhalten, und nicht Zellen vom gewöhnlichen zweiten Typus, indem ja die Anfangsverästelung die Ausbreitung einer Zelle vom gewöhnlichen zweiten Typus simuliren könnte, wenn z. B. die lange transversale Fortsetzung weggeschnitten wäre. Ich habe die Frage einer sorgfältigen Prüfung unterworfen, und bin dadurch zu dem Resultate gekommen, dass es unzweifelhaft Zellen vom gewöhnlichen zweiten Typus also ohne jegliche besondere An- ordnung der Achseneylinderverästelung giebt. Diese Zellen haben in der Regel einen kleinen Ausbreitungsbezirk und sind ganz in der Minder-

| Big. 1. Eine Zelle, die eben auf der Purkınge’schen Schicht liegt, und die eine Zwischenstufe zwischen den zwei Smirnow’schen Hauptformen bildet. Die Äste, mit Ausnahme von einigen winzigen solchen in der Endverästelung, gehen alle nach oben. Die helle Straße bezeichnet die ganz ungefärbte PurkIınJE’sche Schicht. Darüber die Molekularschicht (mit einigen Verunreinigungen), darunter die Körnerschicht.

zahl: Von 150 nach einander untersuchten Zellen hatten 106 un- zweifelhaft einen langen transversal gehenden Fortsatz, nur 8 waren sicher Zellen vom zweiten Typus. Nicht sicher bestimmbar waren 36, und von diesen gehörten wieder 22 wahrscheinlich zur ersten Form und 14 waren möglicherweise vom gewöhnlichen zweiten Typus.

Ein Umstand, der bei dieser Scheidung Schwierigkeiten macht, ist der, dass es unzweifelhaft Zellen giebt, die Zwischenstufen zwischen

650 Bjarne Eide,

den beiden Formen bilden. Solche Zellen sind schon von Poxrı (l. e. p. 38—39, Fig. 3, 4 [?}) beschrieben und gezeichnet worden. Ihr Ausbreitungsbezirk ist verhältnismäßig klein und zeigt nicht die charakteristische Anfangsverästelung ete., aber die Axonen haben doch das Hauptmerkmal der Transversalfasern, indem sie aus einem transversal gehenden Hauptaxon, von dem in nicht regelmäßiger Weise eine Verästelung ausgeht, bestehen. Wenn man z. B. die Fig. 12 und 13 und mehrere der Pontr’schen Figuren betrachtet, so weiß man nicht recht, unter welcher der zwei Hauptformen man sie auf- führen soll. Eine ganze zusammenhängende Reihe von solchen

Fig. 13.

Eine Zelle mit zweimal gebogenem Axon wahrscheinlich auch eine Übergangsform bildend.

Zwischenstufen kann ich nicht aufstellen, und das würde wohl auch, Angesichts des großen Unterschiedes zwischen den zwei extremen Formen, mit großen Schwierigkeiten verbunden sein; ich kann nur sagen, dass diese Zwischenstufen da sind.

Da von früheren Verfassern wie RAMON, LUGARO, STÖHR und KÖLLIKER, die die oberflächlichen Axonen gesehen haben, behauptet oder als wahrscheinlich angenommen worden ist, dass die oberlläch-

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 651

lichen transversalen Axonen doch durch absteigende Äste in Be- ziehung: zu den Körpern der PurkınJe’schen Zellen stehen, also wie die Korbzellenaxonen sich verhalten, will ich noch Folgendes be- merken:

1) Ich habe nie eine Korbzelle gesehen, deren Axon eine charak- teristische » Anfangsverästelung« hatte.

2) Ich habe nie gesehen, dass ein Axon mit » Anfangsverästelung« Äste in die Purkınse’sche Schicht hinein zu den »Körben« sandte.

3) Die Zelle Fig. 12 (die freilich nur eine Zwischenstufe bildet) sendet ihre sämmtlichen Hauptäste nach oben. Nur an der Endver- ästelung hat sie einige kurze, winzige, nach unten gehende Ästehen.

4) Trotz der großen Leichtigkeit, mit der die absteigenden, korb- bildenden Äste der Korbzellenaxonen in ihrem Verlaufe zu beobachten sind, hat meines Wissens kein Verfasser, der die oberflächlichen, dünnen, beinahe ästefreien Axonen beschrieben hat, Verbindungen dieser mit den Körben wirklich sehen können.

Fig. 14.

Querschnitt einer Windung mit oberflächlichen Axonen und Korbzellen mit ihren Axonen.

5) Die Achseneylinder der Korbzellen sind sehr dick, oft excessiv dick, die der kleinen Rindenzellen sind sehr dünn, ja sie gehören zum großen Theile zu den feinsten Elementen, die es überhaupt giebt. Dasselbe Verhältnis besteht auch zwischen den absteigenden Ästen der zwei Axonformen, indem die korbbildenden Äste der Korbzellen-

652 Bjarne Eide, Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns.

axonen meistens von Anfang an ganz charakteristisch sind, während die absteigenden Äste der oberflächlichen Axonen sich in keiner Beziehung von den anderen Ästen derselben unterscheiden. Aber wenn auch in den meisten Fällen dieser Unterschied sehr charakte- ristisch ist, so muss ich doch bemerken, dass Korbzellenaxonen (be- sonders oberflächlichere) so dünn, und Axonen tiefer liegender »kleiner Rindenzellen« so dick sein können, dass in solchen Fällen die Natur der Faser nicht nur auf Grund der Dicke entschieden werden kann. In Fig. 14 habe ich einen typischen Querschnitt dargestellt.

