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N n k N ’ r Ann ® an wi D r \ y gt DR HR | Ko u + r") UF ER ar Kr ha RL A 00 N, NUR Y 4 ’ .r } ’ ’ t a % in Ki N 7% KUNHRANN 4 N f " s 4, ‘ hi EL EN L TE Wu SCH Mu Ar N nd \uyt\ EINR un Drag, BARNNIRER ANAL } Be N f vu ' BEISRBENENANNN IE N ‘ IMIRLIONUN ACH FA RER ed N \ NEE ENGE FR . rt “in enn MN BA N] KERE BR RR IR CHEN ENFEXDERNEEE NW ’ 4 wre Kinn ana MAAS LLURA NUM r uf Tr [) Y \ '“ x M. 1 en PR NCHEN u \ s y f nn, an“ N ’ u DEI DAL DE MHE RL ART RE VE ER EST WER fı ara’ Yı) nr ’ Due) BR AN RR Na N RE ww berg f \ ' ee) LBRRLR DE 36 JE BIER CH En) EIN IEARTN RU IE NEU KON EINER) N r f ‘ ’ vi vun oh rr0 1% Kine REICH NT DR key 5 u h nid '» Luna y ERERSENER RSS N URN NEN u ’ » ' Bu ' ' r u EN EL N x 7a ra % ! nr yr \ Ina Ran a y . kr An ABU Yr rn nn ERS DEN) I N vu y' N a Y N ar . von N ) en RK WE . rem , ner KEOHÄRICR RüCh N 2 ik, DEE PLN 1 ir NE une u N) EN ? y B f } ’ j 4 j PR Bee u EWR ee BEER URAHEE ZH NN TR ap LdRe 4 In, fr .. 1a rar) 131217 18 IE NER A SE KR eyır) Ei " ’ A ‚en nn rin pi. r ar y ri EN k ne N f Yan ‘ " ar % A} t ara) + i He Rn PR N An r EX ah A hr IN Yh MN N wir A ’ KAFRR A yaların I AN 2) NO Kan) N ß ru PIE vn \ vı EERRLR DEIN IL \. ua e ur EINE aM ER m n‘ KARL VERK \ EN Ra uf, 98 RENT AR a ya a IR N IuWENı ERROR J H ’ BRRIERR ANUNG NEON LA PN ( ws U AR RR CL ur ALS ICN HR HANyER r h Ä (X EN TRRN NN AN RN ‚ Am! 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Zum Gedächmis . .. . :. 2.2... Oswald Seeliger, Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. (Mit Taf. I-IV und 4 Fig. im Text). . - ....... Alexander Schepotieff, Über einige Actinotrochen der norwegischen EEE EN)» en nr nase. Karl Wenke, Anatomie eines Argynmis paphia-Zwitters, nebst ver- gleichend-anatomischen Betrachtungen über den Hermaphroditismus bei Lepidopteren. (Mit Taf. VII—VIII u. 15 Fig. im Test.). . A Robert Nicolai Streiff, Über das »unpaare Organ« der Dipteren- familie Conopidae. (Mit Taf. IX—X u. 15 Fig. im Text). ..... Zweites Heft. Ausgegeben den 14. August 1906. Eugen Botezat, Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel und die En ikliche Endigungsweise der peripheren Nerven bei den Wirbel- teren. (Mit Taf. XI—XV u. einer Fig. im Text)... ....-. Drittes Heft. Ausgegeben den 4. September 1906. Edwin Rossbach, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der EN VAR VE RN. ne. onen nn. Otto Römer, Untersuchungen über die Knospung, sc lon und Re- sen von einigen marinen ectoprocten Bryozoen. (Mit Taf. XX Dr Rn ee Ro a ee Er Heinrich Schlichter, Über den feineren Bau des schwach- elektrischen Organs von Mormyrus oxyrhynehus Geoffr. (Mit Taf. XXII—XXIV.) 139 205 361 446 479 IV Viertes Heft. Ausgegeben den 23. Oktober 1906, Seite Friedrich Hempelmann, Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. und Polygordius triestinus W oltereck, nov. spec. (Mit Taf. XXV—XXIX 12.022. Rio imslext,). ee ee ae 527 Enoch Zander, Das Kiemenfilter der Teleosteer. Eine morpho-physio- logische Studie (Mit Taf. XXX, XXXI, 33 Fig. im Text u. 10 Ta- bellen.) :.:. 220... 20000 2 ee 619 | en 3 Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet a. Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Göttingen Vierundachtzigster Band Erstes Heft Mit 10 Tafeln und 34 Figuren im Text LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann .... 1906; Ausgegeben den 24. Juli 1906 Inhalt E. Ehlers, Albert von Kölliker. ‘Zum Gedächtnis 2 Sr I Oswald Seeliger, Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. (Mit Taf. I-IV und 4 Fig. im Text)... ... IENRaR... 1 Alexander Schepotieff, Über einige Actinotrochen der norwegischen Fjorde.. (Mit Taf. Vu. VL)... 2 ne ee 79 Karl Wenke, Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters, nebst ver- gleichend-anatomischen Betrachtungen über den Hermaphroditismus : bei Lepidopteren. (Mit Taf. VII-VIII u. 15 Fig. im Text). ..... 95 Robert Nicolai Streiff, Über das >unpaare Organ<« der Dipteren- familie Conopidae. (Mit Taf. IX—X u. 15 Fig. im Text)... ... 139 Mitteilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse ‘einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, daß die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschiebungen und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponierung der Zeichnungen ist darauf zu achten, daß der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagsbuchhandlung Der Herausgeber Wilhelm Engelmann. Ernst Ehlers. . Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Sonder- abdrucke unberechnet. Weitere Exemplare werden auf Wunsch gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert unter der Voraus- setzung, daß sie nicht für den Handel bestimmt sind. Im Verlag von R. Friedländer & Sohn, Berlin, erschien: Die organische Natur im Lichte der Wärmelehre von Dr. Julius Fischer (Ingenieur). 2. Auflage. 1 4. In dieser hochinteressanten Schrift, die in Fachkreisen als bahnbrechend be- grüßt worden ist, wird eine völlig neue Naturauffassung auf technischer Grundlage entwickelt. Albert von Kölliker. Zum Gedächtnis. Von E. Ehlers. Am 2. November 1905 starb zu Würzburg im 89. Lebensjahre ALBERT v. KÖLLIKER, der hochverdiente Mitbegründer dieser Zeit- schrift. Ein arbeitsreiches glückhaftes Leben ging zu Ende, glück- lich auch darin, daß der rüstige Greis ohne längeres Krankenlager aus ihm schied. KÖLLIKER hat über sein Leben und sein Lebenswerk in seinen 1899 erschienenen Erinnerungen Rechenschaft gegeben, die Rechnung nicht abgeschlossen, denn bis an sein Ende erstreckte sich seine wissenschaftliche Arbeit, ihre letzte Frucht trat erst nach seinem Tode in die Öffentlichkeit. Er entstammte einer Züricher Familie: der Vater, Sohn eines Schullehrers, war in einem Bankgeschäft in Zürich betätigt, starb ehe seine beiden Söhne erwachsen waren. Deren Erziehung fiel der Mutter zu, einer geborenen FUESSLI, aus jener Familie, die in meh- reren Generationen namhafte Kunstgelehrte und Künstler, so den lang- jährigen Direktor der Akademie der Künste in London, aufzuweisen hat. Es war eine energische hochgemute Frau, deren Einfluß auf die Entwicklung des heranwachsenden Knaben bestimmend gewesen sein mag, und die mit dem Sohne ihr Leben lang herzlich verbun- den blieb. Früh zeigte sich bei KöÖLLIKER die Neigung zu naturwissenschaft- lichen Studien und Lust an schriftstellerischer Tätigkeit. Als Stu- dent der Medizin bezog er 1836, 19 Jahr alt, die Universität seiner Vaterstadt, neben OkEn beeinflußte ihn OswALn HEER, und ihm wid- mete er drei Jahre später seine erste Schrift: Verzeichnis der phanero- gamischen Gewächse des Kanton Zürich; entstanden war sie in der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. I „ul E. Ehlers, Verbindung mit dem Jugendfreunde NÄGELı1, dem späteren Münchener Botaniker, und ist ein Zeichen dafür, daß das Interesse für Natur- wissenschaft bei KÖLLIKER das für die Medizin von Anfang an überwog. Im Jahre 1839 ging KÖLLIKER nach einem einsemestrigen Aufent- halte in Bonn nach Berlin, und in den drei hier verbrachten Seme- stern vollzog sich die entscheidende Wendung in seinem Entwick- lungsgange. An der Berliner Hochschule wirkte damals seit sechs Jahren JOHANNES MÜLLER, und neben ihm stand als Gehilfe JACOB HENLE. MÜLLER, für Physiologie berufen, schuf sein Handbuch der Physio- logie und die Anatomie der Myxinoiden, bahnbrechend für physio- logische und morphologische Erkenntnis tierischer Organisation; HENLE legte, SCHWANNS weit wirkender Anregung für die Lehre von der Zelle folgend, den Grund für seine allgemeine Anatomie, das erste Buch einer modernen Histologie. Es war die Zeit, von der HENLE sagte, daß täglich die am Mikroskop verbrachten Morgen- stunden neue Entdeckungen brachten, allerdings, müssen wir ergän- zen, nur dem richtigen Manne. — Daneben lehrte EHRENBERG die kleinsten Lebewesen, die Infusorien, als vollkommene Organismen kennen. — Besonders anerkennend gedenkt KÖLLIKER aber der Be- lehrung, die er von dem nur zwei Jahre älteren ROBERT REMAK erhalten habe, der seine wenigen Schüler in die Entwicklungs- geschichte der Wirbeltiere einführte, für deren klassische Darstellung er damals die Vorarbeiten betrieb. — Anregend war in diesen Lehr- jahren der Verkehr mit Nägerı. Mit diesem Freunde besuchte KÖLLıkER im Herbst 1840 die deutsche Nordseeküste in Wyk auf Föhr und auf Helgoland, studierte die marine littorale Fauna und Flora und sendete eine kleine Sammlung von Meerestieren für die zoologische Sammlung in Zürich an Scumz. Nach Berlin zurück- gekekrt und im Besitze eines Mikroskops aus der damals berühmten Werkstatt von SCHIEcK schrieb er die Beiträge zur Kenntnis der Ge- schlechtsverhältnisse und der Samenflüssigkeit wirbelloser Tiere; hier sind zuerst die Beziehungen der Spermatozoen zu Zellen angedeutet, eine Lehre angebahnt, die in der Folgezeit so bedeutsam für die Auffassung der Generations- und Vererbungsvorgänge wurde. Die Schrift diente später als Dissertation für die Promotion zum Dr. phil. an der Züricher Universität. Im Frühjahr 1841 verließ KÖLLIKER zusammen mit NÄGELI Berlin. Auf der Heimreise nach Zürich suchten die jungen Forscher SCHLEIDEN in Jena auf, und man stellt Albert von Kölliker. Zum Gedächtnis. Ill sich wohl vor, wie die neu eingeführte Lehre von dem Wesen der Zelle hier im Mittelpunkte eines gemeinsamen Interesses gestan- den hat. In Zürich galt es für KÖLLIKRER die medizinische Staatsprüfung zu machen. Daneben aber fand er Zeit, wohl unter dem nach- wirkenden Einfluß von REMAK, entwicklungsgeschichtliche Studien an wirbellosen Tieren zu machen, und es gelang ihm die ersten Vor- sänge in der Entwicklung der Eier eines Käfers und einer Fliege darzustellen, damit eine Bahn zu betreten, die über das, was HEROLD und H. RATHkE erreicht hatten, auf neue Wege führte. Auf Grund dieser Untersuchung promovierte ihn 1842 die Heidelberger medi- zinische Fakultät zum Dr. med. In Zürich fand KÖLLIKER fördersamste Anknüpfung an die Berliner Studien. Hier hatte HexLe, der 1840 dorthin berufen war, die Vertretung der Anatomie übernommen, und ihm schloß sich KÖLLIKER an. Zunächst aber sollten nach Absolvierung der Staats- prüfung die an der Nordseeküste begonnenen zoologischen Studien an dem reicheren Material des Mittelmeeres fortgesetzt werden; zu dem Behufe suchte er, wiederum in Begleitung von NÄGELI, Neapel und Messina auf. Neben einer Reihe kleinerer Arbeiten reifte als Hauptfrucht dieses Aufenthalts die Untersuchung über die Entwick- lung der Tintenfische. Hatte die auf den Boden der neuen Zell- lehre sich stellende Embryologie damals im wesentlichen nur die Entwicklung der Wirbeltiere geprüft, so wirkte hier die Erfahrung, daß auch bei Wirbellosen an dotterreichen Eiern gleiche Vorgänge wie bei ähnlichen Wirbeltiereiern zum Aufbau des Tierleibes führe, bahnbrechend für die Anschauung, daß alle tierische Einzelentwick- lung gleiche Wege einschlage. KÖLLIKERsS Untersuchungen über die Entwicklung der Öephalopoden sind ein klassisches Werk für die all- gemeine Entwicklungslehre. Sind doch auch jetzt noch nach mehr als einem halben Jahrhundert die darin gegebenen bildlichen Dar- stellungen nicht aus dem Inventar der Abbildungen unsrer Lehr- und Handbücher verschwunden. Nach der Heimkehr vom Mittelmeer wurde für KÖLLIKERs Ent- wieklungsgang die Verbindung mit HEnLe einflußreich; ihm trat er als Proseetor nahe, mit ihm beschrieb er die damals bekannt wer- denden PAacınischen Körperchen; und wenn auch im späteren Leben manche wissenschaftliche Kontroverse zwischen den beiden Gelehr- ten auszutragen war, so hat KÖLLIKER doch stets dankbare Erinnerung an .HEnLE als seinen Lehrer bewahrt, und bei HexLes 50 jährigem fe IV E. Ehlers, Doktorjubiläum 1882 als sein ältester Schüler das mit warmen Worten mündlich ausgesprochen. KÖLLIKER habilitierte sich in Zürich zwar mit einem Vortrag über die Entwieklung wirbelloser Tiere, kam aber im Banne der medizinischen Fakultät bald in die besondere Richtung seiner spä- teren Laufbahn. HENLE folgte 1844 einem Rufe nach Heidelberg; die damit erledigte Züricher Professur wurde geteilt und KÖLLIKER dabei zum Professor für Physiologie und vergleichende Anatomie er- nannt. Seine Lehrtätigkeit umfaßte außer den ihm zugewiesenen Fächern auch Abschnitte der menschlichen Anatomie, Entwicklungs- geschichte des Menschen und der höheren Tiere, die Lehre von den Mißbildungen und pathologische Histologie. Zu letzterer brachte ihn die Verbindung mit dem Kliniker K. E. Hasse, mit dem er, fürs Leben befreundet, zusammen arbeitete. Aus der Breite des wissen- schaftlichen Interesses heraus zeichnete sich aber für ihn damals schon eine engere Bahn und ein bestimmtes Ziel. Alle Organe des menschlichen Körpers mikroskopisch zu untersuchen und danach darzustellen, das sei für die Zukunft sein Wunsch; so äußerte er sich damals gegen HasseE. Zu der Erfüllung dieses Wunsches bot sich bald Aussicht. Die Universität Würzburg erließ (1847) an KÖLLIRER den Ruf, in die medizinische Fakultät als Ordinarius für Physiologie und mikro- skopische wie vergleichende Anatomie einzutreten. Vergebens bemühten sich die Freunde in Zürich, KÖLLIKER für die Hochschule zu erhal- ten; der Erziehungsrat war nicht gewillt, KÖLLIKERS sehr bescheidenen Wünschen zu entsprechen; politische Motive — KÖLLIKER galt für konservativ — mögen bei der ablehnenden Haltung der ausschlag- sebenden Personen im Spiel gewesen sein; so entschied sich KöL- LIKER für Würzburg mit der Bedingung, daß ihm auch die Vertretung der menschlichen Anatomie zufalle, sobald die Stelle erledigt werde. KÖLLIkErRS Wanderjahre waren zu Ende. Würzburg bot dem Schweizer, der das Heimatland nie vergaß, eine zweite Heimat. Ihr ist er treu geblieben trotz vielfachen Verlockungen, die ihm Beru- fungen nach andern Universitäten brachten. In den neuen Verhält- nissen galt es sich einzuleben. In großer Verwahrlosung fand er die Anstalten, in denen er arbeiten und lehren sollte; seit HRUSINGER (1829) von Würzburg nach Marburg gezogen war, waren sie arg ver- nachlässigt; und als nach dem Tode von Müntz (1849) ihm auch die Vertretung der menschlichen Anatomie zufiel, waren die Verhältnisse hier wenig besser. Albert von Kölliker. Zum Gedächtnis. V In der neuen Heimat gründete er sein eignes Haus. Ein feines Mädchen aus niederem Stande, so nennt er es in einem Briefe, ge- wann er sich zur Lebensgefährtin, die Genossin eines fast 50Ojährigen Ehebundes; die Mutter, deren Widerstand gegen diese Verbindung wohl nieht leicht zu überwinden war, siedelte zu dem jungen Paare nach Würzburg über. Ein glückliches Haus sah die Familie wachsen; zwei Söhne und eine Tochter, die die Eltern überlebten, gingen aus ihm hervor. KÖLLIKER stand in der Vollkraft des Mannesalters: von je eine vornehme Erscheinung, bis ins hohe Alter äußerlich vom Kopf bis zum Fuß stets sorgfältig gepflegt; als junger Mann stattlich zu Pferd, als Greis ehrwürdig im Schmucke des vollen Silberhaares; zu führender Stellung wohl berufen, aber stets wohlwollend und freund- lich gegen alle Mitarbeiter, zumal die jüngeren, in der Wissenschaft, für die er sich begeisterte. Allen Anregungen in seinen ausgedehnten Wissensgebieten stets zugängig, betätigte er den Fleiß des Talentes bis in seine letzten Lebenstage. Erholung brachten ihm häufige und weite Reisen, und von je suchte er darauf den anregenden und be- lehrenden Verkehr mit Fachgenossen. Eine Passion pflegte er von Jugend auf; wie er als Knabe gewildert, als Student auf Föhr Wasser- - geflügel erlegt hatte, so trieb er das Weidwerk sein Leben lang, sei es in den Bergen Österreichs und der Schweiz, oder in der Ebene der Lüneburger Heide; fünf Gemsen an einem Tage erlegt zu haben war sein Stolz und seine Freude; noch als Achtziger brachte er den Hirsch zur Strecke. Die Lehraufgaben, die ihm in Würzburg zufielen, waren nach den Verhältnissen der Zeit mannigfaltig; Physiologie, Anatomie, Ent- wicklungsgeschichte waren in Vorlesungen und Übungen zu behan- deln. Aufstrebende junge Kräfte standen neben ihm: Zu GEGEN- BAUR, LEYDIG, HEINRICH MÜLLER kam VırcHnow. Im Laufe der Zeit lösten sich die selbständige Vertretung fordernden Zweige ab, ALBERT v. BEZOLD übernahm (1865) die Physiologie, KARL SEMPER (1868) neben der Zoologie einen Teil der vergleichenden Anatomie. KÖLLIKER behielt die menschliche Anatomie und die Entwicklungs- geschichte. Generationen von Ärzten verehren ihn hierin dankbar als Lehrer. i Ä Mit der Lehrtätigkeit parallel läuft KöLLIkErs wissenschaftliche literarische Arbeit. Von Haus aus der morphologischen Behandlung der tierischen Organismen zugewendet, spielt darin die experimen- telle Physiologie keine erhebliche Rolle. KÖLLIKER folgt wohl den Anregungen, die die physiologischen Untersuchungen der Zeit brachten, VI E. Ehlers, als auch er die Wirkung von Muskel- und Nervengiften untersuchte, Nervenreizbarkeit prüfte, Atem- und Herzbewegungen studierte, oder die von Tieren ausgehende Liehtentwicklung beobachtete. Der Schwer- punkt seiner Tätigkeit lag im Felde der Morphologie. Aber nicht die deskriptire Anatomie des menschlichen Leibes, deren Lehrver- tretung ihm zufiel, war sein Arbeitsfeld; nicht Messer, Schere und Pincette, sein Werkzeug war das Mikroskop, und mit ihm gelangte er zu der Erweiterung unsrer Erfahrungen und Einsichten im weiten Bereiche tierischer Gestaltung und Organisation. Was SCHWANN er- kannt, HENLE und SCHLEIDEN ihm gezeigt hatten, die Zelle, ihre Derivate und deren Bedeutung im Tier- und Menschenkörper trat in den Vordergrund seines Interesses. | Noch in Zürich hatte KÖLLIKER, wie gleichzeitig HENLE in Heidelberg, seine Aufmerksamkeit den Gregarımen zugewendet und sie als einzellige Tiere angesprochen, war dann mit v. SIEBOLD, der 1845 nach Freiburg i. B. berufen war, in Verbindung getreten, und als dieser die Infusorien, die nach EHRENBERGS Lehre als Poly- sastrica zu den hochorganisierten Tieren gehörten, gleichfalls für ein- zellig bezeichnete, erweiterte KÖLLIKER den Kreis der einzelligen Lebewesen dadurch, daß er zu ihnen auch einen Vertreter der Rhizo- poden stellte. Voll ausgebildet erschien die so bedeutsame Lehre von den einzelligen Lebewesen 1848 in der ersten Lieferung von V. SIEBOLDS vergleichender Anatomie. Die Verbindung der beiden jungen Männer wurde in andrer Rich- tung fruchtbar. Das war die Gründung der Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie. Ursprünglich war eine Zeitschrift für Botanik und Zoologie unter der Leitung von ALEXANDER BRAUN, Ü. NÄGELI, K. E. v. SIEBOLD und A. KÖLLIKER geplant; es kam aber zu einer Trennung der beiden Wissensgebiete und neben der von NÄGELI ge- leiteten Zeitschrift für wissenschaftliche Botanik erschien die Zeit- schrift für wissenschaftliche Zoologie unter der Leitung von v. SIE- BOLD und KÖLLIKER. Die Redaktion übernahm v. SIEBOLD und hat sie bis ins hohe Alter geführt, KÖLLIKER war daran nicht beteiligt, hat aber sein Interesse für die Zeitschrift stets bewiesen: ihr erstes Heft eröffnete er mit einem Aufsatz über Gregarinen, lieferte fortge- setzt Beiträge, bis seine letzte Untersuchung über Nerven nach seinem Tode in ihr veröffentlicht wurde. Wie KÖLLIKER nach der Übernahme seines Amtes in Würzburg wirkte, zeigt sein 1849 erscheinender: Zweiter Bericht von der K. zootomischen Anstalt in Würzburg für das Schuljahr 1847/48; der Albert von Kölliker. Zum Gedächtnis. v1 erste Bericht war 20 Jahre früher (1526) von HEUSINGER erstattet. Dieser zweite Bericht enthält außer Beiträgen von LEYDIG, GEGEN- BAUR und Osann Untersuchungen von KÖLLIRER über Knochen, Schädel der Wirbeltiere, elektrische Organe, über Plattwürmer, die ersten Angaben über Dieyemiden, und eine allerdings verfehlte Auf- fassung des Hectocotylus der Cephalopoden. So nahm die Zoologie hier einen breiten Raum ein, und Verbindung mit ihr hat KÖLLIKER bis in späte Tage behalten. Das bekundete er mit Untersuchungen, die er 1852 bei einem wiederholten Besuche von Messina mit GEGENBAUR und H. MÜLLER anstellte; andre, die er 1864 an der Westküste Schottlands ausführte, zeigen ihn mit mamnigfaltigen Gliedern der marinen Fauna beschäftigt; die feinere Anatomie der Insekten faßt er ins Auge; selbst systematischer zoologischer Behand- lung unterzieht er sich in einer Bearbeitung von Aleyonarien und Pennatuliden. Ein Versuch, eine Gewebelehre zu geben, die alle Tierklassen umfassen sollte, hängt mit diesen Studien zusammen; das breit angelegte Tafelwerk, Icones histologicae, scheiterte an dem zu sroßen Umfange. Alle diese Arbeiten erscheinen als ein Beiwerk neben dem Hauptwerke, das KÖLLIKER unternahm, als ihm die Vertretung der Anthropotomie zugefallen war. Was sein Wunsch von früh auf ge- wesen war, den Aufbau des menschlichen Körpers in allen seinen Teilen aus den elementaren Formbestandteilen darzustellen, erfüllte sich ihm jetzt. Mit einer mikroskopischen Anatomie oder Gewebe- lehre des Menschen, einem zweibändigen Werke, das in den Jahren 1850—54 erschien, nahm er die Aufgabe in Angriff. Gleichzeitig und mit größerem äußeren Erfolge trat er mit dem Handbuche der Gewebelehre für Ärzte und Studierende zunächst an den großen Kreis der im Titel genannten Lernbegierigen heran und wurde damit für weitere Kreise ein Lehrer, der mit den bald erscheinenden Über- setzungen über die deutsch redenden Länder hinaus wirkte. Das Buch hat vom Jahre 1852 bis 1596 sechs Auflagen erlebt und ist in der sechsten Auflage zu einem Umfange von drei Bänden ange- wachsen, abgeschlossen durch V. v. EBvEr. — Die Lust, lehrhaft zu wirken, führte KÖLLIRER daneben auf das Wissensgebiet, auf das ihn einst REMAK eingeführt hatte: die Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Wirbeltiere. Eine solche erschien als akademische Vorträge 1861 in erster und 1879 in zweiter, völlig umgestalteter Form. Wer einmal sich der Aufgabe unterzieht, die Geschichte der VIII E. Ehlers, mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu schreiben, findet dafür in diesen Werken ein nahezu vollständiges Aktenmaterial, damit in allerdings subjektiver Färbung eine Darstellung des Entwicklungsganges dieser Wissen- schaft und stets die Spuren des Einflusses, den KÖLLIKER auf ihn gehabt hat. Denn alles, was KÖLLIKER in diesen Werken bot, war das Ergebnis nicht nur selbständiger Untersuchung, sondern auch der Nachprüfung der von andern Forschern gemachten Darstellungen. Sorgfältig war gesammelt, was in der Tagesliteratur so reichlich auf diesem Gebiete erschienen war; stets bot es zu kritischer Behandlung, nach eigner Erfahrung zustimmend oder ablehnend, die Anregung. Kaum ein Organsystem möchte zu nennen sein, an dessen wieder- holter Nachprüfung sich der Unermüdliche nicht beteiligte. Es nahte das Alter. KÖLLIKERs Kraft brach es nicht. Seine Anschauungen schriftlich oder, wo sich ihm im Kreise von Fach- genossen die Gelegenheit bot, mündlich zu verteidigen, abweichende kritisch zu beleuchten, war KÖLLIKER stets am Platze. So als neue Anschauungen über die Entstehung des Glaskörpers im Wirbeltier- auge dem hochbetagten Greise entgegentraten und so in der viel um- strittenen Lehre von dem Bau der nervösen Elemente. Seine letzte nach seinem Tode erschienene Untersuchung griff hier hinein. Und als er im hohen Alter die Ausgabe seines Handbuches der Gewebe- lehre andern Händen anvertraut hatte, blieb ihm unverändert die Lust und Empfänglichkeit Anregungen zu neuer Forschung zu folgen, die ihm zugehendes Material brachte. Als späte und reife Früchte seiner Arbeit entstanden so die Untersuchungen über das centrale Nervensystem der Monotremen und über das Rückenmark der Vögel. — In allem diesem ist KÖLLIKERsS Eigenart: die Erkenntnis des Gegen- ständlichen mehr und mehr zu fördern; so ist Naturbeschreibung seine Hauptaufgabe. Ableitungen spekulativer Natur zu machen, von dem Besonderen zum Allgemeinen zu kommen, hat er nicht unterlassen, vielleicht nicht immer mit Glück. Im Gebiete der allgemeinen Zelllehre ge- lang es ihm nicht, ein Wort zu prägen wie das VIRCHOWsS: omnis cellula e cellula, so nahe wie er dem gekommen war und so be- stimmt er auch früh schon in seinen Lehren von dem embryologi- schen Aufbau des Tierkörpers die Generationsfolge der Zellen betonte. In den Fluß der Lehre von der Erblichkeit und der Vererbung der Lebewesen griff er mit der Hypothese ein, daß die Zellkerne, Albert von Kölliker. Zum Gedächtnis. IX die er in den Verrichtungen der Zelle als fast omnipotent ansah, Träger der Vererbungsvorgänge seien, und nahm, von den Anschau- ungen NÄGELIsS beeinflußt, hier ein besonderes Materielles, das Karyoidioplasma, als das Wirksame an. In mannigfaltiger Weise ist diese Anschauung ausgebildet. Ob das darauf errichtete Gebäude von Hypothesen von Dauer sein wird, bleibt abzuwarten. Die Bahn für diese anregenden Betrachtungen eröffnet zu haben, ist KÖLLIKERS Verdienst, mag auch an ihrem Ende nicht das erhoffte Ziel gestanden haben. Als Darwıy den gewaltigen Anstoß zu neuer Betrachtung des Werdeganges der Lebewesen brachte, zog er KÖLLIKER, dem die Pflanzenwelt stets von Interesse und das tierische Leben in allen Formen Gegenstand des Studiums gewesen war, in seine Gefolg- schaft; aber selbständig suchte KÖLLIKER hierin seinen Weg. Die Er- scheinungen, die der Generationswechsel der Tiere zeigte, mögen ihn zu seiner Lehre von einer sprungweisen Entwicklung der Organismen seführt haben; nach ihr verbindet nicht immer ein gleichmäßiger Fluß der Formentwicklung durch zahlreiche aufeinander folgende Zustände weit voneinander abstehende ältere und jüngere Formen, sondern scheinbar unvermittelt tritt in der Folge der Generationen eine neue Form auf. Mechanisch von außen wirkenden Einflüssen hat er dabei keine große Bedeutung beigelegt; er kommt vielmehr auch hier den Anschauungen seines Jugendfreundes NÄGELI nahe und nimmt als wirksame Faktoren für das Zustandekommen der plötz- lich auftretenden Abänderungen den Einfluß »innerer Ursachen« an. Diese Lehre von einer sprungweisen Entwicklung hat wenig Beifall gefunden, und doch dürften Erfahrungen im botanischen Gebiet dafür sprechen, sie nicht ganz zu verwerfen. Äußere Ehrenbezeugungen hat die Mitwelt dem großen Anatomen in reicher Fülle. gebracht, in höheren Ehren wird die Nachwelt ihn als Mehrer und Förderer der Wissenschaft halten, der sein Leben in rastlosem, erfolgreichem Mühen geweiht war. 1839. 1841. 1842, 1843. 1844. E. Ehlers, Chronologisches Verzeichnis der Schriften von A, v, Kölliker, Verzeichnis der phanerogamischen Gewächse des Kantons Zürich. Zürich. Beiträge zur Kenntnis der Geschlechtsverhältnisse und der Samenflüssigkeit wirbelloser Tiere, nebst einem Versuche über das Wesen und die Bedeutung der sogenannten Samentiere. Berlin. Über das Wesen der sogenannten Samentiere. FRORIEPS neue Notizen. Bd. XIX. De prima insecetorum genesi adjeeta articulatorum evolutionis cum vertebratorum eomparatione. Turici. | Beiträge zur Entwicklungsgeschichte wirbelloser Tiere. I. Über die ersten Vorgänge im befruchteten Eie. MüLtL. Arch. £. Anat. u. Phys. Über die Randkörper der Quallen, Polypen und Strahltiere. FrorıErs Notizen. Bd. XXV. | Über das Geruchsorgan des Amphioxus. MÜLLERS Archiv f. Anat. u. Phys. Furchungen und Samenfäden bei einem Rädertiere. FRoRIEPrS Notizen. Bd. XXVIL Über das Gehörorgan der Mollusken. Ibid. Bd. XXV. