N ae In tn bare u a tn A RE a Be agent Ps en “ u ws > 3 - u an a A a A ne ht e ni N DE a Yin Pin An tum nun “ - = * x > “ . m - er E. j. n un ee > er ui Fre De ..n mr m er in An —_ ne na m new = pw 2 - nn nt nun x “ . . 5 a N u Ente ne ” Min r An u urn in BE ne j" N a N A ee, en nn ut te te tn nn a ne A ET en a) a a er A en wa or un re neun, n « PR nur Ratte er Teile . in kann, . NE in A rt A ar I A Ey Zee BEE ig nn en En ae RE u A ne 1 en tun De Wege 2, . ee er eure Ei BET . nn ee ET N A a nn mn a na m A Ta nn TE N a Ft Pe en nen Be N . Fe u nn alt a ne, u Bar a we Te - a Yan an Pan rn " tn Te nn ae ln et a un EEE en et Er We ne A en ne en Een rin u Eh me he ee an » un. En a nn tn an er x naeh ET TEUER rd um au An. = . ie ie > - n ee - ee ee nn Ai in . ee vw - .. rn fin Pe u De a ” - DE nn u De Au, pn . ET it un m “ » na ” 5 - mr a rn tn am in ee Pe. DR ee mn = Y nn - ren e Be Mr y > - “ ” “ 2. n, % rn Wen 5. Pe u Ra P nn = u p a: Feat an w eu erg mm Pr ni nme an ET nn m BE w nn in a ar cc ” mi © - 5 0m Pen . Dr > n \ . 2 ei in u m . u ng, > Tune an nn , - - n- u - ® zw m -_ u aba Pu . - u de A - _ u. un [m ne. nn m Pas un Zu 5 >. BRE . = u... ri un Pr nn _n nn £ Pr in. n . nn - = nm _ - . in hen Sy *, -_. = Pr - - . m . . . m nn . tn n ne a en BE a N LE LILN . ED - u .. w R “ er . ne - n . . - nen ., . he —— = Br - am . — - . -a . - ._ innen m . nn nn nm u ui - < he, - n . u f Pam . A = vo ... a Pr . in . . a nu - = N . -_. u -— - „p ww PunR x - . Au . - = . © . I A ö er a dee u 2 2 . + * . . .d - y ® y a. ” . j .. > nn nn... p x - - . u U - un. une, vunnne mt hinein | tue - ww u. [u „m. an Pu Annas Ko Eu Se Ben 6 N a et en Euer a a ee en PL Ne mt Ne Amtatetn EL Ber Tu5 ZEN Sr ws - . w ... En Se NE rn un en) DR mn ee ET bei N A Eee udn Pur en u ip. Werts u k £ a Ze U 7 5 25 £ ut A en Teer ee re N A ee en ln ee Te ld Rt een patient Er een, EP w ö .. ' ya 2 n . — ran Min, Ka En Eee I a ee Eredar menden EB en ne ee ee 2 ne ee a ee} . . - un DE Aa ER a me nern un een ET ee et A Se ee FE um. an 3 N Fan nn u a u a Ri a a u. i , 2 . on yrann A eek .. “ he ne a ne " * RE a en Men rt bannen ne a Ag En a A a Bee 2 el Dr on A er Br N nt a rn ee Meta re tr a” . or = ne Mur en em nen neuer. us D= n.. n eh an ng engen a u ae - ” Li 7" m een re Pe DR . gr nt Apr tn a on ee “ Be Ti ar r , a ee - Fa —* L . . ” 7 “ . Art. mul a a ei nie 4 Eye 7 Tee 0 en euere) x Te rn NE u er U ee Crz: . . . a wu e..Wn . Dog x . . F z nz un j ara Pr u EEE MICH z 5 a “ * Auen Nennen En nen Angie = mine Am ud mn. ha one me jpen don war im er Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Diebzigster Band ‘ Mit 33 Tafeln und 141 Figuren im Text LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1901. 170 « %/ 90,543 ai Inhalt des siebzigsten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben den 10. September 1901. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Museiden. Von W. Noack. (Mit BE N und I0- Kıs-sim, Test.) ne. an na. nen Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duft. Nebst Bemerkungen über Leptus autumnalis Shaw. Von Reinold v. Hanstein. (Mit Über den feineren Bau und die Entwicklung des Knorpelgewebes und über verwandte Formen der Stützsubstanz. I. Theil. Von Josef Schaffer. Bee u. VII). . ....00. ... RN IE TEN NT Zweites Heft. Ausgegeben den 29. October 1901. Über die Entwicklung der hypodermalen Imaginalscheiben im Thorax und Abdomen der Larve von Eristalis Latr. Von Bruno Wahl. (Mit Beenmdel Kie. ıma lext.). . u: 2020 N Beiträge zur Morphologie der männlichen Geschlechtsanhänge der Trichopteren. NoneEnoch Zander. (Mit Taf. X und 21 Fig. im Text.) . . ... Über die Embryonalentwicklung der Radula bei den Mollusken. I. Die Ent- wicklung der Radula bei den Cephalopoden. Von G. Rottmann. Sl XI u. XII und A Fig. im Text)...» 2... Die Knospenentwicklung der Tethya und ihr Vergleich mit der Beschleeht- lichen Fortpflanzung der Schwämme. Von Otto Maas. (Mit Taf. XIII EENO N RE Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus aus Termiten- nestern. II. Theil. Nachtrag zum systematischen und biologischen el Mor dh Adımamı, bee ee Untersuchungen an Megastoma entericum Grassi aus dem Kaninchendarm. None kudolf Metzunere Mir lae XV)... 22. ee Über das Vorkommen und die Verbreitung der sogenannten Intestinaldrüsen bei den Decapoden. Von Hans Wallengren. (Mit 12 Fig. im Text.) Seite 109 171 192 236 263 289 299 321 IV Drittes Heft. Ausgegeben den 12. November 1901. Seite Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren, VII. Von den Arthropoden-Augen. Von Richard Hesse. (Mit Tafel XVI—XXI und 2 Figuren im Text.) . „7 Ey 347 Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. Von Carl Rabl. (Mit Tafel XXII—XXII und 35 Figuren im Text.) .... 474 Viertes Heft. Ausgegeben den 24. December 1901. Über die Nervenendigung in Tastmenisken. Von Eugen Botezat. (Mit Taf. XXIV.). ... 01.00 oo 559 Untersuchungen über die Entwicklung von Cordylophora lacustris ER Von Paul Morgenstern. Dit Taf. AV ZEN 567 Die Kopulationsglieder der Selachier. Von Oscar Huber. (Mit Taf. XXVII u. XXVIH u. 12 Figuren an Text.). 72 EEE 592 Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) bis zum Auftreten der Falterform der Embryonalanlage. Von E. Ballowitz. (Mit Taf. XXIX—XXXIII und 41 Figuren im Text)... ..... 675 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. Von | W. Noack prakt. Thierarzt. (Aus dem zoologischen Institut in Marburg.) Mit Tafel I-V und 10 Figuren im Text. Einleitung. Aus der Museidenentwicklung sollen in den vorliegenden Bei- trägen behandelt werden: 1) die ersten Entwicklungsvorgänge im befruchteten Ei, 2) die Bildung der Polzellen, 3) die Entstehung der Dotterzellen, 4) das Blastoderm und das innere Keimhautblastem, 5) die Bildung des Keimstreifens, 8) @R) die Bildung des Mesoderms, 7) die Entwicklung des Entoderms und des Darmkanals, das Schicksal der Polzellen. Einige allgemeinere Bemerkungen über die Keimblätterfrage bei den Museiden finden sich am Ende des Abschnittes über die Ent- stehung des Darmkanals. Die Museidenentwicklung ist bereits in einer größeren Zahl, zum Theil recht eingehender Untersuchungen bearbeitet worden. Wenn es trotzdem hier nochmals unternommen wurde, dieses Thema zu behan- deln, so geschah dies besonders in der Absicht, über den Ursprung und das Schicksal der Polzellen Aufklärung zu verschaffen. Im Laufe der Untersuchungen zeigte es sich aber, dass die übrigen Ent- wicklungserscheinungen, so insbesondere die Entwicklung des Darm- kanals, über die man durch frühere Arbeiten genügend orientirt zu sein glaubte, ebenfalls noch einer genauen Nachprüfung bedürfen. Da aber das Studium der Polzellen, ohne Kenntnis aller anderen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 1 2 W. Noack, gleichzeitig mit ihnen auftretenden Entwicklungsvorgänge unmöglich ist, so musste die Bearbeitung dieser letzteren ebenfalls noch in die vorliegende Arbeit aufgenommen werden. Die Untersuchung hat hier- durch eine, Anfangs nicht beabsichtigte Ausdehnung angenommen. Vom befruchteten Ei beginnend sollen nun an 33 auf einander fol- senden Stadien die verschiedenen Entwicklungserscheinungen be- sprochen werden. Es ist dies bis zu einem Stadium, in dem die Mitteldarmanlage nach zuverlässigen Resultaten mehrerer gleichlau- tender älterer Arbeiten unzweifelhaft erkennbar ist. Indem ich diese Arbeit der Öffentlichkeit übergebe, will ich auch an dieser Stelle nicht versäumen, Herrn Prof. Dr. KORSCHELT für die liebenswürdige Überlassung eines Arbeitsplatzes in seinem In- stitute, sowie für die Zuweisung des behandelten Themas und für das große Interesse, welches er stets bei der Fortentwicklung der Arbeit gezeigt hat, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Methoden. Als Untersuchung diente besonders die große Schmeißfliege; die- selbe wurde mit Hilfe von Originalexemplaren aus der PASSAVANT- schen Sammlung im SENCKENBERG’schen Institut zu Frankfurt a. M. genau bestimmt und als Calliphora erythrocephala erkannt. Außerdem wurden auch die Eier der Aasfliege Zucika wllustris (M.) und Zueilia regina (M.) untersucht, diese jedoch weniger eingehend, sondern mehr nur zum Vergleich. Die erstgenannte Fliege wurde in einem Käfig gehalten, in welchem sie ihre Eier auf Fleischstücken ablegte.e Noch einfacher erhält man die Eier von Zuciha, sperrt man das Weibchen in einen möglichst kleinen Raum, z. B. ein Rea- gensglas ein, so entledigt es sich nach kurzer Zeit seiner Eier. Die Entwicklung der Eier wird besonders durch zwei Momente beeinflusst, Temperatur und Feuchtigkeitsgrad. Je nach der Höhe der Temperatur differirt die Zeit von der Eiablage bis zum Aus- kriechen der Made zwischen 6—48 Stunden. Während Nässe, be- sonders die jüngsten Eier, in sehr kurzer Zeit abtödtet, wird durch Trockenheit die Entwicklung zunächst nicht gestört, es tritt eine Verdichtung der Eihülle ein, welche sogar so hart werden kann, dass es der jungen Made unmöglich ist, die Hülle zu sprengen; und sie zu Grunde geht, wenn nicht eine erweichende Feuchtigkeit er- lösend hinzukommt. Zur günstigen Fortentwicklung und zur Erlan- gung guter Präparate ist es nöthig, die Eier möglichst ungestört in ihrer natürlichen Lage zu lassen. Missbildungen, wie sie von GRABER Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 3 (1889) und Anderen beschrieben worden, sind meist auf äußere Ein- Hüsse zurückzuführen. | Um nun die gestellte Aufgabe zu lösen, war es zunächst wün- schenswerth, das Entwicklungsstadium eines jeden Eies genau be- stimmen zu können. Gerade der Umstand, dass frühere Forscher die Erlangung gewünschter Stadien dem Zufall überließen, hatte zur Folge, dass die Serie unvollständig blieb, ja, dass sogar Stadien mit einander verwechselt wurden. Die Zeit giebt, wie oben erwähnt, keinen zuverlässigen Anhaltspunkt; der Mangel äußerer Merkmale .und die undurchsichtige Beschaffenheit des Eies können eben so wenig zur Feststellung des Alters beitragen. Nun haben sowohl WEISMANN wie VOELTZKOW die Objekte durch Behandlung mit Rea- sentien durchsichtig gemacht. Wenn auch diese Methode zu ent- scheidenden Untersuchungen wegen der sehr schnell eintretenden Veränderung nicht zu empfehlen ist, so leistet sie doch bei der Be- stimmung des Alters vortreffliche Dienste. Zu diesem Zweck verfuhr ich so, dass ich aus einem Eihaufen, dessen Eier von einer Fliege innerhalb weniger Minuten abgelegt wurden, also gleich alt sind und sich im Allgemeinen unter gleichen Verhältnissen entwickeln, einige Eier entnahm und sie in Alkohol brachte. Dieser hellt, wenn auch nur auf kurze Zeit, das Ei sofort auf und lässt das betreffende Stadium genau erkennen. Man kann also, behufs Konservirung die Entwicklung der übrigen Eier durch Wiederholung dieses Verfahrens bis zu einem ganz bestimmten Stadium abwarten. Betreffs der Konservirung sind die Schwierigkeiten, welche die Insekteneier bieten, allgemein bekannt. Sie finden ihre Ursache im Vorhandensein und der Beschaffenheit der Eihülle. Diese ist bei der Fliege Anfangs zart und wird erst allmählich härter. Der Härtegrad aber wird, wie bereits oben erwähnt, durch die Feuchtigkeit stark beeinflusst, so dass also Eier desselben Entwicklungsstadiums eine verschieden starke Eihaut besitzen können. Ein zweites Moment, welches die Konservirung erschwert, ist der Dotter, denn dieser rea- girt nicht so prompt auf die Konservirungsflüssigkeiten, wie die Zellen. Hieraus ergeben sich für die Konservirung folgende Sätze: Flüssigkeiten von gewöhnlicher Temperatur sind nicht zu gebrauchen, sie dringen bei jungen Eiern zwar ein, der Dotter erleidet aber durch sie mechanische Veränderungen, bevor er zur Gerinnung ge- bracht wird. Es entstehen Blasen, wie sie ähnlich bei zu nasslie- senden Eiern das Absterben derselben einleiten. Die Eihüllen der älteren Stadien sind gegen alle bei gewöhnlicher Temperatur ange- 1 4 W. Noack, wandten Konservirungsmittel undurcblässig. Man ist also auf heiße Flüssigkeiten angewiesen. Da man aber auch bei diesen mit der oben erwähnten Inkonstanz der Dichtigkeit der Eihaut zu rechnen hat, so sind auch hier häufige Misserfolge unvermeidlich. Als bestes Konservirungsmittel erwies sich die HERMANN’sche Flüssigkeit (Platinchlorid, Osium-Essigsäure). Diese wurde, im ge- schlossenen Röhrchen auf 80° erhitzt, über die in einem zweiten Röhrchen befindlichen Eier gegossen. Hierauf wurde letzteres noch 15 Sekunden in eine auf 80° erhitzte Wasserschale gehalten. In der Konservirungsflüssigkeit verblieben nun die Eier noch zwei Stunden, dann wurden sie kurze Zeit mit Wasser, hierauf mit 40% ,igem Al- kohol ausgewaschen und wie üblich weiter behandelt. Hat man auf diese Weise brauchbares Material erhalten, so kommt die größte Schwierigkeit, nämlich die Orientirung des Ob- jektes. Schon GrRABER (1889) hat auf die große Bedeutung der Längsschnitte und auf die schwierige Erlangung derselben hinge- wiesen. Während die Anfertigung der Querschnitte kaum irgend welche Schwierigkeit bereitet, hat man zur Orientirung für Längs- schnitte nicht den geringsten Anhaltspunkt. Indem man aber die Erlangung solcher Schnitte dem Zufall überlässt, verliert man nicht nur viel Mühe und Zeit, sondern die erhaltenen Schnitte sind auch in diesem Fall nur relativ genau. Berücksichtigt man nun, dass es bei dieser Arbeit darauf ankam, möglichst genau Längsschnitte von jedem einzelnen der behandelten Stadien zu erlangen, so ist es ver- ständlich, dass ich es endlich aufgab, mich auf den Zufall zu ver- lassen und dass ich nach anderen Mitteln suchte, um eine glückliche Orientirung möglich zu machen. Dieses Mittel wurde denn auch ge- funden in einem, zu diesem Zweck konstruirten, würfelförmigen In- strument. Dieses und seine Handhabung ist an einer anderen Stelle beschrieben worden!. Hier sei nur bemerkt, dass es mittels dieses Instrumentes möglich war, Schnitte in jeder gewünschten Richtung mit fast mathematischer Genauigkeit herzustellen. Zum Schluss sei noch die Färbung erwähnt. Von den zahlreich angewandten Färbemitteln hat sich besonders die HEIDENHAIN’sche 1 Noack (18%), Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie und Mikr. Technik. Bd. XV. Hier sei auf einen Fehler aufmerksam gemacht, der ohne Verschulden des Verfassers in die Arbeit gerathen ist. Der in Fig. 4 auf dem Würfel sichtbare Strich ist ganz bedeutungslos. Die Markirungslinie ist natürlich nicht auf der anstoßenden, wie es im Texte heißt, sondern auf der anliegenden Seite anzubringen. - Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Museiden. 5 Methode bewährt. Diese, in Verbindung mit der oben erwähnten Konservirung, färbt alle Dotterelemente tief schwarz und somit auch die eigenthümlichen Erscheinungen am hinteren Pole des Fliegeneies. Nur der Umstand, dass bei den früheren Untersuchungen nicht diese oder gleichwirkende Methoden angewandt werden sind, ist es zuzu- schreiben, dass die zu schildernden Entwicklungsvorgänge zum Theil übersehen wurden oder nicht die gebührende Würdigung fanden. Aus diesem Grunde wird es nicht überflüssig erscheinen, dass ich der Beschreibung der angewandten Methoden eine eingehendere Dar- stellung widmete. I. Die ersten Entwicklungsvorgänge im befruchteten Ei. Das Ei von Calliphora erythrocephala zeigt unmittelbar nach der Eiablage auf Längsschnitten zunächst das Keimbläschen oder schon den ersten Furchungskern, welcher von einem Protoplasmahofe um- geben, im vorderen Drittel des Eies liegt. Die Dotterkörner sind von verschiedener Größe, meist rund, aber auch tellerförmig, halbkugelig oder seltener maulbeerförmig. Stets zeigen sich mehrere in Zerfall, indem sie sich in feinste Körnchen auflösen. Das Ooplasma ist in den jüngsten Stadien am dichtesten, es bildet verhältnismäßig kleine, kugelige Hohlräume, in welchen die Dotterkörner in stets randständiger Stellung eingelagert sind. Das Protoplasma selbst enthält zahlreiche, feinste Dotterkügelchen. Nach außen hin ist das Ei durch eine, im Anfang nur sehr feine Protoplasmaschicht, das Keimhautblastem (452) begrenzt, welches an beiden Polen eine geringere Verdickung zeigt. Die Richtungskörper- bildung und Kerntheilung, so weit ich sie beachtete, findet in der von BLOCHMANN 1887 beschriebenen Weise statt. Die Kerne sind stets von einem Protoplasmahofe umgeben; letzterer entsteht dadurch, dass die auf der Wanderung befindlichen Kerne alle Protoplasma- massen ihrer Umgebung an sich ziehen und mit sich fortreiben. Auf Schnitten, welche die Kerne auf halbem Radius des Eies zeigen, lassen sich desshalb deutlich zwei verschiedene Dotterzonen unter- scheiden; eine ursprüngliche, periphere protoplasmareiche Dotter- masse (Fig. 22 pr.do), und zweitens eine centrale, protoplasmaarme (sec.do), deren Vacuolen stark vergrößert sind und allmählich zu- sammenzufließen beginnen. Die Kerne selbst haben auf der Wan- derung, wie das schon KowAaLkwsky 1886 beschrieben, eine nach vorn verdiekte, keulenartige Gestalt. Unbeachtet ist bei diesen bis jetzt das Centrosom geblieben, welches stets dem Kerne 6 W. Noack, vorauswandert, und so genau die Richtung seiner Wanderung an- zeigt. Erst nach der Theilung in zwei Centrosome rücken diese all- mählich nach der Seite des Kernes. Fig. 22 und 23 lassen diesen Vorgang in verschiedenen Stadien erkennen. Die Anfangs unregel- mäßig im Dotterinneren gelagerten Kerne beginnen etwa auf halbem Radius sich in Form eines Cylinders anzuordnen und nähern sich von nun an gleichmäßig vorrückend der Peripherie. In Fig. 23 sind alle Kerne bis dicht an die Oberfläche herangetreten. Ihre keulen- förmige Gestalt beweist, dass sie noch auf der Wanderung begriffen sind, d.h. dass sie erst im Moment der Konservirung alle gleichzeitig die Peripherie erreicht haben. Die in dieser Beziehung bestandene Streitfrage ist also zu Gunsten BLOCHMANN’s (1887) und VOELTZKOW’s (1889) entgegen den Anschauungen von WEISMANnN (1863), KowA- LEWSKY (1887) und GRABER (1889) zu entscheiden. Von ganz besonderem Interesse sind nun aber die Entwicklungs- vorgänge am Hinterpole. Hier befindet sich eine Körnchen- ‘ platte, die mit der Entwicklung der Polzellen in unmittel- barem Zusammenhang steht. Einen Längsschnitt durch ein unmittelbar nach der Eiablage konservirtes Ei zeigt Fig. 17. In dieser, wie in allen folgenden Abbildungen, sind die Präparate nicht nur in ihren feinsten Details, sondern auch in der durch die HEIDEN- HAIN sche Methode erzielten Färbung wiedergegeben. Demgemäß sind die Dotterelemente tiefschwarz gefärbt. Das Keimhautblastem (Ahdl) ist am hinteren Pol nur wenig verdickt und in demselben er- kennt man eine feinkörnige Masse (dopl), welche auf dem Längs- schnitt als eine dünne, körnige Linie erscheint und am Totalpräparat eine feine Platte darstellt, die in dem verdiekten Keimhautblastem dicht unter der Oberfläche des Eies liest (Fig. 17). Das Schicksal dieser Platte ist aus den Figg. 17—21 ersichtlich. Zunächst wird das Keimhautblastem am hinteren Pole immer dicker und ragt zuletzt (Fig. 21) zapfenartig in das Dotterinnere vor. Die Körnchenplatte, welche sich auf dem Längsschnitt Anfangs als ein feinkörniger, langer Faden darstellt, verkürzt sich in demselben Ver- hältnis, als sich das Keimhautblastem verdickt. Sie schrumpft auf einen immer kleineren Raum derartig zusammen, dass die Linie in Fig. 18 gewellt erscheint. In Fig. 19 tritt eine Knäuelung des Fadens ein und in Fig. 20 werden die Elemente undeutlicher. Es tritt eine Auflösung der Platte ein und lässt in Fig. 21 nur noch eine Wolken- bildung zurück. In Fig. 22 ist der Protoplasmazapfen wieder zurück- getreten und das Keimhautblastem am hinteren Pol zeigt wieder Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 7 seine ursprüngliche Stärke; nur ist es jetzt im Unterschied zu vorher tief dunkel granulirt. Inzwischen hat sich auch das Keimhautblastem am Vorderpol verdickt; es fehlt darin aber jede Spur von einer Platte; dagegen er- kennt man zahlreiche helle Bläschen, welche von der Mikropyle aus nach dem Dotterinnern wandern. Il. Bildung der Polzellen. Während die Kerne bis zu ihrem Eintritt in die Peripherie alle ein gleiches Aussehen zeigten, lässt ein Blick auf den hinteren Pol der Fig. 23 sofort erkennen, dass sich hier von nun an die Vorgänge anders gestalten müssen, wie am Vorderpol und zu beiden Seiten. Es scheint auch thatsächlich die Platte am hinteren Pol die einzige Ursache zur ersten Zelldifferenzirung zu sein; denn betrachtet man darauf hin nochmals Fig. 22, so kann man sich des Eindrucks der völligen Gleichwerthigkeit sämmtlicher Kerne nicht erwehren. In Fig. 23 aber sind die Kerne im Bereich der Platte weniger dicht an die Oberfläche gerückt wie an allen anderen Stellen. Die Platte scheint nur wenig eingebuchtet, so dass es den Eindruck macht, als sei es den Kernen schwer, diese dunkler granulirte Schicht zu durch- brechen. Im nächsten Stadium (Fig. 24) haben die Kerne eine runde Gestalt angenommen, die Platte hat sich in so viel Theile ge- trennt, als Kerne in ihr Bereich eingetreten sind, und bil- det nun um jeden dieser Kerne einen peripher gelegenen feinkörnigen Halbmond. Hiermit ist die erste Zelldifferenzirung eingeleitet. Am hinteren Eipole entwickeln sich die Polzellen (22), während die übrigen an die Peripherie getretenen Kerne zur Blasto- dermbildung beitragen, deren Zellen zunächst noch alle einander gleich bleiben. Nun beginnen die Zellen des hinteren Pols sich über die Peri- pherie zu erheben. Es entstehen protoplasmatische Vorwölbungen, in welchen je ein Kern sammt dem ihn umgebenden Halbmond ein- rückt. Letzterer schließt sich allmählich zu einem Kreise, welcher um so mehr auffällt, weil die von ihm eingeschlossene und den Kern einbettende Protoplasmamasse fast farblos erscheint (Figg. 25 u. 26 p2). Bei der Fortentwicklung der Polzellen schwindet allmählich die scharfe Grenze zwischen Zellprotoplasma und Polplatte. Letztere löst sich auf und es entsteht eine gleichmäßige Pigmentirung, welche den Polzellen noch auf lange Zeit ein ganz charakteristi- sches Aussehen verleiht. Es wiederholt sich also in jeder 8 W. Noack, einzelnen Polzelle das Schicksal der vorher am kernfreien Pol gelegenen Dotterplatte. So lange diese Polzellen weit aus einander liegen, zeigen sie eine länglich runde Gestalt und sitzen mit breiter Basis auf. Da- bei sind sie nicht durch eine scharfe Grenze von ihrer Unterlage ze- trennt, sondern das Protoplasma der Zelle steht mit dem Dotterproto- plasma in Verbindung. Die nun folgende Vermehrung verursacht sehr bald durch gegenseitige Berührung ein Abplatten der Zellen, sie werden kubisch (Fig._27), dann eylindrisch, und indem sie aus ihrer Lage nach außen gedrängt werden, stumpf kegelförmig (Fig. 28). Zuletzt lösen sich die Zellen von ihrer Unterlage ab und nehmen eine runde Gestalt an. In der nun folgenden Weiterentwicklung der Polzellen setzt sich gewissermaßen der Umwandlungsmodus der Polplatte weiter fort. So wie diese sich auf einen immer kleineren Raum zu- sammengeschoben hat, rücken die Polzellen immer mehr zusammen (Figg. 27—31), und während sie vorher das ganze hintere Ende des Eies in einschichtiger Lage bedeckten, bilden sie jetzt einen unregelmäßigen Zellhaufen, welcher schließlich durch die ebenfalls nach hinten sich zusammenziehenden Blastodermzellen emporgehoben wird (Fig. 31). Während die Polzellen sich vorher nur in tangentialer Richtung zur Oberfläche theilten, geschieht dies nunmehr in jeder beliebigen, also auch in radialer Richtung. Eine dem entsprechend gerichtete Spindel zeigt Fig. 31. Die Behauptung GrABERr’s (1889), wonach das Vorhandensein von Polzellen bei einer anderen Fliege, Zucilia, bestritten wird, gab Veranlassung, auch die Eier von Angehörigen dieser Gattung, betreffs dieser Frage zu untersuchen. Die Polzellen sind auch hier vorhanden. und entwickeln sich genau in der oben für Calliphora beschriebenen Weise. Der einzige Unterschied ist der, dass sie sich niemals so stark vom Hinterpole des Eies abheben, wie bei der erst erwähnten Fliege. Aus diesem Grunde ist ein Übersehen der Polzellen aller- dings leichter möglich wie bei Calliphora. Am Totalpräparat ist es sogar unmöglich, die Polzellen von den übrigen Blastodermzellen zu unterscheiden. Die bis dahin geschilderten Entwicklungsvorgänge geben nun in verschiedener Beziehung zu eingehenden Betrachtungen Veran- lassung. Zunächst interessirt die Frage über den Werth und die Bedeu- tung der am hinteren Pole gelegenen Platte. Betrachtet man diese mit stärkeren Immersionssystemen, so zeigt es sich, dass sie aus Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 9) zahlreichen, kleinen Körnchen zusammengesetzt ist. Diese sind eben so gefärbt wie die Dotterelemente, und in jeder Beziehung den im ganzen Ooplasma und auch im Keimhautblastem vereinzelt liegenden feinsten Dotterkörnchen ähnlich. Es kann sich hiernach nur um Dotterelemente handeln. / Ähnliche Erscheinungen sind in der Litteratur nicht unbekannt. Zunächst seien die bakterienartigen Stäbchen erwähnt, welche im Ei, aber auch im ganzen Körper verbreitet, bei verschiedenen Insekten sefunden worden sind. BLOoCHMANN hat diese Stäbchen 1887 im Keimhautblastem noch unentwickelter Eier von Blatta germanica nachgewiesen und beobachtet, dass sie sich besonders in der Nähe der Kerne ansammeln. Heymoxs hat 1595 am Vorder- und Hinter- ende des Keimstreifens bei Periplaneta eine aus Stäbchen zusammen- gesetzte Platte gefunden, welche später in den Dotter einsinken und verschwinden soll. Während es sich hier aber um stäbchenartige Ge- bilde handelt, scheint RıTTER 1890 bei O’hrronomus ein der Platte im Museidenei völlig analoges Gebilde gesehen zu haben, obgleich er sich über den feineren Bau desselben nicht äußert. Er schildert den Entwicklungsgang etwa wie folgt: Nach der Vereinigung des männ- lichen und weiblichen Vorkerns verschwindet im Dotterinneren jede ‚Spur eines Kernes, dagegen tritt am hinteren Pol eine stark färb- bare Platte auf (er hat mit Pikrokarmin vor- und mit Hämatoxylin nachgefärbt), welche undurchsichtig ist, aber wahrscheinlich den ersten Furchungskern enthält, denn später sieht man Kerne neben der Platte liegen. Hierauf treten die Polzellen aus, bestehend aus je einem Kern und einem Theil der Platte. In wie fern die Beobachtungen Rıtrer’s richtig sind, ist aus den oben geschilderten Entwicklungs- vorgängen bei Musca leicht zu erkennen. Schließlich sei noch METSCHNIKOFF erwähnt, welcher schon 1866 am durchsichtigen Cec:- domya-Ei die Entwicklung der Polzellen beobachtet hat. Hiernach umgiebt sich der betreffende Kern mit einer Dottermasse und bildet mit dieser zusammen eine besonders große Zelle. Gegenüber den Anschauungen, wonach ähnliche Gebilde als echte, symbiotisch lebende Bakterien oder Kokken gedeutet worden sind, dürfte hiermit wohl feststehen, dass die Platte am hinteren Pole des Musciden-Eies sich aus Dotterelementen zusammensetzt. Sie scheint den Zweck zu haben, das Wachsthum am hinteren Pol zu beschleunigen, ferner durch Eintritt in die Polzellen es diesen zu ermöglichen, sich auch weiterhin lebhaft zu vermehren, obgleich sie vom Dotter her keine Nahrung mehr erhalten. Schließlich 10 > W. Noack, verursacht sie die charakteristische Pigmentirung dieser Zellen. Nunmehr seien die Polzellen selbst noch einer Betrachtung unter- worfen. Im Jahre 1862 fand Rosıy an einem Pol des Ohuronomus- Eies kleine Körper; er nannte sie Globules polaires und verglich sie mit den Richtungskörperchen. 1863 bestätigte WEISMANN diese Resul- tate für Ohironomus und Musca; er erkannte die zellige Natur dieser Körper, beobachtete deren Theilung und beschrieb sie als Polzellen. 1866 stellte METSCHNIKOFF das Vorhandensein der Polzellen bei Simulia und Cecidomya fest. Ferner will dieser an den durchsich- tigen Eiern der letztgenannten Fliege die Entwicklung der Geschlechts- organe aus diesen Zellen beobachtet haben. Zu demselben Resultat gelangte LEUCKART 1865. In einer großen Reihe ähnlieher Arbeiten werden hierauf diese Resultate bestätigt und die Entwicklung der Geschlechtsorgane aus sogenannten Urgenitalzellen beschrieben, so dass zur Zeit auch ziemlich allgemein angenommen wird, man habe in den Polzellen der Dipteren die Urgenitalzellen zu erblicken. Hierauf soll weiter hinten in einem besonderen Kapitel zurück- sekommen werden. Jetzt sei nur auf die Frage über die Her- stammung der Polzellen selbst eingegangen. Nach WEISsMAnN 1863 treten bei Musca am hinteren Pole zu- nächst vier helle Flecke auf, welche in ziemlichen Abständen aus einander liegen. Eben so schildert er in derselben Arbeit das erste Auftreten der Polzellen bei C’hzronomus. In einer späteren Arbeit (1882) führt er die Entwicklung dieser Zellen bei einer Chironomus-Art so- gar auf nur zwei Kerne zurück. Zu demselben Resultat gelangten BALBIANI 1885 und RıTTEer 1890; hiernach entstehen bei Chironomus am hinteren Eipole zwei Protoplasmavorstülpungen mit je einem Kern. Durch Theilung derselben entstehen zunächst vier, dann acht Pol- zellen. MErscHnIKoFF beschreibt 1866 die Bildung der Polzellen bei Cecidomya aus einer einzigen großen Zelle; dasselbe haben BALBIANI 1866, sowie WırraczıL 1884 für die Aphiden zu beweisen versucht. Das Verlangen, die Urgenitalzellen möglichst auf einen einzigen Kern zurückzuverfolgen, geht hieraus deutlich hervor; denn, wenn auch WEISMANN als erste Anlage von vier Kernen spricht, so nimmt er doch an, dass dieselben durch Theilung aus einem einzigen Kerm entstanden sind. Dieser Urkern der Genitalanlage würde allerdings immer noch einer verhältnismäßig späteren Generation vom ersten Furchungskern aus gerechnet, angehören. Am weitesten hat BOVERI bei Ascaris den Ursprung der Genitalzellen zurückverfolgt. Nach Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 11 seiner Mittheilung von 1892 theilt sich bei Ascaris megalocephala der erste Furchungskern in zwei erkennbar verschiedene Zellen, in eine Ursoma- und eine Urgenitalzelle. In der vorliegenden Arbeit ist es leider nicht geglückt, zu einem Resultat im selben Sinne zu gelangen. Es ist im Gegentheil bereits oben darauf hingewiesen worden, dass die Polzelle ihr charakteristi- sches Aussehen lediglich der am hinteren Eipol gelegenen Dotter- platte verdanken, welche vorher ganz ohne Zuthun der Kerne ent- standen war. Die Platte bedeckt kurz vor der Einwanderung der Kerne in die Peripherie das ganze hintere Ende des Eies. Sie ist in der Mitte am stärksten und verläuft seitlich allmählich im Keimhautblastem. Die in das Bereich der Platte eintretenden Kerne werden sich daher mit einem um so stärkeren Dotterkreis umgeben, je mehr sie in der Platte gelegen sind. Die Polzellen haben daher am selben Präparate ein verschiedenes Aussehen, die in der Mitte gelegenen Kerne, im Jüngsten Stadium zwei bis drei, liegen verhältnismäßig weit aus ein- ander entfernt und sind mit einer stärkeren halbmondförmigen Dotter- masse umgeben, aber auch diese Halbmonde sind nicht gleich, son- dern stets einer stärker wie der andere. Ebenfalls sind aber noch vier bis fünf weitere Kerne in den Bereich der Dotterplatte gelangt. Sie liegen mehr seitlich, ihr Halbmond ist kleiner und der Kern liegt überhaupt näher an der Oberfläche. Aber auch sie sind unter einander verschieden. Während die einen die größten Polzellen fast an Größe erreichen, kann man bei den am meisten seitlich gelegenen Kernen kaum entscheiden, ob man einen Pol- oder Blastodermkern vor sich hat (Fig. 26 pz). Dieselbe Verschiedenheit zeigt sich auch später. Die am meisten central gelegenen Polzellen sind stets in der Ent- wicklung voraus und erheben sich auch zuerst über die Oberfläche. In dem Stadium, in welchem sich die ersten Polzellen loslösen und eine runde Gestalt annehmen, sind nicht, wie WEISMANN angiebt, 4—8, sondern 15—20 Zellen vorhanden. Vergleichen wir nun hiermit die Resultate früherer Arbeiten, so muss zunächst auffallen, dass übereinstimmend Weısmann (1863) und Rırrer (1890) die Bildung der Polzellen bei C’hironomus durch zwei sich nach einander vorwölbende Plasmakuppen erklären. Es scheint desshalb immerhin möglich, dass auch bei Ohironomus noch weitere Polzellen durch Vorstülpung aus dem Keimhautblastem ent- stehen; eine Erscheinung, die vielleicht durch die gleichzeitig ein- tretende Theilung der ersten Polzelle und durch die inzwischen be- 12 W. Noack, sinnende Blastodermbildung übersehen worden ist. Gerade der letzte Umstand ist es zweifellos, welcher die Anschauung WEısmann’s (1863) betreffs der Polzellenbildung verursacht hat. Hiernach sollen die vier im Inneren auftretenden hellen Flecken binnen wenigen Minuten an die Oberfläche steigen und sich von dem darunterliegenden Blastem abschnüren. Oft noch vor der vollstän- digen Isolirung sollen sich die Zellen theilen, so dass acht halb so große Polzellen frei am hinteren Eipole liegen. Ihre weitere Vermehrung konnte er, wie er selbst angiebt, wegen der inzwischen eintretenden Blastodermbildung nicht beobachten. Wiederholt man das Weıs- MANN sche Verfahren, indem man das Ei von seiner Hülle befret und das Totalpräparat unter dem Mikroskop untersucht, so überzeugt man sich, dass die damals allein verfügbare Methode, zur Feststellung dieser Verhältnisse nicht genügt. Zugleich muss bezüglich dieses Punktes ausdrücklich ausgesprochen werden, wie weit WEISMANN schon damals mit seinen beschränkten Hilfsmitteln in der Erkenntnis dieser Entwicklungsvorgänge gelangt ist. Eben so sind die Ergeb- nisse METSCHNIKOFF’sS aus dem Jahre 1866 zu beurtheilen, welcher die Entwicklung der Polzellen aus einem einzigen, am spitzen Pole des Cecıdomya-Eies gelegenen Kern verfolgt hat. Wenn nun im Obigen bei den Musciden die Abstammung aller Polzellen von einem bestimmten Kerne nicht bewiesen werden konnte, soll das Gegentheil selbstverständlich eben so wenig behauptet wer- den. Mögen die Polzellen nun von einem bestimmten Mutterkerne, der sich bereits vor dem Eintritt in die Peripherie getheilt hat, ab- stammen oder nicht, ihr charakteristisches Aussehen erhalten sie erst durch eine ganz unabhängig von ihren Kernen entstandene Dotterplatte. Ill. Die Dotterzellen. Schon bei der Beschreibung der ersten Entwicklungsvorgänge wurde geschildert, wie sich das Keimhautblastem am hinteren Pol allmählich verdickt, und zuletzt eine zapfenartige Vorstülpung in das Innere des Dotters bildet; beim Annähern der Kerne an die Ober- fläche tritt diese Protoplasmaverdickung wieder zurück, um, sobald jene die Peripherie erreicht haben, sich aufs Neue zu entwickeln. Dieses zeigen Figg. 27 und 28. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass diese wiederholte Verdieckung des Keimhautblastems am hinteren Pole in beiden Fällen auf dieselbe Ursache zurückzuführen ist. Die Kerne spielen hierbei keine Rolle; wenn auch VOELTZKOW die zweite Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 13 Verdiekung mit der Einwanderung der Dotterkerne erklärt, so ist doch oben bewiesen, dass beim Zustandekommen der ersten Ver- diekung des hinteren Keimhautblastems von Kernen überhaupt keine Rede ist. Die zweite Verdickung entsteht aber den Anschauungen VOELTZOW’s entgegen schon vor dem Beginn einer Kerneinwanderung. Hiernach bleibt nur noch die Möglichkeit, eine Protoplasmabewegung anzunehmen, deren Richtung an der Oberfläche von vorn nach hinten und vom Hinterpole nach dem Dotterinneren geht. Ein gleiches Verhalten setzt bereits Wırı 1883 bei den ähnlich gebauten Eiern der viviparen Aphiden voraus, indem er von der Ernährung durch den hinteren Eipol der im Mutterleibe sich entwickelnden Eier spricht. Hiermit lässt sich auch nicht nur die zweimalige Protoplasmaansamm- lung am hinteren Eipol der Musciden, sondern auch das Zusammen- ziehen der Polplatte, sowie der Polzellen und der Blastodermzellen, und schließlich die in Folgendem zu schildernde Kerneinwanderung vom hinteren Pole aus erklären. Die Zusammenschiebung des Blastoderms unter die Pol- zellen führt niemals zu einem völligen Verschluss dessel- ben, sondern es bildet sich vielmehr eine in den Dotter hineinragende, trichterförmige Einstülpung, vonderen Rande aus eine Kerneinwanderung in das Eiinnere beginnt. Diese Kerne sind Anfangs von gleicher Größe wie die Blastodermkerne, nehmen aber im Dotter schnell an Umfang zu und werden zu Dotter- zellen. Sie vermehren sich lebhaft und sind stets von einer, wenn auch geringen Protoplasmamasse umgeben, welche durch pseudo- podienartige Ausläufer mit dem Protoplasma des Dotters in Verbin- dung steht. Fig. 28 zeigt eine starke Plasmavorstülpung in dem Dotter am hinteren Pol, aber keine Spur einer Kerneinwanderung. Diese ist in Fig. 29 deutlich zu erkennen. In Fig. 30 liegt bereits ein solcher Kern (dz) weit im Dotterinneren und in Fig. 31 hat er stark an Größe zugenommen. In beiden Figuren erkennt man deut- lich die Straße ihrer Einwanderung. Fig. 32 und folgende zeigen die Einwanderung der Kerne in großer Menge, so dass es nicht recht verständlich ist, wie GRABER die bereits von VOELTZKOW geschilderte Einwanderung vom hinteren Eipole aus, ja sogar jede vermehrte Kernansammlung an dieser Stelle bestreiten konnte. Es muss um so mehr auffallen, als GRABER selbst doch für die Musciden auch eine Dotterzellbildung durch Einwanderung an unbestimmten Stellen des Blastoderms vertritt. Warum sollen dann vom hinteren Pole keine Kerne einwandern? 14: W. Noack, Im Übrigen aber ist die Ansicht GrABEr’s richtig. Es gelan- sen auch Kerne des übrigen Blastoderms zur Einwanderung; der Vorgang zeigt sich aber erst dann, wenn die Blasto- dermkerne dicht gedrängt neben einander liegen. Fig. 31 (dz) zeigt auf der linken Seite einen solchen Kern, er liegt dicht unter dem Blastoderm und es kann kein Zweifel darüber herrschen, dass er durch Druck der benachbarten Zellen in das Innere verdrängt worden ist. Indem VOELTZKOW voraussetzt, dass unter den Polzellen eine geschlossene Blastodermschicht und unter dieser ein überall gleich- mäßiges, inneres Keimhautblastem liest, schildert er den Vorgang der Dotterzellbildung etwa wie folgt: »Die Polzellen drücken auf das Blastoderm und stülpen dieses ein. Die darunter liegende Dotterzone wird durchbrochen und das innere Keimhautblastem wird ebenfalls eingestülpt und bildet einen zapfenartigen Vorsprung ins Dotterinnere. Die eingestülpten Blastodermzellen lösen sich los, wandern ein und bilden die Dotterzellen.« Die ganze Einwanderung der Dotterzellen führt VOELTZKOW also auf einen Druck der Polzellen zurück. Sein Irrthum betreffs des Blastoderms und des inneren Keimhautblastems am hinteren Eipol, ist in so fern begreiflich, da er nach eigener Angabe die Entwicklung der Polzellen, also auch die hier in Betracht kommenden Stadien, nicht verfolgt hat. Außer einer Dotterzellbildung durch Einwanderung vertritt GRABER (1889) auch eine solche durch Zurückbleiben von Furchungskernen im Dotterinneren. Dieselbe Auffassung haben für die Museiden auch BLOCHMANN (1887) und KowarewskyY (1887) vertreten. Zunächst sei aber zu Fig. 50 in BLocHmann’s Arbeit (1887a), durch welche dieser das Zurückbleiben der Kerne beweisen will, bemerkt, dass in diesem Stadium bereits die Einwanderung vom hinteren Pole aus begonnen hat. Es muss aber doch zugegeben werden, dass häufig Kerne im Dotterinneren zu finden sind, die zweifel- los schon vor der Blastodermbildung zurückgeblieben sind. Aber eben so bestimmt wandern in der Mehrzahl der Fälle die Kerne sämmtlich an die Oberfläche. Ferner ist bereits oben geschildert, dass die Kerne sich ungefähr auf halbem Radius eylindrisch anordnen und sich von da ab gleichmäßig der Peripherie nähern. In diesem, der Fig. 22 entsprechendem Stadium, d. h. also, wenn sich die Kerne der Peripherie nähern, wurden nie- mals Kerne gefunden, welche im Dottercentrum zurück- geblieben wären. Dagegen aber wurden solche wiederholt bei Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Museiden. 15 den Stadien beobachtet, in welchen die Furchungskerne im Begriff sind, in die Peripherie einzutreten. Es ist dies also nach der letzten Kerntheilung vor Eintritt in die Peripherie geschehen. Die be- treffenden Kerne bleiben also nicht a priori zurück, son- dern kehren auf halbem Wege um. In der Meinung, durch das Studium dieser Verhältnisse bei einer anderen Muscidenart eine ent- scheidende Erklärung zu finden, wurden die gleichen Stadien von Lueilia untersucht. Hierbei zeigte sich aber bezüglich der Dotter- zellbildung noch ein drittes Verhalten. Während es sich bei Call- phora höchstens um ein bis drei zurückgebliebene Kerne handelt, finden sich solche bei Zucilia stets regelmäßig und in großer Menge. Hieraus geht hervor, dass die Dotterzell- bildung bei den Musciden selbst eine sehr verschieden- artige ist. Schon KORSCHELT und HEIDER (1892) haben die Frage, welche Art der Dotterzellbildung die ursprüngliche ist, dahin entschieden, dass sie das Zurückbleiben der Kerne für eine sekundäre Erschei- nung halten. Für diese Theorie spricht nach vorliegenden Resultaten das oben geschilderte Verhalten der Kerne bei der Wanderung nach der Peripherie. Fermer ist es leichter verständlich, dass in beson- deren Fällen einige Kerne zurückbleiben, als dass alle Kerne in die Peripherie eintreten. Für Calliphora also sind beide Arten der Dotterzellbildung, sowohl die durch Zurückbleiben der Kerne, sowie die durch Rückwanderung festgestellt worden. Da die erste Form der Dotterzellbildung bei Callıphora aber nicht in jedem Fall auf- tritt, so ist sie, wenn sie auch die Fortentwicklung in keiner Weise beeinflusst, doch als eine ungewöhnliche zu bezeichnen. Die Ein- wanderung der Kerne vom hinteren Pol aber kann wohl nur als eine besondere Form gegenüber der multipolaren Rückwanderung betrachtet werden. Es ist übrigens nicht nur VOELTZKoOW (1889), welcher die Bildung der Dotterzellen vom hinteren Pole aus beschrieben hat. METSCHNI- KOFF (1866) und Wırr (1888) sind schon bei Untersuchung der vivi- paren Aphiden betrefis der Dotterzellen zu demselben Resultate ge- kommen, wie sie in vorliegender Arbeit für Musca geltend gemacht werden. Nach den Angaben Wırr’s zeigt das Blastoderm am hinteren Pol eine Grube, von welcher alle Dotterzellen entspringen. In neuerer Zeit ist nun besonders von Hrymoxs 1895 auf die Verschiedenheit der im Dotter der Arthropoden befindlichen Zellele- mente hingewiesen worden. Er unterscheidet Dotterzellen und Para- 16 W. Noack, cyten. Die Bildung der Dotterzellen hat er an einer großen Reihe von Insekten untersucht und sowohl eine solche durch Zurückbleiben von Kernen, sowie auch eine durch Rückwanderung, festgestellt. Während sich die Dotterzellen vergrößern, werden die Blastoderm- zellen in Folge der andauernden Theilung immer kleiner. Von dem so veränderten Blastoderm der späteren Stadien sollen sich Zellen ablösen, welche kleiner sind als die Dotterzellen; sie bleiben auch in der oberflächlichen Partie des Dotters liegen. Die Chromatinsubstanz der Kerne ballt sich zur Kugel, während das Kernkörperchen frei daneben liegt. Diese Zellen nennt er Paracyten. Sie gehen später zu Grunde. Aufgefallen ist ihm besonders die starke Produktion dieser Zellen im nächsten Umkreis der Geschlechtszellen. Ferner ist nach seiner Angabe erwähnenswerth, dass bei Forfieula einige Geschlechtszellen eben so wie die Paracyten degeneriren. Vergleicht man diese Darstellung der Paracytenbildung mit der Kerneinwanderung vom hinteren Eipole der Musciden, so zeigen die Figg. 29—31 mehrfach die zusammengeballte Chromatinsubstanz, und zwar sowohl bei den einwandernden Blastodermkernen, wie auch bei den Polzellkernen (Fig. 30). Bei einem Theil der einwandernden Kerne aber bleibt die Chromatinsubstanz feinkörnig vertheilt. Diese Kerne werden zu Dotterzellen, während die anderen zweifellos den Paracyten Heymons’ parallel zu stellen sind. Es erscheint desshalb . sehr wohl möglich, dass in diesen Stadien neben den Dotterzellen auch noch Polzellen zur Einwanderung gelangen. Die Entscheidung dieser Frage ist aber schon desshalb schwierig, weil sich das Proto- plasma der eingewanderten Zellen auflöst und hiermit die Polzellen völlig ihr charakteristisches Aussehen verlieren. Ferner zeigt Fig. 30 am hinteren Pol zwei kleine, dicht neben einander gelegene Kerne. Sie wurden wiederholt gefunden, liegen stets zu zweien bei-einander und sind jedenfalls durch Theilung eines eingewanderten Kernes ent- standen. Es entstehen also bei den Musciden in den jüngeren Sta- dien Dotterzellen und Paraeyten gleichzeitig neben einander. In den darauffolgenden Stadien, in welchen die Dotterzellbildung bereits ihr Ende erreicht hat, gelangen thatsächlich Polzellen zur Einwanderung. Diese behalten nun gegenüber den vorher eingewanderten Zellen ihre Zellgrenze, ein Verhalten, welches zweifellos mit der inzwischen eingetretenen Protoplasmaarmuth des Dotters zusammenhängt. Auch im Übrigen verhalten sie sich eben so wie Hrymons für die Para- cyten schildert. Sie dringen nicht in den Dotter ein, sondern bleiben am inneren Ende des Kanals liegen und gehen dort zu Grunde Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 17 (Fig. 37 pz). Selbstverständlich nehmen nicht alle Polzellen das eben beschriebene Ende. Über ihr weiteres Schicksal soll in einem be- sonderen Abschnitt berichtet werden. Zum Schlusse sei noch die Funktion der Dotterzellen erwähnt. Nach der allgemein gültigen Anschauung haben sie den Dotter auf- zulösen und zur Resorption vorzubereiten. Mit Rücksicht aber auf die im nächsten Kapitel geschilderte Ernährungsweise der Blastoderm- zellen erscheint mir diese Auffassung wenigstens für die Musciden unzureichend. Eine Veränderung der Dotterkörner in der Nähe der Dotterzellen konnte jedenfalls nicht festgestellt werden. Das Proto- plasma der Dotterzellen verbreitet sich strahlenförmig nach allen Seiten und geht in das Plasma des Dotters über, um diesen allem Anschein nach im nächsten Umkreise zu beeinflussen. Ich möchte die Dotterzellen, d. h. dem im Dotter vertheilten Protoplasma mit den darin liegenden Kernen gewissermaßen die Funktion eines Stütz- Serüstes zuschreiben und auf diese mehr mechanische Bedeutung ein mindestens eben so großes Gewicht legen, wie auf die Betheiligung dieser Zellen an der Verarbeitung des Dottermaterials. Auf die Theorie und die Resultate, welche die Dotterzellen mit dem Entoderm in Zusammenhang bringen, soll weiter unten eingegangen werden. IV. Bildung des Blastoderms und des inneren Keimhautblastems. Es ist bereits oben erwähnt worden, dass die Kerne alle gleichzeitig die Peripherie erreichen. Im Unterschied zu den Polzellkernen aber, die, wie erwähnt, durch eine Dotterplatte von der Peripherie getrennt bleiben, treten die Blastodermkerne bis dicht an die Oberfläche heran. In Folge der lebhaften Theilung werden sie in den folgenden Stadien immer kleiner und erst, wenn die Ober- fläche dicht mit Kernen besetzt ist und die Vermehrung nachlässt, nehmen sie wieder an Größe zu. Die einzelnen Details bei der Zell- bildung sind besonders von BLOCHMANN (1887) für Musca, und von HEIDER (1889) für Aydrophrlus eingehend geschildert worden. Hier soll nun noch besonders das innere Keimhautblastem und ferner die Ernäh- rung und das Wachsthum der Blastodermzellen berücksichtigt werden. Die an die Oberfläche steigenden Kerne führen stets eine be- deutende Protoplasmamasse mit sich. Diese sollimit den Kernen in das äußere Keimhautblastem eintreten; erst später soll sich durch neue Protoplasmaansammlungen eine zweite Schicht bilden, welche von der äußeren Plasmaschicht durch eine dünne Dotterschicht getrennt Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 2 ‘18 W. Noack, bleibt. Diese wurde von Weısmann als das innere Keimhautblastem "bezeichnet. | | Die gegebene Darstellung entspricht nicht völlig dem wirklichen Sachverhalt. Große sekundär im Dotterinneren auftretende Proto- plasmamassen sind. stets pathologischer Natur. Das innere Keimhaut- blastem wird in seiner ersten Anlage ebenfalls durch das die Kerne begleitende Protoplasma gebildet und wird durch kontinuirlich nach- strömende Massen verstärkt. Aber das Verhalten dieser wandernden Protoplasmamassen ist nicht überall gleich. Figg. 27 und 28 de- monstriren, wie an der Bauchseite (rechts in der Figur) mehr Dotter- körner durch die emporsteigende Plasmamasse mitgerissn werden, als an der Dorsalseite. Während an der Rückenseite das Protoplasma in breiten Straßen nach der Peripherie fließt, ist dies an der Bauch- seite weniger der Fall. Hier bildet das dem Kern folgende Prot plasma vielmehr ein zerrissenes, vielfach mit Dotter durchsettes Netzwerk. Noch anders verhält es sich am Vorderpol des Eies. Hier bleibt das Protoplasma schon in bedeutender Entfernung von der Oberfläche zurück und der Kern tritt, nur von ganz geringer Protoplasmamasse begleitet, in die Peripherie ein. Sowohl das Blastoderm, wie auch das innere Keimhautblastem müssen dem entsprechend in allen drei Fällen eine verschiedene Gestaltung annehmen. Figg. 29—31 zeigen das sich entwickelnde innere Keimhautblastem (?kAb2l). Figg. 32 und 33 dasselbe in seiner fertigen Ausbildung. Das Gleiche zeigen die Textfigg. 2 und 3. Am Vorderpol bleibt das Blastoderm am niedrigsten und steht nach innen, da das Protoplasma in großer Entfer- nung zurückgeblieben war, mit einer starken Zwischen- dotterschicht in Verbindung. An der Rückenseite ist das Gegentheil der Fall. Es war sehr viel Plasmamasse in die Peripherie eingetreten und demnach ist das Blastoderm hier sehr hoch, während die Zwischendotterschicht kaum zur Entwicklung gekommen ist, und nur nach den beiden Polen hin etwas stärker wird. Die Bauchseite hält hiervon die Mitte; Zwischendotterschicht und inneres Keimhaut- blastem sind mittelmäßig entwickelt. Aber auch das hin- tere Ende des Eies zeigt ein besonderes Verhalten, denn hier kommt ein inneres Keimhautblastem überhaupt nicht zur Entwicklung (Textfig. 2). Wenn nun hiermit die Anschauung WEISMANN’s, wonach das innere Keimhautblastem als eine gleichmäßig starke Schicht unter 19 Textfig. 3 in Textfig. 3. Längsschnitt FR .,. ’ Ent- ? 9% ELEFP Pu 4# ” Bay l do BEHAERH entsprechend dem Längsschnitt ; Re ION } ern N zen RN 2 En Kst a dors‘ ts von den Blastodermzellen aufgenommen rel dors e zur Entwicklungsgeschichte der :Musciden. os] op &p > & Be add r rn " eh N Kr won = Textfi ek | Ani feste ol EREH ERPRPBPPRELEME| Fre a Textfig. 1. Querschnitt, ungefähr durch die Mitte des Eies Textfig. 2. Längsschnitt res Keimhautblastem (.khdl) fertig entwickelt. inne 2 Zwischendotterschicht (zwd), an der ventralen Seite be a vorderes, z hinteres Ende desselben. klung des Keimstreifens (kstr); wıc 20 W. Noack, dem ganzen Blastoderm gelagert sein soll, als der Sachlage nicht entsprechend bezeichnet werden muss, so ist die Angabe GRABER’s, welcher überhaupt keine regelmäßige Anordnung desselben erkannt haben will, noch viel weniger richtig. Das innere Keimhautblastem eines normal sich entwickelnden Eies zeigt vielmehr einen sehr regel- mäßigen, symmetrischen Bau. Dieses lassen am besten die Quer- schnitte erkennen; ein solcher ist in Textfig. 1 wiedergegeben; er entspricht dem Längsschnitte Fig. 33 und Textfig. 3. Bemerkens- werth ist hier noch, dass WEısmann (1863) in seinen Durchsichts- bildern Figg. 65 und 64 eine völlig richtige Darstellung des inneren Keimhautblastems giebt. Besonders Fig. 64, welche die Seitenansicht eines Eies darstellt, zeigt an der Rückenseite ein stark entwickeltes, inneres Keimhautblastem; dagegen fehlt dasselbe an den Bauchseiten und an den beiden Polen. Der Unterschied ist um so stärker, da, wie WEISMANN richtig angiebt, in diesem Stadium die Zellen an der Bauchseite bereits Dotter in sich aufgenommen haben. Aber auch die allgemein seither gültige Anschauung über den Werth dieser inneren Protoplasmaschicht, wonach sie eine besonders günstige Nahrung für die in der ersten Entwicklung befindlichen Blastodermzellen sein soll, muss als eine irrige bezeichnet werden, denn gerade an den Partien des Eies, an welchem das Keimhaut- blastem am stärksten entwickelt ist, macht sich ein weniger rasches Wachsthum der Blastodermzellen geltend, während dort, wo der Keimstreif zur Ausbildung kommt, d. h. also ein lebhaftes Zellen- wachsthum stattfindet, das innere Keimhautblastem niemals einen besonderen Umfang erlangt, für die Ernährung der Zellen also nicht die ihm zugeschriebene Rolle spielen kann. Vergleicht man das Wachsthum der Zellen mit der Lagerung des inneren Keimhautblastems, so zeigt Textfig. 3. wie die Zellen an der Rückenseite, wo sich ein sehr starkes Keimhautblastem gebildet hatte, die Zwischendotterschicht aber nur sehr spärlich entwickelt war, in ihrem Wachsthum zurückbleiben. Alle Zellen dagegen, welche mit dem Dotter, resp. einer starken Zwischendotterschicht in Verbin- dung stehen, nehmen diesen gierig auf und zeigen eine starke Größen- zunahme. Die Entwicklung des inneren Keimhautblastems und die des Keim- streifens stehen also im umgekehrten Verhältnis. Eine besondere Bedeutung kann desshalb dem inneren Keimhautblastem, welches doch nur eine verhältnismäßig seltene Erscheinung ist, nicht beigelegt werden; es geht aber doch hieraus unzweifelhaft hervor, dass das Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. al innere Keimhautblastem, der seitherigen Theorie entgegen, die Ent- wieklung der Zellen nicht fördert. Zum Schlusse soll hier noch die Nahrungsaufnahme der einzelnen Zellen berücksichtigt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Nahrungsaufnahme erst dann beginnt, wenn das äußere Keim- hautblastem vollständig in die Zellen aufgenommen worden ist, d.h. wenn die sich bildenden Zellgrenzen bis an den Nahrungsdotter reichen. Die von den Zellen aufgenommenen Dotterelemente sind von den übrigen Dotterkörnern durch nichts in irgend einer erkennbaren Weise zu unterscheiden; insbesondere sind sie nicht durch vorherigen, feinkörmigen Zerfall zur Nahrungsaufnahme geeigneter gemacht wor- den. Figg. 34—39 zeigen in großer Menge die verschiedenen Stadien der Nahrungsaufnahme. Während die Zellen ursprünglich mit dem Dotter- plasma in direktem Zusammenhang standen, trennt sich die Zelle allmählich ab. Es geschieht dies durch einen Einschnürungsprocess an der Zellbasis, wie er von HEIDER (1889) eingehend geschildert worden ist. Die ringsum geschlossene Zelle kann nun zwecks Nahrungs- aufnahme sich sekundär gegen den Dotter hin »öffnen«, so dass das Zellplasma mit dem Dotter in direkte Verbindung treten kann. Hier- auf wird ein Theil der unveränderten Dotterkörner wie mit Pseudopodien umflossen und ins Innere aufgenommen. Die Zelle hat dabei Anfangs das Aussehen eines Bechers, dessen Rand die »Zellöffnung« darstellt, und später die Gestalt einer Flasche, deren Hals dem sich wieder schließenden Zellende gleicht. HEIDER hat eine ähnliche Darstellung der Dotteraufnahme seitens der Blasto- dermzelle durch Pseudopodien derselben bei Zydrophrlus gegeben. Zur Erlänterung der Figuren sei noch erwähnt, dass die Prä- parate in den Zeichnungen genau, also auch mit deren Mängel wiedergegeben sind; die Stellen, an welchen der Dotter durch Schrumpfuns von den Zellen zurückgetreten ist, kann leicht von den natürlichen Lücken unterschieden werden. Durch das in Obigem geschilderte Verhalten des inneren Keim- hautblastems einerseits, und der Aufnahme der unveränderten Dotter- körner durch die Zellen andererseits, wird die übliche Bezeichnung der Dotterkörner als Nahrungsdotter, und des Protoplasmas als Bil- dungsdotter noch mehr begründet. V. Bildung des Keimstreifens. Die HEıper’schen an Hydrophilus (1889) vorgenommenen Resul- tate gaben Veranlassung, auch das Muscidenei bei Fokalbeleuchtung ZB, W. Noack, zu betrachten. Es zeigte sich denn auch, dass die Keimstreifen- bildung bei Musca mit ganz ähnlichen Veränderungen beginnt, wie bei Aydrophilus. Fig. 9 giebt das Oberflächenbild dieses Stadiums von der Seite gesehen. Das Ei ist durch zwei, um das ganze Ei herumgehende Querfurchen in drei Abschnitte getheilt. Diese beiden Furchen wurden bereits von WEISMANN beobachtet und als vordere und hintere Querfalte beschrieben. Das zwischen diesen Furchen gelegene Mittelstück wird an der Ventralseite, also da, wo sich später der Keimstreifen bildet, durch fünf Linien (Fig. 9 f/—f5) in sechs ungefähr gleich breite Abschnitte getheilt. Eine weitere Linie theilt das vor der vorderen Querfalte gelegene Vorderstück in zwei weitere Abschnitte. Diese letzte Querlinie ver- läuft aber nicht wie die übrigen in gerader Richtung und diesen parallel, sondern beschreibt einen nach vorn offenen Bogen. Auch diese Furche wurde bereits von WEISMANN beschrieben und als kon- vergirende Falte bezeichnet. Die zwischen diesen Querfalten gele- genen sieben Abschnitte sind seitlich durch zwei Längsrinnen begrenzt. Diese liegen Anfangs sehr weit aus einander, rücken aber bei der fort- schreitenden Entwicklung immer mehr nach der Bauchseite zusammen und bilden, indem das zwischen ihnen gelegene Feld einsinkt, die Ränder der Keimstreifenrinne. Die Querlinien, welche zwischen der vorderen und hinteren Quer- falte den Keimstreifen in die genannten Abschnitte theilen, sind keine Furchen, sondern fallen nur durch den Farbenunterschied der Ober- fläche auf. Schon HEıDER hat sich dahin ausgesprochen, dass diese Streifen, welche im Profil nieht als Furchen zu erkennen sind, be- dingt werden durch die ungleiche Höhe der Zellen und das Durch- leuchten des Dotters. Dieses konnte an Schnitten nicht erkannt wer- den, dagegen wird es durch die Betrachtung der Durchsichtsbilder klar. Zugleich zeigen diese noch besser wie die Oberflächenbilder die allmähliche Entwicklung des Keimstreifens. Bei Betrachtung der Durchsichtsbilder Figg. 1 und 2 bemerkt man, dass die erste Keim- streifenanlage in Bezug auf ihre Länge durchaus keine scharfe Grenze erkennen lässt. Erklärt werden diese Bilder durch die den- selben Stadien angehörigen Längsschnitte in Textfigg. 2 und 3; diese sind bereits oben beschrieben worden, und es wurde gezeigt, wie die erste Zelldifferenzirung wesentlich mit der Entwicklung des inneren Keimhautblastems zusammenhängt. Geht man hier aber auf die all- mähliche Begrenzung des Keimstreifens näher ein, so beweisen die Figg. 2 und 3 Folgendes: Während die oben als charakteristisch Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 23 beschriebene, dürftige Zwischendotterschicht in dem jüngeren Stadium (Textfig. 2) nach beiden Polen hin allmählich zunimmt und ohne scharfe Grenze in die dort vorhandenen Dottermassen übergeht, er- streckt sich später dieses charakteristische Verhalten über die ganze Dorsalseite (Textfig. 3 und Taf. III, Fig. 35) und endet in der Nähe beider Eipole mit einer scharfen Grenze. Der vorher vorn und hinten vermehrte Nahrungsdotter der Zwischendotterschicht ist also bis zu einer bestimmten Grenze auf- gebraucht worden. Diese Dotteraufnahme ist aber nicht geschehen durch die unmittelbar darüber gelegenen, in Fig. 2 und 3 mit a’ und =’ be- zeichneten Blastodermzellen, sondern von den mehr polwärts gele- senen Zellen « und z, also von den ersten, resp. letzten Zellen des sich bildenden Keimstreifens. Dem entsprechend ist die Gestalt der Zellen «’ und =’ unverändert und nichts spricht für eine stattgehabte Dotteraufnahme. Die seitliche Begrenzung der Zellen ist auch noch keine vollständige, die Nahrungsaufnahme findet, wie bereits oben geschildert wurde, aber erst statt, wenn die seitlichen Zellgrenzen an den Dotter herangetreten sind. Letzteres ist bei den Zellen a und = der Fall. Noch besser wie Textfig. 3 zeigt Fig. 353 wie die Zellen = sich an ihrer Basis nach der dorsalen Zwischendotterschicht umgebogen und diese förmlich ausgesaugt haben. Aber auch die Gründe dieses Verhaltens sind leicht zu erkennen. Dadurch, dass an beiden Polen am wenigsten Protoplasmamasse in die Peripherie eingetreten waı, ist hier das sich bildende Blasto- derm am niedrigsten. Die seitliche Begrenzung dieser Zellen ist also am schnellsten vollendet und die Nahrungsaufnahme beginnt desshalb hier zuerst. Nur wenig später folgen die nach der Rücken- seite hin gelegenen Zellen « und z. Nach Absorption der unter ihnen gelegenen und verhältnismäßig geringen Zwischendotterschicht, haben sie noch die unter den Zellen «a’ und =’ gelegene Dottermasse zur Verfügung und nehmen diese auf, bevor die letztgenannten Zellen die Zwischendotterschicht erreichen. Wenn also der zeitliche Beginn der Ernährung schon einen Unter- schied in der Entwicklung der Zellen verursachte, so musste der Kontrast durch den Unterschied der zur Verfügung stehenden Nah- rungsmenge ein noch größerer werden. Eben so erklärt sich hier- aus, wie der allmähliche Übergang schwinden und eine immer schärfere Grenze entstehen muss. Das Durchsichtsbild 2 zeigt also den ganzen Keimstreifen in seiner ersten scharf begrenzten Anlage. Unter ihm erscheint das innere Keimhautblastem, durch die verhält- 94. | W. Noack, nismäßig starke Zwischendotterschicht dunkler gefärbt. Während am hinteren Eipole ein inneres Keimhautblastem fehlt, ist seine Wirkung am vorderen Eipole, wegen der hier sehr starken Zwischen- dotterschicht, gleich Null. Der Keimstreifen liegt also nicht wie VOELTZKOW (1889) angenommen, nur auf der Ventralseite des Eies, sondern schlägt sich, wie es schon WEISsMAnN (1863) richtig erkannt hat, um beide Pole herum. Seine scharfe Begrenzung ist keine ur- sprüngliche, sondern erst allmählich entstanden. In Durchsichtsbild Fig. 3 ist diese Grenze noch schärfer geworden. Während in Fig. 2 der Keimstreifen eine noch überall gleichmäßige Zellschicht darstellt, erkennt man hier die ersten Anzeichen einer beginnenden Segmen- tirung. Auf der Ventralseite sieht man die Einschnitte der vorderen und hinteren Querfalte. Zwischen beiden ist das innere Keimhaut- blastem in sechs Theile getheilt. Ein weiterer solcher Abschnitt liegt vor der vorderen Querfalte. Das schon ursprünglich nicht scharf be- grenzte innere Keimhautblastem des Vorderpoles ist gänzlich ver- schwunden. Der Einschnürung des inneren Keimhautblastems ent- sprechend, sind die Zellen des Keimstreifens segmental vergrößert, lassen aber an der Oberfläche keine Rinnenbildung erkennen. Es ist dies also das dem Oberflächenbild in Fig. 9 entsprechende Stadium und die an dem letzteren erkennbaren Streifen werden, wie dies HEIDER richtig vermuthet hat, durch den durchleuchtenden Dotter verursacht. Nunmehr beginnt der Keimstreifen selbst sich in verschiedener Weise weiter zu entwickeln. Sein mittlerer Theil lenkt zunächst die Aufmerksamkeit auf sich. Die Zellen werden hier sehr hoch und der ganze Theil senkt sich rinnenförmig ein (Fig. 4 mes). Die Rinne ist vorn und hinten scharf begrenzt. Sie endet hinten an der Querfalte, vorn geht sie über diese hinaus bis zu der konvergiren- den Falte. Hieraus geht also hervor, dass der Keimstreifen während seiner ersten Entwicklung aus drei verschiedenen Theilen besteht: einem Mittelstück und zwei die Eipole bedeckenden Endstücken. Nach der Anschauung von GRABER und VOELTZKOW über die Keimstreifen- bildung bei den Musciden entwickelt sich nur auf der Ventralseite eine Rinne, welche sich allmählich zum Rohre schließt. Aus dem vorher Geschilderten ist leicht zu erkennen, dass hiermit nur das Mittelstück erkannt und als der ganze Keimstreifen beschrieben worden ist. Die beiden, bereits vorhandenen Anlagen am Vorder- und Hinterpol hatte man nicht bemerkt. Erst später sollte sich der Keimstreifen, also das Mittelstück, nach vorn und hinten verlängern und man beschrieb als diese Verlängerung die Erscheinungen am vorderen und hinteren Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 25 Eipole. Abgesehen davon, dass bereits oben für ein viel jüngeres Stadium die ganze Keimstreifenanlage beschrieben worden ist, ist hier noch zu erwähnen, dass die Entwicklung des Vorder- und Hinter- stückes des Keimstreifens durchaus nicht von den beiden Enden des Mittelstückes progressiv fortschreitet. Die beiden Anlagen haben vielmehr ein vollständig für sich abgeschlossenes Wachsthum. Das Vorderende entspricht der von HEIDER beschriebenen rautenförmigen Grube; der hintere Theil- ist bei den Musciden als Enddarmanlage sedeutet worden. In Folgendem wird nun geschildert werden, wie aus der Rinnenbildung des Mittelstücks allein das Mesoderm hervor- seht, und wie in der vorderen und hinteren Anlage das Entoderm zu erblicken ist. VI. Bildung des Mesoderms. Wie bereits erwähnt, wurde nur das die Rinne liefernde Feld seither irrthümlich als die erste Anlage des ganzen Keimstreifens be- trachtet. Dem entsprechend stimmt die Entwicklung des mittleren Keimstreifentheils vollständig mit der von GRABER und VOELTZKOW geschilderten Rinnenbildung überein. Vorn und hinten beginnend, kommt es zur Bildung einer Rinne und Abschnürung eines Zellrohres. Dieses, welches also nur der mittleren Keimstreifenanlage entspricht, hat aber, wie bewiesen werden soll, mit der Mitteldarmbildung nicht das Geringste zu thun, sondern liefert lediglich das Mesoderm. Verfolgt man zunächst am durchsichtig gemachten Fliegenei den Process der Rinnenbildung, so zeigt Fig. 5, wie der vordere und hintere Theil der Rinne am stärksten entwickelt ist, während der mittlere Theil noch völlig flach erscheint. Dieser ist in Fig. 6 eben- falls in die Tiefe gesunken und in Fig. 7 bildet das Mesoderm ein sleichmäßiges Rohr, welches nur am Vorderende Differenzirungen zeigt. Diese werden verursacht durch die darüber hinwegziehende vordere Querfalte, ferner dadurch, dass die bis dahin noch undifferen- zirte vordere Keimstreifenanlage beginnt, sich in das Mesodermrohr hineinzuschieben. Die einzelnen Details dieser Veränderungen sind am Durchsichts- bild nicht zu erkennen. Noch weniger ist dies der Fall in Fig. 8, in der diese Anlage schon zur Entwicklung gelangt ist. Man er- kennt hier aber deutlich, dass das Mesodermrohr durch die tiefe Einschnürung der vorderen Querfalte im Bereiche dieser, weit in das Dotterinnere hineingedrängt worden ist. 26 | W. Noack, Während dieser Zeit haben sich die Polzellen mehr nach der Rückenseite des Embryos verschoben, und die unter ihnen gelegenen, von der hinteren Querfalte begrenzten Zellen der hinteren Keim- streifenanlage, haben durch starkes Längenwachsthum zur Bildung eines hohen Zellenwulstes geführt. Nach der seitherigen Anschauung sollte sich nach Verschluss des Mesodermrohres dieses nach hinten verlängern, und als diese Verlängerung wurden von früheren Autoren die eben geschilderten Entwicklungsvorgänge der hinteren Keim- streifenanlage beschrieben. Aber schon die Durchsichtsbilder Fig. 6 bis 8 lassen deutlich erkennen, dass diese Neubildungen wenigstens zunächst mit dem Mesoderm in keiner Verbindung stehen, sondern durch noch nicht weiter differenzirte Blastodermzellen, d. h. also durch eine dünne Lage (Fig. 7) getrennt sind. Dieses soll natürlich kein Beweisgrund dafür sein, dass es sich hier um zwei Anlagen von verschiedenem Werth handelt, da ja doch das Mesodermrohr selbst aus zwei Anfangs getrennten Anlagen hervorgegangen ist. Es . wird aber hierdurch bewiesen, dass es sich nicht um ein progressiv, vom hinteren Ende des Mesodermrohres fortschreitendes Wachsthum handelt. Die von anderer Seite gegebene unrichtige Darstellung findet eine Entschuldigung darin, dass thatsächlich auch das Mesodermrohr beginnt sich nach hinten zu verlängern (Durchsichtsbild Fig. 8.. Diese Verlängerung aber wird bewirkt durch das eigene Wachsthum des Mesoderms. Die hintere Keimstreifenanlage wird hierbei passiv als Ganzes nach der Dorsalseite verschoben. Wenn auch in Fig. 8 beide Anlagen ein einheitliches Ganze darzustellen scheinen, so sollen doch obige Behauptungen durch Betrachtung der Oberflächenbilder bewiesen werden. Fig. 9 zeigt die erste Anlage des Keimstreifens und wurde schon weiter oben beschrieben; hiernach zerfällt dieser in drei scharf getrennte Theile. Der mittlere Theil, welcher allein das Mesoderm liefert, ist von der hinteren Keimstreifenanlage durch die hintere Querfalte getrennt. Diese verläuft ziemlich genau in der Trans- versalebene und da sie die hintere Keimstreifenanlage vollständig einschließt, so muss jede Verlagerung dieser Anlage am Oberflächen- bild durch eine Verschiebung der Querfurche erkennbar sein. Fig. 10 zeigt die beginnende Versenkung des mittleren Keimstreifentheils. In Fig. 11 haben sich die Ränder der Rinne stark genähert und die Mesodermzellen leuchten bereits an beiden Seiten als ein heller Streifen durch. Gleichzeitig hat sich die ganze Anlage, wenn auch Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. an nur um ein Geringes, nach hinten verlängert. Da sich aber der hintere Keimstreifentheil um eben so viel auf der Rückenseite nach vorn geschoben hat, so wird hierdurch doch schon eine wesentliche Schrägstellung der hinteren Querfalte verursacht (Fig. 12). Das Wachsen des Mesodermrohres ist also nicht auf Kosten der hinter ihm gelegenen Zellen vor sich gegangen, sondern, was be- wiesen werden sollte, durch das eigene Längenwachsthum und an- dererseits sind die Polzellen nicht allein nach der Dorsalseite ge- wandert, sondern mit ihnen die ganze hintere Keimstreifenanlage. Die in den jüngeren Stadien nur auf der Ventralseite schwach sicht- baren fünf Linien (f/—f5) haben sich zu deutlichen Rinnen entwickelt. Sie umfassen jetzt die ganze Eioberfläche, und sind, wenn sie sich auch niemals so stark entwickeln wie die vordere Querfalte, als dieser analog zu betrachten. Dies beweist schon der Umstand, dass die Rinnen um so schwächer entwickelt sind, je weiter sie nach hinten gelegen sind. Aber auch sie lassen eine Verlagerung, dem Längenwachsthum des Mesoderms entsprechend, erkennen. Diese Verschiebung der einzelnen Rinnen ist der Achsendrehung der hinteren Querfalte um so ähnlicher, je mehr jene nach hinten gelegen sind. Dagegen zeigt die vordere Querfalte und die beiden folgenden, eine, wenn auch nur geringe entgegengesetzte Verschiebung und lassen somit erkennen, dass sich das Mesodermrohr auch nach vorn ver- längert hat. Dem entsprechend zeigt aber der vordere Keimstreifen- theil nicht eine, den Entwicklungsvorgängen am hinteren Eipole analoge passive Verschiebung nach der Dorsalseite. Das vordere Ende des Mesodermrohres kann sich also nicht wie am hinteren Ende als gleichmäßige Verlängerung in der Sagittalrichtung vorwärts schieben, sondern muss vielmehr in die Tiefe und nach beiden Seiten hin ausweichen; das Mesodermrohr verbreitert sich in Folge dessen an seinem vorderen Ende und bildet schließlich eine quer gestellte Spalte, die immer tiefer und länger wird; die seitlichen Schenkel derselben biegen dabei nach vorn um und umfassen so von hinten her die vordere Keimstreifenanlage (Fig. 11 und 12). Dies Gebilde wurde bereits von WEISMANnN (1863) gesehen und als konvergirende Falte beschrieben. Im nächsten Stadium Fig. 13 und 14 haben sich die Schenkel dieser Mesodermfalte noch mehr verlängert und sind gleichzeitig näher zusammengerückt. Das von ihnen eingeschlossene Feld ist die vordere Keimstreifenanlage (v.kstr) und dürfte bestimmt dem Gebilde entsprechen, welches HEıper als rautenförmiges Feld be- 98 W. Noack, schrieben hat. Zu beiden Seiten des Mesoderms hat sich am Vorder- ende das Ektoderm stark verbreitert und bildet so die beiden von WEISMANN als Kopflappen (#7) bezeichneten Gebilde. Diese um- wachsen die vordere Keimstreifenanlage vollständig und vereinigen sich vor dieser in der Medianlinie der Dorsalseite. Hiermit ist die vordere Keimstreifenanlage noch schärfer um- grenzt worden (Fig. 12 und 14). Sie hat sich gleichzeitig an der Oberfläche auf einen kleineren Raum zusammengeschoben und ist mehr nach der Bauchseite gerückt. Diese Verlagerung des vorderen Keimstreifenendes nach hinten, zusammen mit der Verlängerung des Mesodermrohres auf die Dorsalseite, bildet die einzige Rückwärts- verschiebung, welche an der Embryonalanlage im Muscidenei zu be- obachten ist und entspricht der Katatrepsis der Arthropoden, die be- kanntlich bei vielen derselben eine vollständige Umlagerung des Embryos verursacht. In Fig. 13 ist die hintere Keimstreifenanlage der Verlängerung des Mesodermrohres entsprechend, noch weiter nach . der Rückenseite gewandert und beginnt rinnenförmig einzusinken und zwar eben so wie das Mesodermrohr in der Sagittalrichtung. Die hintere Querfalte stellt also nunmehr den Rand einer breiten Rinne dar, welche vollständig auf die Dorsalseite verschoben worden ist. Die ursprünglich in transversaler Richtung angelegte Furche ver- läuft also jetzt fast parallel der Längsrichtung, sie hat sich somit fast um 90° gedreht. Auch die übrigen, den Embryo in einzelne Abschnitte theilenden (uerfurchen, f/—f5, haben, der Verlängerung des Mesoderms ent- sprechend, eine weitere Verschiebung erfahren. Hierbei rücken die ' Rinnen an der Dorsalseite noch mehr an einander und werden gleich- zeitig immer tiefer. An der Bauchseite ist es umgekehrt; sie rücken aus einander und werden immer seichter, so dass also dieselben Furchen, welche Anfangs nur auf der Keimstreifen- (ventralen) Seite zu finden waren, zuletzt nur noch auf der entgegengesetzten dorsalen Seite sichtbar sind. GRABER hat auf Querschnitten diese Falten gesehen; hat sie je- doch betreffs ihrer Zahl und ihres Verlaufs nicht richtig beschrieben. Zum Theil hält er sie für Fortsetzungen der konvergirenden Falten und beschreibt dem entsprechend eine vordere laterale Gastrula- tion, aber nicht nur von einer vorderen lateralen Gastrulation spricht (GRABER, sondern auch von einer solchen am hinteren Ende des Keim- streifens und meinte damit offenbar die hintersten Querfalten, welche, wie schon früher beschrieben, an den seitlichen Theilen des Embryos Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Museiden. 29 schräg gerichtet sind, so dass sie hier fast längs verlaufen und auf Quersehnitten allzuleicht zu Täuschungen Veranlassung geben können. Hieraus ergiebt sich, dass eine »laterale Gastrulation<« im Sinne GRABER’S nicht existirt; dass die betr. Falten an der Entodermbildung nicht Theil nehmen, ergiebt sich hieraus von selbst. Auch Weısmann (1863) hat die Falten bereits gesehen, hat sie aber als zufällig und inkonstant bezeichnet. Ob und in wie weit diese Furehen bei der Segmentirung des Embryonalkörpers betheiligt sind, wurde nicht verfolgt, da hierzu die Untersuchung älterer Stadien nöthig gewesen wäre; bei den jüngeren Stadien aber entspricht der in den Längsschnitten wellenartige Verlauf des Mesodermrohres ge- nau diesen Falten. Betreffs der hinteren Querfalte giebt WEISMANN an, dass sie verschwindet. Gleichzeitig aber beschreibt er die Bil- dung des hinteren Faltenblattes. Er betont dabei ausdrücklich, dass dieses mit der hinteren Querfalte nichts zu thun habe. Diese Beob- achtung muss hier vollständig bestätigt werden. Die hintere Quer- falte verschwindet, indem sich ihre beiden Schenkel entsprechend der beschriebenen Achsendrehung zu einer Längsrinne an einander legen. Gleichzeitig tritt über ihr die Amnionfalte auf und leitet so die erste ektodermale Invagination ein (Figg. 13 und 15). Der bereits erwähnte Versenkungsprocess der hinteren Keim- streifenanlage verläuft viel schneller wie derjenige der Mesoderm- rinnenbildung. Die Tiefe dieser letzteren ist desshalb schon bald er- reicht, und da sie allmählich in einander übergehen, so bilden schließlich beide Theile eine gemeinsame Rinne. Jedoch muss dem ausdrücklich hinzugefügt werden, dass auch in diesem Stadium ein unterscheidendes Merkmal beider in so fern vorhanden ist, als die Mesodermrinne sich bereits zu einem Rohr geschlossen hat, während die hintere Keimstreifenanlage noch eine breite Grube darstellt. Übrigens dauert dieser Zustand nur ganz kurze Zeit; schon in Fig. 8 erkennt man an der Grenze beider Theile eine Kniekung nach innen. Durch die fortdauernde aktive Versenkung des hinteren Keimstreifen- theils und durch das Längenwachsthum des Mesodermrohres, ferner durch Druck und Gegendruck an der Berührungsstelle wird einer- seits die hintere Keimstreifenanlage immer mehr nach vorn und nm die Tiefe verschoben, andererseits wächst das Mesodermrohr über diese hinweg, wird aber gleichzeitig, da es vor ihm an der Ober- fläche zu keinem Verschlusse kommt, zum Theil mit in die Tiefe gezogen. Querschnitte durch diese Stadien haben bereits VOELTZKOW und 0 | W. Noack, GRABER gegeben, diese demonstriren sehr gut die Rinnenbildung des Mesoderms, genügen aber nicht zur richtigen Erkennung der ganzen Keimstreifenentwicklung. Schon aus der Betrachtung der Durchsichts- bilder ergiebt sich die Wichtigkeit der Längsschnitte; diese sollen darum zuerst betrachtet werden. Die allmähliche Versenkung des Mesodermrohres am Vorderende zeigen die Längsschnitte in Fig. 45 bis 50. Fig. 45 entspricht dem Oberflächenbild in Fig. 10. Das Mesoderm beginnt sich einzusenken. Die vordere Querfalte ist an der Oberfläche noch nicht erkennbar, an der Stelle aber, an welcher sie zur Entwicklung gelangt, ist das Mesoderm nach dem Dotter hin stark eingeschnürt. Die konver- sirende Falte WEısmann’s, welche das vordere Ende des Mesoderm- rohres bildet, entspricht der tiefsten Stelle des einsinkenden Meso- derms. Fig. 46 entspricht dem in Fig. 11 wiedergegebenen Stadium: die Rinne ist im Begriff sich zum Rohr zu schließen, dem entsprechend zeigt die Fig. über dem Mesoderm einen Theil der seitlichen Wand. Das vordere Ende des Mesoderms ist am tiefsten und hat sich gleich- zeitig etwas nach vorn verlängert. Die konvergirende Falte umfasst also nicht nur von beiden Seiten, sondern auch von innen die vordere Keimstreifenanlage. | Fig. 47 entspricht den ÖOberflächenbildern in Fig. 13 und 14. Die Mesodermrinne hat sich geschlossen; ihr vorderes Ende ist tief in den Dotter versenkt und reicht unter der vorderen Keimstreifen- anlage ein beträchtliches Stück nach vorn. Stark beeinflusst wird diese Versenkung des Mesoderms von nun an noch besonders durch die Entwicklung der vorderen Querfalte, welche in diesem Stadium bereits scharf ausgeprägt ist und in den folgenden immer tiefer wird. Dieses zeigt Fig. 48, welche den Oberflächenbildern in Fig. 15 und 16 entspricht. Es wurde bereits oben erwähnt, dass die vordere and die nächstfolgende Querfalte an der Bauchseite eine, wenn auch nur geringe Verschiebung nach vorn erleiden, andererseits rückt auch die vordere Keimstreifenanlage nach hinten. In Folge dessen nähern sich konvergirende Falte und vordere Querfalte einander immer mehr, und schließlich (Fig. 49) münden beide Furchen an der Bauchseite in eine einzige breite Rinne. Hierbei werden die zwischen den bei- den Furchen beiderseits gelegenen dreieckigen Felder in die Tiefe versenkt, ein Verhalten, welches ebenfalls bereits von WEISMANN (1863) beobachtet und beschrieben wurde. | Das Mesodermrohr zeigt also in diesem Stadium (Fig. 49) eine Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. al Textfigg. 4—6. Vorderpolquerschnitte durch Oulliphora. Entoderm dunkler. cv.f. konvergirende Falte (Weısmann); v.qf, vordere Querfalte (Weısmann). 32 W. Noack, zweimalige Knickung, erst eine solche nach innen und dann eine nach vorn. In Fig. 50 ist die vordere Querfalte, eben so wie dies schon vorher das Schicksal aller Querfalten war, wieder zurück- gebildet und hat nur noch eine seichte Furche zurückgelassen. Dem- gemäß ist das Mesoderm zum größten Theil wieder dicht unter die Oberfläche gerückt, und nur sein vorderstes Ende umfasst noch von innen den hintersten Theil der vorderen Keimstreifenanlage, welche sich inzwischen stark entwickelt hat (Figg. 49 und 50 v.ent). Selbstverständlich können die Längsschnitte allein keineswegs zur Erkennung dieser Verhältnisse genügen; das Verständnis wird besonders erschwert durch die vordere Querfalte, welche quer über das vordere Ende des Mesodermrohres hinweggeht und sowohl bei seiner starken Entwicklung wie bei seiner Rückbildung die Verhält- nisse des Vorderpoles wesentlich beeinflusst, ohne selbst Antheil am Aufbau eines bestimmten Organs zu nehmen. Die in den Text- figuren (4, 5 und 6) wiedergegebenen Querschnittserien demonstriren die Entwicklungsvorgänge am vorderen Ende des Mesodermrohres. Die erste Serie (Textfig. 4) zeigt in Schnitt f das Mesoderm dicht hinter der vorderen Querfalte, es liegt als flaches Rohr mit der Bauchseite dicht an. In Schnitt d ist die vordere Querfalte getroffen, diese verursacht beiderseits eine Einschnürung des Blastoderms, die so tief ist, dass das Mesodermrohr an dieser Stelle stark verschmälert erscheint. Dicht vor der. vorderen Querfalte (Schnitt ce) zeigt das Mesoderm wieder eine ähnliche Form wie in dem hinter der Falte gelegenen Schnitt. Aber nur wenig weiter nach vorn Öffnet sich das Rohr zu einer breiten Rinne (Schnitt d). Es ist die konvergirende Falte.e Die noch weiter nach vorn gelegenen Schnitte, also die, durch die vordere Keimstreifenanlage (Schnitt a) lassen noch keine Differenzirung erkennen. In dem wenig älteren Stadium (Fig. 5 f) zeigt das Mesoderm zwischen der vorderen Querfalte dieselbe Einschnürung. Nach vorn wird das Lumen des Mesodermrohres sehr weit (e) und geht in zwei seitliche Rinnen über (d), welche (Schnitt c) allmählich verstreichen. Es ist die konvergirende Falte, deren Schenkel näher zusammen- gerückt sind und sich nach vorn verlängert haben, indem sie die hier noch unentwickelte Partie der vorderen Keimstreifenanlage von hin- ten her umfassen (Schnitte e-—a). In Textfig. 6 zeigt Schnitt 9 wieder das durch die vordere Quer- falte stark verengte und nun auch in die Tiefe verlagerte Mesoderm. In Schnitt f ist das Rohr wieder stark verbreitert, aber das Lumen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Museiden. 33 ist nicht leer (ef. Textfig. 5 e), sondern es hat sich vom Vorderpole aus eine Zellenmasse in dasselbe hineingeschoben. Das Meso- dermrohr erscheint nunmehr nach außen hin geschlossen. Die kon- vergirenden Falten schließen sich also in der Richtung, wie sie entstanden sind, von hinten nach vorn. Schnitt e trifft in der Mittel- linie das vorderste Ende des Mesoderms; das Lumen fehlt in der Medianlinie und setzt sich nur noch auf beiden Seiten als das der konvergirenden Falten fort. In Schnitt d ist auch der mediale Theil des Mesoderms verschwunden. Als Fortsetzung aber erkennt man die konvergirenden Falten, welche sich hier noch nicht nach der Oberfläche hin geschlossen haben. In Schnitt c treten diese Falten weiter aus einander und werden schwächer. In Schnitt 5 verlaufen sie als seiehte Rinnen an der Oberfläche; das zwischen diesen bei- den Mesodermfalten gelesene Feld ist als zur vorderen Keimstreifen- anlage gehörig zu betrachten; während hier die Zellen derselben noch keine Differenzirung zeigen, lässt der vorderste Schnitt der Serie (a) bereits die ersten Wucherungen der vorderen Darmanlage erkennen, und beweist zugleich, dass sie mit dem Mesoderm während ihrer Entwicklung in keiner Verbindung steht. Die Verhältnisse am hinteren Keimstreifenende sind wesentlich einfacher und leichter zu verstehen. Während in Fig. 35 der Taf. III noch alle Zellen der ganzen Keimstreifenanlage eine gleiche Be- schaffenheit zeigen, haben sich in Fig. 34 diejenigen des Mittel- stückes stark vergrößert. Fig. 35 zeigt eine tiefe, durch die hintere Querfalte scharf begrenzte Mesodermrinne. Die Zellen der hinteren Keimstreifenanlage haben ebenfalls be- gsonnen zu wachsen, aber nicht vom hinteren Ende des Mesoderms progressiv fortschreitend, sondern beide Anlagen sind in Figg. 35—97 eben so wie am Vorderpol noch durch niedere Zellen getrennt (gr). In Fig. 38 stoßen diese zusammen und hiermit beginnt eine schnelle Versenkung des hinteren Keimstreifentheils in das Dotterinnere. In Fig. 39 ist die Rinne im Begriff, sich über den Polzellen zu schließen. Beide Theile des Keimstreifens zeigen auch hier eine scharfe Grenze (gr). | Vergleicht man diese Figuren mit denjenigen des Vorderpoles und den in Oberflächenbildern wiedergegebenen Stadien, so ist zu bemerken, dass Figg. 35 und 45 dem Öberflächenbild von Fig: 10 ent- sprechen; Figg. 36 und 46 dem Stadium der Figg. 11; Fig. 38 und 47 dem der Figg. 13 und 14, und Figg. 39 und 48 den Oberflächenbildern Figg. 15 und 16. Ferner entspricht Fig. 40 dem Längsschnitt in Fig. 49, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Ba. . 3 34 W. Noack, Fig. 40 und folgende zeigen nun wie sich das Mesodermrohr immer mehr auf der dorsalen Seite nach vorn schiebt und wie sein hinteres Ende mit in die Tiefe gezogen wird. Es geschieht dies mit immer spitzer werdender Winkelung bis in Fig. 44 zwei Mesoderm- schenkel parallel unter einander liegen. In diesem Stadium hat der Embryo seine größte Länge erreicht, Kopf und Schwanzende liegen dicht beisammen. Dieses dauert aber nur kurze Zeit. Es beginnt nun der sog. Umrollungsprocess in die ursprüngliche Lage: die Ana- trepsis. Sie nimmt ihren Anfang mit der Verkürzung der ebenfalls in diesem Stadium sehr lang gestreckten hinteren Darmanlage. Hier- bei verliert das hinterste Ende des Mesoderms seine Höhlung, wird schwächer und löst sich schließlich von der Entodermanlage ab; sein Rest nimmt wieder eine mehr oberflächliche Lage an; sodann beginnt die Verkürzung des Embryos und dauert so lange an, bis die Afteröffnung am hinteren Eipole liegt. Es wird unterlassen, hier die den Längsschnitten entsprechenden Querschnittserien zu beschreiben; diese sollen in dem nächsten Kapitel bei Betrachtung der hinteren Darmanlage berücksichtigt werden. Es genügt an dieser Stelle die Entwicklung eines scharf begrenz- ten Mesodermrohres beschrieben sowie einerseits die sekundäre Ineinanderschiebung von Mesoderm und der ursprünglich vor diesem gelegenen vorderen Keimstreifenanlage, und andererseits die Übereinanderschiebung von Mesoderm und der ursprünglich hinter diesem gelegenen hinteren Keim- streifenanlage klargelegt zu haben, Momente, die zur Be- urtheilung späterer Entwicklungserscheinungen nicht be- deutunglos erscheinen und auf die weiter hinten zurückgekommen werden soll. VIl. Entwicklung des Entoderms und des Darmkanals. Während sich aus dem Mittelstück des Keimstreifens in der oben geschilderten Weise das Mesoderm entwickelt, entsteht aus dem vorderen und hinteren Keimstreifen- ende die Mitteldarmlage. Wie bereits in der Einleitung er- wähnt wurde, war es zunächst in dieser Untersuchung nur beab- siehtigt, die Entstehung und das Schicksal der Polzellen festzustellen, Da aber die Entwicklung der vorderen Darmanlage sich noch weit über die Stadien hinaus erstreckt, welche bei der Untersuchung der Polzellen in Betracht kommen, so war leider beim Anfertigen der Präparate auf die älteren Stadien zu wenig Rücksicht genommen Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 35 worden. Da in Folge dessen in den späteren Stadien die Reihe der Sehnittserien lückenhaft ist, so erscheint es zweckmäßiger, hier den Vorderdarm zunächst unberücksichtigt zu lassen, und erst nach Be- sprechung der hinteren Darmanlage auf einige bereits in dem Kapitel über die Mesodermbildung. beschriebenen Figuren des Vorderpoles zurückzukommen. Es handelt sich also zunächst um die Zellen, welche bei der ersten Keimstreifenanlage den ganzen hinteren Eipol bedecken und seitlich durch die hintere Querfalte begrenzt sind. Ausgenommen bleiben nur die Polzellen, welche sich schon vorher von den übrigen Zellen differenzirt haben und genau im Centrum dieses Zellenkom- plexes liegen. Diese Zellmasse schließt sich also an das hintere Ende des Mesodermrohres an, ist aber durch die hintere Querfalte von diesem getrennt. Schon oben (p. 25) wurde geschildert, wie allmählich durch Längenwachsthum des Mesoderms die hintere Keimstreifenanlage sammt der hinteren Querfalte auf die Dorsalseite rückt und dort immer weiter nach vorn verschoben wird, während sie gleichzeitig in die Tiefe sinkt. — Ähnlich wie bei der Entwicklung des Mesodermrohres nehmen die Anfangs sehr hohen Zellen mit der fortschreitenden Ent- wicklung wieder an Höhe ab. Charakteristisch für sie bleibt wäh- rend dieser ganzen Entwicklungsperiode ihr Reichthum an auf- senommenen Dotterkörnern. Figg. 37—41 veranschaulichen die allmähliche rinnenförmige Versenkung dieser Anlage. Die in Fig. 38 über den Polzellen ge- 'zogene Linie giebt den Kontour der mehr seitlich gelegenen Längs- schnitte an. In Fig. 39 wurde absichtlich ein Schnitt gewählt, in dem diese Rinne etwas schräg getroffen ist, so dass der in diesen Stadien nur noch sehr schmale Spalt in schräger Richtung über den Polzellen sichtbar ist. In Fig. 40 haben sich die Ränder der Spalte dicht an einander gelegt, ohne aber mit einander verschmolzen zu sein. Der Rand dieser Rinne würde also der hinteren Querfalte entsprechen. In Fig. 41 hat sich der Spalt durch Vorschiebung des Mesoderms stark verkürzt und in Fig. 42 ist nur noch eine sehr kleine Öffnung übrig geblieben. Die Figg. 41 und 42 lassen die Berührungsstelle des hinteren in die Tiefe umgebogenen Mesoderm- rohres und der Entodermrinne erkennen (Figg. 41 und 42 gr). Fig. 41 ist dasselbe Stadium, an welchem von GRABER und VoELTzkow die Enddarmanlage beschrieben worden ist. Nach ihrer Beschreibung soll sich diese letztere dadurch bilden, dass sich das 3x 36 W. Noack, hintere Ende des Mesodermrohres nach hinten und innen umbiegt. Trotzdem also VOELTZKOW diese Anlage als Verlängerung des Meso- dermrohres betrachtet, erklärt er sie für Ektodermalgebilde und da aus demselben auch der hintere Mitteldarm hervorgeht, so bezeichnet er auch diesen als ektodermale Bildung. Dieses wird von GRABER mit Recht kritisirt; seine Auffassung steht in der Mitte zwischen derjenigen VOELTZKow’s und KowaALekvsky’s, welch Letzterer den Mitteldarm aus dem unteren Blatt, dem Entomesoderm, hervorgehen lässt. GRABER unterscheidet an dem unteren Blatt zwei Lagen; eine obere, welche durch die rinnenförmige Öffnung in das Ektoderm übergeht und den Enddarm liefert, und eine untere, welche die direkte Fortsetzung des Mesodermrohres darstellt, und aus welcher der Mittel- darm entstehen soll. Die letztgenannte Anlage wird nach GRABER später noch durch das Mesoderm verstärkt. Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass es sich überhaupt nicht um ein sackartiges, an Länge zunehmendes Rohr handelt, sondern, wie bereits oben dargethan wurde, um die rinnenförmige Versenkung einer ursprünglich schon in gleicher Länge vorhandenen Anlage. Diese Einsenkung ist das Einzige, was diese Anlage mit dem Meso- dermrohr gemeinsam hat. Beide unterscheiden sich wesentlich durch ihre zeitliche Entstehung, ihre Anfangs getrennte Anlage, ihre Fort- entwicklung und schließlich durch ihr Schicksal. Dadurch, dass nach der völligen Versenkung der hinteren Keimstreifenanlage unter die Oberfläche die Invagination an dieser Stelle noch fortdauert, wird außer dem hinteren Ende des Mesoderms auch noch das darüber gelegene Ektoderm mit in die Tiefe gezogen (Figg. 41 und 42). Dort beginnen sich die Zellen des letzteren stark zu vermehren und es dehnt sich nach dem Vorderpol hin aus (Fig. 43). Dieses Verhalten bewirkt zweierlei. Erstens entsteht hier die Amnionfalte, deren Entwicklung bereits auf p. 29 beschrieben worden ist. Hierauf noch näher einzugehen, erscheint überflüssig, da dieses bereits von einer ganzen Anzahl früherer Autoren, so besonders von KOWALEVSKY, VOELTZKOW und GRABER mehr oder weniger eingehend beschrieben worden ist. Gleichzeitig entwickelt sich in Folge der fortdauernden Wuche- rung des Ektoderms, der Enddarm. Er bildet also die unmittelbare Fortsetzung der Amnionhöhle nach innen und verbindet diese mit der Entodermhöhle. Hieraus geht hervor, dass die oben erwähnte Ansicht GRABER’sS über die Bildung des Enddarmes wenigstens in so Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 37 fern gültig ist, als er die zur Bildung dieser Anlage bestimmten Zellen richtig erkannt hat. Aus der hinteren Keimstreifenanlage aber entsteht allein der hintere Theil des Mitteldarmes und nicht, wie VOELTZKOW angiebt, der Enddarm. Dieses wird durch Betrachtung der folgenden Stadien bewiesen. Bei der Verschiebung nach vorn bleibt die hintere Keimstreifen- anlage immer mehr zurück (Fig. 43) und bekommt schließlich eine fast durch das ganze Ei gehende langgestreckte Form. Während vorher Mesoderm und Entoderm ein unmittelbar unter der Oberfläche verlaufendes Rohr darstellten, erfährt dieses einerseits durch die Ver- senkung der hinteren Mitteldarmanlage, sowie andererseits durch die Verlängerung des Mesodermrohres, und seine Verschiebung über die Mitteldarmanlage zwei Knickungen, so dass schließlich dieses aus Mesoderm und Entoderm bestehende Rohr an der betreffenden Stelle drei über einander liegende Lagen bildet (Fig. 43 mes, u. , und ext, u. 5). Die beiden oberen besteben lediglich aus Mesoderm, die untere aus Entoderm. Das hintere Ende der mittleren Lage setzt sich in das Entoderm fort (Fig. 43 gr). Erst wenn das Wachsthum des Mesodermrohres und die Ver- schiebung der hinteren Darmanlage nach vorn nachlässt, schiebt sich die hintere Keimstreifenanlage wieder zusammen (Fig. 50). In Folge einer gleichzeitig beginnenden starken Vermehrung nehmen hierbei die in Fig. 44 noch langgestreckten und auffallend großen Zellen schnell an Größe ab. Indem die nun einmal begonnene Kontraktion fortdauert, ballen sich die Zellen immer mehr zusammen, der von ihnen eingeschlossene Hohlraum verschwindet, und indem sie sich mehr gegen den sich entwickelnden Enddarm abgrenzen, bilden sie eine dichte, sich gegenseitig abplattende Masse polygo- naler Zellen, zwischen welchen auch jetzt noch die Pol- zellen als dunklere kugelige Gebilde eingelagert sind (Fig. 51 und Textfig. 7). Bei dem nun beginnenden Umrollungs- process wandert diese ganze Anlage wieder nach dem hinteren Pole hin (Textfigg. 5—10); hierbei fällt zunächst das starke Längenwachs- thum des Proktodäums auf; das äußere Ende desselben wird zweifel- los durch die Kontraktion des Mesoderms nach hinten umgebogen, so dass nunmehr zwei Enddarmschenkel über einander gelegen sind. Die hintere Keimstreifenanlage wandert zunächst ebenfalls nach hinten (Textfig. 8), biegt sich aber dann wieder nach vorn um. Dass hieraus durch Spaltung in zwei laterale Theile die hinteren Mittel- 38 : ""W. Noack, darmäste hervorgehen, wird von KOWALEVSKY, VOELTZKOW und GRABER übereinstimmend geschildert. — So weit ich diese Stadien untersuchte, kann ich die Angaben der genannten Autoren bezüglich der späteren Entwicklungsstadien des Darmkanals im Ganzen be- r , | are wur Pu! u v3 eo Textfig. 10. Textfigg. 7—10. Verkürzung des Embryos. stom, Stomodäum; proct, Proktodäum; v.ent und A.ent, vordere und hintere Entodermanlage; mes, Mesoderm; m.g, MarrıcHr'sche Gefäße. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 39 stätigen. An der Grenze zwischen Enddarm und Mitteldarm entstehen ektodermale Ausstülpungen, aus welchen sich, übereinstimmend mit der Entwicklung anderer Insekten, wie aus den späteren, von GRABER beschriebenen Stadien hervorgeht, die MaLpıcHT schen Gefäße (Textfigg. 7 bis 10) entwickeln. Die so sehr stark von der vorstehenden Baches abweichen- den Berichte früherer Arbeiten haben lediglich ihren Grund in der mangelhaften Herstellung von Längsschnitten. Allein in Folge dessen war es möglich, dass VOELTZKOW die beginnende Einsenkung des hinteren Keimstreifens mit der bereits auf der Rückwanderung be- findliehen Darmanlage, also zwei zeitlich so sehr weit verschiedene Vorgänge, verwechseln konnte. In VoELTzkow’s Fig. 15 erkennt man genau das in Fig. 41 dieser Arbeit wiedergegebene Stadium. VOELTZ- Kkow selbst hat über seine Zeichnung nur wenig Erklärendes gebracht und GRABER und RITTER haben sich vergeblich bemüht, diese Figur zu erklären. Ein Vergleich mit Fig. 41 dieser Arbeit erläutert das Stadium. Wie gesagt, handelt es sich um einen ungenügend orien- tirten Schnitt. Zum Schlusse sei noch die auf Grund einiger Schnittserien ge- sebene kurze Darstellung BürscaLr's (1885) erwähnt. Der von ihm wiedergegebene schematische Längsschnitt entspricht der Fig. 49. BürscHLı vermuthet in der hinteren Einstülpung richtig die Mittel- darmanlage und glaubt andererseits auf Grund. von Querschnitten zweier dicht auf einander folgenden Stadien eine Cölombildung in Verbindung mit dieser Entodermanlage gefunden zu haben. Während in den früheren Arbeiten zur Demonstration der histo- logischen Veränderungen in Folge der schwierigen Herstellung von Längsscehnitten meist nur Querschnitte gegeben wurden, sollen diese nur noch als Ergänzung dienen. Man wird erkennen, dass sich in den verschiedenen Stadien immer wieder dieselben Bilder wieder- holen, so dass also die ersten Veränderungen, wie bereits an den Längsschnitten erkannt wurde, wesentlich in einer Verlängerung, resp. Verkürzung der Anlagen bestehen. Dass dies an Querschnitten leicht übersehen werden kann, ist selbstverständlich. Die Serie (Fig. 92 a—d) zeigt die erste Entwicklung der hin- teren Keimstreifenanlage. An der Ventralseite ist die Keimstreifen- rinne geschlossen, sie endet in Schnitt c. Auf der Dorsalseite liegen die Polzellen über den stark in die Länge gewachsenen Entoderm- zellen. | Das nächste Stadium zeigt Fig. 53 a—e, hier haben beide 40 | W. Noack, Anlagen eine gleiche Tiefe erreicht. Das Mesoderm hat sich nach hinten ‚verlängert, und ist im Begriff sich um den hinteren Pol herumzuschlagen (Schnitt e) und endet an der Dorsalseite des Schnit- tes mit einer breiten Öffnung. In der Querschnittserie Fig. 54 a—h hat das Mesodermrohr sich schon auf die Dorsalseite verschoben. In Schnitt f biegt sich das Rohr nach innen um. Hier ist die Verbindungsstelle zwischen Entoderm und Mesoderm zu suchen, und die als Fortsetzung auf den weiter nach vorn gelegenen Schnitten ce und d sichtbare, tief im Dotter gelegene Querrinne entspricht dem Entoderm, während die auf ihr senkrecht stehende und letztere Anlage mit der Oberfläche verbindende Spalte als Ektodermalbildung zu betrachten ist, die nach völliger Versenkung der hinteren Keimstreifenanlage durch fort- dauernde Invagination entstanden ist. Die noch weiter nach vorn gelegenen Schnitte 5 und ce zeigen schon die von vorn her sich über der Anlage schließende Amnionfalte, welche in der Medianlinie bis zu dem Schnitt e reicht und auf den Schnitten d und e nur noch als seitliche Falten vorhanden ist. Dem Schnitt f dieses Stadiums ent- spricht auch der Schnitt / des nächsten (Fig. 99 a«—4), dieser zeigt ebenfalls die Umbiegungsstelle des Mesoderms, und in den etwas weiter nach hinten gelegenen Schnitten g und A erkennt man auf der Dorsalseite zwei über einander gelegene Mesodermstreifen, von welchen der innere mit dem Entodermrohr in Verbindung steht. In Schnitt e ist nur noch die letzte Spur des nach hinten umgebogenen Mesoderms zu erkennen. Hierdurch wird also bewiesen, dass die senkrecht über der Entodermlage liegende Spalte (Fig. 55 d und e) auf den noch weiter nach vorn gelegenen Schnitten nicht als zum Mesoderm gehörig betrachtet werden kann; es handelt sich hierbei um eine Einstülpung des Ektoderms. Das nächste Stadium (Fig. 56 a—g) zeigt im Wesentlichen die- selben Verhältnisse; berechnet man aber diese Schnitte bei einer Total- summe von je 300 Querschnitten, so beginnt die erstgenannte Serie (Fig. 55) ungefähr beim 150. Schnitt und reicht bis dicht an das hintere Ende, während die Serie in Fig. 56a—g den Schnitten 120—140, also denen des mittleren Drittels entspricht. Es handelt sich also um die beiden Stadien, welche in Fig. 43 und in Fig. 50 wiedergegeben sind. Die Querschnittserie Fig. 57 entspricht dem Längsschnitt in Textfig. 7. Die in der Figur gegebenen Querschnitte befinden sich also in ungefähr gleicher Lage wie die der letztgenannten Serie. Der Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 41 Enddarm hat sich durch starke Wucherung des Ektoderms als ein breites, quergelagertes Rohr differenzirt, dessen Öffnung nach außen in Schnitt e zu erkennen ist. Sein Lumen wird also nicht, wie GRABER angiebt, durch die senkrecht über der Entodermanlage be- findliche Spalte gebildet, sondern es ist eben so wie die Amnion- höhle und das in den jüngeren Stadien vorhandene Entodermlumen quergestellt. Das von hinten und der Dorsalseite her in die Tiefe versenkte Ektoderm muss also zur Bildung des Enddarmlumens sich auf beiden Seiten nach vorn umschlagen. Dass dies thatsächlich ge- schieht und der Enddarm sich zuletzt an der Ventralseite zum Rohr schließt, beweisen die Schnitte f und g, welche zugleich die Über- gangsstelle zwischen dem Proktodäum und Entoderm zeigen; in Schnitt % sind nur noch Entodermzellen vorhanden. Es hat sich also gezeigt, dass die Einstülpung am hinteren Ende des Keimstreifens zunächst nur als die Mitteldarmanlage zu betrachten ist, und dass die Bildung des Enddarmes erst mit dem Moment beginnt, in welchem nach völliger Versenkung der hinteren Keimstreifenanlage das hintere Ende des Mesoderms sammt dem darüber gelegenen Ektoderm in die Tiefe folgt. Ganz eben so verhält es sich am Vorderpol. Während Figg. 45 und 46 noch keine Veränderungen in der vorderen Keimstreifen- anlage erkennen lassen, zeigt Fig. 47 am Vorderpol eine starke Ein- buchtung. Diese aber bildet nicht das Stomodäum, sondern ist die Mitteldarmanlage. In Fig. 48 ist sie weiter nach hinten gerückt und noch mehr ist es in Fig. 49 der Fall; die ganze Anlage, welche sich rinnenförmig und nach vorn gabelig getheilt angelegt hat, ist nun eine kompakte Zellmasse geworden, über der von einer Stomo- däumanlage noch nichts zu sehen ist. Erst in Fig. 50 erkennt man die beginnende Einstülpung von dicht gelagerten Zellen, die sich durch ihre langgestreckte, ceylin- drische Form von den rundlichen und weniger dicht gelagerten Ento- dermzellen leicht unterscheiden. Dieses erst ist die Ektodermein- stülpung, welche den Vorderdarm zu liefern hat. Auch sie entsteht eben so wie am hinteren Eipol erst nach der völligen Ver- senkung der Entodermanlage in die Tiefe, und nach Überwachsung derselben durch das Ektoderm. In Fig. 50 liegst der hintere Theil der Entodermanlage zum Theil noch frei an der Oberfläche. Einige ältere Stadien in der Fortentwicklung der vorderen Darmanlage zeigen die Textfigg. ”—10. Querschnitte, die die erste Entwicklung der vorderen Keimstreifenanlage, also der späteren vorderen Mittel- 42 W. Noack, darmanlage demonstriren, sind in den Textfigg. 4, 5 und 6 wieder- gegeben und wurden bereits in dem Kapitel über die Bildung des Mesoderms beschrieben. Hier sei noch erwähnt, dass diese drei Serien den Längsschnitten in Figg. 45, 46 und 47 entsprechen. Beide, so- wohl Längsschnitte wie Querschnitte, beweisen genügend, dass die vordere Keimstreifenanlage völlig isolirt vom Mesoderm zur Entwick- lung gelangt, also eben so wie am hinteren Pole, und sich erst sekundär in das Mesoderm hineinschiebt. Wie bereits erwähnt wurde, lag es Anfangs durchaus nicht in meiner Absicht, die Entwicklung des Darmkanals und noch weniger diejenige des Vorderdarmes zu bearbeiten. Die Veranlassung hierzu war vielmehr erst eine mittelbare, indem das Schicksal der Polzellen so weit als möglich verfolgt wurde. Obgleich mir eine ziemliche Anzahl von Schnittserien zur Verfügung steht, welche gewisse Auf- schlüsse über die Fortentwicklung der vorderen Darmanlage geben, so genügen diese, wie bereits oben erwähnt, keineswegs, um eine Klärung dieser ganz besonders schwer verständlichen Bildungsvor- gänge herbeizuführen; es muss desshalb an dieser Stelle auf die Darstellung der letzteren verzichtet werden. Lässt man zunächst die Keimblätterfrage unberücksichtigt, so bestehen über die Bildung des Mitteldarmes bei den Insekten drei verschiedene Theorien: 1) die Entwicklung des Mitteldarmes aus einem Theil des in- vaginirten Keimstreifens, des Entomesoderms; 2) aus dem nicht invaginirten Keimstreifentheil, also aus der äußeren Zellschicht; >) aus Dotterzellen. Die erste Theorie wurde von BürscHLı und KOowALEVSskY be- gründet. Nach KOowALEVSKY wird bei Musca durch den Vorder- und Enddarm ein Theil des unteren Blattes emporgehoben und bildet die Mitteldarmanlage. Diese Ansicht wurde, wenn auch unter Bei- behaltung der Theorie von GRABER, 1889 wesentlich modifieirt. Nach ihm wird die erste Anlage des Mitteldarmes gebildet aus der distalen Wand des unteren Blattes und wird dann noch verstärkt durch einen weiteren Theil des unteren Blattes, welcher sich dorsalwärts dem Enddarm anlegt. Diese Beschreibung passt genau auf die Stadien, welche in Figg. 43 und 44 dieser Arbeit wiedergegeben sind. Es ist aber bereits oben beschrieben worden, wie der Zusammenhang des 'Mesoderms und der hinteren Mitteldarmanlage entstanden ist und wie sich dieser mit der fortschreitenden Entwicklung wieder löst (Fig. 50). Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 43 Andererseits ist darauf hingewiesen worden, dass während einer be- stimmten Periode die Mitteldarmanlage als eine Fortsetzung der Keim- streifenrinne nach vorn und hinten betrachtet werden kann. Die Entwieklung des vorderen Mitteldarmtheiles führt GRABER ebenfalls auf das Entomesoderm zurück und führt bei seinen Untersuchungen an Lina und Stenobothrus aus, dass diese Anlage zwar aus Ektoderm gebildet erscheine, dass sie aber dennoch dem Ptychoblast zuzurechnen sei, denn am Vorderende der Gastralfurche liege eine isolirte Zell- masse, man könne sie aber nicht als Ektoderm bezeichnen, da die Gastralfurche noch offen sei und der definitive Mund noch fehle. Der von KOwWALEVSKY für die Mitteldarmbildung der Insekten vertretenen Theorie schloss sich bekanntlich auch HEIDER für Aydro- philus an. Ferner vertraten diese Anschauung GrassI für die Biene, RıTTER (1890) für Chrronomus. Im Ganzen stehen auch die neueren Arbeiten von Kxower (1899) über Termiten und CrLAyPoLE (1898) über Anurida wenigstens theoretisch auf diesem Standpunkt. Den gleichlautenden Resultaten an Dlatta von ÜHOLODKOWSKY (1888, 1591) und WHEELER (1889) stehen die Angaben von HEeymons (1895) gegenüber, welcher an denselben oder verwandten Objekten eine ektodermale Mitteldarmbildung beschreibt. Bezüglich dieser Theorie der Mitteldarmbildung aus dem Ekto- derm haben also die vorstehenden Resultate ergeben, dass der Mittel- darm bei den Musciden nicht aus einem mittleren Theil der invagi- nirten Keimstreifenrinne hervorgeht. Dieser ersten Theorie entgegengesetzt wird die Bildung des Mitteldarmes aus dem nicht invaginirten Keimstreifentheil vertreten von Wrruaczıt (1884) für die Aphiden und von VoELTZKoWw (1889) für Musca und Melolontha. Hiernach soll die Entwicklung vor sich sehen von den blinden Enden des Vorder- und Enddarmes aus. Beide bezeichnen desshalb den Mitteldarm als ektodermales Gebilde. Hierbei widerspricht sich aber VOELTZKOW selbst, indem er vorher angiebt, dass der Enddarm seinerseits aus dem hinteren Ende der Keimstreifenrinne, also aus dem invaginirten Theil des Keimstreifens entstehen soll. RITTER begründet in seiner Arbeit über C’hironomus (1890) die ektodermale Natur des am hinteren Ende des Keimstreifens gelegenen und in Dotter hineinwachsenden Rohres damit, dass das Mesoderm nicht mit in die Tiefe gezogen, sondern bei der Ein- stülpungsöffnung des hinteren Rohres enden sollte, und führt als Be- weis den ungenügend orientirten Schnitt in Fig. 15 der VOELTZKOW- schen Arbeit an. 44 | --W. Noack, Mit mehr Erfolg hat Heymoxs 1895 die Mitteldarmbildung aus dem Ektoderm begründet, indem er für die Grylliden, Blattiden, Forf- cula und andere Insekten nachzuweisen suchte, dass der Vorderdarm das bereits gebildete Mesoderm durchbricht, so dass der Mitteldarm eben so wie 'das Stomodäum und Proktodäum vom äußeren Blatt abstammen. Ihm schließt sich SchwartzE (1899) bezüglich der Lepidopteren in allen Punkten an und einen ganz ähnlichen Stand- punkt nimmt auch L£cAıLLox (1898 und 1899) in seinen ausführlichen Untersuchungen der Coleopterenentwicklung (Chrysomeliden) ein, in- dem er wie Heymoxs die Dotterzellen für das Homologon des Ento- derms erklärt und, da diese bei den höheren Insekten schwinden, den letzteren im ausgebildeten Zustand ein inneres Keimblatt über- haupt abspricht. Der Mitteldarm entsteht nach seiner Darstellung, ähnlich wie Heymons es beschrieb, durch Auswachsen von Epithel- streifen vom Stomodäum und Proktodäum aus. Auch nach CARRIERE und BÜRGER erfolgt bei Chalicodoma die Bildung des Mitteldarmes unabhängig von dem mittleren Keimstreifen- theil; und ich möchte auf die Darstellung dieser Autoren ein be- sonderes Gewicht legen, da sie mit meinen Beobachtungen an Musca zweifellos eine große Ähnlichkeit zeigt. Nach CARRIERE und BÜRGER entsteht die Mitteldarmanlage bei Chalicodoma ohne genetischen Zu- sammenhang mit dem Mesodermrohr, und zwar aus medianen Blasto- dermpartien vor und hinter der Mittelplatte, während diese selbst zur Bildung des Mesoderms eingesenkt wurde. CARRIERE und BÜRGER betrachten desshalb die Mitteldarmanlagen, da sie schon vor der Entwicklung des Vorder- und Enddarmes, dagegen ungefähr gleich- zeitig mit dem Mesoderm abgeschnürt werden, nicht als ektodermale Gebilde, sondern als aus dem Blastoderm entstandene selbständige Keime. Man sieht, dass die Übereinstimmungen der Angaben von CARRIERE und BÜRGER betreffs der Mauerbiene mit den Resultaten der vorliegenden Arbeit über die Museiden ohne Weiteres in die Augen fällt. Die dritte Theorie bezüglich der Mitteldarmbildung bezeichnet die Dotterzellen als die eigentlichen Entodermzellen. Sieht man von älteren Arbeiten sowie von der Wırr's (1888) über die Aphiden und KOROTNEFF'’s (1885) über Gryllotalpa, deren Angaben von WITLACZIL (1884), GRABER (1889) und Heymoxs (1895) bestritten werden, ab, so bleiben für diese Theorie die neueren Arbeiten von Hrymoxs (1896 und 1897) über Odonaten und Ephemeriden sowie über Zepisma von Bedeutung. HEymons will diese Bildungsweise des Mitteldarmes nur Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 45 auf die niedersten Insekten beschränkt wissen!. Thatsächlich wurde diese Theorie betreffs der Musciden niemals vertreten, doch er- scheint es für die Auffassung der Keimblätter bei den Insekten und speciell bei den Musciden nicht ganz unwichtig, nochmals auf meine oben (p. 13) näher beschriebene Beobachtung hinzuweisen, nach wel- cher die Dotterzellen von Musca an jener Stelle des Blasto- derms ihren Ursprung nehmen (Figg. 32—34), von welcher später auch die Bildung der hinteren Entodermanlage aus- seht. Es handelt sich um jene offene Stelle im Blastoderm am hinteren Pol des Eies, an der die Polzellen liegen; dieselbe bleibt auffallenderweise auch nach beendeter Einwanderung der Dotterzellen und nach Invagination der hinteren Keimstreifenanlage bis zur Bildung der Mitteldarmanlage fortbestehen. Es ist hierbei zu er- wähnen, dass WıLL am hinteren Pol des Aphideneies eine ähnliche Öffnung vorfand, die er damals mit dem Blastoporus verglich. Nun sind ja zwar die Dotterzellen bei den Musceiden am Auf- bau des Mitteldarmes nicht betheiligt, aber immerhin erscheint ihre Beziehung zu dessen Anlage, d. h. also zum Entoderm, nicht be- deutungslos. Schließich seien hier noch die Polzellen erwähnt, die bei den Museiden am hinteren Pole des Eies über der Blastodermöffnung liegen, und welche bereits von Branp 1878 mit dem Entoderm in Verbindung gebracht wurden und neuerdings von LownE 18% als das primitiv hypoblast bezeichnet werden. Ihre Beziehungen zu den Blastodermzellen des hinteren Poles und den Dotterzellen wurden bereits oben ausführlich erwähnt, im Übrigen sei hier auf das letzte Kapitel der Arbeit verwiesen. Allgemeineres über die Entwicklung des Entoderm und Mesoderms. Die in den beiden letzten Abschnitten dieser Arbeit mitgetheilten Befunde haben gezeigt, dass bei den Musciden die mittlere Partie des Keimstreifens lediglich das Mesoderm liefert, und dass der Mitteldarm aus einer vorderen und hinteren Partie des Keimstreifens hervorgeht, die zunächst in keiner Verbindung mit dem mittleren Theil stehen. Im Sinne der von KowALEVSKY, HEIDER, BÜTSCHLI u. A. für die Insekten im Allgemeinen und die Musciden im ‘Besonderen vertre- 1 Bei den Apterygoten scheinen ja freilich die Dotterzellen eine wichtige Rolle bei der Bildung des Mitteldarmes zu spielen, wie Hrymoxs für Zepisma zeigte. 46 W. Noack. tenen Auffassung würden die beiden, dem Entoderm entsprechenden Mitteldarmanlagen als mit der Mesodermplatte zusammengehörig anzu- sehen sein. Zuerst wird die letztere (als Mesodermrohr) eingesenkt, sodann folgt die vordere und hintere Entodermplatte. Wenn diese Anlagen ihrer Entstehung nach auch zeitlich geschieden sind, so hätte man trotzdem in ihnen eine gemeinsame rinnenförmige Ein- senkung, die Gastrularinne, zu erblicken. Bei einer Reihe von Insekten fand man, dass an der Gastrula- rinne nur ein vorderer und hinterer Zellenkomplex das Entoderm lieferte, während die mittlere Partie zwischen ihnen zum Mesoderm wird. Trotzdem fasste man den ganzen Vorgang als Gastrulation auf, und seitliche Partien neben jenen beiden, den Mitteldarm liefern- den, endständigen Zellenkomplexen verglich man direkt mit Cölom- säcken, die als Divertikel des Urdarmes erscheinen. So erklärt BürscHLı den über der Entodermanlage befindlichen Mesodermtheil, weil er die, beide Anlagen verbindende Rinne beobachtet hat, als Cölombildung. Thatsächlich zeigen gewisse Querschnitte die größte Ähnlichkeit mit einem Urdarm, von dem Divertikel als Cölomsäcke abgehen. Hier sei besonders auf Figg. 44 5 und 55 g verwiesen, in welchen der innere Schenkel des Mesodermrohres mit der Entoderm- höhle in Verbindung steht. Es muss aber dem gegenüber Fig. 54 f und 55 f berücksichtigt werden, welche die Umschlagstelle des Meso- dermrohres zeigen und auf Grund deren man eben so gut von vier wie von zwei Divertikeln reden kann. BürschLı hat nur die Um- biegung, nicht aber den inneren Ast des Mesodermrohres gesehen. An dem von ihm gegebenen Querschnitte wäre allerdings gerade noch die beginnende doppelte Lagerung des Mesoderms zu erkennen ge- wesen. Das Stadium ist nur wenig älter als das in der Serie Fig. 54 wiedergegebene, und dass es nicht leicht ist schon an diesem Stadium die Verhältnisse zu erkennen, muss zugegeben werden. Im Übrigen zeigen auch Querschnitte durch das Vorderende Bilder, welche zunächst eine Stütze der von BÜTSCHLI vertretenen Auffassung zu bilden scheinen, und bezüglich deren ich hier nur auf Textfig. 6 e hinweise, doch ist dabei sowohl am Vorderpol wie am Hinterende als sehr wesentlich zu berücksichtigen, dass nach den vorliegenden Untersuchungen diese Bil- dungen erst durch sekundäre Aneinander- und Überein- anderlagerung zweier ursprünglich getrennt entstandener und hinter einander gelagerten Organanlagen entstanden sind. Man kann also nicht sagen, dass das Mesoderm in Form einer Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 47 Abfaltung vom Urdarm entstanden sei, sondern es nahm seinen Ur- sprung unabhängig vom Entoderm und jene zweifelsohne sehr auffälli- gen Bilder kommen als Ergebnis späterer Entwicklungsvorgänge zu Stande. In wie weit trotzdem auf diese Bilder Gewicht zu legen ist und sie im Sinne der Keimblätterlehre und speciell der Gastrulation, d. h. der Zusammengehörigkeit von Mesoderm und Entoderm, ver- wendet werden dürfen, diese Frage wage ich auf Grund meiner Untersuchungen nicht zu entscheiden, sondern ich begnüge mich ab- sichtlich mit einer Darstellung meiner thatsächlichen Befunde und ihrer Vergleichung mit denjenigen Thatsachen aus der Insektenentwicklung, die sich in Folge gewisser Übereinstimmungen zum Vergleich von selbst darbieten. | Die Schwierigkeiten, welche die verschiedenartige Anlage des Entoderms und Mesoderms bei den einzelnen Formen, das getrennte Auftreten dieser beiden Anlagen, die Betheiligung oder Nichtbethei- ligung der Dotterzellen an der Bildung des Mitteldarmes, die Ent- wicklung des letzteren selbst und besonders seine Entstehung von zwei räumlich geschiedenen Komplexen aus verursacht haben, fanden in den höchst verdienstlichen Arbeiten von HEIDER, WHEELER, HEY- MONS und anderer (im Litteraturverzeichnis angeführten) Autoren ent- sprechende Würdigung. An Versuchen, alle die verschiedenen Er- gebnisse in Bezug der Keimblätterbildung der Insekten mit einander in Verbindung zu setzen, fehlt es in den Arbeiten der genannten Autoren ebenfalls nicht und ich darf in dieser Hinsicht auf sie ver- weisen. VIll. Schicksal der Polzellen. Über das Schicksal der Polzellen bei den Musciden war bisher nur wenig bekannt geworden. WEIsMAnN hatte 1863 am Total- präparat die Wanderung der Polzellen nach der Dorsalseite verfolgt und festgestellt, dass sie dort zwischen den Blastodermzellen ver- schwinden. VOELTZKoW fand die Polzellen 1889 in dem hintersten Ende der Keimstreifenrinne gelegen, und da sich aus dieser Ver- tiefung der Enddarm entwickeln sollte, so beschrieb er für ein folgen- des Stadium die Lagerung der Polzellen in dieser Darmanlage. Bereits in einem früheren Kapitel wurde geschildert, wie die hintere Keimstreifenanlage durch das Längenwachsthum des Meso- dermrohres nach der Dorsalseite verschoben wird, und wie sie dort rinnenförmig einsinkt. Dieser Verlagerung folgen auch die Polzellen, welche der hinteren 48 W. Noack, Keimstreifenanlage central aufgelagert sind; es handelt sich also bei diesen nicht um eine aktive Wanderung, sondern um eine passive Verschiebung. Dem entsprechend findet man die Polzellen in einem späteren Stadium (Fig. 13) in der rinnenförmigen Vertiefung der hinteren Keimstreifenanlage gelegen. Da sich aber aus dieser, wie im letzten Kapitel gezeigt wurde, nicht der Enddarm, sondern der Mitteldarm entwickelt, so kann es nicht wundern, wenn VOELTZKOW in den älteren Stadien die Polzellen vergeblich in dem wirklichen Enddarm gesucht hat. Während also bei den Museiden die Polzellen Anfangs über dem Blastoderm liegen und später von dem Entoderm völlig eingeschlossen sind, sollen nach Rırrer (1890) bei einer anderen Dipterenart, Chwro- nomus, die Polzellen schon bei der Bildung des Blastoderms von den Zellen desselben umwachsen und in das Eiinnere verlagert werden. Es kann nicht zweifelhaft erscheinen, dass zwischen diesen Ent- wicklungserscheinungen bei Chironomus und Musca gewisse Unter- schiede existiren. Einerseits aber werden Nachuntersuchungen bei Chironomus wohl zeigen, dass die Polzellen mehr innerhalb des Blasto- derms, als unter demselben gelegen sind. Hierfür spricht besonders der Umstand, dass die Polzellen später nicht frei neben dem End- darm gelegen sind, sondern in einer Zellmasse eingebettet liegen, welche nach RITTER den Mitteldarm zu liefern hat. Andererseits ist zu beachten, dass, wie bereits in dem Kapitel über die Dotterzellen erwähnt wurde, bei den Musciden das Blastoderm sich unter den Polzellen niemals völlig schließt, so dass diese also stets mit dem Dotter in Verbindung stehen, und dass ferner in einem bestimmten Stadium die Polzellen thatsächlich beginnen, das Entoderm zu durch- wandern. Während in den, den Figg. 33—35 entsprechenden Stadien es noch schwer zu entscheiden ist, ob Polzellen, welche zum Theil tief zwischen den hohen Cylinderzellen liegen, zur Einwanderung ge- langen, kann dies in den noch älteren Stadien mit Bestimmtheit nach- gewiesen werden. Fig. 37 zeigt unter den Polzellen eine enge Spalte zwischen den hohen Entodermzellen. In derselben liegen zwei kleine Zellen, die nach ihrer Pigmentirung und nach der Größe der Kerne nur Polzellen sein können. Eine dritte Zelle liegt schon am inneren Ende des Kanals, während andere Polzellen noch oberflächlich gelegen im Begriff sind, sich zwischen die Entodermzellen einzuschieben. Die schon in diesen Stadien ins Innere gelangten Polzellen gehen allem Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 49 Anschein nach zu Grunde, wenigstens zeigen sie keinerlei Erschei- nungen einer Fortentwicklung, andererseits aber findet man an gleicher Stelle in Form kleiner Protoplasmaschollen die Reste bereits zu Grunde gegangener Zellen. Dieses Verhalten wurde bereits in dem Kapitel über Dotterzellen erwähnt, und es wurde darauf hingewiesen, dass Heymons bei Forfcula die Degeneration einiger Geschlechts- zellen beobachtet hat. Möglicherweise darf das Verhalten hier und dort verglichen werden. Mit der fortschreitenden Versenkung der Entodermanlage wird die Öffnung unter den Polzellen immer breiter (Figg. 38 und 39) und man erkennt nun genau, dass es sich nicht um einen scharf be- srenzten Kanal, sondern um eine unbestimmte Lückenbildung im Entoderm handelt, die um so stärker wird, je mehr die Entoderm- anlage nach vorn verschoben und in die Länge gezogen wird (Figg. 40 und 41). Mit diesem Auseinanderrücken der Entodermanlage be- sinnen auch die Polzellen ihren Zusammenhang mehr und mehr zu verlieren. Von der Anfangs kompakten Polzellenmasse lösen sich zunächst immer mehr Zellen los, um in die unter ihnen befindlichen Lücken zwischen den Entodermzellen einzuwandern (Figg. 40 und 41). Dann beginnt auch der zurückgebliebene Rest der Polzellen sich in seinem Zusammenhang zu lockern. Die einzelnen Zellen rücken aus einander und schließlich liegen alle Polzellen isolirt (Figg. 42 und 45). Sie befinden sich zum Theil noch in ihrer ursprünglichen Lage, d.h. in der durch die einsinkende Entodermanlage entstandenen Höhle, andere liegen mitten zwischen den Entodermzellen und ein dritter Theil ist nach dem Dotter hin ausgetreten. Figg. 44a und 5 lassen erkennen, dass die Polzellen nicht nur in der Längsrichtung, sondern auch nach beiden Seiten aus einander gerückt sind, allerwärts vertheilt zwischen den Entodermzellen gele- sen sind. Besonders bemerkenswerth aber ist hierbei, dass die Ver- breitung der Polzellen nur auf die Erstreckung der Entodermanlage beschränkt ist und dass eine Einwanderung in das diesem dicht an- gelagerte hintere Ende des Mesoderms nicht stattfindet. Das äußerst charakteristische Aussehen der Polzellen und deren leichtes Erkennen neben den übrigen Zellen lässt hierüber keine Zweifel aufkommen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, in welchen Polzellen zwischen dicht gedrängten Entodermzellen eingezwängt liegen, haben sie stets ein kugelig rundes Aussehen. Ihr Protoplasma erscheint in Folge der von der Dotterplatte am hinteren Pole des ungefurchten Eies Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 4 50 W. Noack, herstammenden Pigmentirung dunkler grau melirt, als das der übrigen Zellen. Ferner unterscheiden sie sich von den Entodermzellen da- durch, dass sie keinen Dotter aufnehmen, während sich bei jenen stets größere Mengen noch unveränderten Dotters als Nahrung im Zellprotoplasma eingelagert findet. Schließlich wird die Unterscheidung von Polzellen und Entoderm- zellen noch ganz besonders durch den Größenunterschied erleichtert. Während die Polzellen betreffs ihrer Größe durch alle Stadien hin- durch ein unverändertes Aussehen behalten, lassen die Entoderm- zellen eine fortwährende Änderung in Bezug auf Form und Größe erkennen. In Folge der andauernden Dotteraufnahme werden die Entodermzellen auffallend groß, so dass die um ein Vielfaches kleineren Polzellen zwischen ihnen besonders leicht erkennbar sind. Dieser Größenunterschied beginnt nun aber mit der Verkürzung der En- todermanlage, d. h. mit dem Beginn des Umwallungsprocesses all- mählich zu verschwinden. In Folge einer starken Vermehrung nehmen die Entodermzellen schnell an Größe ab. In Fig. 50 lassen sich noch beide Zellarten leicht von einander unterscheiden, eben so lassen sich auch in Fig. 51, dem der Textfig. 5 entsprechenden Stadium, die Polzellen erkennen; sie liegen als kugelige dunklere Gebilde zwischen den nur noch wenig größeren, durch gegen- seitige Abplattung polygonal geformten Entodermzellen. Im nächsten Stadium (Textfig. 6) sind alle hier in Betracht kommen- den Zellen von gleicher Größe und Gestalt, und nur das dunklere Aussehen einzelner Zellen lässt in ihnen die Polzellen vermuthen. In den noch älteren Stadien ist die, Anfangs einen Hohlraum bildende sroßzellige und einschichtige Entodermanlage zu einem dichten Zell- klumpen zusammengeschmolzen; die Entodermhöhle, in welche die Polzellen eingelagert waren, ist verschwunden und eine Unterscheidung von Polzellen und Entodermzellen ist nicht mehr möglich. Die Absicht, die Polzellen noch weiter zu verfolgen, musste also hiermit aufgegeben werden. Eines aber kann mit Bestimmtheit be- hauptet werden: die Polzellen oder wenigstens deren Derivate liegen auch jetzt noch in der Entodermanlage eingebettet. Eine Auswanderung der Polzellen in dem Sinne wie HEYMox’s 1891 für die Genitalzellen bei PAyllodromia und 1893 und 1895 bei Forficula beschrieb, hat, wenigstens so lange die Polzellen verfolgt werden konnten, nicht stattgefunden. Nach Heyumons sollen sich die Genitalzellen an der inneren Seite des Keimstreifens amöboid nach vorn bewegen, um besonders in die Ursegmenthöhlen des sechsten und sieben- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 51 ten Körpersegments einzuwandern. Man könnte vielleicht in dem oben geschilderten Durchtritt eines Theiles der Polzellen durch die Ento- dermanlage nach dem Dotter hin den Beginn einer ähnlichen Wande- rung erblicken. Einen derartigen Vorgang vermuthend, wurde be- sondere Aufmerksamkeit denjenigen Zellen zugewandt, welche sich nieht selten zwischen Dotter und Mesodermstreifen, dem letzteren dicht angelagert, vorfinden und welche man für solche auf der Wanderung ins Mesoderm begriffene Polzellen ansehen könnte. Es kann jedoch nach den Befunden nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass es sich bei diesen Zellen des Fliegenembryos um nichts Anderes als Dotterzellen handelt. Eine Einwanderung der Polzellen in das Meso- derm findet also nach dem, was man verfolgen kann, bei Musca nicht statt, sondern die betreffenden Polzellen lagern sich dem Entoderm von außen dicht an und verschmelzen mit diesem eben so wie die im Inneren zurückgebliebenen. Andere Arbeiten über die Entwicklung der Genitalorgane bei Insekten, wie die von METSCHNIKOW 1866, von GRIMM 1870, WITLA- czıL 1884, BAaLBIanI 1885 und Andere geben eine völlig andere Dar- stellung. Man kann die Resultate dieser Arbeiten dahin zusammen- fassen, dass sich die ursprüngliche unpaare Genitalanlage am hinteren Ende des Keimstreifens in zwei symmetrisch gelagerte Hälften theilt, welche von Embryonalzellen umwachsen werden und die sich dann direkt in die Geschlechtsorgane umwandeln sollen. Von einer amöboi- den Wanderung der Urgenitalzellen aber ist in keinem Falle die Rede. Ähnlich lauten auch die Angaben von GROBBEN (1879) bei Moina, Fausser (1892) bei den Phalangiden und von BRAUER (1894 und 1895) beim Skorpion. Nach Letzterem findet in einem bestimmten Stadium ein Auseinanderrücken der einzelnen Zellelemente der Genitalanlage und deren Umwachsung durch Mesodermzellen statt. Die Verlagerung der gesammten Anlage aber ist uur eine scheinbare und wird dadurch bedingt, dass der ursprüngliche Keimstreifen sich über die Genital- anlage hinaus nach hinten verlängert, so dass die Anfangs am hinteren Ende des Keimstreifens gelegene Genitalanlage mehr nach vorn ge- rückt erscheint. Hiernach kommen also bei den Arthropoden zwei verschiedene Bildungsweisen der Genitalorgane aus Urgenitalzellen in Betracht: 1) durch Wanderung der einzelnen Urgenitalzellen nach den be- treffenden Segmenten; 2) durch direkte Entwicklung aus einer kompakten Genitalanlage nach vorheriger Umwachsung durch Mesodermzellen. 4* 52 W. Noack, Als dritte Bildungsweise käme für den Fall, dass thatsächlich die Polzellen der Museiden die Keimzellen liefern sollten, nun eventuell noch hinzu, die Entwicklung der Geschlechtsorgane aus zerstreut in der Mitteldarmanlage eingelagerten Polzellen. Wenn man nun auch zugeben muss, dass die so frühzeitige, scharfe Abgrenzung eines bestimmten Zellenkomplexes und zwar stets am hinteren Ende des Keimstreifens bei den zahlreichen, daraufhin unter- suchten Arthropoden zur Annahme einer Homologie dieser Zellen ver- führen könnte, so muss doch andererseits betont werden, dass eine solche Homologisirung bei der Unsicherheit der meisten bisherigen Angaben noch recht erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Thatsächlich hat es auch nicht an Gegnern dieser Theorie gefehlt. WEISMANN, welcher zuerst die Polzellen bei den Musciden genau be- obachtet hat, hat sich lange gegen diese Theorie gewehrt. — Eben so hat Branpr (1878) aufs entschiedenste den Ursprung der Genital- organe aus den Polzellen bestritten. Hier soll eingehend nur die in neuerer Zeit erschienene umfang- reiche Monographie von THOMPSON LowNE »The anatomy, physiology, morphology and development of the flow fly« (1890 —1895) berück- sichtigt werden. Er hält die Polzellen für das »primitiv hypoblast« und die unter ihnen befindliche Öffnung im Blastoderm für den Blasto- porus. Er glaubt und er führt weiter aus: »I think that the obser- vations of BALBIANI undoubtly show, that the gonads are developed from the tissue which originates from the polar cells; but I do not regard them as he apparently does as the polar cells. I think however, they as well as all the hypoblastie tissues, originate from the polar cells« (p. 691). Wenn es nun leider in dieser Arbeit nicht gelungen ist, das Schicksal der Polzellen bis zur Bildung der Geschlechtsorgane zu verfolgen, so wäre zu versuchen, die Frage, ob überhaupt und in welcher Beziehung die Polzellen zu den Geschlechtsorganen stehen, dadurch zu entscheiden, dass man von der Geschlechtsanlage älterer Embryonen rückwärts gehend den Ursprung derselben auf die Entoderm- anlage, welche die Polzellen enthält, zurück verfolgte. Marburg, im Februar 1900. 1866. 1882. 1885. 1887. 1887. 1892. 1878. 1894. 1895. 1873. 1888. 1888. 185%. 1891. 18. 1897. 1898. 1892. 1888. 1889. 18. 1891. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 53 Litteraturverzeichnis, BALBIANT, Note sur la reproduction des Pucerons. Compt. rend. T. LXL. BALBIANI, Sur la signification des cellules polaires des Insectes. Comptes rendus de l’Acad. des sc. Paris. BALBIANI, Contribution & l’e&tude de la formation des organes sexuels chez les Inseetes. Recueil zoologique suisse. II. BLOCHMANN, a) Über die Richtungskörper bei Insekteneiern. Morphol. Jahrbuch. XI. BLOCHMANN, b) Über das regelmäßige Vorkommen von bakterienähnlichen Gebilden in den Geweben und den Eiern verschiedener Insekten. Zeit- schrift für Biologie. Bd. XXIV. BovERI, Entstehung des Gegensatzes zwischen Geschlechtszellen und somatischen Zellen bei Ascaris megalocephala. Sitzungsbericht der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie. München. Bd. VII. ALEx. BRANDT, Das Ei und seine Bildungsstätte. Leipzig. BRAUER, Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte des Skor- pions. Diese Zeitschr. Bd. LVI1l. BRAUER, Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte des Skor- pions. II. Diese Zeitschr. Bd. LIX. BÜTscHLı, Entwicklung der Geschlechtsorgane bei Sagitta. Ibid. Bd. XXIIL. BürscHLı, Bemerkungen zur Entwicklung von Musca. Morphol. Jahrb. Bd. XIV. N. CHOLODKOWSKI, Über die Bildung des Entoderms bei Blatta germanica. Zool. Anz. 11. Jahrg. CHOLODKOWSKY, Zur Embryologie der Hausschabe. Biolog. Centralblatt. Bd. XI. CHOLODKOWSKY, Die Embryonalentwicklung von Blatta germanica. Mem. Acad. d. St. Petersbourg. Bd. XXXVII. CARRIERE, Die Entwicklung der Mauerbiene. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXV. CARRIERE u. BÜRGER, Entwicklungsgeschichte der Mauerbiene.. Nova Acta. Abhandl. der Kaiserl. Leop. Carol. Deutschen Akad. der Natur- forscher. | | CLAYPOLE, The embryology and oogenesis of Anurida maritima. Journal of Morphology. FAusseX, Zur Anatomie und Embryologie der Phalangiden. Biol. Cen- tralblatt. Bd. X. GRABER, Vergleichende Studien über die Keimhüllen und die Rücken- bildung der Insekten. Denkschrift der mathemat.-naturwiss. Klasse der kaiserl. Akad. der Wissensch. in Wien. Bd. LV. GRABER, Vergleichende Studien über die Embryologie der Insekten und insbesondere der Musciden. Ibid. Bd. LVI. GRABER, Vergleichende Studien am Keimstreifen der Insekten. Ibid. Bd. LVI. ‚GRABER, Zur Embryologie der Insekten. Zool. Anzeiger. 14, Jahrg. 54 1870. 1879. 1885. 1889. 1891. 189. 1896. 1897. 1897. 1899. 1885. 1894. 1892. 1886. 1898. 1898 u. 1865. 1893. 1876. 1866. 1898. 18. 1862. 1899. 1892. 1889. 1863. W. Noack, OÖ. v. GRIMM, Ungeschlechtliche Fortpflanzung einer Chironomus-Art und deren Entwicklung aus dem unbefruchteten Eie. M&m. Acad. St. P£ters- bourg. Ü©. GROBBEN, Die Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris ete. Arb. Zool. Institut Wien. IH. Bd. HEIDER, Über die Anlage der Keimblätter von Hydrophilus. Abhandl. der k. preuß. Akad. der Wissensch. Berlin. HEIDER, Die Embryonalentwicklung von Hydrophilus piceus. Jena. Hrymons, Die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsorgane von Phyllo- dromia germanica. Diese Zeitschr. Bd. LIT. Heymons, Die Embryonalentwicklung von Dermapteren und Orthopteren. Jena. Hevymons, Grundzüge der Entwicklung und des Körperbaues von Odona- ten und Ephemeriden. Abh. d. k. Akad. d. Wissensch. Berlin. HEymons, a) Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Lepisma sac- charina. Diese Zeitschr. Bd. LXI. Heymons, b) Über die Bildung und den Bau des Darmkanals bei niederen Insekten. Sitzungsber. Ges. Naturforsch. Freunde Berlin. Kxower, The embryology of a Termite. Journal of Morphology. KOROTNEFF, Embryologie von Gryllotalpa. Diese Zeitschr. Bd. XLI. KOoROTNEFF, Zur Entwicklung des Mitteldarmes bei den Arthropoden. Biol. Centralblatt. Bd. XIV. KORSCHELT u. HEIDER, Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgesch. Jena. KOWALEVSKY, Zur embryonalen Entwicklung der Musciden. Biol. Cen- tralblatt. Bd. VI. LECAILLON, Recherches sur l’oeuf et sur le d@veloppement embryonnaire des Insectes. Paris. 1899. LECAILLON, Developpement embryonnaire de quelques Chrysomelides. Arch. d’Anatomie microscopique. T. I et II. LEUCKART, Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Cecidomyenlarve. Archiv für Naturgesch. 1. LOWNE, The blow fly. London. MAYER, ÖOntogenie und Phylogenie der Insekten. Zeitschr. f. Naturwiss. Jena. METSCHNIKOFF, Embryologische Studien an Insekten. Diese Zeitschr. Bd. XVI. NoAck, Eine Methode zur Orientirung kleiner Objekte beim Zerlegen in Schnitte. Zeitschr. für wissensch. Mikroskopie. Bd. XV. RiTTER, Die Entwicklung der Geschlechtsorgane und des Darmes bei Chironomus. Diese Zeitschr. Bd. L. RoBın, Memoire sur la production des cellules du Blastoderme chez quelques articules. Comptes rendus de l’Acad. des sc. Paris. Tome LVI. SCHWARTZE, Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. Diese Zeitschr. Bd. LXVII. TICHOMIROFF, Aus der Entwicklungsgeschichte der Insekten. Festschrift zum 70. Geburtstage LEUCKART'S. VOELTZKOW, Entwicklung im Ei von Musca vomitoria und Melolontha vulgaris. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg. WEISMANN, Entwicklung der Dipteren im Ei. Diese Zeitschr. Bd. XII. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Museiden. 55 1882. WeEısmann, Beiträge zur Kenntnis der ersten Entwicklungsvorgänge im Insektenei. Beitr. zur Anat. u. Physiol. Festschr. für HexLe. Bonn. 1885. WEISMAnn, Die Kontinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung. Jena. 1889. W. M. WHEELER, The embryology of Blatta germanica and Doryphora decemlineata. Journ. Morphol. Boston. Vol. II. 1893. WHEELER, A Contribution to Insect Embryology. Journ. of Morphol. Vol. VI. ; 1888. Wir, Zur Entwieklungsgeschichte der viviparen Aphiden. Zool. Jahrb. Abth. für Anat. und Ontog. UI. 1884. WıtLaczır, Entwicklungsgesch. der Aphiden. Diese Zeitschr. Bd. XL. Erklärung der Abbildungen, Zeichenerklärung: af, Amnionfalte; khbl, Keimhautblastem; ah, Amnionhöhle; kl, Kopflappen; a.kstr, vorderes Keimstreifenende; kpr, durch Kerntheilung hervorgegan- bl, Blastoderm; gene Körperchen; blk, Blastodermkern; kstr, Keimstreifen; cv.f, konvergirende Falte (WEISMANN); mes, Mesoderm; do. Dotter; mg, MALPpıGHT’sche Gefäße; do.pl, Dotterplatte; m.kstr, mittlere Keimstreifenanlage; dz, Dotterzellen; par, Paracyten; ect, Ektoderm; pz, Polzellen; ent, Entoderm; pzk, Polzellenkern; ent.h, Entodermhöhle; ‘pr.do, primärer Dotter; fı—5, Furchen; proct, Proktodäum; Fk, Furchungskern; sec.do, sekundärer Dotter; gr, Grenze zwischen Mesoderm und stom, Stomodäum; Entoderm; v.ent, vordere Entodermanlage; h.ent, hintere Entodermanlage; vk u. v.kstr, vordere Keimstreifenanlage; h.kstr, hintere Keimstreifenanlage; vgf, vordere Querfalte; hgf, hintere Querfalte (WEISMANN); z.kstr, hinteres Keimstreifenende; i.khbl, inneres Keimhautblastem; zwd, Zwischendotterschicht. Tafel 1. Figg. 1—8 sind Durchsichtsbilder der Embryonen von Calliphora erythro- cephala; sie sind nach lebenden Objekten gezeichnet und sind so orientirt, dass das vordere spitze Ende nach oben gerichtet ist und die ventrale, d. h. die Keimstreifenseite in der Figur nach rechts gelegen ist. Fig. 1. Blastoderm und inneres Keimhautblastem fertig entwickelt. Fig. 2. Erste Differenzirung der Blastodermzellen. Fig. 3. Keimstreifen scharf begrenzt, Differenzirung in drei Theile. Fig. 4 Rinnenbildung des Mesoderms, Entwicklung der hinteren Keim- streifenanlage des Entoderms. Fig. 5. Bildung des Mesodermrohres von vorn und hinten beginnend. Ver- 56 W. Noack, längerung des Mesoderms nach hinten und Verschiebung des Entoderms und der Polzellen nach der Dorsalseite. Fig. 6. Rinnenbildung der hinteren Entodermanlage. Fig. 7. Mesodermrohr geschlossen. Fig. 8. Entwicklung der vorderen und Versenkung der hinteren Ento- dermanlage. Figg. 9—16. Oberflächenbilder nach Chromsäurepräparaten gezeichnet; in verschiedener Lagerung orientirt. Fig. 9. Entwicklung des Keimstreifens. Fig. 10. Bildung der Mesodermrinne. Fig. 11. Verschluss der Mesodermrinne von vorn nach hinten beginnend. Entwicklung der konvergirenden Falte. Fig. 12. Verlängerung des Mesoderms nach hinten und Verschiebung der hinteren Keimstreifenanlage nach der Dorsalseite. Figg. 13—14. Mesodermrohr bis auf einen kleinen Spalt geschlossen; Ent- wicklung der vorderen Entodermanlage und Rinnenbildung der hinteren. Figg. 15 u. 16. Hintere Entodermanlage in das Eiinnere versenkt. Tafel II—IV. Längsschnitte durch Embryonen von Calliphora erythrocephala. Abgesehen von den jüngsten Stadien, in welchen eine genaue ÖOrientirung nicht möglich ist, entsprechen die Schnitte der Dorsoventralebene. Ausgenommen ist nur Fig. 44a; der dieser Figur entsprechende Schnitt liegt etwas seitlich von jener Ebene, und zwar entspricht er genau dem abgeschnittenen Rande des in Fig. 445 wiedergegebenen Schnittes. Tafel II. Fig. 17. Längsschnitt durch das hintere Ende eines Eies, unmittelbar nach der Eiablage. Am hinteren Pol die Dotterplatte. Figg. 18—21. Furchungsstadien. Schrumpfung (Fig. 18), Knäuelung (Fig. 19), Auflösung (Fig. 20) und Wolkenbildung der Dotterplatte (Fig. 21). Fig. 22. Kerne nahe der Peripherie. Dotterplatte verursacht eine gleich- mäßige Granulation des am hinteren Pol gelegenen Keimhautblastems. Figg. 23—26. Die Dotterplatte zieht sich um die in ihren Bereich einge- tretenen Kerne zusammen. Bildung der Polzellen. Figg. 27 u. 28. Vermehrung der Polzellen. Figg. 29—31. Kerneinwanderung vom hinteren Eipole aus. Bildung der Dotterzellen. Tafel III. Figg. 32 u. 33. Entwicklung des inneren Keimhautblastems; in Fig. 33 von den Zellen des Keimstreifens absorbirt. Figg. 34 u. 35. Entwicklung der Mesodermrinne. Figg. 36 u. 37. Entwicklung der hinteren Entodermanlage und Verschie- bung derselben nach der Dorsalseite. Figg. 38 u. 39. Rinnenbildung der hinteren Entodermanlage. Figg. 40 u. 41. Durchtritt der Polzellen durch das Entoderm. Versenkung der Entodermanlage in das Dotterinnere. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. 57 Tafel IV. Figg. 42 u. 43. Verschiebung der Entodermanlage nach vorn, Verlängerung der ganzen Anlage und Auseinanderrücken der Polzellen. Das hintere Ende des stark verlängerten Mesoderms biegt sich nach innen und hinten um. Das Ekto- derm wuchert unter der Amnionfalte nach vorn. Fig. 4. Nach Anfertigung der Längsschnitte bis zu dem in Fig. 44a gegebenen Schnitte wurde der Rest des Objekts quergeschnitten; der Längs- schnitt in Fig. 44a entspricht also nicht genau der Dorsoventralebene, sondern der Richtung des abgeschnittenen Randes in Fig. 445. Der in letztgenannter Figur wiedergegebene Schnitt entspricht der Richtung der Linien ©— in Fig. 44a. Die hintere Entodermanlage ist stark in die Länge gezogen, in ihr liegen die Polzellen allerwärts vertheilt. Fig. 45. Längsschnitt durch das vordere Ende; Bildung der Mesodermrinne. Fig. 46. Mesodermrinne tief, im Begriff sich von vorn beginnend zu schließen. Figg. 47 u. 48. Versenkung des vorderen Mesodermendes in die Tiefe; Entwicklung der vorderen Entodermanlage. Fig. 49. Vordere Querfalte und konvergirende Falte zu einer breiten Rinne vereinigt. Fig. 50. Erste Anlage des Stomodäums. Proktodäum verbindet Amnion- höhle mit Entodermhöhle. Hintere Entodermanlage stark verkürzt und mehr- schichtig. Fig. 51. Hintere Entodermanlage eine kleinzellige, kompakte Zellmasse, zwischen der die gleich großen Polzellen nur noch schwer zu erkennen sind (entsprechend Textfig. 7). Tafel V. Querschnitte durch die hintere Mitteldarm- und Enddarmanlage. Die erstere ist dunkler gefärbt. In ihr befindet sich stets eine Lücke, durch welche die Polzellen mit dem Dotter in Verbindung stehen (2). Fig. 52. Entwicklung der hinteren Keimstreifenanlage. Fig. 55. Dieselbe ist vollständig unter die Oberfläche versenkt. Fig. 54. Durch weitere Versenkung dieser Anlage mit nachfolgender ekto- dermalen Einstülpung Bildung der Amnionhöhle (ce und d) und Versenkung des hinteren Endes des Mesodermrohres (e und f). Mesodermdivertikel (?) in Schnitt f. Fig. 55. Durch Verschiebung des Mesoderms über die hintere Keimstreifen- anlage Bildung eines oberflächlich und eines tiefer gelegenen Mesodermschenkels (g und A). Mesodermdivertikel (?) in Schnitt f und g). Fig. 56. Durch fortdauernde Invagination und Verschiebung Entwicklung des Enddarmes (Schnitt 5). Fig. 57. Längenwachsthum des Proktodäums. Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. Nebst Bemerkungen über Leptus autumnalis Shaw. Von Dr. Reinold v. Hanstein, Gr. Lichterfelde bei Berlin. Mit Tafel VL Seit längerer Zeit mit Studien über die Spinnmilben und mit Vorarbeiten für eine umfassendere Bearbeitung derselben beschäftigt, übergebe ich im Nachfolgenden einige meiner bisherigen Ergebnisse der Öffentlichkeit. Wenn ich die Publikation derselben — unvoll- ständig, wie sie einstweilen sind — nicht noch länger hinausschiebe, so bestimmt mich dazu wesentlich der Umstand, dass ich, durch amt- liche Thätigkeit vielfach in Anspruch genommen und häufig in der regelmäßigen Fortsetzung meiner Beobachtungen behindert, zur Zeit nicht zu übersehen vermag, wann es mir möglich sein wird, meine Untersuchungen zum Abschluss zu bringen. Eine vollständige Darstellung des Entwicklungsganges der Tetranychiden liegt bisher noch nicht vor. Ich schildere daher im Folgenden den Entwicklungseyklus zweier Arten der Gattung Tetra- nychus in seinem äußeren Verlauf vom Ei bis zum Eintritt der Ge- schlechtsreife. Die Anzahl der Milben, deren vollständige Entwick- lung wir durch direkte Beobachtung kennen, ist noch immer nicht allzu groß. Trotzdem haben sich bereits eine Anzahl recht ver- schiedener Entwicklungstypen beobachten lassen. Die Mittheilungen ULAPAREDE’S über Atax Bonzi und Myobia musculi, HENKING’s über Trombidium fuliginosum, sowie KRAMER’s über Diplodontus filipes und Nesaea fuscata haben zu Erörterungen über die Frage geführt, welche Bedeutung dem Apoderma in der Milben-Entwicklung zu- komme und welches die normale Zahl der in der Ontogenie dieser Thiere auf einander folgenden Entwicklungsstadien sei. Der Nach- Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 59 weis zweier beweglicher, achtfüßiger Nymphenstadien bei Teira- nychus, bei völligem Fehlen jeder Spur einer Apoderma-Bildung und damit auch der von HexkınG als Schadonophan-, Nymphophan- und Teleiophan-Stadium bezeichneten Typen dürfte um so bemerkens- werther sein, als die Tetranychen in diesen beiden Punkten von den ihnen sonst vielfach so ähnlichen Trombidien und Hydrachniden ab- weichen. Die Art, wie die Tetranychen sich zum Beziehen ihrer Winter- quartiere vorbereiten, hat durch die damit verbundene auffällige Spinnthätigkeit schon vor langer Zeit die Aufmerksamkeit der Natur- forscher auf sich gezogen. Einige genauere Beobachtungen über die Lebensweise der Thiere während der letzten Herbstwochen und ihr Verhalten in den Winterquartieren dürften auch heute des biologischen Interesses nicht entbehren. Der Körperbau der Tetranychiden wurde zuletzt vor 24 Jahren durch DoNnnADIEU zum Gegenstande einer umfangreichen, mono- graphischen Darstellung gemacht. Leider erweist sich dieselbe bei gsenauerem Studium als wenig verlässlich und enthält eine Reihe durchaus unrichtiger Angaben. Zu einer genaueren Erkenntnis des Baues der sich zum Theil verdeckenden Organe bedarf es der An- fertigung von Schnitten, zu welcher mir zu meinem Bedauern bisher die Zeit gefehlt hat. Die weitere Vervollständigung späterer Publi- kation vorbehaltend, beschränke ich mich hier auf einige Angaben über den Bau der Mundtheile, des Athmungsapparates und der Mus- kulatur, durch welche das bisher Bekannte in einigen Punkten er- sänzt und vervollständigt wird. Die bis in die neueste Zeit in einigen zoologischen Hand- und Lehrbüchern anzutreffende Angabe, dass die unter dem Namen Zeptus autumnalis beschriebene kleine rothe, gelegentlich auch beim Men- schen als Ektoparasit auftretende Milbenlarve in den Entwicklungs- kreis von Tetranychus telarius gehöre, veranlasste mich, auf den Ur- sprung dieser Annahme etwas ausführlicher einzugehen, um dadurch zum Verschwinden derselben aus der Litteratur so weit möglich bei- zutragen. | Im einleitenden Abschnitt gebe ich eine möglichst vollständige Übersicht der bisher über die Tetranychiden veröffentlichten Arbeiten. Leider war es mir nicht möglich, in alle einschlägigen Schriften selbst Einsicht zu nehmen. Namentlich bedauere ich, dass mir die größere Arbeit NÖRDLINGER’S über die Pflanzenspinne bisher nicht zugänglich geworden ist. Dieselbe scheint wegen ihres Abdruckes 60 Reinold v. Hanstein, in einer wenig verbreiteten Zeitschrift überhaupt nicht sehr bekannt geworden zu sein. Ich habe sie in keiner der späteren Arbeiten eitirt- gefunden, auch in den Jahresberichten des »Archivs für Natur- seschichte« vergebens nach einem Bericht über dieselbe gesucht. Das Manuskript vorliegender Arbeit wurde Anfang Januar 1901 abgeschlossen. ze 14. -15, Litteratur. Die mit * bezeichneten Arbeiten waren mir nicht zugänglich. AMERLING, Über die ersten Stände und die Parthenogenese von Tetranychus telarius. Sitzungsber. der Böhm. Gesellsch. der Wissensch. Prag 1862. Bd. I. p. 11—2. N. Banks, The red spiders of the United States (Tetranychus and Sigmaeus). U. St. Dep. Agr. Div. Entom. Techn. Ser. No.8. p. 65, 79. — Referat in: Revue scientifique (4). XIV. p. 249. Paris 1900. F. BrAnDıs, Über Leptus autumnalis. Festschrift anlässlich des 50jähr. Be- stehens der Prov.-Irrenanstalt zu Nietleben bei Halle a. S. Leipzig 1897. p. 417—430. Brenm’s Thierleben. IX. Die Insekten, Tausendfüßer und Spinnen, bearb. von E. L. TASCHENBERG. 3. Aufl. Leipzig und Wien 1892. G. CANESTRINI, Prospetto dell acarofauna italiana. Fam. dei Tetranychini, mem. d. R. CAnESTRINI. Atti del R. Instituto Veneto di scienze, lettere ed arti. Serie 6. Tome VII. p. 491—537. E. CLAPAREDE, Studien an Acariden. Diese Zeitschr. Bd. XVII. 1868. p. 445—538. G. CuUVIER, Le regne animal distribue d’apres son organisation. Les Arach- nides, par A. DugEs et MILnNE EDWARDS. Paris. A. L. DoxnADIEU, Recherches pour seryir & l’histoire des Tötranyques. Ann. de la soc. Linneenne de Lyon. N. S. XXI. 1876. p. 29—164. L. DuUFouR, Description et figures du Tetranychus lintearius, arachnide nouvelle de la tribu des Acariens. Ann. d. sciences nat. Zool. XXV. 1832. p. 276—283. A. Duszs, Recherches sur l’ordre des Acariens en general et la famille des Trombidiens en partieulier. I—-IlI. Ann. d. seiene.nat. Zool. 2me serie. I. p. 5—46, 144—174; II. p. 18—63. Paris 1834. . Fuacn, Über Pflanzenmilben und die Mundtheile der Milben. Sitzungsber. der niederrhein. Ges. für Natur- und Heilkunde. XXI. 1864. p. 11—18. . H. GACHET, Observ. pour servir a l’histoire de quelques especes du genre Acarus de Linn&. Actes de la soc. Linndenne de Bordeaux. Tome V. 1832. P- 306—309. - .. —— Extr. d’une lettre relative au Tony lintearius et ä& une Mygale des environs de Bordeaux. Ann. soc. entom. de France. III. 1834. ....P-. 339. Grugy, Herbst-Erytheme. Allgem. Wiener Medie. Zeitung. VI. 1861. p. 19. GUDDEN, Über eine Invasion von Leptus autumnalis. Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. LU. (5. Folge, I.) Bd. 1871. .p. 255—259. 2.19: 20. 34. — 35. *36. 37. 38. 39. Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 61 W. HAAcKE u. W. KUHNERT, Das Thierleben der Erde. 6. Lief. 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Klasse. 1. Abth. Bd. XC u. XCI. (1884—1885.) —— Die Anatomie der Phytopten. Ibid. 1. Abth. Bd. XCVI. (1887.) H. NÖRDLINGER, Die kleinen Feinde der Landwirthschaft. Stuttgart und Augsburg 1855. (Die 2. Aufl. von 1869 war mir nicht zugänglich.) —— Die Pflanzenspinne (Acarus telarius) auf der Linde. Böhm. Forstvereins- schrift. 53. Heft. (1866.) p. 5—58. V. PeEsLion, Il Tetranychus telarius nelle melonoie di Palma Campania. Riv. di patol. vegetale. II. Firenze 1892—--1893. ROWLEY, On a mite of the genus Tetranychus, found infesting lime-trees in the Leicester Museum Grounds. Nature. Tome XLI p. 41. London 1890. SCHEUTEN, Einiges über Milben. Archiv für Naturgesch. XXIIL (1857.) p. 104—112. 62 Reinold v. Hanstein, 40. A. TArRGIONI-TOZZETTI, La bocca e i piedi dei Tetranychus. Bull. soc. entom. ital. IX. (1877.) p. 333 ff. | 41. Fr. TmomaAs, Die rothe Stachelbeermilbe, Bryobia nobilis C. L. Koch (?,,. ein in Deutschland bisher nicht beachteter Schädiger des Stachelbeer- strauches. Gartenflora, herausgeg. von WITTMACK. Bd. XLIH. (1894. p. 488—4%. 42. —— Über die Lebensweise der Stachelbeermilbe und deren Verbreitung in Deutschland. Zeitschr. f. Pflanzenkrankheiten. VI. (1896.) p. 80—84. 43. V. Trevisan, Sul Tetranychus Passerinii, nuova specie di Araneide della tribü degli Acarei. Riv. period. dei lavori della R. Accad. di scienze, lettere ed arti di Padova. 1851—1852. p. 10. 44. W. Voss, Beiträge zur Kenntnis des Kupferbrandes und des Schimmelns beim Hopfen. Verhandl. der zool.-bot. Gesellschaft zu Wien. XXV. 1876.) p. 613 ff. 45. E. WEBER, Über die Spinnmilbe, Tetranychus telarius Duges, nebst Be- merkungen über die Milben überhaupt. 22. Jahresbericht des Mann- heimer Vereins für Naturkunde. (1856.) p. 20—37. 46. W. WINKLER, Anatomie der Gamasiden. Arbeiten aus dem zool. Inst. zu Wien. VI. 1888. Il. Historisch-Kritisches. Schon Linx& (27, I. p. 10—23) kennt eine spinnende, auf Treib- hauspflanzen sowie im Herbst auf der Unterseite von Lindenblättern vorkommende Milbe, die er Acarus telarıus nennt und folgender- maßen charakterisirt: »Acarus rabieundo-hyalinus, abdomine utrinque macula fusca«. HERMANN beschreibt 1804 (18, p. 49—43) drei durch Färbung, Größe und geringfügige Formunterschiede gekennzeichnete spinnende Milben, die er auf Linden, zum Theil auch auf Althaea rosea fand. Er weist sie der inzwischen durch FABrıcıus begründeten Gattung Trombidium zu und nennt sie Trombidium telarium, tiliarum und socium. Alle drei sind, wie bereits Duszs erkannte, zweifellos nur verschiedene Entwicklungsstadien einer und derselben Art. Die braunen Seitenflecken, welche LE in seiner Diagnose erwähnt, und deren Fehlen HERMANN mit zur Trennung seiner Arten bewog, sind durch die Körperwand hindurchschimmernde Nährsubstanzen und wechseln demgemäß in Größe und Form. Die von HERMANN in Text und Zeichnung hervorgehobenen Formunterschiede geben zur Unter- scheidung besonderer Arten keinen Anlass. LATREILLE stellt in seiner Eneyclopedie systematique die Spinn- milbe zur Gattung Gamasus. Durour (9) beschrieb 1832 eine rothe, auf Ulex europaeus in der Umgegend von St. Sever in Menge vorkommende spinnende Milbe Da ihm die Lixxe’sche Art aus eigener Anschauung nicht Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 63 bekannt war, er aber die von ihm beobachteten Thiere — von denen er irriger Weise annahm, dass sie keine Taster besäßen — nicht zu den Gamasiden zählen konnte, so bezeichnete er seine Milbe mit einem eigenen Speciesnamen. Der eigenartige,. von ihm allerdings noch nicht völlig genau erkannte Bau der Füße veranlasste ihn, für das Thier auch eine eigene Gattung zu begründen und so benannte er dasselbe Tetranychus lintearius. Noch in demselben Jahre erkannte GAcHET (12) die Zugehörig- keit der auf der Linde vorkommenden Spinnmilbe zu derselben Gat- tung. Er — nicht Ducks, wie meist angegeben wird — ist der Erste, der auf diese den Namen Teiranychus telarius anwendet. Seine Angaben über die Füße und Mundtheile gehen über das von DUFOUR an Tetranychus lintearius Ermittelte nicht hinaus, dagegen hat er über Lebensweise und Entwicklungsgeschichte Mancherlei beobachtet (s. u... Auch hebt er hervor, dass in dieser Art roth gefärbte Indi- viduen relativ selten sind. Eigenthümlicher Weise ist diese Arbeit in der späteren Litteratur nicht beachtet worden. Auch Duszs scheint sie nicht gekannt zu haben. Zwei Jahre später (13) publieirte GACHET eine kurze Notiz über Tetranychus lintearius, den er bei Bordeaux gleichfalls auf Ulex europaeus antraf. Da GAcHET der Erste und bis jetzt anscheinend auch Einzige gewesen ist, der Tetra- nychus lintearius in der gleichen Gegend und auf derselben Nähr- pflanze, wie DuFour, sammelte und mit Tetranychus telarius ver- glich, so ist meines Erachtens auf sein Urtheil in Bezug auf das Verhältnis beider Arten zu einander Werth zu legen. In demselben Jahre (1834) erschien die grundlegende Arbeit von Dusss (10), in welcher außer Tetranychus telarius noch acht weitere Arten derselben Gattung beschrieben werden. Einen wesentlichen Fortschritt in der Erkenntnis der Organisation dieser Milben be- zeichnet seine Darstellung der Mundtheile und Füße. Auch erwähnt er als Erster die Augen der Tetranychen. Über seine biologischen und entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen vgl. weiter unten. Duszs stellte die Gattung Tetranychus in die Familie der Trom- bidiiden, in der sie bis auf Weiteres verblieb. Durour’s Tetranychus lintearius war ihm aus eigener Anschauung nicht bekannt. Im Jahre 1851 gab Trevisan in der Akademie zu Padua eine Übersicht über »la storia, la deserizione, le abitazioni, i eostumi« von Tetranychus telarius (43). Über den Inhalt dieser Mittheilung ver- zeichnet der Sitzungsbericht leider nichts. Das, was er zur Charak- teristik seiner neuen Species Teiranychus Passerinii und zur Unter- 64 Reinold v. Hanstein, scheidung derselben von den übrigen Arten angiebt, reicht zu ihrer erkennbaren Kennzeichnung nicht aus. Wenige Jahre später (1856) berichtete E. WEBER (45) über Tetranychus telarius. Nach einer Beschreibung des Gespinnstes und einigen allgemeinen Bemerkungen über die Organisation der Milben liefert er eine Beschreibung des Thieres, welche — von einigen bio- logischen Angaben abgesehen — nicht über das von Duszs Gesehene hinausgeht!. Ein Jahr darauf veröffentlichte SCHEUTEN (39) ein paar mangel- hafte Abbildungen und Beschreibungen blattbewohnender Milben, die er Flexipalpus Tiliae und Sannio rubrioculus nannte. Die erste ist sicher — wie schon CLAPAREDE und DONNADIEU erkannten —, die zweite wahrscheinlich gleichfalls mit Tetranychus telarius identisch. Sein Zyphlodromus pyrı dürfte eine Gamasiden-Art sein. Aus dem mehrfach beobachteten gemeinsamen Vorkommen mit Phytoptus-Arten sowie aus der Beschaffenheit ihrer — von ihm übrigens nicht ein- gehend studirten — Mundtheile schließt SCHEUTEN, dass diese Milben die reifen Imagines von Phytopten seien. Die Möglichkeit einer solchen Entwicklung hatte bereits Duszs (II, p. 105) erwogen, doch war dieser vorsichtige Beobachter sich über den einstweilen rein hypothetischen Charakter einer solchen Annahme klar. SCHEUTEN hat irgend welche entscheidende Beobachtungen nicht gemacht. Was er als »Übergangsstadium« zwischen beiden Formen abbildet, dürfte einfach eine Tetranychus-Nymphe sein. Auch die bald darauf erschienenen Arbeiten von AMERLINE (1) und Fraca (11) haben unsere Kenntnis der Tetranychen nicht ge- fördert. Ersterer bringt einige recht dürftige Angaben über Über- winterung dieser Thiere, welche nicht einmal die beobachtete Art klar erkennen lassen; vor Allem aber entspricht der Inhalt der kleinen Publikation in keiner Weise ihrem Titel, da sie weder über Parthe- nogenese noch über die »ersten Stände« dieser Milben auch nur ein 1 Wesentlich Neues zu bieten, war auch kaum WEBER’s Absicht. Die ab- fällige Kritik, welcher DoNNADIEU (8, p. 46) diese Arbeit unterzieht, ist daher nicht gerechtfertigt, am wenigsten durch DoxNAaDIEU’s eigene, vielfach wenig sorgfältige Beobachtungen. WEBER’s Mittheilung ist ein in einem wissenschaft- lichen Verein erstatteter Bericht, der — wie in solchen Fällen üblich — Be-_ kanntes und Neues zusammenfasst. Dass >la science allemande< von WEBER’sS Arbeit »a semble faire beaucoup de cas« ist thatsächlich unrichtig. CLAPAREDE hat dieselbe »eine interessante Abhandlung« genannt, nicht >un travail tres com- plet«. Eine solche auf wenigen Druckseiten schreiben zu wollen, hat WEBER völlig fern gelegen. Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 65 Wort enthält. Fracn ist gleichfalls nur sehr oberflächlich über den Bau der Tetranychen orientirt. Er hält die braunen Seitenflecken, die schon Dusks (I, p. 26) richtig als »matieres alimentaires, con- tenues dans les coecum lateraux de l’appareil digestif« erkannte, für Eier; an einer anderen Stelle äußert er Zweifel, ob er vielleicht ge- 'fressene Uredo-Sporen für Eier gehalten habe. Phytopten hat Fracn offenbar nie gesehen, daher bestreitet er, dass Gallen oder ähnliche Bildungen von Milben erzeugt werden. Auch seine Ausführungen über die Mundtheile fügen dem bereits vorher Bekannten nichts hinzu. NÖRDLINGER, der schon 1855 in seinem Buch über »die kleinen Feinde der Landwirthschaft« (35) der »Pflanzenspinne« kurz Er- wähnung that, widmete ihr 1866 eine eigene Abhandlung (36). Leider war mir dieselbe nicht zugänglich. Lucas veröffentlichte 1868 eine kurze Notiz über Tetranychus Iintearius (28), den er bei Roscoff sowie bei Arcachon, wiederum auf Ulex europaeus, antraf. Seine Mittheilung stimmt auffallend, stellen- weise wörtlich mit der — dem Verfasser bekannten — ersten Publi- kation Durour’s überein. Verfasser giebt ferner an, dass die Thiere in der Jugend hell, später dunkelroth gefärbt seien, dass sie höchstens l mm messen und dass sie erst nach mehreren Häutungen achtfüßig werden. Haben all diese nach Duezxs’ Arbeiten erschienenen Mittheilungen wenig Neues zur Kenntnis der Spinnmilben beigetragen, so bezeichnet die 1868 erschienene Arbeit CLAPAREDE’S (6) »zur Entwicklung der Gattung Tetranychus« einen ganz wesentlichen Fortschritt. Sie bildet einen Theil von des Verfassers ausgezeichneten »Studien an Acariden«. ÜLAPAREDE erkannte als Erster die Männchen von Tetranychus telarius und wies nach, dass Ducäs weibliche Nymphen für Männchen gehalten hatte; -er zeigte, dass die Spinnfäden nicht, wie die älteren Autoren (DUFOUR, GACHET, Dusks) annahmen, von der Analpapille, sondern von einer in den Tastern ausmündenden Drüse abgesondert werden; er erörterte den Bau der Füße und Mundtheile, gab die erste, im Wesentlichen völlig richtige Darstellung des Tracheensystems und studirte die Entwicklung des Embryos im Ei von der Bildung der Keimhaut bis zur Ausbildung der sechsfüßigen Larve. Ich komme nun zu der umfangreichen Arbeit DonNnADIEU'Ss (8), welche alsbald nach ihrem Erscheinen eine sehr anerkennende Be- sprechung durch FumouzE erfuhr!. Ich werde auf diese Arbeit im ! Journ. de l’anatomie et de la physiologie. Paris 1876. p. 433. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bad. 5 56 Reinold v. Hanstein. Einzelnen noch mehrfach zurückzukommen haben; im Ganzen muss leider gesagt werden, dass die durch sie gewonnene Förderung unserer Kenntnisse ihrem Umfang nicht entspricht. Der anatomische Theil ist in seinen Einzelangaben vielfach unzuverlässig. Der Umstand, . dass DONNADIEU nicht über geeignete Fixirungsflüssigkeiten verfügte, ist wohl wesentlich Schuld an der zum Theil durchaus unzutreffenden Darstellung der Organisation. Während er über den Kreislauf, die Nahrungsaufnahme u. A. Einzelheiten mittheilt, die ich bei sorgfältiger, mehrfach wiederholter Beobachtung nicht zu sehen vermochte, ist ihm andererseits die selbst an mangelhaft konservirten Thieren oft noch deutlich erkennbare Anordnung der Muskulatur fast völlig ent- sangen. Was er über das Tracheensystem angiebt, ist, so weit es von ÜLAPAREDE abweicht, unrichtig; seine Darstellung der Mundtheile ist schon von TArGIonı-Tozzertı (40) scharf kritisirt worden. Der embryologische Theil steht gleichfalls hinter der ULAPAREDE’schen Arbeit zurück. In dem systematischen Abschnitt, in welchem er — abgesehen von den Phytopten — vier Gattungen mit zusammen 13 Arten beschreibt, ermangeln die Diagnosen vielfach der nöthigen Schärfe, die ein sicheres Wiedererkennen der Species ermöglicht. Ältere, von früheren Autoren eingeführte Benennungen fügt er ohne weitere Begründung den seinigen als Synonyma bei; in anderen Fällen achtet er das Prioritätsrecht nicht. So ersetzt er den alten Durour’scheu Namen Tetranychus lintearius ohne Grund und ohne jede Motivirung durch Distigmatus pelosus u. dgl. m. Auch sind seine Citate mehrfach ungenau. Der Name Tetranychus tiliarius ist von Dusks nicht gebraucht, eben so wenig wie HERMANN die Be- nennungen Trombidium maror und T. tenuipes kennt. Das eine von Duszs in Cuvier’s »Regne animal« unter dem Namen Leptus autum- nalıs abgebildete Tetranychus-Männchen wird von DONNADIEU bei zwei verschiedenen Arten als synonym angeführt. Über die Unzuverlässig- keit seiner Maßangaben wird weiter unten zu reden sein. Ein wesentlicher Theil der DowxApıEu’schen Arbeit ist den Phy- topten gewidmet, welche er — wie vor ihm SCHEUTEN — als Larven Tetranychus-ähnlicher Milben ansieht. Er bildet für Phytoptus (oder wie er schreibt: Phytocoptes) epidermi eine sechs- und eine achtfüßige Form ab, giebt auch mit Bestimmtheit an, dass sich die Phytopten »par un mode de reproduction agame« vermehren und dann eneystiren, und dass aus dieser »Cyste« eine sechsfüßige Form hervorgehe, die bald darauf achtfüßig werde Wie er aber zu diesen Ergebnissen sekommen ist, sagt er nicht. NALEPA’s inzwischen veröffentlichte Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Dutf. 67 Untersuchungen (34), durch welche die Phytopten als zweigeschlecht- liche Thiere erkannt wurden, lassen sich mit diesen Angaben nicht in Einklang bringen. Dieser zur Zeit wohl beste Kenner der Or- sanisation der Gallmilben — dem übrigens DoxnApıEu’s Arbeit nicht bekannt gewesen zu sein scheint — hat sich vielmehr entschieden segen die Larvennatur derselben ausgesprochen. So bleibt als wesentlichstes Verdienst der DonnADiıEu’schen Arbeit schließlich nur übrig, dass er als Erster die Tetranychiden als eigene Familie von den Trombididen — mit denen sie bis dahin vereinigt wurden — abtrennte. In demselben Jahre (1876) erschien eine Arbeit von Voss über den Kupferbrand des Hopfens (44), der durch eine Tetranychus-Art hervorgerufen wird. Aus später zu erörternden Gründen kann ich die von Voss beschriebene und von ihm — im Einverständnis mit NÖRDLINGER — zu Tetranychus telarius gestellte Milbe nicht dieser Art beizählen. Die von Voss gegebene Beschreibung der Organisation erstreckt sich auf die Beine, die Mundtheile, die Tracheen und den Verdauungsapparat. Ihm haben nur weibliche Thiere vorgelegen. Im Jahre 1877 hat Kramer (22), gleichfalls ohne DONNADIEU’sS früher erschienene Arbeit zu kennen, die Tetranychiden zum Range einer eigenen Familie erhoben. In dieselbe stellt er außer Tetranychus noch die KochH’sche Gattung Dryobra. In der Familiendiagnose giebt er eine kurze Schilderung der Mundtheile. Eine ganze Anzahl von Gattungen und Arten beschreibt R. CAnE- STRINI (5) in dem den Tetranychiden gewidmeten Abschnitt von G. CAnEsırin!'s Acarofauna italiana. Ein Theil derselben war schon früher in den faunistisch-systematischen Arbeiten von BERLESE sowie von G. CANESTRINI und FAnzaGco bekannt gemacht worden. Seine Beschreibungen und Abbildungen beschränken sich auf die äußere Organisation, namentlich die Füße und Mundtheile. Eine Anzahl neuerer Publikationen beziehen sich wesentlich auf die Bedeutung, welche die Tetranychen als Schädlinge mancher wich- tiger Kulturpflanzen — so des Weinstockes (30), der Melone (37), der Nelken (29), der Ananas (2) — gewinnen. In wie weit alle in diesen Schriften bald als » Teiranychus telarius<, bald als »rothe Spinne« be- zeichneten Thiere wirklich zu derselben Art gehören, dürfte noch näher zu untersuchen sein. Über den äußeren Bau und die Lebensweise der Gattung Bryobia hat TaomAs neuerdings einige lehrreiche Mittheilungen veröffentlicht (41, 42). - 5*F 68 . Reinold v. Hanstein, ll. Systematisches. Bei der geringen Größe der Thiere und der Unvollkommenheit der Hilfsmittel, die den älteren Beobachtern zur Verfügung standen, ist es nicht zu verwundern, dass die von diesen aufgestellten Arten häufig so wenig genau charakterisirt sind, dass ein sicheres Wieder- erkennen derselben kaum möglich ist. Es bedurfte eben erst einer etwas weiter vorgeschrittenen Kenntnis dieser Milben, um übersehen zu können, welche Merkmale für die sichere Unterscheidung der Arten sich am besten eignen. Auch fehlte es jenen Autoren noch an hin- länglich exakten Messinstrumenten für Thiere von so winzigen Dimen- sionen. Aber auch DonnADIEU’s Species sind, wie bereits oben be- merkt, zum Theil durchaus nicht scharf genug gekennzeichnet. Es bezieht sich dies besonders auf die von ihm unterschiedenen Arten des Genus Tetranychus. Namentlich sind die von ihm angegebenen Maße durchaus unzuverlässig. Während mir bisher nicht ein einziges Tetranychus-Individuum vor Augen gekommen ist, welches im er- wachsenen Zustand voll 0,6 mm gemessen hätte, giebt DoNNADIEU die Länge der kleinsten von ihm beobachteten Art = 0,7 mm an, während die übrigen 1 mm und darüber messen sollen. Diese seinen Diagnosen beigefügten Maßangaben weichen nicht nur von denen anderer Autoren, sondern auch von den aus seinen eigenen Figuren sich ergebenden wesentlich ab. So ergiebt sich aus seinen Ab- bildungen, unter Berücksichtigung des von ihm hinzugesetzten Ver- srößerungsindex, die Länge von Tetranychus minor auf 0,35 mm, während sie im Text — 0,7 mm angegeben sind; Teiranychus maior, im Text als 1,5 mm lang bezeichnet, misst nach der Figur nur 0,57 mm u.8. f. Ferner giebt er im Text an, dass Tetranychus longitarsıs sich von Tetrunychus maior »par des pattes plus longs et plus greles et surtout par des tarses allonges et retreeis« unterscheidet; nach den zu- gehörigen Figuren erscheinen jedoch die Beine und speciell die Tarsen beider Arten völlig gleich lang. So bleiben als Artmerkmale oft nur ziemlich vage, wenig brauchbare Farbenunterschiede übrig. Für die in Italien beobachteten Tetranychiden hat CAnEsTRinı (9) schärfere Diagnosen gegeben, auch die Gattung Tetranychus durch die drei Merkmale der stilettförmigen Mandibeln, der Greiftaster und der Aus- stattung der Füße mit vier Haftborsten gegenüber den anderen von ihm unterschiedenen Gattungen leicht kenntlich unterschieden. Nur kann ich die für dieses Genus im Allgemeinen gemachte Angabe Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 69 »oechi due per parte« für Tetranychus telarius nicht als zutreffend anerkennen. Die von mir bisher eingehender beobachteten Spinnmilben gehören zwei, durch Größe, Anzahl der Augen, Körperform und Färbung wohl unterschiedenen Arten an. | Die eine derselben, die unzweifelhaft dem Tetranychus telarıus der Autoren entspricht, habe ich vorzugsweise auf unseren beiden einheimischen Linden, Tilia platyphyllos Scop. und Tilia ulmifolia Scop., namentlich häufig auf ersterer angetroffen. Vom Beginn des. Sommers bis tief in den Herbst hinein lebt sie hier in oft unge- heuren Mengen und bringt zuweilen die Blätter schon im August zum Vertrocknen und Abfallen. Dies Thier ist es zweifellos, welches Linn& im Herbst auf Lindenblättern fand, das von GAcHET und Dugss beobachtet wurde und von welchem CLARAPEDE sagte, dass über seine Artbestimmung keine Meinungsverschiedenheit herrsche. All diese Autoren nennen vor Allem die Lindenblätter als den Aufenthaltsort dieser Milbe, alle erwähnen ihre lebhafte Spinnthätigkeit und die Ab- bildungen CLAPAREDE’S zeigen deutlich, dass ihm die hier in Rede stehende Art vorgelegen hat. CANESTRINI (5, p. 497) giebt ihre Länge — 0,40 mm an, ich fand dieselbe bei den erwachsenen Indivi- duen = 0,42 mm im weiblichen, — 0,33 mm im männlichen Geschlecht. TASCHENBERG (4, p. 730) giebt ihr 1,12, DonnADIEU sogar 1,30 mm. Diese Angaben sind unrichtig, wie dies in Betreff des DONNADIEU- schen Maßes schon Mansın (29, p. 467) auffiel. Die Färbung des er- wachsenen Thieres fand ich stets gelb oder grünlich, die seitlichen — durch Darminhalt, der durch die Körperwand hindurch schimmert, hervorgerufenen — Flecken sind von unregelmäßiger Gestalt und nicht immer sehr deutlich. Den eben dem Ei entschlüpften fast farb- losen Larven fehlen sie natürlich ganz. Zuweilen sind die Thiere — namentlich in der Jugend — lebhaft grün. Die überwinternden Weib- chen fand ich stets tief orangegelb. Nur sehr selten fand ich rothe Individuen. Einige vereinzelte rothe Milben — im Ganzen vielleicht vier bis fünf — sah ich im Oktober an Lindenstämmen, welche von Tausenden spinnender, zum Bezug der Winterquartiere sich rüstender, orangegelber Thiere wimmelten. In den zahlreichen, von mir durch- musterten Winterquartieren fand ich kein einziges rothes Weibchen. Da solche sich unter den orangegelben Genossen durch ihre Farbe sehr deutlich abheben, so sind sie kaum zu übersehen, und da ich wiederholt nach ihnen gesucht habe, so glaube ich — im Einverständnis mit der oben eitirten Angabe GAcHET’s — gerade die Seltenheit roth gefärbter 70 Reinold v. Hanstein. Individuen als einen für den echten Tetranychus telarius charakteristi- schen Zug ansehen zu dürfen. Ich verweile hierbei etwas länger, weil unsere Milbe namentlich in populären Darstellungen und in der gärtne- risch-landwirthschaftlichen Litteratur vielfach als »rothe Spinne« be- zeichnet wird. Kein einziger der Autoren, die sich eingehender mit unserer Art beschäftigt haben, hebt aber die rothe Färbung als ein hervor- 'stechendes Merkmal derselben hervor. Duszs (10, I, p. 25) und CAxE- STRINI (5, p. 497) erwähnen zwar unter den vorkommenden Färbungen auch die rothe, aber Beide an letzter Stelle — also waren wohl die rothen Individuen nicht gerade die häufigsten; auch vermuthe ich, aus noch zu erörternden Gründen, dass mindestens ein Theil der von ihnen beobachteten rothen Thiere nicht zu Tetranychus telarius ge- hörte. An erster Stelle erwähnen beide Autoren die grüne oder gelbe Färbung. GAcHET fand, nachdem er mehrere Jahre nur gelbliche oder grünliche Individuen beobachtet hatte, nur einmal im Oktober »un certain nombre de mites rouges«; WEBER, der die Thiere nur im Herbst sah, fand sie alle mehr oder weniger orangegelb: ULAPa- REDE, der im Text die Farbe nicht erwähnt, bildet Männchen und Larven grünlich ab. Auch Hermaxn’s Abbildungen auf Linden leben- der Milben sind gelblich grün kolorirt. Es ist also die Bezeichnung unserer Art als »rothe Spinne« nicht nur im zweiten, sondern auch im ersten Wort unzutreffend, denn selbst wenn einmal unter be- sonderen Bedingungen sich zahlreichere rothe Individuen finden sollten, so ist dies offenbar nicht das normale Verhalten. Erwähnt sei noch, dass der Körper der weiblichen Thiere in der Mitte beiderseits leicht eingebuchtet erscheint (»quelquefois sinueux sur les flanes« Duszs 10, I, p. 26). Die beiden Augen hatten — wie ich entgegen der oben eitirten Angabe CAnESTRINTs betonen muss — bei allen von mir beobachteten Exemplaren die Form eines unregel- mäßig begrenzten, aber einheitlichen rothen Fleckes. Auch fand ich an in Alkohol aufbewahrten Individuen, deren Augenpigment zerstört war, jederseits stets nur eine Linse. Endlich bedarf noch eine irr- thümliche Angabe DonnADIEv’s der Berichtigung. Dieser Autor schreibt in der Diagnose des Tetranychus telarius: » Autour du stigmate median quatre longs poils epais, eylindriques, deux fois recourbes et diriges deux en avant et deux en arriere«, während er den anderen Tetrany- chus-Arten nur zwei solcher »Haare« jederseits des Stigma zuschreibt. Untersucht man nun die betreffende Körperstelle an der Hand der Beschreibungen und Zeichnungen DONNADIEU’s, so ergiebt sich, dass die von DONNADIEU unbegreiflicher Weise für Haare gehaltenen Ge- A dd bl Au un. a 1 di a Zu DE Un Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. al hilde Chitinröhren innerhalb der die Mandibeln bedeekenden Haut sind (vgl. Fig. 2 v.tr mit DonnADiev’s Figg. 67, 68, 79), die aller Wahrscheinlichkeit nach zum Tracheensystem gehören. Wie DONNADIEU dazu kommt, dieselben für Haare zu halten, ist mir eben so unver- ständlich, wie die von ihm dem Tefranychus telarius zugesprochene Vierzahl derselben. Ich habe, so viel Individuen ich auch untersuchte, deren stets nur zwei gefunden. Die zweite Art, die ich namentlich — und oft in sehr großen Mengen — auf Althaea rosea, aber auch auf Lycium barbarum, Phase- olus multiflorus, Bryonia alba und Humulus lupulus, bisher jedoch niemals auf Linden antraf!, wird erheblich größer. Das Weibchen erreicht an Länge 0,57 mm, das Männchen 0,42 — 0,45 mm. Der Rücken ist stark gewölbt, die Färbung grünlich-braun, die zwei seit- lichen Flecken markiren sich — natürlich abgesehen von den eben ausgeschlüpften Larven — sehr deutlich. Von der bei Tetranychus telarius erwähnten seitlichen Einbuchtung des Körpers habe ich bei dieser Art nie etwas bemerkt, dagegen haben beide Geschlechter jeder- seits zwei Augenflecken von zusammen etwa 8-förmiger Gestalt (s. Fig. 5), ganz eben so, wie sie die von Dusks in CUVIER’s Regne animal unter dem Namen Leptus autumnalis abgebildete Milbe zeigt. Zuweilen glaubte ich bei lebenden Thieren auch jederseits zwei licht- brechende Linsen zu erkennen, doch habe ich das an konservirten Exemplaren — deren Augenpigment durch den Alkohol zerstört ist, so dass die Augen bei diesen nur noch durch die Linsen repräsentirt wurden — bisher nicht bestätigen können. Ein weiteres Merkmal dieser zweiten Art besteht nun darin, dass die Weibehen im Herbst intensiv roth gefärbt sind. Während ich im Sommer von Mitte Mai an in meinen Kulturen wie im Freien stets vergebens nach rothen Individuen suchte, begannen solche von Ende August an in wachsen- der Häufigkeit aufzutreten, bis schließlich die erwachsenen Weibehen fast alle diese Färbung zeigten. Im Jahre 1899 beobachtete ich ver- einzelte rothe Weibchen bis in den December hinein, und die im zeitigen Frühjahr 1900 (zuerst am 21. Februar) auf Althaea-Blättern aufgefundenen Milben waren gleichfalls roth. Es scheinen demnach nur diese rothen Weibchen zu überwintern. Ich bemerke des Weiteren, dass ich bisher nur Weibchen von rother Farbe angetroffen habe, niemals Männchen oder Larven. Es kann aber wohl sein, dass ge- legentlich auch Männchen diese Färbung annehmen, da das von Dueks als Leptus autumnalis abgebildete lebhaft roth gefärbte Individuum {i Sie lässt sich jedoch auf Lindenblättern züchten. 12 Reinold v. Hanstein, (s. 0.), das ich seiner Augenbildung nach nieht — wie ÜLAPAREDE und DonnADiEU dies thun zu Tetranychus telarius, sondern viel- mehr zu dieser größeren Art ziehen möchte, seiner Körperform nach offenbar ein Männchen ist. Die Spinnfähigkeit ist bei dieser Milbe eben so ausgebildet, wie bei Tetranychus telarius. Oft sah ich ganze Stöcke von Althaea rosea von dem charakteristischen opalisirenden Gespinst bedeckt. Namentlich geschah dies, wenn die Pflanze, bezw. der ihnen zur Verfügung gestellte Zweig zu vertrocknen begann. Dann gewährte dieser, von einem zahlreich bevölkerten Gespinst be- deckt, dasselbe Aussehen, das die von Tefranychus telarius befallenen Lindenstämme im Herbst darbieten. Ich war Anfangs geneigt, diese Milbe mit dem Durour’schen Tetra- nychus lintearius zu identifieiren. Dass dieser nieht ohne Weiteres — wie Voss (44, p. 618) und CAnEsTRinı (5, p. 498) es thun — zu Tetra- nychus telarius gezogen werden darf, möchte ich schon aus dem oben über die Herbstfärbung der letzteren Art Gesagte schließen. Sowohl Durour selbst, als GAcHET und Lucas, die Beide das Thier, wie Durour vor ihnen, auf Ulex europaeus antrafen, heben ausdrücklich die rothe Färbung des Te/ranychus lintearius hervor. GACHET, der Erste, der sowohl Tetranychus lintearius als auch Tetranychus telarius selbst beobachtet hat — die erstere Art in demselben Gebiet, in welchem sie DUFOUR zuerst auffand — betont zudem nachdrücklich die Verschiedenheit beider Formen. Nun fehlen zwar bei diesen Autoren genauere Maßangaben — wie sie damals für so kleine Thiere auch schwer beizubringen waren —, doch würde Durour's Angabe, der ihnen »ä peine un tiers de ligne de longueur« zuschreibt, sich mit den von mir ermittelten Maßen gut vereinen. Dass DUFOUR bei seiner Species keine Augen auffinden konnte, dürfte eben so wenig ausschlaggebend sein, wie seine ungenaue Darstellung der Füße und Mundtheile; er war eben von seinen mangelhaften Beobachtungswerk- zeugen abhängig. Auch GAcHET bemerkte die Augen nicht, Lucas, der (1868) nur mit der Lupe und anscheinend wenig eingehend be- obachtete, eben so wenig. Letzterer schätzt die Länge auf »tout au plus un millimetre«. Andererseits muss ich hervorheben, dass eine Angabe GAcHETSs der Vereinigung unserer Form mit Tetranychus lintearius entgegensteht. Dieser Autor giebt nämlich bestimmt an, dass die Eier von Tetranychus Iintearius »au moins d’un tiers plus gros« seien, als die von Teiranychus telarius, während ich die Eier der beiden von mir beobachteten Thiere stets gleich groß fand. Wie DonnADıEU dazu kommt, seine Species Distigmatus pilosus — von Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 13 der er angiebt, dass sie als sechsfüßige Larve bis zur vollen Größe von 0,5 mm heranwachse — für identisch mit Durour’s Tetranychus Iintearius zu halten, dessen kleine, achtfüßige Nymphen GAcHET be- reits 40 Jahre früher gesehen hatte, ist unverständlich. Übrigens hätte er, falls seine Annahme berechtigt gewesen wäre, den Durour- schen Speciesnamen beibehalten müssen. Erscheint sonach die Zugehörigkeit unserer Species zu Tetra- nychus lintearius fraglich, so wären weiter die Ducks’schen Arten Tetranychus eristatus und Tetranychus mator zum Vergleich heran- zuziehen. Beide übertreffen nach Ducks Tetranychus telarius an Größe. Erstere scheint, nach Dugzs’ Angabe, im Allgemeinen nicht sesellig zu leben, auch erwähnt er nichts von Gespinsten. Auch ist das Merkmal, das dieser Art den Namen gab, nämlich die längs des Rückenumfanges verlaufende Erhebung, bei unserer Speeies nicht vorhanden. Bei Tetranychus maior sind nach Duezs ein Mittelfleck des Rückens, die Vulva, die Beine und die Unterseite des Rostrum roth, der übrige Körper »d’un beau noir«, die Augen röthlich oder weiß. Diese Angaben würden auf unsere Species nur dann einiger- maßen passen, wenn man annimmt, dass Dugzs rothe Herbstformen mit sehr dunkeln und sehr ausgebreiteten Seitenflecken vor sich ge- habt habe. Auf die von ihm erwähnten Einzelheiten, betreffend den Bau der Beine und Taster, ist wohl nicht allzuviel Gewicht zu legen, da ihn hier seine mangelhaften Hilfsmittel mehrfach im Stiche gelassen haben. Dagegen bezeichnet Dugzs den Rücken dieser Art ausdrücklich als flach (»dos plat«), während er bei unserer Art stark gewölbt ist. Ob die von DoNNADIEU unter demselben Namen aufgeführte Art auch wirklich dieselbe ist, dürfte zweifelhaft sein. Es ist bezeichnend für das wenig sorgfältige Vorgehen dieses Autors, dass er p. 60 im Gegen- satz zu Dusks betont, dass jede ausgebildete Species ihre bestimmte stets gleiche Färbung habe (»que ceux-ci, parvenus A l’etat adulte, presentaient dans chaque espece des colorations identiques«) und p. 148 seinen Tetranychus maior, unter dessen Synonymen er ausdrücklich den Teiranychus maior Duges anführt, ohne irgend eine Bemerkung über die oben eitirten Duszs’schen Angaben mit den Worten kenn- zeichnet: »jaune verdätre, pieds allonges jaunes päles, ainsi que le rostres. Was er sonst zur Charakterisirung dieser Art anführt, trifft — mit Ausnahme der oben schon gewürdigten Angaben über die das Stigma umgebenden »Haare« — Alles auch für Tetranychus telarıus zu, nur zum Schluss giebt er an, dass Teiranychus maior sich von Tetra- nychus telarius durch bedeutendere Größe und andere Färbung unter- 14 Reinold v. Hanstein. scheide. Der einzige Farbenunterschied jedoch, den er angiebt, ist, dass die erstere Art grünlich-gelb, die zweite grünlich-braun sei. Bleibt also nur die verschiedene Größe. Misst man jedoch seine — angeblich gleich stark vergrößerten — Zeichnungen nach, so erscheint Tetranychus telarius eben so groß, einschließlich der Tasterlänge sogar größer als Tetranychus maior! Auch sein Tetranychus rubes- cens, der eigentlich nur durch die angeblich auch den Larven und Männchen zukommende rothe Färbung gekennzeichnet ist, erscheint nicht hinlänglich charakterisirt, um als eigene Art gelten zu können. Von den CAnESTRINTschen Arten kommt Tetranychus latus C. et F. unserer Species an Länge nahe (0,50 mm). Der Vereinigung steht jedoch die Körperform entgegen, die von ÜANESTRINI als »quasi circolare« bezeichnet wird. Tetranychus latus erreicht eine Breite von 0,35, unsere Species höchstens eine solche von 0,27 mm. Auch hebt CANESTRINI, Tetranychus telaurius gegenüber, die Kürze und Spär- lichkeit der Haare hervor. Die anderen von CANESTRINI beschriebenen Arten kommen sowohl wegen ihrer geringeren Größe, als auch wegen ihrer abweichenden Körperform und Lebensweise nicht in Betracht. Da sonach in Anbetracht der nicht hinlänglich präcisen Fassung der älteren Diagnosen es nicht möglich ist, die größere der von mir beobachteten Milbenarten einer der schon beschriebenen Species mit Sicherheit zuzutheilen, so gebe ich ihr einstweilen den Namen Tetra- nychus althaeae, indem ich es dahingestellt sein lasse, ob sie nicht doch vielleicht mit Teirunychus lintearius Duf. identisch ist. Jeden- falls ist sie von Tetranychus telarius Duges zu trennen. Die Diagnose von Tetranychus althaeae wäre demnach folgende: Länge des Weibchens bis zu 570, die des Männchens bis zu 450 u. hkücken stark gewölbt, Färbung grünlich-hraun mit stark aus- geprägten dunkeln Seitenflecken. Weibehen von Ende August bis zum nächsten Frühjahr intensiv roth. Körperumriss des Weibchens oval, ohne seitliche Einbuchtung; der des Männchens hinten stark verschmälert. Jederseits vorn auf dem Rücken ein doppelter, rother Augenfleck. | Dem gegenüber würde Tetranychus telarius folgendermaßen zu charakterisiren sein: Länge des Weibchens bis zu 420, des Männchens bis zu 330 u. Färbung gelb oder grünlich gelb, zuweilen grün. Überwinternde Weibchen orangegelb, sehr selten roth. Körperumriss des Weibchens an den Seiten in der Mitte leicht eingebuchtet, der des Männchens Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 15 nach hinten stark verschmälert. Jederseits vorn auf dem Rücken ein unregelmäßig begrenzter einfacher Augenfleck. Erwähnen möchte ich noch, dass die Beobachter, welche bis- her rothe Tetranychen auffanden, ihre Untersuchungen großentheils im Herbst oder doch im Spätsommer anstellten. Durour beobachtete »pendant l’automne«, GACHET nnd Lucas »vers le milieu de sep- tembre«, Voss im August. DuGks, DONNADIEU und CANESTRINI geben allerdings über die Jahreszeit, in welcher sie roth gefärbte Milben auffanden, nichts an. Schließlich sei noch hinzugefügt, dass Ducks rothe Individuen von Tetranychus telari«s auf der Linde nicht angetroffen zu haben scheint. Er schreibt von ihnen (10, I, p. 25): »tels etaient surtout ceux de l’Acacia rose; mais sur la rose tremiere j’ai trouve a la fois des individus offrant presque toutes les nuances qui sont probablement liees A quelques eirconstances de nutrition.«< Auch Duskzs beobachtete also rothe Milben vor Allem auf Althaea rosea, und da ich auf dieser Pflanze bisher den echten Tetranyehus telarius noch nicht angetroffen habe, so ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch Dusks hier Tetranychus althaeae vor sich hatte. Ill. Anatomisches. 1. Mundtheile. Die Mundtheile der Tetranychen, die eins der charakteristischsten Merkmale dieser Familie bilden, sind bereits mehrfach studirt und beschrieben worden, wobei sich betreffs der Auffassung einzelner Theile verschiedene Differenzen ergeben haben. In dem großen, über die vordere Körperwand hervorragenden »Fleischkegel«, aus dessen unterer Fläche die beiden mehrfach gebogenen Stilette hervorgehen, sieht DuGEss — unter Bezugnahme auf die ähnlich gebauten Mund- theile seines Raphignathus ruberrimus — die verschmolzenen Grund- glieder der beiden Mandibeln (10, II, p. 57), deren Endglieder die Stilette sein würden, die er dem »mordant libre« der Trombidien ver- gleicht. Der gleichen Auffassung begegnen wir bei KRAuEr (22, p. 228), der ausdrücklich die Zusammensetzung des »Fleischkegels« aus zwei völlig symmetrischen Hälften hervorhebt. Dem gegenüber sehen CLAPAREDE (6, p. 485) und TArGIoNI-TozzErTı (40) nur die Stilette als Homologa der Mandibeln an und bezeichnen den »Fleischkegel« als Epistom. Mir scheint die von Duezs und Kranker vertretene Auf- fassung die richtigere zu sein. Es spricht dafür nicht nur die enge 76 Reinold v. Hanstein. _ Verbindung der Stilette mit den Grundgliedern, mit welchen sie stets gemeinsam vor- und zurückbewegt werden, sowie der von KRAMER betonte symmetrische Bau dieser letzteren, deren hintere Theile zudem durch einen fast bis zur Mitte reichenden Einschnitt von einander getrennt sind (Fig. 2 md), sondern noch mehr eine von ÜLAPAREDE (6, Taf. XL, Fig. 11) gegebene Abbildung, aus welcher deutlich hervorgeht, dass dies Gebilde sich aus einer paarigen Embryonalanlage entwickelt. Bestärkt werde ich in dieser Auf- fassung durch die Abbildungen, welehe OAnESTRINI von den scheren- förmigen Mandibeln der verwandten Gattungen Raphignathus, Caligo- nus, Stigmaeus und Stigmaeodes giebt (5, Taf. VIII, Fig. 1—4). Nament- lich zeigt ein Vergleich seiner Fig. 1 (Raphignathus) mit Fig. 2 (Caligonus), und wieder dieser mit den entsprechenden Theilen von Tetranychus, dass es sich hier nur um eine verschiedene Ausbildung des bei Raphignathus noch klauenförmigen, bei Caligonus stilett- förmigen, aber noch wenig gebogenen, bei Tetfranychus stark doppelt gebogenen Endgliedes handelt. Andererseits aber gewinnt man aus der Betrachtung seiner Figg. 26 und 27 (Raphignathus anauniensis R. Can.) den bestimmten Eindruck, dass das von ÜLAPAREDE als Epistom bezeichnete Gebilde den beiden, bei Aaplignathus noch deutlich getrennten Grundgliedern der Mandibeln homolog ist. Bei dieser Auffassung werden die Mandibeln der Tetranychiden denjenigen der Trombididen und Hydrachniden direkt vergleichbar. Die Man- dibeln von Raprgnathus stehen, wie dies schon DusEs aussprach, denen der Trombidien noch ziemlich nahe". Völlig unverständlich sind auch hier die Angaben DoONNADIEU’s, die schon TARGIONI- TOZZETTI scharf kritisirt hat. Nicht nur sind seine Figuren durchaus unbrauchbar, da sie nicht einmal erkennen lassen, welche Organe oben und welche unten liegen, sondern es ist mir eben so wenig wie dem genannten Autor gelungen, die von ihm als Mandibeln beschriebenen und gezeichneten Theile überhaupt auf- zufinden. So, wie er sie zeichnet, existiren sie zweifellos nicht. Spräche er nicht ausdrücklich von zwei getrennten Theilen, deren »ecartement peut devenir assez sensible«, so würde man vermuthen, dass er die oben besprochenen, zu dem »Epistom« CLAPAREDE’s, dem ! In der oben citirten Darstellung KrAMER’s ist allerdings von einer Um- bildung der Kiefertaster »zu dem in die Augen fallenden Fleischkegel< die Rede. Der Zusammenhang ergiebt jedoch, dass es sich hier nur um einen Lap- sus calami handeln kann, und dass vielmehr die Mandibeln (Kieferfühler) ge- meint sind. u ee ee ee Be a dd EU - Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 17 »Fleischkegel« KrAmEr’s verschmolzenen Grundglieder der Mandibeln meine. Der verdickte Vorderrand dieses Gebildes verlängert sich distad in ein dünnes Chitinblättchen von etwa löffelförmiger Gestalt (Fig. 1 md’). TarGIoNnI-TozzETTI ist der Erste, der dies ausdrück- lieh erwähnt, aber schon CLAPAREDE hat es gesehen; er bezeichnet es in seiner Fig. 17 als Scheide der Cheliceren. Diese Zeichnung ist allerdings nicht genau. Das Blättehen ist in Wahrheit viel dünner, auch überzeugt man sich bei scharfer Einstellung leicht davon, dass es über den stilettförmigen Endgliedern der Cheliceren liest, also nicht deren Scheide sein kann. Bei nicht genauer Beobachtung können die seitlichen Begrenzungslinien dieses löffelförmigen Anhangs- sebildes den Eindruck zweier getrennter, borsten- oder klauen- förmiger Bildungen machen. Es wäre also immerhin möglich — wie dies auch TArGIoNnı-TOZZETTI vermuthungsweise aussprach — dass DoNnNnADIEU diese Theile als die »crochets terminaux« seiner Man- dibeln beschrieben hat. Klar wird seine Darstellung aber dadurch noch immer nicht, da dann die Mandibeln selbst immer noch fehlen würden. Wenn übrigens DONNADIEu schreibt, Duszs selbst habe sich nicht hinlänglich klar darüber ausgesprochen, ob er die Stilette als Mandibeln betrachte oder nicht, so glaube ich, dass Jeder, der die von Duszs (10, II, p. 57) gegebene Darstellung aufmerksam durchliest und dabei seine Figg.1,5 und II, 56 betrachtet, über seine Auffassung vollständig im Klaren sein muss. Die stilettförmigen Endglieder der Mandibeln, — welche von CLAPAREDE und TARGIONI-TOZZETTI als alleinige Homologa der Man- dibeln betrachtet, von DonnADIEU als Maxillen hezeichnet werden — verlaufen von ihrer Ursprungsstelle zunächst nach hinten, um sich dann in starkem Bogen vorwärts zu krümmen und — zuletzt nach unten gebogen — den Vorderrand des Grundgliedes weit zu über- ragen. Es kommt diesen Gebilden ein hoher Grad von Biegsamkeit und Elastieität zu. Besondere, dieselben bewegende Muskeln habe ich nicht gefunden (Fig. 1 md’!). Die verschmolzenen Grundglieder der Maxillen werden für ge- wöhnlich bis etwa zur Hälfte vom vorderen Körperrande bedeckt, sie können jedoch noch weiter zurückgezogen werden. Diesen vor- deren Körperrand würde ich als Epistom bezeichnen (Fig. 1 ep). Eine an dem Verlauf der feinen Chitinfalten deutlich erkennbare Hautduplikatur schlägt sich vom freien Körperrande auf die Mandibeln hinüber, deren proximalen Theil sie dorsal und seitlich bedeckt (Figg. 1 und 2 dp). In dieser bedeckenden Haut — also an ganz 18 Reinold v. Hanstein. gleicher Stelle, wie bei den Trombidien und Hydrachniden — be- findet sich, oberhalb des die hinteren Hälften der Mandibeln trennen- den Spaltes, das Stigma (Figg. 1 u. 2 si). In Bezug auf die übrigen Mundtheile habe ich Neues nicht zu sagen. Die beiden Maxillen bilden ein mit der Spitze nach vorn ge- richtetes Dreieck. Die vorderen, einander zugewandten Ränder der- selben sind durch Chitin dunkel gefärbt und durch einen doppelten Ausschnitt von einander getrennt (vgl. Fig. 4. Nach hinten weichen sie stärker aus einander. Im männlichen Geschlecht trägt jede nahe ihrer Spitze einen kurzen Dorn. Jede Maxille trägt einen stark entwickelten viergliedrigen Taster, dessen Endglied mit einem klauen- förmigen Anhang und einem diesen gegenüberstehenden stumpfen Zapfen endigt. Eine die Mundtheile von unten bedeckende Haut bildet den ventralen Abschluss der Kopfröhre. 