6) Die Korbzellenaxonen finden sich besonders in der unteren Hälfte der Molekularlage, die Axonen der kleinen Rindenzellen am zahlreichsten in deren äußeren Hälfte bis dieht unter der Pia, ohne jedoch eine besondere oberflächliche Lage zu bilden, wie FALCONE beobachtet haben will.

7) Die Axonen der »kleinen Rindenzellen« sind (oder werden durch die Behandlung) gewöhnlich ausgesprochen varicös, was bei denjenigen der Korbzellen nicht der Fall ist.

Unter den Übereinstimmungen zwischen den beiden Elementen, - ist die wichtigste die, dass sie alle beide in transversalen Ebenen verlaufen, zweitens haben auch die Korbzellenaxonen die oben be- sprochenen Umbiegungen und Schlingenbildungen, und drittens end- lich verhalten sich die aufsteigenden Äste dieser Axonen ganz wie die Äste der Axonen der kleinen Rindenzellen, indem sie in der Molekularlage frei enden.

Ich möchte also meinen Befund dahin resumiren, dass es in der Molekularlage des Kleinhirns der Katze außer den Korbzellen noch andere Zellen giebt, nämlich: 1) Zellen mit bis etwa 1 mm langen, transversalen Axonen mit einer besonderen, oben besprochenen An- ordnung, 2) Zellen vom gewöhnlichen zweiten Typus, 3) Zwischen- stufen zwischen diesen beiden Zellenformen.

Würzburg, im August 1899.

Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

F

Bl,

Lih, Anst v Werner &Winier Frankfure”M.

_ Zeitschrift f'wiss. Zoologie Bd.IXVI.

Fig. TE

a EG \ RN R N EN N iz I {N a4 1£. el = ! te SD la Ä = SI Ss Ä

] 1 \ | Bern a I { \ R: iR w= 7 N Ze Se head. Be \

& a = - -pro.th.

r— YN es an A

a) En un = : I I 2 4 -- meso.th. 5 > Rn, N iS;

SS - Jar Meg ch

STE RP ee N.77229a.000: > = N 3

N N elek

we SS EN a x S II

a

a

ae 4 -- = vag. N @ nr pude

5 _ - -chpl.

r

nd

----Mled.ovi.

‚-rec.senl.

_am.gl.

\- oV.

rec SELL.

Te 21.6.2. del.

PTR

l

127; N a NE ZEEIIIEELENT \ N S a % N / \ N N N N \ dvag.mus. De ooyal, / N 5 N = I 2 vul. \ { un ”r

iR Sdvagamıs. .

fe Re £ ..

nntragrEERN

Lifh.Anstv.E.A Furke, Leipzig,

Fr ptmus.

! t 1 1 1 t

=. - head. u @ \- pra.th. 2

- meso.th. 2) i ; nF meta.tir. { U ree.sem. Br; paovi. —aG . - -medovi. Ir h vragmus £ x PR & \ 17 >52 | \ 7 f 4 aM > reasem Med.ovi. opm.gl.

v Umus.

-Mled.ovi. rec,sent. -am.gl.

Pmgl. opnugl. mas.lon. -\

larM.

Zeülschrüft f-wiss.Zool ogie Ba.LXTT.

_ mus.sh.

—l- am.gl.

ee Nmus.sh. pm gl. MEIN.EC. PETL.cor: In.peri.corr : foLT PQ.ovi.

fol.‘ folL3: 0. ovar2.

FR Lg. TI:

TEeC.SEeMt..

I 2 Taf. IH.

diS. fol. CE >

pert TÜVSSOT

ei >

Ba.ıNTT.

Fig.M.

rı.cor z De \ 5 In.pert.cor 1 i

ToLR

Sans 34 Pırke Leipt

Zeitschrift f.wıss. Zoologie Ba.IAV7.