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte wirbelloser Tiere. 1. Über die ersten Vorgänge im befruchteten Eie. MÜLLERS Archiv f. Anat. u. Phys. Geruchsorgane d. Cephalopoden. FRORIEPS Notizen. Bd.XXVI. Observations sur les Zoospermes des Crustaces et des Cirrhi- pedes.: Annal, Se. natur. Ser. IL. .Zool. ara Observationes de prima insecetorum genesi adjeeta artieulatorum evolutionis cum vertebratorum comparatione Ann. Se. nat. Ser. 2. Zool. T. 20: Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. Zürich. Die Selbständigkeit und Abhängigkeit des sympathischen Nervensystems durch anatomische Untersuchungen bewiesen. Zürich. HENLE und KOELLIKER, die Pacinischen Körperchen an den Nerven des Menschen und der Tiere. Zürich. Über Samenfäden. Verh. schweiz. naturf. Ges. 29. Vers. Chur. 1844. 1845. 1846, 1847. Chronologisches Verzeichnis der Schriften von A. v. Kölliker. XI ÜberdieEntwicklungder Tiere. FRoRIEPsneue Notizen. Bd.XXX. Lineola, Chloraima, Polyeystis, neue Wurmgattungen und neue Arten von Nemertes. Verhandl. schweiz. naturf, Ges. 29. Vers. Chur. Die Lehre von der tierischen Zelle. Zeitschr. f. wiss. Botanik (von SCHLEIDEN und NÄGELI). | Über Flimmerbewegungen in d. Primordialnieren. Mürr. Archiv f. Anat. u. Phys. Some observations upon the structure of two new species ot Hectocotyle parasitie upon Tremoctopus violaceus D. C. and Argonauta argo L. Proceed. Linn. Soc. No. XXV. — Transact. Linn. Soc. Vol. XX. 1846. Über die Gesetze, nach welchen sich die Samenfäden bilden. FRORIEPS neue Notizen. Bd. XXXVI. KOELLIKER, A., und ©. Löwıs, Observations sur l’existence d’une substance ternaire identique avec la cellulose dans toute une celasse d’animaux sans vertebres, les Tuniciers. Compt. rendus XXI. De la composition et de la structure des enveloppes des Tuni- eiers. Ann. des sc. natur. Ser. III. Zool. T. V. 1845. Fro- RIEPs Notizen. XL. Über die eontraetilen Zellen der Planarienembryonen. WiıEG- MANNS Arch. XII. Über die Blutkörperchen eines menschlichen Embryo und die Entwicklung der Blutkörperchen bei Säugetieren. Zeitschr. f. rat. Medizin. Bd. IV. Note sur le deveioppement des tissus chez les Batraciens. Compt. rend. Acad. Sc. Paris. T. XXIII. — Institut. XIV. Ann. des se natur. \.3..Ser. Zool. T. IV. Über die Entwicklung der Gewebe der Batrachier. FRORIEPS neue Notizen. Bd. XXXIX. Nr. 844. Über die Struktur und die Verbreitung der glatten oder un- willkürlichen Muskeln. Züricher Mitteilungen. Bd.T. Zur Lehre von den Furchungen. WIEGMANNSs Archiv. Jahr- sang XIII. Die Bildung der Samenfäden in Bläschen als allgemeines Entwickelungsgesetz. Neue Denkschriften der schweizerischen Gesellschaft für die Naturwissenschaften. Bd. VIIL. Über einige anatomisch-physiologische Gegenstände. Züricher Mitteil. IL XII 1847. 1848. 1849. 1850. E. Ehlers, Histologische Bemerkungen. Züricher Mitteil. I. S. 168—179. Über den Bau der Synovialhäute. Züricher Mitteilungen. 1. Ss. 95—96. Über den Bau und die Verrichtungen der Milz. Mitteil. der naturf. Ges. Zürich. Entwicklung der Haare und Hautdrüsen. Mitteil. der Zürich. naturf. Ges. Nr. 41. Nachwort zu HEINRICH Koch#s »Einige Worte zur Entwicklungs- geschichte von Eunice«. Schweiz. Denkschrift. VII. Bd. Rhodope, nuovo genere di Gasteropodi. Giornale dell’ J. R. Lombardo di seienze, lettere ed arti. Tom. VIII. Milano. Über die Entozoengattung@Gregarina. Mitteil. der naturf. Ges. Zinich Bde I eEE Über Hectocotylus. Isis. Über die Entwicklung der Gewebe der Batrachier. FRoRrIEPS Notizen. 3. Reihe. Bd. II. Nr. 23. | Über Blutkörperchen haltige Zellen, ein Schreiben an Prof. K. E. Hısse in Zürich. Zeitschr. f. wiss. Zool. I. Beiträge zur Kenntnis niederer Tiere. I. Über die Gattung Gregarina. Ibid. I. Beiträge zur Kenntnis der glatten Muskeln. Ibid. Zweiter Bericht von der Kgl. zootomischen Anstalt der Uni- versität Würzburg. Leipzig, W. Engelmann. Allgemeine Betrachtungen über die Entstehung des knöchernen Schädels der Wirbeltiere. Zweiter Bericht von der kgl. zootomischen Anstalt der Universität Würzburg. Über die elektrischen Organe der Gattung Mormyrus. Zweiter Bericht von der zootomischen Anstalt in Würzburg. Das Sonnentierchen, Actinophrys sol. Zeitschr. f. wiss. Zool. Neurologische Bemerkungen. Ibid. Article Spleen. Todds Cyelopaedia of Anatomy. Vol. IV. Part I. II. June 1849. pag. 771—801. Mikroskopische Anatomie oder Gewebelehre des Menschen. Zweiter Band: Spezielle Gewebelehre. Erste Hälfte. Leipzig, W. Engelmann. | H. MÜLLER und A. KoELLIikEr: Ein Fall von Ichthyosis congenita. Würzb. Verh. I. Anatomisch-physiologische Bemerkungen. Züricher Mitteil. II. Histologische Bemerkungen. Zeitschr. f. wiss. Zool. II. Über die Nerven der Knochen des Menschen. Würzb. Verh. 1. 1850. 1851. 1852. 18593. Chronologisches Verzeichnis der Schriften von A. v. Kölliker. XII Nachweis von Teilungen von Nervenprimitivfasern, zu einer Zeit, wo dieselben noch wenig bekannt waren. Ibid. Über den Faserverlauf im menschlichen Rückenmarke. Ibid. Noch ein Wort üher Blutkörperchen haltende Zellen. Zeitschr. f. wiss. Zool. II. Über eine Janusmißbildung. Würzb. Verh. I. Die Theorie des Primordialschädels festgehalten. Zeitschr. f. wiss. Zool. U. Zur Entwicklungsgeschichte der äußeren Haut. Ihid. Contractionen der Lederhaut des Menschen durch Einwirkung von Galvanismus. Ibid. Nachwort zu ©. Bruch, Einige Bemerkungen über die Gre- garinen. Ibid. Über einige an der Leiche eines Hingerichteten angestellte Versuche und Beobachtungen. Ibid. IH. Über das Vorkommen von glatten Muskelfasern in Schleim- häuten. Ibid. Zusatz zu diesen Bemerkungen. Ibid. Über das anatomische und physiologische Verhalten der cavernösen Körper der Sexualorgane. Würzb. Verh. II und Würzb. naturwissensch. Zeitschr. Sitz.-Ber. Bd. V. Handbuch der Gewebelehre des Menschen für Ärzte und Studierende. Leipzig, W. Engelmann. Beiträge zur Anatomie der Mundhöhle. Würzb. Verh. II. Über die Entwicklung der sogenannten Kernfasern, der elasti- ‚schen Fasern und des Bindegewebes. Würzb. Verh. IH. Über die Gefäße in den Follikeln der Pryurschen Haufen. Würzb. Verh. I. Zur Anatomie und Physiologie der Retina. Würzb. Verh. III. Manual of Human Histology, translated and edited by GEORGE Busk F.R.S. and Tmuomas Huxley F.R.S. Volume I 1853. Vol. II 1854, London, printed for the Sydenham Society. Die Schwimmpolypen oder Siphonophoren von Messina. Leipzig, W. Engelmann. Bericht über einige im Herbst 1852 in Messina angestellte vergleichend-anatomische Untersuchungen von A. KÖLLIKER, CARL GEGENBAUR und H. MÜLLER. Zeitschr. f. wiss. Zool. YEV. ‚Weitere Bemerkungen über die Helmichthyiden. Verhdl. phys.- med. Ges: "BE IV- TE I: XIV 1853. 1854. 185. E. Ehlers, Notiz über die elektrischen Nerven des Malapterurus. Ver- handl. phys.-med. Ges. Würzburg. Bd. IV. H.L Mikroskopische Anatomie oder Gewebelehre des Menschen. II. Bd. Zweite Hälfte. Leipzig, Engelmann. Manual of human microscopice Anatomy, edited with notes and additions by J. Da Costa M.D. Philadelphia, Lippin- cott, Grambo and Cie. Histologische Studien, angestellt an der Leiche eines Selbst- mörders. Würzb. Verh. V. Einige Bemerkungen über die Pacıyischen Körperchen. Zeitschr. f. wiss. Zool. V. Über den Bau der grauen Nervenfasern der Geruchsnerven. Wurzb, Werk. 15 Über die Entwicklung der Linse. Zeitschr. f. wiss. Zool. VI und Würzb. Sitzungsber. Über die letzten Endigungen des Nervus cochleae und die Funktion der Schnecke. Gratulationsschrift für Fr. TIEDEMANN zum 50jähr. Doktorjubiläum am 7. März 1854. Würzburg, Stahel. Über den feineren Bau und die Funktionen der Lymphdrüsen. Würzburg. Verh. IV. Die Eruption des Ätna von 1852. Ibid. IV. Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Zweite Auflage. Leipzig, W. Engelmann. KÖLLIKER und ScAanzonı: Das Secret der Schleimhaut der Vagina und des Oervix uteri. ScAxzonis Beiträge. I. 1. Heft. KÖLLIKER und H. MÜLLER: Bericht über die während der Sommersemester 1853 und 1854 in der physiologischen An- stalt der Universität Würzburg angestellten Versuche. Würzb. Verh. Bd. V. Experimenteller Nachweis von der Existenz eines Dilatator Pupillae. Zeitschr. f. wiss. Zool. VI. Über die Vitalität der Samenfäden. Verh. phys.-med. Ges. Würzburg. Bd. VI. H.1. — British association Reports. Elements d’histologie humaine, Traduetion de MM. J. BEcLArD et M. SEE, revue par l’auteur d’apres la seconde edition alle- mande. Paris, V. Masson. Manuale di Istologia umana dei Mediei e Studenti. Versione compendiata sulla seconde edizione tedesca del Dr. E. OEHL. 2 Volumi. Milano. | Chronologisches Verzeichnis der Schriften von A. v. Kölliker. XV Physiologisehe Studien über die Samenflüssigkeit. Zeitschr. f. wiss. Zool. VO. Nachweis eines besonderen Baues der Cylinderzellen des Dünndarmes, der zur Fettresorption in Bezug zu stehen scheint. Würzb. Verh. Bd. VI. Über die Einwirkung einer konzentrierten Harnstofflösung auf Blutzellen. Zeitschr. f. wiss. Zool. VII. Notiz über das Vorkommen von Lymphkörperchen in den An- fängen der Lymphgefäße. Zeitschr. f. wiss. Zool. VI. KÖLLIkeErR und H. MÜLLER: Zweiter Bericht. Würzb. Verh. VI. Dieselben. Über das elektromotorische Verhalten des Frosch- herzens. Der Berliner Akademie am 3. März 1556 vorgelegt von E. pu Boıs-REYMonD. BAMBERGER und KOELLIKER, Über die Herzbewegungen. Würzb. Sitzungsber. Einige Bemerkungen über die Endigung der Hautnerven und den Bau der Muskeln. Zeitschr. f. wiss. Zool. VII. Physiologische Untersuchungen über die Wirkung einiger Gifte. VIrcHows Archiv. Bd. XI, auch Comptes rendus XLIHI; Proc. Royal Society VII. Nachweis von Porenkanälehen in den Epidermiszellen von Ammocoetes durch Professor LEUCKART in Gießen nebst all- gemeinen Bemerkungen über Porenkanäle und Zellmembranen. Verhandl. phys.-med. Gesellsch. Würzburg. Bd. VII. H.2. Sur la terminaison des nerfs dans l'organe electrique de la Torpille.. Compt. rend. Acad. Se. Paris. T. 43. Einige Bemerkungen über die Wirkung des Upas antiar. Würzb. Verh. Bd. VIII; auch Proe. of the Royal Soeiety IX. Über die Vitalität der Nervenröhren der Frösche. Würzb. Verh. Bd. VI. Berliner Monatsberichte. L’Institut. XXV. No. 1251. Quart. Joum. mier. Se. Vol. VI Einige Bemerkungen über die Resorption des Fettes im Darme, über das Vorkommen einer physiologischen Fettleber bei jungen Säugetieren und über die Funktion der Milz. Würzb. Verh. VI. Über die Funktion der Milz. Würzb. Verh. VIL Vorübergehende Beseitigung eines kraukhaften len durch tiefe Inspirationen. Würzb. Sitzungsber. XVI 1857. 1858. E. Ehlers, Über sekundäre Zellmembranen, Cutieulabildungen und Poren- kanäle in Zeillmembranen. Verhandl. phys.-med. Ges. Würz- bure: BE. VI 2 Über scheinbar selbständige Contractionsphänomene im Binde- sewebskörperchen. Ibid. Bd. VIII. H. 1. Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Histologie. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VIH. Einige Bemerkungen über die Endigungen der Hautnerven. Zeitschr. f.: wiss. Zool. Bd. VIM. Große Verbreitung contractiler Faserzellen bei Wirbellosen. Verhandl. phys.-med. Ges. Würzburg. Bd. VII. Über das Vorkommen eines knorpelähnlichen Gewebes bei Anneliden. Ibid. Bd. VII. Vorläufige Mitteilung über den Bau des Rückenmarkes bei niederen Wirbeltieren. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. IX. Über Savıs appareil follieulaire nerveux. Verhandl. phys.- med. Ges. Würzbur2. "Bd. VI re Über die Ausbreitung der Nerven in der Geruchsschleimhaut von Plagiostomen. Ibid. Bd. VII. H.1. Über das Schwanzorgan der gewöhnlichen Rochen. Ibid. Bd. VII Nervenkörperchen in der Haut von Siomias barbatus. Ibid. Bd Va. Über das Schwanzorgan der Zitterrochen. Ibid. Bd. VIH. see Über die Endigungen der Nerven im elektrischen Organ der Zitterrochen. Ibid. Bd. VII. H.1. Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Histologie. Zeitschr. f. wiss. Zool. IX. Über die Endigungen der Nerven im elektrischen Organe des Zutterrochens. WiirzVerh VIII Untersuchungen zur vergleichenden Gewebelehre, angestellt in Nizza im Herbste 1856. Ibid. Über die Leuchtorgane von Lampyris. Ibid. Zehn neue Versuche mit Urari. Zeitschr. f. wiss. Zool. IX. Über die Vitalität der Nervenröhren. Ibid. IX. Über zwei noch nicht beschriebene Leuchtorgane der Männ- chen von Lampyris splendidula. Würzb. Sitzungsber. Bd. IX. Über die Leuchtorgane einiger amerikanischen Elater. Ibid. Zur feineren Anatomie der Insekten. Würzb. Verh. VII. 1858. 1859. 1860. Chronologisches Verzeichnis der Schriften von A. v. Kölliker. XV Über Kopfkiemer mit Augen an den Kiemen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. IX. Handbuch der Gewebelehre. Dritte Auflage. Leipzig, W. Engelmann. Über das Epithel des Nebenhodens und das Organ von GIRALDEs. Würzb. Sitzungsber. Bd. IX. PELIKAN und KÖLLIKER, Untersuchungen über die Einwirkung einiger Gifte auf die Leistungsfähigkeit der Muskeln. Würzb. Verh. Bd. IX. KÖLLIKER und PELIKAN, Physiologisch-toxikologische Unter- suchungen über die Wirkung des alkoholischen Extraktes der Tanghinia venenifera. Ibid. Bd. IX. Auszug in d. Sitzungs- ber. Bd. IX und Proc. of the Royal Society IX. Einige Bemerkungen zur Geschichte der physiologischen Untersuchungen über das Urari. Würzb. Sitzungsber. Bd. IX. Über die Einwirkung von Salzen auf mit Coniin und Urari vergiftete Muskeln. Ibid. Bd. IX. Über verschiedene Typen in der mikroskopischen Struktur des Skeletes der Knochenfische. Würzb. Verh. Bd. IX. Proc. Royal Society. — Annals nat. hist. 3 Ser. Vol. 4. Über das ausgebreitete Vorkommen von pflanzlichen Parasiten in den Hartgebilden niederer Tiere. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. X. Auch Proc. Royal Soeiety X und Journal Microscop. Science VII. Über die Entwieklung der Geruchsorgane beim Menschen und beim Hühnchen. Würzb. med. Zeitschr. Bd. 1. Über den Inhalt der Schleimsäcke der Myxinoiden und die Epidermis der Neunaugen. Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. I. Über die große Verbreitung der »Perforating fibres of StAr- PEY«. Ibid. Bd. 1. Uber den Bau der Säge des Sägefisches. Ibid. Bd. I. Über die Knochen von Orthagoriscus. Würzb. Sitzungsber. Bd.X. Über die Beziehungen der Chorda dorsalis zur Bildung der Wir- bel der Selachier u. einiger andern Fische. Würzb. Verh. Bd.X. Über den Anteil der Chordascheide an der Bildung des Schädel- srundes der Squalidae. Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. 1. Über das Ende der Wirbelsäule der Ganoiden und einiger Teleostier. Gratulationsschrift der Universität Base] bei ihrem 400 jähr. Jubiläum gewidmet von der Universität Würzburg. Leinzig, Engelmann. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. II xVvml 1861. 1862. 1863. 1864. E. Ehlers, Histologisches über Rhinoceryptis (Lepidosiren) annectens. Würzb. naturhist. Zeitschr. Bd. 1. Neue Untersuchungen über die Entwickelung des Bindegewebes. Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. 1. Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. Akademische Vorträge. Leipzig, W. Engelmann. Der embryonale Schneckenkanal und seine Beziehungen zu den Teilen der fertigen Cochlea. Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. H. Vorwort zu H. RATHREs Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere. Über das Vorkommen von freien Talgdrüsen am roten Lippen- rande des Menschen. Zeitschr. f. wiss. Zool. XI. Über den Bau der Nieren. Würzb. Sitzungsber. v. 15. No- vember. Über die letzten Endigungen der Nerven in den Muskeln des Frosches. Würzb. naturw. Zeitschr. III, auch als Croonian lecture. Proc. Royal Society XII, 1862/63. Über die Herznerven. Verh. d. Schweiz. naturf. Ges. — Würzb. naturw. Zeitschr. IH. Handbuch der Gewebelehre.. Vierte Auflage. Leipzig, W. Engelmann. Über die letzten Endigungen der Nerven in den Muskeln des Frosches. Zeitschr. f. wiss. Zool. XI. Über den physiologischen Vorgang der Atembewegungen. Würzb. Sitzungsber. Die Entwicklung der Zahnsäckchen der Wiederkäuer. Zeitschr. f. wiss. Zool. XU. Weitere Beobachtungen über die Wirbel der Selachier, be- sonders über die Wirbel der Lamnoidei, nebst allgemeinen Bemerkungen über die Bildung der Wirbel der Plagiostomen. SENCKENBERGSche Abh. Bd. V. Separat Frankfurt bei Brönner. Über den Bau der Spongien. Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. IV. Über die Darwıssche Schöpfungstheorie. Zeitschr. f. wiss. Zool. XIV. Icones histiologiecae oder Atlas der vergleichenden Gewebelehre. Erste Abteilung: Der feinere Bau der Protozoen. Leipzig, W. Engelmann. | Kurzer Bericht über einige im Herbste 1864 an der West- küste von Schottland angestellte vergleichend-anatomische Untersuchungen. Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. V. 1869. 1866. 1867. 1869. 1870. 1871. 1872. Chronologisches Verzeichnis der Schriften von A. v. Kölliker. XIX Ieones histologicae. Zweite Abteilung: Der feinere Bau der höheren Tiere. H. 1. Die Bindesubstanz der Cölenteraten. Leipzig, W. Engelmann. Über die Conxnheınschen Felder der Muskelquerschnitte. Zeitschr. f. wiss. Zool. XVI. Über die Nervenendigungen in der Hornhaut. Würzb. naturw. Zeitschr. VI. Zur Erinnerung an HEINRICH MÜLLER. Biogr. Skizze. Würzb. naturw. Zeitschr. VI. Handbuch der Gewebelehre.. Fünfte Auflage. Leipzig, W. Engelmann. Über Polypen. Würzb. Sitzungsber. 28. Dez. Über die Muskeln der Süßwasserpolypen. Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. VI. Anatomisch -systematische Beschreibung der Alcyonarien. I. Die Pennatuliden. SENCKENBERG. Abhandl. Bd. VI. Eine neue Aleyonarie, Pseudogorgia Godeffroyi Koell. Würzb. Sitzungsber. 26. Febr. Über den Bau der Renillen. Würzb. Verh. N. F.II, auch Ann. u. Mag. of natur. History. VI. Die Pennatulide Umbelhula und zwei neue Typen der Alcyo- narien. Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens der Phys.-med. Gesellschaft in Würzburg. Zur Geschichte der medizinischen Fakultät an der Universität Würzburg, Rektoratsrede, gehalten am 2. Januar 1871. Anatomisch - systematische Beschreibung der Aleyonarien. II. SENCKENBERG. Abhandl. Bd. VIL. Handbuch der Gewebelehre. Deuxieme Edition francaise, revue et corrigee d’apres la einquieme edition A uunde par le Dr. Marc SEE, Paris, G. Masson. Verbreitung und Bedeutung der vielkernigen Zellen in Knochen und Zähnen. Würzb. Sitzungsber. Die Verbreitung und Bedeutung der vielkernigen Zellen der Knochen und Zähne. Würzb. Verh. N. F. Bd. I. Weitere Beobachtungen über das Vorkommen und die Ver- breitung typischer Resorptionsflächen an den Knochen. Ibid. Bd. II. Beiträge zur Kenntnis der Polypen. Ibid. Bd. I. Kritische Bemerkungen zur Geschichte der Untersuchungen über die Scheiden der Chorda dorsalis. Ibid. Hz xXX 1872. 1873. 1874. 1875. 1877. 1878. 1879. 1880. E. Ehlers, Referat über SIRENAS Arbeit über die Entwicklung der Zähne bei den Amphibien und Reptilien. Verh.-phys. med. Ges. Würzb. N. FE. Ba m Die normale Resorption des Knochengewebes und ihre Be- deutung für die Entstehung der typischen ne, Leipzig, F. ©. W. Vogel. De l’absorption normale et typique des os et des dents. Arch. de Zool. exper. et generale Tom. II. Dritter Beitrag zur Lehre von der Entwicklung der Knochen. Würzb. Verh. N.F. Bd. IV. Über den Bau und die systematische Stellung der Gattung Umbellularia. Verh. Würzb. Ges. N. F. Bd. VII. Über die Entwicklung der Graarschen Follikel der Säuge- tiere. Ibid> Bavamı Knochenresorption und interstitielles Knochenwachstum. Ibid. Bd. VI. Festrede zur Feier des 25jährigen Bestehens der phys.-med. Gesellschaft zu Würzburg, gehalten am 4. Dezember 1874. Ibid- Bd I Zur Entwicklung der Keimblätter im Hühnerei. Ibid. Bd. VII. Über die erste Entwicklung des Säugetierembryo. Ibid. Bd. IX. Über die Jacossoxschen Organe des Menschen. Leipzig, Engelmann. Festschr. f. RINECKER. Über die Placenta der Gattung Tragulus. Würzb. Verh. N. F. Bd. x CARL THEODOR v. SIEBOLD, eine biographische Skizze. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXX. Suppl.-Festschrift. Entwieklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. Leipzig, W. Engelmann. Embryologische Mitteilungen. Bey der naturforsch. Ge- sellschaft in Halle. Entwicklungsgeschichte des Menschen Er der höheren Tiere. Leipzig, Engelmann. Zweite Auflage. Histologische Mitteilungen. Würzb. Sitzungsber. vom 23. Nov. Grundriß der Entwieklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere für Studierende und Ärzte. Leipzig, W. Engel- mann. Die Entwicklung der Keimblätter des Kaninchens. Festschr. der medizinischen Fakultät Würzburg, auch Zool. Anzeiger. Bd. I. 1880. 1881. 1882. 1883. 1884. Chronologisches Verzeichnis der Schriften von A. v. Kölliker. XXI On the development of the mesoblast in the rabbit. Transact. internat. Congress. Sc. med. 7. Sess. No. 7. Über das Vorkommen einer sexuellen Reife bei sonst ganz unentwickelten Tierindividuen. Würzb. Sitzungsber. Über den Bau der menschlichen Lunge. Würzb. Verh. N. F. XV. Sitzungsber. Zur Kenntnis des Baues der Lunge des Menschen. Würzb. Verh. Bd. XVI. Report on the Pennatulida. Report of the Voyage of H. M. S. Challenger, P. II. Contractile Faserzellen mit fibrillärem Baue beim Menschen Würzb. Sitzungsber. Über die Lage der inneren weiblichen Geschlechtsorgane. Beiträge zur Anatomie und Embryologie. J. HENLE als Fest- gabe zum 4. April 1882 dargebracht von seinen Schülern. Embryologie, ou Trait& complet du Developpement de I’homme et des animaux superieurs par A. KOELLIKER, Traduction faite sur la deuxieme edition allemande par AıImE SCHNEIDER, Pro- fesseur a la Faculte des sciences de Poitiers, revue et mise au courant des dernieres connaissances par l’Auteur, avec une preface par Mr. H. DE LACAZE-DUTHIERS. Paris, C. Reinwald, Libraire-editeur. Der W. Krausesche menschliche Embryo mit einer Allantois. Ein Schreiben an Prof. Hıs. Archiv für Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte von Hıs und BRAUNE. Entwicklung des Auges und Geruchsorgans menschlicher Em- bryonen. Würzb. Sitzungsber. Die Aufgaben der anatomischen Institute. Eine Rede. Verh. der phys.-med. Gesellsch. in Würzburg. Nr. 7. Zur Entwicklung des Auges und Geruchsorgans menschlicher Embryonen. Ibid. N.F. Bd. XVII, auch Festschrift für Zürich. Einige Beobachtungen über die Augen junger menschlicher Embryonen. Würzb. Sitzungsber. Über die Bildung der Chordahöhle und die Bildung der Chorda beim Kaninchen. Würzb. Sitzungsber. Grundriß der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. Für Studierende und Ärzte. Zweite Aufl. Leipzig, W. Engelmann. Nachtrag zu meinem Aufsatze, »Die embryonalen Keimblätter und die Gewebe.« Zeitschr. f. wiss. Zool. XL. XXI 1884. 1885. 1886. 1887. E. Ehlers, Über die Nichtexistenz eines embryonalen Bindegewebskeimes (Parablasts). Würzb. Sitzungsber. J. KoLLmAanns Akroblast. Zeitschr. f. wiss. Zool. XLI. _ Über Zwitterbildungen bei Säugetieren und über die GÄRTNER- schen Gänge. Würzb. Sitzungsber. Die embryonalen Keimblätter und die Gewebe. Zeitschr. f. wiss. Zool. XL. Bemerkungen zu E. HaAEcKELs Aufsatz über Ursprung und Entwicklung der tierischen Gewebe. Würzb. Sitzungsber. Zwei Fälle von Doppelmißbildung beim Menschen. Ibid. Über Vererbung (Idioplasma). Ibid. Die Bedeutung der Zellkerne für die Vorgänge der Vererbung. Zeitschr. f. wiss. Zool. XL. Eine Antwort an H. ALBRECHT in Sachen der Entstehung der Hypophysis und des spheno-ethmoidalen Teiles des Schädels. Biol. Oentralbl. Bd. V, Nr. 1. Herr PAUL ALBRECHT zum letztenmale: I. Die Chorda in der Nasenscheidewand des Ochsen. II. Der Zwischenkiefer. Würzb. Sitzungsber. Histologische Studien an Batrachierlarven. Zeitschr. f. wiss. Zool. XL. Zur Entwicklung des Fettgewebes. Anat. Anzeiger. Der feinere Bau des Knochengewebes. Zeitschr. f. wiss. Zool. XLIV. Nachwort zu dem vorigen Artikel. Ibid. XLV. Menschliche Mißbildung. Würzb. Sitzungsber. 27. März. Nachwort zur Entgegnung des Herrn ALBRECHT. Ibid. Das Karyoplasma und die Vererbung, eine Kritik der Weıs- MANnNschen Theorie von der Kontinuität des Keimplasma. Zeitschr. f. wiss. Zool. XLIV. Über die sogenannten Kiemenplatten der Vögel und Säuge- tiere. ©. R. Congres internat. Se. med. Copenhagen. I Seet. anatom. Über das Zirbel- oder Scheitelauge. Sitzungsber. phys.-med. Ges. Würzburg. — Münchener Med. Wochenschrift. 34. Jahrg. Woher stammt das Pigment in den Epidermisgebilden? Anat. Anzeiger. Il. Jahrgang. Über die Entstehung des Pigments in den Oberhautgebilden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLV und Würzb. Sitzungsber. 4. Juni. 1887. 1888. 1889. 18590. Chronologisches Verzeichnis der Schriften von A. v. Köllikerr. XXIU GorcIs Untersuchungen über den feineren Bau des centralen Nervensystems. Würzb. Sitzungsber. vom 21. Mai. — Anat. Anzeiger. II. Nr. 15. Der jetzige Stand der morphologischen Disziplinen mit Bezug auf allgemeine Fragen. Rede gehalten bei Eröffnung der ersten Versammlung der anatomischen Gesellschaft in Leipzig am 14. April. Zur Kenntnis der quergestreiften Muskelfasern. Zeitschr. f. wiss. Zool. XLVI. Über den Bau der quergestreiften Muskelfasern. Würzb. Sitzungsber. 21. Juli. Über die Entwicklung des menschlichen Nagels. Würzb. Sitzungsber. und Zeitschr. f. wiss. Zool. XLVL. Handbuch der Gewebelehre. Sechste Auflage. Bd. I. Die allgemeine Gewebelehre und die Systeme der Haut, Knochen und Muskeln. — Bd. II. Nervensystem des Menschen und der Tiere. Leipzig, W. Engelmann. Transversely striped muscular fibre. Journ. R. Soc. London. Ber2. Über Krystalle in embryonalen Blutzellen. Sitzungsber. phys.- med. Ges. Würzburg. Das Äquivalent der Attraetionssphären E. van BExeDens bei Siredon. Anat. Anz. Jahrg. 4. — Sitzungsber. phys.-med. Ges. Würzburg. Über die Mitosen sich furchender Eier des Azolotl. Würzb. Sitzungsber. Über den feineren Bau des Rückenmarks. Vorl. Mitt. Würzb. Sitzungsber., 8. März. Über den feineren Bau des Rückenmarks menschlicher Em- bryonen. Ibid., 12. Juli. Zur feineren Anatomie des centralen Nervensystems. Erster Beitrag. Das Kleinhirn. Zeitschr. f. wiss. Zool. XLIX. Zur feineren Anatomie des centralen Nervensystems. Zweiter Beitrag. Das Rückenmark. Ibid. LI. The minute anatomy of the spinal Cord and Cerebellum demon- strated by GoLgr’s Method. Transl. and abstr. by W. A. Tur- NER. Journ. of anat. and Phys. Vol. XXV. (N.S. Vol. V.) Über die erste Entwicklung der Nervi olfactorii. Würzb. Sitzungsber., 12. Juli. 189% 1896. 1897. E. Ehlers, Über einen menschlichen Embryo aus dem zweiten Entwick- lungsmonate und über einen sechs Monate alten Embryo mit Hypospadie. Ibid., 21. Febr. Über den feineren Bau des Bulbus olfactorius. Würzb. Sitzungsber., 19. Dez. Die Lehre von den Beziehungen der nervösen Elemente zu- einander. Eröffnungsrede der anatomischen Gesellschaft in München 1891. Verh. d. Anat. Ges. Über die Entwicklung der Elemente des Nervensystems gegen BEARD und DoHrn. Verh. der anat. Gesellsch. in Wien. Die Nerven der Milz und Nieren und die Gallencapillaren. Würzb. Sitzungsber., 14. Januar. Handbuch der Gewebelehre. VI. Aufl. Bd. I. 1. Hälfte. Leipzig, W. Engelmann. Über den Fornix longus von FoREL und die Riechstrahlungen im Gehirn des Kaninchens. Verh. der Anat. Gesellsch. in Straßburg. Über die feinere Anatomie und die physiologische Bedeutung des sympathischen Nervensystems. Verh. der deutschen natur- forschenden Gesellschaft in Wien. Der feinere Bau und die Funktion des sympathischen Nerven- systems. Würzb. Sitzungsber., 9. Juni. Kritik der Hypothesen von RABL-RÜCKHARD und Duvar über amöboide Bewegungen der Neurodendren. Würzb. Sitzungsber. vom 6. März. Zum feineren Baue des Zwischenhirns und der Regio hypo- thalamiea. Verh. der anatom. Gesellsch. in Basel. Über die neue Hypothese von Rauöx von der Bedeutung der Neurogliaelemente des Gehirns. Würzb. Sitzungsber., 23. Juni. Über die Zellen der molekulären Lage des kleinen Hirns. Verh. der Schweizer naturforsch. Gesellsch. in Zürich. Über den Fornix longus superior des Menschen. Vierteljahrs- schrift der naturforsch. Gesellsch. in Zürich. Jahrgang XLI, Jubelband H. Handbuch der Gewebelehre. VI. Aufl. Bd. I. 2. Hälfte. Leipzig, W. Engelmann. Die Energiden von SacHs im Lichte der Gewebelehre der Tiere. Verhandl. phys.