2. Athmungsorgane. ÜLAPAREDE, dem wir die erste Beschreibung des Tracheensystems der Tetranychen verdanken, schreibt diesen ein Stigma zu. KRAMER spricht von »Luftlöchern«, welche oberhalb der verschmolzenen Man- dibelglieder »zwischen beiden Hälften und zwar noch in dem Gebiet, welches zum Rumpf zu rechnen ist, außerhalb des Chitinleistenringes«, also beide dicht neben einander liegen. DOoNNADIEU weicht auch hier von den früheren Angaben ab, indem er der Gattung Teiranychus drei Stigmata zuschreibt, und die Zahl der Stigmata bei den ver- schiedenen Gattungen der Tetranychiden als sehr variabel bezeichnet. Ich muss ganz bestimmt erklären, dass die beiden kleinen, seitlichen, hinter den Augen gelegenen Luftlöcher, die DONNADIEU (8, p. 87) be- schreibt, nicht existiren. Trotz wiederholter, sorgfältigster Unter- suchung: habe ich nie etwas von ihnen wahrgenommen. Die feine Streifung der Haut ist hier nur durch die Augen, sonst nirgends durch eine Öffnung irgend welcher Art unterbrochen. Die Darstellung des Tracheensystems durch CLAPAREDE ist be- deutend richtiger, als die später von DONNADIEU gegebene Nur in zwei Punkten habe ich dieselbe zu modifieiren. Zunächst scheint ÜLAPAREDE entgangen zu sein, dass das Stigma stets unterhalb des oben von mir als Epistom bezeichneten Körperrandes liegt, wovon man sich bei genauer Verfolgung der Furchen der Haut leicht über- zeugt (Fig. 1). Ferner hat er nicht bemerkt, dass von dem Stigma ein ventralwärts absteigender Haupttracheenstamm ausgeht (Figg. lu. 2a.tr). Da dieser ziemlich gerade abwärts zieht, so ist er in der Regel nur u A en Ze Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 79 bei seitlicher Betrachtung des Thieres zu erkennen. Bei Beobachtung von der dorsalen oder ventralen Fläche sieht man ihn nur dann, wenn die Mandibeln durch den Druck des Deckglases stark nach vorn ge- sedrückt sind und das Rohr in Folge dessen gestreckt ist (Fig. 2). Aus diesem Grunde mag ÜLAPAREDE auf dasselbe nicht aufmerksam seworden sein. Auch Voss, der (44, p. 617) eine kurze Beschreibung und Fig. 5 eine Abbildung des Tracheensystems giebt, hat es nicht gesehen. DONNADIEU schreibt (p. 89): »Les trones forment, autour de ce stigmate, d’abord un faisceau unique qui se dirige en bas«, und bildet dies für Tetranychus telarıus in seiner Fig. 79 ab. Während er ein Bündel erwähnt, sehe ich jedoch nur ein einziges, weites Rohr, aus dem dann weiterhin erst die einzelnen Tracheen ent- springen. Im Übrigen ist DonxApızu’s Figur durchaus unbrauchbar. An seinem Ende — welches nur wenig hinter dem Stigma, aber unterhalb desselben liegt, so dass es bei Betrachtung von der Dorsal- seite für das Auge leicht mit diesem zusammenfließt — gabelt sich das Rohr in zwei, bogenförmig nach beiden Seiten aus einander weichende Tracheenbündel, welche den Körper bis zu seinem Hinter- ende durchziehen (Fig. 2 ir.v). Auch nach vorn und dorsalwärts gehen Tracheen ab. Der allgemeine Verlauf dieser Tracheenstämme ist von ÜLAPAREDE durchaus richtig abgebildet. Er sowohl wie DONNADIEU und Voss sahen auch die in die Gliedmaßen eintretenden Tracheenäste. Außerdem geht vom Stigma aus nach vorn ein. Paar mit star- ker Chitinwandung versehener, mehrfach gebogener Röhren, welche sanz innerhalb der feinen, die Mandibeln bedeckenden Haut liegen (Figg. 1 u. 2 v.tr). Zunächst verlaufen dieselben, erst wenig, dann stärker divergirend, nach vorn, biegen dann seitlich um, gehen bis zum seitlichen Rande der Mundröhre und endigen mit einem median- und aufwärts gebogenen Endabschnitt. Da ich diese eigenthümlichen, durch ihre starke Chitinwandung ausgezeichneten Gebilde mehr- fach lufthaltig fand, so sehe ich — mit CLAPAREDE — in ihnen ein vorderes Tracheenpaar, wobei allerdings die Thatsache auffällig bleibt, dass gerade dieser Theil des Körpers mit so besonders stark- wandigen und weiten Tracheen versehen ist. Diese Röhren sind es wohl, die Kramer als »Chitinleistenring« bezeichnet. DONNADIEU hält dieselben wunderlicher Weise für steife, eylindrische Haare (poils epais, eylindriques) und bildet deren für Tetranychus telarius sogar vier ab. TARGIONI-TozzErTTI vermuthete, dass es Tracheen seien, fand sie jedoch stets luftleer, was vielleicht in seiner Konser- virungsmethode begründet war. 80 Reinold v. Hanstein, DonnADIEu betont das außerordentlich schnelle Entweichen der Luft aus den Tracheen bei Tetranychen, die in einer Flüssigkeit ein- geschlossen sind. Hieraus erwächst für die Beobachtung eine Schwierigkeit, da mit dem Entweichen der Luft die feinen Tracheen unsichtbar werden. Auch ich habe an Thieren, die mit heißem Wasser abgetödtet und nach der Fixirung in Alkohol aufbewahrt wurden, außer dem abwärts verlaufenden Hauptstamm und den bei- den vom Stigma aus nach vorn ziehenden Röhren nie etwas von Tracheen entdecken können. Dagegen trat das ganze Luftröhren- system außerordentlich klar hervor, wenn die Thiere lebend in Glycerin gesetzt und in diesem direkt beobachtet wurden. Im Gegen- satz zu der Angabe DonnADıEu’s, dass die Tracheen schon während der Zeit, die er zum Aufsetzen der Zeichenkamera gebrauchte, un- sichtbar geworden seien, habe ich an derartig behandelten Präparaten die durch die eingeschlossene Luft schwarz erscheinenden Tracheen zuweilen noch nach Wochen gut beobachten können. Andererseits bewirken die durch das Glycerin oft herbeigeführten Kontraktionen häufig eine Verlagerung, namentlich der feineren Röhren. Einen Spiralfaden — wie DONNADIEU ihn in seinen Figuren ab- bildet — habe ich nicht gesehen. Sollte DOnNADIEU sich durch die Furchen der darüber liegenden Haut haben täuschen lassen? 3. Muskulatur. In Bezug auf Bau und Anordnung der Muskeln sind meine Be- obachtungen noch nicht abgeschlossen und ich beschränke mich da- her auf einige Bemerkungen. Die Darstellung, die DoxnADIEu von der Muskulatur der Tetra- nychen giebt, ist durchaus oberflächlich. Er hat überhaupt nur in den Beinen und Mundtheilen Muskeln bemerkt, im Inneren des Rumpfes dagegen keine. Er nimmt an, dass die inneren Organe sich ver- möge der Kontraktilität ihrer Gewebe bewegen. »Je crois que les mouvements des organes internes sont dus aux proprietes de con- traction que possedent les tissus qui les constituent« (p. 91). Auch seine Zeichnung des Muskelverlaufs in den Beinen (Fig. 80) ist völlig unrichtig. Zum Theil mögen die unzutreffenden Ängaben DOoNNADIEU’sS sich dadurch erklären, dass er keine geeignete Konservirungsflüssigkeit für diese Thiere kannte. Individuen, die mit PERExYI'scher Flüssig- keit oder mit Sublimat fixirt waren, ließen die Muskeln stets sehr gut erkennen. Namentlich Sublimat konservirt die Muskelstruktur gut. Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 81 Die Anordnung der innerhalb des Rumpfes gelegenen Muskeln erinnert an die Darstellung, die KrAumEr (23) von Hlalarachne Halichoeri, NALEPA (33) von Trichodactylus und WINKLER (46) von verschiedenen Gamasiden gegeben hat. Nur finde ich bei Teira- nychus statt der einen von KrAMER als Endothorakalskelett be- zeichneten Sehnenplatte jederseits nahe der Ventralfläche eine kleinere Sehnenplatte, aus welcher ein Theil der Hüftmuskeln ent- springt (Fig. 3 s.pl). Dieselbe liegt zwischen dem zweiten und dritten Beinpaar. Aus ihr geht ein Theil der Hüftmuskeln der drei ersten Beinpaare hervor, während je eine Muskelgruppe der Hüft- slieder des dritten und vierten Beinpaares ihren gemeinsamen Ur- sprung weiter hinten nehmen. Von derselben Sehnenplatte geht ein nach vorn, zu den Mundtheilen und ein nach hinten verlaufendes Muskelbündel aus, während zwischen dem zweiten und dritten Bein- paar ein Muskel zur Dorsalseite aufwärts steigt (Fig. 3 s.m). Die stärkeren Muskeln lassen — wie ich der gegentheiligen Angabe DoNxnaADIEU’s gegenüber feststellen kann — deutliche Querstreifung erkennen. Die Querstreifen sind bei scharfer Einstellung sehr gut von den oberflächlichen Hautfurchen zu unterscheiden, schon wegen ihres viel größeren Abstandes von einander. Ob auch die Körper- muskeln (Fig. 3 v.m und A.m) quergestreift sind, habe ich noch nicht deutlich erkannt !. Eins der von mir beobachteten Individuen ließ auch an der Dor- salseite dieht unter der Haut verlaufende Muskelbündel erkennen. Bei seitlicher Lage sieht man, dass außer dem einen oben erwähnten dorsoventralen Muskelbündel deren noch zwei oder drei weitere, weiter hinten gelegene vorhanden sind, doch lässt sich der Verlauf derselben an den unverletzten Thieren wegen ihres undurchsich- tigen Darminhaltes nicht genauer verfolgen. Zur völligen Klarlegung dieser Verhältnisse bedarf es des Studiums von Schnitten. Ich be- schränke mich daher für jetzt auf vorstehende kurze Angaben. IV. Biologisches. 1. Äußere Entwicklung vom Ei bis zum Eintritt der Geschlechtsreife. Auffallenderweise hat keiner der Beobachter, welche den Spinn- milben ihr Interesse zugewandt haben, den Entwicklungsgang der-. selben ganz verfolgt. Zwar hatten die älteren Autoren schon ver- 1 Vgl. hierzu das, was NALEPA (33, II, p- 11) über die Muskelstruktur der Tyroglyphen mittheilt. ® Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 6 82 | Reinold v. Hanstein. einzelte, treffende Beobachtungen gemacht. Hermann (18, p. 42 fand auf Lindenblättern verschieden große Individuen seines Trom- bidium tiliarum, er sah auch abgestreifte Häute von verschiedener Größe, sowie kleine, durchsichtige kugelige Körperchen, welche »pourraient bien &tre les oeufs de ces insectes«. Durour (9, p. 283) schloss aus den abgestreiften Häuten auf das Vorkommen von Häu- tungen bei Tetranychus lintearius. GACHET beobachtete bereits, dass aus den Eiern von Tetranychus telarius sechs Tage nach der Ab- lage die Larven ausschlüpften, wobei die Eischale in zwei Hälften ge- spalten wurde (12, p. 307). Er ist der Erste, der gesehen hat, dass die Larven” dieser Thiere sechsfüßig sind, dass ihr Körper kugelig ist und noch keine seitlichen Flecken besitzt. Er glaubt, dass es das dritte Beinpaar ist, welches sich zuletzt entwickelt. Bei Tetra- nychus lintearius (13, p. 397) gelang es ihm nur einmal, und zwar in sehr vorgerückter Jahreszeit, ein Ei bis zum Ausschlüpfen der Larve zu beobachten. Die Embryonalentwicklung nahm in diesem Falle 18 Tage in Anspruch, ein Ergebnis, dessen allgemeine Gültigkeit ihm selbst zweifelhaft erschien. Er fand die Eihülle sehr leicht ver- letzlich. Die Beobachtung sehr kleiner achtfüßiger Individuen ließ ihn schließen, dass die Entwicklung des vierten Fußpaares sehr früh erfolgt. — Duszks (10, I, p. 27) kannte bereits von verschiedenen Tetranychus-Arten die Eier und die sechsfüßigen Larven, deren schwerfälligere Bewegung ihm nicht entgangen ist. Er giebt an, dass die Tetranychen stets nur ein Ei auf einmal zur Entwicklung bringen und führt die größere Zahl der Eier des Trombidium longipes Hermann mit unter den Gründen an, die ihn über die Zugehörig- keit dieser Species zur Gattung Tetranychus zweifelhaft machen (10, I, p. 29); im weiteren Verlaufe seiner Studien lernte er allerdings noch andere Tetranychen mit größerer Eierzahl kennen (10, I, p.97—58). Bei Tetranychus cristatus beobachtete er, dass der Entwicklung der reifen, achtfüßigen Milben ein unbewegliches, »Nymphenstadium« vorausgeht, und er vermuthet dasselbe — ohne es jedoch beobachtet zu haben — auch für Tetranychus telarius (10, I, p. 27). Diesen — abgesehen von der irrthümlichen Angabe DusEs’ über die Zahl der gleichzeitig abgelegten Eier — durchweg richtigen Be- obachtungen haben die späteren Autoren — wiederum mit Ausnahme ÜLAPAREDE’S — wenig hinzugefügt. WEBER (45, p. 35) giebt an, dass er in zerquetschten Weibchen stets nur ein Ei fand und vermuthet, dass sie auch nur eins auf ein- mal ablegen. Von den Milben im Allgemeinen sagt er (p. 25), dass Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf.- 83 befruchtete Weibehen »hinter einander bis zu 50 Eier legen, und zwar in der Regel täglich eins. Die Verwandlung betreffend, vermuthet er, dass nach der ersten Häutung das vierte Fußpaar entwickelt sei. Pag. 35 sagt er, man »vermuthe«, dass die Larven nach dem Laubfall sich unter Steine zurückziehen, um dort zu überwintern. Im Übrigen geht seine Kenntnis von der Entwicklung dieser Thiere nicht über das von Dusks Angegebene hinaus. SCHEUTEN’S (39, p. 109) Angaben, betreffend die angebliche Ent- wicklung seines Flexipalpus tiliae aus Phytopten, wurden bereits oben erörtert. AMERLING’s Arbeit (1) über »die ersten Stände und die Partheno- senese des Tetranychus telaurius« enthält, wie bereits oben gesagt, über das in ihrem Titel bezeichnete Thema nichts, bis auf die un- richtige Behauptung, dass die aus den Eiern »ausgebrüteten« Milben sich »sogleich als fast fertig gebildete Imagines darstellen«. FLaAcH, der den durch die Körperwand durchschimmernden Darm- inhalt für den Eierstock mit Eiern hält und an anderer Stelle an- giebt, die Eier nicht sicher von Uredosporen unterscheiden zu können (11, p. 14), erwähnt die sechsfüßigen Larven und spricht gleichfalls ohne nähere Begründung die Vermuthung aus, dass das dritte Bein- paar es sei, welches sich zuletzt entwickelt. Lucas (28, p. 743) erwähnt die sechsfüßigen Larven des Tetra- nychus Iintearius, von denen er glaubt, dass sie erst nach mehreren Häutungen achtfüßig werden. CLAPAREDE (6, p. 485) fand den Durchmesser der Eier von Tetra- nychus telarıius — 105 u. Er studirte die Embryonalentwicklung von der Bildung der Keimhaut bis zur Ausbildung der sechsfüßigen Larve und stellte dabei des Fehlen eines Deutovums fest. Er hat das Aus- schlüpfen der Larve nicht beobachtet, auch die weitere postembryo- nale Entwicklung nicht verfolgt. DOoNNADIEU giebt an ‘8, p. 104), dass ein Weibchen nach ein- maliger Befruchtung 12—15 Eier nach einander zu legen vermöge, dass diese Zahl jedoch speeifischen und individuellen Schwankungen unterliege. Er beschreibt den Akt der Eiablage und hebt hervor, dass die Schale des Eies nicht, wie Dusks und ULAPAREDE angäben, kalkig, sondern chitinös sei. (Hier muss ein Missverständnis von Seiten DONNaDIEU’s vorliegen, ich habe bei keinem der beiden ge- nannten Autoren eine solche Angabe gefunden.) Die Eier seien durch eine »couche gelatineuse<, welche an der Luft erstarre, an der Unter- lage befestigt. Er zeichnet das Ei von Teiranychus telarius oval 6* 84 Reinold v. Hanstein, (Pl. X, Fig. 87), während es kugelförmig ist, giebt auch in dieser Zeichnung die Lage des Embryos im Ei, sowie die Stelle, an welcher das Ei sich spaltet, unrichtig wieder. Auch seine wenigen Bemer- kungen über die Embryonalentwicklung stehen eben so, wie die zu- gehörigen Zeichnungen an Klarheit wesentlich hinter den älteren An- gaben ULAPAREDE’S zurück. Das Ausschlüpfen aus dem Ei scheint DONNADIEU nicht selbst beobachtet zu haben, da er sich hier (p. 125) auf eine Angabe GuInarv’s beruft. Er schreibt ferner, dass die Tetranychen nach dem Ausschlüpfen zunächst nur die zwei vorderen Gliedmaßenpaare zu bewegen vermögen, während die Bewegungen des dritten Paares zuweilen erst nach einer Stunde oder noch später beginnen. Er bezeichnet dies als »tetrapodisme physiologique«. Über die weitere Entwicklung sagt er nur, dass sie »apr&s plusieurs mues, qui permettent a l’Acarien de grossir« achtfüßig werden. Für die von ihm Brevipalpus spinosus genannte Art giebt er an, dass sie ihre volle Größe als sechsfüßige Larve erreiche, »la formation de l’adulte octopode parait correspondre A la derniere mue« (p. 146); ferner: be- richtet er über seine Gattung Tetranychus: »la larve ... se developpe rapidement et devient octopode au moment de la derniere mue«. Er beschreibt das Hervorwachsen des vierten Fußpaares aus kleinen Knospen und das schließliche Ausschlüpfen der Milben aus der Larven- haut. Von den verschiedenen Ruhestadien scheint er nichts bemerkt zu haben, was um so auffälliger ist, als er eine Species (Tenwipalpus glaber) jm Momente der Häutung abbildet. Für seine Gattung Terui- palpus beschreibt er das Abheben der Haut vom Larvenkörper, die Bildung eines Zwischenraumes zwischen Körper und Haut — Alles Erscheinungen, welche bei Tetranychus in die Zeit der Ruhestadien fallen (s. u.), von denen DONNADIEU nichts erwähnt. Ich kenne die von ihm Zenurpalpus genannte Gattung aus eigener Anschauung bis- her nicht. Es wäre ja denkbar, dass bei dieser Gattung ein völliges Ruhestadium nicht existirt, ähnlich wie WINKLER (46, p. 34) das für gewisse Gamasiden angiebt. In Anbetracht der vielen Ungenanig- keiten, welche die Doxnapızu’sche Arbeit enthält, bedarf dies aber jedenfalls noch der Nachprüfung. Den größten Theil des der Meta- morphose der Tetranychen gewidmeten Abschnittes nimmt bei DoxnA- DIEU die Schilderung der angeblichen Verwandlung der Phytopten in Tetranychus-ähnliche achtfüßige Milben ein. Vgl. darüber das in der Einleitung Gesagte. Neuere auf die postembryonale Entwicklung von Tetranychus be- zügliche Arbeiten sind mir nicht bekannt geworden. Dagegen geht Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 85 aus den Mittheilungen von Tnomas über die verwandte Gattung Bryobia Koch (41, 42) hervor, dass aus den im Juni in Rindenspalten der Stachelbeeren abgelegten, überwinternden Eiern im nächsten Frühjahr zur Zeit des Laubausbruches kleine sechsbeinige rothe Larven aus- schlüpfen, welche sofort die Blattspitzen der: Laubknospen an den höchsten Trieben der Nährpflanze aufsuchen, sich später in achtfüßige Nymphen verwandeln und sich vor dem Eintritt der Geschlechtsreife noch einmal häuten. TuomAas hat die Entwicklung nicht ununter- brochen beobachtet, gerade während der Entwicklungszeit im April war er zeitweilig verreist und es ist daher möglich, dass ihm noch eine Häutung sowie die dazwischenliegenden eventuellen Ruhestadien ! entgangen sind. Im Gegensatz zu dem, was über Tetranychus weiter unten mitzutheilen sein wird, scheint Bryodia nur eine Generation in jedem Jahr zur Entwicklung zu bringen. Es zeigt dies wieder, wie sehr man’ sich namentlich in Bezug auf die Biologie dieser Thiere vor Verallgemeinerungen in einem einzelnen Falle gewonnener Re- sultate zu hüten hat. Da nun die Zahl der Milben, deren völliger Entwicklungsgang vom Ei bis zum Prosopon bisher beobachtet wurde, noch nicht sehr groß ist2, so sei im Folgenden die Entwicklung von Tetranychus telarıus und Tetranychus althaeae etwas eingehender geschildert. Vorausgeschickt sei, dass ich die Entwicklung der letzteren Art wiederholt an ein und demselben isolirten Individuum von der Eiablage bis zum Be- sattungsakt direkt beobachtet und dass ich von Tetranychus telarius nicht nur die ganze, entsprechende Reihe der Entwicklungsstufen häufig in meinen Kulturen, wie im Freien angetroffen, sondern auch bei dieser Art den Übergang aus einem Stadium in das nächste u. s. f. wiederholt verfolgt habe, wenn es mir hier auch zufällig niemals ge- lungen ist, die ganze Serie der Umwandlungen an einem Indi- viduum zu beobachten. Immerhin setzen mich meine durch mehrere Monate fortgesetzten Beobachtungen in den Stand, die — sowohl in Bezug auf die Zahl der durchlaufenen Stadien als auf die Entwick- lungszeit — völlig gleiche Entwicklung beider Arten auf das Be- stimmteste betonen zu können. 1 Inzwischen habe ich (April 1901) bei einer im Moose lebenden Bryobia ruhende Chrysalliden, und zwar sowohl sechs- als achtfüßige, gefunden. 2 Vgl. die Zusammenstellungen des bis dato Bekannten bei HEnkına (17) und KRAMER (24). 86 | Reinold v. Hanstein. Die ganze Entwicklung der Tetranychen kennzeichnet sich, der anderer Milben gegenüber, durch ihren sehr raschen Verlauf. Die ersten Eier von Tetranychus telarius fand ich in der ersten Hälfte des Mai. Von Mitte Mai an bis in die zweite Hälfte des Sep- tember hinein findet man auf stark von Milben besetzten Blättern stets auch sehr zahlreiche Eier, oft mehrere Hundert auf einem Blatt. Später werden sie spärlicher, doch habe ich während der sehr milden Herbstwochen des verflossenen Jahres bis in den November hinein noch Eier dieser Art auf Lindenblättern angetroffen. Diese Eier ent- wickeln sich allerdings wahrscheinlich nieht mehr. Wenigstens waren Eier, welche ich am 28. Oktober im Freien fand und zu weiterer Beobachtung auf meiner offenen Veranda aufbewahrte, nach drei Wochen noch unverändert. Da um diese Zeit längst alle Linden ent- laubt waren, so wäre also eine Entwicklung unter den natürlichen Verhältnissen unmöglich gewesen. In meinem Arbeitszimmer schlüpf- ten noch Anfang November einige Larven aus. — Ein Milbenweibehen legt in wenigen Tagen eine größere Anzahl von Eiern. Ein von mir gefangenes Thier, welches sehr wahrschein- lich bereits vor Kurzem sechs Eier gelegt hatte — das Thier war un- bemerkt in ein Beobachtungsgefäß gelangt, in welchem sich nur Larven befanden, und ich fand mit ihm zugleich dort sechs frisch gelegte Eier, welche einige Tage vorher noch nicht da waren — legte innerhalb der nächsten fünf Tage 26, ein anderes, welches ich von einem Blatt nahm, auf dem eine Anzahl von Milben spinnend und Eier legend umherliefen, legte innerhalb 4 '/, Tagen 28 Eier ab. Auch in diesem Falle hatte das Thier wahrscheinlich schon vorher Eier gelegt. Beide gehörten der Species Tetranyrhus althaeae an. Für Tetranychus telarius finde ich in meinen Aufzeichnungen die Notiz, dass »mehrere« Weib- chen in einem Falle 15, in einem anderen 26 Eier innerhalb dreier Tage ablegten. Die Eier beider Species haben durchaus gleiche Größe, ihr Durchmesser beträgt 120 u. Sie sehen zu Anfang weiß aus, färben sich aber — in dem Maße, wie der Embryo sich ent- wickelt — dunkler, gelblich bis bräunlich. Am Tage vor dem Aus- schlüpfen sind bereits deutlich die rothen. Augen durch die Eischale hindurch zu erkennen. Die Larven schlüpfen im Juli durchschnittlich nach fünf bis sechs, seltener sieben Tagen aus. In einem Falle (Teira- nychus althaeae) sah ich eine Larve bereits vor Ablauf des fünften Tages ausschlüpfen. Dabei spaltet sich, wie schon GACHET sah, die Eischale in zwei fast ganz getrennte Hälften. In den meisten Fällen sah ich den Rücken des Thieres mit seinem Haarbesatz zuerst hervor- Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 87 treten, später arbeiteten sich die Beine mit dem Vorderkörper heraus, jedoch kam in einigen anderen Fällen auch das Vorderende zuerst zum Vorschein. Der ganze Process des Ausschlüpfens nimmt nur wenige (fünf bis zehn) Minuten in Anspruch. Niemals sah ich bei dieser Ge- legenheit etwas, das einem Apoderma verglichen werden könnte. Ich habe die leeren Schalen jedes Mal sehr genau betrachtet, aber nie die geringste Spur einer zweiten Haut entdecken können. CLAPAREDE hat also durchaus mit Recht das Vorkommen eines Deutovum bei Tetranychus in Abrede gestellt. Es fehlt demnach in der Entwicklung dieser Thiere das Stadium, welches CLAPAREDE bei Atax als Deuto- vum, HenkınG bei Trombidium als Schadonophanstadium bezeichnete. Es sei noch bemerkt, dass die Dauer der Embryonalentwieklung innerhalb gewisser Grenzen individuellen Schwankungen unterliegt. So schlüpfte von vier am 29. Juli zwischen 1" und 5" p. m. abgelegten Eiern (Tetranychus althaeae), das erste am 2., zwei weitere am 9., das vierte erst am 9. August aus; von sechs am 1. August gelegten Eiern desselben Weibchens war das erste schon am 5., vier weitere am 7. und das letzte erst am 8. August entwickelt. Dennoch scheinen sich gleichzeitig abgelegte Eier im Allgemeinen auch ziemlich gleich- mäßig zu entwickeln. So beobachtete ich am 20. Juli, dass von einer größeren Anzahl zur Beobachtung zurückgelegter Eier (Tetranychus telarius) der weitaus größte Theil innerhalb einer Stunde ausschlüpfte. Zuweilen bleibt die ausgeschlüpfte Larve eine Weile ruhig in der Nähe der leeren, irisirenden Eihüllen liegen, oft aber läuft sie direkt lebhaft auf dem Blatte umher. Von dem »physiologischen Tetrapodismus« DoxvadiıEu’s habe ich dabei nie etwas bemerkt. Stets wurden von Anfang an, schon während des Ausschlüpfens, alle Beine bewegt. Dagegen ist die Bewegung der Larven wegen des Fehlens des vierten Beinpaares etwas schwerfällig (»marchant avec lenteur«, Duezs 10, I, p. 27), so dass man sie schon am Gange leicht von den _ jungen achtfüßigen Nymphen unterscheidet. Ihre Farbe ist gelblich- weiß, ihre Gestalt ist wegen ihrer Kürze und starken Rückenwölbung fast halbkugelig. Sie beginnen alsbald Nahrung aufzunehmen und lassen bald — zuweilen schon nach einer Stunde — die charakteristi- schen, durch durchschimmernden Darminhalt hervorgerufenen dunkeln Seitenflecke erkennen. Die Länge der eben ausgeschlüpften Larven beträgt bei Tetranychus althaeae 160—165, bei Tetranychus telartus 150 u (Fig. 4). Im Lauf der Entwicklung wachsen sie bis zu 190 — 210 bezw. 180— 200 u heran. Dies Larvenstadium ist im Juli meist nur von etwa eintägiger 38 Reinold v. Hanstein, Dauer. 24 Stunden nach dem Ausschlüpfen waren die Larven meist in das erste Ruhestadium eingetreten. In diesem — von Ducäs als »nymphe immobile« bezeichneten — Stadium liegen die Thiere absolut ruhig und werden auch durch über sie hinweglaufende andere Milben in keiner Weise gestört. Die Vorderbeine werden dabei fast stets in charakteristischer Weise umgebogen, die Hinterbeine dagegen in eigen- thümlicher, durch Zeichnung besser als durch Beschreibung wiederzu- sebender Weise gehalten (Fig. 5). Vor Eintritt dieses Stadiums halten sich die Thiere in der Regel schon längere Zeit ruhig an ihrem Platz, einzelne Beine langsam bewegend. Zunächst zeigt sich keine wesentliche Ver- änderung, später hebt sich die Haut allenthalben von der Körperober- fläche ab. Die eingeschlossene Luft verleiht dann dem Thier bei Beob- achtung in auffallendem Licht ein eigenthümlich glänzendes Aussehen. Dies Stadium entspricht dem von HExkIng als Nymphochrysallis bezeichneten Entwicklungsstadium von Trombidium fuliginosum. Wiederum nach etwa 24—36 Stunden erfolgt das Abstreifen der Larvenhaut. Diese bekommt einen Riss quer über den Rücken zwischen dem zweiten und dritten Beinpaar und die achtfüßige Nymphe schlüpft, in der Regel rückwärts, heraus. Den hinteren Theil der Haut mittels des Hinterleibes rückwärts schiebend, zieht das Thier Füße und Vorder- leib aus dem vorderen Theil derselben hervor und kriecht meist gleich von dannen. Der dem Hinterleib kappenförmig aufsitzende Hauttheil wird oft noch eine Weile mit herumgetragen, während der vordere, die leeren Hüllen der Mundtheile und die zwei vorderen Beinpaare tragende Theil am Ort liegen bleibt. Auch hier konnte ich mich deutlich von dem Fehlen eines Apoderma überzeugen. Ein Nymphophanstadium im Sinne HEnkındG’s existirt nicht. Die Nymphe, die sich von der Larve durch gestrecktere Gestalt auszeichnet, läuft munter umher, nimmt Nahrung auf und wächst in den nächsten ein bis zwei Tagen zu 270 u (Tetranychus althaeae) bezw. 260 u (Tetranychus telarius) heran. Nun folgt ein zweites Ruhestadium, welches in ganz derselben Weise verläuft, wie das erste. Es entspricht dies, wie sich aus dem Folgenden ergiebt, nicht dem Teleiochrysallis- stadium Henkıne’s, sondern es ist vielmehr dem zweiten Häutungs- stadium der Gamasiden, Sarcoptiden, Tyroglyphiden und Demodiciden zu vergleichen. Ich schlage für dasselbe die Bezeichnung Deutochry- sallis vor. Aus dieser, zuletzt 280—285 u messenden Chrysallide geht nämlich nach ein bis zwei Tagen wiederum eine Nymphe, die Deutonymphe, hervor, welche nach abermaligem Verlauf von ein bis zwei Tagen zur ruhenden Teleiochrysallis wird. Aus dieser, Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 89 die sich von der ersten achtfüßigen Chrysallis äußerlich nur durch ihre beträchtlichere Größe unterscheidet, schlüpft dann nach wiederum etwa gleichem Zeitverlauf das geschlechtsreife Prosopon aus. Auch vor dem Ausschlüpfen der Deutonymphe und des Prosopon bildet sich kein Apoderma. Die in der Entwicklung dieser Thiere uns begegnenden drei ruhen- den Chrysallisstadien dauern also nur sehr kurze Zeit, während des Hochsommers einen bis höchstens zwei Tage. Es sind aber nicht einfache Häutungen, sondern sie sind in ähnlicher Weise mit theil- weisen Rück- und Neubildungen verbunden, wie dies bei den ent- sprechenden Ruhestadien anderer Milben beobachtet wurde. Die inneren Organe — mit. Ausnahme der Geschlechtsorgane — scheinen von diesen Umwandlungsprocessen wenig berührt zu werden, die Gliedmaßen jedoch werden neu gebildet. Bei der großen Mehrzahl der hierauf von mir untersuchten Chrysalliden waren die Häute der Hinterbeine leer, während die proximalen Glieder der Vorderbeine noch Reste der Gliedmaßen umschlossen, in welchen zum Theil noch Muskelfasern zu erkennen waren. Auch für Trombidium fuliginosum giebt Henkıne (17, p. 639) an, dass »die Mundtheile und das erste Beinpaar zuletzt entleert werden«. Die Neubildung der Gliedmaßen genauer zu verfolgen, ist bei Beobachtung des ganzen Thieres nicht möglich. Ich kann daher einstweilen nichts darüber mittheilen. Unmittelbar nach dem Ausschlüpfen des Prosopon erfolgt die Begattung. Die Begattung wird von DonnADıEU, dem Einzigen, der sie bis- her beobachtet zu haben scheint, folgendermaßen geschildert: »Les deux animaux se placent en sens invers, comme cela a lieu chez les Tyroglyphes et d’autres Acariens. Le mäle grimpe sur le dos de la femelle, puis il en redescend et vient placer son extremite penienne contre l’ouverture cloacale de la femelle. Il recourbe vers le haut V’extremite inferieure de son corps et introduit son penis dans la vulve de la femelle pendant que celle-ci s’efforce de la rabaisser vers la partie inferieure; la femelle se tient fortement soulevee sur ses pieds; les rostres des deux animaux sont tenus horizontaux; celui des mäles est m@me souvent releve vers le haut. Le temps de la copulation est assez long.« (p. 104.) Von älteren Beobachtern macht nur Dueszs (10, I, p. 27) eine auf die Begattung bezügliche Angabe: »On peut prendre pour les mäles les individus de petite taille, mais ä huit pieds et de forme un peu plus ramassee, de couleur plus verdätre que les grands, sur les dos 90 | Reinold v. Hanstein. desquels nous les avons vu plus d’une fois montes pour operer l’aceouplement.< Nun hat schon CLAPAREDE aus der unbestimmten Ausdrucksweise »on peut prendre« den Schluss gezogen, dass Dus&s die Begattung nicht direkt beobachtet habe, und des Weiteren nach- gewiesen, dass die von Dugzs für Männchen gehaltenen Thiere gar keine Männchen, sondern weibliche Larven waren. Dass Dusks aber trotz dieses Irrthums schärfer und genauer beobachtet hat als DoxnA- DIEU, geht aus folgender Angabe über die Begattung von Tetranychus cristatus hervor: »il [nämlich das Männchen] m’a paru se placer sous la femelle! dans l’accouplement et s’acerocher ä son dos ä l’aide de ses longues pattes repliees<«. Ja die gleich darauf folgende Be- merkung: »les mäles semblaient souvent couver les nymphes immo- biles, comme s’ils eussent attendu l’eelosion d’une femelle pour s’en emparer aussitöt« beweist, dass er bereits auf einen der seltsamsten Züge in der Biologie dieser kleinen Milben aufmerksam geworden war. Ich habe die Begattung bei Tetranychus althaeae und bei Te- tranychus telarius wiederholt genau beobachtet und stets gesehen, dass das Männchen, den Kopf voran, von hinten her unter das Weibchen kriecht, dabei den Hinterleib desselben erhebt und nun das Hinterende seines Körpers nach oben und vorn herumkrümmt und der Vulva nähert. Es wird nun offenbar der Penis in letztere eingeführt, beobachten lässt sich das jedoch nicht, da der darüber liegende Körper des Weibcehens die beiderseitigen Genitalien ver- deckt. Von einer entgegengesetzten Stellung beider Thiere, wie sie DonnavıIsu erwähnt, habe ich nie etwas bemerkt, dagegen stimmen meine Beobachtungen mit dem, was DusGEs für Tetranychus eristatus angiebt, durchaus überein, nur mit der Ausnahme, dass in den von mir beobachteten Fällen stets beide Thiere mit allen vier Beinpaaren fest auf dem Blatte standen. Ein Umklammern des Weibchens mittels der Hinterbeine habe ich nie beobachtet. Die Begattung währte stets — entgegen der angeführten Angabe DoxnApIzEu’s — nur kurze Zeit. Nie dauerte sie länger als fünf Minuten. Darauf trennten sich beide Thiere. Nur in einem Falle, in welchem die Copulation sogar nur zwei Minuten gedauert hatte, sah ich, dass das Männchen (Tetranychus althaeae) wenige Minuten darauf den Versuch zu einer zweiten Be- gattung machte, aber das Weibchen entzog sich ihm. Sehr eigenthümlich ist es nun, dass die weiblichen Teleiochry- salliden sehr häufig von begattungslustigen Männchen bis zum Aus- i Im Original nicht gesperrt. Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 91 schlüpfen bewacht werden, und dass diese im Augenblicke des Ab- streifens der Haut sofort zur Begattung schreiten. Was Duseks ver- muthungsweise für Tetranychus eristatus angiebt, habe ich bei beiden hier besprochenen Arten so häufig beobachtet, dass ich es für ein normales Vorkommen halten muss. Das Männchen liegt in der Regel mit dem Vorderkörper und den zwei ersten Beinpaaren über der Chrysallis und verharrt, ohne wesentliche Veränderung, stunden-, ja tagelang in dieser Lage. An isolirten derartigen Paaren beobachtete ich, dass das Männchen in einem Falle 35, in einem anderen 49, in einem dritten Falle (Ende Oktober, in welcher Zeit die Entwicklungs- processe langsamer verlaufen) sogar über 80 Stunden in dieser Lage ausharrte. Auf manchen Blättern fand ich eine ganze Anzahl solcher Pärchen, ja, es ist durchaus nicht selten, dass man mehrere, bis zu drei oder vier Männchen, einer einzigen weiblichen Chrysallide in dieser Weise zugesellt sieht. Gelegentlich beobachtet man wohl, dass eins das andere von seinem Platze zu drängen sucht, dann aber liegen sie wieder eine Zeit lang friedlich neben einander. Leider habe ich in keinem dieser letzteren Fälle das Ausschlüpfen des Weibchens direkt beobachtet, und kann daher nicht angeben, ob vor der Be- gattung ein Kampf der Männchen um den Vorrang stattfindet oder ob — was mir nach dem oben Mitgetheilten wenig wahrscheinlich ist — mehrere derselben nach einander zum Ziel gelangen. Dagegen habe ich die Begattung im Augenblicke nach dem Ausschlüpfen des Weibehens wiederholt beobachtet. Die Männchen lassen dem Weib- chen kaum Zeit zum Abstreifen der Haut, diesen Vorgang durch ihre beständigen Annäherungsversuche bald verzögernd, bald auch beschleunigend. DonnaDiEu schreibt (8, p. 104): »un fait important & noter consiste en ce que l’acte de fecondation ne se renouvelle pas apres chaque ponte«, und giebt an, dass ein Weibchen, ohne von Neuem begattet zu werden, 12—15 Eier zu legen im Stande sei. Hieraus scheint hervorzugehen, dass DoxnADIEU die mehrmalige Begattung eines Weibchen als Regel ansieht. Ob er direkte Beobachtungen darüber gemacht hat, geht aus seiner Darstellung nicht hervor. Ich habe eine mehrmalige Begattung nicht beobachtet, abgesehen von dem einen, oben erwähnten Falle, in welchem eine solche wenigstens seitens des Männchens versucht wurde; es liegt mir jedoch fern, das Vorkommen derselben zu bestreiten, da es ja — namentlich bei der kurzen Dauer des Begattungsaktes — immerhin mehr oder weniger von einem günstigen Zufall abhängt, ob man gerade den 99 Reinold v. Hanstein. richtigen Moment mit der Beobachtung trifft. Sichere Beobachtungen dieser Art können natürlich nur mit isolirten Weibchen angestellt werden. Wo ich solchen Weibchen, die bereits Eier gelegt hatten, Männchen beigesellte — zum Theil solche, die erst ganz kürzlich ausgeschlüpft waren, also schwerlich bereits eine Begattung vollzogen hatten, — erfolgte keine Begattung. Nur ein noch jungfräuliches, wenn auch schon fünf Tage vorher aus der letzten Nymphenhaut aus- geschlüpftes Weibchen, wurde sofort von dem hinzugesetzten Männchen begattet. Es scheint demnach, dass die noch jungfräulichen Weibehen für die Männchen irgend wie — vielleicht durch einen nur während dieser Zeit von ihnen ausgehenden Geruch — erkennbar sind. Hierbei war es von Interesse, zu beobachten, wie schnell das Männchen seinen Weg zum Weibchen fand. Auf das Blatt, in nicht zu großer Entfernung vom Weibchen gesetzt, bog es sofort in der Richtung auf dieses zu ab, und begab sich in die Begattungsstellung. Ein anderes Männchen, welches in der oben beschriebenen Weise eine weibliche Teleiochrysallis bewachte, wurde von mir mit einer Nadel leicht berührt, worauf es schnell bis auf die andere Blattfläche lief. Dies geschah um 10'!/;, Uhr Abends. Am folgenden Vormittag um 10 Uhr, also nach fast zwölf Stunden, war es noch nicht wieder zurückgekehrt. Von mir nunmehr wieder auf die andere Blattseite zurückgesetzt, lief es sofort dorthin, wo das Weibchen saß. In der unmittelbaren Nähe desselben angelangt, schien es dies gleichwohl noch nicht zu bemerken. Es betastete mit den Tastern und Vorder- beinen angelegentlich unter langsam, theils fortschreitender, theils drehender Bewegung die Blattepidermis, ohne sich jedoch wesentlich von dem Weibchen zu entfernen; es war, als würde es durch irgend etwas verhindert, sich über eine bestimmte kurze Strecke hinaus von letzterem zu entfernen. Es liegt wohl am nächsten, hier an eine Geruchsempfindung zu denken, da eine Wahrnehmung mittels der Augen sich doch offenbar in anderer Weise äußern würde, eine solche auch schon wegen der Stellung der Augen sehr unwahrschein- lich ist. Das erwähnte Thier umkreiste das Weibehen so lange, bis es in die unmittelbare Nähe ihres Hinterleibsendes gelangt war, wor- auf es sich diesem langsam näherte und die Begattung in der be- schriebenen Weise vollzog. Hier weisen nun meine Beobachtungsserien leider eine Lücke auf. Ich habe keines dieser begatteten Weibchen Eier legen sehen. An dem wirklichen Vollzuge des Begattungsaktes und an der un- sestörten Vollendung desselben kann kein Zweifel sein. Ich habe Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 03 deutlich das Aufwärtskrümmen des männlichen Abdomens, das An- drücken desselben an die Vulva beobachtet; das Verhalten der bei- den Thiere ließ über den normalen Verlauf des Aktes keinen Zweifel zu; die Trennung derselben vollzog sich in aller Ruhe, die Männchen entfernten sich darauf, noch ein paar Schritt die gekrümmte Stellung des Hinterleibes beibehaltend, und legten völlige Gleichgültigkeit dem Weibehen gegenüber an den Tag — jedenfalls ein Beweis, dass die Begattung rite vollzogen war, aber ich beobachtete mehrere dieser Weibehen über acht Tage lang, ohne dass eine Eiablage erfolgt wäre. Die Weibchen waren in dieser Zeit erheblich gewachsen ; Tetranychus telarius von 380 bis auf 360—375, Tetranychus althaeae von 405 bis auf 450 —460 u. Die betreffenden zur Beobachtung isolirten Weibchen kamen mir bedauerlicher Weise alle abhanden, bezw. gingen ein, so dass ich meine Beobachtungen nicht länger fortsetzen konnte. Immerhin erscheint schon ein Zwischenraum von mehr als acht Tagen zwischen Begattung und Eiablage in An- betracht der sonst so geringen Dauer der einzelnen Entwicklungs- stufen auffallend. Diese Beobachtungen erfolgten zwischen dem 25. August und dem 21. September, also noch in nicht allzu vor- serückter Jahreszeit, wenn man bedenkt, dass noch in den ersten Novembertagen Eier auf den Lindenblättern zu finden waren. Zwar zeigen die angegebenen Maße, dass diese Weibchen noch nicht ihre volle Größe erreicht hatten, doch habe ich im Laufe des Sommers Eier von Weibchen erhalten, die nicht größer waren, als diese. - Ich muss des Ferneren hinzufügen, dass ich die Entwicklung nur bei weiblichen Thieren durch alle die vorstehend genannten Entwick- lungsstadien verfolgt habe. Es muss also bis auf Weiteres noch da- hin gestellt bleiben, ob die — kleineren — Männchen dieselben Stadien durchlaufen, oder ob sie — entsprechend dem bei Gamasiden beobachteten Verhältnissen — ein Nymphenstadium weniger als die Weibchen durchmachen. Schließlich sei noch bemerkt, dass alle Entwicklungsvorgänge im Frühjahr und Spätsommer langsamer verlaufen, als im Hochsommer. Betrug im Juli die Dauer jedes einzelnen Stadiums durchschnittlich 1—1!/, Tage, so stieg sie bereits im August häufig bis auf zwei Tage und wurde gegen den Spätherbst hin noch länger. Bereits oben er- wähnte ich eine weibliche Teleiochrysallis, welche über drei Tage . in diesem Zustand verblieb und von einem Männchen bewacht wurde. Die Eiablage dauert, wie gesagt, bis tief in den Herbst hinein, ich fand die letzten Eier im Freien am 7. November. Da die Eier sich 94 15. Reinold v. Hanstein, jedoch, wie bereits oben ausgeführt, zu dieser Jahreszeit anscheinend nicht mehr entwickeln, so ist es möglich, dass diese vielleicht schon einige Zeit früher abgelegt waren. Verletzungen scheinen die weitere Entwicklung zu verhindern. Mehrfach beobachtete ich, dass Larven, welche beim Übertragen auf ein anderes Blattstück versehentlich verletzt wurden, noch als sechs- füßige Thiere fortlebten, wenn ihre gleichaltrigen Genossen bereits zu Nymphen geworden waren, schließlich aber vor dem Übergang in das Nymphochrysallisstadium eingingen. Wie bereits Eingangs erwähnt, zeigt sich in der vorstehend ge- schilderten Entwicklung der Tetranychiden eine bemerkenswerthe Abweichung vom Entwicklungsgange der ihnen sonst in vieler Be- ziehung nahestehenden Trombidien und Hydrachniden: Während die Milben der letztgenannten Familien, so weit die Beobachtungen reichen, zwischen der Larven- und der Imagoform nur ein achtfüßiges Nym- phenstadium durchlaufen, finden wir bei Teftranychus deren zwei, während dieser Gattung andererseits die für jene Milbenfamilien charakteristische Apoderma-Bildung abgeht. Die Entwicklung unserer Milben würde daher dem Tyroglyphentypus KrAmer’s (24, p. 14) entsprechen. Wir dürfen hierin wohl einen weiteren Beweis für die Selbständigkeit der Tetranychidenfamilie gegenüber den Trombidien, mit denen sie lange Zeit vereinigt wurde, erblicken. Weitere Schluss- folgerungen zu ziehen, scheint Angesichts unserer noch immer recht unvollständigen Kenntnis der Milbenentwicklung noch nicht an- gezeigt. 2. Herbst- und Winterleben. Bis tief in den Herbst hinein trifft man Milben spinnend und umherlaufend auf den Blättern ihrer Nährpflanzen an. Ich sah, wie gesagt, im Herbst v. J. bei ziemlich lange andauerndem, milden Wetter, welches den Laubfall verzögerte, Tetranychus telarıus in allen Entwicklungsständen sammt Eiern und Chrysalliden noch bis in den November hinein auf Lindenblättern. Selbst solche Blätter, die schon ziemlich troeken waren, und schon sehr locker saßen, wiesen noch Milben auf. Im vorhergehenden Jahre hatte ich Teira- nychus althaeae auf Althaea rosea bis tief in den December hinein vereinzelt angetroffen. Selbst nach mehreren scharfen Frostnächten, in denen die Temperatur zum Theil bis auf — 13°C. sank, traf ich auf den zum Theil von Schnee bedeckten Blättern der genannten Pflanze noch einzelne Milben, welche durch Bewegungen der Beine anzeigten, - Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 05 dass sie noch lebten. War nun unter der Schneedecke die Kälte auch natürlich nicht so groß, wie im Freien, so beweist dies Aus- dauern einzelner Milben immerhin, dass sie gegen kühle Lufttempera- turen nicht allzu empfindlich sind. Wenn wir also die große Mehr- zahl bereits weit früher im Herbst ihre Winterquartiere aufsuchen sehen, zu Zeiten, wo es ihnen auch offenbar noch keineswegs an Nahrung fehlt, so muss dies andere Gründe haben. Wo Tetranychus althaeae eigentlich den Winter verbringt, ist mir noch nicht klar geworden. Vereinzelte habe ich wohl zwischen den Blattnarben des Rhizoms gefunden, aber meist suchte ich sie hier vergebens. Auch in der Erde fand ich sie nur sehr vereinzelt, selbst nach massenhaftem Vorkommen der Thiere im Sommer; nirgends habe ich sie in solchen Mengen getroffen, wie Tetranychus telarius, obgleich ihre sehr augenfällige rothe Färbung ihr Auffinden erleichtert. Ich muss daher die Frage nach dem Winteraufenthalt dieser Thiere noch als offen betrachten. Tetranychus telarius verbringt, wie bekannt, den Winter in Rinden- spalten der Linde, bezw. unter den die Stämme bekleidenden Flechten. Duszs fand Thiere dieser Art unter Steinen und nahm an, dass sie mit dem fallenden Laube dorthin gelangt seien. Ich fand dieselben gleichfalls vielfach, und zuweilen in großen Mengen, in der Erde unmittelbar neben stark befallenen Bäumen, auch waren abgefallene, trockene Blätter oft mit sehr zahlreichen, zu vielen Hunderten zu- sammengedrängten Milben besetzt. Da sie in solchen Mengen auf den grünen Blättern nicht vorkommen, so sind diese Thiere wohl nicht mit dem fallenden Laube auf den Boden gelangt, sondern haben, am Stamm abwärts wandernd, die Erde erreicht. Der unterste Theil solcher Baumstämme ist oft gleichfalls von großen Mengen über- winternder Milben besetzt, welche nach Entfernung der umgebenden Erdschicht sichtbar werden. Die intensiv orangegelbe Färbung, welche die Thiere zu dieser Zeit besitzen (s. o.), macht solche An- sammlungen sehr auffällig. Außerdem aber bilden, wie erwähnt, geschützte Spalten und Risse der Rinde, sowie die auf den Stämmen wachsenden Moos- und Flechtenrasen bevorzugte Winterquartiere. Hier findet man sie gleichfalls, massenhaft zusammengedrängt, regungs- los liegen. Entfernt man jedoch an einem milden Herbsttage die schützende Decke, so kommt alsbald Leben in die Kolonie, erst ver- einzelt, dann immer zahlreicher beginnen sie sich zu bewegen und nach einigen Stunden ist das zerstörte Winterquartier geräumt. So unbedeutend der Schutz sein kann, den die Bedeckung durch einen 96 Reinold v. Hanstein, Flechtenthallus gewährt, so genügt derselbe den Tetranychen doch selbst bei strengster Kälte !. Bei der großen Widerstandsfähigkeit dieser Milben gegen niedere Temperaturen ist es um so bemerkenswerther, dass sie mit dem Auf- suchen der Winterquartiere bereits ziemlich früh beginnen. Das bis in den November andauernde milde Wetter des letzten Herbstes gab ausgiebige Gelegenheit zu hierauf bezüglichen Beobachtungen. Schon in den letzten Septembertagen begannen an zahlreichen Linden die kleinen, gelben Milben abwärts zu wandern, während oben noch eine reiche Laubkrone mit großentheils völlig lebensfrischen Blättern vor- handen war. Die Minimaltemperaturen sanken in dieser Zeit noch nicht auf + 10° C. herab. Bereits am 27. September fand ich eine Anzahl dieser Bäume mit dem charakteristischen, dichten, weißen Gespinst bedeckt, wel- ches — einer dünnen Eis- oder Zuckergussschicht vergleichbar — den Stämmen ein so auffälliges Aussehen verleiht und bereits viel- fach (WEBER 45, p. 20; E. TASCHENBERG 4, p. 730; RowLey 38, p. 41) beschrieben worden ist. Ein derartiges, dichtes Gewebe findet sich nur an Stämmen, welche von ganz ungemein zahlreichen Milben be- fallen waren. In anderen Fällen sind es mehr vereinzelte Fäden, zwischen denen die Thiere geschäftig umherlaufen. Zu der genannten Zeit fand ich in den erwähnten Quartieren bereits große Mengen regungslos liegender Milben. Alle diese, sowie die am Stamm um- herlaufenden Thiere waren Weibchen, und alle zeigten die orange- selbe Winterfärbung, nur in einigen, sehr seltenen Fällen beobachtete ich vereinzelte rothe Individuen. Gleichzeitig — und noch mehrere Wochen später — waren auf den Blättern derselben Bäume Eier, Larven, Nymphen und reife Milben beiderlei Geschlechts anzutreffen, welche daselbst, ganz wie im Sommer, lebten, Nahrung aufnahmen, sich begatteten und — wie die noch zahlreichen Eier bewiesen — 1 Wiederholt habe ich beobachtet, dass Milben, die bei strengster Winter- kälte nur durch ein dünnes Flechtenpolster geschützt waren, im warmen Zimmer sich alsbald zu bewegen begannen. — Einige im Herbst vorigen Jahres einge-- sammelte, von sehr zahlreichen orangegelben Milben besetzte trockene Linden- blätter, die ich auf meiner gegen Osten offenen Veranda in einem mit Erde gefüllten Blumentopf aufbewahrte, nahm ich am 7. Januar dieses Jahres, nach- dem die Temperatur seit fünf Tagen zwischen —10 und —14° C. gewesen, Nachts sogar noch tiefer gesunken war, in mein Zimmer. Bereits nach einer Stunde sah ich eine Anzahl der Milben umherkriechen. Sie hatten die strenge Kälte, nur von dem Blatt geschützt, auf dessen Unterseite sie saßen, ohne Schaden ertragen. Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 97 sich auch noch fortpflanzten. Diese Thiere besaßen größtentheils auch noch die hellgelbe oder grünliche Sommerfärbung. Etwa vierzehn Tage später hatte, bei fortgesetzt mildem, sonnigen Wetter, die Auswanderung der Milben von den Blättern auf die Stämme ihren Höhepunkt erreicht. Die Milben liefen an den mit diehten Gespinsten bedeckten Stämmen in enormen Mengen umher. Während TASCHENBERG (a. a. O.) angiebt, dass das Gespinst die Bäume auf der Sonnenseite bedecke, fand ich — wie früher schon WEBER — dasselbe stets auf der dem direkten Sonnenlicht am wenigsten ausgesetzten Seite. In einer von Ost nach West führen- den Allee fand ich die Gespinste fast ausschließlich auf der Nord- seite, nur an sehr stark befallenen Stämmen dehnten sie sich zuletzt auch auf die östliche und westliche Seite aus, während die auf der Südseite laufenden Milben vereinzelt blieben. In einer anderen, süd- nördlich verlaufenden Straße, welche nach Osten hin durch angrenzen- des Gebüsch gedeckt war, so dass wesentlich die Westseite der Bäume der Sonne ausgesetzt blieb, legten die Milben ihre Gespinste meist auf der Ostseite an. Nur auf ganz vereinzelten unter den sehr zahl- reichen, von mir daraufhin untersuchten Linden zeigten die Milben ein — wohl durch besondere lokale Bedingungen zu erklärendes — abweichendes Verhalten. Es zeigt sich hierin die auch sonst zu be- obaehtende Abneigung der Thiere gegen direktes Sonnenlicht (8. u.). Die Hauptmenge der wandernden Thiere bewegt sich abwärts, doch findet man stets auch in anderen Richtungen, selbst aufwärts wandernde Milben, deren geschäftiges Umherlaufen wohl dem weiteren Ausbau und der Vervollständigung des Gespinstes gilt. Anfangs aus einzelnen, den Stamm überziehenden Fäden bestehend, wird dasselbe, Dank der emsigen Thätigkeit der zahlreichen Mitarbeiter, dichter und dichter, im Sonnenschein durch seinen eigenthümlichen Glanz bald an die schleimigen Spuren von Schnecken, bald an eine dünne Eisschicht erinnernd, bis es zuletzt als dichter, grauer Schleier den Stamm bedeckt. Dach kommt, wie gesagt, ein s0 dichtes Gespinst nicht immer zur Entwicklung. Ich zählte auf den am stärksten befallenen Stämmen durch- schnittlich 10—15 Milben auf 1gem. Da die Stämme durchschnitt- lich 3 m hoch waren und das Gespinst den Stamm in einer Breite von etwa 50 em bedeckte, so ergab sich hieraus die Zahl von 150 000 bis 200000 gleichzeitig am Stamm umherlaufender Milben. Nimmt man hinzu, dass das Gespinst sich auch auf einen Theil der Äste erstreckte, dass auf den Blättern noch zahlreiche Milben anzutreffen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 7 98 Reinold v. Hanstein, waren, während andere Tausende bereits unbeweglich in den Winter- quartieren lagen, so kann man sich einen ungefähren Begriff von der Menge der einen einzigen Stamm bevölkernden Milben machen. Dies belebte Bild bieten die Bäume jedoch nur während der hellen Tagesstunden. Schon bei beginnender Dämmerung nimmt die Zahl der umherlaufenden Milben ab. Beleuchtet man nach Sonnen- untergang einen Baum, der wenige Stunden vorher von zahlreichen Milben wimmelte, so sieht man nur relativ wenige, unbeweglich zwischen den Gespinstfäden sitzende Thiere.. Am Morgen beginnen sie, aus der Erstarrung erwachend, langsam einzelne Beine zu be- wegen, um schließlich fortzukriechen. Nach einigen Stunden ist das Bild dasselbe wie Tags zuvor. Es sind aber aller Wahrscheinlich- keit nach nicht dieselben Thiere, die vielmehr längst ihre Winter- quartiere bezogen haben, sondern es handelt sich um einen neuen Nachschub aus der Laubkrone. Das geht namentlich daraus hervor, dass an Bäumen, die keine oder doch nur noch wenige Blätter tragen, auch keine wandernden Milben anzutreffen sind. Eine Anzahl von Linden, auf welchen am 10. November noch zahlreiche Milben um- herliefen, waren am 13., nachdem in Folge einer Frostnacht die Blätter fast alle abgefallen waren, fast ganz leer. An trüben, regnerischen Tagen sieht man keine wandernden Milben. Dass übrigens auch viele derselben den Unbilden der Witterung zum Opfer fallen, beweisen die Leichen, die man an den Gespinstfäden antrifft. Wie gesagt, waren alle die Tausende von Milben, die ich an den Stämmen und in den Winterquartieren beobachtete, ausnahmslos er- wachsene Weibchen. WEBER’s Vermuthung, dass auch Larven über- wintern, die auch Voss (44, p. 620) wiederholt, ist irrig. Nie habe ich eine Larve, eine Nymphe oder ein Männchen angetroffen. Auffallend ist der Trieb dieser überwinternden Thiere, sich massenhaft dicht an einander zu drängen. Ich legte ein trockenes, vom Erdboden neben einem Lindenstamm aufgehobenes Blatt, auf welchem Hunderte von Milben in einem dicht gedrängten Haufen lagen, am 14. Oktober auf einen frisch abgeschnittenen Lindenzweig mit grünen, von Milben fast ganz freien Blättern. Nach einiger Zeit begannen die Wintermilben, wohl durch die wärmere Zimmer- temperatur veranlasst, auf die grünen Blätter auszuwandern und sich auf diesen zu vertheilen, doch dauerte es mehrere Tage, bis das trockene Blatt so ziemlich geleert war. Statt aber nun auf den grünen Blättern umherzulaufen und Nahrung zu suchen, häuften sich Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 99 die Milben alsbald an den Nervenwinkeln des Blattgrundes von Neuem an und blieben ruhig dort sitzen. Ein Theil derselben kletterte an den Zweigen abwärts und gerieth in das Wasser, in welchem die Zweige standen. Andere mögen, am Glase abwärts wandernd, schheß- lich auf den Zimmerboden gelangt sein, kurz, die Menge verlief sich sroßentheils, wohl nach anderen Zufluchtsstätten suchend, bis auf die in den Blattwinkeln sitzenden Haufen. Einige, in kleinen ver- schlossenen Gläsern aufbewahrte Rindenstücke und Flechtenpolster, welche zahlreichen orangegelben Milben als Obdach dienten, zeigten auch nach mehrwöchentlichem Aufbewahren im Zimmer keine Ände- rung im Verhalten der Thiere.. Noch immer saßen dieselben dicht zusammengedrängt und fast unbeweglich. Es ist klar, dass ein solches Zusammenhäufen der kleinen Thiere wegen der damit verbundenen Verkleinerung der Gesammtoberfläche sowohl die Wärmeausstrahlung als auch — was bei der im Winter wohl ziemlich gleich Null zu setzenden Wärmeproduktion dieser Thiere wohl wichtiger ist — den Feuchtigkeitsverlust durch Verdunstung herabsetzen muss. Schwer verständlich erscheint es, dass eine große Anzahl dieser Milben bereits bei ganz milder Witterung und reichlich vorhandener Nahrung den Winterschlaf beginnt, während andere Thiere derselben Art noch wochenlang die Laubkrone bevölkern und dort ihrer Nah- rung und Fortpflanzung nachgehen. Es ist dies nur zu erklären, wenn wir annehmen, dass der Reiz, der das Abwärtswandern und das Aufsuchen der Winterquartiere bedingt, nicht durch niedere Tem- peratur und nicht durch Nahrungsmangel hervorgerufen wird, sondern durch gewisse Bedingungen, welche im Thier selbst liegen. Erwägt man nun, dass die überwinternden Individuen der beiden hier be- sprochenen Tetranychus- Arten durch eine von ihren übrigen Art- genossen abweichende Färbung ausgezeichnet sind, so scheint mir die Annahme gerechtfertigt, dass es ein besonderer — vielleicht durch Erreichung eines gewissen Ernährungszustandes bedingter — körper- licher Zustand ist, der die Thiere zu dieser Änderung ihrer Lebens- weise veranlasst und dass die herbstliche Veränderung der Färbung hiermit im Zusammenhang steht. Dass die zum Winterschlaf be- reiten Thiere kein Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme mehr haben, zeigt das oben geschilderte Verhalten der Milben, die ich in meinem Zimmer zur Rückwanderung auf frische Lindenblätter veranlasste. Mit dem Nahrungsbedürfnis fällt aber auch die Veranlassung zum Umherlaufen fort. Wodurch nun dieser »gesättigte« Zustand der Milben hervorgerufen wird, in wie fern er etwa mit einer durch die 7& 100 Reinold v. Hanstein., Jahreszeit bedingten Änderung ihres vegetabilischen Nährstoffes zu- sammenhängt, ist eine weitere Frage, deren Entscheidung nicht leicht sein dürfte. Jedenfalls zeigen diese Erwägungen, dass die herbst- liche Umfärbung dieser Thiere, die, so weit ich sehe, von keinem früheren Beobachter bemerkt worden ist, wegen ihres möglichen Zu- sammenhanges mit wichtigen inneren Veränderungen auch vom phy- siologischen Standpunkte aus Beachtung verdient. 3. Allgemeine Lebensbedingungen der Tetranychen. Nahrungs- aufnahme. Feinde. Drei der wichtigsten Faktoren für das Leben sind Wärme, Licht und Feuchtigkeit. Über das Verhalten der Tetranychen gegenüber niederen Temperaturen ist im vorigen Abschnitt gehandelt worden. Was im Gegensatze hierzu die höheren Wärmegrade betrifit, so scheinen die höchsten bei uns normaler Weise vorkommenden Sommer- temperaturen das Optimum für die Entwicklung dieser Thiere dar- zustellen. In der zweiten Julihälfte des vorigen Jahres, die durch andauernde starke Hitze ausgezeichnet war, in welcher die Maximal- temperaturen mehrfach 30—33° C. erreichten, während die mittlere Tagestemperatur zwischen 20 und 27° C. schwankte, beobachtete ich den schnellsten Verlauf der Entwicklung. Zuweilen gingen Larven schon einen Tag nach dem Ausschlüpfen in das Nymphochrysallis- stadium über u. s. f. | Im Allgemeinen werden die Tetranychen als lichtscheu betrachtet. Dies ist aber nur richtig, so weit es sich um direktes Sonnenlicht handelt. Gegen diffuses Tageslicht verhalten sie sich ziemlich in- different. Die Thiere halten sich aus naheliegenden Gründen mehr auf der unteren, als auf der oberen Seite der Blätter auf. Finden sie doch hier nicht nur gegen das grelle Sonnenlicht, sondern auch gegen Regen einen viel besseren Schutz. Kehrt man jedoch ein mit Milben stark besetztes Blatt um, so dass die bisherige Unterseite nach oben gekehrt ist und bewahrt es etwa in einer Glasdose an einem dem diffusen Tageslicht ausgesetzten Platze auf, so siedeln sie durch- aus nicht auf die andere Seite über, sondern die Mehrzahl lässt sich durch das Licht in keiner Weise stören, ja, sie fertigen ein die Wände, auch wohl den Deckel der Glasdose mit dem Blatt ver- bindendes Gespinst und laufen, durch das Licht unbekümmert, auf und unter demselben umher. Auch bei der Ablage der Eier ver- halten sie sich ähnlich. Von den von mir in Einzelhaft gehaltenen eierlegenden Weibchen wurden sogar mehr Eier auf der belichteten, Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 101 als auf der vom Licht abgewendeten Seite abgelegt. Ich fand Eier von Tetranychus althaeae auch z. B. auf der dem Sonnenlicht ganz frei ausgesetzten Oberseite der Früchte von Althaea rosea. Während der Nacht scheinen die Milben ruhig zu sitzen. Wenigstens fand ich die Thiere, so oft ich meine Kulturen während der dunkeln Abend- und Naehtstunden revidirte, stets in ruhender Stellung. Sie kamen jedoch, — wie ich glaube, in Folge der für die Beobachtung nothwendigen Beleuchtung — alsbald in Bewegung und begannen umherzulaufen. Dass auch das Herabwandern aus der Laubkrone in die Winterquartiere des Nachts unterbrochen wird, wurde bereits erwähnt. Andererseits scheint der Übergang aus einem Entwicklungs- stadium in das nächstfolgende eben sowohl Nachts als bei Tage statt- finden zu können, wie aus meinen Beobachtungsprotokollen hervor- seht. So beobachtete ich z. B. am 30. Juli v. J. Abends 104 10’ den Übergang einer achtfüßigen Chrysallis in das zweite Nymphen- stadium. Dass die Augen, welche außer dem karmoisinrothen Pigment noch einen. lichtbrechenden, linsenartigen Körper erkennen lassen, wirkliche Gesichtsbilder liefern, ist nach dem ganzen Verhalten der Milben sehr unwahrscheinlich. Nie gewinnt man den Eindruck, dass sie durch Gesichtseindrücke geleitet werden. Man vergleiche darüber das, was oben über das Auffinden der Weibchen seitens der Männchen mitgetheilt wurde. | Was endlich den dritten der oben genannten Faktoren, die Feuchtigkeit betrifft, so ist ein nicht zu geringes Maß der letzteren für die.Existenz der Milben unentbehrlich. Bei all meinen Zucht- und Kulturversuchen habe ich stets Trockenheit als den schlimmsten Feind dieser Thiere kennen gelernt. Namentlich in den heißen Sommerwochen war ein beständiges Feuchthalten der in den Kultur- sefäßen befindlichen Blattstücke durch befeuchtetes Fließpapier un- erlässlich. Etwas weniger empfindlich scheinen die überwinternden Milben in dieser Beziehung zu sein. Eine große Anzahl unter einem Fleehtenthallus zum Überwintern zusammengedrängter Telarius-Weib- chen wurde von mir in einer Glasdose ohne besondere, das Aus- trocknen verhindernde Vorsichtsmaßregeln aufbewahrt. Nach 14 Tagen (am 21. Oktober) waren sie noch wohlerhalten. Durch die Wärme des Zimmers ermuntert, hatten sie die Dose mit einem Gespinst erfüllt. Viele saßen dicht gedrängt an der Glaswand. Da nun die Flechten bekanntlich eine gewisse Menge von Feuchtigkeit mit großer Zähigkeit festhalten, so entfernte ich den Thallus und ließ die Milben 102 Reinold v. Hanstein, nun allein zurück. Einige Tage blieben sie unverändert, bald aber starben zahlreiche ab und eine Revision am 7. November ergab, dass alle vertrocknet waren. Diese vertrockneten Wintermilben sind an ihrer röthlichen Färbung leicht von den noch lebenden, orangegelben zu unterscheiden. Diese Beobachtungen stehen nun im Widerspruch zu der An- gabe WEBER’s, der (45, p. 35) angiebt, sogar fünf Monate lang zahl- reiche Exemplare dieser Milben zwischen trockenen Lindenblättern in einem Glase im Zimmer aufbewahrt zu haben. Über die Jahreszeit giebt WEBER nichts an, da jedoch die Beobachtung, die zu seiner Veröffentlichung Anlass gab, in den Herbst fiel, so ist wohl anzu- nehmen, dass diese fünf Monate Wintermonate waren. Ich kann dem gegenüber nur sagen, dass ich Ähnliches nicht beobachtet habe. Wenn verschiedene Beobachter hervorheben, dass trockene Witterung der Entwicklung der Tetranychen günstig sei, so wider- spricht das selbstverständlich dem oben Gesagten nicht. Trockene — d. h. heitere, regenfreie — Witterung ist, wie für die meisten Insek- ten, so auch für unsere Milben günstig, Regen ungünstig. Endlich möchte ich noch bemerken, dass die Tetranychen bei der Nahrungsaufnahme durchaus nicht immer die von DONNADIEU (p- 83) beschriebene Stellung einnehmen. Dass sie die hinteren Beine aufheben und an die fast senkrecht erhobene Körperhälfte anlegen, habe ich nicht beobachtet, ich sah sie vielmehr mit allen Beinen auf dem Blatt stehen, allerdings unter starker Streeckung der hinteren, so dass der Körper hinten stark emporgehoben wurde, während die Mundtheile das Blatt berührten. Der Hinterleib wird nieht einmal immer »presque verticalement«, wie auch Dusks (10, I, p. 26) angiebt, erhoben. DONNADIEU giebt weiter eine detaillirte Schilderung von der Thätigkeit der einzelnen Mundtheile bei der Nahrungsaufnahme: »les mächoires« (darunter versteht DoNNADIEU die stilettförmigen End- glieder der Mandibeln), »par un mouvement alternatif de seiage perpen- dieulaire, entament l’epiderme et le perforent; les palpes saisissent les bords de l’ouverture, et, tirant en sens inverse, dechirent le tissu; les mandibules se fixent par leur erochet, et la levre inferieure s’arc- boute de tout son long et par ses cÖötes contre la base des mandi- bules<. Ich muss gestehen, dass ich mir nicht vorzustellen vermag, wie DONNADIEU bei der angegebenen fast senkrechten Körperstellung diese Details beobachten konnte. Dass die feinen stilettförmigen Mandibelglieder Öffnungen von solcher Größe in die Blattepidermis einschneiden könnten, dass die erheblich diekeren Taster in dieselben Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 103 einzudringen und ihre Ränder aus einander zu ziehen im Stande wären, ist doch wohl schon an und für sich wenig wahrscheinlich. Diese Öffnungen müssten doch auch nachher noch zu sehen sein. Von Feinden, die den Tetranychen nachstellen, erwähnt Duszs eine Dermanyssus-Art, und namentlich verschiedene Hemerobius- Larven: »des peuplades entieres deviennent en tres peu de temps leurs vietimes« (10, I, p. 27). Das Letztere kann ich durchaus bestäti- sen. Verschiedene Larven von Hemerobius-, Chrysopa- und anderen Neuropteren-Arten sind häufig unter den Kolonien dieser Milben zu treffen und vertilgen in kurzer Zeit große Mengen derselben, deren Körpersäfte sie aussaugen, die leere Haut übrig lassend. Diese ausgesogenen Häute sind von den bei der Häutung der Chrysalliden abgestreiften leicht daran zu unterscheiden, dass letztere während der Häutung quer durchreißen, und also halbirt werden; auch die charakte- ristische Stellung der Füße bei den Chrysalliden ist bei den entleer- ten Häuten noch wohl zu erkennen. Ich sah bis in den Spätherbst hinein (Anfang November) solche Larven an den von spinnenden, sich zum Beziehen der Winterquartiere rüstenden Milben bevölkerten Baum- stämmen umherkriechen, zweifellos auch hier noch mancher dersel- ben den Untergang bereitend. Nicht minder gefährlich werden den Tetranychen die Larven einer von mir noch nicht genauer bestimm- ten Coceinelliden-Art, die ich gleichfalls häufig in ihren Kolonien angetroffen habe. V. Bemerkungen über Leptus autumnalis Shaw. Durch die vorstehende Schilderung des Entwicklungsganges zweier Tetranychus-Arten dürfte außer Zweifel gestellt sein, dass diese Milben ihre ganze Entwicklung vom Ei bis zum geschlechts- reifen Thier auf einer und derselben Futterpflanze durchmachen und sich während ihres ganzen Lebens in stets gleicher Weise von Pflanzen- säften ernähren. Schon die Angaben GAcHET’s, Dusks’ und DoNNA- DIEU’s, welche leere Häute und Milben verschiedener Entwicklungs- stadien neben einander auf Lindenblättern fanden, machten dies in hohem Maße wahrscheinlich. Trotzdem findet sich auffallenderweise in manchen wissenschaftlichen und populären zoologischen Hand- und Lehrbüchern bis in die neueste Zeit die Angabe, dass eine kleine, sechsbeinige, gelegentlich auch an der menschlichen Haut als Ekto- parasit beobachtete Milbe, ZLeptus autumnalıs, die Larvenform von Tetranychus telarius sei. Leptus autumnalis wurde zuerst von Suaw (Miscell. zool., T. I, 104 Reinold v. Hanstein, Pl. XLII) abgebildet. Der Gattungsname stammt von LATREILLE. Die kleine, roth gefärbte Milbe findet sich namentlich zur Erntezeit, vom August bis in den Herbst hinein, auf Getreidearten und anderen Gräsern, auch auf Stachelbeer- und Hollundersträuchern, geht, wie gesagt, gelegentlich auf die Haut des Menschen über (auch auf den verschiedensten Säugethieren wurde sie angetroffen) und ruft hier (dadurch, dass sie sich mit ihren Kiefern in die Haut einbohrt, flache, juckende Pusteln hervor. In manchen Gegenden Frankreichs haben namentlich die Schnitter zur Erntezeit viel von diesem Thier zu lei- den, welches dort unter dem Namen Rouget bekannt ist. Sonst wird diese Milbe in der Litteratur als Gras-, Ernte- oder Stachelbeermilbe bezeichnet. Schon aus diesen Angaben geht hervor, dass dieses Thier mit Tetranychus telarius nicht das Geringste zu thun hat. Denn — ab- gesehen von ihrer abweichenden Färbung — verrathen die Larven der Linden-Spinnmilbe niemals die geringste Neigung zu parasitischer Lebensweise. Ihre Cheliceren würden auch keinesfalls im Stande sein, die menschliche Haut zu verletzen. Zudem erwähnt keiner der Autoren, die sich mit Tetranychiden beschäftigt haben, irgend etwas, was auf derartige Neigungen der Larven schließen ließe. Bei der Beobachtung stark mit diesen Milben besetzter Blätter und Zweige ist aber ein gelegentliches Überlaufen von Milben und Larven auf die Hand kaum zu vermeiden, und bei dieser Gelegenheit müsste sich das doch zeigen. In der That hat bisher auch kein Beobachter der Tetranychen deren Larven bisher eine parasitische Ernährungs- weise zugeschrieben, eben so wenig haben diejenigen Autoren, welche die wirklich auf der menschlichen Haut angetroffenen Milbenlarven studirten, daran gedacht, sie mit Tetranychus in Zusammenhang zu bringen. Es lassen vielmehr alle bisher veröffentlichten Abbildungen und Beschreibungen des Zeptus autumnalıs — mit einer einzigen, gleich zu erörternden Ausnahme — deutlich erkennen, dass dies Thier sicher keine Tetranychus-Larve ist. Nun sind allerdings die meisten der auf Zeptus autumnalis be- züglichen Arbeiten — so die Untersuchungen von GruBY (14), KÜCHEN- MEISTER (25), GUDDEN (15), KRAEMER (21) und die neuere Arbeit von BrAnDıs (3)— in medicinischen Fachzeitschriften veröffentlicht, in denen man zoologische Arbeiten nicht zu suchen pflegt, und desshalb unter den Zoologen vielleicht weniger bekannt geworden. Citirt doch auch Mesnın (31), der für Zeptus autumnalıs zuerst die richtige Stellung im System ermittelte, nur Grusy, während er die viel wichtigeren Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 105 Arbeiten von KÜCHENMEISTER, GUDDEN und KRAEMER anscheinend nicht kennt. Aber auch nachdem M&cnın im Jahre 1876 nachgewiesen hatte, dass der Rouget der Franzosen die sechsbeinige Larve einer Trombidium-Art sei, lesen wir noch 1886 in dem Lehrbuch von LEunıs- Lupw1c (II, p. 604), 1895 in dem von v. Kenner (p. 448), dass Lep- tus autummalis als Larve zu Tetranychus telarius gehöre; ja, auch in das noch im Erscheinen begriffene »Thierleben der »Erde« von HaackE hat diese — wie der Wortlaut zeigt, wohl aus Leunıs über- nommene Angabe — noch Aufnahme gefunden. Die Geschichte dieser Annahme liefert ein lehrreiches Bei- spiel dafür, wie zuweilen eine gelegentliche Äußerung alsbald ihren Weg in die Litteratur findet und ihren Platz nun mit Zähigkeit behauptet, nachdem sie längst durch neuere, eingehendere Beob- achtungen überholt ist. Zurückzuführen ist sie seltsamerweise auf zwei der verdientesten Milbenforscher, Duveks und CLAPAREDE. In dem von Dusks im Verein mit MILnE EpwArnps herausgegebenen, die Arachniden behandelnden Bande von Cuvier’s »Regne animal« findet sich nämlich Taf. XXVII, Fig. 5 unter der Bezeichnung » Leptus autum- nalıs« die Abbildung einer lebhaft roth gefärbten achtfüßigen Milbe, deren Fuß- und Mundbildung sofort erkennen lässt, dass das Original ein Tetranychus war, und zwar erinnern die achtförmigen Doppelaugen an den oben beschriebenen Tetranychus althaeae, wäh- rend der hinten verschmälerte Leib auf ein männliches Thier deutet'. Von dem in dieser Abbildung dargestellten Thier, welches ganz sicher nicht die sonst als Zeptus autumnalıs bekannte Milbe. ist, sagt CLAPAREDE (6, p. 490), dass sie »in der Fuß- und Rüsselbildung« mit Tetranychus telarius vollkommen übereinstimme. »Es ist daher _ unmöglich, sie von Tetranychus generisch zu trennen.« Da UrApA- REDE den Leptus autumnalis aber offenbar nur aus der hier eitirten Abbildung kennt, auf die er sich ausdrücklich beruft, so kann sein Urtheil auch nur für diese Geltung haben. Nichtsdestoweniger ist dieser Ausspruch CLAPARKDE’sS zweifellos der Anlass dazu geworden, dass die Erntemilbe bis heute noch als Tetranychus-Larve bezeichnet wird. Hoffentlich trägt diese Darstellung dazu bei, dass jene An- sabe nunmehr aus den Lehrbüchern verschwindet, wie dies z. B. in dem Lehrbuch von Craus seit dem Erscheinen der Mxcnın’schen Arbeit bereits geschehen ist. Unter dem Sammelnamen Leptus autumnalis werden zur Zeit U M&EGNIn (31, p. 7) nennt GUERIN-MENEVILLE als Urheber dieser Zeichnung. 106 | veinold v. Hanstein, wohl noch die Larven verschiedener Milbenarten zusammengefasst. Das ist auch von verschiedenen Seiten, so von KRAEMER (21), BRAN- Dıs (3), MEGNnIn (32) u. A. bereits ausgesprochen worden. Vergleicht man die eitirten Arbeiten genauer mit einander, so kommt man zu dem Ergebnis, dass wohl den verschiedenen Autoren nicht immer dieselbe Art vorgelegen hat, da sich in Bezug auf die Mundbewaff- nung, die Zahl der Fußklauen, die Lage der Stigmen, die Färbung der Augen und dergl. mehr Differenzen ergeben. An dieser Stelle näher hierauf einzugehen, liegt um so weniger in meiner Absicht, als ich Leptus autumnalis nicht selbst untersucht habe. Zweck dieser Zeilen ist nur, festzustellen, dass eine genetische Beziehung zwischen Leptus und Tetranychus nicht besteht. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1) Aufstellung und Diagnose der Species Tetranychus althaeae. 2) Ein Theil der Körper- und Gliedmaßenmuskeln der Tetra- nychen nimmt ihren Ursprung aus zwei ventralen, jederseits seit- lich zwischen dem Ursprung des zweiten und dritten Beinpaares gelegenen Sehnenplatten. 3) Die größeren Muskeln der Beine zeigen deutliche Querstreifung. 4) Die beiden hier untersuchten Species der Gattung Tetranychus besitzen nur ein medianes, unterhalb des vorderen Körperrandes (Epi- stom), oberhalb der Mandibeln in der diese bedeckenden Hautdupli- katur gelegenes Stigma. Die entgegenstehenden Angaben DONNADIEU’S sind unrichtig. 5) Von diesem Stigma aus zieht ein starker, diekwandiger Haupt- tracheenstamm abwärts, und gabelt sich an der Unterseite in zwei Hauptäste. 6) Vom Stigma aus nach vorn verlaufen zwei mehrfach gebogene Röhren innerhalb der bereits erwähnten Hautduplikatur. 7) Die Anzahl der von einem Tetranychus-Weibchen hinter ein- ander abgelegten Eier übersteigt jedenfalls 20. 8) Die Tetranychen durchlaufen in ihrer Entwicklung ein sechs- füßiges Larvenstadium und zwei achtfüßige Nymphenstadien. 9) In die Entwicklung sind drei unbewegliche Ruhestadien (Chry- sallisstadien) eingeschaltet. 10) Eine Apodermabildung findet in keinem Entwicklungsstadium statt. Das Schadonophan-, Nymphophan- und Teleiophanstadium der Trombidien findet bei Tetranychus kein Analogon. 11) Jedes der erwähnten Entwicklungsstadien wird im Hochsommer Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. 107 in ein bis zwei Tagen durchlaufen. In vorgerückterer Jahreszeit dauert die Entwicklung etwas länger. 12) Unmittelbar nach der Beendigung des zweiten achtfüßigen Ruhestadiums (Teleiochrysallis) ist das Weibchen zur Begattung reif, welche in der Regel dann auch sofort stattfindet. 13) Die Teleiochrysalliden werden häufig schon längere Zeit vor der letzten Häutung von einem oder mehreren begattungslustigen Männchen bewacht. 14) Während der — nur wenige Minuten währenden — Begat- tung steht das Männchen unter dem Weibchen, sein hinteres Körper- ende aufwärts krümmend. 15) Zwischen der Begattung und der Eiablage scheint — wenig- stens in vorgerückter Jahreszeit — noch ein längerer, unter Umstän- den acht Tage übersteigender Zeitraum zu verstreichen, während dessen das Weibchen noch beträchtlich wächst. 16) Tetranychus telarius sucht die Winterquartiere zu sehr ver- schiedenen Zeiten auf. Auf ein und demselben Baum trifft man noch eine reiche Milbenbevölkerung in der Laubkrone, während bereits zahlreiche andere unbeweglich in den Winterquartieren liegen. 17) Das Aufsuchen der Winterquartiere scheint, unabhängig von Temperatur und Witterung, durch einen bestimmten — wohl mit den Ernährungsverhältnissen zusammenhängenden — Körperzustand ver- anlasst zu werden. Hierfür spricht auch die charakteristische Fär- bung der überwinternden Thiere. 18) Die noch immer hier und da anzutreffende Angabe, dass Leptus autumnalis die Larve von Tetranychus telarius sei, ist un- richtig. Gr. Lichterfelde bei Berlin, im Januar 1901. Nachtrag: S. 85 erwähnte ich, dass ich die Entwicklung von Tetranychus telarius noch nicht vollständig an einzelnen, isolirten Individuen verfolgt hätte. Inzwischen (Mai 1901) habe ich auch dies gethan, und es ist somit der völlig gleiche Entwicklungsgang beider Arten auch durch direkte Beobachtung sicher gestellt. Auch erhielt ich in dieser Zeit von einem Weibchen einige Tage nach der Be- gattung Eier (vgl. p. 92). 108 Reinold v. Hanstein, Beitr. zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. Erklärung der Abbildungen, Tafel VI. Figg. 1, 2, 4 und 5 Tetranychus althaeae, Fig. 3 Tetranychus telarius. Fig. 1. Seitliche Ansicht der Mandibeln und der benachbarten Organe. ep, Epistom; st, Stigma; a.tr, absteigender Tracheenstamm; v.tr, vordere Tracheen- äste (von DONNADIEU als »steife Haare« beschrieben); dp, die die Mandibeln zum Theil bedeckende Hautduplikatur; md, verschmolzene Grundglieder der Man- dibeln; md/, löffelförmiger Fortsatz derselben; md//, stilettförmige Endglieder derselben. Vergr. 300. Fig. 2. Übersicht des Tracheenverlaufes. Aus mehreren Präparaten kom- binirt, etwas schematisch. {r.v, die ventralen Hauptstämme, aus denen u. A. die Tracheen der Gliedmaßen hervorgehen. Bedeutung der übrigen Buchstaben wie in Fig. 1. Vergr. 130. Fig. 3. Ventrales Muskelsystem der linken Seite. s.p/, Sehnenplatte, aus welcher ein Theil der Hüftmuskeln der drei ersten Beinpaare, ein vorderes, zu den Mundtheilen ziehendes (v.m), ein seitliches, zur Dorsalseite aufsteigendes (s.m), und ein hinteres, gegen das Körperende verlaufendes Muskelbündel (A.ın) entspringen. Vergr. 140. Fig. 4. Eben aus dem Ei geschlüpfte Larve. Ventralansicht. Vergr. 270. Fig. 5. Achtfüßige Chrysallis (zweites Ruhestadium), zur Veranschaulichung der allen Chrysallisstadien von Tetranychus gemeinsamen, eigenthümlichen Hal- tung der Beine. Dorsalansicht. Vergr. 240. Über den feineren Bau und die Entwicklung des Knorpel- gewebes und über verwandte Formen der Stützsubstanz. I. Theil. Von Josef Schaffer (Wien). Mit Tafel VII und VII. Die Lehre vom Aufbau und besonders von der Bildung des Knorpelgewebes ist reich an widersprechenden Anschauungen. Der Widerstreit, den wir in den Darstellungen von Scuwann bis auf heute begegnen, ist nicht zum geringsten auf den Umstand zurück- zuführen, dass man sich gerade in der Lehre vom Knorpelgewebe länger, als auf anderen Gebieten von der ursprünglichen Zellenlehre von SCHWANN beherrschen ließ, deren Einfluss uns auch in der Ter- minologie noch heute entgegentritt. Unterscheidet doch KÖLLIKER noch in der neuesten Auflage seines Handbuches der Gewebelehre bei Besprechung des Knorpelgewebes (p. 115) zwischen Protoblasten und »wirklichen Zellen«, worunter er den kernhaltigen Protoplasma- körper mehr der Kapsel verstanden haben will. Dies ist in so fern nicht zu verwundern, als ja gerade das Knorpelgewebe Formen bietet, welche die größte Übereinstimmung mit Pflanzengewebe zu zeigen scheinen und als es gerade dieses einem Pflanzenparenchym ähnliche Knorpelgewebe war, welches den Hauptausgangspunkt der klassischen Untersuchungen von SCHWANN gebildet hat. Die Ähnlichkeit mit einem Pflanzenparenehym, die dem Be- obachter im Knorpel der Gehörkapsel und Schädelbalken von Ammo- coetes und Peiromyzon so ausgesprochen entgegentritt, soll noch eine Anzahl anderer Knorpel zeigen, die insgesammt als »Knorpel ohne Grundsubstanz« (Knorpelzellenparenchym, KÖörLuıker) oder »Zellen- 110 Josef Schaffer, _ knorpel« (LEYDIG) zusammengefasst und den Knorpeln mit Grund- substanz gegenübergestellt werden. Dabei wird als Grundsubstanz oder Intercellularsubstanz nur die Masse zwischen den Zellkapseln bezeichnet, während letztere selbst als integrirender Bestandtheil der Zellen aufgefasst werden, obwohl andererseits schon von LeypiG! und Freunn? die Kapsel zur Grund- substanz gerechnet wurde. Aus der Beobachtung von Knorpelgewebe nun, in dem erstens die Zwischensubstanz ausschließlich aus den Kapseln gebildet zu sein schien, sowie zweitens aus der experimentellen Erfahrung, dass auch in Knorpeln mit reichlicher Zwischensubstanz letztere sich durch verschiedene chemische oder physikalische Einflüsse in sog. Zell- territorien, die man für mächtige Kapselsysteme hielt, zerlegen ließ, kam man zu der Anschauung, dass die Knorpelgrundsubstanz über- haupt aus unter einander verschmolzenen Kapselsystemen aufgebaut wird (REMAK, FÜRSTENBERG, HEIDENHAIN, FREY, LANDoIs u. A.), eine Anschauung, die auch heute noch in den meisten Lehrbüchern vertreten erscheint (SCHIEFFERDECKER, RAWITZ, BANNWARTH, BÖHNM- DAVIDOFF, SZYMONOWIcZ, zum Theil BERGH u. A.). Prüft man jedoch die Stichhaltigkeit der zwei oben angeführten Beobachtungen, auf welche dieser Schluss aufgebaut erscheint, so lassen sich schwer- wiegende Einwände gegen dieselben geltend machen. KÖLLIKER, welcher die einzelnen Anschauungen über den Auf- bau des Knorpelgewebes zuletzt kritisch beleuchtet hat?, tritt einer- seits ebenfalls für die Behauptung ein, dass in gewissen Fällen die Zwischensubstanz nur aus Kapseln besteht und führt als Beispiele hierfür gerade die Knorpel von Petromyzon und die gelben Knorpel von Myzxine an, während er andererseits mit Recht betont, dass eine Zerlegung in Zellterritorien, die als die Grenzen der ersten Mutter- zellen anzusehen wären, durchaus nicht in allen Fällen möglich ist, dass vielmehr bei diesen Versuchen in vielen Fällen zwischen den einzelnen Zellgebieten eine Zwischensubstanz zurückbleibt, die, wie ich hinzusetze, ein zusammenhängendes Alveolenwerk darstellt, in dessen Maschenräumen die Zellterritorien (sekundär) eingelagert er- scheinen. Für diese Zwischensubstanz kann man also ein Entstehen aus unter einander verschmelzenden Kapselsystemen nicht annehmen 1 Lehrbuch der Histologie ete. Frankfurt 1857. 2 Beiträge zur Histologie der Rippenknorpel ete. Breslau 1858. 3 Handbuch der Gewebelehre. 6. Aufl. 1889. Bd. I p. 113. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes etc. I. 111 und so würde man folgerichtig zu der Annahme gedrängt, dass die Knorpelgrundsubstanz einen zweifachen Bildungsmodus besitze. Einmal sollte der Knorpel aus indifferenten Zellen dadurch ent- stehen, dass sich dieselben vergrößern und deutliche Membranen er- halten; »entwiekeln sich die Zellen in dieser Art weiter, so entsteht der Zellenknorpel; in den meisten Fällen jedoch tritt zwischen den- selben (den Membranen) eine Zwischensubstanz auf, die in entfernter Linie von der alle embryonalen Gewebe tränkenden Ernährungs- flüssigkeit herzuleiten ist, aber unzweifelhaft auch unter einer ge- wissen Mitwirkung der Knorpelzellen sich bildet« (KÖLLIKER, 1. c. p.- 110). Diese beiden Bildungsarten werden als direkte einer dritten gegenübergestellt, wobei der Knorpel aus der Umwandlung eines bereits fertigen Gewebes entstehen soll und welche KÖLLIKER als die indirekte bezeichnet. Diese Darstellung, welche deutlich noch den Einfluss der alten Blastemlehre einerseits, der metaplastischen Anschauungen älterer Zeit andererseits erkennen lässt, vermag heute nicht mehr zu be- friedigen. Selbst die Gegenüberstellung einer direkten und indirekten Knorpelbildung in dieser Weise hat etwas Gezwungenes, das selbst von Anhängern derselben, wie z. B. ToLpr !, empfunden wird. Der Kern der Sache liegt, ähnlich wie für die sog. direkte und indirekte Verknöcherung, darin, ob es in der That zwei oder mehrere princi- piell verschiedene Arten der Knorpelbildung giebt oder ob auch dort, wo Knorpel anscheinend aus einem anderen, fertigen Gewebe hervorgeht, die wesentlichen Vorgänge dieselben sind, wie dort, wo er sich aus embryonalen Zellmassen bildet. Wir wissen heute, dass die Entstehung des Knochengewebes, möge sie nun als jüngste auf Kosten embryonaler Zellmassen, oder in fertigen Geweben (Binde- 'gewebe, Knorpel) vor sich gehen, stets prineipiell in derselben Weise verläuft, dass indifferente Zellen zu Osteoblasten werden und eine Grundsubstanz erzeugen, welche eine fibrilläre Beschaffenheit an- nimmt und in welche ein Theil der Bildungszellen als Knochen- zellen eingeschlossen werden, aber auch geformte Elemente des Sub- strates (collagene, elastische Fasern) aufgenommen werden können. Die Schwierigkeit, für das Knorpelgewebe zu der gleichen Er- kenntnis durchzudringen, liegt einmal in der ungleich größeren Formenmannigfaltigkeit dieses Gewebes, und dann in der historisch gewordenen Trennung desselben in zwei vollkommen verschiedene ! Lehrbuch der Gewebelehre. 3. Aufl. 1888. p. 137 ff. 112 Josef Schaffer, - Gruppen, in solches mit Grundsubstanz und solches ohne Grund- substanz. Wenn ich nun im Folgenden den Versuch unternehme, der Lösung dieser verwickelten Frage näher zu kommen, so bin ich mir wohl bewusst, dass dies bei der gegenwärtigen Richtung der histologischen Forschung eine wenig dankbare Aufgabe ist; das schmälert jedoch in meinen Augen nicht ihr Interesse. Die Frage der Knorpelgrund- substanzbildung ist, wie Jeder zugeben wird, der sich näher mit ihr befasst, ungemein schwer in eine einfache Formel zu bringen, da die vorliegenden Darstellungen in ungezählten Variationen an sich rich- tige oder anscheinend richtige Beobachtungen anführen, keine dieser Darstellungen jedoch auf Grund der Beobachtungen einen befriedigen- den Überbliek, eine einheitliche Auffassung über das Wesen des Knorpelgewebes zu geben im Stande ist. Jede Behauptung wird durch einige Ausnahmen eingeschränkt, jede Untersuchung einer neuen Knorpelart erregt neue Schwierigkeiten, die gemachten Beobachtungen mit den alten in Einklang zu bringen. Der Hauptgrund für die mangelnde Klarheit in der Auffassung einer so weit verbreiteten und wichtigen Gewebegruppe scheint mir aber darin zu liegen, dass man von jeher versucht hat aus Beob- achtungen an einzelnen Typen dieser typenreichsten Stützsubstanz- gruppe verallgemeinernde Schlüsse auf die letztere selbst zu ziehen. Nun ist aber gerade wegen des ungemeinen Formenreichthums des Knorpelgewebes eine deduktive Erkenntnis desselben unmöglich, und nur die genaue Kenntnis möglichst vieler Formen wird uns gemein- same Gesetze finden lassen. Und auch da dürfen wir nicht von dem voll entwickelten Gewebe ausgehen, sondern müssen unsere Unter- suchungen dort beginnen, wo die Fäden zusammenlaufen, in der Ent- wicklung einerseits, im Studium der niedersten und einfachsten Formen des Gewebes andererseits. Die Histogenese und die vergleichende Histologie sind es, von welchen wir eine Klärung dieser Frage zu suchen haben, welche uns ein Ver- ständnis für die mannigfachen Formen der Endglieder des Knorpel- sewebes finden lassen. | Formbestimmend ist jedoch beim Knorpelgewebe in erster Linie die Leistung, die mechanische Funktion, und wir müssen daher den Einfluss der letzteren auf die Struktur und Architektonik des Ge- webes stets im Auge behalten. | Auf diesem Wege wird man bald zur Erkenntnis kommen, dass das Knorpelgewebe durch eine Reihe unmerklich in einander über- Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes etc. I. 113 sehender Zwischenformen mit anderen Formen der Stütz- und Binde- substanzen, so verbunden ist, dass es unmöglich wird eine scharfe Grenze zu ziehen und zu sagen, hier endet das Bindegewebe im engeren Sinne des Wortes, und hier beginnt das Knorpelgewebe. Desshalb ist aber auch eine genauere Kenntnis dieser Übergangs- formen nöthig und von Interesse; durch sie wird es uns erst mög- lich einen Einblick in die formgestaltende Thätigkeit mechanischer Bedingungen und funktioneller Inanspruchnahme zu gewinnen. Von diesen hier entwickelten Gesichtspunkten aus scheint mir nun gerade die genaue Kenntnis jener Formen des Knorpelgewebes, welche man bisher als »Knorpel ohne Grundsubstanz« zusammen- gefasst hat, von besonderer Wichtigkeit zu sein. Genauere Untersuchungen des Schädel- und Kiemenknorpels der Cyelostomen mit undurchbohrtem Gaumen! hatten mich bereits eine Reihe von Thatsachen kennen gelehrt, aus denen vor Allem hervor- sing, dass die Sonderstellung, welche diesem Knorpelgewebe bisher zugewiesen wurde, in so fern nicht berechtigt erscheint, als auch im Knorpelgewebe von Ammocoetes und Petromyzon, das stets als ein typischer Vertreter der »Knorpel ohne Grundsubstanz« angeführt wurde, sich eine Intercellular- oder Grundsubstanz im Sinne der älte- ren Autoren nachweisen ließ. Dieselbe lässt im Kiemenknorpel von Ammocoetes morphologisch keine weitere Zusammensetzung erkennen und stellt so ein zell- trennendes, dünnwandiges Fachwerk dar, welches das färberische Verhalten des Chondromueoids zeigt, d. h. sich stark mit Hämalaun, Methylviolett etc. färbt. Diese Substanz bedingt die Weichheit und Biegsamkeit, die architektonische Anordnung derselben die Biegungs- elastieität der Kiemenknorpel, deren sie bedürfen, um die rhythmischen Bewegungen bei der Respiration mitzumachen. Vollkommen verschie- den davon ist das Knorpelgewebe, welches die Schädelknorpel — Parachordalia, Trabekel und Ohrkapseln — zusammensetzt. Dasselbe besitzt einen hohen Grad von Festigkeit, wie er der Funktion dieser Knorpel, Stütze und Umhüllung wichtiger Weichtheile zu sein, ent- spricht. Die geänderte physikalische Beschaffenheit findet auch im Chemismus und Bau dieses Knorpels ihren Ausdruck. Die Grund- substanz desselben entbehrt des Chondromucoids und verhält sich 1 Zur Kenntnis des histologischen und anatomischen Baues von Ammocoetes. Vorl. Mittheilung. Anat. Anz. Bd. X. 1895. p. 704. — Über das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis nebst Bemerkungen über das Knorpelgewebe im Allgemeinen. Diese Zeitschr. Bd. LXI. 1896. p. 606-659. 3 Taf. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 85 1614 Josef Schaffer. daher färberisch gerade entgegengesetzt, wie der Kiemenknorpel. Eosin, Tropäolin ete. färben dieselbe lebhaft, wenn auch nicht ein- heitlich. Aber auch morphologisch lässt die Grundsubstanz eine Zu- sammensetzung erkennen, welche ihr eine erhöhte Festigkeit zu verleihen geeignet ist. Sie besteht nämlich aus im Allgemeinen polyedrischen, diekwandigen sog. Zellkapseln, welche durch eine, der Grundsubstanz im weichen Kiemenknorpel homologe, ebenfalls ein einheitliches Fachwerk bildende Kittsubstanz von anderer physi- kalischer Beschaffenheit verbunden werden. Durch gewisse Färbungen lässt sich die Kapselsubstanz aber weiter in eine eigentliche Kapsel, das heißt einen durch besondere physikalische und mikrochemische Eigenschaften abgrenzbaren Theil der Grundsubstanz, welcher die Knorpelzelle zunächst umschließt und wie eine ringsum gleichartige Hülle die Form der Zelle wieder- giebt und eine nach außen von derselben gelegene Schicht, den Zellhof zerlegen, welcher genetisch, wie die Kapsel ein unmittel- bares, aber älteres und mikrochemisch verändertes Produkt der Zelle ist. Durch Theilung der Zellen innerhalb ihrer Kapseln werden die Zellhöfe zu Zellbezirken (Zellterritorien).. Somit zeigt das harte Knorpelgewebe der Petromyzonten bereits jene territoriale Zusammen- setzung, welche durch die neueren Untersuchungen im fertigen, typi- schen Hyalinknorpel der Säugethiere nachgewiesen worden ist. Wie die Entwicklung lehrt, erzeugen die Zellen auch im harten Knorpel zunächst ein zusammenhängendes Fachwerk von Grundsub- stanz um oder zwischen sich, welches jedoch nicht, wie im Kiemen- knorpel, gleichmäßig weiter wächst und einzig und allein die Grund- substanz bildet, sondern durch die sekundäre Entwicklung der Zellhöfe und Ausbildung der Zellbezirke bis auf Spuren einer die letzteren verbindenden Kittsubstanz verdrängt wird. Bildet so der Kiemenknorpel eine der einfachsten Formen des hyalinen Knorpels, welche einerseits zu höher stehenden Knorpel- formen der Wirbelthiere, andererseits zu tiefer stehenden Stützsub- stanzen hinüberleitet, so findet sich bei Ammocoetes noch eine dritte Art von Knorpelgewebe, welches — phylogenetisch betrachtet — als Bindeglied zwischen einer Reihe der einfachsten Stützsubstanzen bei Wirbellosen und Knorpelbildungen bei Wirbelthieren aufgefasst wer- den kann, für welche bisher eine einheitliche Auffassung gefehlt hat. Es ist dies der sog. Schleimknorpel, welcher ausgezeichnet ist durch verästelte Zellen ohne Kapseln und eine formlose chondromueoide Grundsubstanz, die aber reichlich faserige und blätterige Bildungen Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 115 einschließt. Ein faseriges Perichondrium begrenzt diesen eigenthüm- lichen Knorpel, so dass er präparatorisch isolirt werden kann. Be- treffs feinerer Einzelheiten verweise ich auf meine eitirte Abhand- lung; eben so betreffs seiner Verbreitung als Skelettgewebe, worüber auch SCHNEIDER! und die neuesten Darstellungen von GASKELL? einzusehen sind, welcher aus der Rekonstruktion des Schleimknorpel- skelettes sehr weitgehende Schlüsse auf die Abstammung von Ammo- coetes gezogen hat. Dieser Schleimknorpel kann sich unter Abrundung seiner Zellen und Verdichtung seiner Grundsubstanz zu einer homogenen Masse in einen hyalinen Knorpel umwandeln; damit ist auch die Verbin- dung zwischen zwei anscheinend verschiedenen Typen von Knorpel- sewebe, des mit verästelten und jenes mit abgerundeten Zellen ge- geben. Durch die folgende Untersuchung einiger anderer »Knorpel ohne Grundsubstanz« sollen einerseits die Beobachtungen, welche am Knor- pel von Ammocoetes gemacht wurden, erweitert, andererseits die Anschlüsse dieser einfachen Knorpelformen in der Reihe nach oben und unten gesucht werden. Dabei wird sich ergeben, dass die ver- wickelten Formen des Knorpelgewebes der höheren Thiere auf das einfache Schema des Cyelostomenknorpels zurückgeführt werden können, andererseits wird durch diese Betrachtungsweise auch manche bis heute noch unentschiedene Frage in der Histologie und Histo- genese des Knorpelgewebes ihre Lösung finden. Bevor ich diese Mittheilungen der Öffentlichkeit übergeben konnte, er- schienen die Untersuchungen von STuDnickA: »Über die Histologie und Histo- genese des Knorpels der Cyclostomen«3, in welchen dieser Autor unabhängig von mir zu vielfach übereinstimmenden Ergebnissen gekommen ist. Als eines der wesentlichsten erscheint mir, dass auch STUDNIıckA in diesen Knorpeln das Vorhandensein einer Grund- oder Zwischensubstanz nachweisen konnte; die Bezeichnung derselben als »Knorpel ohne Grundsubstanz« muss daher in Zu- kunft entfallen. In mehreren Punkten jedoch kam STUDNICKA zu anderen Ergebnissen, und ich bin auf die wesentlichen Unterschiede unserer beiderseitigen Darstellungen bereits in einer kurzen Mittheilung* eingegangen. Sie betrafen hauptsächlich folgende Punkte: 1) Die morphologische Werthigkeit der Intercellularsubstanz 1 Beiträge zur vergleichenden Anatomie ete. Berlin 1879. ® On the origin of vertebrates deduced from the study of Ammocoetes. P. V-VIH. — Journ. of Anat. and Physiol. Vol. XXXIV. 1900. 3 Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVII. 1897. p. 606-643. * Bemerkungen über die Histologie und Histogenese des Knorpels der Cyelostomen. — Arch. f. mikr. Anat. Bd. L. 1897. p. 170—187. g* 116 Josef Schaffer, im weichen Knorpel. 2, Die Auffassung der Knorpelkapsel. 3) Das angebliche Fehlen der Knorpelkapsel im gelben Knorpel von Myzine. 4) Die genetischen Beziehungen des Knorpels zu den einzelnen Binde- und Stützsubstanzen, ins- besondere die Auffassung des vesikulösen Stützgewebes als »Vorknorpel« und die Entwicklung des Knorpels aus Fettgewebe. Durch einige weitere Mitthei- lungen SrupnıökA’s! erscheint ein Theil dieser Divergenzpunkte erledigt, indem STUDNICKA nunmehr auch anerkennt, dass die Grundsubstanz im Kiemenknorpel von Ammocoetes ein einfaches, zelltrennendes Wabenwerk oder Alveolensysteni darstellt, und dass das axiale Fettgewebe bei der Knorpelbildung nur eine pas- sive Rolle spielt. Das wichtigste Ergebnis unserer Untersuchungen scheint mir jedoch, dass STUDNICKA nun ebenfalls im Cyelostomenknorpel den Schlüssel für das Ver- ständnis der mannigfachen Formen des Knorpelgewebes bei höheren Thieren sieht?, welcher Gedanke im Folgenden noch weiter ausgeführt werden soll. Da- her scheint es mir auch unverständlich, wie SrupxıckA an anderer Stelle? ent- gegen meinen Ausführungen* nochmals den Versuch macht für den Cyelostomen- knorpel als »eigenthümlichen Typus« die Bezeichnung Parenchymknorpel auf- recht zu erhalten, indem er meint, es handle sich da um bloße Namen. Ich wiederhole nochmals, dass unter Parenchymknorpel ein »Knorpel ohne Grund- substanz« verstanden wurde, eine Vorstellung, die ja durch SrupxıckA’s eigene Untersuchungen sich als unzulässig erwiesen hat. Der eigenthümliche Typus, den ja der Cyclostomenknorpel, wenigstens der weiche, in der That darstellt, beruht auf anderen Verhältnissen, vor Allem der Form und dem feineren Bau seiner Zellen und dem Chemismus der Grund- substanz. Auf einige andere strittige Punkte in unseren gegenseitigen Darstellungen muss ich hier nochmals eingehen; da StupxıckA seine Behauptungen vielfach auf das Studium des Schwanzflossenknorpels von Petromyzon stützt, so habe ich nunmehr auch die Entwicklung und den feineren Bau dieses Knorpels genauer untersucht. 1. Über die Entwicklung und den Bau des Schwanzknorpels der Petromyzontidae. A. Der Schwanzknorpel von Ammocoetes. Wie ich gezeigt habe, tritt beim Cyelostomenknorpel ein deut- licher Zusammenhang zwischen Struktur und Chemismus einerseits und Funktion andererseits zu Tage und bauen sich die rhythmisch beweglichen Kiemenstäbe aus einem weichen, chondromucoiden Knor- 1 Die Knorpelkapseln in den Knorpeln von Petromyzon. — Anat. Anzeiger. Bd. XIV. 1898. p. 283—288. — Weitere Bemerkungen über das Knorpelgewebe der Cyelostomen und seine Histogenese. — Arch. f. mikr. Anat. Bd. LI. 1898. p: 452— 460. 2 Anat. Anz. Bd. XIV. 1898. -p. 288. 3 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LI. 1898. p. 454 ff. 2 Ihidem- SBdE as gr ap IR Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. . 117 pel auf, dessen Intercellularsubstanz keine Versteifung durch ein- gelagerte Kapseln zeigt. Einen weiteren Beleg für diesen Satz bildet das Vorkommen eines ähnlich gebauten Knorpels in der beweglichen Schwanzflosse dieser Thiere. Über die Entwicklung dieses Schwanzknorpels ist bisher wenig bekannt. Erst SCHNEIDER! hat auf das Vorhandensein desselben bei Ammocoetes über- haupt aufmerksam gemacht. Vogr? giebt eine oberflächliche und wenig zu- treffende Schilderung von seiner Entwicklung. Er sah schon bei den zur Verwandlung sich anschickenden Querdern, sowie bei jungen Neunaugen kleine Knorpelinseln auftreten, welche in dem Bindegewebe der Flossen zwischen” den beiden Hautlamellen zerstreut liegen. Diese Inseln wachsen schnell in die Länge und bilden Knorpelstrahlen, die sich gegen den Rand der Flosse hin gabeln und schließlich mit ihren proximalen, dem Körper zugewendeten Enden zu einem einzigen horizontalen Knorpelstabe zusammenwachsen. Die Strahlen entwickeln sich in der ganzen Erstreckung der Flossen, oben wie unten, und die beiden Knorpelstäbe, von welchen der eine auf dem Rückenkanal, der untere auf dem Kanal der Hohlvene aufruht, verschmelzen an dem Körperende. Das Knorpel- sewebe, welches diese Flossenstrahlen bildet, ist identisch mit demjenigen der übrigen Knorpelbildungen. Bei wachsenden Neunaugen sieht man oft zwischen schon ausgebildeten Strahlen noch solche Knorpelinseln, welche später zu Strahlen auswachsen. BuJoR®, ein Schüler Vogr's, begnügt sich, das Vorhandensein von Flossen- strahlen bei Ammocoeten von 10—18 cm Länge zu erwähnen und giebt eine sehr schematische Abbildung derselben in der Rückenflosse von einem in Ver- wandlung begriffenen Querder. STUDNICKA®, welcher den Schwanzknorpel von Petromyzon genauer unter- sucht hat, sagt: »Das Skelett der Schwanzflosse beginnt sich zwar auch schon in älteren Ammocoeten zu bilden...<; im geschlechtsreifen Thiere soll der Knorpel desselben einige Struktureigenthümlichkeiten zeigen, die ihn vom Kiemen- knorpel unterscheiden. Es soll nämlich jede Zelle eine deutliche, mit Häma- toxylin blau sich färbende Kapsel, außerhalb dieser aber noch eine ungefärbt bleibende (gelbe) besitzen. Zwischen den Zellen soll endlich überall eine wirk- liche Grundsubstanz sich finden, die sich z. B. mit Methylenblau stark färben lässt5. Aus diesen Gründen ist StupnxickA der Ansicht®, dass man den Knorpel der Schwanzflosse für einen höher organisirten halten müsse als den des Kiemen- korbes und der Riechkapsel. 1 Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere. Berlin 1879. p. 53. 2 Vogt u. Yung, Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie. Braunschweig 1889—1894. Bd. II. p. 396 ff. 3 Contribution a l’Etude de la metamorphose de ’Ammocoetes branchialis en Petromyzon Planeri. — Revue biol. du Nord de la France. T. IIL 1891 et These de Gen£ve. SNreht. mikr. Anat.. Bd’ XELVIM. 1892 29. 612. FE 2/Anat, Anz. Bd. XIV. 71898. p. 285. ° Arch. f. mikr. Anat. Bd. LI. 189. p. 454. 118 Josef Schaffer. Diese Angaben forderten zur Nachuntersuchung auf, um so mehr, als sie in einer gewissen Gegensätzlichkeit zu meinen Ausführungen über das weiche Knorpelgewebe von Ammocoetes gemacht scheinen. Ich suchte als Grund für den primitiven Bau des weichen Kiemenknorpels seine nothwendige Biegsamkeit hinzustellen und glaubte, dass dieser mecha- nischen Anforderung am besten das einfache, zelltrennende oder verbindende chondromucoide Wabenwerk entspräche; sekundär in dasselbe eingelagerte Zell- höfe, die des Chondromueoids entbehren, und Kapseln müssten diese Bieg- samkeit heruntersetzen oder aufheben, wie dies z. B. im harten Knorpelgewebe des Schädels der Fall ist. Die Schwanzflosse des Ammocoetes ist nun ebenfalls ein biegsames, leicht bewegliches Organ und musste ich a priori erwarten, dass ein in derselben vor- handener Knorpel ebenfalls die feineren Bauverhältnisse des weichen Kiemen- knorpels aufweisen würde. Dies ist nun auch, wie ich vorweg bemerke, in der That der Fall. Die Möglichkeit einer Kapselbildung im Knorpel der Schwanzflosse von Petromyzon habe ich ausdrücklich zugegeben und auch erwähnt, dass ich An- deutungen einer solchen im Kiemenknorpel von Petromyzon marinus zu sehen glaube. Nun ist im erwachsenen Thiere die mechanische Leistung des ganzen Skelettes einmal eine wesentlich gesteigerte, die der Schwanzflosse, welche hauptsächlich der Steuerung des schwimmenden Thieres dient, insbesondere aber überhaupt eine andere als bei der meist ruhig im Sande eingegrabenen Larve'!. Findet sich somit im geschlechtsreifen Thiere an dieser Stelle ein Knorpel von höherer, auf größere Festigkeit desselben abzielender Organisation, so hat dies nichts Überraschendes, sondern ist ein neuer Beweis der von mir betonten causalen Abhängigkeit des Chemismus und der Struktur des Knorpelgewebes von seiner mechanischen Beanspruchung. Damit sind auch die Angaben SrtupxickA’s über den Bau des weichen, blau sich färbenden Knorpels ihrer scheinbaren Gegensätzlichkeit gegenüber meinen Schilderungen entkleidet; sie bilden vielmehr eine Erweiterung dersel- ben, welche für das Verständnis des Knorpelgewebes im Allgemeinen von großem Interesse ist. Die Entwicklung der knorpeligen Flossenstrahlen beginnt viel früher, als man dies bisher geglaubt hat, und dürften schon bei Ammo- coeten von 2 em Länge Andeutungen derselben zu sehen sein. Das jüngste Stadium, welches ich an einer Sagittalschnittserie zu unter- suchen Gelegenheit hatte, besaß eine Länge von 3 em und war bei demselben die Bildung des Flossenskelettes schon im vollen Gange. Bei der Flächenbetrachtung des unversehrten, fixirten (Pikrinsublimat) Schwanzes ist auch bei 4 em langen Larven in der Regel noch nichts vom Flossenskelett zu sehen, dagegen ist es bei 5 cm langen bereits mit der Lupe in der durchsichtigen Schwanzflosse deutlich erkennt- lich und bietet einige bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. ! Vgl. SCHNEIDER, 1. c. p. 37: »Er (Ammocoetes) liegt, wie es scheint, fast immer still....« Dasselbe konnte ich an Ammocoeten beobachten, die viele Monate lang in Gefangenschaft gehalten wurden. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 119 In einer gewissen Entfernung vom freien Flossensaume sieht man mit diesem parallel einen dunkleren Streifen verlaufen, in welchem alle Flossenstrahlen wie abgeschnitten endigen, beziehungsweise durch welehen ihre distalen Enden verbunden werden (Fig. 1 ms). Dabei sind an den distalen Strahlen die Gabelungen bereits deutlich zu sehen, während die weiter kopfwärts gelegenen einfach sind. An manchen Stellen kann man in der unversehrten Schwanzflosse sehen, dass von diesem marginalen, dunklen Streifen, den ich kurz als Chondrodermis bezeichnen will, kurze Knorpelstückchen in schräger Riehtung gegen einen fertigen Flossenstrahl ziehen, ohne sich mit demselben jedoch zu vereinigen, so dass man schließen muss, dass die Spitzen der Strahlen von dem gemeinsamen marginalen Saum axipetal auswachsen und erst sekundär mit einem längeren Strahle in Verbindung treten, wodurch dann ein gegabelter Strahl entsteht. Wie die histologische Untersuchung jüngerer Stadien lehrt, geht aber die erste Entwicklung der Strahlen überhaupt in derselben Weise axipetal vor sich und treten dieselben, wie ich beim 3 em langen Ammocoetes finde, zunächst nur dorsal im Bereiche der ganzen Rücken- und Schwanzflosse, gegen die Spitze der letzteren vor- rückend, auf. Allerdings lehrt die vergleichende Untersuchung einer größeren Anzahl jüngerer Larvenstadien, dass bei der ersten Anlage des Flossen- skelettes nicht unbeträchtliche individuelle Verschiedenheiten vor- kommen und die Größe des Thieres nicht immer maßgebend für den Entwicklungszustand des Skelettes ist. So fand ich z. B. bei einem 4 cm langen Ammocoetes allerdings schon ventral und dorsal Flossenstrahlen entwickelt, dorsal jedoch viel weniger als bei dem 3 cm langen. Andererseits konnte ich in einem Falle bei einem ebenfalls 4 cm langen Exemplar in der un- versehrten Schwanzflosse ventral bereits einige Strahlen deutlich an- gelegt sehen, während dorsal nichts von solchen Anlagen wahrzu- nehmen war. Ich gebe nun die Schilderung der Verhältnisse, wie ich sie an der Sagittalschnittserie des jüngsten, 3 cm langen Ammocoetes finde. Am Medianschnitt findet man im Bereiche der Rückenflosse, beiläufig 6 mm weit von der Afteröffnung kopfwärts reichend, wenige Zelllagen unter der Epidermis einen dicht zelligen Streifen (Fig. 2 ms) parallel mit dem Flossensaum sich hinziehen, der durch seine stär- kere Färbbarkeit mit Hämalaun auffällt, gegen die Epidermis zu unter allmählicher Auflockerung seiner Elemente in das Gallertgewebe 120 Josef Schaffer. des Flossensaumes übergeht, während er nach unten zu in Abständen von 13—38 u eben so dichtzellige Fortsätze (fs) von stäbchenförmiger Gestalt, 385—48 u Länge und 15—17 u Breite gegen den Achsenstrang hin abgehen lässt, die sich hier wieder in ziemlich gleicher Höhe im Gallertgewebe der Haut verlieren (Fig. 2. Die ganze Anlage kann einem Kamme verglichen werden, dessen Zähne gegen den Achsen- strang gerichtet sind. Die Stäbchen schließen mit ihren etwas ver- breiterten, in einander übergehenden Basen Arkaden ein, welche von locker gefügten, sternförmigen, anastomosirenden Zellen ausgefüllt werden, während sich zwischen die freien, proximalen Enden der Stäbchen und das epaxiale Fettgewebe (ea) ein Streifen dichteren Zell- gewebes mit faseriger Zwischensubstanz (f) einschiebt. Die Stäbchen oder Zähne des Kammes sind die Anlagen der knorpeligen Flossenstrahlen — sie sollen als Vorknorpelstrahlen bezeichnet werden — und fließen ihre distalen Enden alle in der Ohondrodermis zusammen. Während in dieser die Zellen trotz der dichten Anordnung deutlich einen protoplasmatischen Körper und meist ovale Kerne mit parallel zum Flossensaume gestellter Längs- achse erkennen lassen, bestehen die Vorknorpelstrahlen aus geld- rollenartigen Säulen im dorsoventralen Durchmesser abgeplatteter und so dicht auf einander’ gepresster Zellen, dass von Zellgrenzen keine Spur zu sehen ist und die Kerne sich oft mit ihren Mem- branen unmittelbar berühren (Fig. 3 «e). Das spärliche verbindende Protoplasma erscheint hauptsächlich an die Oberfläche der Strahlen gedrängt. An den Kernen treten meist nur die Kernmembranen stark ge- färbt hervor, nur einzelne lassen ein deutliches Kerngerüst er- kennen. Diese sind dann oft keilförmig zwischen die anderen einge- presst, wodurch leichte Krümmungen oder buckelförmige Vorwölbungen an der Oberfläche der Strahlen entstehen. Hier und da gabelt sich ein Strahl gleich nach seinem Ursprunge aus dem gemeinsamen Vorknorpelsaum unter spitzem Winkel in zwei Äste (Fig. 2 fs), ein Verhalten, welches das Vorkommen doppelter Knorpelstrahlen mit gemeinsamer Spitze oder in ihrer Mitte gedoppelter Strahlen mit einfachem proximalen und distalen Ende bei älteren Ammocoeten verständlich macht. Die Oberflächenbegrenzung der Vorknorpelstäbehen bilden Zellen des umgebenden Gallertgewebes, welche sich in einfacher Lage und ziemlich lockerer Fügung mit der Längsachse ihrer ovalen Kerne parallel zu der des Stäbchens als erste Spur eines Perichondriums Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. . 121 anordnen (Fig. 3 p). Viele derselben stehen an ihrer von der Knorpel- anlage abgewendeten Fläche durch protoplasmatische Fortsätze in Verbindung mit Zellen des umgebenden Gallertgewebes. Das epaxiale Fettgewebe (Fig. 2 ea) grenzt sich durch eine einfache Lage platter Zellen (Fig. 2 9), deren Kerne durch stärkere Färbung deutlich her- vortreten, gegen den oben erwähnten Streifen dichteren Fasergewebes (Fig. 2 f) ab und besteht ausschließlich aus großen, blasenförmigen Zellen mit deutlichen Membranen. Diese berühren sich oft unmittel- bar und erhalten dann die Zellen durch gegenseitige Pressung poly- edrische Formen; theils ziehen zwischen den Zellen, dieselben trennend, Blutgefäße hindurch (Fig. 2 5). Die Kerne der Fettzellen sind groß, blasenförmig, wenig färbbar und mit deutlichen Kernkörperchen ver- sehen. Im Bereiche der Rückenflosse zähle ich in diesem Stadium beiläufig 60 Vorknorpelstrahlen. In der eigentlichen Schwanzflosse nehmen die Strahlen, deren Zahl hier 40--50 beträgt, fast um das Doppelte an Höhe zu (76—95 u), während ihre Dicke dieselbe bleibt. Dagegen zeigt ihr feinerer Bau in ihren proximalen Enden, sesen den Achsenstrang zu, ein wesentlich anderes Aussehen, wel- ches kurz als ein weiteres Stadium ihrer Entwicklung bezeichnet werden kann. Die Zellen haben an Größe, d. h. hauptsächlich an Höhe in dorsoventraler Richtung zugenommen, erscheinen theils wie aufge- quollen, so dass der Kern derselben rings von einem deutlichen, wenn auch schwach färbbaren Protoplasmakörper umgeben wird (Fig. 4 Z) und werden durch scharfe Grenzen von einander getrennt. ‚Einzelne Zellen, die ich als Intercalarzellen bezeichne, besitzen aber noch immer eine stark abgeplattete Form, so dass ihr am Durch- schnitt stäbehenförmiger Kern (Fig. 4 Z’) wie in die Zellgrenzen mit einbezogen erscheint. Diese Grenzen (pch) werden durch eine verdichtete und stärker lichtbrechende Rindenzone des Protoplasmas, die sich mit Eosin stärker roth färbt, gebildet und sind stets zwei benachbarten Zellen gemeinsam, so dass sie wie ein Fachwerk oder Alveolensystem die Zellkörper umschließen. Die ältere Darstellung hat diese scharf hervortretenden Zellgrenzen als Membranen oder Kapseln gedeutet, so dass z. B. M. ScHULTze! bei der Entwicklung der Kiemenknorpel die scharfrandigen Zellen sich ohne Spur von Intercellularsubstanz an einander legen lässt- Y bie Entwicklungsgeschichte von Petromyzon Planer‘. Haarlemer Preis- schrift 1856. 122 Josef Schaffer, Und doch ist gerade dieses Fachwerk die erste Grund- oder Intercellularsubstanz; dieselbe muss nach ihrem ganzen Auftreten als ein gemeinsames Produkt der Zellkörper selbst aufgefasst werden, welches an den Stoffwechsel- vorgängen und Wachsthumserscheinungen derselben auch fernerhin noch Theil nimmt und so die Zellkörper wie ein lebendiger Kitt verbindet. Die Frage, ob diese erste Grundsubstanz durch Umwandlung fertigen Zellprotoplasmas oder durch eine Art Ausscheidung von Seite der Bildungszellen entsteht, eine Frage, in weleher WALDEYER! erst kürzlich wieder für die erste Auffassung eingetreten ist, lässt sich an solchen Stellen, wo die Grundsubstanz in innigstem Kontakte mit und rings um die Zellen entsteht, nicht entscheiden. Dagegen sprechen eine heihe anderer Beobachtungen, welche ich in einem kurzen Aufsatze? gegen WALDEYER herv re habe, und beson- ders auch das Verhalten dieser kittartigen Grundsubstanz an den Oberflächen der Schwanzknorpelanlagen eher für eine Ausscheidung der Grundsubstanz in flüssigem, plastischem Zustande. An den Oberflächen der Vorknorpelstrahlen tritt dieser Kitt näm- lich als ein kontinuirlicher, festonirter Saum hervor, der oft die Zwickel zwischen zwei Zellenden gleichmäßig, wie ein Erguss ausfüllt (Fig. 4 pch’). Hier scheint dann das Protoplasma der peri- chondralen Zellen unmittelbar in denselben überzugehen, während ihre abgewandte Seite noch nackt, oft mit benachbarten Zellen des um- sebenden Gallertgewebes durch Fortsätze verbunden erscheint. Die Zellkörper im Inneren des Vorknorpelstrahls hängen auch kontinuirlich mit diesem Kitt zusammen, nirgends sieht man eine Ablösung von demselben, wie dies später bei den Knorpelzellen die Regel ist. Färberisch zeigt diese prochondrale Kitt- oder Grund- substanz, wie ich sie nennen will, noch nicht das Verhalten des Chondromuceoids; bei Stückfärbung (Paraffineinbettung) färbt es sich wie das Zellprotoplasma stark mit Eosin, nicht mit Hämalaun. Eben so, aber weniger stark bei Schnittfärbung (Celloidineinbettung). Un- gefärbt bleibt diese prochondrale Substanz auch bei den zum Nach- weise von Chondromueoid empfindlichsten Färbungen mit Thionin und Safranin, sowie auch mit saurem Orcein. 1 Kittsubstanz und Grundsubstanz, Epithel und Endothel. — Arch. f. mikr. Anat. Bd. LVII. 1900. p. 1—8. 2 Grundsubstanz. Intercellularsubstanz und Koi — Anat. Anzeiger. Bd. XIX 190% Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 193 Zum Studium der weiteren Entwicklung der Flossenstrahlen diente mir ein reiches Material sowohl von frischen, als mannigfach fixirten und konservirten Querdern (»Uhl«) aus der Donau. Die frisch ab- seschnittenen Schwänze wurden theils zur Isolirung der Flossen- strahlen durch Abziehen der Haut und Untersuchung des Knorpel- gewebes im frischen Zustande benutzt, theils wurden sie in Platin- chlorid-Sublimat (!/;/,ige Lösung von ersterem mit der gleichen Menge sesättigter wässeriger Sublimatlösung gemischt), Pikrinsublimat, HEr- MANN ’s Gemisch, !/,/,ige Osmiumsäure, Alkohol, Mürter’sche Flüssig- keit eingelegt; gute Dienste that mir auch für andere Zwecke — ein Gemisch von Kaliumbichromat 2,5, Kupfersulfat 1, 1P/,ige Essigsäure 100. Schnittserien, und zwar sowohl Quer- als hauptsächlich sagittale Längsschnittserien (Paraffin und Celloidineinbettung) wurden ange- fertist von Larven von 4, 4,3, 4,5, 4,9, 5, 6, 7,3, 9,5, 10,5, 16, 16,5, 17 und 18 cm Länge. An diesem Materiale untersucht, gestaltet sich die weitere histo- logische Entwicklung der Flossenstrahlen im Wesentlichen wie folgt: Die Strahlen wachsen zunächst rasch in die Länge, ohne an Dieke zuzunehmen, indem sie einfache Zellsäulen bleiben. So stoßen ihre proximalen Enden bald auf den Achsenstrang ! und findet ihr weiteres Längenwachsthum theils durch Intussusception, Theilung der Zellen in Ebenen senkrecht zur Längsachse des Flossenstrahles, theils durch Apposition an den freien, distalen Enden — ein förmliches Spitzenwachsthum — statt, wo sie lange Zeit — noch bei den ältesten Ammocoeten, ja selbst bei Petromyzon Planeri konnte ich das beob- achten — den syneytialen Charakter der ersten Anlage bewahren, d.h. nur aus dicht gedrängten Zellkernen mit spärlichem, verbinden- dem Protoplasma bestehen, das keine Zellgrenzen erkennen lässt (Figg. 5 und 9 os). Diese distalen Enden sind auch noch längere Zeit etwas ver- . breitert, wie kegelförmig angeschwollen und bleiben durch dichtere Züge in dorsoventraler Richtung abgeplatteter Zellen verbunden (Fig. 5 ms). Die Gesammtheit dieser Zellen ist in der unversehrten Schwanzflosse als jener dunklere Streif (Chondrodermis, marginaler Vorknorpelsaum), der parallel zum freien Flossensaum verläuft, noch bei 10!/, em langen Larven, allerdings nur mehr ventral, sicht- bar. Derselbe löst sich schließlich -—— und zwar früher dorsal, wo er 1 Mit diesem Ausdrucke sei kurz die Chorda dorsalis sammt dem Rücken- marke mit seinen Hüllen bezeichnet. 124 Josef Schaffer. auch zuerst entstanden ist —- von vorn nach hinten zu auf, indem die Zellen zwischen den Enden zweier benachbarter Flossenstrahlen in das appositionelle Wachsthum der letzteren einbezogen werden, wodurch diese Enden schließlich auch frei und unabhängig von ein- ander werden. Die Zellen, welche den übrigen Theil der Strahlen zusammen- setzen, zeigen schon beim 4 cm langen Ammocoetes recht auffällige Unterschiede. Blasenförmige Zellen, wie ich sie am proximalen Ende der Vorknorpelstrahlen bei 3 cm langen Larven beschrieben habe, wechseln in ziemlich regelmäßiger Weise mit stark abgeplatteten, zwischen die ersteren eingezwängten Zellen ab, deren Kerne homo- sen, stark färbbar, am Durchschnitte stäbehenförmig erscheinen und nur an ihren Enden ein ebenfalls stärker färbbares Protoplasma be- sitzen. Am Längsschnitte zeigt ein solcher Flossenstrahl einiger- maßen ein leiterähnliches Aussehen, indem die dunklen, schmalen Zellen wie Sprossen die ganze Breite des Strahles durchsetzen (Fig. 5 Z). Stoßen mehrere solcher dunkler Zellen an einander, so sind zwischen ihnen deutliche Grenzen nicht wahrnehmbar. Oft erscheinen, wie ich dies bei einer Larve von 4,3 em Länge deutlich sehe, in einzelnen Flossenstrahlen die dunklen Zellen sammt ihren Kernen zu ganz dünnen, mit Hämalaun stark färbbaren Scheide- wänden zusammengepresst, in denen Kern und Zellkörper nicht mehr aus einander zu halten sind (Fig. 5 ©). Dabei erscheint gelegentlich ein Kernrest oder Kerntheil als intensiv mit Hämalaun färbbares Korn ganz an die Peripherie, in die Zwickel zwischen die abge- rundeten Enden der hellen Zellen verdrängt (Fig. 5 d), was wohl nur so gedeutet werden kann, dass diese dunklen Zellelemente unter einem bedeutenden Drucke in der Wachsthumsrichtung des Flossen- strahles, das ist in der Längsrichtung desselben stehen. Auch die Oberfläche des Strahles zeigt eine schärfere, linienartige Begrenzung, einen stärker lichtbrechenden, mit Eosin roth gefärbten Saum gegen die anliegenden Zellen, welche sich mit der Längsachse ihrer Kerne parallel zu der des Strahles anordnen (Fig. 5 pch). Dieser oberfläch- liche Grenzsaum wird gegen die wachsende Spitze des Flossenstrahles immer schwächer, weniger deutlich und verliert sich mit dem Auf- hören deutlicher Zellgrenzen ganz (Fig. 5 vs). Beim 5 em langen Ammocoetes sind die proximalen Schwanz- flossenstrahlen ebenfalls noch dünn, meist aus einer einzigen Zellreihe bestehend, doch sind ihre distalen Enden durch Auflösung der Chondrodermis frei geworden. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 125 Weiter in die hohe Schwanzflosse hinein nehmen die Strahlen beträchtlich an Dieke zu (20—30 u), um in der Schwanzspitze selbst wieder dünner zu werden. Hier neigen sich die Strahlen stark gegen den Achsenstrang, so- dass die letzten fast parallel mit demselben verlaufen. Auch reichen die ventralen hier bis auf die Chordascheide, die dorsalen bis an die Bindegewebshülle des arachnoidalen Füll- gewebes und verschmelzen ihre kopfwärts gebogenen, leicht kolbig verdickten Enden hier durch verbindende Zellmassen, die ebenfalls das Aussehen von Vorknorpel zeigen, zu einer vorknorpeligen, zusammenhängenden Umhüllung des Achsenstranges, welche nur die Seitenflächen desselben frei lässt. Die Diekenzunahme der Flossen- strahlen geht in dreifacher Weise vor sich. Einmal durch einfaches Wachsthum der Zellen und Verdiekung der Scheidewände; dann durch Theilung der Zellen in Ebenen parallel zur Längsachse des Strahles, wobei sich zwischen den getheilten Zellen in Verbindung mit der scheidewandartigen Kittsubstanz zwischen den Nachbarzellen gleiche, zunächst dünne, dann dieker werdende Scheidewände aus- bilden. So bestehen die Strahlen am Längsschnitt jetzt aus einer doppelten Zellreihe (Fig. 6), doch findet man von Stelle zu Stelle noch einfache, die ganze Breite des Strahles durchsetzende Zellen, welche dann zwei, in entgegengesetzter Richtung an die Peripherie gerückte Kerne besitzen, ohne dass zwischen ihnen noch eine Scheide- wand gebildet wäre (Fig. 6 vZ). Drittens erfolgt aber auch bereits eine Diekenzunahme durch Apposition. Die bisher in lockerem Verbande gestandenen Zellen, welche die Oberfläche der Strahlen bedecken, schließen sich zu einem dichter gefügten und wohl begrenzten Perichondrium zusammen (Figg. 6, 7 p), indem sie zwischen sich eine Substanz ausscheiden, die eine längsfaserige Struktur annimmt. Ein Theil der Zellen, welche an ihrer, dem Flossenstrahl zugekehrten Fläche bereits eine Kittsubstanz ausgeschieden haben, umgeben sich nun auch an ihrer freien Fläche mit derselben (Fig. 7 pch?) und erscheinen somit in die Anlage des Strahles einbezogen. Nur sieht man oft noch die Grenze des ursprünglich aus einer Zellreihe bestehenden Strahles deutlich erhalten und erkennt so die Verdickung leicht als echte Anlagerung vom Perichondrium aus (Fig. 7 G8). Zwischen die blasigen Zellen des Strahles (Fige. 6, 7 Z) erschei- nen wieder von Stelle zu Stelle dunkle, zusammengepresste Zellen _ mit homogenen Kernen eingeschlossen (Figg. 6, 7 Z’), die sichtlich unter dem Wachsthumsdrucke der hellen, blasenförmigen Zellen 126 Josef Schaffer, stehen. Oft scheinen diese dunklen Elemente einen integrirenden Bestandtheil der Scheidewand zwischen zwei hellen Zellen zu bilden. Ihre Zahl nimmt gegen die Basis des Strahles zu ab; hier ist das Fachwerk zwischen den großen Vorknorpelzellen bereits sehr gleich- mäßig entwickelt, so dass das Gewebe morphologisch schon ganz wie der fertige Kiemenknorpel aussieht; nur färbt er sich noch stark mit Eosin. Erwähnen muss ich noch, dass in diesem Stadium zwischen den Flossenstrahlen in dem Gallertgewebe, welches nun durch das faserige Perichondrium scharf von ersteren getrennt ist, kleine rund- liche Gruppen von Zellen zur Beobachtung kommen (Fig. 16 AT), die ebenfalls zwischen sich und an ihrer freien Oberfläche eine Kittsub- stanz absondern und so wie winzige Inselchen von Vorknorpelgewebe erscheinen. Manchmal sind sie zwischen vier bis fünf auf einander folgenden Strahlen mit einer auffallenden Regelmäßigkeit in annähernd gleicher Entfernung vom freien Flossensaum vorhanden. Dies lässt vermuthen, dass es sich um losgelöste und versprengte Elemente der Chondrodermis handelt, welche ihre speeifische Fähigkeit Knorpel- srundsubstanz zu bilden nun auch im umgebenden Gallertgewebe entwickeln. Diese Knorpelinseln wachsen niemals zu Strahlen aus, wie Vogr gemeint hat. Entweder lösen sie sich auf, oder, in ande- ren Fällen, legen sie sich auch an die Oberfläche eines Flossen- strahles an und verschmelzen mit derselben. Sie bilden dann halb- kugelig vorspringende Buckel, deren Entstehung durch perichondrale Auflagerung zweifellos ist (Fig. 7 7). Man findet solehe Knorpel- inselchen auch noch bei alten Ammocoeten, ja selbst beim Bachneun- auge zwischen den Flossenstrahlen, wo sie Vogt (l. e.) gesehen hat. Beim 6 em langen Ammocoetes, dem nächsten von mir unter- suchten Stadium, haben die Flossenstrahlen an Länge und Dicke etwas zugenommen und sind besonders an den dorsalen, nahe der Schwanzspitze schon tiefe Gabelungen ausgebildet. Manche Strahlen gabeln sich auch umgekehrt, gegen den Achsenstrang hin, wo sie getrennt oder wieder zu einem vereint mit leicht verdiektem Ende in das großblasige Zellgewebe, welches Chorda und arachnoidales Füll- gewebe umgiebt, sich einsenken. Verfolgt man einen Flossenstrahl von seiner freien Spitze bis zur Basis, so ergiebt sich wieder das Bild einer in der genannten Richtung fortschreitenden Entwicklung. Die Spitze erscheint noch leicht verdickt und nur aus dicht gedrängten, in der Richtung der Längsachse des Strahles abgeplatteten Kernen mit spärlichem, ver- bindendem Protoplasma gebildet. Bei einigen distalen Strahlen ist die Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 127 ud Verbreiterung, mit welcher sie in der Chondrodermis endigen, be- sonders auffallend und lässt in der Mitte eine leichte Furche als Andeutung der späteren Gabelung erkennen. Es ist dies die zweite, und zwar gewöhnliche Art der Gabelbildung an den Strahlenenden. Der mittlere Theil des Strahles zeigt im Wesentlichen das Aussehen, wie beim 5 em langen Thier: den charakteristischen Wechsel der hellen, blasigen und zwischen dieselben eingeklemmten dunklen Zellen. Gegen die Basis des Strahles werden die hellen Zellen etwas größer, lassen häufig zwei Kerne erkennen und nehmen ausgesprochen poly- edrische Formen an, indem sie nur mehr durch gleichmäßig dünne Septen von Kittsubstanz verbunden werden. Dieses auffallende, gleich- mäßige Aussehen der Alveolenwände beruht darauf, dass hier die eingesprensten, dunklen Intercalarzellen fehlen. Was aber im Vergleiche mit dem früheren Stadium an den Flossenstrahlen am meisten auffällt, das ist eine wesentliche Änderung im mikrochemischen Verhalten der prochondralen Intercellularsubstanz: sie hat ihre Färbbarkeit mit Eosin ver- loren und färbt sich nun intensiv mit Hämalaun und Hämatoxylin nach DELAFIELD, zeigt also diesen Farbstoffen gegenüber das Ver- halten von Chondromueoid. Dagegen giebt sie noch nicht die feine- ren, metachromatischen Farbreaktionen mit Safranin und Thionin. Da diese aber bei älteren Stadien ebenfalls eintreten, so kann man nunmehr die Intercellularsubstanz als echte, ehondromucoide Knorpel- grundsubstanz auffassen, die durch eine allmähliche chemische Um- wandlung unmittelbar aus der prochondralen Kittsubstanz hervorgeht. Zum Unterschiede von letzterer sei sie als protochondrale Grund- substanz bezeichnet. Gleichzeitig mit dieser auffallenden Änderung des mikrochemi- schen Charakters machen sich andere, nicht minder wichtige Er- scheinungen im Gewebe der Flossenstrahlen bemerkbar: einmal verschwinden allmählich die dunklen Intercalarzellen, welche bisher dem junglarvalen Flossenknorpel ein so eigenthümliches Gepräge verliehen haben, und zweitens gewinnen die Launalzele ein deut- lich geändertes Aussehen. Während ihr Protoplasma bisher zart, wenig färbbar war, und mit der Intercellularsubstanz auch nach der Fixirung in Pikrinsubli- mat in mehr oder minder vollkommenem Kontakte stand, nimmt es jetzt ein dichteres Gefüge, stärkere Färbbarkeit mit Eosin an und zieht sich bei der Fixirung der Larven in toto in der bekannten Art typischer Knorpelzellen von der umschließenden Alveolenwand zurück. 128 Josef Schaffer. So liegen nunmehr die Zellen — mit einer gleich zu erwähnenden Ausnahme — an den in gleicher Weise, wie bisher angefertigten Schnittpräparaten als sternförmig verschrumpfte Protoplasmaklümp- chen frei in den Höhlen, mit den Wandungen derselben nur durch fadenförmig ausgezogene Fortsätze verbunden (Fig. 11 Z). Am besten werden die eingreifenden Veränderungen, welche das Gewebe der Flossenstrahlen nunmehr erfahren hat, ersichtlich, wenn ich den bis- herigen Beschreibungen die Schilderung des Schwanzknorpels einer älteren Larve entgegenstelle. Ich wähle dazu die Flossenstrahlen eines 9'/, em langen Ammo- coetes. Die Dicke der Knorpelstäbe beträgt an korrespondirenden Stellen gemessen 45—60 u, hat also beträchtlich zugenommen, wie auch aus dem unmittelbaren Vergleich der bei gleicher Vergrößerung gezeichneten Figg. 6, 7 und 10, 11 hervorgeht. Diese Diekenzunahme ist wieder zurückzuführen einmal auf eine Größenzunahme aller Theile des Flossenstrahles, zweitens auf eine Vermehrung der Zellen, und drittens auf Apposition vom Perichondrium aus, jedoch treten diese verschiedenen Komponenten des Wachsthums nicht an allen Abschnit- ten des Knorpelstrahles gleichmäßig hervor. Die freien Enden der Flossenstrahlen zeigen noch den syneytia- len Charakter, ziemlich dicht gedrängte, in der Längsrichtung des Strahles abgeplattete Kerne in einer gemeinsamen Protoplasmamasse (I, os. Daran reihen sich in allmählichem Übergange kleine, stark ab- geflachte Zellen (Z), zwischen denen am Durchschnitte feinste, tren- nende Kittlinien zu sehen sind, welche sich bereits intensiv mit Hämalaun färben und durch ihre zierliche Gleichmäßigkeit auffallen (?). In den proximalen Theilen der Flossenstrahlen hat die Inter- cellularsubstanz (protochondrale Grundsubstanz) an Masse beträchtlich zugenommen und bildet am Durchschnitte ein intensiv mit Hämalaun färbbares Balkenwerk, welches schon deutlich ein seiner mechanischen Leistung entsprechendes architektonisches Gefüge erkennen lässt. An medianen Längsschnitten durchzieht die Mitte des Knorpelstrahles entsprechend den Theilungsebenen der Zellen in der ursprünglich einfachen Zellsäule (Fig. 6 £) ein stärkerer Grundsubstanzbalken (Fig. 10 MZ); senkrecht darauf stehen annähernd unter einander parallele Bälkchen (g), deren Außenenden an den Oberflächen des Knorpelstrahles durch je einen 2—3 u dieken Saum von Grundsub- stanz verbunden werden (Fig. 10 @S), wie ich dies auch für den Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 129 Kiemenknorpel beschrieben habe!. Dieser Grenzsaum überzieht die sanze Oberfläche gleichmäßig, auch die Zwickel zwischen den kon- vexen Zellenden wie ein Erguss ausfüllend und muss als ein gemein- sames Produkt dieser Zellenden und der Zellen des Perichondriums aufgefasst werden. Doch sieht man hier auch bereits faserige Elemente des Periehondriums in diese oberflächliche Grundsubstanzlage aufgenommen, eingeschmolzen werden, weicher Vorgang noch näher zu besprechen ist. So zeigt ein solcher Strahl am Durchsehnitte das Bild einer Doppelleiter; als Körper stellt er einen Cylinder mit verdiekter Wand dar, von der ein Fachwerk radiär auf die Mittelpunkte der über einander liegenden Querschnitts- ebenen des Cylinders zuläuft und sich hier in einen Grundsubstanz- balken vereinigt, der dre Längsachse des Cylinders bildet. Diese Architektonik verleiht dem Flossenstrahl seine Biegungsfestigkeit. Die Vermehrung der Zellen geht in der Weise vor sich, dass sich dieselben in Ebenen parallel zur Mantelfläche des Cylinders theilen (Fig. 10 S, 5’). Als sehr auffallend muss ich erwähnen, dass es mir trotz achtsamen Suchens — es wurden Serien verschiedener Stadien von 4,5—17 em Länge aus Fremming’scher Lösung, Platin- chlorid-Sublimat, Pikrinsublimat Strahl für Strahl mit der Immersion durchsucht — an diesen Objekten niemals gelungen ist in den Knorpel- zellen eine Mitose zu entdecken. Eine einzige fand ich im Peri- chondrium. Dagegen stößt man auf Kernformen, welche zur Annahme einer direkten Kerntheilung zwingen. Die Kerne sind meist regel- mäßig kugelig; hier und da findet man einen länglichen, der dann in der Mitte von einer Seite her eine Einziehung zeigt; endlich sind zwei- kernige Zellen mit dicht an einander liegenden bis zu weit getrennten Kernen sehr häufig?. Auch Hantelformen sind sehr selten. Zwischen 1 Diese Zeitschr. Bd. LXI. 1896. p. 628. 2 Wenn man bedenkt, wie reichlich man Mitosen in den Wachsthumszonen der Knorpel höherer Thiere findet, so ist der Mangel oder die außerordentliche Seltenheit derselben bei den Neunaugen entschieden sehr eigenthümlich. Dazu _ kommt noch die polyedrische Gestalt mit oft scharf ausgeprägten Kanten, sowie das auch an fixirten Objekten wenig dichte, durchsichtige Protoplasma dieser Zellen, an denen ich auch die charakteristische Braunfärbung mit Jod vermisste. Die eigenthümliche Form der Zellen bedingt auch das scharfe Hervortreten der Architektonik der Grundsubstanz, da die balkenartige Anordnung derselben am optischen Durchschnitt fast nie durch zwickelartige Verbreiterungen in den Durch- schneidungspunkten der Alveolenwände verwischt wird, wie dies bei Knorpeln mit abgerundeten Zellen der Fall ist. Nimmt man noch dazu, dass diese spär- liehe Grundsubstanz erst verhältnismäßig spät die für echte Knorpelsubstanz charakteristischen Farbreaktionen mit Safranin und Thionin aufweist, so erscheint Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 9 130 Josef Schaffer, den Theilprodukten treten in Zusammenhang mit den stärkeren Quer- balken einfache Scheidewände ganz in der Weise, wie die erste Intercellularsubstanz auf (Fig. 11 $S, S', 52. Sie sind zuerst sehr dünn, nur im reinen optischen Querschnitt als feine, mit Eosin roth färbbare Linien sichtbar, die aber, wie zahlreiche Zwischenstadien beweisen, bald an Dicke zunehmen und auch die charakteristische Färbbarkeit mit Hämalaun annehmen. Besonders hervorgehoben verdient zu werden, dass das Proto- plasma der Knorpelzellen an den Schnitten fast allenthalben die typische Loslösung von den stärkeren Grundsubstanzbalken in Folge der Fixirung zeigt, hingegen an diesen dünnen, erst in Bildung be- sriffenen Scheidewänden so fest haftet, dass die Kontinuität mit den- selben meistens erhalten bleibt (Fig. 11 S'). Bemerkenswerth ist auch, gegenüber früheren Entwicklungsstadien, das deutliche Hervortreten des membranartigen Charakters der Zellscheidewände, in Folge der Größenzunahme der Zelloberflächen und der starken Färbbarkeit der Zwischensubstanz mit Hämalaun. An etwas diekeren Schnitten sieht man die Membranen vielfach von der Fläche, durch den Schnitt theil- weise entfernt und nicht selten verbogen (Fig. 11 M), ganz, wie ich dies auch vom Kiemenknorpel beschrieben habe. Ein geändertes Aussehen verleiht der Grund- oder Intereellular- substanz endlich auch der Umstand, dass die dunklen Interealar- zellen aus derselben verschwunden sind. Dagegen finden sich an einzelnen Stellen des sonst ziemlich gleichmäßig dünnen Wabenwerkes der Grundsubstanz eigenthümliche Verdiekungen, die stets dort ge- legen sind, wo drei oder mehr Zellscheidewände zusammenstoßen und unregelmäßig gestaltete, größere oder kleinere Zwickel von Grund- substanz bilden, welche mit den Wänden des Wabenwerkes einheit- lich zusammenhängen (Fig. 11 ZW). Dieselben Zwickel findet man auch im weichen Kiemenknorpel, wo ich sie, ohne weitere Erklärung, auch schon abgebildet habe!. Durch das zeitliche Zusammentreffen des Verschwindens der dunklen Intercalarzellen mit dem Auftreten jener Färbbarkeit der Grundsubstanz, welche als typisch für den Gehalt an Chondromucoid angesehen werden muss, gewinnen jene Elemente ein erhöhtes Inter- esse und drängen sich von selbst die Fragen auf, wie die dunklen der weiche Cycelostomenknorpel auch noch als Grundsubstanzknorpel wie ein eigenthümlicher Typus, so recht eine Übergangsform zwischen vesieulösem Stütz- sewebe und dem Knorpel höherer Thiere. 1 Diese Zeitschr. Bd. LXI. 189. Taf. XXVI, Fig. 14. Über den feineren Bau und die Entw..des Knorpelgewebes ete. L. 131 Interealarzellen verschwinden, und ob dieses Verschwinden in einem ursächlichen Zusammenhange mit dem Auftreten der chondromucoiden Färbung der Grundsubstanz steht. Was die erste Frage betrifft, so kann kein Zweifel darüber sein, dass ein Theil der eingeklemmten Zellen sich schließlich in typische Knorpelzellen umwandelt. So sehe ich bei einem Amzmocoetes von 7,3 em Länge, bei dem noch reichliche Intercalarzellen vorhanden sind, der aber auch bereits die charakteristische Färbbarkeit des Schwanzflossenknorpels mit Hämalaun ete. zeigt, an vielen Stellen die tief gefärbten homogenen Kerne der Intercalarzellen sich von den Wänden des chondromucoiden Wabenwerkes gleichsam loslösen und allseitig mit Protoplasma umgeben. Kern und Zellkörper erholen sich scheinbar von dem erlittenen Drucke und nehmen allmählich Umfang nnd Form der übrigen Knorpelzellen an (Fig. 8:2). Andererseits sprechen einige Beobachtungen dafür, dass eine ge- ringere Anzahl von Interealarzellen vollkommen in der Bildung von Grundsubstanz aufgeht und glaube ich die oben geschilderten, zwickel- förmigen, reichlicheren Grundsubstanzmassen als aus solchen in toto zu Grundsubstanz umgewandelten Zellen hervorgegangen auffassen zu müssen. Dafür sprechen Lage und Anordnung der Zwickel, sowie mannigfache Zwischenstadien, von denen ich in Fig. 8 einige mit :Z’ bezeichnet habe. Dass ganze Knorpelzellen sich in Grundsubstanz umzuwandeln vermögen, ist eine bekannte Thatsache, und sollen hierfür in einem folgenden Kapitel neue Beweise beigebracht werden. Aber auch in dem ersten Falle kann man annehmen, wenn auch kaum beweisen, dass unter dem starken. Wachsthumsdrucke der umgebenden Zellen, welchem die Kerne der Interealarzellen ausgesetzt sind und unter dem sie ihre kugelige Gestalt, ihr deutliches Kerngerüst verlieren und zu homogen färbbaren Gebilden zusammengepresst werden, flüs- sige und lösliche Bestandtheile dieser Kerne ausgepresst und der ersten Grundsubstanz beigemengt werden. Jedenfalls zwingen die geschilderten Bilder zu der Annahme, dass auch Kernsubstanzen einen Antheil an der Zusammensetzung der protochondralen Grundsubstanz nehmen und ist es recht leicht denkbar, dass diese Beimischung von Einfluss auf die schließliche Umwandlung der ursprünglichen Kittsubstanz in die chondromucoide Grundsubstanz ist. Beiläufig sei hier auf die chemische Verwandt- schaft zwischen Chondromueoid und Nucleoalbumin hingewiesen und 1393 Josef Schaffer, bemerkt, dass N. CZERMAK! auf Grund verschiedener Reaktionen den Gedanken ausgesprochen hat, dass die Kittsubstanz des Knorpels außer Muein (Hyalogen) auch aufgequollenes Nucleoelastin enthält; »dieser Stoff durchtränkt vielleicht sogar die Fibrillen«. Änderungen des mikrochemischen Verhaltens der Knorpelgrund- substanz, wie die oben geschilderte, sind mehrfach zu beobachten und kann gerade an den Schwanzflossenknorpeln von Petromyzon gezeigt werden, dass der chondromucoide Charakter der protochondralen Grundsubstanz nicht der bleibende ist, sondern unter geänderten mechanischen Bedingungen abermals ein anderer werden kann. Gegen den Achsenstrang zu nimmt das Gewebe der Flossen- strahlen ein größer-blasiges Aussehen an, indem hier die Alveolen- wände jener Mutterzellen, welche in früheren Stadien (Fig. 6) in doppelter Reihe den Strahl zusammensetzten, stärker hervortreten, als die innerhalb derselben entstandenen dünneren Scheidewände der Theilungsprodukte (Fig. 12 pE). Hier, wo schon in den vorhergehen- den Stadien die dunklen Intercalarzellen fehlten (vgl. p. 127), ver- misst man auch die zwickelförmigen Verdickungen der Alveolenwände, welcher Umstand ebenfalls für den genetischen Zusammenhang zwi- schen Intercalarzellen und Grundsubstanzzwickeln zu sprechen scheint. Diese proximalen Enden der Flossenstrahlen sind wieder kopf- wärts umgebogen und legen sich gegen das Schwanzende zu dicht an die faserige Umhüllung des Rückenmarkskanals (Fig. 12 a) an, ja verschmelzen mit derselben, indem faserige Elemente derselben theilweise in den Grenzsaum von Grundsubstanz (Fig. 12 GS) ein- geschmolzen werden. Die epaxialen Zellmassen zwischen den Enden der Flossenstrahlen erscheinen in Knorpelzellen umgewandelt und verbinden diese Enden, deren Grenzen durch die stärkeren Ober- flächsensäume deutlich sind, zu einem einheitlichen Knorpelbelag (Fig. 12), welcher den Rückenmarkskanal dorsal bedeckt. Ein ähn- liches Verhalten zeigen die proximalen, ebenfalls kopfwärts umge- bogenen Enden der ventralen Flossenstrahlen (Fig. 15), nur mit dem Unterschiede, dass hier noch ziemlich nahe der Sehwanzspitze der Knorpelstreifen (2E) durch die charakteristischen blasigen Zellen des periaxialen Bindegewebes (Ra) von der Chordascheide (E) getrennt wird. Mit anderen Worten, die Substitution des periaxialen Bindegewebes durch Knorpel — ob dies durch Umwandlung der blasigen Zellen in Knorpelzellen, oder durch Verdrängung der ersteren ! Vergleichende Studien über die Entwicklung des Knochen- und Knorpel- gewebes. Anat. Anz. Bd. IH. 1885. p. 474. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes etc. I. 193 durch letztere geschieht, soll gleich besprochen werden — findet dorsal, wo übrigens die Lage der blasigen Zellen stets schwächer entwickelt ist, viel früher in cranio-caudaler Richtung statt, als ventral. Erst gegen die Rückenflosse hin heben sich auch die knorpelig verbundenen proximalen Enden der dorsalen Flossenstrahlen vom Achsenstrang ab und schiebt sich zwischen beide eine in caudo- eranialer Riehtung an Mächtigkeit zunehmende Lage blasiger Zellen ein, wie dies schon aus Fig. 2 ersichtlich war. Um die gsröberen morphologischen Verhältnisse des Schwanzskelettes von Ammocoetes hier gleich zu Ende zu besprechen, sei ferner erwähnt, dass schon in diesem Stadium außer den geschilderten ep- und hypaxialen Knorpelstreifen ein paariger, wenn auch nicht durchaus kontinuirlicher Knorpelstreifen in den Zwischenräumen zwischen Rückenmark und Chorda — in den epichordalen Seiten- räumen von GOETTE ! — verläuft, weleher sich von Stelle zu Stelle dureh dünne, bogenförmige Knorpelstreifen in der derben Faserhaut, welche Rückenmark und arachnoidales Füllgewebe umschließt, mit dem epaxialen Knorpelstreifen ver- bindet. Es sind dies die Anlagen der dorsalen Bogen. In der Schwanzspitze nimmt die Dieke der Chorda, ähnlich, wie dies Rertzıus? bei Petromyzon und v. EBNER? am cranialen Chordatheil beschrieben haben, ziemlich plötzlich ab und vereinigen sich hier die lateralen und der ven- trale Knorpelstreif zu einer knorpeligen Umhüllung, welche mit der Elastica chordae verbunden erscheint. Das Rückenmark ist an den Seiten noch frei von Knorpel, dagegen sitzt der faserigen Hülle desselben dorsal der Knorpel dicht an. Die Endigung von Chorda und Rückenmark zeigt individuelle Schwan- kungen. In den meisten Fällen endigt die Chorda früher als das Rückenmark, und zwar in den jüngeren Stadien frei, später von Knorpel bedeckt. In zwei Fällen jedoch sah ich umgekehrt das Rückenmarksende noch von der äußersten Spitze der Chorda überragt werden. Das Riückenmark tritt stets aus der knorpeligen Umhüllung frei heraus (RETZIUS?), wobei es nicht selten aus seiner typischen Lage an die Seite der Chorda gerückt erscheint, und besitzt vor seinem eng cylindrischem oder solidem Ende eine ampullenförmige Erweiterung, in welcher sich der Centralkanal zum Ventrieulus terminalis erweitert. In demselben sieht man den ReEıssner’schen Faden, der ein sehr merkwürdiges, unlängst erst von ISTUDnIokA* beschriebenes Verhalten zeigt. Fast in der Regel erscheint nämlich die dorsale Decke des Ventrikels in größerer oder geringerer Ausdehnung so verdünnt, dass eine Be- 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. XV. 1878. p. 320. 2 Das hintere Ende des Rückenmarkes und der Chorda dorsalis bei Petro- myzon fluviatilis. Verh. Biolog. Ver. Stockholm. Bd. IV. 1891/1892. p. 36 und Über das hintere Ende des Rückenmarkes bei Amphioxus, Myxine und Petro- myzon. Biolog. Untersuch. N. F. VI. 1895. Nr. 6. 3 Die Chorda dorsalis der niederen Fische ete. Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896. p. 491. * Der REıssner’sche Faden aus dem Centralkanal des Rückenmarkes und sein Verhalten im Ventriculus terminalis. Sitzungsber. kgl. böhm. Ges. Wiss. Math.-naturw. Kl. 1899. p. 36. 134 Josef Schaffer. grenzung nur vom umliegenden Mesoderm gebildet zu werden scheint. An dieser Stelle tritt der Reısswer’sche Faden aus dem Rückenmark aus, manch- mal nur durch eine enge Öffnung, manchmal durch eine scheinbar weite Dehis- cenz und verliert sich im umgebenden Gewebe. Einmal sah ich denselben in Kontinuität mit einer fadenartig geronnenen Masse in einem der ebenfalls von StupnickA erwähnten Lymphräume. Bei Ammocoetes bildet der Ventriculus terminalis nicht das eigentliche Ende des Rückenmarkes, vielmehr setzt sich dieses nach Austritt des REISSNER’schen Fadens noch in Form eines engen Kanals oder einer soliden epithelialen Knospe bis zur Endigung knapp unter der Epidermis fort. Einige Worte seien mir hier noch über den Vorgang der perichondralen Knorpelbildung gestattet. So lange die perichondrale Begrenzung der Flossenstrahlen eine rein zellige, chondroblastische ist (Figg. 4, 5), findet von Seite dieser Chondroblasten die Bildung der Grundsubstanz in ganz derselben Weise statt, wie zwischen den axialen Zellen des Knorpelstrahles selbst; sie differenziren zunächst einseitig, gegen die Knorpelanlage hin (Fig. 4 peh’, Fig. 5 pch) oder zwischen sich und an ihrer freien Oberfläche (Fig. 7 pch?, pch?) eine Grundsubstanz nach Art einer Cutieula in plastischem, halbflüssigem Zustande, welche mit dem gleichen Produkte einer oder mehrerer angrenzender Zellen stets zu einem untrennbaren Ganzen zusammenfließt, so dass man zu keiner Zeit die Spur einer Grenze zwischen zwei benachbarten Zellen sieht, welche jeder dieser Zellen einen Theil der Grundsubstanz als eigenen Antheil, als eine Art Kapsel zuweisen würde. Sobald jedoch das Perichondrium eine diehtere und faserige Be- schaffenheit angenommen hat, gestalten sich die Vorgänge anders und muss man, wie SPULER! richtig bemerkt, diese zwei Perioden der Knorpelgrundsubstanzbildung aus einander halten, ohne dass man jedoch in ihnen zwei prineipiell verschiedene Arten der Knorpel- bildung zu sehen hat. Die Entwicklung der Fibrillen im Perichon- drium geht in der Weise vor sich, dass die ursprünglich rundlichen oder eiförmigen Kerne der perichondralen Zellen (Fig. 5 p) lang- gestreckt, stabförmig werden (Fig. 8 p), die Zellkörper selbst am Durchschnitt das bekannte Aussehen geschwänzter, spindelförmiger Gebilde annehmen (Fig. 10 p) und zwischen ihnen eine immer mehr zunehmende Grundsubstanz von fibrillärer Beschaffenheit sichtbar wird. Da die Fibrillen parallel zur Längsachse des Knorpelstabes 1 Beitrag zur Histogenese des Mesenchyms. Verh. Anat. Ges. 13. Vers. Tübingen 1899. p. 13. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 135 verlaufen, hat es den Anschein, als ob sie ein Theil der — allerdings meist kaum sichtbaren — körnig-fädigen Zellleiber wären. An an- deren Stellen jedoch sieht man das Perichondrium eine auf große Strecken hin zellfreie, ziemlich dieke, wie euticulare Masse bilden, welche eine fibrilläre Streifung kaum erkennen lässt (Fig. 14 ?) und der oberflächlich in größeren Distanzen platte Zellkörper aufliegen, die sich durch etwas andere Färbung von der darunter gelegenen Masse abheben (Fig. 14 »Z). Das Ganze erinnert einigermaßen an einen senkrechten Durch- schnitt durch ein. zellenloses Knochenbälkchen mit den aufgelagerten Östeoblasten oder die Chordascheide in frühen Stadien, wo ihr noch sanz platte Bildungszellen aufsitzen, so dass ich mich des Eindruckes nicht entschlagen kann, dass auch hier die Fibrillen nicht aus dem Zellprotoplasma herausgesponnen werden (FLEMMING, SPULER), SOn- dern erst in einer von den Zellen ausgeschiedenen Masse unter dem expansiven Wachsthumsdrucke, der an der Peripherie des durch Intussusception an Dieke zunehmenden Knorpelstabes herrschen muss, gleichsam ausgeprägt werden (v. EBner). Die Zellen, welche in diese fibrilläre Grundmasse eingemauert sind, lassen für gewöhnlich keine deutlichen Grenzen erkennen; dieselben können aber hervortreten, die Zellen sich von ihrem Produkte gleichsam ablösen, wenn sie sich mitotisch theilen oder wenn sie sich — unter Abrundung und Volums- zunahme ihres Kernes und Protoplasmakörpers — anschicken Knorpel- srundsubstanz um sich zu bilden. Geschieht dies im Zusammenhange mit der alten Grundsubstanz, so entstehen Bilder, wie ich sie schon am Kiemenknorpel geschildert habe!, und die sich von der rein cellulären Apposition (Fig. 7 pZ) nur darin unterscheiden, dass die an der freien Fläche des Chondro- blasten erzeugte Grundsubstanz, die naturgemäß, wie eine kapsel- artige Membran erscheinen muss, durch die Fibrillen der Grundsub- stanz, also durch etwas Fremdartiges vom Protoplasma des nächsten Chondroblasten getrennt wird. Tritt nun dieser in das Stadium der Grundsubstanzbildung, so verhindert das umgebende Fremdgewebe (die Fibrillen) das sofortige Zusammenfließen der neuen, oberflächlich differenzirten Grundsubstanzlage mit der alten und erstere muss voll- kommen den Eindruck einer »Kapsel« machen. So kann man in der That an Stellen lebhafteren perichondralen Wachsthums, wie z. B. an den basalen Theilen der Flossenstrahlen (Figg. 12 und 13 pa) mit 1 Diese Zeitschr. Bd. LXI. 1896. p. 628 ff. 136 Josef Schaffer. dünnen »Kapseln« umgebene Zellen sehen, welche von den Nachbar- zellen durch dünne Lagen einer anders färbbaren Substanz getrennt werden. Dieser Zustand ist jedoch nur ein vorübergehender, indem alsbald auch die assimilatorische Fähigkeit der jungen Knorpel- zellen sich geltend macht, welche die trennenden, fremdartigen Scheide- wände der chondrogenen Metamorphose zuführt, wodurch der einheit- liche Charakter der Intercellularsubstanz wieder hergestellt erscheint. Wie ich an dünnen Durchschnitten der Knorpelstäbe von 9,5 cm langen Ammocoetes deutlich sehe, zeigt die erste kapselartige Grund- substanz an der Oberfläche perichondraler Zellen nicht sofort den chondromueoiden Charakter, sondern erscheint, in Übereinstimmung mit der Entstehung der prochondralen Kitt- oder Grundsubstanz nur von anderem Lichtbrechungsvermögen und stärker mit Eosin färh- bar, als das angrenzende Perichondrium (Fig. 14 4A). Sehr belehrend sind Tangential- oder wenig geneigte Schräg- schnitte durch die oberflächliche Appositionslage der Flossenstrahlen, wie man sie an Sagittalschnitten durch den Schwanz reichlich zu sehen bekommt. Die oberflächliche Grundsubstanzlage ist wie eine stark mit Hämalaun ete. gefärbte Membran von der Fläche zu sehen (Fig. 14 68’); beim Heben oder Senken der Mikrometerschraube, je nachdem der Schnitt gefallen ist, tritt das Perichondrium in die Er- scheinung. In jenen frühen Stadien nun, in denen das Perichondrium keine deutlichen Fibrillen enthält, erscheint der Schnittrand der Grund- substanz vollkommen scharf und glatt und ist an derselben, von der Fläche gesehen, mit der stärksten Vergrößerung keine Struktur zu entdecken; sie erscheint homogen (Fig. 14 G8”). Anders in den späteren Stadien, wo deutliche Fibrillen und Fibrillenbündel im Perichondrium differenzirt sind. Stellt man da scharf auf den Schnittrand der Knorpelgrundsubstanz ein, so erscheint derselbe wie ausgefranst; mit Hämalaun dunkel gefärbte Streifen setzen sich über denselben verschieden weit fort, und auch die Grund- substanz selbst zeigt ein deutlich streifiges Aussehen. Noch klarer wird dieses Verhalten an den dieken Knorpelstrahlen von Petromyzon fuwviatilis (dessen mächtiges Perichondrium SrtupxıckA! sonderbarer- weise als Fascie bezeichnet), besonders nach Färbung mit UnnxA- TÄnzer’s saurem Orcein (Fig. 15). Hier kann man den Schnittrand der Knorpelsubstanz (G)S) sich fortsetzen sehen in blasse Bündelchen ! Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVII. 1897. p. 614. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 137 (F), welehe hier leicht als leimgebende Fasern des Periechondriums erkannt werden, da sie eine Andeutung der an Bindegewebsbündeln gelegentlich zu beobachtenden Querstreifung, wahrscheinlich in Folge der Behandlung mit den salzsauren Flüssigkeiten, zeigen. Zwischen ihnen, sie verbindend, sieht man mit Orcein dunkel gefärbte Strei- fen (A), welehe manchmal leicht körnig erscheinen. Weiter in den Knorpel hinein verliert sich diese Unterscheidbarkeit der zwei Längs- streifen, die Grundsubstanz nimmt das bekannte homogene Aus- sehen an. Diese Bilder lassen sich kaum anders deuten, als dass von den Zellen des Perichondriums zwischen die leimgebenden Fibrillenzüge hinein eine mit Orcein, Hämalaun ete. färb- bare Kittsubstanz abgeschieden wird, welche schließlich die collagenen Bündel so durchtränkt, dass sie unsichtbar werden und mit der Kittsubstanz eine homogene Masse bilden; es ist dies ein Assimilationsvorgang, dessen Vorkommen an den Rändern der weichen und harten Knorpel von Myxine ich be- reits hervorgehoben habe! und noch näher zu besprechen gedenke. Macerationsversuche am frischen Knorpel der Cyelostomen müssten lehren, ob diese fibrilläre Struktur der Grundsubstanz sich durch Lösung der Kittsubstanz wieder sichtbar machen lässt. Die Untersuchung in polarisirtem Lichte giebt an Schnitten wegen der großen Dünnheit der Grundsubstanzscheidewände keine ent- scheidenden Farbenbilder. Bringt man dagegen einen frischen, iso- lirten Knorpelstrahl von Ammocoetes zwischen gekreuzte Nicols über eine Gipsplatte Roth I. O., so erscheint das Perichondrium stark positiv doppelbrechend entsprechend der Längsachse des Strahles, während der Inhalt bei der Stellung, in welcher das Perichondrium in steigender Farbe, blau, erscheint, deutlich eine gelbe Farbe giebt. In der entgegengesetzten Stellung ist die Erscheinung nicht so deut- lich. Dass die Fasern des Perichondriums parallel zur Längsachse der Knorpelstrahlen verlaufen, und in dieser Richtung in die ober- flächliche Grundsubstanzlage eingeschlossen werden, ist leicht unmittel- bar an Isolationspräparaten, wie an Schnitten nachzuweisen. Besäßen die Scheidewände der Grundsubstanz eine fibrilläre Struktur, so müssten diese Fibrillen nach dem Ergebnisse der Untersuchung mit 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. L. 1897. p. 187. Den neueren Untersuchern, wie SPULER und HANSEN, welche eine ähnliche Maskirung der collagenen Fibrillen - durch die Kittsubstanz an anderen Objekten beschreiben, scheint die angeführte Beobachtung entgangen zu sein. 138 li Josef Schaffer. dem polarisirenden Mikroskope im Wesentlichen senkrecht, beziehungs- weise radiär zur Längsachse der Strahlen verlaufen. Man müsste demnach eine Umordnung der Fibrillen bei dem Hineinrücken des Oberflächengrenzsaumes beim appositionellen Wachsthum annehmen oder eine Auflösung derselben und Neuausprägung senkrecht zur Richtung des stärksten Druckes, der, wie die Form der Interealar- zellen gezeigt hat, in der Richtung der Längsachse der Knorpel- strahlen vorhanden ist. Die fremdartigen Elemente, an welche die chondroblastische Oberfläche der Knorpelstrahlen stößt, können aber auch anderer Natur sein, und ist es da in erster Linie das blasige, periaxiale Gewebe, dessen Verhalten zum Knorpel uns interessirt. In der vorderen Körperhälfte, sowie auch schon in den vorderen Theilen des Schwanz-Achsenskelettes ist dieses periaxiale Gewebe vorwiegend aus fetthaltigen Zellen gebildet und habe ich es daher in Übereinstimmung mit anderen Autoren als epaxiales Fettgewebe bezeichnet (Fig. 2 ea). Das Verhalten des Knorpels zu diesem Gewebe bei der Neur- apophysenbildung habe ich in meiner ersten Abhandlung! eingehend untersucht und war ich zu der Überzeugung gekommen, dass die großen Fettzellen sich nicht in Knorpelzellen umwandeln, sondern dass die Bildung des Knorpels von besonderen Zellen embryonalen Charakters (Chondroblasten), welche zwischen die Fettzellen ein- wandern, ausgeht; letztere werden als Fremdkörper eingeschlossen und größtentheils durch die assimilatorische Fähigkeit der Chondro- blasten in Grundsubstanz umgewandelt. STUDNICKA, welcher ursprünglich dieses periaxiale Gewebe mit dem typi- schen Fettgewebe des Petromyzon gleichstellte?, und »gerade diese großen hellen Zellen< sich in Knorpelzellen umwandeln ließ, hat später®, nachdem ich mein Bedenken gegen eine solche Auffassung geäußert hatte®, die Richtigkeit meiner Schilderung für die Neurapophysenentstehung zugegeben; für das caudale Binde- gewebe jedoch hält er seine Ansicht aufrecht, dass es die blasigen Zellen sind, welche sich in Knorpelzellen umwandeln. Allerdings hat er unterdessen auch erkannt, dass dieses blasige, periaxiale Gewebe verschieden ist vom gemeinen Fettgewebe, und schildert er die Elemente desselben gebildet aus einem granu- lirten Protoplasma, das einen schönen Kern und oft auch Fett enthält (»das aber hier eine kleine Rolle spielt«), und von einer feinen Membran umschlossen wird. Mit Recht hält er dieses Gewebe jetzt sehr nahe seinem »Vorknorpel«< > (meinem vesieulösen Stützgewebe) verwandt. ! Diese Zeitschr. Bd. LXI. 1896. p. 650—654. 2 Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVII. 1897. p. 629. 3 Ibidem. Bd. LI. 1898. p. 457 fl. * Ibidem. Bd. L. 1897. p. 180 ff. 5 Was man rationellerweise als »Vorknorpel« zu bezeichnen hat, geht aus Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 139 Über die genetischen Beziehungen sagt nun STUDNICKA in seiner letzten Mittheilung: »Die allmählichen Ubergänge der ziemlich großen Zellen dieses Gewebes zu den Knorpelzellen sieht man so deutlich, dass es überhaupt nicht möglich ist daran zu denken, dass sich hier der Knorpel’ auf eine andere Weise, nur aus besonderen, kleinen Bildungszellen (die man da nicht sieht) bilden sollte!.« Wohl aber giebt er zu, dass hier und da einzelne der größten Zellen, die wahr- scheinlich in Fettzellen umgewandelt sind, sich an der Knorpelbildung nicht betheiligen. Um die Beziehungen zwischen den Zellen des periaxialen Ge- webes und dem Knorpel richtig zu deuten, genügt es nicht ihre räum- lichen Übergänge beim erwachsenen Thiere zu untersuchen; man wird hier nur zu leicht verleitet, dieselben ohne Weiteres als genetische aufzufassen. Zieht man jedoch die Ontogenese beider Gewebe in Betracht, so gewinnt man eine Auffassung jener Beziehungen, welche uns nicht zwingt, den hoch differenzirten, fetthaltigen Zellen des periaxialen Gewebes noch die Fähigkeit Knorpelgrundsubstanz zu erzeugen zuzuschreiben. Zum Verständnis des Folgenden ist es nöthig, sich die topo- graphischen Beziehungen zwischen dem Schwanzknorpel und dem ge- dachten Gewebe in Erinnerung zu rufen, wie sie durch die Unter- suchungen von GOETTE, STUDNICKA und meine oben gemachten Angaben bekannt geworden sind. Vor Allem muss man im Auge behalten, dass dieses ep- und hypaxiale Gewebe im Bereiche der Schwanzflosse dureh fibröse Platten, die nichts Anderes sind als eine Fortsetzung des Perichondriums der dorsalen und ventralen Knorpelstrahlen, scharf von dem umgebenden Fett- und Bindegewebe getrennt wird und schon dadurch, ähnlich wie der Schleimknorpel von Ammocoetes, als ein skeletoblastisches (skeletogenes, GEGENBAUR) Gewebe sui generis auf- gefasst werden muss. Am Sehwanzende sind bekanntlich die proximalen Enden der Flossenstrahlen zur Bildung eines zusammenhängenden Knorpelstreifens vereinigt, welcher ventral mit der Elastica externa Chordae, dorsal mit der Durascheide des Rückenmarkes (Fig. 12) innig verschmolzen ist. Dazu kommt noch ein nicht durchaus kontinuirlicher Knorpel- streif in den sog. epichordalen Seitenräumen, d. i. zwischen Chorda, kückenmark und dem Perichondrium (vgl. p. 133 und Fig. 18). STRASSER’s und meinen Schilderungen deutlich hervor und wäre es, zur Vermei- dung von Missverständnissen empfehlenswerth, diese Auffassung anzunehmen. Man vergleiche übrigens die nachfolgenden Bemerkungen über Hasse’s »Vor- knorpel«, sowie die Anmerkung 1, p. 632 meiner Abhandlung über das knorpe- lige Skelett von Ammocoetes branchialis. 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. LI. 1898. p. 457. - 140 Josef Schaffer, Das periaxiale Gewebe schiebt sich nun in caudocranialer Richtung allmählich, und zwar, wie erwähnt, ventral viel früher als dorsal, zwischen die Knorpelbelege und den Achsenstrang ein, hebt sie von der Chorda einerseits, der Rückenmarksumhüllung andererseits ab, so dass nunmehr die verschmolzenen proximalen Enden der Knorpel- strahlen unmittelbar an dieses Gewebe stoßen (Fig. 13). Kopfwärts verfolgt nimmt dasselbe immer mehr an Masse zu und drängt daher die Enden der Knorpelstrahlen immer weiter vom Achsenstrange ab. Die bisher verschmolzenen Knorpelstrahlen werden dabei allmählich frei, von einander unabhängig, so dass ihre verdiekten, kopfwärts umgebogenen Basen wie eingetaucht in das ep- oder hypaxiale Ge- webe erscheinen (vgl. den mit o bezeichneten Strahl m Fig. 13). Mit der zunehmenden Entfernung von der Schwanzspitze nehmen auch die Fettzellen im periaxialen Gewebe immer mehr zu und hört auch die scharfe Abgrenzung desselben vom umgebenden Fett- und Bindegewebe allmählich auf. Verfolgt man diese Verhältnisse an einem medianen Sagittal- schnitt durch das Körperende eines älteren Ammocoetes oder von Petromyzon, so gewinnt man den Eindruck, als ob sich allmählich, gegen die Schwanzspitze fortschreitend, das fetthaltige, periaxiale Gewebe in Knorpel umwandeln würde. In der That gestalten sich jedoch die genetischen Beziehungen beider Gewebe anders, wie das Studium ihrer Entwicklung lehrt. Beim 3 em langen Ammocoetes wird das Ende des Achsen- stranges von dicht gelagerten, protoplasmatischen Zellen wie von einer soliden Knospe umschlossen, beziehungsweise gehen die noch undifferenzirten Zellen der Chorda, des Rückenmarkes, sowie die der dorsalen und ventralen Chondrodermis in eine knospenartige Zellmasse über, welche unmittelbar vom Epithel der Epidermis überzogen wird. An Schnitten, welche nicht genau senkrecht die Trennungsfläche der Epidermis und dieser Schwanzknospe treffen, scheinen die Ele- mente beider ohne Grenze in einander überzugehen, und könnte man da leicht verleitet werden genetische Beziehungen zwischen beiden, beziehungsweise auch zwischen der Epidermis und den aus der Chondrodermis aussprossenden Knorpelanlagen anzunehmen, wie sie v. Kuprrer! in der Kiemenregion zwischen Exoderm und Anlage der Kiemenknorpel nachzuweisen versucht hat. Dieser Nachweis i Über die Entwicklung des Kiemenskelettes von Ammocoetes und die organogene Bestimmung des Exoderms. Verhandl. Anat. Ges. 9. Vers. Basel 1895. p. 105. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 141 scheint mir, wie ich an anderer Stelle! hervorhob, nicht ganz ein- wandfrei erbracht, da mir bei der Schwierigkeit des Objektes die Möglichkeit durch die Schnittrichtung vorgetäuschte räumliche Über- gänge für genetische zu nehmen, nicht ausgeschlossen erscheint. Dasselbe Verhältnis finden wir noch bei 4 cm langen Ammo- coeten, während bei wenig längeren Exemplaren (von 4,3 und 4,5 cm) das Zellgewebe, welches in der Schwanzspitze noch das ep- und hypaxiale Gewebe bildet, sich etwas zu lockern beginnt, so dass es mehr den Charakter der Chondrodermis annimmt. Bei einem Ammocoetes von 4,5 em Länge, dessen Schwanz in HERMANN’s Platinchlorid- Osmiumsäure-Eisessig fixirt worden war, bietet das hypochordale Gewebe von der Schwanzspitze bis auf eine Strecke von 2 mm kopfwärts ein Bild, wie es in Fig. 16 dargestellt ist: Die Basen der Vorknorpelstrahlen (X) stecken in einem noch verhältnismäßig dichten Zellgewebe, in dem die Vorknorpelzellen ganz allmählich (bei Ü) in die indifferenten Zellen übergehen, welche bis zur Oberfläche der Chorda (E) reichen. Dieselben erscheinen kurz spindelförmig und mit ihren Längsachsen leicht schräg gegen die Schwanzspitze geneigt, wie die Vorknorpelstrahlen selbst. Weiter kopfwärts, 2—2,7 mm von der Schwanzspitze entfernt, beginnen sich zunächst vereinzelte Zellen dieses Gewebes beträchtlich zu vergrößern, ein blasenförmiges Aussehen anzunehmen (Fig. 16 YZ) und treten Fetttröpfehen in denselben auf. Je weiter kopfwärts, desto mehr Zellen erleiden die Umwand- lung in blasige, fetthaltige, so dass diese oft ganze geschlossene Gruppen bilden (Fig. 17 YZ). Stets bleibt aber eine große Anzahl indifferenter Zellen, theils zwischen den blasigen (PZ), theils um die Vorknorpelenden (7G’) oder an der Ober- fläche der Chorda (HG) erhalten. Noch weiter kopfwärts verliert sich mit dem Aufhören der ven- tralen Flossenstrahlen das hypochordale Gewebe, während dorsal sämmtliche Zellen in fetthaltige Blasen umgewandelt erscheinen, zwi- schen die nunmehr auch Blutgefäße eindringen, wie ich dies schon vom 3 em langen Ammocoetes geschildert habe (Fig. 2 ea). Das ursprünglich indifferente, periaxiale skeletoblastische Zellgewebe erleidet also in den verschiedenen Abschnit- ten des Schwanzachsenskelettes mit der Entfernung von der Schwanzspitze verschiedene Differenzirungen. : ! Über den feineren Bau und die Entwicklung des Schwanzflossenknorpels von Petromyzon und Ammocoetes. Anat. Anz. Bd. XIX. 1901. p. 20. 142 Josef Schaffer, Wie die vergleichende Untersuchung weiterer Entwiceklungsstadien lehrt, werden die fettfreien, indifferenten Zellen um das äußerste Ende des Achsenstranges unmittelbar zu Vorknorpel-, und weiterhin zu Knorpelzellen, indem sie, wie ich beim 5 em langen Ammocoetes finde, zunächst größer werden, durch gegenseitige Pressung polyedrische Formen annehmen und zwischen sich eine deutliche, mit Eosin färb- bare Zwischensubstanz bilden. Weiter kopfwärts findet eine Um- wandlung der indifferenten Zellen in Vorknorpelzellen nur in un- inittelbarem Anschlusse an die proximalen Enden der Vorknorpelstäbe statt, wodurch diese theils länger, theils unter einander verbunden werden (Fig. 13 VXK). Eine geringere Anzahl indifferenter Zellen wird zwischen den heranwachsenden blasigen Zellen immer mehr eingeengt. Mit der Umwandlung der prochondralen Substanz in die proto- chondrale — beim 6 em langen Thier — tritt dann die Grenze zwischen dem Knorpelgewebe und dem vesiculösen Gewebe, wenn auch ihre Elemente in Größe und Form wenig verschieden sind, deutlich durch das verschiedene färberische Verhalten der Intercellu- larsubstanz hervor. Im Knorpel färbt sie sich mit Hämalaun und erscheint ziemlich gleichmäßig in der Form des bekannten, einheit- lichen Alveolenscheidewandsystems. Die blasigen, fetthaltigen Zellen hingegen werden bald nur durch so dünne, mit Eosin roth färbbare Scheidewände getrennt, dass man diese am Schnitt für Zellmembranen halten möchte und auch gehalten hat (StupxIckA) (Figg. 18, 20 VZ, Fig. 21), bald schieben sich. zwischen die fetthaltigen Zellen proto- plasmatische ein, die immer mehr verdrückt werden und oft nur au ihren stark färbbaren Kernen zu erkennen sind (Fig. 20, Fig. 18 /Z), endlich findet man in späteren Stadien auch Bindegewebsfäserchen und -bündel — nie aber Blutgefäße — das fetthaltige periaxiale Stützgewebe in den verschiedensten Richtungen durchziehen, ähnlich wie in der schleimhaltigen Grundsubstanz des arachnoidalen Füll- gewebes und des Schleimknorpels von Ammocoetes. Damit hat das ursprünglich indifferente periaxiale Zellgewebe in den mehr kopfwärts gelegenen Theilen eine weitgehende Differen- zirung zu einem ziemlich selbständigen Gewebetypus erreicht, wie er auch noch dem erwachsenen Thiere zukommt, während in dem distal- sten Abschnitte dasselbe sich einfach in Knorpelgewebe umwandelt. Das caudale, periaxiale, fetthaltige Gewebe bildet in der That eine eigenthümliche Form des vesiculösen Stütz- gewebes, wie das arachnoidale Füllgewebe der Petromyzonten, das Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes etc. I. 143 Gewebe des Zungenbeinkiels von Myxine u. A.; im Bereich des Schädels war es als solches nicht zu erkennen, wesshalb ich seiner Zusammenstellung mit dem arachnoidalen Füllgewebe durch Srup- NICKA!, obwohl ich im Gegensatze zu diesem Autor auch die Zellen des letzteren Gewebes, allerdings nur wenig, fetthaltig fand, nicht zustimmen konnte Wenn auch das caudale epaxiale Gewebe eine Strecke weit noch deutlich vom echten Fettgewebe des Thieres zu unterscheiden ist, indem die Zellen des letzteren viel größer sind (Fig. 13 F), stets randständige Kerne besitzen und zwischen sich reichlich verästelte Pigmentzellen und Blutkapillaren enthalten, so schwinden in der vorderen Körperregion diese Unterschiede und ist im Bereich der vorderen Körperhälfte das epaxiale Gewebe als ge- wöhnliches Fettgewebe aufzufassen, wie dies von RENAUT? u. A. ge- schehen ist. Immerhin bietet aber auch das caudale, periaxiale Stützgewebe der Petromyzonten eine Reihe von Eigenthümlichkeiten, welche es von den genannten ähnlichen Geweben unterscheiden. Ich habe mir viel Mühe gegeben, dasselbe außer an Schnitten auch an frischen oder verschieden vorbehandelten Isolationspräparaten zu untersuchen. Dies ist desshalb ziemlich schwierig, weil es bei der geringen Menge des periaxialen Gewebes und der unmittelbaren Nähe des Fettgewebes kaum möglich ist ersteres rein unter die Nadeln zu bekommen. Ich verfuhr zuletzt so, dass ich vom frischen Schwanze die Haut, und damit ein gutes Theil des Fettgewebes entfernte; das so freipräparirte Skelett brachte ich in !/, /,ige Osmiumsäure und präparirte mir nach der Fixirung die Chorda mit den ihr aufsitzenden ventralen Strahlen frei. Durch vorsichtiges Zerren mit den Nadeln gelingt es, das hyp- axiale Gewebe im Zusammenhange mit den Strahlen von der Chorda- scheide loszutrennen. An isolirten Strahlen bleibt dann das Gewebe als eine kolbenförmige Verdickung haften, wie man sich unter dem Mikroskope überzeugen kann. Solche Stücke wurden nun unter der Lupe aufs Neue möglichst sorgfältig zerzupft. Es ist mir nun niemals gelungen aus diesem Gewebe, ähnlich wie aus dem arachnoidalen Füllgewebe, Zellen mit Membranen zu isoliren. Die Zellen sind vielmehr nackte, glas- artig durchsichtige Gebilde (Fig. 19 Y7Z), enthalten meist einen größeren Fetttropfen und einen oder zwei (Fig. 20 YZ) runde Kerne, welche azeh r milr. Anat. Bd. XEVIM. 1897. »p. 629 Anm. 1. emid. Bd. EL. 1897 'p. 181. 3 Arch. de physiol. 1881. p. 847. 144 Josef Schaffer. gelegentlich in direkter Zerschnürung betroffen werden. Wo eine solche Zelle ausgefallen ist (Fig. 19 A), bleibt eine ihrer Form ent- sprechende Nische zurück, welche von einem glänzenden, kapsel- ähnlichen Saum umrandet wird (Fig. 19 7), der aber mit dem fase- rigen Gewebe kontinuirlich zusammenhängt. Liegen nun mehrere dieser vesiculösen Zellen dicht beisammen, so stellt ihre Zwischensubstanz wirklich einfache membranartige Scheidewände, wie im Knorpel der Schwanzflossenstrahlen dar. An anderen Stellen spalten sich die Membranen und schließen faseriges Bindegewebe mit indifferenten, protoplasmatischen Zellen (Fig. 18 7Z ein, so dass im Ganzen eine ähnliche Grundsubstanz entsteht, wie im Schleimknorpel, nur dass dieselbe keine schleimartige Substanz enthält. Der Eindruck, als besäßen die Zellen Membranen, den man an Schnitten bekommt, ist also trügerisch; die scheinbaren Mem- branen gehören dem Zwischengewebe an, sind diehtere Begrenzungen desselben gegen die Zellen, ganz so, wie ich dies auch beim vesiculösen Stützgewebe von Myzine beschrieben habe und noch eingehender erörtern werde. An mit Alkoholäther extrahirten Schnitten zeigen die Zellen ein fast leeres Aussehen (Fig. 20 VZ, Fig. 22 FZ), und sieht man nur an den noch weniger fetthaltigen von ihrem runden, häufig in der Mitte gelegenem Kern weitmaschige Netzstränge einer kaum färbbaren, proto- plasmatischen Substanz zur Peripherie ziehen. Die proximalen Enden oder Basen der Knorpelstrahlen gehen nun räumlich in dieses weit differenzirte periaxiale Gewebe über. In manchen Fällen, d. h. wahrscheinlich zeitweilig. sind sie gegen das- selbe durch einen ähnlichen stärkeren Grenzsaum von Grundsubstanz (Fig. 15 GS) abgegrenzt, wie gegen das Perichondrium. An der Oberfläche desselben findet aber noch Anlagerung neuer Chondro- blasten, die aus den überall im vesiculösen Stützgewebe verstreuten indifferenten Zellen hervorgehen, und Anbildung neuer Knorpelsub- stanz statt (Fig. 15 pa’), wobei der Grenzsaum allmählich aufgelöst und zu gewöhnlichen Grundsubstanzscheidewänden umgeprägt wird, gerade so, wie bei der perichondralen Auflagerung an der Oberfläche der Strahlen. Eine Umwandlung von indifferenten Zellen in Chondroblasten, und dieser in Knorpelzellen, findet aber auch mitten im vesiculösen Stützgewebe, außer Zusammenhang mit den geschlossenen Knorpel- massen statt. So sieht man in späteren Stadien zwischen den groß- blasigen, fetthaltigen Zellen einzelne, kleine Knorpelzellen oder Gruppen Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 145 von solehen (Fig. 20 ÄXZ) eingeschlossen, die unmöglich aus den erste- ren hervorgegangen sein können, sondern eben nur aus den proto- plasmatischen Reservezellen im Fasergewebe (7) zwischen den blasigen Zellen. Besonders deutlich wird dies bei Petromyzon fluviatilis, von dem ich in Fig. 22 eine Partie des hypochordalen Fettgewebes abgebildet habe. Wenn man dieses Bild betrachtet und auf Grund der aus einander gesetzten histogenetischen Verhältnisse zu deuten sucht, so kann man der oben angeführten Schilderung und Auffassung STUD- NICKA’s unmöglich zustimmen. Indifferente Zellen, sowie junge Knorpel- zellen (XZ) finden sich vereinzelt oder in kleinen Gruppen verstreut durch das ganze Gewebe zwischen den großen Fettzellen (ZZ), be- sonders reichlich knapp am Perichondrium, aber sogar dicht an der Elastica chordae, also weit entfernt vom proximalen Ende der Knorpel- strahlen. Ehe diese verstreuten Chondroblasten ihre charakteristische, mit Hämalaun färbbare »Kapsel« erhalten, sind sie von den kleineren noch fettfreien vesieulösen Zellen nicht zu unterscheiden. Wenn die Kapseln nun um dieselben auftreten, so entsteht der Anschein, als hätte sich eine vesiculöse Zelle unmittelbar in eine Knorpelzelle um- gewandelt. Es werden aber auch schon weit differenzirte fetthaltige Zellen des vesieulösen Stützgewebes in die Knorpelanlage aufgenom- men; dies geschieht jedoch nicht dadurch, dass sie selbst Grund- substanz um sich erzeugen, wie STUDNICKA meint, sondern auf passive Weise, indem sie gleichsam von Grundsubstanz umflossen werden. Von den Basen der Knorpelstrahlen, sowie von den zwischen den blasigen Zellen verstreuten jungen Knorpelzellen geht wieder eine assimilatorische Wirkung auf die umgebenden fremdartigen Ele- mente aus und sind es zunächst die Bindegewebsfäserchen zwischen den blasigen Zellen, welche unter dem Einflusse dieser Wirkung Ver- änderungen erleiden, die nicht anders als Verknorpelung bezeichnet werden können. Im Anschluss an bereits mit kapselartiger Grundsubstanz um- gebene Knorpelzellen (Fig. 20 KZ und Fig. 21 X) nehmen die Fäser- chen eine stärkere Färbbarkeit mit DeLArızLp’s Hämatoxylin, Or- cein etc. an und treten dadurch am Querschnitte als dunkle Punkte (Fig. 20 XF, Fig. 21) oder von der Fläche gesehen als feine Faser- netze um die blasigen Zellen hervor (Fig. 21 M). Dieselbe chondromucoide Umwandlung erleiden auch gröbere - Bindegewebsbündel und finde ich z. B. bei Petromyzon Planeri (Pig. 21 B) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 10 146 Josef Schaffer, solche verknorpelte Bündel oft auf lange Strecken zwischen den blasigen Zellen gegen die Chorda hin ziehen. Auch die gröberen elastischen Körner, welche sich in der Nähe der Elastica chordae stets im vesiculösen Gewebe vorfinden, zerfallen zu kleineren Körnern (Fig. 22 KR) und werden ganz analog, wie beim perichondralen Wachsthum der Knorpel zu Grundsubstanz umgewandelt. SrupnickA! hat diese Verhältnisse kurz, aber zutreffend geschil- dert, nur ist er sich darüber nicht klar geworden, ob die Fasern später mit der Bildung der Knorpelkapsel etwas zu thun haben, oder in die Grundsubstanz aufgenommen werden. Die Entscheidung dieser Frage ergiebt sich aus dem Folgenden. Die Netze um die blasigen, fetthaltigen Zellen werden immer dichter und wandeln sich zunächst in eigenthümlich durchlöcherte (Fig. 23), endlich in solide Membranen um, die aber, wie im Knorpel, stets zwei benachbarten Zellen gemeinsam sind. In diese Scheide- wände werden auch die gröberen Faserbündel eingeschmolzen, und so findet man z. B. bei Petromyzon fluviatilis 5—6 mm von der Schwanzspitze kopfwärts das Zwischengewebe zwischen den groß- blasigen Zellen in ein einfaches, intercelluläres Fachwerk umgewan- delt, das sich mit Hämalaun ete. stark färbt und somit wie die Grundsubstanz im weichen, chondromucoiden Knorpelgewebe der Flossenstrahlen sich verhält. Dennoch ist dieses Gewebe noch leicht vom angrenzenden, echten Knorpel zu unterscheiden, einmal dadurch, dass die membra- nösen Scheidewände zwischen den großblasigen Zellen vielfach ver- bogen erscheinen, weil sie viel dünner sind als die Grundsubstanz- wände zwischen den Knorpelzellen, welche, wie wir noch hören werden, bei Petromyzon fluviatilis nicht einfach sind, sondern aus Kapselsubstanz und einer Zwischenlamelle bestehen. Besonders gut tritt der Unterschied bei Doppelfärbung mit DELAFIELD’s Hämatoxylin und Congoroth hervor, wobei sich die unregelmäßigen Scheidewände zwischen den vesiculösen Zellen mehr braunroth, die zwischen echten Knorpelzellen blau färben; endlich sind die Zellen dieses verknorpeln- den Gewebes durch ihre ungleiche Größe verschieden von den mehr gleichmäßigen Knorpelzellen. Alles in Allen können die Bilder bei Petromyzon fluviatilis für sich allein gesehen leicht den Eindruck her- vorrufen, dass diese großblasigen Zellen, wie dies GEGENBAUR und ! Über verknorpelte Fasern im Bindegewebe einiger Thiere. Sitzungsber. kgl. böhm. Ges. Wissensch. 1897. Nr. 65. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I: 147 STUDNICKA gedeutet haben, sich unmittelbar in Knorpelzellen um- wandeln. | Die so von Knorpelgrundsubstanz umschlossenen Zellen zeigen jedoch alsbald, ganz ähnlich wie die bei der Neurapophysen- bildung im epaxialen Fettgewebe eingeschlossenen Fettzellen regres- sive Erscheinungen. Zunächst ist an vielen eine Kernzerschnürung zu beobachten, so dass manche Zellen bis zu sechs und mehr Kerne enthalten. Dann erleiden sie aber in toto eine chondromucoide Um- wandlung, zerfallen zu stark mit Hämalaun, saurem Orcein etc. färb- baren Körnchen, die dann zusammenfließen. So findet man besonders in den proximalen Theilen der Strahlen, welche zum Theil auf Kosten des vesieulösen Stützgewebes entstanden sind, reichliche solche dege- nerirende Zellen (Fig. 27 DZ) oder ganze Zellbezirke von oft sehr sroßer Ausdehnung (80 u Breite, 100 u Länge). Im weiteren Verlaufe werden dieselben durch den Wachsthumsdruck der Nachbarschaft zu immer dünner werdenden Scheidewänden verdrückt und endlich in der typischen Architektonik der Grundsubstanzwände unkenntlich. So sehen wir also, dass auch das caudale, vesiculöse Ge- webe nicht unmittelbar in Knorpelgewebe sich umwandelt; vielmehr geht die Bildung des Knorpels auch hier von indifferenten, zu Chondroblasten werdenden Elementen aus, unter gleichzeitiger Assimilation und Einschmelzung der bereits weit differenzirten Fasern und Zellen. Bevor ich mich nun zur Besprechung der Schwanzflossenknorpel von Petro- myzon wende, seien einige historische Bemerkungen eingefügt. Die Darstellung, welche ich bisher von der Entwicklung des Knorpel- gewebes in der Schwanzflosse des Ammocoetes gegeben habe, bestätigt zunächst meine durch frühere Untersuchungen am fertigen Gewebe gewonnene Über- zeugung, dass in den weichen Knorpeln von Ammocoetes eine Intercellularsub- stanz vorhanden ist, und dass dieselbe ein homogenes, einheitliches Alveolen- werk bildet, welches als vermehrte primäre Kittsubstanz von geändertem chemischem Charakter aufgefasst werden kann. Damit muss man die Vorstellung, welche dieses Knorpelgewebe als typischen Vertreter eines »Knorpels ohne Grundsubstanz« hinzustellen suchte, endgültig verlassen. Dies zwingt uns aber auch, die gang und gäbe Anschauung von der »kapsulären« Entstehung und Zusammensetzung der Knorpelgrundsubstanz über- haupt in Frage zu ziehen. Dies ist auf Grund sehr eingehender Beobachtungen über die erste Knorpelentwicklung bei den Urodelen von H. Strasser! schon vor längerer Zeit geschehen, ohne dass jedoch seine Anschauungen bis heute durchzudringen und die ältere Lehre von der Entwicklung des Knorpelgewebes ! Zur Entwicklung der Extremitätenknorpel bei Salamandern und Tritonen. Eine morphologische Studie. Morph. Jahrb. Bd. V. 1879. 10* 148 Josef Schaffer, zu verdrängen vermochten. Eine Autorität, wie KÖLLIKER, konnte die Schilde- rungen STRASSER’S nicht bestätigen !. Desshalb erscheint es mir wichtig, hier die auffallende Über- einstimmung in StrAsser’s und meinen Beobachtungen nachdrück- lich zu betonen. Die Bedeutung dieser Übereinstimmung liegt hauptsächlich darin, dass STRASSER’s Untersuchungen einen typischen Hyalinknorpel, die meinen einen bisher als »Knorpel ohne Grundsubstanz< oder echten »Zellknorpel« bezeichneten betreffen. STRASSER sieht, wie ich, im ursprünglichen Blastem diehtgedrängte Kerne, zwischen denen ein Protoplasma oft kaum nachzuweisen ist; da auch deutliche Zellgrenzen fehlen, nimmt er in. diesem Blastem eine theilweise unvollkommene Trennung der sich theilenden Zellen an, bei welcher an Stelle eines trennenden Spaltes durch Umwandlung und Verdichtung des Protoplasmas ein zartes zellscheidendes und Zellen einschließendes Alveolen- werk auftritt, welches man auch als Kittsubstanz auffassen kann. Bei der wei- teren Entwicklung dieses prochondralen Alveolenwerkes spielen gewisse zellige Elemente, welche durch den Wachsthumsdruck komprimirt werden und so dich- tere, dunkle prochondrale Elemente (meine Interealarzellen) bilden, eine Rolle, indem Theile. ihres Protoplasmas mit dem Alveolenwerk vollständig verschmel- zen. Späterhin verschwinden diese dunklen, prochondralen Elemente, indem die kernhaltigen Reste zu echten Knorpelzellen heranwachsen, ihre Selbständig- keit wieder erlangen, aber nicht ohne von ihrer Substanz eingebüßt zu haben. Die Knorpelgrundsubstanz entsteht durch eine Umwandlung dieses prochondralen Alveolenwerkes und vermehrt sich weiterhin in kontinuirlicher Bildung und nicht als Ablagerung im HEIıDEnHAIN’schen Sinne als Kapseln, die sich etwa ähnlich den Jahrringen zusammenfügen. Die Entstehung des ersten Knorpel- gewebes aus einer syneytialen Protoplasmamasse, »einer kontinuirlichen proto- plasmatischen Grundsubstanz mit rundlichen freien Kernen«, hat schon GOETTE? bei der Unke erkannt. Seine weiteren Schilderungen, wie in dieser Protoplasma- masse die erste Knorpelgrundsubstanz entsteht, sowie sein Versuch für andere Knorpeltheile einen Bildungsmodus nach der älteren Auffassung, bei welchem getrennte Zellen zuerst sich mit »>Kapseln« umgeben, während dann zwischen denselben eine ziemlich feste Zwischensubstanz entsteht, festzuhalten, finden in STRASSER's und meinen Beobachtungen allerdings keine Bestätigung. Immer- hin muss aber hervorgehoben werden, dass GOETTE wie LEYDIG, FREUND und GEGENBAUR3 zwischen »Kapsel« und Intercapsularsubstanz keinen prineipiellen Unterschied sah, sondern beide zusammen als von den Zellen stammende, eigent- liche Intercellularsubstanz auffasste. Die innigen, genetischen Beziehungen zwi- schen Knorpelzelle und Grundsubstanz sind in ausführlicher Weise von FLESCH® dargethan worden, doch soll auf seine Ausführungen, welche sich nicht mit der ersten Knorpelentwicklung befassen, erst bei einer späteren Gelegenheit ein- gegangen werden. Dasselbe gilt von den umfassenden Beobachtungen HAsse’s> ! Handbuch der Gewebelehre. 6. Aufl. 1889. Bd. I. p. 317. 2 Die Entwicklungsgeschichte der Unke etc. Leipzig 1875. p. 367 u. 437. 3 Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 3. Heft. Leipzig 1872. * Untersuchungen über die Grundsubstanz des hyalinen Knorpels. Würz- burg 1880. . >. Das natürliche System der Elasmobranchier ete. Besonderer Theil. 1. Lief. Jena 1882. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 149 über das Knorpelgewebe der Elasmobranchier, aus denen er eine Stütze fir die ‚Anschauungen STRASSER's abzuleiten suchte. Die Darstellung Hassr’s ist, wie er selbst zugiebt, nicht immer leicht verständlich; doch scheint er die Überein- stimmung mit STRASSER, da er die erste Entstehung von Knorpelsubstanz nicht untersucht hat, darin zu suchen, dass er die höheren, hyalinen Knorpelformen der Elasmobranchier aus einer niedrigeren Form, die er als Vorknorpel bezeich- net, abzuleiten versucht. Diesen Vorknorpel, den HAssEe wiederholt auch als proehondrale Substanz bezeichnet, fasst er-aber als eine selbständige Art von Knorpelgewebe auf und entspricht derselbe durchaus nicht dem, was STRASSER in der ontogenetischen Entwicklung als Vorknorpel, prochondrale Substanz, be- zeichnet hat.. Andererseits schildert HAssE in seinem sogenannten gemischten Knorpel das Alveolenwandsystem, welches die hyalinen Höfe einschließt, zu- treffend als hervorgegangen aus der prochondralen Substanz; doch ist dies dann in der That die prochondrale Substanz STRASSER’s, meine protochondrale Grund- substanz und nicht das, was Hasse sonst als Vorknorpel bezeichnet. Dabei ist es HAsse auch unterlaufen (vgl. seine Figg. 4 und 30) offenbare Kunstprodukte, Scehrumpfungsstreifen, die er selbst als wachsartig glänzende, allein gegen die Umgebung nicht scharf abgesetzte Fäden beschreibt, als Reste der prochondralen Grundsubstanz zu deuten. Die dunklen, prochondralen Elemente STRASSER’s konnte weder Hasse bei seinen Untersuchungen, noch StÖHr! bei der ersten Knorpelbildung der Anuren nachweisen. Dagegen hat dieser Autor die ursprünglich syneytiale Anlage der Knorpel im Schädel von Anuren wie Urodelen? übereinstimmend mit STRASSER gesehen. Von Interesse im Hinblick auf die ferneren Schicksale der proto- chondralen Grundsubstanz ist ferner die Beobachtung STtöHr’s, dass in den Fortsätzen des Quadratum (mit Ausnahme des postorbitalen) bei Urodelen die Knorpelzellen sich so vermehren, dass die Grundsubstanz ganz verdrängt wird und nur in Form sehr schmaler Streifen zwischen den Zellen erhalten bleibt, so dass man — wie STÖHR sich in Anlehnung an die ältere Vorstellung ausdrückt — auf den ersten Blick wahren Zellknorpel vor sich zu haben glaubt. Im Gegensatz zu diesen beiden Autoren hat BORN? bereits vor STRASSER, allerdings in der perichondralen Wachsthumszone, die jedoch gewissermaßen dem Vorknorpel analog ist,- bei der Eidechse zwischen den gewöhnlichen, dicht- sedrängten Kernen eigenthümliche (nach Hämatoxylin) dunkelblaue, spindel- bis sternförmige Körperchen gesehen und dieselben mit der Entstehung des die Knorpelzellen umschließenden Maschenwerkes in Zusammenhang gebracht. Dieses Maschenwerk schildert er als »zusammenhängendes wabenartiges Gerüst«, das um jede einzelne Zelle, seltener um zwei zusammen, einen polygonalen »Hof«, die Kapsel der Zelle, abgrenzt. Auf die mannigfachen Anknüpfungspunkte, welche sich zwischen meinen Beobachtungen über die Entwicklung des Knorpelgewebes bei den Cyelostomen und den neuesten Mittheilungen von HAnsEN* und SPULER> über die Chondro- ! Zur Entwicklungsgesch. des Anurenschädels. Diese Zeitschr. Bd. XXXV1. 1882. 2 71. ?2 Zur Entwicklungsgesch. des Urodelenschädels. Ibid. Bd. XXXIIL 1879. 3 Zum Carpus und Tarsus der Saurier. Morph. Jahrb. Bd. II. 1876. p. 20. 4 Über die Genese einiger Bindegewebsgrundsubstanzen. Anat. Anz. Bd. XV. 1899. p. 417. 5 Beitrag zur Saisonen | des Mesenchyms. Verhandl. Anat. Ges. 13. Vers. - Tübingen 1899. p. 13. 150 Josef Schaffer, genese ergeben, soll bei einer anderen Gelegenheit eingegangen werden. Hier sei nur betont, dass aus denselben mit Übereinstimmung hervorgeht, dass Theile des Zellprotoplasmas, nach HAnsEn auch ganze Zellen in die Bildung der Grund- substanz eingehen, und dass letztere eben so gut, wie die Zelle, als in gewissem Sinne »lebendig«, d. h. selbständig formativer Processe fähig zu denken ist. Schließlich sei an die neueste, allerdings etwas schematische Darstellung über die erste Entwicklung des Knorpelgewebes von RETTERER! erinnert. Nach derselben besteht die erste Knorpelanlage der Extremitäten bei Säugethieren aus sehr chromatinreichen Kernen und einer dichten und körnigen Protoplasma- masse, die keine Zellgrenzen erkennen lässt (tissu precurseur aber auch pr£&- cartilage). In demselben entstehen die ersten Spuren der Grundsubstanz in Form von Linien, welche nach Art der Intercellularsubstanz in einem Epithel polyedrische Felder von Protoplasma um die Kerne begrenzen. Diese Balken färben sich mit Thionin-Anilin lila. RETTERER bezeichnet diesen jüngsten Knor- pel nicht unpassend als Knorpel von epithelialem Aussehen. Damit steht aller- dings im Widerspruch, wenn RETTERER, nach der alten irrthümlichen Gepflogen- heit, diese ersten Grundsubstanz-Scheidewände als Kapseln bezeichnet und die Grundsubstanz erst später entstehen lässt. Durch Verdieckung der Balken und Bildung der »sekundären< Kapseln geht aus dem epitheloiden der hyaline Knorpel hervor. Nach alledem ist die Auffassung, dass zuerst Kapseln um die Chondroblasten entstehen, und erst später und unabhängig von und zwischen denselben eine Zwischen- oder Grundsubstanz, unhaltbar, und erfordern die Bilder, welche dafür gedeutet worden sind, eine andere Erklärung. Jener älteren Auffassung ist auch StupxıckA bei seinen Untersuchungen gefolgt, und dürften manche Widersprüche in seiner Darstellung über die Entwicklung des Cyclostomenknorpels — so z. B. wenn er einmal die Grundsubstanz durch die Kapsel hindurch ausgeschieden werden?, dann wieder aus einer Umwandlung oder einem Verschmelzen von Kapseln entstehen lässt — darauf zurückzuführen sein, dass er die thatsächlichen Verhältnisse, welche er wiederholt gut beobachtet hat, mit jener aprioristischen Anschauung in Einklang zu bringen suchte. Während KÖLLIker’s Darstellung noch sichtlich unter dem mächtigen Ein- flusse der Lehre Schwann’s steht, scheint mir der Grund, warum STUDNICKA an dieser Anschauung festzuhalten versuchte, nicht zum mindesten darin gelegen zu sein, dass er nur die postembryonale Entwicklung des Knorpelgewebes verfolgt hat, bei der man in der That nicht selten auf Bilder stößt, welche die Ansicht der genannten Autoren zu rechtfertigen scheinen: Zellen des Perichondriums (Chondroblasten), welche zuerst eine ganz dünne, mit Hämalaun blau sich färbende »Kapsel< bekommen, und diese »Kapseln« getrennt durch Theile der faserigen Grundsubstanz. | Ich habe diese Bilder bei Cyclostomen zuerst beschrieben® und an anderer Stelle? auch erklärt. 1 Structure et evolution du cartilage transitoire. Compt. Rend. Paris 1899. S. XI p. 472 und Evolution .du cartilage transitoire. Journ. de l’anat. et de la phys. T. XXXVI 1900. p. 467. 2 Anat. Anz. Bd. XIV. 1898. p. 285. 3 Diese Zeitschr. Bd. LXI. 1896. p. 628. * Arch. f. mikr. Anat. Bd. L. 1897. p. 174 ff. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 151 Während der Schwanzknorpel von Ammocoetes vollkommen mit dem Kiemen- knorpel übereinstimmt, und in dem einen eben so wenig wie im anderen von »Kapseln« um die Zellen gesprochen werden kann, kommen kapselartige Bildungen im Schwanzknorpel von Petromyzon thatsächlich vor und wende ich mich nun- mehr zur Besprechung dieses Knorpels. B. Der Schwanzknorpel von Petromyzon Planeri, fluviatilis und marinus. Ich muss vorausschicken, dass dieses Skelettstück bei der Meta- morphose keine so stürmischen Veränderungen erfährt, wie z. B. das Schädelskelett. Die Vorgänge, welche sich am Schwanzflossenskelette weiterhin abspielen, können vielmehr als ununterbrochen fortschreiten- des Wachsthum aufgefasst werden, welches mit der Erstarkung des sanzen Organs und seiner ausgesprocheneren Verwendung als Steuer- ruder allerdings bemerkenswerthe Veränderungen im Gefolge hat; dieselben sind aber nicht anders aufzufassen als z. B. die Verände- rungen, welche uns beim Vergleiche eines embryonalen Rippen- knorpels und eines solchen des Erwachsenen entgegentreten. Betrachtet man zunächst die Schwanzknorpel des kleinen Bach- neunauges (Petromyzon Planeri), so lassen dieselben auf den ersten Blick keine wesentlichen Unterschiede gegenüber denen des Ammo- coetes erkennen. Die Größe der Zellen, Masse der Intercellularsub- stanz, sowie die Dimensionen der Knorpelstrahlen im Ganzen sind so ziemlich dieselben, wie bei alten Ammocoeten vor der Verwandlung. Das Perichondrium bildet eine bis zu 15 « dieke Schicht von deutlich faseriger Beschaffenheit und auffallend langgestreckten, stäbehenförmigen Kernen, die in mehreren Lagen über einander geschichtet sind. Der Oberflächengrenzsaum ist an den dünneren Strahlen noch erhalten, an anderen nahezu verschwunden, wie dies STUDNICKA! als Regel für das große Flussneunauge angiebt. Eben so sind die kopfwärts umgebogenen proximalen Enden der Flossen- strahlen in der ep- oder hypaxialen Knorpelleiste — an dem von mir untersuchten Exemplare — nicht mehr scharf von der verbindenden Zellmasse zu trennen, doch scheinen da individuelle Verschiedenheiten vorzukommen. Die freien Enden der Flossenstrahlen zeigen noch an vielen Stellen syneytialen Charakter, ein Verhalten, das man als Beweis ihres noch fortdauernden Wachsthums ansehen muss. Daran schließt sich eine einfache Reihe abgeplatteter Zellen, zwischen denen man — ebenfalls I Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVIIL 1897. p. 611. 192 Josef Schaffer, ein Zeichen des Wachsthums nach embryonalem Typus — auf eine kurze Strecke noch dunkle Intercalarzellen eingeschlossen sieht. Die Intercellularsubstanz stellt, wie bei Ammocoetes, ein einfaches, stark mit Hämalaun oder DerLarızLp’s Hämatoxylin-Thonerde färbbares Wabenwerk dar. Nur in den basalen Theilen der Flossenstrahlen glaube ich da und dort eine Andeutung von Kapselbildung um die Zellen zu sehen; doch ist dieselbe so wenig hervortretend, dass sie die sonstige Übereinstimmung im Aussehen der Flossenstrahlen von Ammocoetes und Petromyzon Planeri nicht zu stören vermag. Man ist daher nicht berechtigt ganz allgemein zu behaupten, dass der Schwanzknorpel von Petromyzon höher steht, als der von Ammocoe- tes, indem man dem ersteren neben einer »wirklichen Grundsubstanz« überall eine »deutliche, blau sich färbende« und »außerhalb dieser noch eine ungefärbt bleibende (gelbe) Kapsel« zuschreibt, wie dies STUDNICKA! gethan hat. Aus dem Vergleich des feineren Baues der Schwanzflossenknorpel von Ammocoetes und Petromyzon Planeri geht deutlich hervor, dass nicht Unterschiede in der Thierart auch solche im Bau des Knorpels bedingen; es sind vielmehr ausschließlich die geänderten funktionellen Bedingungen, welche allmählich — bei Petromyzon Planeri noch kaum wahrnehmbar, deutlich hervortretend bei Petromyzon fluviatilis — aus dem weichen, einfachen Gewebe des Ammocoetes das widerstands- fähigere und höher entwickelte beim kräftigen, freischwimmenden Thiere gestalten. . Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist an den Knorpel- strahlen von Petromyzon fluviatilis Schritt für Schritt zu verfolgen, und scheint mir auch für das Verständnis des grundsubstanzreichen Knorpels der höheren Thiere von größtem Interesse. Verfolgt man einen Schwanzflossenstrahl von Petromyzon flu- viatilis von der Spitze gegen die Basis, so findet man erstere, wie dies STUDNICKA? beschreibt und abbildet, von einer einzigen Reihe abgeplatteter Zellen gebildet, die im Durchschnitt 8 « lang und 5 u hoch sind; weiterhin verdoppelt sich diese Zellreihe, dann theilt sich jede wieder senkrecht zur Längsachse des Strahles, kurz ein solches Strahlenende bietet, gegen das Achsenskelet verfolgt, ein Bild, wie es die auf einander folgenden Stadien der ontogenetischen Entwicklung gezeigt haben. ! Anat. Anz. 1. ce. p. 285. ? Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVIlI. 1897. p- 614. Fig. 8, Taf. XXX. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 153 Manchmal wird die Spitze des Strahles auch von einigen Reihen mehr isodiametrischer Zellen von 6—8 u Durchmesser gebildet. In weiterer Übereinstimmung mit der ontogenetischen Entwicklung stellt die spärliche Grundsubstanz zwischen den Zellen ein einfaches, mit Hämalaun ete. stark färbbares Wabenwerk dar, dessen Wände am Durchschnitt weniger als 1 u bis etwas über 1 « diek sind. Die erste Spur der Grundsubstanz, welche eine neu apponirte Zelle hier erzeugt, ist ebenfalls kittartig und färbt sich zunächst mit Eosin, wie im Vorknorpel. Weiter gegen den Achsenstrang hin nimmt die Zwischensubstanz an Masse zu, behält aber zunächst noch ihr einheitliches Aussehen. Noch weiter proximad stößt man dann aber auf Partien, in welchen die Scheidewände zwischen den größer gewordenen Zellen im reinen optischen oder wirkliehen Durchschnitt deutlich eine Mittellamelle erkennen lassen (Fig. 24 IK), welche die eine jede Zelle umgebende Kapselsubstanz (X) von der der Nachbarzelle trennt; mit anderen Worten: die Knorpelgrundsubstanz (Intercellularsubstanz) besteht hier aus »Kapseln« und einer dieselben trennenden oder verbindenden intercapsulären Substanz. An Schnitten, die in der bisherigen Weise mit Hämalaun und Eosin doppelt gefärbt wurden, erscheint die intercapsuläre Substanz blau gefärbt; sie stimmt also mit der protochondralen Grundsubstanz des Strahlenendes oder des Ammocoetes-Knorpels überein und bildet wie diese ein zusammenhängendes, einheitliches Wabenwerk (Fig. 24 IX), während sich die Kapselsubstanz, welche dieses Wabenwerk aus- kleidet, mit Eosin roth färbt (X). So kann dies nur eine von den Zellen sekundär abgelagerte Schicht sein. Da sich dieselbe mit Eosin färbt, darf man annehmen, dass sie mit der prochondralen Grundsubstanz übereinstimmt und daher im weiteren Verlaufe der Entwicklung, wie jene, eine Umwandlung in chondromucoide Substanz erfahren wird. Wie wir hören werden, ist dies in der That der Fall und kann man daher diese Kapselsubstanz analog, wie die prochondrale Grundsubstanz, die dünnen, zwischen zwei eben durch Theilung entstandenen Knorpel- zellen auftretenden Scheidewände (siehe p. 130) und die an der Ober- fläche perichondraler Zellen beim appositionellen Wachsthum auf- tretende erste, kapselartige Grundsubstanz (siehe p. 136) auffassen. Alle diese genannten Bildungen erfahren später eine Umwandlung in chondromucoide Substanz. Nicht alle Scheidewände in der genannten Region der Flossenstrahlen von Petromyzon fluviatilis zeigen jedoch die Zusammensetzung aus protochondraler und Kapselsubstanz; wie 154 Josef Schaffer, bei Ammocoetes findet man auch hier zwischen sich theilenden Zellen die erste trennende Schicht einfach mit Eosin färbbar (Fig. 24 a’). Davon zu unterscheiden sind ebenfalls nur mit Eosin gefärbte Scheide- wände, welche durch den Schnitt abgetragene Kapselsubstanz dar- stellen (Fig. 24a). Während im ersten Falle in der Wand der Mutterzelle die blau gefärbte protochondrale Substanz glatt über die darauf senkrechte primäre Scheidewand wegzieht (Fig. 24 IK), springt sie im zweiten zwickelartig in dieselbe ein (Fig. 24 IK’). Der Ober- flächengrenzsaum ist theilweise auch hier noch erhalten und dort, wo keine Apposition stattfindet, intensiv mit Hämalaun gefärbt (Fig. 24 GS). Bei pZ sehen wir zwei Chondroblasten appositionell Grundsubstanz um sich erzeugen, welche wieder zunächst mit Eosin färbbar erscheint. Rücken wir in der Betrachtung des Flossenstrahles nun noch weiter gegen die Körperachse vor, so stoßen wir beiläufig im unteren Drittel desselben auf Verhältnisse, welche geradezu eine Umkehrung der bisherigen bedeuten. Die Zellen haben an Größe, die Grundsubstanz an Masse abermals zugenommen. Erstere zeigen mittlere Längsdurchmesser (in der Quer- schnittsebene des Strahles gelegen) von 28 u, Höhendurchmesser von 13 u. Die Grundsubstanzscheidewände messen am senkrechten Durch- schnitt bis zu 4 u, wovon etwas mehr als die Hälfte auf die Mittel- lamelle, der Rest zu gleichen Theilen auf die angrenzenden Kapsel- wände entfällt. Was nun jedoch das Überraschendste ist: diese Kapselsubstanz färbt sich mit Hämalaun (Fig. 25X), während die intercapsuläre Substanz diese Farbe nicht mehr annimmt, dagegen sich mit Eosin gefärbt zeigt (Fig. 23IX). Die protochondrale Grundsubstanz hat demnach abermals eine mikrochemische Umwandlung erfahren und zwar — worauf besonderes Gewicht zu legen ist — nachdem sie bereits außer Berührung mit ihren Matrixzellen ist. Diese nunmehr mit Eosin färbbare intercapsuläre Substanz kann nicht mehr der prochondralen gleichgestellt werden; vielmehr muss man sie für eine neuartige halten, welche vielleicht der Grundsubstanz in den harten Schädelknorpeln des Thieres an die Seite zu stellen ist. Die Farbreaktionen vermögen uns über die Natur dieser Substanz nichts auszusagen; um sie jedoch zu unterscheiden, bezeichne ich sie, bis uns die Chemie einen besseren Namen finden lässt, ent- sprechend ihrem Entwicklungsgange als metachondrale Substanz. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes etc. I. 155 Wiederholen wir hier kurz diesen Entwicklungsgang, wie er sich am Flossenstrahl von Petromyzon fluviatihis daxstellt: Zuerst differenziren die Zellen eine prochondrale Grundsubstanz; diese wandelt sich in die protochondrale um, auf welcher weiterhin prochondrale Kapselsubstanz abgelagert wird. Im weiteren Verlaufe wandelt sich diese in die proto- chondrale Kapselsubstanz um, während die protochon- drale Grundsubstanz zur metachondralen wird. Als weiteren Fall endlich könnte man sich denken, dass auch die protoehondrale Kapselsubstanz zu einer metachondralen wird. Dann hätte man einen Knorpel mit Kapseln und intercapsulärer Substanz, der sich aber in toto mit Eosin roth färbt. Ein solcher kommt in der That vor und zwar in den Bogenstücken der Schwanz- wirbelsäule und in Spuren — oft nur eine oder mehrere Zellen be- treffend — in den ep- und hypaxialen Knorpelstreifen. Der Grund und die Bedeutung dieser eigenthümlichen morpho- logischen und mikrochemischen Veränderungen, die wir am Schwanz- flossenknorpel von Petromyzon fluviatilis beobachten können, scheint mir recht durchsichtig; sie liegen, eben so wie die analogen Unter- schiede zwischen Schädel- und Kiemenknorpel von Ammocoetes in mechanisch-funktionellen Momenten. Die Schwanzflosse des großen Flussneunauges ist eine kräftige Steuervorrichtung, welche von mächtigen Muskelmassen bewegt wird, die sämmtlich zu beiden Seiten des Achsenskelettes lagern. Dem Angriffspunkte der Kraft entsprechend finden wir hier die verhältnis- mäßig starren Bogenstücke, welche in Bau und Chemismus mit dem harten Schädelknorpel übereinstimmen. Dieselben dienen einerseits dem Rückenmarke zum Schutze, andererseits den Flossenstrahlen selbst als Ursprung. Der proximale Abschnitt der letzteren wird auch noch von den Muskeln bedeckt und muss bei möglichster Festigkeit eine gewisse Elastieität besitzen, während die distalen Enden der Strahlen eigentlich nur die dünne Hautduplikatur des Flossensaumes zu stützen haben. Dazu genügt das weiche, aber hochsradig biegungselastische Material, wie es die distalen Strahlen- abschnitte darstellen. Von dieser Elastieität kann man sich un- mittelbar überzeugen, wenn man an einem frisch abgeschnittenen Schwanze die Haut (durch kräftigen Nadelzug) entfernt und so die Strahlen freilegt. Diese verbiegen und verschlingen sich, legen sich um die Nadel; bringt man sie jedoch in Wasser, so schnellen sie förmlich in ihre natürliche Lage zurück. Selbstverständlich ist auch 156 Josef Schaffer. die Anordnung der Strahlen für die Kraft, welche bei der Seitwärts- bewegung zur Verdrängung des Wassers ausgeübt werden kann, von Bedeutung. Je näher dem freien Flossensaum, desto dichter an einander erscheinen die Strahlenenden gelagert, was durch immer feinere Auftheilung derselben (dicho- und triehotomische) erreicht wird. Kehren wir nach dieser Abschweifung zur Betrachtung des feineren Baues der Knorpelstrahlen zurück, so muss ich betonen, dass die geschilderte färberische Trennung der einzelnen Kompo- nenten der Intercellularsubstanz mittels Hämalaun - Eosinfärbung deutlich nur an möglichst dünnen Schnitten von in Alkohol, Subli- mat oder Pikrinsäure fixirtem Knorpel hervortritt. An Knorpeln aus Chromsäuregemischen färbt sich in der Mehrzahl der Zellscheide- wände im basalen Strahlentheil auch die Mittellamelle mit. Dann gelingt es aber in ausgezeichneter Weise mit saurem Örcein nach UnnA-TÄnzEr die färberische Trennung hervorzurufen. Nach einem solchen Präparate ist die Fig. 26 gezeichnet; die interecapsuläre Sub- stanz erscheint farblos (mcA), die Kapselsubstanz (X) tief braun ge- färbt. Beachtenswerth ist an diesem Präparat im Vergleich zu Fig. 25 auch der Einfluss des Härtungsmittels (wahrscheinlich auch der Ein- bettungsweise) auf die Dimensionen der Intercellularsubstanz. Von den bei gleicher Vergrößerung gezeichneten Objekten stammt Fig. 25 von einem Alkoholpräparat nach Paraffineinbettung, Fig. 26 von einem Knorpel aus Mürrer’scher Flüssigkeit nach Celloidineinbettung. Ähnlich, wie mit saurem Orcein nach Uxwa-TÄnzer, lässt sich Kapsel und intercapsuläre Substanz scharf trennen mit Methylenblau. Man bringt die in Alkohol gehärteten Celloidinschnitte auf einige Minuten in gesättigte, wässerige Lösung von rectifieirtem Methylen- blau, überträgt in 95°/,igen Alkohol, der jedoch bei längerer Einwir- kung alle Farbe wieder auszieht. Man muss daher die Schnitte nach ein- bis zweimaligem Hin- und Herschwenken mit der Nadel sofort abtrocknen und aufhellen. Hat man so den richtigen Zeitpunkt er- rathen, so erhält man in den distalen Partien der Flossenstrahlen die protochondrale Substanz als zusammenhängendes Scheidewand- system intensiv gefärbt, die Kapselsubstanz farblos. Nähert man sich der Basis des Strahles, so findet man nach einer unklaren Über- gangszone umgekehrt die Kapselsubstanz stark gefärbt, die inter- capsuläre (metachondrale) farblos. | Von großem Interesse für die Theorie der Färbung scheint mir das Ergebnis nach einer Färbung mit stark verdünntem saurem Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes etc. I. 157 Örcein, wie es L. MERK! empfohlen hat (24 Stunden färben in einem Örcein, das man sich herstellt, indem man 40 Tropfen der Stamm- lösung [UnnA-TÄnzer] mit 50 cem 3°/,igem Salzsäure-Alkohol mischt; Entwässern, Aufhellen). Schon bei schwacher Vergrößerung fällt an solchen Präparaten auf, dass das Fachwerk der Grundsubstanz viel dünner, zierlicher erscheint, als nach Färbung mit Hämalaun, saurem Orcein nach UnnA-TÄnzER etc. Bei näherer Untersuchung findet man, dass auch in den basalen Abschnitten der Knorpelstäbe nur die intereapsuläre Substanz gefärbt ist, die Kapselsubstanz farblos bleibt. Dasselbe Ergebnis hat Färbung mit Säurerubin; Pikrofuchsin färbt in den basalen Theilen die Kapseln roth, die intercapsuläre Substanz gelb. Safranin färbt in stark verdünnter Lösung die ge- sammte Intercellularsubstanz metachromatisch gelb; Thionin färbt die Kapselsubstanz in den basalen Theilen der Strahlen scharf meta- chromatisch, während die metachondrale Zwischensubstanz farblos bleibt. Die Thioninfärbung ist gegenwärtig vielleicht unser empfind- lichstes Reagens auf chondromucoide Substanz; noch in Verdünnun- gen von 1: 50000 Wasser vermag Thionin letztere intensiv zu färben. Diese Färbung lässt uns auch an den Flossenstrahlen deutlich die mit der morphologischen Differenzirung axipetal fortschreitende che- mische Umwandlung ihrer Grundsubstanz erkennen. Erst: bei Ammo- coeten von 17 cm Länge an tritt eine schwache Färbbarkeit an den Flossenstrahlen auf, und auch diese nur in den basalen, ältesten Theilen. Wie alle diese Färbungen zeigen, und aus der Fig. 26, sowie an den dünnen Zellscheidewänden in Fig. 25 ersichtlich ist, bildet die intercapsuläre Substanz ein einfaches, zusammenhängendes Alveolen- werk, das nur in den Zwickeln, wo mehrere Zellen an einander stoßen, etwas verbreitert erscheint. Dieselbe Schilderung hat in seiner ersten Mittheilung StupxickA? gegeben, indem er eine spär- liche gelbe Grundsubstanz zwischen den blau sich färbenden Knorpel- kapseln beschreibt. Später? hat er außer der »blau sich färbenden Kapsel« eine ungefärbt bleibende »gelbe« geschildert, und »zwischen den Zellen endlich überall eine wirkliche Grundsubstanz«. Es ist nun leicht nachzuweisen, dass STUDNICKA mit dieser zweiten Annahme einem Irrthum anheimgefallen ist, indem er seine ! Experimentelles zur Biologie der menschlichen Haut. Sitzungsber. kais. Akad. Wiss. Wien. Math.-naturw. Kl. Bd. CVIII. 1899. p. 341. ” Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVIII. 1897. p. 614. 3 Amat. Anz.. Bd. XIV. 1898. p. 285. 158 Josef Schaffer, frühere »spärliche gelbe Grundsubstanz« nunmehr als äußere, unge- färbt bleibende Schicht der Kapsel beschreibt und durch das gelegent- liche Vorkommen einer Substanz, die sich mit Methylenblau stark färbt und mittelständige Zwickel einnimmt, wo mehrere Zellen an einander stoßen, verleitet wurde eine »wirkliche« (basophile) Grund- substanz anzunehmen. Solehe Zwickel kommen nun in der That vor, setzen sich aber fast nie in eine basophile Mittellamelle fort und erklären sich, wenn man die Form der Zellen, beziehungsweise Zellkapseln, besonders an den etwas geschrumpften Knorpeln aus Alkohol] ins Auge fasst, ein- fach als durch den Schnitt abgekappte Kapselränder (Fig. 25 a). Be- trachtet man in Fig. 26 die mit X bezeichnete Kapsel, welche offen- bar schon sehr peripher getroffen ist, und denkt man sich den Schnitt noch weiter gegen den Kapselrand, durch die Kapselsubstanz selbst sefallen, so müsste dieselbe als basophiler Zwickel in der farblosen metachondralen Grundsubstanz erscheinen; dasselbe wäre der Fall, wenn diese Kapsel in einer zur Bildfläche senkrechten Ebene «5 geschnitten wäre. SrtupxickA könnte aber auch durch die in dem distalen Abschnitte der Flossenstrahlen wirklich vorkommenden basophilen Mittellamellen der protochondralen Grundsubstanz (Fig. 24 IX), deren er keine Er- wähnung thut, verleitet worden sein, auch in den proximalen Strahlen- abschnitten solche anzunehmen. Dies wäre um so leichter denkbar, als ja der eigenthümliche Wechsel in der Färbbarkeit und morpho- logischen Zusammensetzung der Intercellularsubstanz, den ich bei Ver- folgung eines Knorpelstrahles von der freien Spitze zur Basis be- schrieben habe, auch an Querschnitten durch die basalen Abschnitte der Flossenstrahlen — allerdings in wesentlich verkürzter Weise — zu beobachten ist, wenn man sie von der Peripherie zur Mitte verfolgt. Eine sehr eigenthümliche Art, wie stellenweise auch in den basalen Theilen der Flossenstrahlen in der acidophilen, metachon- dralen Grundsubstanz eine basophile Mittellamelle vorgetäuscht werden kann, habe ich bei X in Fig. 25 dargestellt: Eine Kapsel erscheint in dorsoventraler Richtung so komprimirt, dass ihre gegenüberliegen- den Flächen am Durchschnitt eine einzige Linie bilden, durch die eine Strecke weit anscheinend eine zweischichtige Kapselsubstanz nach STUDNIckA’s zweiter Schilderung entsteht. Endlich ist noch ein Vorkommen zu betonen, welches unter Umständen in den basalen Theilen der Flossenstrahlen, allerdings nur stellenweise, das Vor- handensein einer mit Methylenblau färbbaren, also basophilen »Grund- Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 159 substanz« vortäuschen kann. Es ist dies die — bereits kurz berührte — degenerative Umwandlung ganzer Zellen in Grundsubstanz. Betrachtet man einen mit Hämalaun-Eosin ge- färbten Schnitt durch den proximalen Theil eines Flossenstrahles mit schwacher Vergrößerung, so fallen vereinzelte, mit Hämalaun dunkel sefärbte Knorpelzellen zwischen den gewöhnlichen auf. Bei näherer Untersuchung mit starker Vergrößerung stellen sie sich dar als Reste von Zellen, die weder Kern noch Zellleib erkennen lassen, sondern zu einem körnigen Detritus zerfallen erscheinen, welcher die Knorpel- zellhöhle ausfüllt. Diese körnige Masse färbt sich nun nicht nur mit Hämalaun so auffallend stark, sondern mit allen Färbemitteln, welche Chondromueoid färben, also mit DELAFIELD’s Hämatoxylin, Thionin, Safranin, Methylenblau, saurem Orcein u. A. Ich will hier auf die weiteren Schicksale dieser degenerirenden Zellen nicht näher eingehen, da sich dazu bei der Besprechung des Knorpelgewebes von Myzine, wo die Verhältnisse noch augenfälliger sind, eine bessere Gelegenheit geben wird. Hier bemerke ich nur so viel, dass diese weichen, dem Chondromueoid ähnlichen Massen von Seite der umschließenden, expansiv wachsenden Zellen kom- primirt werden, bis sie oft nur mehr dünne, scheidewandartige Massen von der angegebenen Färbbarkeit in der anders färbbaren, meta- chondralen Grundsubstanz darstellen. Endlich verschwinden sie durch Umwandlung, Assimilation zu metachondraler Substanz oder durch Resorption ganz, und der Grundsubstanzbalken, in welchem die mit Hämalaun, Methylenblau ete. färbbare Masse eine Zeit lang eine innere acidophile (d. i. die metachondrale) und äußere basophile Kapselschicht zu trennen schien, nimmt wieder sein normales Aus- sehen an. Nicht nur typische Knorpelzellen erfahren auf diese Weise eine Umwandlung in Grundsubstanz, sondern, wie ich für die an das peri- axiale Gewebe stoßenden Abschnitte beschrieben habe, auch die großen, fetthaltigen Zellen dieses Gewebes, ganz ähnlich, wie auch die typischen Fettzellen bei der Neurapophysenbildung im Bereiche des vorderen Körperendes!. Diese allmähliche Umwandlung größerer chondromucoider Massen in die dünnen Scheidewände der Grundsubstanz ist auf eine Stufe zu stellen mit den regressiven Veränderungen, welche der oberfläch- liche Grenzsaum — ebenfalls eine reichlichere Ansammlung chondro- ch Fmıkr. Anat.. Be E 1897. 9. 18l. 160 Josef Schaffer, mucoider Substanz — überall dort erfährt, wo er durch Apposition in die Tiefe rückt. Dies ist der Fall an der Oberfläche der Knorpel- strahlen, wo lineare Apposition stattfindet (z. B. Fig. 12 bei pa, Fig. 7 bei GS), in den Gabelungen (Fig. 8 G$S) und an den Basen der Strahlen, wo sie an das periaxiale großzellige Bindegewebe an- grenzen (Fig. 13 pa'). An allen diesen Stellen erfährt die Grundsubstanz eine Rück- bildung, eine Verminderung, bis sie in ihrer Stärke mit den an- grenzenden Grundsubstanzscheidewänden übereinstimmt und sich in das einheitliche tektonische Bild des Grundsubstanzgerüstes einfügt. Während diese Rückbildung an der von Perichondrium bedeckten Oberfläche der Strahlen und in den Gabelungen ohne sichtbare morpho- logische Veränderung vor sich geht, sieht man den oberflächlichen Grenzsaum gegen das periaxiale Gewebe sich theilweise in körnchen- oder tröpfehenartige Bildungen anflösen, ähnlich, wie die degeneriren- den Zellen. Diese Tröpfehen färben sich stark mit allen Mitteln, welche Chondromucoid färben und fließen — offenbar unter dem herrschen- den Wachsthumsdrucke — zur Bildung neuer Grundsubstanzscheide- wände zusammen. So geben diese Verhältnisse wieder ein gutes Beispiel für die schon öfter betonte Thatsache, dass die Grundsubstanz in ihrer Anordnung wesentlich von der mechanischen Beanspruchung des Knorpelstabes beeinflusst wird. Diese Beanspruchung und damit die Leistung wächst mit der Größe des Thieres im Allgemeinen, und so musste ich nach den bis- herigen Erfahrungen an den Schwanzflossenstrahlen von Petro- myzon marinus weitere Änderungen im mikroskopischen Bilde der Knorpelsubstanz erwarten. Von dieser Erwägung ausgehend habe ich noch den Schwanz- knorpel möglichst großer Exemplare dieser Art untersucht und in der That bemerkenswerthe Unterschiede im feineren Baue gegenüber Petromyzon fluviatilis feststellen können. Dieselben sind desshalb von besonderem Interesse, weil sie uns wieder überzeugend beweisen, dass die gesteigerte mechanische Leistung allein, unabhängig von der Thierart, im Stande ist, neue Gewebsformationen zu erzeugen. Es tritt nämlich bei Petromyzon marinus ein von dem bisherigen ganz verschiedenes Knorpelgewebe auf; aber nicht als charakteristisch für die Art — denn es kann andeutungsweise, d. h. in Spuren schon bei großen Exemplaren von Flussprieken beobachtet werden, und nur eben so wenig bei kleineren Lampreten entwickelt sein —, sondern Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes etc. I. 161 nur als Ausdruck einer besonderen Größe und Stärke des Flossen- strahles, beziehungsweise des Tieres. Die stärkste Entwieklung erreichen die Knorpelstrahlen nicht in der Schwanz-, sondern in der distalen Rückenflosse. Die folgende Beschreibung bezieht sich auf Knorpelstrahlen der etzteren, welche an ihren proximalen Abschnitten (am gehärteten Ob- jekt gemessen, wie bisher) 0,6 mm erreichen, während das ent- sprechende Maximum der Schwanzflossenstrahlen bei Petromyzon Fluviatilis von 36 em Länge 0,324 mm betrug. Die Spitzen der stärksten Strahlen sind aus mehreren Reihen von Zellen gebildet und enden abgerundet dieht unter der derb fibrö- sen, fascienartigen Lederhaut. Ihre Oberfläche wird von einem schmalen Grenzsaum überzogen, der auch weiter axialwärts oft auf lange Strecken noch gut ausgebildet ist. Die Spitzen der dünneren Strahlen unterscheiden sich nicht von dem bei Petromyzon fluviatilis beschriebenen Aussehen und bestehen aus chondromuceoidem Knorpel mit einfachen Alveolenwänden. Verfolgt man die Strahlen gegen ihre Basis, so findet man die Übergangszone von Knorpelgewebe mit protochondraler Grund- und prochondraler Kapselsubstanz um so mehr verkürzt, je mächtiger der _Knorpelstrahl entwickelt, beziehungsweise je größer und älter das Thier ist. Bei dem ältesten mir zu Gebote stehenden Exemplare von 62 em Länge tritt schon bald nach den terminalen Gabelungen der Strahlen das bei Petromyzon fluviatılis für die proximalen Ab- schnitte derselben charakteristische härtere Knorpelgewebe mit meta- chondraler Grund- und protochondraler Kapselsubstanz auf. Schon in den tieferen Gabelungsstellen jedoch stößt man auf ein Knorpelgewebe, welches morphologisch und mikrochemisch verschie- den ist von dem bisher im Schwanzflossenskelette beschriebenen. Seine Zellen besitzen nicht mehr die für das weiche Knorpelgewebe der Petromyzonten charakteristische polyedrische Form mit einzelnen scharf ausgeprägten Kanten, sondern sind ovoid oder ellipsoidisch (Fig. 25 HK), jede von einer ziemlich dicken stark lichtbrechenden Kapsel (#) umschlossen, die sich auch stärker mit Eosin, Congo- roth ete. färbt und zwischen den Kapseln findet sich eine verhältnis- mäßig reiche Grundsubstanz, die weder mit Hämalaun noch Eosin eine ausgesprochene Färbbarkeit (an Freihandschnitten) zeigt. In derselben sind jedoch meist deutliche Trennungslinien sichtbar (2), welche etwas stärker färbbar sind und um jede Kapsel einen breite- ren Zellhof abgrenzen; kurz, dieses Knorpelgewebe stimmt morpho- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Ba. 11 162 Josef Schaffer, logisch vollkommen mit dem harten oder »gelben« Schädelknorpel des Thieres überein. | Besonders deutlich lässt es sich mit saurem Orcein als in toto dunkler gefärbte, appositionelle Lage hervorheben, vornehmlich, wenn man die von L. MERK! empfohlene, stark verdünnte Lösung an- wendet, welche den übrigen Knorpel fast ungefärbt lässt. Das sonstige färberische Verhalten zeigt aber, dass dieses harte Knorpel- gewebe noch nicht vollkommen die Eigenschaften des harten Schädel- knorpels erreicht hat, sondern gleichsam noch im Übergange zu dem- selben begriffen ist. Färbt man nämlich statt mit Hämalaun mit der energischer wirkenden Hämatoxylin-Thonerde von DELAFIELD, so treten die Kapseln und auch die dünnen, interterritorialen Scheide- wände, die nicht selten ein körniges Aussehen besitzen, deutlich ge- färbt hervor; dies ist nach meinen und SrupxickA’s übereinstimmenden Erfahrungen beim harten Schädelknorpel nicht der Fall. Die für den harten Knorpel charakteristische Acidophilie der Kapseln ist also im Schwanzknorpel noch nicht vollkommen erreicht, würde aber gewiss bei noch größeren und älteren Exemplaren eintreten. Dieses geschilderte harte Knorpelgewebe füllt nun die tieferen (primären und sekundären) Gabelstellen der Flossenstrahlen in einer Ausdehnung aus, wie sie der bei Ammocoetes an dieser Stelle beschriebenen perichondralen Apposition entspricht (vgl. Fig. 8 bei »Z). Weiter tritt es gegen die Basis der Strahlen als dünne, rinden- artige Lage an der Oberfläche derselben auf (Fig. 27 HK). Betrachtet man einen solchen Querschnitt, so wird man lebhaft an die bei Amphibien zu beobachtende perichondrale Knochenkruste an der Oberfläche unversehrter Hyalinknorpel erinnert, wie sie uns z.B. an Querschnitten durch die Enden langer Extremitätenknochen oder durch die Wirbelbogen bei älteren Larven entgegentritt. Der mechanische Effekt, eine möglichst starke Versteifung eines Stützorgans zu erzielen, ist in beiden Fällen derselbe, nur tritt bei Petromyzon mar. an Stelle des Knochens ein — man kann sagen — funktionell knochenähnlicher Knorpel. In der That hat J. MÜLLER den ähnlichen Knorpel von Myzine geradezu als Knochen bezeichnet. Im Allgemeinen ist diese Rinde von hartem Knorpel nur 1-2 Zell- lagen breit; an einzelnen Stellen jedoch bildet sie größere in den mit chondromucoiden Kapseln versehenen Knorpel einspringende Inseln und so sieht man, besonders an tangentialen Längsschnitten durch leer Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 163 die basalen Theile der Flossenstrahlen den weicheren, theilweise mit Hämalaun blau färbbaren Knorpel übergehen in einen harten mit Eosin roth färbbaren. Es ist wichtig, die Art und Weise, wie solche Übergänge zu Stande kommen, festzuhalten, da wir denselben in reichlichem Maße beim Knorpelgewebe der Myzine begegnen werden. Ich verweise zur Illustration des Gesagten auch auf die Fig. 6, Taf. 31 von STUDNICKA', welche einen solchen Übergang darstellt. Diese Übergänge vom weichen in harten Knorpel sind als sekundär durch geänderte funktionelle Bedingungen entstandene wohl zu unter- scheiden von jenem von mir beschriebenen räumlichen Übergang des harten Schädelknorpels in den weichen Knorpel des Kiemenskelettes bei Ammocoetes, welcher zwei primär verschiedene Knorpelarten betrifft. Einen eigenthümlichen Anblick bieten bei schwacher Vergrößerung die basalen Abschnitte der Knorpelstrahlen an medianen Sagittal- schnitten, welche mit Resorein-Fuchsin (WEIGERT) oder Hämalaun- Eosin gefärbt sind. Da erscheinen die Randpartien unter der hart- knorpeligen Hülle leichter, im letzteren Falle beziehungsweise mehr roth gefärbt, als die Mitte der Strahlen; die Ursache hierfür liegt in dem bereits betonten Umstande, dass diese oberflächliche Partie der Strahlen (unmittelbar unter der dünnen Rinde harten Knorpels) als jüngere Knorpelzone sich färberisch ähnlich verhält, wie die distalen Strahlentheile: mit Resorein-Fuchsin färben sich in ihr nur die inter- capsulären Scheidewände, nicht die Kapseln, wie dies im Innern der basalen Abschnitte der Fall ist. Bei der zweiten Färbung färben sich in der Randpartie die Kapseln roth und nur die intercapsuläre Substanz blau, welche noch stellenweise als kontinuirlicher Saum die Ober- fläche bedeckt und so wie eine Kittlage den alten Strahlenknorpel mit der dünnen Rinde harten Knorpels verbindet (vgl. Fig. 27). An anderen Stellen kann aber der Binnenknorpel mit metachon- draler Zwischensubstanz und protochondralen Kapseln bis an die harte Knorpelrinde verfolgt werden (Fig. 28). Der Knorpel, welcher hypochordal und epimedullär an Stelle des blasigen Stützgewebes entstanden ist, bleibt als solcher auch bei Petromyzon marınus erkennbar, indem die Grundsubstanzscheidewände etwas dünner erscheinen und in denselben noch einzelne Inseln nicht assimilirten Fasergewebes, das sich stark mit Hämalaun färbt, zu sehen sind. Besonders gut tritt der Unterschied vom echten Knorpel- gewebe wieder bei Doppelfärbung mit Hämalaun-Congoroth hervor, 1 Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVII. 189. HE 164 | Josef Schaffer, wobei die Grundsubstanz des letzteren rein blau, die des verknorpeln- den Stützgewebes mehr braunroth gefärbt erscheint. Der Umstand, dass die meisten Zellen des letzteren mehr als zwei Kerne, oft ganze Kernhaufen besitzen, sowie die große Zahl der in chondromucoider Metamorphose oder Degeneration befindlichen Zellen (Fig. 27 DZ) beweisen wieder, dass die Elemente des vesieulösen Stützgewebes keine aktive Rolle bei der Knorpelbildung spielen. Was nun die Entwicklung des harten Knorpels bei Petromyzon marinus an den genannten Stellen anbetrifft, so entsteht derselbe nicht als eine weitere Modifikation eines schon vorher vorhandenen Knorpel- gewebes, etwa wie der härtere Knorpel in den basalen Theilen der Flossenstrahlen unmittelbar aus dem einfachen weichen Knorpel der Strahlenenden entsteht, vielmehr entwickelt er sich aus dem dieht faserigen Perichondrium sofort als ein Knorpel von besonderem Typus, analog wie der Schädelknorpel des Thieres. Die Zellen des Perichondriums vergrößern sich und geht von ihnen bereits in diesem Stadium eine Einwirkung auf die faserigen Elemente, zwischen denen sie liegen, aus, unter welcher sie eine chondromucoide Umwandlung erfahren. Daher sieht man an Stellen, wo Apposition stattfindet, die Oberfläche des harten Knorpels un- regelmäßig höckerig oder ausgefranst (Fig. 28 bei R), oft mit Tröpfehen oder Körnchen besetzt, die sich wie der ganze Rand intensiv mit saurem Orcein, DELAFIELD's Hämatoxylin u. A. färben und aus dem Zerfall eiastischer Fasern hervorgehen oder von den Zellen abgesonderte Kittsubstanz darstellen. Oft sieht man auch die elastischen Fasern, die deutlich durch ihre charakteristischen Ver- ästelungen von verknorpelnden collagenen Faserbündeln zu unter- scheiden sind auf lange Strecken hin im Perichondrium schon stark mit DELAFIELD’s Hämatoxylin gefärbt hervortreten und ohne zu zerfallen in die Grundsubstanz aufgenommen werden. Diese protochondrale Grundsubstanz kommt hier jedoch nicht zu stärkerer Entfaltung, wie beim chondromucoiden Knorpel, sondern wird alsbald durch das expansive Wachsthum um die Zellen ent- stehender Höfe einer metachondralen Substanz (Fig. 28 g) zu dünnen kittartigen Scheidewänden verdrückt, die ihren protochondralen Cha- rakter bald verlieren und auch acidophil werden, aber eine andere physikalische Beschaffenheit beibehalten. Auch die innerste Schicht‘ um die Zelle bleibt hier eine Zeit lang, wie die Färbung mit DELA- FIELD’s Hämatoxylin zeigt, protochondral. Während also im Binnenknorpel des Flossenstrahles die inter- Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 165 eapsuläre Substanz an Mächtigkeit die Kapselsubstanz übertrifft, spielt umgekehrt im harten Rindenknorpel die Kapselsubstanz die Hauptrolle und wird die intercapsuläre (protochondrale) Masse zur spärlichen Kittsubstanz. Dort wo sich die basalen Theile der Strahlen so stark nähern, dass ihre Perichondrien, deren Dieke hier 26—34 u beträgt, sich berühren, wird durch die assimilatorische Thätigkeit der Chondro- blasten das ganze faserige Zwischengewebe in Knorpelgrundsubstanz umgewandelt und kann man besonders an solchen Stellen gut sehen, dass die Zellen zunächst eine kapselartige, ehondromueoide Substanz an ihrer Oberfläche, aber auch über dieselbe hinaus, zwischen die Faserbündel hinein ausscheiden. So entsteht zunächst ein eigenthüm- licher Faserknorpel, welcher eine Verbindung der Flossenstrahlen an beschränkten Stellen herstellt. Denkt man sich, dass dieser Vorgang der Verschmelzung von basalen Abschnitten der Knorpelstrahlen eine größere Ausdehnung und Vollkommenheit gewinnen würde, so müsste eine senkrechte Knorpelplatte als Basis der Flossenstrahlen entstehen, wie sie in der That bei Myxine vorhanden ist (Rerzıus!). Zusammenfassung. Als wesentlichste Ergebnisse dieser Unter- suchungen möchte ich Folgendes hervorheben: 1) Die erste Anlage der morphologisch als Knorpel sich ab- srenzenden Zellmassen ist eine syneytiale. 2) Die in diesem Syneytium deutlich werdenden Zellgrenzen stellen ein Fach- oder Wabenwerk dar, dessen Lücken von den kernhaltigen Zellkörpern ausgefüllt werden. Dasselbe geht theil- weise aus einer unmittelbaren Umwandlung (Verdichtung) des Proto- plasmas hervor, verhält sich färberisch zunächst wie dieses und nimmt auch fernerhin an den Wachsthumserscheinungen und Stoff- wechselvorgängen desselben Theil. Dieses Fachwerk, welches bereits eine dem Wachsthumsdrucke entsprechende funktionelle Anordnung zeigt, bildet die prochondrale Grund- oder Kittsubstanz. 3) Die erste, wirkliche Knorpelgrundsubstanz — protochondrale Grundsubstanz — geht aus einer mikrochemischen Umwandlung der prochondralen hervor. Dieselbe zeigt, trotz einer fortschreitenden Größenzunahme der Zellen ebenfalls ein, wenn auch geringes intus- susceptionelles Wachsthum. ! Das Caudalskelett der Myxine glutinosa. Verh. biol. Verein Stockholm. ei I 1891. p. 10. 166 Josef Schaffer, 4) Im Laufe der Entwicklung wird die protochondrale Grund- substanz durch neue Ablagerungen (Kapselbildung) um die Zellen von diesen abgedrängt. Obwohl sie nun nicht mehr in unmittelbarer Be- rührung mit den Zellen steht, fährt sie fort zu wachsen und kann sogar — sichtlich unter dem Einflusse geänderter funktioneller Bedingun- sen -—— ihren mikrochemischen und physikalischen Charakter ändern. 5) Bei der Entwicklung der Grundsubstanz gehen einzelne Zellindivi- dluen zu Grunde, d. h. werden in toto zu Grundsubstanz umgewandelt. 6) Durch das expansive Wachsthum der Knorpelstrahlen werden die angrenzenden Lagen indifferenter Zellen zum Perichondrium, in- dem sie zwischen sich eine zunächst formlose Masse ausscheiden, in der bald faserige Bildungen theils collagener, theils elastischer Natur entstehen. Nun tritt zum intussusceptionellen noch ein appositionelles Wachsthum des Knorpels. 7) Bei demselben werden die angrenzenden fremdartigen Ele- mente oft auf größere Entfernung von den Zellen hin assimilirt und zwar scheiden die an Volumen zunehmenden und sich abrundenden Zellen des Perichondriums eine Kittsubstanz von chondromueoidem Charakter zwischen die leimgebenden Fibrillenzüge hinein ab, welche schließlich die collagenen Bündel so durchtränkt, dass sie unsichtbar werden und mit der Kittsubstanz eine homogene Masse bilden. Ob diese präformirten collagenen Fasern auch fernerhin als solche erhal- ten bleiben ist fraglich. Sicher werden die elastischen Fasern zu Kittsubstanz gelöst. 8) Das periaxiale Stützgewebe (skeletogenes Gewebe, GEGENBAUR; »blasiges, fetthaltiges Bindegewebe«, »axiales Bindegewebe, STUD- NICKA) stellt im Bereiche der Schwanzflosse eine eigenthümliche Form des vesieulösen Stützgewebes dar. Seine Zellen sind theils mit den Vorknorpelzellen identisch und wandeln sich dann (im distalsten Theile der Schwanzflosse) unmittelbar in Knorpelzellen um; theils differenziren sie sich zu membranlosen, hyalinen, fetthaltigen Zellen, zwischen denen ein membranös-faseriges Zwischengewebe auftritt, in dem indifferente Zellen erhalten bleiben. 9) Die proximalen Enden der Knorpelstrahlen wachsen auch auf Kosten dieses vesiculösen Stützgewebes; dabei wandelt sich jedoch dasselbe nicht unmittelbar in Knorpelgewebe um. Vielmehr geht die Bildung des letzteren auch hier von den nicht differenzirten, zu Chondroblasten heranwachsenden Elementen aus, unter gleichzeitiger Assimilation und Einschmelzung der bereits specialisirten Zellen und Zwischensubstanz. Über den feineren Bau und die Entw. des Knorpelgewebes ete. I. 167 10) Das, was man als Kapsel bezeichnet — eine besondere, die Knorpelzelle unmittelbar umgebende Zone der Grundsubstanz, welche von dieser durch ihr optisches, physikalisches und mikrochemisches Verhalten unterschieden ist — tritt erst bei Peiromyzon fluviatılis auf und dient hier offenbar zur Versteifung der Grundsubstanzalveolen. 11) Die Kapsel ist eben so Produkt der Knorpelzelle, wie die übrige Grundsubstanz, aber der Zeit nach jünger, als die intercapsuläre Substanz. Wie diese kann die Kapsel zu verschiedenen Zeiten ver- schiedene physikalische und mikrochemische Umänderungen erleiden. 12) Eine Versteifung der Grundsubstanz kann aber auch erzielt werden durch Umwandlung der chondromucoiden protochondralen Grundsubstanz in die härtere metachondrale. So finden wir in den basalen Abschnitten der Flossenstrahlen von Petromyzon fluviatilis diese zwei mikrochemisch und physikalisch verschiedenen Substanzen, welche in der vorderen Körperhälfte von Ammocoetes zwei selb- ständige Knorpelarten (Kiemen- und Schädelknorpel) zusammensetzen, zur Bildung der Grundsubstanz verwendet. 15) Bei noch weiterem Wachsthum und stärkerer mechanischer Beanspruchung der Knorpelstrahlen (Petromyzon marinus), kann ihre Widerstandsfähigkeit dadurch erhöht werden, dass perichondral in den ältesten Abschnitten eine Rinde aus hartem, metachondralem Knorpel entsteht. 14) Während der Schwanzknorpel der Neunaugen mit seiner leicht zu verfolgenden, gesetzmäßigen Entwicklung geradezu ein klassisches Beispiel für die Entstehung der territorialen Gliederung der hyalinen Knorpelsrundsubstanz bietet, besitzt er (eben so wie der Kiemenknorpel) eine Reihe von Eigenthümlichkeiten, welche ihn als Übergangsform zu der vesiculösen Stützsubstanz erscheinen lässt. Erklärung der Abbildungen, Tafel VII. Fig. 1. Schwanzende eines 5 cm langen Ammocoetes. Fixirung in Pikrin- sublimat. Einschluss in Glycerin-Wasser. E, Epidermis; D, Gallertgewebe der Flosse; ms, Chondrodermis; ds, dorsale Flossenstrahlen; A, Achsenstrang mit den aufliegenden Muskeln, welcher das Rückenmark mit seinem arachnoidalen Füllgewebe und die Chorda umfasst; vs, ventrale Flossenstrahlen; er, freies Ende der Chorda und des Rückenmarks; g, Blutgefäße. Vergr. 27. Fig. 2. Medianer Längsschnitt durch die Rückenflosse eines 3 em langen Ammocoetes. fs, Anlage eines Knorpelstrahles; fs’, eine solche nach unten ge- 168 Josef Schaffer. gabelt; f, faserige Zelllage; g, Grenzzellschicht; ea, epaxiales Gewebe; A, arach- noidales Füllgewebe; 5, Blutgefäße. Vergr. 104. Fig. 3. Der mit * bezeichnete Flossenstrahl der Fig. 2 bei 720facher Vergr. a, dunkler Querstreifen durch Berührung zweier Kernmembranen gebildet; p, An- lage des Perichondriums; d, Blutgefäß; g. Gallertgewebe zwischen den Vorknorpel- strahlen. Fig. 4. Proximales Ende eines dorsalen Flossenstrahles aus der Schwanz- flosse eines 3 em langen Ammocnetes. Z, Vorknorpelzelle; Z’, eine zusammen- gepresste solche; 7, Zellen des zukünftigen Perichondriums; peh, perichondrale Grundsubstanz zwischen zwei Vorknorpelzellen; zch’, dieselbe zwischen zwei Vorknorpelzellen und einer Zelle des Perichondriums. Vergr. 720. Fig. 5. Dorsaler Vorknorpelstrahl aus der Schwanzflosse eines 4,3 em langen Ammoeoetes. vs, syneytiales Ende des Strahles; Z, blasige Vorknorpelzellen ; Z'’, dunkle Interealarzellen; ‘, dunkle Scheidewand zwischen zwei Zellen: d, an die Peripherie gedrängter Theil einer dunklen Intercalarzelle. Vergr. 720. Fig. 6. Proximaler Theil eines ventralen Flossenstrahles vom 5 cm langen Ammocoetes. t, nach der Quertheilung der Zellen des vorigen Stadiums ent- standene Scheidewände (prochondrale Grundsubstanz); zz, zweikernige Zelle ohne Scheidewand. Die anderen Bezeichnungen wie bei Fig. 5. Vergr. 720. Fig. 7. Mittlerer 'Theil eines ventralen Flossenstrahles vom 5 cm langen Ammocoetes mit perichondraler Auflagerung. @S, Grenzsaum von Grundsubstanz zwischen der eigentlichen Anlage des Flossenstrahles und der perichondralen Auflagerung; pZ, perichondrale Zellen, welche zu Vorknorpelzellen geworden sind und in Verbindung mit der alten Grundsubstanz an ihrer freien Oberfläche (peh?) neue erzeugt haben; «Z, zweikernige Vorknorpelzellen; M, Vorknorpel- zelle herausgefallen; die prochondrale Grundsubstanz erscheint als Membran; H, halbkugelige, perichondrale Auflagerung, welche theils aus syncytial an ein- ander gelagerten Zellen (»S), theils aus fertigen Vorknorpelzellen mit prochon- draler Grundsubstanz (peh?) besteht. Vergr. 720. Fig. 8. Gabelung eines dorsalen Flossenstrahles vom 7,3 em langen Ammo- coetes. GS, Grenzsaum, welcher die alte innere Grenze des gegabelten Strahles anzeigt; pZ, perichondrale, appositionelle Ausfüllung der -Gabelungsstelle; >», Perichondrium; Kapsel- substanz« trennt. ZW, basophile Zwickel; a, ausgezogene Kapselränder am Durchschnitt. Sonstige Bezeichnungen, Behandlung und Vergrößerung wie bei Fig. 24. Fig. 26. Partie aus der Mitte des basalen Theiles eines ventralen Flossen- strahles von Petromyzon flwviatilis. MÜLLER’s Flüssigkeit, saures Orcein nach Unna-TÄnZER. mch, metachondrale Grundsubstanz; K, Kapselsubstanz im Profil, K’, von der Fläche; $, eine Scheidewand in sehräger Ansicht; Z, retrahirte Knorpelzellen mit cilienartigen Fortsätzen. Vergr. 720. Fig. 27. Querschnitt durch den proximalen Theil eines dorsalen Flossen- strahles von Petromyzon marinus. WK, weicher Knorpel; ZK, harter Knorpel; P, Perichondrium; RZ, Riesenzelle; DZ, Zellen in chondromucoider Degenera- tion. Vergr. 75. Fig. 28. Ein Stück der Oberfläche vom vorigen Querschnitt. R, ausge- faserter Rand des harten Knorpels; k, Kapsel; g, Zellhof; :, intercapsuläre Sub- stanz. Sonst wie bei Fig. 27. Vergr. 500. Über die Entwicklung der hypodermalen Imaginal- scheiben im Thorax und Abdomen der Larve von Eristalis Latr. Von Dr. Bruno Wahl, Assistent am zool.-zootom. Institute in Graz. Mit Tafel IX und 4 Figuren im Text. Verschiedene Autoren hatten es versucht, die erste Entwicklung der hypodermalen Imaginalscheiben der Fliegen zu ergründen; ihre Untersuchungen aber ließen meist die Beantwortung dieser Frage unentschieden (z. B. KowaALevsky), oder führten geradezu von der Wahrheit ab (z. B. GRABER). Den Grund für diese schlechten Resul- tate sehe ich in den Schwierigkeiten der Schnittmethode, welche von _ den Forschern fast ausschließlich angewandt wurde. Ich setzte auf Schnittpräparate von Anfang an wenig Hoffnung, und suchte mir in erster Linie durch Flächenpräparate Aufschluss zu verschaffen. Schwierigkeiten bereitet vor Allem die Konservirung des Unter- suchungsmaterials. Eine Injektion mit der Fixirungsflüssigkeit giebt bei größeren Larven gute Resultate, bei sehr kleinen von nur zwei oder wenig mehr Millimeter ist selbe undurchführbar. Kalte Flüssig- keiten dringen nicht ein, selbst nicht stärkere Säuregemische; beim Erhitzen aber löst sich leicht die Cuticula von der Hypodermis ab, und diese letztere zerfällt durch Schrumpfung in einzelne Zellen, welche dann jede für sich innerhalb der Cutieula herumschwimmen. Die besten Resultate erreichte ich noch dadurch, dass ich die kleinen Larven bei einer Temperatur von 60° Celsius im Thermostat mit Sublimat-Eisessig (drei Theile koncentrirte wässerige Sublimatlösung —+ ein Theil Eisessig) konservirte, worauf selbe in anfänglich 50 %/,igen, später 7O und 96 %/,igen Alkohol nachgehärtet wurden. Das Sublimat ‚wurde mit Jodjodkaliumlösung ausgezogen. Die Präparate stellte ich dadurch her, dass ich die Larven unter Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 12 1X2 Bruno Wahl, der Lupe mit Zupfnadeln in der dorsalen Medianlinie öffnete, die Eingeweide herauspräparirte und die zurückbleibende Hypodermis möglichst glatt auf einem Objektträger ausbreitete. Hierauf färbte ich mit Enrrıcm's Hämatoxylin, hellte in Xylol auf und schloss in Kanadabalsam ein. Einige solche Präparate wurden, nachdem ich mich über das Stadium ihrer Entwicklung vergewissert hatte, in Xylol zurückgebracht, in Paraffin eingebettet und geschnitten. An solchen Querschnitten der flächenhaft ausgebreiteten Hypodermis konnte ich die Imaginalscheiben des Thorax deutlich auch bei sehr frühen Stadien unterscheiden, während es mir an Schnitten der ganzen Larven nicht gelang, da bei letzteren die Übersicht der Hypodermis durch starke Faltung erschwert ist. In erster Linie verdanke ich meine Resultate sowohl bezüglich der thorakalen, als auch der ab- dominalen Imaginalscheiben den beschriebenen Flächenpräparaten. Das Untersuchungsmaterial sammelte ich fast ausschließlich im Stiftingthale bei Graz; die Larven gehörten größtentheils der Art Eristalis tenaxz L. an, ein kleiner Theil vielleicht der Eristalis arbu- storum L. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle Herrn Direktor Dr. FRIED- RICH BRAUER meinen ergebensten Dank auszusprechen für die Über- lassung von Büchern aus der Bibliothek des k. k. naturhistorischen Hofmuseums in Wien. A. Die thorakalen Imaginalscheiben. Entwicklung der Thorakalscheiben. In einer früheren Arbeit über die Larve von Eristalis tenax! habe ich den damaligen Stand der Frage nach der Entwicklung der thorakalen Imaginal- scheiben eingehend besprochen. Schon damals beabsichtigte ich, diesen Punkt noch weiter zu behandeln, was mir zu jener Zeit mangels eines geeigneten Materials nicht möglich war. Während ich nun mit diesen Untersuchungen beschäftigt war, erschien eine Arbeit Prarr’s?, welche dieses Thema an den Embryonen von Melophagus ovinus L. behandelt. Eine vorläufige Mittheilung® hierüber war schon 1897 erschienen. Da zeigt es sich, dass zwar bei beiden hierauf untersuchten Fliegen die Entwicklung der thorakalen Imaginal- scheiben im Prineipe dieselbe ist, dass sich jedoch im Speeiellen mannigfache Verschiedenheiten geltend machen. Die Thorakalscheiben von Melophagus unterscheiden sich schon I Litt.-Verz. 13. p. 36—38. 2 Litt.-Verz. 10. 3 Litt.-Verz. 9. Entwicklung d. hypodermalen Imaginalscheiben etc. v. Eristalis Latr. 175 dadurch von jenen der Musceiden und Syrphiden, dass sie nicht so tief eingesenkt und dadurch lang gestielt werden, sondern stets un- mittelbar unter der larvalen Hypodermis liegen. Nach Prarr? werden die sechs Paare von Thorakalscheiben im Embryo als mehr- schichtige Verdickungen der Hypodermis angelegt, welche ziemlich sroßen Umfang einnehmen, so dass, wie aus Prarr's Fig. 32 er- sichtlich wird, die vorderen und hinteren Ränder der ventralen Scheiben nahezu an einander stoßen. Diese letzteren erfahren noch während der Embryonalzeit eine Einstülpung und kommen dadurch in das Lumen des Körpers zu liegen; die dorsalen Imaginalscheiben hingegen werden erst während der larvalen Periode eingestülpt, bleiben also in ihrer Entwicklung hinter den ventralen zurück. Bei Zristalis fand ich in den jüngsten Larven die Anlagen der Thorakalscheiben in ihren Anfängen. Die ventralen werden in diesem Stadium dargestellt durch kleine Verdickungen der Hypodermis, welche sich an jenen Stellen finden, wo Nerv und Trachee der künftigen Scheibe an dem Integument inseriren. In Fig. 1 sehen wir die rechte untere Metathorakalscheibe in diesem Stadium abgebildet. Indem ich die Beziehungen der Nerven und Tracheen zu den Imaginalanlagen an späterer Stelle besprechen will, möchte ich bezüglich der letzteren bemerken, dass sie sehr kleine und in Folge hiervon durch weite Zwischenräume von einander getrennte Zellinseln sind. Hierin unter- scheiden sie sich beträchtlich von denselben, jedoch viel mächtigeren Gebilden der Melophagus-Larve, wie auch darin, dass bei der jungen Eristalis-Larve die Einstülpung noch nicht erfolgt ist. Dass wir es thatsächlich nur mit einer Epithelverdiekung und noch nicht mit einer Säckchenbildung zu thun haben, davon überzeugen am besten Quer- schnitte. Ich habe solche von einer jungen Larve dargestellt (Fig. 4), bei der die Imaginalscheiben sogar schon etwas weiter in der Ent- wicklung vorgeschritten waren, als diejenigen jenes Individuums, dem Fig. 1 entnommen ist, wovon ich mich am Flächenpräparate vor dem Schneiden mit dem Mikrotome überzeugt hatte. Fig. 4 stellt uns jene fünf Querschnitte der Serie (Dieke —= 5 Mikromillimeter) vor, auf welchen Anschnitte der linken unteren Metathorakalscheibe zu sehen waren, wozu ich noch bemerken möchte, dass die Serie in der kritischen Region lückenlos war. Wir bemerken nichts von einem Lumen, die Anlage ist eine solide Epithelverdiekung, aber nicht eine eigentlich mehrschichtige, wie bei Melophagus, sondern von etwa 1 Litt.-Verz. 8, p. 1%. 2 Litt.-Verz. 10, p. 267, 268. 174 Bruno Wahl, halbkugeliger Form mit peripher gelagerten Kernen. alle nahe der gekrümmten Innenfläche der Hypodermis, während die centralen Partien kernfrei sind. Es ist dies in den Schnitten Fig. 4 B und C deutlich zu erkennen (vgl. auch Textfig. 12). Durch diese periphere Lagerung der Kerne ist wohl die Säckchenform schon prä- formirt. Die Cutieula verläuft kontinuirlich über die Imaginalscheibe, ohne Veränderungen zu zeigen, nur auf einem der Querschnitte (Fig. 4 D) erschien sie auch schon ein wenig verdickt. Die Zell- Diese liegen T „ IEWSIITIEHENEN Cuticula Hypodermis-“ ; Stiel.” Peripodale Membran; -=2_=2 2: Mesa Peripodaler Raum: ----- = er Era Exrodermblatt: 12-2 see NE o/l__ Textfig. 1. kerne sind kugelig bis länglich und erscheinen von jenen der um- sebenden Hypodermis durch geringere Größe etwas verschieden, was insbesondere am Flächenpräparate deutlich zu erkennen ist. Wie die abgebildete metathorakale Imaginalscheibe verhielten sich auch die pro- und mesothorakalen, welche ebenfalls in der Querschnittserie von Fig. 4, wie auf dem Präparate von Fig. 1, klar zu sehen waren. Was die dorsalen Scheiben anbetrifft, so schreiten sie bei Err- stalıs den ventralen in der Entwicklung voran. Bei Melophagus verhält es sich nach PrATT gerade umgekehrt. Bei jenem Flächen- präparate einer Zristalis-Larve, dem Fig. 1 entnommen ist, waren die dorsalen Imaginalscheiben des Meso- und Metathorax bereits, wenn Entwieklung d. hypodermalen Imaginalscheiben ete. v. Eristalis Latr. 175 auch als ganz kleine Säckchen vorhanden (Fig. 2). Dieselben werden von einer Anzahl Zellen gebildet, welche aus ihrer ursprünglichen Lage in der Hypodermis sich in die Tiefe gesenkt hatten und in ein- schichtiger Lagerung ein Lumen umschließen. Dieses letztere war insbesondere im Mesothorax klar zu erkennen. In den Serienschnitten, denen Fig. 4 entstammt, waren auch die dorsalen Scheiben des Meso- und Metathorax leicht zu finden, doch war deren Einstülpung hier bereits viel weiter vorgeschritten. Die oberen Prothorakalscheiben sind zu dieser Zeit noch nicht angelegt. Wir finden nur jene Einstülpung der Hypodermis, welche das geschlossene Prothorakalstigma während der ganzen Larvenzeit umgiebt!. In Fig. 5 sehen wir einen Querschnitt durch dieselbe, aus der nämlichen Serie wie Fig. 4. An der Einstülpung betheiligen sich Hypodermis (hp) und Cuticula (cw), welche letztere in Folge der Konser- virung und weiteren Behandlung des Präparates ein wenig geschrumpft ist und sich desshalb von ihrer Matrix abgehoben hat. Das Epi- thel der Einstülpung aber zeigt an der Rückwand eine mehrschichtige Verdiekung, welche jedoch nicht aus kleinkernigen »embryonalen«, sondern aus großkernigen »larva- len« Zellen besteht. Diese Ver- diekung hat mit der Bildung der Texthe. 2. Prothorakalscheibe nichts zu thun. Dieselbe tritt erst später ein, wie dies auch Prarr? beobachtet hat, und wird dadurch eingeleitet, dass am hinteren Rande (Textfig. 2 Ar) der Hypodermiseinstülpung (Ahpest), welche die Stigmenkammer (st%) umgiebt, »embryonale« Zellen auftreten. Von diesem Hinterrande aus entwickelt sich dann die säckchenartige Scheibe, welche während der ganzen weiteren larvalen Periode mit der Hypodermis unmittelbar, d. h. ohne Stiel verbunden bleibt. | . Die Entwicklungszeit der thorakalen Imaginalscheiben (ausge- nommen der oberen Prothorakalscheiben) fällt bei Eristalis annähernd mit dem Ausschlüpfen der Larven zusammen. Bei den jüngsten der hp. 1 Litt.-Verz. 13, p. 27. 2 Litt.-Verz. 9, p. 26. 176 Bruno Wahl, letzteren findet man die ventralen Scheiben im ersten Stadium, sie werden also zur Zeit des Auskriechens der Larve angelegt; die dorsa- len Scheiben haben diesen Entwicklungsgrad schon um Weniges über- schritten, ihre ersten Anfänge fallen also in den letzten Abschnitt des embryonalen Lebens. Die thorakalen Imaginalanlagen sind bei Eristalis ursprüng- lich einschichtige Hypodermisverdieckungen, welche sich dann in einschichtige Säckchen umformen. Erst im weiteren Verlaufe der Entwicklung bildet sich an einer Stelle der Einstülpung jene als Exodermblatt bezeichnete Verdiekung, welche die Anlage eines Körper- anhanges (Beine, Stigmenhörner, Flügel, Schwinger) darstellt (Text- figur 1). Ob bei Melophagus die von Prarr beschriebene, schon im Embryo vorhandene Epithelverdiekung erhalten bleibt, und direkt zur Anlage des betreffenden Körperanhanges führt, wird durch die Ausführungen des genannten Autors nicht ersichtlich. Bei Melophagus und bei Eristalis, welche zwei ziemlich entfernt stehenden Familien der eyclorrhaphen Dipteren angehören, ent- stehen demnach die thorakalen Imaginalscheiben durch Einstülpungen der Hypodermis, indem sich ein entweder kleinerer (Eristalis) oder auch größerer Theil (Melophagus) derselben sackartig in die Tiefe senkt (vgl. Textfig. 1 D und E), wie dies schon KÜnckEL p’HErRcULAIS! für Volucella gemuthmaßt hat. Die Annahme einer Entstehung dieser Scheiben aus dem Neu- rılemm oder der Tracheenmatrix muss nunmehr endgültig fallen ge- lassen werden. Diese Einstülpungen bleiben mit jener Stelle, von der aus sie entstanden sind, durch die Stiele verbunden. Diese letz- teren sind nicht »sekundäre« Verbindungen von ursprünglich »platten- artigen« Imaginalscheiben mit der Hypodermis, wie dies GRABER? annahm, sondern sind die primären hypodermalen Einstülpungen (vgl. Textfig. 1 C und D), deren tiefster Theil dann erst später in Folge der Anlage von Körperanhängen blasig anschwillt (vgl. Textfig. 1 E) und dadurch zur Entstehung jenes charakteristischen Bildes Anlass giebt, unter welchem man sich seit der Weısmann’schen Arbeit die Imaginalscheiben s. str. gemeiniglich vorzustellen pflegt. GRABER’S Schnitte selbst sind mir nicht bekannt, aber aus seinen publieirten Zeichnungen und Bemerkungen glaube ich schließen zu dürfen, dass die von ihm für embryonale Imaginalscheibenanlagen gehaltenen Gebilde wenigstens theilweise gar keine solchen waren, 1 Litt.-Verz. 5, p. 147, 148. ? Litt.-Verz. 2, p. 306—308. Entwieklung d. hypodermalen Imaginalscheiben etc. v. Eristalis Latr. 177 ein Irrthum, welcher sich durch die Lückenhaftigkeit der Sehnitt- serie und durch die Zerrissenheit der vorhandenen Schnitte erklären lassen dürfte. Zwischen GRABER’s Schnitten! 1 und 2, 6 und 7, 8 und 9, 10 und 11 u. s. f,, welche er durch einen Embryo von 25 Stunden machte, müssen namhafte Partien des Objektes aus- sefallen sein. Die in seiner Taf. IX, Fig. 115—117 mit o—Im be- zeichneten Zellplatten, welche er als Imaginalscheiben (vielleicht des Auges) ansprach, möchte ich für abgerissene Stücke der Wand des vorderen Theiles des Frontalsackes halten, durch welche Annahme es erklärt wäre, dass selbe, wie GRABER sagt, »kontinuirlich in das gleichartige Epithel des ‚Pharynx‘ selbst übergehen«. Hingegen ist es mir nicht möglich, die in Fig. 118—121 als Imaginalscheiben ge- deuteten Gebilde zu agnoseiren. PrATT? giebt in seinen Arbeiten Schemen des Baues der Ima- sinalscheiben, mit denen ich mich aber in so fern nicht für einver- standen erklären kann, als in seinen Figg. 3 und 4, beziehungsweise Figg. D und E die Beziehungen der Scheibe zum Integument nicht richtig zum Ausdruck kommen. Matrix und Outicula des letz- teren und des Scheibenstieles gehen in Wirklichkeit je in einander über; die Hypodermis streicht nicht, wie PrArr es darstellt, über die Ansatzstelle des Scheibenstieles hinweg, sondern senkt sich als Epithel des Stieles ein und die Cuticula stülpt sich, der Epitheleinsenkung folgend, in das Innere des Stieles, dessen enges Lumen damit völlig ausgefüllt ist. Die Cuticula kleidet als ein sanz dünnes, oftmals schwer wahrnehmbares Häutchen auch den sogenannten »peripodalen« oder »provisorischen« Raum aus. Dies wurde schon von J. van REES? für Oalliphora festgestellt, und wird sich bei Melophagus wohl eben so verhalten. Ich glaube diese Ver- hältnisse in der Textfig. 1 erkennbar gemacht zu haben. Sie stellt schematische Querschnitte durch fünf ontogenetische Entwicklungs- stadien einer thorakalen Imaginalscheibe von Zrzstalis dar. Ich habe in diesen Schemen auch die Zellgrenzen eingezeichnet; thatsäch- lich sind solche bei sehr jungen Larven vorhanden und auf gün- stig gefärbten Flächenpräparaten zu erkennen, wogegen sie bei älteren Larven verschwinden; auf Schnittpräparaten habe ich sie nicht wahrgenommen. Im Stadium A ist noch keine Anlage vor- handen, in 5 tritt eine Insel hoher »Embryonalzellen« auf, in © senken sich dieselben schon etwas in die Tiefe, in D bereits viel ZbttVerz. 2, p. 307, 308, 313; Tat IX, Big. 114—121. > Litt.-Verz. 9, p. 21 und Litt.-Verz. 10, p. 247. 3 Litt.-Verz. 11, p. 23. 178 Bruno Wahl, weiter, und in EZ legt sich in den tieferen Partien der Einstülpung der zu bildende Körperanhang in Form einer verdickten, mehr- schichtigen Zellplatte, des sogenannten Exoderms an. Diese Schemen können im Prineipe wohl für die Entwicklung der thorakalen Ima- ginalscheiben aller eyelorrhaphen Dipteren gelten. Die unteren Prothorakalscheiben sind bekanntlich vor den andern durch den Besitz nur eines gemeinsamen, unpaaren Stieles ausge- zeichnet. Dieser Unterschied betrifft aber nur die späteren Stadien. Die erste Anlage auch dieser Scheiben ist, wie jene der meso- und metathorakalen eine getrennte, paarige, und erst später senkt sich der unpaare Stiel ein. Auf den paarigen Ursprung weisen auch noch in den letzten larvalen Stadien jene zwei Lappen in der Tiefe der Scheibe hin, in welchen die Beine angelegt werden. Beziehungen der Tracheen und Nerven zu den Thora- kalscheiben. Die Beziehungen der Tracheen zu den unteren Thorakalscheiben sind dadurch gegeben, dass an jener Stelle der Hypodermis, wo die Scheibenanlagen entstehen, die Kapillaren eines feinen Tracheenästchens inseriren. In Fig. 1 sehen wir die durch blaue Farbe hervorgehobenen Tracheenendzellen unmittelbar der hypo- dermalen Imaginalscheibe anliegen. Auch auf späteren Stadien, wo bereits die Säckchenform der Scheibe ausgebildet ist, wie in Fig. 6, kann man bei günstiger Lage klar erkennen, wie die kleine Trachee der Scheibe sich in eine Anzahl Ästchen auftheilt, welche je eine Tracheenendzelle (frez) tragen, deren Kern sehr groß und deutlich ist. Die Kapillare dringt dann, ohne sich zu theilen, in die Scheibe ein, wo ihr weiterer Verlauf sich nicht mehr verfolgen lässt. Beim fortschreitenden Wachsthume der Imaginalscheibe werden dann die Tracheenendzellen von derselben verdeckt und kommen desshalb in der ausgewachsenen Larve nicht mehr zur Beobachtung. Bezüglich der oberen Thorakalscheiben glaube ich für die reife Larve schon früher! die Verhältnisse genügend klargelest zu haben. Die erste Anlage der Flügel- und Schwingerscheibe steht überhaupt mit Tracheen nicht in Berührung (Fig. 2). Erst später gelangt die Scheibe durch das Wachsthum des Stieles an eine Trachee?, und gleitet längs dieser in die Tiefe, bis sie schließlich neben dem Haut- muskelaste des zweiten, beziehungsweise dritten »äußeren« Tracheen- astes liegt, mit demselben durch ihre Mesenchymzellen verbunden. ! Litt.-Verz. 13, p. 38—40. 2 Litt.-Verz. 13, Taf. II, Fie. 3 kg und A; Entwieklung d. hypodermalen Imaginalscheiben ete. v. Eristalis Latr. 179 In diese oberen Imaginalscheiben selbst aber treten während der sanzen larvalen Periode Tracheen, beziehungsweise deren Kapillaren nicht ein, auch nicht in die mesothorakalen, wo bereits in dieser Zeit die Flügel angelegt werden. Daraus erhellt neuerdings, dass die Tracheen für die ontogenetische und wohl auch phylogenetische Ent- wicklung der Flügel nicht jene Bedeutung haben, welche man den- selben vielfach beimessen wollte. Aber selbst angenommen, . die Richtigkeit der GEGENBAUR-LUBBOcCK’schen Theorie, dass die Flügel der Insekten sich phylogenetisch aus Tracheenkiemen entwickelt haben, wie sich solche z. B. bei den Ephemeridenlarven finden, ver- möchte ich doch PrArr! nicht beizustimmen, wenn er in dem Um- stande, dass die Flügelscheiben den oberen Prothorakalscheiben homodynam sind, letztere aber zu trachealen Organen, nämlich Stismen werden, eine Stütze dieser Theorie sieht. Denn PALMEN? hat gezeigt, dass die Tracheenkiemen und die Stigmen nicht zusammen- hängen, sondern genetisch verschiedene, durch die Lage völlig ge- trennte und von einander unabhängige Organe darstellen. Die Be- ziehungen der Flügelscheiben zu stigmenartigen Bildungen können also nicht eine Theorie stützen, welche die Flügel von Tracheen- kiemen ableitet. Ich möchte an dieser Stelle auf einen mir nicht uninteressant scheinenden Punkt aufmerksam machen. Während die Prothorakal- scheiben mit den Stigmen so eng verbunden sind, liegen in den zwei anderen Thorakalsegmenten die Verhältnisse ganz anders. Im Meso- thorax fehlen die Stigmen überhaupt, im Metathorax sind selbe jedoch als geschlossene Anlagen vorhanden, finden sich aber von den Ima- ginalscheiben räumlich getrennt, ein bedeutendes Stück vor der In- sertionsstelle des Scheibenstieles, aber in derselben seitlichen Lage (Textfig. 4 st. Die Erklärung für das veränderte Verhalten im Prothorax dürfte in der viel mächtigeren Größe und Ausdehnung der Prothorakalstigmen und in den damit verbundenen Verschiebungen zu suchen sein. Ich habe seiner Zeit? Verbindungsstränge der oberen und unteren Imaginalscheiben des Meso- und Metathorax beschrieben, welche ich für Gebilde von hypodermaler Abkunft hielt, in welehen auch Nerven ihren Verlauf nähmen. Die Untersuchung junger Larven veranlasst mich, meine Anschauung etwas zu ändern und diese Stränge als ausschließlich neurale Bildungen anzusprechen. Auch vermag ich 1 Litt.-Verz. 9, p. 30. 2 Litt.-Verz. 7, p. 21. 3 Litt.-Verz. 13, p. 42, 43. 180 Bruno Wahl, über ihr anatomisches Verhalten einiges Neue anzugeben, was an aus- sewachsenen Larven schwer und unsicher zu beobachten ist, und dess- halb mir auch erst durch das Studium früher Larvenstadien zur Kenntnis kam. Zwar an den allerjüngsten, wie z. B. im Präparate von Fig. 1 und 2, ist die Beobachtung durch die geringe Größe erschwert; that- sächlich sehen wir in diesen beiden Figuren von den zwei im Folgen- den beschriebenen Verbindungsnerven nur einen, da sich der zweite nicht davon unterscheiden ließ. Am geeignetsten sind Larven von etwa 10 mm oder noch etwas größere. Einem solchen Stadium ist die Fig. 3 entnommen, welche die untere Metathorakalscheibe in Ver- bindung mit den Nerven darstellt. Der an die Imaginalscheibe herantretende Nerv (Fig. 3 %,) war im Präparate zufällig nach vorn umgeschlagen, wodurch der Anschein erweckt wird, dass er von dort käme. Er theilt sich in zwei Äste (za und nb), deren einer (nb) einige Zweige (nr, ny, nz) an das In- tegument abgiebt, mit seinem Haupttheil aber in die Scheibe eintritt. Der andere Nervenast (za) giebt den von mir schon früher beobachteten seitlich zur Hypodermis verlaufenden Nerven (sz,) ab und theilt sich dann in einen lateral verlaufenden (0orv) und einen medianen Ast (nm), welcher letztere nach Abgabe des auch schon beschriebenen nach vorn zur Hypodermis verlaufenden Nerven (0”,) ebenfalls in die Scheibe eintritt. An dieser inseriren also zwei Äste des Hauptnerven. Aus der Scheibe tritt ein Nerv, der nach hinten an die Hypodermis verläuft (wn,), sowie ein zweiter (w»v), welcher sich längs bestimmter Tracheen bis zur oberen Metathorakalscheibe hinzieht, und in die- selbe eintritt. Neben und über ihm, oft kaum oder auch nicht davon zu unterscheiden, verläuft der schon erwähnte seitlich gehende Nerv (ozv), welcher unmittelbar neben dem Nerven «no ebenfalls in die obere Thorakalscheibe eintritt. Diese letztere habe ich nicht mehr mit abgebildet, doch dürfte die Beschreibung auch ohnedies verständlich sein. Statt des von mir seiner Zeit beschriebenen einen Verbindungsstranges sind es also zwei Nerven, welche sich von der unteren Meso- und Metathorakalscheibe zur oberen hin- ziehen und selbe mit einander verbinden. An der Eintritts- stelle der Nerven in die obere Imaginalscheibe sondert sich noch ein kleines Nervenästchen ab, welches zur Hypodermis geht, wie ich dies schon beschrieben habe. Diese beiden Verbindungsnerven (o»v und unv) sind schließlich noch durch eine kleine Kommissur (zr) mit einander verbunden, gerade an jener Stelle, wo sich der eine Nerv (za) in seine zwei divergent verlaufenden Äste (rm und onv) theilt. Um diese Entwicklung d. hypodermalen Imaginalscheiben ete. v. Eristalis Latr. 181 Kommissur schlingt sich jene Trachee, deren Kapillaren an der unteren Imaginalscheibe inseriren. Dieses ganze, ziemlich komplieirte _ System halte ich auf Grund des histologischen Verhaltens bei jungen Larven für Nervenverästelungen. Bei einer älteren Larve ist das Aussehen derselben allerdings ein verändertes. Die Oberfläche der beiden Verbindungsstränge ist dieht mit kleinen Zellkernen besät, die Stränge selbst zeigen eine nieht unbedeutende Dicke. Sie verbergen dadurch ihre nervöse Natur, von einer Längsstreifung ihres Inhalts ist fast nichts wahrzunehmen, und nur die kleinen Nervenästehen, welche von den Strängen zur Hypodermis abzweigen, lassen Beziehungen zum Nervensystem ver- muthen. Ich möchte die beschriebenen Veränderungen dieser Nerven während der späteren larvalen Periode in derselben Weise deuten, wie gleichzeitige analoge Veränderungen in anderen Organsystemen der Larve, speciell im Tracheensysteme. Von den Tracheen gehen eine Anzahl aus dem Larvenstadium in das Puppen- und Imago- stadium über, sie »persistiren«, und diese Tracheen erfahren eine Renovation! dadurch, dass ihre Zellen sich in kleinere sogenannte »embryonale« verwandeln, welche der Sarkolyse und Phagocytose zu widerstehen vermögen, wohingegen das nicht renovirte Tracheenepithel während der Verpuppung zu Grunde geht. Van Rees? hat nun beobachtet, dass die larvalen Nerven der drei unteren thorakalen, sowie der oberen meso- und metathorakalen Scheiben direkt in die Puppe und Imago übergehen und nicht der Histolyse unterliegen. Aus diesen Gründen möchte ich die be- schriebene Veränderung der beiden Verbindungsnerven der Imaginalscheiben im Meso- und Metathorax als einen Reno- vationsvorgang betrachten, in Folge dessen das ursprünglich mit einer geringen Zahl von Kernen ausgestattete Neurilemm einen embryonalen Zustand eingeht, indem die Kerne desselben sehr zahl- reich werden, womit auch ein Diekenwachsthum des Neurilemms ver- bunden ist. Es findet also hier der völlig nämliche Vorgang statt, wie im Tracheensysteme. Die Beziehungen der thorakalen Imaginalscheiben zu den Nerven und Tracheen sind nicht das Resultat einer Verschmelzung dieser letzteren Gebilde mit den schon an- gelegten Scheiben, wie dies KowALEvskY°: behauptete, sie sind vielmehr von allem Anfange an dadurch gegeben, dass die ı Litt.-Verz. 13, p. 33,34. 2 Litt.-Verz. 11, p. 88,89. 3 Litt.-Verz. 3, p. 54. 182 Bruno Wahl, gewissen Nerven und Tracheen an jenen Stellen der Hypo- dermis inseriren, wo dann die Imaginalscheibe zur Aus- bildung kommt. B. Die abdominalen Imaginalanlagen. Segmentale Imaginalscheiben. Die Bildung der imagina- len Hypodermis des Abdomens der Fliegen geht aus von imaginal- scheibenartigen Gebilden, welche sich in den meisten Abdominal- segmenten in der Zahl von je drei Paaren finden. Von diesen liegen zwei Paare mehr dorsal, und zwar je eines dem vorderen und eines dem hinteren Rande des Segmentes genähert, ein Paar liegt mehr ventral, seitlich an die Wurzel der Fußstummel angelagert. Ich will diesel- ben nach dieser Lagerungsart als »vordere obere«, »hintere obere« und als »untere« Abdominalscheiben bezeichnen. WEISMANN' glaubte, dass das larvale Epithel des Abdomens der Larve direkt ohne Regeneration übergehe in jenes der Imago. GaAxIn? fand zuerst abdominale Imaginalscheiben, und zwar je zwei Paare in jedem Segmente; ihm folgte VIALLANES?. KÜNCKEL D’HERCULAIS! beobachtete dann vier kleine Imaginalscheiben in der Nähe des Afters als Anlagen des Begattungsapparates. KOwWALEVSKY? fand ebenfalls zwei Paare von Imaginalscheiben in den sieben ersten Abdominal- segmenten, ein Paar mehr dorsal, eines mehr ventral, und betrachtete die von KÜNckEL gefundenen Analscheiben als dem achten Seg- mente angehörige, den übrigen Abdominalanlagen homodyname Ge- bilde. Van Rees® hat schließlich konstatirt, dass in jedem Abdomi- nalsegmente zwei obere und ein unteres Scheibenpaar sich finden; bezüglich eines abweichenden Verhaltens in den letzten Segmenten machte er keine Bemerkung. PrArrT’ fand abdominale Scheiben bei Melophagus. Nur in den sechs vordersten Abdominalsegmenten finden sich alle drei Paare; im siebenten fehlt das hintere obere Scheibenpaar. Die Analscheiben erachte ich nicht als den hypodermalen Abdominalscheiben homodyname Bildungen. Abgesehen da- von, dass ihre postembryonale Entwicklung Beziehungen ganz eigener Art zeigt, ist auch ihre Lage schon eine andere, sie liegen nicht an der Hypodermis, sondern am Proctodaeum (Text- figur 3), wovon man sich an Schnitten leicht überzeugen kann. Sie 1 Litt.-Verz. 14, p. 276. ? Litt.-Verz. 1; eitirt in Litt.-Verz. 12, p. 215. 3 Litt.-Verz. 12, p. 217ff. * Litt.-Verz. 5,.p. 149. > Litt.-Verz. 4, p. 582. 6 Litt.-Verz. 11, p. 55, 56. ? Litt.-Verz. 8, p. 196. Entwicklung d. hypodermalen Imaginalscheiben etc. v. Eristalis Latr. 183 sind also gar nicht hypodermale Gebilde und liegen also auch nicht im Rahmen unserer Betrachtungen. Die Abdominalscheiben stellen nach den übereinstimmenden Beschreibungen der Autoren, wie auch nach meinen eigenen Beob- achtungen bei den Musciden und Pupiparen inselartige Epithel- verdickungen in der Hypodermis vor, welche von Embryonalzellen gebildet werden. | Bei Eristalis sind sie in den jüngsten Stadien noch nicht vor- handen; sie treten erst in Larven von etwa 20 mm m ee auf. Wir finden bei die- I Ä sen an den sechs schon A ar erwähnten Punkten jedes enge Segmentes eine Insel em- u bryonaler Zellen (Fig. 7 und 8), wie es den Ver- ai hältnissen bei den Mus- odemis. eiden völlig entspricht. FOR Bei Eristalis bleibt aber die Entwicklung der Abdominalscheiben nicht auf diesem Stadium stehen, sondern es tritt eine Vergrößerung und Einstülpung derselben ein (Fig. 9 und 11); sie nehmen die Form ungestielter, der Hypo- dermis unmittelbar aufsitzender Säckehen an, wie dies in den Quer- schnitten Fig. 10 sehr deutlich zu erkennen ist. Der Schnitt A trifft die Wurzel der Scheibe, der Schnitt B die Tiefe. Erst wäh- rend der ersten Tage des Puppenstadiums breiten sich die Imaginal- scheiben flächenartig aus und verdrängen die alte larvale Hypo- dermis, dieselbe von außen umgreifend, wie dies van REEs! beschrie- ben hat. Ich sehe in diesen Abdominalscheiben der Eristalis-Larve ein Zwischenstadium; sie sind zwar nicht mehr platte Zellinseln, wie die homologen Scheiben der Museiden und Pupiparen, sie sind aber auch noch nicht so tief eingesenkt wie die Thorakalscheiben der Mus- eiden und Syrphiden. Dies zeigt uns so recht, dass zwischen diesen beiden Extremen der Regeneration der Hypodermis nur ein gradu- eller Unterschied ist. Dass die Abdominalscheiben immer kleiner sind, als die Thorakalscheiben, ist dadurch leicht erklärlich, dass von letzteren nicht nur die Hypodermis regenerirt, sondern auch irgend --Anus. Textfig. 3. rite.-Verz II, p: 57. 38. 184 Bruno Wahl. ein Körperanhang (Beine, Stigmenhörner, Flügel, Schwinger) ausge- bildet wird, während solche Anhänge dem imaginalen Abdomen mangeln. Prarr! hält die Imaginalscheiben des Thorax und Abdomens für homodynam. Bezüglich der ventralen Scheiben halte ich die Richtigkeit dieser Annahme nicht für unmöglich. Was aber die dor- salen Scheiben anbetrifft, so hat Prarr vor Allem schon übersehen, dass sich im Abdomen deren zwei Paare in jedem Segmente finden. Die oberen thorakalen könnten also nur dem vorderen oder hin- teren Paare oberer abdominaler Scheiben entsprechen. Aber auch dies trifft nicht zu. Denn während die dorsalen Thorakalscheiben mit den Stigmen- scheiben in einer Reihe liegen, finden sich die beiden Paare oberer Abdominalscheiben der dorsalen Medianlinie bedeutend mehr genähert. Eine Homodynamie dieser thorakalen und abdominalen Ima- sinalanlagen ist dadurch völlig ausgeschlossen, sie sind bloß analoge Erscheinungen, wie wir alle dorsalen und ventralen Scheiben der Hypodermis als analog betrachten können, da sie alle die imaginale Hypodermis aufbauen helfen. Embryonale Zellinseln im ersten Abdominalsegmente. Außer den beschriebenen dorsalen und ventralen, segmentalen Imaginalscheibenpaaren des Abdomens findet sich noch im ersten Segmente desselben ein anderes (viertes) Paar »embryonaler« Zell- inseln. Schon in meiner früheren Arbeit? habe ich erwähnt, dass jene Stellen, wo nach Beginn des Puppenstadiums die prothorakalen Stismenhörner zum Durchbruch kommen, bereits in der älteren Larve durch eine differente Pigmentirung kenntlich sind. Dieselbe Be- obachtung erwähnte seither auch DE MELJERE? für Zonchoptera. Diese Durchbruchsstellen in der Tonne für die Puppenstigmen liegen im ersten Abdominalsegmente, dorsal, sehr nahe der Medianlinie und etwas vor der Mitte des Segmentes (Textfig. 4x). Ich habe mich nunmehr überzeugt, dass die erwähnte differente Beschaffenheit der larvalen Cuticula im Zusammenhange steht mit einem differenten Verhalten der larvalen Hypodermis. Diese letztere besteht an diesen zwei Stellen aus embryonalen Zellen. Bei den jüngsten Larven ist von dieser Imaginalanlage noch nichts zu beobachten; sie tritt ungefähr gleichzeitig mit der Anlage der übrigen Abdominalscheiben auf. An- 1 Litt.-Verz. 9,.p. 29. 2 Litt.-Vexz. 13, p: 36. 3 Litt.-Verz. 6, p. 110. Entwicklung d. hypodermalen Imaginalscheiben ete. v. Eristalis Latr. 185 fänglich sind diese »embryonalen« Zellinseln sehr klein, allmählich aber vergrößern sie sich und besitzen in der verpuppungsreifen Prothorax. Mesothorax. Metathorax. Abdomen VII. Textfig. 4. A, B, C, obere und a, b, c, untere Thorakalscheiben; v, A, u, vordere obere, hintere obere und untere Abdominalscheiben; si, Stigmenscheiben ; x, embryonale Zellinseln im ersten Abdominalsegmente; An, Analscheiben. Larve einen ansehnlichen Umfang. Zu einer Einstülpung kommt es hier nicht, sie sind im Gegentheil leicht nach außen gewölbt; auch 186 ! Bruno Wahl], bleibt das Epithel stets einschichtig. Die Cuticula unterscheidet sich in der Zone dieser Imaginalanlagen von der Umgebung durch die erwähnte dunklere Pigmentirung, die sich insbesondere in den Rand- partien kenntlich macht, außerdem aber durch die geringere Größe der Chitinborsten. Dies ist dadurch leicht erklärlich, dass überhaupt Jede euticulare Chitinborste je einer Hypodermiszelle entspricht!; die kleineren »embryonalen« Zellen der Hypodermis tragen auch nur kleinere Borsten, die größeren »larvalen« größere Borsten. Zwischen den Imaginalanlagen der prothorakalen Stigmen und den eben beschriebenen, späteren Durchbruchsstellen für dieselben in der Tonne, ist, wie es scheint, keine Verbindung vorhanden. Die Kontraktion des Körpers der Larve bei der Verpuppung ist größer als die Kontraktion der Cuticula. Zudem presst die sich ausstülpende Kopfblase (und insbesondere die Augenblasen) den Thorax sowie das Abdomen zurück und so kommt der Prothorax der Puppe unter den ersten Abdominalring der Tonne zu liegen. In Folge hiervon drücken die oberen Prothorakalscheiben bei ihrer Ausstülpung auf eben jene durch dunklere Pigmentirung und kleinere Borsten ausgezeichneten Stellen der einstigen larvalen Cutieula und durchbrechen letztere da- selbst, ohne dass ein innerer anatomischer Zusammenhang vorhanden wäre. Mit dieser Anschauung stimmt völlig die Wahrnehmung DE MEIJERE’s? überein, dass bei ZLozchoptera nicht immer beide Stig- menhörner zum Durchbruch kommen. Dieselbe Beobachtung machte auch ich bei Eristalis; manchmal blieben sogar alle zwei verborgen und ich sah selbe bei Eröffnung der Tonne innerhalb derselben liegen, dem Kopfe mehr oder minder angepresst. Ob auch solche Puppen sich zur Imago völlig entwickeln, vermag ich nicht zu sagen; es wäre möglich, dass in diesen Fällen der Erstickungstod eintritt. Ich kann mich hieran nicht mehr erinnern, da ich diese Beobachtungen schon vor zwei Jahren machte. In diesen Fällen haben die Stigmen- - hörner jene für den Durchbruch geeigneten Stellen der Tonne ge- wissermaßen nicht gefunden, vielleicht in Folge einer anormalen Kontraktion bei der Verpuppung. | C. Die Stigmenscheiben. Als hypodermale Imaginalanlagen müssen wir zum Schlusse auch noch die tellerförmigen Scheiben betrachten, welche sich an den { Vol. Litt.-Verz. 6, p. 91. 2? Litt.-Verz. 6, p. 110. Entwicklung d. hypodermalen Imaginalscheiben etc. v. Eristalis Latr. 187 Insertionsstellen der acht geschlossenen Stigmenäste in der Hypo- dermis finden, nahe der Laterallinie, in einer Reihe mit den oberen Thorakalscheiben, und etwa in der Mitte der betreffenden Segmente. Sie gehören dem Metathorax und den sieben ersten Abdominalseg- menten an. Über ihren Bau in der ausgewachsenen Larve habe ich bereits seiner Zeit berichtet, und dort auch die einschlägige Litteratur besprochen!. Auch diese embryonalen Zellinseln treten wie die ab- dominalen Imaginalscheiben erst während der larvalen Periode auf; in der jungen nur wenige Millimeter messenden Larve sind sie noch nicht vorhanden. Die Stigmenäste selbst sind jedoch gerade bei solchen kleinen Larven recht deutlich zu erkennen als aus Matrix und Intima bestehende, lumenlose Stränge, welche in das Integument übergehen. In Folge des Umstandes, dass diese geschlossenen Tracheen- äste bei den jüngsten Larvenstadien sehr leicht zu finden sind, sehe ich mich in die Lage versetzt, das Vorhandensein von Stigmenästen im Mesothorax mit Bestimmtheit verneinen zu können. Ich habe sie daselbst trotz sorgfältigen Suchens nicht gefunden, und die Tracheen- äste, von denen sie entspringen sollten, ließen an keiner Stelle auch nur das geringste Anzeichen erkennen, dass jene abgerissen wären. Im Anschlusse hieran möchte ich noch auf ein eigenthümliches Verhalten des prothorakalen Stigmenastes bei sehr jungen Larven aufmerksam machen. Als solcher ist der vorderste Theil der großen Tracheenhauptstämme zu betrachten, von der Wurzel des ersten »äußeren« Tracheenastes bis zum Prothorakalstigma. Dieser Stigmen- ast gleicht bei Larven von mehreren Millimetern histologisch nahezu vollständig dem mittleren Theile der Tracheenhauptstämme, nicht aber bei Larven von nur 2 bis etwa 3 mm. Bei diesen besitzt er ge- ringere Dicke als die Hauptstämme, entbehrt eines Lumens, und seine Matrix zeigt die Zellkerne in ziemlich dichter Anhäufung, so dass er den acht übrigen nicht fungirenden Stigmenästen ungemein ähnlich ist. Erst später bildet sich ein weites Lumen aus; in der Matrix dieses prothorakalen Theiles der Hauptstämme sind auch während der übrigen larvalen Periode bis zum Eintritt der Renova- tion durch Embryonalzellen die Kerne etwas zahlreicher als im mitt- leren Abschnitte, welcher aus Längsanastomosen der embryonalen Stigmenäste sich entwickelt hat. Wir müssen demnach während der ersten Larvenzeit den ganzen prothorakalen Stigmen- ast als geschlossen bezeichnen, bei der heranwachsenden 1 Litt.-Verz. 13, p. 8 und 35. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 13 188 Bruno Wahl, Larve jedoch können wir nur mehr das Stigma selbst also benennen. Wie die prothorakalen Stigmenäste, so erscheinen auch die ihnen zugehörigen Stigmen anfänglich noch nicht in ihrer von mir in meiner früheren Arbeit! beschriebenen, typischen Form. Die Verwachsungs- fläche der Tracheenintima und der Cuticula des Integumentes ist ursprünglich sehr klein, wird allmählich länglich und erst später ent- steht die typische U-Form. Eine Filzkammer ist zuerst nicht vor- handen, selbe entwickelt sich erst im Anschluss an das neu entstehende Lumen des Stigmenastes. Schlussbemerkungen. In der ganzen Ordnung der Dipteren sind die imaginale Hypo- dermis und ihre Anhänge von der larvalen Hypodermis entwicklungs- geschichtlich abzuleiten, wie dies für die Orthorrhapha schon längst bekannt ist. Bei den Cyelorrhaphen wnterliegt diese Umbildung nur größeren Komplikationen, indem die imaginalen Anlagen aus nur kleinen Theilen des larvalen (oder embryonalen) Organs hervorgehen und dann erst durch Regeneration sich entfalten. Manche hypoder- male Imaginalscheiben senken sich säckchenförmig unter die Ober- fläche ein und bleiben nur durch Stiele mit derselben verbunden. Nach dem Grade dieser Einsenkung kann man verschiedene Stufen der Entwicklung unterscheiden. Am einfachsten liegen die Verhält- nisse bei den Pupiparen (Melophagus), wo nur die Thorakalscheiben sich einstülpen, aber noch unmittelbar unter der Hypodermis liegen bleiben. Bei den Musciden (Calliphora) finden wir schon eine höhere Stufe, indem die Thorakalscheiben sich in die Tiefe des Körpers senken und lange Stiele ausbilden. Am weitesten aber sind die Ima- sinalscheiben bei den Syrphiden (Zristalis) entwickelt, bei welchen nicht nur die thorakalen Scheiben weit eingestülpt sind, sondern auch die abdominalen die Form kleiner Säckchen annehmen. Bezüglich der Pupiparen, wo die Verhältnisse scheinbar am einfachsten liegen, ver- muthe ich, dass wir es mit sekundären Vereinfachungen zu thun haben, herbeigeführt durch die veränderten Lebensbedingungen ihrer Larven. Die Bildung der imaginalen Hypodermisanlagen findet im Thorax wie im Abdomen nach denselben Prineipien statt. Dieselbe wird stets eingeleitet durch histologische Veränderungen gewisser Partien ! Litt.-Verz. 13, p. 26-28. Entwicklung d. hypodermalen Imaginalscheiben ete. v. Eristalis Latr. 189 des embryonal-larvalen Gewebes, deren Kerne in Folge lebhafter Zell- theilung viel zahlreicher, aber kleiner werden. Ich nenne diesen Vorgang »Renovation«, die renovirten Zellen werden in der Litte- ratur meist als sembryonale« bezeichnet. Sie haben die Fähigkeit und den Zweck, die ganze imaginale Hypodermis zu bilden. Aber nicht nur die Hypodermis, sondern überhaupt alle larvalen Organe zeigen diese Erscheinungen der Renovation, wenn sie an dem Bau der Imago Theil nehmen, und nur die der Histolyse verfallenden Gewebe werden nicht renovirt. Wir können annehmen, dass durch die Renovation eine Kräftigung und Stärkung der be- treffenden Zellpartien hervorgerufen wird, der zufolge diese letzteren den zerstörenden Einflüssen der Histolyse zu wider- stehen vermögen, während die nicht renovirten Zellen minder wider- standsfähig bleiben und desshalb zerstört werden. Mit diesem Renovationsvorgange ist meist ein zweiter Process verbunden, welcher den ersteren zur noth- wendigen Voraussetzung hat, aber keine nothwendige Folge desselben ist, die »Regeneration«e.. Wo in den Ge- weben der Larve nur ein beschränkter Theil derselben renovirt wird, regenerirt sich das betreffende imaginale Organ aus diesen verhältnis- mäßig kleinen »Renovationsherden« durch lebhaftes Wachsthum derselben. Die Bildung mancher anderer Theile des imaginalen Körpers aber findet ohne solche Regenerationsvorgänge statt, wenn nämlich ein ganzes Organ, oder doch ein ganzer Organtheil sich re- novirt, und in mehr oder minder unveränderter Gestalt aus dem larvalen Stadium in das imaginale übergeht. Diese letztere Erschei- nung finden wir z. B. bei der Bildung gewisser Theile des Tracheen- systems, wahrscheinlich auch des Nervensystems und vielleicht des Herzens. Wo immer aber wirkliche Regeneration stattfindet, muss eine Renovation vorausgegangen sein. Die Regene- ration tritt insbesondere bei Bildung jener imaginalen Organe und Organtheile ein, welche sich von den homologen larvalen in Bau und Form beträchtlich unterscheiden, oder überhaupt kein eigentliches Homologon in der Larve haben. Graz, im Februar 1901. Während des Druckes erhielt ich die Arbeit GIacominT’s (Contri- buto alle conoscenze sull’ organizzazione interna e sullo sviluppo della Eristalis tenax; Ann. Face. Med. Univ. e Mem. Ace. Med.-Chir. di 13“ 190 Bruno Wahl, Perugia. Vol. XII, Fasc. 3—4). So weit sich dieselbe auf vorliegen- des Thema bezieht, muss ich bemerken, dass die unteren Pro- und Mesothorakalscheiben nicht durch einen »Stiel« verbunden sind, so- wie, dass die Abdominalscheiben in jedem Segmente zu je drei Paaren und nicht zu zwei Paaren sich finden mit Ausnahme des siebenten Abdominalsegmentes, während sie dem achten vollständig fehlen; die dem After naheliegenden Scheiben gehören noch dem siebenten Segmente an. Litteraturverzeichnis. 1. M.Ganıs, Zur nachembryonalen Entwicklung der Musciden. (Russisch.) 1876 Referat von Hoyer in dieser Zeitschr. Bd. XXVIII, p. 386—389 und in Jahresber. d. Anat. u. Phys. Bd. V. p. 507. 2. V. GRABER, Vergleichende Studien über die Embryologje der Insekten und insbesondere der Musciden. 1889. Denkschr. d. k. Akad. d. Wiss. Wien. Math.-naturw. Kl. Bd. LVI. p. 257—314. 10 Taf. 3. A. KoWALEVSKY, Zur embryonalen Entwicklung der Musciden. 1886. Biol. Centralbl. Bd. VI. p. 49—54. 4. A. KowALevsky, Beiträge zur Kenntnis der nachembryonalen Entwicklung der Musciden. I. 1888. Diese Zeitschr. Bd. XLV. p. 542—549. Taf. XXVI bis XXX. ‘5. J. KÜNCKEL D’HERCULAIS, Recherches sur l’organisation et developpement des Volucelles. 1875. 208 pag. 26 Taf. 6. J. C. H. DE MEISERE, Über die Larve von Lonchoptera. Ein Beitrag zur Kenntnis der cyclorrhaphen Dipterenlarven. 1900. Zool. Jahrb. Abth. f. System. Bd. XIV. 2. Heft. p. 87—132. Taf. V-VU. 7. J. A. PALMEN, Zur Morphologie des Tracheensystems. Leipzig 1897. 149 pag. und 2 Taf. 8. H. S. PrRATT, Beiträge zur Kenntnis der Pupiparen. (Die Larve von Melo- phagus ovinus.) 1893. Arch. f. Naturgesch. 59. Jahrg. Bd. I. p. 151 —200. Taf. VI. 9. H. S. PrATT, Imaginal dises in Inseets. 1897. Psyche, a journal of entom. Vol. VIII No. 250. p. 15—30. Mit 11 Textfig. 10. H. S. PrArT, The embryonie history of imaginal dises in Melophagus oVvi- nus L., together with an account of the earlier stages in the deve- lopment of the insect. 1900. Proceed. of the Boston Soc. of Nat. Hist. Vol. XXIX. No. 13. p. 241—272. With 7 Pl. 11. J. vAn REES, Beiträge zur Kenntnis der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 1889. Zool. Jahrb. Abth. f. Anat. u. Ont. Bd. III. p. 1—134. Para vol 12.. M. H. VIALLANES, Recherches sur T’histologie des Insectes et sur les pheno- | menes histologiques, qui accompagnent le developpement postembryon- naire de ces animaux. 1882. Ann. des sc. nat. S.6. Tom. XIV. p.1 —348. Taf. I-XVII. Entwicklung d. hypodermalen Imaginalscheiben ete. v. Eristalis Latr. 191 13. Bruno WAHL, Über das Tracheensystem und die Imaginalscheiben der Larve von Eristalis tenax L. 1899. Arb. a. d. Zool. Inst. Wien. Tom. XII. Heft 1 [p. 45—98]. Taf. IV—VI. 14. A. WEISmAnn, Die nachembryonale Entwicklung der Museiden nach Beob- achtungen an Musca vomitoria und Sarcophaga carnaria. 1864. Diese Zeitschr. Bd. XIV. p. 18-336. Taf. XXI—-XXVIL Erklärung der Abbildungen. Die Traecheen sind durch blaue Farbe gekennzeichnet. Sämmtliche Zeichnungen sind mit dem Zeichenapparate gemacht. Buchstabenbezeichnung: cu, Cuticula; trez, Tracheenendzellen; haim,, hintere obere Imaginalscheibe des uaım,, untere Imaginalscheibe des ersten ersten Abdominalsegmentes; Abdominalsegmentes; hp, Hypodermis; ums, untere Mesothorakalscheibe; n, Nerv; umt, untere Metathorakalscheibe; omt, obere Metathorakalscheibe; vaima, vordere obere Imaginalscheibe des op, obere Prothorakalscheibe; zweiten Abdominalsegmentes. tr, Trachee; Tafel IX. Fig. 1. Stück der Hypodermis einer Larve im jüngsten Stadium mit der Anlage der rechten unteren Metathorakalscheibe. Vergr. 1300fach. Fig. 2. Stück der Hypodermis derselben Larve mit der Anlage der linken oberen Metathorakalscheibe. Vergr. 1300fach. Fig. 3. Rechte untere Metathorakalscheibe einer etwas älteren Larve und die mit ihr zusammenhängenden Nerven; onv und unv die beiden Nerven, welche die obere und untere Imaginalscheibe verbinden. (Die übrigen Buchstaben sind im Texte erklärt, v. p. 180.) Vergr. 450fach. Fig. 4 Fünf Querschnitte (4—EZ) durch die linke untere Metathorakal- scheibe einer um Weniges älteren Larve als jene von Fig. 1 und 2. Vergr. 600fach. Fig. 5. Querschnitt durch die Hypodermiseinstülpung an der linken oberen Prothorakalscheibe, aus derselben Serie wie Fig. 4. Vergr. 400fach. Fig. 6. Linke untere Metathorakalscheibe in Verbindung mit ihrer Trachee. Vergr. 600fach. Fig. 7. Anlage einer rechten unteren Abdominalscheibe. ‚st, Fußstummel. Vergr. 200fach. Fig. 8. Anlage der rechten oberen Abdominalscheibe. Vergr. 400fach. Fig. 9. Rechte untere Abdominalscheibe einer reifen Larve. Vergr. 170fach. Fig. 10. Zwei Querschnitte durch eine Abdominalscheibe (aim) einer reifen Larve. A, an der Wurzel, 3, in der Tiefe der Scheibe. Vergr. 200fach. Fig. 11. Zwei rechte obere Abdominalscheiben. sgr, Grenze zwischen dem ersten und zweiten Abdominalsegmente. Vergr. 170fach. Beiträge zur Morphologie der männlichen Geschlechts- anhänge der Trichopteren. Von Dr. Enoch Zander (Erlangen). (Aus dem Zoologischen Institut in Erlangen.) Mit Tafel X und 21 Figuren im Text. Vor Jahresfrist veröffentlichte ich in dieser Zeitschrift eine ein- gehende Untersuchung über die Morphologie des männlichen Ge- schlechtsapparates der Hymenopteren (8), die zu dem interessanten Ergebnisse führte, dass die männlichen Genitalanhänge lediglich durch sekundäre Differenzirung eines einzigen Primitivzapfenpaares ent- stehen, das von der oralen Wand einer dem postsegmentalen Rande der zwölften Bauchschuppe benachbarten Genitaltasche vorwächst. Da- durch wurde die weitere Frage angeregt, ob dieses morphogenetische Resultat generelle Gültigkeit für sämmtliche Hexapoden besitzt, oder ob die Kopulationsorgane derselben differenten Typen des morpholo- sischen Aufbaues unterthan sind. Eine Lösung dieses Problems ist bisher nur von PEYTOUREAU (6) versucht worden. Seine Bemühungen scheiter- ten jedoch an dem offenkundigen Mangel sorgfältiger ontogenetischer Vorarbeiten, so dass die Frage nach der morphologischen Bedeutung der männlichen Geschlechtsanhänge bei den Insekten noch als eine offene bezeichnet werden muss. In Folge dessen schien es mir eine dankbare, wenn auch schwierige, Aufgabe zu sein, die männlichen Genitalapparate innerhalb anderer Insektengruppen einer eingehenden, auf vergleichend-anatomische und entwicklungsgeschichtliche Studien begründeten, morphologischen Analyse zu unterziehen. Die Möglichkeit, ohne Zeitverlust binnen wenigen Wochen ein lückenloses entwicklungsgeschichtliches Material sammeln zu können, veranlasste mich, meine Aufmerksamkeit zunächst den männlichen Trichopteren zuzuwenden, deren Geschlechtsanhänge bisher noch niemals Gegenstand einer morphologischen Untersuchung gewesen sind. Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 193 Pıcrer (1) widmet denselben in seinem umfangreichen Werke über die Naturgeschichte und Anatomie der Phryganiden wenige dürftige Zeilen, da er nur die Keimstätten und ihre Ausführgänge senauer studirtee MaAcLaAcHLan (2), dem wir eine ausgezeichnete systematische Bearbeitung der europäischen Trichopteren verdanken, beschreibt und zeichnet die Geschlechtsanhänge sämmtlicher Arten sehr eingehend und genau, jedoch nur in so weit sie, das Hinterleibs- ende am unverletzten Thiere überragend, bequeme Merkmale zur Unterscheidung der Species bieten. Über den Bau des ganzen Apparates, geschweige denn über seinen morphologischen Werth, giebt er keinen Aufschluss. Diese spärlichen Angaben früherer Autoren reichen in keiner Weise aus, uns eine klare Vorstellung von der Organisation der Geschlecehtsanphänge der Trichoptera zu verschaffen. In Folge dessen musste ich naturgemäß zunächst die fertigen Apparate studiren, be- vor ich die Frage nach ihrer morphologischen Bedeutung aufwerfen konnte. Dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen meines ver- ehrten Lehrers, Herrn Prof. Dr. FLEISCHMANN, war es mir möglich, ein reichhaltiges und zum Theil sehr kostbares Material untersuchen zu können, so dass meine Studien rasch zu einem höchst befriedigen- den Abschlusse gelangten. I. Der Bau des fertigen Apparates. Das Studium der fertigen Apparate offenbart uns eine wunderbar mannigfaltige und entzückende Formenwelt. Aber trotz der unge- heuren speeifischen Variationen gelingt es bei sorgfältiger Vergleichung stets, die männlichen Genitalanhänge der Trichopteren auf ein Grund- schema zurückzuführen, das ich skizziren will, nachdem ich eine kurze Schilderung des abdominalen Hautskelettes gegeben habe. Das lateral mehr oder weniger stark komprimirte Abdomen ist vom Thorax nicht durch eine tiefe Einschnürung abgegliedert, sondern sitzt demselben breit an. Die Chitinhülle desselben, aus zehn deutlich unterscheidbaren Segmentringen zusammengesetzt, ist in der vorderen und hinteren Region des Abdomens ungleichförmig ent- wickelt, da die ersten acht Chitinringe eine andere Gliederung und Chitinisirung erkennen lassen, als die beiden letzten!. Während dem ersten Abdominalsegment ein ventraler Halbring fehlt, ist die Cutieula der folgenden sieben Segmente (V—XI) gleichförmig in je eine ! Ich zähle. wie in meinen früheren Arbeiten, auch hier stets nach Körper- segmenten, also 1.—10. Abdominalsegment gleich IV.—XIll. Körpersegment. 194 | Enoch Zander, Bauch- (Sternit) und Rückenschuppe (Tergit) differenzirt, die schwach chitinisirt und höchstens durch eine präsegmentale und laterale Leiste versteift sind. Breite, reichgefaltete Lateralmembranen (Pleu- ralhäute) spannen sich zwischen den lateralen Rändern der Bauch- und Rückenschuppen; dieselben sind jedoch nicht wie bei den Hymenopteren nischenartig unter die Rückenschuppen eingeschlagen, sondern liegen frei zu Tage und tragen die den Dorsalplatten ge- näherten kleinen Stigmen. Wesentlich anders sind die beiden letzten Segmentringe gebaut. Der am unverletzten Thiere größtentheils unter dem elften verborgene Chitingürtel des zwölften Segmentes tritt uns am macerirten Abdomen in der Regel als ein allseitig stark chitinisirter Ring entgegen, der, durch eine kräftige Präsegmentalleiste gefestigt, jeglicher Glie- derung in Rücken- und Bauchschuppe ermangelt. Diese eigenartige Bildung des zwölften Segmentringes entspricht den engen physio- logischen Beziehungen zum Genitalapparate, indem seine Innenwand dem gesammten Muskelsystem der Geschlechtsanhänge eine feste An- satzfläche bieten muss. Auch das Analsegment spielt bei der Be- gattung eine wichtige Rolle und ist dieser Funktion entsprechend modifieirt. Während dasselbe bei den Hymenopteren, meist voll- kommen membranös, sammt der rudimentären zwölften Rückenschuppe unter der elften verborgen liegt, überragt es bei den Trichopteren das Hinterleibsende weit. Seine ventrale Wand bleibt fast ausnahms- los weichhäutig, die dorsale Hälfte dagegen chitinisirt in der Regel sehr stark und ist über den After als langer Schnabel oder in Form zweier Fortsätze (Appendages intermediates nach MACLACHLAN) aus- gezogen. Der lateralen Segmentwand sind außerdem oft mächtig entfaltete Anhänge gelenkig eingefügt (Appendices anales, Appen- dages superiores, MACLACHLAN). Der Geschlechtsapparat unterscheidet sich wesentlich von dem Stiel der Hymenopteren. Betrachtet man das Abdomen nicht von der Seite, sondern von hinten, so sieht man ventral unter dem After- segmente in eine weite, von dem postsegmentalen Rande des zwölften Segmentringes und der ventralen Afterlippe sich mehr oder weniger tief in das Abdomen einsenkende Tasche hinein, die ich die Penis- tasche nenne. Aus der Tiefe dieser Penistasche ragt der Penis generell in Form eines langen fingerförmigen Anhanges, Stamm- stück, hervor, dessen distales Ende in, oft stark entwickelte, sekundäre Endäste gespalten sein kann, während dem inneren lateralen Rande derselben mehr oder weniger mächtige Klammer- Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Trichopteren. 195 apparate, die Valvae, aufsitzen. Ob dieselben den gleichnamigen Stücken am Geschlechtsapparate der Hymenopteren homolog sind, wird die weitere Untersuchung lehren !. Der Bauplan des Kopulationsapparates der Tricho- pteren ist also höchst einfach. Trotzdem bedarf es oft müh- samer Studien, denselben zu erkennen, da Form und Ausbildung der einzelnen Theile des Geschlechtsapparates selbst bei nahe- stehenden Arten großen specifischen Variationen unterliegen, deren senaue Kenntnis für den Systematiker von unschätzbarem Werthe ist, wie MACLAcHLAN (2) gezeigt hat. Da es nicht im Interesse dieser Untersuchung liegt, diese Formeigenthümlichkeiten genau zu beschrei- ben, habe ich dieselben in mehreren Tabellen übersichtlich zusammen- sestellt und beschränke mich an der Hand derselben sowie einiger Figuren auf eine zusammenfassende und vergleichende Schilderung. Nach der Gestalt und Chitinisirung ihrer Komponen- ten kann man die Geschlechtsapparate aller von mir untersuchten Triehopteren ohne Zwang in zwei der Artenzahl nach sehr ungleich 1 Die in der Leibeshöhle liegenden Hoden, Vasa deferentia und Anhangs- drüsen sind schon von Pıcrer (1) für Phryganea striata genauer beschrieben worden. Die Geschlechtsorgane von Limnophilus bipunctatus, deren Entwicklung ich beiläufig verfolgte, sind ganz ähnlich gebaut. Die paarigen Hoden, aus mehreren, von zartem Bindegewebe umhüllten Lappen bestehend, liegen in eine dicke Fettkörpermasse eingebettet im achten Segmente. Kurze, von den einzelnen Hodenlappen ausgehende Kanälchen vereinigen sich noch innerhalb des Fettpolsters zu einem engen Vas deferens (Canal deferent, PıcTEr), das unter mehrfachen Biegungen bis an die hintere Grenze des zehnten Segmentes zieht, um von hier unter Bildung einer rückläufigen Schlinge wieder bis in die Nähe des Hodens zu verlaufen. Etwa in der Mitte des neunten Segmentes münden beide Vasa deferentia in die Ausführungsgänge zweier langer stark geschlängel- ter Anhangsdrüsen (Vaisseaux spermatiques, PICTET) ein. Von der Einmündungs- stelle der Vasa deferentia an biegen sich die Ausführungsgänge der Anhangs- drüsen ventral um und scheinen nach kurzem getrennten Verlaufe in einen unpaaren, anal ziehenden Kanal überzugehen. Auf Querschnitten erkennt man jedoch, dass beide Gänge auch hier vollkommen gesondert neben einander liegen und nur äußerlich von einer gemeinsamen Hülle quergestreifter Ringmuskeln überzogen sind. Innerhalb dieser Muskelscheide sind beide Ausführungsgänge bis zur vorderen Grenze des zehnten Segmentes zu verfolgen, wo sie in den Duetus ejaculatorius einmünden. Auch dieser ist in seiner oralen Hälfte bis an die Basis des Penis von einer außerordentlich dieken Ringmuskellage umhüllt, so dass er stark aufgetrieben erscheint, was PICTET offenbar dazu veranlasste, diesen Abschnitt des Ductus ejaculatorius als Samenblase (v&sicule seminale) zu bezeichnen. Sobald der Ductus ejaculatorius in den Penis eintritt, schwindet seine Muskelhülle vollständig, und er zieht als enger Kanal (conduit &jaculatoire, PICTET) zur Spitze des Penis. Enoch Zander, 196 sroße Gruppen ordnen. Die eine dieser Klassen wird durch die Familie der Zimnophiliden vrepräsentirt, während sich in der an- | deren sämmtliche übrigen Trichopteren vereinigen lassen, l. Die Geschlechts ı Tabelle I. Species SEHE XII | Penistasche | Valvae f Glyphotaelius pelluci- | mit 2 Zähn- niedrig. breit, den lat. Rand dus chenhöckern | der Penistasche umsäu- mend, lang u. dicht be-| & | | haart © Grammotaules atomua- den lat. Taschenrand über-| 5 rius ragen jederseits 2 nied-| = rige Fortsätze, behaart “2 u Anabolia nervosa auf breiter Basis ein länge-| ‚S ohne Zähn- en, eekiger = chenhöcker = Anabolia laevis im ganz niedriger Saum, erhebt] & | sich dors.-lat.zujeeinemj längeren dünnen Sr = satz = | Stenophylax luctuosus , Zähnchenre- trichterför- niedriger behaarter Saum] = gion breit mig, der wei-) mit einem dorsal gerich-| _ _ bügelartig ||. hedlich a a teten Zacken ” TE FERE, einheitlicher, | [schnitt gegen — 2) 77 Halesus tesselatus dorsalschna I nee ee B Ier, vera oe een von un-| und beson- |} Theil scharf TE Ss ders lateral || abgesetzt, | Frsemanız | = breiterer ersterer ED en. Leer Ring membranös, _ — — ——_ | E& Drusus alpinus letzterer groß, stumpfspitzig, wenig| stark ehitini-) dors.-analgerichtet,kurz]| 5 sirt behaart | Chaetopteryx villosa ana spitzige, langbehaarte Zapfen, un- ! \ Zähnchen- beweglich, von XI nicht abge- | höcker setzt Eechipsiopteryz guttata 'groß, stark chitinisirt, Eee R- behaart, schräg anal-dor-|=:= sal eerichtet » = >= j |PES ei u 0 A a Peltostomis sudetica groß, schräg anal- are 4 gerichtet, schwach be-| #22 Le haart e3 Apatania fimbriata ohne groß, stark, mit längerem |2 = Zähnchen- ) | ' dorsalen Fortsatz, lang| = =; | höcker | IE behaart S also Phryganeidae, Ichyacophilidae und Hydroptilidae. im Folgenden kurz charakterisiren. Sericostomatidae, Leptoceridae, anhänge der Limnophiliden, iimnophilida e. Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Trichopteren. 197 Hydropsychidae, Diese beiden Gruppen will ich Fe — medialer Endast — Penis — / = laterale Endäste) XIIlv ..dors. Ast mit 6 langen Sie '‘ Borsten, analer mit| = 2 ' kurzenRandborsten| 2.2 Dee. Ion ‚beide Aste mit gleich(< * ‘langen Borsten 58 | c#- 35 S ‚ dorsaler Ast länger als anal., dorsaler Ast geweihartig, behaart, analer schwach I | behaart , M kürzer als Z, gebogen. Z in| N ' ihrer ganzen Länge behaart. Äste gleich lang, anal gerich- tet. Dors. Ast schmal, ventra- ler breit IM Il Er laich lang, M mit XIlIId — Fortsätze Appendices anales abgesetztem Endstück M ohne Endstück, Z löffel- , . artig verbreitert, mit star- ' ken Borsten # weites Rohr, am Ende in Stäbe aufgelöst, die durch weiche Haut verbunden sind. Z kurz, säbelartig dors. gekrümmt, am Ende in wenige Borsten aufgel. | | ee enges Rohr, leicht ge- E bogen ade Stäbe, am Ende beborstet ‚M weites, distal verjüngtes und in 2 Zipfel ausgezo-| genes weites Rohr 'Z dünne, am Ende bebor- stete, gebogene Stäbe , ‚M enges Rohr, mit ventral ı gebog. Spitze. Z dünne, : am Ende beborstete und ventral gebog. Stäbe in ihrer ganzen Länge mit kurzen Dornen besetzt | | 'Menges,leicht gebog. Rohr. ‚Zsehr dünne, zugesp. Stäbe, | mit wenigen Dornen bes.| ‚M leicht gebogenes weites Rohr \Z glatte zugespitzte Stäbe leicht ge- | | u M länger AR L aM nd J, gleich lang z— distal gegabelt m (mm nn mn | | L nicht segabelt, « einfache Stäbe ı) listal in drei starke Endäste gespalten, von denen C ) fingerförmiges, membranöses, schwellbares Stammstück -medial steht und die Ductus-Mündung trägt, während die lateralen Endäste den medialen der eine ventral lateral-dorsal flankiren. atorius reicht tief in die Leibeshöhle hinein und ist hier Ringmuskellage umhüllt. von einer dieken Der enge Ductus ejacul = nicht vorgezogen lang, fingerförmig lang, pitzig klein, spitzig, dorsal ge- krümmt, behaart, beweg- weglich groß, distaler Rand tief aus- geschnitten, Innenseite m. Haftzähnchen, behaart, be- weglich mächtig entfaltet, löffelartig, medial gehöhlte Platten, behaart, beweglich groß, messerartig lang,schmalbehaart, nach außen gebog., dorsal verschoben klein, abgerundet aus breiterer Basis, längerer. medialer, dors. gekrümmter Fortsatz, behaart lang, stark haken- artig dorsal aufge- krümmt, behaart nieht in 2 Fortsätze! ausgezogen niedrig, stumpf, stark chitinisirt hakenartig ventral gekriimmte Nase sehr groß, distal-ventral tief ausgeschnitten, gezackter anal. Rand, behaart, be- weglich breit ventral gekr., dorsaler Rand medialeingekrümmt, behaart, beweglich niedrig, X//Idkonform, aber srößer, außen spärlich be- haart, beweglich klein, rundlich, behaart, be- weglich niedrig, gehöhlt, behaart, be- weglich klein, behaart, beweglich länglich, lang behaart, be- weglich Ipaarige, längere, behaarte Anhänge, bew eglich 198 Limmophilus | Xld I, _Penistascho_ Er ‚Flavieornis ohne Zähnchen- höcker stıgma borealis Zähnchen auf vor- springender Nase rhombicus lunatus E unpaarer medialer ( Zähnchenhöcker subcentrals 4 nigriceps ohne Zähnchen Um, 5:7 | richterförmig , der erweiterte Rand- abschnitt gegen den engeren ora- len Theil schar abgesetzt, erste- rer membranös, letzterer stark chi- tinisirt Tabelle u : Valvae niedriger Saum, am dorsalen Rande er- hebt sich gegen den After ein kurz be- haarter Fortsatz eckig, schräg anal-dor- sal gerichtet, distal _ ausgebuchtet basal breit, distal schmal, lang behaart niedrig, in einen kur- zen medialen Fort- satz ausgezogen, lang behaart abgegrenzt niedrig, den lateralen Taschenrand um- säumend, gegen den After zu wenig er- hoben, behaart niedriger Saum, dorsal in einen längeren gebogenen Fortsatz ausgezogen, behaart ee unbeweglich, von XII durch eine Gnae Leiste deutlich unbeweglich, von XII nich@ abgesetzt, sondern die Wand von XII setzt sich direkt in einen breiten An- hang fort, der in einen kurzen dorsalen Haken ausgezogen und kurz be- haart ist Wulst mit Zähn- ee Se ee chen bipunetatus paarige Zähnchen- höcker griseus ohne Zähnchen- höcker vittatus mit kleinem Zähn- chenhöcker dorsal schmaler, ventral und besonders lateral breiter Ring politus mit niedriger Saum, der) - , dors. sich zu schräg dors.-| & & ‘t Zähnch £ med.- analen Forsätzener-| = = mit Zähnchen En analer hebt, lang behaart (== decıpiens me ie er | Nase niedriger Saum mit[% = dorsal, dicht behaar-| = < tem Fortsatz ERS ax auı icula kleiner, unpaarer unbeweglich, XII setzt sich direkt in einen 2zipfeli- . gen breiten Anhang fort, | schwach behaart niedriger Saum, von XII deutlich abgegrenzt, un- beweglich, behaart unbeweglich, von X1/ nicht abgegrenzt, groß, eckig, dors.-anal gerichtet, kurz behaart 'unbeweglich, von XII de lich abgegrenzt, lang spit- zig, schräg anal-dors. ge- richtet, schwach behaart Limnophilus-Arten. M = medialer Endast — Penis — Z = laterale Endäste XII | x7rra Fortsätze 199 Appendices anales dor saler Ast von Zkur 2] und dicht, analer lang behaart, Mu.L gleich lang beide Äste von Z dicht ' behaart, M und ZI gleich lang ‚L länger als M, analer Astvon Z eringelt, zahlreiche längere ı Borsten tragend, dor- ' saler Ast m.3 Borsten \ M u. Z gleich lang, ana- ' ler Ast von Zm. dich- ' tem Randborstenbe- ‚ satz, dorsaler Ast ge- zähnelt 'M länger als Z, analer ' Ast von Z lang be- ' borstet, dorsaler Ast lang bedornt analer Ast von Z länger als der dorsale ET gl; u. Z gleich lang, ana- ler Ast v. Z geringelt | und mit langen Rand- | haaren, dorsaler Ast . mit wenigen starken ı Borsten besetzt M länger als Z, anal. ı Astvon Zmitlangen, | dünnen, dorsaler mit kurzen starken Bor- sten laterale Penis-Endäste am Ende gegabelt gleich lang iM länger als Z, Aste|. | von Z undeutlich ge- schieden, mit kurzen Borsten |M und Z gleich lang, Z am Beide Äste v. Z annähernd Ende löffelartig verbreitert ' mit einer Gruppe kürzerer | und längerer Borsten Llänger als M, Ldistal dicht behaart und mit 3 langen, gekrümmten Borsten \ | Z länger als M, L distal spi- )' Zi gedreht, behaart \L länger als M, L am Ende spiralig gedreht mit meh- | reren Längsreihen kleiner | Zähnchen 38 ‚ Mlänger alsZ, M weites Rohr ‘ am Ende mit 3 abwärts ge- ‚ riehteten Dornen, Z säbelf. | stark dorsal eboe. | RER Penis-Endäste Dich ea Stäbe mit Endborsten | medialer Endast des Penis enges Rohr mit deutlich abgegliedertem Endstück u TE N lang, fingerför-\groß, eckig, anal. spitzig E mig = = = > = mige Fort- © sätze a) © stumpfspitzig =) abgeplattet (eb) © hie = klein Rand leicht aus- ‚ gezähnelt. Haftzähne bew eglich, behaart kurze, kegelför-|breit, keulenförmig, stark nach lat. konvex gekrümmt. Haftzähne be- weglich, außen behaart lang, gerade, löffelartig, mit ventral abgeschräg- ter analer Kante, stark nach late- ral konvex gekrümmt, beweglich, außen behaart löffelartig, Rad mit Haftzähnen, stark nach lateral konvex gekrümmt, beweg- mig, ventral RZ gebogen = SS - ce = 2 s kleine, spitz | = | gekrümmte © | Häkchen = = © = © > ventral-medialer Br rundlich, außen behaart lang, fingerför-|groß, ohrförmig, distaler Rand ven- tral abgeschrägt, außen lang be- haart, beweglich groß, gehöhlt, länger als breit, außen kurz behaart, beweglich bogen lang, dorsal ge-|groß, ohrförmig zugespitzt, lang behaart, beweglich außen zugespitzte Stäbe gehöhlt, abgerundet, außen ans behaart, beweglich gerichtete Häkchen reicht tief in die Leibeshöhle hinein und ist hier von einer dieken Ringmuskellage umhüllt | Spitze stumpfer Spitze fingerförmiges, membranöses, schwellbares Stammstück, distal in drei starke Endäste gespalten, von denen der eine ventral-medial steht ua die Mündung des Duetus ejaculatorius trägt, während die beiden anderen denselben dors.-lat. flankiren. aufwärts sekr. lang, mit ventr. gerichteter sehr niedrig niedrige, ventr. lang, schmal, nach abwärts gebo- gen, schwach behaart, beweslich lang, breit, mit|eroß, rundlich, medial stark konkav, außen behaart, beweglich XIIId formähnlich, behaart, beweg- lang, behaart, stark dorsal gerichtet, 200 Enoch Zander, Wie ein Vergleich der Tabellen I und H mit den folgenden deutlich zeigt, sind die Geschlechtsapparate der Limnophiliden gegen- über allen anderen Triehopteren durch folgende gemeinsame Merk- male gekennzeichnet. Die Penistasche besitzt ausnahmslos die Form eines Trichters (Textfigg. 1, 2), dessen Wand zwei Zonen verschieden starker Chitinisirung unterscheiden lässt. Während Bm a Textfig. 1. Kombinirter Längsschnitt durch das Hinterleibsende eines Limnophiliden, schematisirt, nämlich der erweiterte Randabschnitt (Textfig. 2« Ptl) dünnwandig und nachgiebig ist, chitinisirt der mehr oder weniger tief in die Leibeshöhle hineinreichende engere orale Theil der Tasche (Text- figur 2 Pt2) sehr stark und bildet einen gegen die schwächere Rand- zone durch Ringfurchen scharf abgesetzten starrwandigen Cylinder (Textfig. 2). Mit dieser eigenartigen, in keiner anderen Trichopteren- familie wiederkehrende Ausbildung der Penistasche steht die Orga- nisation des Penis (Textfig. 2a) bei den Limnophiliden in engster Korrelation. Da die Penistasche zum größten Theile stark chitini- sirt ist, bleibt das Stammstück (Textfig. 2 a) des Penis vollkom- men membranös und erhebt sich vom Grunde der Penistasche etwa bis zur analen Grenze des starrwandigen Abschnittes derselben als Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 201 ein äußerst zartwandiger fingerförmiger Sack (Textfig. 2a), so dass es an macerirten Präparaten in Folge seiner schwachen Chitinisirung kaum zu erkennen ist. Dagegen fallen die drei langen kräf- tigen Endäste (Textfig. 2a), die dem Stammstücke distal aufsitzen, stets in die Augen. Dieselben sind derart auf der Spitze des Stammstückes angeord- | N\ net, dass sich ventral-medial ein kräftiger, NEW) vom Ductus ejaculatorius (Textfig. 2 a, m) durchzogener Chitinstab, der mediale End- a. ast, erhebt, den dorsal-lateral jederseits ein lateraler Endast flankirt (Textfig. 2a, 2). ' IR Diese Stellung (Textfig. 2a) zeigt der Penis nur bei der Begattung, wenn das Stammstück, durch Steigerung des intra- abdominalen Druckes geschwellt, die End- äste über den Taschenrand vorgeschoben hat. In den Präparaten sehen wir je- doch gewöhnlich nur die Ruhelage. Dann liegt das Stammstück, wie die Textfigu- ren 1 und 25 deutlich erkennen lassen, in der Tiefe der Penistasche zusammengefaltet, so dass die Basis der Endäste in einer ins Lumen des Penisstammes sackartig einge- stülpten Tasche steckt. Während das membranöse Stammstück des Penis nichts Interessantes bietet, tritt die Form, besonders der lateralen Endäste, in unerschöpflichen Varianten auf. Nur in seltenen Fällen gerade, in der Regel mit der Spitze leicht dorsal gebogen, sind diese Gebilde meistens von gleicher Länge (Tab. I „.1stasche Be en und II. In wenigen Fällen überragen die philiden. Schema. a, Penis, ausge- lateralen Endäste den medialen (Limnophi- OD Re a lus bipunctatus, griseus, borealis, auricula ; Anabolia laevis,. Bisweilen ist das Verhältnis auch umgekehrt (Limnophilus vittatus, politus, nigriceps, lunatus; Stenophylaz luctuo- sus; Halesus tesselatus; Drusus alpinus; Chaetopteryx vıllosa). Der mediale Endast ist bei den meisten Limnophiliden ver- hältnismäßig gleichförmig gebaut, indem er sich aus verbreiterter Basis nach der Spitze zu allmählich verjüngt, um meist mit einer 202 Enoch Zander. durch eine Ringfurche deutlich abgesetzten und erweiterten Kappe (Textfig. 1) zu endigen. Nur bei wenigen Limnophiliden zeigt der mediale Ast eine von diesem Schema abweichende Gestalt. So bildet derselbe z. B. bei Zimnophilus vittatus (Tab. II) und Chaetopteryz villosa (Tab. I) ein weites Rohr, das bei ersterem am Ende mit drei langen ventralen Haken bewehrt und bei letzterem in zwei lange Zipfel ausgezogen ist. Die lateralen Endäste dagegen sind sehr verschieden ge- staltet, bald einfache Stäbe, bald am Ende verbreitert und gegabelt. Einige der interessan- testen Formen, die ich in der Textfig. 3 zu- sammengestellt habe, willich kurz beschrei- x ben. Bei Apatania fimbriata (k) einfache glatte und gerade Stäbe sind die late- ralen Endäste von Chaetopteryz villosa(|!) und Zimnophilus vit- f SEEN “z Textfig. 3. ö Laterale Endäste verschiedener Limnophiliden. 25:1. tatus (A) leicht gebo- sen und am Ende in Borsten aufgelöst. Die Arten Zimnophilus bipunctatus und griseus (g) sind gekennzeichnet durch die spiralig aufgedrehten langen Endstücke der Lateraläste, während Stenophylaz luctuosus (f) u. a. distal löffelartig verbreiterte Anhänge besitzen. In den weitaus meisten Fällen sind die- selben jedoch am Ende nicht bloß verbreitert, sondern zugleich in einen gerade anal und einen mehr oder weniger stark dorsal gerichteten Ast gespalten, die beide in specifisch verschiedener Weise mit steifen Borsten oder langen Haaren besetzt sind. Dabei lassen sich zwi- schen einfach keulenförmig verbreiterten und tief gabelspaltigen Ästen alle erdenkliche Abstufungen und Modifikationen beobachten. So ist zum Beispiel das distale Ende der lateralen Endäste von Zimnophi- lus decipiens (e) lediglich stark verbreitert, aber der bei anderen Arten gleichmäßige Borstenbesatz ist auf ein anales und dorsales Büschel lokalisirt, während bei Zimnophilus politus (d) ein seichter Einschnitt zwei kurze Vorsprünge sondert. Bei anderen Arten, Limnophilus nigriceps (c), wachsen beide Gabeläste lang aus, oder entwickeln sich ungleichartig, indem bald. der dorsale (Anabolea Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Trichopteren. 203 nervosa, b), bald der anale Gabelast (Zimnophilus rhombieus, a) länger vorragt. Ganz anders als bei den übrigen Trichopteren sind schließlich die Valvae der Limnophiliden gebaut. Während dieselben bei jenen mächtig entfaltet sind und einen hohen Grad der Beweglichkeit besitzen, ermangeln sie bei den Limnophiliden fast jeder funktionellen Bedeutung, indem sie (Fig. 1 V) gewissermaßen nur als Randver- zierungen den ganzen lateralen Rand der Penistasche in Form einer niedrigen Erhebung umsäumen, die an specifisch be- stimmten Stellen einen kurzen verschieden gestalteten Fortsatz treibt (Fig. 1 V). Irgend welche Bewegungen können die Valvae bei den Limnophiliden nicht ausführen, da sie starr mit der Wand des zwölf- ten Segmentes verbunden sind (Fig. 1V‘) und ihnen jede Muskulatur fehlt. Nur eine an ihrer lateralen Basis (Fig. 1 X/I) hinziehende verdickte Leiste pflegt die Grenze gegen das zwölfte Segment an- zuzeigen. Fehlt auch diese, wie bei Chaetopteryz villosa (Tab. I), Limnophilus nigriceps, auricula, griseus (Tab. II), so setzt sich die Chitindecke des zwölften Segmentes direkt in die der Valvae fort. Die mediale Wand der Valvae geht ohne sichtbare Grenze in die Membran der Penistasche über (Textfig. 1). Zu diesen Eigenthümlichkeiten der Geschlechtsanhänge selbst gesellen sich Modifikationen der benachbarten Hautskelett- elemente. Vor allen Dingen fällt die meist mächtige Entfaltung des Aftersegmentes und seiner Appendices auf. Während die ventrale Wand des dreizehnten Segmentes stets vollkommen mem- branös bleibt, ist die Rückenschuppe in der Regel in zwei lange, stark chitinisirte Fortsätze ausgezogen, die, gegen den zwölften Segment- ring durch eine Zone schwächerer Chitinisirung abgesetzt, den After weit überragen (Textfig. 1 X/I/I/d, Fig. 1 XI/I/d). In Form und Aus- bildung eben so variabel wie die Theile des Geschlechtsapparates, fehlen diese Fortsätze nur in verschwindend wenigen Fällen (G/ypho- taelius pellucidus, Tab. I, Limnophilus vittatus, Tab. IL, Ecelipstopteryz guttata Tab. I). Lateral werden die Supraanalfortsätze durch die Appendices anales (Fig. 1 Aa) verdeckt, die in ihrer meist mäch- tigen Entwicklung ein typisches Merkmal der Limnophiliden bilden. Dieselben spielen bei der Begattung eine wichtige Rolle, weil sie die den Valvae anderer Trichopteren zukommende Funktion als Klammerorgan übernommen haben, wozu sie ihr Bau vorzüglich geeignet erscheinen lässt. Die Appendices bilden flache, muldenförmige Anhänge, deren konkave mediale Wand vielfach durch in specifischer Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. LXX, Bd. 14 0A Enoch Zander, Weise angeordnete Chitinzähne oder Zähnchenreihen ausgezeichnet ist, während die konvexe Außenseite ein mehr oder weniger dichtes Haarkleid trägt (Textfig. 4). Morphologisch lassen sich die Appen- diees vielleicht den Analtastern mancher Hymenopteren vergleichen. Der zwölfte Segmentring ist bei den Limnophiliden dorsal stets sehr schmal und spangen- artig, ventral und besonders late- \ N .) ral breit entwickelt. N \ı / Eine nur den Männchen man- \ \ 7 cher Limnophiliden eigenthüm- I liche Bildung trägt die elfte N N kückenschuppe Nahe dem postsegmentalen Rande derselben erhebt sich nämlich eine in der a Tetüg.d © Regel unpaare, mediane Vorwöl- Appendices anales von der Innenseite gesehen. 25:1. ® 5 B a, Limnophilus Alavicornis; b, L. rhombicus. bung (Textfig. 1), die dicht mit schwarzen Chitinzähnchen bedeckt ist. Bisweilen stehen die Zähnchen am Ende eines anal lang vor- gezogenen Rüssels (Zimnmophrlus decipiens, stigma, borealis Tab. II), während sie bei G/yphotaelius pellucidus (Tab. I) und Limnophrlus bipunctatus (Tab. II) paarige Erhebungen der postsegmentalen Rücken- schuppenwand überziehen. Anderen Limnophiliden fehlt dieser Cha- rakter allerdings vollständig (Grammotaulius atomartus, Anabolia, Apa- tania fimbriata Tab. I, Limnophilus flavicornis, nigriceps, griseus Tab. II) | Gelegentliche Beobachtungen über die Lageveränderung der Theile des Geschlechtsapparates bei der Begattung glaube ich bei der Mangelhaftigkeit unserer Kenntnisse hier anschließen zu dürfen. Nachdem Männchen und Weib- chen die Hinterleibsspitze einander genähert haben, wobei ersteres seine Flügel fest an die des Weibchens legt, tritt ein mächtiges Muskelpaar (Textfig. 5, 4) in Aktion, das mit breiter Fläche dem präsegmental-lateralen Rande des zwölften Segmentes inserirend neben dem Enddarm schräg dorsal an die Basis der Appen- dices und der Rückenschuppenfortsätze des Aftersegmentes zieht. Dem Zuge dieser Muskeln folgend werden die Fortsätze gegen die ventrale, die Appendices gegen die laterale Wand des vorragenden weiblichen Aftersegmentes gedrückt. Dabei umklammern die Appendices die Hinterleibsspitze vermöge der ihrer Innenwand aufsitzenden Zähnchen so fest, dass bei dem Versuche, die Thiere während der Kopulation zu trennen, eher der Hinterleib zerreißt, als dass sich die Appendices lösen. Während Appendices und Fortsätze das weibliche Ab- domen seitlich und ventral fassen, wird gleichzeitig die dorsale Fläche desselben gegen die Zähnchen der elften Rückenschuppe gepresst (Textfig. 6). Sind beide Thiere fest mit einander verbunden, so wird durch ein zweites, weit schwächeres Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 205 Muskelpaar (Textfig. 5, 2), das vom ventral-lateralen Rande des zwölften Seg- mentringes an die ventral-orale Basis der Penistasche strahlt, der starre Taschen- theil Dank der membranösen Beschaffenheit des Randabschnittes bis über den postsegmentalen Rand des zwölften Segmentes vorgeschoben (Textfig. 6). Gleich- zeitig neigt sich das orale Ende der Penistasche ventral herunter, so dass der Penis anal-dorsal ragt (Textfig. 6). Tritt jetzt die Körperflüssigkeit in den weich- häutigen Stammtheil des Begattungsgliedes ein, so schwillt derselbe an und schiebt die Endäste weit über den Taschenrand vor (Textfig. 6). In Folge ihrer schräg aufwärts gerichteten Stellung gleiten dieselben, an die ventrale Wand des Textfig. 5. Textfig. 6. Das Muskelsystem des Geschlechtsapparates von Zimno- WVorgestülpter Penis von Zimnophilus lunatus. philus bipunctatus. Nach einem Konstruktionsmodelle Kombinirter Längsschnitt, 25:1. gezeichnet. Ca. 25:1. Abdomens stoßend, leicht und sicher in die weite Scheide des Weibchens hinein. Da die Endäste auf der Spitze des membranösen Stammstückes sehr eng bei- sammen stehen, spreizen die beiden lateralen Anhänge in Folge der Schwellung des Penis beim Übergange aus der engen Penistasche in die Vagina aus einander und schmiegen sich mit ihren gegabelten Enden den seitlichen Höhlungen der Scheide fest ein, dadurch die Sicherheit der Verhängung noch erhöhend. Lässt nach vollzogener Kopulation der Blutdruck nach, so werden zunächst die Endäste durch Muskelfasern, welche mit dem Duetus ejaculatorius (Textfig. 6) vom Grunde bis in die Spitze des Penis heraufsteigen, zurückgezogen. Gleich- zeitig bringen zwei kräftige Muskelpaare die Penistasche wieder in die Ruhelage zurück. Das eine Paar (Textfig. 5,2), das vom anal-lateralen Rande des starren Cylinders an die ventrale Hälfte des lateral-präsegmentalen Randes des zwölften Segmentes inserirt, zieht die Penistasche wieder in die Leibeshöhle hinein; das andere dagegen strahlt von der oberen Hälfte des lateralen Präsegmentalrandes an die ventrale Basis der Penistasche breit aus und hebt dieselbe wieder in die normale wagerechte Lage (Textfig. 5, 3), um während der Ruhe auch als Trage- band derselben zu dienen. 14* 206 Enoch Zander, 2. Die Geschlechtsanhänge der Phryganeidae, Sericostomatidae, Leptoceridae, Hydrospychidae, Rhyacophilidae und Hydroptilidae. Wesentlich anders als bei den Limnophiliden sind die Geschlechts- anhänge der übrigen Trichopteren gestaltet. Wenn man zunächst von allen Besonderheiten innerhalb der sechs in dieser Gruppe vereinig- extiier. Penistasche und Penis der Trichopteren. 7, Zimnophilidae; II, übrige Trichopteren; a, c, erigirt. db, d, zurückgezogen. Schemata. ten Familien absieht, lassen sich nach Form und Chitinisirung der einzelnen Theile des Geschlechtsapparates folgende generelle Eigen- thümlichkeiten feststellen, die wir bei den Limnopbiliden vergebens suchen. Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Trichopteren. 907 Auch hier herrschen in der Chitinisirung die innigsten Beziehungen zwischen Penistasche und Penis, aber in umgekehrter Weise wie bei den Limnophiliden. Während die Penistasche der Limnophiliden (Textfig. 7 7) ausnahmslos die Form eines tiefen Triehters mit un- gleichmäßig chitinisirter Wand hatte, bleibt dieselbe bei den übrigen Trichopteren, in ihrer Gestalt wechselnd, mit Ausnahme zweier, später zu besprechender lateraler Zonen, äußerst zart und dünnwandig (Textfig. 7 ZT), so dass sie an macerirten Präparaten oft schwer wahr- senommen werden kann. Dagegen chitinisirt das Stammstück des Penis (Textfig. 7 Z/c) zum Theil sehr stark, indem es einen starr- wandigen Basaltheil (Textfig. 7 Z/c) und einen weichhäutigen End- abschnitt (Textfig. 7 /7c) unterscheiden lässt. Letzterer, wie bei den Limnophiliden (Textfig. 7 /d), für gewöhnlich in das Lumen des Penis eingesenkt (Textfig. 7 //d), wird nur bei der Begattung durch den Druck der Körperflüssigkeit vorgestülpt (Textfig. 7 /Ze) und durch Muskeln wieder zurückgezogen. | Die Ausbildung dieser beiden Zonen des Stammstückes unterliegt mannigfachen speeifischen Schwankungen. Vor allen Dingen ist der schwellbare Endabschnitt oft sehr wenig entwickelt, trotzdem aber immer deutlich nachweisbar. Eine weitere Differenz im Bau des Penis gegenüber den Limno- philiden lässt ein Blick auf die schematischen Bilder der Textfig. 7 erkennen. Während dem Penis der Limnophiliden (Textfig. 7 /a) stets drei mächtig entfaltete Endäste aufsitzen, können diese bei den anderen Triehopteren vollkommen fehlen, so dass oft nur das Stammstück ausgebildet ist. Sind Endäste vorhanden, was vielfach der Fall ist, so treten dieselben, in Form und Zahl sehr variabel, in Folge ihrer schwächlichen Entwicklung gegen den stark chitinisirten Stammtheil sehr zurück (Textfig. 7 /Ie). Kräftige Endäste auf einem vollkommen membranösen Stammtheile zeichnen also den Penis der Limnophiliden aus. Bei allen anderen Trichopteren dagegen ist das Stammstück auf Kosten der Endäste stark entwickelt. Neben dem eigenthümlich gestalteten Penis fallen stets die mächtigen Valvae auf (Textfig. 8). Im Gegensatz zu den Limnophiliden, bei denen sie auf einer sehr primitiven Stufe der Entwicklung stehen, indem sie den ganzen lateralen Rand der Penistasche als niedrige, unbewegliche Gebilde umsäumen, sind sie bei den übrigen Tricho- pteren, mit Ausnahme der Phryganeidae, lang ausgewachsen und sitzen dem seitlichen Taschenrande mit einem schmalen Stiele an. Da sie 208 Enoch Zander, außerdem mit der Wand des 12. Segmentes durch eine breite und sehr dünne Chitinmembran verbunden sind, vermögen sie bestimmte Bewegungen auszuführen, die durch kräftige Muskeln regulirt werden. Diese Muskeln ziehen jedoch nicht in die Valvae hinein, sondern inseri- ren an basalen Fortsätzen der- u BER selben, die morphologisch nichts BIER ‚JonısÄiası & on FE ö Anderes sind, als stark chitini- aa Me sirte Zonen der membranösen Wand der Penistasche. An der schematischen Textfig. 3 (schraf- firte Zone) erkennt man sehr deutlich, dass die Innenwand der Valvae sich jederseits di- rekt fortsetzt in eine spitz aus- laufende Partie der Penis- u tasche. Kontrahiren sich die IR von der ventral-lateralen Fläche Textfig. 8. des zwölften Segmentes an diese a unse ı Basalfortsätze mess Muskeln, so werden die Valvae bei der Begattung gegen die seitliche Wand des weiblichen Abdomens gedrückt und umklammern das Thier sehr fest. Mit der mächtigen Entfaltung der Valvae steht die schwache Entwicklung der Appendices anales in engstem Zusammenhange (Text- figur 8). Bei den meisten Limnophiliden außerordentlich kräftig aus- gebildet, haben sie bei den übrigen Trichopteren jegliche Bedeutung als Klammerorgane verloren und können in Folge dessen oft vollständig fehlen (Aydropsychidae, Rhyacophilidae). Eine Ausnahme bilden auch hierin die Phryganerdae, deren Valvae in mancher Hinsicht noch an den Limnophilidentypus erinnern (Tab. IM). Das Aftersegment selbst ist, wenigstens in seiner supraanalen Hälfte, meistens sehr kräftig entwickelt als eine stark ventralanal vorspringende Chitinzunge (Textfig. 8 XI///d), die subanale Zone des 13. Segmentes dagegen nur in außerordentlich seltenen Fällen deut- lich nachweisbar. Der 12. Segmentring zeigt eine sehr verschiedene Gestalt, bald dorsal breit und ventral schmal, bald umgekehrt, ist er bisweilen sogar auf einen ventralen Halbring redueirt. Dem postsegmentalen Rande der elften Rückenschuppe fehlt schließlich bei allen hier in Frage kommen- den Trichopteren eine mit Zähnchen besetzte, höckerartige Erhebung. uonıddnıs 9qRIS orprouwsAayg "TIL PIE L or) m) Sı =| je P} - & | [eo | | u ae al Ira Ivr, er DB no © ' / m B DU uopt 7 ° ar EN PENUERTENTENE GR. 8 Q \ uouyRzun Fe) a 8» u BZUTIU,) 10. EIDS U eYH OPU9SIpPUr c 117 . 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SO] en = 55 5.1 UoSngunmgo uey = A or nerdss 188 “ = 35 Pr |-ı08 g UOA snLIopend [8,8 |-10UL, ı sn in JUU] IOP : BR-"o RER ee I -10P SOP HORB [le 2 ; (9 m op Junp I |-10p SOp 91 = Ep a a lorcee u 8 OA IITOMOA OULRZ TON » DD + |-U 5‘ kl 5 , - D & y [a ATL c s ER 4} e I-m LION UOALOTLUOUL > en 19p HIn Sur] 08 ey =. BIS ar L on noad, ni = Es [uposqepurg gosgurig | 5 [u een Sr 1078 o CD me 1930Z9310A _1-"QU9A :4.188u90 SUR En 10807 Wr = -TIOLT . 19.00 Beh » D pun u930298310A 1904 BKOUB.TAOUTITLU puoyr® U er <= -DETOA 5 BTeyuoA-[eue Soon E.|srago Rstop mu ‘yoAq UHLLUTON El o© [0 (ol =} 210 son 191 I]88 — 1 SEMIO IP 8. \ ‘ L er - SWIORME -M« DIUOMINT je BE nm © „,2,|-uwme)s sop Troy 7 q ‚uuR [[etogn| -J[oA ‘yory TYIOB][E ' . 2 9 | Am DS | erire stud Rs" Ay919L0 PIogRuuR [ETOAN ie a er ee = HMIBRIOAN HSUR] -UOsRU Elek EN EHEN — koradg = ke m u m HF, Pr: di nur aa Bere 77 OTAJUA | OUOSTISTUOT | IIX vB sopsum soarpuoddvy | PIIIN arıın| let DB N £ ara ["b} ae) 210 Enoch Zander, Tabelle IV. Species XII | Penistasche Valvae Sericostoma perso- | dorsal u. bildet eine Ringfalte keulenförmig, mit schma- natum ventral um die Penisbasis| - lem Stiele dem Ta-| schmal, a schenrande ansitzend, [= lateral => von der ventral-med.| ” breit Sr2 Basis ragt ein langer,|$, 25 sekund. Fortsatz anal, |:= an behaart 2 Silo nigricornis > =Z3 groß, distal gespalten,| = Ss Basis breit, Muskel-| „ = fortsätze sehr lang | - Se, ES an ch: 25 = = os% ri osıe Er Goera pülosa dors. breit; 5 flach == ähnlich geformt wie e bei _ ventralu. (3 eig | Sudo, aber breiter, "2= lateral = iso Muskelfortsatz kurz [ se schmal Iz l.e= Sa E FE = Notidobia cihiaris > ® bildet eine ventral| 3 7.2 |wie bei Sericostoma ge-| == weite, dorsalenge| „ Z staltet, mit ventral-ba- | 'Z . ” —_ © -. Ringfalte um,die|= 2 salem medialen Anhang je Penisbasis == S » za En Lasiocephala basalıs| ventral- membranös, ventral| #S |lang, schmal, distal ge-| = lateral wenig stärker chi-| 3 = spalten, mit basal-me-| 3 wenig tinisirt als dorsal| & & dialem, dorsal gerich-| _ breiter als FIR teten und behaarten = dorsal © kurzen Ast; Muskel-| 5 = ' fortsatz reicht bis zum | ' Grunde d. ecke) Diese Schilderung erschöpft den Formenreichthum der zweiten großen Trichopterengruppe keineswegs, denn neben diesen generellen Merkmalen treten innerhalb der einzelnen Familien so viele charak- teristische Eigenthümlichkeiten auf, dass meine Darstellung sich ins Ungemessene verlieren würde, wollte ich alle Beobachtungen genau berichten. Ich muss mich desshalb darauf beschränken, an der Hand einzelner Tabellen und Figuren die wesentlichsten Charaktere hervor- zuheben. Phryganeidae (Fig. 2). Während Penistasche und Penis, abgesehen von ihren speeifischen in die Tabelle III eingetragenen Merkmalen, nicht von dem oben be- schriebenen Typus abweichen, nehmen die Valvae in so fern eine vermittelnde Stellung zwischen den Limnophiliden und übrigen Tri- chopteren ein, als sie zwar weit komplieirter gebaut sind ‚wie bei Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 211 Seriecostomatidae. | Penis AXIllv | XIIId Appendices anales basal u.distal wenig aufge-]. trieben, Ductus ejacu- latorius mündet an Er Spitze lang, getade, Ductus eja- eulatorius mündet an der Spitze =|l & schen XIT und XIII Be.. S Eh a RR entspringend ventral gekrümmt, Duec- $E& 5 keine Grenze zwischen 2 Paar Anhänge wie bei tus ejaculatorius mün-\z = „ä XII und XIII, 2 Silo, dorsale länger als det dorsal hinter der!‘ 2 sehrlange,wenigdor-| laterale Spitze = = sal gebogene Fort- salle 5 al gen, Ductus ejaculato-| & uncusartige XIIId; kürzer rius mündet hinter der Spitze an der dorsalen nellmerl> i i schwellbare Endafschnitt von XII nicht abge- setzt, uneusartig lang vorgezogen, am Ende gespalten von XII deutlich ab- gesetzt, lang vorge- zogen länglich, behaart 2 Paar Anhänge, 1 Paar lateral, breit, den Appen- dices anal. entsprechend und 2 längere dorsale, von der Grenze zwi- über, die am Ende ——— klein, wenig auffallend Wand gespalten und ventr. kürzeres, basal und distal ventral sebogenes Rohr | lang, stark ventral - von XII abgegrenzt, borstenbesetzte niedrige aufwärts gebogene | Wülste Nase langes, enges Bi | sätz XII geht direkt in die wie bei Serzeostoma, aber gebogen ist a jenen, aber den ganzen lateralen Rand der Penistasche einfassen und kräftiger Muskelfortsätze entbehren (Fig. 2 V). Ihre Innenseite ist besonders bei Phryganea grandis (Tab. II) sehr reich differenzirt; charakteristisch und auffallend ist die reibeisenartige Ausbildung der ventralen Hälfte (Fig. 2 Y)J. Da die Valvae sich ähnlich wie bei den Limnophiliden, offenbar nur passiv am Begattungsakt betheiligen, in- dem der weibliche Hinterleib gegen ihre mit Zähnchen und Höckern versehene Innenfläche gepresst wird, sind die Appendices anales der Phryganeidae gleichfalls mächtig entwickelt und ragen als außer- ordentlich lange, behaarte Anhänge (Fig. 2 Aa) weit über den After und das Hinterleibsende vor. Sericostomatidae (Fig. 3). Die bisher immer als einfache, trichter- oder muldenförmige Höhlung geschilderte Penistasche wird bei manchen Sericostomatiden 212 Enoch Zander, Tabelle V. Species XI | Penistasche | Valvae Beraea pultata dorsal schmal, ven- tral-lat. breit. Mystacides longicornis Mystacides monochroa 'ventral-med. in ei- ' nen einfachen be- haarten Fortsatz ausgezogen. ventral-med.ineinen dünnen schwach gegabelten be- haarten Fortsatz | ausgezogen. Mystacides nigra Mystacides azurea Molanna angustata Molannodes Zelleri ventral-med. Fort- satz am Ende ver- breitert. Fort- breit, ‚ventral-med. satz groß, gegabelt. ‚dors. schmal, ventr.- lat. breiter. dors. schmal. ventr.- lateral breiter Homilia leucophaea Oecetis ochracea Leptocerus senilis Leptocerus fuwus tral-lateral breiter, unterhalb .d. After- segm. jeders.einen langen, glatten Forts. entsendend allseitig annähernd gleich breit, anal. Rand lateral vor- gezogen | ‚dorsal schmal, ven- | allseitig annähernd | gleich breit allseitig annähernd gleich breit | Be | = er Se m eg ;=;.,.>> >>> me N nnmmmmmm———— membranös, mit Ausnahme der an die mediale Valva-Wand srenzenden Zonen, die als Muskelfortsätze sind stark ehitinisirt lange, medial gekrümmte Z Bei fen, mit großem plumpen dorsalen Anhang, behaart. Muskelfortsätze reichen bis an die Basis des Penis keulenförmig, ventraler Rand in eine längere Spitze aus- gezogen, Muskelfortsätze reichen bis an die Basis des Penis ähnlich wie bei M. longie., aber mit Einschnitt am dors.Rand und ventr. Spitze medial gebogen rundlich mit Randborsten,ven- | trale Spitze sehr lang. Mus- kelforts. wie bei den beiden | anderen Arten | groß, keulenförmig, ventrale Spitze kurz, Muskelforts. wie vorher lange med. gebogene Anhänge, | med. gekr. Ende mit kurzen | Haftborsten, basaler med. in AnsreltarteätzE Forts. mit kurzen Haftborst. Muskelf. konvergiren Be 5 Penisbasis u.verschmelz.hier große, zugespitzte u. abge-I= flachteAnhänge, Muskelfort-|= sätze gegen Penisbasis kon- vergirend komplieirt gebaut, von brei- terer Basis gehen ein late- raler am Ende gespaltener u. ein dünnerer med. am Ende aufgetriebener Fortsatz aus, starke Muskelfortsätze groß, von breiterer Basis er- hebt sich ein längerer medi- aler Fortsatz, dicht behaart, Muskelfortsätze kurz, aber kräftig groß, dorsal gerichteter mäch- tiger Fortsatz mit langen Borsten u. medial. Anhang, starke Muskelfortsätze en beweglich, kr langer, kräftiger, dorsal ge- richteter Anhang mit langen Randborsten, med. u. starken Muskelfortsätzen Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Trichopteren. 213 Leptoeeridae. Penis | XIllv | XIIId Appendices anales | | \ \ ' | | [| 1} || || I | Basaltheil des Stammes anal in 2 dorsale spitze und einen ventr., stumpfen Zipfel aus- gezogen, schwellbar, Endab- schnitt kurz, ohne Anhänge kurz, distales Ende ventral ge- krümmt, schwellbar, Endab- schnitt kurz, glatt enger als bei M. longicornis, sonst ähnlich, schwellbarer Endabschnitt mit 2 kurzen Chitinspitzen ähnlich M. Iongicornis, aber in der Wand desbasalen Stamm- theiles stärkere Spangen am Ende in eine ventral ge- krümmte Nase ausgezogen, schwellbarer Abschnitt kurz, ohne Anhänge ‚stark chitinisirter Stamm lang, am Ende ventral gebogen, schwellb. Endabschnitt halb. - so lang, mitZähnen u. Dornen besetzt, Duct. ejac. mündet auf einer ventralen Spitze ‚|Ende des basalen Stammtheiles ventr. Wand ein Vorsprung, | ventral vorgezogen, an seiner | | N \} 2 | ’ |) | schwellbarer Endabschnitt, lang mit Zähnchen besetzt halbkreisförmig ventral gebo- ‚, gen, kurzes schwellbares | Endstück mit kurzer Chitin- | spitze \ kugelig, stark chitinisirter Ba- saltheil u. schwellbarer End- , absehnitt des Stammstückes gleich lang, letzterer mit lan- gem gebogenen Anhang 'Basaltheil des Stammes ventral- F anal stark verläng., schwell- barer Endabschnitt mit 2 längeren Fortsätzen ; ventr.- med. langes Rohr mit Ductus ejac. u. 2 kürzere dors.-lat. | | messerartige Stäbe Basaltheil u. Endabschnitt des Stammes gleich lang, letz- \ terer mit säbelartigen = hängen | Stammstück weit, Basaltheil starr, Endabschnitt membranös schwellbar, Endäste nach Form u. Zahl wechselnd, schwach entwickelt se nm a — häu- tig von XII abgegrenzt, in 2 lange, glatte Spitzen ausge- zogen, darüber noch 2 säbel- artige Fortsätze von XI/ nicht deutlich abge- setzt. Uneusartig ventral herunterhängend, am Ende gespalten, oral-dorsal 2 nie- drige Erhebungen ähnlich M. longee. von XIIa abgesetzt und nicht so tief herunterhängend und mehr dorsal-anal gerichtet, wie bei M. longie. | von XII nicht abgesetzt, un- cusartig tief herabhängend, am Ende in 2 gebogene Spitzen gegabelt, dors.-oral. Höcker länger als bei den übrigen M.-Arten wie bei.M. longticornis, aber nicht so tief herunterhän- send, dors.-oral. Höcker fehlen längliche, be- haarte An- hänge lang, dünn, be- haart, gerade anal gerichtet wie bei M. longı- cornis, aber schräg dors.- anal gerichtet wie bei M. longi- cornis von XIJabgesetzt, uncusartig stark ventral gebogen, am Ende in 2 Haken gespalten, dorsal darüber 2 zarte An- hänge groß, flügelartig von XII abgesetzt, am Ende gespalten, klein mit XII fest verbunden, 2 lange gebogene, am Ende beborstete Stäbe groß, flügelartig, analer Rand ausgeschnit- ten lang, dinn, be- borstet |sehr schwach entwickelt. nasenartig, tief herunterhän- gend rundlich, behaart zugespitzt,. flü- gelartig nasenartig, dorsal gekrümmt flügelartig, von XII nicht ab- gesetzt, starr verbunden | Vo oes sus imemcsmammmmu ann un un rn nn mm —— um men nn im Vergleich zu den Valvae schwach entwickelt 214 Enoch Zander, dadurch komplieirt, dass sich der Taschengrund sekundär zu einem mehr oder weniger hohen Ringwall erhebt, der um den Penis herum- zieht. Bei Notidobia ciharıs, deren Geschlechtsapparat ich auf Längsschnitten untersuchen konnte und anscheinend auch bei Seri- costoma personatum, wird die Basis des Penis von einer ventral hohen und weiten, dorsal engen und niedrigeren Ringfalte fest umschlossen (Textfig. 9). In Folge dessen erscheint das Lumen der Penistasche stark redueirt (Textfig. 9. Der Penis (Fig. 3 P) bildet im Gegensatz zu den Phryganeiden ein sehr enges, gerades oder gebogenes Rohr, das den Taschenrand weit überragt. Derselbe besteht zum größten Theile aus dem stark chitinisirten Basaltheile (Fig. 3 5p) des Stamm- stückes, da der schwell- bare Endabschnitt fast gar nicht ausgebildet ist und Endäste vollständig fehlen. Bei Notidobia ciliaris (Textfig. 9) ist der schwellbare Abschnitt Textfig. 9. : : Plastisch gezeichneter medianer Längsschnitt durch das Hinter- auf eine dicht gefaltete leibsende von Notidobia ciliaris. 40:1. Membran beschränkt, die die Mündung des Duetus ejaculatorius umgiebt. Auf die Valvae passt die oben ge- sebene allgemeine Charakteristik ohne jede Einschränkung, er- wähnenswerth ist vielleicht nur, dass von ihrer medialen Basis viel- fach (Sericostoma personatum, Notidobia ciliaris, Lasiocephala basalıs) ein sekundärer schwächerer Ast (Fig. 3 V) seinen Ursprung nimmt, der bald dorsal, bald anal ragt. Vom präsegmentalen Rande des After- sesmentes, das oft nicht scharf gegen den zwölften Segmentring abgegrenzt ist (Fig. 3 XI/Id), erheben sich bei Silo und Goera zwei lange dorsale Fortsätze (Tab. IV) von zweifelhaftem morphologischen Werthe. Mit den Appendices anales können die fraglichen Gebilde nicht verglichen werden, da diese, wenn auch wenig entwickelt, stets vorhanden sind. Ob sie vielleicht dem zwölften Segmente angehören oder noch anders gedeutet werden müssen, lässt sich auf Grund der anatomischen Befunde nicht entscheiden. Homologe Anhänge kommen auch anderen Trichopteren zu (Molanna). Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 215 Leptoceridae (Fig. 4). Eine so primitive Entwicklung wie bei den Sericostomatiden zeigt der Penis in keiner anderen Trichopterenfamilie. Schon bei den Phryganeiden ist sein Stammstück in einen stark chitinisirten Basaltheil und einen längeren schwellbaren Endabschnitt gegliedert, dem zwei oder mehr kurze Endäste aufsitzen. Ähnlichen anatomischen Verhältnissen begegnen wir auch bei den Leptoceriden, deren Penis als weiter, mehr oder weniger stark gekrümmter, Cylinder aus der Penistasche hervorragt (Fig. 4 Ep). Der Duetus ejaculatorius mündet nur in seltenen Fällen direkt am Ende der schwellbaren Kappe, sondern in der Regel auf der Spitze eines längeren oder kürzeren Fortsatzes, der seitlich von messerartigen Anhängen geschützt wird (Leptocerus-Arten). Außerdem ist bisweilen der ganze Endabschnitt mit längeren und kürzeren Borsten besetzt (Fig. 4 Ep) Molanna und Molannodes. Die Valvae (Fig. 4 V) sind durch kräftige Muskelfortsätze ausgezeich- net, die gegen die Basis des Penis konver- sirend, zu einer einheitlichen Platte ver- schmelzen können, sehr deutlich z. B. bei Molanna (Textfig. 10). Die Rückenschuppe des Aftersegmentes (Fig. 4 XI///d) entsen- det längere Appendices anales (Fig. 4 Aa); zu ihnen gesellen sich bei Molanna (Fig.4y) und Beraea oral-dorsale Anhänge, die / wir schon bei Sericostomatiden beobachte- Textfig. 10. ten, bei Mystacides-Arten niedrige Höcker- De chen. Die ventral-laterale Hälfte des zwöl- 35:1. | ten Segmentringes ist besonders bei Mystaci- des-Arten stark in die Breite gedehnt und ventral-medial in eine einfache oder gespaltene anale Zunge ausgezogen (Tab. V). Vom dorsal-postsesmentalen Rande entspringt bei Homilia jederseits ein langer säbelartiger Anhang, der uns bei Hydropsychiden häufiger be- segnen wird (Tab. V). [4 Mus ejerbak; Hydropsychidae (Fig. 5). Während die Chitinhülle des zwölften Segmentes aller bisher beschriebenen Familien stets vollkommen ringförmig geschlossen ist, schwindet bei vielen Hydropsychiden die dorsale Hälfte desselben bis auf geringe Reste. Bei Hydropsyche noch als allseitig breiter Ring 216 Species Enoch Zander, XII Penis- | Tabelle VI. Valvae Hydropsyche pellu- \ventral schmaler, dorsal u. eidula Dolophilus pullus Philopotamus mon- tanus Lype phaeopa lat. breiterer Ring dorsal sehr schmal, ventr.- lat. sehr breit, ventraler Halbring jederseits neb. dem Afterineinenanalen) Fortsatz ausgezogen breiter ventraler Halbring u. schmale dors. Spange, von der dorsal- medial. Wand des ventr. Halbr. jederseits ein Chitinstab vorragend. nur niedriger ventr. Halb- ring Plecetrocnemia con- spersa niedriger, ventr. Halbring, dorsal membranös. dieser Membran jederseits neben dem Aftersegment wie bei Philop. ein langer Forts. aus Neurichpsis bi- maculata breiter ventr. Halbring rn. sal mit 2 langen anal ge- richteten Fortsätzen Polycentropus flavo- maculatus breiter ventraler Halbring Von geht | I | | | | | } I I | | | | | | | membranös, nur die an die mediale Wand der Valvae grenzenden Zonen als Muskelfortsätze der N alvae stark chitinisirt ‚auf abgeflachtem unpaaren schmal, lang, basales ee länger als distales. Mus- kelfortsätze bis an die Basis des Penis ‚distales Glied etwas kleiner als basales, Muskelfort- sätze dünn und schmal — ein basales und distales Stück IE Stamm 2 distale Glieder, ähnlich einer Krebsschere. Muskelforts. fast nicht entwickelt lang, Gliederung unvollständig, Muskelfortsätze kurz sehr komplieirt gebaut: 2 lange ventral- -Jat. An- hänge, den Valvae ande- rer Arten entsprechend, dors.-lat. eine breit vor- springende Platte, Be- deutung ? lang, zugespitzt, Muskel-f fortsätze kurz plump mit basalem dorsal gerichtet. Anhang, Mus- kelforts. lang u. gegliedert ungegliedert erkennbar (Fig. 5 X/7) ist die Wand des zwölften Segmentes bei Dolophrlus pullus und Philopo- tamus montanus auf eine breite, dorsal allerdings bis an das Aftersegment reichende, ven- trale Schuppe redueirt und dorsal nur durch eine schmale Präsegmentalleiste zu- sammengehalten (Tab. VI). Bei Textfig. 11. Geschlechtsapparat von Zype phaeopa. S10DE=1% wird Polycentropus, Neuriclipsis ) Plectrocnemia und Lype (Text- figur 11) bleibt dagegen die ganze dorsale Hälfte membra- groß, beweglich, nicht den ganzen Taschenrand umsäumend, sondern ihm mit schmaler Basis angefügt, orale Muskelfortsätze — Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. DT. ı Hydrospychidae. stark chitinisirter Basaltheil des Stammstückes lang, schwellbarer Endabschnitt kurz, an der Spitze durch eine Chitinplatte versteift 'schwellbarer Endabschnitt halb so lang, wie der Basaltheil, sichel- artiger Chitinanhang ' Basaltheil lang, gebogen, am Grunde aufgetrieben. Schwellbarer Endab- schnitt kurz, mit 3 Anhängen, med.- | | | | | Penis XIIIv XIIId ee er | me Appendices anales häutig, mit dorsalem fehlen Haarschopf | mige ne | kei häutig, lang, fingerför a | ! | "kurz, Basaltheil bauchig aufgetrieben, schw ellbarer Endabschnitt mit starken Chitinborsten artiee Stäbe aufwärts gekrimmte klein flügelartig ı Nase groß, konisch, mit dors. lang, flügelartig, tig | Rohr, 2 ventr. ae messer- | Endäste kurz ‚Basalth. in 2 Hälften durch eine Ring- falte gegliedert. Schwellbarer Ab- schnittineinlanges dors.-med.Rohr und 2 kurze sichelförmig e ventr. Stäbe verlängert Bat ventr. Wand des Basalth. ver- kürzt, schweilbarer Endabschnitt lang, "Anhänge? häufige Analröhre fehlen | | | Tang e häutige Analröhre fehlen schräg anal-dors. gerichtet, Basaltheil lang. Schwellbarer Endabschnitt in ein langes dors. Rohr und kurze ventr. Anhänge ausgezogen 2 stark sekrümmte Ha- breit, flügelartig kenauflängerenven- mit Randbor- tral ziehenden Stielen sten weit, stark en u. membranöser schwellbarer ae ei | Nase ı unbeweglich nös und die ventrale, halbringförmige Zone chitinisirt sehr stark. Oft ist dieser ventrale Halbring dorsal-lateral in zwei lange postsegmen- tale Fortsätze (Tab. VI) ausgezogen. Auch das Aftersegment ist mit Ausnahme von Polycentropus, Lype (Textfig. 11) und Philopotamus auffallend schwach chitinisirt; der Appendices vollkommen entbehrend ragt es als dünnwandige »Analröhre« (Tab. VI) mehr oder weniger weit vor. Im engsten Zusammenhange mit der Reduktion des Aftersegmen- tes steht offenbar die hohe Entwicklung der Valvae, deren eigenartige Ausbildung den Ausfall der dorsalen Afterschuppe als Klammerorgan kompensirt. Während die Valvae bei allen bisher besprochenen Fami- lien den lateralen Rand der Penistasche als einfache ungegliederte Anhänge zierten, sind sie bei vielen Hydropsychiden deutlich in ein 218 Enoch Zander. Tabelle VII. Rhyacophilidae \ Penis- Species AUT, Larbln Valvae ze: obliterata dors.-anal dachartig groß, gegliedert, distal. Stück verlängert | | ventral lang vorgezogen, Rand mit Zähnchen besetzt, Muskelforts. der dors. Wand v. P. anliegend ES 2° | | Ne... wohn SI | Agapetus nimbulus allseitig gleich breit] | einfache hohle Klappen, I spitze Muskelfortsätze S Ss) S.) S SR stabartiger medialer u. ge- bogener u. breiterer late- raler Astm. Randborsten Psychomyia pusilla dorsal größentheils membranös, ven- = >) tral-med. vorge-| | | = = zogen = = B= | a & En aba era MAIEE — Du... He S| Sl [ Hydroptila Mac Lachlani dors.-lat. breit, ven-[& = ‚jederseits paarig, das eine| _ tral schmal N = Paar gegabelt 75 I m] = schmal und beweglich dem Taschenrande ansitzend zdo.pÄrf 2 | Oxyethira Frici » fehlen — Tr anpy basales und distales Stück gegliedert (Fig. 5 V), die gelenkig mit einander verbunden sind. Die Valvae von Phrlopotamus montanus sind sogar durch zwei distale Äste ausgezeichnet, so dass dieselben das Aussehen von Krebsscheren erhalten (Tab. VI). Neben geglieder- ten kommen aber auch lange ungegliederte Valvae vor (Plectrocnemia, Neuriclipsis, Polycentropus). Der Penis, im Allgemeinen wie bei den Leptoceriden gebildet, ist nur bei Plectroenemia conspersa in so fern specifisch eigenthümlich gestaltet, als der starre Basaltheil des Stamm- stiickes durch eine flache membranöse Ringfalte in zwei, wenig in einander geschobene, Cylinder getheilt ist (Tab. VD. Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 219 ‚und Hydroptilidae. | . | : 3 ı Appendices j Penis | XIII XIIld | anales f £ ] 3 kurzer schwellbarer Endab- muldenförmig an lang.,2 am Ende knorrie € . z ee) 3 = fe) schnitt mit 3 langen An- von einer unter dem) aufgetrieb. starke dors. u. einem ventr. distal]: gespalt. Flügel, 2 laterale am Ende beborstete Aste ‚ Basaltheil und schwellbarer Endabschnitt gleich lang, letzterer mit 2 lang en End- ästen, ventr. von dors. Flü- geln flankirtes Rohr, dors. theile von XII befe- XIIIv aufge- stigten Spange auf-) hängt gehängt — E große rundliche Klappen | nur absonderlich entwickel- ter Basaltheil erkennbar, bauchig aufgetrieben mit rechtwinklig ı dorsal gebo- genem Endstück \ Basaltheil sehr lang, inner- halb des XII. Segm. mit korkzieherartig. Anhang, der von der Ventralseite des P. ausgehend sich um diesen windet, mehr dem Ende zu ein zweiter kür- zerer Haken, häutiger End- abschnitt mit langem un- paaren Anhang Fi N hängen: med. Rohr mit 2 verlängerten Dorsal- Chitinstäbe, wie pe 2 lange gedrehte An- hänge 2 säbelartig gekriimmte zungenartige Ver- Stäbe ' längerung von Da differenzirtes Dtammstück, Endäste sehr lang 'B | asaltheil und Endabschnitt wie bei Hydropt. Kork- zieherartiger Anhang von der Ventralseite, etwa in d. Mitte desP., ausgehend. tritt weit über den Hinter- leib vor 2 hakenartige Gebilde zungenartige, distal sespaltene Ver- ' längerung von SET An stark en Basaltheil und ee Endabsehnitt a — Rhyacophilidae (Fig. 6). Dem Bauplane der Hydropsychiden ähnelt in mancher Hinsicht derjenige der Rhyacophiliden. Die Chitindecke des zwölften Seg- mentes ist entweder allseitig geschlossen (Rhyacophila, Fig. 6 XIT, Agapetus) oder auf einen ventralen Halbring beschränkt (Psychomyra). Mächtige gegliederte Valvae zeichnen Rhyacophrila (Fig. 6V) vor den beiden anderen untersuchten Arten mit ungegliederten Anhängen aus. Die Form des Penis folgt keiner bestimmten Regel. Bei Rhya- cophila (Fig. 6Bp) und Agapetus (Tab. VII) schließt sich an den stark chitinisirten Basalteil des Stammstückes eine längere oder kürzere schwellbare Spitze an, die lange absonderlich geformte End- äste entsendet. Zwei breite dorsale und ein ventraler, distal gespal- Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. LXX. Bd. 15 220 Enoch Zander, tener Flügel sitzen bei Rhyacophila (Fig. 6mP) einem medianen vom Duetus ejaeulatorius durchzogenen Endaste an. Lateral liegen zwei flache, am Ende beborstete, leicht seitlich gebogene Stäbe (Fig. 6 /P) den lateralen Endästen der Limnophiliden vergleichbar, wie denn das ganze Begattungsglied von Rhyacophila lebhaft an den Penis der Limnophiliden erinnert. Agapetus besitzt nur zwei Endäste des Penis, deren Form aus Tabelle VII zu ersehen ist. Recht merkwürdig nimmt sich der Penis der winzigen Psychomyia pusilla aus, da lediglich der Basaltheil des Stammstückes entwickelt zu sein scheint als ein basal bauchig aufgetriebenes Rohr, das distal in ein rechtwinkelig dorsal aufgebogenes engeres Endstück übergeht. Das Aftersesment von Rhyacophila obliterata ist mM deutlich er- kennbare Bauch- und Rückenschuppen gegliedert (Fig. 6 X/11) und mittels langer Spangen an einer, unter der dachartig vorgezogenen, dorsalen Wand des zwölften Segmentes befestigten Platte aufgehängt (Fig. 6 X/II). Appendices fehlen vollständig. Hydroptilidae (Fig. 7). Die Geschlechtsanhänge der winzig kleinen Hydroptiliden sind der Untersuchung schwer zugänglich. Der zwölfte Segmentring ist dorsal-lateral auffallend breit, ventral dagegen sehr schmal und spangen- artig (Fig. 7XIT). Valvae fehlen Oxyethira Frici merkwürdigerweise vollständig, während dieselben bei Hydroptila MacLachlani jeder- seits paarig vorhanden sind. Absonderlichen Schmuck trägt der Penis, indem von der ventralen Wand des stark chitinisirten Basaltheiles ein langer, korkzieherartig gewundener Chitinstab entspringt (Fig. 7z), der bei Ozyethira Frigi dorsal weit über den analen Rand des zwölften Segmentes hinausragt, während er sich bei Hydroptila MacLachlani innerhalb der Penistasche spiralig um den Penis windet (Tab. vl): Eine einwandfreie Deutung des Aftersegmentes ist bei der mini- malen Größe des Objektes nicht möglich; anscheinend besteht das- selbe aus Rücken- und Bauchschuppe. “ch schließe diese anatomische Voruntersuchung mit einer kurzen Zusammenfassung ihrer wesentlichsten ‚Ergebnisse: I. Die Gliederung des abdominalen Hautskelettes und der Bau des Geschlechtsapparates unterliegen einem ge- nerellen Plane, der in folgenden Thatsachen zum Ausdruck kommt: Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Trichopteren. 221 1. Das Abdomen der männlichen Trichopteren wird von zehn deutlich erkennbaren Chitinringen umgürtet. 2. Dem ersten Abdominalsegmente fehlt die Bauchschuppe. 3. Die Segmente V—XI sind schwach chitinisirt und in Rücken- schuppen, Bauchschuppen und Lateralmembranen differenzirt. 4. Die Wand des zwölften Segmentes ist nicht gegliedert, son- dern bildet einen stark chitinisirten Ring resp. ventralen Halbring. 9. Die Rückenschuppe des Aftersegmentes ist meistens im Ge- sensatz zur Bauchschuppe stark chitinisirt und lang vorgezogen, ihrer lateralen Wand sind in der Regel bewegliche Appendices anales eingefügt. 6. Der Geschlechtsapparat setzt sich generell aus drei Stücken zusammen, indem vom Grunde einer mehr oder weniger tiefen Penis- tasche der Penis sich erhebt, während ihrem lateralen Rande die Valvae ansitzen. II. Die männlichen Geschlechtsanhänge der Trichopteren geben nicht allein für die Unterscheidung der Arten bequeme Hilfsmittel an die Hand, sondern sind auch für die Gruppirung der Familien von Werth. Nach Form und Ausbildung der einzelnen Theile des Geschlechtsapparates lassen sich die männlichen Tri- chopteren in folgende zwei Klassen eintheilen: A. B. Limnophilidae. Phryganeidae, Serticostomatidae, Leptoceridae, Hydropsychidae, Rhyacophilidae, Hydroptilidae. MitpostsegmentalemZähnchenhöcker. XId Ohne Zahnhöcker. Rinsförmig, dors. schmal, ventralu. XII Ringförmig, in.der Form wechselnd, lateral breit. oder ventraler Halbring. Triehterförmig, engerer Theil Penis- Membranös. starkwandig,Randabschnitt tasche 5 membranös. Stamm membranös, schwell- Penis Basale Hälfte des Stammes bar, 3 lange Endäste. stark, distale schwach chi- tinisirt,Endäste fehlend od. schwach entwickelt. Niedrig, den ganzen lateralenRand Valvae Groß, mit schmälerem Stiele beweg- der Penistasche umsäumend, un- lich, mit basalen Muskelfortsätzen beweglich. (exel. Phryganeidae). d meist in 2 lange supraanale Fort- XIII d meist lang zungenartig vorgezo- Sätze ausgezogen. gen. v stets membranös. v selten deutlich. Große, muldenförmige Klammer- Append. Klein, auch fehlend (exl. Phryga- organe. anales nerdae). Nachdem ich auf den vorhergehenden Seiten einen Bauplan des männlichen Geschlechtsapparates der Triehopteren geschildert habe, 15* DA» Enoch Zander, Tabelle Geschlechtsanhänge Trichoptera (ZANDER) Rhopalocera (KLInKkHARDT) ar a EEE For Ei -- BE XII ‚meist einheitlicher, lateral brei-\einheitlicher schmaler Ring. ter Ring, nur in wenigen Fällen‘ ventral-medial mit oral ge- ventral. Halbring | richtetem Fortsatz Penistasche 1. trichterförmig mit verschie- den stark chitinisirter Wand, 2.membranös, bisweilen Ring- membranös falte um Penis bildend, nur die, an dieValvae grenzendenZonen als Muskelforts. stark chitinisirt, Valvae 1. niedrig unbeweglich den! ”—— umsäumend, .groß, beweglich, dem lat. Rande schmal angefügt, kräf- tige Muskelfortsätze ragen in die Tasche hinein ID ganzen lat. Taschenrand große, bewegliche Penis Stammstück und Endäste: | 1.Stamm membranös,3lange) Endäste, | stark ehitinisirt, Endab-| costomatiden schnitt häutig, schwellbar, Endäste klein, wechselnd in Zahl u. Form, auch fehlend | 2. Basaltheil des Stamm. enges Rohr, wie bei den Seri- Duetus ejaeulatorius |eng,tiefin die Leibeshöhle reich., ? hier mit dieker Ringmuskulatur,| tritt an der Basis in Penis ein, | In IXIIld stark entwickelt, After u.| X/IId lang vorgezogen. Uncus Hinterleibsende überragend. |XI/Iv fehlt meistens. der anscheinend durchaus von meinen Befunden bei Hymenopteren ab- weicht, gewinnt die Frage nach der morphologischen Deutung desselben erhöhtes Interesse. Ich will diesem Probleme zunächst durch eine vergleichende Betrachtung näher treten, indem ich die Angaben über die Kopulationsapparate in anderen Insektengruppen zu Rathe ziehe. Vielfach ist auf die engen Beziehungen zwischen Trieho- pteren und Lepidopteren hingewiesen worden, die, um nur ein Beispiel zu erwähnen, nach A. SpuLer in der frappanten Ähnlichkeit des Flügelgeäders bei Philopotamus und Mieropterye zum Ausdrucke kommen. Nach den Angaben von HormAnN (4), PEYTOUREAU (6), KLINKHARDT (7) und Stırz (9) über die Genitalanhänge einzelner Lepidopteren-Familien unterliegt es keinem Zweifel, dass der Ge- schlechtsapparat auch bei den Lepidopteren genau nach dem gleichen ' Appendices fehlen selten anal. fehlen stets Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 223 VII. Microlepidoptera (Swırz) Pterophorinen (HorManNn) Hymenoplera (ZANDER) in einen dorsalen u. ventr. Halb- ring zerfallen, beide ge- lenkig verbunden. Ventr. Halbring mit Saccus membranös, sich zu einer | Ringfalte um den Penis erhe- | bend (Praeputium, STITZ) ventr. u. dors. Halbring, anal, verlängert membranös breiter ventr. Halbring mit einem oder mehreren oralen Fortsätzen. XIId rudimentär fehlt en Klappen, dem lateralen Taschenrande breit ansitzend m) pe wie bei Trichoptera 2 (schwellbarer Endabschnitt, genannt) von HOFMANN Praeputium eng, tiefinLeibeshöhle reichend, hier mit dicker Ringmuskula- _ tur, tritt an der Basis oder an der Dorsalseite in den P. ein eng, tief in Leibeshöhle rei- chend, Muskulatur? tritt an der Basis oder dorsa in den Penis ein \ mn \große bewegliche Klappen Valvae und Penis an ihrer Basis mit ein- ander verbunden enges Rohr oder 2 laterale, durch weiche Haut theil- weise verbundene Stäbe | m ng (exel. Apiden) nicht in die Leibeshöhle reichend (excel. Apıs), sondern nur den Penis durchziehend & XIIId = Supraanalstück, Un- eusartig. XIIIv = Subanal- stück verschieden entwickelt. | App: anal. fehlen stets ind — Uneus, 2x7? App. anal. fehlen meist membranös, sammt der rudimentären XI/Id unter XIdverborgen. Analtaster bisweilen vorhanden Typus gebaut ist, wie bei den Trichopteren. Wie eın Blick in die Tabelle VIII lehrt, sind auch die Lepidopteren durch den Be- sitz einer Penistasche mit randständigen Valvae und einem vom Grunde vorspringenden Penis ausgezeichnet. Was die Form und Chitinisirung dieser Theile anbetrifft, so stehen die Lepidopteren den Trichopteren der zweiten Gruppe näher als den Limnophiliden. Die Penistasche ist stets vollkommen membranös und erhebt sich nach Srırz (9) bei Mikrolepidopteren ähnlich wie bei Notidobia rings um den Penis zu einer, Praeputium genannten, Ring- falte. Ihrem lateralen Rande sitzen große bewegliche Valvae, »Ge- nitalklappen«, an. Aus der Tiefe der Penistasche ragt der Penis hervor entweder als enges Rohr (Rhopalocera), wie bei Sericostoma- tiden oder als weiter Cylinder (Microlepidoptera) mit stark chitini- sirtem Basaltheil und schwellbarem Endabschnitt, dem sekundäre 293% Enoch Zander. Fortsätze anhangen können. Diesen schwellbaren Endabschnitt des Penisstammes deutet Stitz allerdings anders wie ich, indem er ihn als Theil des Ductus ejaculatorius anspricht. Ich halte jedoch seine Auffassung auf Grund meiner vergleichenden Studien nicht für zu- treffend. Doch das ist eine Frage von sekundärer Bedeutung. Hor- MANN (4) nennt die Schwellkappe des Penis bei den Pterophorinen Praeputinm. Der Ductus ejaculatorius reicht auch bei den Lepido- pteren, so weit darüber Angaben existiren, tief in das Abdomen hinein und ist hier von einer starken Ringmuskulatur umhüllt. Dem After- segmente der Lepidopteren fehlt gleichfalls meistens die Bauch- schuppe, während die Rückenschuppe als »Uneus« mächtig ent- wickelt ist. Gegenüber diesen auffallenden Ähnlichkeiten treten die Diffe- renzen sehr in den Hintergrund. Hervorheben will ich, dass bei Rhopalocera der zwölfte Segmentring stets sehr schmal und bei Mikro- lepidopteren in eine dorsale und ventrale Spange gegliedert ist. Bei manchen Mikrolepidopteren (Aglossa, Hydrocampa, Asopia ete.) tritt ferner der Ductus ejaculatorius nicht wie bei den Trichopteren an der Basis, sondern an der Dorsalseite in den Penis ein. Appendices anales fehlen schließlich allen bisher beschriebenen Lepidopteren. Die Geschlechtsanhänge der Triehopteren und Lepidop- teren zeigen also den gleichen Typus des morphologischen Aufbaues. Zu einem ganz anderen Resultate führt ein Vergleich der fertigen Genitalapparate der Hymenopteren und Trichopteren. Beide Apparate scheinen total verschieden zu sein, da selbst das eingehendste Studium keine Vergleichsmomente liefert. Die Ge- schlechtsanhänge der Hymenopteren treten uns als ein Komplex eng beisammenliegender Anhänge entgegen, die in der Tiefe einer unter der elften Rücken- und zwölften Bauchschuppe ausgeweiteten Genitaltasche geborgen sind. Die gleich benannten Theile des Geschlechtsapparates der Trichopteren dagegen liegen weit aus einan- der, der Penis am Grunde der tiefen Penistasche, die Valvae am Rande derselben. Die Rückenschuppe des zwölften Segmentes ist bei den Hymenopteren stets rudimentär und sammt der membranösen Afterschuppe durch die elite Rückenschuppe verdeckt, während das Aftersegment der Trichopteren in mächtiger Entfaltung das Abdomen frei überragt. Diese Differenzen sind so groß, dass Jedermann ver- sucht wird, beide Gebilde als total different zu betrachten. Um so überraschender ist daher das Resultat einer genauen onto- Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 225 senetischen Untersuchung, die während der frühesten Ent- wicklungsstadien des männlichen Geschlechtsapparates der Triehoptoren die denkbar vollkommenste morphogene- tische Übereinstimmung zwischen Triehopteren und Hy- menopteren enthüllt. Il. Die Entwicklung der Geschlechtsanhänge bei Trichopteren. Da vollständige Entwicklungsreihen der meisten Trichopteren schwer oder gar nicht zu erlangen sind, musste ich meine entwicklungs- geschichtlichen Studien auf die häufiger vorkommenden Limnophiliden beschränken, von denen ich neben einzelnen Stadien von Anabolia nervosa und Limnophrlus rhombieus hauptsächlich Zimnophrlus bipunc- tatus untersuchte. Erwachsene Larven dieser und ähnlicher Arten sind im Frühling in jedem stehenden und fließenden Gewässer in Menge zu finden und lassen sich mit Leichtigkeit im Aquarium weiter züchten, wenn man die fehlende Nahrung durch in Scheiben ge- schnittene Kartoffeln ersetzt, die gern gefressen werden. Konservirt wurden Larven und Puppen mit \ bestem Erfolge nach der gleichen Methode, die ich in meiner Arbeit über die männlichen Ge- schlechtsanhänge der Hymenopteren angegeben habe (8, p. 471). Wie bekannt leben die Larven der Trichopte- ren in eylindrischen Gehäusen, »Köchern«, die nach Bauart und Baumaterial specifisch verschieden sind. Die leicht gebogenen Köcher von LZimnophilus bipunctatus sind aus feinsten Sandkörnchen sehr zierlich gebildet, während der größere Limnophilus rhombicus zum Bau seiner geraden Gehäuse gröbere Steinchen bevorzugt. Anabolia nervosa ist durch die Gewohnheit, ihrem gleichfalls aus Sandpartikel- chen zusammengesetzten Köcher seitlich der Länge a nach größere Zweigstückchen anzuspinnen, gekennzeichnet. Das Hautskelett der Larven ist folgendermaßen gebaut. An die drei, durch zahlreiche, Borsten tragende, Chitinplatten versteiften tho- rakalen Chitinringe setzt sich das Abdomen breit an. Die Textfig. 12 a und d. äußerst zarte abdominale Cuti- Hinterleibsende einer erwachsenen Larve von Zimnophilus bi- eula ist durch flache, inter- zpunctatus. 14:1. a, von der Ventralseite, d, lateral gesehen. b 226 Enoch Zander. segmentale Ringfurchen in zehn deutlich erkennbare Segmentringe gegliedert, die von vorn nach hinten an Breite und Durchmesser abnehmen. Außerdem ist das Hinterleibsende dorso-ventral komprimirt. Dadurch er- hält das 13. Segment seitliche Vorwölbungen, auf denen, durch basale halbmond- förmige Chitinplatten gestützte, starke »Endhaken« sitzen, die dem Thiere das Mitschleppen des Köchers ermöglichen (Textfig. 12). Drei vorstülpbare Wülste am ersten Abdominalsegmente und zahlreiche über den Körper zerstreute lange Borsten, die besonders dicht auf der Dorsalseite der drei letzten Segmente stehen, verhindern jeglichen Druck des schweren Gehäuses auf das Abdomen. Dem gleichen Zwecke dient auch je ein, genau in der seitlichen Medianlinie vom IV.— XI. Segmente verlaufender kontinuirlicher Haarsaum (Textfig. 122). Auf diese Weise wird zwischen Köcher und Abdomen ein freier, in Folge der Kontraktionen des Körpers von Wasser stets durchspülter Raum geschaffen, in dem zahlreiche einzeln stehende oder zu Büscheln von zwei oder drei vereinigte Kiemen flottiren, die an der seitlichen Körperwand, dorsal und ventral vom Haarsaume, in je zwei parallelen Längsreihen angeordnet sind (Textfig. 122). Ende April, Anfang Mai spinnen die Larven von Limnophilus bipunetatus und rhombieus, Ende August diejenigen von Anabolia, ihre Gehäuse an Pflanzen fest und schließen die vordere und hintere Offnung derselben entweder mit ab- gebissenen Theilen der Köcherwand oder durch zierlich gewebte »Siebmem- branen«e. Unter dieser schützenden Hülle vollzieht sich die Verwandlung in die semeißelte Puppe in wenigen Tagen. Erst gegen Ende der Larvenperiode erfolgt die erste Anlage der männlichen Geschlechtsanhänge. Dieselbe ist winzig klein und ent- zieht sich der makroskopischen Betrachtung vollständig. Auf Längs- | schnitten und an Konstruktions- modellen erkennt man dagegen Folgendes. Nahe dem ventralen Afterrande (der Afterspalt reicht ventral bis an den präsegmentalen Rand des dreizehnten Segmentes, Textfig. 12a) hat sich ein kleiner ovaler Bezirk der postsegmentalen Wand des zwölften Segmentes Merie 13, oralwärts eingesenkt und unter Längsschnitt durch das Hinterleibsende einer der Körperoberfläche in Gestalt erwachsenen Larve von Limnophilus bipunctatus > N . > . mit der Anlage der Geschlechtsanhänge. 18:1. en flaschenförmigen Genital- tasche ausgeweitet (Textfig. 13), deren Tiefe bei Anabolia nur 0,17 mm beträgt. Die ventrale Wand der Genitaltasche liegt der Epidermis dieht an. Am Grunde dieser Einsenkung wuchert ein Paar kleiner hohler Primitivzäpfehen (Textfig. 13), deren Lumen zum Theil ausgefüllt wird durch zwei sich in dasselbe eindrängende, diekwandige Blasen (Textfig. 14), den E} 4 Anlagen der Anhangsdrüsen, von denen lateral die Vasa deferentia Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 227 in Form zweier, bis zu den Hoden zu verfolgender Stränge, aus- strahlen (Textfig. 14). | | Die ersten Entwicklungsvorgänge spielen sich also bei Limnophilus in genau der gleichen Weise ab, wie bei den Hymenopteren. Auch bei diesen senkt sich eine medial-postseg- mentale Zone der ventralen Wand des zwölften Segmentes in Gestalt einer allseitig unter der Körper- oberfläche ausgeweiteten Geni- taltasche ein, von deren ora- ler Wand ein einfaches Pri- mitivzapfenpaar vorwächst. Gemeinsam ist den Triehopteren und Hymen- # nudallas che CAKE Irimehur_ 4 3 : Ankan DR opteren aber nicht bloß die et: erste Anlage der Geschlechts- Textfig. 14. 2 2 Transversalschnitt durch die Genitalanlage von anh ange, sondern auch die Limnophilus bipunctalus. 100:1. weitere Differenzirungder Primitivzapfen. Nicht lange nämlich verharren bei ZLimnophilus bipunctatus die Zapfen auf der soeben geschilderten primitiven Bil- dungsstufe, sondern es macht sich sehr bald in der gleichen Weise wie bei Bombus und Apes, an der medio-dorsalen Wand jedes Zapfens ‘ein vertikaler Einschnitt bemerkbar (Fig. 8) durch den die Primi- tivzapfen in je einen medialen und lateralen Ast gegliedert werden. Wie die weitere Entwicklung lehrt, geht aus den medialen Stücken auch bei Zimnophilus durch Verschmelzung der Penis hervor, während die lateralen zu den Valvae auswachsen. Also auch bei den Trichopteren entsteht der Penis aus ursprünglich paari- sen Anlagen. Hiermit sind aber die Homologien in der Entwicklung der Geschlechtsanhänge der Trichopteren und Hymenopteren erschöpft, denn das weitere Schicksal der Genitaltasche und der Primitivzapfen ist in beiden Insektengruppen durchaus verschieden. Während bei den Hymenopteren Penis und Valvae am Grunde der sich nach und nach vertiefenden Genitaltasche in engster Verbindung mit einander bleiben, machen sich an der Genitalanlage von Zimnophilus sehr bald merkwürdige Reduktionen und Verschiebungen bemerkbar, durch die die anfängliche Harmonie zwischen Trichopteren und Hymenopteren mehr und mehr verwischt wird. Zunächst erweitert sich bei Limnophilus bipunctatus die Öffnung der Genitaltasche (Fig. 9 Gt), wodurch diese besonders in ihrer ven- 228 Enoch Zander, tralen Partie flacher wird. Gleichzeitig schneidet der vertikale Spalt zwischen Penis- und Valvae-Anlagen oral-lateral immer tiefer in die Primitivzapfen ein und trennt beide Stücke schließlich voll- ständig von einander (Fig. 9Vu.P). Die medialen Peniszapfen verschmelzen dann sehr rasch zu einem breiten und plumpen Gebilde (Fig. 9P), dem unpaaren Penis, in den sich frühzeitig ein weiter, diekwandiger Ductus ejaculatorius (Fig. 9 D.gj) einstülpt. Die Val- vae dagegen rücken (Fig. 9V)) langsam gegen den lateralen Rand der Genitaltasche, um ihn schließlich als breite, plattge- drückte Anhänge zu überragen (Fig. 10 Y), gegen die Körperoberfläche nur durch eine flache Furche abgesetzt. Hand in Hand mit diesen Vorgängen gehen Veränderungen der inneren Geschlechtsorgane. Die Anhangsdrüsen wachsen in oraler Richtung zu langgestreckten Säcken aus, von deren analem Blindende je ein weiter Ausführungsgang dem sich in den Penis einsenkenden Ductus ejaeulatorius entgegenwächst. Die Larven beginnen jetzt ihre Gehäuse zur Verwandlung in die Puppe festzuspinnen. Die gemeißelte Puppe zeigt neben vielen subimaginalen Merkmalen deut- lich Form und Gliederung des künftigen Imago. Maxille I und II sind zu einem kurzen löffelartigen Leckrüssel verwachsen, über dem die beiden Mandibeln stehen. Die Flügel stecken dicht gefaltet in kurzen Flügelscheiden, während die Beine schon ? lnahertsch. ihre definitive Gestalt und Länge aufweisen. Das Hinterleibsende ist zugespitzt und in zwei lange »Endstacheln« ausgezogen (Textfig. 15«e). Neben den zahlreich vorhandenen und wie bei der Larve RR a Textfig. b Hinterleibsende der Puppe von Zimnophilus at 14:1. a, von der Ventralseite, d, lateral gesehen. angeordneten Kiemen stehen am präsegmentalen Rande der VI—X. Rücken- schuppe je ein Paar ovaler, mit zwei oder drei anal gerichteten Zähnchen be- setzter Chitinplatten (Textfig. 155) und außerdem auf dem etwas vorgewölbten postsegmentalen Theile der VIII. Rückenschuppe ein Paar größerer Platten mit Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 229 ea. 12 oral ragenden Spitzen (Textfig. 15 5), die der Puppe Bewegungen im Köcher ermöglichen. Der laterale Haarsaum beginnt erst am achten Segmente und verläuft nicht in der lateralen Medianlinie, sondern zieht schräg ventral- anal bis zur Mitte des postsegmentalen Randes der elften Bauchschuppe (Textfig. 152). Nach etwa 14tägiger Ruhe durchnagt die Puppe mit den ihr aus der Larven- zeit überkommenen Mandibeln das Gehäuse, arbeitet sich mittels der dorsalen Zähnchenplatten aus demselben heraus und rudert mit Hilfe des flossenartig be- haarten zweiten Beinpaares rasch an die Oberfläche des Wassers. Hat sie einen passenden Platz zur Verwandlung gefunden, so steigt sie aus dem Wasser heraus. Nach einer kurzen Ruhepause platzt die Puppenhaut über dem Thorax, und langsam zieht das Thier zunächst den Kopf mit seinen Anhängen, wobei die Mandibeln abgeworfen werden, dann die Beine nach der Reihe, die Flügel und schließlich das Abdomen aus der beengenden Hülle heraus. Zimnophilus bi- punetatus schlüpft stets in den Mittagsstunden warmer sonniger Tage, Zimno- philus rhombicus Nachts aus. Nach der Verwandlung ist die Puppe zunächst vollkommen farb- los. Trotzdem lassen sich die Geschlechter schon deutlich unter- scheiden, indem die elfte Rückenschuppe des Männchens zwei leicht er- Textfig. 16. Kombinirter Längsschnitt durch das Hinterleibsende einer jungen Puppe von Zimnophilus bipunctatus. E18. kennbare postsegmentale Vorwölbungen trägt, die sich später mit Zähnchen überziehen und dem Weibchen fehlen. Die bei der Larve nur durch flache Ringfurchen getrennten Abdominalsegmente schieben sich zunächst auf der Ventralseite wenig in einander (Textfig. 16). Der Ductus ejaculatorius dringt tiefer in das Abdomen ein und reicht jetzt ungefähr bis zur oralen Grenze des zwölften Segmentes (Text- 230 Enoch Zander. figur 16). In Folge dessen biegen sich die Ausführungsgänge der Anhangs- drüsen (Textfig. 16) dorsal-anal um, und werden nahe dem Duetus ejaculatorius, eben so wie dieser, von einer gemeinsamen Lage quer- sestreifter Ringmuskelfasern umhüllt (Textfig. 16). Während das Wachsthum der Anhänge in der Metamorphose wenig fortgeschritten ist (Fig. 11 P u. V), verflachte sich die Ge- nitaltasche so stark, dass sie bei jungen Puppen kaum noch zu erkennen ist (Fig. 11). Nur ihr lateraler Rand persistirt an der seit- lichen Basis der Valvae während des ganzen Lebens (Fig. 11 Gt), und bildet, stark cehitinisirt, die Grenzleiste zwischen den Valvae und der Wand des zwölften Segmentes. Durch das Verstreichen der Ge- nitaltasche wird auch der Peniszapfen an die Körperoberfläche ge- hoben (Fig. 11 ?) und liegt jetzt wieder in nächster Nähe der Valvae, jedoch nur für kurze Zeit. Sehr bald macht sich nämlich rings um den Penis eine Einsenkung bemerkbar (Fig. 12 Pf), die denselben wieder in die Tiefe der Abdominalhöhle verlagert (Fig. 12 P). Diese neue Grube vertieft sich sehr rasch und lässt bald erkennen, dass sie die Anlage der Penistasche bildet. Genitaltasche und Penistasche sind also zwei morphologisch unabhängige Bildungen. Gleichzeitig wächst der bisher plumpe Peniszapfen in ld Ta Textfig. 17. Kombinirter Längsschnitt durch das Hinterleibsende einer älteren Puppe von Zimnophilus bipunciatus. 14:1. die Länge und lässt ein weiteres basales, Stamm, und ein engeres distales Stück, medialer Endast, unterscheiden (Fig. 12 S? u. m.P). Neben letzterem sprosst lateral-dorsal jederseits ein keulenförmiger Fortsatz (Fig. 12 7.P), die Anlage der lateralen Endäste. Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Trichopteren. 231 Der Duetus ejaculatorius (Fig. 12 D.e) ist länger und enger, seine Ringmuskulatur (Fig. 12) stärker geworden. Die Ausführungs- sänge der Anhangsdrüsen (Textfig. 17), die sich bedeutend in die Länge gestreckt haben, machen eine doppelte Biegung, während das Vas deferens eine analwärts gerichtete Schlinge bildet. Der den Körper bisher gleichmäßig erfüllende Fettkörper schwindet bis auf eine dicke Lage, die die Hoden umhüllt (Textfig. 17). Die Sesmentringe schieben sich allmählich auch auf der Dorsal- seite in einander (Textfig. 17); ihre Differenzirung in Rücken- und Bauchschuppen, sowie Lateralmembran tritt immer deutlicher hervor, da die Grenzen der vier Regionen durch je zwei in der seitlichen Wand jedes Segmentes weit von einander verlaufende Chitinleisten bezeichnet werden (Textfig. 15 d, x). Die beiden letzten Segmente gliedern sich nicht in dieser Weise, das zwölfte bewahrt dauernd die Form eines Ringes, während das letzte sehr stark modifieirt wird: Die Matrix der Endborsten des Aftersegmentes (Fig. 12 £5) bildet sich langsam zurück; der dorsale Afterrand wächst in zwei sich rasch ver- längernde Fortsätze (Fig. 12 X///d) aus, die am entwickelten Thiere die Rückenschuppe des dreizehnten Segmentes repräsentiren. Gleich- zeitig wuchert an der lateralen Wand des Endsegmentes jederseits ein plumper Zapfen (Fig. 12 Aa), die erste Anlage der Appendices anales. Während unter der Puppenhülle die Chitinisirung des imaginalen Körpers zunächst mit dem Kopfe beginnt, wachsen sämmtliche Theile der Geschlechtsanhänge sehr schnell heran und nähern sich ihren definitiven Formen. Die Penistasche vertieft sich mehr und mehr (Fig. 15 Pt) und lässt deutlich einen weiteren Randabschnitt und einen engeren oralen Theil unterscheiden. Da das Stammstück des Penis sich anal verlängert hat, ist seine bisher starke Wand zart geworden (Fig. 15 St). Gleichzeitig senkt sich eine um die Basis der End- äste herumziehende Ringfalte tief in das Lumen des dünnwandigen Stammstückes ein, so dass dasselbe jetzt am Grunde der Penis- tasche zusammengefaltet ist (Fig. 13. Während dieses Vorganges wird auch die feinere Modellirung der Endäste vollendet. Der mediale Ast liegt als leicht dorsal gebogenes Rohr mit deutlich erweitertem und durch eine Rinsfurche abgegliederten Endstück (Fig. 13 mP) in der Penistasche, flankirt von den beiden lateralen Endästen (Fig. 137P), deren lang ausgewachsene Enden mehrmals zusammengebogen und mit zahlreichen Haaren besetzt sind. Die Oberfläche der primitiven Valvae (Fig. 13 Y), an denen nur gering- 292 Enoch Zander. fügige Formveränderungen bemerkbar sind, erhält allmählich einen dichten Haarbesatz. Auch die Anhänge und Fortsätze des dreizehnten Segmentes sind bedeutend größer geworden und erlangen ihre endgültige Gestalt (Fig. 15), während die Matrix der subimaginalen Endborsten auf zwei schmächtige Spitzchen medial von den Appendices (Aa) zusammen- schrumpft (Fig. 13 ED). Die Epidermis der höckerartigen Vorwölbungen am postsegmentalen Rande der elften Rückenschuppe treibt zahlreiche kleine Zähnchen (Fig. 13Zp), die nach und nach stark chitinisiren. Der Ductus ejaculatorius (Fig. 13 D.e7) durchzieht als enger, reich geschlängelter Kanal den Penis, während im Innern des Körpers Anhangsdrüsen und Vasa deferentia beträchtlich in die Länge wachsen (Textfig. 18) und dicht in einander verschlungen innerhalb des neunten Kl Ad Nexthe. 18. Kombinirter Längsschnitt durch das Hinterleibsende einer Puppe von Zimnophilus bipunetatus kurz vor der Metamorphose. x, Einmündungsstelle des Vas deferens in die Anhangsdrüsen. 18:1. und zehnten Segmentes verlaufen (Textfig. 15). Nachdem die Ge- schlechtsanhänge ihre defimitive Form angenommen haben, ergreift die Chitinisirung, rasch über Thorax und Abdomen hinschreitend, zuletzt auch die Theile des Geschlechtsapparates, die sich mit einer nach und nach stärker werdenden Chitindecke überziehen. Auch das Lumen des Ductus ejaculatorius wird von einer zarten Chitintapete ausgekleidet, während der Haarbesatz auf den lateralen Endästen des Penis, den Valvae und Appendices dichter und stärker wird. Die Entwicklung des männlichen Geschlechtsapparates ist damit vollendet. Meine Schilderung gipfelt in dem Resultate, dass die am ausgebildeten Insekte so grundverschieden erscheinenden Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 233 Kopulationsorgane bei Hymenopteren und Triehopteren morphogenetisch durchaus gleichwerthigen Anlagen ihre Entstehung verdanken. Diese Homologie kommt zum Ausdrucke: 1) in der Anlage einer dem postsegmentalen Rande der zwölften Bauchschuppe benachbarten Genitaltasche, 2) in der Bildung eines hohlen Primitivzapfenpaares am Grunde dieser Tasche, 3) in der sekundären Spaltung dieser Zapfen in je einen me- dialen und lateralen Ast, die Penis- und Valvae-Anlagen, 4) in der Verschmelzung der ursprünglich paarigen Peniszapfen zu einem einheitlichen Gebilde. Die morphologische Übereinstimmung der Geschlechtsanhänge bei Hymenopteren und Trichopteren ist jedoch nur während der frühesten Entwicklungsstadien nachweisbar, denn das weitere Schicksal der Anhänge und der Genitaltasche ist in beiden Insektengruppen ein total verschiedenes: 1) Während die Genitaltasche der Hymenopteren dauernd er- halten bleibt, verstreicht dieselbe bei den Trichopteren vollständig. 2) Bei den Hymenopteren bleiben Penis und Valvae in engster Verbindung mit einander, bei den Trichopteren dagegen rücken die Valvae an die Körperoberfläche und der Penis wird durch eine se- kundäre Einsenkung, -die Penistasche, in die Tiefe des Abdomen verlagert. Aus diesen Thatsachen ergiebt sich dann die Konsequenz, dass die Geschlechtsanhänge der Hymenopteren auf einer weit primitiveren Stufe der Entwicklung verharren und die primäre Anlage viel klarer erkennen lassen, als diejenigen der Trichopteren. In diesen Befunden liegt, wie ich bestimmt glaube, auch die Korrektur der anscheinend so abweichenden Angaben KLINKHARDT'S, über die Entwicklung der Geschlechtsanhänge der Rhopaloceren (7). Während ich für die Hymenopteren die Entstehung sämmtlicher Theile des Genitalapparates durch sekundäre Gliederung zweier Primitivzapfen unzweifelhaft nachgewiesen habe, giebt KLINKHARDT an, dass der Penis im Grunde einer engen ektodermalen Tasche, welche sich in der Mitte der 12. Bauchschuppe einsenkt, als papillen- artige Erhebung des Taschengrundes entsteht, während die Valvae als seitliche Anhänge am lateralen Tasehenrande vorwachsen. Bei der morphologischen Übereinstimmung der Geschlechtsanhänge der Lepidopteren und Hymenopteren kann es nach meiner Unter- suchung keinem Zweifel unterliegen, dass KLınKkHARrDT die jüngsten 234 Enoch Zander, Entwiecklungsstadien des Geschlechtsapparates von Vanessa Io gar nicht gesehen, sondern seine Studien erst begonnen hat, nachdem die Spaltung der Primitivzapfen, die Verschmelzung der Penisanlagen zu einer »papillenartigen Erhebung des Taschengrundes«, die Reduktion der Genitaltasche, die Bildung der Penistasche bereits vollzogen und die Valvae an den lateralen Rand der Tasche gerückt waren.’ Ich bin am Schlusse meiner Untersuchung angelangt. Nachdem es mir gelungen ist, für zwei so grundverschiedene Insektengruppen die Einheit des morphologischen Aufbaues der Geschlechtsanhänge unzweifelhaft nachzuweisen, erscheint‘ der Gedanke, dass auch die Genitalapparate der übrigen Hexapoden dem gleichen Stieltypus unter- worfen sind, nicht mehr so unberechtigt. Ob dies wirklich der Fall ist, will ich durch weitere Studien zu ergründen versuchen. Erlangen, Februar 1901. Litteraturverzeichnis. 1. F. J. PıctET, Recherches pour servir ä l’histoire et ä l’anatomie des Phry- ganides. Geneve, 1834. 2. R. MAcLACHLAN, A monographie Revision and Synopsis of the Trichoptera of the european Fauna. London, 1874-80. 3. A. SPULER, Zur Phylogenie und Ontogemie des Flügelgeäders der Schmetter- linge. Diese Zeitschr. Bd. LIII. 189. 4. 0. HorFMANN, Die deutschen Pterophorinen. Ber. naturw. Ver. Regensburg 1894/95. d&. —— Die Orneodiden (Alueitiden) des paläarktischen Gebietes. Entomol. Zeitschr. Iris 1898. 6. A. PEYTOUREAU, Contribution a l’etude de la morphologie de l’armure geni- tale des insectes. Paris 189. %. V. KLINKHARDT, Beiträge zur Morphologie und Morphogenie des männ- lichen Genitalapparates der Rhopalocera. Erlanger Dissertation 1900. 8. E. ZANDER, Beiträge zur Morphologie der männlichen Geschlechtsanhänge der Hymenopteren. Diese Zeitschr. LXVII, 461. 1900. 9. H. Srirz, Der Genitalapparat der Mikrolepidopteren. Zoolog. Jahrb. Anat. Ontog. XIV, 135. 1900. - Beitr. zur Morphologie der männl. Geschlechtsanh. der Triehopteren. 235 Erklärung der Abbildungen. Wie in meiner Abhandlung über die männlichen Geschlechtsanhänge der Hymenopteren (8) bedeutet: blau m Penis; roth = Valvae, violett = Duetus ejaeulatorius. Ferner bezeichnet: A, After; P, Penis; Aa, Appendices anales; mP, medialer , Bp, Basaltheil des Penis; IP, lateraler EndasrzdesgEeniZ, d, Rückenschuppe; Pt, Penistasche; D.ej, Ductus ejaculatorius; Zm, Ringmuskulatur des Duct. ejac.; _Eb, Endborste des XII. Segmentes; St, Stammstück des Penis; Ep, Endabschnitt des Penis; V, Valva: Gt, Genitaltasche; Zp, Zähnchenhöcker der XId; Mf, basaler Muskelfortsatz der Valva; AZ, XII, XIII Körpersegmente. Tafel X. Figg. 1—7. Lateralansichten verschiedener Geschlechtsapparate: Fig. 1. Anabolia laevis, 40:1. Fig. 2. Phryganea grandis, rechte Hälfte des XII. Segmentringes ent- fernt, 40:1 Fig. 3. Notidobia ceiliarıs, 40:1. Fig. 4. Molanna angustata, y = dors. Anhang von AIIT. 45:1. Fig. 5. Hydropsyche pellucidula, 45:1. 6. Rhyacophila obliterata, 40:1. Fig. 7. Ozxyethira Friei 130:1, Z= Anhang des Penis. Figg. 8S—13: Konstruktionsmodelle zur Entwieklung der männlichen Geschleehtsanhänge von Zimnophilus bipunctatus: Fig. 8. Stadium 2. Penistasche dorsal angeschnitten, O = ventrale Öffnung derselben. 92:1. Fig. 9. Stadium 3, linke Hälfte der Genitalanlage. 92:1. Fig. 10. Stadium 3, Ventralansicht. 70:1. v»A = ventraler Afterrand. Fig. 11. Stadium 4, linke Hälfte, Adr = Ausführungsgang der Anhangs drüsen. 50:1. Fig. 12. Stadium 5, linke Hälfte 50:1. Fig. 15. Stadium 6, linke Hälfte 50:1. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 16 Über die Embryonalentwicklung der Radula bei den Mollusken. I. Die Entwicklung der Radula bei den Cephalopoden. Von 6. Rottmann aus Hamburg. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) Mit Tafel XI und XII und 4 Figuren im Text. Die Veranlassung zu den vorliegenden Untersuchungen bot die Thatsache, dass unsere Kenntnisse von der embryonalen Entwicklung der Radula recht dürftige sind. Zwar besitzen wir einige sehr aus- führliche und genaue Untersuchungen über die spätere Ausbildung und das Wachsthum der Radula beim erwachsenen Thier bezw. in schon fortgeschrittenen Stadien, aber die erste Anlage und das Auftreten der Zähne ist meines Wissens bisher überhaupt nicht bekannt geworden. Allerdings ist eine Arbeit von BLocH vorhanden, welche die Embryonalentwicklung der Radula eines Prosobranchiers (Paludina vivipara) behandelt, von ihr wird jedoch im II. Theil dieser Unter- suchungen gezeigt werden, dass sie dem wirklichen Sachverhalt keineswegs entspricht. Ich versuchte an verschiedenen Objekten das thatsächlich früheste Auftreten der Radula festzustellen und erhielt bei den Cephalopoden recht günstige Resultate. Dieselben erwiesen sich für diese Untersuchungen als besonders geeignet durch die Form und beträchtliche Größe der Zähne, welche das Erkennen der be- treffenden Vorgänge wesentlich erleichterten. Mein Hauptuntersuchungsobjekt war ZLoligo vulgaris; außerdem studirte ich von Decapoden noch Sepia officinalis und von Octo- poden Octopus vulgaris sowie Eledone moschata. Von Loligo vulgaris wurden ganz junge Stadien und ältere Embryo- nen bis kurz vor dem Ausschlüpfen untersucht. Ich werde später zur Bezeichnung des Alters der Embryonen auf die Abbildungen im Lehr- buch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte von KORSCHELT und Über die Embryonalentwieklung der Radula bei den Mollusken. I. 237 HEIDER verweisen. Von den Embryonen der übrigen oben genannten Arten, die ich hauptsächlich desshalb heranzog, um festzustellen, ob die Entwieklungsvorgänge sich in entsprechender Weise wie bei Loligo vulgaris vollziehen, untersuchte ich nur mittlere und ältere Stadien. Zur Fixirung derselben war meist Sublimat und Chrom- osmiumessigsäure angewendet worden. Das gesammte Material war mir in liebenswürdiger Weise von meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. KORSCHELT zur Verfügung gestellt worden und sage ich demselben hierfür, sowie für die Anleitung bei meinen Untersuchungen meinen aufrichtigen Dank. Methode. Anfangs hatte ich einige Schwierigkeiten gute Schnittserien zu erzielen, da das Splittern des Dotters, zumal bei den jungen Em- bryonen sehr störend ist, doch ließ sich dasselbe durch Abkürzen der Behandlung vermeiden, da das längere Verweilen der Objekte in Xylol bezw. Chloroform und im Schmelzofen dieselben zu spröde und hart machte. Nachdem die Objekte 24 Stunden in Alkohol abs. gehärtet worden waren, brachte ich sie für 2 Stunden in Xylol, sodann im Schmelzofen auf eine halbe Stunde in eine Lösung von Xylol und Paraffin und schließlich nur eine Stunde in reines Paraffin. Diese Zeit genügte vollkommen zum Durchtränken und ließ sich der Dotter jetzt bedeutend besser schneiden. Nachdem die Schnitte auf den Objektträger geklebt waren, wandte ich die verschiedenen ge- wöhnlichen Färbemittel an, wie Boraxkarmin, Hämatoxylin und die HEiIDEnHAIN’sche Methode, erkannte jedoch bald, dass ich mit diesen Färbemitteln nicht die zur Feststellung der Zahnbildung in den jüng- sten Embryonalstadien nöthige Differenzirung der Färbung erreichen würde. Abgesehen davon, dass die Präparate bei Anwendung der gewöhnlichen Färbungen nicht klar genug erschienen, nahmen gerade die neu abgeschiedenen Theile der Radula im Taschengrunde, auf die es mir ganz besonders ankam, zumeist keine Spur des Farbstofis an, so dass sich Form und Struktur dieser jüngsten Partien der Radula nur höchst unsicher und jedenfalls ungenügend feststellen ließen. Daher kommt es wohl auch hauptsächlich, dass über die frühen Embryonalstadien der Radulabildung: Sicheres bisher nicht be- kannt wurde, bezw. dieselben überhaupt noch nicht beschrieben wurden. Um nach dieser Richtung einen Schritt weiter zu kommen, suchte ich nach Mitteln, die Zähne different vom Gewebe der Radula- tasche zu färben. Von den verschiedenen Anilinfarben, welche ich 1105 238 G. Rottmann, anwandte, erwies sich das Bismarckbraun als ganz besonders geeignet und führte nicht nur in den älteren, sondern auch in den jüngeren Stadien der Radulabildung eine vollständig genügende klare Differen- zirung der zur Zahnbildung ausgeschiedenen Substanzen bezw. der Basalmembran ete. herbei. Die von mir angewandte Färbungsmethode war nunmehr folgende. Ich färbte die Schnitte nach der HrıpexHain schen Eisenhämatoxylin- Methode vor und überführte sie dann in eine Lösung von Bismarck- braun in Alk. abs., in welcher sie einige Minuten verblieben. Sodann brachte ich sie nur für einen Moment in Alk. abs., um den Über- schuss an Farbstoff zu entfernen, hierauf in Xylol und schloss sie in Kanadabalsam ein. Diese Methode, durch welche gerade die frisch abgesonderte Substanz der jüngsten Zähne intensiv gelbbraun gefärbt wurde, ermöglichte es mir, die geringste Spur einer Neubildung sofort zu erkennen. Außerdem gewannen die Präparate bedeutend an Klarheit. Sehr wichtig ist eine genaue Orientirung der Embryonen beim Anfertigen der Schnitte, denn nur an gut orientirten Transversal- und Sagittalschnitten ist es möglich über die Bildung der Zähne zu völ- liger Klarheit zu gelangen. Ganz besonders gilt dies für die Sagittal- schnitte, da die Radula bekanntlich mehrere Längsreihen von Zähnen aufweist und ein Abweichen von der medianen Schnittrichtung sofort unklare und schwer verständliche Bilder liefert. Ich erwähne noch, dass die Untersuchungen, besonders wo sie sich auf die jüngste Anlage der Zähne beziehen, mit den besten Zxıss’schen Immersionssystemen ausgeführt wurden, die mich die betr. schwierig zu beurtheilenden Verhältnisse erst richtig erkennen lehrten. Topographischer Überblick der in Frage kommenden Organe. Die Mundmasse der Cephalopoden bildet einen dieken Bulbus von eiförmiger Gestalt, welcher hinten von dem Kopfknorpel begrenzt wird und sich vorn in die von der Interbrachialhaut gebildete Vertiefung einsenkt. Zur Befestigung der Mundmasse dient eine zeltartig ausgespannte Haut, Mundhaut, welche nach vorn die Verbindung mit den Armen herstellt. Diese bildet am Eingang zur Mundhöhle zwei wulstige Falten, die Lippen, welche sich über der Mundmasse zusammenschließen können. Aus ihr hervor ragen die beiden bei allen Cephalo- poden mächtig entwickelten Kiefer. Die Begrenzungen der Mundmasse bilden muskulöse Wände, welehe nach hinten durch Muskelbänder mit dem Kopfknorpel verbunden sind. Der im Innern frei bleibende Hohlraum wird nun von einem äußerst komplieirt gebauten Gebilde ausgefüllt. Ich will nur in so weit auf dasselbe eingehen, als es für meine Zweeke erforderlich ist. Der hauptsächlichste, ventrale Theil der Höhlung Über die Embryonalentwiceklung der Radula bei den Mollusken. I. 239 wird von einem weit in dieselbe vorspringenden Organ, der Zunge, eingenom- men. In dem dieken, muskulösen hinteren Theil derselben eingeschlossen findet sich die Radulatasche. Dieselbe stellt einen dorsoventral abgeplatteten Schlauch dar, welcher an seinem hinteren, erweiterten Ende birnförmig verdickt ist. Nach vorn zu wird ihr Lumen bedeutend enger und öffnet sich dieselbe mit einem langen, bald mehr, bald weniger gebogenen Halse in die Mundhöhle. Die untere Wand dieser Tasche wird von einem Epithel ausgekleidet, welches die Radula trägt. Das Lumen der so entstandenen Höhlung wird von einem Bindegewebs- pfropf ausgefüllt, der ebenfalls von einem Cylinderepithel bekleidet ist. Der vordere, nicht in der Scheide steckende Theil der Radula breitet sich auf der Zungenspitze zu einer leicht konvexen breiten Platte aus, welche unter einem spitzen Winkel nach unten und hinten umbiegt, und so die freie Zungenspitze darstellt. Die hierdurch entstandene Falte pflegt passend als Sublingualfalte bezeichnet zu werden. Das obere Epithel der Radulatasche biegt hinten dorsal- wärts um, um bald darauf eine Einbuchtung zu bilden (Subösophagealfalte), welche von zwei mächtigen, in der Medianlinie getrennten, Muskelpapillen über- dacht wird. Diese beiden vor der Zungenspitze beginnenden und gegen die Speiseröhre rückwärts ziehenden Längswülste lassen vorn eine schmale Rinne zwischen sich, vereinigen sich aber etwas weiter hinten mit einander. Sie um- geben die gesammte Zungenanlage und setzen sich am Boden der Mundhöhle zu beiden Seiten an. Unmittelbar unter der Sublingualfalte befindet sich in einer wulstartigen Vertiefung die Austrittsstelle des gemeinsamen Ausführungs- sanges der hinteren Speicheldrüsen, welche als paariges (rebilde hinter dem Cere- bralganglion gelegen sind. Die untere Fläche der Zunge grenzt sich durch eine schlauchartige Vertiefung von dem Unterkiefer ab. Man hat irrthümlicherweise (so z. B. GRENACHER), angenommen, dass diese Vertiefung den Ausführungs- gang der vorderen oder oberen Speicheldrüsen in sich aufnehme. Ich habe bei meinen Untersuchungen auch die Speicheldrüsen einer kurzen Untersuchung unterzogen und kann mich in mancher Hinsicht den früheren Autoren nicht anschließen. Bislang nahm man meist an, dass die Oetopoden zwei Paar Speicheldrüsen besäßen, ein vorderes an der Mundmasse und ein hinteres im Abdominalraum gelegenes; dieses erstere Paar fehlte bei den Decapoden. JouBIN jedoch, dessen Arbeit über die Speicheldrüsen der Cephalopoden im Jahre 1887 erschienen ist glaubte aueh bei den Decapoden das erstere gefunden zu haben, jedoch umge- bildet zu einer einzigen medianen und unpaaren Drüse, welche unter dem Öso- phagus gelegen sein sollte und sich stark mit Muskelbündeln vermischt hätte. Diese Drüse sei sehr wohl, was ihre Struktur sowohl als auch die Lage ihres exkretorischen Theiles beträfe, homolog den am Buccalbulbus gelegenen Drüsen der Octopoden. Ich habe nun mein gesammtes sehr reiches Material daraufhin untersucht, ohne ein derartiges Gebilde entdecken zu können. Auch konnte ich mich bei Betrachtung seines Sagittalschnittes durch Septa elegans (Fig. 7, Taf. II) des Eindruckes nicht erwehren, dass das ge- sammte Gewebe stark geschrumpft sei. So vermisse ich z. B. das gesammte obere Epithel der Radulatasche, welches doch alle Lücken zwischen den Zähnen ausfüllt.. | Ich möchte nun bemerken, dass mir bei Untersuchungen des Schlundkopfes der Decapoden zwei kleine rundliche Gebilde aufgefallen sind, welche zu beiden Seiten der Mundmasse gelegen waren und je mit einem Ausführungsgange ver- sehen waren, welcher jeder, nachdem er die oben erwähnte Muskelpapille durch- 240 G. Rottmann, bohrt, sich in die unter denselben liegende Einbuchtung eröffnete. Ich möchte annehmen, dass die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, es hier mit Gebilden zu thun zu haben, welche den vorderen Speicheldrüsen der Octopoden minde- stens sehr ähnlich sind. Ich werde auf diese Drüsen bei Behandlung der Radula- bildung von Sepia officinalis weiter unten nochmals kurz zurückzukommen haben (Fig. 22, Taf. XI). Bau der Radula. Was den Bau der ausgebildeten Radula bei den Cephalopoden anbetrifft, so ist dieselbe im Ganzen nach dem von den anderen Mollusken bekannten Typus gebaut. Die Reibmembran ist eine durchsichtige elastische Membran aus Chitin, welche stets länger als breit ist. Ihr größerer hinterer Theil ist rinnen- förmig aufgebogen und von der Zungentasche eingeschlossen. Bald nach ihrem Austritt aus derselben erfährt sie eine Ausdehnung der seitlich von den Zahn- reihen gelegenen Theile, so dass sie, wie schon oben erwähnt, die Zungenspitze in Gestalt einer leicht konvexen Platte bedeckt. Von der Oberfläche dieser Basalmembran nun erheben sich in äußerst regelmäßiger Aufeinanderfolge Zähne von sehr verschiedenartiger Gestalt. Unter diesen Zähnen ist die Basalmembran bedeutend verdickt. Dieselben sind immer in regelmäßigen Längs- und Quer- reihen angeordnet. Man pflegt die einzelnen Querreihen auch als Glieder zu bezeichnen. Stets lässt sich in jedem Gliede eine Mittelplatte unterscheiden, der sich dann jederseits andere Platten anschließen. Die der Mittelplatte zunächst liegenden bezeichnet man als Zwischenplatten, die darauf folgenden seitlichen als Seitenplatten. Bei den Dibranchiaten sind nun stets 7 Längsreihen solcher Platten vor- handen, von denen die äußersten seitlichen immer zu langen Haken umgebildet sind (Sepia). Sehr häufig treten aber an den Seiten noch flache, nicht zahn- tragende Platten hinzu, so dass auch neun Platten in jedem Gliede nicht selten sind (Zledone, Octopus, Loligo). Die Zahnplatten einer jeden Querreihe zeigen mit ihrer bald mehr bald weniger ausgezogenen Spitze stets nach dem hinteren Ende der Tasche; außerdem sind die Zwischen- und Seitenplatten schief zur Mittelplatte geneigt. Die Form der Zähne zeigt die größte Mannigfaltigkeit, welche dadurch verursacht wird, dass die einzelnen Zahnplatten wieder in mehrere Spitzen oder Zähnchen auslaufen. Am auffallendsten von allen anderen Cephalopoden weicht die Gattung Sepia ab, welche sich durch die Einfachheit ihrer Platten auszeichnet. Die Mittel-, Zwischen- und inneren Seitenplatten haben fast die gleiche dreieckige Gestalt; nur die äußeren Seitenplatten sind länger, mehr dornförmig und gekrümmter. Bezüglich der Angaben JATTA’s, der die Radula von Sepia officinalis in seiner Monographie beschreibt und abbildet, muss ich bemerken, dass es sich wohl um ein Versehen handelt, wenn derselbe nur fünf Platten in jeder Querreihe annimmt. Schon SWAMMERDAM und später TROSCHEL haben sieben Reihen konstatirt, und kann ich ihre Angaben nur be- stätigen, indem ich auf Fig. 23 und 24, Taf. XII verweise. Litteraturübersicht. “ Angaben über die Bildung der Radula bei den Cephalopoden sind nur ver- hältnismäßig wenige vorhanden, doch muss man hier etwas weiter greifen, da die Verhältnisse der Radulabildung bei den Cephalopoden mit denen bei den übrigen Mollusken in verschiedener Hinsicht sehr viel Übereinstimmendes bieten. Über die Embryonalentwicklung der Radula bei den Mollusken. I. 241 Bezüglich der älteren Angaben über die Radula und ihre Bildung verweise ich auf die Arbeiten meiner Vorgänger, welche die Verdienste von TROSCHEL, LEBERT, LOVEN, KÖLLIKER, SEMPER, TRINCHESE, SHARP und RÜCKER ent- sprechend würdigen. Ich verweise ferner ausdrücklich nicht nur auf die Dar- stellung des Gegenstandes, sondern auch auf die ausführlichen Litteraturüber- sichten, welche RÖSSLER und BLocH im Hinblick auf die Entstehungsweise der Radula gegeben haben und möchte meinerseits nur auf die richtigste und senaueste Untersuchung, welche wir über die Bildung der Radula besitzen, nämlich auf die von RÖSSLER etwas genauer eingehen, da sich meine eigenen Untersuchungen ganz besonders auf seine Resultate stützen. Ich thue dies am besten, indem ich kurz die Ergebnisse seiner umfang- reichen Untersuchungen zusammenfasse: »Dem Hinterende der Radula angelagert finden sich eine Anzahl besonders entwickelter Epithelzellen, durch deren sekretorische Thätigkeit die Bildung der Zähne, als auch der Basalmembran erfolgt, und zwar werden die Zahnplatten, deren konvexe der Mundhöhle zugekehrte Fläche die ältere ist, gleich in ihrer definitiven Form und einer mit dem Gesammtwachsthum des Thieres zunehmen- den Größe abgeschieden und mit der gleichzeitig entstehenden Grundmembran, sowie dem verlängerten Basaltheil des vorhergehenden Zahnes derselben Längs- reihe verbunden. Die Bildungszellen (Odontoblasten) treten in zweierlei Gestalt und Größe auf. Entweder ist eine geringe Zahl großer Zellen mit mächtigem Kern und hellem Plasma zu einem fast ringförmig geschlossenen Wulste ver- einigt (Pulmonaten, Opisthobranchien), oder es scharen sich sehr viele schmale Odontoblasten, die nur zuweilen durch bedeutendere Länge sich von den be- nachbarten Epithelzellen unterscheiden, zu einem gemeinsamen, ungefähr halb- kugelig gewölbten Polster zusammen (Prosobranchien, Placophoren, Heteropoden, Cephalopoden). Bei Pulmonaten und Opisthobranchien, die sich durch Einheitlichkeit ihrer Zahnformen auszeichnen, betheiligen sich an der Bildung eines Zahnes zunächst vier resp. fünf halbkreisförmig hinter einander liegende Zellen, während das unter jedem Zahn liegende Stück der Basalmembran von einer einzigen Zelle abge- schieden wird, deren Größe zur Mächtigkeit der Grundmembran in direktem Verhältnis steht. Die Odontoblasten werden nach Bildung eines Zahnes nicht durch neue, von hinten nachrückende Zellen ersetzt, sondern die nämliche Zell- gruppe erzeugt alle Zähne einer Längsreihe. Bei den Prosobranchien, Placo- phoren, Heteropoden und Cephalopoden zerfällt das Odontoblastenpolster in so viele Einzelabtheilungen als in einer Querreihe der Reibplatte Zähne vorhanden sind, deren Gestalt der Oberfläche der erzeugenden Zellgruppen genau entspricht. Die Bildung der geschichteten Basalmembran geht von den unteren Partien des Epithelpolsters aus, und zwar spalten sich die Enden der Matrixzellen in parallele Fasern, die sich verlängern und sich seitlich an einander legen. Es wird so ein kontinuirliches Wachsthum der Membran an ihrem Hinterende ermöglicht. Die Fertigstellung der Zähne erfolgt durch das die Radula überlagernde Epithel, dessen Zellen, ein zähflüssiges Sekret absondern, das auf den Zähnen zu einer Schmelzschicht erhärtet und dieselben widerstandsfähiger gegen die Abnutzung macht. .Das basale unter der Grundmembran gelegene Cylinderepithel secernirt eine dünne Subradularmembran. Eine Vorwärtsbewegung der Radula findet nur im Zusammenhang mit den umliegenden Geweben statt und ist als Wachsthums- erscheinung aufzufassen. Die den vorderen Partien der Radulatasche angehörige Muskulatur tritt dabei unterstützend in Thätigkeit.