* ses@ #8 TEE > er een 902 3 > ET ER ee oo® sea eo SE Fe 50 Po a0” e

So We; 8 2ro3 Ss ® © ©- © =; a

BES @8 & & 2 Io ) )G / ©fe) SS) $

: i = ng © E00? 9 I ao 9 Ran 00‘ 0% 9808

ch Iren | Fig.R ® ec EZ >85 naoaseeaerrzatTe > lan?9 8 >> Su az a | > = 2 ©, Ds9 02 ao 38 SS So 5: >) > .28 2 z2o& EN 28 Sag» > & 29 = 59‘ eg | Se Z E02 ® R: >58 En RT SSR au- 8 59 900% | 5 080 LI) oe9,.98 RER cr 2499, 900° | BEN | I ,92 Set | 2989996 % gE SEHTEEAT reader 5, © / 908998990 | a Be Hg90sRo ® &9 / E 908 | ac 96,e0tes SOHN; 6290990 GH? 09.000089, a AO —n0" Se “G | ELLI IT BCE TE | B9a0?oolooga do de, 2°“ Soden, m > T rn) wi; ER 5) 00200, % o®_®9 So: BAT ) ® 90 .8,09528 586.00 490.099, °a,0° 000 Nası 860 2000, 20 v0 000% 0000‘ 290. © 9 0ob. ter Ho, 9 000°0 00 5 ,°s0 0,929 95a. 2 09H 899?” „08 2090 92009 - s a 284 CE RR) ©) 5 a eu ARE 35 Eucg = a ‚00399 8508885 2800% ee oa» = &9® ; J 7 a /eP/ Er Ne DR @. \ o\o 7 WESER ARTE a“ e N OST SA ve- IE a a RE ee DA ER EN : a Sr FE 2 ee a, eo Is a0) 8 e ‚o ch ) x © \e

[24

N R

N 0) | 9 In k AT) Som N n O9920 00 CAS / ® u. © BLOLCICH KOT OD 009500020 DILL FICK. 7x 820 LISKR © © & (6) rn © PLAN Be a 8 gNe;ee e\_\ )e 0. oe OO se, AN 8, 08 pH) N oen S-__—/e 0 e2e voa28o SE) IE IN CEINR de os. ae @.00 P © er } A N Nitao ® 0 © WERT Sonnen 99205 Ve ZN RC lass 58% Coo2 25,09% > Pa 8 N e.o9d! © - ds \ | lab o9e,0» ' Gi 9 I 9 so0l® 1. © Sg RK ER Se: os a2 o8 c we; 88%, Ss 80%. 00 Sr CRM CIE Bo ; ESS ® ® => no P8g0 E= oO 0, eateg; IQ > Se SPRINT: ha. 33 ® ® @ m = 07 j Sn rn so» _ > Ferm & oo ® 2 | R IE oo »_® ou. =) B © © ® | 2 = [ ats es AN = =! BEI AAN: S> ep! PK EL IE RAN: r 0 oe on S a —t PROB © n 063» I er ® eG 22,9, 9 Bone gVA vs \, REATTLT Gegasae er vw se US 9, 8 @09,0,0 00 > © oo ee ----- D © © °8 @g N = Pt o 08 Pag o5 cW 900 90 o ra, & om o no ?OVo2b,®, .& ©. so@tufoa: e* So LEN 2 a > m, r ' lei 2 ST ve ö ar Pe} = a a doll ER , v0 AN ©) 7 E Een N | 0/0) B Plan BLOCH DER | IS n = { 2) Ö 4 ZEN N S S 5 IL X) 3% \J IN

a Zu) ae - ---S

ce) "m

RE a R \o u ji

Fig.2?

®

Zeüschrift [. wiss. Zoologie Bad.LATT. Taß IV

Fig. /4 ad Fig 2} Fig.d. a ee ge MARLTScH x RAND Bor en el 7 Elli ERLITT NT 7O 7 SD R e = © h Ba Ne N > « AP 4A a 2 os Ebene | 900 98 > mh 9= 22222222 | oR2\ SD 90000 ea See Saueen i SS“ es RE Er en) 23a AR RN oo ei (& a0 & ; ? Wen o. = X ° BO (ae Foo ar 009,090 208 000 © 09 |

yo 8092 en

AR er

o0® 288

oz Son)

900, Co = ı@O_ © © "0080.00 e ©9 ao

ES Pa===

3 = = x 6 x >” er IS EI FE ES I FLIRT > : BSR So 58 EA . LICH Y NOF-E

en

[77 _>- T >= 25>@3& S382 SFT ee rer reine ASS» SIIS Sasse =; 5 PRESSE > 32T 5 SD B =

OR OS

©; ©

5

© [o}

(S}

8%, [oTolc} (oYoXo)

eo [0] ©®

089 [0)

jorc} a 2 oe eo0 0 (6) 88 80° 3209 080959

[01016] 0) ©

z 3 y ch (RE De

Ei 1 ER u ai n Mm nor " 4

Verlag \ Wilhelm Pa Mlenzie, Läh.Anstyv/E.A.Funke/Leipzig

Zeitschrift f. wiss. Zoologie DATERIR

I

SS)

er00#00009% a, PPACENELT,

000608‘ \ 064000 jo,

1%) I. } () ": aD 9049 MN

I) d LT:

\ e\ /8: IR /9g

B0 0 849.0 er 2 IR DE ms Se

N.

086 \ ) Pos b 7895)

S SS

N

am AraH

v

hb

Fig.