-med. Ges. Würzburg. N. F. Bd. XXXIJ, — Verhandl. anat. Ges. Ergänzungsheft zu Bd. XII. 1897. 1898. 1899. 1900. Chronologisches Verzeichnis der Schriften von A. v. Kölliker. XXV Über die Tysoxschen Drüsen des Menschen. Verh. anat. Ges. A Gent. rhitel:) Über den Dilatator pupillae. Anat. Anzeiger. Bd. XIV. Einige Bemerkungen über den Eierstock des Pferdes. Verh. anat. Ges. XII. Kiel. Quergestreifte Muskelfasern des Ligamentum uteri rotundum. eb XI. Käel. Gegen die Annahme von Achsencylindertropfen. Anat. Anz. Bd. XIV, Nr. 24. Primitive Fettorgane neugeborener Mäuse. Verh. der anat. Gesellsch. in Kiel. MARCELLO MALPIGHI e l’Anatomia generale in der Festschrift: MARCELLO MALPIGHI e l’Opera sua. Milano. Musculus dilatator pupillae. Verh. der anat. Gesellschaft in Kiel. | Über die Entwicklung der Graarschen Follikel. Würzb. Sitzungsber., 3. Juni. Über Corpora lutea atretica bei Säugetieren. Verh. d. anat. Gesellsch. in Kiel. Über die Markkanäle und Markstränge in den Eierstöcken junger Hündinnen. Ibid. Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 6. Aufl. Bd. IH von V. v. EBNER. Leipzig, W. Engelmann. Erinnerungen aus meinem Leben. Leipzig, W. Engelmann. Sur l’entrecroisement des pyramides chez les Marsupiaux et les Monotremes. Cinquantennaire. Soe. Biol. Vol. jubil. Paris. Über das Chiasma. Verh. anat. Ges. Tübingen. Anat. Anz. Bd. XVI. Ergänzungsh. Neue Beobachtungen zur Anatomie des Chiasma opticum. Festschrift phys.-med. Ges. Würzburg. Eröffnungsrede der Versammlung der Anat. Gesellsch. Pavia 18.—21. April. Verh. anat. Ges. Pavia. XIV. Anat. Anz. Bd. XVII. Ergänzungsheft. I nervi dei muscoli. Ibid. Kurzer Bericht über den anatomischen Kongreß zu Pavia 1900. Verh. phys.-med. Ges. Würzburg. Zur Geschichte der Muskelspindeln. Anat. Anz. Bd. XVII, Nr. 15. Gegen die Entstehung von Nervenfasern aus Zellsträngen. Ibid BESNVTIIE ONE 20,21. XXVI E. Ehlers, Chronolog. Verzeichnis der Schriften von A. v. Kölliker. 1900. 1901. 1902. 1903. 1904. 1905. Über Achseneylindertropfen. Verh. anat. Ges. Pavia. XIV. Anat. Anz. Bd. XVII. Ergänzungsheft. Zur Ehrung des großen LAZARUS SPALLANZANI. Primo cente- naio dalla morte di Lazzaro SPALLANZANI. Vol.I. Reggio- Emilia. Sulla presenza di un gran numero di fibre nervose a mielina nello strato de cervelletto dei Monotremi e di un Marsupiale. Rie. di Fisiologia e Scienze affıne dedicate al Prof. L. Lucıanı. Milano. | Die Medulla oblongata und die Vierhügelgegend von Ornetho- rhynchus und Echrdna. Leipzig, W. Engelmann. Die Gorsı-Feier in Pavia. Anat. Anz. Bd. XXI, Nr. 16. Zur Erinnerung an Ru. VırcHow. Ibid. Bd. XXII, Nr. 2, 3. Über die oberflächlichen Nervenkerne im Marke der Vögel und Reptilien. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXXI. Über einen noch unbekannten Nervenzellkern im Rücken- mark der Vögel. Anz. Akad. Wiss. Krakau. Math.-naturw. Klasse 1901. Nr. 25. Weitere Beobachtungen über die Hormannschen Kerne am Mark der Vögel. Anat. Anz. Bd. XXI. Über die Entwicklung und Bedeutung des Glaskörpers. Verh. anat. Ges. XVII. Heidelberg. Die Entwicklung und Bedeutung des Glaskörpers. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXXVI. Über die Entwicklung der Nervenfasern. Anat. Anz. Bd.XXV.— Verh. anat. Ges. XVIIL Jena. Anat. Anz. Bd. XXV. Er- sänzungsheft. Die Entwicklung der Elemente des Nervensystems. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXXXI. Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. Von Oswald Seeliger. Mit Tafel I-IV und vier Figuren im Text. Seitdem HATscHEk (1888) in seinem Lehrbuch der Zoologie den Versuch unternommen hat, die Bryozoen in zwei Klassen aufzulösen, die keine näheren verwandtschaftlichen Beziehungen zeigen und im natürlichen System weit voneinander entfernt stehen sollen, ist die Einheit des Bryozoenstammes auch von andern Autoren mehrfach und nachdrücklich geleugnet worden. Zwar führen die meisten all- gemein anerkannten Lehrbücher auch jetzt noch die Bryozoengruppe in dem alten Umfang an, aber ich zweifle nicht, daß ich manchen als wenig empfänglich für neue systematische Bestrebungen erscheinen werde, wenn ich es unternehme, auf den folgenden Blättern die nahe Verwandtschaft der ectoprocten und entoprocten Bryozoen darzutun. Zu einem ähnlichen Ergebnis wurde auch EHuters (1890, 1893) ge- führt, als er die Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen vom ver- gleichend-anatomischen Standpunkt aus beurteilte. In der Über- zeugung, daß die Ontogenie der Bryozoen eine zuverlässige Auskunft über den Verwandtschaftsgrad geben müsse, habe ich schon vor einer Reihe von Jahren die Knospung untersucht und den Nachweis geführt, daß die Vorgänge der ungeschlechtlichen Fortpflanzung bei Ento- procten (1889) und Eetoprocten (1890) im wesentlichen übereinstim- men. Die Knospenanlage bildet sich bei allen Bryozoen nach dem gleichen Typus, in einer Weise, die, außer bei gewissen Medusen, nirgendwo im Tierreich sich wiederfinde. Da ich aber von jeher den Entwicklungsvorgängen, die sich am befruchteten Ei abspielen, eine größere Bedeutung für die Beurteilung der Phylogenie zuerkannt habe als der Knospung, schien es mir geboten, auch die Tatsachen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 1 B Oswald Seeliger, der Embryonalentwicklung zu berücksichtigen und vergleichend zu prüfen. Dies erwies sich mir um so notwendiger, als KoRSCHELT und HEIDER (1895) gerade auf Grund ihrer Beurteilung der Embryo- logie der Bryozoen nicht bloß zu einer Bestätigung der Auffassung HATSCHERS geführt wurden, sondern sogar mit viel größerer Zuver- sicht als dieser hatten behaupten können: »daß die Entoprocten sich auf keine Weise mit den Bryozoen (Eetoprocten) vergleichen und vereinigen lassen«. Meine im folgenden mitgeteilten Beobachtungen erstrecken sich fast ausschließlich auf freischwimmende Larven und reichen zum Teil viele Jahre zurück. Schon im Jahre 1888 bei Gelegenheit der Untersuchung der Knospung von Pedicellina echinata hatte ich deren Larven und Embryonen etwas genauer betrachtet und einzelne An- gaben HaArscHers (1877) nicht bestätigt gefunden. Ich habe damals und bei späteren Aufenthalten an der Zoologischen Station zu Triest Pedicellina-Larven nach verschiedenen Methoden konserviert und jetzt einer erneuten Untersuchung unterzogen. Meine hier veröffentlichten Beobachtungen über Larven ecto- procter Bryozoen beziehen sich nur auf Aleyonidium mytili. Diese Bryozoe ist während der Sommermonate in der Ostsee vor Warne- münde leicht zu finden. Die Stockform variiert- je nach der Unter- lage, auf der die Festsetzung der Larve erfolgte, und ich hatte zuerst die prächtigen kreisscheibenförmigen Kolonien auf Laminarien für eine besondere Species gehalten. Auf gewisse Unterschiede und Eigentümlichkeiten dieser Stöcke wird in einer besonderen, demnächst aus dem hiesigen zoologischen Institut hervorgehenden Arbeit hin- gewiesen werden. Aus den in den großen Aquarien überwinternden Aleyonidium-Stöcken schwärmten zuerst im Frühjahr 1900 zahlreiche Larven aus, die Herr Prof. WıLL in vorzüglicher Weise konservierte und mir freundlichst zur Untersuchung überließ. Seither hatte ich noch mehrfach Gelegenheit, freischwimmende und bereits festsitzende Aleyonidium-Larven zu beobachten und zu konservieren. Zur Konservierung der Larven und Embryonen wurden vor- wiegend Sublimat, Sublimat-Essigsäure, Formol und Überosmiumsäure (als Flüssigkeit oder in Dampfform) verwendet. Ganz bestimmte Vor- teile habe ich bei dieser oder jener Konservierungsmethode kaum feststellen können, und vollkommen zuverlässig in allen Fällen war keine, denn immer wieder fanden sich neben vorzüglich erhaltenen Larven andre minder gut fixierte vor, die sich zum Teil sogar, nachdem Schnitte hergestellt worden waren, als völlig unbrauchbar Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 3 herausstellten. Mit Sublimat oder Formol behandelte Pedicellina- Larven ergaben nach geeigneter Färbung und Aufhellung in Öl und Balsam oder in Glycerin vorzügliche Totalpräparate. Es gelang mir aber nicht, die Alcyonidium-Larven genügend durchsichtig zu machen, um die innere Organisation hinreichend klar erkennen zu können; diese Totalpräparate gestatteten nur eine Übersicht über die Körper- form und die Beschaffenheit der Leibeswandungen. Zur Färbung verwendete ich in der Mehrzahl der Fälle die ge- bräuchlichsten Karmin- und Hämatoxylinlösungen. Die Schnitte durch die Aleyomidium-Larven wurden, wie die Tafeln III und IV erkennen lassen, zumeist einer Doppelfärbung unterworfen. Besonders deut- lich hoben sich die Dottermassen ab nach Behandlung mit Alaun- karmin und Orange G& oder nach Tinktion mit Hämatoxylin (nach EHRLICH oder DELAFIELD) und Orange. Im besondern möchte ich noch auf ein Verfahren hinweisen, das mir zwar die Vorteile, die ich erwartet hatte, nicht alle brachte, mir aber doch wenigstens gestattete, das Mesenchym und Nerven- und Muskelgewebe zu besonders klarer Anschauung zu bringen. Larven, die in Formol fixiert und aufbewahrt waren, habe ich nach der von Kopıs (Arch. f. mikr. Anat., Bd. LIX, 1901) angegebenen Weise mit molybdänsaurem Hämatoxylin oder MArLorys phosphormolybdän- saurem Hämatoxylin gefärbt und später geschnitten. Wenn auch zuweilen die Ganglienzellen recht scharf hervortraten, so waren doch die Bilder nicht deutlich genug, um mich auch den Verlauf der Nerven- fasern in allen Einzelheiten erkennen zu lassen. Diese Fasern heben sich kaum mehr von den Nachbargeweben ab als nach Färbung mit Karminlösungen. Auch die besten Totalpräparate der Pedicellina-Larven gestatteten nur einen unvollkommenen Einblick in den feineren Bau der Organe, und daher sind fast alle meine folgenden Angaben über die Histo- logie der Larven das Ergebnis der Untersuchung von Schnitten. Bei der Kleinheit der meisten Zellen, die die larvalen Gewebe zusammen- setzen, mußten die Schnitte sehr fein sein. Die kleinen Pedicellina- Larven ließen sich unschwer in 3 « dicke Schnitte zerlegen; für Aleyonidium wurde zumeist eine Schnittdicke von 5—7 u gewählt. Trotzdem erhielt ich auch bei Anwendung dieser Schnittmethode keine mich völlig befriedigende Darstellung mancher histologischen Verhältnisse, namentlich des larvalen Nervensystems, auf das meine Aufmerksamkeit in erster Linie gerichtet war. Eine bessere Vor- stellung von der Zusammensetzung der Gewebe gewährten Präparate, 1 A Oswald Seeliger, in denen die Zellverbände nach Möglichkeit gelockert worden waren. Um die Formen der einzelnen Elemente schärfer hervortreten zu lassen, wurden Schnitte in.der bekannten Weise durch Klopfen auf das Deckglas so lange behandelt, bis eine Dissoziation der Zellen eintrat. Niemals erfolgte diese gleichmäßig an allen Stellen des Präparates, sondern nur da und dort gelang das Freilegen einiger Elemente, während über weite Strecken die Gewebe entweder fest verbunden blieben oder gleich vollständig in kleinste regellos ange- ordnete Bruchstücke zertrümmert wurden. Namentlich bei den Alcy- onidium-Larven erschwert der in reicher Menge vorhandene Dotter die Zerlegung der Gewebe in die einzelnen zelligen Bestandteile in ganz bedeutendem Maße, so daß nur selten völlig befriedigende Präparate zu erhalten waren. Wahrscheinlich hätte ich mit solchen Schwierigkeiten nicht zu kämpfen gehabt, wenn schon bei der Kon- servierung der Larven macerierende Agentien angewendet worden wären. Ich hatte anfangs aber bei der Sammlung des Materials da- mit nicht gerechnet, daß später Klopf- und Macerationspräparate würden herzustellen sein. Immerhin aber haben mir, wie ich glaube, meine Beobachtungen an den Bryozoenlarven mancherlei Neues ge- zeigt, das der Mitteilung wert ist. Zwar besteht in bezug auf die Deutung des Darmkanals der Alcyonidium-Larve noch immer Un- sicherheit, und ich habe die hier vorliegende Arbeit bereits ein Jahr zurückgehalten in der Hoffnung, durch die Untersuchung jüngerer Embryonen völlig befriedigenden Aufschluß zu erhalten. Ich habe aber bis jetzt die entscheidenden Stadien nicht gefunden und möchte, nachdem ich einmal über den hier behandelten Gegenstand eine kurze Mitteilung veröffentlicht habe (1904), die endgültige Publikation nicht um ein weiteres Jahr hinausschieben, denn günstigen Falls darf ich erwarten, erst im folgenden Frühjahr neues Material zu erhalten. Zu einer Veröffentlichung der bisher gewonnenen Ergebnisse kann ich mich um so leichter entschließen, weil ich die Überzeugung hege, daß ein erneutes Studium der Bryozoenlarven mir zwar gewiß man- cherlei neue Details enthüllen wird, mich aber sicher nicht zu einem andern Standpunkt in der prinzipiellen Beurteilung der Larvenformen führen kann. I. Die Larve der Pedicellina echinata. Die Beschreibung der Larve der Pedicellina (Ascopodarva) belgica, die P. J. van BENEDEN im Jahre 1845 gab, erscheint zwar im Hin- blick auf die bedeutende Schwierigkeit des Objekts für die damalige Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 5 Zeit immerhin beachtenswert, konnte aber doch bald strengeren An- sprüchen nicht genügen. Die späteren Angaben von ULJanıN (1869) und Hıncks (1873) sind zwar ausführlicher, befriedigten aber doch nur so wenig, daß wenige Jahre später die Untersuchung des Baues und der Entwicklung der Pedicellina-Larve von mehreren Seiten in Angriff genommen wurde. Fast gleichzeitig erschienen im Jahre 187% die Arbeiten von BARROIS, SALENSKY und HATSCHER. Wenn auch BARROIS’ und SaLenskys Mitteilungen gegenüber den älteren Unter- suchungen einen wesentlichen Fortschritt bedeuten, so lassen sie sich doch an Reichhaltigkeit der Detailangaben, an Schärfe und Korrekt- heit der Abbildungen nicht mit der Arbeit HarscHers vergleichen. Diese schien den Gegenstand vollständig erschöpfend behandelt zu haben und ihre Ergebnisse fanden in allen größeren Lehrbüchern Aufnahme. Während die Larven der Pedicellina als Bryozoenlarven stets er- kannt worden waren, hatten die der Lorosoma, obwohl sie im Bau mit jenen vollkommen übereinstimmen, eine ganz andre Beurteilung erfahren. Busch (1851) beschrieb unter dem Namen CUyclopelma lon- gieiliatum eine kleine pelagische Tierform aus dem Triester Hafen, deren systematische Stellung ihm vollkommen zweifelhaft zu sein schien. Er deutete aber schon darauf hin, daß es sich vielleicht nicht um eine voll entwickelte Form, sondern nur um eine unbe- kannte Larve handeln möchte, und in der Tat konnte LEeuckARrr (1868) bereits den Nachweis führen, daß die Cyelopelma eine Loxosoma- Larve ist, nachdem vorher KowALevsky (1866) und KEFERSTEIN (1867) ihre Beobachtungen über die Entwicklung dieser Entoprocten ver- öffentlicht hatten. HartscHers Darstellung des Baues der Pedicellina-Larve hat wenige Jahre später durch Barroıs (1886) und Harmer (1887) in einigen Punkten eine Korrektur erfahren. Nachdem es diesen For- schern gelungen war, die Festsetzung und Metamorphose der Larve zu beobachten, konnten sie leicht den Nachweis führen, daß das von HATSCHER als Knospe gedeutete Gebilde für die ungeschlechtliche Fortpflanzung ohne Bedeutung ist und nur ein transitorisches Larven- organ darstellt. Die morphologische und physiologische Bedeutung dieses Organs aber wurde sehr verschieden beurteilt und darf auch jetzt noch nicht als in befriedigender Weise aufgeklärt gelten. Nicht viel anders steht es mit der HarscHexschen Kittdrüse, deren ectodermale Entstehung zwar unbestritten ist, deren feinerer Bau aber und Funktion nicht hinreichend bekannt sind. Dasselbe 6 Oswald Seeliger, gilt von dem paarigen »Mesodermgebilde«, das zuerst HATSCHEK zwischen Magen und Atrialwand in der primären Leibeshöhle der Embryonen und Larven beschrieben hat. Alle diese problematischen Organe sollen hier eine eingehendere Darstellung erfahren, und im Anschluß daran werde ich einige Mitteilungen über die Muskulatur der freischwimmenden Larve vorzutragen haben. Die andern Organe sind durch die früheren Autoren, insbesondere durch HATSCHER hin- länglich bekannt, so daß ich hier von einer eingehenden Beschreibung absehen kann. Nur insoweit werden sie auch hier behandelt werden müssen, als sie für die Vergleichung der Larven der Entoprocten und Eetoprocten von Bedeutung sind. Bevor ich in die spezielle Behandlung der einzelnen Larven- organe eintrete, möchte ich einige Bemerkungen über die Art der Orientierung und über die Bezeichnung der Achsen und Regionen des Larvenkörpers vorausschicken. Die große Schwierigkeit, die die Orientierung der Bryozoenlarve bietet, ist bereits von früheren Autoren hervorgehoben worden, und sie erscheint um so größer, als bei der Metamorphose der Pedicellina eine Drehung der Larvenein- seweide um ungefähr 180° erfolgt. Trotz der bei den Muskelkontraktionen außerordentlich stark hervortretenden Variabilität der äußeren Gestalt der Larve, zeigt sich doch sofort, selbst bei flüchtiger Untersuchung, der bilaterale Bau; und damit ist ein fester Standpunkt gegeben, von dem bei der Be- urteilung der verschiedenen Körperregionen ausgegangen werden muß. Es gibt nur eine Ebene, die den Larvenkörper in zwei spiegelbild- lich gleiche Teile zerlegt, und in dieser ist die mit ungleichen Polen endigende Hauptachse zu suchen. Für die Bestimmung von »vorn« und »hinten«, »ventral« und »dorsal« ergeben sich aber bedeutende Schwierigkeiten, sobald man daran geht, die Larve der Pedicellina mit denen der Würmer oder Mollusken zu vergleichen. Nach HAr- SCHEKS Beobachtung ist zwar das »Kittdrüsenende« beim Schwim- men nach vorn gerichtet, und ich bezeichne diese Region auch als Scheitel, nehme aber an, daß dieser auf der Dorsalseite nach hinten sich verschoben und jedenfalls eine ausgeprägt dorsale Lage ge- wonnen hat. Ich schließe mich daher durchaus den Autoren an, die die zwischen Mund und After gelegene Zone als ventrale auf- fassen und das vordere Ende durch den Oesophagus, das hintere durch das Rectum gekennzeichnet sein lassen. Damit ist auch links und rechts bestimmt. In den Abbildungen ist die Ventralseite der Larve stets nach unten gekehrt, die Scheitelregion nach der oberen Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 7 Seite der Tafel gerichtet worden. Aus dieser Orientierung der Larve ergibt sich ohne weiteres, daß die Achse, die den Scheitel und die gegenüberliegende vestibulare Region verbindet (Fig. 14), als dorso- ventrale zu bezeichnen ist, obwohl sie länger ist als alle andern. Schnitte, die senkrecht zu dieser Achse und parallel zur Ventralseite geführt sind, nenne ich daher frontale. Die Querschnitte durch die Larve, die alle senkrecht zur Medianebene und parallel zur Dorso- ventralachse gerichtet sein müssen, durchschneiden demnach im vor- deren Larvenabschnitt den ösophagealen und im hinteren den rectalen Ast der Darmschleife ziemlich der ganzen Länge nach (vgl. Fig. 14 und 20). 1. Der nervöse Apparat. Von der größten Wichtigkeit für die Beurteilung der Ento- proctenlarve und deren Vergleichung mit den Larven der Eetoprocten ist das Verhalten des nervösen Apparats. Dieser erweist sich viel verwickelter gestaltet, als bisher angenommen wurde; aber die eigen- artigen, meines Wissens in keiner andern Tierklasse wiederkehrenden Verhältnisse sind in beiden Bryozoengruppen im wesentlichen so völlig übereinstimmende, daß meines Erachtens schon aus diesem Grunde an der nahen Verwandtschaft der Eetoprocten und Ento- procten nicht zu zweifeln ist. Das Charakteristische des larvalen Nervensystems der Bryozoen liegt darin, daß zwei selbständig und zunächst unabhängig voneinander sich bildende Centra vorhanden sind, die sich nachträglich mehr oder minder innig durch einen oder auch zwei Commissuralstränge miteinander verbinden. Hält man die oben gekennzeichneten Achsen des Larvenkörpers fest, so liegt das eine Organ dorsal im Scheitel, das andre mehr ventral und vorn, ohne freilich eine typisch ventrale Lage zu erreichen. Beide Ge- bilde sind längst bekannt, haben aber eine sehr verschiedene Deutung erfahren. Ich beginne die Darstellung mit der Beschreibung des zu- letzt genannten Abschnittes des nervösen Apparats. a. Das oral-ventrale Nervenorgan (Oralganglion oder Oesophagealganglion). Das Organ der Pedkcellina-Larve, dessen Entwicklung und Bau in diesem Abschnitt behandelt werden soll, liegt, wie schon der Name aussagt, in der nächsten Nachbarschaft des Oesophagus und der Mundöffnung. Es findet sich hier, median gelegen, der Vorder- wand des Oesophagus dicht angeschmiegt und erscheint im Längs- 8 Oswald Seeliger, schnitt etwa in länglich runder Gestalt. Das ventrale Ende ist mehr oder weniger weit nach vorn verschoben und mit der eetodermalen Leibeswand verwachsen, das dorsale, ein wenig nach hinten zuge- richtete Ende verbindet sich mit dem zweiten Teil des nervösen Apparats. An die Seitenwände legen sich zumeist Mesenchymzellen an, nur an der Hinterwand fehlen sie ganz oder sind hier nur in sehr spärlicher Zahl vorhanden. Der orale oder ösophageale Nervenapparat hat bereits früher zahlreiche andre Namen erhalten. Der verbreitetste dürfte vielleicht »Dorsalorgan« sein, den KOoRSCHELT und HEIDER (1893) als den zutreffendsten bezeichnen und anwenden. Es haben aber nicht diese Autoren erst den Namen eingeführt, sondern bereits früher war er, besonders bei englischen Zoologen (BALFoUR), üblich gewesen. Daß die Bezeichnung Dorsalorgan über die Funktion des Gebildes nichts Bestimmtes aussagt, mußte, so lange als man diese nicht kannte, vorteilhaft erscheinen, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Lage eine ausgeprägt dorsale ist. Das ist aber, wie wir oben fanden, nicht der Fall, und jedenfalls liegt das orale Organ zwar dorsal vom Wimperkranz aber ventral von dem dorsalen Nervenapparat. Ich halte daher die Benennung Dorsalorgan für wenig passend, obwohl ich noch jetzt, sowie schon früher (1890), der Ansicht bin, daß dieses Gebilde der Scheitelplatte einer Trochosphaera wahrscheinlich ho- molog ist. HaATscHek hielt, wie ich oben bereits angedeutet habe, das Organ für eine frühzeitig im Embryo auftretende Knospe und unterschied an dieser zwei Schichten: eine innere entodermale und eine diese umgebende mesodermale, die erst auf späteren Embryonalstadien zur Ausbildung gelangt. Diese Deutung lag gewiß nahe, so lange die Metamorphose der Entoprocten noch völlig unbekannt war, besonders im Hinblick auf die Entwicklung der phylactolämen Süßwasser- byrozoen, deren »Larven« bekanntlich schon beim Verlassen der Muttertiere zahlreiche Knospen tragen und als kleine Tierstöcke er- scheinen. Nach Barroıs (1877) ist das Organ aus zwei ganz ver- schiedenen Teilen zusammengesetzt. Die Hauptmasse besteht aus Muskelzellen und wird vom Mesoderm gebildet; sie liegt einem Wim- pergrübchen an, das ein larvales Tastorgan darstellen und vom Eeto- derm gebildet werden soll. Später hat Barroıs (1886) das ganze Gebilde als vordere Drüsenmasse (masse glandulaire anterieure) bezeichnet, ohne aber eine genauere Darstellung des Baues zu geben. Am wichtigsten scheinen mir die Beobachtungen HARMERSs (1885) Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 9 an Loxosoma zu sein. Hier entsteht das gesamte Organ aus dem Eetoderm, es läßt einen rechten und linken Abschnitt unterscheiden und zeigt im Innern fibrilläre Struktur. HARMER bezeichnet es als Gehirn (brain) und deutet einen paarigen Pigmentfleck in diesem als Augen. Es scheint mir nicht uninteressant zu sein, daß bereits Ursanın (1869) anfänglich die Vermutung hatte, das fragliche Organ könne ein Ganglion sein; bei näherer Untersuchung aber gab er diesen Gedanken auf, da er keine Ganglienzellen im Innern auffinden konnte. Meine eignen Beobachtungen an Pedkcellina stimmen in hohem Maße mit den Befunden Harumers bei Zoxosoma überein, und die Unterschiede dürften wohl lediglich darauf beruhen, daß es sich zwar um nah verwandte, immerhin aber verschiedene Gattungen handelt. Insoweit die Übereinstimmungen die Entwicklung des oralen Nerven- apparates betreffen, scheinen sie mir um so bemerkenswerter, als ein großer Teil der von mir hier mitgeteilten Tatsachen ebenso wie mehrere Zeichnungen (Fig. 3—7) bereits aus dem Jahre 1888 stammen, als ich von den freilich drei Jahre weiter zurückliegenden Veröffent- liehungen HArRMERs noch keine Kenntnis hatte. Die erste Anlage des Organs zeigt sich sehr früh am Embryo als eine mediane, dicht vor der ösophagealen Region des Darmes gelegene, nur wenig ausgedehnte scheibenförmige Verdickung im ectodermalen Hautepithel. In der in Fig. 1 abgebildeten Schnittserie ließ sie sich nur auf zwei Schnitten deutlich nachweisen. In der Randzone ist die Verdickung noch einschichtig, obwohl ein Kern bereits etwas tiefer liegt als die benachbarten (Fig. 1); in der Mitte ist sie dagegen bereits zweischichtig, weil hier das Ectoderm sich eingesenkt hatte und von den von der Peripherie aus sich vorschiebenden Zellen über- deekt wurde (Fig. 15). Die innere Fläche dieser Verdickung legt sich dicht an das Hinterende der Oesophaguseinstülpung, und diese wird in ihrer Entfaltung von jener Organanlage beeinträchtigt. Auf dem folgenden Stadium hebt sich die in die Tiefe gerückte Zellplatte etwas schärfer von dem sie überlagernden einschichtigen Hautepithel ab, bleibt aber mit diesem innig verwachsen (Fig. 3). Die hat zwar an Umfang zugenommen, ist aber noch einschichtig ge- blieben und hat sich nach innen zu nur etwas stärker eingekrümmt. Wenngleich der Vorgang der Bildung dieser subepithelialen Zellplatte uns nicht als eine typisch reine Einstülpung entgegentritt, darf er doch als eine Modifikation eines solchen Prozesses betrachtet werden. Er erinnert in gewisser Beziehung an die Entstehungsweise des 10 Oswald Seeliger, Nervenrohrs beim Amphroxzus. Bei Loxosoma hat dieselbe Organ- anlage vorübergehend ein ganz ähnliches Aussehen, doch rechnet HARMER die Deckzellen, die ich hier als Hautepithelzellen aufgefabßt habe, der Ganglionanlage selbst zu. Sehr bald bildet sich die Zellplatte zu einem taschenförmigen Säckchen um. In welcher Weise der Vorgang sich vollzieht, habe ich im einzelnen nicht feststellen können; ich glaube aber, daß wahr- scheinlich die Plattenränder sich umbiegen und nach dem Centrum der Scheibe zu wachsen, indem sie sich zwischen diese und das Eetodermepithel einschieben. Einen ähnlichen Vorgang beobachtet man bei der Umbildung der Nervenplatte des Amphioxus zum Ner- venrohr, nur daß hier die Verbindung der Organanlage mit dem Hautepithel eine weniger innige ist. Im