« 242 G. Rottmann, Die Theorie der Entstehung der Radula, welche von TRINCHESe, SHARP und RÜCKER aufgestellt und durch RÖSSLER befestigt wurde, ist dann in neuerer Zeit durch verschiedene Arbeiten im Prineip wenigstens bestätigt worden, wenn dieselben auch in manchen Punkten abweichen. So unterwirft WiRrEn in seinen Studien über die Solenogastren auch die Frage der Radula- bildung einer eingehenden Erörterung und kommt im Gegensatz zu obigen Autoren zu der Auffassung, dass die von T'RINCHESE vertretene Ansicht die richtige sei, nämlich, dass die Zähne nicht durch Absonderung sondern durch Cutieularisirung der Odontoblasten, d. h. durch eine Art euticularer Umwand- lung eines Theils der Zellsubstanz gebildet werden (I, p. 43, Ik, p. 75). Er denkt sich die Sache folgendermaßen: »Wenn eine neue Zahnreihe entwickelt werden soll, wird zuerst von der undifferenzirten Zellenmasse an der Spitze der Radulatasche eine Querleiste von Odontoblasten (bezw. Querreihe von Papillen) gebildet, dann fängt die Cutieularisirung derselben an, und mehrere Zellen tragen gleichzeitig (nicht wie RÖSSLER angiebt successive) zur Bildung eines jeden Zahnes bei. Nachdem die Zähne gebildet sind, entwickelt sich unter ihnen die Grundmembran, und die Odontoblasten werden zu Epithelzellen der Art wie die unter der Radula befindlichen. Dann entsteht eine neue Querleiste Odonto- blasten.< »Die Radula ist also eigentlich ein Stück Cutieula«, wie er es aus- drückt. Die gesammten bis jetzt angeführten Autoren beschäftigten sich, wie wir gesehen haben, ausschließlich mit der Neubildung der ausgebildeten Radula. Erst in neuerer Zeit behandelt BLocH die embryonale Entwicklung der Ra- dula, und zwar bei Paludina vivipara. Nach den Angaben des genannten Autors beginnt die Entwicklung der Radula mit der Absonderung einer Basalplatte von ganz bedeutender Dicke, der erst später die Bildung von Zähnchen folgt. An diese Lamelle, welche von den sesammten unteren Zellen ausgeschieden wird, lagern sich später hinten neue Chitintheile an, welche durch neue Zellen abgesondert werden, während die ur- sprünglichen Matrixzellen durch allmähliche Erschöpfung in die niedrigen Zellen des basalen Epithels übergehen. Das obere Epithel nun soll schon lange vor dem Auftreten der Zähnchen follikelartige Zellgruppen bilden und auf die em- bryonale Basalplatte eine besondere Schicht auftragen. BLocH nimmt nun an, dass Basalmembran und Zähne als dieselbe Bildung anzusehen sind, also nicht gesondert ausgeschieden werden, da er keine Trennungs- linie wahrnehmen kann, und zwar bilden sich die Zähnchen folgendermaßen: >»in den tiefer gelegenen Zellen des Odontoplastenpolsters, welche die Basalplatte absondern, ist die Sekretion reichlicher als in den oberen, so dass letztere ihr nicht folgen kann. Dadurch nun, dass die neugebildeten Theile der Basalmem- bran die älteren nach vorwärts schieben, findet im oberen Theil, wo die Sekre- tion langsamer vor sich geht, ein Zerreißen oder Abheben von der Zellunterlage statt, d. h. die Chitinabsonderung bildet die auf der Basalplatte stehenden Zähnchen. « Was mir nun an den Abbildungen BLocH’s besonders auffällig erscheint, ist zunächst die kolossale Dicke der vor Bildung der Zähnchen gebildeten Basal- membran. Sollte sich der Autor, welcher die Zähne und die Basalmembran nicht different gefärbt hat, vielleicht durch die die Radulatasche der Embryonen von Paludina vivipara ausfüllende Eiweißschicht haben täuschen lassen? Ferner er- innern die »follikelartigen Zellgruppen« ganz an das Aussehen stark geschrumpfter Gruppen von Epithelzellen. Ich habe BLocH’s Angaben nicht einer Nachprüfung Über die Embryonalentwicklung der Radula bei den Mollusken. I. 243 unterziehen können, glaube aber, dass eine erneute Untersuchung mit gut kon- servirtem Material und geeigneten Färbemitteln ein wesentlich anderes Resultat ergeben wird. Zum Schluss wäre noch die Arbeit THIELE’s zu erwähnen. Derselbe unter- suchte die Radula der Solenogastren und fand, dass derselben häufig eine Ba- salmembran fehlt, sobald dieselbe mehr als eine Reihe von Zähnen hat. Das Vorrücken der Radula geschieht nach seiner Meinung nur durch ein Wachsthum des Epithels der Scheide, so dass nicht bloß die Cutieularmasse, sondern auch die umgebenden Zellen vorgeschoben werden. Kurzer Überblick über die Entwicklung des Vorderdarmes. Um die allmähliche Ausbildung der Radulatasche im Zusammen- hang mit den umliegenden Organen klarzulegen, gebe ich zunächst einen kurzen Überblick der Entwicklung des Vorderdarmes. Die erste Anlage und weitere Ausbildung desselben ist überein- stimmend von den Autoren GRENACHER, RAY LANKESTER, BOBRETZKY, Ussow, WaATAsE, VIALLETON und in neuerer Zeit von KORSCHELT beschrieben worden, und kann ich die Angaben obiger Autoren be- stätigen. Der Vorderdarm wird zwischen und etwas vor den Augen in Form einer dorso-ventral abgeplatteten Ektodermeinsenkung angelegt. Aber ehe es zu dieser Einsenkung kommt, ist die Anlage bereits zu erkennen als eine Platte, welche aus ganz eylindrischen Zellen be- steht. Bei fortschreitender Entwickelung senkt sich sodann diese Platte zur Bildung des Stomodäums ein. Noch außerhalb des letz- teren tritt jedoch schon eine Einsenkung auf, welche die erste An- lage der hinteren Speicheldrüsen darstellt. Die Mundeinstülpung senkt sich bald weiter ein, indem sie gegen den Gipfel des Dotters zu wächst, und wird in Folge dessen auch die Anlage der hinteren Speicheldrüsen mehr nach innen verlegt. Im weiteren Verlauf der Entwicklung treten sodann in der Nähe des Mundes am Vorderdarm- epithel verschiedentliche Erhebungen und Faltungen auf. So erscheint zunächst dicht hinter der hinteren Speicheldrüsenanlage eine leichte Aussackung der ventralen Vorderdarmwand, die erste Anlage der Radulatasche. Dieselbe senkt sich nach hinten und innen mehr ein, jedoch bleibt ihr Lumen auf diesem Stadium noch ziemlich weit. Hinzugekommen ist dann außerdem vor der Mündung des Speichel- drüsenganges eine weitere schwache Einsenkung. Ein älteres Stadium zeigt uns folgendes Bild: die Radulatasche ist nicht mehr rundlich, sondern hat sich nach hinten bedeutend verlängert, das obere Epithel liegt dem unteren fest an. Parallel 244 G. Rottmann, zur Radulatasche verläuft nach hinten die Speicheldrüsenanlage, welche sich bedeutend verlängert hat. Die oben erwähnte Einsenkung vor ihrer Mündung hat sich schlauchförmig vertieft, und erscheint in Folge dessen die gesammte Zungenanlage mehr hervorgewölbt. Als weitere Differenzirungen kommen dann auf diesem Stadium’ noch hinzu: die Anlagen der beiden Kiefer, und zwar erscheinen dieselben als Hervorwölbungen der oberen und unteren Darmwand, hervorge- rufen durch ein bedeutendes Längenwachsthum der Ektodermzellen. Die Kiefer selbst entstehen als euticulare Abscheidungen dieser Zellen. Die Anlage für den Unterkiefer befindet sich unmittelbar vor der Mündung jener oben erwähnten, unter der Austrittsstelle des Speichel- drüsenganges gelegenen schlauchförmigen Einstülpung, während jene für den Oberkiefer weiter nach innen, der Speicheldrüsenmündung gegenüber erscheint. Inzwischen ist die Vereinigung des Vorder- und Mitteldarmes bereits eingetreten. Nach einiger Zeit erscheinen zunächst am Ein- gang zur Mundhöhle unmittelbar vor den Kiefern als ektodermale . Hervorwölbungen die beiden Lippen. Ferner hat sich einmal unter der Austrittsstelle der Radula eine Falte, die Sublingualfalte, gebildet, und weiter über derselben dorsalwärts eine weitere Einbuchtung ein- gestellt, in welche von rechts und links die beiden Ausführungsgänge der oben erwähnten Drüsen einmünden. Die Einbuchtung wird über- dacht von zwei Muskelpapillen, welche seitwärts die gesammte Zungenanlage umschließen. Die Entwicklung der Radula bei Loligo vulgaris. 1. Die Bildung der Basalmembran und der ersten Zähne. Über die Entwicklung der Zungentasche wurde Orientirendes bereits im vorigen Abschnitt mitgetheilt und so weit sich meine Unter- suchungen auf so frühe Stadien beziehen, bestätigen sie dies. Da diese Vorgänge von BOBRETZKY und KORSCHELT eingehend geschildert wurden, so beginne ich meine Darstellung mit den Stadien, in wel- chen bereits die erste Anlage der Radula zu bemerken ist. Diese findet sich nach meinen Erfahrungen zuerst im Stadium eines Em- bryos, wie er in Fig. 659 im Lehrbuch der vergleichenden Entwick- lungsgeschichte von KORSCHELT und HEIDER (Spee. Theil, pag. 1117) dargestellt ist. Die Tasche ist ein noch ziemlich kurzes, fast rundes Säckchen, welches mit einem engen Ausführungsgang vorn in die Mundhöhle einmündet; außen ist sie von einer bindegewebigen Hülle Über die Embryonalentwicklung der Radula bei den Mollusken. I. 245 (dgw) umschlossen. Der Hauptsache nach wird sie von einem ziemlich sroßzelligen Cylinderepithel gebildet (Fig. 1, Taf. X]). Um die Beschreibung zu vereinfachen, wollen wir eine obere und untere Wand, d.h. eine obere, die Radula deckende (o.ep) und eine untere, basale Epithellage (w.ep) unterscheiden (Fig. 1—10, Taf. XI und Fig. 11—14, Taf. XII). Naturgemäß gehen die obere und untere Epithellage im Grunde der Tasche in einander über; hier bleibt zwischen beiden Schichten ein freilich nur unansehnlicher Zwischen- raum. Nach vorn geht dann das basale Epithel in den Zungenrücken über, während das obere an der Mündung der Tasche rechtwinklig nach hinten umbiegt, um die untere Ösophaguswand zu bilden (Fig. 2, Taf. XJ). Die Kerne zeigen in beiden Zellschichten, welche sich an Höhe ungefähr gleichen, eine länglich ovale Form. Während nun auf einem nur wenig jüngeren Stadium, welches noch keinerlei Andeu- tung der Radulabildung erkennen lässt, sämmtliche Zellen, was ihre Färbbarkeit anbetrifft, sich gleichmäßig verhalten, sehen wir jetzt und zwar auf allen den von mir dargestellten Entwicklungsstadien der Zungentasche, wie die Kerne der Zellen hinten unten im Taschen- srunde bedeutend mehr Farbstoff aufnehmen und sich intensiv dunkel färben (Fig. 1—10, Taf. XI), auch scheint die Anordnung der Kerne eine etwas unregelmäßigere geworden zu sein. Öfters sieht man zumal in den jüngeren Stadien dort, wo das untere Epithel hinten in das obere übergeht und etwas weiter vorn Kerntheilungsfiguren auftreten. Was uns nun am bemerkenswerthesten erscheint, ist das Auf- treten einer feinen Cuticula, der Basalmembran (dm), welche sich intensiv färbt und in Form einer an den Seiten leicht aufgebogenen Platte auf dem basalen Epithel ruht. Diese Membran erstreckt sich stets, sobald sie auftritt, durch die ganze Tasche bis auf den Zungen- rücken; ich habe sie nie etwa nur im hinteren Theile gefunden (Fig. 1—5, Taf. XT), sie ist also durch eutieulare Abscheidung des sesammten basalen Epithels entstanden. Hinten im Grunde der Tasche macht sich alsbald in Verbindung mit der Basalmembran eine neue Differenzirung bemerkbar. Es tritt nämlich nach Art einer lokalen Verdickung in der Medianlinie eine neue Sekretion von Seiten der unter der Basalmembran liegenden Zellen auf, wie dies besonders anschaulich die einen Querschnitt der Zungentasche darstellende (Fig. 11, Taf. XII) zeigt. Man erkennt wie durch die neue Substanzablagerung die Basalmembran selbst etwas 246 G. Rottmann. emporgewölbt wird. Es handelt sich hierbei um die Bildung des ersten Zahnes der Radula, der kleine Höcker stellt seine erste Anlage dar (Fig. 11, Taf. XII). Dass die oben erwähnten dunkel gefärbten Zellen im innigsten Zusammenhang mit der Zahnbildung stehen, dürfte wohl nicht zweifel- haft sein, es sind dies die Odontoblasten. Sie haben in allen Stadien ungefähr die gleiche Ausdehnung, indem sie von der Mitte der hinteren Taschenwand beginnend, sich bis unter den jüngstgebildeten Zahn noch ein wenig nach vorn erstrecken. Für die Zahnbildung selbst kommen immer nur die mittelsten Zellen in Betracht, die man somit als die eigentlichen, zur Zeit funktionirenden Odontoblasten anzusehen hat. Das jüngste Stadium der Radulabildung, die Anlage des ersten Zahnes sieht man auch in den Fig. 1 und 2 und zwar im Längs- schnitt dargestellt. Ich habe in diesen und in den folgenden Figuren die Färbung der Präparate nach Möglichkeit genau wiedergegeben, was vor Allem auch die durch das Bismarckbraun hervorgerufene differente Färbung der Radula betrifft. Meines Wissens sind diese frühesten Stadien der Radulabildung bisher noch von keinem Mollusk bekannt geworden. In den Figuren 1 und 2 sehen wir nun unmittelbar hinter dem Zahn und von seinem Fußtheil ausgehend, sich eine feine Lamelle rückwärts erstrecken, welche in Fig. 2 etwas mehr gewölbt erscheint als in Fig. 1. Sie bedeutet die erste Anlage für den nächstfolgenden zweiten Zahn. Dieser ist in Fig. 3 bereits vollständig gebildet. Er zeigt eine leichte hakenförmige Krümmung nach hinten und damit überhaupt schon mehr die nach oben zugespitzte Gestalt der defini- tiven Zähne (Fig. 3—5), während der erste Zahn eine viel weniger ausgeprägte Form zu haben pflegt (Fig. 1 und 2). Das Alter des betreffenden Embryos entspricht der Figur 660 (Lehrb. von KORSCHELT und HEIDER). Die Tasche erscheint jetzt im Gegensatz zu Figur 1 und 2 ein wenig mehr in die Länge ge- streekt. Während sich ihr hinteres Ende mehr herausgewölbt hat, ist ihr Ausführungsgang etwas länger und schlanker geworden. Vor dem zweiten Zahn befindet sich der erste, welcher hier eben so wie in Fig. 4 und 5 seitlich getroffen, bereits weiter vorgerückt auf dem Wege zum Ausgang der Radulatasche. Hinten lässt sich wieder die Anlage für den nächsten, dritten Zahn, erkennen, die wieder, wie vorher diejenige des zweiten Zahnes, als feine, von der Basis des davor stehenden Zahnes ausgehende Lamelle, den Kappen des ba- Über die Embryonalentwieklung der Radula bei den Mollusken. I. 247 salen Epithels aufliest (Fig. 3), wie dies noch deutlicher für die Bildung der nächstfolgenden Zähne in den übrigen Figuren der Tafel XI zu erkennen ist. Die Bildung der folgenden Zähne geht dann nach demselben Modus weiter, indem immer neue Theile hinten ausgeschieden werden, während die bereits ausgebildeten nach vorn vorrücken. So sind in Fig. 4 drei Zähne vollständig gebildet und der vierte angelegt, hieran schließen sich dann Fig. 5—9 an, welche die weitere Entwicklung veranschaulichen. Mit dem Wachsthum des Thieres nun muss sich naturgemäß auch die Radulatasche vergrößern; dieser Vorgang findet jedoch nicht derartig statt, dass sie sich einseitig nach hinten verlängert, sondern die gesammte Tasche, alle ihre Theile, wachsen im Zu- sammenhang mit den übrigen Organen der Mundmasse. Sie behält bei Loligo vulgaris durch alle Stadien stets eine im Verhältnis zu der Größe des Thieres gleiche Ausdehnung. Anders verhält es sich mit ihren Formverhältnissen. Aus dem Anfangs rundlichen Säckchen wird allmählich eine langgestreckte Tasche von birnförmiger Gestalt, welche sich nach vorn bedeutend verjüngt und mit einem engen Ausführungs- sang mündet. Hierbei erleiden nun die Zellen des oberen und un- teren Epithels eine bemerkenswerthe Veränderung. Anfangs (Fig. 1 und 2) sind beide Zellschichten einander noch fast gleich, was Größe der Zelle und Anordnung der Kerne anbetriftt. Die Odontoblasten gehen ganz allmählich, ohne ihre Form viel zu ändern, in das obere und untere Epithel über. Später jedoch mit dem Auftreten der Zähne findet auch eine Umwandlung der Zellen statt. So wird die Anordnung und Form der Kerne des oberen Epithels in Fig. 3 und 4 bereits eine unregelmäßigere. Sie sind größer geworden und haben eine mehr rundliche Form angenommen. Nach vorn zu nimmt dann das Epithel später bedeutend an Höhe ab und wird zu einer nie- drigen Schicht mit großen runden Kernen. Ähnlich sind die Ver- hältnisse im basalen Epithel. Schon im Stadium der Fig. 5 be- ginnen seine Zellen allmählich ihre Form zu ändern, um sich später, Fig. 6—9, in die niedrigen basalen Zellen zu verwandeln, so dass sich dann im vorderen Abschnitt wieder beide Zellschichten gleichen. Das obere Epithel bildet Anfangs, Fig. 1 und 2, eine durch die gesammte Tasche zusammenhängende Schicht. Mit dem Auftreten der Zähne beginnt es sich jedoch derartig umzubilden, dass es zwi- schen je zwei Zähne einen Zellfortsatz erstreckt, in welchem die Zellgrenzen allerdings nicht deutlich zu erkennen sind. Diese Fort- 248 G. Rottmann. sätze füllen die Zwischenräume genau aus. In Fig. 3—5 sind diese Vorgänge wegen der geringen Größe der Zähne nicht so auffallend, besser treten sie dagegen in den älteren Stadien hervor (Fig. 69). Es folgt dort in gesetzmäßiger Weise auf jeden neu ausgeschiedenen Zahn ein neuer Fortsatz, welcher sich zwischen diesen und seinen Nachfolger einschiebt. Dieser Zellfortsatz bleibt stets in inniger Ver- bindung mit beiden Zähnen und rückt gemeinsam mit denselben nach vorn vor. Was den Entstehungsort dieser Zellen anbelangt, so nehme ich an, dass sie sich eben so wie die Odontoblasten aus dem am äußersten hinteren Ende der Tasche gelegenen Zellhaufen Z (Textfig. 1) ergänzen. Nach Röss- LER, welcher diese Zellgruppen an der ausgewachsenen Paludina vivipara und BrocH, der die- Textfig. 1. selben am Embryo derselben beschreibt, berühren dieselben die Zähne Anfangs nicht, sondern treten erst später weiter vorn mit den Zähnen in Verbindung. Dies ist bei Zoligo vulgaris jedenfalls nicht der Fall, sie füllen sofort nach ihrem Auftreten den gesammten Zwischenraum zwischen den Zähnen aus. 2. Der Process der Zahnbildung. Wir haben bis jetzt die genaueren Vorgänge bei der Zahnbildung unberücksichtigt gelassen und die embryonale Entwicklung der ge- sammten Radula (Zähne und Platte) von ihren ersten Anfängen ver- folgt; ich komme jetzt auf den eigentlichen Zahnbildungsprocess zu sprechen. | In Fig. 1, 2, 3, 4 und 8, besonders deutlich aber in Fig. 7 sehen wir, wie hinter dem soeben gebildeten jüngsten Zahne der Abschei- dungsprocess für seinen Nachfolger mit der Ausscheidung der bereits erwähnten dünnen Lamelle durch das darunterliegende Odontoblasten- polster begonnen hat. Diese Lamelle, welche als eine feine Cutieula erscheint, bildet, wie Fig. 1 und 2 zeigen, nur die Fortsetzung der Basalmembran, in welche sie auch zu beiden Seiten übergeht (Quer- schnitt 1, Fig. 11, Taf. XI). Sie bildet den Zahnrücken. Es ist also erforderlich, dass für den jungen Zahn eine neue Basalmembran ge- bildet wird. In Fig. 5 und 6 sehen wir ein weiteres Entwicklungsstadium. Die Lamelle ist durch Anlagerung neuer Substanz, welche sich durch Uber die Embryonalentwicklung der Radula bei den Mollusken. I. 249 die hellere Färbung von ihr abhebt, verstärkt worden. In Fig. 9 endlich sehen wir den jungen Zahn fast völlig ausgebildet seinem Polster aufliegen. Diese Figur zeigt uns nun sehr deutlich, dass eine Arbeitstheilung der Odontoblasten stattgefunden hat. Die neben- stehende, etwas schematisirte Textfigur 2 soll uns diesen Vorgang noch klarer erkennen lassen. Wir ersehen aus derselben, dass die mit x bezeichneten Zellen den eigent- lichen Zahnkörper (d) zu bilden haben, während die Zellen y die Ausscheidung der Basalmembran (dm) übernommen haben. Dieselbe entsteht also unge- fähr gleichzeitig mit dem eigentlichen Zahnkörper und ist von Anfang an aufs innigste mit ihm verbunden. Sie hebt sich jedoch durch ihre dunkle Färbung scharf von demselben ab und zeigt eine deutliche Schichtung. Nach vorn steht sie in Verbindung mit dem Basaltheil des vorhergebildeten Zahnes. Der Zahn setzt sodann sein Wachsthum fort, um nach erlangter völliger Ausbildung sich von seinem Polster abzuheben. Er beschreibt hierbei eine Drehung, durch welche er aus der horizontalen in die vertikale Lage übergeht. Aus der gegebenen Darstellung geht hervor, dass man die Zähne so zu sagen als eine Verdickung der Cutieula ansehen kann, welche die gesammte Tasche auskleidet, sie sitzen ihr also nicht auf und wir haben einen Unterschied zu machen 1) zwischen der (jener Cuticula entsprechenden) eigentlichen Basalmembran oder, was dasselbe ist, der gesammten Radula- platte (Textfigur III Bas.m), 2) dem Zahnkörper, in dessen Rücken die letztere über- geht und 3) der für jeden Zahn neu gebildeten Basalmembran. Alle drei Bildungen sind verschiedenen Ursprungs, aber zu einem Ganzen verschmolzen. Die neugebil- dete »Basalmembran« des Zahnes ist stets von erheblicher Stärke und dürfte es zur Vermeidung von Verwechslun- _ gen angebracht sein, dieselbe als Fuß- Zasn Ci) Kußsplatte platte des Zahnes zu bezeichnen (ef. Textfie. 3. Textfig. 3). Es ist hierbei noch besonders zu betonen, obwohl es aus der Cut 250 G. Rottmann. hier gegebenen Schilderung der Zahnentwicklung ohne Weiteres her- vorgeht, dass nämlich die »Basalmembran« (Fußplatte) des eigent- lichen Zahnes derjenigen der ganzen Platte nicht entspricht, sondern die letztere in den Zahnrücken sich fortsetzt. Die Verbindung der einzelnen Zähne einer Längsreihe findet dann später derart statt, dass die Fußplatte eines Zahnes um den verlängerten Basaltheil seines Vorgängers herum in einer scharfen Biegung verläuft und dort mit verschmilzt (Fig. 5—9). Hierdurch nimmt die Fußplatte in der gesammten Längsreihe einen welligen Verlauf, indem jeder Zahn, wie es schon RössLEr in ähnlicher Weise für die Pulmonaten und Opisthobranchien beschrieben hat, mit einem großen Theil seines Körpers der verlängerten Fußplatte seines Vorder- mannes aufsitzt und glaube auch ich mit ihm, dass durch diese Ver- löthung der Zähne einer Längsreihe die Widerstandsfähigkeit be- deutend erhöht wird (ef. Textfig. 4). Textfig. 4. Wir verfolgten die Entwicklung eines einzelnen Zahnes so weit, bis derselbe sich nach erreichter Ausbildung von seinem Polster ab- zuheben begann. Ich betrachte seine Ausbildung hiermit für ab- geschlossen. In dieser Hinsicht würden sich überraschenderweise die Cephalopoden anders als die übrigen Mollusken verhalten, wie sich wenigstens für die von mir untersuchten frühen und späteren Stadien der Embryonalentwicklung mit völliger Sicherheit ergiebt und unter der Voraussetzung, dass die für die anderen Mollusken gemachten Angaben das Richtige trafen. Die sämmtlichen Autoren (RÜCKER, SHARP, RÖSSLER und BrLocn) stimmen darin überein, dass die Zähne erst durch die sekretorische Thätigkeit der Zellen des oberen Epithels ihrer Vollendung zugeführt würden, wenn sie auch in einzelnen Punkten von einander abweichen. Ich habe niemals eine Spur irgend einer Sekretion der oberen Epithelzellen konstatiren können. Ich zweifle nicht, dass sich mir dieselbe, falls sie aufgetreten wäre, SO- fort durch ihre Färbung angezeigt hätte. Doch nichts von alledem; stets findet man den Zahnrücken bedeckend jene feine dunkel ge- Über die Embryonalentwieklung der Radula bei den Mollusken. I. 251 färbte Lamelle; von einer Kappe, Glasur oder etwas Ähnlichem habe ich in den von mir untersuchten Stadien, die sich bis zu den bereits ausgeschlüpften Embryonen erstreckten, niemals etwas konstatiren können. Vergleicht man die zuerst entstandenen Zähne (Figg. 1—6) mit eben denselben in den älteren Stadien (Figg. 6, 9), wo dieselben schon fast durch die ganze Tasche vorgerückt sind, so ist von einem veränderten Aussehen dieser Zähne, wie es durch Auftragen neuer Substanz verursacht wäre, nichts wahrzunehmen. Ich muss hier bemerken, dass auch mir Anfangs zu Beginn meiner Untersuchungen, als ich noch keine Doppelfärbungen an- wandte, die hintersten Zähne in der Nähe der Odontoblasten stets völlig farblos erschienen, so dass ihre Kontouren nicht genau zu er- kennen waren. Ich bildete mir damals ebenfalls die Ansicht, sie seien noch nicht völlig ausgebildet. Als ich jedoch später die Zähne mit Bismarckbraun nachfärbte, sah ich, dass dieselben (ef. Figg. 7, 8, 9) stets wohl entwickelt und immer hinten größer waren als weiter vorn. Die definitive Form und Größe hatten die Zähne stets; daraus, dass sie sich mit gewöhnlichen Färbemitteln nicht färbten, kann man schließen, dass sie noch nicht genügend erhärtet waren. 3. Verlagerung und Ersatz der Zähne. Eine Frage, die noch zu erörtern bleibt und die recht schwierig zu beantworten ist, betrifft das Fortrücken der Zähne und deren damit Hand in Hand gehenden Ersatz. Diese Frage hat auch schon die älteren Autoren interessirt und sind darüber die verschiedensten Hypothesen aufgestellt worden. Ich bin nun bei meinen Unter- suchungen zu der Ansicht gekommen, dass die Vorwärtsbewegung der Zähne im direkten Zusammenhang mit dem Fortrücken der er- zeugenden Zellen, der Odontoblasten, steht. Gleichwie bei den Zähnen findet auch hinten ein ständiger Ersatz der Odontoblasten vom blinden Ende der Tasche aus statt. Die älteren und abgebrauchten zahn- bildenden Zellen rücken gemeinsam mit den Zähnen nach vorn vor, und verwandeln sich hierbei in die niedrigen Zellen des basalen Epithels. | Wie aus meinen Figuren 1—10, 20 u. 21 ersichtlich, können wir bei den Cephalopoden nicht ein scharf abgegrenztes Odontoblasten- polster unterscheiden, welchem allein die Zahnbildung obliegt, sondern die gesammten Zellen am hintern Taschengrunde und noch ein gutes Stück über die Bildungsstätte des jüngsten Zahnes nach vorn, zeigen Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 17 252 G. Rottmann. gleiche Gestalt und Färbung. Dieses Verhalten erscheint mir sehr bemerkenswerth. An der unmittelbaren Abscheidung eines Zahnes betheiligt sich zur Zeit immer nur eine Anzahl nicht scharf abge- grenzter Zellen aus der Mitte dieses Komplexes und zwar gleichzeitig und nicht successive. Nachdem sich dieselben erschöpft haben, rücken sie nach vorn vor und verwandeln sich in die niedrigen Zellen des basalen Epithels. Diese Umwandlung geht jedoch ganz allmählich vor sich, wie wir sehen, indem sie noch eine Zeit lang ihre Form und Färbung beibehalten. Inzwischen sind die ebenfalls dunkel ge- färbten Reservezellen vom Taschengrunde an die Stelle der Odonto- blasten gerückt und haben ihre Thätigkeit begonnen. Ich will versuchen an der Hand der Fig. 7 diesen Vorgang zu veranschaulichen. Wir sehen, wie dort die Abscheidung des jüngsten Zahnes soeben zum Abschluss kommt. Er hat sich mit seinem Körper bereits abgehoben und steht nur noch an seinem Fußtheile mit den unteren Epithelzellen in Verbindung. Die letzteren sind noch mit der Bildung des letzten Theiles seiner Fußplatte beschäftigt. In- zwischen haben weiter rückwärts gelegene Zellen bereits die Ab- scheidung eines neuen Zahnes, wie wir sehen, in Gestalt einer feinen Lamelle eingeleitet. Der Fußtheil dieses neuen Zahnes’ muss, wie aus der Figur hervergeht, unzweifelhaft von weiter rückwärts, also anderen Zellen gebildet werden; mit anderen Worten, es findet ein Ersatz der Odontoblasten statt. Ich bin also der Ansieht, dass die gleiche Odontoblastengruppe nur einmal an der Zahn- bildung betheiligt ist, um sodann allmählich nach vorn vor- rückend die Bildung des nachfolgenden Theiles der Fußplatte zu übernehmen, während inzwischen ein neues Polster an ihre Stelle gerückt ist. Meine Ansicht weicht nun in verschiedenen Punkten von der der älteren Autoren ab. Die Hypothesen TRoscHEr’s und eben so die von KÖLLIKER und SEMPER sind bereits von den nachfolgenden Autoren widerlest worden. Unter den jüngeren Autoren stimme ich RÜCKER und BLocH bei, in so fern als sie auch einen Ersatz der Odonto- blasten für erforderlich halten. Dieser Ansicht steht RÖSSLER. gegen- über; er glaubt, dass sämmtliche Zähne einer Längsreihe durch die- selbe Odontoblastengruppe gebildet werden. Ich halte diese letztere Bildungsweise, wie ich auch oben schon angeführt habe, für unwahr- scheinlich, weil eine derartige Arbeitsleistung an die Leistungsfähig- keit der betreffenden Zellen zu hohe Anforderungen stellt. So muss ich BLocH beistimmen,' wenn er es für ausgeschlossen hält, »dass Über die Embryonalentwieklung der Radula bei den Mollusken. I. 253 die gleichen odontogenen Zellen später größere Zähne abzusondern im Stande sind, dass ferner diese thätigen Zellen, trotzdem sie in überaus reichlicher Sekretion begriffen sind, immer noch größer werden«. Nicht beipfliehten kann ich jedoch BrLocH (für die von mir unter- suchten Objekte), wenn er glaubt, dass dieselbe Odontoblastengruppe sich durch mehrmalige Sekretion an der Zahnbildung betheilige. Er seht dabei von der Voraussetzung aus, dass die Sekretion der Odonto- blasten eine permanente aber nicht gleichmäßige sei, sondern von Seiten der oberen Zellen eine schwächere sei, während die unteren stärker secernirend thätig sind. Diese Auffassung scheint mir mit den Thatsachen nicht recht vereinbar, da nach der von RÖSSLER für Palu- dina gegebenen Abbildung die Zähne an der Spitze bedeutend dicker sind als an der Basis, wie ich dies übrigens auch selbst und zwar nicht wie RösSLER an ausgebildeten Paludinen, sondern an deren Embryonen beobachten konnte. Wenn Broc#’s Annahme richtig wäre, müsste die Aufeinander- folge der Zähne eine viel schnellere sein, und man würde sich das Zustandekommen der Zwischenräume nicht recht zu erklären ver- mögen, auch müsste es zu ganz unregelmäßigen Bildungen kommen, da nicht zu ersehen ist, wesshalb der Zahn immer erst abreißen soll, wenn er völlig ausgebildet ist, da doch Zahn und Basalmembran stets verbunden sind. Nun nimmt Broca allerdings an, dass die Zähne sich schon frühzeitiger ablösen und in Folge dessen von unregel- mäßiger Form sind, aber nach meinen Erfahrungen an den von mir studirten Objekten entspricht eine solche Auffassung in keiner Weise den Thatsachen, sondern die Zähne heben sich nur zu einer ganz bestimmten Zeit ab, wenn ihre Ausbildung abgeschlossen ist. Mir scheint die Annahme höchst wahrscheinlich, dass die sekre- torische Thätigkeit eines jeden Odontoblastenpolsters mit der Ab- scheidung eines Zahnes und des nachfolgenden Theiles seiner Fuß- platte beendet ist, worauf dann ein neues Polster an seine Stelle tritt. Angenommen die Sekretion fände permanent statt, so ist es unerklärlich, wie die Abstände zwischen den einzelnen Zähnen zu Stande kommen sollen, wann und wo die Stücke der (Basalmembran) Fußplatte gebildet werden, welche die Zähne mit einander verbinden (Fig. 20, Taf. XI, eben so RössLer’s Fig. 15, Taf. XXIV). Ich finde nun ferner sowohl bei RückEr wie bei RüssLER die Angabe, dass das obere Epithel der Radulatasche (bei bestimmten Formen) vorn einer dieken Cuticula den Ursprung giebt, die nach 17* 254 G. Rottmann, ersterem Autor als starker Cuticularsaum, nach RössLer als euticulare Sperrhaken sich zwischen die Zähne erstrecke und durch deren Druck, — hervorgerufen durch die Kontraktion der Muskulatur der Rinnenaus- füllung, — die Vorwärtsbewegung der Radula unterstützt würde!. Da ich bei meinen Untersuchungen an Cephalopoden von derartigen Cuti- cularbildungen nichts habe entdecken können, muss ich annehmen, dass sich die Radula der von mir untersuchten Embryonen allein in der oben von mir angegebenen Weise vorwärts bewegt. Zur Stütze meiner Auffassung will ich noch die Beobachtung THıELE’s anführen. Der- selbe fand nämlich, dass der Radula einiger Solenogastren die Basal- membran häufig fehlt und schloss daraus, dass das Vorrücken nur durch das Wachsthum des Epithels der Scheide verursacht würde. Zuletzt möchte ich noch eine Frage kurz berühren, nämlich die, wie hebt sich der junge Zahn von seinem Polster ab? Meines Erachtens lässt sich diese Frage mit Sicherheit überhaupt nicht entscheiden und dürfte man wohl nur auf Vermuthungen an- gewiesen sein. Ich habe soeben angegeben, dass RÜCKER und RössLeR den Cutieularbildungen des oberen Epithels bei der Vor- wärtsbewegung der gesammten Radula eine Rolle zuertheilen. Dann müsste auch indirekt durch deren Zugwirkung das Abheben des Zahnes begünstigt werden. Ich habe nun, wie gesagt, bei den von mir untersuchten Embryonen derartige Bildungen nicht gefunden, glaube auch andererseits nicht, dass der Druck der nachwachsenden neugebildeten Theile den Zahn aufrichtet und vorwärts schiebt, da doch der Zahn in diesem Stadium noch unmöglich völlig erhärtet ist. Ich möchte mir nun den Vorgang folgendermaßen erklären: ich gehe zunächst von der Voraussetzung aus, dass sich die Odontoblasten während der Abscheidung des eigentlichen Zahnkörpers unbedingt in Ruhe befinden müssen. Erst nachdem dieser abgeschieden, beginnt ihre Wanderung nach vorn, zunächst, um sich an der Bildung des nachfolgenden Theiles seiner Fußplatte zu betheiligen. Der Zahn- körper selbst ist also jetzt außer allem Kontakt mit irgend welchen secernirenden Zellen. Inzwischen ist vom Taschengrunde ein neues Polster vorgerückt, welches die Abscheidung eines neuen Zahnes unternimmt. Da dessen erste Anlage, jene feine Lamelle, jedoch stets mit dem Vorgänger verbunden ist, dieser aber durch die unter demselben befindlichen Zellen mit nach vorn genommen wird, während ! Die Funktion der »Sperrhaken« wäre also hier die entgegengesetzte wie beim Fressakt, bei welchem sie zum Fixiren der Radula dienen und deren Los- reißen von ihrer Unterlage, d. h. dem sie umgebenden Gewebe verhindern sollen. Über die Embryonalentwieklung der Radula bei den Mollusken. I. 255 er selbst in Ruhe bis zu seiner Ausbildung verbleibt, so wird sein Vorgänger aus seiner horizontalen Lage emporgehoben, bis er seine aufrechte Stellung erreicht hat. 4. Die Entstehung der seitlichen Längsreihen der Radula. Zum Schluss möchte ich noch die Entstehung der verschiedenen seitlichen Längsreihen der Radula kurz erörtern. Da die genaueren Angaben hierüber in der Litteratur ziemlich spärlich sind und von den Cephalopoden überhaupt noch nichts Näheres bekannt ist, so habe ich eine größere Anzahl Querschnittserien angefertigt und mich mit dieser Frage eingehend beschäftigt. JOYEUX-LAFFUIE war die Thatsache bekannt, dass die Mittel- platten der Radula zuerst auftreten, sodann hat besonders STERKI eine größere Anzahl Mollusken im Embryonalzustand daraufhin unter- sucht. Er kommt zu den Resultaten, dass Anzahl und Gestalt der Zähne nach dem Alter verschieden sind, dass ursprünglich nur wenig Zähne vorhanden sind, und neue Längsreihen hinzugefügt werden, dass die Gesammtentwicklung schneller als die des Thieres ist. Ob die Hinzufügung neuer Zahnreihen oder ihre Metamorphose das ganze Leben hindurch dauert, lässt er unentschieden. STERKTs Angaben finden durch die meinigen in-mancher Beziehung eine Bestätigung. Es gelang mir, die allererste Anlage der Radulabildung auch im Querschnitt aufzufinden. So wie uns Fig. 1 und 2 den ersten Zahn im Längsschnitt, zeigt uns nun Fig. 11 denselben im Querschnitt; es entspricht also Fig. 11 im Alter genau Fig. 1 und 2. Im Quer- schnitt Fig. 11 zeigt die Tasche eine ovale, etwas abgeplattete Form. Die Kerne des unteren Epithels, der Odontoblasten (od), zeichnen sich wieder durch ihre dunkle Färbung vor den blassgefärbten mehr rundlichen Kernen des oberen Epithels aus. Es haben hier einst- weilen nur die mittleren derselben ihre sekretorische Thätigkeit be- sonnen und den ersten Zahn der Mittelreihe ausgeschieden, während die seitlichen von der schwach aufgewölbten Basalmembran bedeckt sind. Die Fußplatte des Zahnes hebt sich auch hier durch ihre dunkle Färbung von dem helleren Zahnkörper ab. Da ich auf vor- hergehenden und nachfolgenden Schnitten dieser Serie durchaus keine Spur einer Zahnbildung antrat, so besteht kein Zweifel, dass ich den ersten Zahn hier an seinem Entstehungsorte getroffen habe. Fig. 12 veranschaulicht dann die weitere Entwicklung der Längs- reihen, sie entspricht im Alter dem Embryo der Fig. 3. Der Schnitt zeigt ebenfalls die Reihen an ihrem Entstehungsort. Wie wir sehen, 356 G. Rottmann, sind zu der Mittelreihe zwei Seitenreihen hinzugekommen, im Übrigen hat sich das Bild nicht sehr verändert. | Fig. 13 zeigt uns nun dieselben drei Reihen nicht an ihrem Ent- stehungsort, sondern schon weiter nach vorn vorgerückt. Die Tasche zeigt im Querschnitt eine mehr rundliche Form und die Lagerung der Epithelzellen lässt erkennen, dass eine Art Einkrümmung der Seitentheile nach der Dorsalseite stattgefunden hat (Fig. 15). Dem entsprechend erscheint auch die Basalmembran mit ihren seitlichen Partien aufwärts gekrümmt. Die Kerne des unteren Epithels sind blassgefärbt, der Schnitt hat also die Odontoblasten nicht mehr getroffen. Endlich sehen wir in Fig. 14 (an einem wieder etwas älteren Embryo), wie hinten am Entstehungsort zwei weitere Reihen hinzu- sekommen sind, es sind dort soeben fünf Reihen ausgeschieden. Die Entwicklung geht also recht rasch von statten und zwar, wie schon STERKI betont, verhältnismäßig schneller als das Wachs- thum des Thieres. Zur Bestätigung mögen die Figg. 15—19 dienen. Diese Schnitte sind ein und derselben Serie von einem älteren aber noeh nicht völlig ausgebildeten Embryo entnommen. Wir können hier sehr deutlich verfolgen wie die einzelnen Reihen auf einander folgen. Wie in Fig. 11 sehen wir auch hier in Fig. 15 den ersten Zahn, aber nicht an seinem Entstehungsorte, sondern weit vorgerückt in die Nähe des Ausgangs der Tasche. Hieran schließen sich dann die weiter. nach rückwärts geführten Schnitte, Fig. 16 mit drei, Fig. 17 mit fünf, Fig. 18 mit sieben und endlich Fig. 19 mit sämmt- lichen neun Zähnen der entsprechenden Längsreihen. Der letzte Schnitt liegt in der Nähe des Entstehungsorts der Zähne. Wir können an diesem Beispiel hier sehr gut die Formverände- rungen verfolgen, welche die Zellen des basalen Epithels auf ihrem Wege zum Taschenausgang erleiden. Die Frage, welche STERKI offen gelassen, ob die Hinzufügung neuer Zahnreihen das ganze Leben hindurch dauere, lässt sich demnach für Zo’go vulgaris sicher dahin beantworten, dass die Radula schon beim noch nicht völlig ausge- bildeten Embryo neun Längsreihen zeigt, wie beim ausgewachsenen Thiere, eine Vermehrung derselben später also nicht mehr stattfindet. Die Entwicklung der Radula bei einigen anderen Gephalopoden. Wie erwähnt diente mir Zoßkgo als hauptsächlichstes Unter- suchungsobjekt für das Studium der Radula-Entwicklung, doeh zog ich zum Vergleich noch einige andere Cephalopoden heran, um fest- zustellen, ob sich diese Entwicklungsvorgänge bei den Tintenfischen Über die Embryonalentwieklung der Radula bei den Mollusken. I. 257 im Allgemeinen in der für ZLoligo festgestellten Weise vollziehen. Ich habe hier nicht die gesammte Entwicklung ins Auge gefasst, sondern nur einige Stadien herausgegriffen, welche mir zeigten, dass bei den betreffenden Species die Radulabildung in übereinstimmender Weise verläuft. Untersucht wurde von den Decapoden noch Sepia offieinalis, von den Octopoden Bledone moschata und Octopus vulgaris. Ich theile im Folgenden nur einige charakteristische Punkte meiner auf die genannten Formen bezüglichen Untersuchungen mit und be- sinne mit Octopus. Fig. 10 stellt einen Sagittalschnitt genau durch die Mittelreihe der Radula eines schon älteren Entwicklungsstadiums dar. Wir finden hier im Großen und Ganzen fast dieselben Verhält- nisse wie bei Zoligo. : Die Form der Tasche ist sehr ähnlich, im Hintergrunde derselben finden wir wieder in derselben Anordnung die dunkel gefärbten Odontoblasten (od), welche nach vorn in das niedrige basale Epithel (w.ep) mit den großen runden Kernen übergehen. Dem Odontoblastenpolster liest der jüngste Zahn auf, welcher seiner Vollendung soeben entgegengeht. Auffallend ist die eigenthümliche Form des Zahnrückens und die im Gegensatz zu Loligo geringe Stärke der Fußplatte. Die Form der Zähne, wie ich sie an den Embryonen von Octopus vulgarıs beobachtete, ist eine recht ver- schiedene von derjenigen, welche die Figur RÖöSSLERs vom aus- gewachsenen Thiere wiedergiebt (Fig. 25, Taf. XXV). Nach RösstEr sollen bei Ociopus in Folge der Thätigkeit des oberen Epithels die älteren Zähne stets voluminöser und viel schärfer kontourirt sein als ihre Hintermänner, da das Wachsthum des Thieres im Verhältnis zur Schnelligkeit der Erzeugung der Zahnplatten nur ein langsames ist. Abgesehen davon, dass ich auch beim Embryo von Octopus eben so wenig wie beim Lolgo für eine sekretorische Thätigkeit des oberen Epithels irgend einen Anhalt habe, ist, wie Fig. 10 zeigt, das gerade Gegentheil der Fall, die jüngsten Zähne - sind nämlich stets größer wie die älteren, und zwar aus den Gründen, die für Zoligo bereits früher erörtert wurden. Das von mir untersuchte Material von Zledone moschata war nicht besonders gut erhalten, immerhin ließ sich jedoch aus den Schnittserien ersehen, dass die Zahnbildung auch hier in der gleichen Weise erfolgt, wie bei Zoligo und Octopus. Das Gleiche ist auch bei Sepia der Fall. Fig. 20 zeigt einen Schnitt durch die Mittelreihe eines ziemlich jangen Embryos von Sepia officinalis mit sechs Zähnen. Der jüngste Zahn liest auch hier dem Polster noch auf und schickt sich an, sich 258 G. Rottmann. von demselben abzuheben. Noch deutlicher ist dieser Vorgang zu erkennen in Fig. 21, welche einer Schnittserie eines Embryos der- selben Art entnommen ist und die betreffende Partie bei stärkerer Vergrößerung zeigt. Bemerkenswerth ist die einfache plumpe Form der Zähne und der weite Abstand derselben von einander. Ein eigenthümliches Verhalten zeigt das obere Epithel der Ra- dulatasche. Während bei den anderen von mir untersuchten Arten nur der Plasmaleib der oberen Epithelzellen zwischen die einzelnen Zähne hineinragt und ihre Kerne mehr dem oberen Taschenrand genähert liegen, finden wir hier auch die Kerne zwischen die Zähne gelagert (Fig. 20 und 21), wobei allerdings erwähnt werden muss, dass die obere Epithelschicht hier dünner ist. Dass der Zahnbildungsprocess bei sämmtliehen von mir unter- suchten Cephalopoden nach demselben Modus verläuft wie bei ZLodigo, dürfte nach dem Mitgetheilten nicht mehr zweifelhaft sein, immerhin können gewisse Modifikationen auftreten, die wenigstens äußerlich das Bild etwas beeinflussen, so gilt dies z. B. von der Form der Zungentasche während der Radulabildung. In den Figg. 22—24 habe ich einige Querschnitte durch die Mundmasse und Radulatasche von Sepia wiedergegeben. Alle drei Schnitte gehören derselben Quer- schnittserie an. Der Schnitt Fig. 22 ist durch die Mundmasse in der Nähe des Ausganges der Zungentasche geführt. Wir erblicken in der Mitte die Radulatasche besetzt mit einer Querreihe von fünf Zähnen. Die Basalmembran (dm) liegt zu beiden Seiten stark aufgewölbt dem Epithel der Radulatasche auf und erstreckt sich aufwärts beiderseits über den Zungenrücken. Der Hohlraum in der Zungentasche wird durch den Bindegewebspfropf (Pf), welcher von oben hineinragt, ausgefüllt. Rechts und links von der Tasche liegen zwei knorpel- artige Gebilde (4x), welche die Radulatasche stützen. Unter der- selben, etwas unterhalb der Mitte der Zungenmasse, ist der gemein- same Ausführungsgang (uwsp) der unteren Speicheldrüsen getroffen. Nach oben wird die ganze Zungenanlage helmartig umgeben von zwei mächtigen Muskelpapillen (Mpp), welche ich bereits im ein- leitenden Theile beschrieben habe. Dieselben werden durchbohrt von den Ausführungsgängen (o.sp) der beiden, bereits in der Ein- leitung erwähnten, kleinen drüsenartigen Gebilde, welche zu beiden Seiten der Mundmasse gelegen sind und von mir für die oberen Speicheldrüsen angesehen werden. Oben werden die gesammten Organe umgeben von dem mächtigen Oberkiefer (of), eben so ist unten der Unterkiefer getroffen. Über die Embryonalentwicklung der Radula bei den Mollusken. I. 259 Fig. 23 ist ein Schnitt nur wenig weiter rückwärts geführt, wie Fig. 22. Wir finden hier im Allgemeinen dieselben Verhältnisse wie in Fig. 22. Neu hinzugekommen sind jedoch zwei weitere Seiten- reihen der Radula, so dass wir hier bereits sämmtliche sieben Reihen, wie beim erwachsenen Thier, vorfinden. In Fig. 24 endlich ist der hintere Theil der Radulatasche getroffen. Der Größenunterschied der Zähne ist bereits ein bedeutender, zumal die äußersten Randzähne zeichnen sich durch enorme Größe aus, während die Basalmembran stets verhältnismäßig dünn bleibt. Jedenfalls bestätigen auch diese Figuren das spätere Auftreten der Seitenreihen. Zusammenfassung der Ergebnisse. Die Radulatasche entsteht als eine Ausstülpung des ektodermalen Vorderdarmes. Während sich die Radulafalte schon sehr frühzeitig anlegst, beginnt die Bildung der Radula erst später, wenn sich das Lumen durch Zusammenlegen der oberen und unteren Wand voll- ständig verengert hat, bezw. geschwunden ist. Die Bildung der Radula beginnt mit der Ausscheidung einer feinen eutieularen Platte, der Basalmembran (oder Radularplatte), durch die sesammten Zellen des basalen Epithels. Hinten im Taschen- srunde, genau in der Medianlinie, erfährt, dieselbe eine Emporwölbung, unter welcher eine Abscheidung neuer Substanz durch die Odonto- blasten, d. h. die im Fundus der Tasche gelegenen Epithelzellen, erfolgt. Die weitere Entwicklung geht dann in der Weise vor sich, dass beständig hinten durch neue Odontoblastenpolster weitere Zähne ausgeschieden werden. Die verbrauchten Zahnpolster rücken gemein- sam mit den Zähnen nach vorn vor; hierbei verwandeln sich die Odontoblasten allmählich in die niedrigen Zellen des basalen Epithels. Die Bildung eines jeden Zahnes beginnt mit der Abscheidung einer feinen Lamelle, welche nach vorn und zu beiden Seiten in die Basalmembran übergeht. Sie bildet den Zahnrücken. Sodann folgt die Ausscheidung des eigentlichen Zahnkörpers und seiner Fußplatte (Basalmembran) durch die Odontoblasten, beide Theile entstehen gleichzeitig und sind von Anfang an innig verbunden. - Erst mit dem Auftreten der Zähne beginnt sich das obere Epithel der Tasche zu differenziren. Während es vorher eine zusammenhängende Zellschicht bildete, folgt jetzt auf jeden neu gebildeten Zahn die Bil- dung eines Zapfens, welcher sich zwischen diesen und seinen Nachfolger einschiebt, derselbe füllt den gesammten Zwischenraum aus. Irgend welches Auftragen von Substanz durch diese Zellen findet nicht statt. 260 G. Rottmann, Die Bildung der seitlichen Längsreihen der Radula findet nach einander statt. Zuerst wird die Mittelreihe ausgeschieden, hierauf die beiden Seitenreihen, dann wieder zwei weitere Reihen u. s. f. Die Fortbewegung der embryonalen Radula erfolgt nur im Zu- sammenhang mit dem Fortrücken der Odontoblasten, entsprechend dder fortschreitenden Neubildung von Zähnen und dem Wachsthum der ganzen Zungentasche. Die Odontoblasten verwandeln sich hier- bei in die niedrigen Zellen des basalen Epithels. Ein besonderer Bewegungsmechanismus ist nicht vorhanden. Marburg, im Juli 1900. Litteraturverzeichnis. 1. J. SWAMMERDAM, Bibel der Natur. Leipzig. 1752. 2. EHRENBERG, Symbolae physicae. Berlin 1828/1831. 3. E. H. TroscHEL, Über die Mundtheile einheimischer Schnecken. WıEsm. Arch. f. Naturg. 2. Jahrgang. Bd. I. 1836. 4. A. KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. Zürich 1844. 5. H. LeBert, Beobachtungen über die Mundorgane einiger Gasteropoden. MÜLLER's Arch. 1846. 6. LovEns, Oeversigt af Konigl. Vetenskaps Akademiens Förhandlingar. 1847. . E. H. TROSCHEL, Das Gebiss der Schnecken. Berlin 1856. 8. A. KÖLLIKER, Untersuchungen zur vergleichenden Gewebelehre, angestellt in Nizza 1856. VII: Über sekundäre Zellmembranen, Cutieularbildungen und Porenkanäle in Zellmembranen. Verhandl. d. Physik.-Medie.-Ges. in Würzburg. Bd. VII. 1858. 9. C. SEMPER, Zum feineren Bau der Molluskenzunge. Diese Zeitschr. Bd. IX. 1858. 10. GRENACHER, Zur Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. Diese Zeit- schrift Bd. XXIV. 1874. 11. BOBRETZKY, Studien über die embryon. Entw. der Cephalopoden. 1877. 12. TRINCHESE, Anatomia e Fisiologia della Spurilla Neapolitana. Bologna 1876. 13. J. JOYEUX-LAFFUIE, Organisation et developpement de l’Oneidie (Onchidium celticum Cuv.) in: Arch. Zool. Exper. Gen. Tome X. 1882. 14. A. RÜücker, Über die Bildung der Radula bei Helix pomatia. XXI. Bericht der oberhess. Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde. Gießen 1883. 15. SHARP, Beiträge zur Anatomie von Ancylus fluviatilis. Inaug.-Dissert. Würzburg 1883. 16. R. RÖSSLER, Die Bildung der Radula bei den cephalophoren Mollusken. Diese Zeitschr. Bd. XLI. 1885. | 17a. Jougın, Recherches sur la Morphologie comparee des Glandes salivaires. Arch. Zool. exp. gen. 2° ser. T. V. Suppl. 1887 —1890. 17b. S. WATAsE, Observations on the development of Cephalopods. Stud. Biol. Lab. Johns Hopkins Univ. Vol. VI. 1888. Über die Embryonalentwicklung der Radula bei den Mollusken. I. 261 18. AxEL WıREn, Studien über die Solenogastren. I. Monographie des Chae- toderma nitidulum Loven. Stockholm 189. | 19. —— Fortsetzung II. Chaetoderma produetum, Neomenia, Proneomenia acu- minata. In: Svenska Akad. Handl. Bd. XXV. Nr. 6. 20. E. KorRSCHELT, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. 1892. 21. KOoRSCHELT u. HEIDER, Lehrbuch der vergl. Entwieklungsgeschichte. 1893. 22. V.STERKI, Growth changes in the radula in Land Mollusks in: Proceedings of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia. 189. 23. J. THIELE, Beiträge zur vergl. Anatomie der Amphineuren. Diese Zeitschr. Bd. LVII. 2. Heft. 1894. 24. J. BrocH, Die embryonale Entw. d. Radula von Paludina vivipara. Jenaische Zeitschr. für Naturwissensch. Bd. XXX. N. F. XXUI 1896. 25. JarTa, Die Cephalopoden des Golfes v. Neapel. In: Fauna u. Flora d. Golfes v. Neapel.. IX. Bd. 1896. Erklärung der Abbildungen, Buchstabenerklärung. bgw, Bindegewebshülle; öm, Basalmembran; Ar, Knorpel; Mpp, Muskelpapille; od, Odontoblasten; oe, Öffnung der Zungentasche; okf, Oberkiefer; «kf, Unter- kiefer, Pf, Bindegewebspfropf; o.ep, oberes Epithel; «.ep, unteres Epitkel; .sp, unterer Speicheldrüsengang; 0.5», oberer Speicheldrüsengang; Rdt, Tladulatasche. Die Figuren sind mit dem AsBE’schen Zeichenapparat in der Höhe des Objekttisches entworfen. Tafel XI. Figg. 1-9. Längsschnitte durch die Radulatasche von Zoligo vulgaris. LEITZ, Oeular I, Obj. 9. Figg. 1 u. 2. Jüngstes Stadium mit beginnender Radulabildung. Der erste Zahn fertig gebildet, die Anlage des zweiten erst als Cuticula erkennbar. Fig. 3. Zwei Zähne gebildet, der dritte als Cutieula angelegt. Fig. 4. Drei Zähne gebildet, der vierte angelegt. Fig. 5. Vier Zähne gebildet, der fünfte angelegt. Fig. 6. Neun Zähne gebildet, der zehnte schon etwas weiter in der Bildung begriffen. Fig. 7. Zehn Zähne gebildet, die Anlage für den elften als feine Lamelle deutlich erkennbar. Fig. 8. Schnitt durch den hinteren Theil der Radulatasche eines älteren Embryos. Erste Anlage des jüngsten Zahnes erkennbar. ‚Fig. 9. Zwölf Zähne ausgebildet, der dreizehnte fast völlig ausgebildet, liegt dem Odontoblastenpolster noch auf. Fig. 10. Sagittalschnitt durch die Radulatasche eines älteren Embryos von Octopus vulgaris, zeigt ebenfalls den jüngsten Zahn seinem Polster noch auf- liegend. Zeıss, Comp. Oc. 4, Obj. E 262 6. Rottmann, Über die Embryonalentwicklung der Radula ete. I. Tafel XTI. Figg. 11—19. Loligo vulgaris. 11—14 LEıTz Oeul. II, Obj. E. Fig. 11. Querschnitt durch den hinteren Abschnitt (Odontoblasten) der Radulatasche eines jungen Embryos, jüngstes Stadium (Anlage des ersten Zahnes der Radulabildung im Querschnitt (vgl. Figg. 1 u. 2). Fig. 12. Querschnitt durch die Bildungsstätte der Radula eines etwas älteren Embryos. Es sind zur Mittelreihe zwei Seitenreihen hinzugekommen. Fig. 13. Zeigt dieselben drei Reihen schon etwas weiter vorgerückt zum Taschenausgang. Querschnitt durch den mittleren Theil der Radulatasche eines etwas älteren Embryos wie Fig. 12. Fig. 14. Weiteres Entwicklungsstadium. Fünf Längsreihen an ihrem Ent- stehungsort getroffen. Figg. 15—19. Fünf Schnitte aus einer Querschnittserie durch die Radula- tasche eines älteren Embryos. Leitz, Oeul. II, Obj. 9. Fig. 15. Zeigt den ersten Zahn weit durch die Tasche vorgerückt. Fig. 16. Querschnitt, weiter rückwärts geführt mit drei Zähnen. Fig. 17. Dessgl. mit fünf Zähnen. Fig. 18. Dessgl. mit sieben Zähnen. Fig. 19. Querschnitt durch sämmtliche neun Reihen in der Nähe ihrer Bildungsstätte. Figg. 20—24. Sepıia officinalis. Fig. 20. Sagittalschnitt durch die Radulatasche eines mittl. Embryos von Sepia offieinalis. Fünf Zähne sind ausgeschieden, der sechste liegt fast ent- wickelt seinem Polster noch an. Zeıss, Ocul. I, Obj. E. Fig. 21. Dessgl. Sagittalschnitt durch den hinteren Abschnitt der Radula- tasche bei stärkerer Vergrößerung. ZEISS, Oecul. I, homog. Immersion 2 mm Ap. 1,30. Fig. 22. Querschnitt durch den vorderen Theil der Mundmasse. In der Mitte die Radulatasche (Rat), besetzt mit fünf Zähnen, ihre Höhlung ausgefüllt vom Bindegewebspfropf (Pf), unter der Radula der Ausführungsgang der unteren Speicheldrüsen (w.sp). Die ganze Anlage ist umgeben von den beiden Muskel- papillen (Mpp) mit den Ausführungsgängen der oberen Speicheldrüsen (0.sp), darüber der Oberkiefer (o%f), ferner ist unten der Unterkiefer zweimal getroffen (uf). ZEISS, Ocul. I, Obj. C. Fig. 23. Querschnitt durch denselben Embryo etwas weiter rückwärts ge- führt; es sind zwei weitere Reihen hinzugekommen. ZEISS, Ocul. I, Obj. E. Fig. 24. Querschnitt ebenfalls durch denselben Embryo hinten durch die Radulatasche geführt. Zeiss, Ocul. I, Obj. Immersion. Die Knospenentwicklung der Tethya und ihr Vergleich mit der geschlechtlichen Fortpflanzung der Schwämme. Von Dr. Otto Maas in München. (Aus dem zoologischen Institut der Universität.) Mit Tafel XIII und XIV. Vorbemerkungen. Bei einer kleinen Schwammgruppe, den Tetbyaden, die nach ihrem Bau (vgl. VOSMAER, 87) und, wie ich gezeigt habe, auch nach ihrer Nadelentstehung (1901) eine Mittelstellung zwischen Monactinel- liden und Tetractinelliden einnehmen, kennt man keine Larven; da- gegen kommt regelmäßig eine eigenthümliche ungeschlechtliche Fort- pflanzungsweise vor. Zu gewissen Jahreszeiten bilden sich an der Peripherie buckelförmige Erhebungen in großer Zahl, die sich immer mehr vorwölben, so dass sie schließlich nur noch als kleine Kugeln auf den radiär ausstrahlenden Nadelbündeln der Mutter stehen, sich dann ablösen, um, frei geworden, junge Schwämmchen zu bilden. Dieser Vorgang ist äußerlich schon lange bekannt, seinem inneren Wesen aber durchaus unerforscht. Es fragt sich: ist a) die Knospe nur eine einfache Ausstülpung, die gleich alle Zellsorten und Gewebe der Mutter fertig mitnimmt, Rinde, Nadeln und auch die Kammerzellen des Markes, oder b) ent- steht sie aus indifferentem Material nach Theilung aus einer Zelle, die einer unbefruchteten Eizelle zu vergleichen wäre. Zwischen diesen extremen Anschauungen wären vermittelnde Ansichten mög- lich, eine die mehr zu a neigt, dass die Knospe das bereits in der Rinde vorhandene differenzirte Material mitnimmt, dass dazu aber noch indifferente Elemente, sog. Archäocyten, kämen, die sich am Aufbau, speciell der Kammern betheiligen, und endlich eine sich 264 Otto Maas. an b anschließende Ansicht, dass die Knospe zwar nicht aus einer eiartigen Zelle, aber doch aus unter sich gleichartigen Zellen in Vielheit, einer Ansammlung von Archäocyten, sich herausbilde. Besonders wäre noch zu untersuchen, wie dann die spätere Diffe- renzirung, namentlich der Geißelkammern vor sich geht. Die Angaben des ersten Beobachters, Deszö (79, 80) lauten für die Herkunft des Knospenmaterials sehr bestimmt; er leitet die Knospe von einer einzigen eiartigen Zelle ab, die sich durch Theilung ver- mehren, und deren so gefurchtes Material sich nachher zu verschie- denen Blättern anordnen soll. Doch wird man sich weder durch seine Textangaben, noch weniger durch seine Abbildungen davon überzeugt halten können, in denen diese »Blätter« ohne jede Be- sründung gleich mit bunten Farben gegeben werden. Deszö hat wohl für die späteren Stadien richtige Allgemeinangaben gemacht, dass die vorgewölbten Knospen aus bereits histologisch sehr diffe- rentem Material bestehen, dass sie zuerst kompakt sind und das Wassergefäßsystem erst später auftrete; sonst aber ist es schwer, auf diese Arbeit heute noch ernstlich zurückzukommen, in der z. B. berichtet wird, dass sich bei der Bildung der Nadeln der Zellkern zum Spi- culum umforme. Es genügt, auf die kritischen Bemerkungen Späterer, 2. B. LENDENFELD’s (97), Torsent’s (1900) und meine eigenen (1901) zu Verweisen. SOLLAS macht über die zur Ablösung fertigen Knospen einige sehr bemerkenswerthe Angaben (88). In keiner derselben findet sich eine Spur einer Geißelkammer, sie sind solid und zeigen die Struktur der äußeren Rindenpartie, ein bekleidendes Epithel, darunter eine Zellenlage mit Chiastern, dann ein Gewebe, das in verschiedener Mischung ovale Körnerzellen und spindelförmige Fibrillenzellen ent- hält; mehr peripher überwiegen die letzteren, nach innen die ersteren. Die großen Sterraster sind noch nicht vorhanden. LENDENFELD (97) bringt gelegentlich der Beschreibung des Baues der Erwachsenen einige Beobachtungen, die für die Knospen in Be- tracht kommen können. Er beschreibt in den Distalkegeln Zellhaufen aus gleichartigen körnchenerfüllten Elementen ohne besondere Um- hüllung; außerdem noch kugelige Chitinkapseln mit ähnlichem In- halt. »Diese Körper sind wohl Brutknospen und gehen vielleicht aus obigen Zellhaufen hervor.< »Die Annahme liegt nahe, dass sie die Jugendstadien der von Deszö u. A. beschriebenen Brutknospen sind; es ist aber bemerkenswerth, dass diese Zellhaufen vollkommen frei von Nadeln waren, während nach jenen die Brutknospen sehr früh Die Knospenentwicklung der Tethya ete. 265 mit Nadeln ausgestattet werden. Möglicherweise sind sie fremde, symbiotische Organismen. « Topsent (1900, hat beide Bildungen ebenfalls gesehen, sieht aber in ihnen zweierlei ganz verschiedene Arten der ungeschlechtlichen Vermehrung. Die chitinigen Kapseln entsprächen den von ihm mehr- fach bei marinen Schwämmen beobachteten Gemmulae. Dagegen kommt die wirkliche Knospung, mit der wir es hier zu thun haben, »wahrscheinlich von gewissen Zellanhäufungen (cellules granuleuses), die in den Erhebungen lokalisirt sind und entlang den Spiculazügen nach außen wandern. Ektodermzellen und Skleroblasten für die ver- schiedenen Sorten der Spicula folgen dieser Straße und vervoll- ständigen, sich vervielfältigend, die Knospe«. Es erhellt aus dieser Litteraturübersicht, der nur noch einige ganz allgemein gehaltene gelegentliche Bemerkungen anderer Autoren angefügt werden können, dass über die Entwicklung zur Knospe aus dem mütterlichen Gewebe wenige und recht verschieden lautende Angaben vorliegen, über die Weiterentwicklung des Schwammes aus der Knospe jedoch absolut nichts bekannt ist, trotzdem die Bildung des Kanalsystems, besonders die Herkunft der Geibelkammern, mit Rücksicht auf die neueren Angaben von deren Entstehung bei der geschlechtlichen Fortpflanzung von hohem Interesse wäre. Der Grund dieses Mangels liegt einmal darin, dass die Tethyen mit ihrer Massenausbildung von Nadeln für die Untersuchung an Schnitten sehr ungünstige Objekte sind, besonders aber auch darin, dass Material von späteren Stadien als das der massiven Knospe schwer zu erhalten ist. Die Knospen lösen sich wohl ab, gelangen im Aquarium aber nicht zur Weiterentwicklung, sondern liegen auf dem Boden umher, ohne sich festzuheften, und ohne Kanalsystem nebst Kammern zu bilden und gehen allmählich ein. Ich habe so- wohl in Neapel wie in Rovigno vielfache Versuche zur Weiterzüch- tung durch Unterlage von Steinen ete. gemacht, jedoch ohne Erfolg. An der Küste von Cypern gelang es mir, auf der Unterseite von Felsblöcken, die erwachsene Tethyen mit Knospen trugen [eine Va- rietät der gewöhnlichen Tethya /yncurium], auch junge abgelöste, und wieder fest ansitzende Schwämmcechen in großer Zahl zu finden, so dass alle Stadien der histologischen Ausbildung wie der Kammerent- wicklung bis zum funktionirenden Schwamm an diesem in natürlichen Zustande gewonnenen Material studirt werden konnten. Die Konservirung geschah mit Pikrinessigsäure, Alkohol abso- lutus, Sublimatalkohol und Sublimatalkoholeisessig; die Sublimat- 266 Otto Maas, semische erwiesen sich günstiger für die unter Umständen darauf folgende Behandlung mit Fluorwasserstoffsäure zur Entkieselung, wie ich sie bereits in einer früheren Mittheilung (1901) geschildert habe. Andere Stücke wurden, so gut es ging, mitsammt den Nadeln in Serien zerlegt, was nach sorgfältiger Durchtränkung mit hartem Paraffin bei den jungen Schwämmchen immerhin noch leichter gelingt, als bei den nadelstarrenden alten Stücken. Die Färbung geschah meist als Stückfärbung mit verschiedenen Karminen und die Nachfärbung mit Anilinblau oder Gentianaviolett, oder noch besser durch Hämatoxylin und die Nachfärbung mit Congoroth, was insbesondere vortheilhaft ist zur Differenzirung der Zelleinschlüsse von den Kernen. Die verschie- denen Einlagerungen reagiren nach den verschiedenen Konservirungs- flüssigkeiten und Farbstoffen nicht in ganz gleicher Weise, worüber be- sondere Mittheilungen (jedoch nicht an dieser Stelle) angebracht sind. Die schärfsten Bilder ergab eine noch nach der Doppelfärbung an- sewandte Pikrinbehandlung der Schnitte im vorletzten Xylolbad. Beschreibender Theil. Da die frühesten Vorgänge, die zur Bildung des Knospenmaterials führen, an diffus gelegenen Stellen und zum Theil tief im Inneren des mütterlichen Körpers stattfinden, so sind sie ohne Kenntnis der Zusammensetzung der späteren wirklich vortretenden Knospen schwer mit diesen in Beziehung zu bringen. Es ist desshalb rathsamer, die Darstellung mit der sich bereits dentlich vorwölbenden Knospe zu beginnen, deren Zellmaterial genau zu sichten und seinem Zusammen- kommen nach rückwärts nachzugehen; dann nach vorwärts die Weiter- entwicklung zum Schwamm zu verfolgen. | Hierzu sind noch einige Vorbemerkungen über den Bau der er- wachsenen Teihya nöthig, um so mehr als auch hierin in einigen nicht unwesentlichen Punkten Abweichungen zwischen den verschie- denen Autoren bestehen. Der erwachsene Schwamm von annähernd kugeliger Gestalt be- steht bekanntlich aus zwei deutlich geschiedenen koncentrischen Theilen, dem Mark und der Rinde. Radiär strahlen nach allen Seiten Bündel von Stabnadeln aus, die an der Oberfläche, von Bindegewebe bekleidet, die sog. Distalkegel bilden. Ferner finden sich an der Oberfläche sowie an der Begrenzung der oberflächlich liegenden La- kunen kleine Sternehennadeln (Chiaster), von denen auch eine Anzahl im Parenchym zerstreut sind, und ferner kommen in der tieferen Rinde die großen Spheraster vor, die ausgebildetsten mehr peripher, die Die Knospenentwicklung der Tethya ete. 267 jüngeren Stadien mehr an und in dem Mark gelegen. Das Kanal- system, besonders das einführende, ist sehr komplieirtt. Von den äußeren Einströmungsporen führen Kanäle in große Hohlräume, von diesen wieder andere Kanälchen, die sich zu größeren radiären Strömen sammeln, tiefer in die Rinde und in das Mark, und von diesen erst gehen die Kammergänge ab. Die Geißelkammern selbst sind sehr klein, kugelig und liegen, dicht gedrängt, nur im Mark. Sie münden, wie ich gegen die Angaben LENDENFELD’sS versichern muss, nicht durch besondere Gänge, sondern mit weiter Öffnung, die bis über '/; des Kammerdurchmessers betragen kann, in die aus- führenden Gänge, die sich in Lakunen sammeln und in Form engerer radiärer Gänge im Mark zur Rinde und nach außen zum Osculum streben. Viele der Gänge, namentlich die Anfangstheile am Boden der einführenden Lakunen, sind von sphinkterartigen Bildungen (epi- thelial liegenden Kontraktionszellen!) umgeben und dadurch in ihrem Lumen sehr variabel, überhaupt die ganze Rindenpartie durch zahl- reiche kontraktile Faserzellen sehr formveränderlich. Die Rinde ent- hält neben diesen epithelialen und kontraktilen Elementen in der dichten faserigen Grundsubstanz zahlreiche körnchenerfüllte Zellen von wechselnder Form in diffuser Vertheilung. Im Mark sind ähn- liche Zellen besonders in der Umgebung der Kammern häufig. Das ganze Mark besteht aus Kammersubstanz mit den zugehörigen Kammer- gängen und ein- und ausführenden Kanälen; eine Scheidung in zwei Partien, wie es DELAGE angiebt (99), ein äußeres, das Kammern und ein inneres Mark, das Parenchym mit Genitalprodukten enthält, habe ich nicht gefunden. Ein innerster Theil wird nur durch das Zusammenstoßen der radiären Nadelbündel gebildet; in deren Nach- barschaft befinden sich außer den Umhüllungszellen wie gewöhnlich die indifferenten körnchenerfüllten Elemente etwas zahlreicher, und aus ihnen gehen ja die Geschlechtsprodukte hervor. Eine besondere innerste Markpartie braucht aber desshalb nicht unterschieden zu werden. Die vorgewölbten Knospen sind in Bezug auf ihren Aufbau und ihr Material scheinbar wenig oder nicht von der übrigen Rinde ver- schieden. Man sieht (vgl. Fig. 2) im Parenchym eingebettet zahl- reiche granuläre Zellen angefüllt mit körnigen Einlagerungen, mit bläschenförmigem Kern und Nucleolus, die sog. indifferenten Elemente, außerdem gestreckte, spindelförmige Elemente, mit kleinem dichtem Kern, und ferner die Zellprodukte, zunächst die Stabnadeln, die der ganzen Knospe ein fächerförmiges Gerüst geben, sodann die faserigen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 18 268 Otto Maas, Differenzirungen, in dichten, bald wirren, bald dichten parallelen Geflechten, die auch sonst für die Rinde so charakteristisch sind. Da nun sowohl die spindelförmigen Zellen, als auch die körner- beladenen amöboiden auch sonst, obschon weniger zahlreich in der Rinde vorkommen, so könnte man daran denken, weiter nichts als eine einfache Hervorwölbung oder Sprossung aus der Rinde selbst vor sich zu haben. Dagegen spricht jedoch schon die auffallend große Anzahl der indifferenten Elemente, der sog. Archäocyten, und ferner lassen noch andere Anzeichen darauf schließen, dass man hier einen Herd einer Neubildung vor sich hat; denn man erkennt außer den oben er- wähnten zwei Zellsorten auch Übergänge zwischen beiden, also Zellen, die zum Theil zwar noch die Granulationen der Archäocyten und deren dichte Lagerung, dagegen den Kern mit Chromatinnetz ohne Nucleolus (Fig. 2 u. ff.) und einen Plasmaleib von bestimmter, ge- streekter Form aufweisen. Sie wären als Übergangs- oder Bildungs- zellen zu bezeichnen. Außerdem sind die Nadelbildner und in ver- schiedener Ausprägung die Spieula selbst unter diesem Knospen- material zu sehen, wie ich das in einer früheren Mittheilung ausführ- lich geschildert habe (1901). Was die Archäocyten betrifft, so sind sie nicht einfache An- sammlungen dieser in der Rinde auch sonst diffus vorkommen- den Elemente, sondern sie stammen, wie andere Bilder zeigen, aus tieferen Theilen des Schwammes und wandern dann den Nadel- zügen entlang nach oben resp. außen. Man kann, so weit dies an Schnittbildern von fixirtem Material überhaupt möglich ist, das Hin- wandern der Zellen durch Gestalt und Lage ihres Plasmakörpers förmlich konstatiren (Fig. 1), gerade als ob eine gewisse Attraktion der Nadeln für diese wandernden Elemente bestünde. Mit dem Kieselsubstanz bildenden Zellüberzug der Nadeln sind sie natürlich durch die Größe, durch Einzellage, amöboide Gestalt ete. nicht zu verwechseln; doch kommen bei der Neubildung der Nadeln Über- sänge vor, indem ja die Nadelbildner auch aus solehen amöboiden Zellen durch Umbildung des körnigen Inhaltes des Plasmas und nach wiederholter Zelltheilung hervorgehen. Schon diese Übergänge, noch mehr aber die oben erwähnten »Übergangs«- oder »Bildungszellen< weisen darauf hin, dass auch die Ansicht Topsent’s (1900) für die Knospenbildung nicht zutrifft, dass nicht, wie er meint, Zellanhäufungen indifferenten Materials nur einen Theil der Knospe bilden, und dass dann fertiges Material der Die Knospenentwicklung der Tethya ete. 269 Mutter, Deck- und Spieulazellen zur Vervollständigung hinzukämen. Vielmehr geht alles Material für die Knospe aus solchen in- differenten Archäocyten hervor; nur dass der Differen- zirungsprocess weder zeitlich noch lokal genau abgegrenzt ist, und schon in der Tiefe des mütterlichen Gewebes, noch ehe sich die Knospenwölbung zeigt, eingeleitet werden kann. Man findet allerdings darum auch nie, dass die vorgewölbten Knospen noch kompakt aus indifferenten Archäocyten bestünden, die sich dann an Ort und Stelle differenziren würden, sondern solche Knospen enthalten neben Archäocyten und halb differenzirtem auch zahlreiches bereits ganz fertiges Material; aber dies ist nicht ein- fach aus der Mutter herübergenommen, sondern für die Knospe frisch gebildet worden. Dies zeigen die erwähnten Übergänge, die nur an solchen Exemplaren zu konstatiren sind, die überhaupt Knospen bilden. Der typische Fall scheint mir, nach sehr vielen Bildern zu schließen, der zu sein, dass die amöboiden Archäocyten aus dem Mark nach oben wandernd, bereits an der Grenze von Mark und Rinde, noch ehe sie in letztere gelangt sind, mit der Difierenzirung der Skleroblasten und Ausscheidung der Spieula beginnen, so dass auch hier, wie bei der Embryonalentwicklung, die Nadelbildung der erste Schritt der geweblichen Ausprägung ist. Es kann aber auch vorkommen, dass diese Differenzirung, wie alle übrigen, für eine Zeit lang unterbleib. Dann sammeln sich diese Zellen unter der Rinde in dichten Konglomeraten an; und so erkläre ich mir die von LENDENFELD (97) u. A. erwähnten Gebilde, für die die Umhüllung mit einer sponginartigen Kapsel und die Skelettlosigkeit charak- teristisch ist. Sie sind nach meinen Bildern immer wesentlich kleiner wie die eigentlichen Sprossen, liegen in Gruppen zusammen; die zahl- reichen Zellen in ihrem Inneren können sich zu weniger größeren Klumpen (Zellen?) vereinigen. Es würden also diese Gebilde keine Gemmulae besonderer Art darstellen, sondern nur ein einstweilen se- parirtes Material für spätere Knospenbildung, und ihre Weiterent- wicklung nicht in einem eigenen Modus geschehen, indem sie als Ganzes frei würden; vielmehr würden ihre Zellen noch in der Rinde die gleichen Differenzirungen bilden, wie bei der normalen Spross- bildung, so dass gegen diese nur eine zeitliche Verschiebung, kein prineipieller Unterschied zu konstatiren wäre. In welcher Weise im Einzelnen die Bildung der verschiedenen Nadeln geschieht, habe ich in einer besonderen Mittheilung geschil- 18* 270 Otto Maas, dert, aus der hier nur, des Zusammenhangs wegen, das Folgende kurz rekapitulirt werden soll. Alle Nadeln entstehen innerhalb einer Zelle; diese Kiesel aus- scheidenden Zellen sind mit Granulationen dicht erfüllt, die mit ent- sprechender Ausscheidung der Kieselsubstanz aufgebraucht werden. Der ersten Abscheidung gehen stets Zelltheilungen voraus. Für die Stabnadeln und die großen Sterne (Spheraster) smd sogenannte in- differente Zellen des Parenchyms, also Elemente mit bläschenförmigem Kern und Nucleolus die direkten Ausgangszellen. Die erste Bildung des Stäbchens erfolgt durch Verschmelzung kleinster, unregelmäßiger Konkremente noch innerhalb einer Zelle; das Weiterwachsthum wird durch Apposition von epithelartig anliegenden Zellen besorgt, die sich theils durch Theilung der Mutterzelle, theils aus neu aus dem Paren- chym hinwandernden Zellen rekrutiren. Eben so können Zellen nach geschehener Kieselausscheidung wieder ins Parenchym zurückwandern. Die Bildung der Spheraster geschieht zuerst in Form kleiner Tetraster, ganz wie bei typischen Tetraetinelliden. Mehrere (mindestens zwei) solcher Tetraster verschmelzen und an diesem massigeren Produkt geschieht dann das Weiterwachsthum ebenfalls durch Apposition. Man sieht, wie ich nachträglich noch hinzufügen kann, in den großen Spherastern bei geeigneter Behandlung und Einstellung ein reich verzweigtes Achsenkreuz derart, dass in jeden Strahl hinein ein Cen- tralkanal zu erkennen ist, und ferner in jedem Strahl, was besonders bei genauem optischen Querschnitt gut hervortritt, eine koncentrische Schichtung aus zahlreichen Kiesellamellen. Die Bildung der kleinen Chiaster, die im Parenchym zerstreut sind und in Schichtung später die Oberfläche bedecken, geschieht in Zellen, die ihren indifferenten Charakter aufgegeben haben (von Übergangszellen abstammen) und sich mehr oder minder schon als typische Bindegewebszellen mit diehtem Kern ohne Nucleolus erweisen; ihr Plasmaleib ist nicht amöboid, sondern im Gegentheil stets rund und membranumhüillt. Es sind also diese Nadeln auch hierin typische Mikroskleren, Fleisch- nadeln (vgl. Evans über Spongilla, 99), während die Spheraster als Skeletnadeln (Makroskleren), wie die Stabnadeln, aufzufassen sind. Auch wird zur Bildung der Chiaster nur je eine Zelle verbraucht. Bezüglich des zeitlichen Entstehens haben wir hiermit der ge- sammten übrigen Knospenentwicklung etwas vorgegriffen; denn wenn auch die Bildung aller Nadelsorten bereits im mütterlichen Körper beginnt, so geht sie doch daselbst nur langsam und ruckweise in Abständen und gleichzeitig mit anderen Differenzirungsvorgängen vor Die Knospenentwicklung der Tethya ete. DT sich und dauert noch in der abgelösten Knospe fort, ja für eine Kategorie, die kleinen Chiaster, ist dort erst ihr Höhepunkt; denn die junge Knospe ist noch fast nackt an der Oberfläche und durch- brieht die mütterliche Chiasterrindenschicht, ohne davon welche mit- zunehmen. Die Stabnadeln allerdings sind sehr früh schon im Knospenmaterial zu erkennen, sowohl als junge dünne Nadeln, wie in noch früheren Stadien (vgl. 1901, Fig. 22 u. 23); ihre Bildung scheint am konstantesten vor sich zu gehen, während die der Spheraster mehr schubweise geschieht, zuerst im Knospenmaterial und dann wieder in größerer Menge nach der erfolgten Ablösung der reifen Knospe und noch im jungen Schwämmchen. Was die Differenzirung .der Archäoeyten in andere Elemente, namentlich Spindelzellen und Plattenzellen des dermalen Lagers betrifft, so geschieht diese nicht ganz direkt, sondern wird bei deren sehr verschiedenem histologischen Charakter durch Übergangsstufen vermittelt. Solche schon oben er- wähnten »Übergangszellen< erkennt man in Knospenherden zahlreich (und manchmal auch schon beim Heraufwandern zwischen den amö- boiden Urzellen und Spieulabildnern), während sonst in der Rinde nur die einen oder die anderen, nur Archäocyten oder ganz differenzirte Elemente zu sehen sind. Auch zeigen zahlreiche Zelltheilungen zwi- schen Archäocyten und Übergangszellen diesen Vorgang an. Diese letzteren sind dann noch körnchenbeladen wie die Archäocyten, an Umfang aber bedeutend kleiner, auch nicht mehr so amöboid; nament- lich aber im Kern zeigen sich Veränderungen; er behält jetzt das dichte Gefüge wie in den Parenchymzellen (Figg. 2 und 35). Es sind dies wohl dieselben Zellen, die nach der Auffassung von Evans bei der Gemmulabildung von Spongilla, durch Trophoblasten gestärkt (1900), die Hauptmasse des Bildungsmaterials liefern. Ich fasse sie nicht als ganz ursprünglich, sondern als bereits veränderte Archäoeyten auf, möchte aber trotzdem eben so gut den Ausdruck Bildungs- wie Übergangszellen für sie gelten lassen. Hier liegen sie oft sehr reichlich, ja manchmal so dicht gepackt (Fig. 3), dass sie sich gegenseitig abplatten, zusammen, was wohl mit ihrer durch Zelltheilungen reichlich erfolgenden Neubildung zusammen- hängt. Von solchen Stadien bis zu spindelförmigen und ganz gestreck- ten (f} ist dann nur noch ein Schritt, der aber auch mit weiterer Zellthei- lung verbunden ist, wie sich schon an der Kleinheit der spindelförmigen Elemente und ihrer Kerne gegenüber den genannten Bildungszellen erkennen lässt. Eben so ist nur ein Schritt, aber in anderer Rich- tung, zu den mehr epithelialen, abgeflachten Elementen (Fig. 4e). 212 Otto Maas, Das Plasma verliert seine Körnelung, die Zelle flacht sich stark ab, ihre Fortsätze bleiben aber amöboid. Mehrere Zellen können sich mit diesen Fortsätzen an einander legen. Solche Zellreihen sind jetzt nur vereinzelt vorhanden, werden aber später bei der Ausbildung des Kanalsystems zahlreicher und wichtig. Für das Zustandekommen der faserigen Zwischensubstanz, die bei geeigneter Färbung (bes. Hämatoxylinbeize) Bilder wirrer und geflochtener Haare hervorruft (Fig. 10), lässt sich dieselbe Frage auf- stellen, die auch bei der faserigen Bindesubstanz der Vertebraten noch immer diskutirt wird. Ist sie aus umgewandelten, immer mehr gestreckten und zerfaserten Zellen zu erklären, deren eigentlicher Plasmaleib sammt dem Kern dann zu Grunde geht, oder entsteht sie als Zellprodukt, indem die von Zellen abgeschiedene Zwischensub- stanz sich faserig und strangartig differenzirt? Nach meinen Bildern hier neige ich mich mehr zu der letzteren Ansicht. Die Bildungs- zellen zuerst, dichter gepackt, scheiden durch Veränderung ihrer pe- ripheren Theile die Zwischensubstanz aus (ähnlich wie es für die Genese der Zwischensubstanz der Hornschwämme aus den Larven- zellen von F. E. ScHuLzE vermuthet worden ist, 79, p. 646) und ge- rathen dadurch immer weiter aus einander. Schon während der Ab- scheidung, mehr noch nachher, zeigt sich eine faserige Struktur, die mit der Hervorwölbung der Knospe immer deutlicher wird. Zellen sind stets äußerst spärlich in diesen ungemein entwickelten Faser- massen aufzufinden (s. z. B. Fig. 9 und 10), und haben mit deren Genese nichts zu thun, sondern sind spätere Auflagerungen, die nur an ihnen liegen, so wie die Wanderzellen ete. im Parenchym sonst. Übergangsstadien von faserigen gestreckten Zellen zu solchen Fasern habe ich trotz allen Suchens nie finden können. Das Material der jungen Knospe, das sich in der peripheren Rinde zu einer Hervorwölbung ansammelt und besonders an die Distalkegel herankommt, um deren Nadelbündel als Austrittsbahnen zu benutzen, besteht somit aus Folgendem: 1) Aus indifferenten Zellen (Archäocyten) von amöboider Gestalt mit körnigen Einlagerungen ete.; 2) aus dichter gepackten Lagern von sog. »Bildungzellen«, die durch wiederholte Theilungen aus 1 entstanden sind, mit engem Chromatingerüst im Kern und mehr oder minder zahlreichen Ein- lagerungen im Plasma. Diese Zellen bilden die Ausgangspunkte für die Kategorien 3, 4 und 5; Die Knospenentwicklung der Tethya ete. 273 3) die spindelförmig gestreckten, ebenfalls sehr zahlreichen Elemente; | 4) die epithelialen, jetzt noch viel spärlicheren Zellen; 5) die Bildungszellen der kleinen Chiaster resp. diese selbst. Aus 1 direkt hervor gehen Kategorie 6 und 7: 6) die Bildungszellen der Stabnadeln und 7) die der Spheraster resp. diese Nadeln selbst, und als weiteres Zellprodukt wären noch die Fasern der Zwischen- substanz als Ausscheidung von 2 zu erwähnen. Von Kammerzellen ist noch keine Spur vorhanden; auch entbehrt die ganze Hervor- wölbung der sonst in der Rinde zahlreichen Hohlräume. Die Anordnung aller Elemente ist durchaus diffus, nur dass sich eine gewisse Beziehung zu den Nadelbündeln in so fern zu erkennen siebt, als die indifferenten Elemente, je mehr die Knospe sich vor- wölbt, zahlreicher an den Grund der stützenden Nadelbündel zu liegen kommen, und alles Übrige, sowie die Nadeln selbst, fächerförmig von hier ausstrahlt. Diese fächerförmige Anordnung ist auch noch an der abgelösten Knospe zu ersehen, so dass man mitunter noch später an einer frei aufgefundenen Knospe resp. am Schwämmchen im pupalen Stadium erkennen kann, mit welcher Seite dies zuletzt der Mutter ansaß. Die Größe einer Knospe ist durchaus kein Anzeichen für die Reife, da ein und dasselbe Mutterexemplar Knospen von sehr verschiedenem Durchmesser (1—21/, mm) gleichzeitig zur Ablösung bringt. Die Ausstoßung geschieht in bekannter Weise, indem die Knospe sich immer mehr vorwölbt, so zu sagen am Nadelbündel selbst heraus- gleitet, dem sie eine Zeit lang wie an einem Stiel noch aufsitzt. Von diesen mütterlichen Stabnadeln wird aber dabei nichts mit in die Knospe herübergenommen; es zeigt sich dies schon daran, dass die junge freie Knospe nur sehr schlanke, dünne und verhältnismäßig kurze Stabnadeln enthält (s. Fig. 25, 1901), keine der massigen, wie sie im Erwachsenen die Bündel fast ausschließlich zusammensetzen. Eben so wenig werden die Chiaster der mütterlichen Rinde für die Knospenumhüllung benutzt, sondern die Knospe durchbrieht diese starke Oberflächenschicht der Mutter vollkommen, ist selbst zu An- fang fast nackt und bildet ihre Chiaster zum größten Theil dann selbst neu aus den in großer Menge sich an der Oberfläche an- sammelnden blasigen Zellen, wie früher beschrieben (1901). Es zeigt sich somit in dem Verhalten dieser beiden Nadelsorten wie in dem spärlichen Vorhandensein der dritten, der Spheraster, die von 274 Otto Maas. manchen Autoren, z. B. SOLLAS, 88, in der jungen Knospe über- haupt in Abrede gestellt werden, dass die Knospe keine einfache Vorwölbung der mütterlichen Rindenpartie, sondern durchaus Neu- bildung ist. Mit dem Freiwerden der Knospe verliert sich natürlich die fächerförmig polare Anordnung des Inhalts, bes. der Nadeln, und die Elemente ordnen sich allseitig diffus an, ohne dass einstweilen radiäre und eirkuläre Tendenz zu erkennen wäre. Die Nadeln liegen in allen Richtungen, einzeln und nicht zu Bündeln geordnet; die Faser- stränge schlingen sich wirr durch das ganze Parenchym; Mark und Rinde haben sich noch nicht gesondert, wir haben nur eine einzige, dem Charakter nach mehr rindenähnliche Schicht vor uns. Wie SOLLAS hervorhebt, sind peripher allerdings mehr die spindelförmigen, central mehr die amöboiden granulären Elemente häufiger, aber das rührt zum Theil von der vorhergegangenen Anordnung der letzteren am Grunde der Nadelbündel der noch ansitzenden Knospe und ist nur ein quantitativer Unterschied. Die wirkliche Sonderung wird erst dadurch, und zwar ganz all- mählich, erreicht, dass innerhalb einer Anzahl von Archäoeyten starke Theilungen (siehe Figg. 4, 5 4!) eintreten, dass besondere Zellinseln (Fig. 10) sich dadurch aus deren bisher mehr zerstreut liegendem Zellmaterial immer schärfer absondern und zusammen- schließen. So wird nach und nach eine innere Schicht, das spätere Mark, in der das zellige Material überwiegt und die Zwischensub- stanz zurücktritt, von einer äußeren Schicht, der späteren Rinde, in der Zwischensubstanz mit Fasern reichlich entwickelt ist, von einander geschieden. Man darf also nicht sagen, dass bei der Weiterbildung der Knospe ein indifferentes Mark zurückbliebe und peripher ein Differenzirungs- process zum Rindenmaterial eintrete, sondern umgekehrt wird dadurch, dass sich aus dem im Ganzen mehr rindenähnlichen Gewebe die vorerwähnten Zellherde mehr und mehr koncentriren und ihr Zell- material dabei durch Theilung sehr vermehren, die Marksubstanz ge- bildet. Deren allmähliches Zustandekommen zeigt sich auf totalen Querschnitten der jungen Knospen sehr deutlich (Fig. 10, 11); zuerst sind es nur unregelmäßige Inseln (Fig. 10), die dann nach der Mitte zusammenschließen und eine sternförmige Figur im Schnittbild darbieten (Fig. 11); diese rundet sich dann aber mit zunehmender Koncentration immer mehr ab, bis zuletzt eine wirkliche Mark- kugel hergestellt ist (Fig. 12). Im Verhältnis zur Rinde ist deren Die Knospenentwicklung der Tethya ete. 278 Durchmesser auffallend gering; es ergiebt sich dies schon aus der sroßen Anzahl der Schnitte, auf denen nur Rinde ohne Mark ge- troffen ist. Zu gleicher Zeit ordnen sich die bisher wirr liegenden Stabnadeln, so dass sie radiär nach allen Seiten stehen; der Zusammenschluss zu sanzen Bündeln ist auf diesem Stadium wegen der noch geringen Menge der vorhandenen Stabnadeln nicht so ausgeprägt, immerhin aber erkennbar. Auch die großen Spheraster nähern sich ihrer de- finitiven Lage im tieferen Rindengewebe und nehmen dadurch eine eirkuläre Anordnung ein. Solche Knospen mit deutlicher Abgrenzung von zweierlei Schich- ten und wohlgeordneten Nadeln sind durchaus solid, weisen noch keine Spur von Hohlräumen, seien es bloße Lakunen oder wirkliche Geißelkammern, auf und zeigen auch noch keine histologische An- deutung der Kragengeißelzellen selbst. Die Entstehung der letzteren sowie die Ausbildung des übrigen Kanalsystems kann nur an frei aufgefundenen, schon geraume Zeit abgelösten Knospen studirt werden. Es zeigen sich dabei recht wechselnde und oft schwierig zu ver- stehende Bilder, weil die morphologische Ausprägung der Hohl- räume und die histologische Ausprägung der Gewebselemente nicht immer Hand in Hand gehen, sondern manchmal die eine, manchmal die andere vorauseilt, so dass in einem Fall die Hohlräume, im andern die Kammern früher fertig sind. Die hierbei entstehenden Stadien bieten recht interessante Analogien mit der Kanal- und Kammerentstehung in der geschlechtlichen Fortpflanzung bei den einfacheren Kalkschwämmen einerseits und bei den in der histolo- gischen Differenzirung vorauseilenden Kieselschwämmen andererseits, und verdienen auch desshalb ausführliche Beschreibung. _ Als normaler Fall wäre der anzusehen, dass jetzt mit Ausprägung des Marks die ersten größeren Hohlräume sowohl in Rinde und Mark auftreten, und eben so sich die Vorbereitung für die Geißelzellen durch fortschreitende Theilungen ihrer Urzellen zeigt, so dass schließ- lich die Kragengeißelzellen auch histologisch gleichzeitig mit der Bildung der kleinen Kammerräume selbst fertig gebildet sind. Es erscheinen in diesem Fall in der Rinde größere unregel- mäßige, schnell wachsende Lakunen, deren Auskleidung von ähn- lichen Zellen besorgt wird, wie sie sonst an der Oberfläche liegen. Hier wie dort treten jetzt die runden Bildungszellen der kleinen Chiaster sehr zahlreich an die vom Wasser bespülte Fläche, und es bildet sich nach und nach eine kompakte Rindenschicht von solchen 276 Otto Maas, Kieselgebilden nicht nur an der Oberfläche, sondern noch bis tief in die einführenden Lakunen der Rinde. Diese liegen theils radiär, theils, und das ist die Mehrzahl, eirkulär, und bereiten dadurch das spätere komplieirte Einströmungssystem der Tethya in seinen Haupt- zügen vor. Die Hohlräume im Mark sind kleiner und unregelmäßiger (Fig. 12); um sie herum liegt das Markgewebe aber nicht dicht und gleich- mäßig, sondern die vorhererwähnten, zuletzt aus der Theilung der indifferenten Zellen hervorgegangenen Elemente zeigen eine Grup- pirung um verschiedene kleinere Hohlräume (Figg. 6, 7, 8), die, wie ein Gesammtübersichtsbild zeigt (Fig. 12), wabenartig um die größeren Marklakunen angeordnet sind. Diese kleineren Lücken aber sind noch nicht die Kammern, sondern nur Vorbereitungsstadien dazu, eben so wie die Zellen, die in stets fortschreitender Theilung diese Lücken als Aggregate umstehen (Figg. 6, 7, 8X), noch nicht die Kragenzellen selbst, sondern erst deren Mutter- resp. Großmutterzellen darstellen. Diese Zellen entstehen, wie sich durch Übergangsstadien und Karyokinesen nachweisen lässt, nach einer Reihe von Theilungen und unter allmählichem Aufbrauch des körnigen Reservematerials (Figg. 5 %!, 4%, 6 %!), aus dem indifferenten Material, den Archäocyten, die nach Ausscheidung der Spieula und Rindenelemente in der ab- gelösten Knospe noch übrig geblieben sind. Es zerfällt aber nicht, wie dies manchmal für Silicospongien behauptet wurde, eine solche sroße Zelle simultan in eine Anzahl kleinere, deren Gesammtheit einer Kammer entspräche, so dass also je eine große amöboide Zelle immer je eine Kammer liefern würde, sondern die Theilungs- produkte vieler Archäocyten legen sich zu größeren Aggregaten zu- sammen und die zukünftigen Kammern gruppiren sich erst viel später aus dem einstweilen für sie gebildeten Material. Man sieht, wie innerhalb der größeren Aggregate durch neue Lücken sich immer kleinere Ansammlungen ausbilden (Fig. 8 Ag), wie damit auch eine rege Zelltheilung verbunden ist, so dass schließlich die Produkte immer kleiner werden, bis herab zum Umfang der wirklichen Kragen- seißelzelle (Figg. 5 u. 79%), allerdings noch ohne deren histologische Eigenheiten, und wie sich dann allmählich auch epitheliale Zellen des Rindengewebes (Differenzirungsprodukte der Bildungszellen s. o.) dazwischen schieben (Figg. 6, 7, Se), um ebenfalls an der Auskleidung der Hohlräume theilzunehmen. Ursprünglich sind die Hohlräume im Mark nur von Kammer- mutterzellen umstanden (Figg. 12 u. 6) und zwar von verschiedenen Die Knospenentwicklung der Tethya ete. 277 Generationen und in unterschiedlich großen Ansammlungen (vgl. bes. Fig. 6); mit zunehmender Durchwachsung der Gewebe und ihrer histologischen Ausprägung, die nach dem vorhergehenden zweischich- tigen soliden Stadium eintritt, rücken aber auch die epithelialen Elemente überall dazwischen (Figg. 6, 7, Se). Dabei kommt ihr ursprünglich amöboider Charakter und der Zusammenhang mehrerer unter einander wieder zur Geltung. Allmählich kleiden sie die ganzen Lakunen aus, so dass die kleinen Kammermutterzellen, die mittler- weile ihre letzten Theilungen ausgeführt haben, nur noch in den daran stoßenden kleineren Hohlräumen, den eigentlichen Kammern, zu erkennen sind (Fig. 9). Diese größeren Hohlräume des Markes bilden also die ersten Theile der ausführenden Gänge, an denen die Geißelkammern mit verhältnismäßig weiter Öffnung (so p. 267) ansitzen. Es sind also, wenn man die ftir die Embryonalentwicklung von mir empfohlenen Bezeichnungen anwendet, so wie in der Embryonal- entwicklung der Kalk- und Kieselschwämme (vgl. Maas 93 und 99) die ausführenden Lakunen zuerst durchaus gastrale Räume mit gastraler Auskleidung, werden aber nachher nur von Dermalzellen ausgekleidet, während die Gastralzellen selbst nur in den Kammern zurückbleiben. Diese Gastralzellen gewinnen jetzt auch ihre letzte histologische Ausprägung, den Kragen und die Geißel. Ihre Basaltheile schließen sich zu einer Art Randsaum zusammen, ohne dass man von einer Basal- oder Grenzmembran zu sprechen hätte; ihre nach dem Kammer- lumen zu gerichteten Theile sind weit von einander entfernt. Der Kragen ist nicht immer im Präparat gut zu sehen, höchstens als heller Randsaum, die Geißel ist auf diesen späten Stadien aber stets deutlich und durch geeignete Plasmatinktionen gut hervorzuheben (Fig. 9). Die Anzahl der Zellen, die eine Kammer zusammensetzen, ist verhältnismäßig gering, auf das Querschnittbild kommen meist nur 6—9. Eines der vorerwähnten größeren Zellagsregate, die zuerst um die Lakunen herumliegen, entspricht etwa 20—30 definitiven Kammern. Karyokinesen sind noch bis zuletzt erkennbar, oft auch liegen die Kragenzellen paarweise genähert; schließlich ist der Kern sehr klein und erscheint, da das Chromatinnetz sehr dicht ist, mit den gewöhnlichen Mitteln fast homogen. Eine Verbindung des zu- führenden Kanalsystems mit den Kammern und dem ausführenden System kommt in diesem typischen Entwicklungsmodus dadurch zu Stande, dass sich auch an der Grenze von Rinde und Mark 278 Otto Maar. srößere, aber mehr spaltförmige Lakunen anlegen, die so auf der einen Seite von dermalem Rindenmaterial, auf der anderen Seite von ga- stralen Kammermutterzellen in den obenerwähnten Aggregaten be- grenzt sind. Mit zunehmender Entfaltung der Kammerlage bildet sich dann ein solcher Hohlraum zur reich verzweigten zuführenden Lakune aus, die an die Kammern enge, ebenfalls von epithelialen Dermalzellen bekleidete Gänge entsendet. Das Zusammenkommen solcher Lakunen mit den mehr oberflächlich gelegenen Theilen des Kanalsystems geschieht sekundär, eben so das Zusammenlaufen mehrerer ausführender Höhlen zu größeren Sammelräumen, die dann zum Osculum leiten. Noch mehr ist dies sekundäre Zusammentreten der einzelnen Theile des Kanalsystems nothwendig, wenn die Räume desselben sich erst später ausprägen, die histologische Ausbildung aber der Elemente, insbesondere der Kragengeißelzellen, vorauseilt. Bei diesem Vorauseilen sind nun wieder verschiedene Abstufungen möglich. Ein häufiger Fall ist der, dass in der Rinde sich wohl Lakunen des einführenden Systems, allerdings in geringerer Zahl und Aus- dehnung als im typischen Fall, bilden, im Mark aber jede Andeutung der größeren Hohlräume zunächst völlig unterbleibt. Es bilden sich nur die Massenanhäufungen der Kammermutterzellen durch zunehmende Theilung der Urzellen im sonst ganz soliden Mark, und aus diesen Aggregaten sondern sich direkt die einzelnen Kammern ab. Dabei erst treten Hohlräume für das ausführende System auf, die aber dann sofort von dazwischen gerückten epithelialen Dermalelementen aus- gekleidet erscheinen. Solche Hohlräume, die sich einzeln und in situ angelegt haben, treten natürlich erst nachträglich in Verbindung, höch- stens dass die eines Aggregats schon von vorn herein mit einander kommunieirten, aber nie die mehrerer Aggregate um eine größere Höhle, wie im typischen Fall. Noch ein weitergehender Schritt ist der, dass auch die Bildung der größeren Aggregate unterbleibt und sich die Kammern einzeln direkt aus dem vorhandenen Bildungsmaterial der Archäocyten sehr frühzeitig entwickeln (Fig. 594), manchmal noch ehe die letzteren sich völlig zum kugeligen Mark koncentrirt haben. Dann kommen allerdings Bilder zu Stande, wo man daran denken könnte, dass eine amöboide Zelle auch eine ganze Kammer liefere; und ähnliche Fälle mögen den Autoren vorgelegen haben, die bei der geschlechtlichen Entwicklung das direkte Hervorgehen der Kammer aus einer amö- boiden Körnerzelle durch simultanen Zerfall behaupten, besonders Die Knospenentwicklung der Tethya etc. 279 wenn die Größe der amöboiden Zelle ungefähr dem Durchmesser der Kammer enspricht. Es ist aber nur ein Zufall, dass einmal eine Zelle nur eine Kammer bildet, es können eben so gut zwei amöboide Zellen das Material für drei bis fünf Kammern liefern, und dieser Process der direkten Kammerentstehung im Parenchym ist durch alle möglichen Übergänge mit dem der allmählichen Entstehung um Hohl- räume herum verbunden. Bei letzteren wird — ein weiterer ins Auge fallender Unterschied — das körnige Einlagerungs- resp. Dottermate- rial allmählich aufgebraucht; bei der direkten Kammerentstehung muss dies sehr plötzlich geschehen, und es erscheinen dabei Zellbilder, die ich mir noch nicht ganz deuten kann, die theilweise an die Nähr- vacuolen von Evans (99) erinnern, zum Theil an die Vacuolen, die ich bei den Vorstadien der Geißelzellen von Sycandra beschrieben habe (1900). Wenn eine Anzahl von solehen Kammern auf diese Weise ge- bildet sind, treten sie mit dem dermalen Gewebe in Verbindung; dies wächst allseitig um sie herum — oder vielmehr die Kammern liegen bei dieser vorzeitigen Entstehung schon von vorn herein mehr im Rindengewebe —; es treten spaltförmig zuerst die kleineren und dann die größeren ausführenden Räume auf, die nach und nach alle mit einander in Verbindung treten. Auch in der Rinde ist die Dif- ferenzirung der Chiaster, der Epithelien ete., die sonst nach und nach in der eingeleiteten Weise (s. o. p. 271) fortgeht, viel schneller und weiter vor sich gegangen, ehe sich die einführenden Lakunen über- haupt zeigen. Man könnte den einen extremen Fall den der direkten, parenchymatösen Kammerentstehung nennen, den anderen den der normalen, lakunären. Bei beiden treten genau die gleichen Vorgänge auf, nur dass deren zeitliche Aufeinanderfolge eine andere ist. Es wird dies am besten ersichtlich, wenn man auf einem Schema die rein histologischen Vorgänge der Zelldifferenzirung (mit den Archäocyten des mütterlichen Körpers angefangen) voll- ständig abtrennt von den morphologischen, der Ausbildung des ‚Kanalsystems, und beide getrennt neben die biologische Folge der Vorgänge anschreibt. Was zeitlich zusammentrifft, steht dann neben einander. . Das erste Schema (p. 280) soll ein Übersichtsbild der gesammten Knospenentwicklung geben. Biologische Folge. Histologische Differenzirung. Morphologische Aus- prägung. JArchaeöcyten Tief im Körper der Mutter m ae Sniculabildner | für Hinaufwandern zur Rinde er a. ud differenz :ierte Üb: rgaNngS SL SE AEG EEE! Vorgewölbte Knospe, noch solid. Otto Maas | S Abgelöste Knospe, noch solid | | ie) ’ ° Außerlich vortretende | epithaliule spindelf | icon Smuleraster \stad- Allmähliche Mark- u. Rinden- Knospe | en N geter Inadeln ı\ \ ı\ Binde \gerr bs Ne \ scheidung. ı| | N | R 5 ; Ablösung der Knospe \ \ | | Hohlräume in Rinde auftre- \ | | \ | | | | | tend. 2) Hohlräume in Rinde und Mark. Kanımer- [|| un |] | || | Ill mu terk ellen IN | | | | | | Rindenräume, komplieirte | N\ | il I | j Il) | Kammerräume und aus- | | \ || | | | | |) Il | | | | | führende Lakunen. ı\ [| ||) || II) } N) Fl || III | | "er ; Festheften der Knospe \ I Zr Ill ll ll Klee) | Il u | Verbindung beider Systeme. Kammerzellen 280 Greift man nur den letzten Theil der Entwicklung, die Bildung Ä s und zerlegt diese noch bt sich folgendes Bild: der Kammerzellen und der Hohlräume herau ‚so ergie inzelnen Phasen re em weiter in ıh Die Knospenentwicklung der Tethya etc. 281 Histologische Ausbildung der Morphologische Ausbildung der Kammerzellen. Hohlräume. indifferente Zellen (Archäocyten) Größere Hohlräume im Mark. Kammerbildungszellen in | | großen Aggregaten | | ausführende Lakunen mit ansitzenden Hohlräumen. Kammermutterzellen in kleinen Haufen ausführende Lakunenanhänge mit an- sitzenden Kammerräumen. Kammerzellen Obiges Schema zeigt den normalen Gang; man braucht sich nun nur den links stehenden Theil nach früher (oben) zusammengezogen, den rechts stehenden nach später (unten) zusammengedrängt zu denken, um den anderen, den sog. parenchymatösen Modus der Entwicklung zu erhalten. Beide sind, so verschieden auch die daraus sich er- gebenden Zellbilder sein mögen, doch durch Abstufungen verbundene Modifikationen eines und desselben Bildungsganges. Die Knospe entsteht also nicht aus einer Zelle, sondern aus einer Vielheit von Zellen, die aber von gleichartigem Typus und den indiffe- renten Zellen, Archäocyten, zuzurechnen sind. Der Entwicklungsgang stellt sich als eine allmähliche Differenzirung von Zellsorten zu beson- deren Leistungen dar. Erst in einem späten Stadium, nach der Ablö- sung, zeigen sich diese verschiedenen Zellsorten zu zwei Hauptschichten zusammengelagert. Am frühesten, zum Theil noch tief im Körper der Mutter, differenziren sich die Skelettbildner, dann vermittels Über- gangszellen die dermalen Epithelzellen, Spindelzellen, Fasern und Chiaster. Alle diese Elemente machen zusammen mit dem verblie- benen Rest der Archäocyten das Material der eigentlichen, vorge- wölbten Knospe aus. Erst nach dem Ablösen beginnt die Hohlraum- bildung und die Ausprägung der Kragengeißelzellen aus dem Rest der Archäocyten, zwei Processe, die zeitlich sehr verschieden zu einander ablaufen können. Im angehefteten jungen Schwämmchen treten die Hohlräume in gegenseitige Beziehung, und das Osculum bildet sich aus. Der noch indifferent gebliebene Theil der Zellen kann zu den amöboiden Wanderzellen werden und später zu den 282 Otto Maas, Bildungselementen für die nächste Generation. Eine wirkliche sexuelle Fortpflanzung wurde bisher, trotzdem diese Zellen mitunter ver- hältnismäßig groß werden und ein eiähnliches Ansehen gewinnen können, nicht beobachtet. Es scheint sonach, als ob hier die sexuelle Fortpflanzung vollständig durch die Sprossbildung ersetzt sei oder als ob sie nur hier und da zwischen zahlreichen Generationen unge- schlechtlicher Vermehrung eintrete. Vergleich der Knospenentwicklung mit der Eientwicklung. Beim Vergleich dieser Knospenentwicklung mit der Embryonal- entwieklung der Spongien ergeben sich sowohl manche Überein- stimmungen wie Abweichungen, die zur Betrachtung herausfordern. Die erste wichtige Ähnlichkeit liegt in der Genese der Knospe, die durchaus mit der Ovogenese zu vergleichen ist. Auch das Ei baut sich aus einer Vielheit von Zellen und zwar denselben Archä- ocyten, auf; nur verschmelzen da die Zellen zur Individualität einer einzigen Eizelle, die die anderen als Nährmaterial absorbirt, und sich erst nach Befruchtung weiter theilt, während hier bei der Spross- entwicklung die Einzelzellen als solche erhalten bleiben. Aber sogar hier kann es bei der einstweiligen Separirung von Knospenmaterial in den erwähnten chitinigen Kapseln (s. o. p. 269) zu einer Ver- schmelzung mehrerer Archäoeyten zu wenigen größeren, blastomeren- artigen Komplexen kommen. Es ist also auch dies nur ein gradueller Unterschied und der einzige durchgreifende liegt im Mangel der Be- fruchtung. Trotzdem darf man sich aber desshalb die Knospe nicht als aus einem parthenogenetisch sich entwickelnden Ei entstanden denken, sondern nur das gleiche Bildungsmaterial annehmen. Eine weitere Übereinstimmung liegt darin, dass auch hier, ehe das Stadium des wirklich funktionirenden Schwämmechens erreicht wird, ein mehr oder minder deutlicher Aufbau aus zwei Schichten zu erkennen ist, die Schicht der zukünftigen Geißelzellen, die ga- strale, wie sie jetzt am besten genannt wird, innen liegend, und um sie herum die dermale Schicht mit all ihren Differenzirungs- produkten, Nadeln, kontraktilen Zellen ete. Es entspricht ein solches Stadium (Fig. 11) durchaus dem, das bei Cornacuspongien nach dem Festsitzen und der Metamorphose erreicht wird (vgl. z. B. meine Figuren 1893 Fig. 20, 21, 22, 33, 34 ete.); eben so wie dort kann die Auseinanderhaltung der beiden Schiehten mehr oder minder deutlich sein und ganz verwischt werden, dadurch dass gleichzeitig auch schon die »Durchwachsung« beider Schichten eingeleitet wird, weil Die Knospenentwicklung der Tethya etc. | 283 ja die dermalen Zellen auch bei der Auskleidung der gastralen Hohl- räume betheiligt sind. We Noch bedeutsamer ist die Übereinstimmung, die sich in der Ge- nese dieser Hohlräume und der Kammern bei der Knospenentwick- lung und bei der sexuellen Fortpflanzung zeigt. Gerade die ver- schiedenen zeitlichen Möglichkeiten und Verschiebungen, die wir hier an einem Fall erörtert haben (s. o. p. 278), bieten Parallel- fälle zu den verschiedenen Entstehungsweisen dieser Hohlräume in verschiedenen Schwammgruppen, bei den einfachen Kalk- schwämmen einerseits und den komplicirteren Kiesel- und Kiesel- hornschwämmen andererseits. Der hier geschilderte sog. normale Fall, wo zuerst große Hohlräume gebildet werden, die durchaus vom Material für die Kragengeißelzellen umstanden sind, nähert sich ganz dem Verhalten der Kalkschwämme (F. E. Scuuuze 78, Fig.9, Maas 1900); bei vielen Kieselschwämmen werden jedoch die Kammern in. situ gebildet (vgl. z. B. Evans, 99), erst nachträglich treten sie durch die Ausbildung des Kanalsystems in Verbindung. Dieser Fall entspricht durchaus der hier sog. »parenchymatösen« Kammerentstehung, und dazwischen sind bei verschiedenen Üornacuspongien (vgl. MAAs 1893), so wie hier im einzelnen Entwicklungsgang zahlreiche Ab- stufungen möglich. | Auch sind es ganz die gleichen Ursachen, die im einen Fall eine mehr parenchymatöse, im anderen eine mehr lakunäre Entstehungs- weise der Kammern begünstigen, nämlich die mehr oder minder frühe histologische Differenzirung. Bei den Kalkschwämmen- tritt diese erst mit oder nach dem Festsetzen ein, bei'manchen Kieselschwämmen in der Larve und bei den meisten schon im Embryo innerhalb des ‚mütterlichen Körpers. Das was in den verschiedenen Gruppen der Spongien bei der geschlechtlichen Entwicklung genau festgelegt ist, das kann hier bei der Vermehrung durch Knospung sehr variiren. Es tritt, je nachdem die Knospe sich ablöst, in einem Stadium, wo das Material (hier besonders das der Kammerzellen und Gangepithe- lien) noch sehr wenig oder schon sehr stark differenzirt ist, im ersten Fall ein mehr dem Entwicklunsssang der Kalkschwämme vergleichbarer Modus, im zweiten Fall ein mehr dem Entwicklungs- sang der Kieselhornschwämme entsprechender, abgekürzter Modus der Kammerbildung ein. In einem Punkt unterscheidet sich die Knospenentwicklung sehr wesentlich von der Larvenentwicklung, nämlich in der Reihenfolge, in der die verschiedenen Gewebselemente, spec. die Kragengeißel- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 19 284 Otto Maas, zellen, aus dem Archäocytenmaterial zur Sonderung kommen. Bei der Larvenentwicklung zeigen sie sich zuerst; sie sind ja eine Zeit lang die Bedeckung der noch indifferenten Elemente und auch die fortbewegenden Geißelzellen der Larve, ehe sie zu den Kammerzellen werden; dann erst folgen in der Differenzirung die Skelettelemente und weiterhin die bedeckenden und kontraktilen Zellen der dermalen Schicht. Bei der Knospenentwicklung erscheinen die Geißelzellen ganz zuletzt; die Elemente der dermalen Schicht, Spieula ete. er- scheinen viel früher in entsprechender Reihenfolge unter einander. Es hängt dies wohl damit zusammen, dass die Geißelzellen bei der Larvenentwicklung, schon ehe sie als Kammerzellen funktioniren, eine Bestimmung haben, nämlich der aktiven Fortbewegung im Larvenleben dienen; bei der Knospe jedoch, wo ein passiver Trans- port stattfindet, sind sie so früh nicht nöthig, sondern erscheinen erst als Kammerzellen im jungen Schwämmchen. Es wird also das vorerwähnte zweischichtige Stadium, das all- gemein bei den Spongien vergleichbar ist und auch der Lagebeziehung beim Erwachsenen entspricht, nämlich die Gastralzellen innen, die Dermalzellen außen liegend, in der Knospenentwicklung auf andere Weise erreicht als bei der Larvenentwicklung; in letzterer erst nach einer Metamorphose und Umkrempelung der Schichten, in ersterer direkt. Diejenigen Autoren, die in der definitiven Lagebeziehung der Schichten das Kriterium für ihre Homologie sehen, also die gastralen Zellen dem Entoderm die dermalen dem Ektoderm der Cölenteraten und übrigen Thiere vergleichen, werden auch hierin, gerade weil dies Stadium das überall vorkommende ist, eine Stütze für ihre Anschauun- gen sehen. Dagegen lassen sich aber die allgemeinen theoretischen Ansichten über die Bedeutung der Embryonalvorgänge und ihrer Reihenfolge anführen, die schon so oft von Anderen und mir erörtert wurden (vgl. DELAGE, GOETTE, MincHin 97, Maas 95, 98«, ß) und die ich nicht noch einmal wiederholen möchte. Weiterhin dürfte gerade die Knospenentwicklung, da wo sie der Embryonalentwicklung wider- spricht, als eigenartiger und abgeänderter Gang nicht gegen die letz- tere ins Feld geführt werden; das haben ja fast alle Untersuchungen der neueren Zeit an Thiergruppen mit ungeschlechtlicher Fortpflanzung ergeben. Endlich zeigt sich auch hier im speciellen Fall, dass die Verhältnisse der Knospenentwicklung abgeleitete sind und sich auf die der Embryonalentwicklung zurückführen lassen. Es wird ja von manchen Seiten angegeben und bei Spongilla speciell von Evans genau beschrieben (99), dass nach dem Festsetzen Die Knospenentwicklung der Tethya ete. 285 der Larve noch ein Zuschuss von Kammerzellen aus Archäocyten zu den bereits vorhandenen Flimmerzellen der Larve erfolgen kann. Dieser Zuschuss entspricht nach dem Wann und Wo seiner Herkunft senau dem hier aus Archäocyten hervorgehenden Kammermaterial. Er kann größer oder geringer sein; wenn er gänzlich unterbleibt, dann haben wir die reine Larvenentwicklung, wie ich sie dargestellt habe (92, 95); wenn er überwiegt, so haben wir einen Gang, der sich der Knospenentwicklung nähert!. Würden schließlich die Geißel- zellen der Larve gar nicht mehr am Aufbau der Kammern Theil nehmen (ein hypothetischer Fall, der normaler Weise nicht vorkommt) so haben wir das Verhalten, das hier bei der Knospenentwicklung stattfindet. So sind Larvenentwieklung und Knospenentwicklung, dadurch dass die Archäocyten noch spät resp. immer die Fähigkeit haben, alle Zellelemente des Schwammkörpers, insbesondere auch Kammer- zellen aus sich hervorgehen zu lassen, nicht so grundverschieden, namentlich wenn wir etwas aus dem Rahmen der straffen Keim- blätterauffassung heraustreten, und die Schwammentwicklung als Diffe- renzirung verschiedener Zellsorten und Zellprodukte zu verschiedenen Leistungen auffassen. München, 4. März. 1901. Litteraturverzeichnis, 1878. F. E. SCHULZE, Untersuchungen über Bau und Entwicklung der Spon- gien. V. Die Metamorphose von Sycandra raphanus. Diese Zeitschr. Bd. XXX1. 73. —— VL. Die Familie der Spongidae. Ibid. Bd. XXXI. 19. BELA Deszö, Die Histologie und Sprossentwicklung der Tethyen. Archiv für mikr. Anat. Bd. XVl. 73,80. —— Fortsetzung der Untersuchungen über Tethya Iyneurium autorum. Ibid. Bd. XVII. 79. E. SELENKA, Über einen Kieselschwamm von achtstrahligem Bau und über Entwicklung der Schwammknospen. Diese Zeitschr. Bd. XXX. 86. A. GOETTE, Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte von Spongilla Huviatilis. Hamburg und Leipzig. 87. G. C. J. VOSMAER, Porifera in Bronv’s Klassen und Ordnungen des Thier- reichs. Leipzig und Heidelberg. i Vgl. WELTNER (93), betreff. die künstliche Schädigung der Flimmerzellen. 19* 98. 39. 1900. 1900. 1900. 1900. 1902, Otto Maas. W. J. SOLLAS, Report on the Tetractinellida. In: Challenger Reports. (No. 25.) 0. MAAS, Die Metamorphose von Esperia lorenzi, nebst Beobachtungen an anderen Schwammlarven. Mitth. Zool. Station Neapel. Bd. X. —— Die Auffassung des Spongienkörpers und einige neuere Arbeiten iiber Schwämme. Biol. Centralbl. Bd. X. Y. DELAGE, Embryog£nie des Eponges. D£öveloppement postlarvaire des eponges siliceuses etc. Arch. Z. Exper. (2. ser.) Tome X. O0. MAAS, Die Embryonalentwicklung und Metamorphose der Cornaen- spongien. Zool Jahrb. Morph. Abth. Bd. VII. W. WELTNER, Spongillidenstudien. Nr. 2. Archiv für Naturgeschichte. 59. Jahrg. R. v. LENDENFELD, Die Clavulina der Adria. Nova Acta Acad. Leop. Carol. Bd. LXIX. E. A. Mıncuis, The Position of Sponges in the animal Kingdom. Science Progress. Vol. I. 0. MAAs, Die Metamorphose von Oscarella und die Keimblätter der Spon- gien. Diese Zeitschr. Bd. LXII. Die Entwicklung der Spongien. Zool. Centralbl. V. Jahrg. RıcH. EvAns, The Structure and Metamorphosis of the Larva of Spon- silla lacustris. Quart. Journ. Mier. Science. (New ser.) Vol. XLI. Y. DELAGE et E. HEROUARD, Traite de Zoologie conerete. Tome II. 1. Spongiaires. Paris. O0. MaAs, Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. Diese Zeitschr. Bd. LXVI. Rıcn. Evans, A Description of Ephydatia blembingia with an Account of the formation and structure of the Gemmule. Quart. Journ. Mier. Se. New ser. Vol. XLIV. E. ToPsEnT, Etude monographique des Spongiaires de France. III. Monaxo- nidae. PartI. Hadromerina. Arch. Zool. Exper. Ser. III. Tome VII. E. A. MıncHin, The Porifera in Lankester, Treatise on Zoology. London. 0. Maas, Über Entstehung und Wachsthum der Kieselgebilde bei Spon- gien. Sitzungsber. Münch. Akad. Wiss. Bd. XXX. 1900. Erklärung der Abbildungen. Die allgemeinen Umrisse der Figuren sind mit der Camera vorgezeichnet ıım einen Anhalt für die Größenverhältnisse zu gewinnen, und zwar die Ge- sammtsehnittbilder 10, 11, 12, 13 bei 5Ofacher, die histologischen Detailbilder 1 bis 9 inel. bei etwa 1000facher Vergrößerung. Auf allen Figuren bedeutet: a, Archäoeyt; st, Stabnade! | zesp. deren Bildungs- b, Übergangs- sog. »Bildungs<-Zelle; sph, Spheraster zellen: E f, kontraktile Faserzelle; ch, Chiaster e, epitheliale Zelle; gk, fertige Geißelkammerzelle. Die Knospenentwicklung der Tethya ete. 287 /, Kammerbildungszelle in verchiede- MM, Mark; nen Vorstufen; L.t, einführende Lakune; R, Rinde; L.en, ausführende Lakune. Tafel XIII. Fig. 1. Zellmaterial (Archäocyten) für die zu bildende Knospe, noch im Körper der Mutter, sich an den Bündeln der Stabnadeln (st) nach aufwärts be- gebend. Fig. 2. Zellmaterial für die Knospe, in der Rinde liegend. Außer den Archäocyten sind Übergangs- (»Bildungs<-Zellen), ferner faserige Zellen (am großer Anzahl und auch Chiasterzellen (ch) zu erkennen, jedoch ohne Ordnung. Fig. 3. Dieselben Zellelemente aus einer nur noch mit dem Nadelstiel an- sitzenden Knospe. Die Archäocyten sitzen mehr am Grunde, entlang den Stab- nadeln, weiter nach außen (rechts in der Figur) folgen Übergangszellen, sodann Faserzellen und Chiaster. Fig. 4, Das Zellmaterial der abgelösten, aber noch ganz soliden Knospe in diffuser Anordnung. Die faserigen und epithelialen Differenzirungsprodukte sind reichlicher geworden. Außerdem beginnen einige Archäocyten ihre Vor- bereitungen und Theilungen zu Kammerbildungszellen (%). Fig. 5. Stück eines Schnittes bei der direkten sog. parenchymatösen Kammerentstehung. Ohne dass ein Hohlraum auftritt, ist im Gewebe die Diffe- renzirung allerseits sehr fortgeschritten; im dermalen Gewebe sehr zahlreiche Ausbildung von Faserzellen, Epithelzellen ete. Von den Archäocyten haben sich einzelne zu Kammerbildungszellen (Vorstufen) %’ getheilt, die noch den Übergang erkennen lassen. Andere liegen nach weiterer Theilung in Gruppen zusammen, die aber meist größer als die künftigen Kammern sind (A). In ein- zelnen Fällen formt eine solche Gruppe direkt die Kammer (gA). Ausführende Hohlräume sind trotzdem nirgends zu sehen; aber die epithelialdifferenzirten Zellen (e) legen sich in die Nähe der Kammeraggregate. Figg. 6 u.7. Schnittbilder bei der normalen sog. »lakunären< Kammerent stehung. Es haben sich größere Hohlräume gebildet (Z.ex) (siehe auch Fig. 12); um diese herum liegen theils Kammerbildungszellen, noch in größeren Aggregaten (A), theils Epithelzellen, die sich zur Gangauskleidung dazwischen schieben. In Fig. 6 theilt sich ein größeres Aggregat in mehrere kleinere, auch die Zellen in starker Vermehrung. Die gebildeten kleineren Aggregate mit Hohl- räumen entsprechen aber noch nicht den definitiven Kammern, sondern haben sich noch weiter im Ganzen, wie im einzelnen Zellmaterial zu verkleinern. Fig. 7 zeigt neben solchen weiter verkleinerten Aggregaten auch definitive Kammern am großen Hohlraum anliegend; die epithelialen Zellen drängen aber bereits die Kammer von der ausführenden Lakune selbst ab. (Hierauf folgt zeit- lich Fig. 9!) Tafel XIV. Fig. 8. Ein Stadium, wo die Anhäufung der Kammermutterzellen zu größe- ren Aggregaten (4g) besonders ausgesprochen ist; diese umstehen die Lakunen, werden aber durch Epithelialzellen abgedrängt. Theilung der großen Aggregate in kleinere. Fig. 9. Definitive Kammern im jungen Schwämmchen (zeitlich an Fig. 7 an- schließend); die ausführenden Räume sind jetzt ganz von Epithelzellen ausgekleidet, 288 Otto Maas, Die Knospenentwicklung der Tethya ete. die Kammerzellen als ihnen ansitzend hinausgedrängt; sie zeigen auch jetzt ihre histologischen Charaktere und Beziehungen zu den einführenden Gängen (Z..). Einige unaufgebrauchte Reste von Kammerbildungszellen (%) sind noch im Ge- webe erkennbar. Figg. 10, 11, 12, 13. Übersichtsschnittbilder durch die abgelöste Knospe in verschiedenen Stadien der Ausbildung bis zum funktionirenden Schwämmchen. Fig. 10 etwas älter als das SoLLAs’sche letzte Stadium. Gewebsanordnung diffus. Die Archäocyten haben sich weiter getheilt und bilden zwischen den Fasernetzen zahlreiche einzelne Gewebsinseln. Die Rindenchiaster noch sehr spärlich. Fig. 11. Die Gewebsinseln der getheilten Archäocyten koncentriren sich allmählich zu einer Art Mark, das eine ungefähr sternförmige Figur im Quer- schnitt darbietet; außen bleibt die Rinde zurück, deren Chiasterbedeckung ist jetzt geschlossen. Koncentrische Anordnung auch durch die Spherasteranlage. Die Knospe noch durchaus solid. Fig. 12. Auftreten der Hohlräume, insbesondere in der Rinde; aber auch im Mark Lakunen, um die das zukünftige Kammergewebe (s. Figg. 6, 7 und bes. Fig. 8) nicht geschlossen, sondern wabenförmig herumliegt. Anordnung der Stab- nadeln zu Bündeln; wirre und koncentrische Lage der Fasern in der Rinde. Fig. 13. Ein junges funktionirendes Schwämmehen; Sonderung der Mark- hohlräume in Kammern und ausführende Lakunen. Weitere Differenzirung der ein- führenden Hohlräume in der Rinde; auch deren Chiasterbekleidung geschlossen. Vermehrung der Spheraster. g%, Geißelkammern, so weit sie bei dieser Ver- srößerung erkennbar sind, theils im Parenchym, theils an ausführenden Lakunen (Z.ex) ansitzend. Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus aus Termitennestern. Von E. Wasmann S. J. (Luxemburg). Defheilt Nachtrag zum systematischen und biologischen Theil. Als ich im vorigen Jahre in dieser Zeitschrift das neue Dipteren- senus Termitoxzenia und seine bisher bekannten vier Arten beschrieb, hatte ich erst eine instinktive Ahnung davon, dass es sich um ein sehr merkwürdiges und ganz anormales Objekt handle. Erst all- mählich, nachdem von 43 Exemplaren der vier Arten in ihren ver- schiedenen Entwicklungszuständen und überdies von 17 Eiern zweier Arten vollständige mikroskopische Schnittserien angefertigt und stu- dirt worden waren, ergab sich ein tieferer Einblick in die außer- ordentlich interessante Morphologie, Entwicklungsgeschichte und Biologie dieser winzig kleinen termitophilen Dipteren. Vorliegender Theil der Arbeit giebt nun eine auf jenen Ergebnissen beruhende Ergänzung des ersten (systematischen und biologischen) Theiles. Dann werden der Reihe nach die Hauptpunkte der Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte von Zermrtoxenta in eigenen Abschnitten behan- delt werden. 1. Die systematische Stellung von Termitoxenia. In der vorjährigen Publikation glaubte ich Termitoxenia zu den Stethopathiden WANDOoLLEcK’s stellen und in Folge dessen auch für die Berechtigung der Stethopathiden als eigener Familie gegenüber den Phoriden eintreten zu müssen. Von dieser Auffassung, gegen die ich damals schon einige Bedenken hegte {vgl. 1900, p. 608), ! 1. Theil diese Zeitschr. Bd. LXVII, 4. Heft. 1900. p. 599617 und Taf. XXXIIL 290 E. Wasmann. musste seither durch das nähere Studium von Termitozema abge- gangen werden. Die Mittheilungen des leider bereits verstorbenen vortrefflichen Dipterologen J. Mıx' führten mich auf eine andere, richtigere Fährte, auf die Verwandtschaft von Termitozenia mit den Musciden einerseits und .den Pupiparen andererseits. Ferner machte mich auch Herr Dr. Fr. Daur brieflich auf verschiedene Vergleichspunkte zwischen Termitozenia und den Phoriden aufmerksam, wofür ich ihm hiermit meinen besten Dank ausspreche. Dieselben betreffen erstens die Ähnlichkeit der Fühlerbildung von Termitozenia mit der Gattung Dohr- niphora Dahl?, auf die ich später bei der Anatomie der Fühler von Termitoxenia zurückkommen werde. Zweitens betreffen sie die eigen- thümliche Behaarung der Innenseite des Metatarsus der Hinterbeine bei den Phoriden, namentlich den Q ©. Termitozenia besitzt, wie be- reits im ersten Theile meiner Arbeit (1900 p.607 u. Taf. XXXIIL, Fig. 17) angegeben wurde, an der Innenseite des Metatarsus der Mittelbeine ebenfalls eine eigenthümliche kammartige Behaarung?. Dies sind allerdings wichtige Ähnlichkeiten zwischen Termitorenia und den Pho- riden, aber es scheint doch, dass andererseits die Verschiedenheiten beider, namentlich in der Kopfbildung, so bedeutend sind, dass man Termitozenia nicht zu den Phoriden rechnen kann. Bereits im I. Theil meiner Arbeit wurde wiederholt (besonders p. 609) darauf aufmerksam gemacht, dass Termitorenia durch den tiefen Kopfausschnitt zwischen Stirn und Oberlippe von den Phoriden abweiche. Die Fühler sind am hinteren Oberrande jenes Ausschnittes eingelenkt, der auch auf allen Figuren der Köpfe von Termitozenia (1900 Taf. 33) scharf markirt ist. Die Stethopathiden Wax- DOLLECK’s besitzen einen derartigen Stirnausschnitt eben so wenig wie die Phoriden. Ferner bin ich durch die Mittheilungen von J. Mık, Fr. Daun und W. M. WHEELER sowie durch die Vergleichung von Psyllomyia testacea Loew und einer neuen flügellosen (©) ecitophilen ! In seinem Referat über Theil I meiner Arbeit in der Wiener Entom. Ztg. -1900. ‚8. Heft. p. 222. 2 Vgl. auch DAur, Zur Stellung der Pulieiden im System. Archiv für Naturgesch. 1899. Bd. I. 1. Heft. p. 82. Fig. 11. 3 Bei nochmaliger diesbezüglicher Untersuchung fand ich, dass die kamm- artige Behaarung des Metatarsus am stärksten an den Mittelbeinen von Termi- toxenia Havilandi entwickelt ist; an den Hinterbeinen ist sie schwächer, an den Vorderbeinen fehlt sie. Bei Termitoxenia mirabilis ist sie an allen drei Bein- paaren, aber nur schwach, vorhanden. Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus ete. II. 291 Phoridengattung aus Brasilien! zur Ansicht gelangt, dass die Stetho- pathiden sich schwerlich als eigene Familie von den Phoriden trennen lassen. Dagegen dürfte Termitoxenia völlig verschieden von den Phoriden sein und zwar aus folgenden Gründen. E. BECHER? theilt die eycloraphen Dipteren auf Grund ihrer Kopfbildung in zwei Hauptgruppen ein. Die erste derselben, die Aschiza besitzen keine Stirnspalte, während die zweite, die Schizo- phora, eine Stirnspalte haben. Der Ausschnitt des Vorder- kopfes von Termitozenia ist aber nichts weiter als eine sehr tiefe und breite Stirnspalte; daher muss diese Gattung zu den Schizophora gestellt werden, die Phoriden dagegen gehören zu den Aschiza Becnuer’s. Ob die Fühler am hinteren Rande jener Stirn- spalte (Trermitoxenia) oder an ihrem vorderen Rande (Museiden) stehen, scheint mir von untergeordneter Bedeutung zu sein, und nur zu einer weiteren Eintheilung der Schizophora dienen zu können. Welches ist nun die Stellung von Termitozenia unter den Aschiza? Mık glaubte in seiner obenerwähnten Mittheilung, dieselbe müsse zu einer eigenen Familie der Acalypteren erhoben werden. Hier- nach wäre also Termitozenia zu den Eumyidae gehörig, und zwar zu jener Unterabtheilung, bei welcher die Schwinger nicht durch die Flügel- schuppe verhüllt werden. Dies trifft in der That für Termitoxenta in so weit zu, als diese Gattung, wie ich seither erkannt habe, wirklich freie Schwinger besitzt, welche hinter den Appendices thoracales stehen und von dem hinteren Basaltheil der letzteren, welcher dem Flügelschüpp- chen des Dipterenflügels entspricht, nicht umhüllt werden. Andererseits sprechen jedoch wichtige morphologische und entwicklungsgeschicht- liche‘Momente dafür, dass man Termitozenia nicht unter die Eumyiden stellen dürfe, sondern ihnen ihren Platz zwischen diesen und den Pupi- paren anweisen müsse. Außer dem schon erwähnten Umstande, dass bei Termitozenia die Stirnspalte vor, nicht hinter der Fühlerwurzel liegt, giebt es noch andere morphologische Gründe für ihre Trennung von den Eumyiden. Die Ovarien von Termitoxenia nähern sich zwar 1 Vgl. WAsmAnn, Neue Dorylinengäste aus dem neotropischen und dem äthiopischen Faunengebiet. Zool. Jahrb. Abth. für System. Bd. XIV. 3. Heft. p- 254 u. 272. Seither erhielt ich neues Material von zwei Arten jener Gattung. Da unterdessen jedoch auch von WEEHLER in Texas eine flügellose ecitophile Proctotrupide entdeckt worden ist, will ich deren Publikation erst abwarten. 2 Zur Kenntnis der Kopfbildung der Dipteren. Wiener Entom. Ztg. 1882. 3. Heft. p. 49—54. p. 53. 292 E. Wasmann. mehr dem Muscidentypus als dem Pupiparentypus, bestehen aber jederseits nur aus einer einzigen Eiröhre. Ferner deuten so- wohl die biologischen Anhaltspunkte (siehe unter Nr. 4 dieses Theiles) als auch die vergleichende Untersuchung der Schnittserien darauf hin, dass die Entwicklungsgeschichte von Termitozenia ganz ver- schieden ist von jener der Eumyiden; durch den Ausfall des Larven- und Puppenstadiums ist diese sonderbare Dipterengattung ametabol ge- worden, indem bei der Untergattung Termitozenia (s. strieto)! aus den riesig großen Eiern unmittelbar die stenogastre Imagoform her- vorgeht, während bei der Untergattung Termitomyia‘ der Embryo sich im Mutterleibe entwickelt und zwar ebenfalls direkt bis zur stenogastren Imagoform. Hierdurch nähert sich die Gattung Termi- foxema in ihrer Entwicklung den Pupiparen, unterscheidet sich von ihnen jedoch zugleich wesentlich dadurch, dass die riesigen Eier der Untergattung Termitozenia s. str. wirkliche Eier und keine Pupa- rien sind, während die Untergattung Termitomyia sogar Imagines gebiert. Endlich ist noch zu berücksichtigen, dass in der ganzen Gattung Termitoxenia (inelus. Zermitomyia) die männlichen und weib- lichen Geschlechtsdrüsen nicht auf verschiedene Individuen vertheilt, sondern dass sämmtliche hierher gehörige Thiere Hermaphro- diten sind. Hiernach dürfte es wohl genügend gerechtfertigt sein, wenn wir — salvo meliori judiecio — die Gattung Zermitoxenia zu einer eige- nen Dipterenfamilie erheben und dieselbe zwischen die Eumyiden und die Pupiparen stellen. 2. Charakteristik der neuen Familie Termitoxeniidae. (Vgl. hierzu die Abbildungen 1900, Taf. XXXIH. Kopf und Thorax hornig, Hinterleib ganz membranös, in nach unten und vorn umgebogener Stellung verwachsen, so dass die Hinter- leibsspitze gegen die Hinterhüften gerichtet ist. Fünf Abdominal- sesmente vorhanden, deren erstes durch eine tiefe dorsale und ven- trale Spalte von den folgenden abgesetzt ist; zweites Segment sehr sroß, sackförmig, fast das ganze Hinterleibsvolumen ausmachend; die drei letzten sehr kleinen Segmente die nach unten und vorn gerich- tete, tubusförmige Hinterleibsspitze bildend. Kopf gestreckt, mehr oder weniger walzenförmig, mit einem tiefen Ausschnitt zwischen Stirn und Oberlippe. An dem hinteren (aboralen) Rand jener Stirn- ! Über diese beiden Subgenera vgl. unter Nr. 3 dieses Theiles der Arbeit. Termitoxenia. ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus ete. II. 293 spalte (bezw. unterhalb dieses Randes) entspringen die sechsgliederigen Fühler!, deren drittes Glied sehr groß, zwiebelförmig, ist, und das zweite Glied großentheils umhüllt; die drei Endglieder schmal, das letztere mit einer einfachen behaarten, oder mit einer verästelten, nakten Endborste. Netzaugen relativ klein, an den Kopfseiten stehend. Auf dem Scheitel drei sehr kleine Ocellen. Oberlippe groß, schild- förmig, mit einem griffelförmigen Anhang vor der Basis. Kiefertaster ungegliedert, spindelförmig, lang beborstet. Unterlippe zweigliedrig, einen lang schnabelförmigen Stechrüssel bildend. Pronotum? klein, normal, Mesonotum sehr lang, an das Halsschild (Pronotum) der Staphyliniden erinnernd, mit nach hinten vorspringendem Seutellum. Metanotum ziemlich groß, als dachförmiger Keil unter die Hinter- leibsspitze hineinragend. Statt der Flügel sind kolben- oder haken- förmige Mesothorakalanhänge vorhanden. Schwinger frei, häutig. Beine lang; Hüften stark entwickelt, lang kegelförmig; Füße sämmt- lich fünfgliedrig, mit verlängertem ersten Gliede (Metatarsus). Ametabole Dipteren, welche als protandrische Herma- phroditen eine imaginale Entwicklung durchmachen. Bei der Untergattung Termitozenia s. str. erfolgt die ganze Embryonal- entwicklung in dem sehr großen Ei, nachdem dasselbe abgelegt ist; aus dem Ei kommt direkt die stenogastre Imagoform. Bei der Unter- gattung Termitomyia erfolgt die Embryonalentwicklung bis zur steno- gastren Imagoform wahrscheinlich ganz im Mutterleibe. Die stenogastre Imagoform beider Untergattungen besitzt noch einen larvalen Charakter und entwickelt sich namentlich in Bezug i Ich gab im ersten Theil meiner Arbeit die Fühler als fünfgliedrig an (1900, p. 604). Der Stiel des Fühlers ist jedoch nicht eingliedrig, sondern zwei- gliedrig, wie bereits 1900, Taf. XXXIL, Fig. 15 andeutet und die Schnittserien bestätigen; in Folge dessen ist das kugelförmige (zwiebelförmige) Glied, welches die Spitze des Stieles umhüllt, als drittes Glied zu zählen; da die darauffolgen- den, sehr schmalen drei Glieder immerhin bedeutend breiter sind als die End- borste, müssen wir sie als Fühlerglieder, nicht als Abschnitte der Endborste, ansehen, wodurch wir sechsgliedrige Fühler erhalten. Bei der Anatomie des Kopfes von Termitozenia wird auch auf die Fühlerbildung näher eingegangen werden. - ? Im ersten Theil der Arbeit (1900) hatte ich, durch die Analogie mit dem Halsschilde der Staphyliniden verleitet, das Rückenschild von Termitoxenia für das Pronotum gehalten, zumal die Vorderhüften stark entwickelt sind und dem- nach auch eine größere Ausdehnung des gesammten Prothorax gefordert schien. Eine eingehendere Untersuchung und Vergleichung mit dem Rückenschild an- derer Dipteren nöthigt jedoch dazu, die Thoraxbildung von Termitoxenia auf den normalen Dipterentypus zurückzuführen. Bei Behandlung des Hautskelettes von Termitoxenta werde ich hierauf zurückkommen. 294 E. Wasmann. auf ihren Hinterleib (Cutieula desselben, Muskelsystem, Fettgewebe und Fortpflanzungsorgane) erst ganz allmählich zur physogastren Imagoform. Die Ovarien von Termitoxenia (inel. Termitomyia) sind nur einröhrig. Bei den jüngsten stenogastren Individuen bestehen sie erst aus einer langgestielten retortenförmigen Endkammer mit indifferenten Zellen. In demselben Stadium bilden die Hoden aus den Metrocyten lange gewundene Spermatozoenbündel, deren Rei- fung bereits begonnen hat. Die reifen Spermatozoen sammeln sich in einer neben dem Oviduct gelegenen Samenblase; die Hoden bilden sich später zurück. Mit dem Wachsthum der Eierstöcke, welche sich zu je einer sehr langen und breiten, fast kreisförmig gebogenen, in zahlreiche Eikammern abgeschnürten Eiröhre entwickeln, geht auch die Entwicklung des abdominalen Muskelsystems sowie des aus eigenthümlichen, bandartig an einander gereihten Riesenzellen be- stehenden Fettkörpers Hand in Hand, sowie auch die Volumzunahme (Physogastrie) des Hinterleibes, welche hauptsächlich auf der Größe der Eier beruht. In den reifen Eiern der Untergattung Termitozxenia 8. str. zeigt sich vor ihrer Ablage niemals der Beginn der Embryonalentwicklung- In den abgelegten Eiern fanden sich dagegen die verschiedensten Embryonalstadien vor, von der Blastodermbildung bis zur Anlage der Organe der künftigen Fliege, deren mächtiges Centralnervensystem sich sehr früh entwickelt; stets war noch ein größerer oder kleinerer Dottersack im Ei vorhanden. Von der Untergattung Termitomyia erhielt ich niemals Eier, da- gegen fand sich in einem physogastren Exemplare (von Termitomyra Braunsi) bereits ein sehr großer, aber noch wenig differenzirter Em- bryo im Mutterleibe vor. Die mikroskopischen Maße, an einer kom- pleten Serie von Sagittalschnitten gemessen, sind: Länge Breite Höhe Hinterleib des Mutterthieres 1,10 mm 1,00 mm 0,90 mm Embryo 0,70 » 0,50 » 0,45 > 3. Charakteristik der beiden Untergattungen von Termitoxenia. Mık! macht darauf aufmerksam, dass die verschiedene Bildung der Fühlerborste bei den vier Termitozenia-Arten, welche ich im ersten Theile meiner Arbeit (1900, p. 602) bereits hervorgehoben hatte, dazu berechtige, dieselben in zwei verschiedene Gattungen zu ! Wiener Entom. Ztg. 1900. 8. Heft. p. 222. Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus ete. II. 295 trennen. Hierzu kommen noch andere Unterschiede in der Bildung der Thorakalanhänge, m Form des Hinterleibes der physogastren Individuen, sowie in der Fortpflanzungsweise, welche sämmtlich eine Theilung der Gattung Termitozenia in zwei verschiedene Gruppen verlangen. Da jedoch andererseits beide Gruppen in so vielen wesent- lichen Punkten völlig übereinstimmen und speciell die Bildung der Appendices thoracales einer Art (Termitozenia Braunst) einen voll- kommenen Übergang zwischen beiden Gruppen darstellt, halte ich es für richtiger, die Gattung Termitoxenia als solche bestehen zu lassen und sie nur in zwei Untergattungen aufzulösen. Dieselben sind folgendermaßen zu charakterisiren: I. Termitoxenia s. str. (Termitoxenia Havilandi und Heimi). Endborste der Fühler einfach, fein behaart. Thorakalanhänge gerade, flach kolbenförmig. Hinterleib der physogastren Individuen erheblich länger und höher als breit. Fortpflanzungsweise ovipar. II. Termitomyia n. subgen. (T. mirabilis und Braunsi). Endborste der Fühler verästelt, kahl. Thorakalanhänge ge- krümmt, hakenförmig oder schmal griffelförmig. Hinterleib der physo- gastren Individuen kaum länger oder höher als breit, kugelförmig. Fortpflanzungsweise vivipar. 4. Nachträgliches zum biologischen Theile. Mein Kollege J. B. Heım S. J., Missionär im Ahmednagar-Distrikt (Ostindien) fand in einer Kolonie von Termes obesus Ramb. abermals mehrere Exemplare von Termitoxenia Heimi Wasm., und zwar wie- der im Centrum des Nestes, mitten unter den Eiern und jungen Lar- ven der Termiten, während der termitophile Käfer Termitodiscus Heimi Wasm. in größerer Zahl in Gesellschaft der erwachsenen Termiten desselben Nestes gefunden wurde!. Unter jenen drei Individuen von Termitoxenia waren zwei physogastre, während das dritte ein be- deutend kleineres stenogastres Individuum mit sehr schmalem und dünnem, fast glasartig durchscheinendem Hinterleibe ist. Dasselbe ı P. Heım schreibt mir bei einer späteren Sendung abermals über das Vorkommen von Termitoxenia und Teermitodiscus: »So viel ich bis jetzt beob- achtet habe, sitzen die Z’ermitodiseus bei den erwachsenen Thieren, die Termi- torenia bei den jungen Termiten (Eiern und jungen Larven), die gleich ihnen weiß sind. 296 E. Wasmann, entspricht den bei Termitozenia (Termitomyia) mirabılis Wasm. bereits beschriebenen stenogastren Individuen (vgl. 1900, Taf. XXXIH, Fig. 2), die ich Anfangs irrthümlich für Männchen hielt, bald aber schon an den ersten Schnittserien als Hermaphroditen erkannte (1900, p. 616). Die stenogastre Form ist somit bereits bei drei Termitozenia-Arten (mirabilis, Havılandıi, Heimi) gefunden, und dürfte auch bei der vier- ten (Braunst) sicherlich nicht fehlen, so dass es gestattet ist, die be- züglich des Hermaphroditismus und der imaginalen Entwieklung auf Grund der Schnittserien von Termitozenia mirabihs und Heimi ge- wonnenen Resultate auch auf die übrigen Arten auszudehnen. Das erwähnte stenogastre Individuum von Termitozenia Heimı ist relativ (d. h. im Vergleich zu den physogastren Individuen der- selben Art) noch bedeutend kleiner und unentwickelter als die bereits früher beschriebenen und abgebildeten stenogastren Exemplare von Termitoxenia mirabtilis. Auch seine Ovarien bezeugen sein jugendlicheres Alter, indem dieselben erst aus einer Endkammer mit indifferenten Zellen bestehen, während bei letzteren bereits die ersten Eikam- mern sich abgeschnürt haben und die Differenzirung der Keimzellen von den Epithelzellen längst begonnen hat. Bevor ich jenes Exemplar für Schnittserien präparirte, wurde eine Beschreibung und Abbildung seiner äußeren Form angefertigt, da diese Angaben von Werth er- schienen für die, Entwicklungsgeschichte von Termitozxenia. Jenes stenogastre Individuum von Termitozenia Heimi macht einen larvenähnlichen Eindruck. Kopf und Vorderkörper sind un- ausgefärbt, grau statt glänzend schwarz. Der Vorderkörper ist etwas kleiner als bei den physogastren Exemplaren, das Chitinskelett zarter und dünner. Der Kopf ist kürzer, nicht doppelt so lang wie breit, sondern nur wenig länger als breit. Die dorsalen Thorakalanhänge sind relativ kürzer, aber breiter, minder stark verhornt. Der Hinter- leib ist nicht bloß viel kleiner und namentlich schmaler als bei den physogastren Exemplaren (kaum !/;, vom Volumen der letzteren er- reichend), sondern auch äußerst dünnhäutig, fast glashell durch- scheinend (in Folge des noch unentwickelten Muskelsystems und Fettkörpers). Nur die Hinterleibsspitze (die drei Analsegmente) hat bei dem stenogastren Exemplar annähernd dieselbe absolute Größe (also eine viel bedeutendere relative Größe) wie bei den physogastren Exemplaren; in dieser Region liegen nämlich die Hoden, deren Ent- wicklung bereits bis zur Bildung von theilweise reifen Spermatozoen- bündeln vorangeschritten ist. Dass dieses Individuum »ein schon begattetes junges Weibchen« Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus etc. II. 297 sei, ist durch die zarthäutige Cuticula des Hinterleibes meines Er- achtens völlig ausgeschlossen. Die vorhandenen Spermatozoenbündel liefern daher hier allein schon einen Beweis für den protandrischen Hermaphroditismus von Termitozxenia, worauf ich später in dem be- treffenden Theile meiner Arbeit zurückkommen werde. Es sei hier nur noch darauf aufmerksam gemacht, dass auch die eigenthümliche Biegung der Hinterleibsspitze nach unten und vorn eine Begattung zwi- schen verschiedenen Individuen von Termitorenia unmöglich zu machen scheint. Die Maße des erwähnten stenogastren Individuums von Termi- torenia Heimi sind, ohne Deckglas gemessen und mit denjenigen der physogastren Individuen verglichen, folgende: (Gesammt- Hinterleibs- Hinterleibs- Hinterleibs- länge länge höhe breite Stenogastres Exemplar... 15mm 10mm 06mm 0,3 mm Ausgewachsenes physogast- Ferixempları: .ı.: 2... 2,2 >» KB. Elle 0,6 » Von den ebenerwähnten stenogastren Individuen sind anormal kleine physogastre, wie mir eines von Termitoxenia Havilandi (in einer Sagittalschnittserie) vorliegt, wohl zu unterscheiden; es ist nur halb so groß als die größten physogastren Exemplare derselben Art. Ich gebe hier die Maße dieses Zwergexemplares, und zum Ver- gleiche diejenigen eines sehr großen Individuums von Termitoxenia Havilandı (ebenfalls an einer Sagittalschnittserie gemessen). Gesammt- Hinterleibs-- Hinterleibs-- Hinterleibs- länge länge höhe breite Großes Exemplar 2,30 mm 1,50 mm 1,00 mm 0,76 mm Zwergexemplar 140 » 0,80» 0,60 » 0,42 » Diese kleinen physogastren Individuen unterscheiden sich von den stenogastren sofort dadurch, dass sie im Verhältnis zu ihrer Körper- sröße einen ähnlichen Hinterleibsumfang und eine ähnliche Hinter- leibsform besitzen wie die größeren physogastren Exemplare. Auch zeigen sie eine relativ eben so dieke und bei Alkoholexemplaren desshalb gelblich gefärbte Cuticula, während jene der stenogastren Individuen wegen ihrer Zartheit weiß bleibt. Die stenogastren Indi- viduen sind sehr junge Thiere, die in der Entwicklung der Cuti- cula, des Muskelsystems und des Fettkörpers des Hinterleibes, so- wie namentlich der Ovarien noch ein larvales Gepräge tragen, während die physogastren Zwergexemplare anormal kleine Thiere 298 E. Wasmann, Termitoxenia ete. II. einer höheren Altersstufe sind, deren Cutieula, Muskelsystem, Fettkörper und Eierstöcke dieselbe relative Entwicklung erreicht haben können wie bei den größeren physogastren Individuen; dies ist bei dem Zwergexemplare, dessen Maße oben angegeben wurden, thatsächlich der Fall. Zwischen den Termiteneiern in dem oben erwähnten Neste von Termes obesus, in welchem P. Heım das stenogastre Individuum von Termitoxenia Heimi entdeckte, befanden sich auch einige Eier von Termitoxenia Heimi. Sie sind nur !/, länger als die Teermiteneier, aber erheblich breiter als jene, mehr eiförmig, eitronengelb, während die Termiteneier kleiner, viel schmaler, schwach gebogen und weiß sind. Im Vergleich zu den Eiern von Termitozenia Havilandi (1900, p. 613 und Taf. XXXIIL, Figg. 20 und 21) sind sie etwas kleiner und heller gefärbt. Die Schnittserien ergaben ähnliche Befunde wie bei letzteren, nämlich Embryonen verschiedener Entwicklungsstadien, vorwiegend jedoch jüngere. Es sei noch bemerkt, dass Dipterenlarven niemals, bei keiner der vier bisher bekannten Termitozenia-Arten unter dem mitgesandten Material der Termitenbrut sich fanden, während Eier von Termi- torenia nur bei den zwei Arten der Untergattung Termitozenia s. str., nicht aber bei den zwei Arten der Untergattung Termitomyia gefun- den wurden. Dass dies nicht bloß zufällig ist, geht erstens daraus hervor, dass wiederholte Untersuchung der Nester zu verschiedenen Jahreszeiten dasselbe Resultat ergab; zweitens daraus, dass in der Untergattung Termitoxenia sowohl bei der Art aus Natal (Havilandı) als bei der Art aus Ostindien (Heimi) Eier gefunden wurden, wäh- rend in der Untergattung Termitomyia sowohl bei der Art aus Natal (mirabilis) als bei derjenigen aus dem Oranje-Freistaat (Braunsi) keine Eier gefunden worden sind, Larven dagegen bei allen Sendungen fehlten, obwohl ich meine Korrespondenten ersucht hatte, auch das in Gesellschaft von Zermitozenia befindliche Material an Eiern und Larven der Wirthe und Gäste stets mitzusenden. Auch die anato- mischen Befunde an den stenogastren Individuen der Termitozenia- Arten deuten darauf hin, dass die postembryonale Entwicklung erst im Imagostande erfolge. Luxemburg, im Mai 1901. Untersuchungen an Megastoma entericum Grassi aus dem Kaninchendarm. Von Dr. Rudolf Metzner, Prof. ord. der Physiologie und Direktor des Physiol. Inst. der Universität Basel. Mit Tafel XV. Bei Gelegenheit ausgedehnter Darmuntersuchungen an von Coc- cidiose befallenen Kaninchen — Untersuchungen, über die an anderer Stelle berichtet werden soll — kamen mir Thiere unter die Hände, welche ungeheure Mengen von Megastoma entericum Grassi (= Mega- stoma intest. Lambl. spec.) beherbergten. Im Besitze einer guten Methode, welche feinere Zellstrukturen mit großer Schärfe darzu- stellen erlaubt, suchte ich dieselbe auch an diesem Objekte zu er- proben. Die Bilder, welche ich erhielt, zeigten eine Reihe von De- tails, die ich nirgends beschrieben fand. Da auch am lebenden Thiere Vieles davon zu sehen war, und da die Parasiten fast bei allen Kaninchen unserer Institutsställe vorkommen, oder wenigstens im Winter 1900/01 und im laufenden Frühjahr vorkamen, hielt ich es für angemessen, an dieser Stelle davon zu berichten, als Nicht- fachmann den Zoologen diese Beobachtungen aus einem mir ferner liegenden Gebiete vorzulegen. Methoden der Untersuchung. Wie B. Grassı und W. SCHEWIAKOFF (1) richtig angeben (p. 149 und 145) ist das freie Umherschwimmen unserer Flagellaten im Darme nicht die Regel, man muss die Darmzotten, an denen sie sitzen, abschaben und zerzupfen; doch genügt auch ein leichtes Über- streichen der Schleimhaut und darauffolgendes Abspülen mit physio- logischer Kochsalzlösung, um in der Spülflüssigkeit eine ziemliche Menge der Protozoen zu erhalten. Aber in beiden Fällen ist das Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 20 300 zudolf Metzner, Anfertigen von Deckglas-Streichpräparaten mit Nachtheilen verknüpft: im ersten erhält man die Protozoen in einer Menge von Schleimhaut zellen, Detritus, Schleim ete. eingebettet, so dass die Fixirung und Färbung nur selten gute Bilder liefert. Im zweiten ist selbst bei sparsamer Anwendung der Spülflüssigkeit die Verdünnung doch be- trächtlich und es kommen oft nur wenige Flagellatenexemplare aut ein Präparat. Zu dem kommt, dass körperwarme 0,6—0,8/,ige Cl.Na.-Lösung doch nicht als ganz indifferente Flüssigkeit für diese Protozoen anzusehen ist; arbeitet man nicht rasch, so sterben die- selben bald ab und bei den rapiden postmortalen Veränderungen giebt die Fixirung solchen Materials schlechte Bilder. Einmal aber fand ich bei einem Kaninchen, dessen Darm vom Pylorus ab auf 25—530 em keinen Chymus, sondern nur einen ganz klaren, etwas von Galle gefärbten Darmsaft enthielt, dass diese klare Flüssigkeit ungeheure Mengen freischwimmender Mastigophoren be- herbergte, welche „eine schwache, dem bloßen Auge eben sichtbare Trübung verursachten. Das durch Verbluten getödtete Thier wurde annähernd auf Körperwärme erhalten und es konnten nun beliebig viele Deckglaspräparate vom frischesten Materiale bereitet werden. Diese Deckglaspräparate wurden in der Weise hergestellt, dass ein Tropfen des Darmsaftes durch Hin- und Herneigen zu flacher Aus- breitung gebracht wurde. Dies gelingt bekanntlich auf ganz saubern, aber nicht vollkommen trockenen Deckgläschen sehr gut (Anhauchen oder Abreiben mit einem feinen Leinentuche, in das eine Spur Gly- cerin eingerieben wurde). Unter dem Mikroskope werden diese Deckgläschen auf den Gehalt an Flagellaten flüchtig angesehen, dann mit der Tropfenseite auf die Fixationsflüssigkeit gebracht. Die Mani- pulationen nehmen nur wenige Sekunden in Anspruch, und da der Darmsaft dem eben getödteten, noch warmen Thiere entnommen wurde, war die Fixation wirklich frischen Materials verbürgt. Die Fixation geschah in einer der von mir (2) angegebenen Kochsalz- Osmiummischungen. Die Mischung wird in folgender Weise bereitet: Eine 1,5°%/,ige Cl.Na.-Lösung wird mit Os04 gesättigt — es lösen sich ungefähr 5,5 Th. in 100 Th. — von dieser Lösung werden 7 Vol. mit 1 Vol. kone. Kalibichromatlösung vermischt. Kurz vor dem Ge- brauch werden zu 12 cem der Mischung Gutt. IT—IV rauchende Sal- petersäure gefügt; auch mit Gutt. VIII und XII werden gute Fixationen erzielt. Einige Uhrschälehen mit dieser Mischung (Nr. I) werden be- reit gehalten, dessgleichen einige mit der gleichen Osmium-Kalibichro- mat-Lösung, doch ohne Zusatz von Salpetersäure (Nr. ID); alle mit Unters. an Megastoma enterieum Grassi aus dem Kaninchendarm. 301 Glasglocken überdeckt. In der Mischung I verweilen die Deckgläschen 2 Minuten bei Zusatz von Gutt. II—IIl; mit Gutt. VIII 30”, mit Gutt. XH 20”; dann kommen sie für 10—20 Minuten in Nr. Il, darauf in destillirtes Wasser, das öfters gewechselt wird, und schlieb- lich in 50%/,igen und 70°/,igen Alkohol. In letzterem können sie einige Zeit aufbewahrt oder aber gleich zur Färbung vorbereitet werden. Für letztere hat sich am besten eine Lösung von Säurefuchsin in Anilinwasser mit folgender Differenzirung durch Pikrinalkohol be- währt. Obwohl ich in nächster Zeit an anderer Stelle gewisse Vor- theile der Methode für ihre Verwendung in der Mikrophotographie darlegen und dabei näher darauf eingehen werde, ist es doch ange- zeigt, auch hier mit einigen Worten den Färbungsmodus zu erläutern. Ein passendes Säurefuchsin, das einen schönen rothen, nicht bläu- lichen Farbenton giebt, erhielt ich von Daun & Comp., Chem. Fabr. in Barmen. Mit diesem Präparate erzielt man bei einer ein viertel- bis halbgesättigten Anilinwasserfuchsinlösung recht gute Bilder. Die Färbung geschieht wie folgt: Das Deckglas aus 7O'/,igem Alkohol wird mit 95°/,igem, dann mit absolutem Alkohol abgespült und noch feucht mit der Schichtseite auf die im Uhrschälchen befindliche Farb- lösung gebracht; dann wird bis ca. 55—60° C. erwärmt und die Farbsolution nur einige Minuten auf dieser Temperatur erhalten oder noch für 1—3 Stunden in den auf ca. 40° gestellten Thermostaten gebracht. Nach dem Erkalten hebt man das Deckglas ab und über- sießt mit dem pikrinsauren Alkohol. Am besten hält man von diesem zwei Koncentrationen vorräthig; die eine wie folgt bereitet: von ge- sättigter Pikrinsäurelösung in absolutem Alkohol 1 Vol., dazu 20°/,igen Alkohol 4 Vol.; die andere: gesättigte alkoholische Pikrinlösung 1 Vol., dazu 20°/,igen Alkohol 7 Vol. — Man lässt die stärkere Lösung etwa 1'!/;—2 Minuten auf dem Deckglas; wiederholt dies mehrmals, spült mit absolutem Alkohol ab, und kontrollirt in Xylol unter dem Mikroskope den Grad der Diffe- TENZIrUNg. Sieht man, dass die beiden von GRASST und SCHEWIAKOFF (l. ce.) als »Kerne« bezeichneten Gebilde auf dem Grunde des Peristoma noch nicht klar hervortreten, so spült man wieder mit Alkohol ab und giebt von der schwächeren oder nach Bedarf auch von der stärkeren Pikrinalkohollösung darauf. Für die bessere Erkennung gewisser Details ist es sogar gut, die Differenzirung so weit zu treiben, dass diese »Kerne« blass, nur mit dunklerem rothen Kontour und deutlichen »Kernkörperchen« am vorderen Ende, erscheinen. Die 20* 302 Rudolf Metzner. Präparate können dann in Xylol-Dammar eingeschlossen werden. Unter- sucht wurde mit den unten genannten Öl-Immersionen bei weit offener Blende und bei künstlichem Lichte. Zur Beleuchtung diente ein Auerbrenner und eine Schusterkugel, welche mit einer dünnen Chlo- rophylllösung gefüllt war. [Ca. 0,5 ecm alkoholischen Chlorophyll- extraktes auf 1500 cem Aqu. dest.] Einige Zeichnungen und vor Allem die Aquarelle wurden bei weißem Lichte angelegt, um den Farbton zu treffen. Für die Erkennung der feinsten Details und für den Schutz des Auges gegen Ermüdung erwies sich aber das grüne oder gelbgrüne Licht sehr förderlich; die rothen Strukturen werden dabei freilich dunkel, treten aber um so schärfer hervor. ENGEL- MANN (8, p. 907, Fußnote) hat schon früher durch Einschaltung ge- färbter Gläser grünes Licht zu Untersuchungen frischer, ungefärbter Objekte mit Vortheil benutzt. Mir hat, wie gesagt, die Chlorophyll- Schusterkugel, in den Kreisausschnitt einer Schutztafel aus Asbest eingehängt, sehr gute Dienste geleistet. Neben den Dauerpräparaten habe ich auch frische Präparate im hängenden Tropfen untersucht. Auch hier ist es gut, sich einen recht flachen Tropfen des Darmsaftes herzustellen, damit man die Unter- suchung mit starken Immersionslinsen ausführen kann. Mit Zeıss Apochr. 2 mm 1,40 Ap. und einem gleichen, eben so gutem Systeme von E. HArrtnack sen. sind am lebenden Thiere sehr viele von den Strukturen, auf welche ich durch die gefärbten Präparate aufmerksam wurde, mit aller Deutlichkeit zu erkennen, jedoch finden sich hier die gleichen Schwierigkeiten, wie sie für alle Objekte, die Organe mit lebhafter Bewegung haben, bestehen. Die Erkennung feinerer Details am frischen Objekte gelingt erst dann, wenn die Thiere keine rascheren Ortsveränderungen mehr machen, sondern entweder still liegen — wobei die Mittelgeißeln (— 9, von GRASsI und SCHEWIAKOFF) noch lebhaft sich schlängeln — oder unter starker Seitenbeugung des tuderschwanzes in einem Kreise von sehr kleinem Radius langsam umherschwimmen. Beides tritt aber nur beim Absterben des Thieres ein, was im flachen Tropfen bald geschieht: Auch dann noch ist die Untersuchung .schwierig, da die dieken Mittelgeißeln noch schlagen, wenn das Thier keine Ortsveränderungen mehr zeigt, sondern an einer Stelle absterbend liegt. Was nun zuerst die Körperform betrifit, so hätte ich für die im Kaninchendarm gefundenen Parasiten den Beschreibungen und Abbildungen von LAugL (3), BürscHLi (4), Grass und SCHEWIAKOFF l. e.) hinzuzufügen, dass das Hinterende etwa 1—1'/, u hinter dem Unters. an Megastoma entericum Grassi aus dem Kaninchendarm. 303 Abgange der Seitengeißeln (= 9; Gr. und ScH.) sich nicht mehr so stark verjüngt, wie letztgenannte Autoren abbilden, sondern nur all- mählich schmäler wird. Mit anderen Worten, es befindet sich eine Art Schwanz am Hinterende, 2—2!/, u lang, der an seiner Spitze die beiden Schwanzgeißeln trägt. Meine Abbildungen gleichen daher in Bezug auf die Körperform am meisten den von LAugtr (l. e., Taf. I, 2) gegebenen Zeichnungen des Parasiten aus dem menschlichen (Kinder) Darm. [LameıL spricht sogar (l. e., p. 92 oben) von einem Ruder- schwanz, er schreibt: »nebstdem vibrirt bei ruhenden Thieren der Ruderschwanz wie bei Spermatozoiden«. Das Vibriren bei ruhenden Thieren ist aber zum größten Theile auf die Bewegungen der Mittel- geißeln zurückzuführen] Auch Levcrarr (5), der die Beschreibung nach Davame’s Traite des entozoaires giebt, spricht von einem »Schwanze« der in menschlichen Dejektionen gefundenen Parasiten. Eben so zeigen die Abbildungen, welche Bürschati (l. e., Taf. 46, Fig. 3a, b) giebt, diesen Schwanz. Hingegen bieten — wie erwähnt — die Frontalansichten der Parasiten aus dem Ratten- und Mäuse- darm in der Arbeit von GrassI und SCHEWIAKOFF [(l. c., Taf. XV, Fig. 1, 4, 8, 9) eine gleichmäßige Verjüngung bis zum spitzen Hinter- ende des Thieres. An diesem spitzen Körperende sitzen die Schwanz- seibeln (— g, der genannten Autoren. Der an meinen Präparaten durchgängig zu findende Schweif ist allerdings nicht immer gleich- mäßig ausgebildet; bei einigen Exemplaren war der Unterschied des Verjüngungsgrades geringer, bei den meisten war er so bedeutend, dass am Ende des Schwanzes die beiden Ränder fast parallel ver- liefen. Ob die Unterschiede auf verschiedene Altersstufen hindeuten, konnte ich nicht mehr eruiren; äußere Gründe zwangen mich, die Untersuchung vorläufig abzuschließen. Dieser Schwanz — ich will ihn Steuer- oder Ruderschwanz wie LamsBL nennen — führt beim lebensfrischen Thiere fortwährend hef- tige und schnellende Bewegungen aus, vermittels deren das Thier ‘einmal rasch von der Frontlage in die Seitenlage sich begiebt, zum Andern plötzliche Richtungsänderungen in der Fortbewegung vor- nimmt. LAuBL kennzeichnet ganz trefiend die Bewegungen des Thieres als »gleich dem Schwalbenflug«. Die Bewegungen des Thieres erhalten endlich durch die raschen Schnellbewegungen des Schwanzes stoß- weise Beschleunigungen und einen oscillirenden Charakter. Beim ab- sterbenden Thiere sieht man, wie oben erwähnt, häufig den Ruder- schwanz längere Zeit nach der einen oder anderen Richtung gekrümmt still stehen (wie Figg. 3, 5, 6, 8, 11, 16, 18, Taf. XV), indess die Mittel- 304 Rudolf Metzner, seißeln, weiche das Thier durch ihre Bewegungen in gerader Richtung vorwärts zu treiben suchen (s. unten) weiter schwingen. Dann schwimmt der Parasit im Kreise umher, etwa wie ein Boot mit hart umgelegtem Steuer. Dass dieser Schwanz nicht so sehr zur gleichmäßigen Vorwärtsbewegung dient, als vielmehr zu Richtungsänderungen, kollungen ete., zeigt auch die Art seiner Bewegung. Er wird meist als Ganzes, wenn auch nicht als ein starres, sondern als ein etwas biegsames Ganzes bewegt, derart, dass an der hinteren Körperstelle, wo die Verjüngung eine geringere wird und die etwa als Schwanz- wurzel zu bezeichnen wäre, deutliche Knickungen entstehen. Oft sah ich am lebenden, sich noch rasch bewegenden Thiere den Schwanz vollständig vertikal zur Längsachse des Körpers geschnellt werden und eine Zeit lang in dieser Lage verbleiben. In den Intervallen zwi- schen diesen ausgiebigen Bewegungen scheint der Schwanz am lebens- frischen Thiere in fortwährender oscillatorischer Bewegung zu sein; Genaueres kann man nicht erkennen, da einmal das rasche Umher- schwimmen, zum andern der durch die Mittelgeißeln erregte Strudel dies hindern. Die an der Schwanzspitze befestigten Geißeln führen auch bei gerade gehaltenem Schwanze langsame und schwache Schlangenbewegungen aus. Meist verhalten sie sich passiv, wie auch GrRAssI und SCHEWIAKOFF (l. c., p. 149, Z.X7 v. ob.) bemerken. Letztere halten die Möglichkeit offen, dass diese Geißeln als Steuer dienen; nach meinen Beobachtungen versieht diese Funktion zum Haupttheile der Ruderschwanz. Auf eine andere von den genann- ten Autoren weiterhin (Z. 10 u. ff.) aufgestellte Vermuthung, dass die Schwanzgeißeln eine Art Fühlborsten seien, soll später eingegangen werden. Wie schon erwähnt, erkennt man das Absterben an den seltener und langsamer werdenden Bewegungen des Steuerschwanzes; in die- sem Stadium gelingt es dann aber auch, den Bewegungsinechanismus zu beobachten. Der Rand des Leibes, etwa vom hinteren Drittel des Peristoms an, wulstet sich und schlägt sich ventralwärts gegen die Medianlinie um, wobei er sich zugleich in der Längsrichtung verkürzt. Das Umschlagen ist deutlich zu erkennen, wenn der Steuerschwanz gegen die ventrale Seite (Peristomseite) umgelegt wird; der hintere Theil des Thieres gleicht dann einem Schöptlöffel mit übergebogenen Rändern. Im anderen Falle, beim Aufrichten des Schwanzes gegen die konvexe (dorsale) Seite ist es mir nicht gelungen, eine solche Umschlagung zu sehen, man bemerkt dann nur eine stärker konvexe Krümmung des Leibes, gegen dessen caudales Ende sich der auige Unters. an Megastoma entericum Grassi aus dem Kaninchendarm. 305 richtete Schwanz mit scharfem Knick absetzt. Die seitlichen, pa- rallel der Frontalebene des Thieres erfolgenden Wendungen des Steuerschwanzes sah ich eben so extreme Werthe erreichen. Eine Veränderung — etwa Verdiekung ete. — der oben genannten Rand- theile des Leibesplasmas konnte ich dabei mit Sicherheit nicht fest- stellen. Wie also die Bewegungen des Ruderschwanzes durch rasche Kontraktionen des Leibesplasmas bewirkt werden, so führt diese Kontraktilität auch zu weiteren Deformationen des Körpers. Den vorderen abgerundeten Pol des Thieres sieht man sehr häufig dorsal umgeschlagen werden, so dass der Körper eine dreieckige Form er- hält mit der Basis nach vorn (Fig. 7); in Profilansichten kann man dann den Grad dieser Umschlagung recht gut erkennen, der bis zur rechtwinkligen Stellung gegen die Längsachse gehen kann. Der Peristomrand steht dann deutlich hervor, zumal dann, wenn nur der vordere hyaline zugeschärfte Saum umgebogen wird, was die Regel ist. Andererseits krümmt sich auch häufig der ganze Leib nach der ventralen Seite, wobei der Ruderschwanz stark nach vorn zu stehen kommt. Für die Körperform wäre noch eine weitere Abweichung von der Darstellung von GrAssIı und SCHEWIAKOFF zum Ausdruck zu bringen. Der Schwanz ist deutlich abgeflacht, parallel der Frontalebene; am lebenden Thiere ist dies bei Vertikalstellung des Schwanzes deut- lich zu sehen. Indess sich nun peristomwärts der Körper an den Seiten erst langsam, dann rasch verdickt, bleibt in der Mitte der hinteren Leibeshälfte eine flachere dreieckige Fläche, deren stumpfe Spitze in das Peristom hineinragt. Der hintere Rand des Peristoms ist also in der Mitte offen, wenn mit »Rand« konform den Be- schreibungen von Grass und SCHEWIAKOFF (l. c., p. 145), Lamsn! und Grassı (9) der über die Cirkumferenz der flachen Peristomgrube sich erhebende Plasmastreifen bezeichnet werden soll. Schon am fixirten Objekte sieht man bei aufmerksamem Gebrauche der Mikro- meterschraube, dass dieser eigentliche Rand hinten in der Mitte unterbrochen ist, am besten aber tritt Letzteres hervor am lebenden ruhenden oder sich bewegenden Thiere, besonders bei dem oben beschriebenen Aufrichten des Ruderschwanzes. Liegt das absterbende 1 LAMBL, Die parasit. Organismen des Darmkanals. Aus dem Franz Joseph Kinder-Spital in Prag. Thl. I. 1860. (Ich eitire diese Arbeit von LAMBL nach GRASSI und SCHEWIAKOFF, da sie mir im Original nicht zugänglich war.) 306 Rudolf Metzner. Thier ruhig mit der ventralen (Peristom-) Seite nach oben, so sieht man den Peristomrand als scharfe dunkle Linie rings herumlaufen, bis auf die beschriebene Lücke an der hinteren Cirkumferenz. Hier tritt von beiden Seiten her der Rand mit leichter Wendung nach oben an die Ränder der dreieckigen Fläche, wo er scharf absetzt (s. Figg. 2, 3, 5, 6, 9, 10 ete.). Ist der Rand nach hinten umge- schlagen (s. unten), wie ich es am absterbenden Thier auch deutlich sah, so setzt er sich annähernd in rechtem Winkel gegen die Flächen- ränder ab (s. Figg. 1, 8, 19, 29). Die Spitze der beschriebenen dreieckigen Fläche ist verdickt und erstreckt sich in das Peristom hinein, wo sie dann wenig hinter den Kernen als ein rundlicher Vorsprung sich in die flache Aus- höhlung der Peristomgrube senkt. In einem optischen Querschnitt in halber Tiefe des Peristoms erscheint daher das Peristom als ge- schlossene Kurve mit einem kopfwärts (oder kernwärts) einspringenden Winkel. GRrassı und SCHEWIAKOFF beschreiben einen (l. e., p. 145, 7.17 v. oben) »kleinen Fortsatz, der frei über die Aushöhlung etwas nach vorn vorsteht. Dieser Fortsatz ist nicht starr, sondern beweg- lich und kann unter gewissen Verhältnissen ..... nach hinten um- geschlagen werden»sans exception« vorhanden. In seiner gründlichen Untersuchung über den Darmkanal der Urustaceen hat FRENZEL? auch die von den früheren Verfassern schon erwähnten Drüsen näher beschrieben. Er hebt indessen im Gegensatz zu Vırzou hervor, dass die Intestinaldrüsen nicht bei allen Decapoden zu finden sind. Bei Astacus und Scyllarus hat er näm- lich solche im Hinterdarm niemals gesehen. Bei Palinurus sind sie spärlich, während sie bei Maya und Paguristes in großer Menge vor- kommen. FRENzEL* glaubt, dass sowohl die Ösophagus- wie Intesti- naldrüsen als echte Speicheldrüsen funktioniren. In seiner allgemeinen Übersicht über die Organisation der Decapoden in Bronx’s Klassen und Ordnungen hat auch A. GER- STAECKER> das Vorkommen dieser Drüsen erwähnt. Er fasst sie mit einem gemeinsamen Namen als Intestinalsdrüsen zusammen. Da man nämlich mit den Ösophagealdrüsen völlig übereinstimmende Drüsen auch in dem eigentlichen Darm gefunden hat, so spricht dies nach seiner Ansicht gegen die Annahme, dass die Ösophagusdrüsen als wahre, Speicheldrüsen funktioniren. Die letzterwähnten bieten bei verschiedenen Gattungen mehr oder weniger ausgesprochene Differenzen nach Anzahl, Größe und Gestalt dar. Auch bei derselben Art, z. B. bei 1]. e.p. 475. ?2 Recherches sur la structure et la formation des teguments chez les Crustac&s Decapodes. Arch. de Zoolog. experiment. Vol. X. 1882. p. 521-528. 3 Über den Darmkanal der Crustaceen, nebst Bemerkungen zur Epithel- regeneration. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. XXV. 1885. p. 150. 4]. c. p. 182—183 und 184—185. 5 Bd. V. II. Abth. 1894. p. 969—970. Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 323 Astacus, sind Verschiedenheiten in der Größe der Drüsen wahrzu- nehmen. Die Mündungen liegen entweder wie bei Astacus und Palinurus ziemlich entfernt von einander, oder wie bei Zomarus in Gruppen von vier bis sechs beisammen. F. H. Herrick ! hat endlich von dem ämerikanischen Hummer erwähnt, dass zahlreiche Hautdrüsen über den ganzen Körper ver- breitet sind und sich auch in der Darmwand finden. Ferner giebt er an, dass sie an manchen Stellen (Lippe) vielleicht eine sekundäre sensorische Funktion haben. Wie aus dieser kurzen Darstellung der bisherigen Arbeiten über diesen Gegenstand hervorgeht, ist es nicht gerade viel, was man bis jetzt von dem Vorkommen und der Verbreitung dieser Drüsen im Darmkanale der Decapoden weiß. Das Ganze kann man mit einigen Worten dahin zusammenfassen, dass sie bei allen untersuchten Deca- poden in der Ösophaguswand, und bei mehreren auch in der Ober- lippe und in der Wand des Hinterdarmes nachgewiesen sind. Aber in welchem Theil des Ösophagus und des Hinterdarmes sie liegen, wie sie in der Oberlippe bei verschiedenen Gattungen angeordnet sind, wie groß ihre Zahl ist, und endlich, ob sie sich in derselben Anordnung in den Wänden des Hinterdarmes wie in denen des Ösophagus vorfinden, dies Alles sind Fragen, welche in der Litte- ratur entweder gar nicht, oder nur ziemlich ungenügend behandelt wurden. | Als ich bei meinen Untersuchungen über das sympathische Nervensystem einiger Decapoden den ganzen Darmkanal nach GoLsı behandelte, fand ich schon auf der inneren Oberfläche des Ösophagus und Hinterdarmes Bildungen, welche ich als die Mündungen der er- wähnten Drüsen ansehen musste. Um die Ausbreitung der in den Wänden des Hinterdarmes gelegenen bipolaren Nervenzellen, von denen ich schon früher mit Methylen schöne Bilder bekommen hatte, näher zu studiren, versuchte ich die von RETZIUS in seiner letzten Arbeit? mit so schönem Erfolg angewandte Versilberungsmethode. Zwar konnte ich nicht die peripheren Ausläufer der Nervenzellen finden, aber ich bekam die Mündungen der Intestinaldrüsen sehr distinkt schwarz gefärbt, und so bot sich eine eben so günstige wie uner- 1 The American Lobster: a study of its habits and development. Bull. U. S. Fish Comm. 1895, Art. 1, 252 pag. Taf. A—J, Fig. 1—54. (Citat nach Zool. Jahrb., Jahrg. 1895.) 2 Biologische Untersuchungen. Bd. X. Stockholm 1899. 324 Hans Wallengren, wartete Gelegenheit, eine Beantwortung der oben erwähnten Fragen zu versuchen. Um die Mündungen der betreffenden Drüsen zu färben, wandte ich folgende Methode an. Nachdem ich den Darmkanal auspräparirt und auf einer Wachsplatte ausgespannt hatte, wurde das Präparat während ca. 10 Minuten mit destillirtem Wasser abgespült, danach in eine 0,25% ,ige Lösung von Silbernitrat übergeführt und in einen dunklen Schrank untergebracht. Sobald die Wände des Darmkanals sanz undurchsichtig, weißlich waren, was gewöhnlich nach 10 Minu- ten eintrat, wurde das Präparat sorgfältig während mehrerer Stun- den in destillirtem Wasser ausgewaschen und danach in Sonnenlicht gestellt. Sobald die innere Oberfläche des Darmkanals eine schwach bräunliche Farbe angenommen hatte, wurde das Präparat zur nähe- ren Untersuchung in Glycerin übergeführt. Dann zeigte es sich ausnahmslos, dass die Mündungen der Drüsen und oftmals auch größere oder kleinere Theile der Ausführungsgänge, bisweilen ziem- lich tief in die Wand hinein, schwarz und sehr distinkt gefärbt waren. Folgende Decapoden habe ich in dieser Hinsicht näher unter- sucht: Astacus fluviatilis, Homarus vulgaris, Carcinus maenas und Cancer pagurus. Außerdem habe ich, wenn auch nicht so gründ- lich, den Darmkanal von Palaemon squilla untersucht. Bei den Decapoden ist, wie schon bekannt, die Mundöffnung nach vorn von einer bei verschiedenen Gattungen etwas verschieden entwickelten Oberlippe (Labrum) und nach hinten von der sogenann- ten Unterlippe (Labium) begrenzt. Diese letztere ist an beiden Seiten nahe dem hinteren Rande in einen mehr oder weniger chitinisirten Lappen ausgezogen. Ich bezeichne diese beiden als Labiallappen. Sie liegen um den hinteren Rand der Kiefer geschlagen und werden, sobald diese in Ruhe sind, gegen deren hintere und äußere Ober- fläche gedrückt, so dass sie deren basalen Theil bedecken. Die Labiallappen zeigen bei verschiedenen Gattungen etwas verschiedene Form, sind jedoch immer so gebogen, dass ihre nach oben gewandte Oberfläche der unteren Wölbung der Kiefer genau anliegt. Die Oberlippe ist durch eine tiefe Furche gegen den Ösophagus scharf abgegrenzt, nicht so die Unterlippe. Diese geht allmählich ohne schärfere Grenze in die Ösophaguswand über. Letztere ist immer mit einigen stärkeren, durch tiefe Furchen getrennten Längs- wülsten versehen. Bei den von mir untersuchten Decapoden sind immer drei derartige sehr kräftige und breite Längswülste vorhanden, Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 325 ein Vorderwulst, der unmittelbar oberhalb der Oberlippe gelegen ist, und auf jeder Seite ein Seitenwulst, dessen unteres Ende eben die laterale Begrenzung der Mundöffnung bildet und in seinem hinteren Theil im Allgemeinen in den Labiallappen ausgezogen ist. Zwischen den beiden Seitenwülsten in der hinteren Wand des Ösophagus findet sich auch immer ein Längswulst, der Hinterwulst. Dieser ist aber viel schmäler als die vorigen. Die vier jetzt erwähnten Wülste be- zeichne ich als Hauptwülste zum Unterschied von anderen, welche schwächer, schmäler und kürzer sind als diese, und die ich, da sie Bier Die Ösophaguswand bei Astacus Auviatilis. Zwischen dem Vorderwulste und rechten Seitenwulste auf- geschnitten. Von innen gesehen. Ol, die Oberlippe; Ul, die Unterlippe; 2.ZI, die linke Labiallappe; r.L1, die rechte Labiallappe; Vw. der Vorderwulst; Sw, die Seitenwülste; Zw, der Hinterwulst; Zw, der Zwischenwulst. Leırz, Ocul. 0, Obj. 2, eingeschobener Tubus. zwischen den Hauptwülsten liegen, als Zwischenwülste bezeichnen will. Solche finden sich bei Aszacus zwischen dem Vorderwulst und den Seitenwülsten (Fig. 1 Zw), während bei Homarus außer diesen, verhältnismäßig ziemlich schwachen Bildungen auch ein Zwischen- wulst zwischen den Seitenwülsten und dem Hinterwulst liest. Von diesen hinteren Zwischenwülsten, die in ihrem unteren Ende ziem- 826 Hans Wallengren, lich breit und kräftig sind, nach oben aber schmal zulaufen und bald verschwinden, gehen bei dem Hummer die Labiallappen aus. Bei Careinus (Fig. 3, p. 327) und Cancer finden sich eben so viele Zwischen- wülste wie bei Homarus, aber sie sind hier ziemlich schwach, er- reichen den Rand der Mundöffnung nicht und erstrecken sich auch nicht besonders weit nach oben. An der Oberlippe von Astacus (Fig. 1 O/) habe ich keine Drüsen finden können, aber ich halte es jedoch nicht für unmöglich, dass solche, wie Braun! erwähnt, in der sogenannten »Lingula« vorhanden sind, obwohl ich ihre Mün- dungen nicht gefärbt bekommen habe. Bei Homarus dagegen, dessen Ober- lippe (Fig. 2) hinsichtlich ihrer Form etwas von der des Krebses abweicht, hauptsächlich dadurch, dass sie nach innen gegen die Mundöffnung in eine weiche, längere, zungenähnliche Partie ausgezogen ist, findet sich eine große Menge von Drüsen. Ihre Mündungen liegen diffus auf dem lateralen Theile der nach unten gewendeten Oberfläche der Oberlippe zerstreut, ziemlich weit von der längs der Mittellinie ziehenden erhöhten Längsrippe. Nach vorn setzt u: Fig. 2. Die Oberlippe bei Homarus vulgaris, von j E { { unten gesehen. Ihre vordere Wand (W) sich diese Drüsenzone auf jede Seite der ist nach vorn geschlagen, und ihre rechte a ® : \ $) 7 . ” ® or | Seitenwand (Sw) ist längs ihrem vorde- vorderen Lippenwand fort (Fig. - Ui ren und hinteren Rand aufgeschnitten Die Mündungen sind hinsichtlich ihrer a gerchgn, ve Durchmesser ziemlich verschieden, einige . 0, Obj. 2, eingeschob. Tubus. nur 9—4 u, andere 6—10 u. Der mitt- lere Theil, also eine ziemlich breite Zone auf der vorderen und unte_ ren Fläche der Oberlippe, wie auch die in die Mundöffnung hinein- ragende zungenähnliche Partie entbehrt völlig der Drüsen. An den Seitenwänden (Fig. 2 Sw) des mittleren Theiles der Oberlippe findet man dagegen zahlreiche Drüsenmündungen. Hier sind sie aber theils in kleineren oder größeren runden Gruppen, die eine große Menge nahe bei einander liegender Drüsen enthalten, zusammengeordnet, theils, besonders in den oberen Theilen der Wand, mehr gleichmäßig zerstreut. ! Arbeit d. Zool. Institut Würzburg. 11. p. 477. Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 327 Bei Carcinus weicht die Oberlippe in ihrer Form sehr von der letzterwähnten Gattung ab. Sie ist nämlich verhältnismäßig kürzer und breiter. An jeder Seite ist sie außerdem zu einem abgerundeten, weichen Läppchen ausgezogen (Fig. 3 ST). Hier wie bei Homarus mündet auf dem Labrum eine Menge Drüsen aus. An der nach unten gewendeten Oberfläche, unmittelbar lateral von der erhöhten, stärker chitinisirten Mittelrippe, vor den beiden Seitenläppchen, liegt eine Zone von zahlreichen kleinen Drüsenmündungen. Die hier ge- legenen Drüsen ent- sprechen natürlich den bei Homarus weiter lateral gelegenen. Sie sind bei Carcinus aber mehr nach innen ge- rückt, ein Verhältnis, das wahrscheinlich mit der Entwicklung der Seitenläppchen in Zu- sammenhang zu setzen ist. Wären nämlich bei dieser Gattung die Drüsen auf derselben Stelle wie bei Homa- rus gelegen, so würden die lateralen Seiten- läppchen der Oberlippe wenigstens theilweise die Ausmündungen be- decken und also mehr oder weniger den Aus- 18; fluss des Sekretes Fig. 3. b ehindern. Auf den Pie linke Hälfte der Ösophaguswand bei Carcinus maenas. Die Be- 5 zeichnungen sind dieselben wie in Fig. 1. 2, die Seitenläppchen lateralen Läppchen der Oberlippe. Leırz, Oc. 0, Obj. 2, eingeschoh. Tubus. des Labrums (7) sind gleichfalls zahlreiche Drüsen zu sehen. Ihre Mündungen liegen im lateralen Theile ziemlich diekt bei einander, aber diffus vertheilt, während sie in der Mitte und an der Basis dieser Läppchen zu un- regelmäßigen, größeren oder kleineren Gruppen beisammen stehen (Fig. 3 87). Die Drüsenanordnung ist also hier völlig übereinstim- mend mit jener in den Seitenwänden der Oberlippe bei MHomarus, Mr. 328 Hans Wallengren., und es scheint mir in Folge dessen sehr wahrscheinlich, dass diese Läppchen bei Carcinus als Ausbuchtungen der lateralen Wände des Labrums aufzufassen und demnach den Seiten der Oberlippe bei FHomarus homolog sind. Wie bei dieser Gattung entbehrt auch bei Carcinus die Oberlippe längs ihrer Mitte und die zungenähnliche Partie völlig der Drüsen. Bezüglich des Vorkommens dieser Labial- drüsen bei Carcinus sagt BrAun!: »Die Oberlippe enthält ebenfalls diese Drüsen in großer Anzahl, sie liegen in rundlichen Haufen jederseits der Mittellinie nach dem Rücken zu und münden in Gruppen bis zu 20 und mehr nach außen.« Hinsichtlich der Bildung der Oberlippe und der Anordnung der Drüsenmündungen stimmt Cancer mit Carcinus beinahe überein. Die auf der ventralen Oberfläche des Labrums gelegene Drüsenzone ist aber breiter und erstreckt sich weiter nach vorn. Die Drüsengruppen auf den Seitenlappen sind beträchtlich größer und mit viel zahl- reicheren Mündungen versehen. Eben so wie gewöhnlich bei den Decapoden, vielleicht mit Ausnahme des Astacus, auf dem Labrum massenhaft Drüsen aus- münden, so fand ich auch bei allen, welche ich untersucht habe, immer eine größere oder kleinere Anzahl von Drüsenmündungen auf den Labiallappen. Ihre Zahl und Anordnung aber wechselt bei ver- schiedenen Gattungen ziemlich stark. Von früheren Autoren scheinen diese Drüsen nicht beobachtet zu sein. Bei Astacus, wo die Labiallappen sehr dünn und in ihrem vor- deren und äußeren Rand mit langen Borsten versehen, im Übrigen aber nackt sind, findet man solche Mündungen nur auf der äußeren Oberfläche, während sie auf der inneren, gegen die Kiefer gewendeten Fläche völlig zu fehlen scheinen (Fig. 1 p. 325, r.L/ und /.L2). Sie sind auf der äußeren Seite längs des vorderen Randes zu kleinen Gruppen versammelt. Ihre Durchmesser sind ziemlich verschieden, einige Mün- dungen verhältnismäßig groß, 15 u, andere dagegen kleiner, nur 9—6 u. Homarus weicht, was die Anordnung dieser Drüsenmündungen auf den Labiallappen anlangt, bedeutend von dem Krebse ab. Bei dem Hummer sind diese Läppchen stärker chitinisirt und auf ihrer inneren, gegen die Kiefer gewendeten Oberfläche mit langen weichen Borsten be- kleidet, die jedoch nur auf dem oralen inneren Theil sitzen. Die äußere Oberfläche ist auch mit zahlreichen, aber kürzeren und kräftigeren Borsten versehen. Bei Zomarus münden indessen sehr zahlreiche 1]. c.p. 47. Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 329 Drüsen, nicht nur wie beim Krebse auf der von den Kiefern ab- gewendeten Oberfläche, sondern auch auf der inneren Seite der Labiallappen aus. Diese Mündungen sind aber auf den beiden Seiten ‚verschieden angeordnet. Auf dem distalen Theile der oberen Fläche sind sie gleichförmig zerstreut (Fig. 4), während sie sich gegen die Basis hin mehr und mehr zu unregelmäßigen, größeren oder kleineren, oft mit einander zusammenhängen- den Gruppen sammeln. Auf einer breiten Zone längs des hinteren Randes (A.R), von der Spitze bis < zur Basis der Lappe, scheinen die „A... — Drüsen völlig zu fehlen, während zahlreiche längs des entgegen- gesetzten Randes vorhanden sind (v.R). Auf der unteren Seite sind, wie erwähnt, gleichfalls zahlreiche Drüsenmündungen zu sehen (Fig. 5). re Aber hier liegen sie nur in dem zine Labiallappe von Homarus vulgaris, von der Besen EheilederLappen zwischen °»eren Seite gesehen. A.R, der hintere Rand; | v.R, der vordere Rand. Leırz, Oc. 1, Obj. 2, den Borsten oder an deren Basis eingeschobener Tubus. zerstreut. In der Fig. 5 sind die Borsten als schwarze, in mehr oder weniger regelmäßigen Querreihen angeordnete, ovale Pünktchen gezeichnet. Da die Labiallappen in ihrer distalen Hälfte ziemlich dünn sind, liegen die Drüsenkörper nicht gerade unter ihren Ausführungsgängen, so dass diese nicht rechtwinkelig gegen die Cuticula hinaufsteigen, sondern schräg nach außen gehen und unter spitzen Winkeln in die Cuticula hinaufsteigen. In Folge dessen treten bei Versilberung die Mündungen und die äußeren gefärbten Theile der Ausführungsgänge hier immer als kleine, an ihren äußeren Enden verdickte, kommata- ähnliche Bildungen hervor. Bei Carcınus sind die Labiallappen breiter abgerundet und weicher als bei den beiden Fig. 5. Der distale Theil einer Labial- vorigen Gattungen (Fig. 3 .LI, p. 327). Sie ent- appe von Homarus mulgaris, von der unteren Seite ge- behren größerer Borsten; dafür sitzen jedoch am in Vorar Mia. vorderen Rande einige kleinere. Was das Vor- kommen und die Anordnung der Drüsen auf den Labiallappen be- trifft, stimmt Carcinus am meisten mit Astacus überein. Bestimmte 390 Hans Wallengren, Verschiedenheiten sind jedoch vorhanden. Zwar finden sich wie beim Krebse keine Drüsenmündungen auf der gegen die Kiefer gewendeten Fläche, aber an der Basis der Labiallappen zieht eine ziemlich breite Zone dicht bei einander liegender Drüsenmündungen von dem vor- deren bis nach dem hinteren Rande der Lappen (Fig. 3 /.L!). Auf der nach unten gewendeten Seite münden sehr zahlreiche Drüsen, die zu größeren und kleineren Gruppen vereinigt sind. Sie liegen hier wie bei Astacus näher dem vorderen (A. R) als RN dem hinteren Rande(». RR), erstrecken sich aber i) auf der Oberfläche weiter einwärts. Die Mündungen sind auch viel zahlreicher und näher bei einander gelegen. Die Gruppen j sind auch bedeutend größer (Fig. 6). / Cancer stimmt in dem Vorkommen und Fig. 6. der Anordnung dieser Drüsen vollkommen Eine Labiallappe von Careinusma- mit Carcınus überein. Die Drisenzruppen nas, von der unteren Seite gesehen. E e E h.R, der vordere Rand; v.R, der hin- auf der äußeren Seite sind jedoch mehr jere and. Bez, 00.0, 08.2 ausgebreitet und fließen in Folge dessen ubusl. 160. oft mehr mit einander zusammen. Wie schon in der einleitenden Übersicht erwähnt wurde, sind die Drüsen in der Ösophaguswand schon früher bei mehreren Deca- poden von verschiedenen Autoren beschrieben worden, aber ihre Ausbreitung im Ösophagus und die Anordnung ihrer Mündungen sind wenig bekannt. Bei Astacus finden sich also Drüsen in der Wand des Ösopha- gus, aber nicht, wie Braun sagt, bis kurz vor dem Übergang in den Magen!. Sie sind nämlich auf die untere Hälfte des Ösophagus be- schränkt (Fig. 1, p. 325). Ferner liegen sie nicht gleichförmig längs der ganzen Wand vertheilt, sondern sind nur in den Vorder- und Seiten- wülsten vorhanden (Fig. 1 Vw, Sw). In diesen letzten kommen sie sewöhnlich zahlreicher vor als in dem Vorderwulste.e Am oralen Ende des Hinterwulstes (Zw) habe ich oft einige kleinere Drüsen- sruppen gesehen, aber gewöhnlich scheinen sie in diesem Wulste eben so wie in den Zwischenwülsten ganz zu fehlen. In den rinnen- förmigen Falten zwischen den Längswülsten habe ich auch niemals Drüsenmündungen gefunden. Die Mündungen, welche bei Versilbe- rung als schwarze Punkte scharf hervortreten, sind in Gruppen von drei bis vier, selten von mehr, sechs bis acht, gesammelt. Sehr oft uR.-- ! Arbeiten d. Zool. Institut Würzburg. Bd. II.- p. 141. Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 331 aber findet man sie auch in kurzen Reihen von drei bis vier geord- net, oder sie stehen hier und da zwei und zwei zusammen. Zwischen diesen Gruppen oder Reihen, welche ziemlich weit von einander selegen sind, finden sich einzelne Mündungen zerstreut. Es ist also nicht ganz richtig, wie GERSTAECKER! angiebt, dass bei Astacus die Mündungen in weiteren Abständen von einander liegen. Weiter auf- wärts gegen den oberen Theil der unteren Hälfte des Ösophagus werden sie immer spärlicher. Gruppen von vier bis fünf findet man hier gewöhnlich nicht. Die Mündungen liegen einzeln, weiter von einander zerstreut oder zwei und zwei zusammen. Bei den meisten Individuen habe ich die Mündungen etwa so vertheilt und geordnet sefunden, wie Fig. 1, p. 325 zeigt, aber nicht selten beobachtet man bei einzelnen Individuen weniger, mehr zerstreut liegende Mündungen. Bisweilen sind die Drüsen hauptsächlich längs den Seiten der Wülste angesammelt. Es giebt nämlich zahlreiche individuelle Variationen hinsichtlich dieser Verhältnisse bei den Krebsen. Bei der Versilberung der Ösophaguswand von Homarus fällt gleich ein eigenthümliches Strukturverhältnis in oder auf der Cuti- cula auf. Wenn man schwächere Vergrößerung anwendet, sieht es so aus, wie wenn die ganze innere Oberfläche des Ösophagus mit feinen, langen Haaren bekleidet wäre, aber bei stärkerer Vergröße- rung stellt es sich bald heraus, dass in oder auf der Cutieula zahl- reiche, sich in allen Richtungen kreuzende, fadenförmige Bildungen liegen, welche tiefer braun gefärbt sind. Ob dies ein wirkliches Strukturverhältnis ist, durch präformirte Bildungen in der Cuticula hervorgerufen, oder ob es nur als Artefaet, in Folge des Reduktions- verlaufes des Silbernitrates anzusehen ist, das wage ich nicht mit Be- stimmtheit zu sagen. Auffallend ist es jedenfalls, dass ich immer solche Bildungen bei Versilberung der Ösophaguswand von Homarus bekommen habe, während ich nach derselben Behandlung im Öso- phagus der anderen Decapoden niemals solche gesehen habe. Es scheint mir nicht unmöglich, dass diese fadenförmige Struktur von dem auf der inneren Fläche des Ösophagus befindlichen Drüsensekret herrühren könne, da es wahrscheinlich durch die Einwirkung des Silbernitrates eoagulirt. Dass ein solches Sekret bei Homarus reich- licher vorhanden sein muss, als bei den anderen von mir untersuchten Decapoden, ist natürlich, da der Hummer mit einer beträchtlich srößeren Menge Ösophagusdrüsen versehen ist als die übrigen. Noch tl. c. p. 970. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 22 339 Hans Wallengren, eine andere Verschiedenheit gegen Astacus bietet die Ösophaguswand von Homarus dar, indem sie auf ihrer oberen Hälfte von feinen, ziemlich langen Borsten bekleidet ist. Diese sitzen in breiteren oder schmäleren Strichen, welche vielfach unregelmäßig mit einander anastomosiren. Wie schon erwähnt ist, liegen in der Ösophaguswand bei Homa- rus sehr zahlreiche Drüsen (Fig. 7). Sie sind hier nicht nur auf die untere Hälfte des Ösophagus beschränkt, sondern sind, obgleich etwas spärlicher, doch auch in der oberen Hälfte vorhanden und finden sich bis an die Grenze des Ösophagus gegen den Magen. Man sieht zahlreiche Drüsenmündungen nicht nur auf allen Hauptwülsten, son- dern auch auf den Zwischenwülsten. In denjenigen Zwischenwülsten, welche zwischen dem Vorderwulste und den Seitenwülsten gelegen sind, kommen jedoch Drüsen nur in dem ee unteren Theil vor. Im Gegensatz zu Fun Astacus sind die Mündungen hier immer in größeren, oft sogar ziemlich großen, oder kleineren Gruppen gesammelt, wel- | che, besonders in dem unteren Theil des Ösophagus, sehr dicht bei einander ste- | hen. In den größeren Gruppen sind Fis. 7. etwa hundert oder oft sogar mehr Min- Der üntere Theil des Vorderwulstgs der dungen vorhanden. Ihr Lumen si zıem- Ösophaguswand von Homarus vuigaris. ]ieh wechselnd, einige sind größer, an- Leitz, Oc. 0, Obj. 2, eingeschobener = ; Taihus, dere kleiner, andere sogar sehr klein. Im Allgemeinen sind sie jedoch nicht weiter als bei Astacus. Die kleinen Gruppen haben nur etwa 20 bis 30 Mündungen. Nach GERSTAECKER! würden die Ausführungs- sänge bei Zomarus nur in Gruppen zu vier bis sechs ausmünden, eine Angabe, die also nieht richtig ist. Die Drüsengruppen scheinen sewöhnlich eben so dicht auf den Seiten, wie auf dem mittleren Theil der Wülste zu stehen. In seinem oberen Theil ist der Ösophagus, wie schon gesagt, mit Borsten bekleidet, welche in unregelmäßigen Strichen sitzen. Sowohl auf den borstentragenden als auf den nackten Partien der Wand kommen Drüsenmündungen vor (Fig. 8). Obschon die Borsten an ihrer Basis gewöhnlich auch schwarz gefärbt sind und wie runde Punkte hervortreten, also den Mündungen der Drüsen sehr ähnlich sind, so kann man die letzteren doch ohne Schwierigkeit auch mit 1 1. 26:2p. 2920: Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 333 schwächerer Vergrößerung von jenen unterscheiden, weil um die Gruppen von Drüsenmündungen herum auf einer ziemlich breiten Zone keine Borsten sitzen (Fig. 8). Bei Careinus, der die Innenfläche des Ösophagus wie Astacus völlig nackt hat, finden sich Drüsen nur in der unteren Hälfte (Fig. 3, p. 32%). Auch hier, bei dieser Brachyuren-Gattung, sind die Drüsen hauptsächlich in den Vorder- und Seitenwülsten (Vw und Sw) gelegen. Diese letzteren scheinen gewöhnlich auch drüsen- reicher als der Vorderwulst zu sein. Einige Mal habe ich auch Drüsen- gruppen im unteren Theil des Hinter- wulstes, dagegen niemals in den Zwischenwülsten gefunden. Die Drü- senmündungen sind bei Carcinus in größeren Gruppen als bei Astacus, aber gewöhnlich nicht in so großen wie bei Homarus angesammelt. Sie liegen auch bei Weitem nicht so dicht wie bei dieser letzteren Gattung, son- dern stehen ziemlich entfernt von einander. Die Zahl der Mündungen Fig. 8. und in Folge dessen wohl auch die Der obere Theil des Vorderwulstes der Öso- der Drüsen wechselt ziemlich viel in !E.mmmn bei Homarus aulgaris. Die Aus- gangsstellen der Borsten sind mit queren den versehiedenen Gruppen von 10 _ Strichen, die Drüsenmündungen mit runden oder sogar weniger bis 50 oder 60, a ae vielleicht auch noch mehr. In dem oralen Theil der Wülste sind die Gruppen am zahlreichsten und liegen näher bei einander. Nach oben werden sie spärlicher und sind mehr von einander entfernt. Zwischen den Gruppen habe ich keine einzeln liegenden Mündungen beobachtet. In ihrer Zahl und in ihrer Anordnung variiren auch bei dieser Gattung die Drüsen- gruppen sehr. Gewöhnlich liegen sie über der ganzen Oberfläche der Wülste ziemlich gleichmäßig zerstreut, bisweilen aber sind sie hauptsächlich an den Seiten angesammelt. Oftmals findet man sie theil- weise in kurzen, schrägen, längsverlaufenden Reihen geordnet. Hin- siehtlich der Anordnung dieser Drüsen bei Carcinus sagt BRAunXt!: »Die Drüsenmündungen auf der Chitinhaut des Ösophagus sind in 1]. c.p. 44. 904 Hans Wallengren, . Längsreihen angeordnet, die noch vor dem Eintritt der Speiseröhre in den Magen aufhört, und etwa sechs bis acht gesonderte Gruppen von Mündungen umfasst.< Diese Darstellung ist also nicht ganz richtig. Wie schon erwähnt, liegen sie nicht so regelmäßig ange- ordnet. Der Cancer steht, was die Anordnung der Ösophagusdrüsen be- trifft, dem Carcinus sehr nahe. Die Gruppen der Mündungen sind aber vielleicht etwas zahlreicher, größer und gehen weiter nach oben gegen die Grenze des Magens, aber nicht so weit wie bei Homarus. Ferner habe ich bei Cancer einzelne Drüsengruppen auch einige Mal in den auf beiden Seiten des Hinterwulstes gelegenen Zwischen- wülsten gesehen. Der Hinterwulst aber entbehrt wie bei Asiacus gewöhnlich völlig der Drüsen. Unmittelbar hinter dem Pylorus fängt der eigentliche Darmkanal an, in welchem Huxrey! zuerst, und nach ihm FRENZEL? u. A. zwei Abschnitte unterschieden haben, einen vorderen, den Mitteldarm, und einen hinteren, den Hinterdarm. Die Grenze zwischen ihnen ist nach FRENZEL äußerlich nur wenig markirt, aber, wenn man den Darm aufschneidet, so findet man, dass der Hinterdarm mit einigen Längswülsten versehen ist, die am Übergang in den Mitteldarm ganz plötzlich aufhören, und dass die innere Fläche des Mitteldarmes eben und glatt ist (FRENZEL?) Indessen kann man wenigstens bei den von mir untersuchten Decapoden auch auf der äußeren Seite des Darmkanals ohne Schwierigkeit ganz deutlich diejenige Stelle sehen, wo die Längswülste des Hinterdarmes aufhören. Es tritt nämlich hier eine ziemlich beträchtliche ringförmige Verdickung auf. Bei den Decapoden im Allgemeinen wird der Mitteldarm als ganz kurz, nur ein paar Millimeter lang (FRENZEL, GERSTAECKER?), beschrieben, während der Hinterdarm gewöhnlich sehr stark ent- wickelt ist. Eine Ausnahme hiervon bildet nur eine Gattung. Bei Paguristes hat nämlich FRENZEL gefunden, dass der Mitteldarm sehr lang, sogar länger als der Hinterdarm ist. Obschon ich nicht die Gelegenheit gehabt habe, den Darmkanal histologisch näher zu untersuchen, möchte ich doch die Vermuthung aussprechen, dass das Längenverhältnis zwischen dem Mittel- und Hinterdarm bei den Decapoden viel mehr wechselt, als man bis- her anzunehmen scheint, und dass der Mitteldarm gewöhnlich nieht so kurz ist wie FRENZEL angiebt. Ich stütze diese meine Vermuthung ! Der Krebs. Leipzig 1831. 2]. ce. p. 144. 3.1. e.. p. 133 a ee Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 335 hauptsächlich auf anatomische und morphologische Gründe, obwohl ich weiß, dass die entscheidenden Beweise nur in dem histologischen Bau und in der embryonalen Entwicklung des Darmes zu finden sind. Bevor ich zu einer Beschreibung meiner Untersuchungen über die in dem Darmkanale vorkommenden Drüsen übergehen kann, muss ich zuerst das Verhältnis zwischen dem Mittel- und Hinterdarm etwas näher erwähnen. Bei Astacus ist der Mitteldarm in voller Übereinstimmung mit der allgemeinen Annahme ohne Zweifel sehr kurz. Im Darmkanale eines Individuums, das von der Spitze des Rostrums nach dem hinteren Rande des Telsons 8,5 em lang war, fingen die für den Hinterdarm charakteristischen Längswülste schon 4 mm hinter der Ausmündungs- stelle des Hepatopankreas an. Der Mitteldarm betrug also nicht viel mehr als 4 mm, während der Hinterdarm 5,4 cm lang war. Bei Homarus aber finden wir ganz andere Längenverhältnisse zwischen diesen beiden Darmabschnitten. In dem Darmkanal eines 20,5 em langen Individuums fingen die Längswülste und also auch der Hinterdarm zuerst 11 em hinter der Ausmündungsstelle des Hepatopankreas an. In Folge dessen war also hier der Mitteldarm von einer ziemlich bedeutenden Länge, 11 cm, während der mit Längs- wülsten versehene Theil des Darmes, welchen ich als Hinterdarm ansehen muss, nicht mehr als 19 mm beträgt. Die Wände dieser von mir als Mitteldarm gedeuteten Partie sind auch ziemlich dünn und scheinen, wenn ich nach einer bei Behandlung mit Silbernitrat oft zu machenden Beobachtung urtheilen kann, auch eine Cutieula zu entbehren. Wenn man den Darm aufgeschnitten und auspräparirt hat und schwache Silbernitratlösung über das Präparat gießt, nimmt die Oberfläche des Mitteldarmes beinahe augenblicklich ein weißes undurchsichtiges Aussehen an, während der mit einer dieken Cuticula bekleidete Hinterdarm noch einige Minuten unverändert bleibt. Wenn man danach mit Wasser auswäscht, muss man sehr vorsichtig sein, damit nicht die epitheliale Bekleidung des Mitteldarmes sich ganz ablöse und nur die Muskel- und Bindegewebslagen zurückbleiben. Auch andere Thatsachen, welche ich später erwähnen werde, sprächen dafür, dass der längste Theil des Darmes bei Homarus als Mittel- darm angesehen werden muss. Bei Caarcinus ist auch die von mir als Mitteldarm gedeutete Darmpartie ziemlich lang, wenn sie auch bei Weitem nicht dieselbe Länge wie beim Hummer erreicht. Jedenfalls kann man jedoch bei: Carcinus den Mitteldarm nicht als so kurz bezeichnen, wie es FRENZEL 336 Hans Wallengren, und GERSTAECKER bei den Decapoden im Allgemeinen thun, indem sie angeben, dass er außerordentlich kurz sei und selbst bei großen Thieren nur einige Millimeter messe. Bei einem Individuum, dessen Körperlänge 9,4 cm betrug, fingen die Längswülste in dem Darm- kanale 9 mm hinter der Ausmündungsstelle des Hepatopankreas an. Der Mitteldarm muss hier also beinahe einen ganzen Centimeter lang sein. Der Hinterdarm maß 4,8 em. Noch länger ist aber der Mittel- darm bei Cancer pagurus. Bei einem Individuum, dessen Körperlänge 20 cm war, betrug der Mitteldarm 5,5 cm, während der Hinterdarm, also der Theil von dem vorderen Ende der Längswülste bis an den Anus, 8,3 em maß. Der Mitteldarm beträgt also hier mehr als die Hälfte der Länge des Hinterdarmes. Aus den hier erwähnten Thatsachen geht also hervor, dass das Verhältnis zwischen den beiden Darmabschnitten demjenigen, in welchem Längswülste fehlen und dessen Wand dünn ist, und dem- jenigen, wo Längswülste entwickelt sind und der eine dieke Wand besitzt, bei verschiedenen Gattungen ziemlich wechselt. Dass der erste Theil dem Mitteldarm und der zweite dem Hinterdarm entspricht, halte ich für ziemlich sicher. Der Mitteldarm ist ferner, wie vorher mehrmals erwähnt wurde, bei den Decapoden nicht immer, vielleicht sogar gewöhnlich nicht, so kurz wie man bisher hauptsächlich in Folge der Untersuchungen FRENZEL's geglaubt hat. Zwei Systeme von Anhangsorganen, deren erstes die Mitteldarm- drüsen, Hepatopankreas, und deren zweites eine dorsale Aussackung ist, welche am Ende dieses Darmabschnittes liegt, gehören dem Mitteldarm an (FreEnzeu!). Diese dorsale Aussackung (die dorsale Darmtasche nach HuxLeyY?) wird bei Astacus wie bekannt, als un- paarig, bei anderen Decapoden aber als paarig beschrieben. So erwähnte MILNE EDwARDs? von Homarus, zwei kleine Aussackungen, »qui ressemblent ä des Uornes«. Während sie bei dieser Gattung sehr kurz sind, erreichen sie bei anderen Decapoden eine be- trächtliche Länge und werden sehr schmal, blinddarmähnlich. Von den Paguriden beschreibt SWAMMERDAM#, von Carceinus maenas P.W.Lunp5, von den Brachyuren im Allgemeinen MıLnE EDwARDSs$, t]. ce. p. 144. 