6)

Ben D-

a 29228093

> = =) @ 9 S o ® (2 e @

® rr3

rn

®

ii

) B6 988 898

| )a8 09 De 9 ® »: o

BBEERE) 8 & . @ ® 8 kA

ORABKoR RTL, POS PR 90

Aa SIT ITeN: S

= Mm

N

a)

PD) iv)

[47

©®8

=

[I & er ; Er

\‘®

252090 Cagge0s 21222707227

= eo,

8

Lehre VE

EIS ® 00002 096000000

_

RIIELSDTSEITE (>) S; ES

©

DD SS EI e@ eyes nn = ESOmdo®

Yepennst 5

=

e ©

ai

>) (> 2 x = > -@ a4 \ 8 2 © 5 S @ | 0 00 v Qaasae de, 009 [E76 e 88 oo ® N N ie RETTET Da EL IIINY 20 rare 8 909 Ro aa ed aan ae Ro ac a8 259 EN TIERE LITT BT re RR RI RE RT EIFEL a% e- 0 09958058 MER R no 8 EN 900009? 7. 088 LITT TIL FA oe O0 5 B0000 0 0 0 YO 9 RL 9 ® & o8| PIKLIITHIALETENT 0 050 2,92 90,889 99° e89 9 ..2@08 ® 9, 4,9898 855, © rn .8.0,0 689,9, Aue 7aa 09 v079 © EHRE Eee RR 5089,08 50 80 96009 KITRIIIILZT IT EEE HART DISS PET AR IK ANKTICH EEE er EN ® A) BO se@®@8g@08 S08®© POoRaoHFOo8H LE uuftteoe 1 Er idee IE TE I IT D or 9 ZEN III 5 xy ch N a r 2 Ms Fi| \ 5 A SE Ko) NL ö X Q \ OQ 2 x & 6) S8 RE »\ ‚© RL 2 x ne 5 \ © SE NO ON Be l | | | ) | \ | LS 0’ ai oh 2 0 L nstn.E

D KEIHZIT.

Gr

Zeitschrift fwiss.Zoologie Bd.LIATT.

N

[ 1

SeSf»20 000

288 .958S

[} & o 0%6

[2] #ögg os

0% DIN

cd

®_. se o®,

8

a ©® e=

CE

@s

o BI

9809 808% SITE

FTFTLETER RN

Sn3aB

© ©

© >

Ib

® oa n oa» 2 ee @ =

Fig.l.

77% u E men

DEI IEDDRORNRORTERTENIET FIT] 9. sv...» a. ou vor 89 d ,eo0a > ® ET 7

© „%0o 4. „2a oa mP 99

- =, »a.e a IN =

. 3

@ r or > "a san, 20800,

Pr

; z ° 98,60099 Sne2oooe 09 KALT ET

>% Ss 200088» 5.8 220 589 090 er) ARTEN) @ er (H A DRRUNTT HALLE 008, 0380 x SEE e.,.nn

Zeitschrift f. wiss. Zoologie Ba.IXVT. '

H Männer gez

E C) = sa © Pe88,, soa=| 000 2.’ 0, ER = 2 Senne = oe so »eeigonnise e.° en s@a29e o..> = ELDER AT ErTI \ 2 a ae, 7 s_- 9 Bau oen'sc.a,@% eo, Beta oe > 59 ET er R Tree 2 are. f y Ip Se 2 @»8 3 N = Pe I VA - 000° We: ! -gI09 603 „a a 0 09 .80° © Ä ann TR 09T 5 06,0 —um® m . CR ORTE N ug. Rot Fr, Hi nee a LIT KIT WITTEN EN TE 2 a Bares ee = tee, 0 Sa, 2? 8% = 96 er ae ® ET II EBIE I e Er) “> e ©

D.2 = 99 ea? se ee ee ao 9 2 ® „e. ee FENIBZHZRTR oe ee —So5 89 375 : ®

sg =.

"} 2) ® oo.’ » BSH ers

uk %

N U 8

8

N)

%

NW IN, Il r x

\r

VEN Q

8298 RK 1:7 wm

97

TafVI.

9% © se eg ©8

I 0’

ar

__ML 5 < x e@® 7 =) ee N 82 ui 8 so = Pal. 38 a Er) EIN a ) SA a hs rn PTLr > eg i 9) 0’ IE Fe 1 re 2

R

REICH NN

{

gie Bd.INTT. Fig.1B.

volog

Ze

ISS.

'

Zeitschrift Y.

1

| I | I

Zeitschrift f.wıss.Zoologie Ba.LAVT

5; [IF FREE f

ot geh

Zeitschrift f£wiss. Zoologie Bd.LAVT

el

lag v Wilhelm I ieh

Zeitschrift Fwiss. Zoologie Bd.LXVT.

af. VIT.

7

S

Taf VI.

Zeitschrift Kwiss. Zoologie BALXUT

el

Inst. Werner

Teflark EB,

Frar

Winter

J

|

ip eltschrift wiss. Zoo I0.

hansser; 16,17 Anna Jil

So > b I Ss By 5 | S ee ER EI RE N Be 3 os nn ne en nn nn nn nn nn nn nn nn Un u m nn

Zeitschrift Kwiss. Zoologie Ba.LXV.

Esther Jorunsson; 16,17 Anna. liljeroos gez.

Verlag.von Wähelm Engelmann, Deinzig.

gi,

Ti. Anst.eWerner alten Franklurloit.

ER jo /N

000909000, = c

3,200

© 002

Fügl.