Pedicellina-Embryo erhält sich das Säckchen an der Stelle, an der vorher die Einsenkung der Platte erfolgt war, mit der ectodermalen Leibeswand fest verbunden, während das Nervenrohr der Amphioxus-Larve nur im Bereiche des verhältnismäßig wenig umfangreichen Neuroporus mit dem Haut- epithel verwachsen bleibt. Der Zellsack hat eine verhältnismäßig bedeutende Ausdehnung gewonnen und liegt einerseits dem Oeso- phagus anderseits der Haut dicht an (Fig. 5); der letzteren ist er allerdings nur vorübergehend mit der ganzen Vorderwand ange- schmiegt, denn sehr bald entfernt er sich von ihr, und nur das Ven- tralende des Oralganglions bleibt dem Hautepithel verbunden (Fig. 6). In der Richtung von vorn nach hinten ist die Ganglionanlage stark abgeflacht, in seitlicher ansehnlich ausgedehnt, so daß das Lumen auf den Durchschnitten ganz ausgeprägt schlitzförmig erscheint (Fig. 6 und 9). Das Säckchen erweist sich deutlich bilateral sym- metrisch gebaut, und es läßt sich ein linker und rechter Teil unter- scheiden, die in der Medianebene sich vereinigen. In dieser und zwar ventral liegt die Stelle, an der der Zellsack mit dem Eetoderm verwachsen ist. Später läßt sich leicht feststellen, daß hier der Wimperkanal, der aus dem ventralen Abschnitt der Ganglionanlage hervorgeht, nach außen sich öffnet. Auf jüngeren Stadien konnte ich die Öffnung des Lumens der noch einfachen taschenförmigen Anlage nicht beobachten, obwohl das Eetoderm in der Mitte der mit dem Zellsack verwachsenen Region sich verdünnt zeigte und das Taschenlumen bis zum Eetodermepithel heranreichte (Fig. 6). Be- trachtet man das Organ von vorn, so erscheint es in der Flächen- ansicht annähernd herzförmig (Fig. 7), mit dorsalwärts gerichteter Spitze. Neben dem ventralen Einschnitt liegt die Verbindungsstelle Uber die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. Jul mit der Haut. Die Herzform ist nicht immer genau die gleiche, sondern zuweilen findet man einen etwas kantigeren Kontur als in dem abgebildeten Fall. Einzelne Mesenchymzellen legen sich an verschiedenen Stellen dicht an das Zellsäckchen an und verwachsen mit ihm; doch lassen sich die Grenzen zwischen den ectodermalen und mesodermalen Geweben stets sicher erkennen. Bei Loxosoma bildet die Anlage des »Gehirns« auf bestimmten Stadien nach HARMER ein Ähnliches Bild. Sie erscheint bilateral symmetrisch und ebenfalls zweilappig; die beiden Teile sind aber hier viel schärfer voneinander gesondert als bei Pedtcellina und überdies sind ihre Lumina beträchtlich weiter und durch einen großen leicht erkennbaren Porus nach außen geöffnet. Im Verlaufe der weiteren Entwicklung verdicken sich die Wan- dungen des Zellsäckehens. Während am Ventralende eine deutliche Öffnung des Lumens sich ausgebildet hat, erfolgt besonders am ent- segengesetzten Blindende der Tasche eine lebhafte Kern- und Zell- vermehrung, so daß hier die Kerne in zwei oder drei Schichten über- und nebeneinander liegen (Fig. 12). Die Zellgrenzen vermochte ich nur unvollkommen nachzuweisen. Am wenigsten verändert zeigt sich die Hinterwand, die in ihrem mittleren und ventralen Bereich sich einschichtig erhält. Auch die Vorder- und Seitenwände der Tasche bleiben in der nächsten Nähe des Porus nur unmerklich ver- diekt und einschichtig. Bemerkenswert ist das Auftreten von Flimmern im Lumen, das etwa gleichzeitig mit dem Durchbruch des Säckchens nach außen erfolgt. Über dem ectodermalen Hautepithel hat in- zwischen der Embryo eine homogen und strukturlos erscheinende Cutieula ausgeschieden, und diese scheint zunächst auch die Öffnung des nunmehr wimpernden Säckchens zu verschließen, indem sie sich an dieser Stelle trichterförmig einsenkt. Auf der höchsten Stufe der Entwicklung steht das Organ während der letzten Embryonalzeit und in der freischwimmenden Larve. Nach der Festsetzung erfährt es eine allmähliche Rückbildung, ohne in ein bestimmtes Organ des Stammtiers des ganzen Stockes überzugehen. Auf das oben beschriebene Stadium läßt sich der voll ausgebildete vordere gangliöse Apparat leicht zurückbeziehen. Seine beiden Teile, der Wimperkanal und das Ganglion, entwickeln sich aus der bewim- perten Tasche und der verdiekten Wandpartie. Der Wimperkanal der Pedicellina-Larve ist bereits von BARROIS und HArscHEkx beobachtet worden, und sein paariges Vorkommen bei den Loxosoma-Larven läßt sich ebenfalls schon aus BARROIS’ 12 Oswald Seeliger, Darstellung entnehmen; doch hat erst später HArMER (1885) eine senauere Beschreibung gegeben. Nach HATscHEXK entsteht der Kanal als eine selbständige ectodermale Einstülpung, die sich dem irr- tümlich als Knospenanlage gedeuteten Gebilde verbindet. Die Ein- stülpung erfolgt dort, wo das vermeintliche Entodermsäckchen am Ecetoderm festhängt. Auch HArumErR läßt die beiden Kanäle (eiliated sacs) des Loxosoma als sekundäre, nachträgliche Eetodermeinstülpungen sich bilden, die mit der ursprünglichen Einstülpung des Gehirns nicht verwechselt werden dürfen. Das Lumen dieser primären Einstülpung soll vollständig schwinden und nicht in das der Wimperkanäle über- sehen. Wenngleich mir keine vollständige Reihe aller Zwischenstadien zwischen dem embryonalen und ganz ausgebildeten Organ vorliegt, so scheint mir doch jeder Grund zu fehlen, um den Wimperkanal als eine völlige Neubildung betrachten zu dürfen. Ich habe nämlich kein Stadium beobachtet, auf dem neben der eingesenkten, noch mit. einem Lumen versehenen Ectodermtasche ein besonderer Eetoderm- kanal vorhanden gewesen wäre; und ebensowenig konnte ich mich davon überzeugen, daß vor dem Auftreten des Wimperkanals das Lumen des Säckchens vollständig schwindet. Wenn ich daher auch den Wimperkanal als aus den bewimperten Zellen der eingestülpten Tasche hervorgegangen auffassen muß, so möchte ich anderseits doch auch nicht in Abrede stellen wollen, daß eine Vergrößerung des Kanals dadurch erfolgen konnte, daß an seiner Mündungsstelle später noch Eetodermzellen sich einstülpten. Allerdings aber glaube ich nicht, daß einer solehen nachträglichen Einstülpung der größte Teil des Kanals seinen Ursprung verdankt, sondern nur das Endstück könnte auf diese Weise entstanden sein, obwohl auch dieses im aus- gebildeten Zustand vom benachbarten Hautepithel sich histologisch deutlich unterscheidet (Fig. 24). Den Wimperkanal des ösophagealen Ganglions der frei schwim- menden Larve hat von den früheren Autoren am ausführlichsten HaATscHEK beschrieben. Der Kanal bildet eine selbständige Ein- stülpung des Eetoderms, »welche mit langen Flimmerhaaren bedeckt ist, die meist in Form eines zungenförmigen Fortsatzes aneinander- liegend zur Einstülpungsöffnung herausragen. Wenn man eine größere Anzahl von Larven durchmustert, so kann man sich davon überzeugen, daß diese Eetodermeinstülpung vollkommen nach außen umstülpbar ist; sie stellt dann eine zapfenförmige Hervorragung dar, in welche das Entodermsäckchen hineingerückt ist, und auf deren Oberfläche Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 13 sich der ‚zungenförmige Fortsatz‘ zu einem Wimperbusche entfaltet hate. Daß der Endabschnitt des Kanals sich ein- und ausstülpen kann, halte auch ich für gewiß; indessen scheint es mir aber kaum möglich zu sein, daß eine Umkrempelung der gesamten Wandungen jemals erfolgen könnte. In den konservierten Larven habe ich den Flimmerkanal stets nur mehr oder minder tief eingezogen angetroffen, und dann erwies er sich meist beträchtlich länger als ihn HATSCHER gesehen hat (Fig. 20). In manchen Fällen erstreckte er sich über den größten Teil des ganzen Ganglions, nur dessen Dorsalende frei- lassend. Stets liegt er an der Hinterwand des nervösen Apparates und zwar rinnenförmig in diese eingesenkt, so daß auch seine Seiten- teile von Ganglienzellen zum Teil bedeckt sind. Die Gestalt des Kanals läßt sich am besten an Querschnittserien durch das Organ erkennen. Das Lumen erscheint in der Richtung von vorn nach hinten zu stark komprimiert, nach rechts und links hin längsgestreckt, fast schlitzförmig (Fig. 16, 17, 19). Am Blindende verjüngt es sich ein wenig, wie namentlich die Längsschnitte zeigen (Fig. 20). Übrigens ist die Form des Kanals ziemlich variabel und von den Kontraktionszuständen des ganzen Larvenkörpers in erheb- liehem Maße abhängig. Mit der eben schon erwähnten Hervorstülpung und Einziehung des Endabschnitts des Wimperkanals verändert sich nicht nur dessen Länge sondern auch die Gestalt, und zwar oft in sanz merklicher Weise (Fig. 19, 20 u. 21). Die Kanalwand ist durchaus einschichtig und besteht aus stark abgeflachten, ein langes Flimmerkleid tragenden Zellen; jedoch findet sich nicht an allen Stellen ein besonders selbständiges, das Lumen umgrenzendes Epithel, sondern die Vorderwand des hinteren Kanal- abschnitts geht allmählich in das Ganglion über, so daß hier dieses direkt das Kanallumen abschließt (Fig. 17). Auf einem Querschnitt durch den ausmündenden Kanalabschnitt findet man die Wand aus zahlreichen Zellen zusammengesetzt (Fig. 24). Selbst bei stark ein- sezogenem Organ sah ich dieses stets beträchtlich dünner als die benachbarten Elemente des ectodermalen Hautepithels. Die eutieulare Bekleidung dieses letzteren kann sich eine kurze Strecke weit ein- senken, verliert aber dann ihre feste Konsistenz und geht in den weichen Cuticularsaum über, der alle Flimmerzellen des Kanals über- zieht und von den verdickten Basalteilen der Flimmern durchsetzt wird. Das Aufhören der echten Cuticula bedeutet mir die Grenze des Hautepithels und den Beginn des eigentlichen Flimmerkanals. Schon in kurzer Entfernung hinter der Mündung werden die Zellen 14 Oswald Seeliger, viel spärlicher; man findet bald nur höchstens zwei bis drei (Fig. 16), dann nur einen Kern auf einem Querschnitt (Fig. 19), und über größere Strecken hin besteht die Kanalwand nur aus einer dünnen Plasma- schicht ohne Kerne (Fig. 20). Es scheint demnach, daß die Ver- srößerung des Kanals hauptsächlich durch Längsstreckung der bereits auf embryonalen Stadien vorhandenen Zellen ohne deren gleichzeitige Vermehrung stattgefunden hat. Bei einigen Larven sah ich die Kerne im mittleren Kanalabschnitt immer nur seitlich in einer Reihe hinter- einander liegen. Schnitte, die noch näher dem Blindende liegen, zeigen nur noch die Hinter- und Seitenwände des Lumens von einem . eignen Epithel begrenzt, während vorn eine vollkommene Ver- wachsung mit dem Ganglion besteht und ein allmählicher Übergang der epithelialen Wandzellen in die mehrschichtig angeordneten Ele- mente des nervösen Apparates erfolgt (Fig. 17). Wo diese letzteren direkt ans Lumen herantreten, fehlt das Flimmerkleid. Der Wimperkanal scheint nicht immer nur mit reinem Seewasser erfüllt zu sein, sondern zuweilen fand ich in ihm gröbere oder feinere Körner oder Körnchen, und auch die Flüssigkeit schien nicht immer ganz farblos zu sein. Daher vermutete ich zuerst, in dem Kanal den Ausführungsgang einer Drüse vor mir zu haben. Ich vermag aber diese Ansicht nicht zu erweisen, weil ich in dem benachbarten gan- gliösen Gebilde keine Drüsenzellen mit Sicherheit erkennen konnte. Der Inhalt des Lumens müßte daher nur aus Fremdkörpern bestehen, die mit dem Wasser infolge der Flimmerbewegung einströmten. Es liegt daher sehr nahe, den Flimmerkanal als ein chemisches Sinnesorgan, als Geruchsgrübcehen oder Geschmacksorgan zu deuten, dessen basale Zellen die Aufgabe haben, den Chemismus des umgebenden Mediums zu prüfen. Das schließt nicht aus, daß das Organ vielleicht gleichzeitig auch die Bedeutung hat, frisches sauerstoffreicheres Wasser in die nächste Nähe des gangliösen Apparates heranzuschaffen und gleichsam dessen Durchlüftung zu erleichtern. Der gangliöse Apparat, mit dem der Wimperkanal verwachsen ist, entsteht durch Wucherung der Vorderwand und des Blindendes des eingestülpten eetodermalen Zellsäckchens. Er stellt einen soliden längsgestreckten Körper dar, der an der Hinterseite eine rinnen- förmige Einkerbung zur Aufnahme des Kanals besitzt. Die Vorder- seite ist stark konvex gekrümmt;, das Dorsalende ist stärker zugespitzt als das ventrale und zieht sich in zwei Stränge aus, die eine Ver- bindung mit dem dorsal am Scheitel gelegenen Ganglion herstellen (Fig. 21). | Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 15 Die Untersuchung des feineren Baues des Organs bietet erheb- liche Schwierigkeiten, und ich darf nicht verschweigen, daß auch ich von meinen Ergebnissen nicht völlig befriedigt bin. Die meisten Larven, die in der üblichen Weise in Sublimat fixiert und mit Karmin- lösungen gefärbt wurden, lassen im Ganglion keine scharfen Zell- srenzen erkennen, sondern nur mehr oder minder dicht und unregel- mäßig gelagerte Zellkerne erscheinen in einer ziemlich gleichmäßig sekörnten Plasmamasse. Nur einige Larven boten klarere Bilder, besonders nach Färbung mit molybdänsaurem Hämatoxylin oder nach Fixierung mit Überosmiumsäure. Schon bei der Beobachtung von Totalpräparaten kann man im Organ feine Fäserchen und Fibrillen feststellen, die bereits ULJANIN aufgefallen zu sein scheinen, denn er bemerkt: »Im Innern dieser Organe konnte ich, trotz aller meiner Bemühungen, nichts Ganglien- zellen Ähnliches finden; ich sah nur blasse Linien längs dieser Organe fortlaufen.«e Möglicherweise waren aber diese Linien auch nur Muskelfasern, die sich im der Umgebung des Ganglions in reicher Menge vorfinden. Eine genauere Vorstellung des histologischen Baues erhält man aber nur durch die Untersuchung von Schnitten besonders günstig konservierter und gefärbter Tiere. Dann lassen sich im Organ beide Arten nervöser Elemente unterscheiden: Ganglienzellen und Nervenfasern oder Punktsubstanz. Die meist rundlichen, kugelähnlichen Kerne der Ganglienzellen treten in allen Präparaten als helle Bläschen sehr deutlich hervor. Sie führen ein oder zwei größere Nucleolen und im achromatischen Gerüstwerk, unregelmäßig verteilt, chromatische Körnchen. Die Kerngrößen schwanken innerhalb ziemlich weiter Grenzen. Die Durchmesser der größeren kugeligen Kerne betragen häufig mehr als das Doppelte der kleinen, und daneben finden sich stark längs- gestreckte und unregelmäßig geformte Kerne, deren längste Achse noch etwas größer sein mag, wenngleich das Volumen hinter dem der größten kugeligen Kerne zurückbleiben dürfte. Eine bestimmte An- ordnung der großen und kleinen Kerne habe ich nicht wahrgenommen, und neben diesen extremen liegen zerstreut Kerne von allen möglichen mittleren Größen. Viel schwieriger sind die Zellgrenzen festzustellen. Dort, wo die Kerne dichtgedrängt nebeneinander liegen, sind die Zellkörper infolge des gegenseitigen Druckes unregelmäßig polyedrisch geformt und zumeist gar nicht scharf voneinander abzugrenzen. Wo die Kerne auf besonders dünnen Schnitten in spärlicherer Anzahl und weiter 16 Oswald Seeliger, voneinander entfernt erscheinen (Fig. 17—19), sieht man sie von dunkleren rundlichen und unregelmäßigen Plasmahöfen umgeben, von denen einige pseudopodienähnliche Fortsätze aussenden. Die Konturen dieser Zellkörper zeigen allerdings eine starke Neigung in- einander zu fließen, immerhin aber gelang es mir zuweilen, mit wünschenswerter Deutlichkeit unipolare Ganglienzellen und Zellen mit mehreren kurzen Fortsätzen zur Ansicht zu erhalten (Fig. 29, Tafel II. Beim Klopfen aufs Deckglas namentlich traten einzelne Ganglienzellen recht scharf hervor, jedoch vermochte ich nicht, den Zellverband vollkommen zu lockern und einzelne Elemente ganz zu isolieren. Einzelne Präparate schienen mir die Deutnng nahezulegen, daß gelegentlich in einem Zellkörper zwei Kerne vorhanden sind, doch könnte es sich in diesen Fällen auch um zwei Zellen handeln, deren Grenzkonturen verwischt waren. Das ganze Ganglion ist von einer feinen, aber ziemlich festen homogenen Membran umschlossen. Die Ganglienzellen liegen, wenn auch nicht alle, so doch vor- wiegend, peripher, und in den Zwischenräumen tritt allenthalben eine feingekörnte, stellenweise faserige hellere Zwischensubstanz hervor, die ich als Nervenfaser- oder sog. Punktsubstanz auffasse. Es schien mir, daß die Fibrillen vorzugsweise in der Längsrichtung des Gan- slions, also nahezu in dorso-ventraler Richtung verlaufen. Doch konnte ich auch auf den Querschnitten durch das Organ zuweilen die aus den Ganglienzellen entspringenden Fortsätze eine längere Strecke weit verfolgen (Fig. 29). Ich habe bereits oben (S. 14) erwähnt, daß es mir nahe zu liegen schien, dem Organ auch eine secretorische Bedeutung zuzuschreiben, daß ich aber außerstande war, mit Sicherheit Drüsenzellen nach- zuweisen. Anfangs hielt ich freilich alle Zellen, in denen ich später bei genauerer Untersuchung zweifellos Ganglienzellen erkannte, für secretorische Elemente und deutete das Organ als Drüse. Auch nach- dem ich die Bedeutung als nervösen Zentralapparat erkannt habe, scheint mir immer noch die Möglichkeit vorzuliegen, daß eine be- stimmte Partie des Organs wie eine Drüse funktioniere und zwar die hinteren Zellen, die die Vorderwand des Flimmerkanals darstellen. Vielleicht erweist das noch später die Untersuchung von solchem Larvenmaterial, das in geeigneterer Weise als das mir zu Gebote stehende konserviert ist. Aus dem Ganglion seitlich austretende Nervenfasern habe ich nicht aufgefunden, obwohl ich zur Annahme neige, daß sie trotzdem nicht ganz fehlen möchten. Vielleicht führt die Untersuehung der Uber die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. ir lebenden Larven zu einem positiven Ergebnis. Bei den von mir an- sewendeten Konservierungsmethoden ist ein Übersehen feinster Nerven- fasern sehr leicht möglich und eine Verwechslung gröberer nervöser Fäserchen mit contractilen oder bindegewebigen Elementen durchaus nieht ausgeschlossen. Muskelfasern und Bindegewebe finden sich in reicher Menge dem Ganglion dicht benachbart und teilweise mit ihm verwachsen, und wenn darunter vereinzelte feine Nervenfasern ver- laufen sollten, können sie sich leicht der Beobachtung entziehen. Am Dorsalende des Ganglions scheinen aber stets eine Anzahl sehr feiner nervöser Fäserehen auszutreten, um eine Verbindung mit dem Dorsal- sanglion herzustellen. Nur unmittelbar an der Austrittsstelle er- scheint im Querschnitt ein einheitliches Faserbündel, in ähnlicher Weise wie es in Fig. 25A für das Dorsalganglion abgebildet ist. In der Mitte zwischen den beiden Ganglien ist der Nervenstrang in zwei Partien gespalten, die symmetrisch zur Medianebene, der eine rechts, der andre links verlaufen (Fig. 25) und sich dem Dorsalganglion ver- binden. Auf diese Weise entsteht eine nervöse Ringcommissur zwischen den beiden nervösen Centralapparaten. An der Außenseite, d. h. rechts und links, wird jeder Nervenstrang von einem stärkeren Muskel- strang begleitet, der jenen bei seitlicher Ansicht verdeckt, so daß beide nur in geeigneten Schnitten nebeneinander sichtbar werden. Weiter unten ist in dem das Mesenchym behandelnden Abschnitt diese muskulöse Commissur noch etwas ausführlicher beschrieben. Es ist aber nicht so leicht, wie es von vornherein scheinen möchte, bei der Durchmusterung der Schnitte über die nervöse oder muskulöse Natur der Fibrillenbündel ins Reine zu kommen. Entscheidend ist eigentlich nur die Stärke der Fibrillen, und ich fasse die feineren als nervöse, die gröberen als contractile Gebilde auf. Ob die nervösen Einzel- fäserchen stets in der Mitte ihres Verlaufs zwischen den beiden Ganglien zu zwei symmetrischen Strängen gruppiert sind und eine Ringeommissur bilden, ist mir sehr zweifelhaft. Es scheint vielmehr zuweilen nur ein medianer Verbindungsstrang zu bestehen. b. Das Dorsalganglion (Scheitelorgan). Das Gebilde, das in diesem Abschnitt beschrieben ist, wäre seiner Lage nach am passendsten als Dorsalorgan zu bezeichnen. Da aber dieser Name von vielen Autoren bereits für den ösophagealen Ganglien- apparat gebraucht wird, trage ich Bedenken, ihn hier in anderm Sinne zu verwenden. Irrtümer und Verwechslungen wären sonst unvermeidlich. Da ich die Region der Larve, an der das in Rede Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Ba. 2 18 Oswald Seeliger, stehende Organ liegt, als Scheitel bezeichnet habe, wäre auch der Name Scheitelorgan gut zu verwenden. Es besteht aber keine Homo- logie mit der Scheitelplatte der Trochosphaeralarve, da diese dem Oesophagealganglion entspricht; und aus diesem Grunde wird es vielleicht vielen angezeigter erscheinen, die Bezeichnung Scheitel- organ zu vermeiden. Indessen werde ich trotzdem hier diesen Namen neben den in der Überschrift dieses Abschnitts angeführten »Dorsal- ganglion« gelegentlich nennen. HATscHER hielt das Organ für eine Drüse und nannte es Kitt- drüse. Er ging dabei von der Ansicht aus, daß die Larve sich mit diesem Organ festsetze. BALFOUR (1880) und später auch KoRSCHELT und HEIDER nannten es Wimperscheibe (disque eilie der fran- zösischen Autoren); BARRoIs deutete es zuerst (1877) als »mesoderme aboral« und nannte es später (1886) »masse glandulaire terminale«. ULJANIN hat es, wie schon oben erwähnt wurde, als ein »ganglien- förmiges Organ« gedeutet, das mit dem vorderen durch zwei Com- missuren verbunden sei. »Dieses Organ sieht einer Ganglienkette so ähnlich, daß ich es auch anfangs für ein solches gedeutet habe. Eine gründlichere Untersuchung bewies aber, daß eine solche Be- hauptung nicht die richtige war. Die zwei ganglienförmigen Organe treten, wenn man die Larve mit dem Deckgläschen drückt, aus den neben ihnen gelegenen Öffnungen des Kelches hervor, und dann sieht man, daß ihre Oberfläche mit langen starren und blassen Cilien bekleidet ist; im Inneren dieser Organe konnte ich, trotz aller meiner Bemühungen, nichts Ganglienzellen Ähnliches finden; ich sah nur blasse Linien längs dieser Organe fortlaufen.«e HARMER hatte den dorsalen gangliösen Apparat im Gegensatz zu dem mehr ventral und vorn gelegenen »Gehirn« bei Loxosoma als Saugnapf (sucker) be- zeichnet und diese Benennung auf das homologe Gebilde der Pedi- cellina-Larve übertragen, obwohl er sich überzeugt hatte, daß sich diese mit der gegenüberliegenden Oralseite festsetzt. Das bei den Larven der Ectoprocten (Aleyonidium) ziemlich allgemein als Saug- napf oder Sucker (ventouse) bekannte Organ ist aber, wie ich hier vorgreifend bemerken möchte, mit jenem der Entoprocten nicht homolog. Nur BArRoIs (1877) nannte, wenigstens eine Zeitlang, das wahre Dorsalganglion der Eetoprocten »organe interne de la ventouse«. Wie schon die früheren Autoren beobachtet haben, wechselt das Aussehen des Organs bei den verschiedenen Kontraktionszuständen der Larve recht erheblich. Nur wenn das Scheitelorgan tief in die primäre Leibeshöhle zurückgezogen ist, erscheint sein Lumen umfang- Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 19 reicher und taschen- oder kanalartig (Fig. 14 und 20). Stülpt es sich nach außen vor, so findet man nur eine dellenförmige Vertiefung, deren Boden mit langen Wimpern oder Geißeln besetzt ist (Fig. 15). Die Grenze zwischen dem ectodermalen Hautepithel und dem ein- sestülpten Zellsäckchen, das das eigentliche Scheitelorgan bildet, läßt sich ziemlich sicher bestimmen. Ich verlege sie wenigstens dahin, wo die äußere ceuticulare Bekleidung der Zellen sich verliert: unsicher bleibt dann höchstens eine nur eine Zelle breite Zone. Die Wimper- und Geißelzellen scheinen ganz dem Scheitelorgan selbst anzugehören, und ich vermochte an den Zellen der Haut in der Um- sebung der Mündungsstelle keine beweglichen Anhänge nachzuweisen. Dagegen zeigten die Eetodermzellen unter der Cuticula eine einfache Schicht feiner, stark färbbarer Körnchen, die im Durchschnitt wie die Querschnitte einer zarten Fibrillenlage erschienen (Fig. 15). Doch sind sie als eine solche nicht aufzufassen, sondern ich rechne sie der Cutieula zu und deute sie als deren basale Schicht. In vielen Präparaten ließ sich diese Körnchenlage fast über die ganze Haut- oberfläche der Larve verfolgen. HATSCHEK fand bei der Untersuchung der lebenden Larve, daß die »Kittdrüse« sich soweit vorstrecken könne, daß die untere Fläche nicht konkavy eingekrümmt, sondern konvex vorgewölbt erscheint. Dann traten die Wimpern als ziemlich starre Härchen hervor, die zu »drei bis vier je einer kleinen papillenförmigen Hervorragung aufsitzen, die wahrscheinlich von einer einzigen vorspringenden Zelle gebildet ist«. Er deutet diese Gebilde als Tastorgane, die namentlich bei der Festsetzung von Bedeutung seien. In meinen konservierten Larven fand ich niemals das Organ in völlig ausgestrecktem Zustand und sah daher auch keine Tastpapillen, die sich üher die Körper- oberfläche erhoben. Bei stark eingezogenem Scheitelorgan liegen die Wimpern ganz im Taschenlumen und ragen höchstens mit ihren äußersten Spitzen aus der Öffnung hervor (Fig. 20, 21). Nur ganz ausnahmsweise habe ich dann ein oder zweimal den Eindruck be- kommen, als ob die Wimpern nicht gleichmäßig aus den Zellen des Taschengrundes entsprängen, sondern in Gruppen ständen. Etwas deutlicher beobachtete ich dieses Verhalten, wenn das Lumen zu einer dellenförmigen Vertiefung abgeflacht, das Organ also weniger stark kontrahiert erschien. Sehr feine Schnitte zeigten am Boden der Grube zwei oder drei winzige Erhebungen, auf denen vorzugsweise die Wimpern zu sitzen schienen (Fig. 13). Wenn auch naturgemäß in konservierten und in Schnitte zerlegten und überdies kontrahierten 2% 20 Oswald Seeliger, Larven die Sinneshaare nicht so gut erkennbar sein können, wie im lebenden Objekt, so stimmen meine Befunde doch ganz gut mit HATSCHERS Darstellung überein. Im Gegensatz zum ösophagealen gangliösen Organ stellt also der Kanal des Scheitelorgans kein perennierendes Gebilde dar, sondern er wird lediglich durch bestimmte Kontraktionszustände hervorgerufen, bei denen das flache Grübehen sich vertieft und mitten in die Zell- masse einsenkt. In den histologischen Aufbau dieser letzteren ist es nicht leicht Einsicht zu gewinnen. Im Pedicellina-Embryo bildet sich das Organ ungefähr gleich- zeitig wie das ösophageale Ganglion und hat, wie dieses, einen rein eetodermalen Ursprung. Während aber das »Gehirn« zunächst als eine einschichtige Zellplatte in die Tiefe sinkt und vom Eetoderm überwachsen wird, tritt die Anlage des Scheitelorgans deutlich als eine grubenförmige Einstülpung auf, die zunächst durchaus einschichtig ist (Fig. 2—5) und erst später am Grunde sich verdiekt und mehr- schichtig wird (Fig. 8, 10. Während des ganzen Entwicklungs- verlaufes bleibt, sowie es auch in der ausgebildeten Larve der Fall ist, die Öffnung des eingestülpten Zellsacks nach außen bestehen. Nur auf den ersten Stadien der Bildung läßt das eingestülpte Grübchen seine Zusammensetzung aus einzelnen scharf gesonderten zelligen Elementen erkennen (Fig. 1—4). Diese gleichen zunächst durchaus den benachbarten Zellen des ectodermalen Hautepithels, differenzieren sich aber sehr bald.in eigenartiger Weise. Während die Zellen der Haut sich mehr oder minder erheblich abflachen und stets einschichtig angeordnet bleiben, verdiekt sich die Wand des eingestülpten Säckchens, zunächst dadurch, daß alle Zellen sich ver- srößern und prismatische oder pyramidenförmige Gestalt gewinnen (Fig. 4). Gewöhnlich lassen sich auch jetzt noch die Zellgrenzen er- kennen, und es zeigt sich, wie auch aus der Anordnung der Kerne, daß die Einschichtigkeit