2]. e. p. 54. Fig. 10 coe. 3 Histoire naturelle des Crustaces. I. Paris 1834. p. 76. 4 Anatomie der Krebs- oder Seeschnecke. Bibel der Natur. Leipzig 1752. (Citat nach Bronn’s Klassen und Ordnungen.) 5 Blutlauf in den Crustaceen. Isis. Bd. XXII. 1829. p. 1302. Are: | Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 337 von Portunus puber DuUVERNoY!, von Pachygrapsus und Dromia FRENZEL? solche Bildungen. Zu der in der Litteratur gegebenen Beschreibung über die dorsale Darmtasche bei Astacus habe ich natürlich nichts Neues hinzuzufügen. Sie ist ziemlich klein, ein wenig nach vorn geschlagen und mit ihrer Spitze durch ein feines Ligament an dem hinteren Rande des Pylorus unmittelbar hinter der Insertionsstelle der Museul. dilat. pylor. sup. post. befestigt. Was dieselbe Bildung bei Zomarus betrifft, so scheint mir die Angabe MıLnE EDWARDS nicht ganz richtig zu sein. Die Darm- tasche ist hier nämlich nicht paarig. Von dem Mitteldarm, unmittelbar hinter dem Pylorus und ungefähr gerade gegenüber den Ausmündungs- stellen des Hepatopankreas stülpt sich nämlich ganz wie bei Astacus der Mitteldarm in eine dorsale unpaarige Tasche aus. Diese liegt auch hier ein wenig nach vorn geschlagen und ihre Spitze ist mittels eines Ligamentes an dem hinteren Rücken des Pylorus befestigt. Diese Tasche ist aber bei dem Hummer an ihren Seiten etwas aus- gsebuchtet und hängt somit über die lateralen Seiten des Pylorus ein wenig hinüber. Diese Verhältnisse sind es wahrscheinlich, welche MILNE EDWARDS veranlasst haben, zwei hörnchenförmige Aussackungen anzunehmen. Hinsichtlich der Entwicklung dieses dorsalen Blinddarmes ist Carcinus maenas sehr von den beiden oben beschriebenen Macruren- Gattungen verschieden. Es giebt nämlich hier, wie schon MiıLNE Epwarps von den Brachyuren im Allgemeinen erwähnt, wirklich zwei paarige blinddarmähnliche Ausbuchtungen, welche sehr schmal und beträchtlich lang sind. Sie gehen von jeder Seite des Mittel- darmes dorsal ungefähr gegenüber der Mündungsstelle des Hepato- pankreas aus, liegen nach vorn geschlagen auf jeder Seite des Magens, wie MıLne EDwARrDs angiebt, stark eingerollt, aber nicht wie FRENZEL ? bei Dromia und Pachygrapsus gefunden hat, in spiraligen, sondern in sehr unregelmäßigen Windungen. Diese werden von feinen binde- sewebigen Fasern ziemlich fest mit einander zusammengehalten. Bisweilen habe ich gefunden, dass diese Blinddärme theilweise mehr lateral verschoben waren, so dass einige Windungen zwischen den Hepatopankreaslappen und die Geschlechtsdrüse zu liegen kamen, welche letztere in diesem Falle sehr vergrößert, beinahe reif war. Bei dem schon vorher erwähnten Individuum wurden diese Blind- ı Citat nach GERSTAECKER in Broxn’s Klassen und Ordnungen. 2]. c. 31. cp 143 998 Hans Wallengren, därme auspräparirt und in ihrer ganzen Länge aufgewickelt. Sie zeigen hier eine Länge von nicht weniger als 7,7 cm, also nur 1,7 cm weniger als die ganze Körperlänge. An ihrer Basis waren sie ungefähr l mm dick, verjüngten sich aber mehr und mehr nach außen, so dass sie an ihrem freien Ende sehr dünn, beinahe fadenähnlich waren. Bei Cancer, wo ganz ähnliche Blinddärme vorhanden sind, erreichen sie eine noch beträchtlichere Länge. Bei dem erwähnten Individuum betrugen sie nämlich 18 em und ihr Diameter an der Basis war 2 mm. Auch hier verjüngen sie sich stark nach außen und liegen in unregelmäßigen Windungen, an der Seite des Cardialtheils des Magens durch feine Bindegewebsfasern befestigt. Wenn wir die Lage dieser postpyloricalen Blinddärme mit der oben dargestellten Ausdehnung des Mitteldarmes vergleichen, so ergiebt sich ohne Weiteres, dass sie nicht, wie FRENZEL sagt, am Ende dieses Darmabschnittes gelegen sind. Beim Krebse ist es zwar beinahe der Fall, weil der Mitteldarm hier sehr kurz ist, aber bei den übrigen von mir untersuchten Decapoden liegen sie gerade im Gegentheil am Anfang dieses Darmabschnittes.. In der folgenden Darstellung meiner Untersuchungen werde ich aber eine andere blinddarmähn- liche Bildung erwähnen, welche von dem hinteren Ende des Mittel- darmes ausgeht. Es gehört auch ein anderes blinddarmähnliches Anhängsel, das bei vielen Decapoden entwickelt ist, dem Darmkanal an, obgleich FRENZEL! in seiner erwähnten Abhandlung davon nichts sagt. In der Litteratur liegen auch widersprechende Angaben vor über die An- wesenheit eines solchen dorsalen unpaaren Blinddarmes hinter diesen jetzt beschriebenen Dorsaltaschen des Mitteldarmes. Einen solchen erwähnt Lunp bei Maya? und Carcinus maenas?, MILNE EDWARDS sagt, dass beinahe alle von ihm untersuchten Decapoden einen hinteren Blinddarm besitzen. Er nennt ihn auch Coecum posterius. Die Lage dieses Blinddarmes ist verschieden, je nachdem der Darm- abschnitt, welchen er als Duodenum (— Mitteldarm) bezeichnet, länger oder kürzer entwickelt ist. Bei Cancer ist also der hintere Blinddarm weiter nach vorn, vor dem Herz gelesen, bei Zomarus dagegen ist er ziemlich weit nach hinten in das hintere Ende des Postabdomens gerückt. Der Krebs entbehrt eines solchen. Cuvier giebt an, dass 1.2c: Citat nach GERSTAECKER in BRonN’s Klassen und Ordnungen. l. e. p. 1502. 4 MıiLnNE EDWARDS, 1. ce. p. 76-77. Citat nach GERSTAECKER in Broxnn’s Klassen und Ordnungen. &® ww cr Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 339 ein hinterer Blinddarm außer bei dem Carcinus, Cancer und Homarus auch bei Portunus puber und sogar bei Astacus vorhanden ist. MECKEL! hat ihn bei Pagurus, Penaeus und Palaemon beobachtet, aber bei den von den früheren Autoren erwähnten Brachyuren sowie bei Astacus, Palinurus und Scyllarus hat er vergebens einen solchen gesucht. Nach Duvernor! dagegen kommt ein solcher Blinddarm bei Cancer pagurus, aber nicht bei den von CuviEr erwähnten Macruren und bei Galathaea sgquamifera und Palaemon serratus vor. ‚Wie schon hervorgehoben wurde, erwähnte FRENZEL von dem Mitteldarm der Decapoden nur zwei Aussackungen, das Hepatopankreas und die dorsale Darmtasche und giebt betreffend des Hinterdarmes an, es scheine sämmtlichen Decapoden eigenthümlich zu sein, dass dieser letzte Darmabschnitt frei von Anhängen sei? Es scheint also, als ob FrenzeL das Vorkommen einer hinteren blinddarmähnlichen Aus- buchtung am Darmkanal der Decapoden überhaupt ganz verneinen wollte. In höchstem Grade merkwürdig finde ich es, dass einander so widersprechende Angaben über das Vorhandensein solcher Bildungen bei unseren gewöhnlichsten Decapoden vorliegen können, ohne dass eine entscheidende Untersuchung über diese Verhältnisse schon längst vorgenommen wurde. Da ich bei meinen Untersuchungen über die Intestinaldrüsen natürlicher Weise nicht umhin konnte, auch Beob- achtungen über das Vorkommen oder Fehlen einer solchen Bildung zu machen, will ich sie hier in aller Kürze mittheilen. Wie schon MıLnE EDwARDs erwähnt hat, entbehrt der Krebs einen hinteren Blinddarm, während der Hummer einen solchen besitzt. Er geht dorsal von dem Darmkanal unmittelbar vor dem Anfang der Längswülste aus, also vom hinteren Ende desjenigen Darmabschnittes, den ich als Mitteldarm angesehen habe. Bei dem $orher erwähnten Individuum war er ungefähr 11 cm hinter dem Pylorustheil gelegen oder, um seine Lage nach hinten zu besser anzugeben, 2 cm vor dem Anus. Die Länge ist ziemlich beträchtlich und beträgt ca. 15 mm. Ich kann mein Erstaunen nicht unterdrücken, dass man eine so große Bildung hat übersehen oder ihr Vorkommen sogar hat verneinen können. Dieser Blinddarm ist dorsal nach hinten geschlagen und am Rectum durch Bindegewebsfasern befestigt. In seinem hinteren Theil bildet er drei scharfe, aber kurze Krümmungen. In Folge dessen erstreckt er sich nach hinten nicht über die vordere Hälfte des Hinterdarmes. i Citat nach GERSTAECKER in Bronn’s Klassen und Ordnungen. Le. 8 340 Hans Wallengren. Bei Oarcinus findet sich ebenfalls ein solcher Blinddarm, welcher von der entsprechenden Stelle des Darmes ausgeht. Da der Mittel- darm aber hier viel kürzer ist als bei dem Hummer, kommt auch der hintere Blinddarm näher dem Pylorus zu liegen, wie schon MILE EDWARDS ganz richtig erwähnt hat. Bei demjenigen Individuum, von welchem ich schon einige Maße angegeben habe, war er 8 mm hinter den vorderen, postpyloricalen Blinddärmen gelegen. Er geht ein wenig nach hinten, biegt sich dann wieder nach vorn und rollt sich so in unregelmäßigen Windungen dorsal von dem Darm stark auf. Präparirt man den ganzen Blinddarm aus, so findet man, dass er eine ganz erstaunliche Länge besitzt. Bei dem betreffenden Indi- viduum war er 10,5 cm lang, also ein wenig länger als der ganze Körper. Seine Dieke beträgt an der Basis nur 1,5 mm. Von Maja squinado hat MıLse Enwarps! diesen Blinddarm abgebildet, aber bei dieser Gattung scheint er im Verhältnis zu dem bei Carcinus ziemlich kurz zu sein. Ist also der hintere Blinddarm dieser Krabbe sehon ansehnlich lang, so besitzt er bei Cancer pagurus wirkliche Riesendimensionen. In Cuvier’s »Regne animal, Crustaces< hat MıLnE EDWARDS eine Figur über die Cirkulationsapparate bei Cancer gegeben (Pl. I) und hier auch ganz richtig den hinteren Blinddarm hinter dem Herz ge- zeichnet. Ungefähr 5,4 em hinter den postpyloricalen Blinddärmen geht der unpaarige hintere Blinddarm bei dem schon erwähnten Cancer-Individuum aus. Wie bei der vorigen Brachyurengattung liegt er dorsal von dem Hinterdarme und ist stark eingerollt. Beim Aus- präpariren seiner Windungen, einer allerdings nicht leichten Arbeit, zeigt es sich, dass er eine Länge von 54 cm besitzt, also ungefähr sechsmal so lang ist wie der Körper. An der Basis ist er 3 mm breit und verjüngt sich in seinem weiteren Verlauf, so dass er gegen das äußere Ende ziemlich dünn ist. Bei diesen beiden Brachyuren- Gattungen sind die Windungen dieses Blinddarmes durch feine Binde- sewebsfasern mit einander ziemlich fest verbunden. In seiner Bearbeitung der Broxx’schen Klassen und Ordnungen hat GERSTAECKER? nach MILNE EDwArDs in CuvIER's »Regne animal, Crustaces« eine Figur reprodueirt, die bei Maja squinado die Ein- mündung eines der vorderen, postpyloricalen, paarigen Blinddärme im Darme zeigen sollte. Wenn man aber diese Figur etwas ein- sehender betrachtet, findet man, dass es aller Wahrscheinlichkeit tl. c. Pl. IV, Fig. 1. 2 Taf. XCVI, Fig. 2. Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 341 nach sich nicht um einen der paarigen Blinddärme handeln kann, sondern dass es der unpaarige hintere Blinddarm sein muss. Er mündet nämlich unmittelbar vor dem verdickten Hinterdarm ein. Nach Mırne EpwArvs gehen die vorderen paarigen Blinddärme von dem sogenannten Duodenum (= Mitteldarm) weiter nach vorn, nur ein wenig hinter dem Pylorus aus. Aus dieser Darstellung meiner Untersuchungen geht also mit voller Sicherheit hervor, dass bei Homarus, Carcinus und Cancer ein hinterer unpaariger Blinddarm, welcher bei den beiden letzten Gat- tungen eine beträchtliche Länge erreicht, vorhanden ist. Es fragt sich also jetzt, zu welchem Abschnitte des Darmkanals dieser Blind- darm zu reehnen ist, zu dem Mittel- oder zu dem Hinterdarm. Gre- hört er dem ersten zu, so muss der Mitteldarm oft von einer viel srößeren Länge sein, als man bisher bei den Decapoden angenom- men hat, was ich übrigens auch auf ganz andere Gründe zurück- seführt habe. Gehört er aber dem Hinterdarm an, so ist wenigstens die Auffassung Frexzer’s! ganz fehlerhaft, dass dieser Darmab- schnitt bei sämmtlichen Decapoden frei von Anhängen ist. Nach- dem GERSTAECKER? die verschiedenen Angaben der Autoren über das Vorhandensein eines hinteren Blinddarmes erwähnt hat, setzt er in demselben Sinne wie hier oben- fort: »jedenfalls scheint aus diesen Angaben hervorzugehen, dass der Hinterdarm der Decapoden nicht, wie FRENZEL annimmt, durchweg blinddarmartiger Anhängsel ent- behrt, oder es müssten denn, wenn dieselben noch dem Mitteldarm angehörten, dieser sich, auch in anderen Fällen als bei den Paguri- den, beträchtlich weiter nach hinten erstrecken, als es angenommen wird«. Da der hintere Blinddarm immer, wenigstens bei den von mir untersuchten Decapoden, unmittelbar vor dem vorderen Ende des mit Längswülsten versehenen Darmabschnittes ausgeht, so scheint es mir keinem Zweifel mehr zu unterliegen, dass man ihn dem dünn- wandigen Darmabschnitte, also dem Mitteldarm, zurechnen muss. Hierauf deutet auch der Umstand hin, dass die Wände des Blind- darmes sehr dünn und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit einer inneren chitinösen Membran überzogen sind. Der Blinddarm ist auch in Folge dessen sehr weich und wird bei der Präparation sehr leicht zerrissen-und kann dabei sogar völlig zerfließen. | Nachdem ich also eine kurze Darstellung meiner Beobachtungen em Mr 1. E: 6-1 968. 1 2 342 Hans Wallengren, über das Verhältnis zwischen Mittel- und Hinterdarm gegeben habe, gche ich zu einer Beschreibung des Vorkommens und der Verbrei- tung der Intestinaldrüsen im Darmkanal über. Wie schon erwähnt, nahm Vrrzou an, dass Drüsen bei allen Decapoden im hinteren Theil des Darmes vorhanden sind, wäh- rend FRENZEL dagegen die Gemeingültigkeit dieser Annahme ein- schränken wollte, indem er keine solche Drüsen bei Astacus und Seylla- rus vorfand. Im Hinterdarme von Astacus sind, wie schon frühere Autoren erwähnt haben, die Wände zu sechs Längswülsten verdickt. Was das Vorhandensein der Intestinaldrüsen bei dieser Gattung anbelangt, so kann ich die Angabe Vrrzou’s mit voller Bestimmtheit bestätigen, dass wirklich solche vorhanden sind, und über ihre Anordnung und Ausbreitung im Darme weitere Beobachtungen hinzufügen. Sie sind jedoch nicht in der ganzen Länge dieses Darmabschnittes, und auch nicht, wie Vırzou sagt, nur im hinteren Theil desselben zu finden, sondern sind auf den mittleren Abschnitt des Hinterdarmes be- schränkt. Der drüsentragende Theil fing nämlich bei dem vorher erwähnten Krebsindividuum ungefähr 18 em hinter dem ‘vorderen Ende des Hinterdarmes an und endete ca. 17” mm vor dem Anus. Es betrug seine Länge also etwa 15 mm. In diesem Abschnitte sind En zer IL FD a NE a IT N es DRS DL DE £ [ < 2 ” £ 2 >53 “ = es SL - Ne ) 7 = Ir { N — —n 2 EIS a ß - fan Net \ \ \ ge / \ Ye IV | DEN KNNLRr > AU ed. Fig. 10. Ein Theil des mittleren Abschnittes des Hinter- Einige Ausführungsgänge der im darmes bei Astacus, von innen gesehen. Durch Rande der Längswülste bei Astacus die Einwirkung des Silbernitrates ist die Ober- gelegenen Intestinaldrüsen. Leıtz, fläche der vier Längswülste stark gerunzelt. Oe. 2, Obj. 7, Tubuslänge 160. g die Drüsen in einer Reihe längs den beiden Rändern jedes Längs- wulstes gelegen (Fig. 9), so dass es also zwölf solcher Drüsenlängsreihen im Darme giebt. Auf denjenigen”Stellen, wo ich die Mündungen Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 343 am besten gefärbt bekommen habe, liegen sie ungefähr 20 « von einander. Die tief schwarz gefärbte Scheibe, welche die Drüsen- mündung unmittelbar umgiebt, misst ca. 8 « im Durchmesser. Das es wirklich Ausmündungen von Drüsen sind, welche sich in meinen Präparaten gefärbt haben, ergiebt sich ohne Weiteres bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 10). An einer großen Anzahl von Mündungen findet man nämlich auch, dass die Ausführungsgänge, welche mehr oder weniger stark gefärbt sind, deutlich hervortreten, und man kann sie ziemlich tief in die Darmwand verfolgen. In der schwarz ge- färbten Scheibe, welche die Mündungen unmittelbar begrenzt, tritt das Lumen oftmals als ein heller Fleck hervor. In diesem Falle ist der Ausführungsgang sekretleer gewesen. In anderen Fällen, wo dieser mehr oder weniger Sekret erhielt, findet man ihr Lumen von einer tief schwarzen Substanz gefüllt, und bisweilen habe ich auch das Sekret als einen Zapfen durch die Mündungen hervordringen sehen (Fig. 10). In dem kurzen Hinterdarm des Hummers finden sich 5 breite Längswülste, welche in ihrem vordersten Ende am breitesten und dieksten sind, aber gegen den Anus niedriger werden. Der ventralen Mediallinie entlang liegt ein schmälerer, jedoch ziemlich dieker Wulst. Diese sechs Wülste sind die stärksten und dürften wohl als Homologa der Längswülste bei Asiacus angesehen werden. Zwischen je zwei und zwei von den breiten Wülsten findet sich ein schmälerer Zwischenwulst. Bei HZoma- rus haben wir also im Ganzen zehn wulstförmige Verdiekungen im Hinter- darm. Wie beim Krebs, so sind auch hier im hinteren Darmabschnitte In- Kio.M. = sitildrüsen, vorhanden, \Siessliegen 27... 06 2 om 3 aneschon Tanne aber nicht so in Längsreihen geordnet. Man sieht nämlich die Mündungen über der ganzen Oberfläche sowohl auf dem Haupt- wie auf den Zwischenwülsten zerstreut. Sie bilden also hier keine Gruppen wie in der Ösophaguswand. In den Furchen zwischen den Wülsten habe ich bei Zomarus eben so wenig wie bei Astacus Drüsenmündungen gefunden. Bei dem vorher erwähnten Hummerexemplar betrug der drüsentragende Abschnitt des Hinter- darmes 12 bis 15 mm, fing ungefähr 5 mm hinter dem vorderen Ende des letzteren an und endete etwa 3 mm vor dem Anus. 944 Hans Wallengren. Die Anordnung der Intestinaldrüsen bei Carcinus stimmt am meisten mit der des Astacus überein, obgleich dennoch bestimmte Verschiedenheiten vorhanden sind. Die Drüsen sind auch hier wie bei den beiden Macruren-Gattungen auf den mittleren Theil des Hinterdarmes beschränkt, fangen bei einem mittelgroßen Krebse ungefähr 8 mm hinter dem vorderen Ende dieses Darmabschnittes an und hören ca. 4mm vor dem Anus auf. Die Drüsen nehmen eine Länge von ca. 3,6 cm ein. Bei Careinus liegt R ai “= zwischen je zwei der breiten Hauptwülste ein B i Izi etwas schmälerer Zwischenwulst. Die Zwischen- i wülste ziehen aber nicht kontinuirlich der 1. ABl ganzen Länge des Darmes entlang, sondern sind | ar hier und da durch quere Furchen unterbrochen. ish An den Seiten der breiten Hauptwülste (HZ) und an den Rändern oder längs der Mitte der Zwischenwülste (Zw) sind die Drüsenmündun- i gen gelegen (Fig. 12). Sie sind aber hier un- Veh! regelmäßiger als bei Astacus in Längszonen Fig. 12. geordnet, welche oft durch drüsenleere, kür- Ein Theil des Hinterdarmes zere oder längere Zwischenräume abgebrochen bei Careinus maenas, von in- : | } ; : nen gesehen. Mir, dieHanpt- Sud. Auch in den Zonen sieht man gewöhn- wülste; Zw, einZwischenwulst. ]ich einige Mündungen näher bei einander stehen Be und so kleinere Gruppen bilden. Ich habe 15 bis 17 solche Zonen im Hinterdarm gefunden, aber wahrscheinlich waren noch mehr vorhanden. Es ist nämlich oftmals ziemlich schwer, diese Mündungen zu sehen, weil die auf den Zwischenwülsten sich befindenden nicht selten von den breiten Hauptwülsten überdeckt werden. In dem Hinterdarm des Cancer pagurus habe ich auch Intestinal- drüsen gefunden, konnte jedoch ihre Ausbreitung und Anordnung nicht ganz sicher feststellen. Wenn ich aber nach meinen Beob- achtungen urtheilen darf, so scheint ihre Anordnung hier die gleiche zu sein wie bei Carcınus. Was endlich Palaemon squilla betrifft, so bietet sie bei diesen Untersuchungen mit der Versilberungsmethode ziemlich große Schwie- vigkeiten dar. In der Ösophaguswand fand ich zwar Bildungen, welche ich als Drüsenmündungen ansehen möchte, aber sie sind so klein, dass es nieht möglich war, ohne Benutzung anderer Färbe- und Schnittmethoden ihre Anordnung mit Sicherheit festzustellen. Der Darmkanal ist sehr dünn und es ist mit ziemlich großen Schwierig- Über das Vorkommen u. die Verbreit. der sogen. Intestinaldrüsen ete. 345 keiten verbunden ihn aufzuschneiden und auszubreiten. In den wenigen Fällen, wo es mir gelang, habe ich jedoch keine Bilder bekommen, die ich als Drüsenmündungen hätte ansehen können. Dass auch bei dieser Gattung Drüsen im Darme vorhanden sind, scheint mir jedoch sehr wahrscheinlich. Im mittleren Abschnitte des Hinterdarmes sind also bei allen von mir näher untersuchten Decapoden, den Repräsentanten für die Maeruren und Brachyuren, Drüsen vorhanden. Die eine der beiden von FRENZEL erwähnten Ausnahmen von der allgemeinen Regel, welche Vırzou aufgestellt hatte, dass solche bei allen Decapoden zu finden sind, fällt somit weg, und es fragt sich, ob wirklich auch die andere Gattung, Scyllarus, solcher Drüsen entbehrt. Nähere Untersuchungen über dieses Verhältnis sind aber nöthig, um dies ent- scheiden zu können. Über die physiologische Bedeutung dieser oben erwähnten Drüsen kann ich mich nicht äußern, da ich keine Untersuchungen über ihr Sekret gemacht habe. Es scheint mir jedoch im Gegensatze ZU GERSTAECKER nicht so ganz ausgeschlossen zu sein, dass die Ösophagus- und die Labialdrüsen den echten Speicheldrüsen ent- sprechen können. Der Umstand, dass mit ihnen im histologischen Bau übereinstimmende Drüsen auch in dem Hinterdarm vorhanden sind, kann wohl kaum beweisen, dass die vorigen nicht ein Sekret diastatischer Natur absondern. Wenn FRENZEL aber annimmt, dass die Darmdrüsen auch funktionell den echten Speicheldrüsen ähneln, so scheint mir auch dies nicht richtig zu sein, denn was für Bedeutung könnten wohl Speicheldrüsen haben, die wie z. B. beim Hummer nur einige Millimeter vor dem Anus liegen. Man ist ohne Zweifel nicht berechtigt, von dem histologischen Bau einer Drüse ohne Weiteres auf die physiologische Funktion zu schließen. Histologisch einander ähnliche Drüsen können sicherlich physiologisch ziemlich verschiedene Bedeutung haben und will man sich, ohne physiologische Unter- tersuchungen gemacht zu haben, eine Vorstellung von der Funktion dieser Drüsen bilden, so scheint mir in Folge ihrer Lage im Darmkanal die Annahme am wahrscheinlichsten, dass die Labial- und Ösophagus- drüsen als Speicheldrüsen und die Intestinaldrüsen als Schleimdrüsen funktioniren oder dass vielleicht alle als Schleimdrüsen anzusehen sind. Göttingen, im Juli 1901. Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. VII. Von den Arthropoden-Augen. Von Dr. Richard Hesse, a. 0. Professor an der Universität Tübingen. Mit Tafel XVI—XXI und 2 Figuren im Text. Die Vermuthung GRENACHER’s, dass die auf einander geschich- teten Plättchensätze in der Retina der Heteropoden mit dem Rhab- dom im Komplexauge! der Arthropoden zu vergleichen seien, hatte mir den Gedanken nahe gelegt, ob sich nicht umgekehrt in den Sehstäbehen der Arthropoden dieselben Elemente möchten nachweisen lassen, wie ich sie in den recipirenden Elementen der Heteropoden- Retina gefunden habe. Die darauf gerichteten Untersuchungen führ- ten mich bei einigen Formen bald zu einem positiven Resultat. Meine ursprüngliche Absicht aber, diese ersten wenigen Ergebnisse meiner Arbeit über Molluskenaugen als Anhang beizufügen, musste ich bald fallen lassen. Denn bei der Ausdehnung einer Thiergruppe wie die Arthropoden und bei der Vielgestaltigkeit der Augen bei denselben musste sich eine Untersuchung, die Anspruch auf einige Überzeugungs- kraft machen wollte, auf ein sehr großes Material stützen und mög- lichst alle Formen einbeziehen. Ich habe versucht, diesem Ideale ! Ich gebrauche hier, wie schon früher (1900), synonym mit »zusammen- gesetztes< Auge den bequemen Ausdruck Komplexauge, für die Einzelaugen eines solchen den Ausdruck »Omma«<, beides nach einem Vorschlage, den mir Herr Dr. Thu. BEER machte. Diese Bezeichnungen sind durchaus nicht misszu- verstehen und werden sich bei ihrer Kürze leicht einbürgern. Das Wort »Stäb- ehen« ist für so verschiedenartige Gebilde im Gebrauch, dass man ihm eine feste morphologische Bedeutung nicht beilegen kann. Ich wollte es Anfangs ganz vermeiden, sah aber bald, wie schwierig das ist. So bemerke ich denn im Voraus, dass ich die verschiedenen so bezeichneten Bildungen nicht für homolog be- trachtet wissen möchte. Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. LXX. Bd. i 23 - 348 Richard Hesse, nahe zu kommen; wie weit ich ‘von ihm entfernt geblieben bin, kann wohl Niemand deutlicher empfinden als ich selbst. Zu den Unter- suchungen über die Einzelheiten des Baues der recipirenden End- organe ist nur sorgfältig konservirtes Material brauchbar; und dieses ist bei Thieren, die uns in unserer Heimat nicht erreichbar sind, nicht leicht zu erhalten. Auf die Berücksichtigung von Limulus, von Peripatus u. A. musste ich aus diesem Grunde verzichten. Aber auch abgesehen davon giebt es noch Manches nachzuuntersuchen, und noch viele Lücken auszufüllen. Ein anderer Forscher mit ande- rem Gesichtskreis dürfte noch reiche Ernte finden auf dem Gebiet, das ich, von ganz bestimmter Fragestellung ausgehend, durchge- arbeitet habe. Die Überzeugung habe ich jedoch, dass die Einheit- lichkeit im Bau der recipirenden Endorgane im Arthropodenauge durch diese Arbeit sichergestellt ist, und hoffe auch den Leser davon überzeugen zu können. Obwohl entsprechend dem Endziele, das sich im Verlaufe dieser Untersuchungsreihe für die Bearbeitung herausgestellt hat, der Haupt- ton auf die Erforschung des Baues der recipirenden Elemente gelegt ist, haben sich doch nebenbei eine Anzahl von neuen Thatsachen ergeben, die zur Berücksichtigung aufforderten. Die Einheitlichkeit der Behandlung hat zwar unter dem Einbeziehen morphologischer Fragen gelitten, dagegen hat die Arbeit an Inhalt gewonnen. Be- sonders das Kapitel über die Stirnaugen der Insekten bietet solcher neuer Thatsachen eine reiche Menge, trotzdem eine vor Kurzem er- schienene Publikation über das gleiche Thema Einiges über diese bisher sehr vernachlässigten Gebilde schon mitgetheilt hat. Bei der Beschaffung des Materials hatte ich mich von so vielen Seiten freundlicher Hilfe zu erfreuen, dass ich nicht Alle im Einzel- nen aufzählen kann. Ich nenne nur einige Herren, welche mich durch besondere Liebenswürdigkeit zu großem Danke verpflichtet haben: Prof. Dr. BLocHMmANnN (Tübingen), Dr. FiCcKErT (Tübingen), mein Bruder P. Hesse (Venedig), Konservator J. KossEL (Rovigno), Dr. Lange (Tübingen), cand. MAıEer (Tübingen), Dr. W. MIiCHAELSEN (Hamburg), Oberlehrer Dr. C. ScHAEFFER (Hamburg), Dr. E. SCHWARTZE (Tübingen) und Prof. Dr. W. Voıgr (Bonn). Ihnen allen meinen herz- lichsten Dank. Methodik. Für die Konservirung leistete mir Sublimat-Essigsäure wiederum vorzügliche Dienste, da sie besonders die fibrillären Strukturen sehr gut erhält. Die Hauptschwierigkeit bietet sich bei der Schnittanfertigung durch die Härte des Chitins, wodurch eine Anfertigung feiner und feinster Schnitte sehr erschwert ” Unters. iiber die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 349 wird. Am meisten hat mir dabei ein Verfahren geholfen, das wohl schon von früheren Untersuchern, wenn auch nicht in solcher Ausdehnung, angewendet ist: die Loslösung der Weichtheile vom Chitin. An gut in absolutem Alkohol gehärteten Objekten lassen sich durch seitlichen Druck mit einem Messerchen die Weichtheile des Auges mitsammt der umgebenden Hypodermis von der Cutieula absprengen. Der Erfolg ist nicht überall gleich befriedigend: am leichte- sten ist die Handhabung dieses Verfahrens bei Skorpionen und Spinnen; auch bei den Augen der Raupen und Phryganeidenlarven, bei den Stirnaugen der Fliegen, Wanzen u. a., ja selbst bei den Komplexaugen von Periplaneta habe ich es mit Glück angewendet. Wo diese Methode versagte, wie bei größeren Komplex- augen, habe ich nach Einbetten in Paraffin die Cutieula mit einem Messerchen abgeschält und dann die Weichtheile aufs Neue eingebettet; für die Unter- suchung des Komplexauges der Schmetterlinge, so weit sie dem Bau der Reti- nula nachgeht, ist dieser Weg sehr empfehlenswerth. Wenn wegen der Kiein- heit des Objektes auch das nicht anzuwenden war, so musste wohl oder übel das Chitin mitgeschnitten werden. Dies wird wesentlich erleichtert durch Einbettung der Objekte in Celloidin-Paraffin nach der von FIELD und MARTIN (vgl. LEE und MAYER, Grundzüge der mikrosk. Technik, 1898, p. 108) angegebe- nen Weise; ich habe damit recht zufriedenstellende Ergebnisse, z. B. beim Auge des Hundeflohs und bei den Stirnaugen der Libellen, bekommen. Bei der Färbung der Schnitte hat mir wiederum für die Erkennung der Faserstrukturen in den Sehzellen die Färbung mit Eisenlack-Hämatoxylin nach M. HEIDENHAIN die besten Dienste gethan. Daneben habe ich mich besonders des DELAFIELD’schen Hämatoxylins bedient. Nicht selten stellte sich bei der Weiterbehandlung der Schnitte der Übelstand heraus, dass die chitinigen Theile sich loslösten und fortgespült wurden. Dem konnte vorgebeugt werden, indem nach dem Auflösen des Paraffıns und dem Überführen der (auf das Deckglas aufgeklebten) Schnitte in absoluten Alkohol ein dünner Überguss von einer 1; bis 1/0/yigen Lösung von Photoxylin in Alkohol + Äther gemacht wurde; so gesichert wurden die Präparate entpigmentirt, gebeizt, gefärbt, differenzirt, und erst vor dem Aufhellen wurde das Photoxylin durch Einlegen in eine gleich- theilige Mischung von absolutem Alkohol und Äther wieder entfernt. I. Das Medianauge der Crustaceen. Durch die gründliche Bearbeitung, welche diese Augenform von Craus (1891) erfahren hat, ist es klar gestellt, dass wir es hier mit Augen zu thun haben, die in der Anordnung der Elemente mit den Augen der Trieladen völlig übereinstimmen. Sie werden auch von HAR- TOG, CLAus’ Vorgänger in der Untersuchung; sehr richtig mit den Augen von Dendrocoelum lacteum verglichen; freilich konnte Harroc bei der damals ungenügenden Kenntnis sowohl der einen wie der ande- ren Augenform nieht wissen, wie weitgehend diese Übereinstimmung wirklich ist. | Es schien mir nun interessant nachzusehen, ob auch die Be- schaffenheit der lichtreeipirenden Theile der Sehzellen eine völlige Gleichstellung beider Augenformen zulässt. CLaus bezeichnet diese 23* 350 Richard Hesse, Theile als Stäbchen, und zwar als cuticulare Stäbchen, und hält sie für eine Ausscheidung der Sehzelle. Das stimmt völlig überein mit der bisher fast allgemein angenommenen Anschauung, welche solchen Cuticularbildungen die Rolle zuschreibt, dass sie »die Übertragung der Lichtbewegung in Nervenbewegung vermitteln«. Nach den Ergeb- nissen meiner bisherigen Untersuchungen lag mir jedoch die Frage nahe, ob wir hier nicht einen Stiftchensaum vor uns hätten, wie bei den Planarien, dessen einzelne Stiftehen nichts Anderes sind als verdickte und vielleicht stofflich etwas veränderte Enden von Neuro- fibrillen, welche von der Nervenfaser in die Sehzelle einstrahlen. Dabei lagen mir vor drei Copepodenarten: Zucalanus attenuatus Dana (—= Calanella mediterranea Üls.), Euc. elongatus Dana und Calanus gracılıs Dana (= Cetochrlus longiremis Ols.) und Branchipus grubü Dyb. Erstere waren in Sublimat-Essigsäure, der letztere in Pikrin- schwefelsäure konservirt. Die Untersuchung hatte das vermuthete Ergebnis: ich fand, dass das »Stäbchen« bei diesen Formen ein Stiftehensaum ist. Am deut- lichsten zeigten das die Präparate von Eue. elongatus. Hier bekam ich am Rande einer Sehzelle einen sehr dünnen Schnitt, bei dem eine Zusammensetzung des Stäbehensaumes aus feinen Stiftehen völ- lig deutlich war (Fig. 15); die Stiftehen waren durch feinste Zwischen- räume getrennt und setzten sich gegen das Innere der Zelle jedes in eine dünne Fibrille fort, so dass ein breiter Zug paralleler Fibril- len von dem Saum gegen den Zellkern zu geht; sie werden dann im granulirten Plasma undeutlich. An anderen Schnitten, welche durch die Mitte der Sehzellen gingen, konnte ich trotz der geringen Schnittdieke (3 u) die Zusammensetzung des Saumes aus Stiftehen zwar nicht mit der gleichen Deutlichkeit sehen, wohl aber eine ent- sprechende Streifung, besonders an der dem Zellleib zugekehrten Kante des »Stäbehens«, und in der Zelle wieder den Fibrillenzug (Fig. 1a). So war auch das Verhalten bei Zue. attenuatus und Cal. graceilis, die in Bezug auf die Stiftehensäume der Sehzellen der erst- genannten Art sehr ähnlich sind; nur sind bei Cal. gracilis die Zellen selbst etwas schlanker als bei Zucalanus. Wir haben in diesen Fällen eine so enge Zusammenlagerung der Stiftchen, dass wir fast von einer Verwachsung sprechen könnten. Ein merkürdiges Gebilde in den Sehzellen von Zue. elongatus verdient noch unsere Aufmerksamkeit. Im Zellkörper liest zwischen Kern und Stiftchensaum, dem ersteren genähert, ein bandförmiger, geschlängelter Binnenkörper (Fig. 1 5%) von homogener Substanz, der Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 351 sich vom Zellplasma scharf abhebt und für Farbstoffe mehr empfäng- lich ist als dieses. Er erfüllt in dieser Gegend die ganze Breite der Zelle und ist oft so scharf gebogen, dass er auf den Schnitten in ein- zelne Stücke getheilt scheint; ich bin zweifelhaft, ob er überhaupt verästelt ist; mindestens sind solche Verästelungen sehr spärlich; die in Fig. 1a in der rechten Zelle scheinbar vorhandene kann auch durch eine scharfe Kniekung nach oben vorgetäuscht sein. Die Regelmäßigkeit, mit der diese Bildung in allen Sehzellen vorhanden ist, und die gute Konservirung der sonstigen Elemente erlaubt nicht, ein Kunstprodukt anzunehmen. In den Sehzellen von Eue. atlenuatus fehlt der Binnenkörper eben so regelmäßig, kommt jedoch bei Cal. gracilis wieder konstant vor, und liegt hier wie bei Zuec. elongatus dicht unter dem Kern. Ob dies Gebilde mit der Natur jener Zellen als Sehzellen etwas zu thun hat, ist eine schwierige Frage. Nothwendig ist es jedenfalls nicht, — denn sonst könnte es bei Zue. attenuatus nicht fehlen. Aber die Ähnlichkeit dieser Bildung mit Binnenkörpern, wie sie in den Sehzellen der Hirudineen und in den vermuthlichen Sehzellen der Lumbrieiden vorkommen, lässt mich, trotz der gleichzeitigen An- wesenheit eines Stiftehensaumes, doch Bedenken tragen, jene Frage einfach zu verneinen. Weitere. Untersuchungen über die Verbreitung ähnlicher Bildungen sind nöthig, um ein einigermaßen sicheres Ur- theil zu ermöglichen. Bei Branchipus grubü sind die »Stäbchen« anders gestaltet. Schon Craus giebt an, dass dieselben »überaus klein« sind. Es sind ganz schmale Säume von der Ausdehnung des sie tragenden Zellrandes, die sich mit Hämatoxylin dunkel färben. Genaue Untersuchung aber er- möglicht auch hier eine weitere Zerlegung (Fig. 2): der Rand des Saumes, welcher der Zelle zugekehrt ist, hat keine scharfe, gerad- linig zusammenhängende Begrenzung, sondern lässt sich in einzelne Stiftehen auflösen, die jedoch nach außen verschmelzen. Auch hier lässt sich beobachten, dass jedes Stiftchen sich gegen das Zellinnere in eine Fibrille fortsetzt. Besonders in einer Zone, die an den Saum direkt anstößt und kaum breiter ist als dieser selbst, treten die Fibrillen deutlich hervor, weil zwischen ihnen hier keine Granulationen des Zellplasmas liegen, die weiter im Inneren der Zelle die Fibrillen theilweise oder ganz verdecken. Diese Zone kehrt sehr häufig in der Nachbarschaft der Stiftchensäume wieder; wir wollen desshalb zur Erleichterung der Beschreibung einen besonderen Namen für sie einführen: sie heiße Schaltzone, weil sie gleichsam zwischen 352 Richard Hesse, Zellkörper und Stiftehensaum eingeschaltet ist, und die Fibrillen sollen, so weit sie in ihr verlaufen, kurz als Schaltfibrillen bezeich- net werden — ein Name, bei dem nicht eine besondere Art von Fibrillen, sondern nur eine begrenzte Strecke der im Zellkörper ver- laufenden Neurofibrillen zu verstehen ist. Das feinfibrilläre Aussehen des Zellkörpers, welches durch die vom Stiftehen- saum ausgehenden Fibrillen hervorgerufen wird, hat CLAUS bei Zstheria schon beobachtet; er konnte im Inneren der Sehzelle »die feinstreifige Struktur durch die ganze Länge bis zum freien abgestumpften Endstück ... verfolgen«e. Eine Deutung dieses Baues giebt er nicht. Wenn wir bei den untersuchten Formen das »Stäbchen« als einen Stiftehensaum erkannt haben, so ist zu vermuthen, dass bei der großen sonstigen Übereinstimmung im Bau, auch in den Medianaugen anderer Crustaceen das gleiche Verhalten vorliegt. Meine Unter- suchung auf eine so breite Basis zu stellen wie CLaus es gethan hat, mangelte mir Material und Zeit; auch war es nach dem, was CLAus ermittelt hat, unnöthig. Es ergiebt sich zum Schluss die Frage, mit was für Augenformen verwandter Thiergruppen man diese Augen vergleichen kann. Diese Frage ist um so wichtiger, als ja das Medianauge nichts Anderes ist, als das beim erwachsenen Thiere oft fortbestehende Auge des Nauplius; es verdient daher wohl eine gewisse Berücksichtigung, wenn man über die Verwandtschaftsbeziehungen dieser typischen Crustaceenlarve spekulirt. So hat denn auch CLAus die einzelnen Augenbecher des Naupliusauges mit den Punktaugen an den Scheitelplatten der Anne- liden-Trochophora in Beziehung gebracht. Da der anatomische Aufbau des Crustaceenkörpers zweifellos auf eine Abstammung von anneliden- artigen Vorfahren hinweist, so ist nach HATscHEr’s Vorgange häufig der Nauplius mit der Trochophora in Parallele gesetzt. Aber die Zahl der Vergleichspunkte, welche der Bau dieser beiden Larven bietet, ist außerordentlich gering. Desshalb muss man um so vorsichtiger an die Frage herantreten, ob man den Bau der Augen für eine solche Verwandtschaft ins Feld führen kann. Die Augen der Trochophora scheinen allerdings ganz ähnlich gebaut zu sein; der Unterschied, dass hier nur eine Sehzelle im Pigmentbecher steckt, beim Nauplius- auge zahlreichere, hat kein Gewicht. Aber es ist wohl zu berück- sichtigen, dass bei solch einfachem Bau eine unabhängige Bildung gleichgebauter Augen viel leichter denkbar ist als bei komplieirterer Zusammensetzung; wir finden ähnlich gebaute Augen bei den eucephalen Dipterenlarven (vgl. unten), und ähnlich unter der Hypodermis liegende, Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. vl. 353 nur nicht von einem Pigmentbecher umgebene Sehzellen im Stirnauge mancher Poduren (vgl. unten). Schließlich könnten die Augen der Trochophora wie das Medianauge der Orustaceen beide eine Plathel- minthen-Erbschaft sein. — Wenn KorRscHELT und HEIDER (1895) wegen der Inversion der Sehzellen im Nauplius-Auge an Beziehungen des- selben zu den Mittelaugen des Zimulus und der Skorpione, sowie zu den sog. Hauptaugen der Spinnen denken, so möchte ich dem nicht zustimmen. Jene letzteren Augenformen sind eben epitheliale Augen, deren Zellen im Epithelverband verharren, und gerade dadurch kommt es zur Inversion der Retina. Bei dem Medianauge der Crustaceen glaube ich eher eine Entstehung der Inversion in der Weise annehmen zu dürfen, wie ich sie bei den Hirudineen in allen Übergängen verfolgen konnte: aus der Epidermis ausgewanderte Sehzellen orientiren sich aus physiologischen Gründen mit ihren recipirenden Theilen gegen eine Pismentansammlung, aus welcher dann durch Einkrümmung ein Pigmentbecher um die Zellen entsteht. Jedenfalls spricht das Fehlen jeglicher Verbindung der Sehzellenlage mit der Hypodermis bei den Naupliusaugen für diese Annahme. Il. Die Augen der Myriapoden. Vor zwanzig Jahren schon ist die Untersuchung GRENACHER’S (1880) über die Augen dieser Thiere erschienen, und seitdem sind nur wenige kleinere Notizen über Myriapoden-Augen veröffentlicht, die eine von Wırrem (1892), eine zweite von ADENSAMER (1895) und ganz neuerdings bringt Heymoxs (1901) in seiner entwicklungsge- schichtlichen Untersuchung über die Scolopender auch einige Angaben über das fertige Auge. Alle vermögen sie nur geringfügige Ergän- zungen und Verbesserungen den Ergebnissen des Meisters hinzuzufügen — das beste Zeichen wie vorzüglich und gründlich dieser seine Arbeit gethan hat. Meine Notiz hier reiht sich jenen dreien an und hat das gleiche Schicksal wie sie: sie bringt nur wenig Neues, und könnte sanz unterblieben sein, wenn nicht gerade in dem Punkte, der uns hier besonders interessirt, die GRENACHER’sche Untersuchung einer Ergänzung bedürfte: in der Erforschung der lichtreeipirenden Elemente in den Retinazellen. Hier allerdings sind gerade die Myriapoden ein Objekt von großer Wichtigkeit: sie lassen die Zusammensetzung ihrer »Stäbchen« mit vorzüglicher Klarheit erkennen, und die etwas wechselnde Beschaffenheit derselben in den verschiedenen Augentypen ist- mit Leichtigkeit auf ein gemeinsames Prinzip zurückzuführen. GRENACHER ist dies entgangen; in der damals allgemeinen Ansicht, 354 Richard Hesse, dass die »Stäbchen« Gebilde cuticularer Natur seien, hatten ihn seine Untersuchungen am Arthropoden-, speciell am Insektenauge, wo sich dies besonders aufdrängt, bestärken müssen; diesen Maßstab legte er nun an das an, was er bei den Myriapoden als recipirende Elemente annehmen musste; es fiel ihm freilich wiederholt auf, dass sich diese nicht ganz in das Schema fügten, dass z. B. die Lichtbrechung derselben für Cutieulargebilde eine sehr geringe sei. Aber er sah darin schließ- lich wohl nur nebensächliche Abweichungen. Die Reihenfolge, in der seine Untersuchungen auf einander folgten, bedingte auch die Richtung, in der er die eine Erscheinung auf die andere zurückführte.. Wäre er von den Myriapoden ausgegangen, er würde vielleicht zu anderen Ansichten über die Natur dieser >»Stäbchen« gelangt sein. GRENACHER unterscheidet unter den Augen der Myriapoden, die ihm zur Untersuchung vorlagen, vier Typen: dem ersten begegnet er bei allen untersuchten Scolopendriden, dem zweiten bei Zithobius, dem dritten bei /ulus und Glomeris; der vierte ist durch Seutigera ver- treten. Von jedem dieser Typen konnte ich einen Vertreter unter- suchen, nämlich: Scolopendra morsitans Gerv., Lithobius forficatus L., Zulus sp. und Scutigera coleoptrata L. Die Cuticula der Myriapoden ist bei Weitem leichter zu schneiden als die der Insekten; nur ist bei Iu/us eine vorherige Entkalkung nothwendig. Das Pigment der Julus-Augen ist sehr resistent, so dass es auch nach mehrtägigem Verweilen der Schnitte in GRENACHER’sS Entpigmentirungsflüssigkeit nicht völlig zerstört war; ich wandte daher hier die JANDER’sche Chromsalpetersäure (Zeit- schrift f. wiss. Mikrosk. Bd. XV, 1898, p. 163) an, nach vorherigem Übergießen der Schnitte mit Photoxylin (vgl. oben). In der Besprechung der Augen befolge ich eine andere Reihen- folge als GRENACHER; ich beginne mit /ulus, und zwar wende ich mich gleich zu der Beschaffenheit der lichtreeipirenden Elemente; die allgemeinen Bauverhältnisse des Auges wird ein Blick auf Fig. 3 ins Gedächtnis rufen. Im Übrigen kann ich zunächst GRENACHER für mich sprechen lassen, und thue dies um so lieber, als ich keinen besseren Fürsprecher finden könnte: »Ganz abweichend verhalten sich die... Stäbchen, für die ich überhaupt, außer bei... Glomeris, kein Analogon bei den Arthropoden kennen gelernt habe..... Die Einzel- stäbchen sind hier relativ stärker lichtbrechend und weit resistenter als bei Zithobius, also auch leichter wahrzunehmen; sie sehen aus wie kurze, starre, dicht an einander liegende Borsten, und auch auf ihren optischen Querschnitten erkennt man ohne Schwierigkeit das auch bei sehr starken Vergrößerungen noch sehr feine und zarte Mosaik Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 355 derselben. Sie erscheinen meist zu einzelnen streifenförmigen Bündeln in longitudinaler Anordnung vereinigt, doch könnte dies möglicher- weise Kunstprodukt sein. Das Wichtigste aber ist die Thatsache, dass die Zahl dieser Stäbchen die der Retinazellen um ein Bedeutendes, ja um das Vielfache übertrifft, eine ganze Anzahl der ersteren also auf je eine der letzteren kommt, so dass man das Verhalten der Stäb- chen zu ihren Zellen am ehesten mit dem der bürstenartig modifiecirten Haare eines Flimmerepithels zu ihrem Sub- strate vergleichen könnte.« [Von mir gesperrt.| Kann man sich eine deutlichere Beschreibung eines Stiftchensaumes wünschen, wie ich ihn bei den Sehzellen des Planaria-Auges und vielen Anderen gefunden habe? Ich brauche nur noch hinzuzufügen, dass jedes der Stiftchen, GRENACHER’sS Stäbchen, da wo es der Zelle aufsitzt, in eine stärker färbbare Verdiekung übergeht (Fig. 3), und dass diese wiederum sich in eine Neurofibrille fortsetzt; die Neurofibrillen sieht man in der Zelle, vom Stiftehensaum herkommend, zwischen den Resten der Pigmentkörner gegen den Nervenfortsatz konvergiren und in diesen eingehen. Dass eine Sehzelle viele »Stäbchen« trägt, war damals allerdings einzig dastehend; jetzt können wir diese Art der Endigung als Stiftehensäume vielen ähnlichen anreihen, und wir finden auch bei den Arthropoden noch viele ihres Gleichen; so begegneten wir ihnen in dem Medianauge der Crustaceen, wir treffen sie weiterhin auch bei den anderen Myriapoden. Vorher aber müssen wir noch etwas bei dem /ulus-Auge verweilen. Der Hohlraum des Augenbechers hat die Form eines nach unten sich verengernden Wasserglases; die ähnlich geformte Cornealinse ragt tief in denselben hinein und erfüllt ihn bis auf einen schmalen Raum, der zwischen ihrem proximalen Ende und dem Boden des Augen- bechers bleibt. Die Zellen, welche die oben beschriebenen Stiftchen- säume tragen, stehen an den senkrechten Seitenwänden dieses Restraumes, und die Säume selbst ragen, gegen die Augenachse konvergirend, in diesen Raum hinein und füllen ihn fast ganz aus. Die Zellen aber, welche den Boden des Augenbechers bilden, tragen keine solche Bildungen; man kann jedoch überall beobachten, dass auch sie in Nervenfasern übergehen, und die gleiche Beobachtung macht man stets an den Zellen, aus denen die Seitenwand des Augen- bechers besteht, so weit sie der Cornealinse anliegt; die letzteren sind langgestreckte schmale Gebilde, die mit ihrer Längserstreckung parallel der Augenachse gerichtet sind. Die Verbindung dieser beiden Arten von Zellen mit Nervenfasern beweist uns ihre nervöse Natur, 356 Richard Hesse, und die nächstliegende Annahme ist, dass sie, bei ihrer peripheren Lage und der engen Nachbarschaft von Sinneszellen, ebenfalls Sinnes- zellen sind und zwar Sehzellen. Diese Annahme muss eine kräftige Stütze erhalten, wenn es uns gelingt, bei ihnen Theile aufzufinden, die man als lichtreeipirende Elemente auffassen kann. Da fällt es denn auf, dass der Rand der Zellen, welche die Basis des Augen- bechers bilden, stets dunkel gefärbt ist (Fig. 3), nähere Untersuchung zeigt in ihm kurze dunkle Striche, wie die Basalverdiekungen der Stiftehen in den oben besprochenen Zellen; man kann diese Striche sich als feine Fibrillen mehr oder weniger weit in das Innere der Zellen fortsetzen sehen. Auch an jenen Zellen der Seitenwände, welche der Cornealinse anliegen, sieht man einen solchen, aus feinen Strichen zusammengesetzten Saum, der den benachbarten Hypoder- miszellen durchaus fehlt allerdings konnte ich in diesen Zellen ansetzende Fibrillen nicht sehen. Ich halte diese Säume ebenfalls für Stiftehensäume, in denen nur die Stiftehen selbst sehr verkürzt sind; wir werden ähnliche Umbildungen von Stiftehensäumen im Auge von Scolopendra kennen lernen. Es ist zwar auffallend, dass in dem gleichen Auge diese Organula so verschiedenartige Ausbildung zeigen, aber es ist ja nur eine Variirung des gleichen Prineips: Neurofibrillen, welche die Zelle durchziehen, enden an der distalen Fläche derselben mit einer Verdiekung, die hier kürzer bleibt, dort sich länger auszieht. Einen ähnlichen Unterschied zeigen die Nebensehzellen von Pierotrachea coronata im Vergleich zu den Retinazellen des gleichen Auges, wie ich früher (1900) zeigen konnte. Sonach hätten wir an allen Sehzellen des Auges von Julus Stift- chensäume als recipirende Elemente. — Die Untersuchung des Auges von Zithobius führt uns zum gleichen Ergebnisse, nur mit noch größerer Deutlichkeit. Von der Beschaffen- heit des Auges im Allgemeinen, die durch GRENACHER’s Abbildungen so ausgezeichnet illustrirt wird, giebt Fig. 4 eine Vorstellung. Ich habe diese Figur angefertigt, um zu zeigen, wie die großen Zellen im distalen Theile des Augenbechers, die von GRENACHER als Haar- zellen bezeichnet und mit dem Glaskörperstratum bei den Scolopen- driden in Analogie gesetzt werden, sich proximad in einen dünnen Fortsatz ausziehen (vgl. »f an der Zelle rechts in der Figur); man kann sich bei der Durchsicht von Serien überzeugen, dass diese Fortsätze in Nervenfasern übergehen. Ich wiederhole damit nur eine Beobachtung, welche WILLEM (1892) schon gemacht hat, und schließe mich ganz seiner Folgerung an, dass die »Haarzellen« ebenfalls Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 357 Sinneszellen, und zwar Sehzellen sind. Schon GRENACHER betont die Ähnlichkeit dieser Zellen mit den proximal gelegenen Retinazellen, welche so groß ist, »dass man sich der Vermuthung nicht entschlagen kann, die beiderlei funktionell so weit von einander getrennten Gebilde seien nur Modifikationen einer und derselben Grundlage.«< WILLEM sieht den »Haarbesatz,« den GRENACHER beschreibt, als das »Stäb- chen< an, »das eine Streifung quer zur Achse des Ocellus zeigt«. Hier freilich hat GRENACHER genauer gesehen, nämlich, dass die Zellen einen Besatz von getrennten Härchen tragen. Ich kann dem noch hinzufügen, dass jedes Härchen an seiner Basis eine Verdickung aufweist (Fig. 5), wie wir sie auch bei den großen Stiftchensäumen von JZulus trafen; man erkennt diese »Basalknöpfchen« an Präparaten, die mit Eosin-Hämatoxylin gefärbt sind, an den Eisen-Hämatoxylin- Präparaten vermisse ich sie. Auch eine Schaltzone in dem früher definirten Sinne finde ich an manchen Stellen, besonders an nicht depigmentirten Präparaten da, wo das Pigment ein wenig vom Rande des Zellkörpers zurückweicht (Fig. 5 schz). Es steht also jedes der »Härchen« mit einer feinen Fibrille in Verbindung, welche in die Sehzelle eintritt. Im Zellkörper kann man diese Fibrillen zuweilen verfolgen (Fig. 4 »fı), wie sie gegen den Ursprung der Nervenfaser zu ziehen: ich gehe kaum fehl,. wenn ich sie als Neurofibrillen und die Härchen als ihre verdickten Enden, als Stiftchen betrachte. Der »Haarbesatz« GRENACHER’s, das »Stäbehen« WILLEM’s ist also nichts Anderes als ein Stiftchensaum. Wenn nun betreffs der übrigen, proximaler gelegenen Sehzellen meine Vorgänger recht gesehen hätten, so würden wir hier anders- artige Stäbchenbildungen haben. GRENACHER ist allerdings von seinen Befunden über die »Stäbchen« nicht befriedigt, »da die Erhaltung und Untersuchung derselben Schwierigkeiten begegnet, die kaum zu besiegen sind«. Er hält die Stäbchen für wahrscheinlich konisch, und findet Andeutungen einer »Plättchenstruktur«e. WILLEMm beobachtet an ihnen »unter gewissen Umständen« eine axiale Fibrille, und eine Querstreifung senkrecht zur Augenachse. Was zunächst die Zellen angeht, welche sich an die geschilderten distalen Sehzellen direkt anschließen, so sind sie zwar von geringerer Längserstreckung als jene, ihnen aber sonst völlig ähnlich im Bau der nervösen Endigungen: wir haben hier einen gleichen Stiftchen- saum, nur dass die Stiftchen proximad an Länge etwas abnehmen (Fig. 4). Über die reeipirenden Endorgane derjenigen Zellen, welche den Boden des Augenbechers bilden, unterrichten wir uns am besten 358 Richard Hesse, auf Schnitten senkrecht zur Augenachse (Fig. 6): wir erkennen an jedem Querschnitt durch ein Stäbchen einen dunkler gefärbten schmalen Fleck, der entweder am Rande des Querschnittes steht, oder die Mitte desselben einnimmt; von diesen gehen entweder fächerförmig nach einer Seite (Fig. 6a), oder nahezu parallel nach zwei entgegengesetzten Seiten (Fig. 65) borstenförmige kurze Fortsätze aus. Rekonstruiren wir uns nach diesem Querschnittsbild die Stäbchen, so bekommen wir eine von der Zelle ausgehende Achse, welcher der dunkle Fleck des Querschnittes entspricht, und von derselben ausgehend einen Borsten- besatz, entweder nur an einer Seite, wie bei einem Handbesen, oder nach beiden Seiten; in Fig. 4 sind Längsschnitte durch die Stäbehen der ersten Art abgebildet; bei den letzteren musste die Achse zwischen zwei Reihen von Borsten stehen: das giebt Bilder, von denen man wohl den Eindruck bekommen kann, den WILLEM »unter gewissen Umständen« bekam, nämlich eines quergestreiften Stäbchens, welches von einer axialen Faser durchzogen ist. Die von der Achse ausge- henden Borsten sind sehr wahrscheinlich den Härchen der distalen Zellen homolog, also verdickte Enden von Neurofibrillen; die Achse selbst enthält daher wahrscheinlich ein Bündel von Neurofibrillen, die aus der Zelle austreten und früher oder später senkrecht von der Achse abbiegend mit einer Verdickung (Stiftehen) endigen. Diese »Stäbchen« wären also Umbildungen von Stiftehensäumen: es werden auf dem gleichen Raum bei dieser Anordnung zahlreichere Neuro- fibrillen untergebracht, als wenn sie dem freien Zellende einfach in der Verlängerung der Zellen aufsäßen. Vielleicht ist es auch von Bedeutung, dass die Stiftchen dabei senkrecht zur Richtung der ein- fallenden Lichtstrahlen stehen: jedes einzelne wird von zahlreicheren Lichtstrahlen getroffen und somit vielleicht stärker gereizt. Bei Lithobius finden wir außer den kleinen Augen, welche die Mehrzahl bilden, jederseits am Hinterrande des Augenhaufens, von den übrigen etwas abgesondert, ein größeres Auge (Fig. 7*) Die Zellen sind hier genau so vertheilt wie bei den kleinen Augen, haben an den Seitenwänden hohe schmale Gestalt und tragen einen typischen Stiftchensaum, basal tragen sie Stäbchen von der eben beschrie- benen Art. Nur ist die Augengrube viel flacher, und die Sehzellen sind daher nicht derartig um eine Achse angeordnet wie bei den kleineren Augen. — An dem Auge von Scutigera coleoptrata a GRENACHER dem Bau der Stäbchensäume eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wäh- rend diese im Allgemeinen von klarer homogener Beschaffenheit mit Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Mhreren VII 359 verhältnismäßig starker Lichtbrechung sind, finden sich in einzelnen Fällen »bei sonst gut erhaltenen Exemplaren« Stäbchen, »die durch eine feine zarte, aber nicht sehr regelmäßige Querstreifung den Ein- druck etwa der bekannten Plättehenstruktur machen, oder noch besser, als ob sie aus einer Unzahl winziger mit einander verlötheter Stäbchen bestünden«. Er erwägt die Möglichkeit, ob die Stäbchensäume »aus einer großen Anzahl einzelner Härchen hervorgegangen« sein könnten. GRENACHER musste allerdings nach dem, was er erkennen konnte, diese Frage unentschieden lassen. Dagegen finde ich in meinen Präparaten den deutlichen Beweis dafür, dass es thatsächlich so ist, wie GRENACHER vermuthete. Einmal zeigen sowohl Median- als Querschnittbilder durch ein Omma durchweg eine so deutliche Quer- streifung des »Stäbchensaums« (Fig. 8 u. 9), dass man schon auf Grund der Kombination der beiden Bilder einen Aufbau des Saums aus einzelnen Härchen oder Stiftehen annehmen könnte. Außerdem aber finden wir an depigmentirten Präparaten eine ganz typische Schaltzone (Fig. 8 u. 9 schz), von feinsten Fibrillen durchsetzt, die sich einerseits mit den Stiftehen verbinden, andererseits in das Zell- plasma übergehen; hier allerdings konnte ich wegen der dichten Granulirung die feinen Fäserchen nicht weiter verfolgen. Meine Erklärung für diese Thatsachen liest auf der Hand: wir haben hier einen Saum verdickter Neurofibrillenenden, einen Stiftehensaum. Wenn auch unsere Beweisführung eine Lücke hat, in so fern als die Verfolgung der Fibrillen im Zellplasma unmöglich war, so haben wir doch hier nichts völlig Neues vor uns; wir sehen Erscheinungen theil- weise wiederkehren, die wir bei anderen Formen in ganzer Vollstän- digkeit und Deutlichkeit beobachten konnten, und die wir noch häufig werden beobachten können im Verlauf dieser Darlegungen. Die Eindeutigkeit dieser Bilder bei den gesammten Arthropoden ist ein werthvolles Argument, dessen Gewicht natürlich erst weiterhin dem Leser zum Bewusstsein kommen wird. Bei der distalen Gruppe der Sehzellen im Seutigera-Auge bleiben die Stiftehensäume getrennt; bei den proximalen Zellen dagegen (Fig. 8 e u. d) schwinden die scharfen Grenzen zwischen denselben, sie bilden eine Einheit, ein Rhabdom; man kann aber nach der Richtung der Streifung, die durch die Stiftehen bewirkt wird, auf Quersehnitten die einzelnen Abtheilungen des Rhabdoms, die Rhab- domeren, noch ungefähr abgrenzen. Demnach wären die »Stäbchen« und »Stäbchensäume«s bei Zulus, Lithobius und Seutigera Gebilde, die nach den gleichen Grundzügen 360 Richard Hesse, gebaut sind: sie stellen theils typische, theils etwas abgeänderte Stiftehensäume dar, die sich aber immerhin leicht auf den Typus zurückführen lassen. Schwieriger gestaltet sich die Sache bei Srolo- pendra. Ich schildere zur Information ganz kurz das Seolopendra-Auge: hinter einer bikonvexen Cornealinse liegt ein Augenbecher, dessen an der Seitenwand stehende Zellen senkrecht zur Augenachse gerichtet sind und sich gegen diese Achse zu schlanken säulenförmigen Fortsätzen (»Stäbehen« GRENACHER’S) ausziehen, die das Lumen des Augenbechers sanz ausfüllen; die Zellen am Boden des Bechers entbehren solcher Fortsätze. Alle diese Zellen setzen sich proximad in eine Nervenfaser fort. Distal schließen sich an die Retinazellen indifferente Zellen an, denen die Abscheidung der Linse obliegt, und die sich zur Zeit des Linsenersatzes für die Häutung weiter über die »Becheröffnung«, wenn ich so sagen darf, herüber schieben (GRENACHER, HEYMONS). Die »Stäbehen« der Scolopendriden beschreibt GRENACHER als rundliche Röhren »von einem ansehnlichen, gegen das freie Ende sich verjüngenden Lumen durchsetzt, das den zugehörigen Retinazellen durchaus fehlt«. Er vermisst aber an ihnen das starke Lichtbrechungs- vermögen, das sonst die Stäbchen der Arthropoden auszeichnet. Heymons (1901) hebt dem gegenüber hervor, dass sich zweifellos das Zellplasma in die Röhre fortsetze; das Stäbchen ist nichts als das verlängerte Ende der Retinazelle, deren periphere Plasmapartien hier zu einer Cutieula umgebildet sind. — Mein Untersuchungsmaterial ist nur gering; aber das eine Exemplar von Sco/opendra, das mir zu Gebote stand, war mit Sublimat-Essigsäure konservirt und das Auge vorzüglich erhalten. Hier fand ich auf den Schnitten das Stäbchen in seiner Gestalt, wie jene Beiden es geschildert, das Lumen der Röhre mit Zellplasma erfüllt. Eine cuticulare Beschaffenheit der Wandung freilich scheint mir unwahrscheinlich; dieselbe färbt sich mit Eisen- Hämatoxylin tief dunkel, auf Querschnitten (Fig. 105) ist die äußere Umsrenzung glatt, gegen das Lumen der Röhre ist jedoch kein glatter Kontour vorhanden, sondern die fein gezackte Beschaffenheit der Grenze deutet auf eine Zusammensetzung aus einzelnen kleinsten Theilen. In dem granulirten Inhalt, der ohne Grenze iu das Plasma der Seh- zelle übergeht, sieht man auf Längsschnitten durch die »Stäbchen« dünne Fibrillen entlang laufen (Fig. 10«), die sich auf Querschnitten punktförmig präsentiren. Ich mache mir dazu folgende Erklärung zurecht, die ich bei der geringen Größe der Elemente zwar nicht beweisen kann, die jedoch dadurch an Wahrscheinlichkeit gewinnt, dass sie sich auf die Bildung der lichtreeipirenden Theile bei den Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 361 bisher besprochenen Myriapoden zurückführen lässt: wir haben hier nicht ein röhrenförmiges »Stäbehen«, wie etwa bei den Aleciopiden oder bei Nereis, das innerhalb einer cuticularen Röhre eine axiale Neurofibrille als nervöses Endorgan birgt — jene Stäbchen wachsen Ja auch über das ursprüngliche Ende der Zelle hinaus, gleichsam wie etwas neu Hinzukommendes, ein Produkt der Zelle, während die ent- wicklungsgeschichtlichen Untersuchungen von Heymons (1901) zeigen, dass hier das Zellende schon in seiner ganzen Ausdehnung da ist, ehe seine Randpartien sich zu der Röhre umbilden —; vielmehr wird die röhrenförmige Wandung gebildet durch dicht bei einander liegende verdiekte Enden von Neurofibrillen; die Fibrillen selbst, welche an diese Enden ansetzen, laufen durch den Hohlraum der Röhre und durch den Zellkörper zur Nervenfaser. Die Stichhaltigkeit dieser Erklärung wird erhöht dadurch, dass wir später »Stäbchen« oder sagen wir lieber reeipirende Endorgane von solcher Anordnung kennen lernen werden, die den hier geschilderten Bau deutlich erkennen lassen, und zwar, was nicht unwichtig ist, bei zwei Thieren aus ganz verschiedenen Gruppen: einmal in den Stirnaugen einer Diptere (Helophilus), und zweitens in den »Hauptaugen« einer Spinne (Steatoda). Einen Stiftehensaum von ähnlicher Beschaffenheit, nur von anderer räumlicher Anordnung haben wir ja schon bei den distalsten und proximalsten Sehzellen von Zulus kennen gelernt. Noch einige Worte muss ich zufügen über die Zellen, welche den Boden der Augenhöhle bei Seolopendra bilden. Sie stehen zweifel- los mit Nervenfasern in Verbindung, tragen aber keine in das Augen- innere vorspringende Stäbchen. Heymons meint, dass dadurch an - diesem Orte ein blinder Fleck zu Stande kommt. Die Zellen sind aber wegen ihrer Verbindung mit Nervenfasern zweifellos nervöser Natur, wahrscheinlich Sinneszellen, und zwar Sehzellen! Auf Schnit- ten, die nahezu quer durch diese Zellen hindurchgehen, sah ich, dass die Wandungen, mit denen sie an einander stoßen, in ihrem distalen Theile ziemlich verdickt erscheinen, so dass auf dem Schnitt ein Polygonnetz aus dieken Linien sichtbar ist, wie ich es später von den Stirnaugen von Wanzen und von Olo&on zu schildern habe: ich glaube daher, dass dort die Wand mit den gleichen verdickten Neuro- fibrillenenden besetzt ist, wie die Wand der »Stäbehen«. Doch be- darf diese Frage noch = Nachuntersuchung, die mir wegen Mangels an weiterem Material nicht möglich war. — Somit haben wir bei dreien der vorliegenden Typen des Myria- poden-Auges in Betreff der recipirenden Endorgane Verhältnisse 362 Richard Hesse, gefunden, die offenbar übereinstimmend sind und nur geringe Ab- weichungen gegen einander aufweisen. Was den vierten Typus an- geht, so liegen die Dinge hier komplieirter; jedenfalls glaube ich gezeigt zu haben, dass eine Erklärung nach dem gleichen Prineip, unter Annahme eines röhrenförmig angeordneten Stiftehensaumes, nicht undenkbar ist. Auf alle Fälle sprechen sowohl die thatsäch- lichen Befunde, wie die Vergleichung mit den verwandten Formen, mehr für meine Auffassung als für die Annahme einer eutieularen röhrenförmigen Wand des Zellendes. Was den morphologischen Werth des Myriapoden-Auges angeht und seine Vergleichbarkeit mit anderen Augentypen, so werden wir später noch darauf zu reden kommen. Ill. Die Stirnaugen der Insekten. Die sog. einfachen Augen der Insekten, die Augen der Insekten- larven und die der Spinnen wurden früher meist als gleichartige Bil- dungen angesehen und gemeinsam abgehandelt. Seit den entwick- lungsgeschichtlichen Untersuchungen von Locy u. A. haben manche Forscher, und mit Recht, die Spinnenaugen aus dieser Gemeinschaft ausgeschlossen. Wir wollen hier auch die Stirn- oder Scheitelaugen der Imagines und die Augen der Larven gesondert betrachten. Dabei werde ich den Ausdruck »Ocellen« ganz vermeiden, da man unter ihm heterogene Gebilde zusammenzufassen pflegte. Die Scheidung, die ich hier vornehme, ist jedoch keine strenge; ich muss, wegen wesentlicher Übereinstimmung im Bau mit den Stirnaugen, in diesem Abschnitt auch ein Imago-Auge, dasjenige des Hundeflohs (Cerato- psyllus) und ein Larvenauge, das der Tenthredinidenlarven, bespre- chen. Ich ordne dabei die einzelnen Formen nach der Beschaffenheit ihrer lichtreeipirenden Elemente. 1) Stirnaugen von Helophilus (Fig. 11 und 12). Die Stirn- augen von Helophilus sp., einer Syrphide, weichen in mehrfacher Hinsicht von denjenigen der übrigen, von mir untersuchten Insekten ab, und zweifellos muss man ihr Verhalten in mancher Beziehung als ein abgeleitetes betrachten. Dagegen erscheint mir der Bau der lichtreeipirenden Elemente als ein sehr ursprünglicher, und desshalb betrachte ich sie an erster Stelle. Meiner Schilderung lege ich das mittlere der drei Augen zu Grunde, von dem in Fig. 11 ein medianer Schnitt abgebildet ist. Die Cornealinse ist stark bikonvex und lässt eine deutliche Schichtung Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 363 erkennen. Die an sie anschließende Cuticula ist tief dunkelbraun sefärbt, und zwar erstreckt sich diese Färbung in der allernächsten Umgebung der Linse durch die ganze Dicke der Cutieula, weiterbin nur auf die äußere Hälfte. Die Linse bildet in dem mittleren Auge jederseits einen Winkel mit der benachbarten Cuticula, und die Augenachse steht zu letzterer nicht senkrecht, sondern läuft ihr nahezu parallel. Unter der Cornealinse finden wir eine Lage von Zellen, die wir als corneagene Zellen bezeichnen; im mittleren Stirnauge sind diese Zellen sehr niedrig, in den seitlichen sind sie eylindrisch, mit proximal selegenem Kern und vacuolisirtem distalen Ende. Seitlich scheinen sie in die benachbarte Hypodermis überzugehen. Wichtig für die morpho- logische Beurtheilung dieser Schicht ist es, dass sie von der darunter liegenden Retina durch eine besondere Membran abgetrennt ist. Diese hebt sich an Schnitten, wo sich die corneagene Lage verschoben hat, deutlich von derselben ab; in dem abgebildeten Schnitte konnte ich sie nicht wahrnehmen. Nach Repıkorzew (1900) soll diese »prä- retinale Membran« bei Eristalis und Syrphus aus zwei Lagen sehr platter Zellen bestehen, die an den Rändern in einander übergehen; eine Zusammensetzung aus zwei Lagen konnte auch ich feststellen, der proximalen Lamelle sah ich auf der retinalen Seite auch ver- einzelte Kerne anliegen, der distalen nicht. Auf einer Seite sah ich einmal die Lamellen deutlich aus einander gehen, nicht verschmelzen. Die Untersuchung der Entwicklung wird uns vielleicht einmal über den morphologischen Werth dieser Bildung Aufklärung bringen. Bei anderen Stirnaugen habe ich eben so wenig wie REDIKORZEW eine solche Membran gefunden; dort schieben sich die proximalen Enden der corneagenen Zellen stets mehr oder weniger tief zwischen die Retinazellen ein. Es weist das darauf hin, dass die Genese der Corneagenschicht bei den Syrphiden eine andere sein muss als bei den übrigen Insekten; das müssen spätere Untersuchungen klar stellen. Die Retina liest in den seitlichen Stirnaugen der Corneagen- schicht dicht an; im mittleren dagegen ist im caudalen Theile des Auges ein weiter Spaltraum zwischen Corneagenschicht und der Re- tina, oder besser der präretinalen Membran; dadurch werden in diesem Augenabschnitt die Sehzellen von der Linse abgedrängt. Der Raum enthält eine Anzahl auf einem Haufen zusammenliegender Zellen ohne bestimmte Form (Fig. 11 7), welche vielleicht beim lebenden Thier in der den Raum erfüllenden Flüssigkeit flottiren. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 24 364 Richard Hesse, Die Retina besteht aus schlanken Zellen mit großem, basal gelegenen Kern; alle diese Zellen sind Sehzellen; indifferente Zellen fehlen hier ganz in der Retina. Schon in der Pigmentvertheilung zeigt sich eine Verschiedenheit der einzelnen Retinaabschnitte: in der rostrad gelegenen Hälfte des mittleren Auges, wo die Retina der Corneagenschicht dicht anliegt, reicht das Pigment bis in die dista- len Enden der Sehzellen; dagegen sind in dem caudad gelegenen Abschnitte diese Enden pigmentfrei, so dass die Pigmentgrenze dort eine tiefe Einbuchtung erfährt, die um so tiefer ist, als die Lage der Sehzellen selbst hier schon zurückgebogen ist. Die Ver- schiedenheit der Pigmentvertheilung ist ursächlich bedingt durch die Verschiedenheit in der Anordnung der recipirenden Elemente in den Dehzellen. An den Sehzellen der caudalen Augenhälfte sind die pigment- freien Theile des Zellkörpers etwas verschmälert, und dadurch von dem übrigen Theil der Zelle abgehoben; sie entsprechen offenbar den »Stäbchen«, die GRENACHER im Stirnauge von Musca vomitoria be- schreibt. Jedoch erkennt man an ihnen nirgends eine so starke Lichtbrechung, wie sie euticularen Bildungen zukommt. Wohl aber zeigt genaue Beobachtung an den seitlichen Wänden — dem Cylinder- mantel, wenn man das »Stäbchen« als Cylinder betrachten will — kleine, mit Eisen-Hämatoxylin dunkel gefärbte dieke Striche, welche sowohl auf Längs- als auf Querschnitten durch die »Stäbchen« deut- lich sind und durch helle schmale Zwischenräume getrennt erscheinen (Fig. 12c und d, st). Sie sind offenbar die Schnittbilder kleiner Plättchen, welche den ganzen Cylindermantel bedecken. Von jedem dieser Plättchen sieht man in das Innere des »Stäbehens« hinein einen matter gefärbten Streifen ziehen, an Querschnittsbildern ein Stück weit in radiärer Richtung, an Längsschnitten bald in die Rich- tung der Stäbchenachse umbiegend, so dass in der Mitte des »Stäb- chens« ein Bündel von Fibrillen, von jenen Plättehen herkommend, verläuft; die Fibrillen treten dann in den proximalen Abschnitt der Zelle ein, in dessen Achse man sie noch weiter verfolgen kann (Fig. 12c, nf). Meine Deutung dieser Befunde ist nun die folgende: jene Fibrillen halte ich für Neurofibrillen, welche gegen ihr Ende anschwellen, an die Wand des »Stäbehens« treten, und dort eine be- sondere, plättehenförmige Endverdiekung tragen, die auch substan- tielle Veränderungen erfahren hat und dadurch für Farbstoffe zu- gänglicher geworden ist. Die Endplättchen wären damit Bildungen der gleichen Art wie die Stiftehen im Stiftchensaum der Sehzellen Unters. über die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 365 bei Planarien, oder in einem näher liegenden Beispiel, bei den Myria- poden. Man kann sogar von plättchenartigen Stiftchen sprechen, da die Bezeiehnung »Stiftehen« wesentlich nicht die Form, sondern die morphologische Bedeutung eines Gebildes als Endverdiekung einer Neurofibrille in einer Sehzelle meint — eben so wie man beim Ge- brauch des Ausdruckes »Stäbehen« sich gewöhnt hatte, von der Form sanz zu abstrahiren. Wir haben hier also einen Stiftchensaum, der in der Anordnung sich genau so verhält, wie wir es für die End- organe an den »Stäbehen« von Scolopendra oben vermuthet haben. Anders verhalten sich die recipirenden Elemente in den Sehzellen des rostralen Augenabschnittes.. Man kann an diesen Zellen nichts erkennen, was man im gewöhnlichen Sinne als »Stäbchen« bezeichnen könnte. Die distalen Enden sind durch eine seichte ringsum laufende Einschnürung vom übrigen Zellkörper abgetrennt und sitzen ihm auf wie ein flacher Knopf (Fig. 12a u. D). Das Innere dieses Knopfes ist sanz mit Pigmentkörnchen erfüllt, die hier noch dichter stehen als im übrigen Zellkörper. An seiner Oberfläche jedoch sieht man die- selben Endplättchen, wie sie die oben beschriebenen »Stäbchen« tragen, und zwar stehen sie entweder nur auf der distalen Fläche (Fig. 12a), oder sie ziehen sich auch an den Seitenflächen des Knopfes herunter (Fig. 125). Nach Entfernung des Pigmentes er- kennt man auch hier die an die Endplättchen ansetzenden Fasern; sie verschwinden jedoch schnell in dem körnchenreichen Plasma. Ihre Ahnlichkeit mit den oben beschriebenen Bildungen berechtigt aber zu der Annahme, dass auch sie sich in Neurofibrillen fortsetzen, die den Zellkörper durchziehen. Also auch hier haben wir einen Stiftehensaum, und die Anordnung desselben entspricht etwa der- jenigen in den Nebensehzellen von Carinarıa, die ich früher (1900) geschildert habe. Bei einer solchen Anordnung der lichtreeipirenden Elemente ist das Eindringen der Pigmentkörnchen bis dieht unter die Endplätt- chen ohne Nachtheil für die Zugänglichkeit der letzteren für Licht; ‘ dagegen müsste bei den vorher geschilderten Stäbchen eine Pisment- masse, die in das Innere des Cylinders eindränge, alle Lichtstrahlen, welche nicht genau parallel der Stäbchenachse einfielen, von einem suten Theil der Endplättchen abhalten. Wir haben es bei diesen verschiedenen Anordnungen der Stiftchen- säume offenbar mit nahe verwandten Modifikationen desselben Grund- planes zu thun. Das eine Mal stehen die Stiftehen nur auf der distalen Fläche der Sehzellen, dann verschieben sie sich auch auf 24* 366 Richard Hesse, die Seitenflächen, bis sie schließlich, in den »Stäbehen«, ganz auf die letzteren beschränkt bleiben. Wir sehen also hier im gleichen Auge verschiedene Stufen einer Verlagerung der Stiftcehen von der Endfläche auf die Seitenflächen der Zellen ver- wirklieht. Das ist wichtig. Denn während es in den Augen vieler anderer Thiere, wo die Sehzellen mit Stiftehensäumen ausgestattet sind, gewöhnlich die Endflächen der Zellen sind, welche die Stift- chen tragen (z. B. Heteropoden, Myriapoden), stehen bei den meisten Arthropoden die Stiftehensäume an den Seitenflächen. Wir sehen nun hier, dass diese Verschiedenheit der Anordnung keinen prinei- piellen Gegensatz bedingt. Physiologisch freilich ist der Unterschied nicht unbedeutend. Im ersteren Falle, wo die Stiftehen die Endfläche der Zelle einnehmen, können bei einer gegebenen Oberfläche der Retina weit weniger Einzelelemente untergebracht werden als im letzteren. Weiter wird jedes Stiftehen von einem Lichtstrahl getroffen, aber der betreffende Strahl trifft nur dieses eine Stiftehen; wenn dagegen die Stiftchen an den Seitenwänden der Zellen stehen, trifft ein Lichtstrahl meist viele Stiftehen. Bei der ersten Möglichkeit ist zwar die Zahl der er- regenden Strahlen eine größere, die Reize sind verschiedenartiger; im letzteren Falle wird die Mannigfaltigkeit der Reize zwar ver- mindert, ihre Intensität jedoch bedeutend gesteigert, da eine größere Anzahl von Neurofibrillen von einem Lichtstrahl erregt wird. Jede Sehzelle setzt sich in eine Nervenfaser fort, und diese ver- einigen sich zum Sehnerven. Das Auge ist proximal von Binde- gewebe umgeben; eine besondere Augenhülle konnte ich nicht ent- decken; eben so entbehrt der Sehnerv einer Hülle. Aus dem Bau des mittleren Stirnauges kann man den Schluss ziehen, dass der rostrale und der caudale Abschnitt desselben in ihrer Funktion verschieden sind. Im ersteren liegen die reeipirenden Elemente der Cornealinse so nahe, dass von nahen Gegenständen kein deutliches Bild auf ihnen entstehen kann; wohl aber werden sie zur Wahrnehmung ferner Gegenstände geeignet sein; danun auch bei einer beträchtlichen Verschiebung eines fernen leuchtenden Punk- tes in der Richtung zu oder von der Linse der entsprechende Bild- punkt nur geringe Verschiebungen erleidet, so genügt es hier, wenn die recipirenden Elemente nahezu in einer Ebene liegen. Der cau- dale Abschnitt des Auges jedoch ist so eingerichtet, dass die Seh- zellen viel weiter von der Linse entfernt sind, so dass das Bild naher Gegenstände auf ihre »Stäbehen« fällt; da nun andererseits bei Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 367 Verschiebungen eines leuchtenden Punktes, welcher der Linse nahe ist, die entsprechenden Verschiebungen des Bildpunktes viel beträcht- licher sind, so sind die recipirenden Elemente in diesem für das Nahesehen eingerichteten Augenabschnitt so angeordnet, dass sie über ein ziemliches Gebiet in die Tiefe sich vertheilen, d. h. sie stehen an den Seitenwänden der Zellen. Eine Accommodation ist somit unnöthig. — Das Gesichtsfeld der beiden Augenabschnitte ist ein verschiedenes: im mittleren Stirnauge »schaut« das »Fernauge« dorsad, das »Nahe- auge« rostrad; in den seitlichen Augen liegt das »Naheauge« rostral und median, »schaut« also caudad und laterad; das »Fernauge« liegt caudal und lateral, schaut also rostrad und mediad. Man kann also im Allgemeinen sagen, dass die Gesichtsfelder der analogen Augen- theile sich ergänzen. CARRIERE (1886) giebt an, dass bei den einzelnen Gattungen der Dipteren sich Unterschiede im feineren Bau der Stirnaugen finden, auch bei solchen, die in der Bildung ihrer Komplexaugen ganz übereinstimmen. Darauf mag es be- ruhen, dass REDIKORZEW (1900) bei Syrphus und Eristalis, die doch sonst dem von mir untersuchten Objekt nahe verwandt sind, die recipirenden Elemente im Stirnauge etwas anders schildert: die distalen Enden der Retinazellen liegen sehr dicht bei einander, so dass jede dicht und allseitig an ihre Nachbarinnen angrenzt. Im Querschnitt durch diese Region berühren sich die Retinazellen als sechseckige Gebilde, und die Stäbchen nehmen dem entsprechend die Form ausgehöhlter sechsseitiger Prismen an, deren Boden und Deckel offen ist, und die im Querschnitt als ein regelmäßig zusammenhängendes Netzwerk von Sechs- ecken sich zeigen. Proximal sollen diese Stäbchen allmählich in die Zeilmem- bran von gewöhnlicher Dicke übergehen. Die letztere Angabe erscheint mir nicht sehr wahrscheinlich, bei der Auffassung, die ich von den Stäbchen habe. Da aber REDIKORZEW keine Schnitte unter 10 « Dicke vor sich hatte, und in der histologischen Analyse der untersuchten Objekte nicht sehr weit gelangt ist, glaube ich diesen Gegensatz nicht zu Ungunsten meiner Auffassung auslegen zu müssen. Da ich bei den Wanzen und bei Clo&öon eine ähnliche Anordnung der recipirenden Elemente finde, wie sie REDIKORZEW hier schildert, so bin ich weit entfernt, diese Beobachtungen irgendwie in Zweifel ziehen zu wollen. 2) Stirnaugen der Wanzen (Taf. XVI, Fig. 13 u. 14). Von Wanzen konnte ich Syromastes marginatus L. und Acanthosoma haemorrhoidale L. auf ihre Stirnaugen untersuchen. Bei beiden fand ich das Pigment in diesen Augen glänzend zinnoberroth (Fig. 13). Über die Form der Linse kann ich keine Angaben machen, da ich nur den Weichkörper der Augen, in oben angegebener Weise von der Cornealinse losgetrennt, geschnitten habe. Am distalsten liegt bei Syromastes eine Reihe von Zellen, die man früher als Glaskörper bezeichnete, die ich mit PATTEn corneagene Zellen benennen will; hinter ihnen liegt die Reihe der Sehzellen. Jedoch sind diese 368 Richard Hesse, beiden Schichten nicht durch eine scharfe Grenze von einander getrennt; vielmehr erstrecken sich von den corneagenen Zellen (cz) proximal kleine Spitzchen zwischen die distalen Enden der Sehzellen hinein, und am Rande konnte ich wiederholt beobachten, dass sich die Enden der letzteren ganz zwischen die corneagenen Zellen ein- schoben (Fig. 15 rechts). Wir haben es hier also nicht mit zwei von vorn herein gesonderten Schichten zu thun, die etwa durch Faltung einer Epithellamelle entstanden wären, sondern die beiden Lagen sind aus einem ursprünglich einschichtigen Epithel wahrscheinlich derart hervorgegangen, dass die Corneagenzellen gleichsam zwischen den Sehzellen nach außen herausgepresst wurden, ein Vorgang, wie ihn REDIKORZEW bei der Entwicklung der Stirnaugen von Apis direkt beobachtete. Bei Acanthosoma scheinen die Kerne der eorneagenen Zellen weiter proximal zwischen den Sehzellen zu liegen. Betreffs der lichtreeipirenden Endigungen in den Sehzellen ver- mag ich nicht viel anzugeben. Auf Schrägschnitten durch die Re- tina (Fig. 14) sehe ich die distalen Enden der Sehzellen, so weit sie von Pigment frei sind, eng zusammengedrängt, und durch einen auf- fallend breiten, dunkel gefärbten Saum von einander getrennt. Die Säume bilden auf den Schnitten Polygone, meist Sechsecke; im Innern derselben finde ich einen Inhalt von vielen Pünktchen, während ich an Längsschnitten eine gewisse Längsstreifung wahrnehme. Es ist mir nun die Frage, ob sich die Säume der distalen Zellenenden direkt aus lichtreeipirenden Elementen zusammensetzen, entsprechend dem Mantel von Endplättchen bei Helophrlus, oder ob die im Innern ent- lang laufenden Fibrillen die Funktion der Lichtreception haben. Nach den mir vorliegenden Präparaten vermag ich das nicht zu ent- scheiden. Jede der Sehzellen kann man aufs deutlichste in eine Nerven- faser sich fortsetzen sehen. 3) Stirnaugen von Cloöon (Taf. XVI, Fig. 15 u. 16). Diese Augen untersuchte ich bei einem männlichen Thier, und wurde ganz überrascht durch eine sehr eigenartige Bildung, die sich sonst nirgends bei Arthropoden findet, nämlich eine aus Zellen zusammengesetzte Linse. Das Vorhandensein einer solchen bei Ephemeriden wurde schon von CARRIERE (1886 p. 496) entdeckt. Seine Beschreibung des Auges ist jedoch sehr kurz und, wie mir scheint, nicht frei von Irır- thümern; auch ist eine Abbildung von ihm nicht beigegeben. Daher halte ich es nicht für überflüssig, hier näher: auf dieses Auge einzu- Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 369 sehen. Alle drei Stirnaugen sind nach dem gleichen Plane gebaut; jedoch ist das mittlere bedeutend kleiner als die seitlichen; ich lege daher die letzteren der folgenden Beschreibung zu Grunde. Die Cutieula ist über dem Auge uhrglasförmig vorgewölbt, zeigt aber gegen die Nachbartheile durchaus keine Verdiekung; eben so ist die unter ihr gelegene Hypodermis ganz so beschaffen wie in der Umgebung des Auges, nur vielleicht etwas dünner. Die Zellen sind kubisch; nur da, wo sie der Pigmenthülle des Auges nahe kommen und an einer Stelle auf der Fläche der Cornea sind sie etwas ver- längert (Fig. 15 bei z). Nirgends fand ich in den Hypodermiszellen in der Nachbarschaft des Auges eine Spur von Pigment. Unter dem vorgewölbten Abschnitt der Hypodermis liegt ein linsenförmiges Gebilde, das im Medianschnitt einen etwa elliptischen Umriss hat, wobei die kurze Achse der Ellipse in die Augenachse fällt. Ob diese Linie wirklich die Regelmäßigkeit eines Rotationskörpers besitzt, oder ob sie etwas unregelmäßig ist — was bei der Asym- metrie der seitlichen Stirnaugen sehr wohl möglich ist — vermag ich nach den mir vorliegenden Schnitten nicht zu entscheiden. Die Linse setzt sich ähnlich derjenigen des Peetenauges, mit der sie auch CARRIERE vergleicht, aus sehr zahlreichen, dicht an einander schließenden Zellen zusammen; diese liegen in mehreren Lagen über einander; eine Regel- mäßigkeit in der Anordnung konnte ich nicht herausfinden. Jede Zelle hat ein sehr helles, wenig färbbares Plasma, einen mit Eisen- Hämatoxylin tief dunkel färbbaren, fast kugeligen Kern und eine deutliche Zellmembran. Eine besondere Hülle um die Linse konnte ich nicht erkennen. An einem Punkt ihrer distalen Oberfläche hängt die Linse mit der darüber liegenden Hypodermis zusammen (Fig. 16), die Hypo- dermiszellen verlängern sich, und ihre basalen Enden legen sich der Linsenoberfläche auf, wobei sie seitlich aus einander weichen. Die Cuticula zeigt hier auf einem ganz kleinen Bezirke eine leichte Ein- stülpung, die vielleicht Kunstprodukt sein kann; für die auffallende Verlängerung der Hypodermiszellen ist eine solehe Annahme ausge- schlossen. Diese Verbindung von Linse und Hypodermis legt den Gedanken nahe, dass letztere der Mutterboden für die Linse ist, dass diese sich also aus Hypodermiszellen entwickelt hat; eine Bestätigung dieser Ansicht kann jedoch erst die Entwicklungsgeschichte dieses Auges geben, die ich noch nicht untersuchen konnte. Proximal liegt der Linse die gewölbte Retina dicht an. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich eine Schicht ganz flacher Zellen 370 Richard Hesse, zwischen beide einschiebt, wie ich das in Fig. 15 angedeutet habe: doch kann ich das nicht mit genügender Sicherheit angeben. Die Retina besteht aus zwei über einander liegenden Zellschichten, deren äußere ich als Glaskörperlage, die innere als Sehzellenlage bezeichne. Die Glaskörperlage setzt sich aus säulenförmigen Zellen mit ziemlich weit distal gelegenen Kernen zusammen, über deren Anordnung ein Blick auf die Fig. 15 die beste Auskunft giebt. Ihr Plasma ist etwas granulirt und nimmt reichlich Farbe an; der Kern enthält ein deutliches Kernkörperehen und wenig Chromatin. Gegen die Sehzellenlage zeigen die Zellen keine scharfe Abgrenzung, die Abwesenheit einer trennenden Membran ist sicher. Man sieht aber auch nirgends, dass sie sich mit ihren Enden zwischen die distalen Enden der Sehzellen erstrecken, wie das bei den Glaskörperzellen von Syromastes nachweisbar ist; ja an einzelnen Stellen der Präparate ist ein kleiner Lückenraum zwischen beiden Lagen entstanden, der ihre Trennung sicher macht. Die Sehzellen sind schlanke Gebilde mit proximal gelegenem Kern; ihre proximalen Enden setzen sich in eine Nervenfaser fort, die in den Sehnerven eingeht. Die distalen Enden der Zellen schließen eng zusammen, so dass sie sich hexagonal an einander abplatten ; ihre Oberfläche ist, wo sie zusammenstoßen, mit einem dunkel färb- baren Saum versehen, so dass auf Schnitten senkrecht zur Augenachse das Bild einer in Sechsecke getheilten Fläche sich bieten würde, deren Grenzlinien den Säumen entsprächen — auf Schrägschnitten, die ich beobachten konnte, sind die Sechsecke nach einer Richtung hin verzerrt. Diese Säume, die in ihrer Anordnung denen bei Syromastes gleichen, betrachte ich als die reeipirenden Endorgane. Über ihren feineren Bau vermochte ich an den 5 u dicken Schnitten nichts Näheres zu ermitteln. Der Zellkörper zeigt distal von ihnen einen deutlich fibrillären Bau. Hinter den Säumen verschmälern sich die Zellkörper der Seh- zellen, und erst an der Stelle, wo der Kern liegt, schwellen sie wieder an und schließen zusammen. Dadurch entstehen zwischen den Zellen Zwischenräume, die mit einander kommunieiren. Sie sind erfüllt mit einer Masse, die im auffallenden Licht hell glänzt, im durchfallenden Licht körnig grüngrau aussieht, und bei Behandlung der Schnitte mit Eisenalaun ausgezogen wird (in Fig. 15 gelb angegeben). Diese Masse bildet also ein Tapetum; sie ist an Zellen gebunden, deren kleine, runde, dunkelgefärbte Kerne in den Zwischenräumen zwischen den Sehzellen sich finden. Ich halte sie für eingedrungene Binde- Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 371 sewebszellen. Ahnliche Tapetumbildungen werden wir bei Machklis und bei den Libellen kennen lernen. In der ganzen Retina finde ich, entgegen der Angabe von CARRIERE, keine Spur von Pigment. Dagegen ist das Auge von einer dichten Hülle aus braunen Pigmentkörnchen umgeben, die sich der Retina eng anlegt und bis an die Linse heranreicht (Fig. 15). Proximal wird dieser Pigmentbecher von den Nervenfasern der Sehzellen, dem Sehnerven, in einzelnen Büscheln durchsetzt. An die distalen Becherränder legen sich die verlängerten Enden der gerade über ihnen liegenden Hypodermiszellen von außen an. Die Pigment- hülle ist, wie ich aus einzelnen Lücken im Pigment glaube folgern zu können, ein einschichtiges Epithel; nur da, wo der Sehnerv austritt, ist die epitheliale Anordnung gestört; die Form der Zell- komplexe wird hier durch die Lage und Richtung der Nervenfasern beeinflusst. Im Sehnerven finden sich außerhaib der Pigmenthülle eine Anzahl verhältnismäßig kleiner Kerne, deren zugehörige Zellkörper nicht deutlich abzugrenzen sind; ich halte sie für Bindegewebskerne; für Kerne von Ganglienzellen sind sie zu klein. Der Sehnerv ist außen überzogen von einer Scheide, die mit der Bindegewebslage zusammen- hängt, welche unter der dem Auge benachbarten Hypodermis sich ausbreitet. Ich weiß nicht, ob ich dieses Lageverhältnis derart aus- deuten darf, dass Alles, was nach außen von dieser Bindegewebsschicht (Cutis) liest, von der Hypodermis abstammt; dann wären die Zellen der Pigmenthülle hypodermalen Ursprungs. Mit der Sonderbarkeit einer cellularen Linse hängt eine andere Eigenthümlichkeit dieses Auges eng zusammen: die Zellen des Glas- körpers sind nicht zugleich corneagene Zellen. Dabei setze ich freilich voraus, dass der Glaskörper hier demjenigen in anderen Stirnaugen (Helophilus ausgenommen) homolog sei, d.h. aus einem einheitlichen Retinaepithel durch Verschiebung der indifferenten Zellen und Seh- zellen gegen einander entstanden sei — das bedarf allerdings noch des Beweises, durch Untersuchung der Entwicklung, den ich später zu erbringen hoffe. Es hat etwas sehr Einleuchtendes anzunehmen, dass eine Sonderung von Sinneszellen und indifferenten Zellen mit der Nothwendigkeit zusammenhängt, über der Retina eine Cuticula abzuscheiden, und dass die gleiche Arbeitstheilung weiterhin auch die Verschiebung der beiderlei Zellen zu zwei Lagen im Gefolge hat; denn in Stirnaugen, wo die Retina der Cuticula nicht unmittelbar benachbart ist, wie bei Zelophrilus oder den Phryganeen, finden wir 372 Richard Hesse, keine indifferenten Zellen in der Retina. Hier aber haben die in- differenten Zellen nichts mit der Abscheidung einer Cuticula zu thun; haben sie keine besondere Funktion ? Vielleicht sind sie zwischen Linse und Sehzellen hineingedrängt, um die letzteren in den gehörigen Abstand von der Linse zu bringen, damit ihre reeipirenden Enden in eine Ebene zu liegen kommen, wo das von der Linse entworfene scharfe Bild liegt; es wären die Augen damit wahrscheinlich für das Sehen naher Objekte geeignet geworden. 4) Auge von Ceratopsyllus (Taf. XVII, Fig. 17 u. 18). Die Betrachtung dieses Auges schalte ich hier ein, obgleich es seiner Lage nach nicht hierher gehört. Es ist vielleicht denkbar, dass es den Stirnaugen wirklich homolog ist — das dürfte aber schwer zu beweisen sein. Ich bespreche es hier, weil ich glaube, dass seine lichtreeipi- renden Elemente sich am besten verstehen lassen in Anlehnung an die »Stäbchen« des Helophrlus-Auges. In der Schilderung der Harttheile des Auges, nämlich der Cornea- linse und der Chitinkapsel, kann ich mich ganz den Angaben GRENACHER’S (1879) anschließen. Jedoch weicht meine Deutung der Weichtheile von der seinigen ganz ab. Es ist das leicht zu erklären, wenn man die Schwierigkeit bedenkt, durch Rasirmesserschnitte von diesem winzigen Objekt einigermaßen genügende Präparate zu erhalten. GRENACHER unterscheidet zwei Schichten: einen ausgeprägt radiär- gestreiften Glaskörper von ansehnlicher Dicke, und eine verhältnis- mäßig dünne Retina, die jenen in Gestalt einer Kugelschale umfasst. Nach meinen Ermittelungen jedoch ist der Glaskörper GRENACHER’S nichts Anderes als die Stäbchenschicht der Retina (Fig. 17); zu jeder Retinazelle gehört eine der radiären Abtheilungen der distaleren Schicht; dass die beiden Schichten in der Färbung sich scharf von einander abheben, ist nichts Ungewöhnliches. Nur die Kernreihe, welche GRENACHER an einem Präparat in den proximalen Theilen seiner Glaskörperschicht erkannte, vermag ich nicht aufzufinden an meinen mit Hämatoxylin und Eisen-Hämatoxylin gefärbten Schnitten. Dagegen fehlt ein Glaskörper, oder wie wir es hier nennen, corneagene Zellen dem Auge durchaus nieht. Zwischen den distalen Enden der Stäbchen finde ich Zellen (Fig. 17 cr), allerdings nicht in sroßer Anzahl, mit deutlichem, in der Nähe der Linse gelegenen Kern; sie breiten sich unter der Linse aus, proximad dagegen spitzen sie sich zu. Einmal sah ich auch den Kern einer solchen Zelle in halber Höhe der Stäbchen liegen. Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 375 Diejenigen Zellen, welche in der Reihe der Retinazellen am meisten gegen die Linse zu liegen, tragen keine Stäbchen und haben keinen Nervenfortsatz. An sie schließt sich weiter eine Reihe von Zellen an, welche entsprechend der cuticularen Kapsel des Auges umbiegt, und wahrscheinlich aus den Matrixzellen der letzteren besteht; ich sah diese Zellen auf der einen Seite des Auges der Kapsel an- liegen (Fig. 17 links), auf der anderen dagegen unter der Retina hinziehen. Ich glaube, dass die Retina, durch die Konservirung etwas seschrumpft, sich von der Kapsel abgehoben hat, deren Binnenraum sie im Leben wohl ganz erfüllt; dabei blieben die Matrixzellen der Kapsel einmal in ihrer ursprünglichen Lage, das andere Mal folgten sie der Retina. Den feineren Bau der recipirenden Elemente habe ich an Schnitten von 3u Dicke, die mit Eisen-Hämatoxylin gefärbt waren, zu ermitteln gesucht. Dabei konnte ich leider nur Längsschnitte erhalten, die Querschnitte durch die Stäbchen missglückten. Ich fand in den Stäbehen eine dunkler färbbare Achse, und die zu Seiten der letzteren gelegenen Theile erschienen quergestreift senkrecht zur Achse (Fig. 18). Ich halte dafür, dass dies Stiftehen, d. h. besonders beschaffene End- verdickungen von Neurofibrillen sind, und dass sich die Achse aus den von ihnen zum Zellkörper verlaufenden Fibrillen zusammensetzt. Wenn ich annehme, dass ein solcher Stiftehensaum jedes Mal die Achse allseitig umgiebt — hier fehlen die Querschnitte, dies sicher zu stellen — so lassen sich diese Stäbchen mit denen von Helophilus vergleichen; andererseits aber erinnern sie sehr an die Stiftehensäume der basalen Sehzellen von Zithobius, von denen in Fig. 65 Quer- schnitte gegeben sind; die Reduktion der protoplasmatischen Achse auf einen dünnen Strang begünstigt eine solche Vergleichung sehr. Jedenfalls erscheint es mir wahrscheinlich, dass auch hier ein Stift- - chensaum in einer besonderen Ausbildung vorliegt. In Betreff des Pigmentmangels in diesem Auge stimme ich GRENACHER’s Ausführungen völlig zu. 5) Stirnauge von Orchesella rufescens Tullb. (Taf. XVII, Fig. 19—21). Ganz eigenartig gebaute Stirnaugen habe ich bei dem von mir untersuchten Poduren, Orchesella rufescens Tullb., gefunden. Auf der Stirn dieses Thieres, genau zwischen dem Ursprung der Fühler, befindet sich regelmäßig ein kleiner unregelmäßig begrenzter - Pigmentfleck,; an hell gefärbten Individuen, speciell der var. pallida, ist dieser Fleck sehr deutlich (Fig. 19). Auch bei anderen Poduren 974 Richard Hesse, kommt er vor: so zeichnet ihn WıLLeu (1900) bei Sminthurus aquaticus Bourl. und bei Podura aquatica L.;, für letztere Form giebt er an, dass vom Gehirn ein medianer Nerv ausgeht zu einem kleinen Ganglion, das unter diesem Pigmentfleck liegt. Dass WILLEMm an eine Deutung dieses Pigmentflecks bezw. des zugehörigen »Ganglions« als Stirnauge gedacht hat, kann man aus den Abkürzungen in den Figuren schließen, wo er den, Fleck mit o', die Seitenaugen mit o bezeichnet. Im Text jedoch finde ich nirgends eine eingehendere Äußerung über dieses Gebilde oder den Versuch einer Deutung desselben. Der Pigmentfleck selbst besteht aus einer Anzahl von Zellen, welche distal bis dicht unter die Cuticula reichen und als Hypodermis- zellen gedeutet werden müssen (Fig. 20); sie erstrecken sich aber viel weiter in das unterliegende Bindegewebe als die übrigen Hypodermis- zellen. Diese Zellen sind ganz mit schwarzen Pigmentkörnern erfüllt, die besonders in den Randtheilen dicht angehäuft sind, während die Mitte des Zellkörpers, wo der Kern liegt, lichter erscheint. Wenn die Hypodermis des Thieres ganz pigmentirt ist, so liegt das Pigment nur in den alleräußersten Theilen der Zellen; die Zellen des Pigment- flecks sind daher auch dann durch ihre Ausdehnung ohne Weiteres zu erkennen. Rostrad von diesen Pigmentzellen finde ich eine Anzahl großer Zellen, die wohl dem »Ganglion« WILLENMS entsprechen (Fig. 20 sz). Zwei davon liegen so, dass sie dorsal vom Pigment ganz bedeckt werden und dass auch caudal ein Pigmentvorhang über sie herabzieht; Flächenschnitte (Fig. 21) zeigen, dass sie auch seitlich von Pigment umgeben sind; zwei andere (von denen auf dem in Fig. 21 abgebildeten Schnitt nur die eine getroffen ist) liegen weiter rostrad, so dass die eine nur zum Theil dorsal von Pigment etwas bedeckt ist, während die andere ganz frei ist; auch seitlich sind sie nicht von Pigment- zellen flankirt. Die beiden caudaleren und die beiden rostraleren Zellen sind in der Gestalt verschieden: jene sind langgestreckt, schlank und legen sich dicht an einander, so dass ihre Berührungsflächen sich abplatten; diese dagegen haben einen rundlichen Zellkörper und erscheinen schon desshalb weniger an einander gepresst. Jede der Zellen enthält einen großen Kern und ihr Zellkörper setzt sich in eine Nervenfaser fort, die ich zwar nicht weiter verfolgen konnte, die aber nach WILLEMS Beobachtung an Podura wahrscheinlich auch hier zum Gehirn zieht. Jede der Zellen zeigt einen dunkler gefärbten Saum: bei den beiden caudalen Zellen befindet sich derselbe an der Berührungsfläche Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 375 der Zellen, deren ganze Breite er einnimmt, bei den rostraleren liegt er auf der dorsad und rostrad gekehrten Zelloberfläche. Die feinere Beschaffenheit dieses Saumes konnte ich besonders an ersteren, und zwar auf einem Querschnittsbilde (Fig. 21) deutlich erkennen. Er ist nicht homogen, sondern erscheint leicht quergestreift, und an seinen Innenrand schließt sich eine helle Schaltzone, welche von zahlreichen feinsten Fibrillen quer durchsetzt ist — kurz er hat Kennzeichen, wie wir sie bei einem Stiftehensaum zu finden gewohnt sind. Aller- dings war es mir nicht möglich, die Fibrillen im Zellplasma weiter zu verfolgen. Die Thatsache, dass die Zellen in eine Nervenfaser auslaufen, beweist uns ihre nervöse Natur; die Lage zum Pigment und jene an einen Stiftehensaum erinnernden Bildungen machen es höchst wahr- scheinlich, dass sie Zellen des optischen Sinnes sind, also Sehzellen — die Lage lässt es dann wohl gerechtfertigt erscheinen, hier von einem Stirnauge zu reden. Die beiden rostralen Sehzellen gleichen ihrer ganzen Gestalt nach außerordentlich den Sehzellen von Planaria; die beiden anderen dagegen erinnern sehr an die Sehzellen bei den Arthropoden, besonders an jene Sehzellen in den Stirnaugen bei Insekten, etwa Wespen oder Bienen, welche zu zweien gepaart stehen und an der Berührungs- fläche jede ein »Stäbchen«, wie REDIKORZEW es nennt, oder, wie wir später sehen werden, einen Stiftehensaum tragen. Wir haben eine typische Rhabdombildung vor uns, ein Rhabdom, das aus zwei Rhabdomeren zusammengesetzt ist. Es ist von großem Interesse, dass eine Rhabdombildung im gleichen Verbande vorkommt mit jenen zwei Zellen, die so sehr an die Sehzellen bei Plathelminthen erinnern. Es zeigt dieser Umstand, dass wir es hier nicht mit grundsätzlichen Bildungsunterschieden, sondern lediglich mit sekundären Verschieden- heiten in der Anordnung der Stiftehensäume zu thun haben. Im Gegensatz zu anderen Stirmnaugen sind jedoch die Sehzellen hier nicht Zellen der Hypodermis, die im Epithelverband geblieben sind. Es ist zwar möglich und mir sogar wahrscheinlich, dass sie aus der Hypodermis stammen und erst sekundär in die Tiefe verlagert sind — eine solche Verlagerung findet ja auch in anderen Stirnaugen mit den Sehzellen gegenüber den corneagenen Zellen statt, wie REDIKORZEW bei Apres direkt beobachtet hat, und wie ich aus der gegenseitigen Lage dieser Zellen bei verschiedenen Formen glaube schließen zu müssen. Im vorliegenden Falle ist ein solcher Nachweis nicht vorhanden. Ein gewisser Anhalt dafür ist allerdings darin 376 Richard Hesse, gegeben, dass die zwischen die hypodermalen Pigmentzellen einge- keilten caudalen Sehzellen sowohl die schlanke Gestalt von Cylinder- epithelzellen, als auch eine entsprechende Zusammenordnung bewahrt haben. Wenn sie, dann müssen auch die anderen beiden Sehzellen aus der Hypodermis stammen; man kann dann bei letzteren wohl die Loslösung von den anderen Hypodermiszellen als Grund für ihre Ge- staltveränderung anführen. Zu den einfallenden Lichtstrahlen zeigen die einzelnen Sehzellen ein recht verschiedenes Verhalten. Die rostralste der Zellen ist dem Licht von fast allen Seiten zugänglich: nur ein kleiner Theil der von der Caudalseite einfallenden Strahlen wird vom Pigmentfleck abge- blendet werden. Weniger exponirt ist schon die zweite der Zellen. Die beiden caudalen, gepaarten Zellen dagegen liegen so von Pigment umgeben, dass nur Lichtstrahlen zu ihnen gelangen können, die von vorn und etwas von unten kommen; nach oben, seitlich und hinten sind diese Zellen, oder ist wenigstens ihr Rhabdom gegen Licht geschützt. Wir haben also in diesem Stirnauge ein vollkommenes Richtungsauge, durch welches ein verschieden starker Reiz aufge- nommen wird, je nach der Richtung, aus der die Lichtstrahlen kommen, indem entweder nur eine, oder zwei, oder alle vier Sehzellen von denselben getroffen werden. Eine Bildwahrnehmung vermittels dieses Auges ist als ausgeschlossen zu betrachten. Wie weit derartige Stirnaugen bei den Poduren verbreitet sind, vermag ich nicht zu sagen. Ich selbst habe ein solches nur noch bei Örchesella cincta L. nachgewiesen. Bei Heteromurus nitidus Temp)., welcher auch der Seitenaugen entbehrt, vermisste ich das Stirnauge; eben so konnte ich bei Enfomodrya sp. keines finden. Dagegen sind wir nach WILLEM's Angaben wohl berechtigt, bei Podura aquatica ein Stirnauge (WıLLem’s Ganglion) anzunehmen; ob an dem Pigmentfleck bei Sminthurus aquaticus ebenfalls Sehzellen liegen, bedarf noch der Untersuchung. Nähere Nachforschung wird solche Bildungen wahr- scheinlich in ziemlicher Verbreitung finden lassen. 6) Stirnaugen von Machklis (Taf. XVII, Fig. 22—25). Die von OUDEMANS (1887) entdeckten Stirnaugen von Machilis untersuchte ich an zwei größeren, nicht näher bestimmten Arten dieser Gattung, deren eine hier bei Tübingen gesammelt wurde, während die andere von Rovigno (Istrien) stammt. Was die Form und die Lage dieser Augen am Kopf angeht, so stimmen meine Beobachtungen ganz mit denen des Entdeckers überein: »zwei davon sind asymmetrisch bis- Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 371 kuitförmig; von ihnen liegt eins unter jedem zusammengesetzten Auge Das dritte... hat eine ovale Form und liest an der unteren Spitze des Vorderkopfes, genau in der Medianlinie« (Fig. 22). Auch darin stimme ich OUDEMANS bei, dass die Cuticula über den paarigen Stirnaugen nur sehr wenig dicker ist als in der Umgebung, über dem unpaarigen etwa die doppelte Dieke hat. Dagegen kann ich nicht zugeben, dass diese Augen »zweischichtig« und »ohne Retinulabil- dung« seien. Ein Schnitt senkrecht zur Oberfläche des Auges (Fig. 25) lässt große schlanke Zellen erkennen, deren Kern meist in der Nähe der Cutieula liegt. Die Zellen sind in bestimmter Weise gruppirt: ein Querschnitt durch dieselben — also parallel der Cutieula — zeigt, dass sie zu vieren beisammen stehen und sich mit ihren Wandungen eng berühren (Fig. 25). Die Grenzen dieser vier Zellen gegen ein- ander treten als verhältnismäßig breite, dunkel färbbare Streifen hervor, welche von der Zelle durch einen schmalen, etwas heller gerärbten Streifen getrennt werden. Auch an Schnitten senkrecht zur Cutieula kann man solche Aneinanderlagerung von Zellen leicht er- kennen; aber auf solehen Schnitten sieht man natürlich nur zwei der zu einer Gruppe gehörigen Zellen (Fig. 25 u. 24); sie sind durch einen dunklen Streifen der Länge nach getrennt. An einzelnen Präparaten sehe ich an solchen Schnitten in jeder Zelle eine große Anzahl feinster Fibrillen senkrecht zu dem dunklen Saum an diesen ansetzen, und dann proximad umbiegen (Fig. 24). Diese Zellen sind die Sehzellen der Augen. Die geschilderten dunklen Streifen halte ich für Stiftehensäume; zwar vermag ich an ihnen weder eine Trennung der zu den einzelnen Zellen gehörigen Portionen noch eine Zusammensetzung aus Stiftehen zu erkennen: es sind die Stiftehen und die benachbarten Säume unter einander ver- schmolzen. Im Hinblick aber auf die Verhältnisse, die wir theils schon kennen lernten, theils bei anderen Formen treffen werden, können wir kaum zweifeln, dass die an den dunkeln Saum ansetzenden Fibrillen Neurofibrillen sind, der Saum daher wohl ein Stiftehensaum. Durch die Verschmelzung der Säume entstehen also hier viertheilige Rhab- dome von X-förmigem Querschnitte (Fig. 25), wie sie REDIKORZEW ähnlich aus dem Stirnauge von Culopteryz abgebildet hat und wir sie weiterhin noch öfter treffen werden. Es sind also die Sehzellen »retinulabildend« im Sinne RAY LANKESTERS; ich finde diesen Gebrauch des Wortes Retinula für einen Theil einer zusammenhängenden Retina nicht angebracht, da ja das Wort von GRENACHER besonders gebildet 378 Richard Hesse, ist, um für das Komplexauge die getrennten, zu den Ommen gehörigen Theile einer fälschlich für kontinuirlich gehaltenen Retina prägnant zu bezeichnen; ich werde also sagen, die Sehzellen sind um einzelne Achsen gruppirt, oder einfach gruppirt; ein solches Auge mit Seh- zellgruppen in der Retina nenne ich ein polyaxonisches. Im Gegensatz dazu ist die Retinula eines Omma im Komplexauge monaxonisch; ein Auge, in welchem keine bestimmte Orientirung der reeipirenden Elemente um bestimmte Achsen vorliegt, wie das Stirnauge von Zelophrilus oder das Auge von Ceratopsyllus, ist anaxonisch. Außer diesen so gruppirten Zellen finden wir in den Stirnaugen noch andere, welche dicht unter der Cuticula liegen und derselben mit breiter Fläche ansitzen. Sie haben meist einen etwas kleineren, aber ähnlich beschaffenen Kern wie die Sehzellen (Fig. 23 ck, 24 cz). Mit ihrem Zellkörper ragen sie zwischen die Gruppen der ersteren mehr oder weniger weit hinein, so dass sie keineswegs eine beson- dere, durch eine scharfe innere Grenze abgetrennte Lage bilden, wie OUDEMANS es zeichnet; das Auge ist also als einschichtig anzusehen. Diese Zellen bilden offenbar die Matrix der Cutieula und wären als Cormeagenzellen zu bezeichnen. Nicht selten wollte mir es scheinen, als ob hier und da auch die Sehzellen bis an die Cutieula heran- reichen und sich mit ihr verbinden; die Arbeitstheilung zwischen Sehzellen und Corneagenzellen wäre dann nur unvollkommen. Etwa in der Mitte zwischen der Cuticula und der Basis des Epithels ist das Auge durchsetzt von einem Zug dicht liegender, faseriger Gebilde, die einen bei durchfallendem Lieht graugrünlichen körnigen Farbstoff enthalten, der bei auffallendem Licht hell leuchtet: es ist ein Tapetum. Einzelne längliche Kerne sind in den Fasern zu erkennen, aber ihre Zahl entspricht bei Weitem nicht derjenigen der Fasern. Das Grundgewebe des Tapetums ist nach meiner An- sicht bindegewebiger Natur; ein Hervorgehen desselben aus Hypo- dermiszellen ist hier ganz unwahrscheinlich, während bei (7o&on eine solche Möglichkeit nicht ganz außer Betracht war. Durch das Tape- tum wird es bewirkt, dass die Stirnaugen am Totalpräparat nicht so dunkel erscheinen wie die Komplexaugen. Das kommt auch in ÖUDEMANS’ Zeichnung zum Ausdruck, in seinem Text aber finde ich keinen Hinweis darauf. Die Anwesenheit des Tapetums ist OUDEMANS ganz entgangen, wahrscheinlich weil er die Schnitte depigmentirte, wobei durch die Säurewirkung der Farbstoff des Tapetums aufgelöst wird; die gewebliche Grundlage desselben hat er übersehen. Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. vll. 379 Die Sehzellen verschmälern sich da, wo sie das Tapetum durch- setzen, ganz beträchtlich, um sich proximal von ihm wieder zu ver- breitern (Fig. 23); dort sind sie dann angefüllt mit einem körnigen Pigment, das eben so wie in den Komplexaugen von Machehs auf meinen Schnitten dunkel rothbraun erscheint. Besondere Pigment- zellen sind nicht vorhanden. Distal von dem Tapetum fehlt jede Spur von Pigment. An der Basalmembran, die das epitheliale Auge von den darunter liegenden Geweben trennt, verdünnen sich die Seh- zellen zu Nervenfasern; diese ziehen in medialer Richtung an der Membran hin, um sie dann zu durchbohren und als Sehnerv zum Gehirn zu verlaufen. Seitlich gehen die Stirnaugen in die umgebende Hypodermis über, deren Zellen in ihrer Nähe mit braunem Pigment angefüllt sind; auch die Basalmembran des Auges ist eine unmittelbare Fort- setzung derjenigen der Hypodermis. Die Herkunft dieses Auges von der Hypodermis springt dadurch noch mehr in die Augen, dass die Cuticula über demselben keine besondere Verdickung zeigt. Ähnliche Verhältnisse scheinen nach CArrıERE’s (1886) Angaben bei den Lar- ven der Acridier vorzuliegen; er fand bei diesen an der Stelle, wo beim erwachsenen Thiere die Ocellen liegen, Organe ähnlich »den Knospenorganen der Wirbelthiere<, die von einer farblosen, dünnen Chitinlamelle überdeckt sind. Dass die Jugendstadien typisch aus- gebildeter Stirnaugen und die bleibenden Stirnaugen eines so primi- tiv organisirten Insekts wie Machrlis einander ähnlich sind, zeigt uns, dass wir hier einen sehr ursprünglichen Aufbau dieser Organe vor uns haben. Aber schon hier treffen wir Rhabdombildungen an, die wir z. B. in den Stirnaugen von Helophilus vermissten. Trotz- dem glaube ich, dass die Beschaffenheit der recipirenden Endorgane bei Helophilus primitiver ist als bei Machrhis: denn endständige Stiftehensäume wie dort treffen wir auch bei den Myriapoden, und finden sie eben so bei vielen anderen Wirbellosen. Dagegen ist die Verlagerung der Stiftchensäume auf die Seitenwandungen der Zellen durchaus charakteristisch für die Sehzellen der Arthropoden, mit Ausnahme der meisten Myriapoden. Der völligen Klarstellung bieten sich hier große Schwierigkeiten; man kann vielleicht für die Stirn- augen von MHelophilus in dieser Beziehung einen Rückschlag auf ur- sprünglichere Verhältnisse annehmen. Bei dem Mangel einer Cornealinse und dem Fehlen einer opti- schen Isolirung der Sehzellgruppen durch Pigment ist ein Bildsehen für diese Augen höchst unwahrscheinlich. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 25 380 Richard Hesse. Oder sollte es denkbar sein, dass das Tapetum die in der Achse der be- treffenden Sehzellgruppe einfallenden Strahlen wieder in der Einfallsrichtung zurückwirft, die schräg einfallenden Strahlen dagegen nach anderer Richtung; erstere Strahlen würden dann die gleiche Sehzellengruppe zweimal passiren, und so eine stärkere Wirkung in den betreffenden Zellen hervorbringen, und damit wäre eine gewisse optische Isolirung geschaffen? Dann müssten allerdings alle Rhabdome zum Tapetum senkrecht stehen. Die Abweichungen davon in Fig. 23 kann man vielleicht auf Rechnung der Konservirung und Schnittriehtung setzen. 7) Stirnaugen von Agrion und Aeschna (Taf. XVIL, Fig. 26 bis 32). Diese Augen untersuchte ich bei Agrion sp. genauer und konnte zum Vergleich eine Anzahl Präparate der Stirnaugen von Aeschna juncea Charp. heranziehen, welche in den Hauptpunkten eine völlige Übereinstimmung mit jenen zeigten. Dagegen weisen meine Befunde mancherlei Abweichungen auf gegenüber den Ergeb- nissen, die REDIKORZEW (1900) bei Calopteryz erhielt. Die seitlichen Stirnaugen, auf welche sich meine Abbildung Fig. 26 bezieht, liegen hier so, dass ihre Längsachse mit der Cuti- cula der Stirn nur einen geringen Winkel bildet, ihr also nahezu parallel läuft. Die Oberfläche der: Cornealinse des Auges ist daher gegen die übrige Stirn sehr stark abgebogen. Mediad von ihr ist die Cutieula mit Ausnahme der innersten Lage braun gefärbt und auf ihrer Oberfläche mit dichtstehenden kleinen rundlichen Erhe- bungen besetzt; die darunter liegende Hypodermis besteht aus flachen, mit Pigmentkörnchen erfüllten Zellen. Dagegen setzt sich die Linse seitlich in eine glatte unpigmentirte Cutieula fort, und der Licht- schutz des Auges wird hier, abgesehen von der das Auge direkt umgebenden Pigmentlage durch die Hypodermis besorgt, deren Zellen hier viel höher sind und in ihren äußeren Theilen reichliches Pig- ment enthalten. Die Gestalt der Linse in den seitlichen Augen ist asymmetrisch, wie auch REDIKORZEW für Calopteryx feststellt; man könnte sie am ehesten mit einem von der gewölbten Oberfläche aus einspringenden cylindrischen Zapfen vergleichen, dessen Innenfläche schräg gegen die Cylinderachse abgeschnitten ist. Nur diese Innenfläche wird von der Retina begrenzt; die Seitenflächen des Zapfens sind von einer Hypodermis überzogen, deren hohe Zellen von Pigmentkörn- chen dicht erfüllt sind. Nur eine kleine Stelle der Hypodermis am seitlichen Rande der Linse, wo diese in die benachbarte Cutieula übergeht, fand ich pigmentfrei (Fig. 26 *); über dieser Stelle weist die Innenfläche der Cutieula eine Vorwölbung auf; die Hypodermis zeigt hier sonst keine Besonderheiten. Auf der caudalen Seite der Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 381 Linse hebt sich die Hypodermis nicht unbeträchtlich von ihr ab, so dass ein Zwischenraum zwischen beiden entsteht, der mit einer weicheren, homogenen, dunkler färbbaren Masse erfüllt ist, die man wohl als Sekret der Hypodermiszellen ansehen muss (Fig. 27 s). Der Körper der Linse hat eine deutliche Schichtung. Die Retina der Stirnaugen erscheint nicht ais direkte Fort- setzung der benachbarten Hypodermis, sondern ist gegen diese deut- lich abgegrenzt. Das morphologische Verhältnis, in dem beide zu einander stehen, kann ich an meinen Präparaten vom fertigen Thier nieht ergründen; vielleicht dass Larvenaugen darüber besseren Auf- schluss geben. Die Retina ist rings umgeben von einer epithelartig angeordneten Zellmasse, welche die Fortsetzung der Hypodermis zu bilden scheint. Diese Zellen sind ganz angefüllt mit Pigment, wäh- rend die Retina selbst völlig unpigmentirt ist. An der proximalen Seite des Auges setzt sich diese pigmentirte Zellschicht einerseits direkt auf den Sehnerven fort und begleitet ihn eine Strecke weit, andererseits schiebt sich zwischen die von den Sehzellen ausgehen- den Nervenfasern eine Reihe von pigmentirten Zellen ein, eine hintere Pigmentwand der Retina bildend. Das gleiche Verhältnis fand Repı- KORZEW bei Calopteryxz splendens, während er bei ©. virgo in’den Sehzellen selbst Pigment sah. _ | Die Anordnung der Sehzellen bei Agrion und Aeschna ist eine sehr eigenartige dadurch, dass sie auf zwei Niveaus vertheilt sind: wir unterscheiden distale Sehzellen (sz?, Fig. 26), welche der Linse anliegen, wie sonst die corneagenen Zellen oder der »Glaskörper«, aber sich durch Ausziehen zu Nervenfasern, durch den Besitz seit- licher Stiftchensäume und durch ihre Gruppirung zweifellos als Seh- zellen erweisen, und proximale Sehzellen (sz’?), die sich von jenen im ganzen Aussehen des Plasmas und der Lage des Kernes unter- scheiden, sonst aber nach dem gleichen Prineip gebaut sind. Die distalen Sehzellen erstrecken sich über die ganze Basalfläche der Cornealinse. Sie haben ein stark granulirtes Protoplasma, und ihre ehromatinreichen Kerne liegen ganz distal. Diese Zellen stehen in Gruppen von je drei, die sich dicht an einander anlegen; am besten erkennt man diese Anordnung an Querschnitten durch die Zellen (Fig. 28). Jede Gruppe hat die Gestalt eines Kegels, der seine Basis gegen die Linse, seine dünn in eine Faser ausgezogene Spitze proximad kehrt. Da, wo die drei Zellen an einander grenzen, haben sich ihre Berührungsflächen abgeplattet und ihre Ränder zeigen sich dunkel gesäumt, so dass auf Querschnitten die Gestalt eines Y 25* 382 Richard Hesse, erscheint, dessen Schenkel nicht ganz bis an den Rand des kreis- förmigen Querschnittes der Zellgruppe reichen. Genauere Unter- suchung zeigt, dass jeder Schenkel aus zwei Hälften besteht, und dass jede dieser Hälften deutlich quergestreift, wie aus zarten Stift- chen zusammengesetzt erscheint (Fig. 28); zwischen diesen Rändern und dem granulirten Zellkörper liegt eine schmale helle Zone. Es erklärt sich dies so, dass jede Zelle an ihrer Berührungsfläche mit den anderen einen Stiftehensaum trägt, und diese Säume bilden ein Rhabdom von Y-förmigem Querschnitt; die helle Zone zwischen Rhab- dom und Zellkörper ist die schon anderwärts gefundene Schaltzone; die Schaltfibrillen konnte ich an dieser Stelle allerdings nicht erkennen, wohl aber bei Aeschna an ähnlichen Bildungen (vgl. unten). Das Rhabdom erstreckt sich nicht ganz bis an die Linse, so dass man an etwas schrägen Schnitten Querschnitte durch die Zellgruppen be- kommen kann, auf denen nur die drei Kerne, nicht aber das Rhab- dom getroffen ist, neben solchen, wo die Kerne noch gestreift sind und das Rhabdom vorhanden ist (Fig. 28). Solche Schnitte, welche Rhabdom und Kerne zugleich zeigen, sind der deutlichste Beweis, dass das Rhabdom hier wirklich von drei Zellen gebildet wird, und nicht ein einheitliches dreikantiges Stäbchen innerhalb des Plasmas einer Zelle vorliegt, ähnlich wie es GRENACHER bei Vespa annimmt. Proximal reicht das Rhabdom nicht ganz bis zur Kegelspitze. — Jede Zelle zieht sich in einen faserigen Fortsatz aus, der, vereinigt mit seinen zwei Partnern, zwischen die Enden der proximalen Sehzellen eintritt. Ich kann diese Fortsätze nicht ganz bis zum Sehnerven verfolgen, zweifle aber nicht daran, dass sie wirklich Nervenfasern sind, da ja auch die übrigen Eigenschaften dieser Zellen ihre nervöse Natur sehr wahrscheinlich machen. Dass diese Zellen daneben noch die Ausscheidung der Cuticula besorgen, steht nieht im Widerspruch zu einem Funktioniren als Sinneszellen; ich erinnere nur an die Zellen, welche die segmentalen »Augen« des Palolowurms (Zunice viridis Gr.) zusammensetzen und denen, bei dem völligen Fehlen indifferenter Epithelzellen zwischen ihnen, sicher die Abscheidung der sie nach außen deckenden Cutieula obliegt (vgl. Hesse 1899). Bei den proximalen Sehzellen ist der Zellkörper weit mehr in die Länge gezogen als bei den distalen. Man kann an jeder dieser Zellen zwei Abschnitte unterscheiden, deren distaler die reci- pirenden Elemente trägt, während der proximale in seinem basalen Ende den Kern enthält. Die Grenze zwischen den beiden Abschnit- ten liegt in dem Niveau, das vom Tapetum eingenommen wird. Ihre Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 383 Kerne sind größer als bei den distalen Zellen und enthalten stets ein deutliches Kernkörperchen, ihr Plasma ist weniger granulirt. Auch die proximalen Sehzellen stehen in Gruppen zu dreien; doch ist diese Gruppirung hauptsächlich in ihren distalen Abschnitten erkennbar: diese sind dicht zu dreien zusammengepresst, wie bei den distalen Sehzellen die ganzen Zellen; dagegen sind die proximalen Abschnitte unabhängiger von einander, nicht selten sogar durch zwi- schenliegende interstitielle Zellen getrennt. Die distalen Abschnitte tragen an den einander zugekehrten Seiten die receipirenden Elemente, welche auch hier ein Rhabdom von Y-förmigem Querschnitt bilden (Fig. 29). Bei Agrion war der feinere Bau dieses Rhabdoms weniger deutlich, dagegen konnte ich an den proximalen Zellen von Aeschna es auf dünnen Schnitten genauer untersuchen. Einen Querschnitt zeigt Fig. 30: wir sehen zwar nicht, wie bei den distalen Zellen von Agrion die einzelnen Rhabdomeren von einander getrennt, auch ihre Querstreifung ist nicht deutlich; dagegen erscheinen mit hervorragen- der Deutlichkeit die vom Saum ausgehenden Fibrillen in der hier sehr breiten Schaltzone. An Längsschnitten durch die Rhabdom- sruppe (Fig. 31) kann man deutlich verfolgen, wie diese Fasern sich dem proximalen Ende der Zelle zuwenden; in der Figur sind auf der rechten Seite die Granulationen des Zellplasmas fortgelassen, um die Fibrillen deutlicher zu zeigen. Der proximale Abschnitt der Zellen erscheint hier auffallend längsgefasert (Fig. 32); ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich in diesen Fibrillen die Fortsetzungen der an das Rhabdom ansetzenden erblicke; sie gehen in die Nervenfaser der Zelle ein. Die verschiedenen Rhabdome, die wir hier besprachen, ergänzen sich gegenseitig: bei den distalen Sehzellen von Agrion erkennen wir getrennte Rhabdomere und ihre Zusammensetzung aus Stiftehen; bei Aeschna erkennt man die an das Rhabdom ansetzen- den Neurofibrillen, welche die Zellen durchlaufen und in die Nerven- faser eintreten. Ich glaube, wir können hier getrost kombiniren und sagen, dass wir mit größter Wahrscheimlichkeit die Rhabdome von Agrion und Aeschna als zusammengesetzt aus echten Stiftchen- säumen betrachten dürfen. REDIKORZEW beobachtete bei Calopteryx nur eine Lage von Sehzellen, die in Gruppen zu zwei, drei oder vier stehen. Zu Seiten der Rhabdome findet er bei der gleichen Form eben so wie ich bei Agrion und Aeschna eine helle Plasma- zone von besonderem Bau: eine Schicht besonders großer Waben — wie er überhaupt vielfach Wabenbau in dem Piasma der Sehzellen annimmt. In der Medianlinie der Sehzellen sieht er eine Nervenfaser die Zelle entlang ziehen, 584 Richard Hesse, eine Beobachtung, der ich bei den mir vorliegenden Libellen nichts Ent- sprechendes an die Seite stellen kann. Das Tapetum (Fig. 26 u. 29 ta) scheint auf Medianschnitten durch das Auge die proximalen Sehzellen an der Grenze des rhab- dombildenden Abschnittes quer zu durchsetzen. Querschnitte (Fig. 29) zeigen jedoch, dass es die Zellen nur eng umgiebt und sich zwischen ihnen in die Höhe zieht. Proximal steht es mit Zellen in Verbin- dung, die zwischen den Körpern der proximalen Sehzellen liegen und einen schmalen langgestreckten Kern haben; man kann deutlich ver- folgen, wie in diesen Zellen sich distad die feinen, im durchfallen- den Licht graugrünlichen Kryställchen mehren, welche die Färbung des Tapetums bedingen. Das letztere ist also aus Zellen aufgebaut, die feine Kryställchen enthalten. Die Zellen bezeiehne ich als inter- stitielle und halte sie, wie diejenigen bei Machilis und Clo&on, für eingewanderte Bindegewebszellen. Keinenfalls kann ich mich der Ansicht von REDIKORZEW anschließen, der die Zellen des »Zwischen- gewebes« (die offenbar mit den Zellen des Tapetums, das REDIKORZEW nicht beschreibt, identisch sind) mit den Sekretzellen im Auge von Mollusken und Würmern in Parallele setzt und als umgewandelte Hypodermiszellen ansieht. Das mittlere Stirnauge hat den gleichen Bau wie die seitlichen, nur dass es symmetrisch ist. Während bei anderen Insekten die Duplieität dieses Auges nur durch den doppelten Sehnerven ange- deutet ist, zeigt sich bei Agrior eine Zweitheiligkeit auch dadurch, dass sich von der Rostralseite her ein Keil indifferenter Zellen ein Stück weit zwischen die Sehzellen einschiebt. Die zwei Lagen von Sehzellen, die wir bei Agrion und Aeschna finden, haben sicher eine physiologische Bedeutung in der Weise, dass die Objekte, von denen sie durch Vermittelung der Cornealinse deutliche Bilder empfangen, in zwei vom Auge verschieden weit ab- stehenden Gebieten liegen: die distalen Sehzellen werden durch von fernen Objekten ausgehende Strahlen erregt, auf die proximalen Zellen vereinigen sich die Strahlen naher Objekte: wir haben hier gleichsam ein gleichzeitiges Fern- und Nahesehen im selben Auge, ein Sehen mit zwei über einander liegenden Retinae. Ich kenne nirgends eine ähnliche Einrichtung. Es ist bezeichnend, dass sich so verhältnismäßig hoch ausgebildete Augen bei räuberischen und sehr beweglichen Thieren finden, wie die Libellen es sind. 8) Stirnaugen von Vespa crabroL. (Taf. XVII, Fig. 33—36, Unters. iiber die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 385 und Taf. XVIIL, Fig. 37—38). Die von mir untersuchte Hymenopteren- Form (Vespa erabro L.) zeigt im Bau ihrer Stirnaugen eine große Übereinstimmung mit den von GRENACHER (Vespa communis und Orabro cribrarius) und REDIKORZEW (Apis mellifica) beschriebenen, so dass man annehmen kann, dass diese Organe wenigstens bei den aculeaten Hymenopteren ziemlich gleichartig gebaut sind. Die Cornealinse zerfällt deutlich in zwei Abschnitte, einen äußeren härteren von fast sphärischer Gestalt und einen inneren weicheren, welcher sich der Oberfläche der Retina durchaus anpasst (Fig. 33 u. 34). Das. Vorhandensein dieser Scheidung wird durch nichts so auffallend, wie dadurch, dass beim Abpräpariren des Weich- körpers der Augen von der Cuticula, was sehr leicht zu machen ist, nicht selten der innere Linsenabschnitt mit der Retina in Verbindung bleibt, die Linse also in zwei Theile gespalten wird. GRENACHER betont schon den wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Absehnitten: außer durch größere Weichheit findet er den inneren Abschnitt auch durch Empfindlichkeit gegenüber den Härtungsmitteln ausgezeichnet; es treten in ihm spaltenartige Höhlungen und Lücken auf unter dem Einfluss der Reagentien. Bei Fixirung mit Sublimat- Essigsäure fand ich dergleichen nicht. Mich erinnert dieser Linsen- abschnitt an die Sekretmasse auf der caudalen Seite der Cornealinse in den seitlichen Stirnaugen von Agrion (vgl. p. 381 oben). Die der Linse benachbarte Cutieula ist in ihrer äußeren Hälfte dunkel pigmentirt; die darunter gelegene Hypodermis besteht aus sehr niedrigen Zellen, denen das Pigment fehlt. Das stimmt völlig mit GRENACHER’S Angaben überein. Die Innenfläche der Linse wird von verschiedenartig gestalteten Zellen begrenzt. Seitlich am Linsenrand stehen in bestimmter Aus- dehnung — nicht überall, vgl. Fig. 33 links — hohe, mit reichlichem Pigment erfüllte Zellen (»r in Fig. 32 u. 33), die proximal über den Rand der Retina vorspringen und so mit dieser einen Winkel bilden; diese Zellkomplexe stellen gürtelartige Zonen von wechselnder Breite vor, deren Anordnung eben so wie die feinere Beschaffenheit wir weiter unten noch genauer zu betrachten haben. Es sind die Zellen, welche REDIKORZEW als Iris bezeichnet. Im Übrigen ist die Linse von niedrigen corneagenen Zellen bekleidet, dem Glaskörper bei GRENACHER und REDIKORZEW. Letzterer betont, dass hier wie bei den Musciden der Glaskörper eine gesonderte Schieht über der Retina bildet; das Gleiche scheint GRENACHER anzu- nehmen; er äußert sich aber nur sehr vorsichtig, da der Erhaltungs- 586 Richard Hesse, zustand dieser Zellen in seinen Präparaten ungenügend war. Ich konnte hier wie bei den Wanzen erkennen, dass die Lagerung in zwei Schichten nur eine scheinbare ist, in so fern als die einzelnen corneagenen Zellen dünne kegelförmige Fortsätze zwischen die distalen Enden der Retinazellen senden (Fig. 35 ez rechts) und somit bekunden, dass sie mit jenen zu einem einheitlichen Epithelverbande gehören; die Zweischichtigkeit ist also keine primäre wie bei Helophilus, sondern eine sekundäre und dazu unvollkommene. Das wird erhärtet durch das Verhalten der corneagenen Zellen in der Entwicklung; REDIKORZEW beobachtete bei Apis mellifica, dass die »Glaskörper- zellen« ursprünglich in gleicher Reihe mit den Sehzellen liegen und eine Verschiebung der beiden gegen einander erst sekundär auftritt. Das ist bei den Stirnaugen anderer Arten ebenfalls der Fall, nur ist die Verschiebung weniger vollkommen durchgeführt als hier. Die Sehzellen sind hohe schlanke Zellen mit einem distalen, wenig oder gar nicht pigmentirten und einem proximalen pigmentirten Ende, welch letzteres den Kern enthält und sich in eine Nervenfaser fortsetzt. Die lichtreeipirenden Theile liegen im distalen Ende. Es sind Plättchen, die zu je zweien zusammenstehen und nach GRENACHER’S Auffassung in das Ende je einer Zelle eingebettet sind, nach REDIKORZEW dagegen jedes Mal zwei Sehzellen angehören und durch ihre Zusammen- lagerung ein Rhabdom bilden. Ich muss mich der letzteren Ansicht anschließen. REDIKORZEW hat an Macerationspräparaten die Duplieität der zu einem Rhabdom gehörigen Zellen erwiesen; ich kann hinzu- fügen, dass sie auch an Schnittpräparaten von genügender Dünne über allen Zweifel deutlich ist; in Fig. 35 sieht man an den beiden Rhabdomen links die zugehörigen Zellen vom Ende des Rhabdoms an aus einander weichen, und in jedem Theil ist ein Kern zu finden. Die Rhabdomeren nehmen den distalsten Theil der Seitenwand der Zellen ein und reichen noch nicht halbwegs bis zum Kern. Nie konnte ich sie, auch bei Apis nicht, bis an den Kern verfolgen, geschweige denn über denselben hinaus, wie es REDIKORZEW in seiner Fig. 7 von Apes darstellt. Die Rhabdomeren sind deutlich von ein- ander getrennt und tragen einige Eigenthümlichkeiten von Stiftchen- säumen zur Schau. Zwar konnte ich eine Querstreifung bei ihnen weder an Längs- noch an Querschnitten erkennen, doch sah LEYDIe (1864) an den frischen Gallertkolben der Honigbiene eine feine Quer- riefelung. Wohl aber finde ich besonders an Querschnitten die Schaltzone deutlich, und sehe darin die Schaltfibrillen (Fig. 36); an Längsschnitten konnte ich diese bisweilen erkennen (Fig. 35 links), nicht aber die Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. Vli. 387 Fortsetzung der Fibrillen im Zellplasma. Dagegen lässt die Anord- nung der Pigmentkörnchen in Längsreihen auf eine längsfasrige Struktur des Plasmas schließen. Aus den vorhandenen Andeutungen, wenn sie auch nur unvollständig sind, können wir immerhin schließen, dass auch hier die Rhabdomeren Stiftchensäume sind wie in anderen Stirmaugen. Jene zu den Seiten der Retina im Linsenrande stehenden Zell- komplexe, welche REDIKORZEW als Iris bezeichnet, haben eine besondere Bedeutung. Schon an den nicht von Pigment befreiten Präparaten erkennt man, dass die basalen Enden dieser Zellen nicht einfach glatt abgeschnitten aufhören, sondern sich in Fasern ausziehen, die in der Richtung gegen den Sehnerven verlaufen — an Fig. 37 sind diese Fasern nicht zu erkennen, weil der aus anderen Rücksichten zum Zeichnen ausgewählte Schnitt nicht genau meridional verläuft, wie diese Fasern es thun. Vom Pigment befreite Präparate, welche mit Eisenhämatoxylin gefärbt sind, lassen im Inneren dieser Zellen merk- würdige Fibrillenbildungen erkennen: ein Fibrillenbündel durchzieht die Zelle von der Basis gegen das freie Ende; um den Kern herum splittert es sich in Einzelfibrillen auf, die den Kern von allen Seiten umgeben und deren punktförmige Querschnitte man an entsprechend geführten Schnitten (Fig. 38 links) um den Kern herumlaufen sieht. Jenseits des Kernes vereinigen sich die Fibrillen wieder, um am Ende der Zelle pinselartig, gleichsam zu einem Fibrillenkegel, aus einander zu strahlen. Die Enden der Fibrillen scheinen dabei ein wenig über das Zellplasma hinauszuragen (Fig. 37 nfi. An Fig. 38, welche einen etwas schrägen Schnitt durch diese Zellen darstellt, sieht man die verschiedenen distad vom Kern auf einander folgenden Querschnittsbilder von links nach rechts neben einander. Mit Hinblick auf den Nervenfortsatz und auf diese Fibrillen kann ein Zweifel an der nervösen Natur dieser Zellen kaum aufsteigen; die Fibrillen sind höchst wahrscheinlich Neurofibrillen, und ich vermuthe, dass sie sich in die Nervenfaser fortsetzen; direkt beobachten konnte ich es nicht. Unter Annahme dieser Voraussetzungen können wir in ihnen nur Sinneszellen und zwar Sehzellen erblicken. Die Art der Nerven- endigung ist für Sehzellen nichts Ungewöhnliches — abgesehen davon, dass auch die Stiftehen der Stiftchensäume nur freie Enden der die Zellen durchziehenden Neurofibrillen sind, finden wir Ähnliches bei den Sehzellen der Seesterne, wo PFEFFER (1901) nachgewiesen hat, dass in die Enden der Sehzellen, die sog. Stäbchen, in ähnlicher Weise die Einzelfibrillen eines Fibrillenbündels kegelförmig ausstrahlen; 388 Richard Hesse, ähnliche Verhältnisse wies ich (1899) für Söphonostoma nach, und auch die Sehzellen des Palolowurms (Bunice viridis Gr.) könnte man zum Vergleiche heranziehen. Da die ganze Zelle von Pigment- körnchen erfüllt ist, so ist es für die Möglichkeit einer Reizung der Fibrillenenden durch Licht von Bedeutung, dass diese über das Zell- plasma etwas hinausragen. Wir hätten dann in diesen Zellzonen eine Nebenretina zu sehen, die offenbar eine Neuerwerbung bei Vespa crabro bezw. den Hymenoptern — in welcher Verbreitung sie hier vorkommt, bleibt noch festzustellen — vorstellt. Bei einer solchen Bedeutung dieser Zellzonen interessirt uns ihre Anordnung; denn, wie schon bemerkt, sind sie nicht gleichmäßig verbreitet. In dem mittleren Stirnauge hat die Nebenretina ihre Hauptentwicklung auf der rostralen Seite, zieht sich dann seitlich um das Auge herum in abnehmender Stärke; caudal fehlt sie (Fig. 33). Bei den seitlichen Stirnaugen ist die Nebenretina außen und caudal stark entwickelt; auf der medianen und rostralen Seite ist sie dagegen schwach ausgebildet. Daraus lässt sich das Gesichtsfeld der Neben- retinae bestimmen: die des mittleren Auges bekommt ihre Strahlen von hinten, die der seitlichen Augen von vorn und von der Seite, und zwar die des rechten Auges von links und umgekehrt. Die Nebenretinae liegen der Linse viel enger an, vor Allem dem dichteren und damit wohl auch stärker lichtbrechenden äußeren Abschnitt derselben; die Hauptretina dagegen ist von diesem — wohl in Ermangelung einer hohen Lage corneagener Zellen — durch den inneren Linsenabschnitt getrennt. Die letztere wird, entsprechend ihrer größeren Entfernung von der Linse, wohl Bilder von näher gelegenen Objekten bekommen, während die ersteren so liegen, dass auf ihnen scharfe Bilder entfernterer Gegenstände von der Linse ent- worfen werden. Hier ist also dieselbe Arbeitstheilung in eine Retina für Nahe- und eine solche für Fernsehen durchgeführt, wie in den Stirnaugen von Helophilus und in denen von Agrion und Aeschna. Aber bei allen diesen ist der Weg zu diesem Ziel jedes Mal ein anderer: ein Beweis, dass diese Differenzirungen unabhängig von einander vor sich gegangen sind. Das Vorkommen solcher Nebenretinae bei Vespa erinnert an einen Zell- komplex im Alciopidenauge, für den ich, nach seinem Entdecker, den Namen GREEFF’sches Organ gewählt habe. BERANECK hat dieses Organ für eine acces- sorische Retina gehalten, ich (1899) habe dagegen eingewendet, dass der Bau der Zellen zu einer solehen Annahme nicht berechtige — ich erwartete dann ebensolche Stäbchen wie in der Retina der Aleiopiden zu finden. Eine wiederholte Durchsicht meiner Präparate hat mich zwar zu keinem festen Ergebnis geführt, Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 389 aber ich möchte doch meinen Widerspruch gegen BERANECcK's Deutung zurück- nehmen im Hinblick darauf, dass ja ganz andersartige Sehzellen als in der Hauptretina hier vorhanden sein könnten. Die Entscheidung muss durch er- neute Untersuchung gebracht werden. 9) Die Stirnaugen von Anabolia (Taf. XVII, Fig. 39—42). Die Stirnaugen der Phryganeiden nehmen in mehr als einer Beziehung eine Sonderstellung ein, wenn sie auch nicht so sehr von dem ge- wöhnlichen Typus abweichen, wie GRENACHER glauben musste, welcher, bei den von ihm angewandten Methoden, die Stäbchen in diesen Augen völlig vermisste. Meine Untersuchungen beziehen sich in der Hauptsache auf eine im Herbst hier an stehenden Gewässern häufige Art der Gattung Anabolia, deren Köpfe sorgfältig in Sublimat- Essigsäure konservirt wurden; außerdem untersuchte ich ein Spiritus- Exemplar von Phryganea grandis L., dem Objekt GRENACHER’S. Die Schwierigkeit, von den Stirnaugen von Anabolia gute Schnitte zu bekommen, beruht darauf, dass dies Organ ganz von einer Chitin- kapsel umschlossen ist, ähnlich wie das Auge von Ceratopsyllus. Nur ist die Gestalt der Kapsel hier eine ganz andere; die Kapsel hat etwa die Form eines gegen seine Basis mehr und mehr plattgedrückten Cylinders, und liegt der Stirn so auf, dass ihre Achse nahezu senk- recht zur Medianebene steht. Die Gestalt der Kapsel kann man sich durch Vergleichung des Längsschnittbildes (Fig 39) mit zwei in ver- schiedenen Gegenden geführten Querschnitten (Fig. 40a u. d) vergegen- wärtigen: in der Gegend der Linse ist sie etwa rund, und wird gegen die Medianebene des Thieres hin zunehmend flacher und breiter. Die gewölbte, in der Mitte nur wenig verdiekte, konvex-konkave Cornealinse bildet den Deckel der Kapsel. Die proximale Wand liegt in der Fortsetzung der umgebenden Cuticula der Stirn und ist, wie diese, in ihrer distalen Hälfte dunkel pigmentirt; eben so enthält die übrige Kapselwand eine distale, dunkel pigmentirte Schicht, die Jedoch in diesem Falle nicht dem Augeninnern zugekehrt ist, sondern nach außen sieht (Fig. 39). An der Basis der Kapsel finden wir eine Öffnung für den Durchtritt des Sehnerven. Das Innere der Kapsel ist ausgekleidet von einer niedrigen Zell- schicht, welche der Cuticula als Matrix dicht anliegt; sie wäre als Hypodermis zu bezeichnen (Fig. 39 u. 405, Ay). Nach innen davon liegt eine zweite Zelllage von ähnlicher Beschaffenheit, deren Zellen noch flacher sind; sie ist besonders an Querschnitten deutlich erkennbar (Fig. 405 u. 41), auf dem Längsschnittbilde (Fig. 39) habe ich- sie nicht gesehen. Das äußere Drittel der Kapsel wird von den Sehzellen 390 Richard Hesse, nicht eingenommen; dort hebt sich die innere Zellschicht von der Hypodermis ab und bildet eine kuppelförmige Wölbung über der Vorderfläche der Sehzellenmasse (Fig. 39); der Raum, den sie hier umschließt, ist im Leben anscheinend mit einer serösen Flüssigkeit erfüllt, wie ich aus den darin befindlichen Niederschlägen (Fig. 40.) schließe. Der Gipfel der Kuppel legt sich unter der Mitte der Cornea- linse der Hypodermis dieht an. Somit ist eine doppelte Zellhülle um die Retina gebildet; ich möchte sie mit dem doppelwandigen Amnion, das sich über Amnioten-Embryonen hinfaltet, vergleichen (es entspräche dabei die Hypodermis der serösen Hülle, die innere Schicht dem eigentlichen Amnion), und auch ihre Entstehung denke ich mir bedingt durch analoge Faltenbildung der Epidermis im Um- kreise der Retina. Die Retina erfüllt die medianen zwei Drittel der Kapsel. Ihre Zellen sind langgestreckt, distal etwas dieker als proximal. Indiffe- rente Zellen sind nicht zwischen sie eingeschaltet, da ja die Abscheidung der Cuticula von den Zellen des äußeren Hüllblattes übernommen ist. Die ovoiden, chromatinreichen Kerne der Sehzellen liegen distal; in dem proximalen Abschnitte der Kapsel, nahe der Öffnung für den Sehnerven, sieht man langgestreckte schmale Gebilde zwischen den Sehzellen, die sich mit Eisenhämatoxylin tief blauschwarz färben, aber auch bei Hämatoxylinfärbung erkennbar sind: es sind die reci- pirenden Elemente. Querschnitte (Fig. 42) zeigen, dass wir es mit Rhabdomen zu thun haben, welche zu je vier Zellen gehören und einen etwa rhombischen Querschnitt haben. Auch bei Phryganea grandis konnte ich solche Rhabdome nachweisen. Die Lage der Rhabdome proximal von den Kernen der Sehzellen ist zwar nicht die gewöhnliche; ein ähnliches Verhältnis aber haben wir in den distalen Sehzellen der Stirnaugen von Agrion. Die Spinnenaugen ziehe ich absichtlich nicht zur Vergleichung herbei, weil sie einen sehr abgeleiteten Zustand darstellen. Ihren physiologischen Grund hat die Einrichtung wohl darin, dass die optische Isolirung der reei- pirenden Elemente im Grunde der Augenkapsel eine viel vollständigere ist als nahe der Linse. In dieser sonderbaren Lage haben wir wohl auch den Grund dafür zu sehen, dass diese Bildungen dem Scharf- blick GRENACHER’s entgangen sind. Sollten vielleicht die Kerne, welche GRENACHER im Anfang des Sehnerven findet, auf Schräg- schnitte durch die Rhabdome zurückzuführen sein; das färberische Verhalten der letzteren würde eine solche Verwechslung sehr be- günstigen. Unters. über die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 391 Pigment ist nirgends in den Zellen des Auges vorhanden (GRE- NACHER); die optische Isolirung wird lediglich durch die dunkel gefärbte Augenkapsel besorgt, wie bei Ceratopsyllus. Die Leistungen eines solchen Auges können nur geringe sein. Da die durchsichtige Cornea am äußeren Ende der Augenkapsel zwar nach außen gewölbt, aber nicht zu einer eigentlichen Linse umgebildet ist, werden wohl kaum Bilder auf dem Augenhintergrunde entworfen werden, und die Funktion des Auges dürfte in der Hauptsache die eines Richtungsauges sein. 10) Larvenaugen von Tenthredinidenlarven (Taf. XVII, Fig. 45 u. 44). Wie durch die Untersuchungen von REDIKORZEW erstmalig festgestellt ist, haben die Augen der Blattwespenlarven eine außerordentliche Übereinstimmung mit den Stirnaugen von Imagines. Sie sollen desshalb an dieser Stelle abgehandelt werden. Meine Unter- suchungen beziehen sich hauptsächlich auf Aylotoma rosarum Fabr. Außerdem stand mir noch eine andere, größere grüne Blattwespen- larve zur Verfügung, die ich nach Art und Gattung nicht bestimmen konnte, ja von der ich nicht einmal die Wohnpflanze angeben kann, da ich sie nicht selbst fand; ihre Augen weichen in manchen Punkten von denen der Aylotoma-Larve nicht unbeträchtlich ab, so dass ich wiederholt auf sie Bezug nehmen muss. Die Gestalt und Schichtung der Cornealinse, ihr Verhältnis zur umgebenden Cuticula und die Pigmentirung der letzteren wird am schnellsten durch einen Blick auf Fig. 43 klar. Die corneagenen Zellen der Retina verhalten sich bei den beiden untersuchten Formen recht verschieden. Bei der »grünen Larve« schließen sich diese Zellen im distalen Theile der Retina dicht zu- sammen und bilden scheinbar eine besondere Lage über den Sehzellen, und ihre Kerne ziehen sich in einer fast zusammenhängenden Schicht quer durch die Mitte der Retina (Fig. 44a u. db). Proximal von den Kernen aber hören die Zellen nieht auf, sondern sie verschmälern sich nur, treten zwischen den Sehzellen hindurch und verbreitern sich basalwärts wieder, da wo die Sehzellen sich zu Nervenfasern ausziehen und reicheren Raum zwischen sich lassen; man erkennt ihre basalen Enden an entpigmentirten Präparaten durch die gleiche Färbung, welche gegen die hellere Farbe der Sehzellen deutlich absticht (Fig. 445 cz); besonders deutlich ist der Zusammenhang da, wo die Kerne einzelner ceorneagener Zellen ausnahmsweise tiefer liegen, zwischen den Sehzellen, von deren Kernen sie sehr leicht zu unter- 392 Richard Hesse, scheiden sind; in Fig. 445 links ist eine solche Stelle, wo die Ver- bindung mit den proximalen Enden vollkommen deutlich ist. — Anders ist das Verhalten bei der Larve von Aylotoma: hier schließen die corneagenen Zellen ebenfalls unter der Linse dicht zusammen, aber die Sehzellen reichen viel weiter distad, und nach außen von ihnen sind keine Kerne der cormneagenen Zellen zu finden; vielmehr liegen die einzigen Kerne, die als solche gedeutet werden können, ganz dicht an der Basalmembran, in der gleichen Lage, wo auch die hohen indifferenten Zellen in den Seitentheilen der Retina ihre Kerne haben (Fig. 45ck und Ay). In beiden Fällen nehmen die Corneagen- zellen die ganze Dicke der Retina ein, nur die Sehzellen haben sich in die Tiefe gesenkt — bei anderen Formen, die wir bisher kennen lernten, haben sich die beiden Zellarten gegen einander verschoben —; nur die Lage der Kerne macht den Unterschied aus. Bei Zylotoma finde ich zwischen den distalen Enden der Corneagen- zellen nahe der Linse einige wenige Zellen sehr unregelmäßig ver- theilt liegen (Fig. 45), die ich bei der »grünen Larve« durchaus vermisse. Ihrer Zugehörigkeit nach vermag ich sie nicht näher zu bestimmen; sicher ist mir nur, dass sie nicht zu den corneagenen Zellen gehören. Sie entsprechen wohl jenen Zellen, die REDIKORZEW als Ersatzzellen bezeichnet und bei der ihm vorliegenden Form in sehr regelmäßiger Anordnung an der gleichen Stelle beobachtet hat. Er hat ihnen desshalb eine besondere Wichtigkeit beigelegt und sie mit den Krystallkörperzellen des Komplexauges für homolog erklären wollen. Das gänzliche Fehlen solcher Zellen bei der einen, ihr spär- liches und ungeordnetes Vorkommen bei der anderen der von mir untersuchten Larven zeigt, dass sie keine wesentliche Bedeutung haben können. Über die Schzellen vermag ich den Angaben REDIKORZEW’s nicht viel zuzufügen. Ich kann nur bestätigen, dass sie in Gruppen stehen und Rhabdomeren tragen, welche ein Rhabdom zusammensetzen; die von den einzelnen Zellgruppen ausgehenden Nervenfasern bilden gesonderte Bündelchen, und diese treten einzeln oder zu einigen ver- eint durch die Basalmembran und vereinigen sich erst hinter dieser zum Sehnerven, wie eg REDIKORZEW zeichnet. Die Sehzellen enthalten in meinen Präparaten bei beiden untersuchten Formen Pigment, wenigstens in ihren proximalen Theilen, wie es Fig. 44a von der »grünen Larve« zeigt. Die Pigmentkörnchen sind deutlich in Reihen angeordnet (Fig. 44c), wie wir es oben bei Vespa sahen; man kann das wohl auf eine fibrilläre Struktur im Zellkörper deuten. Von Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 393 besonderen Pigmentzellen, welche REDIKORZEW anführt, konnte ich nichts bemerken, eben so wenig wie ich Kerme solcher Zellen an entpigmentirten Präparaten entdecken konnte trotz specieller Aufmerk- samkeit. Auch ein besonderes Zwischengewebe fand ich nicht; die Kerne zwischen den basalen Enden der Sehzellen bei der Hylotoma- Larve (Fig. 43), welche der Lage nach denen entsprechen würden, welche REDIKORZEW in seiner Fig. 26 dem Zwischengewebe zuspricht, gehören, wie oben aus einander gesetzt, zu den corneagenen Zellen. Das Auge ist von einer Basalmembran umgeben, welche wohl als Produkt der corneagenen Zellen anzusehen ist. An die Retina schließt sich bei AZylotoma nach der einen Seite hin die Hypodermis kontinuirlich an, nach der anderen Seite aber ein besonders modifieirter Abschnitt der Hypodermis, der eine ziemliche Dicke hat und dessen verhältnismäßig kleine Kerne in vielen Schichten über einander liegen: also eine Stelle, wo eine sehr reichliche Zell- vermehrung in der Hypodermis stattgefunden hat, ohne dass ich irgend einen Anhalt dafür wahrnehmen konnte, dass die Einschichtigkeit der Hypodermis damit beeinträchtigt wäre. Dieser Abschnitt ist ein wenig eingesenkt, so dass eine Grube in der Hypodermis entstanden ist, die jedoch durch eine Verdieckung der Cuticula über der eingesenkten Stelle ausgefüllt wird; an dem dem Auge entgegengesetzten Rand seht diese Zellplatte ganz plötzlich in die viel dünnere, hier sogar besonders verdünnte Hypodermis über (Fig. 43). Von der basalen Fläche dieser verdickten Stelle gehen zahlreiche Fasern ab, welche sich mit dem Sehnerven des Larvenauges vereinigen. Die ganze Be- schaffenheit dieses Zellkomplexes weist darauf hin, dass wir es mit einer Imaginalscheibe zu thun haben; die davon ausgehenden Fasern dürften wohl, da sie sich einem Nerven anschließen, ebenfalls Nerven- fasern sein, die Imaginalscheibe würde dann einem Sinnesorgan zuge- hören. Dies angenommen, spricht die seitliche Lage am Kopf und der enge Anschluss an das Larvenauge in hohem Maße dafür, dass wir hier die Imaginalscheibe des Komplexauges vor uns haben. Dann wäre das Larvenauge nur ein vor der Zeit entwickelter Theil der Anlage des Imago-Auges! Die Beobachtung der weiteren Entwicklung, welche darüber ja unzweideutigen Aufschluss geben würde, fehlt mir allerdings. Damit würde freilich die von REDIKORZEW zwar nicht mit klaren Worten ausgesprochene, aber doch greifbar angedeutete Vermuthung, dass das Larven- auge direkt in das Komplexauge der Imago sich umwandle, nicht gut zu. ver- einen sein. Aber auch ohnedies ist eine solche Vermuthung sehr gewagt, denn 394 Richard Hesse, die Thatsachen, auf die sie sich stützt, sind sehr anfechtbar. REDIKORZEW stellt zunächst fest, dass das Larvenauge der Tenthrediniden eine besondere Stellung einnehme, weil 1) es nach dem Typus der Stirnaugen der Imagines gebaut sei, 2) besondere Ergänzungszellen zwischen den distalen Enden der »Glas- körperzellen< liegen, 3) die Retinazellen zu vieren gruppirt sind und ihre Rhab- domeren zu Rhabdomen zusammentreten, und 4) das Pigment an echte Pigment- zellen gebunden sei, während es den Sehzellen fehlt. Davon sind Punkt 1 und 3 richtig, 2 und 4 treffen für die von mir untersuchten Formen nicht zu, sind also jedenfalls nicht von allgemeiner Gültigkeit für die Tenthredinidenlarven. Gerade mit Bezug auf die letzten beiden Punkte, meint REDIKORZEW (p. 29 der Diss.), »fällt unwillkürlich die große Ähnlichkeit dieses Ocellus mit dem zu- sammengesetzten Auge auf. Ihre laterale Lage spricht ebenfalls für diese — vom Verfasser allerdings nicht formulirte — »Annahme. Wir müssen uns nur vorstellen, dass zugleich mit dem Abwerfen der Larvenhaut auch die Linse ab- geworfen wird und an ihre Stelle eine ganze Reihe von Corneafacetten tritt, welche wahrscheinlich von den schildförmig verbreiterten Enden der Glaskörper- zellen abgesondert werden. Es müssen dabei wohl auch die Krystallkegel der euconen Augen des Imago zur Ausbildung kommen« — nämlich auf Kosten der »Ergänzungszellen< von Punkt 2 —, »auch muss die ganze Retina sich etwas modifieiren, aber das wird nach Vergleich des Ocellus der Larve mit dem Auge des Imago nicht so auffallend und unwahrscheinlich erscheinen«. Der ganze Passus macht mir den Eindruck, als ob er nur aus Versehen bei der Korrektur stehen geblieben sei. Für die merkwürdige Erscheinung, dass diese Larvenaugen so sehr von denen anderer holometaboler Insektenlarven abweichen und sich den Stirnaugen der Imagines anschließen, weiß ich eben so wenig eine Erklärung, wie für die den Stirmaugen ähnlichen Seitenaugen bei Ceratopsyllus. 11) Allgemeines über Stirnaugen. Die Mannigfaltigkeit des Baues, die uns in der beschränkten Zahl der hier geschilderten Stirn- augen der Insekten entgegentritt, ist staunenswerth. Wir würdigen das mehr, wenn wir dazu die Gleichmäßigkeit im Bau der Komplex- augen der Arthropoden, die doch viel weiter verbreitet sind, in Gegen- satz bringen, oder diejenige der Augen der Raubanneliden. Und dabei ist zu bedenken, dass hier nur eine kleine Auswahl geschildert ist, dass bei einer Anzahl von Insektenordnungen, so den Orthoptera’ genuina, den Neuroptera, den Lepidoptera die Stirnaugen überhaupt noch nicht genügend untersucht wurden, dass also noch mancherlei überraschende Befunde möglich sind. Es ist nicht leicht, die Stirnaugen der Insekten zusammenfassend zu charakterisiren. Die Mehrzahl haben eine Cornealinse, eine Form eine celluläre Linse (Clodon), bei anderen fehlen Linsenbildungen gänzlich (Machilis, Poduren). Bei vielen wird die Cornealinse abge- Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 395 sondert von Zellen, die mindestens ursprünglich zwischen den Sehzellen standen und, wenn sie gegen diese verschoben sind, erst sekundär aus ihrer Reihe herausrückten: sie sind sekundär zweischichtig — bei anderen aber besteht die Retina nur aus Sehzellen, und eine besondere, über jene gelagerte Zellschieht sondert die Cornealinse ab (Helophrlus, Anabolia): sie sind primär zwei- oder mehrschichtig. Bei den einen sind die reeipirenden Elemente endständig an den betr. Zellen, und die Zellen nieht zu Gruppen vereinigt; bei anderen sind sie seiten- ständig, und die Zellen so gruppirt, dass ihre recipirenden Elemente sich zu einem Rhabdom vereinigen; dabei kann die Zahl der Zellen in einer Gruppe zwischen 2, 3 oder 4 betragen. Das Pigment findet sich bald in den Sehzellen, bald in einer besonderen Augenhülle, bald in der Hypodermis, bald nur in der Cutieularkapsel des Auges. An der optischen Isolirung kann ein Tapetum sich betheiligen, das dann stets an eingewanderte Bindegewebszellen gebunden ist, oder ein solches fehlt. Die Ray LAnkester’sche Eintheilung der Arthropoden- augen, welche die Gesammtheit derselben zunächst in zwei große Unterabtheilungen, einschichtige und zweischichtige, sondert, und dann retinulirte und nicht retinulirte, unicorneale und multicorneale, auto- chromische und exochromische unterscheidet, lässt uns hier völlig im Stich. | Was diesen Augen aber gemeinsam ist, das theilen sie auch mit anderen Augen der Arthropoden, mit den Komplexaugen, den Augen der Spinnen und Myriapoden und den Larvenaugen der Insekten. Einmal ist das ihre direkte Abstammung von der Hypodermis, und dann die Beschaffenheit der reeipirenden Elemente: diese sind an Zellen gebunden, von denen eine Nervenfaser abgeht zum Central- organ; wenn die recipirenden Elemente sich alle auf das Grundschema eines Stiftchensaums zurückführen lassen, so ist auch das eine Eigen- schaft, die den übrigen Arthropodenaugen nicht minder zukommt, wie wir noch sehen werden. Und trotzdem fühlt man, dass hier eine zusammengehörige Gruppe von Augen vorliegt; wenn wir sie aber als solche charakterisiren wollen, so müssen wir die unterscheidenden Merkmale gegenüber anderen Augenformen hervorheben und dabei nicht selten auch zu negativen Kennzeichen greifen. Die Zellen, welche die Stirnaugen zusammensetzen, sind im epithelialen Verbande geblieben; das ist das Charakteristikum gegenüber dem Entomostraken-Auge der Crustaceen — allerdings passt das nicht für das Stirnauge von Orchesella. Weiter: dieser Epithelverband kehrt auch dann, wenn er durch Faltenbildungen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 26 396 Richard Hesse, von der Cutieula entfernt ist (Anabolia, wohl auch Helophrlus), der letzteren seine ursprüngliche Oberfläche zu; das ist der Unter- schied gegen die Medianaugen der Skorpione und die »Hauptaugen« der Spinnen — ein allgemeiner Unterschied gegen die »Nebenaugen« der Spinnen ist nicht mit wenig Worten zu formuliren, eben so wenig wie gegen die Seitenaugen der Skorpione, obgleich im Einzelnen schon Unterschiede vorliegen. Endlich: es fehlen zwischen Cuticula und Sehzellen besonders geformte aus bestimmt angeordneten Zellen bestehende lichtbrechende Gebilde, wie der Krystallkegel in den Larvenaugen und in den Ommen der Komplexaugen bei Insekten und Crustaceen; eine bestimmte Anordnung solcher Zellen musste zum Unterschied von der cellulären Linse von Olo&öon gefordert werden. Für die Kennzeichnung der Stirnaugen ist schließlich noch die Anordnung der Sehzellen charakteristisch; diese sind entweder um zahlreiche Achsen angeordnet, oder gar nicht gegen eine Achse orientirt, die Augen also polyaxonisch oder anaxonisch; dadurch sind sie unterschieden von den Augen der Myriapoden, der Insektenlarven und den Ommen der Komplexaugen bei Insekten und Crustaceen, welche alle monaxonisch sind. Damit wäre uns also einer der durch- sreifendsten Unterschiede gegeben. Unsere Charakteristik der Stirnaugen möge also lauten: sie sind anaxonische oder polyaxonische epitheliale Augen ohne Inversion der Retina, ohne Krystallkegel oder solchen äquivalente Zellgebilde. Sie befriedigt nicht vollkommen; ein- mal ist das Stirnauge von Orchesella nicht einbegriffen, dann ist das Seitenauge der Skorpione und das große (eher an- als monaxonische) Auge bei ZLithobius nicht ausgeschlossen. Einstweilen komme ich aber über diese Fassung nicht hinaus. Die Verschiedenheit der Formen, die wir bei den Stirmaugen kennen lernten, nöthigt uns ein paar Worte über das gegenseitige Verhältnis dieser verschiedenen Bildungen zu sagen. Die ursprüngliche Form zeigt offenbar Machtkis in den seitlichen Stirn- augen, welche nicht eingestülpt sind und über denen die Cutieula nur sanz wenig verdickt ist: sie sind gleichsam nur verdickte Stellen der Epidermis. In der Entwicklung der Orthopteren wiederholt sich nach ÜARRIERES Angabe diese einfache Form ohne Cornealinse. Die geringe Verdiekung der nicht oder nur wenig gewölbten Cutieula kann keine strahlensammelnde Wirkung haben; sie ist vielleicht nur ein Schutz für die unterliegenden Sinneszellen — eine Erklärung für ihre Entstehung ist aber nicht damit gegeben, dass wir sagen, die Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 397 darunter liegenden Zellen bedürfen eines Schutzes. Vielleicht aber könnten wir an eine »mechanische« Erklärung in folgender Weise denken: die zu Sehzellen umgewandelten Epidermiszellen werden in Folge erhöhter Inanspruchnahme einen lebhafteren Stoffwechsel haben, als die Nachbarzellen; es wird damit auch die ersetzende Säftezufuhr zu ihnen eine Steigerung erfahren; die letztere kommt aber auch den zwischen den Sehzellen gelegenen indifferenten Zellen zu Gute, welche daher stärker wachsen und auch eine diekere Outicula ausscheiden. Eine solche Hypothese ins Einzelne durchzuführen, etwa die Entstehung der bikonvexen Linse. mit ihr erklären zu wollen, muss zu vielen Willkürlichkeiten führen; ich verzichte auf den Versuch. Für den Beginn einer Cutieularverdickung über dem Auge ist aber damit vielleicht eine plausible Erklärung gegeben. Als Thatsachenmaterial wäre hierzu vielleicht das Auge des Palolowurms zu vergleichen (s. Hrsse 1899). Über das Verhältnis der verschiedenen Anordnungsweisen der recipirenden Elemente zu einander habe ich oben bei Helophilus schon einige Andeutungen gemacht: den Übergang vom endständigen Stift- chensaum zum seitenständigen, welcher die Zelle rings umgiebt, haben wir dort im gleichen Auge vor uns. Solche seitenständige ringförmige Stiftehensäume finden wir dann. bei Wanzen und bei Olodon. Von solchen können wir dann wohl die auf eine Seite der Zelle beschränkten Rhabdomeren ableiten; aber Übergänge zwischen beiden finden wir im Bereiche der Stirnaugen nicht; bei den Spinnenaugen werden wir ein Übergangsstadium kennen lernen. Ich äußerte oben für den erst genannten Übergang auch noch die Vermuthung, dass hier in physio- logischer Hinsicht die mannigfaltigeren Reize durch eine geringere Zahl intensiverer Reize ersetzt wurden. In der gleichen Richtung weiter führt uns der Übergang von den ringförmigen Stiftehensäumen zu dem aus einseitigen Stiftchensäumen bestehenden Rhabdom. Hier werden alle 2—4 Zellen einer Gruppe mit ihren sehr zahlreichen Stiftehen von nahezu dem gleichen Reiz getroffen, die Wirkung muss daher eine viel intensivere sein, aber die Zahl der qualitativ ver- schiedenen Reizwirkungen ist vermindert. Ein beträchtlicher Unterschied scheint zunächst zwischen den Stirnangen von Helophrlus und Anabolia einerseits, und denen der übrigen Insekten andererseits zu sein, indem bei jenen die Corneagen- zellen eine besondere, von der Retina primär getrennte Schicht bilden, während sie bei diesen entweder ganz in der Reihe der Sehzellen stehen, oder nur scheinbar zu einer besonderen Schicht gegen diese 26* 398 Richard Hesse, verschoben sind, nur in einem verschiedenen Niveau gegenüber jenen liegen. Wollten wir mit CARRIERE (1885) in einschichtige und zwei- schichtige, oder sagen wir richtiger mehrschichtige, Augen eintheilen, so müssten wir jene abweichenden Stirnaugen mit den Augen der Spinnen und den Medianaugen der Skorpione in Parallele setzen; das wäre sicher verkehrt. Der Unterschied gegen die übrigen Stirn- augen erscheint gar nicht so groß, wenn wir annehmen, dass hier lediglich die Anlage der Retina in -die Tiefe versenkt und von der dabei ringsum gefalteten umgebenden Hypodermis überdeckt wurde, wie ein Embryo von den Amnionfalten, ein Vorgang, den wir aus dem morphologischen Verhalten des Anabolia-Stirnauges folgern zu können glaubten. Einen Anhalt dafür, dass der Vorgang wohl so geschehen sein mag, bietet die Angabe von REDIKORZEW, dass die Anlagen der Stirnaugen bei der Puppe der Biene in einem bestimmten Stadium in die Tiefe sinken, wobei sie sich in diesem Fall von ihrem Mutterboden lostrennen und ein Loch zurücklassen, in das sie später wieder einrücken; würde die umgebende Hypodermis dem Zug in die Tiefe folgen, so könnte es leicht zu einer Faltenbildung wie.der ver- mutheten kommen. Indem dann die äußere Falte die Abscheidung der Cornealinse übernimmt, werden indifferente Zellen zwischen den Sehzellen in der Retina überflüssig: so erklärt sich auch dieser Unter- schied gegenüber den anderen Stirnaugen. IV. Die Larvenaugen der holometabolen Insekten. Besondere Larvenaugen finden wir nur bei den Insekten mit vollkommener Verwandlung. Hier treffen wir nicht minder verschie- dene Bildungen als bei den Stirnaugen an. Ich beginne mit den abweichendsten von allen, die wir vielleicht auch als die ursprüng- lichsten ansehen müssen, mit den Augen der Dipterenlarven. 1) Augen der Larven von Ohironomus und Ceratopogon (Taf. XVII, Fig. 45—47). Die Augen der Okironomus-Larven unter- suchte ich mit Erfolg nur am frischen Thier. Die » Augenflecke< stehen zu zweien jederseits am Kopf, in der Anordnung, wie sie Fig. 45 zeigt. Genauere Untersuchung lässt eine überraschende Ähnlichkeit des Gesammtbildes mit den Becheraugen von Plathelminthen erkennen: eine dunkle Pigmentmasse hat auf einer Seite einen geraden Rand, dem einige hell lichtbreehende Körperchen aufliegen (Fig. 46a). Bei den Plathelminthen hatte mir die Untersuchung gezeigt, dass die Pigmentmasse hohl ist, also einen Pigmentbecher vorstellt, und dass Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 399 die hellen Körperehen Theile der im Becher steckenden Sehzellen sind. Ich vermuthete, dass hier die gleichen Verhältnisse vorliegen würden. An gepressten frischen Objekten konnte ich schon etwas mehr sehen (Fig. 465): die hellen Körper sieht man in feine Fasern übergehen, welche die Nervenfasern der Sehzellen sein könnten, und an der konvexen Seite des Pigmentbechers erscheint ein heller, deut- lich begrenzter Rand, welcher als niehtpigmentirter Theil der Becher- zellen zu deuten wäre. Zu sicherer Deutung jedoch waren Schnitt- präparate nothwendig, Klare Schnittbilder solcher Augen bekommt man nur, wenn man sie parallel der Augenachse schneidet. Die Cheronomus-Larven aber sind zur Anfertigung solcher Schnitte durch die Augen nicht geeignet, weil die Augenachsen hier schräg zur Medianebene stehen; die Orien- tirung des Objektes ist damit sehr erschwert. Mehrfache Misserfolge veranlassten mich, die lang-wurmförmige Larve von Ceratopogon für Sehnittpräparate zu wählen. An dem schmalen langen Kopf dieses Thieres sind die Augen seitwärts gerichtet, so dass ihre Achsen senkreeht zur Medianebene stehen. Querschnitte durch den Kopf seben dann die gewünschten Bilder. Man sieht daran, dass die schwarzen Flecken wirklich Pigmentbecher sind, die aus mehreren Zellen sich zusammensetzen; an .der konvexen Seite des Bechers ist ein Theil der Zellkörper pigmentlos und dort liegen die Kerne; an Fig. 47 kann man zwei solche Kerne erkennen. Die hellen Körper des Totalbildes sind wirklich Zellen, die in das Innere des Bechers hineinragen und außerhalb desselben einen rundlichen Kern mit Kern- körperchen haben; man sieht, dass sie sich in eine Faser ausziehen, kann dieselbe jedoch im Schnitt nicht weit verfolgen. Die freien Enden der Zellen, welche im Becher stecken, erscheinen mit Häma- toxylin dunkler gefärbt als der übrige Zellkörper; ich halte diese Theile für Stiftehensäume, wie ich sie bei so vielen ähnlich angeord- neten Sehzellen gefunden habe, kann jedoch bei der Kleinheit des Objekts keine thatsächlichen Belege für diese Ansicht beibringen. Diese einfachen Augen mit ihrer geringen Zahl von Sehzellen sind wohl die einfachsten Sehorgane, die wir bei den Arthropoden überhaupt finden; die Medianaugen der Crustaceen sind zwar nach dem gleichen Prineip gebaut, enthalten jedoch stets mehr Sehzellen. Auch hier wie bei jenen erhebt sich die Frage: sind diese Organe selbständig entstanden bei den Dipterenlarven oder haben sie eine palingenetische Bedeutung, etwa als Reminiscenz an plathelminthen- = < < artige Vorfahren ?3-Es liegt mir fern, das entscheiden zu wollen. 400 Richard Hesse, Für die Möglichkeit selbständiger Ausbildung spricht das Vorkommen subepidermaler Sehzellen im Stirnauge von Orchesella. 2) Reeipirende Elemente in den Augen der Dyticus- Larve (Taf. XVII, Fig. 45—52). Es ist mir nicht möglich, hier eine genaue Morphologie der Larvenaugen von Dyticus zu geben; mein Material war zu spärlich, als dass ich dieser schwierigen Aufgabe hätte gerecht werden können, und ich glaubte um so eher darauf verzichten zu können, als ich als nächstes Ziel hier nur die Ver- gleichung der verschiedenen nervösen Endigungen anstrebe. Ich musste jedoch auf diese Form eingehen, weil sie seit GRENACHER’S klassischen Untersuchungen allgemein als Typus eines einfachen Arthropodenauges bekannt ist. Was ich an morphologischen Ver- hältnissen ermitteln konnte, stimmt durchaus zu GRENACHER’S An- gaben. Die lichtreeipirenden Zellen liegen in der Tiefe der Augenbecher entsprechend den hierin übereinstimmenden Angaben von GRENACHER und PATTEN (für Acilius 1888). In der Schilderung der Endorgane jedoch weiche ich vom einen wie vom anderen ab. In einem Quer- schnitt durch den basalen Theil eines Auges, wie es in Fig. 48 im schematischen Längsschnitt dargestellt ist, finden wir die recipiren- den Elemente so angeordnet, wie es Fig. 49 zeigt; die Zellkörper, welche etwa senkrecht zur Medianebene des Auges, also parallel der Outieula liegen, tragen gegen die Augenachse zu einen Anhang, das »Stäbehen«. An den Flächen, welche die neben einander stehenden Stäbehen einander zukehren, sind sie mit breiten dunkel färbbaren Säumen besetzt, wie man eine solche an dem schematischen Längs- schnitt Fig. 48 im Aufblick sieht. Auf den Querschnitten (Fig. 50) erkennt man an diesen Säumen deutlich eine Zusammensetzung aus einzelnen Stiftehen, die sich auf den Flächenschnitten durch die Säume als dichte Punktirung sehen lässt. Von den Stiftchen gehen gegen die Mitte des Stäbchens feine Fäserchen und vereinigen sich dort, indem sie umbiegen, zu einem Faserzug, der in die Sehzelle eintritt; dort konnte ich seine Fortsetzung nicht weiter verfolgen. In den Fäserchen erblicke ich Neurofibrillen, in den Stiftchen ihre verdick- ten Enden, die eigentlichen recipirenden Theile. Wir hätten dem- nach an diesen Sehzellen je zwei von einander getrennte Stiftehen- säume. Dieselbe Erklärung würde sich ungezwungen auf die »Stäbchen« im Auge einer kleinen Dyticidenlarve anwenden lassen, von welchem Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. vl. 401 ich in Fig. 51 einen Querschnitt durch die Region der Sehzellen, in Fig. 52 einzelne Sehzellen stärker vergrößert abbilde; doch konnte ich hier nicht genügend Einzelheiten erkennen: jedenfalls geht aus der Vergleichung der auf einander folgenden Schnitte mit Sicherheit hervor, dass wir es hier keinenfalls mit röhrenförmigen Hüllen um eylindrische Stäbchen zu thun haben. Ich bin ungewiss, ob diese in der Tiefe des Augenbechers ge- lesenen Zellen die einzigen lichtreeipirenden Zellen in diesen Augen sind; ich glaubte wiederholt auch noch andere für Sehzellen halten zu sollen, kam jedoch noch zu keinem festen Ergebnis. Für die Stäbehen in den Augen der Dytiricus-Larven vermag GRENACHER nur die Vermuthung auszusprechen, dass sie cylindrische Röhren vorstellen; er sprieht sich auch über die Beschaffenheit der Hülle nicht mit Bestimmtheit aus; für ihn lag eben der Kernpunkt der Untersuchung in der Feststellung, dass das »Stäbcehen« das Gebilde einer Zelle ist, welche andererseits in eine Nerven- faser übergeht, und dass ferner diese Stäbchenzellen nichts sind als umgewan- delte Hypodermiszellen. In beiden Punkten kann ich mich ihm nur völlig an- schließen. PATTEN hat Acilius-Larven untersucht und findet dort Mancherlei, was mit meinen Beobachtungen an Dyticus gut übereinstimmen würde: an jeder »Retinophora<, in der er mit Virtuosität die für die Theorie nothwendigen zwei Kerne entdeckt, findet er zwei »Stäbchen«, welche nach den Abbildungen sicher den von mir geschilderten zwei Stiftehensäumen entsprechen: seine Figuren 57, 59 und 60 beweisen das zur Genüge. Auf die von PATTEN geschilderten Fein- heiten mich zu berufen, kann ich mich nicht entschließen, auch da nicht, wo sie mit meinen Befunden übereinstimmen, was sie zum Theil thun. Er sieht die Präparate zu sehr mit anderen Augen an als sonst die Untersucher thun. 3) Augen der Myrmeleon-Larve (Taf. XVII, Fig. 53 u. 54). Zum ersten Male, so viel ich ersehen kann, werden hier die Augen der Myrmeleon-Larve einer näheren Untersuchung unterworfen. Die Schwierigkeit der Behandlung dieser kleinen Objekte hat wohl bis- her die Untersucher abgeschreekt — aber die Ergebnisse lohnen die aufgewandte Mühe: wir finden hier ein Auge von eigenthümlichem Bau, das vielleicht geeignet ist, Lücken zwischen verschiedenen Formen überbrücken zu helfen. Die Augen des Ameisenlöwen stehen am Kopfe jederseits der Fühler auf zwei kleinen Höckern, zu je sieben, ziemlich dicht bei einander; sechs davon sind von der Dorsalseite sichtbar, das siebente nur von der ventralen. Äußerlich erkennt man die Cormnealinsen als helle Vorwölbungen, welche durch pigmentirte Streifen der Cutieula von einander getrennt sind. Auf Schnitten (Fig. 53) erkennt man die bikonvexe Gestalt der Linsen und ihre deutliche Schichtung; die zwischen den Augen liegende Cuticula ist nur in ihrer äußersten Schicht pigmentirt. 402 Richard Hesse, Die Achsen der einzelnen Augen sind verschieden gerichtet; man kann annähernd sagen, dass sie von einem Punkte im Inneren des Augenwulstes divergiren, wie das ja auch bei den drei auf Fig. 53 dargestellten Augen deutlich hervortritt. Die Sehfelder der einzelnen Augen sind also verschieden. Die Corneagenzellen, welche die Linse innen bekleiden, sind verschieden gestaltet: in einem äußeren Ring erscheinen die Zellen einfach als eine Fortsetzung der umgebenden Hypodermis, nur dass sie etwas höher sind; wie die Hypodermiszellen sind sie dicht mit Pigment angefüllt. Dann folgt ein Ring aus einer Lage langge- streckter Zellen, die in ihren proximalen Theilen an die Retina an- srenzen und dort auch reichlich mit körnigem Pigment erfüllt sind, während ihre distalen Enden sich über das Auge herüberbiegen und pigmentfrei sind. Sie lassen einen innersten runden Raum frei, der von einem scheibenförmigen Komplex von etwa acht niedrigen Zellen ausgefüllt wird (Fig. 53 cz), die vollkommen pigmentfrei sind: sie bilden also mit den Enden der Zellen des mittleren Ringes den pellueiden Abschnitt des Corneagens. Unter diesem »Sehloch« liegt ein linsenförmiger Körper von nahezu ellipsoider Gestalt, dessen Achse viel kürzer ist als der Durch- messer; er ist vorn flacher, hinten gewölbter. Dieses Gebilde, das wir seiner Lage nach als Krystallkörper ansprechen müssen, ist proximal und seitlich von einer kapselartigen Hülle ohne zellige Elemente umgeben, vorn grenzt es an den mittleren unter der Cornea- linse gelegenen Zellkomplex; es ist jedoch von diesem sowohl wie von der Hülle durch einen schmalen Spaltraum getrennt, der ein Schrumpfungsprodukt zu sein scheint. Ich finde an dem Krystall- körper die Zusammensetzung aus drei Segmenten angedeutet; daher ist es mir nicht wahrscheinlich, dass er, wie ich Anfangs glaubte, das Produkt der ihm distal anliegenden Zellen ist, sondern ich halte es für wahrscheinlich, dass jedes der drei Segmente einer besonderen Zelle seinen Ursprung verdankt, wie das ähnlich bei den Lepidopteren- und Phryganeidenlarven ist, und dass ich die Kerne dieser Zellen wegen ihrer Kleinheit oder wegen Ungunst der Schnitte nicht beob- achten konnte. Hinter dem Krystallkörper liegt die Retina. Sie ist nur schwach gewölbt und besteht aus langgestreckten Sehzellen mit schlanken Kernen; distal tragen diese den lichtreeipirenden Theil, das »Stäb- chen«, während sie proximal allmählich in eine Nervenfaser über- gehen. Hinter den »Stäbehen« zieht eine breite Zone dichtgelagerter Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 403 Pigmentkörnchen durch die Sehzellen, so dass der Binnenraum des Auges ganz von Pigment umgeben ist bis auf das »Sehloch« unter der Cornealinse. Die Zahl der Sehzellen in einem Auge dürfte etwa 30—40 betragen. Indifferente Zellen sind zwischen den Sehzellen nicht vorhanden. Die lichtreeipirenden Elemente sitzen der ganzen Breite des Seh- zellenendes als eylindrische Gebilde (»Stäbchen«) auf und erweisen sich bei näherer Untersuchung als zusammengesetzt aus feinen Fasern, die der Längsachse der Zelle parallel ziehen: ich kann sie nur für hohe Stiftehensäume halten, obgleich ich keine Fibrillen beobachtet habe, die von ihnen aus in den Zellkörper einstrahlen. Bei den mittleren Sehzellen sind die Stiftehen der Augenachse parallel, bei den seitlichen haben sie, entsprechend der geringen Wölbung der Retina, nur ‘eine schwache Neigung gegen die Achse. Eine axoni- sche Gruppirung ist also nicht vorhanden, die Augen sind anaxonisch. 4) Augen der Larve von Szalis. Den Untersuchungen GRE- NACHER’S über diese Gebilde vermag ich nur ganz Weniges hinzuzu- fügen, möchte aber des Zusammenhanges wegen seine Hauptergebnisse wiederholen: Unter der bikonvexen ziemlich flachen Cornealinse liegt ein aus acht Segmenten bestehender Krystallkörper. Die proximal darauf folgende Retina setzt sich zusammen aus zwei Kränzen von Zellen, einem größeren distaleren und einem kleineren proximaleren; die pyramidenförmigen Zellen sind radiär angeordnet und berühren sich in der Mitte; sie tragen an ihrem der Achse zugekehrten Ende einen »Stäbchensaum«, der, auf Schnitten senkrecht zur Achse, V-förmig gebogen erscheint mit der konvexen Seite gegen die Achse; die Schenkel der benachbarten Stäbchensäume berühren sich nahe, und so entsteht eine Sternfigur sowohl im distaleren wie im proxi- maleren Zellkranze. Solcher Augen sind jederseits sechs vorhanden. Die »Stäbchensäume« GRENACHER’s habe ich an dünnen von Pigment befreiten Schnitten darauf geprüft, ob man sie als Stiftchen- säume in meinem Sinne ansehen könnte, und zwar mit günstigem Ergebnis für diese Auffassung. Man sieht an allen Präparaten ganz dicht am Saum zahlreiche feinste Fibrillen von ihm abgehen, es ist mit anderen Worten eine Schaltzone vorhanden. Der Saum selbst lässt für gewöhnlich keine Querstreifung erkennen; nur an einem Präparat wurde mir seine Natur als zusammengesetzte Bildung deut- lieh: er war dort an einer beschränkten Stelle in seine Elemente aufgelöst, diekere Stiftehen, deren jedes sich in ein Fäserchen 404 Richard Hesse. fortsetzt. Im Plasma ist stets eine deutliche Anordnung der Körn- chen zu Reihen in der Richtung auf den Saum sichtbar; daraus kann man auf Fibrillen schließen, die zwischen diesen Körnchenreihen ver- laufen und damit diese Anordnung veranlassen. So sind also alle Elemente von Stiftchensäumen, mindestens andeutungsweise, vorhan- den, und ich glaube nicht fehl zu gehen mit der Annahme, dass wirklich Stiftehensäume hier vorliegen. Zwischen die Sehzellen findet man langgestreekte kleine Kerne eingekeilt, mit der langen Achse in der Richtung der Zwischenräume; die Bedeutung der zugehörigen Zellen kann ich nicht angeben. Die Augen der Szalis-Larven zeigen eine ausgesprochene axonische Anordnung der Sehzellen um die Augenachse; sie müssen daher als monaxonisch bezeichnet werden. Wenn man das durch die nahe Berührung der Stiftchensäume eines Zellkranzes entstehende Gebilde als Rhabdom bezeichnet — und dem steht grundsätzlich nichts im Wege, wenn auch die vielstrahlige Gestalt eines solehen Rhabdoms etwas vom Gewöhnlichen abweicht — so haben wir hier zwei Rhab- dome, ein distaleres und ein proximaleres, die jedoch die gleiche Achse haben. 5) Die Augen der Schmetterlingsraupen und Phryga- neenlarven (Taf. XIX, Fig. 55—61). Die Untersuchung über das Raupenauge von PANKRATH (18%), die unter GRENACHER’s Leitung gemacht worden ist, hat uns über die Morphologie dieses Organs ge- nügende Aufklärung gebracht. Mir kommt es hier hauptsächlich darauf an, die Verhältnisse der Sehzellen mit besonderer Berück- sichtigung der recipirenden Elemente genauer zu erforschen. Ich trennte dazu an gut gehärteten Objekten die Weichtheile durch seit- lichen Druck von der Cuticula los, um so möglichst dünne Schnitte anfertigen zu können, und hatte dabei im Allsemeinen guten Erfolg, wenn auch einige Versuche misslangen. Die Untersuchungen am Raupenauge, auf das ich zuerst eingehe, wurden hauptsächlich an Raupen von Euprepia caja L. angestellt. In den Hauptzügen kann ich PAnKRATH’s Ergebnisse bestätigen. Das Auge besteht aus Cornealinse, Mantel (= Umhüllungskörper PAnkrarn’s), Kıystallkörper und Retina. Über die Cornealinse ver- mag ich nur anzugeben, dass sie nach innen konvex ist; denn ich fand die anliegenden Weichtheile entsprechend konkav gestaltet (Fig. 55). Der Mantel besteht aus drei riesigen Zellen, welche die Hypodermis der Cornealinse darstellen; sie haben Kerne von ent- Unters. iiber die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VI. 405 sprechender Größe, deren Inneres von körnigen Chromatinmassen an- gefüllt ist; ihr Plasma erscheint homogen. Besonders in der Um- gebung des Kernes und in dem proximal davon gelegenen Theile enthält es reichliche Pigmentkörnchen; in den distalen Abschnitten ist das Pigment spärlich. Die Mantelzellen liegen den Weichtheilen des Auges nicht unmittelbar an, sondern die Röhre, welche sie bil- den, ist innen ausgekleidet von ganz flachen Zellen, auf deren Vor- handensein man erst durch die kleinen schmalen Kerne aufmerksam wird, die den Mantelzellen anliegen; ich glaube, man kann sie nur für eingewanderte Bindegewebszellen halten. Der linsenförmige oder ellipsoidische Krystallkörper, welcher unmittelbar hinter der Linse liest, besteht aus drei Segmenten, die in der Augenachse zusammenstoßen, wie schon LeyYvIe (1864) nach- wies. Jedes dieser Segmente ist aus einer Zelle hervorgegangen, und die Kerne der Zellen findet man in dem Plasmareste, welcher der Linse distal aufliegt, wie PANKRATH fand und ich bestätigen kann. Eine besondere Hülle um den Krystallkörper, wie bei den Phryga- neidenlarven, kann ich hier nicht wahrnehmen. Die Retinazellen stehen in zwei Kränzen um die Augenachse, einem distaleren und einem proximaleren. Der distale Kranz besteht aus drei, der proximale aus vier Zellen. Die letzteren bilden zu- sammen ein dreiseitiges Prisma, dem die distalen Zellen mit ihren Enden distal aufliegen, während ihre Zellkörper sich an den drei Seiten herabziehen. Jede der sieben Zellen zieht sich proximad in eine Nervenfaser aus. Jede Sehzelle trägt ihre recipirenden Theile an der axialen Seite. Der Bau der letzteren ist verschieden bei den beiden Zellkränzen. In den distalen Zellen (Fig. 55 s2’) entdecken wir an entpigmentirten, mit Eisenhämatoxylin gefärbten Medianschnitten einen zusammen- hängenden dunkeln Saum am axialen Rande des distalen Zellab- schnittes; von diesem gehen gegen den Zellkörper eben so gefärbte Strahlen aus, die sich mehrfach theilen und mit ihren Enden zu feinen Fibrillen aufsplittern; diese Fibrillen setzen sich in das Zell- plasma fort. Zwischen jenen Strahlen verlaufen aber noch weitere Fibril- len von dem dunklen Saum in das Zellplasma: der ganze Zellkörper ist erfüllt von feinen, aber überaus deutlichen parallel verlaufenden Fibrillen, welche von dem Saum und seinen Strahlen ausgehend gegen das zur Nervenfaser ausgezogene proximale Ende der Zelle hin verlaufen und in dieses eintreten. Ein entsprechendes Bild bieten Querschnitte (Fig. 56a): die drei Zellen berühren sich in der Mitte 406 Richard Hesse. einer Y-förmigen Linie; auf die halbe Länge der Schenkel des Y erstreckt sich vom Mittelpunkt aus in jeder Zelle der dunkle Saum, mit längeren und kürzeren verästelten Strahlen, die in Fibrillen übergehen. Quer- schnitte, die weiter proximal geführt sind (Fig. 565, 1, 2, 3), zeigen die quergeschnittenen Fibrillen als dichtstehende feine Punkte. Nir- sends habe ich die Fibrillen im Zellkörper so klar gesehen wie hier, nirgends sie in ihrem Verlaufe so weit verfolgen können. Es geht aus dem ganzen Verhalten sehr deutlich hervor, dass der dunkle Saum und die von ihm ausgehenden Strahlen nur durch Verschmel- zung verdickter Fibrillenenden entstanden sein können. Die Anordnung des Pigmentes, welches die ganzen Zellen erfüllt, den Saum aber und seine Strahlen frei lässt, macht es unzweifelhaft, dass diese die lichtreeipirenden Theile sind. Also ist auch hier ein — in be- stimmter Weise modifieirter — Stiftehensaum das reecipi- rende Element der Sehzellen. Einen etwas anderen Eindruck machen die recipirenden Elemente bei den Zellen des zweiten Kranzes (Fig. 55 s2”?). Hier finden wir auf Medianschnitten nur einen einfachen Saum, der bloß am axialsten Theil jeder der vier Zellen liegt. Bei Euprepia verschmelzen die vier Säume fast ganz mit einander, so dass ein Gebilde von fast qua- dratischem Querschnitt entsteht (Fig. 565); bei Smerinthus ocellata sah ich einen kreuzförmigen Querschnitt (Fig. 57), wobei jeder Schenkel des Kreuzes zu einer Sehzelle gehört. Was den feineren Bau dieses Saumes angeht, so erscheint er fast homogen, ohne Querstreifung; gegen den Zellkörper zeigt er jedoch keine scharfe Grenze, sondern löst sich in feine Fasern auf; diese gehen in feinste, auch hier sehr deutliche Fibrillen über, welche parallel durch den Zellkörper ziehen und in den Nervenfortsatz eintreten... Also auch hier ein Stift- chensaum, bei dem die Stiftehen allerdings” zu einer gleichmäßigen Masse verschmolzen sind. An dem erwähnten Querschnitt durch die proximalen Zellen des Smerintkus-Auges fällt die merkwürdige Anordnung des Pigments an diesen Zellen auf, die auf Fig. 57 ersichtlich ist. | Der Komplex der vier Zellen zieht sich distal in eine kegel- förmige Spitze aus, die sich zwischen die Enden der drei distalen Zellen ein Stück weiter einschiebt, so dass man auf tieferen Schnitten durch letztere die Enden der proximalen Zellen mit ihrem Saum als schmale Bänder zwischen jenen zu sehen bekommt (Fig. 96a 4, 5, 6, 7). PANKRATH betrachtet in den distalen Zellen die einzelnen Strahlen, welche vom Stiftchensaum ausgehen, als Stäbchen und giebt daher an, dass diese zu Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 407 mehreren über einander liegen und auf Querschnitten einen Stern bilden. Den Saum der proximalen Zellen schildert er als helle schleifenförmige Gebilde mit blätteriger Struktur, auf dem Querschnitt rosettenförmig gefaltet; es ist wahr- scheiniich, dass bei der ihm vorliegenden Art, Gastropacha rubi, der Querschnitt von dem bei Kuprepia abweicht, wie ich ja auch bei Smerinthus eine besondere Form des Querschnittes konstatiren konnte. LAnDoIs’ durchaus irregehende Angaben hier nochmals zum Vergleich heranzuziehen und auszudeuten halte ich für überflüssig. Das Pigment erfüllt die Sehzellen ganz mit Ausnahme der Kerne und der Stiftchensäume und zieht sich weit in die Nervenfasern hinein. Die Augen der Phryganeenlarven zeigen eine weitgehende Übereinstimmung mit denen der Raupen, in höherem Maße als PANKRATH es nachweisen konnte, der die Zahl und Anordnung der Zellen in der Retina nicht zu analysiren vermochte. Ich machte meine Untersuchungen an einer im stehenden Wasser zwischen Algen und Pflanzenresten des Grundes ähnlich wie die Sialis-Larven lebenden Phryganeenlarve, die, nach dem Bauplan ihres Gehäuses zu urtheilen, der Gattung Phryganea angehört. Auch hier sprengte ich durch seitlichen Druck die Augen von der Cutieula ab, um möglichst dünne Schnitte machen zu können. Über die Cornea kann ich keine näheren Angaben machen. Mantelzellen von der Ausdehnung wie bei den Raupenaugen, welche das ganze Auge umhüllen, sind hier nieht vorhanden. Doch finden sich bei den meisten Augen große Corneagenzellen, welche auch den Krystallkörper noch theilweise umhüllen (Fig. 58 mz), welche ich den Mantelzellen glaube gleichstellen zu dürfen; an einzelnen Augen haben sie nicht eine solch auffallende Größe (Fig. 59). Der Krıystall- körper besteht aus drei Segmenten wie bei den Raupen; ich konnte auch die Kerne der Matrixzellen an ihm nachweisen. Außerdem ist er von einer besonderen Scheide umgeben, an der ich eine zellige Zusammensetzung nicht erkennen konnte; sie ist durch einen Spalt von dem Krystallkörper getrennt. Distal und seitlich legt sich diese Scheide den großen Corneagenzellen, proximal der Retina dicht an. Die Retina besteht wie bei den Raupenaugen aus zwei Zell- kränzen, einem distalen von drei und einem proximalen von vier Zellen. Die proximalen Theile der distalen Zellen liegen auch hier den Zellen des zweiten Kranzes auf. Die Kerne liegen bei allen diesen Zellen ziemlich weit proximal; in Fig. 58 habe ich einen Theil der Zellen mit den Kernen (s2z%) aus den Nachbarschnitten mit punk- tirten Linien eingezeichnet. Jede der distalen Zellen trägt gegen die Achse zu einen homogenen, stark färbbaren Körper, der auf seiner 408 Richard Hesse, abaxialen Seite mannigfach gebuchtet erscheint; die Abbildungen orientiren hier besser als viele Worte: Fig. 58 zeigt die Zellen mit diesen Körpern im Längsschnitt, Fig. 604 im Querschnitt. Diese Bildungen sind von den distalen Enden der Zellen durch eine breite Plasmamasse geschieden. Gegen das Zellplasma setzt sich an diese Körper eine Unzahl von Fibrillen an, die sich weit in das Zellplasma verfolgen lassen. Der Ansatz der Fibrillen ist hier viel unmittelbarer, der Rand des Körpers schärfer als bei den entsprechenden Bildungen der Raupen; trotzdem kann kein Zweifel sein, dass dieser Körper dem Saum mit seinen Strahlungen im Raupenauge homolog ist, dass auch hier die Fibrillen als Neurofibrillen zu deuten sind und dass wir in dem homogenen Körper selbst einen durch Verschmelzung und substantielle Veränderung der verdickten Fibrillenenden umgebildeten Stiftehensaum vor uns haben. Auch die proximalen Zellen verhalten sich ähnlich wie im Raupen- auge: jede der vier Zellen trägt einen gleichmäßigen, gegen den Zellkörper nicht gezackten Saum, der in seiner Substanz dem oben beschriebenen der distalen Zellen vollkommen gleicht. Der Saum reicht an jeder Zelle bis in die Mitte der Fläche, mit der sie die Nachbarzelle berührt, und hört dort zugeschärft auf. Die Säume benachbarter Zellen liegen eng an einander, nur in der Mitte bleibt ein kleiner Zwischenraum; so bekommen wir auf Querschnitten etwa die Figur eines schiefen Kreuzes (Fig. 605). Überall setzen an den Saum sehr deutliche Fasern an, die in das Zellplasma übergehen — schon PANKRATH nimmt von diesen Fasern Notiz; auf Medianschnitten kann man sie durch die ganze Zelle in der Richtung gegen die Nervenfaser verfolgen (Fig. 58); also auch hier Neurofibrillen und ein metamorphosirter Stiftchensaum. Wie bei den Raupen ragen die proximalen Zellen mit ihren Enden ein wenig zwischen die distalen hinein und ihre Säume werden auf Querschnitten durch die letzteren sichtbar (Fig. 60a). Wir können auch hier die Stiftehensäume als Rhabdomeren, und die in einem Zellkranz vereinigten zusammen als Rhabdom bezeichnen. | Die Sehzellen sind bei dieser Phryganeenlarve dicht mit Pigment- körnchen gefüllt, und zwar ist die Anhäufung derselben am dichtesten in der Nähe der Säume, welche selbst, eben so wie die Kerne, ganz frei bleiben vom Pigment. Außerdem liegt das Pigment besonders dicht um den Kern und an der Oberfläche der Zellen (Fig. 59). Bemerkenswerth ist, dass in den distalen Zellen der Raum zwischen dem Rhabdom und der distalen Oberfläche auch mit Pigment erfüllt Unters. über die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 409 ist; es bleiben nur ein paar Stellen frei, und eine Vergleichung von Fig. 61a u. 60a, die nach benachbarten Schnitten derselben Serie vor und nach der Entfernung des Pigments mit etwas verschiedener Ver- srößerung gezeichnet sind, lässt ohne Weiteres erkennen, dass einzelne Theile des Rhabdoms durch das Pigment verdeckt werden. Da diese Larven, wie schon erwähnt, zwischen Algen und Schlamm leben, also in sehr gedämpften Licht, so dürften wir hier wohl eine Abblen- dung des zu starken Tageslichts, dem ich die Thiere aussetzte, durch Pigmentverschiebung vor uns haben. Ich hielt daher Thiere vor dem Abtödten mehrere Stunden in der Dunkelkammer und konservirte sie auch dort, dabei zeigte sich, dass das Pigment sich jedenfalls mehr von der Stelle vor dem Rhabdom zurückgezogen hatte. Ich weiß nicht, ob bei allen Phryganeenlarven solche Pigmentverschiebungen stattfinden, glaube aber, dass die meisten ihrer nicht bedürfen, da sie Tagthiere sind. Dasselbe Ziel also, das bei den Komplexaugen der Schmetterlinge durch Verschiebung der Pigmentröhre um die Ommen erreicht wird, nämlich Abdämpfung des Lichtes durch Ab- blendung seitlicher Strahlen, kommt hier gleichsam durch Verengerung eines Sehlochs zu Stande. Die Augen der Schmetterlings- und Phryganeiden-Larven sind also monaxonische Augen mit zwei Kränzen von Sehzellen und einem Krystallkörper. Darin gleichen sie völlig den Augen der Stalıs-Larven, mit denen auch PAnKRATH sie vergleicht; sie unterscheiden sich von ihnen nur durch die Zahlenverhältnisse. Die Augen der Myrmeleon- Larven schließen sich diesen dreien durch den Besitz eines Krystall- körpers an; aber mit Bezug auf die Beschaffenheit der Retina sind sie auf einem primitiveren Standpunkt stehen geblieben: sie sind anaxonisch, ihre Zellen liegen in einem Niveau und tragen ihre Stiftehensäume auf ihrem Ende, nicht an den Seitenflächen. Es ist sleichsam also bei den erstgenannten Formen ein Einstülpungsvorgang eingetreten, durch den die Sehzellen bei den sialrs-Larven, den Lepidopteren- und den Phryganeiden-Larven derart verschoben werden, dass zwei Zellkränze um die Augenachse zu Stande kommen. Die Augen der Dipterenlarven lassen sich mit den übrigen nicht vergleichen. Die Beziehungen der hier besprochenen Larvenaugen zu den Ommen der Komplexaugen bei den Imagines werden wir unten in einem besonderen Kapitel (VIII) mit zu besprechen haben, nachdem wir vorher die letzteren näher analysirt haben. 410 Richard Hesse, V. Die Komplexaugen der Insekten. Die Augen der Collembolen und Thysanuren wurden früher stets als »Stemmata« in Anspruch genommen, also mit den Stirnaugen der Insekten und den Augen der Spinnen in eine Reihe gestellt; nur bei Machnlis fand man echte Facettenaugen. Die genauere Untersuchung jener Gebilde auf Schnittpräparaten zeigte jedoch, dass dies ein Irrthum war. ÜARRIERE (1885) war der Erste, der durch nähere Unter- suchung der Lepisma-Augen erkannte, dass die Einzelaugen hier nach dem gleichen Grundplan gebaut sind wie in den Komplexaugen der höheren Insekten; er theilte diesen Befund im Nachtrag zu seinem »Sehorgane der Thiere« mit. FErwaLD (1890) bestätigte diese Ent- deckung. Später hat Wırnem (1897) für eine große Anzahl von Poduren das Gleiche erkannt. Hier wollen wir den Bau der Augen bei Thysanuren und Collembolen als Einleitung zur Behandlung der Komplexaugen der pterygoten Insekten einer eingehenderen Betrach- tung unterziehen. 1) Seitenaugen von Lepisma saccharinum L. (Taf. XIX, Fig. 62—64). Die Augen stehen hier jederseits am Kopfe als ein Komplex von 12 Einzelaugen, die nur durch eine geringe Zahl da- zwischen liegender, verlängerter und pigmentirter Hypodermiszellen von einander getrennt sind. Die gesammte, sie überdeckende Cuticula ist konvex, und da die Achsen der Einzelaugen senkrecht zur Cuticula stehen, konvergiren sie in Folge dessen nach innen, also ganz wie bei den Komplexaugen. Jedes Einzelauge hat außen eine bikonvexe Cornealinse (Fig. 62), welche von den benachbarten Linsen meist durch ein schmales Stück planer COutieula getrennt ist. Die Linse zeigt besonders in ihrer inneren Hälfte, deren Wölbung die stärkere ist, eine sehr deutliche Schichtung. In der Mitte liegen der Linse vier Zellen auf, die sich um die Augenachse gruppiren und dicht zusammenschließen. Dieser Zellverband hat eine feste Form; mit seiner distalen Fläche ist er der inneren Linsenfläche angeschmiegt und daher leicht konkav; seine proximale Fläche ist konvex. Diese vier Zellen haben einen sehr durchsichtigen Zellkörper, und es kann keinem Zweifel unter- liegen, dass sie dem Krystallkegel der höheren Insekten homolog sind, oder genauer gesagt den Krystallkegelzellen. Zwar rechnet CARRIERE die Augen von Lepisma zum euconen Typus GRENACHER’s, und nimmt somit an, dass eine echte Krystallkegelbildung als Abscheidung der Unters. über die Organe der Lichteinpfind. bei niederen Thieren. VII. 411 Zellen vorliege, und FERNALD scheint sich ihm anzuschließen: er spricht von einer konkavo-konvexen Chitinmasse, welche das ganze Ommatidium in diesem Niveau ausfülle, und welcher abaxial vier kleine Zellen, die »Vitrella«, anliegen; seine Zeichnung, die übrigens sehr schematisch nach dem bösen Beispiel WaAraAse’s ausgeführt ist, bringt auch die im Texte erwähnten Theile; aber sie lässt die Kon- kavität des Krystallkegels proximad sehen, während ich sie auf der Distalseite finde! Sicher ist es nicht immer leicht zu unterscheiden, ob man eine durchaus durchsichtige Zelle vor sich hat, oder eine solche, die zum größten Theil ihres Umfangs in einen durchsichtigen Körper umgewandelt ist, dem der Plasmarest außen aufsitzt. Hier befreit aber die wechselnde Lage der Kerne sicher von allen Bedenken. Bei echten Kıystallkegeln liegen die Kerne alle dem Kegel distal und etwas seitlich an; hier jedoch finden wir sie bald nahe der Fläche, wo die Kıystallzellen sich berühren (Fig. 62), bald abaxial (Fig. 65), bald distal und bald proximal. Wir hätten also hier ein acones Auge nach GRENACHER’sS Bezeichnung. Seitlich von den Krystallzellen, ebenfalls der inneren Linsenober- fläche dicht anliegend, finden ‚wir zwei andere Zellen (Fig. 62 cz), mit großen, mehr oval gestreckten, einander entgegengesetzt liegenden Kernen, die reichlich Chromatin und ein deutliches Kernkörperchen enthalten. Sie schieben sich nur ganz wenig zwischen Linse und Krystallzellen ein: die Vergleichung mit Poduren und Machilis nöthigt uns, sie als Corneagenzellen anzusehen, die wir eigentlich zwischen Cornealinse und Krystallzellen erwarten sollten. So schildert und zeichnet sie auch FERNALD, doch sicher zu Unrecht. CARRIERE hat sie übersehen. Hier haben sich also Corneagenzellen und Krystall- zellen in die Absonderung der Cornealinse getheilt. Proximad von den Krystallzellen liegt die Retina — oder sagen wir Retinula, da wir das Auge ja von vorn herein mit den Komplex- augen der höheren Insekten verglichen haben. Sie soll nach den übereinstimmenden Angaben von ÜARRIERE und FERNALD aus vier Sehzellen bestehen, die im Umkreis um ein axiales Rhabdom liegen. Ich kann die Angabe in dieser Fassung nicht bestätigen: ich finde vielmehr zwei Lagen von Retinulazellen, eine distalere und eine proximalere, welche um die gleiche Achse gruppirt sind. Man erkennt dies an nicht depigmentirten Schnitten besonders dadurch, dass das Pigment auf halber Höhe der Retinula eine Lücke aufweist, oder auch, dass das Pigment der proximaleren Zellen etwas weiter gegen den hellen, vom Rhabdom erfüllten axialen Raum vorspringt, als bei Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 27 212 Richard Hesse, den distalen (Fig. 62). Die doppelte Lage der Zellen durch Bestim- mung von Zahl und Lage der Zellkerne nachweisen zu wollen, begegnet sroßen Schwierigkeiten, da schon der Nachweis der Zugehörigkeit eines Kernes zu seiner Zelle hier nicht einfach ist, und andererseits sehr wohl die Kerne im gleichen Niveau liegen könnten, während die Zellen sich auf zwei Lagen vertheilen; vielleicht giebt die Lage der beiden Kerne in Fig. 62 rechts immerhin meinen Angaben noch einige Stütze. Bei der großen Bedeutung, welche einmal die größere Zahl der Zellen, andererseits ihre Anordnung zu zwei Lagen für die Ver- gleichung mit anderen Augen hat, habe ich meine Präparate wiederholt sorgfältig auf diesen Punkt geprüft und bin meiner Sache ganz sicher. Der distale Zellkranz der Retinula wird von vier Zellen gebildet, deren pigmentirte Zellkörper zwischen sich einen auf dem Querschnitt vierzipfeligen vom Rhabdom erfüllten Raum einschließen (Fig. 64 a). Der proximale Zellkranz besteht nur aus drei Zellen, und das von ihren pigmentirten Theilen umschlossene Rhabdom hat einen nahezu dreieckigen Querschnitt (Fig. 645). Dadurch, dass im zweiten Zell- kranz weniger Zellen stehen als im ersten, erklärt sich, dass beide nicht ganz genau auf einander passen, und dass auf Medianschnitten die benachbarten Zellränder gegen einander verschoben sind, wie Fig. 62 es zeigt. Jede Retinulazelle trägt auf ihrer axialen Seite ein Rhabdomer als ziemlich breiten, dunkel färbbaren Saum. Die Rhabdomere eines Zellkranzes stoßen seitlich zusammen und bilden ein Rhabdom; in der Mitte bleibt jedoch ein axialer Hohlraum (Fig. 64). Die Zellen des distalen Kranzes weichen distal trichterförmig aus einander und mit ihnen die zugehörigen Rhabdomeren, welche auf diese Weise den Krystallzellen proximal anliegen (Fig. 62). Das Rhabdomer zeigt eine deutliche Querstreifung, die sowohl auf Längs- als auf Querschnitten zu sehen ist und die sich leicht durch die Annahme erklärt, dass es aus feinen dicht neben einander stehenden Stiftehen zusammengesetzt ist. Wenn ich nun auch die übrigen Erfordernisse zu einem echten Stiftehensaum, nämlich die Verlängerung der Stiftehen in Neurofibrillen und den Eintritt dieser letzteren in die Nervenfaser der Sehzelle, nicht nachweisen kann, so nehme ich doch an, dass wir es mit einem solchen zu thun haben; denn ich werde wiederholt beim Komplexauge der Insekten den vollständigen Nachweis erbringen können, dass die Rhabdomeren Stiftehensäume sind. In solcher Weise habe ich es denn auch auf Fig. 62 links in der schematischen Darstellung eines von Pigment befreiten Einzelauges gezeichnet. Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 413 Ob, wie FERNALD es angiebt, eine Basalmembran bei diesen Augen vorhanden ist, vermag ich nicht mit Sicherheit anzugeben; jedenfalls konnte ich an meinen Präparaten eine solche nicht erkennen. Die Augen von Zepisma sind desshalb hochwichtig für unsere weiteren Ausführungen, weil sie sich bei einer Thierform finden, die zu der jetzt allgemein als niedrigst organisirt anerkannten Insekten- ordnung gehört. Von diesem Gesichtspunkt interessirt uns ihre Über- einstimmung mit den Augen der Raupen und Phryganeidenlarven in der Zweischichtigkeit der Retinula, und dann die Zahl der Zellen, welche die Retinula zusammensetzen: sie ist insgesammt so groß wie in den meisten Komplexaugen höherer Insekten, und zugleich wie im Auge der Raupen und Phryganeidenlarven, nur dass bei diesen im distalen Kranz drei, im proximalen vier Zellen stehen, bei Zepisma dagegen umgekehrt. Weitere Folgerungen will ich weiter unten im Zusammenhange besprechen. 2) Augen von Orchesella (Taf. XIX, Fig. 65 u. 66). WILLEM (1897) hat gegenüber der Auffassung früherer Untersucher (LUBBOock, ÜARRIERE, FERNALD) zuerst festgestellt, dass die Augen der Poduren keine Stemmata sind, sondern in ihrem Aufbau den Augen von Lepisma und Machilis fast gleichen; wir haben hier »zusammenge- setzte (oder vielmehr gchäufte) Augen, in denen jeder Bestandtheil ein Ommatidium vom euconen Typus ist«. Später giebt WILLEM (1900) noch eine eingehendere Darstelluug, die sich auf die Untersuchung vieler Arten gründet, und kann noch eine zweite Augenform von etwas abweichendem Bau bei den Poduren nachweisen. Meine Untersuchungen beziehen sich auf die Augen von Orchesella rufescens Tullb.; die Ergebnisse derselben stimmen mit den Angaben WILLEM’s bis auf einen wichtigen Punkt überein. Die unverdickte Cutieula ist über dem Auge vorgewölbt. Unmittelbar unter ihr liegen zwei sehr flache Zellen mit großen Kernen, welche die corneagene Schicht bilden; ich konnte sie sowohl auf Längs- (Fig. 65) wie auf Querschnitten (Fig. 66) deutlich nachweisen; WILLEM fand sie bei Podura aquatica nicht. Der Krystallkegel ist bei Orchesella sphärisch ; eine Zusammensetzung aus einzelnen Segmenten konnte ich nicht an ihm nachweisen; wohl aber erkannte ich hier und da einen Kern an ihm (Fig. 69%%); glücklicher war WiLLEMm bei Podura: er konnte die vier zum Krystallkegel gehörigen Kerne leicht konstatiren, und zwar etwa in der gleichen Gegend, wo sie bei Orchesella liegen. So ergänzen sich also unsere Untersuchungen, und ich glaube annehmen 27* 414 Richard Hesse, zu dürfen, dass sowohl bei Podura wie bei Orchesella zwei cornea- gene und vier Krystallkegelzellen vorhanden sind. Zu Seiten des Kıystallkegels finde ich Pigment in sehr großen Körnern; besondere Zellkörper, die diese Körner umschließen, konnte ich nicht wahrnehmen. Die Retinula besteht bei Orchesella aus zwei Lagen von Zellen, wie bei Lepisma, und zwar sind vier distale und drei proximale Zellen vorhanden; die Fig. 65 zeigt diese beiden Lagen auf das deut- lichste, und ich konnte an allen genau median geführten Schnitten dieselben nachweisen. Die Zahl der Zellen, welche diese beiden Zellkränze zusammensetzen, lässt sich auf Querschnitten nachweisen. WILLEM ist auf die Zweischichtigkeit der Retinula nicht aufmerksam geworden; er lässt sie aus vier Zellen bestehen, die um eine Achse angeordnet sind. Aber seine Fig. 1, Tab. III, die in wohlthuendem Gegensatz zu den Abbildungen WarAse’s und FERNALD’s den Ein- druck großer Naturtreue macht, bietet einen Anhalt dafür, dass bei Podura wohl ähnliche Verhältnisse vorliegen: es springt nämlich in halber Höhe des Rhabdoms das Pigment von beiden Seiten her gegen die Achse etwas vor, ein ähnliches Verhalten, wie wir es bei Zepisma kennen lernten: hier dürfte die Grenze zwischen distalem und proxi- malem Zellkranz zu suchen sein. Die Kerne der Sehzellen waren bei Orchesella schwer nachweisbar, so konnten sie wohl auch WILLEM bei Podura entgehen, wenn er nicht seine besondere Aufmerksamkeit darauf richtete; die distalen Kerne giebt er in seiner Zeichnung an. Jede der Sehzellen trägt auf ihrer axialen Seite ein Rhabdomer: da zur Konservirung meines Untersuchungsmaterials lediglich starker Alkohol benutzt war, so ist es wohl dem zuzuschreiben, dass die Rhabdomere ein völlig homogenes Aussehen ohne ein Anzeichen von (Juerstreifung (Zusammensetzung aus Stiftchen) zeigen. Bei Orchesella stoßen die einzelnen Rhabdomere in der Mitte nicht völlig zusammen; auch bei Podura scheint, nach WILLEM’s Zeichnung, ein axialer Raum zu bleiben. Bei manchen Poduren, als deren Repräsentant Anurida maritima selten mag, hat WırLLem abweichend gestaltete Augen gefunden, die er als »Ocellen« bezeichnet; er findet bei ihnen eine bikonkave Cornea, darunter eine lentigene (corneagene) Schieht mit vier Kernen, und dann vier Retinulazellen. Diese Ocellen sind, wie die Ähnlichkeit in Lage und Zahl beweisen, homolog mit den euconen Augen der anderen Poduren, und WILLEM sieht in diesem Verhalten eine Stütze von GRENACHER’s Annahme, dass die Ommen des Komplexauges und (lie Ocellen zum gleichen morphologischen Typus gehören. — Ich Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 415 habe vergeblich versucht, befriedigende Schnitte durch diese Augen zu bekommen, an denen ich die Fragen hätte entscheiden können, die mich hier besonders interessiren: da ja die vier Zellen, welche Wirren als lentigene Schicht bezeichnet, offenbar den Krystallkegel- zellen in den euconen Augen entsprechen, fragt es sich, ob Homologa der zwei corneagenen Zellen vorhanden sind, die ich bei Orchesella finde; und zweitens wäre es wichtig zu wissen, ob etwa auch hier zwei Lagen von Sehzellen vorkommen. Dann erst kann man ent- scheiden, ob wir hier »Ocellen« oder acone Ommen vom Typus der- jenigen in den Komplexaugen vor uns haben. 3) Komplexaugen von Machilis (Taf. XIX, Fig. 67— 1). Meine Untersuchungen hierüber wurden am gleichen Material gemacht wie diejenigen über die Stirnaugen von Machelis. Dass wir bei diesem Thysanuren typische zusammengesetzte Augen finden, war schon lange bekannt. Eine eingehende Beschreibung derselben findet sich jedoch nur in Oupemans’ (1887) Monographie von Mach. mari- fima, da aber diese Darstellung unzulänglich und in vielen Punkten verfehlt ist, gebe ich hier eine genaue Schilderung dieser Augen, die in mehrfacher Beziehung interessant sind. Die beiden Komplexaugen stoßen auf dem Scheitel in einer Linie zusammen (Fig. 22), sind aber deutlich getrennt durch eine Scheide- wand langgestreckter pigmentirter Hypodermiszellen mit spindel- förmigen Kermen (Fig. 67 sw), wie OUDEMANS zutreffend schildert. Die Anordnung der Ommen im Komplexauge zeigt ein Blick auf den Querschnitt Fig. 67. Proximad ist das Auge durch eine Basalmembran abgegrenzt, welche die Fortsetzung der Basalmembran der benach- barten Hypodermis ist. Zu jedem Einzelauge gehört eine Cornealinse von schwach bi- konvexer Gestalt, deren innere Wölbung auf meinen Präparaten weit schwächer ist als die äußere (Fig. 68); OUDEMANS findet sie innen plan, eine nur geringe Abweichung, die sich aber kaum durch ver- schiedene Häutungszustände erklären lässt, wenn wirklich beiderseits reife Thiere untersucht wurden. — Proximal von der Linse finden sich jedes Mal zwei Zellen, die corneagenen Zellen. Sie sind von etwa bohnenförmiger Gestalt und kehren sich die konkave Kante zu (Fig. 69«); auf der abaxialen Seite sind sie dicker, gegen die axiale verdünnt; ihr Kern liegt etwas nach außen gerückt, ist länglich oval und enthält ein oder mehrere Kernkörperchen. Die beiden Zellen srenzen in der Mitte nicht immer genau an einander; es bleibt daher 416 Richard Hesse, dort eine geringe Strecke, auf welcher die unter ihnen liegenden Krystallkegelzellen direkt an die Linse grenzen; das würde an das Verhalten der Corneagenzellen bei Lepisma erinnern. Die Angabe von OUDEMANS, dass vier corneagene Zellen vorhanden seien, trifft bei den von mir untersuchten Arten sicher nicht zu und erscheint mir überhaupt verdächtig. Das Gleiche gilt für seine Behauptung, dass die corneagenen Zellen eine zusammenhängende Hypodermislage unter der Cuticula bilden; die zu einem Omma gehörigen corneagenen Zellen sind von denen der Nachbarommen stets durch einen Kreis von Pigmentzellen getrennt, die sich zwischen den Krystallkegeln weiter herab erstrecken (Fig. 68 u. 69a). Proximal schließt sich an die corneagenen Zellen sehr dicht der Krystallkegel an (Fig. 65%), seiner Gestalt nach hier eher ein Doppel- kegel, der distalwärts sehr stumpf, proximad sehr schlank ist. Er besteht aus vier gleichen Segmenten; die Kerne der vier absondernden Zellen liegen seiner Distalfläche dieht auf und bedecken sie bis auf eine kleine Stelle in der Mitte ganz (Fig. 695). Wir haben es hier mit echten Krystallkegeln zu thun, also Augen vom euconen Typus. Besondere Hauptpigmentzellen, wie sie nach OUDEMANS den Kegel in der Zahl von zweien umgeben, konnte ich nicht finden. Das Bündel der pigmentirten schlanken Hypodermiszellen, das sich zwischen die Kegel, sie umhüllend, einschiebt, kann man weder dem einen noch dem andern Omma zurechnen, wie am besten aus Querschnitten (Fig. 69 c) hervorgeht. An den Kıystallkegel schließt sich proximai die Retinula an. Die schlanken Retinulazellen, mit weit distad gelagerten Kernen, sind um die Augenachse angeordnet und tragen jede ein Rhabdomer, das jedoch nicht ganz bis an das distale Ende der Zelle reicht; ihre Zahl ist, wie man an vielen Stellen mit Sicherheit ermitteln kann, sieben — nicht sechs, wie OUDEMANS angiebt. Die Rhabdomere sind zu einem Rhabdom dicht an einander gelagert, jedoch nicht eigentlich mit einander verschmolzen; wenigstens erkennt man an Längsschnitten eine das Rhabdom in der Mitte theilende helle Linie (Fig. 68). Die Zellen sind mit rothbraunen Pigmentkörnchen erfüllt, die gegen das Rhabdom zu besonders dicht liegen. Zwischen dieser Pigmentgrenze und dem dunkel färbbaren Rhabdomer bemerkt man eine helle Zone; auf Längsschnitten (Fig. 68 schz) erscheint sie quer von zahlreichen Fibrillen durchsetzt; an Querschnitten, wo sie einen hellen Hof um den Rhabdomerquerschnitt bildet (Fig. 69 d, schz) verlaufen diese Fibrillen radiär. Es ist offenbar eine Schaltzone, wie wir sie schon öfter kennen Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 417 lernten. An den Rhabdomeren bemerkt man zuweilen auf Längs- schnitten eine feine Querstreifung und erkennt, dass die Schaltfibrillen sich mit dem Rhabdomer fest verbinden. Einen Übergang der Schalt- fibrillen in das Zellplasma, d.h. eine Fortsetzung derselben in Neuro- fibrillen, welche im Zellkörper gegen den Nervenfortsatz verlaufen, erkennt man in vielen Schnitten andeutungsweise; ganz genau konnte ich es an einem Schrägschnitt durch die Retinula verfolgen, der in Fig. 71 abgebildet ist. Aus diesen Befunden ergiebt sich mit Ge- wissheit, dass das Rhabdomer ein Stiftehensaum ist; das Rhabdom setzt sich also aus sieben Stiftehensäumen — entsprechend den sieben retinulazellen — zusammen. Jede Sehzelle zieht sich in eine Nervenfaser aus; die sieben Nervenfasern einer Retinula durchbohren zu einem Bündel vereint die Basalmembran und verlaufen zum Ganglion optiecum. — Zwischen den einzelnen Retinulae sind keine besonderen Pigmentzellen vorhanden. Die Augen der Apterygota zeigen in vielen Punkten große Ähn- lichkeit unter einander. Zwar scheinen die Augen von Machilis auf den ersten Blick recht verschieden von denen bei Zepisma und den Poduren; aber dieser Unterschied beruht in der Hauptsache darauf, dass die Ommen dieses Komplexauges so zahlreich sind und daher dieht gedrängt stehen, wodurch ihre schlanke Gestalt bedingt wird. Der Unterschied, dass bei Zepisma und den Poduren die Sehzellen in zwei Zellkränzen um die Augenachse geordnet sind, hat kein großes Gewicht, wie wir weiter unten nachweisen werden. Wie man die Augen von Machilis bisher mit den Komplexaugen der höheren Insekten homologisirt hat, so muss man das auch mit denen der übrigen Apterygoten thun (von dem Anurida-Typus einstweilen noch abgesehen), wie das auch ÜCARRIERE, FERNALD und WILLEM aus- drücklich hervorheben. Alle diese Augen weichen von den Komplexaugen der meisten höheren Insekten in einem Punkte ab: in dem Vorhandensein beson- derer corneagener Zellen, die sich stets in der Zweizahl für jedes Omma finden. Nur bei den Ephemeriden konnte Zimmer (1897) mit Sicherheit im Frontauge von Clodon Z' zwei Corneagenzellen nach- weisen — ich kann sie bestätigen — und vermuthet solche auch bei den Seitenaugen, und bei Periplaneta finde ich Andeutungen von solchen (vgl. unten). Also gerade bei den niedrigst stehenden Gruppen der pterygoten Insekten giebt es noch Reste von Üorneagenzellen. Einerseits kann man somit das Vorkommen von Corneagenzellen bei 418 Richard Hesse, den Apterygota nicht als trennenden Unterschied gegenüber dem Komplexauge der Pterygota angeben. Andererseits wird dies Ver- hältnis von Wichtigkeit für den Vergleich mit den Komplexaugen der Urustaceen. Bei diesen sind stets zwei Corneagenzellen nachgewiesen, und diese Eigenthümlichkeit bildete den Hauptunterschied zwischen den Augen von Insekten und Krebsen. Dass dieser Unterschied als bedeutungslos nachgewiesen wird, ist nicht unwichtig; denn in der schwebenden Frage, ob Crustaceen und Tracheaten gleichen oder getrennten Ursprungs sind, spielt die Ähnlichkeit ihrer Komplexaugen und die Frage, ob eine diphyletische Abstammung derselben denkbar ist, eine große Rolle, und je nach ihrer Stellung zur Hauptfrage könnten die Forscher auch kleinen Verschiedenheiten großen Werth beilegen. Wir werden gleich von dem Verschwinden der Üorneagen- zellen in der Reihe der Insekten noch genauer zu sprechen haben. Der Nachweis, dass die Rhabdomeren bei Zepisma nach Art der Stiftehensäume gebaut und dass bei Machilis zweifellos echte Stift- chensäume vorhanden sind, wird sich für die Rhabdome der pterygoten Insekten mehrfach wiederholen lassen, so dass wir auch darin eine vollständige Übereinstimmung finden werden. 4) Komplexaugen der pterygoten Insekten (Taf. XX, Fig. 72—87). Die allgemeine Morphologie dieser Augen bedarf kei- ner weiteren Aufklärung: GRENACHER (1879) hat uns gelehrt, wie das Omma des Komplexauges in seine Elemente zu zerlegen ist; er hat die einzelnen Theile nach ihrer cellulären Herkunft gesondert und somit die Basis geschaffen für alle ferneren Untersuchungen über diesen Gegenstand. Danach sind also für ein Einzelauge folgende Bestandtheile typisch: die Uutieula über dem Omma, welche oft linsen- förmig gewölbt eine Cornealinse bildet, wird abgeschieden von vier Zellen, die zugleich auch den Krystallkegel, wo ein solcher vorhanden ist, durch »innere Absonderung« bilden; die Retinula, proximal vom Krystallkegel, besteht (meist) aus sieben um eine Achse gruppirten, je in eine Nervenfaser auslaufenden Zellen, deren jede einen cuticu- laren Stäbehensaum (Rhabdomer nach Ray LANkESTER’s Benennung) abscheidet; diese Säume können zu einem einheitlichen Sehstab, dem Rhabdom, mehr oder weniger eng verschmelzen. Zu jedem Einzel- auge gehören ferner zwei Hauptpigmentzellen, die zu Seiten des Krystallkegels liegen. Die Nebenpigmentzellen sind in ihrer Zahl wechselnd; ich möchte betonen, dass man sie den einzelnen. Ömmen nicht zurechnen kann; sie sind indifferente Zellen, welche zwischen Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. N 29 den Ommen stehen, aber nicht etwa so, dass jedes Omma seinen eigenen Kranz von Pigmentzellen hätte. Betreffs der Forschungen, die GRENACHER’sS grundlegendem Werk vorausgehen, — es sind vor Allem die Untersuchungen von JoH. MÜLLER, LEYDIG, CLAPAREDE und M. ScHULTZE — kann ich auf den über- sichtlichen Berieht verweisen, der dort gegeben ist. Jedoch muss ich auf einige Untersuchungen näher eingehen, die nach GRENACHER angestellt wurden. Während die meisten Untersucher, so vor Allem CARRIERE und Viele nach ihm, GRENACHER’s Angaben vollauf bestätigten, gelangte PATTEn in seiner Arbeit »The Eyes of Molluses and Arthropods«< zu völlig anderen Ergebnissen. Wenn ich (1900) dem Theil von PArren’s Untersuchungen, der über Molluskenaugen handelt, das Verdienst zubilligen musste, neben vielem kritiklos Hingenommenen auch mancherlei gute Beobachtungen zu bringen, und diese nur durch Verquiekung mit einer bodenlosen Theorie falsch gedeutet zu haben, so muss dem Theil, welcher von den Arthropodenaugen handelt, auch dieses Verdienst fast gänzlich abgesprochen werden. Die geschickte Mache der Arbeit, welche durch Versenkung in feinste Einzelheiten den Schein größter Sorgfalt erweckt, die glänzende Technik, mit der die Figuren gezeichnet sind, so dass sie auch da, wo der Stift eine Lücke in der Beobachtung überbrückt, wie getreue Kopien der vor- bildlichen Präparate aussehen, und schließlich der Anschein der Vor- urtheilslosigkeit, welche sich »von der dem Wirbelthierauge entnommenen Schablone« befreit, haben PArrTEen’s Ansichten mehr Beachtung verschafft, als sie verdienen. Ich glaubte Anfangs, sie hier ganz übergehen zu dürfen, da sie Bestätigungen nur von Seiten eines oder zweier Nachuntersucher, sonst aber stets Widerlegungen erfahren haben — mit dem ewigen Durchziehen durch die Litteratur-Übersichten wird einer solchen Leistung zu viel Ehre angethan. Ich glaubte wie Chuun (1896), dies »Blendfeuerzeug« sei versprüht. Als ich jedoch fand, dass GEGENBAUR in seinem neuen Lehrbuch der vergleichenden Anatomie p. 913 die alte Leyvis’sche Auffassung, dass die Krystall- kegel die pereipirenden Theile im Komplexauge seien, offenbar auf Grund der PATTEN’schen Untersuchungen wieder zur Geltung kommen lässt, musste ich mich doch entschließen, Parrzx’s Konto hier nach- zurechnen und das Soll und Haben gegen einander abzuwägen; wır werden sehen was übrig bleibt! PATTEn giebt etwa folgende Schilderung vom Aufbau eines Omma des Komplexauges von Penaeus — auf diese Form basirt er 420 Richard Hesse, seine Ansichten, fünf oder sechs weitere hat er nebenbei noch ange- sehen: Unter der Cornealinse liegt eine besondere, für alle Ommen zusammenhängende corneagene Hypodermis. Krystallkegel und Rhabdom gehören organisch zusammen, und bilden einen Verband von vier Zellen, den »Retinophoren«; diese sind kranzförmig umgeben zunächst von sieben pigmentirten Retinulazellen, und dann von weiteren vier Pigmentzellen; alle diese Zellen reichen von der corneagenen Hypodermis bis zur Basalmembran, wobei ihre Zellkörper strecken- weise sich zu dünnen Fasern ausziehen. Dazu kommen noch eine Anzahl mit gelblicher fettartiger Masse erfüllte Zellen, welche die Basis des Ommas umgeben. Keine von all diesen Zellen geht direkt in eine Nervenfaser über, sondern es treten Nervenfasern an sie, nicht nur an die Retinophoren, sondern auch an die Retinula- und Pigment- zellen, heran, und verlaufen an ihrer Oberfläche oder auch zwischen den einzelnen Zellen, vielfache Ästchen abgebend. In der Achse zwischen den vier Retinophoren verläuft eine axiale, zahlreiche Ästehen abgebende Nervenfaser bis an das distale Ende der Retino- phoren. Diese Bauverhältnisse sollen nicht nur für Crustaceen, sondern auch für Insekten gelten. Betrachten wir jetzt gesondert die einzelnen Punkte der PATTEN- schen Behauptungen. Ob Kırystallkegel und Rhabdom zusammenhängen oder getrennt sind, ist freilich nicht immer leicht zu entscheiden; sonst würden nicht zwei so glänzende Beobachter wie LEYDIG und M. SCHULTZE darüber zu völlig verschiedenen Ansichten gelangt sein. Aber es sind durch GRENACHER Fälle bekannt geworden, die von vorn herein gegen einen solchen Zusammenhang sprechen mussten, nämlich solche, wo die sieben Rhabdomere nicht zu einem Rhabdom verwachsen, sondern setrennt bleiben und jedes der betrefienden Retinulazelle anhaftet, wie bei Tripula und Forfcula; wie vertheilen sich diese sieben Rhab- domere auf PATTEN’s vier Retinophoren? PATTEN kannte ja’ GRE- NACHER’S Werk; er musste ja die Schwierigkeit hier sehen — wenn el GRENACHER’S Ansichten widerlegen wollte, wesshalb versuchte er seinen Scharfsinn nicht daran? Oder wie steht es dort, wo die Enden der Rhabdomere den Krystallkegel trichterförmig umgeben wie bei Periplaneta — meine Abbildung (Fig. 72) beweist auf das überzeu- sendste, dass man hier kaum einen organischen Zusammenhang von Krystallkegel und Rhabdom annehmen kann. Eine große Anzahl von Beobachtern haben sich gegen PATtEn’s Auffassung ausgesprochen. Warase (1890) hat an PArren’s Objekt, Penaeus, die Trennung von Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VIr249] Krystallkegel und Rhabdom beobachtet; VIALLANES (1892) und RosEx- stapr (1896) haben bei Crustaceen ihre Aufmerksamkeit gerade aut diesen Punkt gerichtet und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Krystallkegel und Rhabdom differente Bildungen sind und in keinem Zusammenhang stehen. Für Insekten (Belostoma, Vespa) hat PATTEN (1890) selbst das Gleiche zugegeben. Wenn man vollends auf ein- fachere Augenformen sein Augenmerk richtet, z. B. Lepisma (Fig. 62), Orchesella (Fig. 65), Aega (Fig. 94), so kann kein Zweifel bestehen, dass an der Grundlage von PATTEn’s Anschauung, dem Zusammen- hang von Krystallkegel und Rhabdom, durchaus nichts Wahres ist, dass die Retinophoren PArren’s nicht als Einheiten existiren. In das Rhabdom soll eine axiale Nervenfaser eintreten, welche zwischen den vier Retinophoren verläuft und zahlreiche Seitenästchen absiebt. Kein Untersucher nach PATTEn hat eine solche Faser gefunden, und die Nervennetze zwischen den Segmenten des Krystall- kegels sind außer von der SzczawınskA (1890) von Niemand bestätigt worden. Nirgends müssten solche Bildungen so deutlich hervortreten als zwischen den getrennten Rhabdomeren von Forfeula und Trpula; ich habe Längs- und Querschnitte'von den Augen Beider untersucht und keine Andeutung davon finden können. Dagegen haben sich zahlreiche Untersucher davon überzeugt, dass jede der Retinulazellen mit einer Nervenfaser in organischem Zusammenhange steht, wie e8 GRENACHER angiebt. PARKER (1891, p-. 116) führt nicht weniger als 15 Krebsgattungen aus verschiedenen Abtheilungen auf, an denen er den Übergang der Retinulazellen in eine Nervenfaser beobachten konnte. Das Gleiche berichtet VIALLANES von Palinurus, CHuun beobachtete es bei den Tiefseeschizopoden, MILTz (1899) bei den Polyphemiden, RApzL (1900) bei Sgwzlla; dabei ist wichtig, dass sie sich Alle in bewussten Gegensatz zu PATTEN stellen, dass sie also die Möglichkeit eines gegentheiligen Verhaltens bei ihren Beobachtungen wohl erwogen und sich nicht schlechthin einer land- läufigen Ansicht angeschlossen haben. Ich selbst werde unten noch Gelegenheit nehmen, bei einer Anzahl von Insekten (Dyticus, Sphinz, Plusia, Macroglossa) den Übergang der Retinulazellen in ihre Nerven- fasern genau zu verfolgen. Dass die Rhabdome mit den Retinulazellen zusammengehören, ist von vielen Beobachtern neuerdings bestätigt worden; besonders einleuchtend ist es bei den Augen mit getrennten Rhabdomeren (Tipula, Forfieula). Die Rhabdome werden durch die Vertheilung des Pigmentes, welches das Licht oft von den übrigen Theilen der Seh- 4922 Richard Hesse, zellen ausschließt, als die lichtreeipirenden Theile der letzteren gekenn- zeichnet. Die meisten Autoren sehen in ihnen euticulare Absonderungen dieser Zellen. Ich kann jedoch den Nachweis innigsten Zusammen- hangs zwischen Rhabdomeren und Sehzellen liefern: wie ich oben für Machrlis zeigte, sind die Rhabdomeren Stiftehensäume der be- treffenden Zellen, d. h. sie bestehen aus den verdickten Enden feinster Fibrillen, welche die Körper der Zellen durchsetzen. Ein Cutieular- saum liegt seiner Zelle nur äußerlich an und ist von ihr durch eine scharfe Grenze getrennt; beim Stiftehensaum jedoch gehen unendlich viele feinste Fäserchen vom Rhabdomer zur Zelle; es ist nicht zu bezweifeln, dass beide eine Einheit bilden. PATTEN hat im Gegensatz zu GRENACHER eine ausgesprochene Zweischichtigkeit der Komplexaugen behauptet: die äußere Zelllage sollte von der corneagenen Hypodermis, die innere von der übrigen Retina gebildet werden. Dagegen haben die entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen von HErRICK und PARKER für Decapoden übereinstimmend nachgewiesen, dass die gesammte Retina aus einer Epithelschicht hervorgeht, in welcher die Zellen nur in ein verschie- denes Niveau rücken. Die Untersuchungen von REICHENBACH an Astacus, welche auch einer zweischichtigen Anlage der Retina das Wort reden, müssen wohl, wie CARRIERE (1890) dargelegt hat, umgedeutet werden. KıyGsLeyY kommt in seiner Untersuchung der Entwicklung des Komplexauges von Crangon zu Deutungen, die ganz mit denen PArTTEn’s übereinstimmen; was kann aber von seinen Angaben in einem so schwierigen Gebiete zu halten sein. wenn er selbst zugeben muss (p. 50), dass die Zellgrenzen in seinen Schnittpräparaten nur selten sichtbar waren und er desshalb fast nur mit Kernen und nicht mit Zellen operiren kann! Es ließen sich diese Zeugnisse gegen PATTEN wohl leicht noch vermehren; ich habe mich mit den mir gerade bekannten begnügt. Von selbständigen Untersuchern hat sich außer KınGsLEy, dessen Zustimmung oben schon gewürdigt wurde, meines Wissens nur die SZCZAWINSKA an PATTEN’s Deutung angeschlossen; es mag mir auch hier einer oder der andere entgangen sein. Gewicht haben diese Stimmen bei solchem Stande der Dinge keines. Was bleibt nun von PArrEn’s Errungenschaften ? Nichts als der Befund, dass eine besondere Corneagenlage in den Komplexaugen vorhanden ist. Und auch da ist noch viel einzuwenden. Zunächst einmal hat CLaus (1879) schon vorher bei Phronima zwei besondere Corneagenzellen beschrieben. Weiter glaubte Parrex solche Zellen Unters. über die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 493 sowohl bei Crustaceen wie bei Insekten annehmen zu können; für Crustaceen hat sich seine Annahme bestätigt: CARRIERE, HERRICK, WATASE, PARKER, CHun, Mivtz und viele Andere haben sie ebenfalls sesehen. Anders bei Insekten: PArrEen will bei Musca und Mantıs Corneagenzellen gesehen haben. Bei Musca habe ich nichts davon finden können; für Mantis ist eine Nachuntersuchung wünschenswerth, da das wahrscheinliche Vorkommen solcher Zellen bei Periplaneta es als nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, dass sie auch sonst bei dem einen oder anderen Orthopteren vorhanden sind. Sonst aber kennt man solche nur bei Clo&o» und den Apterygota; bei den höhe- ren Insekten wird die Cornea von den Krystallkegelzellen abgeschie- den. Endlich bilden die corneagenen Zellen da, wo sie vorkommen, meist keine zusammenhängende Lage; zwischen den zu den einzelnen Ommen gehörigen Zellpaaren reichen die Pigsmentzellen bis an die Cornea heran und trennen so die Corneagenkomplexe. Also auch dieser Befund ist nicht neu, und dazu vom Finder mit Irrthümern verquickt. Immerhin. ist es doch eine Thatsache, die PArrEN, wenigstens für die Decapoden, zuerst erkannte. Erquick- licher freilich wäre es, wenn man dies Goldkorn nicht aus so viel Spreu heraussuchen müsste, und wenn der Autor mit weniger Auf- wand überlegenen Triumphirens sein bescheidenes Ergebnis in ein bescheidenes Gewand gekleidet hätte. — Die Komplexaugen der Insekten und die der Crustaceen zeigen eine weitgehende Übereinstimmung, einmal in der Anordnung. der einzelnen Theile zu einander; dann aber, was besonders beachtens- werth ist, in den Zahlenverhältnissen: speciell dem Vorhandensein von vier Krystallkegel- und meist sieben Retinulazellen. Es giebt dabei zwar Abweichungen; aber es fragt sich immerhin, ob diese nicht sekundärer Natur sind; jedenfalls hat sich durch neuere Unter- suchungen eine Anzahl dieser Differenzen beheben lassen: so fand Caun (1896) bei den Schizopoden, dass außer den beiden krystall- kegelbildenden noch zwei weitere »SEMPER’sche Zellen« vorhanden sind, die sich aber nieht an der Bildung der Krystallkegel betheiligen, so dass hier die typische Vierzahl sichergestellt ist; eben so konnte Mivrz (1899) bei den Polyphemiden außer den fünf mit Rhabdomeren ausgestatteten Sehzellen noch zwei weitere rudimentäre wahrscheinlich machen, sö dass hier die typische Zahl sieben erreicht ist. Die Iso- poden, bei denen die meisten Abweichungen in der Zahl der Elemente: vorkommen, sind eine so eigenartig specialisirte Gruppe, und ihre 424 Richard Hesse, Sehorgane auch unter sich mannigfach verschieden, dass die Zahl- abweichungen, die wir hier finden, nicht so schwer wiegen. Bei den Insekten kann ich für zwei Formen, bei denen GRENACHER nur vier Sehzellen anzunehmen geneigt war, nämlich Periplaneta orientalis und Dyticus, das Vorhandensein von sieben solchen nachweisen — und so wird voraussichtlich noch manche bisher angenommene Unregel- mäßigkeit sich beheben lassen. Es bleiben aber noch zwei Unterschiede zwischen den beiderlei Komplexaugen, die wir etwas genauer ins Auge fassen müssen. Ein- mal sind bei den Urustaceen in jedem Omma zwei Corneagenzellen vorhanden, die bei den meisten Insekten fehlen. Dann finden wir bei den Insekten mit großer Regelmäßigkeit den Krystallkegelzellen eng anliegend die beiden Hauptpigmentzellen GRENACHER’s; diese wiederum fehlen den Crustaceen; nur bei Zyperia erwähnt GRENACHER (1879 p. 112) zwei Zellen, die am Vorderende der Retinula liegen, glaubt aber, dass sie abortiv gewordene Sehzellen vorstellen, welche der Retinula zur Ergänzung der typischen Siebenzahl noch fehlen, und eben so schwankt Mırrz (1899), ob er bei den Polyphemiden zwei ähnlich gelegene Zellen als Hauptpigmentzellen oder abortive Retinulazellen auffassen soll, entscheidet sich aber für das Letztere. Die beiden Hauptpigmentzellen der Insekten dagegen findet GRENA- CHER bei allen Arten mit Ausnahme von Phryganea, wo sie ihm ent- sangen seien; vielleicht sind sie dort so unbedeutend wie bei Chry- sopa perla, wo ich die beiden zugehörigen kleinen Kerne regelmäßig am Krystallkegel in der Nähe seiner proximalen Spitze finde. Bei Liparis und anderen Dämmerungsfaltern erwähnt GRENACHER zwar im Text, dass die Hauptpigmentzellen oft eine sehr geringe Entwick- lung haben, zeichnet sie aber nicht; dagegen hat CARRIERE (1855) in einer Kopie der Fig. 90 GRENACHER’s die Kerne der Hauptpigment- zellen eingezeichnet, und ich habe dieselben bei Plusia gamma (Fig. 52) und Macroglossa stellatarum (Fig. 79) deutlich gesehen und gezeichnet. Wenn nun die Crustaceen in jedem Omma distal zwei Zellen haben, die den Insekten fehlen, die Insekten aber zwei Zellen im distalen Abschnitt des Omma, die den Crustaceen fehlen, so liegt der . Gedanke nahe, ob nicht beiderlei Zellen gleichen Ursprungs sind, ob nicht die Corneagenzellen der Crustaceen den Hauptpigmentzellen der Insekten homolog sind. Dann müssen in den Komplexaugen derjeni- sen Insekten, bei denen wir Corneagenzellen finden, die Hauptpigment- zellen fehlen. Thatsächlich haben wir in den Augen der Apterygota keine Hauptpigmentzellen gefunden; bei Machilis behauptet zwar Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 425 ÖUDEMANS die Anwesenheit zweier solcher Zellen zu Seiten des Krystallkegels; ich konnte aber keine Spur davon erkennen. Nach ZIMMER sollen Corneagenzellen bei den Ephemeriden fast durchgehends vorhanden sein; Kerne derselben konnte er allerdings mit Sicher- heit nur im Frontauge von Clödon nachweisen; dort habe auch ich sie gefunden und habe zugleich die Hauptpigmentzellen am Krystall- kegel vermisst; dagegen fand ich an dem Seitenauge desselben Thieres deutliche Hauptpigmentzellen, aber keine corneagenen Zellen. Bei Periplaneta finde ich Andeutungen von Üorneagenzellen: vor dem Krystallkegel zwei helle Bezirke mit darin gelegenen Resten von Kernen (Fig. 72cz), welche sich stark färben; Hauptpigmentzellen konnte ich keine finden — auch GRENACHER bildet keine ab, bemerkt aber dazu, dass diese Zellen in dem zu Grunde gelegten Präparate zu sehr zerstört waren, um wiedergeseben werden zu können; eine positive Angabe über deren Vorhandensein macht er nicht. — Außer- dem möchte ich daran erinnern, dass bei ZLepisma die Lage der Cor- neagenzellen derart ist, dass sie nicht zwischen Krystalikegel und Cornealinse, sondern seitlich von dem Krystallkörper liegen (Fig. 62), so dass hier schon eine Betheiligung der Krystallkegelzellen am Auf- bau der Cuticula stattfindet. Das wäre also ein Übergang zu dem Zustand bei den höheren Insekten, wo die Krystallkegelzellen allein die Cornea absondern; wir können uns wohl denken, dass bei solcher Anordnung in Folge näheren Zusammenrückens der vermehrten Ommen die Corneagenzellen von der Cornea abgedrängt werden und sich an den Krystallkegel anlagern: sie werden zu Hauptpigmentzellen. Dass aber der Vorgang wahrscheinlich in ähnlicher Weise statt- gefunden hat, und dass die Hauptpigmentzellen wirklich ursprünglich die Lage der Corneagenzellen hatten, lehrt die Entwieklungsgeschichte. JOHANSEN (1895) schildert die Entwicklung der Hauptpigmentzellen bei Vanessa urticae wie folgt: In einem gewissen Stadium finden wir in der Augenanlage drei Regionen von Zellkernen, von denen die distale und mittlere durch einen größeren kernleeren Raum getrennt sind. Die Kerne der distalen Region gehören zu denjenigen Zellen, »die sich im Verbande mit den übrigen Zellen der Augenepidermis an der Ausscheidung der die Augen überziehenden Puppenhülle be- theiligt haben, und deren Funktion im Imagoauge, wie es sich er- warten lässt, wenn man vom Bau des ausgebildeten Auges ausgeht, darin bestehen müsste, die Cornealinse und den Krystallkegel zu bilden. Mit anderen Worten, die Kerne müssten nach CLAPAREDE als die Seuper’schen bezeichnet werden...... Wie sehr man sich 426 Richard Hesse, aber bei einer derartigen, vom Bau des ausgebildeten Organs aus- sehenden Beurtheilungsweise irren kann, lehrt das Verhalten der Kerne der distalen Kernzone im Laufe der weiteren Entwicklung. Anstatt nun auch weiter in ihrer Lage an der Oberfläche der Augen zu verharren, treten in deutliche Beziehung zur Oberfläche des Auges Zellen, deren Kerne der mittleren Kernzone angehören, die aber im Laufe der Entwicklung vollständig in die distale Zone übergehen, während andererseits die primär in der distalen Zone befindlichen Kerne hinunterrücken und sich zwischen die eben erwähnten, sekun- där distal gelagerten Kerne und die Kerne der mittleren Zone lagern. « Weiter unten wiederholt er: »Später rücken diese Kerne in tiefere Schichten, es findet die erwähnte Verlagerung statt, und die Zellen werden zu den Hauptpigmentzellen oder Pigmentzellen I. Ordnung. « Fassen wir zusammen: wo bei den Insekten Corneagenzellen vor- handen sind, fehlen die Hauptpigmentzellen; wo die ersteren fehlen, finden wir stets die letzteren; entwicklungsgeschichtlich liegen die Hauptpigmentzellen (wenigstens bei Vanessa) ursprünglich distal von den Krystallkegelzellen und rücken erst sekundär an ihren endgültigen Platz. Danach glaube ich getrost annnehmen zu dürfen, dass bei den Insekten Corneagenzellen und Hauptpigmentzellen homolog sind, und da man die Corneagenzellen der Insekten mit denen der Crustaceen, bei der sonstigen Übereinstimmung der beider- seitigen Komplexaugen, doch wohl homolog setzen muss, dürfen wir auch die Hauptpigmentzellen der Insekten mit den Corneagenzellen der Crustaceen homologisiren. Damit ist wieder einer der Unterschiede zwischen den Komplexaugen der In- sekten und der CUrustaceen aus der Welt geschafft. Was die Retinulae der Insektenaugen angeht, so möchte ich zunächst diejenige von Periplaneta orientalis wegen ihres besonderen Verhaltens etwas eingehender besprechen (Fig. 72). Die Retinulazellen erstrecken sich hier distad etwa bis an die Mitte der Krystallkegel, und tragen bis an ihr Ende das Rhabdomer. Die Rhabdomeren weisen so deutlich, wie ich es bei keinem anderen Insekt gefunden habe, sowohl an Längs- als an Querschnitten (Fig. 73) durch das Omma eine Querstreifung auf, so dass man auf eine Zusammensetzung aus Stiftchen schließen muss; bei Schnitten, an denen das Rhabdom eben oberflächlich angeschnitten ist, erkennt man in ihm viele kleine Pünkt- chen, die Querschnitte der Stiftehen. An seinem abaxialen Ende hat Jedes Stiftehen eine kleine Anschwellung, ein Knöpfchen, und nach Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 427 außen von der Grenze, welche diese Knöpfchen bilden, liegt eine helle Zone des Zellplasmas, von den Schaltfibrillen durchzogen. Im übrigen Theil der Zelle allerdings ist das Plasma so dicht granulirt, dass auch auf ganz dünnen Schnitten eine Verfolgung der Fibrillen unmöglich ist. Ich glaube trotz der hierin bestehenden Unvollkommenheit der Beobachtung, dass wir einen echten Stiftehensaum vor uns haben. Die Retinula dieses Auges ist noch besonders interessant durch die Lage der Kerne. Es sind sieben Kerne von Sehzellen vorhanden, aber nur vier davon liegen am distalen Ende der Retinula, etwa in der Höhe des proximalen Endes des Krystallkegels (Fig. 72 u. 73a), die drei übrigen Kerne finden wir in halber Höhe der Retinula.. Dem entsprechend lassen sich auch im distalen Abschnitt nur vier Seh- zellen erkennen — bei der Deutlichkeit der Zellgrenzen ist es aus- geschlossen, dass ich hier irre; weiter proximal sieht man dann einige Zellkörper sich einschieben, und in der Höhe der drei proximalen Kerne, welche nicht selten auf dem gleichen Querschnitt (Fig. 732) setroffen sind, kann man an günstigen Schnitten die Grenzen von sieben Retinulazellen unterscheiden; an solehen Querschnitten erkennt man aber auch, dass hier die drei mit Kernen versehenen Zellen den Hauptantheil an der Bildung des Rhabdoms nehmen, während dieses distal nur von den vier Rhabdomeren der dort liegenden Zellen ge- bildet wird. Dem entsprechend giebt GRENACHER, dem die Kerne der Retinulazellen nicht erkennbar waren, an, dass das Rhabdom im distalen Theile deutlich die Zusammensetzung aus vier Einzelstäbehen zeigt, »denen wohl sicher eben so viele Zellen zugehören«, während es proximal einen runden Querschnitt hat, an dem allerdings die vier Trennungslinien noch nachweisbar sein sollen. Es ist also in dem Omma von Periplaneta noch eine Andeutung von Zweischichtigkeit der Retinula vorhanden, wie wir sie bei den Poduren und Lepisma finden: vier Zellen liegen distaler, drei proxi- maler, und zwar nicht bloß bei den Kernen, sondern auch bei den Zellkörpern scheint diese Vertheilung auf zwei Schichten zum Aus- druck zu kommen, wenn auch hier die Sonderung nicht so klar durchgeführt ist wie bei jenen Apterygoten, sondern die distalen und proximalen Sehzellen sich mehr zwischen einander geschoben haben. An Längsschnitten kann man daher von soleher Zweischichtigkeit nichts mehr erkennen, vor Allem keine Trennung innerhalb des Rhab- doms; nur hier und da glaubte ich die Andeutung einer Zellgrenze etwas distal von einem der proximalen Kerne zu bemerken, muss aber gestehen, dass keine dieser Beobachtungen einwandsfrei war. — Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 28 4928 Richard Hesse, Die Beschaffenheit der Rhabdomeren konnte ich ferner besonders an den Retinulae der Aeschna-Larven mit Erfolg studiren. Auf Median- schnitten lässt sich zwar hier keine Zusammensetzung des Rhabdoms aus Stiftehen erkennen, ja es treten nicht einmal die an einander stoßenden Rhabdomeren getrennt hervor. Wohl aber ist an den axialen Seiten der Retinulazellen die Zone der Schaltfibrillen außer- ordentlich deutlich (Fig. 74), und man kann auch wiederholt Fibrillen, wenn auch nur andeutungsweise, in das Plasma verfolgen und proxi- mad umbiegen sehen. Eine fibrilläre, der Achse parallele Struktur des Plasmas lässt sich in den abaxialen Theilen der Sehzellen deutlich erkennen. In Ergänzung hierzu zeigen Querschnitte (Fig. 75), dass die Schaltfibrillen ohne Grenze in die Rhabdomeren übergehen, welche ihrerseits nicht durch eine scharfe Linie vom Zellplasma getrennt erscheinen. Wir können also auch hier die Rhabdomere als Stiftchen- säume mit verschmolzenen Stiftchen auffassen. — In merkwürdiger Weise unterscheiden sich die Retinulae bei einer Anzahl von Nachtfaltern, die ich untersuchte (Sphinz ligustri L., Sphinz euphorbiae L., Macroglossa stellatarum L., Plusiau gamma L.), von denen anderer Insekten. Während nämlich gewöhnlich die Einheitlichkeit des Epithels, aus dem die Komplexaugen sich entwickelt haben, da- durch angedeutet ist, dass sich zwischen Cuticula und Grenzmembran des Auges keine weitere Scheidewand einschiebt, treffen wir hier, besonders ausgesprochen bei Macroglossa (Fig. 79) und Plusia (Fig. 82), weniger deutlich, aber doch sichtbar bei Sp/rnz eine Schaltmembran (sm), welche sich nahe dem distalen Ende der Rhabdome, parallel der Grenzmembran quer durch das Komplexauge durchzieht, und es so gleichsam in einen distaleren und einen proximaleren Abschnitt theilt. Bei Macroglossa kann man auch die Natur dieser Scheidewand klar erkennen: es reichen nämlich die großen Pigmentzellen, die gleichsam das Fachwerk bilden, in dem die Retinulae stecken, nur bis an diese Membran; die Rhabdome, welche in ihrer größeren Aus- dehnung proximal von der Schaltmembran liegen, sind durch andere Pigmentzellen von einander getrennt, deren Kerne wir nahe der eigentlichen Grenzmembran finden (in Fig. 79 auf der Höhe des Pfeiles g, vgl. auch Fig. SOe, pzA;). Ähnlich scheint es bei P/usia zu stehen, bei Sphinz konnte ich das genaue Verhalten nicht ergründen. Es ist danach anzunehmen, dass die Schaltmembran der ursprünglichen Basalmembran der epithelialen Augenanlage entspricht, und dass die Sehzellen mit ihren proximalen Enden über die Erstreckung des ur- sprüngliehen Epithels hinausgewachsen sind, wie v. LENHOSSER und Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 429 auch ich (1900) das für die Sehzellen der Cephalopoden anzunehmen seneist sind. Die basale Grenzhaut des ganzen Auges würde bei diesen Schmetterlingen dann nur zum Theil derjenigen bei anderen Insekten entsprechen, die wahre Basalmembran wäre jene, die wir oben als Schaltmembran bezeichnet haben. Die Pigmentzellen, welche in dem Raum zwischen Schaltmembran und Grenzmembran gelegen sind, müssten wir dann entweder für ausgewanderte Epithelzellen halten, oder einen bindegewebigen Ursprung derselben annehmen. Durch diese Verhältnisse wird ein interessantes Licht geworfen auf die Lage des Tracheentapetums, welches bei den Nachtschmetterlingen von LEYDIG entdeckt wurde. Diese feinen Tracheenästchen in der Umgebung des Rhabdoms liegen alle proximal von der Schaltmembran; wenn wir nun diese als innere Grenze der ursprünglichen epithelialen Augenanlage ansehen, so dringen die Tracheen hier also nicht in ein Epithel ein, sondern verbreiten sich unter demselben. Die Angabe, dass auch bei Tagschmetterlingen und Libellen Tracheen- äste in das Komplexauge eindringen, bedarf der Revision; hier würden die Tracheen in das Epithel eintreten — was zwar nicht undenkbar ist (wir brauchen nur an die intraepithelialen Blutgefäße zu denken), aber sicher ungewöhnlich. Das Rhabdom liegt in seiner größten Erstreckung zwischen Schalt- und Grenzmembran; nur ein kleiner Abschnitt, etwa von Kegelgestalt, der die gleiche Färbung wie das Rhabdom zeigt, sitzt der Schalt- membran distal auf. Distal erstreckt sich von ihm aus die Retinula als ein feiner Faden in der Achse des Ommas bis zu der Spitze des Krystallkegels (Figg. 79, 805, 82, r'). In sehr merkwürdiger Weise wechselt die Lage der Sehzellkerne bei den drei Gattungen. Bei Plusia (Fig. 82 szk) finde ich sie in der gleichen Lage wie GRENACHER bei Ziparis oder mehr noch bei Zriphaena angiebt; der von dem distalen Rhabdomende zum Krystallkegel verlaufende Faden stößt distad an einen inneren Anhang des Krystallkegels, welcher, ent- sprechend seiner Viertheiligkeit, wohl als Abschnitt des letzteren anzusehen ist; etwas proximal davon ist der Faden verdickt und enthält hier die sieben Retinulazellkerne; der Faden muss also als Bündel der sehr verschmälerten Zellkörper der Sehzellen aufgefasst werden; sonst sind bis an die Grenzmembran keine Kerne in der Retinula zu finden. — Bei Macroglossa ist die Gestalt der Retinula die gleiche: ein dickes Rhabdom, vorn in einen feinen Faden ausge- zogen; die Kerne aber liegen hier in dem Theile, welcher dem Rhabdom distal von der Schaltmembran aufsitzt (Fig. 9s2%, Fig. 81); auch hier konnte ich sieben Kerne zählen; es ist mir aber nicht unwahrscheinlich, dass mir einer entgangen ist; denn Querschnitte dicht unterhalb der Kernregion (Fig. 80c) zeigen acht Abschnitte des 28* 430 tichard Hesse, Rhabdoms, was auf acht Retinulazellen deutet. Bei Sphinz endlich haben wir wieder die gleiche Gestalt der Retinula, die Kerne aber liegen proximal vom Rhabdom, zwischen diesem und der Grenz- membran und theilweise gerade in den Zelltheilen, die durch diese Membran durchtreten, bei Sphinz euphorbiae (Fig. (Sa u. b), proximal von der Grenzmembran bei Sphinz higustri (Fig. 7X e). Die Rhabdome sind bei den drei Gattungen etwas verschieden gestaltet. Bei Sphinz ligustri zeigt das Querschnittsbild (Fig. 77a) matt- sefärbte Säume, die einem schmalen Rest des Zellkörpers nach der axialen Seite aufsitzen; der letztere ist dunkel gefärbt und erscheint zusammengesetzt aus einer großen Anzahl von Punkten. Die etwas unregelmäßige, wechselnde Anordnung der Rhabdomere zeigt die Fig. 77a. An einem Längsschnitt (Fig. 76«), der etwa in der Rich- tung des Pfeiles A in Fig. 77a geführt zu denken ist, sieht man an den Rhabdomeren eine außerordentlich deutliche Querstreifung; da am Querschnitt eine solche kaum sichtbar ist, müssen wir hier an geschichtete Plättchen denken, die wahrscheinlich jedes einzelne durch Verschmelzung einer Anzahl von Stiftehen entstanden sind, wie ich (1900) das für die Plättchensätze der Heteropoden wahrscheinlich gemacht habe. Der Rest des Zellkörpers erscheint an einer Stelle, wo er sich ein wenig abgehoben hat (Fig. 765), aus feinen Fibrillen zusammengesetzt, zwischen denen wenige dunkel gefärbte Körnchen liegen; wahrscheinlich stehen die Fibrillen mit den Plättchen des Rhabdomers in Verbindung, so dass wir auch hier einen metamor- phosirten Stiftchensaum hätten. In der Nähe der Grenzmembran hat das Rhabdom einen unregelmäßig in kurze Zipfel ausgezogenen, homogenen Querschnitt (Fig. 775); in den Zipfeln, deren Zahl 7 oder S beträgt, finde ich oft dunkler gefärbte Punkte; jenseits der Grenz- membran geht der Schnitt durch die zu Nervenfasern verschmälerten Enden der Retinulazellen, in denen sich hier auch die Kerne finden: ich zählte acht solche Querschnitte — im Rhabdom ist die Zählung schwierig, weil die Grenze der Rhabdomere nicht immer leicht anzugeben ist: ich zählte zuweilen sieben, zuweilen acht Rhabdomere. Danach glaubte ich acht Sehzellen annehmen zu dürfen, eine Zahl, die GRENACHER auch von den Hymenopteren angiebt. Bei Plusia sind die Rhabdomeren in ihrer Anordnung auf den (Quersehnitten (Fig. 83 d) ähnlich wie GRENACHER für Zipar:s abbildet: gegen das proximale Ende des Rhabdoms ändert sich das Bild etwas (Fig. 83e); während ich distal nur sechs Rhabdomere zählen konnte, kommt proximal ein siebentes-rudimentäres dazu. Bei der Kleinheit Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 431 dieser Bildungen konnte ich nicht entscheiden, ob hier ein Stiftchen- saum vorliegt. Am seltsamsten ist das Rhabdom bei Macroglossa beschaffen. Querschnitte dicht hinter den Retinulakernen (Fig. 80c), deren ich freilich nur sieben zählen konnte, zeigen ein achttheiliges Rhabdom, dessen Theile dicht gleichmäßig punktirt sind; weiter proximal sind die Grenzen der Rhabdomabschnitte geschwunden, die Querschnitte Fig. SOd) zeigen neben feinen Punkten eine Anzahl gröbere, dunkel sefärbte, bis endlich ein bedeutend schmälerer Komplex dicker, dunkel sefärbter Fasern vorhanden ist (Fig. 30e), die so dicht liegen, dass man ihre Zahl nicht genau bestimmen kann. Noch weiter proximal (Fig. 80 f) sind die acht zu der Retinula gehörigen Nervenfasern um eine mittlere, dicke, neunte Faser gruppirt; die acht Nervenfasern entsprechen den acht Rhabdomtheilen, die mittlere gehört wohl zu derselben Zelle wie der Kern, den man am proximalen Ende des Rhabdoms findet (Fig. 79 bei *); ob auch sie eine Nervenfaser ist, weiß ich nicht; wahrscheinlich gehört zu der gleichen Zelle auch der dunkel färbbare Körper, der proximal von dem erwähnten Kern liegt, und den ich nicht zu deuten vermag. Eine ähnliche Bildung haben wir vielleicht in jenem Zellkern zu sehen, der bei Plusı« (Fig. 82 bei *) proximal von der Grenzmembran in dem Nervenbündel jedes Ommas wiederkehrt. Ob auch die Kerne proximal von der Basal- membran bei Dyticus (Fig. 86s2%?) mit jenen zu vergleichen sind, wäre zu erwägen. — In den acht Rhabdomtheilen sieht man keinerlei Differenzirung zwischen Zellkörper und Rhabdomer, auch keinerlei Querstreifung, vielmehr eine deutliche Längsstreifung (Fig. 81 RA), welcher auf den Querschnitten die feinen Punkte entsprechen. Ich kann mir keine andere Erklärung dafür denken als die folgende: die Fibrillen, welche das längsgestreifte Aussehen der Rhabdomtheile bewirken, entsprechen den Fibrillen, die sonst im Zellkörper entlang laufen und in den Stiftchen des Rhabdomers endigen; sie wären also Neurofibrillen. In unserem Falle nun gehen die Fibrillen nicht in Stiftehen über, die einen Stiftehensaum zusammensetzen und das eigentlich lichtreeipirende Ende der Fibrille ausmachen würden; sie sind vielmehr ihrer ganzen Länge nach in ähnlicher Weise umgebildet, wie bei andern Insekten nur ihre Enden, die Stiftchen: sie sind selbst zu receipirenden Elementen geworden und der Stiftchensaum ist damit weggefallen. Das ist freilich nichts als eine Vermuthung. Weiter ausgedehnte Untersuchungen werden vielleicht durch Auffinden von Übergangsformen Licht hierüber schaffen können. — 432 Richard Hesse, Zum Schluss will ich noch über die Rhabdome von Dyticus marginalis L. berichten. Dies vierkantige Rhabdom gehört nicht zu vier Zellen, wie GRENACHER nach seiner Gestalt vermuthete: ich konnte vielmehr sechs gut ausgebildete und eine siebente rudimentäre, d.h. an das Rhabdom nicht heranreichende Retinulazelle zählen (Fig. 84), deren Vertheilung so ist, dass an zwei gegenüber liegenden Kanten je eine, an den beiden anderen je zwei Zellen liegen; wenn GRENACHER in der kernhaltigen Anschwellung am vorderen Ende der Retinula sechs Kerne zählen konnte, so gehören diese wohl zu den funktionirenden Retinulazellen. Einen weiteren Kern findet man in dem Nervenbündel proximal von der Basalmembran des Auges (Fig. 86s2%?); doch kann ich nicht sicher behaupten, dass er zu der rudimentären Zelle gehöre; nur die ausnahmsweise Stellung von Zelle und Kern legt eine solche Vermuthung nahe. An sehr dünnen Längs- schnitten durch die Rhabdomere sahich dieselben quergestreift (Fig. 86 stz), eben so erscheinen sie auf besonders dünnen Querschnitten (Fig. 85): also auch hier offenbar eine Zusammensetzung aus Stiftehen. Das Zellplasma, vor Allem die Nervenfaser, in die es übergeht, zeigen deutlichste fibrilläre Streifung, und es steht zu vermuthen, dass auch hier die Rhabdomere echte Stiftchensäume sind. An der Basis jeder Retinula hört das Rhabdom eine Strecke weit von der Basalmembran auf; die an die Retinazellen ansetzenden Nervenfasern weichen aus einander (Fig. 86), und in dem so geschaffenen Raum liest axial eine Zelle mit großem Kern, die sich proximad in eine Nervenfaser auszieht, distad aber einen stark färbbaren Auf- satz trägt, der besonders da, wo er der Zelle aufsitzt, eine Längs- streifung erkennen lässt: an Querschnitten (Fig. 87a) erscheint dieser Aufsatz zweitheilig — ich kann aber keine Erklärung für diese Theilung geben. Was mag dies für ein Gebilde sein? Man sieht durch ‚die Basalmembran acht Nervenfasern durchtreten (Fig. 87e): sechs davon gehören zu den funktionirenden Sehzellen, die siebente mag der rudimentären zugehören: die achte Faser aber kann nur von dieser basalen Zelle kommen. Letztere ist also eine Zelle nervöser Natur; da nun ihr Aufsatz der Substanz der Rhabdomeren sehr ähnlich gefärbt ist und beim Übergang in die Zelle eine fibrilläre Auffaserung zeigt, so möchte ich ihn mit einem Rhabdomer gleichstellen und als Stiftchensaum betrachten. Man findet meist sieben, in manchen Augen, z.B. bei den Hymenopteren, acht funktionirende Sehzellen; die An- nahme, dass hier eine dieser Zellen rudimentär geworden ist, würde freilich die gewöhnliche Zahl der Sehzellen schon herstellen. Ich Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 433 möchte aber außerdem vermuthen, dass hier eine der Sehzellen in die Tiefe gesunken und nun zur basalen Zelle geworden ist — dann wären bei Dyticus vielleicht ursprünglich acht Sehzellen, wie bei den Hymenopteren, vorhanden gewesen. Was für eine Bedeutung mag aber diese basale Sehzelle haben? Ich glaube, dass sich die Erscheinung in folgender Weise befriedigend erklären lässt. Im Auge von Dyticus finden nach Exxer’s Versuchen unter dem Einflusse des Lichtes Pigmentverschiebungen statt, derart, dass am Tage nur die lichtschwächeren Appositionsbilder, bei Dunkel- heit dagegen die lichtstärkeren Superpositionsbilder (wie sie ExNEr für Aydrophilus direkt nachgewiesen hat) zu Stande kommen. Bei den Appositionsbildern gelangen nur die nahezu senkrecht zur Cornea, d. h. parallel der Achse des Ommas einfallenden Strahlen zum Rhabdom und durchziehen es seiner ganzen Länge nach. Bei den Superposi- tionsbildern werden auch schräg einfallende Strahlen durch die brechenden Medien so dirigirt, dass sich die Strahlen, die von einem leuchtenden Punkt ausgehen, auch in einem Punkte der jenem »zu- seordneten« Retinula sammeln, d. h. derjenigen Retinula, deren Achse bei genügender Verlängerung diesen leuchtenden Punkt trifft. In diesem Fall wird nun der Bildpunkt in der Retinula distaler liegen, wenn der leuchtende Punkt ferner, proximaler, wenn er näher ist; die Bilder naher Gegenstände entstehen tiefer in der Retinula, die der allernächsten am tiefsten, nämlich nicht mehr im Gebiete des Rhabdoms, sondern in den basalen Sehzellen. Von einer gewissen minimalen Entfernung an entwerfen alle entfernteren Liehtpunkte ihr Bild auf dem Rhabdom: es werden immer die gleichen Zellen gereizt und die Bilder fernerer Gegenstände unterscheiden sich von denen ‘ näherer nur durch die Größe. Rückt aber ein Lichtpunkt näher an das Auge, als jene Minimalentfernung beträgt, so fällt sein Bild nicht mehr auf das Rhabdom, sondern auf die basale Sehzelle: es wird jetzt eine ganz andere Zelle erregt, und dadurch in dem Thier wahr- scheinlich ein anderer Reizzustand erzeugt. Nun haben wir Grund, anzunehmen, dass die Komplexaugen besonders für das Sehen der Bewegungen eingerichtet sind. Es sind aber dem Käfer die aller- nächsten sich bewegenden Gegenstände am »wichtigsten«, da, wenn sie Beutethiere sind, sie dann am leichtesten zu erfassen sind. Es muss also eine solche Einrichtung für ein vom Raube lebendes Thier von hervorragendem Nutzen sein. Aus der Thatsache, dass der Käfer zu seinen Flügen über Land stets die Dunkelheit wählt, kann man vielleicht schließen, dass er auch sonst in der Dunkelheit am leb- 454 Richard Hesse, haftesten ist und am meisten auf Beute ausgeht. Nur im Dunkeln eben entstehen Superpositionsbilder im Auge, nur dann treten die eben geschilderten Verhältnisse ein. Vi. Die Komplexaugen der Crustaceen. Im Verlauf meiner Untersuchungen bin ich zuweilen stutzig ge- worden darüber, dass ich immer wieder an den recipirenden Ele- menten die erwarteten Verhältnisse, nämlich die Kennzeichen eines Stiftehensaumes, fand. Wenn das einerseits nur eine willkommene Bestätigung für mich sein musste, da jedes neue Ergebnis in dieser Richtung die früher gefundenen stützte, so machte es mich auf der anderen Seite misstrauisch, ob ich nicht das, was ich zu finden wünschte, in die Präparate hineinsähe und veranlasste mich zu neuer skeptischer Beobachtung, damit ich mich nicht in vorgefasste Meinungen immer tiefer hineintäuschte — oder ich wurde wenigstens ängstlich, man möchte dergleichen von mir vermuthen, etwa wie PATTEN es fertig gebracht hat, zur Bestätigung seiner Retinophorentheorie in den ver- schiedensten Sehzellen noch einen zweiten Kern zu finden, der allen Anderen vor und nach ihm entgangen ist, oder wie GRABER es zu einer wahren Virtuosität brachte, Kerne zu sehen, die nicht vorhan- den sind. So ist es denn für mich stets eine große Befriedigung, wenn ich das Zeugnis anderer, als gewissenhaft bekannter Unter- sucher für mich anführen kann. Bei den Myriapoden war es GRE- NACHER’s Autorität, auf die ich mich stützen konnte, für die Crusta- ceen haben PARKER’s (1895) Untersuchungen an Astacus zu Ergebnissen geführt, die in allen Theilen zu dem stimmen, was ich sonst ge- funden habe. PARKER'’S Beschreibung des Rhabdoms bei Astacus ist etwa folgende: das abgerundet vierkantige Rhabdom ist von den sieben Retinulazellen so umstellt, dass auf drei Seiten je zwei, auf der vierten nur eine, aber etwas größere Zelle steht. Es zerfällt in etwa 22 über einander geschichtete Platten, deren jede durch eine Ebene, die parallel zu einer Kante des Rhabdoms in dessen Längsrichtung verläuft, in zwei Hälften getheilt wird; die Theilungsebenen zweier auf einander folgender Platten kreuzen sich unter rechtem Winkel. Die Halbplatten gehören jedes Mal zu den beiden (bezw. der einen) Retinulazellen der betreffenden Seiten und stellen deren Rhabdomere vor; das Rhabdomer einer Sehzelle ist hier also nicht ein einzelner zusammenhängender Körper, sondern besteht aus einer Reihe ge- trennter Stücke (Halb- oder Viertelplatten), welche der Zelle ansitzen Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 435 wie die Zähne einer Zahnstange. An Präparaten, die nach GoLers Methode mit chromsauren Silber imprägnirt sind, zeigt sich nun an einzelnen von der Imprägnirung betroffenen Retinulazellen, dass die zu ihnen gehörigen Viertelsplatten fast ganz aus feinen Fasern be- stehen, welche von der Zelle ausgehen und bis zur Trennungsebene reichen, auf der sie senkrecht stehen. Durch das Vorkommen ähnlicher Fasern in dem einheitlichen Rhabdom von Porcellio und Serolis ist es ausgeschlossen, dass wir hier Kunstprodukte vor uns haben. An ge- wöhnlichen Schnitten sieht man nun nicht selten pigmentfreie Streifen, die sich von der Basis der Fasern des Rhabdoms durch die pig- mentirte Substanz der Retinulazelle bis zu der fibrillären Achse der letzteren ausdehnen. Das spricht für die Ansicht, dass die Fasern die distalen Enden der Bestandtheile der fibrillären Achse sind. Zu der gleichen Annahme führt die Thatsache, dass diese Fibrillen des Rhabdoms sich unter dem Einfluss von Erhitzung in ähnlicher Weise wie Nervenfasern kontrahiren. »Durch diese verschiedenen Gründe,«< schreibt PARKER, »bin ich dazu geführt, die Fasern des Rhabdoms als nervöse Gebilde anzusehen, als distale Enden der Fibrillen der Sehnervenfasern«; und weiter: »mir erscheint das Rhabdom keinesfalls als Abscheidung, sondern eher als Differenzirung eines Theils des Protoplasmas der Retinulazelle, wie die Muskelsubstanz das Produkt der Muskelzelle ist.« | So vertritt PARKER hier eine Anschauung, die ich in der von mir eingeführten Bezeichnungsweise kurz so wiedergeben kann: das Rhabdom von Astacus setzt sich aus den sieben modifieirten Stiftchen- säumen der sieben Retinulazellen zusammen. Es stimmt also in seinem Bau grundsätzlich mit den reeipirenden Elementen der anderen bis- her betrachteten Arthropoden überein. Diesen Ausführungen PARKER’s vermag ich noch einige weitere Stützen zu geben durch meine eigenen Befunde, welche mit Methoden erhalten sind, die einwandsfreier sind als die Chromsilberimprägnirung und keine Trugbilder geben, wie es diese zuweilen thut. Allerdings erstrecken sich meine Untersuchungen bei Crustaceen nur auf wenige Formen: von den Decapoden sind es Palaemon squilla Fabr. und Sguilla mantis Latr., von Isopoden: Oniscus murarius Uuv., Serols schythei Ltk. und Aega sp. aus dem Mittelmeer. Am meisten zeigen mir meine Präparate von Palaemon. Hier erkennt man zunächst an Längsschnitten (Fig. 88a und 5) durch die Retinula jene merkwürdige Sehiehtung,, die bei den Krebsen schon lange bekannt ist und von Max Schuurze als Plättehenstruktur ge- 436 Richard Hesse, deutet wurde. Die Schichten sind jedoch etwas ungleichmäßig: es wechseln dunklere und hellere Lagen, und die dunkleren Scheiben reichen seitlich bis an die Sehzellen und sind dort dicker als in der Mitte, so dass die Ansatzstellen zweier Nachbarscheiben sich berühren: die helleren erscheinen in der Mitte dicker und schärfen sich seitlich zu, wie das Fig. 88 zeigt. Die Dicke der Schichten variirt bei den verschiedenen Ommen (Fig. 88a und 5). An dünnen Längsschnitten erkennt man den faserigen Bau der dunkeln Schichten; die Fasern stehen im Allgemeinen senkrecht zum Zellrand und reichen bis zur Mitte der Schicht; am Rand selbst hat jede Faser eine kleine Ver- diekung, ein Knöpfchen, so dass eine aus solehen Knöpfchen zu- sammengesetzte Linie die Zelle axial zu begrenzen scheint, und dann kommt eine breite Schaltzone, von zahlreichen Fibrillen durchsetzt, deren jede in der Verlängerung einer Rhabdomfaser steht: ein Ver- halten, wie wir es schon oft fanden. Die Fortsetzung der Fibrillen im Zellkörper ließ sich nicht verfolgen, doch kann man in diesem Andeutungen längsverlaufender Fibrillen deutlich wahrnehmen. Im Ganzen haben wir das Bild eines Stiftehensaumes, in dem die Stift- chen zu einzelnen Bündeln zusammengefasst sind. Bei den gegen- überliegenden Zellen entsprechen sich diese Stiftehenbündel. — Die helleren Schichten sind nichts Anderes als Querschnitte durch solche Stiftehenbündel; man erkennt daher in ihnen sehr viele eng stehende Punkte, die Querschnittsbilder der Stiftehen. Diese Bündel alterniren it denen, deren Stiftchen durch den Schnitt längsgetroffen werden. — Querschnitte durch die Retinula (Fig. 89) geben entsprechende Bilder: um das abgerundet vierseitige Rhabdom gruppiren sich die sieben Retinulazellen ohne bestimmte Regelmäßigkeit; von jeder Zelle sieht man Fasern (Stiftehen) ausgehen, die senkrecht zu der be- treffenden Rhabdomkante verlaufend etwa bis in die Mitte des Rhab- doms reichen; die Fasern müssen sich dem entsprecherd unter rechten Winkeln kreuzen. Da der abgebildete Schnitt auf der Grenze zweier Schichten Hegt, sieht man an ihm die Kreuzung und Übereinander- lagerung der Stiftchen. Auch hier erkennt man an jedem Stiftchen das basale Knöpfehen und jenseits desselben die Schaltfibrille. Im Gegensatz zu dem was PARKER bei Astacus beschreibt, trägt hier jede Sehzelle einen zusammenhängenden Stiftehensaum, und die einzelnen, senkrecht zu einander gerichteten Bündel dieser Säume sind in einander verfilzt, wie man es mit ein paar Bürsten nach- ahmen kann, deren eine man mit ihren Borsten von der Seite her auf die andere aufdrückt. Wenn irgend etwas, so spricht dieses Unters. über die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 437 Verhalten gegen eine ursprünglich cuticulare Natur des Rhab-: doms. Bei Sgwilla mantis erkennt man an Längsschnitten durch die Retinula im Rhabdom ebenfalls hellere und dunklere Scheiben; auf den Querschnitten (Fig. 90) kann ich jedoch in diesen Scheiben keine Faserstruktur entdeeken, sondern nur eine homogene Masse, die eine Anzahl Vaeuolen enthält. Der Querschnitt des Rhabdoms ist hier fast genau quadratisch, die sieben Zellen sind so vertheilt wie bei Astacus. Zwischen dem granulirten Zellkörper und dem Rhabdom liest ein heller schmaler Raum, von feinsten Fibrillen durchsetzt, offenbar eine Schaltzone und somit eine letzte Andeutung vom ur- sprünglichen Vorhandensein eines Stiftchensaums; offenbar ist die homogene Rhabdomplatte durch Verschmelzung von Stiftchen ent- standen. Die Fortsetzung der Schaltfibrillen in der Zelle zu ver- folgen, gelang mir auch hier nicht. Unter den untersuchten Isopoden zeigt Serols in Bezug auf die recipirenden Elemente die primitivsten Verhältnisse. Sie sind wiederum von PARKER (1891) zuerst erkannt und genau beschrieben worden; ich gebe hier die Übersetzung seiner Schilderung: »Bei Serolis zeigt sich ein außerordentlich interessantes Verhalten. Im Niveau der . Basalmembran enthält jede Retinulazelle eine dieke fibrilläre Achse. Diese spaltet sich mehrfach im distalen Theil der Zelle und stellt in der Gegend des Kernes ein Bündel kleinerer Achsen dar. In der Höhe der hyalinen Zeile sind diese nicht mehr zu erkennen, aber die Vertheilung des Pigments in dieser Gegend ist wahrscheinlich auf Rechnung der Gegenwart vieler getrennter Fibrillen in der Zell- substanz zu setzen. In der Gegend des Rhabdoms kann man eine ungeheure Zahl feiner Linien von der Retinulazelle in die Substanz jedes Rhabdomers verlaufen sehen. Sie stellen, glaube ich, die Fibrillen der nervösen Achse dar. Sie sind... so leicht sichtbar, dass ihre Anwesenheit nicht fraglich sein kann. Jede Fibrille steht senkrecht zur Längsachse des Ommatidiums und dehnt sich durch das Rhabdomer bis zu seiner axialen Fläche aus. Ehe sie jedoch dieses erreicht, tritt die Fibrille anscheinend durch eine dünne Membran. Bei genauer Prüfung erscheint diese Membran oft als eine Reihe von Pünktchen änstait als Linie, und verschiedene Male konnte ich überhaupt keine Spur von ihr erkennen. Was ihre Be- deutung ist, weiß ich nicht zu sagen. .... Vom morphologischen Standpunkt wenigstens ist sie, glaube ich, als eine sekundäre und ziemlich unwichtige Modifikation im Rhabdom selbst anzusehen.« — 438 Richard Hesse, Daraus geht mit aller Deutlichkeit hervor, dass das, was PARKER beschreibt, allen Anforderungen entspricht, die wir an einen Stiftchen- saum stellen. Meine eigenen Präparate gestatten mir nicht, so weit in das Einzelne einzudringen, wie PARKER es konnte. Die Rhabdomere zeigten deutlich eine Zusammensetzung aus einzelnen Stiftchen, ich konnte aber die an diese ansetzenden Fasern im Zellplasma nicht weiter verfolgen. ; Die anderen Isopoden, die ich untersuchte, bieten abgeleitetere Verhältnisse. Bei Onzscus murarius finden wir die Retinula zusammen- gesetzt aus 14 Retinulazellen, während bei Porcellio nach den über- einstimmenden Angaben von GRENACHER nnd PARKER nur sieben solche vorhanden sind. Die lichtreeipirenden Theile der Sehzellen sind jedoch wie dort gebaut: eine dunkel färbbare flache Platte, nennen wir’s Rhabdomer, erstreckt sich von der axialen Seite aus in die Zelle hinein, an allen Seiten außer der axialen von Zellplasma umgeben (Fig. 91). An einzelnen Stellen sah ich diese Platte in zwei gespalten, die auf der abaxialen Seite in einander übergingen (Fig. 92a): das Rhabdomer wäre in diesem Falle als ein Saum anzu- sehen, welcher der, hier eingestülpten, axialen Zellfläche aufsitzt; das würde dem Verhalten der Rhabdomere bei anderen Arthropoden ent- sprechen. Durch Verschmelzung der einander zugekehrten Seiten dieses Saums wäre dann die in die Zelle einspringende Platte ent- standen zu denken. Eine besondere Struktur der Platte war gewöhn- lich nicht zu erkennen; einmal sah ich sie am abaxialen Rande auf- gefasert (Fig. 92c), was auf eine faserige Zusammensetzung hindentet. Auf Querschnitten findet man zwischen dem Rhabdomer und dem sranulirten Zellplasma eine helle Schaltzone, von zahlreichen Fibrillen durchzogen; auf Längsschnitten durch eine Sehzelle kann man den weiteren Verlauf dieser Schaltfibrillen im Zellplasma mit genügender Sicherheit erkennen: zwischen den reihenförmig zusammengedrängten Granulationen des Plasmas sieht man sie zu dem Nervenfortsatz der Sehzelle verlaufen, in den sie übergehen (Fig. 93 nf). AU das zu- sammen: die saumartige Gestalt des Rhabdomers, sein einmal ange- deuteter Aufbau aus faserigen Bestandtheilen, und der Verlauf der ansetzenden Neurofibrillen zeigt auf das deutlichste, dass wir es mit einem — allerdings stark veränderten — Stiftchensaum zu thun haben. Schwieriger liegen die Verhältnisse bei Aega. Wir können sie uns ähnlich entstanden denken wie bei Onziscus, nämlich so, dass ein axialer Stiftehensaum durch Einfaltung in das Innere der Sehzelle Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 439 hinein verlegt ist; hier jedoch müsste man eine mehrfache solche Einstülpung annehmen. Es erstrecken sich nämlich von einem axialen Saume aus eine Anzahl (fünf bis sieben) Platten ins Innere der Sehzelle, sich dort z. Th. verästelnd (Fig. 95 v7). Jedoch ist es mir nicht gelungen, noch Spuren einer Einstülpung, wie bei Oniscus, nachzuweisen. An Sünstigen, entpigmentirten Medianschnittten (Fig. 96) sieht man dagegen von einer solchen Platte her feinste parallel verlaufende Neurofibrillen ins Zellplasma treten und gegen den Ansatz der Nervenfaser umbiegen, um in diese einzutreten. Die Verbindung dieser Neurofibrillen mit den Rhabdomerenplatten konnte ich nicht direkt nachweisen. BEDDARD hat die Augen von Aega schon im Allgemeinen zutreffend ge- schildert; allerdings weicht seine Auffassung der Rhabdomeren von der meinigen ab. Was die allgemeine Gestalt des Auges angeht, habe ich seinen Angaben nur wenige Bemerkungen zuzufügen, die ich an meine Fig. 94 anschließe: den Raum zwischen der bikonvexen Linse und dem Krystallkegel füllen zwei große Corneagenzellen mit seitlich gelegenen Kernen; dem sphärischen Krystallkegel liegen die Kerne seiner Matrixzellen (%%) distal auf, doch konnte ich ihre Zahl nicht entscheiden; proximal scheint noch ein unveränderter Plasmarest der Krystallzellen dem Kegel aufzuliegen. Die sieben Retinulazellen reichen distad etwas weiter als bis zum proximalen Rande des Krystallkegels; ihre Kerne liegen in ihrem distalsten Zipfel. Im Anschluss an diese ihre Enden finden wir eine kegel- mantelförmige Pismenthülle (pz), welche den Krystallkegel und die Corneagen- zellen umgiebt; ihre Kerne sind nur wenig sichtbar. Der Raum zwischen den Retinulazellen und der Basalmembran, wird gänzlich ausgefüllt von der sog. hyalinen Zelle (2) — ich konnte im Gegensatz zu BEDDARD nie zwei solche Zellen oder zwei Kerne in der einen finden. Der Kern liegt nahe der Basal- membran; der Zellkörper sendet einen axialen Fortsatz zwischen die Retinula- zellen, und andere (fünf bis sieben) Fortsätze ziehen sich auf der Außenseite der Retinula in den Kanten zwischen je zwei Zellen bis gegen den Krystallkegel hin, wie an dem linken Auge in Fig. 94 (Rz) und auf dem Querschnitt Fig. 95 (Az) zu sehen ist. Eine Deutung der hyalinen Zelle vermag ich weder in morpho- logischer noch in physiologischer Hinsicht zu geben. — Zwischen je zwei Ommen stehen eine Anzahl Hypodermiszellen, die theils pigmentirt, theils unpigmentirt sind. So ist also bei den Urustaceen in einigen Fällen (Asitacus und Serolis durch PARKER, Palaemon) das Vorhandensein eines Stiftchen- saumes bewiesen; bei den anderen untersuchten Formen finden sich wenigstens einzelne Bestandtheile eines solchen Saumes, so dass der Annahme nichts im Wege steht, dass die Rhabdomeren hier durch Umwandlung eines Stiftehensaumes entstanden seien. Am vollständig- sten gelang die Untersuchung bei Oniscus, wo der gesammte Verlauf der Fibrillen vom Rhabdomer bis zur Nervenfaser deutlich wurde; bei Squilla waren.nur die Schaltfibrillen, bei Aega nur die in den Seh- zellen verlaufenden Neurofibrillen sichtbar. — Für mich bin ich frei- 440 Richard Hesse, lich nach diesen, wenn auch wenig zahlreichen Proben, überzeugt, dass bei allen Crustaceen sich die recipirenden Elemente als Stiftchen- säume, die mehr oder weniger modifieirt sind, ausweisen werden. Die große Verbreitung der Schichtung in den Rhabdomen der Crusta- ceen, für die ja die von PARKER und mir gegebene Erklärung ohne Zweifel befriedigend ist, lässt auch auf eine ebensolche Verbreitung der Stiftehensäume schließen. Doch müssen hier erst fernere Unter- suchungen die nöthige Sicherheit bringen. vil. Von den Augen der Skorpione und Spinnen. Der morphologische Aufbau des Auges der Skorpione ist durch die Untersuchungen von Ray LAnkESTER und Bourse (1883) und von PARKER (1887) in den großen Zügen klar gestellt, und nur in unter- geordneten Punkten kann noch von einer Unsicherheit die Rede sein. Ich gehe daher hier nur auf den feineren Bau der recipirenden Ele- mente und auf die Gruppirung der Sehzellen ein, und zwar auf Grund von Untersuchungen, die ich an gut (in Sublimat-Essigsäure) konser- virtem Material von Euscorpius europaeus Latr. vorgenommen habe; dabei konnte ich in Folge des Abtrennens der Weichtheile von der Cutieula Schnitte von 3 u Dicke anfertigen, die das Erkennen der feinsten histologischen Einzelheiten gestatten. Da die Sehzellen in den Median- und Seitenaugen völlig gleich gebaut sind, gilt die folgende Schilderung, die sich auf Präparate von den Medianaugen stützt, für beide in gleicher Weise. In den Median- augen sind die Sehzellen zu je fünf um eine Achse gruppirt, und tragen auf der axialen Seite ein Rhabdomer; die fünf Rhabdomere bilden zusammen ein Rhabdom, wie es Fig. 95a im Querschnitt zeigt: aber nur im distaleren Theile der Retina stoßen die Rhabdomere in dieser Weise zusammen, proximal weichen sie aus einander (Fig. 982); der Raum, den sie zwischen sich lassen, ist beim lebenden Thier wahrscheinlich von einer serösen Flüssigkeit erfüllt, deren Nieder- schläge im Präparat die saumartigen Rhabdomere stellenweise ver- binden (Fig. 985). An diesen Rhabdomeren erkennt man auf Quer- schnitten eine Querstreifung senkrecht zur Zellwand, und auch Längsschnitte (Fig. 97) zeigen eine ähnliche Streifung, so dass man durch Kombination beider Bilder zu der Vorstellung kommt, dass das Rhabdomer aus feinen dicht gestellten Stiftehen besteht; dies bestätigt sich durch das Aussehen von Flächenschnitten durch die Rhabdomere: solche erscheinen dicht punktirt und jeder Punkt stellt den Quer- schnitt durch ein Stiftehen vor (Fig. 97 links). Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 441] Jedoch sieht man hier keine Fasern von den Stiftchen in das Zellplasma eindringen, wie das bei vielen Insekten der Fall ist. Wenn man jedoch die Fibrillen verfolgt, welche aus dem basalen, deutlich fibrillär gebauten Theil der Zelle in den rhabdomertragenden Zellabschnitt eintreten, so sieht man, wie sie sich der abaxialen Fläche des Rhabdomers dieht anlegen, also gleichsam an der Grenze zwischen Rhabdomer und Zellplasma verlaufen und nicht das letztere ganz erfül- len wie bei den Insekten; sie bilden geradezu eine scharfe, distal sich verschmälernde Grenzlinie zwischen Rhabdomer und Sehzelle (Fig. 97). . Auf Querschnitten sieht man dem entsprechend das Rhabdom von zahl- reichen dichtgelegenen dunkeln Pünktchen umgeben, welche in den distalen Theilen (Fig. 98a) eine schmale, proximal breiter werdende Linie um dasselbe bilden, und am proximalen Ende des Rhabdomers füllen sie den ganzen hier nur schmalen Zellkörper aus (Fig. 985). Damit ist deutlich geworden, dass die Zahl dieser Fibrillen distal abnimmt; nichts ist dann wahrscheinlicher, als dass sie sich mit den Stiftchen des Rhabdomers verbinden, d. h. mit diesen endigen. Wenn wir dies zugeben, so muss das Rhabdomer unzweifelhaft als ein Stiftehensaum angesprochen werden. Der Stiftehensaum reicht distad nicht ganz bis ans Ende der Sehzelle, wie Fig. 97 deutlich zeigt, proximad erstreckt er sich etwa bis zur halben Höhe derselben. Der Kern liegt sehr weit proximad; in seiner Nähe, meist proximad von ihm, findet sich das nahezu kug- lige, stark färbbare Gebilde, welches Ray LANKESTER Phaosphaere benannt hat. Seitdem PuURCELL nachweisen konnte, dass Gebilde von der Beschaffenheit der Phaosphaeren auch in Hypodermis- und Leber- zellen der Skorpione vorkommen, sind die Hypothesen, welche in der Phaosphaere ein lichtreceipirendes Gebilde von ähnlicher Beschaffen- heit wie das Rhabdomer sehen wollten, erledigt. Dass wir es hier mit kernartigen Gebilden (PATTEN, PARKER) zu thun haben sollten, möchte ich, bei dem durchaus anderen Verhalten der Phaosphaeren sesenüber Farbstoffen, nicht annehmen. Am meisten leuchtet mir PurceELr's Erklärung ein, dass diese Bildungen Stoffwechselprodukte seien. Ray LAnKESTER und BOURNE erklären das Rhabdomer für eine stäbchen- artige euticulare Verdiekung auf der Seite der Zelle, wobei sie annehmen, dass die sanze Zelle von einer wohlabgegrenzten cuticularen Substanz auf ihrer ganzen Oberfläche umhüllt sei; diese stäbchenartige Verdickung »ist sehr wahrscheinlich von chitiniger Beschaffenheit, obgleich wir nicht im Stande sind, irgend einen Beweis Betreffs ihres chemischen Verhaltens zu geben«. Wenn auch das ganze Bild des Rhabdomers auf meinen Schnitten gegen eine Auffassung desselben 442 Richard Hesse, als Cutieula oder vollends Chitin spricht, habe ich doch noch den Gegenbeweis gegen eine solche Ansicht bringen wollen durch Behandlung eines Auges mit Kalilauge: es blieb nichts von den Rhabdomeren übrig. Ein Verschmelzen der - Rhabdomere unter einander, wie jene Untersucher es angeben, findet wenigstens hei Zuscorpius, der neben anderen Formen RAY LANKESTER und BOURNE vor- lag, nicht statt, wie ich oben aus einander setzte. — PARKER macht über die Beschaffenheit des Rhabdoms keine Angaben. Die Gruppirung der Sehzellen in den Medianaugen zu je fünf ist ganz regelmäßig; dagegen geben RAY LANKESTER und BOURNE an, dass in den Seitenaugen »die Bildung des Rhabdoms aus Rhab- domeren nur undeutlich und nicht vollständig durchgeführt« ist; die Zeichnung, die sie davon in Fig. 6 von Euscorpius italieus geben, stimmt wenig zu den Bildern, welche ich von Euse. europaeus be- kommen habe (Fig. 99). Die »Neigung der ceutieularen Stäbchen, Rhabdome zu bilden«, fand ich weit ausgesprochener als jene es zeichnen: nur möchte ich es richtiger bezeichnen als » Neigung«, sich um einzelne Achsen zu gruppiren; denn in den Seitenaugen findet, nach meinen Präparaten zu urtheilen, eine so enge Berührung der einzelnen Stiftehensäume, wie im Medianauge, niemals statt; vielmehr bleibt zwischen den axonisch orientirten Rhabdomeren stets ein Lückenraum, es kommt nie zu einer eigentlichen Rhabdombildung. Dazu kommt als weiterer Unterschied gegen die Verhältnisse im Medianauge, dass die Zahl der Zellen, die ihre Stiftchensäume einer gemeinsamen Achse zukehren, eine sehr wechselnde ist, von 2 bis zu 10 und mehr. Wie wir im einschichtigen Seitenauge des Skorpions überhaupt die ur- sprünglichere Bildung gegenüber dem durch Involution gebildeten Medianauge zu erblicken haben, so halte ich auch diese unregelmäßige Gruppirung für primitiver. Keinesfalls möchte ich aber annehmen. dass sie durch Auflösung der regelmäßigeren Anordnung im Medianauge entstanden sei, wie KORSCHELT und HEIDER meinen — jedenfalls lässt sich aus Zahlenverhältnissen benachbarter Gruppen nirgends schließen, dass sie durch Addition oder durch Theilung von Fünfer- gruppen gebildet seien. Von Spinnenaugen untersuchte ich diejenigen von Steatoda bi- punctata L., Latrodectes sp. von Rovigno, Lycosa sp. und Epeira diademata Cl. Hier empfiehlt sich die Methode, die Weichtheile des Auges von der Outicula abzusprengen, ganz besonders; man erhält bei einiger Übung vorzügliche Ergebnisse: Glaskörper und Retina sind völlig unverändert und auch in ihren Lagebeziehungen nicht beeinträchtigt. Die Entfernung der Cutieula gestattete mir leicht die Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 443 Anfertigung dünnster Schnitte, wie sie zu erfolgreicher Untersuchung der recipirenden Endorgane nothwendig sind. Obgleich sich über das morphologische Verhalten der Spinnen- augen noch mancherlei Neues beibringen lässt und meine Präparate viele Verhältnisse mit großer Deutlichkeit zeigen, habe ich diese Seite vernachlässigt, um nicht den Abschluss der Untersuchungen zu sehr hinauszuschieben. Ich konnte dies um so eher, als für den Zusammen- hang nur eine genaue Kenntnis der Endorgane erforderlich ist. — Im Folgenden bediene ich mich der BERTKAUu’schen Ausdrücke » Haupt- auge« für die rostralen. Medianaugen, »Nebenauge« für alle übrigen Augen. Dem feineren Bau der »Stäbehen« in den Augen der Spinnen hat zuerst GRENACHER (1879) seine Aufmerksamkeit zugewendet, besonders bei Zpeira. Nach ihm liegen die Stäbchen im Innern des Zellkörpers eingeschlossen — wenn sie auch nur von einer dünnen Plasmalage umgeben sind; sie zeigen stets eine feine Längslinie, welche als der Ausdruck einer zweihälftigen Zusammensetzung anzusehen ist; im Hauptauge von Zpeira war an den Rändern des Stäbchens eine höchst feine, nicht bis zur Mitte reichende Querstreifung als Andeutung einer auch hier vorhandenen Plättehenstruktur zu erkennen. — BERTKAU (1886) sieht in den Stäbchen nichts Anderes als das umgewandelte wandständige Plasma des Endtheils. der Zelle selbst: dieses ist hier homogen, fester, und stark licht- brechend geworden; oft tritt diese Umwandlung im ganzen Umkreis der Zelle ein, und dann erscheint das »Stäbchen« als ein Röhrchen, das mit Plasma er- füllt ist; in anderen Fällen sind nur einzelne Portionen des wandständigen Zell- inhaltes in der angegebenen Weise umgewandelt. Eine Querstreifung oder einen Zerfall in Scheibehen konnte er an den Stäbchen nicht wahrnehmen. — HENT- SCHEL (1899), der diesen Fragen nur wenig Beachtung schenkt, findet bei einem Lyeosiden in den Nebenaugen deutlich ein zweitheiliges Stäbehen in Form eines längsgespaltenen, oben und unten meist abgerundeten Cylinders; an Längs- schnitten, die etwas macerirt sind, ist häufig auch eine schichtartige Quertheilung der Stäbehen zu erkennen. — Endlich muss ich hier noch einer Vermuthung gedenken, welche HEIDER (in: KORSCHELT und HEIDER, 1895) äußert: in Ver- bindung mit seiner Auffassung des Skorpions- und überhaupt des Arachnoideen- Auges als zusammengesetzter Augen mit zum Theil verwischter Retinulabildung (vgl. unten) glaubt er auch im Spinnenauge gewisse Anzeichen zu finden, aus denen man schließen könnte, dass die Retinula nicht kontinuirlich aus einzelnen Sehzellen zusammengesetzt sei; GRENACHER’s Befund der Zweitheiligkeit (bei Phalangium der Dreitheiligkeit) der Stäbchen bringt ihn auf den Gedanken, dass es sich hier vielleicht um Reste der Rhabdom- und Retinulabildung handeln möchte, dass also die zwei Stäbchentheile zu verschiedenen Zellen gehören möchten, wie das inzwischen für Phalangium durch PURCELL (1894) nachgewiesen wurde. Den Ausgangspunkt für unsere Betrachtungen sollen die Stäb- chen im Hauptauge von Steatoda bilden. Sie gehören jenem Typus an, den BErRTKAU damit gekennzeichnet hat, dass die Umwandlung Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 29 444 Richard Hesse, i des Plasmas im ganzen Umfange der Zelle stattfindet, so dass das Stäbchen als ein von Plasma erfülltes Röhrchen erscheint. Die » Um- wandlung des Plasmas«, nach jenem Forscher nur ein Fest- und Homogenwerden, besteht jedoch darin, dass sich am Zellrand ringsum ziemlich starke, eng stehende, senkrecht zur Oberfläche der Zelle gerichtete kurze Striche finden, die nach innen an Dicke abnehmen und im Zellplasma verschwinden; Längs- und Querschnitte zeigen das gleiche Verhalten des seitlichen Zellrandes. Nur kann man an Längsschnitten jene Striche in feinste Fibrillen übergehen sehen, die das Zellplasma durchziehen; besonders deutlich ist das an einem randständigen Stäbchen der Retina, wie es in Fig. 101 rechts ge- zeichnet ist, bei dem nur die den Nachbarzellen zugekehrte Seite jene Umwandlung erfahren hat. Die Einzelstäbchen sind durch einen Zwischenraum von einander getrennt, und dieser scheint überbrückt von feinen Faserzügen, welche von Zelle zu Zelle laufen; die Fasern scheinen durchaus die Fortsetzung jener Striche zu sein, also mit den im Zellplasma verlaufenden Fibrillen zusammenzuhängen. Die verbindenden Faserzüge lassen hier und da eine feine Grenze in der Mitte erkennen, die den benachbarten Zellrändern parallel läuft (Fig. 100): Wir haben es nicht mit zusammenhängenden Fasern zu thun, sondern jede Zelle trägt einen Besatz von Fäserchen und in der Mitte findet eine enge Berührung der beiderseitigen Säume statt. So sieht man denn auch oft in den Winkeln, welche die zu verschie- denen Nachbarzellen hinstrebenden Fasern einer Zelle bilden, nicht selten Fasern von der halben Länge der Verbindungsbrücken vom Stäbchen entspringen (Fig. 100 bei *); ihnen entspricht eben kein gegenüberliegender Saum. Wo an Längsschnitten ein Stäbchen ober- flächlich angeschnitten wird, erscheint diese Fläche dicht punktirt. Wir haben also hier feine, über den Zellkörper hinausragende Fasern mit verdiekter Basis (den oben sogenannten »Strichen«), welche sich mit einer feinen Fibrille in den Zellkörper fortsetzen. Zwar konnte ich letztere Fibrillen nicht durch den ganzen Zellkörper in den Nerven- fortsatz verfolgen, sie verlaufen aber nach dieser Richtung, und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich sie als Neurofibrillen, und dem entsprechend die Fasern mit ihrer Basalverdickung, die mit ihnen verbunden sind, als einen Stiftehensaum betrachte. Ich konnte in diesen Stäbehen die Trennungslinie GRENACHER’s nicht wahrnehmen. — Merkwürdig ist die Beziehung zwischen den Stiftehensäumen der benachbarten Zellen, eine Verbindung, die mir auf die gleiche Grundlage zurückzugehen scheint wie die Gruppirung mehrerer Zellen Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 445 zur Bildung eines Rhabdoms: es ist, wenn man so sagen darf, eine Tendenz zur Vereinigung der recipirenden Elemente vorhanden. Damit lässt sich zusammenhalten, dass das »Stäbchen« (Fig. 101 rechts) am Rande der Retina nach außen, wo ihm kein anderes Stäbchen be- nachbart ist, auch keinen Stiftchensaum trägt. Anders gestalten sich die reeipirenden Endigungen in den Neben- augen von Steatoda, sowie in den Nebenaugen von Latrodectes und Lycosa. Bei Steatoda (Fig. 102) finde ich eine ganz ähnliche Be- schaffenheit des Zellrandes wie in den Hauptaugen; aber es scheint mir — mit völliger Sicherheit vermag ich das, da mir Querschnitte nicht vorlagen, nicht anzugeben — dass die »Umbildung des Plasmas« auf zwei entgegengesetzte Seiten der Zelle beschränkt ist; auch hier haben wir dunklere Striche, die sich nach außen in eine feine Faser, nach innen in eine in Zellplasma verlaufende Fibrille fortsetzen: also zwei Stiftchensäume an entgegengesetzten Seiten der Zelle, dazwischen Zellplasma; die benachbarten Stiftehensäume zweier Zellen treten in engste Verbindung. Sowohl distal als proximal von der umgebildeten Zelle erstreckt sich der Zellkörper weiter, distal zum kernhaltigen Theil der Zelle, der jedoch seitlich abgedrängt liegt, proximal zur Nervenfaser. — Ähnlich ist das Verhalten in den Nebenaugen von Latrodectes, von denen in Fig. 105 ein Stück eines Querschnitts ab- gebildet ist: die Stiftehen selbst sind sehr deutlich, und ihre Be- ziehungen zu den benachbarten Zellen finden in ihrer Richtung auf jene zu ihren unverkennbaren Ausdruck, ohne dass es hier zu einer so engen Verbindung der benachbarten Stiftchensäume käme wie bei Steatoda. Das Zellplasma zwischen den beiden Stiftchensäumen er- scheint an meinen Präparaten — wohl in Folge ungenügenden Ein- dringens des Konservirungsmittels — homogen und stark färbbar, von Vaecuolen durchsetzt, so dass man Neurofibrillen in demselben nicht erkennen kann; nur nach Analogie kann ich schließen, dass wir es hier wirklich mit einem echten Stiftchensaum zu thun haben. — Bei Zycosa sind in den Nebenaugen die Elemente sehr klein, aber trotzdem lassen sich, besonders an Querschnitten (Fig. 104), die glei- chen Grundzüge des Baues erkennen wie bei Steatoda und Latrodectes; nur ist der Plasmarest zwischen den beiden Stiftehensäumen so redu- eirt, dass er nur wie eine dicke Scheidelinie aussieht, die das Stäb- chen in zwei Theile trennt; so hat anscheinend auch HExrscHer dies Verhalten aufgefasst; wir können jedoch eine scharfe Linie nicht erkennen: es ist vielmehr eine granulirte, aus zahlreichen Pünktehen zusammengesetzte Scheidewand vorhanden, eben der Plasmarest der 2IE 446 Richard Hesse, Zelle in diesem Gebiet. Neurofibrillen konnte ich auch hier nicht im Einzelnen verfolgen. Ähnlich scheinen auf den ersten Blick die Verhältnisse bei Epeira, sowohl in den Haupt- wie in den Nebenaugen zu liegen; jedoch über- zeugt eine genaue Untersuchung, dass wir es hier mit etwas Anderem zu thun haben. Betrachten wir ein »Stäbchen« von Epeira (Haupt- auge) im Querschnitt (Fig. 105), so sehen wir an den längeren Seiten dieses gestreckten Rechtecks, etwas vom Rande entfernt, zwei dunkle Linien verlaufen, die sich durch stärkere Vergrößerung in ein Neben- einander von kurzen dicken Strichen auflösen lassen — wohl die yon GRENACHER beobachtete feine, nicht bis zur Mitte reichende Quer- streifung —; auf Längsschnitten erkennt man ähnliche Striche: also keine Plättchenstruktur, sondern einzelne Knöpfehen sind vorhanden. Zwischen den beiden Reihen von Strichen ist der Raum ausgefüllt mit feinsten, gegen einander verlaufenden Fäserchen, welche den- jenigen, die wir bei Steatoda zwischen den einzelnen Zellen beob- achten konnten, im Aussehen und in der matten Färbung völlig glei- chen, und scheinbar von einer Punktreihe zur andern gehen; bei genauer Prüfung aber erscheinen sie durch eine feine mittlere Scheide- linie — die ebenfalls GRENACHER schon sah — in zwei Portionen getheilt, die je zu einer Strichreihe gehören. Außen liegt den Strich- reihen eine geringe Menge einer Substanz auf, die sich durch ihre schön blaue Färbung und ihre Granulirung verhält wie das Plasma bei den Steatoda-Stäbehen. Wir hätten also hier in dem » Stäbchen « nach Analogie zwei Stiftchensäume — je eine Strichreihe mit ihren Fäserchen — anzunehmen, die nicht von einander fort, wie in den bisher betrachteten Fällen, sondern auf einander zu gerichtet sind. Es ist bei den Augen der Spinnen überhaupt, und nicht zum minde- sten bei Zpeira, hervorragend schwierig, die Verbindung der Stäb- chen mit den zugehörigen Zellen genau zu verfolgen. Ich konnte daher nicht erkennen, ob dieses Stäbchen im Sinne GRENACHER’S wirklich nur zu einer Zelle gehört — dann hätten wir etwas sanz Ausnahmsweises: im Innern einer Zelle zwei mit den sonst freien Enden einander zugekehrte Stiftehensäume — oder ob wir annehmen dürfen, dass hier, etwa wie im Stirnauge von Vespa, jedes Mal zwei Zellen eng verschwistert sind und ihre Stiftchen- säume unter Bildung eines Rhabdoms einander zukehren — so wie e8 HEIDER für Spinnen überhaupt annehmen möchte, wie es aber bei den übrigen, hier untersuchten Formen sicher nicht der Fall ist. Wenn ich dieser letzten Auffassung zuneige, so hat das Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 447 seinen Grund in den Beobachtungen, die ich am Nebenauge von Epeira machen konnte. In Fig. 106 habe ich einen Längsschnitt durch die »Stäbchen« aus dem Nebenauge von Epeira abgebildet. Sie sind ebenfalls durch eine Längsscheidewand in zwei Theile gesondert, und senkrecht zu dieser Scheidelinie erkennt man zahlreiche parallele Linien, die außen an eine dünne Plasmalage (pl) grenzen: wir können also auch hier zwei einander zugekehrte Stiftchensäume annehmen. Von diesem »Stäbehen« aus geht distad ein anscheinend einheitlicher Fortsatz zu dem kernhaltigen Zellende, proximal grenzt das »Stäbchen« an das Tapetum (fa) an; dieses zeigt zahlreiche Durchbrechungen, durch welche die von den »Stäbehen« ausgehenden Fortsätze proximad zu den Nervenfasern verlaufen. Von jedem »Stäbehen« gehen aber nach dieser Richtung zwei Fortsätze aus, je einer von dem jederseitigen Plasmabelag der Stiftchensäume, und diese werden durch ein Stück Tapetum von einander getrennt; die proximalen Fortsätze zweier be- nachbarter »Stäbehen« dagegen gehen durch die gleiche Lücke im Tapetum. Es ist also jedes der »Stäbehen« mit zwei Nervenfasern verbunden. Dass auch die distalen Fortsätze doppelt sind und nur durch ihr Aneinanderliegen einheitlich erscheinen, ist sehr möglich; jedenfalls wird es durch die Beobachtung nicht widerlegt. Das Ent- scheidende in dieser Frage, nämlich ob auch zwei Zellkerne vorhan- den sind, vermag ich nicht zu beantworten. Immerhin glaube ich, dass die wahrscheinlichste Lösung der Schwierigkeiten gegeben ist mit der Annahme, dass hier zwei Zellen vorhanden seien, jede mit einem seitlich angebrachten Stiftehensaume, und dass durch die Ver- einigung der beiden letzteren eine Rhabdombildung bewirkt wird. Die Stiftehensäume sind also an den Sehzellen auf dreierlei ver- schiedene Weisen angebracht: entweder umgeben sie das Ende der Zelle ringsum an den Seiten, die Endfläche frei lassend, oder sie sitzen der Zelle auf zwei entgegengesetzten Seiten an, oder endlich nur auf einer Seite. Häufig treten die Stiftehensäume benachbarter Zellen zu einander in nahe Beziehung, wenn sie nicht gerade, wie bei Zy- cosa (Fig. 104) durch Pigmentscheidewände von einander getrennt sind. Diese Beziehung führt im dritten Falle zu einer typischen Rhabdombildung; aber man könnte vielleicht auch bei den Anderen in gewissem Sinne von Rhabdombildung sprechen, so dass im Haupt- auge von Steatoda jede Zelle an der Bildung eben so vieler Rhab- dome betheiligt wäre, als Nachbarzellen an sie anstoßen — ein grundsätzlicher Unterschied ist nicht vorhanden. Hier haben wir 448 Richard Hesse, also eine Anzahl von Übergängen von den, die Zelle rings umgeben- den Stiftehensäumen bis zu echter Rhabdombildung, eine Reihe, wie wir sie in solcher Vollständigkeit bei den Insekten nicht aufstellen konnten. Meine Untersuchungen erstrecken sich nur auf Skorpione und Araneiden. Es liegen uns aber über die Augen der Phalangiden die Untersuchungen PurcELL’s vor, die hier noch berücksichtigt werden müssen: die von GRENACHER erkannte Dreitheiligkeit des Stäbchens bei den Phalangiden ist nach PurcELL eine echte Rhabdombildung, ein Ergebnis, welches wohl geeignet ist, unsere Annahme eines Vor- kommens wahrer Rhabdome bei den Spinnen zu unterstützen. Das Rhabdom soll, wenigstens in seinem proximalen Theile eine waben- artige Struktur besitzen, deren näher geschilderte Einzelheiten uns hier nicht interessiren. Da ich keine eigenen Erfahrungen habe, kann ich über PurceLr’s Angaben kein Urtheil fällen. VIII. Das Verhältnis der verschiedenen Arthropodenaugen zu einander. Seit JOHANNES MÜLLER zum ersten Male die verschiedenen Augen- formen bei den Arthropoden einer gründlicheren anatomischen Unter- suchung unterwarf, hat man sich immer wieder die Frage vorgelegt, in welehem Verhältnis diese so mannigfaltigen Bildungen zu einander stehen. Zunächst war die Frage auf das Verhältnis der »einfachen« zu den zusammengesetzten Augen zugespitzt, indem man unter ersterer Rubrik die Larven- und Stirnaugen der Insekten, die Augen der Arachnoideen und oft auch die der Myriapoden als gleichwerthig einbegriff und den Komplexaugen der Insekten und Crustaceen gegen- über stellte; die Medianaugen der Crustaceen wurden dabei meist aus dem Spiel gelassen. Erst ziemlich spät begann man auch die einfachen Augen unter einander zu vergleichen. Mit jedem Fortschritt der anatomischen Kenntnisse änderte sich naturgemäß der Stand dieser Frage und die Antwort, die darauf gegeben wurde. Ehe wir selbst eine Beantwortung versuchen, wollen wir die bisherigen Hypothesen kurz überblicken: JOHANNES MÜLLER (1823 u. a.) sahin den Aggregaten von einfachen Augen, wie ‚sie sich z. B. bei Zulus finden, den Ubergang zu den zusammengesetzten Augen, setzt also dasOmma eines zusammengesetzten Auges gleich mit einem einfachen Auge. Dieser Ansicht, die sich bei der noch geringen Kenntnis unterscheidender Einzelheiten durch den Vergleich von aggregirten und zusammengesetzten Augen ohne Weiteres als die natürliche aufdrängte, schlossen sich R. WAGNER und ZENKER an. Zu einer anderen Auffassung kam Leyvıqe (1855, 1864) durch seine ausge- Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 449 dehnten Untersuchungen am einfachen und zusammengesetzten Auge der Arthro- poden. Er fand, dass in den Einzelaugen am Ende des Sehnerven eine gangliöse Verdiekung vorhanden sei, mit welcher die nervösen Endgebilde, die gestielten Gallertkörper, zusammenhängen. Im zusammengesetzten Auge sah er den Kry- stallkegel zusammen mit dem Sehstab (Retinula) als einheitliches Gebilde (Nerven- stab) an und setzte dies einem Gallertkörper gleich, der nur mannigfaltiger gegliedert sei als im einfachen Auge. So konnte er sagen: »der Hauptunter- schied im Bau der einfachen und facettirten Augen beruht auf den Eigenschaften der Cornea«, die dort eine einzige, ungetheilte ist, hier in eben so viele Ab- theilungen zerfällt als Nervenstäbe vorhanden sind; der nervöse Apparat von beiderlei Augen jedoch hat unverkennbare Ähnlichkeiten. Desshalb stellt nach seiner Ansicht das einfache Auge nur eine Modifikation des facet- tirten Auges in seiner Gesammtheit vor. Damit haben wir die beiden einander entgegenstehenden Grundanschauungen, die später, je nach dem Stande der Kenntnisse oder je nach dem Punkte, dem ein Forscher die größere Wichtigkeit beilegen zu müssen glaubte, immer wieder variirt worden sind. Sehr vorsichtig drückt sich LEUCKART (1574) aus: »Da ..... die typischen Formen der einfachen und zusammengesetzten Augen bei den Arthropoden mancherlei Eigenthümlichkeiten mit einander gemein haben, liegt die Annahme nahe, dass beide auf dem Wege einer divergirenden Weiterentwicklung aus einer indifferenten Urform hervorgegangen seien.« Er scheint sich aber der Ansicht von LEYDIG anzuschließen, denn er betont, dass er nicht die gleichen Schlüsse »in Bezug auf den optischen Vorgang des Sehens« aus dieser Annahme zu ziehen vermag wie jener. Durch die Ergebnisse, die GRENACHER durch seine Untersuchungen zu Tage förderte, wurde eine neue Basis für die Ableitung der Insektenaugen ge- schaffen. Die Vorstellungen Leypıc’s vom Bau des Komplexauges wurden als nicht zutreffend erkannt. Die Zurückführung des Gesammt-Komplexauges und des Stemma (der Insekten und Spinnen) auf einander oder auf eine gemeinsame Urform begegnet vielen Anstößen: im Komplexauge haben die zelligen Elemente durch Gruppenbildung ein fremdartiges Gewand erhalten, und die Cornea ist in Einzelcorneae zerlegt; im Sinne der Descendenz wäre die Umwandlung des einen Organs in das andere ohne Preisgabe seiner essentiellen Natur als Sehorgan unmöglich. Dagegen finden wir zwischen dem Stemma und einem einzelnen Omma folgende Übereinstimmungen: eine mehr oder weniger gewölbte Cornea ; hinter dieser eine durchsichtige Zellschicht, der die Cornea ihre Entstehung ver- dankt; dahinter eine zellige Retina, deren Zellen vorn ein Stäbchen eingesenkt tragen, hinten mit einer Nervenfaser verbunden sind, und schließlich Pigment- zellen, welche das Ganze an seiner Peripherie ringförmig umgeben und gegen seitlich einfallendes Licht schützen. Die Unterschiede bestehen nur in der Zahl der Augenelemente — die übrigens in beiderlei Augen mehr oder weniger schwankend ist — und in der Gestalt einiger derselben, — so zwischen den konischen Kıystallkegelzellen der aconen Augen und den prismatischen Glas- körperzellen der Stemmata. Freilich ist das Stemma nur als Schwester, nicht als Mutter des Omma anzusehen; von einem hypothetischen Urauge hat sich einerseits durch Vermehrung der Einzelelemente das Stemma, andererseits durch Vermehrung und Aggregirung der Einzelaugen das Komplexauge ausgebildet. — Schwierigkeiten macht nur das gleichzeitige Vorkommen von Komplexaugen identischen Baues bei Insekten und Crustaceen; wenn man nicht eine poly- 450 Richard Hesse, phyletische Abstammung dieser Augenform annehmen will, so muss man dem gemeinsamen Ahnen schon ein Facettenauge, und zwar mit Krystallkegeln zuschreiben; dann müsste aber bei den Insekten ein so leistungsfähiges Organ wie der Krystallkegel theilweise (acone Augen) zurückgebildet sein, oder aber der Krystallkegel wäre polyphyletisch entstanden. GRENACHER muss den Aus- weg aus diesem Dilemma, den er angiebt, selbst für einen Nothbehelf erklären — wir wollen über ihn desshalb nicht weiter berichten. (HRENACHER steht also auf dem Boden der Ansicht JoH. MÜLLEr’s. Dem gegenüber kommt RAY LANKESTER wieder zur LEyDI@’schen Auffassung. Durch seine Entdeckung, dass in den Augen der Skorpione die Retinaelemente zu Gruppen angeordnet sind, wurde einer der Unterschiede, welche nach GRENACHER der Gleichstellung des Gesammtkomplexauges mit dem Stemma entgegenstehen, aufgehoben; was den anderen angeht, so schlägt RAy LANKESTER die Schwierig- keit der Umwandlung der einen Cornealinse in viele einzelne (und damit des Auges mit konvergirenden in ein solches mit divergirenden Sehzellen) offenbar nicht so hoch an wie GRENACHER. Nach seiner Ansicht entsteht ein Komplex- auge aus einem doppelschichtigen Einzelauge durch eine Gruppirung der Ele- mente, welche zuerst die Retina und dann den Glaskörper und die Linse betrifft; die durch die Gruppirung entstandenen Retinulae werden durch eindringendes pigmentirtes Bindegewebe getrennt. CARRIERE (1855) glaubt, dass die Gruppirung der Sehzellen in den Mittel- augen der Skorpione der T'heorie GRENACHER’s entgegenstehe, kann sich aber auch RAY LANKESTER’sS Auffassung nicht anschließen und formulirt seine Ansicht dahin, dass »das Napf- und das Fächerauge der Arthropoden Organe sind, die sich zwar aus gleichen Bestandtheilen in ähnlicher Weise anlegen (durch Spal- tung der Hypodermis in zwei Schichten), in ihrer weiteren Entwicklung aber nach zwei entgegengesetzten Richtungen aus einander gehen«. Ebenfalls im Sinne der Levpıg’schen Ableitung des gesammten Komplex- auges von einem einfachen Auge muss, bei der Ähnlichkeit seiner Auffassung des Komplexauges mit der Leypiı@’schen, PATTEN sich entscheiden. Ich führe am besten seine eigenen Worte aus einem Autoreferat (1887) an: »Meine Unter- suchungen über das zusammengesetzte Auge haben mich zu dem Ergebnis ge- führt, dass es ein modifieirter Ocellus ist. Den primitiven Arthropoden-Ocellus betrachte ich als ein geschlossenes Augenbläschen, in welchem die innere Wand die Retina bildet, wesshalb die Stäbchen aufrecht stehen. Die äußere Wand der Blase ist in den meisten Fällen nicht sichtbar. Die Hypodermis über dem Augenbläschen wird von der Glaskörperschicht, oder, wie ich es nannte, von der cornealen Hypodermis gebildet. Im zusammengesetzten Auge ist die- selbe Schicht vorhanden, die ich ebenfalls corneale Hypodermis genannt habe, als dünne Lage von Zellen über den Krystallkegeln. Die Krystallkegelzellen sind desshalb nicht homolog mit dem Glaskörper der Ocellen, sondern mit den farblosen stäbchentragenden Zellen oder Retinophoren, mit denen sie gleiche Funktion haben.« Über das Verhältnis des Larvenauges bei Schmetterlingen und Phryganeiden zum Komplexauge spricht sich PANKRATH (1890) auf Grund seiner Untersuchungen dahin aus, dass man durch Zusammenrücken der Raupenaugen sich das Auge der Phryganeidenlarven, durch Vermehrung der Einzelaugen in einem solchen das Komplexauge entstanden denken könne. Darin, dass letzteres nur als ein Komplex vieler einfacher Augen zu betrachten sei, schließt er sich GRENACHER an. Durch KoRscHELT und Hxıper (1893) wird zum ersten Male mit Ent- Unters. über die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 451 schiedenheit hervorgehoben, dass die Arachnoideenaugen, getrennt von den Ocellen der Insekten, für sich betrachtet werden müssen. Für die Insekten- augen schließen sich diese Autoren der GRENACHERr’schen Ableitung des Kom- plexauges von einem Aggregat einfacher Augen an; das Auge der Dyticuslarven dürfte dem Urbilde des einfachen Auges nahe stehen, jedenfalls aber ein ein- gestülptes Auge; denn die Gruppirung der Sehzellen und die Rhabdombildung bringen sie nach dem Vorgange WArAsE’s mit einer Einstülpung in Verbindung. Die Verminderung der Zahl der Zellelemente und die gleichzeitig stattfindende Bildung der Rhabdome ist eine Folge des nunmehrigen Funktionirens des Einzel- auges im Komplexauge. — Das Komplexauge der Crustaceen ist dem der Insekten nicht direkt verwandt, sondern selbständig entstanden; doch findet sich in der Reihe der Crustaceen keine Andeutung für das Zustandekommen solcher Augen. — In konsequenter Durchführung der Annahme, dass Gruppirung der Sehzellen und Rhabdombildung auf eine Einstülpung zurückgeht, leiten sie die Augen der Skorpione von zusammengesetzten Augen her, deren getrennte Cornealinsen zu einer einzigen zusammengeflossen seien — also der entgegengesetzte Werdegang, als der, welehen RAY LANKESTER für die Komplexaugen annimmt. Die ein- schiehtigen Seitenaugen des Skorpions sind mit denen von Zimulus zu ver- gleichen, und sind entstanden durch Zusammenfließen der Einzelaugen, die dort noch getrennt sind. — So sind also bei den verschiedensten Gruppen der Arthro- poden, nämlich den Myriapoden (Scutigera), Crustaceen, Arachnoideen (Skorpione) und Insekten selbständig Aggregirungen von Einzelaugen zu Komplexaugen zu Stande gekommen; bei Crustaceen und Insekten hat dieser Vorgang zu völlig entsprechenden Endergebnissen geführt. Hingewiesen sei hier noch auf die schon erwähnte Weise, wie REDIKORZEW (1900) die Theorie RAY LANKESTER’s gleichsam durch direkte Beobachtung er- härten möchte: er deutet an, dass sehr wohl das Larvenauge der Blattwespen, welches ja ganz nach Art der Stirnaugen von Imagines gebaut ist, sich direkt in das Komplexauge des fertigen Insekts umwandeln könne. So stehen sich noch immer die beiden anfänglichen Auffassungen segenüber, diejenige JOH. MÜLLERr’s, dass das einzelne Omma des Komplexauges mit dem einfachen Auge zu vergleichen sei, und die Leypie’s, dass der Vergleich zwischen dem Gesammtkomplexauge und dem einfachen Auge zu ziehen sei. Erstere Auffassung hat be- sonders durch GRENACHER’S Untersuchungen ihre Stütze gefunden und ist von ihm am genauesten erörtert, der letzteren hat Ray LANKESTER die neue Grundlage geschaffen. Wenn wir jetzt auf Grund der neu gewonnenen Kenntnisse an die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis der verschiedenen Arthropodenaugen herantreten, so müssen wir zunächst einmal die Insektenaugen vornehmen, und mit KoRSCHELT und HeEiper die früher stets damit verquiekten Arachnoideenaugen ausschließen; denn diese sind nicht mit den einfachen Augen der Insekten gleich zu setzen: sie sind, so weit sie eine Schichtung aufweisen, primär zweischichtig ; jede der beiden Schichten, die wir in ihnen finden (die dritte Schicht 452 Richard Hesse, kommt für die Vergleichung nicht in Betracht) entspricht einer selb- ständigen Epithellage. Bei den Stirnaugen der Insekten und den ihnen ähnlich gebauten Larven- und imaginalen Deitenaugen (vgl. oben Abs. III) entsteht jedoch die Zweischichtigkeit erst sekundär: die Zellen einer einzigen ursprünglichen Epithellage verschieben sich so gegen einander, dass bei völliger Durchführung des Processes die einen über den anderen gelagert sind wie eine besondere Epithel- schicht, und sich oft nur an kleinen Anzeichen (vgl. Vespa) die Zu- sammengehörigkeit beider Lagen erkennen lässt; das lässt sich einmal durch Vergleichung der auf verschiedenen Stufen dieses Verschiebungs- processes stehenden Augen (Reihe: Machilis, Blattwespenlarve, Vespa, vielleicht CZo&or) wahrscheinlich machen, andererseits aber direkt beobachten, wie durch REDIKORZEW für die Entwieklung des Bienen- auges näher bekannt geworden ist. — Eben so lasse ich zunächst die Augen der Crustaceen außer Betracht. Es kommen also hier zunächst die Insektenaugen (Larven-, Stirn- und Komplexaugen) und die Myriapodenaugen zur Erörterung. Die neuen Kenntnisse, die uns Aussicht gewähren, mit Hoffnung auf einen Fortschritt diese viel besprochenen Fragen behandeln zu können, sind in der Hauptsache folgende: 1) die Einsicht, dass überall bei den Arthropoden die recipirenden Elemente nach dem Prineip des Stiftchensaums gebaut sind; 2) die von REDIKORZEW und mir unabhängig gefundene Thatsache, dass in den Stirnaugen der Insekten (vielfach) eine Gruppirung der Sehzellen eingetreten ist; 3) die von OUDEMANS bei Machrtlis, von ÜARRIERE bei den Orthopterenlarven gefundenen Stirnaugen ohne linsenartige Cutieularverdiekung; 4) die Kenntnis der Einzelaugen bei den Apterygoten, vor Allem der Zwei- schichtigkeit ihrer Retinula. Versuchen wir’s zunächst einmal mit einer Vergleichung nach Leyvie’s Weise! Kann man daran denken, das gesammte Komplex- auge mit einem einfachen Auge, und es kann sich hier nur um das Stirnauge eines Insekts handeln, in gleiche Linie zu stellen, also jenes von diesem, oder wenigstens beide von demselben Ausgangspunkte abzuleiten? Da springt denn sofort in die Augen, dass der Stand dieser Frage sich seither gänzlich geändert hat. GRENACHER führt als Hauptunterschiede der beiden verglichenen Gebilde an, dass im Komplexauge die Sehzellen in Gruppen angeordnet sind, und viele Linsen vorhanden sind, dagegen im einfachen Auge keine solche Gruppirung der Sehzellen und nur eine Linse. Wir wissen aber jetzt, dass in sehr vielen Stirnaugen der Insekten eine Gruppirung der Unters. über die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 453 Retinazellen vorhanden ist — wenn auch die Zahl der eine Gruppe bildenden Zellen stets geringer ist als im Komplexauge; ganz wie beim Komplexauge treten die lichtreeipirenden Theile jeder Gruppe zu einem Rhabdom zusammen. Aber wir sind noch weiter gediehen; wir brauchen uns nicht mehr wie Ray LANKESTER über die Schwierig- keit hinwegzusetzen, wie es denn ohne Störung der Leistungsfähig- keit des Auges möglich sei, dass aus der einen Linse des einfachen Auges die zahlreichen Linsen des Komplexauges entstehen, und dass die vorher nach außen konvergirenden Sehzellen divergirend werden. Haben wir doch in den Stirnaugen von Machelis, und wahrscheinlich auch in denen von Orthopterenlarven nach ÜARRIERE, ein Beispiel eines einfachen Auges, das doch offenbar den Stirnaugen anderer Insekten homolog ist und in welchem auch die Gruppirung der Seh- zellen vorhanden ist, in dem aber die Cuticula nicht zu einer Linse verdickt ist und die Sehzellen z. Th. parallel verlaufen, z. Th. nach außen divergiren. Allerdings ist dieses Auge noch einschichtig, es ist noch keine Verschiebung der corneagenen Zellen gegen die Sehzellen eingetreten; aber vorhanden sind indifferente (corneagene) Zellen zwischen den Sehzellen; es weist das Auge etwa den gleichen Zustand auf, wie die embryonale Anlage des Komplexauges. Dazu kommt, dass dieses Auge bei einer sehr niedrig stehenden Insektenform vor- kommt, so dass wir auch in dieser Hinsicht Grund haben, es für eine primitive Bildung zu halten. Wir können nun sehr wohl von einem Auge, das dem Machilis- Auge ähnlich ist, sowohl die höher entwickelten Stirnaugen als auch die Komplexaugen ableiten. Die ersteren würden sich aus jener Grundlage dadurch ausbilden, dass die Cuticula sich zu einer Linse verdickt — ich führte oben (p. 397) schon aus, wie sich das in ungezwungener Weise als Folge der besonderen Funktion der unterliegenden Epidermis denken lässt; damit würde sich zugleich eine Einstülpung des Epithels und eine distad konvergirende Lage der Sehzellen ergeben, Hand in Hand mit fortschreitender Vermehrung des funktionellen Werthes dieses Auges. Die Verschiebung der Sehzellen proximad gegen die unter der Cornealinse verharrenden corneagenen Zelien stände dann ebenfalls in Beziehung zur Funktion; sie ist gleichbedeutend mit einer Einstellung des Auges auf nähere Gegenstände, die überhaupt erst durch Bildung der Cornealinse ermöglicht wird. Dass die Stirn- augen von einem solch niederstehenden Auge aus sich entwickelt haben müssen und nicht etwa von einem Becherauge wie dasjenige der Anneliden ist, müssen wir nothwendig fordern, wenn wir das 454 Richard Hesse, nach ganz besonderer Richtung ausgebildete Stirmauge von Cloöon mit seiner planen Cutieula und cellulären Linse den übrigen Stirn- augen homologisiren wollen, was mir durchaus geboten erscheint. Andererseits kann das Komplexauge aus jenem einfachen Auge, von dem wir ausgingen, sich so gebildet haben, dass zur Gruppirung der Sehzellen zuerst die Verschiebung derselben gegen die cornea- genen Zellen, und dann auch noch eine Gruppirung der corneagenen Zellen, jener der Sehzellen entsprechend, hinzukommt. Das Ender- sehnis dieser Umwandlungen ist ein komplieirtes Gebilde; desshalb wäre es nicht zu verwundern, wenn wir hier nicht mit gleicher Genauigkeit wie beim Stirnauge alle Einzelstufen der Umbildung angeben können. Aber auch sonst stehen dieser Ableitung einige Bedenken entgegen: wir kennen kein Stirnauge, bei dem die Seh- zellen zu sieben gruppirt wären, wie wir es für das Ur-Komplexauge verlangen müssten; die Zahl der Zellen einer Gruppe geht nicht über vier hinaus; wir haben ferner für die Verschiebung der Sehzellen gegen die OUorneagenzellen keinen Grund wie oben, der sich auf die Funktionsweise des Auges stützen ließe — denn die Verschiebung müsste hier der Bildung der Cornealinsen vorangehen. Im Übrigen wird vielleicht Mancher diese Schwierigkeiten für geringe halten. Da die Zahl der corneagenen Zellen eine wechselnde ist, so lässt sich leicht denken, dass zwischen den Gruppen der Krystallkegel- zellen und Sehzellen noch indifferente Zellen übrig bleiben, welche zu den die Ommen einscheidenden Pigmentzellen werden. Dass sich solche Zellen mit Pigmentkörnchen anfüllen sollen, unterliegt keiner Schwierigkeit: Pigment kommt ja in den Hypodermiszellen in der Umgebung der Stirnaugen häufig vor, also in Zellen, die jenen in- differenten Zellen homolog sind; im Übrigen ist das Pigment keines- wegs an gewisse Zellformen gebunden, sondern tritt, gleichsam je nach Bedürfnis, auf in Sehzellen, Hypodermiszellen oder Bindegewebs- zellen. — Damit wäre ein Komplexauge vorhanden; die Divergenz der Sehzellgruppen würde sich durch die Anordnung an der gewölbten Oberfläche des Kopfes von selbst ergeben; die Bildung der Einzel- linsen ist erst in zweiter Linie erforderlich — sie fehlen ja vielen Crustaceen, ohne die Natur des Auges als Komplexauge zu beein- trächtigen; ihre Entstehung wäre vielleicht damit zu erklären, dass die zwischen den Einzelaugen stehenden Pigmentzellen sich jetzt, nach Änderung ihrer Funktion, weniger an der Abscheidung der Cutieula betheiligen und diese somit in der Umgebung der Ommen dünner bleibt als über ihnen, Unters. über die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 455 So lässt sich der Vorgang schon bis in recht weitgehende Einzel- heiten mit leidlicher Wahrscheinlichkeit ausmalen, ohne dass man auf physiologische Unmöglichkeiten stößt, weiter als es früher möglich war. Es wäre mit allen den Umwandlungen ein stetiger Fortschritt in der Leistungsfähigkeit des Auges verbunden. Schließlich könnte man die Entwieklungsgeschichte als Zeugen anrufen und in der ein- heitlichen epithelialen Anlage des Komplexauges eine palingenetische Wiederholung eines Auges vom Typus des Machilis-Stirnauges sehen. Man könnte das den Stirnaugen ähnliche imaginale Seitenauge des Hundeflohs, dessen Stellung sonst unklar bleibt, zum Beweis für diese Annahme anführen; man könnte vor Allem den engen Zusammenhang, in dem das Larvenauge der ZZylotoma-Larve, ein Auge vom Typus der Stirnaugen, mit der Imaginalscheibe des Komplexauges steht, dahin deuten, dass ein Theil des Komplexauges hier bei der Larve zu vor- zeitiger Entwicklung gekommen sei — wie etwa bei der Corethra- Larve das ganze Imago-Auge — und dass es dabei auf die Urform des Komplexauges zurückgeschlagen sei. Wir sehen also, es fehlt keineswegs an Gründen, die für eine solche Ableitung sprechen, und wir müssen ohne Weiteres zugeben, dass die Begründung jetzt eine viel gewichtigere ist als die, welche RAy LANKESTER geben konnte. Ich würde auch nicht zögern, trotz mancher angedeuteter Schwierigkeiten, sie anzunehmen, wenn nicht eine große Lücke bliebe: wir erhalten einmal keine Erklärung dafür, wie sich die Larvenaugen zu denen der Imagines stellen, mit denen sie doch in einzelnen Fällen große Ähnlichkeit haben, und wir müssten weiter annehmen, dass die Augen der primitivst organisirten Insekten, der Apterygoten, einen komplieirteren Entwicklungsgang durchgemacht hätten als diejenigen der höheren, nämlich dass sie erst durch nachträgliche Auflösung typischer Komplexaugen in einzelne — nicht etwa ursprünglich vorgebildete — Theile entstanden seien. Gerade von dieser Seite her aber bieten sich die bedeutendsten Stützen für die GRENACHER’sche Auffassung. Über die Auffassung der Larvenaugen holometaboler Insekten etwas Bestimmtes zu sagen, ist sehr schwierig, um so schwieriger, als sie so außerordentlich unter einander verschieden sind. Boas (1899) meint: »es ist eine kleinere Zahl der zahlreichen kleinen Augen, aus welchen das zusammengesetzte Auge des betreffenden Insektes besteht, welche sich vor den übrigen entwickelt hat.... Es hat also bei den holometabolen Insekten eine Theilung des zusammen- gesetzten Auges stattgefunden: aus seinen Elementen bilden sich einige 456 Richard Hesse, zum Larvenauge heran, während der große Rest zum Imago-Auge wird.< Diese Ansicht wird freilich gestützt durch die Thatsache, dass bei Corethra das ganze Imago-Auge »zu früh«, schon bei der Larve, auftritt und, wie nachgewiesen, nahezu unverändert in das der Imago übergeht. Diese Erklärung würde auch für die Augen der Phryganeiden und Schmetterlingslarven ganz gut passen, wo wenig- stens die Zahlenverhältnisse der Retinula die gleichen sind wie in den Ommen des Komplexauges, und die Zahl der Krystallkegelzellen zusammen mit derjenigen der Corneagenzellen (wenn die Mantelzellen als solche gelten dürfen) mit der Zahl der Krystallkegelzellen und Hauptpigmentzellen (vgl. oben p. 426) der Komplexaugen übereinstimmt, wenn auch die Einzelzahlen der vergleichbaren Zellen verschieden sind. Dagegen stoßen wir auf große Schwierigkeiten, wenn wir die gleiche Annahme für die Larvenaugen der Sialis-Larve machen, wo die Zahlenverhältnisse durchaus verschiedene sind, und noch größer sind diese Schwierigkeiten bei Myrmeleon und Dyticus, wo in den Augen der Larve auch die Anordnung der nervösen Endorgane eine andere ist, und bei Dyticus auch noch der Krystallkörper fehlt. Für einzelne Eigenschaften der Larven holometaboler Insekten muss man eine große Ursprünglichkeit zugeben, und man kann wohl behaupten, dass sie in solchen Eigenschaften der Ahnform der In- sekten näher kommen als die campodeiden Larven hemi- und ametaboler Insekten, die z. B. in den Komplexaugen und den Flügel- stummeln Imago-Eigenschaften besitzen, welche sekundär auf frühe Entwicklungsstufen zurückverlegt sind. Solche palingenetische Eigen- thümlichkeiten sind die homonome Gliederung, die stets beißenden Mundtheile, die Fußstummel an Segmenten, die später Abdominal- segmente werden. Desshalb kann man ohne besondere Schwierigkeit annehmen, dass auch die Larvenaugen palingenetische Charaktere sind, und dass sie den Augen des Insektenahns — in verschiedenem Grade — nahe stehen, näher als die Komplexaugen. Damit wäre auch eine Erklärung gefunden für die Verschiedenheit der besprochenen Larvenaugen. Die Augen der Dytcus-Larve würden am weitesten zurückschlagen; sie sind Einstülpungen der einschichtig bleibenden Hypodermis; die benachbarten Hypodermistheile besorgen die Ab- scheidung der Cornea — Verhältnisse, wie wir sie bei den Scolopendern [GRENACHER (1880), Heymons (1901)] zeitlebens finden. Allerdings die Anordnung des Stiftehensaums ist bei ihnen bis zu einem ge- wissen Grade abgeleitet; ein ursprünglicheres Verhalten hat sich in den Augen der Myrmeleon-Larve erhalten, die sonst allerdings Unters. über die Organe der Liehtempfind. bei niederen Thieren. VII. 457 weiter fortgeschritten sind, besonders durch ihre Zweischichtigkeit. Eine solche Zweischichtigkeit finden wir auch schon bei manchen Myriapoden-Augen, z. B. bei /ulus; wenn wir sie derart erklären dürfen, dass die unter der Linse gelegenen Zellen aus dem Verbande der die Linse umgebenden Hypodermiszellen ausgewandert oder heraus- gepresst und nicht durch Faltenbildungen an ihren Ort gekommen sind, so dürften diese Augen ebenfalls den Larvenaugen der Insekten nahe stehen, speciell denen mit mehreren Schichten, d. h. mit ent- wickeltem Krystallkörper. Wir haben freilich in dieser Hinsicht noch keine befriedigenden Kenntnisse. Bei Stalis ist es im Larven- auge zu einem weiteren Fortschritt gekommen, der mit der Ein- stülpung eng zusammenhängt: die Sehzellen sind um eine Achse an- geordnet und zwar in zwei über einander liegenden Kränzen. In den Grundzügen entsprechen den Augen der Sakis-Larven völlig die- jenigen der Schmetterlingsraupen und Phryganeenlarven: sie haben wie jene zwei Kränze axonisch angeordneter Sehzellen und einen aus Segmenten bestehenden Krystallkegel; der Unterschied gegen jene besteht hauptsächlich in der Zahl der Zellen, aus denen diese Theile sich aufbauen. So hätten wir hier eine Reihe von Augenformen, die nach ihrem Vorkommen sehr wohl einander homolog sein können. Wenn wir sie wirklich als palingenetische Bildungen, als Wiederholungen ver- schiedener früherer Entwicklungszustände von Einzelaugen betrachten dürfen — und ich sehe keinen gewichtigen Grund, der dagegen spräche —, so würden uns damit wichtige Fingerzeige gegeben sein. Zunächst ist die nahe Beziehung zwischen den Augen der Raupen und Phryganeenlarven einerseits, und den Augen der Poduren und von Lepisma andererseits nicht zu verkennen. Sie wird begründet durch die Zweischichtigkeit der Retina und die gleiche Zahl der Sehzellen in beiden, wenn auch die Vertheilung derselben auf die beiden Schichten eine verschiedene ist, und vielleicht kann man, wie oben geschehen, die gleiche Summe der präretinulären Zellen (Corneagen- und Krystallkegelzellen, 3+3 bezw. 2-+4) anführen. Bei all diesen Larvenformen und bei den angeführten Apterygoten haben wir nur wenige Augen (6—8—12) in geringer Entfernung von einander; das könnte wohl als ursprünglicher Zustand gelten. — Die bisherigen Untersucher der Poduren- und Lepisma-Augen haben diese schon, trotzdem sie Gleichheit in der Zahl der Retinazellen nicht erkannt hatten, den Ommen der echten Komplexaugen gleichgesetzt. Ich konnte nachweisen, dass auch bei diesen primitiven Augen sieben 458 Richard Hesse, Sehzellen vorkommen wie in den Ommen; und auf der anderen Seite sind auch in den Ommen des Komplexauges von Periplaneta die sieben Sehzellen noch andeutungsweise in zwei Kränzen angeordnet, genau wie bei den Apterygoten, vier distale und drei proximale. Nachdem vollends auch für die Corneagenzellen der Apterygoten- Augen in den Hauptpigmentzellen der Ommen höherer Insekten ein Homologon gefunden ist, kann kein Bedenken mehr gegen eine Homologisirung beider Augenformen bestehen. Gerade die Zweischichtigkeit der KRetinulae dieser niedrig- stehenden Augen, bei Apterygoten und Periplaneta, musste der Ab- leitung nach LeyvIG’schem Vorgang große Schwierigkeiten machen, da man sekundäre Umbildungen annehmen müsste an Augen sehr niedrig stehender Thiere, während diejenigen der höheren Insekten ohne solche Modifikationen geblieben wären. Andererseits bieten uns die Augen der Dyticus-Larven einen An- schluss nach unten; ich führte oben schon aus, dass wir ihnen die Augen der Scolopender, vielleicht auch diejenigen von Zithobius ver- gleichen dürfen. Eine interessante Parallele für die vermutheten Umbildungen des Zithobius-Auges zum Omma eines Komplexauges finden wir in den Komplexaugen von Scutigera. Jedenfalls zeigen sie uns, dass die einfachen Myriapoden-Augen ein geeignetes Material für Umbildungen in der angegebenen Richtung sind. Wenn wir hier auch keine Zwischenform kennen, so ist doch am fertigen Sceutigera- Omma die Zweischichtigkeit der Retina interessant; sie erinnert direkt an die zweischichtigen Retinae der Insektenlarven und Aptery- goten. Den Zahlenverhältnissen von Sehzellen und Krystallkörper- zellen nach (wenn wirklich die Krystallkörpersegmente aus Zellen entstehen, wie ADENSAMER nach Präparaten von jungen Scutigera nachweisen will) könnte man ein Omma des Komplexauges von Scutigera entstanden denken aus einem einfachen Auge vom Typus desjenigen der Stials-Larve. Durch Mehrung solcher einzelner Augen und in Folge dessen nahes Zusammenrücken derselben würde sich die Gestaltveränderung, das Schlankwerden der ganzen Ommen und im Einzelnen der Sehzellen und Krystallkegelzelien aus mechanischen Verhältnissen ohne Weiteres erklären. — Andererseits darf man wohl die Krystallkegelzellen des Ommas von Scutigera mit den unter der Linse gelegenen Zellen in den Augen von Lithobius homologisiren. Alle diese Ableitungen sind jedoch nur möglich auf Grund der Einsicht, dass bei allen besprochenen Augenformen die recipirenden Endorgane nach dem gleichen Prineipe gebaut sind; überall finden Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 459 wir weniger oder mehr modifieirte Stiftchensäume. Aus derselben Rücksicht müssen wir andererseits die von KENNEL (1889) vorge- schlagene Ableitung des einfachen Auges der Insekten von offenen Augenbechern der Raubanneliden (Onuphis, Diopatra) verwerfen; denn in diesen Polychätenaugen müssen wir, nach Analogie von Nereis und vielen Anderen, recipirende Endorgane annehmen, bei denen in einer cuticularen Röhre eine Neurofibrille verläuft und am Ende der Röhre endigt. Es ist vielleicht möglich, dass auch diese Endigungen sich in letzter Linie auf Stiftchensäume zurückführen lassen — das kann ich erst später des Genaueren darlegen; jeden- falls aber ist auch dann an eine direkte Ableitung der einfachen Arthropodenaugen von diesen Formen nicht zu denken, sondern höchstens an einen Ursprung aus gemeinsamer Wurzel. So betrachten wir also das Komplexauge der Insekten mit JOH. MÜLLER und GRENACHER als aus vielen ursprünglich selb- ständigen Einzelaugen zusammengesetzt und hätten folgende Ahnen- reihe für das Omma, wobei natürlich die hier angeführten Augen- formen stets nur den Typus des betreffenden phylogenetischen Entwicklungsstadiums bedeuten sollen: Auge eines Scolopenders und Auge der Dyticus-Larve (GRENACHER’S Typus); Auge von Zithobius (Beginn der Zweischichtigkeit); Auge der Myrmeleon-Larve; Auge der Siaks-Larve (Zweischichtigkeit);; Augen von Phryganeenlarven, Raupen, Poduren, Lepisma; Omma von Periplaneta, Omma eines anderen höheren Insekts. Wenn wir den Verlauf dieser Entwicklung mit einigen Worten schildern, so könnten wir sagen: bei einem einschichtigen eingestülpten Myriapoden-Auge ist durch Austreten einiger Zellen aus dem Epithelverband in die Einstülpungshöhle Zweischichtigkeit entstanden; diese Zellen werden theils zu Krystall- kegelzellen, theils zu Corneagenzellen (die ursprünglich wohl wie bei Lepisma zu Seiten der Krystallkegelzellen lagen, und erst später zwischen diese und die Cornealinse rücken); die Sehzellen in den seitlichen Wandungen der Einstülpung ordnen sich in zwei Niveaus; es tritt dann eine Verminderung der Sehzellen bis auf sieben ein, die zu vier und drei auf die zwei Niveaus vertheilt liegen; endlich rücken, wahrscheinlich in Folge des Schlankerwerdens der Sehzellen (aus Raumrücksichten in Folge engen Zusammenschlusses der Ommen), die sieben Zellen in ein Niveau; damit ist die Umbildung vollendet. Somit sind die Ommen des Komplexauges von ursprünglich ein- gestülpten Augen abzuleiten, ähnlich wie das WATAsE angegeben hat, doch nicht mit dessen Schematismus. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Ba. 30 460 Richard Hesse, Die Stirmaugen spielen bei dieser ganzen Ableitung keine Rolle; es ist wohl anzunehmen, dass sie aus einer besonderen Wurzel her- zuleiten sind. Das Urstirnauge hat wahrscheinlich noch keine Gruppirung der Sehzellen gehabt; die reeipirenden Endigungen waren wahrscheinlich endständige Stiftehensäume; es war noch keine linsen- artige Verdiekung der Cutieula vorhanden. Die Gruppirung der Sehzellen und Rhabdombildung sind offenbar erst innerhalb der Reihe der Stirnaugen ausgebildet: aus endständigen Stiftchensäumen (vgl. Helophilus) wurden solche, die das Zellende ringförmig umgaben (Helophilus, Syromastes, Cloeon), und diese wurden dann auf eine Seitenfläche der Zelle beschränkt, wobei sie mit den seitenständigen Stiftehensäumen der Nachbarzellen in Beziehung traten und ein Rhab- dom bildeten. Gruppirung und Rhabdombildung gehen hier also nicht auf Einstülpung zurück. Das Urstirnauge wäre vielleicht am ehesten mit dem großen Auge zu vergleichen, das jederseits bei Lithobius etwas von den kleinen Augen abgesondert, am Ende des Augenhaufens liegt —, nur müsste die linsenartige Verdickung der Cutieula weggedacht werden. Auch könnten Umwandlungen der Art, wie sie in den basalen Sehzellen von Zithobius mit dem Stiftchen- saum vor sich gehen, zu einer Verlagerung desselben an die Seiten- wände des Zellkörpers führen. — Somit würden sich also die Stirn- augen aus ähnlicher Quelle herleiten wie die Larvenaugen und Ommen. Ein ähnlicher Ursprung ist vielleicht für die Augen der Arach- noideen anzunehmen, nur dass bei den Medianaugen der Skorpione und bei den Spinnenaugen weitere Komplikationen durch Falten- bildungen hinzukommen. Bei den Spinnenaugen erscheinen auch Stiftchensäume, welche das Zellende ringförmig umgeben (Steatoda- Hauptauge), der Ausgangspunkt zu sein, von dem aus es weiterhin bis zur Rhabdombildung kommt; wir können hier eine ähnliche Ent- wicklung der Rhabdombildung annehmen wie bei den Insekten- Stirnaugen. _ KORSCHELT und HEIDER allerdings wollen auch diese »retinulirten« Augen als zusammengesetzte auffassen, und sie müssten naturgemäß jetzt das Gleiche für die Stirnaugen der Insekten an- nehmen; aber abgesehen davon, dass sich das Verschmelzen der Einzeleorneae zu einer einzigen Cornealinse schwer denken lässt, kann man doch kaum eine solche Beschaffenheit der reeipirenden Elemente wie bei Helophrlus, Steatoda u. A. als Rückbildungen ursprünglicher Rhabdomeren ansehen. Auch habe ich oben schon darauf hin- gewiesen, dass man die unregelmäßige Gruppirung der Sehzellen in den Seitenaugen des Skorpions kaum als Rückbildung der Fünfer- Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. Vli. 461 gruppirung, die wir in den Medianaugen antreffen, auffassen kann. Schon oben habe ich mich über die enge Übereinstimmung der Komplexaugen von Insekten und Crustaceen ausgesprochen, und diese noch im Einzelnen zu bekräftigen gesucht, indem ich die Homo- logie von Hauptpigmentzellen und Corneagenzellen nachwies. Danach muss, wie GRENACHER schon folgerte, der gemeinsame Ahn beider Klassen schon ein Komplexauge besessen haben; ich glaube, dass man wohl annehmen darf, dass die Bildung der Krystallkegel bei Crustaceen und Insekten unabhängig erfolgte: diese Bildungen zeigen ja auch recht große Mannigfaltigkeit hier wie dort. Wenn wir nun . die Ommen des Komplexauges von myriapodenähnlichen Augen ab- leiten, so müssten die Myriapoden einerseits, die gemeinsame Stamm- form der Crustaceen und Insekten andererseits von einem weiter zurück- liegenden gemeinschaftlichen Ausgangspunkt herkommen. Das würde vielleicht die Annahme einer selbständigen Entstehung der Tracheen bei Myriapoden und Insekten zur Folgerung haben — Schwierig- keiten, über die ich nicht hinwegkomme. Eine polyphyletische Ent- stehung jedoch der Komplexaugen von Insekten und CUrustaceen anzunehmen, das vermag ich nicht. Nur wenige Worte möchte ich noch hinzufügen über das Median- auge der Crustaceen. Die Thatsache, dass bei Orchesella an der Stelle, wo man ein medianes Stirnauge vermuthen könnte, zweifel- lose Sehzellen mit Stiftchensaum und Nervenfortsatz vorkommen, die nicht im Verband der Hypodermis, sondern in dem darunter ge- legenen Bindegewebe liegen, also offenbar aus der Hypodermis aus- sewandert sind, hat mich auf den Gedanken gebracht, ob nicht das dreitheilige Medianauge, dessen einzelne Zellen ja den besprochenen Zellen bei Orchesella ähnlich sind, von drei verschiedenen Stellen der Hypodermis sich ebenfalls losgelöst hat und in die Tiefe ge- - sunken ist. Die Inversion der Zellen hängt mit ihrer Orientirung gegen eine Pigmentwand zusammen: die abblendende Wirkung dieser Wand ist am größten, wenn die Zellen ihr den Stiftchensaum zukehren — und damit wird der von der entgegengesetzten Seite entspringende Nerv dem Licht zugewendet: d. h. die Zelle ist invertirt. ‘So wäre es nicht ganz undenkbar, dass die Stirnaugen der Insekten und das Medianauge der Crustaceen auf eine gleiche Wurzel zurückgingen — eine Vermuthung, für welche die Gründe freilich nur schwächlich sind. — Einen Vergleich des Medianauges der Urustaceen mit den invertirten Augen bei Arachnoideen, lediglich wegen der Inversion 30* 462 Richard Hesse, der Sehzellen, halte ich für verkehrt, weil ich glaube, dass diese In- version in beiden Fällen verschiedenen Ursprungs ist. Die vorstehenden Untersuchungen haben ergeben, dass in all den mannigfachen Modifikationen, in denen die Sehorgane bei den Arthro- poden auftreten, nicht nur in so fern eine Einheitlichkeit der Elemente besteht, als überall die Sehzellen als Grundbestandtheile wieder- kehren, wie das GRENACHER in seinem klassischen Werke über die Arthropodenaugen dargelegt hat. Die Einheitlichkeit geht noch weiter: bei Myriapoden, Insekten, Crustaceen, Arachnoideen finden wir an den Sehzellen die recipirenden Endorgane stets nach demselben Plane gebaut: es sind Stiftchensäume, deren einzelne Stiftehen das ge- wöhnlich verdickte Ende einer Neurofibrille bilden, welche ihrerseits durch die Sehzelle hindurch in deren Nervenfortsatz verläuft und in diesem wahrscheinlich zum Centralorgan (Ganglion opticum oder Ge- hirn) geht. So wäre also jedes Stiftehen durch eine kontinuirliche Leitung mit einer centralen Zelle verbunden. Die Stiftehensäume selbst sind in verschiedener Weise modifieirt. In vollkommenster Ausbildung (Textfig. 1) zeigt jedes Stiftchen an TR seiner Basis eine rundliche oder längliche Ver- j E diekung, ein Knöpfehen, an welches sich dann die | Knöpfchen Fibrille anschließt; zwischen der Lage der Knöpf- sale Schaltzone - 2 3 Ba nl. chen und dem granulirten Zellplasma liegt eine ii "Zellkörper helle Zone, die Schaltzone, in der die Fibrillen am TR deutlichsten zu Tage treten, während sie zwischen 1 den Granulationen des Zellplasmas oft ganz ver- schwinden. Stiftehensäume in dieser Ausbildung begegnen uns in allen Gruppen (z. B. Lithobius, Machilis, Steatoda, Palaemon). Die Knöpfehen und die Schaltzone werden nicht selten vermisst (z. B. Euscorpius), die Stiftchen und die Neurofibrillen jedoch sind noth- wendige Bestandtheile des Stiftchensaums. Die Ausbildung der Stift- chen wechselt sehr: sie können von verschiedener Länge sein, zuweilen ganz kurz bleiben und selbst zu plättchenartigen Bildungen (Zelophelus- Stirnauge) werden. Weiter können sie in ihrer Substanz mehr oder weniger verändert sein — was sich zunächst an ihrer verschiedenen Färbbarkeit kund giebt, ja ich zweifle nicht, dass sie zuweilen eine cuticuläre Beschaffenheit annehmen. Das wird besonders deutlich, wenn sie eng (vielleicht durch eine Kittsubstanz) mit einander ver- bunden sind — wobei man wenigstens ihre gesonderte Existenz an dünnen Schnitten noch erkennen kann (z. B. Dyticus-Komplexauge) — Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VI. 463 oder wenn sie ganz zu einer homogenen Masse verschmolzen sind (Rhabdomeren der Phryganeen-Larven). Dass der Stiftchensaum auch ohne solche Umwandlungen der Stiftehen (Verklebung, stärkere Licht- breehung, Cutieularisirung) funktionsfähig ist, dafür haben wir viele Belege (Myriapoden, Steatoda). Es ist desshalb naheliegend zu fragen, ob jene Veränderungen eine besondere Bedeutung haben. Das Ein- zige, was mir ein Licht auf diese Verhältnisse zu werfen scheint, ist in folgender Äußerung von Exner (1891 p. 31) enthalten: »Ich muss hier in Bezug auf die Funktionsweise des Rhabdoms an das erinnern, was zuerst E. BRÜCKE für deren Analoga in der Wirbelthiernetzhaut, die Stäbchen, hervorgehoben hat. Wegen des starken Lichtbrechungs- vermögens, im Vergleiche zur Umgebung nämlich, ist ein Lichtstrahl, der einmal unter spitzem Winkel in das Rhabdom eingedrungen ist, darin gleichsam gefangen, er wird durch totale Reflexion bis ans Ende geleitet, am Ende kann er wenigstens z. Th. reflektirt und wieder in derselben Weise zurückgeleitet werden.« Die Stiftchen- säume werden also dadurch zu »Fangapparten für solche Licht- strahlen..., welche in einer von ihrer Längsachse nicht zu sehr ab- weichenden Richtung in dieselben gelangen«. Innerhalb des Kreises der Arthropoden haben nun die Sehzeilen mit Stiftchensaum die verschiedensten Formen: meist sind sie im epithelialen Verbande geblieben, bei wenigen aber haben sie sich aus demselben losgelöst und sind in das unterliegende Bindegewebe ein- gewandert (Medianauge der Crustaceen, Stirnauge von Orchesella, Augen der Dipterenlarven); dann nehmen die Zellen bisweilen eine abgerundete Gestalt an und der Stiftehensaum verbreitet sich über » C, d. F A “ u °$ &: $ (N . [2 a FR, .. [8 @ Se 77 S > S) ED) oo a a ne | LUIN — N EN DIN —_o Textfig. 2 a—ı. einen größeren Theil ihrer Oberfläche (Textfig. 2«). Verbleiben aber die Zellen im epithelialen Verbande, so ist es zunächst nur ihr freies (distales) Ende, das für einen Besatz mit Stiftchen geeignet erscheint (z. B. Iulus, Lithobius, Textfig. 25); oder aber es wölbt sich dieses Ende kuppelförmig vor, so dass eine größere Zahl von Stiftehen auf 464 Richard Hesse, ihm Platz hat und damit die Reizbarkeit der Zelle vermehrt wird (z. B. Stirnaugen von Helophilus;, Textfig. 2c). Es kann dann weiter die ganze Masse der Stiftchen auf die Seitenwände der Zelle ver- schoben werden, so dass sie einen breiten Ring um das Zellende bilden (Textfig. 24; Querschnitt 2e); derartige Stiftehensäume, die aus der vorigen Stufe hervorgegangen sein dürften, treffen wir bei Helo- philus (Stirnauge), Scolopendra, Steatoda (Hauptauge). Eine weitere Veränderung wäre die, dass die Stiftehensäume sich nicht mehr rings um die Zelle erstrecken, sondern sich auf gewisse Theile der Seiten- wand beschränken: auf zwei entgegengesetzte Seiten (Nebenaugen mancher Spinnen; Textfig. 2f u. g, Längs- und Querschnitt) oder nur auf eine Seite: im letzteren Falle treten die Stiftchensäume mit denen der Nachbarzellen in Beziehungen, es kommt zur Gruppirung der Sehzellen und zur Rhabdombildung (Textfig. 2% u. <, Längs- und Quer- schnitt); hier werden dann die Stiftchensäume als Rhabdomere (Ray LANKESTER) bezeichnet, ein Ausdruck, den man auch für die geson- dert bleibenden Stiftchensäume bei axonischer Gruppirung der Seh- zellen beibehalten kann. In den letzten beiden Fälien behalten die Stiftehensäume ihre Lage am Ende der Sehzelle nicht immer bei, sondern können am Zellkörper gegen den Nervenfortsatz herabrücken, wie das in den Nebenaugen der von mir untersuchten Spinnen und bei den Stirnaugen der Phryganeen geschieht. In den Augen, wo die monaxonische Gruppirung der Sehzellen auf Einstülpung zurückzuführen ist (Stemmen der Insektenlarven, Ommen der Apterygota und wahrscheinlich, wenn auch sekundär verwischt, Ommen der anderen Insekten) steht der Stiftehensaum nur scheinbar an der Seite, in Wahrheit am eingebogenen freien Ende der Sehzellen. Durch diese Ergebnisse werden aber noch weitere Gesichtspunkte eröffnet. Stiftehensäume von gleicher und ähnlicher Beschaffenheit finden wir auch sonst bei wirbellosen Thieren: bei vielen Plathelmin- then, bei manchen Anneliden, bei Mollusken, ja selbst bei Amphiozus. Für die Vergleichung der Sehorgane unter einander ist damit eine feste Grundlage ermittelt. Zusammenfassende Folgerungen aus diesen Befunden zu ziehen, behalte ich mir für den Schlussaufsatz vor. Tübingen, Ende April 1901. Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 465 Verzeichnis der angeführten Werke, TH. ADENSAMER, 1895. 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Erklärung der Abbildungen, Abkürzungen: D, dorsal; V, ventral; R, rostral; C, eaudal. au, Auge; is, Imaginalscheibe; bg, Bindegewebe; k, Krystallkegel; . bgk, Kern einer Bindegewebszelle; 1’, Krystallkörper; bk, Binnenkörper; kk, Kern einer Krystallkegelzelle, sog. bm, Basalmembran; SEMPER’scher Kern; ce, Cutieula; kz, Krystallkegelzelle; ck, Kern einer corneagenen Zelle; !, Linse; el, Cornealinse; mz, Mantelzelle; c’, proximaler Theil der Cornealinse n, Nerv; (bei Vespa); nf, Nervenfaser; cz, corneagene Zelle; nfi, Neurofibrille; gm, Grenzmembran; no, Sehnerv; gopt, Ganglion opticum; nr, Nebenretina; hy, Hypodermis; ph, Phaosphaere; hz, hyaline Zelle; pl, Protoplasma der Sehzelle; 468 px, Pigmentzelle; Pz, Hauptpigmentzelle; pzk( Pzk), Kern einer Pigmentzelle(Haupt- pigmentzelle); »’, distaler, fadenförmiger Abschnitt der Retinula (bei Nachtfaltern); rh, Rhabdomer; Rh, Rhabdom; s, Sekretmasse; schz, Schaltzone; sm, Schaltmembran; Richard Hesse, stau, Stirnauge; sti, Stiftehensaum;; sıw, Scheidewand (zwischen den beiden Komplexaugen von Machdlis); sz, Sehzelle; szI, szII, distale, proximale Sehzelle; szk, Kern einer Sehzelle; ta, Tapetum; tak, Kern einer Tapetumzelle; trta, Tracheentapetum. Tafel XVI. Kiosalla und: Eucalanus elongatus, Sehzellen des Medianauges; in 5 ist der Stiftehensaum (st) am Rand der Zelle oberflächlich gestreift, daher sind die ein- zelnen Stiftehen unterscheidbar. Vergr. 900fach. Fig. 2. Branchipus grubü, Stiftchensaum einer Sehzelle des Medianauges, mit Sehaltzone (schz). Vergr. 900fach. Fig. 3. Julus sp., Medianschnitt durch ein Auge. Vergr. 900 fach. Fig. 4. Lithobius forficatus, Medianschnitt durch ein Auge; an einer distalen Sehzelle rechts ist der Nervenfortsatz (nf) eine Strecke weit zu verfolgen. Der Abgang des Sehnerven ist in dem Schnitt nicht getroffen. Vergr. 700 fach. Fig. 5. Dessgl., Längsschnitt durch eine distale Sehzelle, nach einem Eosin-Hämatoxylin - Präparat, ohne Entfernung des Pigments. Vergr. 900 fach. Fig. 6@ u. 5. Dessgl., Querschnitte durch die Stiftchensäume der proximalen Sehzellen, die Anordnung der Stiftehen gegen die plasmatische Achse zeigend. Vergr. 900 fach. Fig. 7. Dessgl., Corneae der Augen einer Seite; * großes Auge am cau- dalen Ende des Augenhaufens. Fig. Sa—d. Vergr. 60fach. Seutigera coleoptrata, Querschnitte durch einzelne Ommen. « und d durch die distalen, e undd durch die proximalen Sehzellen. Vergr. 700 fach, Fig. 9. Dessgl., Längsschnitt durch ein Omma an der Grenze der distalen und proximalen Zelle. Fig. 10a u. b. a längs-, 5 quergeschnitten. Kor Sl. 315 fach. Fig. 12 a—.d. Vergr. 700 fach. Scolopendra morsitans, »Stäbchen« der distalen Sehzellen, Vergr. 900 fach. Helophilus sp., Medianschnitt durch das mittlere Stirnauge. Vergr. Dessgl., recipirende Endorgane der Stirnaugen: a und 5 aus dem rostralen Theil, e und d »Stäbchen« aus dem caudalen Theil, e längs, d quer. Vergr. 900fach. Fig. 13. Syromastes marginatus, Stivnauge ohne -Cornealinse im Median- schnitt. Das Pigment, das nur in den Randtheilen der Zellen liegt (vgl. Fig. 14), scheint wegen der Dicke des Schnittes die ganzen Zellen zu erfüllen. Vergr. 500 fach. Fig. 14. Dessgl., Querschnitt durch die Sehzellen an der distalen Grenze des Pigments; 800 fach. Fig. 15. rechts die vom Stiftchensaum umgebenen Vorderenden. Vergr. Clo&on sp., Medianschnitt durch das Stirnauge. Vergr. 500fach. Fig. 16. Dessgl., Zusammenhang (?) von Hypodermis und cellulärer Linse. Vergr. 700 fach. Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 469 Tafel XVII. Fig. 17. Ceratopsyllus canis, Medianschnitt durch das Auge. Vergr. 750 fach. Fig. 18. Dessgl., Stück eines einzelnen Stäbchens im Längsschnitt. Vergr. 900 fach. Fig. 19. Orchesella rufescens, var. pallida, Kopf mit Stirnauge (stau) und seitlichen Augen (au). Vergr. 60fach. Fig. 20. Dessgl., Medianschnitt durch das Stirnauge. Vergr. 750fach. Fig. 21. Dessgl., Schnitt durch das Stirnauge parallel zur Cuticula. Vergr. 750 fach. Fig. 22. Machilis sp., Kopf von oben und vorn gesehen, mit Stirnaugen (stau) und Komplexaugen. Vergr. 30fach. Fig. 23. Dessgl., äußere Ecke eines paarigen. Stirnauges, senkrecht zur Cutieula geschnitten. Vergr. 500fach. Fig. 24. Dessgl., Theil eines ähnlichen Schnittes. Vergr. 500fach. Fig. 25. Dessgl., Schnitt parallel zur Cutieula durch ein Stirnauge, die Querschnitte der Rhabdome (RA) zeigend. Vergr. 500fach. Fig. 26. Agrion sp., Medianschnitt durch ein seitliches Stirnauge. Vergr. 530fach. Fig. 27. Dessgl., Schnitt, dem vorigen parallel, aber weiter caudal geführt, um die dort der Zelle anliegende Sekretmasse (s) zu zeigen. Vergr. 8dfach. Fig. 28. Dessgl., Schnitt durch die distalen Sehzellen (sz/! der Fig. 26), nahezu parallel der Grundfläche der Linse; die blasseren Kerne sind nur ange- schnitten; der Schnitt ist rechts oben der Linse näher als links unten, wie aus dem Verhalten der Kerne ersichtlich. Vergr. 800fach. Fig. 29. Dessgl., Querschnitt durch die distalen Enden der proximalen Sehzellen (sz/7 der Fig. 26), zeigt die Rhabdome und das Tapetum. Vergr. 800 fach. Fig. 309. Aeschna juncea, Querschnitt durch die distalen Enden dreier proximalen Sehzellen aus dem mittleren Stirnauge, mit ihrem Rhabdom. Versgr. 800 fach. Fig. 31. Dessgl., Längsschnitt durch eine eben solche Zellgruppe; die Granula des Zellplasmas sind auf der rechten Seite weggelassen, um die Neuro- fibrillen deutlicher zu zeigen. Vergr. 800 fach. Fig. 32. Dessgl., Längsschnitt durch die proximalen Enden der Sehzellen im mittleren Stirnauge. Vergr. 800 fach. Fig. 35. Vespa crabro, Längsschnitt durch das mittlere Stirnauge. Vergr. 95 fach. Fig. 34. Dessgl., dem vorigen paralleler Schnitt durch ein seitliches Stirn- auge. Vergr. fach. Fig. 35. Dessgl., ein Stück der Retina aus einem Längsschnitt durch ein Stirnauge; rechts oben sieht man die corneagenen Zellen sich zwischen die distalen Enden der Sehzellen erstrecken. Vergr. 800 fach. Fig. 36. Dessgl., Querschnitt durch fünf Rhabdome; an einzelnen erkennt man die fibrilläre Streifung des an die Rhabdomeren angrenzenden Zellplasmas. Vergr. 800 fach. Be : Tafel X VIII. Fig. 37. Vespa erabro, Stück der Nebenretina aus einem Stirnauge, von einem seitlichen Schnitte, wesshalb die Nervenfortsätze der Sehzellen nicht sichtbar sind. Vergr. 800 fach. 0 v Richard Hesse, Fig. 38. Dessgl., Schrägschnitt durch die Nebenretina; geht in verschie- denen Höhen durch die Fibrillenbündel der Sehzellen: links proximaler, rechts distaler. Vergr. 800 fach. Fig. 39. Anabolia sp., Medianschnitt durch das Stirnauge, etwas kombinirt. Vergr. 315 fach. Fig. 40a u.b. Dessgl., Querschnitte durch das Stirnauge in der Richtung der Pfeile 4 und B in Fig. 39; a, 36 u hinter der äußeren Corneafläche, 5, 45 u hinter a. Vergr. 3löfach. Fig. 41. Dessgl., Stück eines Schnittes wie Fig. 405 (etwa der in dieser Figur durch die Klammer XLI bezeichneten Strecke entsprechend); man sieht zwischen Cuticula und Sehzellen zwei Lagen flacher Zellen. Vergr. 800 fach. Fig. 42. Dessgl., Querschnitt durch ein Rhabdom mit den vier anliegenden Sehzellen. Vergr. 800 fach. Fig. 43. Hiylotoma rosarum, Medianschnitt durch das Auge einer Larve, nach Entfernung des Pigments. Vergr. 280 fach. Fig. 44 a—c. »Grüne« Blattwespenlarve, a und 5, Stücke aus Median- schnitten durch die Retina, d, nach Entfernung des Pigments. Vergr. 415 fach; c, Anordnung der Pigmentkörnchen in den Sehzellen. Vergr. 700 fach. Fig. 45. Chironomus-Larve, Kopf von oben. Fig. 46. Dessgl., a, Augen der rechten Seite; der Pfeil zeigt die Richtung der Medianebene. Vergr. 500 fach; 5, ein Auge unter leichtem Druck: es werden die Nervenfortsätze der Sehzellen (s2) und die pigmentfreien Theile der Zellen des Pigmentbechers sichtbar. Vergr. 600fach. Fig. 47. Ceratopogon-Larve, Medianschnitt durch ein Auge, kombinirt. Vergr. 700 fach. Fig. 48. Dyticus-Larve, schematischer Längsschnitt durch ein Auge. Fig. 49. Dessgl., Theil eines Querschnitts durch die Basis eines solchen Auges in der Richtung des Pfeiles ZZ in Fig. 48. Vergr. 350 fach. Fig. 50. Dessgl., einzelne Sehzelle aus einem Schnitt wie der Fig. 49 dar- gestellte, in stärkerer (900 facher) Vergrößerung. Fig. 51. Junge Dytieiden-Larve, Auge im Querschnitt. Vergr. 350 fach. Fig. 52. Dessgl., einzelne recipirende Elemente aus vorigem Schnitt. Vergr. 900 fach. Fig. 53. Myrmeleon-Larve, Medianschnitt durch den Augenhöcker, mit drei Augen; das rechte Auge ist nur seitlich getroffen; die linke Hälfte des Schnittes ist ohne Pigment gezeichnet; kombinirt. Vergr. 510 fach. Fig. 54. Dessgl., Zellen vor dem Krystallkörper, auf einem Schnitt senk- recht zur Augenachse. Vergr. 510 fach. Tafel XIX. Fig. 55. Arctia caja-Raupe, Medianschnitt durch ein Auge, ohne Cuticula; auf dem nächsten Schnitt der Serie ist der Kern der mittleren proximalen Seh- zelle sichtbar; die rechts von dieser liegende ist in ihrem distalen Theil nur eben angeschnitten. Vergr. 510 fach. Fig. 56a u. d. Dessgl., Querschnitte durch die Retina eines Auges; a, durch die distalen Sehzellen (7—3), zwischen denen auf dem Schnitt die Enden der proximalen Zellen sichtbar sind; d, durch die proximalen Sehzellen (4«—7) und Mantelzellen. Vergr. 510 fach. Fig. 57. Smerinthus ocellata-Raupe, Querschnitt durch die proximalen Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 471 Sehzellen eines Auges in der Höhe ihres (kreuzförmigen) Rhabdoms; die Mantel- zellen sind nur angedeutet. Vergr. 700 fach. » Fig. 58. Phryganeen-Larve, Medianschnitt durch ein Auge, ohne Cuti- eula, nach Entfernung des Pigments. Vergr. 510 fach. Fig. 59. Dessgl., ähnlicher Schnitt wie voriger, ohne Cuticula, mit Pigment. Vergr. 400 fach. Fig. 60 @ u.d. Dessgl., Querschnitte durch die Retina eines Auges, nach Entfernung des Pisgments; a, durch die distalen Zellen (7—3); in der Mitte treten die rhabdomtragenden Enden der proximalen Zellen durch; d, durch die proxi- malen Sehzellen (4—7) desselben Auges. Vergr. 510 fach. Fig. 61a u.5b. Dessgl., zwei den vorigen benachbarte Schnitte, vor Ent- fernung des Pigments. Vergr. 400fach. Fig. 62. Lepisma saccharinum, drei Ommen; das linke, ohne Pigment, ist schematisch. Vergr. 750 fach. Fig. 63. Dessgl., Schnitt durch die Krystallkegelzellen, etwa senkrecht zur Augenachse. Vergr. 750fach. Fig. 64a u.d. Dessgl., Querschnitte durch zwei Ommen, a, durch die vier distalen Sehzellen, d, durch die drei proximalen Sehzellen (neben denen die Nervenfortsätze der distalen Zellen im Quer- oder Schrägschnitt sichtbar sind). Vergr. 750 fach. Fig. 65. Orchesella rufescens, Medianschnitt durch ein Omma. Vergr. 7ö0fach. Fig. 66. Dessgl., Schnitt senkrecht zur Augenachse durch die Corneagen- zellen. Vergr. 750 fach. Fig. 67. Machilis sp., Medianschnitt durch das linke und drei Ommen des rechten Komplexauges; die letzteren und die Scheidewand zwischen den beiden Augen (sw) sind pigmentirt gezeichnet. Vergr. 165 fach. Fig. 68. Dessgl., Längsschnitt durch zwei Ommen, von denen das linke ohne Pigment dargestellt ist. Vergr. 400 fach. Fig. 69a—e. Dessgl., Querschnitte durch ein bezw. mehrere Ommen, in der Höhe der entsprechend bezeichneten Pfeile A—E an Fig. 68. a, durch die cornea- genen Zellen, 5, durch die Kerne der Krystallkegelzellen, c, durch den Krystall- kegel und die umgebenden Pigmentzellen, d und e, durch die Retinula. Vergr. 700 fach. Fig. 70. Dessgl., Längsschnitt durch eine Retinula. Vergr. 700 fach. Fig. 71. Dessgl., Schrägschnitt durch eine Retinula, auf dem der Übergang der Schaltfibrillen in Neurofibrillen des Zellkörpers sichtbar ist. Vergr. 700 fach. Tafel XX. Fig. 72. Periplaneta orientalis, Medianschnitt durch ein Omma, nach Ent- fernung des Pigments. Vergr. 700 fach. Fig. 73a u.d. Dessgl., Querschnitte durch eine Retinula (ohne Pigment), a, durch die Kerne der vier distalen Sehzellen und die Spitze des Krystallkegels; d, durch die Kerne der drei proximalen Sehzellen. Vergr. 700 fach. Fig. 74. Aeschna-Larve, Längsschnitt durch ein Stück der Retinula. Vergr. 800 fach. | Fig. 75. Dessgl., zwei Querschnitte durch Retinulae. Vergr. 800 fach. Fig. 76a u.b. Sphinz ligustri, a, Längsschnitt durch ein Stück der Retinula; b, eben solcher durch ein Stück eines Rhabdomers, bei dem das Zellplasma vom Stiftehensaum etwas abgehoben ist, wodurch die Neurofibrillen in ihm zum Vor- schein kommen. Vergr. 900 fach. 472 Richard Hesse, Fig. 77 a—c. Dessgl., drei Querschnitte durch Ommen, a, in mittlerer Höhe des Rhabdoms, 5, nahe über der Grenzmembran, c, unter der Grenzmembran, die Kerne der Sehzellen und die Nervenfasern (zusammen jedes Mal 8) im Quer- schnitt zeigend. Vergr. 900 fach. Fig. 78a u.b. Sphinz euphorbiae, Längsschnitte durch die Ommen im Bereich der Grenzmembran, um die Lage der Kerne der Sehzellen zu zeigen. Vergr. 350 fach. Fig. 79. Macroglossa stellatarum, Medianschnitt durch drei Ommen des Komplexauges, kombinirt; die linke Seite des Schnittes ist ohne Pigment darge- stellt, das Tracheentapetum ist nicht eingezeichnet. Vergr. 300 fach. Fig. 80 «—f. Dessgl., Querschnitte durch die Ommen in der Höhe der entsprechend bezeichneten Pfeile A—F in Fig. 79. Vergr. 900 fach. Fig. 81. Dessgl., Längsschnitt durch den kernhaltenden Theil der Seh- zellen und die Schaltmembran. Vergr. 900 fach. Fig. 82. Plusia gamma, Medianschnitt durch drei Ommen des Komplex- auges, kombinirt; die linke Seite des Schnittes ist ohne Pigment dargestellt. Vergr. 380 fach. Fig. 83a—e. Dessgl., Querschnitte durch ein bezw. mehrere Omen, in der Höhe der entsprechend bezeichneten Pfeile A—Z in Fig. 82. Vergr. 750 fach. Fig. 54. Dytieus marginalis, Querschnitt durch einige Retinulae des Kom- plexauges, und zwar durch den proximalsten Theil der Rhabdome. Vergr. 820 fach. Fig. 85. Dessgl., dünnste Querschnitte durch Retinulae, die Zusammen- setzung der Rhabdomeren aus Stiftchen zeigend. Vergr. 900 fach. Fig. 86. Dessgl., Längsschnitt durch den proximalen Theil einer Retinula und deren Nerven, ohne Pigment. Vergr. 800 fach. Fig. 87 a—d. Dessgl., Querschnitte durch den proximalen Theil einer Retinula und deren Nerven, ohne Pigment, in der Höhe der entsprechend bezeich- neten Pfeile A—D in Fig. 86. Vergr. 800 fach. Fig. 88a u.b. Palaemon squilla, Stücke von Medianschnitten durch die Retinula, ohne Pigment. a, von einer seitlicheren Retinula, 5, aus der Mitte des Auges. Vergr. 900 fach. Fig. 89. Dessgl., Querschnitt durch die Retinula. Vergr. 900 fach. Fig. 90. Squilla mantis, Querschnitt durch die Retinula. Vergr. 800 fach. Tafel XXI. Fig. 91. Oniscus murarius, Querschnitt durch die Retinula, ohne Pigment. Vergr. 400 fach. Fig. 92a—c. Dessgl., Querschnitte durch einzelne Sehzellen, ohne Pigment. Vergr. 900 fach. Fig. 93. Dessgl., Medianschnitt durch eine Sehzelle. Vergr. 900 fach. Fig. 9. _Aega sp., Medianschnitt durch zwei Ommen, etwas schematisch; das rechte ohne Pigment; im linken geht der Schnitt durch die Retinula etwas seitlich. - Vergr. 270 fach. Fig. 95. Dessgl., Querschnitt durch eine Retinula, eine Zelle mit, die andern ohne Pigment. Vergr. 270 fach. Fig. 96. Dessgl., Medianschnitt durch eine Sehzelle, kombinirt. Vergr. 700 fach. Fig. 97. Euscorpius europaeus, Längsschnitt durch zwei Gruppen von Seh- zellen aus dem Medianauge. Vergr. 800 fach. Unters. über die Organe der Lichtempfind. bei niederen Thieren. VII. 473 Fig. 98a u. 5. Dessgl. Querschnitte durch eine Sehzellgruppe, a, durch den distalen, d, durch den proximalen Theil des Rhabdoms. Vergr. 800 fach. Fig. 99. Dessgl., Schnitt durch ein Seitenauge senkrecht zur Augenachse, um die Gruppirung der Sehzellen zu zeigen. Vergr. 500 fach. Fig. 100. Steatoda bipunctata, Querschnitt durch die »Stäbchen« des Haupt- auges. Vergr. 700 fach. Fig. 101. Dessgl., Längsschnitt durch die »Stäbchen< des Hauptauges. Vergr. 900 fach. Fig. 102. Dessgl., Längsschnitt durch zwei »Stäbchen« eines Nebenauges; der Zellkörper geht distal (nach oben) zum kernhaltigen Theil der Zelle, proximal (nach unten; zur Nervenfaser. Vergr. 900 fach. Fig. 105. Latrodectes sp., Querschnitt durch die »Stäbehen« eines Neben- auges; das muldenartig gewölbte Tapetum (fa) ist zweimal getroffen. Vergr. 700 fach. Fig. 104. Zycosa sp., Querschnitt durch die »Stäbehen« eines Nebenauges. Vergr. 900 fach. Fig. 105. Epeira diademata, Querschnitt durch ein Rhabdom (?) des Haupt- auges. Vergr. 900 fach. Fig. 106. Dessgl., Längsschnitte durch drei Rhabdomgruppen (?) des Neben- auges; die Zellkörper gehen distal zum kernhaltigen Theil der Zelle, proximal zum Nervenfortsatz, durch Lücken des Tapetums (ta). Vergr. 900 fach. Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. Von Carl Rabl. Mit Tafel XXI und XXII und 35 Figuren im Text. »Ich sage immer und wiederhole es, die Welt könnte nicht bestehen, wenn sie nicht so einfach wäre.« GOETHE, in den Gesprächen mit EcKERMANN, 11. April 1827. Vorbemerkung. Die vorliegende Abhandlung ist aus einem Vortrag entstanden, welchen ich am 27. Mai 1901 auf der Anatomenversammlung in Bonn hielt. Bei der Kürze der Zeit, die mir damals zur Verfügung stand, war es mir nicht möglich, den Gegenstand in einer, seiner Bedeutung auch nur einigermaßen entsprechenden Art zu behandeln. Ich musste mich darauf beschränken, die Grundgedanken zu skizziren, zu denen mich die Beschäftigung mit dem Gegenstande geführt hatte, und war gezwungen, auf eine strenge Beweisführung ganz zu verzichten. Da- her habe ich auch von der Veröffentlichung des Vortrages Abstand genommen und mich entschlossen, den Gegenstand in anderer Form und Fassung zur Sprache zu bringen. Ich theile den Stoff in zwei Theile: Der erste behandelt den Ursprung der paarigen Flossen, der zweite den Ursprung und die allmähliche Ausbildung der pentadactylen Extremität. In einem An- hange füge ich eine kurze historisch-kritische Darstellung der Archi- pterygiumtheorie bei. I. Über den Ursprung der paarigen Flossen. Es ist in den letzten Jahren wiederholt der Versuch gemacht worden, der Archipterygiumtheorie, deren Glanz unter dem Einflusse der Untersuchungen über die Entwicklung der paarigen Extremitäten schon sehr im Verblassen begriffen war, wieder zu neuem Ansehen Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 475 zu verhelfen. Allen diesen Versuchen wohnt die Tendenz inne, zu zeigen, dass keine einzige der Thatsachen, mit denen uns die Ent- wicklungsgeschichte bekannt gemacht hat, mit der Archipterygium- theorie im Widerspruche steht. Diese Tendenz ist indessen eine durchaus verkehrte; sie schlägt den Thatsachen direkt ins Gesicht. Nach Allem, was wir über die Entwicklung der paarigen Flossen der Selachier und Störe wissen, kann es nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass diese Flossen eine metamerische Anlage haben und dass ihnen ein metamerischer Bau zukommt. Es handelt sich hier nicht etwa um mehr oder weniger sichere Deutungen, sondern um leicht zu konstatirende, vollkommen sicher stehende Thatsachen, Jeder, der im Stande ist, vorurtheilslos ein Präparat einer Flossen- anlage eines Selachiers zu betrachten, wird nicht einen Augenblick darüber im Zweifel bleiben können, dass Muskeln, Skelet und Nerven der Flossen metamerische Bildungen sind! und er wird sich daher auch ein Urtheil darüber bilden können, welcher Werth solchen Behaup- tungen zukommt, wie derjenigen von BrAus, welche lautet: »Der wahre Sachverhalt zeugt gerade entgegengesetzt der Meinung RABL’s für eine ursprüngliche Discrepanz zwischen Muskel und Skelettheilen, welche erst allmählich und successive einer annähernden oder völligen Konkordanz beider Platz macht?.« | Ich brauche kaum zu erwähnen, dass die Thatsache der meta- merischen Anlage und des metamerischen Baues der Selachier- und Ganoidenflossen allein genügt, um der Kiemenbogen-Archipterygium- theorie GEGENBAUR’s jeden Boden zu entziehen. Als ich mich vor neun Jahren? auf Grund meiner Untersuchungen über die Entwicklung der paarigen Flossen der Selachier für die BALFOUR-THACHER’sche Seitenfaltentheorie* aussprach, war ich mir wohl bewusst, dass auch diese Theorie, wenn sie auch den entwick- lungsgeschichtlichen Thatsachen ungleich mehr Rechnung trägt, als die Archipterygiumtheorie, doch noch eine ganze Reihe von Fragen offen lässt, auf die man gern eine Antwort haben möchte. Sie schien mir in erster Linie den Werth einer Arbeitshypothese zu haben, und ich hoffte, bei ihrer Berücksichtigung auf Thatsachen und Verhältnisse aufmerksam zu werden, die sonst der Beobachtung leicht entgehen können. Wenn wir nun im Sinne dieser Theorie annehmen wollen, dass es thatsächlich einmal Thiere gegeben habe, bei denen sich ein Flossensaum — oder sagen wir zunächst lieber, eine Hautfalte — jederseits von der Kiemen- bis zur Aftergegend erstreckte und dass Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 31 476 Carl Rab], dann diese Hautfalte zum Mutterboden für die Entwieklung der paari- gen Flossen wurde, so bleibt es doch zunächst völlig unverständlich, warum aus diesem Flossen- oder Hautsaum sich jederseits immer nur zwei Flossen entwickelt haben, warum es, mit anderen Worten, nicht auch Fische giebt, die eine größere Zahl von paarigen Flossen besitzen®. Eine größere Zahl paariger Extremitäten kann doch von’ vorn herein nicht als schädlich oder der raschen Fortbewegung hinder- lich bezeichnet werden. Bieten uns doch die Arthropoden genug Beispiele einer größeren Zahl solcher Extremitäten dar. Den Insekten sind ihre drei Beinpaare sicherlich nicht hinderlich bei der Bewegung und, wer einmal versucht hat, eine Scolopendra zu erh&>hen, wird sich überzeugt haben, dass auch den Tausendfüßern ihre zahlreichen Beinpaare alles eher, als hinderlich oder schädlich sind. Eine solche Frage ist um so mehr am Platze, als wir wissen, dass sich auch aus dem ursprünglich einheitlichen unpaarigen, medianen Flossensaum im Laufe der Entwicklung bei verschiedenen Formen eine sehr verschieden große Zahl unpaariger Flossen differenziren. So kann die Zahl der sogenannten Flösschen von Polypterus zwischen acht und achtzehn betragen (GÜNTHER), wozu dann von anderen un- paarigen Flossen noch die Schwanz- und Afterflosse kommen. Und ähnliche Beispiele finden wir auch bei den Knochenfischen. Beson- ders interessant sind in dieser Hinsicht die Scombriden, bei denen hinter der zweiten Rücken- und hinter der Afterflosse noch acht bis zehn Flösschen sitzen können. Es macht in der That den Eindruck, als sei die Zahl der unpaarigen Flossen in keiner Weise beschränkt, während andererseits bekanntlich nie mehr als ein Paar Brust- und ein Paar Bauchflossen zur Ausbildung kommen. Es muss dies wohl einen tieferen, in der Funktion der Flossen liegenden Grund haben. Um nun diesen Grund zu erfahren, wollen wir fürs Erste die Skelete der unpaarigen und paarigen Flossen solcher Fische, denen wir nach ihrer gesammten Organisation eine besonders tiefe Stellung im System anzuweisen gewohnt sind, mit einander vergleichen; fürs Zweite wollen wir uns über die funktio- nelle Bedeutung der paarigen und unpaarigen Flossen klar zu werden suchen. Ich beginne mit einer kurzen Betrachtung des Baues der unpaari- sen Flossen der Selachier. In den nebenstehenden Textfigg. 1—3 habe ich nach THACHER die beiden Rücken- und die Afterflosse einer Eulamia, eines Squaliden, abgebildet. Die Ähnlichkeit der drei Flossen fällt sofort in die Augen; sie giebt sich nicht bloß in der Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. ATT Art,der Gliederung der Radien zu erkennen, sondern vor Allem darin, dass es bei allen dreien in der hinteren Hälfte zu einer mehr oder weniger ausgedehnten Verschmelzung basaler Gliedstücke ge- kommen ist. Statt, wie sonst, schmale, schlanke Stäbe anzutreffen, findet man hier breite, massige Knorpelplatten. Ganz ähnliche Bilder “geben uns die unpaarigen Flossen zahlreicher anderer Squaliden; ich 1: = Textfigg. 1—. Textfig. 1. Erste Rückenflosse. Textfig. 2. Zweite Rückenflosse. Textfig. 3. Afterflosse von Eulamia Milberti nach TuacHer. hebe als besonders typische Beispiele Mustelus und Sphyrna heraus und verweise außerdem auf die auch noch in anderer Hinsicht inter- essante Ähnlichkeit zwischen der ersten Rücken- und der Afterflosse von Heptanchus (MivarT® und P. MAYER”). Stets ist das Bestreben einzelner Radienglieder, zu größeren Platten mit einander zu ver- schmelzen, in der hinteren Hälfte der Flosse mehr ausgesprochen, als in der vorderen. Eine Ausnahme machen natürlich solche Flossen, deren Vorderrand, wie bei Acanthias und Spinaz, durch einen Stachel gestützt ist; dadurch wird der ganze Skeletbau der Flosse in sehr auffälliger Weise beeinflusst®. Nun vergleichen wir damit das Skelet der paarigen Flossen. Ich will dabei von den Dipnoern ausgehen und an eine Thatsache erinnern, die, seitdem SCHNEIDER!" im Jahre 1886 zuerst auf sie auf- merksam gemacht hat, alle Forscher, welche diese merkwürdigen Thiere untersuchten, aufs lebhafteste beschäftigte und sie zum Theil zu sehr kühnen Erklärungsversuchen veranlasste. SCHNEIDER hat darauf aufmerksam gemacht, dass, wie er sich ausdrückte, Brust- und Bauchflosse von Ceratodus um 180° gegen einander gedreht 3l* 478 Carl Rabl, sind. Der Rand der Brustflosse, welcher in der Ruhelage dorsalwgärts sieht, ist demjenigen Rande der Bauchflosse ähnlich, welcher in der Textfig. 4. Vordere und hintere Extremitäten eines 66 cm langen Ceratodus Forsieri der Prager Sammlung. (Sammlung des deutschen anatomischen Institutes.) 3/, nat. Größe. Ruhelage ventralwärts sieht. Dieses Verhalten giebt sich nicht bloß in der äußeren Form, sondern eben so im inneren Bau der Flossen Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 479 zu erkennen. »Die Seitenstrahlen der dorsalen Hälfte der einen Flosse entsprechen denjenigen der ventralen Hälfte deranderen« (vgl. Textfig.4). Auf die, wie gesagt, zum Theil sehr kühnen Erklärungsversuche dieser Thatsache {1 will ich nicht weiter eingehen, sondern will mich zunächst mit der Erwähnung der Thatsache selbst begnügen. SCHNEIDER hat dann weiter mitgetheilt, dass der von PETERS!? zuerst unter einem anderen Namen beschriebene Protopterus amphibius vom Quellimane Flossen besitze, die bloß auf einer Seite einen Saum tragen und deren Skelet nicht, wie beim Ceratodus, zwei, sondern nur eine Reihe von Nebenstrahlen besitzt. Dabei steht — und das ist das Merk- würdigste — der Flossensaum der Brustflosse am ventralen, der der Bauchflosse am dorsalen Rande. Der knorpelige, wie bei Ceratodus segliederte Hauptstrahl trägt einseitig an jedem Gliede mehrere kurze Nebenstrahlen und diese ragen in den Theil des Hautsaumes hinein, der von Hornfasern gestützt wird. So sind also auch die Flossen von Protopterus amphibius ganz ähnlich denen von Ceratodus um 180° gegen einander gedreht. — Bei Protopterus annectens trägt der knorpelige Hauptstrahl keine Nebenstrahlen, wohl aber besitzt die Brustflosse an ihrem ventralen Rand einen Hautsaum, der von Horn- fasern gestützt wird. Ein solcher Saum fehlt der Bauchflosse. — Bei Lepidosiren endlich besteht das Flossenskelet bloß aus einem ein- fachen, gegliederten, in der Achse verlaufenden Strahl; Seitenstrahlen, Hornfasern und Hautsaum fehlen sowohl an der Brust- als an der Bauchflosse. Man hat die geschilderte Eigenthümlichkeit der Dipnoerflossen bisher für etwas ganz Singuläres angesehen, für etwas, was bei keiner anderen Thiergruppe wiederkehrt oder auch nur eine Analogie findet. Man hat aber dabei übersehen, dass sich ein ganz ähnliches Verhalten auch im Bau anderer paariger Flossen nachweisen lässt. Freilich, . so auffallend wie bei Ceratodus oder Protopterus amphibius tritt es nirgends zu Tage und namentlich lässt die äußere Form der Flossen nie etwas erkennen, was an das Verhalten der Dipnoerflossen erinnerte; ja in manchen Fällen, wie z. B. bei den Holocephalen, zeigen sogar Brust- und Bauchflosse in ihrer äußeren Form eine große Ähnlich- keit. Aber trotzdem giebt sich im Bau des Skeletes der Brustflosse eine Art Gegensatz zu dem des Skeletes der Bauchflosse zu erkennen. Betrachten wir zuerst das Skelet der paarigen Flossen der Polyodontiden und Aeipenseriden!3. Bei Polyodon besteht das Brust- Hlossenskelet (Textfig. 5) aus vier Radien, von denen der hinterste unvollständig dichotomisch getheilt ist. Das größte Stück dieses 480 Carl Rabl, getheilten Radius, das GEGENBAUR als Basale metapterygii auffasst, liegt dem hinteren medialen Rande der Flosse zu Grunde. Ähnlich 3 Textfigg. 5—13. Textfig. 5 Brustflosse und Textfig. 6 Bauchflosse von Polvodon folium. mal vergr. Textfig. 7 Brust- flosse und Textfig. S Bauchflosse von Acipenser ruthenus. Textfig. 9 Brustflosse und Textfigg. 10 und 11 Bauchflossen von Acipenser siurio. Textfig. 12 Brustflosse und Textfig. 13 Bauchflosse von Scaphirhunchus platyrhunchus. Die Figuren 5—11 sind nach Präparaten der Prager Sammlung, die Figuren 12 und 13 nach einem Präparate des naturhistorischen Hofmuseums in Wien gezeichnet. Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 481 ist das Brustflossenskelet der Acipenseriden gebaut, nur besteht es bei Acipenser ruthenus (Textfig. 7) und Acıpenser sturio (Textfig. 9) aus fünf, bei Scaphirhynchus (Textfig. 12) aus sechs Radien; überall ist der hinterste, am meisten medial gelegene Radius unvollständig dicho- _ tomisch getheilt, nur geht die Theilung bei den Aecipenseriden weiter. als bei Polyodon; überall endlich liegt das größte Knorpelstück des getheilten Radius, das Basale metapterygii GEGENBAUR’sS, dem hinteren, medialen Flossenrande zu Grunde. Den höchsten Grad der Differen- zirung zeigt das Flossenskelet bei allen Formen am abgerundeten hinteren, lateralen Rande. Ganz anders verhält sich das Skelet der Bauchflosse. Bei Po- Iyodon (Textfig. 6) besteht es aus dreizehn Radien, von denen jeder in mindestens zwei Glieder getheilt ist. In der vorderen Hälfte der Flosse finden sich zwei große Knorpelplatten, von denen die vordere aus der Verschmelzung von zwei, die hintere aus der Verschmelzung von vier Basalgliedern entstanden ist; beide lassen am lateralen Rande noch deutliche Verwachsungsspuren erkennen. In der hinteren Hälfte sind die Basalglieder der Radien vollständig von einander getrennt !*. — Bei Acipenser ruthenus, dessen Bauchflossenskelet aus neun Ra- dien besteht, hat am Vorderende der Flosse eine Verschmelzung von zwei bis drei Basalgliedern stattgefunden !5 (Textfig. 8) und an dieses Verhalten schließt sich, wie aus den Untersuchungen THACHER’sS hervorgeht, Acipenser brevirostris an!. Noch weiter ist die Ver- schmelzung basaler Radienglieder in den vorderen zwei Dritteln der Bauchflosse von Acipenser sturio gediehen. Hier besteht das Skelet aus acht Radien und die Basalglieder der ersten vier (Textfig. 10) oder fünf (Textfig. 11) verschmelzen mit einander zu einer großen Knorpelplatte. Bei Scaphirhynchus endlich setzt sich das Bauch- tlossenskelet aus sieben Radien zusammen, denen sich am hinteren, medialen Rande der Flosse noch ein rudimentärer achter anschließt (Textfig. 13); wie bei Acipenser sturio verschmelzen auch hier die Basalglieder der ersten vier oder fünf Radien mit einander !7. Wie mir scheint, muss man, wenn man das Skelet der Brust- flosse der Chondrosteiden mit dem der Bauchflosse vergleicht, auf den Umstand Bedacht nehmen, dass der erste Radius der Brustflosse einen wenn auch nur kurzen, so doch sehr kräftigen Knorpel dar- stellt, der mit breiter Basis dem Schultergürtel aufsitzt. Dieser Knor- pel dient dem »knöchernen Randradius< (GEGENBAUR) zur Stütze; seine Stärke steht also lediglich in Beziehung zur Ausbildung eines Theiles des Dermalskeletes und darf daher wohl als eine Erschei- 482 | Caıl Rabl, nung von mehr sekundärer Bedeutung angesehen werden. Abgesehen davon ist aber dasjenige Knorpelstück, das GEGENBAUR als Basale 14 16 Textfigg. 14—17. Textfig. 14 Brustflosse und Textfig. 15 Bauchflosse von Callorkynchus antarcticus. Textfig. 16 Brustflosse und Textfig. 17 Bauchflosse von Zepianchus cinereus. Textägg. 14—17 nach MivaRrr. metapterygii auffasst, der weitaus stärkste und größte Knorpel der Brustflosse; dieser Knorpel liegt aber dem hinteren, medialen Rande Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 483 der Flosse zu Grunde. Dagegen sind in der Bauchflosse die größten Knorpelstücke stets in der vorderen Hälfte gelegen und es besteht also zwischen Brust- und Bauchflosse in Beziehung auf die Lage der srößten Knorpel eine sehr merkwürdige Differenz. Dadurch werden wir an die früher erwähnte, zuerst von SCHNEIDER bemerkte Diffe- renz zwischen der Brust- und Bauchflosse der Dipnoer erinnert. Aber auch die Holocephalen und Selachier!S tragen noch ganz deutliche Spuren eines derartigen Gegensatzes zwischen Brust- und Bauehflosse zur Schau. Werfen wir zunächst einen Blick auf das Brustflossenskelet eines. Callorkynchus (Textfig. 14). Es kann nicht einen Augenblick ein Zweifel darüber bestehen, dass die hintere Hälfte oder das hintere Drittel einer solchen Flosse einen viel höhe- ren Grad der Ausbildung, eine viel mannigfaltigere Komplikation des Baues, zeigt, als die vordere Hälfte oder die vorderen zwei Drittel. Es spricht sich dies nicht bloß in der viel reicheren Gliederung der Radien und in der Verschmelzung einer größeren oder geringeren Zahl basaler Gliedstücke zu mehr oder weniger umfänglichen Knorpel- platten aus, sondern auch in der sehr eigenthümlichen Durcheinander- schiebung der einzelnen Skeletstücke.. Und ganz ähnlich, wie die Brustflosse von Callorhynchus ist auch diejenige von Chimaera gebaut. Aber auch das Brustflossenskelet der Squaliden, u. z. nicht bloß das der tiefst stehenden Formen, wie Heptanchus (Textfig. 16) und Hezanchus, sondern auch das aller pentanchen Haie ohne eine ein- zige Ausnahme führen uns dieselbe merkwürdige Erscheinung vor Ausen. Überall zeigt sich — im Allgemeinen gesprochen — die hintere Hälfte des Flossenskelets höher differenzirt, weiter ausgebildet, als die vordere. In vielen Fällen kommt zu den schon erwähnten Eigenthümlichkeiten noch eine neue, indem die Radien oder Radien- glieder von vorn nach hinten an Breite allmählich abnehmen. Wäh- rend sie vorn oft große, breite, manchmal geradezu unförmlich plumpe Platten vorstellen, werden sie nach hinten allmählich zu schlanken, dünnen Spangen. Den geraden Gegensatz hierzu bildet das Skelet der Bauchflosse. Gehen wir von dem Bild aus, das uns die Bauchflosse eines Heptan- chus darbietet (Textfig. 17). Diese Flosse trägt gewöhnlich 23—24 Radien. Davon sind die hintersten, in dem abgebildeten Falle neun, ungegliedert, darauf folgen acht, die in je zwei Glieder getheilt sind, und der Rest, also die am weitesten nach vorn gelegenen, zeigt eine Gliederung in drei Stücke. Überdies sind die basalen Glied- stücke der vordersten Radien zu einer größeren, meist schief gestellten 484 Carl Rabl, Platte, dem Basale des Propterygiums nach GEGENBAUR's Auffassung, mit einander verschmolzen. Das Flossenskelet zeigt also vorn den höchsten, hinten den geringsten Grad der Ausbildung. Ganz eben so verhält sich das Bauchtlossenskelet aller anderen Squaliden. Auch hier ist nicht eine einzige Ausnahme von dieser Regel bekannt. Es braucht dabei wohl kaum erst ausdrücklich darauf hingewiesen zu werden, dass die Umbildung, welche die hintersten Radien beim männlichen Geschlechte erfahren (Pterygopodium PETRI, Mixipterygium GEGEN- BAUR), eine Differenzirung ganz anderer Art ist. Sie ist eine An- passung an eine der Flosse von Hause aus ganz fremde Funktion und ist nur als Folge dieser Anpassung verständlich. Das Skelet der Bauchflosse der Holocephalen scheint auf den ersten Blick der Thatsache, die uns das Skelet der Bauchflossen der Squaliden ge- lehrt hat, zu widersprechen, indem es vorn einfacher gebaut ist, als hinten (Textfig. 15). Aber der Widerspruch ist eben nur ein schein- barer. Die Einfachheit dieser Flosse ist keine primäre, sie ist viel- mehr durch eine weitere Ausbildung des Skelets hervorgerufen. Gerade so, wie einzelne Radien oder einzelne Gliedstücke von Radien sekundär, bei fortschreitender Weiterbildung des Skelets, mit einander verschmelzen können, so können sie auch sekundär mit dem Basi- pterygium verschmelzen. Diesen Fall sehen wir nun in der That am Vorderende der Bauchflossen von Callorhynchus und Chimaera realisirt. Aber auch die Batoiden, die Rochen, machen keine Ausnahme von der Regel. Ich brauche, um dies zu erweisen, nur daran zu er- innern, dass man am Hinterende ihrer Brustflossen Spuren einer zweiten Reihe von Seitenradien hat erkennen wollen und dass andererseits an der Bauchflosse der vorderste Radius stets stärker entwickelt ist als die folgenden, und dass im Zusammenhange damit häufig einige Seitenradien auf diesen stärkeren »Randradius« hinauf- rücken. Fassen wir das Gesagte zusammen, so können wir sagen, dass bei allen Fischen, deren Gliedmaßenskelet knorpelig bleibt, bis zu einem gewissen Grade eine Übereinstim- mung zwischen dem vorderen Rande der Brustflosse und dem hinteren Rande der Bauchflosse, sowie andererseits zwischen dem Hinterrande der Brustflosse und dem Vorder- rande der Bauchflosse existirt. Am weitesten geht diese Überein- stimmung bei Ceratodus und Protopterus amphibius, sie ist aber auch bei den Chondrosteiden, den Holocephalen und den Selachiern nael.- zuweisen. Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 485 Dieser Unterschied zwischen Brust- und Bauchflosse steht in merkwürdigem Gegensatz zu der früher erwähnten Übereinstimmung der unpaarigen Flossen. Bei diesen schreitet, wie wir gesehen haben, die Vereinfachung des Skeletes ganz gleichmäßig von vorn nach hinten fort und bei allen treffen wir die größten, aus der Verschmel- zung einzelner Gliedstücke von Radien entstandenen Knorpelplatten in der hinteren Hälfte. Bevor ich versuchen will, eine Erklärung dieser Differenz zu geben, muss ich ein paar Worte über die funktionelle Bedeu- tung der paarigen und der unpaarigen Flossen sagen. Es haben darüber in neuerer Zeit namentlich HAns STRASSER ', PauL MAYER? und ALBERT GÜNTHER?! sehr interessante Experimente angestellt. STRASSER ist durch seine gründlichen Untersuchungen zu dem Schlusse gekommen, dass die Fische im Wesentlichen durch seit- liche Krümmungen des Rumpfes und Schwanzes sich fortbewegen, nicht aber mit Hilfe ihrer paarigen Flossen. MAYveEr stimmt hierin STRASSER vollkommen bei und fügt noch hinzu: »Ein Blick auf das erste beste Scyllium im Aquarium der zoologischen Station genügt, um zu erkennen, dass in der That der Schwanztheil des Körpers das Movens ist und der Rumpftheil vergleichsweise starr bleibt.« Die Fortbewegung des Fisches im Wasser geschieht in erster Linie da- durch, dass der Schwanz und der hintere Theil des Rumpfes ab- wechselnd nach rechts und links gebogen werden; im Zusammen- hange damit geht die Bedeutung der unpaarigen Flossen im Wesent- lichen dahin, die bei der Fortbewegung auf das Wasser drückende Körperoberfläche zu vergrößern. Ganz anders ist die Funktion der paarigen Flossen. Wie GÜNTHER schreibt, ist »ihre Hauptfunktion die, das Gleichgewicht des Fisches im Wasser zu erhalten, welches stets ein sehr labiles ist, wenn er eines Gewichtes zur Senkung im . Wasser entbehrt; wenn die Brustflosse der einen Seite oder die Brust- und Bauchflosse derselben Seite entfernt werden, verliert der Fisch sein Gleichgewicht und fällt auf die entgegengesetzte Seite; werden beide Bauchilossen entfernt, so sinkt der Kopf des Fisches herab; bei Entfernung der Rücken- und Afterflossen nimmt die Bewegung des Fisches eine Ziekzackrichtung an. Ein sämmtlicher Flossen be- raubter Fisch schwimmt, wie ein todter Fisch mit dem Bauch nach oben, da. der Rücken der schwerere Theil des Körpers ist«. So dürfen wir also sagen, dass die unpaarigen Flossen im Dienste der Fortbewegung stehen, dass sie — und dies gilt, wie P. MAYER mit Recht betont, in erster Linie von der Schwanzflosse — »propulsato- 486 Carl Rabl, rische Organe« sind, während andererseits die paarigen Flossen nur in sehr beschränktem Sinne als Bewegungsorgane be- zeichnet werden dürfen; sie sind vielmehr in erster Linie Organe zur Erhaltung des Gleichgewichts. Und nun kehren wir wieder zu jenen hypothetischen Urformen der gnathostomen Wirbelthiere zurück, von denen früher gesprochen wurde. Fragen wir uns, welche Bedeutung ihr unpaariger medianer und ihre paarigen seitlichen Flossensäume wohl besessen haben mögen. Wie mir scheint, können wir nicht weit fehlgehen, wenn wir an- nehmen, dass ihnen im Wesentlichen dieselbe Bedeutung zugekommen sei, wie den einzelnen Flossen, die im Laufe der phylogenetischen Entwicklung sich aus ihnen hervorgebildet haben. Wir werden also dem unpaarigen medianen Flossensaum der Hauptsache nach dieselbe Bedeutung zuschreiben, wie den unpaarigen Flossen, und den beiden seitlichen Flossensäumen ungefähr dieselbe, wie den paarigen Flossen. Die seitlichen Flossensäume werden also wohl sicher nicht »propul- satorische Organe« gewesen sein, sondern Organe, deren Hauptfunk- tion darin bestand, das Gleichgewicht der Thiere im Wasser zu er- halten. Sie werden eine Art Fallschirm vorgestellt haben, der namentlich dann in Thätigkeit zu treten bestimmt war, wenn die Vorwärtsbewegung aufhörte und die Thiere langsam zu Boden sanken 2. Wenn aber diese Voraussetzung richtig ist, so wird es verständlich, wesshalb sich aus jedem der beiden seitlichen Flossensäume im Laufe der weiteren phylogenetischen Entwicklung nur zwei, nicht mehr, nicht eine beliebig große Zahl von Flossen herausgebildet haben. Zur Sicherung der Funktion der seitlichen Flossensäume als eines Fallschirmes musste sich wohl zunächst Muskulatur in sie hinein- bilden. Diese konnte aber nach der ganzen Anlage des Wirbelthier- körpers nur von der seitlichen Rumpfmuskulatur kommen und musste von Ästen der Spinalnerven innervirt werden. Es brauchten aber die Flossensäume durchaus nicht mit einem Schlage in ihrer ganzen Länge »muskularisirt« zu werden, sondern es genügte vollkommen, wenn sich eine solehe Muskulatur zunächst nur in der Nähe des vorderen und hinteren Endes der Säume bildete. Von hier aus schritt dann die Ausbildung der Muskulatur weiter: also vom Vorderende nach hinten und vom Hinterende nach vorn. Wahrscheinlich wird sich in der Folge die Muskulatur, welche sich von den einzelnen Myomeren aus in die Flossensäume hinein bildete, ähnlich, wie wäh- rend der individuellen Entwicklung, bald in je einen dorsalen und einen ventralen Muskelstreifen oder, wenn wir so sagen dürfen, in Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. AST je einen Streck- und einen Beugemuskel getheilt haben, und zwischen diesen wird aus dem Bindegewebe des Flossensaumes je ein Flossen- strahl entstanden sein. So werden sich also auch die Knorpelstrahlen allmählich vom Vorderende des Flossensaumes nach hinten und vom Hinterende nach vorn ausgebildet haben. Waren dann die beiden Enden des Saumes hinlänglich gestützt und waren sie für sich allein im Stande, die Funktion des ganzen Flossensaumes zu übernehmen, und sie besser zu versehen, als es Anfangs der ganze, noch unge- stützte Flossensaum zu thun vermochte, so konnte es zum Schwunde der Mitte des Saumes kommen, während seine beiden Enden als Brust- und Bauchflosse bestehen blieben und sich allmählich noch mehr vervollkommneten. Da sich nun aber das Skelet in dem Theile _ des Flossensaumes, der sich zur Brustflosse entwickelte, in der Rich- tung von vorn nach hinten, in dem Theil aber, der zur Bauchflosse wurde, umgekehrt von hinten nach vorn ausbildete, so musste natur- semäß der Vorderrand der Brustflosse einen Bau zeigen, der mehr oder weniger an den Bau des Hinterrandes der Bauchflosse erinnerte und umgekehrt. Es musste sich also jener Gegensatz der beiden Flossen herausbilden, den SCHNEIDER am besten dadurch charak- terisiren zu können glaubte, dass er sagte, Brust- und Bauchflosse seien um 180° gegen einander gedreht. Ich habe versucht, das Gesagte durch nebenstehendes Schema (Textüg. 15) anschaulich zu machen. III N extio le: Schema der Entstehung der unpaarigen und paarigen Flossen aus dem unpaarigen und den paarigen Flossensäumen (Hautflossen). Da der unpaarige Flossensaum von Hause aus eine ganz andere funktionelle Bedeutung hatte, als die paarigen, so war erstens die Zahl der Flossen, die sich aus ihm entwickelten, nicht in der Weise beschränkt, wie die der paarigen Flossen, und zweitens konnte sich, da ihre Ausbildung ausnahmslos- in der gleichen Richtung, nämlich in der Richtung von vorn nach hinten, erfolgte, kein solcher Gegen- satz zwischen den einzelnen unpaarigen Flossen ausbilden, wie er uns bei den paarigen entgegentritt. So erklärt sich uns auch in 488 Carl Rabl, ungezwungener Weise jene merkwürdige Übereinstimmung im Bau der dorsalen und ventralen unpaarigen Flossen, wie sie uns z. B. bei Eulamia (Figg. 1--3) in so auffallender Weise entgegengetreten ist. Die Hypothese, welche ich vorgetragen habe, ist demnach im Stande, eine ganze Reihe von Erscheinungen, für die wir bisher keine Erklärung hatten, unserem Verständnisse näher zu bringen. Diese Erscheinungen sind: 1) die Übereinstimmung im Bau der dorsalen und ventralen unpaarigen Flossen; 2) der Gegensatz zwischen Brust- und Bauchflosse in Beziehung auf die Anordnung ihrer Skeletstücke; 3) die große Variabilität in der Zahl der unpaarigen Flossen und 4) die Beschränkung der Zahl der paarigen Flossen und der paarigen Extremitäten der gnathostomen Wirbeltiere überhaupt auf ein vorderes und hinteres Paar. Alle diese Erscheinungen erklären sich aus der Funktion der unpaarigen und paarigen Flossen, beziehungsweise aus der Funktion des unpaarigen medianen und der paarigen seitlichen Flossensäume. — Ich komme nun zu einer anderen Frage. Sind die verschiedenen Formen der paarigen Flossen, wenn sie sich auch alle in letzter ‚Linie von paarigen seitlichen Flossensäumen ableiten, auf eine ge- meinsame Ur- oder Stammform zurückzuführen, von der sie sich durch Weiterbildung oder durch Reduktion entwickelt haben? Und ferner: Ist die pentadactyle Extremität, das Chiridium oder Chiro- pterygium, gleichfalls auf eine solche Urform zurückzuführen oder leitet sie sich von einer bereits speeialisirten Flossenform ab oder endlich ist sie eine ganz selbständige, von den übrigen Flossenformen unabhängige Bildung? — Diese Fragen sind ungemein schwer zu beantworten und Alles, was sich darüber sagen lässt, kann über den Werth einer mehr oder weniger begründeten Vermuthung nicht hinaus- kommen. Aber ich halte es trotzdem nicht nur für erlaubt, sondern geradezu für nothwendig, sie aufzuwerfen und nach einer Antwort zu suchen; nur darf diese Antwort den Prineipien physiologischen Denkens nicht zuwiderlaufen. Und eben so selbstverständlich ist es, dass sie mit den Thatsachen der Entwicklungsgeschichte und ver- gleichenden Anatomie im Einklange stehen muss. Die Hauptschwierigkeit, auf diese Fragen eine Antwort zu geben, liegt darin, dass wir über die Stammverwandtschaft der niederen gnathostomen Wirbelthiere nichts, rein gar nichts wissen. Zwar fehlt es an Hypothesen darüber nicht und es wäre ein Leichtes, aus der Litteratur ein halbes Dutzend von solchen zusammenzustellen. Eine hat immer die andere zu verdrängen gesucht und doch war sie nicht Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 489 besser, als ihre Rivalin. Wir wissen nicht einmal, wie sich die Holocephalen zu den Selachiern stellen, ja sogar, welche der beiden sroßen Gruppen der letzteren, die Haie oder die Rochen, die ur- sprünglichere ist. Und wie sieht es erst mit den Ganoiden aus! Seitdem JOHANNES MÜLLER den Satz aufstellte: »Jeder Fisch mit Fulera am vorderen Rande einer oder mehrerer Flossen ist ein Ga- noid«, ist die Klasse der Ganoiden zu der Rumpelkammer der Ich- thyologen geworden. Jeder Fisch, der sonst nirgends unterzubringen war, wurde zu den Ganoiden gestellt. GÜNTHER hat auch die Dip- noer zu ihnen gerechnet. Was haben aber die Störe mit den Dipnoern oder mit den Crossopterygiern oder mit den Lepidosteiden und Ami- aden zu thun? Soll man wirklich einem Gebilde des Integumentes einen so großen klassifikatorischen Werth beimessen? Schon zu Mürrer’s Zeiten hat KnEr, einer der tüchtigsten Ichthyologen seiner Zeit, die Definition MÜLLERr’s für fehlerhaft erklärt und die Ertah- rungen der folgenden Jahrzehnte haben ihm hierin vollkommen Recht gegeben. Es wäre in der That das Beste, die Klasse der Ganoiden sanz aufzulösen und daraus eben so viele Klassen oder Ordnungen zu bilden, als man heute Familien unterscheidet. — Holocephalen, Squaliden, Batoiden, Dipnoer, Chondrosteiden, Crossopterygier —, sie alle können den Anspruch erheben, für uralte, ursprüngliche Formen zu gelten und doch wissen wir über ihre gegenseitigen Verwandt- schaftsverhältnisse nicht das Geringste. Und nun kommt dazu noch unsere Unwissenheit in Betreff der Stellung der Amphibien. Stammen sie von Crossopterygiern oder von Dipnoern oder vielleicht direkt von eyklostomenähnlichen Vorfahren ab? Für jede dieser Ansichten sind Gründe beigebracht worden, bald ist die eine, bald die andere in die Mode gekommen, um dann eben so schnell wieder unmodern zu werden. Weder die vergleichende Anatomie, noch die Entwicklungs- geschichte haben bisher auf diese Fragen eine befriedigende Antwort zu geben vermocht. Jedenfalls haben sie nicht das geleistet, was von ihnen erwartet worden ist. Und doch scheint mir bei richtiger Beurtheilung der entwieklungsgeschichtlichen Thatsachen die Antwort nicht allzu fern zu liegen. Man darf nur nicht erwarten, dass ein Organismus während seiner individuellen Entwicklung seine Stammes- geschichte, wenn auch noch so gekürzt und entstellt, wiederhole. Man muss sich stets vor Augen halten, dass die Entwicklungseinheiten der verschiedenen Thierformen specifisch von einander verschieden sind, dass die Wesenheit der Organismen ihre Entwicklung A490 Carl Rabl, beherrscht und dass wir nach dem Grade der Übereinstimmung der einzelnen Entwicklungseinheiten den Grad der natürlichen Ver- wandtschaft zweier oder mehrerer Thierformen zu beurtheilen haben. Je länger zwei oder mehr Entwicklungseinheiten einander parallel laufen, um so näher ist, unserem Urtheile nach, ihre natürliche Ver- wandtschaft 2. Wenn ich nun von diesen Gesichtspunkten ausgehe, so scheint mir die Entwicklungsgeschichte der niederen gnathostomen Wirbel- thiere, so weit sie bekannt ist, nach einer ganz bestimmten Richtung zu weisen, in welcher vielleicht eine Lösung jener Fragen zu finden sein dürfte. Ich will nur eine Thatsache erwähnen, die in dieser Hinsicht von großer Wichtigkeit zu sein scheint. Bei der Entwick- lung der Brustflosse des Störs wachsen nach MOLLIER von fünf Myo- tomen Muskelknospen in die Flossenanlage hinein. Jede dieser Primärknospen, wie MOLLIER sie nennt, theilt sich dann in zwei sekundäre, der dorsalen und ventralen Oberfläche der Flossenanlage anliegende Knospen, die wir als Streck- und Beugeknospen bezeich- nen können, und darauf kommt es zwischen je einer Streck- und einer Beugeknospe zur Bildung eines Knorpelstrahles.. Bei den Se- lachiern dagegen nehmen, wie DOHRN gefunden und ich und MOLLIER bestätigt haben, nicht bloß sehr viel mehr Myotome Antheil an der Bildung der Flossenmuskulatur, sondern es wachsen auch von jedem der betheiligten Myotome zwei Primärknospen in die Flossenanlage hinein. Jede dieser Knospen zerfällt dann, wie beim Stör, in eine Streck- und eine Beugeknospe und zwischen je einer Streck- und einer Beugeknospe bildet sich schließlich, auch wieder, wie beim Stör, ein Knorpelstrahl aus. Beim Stör sind also eben so viel Knorpel- strahlen in der Flosse vorhanden, als Myotome am Aufbau ihrer Muskulatur betheiligt sind, bei den Selachiern dagegen doppelt so viel. Dasselbe gilt auch von der Entwicklung der Muskulatur und des Skeletes der Bauchflossen. Es kann daher keine vollkom- mene Homologie zwischen den Knorpelstrahlen einer Stör- flosse und denjenigen einer Selachierflosse bestehen. Darin spricht sich, wie in zahlreichen anderen Punkten, die Eigenart des Baues und die Eigenart der Entwicklung der beiderlei Flossen aus. — Solche und viele ähnliche Thatsachen weisen darauf hin, dass die Störe nicht, wie GEGENBAUR und Andere annehmen, von selachierähnlichen Vorfahren abstammen, sondern sie scheinen viel- mehr mit großer Bestimmtheit darauf hinzudeuten, dass Selachier und Störe getrennt und unabhängig von einander von Formen ihren Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 491 Ursprung genommen haben, die zwar schon eine Seitenfalte besaßen, bei denen sich aber noch keine Muskulatur und kein Skelet in dieser Falte entwickelt hatten. Wie jene Urform der gnathostomen Wirbelthiere beschaffen ge- wesen ist, wissen wir nicht; aber wir dürfen mit einiger Wahrschein- lichkeit annehmen, dass solche Eigenthümlichkeiten des Baues, welche bei allen tiefstehenden gnathostomen Wirbelthieren wiederkehren, auch bei ihr schon zur Ausbildung gekommen waren. So werden, um nur ein paar Beispiele anzuführen, die Myomeren in einen dorsalen und ventralen Abschnitt getheilt gewesen sein; der Kiemendarm wird sich durch mindestens sieben, vielleicht aber durch mehr Kiemenspalten nach außen geöffnet haben; der Darm wird durch eine Spiralklappe ausgezeichnet gewesen sein?!; die Sinnesorgane und im Zusammen- hange damit das Gehirn und der Schädel werden sich auf einer be- trächtlieh höheren Stufe der Ausbildung befunden haben, als bei den Cyelostomen; namentlich wird das Geruchsorgan durch die Theilung in zwei symmetrische Säcke oder Gruben und das Gehörorgan durch den Besitz von drei auf einander senkrecht stehenden Bogengängen ausgezeichnet gewesen sein. Dagegen wird wahrscheinlich noch in ähnlicher Weise wie bei den Petromyzonten der Schädel mit der, zum Durchtritt des Vagus dienenden Öffnung seinen Abschluss ge- funden haben; auch wird, wie die Holocephalen, Knorpelganoiden und Dipnoer zeigen, von einer Wirbelsäule im strengen Sinne des Wortes noch keine Rede gewesen sein; wohl aber werden dorsale und — wenigstens in der Schwanzregion — auch ventrale knorpelige Bogen bestanden haben, deren Zahl vielleicht doppelt so groß als die Zahl der Myomeren war2. Endlich wird, wie schon erwähnt, diese Urform durch einen unpaarigen medianen, hauptsächlich in der Schwanzregion entwickelten und durch zwei paarige seitliche, von der Kiemen- zur Aftergegend reichende Flossensäume charakterisirt gewesen sein. — Diese Urform der gnathostomen Wirbelthiere wird sich vielleicht in zahlreichen Varietäten über die ganze Erde ver- breitet haben; die meisten dieser Varietäten werden die Meere, einige von ihnen aber wohl auch die Flüsse und Binnenseen bewohnt haben oder sie werden, ähnlich wie die Petromyzonten und Störe, zur Laich- zeit aus den Meeren in die Flüsse gestiegen sein. Bekanntlich hat Darwın die Varietäten »beginnende Arten« ge- nannt und eben so können die aus den Varietäten hervorgehenden Arten zu den Stammeltern ganzer Ordnungen und Klassen geworden sein. Die einzelnen Varietäten jener hypothetischen Urform werden Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 32 492 Carl Rabl, sich, abgesehen von anderen Charakteren, vielleicht auch durch die Zahl der Radien, die sich in ihren paarigen Flossensäumen bildeten, von einander unterschieden haben. Vielleicht werden sich bei der einen Varietät von beiden Enden der Säume her sehr zahlreiche Radien entwickelt haben, bei einer zweiten weniger zahlreiche und bei einer dritten nur je einer an jedem Ende des Saumes. Die erste Varietät wird vielleicht größere Tiefen des Meeres bevorzugt haben, die zweite Stellen von mäßiger Tiefe, die dritte seichte sandige oder schlam- mige Plätze. Mit der allmählichen Umbildung der Enden der Flossen- säume zu Flossen wird die Zwischenstrecke geschwunden sein, und so werden sich bei den einzelnen Varietäten verschiedene Flossen- formen mit einer verschieden großen Zahl von Radien ausgebildet haben. Immer werden sich die Flossen in Anpassung an ihre Funk- tion entwickelt und weiter gebildet haben, Form und Funktion werden stets Hand in Hand mit einander gegangen sein. Ein Fisch, der sich auf hoher See in tiefem Wasser umhertrieb, brauchte andere Flossen als einer, der seichte Stellen mit sandigem oder schlammigem Grunde liebte. Für diesen werden breite Platten, die zur Erhaltung des Gleichgewichtes dienten und von zahlreichen Knorpelstrahlen gestützt waren, gewiss weniger vortheilhaft gewesen sein, als stab- oder pfriemenförmige, nur von einem einzigen gegliederten Knorpel- strahl gestützte Fortsätze oder Anhängsel des Körpers. Solche Fort- sätze werden die Thiere bei ihren Bewegungen unterstützt, sie werden aber auch eine wesentlich andere funktionelle Bedeutung erlangt haben, als jene Flossen der Tiefseeformen. In dieser Weise haben wir uns, wie mir scheint, auch die Ent- stehung der Flossen der Dipnoer zu denken. Dass die Vorfahren der Dipnoer keine Tiefseeformen waren, sondern seichte Stellen des Wassers bewohnten, scheint mir, abgesehen von dem Bau und der Entwicklung der Flossen, namentlich aus dem Umstande hervorzu- gehen, dass sie wirkliche, als solche funktionirende Lungen zur Aus- bildung gebracht haben. Ein Protopterus annectens bewegt seine sogenannten Flossen ganz ähnlich wie ein Triton seine Beine. In dieser Hinsicht ist von großem Interesse, was GRAY? über einen in der Gefangenschaft beobachteten Protopterus mittheilt. Er schreibt: He »uses its tail to propel itself forward and upward towards the surface of the water. The subulate limbs ... .. .. are exceedingly mobile and flexible and are used by the animal to direct its motions, and are more like feet than fins, especially when they are within reach of some fixed body, which the animal can use as fulerum. Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 493 Indeed, all the motions of the animal much more resemble those of a Triton or Lissotriton, than of an eelshaped fish«. In ähnlichem Sinne äußert sich, nach den Mittheilungen SEMmon’s, auch W. N. PARKER. GraYs Beschreibung hat mich lebhaft an die Beobach- tungen erinnert, die ich selbst vor einer Reihe von Jahren an eini- sen, durch längere Zeit in der Gefangenschaft gehaltenen Exemplaren von Protopterus annectens anstellen konnte. Die Thiere setzen bei ihren Kriechbewegungen ihre Extremitäten in einer Weise, welche sehr an die Schreitbewegungen der urodelen Amphibien erinnert*. Von diesen Gesichtspunkten aus kann ich auch in der Cera- todus-Flosse nicht die Urform der Dipnoerflosse erblicken?’, sondern muss es für viel wahrscheinlicher halten, dass diese Urform einen Bau besessen habe, ähnlich dem der Flosse von Lepidosiren. Die Flossen von Lepidosiren und JProtopterus sind also, meiner Auf- fassung nach, nicht durch Reduktion der seitlichen Radien einer Ceratodus-Flosse entstanden, sondern die Ceratodus-Flosse ist durch seitliche Knospung des Hauptstrahles aus einer der Flosse von Lepi- dosiren ähnlichen Form hervorgegangen. Ich nehme an, dass diese Umbildung wieder in Anpassung an die geänderte Funktion statt- gefunden habe, dass also auch für sie biologische Momente maß- sebend waren. Als die Vorfahren von Protopterus und Ceratodus wieder tieferes Wasser aufsuchten, mussten sich ihre Flossen zu * Zusatz bei der Korrektur. Eine sehr interessante und äußerst willkom- mene Bestätigung der hier vorgetragenen Anschauungen erblicke ich in den Beob- achtungen Kerr’s über die Lebensgewohnheiten und die Bewegungsweise von Lepidosiren (J. GRAHAM KERR, The external Features in the Development ot Lepidosiren paradoxa, Fitz. Philosoph. Transactions of the Royal Society of London. Series B. Vol. CXCH. p. 299—330). Leider bin ich erst nach Abschluss des Manuskriptes mit Kerr’s Arbeiten bekannt geworden und muss mich daher begnügen, nur ein paar Sätze daraus hierher zu setzen. Es heißt da u. A.: »In habits it (the Lepidosiren) is normally sluggish, wriggling slowly about at the bottom of the swamp, using its hind limbs in irregular alternation as it elambers through the dense vegetation. More rapid movement is brought about by lateral strokes of the large and powerful posterior end of the body« (p. 302); ferner heißt es: »The hind limbs are strikingly long compared with the fore limbs. They are used a good deal in clambering about the water plants, etc., in irre- gular alternation;« und: »The young Lepidosiren swims by lateral strokes of the hind part of the body, the hind limbs are then folded close to the body, the fore limbs are merely inclined backwards somewhat< (p. 319. KERR hält es für sehr wahrscheinlich, dass sich die Extremitäten aus äußeren Kiemen entwickelt haben, eine Ansicht, die schon früher GOELDI und CLEMENS ausgesprochen hatten (vgl. darüber auch: KErR, Note on Hypotheses as to the Origin of the Paired Limbs of Vertebrates. Proc. of the Cambridge Philosoph. Society. Vol.X. Part IV. Dec. 1899). 32* 494 Carl Rabl, Organen umbilden, deren Hauptfunktion wieder in der Erhaltung des Gleichgewichtes bestand. Sie mussten breiter werden und die Form von Platten annehmen, die zunächst, wie bei Protopterus amphibius, nur auf einer und später, bei Ceratodus, auf beiden Seiten von Knor- pelradien gestützt wurden. Dabei musste es ganz ähnlich, wie bei der Ausbildung anderer Flossen von gleicher funktioneller Bedeutung, also ähnlich, wie bei der Ausbildung der Stör- und Selachierflossen, zur Entwicklung jenes merkwürdigen, früher erwähnten Gegensätzes zwischen Brust- und Bauchflossen kommen, der uns beide gewisser- maben um 180° gegen einander gedreht erscheinen lässt. So ist aus einer Lepidosirenflosse zunächst ein uniseriales und aus diesem ein biseriales Archipterygium entstanden. Aber diese beiden Formen des Archipterygiums haben mit jenen Formen, welche wir bei den Selachiern und, falls die Xenacanthiden und ihre Verwandten wirk- lich den Selachiern zuzurechnen sein sollten?”, auch bei ihnen finden, genetisch gar nichts zu thun. Es liegt hier eine Konvergenzerschei- nung vor, nicht eine Erscheinung, die auf einen gemeinsamen Ur- sprung hinweist. Die Radien einer Selachier- oder Störflosse sind metamerische Gebilde, die Seitenradien einer Ceratodus-Flosse da- gegen entstehen, wie SEMON gezeigt hat, ganz unabhängig vom meta- merischen Bau des Körpers; sie verdanken einer seitlichen Knospung des Hauptradius ibre Entstehung. Gerade die Entwicklungsgeschichte und nur diese hat uns ein Verständnis dieser verschiedenen Flossen- formen eröffnet 3". Ähnlich, wie die Dipnoer werden sich wahrscheinlich auch die Amphibien aus einer Varietät jener Urform der gnathostomen Wirbel- thiere entwickelt haben, welche seichte, sandige oder schlammige Stellen des Meeres oder, was viel wahrscheinlicher ist, der Binnen- wässer bewohnte. Es ist ganz wohl denkbar, ja in Anbetracht der zahlreichen, von SEMON kürzlich?! beigebrachten Argumente sogar sehr wahrscheinlich, dass diese Varietät in ihrem Bau und Habitus eine große Ähnlichkeit mit jener Varietät zeigte, aus der sich die Dipnoer entwickelten??. Auch bei der zu den Ämphibien hinüber- führenden Varietät werden sich aus den Enden der beiden seitlichen Flossensäume zunächst kurze, pfriemenförmige Anhängsel des Körpers entwickelt haben, die sich vielleicht nur dadurch von denen der Vor- fahren der Dipnoer unterschieden, dass sie etwas kürzer waren und dass der sie stützende Knorpelstrahl keine oder nur eine sehr ge- iinge Gliederung aufwies. Die funktionelle Bedeutung dieser An- hängsel des Körpers wird aber eine ähnliche gewesen sein, wie die Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 495 der sogenannten Flossen einer Lepidosiren oder eines Protopterus. Sie werden, wenn sie sich auch aus Organen hervorgebildet hatten, welche zur Erhaltung des Gleichgewichtes dienten, doch Bewegungs- organe im strengen und eigentlichen Sinne des Wortes gewesen sein. Freilich werden diese Bewegungsorgane zunächst noch funktionell sehr minderwerthige Gebilde repräsentirt haben. Sie werden nur die Kriechbewegungen am Boden der Gewässer, nicht aber die Schwimmbewegungen unterstützt haben. Es kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Vor- fahren der Amphibien ähnlich, wie noch heute die urodelen Am- phibien, sowohl schwimmen als kriechen konnten. Schneidet man nun einem Triton alle vier Extremitäten dicht am Rumpfe weg und setzt ihn ins Wasser, so schwimmt er eben so rasch wie ein unver- letztes Thier, nur ist er nicht im Stande den Körper so sicher, wie dieses, zu balaneiren; er schwankt etwas um seine Längsachse. Setzt man ein solches Thier aufs Land, so kommt es kaum von der Stelle. Etwas besser geht dies, wenn man die Oberarme und Oberschenkel stehen lässt. Schneidet man die Extremitäten einer Seite weg, so schwimmt das Thier eben so rasch wie vorher; aber es neigt sich, wenn es zur Ruhe kommt, etwas nach der unverletzten Seite, wohl n [24 Textäg. 19. Schema der Entstehung der Extremitäten aus den paarigen Flossensäumen (Hautilossen) bei den Vorfahren der Dipnoer und Amphibien. desshalb. weil diese die schwerere ist. Schneidet man die vorderen oder hinteren Extremitäten allein weg, so sind die Kriechbewegungen zwar sehr gestört, das Thier kommt aber doch noch mit einiger Geschwindigkeit von der Stelle, rascher, wie es scheint, wenn die vor- deren, als wenn die hinteren Extremitäten erhalten sind. Ins Wasser gesetzt, schwimmen solche Thiere so rasch wie unverletzte. Nie schwimmt ein Triton, dem alle Extremitäten weggeschnitten sind, wie ein Fiseh, der aller paarigen Flossen beraubt ist, mit dem Bauche nach oben: beim Fisch ist eben der Rücken, beim Triton und wohl bei allen Landthieren dagegen der Bauch der schwerere Theil des Körpers. Solehe Versuche zeigen, dass bei den urodelen Amphibien gerade re 496 Carl Rabl, so wie bei den Fischen für die Schwimmbewegungen lediglich die Seitenmuskulatur des Körpers in Anspruch genommen wird. Mit der allmählichen Ausbildung der Kriechbewegungen aber werden sich auch die Anfangs ganz kleinen, stummelförmigen Extremitäten weiter vervoll- kommnet haben, und diese Vervollkommnung wird selbstverständlich alle an der Zusammensetzung der Extremitäten betheiligten Gebilde, wie die Muskeln, das Skelet, die Nerven und die Gefäße betroffen haben. Ich habe versucht, in dem vorstehenden Schema die erste Ent- stehung der Extremitäten der Dipnoer und Amphibien aus dem seit- lichen Flossensaume zur Anschauung zu bringen (Textfig. 19). Il. Über die Entstehung der pentadactylen Extremität und über den Carpus und Tarsus der urodelen Amphibien. Ich will zunächst die Frage erörtern, ob, wie GEGENBAUR und seine Schüler glauben, die Archipterygiumtheorie für die pentadactyle Extremität, das Chiridium oder Chiropterygium, Geltung beanspruchen kann. Die Anhänger dieser Theorie sind bestrebt, in das Skelet der pentadactylen Extremität ein Radiensystem einzutragen, welches dem Radiensystem des uniserialen oder biserialen Archipterygiums entspricht, und sie glauben darin, dass thatsächlich diese Möglichkeit besteht, einen Beweis für die Richtigkeit ihrer Theorie erblicken zu dürfen. Ich habe nun in den nebenstehenden Figuren dasjenige Skelet der pentadactylen Extremität, das GEGENBAUR für das typische und ursprüngliche hält und von dem er bei seinen Betrachtungen ausge- sangen ist, zwölfmal neben einander gezeichnet und in jede Skizze ein Radiensystem eingetragen, das der Hauptforderung GEGENBAUR’s, dass jeder Radius nur eine einzige Reihe von Skeletstücken passirt und nie zwei Radien durch ein und dasselbe Skeletstück ziehen, vollkommen entspricht?®. Man sieht sofort, wie mannigfaltig diese Radiensysteme be- schaffen sind. Ja, ich hätte leicht noch ein zweites Dutzend von Skizzen seben können mit eben so vielen anderen, neuen Radiensystemen. Es ist vielleicht nicht ohne Interesse, einen Augenblick bei diesen Radiensystemen zu verweilen. Die erste Figur zeigt das Radien- system, das GEGENBAUR®! ursprünglich für das beste hielt: ein uni- seriales Archipterygium, dessen Hauptstrahl durch den Radius und den Daumen zieht. Die zweite Figur illustrirt die spätere Ansicht GEGENBAUR’sS, an der er auch heute noch festhält: der Hauptstrahl läuft durch die Ulna und den kleinen Finger. Die dritte Figur zeigt ein biseriales Archipterygium, dessen Hauptstrahl durch Ulna und Zeigefinger zieht; sie illustrirt eine Ansicht, die eine Zeit lang von ur’sche Urform der pentadactylen Extremität. Textfigg. 20—31. Radiensysteme, eingezei 498 Carl Rabl, GoOETTE° und WIEDERSHEIM ®% vertreten, später aber wieder fallen ge- lassen wurde. Die vierte Figur zeigt das Spiegelbild der dritten: der Hauptstrahl zieht durch Radius und Ringfinger. Unlängst hat Bravs’” nicht übel Lust verspürt, dieses Radiensystem in das Extremitäten- schema zu legen; er hat sich aber rasch besonnen und das GEGEN- BAURr’sche System für das beste erklärt. Das fünfte Bild zeigt ein biseriales Archipterygium, dessen Hauptstrahl durch den Radius, das radiale Centrale und den Mittelfinger zieht; das sechste ein eben solches Archipterygium, bei dem aber der Hauptstrahl durch die Ulna und das ulnare Centrale läuft. Diese beiden Radiensysteme des biserialen Archipterygiums entsprechen — wenigstens in so fern, als der Hauptstrahl durch den Mittelfinger geht — der Ansicht, die SEMoXx ’» unlängst ausgesprochen hat. Die siebente und achte Figur bringen eine Ansicht zum Ausdruck, die BRÜHL®? einmal als »diehotomische Theorie« bezeichnet und der Archipterygiumtheorie GEGENBAUR’S gegenüber zu stellen gesucht hat. Die vier letzten Figuren endlich führen uns Kombinationen von Theilungs- und Knospungsvorgängen einzelner Radien vor Augen. Es ließen sich zu Gunsten eines jeden dieser und zahlreicher anderer Radiensysteme sehr gelehrte Gründe anführen; aber ich denke, ein Blick auf die Figuren genügt, um zu zeigen, dass allen derartigen Versuchen, wenn sie, statt von den realen Verhältnissen auszugehen, irgend ein durch Abstraktion ge- wonnenes Schema des Extremitätenskeletes zu Grunde legen, jede wissenschaftliche Berechtigung fehlt und dass sie höchstens dazu dienen können, die Phantasie zu üben. Ich habe angenommen, dass die Ansicht GEGENBAUR’sS, nach welcher die Urform des Chiropterygiums durch den Besitz zweier Centralia ausgezeichnet war, richtig sei. Dies ist aber durchaus nicht erwiesen. Erstens ist es keineswegs ausgemacht, dass diese Urform eine fünfzehige Extremität gewesen ist, und zweitens ist es fraglich, ob die Zahl der Carpal- und Tarsalstücke ursprünglich wirk- lich so groß gewesen ist, als GEGENBAUR angenommen hat. Als GEGEN- BAUR seine Theorie aufstellte, kannte man zwei Centralia nur vom Tarsus des Oryptodranchus; sie waren von HyrrL*! beschrieben wor- den. Später hat allerdings WIEDERSHEIM noch bei einigen anderen ostasiatischen Urodelenarten sowohl im Carpus als Tarsus zwei Cen- tralia gefunden*!; aber noch ein paar Jahre später hat er gezeigt, dass unter Umständen beim Axolotl sogar drei Centralia vorkommen können *, und einen ähnlichen Fall von drei Centralia im Tarsus eines Crypto- branchus hat BAur!? beschrieben. Auch bei Menopoma können, wie Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 499 I 8 Zwick !* gezeigt hat, im Carpus statt eines einfachen zwei oder selbst drei Centralia vorhanden sein, und derselbe Autor hat einen Fall be- schrieben, wo sich im Tarsus eines Axolotls nicht weniger als fünf Centralia fanden. Mehr als zwei Centralia im Carpus und Tarsus vertragen sich nun aber nicht mit der Theorie GEGENBAUR'S. Bekanntlich hat GEGENBAUR das Uhiropterygium vom Meta- pterygium der Selachier abzuleiten gesucht; HuxLeyY®® dagegen betrachtete das Mesopterygium der Selachier für homolog mit dem Achsenstrahl der Ceratodus-Flosse, und Mivarr!% sprach die Ver- muthung aus, dass der Achsenstrahl des Chiropterygiums oder, wie er sich ausdrückte, »the limb-axis of air-breathing vertebrates« durch das Propterygium ging. Huxuey, der das Vorhandensein eines einfachen Centrale für das ursprüngliche Verhalten ansah, meinte einmal, die pentadactyle Extremität könnte sich aus einer Form ent- wickelt haben, welche der Ceratodus-Flosse ähnlich war; dabei leitete er den Hauptstrahl durch den Humerus, das Intermedium, das Centrale, das Carpale HI und den Mittelfinger. SEeMmon, der, wie erwähnt, den Hauptstrahl gleichfalls durch den Mittelfinger ziehen ließ, wich von Hux- LEY, abgesehen von zahlreichen anderen Punkten, auch in so fern ab, als er die anderen Finger von proximalen Seitenradien einer Ceratodus- Flosse abzuleiten suchte, während es HuxLey für wahrscheinlicher hielt, dass sie aus distalen Seitenradien hervorgegangen seien. Auf die Versuche, das Chiropterygium vom Crossopterygium -—— der Brustilosse des Polypterus und Calamoichthys — abzuleiten, so- wie auf die Versuche, das Crossopterygium auf das biseriale Archi- pterygium zurückzuführen, will ich hier nicht eingehen; auf die letzteren werde ich im Anhange zurückkommen und die ersteren sind so rein spekulativer Natur, dass ich ihnen nicht zu folgen vermag. Ein Verständnis des Crossopterygiums wird uns, meiner Überzeugung nach, einzig und allein die Entwicklungsgeschichte vermitteln können; die vergleichende Anatomie war hierzu nicht im Stande !". Für die Anhänger der Archipterygiumtheorie ist der Satz, dass die pentadactyle Extremität vom Archipterygium — sei es nun das uniseriale oder das biseriale — abgeleitet werden müsse, zu einer Art Glaubensartikel geworden, und nachdem alle Forscher, die nicht zur Schule GEGENBAUR Ss gehören, sich von diesem Glaubensartikel losgesagt haben, ist die Theorie zu einer Schulmeinung herabge- sunken, der nicht mehr Werth und Bedeutung zukommt, als dem Dogma irgend einer gläubigen Sekte. Als Huxrey seine früher er- wähnte Hypothese aufsteilte, war er weit entfernt, die Wissenschaft 500 Carl Rabl, in dogmatische Fesseln schlagen zu wollen; er war ein kritischer Forscher vom Scheitel bis zur Sohle und er betonte ausdrücklich, dass »the eonfirmation or refutation of this hypothesis is to be sought in development and in the condition of the limbs in the Palaeozoie Amphibia«; und um dieser Überzeugung noch mehr Nachdruck zu geben, bemerkte er, dass er seine Hypothese aufgestellt habe, >mainly in the hope of stimulating investigation in both these directions«. Leider hat uns die Paläontologie bisher keine Anhaltspunkte geliefert, welche uns in der Frage nach dem Ursprung des Chiro- pterygiums vorwärts bringen könnten. Vom Carpus und Tarsus ‘der Stegocephalen ist wenig bekannt und, was die fossilen Perenni- branchier betrifft, so wissen wir nicht einmal bestimmt, ob sie über- haupt Extremitäten besessen haben‘. Dagegen hat uns die Ent- wicklungsgeschichte mit einer großen Reihe außerordentlich wichtiger und interessanter Thatsachen bekannt gemacht. Bei der Beurtheilung dieser, über die Entwicklung der Extremitäten der urodelen Am- phibien vorliegenden Untersuchungsergebnisse ist zu beachten, dass zur Zeit, als die ersten genauen Beobachtungen darüber angestellt wurden, die Archipterygiumtheorie auf der Höhe ihres Ansehens stand und dass es nur wenige Forscher gab, die es wagten, sich die Frei- heit des Denkens zu wahren. Immerhin ist es bezeichnend, dass STRASSER*”, dem wir eine ausgezeichnete Untersuchnung über die Entwicklung der äußeren Form der Extremitäten und die Bildung der Extremitätenknorpel von Salamandern und Tritonen verdanken, zu dem Schlussergebnisse gelangte, dass die Thatsachen der Entwicklung »nicht direkt« der Archipterygiumtheorie widersprechen. GOETTE° dagegen glaubte auf Grund seiner Untersuchungen über die Entwick- lung und Regeneration des Gliedmaßenskeletes der Molche sich ent- schieden zu Gunsten der Archipterygiumtheorie aussprechen zu dürfen. Freilich war das Archipterygium GoETTE's ein anderes als das Archi- pterygium GEGENBAUR'S. GOETTE glaubte nämlich, wie schon erwähnt, die pentadactyle Extremität vom biserialen, nicht vom uniserialen Archipterygium ableiten zu dürfen, wobei er den Hauptstrahl durch den zweiten Finger leitete. Indessen hat GOETTE, wie er mir unlängst mittheilte, seinen Fehler längst eingesehen und die » Archipterygium- theorie mit allen dazu gehörenden Voraussetzungen und Folgerungen aufgegeben»5!. — Vor einigen Jahren hat Zwıck5? an Larven von Triton taeniatus und cristatus die Entwicklung des Extremitäten- skeletes nntersucht und einige Widersprüche aufgeklärt und beseitigt, die zwischen den Angaben Srrasser’s und GOETTE’s bestanden oder Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 501 zu bestehen schienen. Die Auffassung, zu der er gelangte, steht mit der Archipterygiumtheorie in offenem Widerspruch. — Der jüngste Forscher auf diesem Gebiete, Surrkov>3, hat die Entwicklung des Extremitätenskeletes von /sodactylium untersucht, von einer Form, die besonders desshalb interessant ist, weil sie im erwachsenen Zu- stande sowohl im Carpus, als im Tarsus zwei Centralia besitzt, also nach GEGENBAURr’s Auffassung ein sehr primitives Verhalten aufweist. SHITKOV’s Untersuchungen, die einen durchaus verlässlichen Eindruck machen, haben nicht eine einzige Thatsache ergeben, die für die Archipterygiumtheorie verwerthbar wäre; nichtsdestoweniger ist er von dieser Theorie noch so befangen, dass er es nicht wagt, ihr offen entgegenzutreten, sondern sogar bemüht ist, seine Resultate in ihrem Lichte erscheinen zu lassen. Freilich ist seine Auffassung von derjenigen GEGENBAUR’S weit entfernt; sie lehnt sich zum Theil an diejenige HuxLey’s, zum Theil an die frühere, jetzt verlassene Ansicht GoETTE’s und WIEDERSHEIM’sS an: an diejenige HUXLEY’sS in so fern, als auch er den Hauptstrahl direkt aus dem Humerus ins Intermedium treten lässt, an GOETTE und WIEDERSHEIM in so fern, als er den Hauptstrahl durch den zweiten Finger leitet. Ich habe nun, um mir ein eigenes Urtheil in dieser Frage zu bilden, schon vor mehreren Jahren die Entwicklung der Vordergliedmaben von Triton taeniatus untersucht und diese Untersuchungen in neuerer Zeit durch einige Beobachtungen an Necturus ergänzt. Schon die Entwick- lung der äußeren Form der Gliedmaßen, über welche namentlich STRASSER sehr genaue Angaben veröffentlicht hat, ist ungemein lehr- reich. Bekanntlich stellt die erste Anlage der Extremitäten der uro- delen Amphibien ein kleines, rundliches Höckerchen dar, dessen Durch- messer an der Basis die Länge eines Urwirbels kaum überschreitet. Später, wenn das Höckerchen zu einem Stummel auswächst, wird die Basis etwas breiter, reicht aber auch dann nicht weit über eine Ur- wirbellänge hinaus. Nun wachsen aus dem Ende des Stummels zwei kleine Knötchen hervor, die Anlagen der ersten und der zweiten Zehe. Sobald diese länger zu werden beginnen, bildet sich an der ulnaren Seite der Basis der zweiten Zehe eine Art Knospe, die alsbald in die Länge wächst und zur dritten Zehe wird. Kaum hat diese eine gewisse Länge erreicht, so bildet sich auch schon an der ulnaren Seite ihrer Basis wieder eine Art Knospe, aus der in der Folge die vierte Zehe wird. An der hinteren Extremität eines Triton oder Salamanders geht die Bildung der Zehen noch einen Schritt weiter, indem sich von der Basis der vierten Zehe aus noch eine fünfte entwickelt (Textfigg. 52 und 33). 502 Carl Rabl. Bei Necturus, der bekantlich auch im entwickelten Zustande vorn und hinten nur vier Zehen besitzt, macht die Entwicklung der Zehen hinten früher Halt. Im Allgemeinen aber erfolgt die Entwick- lung der Zehen so, wie bei unsern einheimischen Urodelen; nur ent- steht die hintere Extremität entschieden relativ früher, als bei diesen. In einem Stadium, in welchem die vordere Extremität die Anlagen von drei Zehen erkennen lässt, bildet sie schon einen ganz ansehn- lichen, aber am Ende noch abgerundeten Stummel; und sobald dann an der vorderen Extremität die vierte Zehe in die Erscheinung ge- treten ist, sind an der hinteren schon drei Zehen entwickelt. Textfig. 32. Textfig. 33. Textfig 32. Entwicklung der vorderen Extremität von Triton cristatus nach STRASSER. Textfig. 33. Entwicklung der hinteren Extremität von Triton taenialus nach STRASSER. Schon diese Entwicklung der äußeren Form der Extremitäten der urodelen Amphibien spricht mit aller Entschiedenheit gegen die Archipterygiumtheorie. Dass man dies nicht von allem Anfang an erkannte, erklärt sich lediglich daraus, dass man sich der Theorie ganz gefangen gab und der Spekulation mehr traute, als der unmittel- baren Wahrnehmung. Nach der Archipterysiumtheorie bleibt das allmähliche Auftreten der Zehen ganz unverständlich; es ist gar nicht abzusehen, warum bei den urodelen Amphibien nicht in ähnlicher Weise, wie bei den Amnioten, alle Zehen gleichzeitig in die Erschei- nung treten sollten. Man wird, um dies erklären und mit der Theorie in Einklang setzen zu können, zu dem oft erprobten, aber nachge- Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 503 rade schon etwas abgebrauchten Mittel greifen müssen, den ganzen Process als einen ceänogenetischen zu bezeichnen. Wir haben ja in den letzten Jahren oft genug erfahren, wie leichtfertig und willkür- lich mit dem Begriff der Cänogenese gewirthschaftet wird und wie man damit im Handumdrehen jeder entwicklungsgeschichtlichen That- sache ihre Bedeutung und Beweiskraft nehmen kann. Ich meinerseits erblicke darin, dass gerade bei den tiefststehenden pentadacetylen Wirbelthieren die Zehen nicht gleichzeitig, sondern nach einander auftreten, eine höchst bedeutungsvolle entwicklungsgeschicht- liche Erscheinung, eine Erscheinung, deren einfachste und natürlichste Deutung mir dahin zu gehen scheint, dass auch während der phylogene- tischen Entwicklung des Chiropterygiums die Zehen nicht gleichzeitig, sondern nach einander zur Ausbildung gekommen sind. Dabei brauche ich, wie aus meinen Erörterungen in der Arbeit über den Bau und die Entwicklung der Linse hervorgeht, durchaus nicht anzunehmen, dass ein Triton oder Neeturus während seiner individuellen Entwick- lung seine Stammesentwicklung »wiederhole«, wohl aber nehme ich an, dass ein gewisser Parallelismus zwischen der Entwicklung eines Triton oder Neeturus und der Entwicklung ihrer ausgestorbenen Vor- fahren bestehe. Der Entwicklung der äußeren Form der Extremitäten entspricht diejenige des Skelets. Ich will auf diesen Gegenstand etwas aus- führlicher eingehen und mich dabei zunächst an meine eigenen Unter- suchungen halten. In dem Stadium, von dem ich ausgehe, war der Extremitäten- stummel an seinem Ende nicht mehr so abgerundet, wie zur Zeit seiner Entstehung und, wenn er auch noch nicht in zwei Knötchen auslief, so ließ er doch schon eine Neigung zur Knötchenbildung deutlich erkennen. Der Extremitätenstummel zeigte eine Form, welche ungefähr die Mitte hielt zwischen den in den Skizzen a und 5, Fig. 32 _ nach Strasser abgebildeten Stummeln. Ich habe in Fig. 1, Taf. XXII, denjenigen Schnitt der Serie gezeichnet, der mir der wichtigste und am meisten charakteristische zu sein schien. Die radiale Seite ist nach rechts, die ulnare nach links gekehrt. In der Mitte des Stum- mels verläuft von der Basis aus eine ungemein dichte Gewebsmasse, die sich ungefähr in der Mitte des Stummels in zwei Äste theilt. Die beiden Äste treten gegen das Ende des Stummels wieder mit einander in Verbindung. Der ungetheilte Stamm dieser Gewebsmasse enthält die Anlage des Humerus, die sich von dem übrigen Gewebe durch die quere Stellung der Zellkerne unterscheidet. Die beiden 504 Carl Rabl. Äste enthalten die Anlagen von Radius und Ulna und vielleicht auch eines Theiles ihrer distalen Fortsetzungen; diese Anlagen grenzen sich aber gegen das übrige Gewebe der beiden Äste noch nicht ab. Der ulnare Ast scheint um eine Spur dicker zu sein, als der radiale. Zwischen den Ästen sieht man den Schiefschnitt einer Arterie (ai): es ist dies die Arteria interossea, welche, wie ZUCKERKANDL gezeigt hat, die direkte Fortsetzung der Arteria brachialis bildet und, wie bei allen pentadactylen Wirbelthieren, die primitive Hauptarterie des Vorderarmes darstellt. Sie tritt in ihrem weiteren Verlaufe zwischen den beiden Ästen von der Beuge- zur Streckseite. In dem nächsten Stadium (Fig. 2) lief der Extremitätenstummel schon in zwei kleine Knötchen aus, von denen das ulnare etwas länger war, als das radiale. Die Knötchen sind, wie schon früher erwähnt, die Anlagen der beiden ersten Finger. Wie der abgebildete Schnitt zeigt, hebt sich der Humerus jetzt viel deutlicher als früher von dem umgebenden Gewebe ab. Seine Zellen sind plattgedrückt, senkrecht zur Achse des Oberarms gestellt, aber augenscheinlich noch durch keine Zwischensubstanz von einander getrennt. Auch Radius und Ulna beginnen sich zu differenziren; wenigstens erschei- nen die an den Humerus sich anschließenden Zellen der beiden Äste etwas abgeplattet. Zwischen den beiden Gewebsästen sieht man wieder den Schiefschnitt der Arteria interossea. — Distalwärts davon treten die beiden Äste mit einander in breite Verbindung, um sodann in die bei- den Fingeranlagen auszulaufen. Während nun aber die Zellen der Ver- bindungsbrücke noch völlig indifferent erscheinen, sind die in der Achse der Fingeranlagen verlaufenden Gewebsstränge dadurch ausgezeichnet, dass ihre Zellen quer gestellt und deutlich abgeflacht sind. Im dritten Stadium (Fig. 5) waren die beiden ersten Finger länger geworden und an der ulnaren Seite des zweiten (bei 3) war ein kleiner Wulst bemerkbar, als erste Spur eines dritten Fingers. Am Humerus hat die Bildung von Intercellularsubstanz begonnen; Radius und Ulna heben sich deutlich von ihrer Umgebung ab, namentlich in ihren proximalen Theilen, wo die Zellen stark abgeplattet und dabei quer- gestellt sind. Am distalen Ende des Vorderarmes hat die Differen- zivung begonnen, was sich freilich zunächst nur darin kund giebt, dass die Zellen nieht mehr kugelig sind, sondern sich abzuplatten und querzustellen beginnen. Deutlich qauergestellt und stark abgeplattet sind dann wieder die Zellen der in den Achsen der beiden ersten Finger verlaufenden Stränge; aber zur Knorpelbildung ist es hier noch nicht gekommen. In den kleinen Wulst an der ulnaren Seite, Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 505 der die erste Anlage des dritten Fingers darstellt, erstreckt sich eine dichte Gewebsmasse, welche von der ulnaren Seite der Verbindungs- brücke der beiden im Vorderarm gelegenen Äste, in welehe Radius und Ulna übergehen, ausläuft. Diese Verbindungsbrücke ist, wie früher, distalwärts von der Stelle gelegen, an welcher die Arteria interossea (a) von der Beuge- zur Streckseite tritt. Das nächste Stadium (Fig. 4) ist vor Allem desshalb wichtig, weil sich in ihm die Bildung des ersten Skeletstückes des Carpus ein- leitet. Außerlich ist die Extremität nur wenig weiter entwickelt als die vorige. Der Humerus ist deutlich knorpelig, seine Zellen durch reichliche Intercellularsubstanz von einander getrennt. Wie in jedem jungen Knorpel und auch in jedem Vorknorpel zeichnen sich einzelne Zellen durch die stärkere Färbbarkeit ihrer Kerne vor den übrigen aus. Es sind dies Zellen, welche stärker abgeplattet und deren Kerne daher wohl auch stärker komprimirt sind, als die übrigen. Radius und Ulna zeigen den Beginn der Bildung von Intercellularsubstanz. Sie verlieren sich wieder distalwärts in der, ihre Enden verbindenden Gewebsmasse, welche, wie früher, bei a von der Arteria interossea durchbohrt wird. In dieser Gewebsmasse beginnt sich eine Stelle aufzuhellen und sich dadurch als etwas Besonderes kundzugeben. Diese Stelle (5p) liegt genau an der Basis der zwei ersten Finger und stellt die erste Anlage eines Carpalstückes dar, das ich als primäres Basale (Basale primarium) bezeichnen will. In den ersten zwei Fingern hat die Knorpelbildung eben begonnen. Sie sind auf dem abgebildeten Schnitte nicht voll getroffen; der erste ist bloß an- geschnitten, der zweite bloß in seiner proximalen Hälfte in der Mitte durchschnitten. Von der ulnaren Seite des die distalen Enden von Radius und Ulna verbindenden chondrogenen Gewebes erstreckt sich eine Fortsetzung in die Anlage des dritten Fingers, an der aber noch keine weitere Differenzirung wahrzunehmen ist. In dem folgenden Stadium (Fig. 5) sind bereits drei Elemente des Carpus differenzirt. Die Knorpelbildung im Humerus, Radius und der Ulna und den ersten zwei Fingern hat schon weite Fortschritte semacht. Im dritten Finger aber befindet sich das Gewebe noch im Vorknorpelstadium, in dem die Zellen zwar abgeplattet und quer- gestellt, aber noch nicht durch Intercellularsubstanz von einander ge- trennt sind. Das primäre Basale (5») an der Wurzel der ersten zwei Finger ist größer geworden und deutlich knorpelig. In der direkten Verlängerung des Radius hat sich aus dem, Radius und Ulna ver- bindenden, chondrogenen Gewebe ein länglicher Knorpel differenzirt, 506 Carl Rabl. den ich als primäres Radiale (Radiale primarium, rp) bezeichnen will. Ulnarwärts davon, nicht genau in der Fortsetzung der Ulna, aber doch mehr in der der Ulna als des Radius, findet sich ein ganz ähn- lich gestalteter Knorpel, den ich als primäres Intermedium (Interme- dium primarium, :p) bezeichnen will. Es besteht also der Carpus, so weit er knorpelig ist, jetzt aus dem primären Basale, das sich schon im vorhergehenden Stadium gebildet hatte, dem primären Radiale und dem primären Intermedium. An der ulnaren Seite des primären Inter- medium und des primären Basale ist das chondrogene Gewebe noch nicht weiter differenzirt. Von diesem Gewebe nun zieht eine Ab- zweigung in die Anlage des dritten Fingers und zeigt hier, wie gesagt, schon deutlich den Charakter des Vorknorpels; außerdem zweigt sich aber auch noch ein ganz kleiner, unscheinbarer Seitenast (bei 4) ab, welcher die erste Andeutung der Skelettanlage des vierten Fingers darstellt. Zwischen dem chondrogenen Gewebe an der ulnaren Seite des primären Intermedium und diesem selbst liegt der Querschnitt der Arteria interossea (az), welehe hier von der volaren auf die dor- sale Seite tritt. Ich habe nun auch noch die Bildung des vierten Fingers und die weitere Differenzirung des Carpus untersucht; unglücklicherweise sind aber die Schnitte so geführt, dass es mir nicht möglich ist, Bilder ähnlich den bisher gebrachten zu geben. Dieser Mangel wird aber aufgewogen durch die Untersuchungen von STRASSER und GOETTE. Wenn auch meine Auffassung des Baues und der Entwicklung des Carpus und Tarsus von der ihrigen abweicht, so lassen sich doch meine Beobachtungen mit den ihrigen sehr leicht und ungezwungen in Übereinstimmung bringen. Entsprechend der verschiedenen Auf- fassung ist auch meine Nomenclatur eine andere, als die der genannten Autoren. GOETTE nennt den Knorpel, den ich als primäres Basale bezeichne und dessen Lagebeziehungen er genau eben so angiebt, wie ich, Carpale medianum tertium; Strasser hat ihn Basale commune ge- nannt; auch er beschreibt ihn so, wie ich es gethan habe. Dieser Knorpel entspricht dem Carpale III GEGENBAURr’s. Für die beiden anderen pri- mären Knorpel des Carpus müsste man nach der Nomenelatur GOETTE’S die Ausdrücke Carpale radiale I+ II und Carpale medianum I+ II gebrauchen. Ich will indessen auf diese Differenzen nicht näher ein- gehen; die Hauptsache ist, dass die Beobachtungen der beiden For- scher sich mit den meinigen sehr leicht in Einklang setzen lassen. Aus diesen Beobachtungen geht nun aber auch hervor, dass das primäre Basale während der ganzen weiteren Entwicklung ungetheilt Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 507 bleibt und dass es seine typische Lage an der Basis der beiden ersten Finger stets beibehält; es wird zum zweiten Carpale. Das primäre Radiale theilt sich später in das definitive oder sekundäre Radiale (Radiale GEGENBAUR’sS) und das erste Carpale (Carpale II nach GEGENBAUR); das primäre Intermedium theilt sich in das definitive oder sekundäre Intermedium (Intermedium GEGENBAURr's) und das Centrale. Aus dem ulnarwärts sich anschließenden chondrogenen Gewebe endlich entwickeln sich das Ulnare und das dritte und vierte Carpale (Carpale IV und V nach GEGENBAUR). Ich betrachte nun dieses chondrogene Gewebe an der ulnaren Seite des Carpus als ein embryonales, mächtig entwickeltes Perichondrium des primären Intermedium, von welchem die Bildung neuer Knorpelstücke ausgeht. Dass dieses Perichondrium gerade nur an der ulnaren Seite so mächtig entwickelt ist, bringe ich mit der Thatsache in Zusammenhang, dass gerade nur hier die Bildung neuen Knorpels vor sich geht. Primäres Interme- dium sammt dem ihm ulnarwärts angeschlos- senen chondrogenen Gewebe fasse ich als ein primäres Intermedioulnare auf und komme demnach zu folgender einfacher Deutung des Carpus einer Urodelenlarve, bei welcher zwei Finger gut entwickelt, der dritte in Bildung begriffen ist: der Carpus besteht aus drei primären Elementen, dem pri- mären Basale, Radiale und Intermedioulnare; das primäre Basale ist das zuerst entstan- dene Element des Carpus und bleibt stets ungetheilt und unverändert in seiner Lage; das primäre Radiale liefert das sekundäre ‚Radiale und das Carpale I, das Intermedio- ; z a Ulnare zunächst das primäre Intermedium, das dann weiter in das sekundäre Intermedium und Centrale zerfällt, und sodann in wei- Textlig. 34. terer Folge das Ulnare, Carpale IH und IV. nee Ich kann also für den Carpus nebenstehen- r,Radiale primarium ; iu.p, Inter- R medioulnare primarium; b.p, Ba- des Schema, in welchem das chondrogene sale primarium; 7, 2, 3, Finger. Gewebe, bezw. das embryonale Perichondrium punktirt dargestellt ist, entwerfen (Textfig. 34). Ob dieses Schema gerechtfertigt ist, werden auch noch die weiteren Auseinander- Setzungen zeigen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 33 508 Carl Rabl, Zuvor aber will ich noch auf einige andere Thatsachen der Ent- wicklung aufmerksam machen. Es ist schon seit Langem bekannt, dass bei jungen Salamanderlarven Intermedium und Ulnare von ein- ander getrennt sind, während bei entwickelten Thieren beide zusammen ein einheitliches Stück, das Intermedioulnare, bilden, das, wie ZUCKERKANDL>! gezeigt hat, von der Arteria interossea durchbohrt wird. Im Tarsus bleiben die entsprechenden Skeletstücke auch beim erwachsenen Thiere von einander getrennt und zwischen ihnen tritt, ähnlich wie im Carpus, die Arteria interossea von der Planta zum Fußrücken. So sehen wir, dass ursprünglich einheitliche Skelet- sticke sich theilen, ursprünglich getrennte verschmelzen können. Beispiele der ersten Art liefern das primäre Radiale und das primäre Intermedium, ein Beispiel der zweiten die eben erwähnte Verschmel- zung von Intermedium und Ulnare. Ganz dasselbe hat Smirkov bei Isodactylium gefunden. Er giebt an, dass bei 30 mm langen Larven Tibiale und Tarsale I einen einzigen Knorpel bilden, der später in zwei Stücke zerfällt, dass ferner ursprünglich ein einfaches Centrale vorhanden ist, das sich erst im weiteren Verlauf in zwei Centralia theilt, und er schließt daraus mit Recht, dass »die Anwesenheit zweier Centralia in den Extremitäten einiger Amphibien.... in keinem Fail als Beweis dafür gelten könne, dass die betreffende Form genetisch niedrig gestellt ist«. Eben so sei es möglich, dass die beiden, aus der Theilung eines Anfangs einheitlichen Knorpels ent- standenen Centralia sekundär wieder verschmelzen. So werden uns nun wohl auch die von WIEDERSHEIM, BAUR und Zwick beobachte- ten Fälle einer größeren Zahl von Centralia nicht Wunder nehmen können. Es braucht wohl nicht erst bemerkt zu werden, dass von den seschilderten Thatsachen der Entwicklung auch nicht eine einzige als Argument für die Archipterygiumtheorie ins Feld geführt werden kann. Sie alle sind Zeugen gegen, keine einzige ein Zeuge für die Theorie. — Aber auch die von der Archipterygiumtheorie ganz unab- hängige Ansicht, dass die Finger und Zehen den Radien einer Selachier- oder Störflosse homolog seien, findet in der Entwicklung ihre Widerlegung. Die Finger und Zehen entwickeln sich ganz anders, als die Radien einer Flosse; diese sind metamerische Gebilde, jene entstehen ganz unabhängig von der Metamerie des Körpers. Die Gliederung des Carpus und Tarsus erfolgt in einer Weise, die auch nicht im entferntesten an die Gliederung einer Flosse erinnert. Zwischen einer Fischflosse und einem Chiropterygium besteht eine Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 509 tiefe Kluft, die sich durch keine der bisherigen Theorien überbrücken lässt. — Ich will mich nun zur Beschreibung des Carpus und Tarsus der urodelen Amphibien wenden. Über diesen Gegenstand liegen bekanntlich zahlreiche, zum Theil ausgezeichnete Untersuchungen vor. Ohne auf Vollstärdigkeit An- spruch zu erheben, erwähne ich nur die Arbeiten HYrRTL’s, GEGEN- BAUR’S, GOETTE’s, WIEDERSHEIM’sS, Baur’s und Zwıck’s®. Als ich aber diese Arbeiten durchstudirt hatte, war ich eben so wenig, wie früher, im Stande, mir eine völlig klare und befriedigende Vorstellung vom Aufbau des Carpus und Tarsus zu bilden. Es schien mir ganz unmöglich, die scheinbar so verschiedenartigen Befunde auf einander zu beziehen und daraus das Bild einer Urform der Amphibienextremität abzuleiten. Ich ging daher daran, den Gegen- stand selbst zu untersuchen, und fertigte zunächst von den Extremi- tätenskeleten aller ‚wichtigen, hier in Frage kommenden Formen Zeichnungen an, in welchen ich so genau, als es mir nur irgend möglich war, die gegenseitigen Lagebeziehungen und Größenverhält- nisse der einzelnen Elemente des Carpus und Tarsus wiedergab. Der Erfolg dieser Untersuchung übertraf alle meine Erwartungen und zeigte mir wieder, was für eine wichtige und unerlässliche Methode der Beobachtung das Zeichnen ist. Ich habe auf Taf. XXIH die Zeichnungen übersichtlich zusammen- gestellt und sie dabei so orientirt, dass die radiale, bezw. tibiale Seite sämmtlicher Extremitäten nach links gekehrt ist. Die Bilder stellen also scheinbar durchwegs Extremitäten der linken Seite dar; in Wirk- lichkeit gehörten aber mehrere der gezeichneten Extremitäten der rechten Seite an. In diesen Fällen habe ich die Zeichnungen umge- kehrt und die Figuren geben also die Spiegelbilder der betreffenden Extremitäten wieder. So gehörten z. B. die in den Figg. 3 und 4 gezeichneten Extremitäten von Amphiuma in Wirklichkeit der rechten Seite an; die in den Figg. 5 und 6 gezeichneten hinteren Extremitäten stammten von einem und demselben Thier; die eine der beiden wurde also im Spiegelbilde gezeichnet. Es ist dies desshalb geschehen, damit die Bilder leichter auf einander bezogen werden können; die Genauigkeit der Darstellung hat selbstverständlich darunter nicht im mindesten gelitten >. Gewöhnlich geht man bei der Betrachtung der Amphibienextre- mitäten von denjenigen Formen aus, welche, wie dies bekanntlich die Regel ist, vorn vier und hinten fünf Zehen besitzen. Ich- gehe 335 510 Carl Rabl. nun den umgekehrten Weg und beginne mit der Beschreibung des Extremitätenskelets des Proteus. Diese Form hat bekanntlich vorn drei, hinten zwei Zehen. Der Carpus (Fig. 2) besteht aus drei Knorpeln, die ich als primäres Radiale (roth), primäres Intermedioulnare (blau) und primäres Basale (gelb) bezeichnen will. Das Radiale verbindet den Radius mit der Basis des ersten Metacarpale, das Intermedioulnare den Radius und die Ulna mit dem primären Basale und dieses geht distalwärts eine Verbindung mit den Basen aller drei Metacarpalia ein. — Wesentlich denselben Bau zeigt der Tarsus (Fig. 1); nur sind das primäre Tibiale (roth) und das primäre Intermediofibulare (blau) etwas kürzer, und das primäre Basale (gelb), das sich mit den Basen der beiden Zehen verbindet, schmäler, als die korrespondirenden Knorpel des Carpus. Ganz in der gleichen Weise waren @arpus und Tarsus bei allen von mir darauf hin untersuchten Exemplaren von Proteus beschaffen 5”. Die Figg. 3 und 4 stellen Hand und Fuß eines 70 cm langen, ausgezeichnet konservirten Exemplars von Amplhiuma dar. Die Ähnlichkeit seines Extremitätenskeletes mit dem von Proteus springt sofort in die Augen, zugleich aber auch die Ähnlichkeit des Baues von vorderer und hinterer Extremität. Bei allen von mir untersuchten Exemplaren war die hintere Extremität kräftiger, als die vordere, zeigte aber im Übrigen eben so wie im Bau des Skeletes, auch in der äußeren Form eine große Ähnlichkeit mit der vorderen. Carpus und Tarsus bestanden aus je drei Knorpeln, dem primären Radiale, Intermedioulnare und Basale, bezw. an der hinteren Extremität dem primären Tibiale, Intermediofibulare und Basale. Die gegenseitigen Lageverhältnisse waren dieselben, wie bei Proteus, nur hatte das Intermedioulnare, bezw. Intermediofibulare einen Anschluss an die Basis des dritten Fingers gewonnen. Von den drei Knorpeln war der ulnare, bezw. fibulare der größte. — Von einem zweiten, kleineren Exemplar habe ich nur eine Vorderextremität untersucht und dabei den Bau des Carpus genau eben so gefunden, wie er in Fig. 3 ge- zeichnet ist. Auch bei einem dritten, 55 cm langen Exemplar waren im Oarpus beider Vorderextremitäten drei Knorpel vorhanden; jedoch machte es beim ersten Anblick den Eindruck, als seien vier Knorpel vorhanden; die genauere Untersuchung zeigte aber, dass der dritte Finger weiter proximalwärts reichte, als sonst, und dass nun die große, proximale Epiphyse seines Metacarpale einen vierten Knorpel vortäuschte. Sehr interessant waren die Tarsi dieses Exemplars. Es fanden sieh auf beiden Seiten vier Knorpel, indem an Stelle des Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 511 sonst einfachen Intermediofibulare zwei Knorpel vorhanden waren. An der einen Extremität (Fig. 5) war die Abgliederung in transver- saler, an der anderen (Fig. 6) in longitudinaler Richtung erfolgt. Dieser Fall ist namentlich desshalb wichtig, weil er zeigt, in welcher Weise eine Vermehrung der primären den Tarsus oder auch den Carpus zusammensetzenden Elemente erfolgen kann°®. Siren besitzt, wie ihr Name sagt, nur vordere Extremitäten. Fig. 7 zeigt die linke Extremität eines 48 cm langen Exemplars. Der Carpus lässt sich leicht auf den von Amphiuma und Proteus zurückführen. Er besteht aus fünf Stücken; das radiale (roth) entspricht zweifellos dem primären Radiale von Amphiuma und Pro- Zeus, das an der Basis des ersten und zweiten Fingers liegende (gelb) eben so sicher dem primären Basale der genannten Formen; und die drei anderen Knorpel (blau) repräsentiren zusammen ein primäres Intermedioulnare, von dem sich aber an der Basis des dritten und vierten Fingers zwei Basalia oder Carpalia (GEGENBAUR) abgelöst haben. Entsprechend der Vermehrung der Finger hat sich also auch der Carpus reicher gegliedert und, da die Vermehrung der Finger wahrscheinlich bei allen Amphibien an der ulnaren, bezw. fibularen Seite erfolgt, war es auch das primäre Intermedioulnare, das eine Gliederung in mehrere Elemente erfuhr. Von Cryptobranchus habe ich nur ein kleines, nicht ganz 40 em langes Exemplar untersucht. Da die linke Hand nur drei Finger hatte, wurde die rechte gezeichnet und die Fig. 10 stellt also das Spiegelbild derselben dar. Der Carpus bestand aus sieben Elementen, deren Deutung nach dem bisher Gesagten nicht schwer. fällt. Der radiale Knorpel (roth) ist ein primäres Radiale, der große Knorpel an der Basis der ersten zwei Finger (gelb) ein primäres Basale und alle anderen zusammen stellen ein in fünf Stücke ge- theiltes Intermedioulnare vor. Diese fünf Stücke sind in zwei Reihen seordnet. In der proximalen Reihe folgen von der radialen zur ulnaren Seite auf einander: ein sehr großes, breit mit dem Radius sich verbindendes, also keineswegs central gelegenes Centrale (GEGEN- BAUR), sodann das Intermedium und das Ulnare; in der distalen Reihe liegen zwei, mit dem dritten und vierten Finger sich verbindende Basalia oder Carpalia. Auch das Verständnis des Tarsus (Fig. 11) bietet keine Schwierigkeiten. Das primäre Tibiale (roth) hat sich in zwei Theile getheilt: das sekundäre Tibiale (Tibiale GEGENBAUR’s), das sich an die Tibia anschließt, und ein Basale (Tarsale I GEGEN- BAUR’s), das sich mit der ersten Zehe verbindet. Das primäre Basale 512 Carl Rabl, (gelb) findet sich in derselben Lage, wie in den bisher betrachteten Formen. Dagegen ist das primäre Intermediofibulare (blau) wieder in eine größere Zahl von Stücken getheilt; es wird von folgenden fünf Stücken repräsentirt: proximalwärts von dem in meinem Fall einfachen Centrale, dem Intermedium und dem Fibulare und distal- wärts von zwei Basalia oder Tarsalia, von denen das zweite, größere, den vierten und fünften Finger trägt. Es sind also hier vier Tarsalia nach der Nomenclatur GEGENBAUR’s) vorhanden. Das erste ist aus einem Theil des primären Tibiale hervorgegangen, das zweite stellt das primäre Basale vor, das dritte und vierte sind aus Theilen des primären Intermediofibulare entstanden ®. Ganz ähnlich sind Carpus und Tarsus des mit Oryptobranchus nahe verwandten. Menopoma gebaut, von dem ich ein 33,5 cm langes Exemplar untersuchte (Figg. 12 und 15). Nur hat sich im Carpus das primäre Radiale in ein mit dem Radius sich verbindendes sekundäres Radiale (Radiale GEGENBAUR’s) und ein Basale oder Carpale (Carpale II GEGENBAUR’s) getheilt. Wie immer, ist das primäre Basale, das jetzt das zweite Carpale (nach GEGENBAUR Carpale IH) vorstellt, ungetheilt geblieben und hat seine typischen Lagebezie- hungen bewahrt. Wie bei Oryptobranchus verbindet sich das Centrale carpi breit mit dem Radius. Der Tarsus von Menopoma ist in so fern reicher gegliedert, als derjenige von COryptobranchus, als er fünf Basalia oder Tarsalia enthält. _Das erste dieser Tarsalia ist aus dem primären Tibiale, das zweite aus dem primären Basale, die drei letzten aus dem primären Intermediofibulare entstanden. Wie bei Cryptobranchus war auch hier das Centrale tarsi einfach; es lag der Tibia näher, als bei Oryptobranchus®!. Bei dem von mir untersuchten Exemplar von Necturus, das eine Länge von etwas über 3lcm hatte, bestanden Carpus und Tarsus aus je sechs Elementen (Figg.S und 9). Das primäre Radiale, bezw. Tibiale war getheilt, das primäre Basale, wie immer, ungetheilt, an Stelle des primären Intermedioulnare, bezw. Intermediofibulare fanden sich drei Knorpel, nämlich ein durch seine Größe ausgezeichnetes, von einem Gefäß- kanal durchsetztes sekundäres Intermedioulnare, bezw. Intermedio- fibulare, ein Centrale und ein großes mit zwei Fingern sich verbin- dendes Basale oder Carpale. Ob dieses Verhalten als ein dem primären sich näherndes angesehen werden muss, werden entwicklungsgeschicht- liche Untersuchungen zu entscheiden haben. Die Frage geht dahin, ob das Intermedioulnare und der korrespondirende Knorpel des Tarsus primär einfach oder aus einer sekundären Verschmelzung zweier, Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 513 Anfangs getrennter Elemente entstanden ist. Von mehr nebensäch- licher Bedeutung ist dann noch die weitere Frage, ob das große Basale an der Basis des dritten und vierten Fingers aus einer sekun- dären Verschmelzung zweier Basalia hervorgegangen ist®2. Von sehr großem Interesse ist das Extremitätenskelet des Azolotls. Ich habe davon mehrere Exemplare untersucht und von dreien davon die Skelete abgebildet. Ich gehe von dem in Fig. 14 dargestellten Handskelet eines Azolotls von 19 em Länge aus. Der Carpus war hier sehr einfach gebaut: das primäre Radiale war ungetheilt, das primäre Basale, wie immer, gleichfalls und das primäre Intermedioulnare wurde von vier Knorpeln repräsentirt, deren größter zweifellos ein Intermedium — Centrale darstellte. Es ging dies schon aus dem Verhalten der rechten Extremität hervor, an welcher ein Centrale vorhanden war. Ferner geht es aus dem Verhalten der in Fig. 16 gezeichneten Vorderextremität eines sehr alten, fast 25 cm langen Thieres hervor, bei welchem das Intermediocentrale unvoll- ständig von der radialen Seite her getheilt war. Endlich geht dies auch aus dem Verhalten der in Fig. 15 abgebildeten Vorderextremität eines 18 cm langen Exemplars hervor, die ein vollkommen getrenntes Centrale enthielt. Gleichzeitig war hier das primäre Radiale in zwei Stücke getheilt, nämlich in ein sekundäres Radiale (Radiale GEGEN- BAuR’s) und ein Basale oder Carpale, das an einer, allerdings sehr beschränkten Stelle, einen Anschluss an die Basis des ersten Fingers fand, während in den beiden anderen Fällen das hier ungetheilte primäre Radiale den ersten Finger nicht erreichte. Weniger Inter- esse bietet der Tarsus. Fig. 15 zeigt ihn von dem 19 em langen, Fig. 17 von dem 25 cm langen Exemplar. An Stelle des primären Tibiale fanden sich in beiden Fällen — und eben so auch in den andern von mir untersuchten — zwei Stücke: ein sekundäres Tibiale und - ein erstes Basale oder Tarsale; das primäre Basale war, wie immer, ungetheilt und das primäre Intermediofibulare wurde von sechs Knorpeln repräsentirt: dem Intermedium, Fibulare, Centrale und drei Basalia oder Centralia. Bei dem ältesten Exemplare fanden sich im Intermedium, Fibulare und Centrale Knochenkerne von der in der Figur mit punktirten Linien angegebenen Größe und Form ®°. Bei Salamandra maculosa (Figg. 19 und 20) ist im Carpus das primäre Radiale, im Tarsus das primäre Tibiale in zwei Stücke getheilt, das primäre Basale des Carpus und Tarsus zeigt die gewöhnlichen Ver- hältnisse und das primäre Intermedioulnare, bezw. Intermediofibulare ist durch eine größere Reihe von Stücken repräsentirt. Im Carpus 514 Carl Rabl, besteht, wie dies beim erwachsenen Salamander wohl immer der Fall ist, ein großes Intermedioulnare, während, wie erwähnt, bei der Larve Intermedium und Ulnare getrennt sind; als weitere Bestandtheile eines primären Intermedioulnare finden sich ferner noch ein Centrale und zwei Carpalia. — Im Tarsus sind, selbst bei ganz alten Thieren, Intermedium und Fibulare getrennt. Größe und Form der Knochen- kerne des Carpus und Tarsus sind wieder in den Figuren mit punk- tirten Linien angegeben %. Triton eristatus endlich zeigt ganz ähnliche Verhältnisse, wie der Salamander (Fig. 21 und 22); nur reicht das primäre Radiale, bezw. Tibiale, das stets in zwei Stücke getheilt ist, nicht so weit distalwärts, als dort. Alle Elemente des Carpus und Tarsus zeigten in dem, den Figuren zu Grunde gelegten Falle große Knochenkerne, die wieder mit punktirten Linien angegeben sind; wie beim Salamander war der Knochenkern im Intermedioulnare nierenförmig, mit der Ein- buchtung distalwärts gerichtet. Fassen wir das Ganze zusammen, so können wir sagen: das primäre Basale bleibt stets einfach und ungetheilt, das primäre Radiale theilt sich höchstens in zwei, das primäre Intermedioulnare endlich erfährt eine weitgehende Gliederung. Alles, was für den Carpus silt, gilt auch für den Tarsus. Die Theilung des primären Radiale ist stets eine transversale, die des primären Intermedioulnare sowohl eine transversale, als longitudinale. — So weist also die vergleichende Anatomie mit der gleichen Ent- schiedenheit, wie die Entwieklungsgeschichte, darauf hin, dass die Urform der Amphibien und damit zugleich die Urform der dactylopoden Wirbelthiere überhaupt einen Carpus und Tarsus besessen habe, der durch die Zusammensetzung aus drei Skeletstücken ausgezeichnet war. Fragen wir uns nun weiter, wie viele Zehen diese Urform wohl besessen haben mag. Man geht bei der Frage nach dem Ursprung der Extremitäten gewöhnlich von der Überzeugung aus, dass diese Urform der dacty- lopoden Wirbelthiere eine pentadactyle Extremität besessen haben müsse. Nun hat es allerdings einige Stegocephalen gegeben, welche vorn und hinten fünf Zehen besaßen \|Melanerpeton, Keraterpeton, Seeleya); es waren dies Formen, die sich vor Allem dadurch aus- zeichneten, dass sie Wirbel hatten, deren Körper einheitliche, un- getheilte Knochenhülsen bildeten; ZiTteL hat sie daher als Hülsen- wirbler oder Lepospondyli bezeichnet. Nun weisen aber, wie ich freilich hier nicht näher ausführen kann, zahlreiche Thatsachen der Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 515 Entwicklungsgeschichte und der vergleichenden Anatomie darauf hin, dass nicht diese, sondern Formen mit rhachitomen oder embolomeren Wirbeln die ursprünglicheren und älteren Formen vorstellen. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall wäre, läge in dem vereinzelten Auf- treten von fünf Zehen an den vorderen Extremitäten um so weniger ein Grund zur Annahme, dass auch die Vorfahren der Amphibien fünf Zehen besessen haben müssen, als wohl kein Zweifel darüber bestehen kann, dass sich die Stegocephalen schon weit von den Ur- formen der dactylopoden Wirbelthiere entfernt hatten. GEGENBAUR geht bekanntlich so weit, dass er annimmt, den reeenten Amphibien fehle der Daumen. Ich habe in seinen Arbeiten vergeblich nach einem Beweise für diese Annahme gesucht; mit seiner Bemerkung, an der Hand der Amphibien sei die Stammreihe ver- kürzt, wird doch wohl nichts bewiesen; eine solche Bemerkung ist eine Behauptung, die sich auf eine Hypothese stützt, und diese Hy- pothese hat GEGENBAUR später, als er den Hauptradius seines Archi- pterygiumschemas nicht mehr durch Radius und Daumen, sondern durch Ulna und kleinen Finger zog, selbst fallen gelassen; nichts- destoweniger ist aber die Behauptung, dass den Amphibien der Daumen fehle, stehen geblieben. Gegen eine solche Annahme spre- schen nun in gleicher Weise sowohl die Entwicklungsgeschichte als die vergleichende Anatomie; ein Blick auf die Figuren meiner zweiten Tafel lehrt, dass sie ganz unhaltbar ist. Das primäre Tibiale am Fuß hat ganz dieselben Lagebeziehungen zur Tibia und zur ersten Zehe, wie das primäre Radiale an der Hand zum Radius und zum ersten Finger. Ferner hält GEGENBAUR die drei Finger des Proteus für Zeige- finger, Mittelfinger und Ringfinger. Diese Ansicht ist eben so will- kürlich, wie etwa die Auffassung, die HyrrL von den Fingern und Zehen von Amphiuma hatte. Er meinte nämlich, die drei Finger eines ‚Amphiuma entsprächen dem Daumen, Mittelfinger und Kleinfinger einer pentadactylen Extremität. Irgend einen Versuch, diese Ansicht zu beweisen, hat er nicht gemacht. Über die Entwicklung der Extremitäten von Amphiuma ist meines Wissens nichts bekannt. Dagegen liegen über die Entwicklung der Extremitäten des Proteus einige dürftige Angaben von WIEDERSHEIM vor, welche zeigen, dass die Finger und Zehen hier genau in der- selben Weise entstehen, wie beim Triton oder Salamander. WIEDERS- HEIM sagt ausdrücklich: »In keinem Entwicklungsstadium sah ich eine Andeutung, welche dafür sprach, dass ursprünglich eine größere 516 Carl Rabl, Zahl von Fingern vorhanden war.< Gleichwohl aber ist er »weit da- von entfernt, Proteus als eine typische Urform zu betrachten<. Ob Proteus »eine typische Urform« ist, mag dahingestellt bleiben; aber dass seine Extremitäten sehr primitive Verhältnisse bewahrt haben, scheint mir sicher zu stehen. Oft ist auch auf die Kleinheit und Unansehnlichkeit der Extre- mitäten von Amphiuma hingewiesen worden. Schon HyrrL schreibt: »In Amphiumate tridactylo extremitates anteriores et posteriores adeo sracilescunt, ut in ridiculas fere appendices degeneratae appareant, quae nee corporis molem sustentare, neque ejus motum natatorium facilitare possunt.< Nun besteht aber die Aufgabe der Extremitäten von Amphiuma weder darin, die Last des Körpers zu tragen, noch auch darin, seine Schwimmbewegungen zu erleichtern, sondern sie besteht lediglich darin, die Kriechbewegungen des Thieres zu unterstützen; und dessen dürften sie wohl sicher fähig sein. Ich habe leider bisher keine Gelegenheit gehabt, ein lebendes Amphiuma zu beobachten, aber schon der Bau seines Körpers weist darauf hin, dass es sich hauptsächlich schwimmend bewegen wird und dass die Kriechbewegungen bei ihm nur eine relativ untergeordnete Rolle spielen werden. Und ganz so musste es wohl auch bei den Vor- fahren der Amphibien gewesen sein. Wenn die früher entwickelte Ansicht vom Ursprung ihrer Extremitäten richtig ist, mussten diese Anfangs ganz kleine, unscheinbare Stummel gewesen sein; sie konnten unmöglich die Form von Flossen gehabt haben und in breite Platten ausgelaufen sein. Es kann doch wahrlich kein Zufall sein, dass gerade unter den tiefststehenden urodelen Amphibien, den Perenni- branchiaten und Derotremen, Formen mit oligodaetylen Extremitäten vertreten sind. An Proteus und Amphiuma mit zwei und drei Zehen schließt sich noch Necturus an, dessen Zehenzahl vorn und hinten nur vier beträgt, und erst Menopoma und Cryptobranchus zeigen die für die übergroße Mehrzahl der Amphibien charakteristischen Zahlen- verhältnisse. Unter den Salamandriden giebt es zwar einige Formen, welche ähnlich wie Neeturus, vorn und hinten vier Zehen besitzen (Isodactylium, Hemidactylium, Salamandrina und Batrachoseps), aber keine einzige, die eine so geringe Zehenzahl hätte, wie Amphiuma und Proteus. Alles, was wir über die Entwicklung der Extremitäten von Proteus, Necturus und Isodactylium wissen, spricht gegen die Auffassung, dass es bei ihnen zu einem Ausfall oder einer Reduktion von Zehen gekommen sei. Wenn wir alle diese Thatsachen überdenken und auf uns ein- Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 517 wirken lassen, und wenn wir damit die Resultate vergleichen, zu denen uns unsere Untersuchungen über die Entwicklung und den Bau des Carpus und Tarsus geführt haben, so müssen wir, wie mir scheint, nothwendig zu dem Schlusse kommen, dass der pentadac- tylen Extremität eine oligodactyle vorausgegangen sei. Und nun rufen wir uns noch einmal die Vorgänge ins Gedächtnis zurück, die sich in der ersten Zeit der Extremitätenbildung abspielen. Wir haben gesehen, dass sich zur Zeit, als das Ende des Extremi- tätenstummels seine rundliche Form verliert und sich der erste Ansatz zur Bildung von Fingern bemerkbar macht, das axiale chondrogene Gewebe in zwei Äste spaltet, welche in der Folge in die Anlagen der beiden ersten Finger auslaufen. An der Basis der Finger treten die beiden Äste mit einander in Verbindung. In demselben Maße als die Finger länger werden, wachsen auch die beiden Gewebsäste immer tiefer in sie hinein. In der Folge bildet sich dann an der Basis der beiden Finger aus der die beiden Äste verbindenden Gewebsbrücke die Anlage des primären Basale, das gewissermaßen einen Schlüssel oder eine Klammer vorstellt, die die beiden Äste zusammenhält. Noch später gliedern sich von den Ästen das primäre Radiale und das primäre Intermedioulnare ab, und damit sind die primären Elemente des Carpus gebildet. — Zu dieser Bildung der beiden ersten Finger tritt nun die der folgenden in einen gewissen Gegen- satz. Dritter und vierter Finger gehen nicht aus einer fortgesetzten Spaltung des ulnaren Astes hervor, sondern sie entstehen durch eine Art Knospung an dessen ulnarer Seite. Es ist dies schon GOETTE aufgefallen; aber so lange er von der Archipterygiumtheorie befangen war, konnte er zu keinem wirklichen Verständnisse der Vorgänge gelangen. Die in den ersten und zweiten Finger auslaufenden Äste, in die sich die Skeletanlage der Extremität theilt, stellen, ich möchte sagen, etwas mehr Primäres dar im Vergleich mit den vom ulnaren dieser Hauptäste sich abzweigenden und in die übrigen Finger ziehen- den Nebenäste. So wird es uns auch einigermaßen verständlich, warum der Schlüssel der beiden Hauptäste, der ja, wie gesagt, keinem derselben ausschließlich angehört, das primäre Basale, immer seine typische Lage beibehält und nie einer Theilung unterliegt; warum sich ferner das primäre Radiale, das lediglich dem radialen Hauptast angehört, von welchem aus keine Neubildung von Fingern erfolgt, wenn über- haupt, so höchstens in zwei Stücke theilt und warum diese Theilung ausnahmslos in transversaler Richtung erfolst; und warum endlich 518 Carl Rabl, drittens das primäre Intermedioulnare, an das sich die neu entstehen- den Finger ansetzen, mit der Bildung dieser Finger eine fortschrei- tende, reiche Gliederung sowohl in transversaler, als longitudinaler Richtung erfährt. — So löst sich uns also das scheinbar so schwie- rige Problem von Carpus und Tarsus, von Hand und Fuß in wunder- bar einfacher und klarer Weise. Wenn wir uns nun nicht damit begnügen wollen, eine »Urform« im alten Sinne aufzustellen, sondern wenn wir trachten, uns eine Vorstellung von der phylogenetischen Entwicklung dieser Urform zu bilden, so würden wir etwa zur Aufstellung von Stadien gelan- sen ähnlich denen, welche im nebenstehenden Schema dargestellt sind. Einer Erläuterung bedarf dieses Schema nach dem Gesagten nicht ®. Sowohl die erste Entstehung als die weitere Ausbildung von Hand und Fuß war eine Folge funktioneller Anpassung. Schon die Umbildung der Anfangs stummel- oder pfriemenförmigen Extremität in eine zweifingerige muss als ein Process angesehen werden, der an die allmähliche Vervoll- kommnung der Funktion gebun- den war. Es ist doch gewiss eine physiologisch höchst be- merkenswerthe Erscheinung, dass auch bei den meisten auf dem Lande lebenden Wirbellosen, die einer raschen Ortsbewegung fähig sind, vor Allem bei den Insekten und der Mehrzahl der Textüig. 55. Spinnen, die Extremitäten in Schema der Bildung des primären Extremitäten- E selles zwei Klauen auslaufen. Die zweifingerige Extremität bietet vor der einfingerigen oder pfriemenförmigen einen entschiedenen Vor- theil; sie ist zum Greifen und Festhalten, zur Fixirung des Körpers sehr viel tauglicher und geschickter, als diese. Aber auch der Umstand, dass bei der Hand und dem Fuß die Weiterbildung stets an der gleichen Seite erfolgt, — bei der Hand an der ulnaren, beim Fuß an der fibularen, also bei beiden Extre- mitäten am ursprünglich hinteren Rande, — während Brust- und Bauchflosse sich hierin einander entgegengesetzt verhalten, muss als Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 519 eine Thatsache von großer entwicklungsmechanischer Bedeutung an- gesehen werden. Wenn auch die Extremitäten der dactylopoden Wirbelthiere in letzter Instanz von paarigen Flossensäumen, also von Organen, die zur Erhaltung des Gleiehgewichtes dienten, abgeleitet werden können, so haben sie doch diese Funktion ganz oder fast ganz verloren; jedenfalls dienen sie dieser Funktion in ganz anderer Weise, als die paarigen Flossen; sie sind zu Bewegungsorganen im strengen und eigentlichen Sinne des Wortes geworden. Und gerade so wie bei den unpaarigen Flossen die Weiterbildung stets in der glei- chen Richtung, stets in der Richtung von vorn nach hinten erfolgte, so auch bei den Extremitäten dieser dactylopoden Formen. In Anpassung an die Funktion haben die Extremitäten eine immer weiter schreitende Gliederung erfahren und sich zu einem komplicirten, den verschiedensten Verrichtungen dienenden Hebel- system umgebildet. So sind sie zu Organen geworden, deren Bau eine höchst eigenartige, von der des Rumpfes ganz unabhängige und von ihr verschiedene Gliederung oder Segmentirung aufweist. Die Gliedmaßen sind Organe von sekundär metamerischem Bau geworden, Organe, deren Metameren im Großen und Ganzen vom Gliedmaßengürtel nach der Peripherie an Länge und Stärke ab-, an Zahl aber zunehmen. Einer funktionell ganz gleichartigen Erschei- nung begegnen wir bekanntlich auch an den Gliedmaßen der Arthro- poden. Diese Metamerie oder Segmentirung der Extremitäten stellt sich zur Segmentirung des Rumpfes in einen gewissen Gegensatz, so dass man sagen kann, dass sie um so schärfer ausgeprägt ist, je mehr die Segmentirung des Rumpfes zurücktritt und umgekehrt. Ich brauche nur an die Urodelen und Anuren unter den Amphibien oder an die Schlangen und Schildkröten unter den Reptilien zu erinnern, um dies zu erweisen. Auch hierin zeigen die Wirbellosen ein ganz analoges Verhalten. Man vergleiche nur die Anneliden und Onycho- phoren auf der einen mit den Crustaceen, Spinnen und Insekten auf der anderen Seite. Auch hier tritt die Segmentirung des Rumpfes um so mehr zurück, je reicher segmentirt und kräftiger entwickelt die Extremitäten sind. So gestaltet sich die Frage nach dem Ursprung und der Aus- bildung der Extremitäten zu einem entwicklungsmechanischen Problem von der größten Bedeutung. 520 Carl Rabl, Anhang. Historisch-kritische Bemerkungen zur Archipterygiumtheorie. Obwohl schon im Vorhergehenden wiederholt auf die Theorie GEGENBAUR’S Bezug genommen wurde, so erscheint es mir doch an- gezeigt, an der Hand einer kurzen historischen Skizze zu zeigen, wie diese Theorie entstanden ist, auf welchen Grundlagen sie auf- sebaut wurde und nach welchen Methoden bei ihrer Erriehtung und ihrem allmählichen Ausbau verfahren worden ist. Im Jahre 1865 veröffentlichte GEGENBAUR eine ausgezeichnete Beschreibung der Brustflosse der Fische, in welcher namentlich auch diejenige der Selachier in mustergültiger Weise behandelt wurde‘®. In dieser Arbeit wurde die Eintheilung des Brustflossenskeletes der Selachier in ein Propterygium, Mesopterygium und Metapterygium aufgestellt und begründet. Von dem Brustflossenskelet der Selachier, das er als die »Grundform« des Brustflossenskeletes bezeichnete, leitete GEGENBAUR dasjenige der anderen Fische ab. Auch machte GEGENBAUR hier zum ersten Male den Versuch, das Skelet der vor- deren Extremität der pentadactylen Wirbelthiere vom Metapterygium der Selachier abzuleiten. — An der Bauchflosse der Selachier unter- schied er ein Meso- und Metapterygium. Vom Metapterygium sei das Skelet der Hintergliedmaßen der höheren Wirbelthiere abzuleiten. Im Jahre 1570 folgte eine kleine, sehr interessante Arbeit über das Gliedmaßenskelet der Enaliosaurier 6”. Hier versuchte GEGENBAUR zu zeigen, dass »in der Selachierflosse eine Einrichtung vorkommt, die mit der Zusammensetzung der Ichthyosaurenflosse einige Ähn- lichkeit besitzt: in Querreihen geordnete Skeletstücke, die mehr oder minder deutlich auf Längsreihen, resp. auf gegliederte, längs verlau- fende Stücke (Radien) bezogen werden können« (p. 337). Er unter- scheidet in der Ichthyosaurenflosse eine Haupt- oder Basalreihe, für die er auch den Ausdruck Stammreihe gebraucht, und davon ulnar- wärts abgezweigte Nebenreihen. Sodann hebt er hervor, dass »auch für die höheren Wirbelthiere durch die im Carpus und Tarsus der Amphibien (und mancher Reptilien) wahrnehmbaren Einrichtungen eine Ableitung des Gliedmaßenskeletes von gleichen primitiven Zu- ständen ausführbar ist. Er verweist dabei auf sein schon in der vorigen Arbeit gegebenes Schema, »nach welchem die Anordnung der bezüglichen Skelettheile aufzufassen ist: eine Basal- oder Stammreihe, welche für die vordere Extremität vom Humerus durch den Radius Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 521 zum Daumen verläuft und vier Radien, welche der Stammreihe la- teral angefügt, in den vier Fingern endenAs the dorsal and anal fins were speci- alizations of the median folds of Amphiozus, so the paired fins were speciali- Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 545 zations of the two lateral folds, which are supplementary to the median in completing the eireuit of the body. These lateral folds, then, are the homo- logues of the Wolffian ridges, in embryos of higher forms. Here, as in the median fins, there were formed chondroid and finally ceartilaginous rods. These became at least twice segmented. The orad ones, with more or less concres- eence proximally, were prolonged inwards. The cartilages spreading met in the middle line, and a later extension of the cartilages dorsad completed the limb sirdle.< Er betont dann, dass die Ableitung der paarigen Flossen der »Proto- gnathostomi<« von den Seitenfalten des Amphiozus in so fern auf Schwierigkeiten stoße, als bei den beiden »zwischen Amphioxzus und den Selachiern stehenden Thiergruppen, nämlich den Myxinoiden und Petromyzonten, keine Extremitäten und auch sonst nichts darauf Beziehbares vorhanden seic. Aber nichtsdesto- weniger hält er an seiner Ansicht fest: »At present I am strongly of the opi- nion, that the (viz. the paired fins) are derived directly from the lateral folds of Amphiozus.< Ich brauche wohl kaum zu bemerken, dass von einer solchen direkten Ableitung der hypothetischen Seitenfalten der »Protognathostomen« von den Seitenfalten des Amphioxus keine Rede sein kann. Aber auch die Annahme einer Homologie zwischen beiden halte ich für durchaus problematisch. MivArT hebt die Wahrscheinlichkeit hervor, »that the primeval vertebrate limbs were a pair of continuous lateral folds, serving to balanee the body in swimming«. Zu dieser, mit meiner Auffassung der seitlichen Hautfiossen über- einstimmenden Bemerkung passt es schlecht, wenn er sagt, dass ihn die Resul- tate seiner Untersuchungen in dem Glauben bestärkt haben, dass die Natur der paarigen und der unpaarigen Flossen fundamental die gleiche sei /p. 464); denn die unpaarigen Flossen sind nicht, wie die paarigen, Organe, deren Hauptaufgabe in der Erhaltung des Gleichgewichtes besteht. 23 Vgl. darüber den »Rückblick und Schluss< meiner Arbeit »Über den Bau und die Entwicklung der Linse<«. Leipzig, 1900. > Dafür spricht der Umstand, dass der Darm der Holocephalen, Selachier, Ganoiden und Dipnoer durch eine Spiralklappe ausgezeichnet ist. Ob sich diese aus einer Längsfalte, ähnlich der, welche im Mitteldarm der Petromyzonten vor- kommt, entwickelt hat, lässt sich freilich nicht entscheiden. 25 Dass die Zahl der Wirbelbogen Anfangs doppelt so groß war, als die Zahl der Myomeren, scheint vor Allem aus dem Verhalten der Wirbelbogen der Cyelostomen hervorzugehen. Aber auch das Vorkommen von Intercalarknorpeln bei den Chondrosteiden und Selachiern und die Art der Entwicklung derselben (vgl. Theorie des Mesoderms) scheint dafür zu sprechen. Endlich kann auch die Thatsache, dass, wie ich mich jetzt selbst überzeugt habe, im Schwanz der Selachier zwei Wirbel auf ein Körpersesment kommen (sog. Halbwirbel), sowie die Embolomerie im Schwanz der Amiaden in diesem Sinne gedeutet werden; denn die doppelte Zahl von Wirbelkörpern scheint ursprünglich die doppelte Zahl von Wirbelbogen zur Voraussetzung gehabt zu haben. — Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Stammform der gnathostomen Wirbelthiere noch keine Wirbelkörper besessen hat; darauf weist der Bau der Wirbelsäule der Holo- cephalen, Chondrosteiden und Dipnoer hin. 26 Citirt nach R. SEMoN, weitere Beiträge zur Physiologie der Dipnoerflossen auf Grund neuer, von Mr. ARTHUR THOMSON an gefangenen Exemplaren von Ceratodus angestellten Beobachtungen. Zool. Anz. XXI. Bd., 1899, p. 294—300. 2! MıvarrT ist der Ansicht, dass die Ceratodus-Flosse weit entfernt sei, eine primitive Form zu sein; er hält sie vielmehr für »a very special and peculiar 546 Carl Rabl, structure, which is carried to a still more abnormal development in Zepidosiren« l.e.p. 475). So sehr ich mit der ersten Bemerkung einverstanden bin, so wenig bin ich’s mit der zweiten. 28 Nach der allgemeinen Meinung soll die Protopterus-Flosse durch Reduktion aus einer Ceratodus-Flosse und die Lepidosiren-Flosse aus einer Protopterus-Flosse entstanden sein. So sagt z. B. GEGENBAUR von der Flosse von Protopterus: »Dass hier eine Reduktion vorliegt, ist sehr wahrscheinlich, wenn sie auch nicht von genau demselben Zustande, wie er bei Ceratodus ausgebildet ist, ihren Aus- gang nimmt«, und weiter heißt es: »Eine weitere Reduktion besteht bei Zep:- dosiren« (Vergl. Anat. der Wirbelthiere, 1898, p. 518). Ähnlich äußert sich G. BAUR in seinen »Beiträgen zur Morphologie des Carpus und Tarsus der Vertebraten. I. Theil Batrachia«. Jena 1888: »Die Flossen von Ceratodus sind .am wenigsten rückgebildet, dann folgt Protopterus und am Schlusse Zepidosiren mit der denkbar einfachsten Flossenform.« Dieselbe Auffassung wiederholt er im Jahre 1896: The Stegocephali:. A phylogenetie study. Anat. Anz. 1896, März. XI. Bd. 29 Es mag verwegen erscheinen, wenn ich, als Laie in der Paläontologie, einen Zweifel an der Zugehörigkeit der Xenacanthiden zu den Selachiern aus- spreche; aber es scheinen auch unter den Paläontologen Zweifel hinsichtlich ihrer systematischen Stellung laut geworden zu sein. ZITTEL schreibt: »Die hierher gehörigen Fische schließen sich durch ihre Hautbedeckung, durch ihren Kiemen- apparat, ihre Bezahnung und den Bau ihrer Brust- und Bauchflossen den Haien an, unterscheiden sich aber durch ihre kontinuirliche Rückenflosse, welche durch Träger und Zwischenträger gestützt wird, durch den eigenthümlichen Bau des Brustgürtels und durch den am Kopf befestigten Stachel von allen echten Plagiostomen. KxEr betrachtet Xenacanthus als ‚Vorbild eines den Siluroiden verwandten Knochenfisches mit theilweise verknöchertem Skelet‘« (Paläozoologie, III. Bd. p. 88). Wie ich aus dem großen Werke von FRITSCH über die »Fauna der Gaskohle und der Kalksteine der Permformation Böhmens« H. Bd., Prag 1889 entnehme, rechnet dieser Forscher die Xenacanthiden hauptsächlich auf Grund des Vorkommens von Kalkprismen im Skelet und der Beschaffenheit der Zähnchen der Kiemenbogen zu den Selachiern und stellt sie in die Nähe der Notidaniden. Von den Kalkprismen sagt er aber selbst: »Das Vorkommen dieser Kalkprismen kann nicht als ein Kennzeichen angesehen werden, das zur Ent- fernung eines fossilen Fisches von den Selachiern hinreichen würde.< Die Beschaffenheit der Wirbelsäule, namentlich das Fehlen von Wirbelkörpern, und der Bau der paarigen und unpaarigen Flossen erinnern doch sehr an das ähn- liche Verhalten der Dipnoer, vor Allem des Ceratodus. — Übrigens spricht FRITSCH auch später noch (dass. Werk III. Bd., 1895, p. 46) die Überzeugung aus, dass »die Xenacanthiden die Ahnen der Notidaniden sind«. Hier versucht Fritsch auch in einer Reihe von schematischen Skizzen zu zeigen, wie sich die paarigen Flossen der Dipnoer und Xenacanthiden aus Anfangs parallel neben ein- ander stehenden Radien entwickelt haben könnten. 30 Über die Entwicklung der Ceratodus-Flossen hat kürzlich SEMoN eine ausführliche Arbeit publieirt: Die Entwicklung der paarigen Flossen des Cera- todus Forster‘. Zool. Forschungsreisen in Australien und dem malayischen Archipel. Jen. Denkschr. IV. 1898. Wenn auch seine Untersuchungen über die Entwicklung des Skelets nicht über die Bildung einiger weniger Radien hinausgehen, so lassen sie doch mit Sicherheit erkennen, dass die Bildung der Seitenradien auf eine seitliche Knospung des Achsenstrahles zurückzuführen ist, Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. HAT dass also diese Radien in ganz anderer Weise entstehen, als die Radien einer Selachier- oder Störflosse und daher auch mit diesen nicht verglichen werden dürfen. — Aus dem Bau eines Archipterygiums allein kann auf seine Entste- hung nicht geschlossen werden; darüber, wie ein Archipterygium aufzufassen ist, hat lediglich die Entwicklungsgeschichte zu entscheiden. Denkbar sind drei Arten der Entstehung: erstens durch seitliche Knospung, also nach Art der Entstehung des Archipterygiums des Ceratodus; zweitens dadurch, dass bei einer Flosse, etwa von dem Bau der Callorkhynchus-Flosse (vgl. Textfig. 14), einige in der Richtung des Basipterygiums liegende Knorpelplatten in die Länge wachsen, so dass nun ein Theil der Radien an deren mediale Seite zu liegen kommt; und endlich drittens durch »Überwanderung< von Radien von der late- ralen auf die mediale Seite eines Basipterygiums. Es ist ganz wohl möglich, dass das Archipterygium der Xenacanthiden, wenn diese wirklich Selachier waren, auf die zweite Art entstanden ist; waren sie Dipnoer, so müsste es ähnlich wie bei Ceratodus entstanden sein. 3! R. SEMON, über das Verwandtschaftsverhältnis der Dipnoer und Amphi- bien. Zool. Anz. 24. Bd., No. 640 vom 1. April 1901. 32 Am weitesten scheint die Ansicht verbreitet zu sein, dass die Amphibien von Dipnoern oder doch dipnoerähnlichen Formen abstammen. Nächst ihr hat wohl die meisten Vertreter die Ansicht gefunden, dass sie von Crossopterygiern abstammen; ich erwähne nur BoAs (1880), Emery (1887), PoLLArD (1891), Kınsstev (189), Core (189%), DoLzo (189%), G. Baur (1896) und KLAATscH (1896). Auch ich glaubte eine Zeit lang die Amphibien in nähere Beziehung zu den Crossopterygiern bringen zu sollen, halte dies aber jetzt für unthunlich. 3 Diese Forderung hat GEGENBAUR nirgends ausdrücklich ausgesprochen, sie geht aber aus allen. seinen Arbeiten ganz klar und deutlich hervor. 3 Vgl. über die Ansichten GEGENBAUR’s das im Anhang Gesagte. 3 Es ist dies auf Grund seiner entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen geschehen, von denen später die Rede sein soll. 36 WIEDERSHEIM ist dabei GOETTE gefolgt. Bei WIEDERSHEIM hat sich eine interessante Wandlung vollzogen. Anfangs ein begeisterter Anhänger der Archipterygiumtheorie ist er später zu einem entschiedenen Gegner geworden. So sucht er in seiner Arbeit über die ältesten Formen des Carpus und Tarsus der heutigen Amphibien (Morph. Jahrb. II 1876) die Richtigkeit der GEGEN- BAUR’schen Ansicht, dass die Urform des Carpus und Tarsus durch den Besitz zweier Centralia ausgezeichnet war, zu beweisen. Ja, in der Abhandlung über »das Skelet und Nervensystem von Lepidosiren annectens (Protopterus ang.)« (Morph. Studien, Jena 18850. Absgedruckt i. d. Jen. Zeitschr. für Naturw. 14. Bd. 1880) lässt er sich sogar auf Grundlage des Befundes, dass ein Ast des Vagus zum Schultergürtel geht, zu dem Ausspruche verleiten: »Die GEGENBAUR’sche Hypothese über die Entstehung des Schultergürtels hat aufgehört, eine Hypothese zu sein, sie ist zu einer festen, unumstößlichen Thatsache geworden« (p. 188). Eben so steht er auch in seiner Arbeit »über die Vermehrung des Os centrale im Carpus und Tarsus des Axolotls< (Morph. Jahrb., VI. Bd., 1880) ganz auf dem GEGENBAUR’Schen Standpunkt. Der Umschwung beginnt sich in seinem Lehr- buch der vergleichenden Anatomie vom Jahre 1883 vorzubereiten und ist in dem Werke über »das Gliedmaßenskelet der Wirbelthiere«, Jena 1892, vollzogen. Über den Ursprung des Chiropterygiums äußert er sich u. A. auch in der 4. Aufl. des »Grundrisses der vergleichenden Anatomie der Wirbelthieres vom Jahre 1898: »Eines aber lässt sich doch mit einiger Wahrscheinlichkeit behaupten, 548 Carl Rabl, nämlich das, dass das Extremitätenskelet der terrestrischen Thiere, das soge- nannte Chiropterygium, vom Ichthyopterygium der Ganoiden aus seine Entstehung genommen hat.« 37 In der Arbeit über die Muskeln und Nerven der Ceratodus-Flosse, 1900. 3 In der früher eitirten Arbeit über die Entwicklung der paarigen Flossen des Ceratodus. 39 0. B. BrüHL, Zootomie aller Thierklassen, Wien 1874-—-1886. Nach G. BAUR (Carpus und Tarsus) ceitirtt. Hier heißt es: »In der Erklärung der Tafel XXII nennt BrüHnL seine Hypothese, welche der Archipterygiumtheorie GEGENBAUR’S gegenüber steht, die diehotomische Theorie, welche alle polydactylen Gliedmaßen als durch allmähliche Zweispaltung einfacherer Formen zu Stande gekommen annimmt; eine Begründung fehlt.« 40 J. HYRTL, Cryptobranchus japonieus. Vindobonae 1865. Auch GEGENBAUR hebt in seiner Arbeit über das Gliedmaßenskelet der Enaliosaurier 1. p. c.) bloß diesen einen Fall hervor. HyrTL zeichnet aber im Tarsus von Menopoma gleichfalls zwei Centralia (Taf. VII, Fig. 1) und sagt ausdrücklich: »Ceterarum (es bezieht sich dies auf das Verhalten des distalen Endes der Fibula, nicht auf den Fuß) pedis partium numerus et configuratio, a Cryptobrancho non discordant.« Diese Angabe scheint GEGENBAUR und allen Späteren entgangen zu sein. 11.82]. 8. c. 43 G. BAUR, Beiträge zur Morphogenie des Carpus und Tarsus der Verte- braten. Jena 1888. — Nachtrag, p. 31. 4 WILHELM ZWICK, Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Amphibiengliedmaßen, besonders von Carpus und Tarsus. Diese Zeitschr., LXII. Bd., 1. Heft. Auch in Tübinger Zoologische Arbeiten, I. Bd., Nr. 8, Leipzig 1897. 35 Tu. HuxLEY, On Ceratodus Forsteri. Proc. Zool. Soc. London, 1876. SS lze: 4 Ich eitire, ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu machen, folgende Arbeiten: C. EmEry, Über die Beziehungen des Cheiropterygiums zum Ichthyop- terygium. Zoolog. Anz., 10. Jahrg., 4. April 1887; Ders., Studi sulla morfologia dei membri degli Anfibi e sulla filogenia del Chiropterygio in Ricerche lab. anat. Roma ete. Vol. IV, 1894; Ders., Über die Beziehungen des Crossopterygiums zu anderen Formen der Gliedmaßen der Wirbelthiere. Eine kritische Erwiderung an Herrn Prof. H. KLaATscH. Anat. Anz. XIII. Bd., 30. Jan. 1897; HERMANN KLAATSCH, Die Brustflosse der Crossopterygier. Ein Beitrag zur Anwendung der Archipterygiumtheorie auf die Gliedmaßen der Landwirkelthiere. Festschrift für GEGERBAUR, Leipzig 18%, I. Bd. D’Arcr W. THompson, On the hind- limb of Ichihyosaurus, and on the Morphology of Vertebrate Limbs. Journ. of Anat. and Physiol. Vol. XX, 1886; G. Baur, The Stegocephali. A phylo- genetic study. Anat. Anz., März 1896, XI. Bd. 43 Vol. ZITTEL, Paläozoologie, III. Bd., p. 418. 49 HANS STRASSER, Die Entwicklung der Extremitätenknorpel bei Salaman- dern und Tritonen. Eine morphogenetische Studie. Morph. Jahrb., V. Bd., 1879. 50 ALEXANDER GOETTE, Über Entwicklung und Regeneration des Glied- maßenskelets der Molche. Leipzig 1879. 51 Briefliche Mittheilung vom 17. Mai 1901. 52]. c. 5 B. M. Surrkov, Über den Bau und die Entwicklung des Skeletes der Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 549 freien Gliedmaßen des Isodactylium Schrenkii Strauch. Zool. Anz., XXU. Bd., Juni 1899. 52 E. ZUCKERKANDL, Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Arterien des Vorderarmes. II. Theil. MERKEL und BonnET, Anatomische Hefte, XV. Heft (V. Bd., 2. Heft), Wiesbaden 189. 55 Die meisten dieser Arbeiten wurden schon im Vorgehenden eitirt; die wichtigste derselben ist C. GEGENBAUR’s Arbeit über den »Carpus und Tarsus«< in den Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 1. Heft. Leipzig 1864. 56 Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die A. interossea überall an derselben Stelle den Carpus und Tarsus durchbohrt. Der Canal, den sie passirt, war aber an den meiner Beschreibung zu Grunde liegenden Skeleten nur in wenigen Fällen deutlich sichtbar; wahrscheinlich zieht er gewöhnlich schief zwischen Intermedium und Ulnare, bezw. zwischen Intermedium und Fibulare durch und dies dürfte auch der Grund sein, wesshalb er an den Skeleten so selten zu sehen war. Schnitte durch den Carpus und Tarsus oder aber eine vorhergehende Injektion müssten ihn natürlich erkennen lassen. Dass der Tarsus von einer Arterie durchbohrt wird, hat zuerst HYRTL bei Uryptobranchus gesehen. Auf die Wichtigkeit und Bedeutung dieses Verhaltens hat aber erst ZUCKERKANDL hingewiesen. Die Thatsache, dass diese Arterie schon bei ganz jungen Larven, bei denen Carpus und Tarsus noch nicht verknorpelt sind, in der gleichen typischen Lage vorkommt, steht mit den Ergebnissen der sorg- fältigen, vergleichend anatomischen Untersuchungen des genannten Autors in vollem Einklang und weist darauf hin, dass hier ein sehr primitives Verhalten vorliegt, wie dies ja auch von ZUCKERKANDL betont wurde. 57 Carpus und Tarsus von Proteus sind von HYRTL, GEGENBAUR, GOETTE, BAUR und WIEDERSHEIM untersucht worden und fast jeder der Genannten hat eine andere Deutung versucht: die Angaben über das thatsächliche Verhalten stimmen mit einander im Wesentlichen iberein; nur WIEDERSHEIM bildet ein Skelet einer hinteren Extremität ab, deren Tarsus nur aus zwei Elementen zusammengesetzt gewesen sein soll. Das eine bezeichnet er als Tibiale + Carpale I, das andere, größere, versieht er mit einem Fragezeichen und bemerkt dazu, es sei ein »Carpalelement, dessen Bedeutung dunkel ist«. Die erste und zweite Carpalreihe (richtiger natürlich Tarsalreihe) seien »verwachsen zu denken«. Ich glaube, dass hier ein Beobachtungsfehler vorliegt, dass das fragliche Tarsal- element in Wirklichkeit aus zwei Knorpeln, dem primären Intermediofibulare . und dem primären Basale, bestand. Es ist meines Wissens bisher nie ein Fall zur Beobachtung gekommen, dass das primäre Basale oder das Tarsale II nach der Nomenclatur GEGENBAUR’s bei den Urodelen mit einem anderen Elemente des Tarsus verschmolzen war. BAUR meint, ehe nachgewiesen sei, ob die zwei- fingerige Extremität von Proteus ursprünglich oder erst durch Reduktion einer mehrfingerigen Form entstanden sei, habe es keinen Werth, eine Deutung zu unternehmen. Hier müsse die Entwicklungsgeschichte von Proteus Aufschluss geben. — Eine sehr interessante Bemerkung findet sich bei GEGENBAUR. Nach- dem er den Bau des Carpus und Tarsus von Proteus ausführlich geschildert hat, fügt er in einer Anmerkung (l. ec. p. 11) hinzu: »Es könnte hier die Frage aufgeworfen werden, ob der einfachere Zustand der Hand bei Proteus nicht als eine niederstehende Einrichtung angesehen werden könnte, aus der die anderen, eine größere Fingerzahl und reichlichere Carpusstücke besitzenden Formen hervorgegangen wären. Es würde sich so jener Zustand als ein em- 550 Carl Rabl, bryonaler ansehen lassen, der mit Hinblick auf den Carpus die später sich trennenden Elemente vereinigt besäße. Diese Auffassung könnte einige Berech- tigung haben, wenn durch sie an jene höheren Formen angeknüpft werden könnte, oder wenn sie eine Vermittlung gegen andere niedere Zustände, so z. B. an die bei Fischen gegebene, bildete. Es trifft sich aber keines von beiden.« Nun trifft aber, wie im Text meiner Abhandlung gezeigt wird und auch aus den Abbildungen sich ergiebt, die erste Forderung thatsächlich zu. Dagegen geht die zweite von einer ganz falschen Voraussetzung aus, nämlich von der Vor- aussetzung, dass sich das Extremitätenskelet der »höheren« Wirbelthiere auf das Flossenskelet der Fische zurückführen lassen müsse. — GEGENBAUR meint, der Annahme, dass der Befund bei Proteus ein ursprünglicher sei, stehe >die That- sache entgegen, dass das Vorkommen größerer Summen von Einzelnstücken am Skelete ein Charakteristikum niederer Zustände ist«. Speciell die Entwicklung der Hand und des Fußes zeige, dass »Veränderungen der Zahl der Stücke immer nur Verminderungen sind, die durch Verschmelzung mehrerer unter einander zu Stande kommen« und es bestehe »kein einziger Fall, in welchem schon selb- ständig präformirte Stücke sich wiederum theilten«. Dass diese Annahme un- richtig ist, haben die späteren Untersuchungen, die im Texte erwähnt sind, gezeigt. Dadurch ist aber auch die Argumentation GEGENBAUR’s hinfällig geworden. Nach dieser sollten Hand und Fuß von Proteus »durch Verkümmerung« aus reicher gegliederten Formen entstanden sein. — In den späteren Arbeiten kommt GEGENBAUR auf die Befunde von Proteus nur selten zurück. So heißt es z. B. in der Abhandlung »über das Skelet der Gliedmaßen der Wirbelthiere im Allgemeinen« etc. aus dem Jahre 1870 (s. Anhang) von dem Carpus von Proteus und Stiren: Ob Verwachsungen (Concrescenzen) »auch in dem schwer verständlichen Carpus von Proteus und Siren vorliegen, ist zweifelhaft und es darf für diese die Möglichkeit der Abstammung von anderen Formen als jener mit decamerem Carpus nicht ganz ausgeschlossen werden« (p. 445). Sechs Jahre später (Zur Morphologie der Gliedmaßen der Wirbelthiere) sagt er aber wieder gelegentlich einer Erörterung der Frage der Duplieität des Centrale, er halte diese Duplieität für einen primitiven Zustand, >weil wir im Carpus und Tarsus der Amphibien zwar mancherlei Conerescenzen von Skelettheilen, aber keinerlei etwa durch Theilungen entstandene Vermehrung der Skelettheile kennen« (p- 403). 55 Carpus und Tarsus von Amphiuma sind bisher nur von HYRTL, SHUFELDT (nach BAUR) und BAUR untersucht worden. GEGENBAUR und GOETTE hatten keine Gelegenheit dazu; der Letztere setzt aus der Beschreibung und Abbildung HyrTL’s ein Schema zusammen. Nach SHUFELDT enthält der Carpus drei, der Tarsus vier Knorpel; nach HyrTL jener vier, dieser fünf; nach BAUR beide vier bis fünf. Ich halte es für wahrscheinlich, dass zuweilen die distale Epiphyse der Ulna oder der Fibula oder die proximale Epiphyse des dritten Metacarpale für ein Element des Carpus oder Tarsus gehalten worden sind. Genauer auf die Deutungen einzugehen, welche BAUR und GOETTE versucht haben, halte ich für überflüssig. 59 Über den Carpus von Siren liegen, so viel mir bekannt, nur Untersuchungen von GOETTE und BAUR vor. Wie früher erwähnt, spricht GEGENBAUR zwar einmal von dem »schwerverständlichen Carpus« von Siren, jedoch habe ich nicht finden können, wo er darüber Genaueres mittheilt. Die Angaben GoETTE’s und BAur’s sind mit einander nicht in Einklang zu bringen. Nach GOETTE sollen vier Knorpel vorkommen, die ich aber nicht deuten kann; nach Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 551 Baur sollen sechs bis sieben vorhanden sein. Von den in der Abbildung Baur's gezeichneten kann ich fünf leicht deuten, die zwei andern nicht oder schwer. 60 Carpus und Tarsus von Oryptobranckus sind schon wiederholt untersucht worden. Ich folge hier hauptsächlich dem Berichte BAaur’s, der auch einige Autoren eitirt, deren Arbeiten mir nicht zugänglich waren (namentlich KEHRER und Born). Die ersten genauen Beschreibungen und Abbildungen gab HyrTL (. e.); er fand im Tarsus zwei, im Carpus ein Centrale. Auch sonst wurde im Carpus immer nur ein Centrale gefunden. Im Tarsus fand KEHRER jederseits ein Centrale, so wie ich, BoRN auf der einen Seite ein, auf der anderen zwei Centralia. WIEDERSHEIM fand zwei Centralia; dessgleichen BAUR. Zuweilen wurde noch am ulnaren Rande des Tarsus ein kleiner Sesamknorpel gefunden. GEGENBAUR und GOETTE haben COryptobranchus nicht untersucht. 61 Der Carpus von Menopoma (Cryptobranchus alleghaniensis) wurde von HYRTL, GEGENBAUR, GOETTE, BAUR und Zwick, der Tarsus außer von den Ge- nannten noch von WIEDERSHEIM und BORN untersucht. GEGENBAUR fand, wie ich, im Tarsus nur ein Centrale, HyRkTL und Zwick fanden zwei; WIEDERSHEIM in einem Falle eines, in zwei Fällen zwei. Die Beobachtungen der Genannten lassen sich leicht mit den meinigen in Einklang setzen, nur sind in den bis- herigen Darstellungen die gegenseitigen Lagerungsverhältnisse der Carpal- und Tarsalelemente nicht genau genug angegeben. 62 Carpus und Tarsus von Necturus (Menobranchus) sind von HYrTL, GEGENBAUR, GOETTE und BAUR untersucht. In den von HyrrL und BAUR untersuchten Fällen waren Carpus und Tarsus so gebaut, wie ich sie fand. GoETTE’s Abbildung kann ich nicht ‚verstehen. In dem von GEGENBAUR unter- suchten Fall sollen im Carpus das Ulnare und Intermedium, im Tarsus das Fibulare und Intermedium von einander getrennt gewesen sein. Die Lagebeziehungen der einzelnen Elemente sind nirgends genau genug angegeben. 63 Ich sehe hier von einer Aufzählung der untersuchten Fälle ab. Von einigen war schon im Texte die Rede. Ich selbst habe eine Theilung des Cen- trale von der Art, wie sie wiederholt beschrieben worden ist, nie beobachtet. Dagegen habe ich einmal im Carpus eines 18 cm langen Exemplars ein sehr eisenthümliches Verhalten des Centrale gefunden. Von der Volarseite gesehen, fand sich ein einfaches Centrale, von der Dorsalseite dagegen sah es aus, als wären zwei vorhanden. Es war ein Theil des Centrale parallel zur Fläche der Hand abgelöst. Im Tarsus dieses Exemplars war das Centrale einfach. 64 Salamander und Tritonen sind so oft untersucht worden, dass ich von einer Beschreibung der einzelnen Befunde absehen kann. 65 Die Möglichkeit, dass der pentadacetylen Extremität eine oligodactyle vorausgegangen sei, wurde in den letzten Jahren von mehreren Seiten hervor- sehoben. Wenn ich von den ganz vagen Bemerkungen, die sich darüber bei BAur und Anderen finden, absehe, so habe ich vor Allem SHITKOV und ZwIck zu nennen. SHITKOV sagt: »Der Umstand, dass Carpus und Tarsus im Ver- laufe ihrer Entwicklung Stadien durchlaufen, in denen sie weniger Elemente enthalten, machen die Voraussetzung möglich, dass den fünffingerigen Extremi- täten der Amphibien eine Form von Gliedmaßen vorausging, die keine größere, sondern eine geringere Zahl von dieselbe zusammensetzenden Knochen besaß.« Da nun aber Suitkov andererseits bestrebt ist, seine Beobachtungen in einer, ihm offenbar selbst nicht ganz klaren Weise mit der Archipterygiumtheorie in 552 Carl Rabl, Einklang zu setzen, so geräth er dadurch mit sich selbst in einen unlösbaren Widerspruch. Viel klarer ist Zwick. Er bespricht zunächst die Frage, ob der penta- daetylen Extremität eine polydactyle vorausgegangen sei und fügt dann hinzu: »Vjel wahrscheinlicher, weil besonders durch die Ontogenese gestützt, erscheint mir die Annahme, dass die Vorgänger unserer Urodelen weniger als vier Finger besaßen. Die Entwicklungsgeschichte lehrt, dass sich zuerst nur die beiden ersten Finger anlegen, und dann in größeren zeitlichen Abständen auch die übrigen folgen. Da der Zustand der Zweifingrigkeit in der Larvenperiode ein ziemlich langer und sich stets wiederholender ist, so dürfte man auf Grund des bioge- netischen Grundgesetzes berechtigt sein, zu sagen, dass dieser Zustand in der Stammesgeschichte einmal eine längere Dauer hatte.« Von einer strengeren Beweisführung konnte freilich so lange nicht die Rede sein, als die erste Entwicklung des Skelets und der Bau des Carpus und Tarsus der urodelen Amphibien nicht genauer untersucht waren. (6 ©. GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- thiere. II. Heft. 1. Schultergürtel der Wirbelthiere. 2. Brustflosse der Fische. Leipzig 1869. 67 C. GEGENBAUR, Über das Gliedmaßenskelet der Enaliosaurier. Jen. Zeitschr. f. Med. u. Naturw. V. Bd. 1870. p. 332—349. Zu dieser Arbeit möchte ich hier noch Folgendes bemerken. Wenn es auch keinem Zweifel unterliegen kann, dass das Flossenskelet der Enaliosaurier auf das Extremitätenskelet tiefer stehender Reptilien zurückzuführen ist, so folgt daraus noch nicht, dass die Auf- tassung GEGENBAUR’S Tichtig ist; namentlich aber folgt daraus nicht die Richtig- keit des GEGENBAUR’schen Radienschemas. THACHER hat z. B. die Ichthyo- saurenflosse ganz anders aufgefasst und ein anderes Radienschema in sie hinein- zulegen versucht. — ZITTEL (Paläozoologie, II. Bd.) enthält sich jeder Kritik der GEGENBAUR’schen Deutung und bemerkt nur: »Während GEGENBAUR die Enaliosaurierfinne direkt aus der Selachierflosse ableitet, will BAUR (G. BAUR, Zool. Anz., 1886, Bd. IX, Nr. 221) darin kein ursprüngliches, sondern ein sekundäres Ge- bilde erkennen, das, wie die Flossen der Cetaceen, durch Anpassung an das Wasser- leben entstanden sei. Die Ahnen der Ichthyosaurier wären demnach Landthiere, und da nach G. BAur die ältesten Ichthyosauren der Trias längere Vorderarm- knochen besitzen, als die jüngeren Formen, so erweisen sich letztere als stärker differenzirte Typen« (p. 465). Ich glaube, dass da ein Missverständnis vorliegt, da GEGENBAUR die Ichthyosaurier und Plesiosaurier keineswegs direkt von den Selachiern abzuleiten versucht hat. Interessant ist, dass sowohıi bei den Ichthyo- sauriern, als den Plesiosauriern, drei Knochen mit Humerus und Femur in Ver- bindung treten können, also nicht bloß die Homologa von Radius und Ulna, sondern auch der als Intermedium gedeutete Knochen. Dabei sind Radius und Ulna, bezw. Tibia und Fibula, sehr verkürzt. Dieses Verhalten erinnert an die früher erwähnte Auffassung HuxLEy’s, der zufolge der Hauptstrahl der penta- daetylen Extremität möglicherweise direkt aus dem Humerus oder Femur ins Intermedium und von da ins Centrale gezogen sei. Zu dieser Auffassung ist auch, wie es scheint, ohne HuxLryv’s Ansicht gekannt zu haben, SHITKOV durch seine Untersuchungen über die Entwicklung der Extremitäten von Isodactylium gelangt. 63 C. GEGENBAUR, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. Zweite umgearb. Aufl. Leipzig 1870. Dieses Buch fällt in Beziehung auf die Zeit seines Er- scheinens oder wenigstens in Beziehung auf die Zeit der Ausarbeitung zwischen Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 553 die Arbeit über das Gliedmaßenskelet der Enaliosaurier und die in demselben Bande der Jen. Zeitschrift erschienene Arbeit über das Skelet der Gliedmaßen der Wirbelthiere im Allgemeinen. Es geht dies aus einer Anmerkung in der letztgenannten Arbeit auf p. 399 hervor. 69 C. GEGENBAUR, Über das Skelet der Gliedmaßen der Wirbelthiere im Allgemeinen und der Hintergliedmaßen der Selachier insbesondere. Jen. Zeitschr. f. Med. u. Nat. Bd. V. 1870. p. 397—447. 70 Vgl. namentlich die Figg. 13 und 16, Taf. III und IV in MoLLIEr’s Ar- beit über das Ichthyoptherygium (l. ce... 71 C. GEGENBAUR, Über die Modifikationen des Skeletes der Hinterglied- maßen bei den Männchen der Selachier und Chimären. Jen. Zeitschr. für Med. u. Nat. Bd. V. 1870. p. 448—458. 72 ©, GEGENBAUR, Über das Archipterygium. Jen. Zeitschr. f. Med. u. Nat. Bd. VII. 1873. p. 131—141 (datirt vom Mai 1871). 73 A. GÜNTHER’s Arbeiten über Ceratodus sind, so weit in ihnen die Flossen berücksichtigt werden, enthalten in: 1. Proceedings Royal Soc. 1871; 2. ausführ- licher, mit einer Abbildung des Flossenskeletes, in den Ann. and Mag. of Natu- ral History. March 1871. Diese beiden Arbeiten haben GEGENBAUR, als er die erwähnte Arbeit schrieb, vorgelegen. Die dritte, ausführlichste, über diesen Gegen- stand war damals noch nicht erschienen. Sie führt den Titel: Description of Ceratodus, a Genus of Ganoid Fishes, recently discovered in Rivers of Queens- land, Australia. Philos. Transact. 1871. p. 511—571. Mit 12 Tafeln. Die bei- den vorläufigen Mittheilungen habe ich nicht gelesen, wohl aber die dritte. — Sehr eigenthümlich ist die Art, wie GÜNTHER das Skelet der Ceratodus-Flosse mit der Wirbelsäule vergleicht. Im Übrigen hebe ich nur einige Sätze aus dieser Abhandlung heraus. So heißt es p. 533: »The arrangement of the limb- skeleton of Ceratodus is foreshadowed in the pectoral fin of Acipenser<; ferner p- 534: »The arrangement in Ceratodus evidently resembles more that in Acı- penser, than that in Polypterus<. Sodann versucht GÜNTHER zu zeigen, dass die Ceratodus-Flosse als »a modification of the typical form of the Selachian pectoral fin< aufgefasst werden könne. Er bezeichnet die Basalia der Selachierflosse (das Basale propterygi, mesopterygii und metapterygii GEGENBAURr’s) als Carpalia, und die Radienglieder als Phalangen und sagt, diese Phalangen, also die Ra- dienglieder, seien in quere Reihen (Zonen) und in longitudinale Reihen (Serien) geordnet. Durch die Annahme einer Stellungsänderung der Phalangen an den Enden der auf einander folgenden Zonen lasse sich nun die Ceratodus-Flosse von der Selachierflosse ableiten. 7 A. BunGE, Über die Nachweisbarkeit eines biserialen Archipterygium bei Selachiern und Dipnoern. Jen. Zeitschr. f. Med. u. Naturw. Bd. VII. 1874. p- 293— 307. 5 C. GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- thiere. III. Heft. Das Kopfskelet der Selachier, ein Beitrag zur Erkenntnis der Genese des Kopfskeletes der Wirbelthiere. Leipzig 1872. ‘6% Eine sehr merkwürdige »Erklärung« dieser Umbildung hat unlängst GEGENBAUR zu geben versucht (vgl. Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. I. Bd. Leipzig 1898. p. 399). Nachdem er, wie gewöhnlich, gezeigt hat, dass »die Ontogenese auch hier in Widerspruch mit der Vergleichung« tritt, dass sie also zur Erklärung nichts taugt, sagt er: »Eine Lösung kommt nur durch die Annahme einer cänogenetischen Erscheinung, welche aus dem bei den Säugethieren längere Zeit hindurch dem Unterkiefer zukommenden Funktions- 554 Carl Rabl, mangel entsprang. Dieser entsteht dem Unterkiefer während der Dauer der Fötal- periode und das spätere Infunktiontreten gestattet für die Erhaltung des primi- tiven Verhältnisses einen längeren Zeitraum, als bei früherem Eintritte des Kiefers möglich wäre.< GEGENBAUR nimmt also an, dass sich, während die Em- bryonen im Uterus schliefen, Zeit und Gelegenheit zur Bildung eines neuen Kiefer- gelenkes bot. Es setzt dies die Annahme ganz außerordentlicher Keimesvaria- tionen voraus, eine Annahme, die zur Erklärung der Differenz der fertigen Zustände gerade in Fällen, wie dem vorliegenden, ganz ungeeignet und unstatthaft ist. Bei den Monotremen unterscheiden sich die Entwicklungsbedingungen, so viel wir wissen, während der Fötalperiode nicht sehr wesentlich von denen der Sauropsiden, und bei den Marsupialiern ist die Fötalentwicklung von so kurzer Dauer, dass sie kaum als Kausalmoment zur Erklärung so tiefgehender Ver- änderungen gelten kann. Eben so widersinnig wäre es aber anzunehmen, dass während der phylogenetischen Entwicklung der Säugethiere einmal ein Zu- stand vollständigen oder selbst nur theilweisen »Funktionsmangels des Unter- kiefers< bestanden habe, während dessen sich die neuen Beziehungen, die zur Bildung eines neuen Kiefergelenkes führten, ausgebildet hätten. Es muss viel- mehr während der Phylogenese ein Zustand oder eine Reihe von Zuständen existirt haben, welche ohne Sprung von den alten zu den neuen Beziehungen hinüberführten. Als einen solchen Zustand dürfen wir uns aber nicht etwa die Bildung zweier getrennter und hinter einander gelegener Gelenke vorstellen, etwa in der Weise, dass jede Unterkieferhälfte ein vorderes Gelenk mit dem Squamosum und ein hinteres mit dem Quadratum einging. Ein solches Doppel- gelenk wäre physiologisch ganz undenkbar; denn bei jeder Bewegung im hin- teren Gelenke würden die Gelenkkörper des vorderen aus einander gerissen, das Gelenk also zerstört werden. Ein Doppelgelenk auf beiden Seiten wäre nur in dem einen Falle denkbar und physiologisch möglich, wenn beide Gelenke eine gemeinsame, also transversal gestellte Achse hätten. Diese Erwägungen führen uns zur Annahme eines phylogenetischen Zustandes, der in der That im Stande war, von den Verhältnissen der Amphibien und Sauropsiden zu denen der Säugethiere hinüberzuführen. Vergegenwärtigen wir uns zunächst das that- sächliche Verhalten: bei den Amphibien und Sauropsiden artikulirt der Unter- kiefer, wie schon bei den Fischen, mit dem Quadratum, bei den Säugethieren dagegen mit dem Squamosum, während andererseits das Quadratum und ein Theil des Unterkiefers als Amboß und Hammer in neue Beziehungen treten. Nun treffen wir das Squamosum, wenngleich es überall den Hirnschädel mit dem Quadratum verbindet, doch bei den einzelnen Formen in sehr verschiedenem Verhalten zu dem letztgenannten Knochen. Während es sich bei allen Vögeln und fast bei allen Reptilien nur wenig weit am Schädel nach abwärts erstreckt, und nie auch nur annähernd die Gelenkfläche des Quadratum erreicht, schiebt es sich bei den Rhynchocephalen und Amphibien so weit am Quadratum ventral- wärts, dass es fast in gleicher Höhe mit dessen Gelenkfläche endigt. Dabei ist es stets der äußeren, vorderen Fläche des Quadratum angeschlossen. Wir brauchen uns nun dieses Verhalten nur um eine Stufe weiter fortgeführt zu denken, um zu einem Zustande zu gelangen, der ganz wohl im Stande war, zu dem uns bei den Säugethieren entgegentretenden Verhalten hinüberzuleiten. Wir wollen annehmen, das Squamosum würde am Quadratum ganz nach abwärts reichen und an der Bildung der Gelenkfläche, mit welcher der Unter- kiefer artikulirte, Theil nehmen. Diese Gelenkfläche — ich will sie als Pfanne bezeichnen — würde also in ihrer vorderen, lateralen Hälfte Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 555 vom Squamosum, in ihrer hinteren, medialen, vom Quadratum ge- bildet sein. Eine solche Annahme erscheint nach dem, was wir über den Bau der Gelenke wissen, durchaus zulässig. Ich brauche nur an die Pfanne des Schultergelenkes oder des Hüftgelenkes zu erinnern. Im Laufe der weiteren phylogenetischen Entwicklung muss sich dann der mediale, kleinere Theil des Köpfchens des Unterkiefers, der mit dem in seiner Größe redueir- ten Quadratum artikulirte, vom lateralen, größeren, der mit dem Squamosum artikulirte, getrennt haben, und es muss also ein Zustand zu Stande gekommen sein, wie er oben geschildert wurde: jederseits zwei Gelenke, aber beide mit gemeinsamer, transversaler Achse. Darauf würde ein Zustand gefolgt sein, in welchem sich der kleinere, mediale Theil des Unterkieferköpfehens als nun- mehriger Hammer ganz von dem übrigen Unterkiefer löste, während gleichzeitig das immer kleiner gewordene Quadratum als nunmehriger Amboß mit der zum Stapes sich ausbildenden Columella in innigere Beziehungen trat. 77 Festschrift für GEGENBAUR, Ill. Bd., Leipzig 1897. Die eitirte Stelle findet sich auf p. 681 u. 682. "8 Dies steht noch nicht ganz fest (vgl. u. A. H. ÖBERSTEINER, Anleitung beim Studium des Baues der nervösen Centralorgane im gesunden und kranken Zustande. 3. Aufl. Wien 1896. p. 39). 79 ©. GEGENBAUR, Zur Morphologie der Gliedmaßen der Wirbelthiere. Morph. Jahrb. II. Bd. 1876. p. 396—420. s0 Diese Kritik ist in der von F. RATZEL besorgten, durch Originalzusätze Huxreyv’s bereicherten deutschen Ausgabe des Handbuchs der Anatomie der Wirbelthiere, Breslau 1873 enthalten. Sie ist sehr liebenswürdig, aber entschie- den ablehnend und lautet: »Wie hervorragend originell und scharfsinnig diese Theorie auch sei, bin ich doch nicht im Stande, dieselbe anzunehmen. Es scheint mir vor Allem, dass, wenn die Achse des Archipterygium das Homologon des Metapterygium des Fisches ist, ihr distaler Abschnitt der Ulna und den ulnaren Handwurzelknochen und Fingern, nicht aber dem Radius und den radialen Hand- wurzelknochen und Fingern entsprechen muss; die ersteren sind die postaxialen Elemente der höheren Wirbelthiergliedmaßen und müssen daher dem postaxialen Metapterygium entsprechen. Außerdem lässt diese Theorie keinen Raum für Ceratodus mit seiner doppelten Reihe von Seitenstrahlen an der Gliedmaßen- achse. Es will mich bedünken. als ob mit einigem Scharfsinn die höhere Wirbel- thiergliedmaße gerade so gut auf den Ceratodu,-Typus, als auf den von GEGEN- BAUR’S ‚Archypterygium‘ zurückzuführen sei« (p. 34 u. 35,.. Diese Zurückführung auf den Ceratodus-Typus ist bald darauf von GEGENBAUR, dann von HuxLEy selbst und Anderen versucht worden. 81 0. GEGENBAUR, Zur Gliedmaßenfrage. An die Untersuchungen v. DAvI- DOFF’s angeknüpfte Bemerkungen. Morph. Jahrb. V. Bd. 1879. p. 521—523. 82 Ich will einige der charakteristischesten Sätze aus L. OKkEn’s Lehrbuch ‘der Naturphilosophie, 2. Aufl., Jena 1831, anführen: »Freie Bewegungsorgane können nichts Anderes als frei gewordene Rippen sein« (p. 317); »die Glieder sind die vorn geöffneten Rippen, der vorn geöffnete Thorax, nichts neues, nur ein befreites« (p. 318); »Die in den Fingern zusammengefalteten Arme sind ein Thorax ohne Eingeweide, ohne Herz und Lunge. Sie sind bestimmt, in der Um- armung einen ganzen Leib einzuschließen.«e — »Durch die Umarmung wird das. Umarmte zu unserem Eingeweide gemacht« (p. 318). — Da die Rippen nach ÖKEN nur die Wiederholung der Kiemenbogen sind (p. 317), so folgert er: »Da. die Grundzahl der Kiemen fünf ist, so müssen auch die Glieder fünf Rippen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 36 556 Carl Rabl, darstellen. Sie spalten sich in fünf Finger« (p. 318). — Dass »die Gliedmaßen wesentlich nur weitere Entwicklungen der Rippen« sind, war auch die Ansicht J. F. MECcKEL’s (vgl. System der vergleichenden Anatomie. 2. Theil. 1. Abth. Halle 1824. p. 268)... Auch CARL GusTAav Carus, dessen »Lehrbuch der ver- gleichenden Zootomie« (2. Aufl., Leipzig 1834) ganz im Stile der Okex’schen Naturphilosophie gehalten ist, bezeichnet die Schulter- und Beckenknochen der Fische als »Rippen- oder Urwirbelbögen« (I. Theil, p. 123). 83 C. GEGENBAUR, Kritische Bemerkungen über Polydactylie als Atavismus. Morph. Jahrb., VI. Bd., 1880, p. 584—596 und Derselbe, Über Polydactylie. Morph. Jahrb., XIV. Bd., 1888, p. 394—406. Diese Arbeiten enthalten u. A. einige nicht unwichtige Bemerkungen über den Carpus. Damit, dass ich auf eine Kritik der Arbeiten GEGENBAUR’s über Polydactylie nicht eingehe, soll natürlich nicht ge- sagt sein, dass ich dieser Frage keine Bedeutung beimesse; ich habe sie viel- mehr seit Jahren aufmerksam verfolgt. Ohne auf die ungemein reichhaltige Litteratur über diesen Gegenstand einzugehen, bemerke ich nur Folgendes. Auf Grund der Entwicklungsgeschichte möchte ich drei Unterarten der Poly- dactylie unterscheiden: 1) die Hyperdactylie oder die Vermehrung der Zahl der Finger und Zehen durch weiter fortgesetzte Bildung an der ulnaren, bezw. fibularen Seite; 2) die Schizodactylie oder die Vermehrung durch Spaltung eines normalen Fingers oder einer normalen Zehe, und 3) die Diplochirie oder Diplopodie, oder die Vermehrung durch Doppelbildung. In dem dritten Fall setzt sich an die radiale Seite des Daumens oder die tibiale der großen Zehe noch ein, oft nur rudimentärer, zweiter Daumen oder eine zweite große Zehe an; auf diese können dann noch weitere Finger oder Zehen folgen. Die Unter- scheidung eines geringen Grades von Diplochirie oder Diplopodie von einer Schizodactylie kann in der Praxis Schwierigkeiten bieten, ist aber von theo- retischem Interesse. — Bei der Oligodactylie unterscheide ich zwei Unter- arten: 1) die Hypodactylie oder die Verminderung der Finger- oder Zehen- zahl durch mangelhafte Weiterbildung der ersten Anlage und 2) dieSyndactylie oder die Verminderung der Finger- oder Zehenzahl durch mangelhafte Trennung oder sekundäre Verwachsung zweier oder mehrerer Anlagen. — Obwohl ich es, wie gesagt, für sehr wahrscheinlich halte, dass der pentadactylen Extremität eine oligodactyle vorausgegangen sei, so kann ich in der Oligodactylie, und zwar auch in der Unterart der Hypodactylie, keinen Atavismus, sondern nur eine Hemmungsbildung erblicken. 8 (©. GEGENBAUR, Das Flossenskelet der Crossopterygier und das Archi- pterygium der Fische. Morph. Jahrb. XXII Bd. 1895. p. 119—-160 (Heft I, ausgegeb. 20. Nov. 1894). 5 Vgl. K. Zırter, Handbuch der Palaeontologie. Palaeozoologie. III. Bd. p. 175. München und Leipzig 1887—18%. 8 Ich will nur folgende Sätze aus der 2. Auflage von GEGENBAUR’s Grund- zügen der vergleichenden Anatomie, Leipzig 1870, eitiren: »Wie CuvIER zur Erkenntnis fundamentaler Verschiedenheit der Organisationen durch exten- sive anatomische Untersuchungen geführt worden war, so kam v. BAER, unab- hängig von CUVIER, zu demselben Ziele durch die Intensität der Forschung auf dem Gebiete der Entwicklungsgeschichte. Diese Verschiedenheit der eingeschla- genen Wege äußert sich in den Auffassungen beider Forscher unverkennbar, und dem beschränkteren Ideenkreise des großartiges Material vorführenden Anatomen stellt sich die Fülle und Tiefe der Ge- danken, wie sie der Begründer der deutschen Embryologenschule Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. 557 inseinen Reflexionen über dieEntwicklungsgeschichte der Thiere kund giebt, glänzend gegenüber« (p. 16). Und weiter heißt es: »Das Werden erklärt das Gewordene, und die Entwicklung zeigt, indem sie auf Diffe- renzirung beruht, das Zusammengesetzte in seinen einfachen Anfängen, wodurch sie die im vollendeten Zustande verhüllten Beziehungen erkennen lässt« (p. 17). — Das war der junge GEGENBAUR, dem auch ich mit Freude und Begeisterung folgte. 87 Vgl. meine Bemerkungen in der Diskussion zu BrAus’ Vortrag »Über die Extremitäten der Selachier« in den Verhandl. der anat. Gesellschaft auf der 12. Versammlung in Kiel. 1898. p. 179. 88 Vergleiche außer dem »Rückblick und Schluss< in meiner Arbeit über die Linse namentlich meinen in der feierlichen Sitzung der kais. Akademie der Wissenschaften am 30. Mai 1900 in Wien gehaltenen Vortrag »Über die Grund- bedingung des Fortschrittes in der organischen Nature. Erklärung der Abbildungen, Tafel XXII. Fünf Stadien der Entwieklung der vorderen Extremität von Triton taenia- tus. 140fache Vergrößerung. az, Arteria interossea; dp, primäres Basale; A, Hu- merus; :p, primäres Intermedium (mit «o zusammen primäres Intermedioulnare); r, Radius, bezw. radiale Seite des Armes; rp, primäres Radiale; «, Ulna, bezw. ulnare Seite des Armes; up, primäres Ulnare (mit ip zusammen primäres Inter- medioulnare, dessen verdicktes embryonales Perichondrium up vorstellt; s. dar- über den Text). Tafel XXIII. Die Knochengrenzen sind durch punktirte Linien angegeben. Roth: Primäres Radiale, bezw. primäres Tibiale und die daraus hervor- gehenden Elemente des Carpus und Tarsus. Blau: Primäres Intermedioulnare, bezw. primäres Intermediofibulare und die daraus hervorgehenden Elemente des Carpus und Tarsus. Gelb: Primäres Basale des Carpus und Tarsus. Fig. 1. Fuß von Proteus anguineus. 10mal vergrößert. Fig. 2. Hand von Proteus anguineus. 10mal vergrößert. Fig. 3. Hand von Amphiuma means. Smal vergrößert. Fig. 4 Fuß von Amphiuma means. Smal vergrößert. Fig. 3 und 4 von einem 70 cm langen Exemplar. Fig. 5. Fuß von Amphiuma means. 10mal vergrößert. Fig. 6. Fuß von Amphiuma means. 10mal vergrößert. Fig. 5 und 6 von einem 55 cm langen Exemplar. Fig. 5 linker, Fig. 6 Spiegelbild des rechten Fußes. Fig. 7. Hand und Vorderarm von Siren lacertina. 3mal vergrößert. Von einem 48 cm langen Exemplar. Fig. 8 Hand und Vorderarm von Necturus maculesus. 5mal vergrößert Von einem 31 cm langen Exemplar. 36* 558 Carl Rabl, Gedanken u. Studien über d. Ursprung der Extremitäten. Fig. 9. Fuß und Unterschenkel von Necturus maculosus. 5mal vergrößert. Von einem 31 cm langen Exemplar. Fig. 10. Hand und Vorderarm von Üryptobranchus japanicus. 3mal ver- größert. 40 cm langes Exemplar. Fig. 11. Exemplar. Fig. 12. srößert. 33,5 Fie.13. größert. 33,9 Fig. 14. Fig. 15. größert. Fig. 16. Ric al. größert. Fig. 18. Rig. 19, Fuß von Oryptobranchus Japanieus. 3mal vergrößert. 40 em langes Hand und Vorderarm von Menopoma alleghaniense. 3mal ver- cm langes Exemplar. Fuß und Unterschenkel von Menopoma alleghaniense. 3mal ver- em langes Exemplar. Hand und Vorderarm eines 19 cm langen Axolotls. 3mal vergrößert. Fuß und Unterschenkel eines 19 cm langen Axolotls. 3mal ver- Hand und Vorderarm eines 25 cm langen Axolotls. 3mal vergrößert. Fuß und Unterschenkel eines 25 em langen Axolotls. 3mal ver- Hand und Vorderarm eines 18 cm langen Axolotls. 3mal vergrößert Hand und Vorderarm von Salamandra maculosa. 3mal vergrößert. Die rechte Hand hatte drei, nicht wie die linke zwei Phalangen am vierten Finger. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. Fuß und Unterschenkel von Salamandra maculosa. 3mal vergrößert. Hand und Vorderarm von Triton eristatus. 5Smal vergrößert. Fuß und Unterschenkel von Trr’on eristatus. 5mal vergrößert. Über die Nervenendigung in Tastmenisken. Von Dr. Eugen Botezat. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Czernowitz.) Mit Tafel XXIV. In meiner Arbeit über die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere (3) konnte ich die Thatsache feststellen, dass Gestalt und Struktur der Tastmenisken in den Hautgebilden besagter Thiere von den bisherigen Anschauungen über diesen Gegenstand etwas ab- weichen. Ich habe jener Arbeit auch eine Figur beigegeben, welche die in Rede stehenden Verhältnisse veranschaulichen sollte, konnte aber auf eine weitläufigere textliche Darstellung nicht eingehen, da ich nicht unnöthige Störungen verursachen wollte. In den folgenden Zeilen soll nun auf diesen Gegenstand näher eingegangen werden. Da aber diese Schrift lediglich die Tastmenisken behandeln soll, dürfte es wohl am Platze sein dem eigentlichen Gegenstande eine kurze historische Skizze betreffend die Anschauungen über die in Frage stehenden Organe sowie über die denselben anliegenden Ge- bilde vorauszuschicken. Ich habe die »MErRKEL’schen Tastzellen« ‚vor Augen. Dieselben wurden von MErkEr (9) entdeckt und an verschiedenen Körpertheilen in der Haut von Säugern, von Menschen und wohl auch von Vögeln vorgefunden und beschrieben. Es wurde ihr Zusammenhang mit Nerven festgestellt, sie selbst aber als termi- nale Ganglienzellen angesehen, den GRANDRY’schen Körperchen der Vögel zur Seite gestellt. Sehr leicht sind diese Zellen in der Epidermis der Schweineschnauze darzustellen, wo sie als ovale helle Körperchen, welche einen großen, dunklen, gleichmäßig gefärbten Kern in sich bergen. Bei der Untersuchung mit Goldchlorid fanden MERKEL (10), RAnVIER (12) und KÖLLIkeER (7), dass die an diese Zel- len gelangenden Nervenfasern Scheibenform annehmen, wesshalb Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 37 560 Eugen Botezat, diesen Gebilden die Bezeichnung Tastscheibe, beziehungsweise Tastmeniscus gegeben wurde. Die letztere Bezeichnung, von RAX- VIER eingeführt, steht bis heute für diese Gebilde in Anwendung, da sie besser dem thatsächlichen Aussehen derselben entspricht. Sehr treffend vergleicht Szymonowıcz (14) diese Organe mit dem Stiel, Becher und der Nuss der Eichel. Tastzellen und Tastmenisken finden sich auch in der äußeren Wurzelscheide der Tasthaare vor, wo sie schon seit längerer Zeit bekannt sind. Unter den verschiedensten Namen wurden namentlich die Tastzellen von diesem Orte beschrieben: Endkörperchen, End- kolben, Tastzellen, Endknospen u. s. f. (Leypıe [8], SERTOLI, BIZZOZERO, DIETL [4], Bonner [1], MERKEL [10] u. A.), und die Ur- sache hiervon ist wohl der augenscheinliche Zusammenhang derselben mit hinzutretenden Nerven. Außer den angeführten Orten wurden Tastmenisken auch noch in den Epithelpapillen der Schnauze von Insektenfressern, in jenen des Gaumens der Säugethiere (Fig. 2) und in der Schnauze des Hundes (Fig. 1) vorgefunden. Die Tastzellen, welche diese Bezeichnung von MERKEL erhalten haben — mit denen Tastmenisken in Beziehung treten — sind nicht nervös: der Ort aber, an welchem sich die Tastmenisken, welche, wie bereits erwähnt, als Scheiben oder Platten und als Nervenenden von den meisten Forschern gedeutet wurden, an die Zellen anlegen, ist im Allgemeinen verschieden. In der Haut und im Gaumen findet man die Tastmenisken und Tastzellen in größeren oder kleineren Gruppen, woselbst sie in mehreren über einander gelegenen Reihen in den Epitheleinsenkungen liegen; nur selten, und zwar gewöhnlich, wenn ihre Anzahl keine bedeutende ist, sind sie in einer einfachen Reihe angeordnet (Fig. 1). Zu den Tastzellen der Tasthaare übergehend ist uns bekannt, dass dieselben an der Basalseite der äußeren Wurzelscheide gelegen sind, nur sehr vereinzelt bemerkt man solche weiter im Innern jener Epithellage (2, Fig. 3) liegen. Es besteht nämlich die unmittelbar an der Glashaut gelegene Schicht der äußeren Wurzelscheide aus mehr oder minder eylindrischen, regelmäßig angeordneten Zellen, welche durch das Hinzutreten von Nerven zu »Tastzellen«< werden. Der Beweis für diese Thatsache soll weiter unten gegeben werden. Nach der Beschreibung der Untersucher zeichnen sich diese »MERKEL’schen Tastzellen« sowohl in der äußeren Wurzelscheide der Tasthaare, als auch überall dort, wo sie vorhanden sind, vor den übrigen Über die Nervenendigung in Tastmenisken. 561. Epithelzellen durch eine besondere Größe aus. Auf Grund meiner eigenen Beobachtungen muss ich erklären, dass die Tastzellen von den übrigen Epithelzellen durchaus nicht verschieden sind; ihre Be- deutung als solche erscheint, wie gesagt, durch die Anwesenheit der Tastmenisken gegeben. Letztere färben sich, da sie aus marklosen Achsenfasern bestehen, mit Osmiumsäure nicht, wesswegen man an Osmiumpräparaten um die Tastzellen herum oder, was öfters der Fall ist, an einer Seite derselben einen hellen Rand beobachten kann — die Stelle, welche vom Tastmeniscus eingenommen wird —. Der Beweis, dass diese Zellen keine besonderen Bildungen, sondern echte Epidermiszellen sind, wird am besten wohl dadurch erbracht, dass es mir gelungen ist an denselben jene Streifung oder Riffung darzustellen, welche für alle Epidermiszellen so charakteristisch ist, und diese zu sogenannten »Riffzellen« macht (Fig. 2). Es mag hier noch folgende Bemerkung Ostroumow’s (11) ihren Platz finden: »Vollkommen scharfe Bilder erhält man, wenn man die vitale Fär- bung in einem Gemisch von pikrinsaurem Ammoniak und Osmium fixirt. An solchen Präparaten sieht man die scharf umschriebenen, ovalen, farblosen Tastzellen den violett gefärbten Menisken anliegen. Doch liegen letztere auch solchen Zellen an, die sich von den übri- sen Epithelzellen der Reihe durch nichts unterscheiden, so dass die Specifität dieser Zellen fraglich oder wenigstens sehr schwer zu demonstriren ist.= - Formol (40 ®/,), 10 - - Salpetersäure (1,30). Nach eirca achttägiger Einwirkung dieser Lösung konnte das Präparat weiter geführt werden. Nomenklatur. PETRI nennt diese Flossenanhänge »Pterygo- podien« (Flossenfüße). DaAvıporr bezeichnet diesen Ausdruck als »unpassend«. Ich erkläre mich damit einverstanden, denn er ent- Die Kopulationsglieder der Selachier. 599 spricht weder der morphologischen Bedeutung noch der Funktion dieses Organs. Einfacher und zweckmäßiger ist die Bezeichnung: »Kopulationsglieder«, die ich fortan zur Anwendung bringen werde. In der Nomenklatur des Skelettes schließe ich mich JUNGER- SEN an; seine Bezeichnung ist eine sehr einfache und drückt in vor- trefflieher Art die Lagebeziehungen der einzelnen Knorpel aus. Die Muskulatur belege ich theilweise mit neuen Namen, da hierüber so- wohl bei PETRI als auch bei JUNGERSEN Bezeichnungen gebräuchlich sind, welche auf anfechtbaren Beobachtungen beruhen. In der Mus- kulatur der Flosse halte ich mich an die Davıporr’schen Ausdrücke. Beiläufig sollen hier noch einige Punkte erklärt werden. Unter den Größenangaben erwähne ich stets »die Länge des Kopulationsgliedes<; hierunter ist, wenn keine Bemerkung folgt, die Distanz vom: Vorder- rand des Beckenknorpels bis zur Spitze des Gliedes zu verstehen. Um bei den Kopulationsgliedern die verschiedene Länge hervorzu- heben, stelle ich einen Längskoefficienten auf. Dieser drückt das Länge des Basale Länge des Anhanges 1 bezogen) aus. Z.B. für Mustelus eulgarıs verhält sich diese Sache folgendermaßen: Länge des Basale: (B) = 52 mm, Länge des Anhanges: (d, + d) 115 mm, Bios u b + b 2,2 Öfters werden die Ausdrücke proximal und distal angewendet, dieses bedeutet dem Beckenknorpel weg-, jenes demselben zugewendet. Ferner unterscheide ich laterale und mediale Theile; lateral gelegen ist das, was vom Basale und dem Stammknorpel des Gliedes aus der Flosse, medial, was der Medianlinie des Fischkörpers zu- gekehrt ist. Die Hautfalten des Endapparates bezeichne ich wie die in sie hineinragenden Knorpelstücke. Die vorliegende Arbeit wurde im zoologischen Institut der Uni- versität Basel ausgeführt. Ich spreche an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Fr. ZSCHOKKE, dem Vorsteher des Laboratoriums, meinen besten Dank aus für das Interesse, das er stets meinen Untersuchungen entgesenbrachte. Eben so entbiete ich Herrn Prof. Dr. Run. BURcK- HARDT meinen aufrichtigsten Dank für die Anregung zu dieser Arbeit sowie für die freundlichen Rathschläge, mit welchen er mich in meinen Studien vielfach unterstützte. Ferner schulde ich Dank Herrn Prof. TRILENIUS für die gütige Überlassung einer Hinterextremität einer Verhältnis = (stets auf die Länge des Basale = Längskoefficient: 600 Oscar Huber, von ihm im pacifischen Ocean erbeuteten 7rygon-Art; Herrm Dr. GÖöLDI für ein Exemplar von Pristis perotteti und Herrn Hofrath Prof. Cnun (Leipzig) für ein Jugendstadium von Mylobatis aguıla. Specieller Theil. Notidanidae. Hexanchus griseus. (Taf. XXVII, Fig. 1 u. 2) Von Hexanchus griseus stand mir ein vollständiges Hinterextre- mitätenpaar eines circa 1,5 m langen Thieres zur Verfügung. Größenangaben. Länge des Kopulationsgliedes .. =, 27 77 (vom hinteren Rande der Kloake gemessen), der vom Flossensaum freie Theil des Gliedes = 60 mm, maximale Breite des Gliedes‘ .. 7 Zr Länge: der: Rinne: '.* 1... 22, 2 ee maximale Elossenbreite -. 7. — 120 mm, die Flossenspitze überragt um 50 mm die Spitze des Kopulationsgliedes. Äußere Form. GÜNTHER erwähnt in seiner Beschreibung von Chlamydoselache anguinea die für Notidaniden typische Beziehung zwischen Flossen- saum und Kopulationsglied. Dieses Verhältnis kommt aber in der Textfigur für Ohlamydoselache nicht zum Ausdruck, ich füge desshalb meiner Beschreibung eine diesbezügliche Zeichnung für Zezxanchus griseus bei, welche dieses Verhalten besser hervorheben soll. Der Flossensaum greift hier ventral und dorsal über das Kopulations- glied, verbindet sich beiderseits mit diesem, und bildet auf diese Weise eine kelchartige Hülle. Das Kopulationsglied selbst ist von fingerförmiger Gestalt und endet in eine nach der Lateralseite ge- bogene Spitze. Die Rinne verläuft mehr lateral als median, sie ist in ihrem distalen Theil, ähnlich wie bei Spinaciden, von der Hautfalte 7d, überdeckt. Das ganze Kopulationsglied ist nackt, eben so auch derjenige Theil der Flosse, welcher dasselbe umgiebt. Muskulatur. Das Flossenskelett ist mit sehr starken Muskelmassen bekleidet. DAviDorF beschreibt die Muskulatur einer weiblichen Ventralflosse Die Kopulationsglieder’der Selachier. 601 von Heptanchus cinereus. Etwas anders gestalten sich diese Ver- hältnisse für die männliche Ventralflosse von Aezanchus griseus;, ich schließe desshalb diesen Punkt hier meiner Beschreibung ein, ohne anderwärts darauf zurückzukehren und benutze hierbei die DAVIDOFF- schen Bezeichnungen. Das Stratum superficiale dorsale reicht weit nach hinten, legt sich dort über den Muse. compressor und verschmilzt mit der distalen Partie desselben. Das Stratum pro- fundum dorsale (baseo-radiale Schicht) ist sehr scharf in die ein- zelnen, den Flossenstrahlen entsprechenden Bündel differenzirt, die Segen das vordere und hintere Flossenende hin immer mehr mit ein- ‘ ander verschmelzen. Die hinterste Partie dieser Muskelschicht ist stark verlängert und nimmt an der Bildung des Kopulationsgliedes Theil (Muse. compressor). Auf der Ventralfläche der Flosse unter- scheide ich zwischen pelvico-basalen und baseo-radialen Mus- kelelementen, die septo-basalen Fasern schließe ich aus, da das Septum nicht wie in der erwähnten Zeptanchus-Flosse vorkommt; die Muskelfasern der medialen Flossenpartie streben alle dem Becken- knorpel zu. In der proximalen, über dem Randradius gelegenen Partie sind pelvico-basale und baseo-radiale Muskelfasern mit einander vereinigt. Ganz oberflächlich lässt sich eine Schicht er- kennen, deren Muskelelemente bald in eine Fascie übergehen, welche den ganzen distalen Theil eines jeden Muskelbündels überkleidet; DaviDorF bezeichnet diese Schicht als Stratum superficiale ven- trale im Gegensatz zur tieferen Schicht, dem Stratum profundum ventrale Die oberflächliche Schicht lagert sich nun aber bei Hezanchus nicht in der einfachen Weise über die untere Schicht, wie es nach Davivorr bei Heptanchus der Fall ist. Gegen den di- stalen Theil der Flosse hin greift diese oberflächliche Schicht immer tiefer in die untere ein. In den hintersten Bündeln geht diese Tren- nung bis auf den Basalknorpel hinab, hierdurch kommt es zur völligen Trennung der pelvico-basalen und baseo-radialen Elemente, dieselben stehen an dieser Stelle bloß noch durch eine Sehne mit einander in Verbindung; die letzten radialen Muskelbündel sind in Folge dessen frei von der superficialen Fascie. Diese Trennung zwischen dem Stratum superficiale ventrale und dem Stratum profundum ventrale ist schon oberflächlich durch eine weißliche, sekrümmte Linie angedeutet, welche in ihrem Verlaufe ungefähr den unten liegenden Basalknorpel vorzeichnet. Die Muskulatur des Kopulationsgliedes setzt sich folgendermaßen zusammen. Musc. adductor. Er besteht aus pelvico-basalen Fasern; 602 Oscar Huber, aus ihm differenziren sich die übrigen Muskeln. Der Muse. flexor exterior ist in seinem proximalen Theil noch eng mit den Fasern des Muse. adductor verschmolzen. In seiner Mitte erlangt der Muskel seine volle Selbständigkeit und zieht sich dann bandartig nach hinten, um sich medial am Stücke 2 zu inseriren. Der Muse. flexor interior ist hier wohl vorhanden, aber nur undeutlich vom Muse. adducetor getrennt. Er inserirt einerseits längs dem Basale und den Schaltstücken und endet andererseits medial an dem Knorpel 2. Der Muse. dilatator ist größtentheils mit dem Muse. flexor interior verwachsen, er umhüllt den proximalen Theil des Haupt- stammes 5 und giebt auf seiner Ventralseite Fasern an den Drüsen- sack ab. Der Musc. compressor ist sehr stark ausgebildet; er stellt die Außenlippe des Gliedes dar, entspringt hauptsächlich am Schaltstück d,, überzieht die letzten Flossenstrahlen und geht hinten in zähes Bindegewebe über. Der Drüsensack steckt frei in der kelchartigen Hülle des Flossensaumes. In Folge dessen kann dieser Muskelschlauch un- mittelbar, ohne dass eine Hautineisur nöthig ist, sichtbar werden, was bei anderen Selachiern nicht möglich ist. Der Sack ist relativ sehr kurz, aber trotzdem von voluminöser Entwicklung. Er misst in der Länge 65 mm, reicht vorn bis zu d,, und weist eine maximale Breite von 30 mm auf; er liegt dorsal auf dem nackten Knorpel- stab 5 und geht einerseits in den Muse. compressor und andererseits in den Muse. dilatator über. Auf seiner Ventralseite liegen diesem ziemlich diekwandigen Schlauch drei nackte Flossenstrahlen an (dem fünft-, viert- und drittletzten). Skelett. Das Basale verschmälert sich gegen hinten stark und besitzt dorsal eine scharfe Kante, seine Länge beträgt 9U mm, das Kopulations- glied (inel. Schaltglieder) misst 83 mm, hieraus ergiebt sich der Längs- koeffiecient — ne Zwischen B und 5 liegen zwei Schaltglieder 5, und d,. 2, trägt die vier letzten Radien und ist eine vertikal ge- stellte rechteckige Knorpelplatte (12 mm breit und 9 mm lang). An b, schließen sich 2, und $ an. 2, ist ein 9mm langer und 12 mm breiter, eylindrischer Knorpel; £ trägt das Aussehen eines zurück- gebildeten Flossenstrahles, misst in der Länge 27 mm und steht durch Bindegewebe mit d, und 5 in losem Zusammenhang. Auf d, folgt b, der Hauptstamm des Kopulationsgliedes; derselbe ist ein 68 mm langer, Die Kopulationsglieder der Selachier. 603 s-förmig gewundener, weicher Knorpelstab, proximal ist er eylindrisch, distal seitlich zusammengedrückt, hinten verschmälert er sich zu einem dünnen Endstiel. Besonderer Erwähnung bedürfen noch die hintersten Flossen- strahlen; dadurch, dass sie in den Dienst des Kopulationsgliedes treten, nehmen sie eine besondere Stellung ein. Von den sieben letzten ungegliederten Flossenstrahlen sind der fünft- und der viert- letzte bedeutend länger als die übrigen. Es sind dies diejenigen Strahlen, welche ventral keine Muskulatur besitzen und sich an den Drüsensack anlehnen. Die beiden letzten Strahlen, von denen der vordere 37 mm, der hintere 54 mm misst, sind unter sich verwachsen und bilden zusammen die lateralen Skelettelemente des Kopulations- gliedes. Terminalknorpel sind nicht vorhanden. Die Beschaffenheit von d, so wie das Fehlen der Endglieder weist darauf hin, dass hier kein vollkommen entwickeltes Organ, sondern bloß eine Jugendform desselben vorliegt. Dass auch das Kopulationsglied von Hezanchus griseus, wie die anderen Formen, im geschlechtsreifen Zustand dila- tatorische Endknorpel besitzt, ist wohl zweifellos. Dafür spricht auch deutlich eine von A. Fritsch entworfene Zeichnung von Heptan- chus cinereus. Entbehrt diese Zeichnung auch der Klarheit, so lässt sie immerhin die verwandtschaftlichen Beziehungen zu Hezan- chus griseus nicht verkennen. P zeigt sich bei Zeptanchus un- sefähr in der gleichen Gestalt wie bei Zexanchus, 5b, und bs finden sich auf der Zeichnung nicht vor, fehlen aber sehr wahrschein- lieh auch bei Zeptanchus nicht. Der Endapparat gleicht einem Pfeil mit zwei Widerhaken. Fritsch belegt die Seitenspitzen dieses Endstückes mit den Zahlen 3 und 4 und sucht sie, in Bezug auf die Perrr’schen Befunde über Pterygopodien (speciell von Acanthias vulgaris) als Haken- und Blattknorpel zu deuten. Diese Knorpel entsprechen den JUNGERSEN’schen Terminalgliedern 7Td und 7d,. Viel wahrscheinlicher aber handelt es sich um die beiden Endglieder 7d und 7v, dafür spricht namentlich die Lagebeziehung der betreffenden Stücke zum Endstiel. Es ist nun wohl anzunehmen, dass auch bei den Kopulationsgliedern der Notidaniden mit fortschreitender Ent- wicklung der Geschlechtsreife noch weitere Endknorpel hinzutreten, so dass es sich auch bei FrırscH’s Heptanchus-Exemplar nur um eine unvollständig entwickelte Form handeln würde. 604 Oscar Huber. Scymnidae. Scymnus lichia. (Taf. XXVIL Fig. 3 und 3a.) Größenangaben. Länge des Kopulationsgliedes — 120 mm Länge der Rinne er — 50 mm mittlere Breite des HER: 320 a De maximale Flossenbreite«e . . . .. = 4 mm. Äußere Form (Textfig. 1). Der Flossensaum steht fast mit der ganzen Länge des Kopu- lationsgliedes in Verbindung, nur die äußerste ca. 10 mm lange Spitze des Gliedes ist frei von der Flosse. Die Be- schuppung beschränkt sich auf die Ventral- fläche. Die Rinne verläuft median. Die Haut- falte 7d, ist nicht vorhanden, eben so fehlt ein äußerlich sichtbarer und beweglicher Stachel, wie er für die Laemargiden und Spinaciden bekannt ist. Muskulatur. Die einzelnen Muskeln sind deutlich vor- handen und weisen die für Spinaciden typi- schen Verhältnisse auf. Der Muse. adductor ist stark ausgebildet, über ihn lagert sich der Muse. flexor exterior, welcher längs des Basale entspringt und sich auf dem Muse. dilatator festsetzt. Unter dem Muse. flexor exterior liegt in ausgeprägter Form der Muse. flexor interior. Der Muse. dilatator und Textfig. 1. der Musc. compressor bedecken dorsal fast vollständig die Skeletttheile des Gliedes. Der Drüsensack ist sehr kurz und nimmt proximal an Breite zu. Das vordere Ende liest ca. 5 cm hinter dem Beckenknorpel. Skelett. | JUNGERSEN berücksichtigt in seiner Arbeit nur die Skeletttheile von Scymnus lichia, er erwähnt kurz die Knorpel: D, b,, $, b, Ra, fo, To, Td und 7,. Td ist in den drei mir vorliegenden Exem- m Die Kopulationsglieder der Selachier. 605 plaren nicht angelegt. 7; fand ich am linken Kopulationsglied an- ders ausgebildet als an dem entsprechenden rechten. Rechts stellt 7; ein einfaches, erbsenförmiges Knorpelstückchen dar, das am proxi- malen Ende von 7» aufliest. Das 7, der linken Flosse besitzt einen lateral nach außen gerichteten, ca. 2 mm langen, zahnartigen Fort- satz, es ist dies wohl zweifellos die knorpelige Anlage des Stachels. Ein ausgebildeter Stachel, wie er für die Kopulationsglieder der Spinaciden charakteristisch ist, soll, nach mehrfachen Beobachtungen, bei Seymnus nicht vorkommen. Hervorzuheben ist der sehr harte, mit Chondrodentin überzogene Knorpel Tv. Seine Dorsalfläche weist deutlich erhabene Hakenzeich- nungen auf, die ihrer Form und Lage nach stark an die »sichel- förmigen Haken« der xenacanthiden Kopulationsglieder erinnern. Eben so ist auch der Querschnitt durch 7v von Scymnus ähnlich demjenigen durch die Haken von Xenacanthus, nur erscheinen in diesem die Haken viel besser von einander getrennt als in jenem. Vielleicht handelt es sich hier um verwandte Erscheinungen. Die »sichelförmigen Haken« der Xenacanthiden, die Fritsch irr- thümlicherweise als modifieirte Flossenstrahlen betrachtet, wären dann, wie diese Haken bei Scymnus, nur als eigenartige Strukturbildungen eines einzelnen Knorpels aufzufassen. Pristiophorus japonicus. Größenangaben. Eainserdes "Fhieres.. 7 "x. au sun 2). 4 Shecm, Länge des Kopulationsaiden =.03 — 66mm, lense.der Rimmev.o ern Sure Eee 23 mm, Breutezdes Gliedes u N 3 2er er 210mm. Der Flossensaum überragt um 1 em die Spitze des Grliedes. Schon diesen Größenverhältnissen nach muss es sich bei dem vor- liegenden Exemplar um eine unentwickelte Jugendform handeln. Außere Form. Die Beziehung der Flosse zum Kopulationsglied ist ungefähr dieselbe wie bei Scymnus. Das Glied selbst ist sehr breit und stark dorsoventral abgeplattet. Die Beschuppung beschränkt sich fast ausschließlich auf die Ventralseite. Von drei dorsalen Haut- falten stellt die innerste die Rinne dar, diese ist in ihrem distalen Theile von dem Hautlappen 7«d, überdeckt. 606 Oscar Huber, Muskulatur. Die Muskulatur war sehr schlecht erhalten, deutlich konnte ich bloß den Musc. compressor wahrnehmen. Dieser ist ziemlich stark entwickelt und erscheint als selbständig gewordenes Bündel der Flossenmuskulatur. Der Drüsensack ist 23 mm lang, 6 mm breit und erreicht vorn das distale Ende des Basale. Skelett. Auch aus dem Skelett konnte ich nur wenig ersehen. Zwischen B und 5 liegt ein Schaltstück d,, # fehlt. Die beiden letzten Radien des Flossenskelettes sind bedeutend kürzer als die voranstehenden und unter sich verbunden. Es sind dies nur ganz unvollständige Befunde, doch sind gerade die weitgehende Verbindung des Flossensaumes mit dem Gliede und das Auftreten der Hautfalte 7«d, Merkmale, die den voranstehenden wie den zunächst folgenden Kopulationsgliedern eigen sind. Es ist somit anzunehmen, dass das entwickelte Kopulationsglied von Pristio- phorus denen von Scymnus und Centrophorus sehr ähnlich sein wird. Spinacidae. Die Kopulationsglieder von Acanthias vulgaris und Spinax niger sind von JUNGERSEN genügend berücksichtigt worden, ich trete dess- halb an dieser Stelle nicht mehr auf diese Formen ein. Centrophorus granulosus. Das Kopulationsglied von Centrophorus granulosus stimmt im Allgemeinen mit demjenigen von Acanthras vulgaris überein, ich be- schränke mich desshalb darauf, in einer kurzen Beschreibung die für Centrophorus bemerkenswerthen Punkte hervorzuheben. Größenangaben. Länge des Kopulationsgliedes . . . = 115 mm, Länge der Rinne * .. ... .... . 200 freier Theil des Gliedes — , 23 m) maximale Flossenbreite . .». . .. - Wım Die Spitze des Gliedes überragt um 9 mm die hinterste Spitze des Flossensaumes. Die Kopulationsglieder der Selachier. 607 Außere Form. Das Verhältnis der: Flosse zum Kopulationsglied ist nicht das- selbe wie bei Acanthras; die Fläche der Flosse ist bei Centrophorus srößer und reicht weit mehr distal. Während bei Acanthias der Flossensaum in die Basis des Gliedes übergeht, letzteres somit fast vollständig frei lässt, ist diese Beziehung bei Centrophorus eine aus- sedehntere. Hier tritt der Flossensaum mit ca. zwei Drittel der Gliedlänge (vom distalen Ende des Basale an gemessen) in Ver- bindung, die Trennung zwischen Glied und Flosse stellt sich beim vorliegenden Exemplar erst 25 mm vor der Spitze des Gliedes ein. Die Hautfalte 7d, ist wie bei Acanthias deutlich vorhanden, hin- gegen tritt 7d äußerlich nicht hervor. Muskulatur. Der Muse. flexor interior, der bei Acanthias nur sehr un- deutlich erscheint, ist hier besser differenzirt, er hebt sich deutlich vom Muse. adductor ab. Im Übrigen verhält sich die Muskulatur sanz wie bei Acanthias. Der Drüsensack erreicht den Beckenknorpel nicht, er besitzt eine Länge von 67 mm und in der Nähe der Basis eine maximale Breite von 15 mm. Der Sack ist dünnwandig und verengt sich proximal sehr stark. Skelett. Das Skelett besteht wie bei Acanthias aus den Stücken: B, b,, Re Ro, Td, To, Td, und 75. Der Stachel 7; ist auch hier stark entwickelt. B misst 37 mm, der Anhang —= 60 mm, der Längs- koeffieient erstellt sich somit auf Fe Verschieden von Acanthias verhalten sich die Knorpel Tv und 7d. Tv ist hier nicht blattförmig, es spitzt sich nach hinten stark zu und bildet mit 7d zusammen eine Rinne. Während bei Acanthias der Knorpel 7Td als »Hakenknorpel« (Perri) stark ausgebildet, für sich beweglich ist und deutlich aus dem Integument hervortritt, ist er bei Centrophorus mit Tv eng ver- bunden, schwach ausgebildet, unbeweglich, durchbrieht die Hauttheile nicht und tritt also äußerlich nicht hervor. Die Zahl der Terminal- stücke erstellt sich somit wie bei Acanthias auf vier. Zwischen Td und 7» schiebt sich der Endstiel g, die schmale Verlängerung von 5 ein. g Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. a0 608 Oscar Huber, Gentrina Salviani. Größenangaben. Länge des Thieres — 70ER Länge des Kopulationsgliedes — 05 am; Länge der Rinne — 40 mm, maximale Flossenbreite . — en Äußere Form (Textfig. 2). Die Flosse ist mit ca. %/; der Gliedlänge verbunden. Das Glied selbst ist von gedrungener Form, dorsal vollständig nackt, ventral hingegen mit spitzzähnigen Plaecoid- schuppen bedeckt. Die Rinne verläuft in der Mittellinie der Dorsalfläche und erweitert sich in ihrer distalen Partie. Die Hautfalte 7d, fehlt hier wie bei Scymnus vollständig. Der Stachel 7; tritt deutlich hervor, ist aber im Ver- gleich zu dem von Acanthias schwach und ohne Rinne. GA MM R // MN m 2 N Muskulatur. Die Muskulatur unterscheidet sich wesentlich nicht von derjenigen von Centrophorus. Der Muse. flexor in- terior ist hier sehr deutlich vorhanden; er ist ca. 2 cm lang, spindelförmig;, entspringt längs der Innenseite des Ba- sale und inserirt an 5, und am proxi- malen Theil von 6. Der Muse. flexor exterior beginnt vorn gabelig, ein kleiner Zipfel entspringt der Dorsalfläche des Muse. adductor und die größere Partie vom Basale. Eigenthümlich verhält sich das distale Ende der Flossenmuskulatur. Das letzte Bündel der oberflächlichen dorsalen Schicht (Stratum superficiale dorsale, DAvIDorr) spaltet sich in zwei Äste, zwi- schen hinein lest sich der Musc. compressor. Das mediale Zweig- bündel läuft der Rinne entlang und verbindet sich distal mit dem Muse. dilatator; das laterale setzt sich am Musc. compressor fest. Der Drüsensack ist kurz, schwillt nach vorn keulenartig an und besitzt im vorliegenden Exemplar eine Länge von 30 mm und Textfie. 2. Die Kopulationsglieder der Selachier. 609 eine maximale Breite von 14 mm. Der Sack überragt proximal kaum das Stück 5.: Skelett. Das Skelett unterscheidet sich, wenn auch im Allgemeinen wenig, immerhin in einzelnen Punkten wesentlich von Acanthias und Centro- phorus. Der Endstiel g, der bei den vorigen Formen nur kurz ent- wickelt ist, erstreckt sich hier als schmaler Streifen zwischen 7@ und 7v bis zur Spitze des Kopulationsgliedes. 7d@ ist nicht haken- förmig und besitzt auch keinen Überzug von Chondrodentin (siehe Allgemeiner Theil, Skelett) wie in Acanthias, sondern verhält sich eher wie bei Centrophorus. Td, fehlt vollständig, damit steht auch die schon erwähnte Abwesenheit der Hautfalte 7«d, in Beziehung. Das Skelett besteht somit aus vier primären Knorpeln: 5, d,, P, db und fünf sekundären: Ad, Rv, Td, Tv, T,, hiervon gehören drei Knorpel dem Endapparat an. Der Längskoefficient beträgt - ’ Cestraciontidae. Cestracion Philippi. Eine ausführliche Beschreibung des Kopulationsskelettes von Cestracion Philippi stammt zunächst von GEGENBAUR, dem Texte ist eine Zeichnung beigefügt; deren sich JUNGERSEN in seiner Arbeit be- dient. 1878 erschienen von N. DE MIKLOUCHO-MAcLAY und Wm. MacrrAY in der Proc. Linn. Soc. N. S. Wales Zeichnungen über die Familie der Heterodontidae. Hierunter befinden sich auch einige Figuren über das Kopulationsglied von Cestracion Philippi, doch be- ziehen sich dieselben nur auf die äußere Gestalt des Gliedes und auf einige Schnitte, welche für das Verhalten dieses Organs keine senügende Erklärung geben; einen zugehörigen Teext konnte ich leider nicht bekommen. Da auch JUNGERSEN nur einige Notizen über das Skelett giebt, so trete ich hier nochmals auf diesen Stoff ein; be- rücksichtige dabei die äußere Form und die Muskelverhältnisse des Kopulationsgliedes und schließe auch die Skeletttheile, so weit ich es für nöthig finde, in die Betrachtung ein. Von den beiden Exemplaren von Cesiracion Philippi, die mir zur Untersuchung vorlagen, wies das eine nur sehr unentwickelte, das andere hingegen völlig geschlechtsreife Glieder auf. Die Jugendform benutzte ich hauptsächlich zur Anfertigung von Querschnitten, das entwickelte Glied diente mir zur makroskopischen Beobachtung. 40* 610 Oscar Huber, Größenangaben. A. Jugendform. Länge des 'Thieres‘ -"'.. .-. Serge Pa Länge des Gliedes . . . — 32 mm (vom vorderen Rand der Kloakl ser I:anse Wer Rinne 2 2 rn A ee mittlere Breite des diedde RE FE maximale Flossenbreite. . . . .. =55 mm, freier Theil des Gliedes 12 mm. Der Flossensaum überragt um 6 mm die Spitze des Kopulations- gliedes. | B. Entwickelte Form. Länge des Thieres .7 .. 27. 2 MT Länge. des Gliedes .' = . 0 2 2. Er (vom vorderen Rande der Kloake gemessen), Länge der Rinne. .... „2 2 a Mess «Breite des Gliedes- 7° 2727 2 Se maximale Flossenbreite 3. ı Sa freier Theil des-Gliedes _. ;:........ 27 an Die Spitze des Gliedes überragt den Flossensaum um etwa 8 cm. Äußere Form. Das geschlechtsreife Glied ist sehr stark entwickelt und steht nur an seiner Basis mit der Flosse in Verbindung. Die Beschuppung beschränkt sich auf die Ventralfläche. Die Rinne verläuft median und ist in ihrer distalen Partie von der Hautfalte 7d, überdeckt, ein Merkmal, das schon der Jugendform in ausgeprägtem Maße zukommt. Gegen die Spitze des Gliedes hin klafft die Rinne weit auf und bildet hierdurch eine Höhlung (»Grube<, PETRI). Vor der Haut- falte 7«d, liest unmittelbar über Rd ein ca. 2 em langer, massiger Hautwulst, der sehr wahrscheinlich als Schwellkörper zu deuten ist. Medial von diesem Wulste und der Falte 7d, führt ein 4 em langer Spalt in eine sehr tiefe, hinter die Knorpel 7d und Rd greifende Tasche 2. ‚Durch diese Tasche wird der Muse. dilatator vor seiner distalen Insertion zu einem großen Theil von den Skeletttheilen des Gliedes weggedrängt. Der Stachel 7, ist kurz, etwa 2 cm lang, dorsoventral abgeplattet und tritt deutlich hervor, ist aber beinahe bis zur Spitze von einer Hautfalte überzogen. Der Jugendform fehlt Die Kopulationsglieder der Selachier. 611 dieser Stachel noch vollständig, der erwähnte Hautwulst über Ad und die mediale Tasche / sind erst leicht angedeutet. | ' Muskulatur. Die Muskulatur stimmt ganz mit derjenigen von Spinaz miger überein. Auch hier streckt sich der Muse. flexor exterior (par- ticular muscle, JUNGERSEN) in die Länge, entpringt vom Septum des Muse. adductor und inserirt auf dem Muse. dilatator und am proximalen Theil von 7a;. Der Drüsensack ist kurz, er erreicht den Beckenknorpel nicht. Skelett. Schon die Jugendform orientirte mich über das Verhalten der Skeletttheille. Auf ein stark entwickeltes Basale folgen zwei kleine Knorpel 6, und d,. Dorsal, unmittelbar am distalen Ende von B entspringt %; dasselbe ist ziemlich lang, von radienartiger Gestalt und lest sich über d,, 5, und zum Theil noch über #, ohne aber diese Stücke zu berühren. Der Hauptstamm 5 ist sehr kurz, der Längsk oefficient beträgt = - Querschnitte zeigten mir deutlich in Form von verdiektem Bindegewebe die Anlagen folgender sekundärer Knorpel: Rd, Rv, Td, Tv, Td, und 7. Der letzte Radius des Flossen- skelettes ist, wie GEGENBAUR bemerkt, bedeutend verlängert und nimmt am Kopulationsapparate Theil. Im vorliegenden Präparate reicht dieser Radius bis zum Knorpel Ze. Das geschlechtsreife Kopulationsglied weist, wie schon aus der Zeichnung GEGENBAUR’s ersichtlich ist, die soeben angeführten Knorpel in ihrer vollentwickelten Form auf. £ ist hier nicht mehr als selb- ständiger Radius vorhanden, sondern zeigt sich in enger Verbindung mit d,, 6, und d. Der letzte Radius des Flossenskelettes ist der be- _ deutenden Streckung des Kopulationsgliedes nicht in gleichem Maße sefolst, er erreicht desshalb nur etwa !/; der Gliedlänge. Der Längs- koeffieient beträgt für dieses geschlechtsreife Exemplar = . Dass das Kopulationsglied von Cestracion Philippi, besonders was den Endapparat anbetrifft, deutlich die Spinaciden-Charaktere in sich trägt, ist schon von GEGENBAUR durch den Hinweis auf die große Ähnlichkeit mit Acanthias vulgaris ausdrücklich betont worden. Gleichzeitig führt auch GEGENBAUR das verschiedene Verhalten des letzten Flossenstrahles in diesen beiden Formen an. Die wesent- lichen Unterschiede zwischen den Kopulationsgliedern von Cestracion 612 Oscar Huber. und Acanthras liegen aber, wie aus Vorliegendem hervorgeht, noch in anderen Punkten. Die hauptsächlichsten Unterscheidungsmerkmale fasse ich kurz folgendermaßen zusammen: Cestracion. Auftreten eines starken Hautwulstes über Rd, sowie einer tiefen, medialen Hauttasche Z. Der Muse. flexor exterior entpringt am Septum des Muse. adductor. Zweizahl der Schalt- stücke.. 7d ist nicht hakenförmig und nicht mit Chondrodentin überzogen. Der letzte Flossenstrahl ist im Vergleich zu den übrigen bedeutend verlängert. Acanthias. Der Hautwulst über A&d und die Tasche / sind nicht vorhanden. Der Muse. flexor exterior entspringt vom Basale. Einzahl der Schaltknorpel. 7d ist hakenförmig und mit Chondro- dentin belegt. Der letzte Flossenstrahl ist im Vergleich zu den übrigen verkürzt und mit dem zweitletzten verbunden. Sceyllidae. Pristiurus melanostomus. (Taf. XXVII, Fie. 4, 5, 5a, 5b, 5e.) Obgleich die Kopulationsorgane von Pristiurus melanostomus schon von JUNGERSEN in ziemlich ausführlicher Weise beschrieben sind, sehe ich mich durch meine eigenen Beobachtungen dennoch senöthigt, sie hier nochmals einer nähern Beschreibung zu unter- ziehen. Schon eine Stelle in JunGErsEn’s Mittheilung »Über die Bauchflossenanhänge (Kopulationsorgane) der Selachiermännchen« ließ mich vermuthen, dass zwischen den Befunden von JUNGERSEN und den meinigen Differenzen bestehen müssen. JUNGERSEN schreibt an jener Stelle: »Bei solchen Haien, wo ähnliche Klauen fehlen, wie bei Seyllien und Prestiurus, können die Hautzähne als viele kleine Widerhäkchen funktioniren.< Diese Aussage wird durch meine Unter- suchungen für Pristiurus nicht bestätigt, denn bei dieser Art kon- statirte ich kein Fehlen von solch dilatatorischen Haken, sondern im Gegentheil einen sehr ausgeprägten und komplieirten Klauenapparat. Das von JUNGERSEN beschriebene Exemplar ist somit als eine un- vollständig entwickelte Form zu betrachten. Im Übrigen verweise ich, was diese Differenz anbetrifft, auf den Allgemeinen Theil dieser Arbeit, speciell auf‘ den Abschnitt »Entwicklung der Kopulations- glieder«. | Wenn nun auch die Kopulationsglieder von Pristiurus melano- stomus, Seyllium catulus und cantcula Vieles gemeinsam haben, so unterscheidet sich Pristiurus in Bezug auf die terminale Partie des Die Kopulationsglieder der Selachier. 615 Gliedes doch sehr stark von den beiden Scyllien, es ist dies eine auffallende Divergenzerscheinung innerhalb der gleichen Familie. Größenangaben. Beue: Bhievest .. 220.03... 2.47 cm, Länge des Kopulationsgliedes . . . = 59 mm (von der hinteren Ecke der Kloake gemessen), freier Khesl des Gliedes ... . 20.39 mm, maximale Breite des Gliedes . . . . = 9mm, maximale Breite des Endapparates im Zustande der Dilatation . . — ld mu) Das Glied überragt die Flossenspitze um 23 mm. Äußere Form. Schon der äußeren Form nach unterscheidet sich dieses Kopu- lationsglied wesentlich von denen der übrigen Seylliden. Das Glied ist im Vergleich zur Flosse sehr stark und massiv ausgebildet. Die beiden Flossen greifen in der für Seylliden charakteristischen Weise dorsal über die Kopulationsglieder und sind daselbst in der Median- linie des Thieres durch eine feine Membran unter sich verbunden. Der distale Theil des Kopulationsgliedes erinnert im Zustande der Dilatation gewissermaßen an das Spindelfragment eines Schnecken- gehäuses. Die scharf präcisirte Form wird gegeben durch die bei- nahe senkrecht von der Längsachse des Gliedes abstehende Klaue, deren Verbindungsmembran mit dem spiralig gewundenen Knorpel 7, durch die Hautlamelle 7 und den stark hervortretenden Knorpel Rd. Dorsal, unmittelbar über der Klaue, liegt eine ovale Öffnung o, welche den Eingang in ein Grübchen bildet; dieses wird einerseits begrenzt durch die Außenwand des Knorpels Zo, andererseits von der Innen- . seite einer starken Sehne, die vom Muse. dilatator major ausgeht und sich an der Klaue festheftet. An dieser Sehne liegt, den äußeren Rand der Öffnung o darstellend, eine Knorpelspange, welche vom Hauptstamm des Gliedes bis zur Klaue reicht. Im Zustand der Kontraktion dreht sich die Klaue nach hinten und legt sich in die Achse des Kopulationsgliedes. Hierbei wird die Öffnung o durch Anlegen der Knorpelspange (die ich mit Rc, bezeichne) an das Glied geschlossen. Der dorsale, innere Theil des Endapparates (»Grubes, PETRI) ist von einer feinen, nackten Membran ausgekleidet. Eben so ist auch die ganze Dorsalfläche des Gliedes nackt. Die Ventral- Nläche ist überall da beschuppt, wo “sie nicht von der Flosse über- 614 Oscar Huber, deckt ist. Mit besonders scharfen und spitzen Plaeoidschuppen sind diejenigen Stellen des Gliedes versehen, die bei der Dilatation am meisten peripherisch liegen und somit mit den weiblichen Geschlechts- theilen in engste Berührung kommen. Muskulatur. Die Muskulatur zeigt im Allgemeinen die gleichen Verhältnisse wie bei Seyllium catulus und canicula. Da sich bei den Seylliden von dem Muse. dilatator ein kleiner Muskel (= processus f, JUNGERSEN) abtrennt, so unterscheide ich hier zwischen einem Muse. dilatator major und einem Muse. dilatator minor. Der Muse. dilatator major ist bei Pristiurus stärker ausgebildet als bei den erwähnten Seyllien: lateral erstreckt er sich auf der Dorsalfläche des Gliedes bis an die Rinne. Der Muse. dilatator minor tritt hier nicht so stark und selbständig auf wie bei Seyllium catulus, sondern bloß als kleiner Zweig des Musc. dilatator major. Ferner ist die Verschmelzung der Musculi flexores exterior und interior eine ausgedehntere als bei den übrigen Seylliden. Der Muse. com- pressor ist nur sehr schwach entwickelt. Der Drüsensack ist im vorliegenden Exemplar außerordentlich lang. Die totale Länge, von der proximalen Öffnung des Röhren- knorpels an gemessen, beträgt 95 mm. Der Muskelschlauch über- ragt um 95 mm den Beckenknorpel und erstreckt sich bis unter die Brustflosse. In Folge der engen Öffnung des Röhrenknorpels ist der Drüsensack in seiner hinteren Partie sehr schmal, unmittelbar über dem Beckenknorpel tritt eine Erweiterung ein, die maximale Breite der Drüse beträgt an dieser Stelle 13 mm; gegen die Brustflosse hin spitzt sich der Sack wieder zu. Die Wandung des Schlauches ist sehr dünn, im Gegensatz zu derjenigen von Seyllium catulus und canicula. Skelett. Das Basale hat die Form, die auch den übrigen Seylliden ge- meinsam ist; es besitzt in meinem Exemplar eine Länge von 26 mm, das Kopulationsglied misst 48 mm, hieraus ergiebt sich der Längs- 1 E Zwischen dem Basale und dem Stammknorpel 5 liegen die beiden kleinen Knorpel 5 und £, beide von ähnlicher erbsenförmiger Gestalt (wie in Seyllium catulus und canicula). koefficient Die Kopulationsglieder der Salachier. 615 Der Stammknorpel 5 des Gliedes bildet wie m den Seyllien mit den stark entwickelten Randknorpeln Ad und Av eine voll- ständig geschlossene Röhre. Hervorzuheben ist die Gestalt des Stammknorpels. Während dieser in den vorher beschriebenen For- men einen eylindrischen, distal zugespitzten Stab darstellt, erscheint er bei Pristiurus als breiter, dorsoventral abgeplatteter Knorpel, der in seinem proximalen Theil, gegen die Dorsalseite hin, eine Rinne bildet. Pristiurus hat dieses Merkmal mit den beiden anderen er- wähnten Sceylliden und mit den zunächst folgenden Formen ge- meinsam, Der Endapparat besteht nun nicht, wie JUNGERSEN angiebt, aus fünf sondern aus neun Knorpeln. Tv ist dasjenige Stück, welches JUNGERSEN in seiner Zeichnung mit 7d bezeichnet, die Lage dieses Knorpels am entwickelten Kopu- lationsglied spricht jedoch nicht hierfür. 7v steht lateral vom End- stiel mit dem distalen Theil von ZRv in Beziehung, ist 20 mm lang und erstreckt sich in einer spiralig gewundenen Linie bis zur hintersten Spitze des Kopulationsgliedes. Proximal ist dieses Stück breit und hammerförmig, distal spitzt es sich, medial eine Rinne bildend, stachelartig zu und überzieht sich mit Chondrodentin. Es erinnert dieser Knorpel sehr an den Spinaciden-Stachel 7;,, doch wäre es unrichtig hier Homologieschlüsse aufstellen zu wollen. Td tritt medial vom Endstiel mit Rd in Beziehung; es ist ein 15 mm langer und 3 mm breiter, schaufelartiger Knorpel, leicht ge- bogen und mit der konkaven Seite der Rinne von 7» zugewendet. Tv, und 7v, sind ziemlich gleichartige circa 5 mm lange Knorpel- stücke, gegen einander gekrümmt, so dass sie zusammen eine Rinne bilden. Beide Stücke stehen mit dem proximalen Theil von 7ov in Verbindung. 7r, und Tv, hat JUNGERSEN in seiner Zeichnung als - einzelnes, mit einer Längsfurche versehenes Stück 73 angedeutet. Ich betrachte auch dies als einen Irrthum, der dem unentwickelten Zustand des Präparates zuzuschreiben ist, welches JUNGERSEN vorlag. Tv, schließt sich an die distalen Theile von 7o, und 7v; an. Es ist ein 9 mm langer, sichelförmiger Knorpel, der mit Tv, und Tv; zusammen die Klaue bildet, welche dem ganzen Endapparat sein eigen- thümliches Gepräge verleiht. Rv, ist eine 8 mm lange, um seine Längsachse gedrehte Knorpel- spange, die mittels einer zähen Sehne einerseits mit Ro, andererseits mit dem proximalen Theil der Klaue (7%, und 7r,) verbunden- ist. Der ganze Klauenapparat wird durch den Muse. dilatator major 616 Oscar Huber, eimporgezogen und vermittels dieser Knorpelspange Ar, in dieser Lage fixirt. Rd, legt sich dorsal an das distale Ende von Rdan. Es ist eine Knorpelschuppe etwa 7” mm Länge; sie ist schon in der JUNGERSEN- schen Zeichnung, wenn auch in unvollkommener Form angedeutet. Td, stellt eine weitere 1O mm lange und 4 mm breite Knorpel- schuppe dar. Dieses Stück steht in schwacher Verbindung mit dem proximalen Theil von 7d und findet sich schon in der unentwickelten Pristiurus-Form. T;, ist ein durch 7d, verdeckter 5 mm langer, bohnenförmiger Knorpel, der sich innen an Z2v anlehnt. Scylliolamnidae. Chiloseyllium punctatum. Größenangaben. Lange des Dhieres 22 a 2, 2 Länge des anche rn A RR freier Theil des Gliedes . ?. SS Breite des Gliedes . '. .,. .. „er Länge der'Rinne. . . .. . ... 2er maximale Flossenbreite. . . . — 19 nm Der Flossensaum überragt um 9 mm die En: a Kopulationsgliedes. Es handelt sich hier um eine Jugendform. Äußere Form. Das dorsal nackte und ventral beschuppte Kopulationsglied ist von kurzer, gedrungener Gestalt. Die Rinne verläuft in der Mittel- linie des Gliedes. Hautfalten, wie sie bei anderen Formen vorkommen, sind hier nicht vorhanden; hingegen findet sich dorsal auf der Innen- lippe eine kleine Hauttasche. Muskulatur. Die Muskelverhältnisse sind im Wesentlichen die der Seylliden: auch hier entspringt der Musc. flexor exterior vom Septum des Muse. adductor. Der Drüsensack ist diekwandig, eirca 1 cm lang, das proximale Ende erreicht den Beckenknorpel nicht. Skelett. Aus dem Skelett konnte ich nur ersehen, dass zwischen B und 5 die Knorpel d, und £ liegen, die in Form und Gestalt mit den Die Kopulationsglieder der Selachıer. 617 entsprechenden Stücken der Seylliden und Lamniden überein- stimmen. Lamnidae. Lamna cornubica. (Taf. XXVII, Fig. 6.) Eine unvollständig entwickelte männliche Ventralflosse ergab mir folgende Verhältnisse: Größenangaben. Baneze des Ehieres circa. —. .....,.— 1ım, Eneerdes Kopulationszliedes. .. ... = 26,5,.em, Fa Rheilldes Gliedes. - .. ..:.. .. = 13, Dem, maximale Breite des Gliedes . . . . = 24m, Bszeder Rmme . . =. 02.2... ld cem, mrramale Rlossenbreite . ... . 2... 10cm. Das Kopulationsglied überragt die Flossenspitze um 8,7 cm. Außere Form (Textfig. 3). JUNGERSEN giebt eine ausführliche Beschreibung des geschlechts- reifen Kopulationsgliedes einer 2,5 m langen Lamna cornubica. Das vorliegende Exemplar weist trotz den ziemlich bedeutenden Größenverhältnissen noch einen völlig unentwickelten Zustand auf. Die äußere Gestalt ist in beiden Fällen sehr ähnlich; nur fehlt der schlanken Jugendform der hervorragende Dorn 7,, auch treten hier die einzelnen Haut- falten, weil die stützenden Terminalknorpel noch fehlen, nicht so deutlich auf, wie es beim ge- schlechtsreifen Kopulationsglied der Fall ist. Muskulatur. Bei der Besprechung der Weichtheile ist das reichliche Vorhandensein von zähem Bindege- webe und starken Fascien zu betonen. Die ganze dorsale Partie, wie auch das ganze Endstück des Gliedes besteht fast nur aus zähem Binde- gewebe. ‚Die Muskulatur bewahrt einen primi- tiven Charakter, indem die einzelnen Partien Textfig. 3. noch nicht scharf von einander getrennt sind. Primitiv zeigt sich auch besonders die dorsale Flossenmuskulatur, denn die Differenzirung in die 618 Oscar Huber, einzelnen Bündel ist hier noch kaum angedeutet. Muse. flexor interior und exterior sind deutlich vorhanden, letzterer entspringt vom Septum des Muse. adductor und verschmilzt distal mit dem Muse. flexor interior. Beide zusammen laufen in eine Fascie aus, die sich über die Dorsalfläche des Kopulationsgliedes hinzieht. Auf der Ventral- seite der Flosse verschmelzen die tiefen Schichten des Muse. ad- duetor und Muse. dilatator. Oberflächlich lagert sich der Muse. adduetor über den Muse. dilatator und geht in eine breite Fascie über, welche den ganzen Musc. dilatator überzieht. Medial greift der Muse. dilatator nur sehr wenig auf die Dorsalseite des Gliedes über, lateral gar nicht. Der Muse. compressor ist sehr schmal, erstreckt sich weit nach hinten und verläuft lateral. Der Drüsensack zieht sich als 14cm langer, 1 cm breiter, diekwandiger Schlauch nach vorn. Er überragt nur um einige mm den Beckenknorpel und schwillt proximal keulenartig an, die Breite misst an dieser Stelle 1,9 em. | Skelett. Das Skelett dieses unentwickelten Kopulationsgliedes besteht nur aus dem Stammknorpel d. > und 5, verhalten sich wie bei den Seylliden. Das Basale misst SO mm, der Anhang 150 mm, der Längskoefficient ist somit 5° Der Knorpel 5 stellt, wie schon für Pristiurus erwähnt wurde, einen gut ausgebildeten Rinnenknorpel dar. Die Rinne hat die Form einer tiefen, dorsalen Mulde, welche distal allmählich verschwindet, indem dort 5 in einen dünnen, eylindrischen Endstiel übergeht. Die maximale Breite dieses Rinnenknorpels beträgt 14 mm. Es zeigt dieser Fall (wenn auch später die Randknorpel Rd und Rr zur Aus- bildung gelangen), dass eine Rinne ohne Beihilfe von Av und Aa, selbständig aus einem einzigen Knorpel entstehen kann. Oxyrhina Spallanzani. Von einer ca. 1,5 m langen Ozyrkina Spallanzani stand mir ein Trockenpräparat der rechten männlichen Bauchfiosse zur Verfügung. Ohne Zweifel handelt es sich hier um ein vollständig entwickeltes Kopulationsglied. Größenangaben. Basale .. 7... sster D.malsseis Aus. Dion Anhang N. WS ee Der Längskoeffieient ist somit = os Li Die Kopulationsglieder der Selachier. 619 Skelett. Das Kopulationsglied verhält sich in allen Skeletttheilen über- einstimmend mit demjenigen der geschlechtsreifen Zamna cornubica. Auch Ozyrkina weist die vier Endknorpel 7v, 7d, T, und 7, auf. Die Unterschiede gegenüber Zamna sind nur nebensächlicher Natur, sie beziehen sich nur auf geringe Form- und Größendifferenzen der einzelnen Knorpel. 73 ist bei Ozyrhima stärker entwickelt als in der von JUNGERSEN abgebildeten Zamna cornubica. T, hat im vor- liegenden Exemplar eine Länge von 20 mm, ist an seiner Basis sehr breit und gestaltet sich distal zu einem spitzen, mit Chondrodentin ausgerüsteten Dorn. Deutlich sichtbar ist auf der Ventralfläche dieses Trockenprä- parates das besondere Verhalten der biegsamen Stelle im Stamm- knorpel des Kopulationsgliedes.. Da wo der Hauptstamm 5 in den Endstiel g übergeht, hebt sich ein Streifen von 20 mm Länge zufolge der fehlenden Kalksubstanz scharf von den angrenzenden verkalkten Partien des Stabes 5 ab. Mustelidae. Sowohl von Mustelus vulgarıs als auch von Mustelus laevis konnte ich mehrere Exemplare der Prüfung unterziehen. Mustelus laevis. "Pat. XXVYMZ BT 4) Größenangaben. Bause des; 'Ehieres. ca, 227727222. °. 13m, Länge des Kopulationsgliedes . . . . . 184 cm, Banse der Rinne. SC, maximale Breite des Cliees BEL 1,2 2ICH: smeren- Theil’des Gliedes. 3 pr 792322277, D em, maximale Flossenbreite . . . . 2.2...6,7cm. Außere Form. ‚Da JUNGERSEN allein von Mustelus antarctieus (vulgaris) die Skeletttheile eines Trockenpräparates beschreibt, so bleiben mir noch die übrigen Verhältnisse für die beiden einheimischen Musteliden im Nachfolgenden zu berücksichtigen. Das Kopulationsglied ist, im Vergleich zur geringen Ausdehnung der Flosse, sehr kräftig entwickelt. Es spitzt sich gegen hinten rasch 620 Oscar Huber, zu und ist im Endtheil leicht medial gebogen. Die Beschuppung beschränkt sich auf die Ventralfläche, nur lateral greift sie etwas dorsal über. Die Rinne verläuft in der Mittellinie der Dorsalfläche, distal erfährt sie durch die Lage des Knorpels 7d, eine Gabelung. Im vorliegenden Exemplar befindet sich der Endapparat im Zustand der Dilatation. Der Hauptstamm 5 ist an seiner biegsamen Stelle nach der Ventralseite hin gebogen. In Folge dessen stehen die Haut- falten, welche die Knorpel ARd,, Td, und 7, einschließen, mit ihren scharfen Kanten deutlich hervor und Öffnen hierdurch die Rinne. Keiner der Endknorpel durchbricht die Haut. Medial von Ad, führt eine Hautfalte in die Tasche / und lateral von 7, eine solche in die Tasche 77 Muskulatur. Der Muse. flexor interior und der Muse. flexor exterior sind stark ausgebildet, der erstere entspringt am Basale, der letztere vom Septum des Musc. adductor. Beide Flexoren sind mit Aus- nahme der vordersten Zipfel mit einander verwachsen, sie überdecken desshalb zum größten Theil den Musc. adductor. Distal inseriren die beiden Flexoren am Endtheil des Basale und an d,, ein Theil des Musc. flexor exterior greift über den Muse. dilatator. Letz- terer ist ventral scharf von dem Muse. adductor abgesetzt und legt sich sowohl medial als lateral auf die Dorsalseite des Kopulations- sliedes über. Der Muse. compressor liegt dorsal und verläuft in der Mittellinie des Gliedes.. Er bildet die Außenlippe der Rinne und steht distal durch Bindegewebe mit dem Knorpel 7, in Ver- bindung. Der Drüsensack verhält sich wie bei Zamna cornubica, nur sind die Größenverhältnisse hier etwas bedeutender. Die maximale Breite beträgt 1,7 em. Die Länge konnte ich nicht ermitteln, da der Schlauch unmittelbar vor dem Beckenknorpel abgeschnitten war; zweifellos erstreckte er sich noch weit nach vorn. Skelett. Das Basale ist distal leicht nach innen gebogen, seine Länge beträgt 68 mm, die Länge des Anhanges misst 110 mm, der Längs- koefficient ist somit er Das gleiche Verhältnis erhielt ich auch für zwei andere Exemplare von Mustelus laevis. b, und £ sind wie bei Lamna cornubica beschaffen. Die Randknorpel Rd und Ro sind Die Kopulationsglieder der Selachier. 621 sehr kräftig ausgebildet und berühren sich beinahe in der Mittellinie des Gliedes. Die Rinne ist in ihrer Mitte, auf der Strecke von etwa 1 em, sehr eng, proximal und distal erweitert sie sich; der Haupt- stamm d, der wie in den vorigen Formen einen Rinnenknorpel dar- stellt, geht in einen breiten Endstiel über. Die Zahl der Endknorpel beträgt fünf, sie setzt sich zusammen us: Td, Tv, Tad,, T, und Rd. Keines dieser Stücke ist mit Chon- drodentin versehen. Die beiden hintersten Flossenstrahlen sind mit einander ver- wachsen, sie legen sich genau dorsal über die Rinne und bilden die Träger des Muse. compressor. Mustelus vulgaris. (Taf. XXVII, Fig. 8, 8a.) Größenangaben. Banecdes Khieres ea. ... -» ..... . 120m, Länge des Kopulationsgliedes. . . . . 177 cm, Panse der. Rinne: ., .... 1 las 10,0, em, maximale Breite des il ee niet 1ü.che; seien Pheil des Gliedes . . . ......8&em, mazsimale Klossenbreite‘....' ..... .:..%4 cm. Äußere Form. Die Größenangaben zeigen, dass dieses Kopulationsglied länger und schmäler ist als dasjenige von Mustelus laevis; im Übrigen ver- halten sich die Kopulationsglieder dieser beiden Arten äußerlich übereinstimmend. Wesentlich verschieden ist bei diesen Musteliden die Form und die Größe der Ventralflosse sowie deren Beziehung zum Kopu- _ lationsglied. Ich trete auf diesen Punkt erst am Schlusse dieses Abschnittes ein. Muskulatur. Im Allgemeinen stimmt die Muskulatur mit derjenigen von Mustelus laevis überein. Die beiden Flexoren sind hier etwas schwächer ausgebildet, wodurch der Muse. adductor dorsal mehr hervortritt. Der Muse. flexor exterior greift hier nicht so weit über den Muse. dilatator wie in Mustelus laevis. Der Drüsensack verhält sich wie in Mustelus laevıs, 622 Oscar Huber, . Skelett. Wenn auch die nahe Verwandtschaft dieser beiden Musteliden in den Skeletttheilen der Kopulationsglieder in hohem Maße zum Ausdruck gelangt, so sind immerhin wesentliche Unterscheidungs- merkmale zu verzeichnen. Meine Befunde stützen sich nicht nur auf die Beobachtungen an zwei Mustelus-Exemplaren, sondern auf die Untersuchung mehrerer geschlechtsreifer, ungefähr gleich großer Formen; dieselben wiesen sowohl für die eine als auch für die andere Art typische und konstante Verhältnisse auf. Das Basale ist an seinem distalen Theil viel stärker nach innen gebogen als bei Mustelus laevıs, es hat eine Länge von 52 mm, das Kopulationsglied misst 115 mm, der Längskoefficient ist somit =; - Da nun diese Größe für Mustelus laevis nur “= beträgt, so ergiebt sich für Mustelus vulgaris eine viel intensivere Streckung des Kopu- lationsgliedes. Neben dieser stärkeren Streckung weist dieses Glied, Mustelus laevis gegenüber, besonders in seinem mittleren Abschnitt eine be- deutende Verschmälerung auf. Das Skelett des Gliedes ist in seiner mittleren Partie bei Maustelus laevıs 11 mm, bei Mustelus vulgaris 7 mm breit. Dieses Verhalten ist auch sehr leicht erklärlich, indem die Abnahme der Querdimension mit einer Zunahme der Längs- dimension im Zusammenhang steht. Die übrigen Unterscheidungs- merkmale gegenüber Mustelus laevis stelle ich folgendermaßen zu- sammen. Der Stammknorpel 5 ist bedeutend schmäler und geht demgemäß auch in einen viel schmäleren Endstiel über. Ad und Ro sind schwächer ausgebildet. Ihre gegenseitige Berührung auf der Mittel- linie des Gliedes ist eine viel innigere, der enge Theil der Rinne erstreckt sich über ca. 3 cm Länge. Der Knorpel 7@ ist mit Chon- drodentin überzogen und zu einem unbeweglichen Stachel ausge- bildet, welcher die Haut nicht durchbricht. Auf der Ventralseite des Gliedes ist eine kleine, 17 mm lange, 5 mm breite, nach hinten spitz endende Knorpelplatte vo vorhanden, die proximal mit Av in Verbindung steht. Aus Allem geht hervor, dass sich diese beiden Mustelus-Arten in ihren männlichen Hinterextremitäten deutlich von einander unter- scheiden. E. MorEAU unterscheidet nach den Angaben von J. MÜLLER diese beiden Mustelus-Arten auf Grund der Beschaffenheit der Die Kopulationsglieder der Selachier. 623 Zähne und der verschiedenen Ausbildung der Brustflossen folgender- maßen: Dents n’ayant pas de saillie pointue sur le cöte externe; peetorales s’etendant jusqu’au dessous du quart ou du tiers an- terieur de la 1'° dorsale Mustelus vulgaris. Dents portant une saillie pointue sur le cöte externe; pecto- rales atteignant A peine au dessous de l’origine de la 1:° dorsale Mustelus laevis. Im Anschluss daran ließe sich nun auch eine Diagnose auf Grund der männlichen Ventralflosse aufstellen, die unterscheidenden Merkmale stelle ich folgendermaßen zusammen: Der laterale Flossensaum bildet eine konkave Linie, der distale Theil der Flosse endet in einen langen Zipfel, dessen Spitze il Der Knorpel 7d hat sich zu einem unbeweglichen Chondro- dentinstachel umgebildet. Vorhandensein eines kleinen ventralen Deckknorpels v Mustelus vulgaris. Der laterale Flossensaum bildet eine gerade Linie; der distale Theil der Flosse endet in einen kurzen Zipfel, dessen Spitze dem Kopulationsglied eng anliest. Längskoefficient = vom Kopulationsglied weit absteht. Längskoefficient = en art Td erscheint als weicher, nicht modifieirter Knorpel. Der ven- trale Deckknorpel v fehlt Mustelus laevıs. Galeidae. Galeus canis, Die vorliegende Extremität stammt von einem jüngeren Thier; die Skeletttheile haben ihre vollständige Entwicklung noch nicht erreicht. N Größenangaben. Länge des Kopulationsgliedes . . . . . 15cm, eier Theil des Gliedes 2 2 77 27 727°7.98% mm, Baneerder Rinne, ea car. 2.80) mm, maximale Breite des eikteekos lem, Dassimale, Breite der Klose, 2, 72.7.5% mm. Auß ere Form. Das Konularonsglied zeigt äußerlich dieselben Verhältnisse wie bei Mustelus vulgarıs. Die Hautfalten Ad, Td, und 7, sind nur schwach angedeutet, immerhin aber deutlich sichtbar. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 41 624 Oscar Huber, Muskulatur. Auch die Muskulatur und der Drüsensack sind wie in Mustelus vulgaris beschaffen. Skelett. Die Ausbildung des Skelettes steht auf der Stufe, wo die Ent- taltung des sekundären Knorpelsystems ihren Anfang nimmt. Der Längskoefficient ist naturgemäß noch eine geringe Größe. Das Basale misst 56 mm, der Anhang 84 mm, hieraus ergiebt sich der Längskoefficient —. Alle vorhandenen Skeletttheile 3, d,, £ und 5 gleichen voll- ständig den entsprechenden Stücken der Musteliden. In der An- lage begriffen sind Zd und 7v, eben so treten Rd und Ro als harte Bindegewebsstränge zu beiden Seiten von 5 auf. 5 bildet auch hier wie bei Lamna eine Rinne. Dass sich im Verlauf der weiteren Ent- wicklung auch die Endknorpel Zd,, Td, und 7, einstellen werden, dafür sprechen die drei bereits erwähnten Hautfalten. Aus diesem unvollständig entwickelten Exemplar ist zu ersehen, dass Galeus canis in Bezug auf das geschlechtsreife Kopulationsglied mit den Musteliden nahezu übereinstimmen wird. Diese Annahme ist um so mehr berechtigt, weil, wie ich glaube aus meinen Beobach- tungen entnehmen zu dürfen, die Gestalt des Kopulationsgliedes inner- halb der Gruppe, umfassend die Zamnidae, Mustehdae, Galeidae und Carcharidae, nur wenig varlirt. Carcharidae. Carcharias lamia. (Taf. XXVII, Fig. 9, 9a und.9b.) Für das vorliegende, zweifellos geschlechtsreife Kopulationsglied ergeben sich folgende Größenverhältnisse. Größenangaben. Länge des Kopulationsgliedes . . . . . 874,9 cm, freier Theil des Gliedes . ... 27% „er Iessreme maximale Breite des Gliedes . . . . . 45cm, Länge:der Rinne 2 „11.28: 28. 2 220er maximale Flossenbreite,.. .: ..:. . . ...1&0cm. Die Kopulationsglieder der Selachier. 625 Äußere Form (Textfig. 4). Das Kopulationsglied ist sehr kräftig entwickelt. Die Rinne verläuft median. Die Beschuppung verhält sich wie bei Mustelus. Die Hautfalte Rd, tritt stark hervor und überdeckt desshalb fast vollständig die unter ihr gelegene Falte Td,. Von den beiden Hauttaschen 7 und !, welche bei den Musteliden vorkom- men, ist nur die mediale 7’ vorhanden. Muskulatur. Muskulatur und Drüsensack ver- halten sieh ım Wesentlichen wie bei Mustelus. / Skelett. Länge des Basale. . . 11,5 cm, Länge des Anhanges. . 23,9 cm. Der Längskoefficient ist somit EN Auf das Basale folgen die Knorpel b, und 3, die sich in ihrer Gestalt ganz an Mustelus und Galeus anschließen. Der Stammknorpel 5 ist sehr stark ent- wickelt, er erweitert sich proximal be- deutend und bildet daselbst eine tiefe Mulde, bestimmt zur Aufnahme des Drüsensekrets. Der Endstiel ist etwa J 6 cm lang und stellt eine dünne, breite Textfig. 4. Knorpelplatte dar. Die Randknorpel Ad _ und Rv berühren sich zum großen Theil in der Medianlinie des Glie- des und sind daselbst durch Bindegewebe unter sich verbunden. Hierdurch kommt es zur Bildung einer Röhre, wie sie in vollkomme- ner Form bei den Scylliden bekannt ist. Die Zahl der Endknorpel beträgt fünf, sie setzt sich wie bei Mustelus laevis aus Tv, Td, Rd,, Td, und 7, zusammen. Alle diese Stücke stellen wohlentwickelte Knorpellamellen dar, die nach außen ziemlich scharfe Kanten aufweisen und sich distal mehr oder weniger zuspitzen. Ad, ist am stärksten ausgebildet und kommt desshalb in der äußeren Form des Gliedes am meisten zur Geltung. Lateral ee Te ep EEE N HAIR RER ER nn Ale Y f BEER = ; > ae u 2: de 41% 626 Oscar Huber, vom Endstiel liegt der größere Knorpel 7v und medial der kleinere Td. Tdy, steht mit 7@ in Verbindung und ist größtentheils von Rd; überdeckt. 7, liegt nicht wie bei Zamna und Mustelus oberfläch- lich, sondern unter 74, verborgen. Die vier letzten Flossenstrahlen sind bedeutend schwächer und kürzer als die voranstehenden und überdecken die vordere breite Öff- nung der Rinne; über diese Radien legt sich der Musc. compressor. Das Kopulationsglied von Carcharias lamia steht somit dem- jenigen der Musteliden sehr nahe, das Skelett besteht aus vier primären (B, d,, £, d) und sieben sekundären Bestandtheilen (Rr, Rd, Rd,, Td, Tv, Tds, T,), auf den Endapparat fallen fünf Knorpel, von denen keiner mit Chondrodentin überzogen ist. Zygaenidae. Zygaena tiburo, Das noch sehr junge Exemplar von Zygaena tiburo wies natür- lich nur kleine, unentwickelte Kopulationsglieder auf, immerhin gaben mir dieselben, besonders auf Schnittserien, Auskunft über ihr Ver- halten und ihre Stellung zu den vorher beschriebenen Kopulations- organen. Größenangaben. Länge des Thieres . . en: Länge des Kup un freier Theil des Gliedes . . . . 22 Länge der Rione.. .°. . ... . m Bi maximale Flossenbreite . . . . — ‚23 Die Flossenspitze überragt das Kopulne um 5 mm. Außere Form. Eine nähere Beschreibung der äußeren Form wird durch den Hin- weis auf Carcharias unnöthig. Die Hautfalte, welche ich bei Car- charias mit Rd, bezeichnet habe, tritt hier in gleicher Form nur in relativ stärkerem Maße auf. Skelett. Makroskopische wie mikroskopische Untersuchungen ergaben mir folgende Skelettverhältnisse. Das Basale übertrifft an Länge noch den Anhangsknorpel. Zwischen B und 5 liegt, ganz wie in den vorherbeschriebenen Die Kopulationsglieder der Selachier. 627 Formen, ein erbsenförmiger Schaltknorpel d, und ein dorsal auf- gelagertes Stück $. Der Stammknorpel zeigt in seinem proximalen Abschnitt die nämliche Rinnenbildung, die für Carcharias erwähnt worden ist. Die äußere Form und die primären Skelettbestandtheile dieses Kopulationsgliedes stimmen somit im Wesentlichen mit Carcharias lamia überein, es wird dies wahrscheinlich auch für die Muskulatur, Drüse und sekundären Knorpel zutreffen. Pristidae. Aus der Familie der Pristidae untersuchte ich die Kopulations- glieder von Pristis cuspidata und perotteti. In beiden Fällen handelt es sich um Jugendformen, die mir nur Aufschlüsse über das Stammes- skelett geben konnten. Immerhin sind diese Befunde nicht ganz werthlos, da sie die Stellung dieser Kopulationsglieder, gegenüber den bereits beschriebenen Formen, näher bestimmen. Pristis cuspidata. Größenangaben. Länge des Kopulationsgliedes . . . = 56 mm, maximale Breite des Gliedes . — > mm, Länge der Rinne . ie — 14 mm, maxımale Flossenbreite -; ... . . . = 356 mm. Äußere Form. Flosse und Kopulationsglied sind nackt. Das Glied selbst ist schlank, spitzt sich gegen hinten langsam zu und reicht daselbst ge- nau bis zur Flossenspitze; die Rinne verläuft lateral. Muskulatur. An beiden Pristiden konnte ich nur den Verlauf des Muse. flexor exterior mit Sicherheit feststellen; dieser verhält sich, wie ihn JUNGERSEN für Rhinobatus beschreibt. Der Drüsensack ist wie bei den Rajiden von nierenförmiger Gestalt; 11 mm lang und 4 mm breit. Leider konnte ich die Pristidendrüse keiner näheren Prüfung unterziehen. Das Verhalten des Kopulationsgliedes, das sich in den vorhandenen Theilen eng an Rhinobatus anschließt, lässt hingegen annehmen, dass auch hier, wie bei ZAhinobatus, der Typus der Rajidendrüse vorliegt. 628 Oscar Huber, Skelett. Das Basale ist relativ sehr lang, schwach nach innen gebogen und verschmälert sich stark in seinem distalen Theile, seine Länge beträgt 25 mm. Auf das Basale folgen drei Schaltglieder 2,, 5», b, (Zehinobatus besitzt deren vier), d, ist 4 mm, 2, und d, je 2,5 mm lang. b, und d, tragen je einen Flossenstrahl, diese beiden sind unter sich verbunden und liegen in dem lateralen Theil des Kopulationsgliedes. Ein mit dem Stammesskelett verbundenes Stück £ ist hier nicht vorhanden. Pristis perotteti. Größenangaben. Länge, des 'Thieres '.. .. »ı „.ub. ar Länge des Kopulationsgliedes. . . . = 30 mm, freier Theil des Gliedes. =: 1 om Länge der Rinne . — 4 mm. Äußere Form. Die Spitze des Gliedes steht einige mm hinter der Flossenspitze zurück, Flosse wie Glied sind vollständig beschuppt. Die Rinne liegt lateral wie in Pristis cuspidata. Skelett. Das Basale ist stark ausgebildet und verbreitert sich gegen hinten, seine Länge beträgt 27 mm. Zwischen Basale und dem Stammknorpel liegen wie in Pristis cuspidata die drei Schaltglieder d,, d, und d;; jedes 4 mm lang, b, ist proximal bedeutend breiter als 6, und 5,, es trägt dorsal das Stück %. Dieses ist radienartig ausgebildet, ca. 20 mm lang; es erstreckt sich über 5, und 5; ohne dieselben zu be- rühren und verbindet sich distal durch Bindegewebe mit dem proxi- malen Theil von d#. Der Hauptstamm 5 geht allmählich in Binde- sewebe über, seine Länge beträgt ca. 10 mm. Es ist zu betonen, dass das unentwickelte Kopulationsglied von Pristis in der Gestalt des Stammesskelettes, in dem mehrfachen Auf- treten der Schaltglieder und in der Form von £ viel Verwandtes mit dem Glied von Rhinobatus (und auch Ahrno) aufweist, weitere Untersuchungen bestätigen dies vielleicht für das geschlechtsreife Pristiden-Kopulationsglied. Die Kopulationsglieder der Selachier. Trygonidae. Trygon spec.? (Taf. XXVIIL, Fie. 10, 10a.) 629 Von einer mir unbekannten Trygon-Art erhielt ich für die männ- liche Hinterextremität folgende Größenverhältnisse. Größenangaben. Länge des Kopulationsgliedes . — 22 cm (von der Kloake an gemessen), freier Theil des Gliedes . maximale Breite des Gliedes Länge des Rinne maximale Flossenbreite :=.lh9 em, =. Diem, — 14 cm, — 12, cm. JUNGERSEN giebt eine ausführliche Beschreibung des Kopulations- gliedes von Trygon violacea. Im Allgemeinen stimmen meine Be- funde mit denen für die letztgenannte Art überein; immerhin sind Unterschiede vor- handen, welche deutlich erkennen lassen, dass es sich hier um verschiedene Arten handelt. Äußere Form (Textfig. 5). Das Kopulationsglied weist eine sehr kräftige Gestalt auf. Die Rinne beginnt median und zieht sich distal lateral. Der Knorpel 7v tritt stark hervor und verursacht hierdurch eine Spaltung der Rinne in einen medialen und einen lateralen Theil, letzte- rer führt in eine weite Tasche, die JUNGER- SEN mit 7 bezeichnet. Das ganze Kopu- lationsglied ist nackt. Die Haut zeigt an verschiedenen Stellen, namentlich über der Innenlippe des Gliedes eine eigenthümliche Oberflächenbeschaffenheit, die ich hier kurz erwähnen möchte. An diesen Stellen weist die Haut dicht gedrängt viele polygonale Textfie. 5. Vertiefungen auf. Hierdurch entstehen vielseitige, erhabene Haut- leisten. Diese treten durch ihre dunkle Färbung deutlich über der heller gehaltenen Grundfläche hervor und bringen auf diese Weise 630 Oscar Huber, eine netzartige Zeichnung zu Stande. Diese Erscheinung hat wahr- scheinlich die Bedeutung eines Haftapparates, indem sie eine innige Verbindung zwischen dem Kopulationsglied und den weiblichen Ge- schlechtstheilen bezweckt. Es scheinen JUNGERSEN diese Bildungen, die auch bei Rochen (Raya clavata) vorkommen, entgangen zu sein. Muskulatur. Die Muskulatur ist sehr wenig differenzirt; die einzelnen Mus- keln sind, wie in Z’rygon violacea nur undeutlich von einander ge- trennt. Muse. adductor und Muse. flexor interior sind eng unter sich verbunden. Der Muse. flexor exterior entspringt ge- meinsam mit dem Musc. adductor vom Beckenknorpel. Lateral ist dieser Muskel deutlich von den übrigen Muskelpartien getrennt, medial hingegen mit dem Musc. adductor verschmolzen; distal ver- bindet er sich in der Gegend der Schaltglieder mit dem Muse. dila- tator. Der Muse. dilatator setzt sich proximal nicht von der übrigen Muskulatur ab, auf der Dorsalseite des Gliedes tritt er medial stark, lateral nur schwach hervor. Der Muse. compressor zieht sich als kräftiges Bündel über den letzten Flossenstrahl hin und in- serirt distal an der Innenfläche von ». Der Drüsensack tritt ventral, wie in Trygon violacea, nicht deutlich hervor, indem die Fasern des Musc. adductor direkt in die Drüsenmuskulatur übergehen und nur die vorderste Spitze derselben frei lassen. Im Innern des Sackes liegt, längs des Knorpels 5, der Drüsenkörper. Dieser ist von eylindrischer Gestalt, an beiden Enden zugespitzt, 11 cm lang und ca. 1 cm breit, er erstreckt sich distal weit in die Rinne hinein und legt sich daselbst dem Knorpel Av an. Skelett. Die Länge des Basale beträgt 538 mm, die des Anhanges 190 mm. Hieraus ergiebt sich der Längskoefficient = - Zwischen B und 5 liegen die Knorpel d, und d,, diese weisen ungefähr die gleichen Formen auf wie in Trygon violacea; beide sind 20 mm lang, 2, ist ungefähr doppelt so breit als das eylindrisch geformte d, und trägt die beiden hintersten Flossenstrahlen. Das Stück £ ist radienartig ausgebildet und erstreckt sich von d, bis genau an das proximale Ende von Rd. Der vordere breite Theil von £ steht weit vom Achsenskelett ab, der distale schmale Theil legt sich auf die Dorsal- fläche von d; die Länge von £ misst 78 mm, die maximale Breite 7 mm. Die Kopulationsglieder der Selachier. 631 Der Stammknorpel 5 des Gliedes ist in seinem vorderen Theil ziemlich stark verkalkt, im Gebiete des Endstiels hingegen weich. Der Endstiel ist lang, er überragt sogar distal die Terminalknorpel. b weist auf seiner Ventralseite 55 mm vor der Spitze des Endstieles eine eigenartige Bildung auf. Während in den Kopulationsgliedern der übrigen Selachier der hyaline Knorpel 5 an dieser Stelle zu einem besonders strukturirten elastischen Knorpel wird, der eine aus- ‚giebige Biegung des Terminalapparates erlaubt (ich verweise auf den allgemeinen Theil »Skelett«), kommt es bei der vorliegenden Trygon- Art merkwürdigerweise zur Ausbildung eines wohlentwickelten Halbgelenkes. Die Gelenkrinne dieses Halbgelenkes erstreckt sich äußerlich über die ganze ventrale Breite von 5 (” mm), d.h. von Rd bis Rv und verläuft schief nach hinten in den Knorpel 5 hinein. Die vor- dere Gelenkfläche besitzt einen deutlichen ca. 2 mm hohen Gelenk- kopf, in Form eines gut ausgebildeten, kugeligen, seitlich etwas zu- sammengedrückten Knorpelhöckers. Die hintere Gelenkfläche weist eine dem Gelenkkopf entsprechende Gelenkgrube auf. Dieses hintere Gelenkstück bildet einen festen Gelenkknorren, der sich einige mm über die Ventralfläche des Stammknorpels erhebt und sich vorn über den Gelenkkopf lest. Auf der dorsalen Seite von d ist keine Spur dieses Halbgelenkes sichtbar; 5 geht hier ununterbrochen in den Endstiel über. Das Auftreten eines solchen Halbgelenkes konstatirt JUNGERSEN weder an Trygon violacea noch an irgend einer anderen Form. Auch mir ist diese Bildung nur in der vorliegenden Trygon- Art und merkwürdigerweise nur am linken Kopulationsglied be- segnet. Ich komme im Allgemeinen Theil bei der Behandlung des Skelettes nochmals auf dieses Halbgelenk zurück. Die Randknorpel Ad und Rv sind ungefähr gleichgestaltet wie in Trygon violacea, eben so bieten 74 und To keine wesentlichen Abweichungen; es sind Knorpel mit fast messerscharfen Kanten. Etwas verschieden von Trygon violacea verhält sich die ventrale Partie des Endapparates. Während JUNGERSEN für Trygon violacea zwei sichtbar von einander getrennte Stücke vo und vo, erwähnt, ist bei der vorliegenden T’rygon-Art nur ein einziger Knorpel v zu ver- zeichnen; ich komme desshalb für die Terminalstücke nicht auf die Zahl vier, sondern auf drei. o trägt jedoch auch hier keinen ganz einheitlichen Charakter, der distale Theil weist einen 26 mm tiefen, schräg lateral verlaufenden Einschnitt auf, durch welchen der Knor- pel Zv zum Vorschein kommt. Dieser Einschnitt geht proximal in 632 Oscar Huber, and eine Furche über. Einschnitt und Furche bilden zusammen eine Linie, die den Knorpel © in zwei Partien scheidet, welche in Form und Gestalt ziemlich genau mit vo und v, in Trygon violacea übereinstimmen. Ob es sich hier um eine sekundäre Verwachsung von vo und v, oder um einen beginnenden Spaltungsprocess von v handelt, ist schwierig zu entscheiden. Einer besonderen Erwähnung bedürfen noch die beiden hintersten Flossenstrahlen, welche sich funktionell in den Dienst des Kopulations- sliedes gestellt und desshalb auch morphologisch umgebildet haben. Diese Strahlen stehen mit d, in Verbindung und unterscheiden sich durch ihren ungegliederten Habitus und die bedeutend stärkere Aus- bildung von den übrigen Radien. Der letzte Strahl, welcher in seiner Gestalt viel Ähnlichkeit mit 8 aufweist, ist sehr stark ausgebildet, seine Länge misst 66 mm, die Breite an der Basis 10 mm. Die An- deutung einer sehr schwachen Furche lässt vermuthen, dass dieser Radius wahrscheinlich als Verwachsungsprodukt zweier Radien auf- zufassen ist. Dieser Radius ist durch Bindegewebe mit dem zweit- letzten, etwas schwächer ausgebildeten verbunden; beide Radien zu- sammen werden wiederum mittels zähen Bindegewebes an der vor- deren, lateralen Ecke von Zov festgehalten und stehen hierdurch in direkter Beziehung zum Kopulationsglied. Taeniura motoro. Ein Exemplar von 45 em Länge (incl. Schwanz) und 22 cm maximäler Breite ergab für die männliche Hinterextremität folgende Größenverhältnisse. Größenangaben. Länge des Kopulationssiedes -.. .. =68 mm (von der Kloake an gemessen), freier Theil des Gliedes — 38 mm, maximale Breite des Gliedes . . . . = 20 mm, Länge der Rinne: ...; 222.0... se arme maximale Flossenbreite . — 70: mm: Äußere Erscheinung (Textfig. 6). Das vollkommen nackte Kopulationsglied ist scharf von der Fiosse abgesetzt und dorsoventral abgeplattet. Die Rinne verläuft wie in Trygon. Die Dorsalfläche des Gliedes weist in seiner ter- minalen Partie eine mediale Hauttasche 7 und eine laterale r da Die Kopulationsglieder der Selachier. 633 die erstere führt unter den Knorpel Ad, die letztere zwischen Tr und v. Bei den untersuchten Trygon-Arten kommt nur 7 vor. Muskulatur. Die Muskulatur verhält sich wie in Z’rygon. Der Drüsensack ist relativ sehr klein, ziemlich diekwandig und von birnförmiger Gestalt; die Länge misst 35 mm, die maximale Breite 15 mm. Das vorderste Ende liegt 27 mm hinter dem Beckenknorpel. Die Verwachsung des Muskelschlauches mit dem Musc. adductor, die bei Zrygon er- wähnt wurde, findet hier nicht statt. Der Drüsenkörper, im Inneren des Sackes, ist wie in Trygon gestaltet, er ist hier ca. 30 mm lang. Skelett. Das Skelett schließt sich in seinen "Bestandtheilen eng an das von Z’rygon an. Der Beckenknorpel weist einen sehr stark entwickelten, 50 mm langen Proc. epi- pubis auf; ein Merkmal, das hingegen der Form Trygon gänzlich fehlt. Das Basale misst 19 mm, ist seit- lich zusammengedrückt und besitzt dorsal Textfie. 