3 oO o 6) 2) {0} yr ö 3 08 ) S o 80° {6}

ee

Be X ee

Hist

Sub

We

Cutis

af

SS

Culis

PN Sube

|

Zellschrift J. wıss.Z oologie BORLKDI:

Fig IH.

Stubeäis

Weg"

a IN

N \

N

N

Hl

Taf NL

2 Cusis

Zeitschrift [wiss Zoologie Bd. LAVT

Fig il,

Subonuiis

en m FR ei —,

TALRT

Zeülschrift Kwiss. Zoologie Ba.uXV.

Taf: XIH.

|

2

Verlan von Well

rann, beyzi,

Taf X.

|

|

Zeitschrift Kwiss. Zoologte BaA.LXW. -

|

Verla wer Welheiee Bremen. Iafpaig

a ID Vs Y EZ ler Dazu

r

Zeitschrift f. wiss. Zoologie Ba.LXM.

\

_ 1 f | \ ht AL 1 a ESS "SR: \ \ Tal II EN v7 AnAdr pe RS NMIIIARTIIININTTARRES- KALK IEN A AARAU FT P E “Eh 17 Ar 3 ee IithAnser. Werne

Be, 4 dd ol, 0

Br

Be

r— “il

ei ne

>

B e Zeitschrift Rwiss. Zoologie BAıXIT.

Dun

{,

Zee Me Anl eAsicherrite

SR SR NE En DNVER

u ern) EEE NEE

N

\

eitsc ift Kwiss. Zoologie BA.LXW.

/

\ \ \

\ \ \

Mi . h"

Verlag von Wilhelm Engelmann leipzig. Jin. Anst.vu Werner Winter Prankfunt®M.

Taf. XV.

4 eitschrift £ wiss. Zo0 |

ji

Autor del.

Dih, Anst.w

7 H

NET &

; Pr 3 ta) = \ At er: 2 0 Er", N, : i

Zeitschrift Lwiss. Zoo

logie BA.LXM.

Taf xvn.

N -

rlag vorn WilhelmJEngelmann, beine,

%

:

Xv Dv Tor

9. ITd \ Dar N \ AU z | Ian \

\ \ \

Ay Av Mir Mr

Taf XVM.

Tal ı 1 RR DLR ERLALLESEHRNEN

wer “er u

Zeitschrift FR wiss. Zoologie BA.LNT.

I

u

Xv Ir vv

Taf xx.

ze

Zoolog

WISS.

Ba.ıx.

t>M.

» fi

Alu

2

Jıth. Anst.u. Werner xWinter, Fran

Verlag von Wilhelm, Engelmann, Leinzig.

IE

<

Zeitschrift Ewiss. Zoologie Bd.LAl

RD EN,

er Y

W, BA

Taf

nkantur

«AZ Sorpppanf? iS a7

er

2% Ne Le Sg

Taß.xx. 2

1 4

Zeitschrift Kuss. Zoologie Ba.LXVT

a ET ET

a

f r LE

=

I

w

er

R.W. Hoflmann gez.

TUXAT.

|

nn

ee

ENTE

/

oloaie BA.LAVI

rıft f.wiss.Zo

J

SCH

Er elle

7

/

A

7

D

nr ei a

BA.IAVT

| VO RERENTG «

Zeitschrift J.wiss. Zoologie

A

| uf

f

I)

en

-f-- br

ji N --r

/

/ / a Re

[a

EL DI

Zeitschrift f.wı.

Zoologie Bd. LAT.

ol

TOR:

ER

9,

EEE En Li,

u, 4

EZ

h.ı % nen

11.

S | |

RS: | I a

ES.| a n N

% | - a y a 7 x

= -_, et . N

» = ei

| \ N % i & = j Img f m Fr nn. RS F en x - | u = Ding N er, Le} ®_ w ® % a nr b 7 ® « % ae | r = WE | \ « a | ö ) ig tar - > a

Eyr* es

D;

Wet = ;

7

N R \ ) S

1 EIFEL eE: = Bee ana Pe: z HiHJ 38 el rt] 2: 3

a) 5 nf = a = % 2 n = F

& N

in

“N ® FR)

Eye.

Ka

nn

x TarXXY.

m

ä .. sugB 18 ty

ET I

TTRANKIYEY 20% .

‚W 16» NET

NE N. Sn NT m # Pe 2 27 N

\; “w ri

‘un doga Hsisı © Er) Q ns4ao=utdg, > au

Ser>aresesee), » yirmmerdas PAS

\ zawaıe, 70395 ATI IL Fr ® Sr KOCH u... une je eg BEST TU,

DOCK

Sl ‚®

1

|

|

l

|

|

|

N

I REN ATI TENTTISIELE RD | u ren sr nu yon 2 |

|

I}

‘E% gi . „ui P77 VAL Seesen zur edere “=

Hr

3 II

—— J ee za a

%“ ei

„wartadsiniaser a ee

#* » ee un u ze ET “in

“_ Sa

Ag

Da

iX)

U Er &

0) hY 28. ia w 2 . €) 5 era en ze 5 28 “es » = = © en a a re - = Ver Mr Teinzın Veh Aust. ve Merner Vater Franka f ü

Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. LXVI. Taf. XXV1

it

Bütschli phot._ _ _

Pr Ba IX

gu

06

ro

SS

Zeitschrift £

‚Von.