gewahrt bleibt. Bald aber schwinden die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen; die Kerne verschieben sich gegeneinander und scheinen regellos in einer fast gleichartigen Protoplasmaschicht zu liegen. Wie eben bemerkt wurde, erfolgt die Verschiebung der Kerne, die den Übergang zur mehrschichtigen Anordnung der Zellen andeutet, besonders an der Basis der Ein- stülpung, und diese ist es auch, die sich immer stärker verdickt, während die Plasmaschicht in der nächsten Umgebung der Öffnungs- beziehungsweise Einstülpungsstelle dünner bleibt und sich hier ein- schiehtig erhält. Ist die Entwicklung des Organs vollendet, so stellt Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 21 dieses einen soliden, länglichrunden Körper dar, der in der Scheitel- region an der Leibeswand befestigt ist, und zwar entspricht diese Stelle der ursprünglichen Einstülpungsregion des Ectoderms, an der das Dorsalganglion entstand. Daß nicht alle Zellen des Dorsalganglions völlig gleichartig beschaffen sind, geht schon daraus hervor, daß die Kerne zuweilen ziemlich auffallende Größenunterschiede aufweisen; da aber in meinem konservierten Material Zellgrenzen fast nirgend mehr zu erkennen waren, fehlt mir jeder Anhaltspunkt, um über die Art und Weise der histologischen Sonderung der Elemente im Ganglion näheres aus- zusagen. Ich glaube allerdings, daß sich im Organ verschiedenartige Zellen nebeneinander vorfinden dürften. Die wichtigsten Elemente sind die Ganglienzellen. Sie liegen vorwiegend peripher, bilden aber hier nicht nur eine einfache Schicht, sondern auch central bemerkt man größere oder kleinere Kerne, die zum Teil von einer dichteren und intensiver färbbaren Plasmamasse umschlossen werden. Ich muß aber bekennen, daß die Auflockerung des Gewebes und die Isolierung einzelner Ganglienzellen im Dorsal- sanglion mir noch viel weniger vollkommen gelungen ist als im ‘ ösophagealen Organ. In der Mitte des Ganglions findet sich zumeist ein etwas größerer kernfreier Raum, und in diesem treten in allen wohlgelungenen Schnitten zarte, vorwiegend, aber nicht ausschließlich, längsverlaufende Nervenfibrillen auf. Ich vermochte nicht, diese als Fortsätze der Ganglienzellen zu erweisen, was sich schon daraus ergibt, daß ich selbst die Zellkonturen nur sehr unvollständig er- kennen konnte. Nach der Dorsalseite zu laufen die Fibrillen pinsel- förmig auseinander, was sich, wie mir schien, besonders deutlich dann erkennen ließ, wenn das Ganglion dicht unter der Haut liegt und dorsalwärts vorgestülpt ist (Fig. 11). Wenn dagegen infolge des Zugs gewisser dorso-ventral verlaufenden Muskeln das Dorsalganglion ventralwärts in die Tiefe gezogen wird, lagern sich die Fibrillen dichter aneinander und, indem gleichzeitig der Umfang des Ganglions im Querschnitt geringer wird, nehmen die Fibrillen einen mehr parallelen Verlauf. Nach dem ventralen mehr oder minder stark zu- gespitzten Ende des Ganglions zu konvergieren die Fibrillen zumeist sehr auffallend. In einer ganzen Anzahl Larven konnte ich mit vollster Deutlichkeit nachweisen, daß am ventralen Rand des Gan- glions zwei Stellen vorhanden sind, die eine rechts, die andre links gelegen, nach denen hin die Fibrillen streben (Fig. 21). Das Dorsal- ganglion zieht sich also hier gleichsam in zwei kurze Zipfel aus, und 3» Oswald Seeliger, zwischen den Ganglienzellen treten die Fibrillen hervor, um sich den vom :Ventralganglion ausgehenden Fibrillensträngen (vgl. oben S. 17) zu verbinden, so dab die beiden Ganglien durch eine Ringeommissur vereinigt erscheinen. Indessen habe ich aber auch bei einer Anzahl Larven nur einen einzigen median verlaufenden Fibrillenstrang aus dem Ventralende des Dorsalganglions heraustreten sehen. Ich bin im unsicheren darüber geblieben, ob es sich in diesen Fällen nur um eine mediane Verlagerung und nachträgliche Vereinigung zweier ursprünglich paarig angelegten commissuralen Stränge handelt, oder ob die Bildung von allem Anfang an median und unpaar erfolgte. Die beiden Nervenstränge, die die beiden gangliösen Apparate ver- binden, vermochte ich, wie bereits oben (S. 17) bemerkt ist, von den sie begleitenden Muskelfasern nicht an allen Stellen scharf abzugrenzen. Ich glaube aber, daß das an der unbefriedigenden Konservierung liegt, denn in der Aleyonidium-Larve, die eine ähnliche Organisation besitzt, besteht eine derartige Unsicherheit in der Deutung von Muskel- und Nervenfibrillen nicht, und beide lassen sich als gesondert nebeneinander verlaufende Gewebsteile gut unterscheiden. Bei Pedı- cellina ist allerdings die Deutung der verschiedenen Fasern dadurch erheblich erschwert, daß eine ganze Anzahl gröberer, die feinen und zweifellos nervösen Fibrillen begleitenden Fäserchen bis tief in das Innere des Dorsalganglions eindringen, um sich in ihm allmählich zu verlieren. Diese gröberen Fasern gleichen durchaus muskulösen, contractilen Fasern, und ich nehme sie auch als solche in Anspruch (vgl. 8.37), obwohl ich die befremdliche Erscheinung nicht verkenne, daß Muskelfibrillen das Ganglion durchsetzen. Ich habe bereits oben angedeutet, daß ich die von HATSCHER an der lebenden Larve beobachteten Tastzellen in meinem seit 16 Jahren in Alkohol aufbewahrten Material mit Sicherheit nicht nachzuweisen vermochte. Wohl aber fand ich bei jüngeren Stadien (Fig. 10), daß einzelne Zellen am Rande der Einstülpung mit starren Fortsätzen versehen waren, die sich weit über den euticularen Rand- saum erhoben. Diese Zellen gehören meines Erachtens streng senommen nicht in den Bereich des eigentlichen Dorsalganglions, sondern sind dem Ectodermepithel zuzurechnen und zwar der bei sewissen Kontraktionen sich grubenförmig oder kanalartig ein- senkenden Region, an der das eigentliche Ganglion hängt. Mög- licherweise entwickeln sich diese Elemente zu den von HATSCHEK beschriebenen Tastapparaten. Die dorsalen Zellen des Ganglions tragen Flimmern. Schon Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 23 auf ziemlich frühen Stadien, wenn an der Basis des eingestülpten Eetodermsäckchens die Wandung mehrschichtig zu werden beginnt, treten die Flimmern auf, und sie erhalten sich solange als das Organ funktioniert, bis zu seiner Rückbildung. Die Zahl der Flimmerzellen ist eine sehr beschränkte, denn nur die wenigen Zellen, die im aus- gebildeten Organ die Basis des eingestülpten Kanals bilden und bei der Ausstülpung frei an der Oberfläche zu finden sind, tragen die Wimpern. Diese sind mit verdiekten Enden in das Zellplasma ein- gesenkt, so daß der Zellkörper wie mit einem gestreiften Cuticular- saum versehen erscheint. In den wenigen Fällen, in denen ich auch im vollentwickelten Organ ziemlich deutliche Zellgrenzen bemerkte, fand ich auch die Flimmerzellen ganz ähnlich gestaltet wie die Ganglienzellen. Drüsenzellen habe ich im Dorsalganglion mit Sicherheit nicht nachzuweisen vermocht, obwohl ich es für nicht unwahrscheinlich halte, daß sie in Wirklichkeit vorhanden sein möchten. Ist das Organ in die Tiefe zurückgezogen und dann ein deutlicher Kanal dorsal ausgebildet, so findet sich in diesem zuweilen ein körniges Secret, das sehr wohl von bestimmten Zellen des Dorsalganglions abgeschieden sein könnte. Die Untersuchung der lebenden Larve müßte darüber leicht Aufschluß geben, ob meine Vermutung zu- treffend ist. So wie das Oral- oder Oesophagealganglion ist auch das Dorsal- sanglion von einer feinen Membran umschlossen, die ich als bindegewebig deute, obwohl ich sie homogen und strukturlos fand. Kerne, die der Membran dicht angelagert waren, schienen mir durchweg besonderen Mesenchymzellen anzugehören, die sich an der Membranbildung nicht beteiligt hatten. 2. Das Vestibulum und seine Anhänge. Nach den Untersuchungen von HATSCHER besteht in der Ent- wicklung des Vestibulums bei Embryonen und Knospen ein wesent- licher Unterschied. In den Knospen bildet sich das Organ sehr früh als eine umfangreiche ectodermale Einstülpung, die dauernd erhalten bleibt und an deren Grunde, wie ich nachgewiesen habe (1889), der Verdauungstractus entsteht. Im Verlauf der Embryonal- entwicklung dagegen tritt das Vestibulum oder Atrium erst sehr spät auf und zwar unabhängig vom Darmcanal. Dieser ist in allen seinen Teilen bereits angelegt, die Larvenform bereits fast erreicht, wenn die Vestibulareinstülpung sich zeigt: »Die obere Platte des 94 Oswald Seeliger, Embryo mit Mundöffnung und Hinterdarm hat sich gegen das Innere des Körpers zurückgezogen, so daß in dem obersten Teile der Larve ein mit Flimmerhaaren bedeckter Vorraum entstanden ist, welcher dem Kelchraume des entwickelten Tieres entspricht« (HATSCHER). In dieser Einstülpung bildet sich nach HATscHEX sehr bald dicht hinter der Mundöffnung eine tiefe Querfalte, in deren Hinterwand die Afteröffnung liegt und ferner entsteht eine der Tentakelrinne des entwickelten Tieres entsprechende Faltung des Vestibularbodens. Die freischwimmende Larve zeigt eine außerordentliche Variabilität der Form, und diese betrifft besonders den gesamten vestibularen Abschnitt, der weit vorgestülpt, bald aber wieder vollkommen in den den Verdauungstraetus bergenden Larventeil zurückgezogen werden kann. HATSCHER hat eine sehr schöne Abbildung der ausgestülpten Larve gegeben und beschreibt diese in folgender Weise: »Aus dem Kelch- raume sehen wir zwei vorstreckbare konische Gebilde hervorragen. Beide sind innerhalb der Tentakelrinnenfalte gelegen; das vordere derselben liegt dicht hinter der Mundöffnung und trägt einen langen Schopf von starken Wimpergeißeln; der hintere Fortsatz trägt an seinem stumpfen Ende die Afteröffnung; diese Fortsätze bilden zu- gleich die vordere und hintere Wandung der zwischen denselben selegenen tiefen centralen Falte des Kelchbodens.« Am lebenden Tier läßt sich das lebhafte Spiel der unausgesetzt sich umformenden Vestibularregion leicht feststellen, wenngleich man kaum die nötige Zeit gewinnt, die Larvenkonturen bei ausgestrecktem Atrium zu entwerfen, bevor wieder die Kontraktion eintritt. Es war mir aber unmöglich, auch nur eine Larve im voll ausgestreckten Zustand konserviert zu erhalten und daher zeigen alle meine Zeichnungen das Vestibulum mehr oder minder tief eingezogen. Allerdings habe ich nicht versucht, die Larven vor der Konservierung zu lähmen. Wie schon HATSCHER zutreffend bemerkt, kann das Vestibulum so weit nach innen eingezogen werden, daß auch der Wimperkranz in die Tiefe rückt und an der Oberfläche nicht mehr sichtbar bleibt. »Der Mitteldarm ermöglicht, indem er durch Aneinanderlegen seiner oberen und unteren Wand unter Verschwinden des Lumens sein Vo- lumen bedeutend herabmindert, die tiefe Einziehung. Bei ganz ein- gestülptem Zustande verengert sich noch die Mündung des Kelches, unter Faltenbildung am Innenrande, vermittels zur Ausbildung gelangter Ringmuskelfasern. Auch die andern Hervorragungen des Körpers, das Entodermsäckehen und die Kittdrüse, werden mehr ins Innere zurückgezogen, so daß die Larve eine birnförmige, abgerundete Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 25 Gestalt annimmt. In diesem Zustande sind die Formverhältnisse der Larve, insbesondere in bezug auf Kelchraum und Tentakelrinne so auffallend denen des entwickelten Tieres ähnlich, daß nur der Mangel des Stieles und der Tentakeln einen wesentlichen Unterschied bedingt. « In der Tat ist diese Ähnlichkeit auffallend, und sie tritt zuweilen um so bemerkenswerter hervor, als im larvalen Vestibulum die An- wesenheit von Tentakeln vorgetäuscht werden kann. Bei den Kon- traktionen legt sich nämlich die Vestibularwand in Falten, die zuweilen in sehr regelmäßiger Weise parallel zueinander verlaufen und für Tentakelanlagen gehalten werden können. Es handelt sich aber nicht um dauernde Faltungen der Epithelwand, sondern diese verschwinden sofort wieder, wenn das Atrium sich hervorstülpt. Manchmal zeigen sich diese Falten schon auf sehr frühen Stadien der Atrialbildung (Fig. 5). In den Falten der freischwimmenden Larven findet man sewöhnlich am Vestibularrand eine mehr oder minder deutliche reihenförmige Anordnung der Epithelkerne (Fig. 33, Taf. II). Die äußere, periphere Grenze der Atrialregion im weiteren Sinne verlege ich an den Wimperkranz. Die Beschaffenheit und der Verlauf des Wimperbandes sind aus den Darstellungen der früheren Autoren hinlänglich bekannt, so daß ich mich hier auf wenige Be- merkungen beschränken kann. Bei der hier gewählten Orientierung der Larve verläuft der Wimperkranz in horizontaler Richtung an der Ventralseite. Vorn zieht er, und das bedingt einen wichtigen Gegen- satz zur Eetoprocten-Larve, vor dem Munde, aber zwischen diesem und dem Oralganglion hin (Fig. 14 und 20); diese Lage kennzeichnet ihn als präoral. Im Gegensatz zur Alcyonidium-Larve, bei der ein homologer Wimperkranz an allen Stellen nur eine Zelle breit ist, fand ich bei Pedicellina im Querschnitt das Organ ein oder zwei Zellen breit (Fig. 20). Möglicherweise entspricht aber diese Er- scheinung nicht bestimmten Besonderheiten, durch die gewisse Regionen des Wimperkranzes in Wirklichkeit sich auszeichnen, sondern viel- leicht handelt es sich nur um Kontraktionszustände, durch die eine zweireihige Anordnung der Zellen vorgetäuscht wird. Die Zellen des Wimperkranzes unterscheiden sich nur dadurch von den benachbarten des Atriums, daß sie längere Wimpern tragen, die mit verdickten basalen Enden im Plasma stecken, so daß ein gestreifter Randsaum erscheint. An mehreren Stellen, aber nicht überall, wo der Wimper- kranz nur eine Zelle breit ist, erscheint diese etwas größer als die benach- barten Zellen der Vestibularwand oder des ectodermalen Hautepithels. Auch der bläschenförmige Kern erweist sich dann besonders umfang- 26 Oswald Seeliger, reich, doch findet sich in keinem einzigen Fall eine derartig kompli- zierte Differenzierung der Elemente des Wimperkranzes, wie wir sie im zweiten Teil dieser Untersuchung bei Aleyonidium-Larven kennen lernen werden. So wie die Ectodermzellen tragen auch die des vorderen Atrialabschnittes eine cuticulare Bekleidung, doch ist diese im eingestülpten Teile zarter und verschwindet gegen das Centrum zu allmählich völlig. In den Embryonen besteht die Vestibularwand an allen Stellen aus einem einschichtigen Wimperepithel, und ebenso ist in frei- schwimmenden Larven der ganze Atrialraum mehr oder minder gleich- mäßig bewimpert. Ich nehme wenigstens an, daß an den Stellen, an denen das Epithel in den Schnittpräparaten wimperfrei erscheint, ein nachträglicher, durch die Präparation bedingter Verlust der Flimmern eingetreten ist. Ob die Atrialwand der Larve auch im völlig ausgestülpten Zustand an allen Stellen durchaus einschichtig ist, halte ich für zweifelhaft; jedenfalls erscheint das Epithel, wenn es eingezogen ist, und namentlich dann, wenn die Einstülpung des Vestibulums bei den eben festgesetzten Larven als dauernde Veränderung eingetreten und eine Wiederaus- stülpung unmöglich geworden ist, an bestimmten Stellen mehrschichtig und in eigenartiger Weise umgewandelt. Diese Differenzierungen, die ich unter dem Namen »Advestibularorgane« anführe, betreffen die tieferliegenden, basalen Regionen des Vestibulums, während sich die in unmittelbarer Nachbarschaft des Wimperkranzes gelegenen, zu- nächst wenigstens, ziemlich unverändert erhalten. So findet man z. B. in dem in Fig. 26 (Taf. II) abgebildeten Querschnitt durch eine nur unvollständig ausgestreckte Larve in deren hinterem Abschnitt rechts und links neben dem Enddarm die tiefe Atrialrinne (Ten- takelrinne) als ein typisches einschichtiges, zumeist cylindrisches Wimperepithel. Der gesamte mittlere und basale Teil des Vesti- bularraums ist tief eingesenkt und zeigt eine ganz andre histologische Beschaffenheit. Zellgrenzen lassen sich nicht nachweisen, und in einer plasmatischen, vielfach von Vacuolen durchsetzten Schicht liegen die Kerne stellenweise ganz regellos nebeneinander, stellenweise wieder, wie die Abbildung (Fig. 26) zeigt, ziemlich regelmäßig an- geordnet. Die Kerne sind groß, hell und bläschenförmig, zuweilen unregelmäßig länglichrund; das centrale Atriallumen wird von einem undeutlichen Flimmersaum umgeben. In der Abbildung erscheinen diese Mittelpartie und die seitlichen Atrialrinnen vollständig vonein- ander getrennt, aber die etwas weiter vorn geführten Schnitte zeigen, Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 27 daß auf jeder Seite zwischen beiden Teilen eine weite Verbindung besteht. Besonders deutlich erscheinen diese Verhältnisse in frontalen, parallel zur Ventralseite durch die Larven geführten Längsschnitten (Textfig. 1). In dem abgebildeten Fall tritt der histologische Unter- schied in den Wandungen des centralen Atrialraums und der Atrial- rinnen sehr scharf hervor. Nur rechts ist der Zusammenhang zwischen I a Fe & ms RC Textfig. 1 und 1A. Parallel zur Ventralseite geführter Schnitt durch die Atrialregion einer freischwimmenden Pedicellina- Larve. 450/1. Fig.1 A, Nierenkanälchen aus einem benachbarten Schnitt. 812/l. atk, centrale Atrialhöhle; atr, Atrialrinne; aiv, vordere (ösophageale) Atrialwand; c, Cuticula; ec, ectodermale Leibeswand; ed, Enddarm; /, primäre Leibeshöhle; m/f, Muskelfasern; ms, Mesenchymzellen; »c, Nierenkanälchen ; oe, Oesophagus. diesen beiden Abschnitten zu sehen, während links erst auf dem folgenden Schnitt der Serie die Verbindung auftritt. Wie schon aus HATSCHEKs Darstellung klar hervorgeht, erheben sich in der völlig ausgestreckten Larve zwei Gebilde aus dem Vesti- bularraum. Beide liegen in. der Medianebene und werden seitlich von den Atrialrinnen begrenzt: hinten findet sich der Analconus, weiter vorn, ein wenig vor der Mitte des Atrialfeldes, HATSCHERS Wimperschopf. 28 Oswald Seeliger, Der Wimperschopf liegt dicht hinter der Mundöffnung, zwischen dieser und dem After und ließ sich mehrfach auch im eingestülpten Zustand noch deutlich nachweisen (Fig. 20, Taf. I; Fig. 27, Taf. I). Die Zellen dieser Region zeichnen sich vor den benachbarten Atrial- zellen durch bedeutende Größe aus, und die starken Wimpern setzen sich mit ihren verdickten basalen Enden weit in den Plasmakörper fort. Im voll ausgestreckten Zustand ragen, wie die Abbildungen HATSCHERS besonders deutlich zeigen, die median und am meisten ventral gelegenen Zellen dieser Wimperregion ziemlich weit über den äußeren Vestibularrand hervor und bilden mit ihren langen Wimpern den eigentlichen Wimperschopf. Aber auch die weiter dorsal zu gelegenen und die die vordere, dem Oesophagus benachbarte Wand der mittleren Vestibularregion bildenden Zellen sind besonders groß und tragen lange Wimpern (vgl. Textfig. 1). Vorn ist diese groß- zellige Flimmerregion durch einen Streifen kleinerer Zellen vom äußersten hinteren Rand des Oesophaguseingangs getrennt (Fig. 20 und 27). Wie erwähnt, kann sie sich zapfenförmig ausstülpen oder tief in die Atrialhöhle einsenken, weil sich an ihrer Innenwand zahl- reiche Muskelfasern ansetzen, die sie bei ihren Kontraktionen dorsal- wärts einziehen. Schon frühere Autoren (HArMER) haben diesen Teil des Vestibulums als Epistom bezeichnet und dem gleichbenannten Organ andrer, ectoprocter Bryozoen homologisiert. Auch ich habe (1890) eine ähnliche Auffassung vertreten und habe dieses Gebilde der Bryozoenlarve mit dem Fuß der Molluskentrochosphäre ver- slichen. Der Analconus bietet keinerlei Besonderheiten, die hier aus- drücklich hervorgehoben werden müßten. Er tritt nur im ganz aus- sestülpten Zustand der Larve einigermaßen deutlich hervor, und man sieht dann am hinteren Ventralende einen breiten zapfenartigen Vor- sprung des vestibularen Wimperepithels, dessen Mitte das Enddarm- rohr einnimmt. Zwischen diesem und dem Außenepithel des Conus besteht ein ziemlich geräumiger, von Bindegewebe und Muskulatur nur unvollkommen -ausgefüllter Abschnitt der allgemeinen primären Leibeshöhle. Die Bildungsweise der oben erwähnten Advestibularorgane ist mir unbekannt geblieben, und ich vermag daher nicht mit Sicher- heit zu sagen, ob sie in der Tat sich vom Boden des ectodermalen Atriums abschnüren oder vielleicht auch vom Mesenchym aus ent- stehen. Ich unterscheide drei solche Organe, die alle median liegen, sich aber mehr oder minder deutlich ein jedes aus zwei bilateralen Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 29 Hälften zusammensetzen und bezeichne sie als basales, ösophageales und reetales Advestibularorgan (vgl. Fig. 14, Taf. I). Das basale Advestibularorgan liegt dorsal von der vorderen, dem Oesophagus benachbarten Basalwand des eingesenkten centralen Teils des Atriums und ist diesem fest verbunden. Wenn auch nicht bei allen Larven, so kann man doch bei einer ganzen Anzahl noch feststellen, daß das Organ durch Ausstülpung einer bestimmten Stelle des Vestibularbodens entsteht. In Fig. 30, Taf. II ist ein Stück eines paramedianen Längsschnittes durch eine freischwimmende Larve gezeichnet, und man findet hier den Zusammenhang zwischen beiden Organen noch erhalten und die Abschnürung noch nicht vollendet, wie es auf den benachbarten Schnitten derselben Serie oder in andern Larven an allen Stellen bereits der Fall ist. Im völlig ausgebildeten Zustand stellt das Organ einen etwa bohnen- oder nierenförmigen soliden Körper dar, dessen Längsachse an der oben angegebenen Stelle quer von links nach rechts verläuft und ungefähr die gleiche Ausdehnung hat wie der Querdurchmesser der Atrialbasis. Ziemlich genau in der Medianebene zeigt das Gebilde eine ringförmige Einschnürung, so dab es aus zwei spiegelbildlich gleichen Hälften zusammengesetzt er- scheint. In histologischer Beziehung erweist sich das basale Advestibular- organ sehr eigenartig. Schon auf ziemlich frühen Stadien seiner Bildung bemerkt man, daß die Kerne des soliden Körpers größten- teils peripher rücken (Fig. 2834). Hier flachen sie sich später recht beträchtlich ab und ruhen in einer dünnen Plasmaschicht, die das Innere des Organs umhüllt. Es hat fast den Anschein, als ob diese periphere Schicht als ein besonderes, vom Mesoderm entstandenes Endothel gedeutet werden müßte, denn so scharf und deutlich hebt sie sich von der Oentralmasse ab. Indessen beweisen jüngere Stadien den hier geschilderten Entwicklungsgang und überdies finden sich weiter außen tatsächlich noch stellenweise ganz flache Mesenchym- zellen. Die Innenmasse läßt ihre Zusammensetzung aus einzelnen Zellen nicht mehr erkennen, da die Zellgrenzen nicht nachweisbar sind. Nur vereinzelte Kerne, die verschiedene Formen aufweisen, kugelähnlich, längsgestreckt und zuweilen auch ein wenig hornförmig gebogen sind, liegen mehr central in der hellen homogenen von starken oder feineren protoplasmatischen Strängen durchsetzten Sub- stanz. Diese Stränge scheinen die Bedeutung von Stützfasern zu haben (Fig. 36, Taf. I). Dicht hinter dem eben geschilderten basalen Organ liegt, eben- 30 Oswald Seeliger, falls dem Vestibularboden dicht angelagert, das reetale Advesti- bularorgan. Dieses tritt vor jenem ziemlich früh im Embryo auf; es ist mir aber nicht gelungen, den direkten Zusammenhang der Anlage mit der Vestibularwand zu erweisen, und daher muß ich die Möglichkeit eines mesodermalen Ursprungs zugeben, zumal zwischen dem Vestibularboden und dem Magen schon auf frühen Embryonalstadien Mesenchymzellen liegen, deren Umbildung bisher nicht verfolgt werden konnte. In der freischwimmenden Larve kann sich die Mitte des Atrialbodens so tief einsenken, daß dieser, wenigstens auf einer beschränkten Strecke, sich dicht an die ventrale Magenwand anlegt und das rectale Advestibularorgan nur weiter hinten anzutreffen ist in dem vom Magen, Enddarm und der hinteren Atrialwand unvoll- ständig umgrenzten Raum (Fig. 20, Taf. I, Fig. 27, Taf. I). Besonders deutlich ergeben sich diese Lagebeziehungen aus der Untersuchung von Schnitten, die parallel zur Ventralseite der Larve geführt sind (frontale Längsschnitte Fig. 22—24, Taf. I). Die Gestalt des Organs scheint von den verschiedenen Kontraktionszuständen der Larve nicht ganz unabhängig zu sein. Im allgemeinen erweist auch sie sich ungefähr bohnen- oder nierenähnlich, mehr oder minder stark rundlich. Die längste Achse steht quer, d. h. sie verläuft parallel zur Ventralseite von rechts nach links. Zwei symmetrisch zur Medianebene gelegene Hälften setzen das Organ zusammen; die mediane Furche scheint meist hinten etwas tiefer einzuschneiden als vorn. Beide Teile sind dicht aneinandergepreßt und miteinander verwachsen, so daß sie ein vollkommen einheitliches Gebilde darstellen. Der histologische Bau erinnert an den des basalen Advestibular- organs. Wie in diesem liegen auch hier die Kerne vorwiegend peripher, während sie central in nur spärlicher Zahl vorkommen. Die Kernformen zeigen die gleichen Mannigfaltigkeiten; sie erscheinen kugelig, oft sehr stark länglichrund ausgezogen, zuweilen wurstförmig sekrümmt. Im Inneren des Organs fand ich keine Zellgrenzen, sondern alle Kerne ruhen in einer homogenen Plasmamasse, die bei mäßig starken Vergrößerungen ziemlich gleichmäßig gekörnt erscheint. In Hämatoxylin- oder Karminlösungen färbt sich die Substanz viel intensiver als das basale Advestibularorgan;; auch fehlen die stützenden Faserzüge vollständig oder sie sind in nur ganz geringer Zahl und Ausdehnung vorhanden. Hin und wieder bemerkte ich in der gleich- mäßig dunklen Plasmamasse einzelne besonders große bläschenförmige, helle Kerne; und das Organ erinnerte dann in seinem Aussehen einigermaßen an eine jugendliche Anlage des Geschlechtsapparates. Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 31 Dieser kommt erst viel später nach der Festsetzung und nach vollendeter Metamorphose der Larve zur Ausbildung. Es ist mir aber sehr zweifelhaft, ob es die eben beschriebene Zellgruppe ist, aus der der Sexualapparat hervorgeht. Bemerkenswert ist allerdings, daß die Lagebeziehungen des rectalen Advestibularorgans zum Atrium in der Larve die gleichen sind wie im geschlechtsreifen Tier die des letzt- genannten Organs zum Geschlechtsapparat (Fig. 22, 23, 24). Die Entstehung des ösophagealen Advestibularorgans habe ich ebenfalls nicht feststellen können, möchte aber glauben, daß sie vom Mesoderm aus erfolgt. Schon in jungen Embryonen findet man nämlich jederseits vom Oesophagus einen länglichrunden mesodermalen Zellhaufen, und diesem entspricht der Lage nach durchaus das spätere Advestibularorgan (Fig. 9, Taf. I). Allerdings fehlten mir die Zwischenstadien, um die Identität dieser Gebilde erweisen zu können. In etwas älteren Stadien fand auch HarscHer an den entsprechenden Stellen ein paariges Mesodermgebilde, dessen Bedeutung und Bau aber nicht näher erörtert wurde. Im voll ausgebildeten Zustand trifft man das ösophageale Ad- vestibularorgan erst in der freischwimmenden Larve an, und die frontalen Längsschnitte durch diese geben eine deutliche Vorstellung vom Bau und den Lagebeziehungen des fraglichen Gebildes (Fig. 23— 25). Das Organ liegt dem mittleren und hinteren Abschnitt des Oesophagus dicht an und reicht dorsalwärts bis zum Magen, dessen vordere Ventralwand es bedeckt. Das letztere ist wenigstens dann der Fall, wenn die Larve sich kontrahiert und das Vestibulum eingezogen hat. Im ausgestreckten Zustand scheint allerdings das Organ sich ventral- wärts zu verschieben und vom Magen und gleichzeitig auch vom Oesophagus weiter zu entfernen; wenigstens entnehme ich das aus der von HarscHek (Fig 26, Taf. XXIX) gegebenen Abbildung einer aus- gestreckten Larve. Nach erfolgter Kontraktion findet man das Ad- vestibularorgan zwischen der hinteren ösophagealen und der vorderen atrialen Wand fest eingeklemmt: die Rückwand schwach eingekrümmt, die Vorderwand tief eingesenkt und den Oesophagus zum großen Teil umhüllend. In den Durchschnitten erscheint daher das Organ nahezu zweilappig, streng bilateral gebaut. Je nach der Stärke der Kontraktion erweist es sich in der Medianebene mehr oder minder auffallend ver- dünnt, und ich habe Bilder gesehen, die den Oesophagus so sehr der Vorderwand des eingestülpten Atriums genähert zeigten, daß stellen- weise in der Medianebene die beiden Seitenteile des Advestibularorgans nur noch durch eine ganz dünne Schicht zusammengehalten wurden. 