6. eine scharfe Kante; die Länge des An- hanges beträgt 65 mm, der Längskoefficient ist somit nn RD) Zwischen B und d liegen 5, und d,, ein jedes ist 8 mm lang. b, trägt die vier letzten Flossenstrahlen und den Knorpel %. Letz- terer ist, wie in Trygon, sehr lang, von radienförmiger Gestalt, misst 27 mm und steht distal durch Bindegewebe mit 5 in Verbindung. Rd und Rv sind wie in Trygon stark verkalkte, flache Knorpel mit zum Theil sehr scharfen Kanten. Der Endapparat setzt sich aus drei Sticken zusammen: Zr, Td und v. T7d und 7» sind gleich wie in Trygon, v zeigt hier keine Gliederung, es ist ein vollständig einheitlicher, ventraler Deckknorpel. Wie bei Zrygon, so unterscheiden sich auch hier die beiden hintersten Flossenstrahlen wesentlich von den Nachbarstrahlen. 634 Oscar Huber, Myliobatidae. Myliobatis aquila. Die vorliegenden Befunde beziehen sich auf ein embryonales Exemplar von Myliobatis agquila, sie ergeben sich hauptsächlich aus Schnittserien, die ich horizontal und median durch die Flosse an- fertigte. Größenangaben. Länge des Thieres _ ._ . . .. E22 (bis zum proximalen Ende der Dorsalflosse), maximale Breite des Thieres . . . .—= 127mm, Länge des Kopulationsgliedes. .. .= 13mm, Breite des Gliedes. —r I Mun Länge der Rinne —.. u, freier Theil des Gliedes. u Breite der Ventralflosse . — u $ Außere Form. Die Spitze des Kopulationsgliedes steht um 3 mm hinter dem Flossenrande zurück. Glied wie Flosse sind vollständig nackt. Die Rinne verläuft in der Mittellinie des Gliedes.. Zu beiden Seiten der Rinne bilden die Lippen in ihrer distalen Hälfte einen Wulst, beide Wülste berühren sich über der Rinne und lassen am Ende des Gliedes eine Vertiefung entstehen (»Grube«, PETRI). Die Hauttaschen 7 und ! fehlen dieser Jugendform. Muskulatur. Muskulatur wie Drüse verhalten sich genau gleich wie in Trygon und TZaeniura. Interessant ist das vorliegende Präparat in so fern, als es den Drüsenkörper in seiner ersten Anlage aufzuweisen ver- mag. Näheres hierüber soll im allgemeinen Theil bei der Behand- lung der Kopulationsdrüse zur Erörterung gelangen. Skelett. Die Skelettbildung ist bei dieser embryonalen Form merkwür- digerweise schon ziemlich vorgerückt. Die Länge des Basale misst 4 mm, der Anhang, bestehend aus d,, 5, und d, 6 mm; der Längs- koefficient ist somit für diese Jugendform 15: Die Kopulationsglieder der Selachier. 635 Zwischen B und 5 liegen wie in Trygon zwei ziemlich gleich lange (1 mm) Schaltglieder 5, und d,; eben so verhält sich # in Form und Lage gleich wie bei Zrygon und Taeniura. db verschmälert sich hinten zu einem ca. 1 mm breiten Endstiel, dessen distale Partie nicht scharf begrenzt ist, sondern allmählich in Bindegewebe über- seht. Zu beiden Seiten des Endstiels sind die Anlagen der Knorpel Td und Tv sichtbar. Diese Jugendform von Mylobatıs weist somit, wie aus diesem Abschnitt hervorgeht, in ihren Kopulationsgliedern verwandtschaft- liche Beziehungen zu den Formen Trygon und Taeniura auf. Es lässt sich hieraus vermuthen, dass das geschlechtsreife Kopulations- glied von Mylobatis mit demjenigen von T’rygon und Taeniura im Wesentlichen übereinstimmen wird. Ein größeres Exemplar von Mylobatis aqua, das mir später zur Prüfung überlassen wurde, bestätigt vollkommen meine Vermu- thung. Das entwickelte Kopulationsglied von Myliobatıs aguıla stimmt in allen Theilen mit dem von Taeniura motoro überein. Allgemeiner Theil. Vergleichende Anatomie der Kopulationsgiieder. Stellt man die verschiedenen Kopulationsglieder neben einander, um sie einer Vergleichung zu unterziehen, so ist leicht zu ersehen, dass es sich bei dieser Mannigfaltigkeit von Formen nicht um eine, sondern um mehrere Entwicklungsreihen handelt. Wenn sich nun auch diese einzelnen Reihen oder Gruppen durch specifische Merk- male von einander unterscheiden, so besitzen sie daneben auch Be- ziehungen, welche deutlich dafür sprechen, dass diese verschiedenen Reihen einem gemeinschaftlichen Typus zu konvergiren. Meine Beobachtungen über die Anatomie der Kopulationsglieder haben mich auf Grund gemeinschaftlicher Merkmale zur Aufstellung folgender Gruppen geführt. Gruppe A. Im Allgemeinen mit einem beweglichen, die Haut durchbrechenden Stachel und einer oberflächlich sich über die Rinne legenden Hautfalte 7d,.. Der Muse. compressor ist stark ausge- bildet und stets lateral gelegen. Das Drüsenepithel bekleidet die ganze Innenfläche des Drüsensackes. Der Stammknorpel 5 des Gliedes hat die Gestalt eines cylindrischen, nach hinten zugespitzten Stabes. — Notidanıdae, Laemargıdae, Scymnidae, Spinacidae und Cestraciontidae. Gruppe B. Die Hautfalte 7d, ist in die Rinne verlagert. Der 636 Oscar Huber, Muse. flexor exterior entspringt immer vom Septum des Musc. adductor. Der Muse. compressor ist schwach entwickelt und liegt median auf der Dorsalfläche des Gliedes, Das Drüsenepithel bekleidet die ganze Innenfläche des Drüsensackes. Der Knorpel # ist wie D, klein und von erbsenförmiger Gestalt. Der Stammknorpel b des Gliedes ist dorsoventral abgeflacht und bildet in seinem proxi- malen Theil eine Rinne. Die Randknorpel Rd und Ro sind stark entwickelt, sie reichen bis zum vorderen Ende von 5. — Seyllidae, Scylliolamnidae, Lamnidae, Mustelidae, Galeidae, Carcharidae und Zygaenidae. | Gruppe ©. Der Drüsensack birgt in seinem Inneren einen länglichen, tubulös zusammengesetzten Drüsenkörper. Die Schalt- glieder sind stets in der Mehrzahl vorhanden. Immer tritt am End- stück des Gliedes ein, seltener zwei oder drei Deekknorpel auf. — KRhinidae, RBhinobatidae, Pristidae, Torpedinidae, Trygonidae, Myliobatidae und Rajidae. Gruppe D. Das Kopulationsglied tritt in hohem Maße aus dem Flossenverband heraus, theilt sich merkwürdigerweise in drei Äste und besitzt keinen dilatatorischen Endapparat im Sinne der übrigen Formen. — COhimaeridae. Skelett. Das Skelett des Kopulationsgliedes ist aus histologisch ver- schiedenartigen Elementen zusammengesetzt. Als in dieser Hinsicht primitivster Bestandtheil ist der hyaline Knorpel, in der Form, wie er auch das nicht modifieirte Flossenskelett bildet, anzusehen. Dieser hyaline Knorpel tritt im Kopulationsglied nur da auf, wo es sich um Glieder handelt, die dem ursprünglichen Flossenskelett an- sehören. Der hyaline Knorpel kann zum elastischen Knorpel umge- staltet werden. Diese Erscheinung tritt an demjenigen Theil des Stammknorpels 5 auf, der unmittelbar in den Endstiel g überführt. Es ist dies eine besonders biegsame Stelle, welche bei der Dilatation des Endapparates eine Biegung des Stammes nach der Ventralseite hin erlaubt. Längsschnitte durch diese elastische Knorpelstelle (bei Mustelus laevis) haben mir folgendes Resultat ergeben. Der hyaline Knorpel geht an dieser Stelle allmählich in elasti- schen Knorpel mit stark hervortretender und veränderter Grund- substanz über. Diese Grund- oder Zwischensubstanz zeigt horn- artigen, faserigen Charakter, färbt sich mit Hämatoxylin nicht und Die Kopulationsglieder der Selachier. 637 tritt desshalb mit der ihr eigenen gelblichen Farbe stark aus der blau gefärbten Knorpelmasse hervor. Die Anordnung dieser Substanz richtet sich genau nach den mechanischen Zug- und Druckverhält- nissen, denen der Knorpelstab an dieser biegssamen Stelle unterworfen ist. Die gelblichen, hornartigen Stränge, die vielfach durch Anasto- mosen unter sich verbunden sind, verlaufen desshalb in der ventralen Hälfte des Knorpels, wo hauptsächlich Druck vorherrscht, radial, d.h. senkrecht zur Längsachse des Knorpels, in der dorsalen Hälfte hingegen, wo Zug vorliegt, richten sich diese Stränge tangential, d. h. ungefähr parallel zur Längsachse des Knorpels. Das querge- richtete Strangsystem ist viel stärker ausgebildet und tritt desshalb auch viel deutlicher hervor als das tangential angeordnete. Es han- delt sich hier jedenfalls um eine mechanisch zweckmäßige Knorpel- struktur, die als Resultat der Funktion selbst aufzufassen ist. Überall da, wo es gilt, solidere Skeletttheile auszubilden, tritt an Stelle des hyalinen Knorpels der verkalkte Knorpel. Verkalkt sind diejenigen Knorpelbestandtheile des Kopulationsgliedes, die nicht dem ursprünglichen Flossenskelett angehören; doch können auch die übrigen bis zu einem gewissen Grad verkalken. Der verkalkte Knor- pel unterscheidet sich äußerlich von dem bläulichen Hyalinknorpel hauptsächlich durch seine weißliche Farbe und durch die bedeuten- dere Härte. Neben diesen Skelettelementen ist hier noch ein eigenthümliches Gewebe zu erwähnen, dessen Beschreibung ich sowohl in den Hand- büchern der Histologie wie auch in den speciellen Arbeiten über die Kopulationsglieder vermisse. T, hat sich an seiner Basis noch als echtes Knorpelgewebe er- halten, das eben so allmählich an der Basis in Bindegewebe über- seht, wie es sich gegen die Spitze hin in eigenthümliches Gewebe umwandelt. Die Spitze von 7, zeigt dasselbe am ausgeprägtesten; es lässt sich in Kürze folgendermaßen charakterisiren. Es ist eine Hartsubstanz von mittlerem Lichtbrechungsvermögen, durchzogen von zahlreichen und unregelmäßigen, an die Interglobularräume erinnern- den Lückensystemen, die central mit einander verschmolzen sind. In diesen Hohlräumen befinden sich Bindegewebszellen. Nach der Peripherie hin werden diese Hohlräume immer enger, beginnen sich radıär anzuordnen und fließen wiederum in weitere Kanäle zusam- men, die unregelmäßig gewunden nach der Oberfläche hin durch- brechen. Auf der einen Seite des also zusammengesetzten Stachels scheint außerdem noch eine Rinde von soliderer Substanz zu be- 638 Oscar Huber, stehen. Eine Verwechselung mit einem eigentlichen Dentinstachel, wie wir ihn an der Rückenflosse der Spinaciden auftreten sehen, ist ausgeschlossen. Das Bindegewebe scheidet also eine Intercellularsubstanz aus, die einerseits eine Modifikation des Knorpels zu sein scheint, anderer- seits in ihrer vollkommensten Form eine gewisse Ähnlichkeit mit Dentin besitzt. Vom Knorpel ist sie unterschieden durch bedeutendere Härte, die, wenn auch vielleicht nicht der des Knochen gleichwerthig, doch an sie heranreicht. Vom Dentin ist sie dadurch verschieden, dass ihre Röhrchen nicht nach der Peripherie hin in feinste Ästehen ausgehen, sondern vermittels breiten Kanälen an die Oberfläche münden. Ich bezeichne dieses Gewebe daher als Chondrodentin. Zu ermitteln, ob sich auch bei dieser Bildung, ähnlich wie im Rücken- stachel, Schichten epithelialen Ursprunges betheiligen, überlasse ich weiteren Untersuchungen. Eigenthümlich ist, dass MARKERT in seiner Arbeit über den Rückenstachel von Acanthias den Stachel der Kopu- lationsglieder außer Betracht gelassen hat. Wir treffen dieses Gewebe, das augenscheinlich der Funktion stärkerer Festigung einzelner Knorpel dient, am ausgeprägtesten bei Spinax niger, wo sich nicht weniger als vier Knorpel (7, Tv, Td und 7d,) nach dieser Seite hin modifieirt haben. Sonst sind im All- gemeinen nur 7, und 7d mit Chondrodentin ausgestattet. Unter diese Knorpel sind ferner noch zu zählen: 7, bei Cestracion, Selache und Ozxyrhina, Tv in Pristiurus und Td bei Mustelus vulgaris. Das Chondrodentin tritt nur an den sekundären Skelettbestandtheilen des Kopulationsgliedes auf. Nach der Entstehung des Knorpels lassen sich die Skelettelemente des Kopulationsgliedes in folgende Gruppen eintheilen: Elemente des ursprünglichen Flossenskelettes. (Primäre Knorpel.) a. Elemente des Flossenstammes. b. Modifieirte Flossenstrahlen. Bindegewebsknorpel. (Sekundäre Knorpel.) Elemente des ursprünglichen Flossenskelettes. Primäre Knorpel. a. Elemente des Flossenstammes. Die Untersuchung mehrerer und verschiedener Flossen ergiebt, dass die Anzahl der Elemente des Flossenstammes, nicht wie PETRI sefunden hat, überall konstant ist, sondern, wie schon aus den Die Kopulationsglieder der Selachier. | 639 Beobachtungen von JUNGERSEN hervorgeht und wie ich bestätigen kann, varüirt. Diese Anzahl ändert sich nicht nur in den verschiedenen Gruppen, sie kann schon innerhalb der gleichen Art variiren. PETRI ist nur desshalb auf die Konstanz der Zahl vier gekommen, weil er bei Acanthias irrthümlicherweise noch den sekundären Knorpel Tv eingerechnet und in Scyllium eine Protuberanz von 2 für einen selb- ständigen, primären Knorpel angesehen hat. Zwischen dem Basale und dem Stammknorpel des Gliedes liegen stets ein oder mehrere Schaltknorpel. Die Anzahl dieser Knorpel ist im Allgemeinen für die einzelne Art konstant, doch kann sie auch variiren. So habe ich z. B. in einem circa 2 m langen Exemplar von Rhina squatina an beiden Ventralflossen, wie JUNGER- SEN drei Schaltknorpel, in einem anderen eirca 7O em langen Exemplar der gleichen Art, beiderseits nur zwei Schaltknorpel vorgefunden. Bei Spinaz niger können statt zwei auch drei solcher Knorpel vor- handen sein. Die Anzahl der Schaltknorpel verhält sich in den vier Gruppen folgendermaßen: Gruppe A. Galeus canis 1 Hexanchus griseus 2. Selache mazima t Chlamydoselache anguinea. 2? Carcharias lamia . 1 Laemargus borealıs 1 Zygaena tiburo. I Seymnus lichia. 1 Pristiophorus japomieus . 1 Gruppe €. Cestracion Philippi . 2 Rhina squatina 3(2) Centrina Salvianı. 1 Rhinobatus columnae 4 Spinax niger 2(8) FPristis euspidatus. = Centrophorus granulosus ti Pristis perotteti S Acanthias vulgaris k Torpedo marmorata . 2 Torpedo oculata 2 Gruppe B. Narcine spec. 2 Scyllium catulus 1 Trygon violacea 2 Seyllium cantcula. 1 Trygon spec. > Pristiurus melanostomus 1 are on. >) Chrlosceyllium punctatum 1 Myliobatis aquila. > Lamna cornubica . 1 Rajidae . >) Ozyrhina Spallanzamıı . 1 | Mustelus vulgarıs. li Genppe,D: Mustelus laevis 1l COhimaera monstrosa. . . 1 Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bad. 42 640 Oscar Huber, Ich betrachte die Einzahl der Schaltknorpel als den primitiven Zustand, weil sie im Allgemeinen für die genetisch älteren Formen gültig ist. Durch Theilung des einen Knorpels sind dann weitere hervorgegangen, so erreicht z. B. Ahinobatus die Vierzahl der Schalt- stücke. JUNGERSEN deutet in einer weiblichen Zaemargus-Flosse den Schaltknorpel 5 als Verschmelzungsprodukt von d, und 5,. Ich halte diese Ansicht für unrichtig, denn in den vielen mikroskopischen und makroskopischen Präparaten, die ich von männlichen und weib- lichen Flossen hergestellt habe, ist mir nirgends eine Verschmelzung zwischen einzelnen Theilen des Flossenstammes aufgefallen; es be- wahren diese Stücke, wenn sie einmal ausgebildet sind, genau die ursprüngliche Form und Begrenzung. Für die männliche Zaemargus- Flosse nimmt JUNGERSEN die Zweizahl der Schaltknorpel an, indem er ein kleines Intercalarstück als wirkliches Stammglied auffasst und mit Ö, bezeichnet. Diese Deutung scheint auf eine Überschätzung dieser genetisch völlig belanglosen Intercalarknorpel zurückzu- führen zu sein. Ich fand diese kleinen Knorpel ebenfalls an männ- lichen und an weiblichen Zaemargus-Flossen, entweder medial am Basale, wie sie JUNGERSEN einzeichnet, oder lateral, an der Basis eines Flossenstrahles. In sehr unregelmäßiger Anordnung begegneten mir diese Intercalarknorpel bei Zrkına squatina,; an einem jungen Exemplar waren keine solchen Knorpel vorhanden, in der rechten Flosse eines älteren Exemplares dagegen zwei lateral zwischen Ö, und 5, und zwischen Ö; und d, in der entsprechenden linken Flosse drei, indem lateral zwischen Z und Ö, noch eines hinzutritt.- JUNGER- SEN verzeichnet für Zrhina squatina nur einen Intercalarknorpel lateral zwischen Ö;3 und 5 gelegen und bezeichnet diesen als Knorpel ?. Dass dies nun aber nicht zutreffen kann, beweisen meine soeben dargelegten Beobachtungen, welche den morphologischen Werth, der diesen Knorpelelementen früher beigelegt wurde, in Abrede stellen. Es handelt sich hier eher um Elemente, die als abgesprengte Knorpel- theile zu betrachten sind, hierfür spricht namentlich die Unregel- mäßigkeit ihres Auftretens. Den Stammknorpel d des Kopulationsgliedes zähle ich, da er mit den Schaltstücken. in der Längsachse des Basale liegt, zu den Stammtheilen der Flosse und betrachte ihn mit JUNGERSEN als das verlängerte Endglied des Flossenstammes. Dieses Endglied stellt in der weiblichen Flosse einen mehr oder weniger kurzen, distal meist zugespitzten Knorpel dar, der, wie ich glaube meinen Beobachtungen Die Kopulationsglieder der Selachier. | 641 entnehmen zu müssen, im Gegensatz zu den Schaltgliedern eines Radienbesatzes entbehrt. Dass aber Radien auch’”mit diesem Stamm- glied in Beziehung treten können, zeigen deutlich folgende‘ Befunde an weiblichen Zaemargus-Flossen. 7 JUNGERSEN giebt eine Abbildung (Textfig. 7.A) einer weiblichen Zae- margus-Flosse, in welcher das Schaltglied d, zwei wohl entwickelte Ra- dien trägt. Der distale dieser beiden Radien liest eng dem Endglied des Stammes an, das hier in einfacher Form erscheint. Anders gestalten sich diese Verhältnisse in zwei linken, weib- lichen Zaemargus-Flos- u sen, die mir zur Unter- Textfig. a suchung vorlagen. In dem einen Exemplar (Textfig. 7B) trägt 5, nur einen Radius, ein zweiter ist mit dem Endglied des Stammes verschmolzen, letzteres ist desshalb deutlich gegabelt. Die Auffassung dieses gegabelten End- gliedes als ein solches Verschmelzungsprodukt findet in der folgenden Form ihre volle Berechtigung. In dem anderen Exemplar (Textfig. 7 C) trägt nämlich d, keinen freien Flossenstrahl mehr. Beide Radien, die in der erst erwähnten Zaemargus-Flosse (JUNGERSEN) mit d, in Verbindung stehen, sind hier mit dem Endglied verschmolzen, der proximale Radius hat hierbei seinen ursprünglichen Charakter in weit höherem Grad bewahrt als der distale. Die Thatsache, dass ein Ra- dius in engere Beziehung zu den Theilen des Flossenstammes treten . kann, ist nicht ohne Bedeutung, da sie im Folgenden auch für die Erklärung des Stückes 8 werthvoll ist. Der Stammknorpel ist meist von eylindrischer Gestalt und spitzt sich in seiner hinteren Partie, dem Endstiel, zu. In den Kopulations- gliedern der Gruppe B ist dieser Knorpel stark dorsoventral zu- sammengedrückt und bildet im proximalen Theil eine Rinne. Ge- wöhnlich setzt sich der Stammknorpel bis zur Spitze des Kopulations- gliedes fort; in einigen Fällen, wo der Endstiel sehr kurz ist, wie bei den Seylliden und den meisten Spinaciden, überragen die beiden Endknorpel 7d und Tv. | Eigenthümlich verhält sich der Stammknorpel bei Chimaera. 42* 642 Oscar. Huber, Wie dieser dreizackige Anhang der Holocephalen aufzufassen ist, steht noch in Frage. Der mediale Ast entspricht dem Stammknorpel der übrigen Kopulationsglieder; ob aber die beiden lateralen Äste ebenfalls primären Ursprungs sind, oder ob es sich hier um modifi- cirte Flossenstrahlen oder sogar um sekundäre Bestandtheile handelt, muss erst durch embryologische Untersuchungen festgestellt werden. Die Länge des Schaltknorpels mit Einschluss der Schaltglieder entspricht der Streckung des Kopulationsgliedes. Um nun dieser Streckung einen absoluten Werth beizulegen, muss man sie zunächst in Form eines Verhältnisses bringen, das für die einzelne geschlechts- reife Art auch mit dem Wachsthum eine nahezu konstante Größe darstellt. Zu diesem Zwecke bin ich, wie in der Einleitung unter »Nomenclatur« näher aus einander gesetzt ist, zur Aufstellung des Längskoefficienten gekommen, in welchem die Totallänge des An- hanges (vom distalen Ende des Basale an gemessen) auf die redueirte Länge des Basale = 1 bezogen wird. Dieses Verhältnis bleibt, wie ich aus verschiedenen Beispielen (Musteliden und Sceylliden) ersehen konnte, für geschlechtsreife Individuen derselben Art konstant. Wie diese Größe im ganzen Stamm der Selachier variiren kann, soll in der folgenden Tabelle dargestellt werden. Selbstverständlich kommen hierbei nur entwickelte Kopulationsglieder in Betracht. Von JUNGERSEN’S Arbeit konnte ich hierbei nur in so fern Ge- brauch machen, als er nur von Zaemargus die ganze Flosse abbildet. Länge des Basale: 1. Gruppe A nase ee Laemargus borealis . . . 1,4 Pristiurus melanostomus . 1,9 Seymnus lichial . . . . 13 Ozyrhina Spallanzani . 2,3 Centrina Salviani. . . . 159 Mustelus laevis EN Centrophorus granulosus . 1,6 Mustelus vulgaris. 2,2 Spinaz niger .. . . ...: 1,0% »“Oarcharıas ano 2 Acantnas" vulgarıs = EWR Cestracion! Piahppm.. 2. 2.2353 | Gruppe C. Rhina .‚squalina, u a5 Gruppe B. Torpedo marmorata.. . . 2,6 Scyllium:catulus „2.2... »L1L. Zrygon spee.n Dre Scyllium canicula. . . . 14 Taeniura motoro. . . . 33 11,3 mag vielleicht noch etwas zu klein sein, da dieses Kopulationsglied noch nicht durchaus vollständig entwickelt ist. Die Kopulationsglieder der Selachier. 643 Gruppe €. a Gruppe D. Myliobatis agula. . . . 39 Chimaera monstrosa. . . 5 Ban emonta :» . . . . ;44 Be 7... 0... 46 Be: ee . ..5 Diese Übersicht veranschaulicht deutlich eine successive Zu- nahme der Streckung innerhalb der einzelnen Gruppen, sowie von Gruppe zu Gruppe. In jeder Gruppe schwankt der Längskoeffieient zwischen einem bestimmten Minimum und Maximum. Das Maximum wird von Gruppe zu Gruppe erhöht und erreicht in der Familie der Rajidae und bei Chimaera seinen Kulminationspunkt. Eigenthümlich ist, dass die Holocephalen, die sonst in mancher Beziehung primitive Merkmale aufweisen, in dieser Hinsicht gerade die höchste Stellung einnehmen. Es steht dies in Korrelation mit den sonstigen hohen Differenzirungen, zu denen auch die Sägeplatte gehört. b. Modifieirte Flossenstrahlen. Wie sich die hinterste Partie der Flossenmuskulatur morpho- logisch verändert, um in den Dienst des Kopulationsgliedes zu treten, so ist dies auch für die letzten Flossenstrahlen in bald mehr, bald weniger hohem Grad der Fall. In ausgeprägter Form tritt diese Umgestaltung distaler Radien, z. B. in der jungen männlichen Hexanchus-Flosse (Fig. 2) hervor, welche ich im speeiellen Theil eingehend beschrieben habe. Es sind hauptsäch- lieh sechs Strahlen, die hier an dem Funktionswechsel Theil nehmen und sich desshalb von ihren Nachbarstrahlen wesentlich unterscheiden. Unter diesen sechs Radien stützen drei die kelchartige Hülle des Flossensaumes; zwei folgende sind unter sich verwachsen und bilden die lateralen Skelettbestandtheile des Kopulationsgliedes; der letzte Strahl endlich legt sich dorsal auf den Stammknorpel 5 und wird zum Knorpel . Speeiell für die Notidaniden ist diese Strahlenmodifikation auch von A. Fritsch beobachtet worden. FrırscH hebt in einer männlichen Flosse von Heptanchus einereus die eigenartige »sichel- förmige« Gestalt des letzten Strahles hervor und sucht diesen mit dem Dorn (7,) von Acanthias und mit den »sichelförmigen Haken« am Kopulationsgliede der Xenacanthiden in genetische Beziehung zu setzen. Solche Beziehungen sind natürlich unrichtig, da sowohl der Spinacidenstachel wie auch die »sichelförmigen Haken« der 644 Oscar Huber, Xenacanthiden Bestandtheile; sekundärer Natur sind und somit genetisch nicht mit Flossenstrahlen verglichen werden können. Verfolgt man nun diese Flossenstrahlen im ganzen Stamm der Selachier, so findet man, dass sie in der Gruppe A und B im All- semeinen sehr schwach entwickelt sind und hinter den Nachbar- strahlen zurücktreten; die beiden letzten Radien sind hierbei gewöhn- lich unter sich verbunden. In der Gruppe C können sich die beiden letzten Radien sehr stark entwickeln, unter sich verbunden sein und durch Bindegewebe mit dem Knorpel Av in Verbindung stehen. Ich verweise an dieser Stelle auf die Beschreibung von Trygon spec. Bei Rajiden treten diese Flossenstrahlen wieder zurück, eben so in Chimaera. Als einen modificirten Flossenstrahl betrachte ich nun, wie es schon Perrı gethan hat (ohne jedoch Belege hierfür zu liefern), auch den Knorpel %. Die Ansicht von GEGENBAUR und JUNGERSEN, ß als ein Stammglied aufzufassen, das durch longitudinale Abspaltung von den Stammestheilen entstanden ist, halte ich für unrichtig. Es giebt manche Beispiele, in denen uns £ deutlich als modi- fieirter Flossenstrahl entgegentritt, so dass es schwer fallen würde, eine andere Auffassung zu vertheidigen. Und wesshalb sollte diese Ansicht nicht richtig sein? Ich habe schon im vorigen Abschnitt, bei Erwähnung der weiblichen Zaemargus-Flosse darauf hingewiesen, dass ein Flossenstrahl in sehr nahe Beziehung zum Stammesskelett treten kann. Bei den männlichen Flossen leuchtet dies um so mehr ein, weil daselbst einige Flossenstrahlen deutlich sichtbar als Stützen funktionell dem Kopulationsgliede beigetreten sind. Als ein solches Stützglied, das seiner Funktion bald mehr, bald weniger gerecht wird, ist auch der Knorpel £ zu betrachten. Hierfür sprechen namentlich auch Beobachtungen an sehr jungen Flossen. t Von zwei demselben Mutterthier entnommenen ca. 7 em langen Embryonen von Torpedo oculata schnitt ich eine männliche und eine weibliche Ventralflosse. Die Schnittserien haben Folgendes ergeben. In beiden Flossen sind vier Stammesglieder vorhanden: BD, b,, 5 und d. Die Größenverhältnisse für B, d, und 5, sind in beiden Flossen dieselben, das Endglied 5 hingegen misst beim Weibchen 1 mm und beim Männchen 5 mm. Beim Weibchen (Textfig. 8 Z) trägt db, am proximalen und am distalen Ende einen Radius, 5, nur einen einzigen distal. In der männlichen Flosse tritt nun eine Reduktion unter diesen drei Radien ein, und zwar, wie ich aus mehreren Bei- spielen ersehen konnte, in verschiedener Weise. In der vorliegenden Die Kopulationsglieder der Selachier. 645 embryonalen, männlichen Flosse fällt der Radius von 2, und der distale von d, aus; der proximale bleibt bestehen. Dieser tritt dann später in Verbindung mit dem Stammesskelett und wird so zum Knorpel %, der in diesem Fall proximal an d, anliegt, wie ich es denn auch in der That in einer entwickelten männlichen Flosse von Torpedo marmorata (Textfig. 8 /IT) vorfand. Es können aber auch beide Radien von 5, beim Männchen zur Ausbildung gelangen; dann liegt für die entwickelte Flosse der Fall vor, den eine Zeichnung (Torpedo marmorata) (Textfig. 8 II) von JUNGERSEN zur Geltung n Br... .b, 2 b>.. = BaUE) B.. Textfig. 8. bringt. Der proximale Radius von d, ist entwickelt, der distale hin- segen ist zum Knorpel # geworden, der distal an d, anliegt. Dass ferner diese Verbindung zwischen Flossenstrahl und Stammesskelett sänzlich ausbleiben kann, beweist die Narceine spec. (Textfig. 8 /V)), für welehe JUNGERSEN das vollständige Fehlen von £ ausdrücklich hervorhebt. Ich erinnere beiläufig an das kleine Knorpelstück, das PETRI in Torpedo marmorata am distalen Ende des Basale beobachtet (r’) und als rudimentären Flossenstrahl gedeutet hat. JUNGERSEN spricht ‘ diesem Stück seine Selbständigkeit ab und betrachtet es als einen dem Basale zugehörigen Theil. Ich halte jedoch die erstere Auffassung für richtiger, denn ich fand in einer jungen Flosse von Torpedo mar- morata das gleiche Stück in vollkommen selbständiger Form vor. Es ist ausdrücklich zu betonen, dass es sich hier um Bildungsver- hältnisse von sehr variabler Natur handelt, die sich nicht an eine durchaus bestimmte Form und Zahl halten. Weitere Belege, die für die Auffassung von £ als modifieirten Flossenstrahl, sprechen, sind noch genügend vorhanden. So die Gestalt von £ in der jungen Hexanchus-Flosse (Fig. 2). trägt hier noch radien- artigen Charakter und liegt nur sehr lose mittels Bindegewebe auf dem 646 Oscar Huber, Stammesskelett auf. In einer noch unvollständig entwickelten Flosse von Cestracion Philippü fand ich 2 als deutlichen, dorsal verlagerten Radius vor, die Verbindung mit dem Stamme ist hier erst proximal hergestellt, während sie in der entwickelten Cestracion-Flosse eine vollständige, wie bei Spinaciden ist. Endlich verweise ich noch auf die radienartige Gestalt von % bei den Formen Trygon, Taeniura, Mylhobatis ete. Kurz zusammgefasst, charakterisirt sich die Form des Knorpels % in den verschiedenen Gruppen folgendermaßen. Gruppe A. / stellt einen kurzen, spindelförmigen Knorpel dar, der vollständig auf dem Stammesskelett aufliegt. Gruppe B. ? tritt stets als kleines, erbsenförmiges Knorpelstück auf, das sich eng mit den Stammestheilen verbindet. Gruppe ©. Das Verhalten von # ist hier ein verschiedenes: merkwürdigerweise fehlt es in Arhina squatina und einer Nareine spec. Dass ein Interecalarknorpel nicht als % betrachtet werden darf, habe ich schon im vorigen Abschnitt aus einander gesetzt. Sehr stark ausgebildet ist # bei Zhinobatus, Pristis, Trygon, Taeniura und Myliobatis. Seine Gestalt ist hier, wie aus dem speciellen Theil (von Trygon) hervorgeht, durchaus radienartig. In diesen Formen bilden # und die distalen, modifieirten Flossenstrahlen zusammen zwei kräftige Stützen für das Kopulationsglied, dasselbe kann desshalb in dieser Hinsicht als sehr zweckmäßig organisirt bezeichnet werden Bei Torpedo ist % kurz und stabförmig. Wiederum anders verhält sich dieser Knorpel bei den Rajiden. / ist hier von kurzer Form, dorsoventral abgeplattet und nur schwach mit den Stammestheilen verbunden. PETRI macht darauf aufmerksam, dass dieser Knorpel bei den Rajiden als Konkrescenzprodukt zweier Radien aufzufassen sei. Meine Beobachtungen bestätigen diese Ansicht. Auf Horizontal- schnitten durch eine embryonale, männliche Flosse von Raya batıs fand ich Radien, die genau distal an das Basale grenzen und sich über das Stammglied d, legen; in der entwickelten Rajiden-Flosse sind diese Elemente nicht mehr vorhanden, an ihrer Stelle liegt der Knorpel %; es ist somit anzunehmen, dass dieser sich durch Ver- schmelzung jener Radien gebildet hat. Eine deutlich vorhandene Furche auf der Dorsalfläche von £ lässt auf seine Entstehungsweise schließen. Gruppe D. Bei Chimaera stellt $ eine breite, nach hinten zu- gespitzte Knorpelplatte dar. ER Die Kopulationsglieder der Selachier. 647 Bindegewebsknorpel. Sekundäre. Knorpel. Das Skelett des Kopulationsgliedes besteht zum größten Theil aus Bestandtheilen, die erst sekundär im Bindegewebe entstehen. Diese Knorpel treten in sehr verschiedener Anzahl und Gestalt auf. Immerhin handelt es sich in dieser Hinsicht, innerhalb der einzelnen Familien, um eine Einförmigkeit, welche nur durch geringe Variationen sestört wird. Doch beweisen dann wieder die Kopulationsglieder von Spinax und Pristiurus, welche besonders im Endapparat sehr stark von den benachbarten, verwandten Formen abweichen, wie wenig dieses Organ in gewissen Fällen einem gesetzmäßigen Bauplan Rechnung trägt. Wie sich die Anzahl dieser sekundären Knorpel in den ver- schiedenen Arten verhält, soll die folgende Tabelle zur Darstellung bringen: sek. sek. Ei \ 6 Gruppe A. Knorpel Gruppe €. Knonpel Chlamydoselache anguinea . 4? RBRhina squatna. . . ..7 Laemargus borealis . . . D Rhinobatus columnae . . . 6 Bes hema, : . ...D Torpedo marmorata! 1 Eestacion Phihippü . : . 6 Torpedo oceulatal 2. ..7 Bozesolmanu. . . . 5° ; Nareme spe » 2... 02..6 ger... Rrygom voran GG Centrophorus granulosus. . 6 Trugen spec mn 9) Senthwas vulgaris... . 6 Taeniura motoren ne) G r Mylobauısı agmlanı an 05 EDpe.B. Seulli 7 pi i TATEN Dal I ER enlumrcatulus -. .. :... 6 nn en 6 Irajar elanalo an Rn) Bam cameula.. ......6 u. NE A ara, Schale 2 LO Pristiurus melanostomus. . 11 0 | kKarasnadıacma Nena ar 0) Ramna eornubica . :. :..6 re r ( al “ 6 Rajaseirenlam zen Du zyrhina Spallanzantı aha RR J p “4 kaja nidarosiensis. 2 ..8 Selache mazima. 6 Mustelus vulgaris ae Gruppe D. Brrlus laemıs.., 2.0.0 | - B AMACr POS > ins Kumia 7 Chimaera: monstrose® . °. . 0: Aber all diese verschiedenen Formen sind, wie schon JUNGERSEN bemerkt, auf eine gemeinsame Basis zurückzuführen. Überall, aus- ! Ich betrachte Rd nicht wie JUNGERSEN als gefurcht, sondern unterscheide zwei getrennte Knorpel Rd und ARds und erhalte desshalb die Zahl sieben statt sechs. 648 Oscar Huber, genommen bei den Holocephalen, legen sich die beiden Rand- knorpel Rd und Av direkt an den Stammknorpel 5, mit welchem sie zusammen eine mehr oder weniger vollständige Rinne bilden. Bei den Sceylliden kommt es zur dorsalen Verwachsung von Re und Ad, hierdurch schließt sich die Rinne zu einer Röhre. Distal mit Zv und Zd verbinden sich die Endknorpel 7v und Td, an diese schließen sich dann in größerer oder geringerer Anzahl weitere End- stücke an, die mit den ersteren zusammen den ganzen Endapparat des Kopulationsgliedes darstellen. Die einzelnen Gruppen nach diesen sekundären Bestandtheilen zu charakterisiren, fällt aus den schon angeführten Gründen schwer. Die Formen der Gruppe A weisen im Allgemeinen (Hezanchus und Scymnus?) einen wohlentwickelten, beweglichen, mit Chondro- dentin ausgerüsteten Stachel auf. In der Gruppe B tritt nament- lich die kräftige Ausbildung der beiden Randknorpel Av und Rd hervor. Der Gruppe © ist ein ventral oder dorsal gelegener Deck- knorpel eigen, der sich in zwei oder in drei Theile spalten kann. In der Gruppe D fehlen ähnliche sekundäre Knorpel vollständig. Muskulatur. Texthie. 9: Die speeialisirten Muskelverhältnisse der männlichen Ventralflosse lassen sich mit Leichtigkeit auf die einfache Muskulatur der ent- sprechenden weiblichen Flosse zurückführen. Schon DAvIDorF er- klärt den gesammten medialen Muskelbestand des Kopulationsgliedes als Differenzirungsprodukt der septo-basalen und pelvico-basalen Muskelelemente, wie sie beim Weibchen in einfacher Form vorkommen. In Frage kommt nur noch der laterale Muskelbestand, der sich nur aus dem Musc. compressor rekrutirt. Auch dieser Muskel ist keine Neubildung, sondern, wie mir meine Beobachtungen zur Genüge zeigten, einfach das modifieirte dorsale Muskelbündel des hintersten Flossenstrahles. Bei vielen Formen können auch noch das zweit- und drittletzte Bündel in den Muse. compressor eingezogen werden. Dorsal legen sich über diesen Muskel die Fasern des Stratum super- ficiale dorsale, diese verschmelzen distal mit jenen des Muse. compressor. Sehr primitiv gestaltet sich die Muskulatur der im speciellen Theil’beschriebenen Hezanchus-Flosse. Ihre Muskeldifferenzirung hat sich erst wenig von den einfachen Verhältnissen der weiblichen Ven- tralllosse entfernt. Der Musc. compressor erscheint deutlich als Dun Die Kopulationsglieder der Selachier. 649 distaler Theil des Stratum dorsale profundum. Die medialen Muskelpartien des Gliedes stellen sich noch als eine einheitliche Masse dar, von welcher sich der Muse. flexor exterior in erst unvoll- kommener Form abgelöst hat. EN IR II Textfig. 9. Die unklare und zum großen Theil unrichtige Muskeldarstellung von PETRI ist durch JUNGERSEN nur theilweise richtig gestellt worden. Ich stelle die Muskeln, die im Allgemeinen auftreten, folgendermaßen zusammen: 1) Muse. adductor: A. — Muse. adductor: A. (JUNGERSEN) 2) Musc. flexor exterior: Fle. = Muse. extensor: E. > — Partieular muscle >» (bei Spinaz). — a, (bei Seylliden) SENluse. Hlexor interior: Fli. — Muse. extensor: E. > (bei Seylliden). —= innerer Musc. extensor » (bei Ahına und Torpedo) 4) Muse. dilatator: D. — Muse. dilatator: D. > 5) Muse. compressor: S. — Muse. compressor: S. >» Die Muskeln eins, vier und fünf entsprechen somit den gleich- namigen von JUNGERSEN aufgestellten Muskeln; anders verhält es sich 650 Oscar Huber, wit den Muskeln zwei und drei. Die hier entstandenen Differenzen sollen im Folgenden dargelegt werden. JUNGERSEN erwähnt bei Torpedo und Zhina einen unter dem Musc. extensor gelegenen Muskel, erklärt sich diesen durch eine Spaltung des Muse. extensor entstanden und unterscheidet desshalb zwischen einem inneren und einem äußeren Musc. extensor. Die betreffende Stelle unter Ahina squatina lautet: »The M. adduc:or shows no derivations from the common type; the M. extensor, on the contrary, shows the pecularity of being divided into two inde- pendant museles (comp. Torpedo), an inner (medial) one, and an outer lateral) one, bordering on each other, and both originating from the basale.«< Es ist nun merkwürdig, dass JUNGERSEN diesen inneren Muse. extensor nur bei Torpedo und Rhina beobachtet hat, denn in Wirklichkeit kommt demselben eine viel allgemeinere Bedeutung zu. Nach meinen Beohachtungen findet sich dieser Muskel, den ich als Muse. flexor interior bezeichne, überall vor, nur wechselt bei den verschiedenen Formen der Grad seiner Ausbildung und dies hängt sanz vom Verhalten des Muse. flexor exterior (Muse. extensor, JUNGERSEN) ab. Der Muse. flexor exterior, dessen distales Ende stets auf dem Muse. dilatator inserirt, verhält sich nämlich in seinem proxi- malen Theil sehr ungleichartig. In dem einen Fall (z. B. bei Scymnus) (Textfig. 9 77°) entspringt dieser Muskel vom Innenrand des Basal- knorpels, er legt sich somit über den Muse. flexor interior, dieser wird hierdurch in seiner Entwicklung gehemmt und erscheint desshalb nur in schwacher, spindelförmiger Gestalt (Textfig. 9 77P). In einem zweiten Fall (z. B. bei Spinax und bei Seylliden) (Textfig. 9 7) ent- springt der Muse. flexor exterior vorn am Septum des Muse. adduetor, in Folge dessen tritt dann der Muse. flexor interior deutlich hervor, gewinnt Raum zu seiner Entwicklung und erscheint desshalb in kräftiger Gestalt. JUNGERSEN bezeichnet in diesem Fall, wie ich verstehe, den Musc. flexor interior als Muse. extensor, den verlagerten Muse. flexor exterior nennt er bei Spinax »parti- cular muscle<; bei den Scylliden belest er diesen Muskel mit dem Buchstaben a. Diese Fehler sind somit auf die Unklarheit über das Verhalten des Muse. flexor exterior zurückzuführen. In einem dritten Fall nimmt der Muse. flexor exterior eine Zwischenstellung ein; er entspringt zum Theil ganz vorn am Basale und zum Theil am Beckenknorpel (Taeniura und Torpedo) (Textfig. 9 ZIT). Der Muse. flexor exterior erscheint dann in diesem Fall als langer, band- Die Kopulationsglieder der Selachier. 651 förmiger Muskel, der lateral, gegen das Basale hin, deutlich den Muse. flexor interior hervortreten lässt. Die Verhältnisse der Muskulatur gestalten sich nun nach Einführung dieser Korrekturen einfacher und klarer als sie nach JUNGERSEN’S Dar- stellung erscheinen. Die Muskulatur bleibt innerhalb der einzelnen Grup- pen ungefähr dieselbe, ändert sich hingegen von Gruppe zu Gruppe. Gruppe A. Auf den Muse. adductor folgt distal ein kräftig entwickelter Muse. dilatator, der nur medial auf die Dorsalfläche des Gliedes übergreift. Der Musc. flexor exterior entspringt bei Notidaniden, Laemargiden, Seymniden und bei Centrina zum Theil längs des Basalknorpels und zum Theil aus den oberflächlichen, dorsal gelegenen Fasern des Muse. adductor, bei den übrigen Formen hingegen nur vom Basale. Spinax niger und Cestracion Philippi machen merkwürdigerweise eine Ausnahme, indem sie den Muse. flexor exterior vom Septum des Muse. adductor entspringen lassen. Der Muse. flexor interior wird vom Muse. flexor ex- terior überdeckt; er ist im Allgemeinen kurz, und bald mehr, bald weniger deutlich ausgebildet; bei Spinax und bei Cestracion ist er frei- selest. Der Muse. compressor ist immer stark entwickelt, er läuft stets lateral dem Glied entlang und bildet die Außenlippe der Rinne. Gruppe B. Der Muse. dilatator greift zu beiden Seiten des Gliedes auf die Dorsalfläche über, bei Seyllium catulus und Lamna cornubica nur medial. Vom Muse. dilatator trennt sich bei den Seylliden distal und medial ein kleiner Muskel ab (Processus f, JUNGERSEN). Ich bezeichne diesen als Muse. dilatator minor (Di) und stelle ihm in diesem Falle den Muse. dilatator major (Da) gegenüber. Der Musc. flexor exterior entspringt immer vom Septum des Muse. adductor; er ist bei den Seylliden doppelt angelegt, so dass hier zwischen einem Muse. flexor exterior dorsalıs (a, JUNGERSEN) und einem Muse. flexor exterior ventralis (a, JUNGERSEN) zu unterscheiden ist; beide entspringen von einer gemeinsamen Aponeu- rose des Septums. Der Muse. flexor exterior ventralis verliert in den übrigen Formen seine Selbständigkeit, indem er von dem Muse. adduetor aufgenommen wird. Der Muse. flexor interior liest frei und ist stark ausgebildet. Der Muse. flexor exterior kann distal mehr oder weniger mit dem Musc. flexor interior ver- schmelzen. .Der Musc. compressor ist nur schwach entwickelt und stets median auf der Dorsalfläche des Gliedes gelegen. Gruppe ©. Der Muse. dilatator greift meist nur medial auf die Dorsallläche des Gliedes über. Bei Rajiden tritt die dorsale 652 Oscar Huber. Partie dieses Muskels stark hervor und bedeckt daselbst oft die ganze Breite des Gliedes. Für die Rajiden ist ferner noch die ventrale Längsspaltung des Muse. dilatator charakteristisch. Der Muse. flexor exterior entspringt entweder nur vom Basale, oder vom Basale und dem Beckenknorpel, oder auch nur vom Beckenknorpel. Die Gestalt dieses Muskels ist meist lang und bandförmig, er lässt den Muse. flexor interior mehr oder weniger hervortreten. Bei den Rajiden überdeckt der Muse. flexor exterior den Muse. flexor interior vollständig. Letzterer kann entweder als undeutlich differenzirter Muskel auftreten (Trygon), oder er zeigt sich in prä- eisirter Form (Rhinidae, Rajidae), bei den Rajiden ist er klein und spindelförmig. Der Muse. compressor ist im Allgemeinen stark entwickelt und liegt lateral; bei Rajiden ist er sehr kurz. Gruppe D. Bei Chimaera gestaltet sich die Muskulatur sehr einfach; sie besteht nur aus dem Muse. adductor, Muse. dilatator und Muse. compressor. Der Muse. dilatator beschränkt sich hauptsächlich auf die Ventralfläche des Gliedes, er gabelt sich in zwei Äste, von denen der längere lateral und dorsal liegt. Der stark ausgebildete Muse. compressor legt sich schräg über die Dorsal- fläche des Gliedes. Drüse. Die makroskopische wie die histologische Beschaffenheit dieser Drüse ist von PETRI in ausführlicher Weise untersucht und beschrie- ben worden, ich beschränke mich desshalb darauf, dem Vorhandenen noch einige Ergänzungen beizufügen. Wie aus sämmtlichen Beobach- tungen hervorgeht, verhält sich diese Drüse in den verschiedenen Gruppen folgendermaßen: Gruppe A und B. Hier liest stets die typische Squaliden- drüse vor, in Form eines muskulösen Sackes, dessen ganze innere Fläche mit einem Drüsenepithel ausgekleidet ist. Die Länge des Sackes varlirt stark, selbst in der nämlichen Art, es hängt dies wohl ohne Zweifel mit der Entwicklung des Thieres zusammen. Sehr oft zieht sich der Muskelschlauch weit nach vorn, bei Pristiurus melano- stomus reicht er sogar bis unter die Pectoralflosse. JUNGERSEN be- merkt dies bei seinem Pristiurus-Exemplar nicht, hingegen erwähnt A. SCHNEIDER dieselbe enorme Entwicklung des Drüsensackes für Mustelus laevıs. In der Gruppe C liegt stets der Typus der Rajiden-Drüse vor, dadurch ausgezeiehnet, dass sich das Drüsenepithel lokalisirt Die Kopulationsglieder der Selachier. 653 und zugleich seine Oberfläche vergrößert; hierdurch kommt es zur Entstehung des zusammengesetzt tubulösen Drüsenkörpers, der sich längs dem Stammknorpel d anlest. Der Muskelsack ist in diesem Fall kurz, er erreicht im Allgemeinen den Beekenknorpel nicht. Eine besondere Stellung nimmt, wie auch JUNGERSEN beobachtet, die Drüse von Rhina squatina ein. Die Form des Drüsensackes erinnert sehr an die Squalidenverhältnisse; die Tubuli des Drüsenkörpers münden nicht in eine mediane Rinne, sondern in rundliche Öffnungen, die längs der Ventralfläche des Drüsenkörpers in zwei Reihen ange- ordnet sind. Innerlich wird der Drüsenkörper durch eine Längswand von Bindegewebe in zwei von einander unabhängige Theile zerlegt. In der Gruppe D ist die Drüse wieder squalidenartig beschaffen. Das Epithel liegt hier in einer offenen Rinne, die vom Muse. com- pressor und vom Knorpel 5 gebildet wird. PETRI und JUNGERSEN gehen in den Ansichten über die Musku- latur der Drüse aus einander. PErrRı beschreibt den Drüsenschlauch als zweischichtig und lässt ihn durch Differenzirung des eingestülpten Bindegewebes entstehen. JUNGERSEN hingegen erkennt nur eine ein- zige Muskelschicht an, die gemeinsam mit dem Bindegewebe einge- stülpt worden ist. Meine eigenen Beobachtungen schließen sich in dieser Hinsicht theilweise denen PETRIs an. Dass der Muskelschlauch wirklich zwei Schichten aufweist, zeigt schon deutlich ein frischer Querschnitt durch die entwickelte Drüse von Sceyllium catulus, eine helle, aus Bindegewebsfasern bestehende Trennungslinie legt sich zwischen die beiden Schichten. Irrthümlich ist es nun aber von PETRI, eine äußere Ring- und eine innere Längs- muskelschicht zu unterscheiden. Schon die oberflächliche Betrach- tung der Drüse lehrt, dass es sich hier nicht um eine ausgesprochene Ringmuskulatur handeln kann. Die äußere Schicht umspannt wie ein zusammengerolltes Blatt die innere Schicht. Die Muskelfasern der äußeren Schicht verlaufen auf der Dorsalseite des Sackes in der Längsrichtung, nach vorn konvergiren sie gegen die Mittellinie, an den beiden Seiten der Drüse biegen sie auf die Ventralfläche um und durchsetzen diese in querer Richtung. Die innere Muskelschicht stellt eine der äußeren ähnliche Hülle dar, ihre Muskelfasern verlaufen hingegen zu denen der äußeren Schicht nicht parallel, sondern kreu- zen sie. Die Muskelstränge beider Hüllen bilden zwei solide Flecht- werke, die unter sich kommunieiren können. Je nach der Stelle des Präparates erhält man daher Schnitte, in denen die Muskelverhält- nisse verschieden vorliegen; Muskelbündel, die im einen Fall quer 654 Oscar Huber. getroffen sind, liegen in einem anderen Fall mehr oder weniger horizontal. Es sind somit wohl zwei Muskelschichten vorhanden, diese lassen sich aber nicht als ausgeprägte Ring- und Längs- muskulatur unterscheiden. Die Entstehung dieser Sackmuskulatur führe ich nicht wie JUNGERSEN auf einen Einstülpungsprocess des Muse. compressor zurück, sondern betrachte sie mit Perrı unabhängig von der Mus- kulatur des Kopulationsgliedes. Perrı lässt die gesammte Drüsen- muskulatur aus dem eingestülpten Bindegewebe hervorgehen, giebt jedoch hierfür keine Belege. Diese Ansicht ist entschieden unrichtig. Makroskopische wie mikroskopische Präparate führten mich zu einer anderen Auffassung. Auffallend ist die Thatsache, dass in der männ- lichen Ventralflosse dem letzten und oft aueh noch dem zweit- und drittletzten Flossenstrahl das ventral gelegene Muskelbündel fehlt, während dieses in der weiblichen Flosse vorhanden ist. In jungen männlichen Exemplaren legt sich, wie ich öfters bemerkt habe, der Drüsensack eng an diese nackten Radien an. Besser noch treten diese Verhältnisse auf Querschnitten durch Embryonen hervor. In einem solchen Präparate von Torpedo ist deutlich zu ersehen, wie sich von den beiden letzten nackten Flossenstrahlen aus eine Muskel- hülle um den Drüsensack legt, ohne mit dem Musc. eompressor in Verbindung zu treten; es ist dies die äußere Schicht der Drüsen- muskulatur. Innerhalb dieser Muskelschicht liegen im Bindegewebe noch weitere Muskelelemente eingestreut, die wohl ohne Zweifel die innere Schicht darstellen. Meine Ansicht über die Entstehung dieser Drüsenmuskulatur äußert sich nun in Folgendem. Die Muskulatur des Drüsensackes entspricht sehr wahrscheinlich den ventralen Muskelbündeln der letzten Flossenstrahlen. Durch Ab- spaltung von Muskelelementen ist eine innere und eine äußere Schicht entstanden, die bald mehr bald weniger scharf von einander getrennt sind. Die Verbindung der gesammten Sackmuskulatur mit den Mus- keln des Kopulationsgliedes tritt erst sekundär ein. Es stellt sich somit die ganze hinterste Partie der Flossenmuskulatur in den Dienst des Kopulationsgliedes; die dorsalen Muskelbündel vereinigen sich zum Musc. compressor und den ventralen entspricht der Sack- muskel. Eine große Anzahl von verschiedenen Drüsenformen untersuchte ich näher auf die Beschaffenheit ihres Drüsenepithels, fand dieses aber nur in wenigen Fällen gut erhalten vor. Meistens waren nur noch einzelne, der Bindegewebsschicht anliegende Epithelzellen vor- Die Kopulationsglieder der Selachier. "5655 handen. Dieser Umstand kann nicht etwa einer schlechten Konser- virung des Materials zugeschrieben werden, da zum Theil vorzügliche Drüsenpräparate unter den gleichen Konservirungsbedingungen ge- standen haben. Der Grund hierfür scheint mir vielmehr in einer engen Beziehung zwischen Drüsenfunktion und Geschlechtsleben des Thieres zu liegen. Sehr wahrscheinlich tritt mit Beginn der Be- gattungszeit eine reiche Bildung von Drüsenzellen ein, die bei der Begattung abgestoßen werden und sich mit dem ausgeschiedenen Schleim vermischen. Nach Ablauf dieser Periode hört die Drüse auf zu funktioniren, eine Neubildung von Epithelzellen findet dess- halb nicht mehr statt, folglich fehlt dann der Drüse eine ausgesprochene Epithelschicht. Ein sehr gut erhaltenes Drüsenepithel habe ich in Acanthias vulgaris vorgefunden (Fig. 11). Perrı giebt verschiedene Zeichnungen von der Drüse der gleichen Art, die Verhältnisse gestalten sich dort etwas anders als in meinem Präparat. PerRı erwähnt ein einschich- tiges Cylinderepithel, das fortwährend nach außen Plattenepithel ab- sondert, in dem große Becherzellen eingestreut sind. Diese Becher- zellen sind die eigentlichen Sekretionszellen; die Plattenepithelzellen bilden die Stützmasse des ausgeschiedenen Schleimes und können desshalb auch als Stützzellen bezeichnet werden. Während nun Perkı nur wenige Becherzellen in einem stark entwickelten Plattenepithel eingestreut vorfindet, habe ich in meinem Präparat das Gegentheil zu verzeichnen. Die ganze Epithelschicht besteht aus großen, eng anschließenden Zellen, die meisten sind mehr oder weniger eylin- drisch, andere nach innen kolbenartig erweitert, wieder andere sind kuselig aufgeblasen und stellen typische Becherzellen dar. Die Kol- ben- und Becherzellen öffnen sich nach außen, die anderen sind ge- schlossen, doch werden sich wohl auch diese später zu Becherzellen mit Mündung nach außen umgestalten. Die Länge einer größeren dieser Zellen misst 0,109 mm, die maximale Breite (Durchmesser) 0,027 mm. Perkı giebt für die Becherzellen eine Länge von 0,038 mm und eine eben so große maximale Breite an. In meinem Fall sind somit diese Zellen bedeutend mehr im die Länge gestreckt; sie neh- men die ganze Breite der Epithelschicht ein, was in der Perrr’schen Zeichnung bei Weitem nicht zutrifft. Fast alle diese Zellen finde ich mehr oder weniger mit Sekretkugeln angefüllt, eine der größten misst im Durchmesser 0,016 mm. Die Plattenepitheizellen sind nur ganz spärlich inner- und außerhalb der Epithelschicht, in den Winkeln der einzelnen großen Zellen vorbanden. Wahrscheinlich liegt bei Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 45 656 Oscar Huber, PETRI ein noch unvollkommen entwickeltes Drüsenepithel vor, das erst später die Gestalt annimmt, in der das vorliegende Präparat erscheint. Bei O’himaera monstrosa konnte ich nur eine innere Schicht von Cylinderzellen mit außerhalb gelegenem Plattenepithel konstatiren; doch werden sich auch später wohl ohne Zweifel noch becherartige Sekretionszellen einstellen. Dass die Drüse der Rochen in ihrer Entwicklung auf die der Squaliden zurückzuführen ist, hat schon PETRI hervorgehoben; seine Vermuthung über die Ontogenie der Rajiden-VDrüse stimmt jedoch mit meinen wirklichen Befunden nicht überein. PETRI denkt sich diesen Vorgang folgendermaßen. Nachdem sich durch Einstülpung der äußeren Haut die sack- förmige Drüse der Haifische gebildet hat, entsteht in einer Längslinie der Epithelschicht durch immer stärkere Wucherung der Epithelzellen ein Wulst; zugleich entstehen auf diesem in einer Längslinie, der späteren Furche angeordnet, einzelne Vertiefungen. Diese repräsen- tiren die primären Ausfuhrzäpfchen, von denen sich dann die Drüsen- schläuche erster, zweiter und nter Ordnung einstülpen. Dieser Vermuthung stelle ich nun meine Befunde gegenüber, die sich auf Beobachtungen an Myliobatis-, Torpedo- und Raja-Embryonen stützen. Zunächst tritt die Squaliden-Drüse auf, die im Inneren mit sroßkernigen Epithelzellen ausgekleidet ist. An einer den Flossen- strahlen zugekehrten Stelle, wo starke Massen von Bindegewebe an- gelagert sind, entsteht nun durch Einstülpung der Epithelschicht in dieses Bindegewebe (nicht aber durch Wucherung der Epithelzellen) eine Rinne. Durch weitere Einstülpungen von dieser Rinne aus kommt es dann zur Bildung der diehotomisch verzweigten Tubuli, die den sanzen Drüsenkörper durchsetzen. Parallel mit diesem Process geht eine Einsenkung der Epithelschicht zu beiden Seiten der Rinne, hier- durch hebt sich der Drüsenkörper von der inneren Wandung des Sackes ab und erscheint in Form des bekannten Längswulstes. Äußere Form und Integument. An den Anfang dieses Abschnittes stelle ich einige Beobach- tungen, die für die Betrachtung der Kopulationsglieder sehr wichtig sind, in der vorhandenen Litteratur hingegen nirgends angeführt werden; sie beziehen sich speciell auf die histologische Beschaffen- heit der Spitze des Kopulationsgliedes. Dieser äußerste Theil des Die Kopulationsglieder der Selachier. 657 Gliedes ist in den meisten Fällen nackt, beschuppt bei Zamna, Mustelus, Galeus und Carcharias. Sehr auffallend verhält sich diese Stelle bei Seyllium catulus; sie stellt hier eine deutlich sichtbare, mit nacktem Epithel überzogene Kuppe dar. Die mikroskopische Untersuchung dieses Gliedtheils hat nun für Seyllium catulus folgen- des Resultat ergeben. Die zelligen Elemente der Epidermis (Fig. 12) erfahren an der Spitze des Gliedes eine beträchtliche Vermehrung, so dass wir hier bis 40 über einander liegende Epithelzellen unterscheiden können. Gegen dieses epidermoidale Polster dringen Stränge des Unterhaut- bindegewebes vor und zwar bis dicht unter die Oberfläche der Epi- dermis, wo sie nur noch durch etwa fünf Zellen von dem äußeren Kontour getrennt sind. Diese stark verlängerten Cutispapillen be- herbersen Stränge, die zum Theil bindegewebsartiger Natur sein dürften, theilweise auch nervöser Natur. Die der Cutis anliegende Schicht der Epidermis zeigt im Allgemeinen den typischen ceylin- drischen Bau, dort jedoch, wo sie die Spitze der Papillen umgiebt, erfahren ihre Elemente eine eigenthümliche Modifikation, sie sind keulenartig aufgetrieben, von einander stärker entfernt und zeichnen sich ferner durch Größe der Kerne und Reichthum des Plasmas aus. Solche Bildungen finden sich zu mehreren Hunderten am Ende des reifen Kopulationsgliedes von Sceyllium catulus. Die Feststellung der speciellen histologischen Befunde möchte ich weiteren Untersuchungen überlassen, da die Konservirung meines Materials hierfür nicht aus- reichte. Dagegen scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen, dass hier Sinnesorgane, die zur Wollustempfindung dienen, vorhanden sind. Bei Rhina squatina findet sich an der Spitze des Kopulations- sliedes eine andere eigenthümliche Modifikation des Epithels. Sinnes- organe sind hier nicht nachzuweisen, dagegen haben die LEYDIG- ‚schen Becherzellen an Zahl und Umfang so bedeutend zugenommen, dass nur noch eine dünne Schicht von Pflasterepithel an der Ober- fläche und wenige Schichten von kubischem Epithel an der Basis die ursprüngliche Form beibehalten haben. Die Hauptmasse des Epithels wird gebildet von dichtgedrängten, flaschenförmigen Drüsen- zellen, welche an der Oberfläche münden. Diese stellen eine Modi- fikation der Leypig’schen Becherzellen vor und verleihen dem Epithel ungefähr das Aussehen des Drüsenepithels in der Kopulationsdrüse von Acanthias vulgaris, noch frappanter ist die Ähnlichkeit mit der Epidermis von Protopterus annectens (KÖLLIKER). Allen Kopulationsgliedern gemeinsam ist die Anpassung A 43* 658 Oscar Huber, Gestalt an die Funktion. Dieser Zweckmäßigkeit wird bei den ver- schiedenen Formen in verschiedener Art und in mehr oder weniger hohem Grade entsprochen. Form, Oberflächengestaltung und dilata- torischer Endapparat werden besonders von den Anpassungscharak- teren betroffen. In den Gruppen A, B und C macht sich deutlich die Tendenz geltend, das Glied aus dem Flossenverbande herauszuheben, dasselbe selbständig zu gestalten und in der Längsrichtung zu vergrößern. Do giebt es Formen (z. B. Scymnus), deren Kopulationsglied fast in der ganzen Länge mit der Flosse verwachsen ist; bei anderen Formen dagegen (z. B. Centrina und Spinazx) tritt diese Verbindung etwas schwächer hervor, wiederum bei anderen (z. B. Acanthias und Ce- stracion) ist sie beinahe vollständig aufgehoben. Parallel mit dieser Erscheinung geht die fortschreitende Streckung des Gliedes. Dies lässt sich schon äußerlich verfolgen, Näheres hierüber ist bei der Be- handlung der Skelettheile erörtert worden. Die Beschuppung, in so fern sie vorhanden ist, beschränkt sich hauptsächlich auf die Ventralfläche des Gliedes. Die Dorsalfläche ist mit dem dilatatorischen Knorpelapparat ausgerüstet und kann dess- halb einer weiteren Hautbewaffnung entbehren. Die Zahnspitzen dieser Placoidschuppen sind gewöhnlich unregelmäßig nach allen Seiten gerichtet; hierdurch wird eine allseitig rauhe Fläche erzeugt, die eine innige Verbindung mit den weiblichen Geschlechtstheilen er- möglicht. Besonders zweckmäßig gestaltet sieh die Besehuppung bei den Seylliden. Außer der Ventralfläche des Gliedes sind hier noch die meist peripherisch gelegenen Stellen des Endapparates mit be- sonders scharfen Hautzähnen ausgerüstet, die alle mit ihren Spitzen proximal gerichtet sind, um so als kleine Widerhäkchen zu dienen. Bei nackten Kopulationsgliedern können Hautstrukturen (Fig. 15), wie ich sie im speziellen Theil unter 7Trygon erwähnt habe, die Funktion, der sonst die Beschuppung dient, übernehmen. Ferner sind wohl auch die Hauttaschen, die bei einigen nackten Formen (Torpedo, Trygon, Myliobatis) in ausgeprägtem Maße auftreten, als Haftapparate auf- zufassen. Das Endstück des Kopulationsgliedes passt sich in seiner äußeren Gestalt der Form der Skeletttheile an, ist somit wie diese für die einzelnen Gruppen verschieden und bietet meist für die Art charakteristische Merkmale. Von Bedeutung ist das Auftreten eines spitzen, beweglichen, Chondrodentinstachels, der bald mehr bald weniger das Integument durchbricht. Zu diesem einen Stachel können Die Kopulationsglieder der Selachier. 659 « noch weitere hinzukommen, wie bei Spinax niger. Eine nähere Be- schreibung dieser Stachelbildungen findet sich bei der Behandlung des Skelettes speciell unter »Chondrodentin«. Das Auftreten ähn- licher Stacheln bei Mustelus, Selache, Oxyrhina ete. zeigt, dass diesen Bildungen eine viel allgemeinere Verbreitung zukommt, als früher angenommen wurde. Im Übrigen fasse ich die charakteristischen Merkmale der äuße- ren Form des Gliedes für die einzelnen Gruppen kurz zusammen. Gruppe A. Das Kopulationsglied trägt lateral am Endstück einen beweglichen Stachel, dieser konnte für die Notidaniden und Seymniden bis jetzt äußerlich noch nicht nachgewiesen werden. Bei Spinax niger treten noch drei weitere Stachelbildungen hinzu, die aber nur sehr wenig die Haut durchbrechen. Die Rinne liegt stets median. Die Hautfalte 7d, tritt stark hervor, fehlt hingegen bei Laemargus, Scymnus und Centrina. Bei Cestracion Philippü kommt eine tiefe mediale Hauttasche vor. Die Beschuppung tritt bei Hezanchus vollständig zurück, die übrigen Formen sind auf der ganzen Ventralfläche mit Ausnahme des äußersten Endtheils des Gliedes mit spitzzähnigen Placoidschuppen bedeckt. Gruppe B. Bei Scylliden verhält sich die Beschuppung un- gefähr wie in der vorigen Gruppe, anders in den übrigen Formen. Bei Lamna cornubica treten an Stelle der spitzzähnigen Placoid- schuppen stumpfhöckerige Platten, immerhin fühlt sich die Haut- oberfläehe von Zamna noch ziemlich rauh an. Bei den Musteliden, Galeiden und Carchariden kommt diese Abflachung der Placoid- schuppen noch stärker zum Ausdruck. Die einzelnen Schuppen des Kopulationsgliedes (für diejenigen der Flosse würde dies nicht gelten) erscheinen hier beinahe als flache, polygonale Schildchen ; die Haut- oberfläche wird hierdurch völlig glatt und erhält einen Glanz, wel- ‘chen das Präparat auch im trockenen Zustande noch aufweist. Die Rinne verläuft stets median. Die Hautfalten Rd, und 7d, treten stark hervor, diese werden in die Rinne hineinverlagert und theilweise von jener überdeckt. Mit Chondrodentin überzogene Knorpel treten nur sehr spärlich auf, so bei Pristiurus melanostomus (Tv), Selache maxima (Ts), Oxyrhina Spallanzanü (Ts), Mustelus vulgaris (Td). Meistens sind die Hauttaschen /! und /’ vorhanden. Ich füge hier eine Beobachtung bei, die sich speciell auf die Scylliden bezieht, deren Kopulationsglieder ich fast immer im Zustande der Dilatation vorfand (Fig. 14). Perkı, dem diese Er- scheinung ebenfalls aufgefallen ist, sucht die Ursache hierfür in einer 660 Oscar Huber, bedeutenden Verkürzung des Muse. dilatator während der Todes- starre und dem sofortigen Härten des Präparates in Alkohol, so dass ein Zusammenlegen der Endknorpel in die natürliche Lage verhindert wird. Auf meinen Meeresexkursionen bot sich mir jedoch die Gelegen- heit, eine andere Erklärung hierfür zu finden. Daselbst bemerkte ich, wie Exemplare von Seyllium cantcula kurz vor dem Erstiekungstode ihre Kopulationsglieder krampfhaft zusammenziehen und den End- apparat ausbreiten; die entgegengesetzte Bewegung, das Strecken des Gliedes, trat nicht mehr ein. Gruppe C. Das Kopulationsglied ist, ausgenommen bei Rkina, Pristis und Rirnobatus, vollständig nackt. Die Funktion der Be- schuppung kann durch netzartige Hautstrukturen, wie sie für Trygon beschrieben sind, übernommen werden. Die Länge des Gliedes ist besonders bei den Rajiden sehr bedeutend. Die Rinne zieht sich distal gegen die Lateralseite hin. Die laterale Hauttasche 2’ tritt, ausgenommen bei den Rajiden, als konstantes Merkmal auf; bei Rhinobatus (Pristis?), Torpedo, Trygon, Myliobatıs kommt noch die mediale Tasche / hinzu. Bei den Rajiden sind die Endknorpel äußerlich nur wenig sichtbar; Chondrodentinstachel sind für die Formen dieser Gruppen nicht bekannt. Gruppe D. Das Kopulationsglied tritt sehr stark aus der Flosse heraus und ist dorsal wie ventral theilweise beschuppt. Bei Chimaera theilt sich das Glied in drei Zacken, die Rinne gabelt sich in zwei Äste, die ventral verlaufen. Entwicklung des Kopulationsgliedes. Die Ansicht, dass gewisse Kopulationsglieder auf einem primitiven Zustand stehen bleiben, in welchem das Skelett nur aus dem Stamm- knorpel d besteht, hat!JunGERSEN in der Beschreibung von Zaemargus borealis genügend widerlegt.! [JUNGERSEN fand an einem ca. 2,50 m langen Exemplar von Zaemargus borealis noch ganz unentwickelte Kopulationsglieder vor; eine weitere Ventralflosse der gleichen Art, vermuthlich einem 3-5 m langen Thier entstammend, lieferte ihm vollständig ausgebildete Kopulationsglieder. Zwei ca. 2,50 m lange Exemplare von Zaemargus borealis, die ich selbst untersuchen konnte, wiesen ebenfalls nur unentwickelte Glieder auf. Diese erst spät ein- tretende Entfaltung des,Kopulationsgliedes lässt sich dadurch erklären, dass die Entwicklung dieses_Organs, wie dessen Funktion in enger 3eziehung zum Geschlechtsleben des Thieres steht, wodurch das Glied erst mit dem Eintritt der Geschlechtsreife seine vollendete Gestalt Die Kopulationsglieder der Selachier. 661 erlangt. Besonders stark verzögert sich diese Entwicklung in der Ontogenie der phylogenetisch alten Selachier-Formen; hierfür sprechen die erwähnten Befunde an Zezxanchus, Laemargus und Seymnus. Ferner lassen mich Beobachtungen an sehr jungen Exem- plaren von Torpedo und Myliobatıs darauf schließen, dass die defini- tive Ausbildung des Kopulationsgliedes in der Ontogenie phylogenetisch jüngerer Selachier früher erfolgt. Es fragt sich nun, ob dieser Um- stand mit einer zeitlichen Verschiebung der Geschlechtsreife zusammen- hängt, oder ob es sich um eine rein ontogenetische Veränderung handelt, die sich im Laufe der Phylogenese eingestellt hat. Ich füge diesem Abschnitte noch eine Beobachtung bei, die für die Betrachtung dieser Entwicklungsvorgänge nicht ohne Interesse sein kann. Merkwürdig verhält sich in dieser Hinsicht das im speciel- len Theile eingehend beschriebene Kopulationsglied von Prostiurus melanostomus zu dem Gliede derselben Art, das JUNGERSEN in seiner Arbeit anführt. Dass es sich hierbei um zwei sehr verschieden große Pristiurus-Exemplare handelt, zeigen die folgenden Maßangaben, welche zugleich auch die wichtigsten Dimensionen der Kopulations- glieder enthalten. Das von JUNGERSEN untersuchte Exemplar be- zeichne ich mit A und das von mir beschriebene mit B. Exemplar A. Exemplar B. Länge des Thieres. . . ln Torkione 47 cm Länge des en latiensthedis in =a a ala 59 mm (von der Kloake an gemessen) Freier Theil des Gliedes. . . . . .. 99mm 39 mm Mrromale Breite des Gliedes '. .. ....'.. Timm 9 mm Aus diesen Zahlen ist zu ersehen, dass dem bedeutend größeren - Exemplare viel schwächer entwickelte Kopulationsglieder zukommen als dem kleineren und ohne Zweifel jüngeren. In noch höherem Maße macht sich dieser Unterschied in der Gestalt des Endapparates geltend. Das Exemplar B weist nicht weniger als vier Endknorpel mehr auf als das Exemplar A. Näheres hierüber ergiebt sich aus dem speciellen Theil. Da wohl kaum eine irrthümliche Angabe von Seiten JUNGERSEN’S vorliegt, so vermag ich für diese merkwürdige Thatsache einstweilen keine sichere Erklärung zu geben. Es lässt sich hingegen fragen: »Kann wohl das Kopulationsglied der Selachier in bestimmten Fällen zeitlebens im unentwickelten Zustande ver- harren?« Es würde dies vielleicht mit der Unfruchtbarkeit des 662 Oscar Huber, betreffenden Thieres zusammenhängen — oder — Bildet sich das Kopulationsglied der Selachier mit dem Alter und der wieder ein- tretenden Unfruchtbarkeit des Thieres in die unentwickelte Jugend- form zurück ? Zur Bedeutung des Kopulationsgliedes für die Morphologie der Selachierextremität. Aus allen Beobachtungen geht hervor, dass das Kopulationsglied der Selachier nicht als selbständiges Organ, sondern nur als ein modifieirter Theil der Ventralflosse aufzufassen ist. Die ganze Musku- latur und die primären Skelettbestandtheile sind, wie in der vor- liegenden Arbeit dargelegt worden ist, der ursprünglichen Flosse entnommen. Unter dem Drucke der Funktion hat sich die ganze distale Partie der Flosse zu dieser eigenartigen Form umgebildet. Diese Erscheinung findet in den von FrırscH beschriebenen »Steuer- flossen« der Xenacanthiden eine Parallele. Auch hier handelt es sich um die durch die Funktion bedingte Modifikation eines Flossen- theiles; nur verlegt sich in diesem Fall die Modifikation nicht auf die distale Partie der Flosse, sondern auf einzelne Stützstrahlen in- mitten der Flosse. Diese Beispiele, sowie auch die mannigfachen Variationserscheinungen an Form und Zahl der Flossenskeletttheile innerhalb derselben Art, Punkte, die ich vielfach beobachtet, in meiner Arbeit aber nur theilweise angeführt habe, sind Beweise für das starke Verwandlungsvermögen der Selachier-Extremität. Diese Eigenschaft findet ihre Begründung in der überaus plastisch veranlagten Natur der weichen Knorpelsubstanz. Nur diese konnte eine solche Mannig- faltigkeit der Form erzeugen und Bildungen entstehen lassen, wie wir sie als elastischen Knorpel an der biegsamen Stelle des Stammknorpels, als Halbgelenk bei 7rygor und als histologisch interessantes Chondro- dentin kennen gelernt haben. Immerhin ist dieser mächtigen Ent- faltung von Formunterschieden kein allzugroßer Werth für die Be- urtheilung des Selachierstammes beizulegen, weil sie eben unter den soeben angeführten Umständen verhältnismäßig sehr leicht und ohne sroßen Widerstand entstehen konnten. Die systematische Bedeutung des Kopulationsgliedes. Schon allein das konstante Auftreten des Kopulationsgliedes innerhalb der Selachier bildet für sich ein systematisch verwendbares Stammesmerkmal. Wenn den Acanthodiden das Kopulationsglied wirklich fehlt, so machen diese eine merkwürdige Ausnahme, es ist Die Kopulationsglieder der Selachier. 663 aber vielleicht noch in Frage zu stellen, ob die Acanthodiden über- haupt dem Stamme der Selachier einzureihen sind. Von weiterem systematischen Werth ist diegroße Formverschieden- heit des Kopulationsgliedes. Aus der JUNGERSEN’schen Arbeit, wie aus den vorliegenden Untersuchungen, geht hervor, dass formver- wandte Kopulationsglieder auch genetisch verwandten Selachier-Arten angehören. Die Gruppen, in die ich die Gesammtheit der unter- suchten Kopulationsglieder auf Grund gemeinschaftlicher anatomischer Merkmale zerlegt habe, entsprechen wiederum größeren Thiergruppen, deren Existenz auch vom genetischen Standpunkt gerechtfertigt wird. Die Gruppe Ü ist von weniger einheitlichem Charakter als die übrigen, da sie die verschiedenen kleinern Gruppen der Rhinidae, der Centrobatidae undRhinorajidae (GÜNTHER fasst die beiden letzteren als »Rochen« zusammen) umschließt. Dieser polyphyletische Charakter drückt sich aber auch deutlich in den Formen der verschiedenen Kopu- lationsglieder aus, die, trotzdem sie durch die zu Anfang des all- semeinen Abschnittes erwähnten gemeinschaftlichen Merkmale zu- sammengehalten werden, doch wesentliche Differenzen aufweisen, ich erinnere an die eigenartig gestaltete Kopulationsdrüse von Ahına, und hebe hier das Vorhandensein des Knorpels 7; bei Rhinorajiden und das Fehlen desselben bei den Centrobatiden hervor. Die Auffassung der stark abgeflachten Form Rhina squatina als Zwischenglied der Haie und der Rochen lässt sich auch in der Ana- tomie des Kopulationsgliedes beleuchten, das diese Zwischenstellung in ausgesprochenem Maße einnimmt. JUNGERSEN macht in seiner Arbeit am Schlusse des Abschnittes über Zhixa auf die eigenthümliche Mischung: von hai- und rochenähnlichen COharakteren aufmerksam, er betrachtet als letztere das Vorhandensein des ventralen Deckknorpels v, eine laterale Hauttasche zwischen 7v und v und die Beschaffenheit -der Kopulationsdrüse. Als weiteres hier in Betracht kommendes Merkmal ist die sehr spärliche Beschuppung des Gliedes anzuführen, die gewissermaßen einen Übergang von den beschuppten (Haien) zu den nackten Formen (Rochen) darstellt. Unter den haiähnlichen Charakteren dieses Kopulationsgliedes betone ich hauptsächlich die weitgehende Verbindung des Flossensaumes mit dem Glied, ein Merk- mal, das den Sceymniden und einigen Spinaciden (Speinax, Centrina und Centrophorus) eigen ist; den niederen Längskoefficeient (15) hat Lhina ebenfalls mit den letztgenannten Formen gemeinsam. Die Hautfalte 7@, verhält sich in Gestalt und Lage wie bei den Spina- 664 Oscar Huber, ciden. Der Knorpel 7; ist auch bei Rhina sehr deutlich vorhanden, nur ist er hier nicht zu dem typischen Stachel umgebildet. Das Kopulationsglied ist nach meiner Auffassung gewiss ein Organ, das befähigt ist, in Fragen über das natürliche System der Elasmo- branchier mitzureden. Es verhält sich, wie aus sämmtlichem, unter- suchtem Material hervorgeht, für die Art ziemlich konstant, variirt innerhalb der Familie meist nur wenig und bringt die Stammesverwandt- schaft der Thierformen so gut wie andere Merkmale zum Ausdruck. Immerhin genügt das vorliegende Material noch nicht vollständig, um auf Grund der Kopulationsglieder in allen Fällen wirklich ein- deutig bestimmte Artendiagnosen aufstellen zu können. Hierfür be- dürfte es noch weiterer Untersuchungen, die vor Allem das Wesent- liche und eigentlich Konstante der Artenmerkmale festzustellen hätten. Eine wichtige und für die Systematik werthvolle Aufgabe wäre, (las Verhalten der Formveränderungen des Kopulationsgliedes zu den Veränderungen der übrigen Organsysteme im Stamme der Selachier zu untersuchen. Dass sich das Kopulationsglied auch in dieser Weise verwerthen lässt, ist schon im speciellen Theil bei den Musteliden angedeutet, indem ich dort das Kopulationsglied und die Ventralflosse mit den schon vorhandenen Unterscheidungsdiagnosen in Verbindung gebracht habe. Zusammenfassung. In diesem Abschnitt fasse ich kurz das stofflich Neue der vor- liegenden Arbeit zusammen. Der geschichtliche Theil der Einleitung weist darauf hin, dass nicht die Brocn’sehen Arbeiten als erste Untersuchungen der Kopu- lationsglieder zu betrachten sind, wie PETRI angiebt, sondern, dass sich in erster Linie Barrara (1771) mit diesem Stoffe etwas näher beschäftigt hat. Dann folgen Gelehrte wie LORENZINI, GUNNER, MONRO, J. G. SCHNEIDER und erst in weiterer Linie BLocH. Die Arbeit von Perrt beruht nur auf wenigen Beobachtungen und kann desshalb nicht auf eine allgemein richtige Anschauung des behandelten Stoffes Anspruch erheben. In weit höherm Maße erreichen dies die eingehen- den Untersuchungen JUNGERSEN’s. Doch mangelt dieser Arbeit noch eine einheitliche Betrachtung der Kopulationsglieder, sie erweist sich lückenhaft und enthält zum Theil Ansichten, die ich, gestützt auf meine eigenen Beobachtungen, nicht theilen kann. Die Kenntnisse von diesen Kopulationsgliedern zu erweitern und die schon vorhandenen Die Kopulationsglieder der Selachier. 665 Beobachtungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen, ist die Aufgabe, die ich in der vorliegenden Arbeit zu lösen versucht habe. Die im speeciellen Theil neu behandelten Formen sind: Hexanchus griseus, Pristiophorus japonicus, Centrophorus granulosus, Centrina Salviani, Chrloscyllium punctatum, Ozxyrhina Spallanzanü, Mustelus laevis, Oarcharias lamia, Galeus canis, Zygaena tiburo, Pristis cuspidata und perotteti, Trygon spec., Taeniura motoro und Mylobatıs aguila. Als ergänzende Beobachtungen sind zu nennen: Seymnus lichia. Äußere Gestalt und Muskulatur des Kopulations- gliedes; Scymnus verhält sich in dieser Hinsicht wie Centrina. Der Knorpel 7, weist in Form eines ca. 2 mm langen Fortsatzes die Stachelanlage auf; es ist dies in so fern wichtig, als bisher für das Kopulationsglied von Scymnus stets das Fehlen eines Stachels her- vorgehoden wurde. 7v zeigt auf seiner Dorsalfläche Bildungen, die sehr stark an die von Frrrsch irrthümlicherweise als moditfieirte Flossenstrahlen gedeuteten »sichelförmisen Haken« der Xenacan- thiden erinnern, wahrscheinlich sind diese Bildungen bei Xena- canthus wie die bei Seymnus nur als Differenzirungen eines einzelnen Knorpels zu betrachten. Cestracion Philippü. Äußere Gestalt und Muskulatur des Kopu- lationsgliedes.. Die Muskulatur verhält sich wie bei Spinax. Eben so hat auch Cestracion die Mehrzahl der Schaltglieder mit Spinax semeinsam. - ö ist in der Jugendform noch radienartig und steht nur proximal mit dem Stammesskelett in Verbindung, im ausgewachsenen Kopulationsglied hingegen ist diese Verbindung eine vollständige. Pristiurus melanostomus. Das von JUNGERSEN beschriebene Kopu- lationsglied ist nur eine unentwickelte Form. Das ausgewachsene Glied ist sehr komplieirt gebaut und unterscheidet sich im Endapparat sehr stark von den Formen Seyllium catulus und canicula. Der Endapparat ‚des entwickelten Pristiurus-Gliedes setzt sich nicht aus fünf sekundären Knorpeln zusammen, wie JUNGERSEN angiebt, sondern aus neun. Lamna cornubica. Der Stammknorpel des Kopulationsgliedes ist hier nicht ceylindrisch, sondern stellt, wie in allen Formen der Gruppe B, einen Rinnenknorpel dar; es ist dies ein Merkmal von allgemeinem Werth. Mustelus vulgarıs. Die Muskulatur verhält sich bei Mustelus vulgaris und laevıs ungefähr gleich wie in den übrigen Formen der Gruppe B. Äußere Gestalt (die Form der Flosse mit einbezogen) und Skelett des Kopulationsgliedes beider Arten unterscheiden sich folgendermaßen: Mustelus vulgaris: Der laterale Flossensaum bildet 666 Oscar Huber. eine konkave Linie; der distale Theil der Flosse endet in einen langen Zipfel, dessen Spitze dem Kopulationsglied eng anliegt. Längs- koefficient — >> - Der Knorpel 7@ hat sich zu einem unbeweglichen Chondrodentinstachel umgebildet. Vorhandensein eines kleinen ven- tralen Deekknorpels v. Mustelus laevis: Der laterale Flossensaum bildet eine gerade Linie; der distale Theil der Flosse endet in einen kurzen Zipfel, dessen Spitze vom Kopulationsglied weit absteht. Längs- koeffiecient — m - Td erscheint als weicher nicht modifieirter Knor- pel. Der ventrale Deckknorpel v fehlt. So erweitert ein genaues Studium der Kopulationsglieder die von MÜLLER aufgestellten Dia- gnosen. Aus dem allgemeinen Theil der Arbeit sind hier folgende Punkte hervorzuheben. Histologische Befunde. Elastischer Knorpel am Übergang des Stammknorpels 5 in den Endstiel g des Kopulationsgliedes. Der hyaline Knor- pel geht an dieser Stelle in elastischen Knorpel mit stark hervor- tretender und veränderter Grundsubstanz über. Diese Grundsubstanz trägt hornartigen, faserigen Charakter, ist von gelblicher Farbe und färbt sich nicht mit Hämatoxylin. Die Anordnung dieser Substanz rich- tet sich genau nach den mechanischen Druck- und Zugverhältnissen, denen der Knorpelstab an dieser biegsamen Stelle unterworfen ist. Auf der Ventralseite des Stabes, wo hauptsächlich Druck vorherrscht, verlaufen diese hornartigen Stränge senkrecht, auf der Dorsalseite hingegen zufolge des Zuges parallel zur Längsachse des Knorpels. Diese geometrische Anordnung ist durch die Funktion des Knorpel- stabes entstanden. Chondrodentin. Das Chondrodentin ist ein eigenthümliches Gewebe, das an verschiedenen sekundären Knorpeln des Endapparates auftreten kann; in ausgesprochener Form bildet dasselbe den Stachel des Kopulationsgliedes bei Spinaciden. Das Bindegewebe scheidet eine Intercellularsubstanz aus, die einerseits eine Modifikation des Knorpels zu sein scheint und andererseits in ihrer vollkommensten Form eine gewisse Ähnlichkeit mit Dentin besitzt. Ich bezeichne dieses Gewebe daher als Chondrodentin. Vom Knorpel unter- scheidet es sich durch bedeutendere Härte, die, wenn auch vielleicht nicht der des Knochens gleichwerthig, doch an sie heranreicht. Vom Dentin ist es dadurch verschieden, dass ihre Röhrchen nicht nach Die Kopulationsglieder der Selachier. 667 der Peripherie hin in feinste Ästchen ausgehen, sondern vermittels breiter Kanäle an der Oberfläche münden. Sinnesorgane in der Spitze des Kopulationsgliedes von Scyllium catulus. Die Spitze dieses Kopulationsgliedes ist, wie in den meisten übrigen Fällen, vollständig nackt. Die Epidermis- zellen sind an dieser Stelle viel zahlreicher vorhanden, sie bilden ein vielschichtiges epidermoidales Polster, in welches Stränge des Unterhautbindegewebes eindringen. Diese stark verlängerten Cutis- papillen reichen bis unter die äußersten Epidermiszellen und ent- halten Elemente, die zum Theil bindegewebartiger Natur sein dürften, theilweise aber auch nervöser Natur. Die der Cutis anliegenden, eylindrischen Epidermiszellen erfahren da, wo sie die Spitzen der Papillen umgeben, eine eisenthümliche Modifikation; sie sind hier keulenartig aufgetrieben, von einander stark entfernt und zeichnen sich ferner durch Größe der Kerne und Reichthum an Plasma aus. Solche Bildungen finden sich zu mehreren Hunderten am Ende des reifen Kopulationsgliedes von Sceyliium catulus. Ohne Zweifel handelt es sich hier um Sinnesorgane, die zur Wollustempfindung dienen. Epithel an der Spitze des Kopulationsgliedes von Rhina squatina. Bei Rhina konnte ich die soeben erwähnten Sinnesorgane nicht feststellen, hingegen fand ich an der Spitze dieses Kopulations- gliedes eine eigenthümliche Modifikation des Epithels vor. Der größte Theil der Epithelschicht wird aus den Leyvvı@’schen Becherzellen gebildet, nur noch eine dünne Schicht von Pflasterepithel an der Oberfläche und wenige Schichten von kubischem Epithel an der Basis haben die ursprüngliche Form beibehalten. Die dichtgedrängten flaschenförmigen Drüsenzellen, welche an der Oberfläche münden und Modifikationen der Leypi@’schen Becherzellen darstellen, verleihen dem Epithel ungefähr das Aussehen des Epithels der Kopulations- drüse von Acanthias vulgaris, noch frappanter ist die Ähnlichkeit mit der Epidermis von PProtopterus annectens (KÖLLIKER). Skelett. Stammglieder. Die Anzahl der Stammeglieder variirt stark, sie kann sogar innerhalb derselben Art verschieden sein. Interealarknorpel. Die kleinen Intercalarknorpel fasse ich nicht wie JUNGERSEN als eigentliche Stammglieder auf, sondern be- trachte sie als beliebig auftretende, abgesprengte Stücke; für diese Ansicht spricht namentlich die Unregelmäßigkeit im Auftreten und der Anordnung dieser Stücke. 668 Oscar Huber, Längskoefficient. Mit dem Längskoeffieient drücke ich das Länge des Basale Länge des Anhanges — 1 bezogen) aus. Dieser Längskoeffieient ist für das entwickelte Kopulationsglied ein und derselben Art konstant, variirt hingegen in den verschiedenen Arten sehr stark. Für die Altselachier ist dieser Verhältnis = (stets auf die Länge des Basale Koefficient eine geringe Größe 2); Formen hin und erreicht bei den Rajiden, merkwürdigerweise er wächst gegen die jüngern A h a : {iR auch bei Ohrimaera sein Maximum 5} Bildung eines Halbgelenkes bei Trygon. Im Kopulations- glied einer Zrygon-Art wies ich die Bildung eines Halbgelenkes nach. Diese eigenthümliche Erscheinung, die, wie es scheint, bisher nirgends beobachtet worden ist, findet sich auf der Ventralseite des Stamm- knorpels, an der Stelle, wo dieser in den Endstiel übergeht. Das Halbgelenk beschlägt nur die ventrale Hälfte des Knorpelstabes, es erstreckt sich daselbst über die ganze Knorpelbreite. Die Bildung besteht in einem proximalen, eirca 2 mm hohen Gelenkhöcker und einem distalen, mit einer Grube versehenen Gelenkknorren. Dieses Halbgelenk vertritt funktionell den vorhin erwähnten elastischen Knorpel und vermittelt in erhöhtem Maße die Biegung des Stamm- knorpels. Auffassung des Knorpels # als modifieirten Flossen- strahl. Der Knorpel $ kann nicht, wie JUNGERSEN darlegt, als ein durch Longitudinalspaltung aus dem Stammesskelett entstandenes Stück betrachtet werden. Gegen diese Ansicht sprechen embryologische Beobachtungen, aus denen hervorgeht, dass % zuerst radienartigen Charakter trägt und erst sekundär die nähere Verbindung mit den Stammestheilen eingeht. Schon PErrı bezeichnet bei Acanthias diesen Knorpel (»’) als rudimentären Radius, giebt jedoch keine Belege hierzu. Indem die hintersten Radien der Flosse in den Dienst des Kopulationsgliedes treten, erfahren sie eine morphologische Umge- staltung; als einen solchen modificirten Radius ist nun auch £ zu betrachten. Sehr deutlich tritt dies z. B. in den Formen Rhinmobatus, Pristis, Trygon, Taeniura und Myliobatis hervor, wo 2 ungefähr die- selbe Gestalt aufweist wie der letzte modifieirte Flossenstrahl. Muskulatur. Entwieklung der Muskulatur. Die ganze Muskulatur des Kopulationsgliedes differenzirt sich aus den einfachen Muskelverhält- Die Kopulationsglieder der Selachier. 669 nissen, welche der weiblichen Ventralflosse eigen sind. In primitiver Form erscheint diese Muskulatur z. B. in der jugendlichen Zexanchus- Flosse, die einzelnen Muskeln sind hier noch eng unter sich verbunden. Darstellung der Muskulatur. Ich bringe die Muskulatur zum Theil in neuer Form, da sich die Darstellung von JUNGERSEN theilweise als unrichtig erweist. Der Muse. flexor interior (= innerer Musc. extensor, JUNGERSEN) muss als selbständiger Muskel aufgefasst werden, er tritt überall, bald mehr, bald weniger deutlich auf; JUNGERSEN scheint dies übersehen zu haben. Der Muse. flexor exterior verhält sich in seiner proximalen Partie verschieden. Er entspringt entweder am Basale (Acanthias) oder vom am Basale und zum Theil vom Beckenknorpel wie bei Zorpedo (in beiden Fällen entspricht er dem Musc. extensor, JUNGERSEN) oder er entspringt vom Septum des Musc. adductor wie bei Spinax und sämmtlichen Formen der Gruppe B. (JUNGERSEN nennt ihn in diesem Falle für Spinaxz: »particular musele« und bezeichnet ihn bei Scyllium mit as.) Kopulationsdrüse. Anatomie der Sackmuskulatur. Die Sackmuskulatur besteht, wie schon Prrri erwähnt, JUNGERSEN hingegen in Abrede stellt, bei Scyllium catulus deutlich, in andern Formen weniger deutlich aus zwei Schichten; diese können hingegen nicht, wie es Prrrı that, als Ring- und Längsmuskulatur unterschieden werden, sondern sind als zwei, zum Theil unter sich verschmolzene Hüllen zu betrachten, deren Muskelfasern sehr verschiedene Richtungen annehmen. Entstehung der Sackmuskulatur. Die Sackmuskulatur ent- steht nicht, wie JUNGERSEN annimmt, durch Einstülpung des Muse. compressor, wahrscheinlicher entspricht sie dem ventralen Muskel- bündel der hintersten Flossenstrahlen. Hierfür spricht namentlich das Fehlen dieser Bündel in der männlichen Flosse, währenddem sie in der weiblichen vorhanden sind. | Drüsenepithel. Die Entwicklung des Drüsenepithels steht in engem Zusammenhang mit der Begattungszeit des Thieres; außerhalb dieser Periode sind nur wenig Zellreste dieses Epithels vorhanden. — Das Drüsenepithel von Acanthias gestaltet sich im vollkommen ent- wickelten Zustande anders als es von Prrrı dargestellt worden ist. Zuerst bildet sich nur Plattenepithel, dann entstehen in diesem die Levpıs’schen Becherzellen, diese bleiben aber nicht lose zerstreut, sondern vermehren und vergrößern sich, öffnen sich nach außen und 670 Oscar Huber, bilden zuletzt die Hauptmasse der Epithelschicht. Hierdurch werden die Plattenepithelzellen zurückgedrängt, sie erscheinen nur noch sehr spärlich an der Oberfläche und der Basis der Epithelschicht. Ontogenie der Rajidendrüse. Die Ontogenie der Rajiden- drüse verläuft gegen Prrrr's Vermuthung. Die mediane Rinne des Drüsenkörpers entsteht durch Einstülpung der einschichtigen Epithel- schicht in das anliegende Bindegewebe, und nicht durch eine lokale Anhäufung der Epithelzellen. Von dieser medianen Rinne stülpen sich dann die Tubuli erster, zweiter und »-ter Ordnung ein. Parallel mit diesem Process geht eine Einsenkung der Epithelschicht zu bei- den Seiten der Rinne, hierdurch hebt sich der Drüsenkörper von der innern Wandung des Sackes ab und erscheint in Form des bekannten Längswulstes. Äußere Form. Beziehung der Flosse zum Kopulationsglied. Wie in der Entwicklung des einzelnen Gliedes, so macht sich auch innerhalb des Selachier-Stammes die Tendenz geltend, das Kopulationsglied so viel als möglich aus dem Flossenverbande herauszuheben. Bei vielen Altselachiern ist der Flossensaum fast mit der ganzen Länge des geschlechtsreifen Gliedes verbunden, bei genetisch jüngeren Formen wird diese Verbindung schon an der Basis des Gliedes aufgelöst. Besondere Hautstrukturen bei nackten Formen. In aus- gesprochenem Maße beobachtete ich solche Strukturen bei einer Trygon- Art und bei Raya clavata. Die Hautoberfläche des Gliedes weist bei Trygon an mehreren Stellen dichtgedrängte, polygonale Vertiefungen auf. Hierdurch entstehen netzartig verbundene, erhabene Hautleisten, die sich deutlich von der Grundfläche absetzen. Wahrscheinlich han- delt es sich hier um einen Haftapparat, der eine innige Verbindung des Gliedes mit den weiblichen Geschlechtstheilen bezweckt. Beobachtung an Copulationsgliedern von Seyllium canı- cula. Schon PErrı erwähnt, dass er die konservirten Kopulations- glieder der Scylliden stets im Zustand der Dilatation vorgefunden habe; er führt diese Erscheinung auf eine Kontraktion des Muse. dilatator während der Todesstarre, und eine rasch erfolgende Här- tung des Präparates in Alkohol zurück. Auf meinen Meeresexkur- sionen beobachtete ich, wie Exemplare von Sceyllium cantieula Kurz vor dem Erstickungstode ihre Kopulationsglieder krampfhaft zu- sammenziehen und den Endapparat ausbreiten; die entgegengesetzte Bewegung, das Strecken des Gliedes, trat nicht mehr ein. Die Kopulationsglieder der Selachier. 671 Systematik der Kopulationsglieder. Auf Grund gemeinschaftlicher, anatomischer Merkmale habe ich die Kopulationsglieder in folgende Gruppen zusammengestellt: Gruppe A. Im Allgemeinen mit einem beweglichen, die Haut durchbreehenden Chondrodentinstachel und einer oberflächlich sich über die Rinne legenden Hautfalte 7d,. Der Muse. compressor ist stark ausgebildet und stets lateral gelegen. Das Drüsenepithel be- kleidet die ganze Innenfläche des Drüsensackes. Der Stammknorpel b des Gliedes hat die Gestalt eines eylindrischen distal zugespitzten Stabes — Notidanidae, Laemargidae, Scymnidae, Spinacidae und Cestra- ciontidae. Gruppe B. Die Hautfalte 7«d, ist in die Rinne verlagert. Der Muse. flexor exterior entspringt immer vom Septum des Muse. adductor. Der Muse. compressor ist schwach entwickelt und liegt median. Das Drüsenepithel bekleidet die ganze Innenfläche des Drüsensackes. Der Knorpel £ ist wie d, klein und von erbsenför- miger Gestalt. Der Stammknorpel d ist dorsoventral abgeflacht und bildet in seinem proximalen Theil eine Rinne. Die Randknorpel Ad und Av sind stark ausgebildet, sie reichen bis zum vorderen Ende von b. — Scylhidae, Sceylliolamnidae, Lamnidae, Mustelidae, Galeidae, Carcharıdae und Zygaenidae. Gruppe ©. Der Drüsensack birgt in seinem Innern einen läng- lichen, tubulös zusammengesetzten Drüsenkörper. Die Schaltglieder sind stets in der Mehrzahl vorhanden. Immer tritt am Endstück des Gliedes ein, seltener zwei oder drei Deckknorpel auf. — Rhinidae, Rhinobatidae, Pristidae, Torpedinidae, Trygonidae, Myliobatidae und Rayidae. Gruppe D. Das Kopulationsglied tritt in hohem Mabe aus dem Fiossenverbande heraus, theilt sich merkwürdigerweise in drei Äste und besitzt keinen dilatatorischen Endapparat im Sinne der übrigen Formen — Chimaeridae. / Beurtheilung der Stellung ven Rhina squatina im System auf Grund der Kopulationsglieder. Die Ansicht, Rhina squa- tina als Zwischenform der Squaliden und Rajiden aufzufassen, findet auch in der Anatomie der Kopulationsglieder ihre Berechtigung. Auch JUNGERSEN bemerkt die eigenthümliche Mischung von hai- und rochenähnlichen Charakteren dieses Kopulationsgliedes, ohne näher darauf einzutreten. Die spärliche Beschuppung stellt gewissermaßen einen Übergang von den beschuppten (Haien) zu den nackten Formen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. | 44 672 Oscar Huber. (Rochen) dar. Merkmale, die das Kopulationsglied von Ahina mit den Spinaciden (oder überhaupt mit denjenigen der Gruppe A) ge- meinsam hat, sind: Weitgehende Verbindung des Flossensaumes mit dem Gliede, sehr geringer Längskoefficient (5) Gestalt und Lage der Hautfalte 7d, und zum Theil des Knorpels 73. Die Rochen- merkmale dieses Gliedes sind: Das Vorhandensein eines besonderen Drüsenkörpers im Inneren des Drüsensackes, eine laterale zwischen Tv und v gelegene Hauttasche 2’ und das Auftreten des Deck- knorpels ». Basel, im März 1901. Litteraturverzeichnis, 1. ARISTOTELES, Naturgeschichte der Thiere. Übersetzt von KARscH. 2. J. BATTARA, Atti dell’ Academia di Siena. Ser. I. T. IV. 1771. p. 553. 3. H. DE BLAINVILLE, Memoires sur le Squale Pelerin. Annales du Museum d’Histoire naturelle 1811. Vol. XVII. p. 125—127. 4. Er. BLocH, Von den vermeintlichen doppelten Zeugungsgliedern der Rochen und der Haie. Untersuchung am Nagelrochen (Raja clavata). 1785. Von den vermeintlichen männlichen Gliedern des Dornhai (Squalus acanthras). 1788. Schriften der Gesellschaft naturf. Freunde zu Berlin. Bd. VI und VII. 5. H. BorAav, Über die Paarung und die Fortpflanzung der Seylliumarten. Diese Zeitschr. Bd. XXXV. 1881. p. 321—323. 6. Cuvier, Vorlesungen über vergleichende Anatomie. Übersetzt, mit Anmer- kungen und Zusätzen versehen von J. F. MEcKkEL. 1810. Thl. IV. 7. M. B. v. Daviporr, Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaßen der Fische. Morphol. Jahrb. Bd. V. 1879. 8. J. Davy, On the male Organs of some of the cartilaginous Fishes. Phil. Trans. 1839. p. 139—149. 9. A. DumEriL, Histoire naturelle des Poissons. 1865. p. 235—236. 10. A. Fritsch, Die Organisation der Xenacanthiden. Fauna der Gaskohle und der Kalksteine der Permformation Böhmens. Bd. II und III. 11. ©. GEGENBAUR, Über die Modifikationen des Skelettes der Hintergliedmaßen bei den Männchen der Selachier und Chimaeren. Jenaische Zeitschr. Bd. V. 1870. p. 448—456. 12. A. GÜNTHER, *Report on the scientific results of the voyage of H. M. S. Challenger. Vol. XXII. Fam. Notidanidae. Chlamydoselache anguinea. p- 2. “ 13. H. JUNGERSEN, Über die Bauchflossenanhänge (Kopulationsorgane) der Se- lachiermännchen. Anat. Anz. Bd. XIV. p. 498—513. 1898. 14. —— On the Appendices genitales in the Greenland Shark. Somniosus miero- cephalus (Bl. Schn.) and other Selachiens. The danish Ingolf- Expedi- tion. Voll, 2.7189% Die Kopulationsglieder der Selachier. 673 15. A. KÖLLIRER, Histologisches über Rhinoeryptis (Lepidosiren) annectens. Würzburger naturwissensch. Zeitschr. der phys.-medie. Gesellschaft. I. 2. 1860. | 16. F. MARKERT, Die Flossenstacheln von Acanthias. Zoolog. Jahrb. Bd. IX. 18%. p. 669 — 722. 17. Mayer, Über die Bedeutung der fußlosen Anhänge bei Rochen und Haien und ihr Wiedervorkommen bei niederen Thieren. Notizen aus dem Ge- biete der Natur- und Heilkunde von FRORIEP. Bd. XL. Nr. 876. 1834. 18. N. DE MIKLOUCHO-MAcLAY and Wu. MACLEAY, Plagiostomata of the Pacific. Fam. Heterodontidae. Proc. Linn. Soc. N. S. Wales. Vol. II. 19. Ar. Monro, Vergleichung des Baues und der Physiologie der Fische mit dem Bau des Menschen und der übrigen Thiere. Übersetzt. mit Zu- sätzen versehen von J. G. SCHNEIDER. 1787. 20. E. MOREAU, Poissons de la France. Vol. 1. 21. J. MÜLLER, Der glatte Hai des Aristoteles. Abh. der königl. preuß. Akad. 1840. p. 187—257. 22. R.Prreı, Die Kopulationsorgane der Plagiostomen. Diese Zeitschr. Bd. XXX. 1878. 23. A. SCHNEIDER, Studien zur Systematik und zur vergl. Anatomie, Entwick- lungsgeschichte und Histologie der Wirbelthiere. Zool. Beitr. Vol. I. 1890. 24. J. G. SCHNEIDER, Von den Rochen. Leipz. Magazin zur Naturk., Math. und Ökon. 1783. p. 265—282. 25. H. Srtannıvs, Handbuch der vergl. Anatomie. II. Aufl. Berlin 1854. II. Thl. p- 278. 26. Vo@T et PAPPENHEIM, Recherches sur V’anatomie ecomparce des Organes de la Generation chez les animaux vertebres. Annales des Sciences natu- zelles par M. MITnE EDwArDs. Serie IV. Tome XM, 1859 p. Il. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVII. Fig. 1. Hezanchus griseus. Dorsalseite vom distalen Theil der linken männ- - lichen Ventralflosse (unvollständig entwickelte Form). ?/3 natürl. Größe. Fig. 2. Hexanchus griseus. Skelett derselben Flosse, dorsal. 1/a natürl. Größe. Fig. 3. Scymnus lichia. Skelett der Iimken männlichen Ventralflosse, dor- sal. 2/3 natürl. Größe. Fig. 3a. Endstück desselben Kopulationsgliedes.. 2mal natürl. Größe. T3, Anlage des Stachels. | Fig. 4 Pristiurus melanostomus. Dorsalseite der linken männlichen Ven- tralflosse. Natürl. Größe. Fig. 5. Skelett derselben Flosse, dorsal. Natürl. Größe. Fig. 5a. Endstück des Kopulationsgliedes von Pristiurns melanostomus. 2mal natürl. Größe. Fig. 55 und ec. Einzelne Bestandtheile hiervon. Fig. 6. Lamna cornubica. Dorsalseite der linken männlichen Ventralflosse (unvollständig entwickelte Form). ?'/s natürl. Größe. [9 44* 674 Oscar Huber, Die Kopulationsglieder der Selachier. Fig. 7. Mustelus laeves. Skelett der linken männlichen Ventralflosse, dor- sal. 2/3 natürl. Größe. Fig. 7a. Ventralseite vom Endstück dieses Kopulationsgliedes. Fig. 8. Mustelus vulgaris. Dorsalseite der linken, männlichen Ventralflosse. 2/; natürl. Größe. Fig. 8a. Ventralseite vom Endstück dieses Kopulationsgliedes. Fig. 9. Carcharias lamia. Skelett der linken, männlichen Ventralflosse., dorsal. 1/4 natürl. Größe. Tafel XXVIII. Fig. 10. Trygon spee.? Skelett der linken männlichen Ventralflosse, dor- sal. 1/ natürl. Größe. Fig. 10a. Ventralseite vom Endstück dieses Kopulationsgliedes mit Halb- gelenk. 1/, natürl. Größe. Fig. 11. Querschnitt durch das Epithel der Kopulationsdrüse vo Acan- thias vulgaris. Stark vergrößert. Fig. 12. Längsschnitt durch die Spitze des Kopulationsgliedes vo Seyl- lvum catulus. Stark vergrößert. Fig. 13. Raja elavata. Dorsalseite der rechten männlichen Ventralflosse. >’, natürl. Größe. Fig. 14. Seyllium canteula. Männliches Hinterextremitätenpaar. Kopula- tionsglieder im Zustande der Dilatation. Natürl. Größe. Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) bis zum Auftreten der Falterform der Embryonalanlage'. Von Dr. med. E. Ballowitz, a. 0. Professor der Anatomie und Prosektor am anatomischen Institut der Universität Greifswald. Mit Tafel XXIX—XXXII und 41 Figuren im Text. Gelegentlich der monographischen Bearbeitung der Entwicklung der Kreuzotter, deren erster Theil demnächst erscheinen wird, war es mein Bestreben, auch von der Ringelnatter embryologisches Ma- terial zu sammeln, um diese giftlose Schlange zum Vergleiche heran- zuziehen. Es wäre mir nun wohl ein Leichtes gewesen, von diesem Ophidier ein gleich vollständiges Material zusammenzubringen, wie von der Kreuzotter, da Nattern weit bequemer zu beschaffen sind, als die giftigen Ottern. Indessen nahmen die Konservirung und Prä- paration des Untersuchungsmaterials der Otter meine Zeit derart in Anspruch, dass ich darauf verzichten musste, Keimscheiben der Ringel- natter in dem gleichen Umfange zu sammeln. Trotzdem habe ich von manchen Phasen doch ein, wie mir scheint, recht vollständiges 1 Eine kurze Mittheilung hierüber habe ich bereits in meinem, auf dem Anatomenkongress in Bonn am 28. Mai 1901 gehaltenen Vortrage: »Ein Kapitel aus der Entwicklungsgeschichte der Schlangen: die Schicksale des Urmundes bei der Kreuzotter und der Ringelnatter«< gemacht. Eben dort habe ich auch eine Anzahl darauf bezüglicher Präparate von der Ringelnatter, sowie die dieser Ab- handlung beigefügten Tafel-Abbildungen ausgestellt und demonstrirt. Vgl. die Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft auf der 15. Versammlung in Bonn 1901. Ergänzungsheft zum XIX. Bd. des Anatomischen Anzeigers p. 80 u. 204. Ferner demonstrirte ich in der Sitzung des Greifswalder medicinischen Vereins am 6. Juli dieses Jahres zur Erläuterung meines Vortrages: »Über Epithelab- stoßung am Urmund« eine größere Anzahl anderer Präparate, welche die Ent- wieklung des Keimes der Ringelnatter von dem Übergangsstadium des Archistoms in das Prostom bis zur völligen Ausbildung der Falterform der Embryonalanlage vorführten. Vgl. die Verhandlungen des Greifswalder medic. Vereins vom 6. Juli 1901. Deutsche medic. Wochenschrift, 1901, Nr. 38, Vereinsbeilage. 676 E. Ballowitz, Material erhalten. Das gilt besonders für die Gastrulation und die darauf folgenden Entwicklungsvorgänge. Da die Ringelnatter be- achtenswerthe und interessante Abweichungen zeigt, will ich in den folgenden Abhandlungen meine Befunde ausführlich schildern, schon aus dem Grunde, um meine Monographie über die Kreuzotter etwas zu entlasten; in letzterer werde ich dann nur nöthig haben, auf diese Mittheilungen hier zu verweisen. Die folgenden Mittheilungen dürften um so mehr Berechtigung haben, als von den ersten Ent- wicklungsvorgängen am Schlangenei noch herzlich wenig bekannt ist. Die Thiere erhielt ich alle lebend und frisch gefangen. Sogleich nach Empfang wurden sie mit Chloroform getödtet. Alsdann schnitt ich sofort die Eileiter mit den zahlreichen, perlschnurartig hinter einander aufgereihten Eiern! heraus und legte sie theils in Eisessig- sublimatlösung, theils in Zenker’sche Flüssigkeit. Beide Fixirungs- flüssigkeiten haben sich vorzüglich bewährt. Eine größere Anzahl hauptsächlich von den älteren Stadien wurde ferner mit einem Ge- misch von Salpetersäure und Chromsäure? behandelt. Nach etwa 1--2 Stunden befreite ich die Eier von der Eileiterhaut und ließ dann die Fixirungsflüssigkeit noch 12—24 Stunden einwirken. Anfangs schälte ich die Eier sogleich nach Entfernung des Eileiters, fand es aber bald zweckmäßiger, sie 12—24 Stunden ungeschält in der Fixirungsflüssigkeit zu lassen. Sodann wurden die erweichten Ei- schalen entfernt, die Keimscheiben frei präparirt und, entweder ab- gelöst oder am ganzen Ei, in Alkohol von allmählich ansteigender Koncentration gehärtet. Dieser Abhandlung liegt ein Material von 317 Stadien zu Grunde, von denen ich !/, in Serien zerlegt habe, während die übrigen als Flächenpräparate verarbeitet wurden. Dieses Material dürfte als ein selten großes und vollständiges zu bezeichnen sein, da von den ersten ! Im linken Eileiter waren die Eier mehr nach hinten gerückt, als im rech- ten. Auch waren sie links weniger zahlreich als rechts, nur selten enthielt der linke und rechte Eileiter desselben Thieres die gleiche Anzahl Eier. Die größte Eierzahl, die ich in einer Natter auffand, betrug 31. Größere Nattern gehen ge- wöhnlich mit weit über 20 Eiern trächtig. Alle Eier desselben Weibchens befin- den sich auf ziemlich gleicher Entwicklungsstufe, erhebliche Differenzen kommen nicht vor. Einmal fand ich in einer mittelgroßen Ringelnatter drei Zwergeier von 14—15 mm Länge und 11—12 mm Breite, die aber ganz normal entwickelte Embryonalanlagen aufwiesen; auch die übrigen Eier dieses Individuums waren unter der Durchschnittsgröße der Eier gleichen Stadiums bei anderen Weibchen, welche 22—27 mm Länge und 12—15 mm Breite betrug. | 2 Über alles Nähere in Betreff der angewandten Methoden siehe meine Mono- graphie über die Entwicklung der Kreuzotter. Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 677 Anfängen der Urmundbildung bis zum Schluss des Urmundes, wie ich glaube, die sämmtlichen Stadien mit allen Übergängen und von den einzelnen Stadien stets zahlreiche Stücke vertreten sind. In den Abbildungen habe ich natürlich nur die mir am wichtigsten erschei- nenden Haupttypen zur Darstellung gebracht. Bei der Auswahl muss man mit der individuellen Variation rechnen, die bei einem so großen Material besonders auffällig wird. Besonderes Gewicht habe ich auch hier auf die Darstellung der Flächenbilder gelegt, welche bei Lupen- vergrößerung nach dem ungefärbten, in Alkohol liegenden Präparate gezeichnet wurden. Ich. betone, dass diese Untersuchung des unge- färbten Präparates bei Weitem instruktiver und werthvoller ist, als die Betrachtung der gefärbten, in Balsam eingeschlossenen Flächen- präparate. Auf den Tafeln sind alle Flächenbilder so aufgereiht, dass das Vorderende der Embryonalanlage nach oben, das Hinter- ende nach unten und die Medianlinie vertikal gestellt ist. Von Sehnittbildern habe ich nur wenige bis in alle Einzelheiten ausge- führte auf den Tafeln gebracht und mich im Übrigen mit Textfiguren begnügt, um die theuere lithographische Reproduktion möglichst zu ersparen. Alle Textfiguren wurden in der gleichen Vergrößerung nach einem eigenen Verfahren als Kontourzeichnungen genau nach dem Präparate gezeichnet; nur die Epithelstreifung wurde schema- tisirt angegeben. Die Längsschnitte sind alle so gestellt, dass das Hinterende des Embryos mit der Stomaplatte nach links sieht; nur in den Textfig. 25—27 ist es nach rechts gerichtet. Die Litteratur über die Entwicklung der Schlangen will ich hier nicht näher aufführen, da ich sie in meiner citirten Monographie schon erschöpfend zusammengestellt habe. Bei der Beschreibung meiner Befunde werde ich so wie so Gelegenheit haben, auf gleiche oder ähnliche Beobachtungen früherer Autoren zurückzukommen. Hauptsächlich müssen die Arbeiten von v. KuUPFFER und WırL Be- rücksichtigung finden. Auf die Furchung, die Bildung der sehr großen Furchungshöhle und des Embryonalschildes gehe ich hier nicht näher ein, da ich diese Vorgänge bei der Kreuzotter genauer verfolgt habe. Ich will nur erwähnen, dass ich an den älteren Furchungsstadien die Rand- furchung meist sehr schön ausgeprägt antraf. Bisweilen ist sie merk- würdig unregelmäßig, wie die Textfig. 1 und 2 zeigen. Fig. 2 erinnert an die Befunde, welche VAy! an 15 Eiern einer Ringelnatter gemacht ! Fr. Vayv, Zur Segmentation von Tropidonotus natrix. Anatomische Hefte. B Abth. 11..Bd. 1893. p. 29 678 E. Ballowitz, hat. Dieser Autor nimmt, in Übertragung der Beobachtungen von v. KöÖLLikEr und von Duvar am Hühnerei auf das Ei der Reptilien, an, dass die sich furchenden Keimscheiben der Ringelnatter aus zwei symmetrischen Hälften bestehen, und dass die Seite mit den größeren Segmenten dem vorderen, die Seite mit den kleineren Segmenten dem hinteren Körperende des späteren Embryo entspricht, ohne frei- lich direkte Beweise für diese seine Annahme beizubringen. Eine »Symmetrieachse« ließe sich in meiner Textfig. 1 wohl kaum ziehen. Textfig. 2. Ich selbst bin hier noch zu keinem abschließenden Urtheil gekom- men, zumal die Stellung des Embryos zur Eiachse auch sehr variirt. An ein wenig älteren Eiern mit etwas größerem Keimhof von S—10 mm im Durchmesser schließt ein in größerer Ausdehnung vorhandenes und stetig zunehmendes Blastoderm als einschichtige Zellenlage die große Furchungshöhle ab, während die Randfurchung nicht mehr oder nur noch in Andeutungen zu erkennen ist. In der Furchungshöhle be- finden sich sehr zahlreiche Zellen, die größtentheils zu unter ein- ander kommunieirenden Strängen zusammengelagert sind und ein engmaschiges, schwammiges Gerüst formiren, welches mit einer un- regelmäßigen Zellenlage unter dem Blastoderm zusammenhängt und durch letzteres als Netzzeichnung hindurchschimmert. Diese ganze Zellenmasse bildet eine relativ dieke Lage. Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 679 Kapitel 1. Embryonalschild, Bildung der Urmundplatte und des Archistoms im Flächenbild. Die erste, mit der eigentlichen Embryonalanlage zusammen- hängende Veränderung, welche man an dem Ei (nach Entfernung der Eihaut) wahrnehmen kann, ist das Auftreten einer weniger durch- siehtigen Stelle meist in der Mitte des Keimhofes, an welcher die der Tiefe angehörende Netzzeichnung mehr oder weniger verdeckt _ wird. Diese Stelle ist der Embryonalschild. Der ganze Keimhof ist zu dieser Zeit kreisrund oder oval oder auch elliptisch und besitzt einen (längsten) Durchmesser von durchschnittlich 10—11!/, mm. Deutlicher wird die Stelle an der abgelösten Keimhaut. Sie erscheint hier als weißlicher, weniger durchsichtiger Fleck mit undeutlicher Begrenzung und von kreisrunder, ovaler oder ein wenig länglicher Form. So weit sich das bei der Undeutlichkeit der Grenzen über- haupt feststellen lässt, beträgt der (längste) Durchmesser (unter der Lupe vermittels eines Cirkels gemessen!) ca. 3 mm. Weiteres ist an diesen Keimscheiben nicht zu erkennen. Sehr bald verdickt sich aber der eine Rand des Schildes in sroßer Ausdehnung, so dass er als schmaler, weißlicher, undurch- sichtiger Saum in die Erscheinung tritt und zugleich an der Ober- fläche eine Spur hervorragt (Fig. 1, Taf. XXIX). Dieser stirnartige Rand wird sehr auffällig und ist schon an dem intakten Ei als weiß- liche, mehr oder weniger gebogene, schmale Sichel mit bloßem Auge sofort wahrnehmbar. Die sichelförmige Biegung ist meist sehr aus- gesprochen, nicht selten aber auch weniger, so dass die Verdickung mehr geradlinig wird. Die Länge der Randsichel, in der geradlinigen Verbindung ihrer beiden Enden als Bogensehne gemessen, ist recht beträchtlich und beläuft sich auf 1!/, bis sogar etwas über 5 mm, im Durchschnitt etwa 2 mm. Bei ovaler Form des Schildes sitzt die Verdickung häufig einer Langseite des Ovals an. Die Begrenzung des Schildes ist übrigens auch jetzt noch undeutlich und bleibt es auch; nur in der Ausdehnung des verdiekten Randes ist die Schildabgrenzung ausgesprochen (Fig. 1, Taf. XXX). | i Wo nieht ausdrücklich bemerkt ist, dass mit dem Ocularmikrometer ge- messen wurde, ist die oben angegebene Messmethode zur Anwendung gekom- men, die natürlich nicht bis auf Bruchtheile eines Millimeters genau sein kann. 680 E. Ballowitz. Von diesem Stadium standen mir 26 Stücke zur Verfügung. Dieser verdickte Rand ist die erste Andeutung der Urmundplatte (Primitivplatte, Primitivknoten der Autoren), die zugleich den hin- teren Pol der Embryonalanlage kennzeichnet. Der Rand verbreitert sich nun etwas und tritt noch mehr an der Oberfläche hervor. Dadurch entsteht hinter dem Rande eine zunächst sehr flache, kaum angedeutete, schattenhaft erscheinende Furche, welche sich dann aber etwas vertieft. Diese Furche habe ich in sehr zahlreichen Präparaten in verschiedener Ausbildung angetroffen. Ist sie vollkommen ausgebildet, so kann sie fast die Länge der Rand- sichel des Schildes erreichen. Wie die letztere, verläuft sie gebogen und bildet eine flache, schmale Rinne (Fig. 2, Taf. XXIX), welche im mittleren Theil gewöhnlich ein wenig breiter als seitlich ist: an den beiden Enden flacht sie sich ab. Da der verdiekte Schildrand dem hinteren Embryonalpole entspricht, so sieht mithin die Konkavität der Rinne nach vorn, ihre Konvexität nach hinten. Die Ränder, welche die Rinne begrenzen, sind nicht selten etwas unregelmäßig. Auch habe ich im Boden der Rinne bisweilen Grübchen, unregelmäßige kleine Vertiefungen gesehen. An einigen Präparaten gewann ich schon bei Lupenbetrachtung den Eindruck, als ob sich von diesen Grübchen aus eine weitere Vertiefung der Rinne einleitet. Wir werden bei Untersuchung der Schnittbilder sehen, dass dem in der That so ist. Wie ich in meinem Vortrage in Bonn schon angeführt habe, ist die beschriebene Furche schon von WırLL? gesehen und als »Sichel- rinne« bezeichnet worden. Ich habe sie Archistom genannt, weil ich bei der Kreuzotter in allerdings nur seltenen Fällen beobachten konnte, dass von dieser Furche aus eine wirkliche Urdarmeinstül- pung von der gleichen Biegung und Ausdehnung, wie die Furche sie besitzt, erfolgte. WırL erwähnt auch schon eime Randverdickung des Schildes. Dieses Archistom ist nun bei der Ringelnatter eine schnell vor- übergehende Bildung. Die ersten Veränderungen, welche ich im Flächenbild bei Lupenvergrößerung feststellen konnte, bestanden darin, dass sich vor der Mitte der Furche zuerst eine weibliche, ! Die Primitivplatte der Autoren habe ich Urmundplatte, Stomaplatte, Stoma- plax genannt, um schon durch den Namen ihre wesentlichste Beziehung zur Urmundbildung hervorzuheben. 2 L. WiLL, Über die Verhältnisse des Urdarmes und des Canalis neuren- tericus bei der Ringelnatter. Biologisches Centralbl. Bd. XIX. 15. Juni 1899. Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 681 weniger durchsichtige Verdickung zeigte (Fig. 2), welehe durch einen, bei bestimmter Lage und Beleuchtung des Präparates deutlich her- vortretenden, zarten Schatten nach vorn hin abgegrenzt erschien. Diese Verdiekung nimmt nun seitlich zu und wird zur Vorderlippe des Archistoms, während die oben geschilderte Randsichel dessen Hinterlippe abgiebt. In einem gewissen Stadium zeigen Vorder- und Hinterlippe ganz gleiche Ausbildung und ragen beide ein wenig hervor. Dabei offenbaren die beiden Lippen schon früh die Ten- denz, mit ihren Enden seitlich zusammenzufließen. Durch diesen Umstand flachen sich die Enden des sichelförmigen Archistoms ab und verschwinden ganz, so dass die Länge der Furche gekürzt wird. Gleichzeitig streckt sich durch die Erhebung der Vorderlippe die Furche mehr gerade, so dass eine mehr geradlinige, sich bald noch weiter vertiefende Einsenkung daraus hervorgeht (Fig. 3, Taf. XXIX). Jetzt ist die Urmundplatte ein sehr auffälliger, mit bloßem Auge sehr gut wahrnehmbarer, weißlicher, an der Oberfläche und auch an der Unterseite ein wenig hervorragender, etwas länglicher Fleck ge- worden, der sich sehr deutlich von seiner Umgebung abhebt und auch von dem Embryonalschilde anfängt, sich vorsprung- oder kopf- artig abzusetzen (Fig. 3). Es tritt gewissermaßen eine Koncentration der ganzen verdickten weiblichen. Partie ein, wie ein Vergleich der Fig. 1-3, Taf. XXIX, am besten zeigt. Ihr querer Durchmesser be- trägt durchschnittlich 1 bis gegen 2 mm, ihr sagittaler !/, bis gegen 1 mm, während der Embryonalschild mitsammt der Urmundplatte 2—3 mm im längsten (medianen) Durchmesser aufweist; übrigens varıirt die Urmundplatte sehr, so dass sie auch recht klein sein kann. In der Mitte der Erhebung liegt kraterartig die Einsenkung. Auch die Länge der Einsenkung ist sehr variabel. Meist beträgt sie 4/, bis gegen 1 mm, ich habe sie aber auch sehr klein gefunden. Bemerkt sei noch, dass sich an der Einsenkung oft noch längere Zeit, auch in späteren Stadien, die ursprüngliche charakteristische Biegung des Archistoms angedeutet erhält, wie ein Blick auf die Fig. 11—14 und 17—18 zeigt. Fig. 1, Taf. XXIX, bringt die sichelförmige Randverdiekung in einem typischen Falle zum Ausdruck. Sie ist hier sehr groß und befindet sich in diesem Falle an der Längsseite des ovalen Schildes. Der letztere ist nur im Bereiche der Randsichel scharf begrenzt, nach vorn dagegen verschwommen. Durch diesen in die Umgebung allmählich übergehenden Theil schimmert das spongiöse Gerüst der 682 E. Ballowitz, (entodermatischen, siehe Kapitel II) Zellbalken als Netzzeichnung durch, eine Zeichnung, die in der ganzen Umgebung des Schildes sehr deut- lieh ist und oft einen radiären Zug in der Anordnung der Zellbalken erkennen lässt. In Fig. 2 sitzt die Randverdiekung an dem einen Ende des mehr elliptischen Schildes und ist etwas breiter und kürzer geworden. Vor ihr hat sich eine charakteristisch gebogene Archistomrinne gebildet, vor deren Mitte ein noch kleiner Wulst, der Anfang der Vorderlippe, sich zu erheben beginnt. In Fig. 3 ist diese Vorderlippe bis zur gleichen Größe gewach- sen, wie sie die aus der Randsichel hervorgegangene Hinterlippe besitzt. Beide Lippen sind seitlich verschmolzen und begrenzen eine mehr geradlinige Einsenkung, die noch flach ist und nur in der Mitte etwas tiefer zu werden beginnt. Eine Senkrechte, welche man jetzt in der Mitte der Einsenkung auf letztere fällt, bezeichnet die Median- linie der Embryonalanlage. Die ganze als weißliche Erhebung her- vortretende Stelle, die weiter entwickelte Stomaplatte, beginnt sich etwas von dem hier ovalen Schild abzusetzen. Ein ähnliches Stadium der Platte, wie Fig. 3, zeigt Fig. 10, Taf. XXX, nur ist hier die Archistomrinne noch sehr flach. Das Gleiche gilt auch für die sehr gebogene, etwas unregelmäßig begrenzte Archistomrinne der Fig. 9, die sich vor dem verdiekten Rande des einen Winkels des hier mehr dreieckigen Schildes befindet; von der Randverdickung gehen in der Tiefe ausgesprochen radiär verlaufende Entodermzellbalken aus. Solche mehr dreieckigen Schildbildungen habe ich häufiger gefunden (vgl. z. B. Fig. 4 und 5, Taf. XXIX und Fig. 20, Taf. XXX); an ihnen sind die hinteren Theile der beiden in der Stomaplatte zusammenstoßenden Seiten gewöhnlich deutlicher be- srenzt, während die dritte vordere Seite meist ganz undeutlich ist. Fig. 11—14, Taf. XXX, lassen schließlich das Hervorwachsen der Vorderlippe und die damit Hand in Hand gehende Geradestreckung der Archistomrinne erkennen. Fig. 13 und 14 sind noch dadurch ausgezeichnet, dass der Rand der Vorderlippe eine leichte Einkerbung zeigt; die Kerben sind aber nur spärlich und sehr flach. Derartige Einkerbungen !habe ich in vereinzelten Fällen angetroffen. Ich er- wähne sie auch nur desswegen besonders, weil sie an die eigenthüm- lichen Urmundbilder erinnern, welche v. Kuprrer! von der Äskulap- ! ©. KUPFFER, Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern der Wirbel- thiere und die Bedeutung des Primitivstreifs. Archiv für Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte. Jahrg. 1882. Anat. Abth. p. 13. Taf. IV, Fig. 40a—g. Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 683 natter abgebildet hat. So unregelmäßige Formen der Vorderlippe, wie sie v. KUPFFER in Fig. 40a der eitirten Abhandlung, und vollends eine solche Spaltung der Hinterlippe, wie er sie in Fig. 40 eg dar- gestellt (vgl. auch die durch die Spaltung hervorgerufenen »Zwillings- zapfen« KUPFFER’s, Z.Z der Fig. 40 f und g), habe ich indessen bei der Ringelnatter niemals beobachtet. Es müssen demnach bei der Askulapnatter besondere Verhältnisse hinsichtlich der Form des Blasto- porus vorliegen, wenn man nicht annehmen will, dass die KUPFFER- schen Präparate vielleicht nicht gut konservirt und durch Schrumpfung oder andere Faktoren verunstaltet waren. Ich kann nicht verhehlen, dass ich diesen Verdacht hege, besonders auch wenn ich mir die Fig. 40 &—d der eitirten Abhandlung ansehe. Die zuletzt von mir besprochenen Stadien der Ringelnatter bil- den die Endstufe desjenigen Blastoporus-Stadiums, welches ich als Archistom unterschieden habe, und leiten zu den darauf folgenden Umformungen des Urmundes, seinem Prostom-Stadium, über. Auf dieser Entwicklungsstufe ist auch der gesammte Keimhof noch gewachsen (durchschnittlich 11—14 mm im [längsten] Durch- messer) und nimmt gewöhnlich die Mitte des Eies ein; seltener ist er mehr gegen den einen Eipol verschoben. In ganz vereinzelten Fällen saß die Keimhaut dem spitzen Eipol fast fingerhutartig auf. Den Urmund fand ich in der Mehrzahl der Fälle in der Mitte oder doch in der Nähe der Mitte des Keimhofes, er kann aber auch excentrisch angetroffen werden, selten jedoch so, dass er sich dem Keimhautrande nähert. Der Urmundspalt ist meist parallel zur Längs- achse des Eies gerichtet, so dass der Schild und damit die ganze Em- bryonalanlage sich senkrecht zur Eiachse lagert. Der Spalt kann sich aber auch schräg und quer zur Längsachse des Eies stellen; dadurch wird das Lageverhältnis der Embryonalanlage zur Eiachse variabel. Kapitel I. Embryonalschild, Bildung der Urmundplatte und des Archistoms im Schnittbild. Ich beginne bei der Besprechung der Serienschnitte mit einem Stadium, in welchem nur erst der Embryonalschild mit der Lupe sichtbar ist; oder doch höchstens erst eine mit der Lupe kaum zu erkennende Randverdickung beginnt. Auf dieser Stufe findet man nun zwei Keimblattlagen, das Ektoderm und das Entoderm. Das Ektoderm wird durch das Schildepithel und in dessen Umgebung 684 E. Ballowitz, durch die oberflächliche, einschichtige Zellenlage repräsentirt. Als Entoderm muss dann wohl das ganze darunter befindliche spongiöse Netzgerüst aufgefasst werden, eine Auffassung, welche auch schon Wir! geäußert hat. Da diese Zellenmasse den Mesoblast liefert, während sich das Entoderm einfach davon abspaltet, würde auch die Auffassung nicht ohne einige Berechtigung sein, diese spongiöse Zellenlage für eine noch indifferente Zellenmasse zu halten, welche als Entoblastem? bezeichnet werden könnte. Wurden die Schnitte parallel zur Längsachse des Schildes, d. i. also auch parallel zur Medianebene der Embryonalanlage gelegt, und zwar an solchen Keimscheiben, an welchen sich die Randverdickung an der einen Schmalseite des Schildes auszubilden beginnt, so erkennt man, dass sich die beiden Enden des Schilddurchsehnittes in den mittleren Schnitten der Serie verschieden verhalten. Das eine (vordere) Ende flacht sich allmählich ab und geht zuerst in ein kubisches, dann in weiterer Entfernung vom Schilde in ein plattes Epithel über. Am anderen (hinteren) Ende dagegen tritt die Abflachung ziemlich schnell ein; hier ist das Schildepithel auch etwas höher, hier bildet sich die Randverdickung. Da der Schild sich nach vorn ganz all- mählich abflacht, lässt sich auch im mikroskopischen Bilde die Schild- länge nicht genau angeben. Ich erhielt hier etwas geringere Aus- maße, 2—3 mm. Die Dicke des Schildepithels beträgt in diesem Stadium meist 0,056 mm; am hinteren Rande ist es ein wenig höher. Die Schnitte lehren, dass der Schild in seinem mittleren Theile von einem hohen Üylinderepithel gebildet wird. An den dünneren Stellen des Schildes, vor Allem gegen seinen Rand hin (mit Aus- nahme des hinteren Randes), ist das Cylinderepithel noch einschich- tig; die palissadenartigen Zellen durchsetzen die ganze Dicke des Schildes senkrecht zu den Schildflächen, wobei die Kerne gewöhn- lich mehr der freien Oberfläche genähert sind. An dem diekeren Theil des Schildes ist das Cylinderepithel wohl unzweifelhaft geschichtet, so weit sich das eben in Schnitten fest- stellen lässt; eine Isolirung der Elemente des Schildes durch Mace- ration habe ich noch nicht vornehmen können. Ein großer Theil der Cylinderzellen wird auch hier wohl noch die ganze Dicke des Schildes durchsetzen. Die Aufstellung der Cylinderzellen ist dabei nicht immer senkrecht zu der Oberfläche des Schildes, sondern oft etwas schräg und unregelmäßig. Die Kerne der Zellen befinden sich in verschiedener lie} Vgl. meinen Bonner Vortrag. Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 685 Höhe. Außer den Cylinderzellen findet man’aber’auch konstant rund- liche, oder auch ein wenig längliche, selten unregelmäßige Zellen, die ganz in der Nähe der Oberfläche liegen und sich scharf abgren- zen lassen. Besonders deutlich wird die Abgrenzung, wenn diese Zellen sich anschicken sich zu theilen oder in Theilung begriffen sind. Mitosen wurden überhaupt nur in der oberflächlichen Zelllage be- obachtet. Die Spindelachse der Mitosen ist dabei gewöhnlich parallel der Oberfläche gerichtet. Das gilt auch für die späteren Stadien. Die freie Oberfläche des Schildes ist glatt, seine Unterseite da- gegen uneben, da das Schildepithel zunächst nicht überall genau die gleiche Dicke besitzt. Weiterhin werden diese Unebenheiten auch bedingt durch An- und Einlagerungen von Entodermzellen. Wirt hat schon darauf hingewiesen, dass das Entoderm sich an der Bil- dung des Schildes betheiligt. Auch mir scheint, dass die Entoderm- zellen sich dem Schildepithel .associiren und zur Bildung und zum Wachsthum desselben in erster Zeit beitragen. Man trifft hier und da Stellen, an welchen die Entodermzellen sich zwischen die unteren Epithelzellen einschieben und, nach dem mikroskopischen Bilde zu urtheilen, wohl unzweifelhaft dem Epithel sich definitiv einverleiben. Ganz regelmäßig ist das Letztere der Fall an dem hinteren Rande des Schildes, dort wo die Randverdickung entsteht. Diese sanze, mit der Lupe sichtbare Randverdiekung wird überhaupt ganz wesentlich hervorgerufen durch die Anlagerung von Entodermzellen. Wie oben angegeben, ist hier das Schildepithel etwas höher als an den übrigen Schildtheilen und springt nach unten hin oft in kleinen abgerundeten Wülsten vor. Man sieht auch schon an solchen Prä- paraten, an welchen mit der Lupe kaum erst eine Andeutung der Verdiekung wahrnehmbar ist, dass hier Entodermzellen in größerer Zahl sich in das gelockerte Schildepithel einlagern und sich zu einer dieken Schicht zusammenschließen, deren rundliche oder eckige Elemente noch deutlich von einander unterscheidbar bleiben. An dieser Stelle hängen daher Ektoderm und Entoderm zusammen. Diese Association findet aber zunächst nicht in der ganzen Aus- dehnung des später als Sichel hervortretenden Randes statt, sondern nur stellenweise. Dazwischen sind dann wieder ohne Regelmäßigkeit Stellen, an welchen das Schildepithel gegen das Entoderm abgegrenzt erscheint. Die Einwanderung scheint demnach Anfangs schubweise zu erfolgen, wobei die Zellstränge des entodermatischen Netzgerüstes gewissermaßen als zuführende Zellströme fungiren und das Zell- material liefern. Das Primäre wäre also das verdiekte Schildepithel, 686 ; E. Ballowitz. in welches dann sekundär die Invasion der Entodermzellen stattfindet, deren Produkt die Stomaplatte wird. Abgesehen von der Gegend der Randverdiekung findet auch an den Seiten des Schildes, also nicht allein vorn, ein allmählicher Über- sang des hohen Schildepithels in das niedrigere, einschichtige Epi- thel des ursprünglichen Blastoderms statt, wie Querschnitte lehren. Wie oben hervorgehoben, wird das Entoderm repräsentirt durch das gesammte, oben im makroskopischen [Bilde geschilderte, enge, spongiöse Netzgerüst, welches sich an der Unterfläche der Keimhaut und besonders auch der Schildregion vorfindet. Man erhält daher in den Serien die unregelmäßigen Durchschnitte durch die Zellbalken und sieht, dass die letzteren zusammenhängen mit einer Zellschicht an der Unterfläche der Keimhaut und des Schildes. Diese Zellschicht ist nun sehr unregelmäßig. Meist ist sie einschichtig, nicht selten nur gebildet von vereinzelten, amöbenähnlichen, der Schildunterfläche dicht angelagerten Zellen. Hier und da ist sie auch mehrschichtig, besonders dort, wo die Zellstränge in sie übergehen. Vor Allem in der Nähe der sich bildenden Randverdiekung pflegen die Zellstränge gehäuft zu sein und in intimem Zusammenhang mit ersterer zu stehen. Hier lagern oft ganze Schwärme von Entodermzellen. Die Zellen, welche die entodermatischen Zellstränge zusammen- setzen und in ihnen nur in lockerem, gegenseitigem Zusammenhange stehen, sind gewöhnlich rundlich oder auch länglich und etwas un- regelmäßig. Mitosen sind in diesen Zellen in der Nähe der Keim- haut sehr häufig. Je weiter gegen das Innere der Furchungshöhle, um so größer und dotterreicher werden die Zellen. Hier sind auch ihre Kerne merkwürdig unregelmäßig und stark färbbar. Die ganze große Entodermmasse ist offenbar zunächst ein mäch- tiges Lager von Bildungs- und Reservematerial, welches in einer fortwährenden, langsamen Umlagerung, in einem stetigen Fluss be- griffen ist. ; Die Gegend der Randverdiekung ist in dem Stadium, von wel- chem wir ausgegangen sind, an ihrer freien Oberfläche noch eben, höchstens ein wenig vorgewölbt. Sehr bald entsteht aber hier eine Anfangs ganz flache Einsenkung, so flach, dass man sie bei Lupen- vergrößerung noch nicht oder kaum wahrnehmen und erst auf den Längsschnitten sicher feststellen kann. Es folgen jetzt die Serien durch die Stadien, in welchen sich die Archistomrinne bildet. Fig. 30, Taf. XXXI, stellt einen Medianschnitt durch den hinteren Die Gastrulation bei der Ringelnatter \Tropidonotus natrix Boie) ete. 687 Schildtheil einer Keimscheibe dar, welche eine Randverdiekung und eben erst eine Andeutung beginnender Rinnenbildung unter der Lupe erkennen ließ. An der Oberfläche sieht man die sehr seichte mulden- artige Einsenkung der Rinne, welche nach hinten begrenzt wird von einem niedrigen, nach hinten sich allmählich abflachenden Hügel. Dieser Hügel sowie der Boden der Rinne bis gegen ihre vordere Begrenzung hin wird gebildet von einer indifferenten, gleichartigen Zellenmasse, deren Grenzen sich bis ganz in die Nähe der freien Oberfläche unterscheiden lassen. Ein Ektoderm, überhaupt eine epithelartige Abgrenzung der Elemente an der Oberfläche lässt sich nicht mehr erkennen. Das Ektoderm als solches hat hier vollständig seinen epithelialen Charakter verloren, es ist aufgegangen in den in- differenten Zellenmassen, deren Charakter es angenommen hat. Erst am vorderen Rande der Einsenkung tritt das Schildepithel wieder wohl charakterisirt hervor. Nach hinten hin verschmälert sich die Zellenmasse allmählich und setzt sich gewöhnlich schon ziemlich früh scharfrandig von dem Entoderm ab, um alsbald auszulaufen in ein plattes Ektoderm. Auch nach innen gegen das Entoderm ist die Zellenmasse zu- nächst noch nicht abgesetzt, vielmehr besteht hier ein überall ekla- tanter intimer Zusammenhang und Übergang der Zellen. Wir sehen in Fig. 30, wie die lockere, entodermatische Zellenschicht direkt in die Zellenmasse übergeht und ihr die Zellen zuführt. Erst unter dem Schild und dann nach hinten hin tritt das Entoderm wieder als ge- sonderte Zellenschicht in die Erscheinung. Wir haben also unmittelbar am hinteren Schildrand und zum Theil aus dessen Modifikation hervorgegangen einen diekeren halb- mondförmigen Streifen einer indifferenten Zellenmasse, in welcher sich weder Ektoderm, noch Meso- oder Entoderm unterscheiden lassen, welehe aber mit dem. Ektoderm, wie auch Anfangs noch mit dem Entoderm kontinuirlich zusammenhängt. Ich habe es für nöthig be- funden, diese wohl charakterisirte, indifferente Zellenmasse mit einem besonderen Namen zu bezeichnen und habe sie Blastemgewebe ge- nannt!. Die Gesammtheit dieses Blastemgewebes bildet den ersten Anfang der Urmundplatte (Primitivplatte der Autoren). Die Faktoren, welche die Urmundplatte als solche in den ersten Anfängen entstehen lassen, sind demnach: 1) eine Ein- und Anlagerung von Entodermzellen, ! Vgl. meinen Bonner Vortrag 1. ce. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 45 688 E. Ballowitz, 2) eine Verdieckung des Schildepithels, 3) der Umstand, dass das Ektodermepithel an dieser Stelle seinen epithelialen Charakter verliert. Nur in erster Zeit sind hier die oberflächlichsten Zellen noch palissadenartig neben einander ange- ordnet, ohne sich aber nach innen von der übrigen Zellenmasse abzusetzen. Die Urmundplatte wächst zunächst noch durch weiteres Zuströ- men von Entodermzellen, sodann aber nicht minder durch massenhafte mitotische Theilung der eingewanderten Zellen selbst1. Diese beiden Momente bedingen eine schnelle Vergrößerung der Platte, wie ein Vergleich mit Fig. 31 zeigt. Diese Figur ist einer Entwicklungsstufe entnommen, welcher die Fig. 2, Taf. XXIX und Fig. 9, Taf. XXX entsprechen. Die Platte ist hier wesentlich dieker geworden, besteht aber aus dem gleichen, indifferenten, locker zusammengefügten Gewebe, wie früher. Mehrere Mitosen finden sich fast in jedem Schnitt, zum Be- weise der intensiven Zellvermehrung. Ein wesentlicher Fortschritt ist aber zu verzeichnen: es hat sich die unterste Zellenlage von dem Blastemgewebe als einschichtiges, dünnes Entoderm abgespalten. Das restirende, indifferente Gewebe, welches weder als Ektoderm noch als Mesoderm angesprochen werden kann, habe ich Ektoblastem ge- nannt?. Diese Abspaltung des Entoderms von der Urmundplatte tritt mithin hier ziemlich früh auf, noch im Verlaufe der Ausbildung des Archistoms, ist aber Anfangs noch nicht vollkommen. Es finden sich noch immer Stellen, an welchen das Entoderm direkt mit dem Ekto- blastem zusammenhängt und sich noch nicht abgrenzen lässt. Zwischen die Schnittbilder der Fig. 30 und 31 würden solche durch das Stadium der Fig. 1, Taf. XXIX fallen. Die Urmundplatte ist an diesen Stücken noch nicht so voluminös geworden, aber doch ‚schon wesentlich dieker als in Fig. 30. 1 Wenn man diese Zellenmasse am hinteren Schildrande im mikroskopischen Bilde untersucht und damit das makroskopische Bild vergleicht, so könnte man den Eindruck gewinnen, dass hier ein Vorwachsen dieses Zellwulstes nach hinten statthat. Dabei würden hinten immer neue Zellen angelagert werden, während nach vorn aus der indifferenten Zellenmasse sich das Schildepithel differenzirte. Hieraus würde ein Wachsthum des Schildes nach hinten an dieser Stelle resultiren. Das könnte aber erst in den letzten Stadien der Ausbildung des Sichelwulstes vor sich gehen. Ich glaube indessen nicht, dass dem so ist, da mir die Mes- sungen für die früheren Stadien, in welchen eben erst eine Andeutung des Rand- wulstes zu erkennen ist, durchschnittlich eine größere Schildlänge ergeben haben, als für die späteren Stadien mit sehr deutlichem Randwulst. > Vgl. meinen Bonner Vortrag 1. e. Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) etc. 689 Die Schnitte durch diese Stadien mit sehr ausgebildetem weiß- lichem Sichelrand (Fig. 1, Taf. XXIX) haben noch ihr Besonderes. Es hat sich hier nämlich in der größten Ausdehnung des Sichelrandes der Zellwulst der Sichel von der lockeren Entodermmasse abgelöst und ist gegen das Entoderm hin ziemlich eben und glatt geworden. In Folge dieser bestimmten Demarkation vom Entoderm könnte die sanze Sichel in solchen Schnitten den Eindruck einer einfachen Ver- diekung des modifieirten Schildrandes machen und als eine rein ekto- dermatische Bildung imponiren. Diese Folgerung würde aber nicht zutreffend sein, man muss eben die vorhergehenden Stadien berück- sichtigen. Zwischen dem Zellwulst der Randsichel und dem Ento- derm finde ich in meinen Präparaten einen breiten Spaltraum; das Entoderm legt sich erst wieder vor und hinter dem Wulst an das Ektoderm an. In diesem Spaltraum lagern zahlreiche Zellen mit zerbröckeltem Kern, welche entschieden den Eindruck des Zerfalles machen. Es sieht so aus, als würden hier Zellen zur Nahrungs- aufnahme eingeschmolzen. Übrigens ist das Entoderm hier und da gegen die Furchungshöhle hin durchbrochen. Da ich ganz den glei- chen Befund in mehreren Serien und zwar nur dieses Stadiums hatte, glaube ich nicht, dass es sich hier etwa um eine Reagenswirkung handelt. Ich vermuthe vielmehr, dass hier ein kurzes Ruhestadium gegeben ist, in welchem sich eine Konsolidirung der Zellen in dem Sichelwulst vollzieht. Alsbald stellt sich dann wieder der Zusammen- hang des Zellwulstes mit dem Entoderm her. ÄNSUILITN AAN AN ON TEAM Dam on Te N em, = tere Ss —g on - 27 > v OÖ Textfig. 3. Urmundplatte am hinteren Schildrande hügelartig vorragend. Entoderm im Zusammenhang mit Zellsträngen, vom Gewebe der Platte fast ganz abgelöst. Im weiteren Verlaufe wächst nun der hinter der Archistomrinne gelegene Höcker noch etwas mehr hervor (Textfigur 3); die Rinne kommt dabei hinter das hintere Ende des hohen Schildepithels zu liegen (Textfigur 4). Jetzt beginnt die Vertiefung des mittleren Theiles der Rinne, 45* 690 E. Ballowitz, welche den Übergang vom Archistomstadium des Urmundes zu dessen Prostomstadium vermittelt. Textfig. 4. Entoderm der Urmundplatte dicht angelagert, unter dem Schild eine lockere Zellmasse bildend. Im hintersten Abschnitt der Platte (links) beginnt schon die Differenzirung in die drei Keimblätter. Eingeleitet wird sie durch kleine Vertiefungen und Spalten, sowie durch eigenthümliche Epithelstauchungen, welche unmittelbar Textfig. 5. vor dem Sichelhöcker in der Archistomrinne auftreten. In Textfigur 5 ist nur eine kleine Spalte sichtbar. In Textfigur 6 sind es zwei kleine, Textfig. 6. Epithelfaltungen im hinteren Schildtheil. Ein kleiner Kopffortsatz ist bereits vorhanden. nahe bei einander liegende Vertiefungen, in Textfigur 7 zwei größere, weiter von einander entfernte. Zwischen den Vertiefungen und be- Texthg. 7. Epithelfaltungen und -Einsenkungen im hinteren Schildtheil. sonders davor erhebt sich das Epithel in Form abgerundeter Wülste; auch noch weiter davor kommen am Schildepithel bisweilen kleinere Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 691 Hervorragungen zur Geltung (Textfig. 6, 7, 8)!. Das Ganze macht auf mich den Eindruck einer Epithelstauchung, welche ich nur an diesen Stellen und in diesem Stadium beobachtet habe. Nach diesen mikroskopischen Bildern zu urtheilen, denke ich mir den mechanischen Vorgang der jetzt beginnenden Prostomein- senkung folgendermaßen. Es scheint mir, dass im hinteren Theile Textfig. 8. Epithelfaltungen im hinteren Schildtheil. Hervorwachsen der Vorderlippe und erster Anfang der Prostomeinsenkung. Ein kleiner Kopffortsatz ist bereits vorhanden. der Schildfläche vor deren sichelförmigem Randwulst ein intensives Wachsthum eintritt mit ausgesprochener Wachsthumsrichtung nach hinten (in der Richtung des Pfeiles der Fig. 6 u. 7). Dafür spricht die Verdickung des hinteren Schildtheiles, die oft erkennbare schräge Richtung der Epithelzellen und die nicht selten zur Beobachtung kommende Stellung der Spindelachse parallel der Medianebene in den oft erfolgenden oberflächlichen Mitosen. Hinten stößt dieses Wachsthum auf den stabilen, dicken Randhöcker und findet hier eine Art Widerlager, wodurch sich die Epithelstauchungen und Faltungen erklären. Da das Schildepithel nicht nach außen gegen die Eihaut vorwachsen kann, muss es suchen, gegen die Fur- chungshöhle auszuweichen. Nachdem einmal das Epithel die Rich- tung zum Wachsthum nach innen erhalten hat, wird die größte, der definitiven Prostomstelle entsprechende Einsenkung zum Weiterwachs- thum benutzt, während die übrigen Einsenkungen und die Epithel- wulstungen bald verstreichen und verschwinden. Diese Serien wurden von den oben beschriebenen Stücken ge- wonnen, bei denen, wie oben erwähnt, im Grunde der Archistomrinne flache Gruben mit der Lupe deutlich erkennbar waren. Diese Gruben entsprechen den Epitheleinsenkungen des mikroskopischen Bildes. Es ist sehr wohl denkbar, dass nicht an jeder Keimscheibe mehr- fache derartige Grübchen, gewissermaßen als Versuche des Epithels, ! In den Fig. 6 und 8 setzt sich die Urmundplatte hinten durch einen Absatz und eine Furche ab, ein recht selten vorkommender Befund. Gewöhn- lieh dacht sich der Randhöcker nach hinten allmählich ab, wie die übrigen Figuren zeigen. 692 E. Ballowitz, in die Tiefe zu kommen, auftreten, dass vielmehr sofort nur eine Einsenkung, der Prostomspalt, entsteht. Das scheint in Textfig. 5 der Fall gewesen zu sein. Der sichelförmige Randwulst hätte, die Richtig- keit obiger Ausführungen vorausgesetzt, also auch eine mechanische Aufgabe zu erfüllen, nämlich als Widerlager gegen das ihm zu- wachsende Schildepithel zu dienen. Daher erklärt sich vielleicht auch, dass er alsbald schwindet, nachdem die Urdarmeinstülpung er- folgt ist. Freilich fungirt er wohl in erster Linie als Stapelplatz eines indifferenten Zellmaterials, welches für bestimmte Zwecke Ver- wendung finden soll. cn Zen Textfig. 9. Mag dem sein, wie ihm wolle, jedenfalls wulstet sich sehr bald vor der immer tiefer werdenden Spalte das Schildepithel vor und erscheint in den mittleren Sagittalschnitten als abgerundeter Höcker, welcher den Durchschnitt durch die vorwachsende Vorderlippe des Urmundes repräsentirt (Textfig. S—-11). Dieser Höcker erreicht bald die Höhe des Hinterlippenwulstes (Textfig. 10 u. 11), wobei die Spalte Anfangs noch spitzwinklig erscheint (Textfig. 8 u. 9), gewöhnlich aber bald abgerundet wird (Textfig. 10 u. 11). Die Textfig. 9 u. 10 ent- sprechen den Flächenbildern der Fig. 12 u. 15 der Taf. XXX. Zugleich schlägt sie eine Richtung nach vorn und unten ein. Nur sehr selten Textfig. 10. Kopffortsatz vom Entoderm nicht abgesetzt. erhielt ich in den Schnitten ein Bild der Spalte, wie es in Textfig. 12 abgebildet ist. In diesem Präparat war auch das Zellgewebe der Stomaplatte ausnahmsweise schon sehr redueirt, so dass die Gegend hinter dem Prostom sehr dünn erscheint. | Jetzt treten auch schon die ersten Anfänge eines sogenannten »Kopffortsatzes« auf. In Textfig. 12 ist dieser Fortsatz sogar schon Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 693 sehr beträchtlich geworden. Hierauf werde ich im Kapitel V noch näher eingehen. s Die zuletzt besprochenen Serien gehören den Ubergängen zum Taxtfig. 11. Prostomstadium des Urmundes an, in welchen im Flächenbilde Vorder- und Hinterlippe gleich groß werden, die Archistomrinne sich mehr Textfig. 12. Urmundplatte abnorm dünn. Kopffortsatz bereits lang, mit dem Entoderm zusammenhängend. serade richtet und in ihrem mittleren Theil anfängt sich zum Prostom zu vertiefen. Vgl. die Flächenbilder Fig. 3, Taf. XXIX, Fig. 11—15, Taf. XXX. Kapitel III. Prostomstadium bis zur Perforation des Urdarmes in die Furchungshöhle, Ausbildung des Urdarmes in der Stomaplatte, abnorme Form des Prostoms, alles im Flächenbild. Wir haben die Ausbildung der Stomaplatte und ihrer Blastoporus- einsenkung im Flächenbilde bis zu dem Zeitpunkte verfolgt, in welchem die beiden Lippen gleiche Größe erlangt hatten und einen mehr gerade gestreckten Blastoporus umgaben. Nun tritt eine Umwandlung in dem Sinne ein, dass der Blastoporus wiederum eine gebogene Form an- nimmt, deren Biegung aber genau entgegengesetzt ist der ursprüng- lichen Biegung im Archistomstadium: jetzt richtet sich die Konkavi- tät nach hinten, während die Konvexität direkt nach vorn sieht. Dieses Stadium der Urmundbildung habe ich mit der schon von KuUPFFer hierfür eingeführten Bezeichnung Prostom belegt!. Bedingt wird diese Umwandlung dadurch, dass die Vorderlippe mehr hervor- tritt und mit ihren Enden nach hinten vorwächst. Gleichzeitig flacht 1 Vgl. meinen Bonner Vortrag 1. ce. 694 E. Ballowitz, sich die Hinterlippe mehr und mehr ab, um schließlich fast ganz zu schwinden. Anfangs allerdings sind die beiden Lippen noch gleich hoch und gleich entwiekelt. Das kann auch dann noch der Fall sein, wenn die charakteristische Biegung des Prostoms schon sehr ausgesprochen ist. Fig. 4, Taf. XXIX, zeigt ein solches Bild. Der Embryonalschild ist dreieckig und besitzt an seinem einen Winkel die als weißer Fleck sehr deutlich in die Erscheinung tretende Stomaplatte, in deren Mitte als dunkler Spalt das fast halbkreisförmig gebogene, sehr regel- mäßige Prostom sichtbar ist; die beiden den Spalt begrenzenden Lippen sind gleich hoch, die vordere entsprechend der Konkavität des Urmundes gebogen, die hintere dagegen an ihrem hinteren Rande mehr gerade. Diese Konfiguration des Urmundes und der Stoma- platte erinnert in ihrem Aussehen an manche Urmundbilder bei an- deren Reptilien und bietet daher ein besonderes Interesse. Ich habe aber bei der Ringelnatter gerade diese Form nur selten angetroffen, so dass ich hiervon im Ganzen nur zwölf Stück erhielt, eine Zahl, die gering ist, da ich von Prostomstadien bis zum Abschluss der Perforation über 1!/, Hundert gesammelt habe. Bei Weitem häufiger habe ich vom Prostom auf dieser Entwick- lungsstufe Bilder erhalten, wie sie in Fig. 15—23, Taf. XXX, von mir dargestellt sind. Fig. 15 lässt ein Übergangsstadium vom Archistom zum Prostom erkennen. Die Spalte ist noch fast ganz gerade, in der Mitte am tiefsten, seitlich sich abflachend. Von den beiden Lippen fängt die vordere an, mehr hervorzuwachsen, so dass sie bereits etwas mehr hervorragt, als die Hinterlippe, welche noch ihre ursprüngliche Größe bewahrt hat. Bald tritt nun aber ein auffälliges Missverhältnis zwi- schen den beiden Lippen ein. Die Vorderlippe wächst mehr und mehr hervor, während die Hinterlippe immer niedriger wird, so dass an ihrer Stelle bei bestimmter Beleuchtung bald ein tiefer Schatten liegt (vgl. Fig. 17—25). Dabei verdünnt sich gleichzeitig die Gegend der ursprünglichen Hinterlippe; diese Stelle wird daher durchsichtiger und sieht dunkler aus, während die Vorderlippe immer undurch- sichtiger und mehr und mehr weißlich wird. Die Form und Größe der Vorderlippe kann sehr variiren, wie ein Blick auf die Figuren zeigt. Nicht selten erhält sich ihre gerad- linige Form noch längere Zeit (Fig. 22), meist aber ist der Rand der Lippe nach vorn ausgebogen, bisweilen unter einem gewissen Schwunge (Fig. 17 u. 18). Anfangs biegen sich die seitlichen Enden Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 695 der Vorderlippe bisweilen auch noch merklich nach vorn hin aus, entsprechend der ursprünglichen Form des Archistoms (vgl. Fig. 16, 17, 18). Gewöhnlich aber wachsen diese Enden um den Blastoporus herum nach hinten hin, so dass der Urmundspalt seitlich von zwei kleinen hörnchenartigen Vorsprüngen begrenzt wird. Hierdurch wird seine neue Biegung wesentlich vergrößert (Fig. 20—23, Taf. XXX, Fie. 5, Taf. XXX). Wie die Größe der Vorderlippe, so variirt auch die des Urmund- spaltes (vgl. die Figuren der Taf. XXX). Sie kann bis nahe an 1 mm, ja noch darüber, betragen; bisweilen habe ich sie aber auch sehr gering gefunden (Fig. 19). Der Urmundspalt senkt sich nun unter der Vorderlippe tief nach vorn in die Zeilmasse der Stomaplatte ein und wird zum Urdarm, worüber uns die Untersuchung der Serienschnitte das Nähere zeigen soll. Die Mitte des Urmundspaltes ist im Flächenbilde am tiefsten eingesenkt, so dass hier auch der tiefste Schatten liegt. In dem Stadium der Prostomeinsenkung, welches in den Fig. 20 bis 22 zur Darstellung gekommen ist, ist auch der Schild noch gut erkennbar, besonders an der abgelösten Keimhaut bei Lupenunter- suchung auf dunkler Unterlage. Betrachtet man die losgelöste Keimhaut von der Unterseite, so ist der Schild zunächst nur in Andeutungen zu sehen; dafür tritt an seinem hinteren Ende aber um so deutlicher ein weißer knopfartiger Höcker hervor, der meist etwas länglich ist und dann quer zur Längs- achse des Embryo gestellt ist (Fig. 21a)!. Häufig wird dieser Höcker allerdings verdeckt durch das aufgelagerte Gerüstwerk der Zellbalken des Entoderms, bisweilen liegt er aber auch mit glatter Oberfläche sanz frei vor (Fig. 21a). Jedenfalls lassen sich die Zellbalken bei einiger Vorsicht stets leicht abpräpariren, allerdings unter Zerstörung ihres Zusammenhanges mit der Keimanlage, wenn man den Platten- höcker freilegen will; dabei wird dann auch der Schild deutlicher. Mit dem Höcker hängen gewöhnlich breitere, weißliche, der Keimhaut angehörige, nicht selten radiär nach hinten ausstrahlende Zellen- streifen zusammen. In diesem Stadium ist das erwähnte Gerüstwerk der entodermatischen Zellbalken noch sehr entwickelt und bildet eine dicke Schicht unter der Embryonalanlage und der dieser benachbar- ten Keimhaut, die außerhalb der Embryonalanlage als Netzwerk durch die Keimhaut hindurchscheint (vgl. Fig. 21—22). Bei Lupenver- 1 In Fig. 21a auf Taf. XXX ist bei der lithographischen Reproduktion der Schildrand zu scharf begrenzt ausgefallen. 696 E. Ballowitz, größerung nimmt man wahr, dass die überall aus den Netzbalken hervortretenden Enden unter Verbreiterung und Verdiekung kontinuir- lich in das Entoderm unter der Keimhaut übergehen, um sich hier allmählich auszubreiten. Im mikroskopischen Bilde wird das häufige Vorkommen von Hohlwerden dieser Zellbalken sehr auffällig. Die Figuren der Taf. XXX haben uns gezeigt, dass die Vorder- lippe als weißlicher, ein wenig vorspringender Rand vor dem Pro- stom in die Erscheinung tritt. Dieser Rand ist Anfangs schmal und länglich (Fig. 17—21), verbreitert sich aber bald und wird zu einer Anfangs halbkreisförmigen, dann mehr ovalen Fläche von taschen- artiger Begrenzung, die schon durch die weißliche Farbe deutlich von der Umgebung absticht (Fig. 22—23). Am hinteren Ende dieses Feldes liegt das Prostom, welches seitlich begrenzt wird von den hörnchenartig nach hinten hin vorspringenden Fortsätzen der Vorder- lippe. Die Hinterlippe ist jetzt völlig abgeflacht; von ihrer Substanz ist nur noch eine weißliche, wenig durchscheinende Lage erhalten, die später aber auch abwandert, so dass die ursprüngliche Gegend der Hinterlippe dünn und durchsichtig wird. Auch der Embryonal- schild wird undeutlicher, wenn er auch vorläufig noch erkennbar bleibt. Fig. 5, Taf. XXIX, illustrirt das halbkreisförmige Vorderlippen- feld am hinteren Ende des noch erkennbaren dreieckigen Schildes. Das Prostom war hier auffallend breit, wie ich es bisweilen be- obachtet habe. Fig. 23, Taf. XXX, zeigt ein weiteres Stadium, in welchem das Feld gewachsen und mehr oval geworden ist; in ihm sah ich bisweilen eine sehr zarte parallele oder auch mehr unregel- mäßige Streifung (Fig. 23). Der Schild war an diesem Präparate nicht deutlich, weil sich unterhalb noch ausgedehrte Zellanlagerungen von Entoderm vorfanden, ein Umstand, der auch das weißliche Aussehen rechts und unterhalb des Prostoms in diesem Präparate bedingt. Während der zuletzt geschilderten Veränderungen treten nun auch an den entodermatischen Zellmassen weitgehende Verschiebungen auf. Diese Zellmassen wandern von der Embryonalanlage mehr peri- pher ab und vertheilen sich an der Unterfläche der centrifugal sich ausbreitenden Keimhaut. Die Zellbalken umgeben daher oft in einiger Entfernung kranzartig die Embryonalanlage. In Folge dessen ver- schwindet allmählich die ursprüngliche, feinmaschige Netzzeichnung. Statt dessen entstehen größere, dunklere (weil dünnere) Stellen und dazwischen bald spärlich werdende, den Zeilbalken entsprechende Stränge (Fig. 5). Nur am Vorderende der Embryonalanlage bleiben noch lange entodermatische Zellmassen liegen (vgl. z. B. die Flächen- Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 697 bilder auf Taf. XXXII und XXXII). Durch diese Vertheilung der Zellstränge wird die Keimhaut zu einer dünnen, durchsichtigen Haut, in welcher die Embryonalanlage als weißliche, verdiekte Stelle sofort erkennbar und daher leicht auffindbar ist. Hier reiht sich nun ein Stadium an, welches ich auch in zahl- reichen Stücken erhalten und wovon ich in Fig. 24 und 24« (Ober- und Unterseite) eine Probe dargestellt habe. Die Untersuchung der Serien wird uns zeigen, dass es sich hier um ein Stadium handelt, in welchem der Urdarm kurz vor dem Durchbruch nach unten steht, ja, es kann sich der Durchbruch schon eingeleitet haben. Das oben erwähnte, im Flächenbilde optisch ursprünglich von der Vorderlippe ausgehende Feld ist in Fig. 24 zu einer fast kreis- runden, oft aber auch mehr breiten weißlichen Fläche geworden, welche sich sehr deutlich von der durchsichtigen Keimhaut unter- scheidet. Hinten liest ein gewöhnlich breites Prostom, gegen welches die nach hinten gewachsenen Fortsätze des Embryonalieldes ein wenig vorragen. Die Hinterlippe ist völlig geschwunden, ihre Gegend hat sich verdünnt. Charakteristisch für dieses Stadium ist die gleich- mäßige, weißliche Beschaffenheit des ganzen Embryonalfeldes und seine gleichmäßig ebene Oberfläche; auch ist die Abgrenzung des weißlichen Feldes gegen die Umgebung gewöhnlich verschwommen. Von Differenzirungen sieht man bei aufmerksamer Lupenbetrach- tung sonst nur an der Unterfläche verschieden ausgebildete Entoderm- stränge und dazwischen einige dunkle unregelmäßige Felderchen. Fig. 24 zeigt die Ansicht von oben, Fig. 24a von unten. In der letzteren sind einige, hier nicht genau der Embryonalachse parallel sestellte zarte Felderehen sichtbar, welche von Entodermzellen um- seben werden. Von einer Perforationsöffnung ist hier noch nichts erkennbar. Einen Fortschritt bezeichnet Fig. 25, die gleichfalls mit einem recht breiten Prostom versehen ist und sich etwas mehr von der Umgebung abhebt als Fig. 24. Die Embryonalanlage hat sich ver- breitert und schickt nach hinten schon größere, abgerundete Hörner aus, welche die Prostomeinsenkung seitlich einfassen. An dem vor- deren Ende des weißlichen Embryonalfeldes scheinen von der Unter- seite her dieser angelagerte Entodermmassen durch. Schließlich er- kennt man bei aufmerksamer Untersuchung mit der Lupe einige (in diesem Präparate drei) der Unterseite angehörige Nischen, die bei Untersuchung der Unterseite (Fig. 25 a) scharf hervortreten. Diese Nischen sind flach und nach hinten hin abgerundet. Besonders deut- 698 E. Ballowitz, lich tritt die mittlere hervor, die auch weiter nach hinten hin vor- dringt. In ihr erscheint bei bestimmter günstiger Stellung des Prä- parates eine kleine Spalte, die untere Perforationsöffnung des Urdarmes gegen die Furchungshöhle hin. Das hinter der Perforationsöffnung liegende Stück des Urdarmes vermittelt jetzt eine Kommunikation zwischen der Oberfläche des Embryo und der Furchungshöhle. Diesen Abschnitt werde ich, dem Vorgange Wırr’s folgend, als KUPFFER- schen Gang bezeichnen. Die Perforationsöffnung bleibt nun auf den nächsten Entwicklungsstufen längere Zeit sichtbar und rückt allmäh- lich ganz nach hinten gegen das Prostom vor, wie in Kapitel IV geschildert werden wird. Hier sei nur noch erwähnt, dass ich einmal eine ganz abwei- chende Form der Stomaplatte und des Blastoporus beobachtet habe, die in Fig. 32, Taf. XXXI, dargestellt ist. Die Platte trat an den Seiten und hinten erhaben mit abgerundeten Rändern aus der Keim- hautfläche hervor und lief nach hinten in einen schwanzartigen Fort- satz aus, der sich an seinem Ende unter Zuspitzung abflachte. Auf der Oberfläche dieser Platte befand sich ein fast gerades Prostom, das in einen noch kurzen Urdarm führte, wie die Serienschnitte lehrten. Eigenthümlich war, dass von dem Spalt eine flache Rinne nach rechts hinten hin sich abzweigte. Kapitel IV. Prostomstadium nach eingetretener Perforation bis zur Ausbildung der Schmetterlingsfigur, Kupffer’scher Kanal und Schwund seiner unteren Wandung, im Flächenbild. Nachdem die Perforation des Urdarmes gegen die Furchungshöhle erfolgt ist, spielen sich zunächst an der Unterseite der Keimanlage Vorgänge ab, welche die Perforationsöffnung betreffen. Diese ist Anfangs noch klein, unregelmäßig und schwer sichtbar, weil sie ge- wöhnlich zwischen Entodermmassen verborgen liegt. Alsbald ver- größert sie sich aber durch Abwanderung der Entodermmassen und wird zu einem unter der Lupe scharf begrenzten, Anfangs bogen- förmigen Ausschnitt, welcher eine deutliche Nische umfasst. Hier sieht man jetzt bei Betrachtung der Unterseite der Keimanlage in das hintere Ende des Urdarmes hinein. Fig. 7, Taf. XXIX, zeigt eine solehe Ansicht der Unterseite. Die bogenförmige untere Begrenzung der Kommunikationsöffnung wird seitlich nach vorn fortgesetzt durch einen vorspringenden Entoderm- Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 699 rand, die späteren Mesodermwülste (vgl. die Querschnittsbilder im folgenden Kapitel), der sich jedoch vorn allmählich verliert. Neben diesen Enden finden sich gewöhnlich zahlreiche Entodermwülste, welche unregelmäßige Vertiefungen begrenzen und mit den benach- barten Entodermzellsträngen direkt zusammenhängen. Das Bild ist in dieser Gegend an den einzelnen Präparaten sehr wechselnd, weil hier umfangreiche, beständige Zellverschiebungen und Umlagerungen in vivo unzweifelhaft stattfinden. Jedenfalls ist in Fig. 7 die Um- bildung der Perforationsöffnung schon weiter vorgeschritten als in Fig. 25 und 25a, Taf. XXXI. Es sei übrigens bemerkt, dass alle diese Flächenpräparate durch Zerlegung in Serien kontrollirt wurden. Die Entfernung der mit der Lupe zuerst deutlich sichtbaren Perfo- rationsöffnung von dem Vorderlippenrande variirt ein wenig. In Fig. 7 ist die Prostomgegend an der Unterfläche nur eben angedeutet, weil sie durch die an diesem ‚Präparate noch besonders dicke Zell- masse der Stomaplatte nur wenig durchschimmerte (vgl. in Fig. 6 die Oberseite). Statt der abgerundeten Begrenzung der Kommunikationsöffnung (Fig. 7) trifft man auch häufig eine winkelige Form der Mündung. Das ist z. B. der Fall in Fig. 26, Taf. XXXI, welche die Unterseite eines ziemlich gleichalterigen Stadiums vorführt. Der hintere Rand der Unterwand des Kuprrer’schen Kanals ist hier geradlinig und parallel dem Rande der Vorderlippe gerichtet, welcher in einiger Entfernung dahinter von der Oberfläche her durchscheint. Mit dem Ende dieses geraden Randes stoßen unter einem Winkel zwei seit- liche, ungleich lange, nach vorn divergirende, gerade Ränder zusam- men. Diese Seitenränder hören auch hier vorn bald auf und lassen neben und vor sich zahlreiche, der Keimanlage ansitzende Entoderm- zellbalken erkennen. Dieser Ausschnitt an der Unterseite wandert nun nach hinten und wird dabei schmäler. Dadurch entsteht, von parallelen Rändern umgeben, eine in der Medianlinie befindliche, flache, direkt von hin- ten nach vorn ziehende Rinne (Fig. 8, Taf. XXIX), die hinten von einem geradlinigen oder leicht gebogenen Hinterrande begrenzt wird. Hier sieht man stets den dunkeln Kommunikationsspalt deutlich, der in den Kurprrer’schen Kanal führt (Fig. 8, Taf. XXIX), wenn die Gegend, wie in Fig. 8, frei ist von Entodermanlagerungen, die auch in diesen Stadien noch die ganze Region verdecken und den Blieken entziehen können. Die Entfernung des Hinterrandes von dem Rande der Vorderlippe wird dabei immer kleiner, so dass beide schließlich 700 E. Ballowitz, nur noch durch einen schmalen, hellen Querriegel im Flächenbilde von einander getrennt sind. Die Untersuchung der Serien wird uns zeigen, dass diese Bilder erklärt werden durch den Schwund der Unterwand des Urdarmes, welcher sich allmählich von vorn nach hinten verkürzt. Durch diese in Folge der Urdarmperforation eintretende Rinnen- bildung wird die ganze Unterfläche des Embryo in drei Felder ab- getheilt, ein mittleres und zwei seitliche (vgl. Fig. 7 und 8, Taf. XXIX, Fig. 25a und 26, Taf. XXXI). Die Seitenfelder sind die Mesoderm- flügel, welche sehr bald die Tendenz offenbaren, seitlich und nach vorn zu wachsen. Ihr medialer, das mittlere Feld begrenzender Rand ist gewöhnlich uneben und unregelmäßig zackig und hängt oft mit Entodermzellbalken zusammen. Gewöhnlich besteht eine gewisse, wenn auch nicht in allen Einzelheiten durchgeführte Symmetrie in der Ausbildung der beiden Flügel. Nur selten werden Asymmetrien besonders auffällig. So waren in einem Falle, dessen Unterseite ich in Fig. 8, Taf. XXIX, abgebildet habe, die Flügel merkwürdig ungleich und besaßen vorn zwei medianwärts vorspringende große Zacken. Das mittlere Feld lässt bei günstiger Beleuchtung eine ganz leichte Vorwölbung seiner mittleren Partie erkennen (Fig. 7 und 8), welche, wie die Serien zeigen werden, durch das verdickte Chorda- entoderm bedingt wird. Die geschilderten Umbildungen an der Unterseite der Keim- anlage geben sich auch an ihrer Oberseite kund, hier sogar bisweilen noch klarer und übersichtlicher, weil die an der Unterseite oft hin- derlich werdenden Entodermanhäufungen mehr zurücktreten. Wie oben geschildert, ist die Oberfläche des Keimes kurz vor der Perforation und in der ersten Zeit des Durchbruchs, so lange die Perforationsöffnung klein ist, noch eben und glatt (Fig. 5, Taf. XXIX, Fig. 23, Taf. XXX, Fig. 24 Taf. XXXT) und sieht ziemlich gleichmäßig weißlich aus. Höchstens erscheinen kurz vor dem Durchbruch in Folge von Entodermverschiebungen an der Unterfläche durchschei- nende, dunkle Felderchen in wechselnder Zahl (Fig. 24a). Sobald aber die Perforation in ganzer Breite erfolgt ist, bildet sich in einiger Entfernung von dem Hinterrande der Vorderlippe eine leichte, der Perforationsstelle entsprechende Einsenkung (Fig. 6). Die Seiten- partien dieser Einsenkung sind gewöhnlich etwas tiefer und setzen sich ein wenig nach vorn hin fort, so dass hier bei bestimmter Be- leuchtung zwei leichte, ein wenig nach vom divergirende Schatten entstehen, welche eine kleine mediane, ein wenig erhabene, weißliche Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 701 Stelle seitlich begrenzen. Das sind aber sehr zarte Differenzen, die oft nur bei bestimmter Beleuchtung und schräger Stellung des unge- färbt untersuchten Präparates unter der Lupe hervortreten. Dieses Stadium habe ich häufig angetroffen (vgl. Fig. 6 Oberseite mit Fig. 7 a). Weit deutlicher werden diese Einzelheiten in dem gefärbten, in Kanadabalsam eingeschlossenen und bei durchfallendem Lichte unter- suchten Flächenpräparate. Hier fällt sofort ein breiter, dunkler, me- dianer Streifen auf, welcher sich nach vorn allmählich verliert und nach hinten mit dem dunklen Rande der Vorderlippe zusammenfließt. Seitlich davon befindet. sich eine dunkle, 'längliche Stelle, welche hinten in die Enden der Vorderlippe übergeht und medianwärts von dem Mittelstreifen durch eine charakteristisch halbmondförmige, helle, durchscheinende Stelle getrennt wird. Diese eigenartige Zeichnung fand ich in zahlreichen Präparaten und besonders an solchen Keim- anlagen dieses Stadiums, deren Vorderlippe winkelig geknickt war. Die nähere Erklärung dieses Flächenbildes wird uns die Untersuchung der Serien bringen (vgl. Kapitel V, Textfig. 23). In diesem einen Falle boten also die gefärbten, in Balsam eingeschlossenen Flächen- präparate mehr als die Untersuchung der ungefärbten Präparate bei aufiallendem Licht. Mit der Ausbildung der Mesodermflügel zerfällt auch das Ober- flächenbild der Embryonalanlage in die drei oben besprochenen Fel- der (vgl. Fig. 6, besonders aber Fig. 27 und 28); der quere Schatten vor der Vorderlippe in den beiden letzteren Figuren entspricht der Lage nach der Perforationsstelle an der Unterseite. Die Flügel gehen von den Seitentheilen der Vorderlippe und der Prostomgegend aus und sind als breit vierseitige Felder zunächst nach außen und etwas nach vorn gerichtet. Der nach vorn und median sehende Rand lässt . nicht selten die oben erwähnten Vorsprünge in wechselnder Zahl erkennen, welche sich auch auf den vorderen Flügeltheil fortsetzen können (Fig. 27). Der Seitenrand der Flügel ist selten so scharf ab- gesetzt wie in Fig. 27, sondern gewöhnlich verwaschen und in die Umgebung allmählich übergehend. Durch das seitliche Auswachsen der Mesodermflügel verbreitert sich die Embryonalanlage ein wenig, bis zu 3mm und etwas darüber, und gewinnt nicht selten eine fast ıhombische Gestalt. Mit bloßem Auge oder mit schwacher Lupe be- trachtet erinnert jetzt der kleine weißliche, von der durchscheinenden Keimhaut deutlich abgesetzte Embryonalfleck einigermaßen an die Form einer Wanze. In diesem Stadium und auch in dem kurz vorhergehenden habe 702 E. Ballowitz, ich häufig eine leichte V-förmige Einbiegung des Hinterrandes der Vorderlippe wahrgenommen; der Winkel der Einbiegung entsprach der Medianlinie der Embryonalanlage. Die den Winkel begrenzenden Lippenränder sind geradlinig oder auch leicht konvex. Von der Kerbe ließ sich bisweilen eine sehr zarte, flache, schattenhafte Furche eine kleine Strecke weit nach vorn an der Oberfläche verfolgen (vg]. Fig. 27). Nur an wenig Exemplaren fand ich indessen die Kniekung der Oberlippe so stark ausgeprägt, wie in Fig. 28 dargestellt ist. Diese winkelige Einbiegung kann aber auch fehlen; ich habe sie eben so oft vermisst, so dass dann nur eine einfache Abrundung der Ober- lippe mit nach hinten gerichteter Konkavität (Fig. 26 und 29), oder auch eine mehr gerade Form derselben vorlag (Fig. 6, 8 und 25). Vor Allem sei betont, dass in späteren Stadien von dieser winkeligen V-förmigen Einknickung der Vorderlippe nichts mehr zu erkennen ist; vielmehr ist dann stets eine Abrundung vorhanden. Bisweilen habe ich hier später sogar einen leichten, nach hinten vorragenden, abge- rundeten Vorsprung angetroffen. Überhaupt variiren Form und Größe der Vorderlippe und damit der Urmundspalte auch in diesen Stadien außerordentlich, wie ja ein Blick auf die Abbildungen am besten zeigt, in denen aber die Mannigfaltigkeit der Formen noch nicht erschöpft ist. So fand ich z. B. in diesem Stadium die Vorderlippe bisweilen in Form eines großen Gewölbebogens, noch mehr gebogen, wie in Fig. 5, etwa von der Biegung der Perforationsbegrenzung der Fig. 7. Die größten Ausmaße der Urmundspalte erhielt ich unter 50 im Flächenbild an Balsampräparaten mit dem Mikrometer gemessenen Keimanlagen an mehr gerade gestreckten, nur schwach gebogenen Urmundspalten, nämlich 0,54—0,72 mm. An stark gebogenem Prostom maß die Sehne zwischen den beiden Bogenenden im Durchschnitt 0,315—0,45 mm. Das geringste Ausmaß lieferte ein kleines, stark sebogenes Prostom mit 0,1985 mm. Es können aber auch ganz gleiche Stadien mit gleicher Bogenwölbung ganz verschiedene Größe besitzen, so z. B. maß das Prostom an zwei sonst ganz gleichen Keimanlagen kurz vor der Perforation in dem einen Falle 0,515 mm, ein anderes Präparat dagegen 0,72. Auch können Prostome mit mehr gerader Vorderlippe ein kleines Ausmaß besitzen, stark gebogene dagegen auch ein beträchtlich großes !. ! Vgl. meine, die obigen Mittheilnngen ergänzende Zusammenstellung von nach gefärbten, in Kanadabalsam eingeschlossenen Präparaten bei genau der gleichen mikroskopischen Vergrößerung gezeichneten Urmundbildern, welche ich im Archiv für Anatomie und Physiologie, anat. Abth. 1901 veröffentlicht habe. Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 703 Abgesehen von der charakteristischen Biegung hat sieh die Pro- stomgegend auch dadurch verändert, dass die hornartig vorspringen- den Seitentheile der Vorderlippe breiter geworden sind und sich ge- wöhnlich mehr abrunden. Zugleich dringen sie etwas medianwärts vor. Ihre abgerundeten, weißlichen Erhebungen unterscheiden sich deutlich von der verdünnten, dunkleren, ganz flachen Region, in welcher sich ursprünglich die Hinterlippe befand. Dabei macht es den Eindruck, dass diese Vorsprünge um die Enden der Prostom- spalte herumwachsen (Fig. 25 und 23). Die weiteren Veränderungen des Flächenbildes bestehen nun darin, dass die Mesodermflügel sich noch mehr nach vorn, seitlich und auch nach hinten hin ausdehnen. Bei ihrem Wachsthum nach vorn nähern sie sich zugleich der Medianlinie (Fig. 24); dabei biegt sich die vordere Spitze der beiden Mesodermflügel hakenartig median- wärts um. Hierbei streckt sich die Embryonalanlage zugleich unter Verbreiterung mehr in die Länge, und resultirt die zierliche Embryo- nalform, welche ich als Schmetterlingsfigur oder Falterform bezeich- net habe. Eine etwas abweichende Form, welche ich in dieser Ausbildung nur einmal antraf, habe ich in Fig. 29, Taf. XXXI, abgebildet. Eine große abgerundete Prostomöffnung, in deren Grunde der Eingang in den Urdarm als deutlicher dunkler Spalt sichtbar ist, wird flankirt von zwei mehr spitzen, schmalen, etwas ungleich großen Hörnern, wie ich das auch bisweilen an anderen Keimscheiben beobachtete. Die beiden hellen, vorn etwas gebogenen Streifen in geringer Ent- fernung von der Medianlinie sind die medianen, etwas vorspringenden Ränder der sonst in diesem Präparat wenig hervortretenden Meso- dermflügel. Das Abweichende ist nun, dass die ganze Embryonal- - anlage seitlich und vorn umgeben wird von einem hellen, verschieden breiten, etwas erhabenen, kranzartigen Streifen, der, wie die Unter- suchung der Unterseite und der Schnitte lehrte, von dieken Ento- _ dermzelllagen gebildet wurde. Hierdurch wurde auch die seitliche Ausbreitung der Mesodermflügel verdeckt und unsichtbar gemacht. Der mediane, vorn spatelartig verbreiterte Streif ist das verdickte Chordaentoderm. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXX. Bd. 46 704 E. Ballowitz, Kapitel V. Prostomstadium des Blastoporus bis zur Ausbildung der Schmetterlings- figur der Embryonalanlage, Ausbildung des Urdarmes in der Stomaplatte, Perforation des Urdarmes in die Furchungshöhle, im Schnittbilde. Sobald die Prostomeinsenkung sich eingeleitet hat (siehe Kapitel II am Schluss), bildet sie sich alsbald zu einem nach vorn und unten gerichteten Kanal aus, der schließlich in die Furchungshöhle perforirt. Dies geschieht nun in folgender Weise. Der Epithelhöcker der Textfig. 8—12, welcher den Durchschnitt durch die Vorderlippe des Urmundes darstellt, wächst nach hinten hin vor. Gleichzeitig verschiebt sich die Zellmasse, welche in der Stomaplatte hinter dem Urmund liegt und wandert mehr nach vorn. Dadurch entsteht vor der Urdarmeinsenkung eine Zellenanhäufung, die als Kopffortsatz am Schlusse des Kapitel II schon von mir er- r— —Ufl TONER l x ger UN] Q lin — a OR Br & ID AS oO a ran a en Textfig. 13. wähnt wurde. Dieser Kopffortsatz ragt bisweilen mit einer drei- eckigen Spitze (in Sagittalschnitten) frei in den Raum zwischen Ekto- derm und Entoderm vor. Weit häufiger hängt er aber ganz eng zusammen mit dem Entoderm; ja es lässt sich oft nachweisen, dass die an dieser Stelle nicht selten zur Beobachtung kommenden Ento- dermzellstränge ihm Zellenmaterial zuführen (vgl. z. B. Textfig. 15). Textfig. 13 zeigt im Medianschnitt die Stomaplatte mit der Ur- darmeinstülpung auf einem Stadium, welches sich an die Textfig. 11 anreihen würde. Man erkennt die auf Längsschnitten triehterförmig erscheinende Prostomöffnung, welche in einen noch kurzen, vorn ein wenig erweiterten und mit abgerundetem Ende in der Zellmasse blind endigenden Kanal führt. Hinter der Öffnung liegt als sanft gerundeter Hügel der Durchschnitt durch die ursprüngliche Hinter- lippe. Ein Vergleich mit den in gleichem Maßstabe gezeichneten früheren Stadien (siehe die obigen Textfig.) zeigt, dass dieser Hügel durch Zellenvermehrung nicht unbeträchtlich gewachsen ist. Nach Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 705 hinten hin spitzt sich die Zellenmasse des Hügels zu und geht schließ- lich in eine nur vom Ektoderm und Entoderm gebildete dünne Mem- bran über. An diesem hinteren Ende ist gewöhnlich schon, auch in noch früheren Stadien, die Differenzirung in die drei Keimblätter eingetreten. Das Ektoderm lässt sich aber nicht immer deutlich ab- srenzen und kann auch nur bis an die Trichteröffnung unterschieden werden; fast niemals erstreckt es sich in die Triehteröffnung hinein. Die im unteren Theile gelockerte Zellenmasse der Stomaplatte setzt sich dann vor das vordere Ende des Urdarmes fort, hier den Kopf- fortsatz bildend; der letztere hängt in diesem Präparat untrennbar mit dem Entoderm zusammen und ist als »Fortsatz« nicht abgesetzt. Wie der Durchschnitt lehrt, besitzt der Urdarm jetzt zwei Wan- dungen, eine untere und eine obere. Die untere Wandung wird von dem einfachen Ektoblastemgewebe der Stomaplatte gebildet, von dem sich unten das Entoderm hier, wie jetzt oft, nur andeutungsweise abgrenzt. Die obere Wandung liefert die hervorgewachsene Vorder- lippe. Diese besteht jetzt aus zwei Zelllagen, welche am freien Lippenrande in einander übergehen und im Übrigen durch einen Spalt von einander getrennt sind. Die obere Zelllage ist die bei Weitem diinnere und repräsentirt das Schildepithel mit sehr deutlicher Cylinder- epithelstreifung. Die untere Zelllage ist dieker und lässt nur in ihrem unteren, dem Urdarm zugewandten Theil eine deutliche Epithelstreifung erkennen, die sich nach vorn allmählich verliert, nach hinten gegen den freien Lippenrand aber bestimmter wird und in die Epithel- streifung der oberen Zelllage kontinuirlich übergeht. Der untere Theil der Lippe ist gewulstet und ruht in einer entsprechenden muldenartigen Vertiefung der unteren Urdarmwand. Die Beschaffenheit und Anordnung der Zellen dieser Gegend giebt Fig. 42, Taf. XXXIIIL, im Einzelnen wieder. Diese Figur re- präsentirt ein nur wenig älteres Stadium als die Textfig. 13, da Ur- darm und Vorderlippe nur etwas länger geworden sind; im Flächen- bilde würde dies Präparat den Figuren 17, 18, 20 und 21 entsprechen. Die obere Zelllage lässt das hohe Cylinderepithel mit mehreren Mi- tosen in der Nähe der freien Oberfläche deutlich erkennen. Am Rande der Vorderlippe setzt sich die Epithelstreifung nach unten umbiegend an die Unterfläche fort. In dem dickeren Theile der unteren Zelllage ist die Epithelstreifung und damit die Cylinderform der Zellen nur an der unteren, den Urdarm begrenzenden Fläche nachweisbar. Nach oben hin schließen sich daran Zellen an, deren gewöhnlich deutlich erkennbare Form rundlich oder unregelmäßig ist 46* 706 E. Ballowitz. und der Form der indifferenten Zellen der Stomaplatte gleicht. Diese Zellenmasse der Vorderlippe geht nach vorn direkt über in das Zellenmaterial des Kopffortsatzes und der Stomaplatte. Der Kopf- fortsatz endigt in diesem Präparat mit einer vorderen Spitze frei in dem Raum zwischen Ektoderm und Entoderm. Das letztere lässt sich an der Unterfläche der Stomaplatte optisch zwar abgrenzen, steht aber mit der im unteren Theile lockeren Zellmasse der Stomaplatte ‘in festerem Zusammenhang. Im weiteren Wachsthum nehmen Vorderlippe und Urdarm noch an Länge zu, bis der letztere seine definitive Länge erreicht hat. Dabei wird die Unterfläche der Vorderlippe bisweilen etwas unregel- mäßig und zeigt 2—3 Wulstungen. Auch nimmt der Urdarm eine mehr horizontale Lage (parallel der Oberfläche des Eies) an, sein vorderes Ende ist sogar bisweilen etwas nach oben gebogen (Textfig. 14 u. 15). N | mn WE Textfig. 15. Die untere Wandung des Kuprrer’schen Ganges differenzirt sich aus der Urdarmwand. Urdarm kurz vor der Perforation in die Furchungshöhle. Sehr lehrreich werden auch die Querschnittsbilder auf dieser Entwicklungsstufe. Ist der Urdarm noch klein, so erscheint er auf dem Querschnitt als einfache kleine, schmale Querspalte, die unmittelbar vor dem Ur- mund am breitesten zu sein pflegt. Hat er aber eine größere Länge erreicht, so bieten die Querschnittsbilder, besonders kurz vor dem Durchbruch seiner Unterwand, je nach den Abschnitten des Urdarmes ein verschiedenes Aussehen dar, wie ein Vergleich der Textfig. 18—21 zeigt. In Fig. 18 ist der Schnitt dieht hinter das Prostom gefallen, so dass die Übergangszone der beiden Epithelzelllagen der Vorderlippe Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 707 noch mitgetroffen wurde. Der Spalt ist hier niedrig, aber ziemlich - breit, mit abgerundeten Enden, in der Mitte oft ein wenig nach oben ne = © Be) oO [} — © &0 un © = ) e n = H D 7 1 En) [} / rn [] [] &n I f 3 3 f7 = 8 AM = N = 1) HN fe} 1 [] © [7 © ; B = = - en FJ 3 o [77 D) = = [= © © zu Ö rZ ® 3 = © : Ö i S 3 2 k a {= | 7 = © Fo en © I} El © r5 3 Per - = _ o =; :O = n = = © © un — &0 Zi > =) = S = & 2 >) >) =, . u - u | = Ss 3 m & on = RA = nie iS SR) z So AD 3 N zn euS = een Ei o - = oo —_ rc no» = BE Az, oo» = SDR: Fr & = 5 Oo 2 an] = = © 9 - 2 —- 3 3 3 -_ -_ ii 3 = > - -_ un > © © [af 13 un — © © "oO rg zZ B=| E-) g' = > s ei © - —_ ee) u2 en © = = = Je" =! R= E Ss u © 2 =} = 3 © = ‚Si ie 2 7 ° > o& = Bm 2 = rS — — .-_ = B=| >) 2 2 & 3 & ausgebogen. Die Schnitte davor, welche durch den mittleren Ab- schnitt des Urdarmes fallen und dem gewulsteten, nach unten vor- springenden Theile der Vorderlippe entsprechen (vgl. die Textfig. 13 708 E. Ballowitz. und 14), nehmen sich ganz anders aus (Fig. 19). Durch die Vor- wulstung der Vorderlippe nach unten wird der Urdarmspalt halbkreis- förmig gebogen, und kommen die abgerundeten, etwas erweiterten Enden nach oben zu liegen, so dass das Querschnittsbild etwa eine börsenförmige Begrenzung erhält. Mehr nach vorn flacht sich der Textfig. 19. Querschnitt durch den mittleren Abschnitt des Urdarmes mit dem Chordawulst. Textfig. 20. Querschnitt durch den vorderen‘ Abschnitt des Urdarmes; intercellulare Vacuolen in seiner unteren Wandung. Dextio-g2Nz Querschnitt durch den vordersten Theil des Urdarmes mit zwei blinden Enden. Schaumige Beschaften- heit des Entoderms und der damit zusammenhängenden Zellenmasse. Lippenwulst wieder ab; in Folge dessen nimmt der Querschnitt des Ur- darmes allmählich wieder die Form eines niedrigen, parallel der Keim- oberfläche gerichteten Querspaltes an, der auch etwas breiter als vorher wird (Textfig. 20). In den seitlichen Sagittalschnitten erscheint daher das Lumen des Urdarmes früher als die damit in Verbindung tretende Prostomöffnung. Die vorderste Spitze des Urdarmes sah ich in den (Juerschnittserien häufig in zwei, selten in mehr, etwas unregelmäßige Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 709 blinde Enden auslaufen (Textfig. 21). Daran schließen sich weiter nach vorn die Querschnitte durch den soliden Kopffortsatz an. Wenn man sich nun an der Hand der oben geschilderten Be- funde die Frage vorlest, wie denn eigentlich die Ausbildung und das Vorwachsen des Urdarmes vor sich geht, so ist die Antwort hierauf nicht so ganz leicht zu ertheilen. Jedenfalls ist, wie mir scheint, so viel sofort klar, dass es sich hier nieht um eine einfache »Einstülpung«, eine »Invagination« des Ektodermepithels handelt, in dem Sinne, dass das Ektodermepithel einfach in die Zellmasse der Stomaplatte als hohler Zapfen hineinwächst. Ich denke mir die Sache vielmehr folgendermaßen. Das Primäre ist das Hervorwachsen des Vorderlippenwulstes (vgl. Kapitel II. Dabei ist es sehr wohl denkbar, dass bei dem weiteren Wachsthum des Epithels an dem freien Rande des Lippenwulstes Epithelzellen nach unten umbiegen und auf die Unterseite der Vorderlippe wandern, so dass der hinterste Theil der unteren Zellenlage der Vorderlippe sehr gut von der Ober- seite stammen könnte. Bei Weitem der größte Theil der Zellenmasse der unteren Zellenlage der Vorderlippe, wenn nicht die ganze, wird aber unzweifelhaft von dem Zellenmaterial der Stomaplatte selbst geliefert. Die vorwachsende Vorderlippe nimmt dabei die ober- flächlichen Zellenlagen der Stomaplatte gewissermaßen mit auf, wäh- rend aus der Tiefe und von hinten her noch mehr Zellen zuwandern und sich der Vorderlippe einverleiben. Die Entstehung und das Weiterwandern der Urdarmspalte vollzieht sich durch eine Art lang- sam und stetig fortschreitender Dehiscenz zwischen den Zellen selbst. Wie wir sehen werden, neigt gerade das Gewebe der Stomaplatte sehr zur Bildung von intercellulären Dehiscenzen. Für die obigen Anschauungen scheinen mir manche Umstände zu sprechen. So ist oft, so lange die Urdarmeinsenkung noch klein ist, im Grunde derselben und an der Hinterlippe eine ganz oberflächliche, unregelmäßige Epithelstreifung sichtbar (vgl. die Textfig. 9—11). Späterhin, nach- dem der Urdarm eine größere Ausbildung erlangt hat, ist davon weder an der Unterwand des Urdarmes, noch am Hinterlippenhöcker irgend eine Andeutung zu sehen. Ferner tritt der Anfang der Ein- senkung stets am hinteren Ende des Schildepithels und am vorderen Rande der ausgebildeten Stomaplatte auf, während ein Kopffortsatz Anfangs kaum angedeutet, jedenfalls nur sehr klein ist (Textfig. 6, 8, 9,10). Erst bei weiterer Ausbildung des Urdarmes wird der Kopf- fortsatz deutlich. Ein Vergleich der auf einander folgenden Stadien z. B. von Textfig. 13, 14 und 15, lässt nun nicht verkennen, dass das 710 E. Ballowitz, Zellenmaterial der Stomaplatte und besonders auch des Hinterlippen- höckers nach vorn abwandert, um in den Kopffortsatz und von da in die untere Zellenlage der Vorderlippe einzutreten. Dabei ist aber daran zu denken, dass sehr wahrscheinlich auch nach den Seiten hin eine Abwanderung des Zellenmaterials der Stomaplatte statt- findet. Dass die untere Zellenlage der Vorderlippe hauptsächlich aus dem Zellenmaterial der Stomaplatte hervorgeht, dafür spricht, abge- sehen von der hier wenig ausgeprägten Epithelstreifung, besonders auch der Umstand, dass darin Zellen von dem Aussehen der Zellen der Stomaplatte gefunden werden (vgl. oben Fig. 42, Taf. XXXIH). Nach Obigem ist der Urdarm keine Epitheleinstülpung, sondern eine intercelluläre Differenzirung innerhalb der Zellenmasse der Stoma- platte selbst. Kehren wir nunmehr zur Untersuchung der Serienschnitte zurück! Während sich der Urdarm bis zu seiner definitiven Länge ausbildet, vollzieht sich in seiner unteren Wand eine merkwürdige und bald sehr auffällige Veränderung. Zunächst wird die untere Urdarmwand und auch, wie oben schon angedeutet, der Hinterlippenhöcker immer dünner. Nur in ganz seltenen Fällen wird sie indessen schon auf einem frühen Stadium der Urdarmbildung so dünn, wie in Textfig. 12, angetroffen. Sodann tritt eine stetig zunehmende Lockerung des Zellverbandes in den unteren Schichten der Stomaplatte auf, so dass sich kleinere und größere Hohlräume zwischen den Zellen bilden. Das Entoderm ist dabei oft nicht scharf vom Gewebe der Stomaplatte abgesetzt (vgl. Fig. 42, Taf. XXXIM. In den Textfig. 13—21 ist diese Va- cuolisirung des Gewebes durch die ausgesparten Lücken angedeutet. Nur eine Region bleibt frei von dieser Lockerung, das ist der obere Theil des Hinterlippenhöckers und des hinteren Abschnittes der Unter- wand des Urdarmes. Diese ganze Region bleibt kompakt und be- wahrt einen festen Zusammenschluss der Zellen (Textfig. 13 u. 14). Der Kontrast geht schließlich so weit, dass sich diese Region in ihrem vorderen Theile scharf von der aufgelockerten Zellmasse ab- setzt. Wir sehen das in Textfig. 15, welche einen Medianschnitt durch das in Fig. 23, Taf. XXX, im Flächenbild dargestellte Präparat vorführt. Die ganze untere Wand des Urdarmes zerfällt hier, wie ich das sehr häufig beobachtet habe, in drei oft ungleich große Ab- schnitte. Der hintere Theil ist auf Längsschnitten zungenartig, hängt mit dem kompakten Hinterlippenhöcker zusammen und besteht aus dieht zusammenliegenden Zellen ohne Lücken dazwischen. Die Länge Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 711 der Zunge variirt etwas, wie ein Vergleich der Textfig. 16 und 17 zeigt. Unten und vorn setzt sich dieser Abschnitt scharf ab von der lockeren, durchlöcherten, wie schaumig aussehenden Zellenmasse, welche sich davor und darunter befindet. Nicht selten ist hier eine förmliche Trennungsspalte vorhanden, die nur hier und da noch durch einen Zellenzusammenhang unterbrochen wird (Textfig. 15). Ein sol- cher Zellenzusammenhang findet sich regelmäßig an der vorderen Spitze der Zunge, dort, wo später das Entoderm angelöthet sitzt. Der vorderste Abschnitt der Unterwand des Urdarmes hängt mit dem Kopffortsatz zusammen und geht direkt in das unter dem Schild befindliche Entoderm über. Er ist von verschiedener Dicke und Länge und gewöhnlich sehr unregelmäßig, auch oft in Verbindung mit Ento- dermzellsträngen (Fig. 15). Der dritte, mittlere Abschnitt endlich sieht am eigenthümlichsten aus. Er wird bald dünn und außer- ordentlich locker. zusammengesetzt. Man gewinnt bei dem Studium der Serien die Überzeugung, dass hier ein allmähliches Abwandern der gelockerten Zellmassen hauptsächlich nach vorn, in geringem Grade auch nach hinten hin stattfindet. Dabei ist kein Unterschied mehr zwischen dem Gewebe der Stomaplatte und dem Entoderm; die Zellen haben wieder vollkommen ihren ursprünglichen indifferenten Charakter angenommen. In Folge der Abwanderung wird schließlich dieser Abschnitt so dünn, dass ein völliger Durchbruch eintritt und der Urdarm mit der Furchungshöhle kommunicirt. Eingeleitet wird diese Perforation gewöhnlich dadurch, dass erst die intercellulären Vacuolen durchbrechen. Ist die Perforation erfolgt, so erhalten wir ein Bild, wie es in Textfig. 16 dargestellt ist. Die Perforation ist hier im mittleren Abschnitt der unteren Ur- darmwand perfekt geworden, so dass die Furchungshöhle mit der Oberfläche der Embryonalanlage in offener Kommunikation steht, und der hintere Theil des Urdarmes sich in den Kuprrer’schen Kanal verwandelt hat. An diesem Kanal haben wir eine untere (vordere) und obere (hintere) Ausmündung. Von Wichtigkeit ist, dass sich die Perforationsöffnung nicht am vorderen Ende des Urdarmes bildet, und dann besonders der oben erbrachte Nachweis, dass sich die Unter- wand des Kuprrer’schen Ganges in der Urdarmwand schon früh nachweisbar, vor Allem vor beginnender Perforation, anlegt und diffe- renzirt. Hierdurch erhält die Unterwand des Kurrrer’schen Ganges den Charakter einer besonderen Bildung. Diese Unterwand ist An- fangs noch von ansehnlicher Dieke und besteht stets nur aus zwei Schichten, einer oberen dieken Lage von Ektoblastem und einem 712 E. Ballowitz. einschichtigen, etwas unregelmäßigen Entoderin, welches sich leicht ablöst und oft noch mit Entodermröhren in Verbindung steht. Stets ist das Entoderm aber oben an der abgerundeten vorderen Spitze der Unterwand fest angelöthet, hier findet niemals eine Ablösung statt. Ein Ektoderm fehlt im Bereich des Kuprrer’schen Kanals und lässt sich jetzt gewöhnlich deutlich als dünne, platte, einschichtige Zellen- lage nur bis an die hintere Begrenzung der auf dem Sagittalschnitt trichterförmig erscheinenden Prostomöffnung verfolgen. Im hinteren Abschnitt der Stomaplatte sind zu dieser Zeit also die drei Keim- blattlagen deutlich differenzirt, wenigstens im mittleren Theile der Embryonalanlage, so weit etwa der Querspalt des Prostoms in trans- versaler Richtung sich ertstreckt (vgl. die Textfig. 14—17). Aus obiger Schilderung geht hervor, dass die Perforationsöffnung Anfangs nur klein ist. Häufig liegt sie auch ganz versteckt und wird von Entodermzellbalken überlagert. Es ist daher kaum möglich, sie in ihren ersten Anfängen bei Betrachtung der Unterfläche der Keimanlage mit der Lupe ausfindig zu machen; nur die Serien bringen darüber Klarheit. Gewöhnlich findet die Perforation nur an einer kleinen Stelle statt, seltener an zwei bis drei Stellen gleichzeitig. Sie durchsetzt auch Anfangs gewöhnlich nicht die ganze Unterwand des Urdarmes der Quere nach, wie Textfig. 22 zeigt. Der Querschnitt ist hier durch die Perforationsstelle gefallen, welche in diesem Präparat etwa der Mitte der Unterwand entspricht. Rechts und links sind aber noch dünne, vacuolisirte Theile der Unterwand stehen geblieben. Unter- halb der Perforationsstelle liegt der isolirte Durchschnitt durch einen größeren Entodermzellbalken. Die Perforationsöffnung vergrößert sich nun bald dadurch, dass die stehen gebliebenen Reste der Unterwand des Urdarmes abwandern. Die Abwanderung findet nach hinten und seitlich statt. Die vacuolisirte Zacke, welche in Textfig. 16 vor der Perforations- stelle vorläufig noch stehen geblieben ist, wandert nach vom ab und geht in das Chordaepithel resp. seitlich in dessen Nachbarschaft über. In Textfig. 17 hat die Abwanderung schon begonnen, so dass die Perforationsöffnung schon größer geworden ist. Dabei verlängert sich der Urdarm nach vorn noch mehr, so dass vor der Perforationsstelle noch längere Zeit sein vorderes Ende als blinde Tasche gefunden wird (vgl. Textfig. 17). Erst später, wenn die restirende Zacke ganz abgewandert ist, verschwindet auch diese Tasche (vgl. auf p. 720 die Textfig. 35 und 36). Unmittelbar vor dem Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) ete. 715 . Eintritt der Perforation fand ich den Urdarm im Durchschnittt 0,36 bis 0,45 mm lang, nach derselben konnte er eine Länge von 0,63 bis 0,81 mm besitzen. Jedoch erreicht er nicht das Vorderende des Schil- des, welches sich allerdings meist nur unsicher abgrenzen lässt, da das Schildepithel nach vorn allmählich sehr dünn wird, um in das sanz platte, davor gelegene Ektoderm überzugehen. Die Schildlänge, vom Hinterrande der Vorderlippe aus nach vorn gemessen, betrug im Durehsehnitt jetzt 1,17—1,62 mm. Auch eine Verbreiterung des Ur- darmes tritt ein, wenigstens in seinem vorderen, vor der Perforations- stelle gelegenen Theile, dessen Breite sich hier auf 0,60—0,70 mm belaufen kann. So maßen z. B. die Querdurchmesser des Urdarmes in einem Präparat dicht vor dem Urmund 0,56 mm, einige Schnitte davor auf der Strecke der nach unten stark vorspringenden Chorda- anlage (vgl. Textfig. 19) 0,27 mm, und schließlich vor der Perfo- rationsstelle im Bereiche des Blindsackes (ähnlich wie in Textfig. 20) 0,653 mm. Doch erreicht der Urdarm auch seitlich nicht den Rand des Schildes, dessen Querdurchmesser sich in diesem Präparate auf 1,4 mm belief. Auf dem Querschnitt der Textfig. 22 rücken die Wandreste nach rechts und links ab und helfen die Anfangs noch aus indifferentem Entoblastem bestehenden seitlichen Zellwülste bilden, welche dann alsbald durch Differenzirung der untersten Zellenlage als Entoderm in Mesoblast und Entoderm zerfallen. Textfig. 23 zeigt ein weiteres Stadium der Abwanderung mit breiterer Perforationsöffnung. Von der Urdarmwand sind nur noch kleine, den Entoblastemwülsten an- sitzende Reste erhalten, die bald in den Wülsten vollends aufgehen werden. Ein ähnliches Bild, nur in etwas kleineren Dimensionen, zeigt auch Textfig. 24. In dieser Weise schwindet die ganze vacuo- lisirte Wandung des Urdarmes bis zum vorderen Rande der diffe- renzirten Unterwand des KuprrEr’schen Kanals. Diese Kanalwand bleibt vorläufig bestehen und erscheint in den Flächenpräparaten als weißlicher, vor dem Prostom gelegener Querriegel, wie oben beschrieben. Je größer die Perforationsöffnung wird, um so leich- ter ist sie mit der Lupe an der Unterfläche des Keims aufzufinden und erscheint in diesem Endstadium schließlich so wie in Fig. 7, Taf. XXIX und Fig. 25a und 26, Taf. XXXI abgebildet. Die Textfig. 23 ist auch für die Erklärung gewisser, oben näher beschriebener Flächenbilder von besonderem Interesse. Wie man sieht, ragt in der Medianlinie frei gegen die Furehungshöhle der Längswulst der oberen Urdarmwand vor, welchen wir in dem Quer- 114 E. Ballowitz. schnitt Fig. 19 bei noch intakter Unterwand des Urdarmes in letzterem angetroffen haben und welcher die Chordaanlage repräsentirt. Dieser nach vorn hin sich allmählich verlierende Wulst bedingt an dem ungefärbten Präparat die mediane weiße Stelle (in Fig. 6, auch Fig. 7 ‘ © - on © N = = 57 Fur ® © — en 2’ © n - =, F ® 50 a ja} = = SF z -_ > = Som = = 3 © = 5 en x A - n DB = er =] 3 °3 = Sr = a =} = - 1 » a = "zZ „= 3, > ar E As = > ga m = =) = en oO -ı = = 5 = = ) © > rm = [2] =; g == os n — ee 2 | a &0 jr) ae © 2, = 2 K—] = En =) 2] Be - h en = ED r— Sg 5 o© = re NIS . — SILERABS ENT x S = = == a apı N. su es ee :O Pr SER | RR £ ne ap an = & — en > 5 Erz eL 7 ee le are N= en Sarg eo) =». _— be::} „A 2-0 “58 r E n nn Fe 208 9 u © Ö ex = rm - „2 r -—i De z \ az ko=d. 3 _ za z = 5% 2 gs n © EZ - . - —_ —_ © == 7 > ==] an I = =. z Bar ce: = Q7 Se = h OD E —| == © © En AN © _ ru © ri @ — Der a= > 5 © a = E z Bird = = BeIT-| I S © - 2 -i = ee 8 E5) _ en | -_ © Oo = ie m 2 n © um —_— we u | — [55 2 .— = SS © = en = en 5) DR =! n ® : - © [| RN = ® = — > [ =3 = \ an f = N =: > 5 nn © I Zeitschrift f. wiss. 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Zoologie BALAX. 7 4 | To RACK, nn TE ne nen x U Sa A ee EL aan ® B © D 2 $ BR - B ’e El \ m nr: a ur - ae! } 3 5 pr: x ’ de rn “ u u 4 5 " 2 / I R = N 3 7 \ 2; x ve 5 zu = Br, 5 7% 3 > % Sx B I B n ' a 22 . “ er 1 ® A g E Zeitschrift f. wıss. Zoologre Bd. LAN. 36 49 NN wi ELITE 2 Zr zZ > 5 « Es > EIN 2 NN E u. . at ar Fir & RE BE INNE : S x = ze = r, 2 u = Ä GC 35 5 Se S = F,-r = u AV 2 nr 7 gure REN I, 3 S Fr ERNSB - PER in 25: z v.& = > Ei 7 - € -@o 8 = r 2 nr ah = i & = < ww = & ZA ae Kin? “ & } © ) a G 7% | 0 0/9, dee RE Fa RSENZ Sn o08_- " Züh. dnsc.w Werner&Wnnter, Pankfork aM. Zeitschrift £ wiss. Zoologie BAM. - Zeitschrift far WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Diebzigster Band Erstes Heft Mit 8 Tafeln und IO Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann Ausgegeben den 10. September 1901. LnbaLE£. Seite Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Musciden. Von W. Noack. (Mit Taf. I=-V u. 10 Fig. im Text)... . 2 GSP Beiträge zur Kenntnis der Gattung Tetranychus Duf. Nebst Bemerkungen über Leptus autumnalis Shaw. Von Reinold v. Hanstein. (Mit Tat. VL)... 2.206 sus a no en» 58 Über den feineren Bau und die Entwicklung des Knorpelgewebes und über verwandte Formen der Stützsubstanz. I. Theil. Von Josef Schaffer. (Mit Taf. Vlw VIEL). #2... . .-. 00 20, Ge 109 jean Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschiebungen und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die. Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Weitere Exemplare werden auf Wunsch gegen Er- stattung der Herstellungskosten geliefert unter der Vorraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Delphine 9 x. — Seehunde ı2 .4. — Störe klein ca. 20—30 Pfund 20 „4. — Störköpfe 1.50 4. Alles frisch im Fleisch, bei warmer Witterung in Eis ver- packt, liefert in unbeschädigten Exemplaren Bernh. Nels, CGröslin a. Ostsee. Zu kaufen gesucht! Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Band 2. 3. 4. 6. 8—11. 14. 15. Leipzig, Kurprinzstr. 10. Alfred Lorentz. Zeitschrift r WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Diebzigster Band Zweites Heft Mit 7 Tafeln und 41 Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann u, Ausgegeben den 29. October 1901. Inhalt. Uber die Entwicklung der hypodermalen Imaginalscheiben im Thorax und Er Abdomen der Larve von Eristalis Latr. Von Bruno Wahl. (Mit Taf. IX und 4 Fig. im Text)... - = „.0.n 2. 2 EV 171 Beiträge zur Morphologie der männlichen Geschlechtsanhänge der Trichopteren. "A Von Enoch Zander. (Mit Taf. X und 21 Fig. im Text) ..... 192 Uber die Embryonalentwicklung der Radula bei den Mollusken. I. Die Ent- wicklung der Radula bei den Cephalopoden. Von G. Rottmann. (Mit Taf, XI u. XH und 4 Fig. im Text.) . . EEE 236 Die Knospenentwicklung der Tethya und ihr Vergleich mit der geschlecht- lichen Fortpflanzung der Schwämme. Von Otto Maas. (Mit Taf. XIII us XIV.\.n 2.0. 200 0 wunder 263 Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus aus Termiten- nestern. II. Theil. Nachtrag zum systematischen und biologischen Theil. Von E. Wasmann. ...... .. = a 289 Untersuchungen an Megastoma entericum Grassi aus dem Kaninchendarm. Von Rudolf Metzner: (Mit Taf. XV.). 27.2 Ze 299 Über das Vorkommen und die Verbreitung der sogenannten Intestinaldrüsen bei den Decapoden. Von Hans Wallengren. (Mit 12 Fig. im Text.) 321 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschiebungen und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeit- schrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Text- figuren bestimmte Zeichnungen sind aufbesonderen Blättern beizulegen. Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Weitere Exemplare werden auf Wunsch gegen Er- stattung der Herstellungskosten geliefert unter der Vorraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Delphine 9 .. — Seehunde 12 .“4. — Störe klein ca. 20—30 Pfund 20 „9. — Störköpfe 1.50 .%. Alles frisch im Fleisch, bei warmer Witterung in Eis ver- packt, liefert in unbeschädigten Exemplaren Bernh. Nehls, Cröslin a. Ostsee. Zu kaufen gesucht! Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Band 2. 3. 4. 6. 8—11. 14. 15. Leipzig, Kurprinzstr. 10. Alfred Lorentz. Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers sor a. d. Universität zu Würzbur Professor a. d. Universität zu Göttingen Diebzigster Band Drittes Heft Mit 8 Tafeln und 37 Figuren im Text. —— LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1901. Ausgegeben den 12. November 1901. nEERTERER „ nl nl nun. IinnaTEr Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. Er VII. Von den Arthropoden-Augen. Von Richard Hesse. (Mit Tafel XVI—-XXI und 2 Figuren im Text) . 2 EEE er 347 Gedanken und Studien über den Ursprung der Extremitäten. Von Carl Rabl. (Mit Tafel XXII—XXIII und 35 Figuren im Text.) . . .. 474 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschiebungen und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeit- schrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Text- figuren bestimmte Zeichnungen sind aufbesonderen Blättern beizulegen. Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zioologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Weitere Exemplare werden auf Wunsch gegen Er- stattung der Herstellungskosten geliefert unter der Vorraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Demnächst erscheint: Erlebtes und Erstrebtes von Carl Gegenbaur. 8. Etwa # 2.—; geb. etwa 4 3.—. Erinnerungen aus meinem Leben von N Rosen Mit 7 Vollbildern, 10 Textfiguren und dem Portrait des Verfassers in Heliogravüre. gr. 8. 1899. Geh. 4 9.—; in Leinen geb. „4 10.60. Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Diebzigster Band Viertes Heft Mit 10 Tafeln und 53 Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1901. PR Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen ft — rote Ausgegeben den 24. December 1901. Iinh31%E Über die Nervenendigung in Tastmenisken. Von Eugen Botezat. (Mit er Tat. AXIV.) 5 422 2 2210 28 mE ee A 599 Untersuchungen über die Entwicklung von Cordylophotk lacustris Allman. Von Paul Morgenstern. "(Mit Taf XXV u Xu Ze 567 Die Kopulationsglieder der Selachier. Von Oscar Huber. (Mit Taf. XXVII u. XXVIlH w 12 Figuren im Text) - :- .0. Gore 592 Die Gastrulation bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix Boie) bis zum Auftreten der Falterform der Embryonalanlage. Von E. Ballowitz. (Mit Taf. XXIX—-XXXTIIH u. 41 Figuren im Text.) 2 Per Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschiebungen und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeit- schrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Text- figuren bestimmte Zeichnungen sind aufbesonderen Blättern beizulegen. Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Weitere Exemplare werden auf Wunsch gegen Er- stattung der Herstellungskosten geliefert unter der Vorraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Wissenschaftliche Arbeiten am British Museum und allen Bibliotheken der Welt, in allen Fächern und Sprachen werden gewissenhaft besorgt. Dr. Senger, 57, Warwick Road, Kensington, London, S. W. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Erlebtes und Erstrebtes von ; Carl Gegenbaur. Ss. 1901. %# 2.—; in Leinen geb. „#4 3.—. Te = — Bz == LUMEN INN 8 01316 6152