Verlag

Taf xxVnH.

gr

AiR REN

j z »

Zeitschrift Kwiss. Zoologie Bd.LXVT.

Een 2 = - PO FEEDERETET?T eu. u BE RI Er Br AR TE ER AN re a 2 er E ers > RR eh a a

Zeitschrift fwiss. Zoologie Ba.LXVI.

Nre

Toon

1a |

Taf XXVIn.

= > _——,

(wiss. Zoologie Bd. LXN.

; Zeitschrift

I | | '

Werner @Vinter, Franka

Zeit.

schrift f wiss. Zoologie Ba. LXVI.

Zeitschrift £wiss. Zoologie Bd. LWI.

Ta f . BKERE Ka

ı® &

18.

AU

oo

P} © ur

= E “Werner x Winter, Frankfurt "MM

Bei DV

oologıe

r 24

II:

tschrift £ wı.

.

Mel

OORD 00055

OA 05 050085

= 2 2O 988 o NE 280 %

Top KCRKI:

DR TArgRT Tara av L) ERS E AL “eso

EEE N > MT

a’ ah u

S u DD Äh Q N

=

Zeitschrift Ewiss Zoologie Ba.LMT.

en ———

am

Taf X“.

Zoologie Ba.LXW.

.S.

%)

® o & HOME S

Zeitschrift £ wi.

TaRraX SH:

AR 7 .—

Taf xx. un

dz

Bm

vi ee

Di a Aa!

ee VE LER,

*

>

3 = E e i

ieh Anstıv Werner &Winter, Frankture®M.

L_ nn = = Veriag von. Milkeh Alan, beynzig

Zi

vmil

Zeitschrift Kwiss. Zoologie. Bd.LXVI.

Ehe: En

in a awa=da ® \eoo®2 ug ® SMLPLLFT) "so CHI ® ns “39, ® es Osoaunt 2a ® a se © .0oe® “een } .o oe CIEN PR) a ® o°e* a8 oe» E se® eG Kl 2 oc, PS)

XII. m

r 4

Taf. xx

a ® S \ 89%

ee er .

Zeitschrift Kwiss. Zoologie. Ba.IXVI.

ö Taf! XXX. = —mn z 1z E vmi 4 4

ur T

iindeir © = 8 2 uf as ann ge 3

%

ae N

ah mu n

Verlag von Wühzl u" ann, Jeinzig Lüh. Anst vWerrer aWintern Frankturt@M.

a

I . 1

Zeitschrift £wiss. Zoologie Ba.LXV1. Taf xxxIv.

sn rna 7 m z = ee. Ste;

| } | r ah I

ji P

34.

O1 on

dz

SB et tenr % LITT SANFTE - &

eg 95, PAIR arm N SIE

% Im | een SOSE : BEER EEE EEE er | > >> SEES) | Zr 4 ir | Sy

Mn: 3 e%% / Rz 2 ur m; A AO) v) II TO VA.

ax ee el LU ner

f3 “4

iss. Zoologie Bd.LXW.

V.

4

\

PAIR,

LUNK: mu As R Q = f ' j ! ! I - are s L | r t | ! ı | in | 1 (Hy \ A \ Bi) . \

nt

& E ar \

ER OETERTERTGET TU TRETT

er

Zellschrift f. wiss. Zoologie

Zeitschrift [wiss.Zoologie Bd.LNV. TRENNT.

|

MOM

za Sa m

Du Ken N) N N © Pen N N ‚8 an £ N 28 PS BETZ Sn N 5 Rn Vonoh nn Dee. IN | N NR Wi IN dr S 7 N N a - I 36 PET S (da Ba 2 h TR RENTE ATRRSN { N ! Se Ss 096,5 28 REP / PP ken sHgieheleefähel | u Ne Oo 9. PR” rs /1 #9 33% \ al ' ne | } | j } S KR, ( 2 AS > < ps WEID" 8 N > h s N | S TEE STR EN I Baßtaltosicengpessjereierierjunksgebesu hg HB. 9 Peer. ® \ S % DEN PN | Nie FIX ART | N y ö 0;® © nn un = 8 \ S 7 a nf an I l Niaz® Et a%\ I nd Yin N | | | | Ve ots ® „wen An ® ;®| N | | pe 7 ur) oe? ® =D» ® \ SAN ach > ne EN x #0, ® N \ So wo o @| N N kayg| faul base) Kassen "0% ®? mn Io 998 | Se re ak a a a Eee l © Pr ©, => Ss un CD RB: RN \ © OR Dg. Ss N f \ 0/ “D DD & x c EIMPA Y Sn N | Sn ’@ © & oO I ! WR Ge = f ı 5 .”* 222. »e0o@ N ae | 8, Mi Ä Pr \ @ og re R \ N. %; Ye \ DD | N ER | 9,40% MN t r | / / \. m, ' | h \ \ a; f) e\ N N a 1 NY 009, 099 4 MN \ \d 2% 0% / No ,% 0,09% % 1 ! Go > un A) IL ) ) ( HR N\ PS Be al \A\D! & oo, (oge9 %: ao 88 ? &) N \ \ \ ® / Sy“ NOS | \ WN Fa © ) © \ 00 FE Wa AS \ i a a De 0) UV | RR gl@ ck ig SIYF7 Et : 808, Sr I SD .y ; N 38 @ ER EN ) EN, «Una KB” er) ar to fe 3n =“ & = (2 oe 2

Zeulschrüt f wiss.Z oologie Ba.LATT.