32 Oswald Seeliger, Der histologische Bau des Organs bietet wenig Besonderheiten, so daß auf die physiologische Bedeutung sich kaum sichere Schlüsse ziehen lassen. Zellgrenzen vermochte ich nicht nachzuweisen, sondern die nur mäßig zahlreichen und stellenweise sogar nur spärlichen Kerne liegen in einer fast gleichmäßigen Plasmamasse ziemlich un- regelmäßig verteilt. An manchen Stellen prävaliert die periphere Lage. Die Kerne zeigen ähnliche Verschiedenheiten, und vielleicht noch stärker ausgeprägt, als die vorher besprochenen Organe sie auf- weisen. Helle bläschenförmige, mit stark färbbarem Nucleolus ver- sehene Kerne finden sich in sehr wechselnden Größen; daneben beobachtet man länglichrunde, wurstförmige, und häufig auch an einem Ende zugespitzte, birnförmige und neben diesen zuweilen ganz unregelmäßig geformte Kerne. Die Plasmamasse des Organs erscheint fast ganz gleichartig feingekörnt und gleichmäßig gefärbt. Nur wenige sehr feine und meist transversal verlaufende Fäserchen ließen sich erkennen, die in ihrem Aussehen an Nervenfibrillen erinnern. Ich würde nicht anstehen, dieses Organ als ein gangliöses Ge- bilde zu deuten, wenn mir, wie es in dem ventralen und dorsalen Ganglion der Fall war, der Nachweis von Ganglienzellen geglückt wäre. Die Konservierung meines Materials war aber in dieser Be- ziehung nicht ausreichend, denn ich habe keine deutlichen Zell- konturen wahrgenommen, halte es aber wohl für möglich, daß in geeigneterer Weise behandelte Larven auch die Zusammensetzung des ösophagealen Advestibularorgans aus einzelnen, bestimmt ge- formten Zellen werden erkennen lassen. Bis dahin muß ich die Deutung des Gebildes für unaufgeklärt halten. Nur das eine möchte ich noch besonders betonen, daß nämlich die Lage des Organs an der Dorsalseite des Atrialbodens und hinter dem Oesophagus völlig übereinstimmt mit der Lage, die das definitive Ganglion im Knospen- tier und im Oozooid nach vollendeter Metamorphose aufweist. Das brachte mich auf den Gedanken, daß das fragliche Advestibularorgar. in der Tat auch das bereits in der Larve vor Beginn der Meta- morphose aufgetretene definitive Ganglion sein könnte. Freilich hat HARMER dieses Organ erst viel später nach der Festsetzung und nach fast vollendeter Drehung der Eingeweide um 180° sich bilden sehen, und ferner könnte das definitive Ganglion sich auch nicht aus dem Mesoderm bilden, wie es das ösophageale Advestibularorgan zu tun schien. Allerdings erwies sich uns die mesodermale Bildung noch als ungewiß. Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 33 3. Das Mesenchym. Abgesehen von dem einen oder andern advestibularen Organ, das vielleicht aus dem mittleren Blatt seinen Ursprung nehmen dürfte, bildet das die primäre Leibeshöhle der Larve erfüllende Mesenchym sich fast ganz zu Bindegewebe und Muskelgewebe um. Nur einige wenige Zellen sind ausgenommen, die zum larvalen Excretions- organ zusammentreten könnten. Allerdings ist die Entwicklung dieses Organs bisher noch nicht sicher erkannt, und auch die Ent- stehung des definitiven Excretionsorgans im geschlechtsreifen Oozooid und in den durch Knospung sich bildenden Individuen ist noch nicht in einer durchaus befriedigenden Weise festgestellt. Wenn HATSCHEK in den Pedicellina-Knospen die beiden Flimmerkanälchen, deren Ver- einigung zu einem gemeinsamen medianen Ausführungsgang nicht beobachtet wurde, vom Mesoderm ableitet, so geschieht dies, wie er selbst sagt, »zumeist aber aus theoretischen Gründen, da meine Beobachtung hier nicht ausreichte«. Während der Bau des Excretionsorgans im ausgebildeten Blasto- zooid (aus der Knospe entstandenes Individuum) durch eine Reihe neuerer Beobachter wie z. B. HArMmEr (1887), EuLers (1890), DAvEN- porT (1893), Scuurz (1901), Srıassy (1905) für Pedicellina und andre Entoprocten-Gattungen festgestellt worden ist, sind wir über das larvale Exeretionsorgan nur ganz unvollkommen unterrichtet. HATSCHEK fand jederseits ein flimmerndes Kanälchen, »welches nur in günstigeren Fällen, bei lebhafter Flimmerung und unter stärkeren Vergrößerungen sichtbar ist. Es verläuft jederseits ganz oberflächlich unter dem Ecetoderm hin... Die Richtung der Flimmerbewegung geht nach dem oberen Ende zu. Trotz Anwendung von stärkeren Ver- srößerungen (HARTNACK, Immersion 10) war es. nicht möglich, das hintere und vordere Ende genau zu verfolgen. Doch schien mir das Hinterende mit einer schwachen Erweiterung in die Leibeshöhle zu münden, das vordere Ende aber mit den dunkelkörnigen, drüsen- ähnlichen Mesodermzellen in Verbindung zu stehen, die zum Teil wenigstens eine reihenweise Anordnung zeigen, und in welchen. ich mehrmals einen Kanal zu verfolgen glaubte; doch sind mir diese Verhältnisse sehr zweifelhaft geblieben. Jedenfalls ist dieser Kanal identisch mit dem Excretionsorgane der erwachsenen Pedicellina.« An der Homologie dieser Organe wird auch meines Erachtens kaum zu zweifeln sein; aber ich glaube nicht, daß das larvale Exeretions- organ sich während der Metamorphose erhält und in das der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIY. Bd. 3 34 Oswald Seeliger, geschlechtsreifen Form übergeht. Das konnte man wohl nur so lange annehmen, als man die tatsächlich nach der Festsetzung sich ab- spielenden Vorgänge nicht kannte und der Ansicht war, daß sich die Larve mit der dorsal gelegenen Kittdrüse, das ist das Dorsal- sanglion, festheftet nnd ohne irgendwelche bemerkenswerte Ver- änderungen zur ausgebildeten Form auswächst, indem einfach der dorsale Larventeil zum Stiel, der ventrale zum Köpfchen sich formt. Da aber in Wirklichkeit die Festheftung mit der ventralen Atrial- seite erfolgt und während der Metamorphose eine Rückbildung mancher larvalen Organe und eine Drehung der persistierenden Gebilde um ungefähr 180° eintritt, ist es kaum anzunehmen, daß sich die larvale Niere erhält. Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, daß die Lagebeziehung, die die larvalen Kanälchen in HATsScHErs Zeichnung (Fig. 26, Taf. XXIX) aufweisen, mit der Lage des definitiven Organs nur im allgemeinen und nicht bis ins einzelne übereinstimmt. Während dieses letztere unmittelbar hinter dem Oesophaguseingang mit einem unpaaren Kanal, der sich in zwei excretorische Kanälchen gabelt, in das Vestibulum einmündet, sollen die beiden getrennten Nieren- kanälchen der Larve ventralwärts weit nach hinten verlaufen, so daß ihre Mündung nicht weit vom After und jedenfalls an der Hinterwand des eingestülpten Mittelabschnitts des Vestibulums liegen müßte. Meine eignen Beobachtungen über die Larvenniere sind nur unvollständig. Ich durfte auch von vornherein gar nicht erwarten, den Bau des Organs an meinem konservierten Material klar zu er- kennen, da sämtliche Larven mit tief eingesenktem Vestibulum an- getroffen wurden und die Niere gerade nur dann gut sichtbar wird, wenn das Vestibulum möglichst weit vorgestülpt ist. Ich mußte mich daher damit begnügen, die Gegenwart von Nierenkanälchen über- haupt feststellen zu können, ohne in das weitere Detail tiefer ein- zudringen. | In feinen Medianschnitten fand ich ein kleines, zart bewimpertes Kanälchen, das dicht hinter dem Oesophagus, noch vor dem Wimper- schopf, in das Atrium mündete. Das Kanälchen verlief nicht in einer Geraden, sondern gekrümmt, in der Art, daß nur in einem Teil eines Schnittes das Lumen zu sehen war, während im andern Abschnitt die Kanalwand selbst der Länge nach getroffen wurde (Fig. 35, Taf. I). In der Abbildung findet man an einer Stelle zwei ziemlich genau sich gegenüberliegende, durch das Kanallumen ge- trennte Kerne in der dünnen Wandung stecken. Es scheint mir daher nicht sehr wahrscheinlich, wenn freilich auch nicht unmöglich, Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 35 daß diese Mündungsregion durch eine einzige Reihe geldrollenartig angeordneter, in der Mitte durchbrochener Zellen gebildet werde. Meines Erachtens entspricht dieses Kanälchen dem unpaaren Aus- führungsgang, zu dem sich die beiden seitlichen excretorischen Ab- schnitte der voll ausgebildeten Pedecellina vereinigen. Allerdings habe ich in meinen Larvenpräparaten eine Gabelung des beschriebenen Kanals nicht beobachten können. In den frontalen Längsschnitten fand ich ein wenig dorsalwärts von der eben geschilderten Region, fest eingepreßt zwischen der vorderen Wand der eingestülpten, den Wimperschopf tragenden Atrialwand und der hinteren Oesophagus- wand ein äußerst dünnwandiges, schräg verlaufendes Kanälchen, das ich dem eigentlichen excretorischen Teil der Niere der ausgebildeten Bryozoe vergleiche. Im Lumen glaube ich den Wimperschopf der Terminalzelle durchschnitten zu sehen (vgl. Textfigur 1 A, S. 27). Eine erneute Untersuchung an geeigneter konserviertem Material wird unschwer volle Klarheit schaffen. Für die Vergleichung der Larve der Pedicellina mit der des Alcyomidium ist aber die genaue Kenntnis der Larvenniere der Entoprocten so gut wie bedeutungslos, da das larvale Exeretionsorgan jener Ecetoprocten gänzlich zu fehlen scheint, jedenfalls bisher nicht festgestellt werden konnte. Bei der Darstellung des Verhaltens des Mesenchyms der Pedi- cellina-Larve, des Bindegewebes und der Muskulatur, strebe ich ebenfalls nicht danach, alle Details möglichst vollständig zu be- handeln. Denn wenn auch eine hohe Übereinstimmung im Verlaufe der wichtigsten Muskelzüge bei Ecetoprocten- und Entoprocten- Larven mit Recht als ein wichtiger Beweis für die nahen verwandt- schaftlichen Beziehungen beider Bryozoengruppen angesehen werden müßte, wird anderseits selbst eine sehr große Verschiedenheit nur wenig gegen diese Auffassung der Zusammengehörigkeit aller Bryozoen beweisen. Es läßt sich sehr leicht vorstellen, wie gewisse Ver- änderungen, die die übrigen Organe der Larve betreffen, notwendiger- weise auch eine Umgestaltung der Muskulatur bedingen. Gegenüber der Pedicellina-Larve fällt bei Alceyonidium, ganz abgesehen von der Rückbildung des Verdauungstractus, das Verhalten des Vestibulums auf, das hier völlig eingezogen verharrt und nicht mehr in beliebiger Weise ein- und ausstülpbar ist. Die Folge ist eine ganz veränderte Bedeutung gewisser Muskelzüge, die sich am Vestibulum inserieren, und der Schwund oder besser das Fehlen zahlreicher Retractoren. Da ich nicht ambitioniere, die Vergleichung der Larven der Ento- procten und Eetoprocten so weit zu führen, daß ich den Versuch Zr 36 Oswald Seeliger, unternehmen möchte, die einzelnen Muskelzüge (ausgenommen ein Paar) da und dort miteinander zu homologisieren, beschränke ich mich hier auf weniges. Wie schon HATscHeEk richtig erkannt hat, verlaufen die größeren Muskelstränge in ziemlich streng bilateral symmetrischer Verteilung. Zur Untersuchung der Muskelanordnung sind die feineren Quer- und Längsschnitte, an denen ich vorwiegend gearbeitet habe, sehr un- geeignet, denn nur selten läßt sich ein Faserzug in einem Schnitt auf einer längeren Strecke wahrnehmen, und die Rekonstruktion durch Aneinanderlegen aller Schnitte einer Serie schien mir, aus dem oben entwickelten Gesichtspunkte heraus, die große Mühe nicht zu lohnen. Dagegen ergab die Untersuchung der Schnitte einige in- teressante histologische Einzelheiten. Die längsten Muskel sind zwei in dorsoventraler Richtung durch die ganze Larve hindurchziehende, der Vorderseite etwas näher liegende Stränge, die sich einerseits an die Atrialwand, anderseits nahe beim Dorsalganglion an der eetodermalen Leibeswand inserieren. In Fig. 8, Taf. I und Fig. 26, Taf. II sind einige zu diesen Muskeln gehörende Fasern getroffen. An beiden Enden lösen sich die beiden als Retractoren bezeichneten Muskel pinselförmig in zahlreiche feine Fasern auf, die die Anheftung besorgen. Besonders ventral fällt die bedeutende Ausbreitung der Muskel auf, dagegen vollzieht sich dorsal die Insertion auf einer viel weniger umfangreichen Strecke der Hautwand. In der Mitte verlaufen die Muskelfibrillen dichter neben einander und erweisen sich leicht als zu einem Muskel zu- gehörig, während ventral die einzelnen durch Gabelung der gröberen Fasern entstandenen Fäserchen so weit auseinanderweichen, daß sie nur noch schwer als zu zwei seitlichen Muskelzügen zugehörig er- kannt werden. Dazu kommt, daß in der Tat auch eine ganze An- zahl kurzer und selbständiger contractiler Fasern auftreten, die neben und zwischen jenen verzweigten Terminalfasern verlaufen und einer- seits direkt zur benachbarten Leibeswandregion hinziehen, auf dem andern Ende sich aber den seitlichen und basalen Wandungen des Atriums verbinden. Diese kurzen Fasern verlaufen nur im gestreckten Zustand, wenn das Atrium hervorgestülpt ist, in annähernd dorso- ventraler Richtung. Wenn sie sich kontrahieren und gleichzeitig die Retractoren das Vestibulum in die Tiefe ziehen, stellen sie sich mehr oder minder schräg, zuweilen stellenweise ziemlich genau senkrecht zur Dorsoventralachse. Ob die Fasern, die sich in der Wimperschopf- region, am sogenannten Epistom, ansetzen und dieses nach innen zu Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 37 einstülpen, ebenfalls aus den beiden seitlichen Retractoren abstammen, ist mir unsicher geblieben. Jedenfalls konnte ich ein so weites Ab- biegen von ursprünglich lateral verlaufenden Muskelfasern nicht direkt beobachten. In dorsoventraler Richtung ziehen ferner die bereits an einem früheren Orte (S. 22) erwähnten Muskel, die nach Art einer Commissur die beiden Ganglien verbinden und von Nervenfasern begleitet werden. Beide Stränge sind nur kurz und verlaufen schwach bogenförmig, der eine die konvexe Seite nach rechts, der andre nach links ge- richtet (Fig. 21). Feine Querschnitte zeigen, daß die Stränge nicht an allen Stellen vollkommen gleichartig gebaut sind, denn nicht überall erscheint der Muskel als ein durchaus einheitlicher Fibrillen- schlauch. In einigen Fällen konnte ieh mich deutlich davon über- zeugen, daß jeder Commissuralstrang ungefähr in seiner Mitte in zwei Teile sich spaltete (Fig. 25, 254, Taf. II), in einen vorderen und hinteren. Beide Teile sind eng miteinander verbunden, in der Art, daß im Durchschnitt achterförmige Figuren entstehen. Jede dieser vier Partien besteht wieder aus etwa drei bis sechs feinen oder etwas gröberen Fäserchen oder Fibrillen, die durch eine zarte Hülle zusammengehalten werden, in der ich Kerne nicht bemerkt habe. Dorsal treten mehrere, möglicherweise alle Fibrillen in das Dorsal- sanglion ein und lassen sich bis tief in dessen Inneres hinein ver- folgen (Fig. 11 und 13). Ventral scheinen die Fasern sämtlich ganz oberflächlich am Oesophagealganglion zu endigen. In manchen Larven konnte ich statt der beiden seitlichen Stränge nur einen median verlaufenden feststellen. Außer den oben erwähnten, an der Vestibularwand befestigten Muskeln gibt es noch eine große Anzahl andrer schräg verlaufender Fasern, die sich zwischen der Leibeswand und den inneren Organen ausspannen und die primäre Leibeshöhle durchsetzen. In den Ab- bildungen sind viele dieser Fasern, und zwar manche in ihrer vollen Ausdehnung, zu sehen; die inneren Enden befestigen sich am Oeso- phagus und in spärlicher Zahl an dem übrigen Darmabschnitt, und an den Advestibularorganen. Im Dorsalabschnitt der Larve finden sich einige transversal verlaufende kontraktile Fasern und Faser- gruppen, die sich mit beiden Enden an der Leibeswand inserieren und durch die ganze Breite der Leibeshöhle hindurchreichen. | Zu erwähnen sind endlich eine ganze Reihe eireulär verlaufender Muskel, die vielleicht alle aus zwei ursprünglich getrennten, rechts und links auftretenden Hälften sich zusammensetzen dürften. So 33 b Oswald Seeliger, wird der Oesophaguseingang von einem Sphineter umgürtet, und im vorderen und mittleren Bereich des Atriums finden sich ebenfalls zwei bis vier, parallel zur Ventralseite verlaufende Ringfaserzüge, die aber vielleicht nicht alle vollständig geschlossene Reifen darstellen. Weiter dorsal, unmittelbar vor der Magengegend fand ich bei einigen Larven jederseits einen schräg von dorsal vorn nach hinten ventral zu sich erstreckenden halbkreisförmigen Muskel, und außerdem sieht man allenthalben kurze bogenförmige Fasern seitlich auftreten. Die kurzen Muskel bestehen nur aus einer einzigen Zelle, die längeren setzen sich aus einer Zellreihe zusammen. Die contractile Substanz wird nur an bestimmten Stellen und nicht allseitig von der Myoblastenzelle abgeschieden und zeigt in ihrem Verhalten zwei ver- schiedene Typen. Zumeist scheidet jede Zelle eine wechselnde Zahl (gewöhnlich etwa 1/, Dutzend, zuweilen mehr bis ungefähr 10, oder weniger bis nur 2) Fibrillen aus, die im Querschnitt als gröbere oder feinere, stark lichtbrechende Körnchen erscheinen und in einer Schicht peripher gelagert sind. Die einzelnen Fibrillen sind fast immer ganz glatt und gleichartig. In einigen Fällen habe ich aber in nicht ganz gleichmäßigen Ent- fernungen dunkle Querstreifen angetroffen, die mir eine beginnende Querstreifung anzudeuten schienen (Fig. 32). Schneidet man mitten durch die Myoblastenzelle, etwa da, wo der Kern liegt, so sieht man die Fibrillen nur einen geringen Teil der Zelloberfläche einnehmen. Schneidet man in der Nähe der Zell- enden, so findet man verhältnismäßig wenig protoplasmatische Zell- substanz oder Sarcoplasma, während die Fibrillen über einen großen Teil der Oberfläche sich ausbreiten (Fig. 38B). Die in der Zellmitte ziemlich flach daliegende Fibrillenschicht krümmt sich nach den Enden zu immer stärker rinnenförmig ein und kann gelegentlich zu einer vollkommenen Röhre schließen, die wie ein Mantel die centrale Plasmasubstanz allseitig umschließt. In der Mehrzahl der Fälle löst sich aber das Fibrillenband peripher in mehr oder minder zahlreiche pinselförmig auseinander weichende Ästchen auf, die aus einer oder nur wenigen Fibrillen! bestehen und die Insertion an die zu bewegenden 1 Ich nenne hier »Fibrillen« die Fäserchen der contractilen Substanz, die bei Anwendung selbst starker Vergrößerungen (1400/1) einheitlich und un- geteilt erscheinen, wenigstens dann, wenn keine besonderen Macerationsmetho- den eingeführt wurden. Es mag sein, daß diese Fibrillen sich selbst wieder in komplizierter Weise aus »Primitivfibrillen« zusammensetzen. Den Aus- druck Fibrille nur für diese letzteren anzuwenden, wie manche wollen, halte ich für durchaus unzweckmäßig. Uber die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 39 Organe und Gewebe bewerkstelligen (Fig. 404 u. 5). Ist die Auf- lösung eines Muskelendes bis zur isolierten Fibrille fortgeschritten, so läßt sich an dieser eine sie begleitende Sarcoplasmaschicht in der Regel nicht mehr erkennen. Ein zweiter Modus der Bildung und des Verhaltens der contractilen Substanz besteht darin, daß diese letztere nicht in Form einzelner getrennten Fibrillen, sondern als ein ge- wöhnlich nur schmales aber einheitliches Band abgesondert wird (Fig. 384). Ich habe natürlich erwogen, ob dieser Unterschied nicht vielleicht lediglich durch eine verschiedene Einwirkung der Konser- vierungsflüssigkeit oder der angewendeten Agentien überhaupt her- vorgerufen sein möchte, kann aber für diese Ansicht keine Beweise beibringen. Eher möchte ich im Gegenteil annehmen, daß die band- förmig abgeschiedene contractile Substanz ein niederes, bei manchen Muskeln zeitlebens persistierendes Stadium der Entwicklung darstellt, und daß zuweilen erst nachträglich eine Spaltung und Auflösung der contractilen Schicht in Fibrillen erfolgt. Die Spaltung scheint stets an den Enden der Muskelzelle zu beginnen. Wo Muskeln in reicherer Weise sich verzweigen, bemerkt man zuweilen Andeutungen von Muskelnetzen, indem die Enden einer Muskelzelle sich mit den Fasern einer andern Zelle verbinden und verwachsen, ohne direkt die zu bewegenden Organe zu erreichen. Die Endigungsweise der Muskel bietet zuweilen Besonderheiten. Daß die Fibrillen tief in das Dorsalganglion eindringen können, um sich mitten in diesem fremden Gewebe allmählich zu verlieren, habe ich oben (S. 22) bereits bemerkt. Aberauch an der Leibeswand und am Atrium und Oesophagus findet man stellenweise ein derartiges Ein- treten der Fibrillenenden in und zwischen die Zellen (Fig. 31, 32, 37). An vielen Stellen endigen aber auch die Fibrillen ganz oberflächlich an den Epithelzellen (Fig. 39, 40. B). Die Bindegewebszellen, die neben den Muskelzellen in der primären Leibeshöhle sich finden, weisen sehr verschiedene Formen auf. Im allgemeinen läßt sich vielleicht sagen, daß rundliche und nur wenig sternförmige Elemente vorherrschen. Reicher dendritisch verzweigte Zellen habe ich nur ganz vereinzelt gesehen, blieb aber dann darüber im Unsicheren, ob es sich nicht gleichzeitig auch um Netze von contractilen Fasern handelte, an die sich eine Bindege- webszelle angesetzt hatte. Zwischen den zelligen Elementen bleiben umfangreiche Liücken- räume der primären Leibeshöhle bestehen. Diese ist gleichmäßig mit einer hellen Flüssigkeit erfüllt, die vom umgebenden Seewasser 40 Oswald Seeliger, chemisch nur wenig sich unterscheiden und nur wenig Eiweiß gelöst enthalten dürfte. Diese Leibeshöhlenflüssigkeit befindet sich fast unausgesetzt in Bewegung, denn bei jeder durch die Muskel- kontraktionen veranlaßten Veränderung der Körperform muß sie nach den verschiedensten Richtungen hin ausweichen und die Leibeswand an dieser oder jener Stelle zur Ausstülpung bringen, wenn an einer andern die Kontraktion eintritt. Besondere Blutzellen fehlen in der Leibeshöhle. II. Die Larve des Aleyonidium mytili. Larven der Gattung Aleyonidium sind bereits seit dem Jahre 1837 bekannt und wurden in den folgenden Jahren zu wiederholten Malen untersucht. Zu nennen sind im besonderen die Arbeiten von FARRE (1837), HassauL (1841), DALyEur (1847), Hıncks (1851, 57) und P. J. VAN BENEDEN (1845). Manche dieser Beobachter haben auch Abbil- dungen von Larven veröffentlicht, die vielleicht für die damalige Zeit ganz anerkennenswert waren, bald aber doch ebensowenig genügen konnten, wie die Beschreibungen. Einen wesentlichen Fortschritt die- sen älteren Untersuchungen gegenüber bedeuten die späteren Befunde BaArroıs (1877). Wenngleich auch in diesen die innere Larvenorgani- sation nur mangelhaft erkannt ist, liefert der Verfasser anderseits doch wieder eine Reihe ausgezeichneter Abbildungen, die eine deutliche Vorstellung von der freischwimmenden Larvenform geben. Der dis- eusähnliche Larvenkörper in seinen verschiedenen Kontraktionszu- ständen wird von BARRoIs so gut dargestellt, daß ich hier eine ein- gehendere Beschreibung der Form der Larve unterlassen kann, indem ich auf jene Abbildungen verweise. Erst HArMmER (1887) nnd CALvET (1900) haben in Beziehung auf den inneren Bau der Larve weitere Klarheit geschaffen, und ich werde in der nachfolgenden Darstellung noch mehrfach Gelegenheit nehmen müssen, auf die Ergebnisse dieser Forscher zurückzukommen. Wenn ich sie auch in den meisten Punkten bestätigen kann, bin ich anderseits doch auch namentlich in der Kenntnis des histologischen Baues der Alcyonidium-Larve weiter zekommen und weiche überdies auch in der Deutung mancher Organe von meinen Vorgängern ab, so daß mir eine erneute Beschreibung, wie ich sie im folgenden gebe, nicht überflüssig zu sein scheint. Von fundamentaler Wichtigkeit für die Vergleichung der ver- schiedenen Bryozoenlarven miteinander ist die Wahl einer zutreffenden und übereinstimmenden Orientierung. Wie schon HARMER richtig bemerkt hat, hat LANnKESTER die Larven der Eetoprocten und Ento- Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 41 proeten verkehrt orientiert, die einen mit der Dorsalseite, die andern mit der Ventralseite nach oben oder umgekehrt. Das gleiche Vor- gehen findet sich auch in den bekanntesten Lehr- und Handbüchern von BALFOUR und KORSCHELT-HEIDER. Eine richtige Vergleichung und weitgehende Übereinstimmung ergibt sich aber leicht, bei über- einstimmender Anordnung, wie sie von mir in Taf. III u. IV gewählt ist. So wie die Pedicellina-Larve ist auch die des Aleyonidium streng bilateral symmetrisch gebaut, wenngleich auch hier mit den starken Kontraktionen der Muskulatur sehr auffallende Formveränderungen verbunden sind, die die Bilateralität in bemerkenswerter Weise vor- übergehend stören können. An der unkontrahierten Larve ist die Medianebene leicht zu erkennen und ebenso läßt sich unschwer fest- stellen, daß die beiden Endpunkte der in ihr liegenden Hauptachse verschieden sind. Dem einen Ende nahe, ich bezeichne es als das Vorderende, liegt das sog. birnförmige Organ mit der grubenförmigen Wimpereinstülpung oder Sinnesgrube (ventrales Centralnervensystem); auf der gegenüberliegenden Hinterseite fehlt ein entsprechendes Ge- bilde, und hier breitet sich das Vestibulum (sog. Innensack oder sac interne) vornehmlich aus. Die ventrale und dorsale Seite unter- scheiden sich sehr auffallend, denn die obengenannten Organe liegen durchaus ventral, während auf der Rückenseite das sog. retractile Scheibenorgan (dorsales Nervenorgan, sich ausbreitet. Dorsal- und Ventralregion sind voneinander scharf geschieden durch zwei parallele und um den ganzen Larvenkörper cireulär verlaufende Gebilde: durch den mehr ventral liegenden Wimperkranz und die dorsalwärts dicht benachbarte Ringfurche (Fig. 41—44, Taf. ID). Hält man in der eben beschriebenen Orientierung die Pedicellina- und Alcyonidium-Larven zusammen, so wird, trotz aller bemerkens- werten Übereinstimmungen, doch auch sofort ein wichtiger Gegensatz auffallen, auf den ich gleich an dieser Stelle hinweisen muß. Es handelt sich um das Fehlen eines deutlich epithelialen, in mehrere Abschnitte gegliederten Verdauungstraetus. Früher glaubte man, die Aleyonidium-Larve entbehre vollkommen eines entodermalen Darm- kanals; HARMER hat aber in einem jüngeren und älteren Embryonal- stadium die Ausbildung des Darmes beobachtet. Ventral in der Medianebene liest seinen Angaben zufolge unmittelbar hinter der Sinnesgrube die Mundöffnung, die in einen schlanken, nur stellen- weise mit einem Lumen versehenen Oesophagus führt. Die Oeso- phagealwand ist überall bedeutend dicker als das Lumen und verläuft bogentörmig dorsalwärfs zu, indem sie mit ihrer Hinterwand die 42 Oswald Seeliger, vordere Vestibularwand dicht umschließt. Das dorsale und hintere Ende des Oesophagus führt in den Magen, der vorübergehend eine außerordentlich umfangreiche Ausdehnung zeigt und reichlich die Hälfte des ganzen Larvenvolumen bilden kann, indem er die größere hintere Larvenpartie vollkommen ausfüllt. Eine Afteröffnung fehlt, obwohl HArMER im ältesten Embryo hinter dem Vestibulum median und ventral eine bewimperte Grube zeichnet, mit deren Basis das hinterste ventrale Darmende vollkommen innig verwachsen ist. Die Darmwandungen besitzen an den verschiedenen Stellen eine sehr ver- schiedene Dicke; nur da, wo sie verhältnismäßig dünn sind, liegen die Kerne in einer Schicht nebeneinander, wo sie dick sind, findet man die Kerne in mehreren Schichten unregelmäßig angeordnet. Zell- grenzen fehlen durchaus, zum Teil sehr große Dotterkörper liegen in reicher Menge allenthalben im Plasma. Wenn ich auch nicht bezweifle, daß in Embryonen der Darm- tractus von den benachbarten Organen und Geweben fast allenthalben noch scharf abgegrenzt ist, so muß ich doch betonen, daß in den freischwimmenden Larven, die ich untersucht habe, ein wohl differen- zierter Darm nicht mehr existiert, so daß es hier überhaupt zweifelhaft erscheint, ob die Deutung als Darm gerechtfertigt sein möchte. Genau dort, wo an den HarmeErschen Embryonen der Mund sich öffnet, fand ich zumeist nur eine kurze, wenig tief eingesenkte Eetodermbucht, die zuweilen nur kaum merklich war (Fig. 55), in wenigen Fällen aber sich als eine sehr ansehnliche röhrenförmige Ver- tiefung darstellte (Fig. 51, 52). Im Gegensatz zu HARMER habe ich das eingestülpte Epithel ziemlich flach und nur von wenigen kleinen Dotterkörpern durchsetzt, das Lumen zuweilen vollständig geschwunden angetroffen. War noch eine umfangreichere Vertiefung erhalten, so ließ sich nur um deren Ventralpartie ein einschichtiges Epithel er- kennen, der dorsale, etwas erweiterte Abschnitt war von unregel- mäßig angeordneten Zellen umgrenzt und abgeschlossen (Fig. 51). Während sich hier noch ein einheitlicher aber stark verkürzter Darm- tractus nach außen öffnete, ist er in andern Larven bereits in einzelne Abschnitte zerfallen und mit der Leibeshöhle in Verbindung getreten. Man findet dann an verschiedenen Stellen kleine oder größere nur noch unvollkommene Hohlräume umschließende Epithelflächen, die ich auf den Darmkanal der jüngeren Stadien zurückführe. Sehr lange scheint gewöhnlich ein solcher Rest des Magens dorsal in der nächsten Nachbarschaft des dorsalen nervösen Centrums zu bestehen (Fig. 65, 67, Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 43 Taf. IV). Häufig, aber durchaus nicht immer, sind in diesen ab- getrennten Entodermstücken große Dotterkörper enthalten. Wenn ich diese Abschnitte dem Darmtractus und damit dem inneren Blatt zurechne, geschieht es nicht ohne allen Vorbehalt, denn ich habe kein sicheres Kriterium gefunden, das mir gestattet hätte, diese Gewebe und um so mehr noch die in der Auflösung weiter fort- seschrittenen, vom Mesenchym der Leibeshöhle scharf zu unterscheiden. Auch ursprüngliche Mesenchymzellen legen sich erst nachträglich an verschiedenen Stellen zu Endothelflächen zusammen, die dem Darm- epithel sehr ähnlich werden; und ohne Kenntnis der Genese sind beide nicht auseinander zu halten. Das Verhalten des Darmtractus bei Aleyonidium-Larven ist also segenüber der Pedkcellina im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß das Organ nicht persistiert, sondern früh sich zurückzubilden beginnt noch auf dem freischwimmenden Stadium, vor der Fest- setzung. Ein weiterer Unterschied, auf den ich im vergleichenden Teil noch werde zurückkommen müssen, besteht in der Lagebeziehung der beiden Darmenden zu der Vestibulareinstülpung. 1. Der nervöse Apparat. So wie bei der Beschreibung der Pedikcellina-Larve stelle ich auch in dieser Darstellung den nervösen Apparat voran. Das charakte- ristische Moment besteht darin, daß hier, wie bei den Entoprocten, zwei miteinander verbundene nervöse Centralorgane vorhanden sind, von denen das eine ventral, das andre dorsal gelegen ist. Die gleichen Gebilde unterscheiden sich aber in den beiden Gruppen nicht ganz unbedeutend in ihrem feineren Bau, und im allgemeinen läßt sich nicht verkennen, daß die betreffenden Organe der Pedicellina von den benachbarten Geweben schärfer abgetrennt und mehr in die Tiefe gerückt erscheinen. Anderseits ist bei Alcyonidium-Larven die histologische Sonderung in den Organen eine viel reichere, die Zahl der verschiedenen Zellformen eine viel bedeutendere. a. Das ventrale Nerven-Drüsenorgan (Ventralganglion). Das ventrale Nerven-Drüsenorgan, das ich dem oralen oder ösopha- gealen Ganglion der Entoproeten verglichen habe, ist ein ziemlich kompliziertes Gebilde. Seine Lage ist sehr leicht festzustellen, denn es verrätsich auf der Ventralseite, vorn, in der Medianebene als eine seicht eingestülpte etwas längsgestreckte Wimper- oder Sinnes- grube (fente eiliee der französischen Autoren). Die Form dieser variiert 44 Oswald Seeliger, sehr bedeutend, zumal sich gerade hier an der inneren Seite der Grubenwandung eine Anzahl kräftiger Muskel ansetzen, die Rand und Boden der Grube in der mannigfachsten Weise bewegen, einziehen, bald wieder schnauzenförmig ausstrecken können, so daß die Sym- metrie zuweilen bedeutend gestört erscheint. Daher erhält man in medianen Schnitten sehr wechselnde Bilder der Grube, findet diese seichter oder tiefer, schwächer oder stärker aufgewulstet. Bemerkens- wert ist, daß gleichzeitig mit diesen Gestaltsveränderungen auch die einzelnen Zellformen im Bereiche der Wimpergrube sich ver- ändern, indem sie bei Kontraktionen der benachbarten Muskelfasern sich verlängern oder verkürzen. Ob die ganze Grubenbasis ganz gleichmäßig bewimpert ist, habe ich nicht festgestellt, jedenfalls aber trägt der Grübcehenrand, namentlich nach vorn hin, besonders starke Wimpern, die schon FArRE (1837) beobachtet hatte. Gelegent- lich sieht man eine Art Wimperschopf aus der Grube weit hervor- ragen und lebhaft hin und her schlagen. BArroıs beschreibt dieses Wimperbüschel mit folgenden Worten: »on constate de plus, ’appa- rition, au dessus du pharynx, d’autres cils egalement assez longs, reunis en un espece de plumet explorateur«.. Die Bedeutung der Wimpergrube hat Barroıs aber vollständig verkannt. Er deutete sie als den Larvenmund, der auf frühen Stadien schon als kleine, kreisförmige Öffnung aufgetreten wäre, gegen Ende des Embryonal- lebens aber eine lange schlitzförmige Gestalt gewonnen habe. Die Mundöffnung sollte in den Pharynx und dieser in den zweigelappten Magen führen. Das von BArroıs als Magen gedeutete Gebilde ist, wie weiter unten dargetan ist, in Wirklichkeit das Vestibulum. Eine besondere Afteröffnung konnte BArrRo1S nicht nachweisen, er glaubt aber, daß vielleicht doch eine solche weiter hinten und ventral sich finden dürfte. Jedenfalls ist der Darmtraetus, den BArroIs erkannt zu haben glaubte, ein ganz andres Gebilde als das, das HARMER als Darm auffaßt. Nach CALvEr soll die mediane Vorderlippe der Sinnesgrube bei Bugula-Larven einen recht eigenartigen Bau zeigen und aus drei ın verschiedener Weise differenzierten Zonen bestehen. Die vorderste, an den Wimperkranz grenzende Region wird von Drüsenzellen gebildet (systeme glandulaire superieure) und umschließt eine seichte Delle (fossette superieure). Die mittlere springt als Papille scharf hervor und trägt lange kräftige Geißeln (papille du plumet vibratile). Die hinterste beteiligt sich bereits an der Bildung des Wimpergruben- bodens und enthält Drüsenzellen (systeme glandulaire inferieure). Bei Uber die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 45 Aleyonidium finde ich nicht, daß die gleichartig histologisch differen- zierten Zellen immer zu Gruppen vereinigt sind. Der Teil der Leibeswand, der die Wimpergrube umgibt, wird gewöhnlich als ein besonderes und selbständiges Organ angesehen und hat verschiedene Namen erhalten. Der bekannteste ist‘ birn- förmiges Organ oder organe piriforme Ob es überhaupt Bryozoenlarven gibt, bei denen ein besonderes birnförmiges Organ neben der Wimpergrubenwand und dieser nur lose verbunden vor- kommt, ist mir sehr zweifelhaft. In den Zeichnungen der früheren Autoren findet man zuweilen ein solches Verhalten angedeutet, und KorsCHELT und HEIDER haben in dieser Weise das birnförmige Organ der Dugula-Larven dargestellt, allerdings nur unter Zugrundelegung älterer Literaturberichte und nicht auf eigne Beobachtungen hin. Bei Aleyonidium-Larven stellt das birnförmige Organ lediglich einen eigenartig differenzierten Teil der äußeren Leibeswand dar, dessen histologischer Charakter darüber keinen Zweifel bestehen lassen kann, daß es sich um ein drüsiges und nervöses Organ handelt. Im Gegensatz zu dem Verhalten an fast allen andern Stellen zeigt hier die Leibeswand nicht mehr die typische Einschichtigkeit. Wenn zwar auch einzelne besonders lange Zellen immerhin noch durch die ganze Dicke der Wand hindurchreichen, finden sich ander- seits auch viele Elemente, die ganz an der Innenseite liegen und die Oberfläche nicht mehr erreichen. Diese zum Teil schon subepithelial liegenden Zellen haben sich sämtlich zu nervösen Elementen differen- ziert, während die oberflächlichen besonders Flimmer- und Drüsen- zellen geworden sind und eine bedeutende Länge erreichen. Dieses histologische Verhalten veranlaßt mich zur Bezeichnung »ventrales Nerven-Drüsenorgan«. Das ganze Organ stellt also gleichsam eine nach innen in die Leibeshöhle hineinragende, polsterförmige Ver- diekung der ectodermalen Leibeswand dar. Vorn reicht die Ver- diekung bis zum Wimperkranz bzw. bis zu seinem ventralen Grenz- streifen, hinten bis zur Eetodermbucht und Mundöffnung (Fig. 51, 52, 55, 60); nach rechts und links hin flacht sie sich ganz allmählich ab, so daß das Organ seitlich nicht scharf umgrenzt scheint (Fig. 67). Die Untersuchung des feineren histologischen Baues dieser wich- tigen Zellgruppe wird dadurch in außerordentlicher Weise erschwert, daß alle Elemente mehr oder minder reichlich mit Dotterkörperchen beladen sind. Finden sich besonders große Dotterschollen in großer Zahl, so zeigt das Gewebe eine hohe Neigung in unregelmäßige Teilchen zu zerbröckeln, und in den feinen Schnitten sind die ein- 46 Oswald Seeliger, zelnen Zellen dann meist nur sehr schlecht zu erkennen. Zu Klopf- oder Macerationspräparaten habe ich daher nur Schnitte durch solche Larven verwendet, die verhältnismäßig wenig Dotter aufgespeichert hatten. Am zahlreichsten sind im Organ die Flimmer- und Drüsen- zellen, die ich beide nur als Modifikationen ein und desselben Zell- typus betrachte. Die lang prismatischen Zellen tragen alle an ihren freien Enden einen deutlichen doppeltkonturierten Cuticularsaum, der von den verdiekten Basalenden der Wimpern durchsetzt wird. Wenn auch freilich nicht in allen Zellen, so lassen sich doch in vielen die inneren Flimmerenden bis weit in das Plasma hinein verfolgen, zu- weilen bis in die Zellmitte, in die nächste Nachbarschaft des Kerns (Fig. 59). Die ganzen äußeren Zellhälften erscheinen dann sehr fein längsgestreift. Die feinen Fibrillen verlaufen fast immer genau parallel den Zellgrenzen, konvergieren also ein wenig nach innen zu, wenn die Zelle pyramidenähnlich geformt ist. Der parallele Verlauf wird auch dann gestört, wenn im äußeren Teil der Flimmerzellen Dotter- körper lagern, denn die Fibrillen nähern sich dann einander und treten bündelweis zwischen den Dotterschollen hindurch, da sie sie nicht zu durchsetzen vermögen. Auch in den Zellen des Wimper- kranzes kann man in ganz ähnlicher Weise feststellen, wie die Fortsätze der Wimpern vor den Dotterkörpern ausbiegen. Der Leib der Flim- merzellen erscheint nicht immer an allen Stellen ganz gleichartig. Häufig läßt sich an einem Zellrand ein Längsstreifen stärker färb- baren Protoplasmas unterscheiden, und zuweilen wiederholt sich das Verhalten bei zahlreichen benachbarten Zellen, so daß in den Schnitten dunkle Längsstreifen in ziemlich regelmäßiger Anordnung auftreten (Fig. 55). Fast immer erscheinen diese verdickten Plasmastreifen. am äußeren Zellenende breiter als am inneren. Die Drüsenzellen unterscheiden sich von diesen Flimmerzellen lediglich dadurch, daß in ihnen Excretstoffe abgelagert sind. Diese scheinen in zweierlei Form abgeschieden zu werden: erstlich als homogene Flüssigkeitstropfen und zweitens als festere Körnchen. Doch dürften zwischen beiden Extremen alle möglichen Zwischenformen vorkommen. Zuweilen erscheint die Drüsenzelle wie eine typische Becherzelle mit großem Secrettropfen und dünner peripherer Plasma- schicht (Fig. 59). Manchmal wieder gleicht die Drüsenzelle einem srobschaumigen Gebilde, und ich war häufig nicht mehr imstande die benachbarten Elemente voneinander abzugrenzen, denn mehrere Kerne lagen in unregelmäßiger Verteilung in der schaumigen Masse Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 47 (Fig. 67). Endlich tragen manche Drüsenzellen einen körnigen Inhalt. Die Körner haben zumeist einen etwas gelblichen Farbenton und scheinen in ihrer Konsistenz verschieden zu sein. Oft sind sie nur zäh flüssig, oft aber auch ziemlich fest und verschieden groß, und ich habe zuweilen bereits abgestoßene Körnchen gesehen, die in allen Stücken den gelben Dotterkörperchen glichen (Fig. 67), so daß ich annehmen muß, daß zwischen diesen und den Secretkörnchen Übergänge bestehen und daß auch die Dotterelemente gelegentlich aus den Zellen entfernt werden können. Beobachtet man die lebende Larve, so überzeugt man sich leicht, wie aus der Tiefe der Wimpergrube Secrettropfen und -körnchen hervortreten und wie diese von den Wimpern ergriffen und an der Oberfläche hin und her geworfen werden. Übrigens treten die Ex- crete auch im Bereich des Wimperkranzes und der Ringfurche auf, da auch in diesen Regionen Drüsenzellen vorkommen. Eine Ver- schiedenheit des von den verschiedenen Körperregionen stammenden Secrets habe ich nicht bemerkt. Ob die Ausscheidungen lediglich die Bedeutung von Excereten haben, d. h. Stoffe sind, die im Interesse der Wohlfahrt der Larve notwendigerweise entfernt werden müssen, oder ob es sich um Secrete handelt, die weiterhin noch gewisse Auf- gaben zu erfüllen haben, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Kerne der Flimmer- und Drüsenzellen sind zumeist ziemlich groß und bläschenförmig, kugelähnlich. Zuweilen sind sie sehr aus- geprägt länglich und zuweilen auch ziemlich unregelmäßig geformt, gebogen, wurstförmig oder herzförmig (Fig. 62, 63, 64). Hin und wieder treten ganz besonders große Kerne auf. Die unregelmäßigen Kernformen scheinen mir die bereits beginnende Rückbildung des Gewebes anzudeuten. Wie bereits angedeutet wurde, halte ich die Flimmer- und Drüsenzellen für prinzipiell nicht verschiedene Elemente, sondern ich stelle mir vor, daß alle Flimmerzellen die Fähigkeit besitzen, zu secernieren. Ob auch alle Zellen während des kurzen Larvenlebens dazu kommen, diese ihre Fähigkeit zu betätigen, vermag ich freilich nicht zu entscheiden. Zwischen den Flimmer- und Drüsenzellen bemerkt man in un- regelmäßiger Verteilung einzelne fast stäbchenförmige Zellen, die Sinneszellen. Sie haben frühzeitig einen eigenartigen Weg der Differenzierung eingeschlagen, und ihre Rückverwandelung in ge- wöhnliche Flimmerzellen der Leibeswand erscheint ausgeschlossen. Ihr Körper enthält niemals gröbere Dotterkörper, ihr chromatinreicher 48 Oswald Seeliger, Kern ist ziemlich langgestreckt und wird vom leicht färbbaren Plasma fest umschlossen (Fig. 59, 65, 64). Nicht ganz klar erkannt habe ich das äußere Zellende. Einen starren, von den benachbarten Wimpern scharf sich unterscheidenden Fortsatz habe ich mit Sicher- heit nicht wahrnehmen können. War das äußere Zellende spitz, so konnte ich zumeist keine Erhebung der Zelle über die Körperober- fläche bemerken, erwies sich das Ende verbreitert (Fig. 59), so trug es Wimpern, wie die benachbarten Zellen. Wenn ich trotzdem diese Elemente als Sinneszellen deute, so beruht das auf dem Verhalten der inneren Zellenden. Diese laufen bei allen Sinneszellen in eine lange feine Faser aus, die sich den subepithelial liegenden Nerven- fasern beimischt (Fig. 59). Häufig gabelt sich das spitze Ende, und die beiden Terminalfasern laufen in einem großen Winkel, zuweilen nach genau entgegengesetzten Richtungen, auseinander (Fig. 63, 64). Selten nur lassen sich diese inneren Fäserchen auf lange Strecken hin verfolgen. Da sie schwach wellenförmig verlaufen, biegen sie bald aus der Ebene der feinen Schnitte aus und werden unsichtbar. Als letzte Zellform sind die Ganglienzellen zu nennen. Wie oben bereits bemerkt wurde, bildet sich die Verdiekung des »birn- förmigen Organs« in der ventralen Leibeswand nicht nur dadurch, daß die Zellen dieser Region eine bedeutendere Höhe gewinnen, sondern gleichzeitig auch in der Weise, daß das Epithel mehrschich- tig wird. Es scheint, daß nur ganz ausnahmsweise mehr als zwei Zellschichten übereinander liegen; vielleicht tritt das nur dann ein, wenn bei starken Leibeskontraktionen die Zellen sich stärker gegen- einander verschieben und das Epithel stärker verdickt. Die zwei- schichtige Anordnung findet sich aber an mehreren Stellen beständig, auch im vollständig ausgestreckten Tier. Die inneren Zellen liegen zum Teil noch zwischen den inneren Fortsätzen der Zellen der äußeren Schicht, also interepithelial, zum Teil auch bereits vollständig subepithelial. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß alle in der Tiefe liegenden Zellen solche Elemente sind, die ursprünglich ganz im einschichtigen Epithelverband lagen und erst nachträglich aus diesem sich lösen und subepithelial- wärts in die Tiefe rückten. Die noch ganz im Epithelverband steckenden Zellen ähneln den oberflächlichen in hohem Maße, nur daß sie natürlich keine Flimmern bilden. Sie sind ziemlich schlank, keulenförmig und treten zumeist mit dem einen spitzen Ende in die primäre Leibeshöhle ein (Fig. 60). Die subepithelial gewordenen Zellen haben sich zum größten Teil zu typischen Ganglienzellen Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 49 differenziert. Neben birnförmigen Zellen findet man bi- und multi- polare, deren lange Faserfortsätze neben und zwischen den Fort- sätzen der Sinneszellen verlaufen und in hervorragender Weise sich an der Bildung des subepithelialen Faserplexus beteiligen. Einen Unterschied zwischen den von Sinneszellen und Ganglienzellen ent- springenden Fäserchen habe ich nicht feststellen können. So wie die epithelialen Flimmerzellen sind auch die meisten subepithelialen Ganglienzellen mit sehr wechselnden Mengen von Dotterkörperchen erfüllt. Zuweilen sind die Körner so groß und zahlreich, daß die Zelle ganz aberrant geformt und als Ganglienzelle kaum noch kennt- lich erscheint. Ich glaube, daß dann in der Tat auch bereits das Organ, das ja nur larvale, transitorische Bedeutung hat, funktionslos geworden und in die Rückbildung eingetreten ist. An der Innenseite der polsterförmigen Verdickung liegen Mesen- chymzellen und manche dieser flachen sich sehr beträchtlich ab und verbinden sich zu einem flachen Endothel, das das Organ kapsel- artig umgibt. Ich habe aber niemals die Schicht vollkommen ge- schlossen gefunden, sondern an mehreren Stellen bestehen in der‘ Endothelkapsel Lücken, so daß hier die primäre Leibeshöhle direkt vom birnförmigen Organ begrenzt wird und zwar von den Ganglien- zellen oder den Nervenfasern. Freilich erscheint zuweilen das Endo- thel so fein wie eine zarte Membran (Fig. 67 und 658) und kann dann sehr leicht übersehen werden. In manchen Fällen hebt es sich in- folge der Präparation von der Leibeswand etwas weiter ab, und auch dann scheint das birnförmige Organ frei in die Leibeshöhle hineinzuragen. In allen Fällen aber ist die mesenchymatöse Kapsel- membran im Centrum der Verdickung unterbrochen, denn hier erhebt sich aus dem subepithelialen Nervengeflecht ein ziemlich kräftiger Nervenstrang. Der Nerv durchsetzt die primäre Leibeshöhle in dorsoventraler Richtung und verbindet sich einer zweiten polster- förmigen Verdickung, die im Vorderabschnitt des Dorsalfeldes in der Leibeswand aufgetreten ist (Fig. 52, 55, 60). Auch der Nerv wird von einer sehr feinen Mesenchymscheide unvollkommen umschlossen, und stellenweise liegen ihm größere oder kleinere Gruppen von ab- serundeten Bindegewebszellen an. Begleitet wird ferner der Nerv von einem sehr kräftigen Paar Dorsoventralmuskeln, die sich zwischen der Dorsalscheibe und der ventralen Verdickung des birnförmigen Organs ausspannen und bei ihren Kontraktionen die beiden nervösen Centra einander näher bringen, genau so, wie es die Muskelcommissur der Pedicellina-Larve mit den beiden Ganglien tut. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 4 50 Oswald Seeliger, - Die Fibrillen des Dorsoventralnervs breiten sich auf der Ven- tralseite der Larve an der Innenwand der polsterförmigen Verdickung des sog. birnförmigen Organs aus. Wie sie mit den Ganglienzellen und Sinneszellen zusammenhängen, ist nicht beobachtet worden; jedenfalls findet man an der Stelle, an welcher der Dorsoventralnerv aus dem ventralen Nervenapparat entspringt, eine sehr reiche Menge Nervenfasersubstanz den subepithelialen Ganglienzellen auf- und an- liegen. Von dieser Hauptmasse der Fasersubstanz entspringen noch zwei weitere Nerven, die bereits HARMER bemerkt hat. Beide Ner- venstränge liegen, der eine rechts, der andre links, dem birnförmigen Organ dicht an und werden von dem endothelialen Überzug bedeckt und von der Leibeshöhle abgegrenzt. Sie verlaufen ziemlich genau quer über die ganze Ventralseite und endigen jederseits am Wimper- kranz (Fig. 67). In einem an geeigneter Stelle geführten Querschnitt durch eine Larve bilden die Nerven die Figur eines verkehrten Y. Die Fasern der beiden ventralen Schenkel entspringen zum guten Teil aus den Fasern des dorsoventralen Hauptstammes, aber nicht alle Fäserchen haben eine so bedeutende Ausdehnung, viele ent- springen an der Gabelstelle und verlaufen nur in einem der drei Stämme ohne in den andern umzubiegen. Am Wimperkranz löst sich jeder der beiden Ventralnerven pinselförmig in feinste Fibrillen auf. In mehreren Larven ließ sich mit voller Deutlichkeit erkennen, daß die Fibrillen in die großen Zellen des Wimperkranzes eintreten, das ganze Plasma durchsetzten und in die basalen Enden der Wimpern sich kontinuierlich festsetzten (Fig. 68). Ich glaube, daß an der Basis des Wimperkranzes ein vollständiger Ringnerv verläuft, der im Vorderabschnitt der Larve mit den beiden seitlichen Ventral- stämmen im Zusammenhang steht. Daher findet man in sehr feinen Querschnitten durch den Wimperkranz an der Basis der großen Zellen die Querschnitte der Nervenfasern als kleine Körnchen oder ganz kurze Fädchen (Fig. 63). b. Das dorsale Nervenorgan (Dorsalganglion, Scheitelorgan). Das Dorsalende des starken Dorsoventralnervs tritt in ein an der Rückenscheibe der Larve sich ausbildendes Organ ein, das ich als Dorsalganglion bezeichne. Dieses Gebilde ist unter verschie- denen Namen bereits seit langer Zeit bekannt. Barroıs (1877) hat es für eine mesodermale Zellgruppe gehalten und als »mesoderme aboral« oder »organe interne de la ventouse« bezeichnet. Er beobach- tete bei der freischwimmenden Larve keine deutlichen Zellen mehr Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 51 im Organ, sondern nur eine fettige Masse »derivant des granules colores du deutoplasme, qui ne tardent pas a se reunir en globules de taille variable. Das aborale Mesoderm sollte den oberen Teil des Intestinums (in Wirklichkeit Vestibulum) mit der Mitte des Saugnapfes (ventouse) verbinden. Als ventouse bezeichnet nämlich BARROIS (1877) die ganze, meist mehr oder minder stark abgeflachte Rücken- wand der Larve, die ventralwärts von der großen Ringfurche be- grenzt und neuerdings zumeist Calotte genannt wird. Die neuesten Autoren haben die Dorsalwand gewöhnlich als retractiles Schei- benorgan bezeichnet, und zwar entweder die ganze Dorsalregion im Umfang der ventouse von BARROIS oder nur die centrale verdiekte Zone im Sinne von BArroıs’ mesoderme aboral (z. B. KORSCHELT und HEIDER). Eine ganz neue Auffassung über die Bedeutung dieses Organs hatte zuerst HArmeEr (1887) entwickelt. Da ihm der Nach- weis gelang, daß in dem fraglichen Gebilde Nervenfasern verlaufen, deutete er es als Gehirn (brain) und vergleicht es mit dem Dor- salorgan oder Gehirn (orales oder ösophageales Ganglion) der Ento- procten. Darüber, daß das Organ ein nervöses Centralorgan ist, kann meines Erachtens kein Zweifel bestehen; ich bin aber der Ansicht, daß es dem Dorsalganglion (sog. Kittdrüse, Wimperscheibe oder Saug- napf) der Pedicellina homolog zu setzen ist und halte daher auch die Bezeichnung Scheitelorgan für das in Rede stehende Organ der Alcyomidium-Larve für eine passende. In der Tat liest auch das Dorsalganglion am Scheitel der Larve. Man überzeugt sich davon am leichtesten an Medianschnitten (Fig. 51, 52, 55, Taf. III, Fig. 65, Taf. IV), in denen man auf der Dorsalseite ziemlich weit vorn eine umfangreiche Verdickung des ectodermalen Hautepithels antrifft, die sich ziemlich tief in die primäre Leibes- höhle einsenkt. BARRoIS hatte diese rein ectodermale Bildung irrtüm- licherweise für einen mesodermalen Zellhaufen gehalten. Während peripher die dorsale Leibeswand aus ziemlich flachen in einer epi- thelialen Schicht angeordneten Zellen besteht, finden sich im Scheitel bedeutend größere Elemente, die namentlich in dorsoventraler Rich- tung eine bedeutende Streckung erfahren haben. Gleichzeitig ver- schieben sich die längeren Zellen stärker gegeneinander und ordnen sich zwei- und mehrschichtig an, indem sie eine konische Verdieckung der Dorsalwand bilden, die mit breiter Basis der dorsalen Oberfläche, mit allmählich sich verjüngender Spitze der Leibeshöhle ventralwärts zugekehrt ist. Der Übergang von den flachen Zellen der indifferenten Leibeswand zu den mehrschichtig angeordneten Elementen erfolgt A* by Oswald Seeliger, sehr rasch und ziemlich unvermittelt, so daß die Verdiekung allseitig sehr steil abfällt. Die Auflösung des Organs in die einzelnen Zellen ist mir nur ganz unvollständig und in den peripheren Teilen gelungen. Wie schon BARROoIS bemerkte, finden sich in allen Zellen dieser Region zahl- reiche rötlichgelbe Dotterkörper, und manche Elemente sind buch- stäblich mit ihnen vollgepropft (Fig. 58), so daß nur spärliches Plasma vorhanden ist und der Kern nicht immer leicht sichtbar ist. Es scheint, daß die Kernformen von den Dotterkörpern beeinflußt werden können, denn häufig sind die Kerne nicht kugelähnlich, son- dern sehr unregelmäßig gestaltet und sitzen mützenförmig den Dotter- elementen auf. Die Plasmakörper der Zellen zeigen namentlich in der Mitte des Organs eine starke Neigung miteinander sich zu verbinden und zu einer einheitlichen Masse zusammenzufließen. Ich konnte daher an vielen Stellen keine Zellgrenzen mehr erkennen und bin daher über die Zellformen im unsicheren geblieben. Man findet dann in einer protoplasmatischen Grundsubstanz eine größere Anzahl sehr verschieden gestalteter und verschieden großer Kerne und überaus zahlreiche Dotterkörper aller möglichen Größen. Nur hin und wieder erscheint auf kurzer Strecke eine Zellgrenze. Mit voller Deutlichkeit treten dagegen im Inneren des Organs zahlreiche Nervenfibrillen auf. Sie verlaufen im allgemeinen in dorsoventraler Richtung und konvergieren nach der Ventralseite zu, um als ein Faserstrang auszutreten und in den oben beschriebenen, vom Ventral- sanglion ausgehenden Dorsoventralnerv sich direkt und ohne Grenze fortzusetzen. 