Wilhelm Engelmann '

Zeitschrüt f.wiss. Zoologie Bd.LATT.

= >

Seo

er

‚gu00090009 04, =

66066

0066908

XS) / & / S, al Q Dr 2 Ep

Nee) © % Mr) 5 NEO ZN N N ee

\ /

= iS 2 a nd ®

3 /\

| Vzu | K2} | N \9

\ \@

\ \ 1@)

|

u 900009,

N Pe ee . 29

nn 6) 2 z 8)

(0) ; 2:8 ;

er Rn £ RAIN | | an OR] 209 \G 3 NG Se.

00002 99,

Va NNXTN.

%

900

ı

7

>) SIESS- / 57 4 | er ©

Zeitschrift fwiss. Zoologie Bd. LNTT.

02)

g &

ERTL

, e g5®

So oa 000

7

29) S:

N

EN

SL

OO

\ en /

N

8 JR SQ iS‘ SiS) 8 S! 3 & Ss ES] S Ss SR S \ SO a

6 ?

FA „0b -

Pf 1% |S I

00666

N EAN IR ®

; 0085 Bas= ie 00 000

Zelischrft fwrss. Zoologie Ba.LXVT.

o&—-

In DS & h 3 <a OD a © ; - en NOUS - m } } NONE 5 u) = Sy | EEE FERN ER ES 0 : Wa NARN N © \ SER Se a N Ei

Sr

Ü u NS) & a © RS ON > > > Be EI Due I N ® [@B) oo A x Od 2

[4 = AS one So vo C

0 Pr” 1% S 209,,0°

al

en. .. 5

= eu?

VGSTOE

FE SEDIY JS

/ Verlag vW

7? 2 iz \ ® ( \ | 4 - G { > I PS, \ { (a 7 L y ER,

er

%

N

2 39 5% o? 9

2

93 S)

o oO

\\

\ ER 6

) I )

= 900000 TIPS oo o ERCH

I v S 200, & [2] 00:

Fe Kolor IS» 17°, 9

3 v5 0) © 9

t I

\ ee I u # INLR \— Pe Ge = Ya EI, SYOS En f N

} _ / & 9 9509 SOC Ho %E IN 9:50, 05 0965502 9 9) )

d 4 E a 08 B0 32

a A, ®@__' BB de

Zeitschrift f.wiss. Zoologie Ba.LTT.

Q

© oo, \G Fr [02 ®, a er?) Fre) 92 ) ur“ nd oJ ) o9" Or =) »_9 az SS O,, > fo} © Oo 2aT5P > & 9) © © u Voa005

een

Taf NUXIE.

F } \ ‚go \

_ 9) S%

P) 2 0 oe 5 oa je) 9! RE. Del 0 u /n 6) 0 0%” 2) ! 8% P) d us D GR

1Z.

af.

Zeütschrift [.wıss.Zoologie Ba, LXVT.

‚Wilhelm Engelmamm 2!

' Korotneff gez.

Zeitschrift

für

WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE

begründet

Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker

herausgegeben von

Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers

Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen

Sechsundsechzigster Band

Erstes Heft

Mit 11 Tafeln und 2 Figuren im Text.

LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann

1599.

Ausgegeben den 6. Juni 1899.

InhatEt

5 Seite Beiträge zur Histologie der männlichen Geschlechtsorgane von Hirudo und Aulastomum, nebst einigen Bemerkungen zur Epithelfrage bei den Plattwürmern. Von A. Schuberg. (Mit Taf) Er er 1 The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara as observed in Melophagus ovinus. By H. S. Pratt. (With Plates II—-II and

1 Fig. in Text.) „>... nie ve.) eu 0 02 ES 16 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. Von

H. Männer. (Mit Taf. IV VIL).2. 2 0 Dres 43 Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion und Resorption in der

Darmschleimhaut. Von W. Möller {Mit Taf. VIII und IX.) .. 69 Über eigenthümliche epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger.

Von L. Johann. (Mit Tafel X—XI und I Fig. im Text) ..... 136

Mittheilung.

Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen.

Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers.

Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüuge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der EL DENZILLE dass sie nicht für den Handel bestimmt sind.

Für ein auswärtiges biologisches Laboratorium wird ein

Zeichner

mikroskopischer Präparate gesucht, der bereits Übung in Arbeiten nach Schnitten hat. Probezeichnungen und Zeugnisse nebst Ansprüchen sind ein- zusenden an

Werner & Winter, Lithographische Anstalt, Frankfurt a/M.,

woselbst auch nähere Auskunft ertheilt werden kann.

} Zeitschrift

für

WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE

begründet

Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker

herausgegeben von

Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers

Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen

Sechsundsechzigster Band

Zweites Heft

Mit 8 Tafeln und 5 Figuren im Text.

LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann

1899.

I

N)

I WE

}

Ausgegeben den 21. Juli 1899.

Inhalt.

Seite Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen bei der Eibildung einiger Mollusken und Arachnoiden. Von P. Obst. (Mit Taf. XII-XIIH und. 5 .Fig. im, Text.) ..x ... 2. W020. 020 202 161 Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbesondere ihrer Verbindung. Von J. Schaffer. (Mit Taf. XIV und XV. er m 214

Über zwei Zoantheen. Von A. R. v. Heider. (Mit Taf. XVI und XVIL) 269

Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. Von E. Zander. (Mit Taf. XVII u. XDQ) ne 289

Mittheilung.

Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen.

Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers.

Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind.

Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.

Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere mit Berücksichtigung der Wirbellosen

von

Carl Gegenbaur.

Erster Band: Einleitung, Skeletsystem, Muskelsystem, Nervensystem und Sinnesorgane.

Mit 617 zum Theil farbigen Figuren im Text. gr. 8. 1898. geheftet 4 27.—; gebunden (in Halbfranz) 4 30.—. Der zweite Band erscheint voraussichtlich im Laufe des Jahres 1900 und wird ein Register über beide Bände enthalten.

-

| Zeitschrift

für

WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE

herausgegeben von

Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers

Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen

- Nechsundsechzigster Band

Drittes Heft

| begründet

Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker |

Mit 15 Tafeln und 9 Figuren im Text. |

|

LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann

1899.

Ausgegeben den 22. September 1899.

Inhalt.

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. Von R. W. Hoff- mann. . (Mit, Taf. XX—XXT und 5 Fig. im Dext,) 2 re 335

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen und die Methylen- blaufixirung nach Bethe.e Von A. S. Dogiel. (Mit Taf. XXI

\ und XXIIL) ...2. . Kuna s un ee. 2 358 Uber den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. Von B. Sukatschoff. (Mit Taf. XXIV-XXVI und 1 Fig. im Det). 371

Über die Entwicklung des knöcheren Rückenschildes (Carapax) der Schild- kröten. Von A. Goette. (Mit Taf. XXVII—XXIX und 3 Fig.

im Text.) : ea. ie ee a Ve 407 Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. Von R. S. Bergh. (Mit Tat, XXX. 22.0, 2 222 Na Ve Va 435 Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. Von E. Sch wartze. (Mit: Taf. : XXXI-XXXIV.) 0.200 2m a 450 Mittheilung.

Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen.

Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers.

Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind.

Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.

Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere mit Berücksichtigung der Wirbellosen

von

Carl Gegenbaur.

Erster Band: Einleitung, Skeletsystem, Muskelsystem, Nervensystem und Sinnesorgane.

Mit 617 zum Theil farbigen Figuren im Text. Gr. 8. 1898. Geheftet 4 27.—; gebunden (in Halbfranz) 4 30.—.

Der zweite Band erscheint voraussichtlich im Laufe des Jahres 1900 und wird ein Register über beide Bände enthalten.

Peitschrift

WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE | begründet

Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker

herausgegeben von

Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers

Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen

Sechsundsechzigster Band

Viertes Heft

Mit 6 Tafeln und 19 zum Theile zweifarbigen Figuren im Text.

LEIPZIG | Verlag von Wilhelm Engelmann | 1899.

Ausgegeben den 20. October 1899.

Inhalt.

TRIER Seite

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. Von G. Schneider. (Mit Taf, XXXV. 2.0.0002 2020 2. 1 497

Über die Temperatur der Insekten nach Beoberuungen in Bulgarien. Von -P. Bachmetjew. (Mit -5 Big. im Text.). . .. . me 521

Aus dem Gebiete der Regeneration. Von E. Schultz. (Mit Taf. XXXVI mnd!XXXVE.)..... 0. en 2 2 605 Zur Embryologie von Salpa maxima africana. Von A. Korotneff. (Mit Tat XXXVIU— XL)... .2 00.02.0000. 2 625

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. Von B. Eide. (Mit 14 Fig. im Text.) @A.+l un nu Ben 222. 2.008 EN 637

Mittheilung.

Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen.

Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers.

Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzuge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind.

Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.

Soeben erschien:

Erinnerungen aus meinem Leben

von A. Kölliker. Mit 7 Vollbildern, 10 Textfiguren und dem Portrait des Verfassers in Heliogravüre.

gr. 8. Geh. #4 9.—; in Leinen geb. 4 10.60.

EREINEEN EN Far SL \

er Neon

Re kp

Te

geter)

Pe m

AEETOSLINFNS

Ai 1% N f 2

Eat IN al

IN SE en RE CEH

>” & A

era ES DER

R

NE 4

LIT Eng,

Fe 2; Fi,

DT

3 9088 01316 6