2. Die ectodermale Leibeswand und das Vestibulum. Abgesehen von den beiden Stellen, an denen sich die nervösen Centra differenziert haben, bleibt überall die eetodermale Leibeswand einschichtig. Im einzelnen aber finden sich sehr bedeutende indivi- duelle Unterschiede im. Verhalten des Deckepithels. Eine Ver- sleichung der Abbildungen auf Taf. II und IV zeigt bedeutende Verschiedenheiten der Dorsalwand, die zum Teil wenigstens mit Kontraktionszuständen der Wandung zusammenhängen. Ist die Dorsalwand hochgewölbt, so erscheint das Epithel viel flacher, teil- weise wie ein Plattenepithel (Fig. 50, 51), hat sie sich ventralwärts eingesenkt, so ist sie merklich dieker, die Zellen rücken näher an- einander, weil die Epithelfläche sich verkürzt hat (Fig. 65). Vor allem aber treten auffallende Unterschiede in zwei eigenartig diffe- Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 53 renzierten Zonen der Leibeswand auf: im Wimperkranz und in der Ringfalte. Der Wimperkranz (couronne ciliaire, Corona) besteht aus einer einzigen Zellreihe, wie es bei den meisten Ectoprocten der Fall zu sein scheint. Diese Wimperzellen sind weitaus die größten Elemente im Larvenkörper. Im Querschnitt durch die Larve beträgt die größte Ausdehnung einer Zelle etwa 1/,;, des gesamten Umfangs (Fig. 47); bei manchen andern Bryozoenlarven wachsen die Corona- zellen zu so riesigen Dimensionen heran, daß sie !/, (Dugula) und selbst über 1/; (Bowerbankia) des Larvenumfangs betragen. Der Wimperkranz verläuft äquatorial und scheidet den ventralen und dorsalen Larventeil. In jeder Zelle lassen sich zwei Abschnitte unterscheiden: ein innerer und dorsal gelegener und ein äußerer (Fig. 44, 45, 47). Der innere enthält nur spärliches Plasma und ist zum größten Teil vollgepfropft mit rundlichen Dotterkörpern sehr wechselnder Größe. Im ventralen Teil der Zelle sind die Dotter- körper nur äußerst spärlich und auf den inneren Rand beschränkt oder sie fehlen hier auch vollkommen, im Dorsalteil sind sie viel zahlreicher und liegen in vielen Schichten übereinander, nur die äußerste Randzone freilassend. Hin und wieder liegt auch ein Dotterelement daselbst dem äußeren Rand ganz nahe und berührt die Cuticula. Viel komplizierter sind die äußeren und ventralen von Dotter- körpern freien Zellenden organisiert. An der Oberfläche scheidet jede Zelle eine Cuticula aus, die von den verdickten Basalenden der mächtigen Wimpern durchsetzt wird. Unter der Cuticula liegt äußerst feinkörniges Plasma, und, wie schon erwähnt wurde, erkennt man in diesem eine sehr deutliche radiäre Streifung, die sich von der Basis der Wimpern an durch die ganze Zelle hindurch erstreckt, so daß es den Anschein hat, als ob die Wimpern selbst durch die Coronazellen hindurchtreten würden. Im dorsalen Zellteil, zwischen den Dotterkörpern, habe ich diese Fasern nicht bemerkt; ebenso fehlen sie zumeist unmittelbar beim großen Kern der Zelle; finden sie sich aber hier, so sieht man sie vor dem Kern, den sie nicht durchsetzen können, seitlich ausbiegen. Nach dem inneren ventralen Rand der Coronazellen zu konvergieren die Fasern und hier setzen sie sich in die beiden Nervenstränge und in den Ringnerv fort, die wir oben (S. 50) bereits kennen gelernt haben (Fig. 68). Die Kerne der Zellen des Wimperkranzes zeichnen sich durch bedeutende Größe aus; es sind weitaus die größten Kerne im Larvenkörper. Sie sind 54 Oswald Seeliger, bläschenförmig, hell und führen einen großen Nucleolus, und in dem deutlichen achromatischen Gerüstwerk sind chromatische Körnchen von verschiedener Größe suspendiert. Schon BArroIs hat neben den dicht nebeneinanderliegenden gleichmäßig großen Wimpern der Coronazellen zwei Paar besonders lange Flagellum beschrieben, die zwar ziemlich steif, aber doch beweglich seien und sich so fest an die Körperoberfläche legen könnten, daß sie dann ganz unsichtbar werden. Ich habe die fraglichen Ge- bilde in etwas andrer Form angetroffen, als sie BARROIS beschreibt; es handelt sich nämlich nicht um vier einzelne Geißeln, sondern um ebensoviele Reihen von Geißeln. Jede Reihe ist nur kurz und be- steht aus ungefähr !/; Dutzend oder wenig mehr besonders langer und starker Geißeln, die miteinander zu einer Platte verbunden sind. Diese Platten stehen in dorsoventraler Richtung und erstrecken sich vom Wimperkranz ventralwärts hin. Sie liegen im hinteren Larvenabschnitt ziemlich genau bilateral symmetrisch, zwei links, zwei rechts (Fig. 42, 45, Tafel II). Individuelle Schwankungen in der Lage kommen vor. Alle Geißeln einer Reihe schlagen fast immer genau gleichzeitig, so daß es bei rascher Untersuchung den Anschein hat, als ob nur eine Geißel an jeder Stelle vorhanden wäre. Beeinflußt man aber die Bewegung der verschiedenen Geißeln einer Platte in verschiedener Weise, so bemerkt man eine undulierende Membran, und wird die Bewegung verlangsamt oder kommt sie gar zum Stillstand, so kann man die einzelnen Geißeln zählen und die Membran in die einzelnen Teile zerfallen sehen. Man überzeugt sich davon leicht bei Behandlung der lebenden Larve mit einer schwachen Überosmiumsäurelösung, oder es genügt auch, auf die Larve von der Ventralseite mit dem Deekgläschen einen Druck auszuüben, wodurch dann die Schwingungen der ventralen Geißeln gegenüber den dorsalen verlangsamt werden. Der Kranz der Coronazellen wird dorsal und ventral eingefabt von je einem Streifen eigenartig differenzierter Hautepithelzellen. Der Dorsalstreif (collerette vesieuleuse superieure CALVETS) ver- bindet den Wimperkranz mit dem die Ringfurche bildenden Epithel. Er ist nur schmal, meist etwa 1/, Dutzend, stellenweise bis etwa 1 Dutzend Zellen breit; die einzelnen Elemente sind prismatisch oder pyramidenförmig, führen nur wenige Dotterkörper und bleiben in der Regel erheblich an Länge hinter der Dicke des Wimperkranzes zu- rück. An manchen Stellen, wie mir schien gewöhnlich im vorderen seitlichen Larventeil, wo die beiden seitiichen Nerven an den Wimper- Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 55 kranz bzw. den Ringnerv herantreten, ist der Dorsalstreif abweichend gebaut (Fig. 67, 68). Er wird hier durch eine Schicht kleiner etwa kubischer Zellen gebildet, die fast ganz am Innenrand der Corona- zellen liegen und zum Teil gar nicht mehr bis an die Oberfläche heranreichen, sondern von den dorsalen dotterreichen Enden der sroßen Wimperzellen überdeckt werden. Die Zellkörper sind plasma- reich, leicht färbbar und enthalten relativ große bläschenförmige Kerne. Der Ventralstreif (collerette vesiculeuse inferieure) umfaßt den Ventralrand des Wimperkranzes und verbindet sich mit dem flacheren Epithel der ventralen Leibeswand. Im Querschnitt erscheint er etwa dreikantig, mit breiter Basis dorsalwärts, mit der Spitze ventralwärts gerichtet. Die plasmareichen Zellkörper sind gut färbbar und heben sich dann von der fast ganz unfärbbaren hellen Ventralzone der be- nachbarten Coronazellen scharf ab. Gewöhnlich finden sich nur wenig Dotterkörper, in manchen Fällen aber (Fig. 44, Taf. III) habe ich sie, wenigstens an den Seiten rechts und links, in größerer Zahl beobachtet. Vorn in der Larve grenzt der Ventralstreif direkt an das birnförmige Organ (Fig. 55 u. 60). Während seitlich und hinten ein ganz allmählicher Übergang zwischen den Zellen der Leibeswand und des Ventralstreifens stattfindet, stoßen vorn ganz unvermittelt durchaus verschiedene Elemente dicht aneinander (Fig. 55, 60), denn es liegen unmittelbar neben den kleinen ventralen Terminalzellen des Streifens die großen Flimmer- und Drüsenzellen des Ventral- sanglions. CALvET findet bei Dugula-Embryonen den ventralen Rand des Wimperkranzes am vorderen Körperende wesentlich anders als an allen andern Stellen. Vorn fehlt nämlich die eigentliche collerette inferieure und die Coronazellen stoßen direkt an eine Drüsenzell- gruppe, die als systeme glandulaire superieure bezeichnet wird und eine kleine dellenförmige Vertiefung, fossette superieure, bildet. Es ist darauf bereits oben (S. 44) hingewiesen worden. Der Wimperkranz mit den beiden ihn begleitenden Zonen ist nicht bei allen Larven im ganzen Umkreise gleichmäßig entwickelt. Die in Fig. 50 und 51 abgebildete Larve z. B. zeigt sehr auffallende Rückbildungen dieser ganzen Region. Nur vorn sind alle drei Ring- zonen einigermaßen vollständig ausgebildet. Hinten sind zwar die Wimpern des Kranzes noch erhalten, aber die Coronazellen selbst treten vor den benachbarten Hautzellen nur wenig durch etwas be- deutendere Größe hervor, der Ventral- und Dorsalstreif sind hier gar nicht mehr in besonderer Weise differenziert. Es handelt sich in 56 Oswald Seeliger, diesem Fall um eine Larve, die bereits lange Zeit freischwimmend gelebt hatte. Dorsal vom Dorsalstreif des Wimperkranzes verläuft die Ring- furche (Mantelfurche). Schon Barroıs (1877) hat sie richtig beob- achtet und als »sillon de separation en masse aborale et face evasee« bezeichnet. Neuerdings ist zumeist der Name Mantelhöhle oder Pallealhöhle (cavite palleale, sillon palleal) in Gebrauch, ohne freilich, wie mir scheint, sehr passend zu sein. Jedenfalls darf an eine Homologisierung mit der Mantelhöhle der Mollusken nicht gedacht werden. Die Ringfurche wird von einem einschichtigen Epithel (epithelium pallcal) ausgekleidet. Die Form der Rinne und die Dicke des Epi- thels verändern sich während der verschiedenen Kontraktionszustände der Larve in sehr bemerkenswerter Weise. Das zeigen bereits die schönen Abbildungen, die BArRo1ıS von verschiedenen Larven gegeben hat. Zuweilen, wenn die Dorsalseite der Larve hoch emporgewölbt ist, erscheint die Ringfurche nur ganz seicht und das Epithel fast ganz flach ausgebreitet, weil der dorsale und ventrale Rinnenrand sich weit voneinander entfernt haben. Wenn aber bei starker Kon- traktion der dorsoventralen Leibesmuskeln und gleichzeitiger Zu- sammenziehung der zwischen Ringfurchenboden und Atrium aus- gespannten Muskel die Dorsalwand der Larve eingezogen wird, vertieft sich die Furche sehr erheblich (Fig. 55, 66), die Ränder nähern sich stellenweise bis zur Berührung und das Epithel selbst erscheint verdickt. In der Ringfurchenwand finden sich neben indifferenten Deck- epithelzellen zahlreiche Drüsenzellen, die ein helles, schleimiges Secret abzusondern scheinen. Beide Zellenarten können Dotterkörper enthalten, doch fand ich diese stets nur in beschränkter Anzahl vor. An der Ventralseite der Larve entsteht durch Einstülpung vom Eetoderm des jungen Embryos das Vestibulum oder Atrium. Das Organ ist bei Alcyonidium schon von Barroıs (1877) im allgemeinen richtig gesehen, aber falsch gedeutet worden, denn es wurde als Magen oder Darmtractus (estomac, cavite digestive) bezeichnet. BARROIS irrte auch darin, daß er den vermeintlichen Magen in das als Mund gedeutete Wimpergrübchen durch einen Oesophagus sich öffnen sah, während er ein besonderes Rectum mit Sicherheit. nicht feststellen konnte. Später hat Barroıs (1886) die auch von andrer Seite gebrauchte Bezeichnung sac interne für das Organ angewen- det, die auch jetzt noch die üblichste geblieben ist neben den Namen ventouse (HARMER) oder Saugnapf (KORSCHELT-HEIDER). Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 57 Ich fand bei den Alcyonidium-Larven fast immer bereits das Vestibulum vom Eetodermepithel ganz abgeschnürt. Nur bei einigen Individuen zeigten feine Medianschnitte, genau so wie HARMERS Embryonen, eine Öffnung des Vestibulums nach außen, und zwar bestand die Verbindung nicht, wie BARROIS meinte, mit der Wimper- grube, sondern sie lag am gegenüberliegenden hinteren und ventralen Ende des Atriums. (In Fig. 41 ist diese Stelle mit atö bezeichnet.) Diese Stelle entspricht der ursprünglichen Einstülpung der ventralen Eetodermwand, aus der die Vestibularwand hervorgeht, und es scheint, daß bei manchen Larven hier zeitlebens eine Verbindung zwischen dem Vestibulum und der ectodermalen Leibeswand bestehen kann, während in andern Fällen die Abschnürung eine vollkommene wird. Später allerdings, nach der Festsetzung der Larve, stülpt sich das Vestibulum wieder hervor, so daß es sich nur um eine vorüber- gehende Abschnürung handelt. Gegenüber dem Atrium der Pedicellina- Larve besteht also der wichtige Unterschied, daß bei dieser das Organ außerordentlich beweglich und in beliebiger Weise wiederholt ein- und ausstülpbar bleibt, während es bei Alcyonıdium im Larven- stadium sich starr und nahezu ganz unbeweglich erhält, um sich nur ein einziges Mal bei der Metamorphose umzustülpen, ohne wieder in die alte Lage zurück zu können. Die Form des eingestülpten Vestibularsackes ist recht variabel. In dorsoventraler Richtung ist er zumeist ziemlich erheblich zu- sammengedrückt, so daß eine dorsale und ventrale Wand als ver- schieden besonders auffallen. Die Ventralwand ist stets nach außen zu konvex gekrümmt, die Dorsalwand mehr oder minder stark ab- seflacht und gegen die ventrale wenigstens stellenweise eingestülpt. Das Lumen erscheint daher taschenförmig, horizontal ausgebreitet und manchmal nur äußerst spärlich ausgebildet, weil die beiden Wände sich sehr bedeutend genähert haben. Doch erweist sich die Taschen- form im einzelnen verschieden, und zweifellos ist sie in einem gewissen Grade abhängig von den Kontraktionszuständen des Gesamt- körpers und daher ein wenig veränderlich. Da die Ventralwand des Vestibulums stets der ventralen Leibeswand der Larve dicht benach- bart liegt, hebt und senkt sie sich genau so wie diese, und gleich- zeitig verändert sich die Wölbung der Rückenwand. Das Vestibulum füllt den. ganzen ventralen Abschnitt der Larve aus, nur die vorderste Region kleibt von ihm frei, und zwar besonders in der Medianebene, weil hier das Wimpergrübchen sich einsenkt und das sog. birnförmige Organ sich ausbreitet. Der Vestibularsack 58 Oswald Seeliger, erreicht daher seine größte Ausdehnung in der Querachse von rechts nach links, und seine Vorderwand ist in der Medianebene nach hinten zu eingesenkt, weil sie eben dem Ventralganglion ausweichen muß (Fig. 41 und 45). Allseitig glattwandig ist das Vestibulum nur in jungen Larven; zur Zeit der Festsetzung faltet sich namentlich die Hinterwand des Atriums mannigfach ein und aus, so daß zuweilen sehr eigenartige Formen entstehen (Fig. 42). Zuweilen erfolgen diese Faltungen sehr regelmäßig, rechts und links in übereinstimmender Weise, und die Bilateralität des Organs bleibt dann vollkommen ge- wahrt. Häufiger aber treten die Falten ziemlich unregelmäßig auf. Diese Faltungen des Vestibulums stehen bereits im Zusammen- hang mit den der Festsetzung der Larven folgenden Vorgängen der Metamorphose. Der feinere Bau der Vestibularwand ist nicht an allen Stellen der gleiche. Auch in histologischer Beziehung unterscheiden sich nämlich die beiden Wände der Tasche; denn die ventrale ist bedeutend dünner und erweist sich überall als deutlich einschichtig, während die dorsale viel dieker erscheint und aus sehr schlanken, prismatischen und pyramidenförmigen Elementen sich zusammensetzt. Wenn auch viele dieser noch durch die ganze Wanddicke hindurchreichen, ist doch das nicht mehr überall der Fall, und stellenweise keilen sich die Zellen ineinander ein, so daß sie in mindestens zwei Schichten übereinanderliegen. Dotterkörper können an allen Stellen des Epithels auftreten; spärlicher sind sie im ganzen in der Ventralwand, zahl- reicher und zum Teil auch größer in der Dorsalwand (Fig. 44, 50, 51). | Im besonderen muß ich noch auf einige Eigentümlichkeiten der Kerne aufmerksam machen, wie sie in ähnlicher Weise auch in andern Geweben der Larve angetroffen wurden. Die meisten ruhen- den Kerne sind länglichrund, und zwar in derselben Richtung längs- gestreckt wie der Zellkörper selbst, dem sie angehören. Im Kern fällt gewöhnlich ein größerer centraler Nucleolus auf und eine An- zahl kleinerer chromatischer Körner, die im achromatischen Gerüst suspendiert sind (Fig. 69«). In vielen von den längsgestreckten Kernen liegt der Nucleolus excentrisch, von einem hellen Hof um- geben, und die Hauptmasse der kleineren Körner hat sich am ent- gegengesetzten Kernende angesammelt (b und ce). In dem angedeuteten Sinne kommt es endlich sogar zu einem Zerfall der Kerne in zwei ungleiche Partien. Neben biskuitförmigen noch nicht vollständig geteilten Kernen findet man im Plasma winzige Kernfragmente, die mehr oder minder gleichmäßig mit Chromatinkörnchen erfüllt sind Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 59 (d). Manche Kerne sind wurstförmig oder auch stärker unregelmäßig seformt (Fig. 69e), und diese lassen sehr häufig keinen Nucleolus und hellen Hof mehr erkennen, sondern tragen nur gleichartige Körner in wechselnder Verteilung. Ich deute diese Erscheinungen als be- ginnende Rückbildungsvorgänge, die nach der Festsetzung erst weiter fortschreiten. 3. Das Mesenchym. Da ein Exceretionsorgan bei den Alcyonidium-Larven bisher nieht bekannt geworden ist, haben wir uns in diesem Abschnitt nur mit der Muskulatur und dem Bindegewebe zu beschäftigen. Auf- gefallen ist mir, daß die verschiedenen Larven eine sehr wechselnde Menge Mesenchym enthielten. Bei einigen Individuen (Fig. 50,51) waren nur äußerst wenig Bindegewebe und Muskulatur vorhanden und die primäre Leibeshöhle bestand als ein umfangreiches Blastocöl, besonders ventral eingeengt durch die mächtige Vestibulareinstül- pung. Zumeist aber waren das Bindegewebe und die Muskulatur sehr umfangreich ausgebildet, und die Leibeshöhle von ihm zum größten Teil erfüllt, so daß nirgends mehr weite und große Lückenräume sondern nur kleine Lacunen, in denen sich eine helle Flüssigkeit befand, vorhanden waren (Fig. 44). Den genauen Verlauf der einzelnen Muskelzüge habe ich nicht verfolgt. In bezug auf die Verlaufsrichtung lassen sich zwei Typen unterscheiden: dorsoventrale Muskeln und horizontal, annähernd paral- lel zur Ventralwand verlaufende. Unter den dorsoventralen Muskeln sind zwei von besonderer Wichtigkeit, die symmetrisch, der eine rechts, der andre links, im vorderen Körperteil auftreten und sich zwischen der Dorsalscheibe und dem Grunde der Wimper- srube ausspannen. Die Muskel sind als Retractoren tätig, verkürzen die dorsoventrale Achse und nähern die vordere Bauch- und Rücken- region. Zwischen diesen Muskeln verläuft der große dorsoventrale Nervenstrang. Andre kürzere, in ähnlicher Richtung verlaufende Muskel inserieren sich ventral an der Vestibularbasis, dorsal an ver- schiedenen Stellen der Rückenscheibe. Die horizontalen Muskel sind entweder Längs- oder Trans- versalmuskel. Doch finden sich auch in jeder beliebigen Schräg- richtung hinziehende Faserzüge, so daß die beiden genannten Typen nicht unvermittelt nebeneinander stehen. Diese Horizontalmuskel liegen fast sämtlich in der Äquatorialzone der Larve und inserieren sich direkt an der Ringfurche oder in deren unmittelbarer Nachbar- 60 Oswald Seeliger, schaft ein wenig dorsalwärts. Aufgefallen sind mir besonders einige mächtige Längsmuskelzüge, die ziemlich symmetrisch, links und rechts der Medianebene nahe, durch die ganze Länge der Larve streichen. Fig. 44 zeigt sie im Querschnitt getroffen, in Fig. 50 sieht man sie der Länge nach durchschnitten, allerdings bei einer Larve, die nur sehr spärliche Muskulatur zur Entwicklung gebracht hat. Neben diesen paramedianen Längsmuskeln beobachtet man noch eine Anzahl kürzerer, mehr schräg verlaufender Stränge (Fig. 44). Von Transversalmuskeln habe ich nur einzelne schwächere Stränge durch die ganze Breite sich erstrecken und jederseits direkt an der Leibes- wand sich ansetzen sehen. Zahlreich sind aber die Muskel, die zwischen der Ringfurche und der Atrialbasis verlaufen und zum Teil ebenfalls transversal, zum Teil aber auch viel schräger, ja auch fast genau dorsoventral gerichtet sind (Fig. 66). Der feinere Bau der Larvenmuskel des Alcyonidium stimmt im wesentlichen mit den Befunden bei Pedicellina (S. 38 ff.) überein. Stets läßt sich neben der contractilen Substanz die Myoblastenzelle noch nachweisen. Freilich blieb ich häufig bei der Untersuchung von Totalpräparaten darüber im Zweifel, ob der fragliche Protoplasma- körper mit seinem Kern einer Muskelzelle zugehört oder eine Binde- sewebszelle bedeutet, die sich einer contractilen Faser angesetzt hat, und daher konnte ich auch nicht mit voller Sicherheit entscheiden, ob im Sarcoplasma der Muskelzelle ebensolche Dotterkörper vor- kommen, wie sie sehr viele Mesenchymzellen auszeichnen. Jedenfalls findet man mitten in den Muskelsträngen solehe Dotterkörper vor (Fig. 56), und ich halte es auch für sehr wohl möglich, daß sie sich in den Muskelzellen selbst bilden, und daß es sich dann nicht nur um Mesenchymzellen handelt, die in einen Muskelstrang nachträglich ein- getreten sind oder um die herum die Muskelzellen sich zu einem Strang zusammengeschlossen haben. Ebenso wie in den Pedicellina-Larven sah ich die contraectile Substanz entweder in Form von mehreren Fibrillen von jeder Zelle abgeschieden werden, oder es bildete sich ein einheitliches breiteres contractiles Band. Die Zahl der Fibrillen im Bereiche einer Zelle schwankte von zwei bis etwa 1/, Dutzend (Fig.53 A, B, C). Häufig sind die Muskelzellen an den Enden verzweigt und das Fibrillen- bündel löst sich dann in kleinere Gruppen von zwei oder.auch nur einer Fibrille auf. Trifft man daher auf einem Querschnitt nur eine so geringe Fibrillenzahl, so gestattet das nicht ohne weiteres den Schluß, daß diese - wenigen Fibrillen das Gesamtprodukt einer Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 61 Muskelzelle seien. Häufig konnte ich in meinen Präparaten ein breites eontractiles Band, dessen Ausdehnung mehreren Einzelfibrillen entsprach, beobachten; dieses war an einer bestimmten Stelle von der Muskelzelle ausgeschieden worden und lag ihr mit breiter Basis dicht an (Fig. 53 D, Fig. 48, 49). Ich habe die contractile Substanz fast überall von einer sarcoplasmatischen Lage bedeckt gefunden; wo das nicht der Fall war, nehme ich an, daß im alten Muskel ein nachträglicher Schwund des bedeckenden Sarcoplasmas eingetreten ist. Ausgenommen sind vielleicht zuweilen die äußersten Muskel- enden, an denen gelegentlich die ausgeschiedene contractile Substanz über das Sarcoplasma der Zelle selbständig hinauszuwachsen scheint. Viele contractile Bänder fand ich ganz homogen feinkörnig granuliert, in manchen aber zeigte sich eine ganz ähnliche Struktur, wie sie BürscHhLı (1892) in der contractilen Rinde der Ascaris-Muskelzellen angetroffen hat und wie sie meine Fig. 46 (Taf. III) wiedergibt. Ich glaube, daß diese letzte Struktur den wahren Verhältnissen durchaus entsprieht und daß das homogene Aussehen der Fasern auf unge- nügende Konservierung zurückzuführen ist. Die Insertion der Muskel an der Leibeswand und an den inneren Organen bietet keine Besonderheiten, sondern zeigt die gleichen Verhältnisse wie bei Pedicellina. Aufgefallen ist mir auch hier wieder an vielen, freilich nicht an allen Stellen das Eindringen der contrac- tilen Substanz in die Zellkörper oder auch zwischen die Zellen der Gewebe, die bewegt werden sollen. In Fig. 59 habe ich ein Beispiel dafür abgebildet, und man sieht eine Fibrille bis zur centralen Secret- vacuole einer Drüsenzelle des Ringfurchenepithels eindringen, während einige benachbarte Fasern sich mehr oberflächlich an den Zellen befestigen. Ä Die Mesenchymzellen, die die primäre Leibeshöhle erfüllen, bilden entweder ein Bindegewebe oder sie ordnen sich an bestimmten Stellen zu größtenteils einschichtigen, epithelähnlichen Blättern an, die ich als Endothel bezeichne. Das Bindegewebe besteht aus sehr verschieden gestalteten Mesenchymzellen, die einzeln bleiben oder sich zu größeren und kleineren Zellgruppen vereinigen. Vielleicht die große Mehrzahl aller Mesenchymzellen enthält, wie schon CALver richtig hervorgehoben hat, Dotterkörper. Die meisten Zellen führen nur eine in der Regel verhältnismäßig große, rundliche Dotterkugel; zuweilen aber kommen auch zwei oder vielleicht auch mehr vor. Die Lage des Dotterkörpers in der Zelle ist sehr verschieden und im Zusammenhang damit stehen 62 Oswald Seeliger, die Formverschiedenheiten der Mesenchymzellen. In Fig. 57 A—D sind einige bemerkenswerte Fälle abgebildet, die keiner weiteren Erläuterung bedürfen; nur darauf möchte ich hinweisen, daß häufig eine besonders große Dotterkugel nur von einer sehr feinen Plasma- schicht umschlossen wird, die an einer bestimmten Stelle sich etwas verdickt und hier den flachgedrückten Zellkern enthält. Wo mehrere oder viele Zellen sich zu Gruppen vereinigen, bleiben sehr häufig die Zellgrenzen nicht mehr erkennbar, und man sieht dann eine größere oder kleinere einheitliche Protoplasmamasse, in der nach Art eines Syneytiums mehrere Kerne zumeist ziemlich ungleichmäßig verteilt sind und überdies eine Anzahl Dotterkörper stecken. Zuweilen bleiben die Zellgrenzen in einer Zellgruppe zum Teil wenigstens deutlich erhalten, und nur im Centrum fließen die Konturen inein- ander. Häufig liegen dann an dieser Stelle ein oder mehrere Dotter- körper, aber es läßt sich nicht mehr feststellen, welcher oder welchen Zellen diese zugehören. Es hat öfters den Anschein, als ob mehrere Zellen sich zur Bildung einer einheitlichen Dottermasse vereinigen (Fig. 57 E). Endothelien, die durch Vereinigung ursprünglich getrennter bindegewebsartiger Zellen entstanden sind, finden sich an ver- schiedenen Stellen. Ich habe aber bereits oben (S. 43) angedeutet, daß ich über die Deutung des umfangreichsten epithelialen Gebildes, das sich in der primären Leibeshöhle ausgebildet hat, im unsicheren geblieben bin. Nur die Untersuchung einer kontinuierlichen Reihe jüngerer Stadien wird mit Sicherheit darüber Auskunft geben können, ob die ventral und seitlich vom Dorsalganglion liegenden blattähn- lichen Bildungen (Fig. 65 u. 67), die in der freischwimmenden Larve nur ausnahmsweise (Fig. 51) eine von der primären Leibeshöhle voll- kommen unabhängige Höhlung umschließen, wie HARMER beschrieben hat, den Darmtractus darstellen. Jedenfalls fand ich diese fraglichen Gebilde bei verschiedenen Larven histologisch recht verschieden. An allen Stellen ausnahmslos vollkommen einschichtig sah ich sie aber nie, sondern bald da oder dort. zeigten sich unregelmäßige mehrschichtige Verdiekungen. Nur zuweilen waren das Epithel über weite Strecken gleichmäßig dünn und die Zellen von Dotterkörpern so gut wie ganz frei (Fig. 51). Fast immer fand ich die Zellen ver- hältnismäßig groß und dann auch zumeist mit Dotterelementen reich- lich versehen (Fig. 65). Solche Epithelstücke liegen oft ganz frei in der Leibeshöhle, und es macht dann in der Tat den Eindruck, als ob essich um ein in Auflösung begriffenes Darmepithel handeln möchte. Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 63 An andern Stellen kann ein Zweifel über die endotheliale Be- deutung der Gewebe nicht bestehen, und ich habe bereits oben auf solche Gebilde hingewiesen. So findet man, wenn auch nicht immer ganz konstant, an der Dorsalseite des Vestibulums eine zuweilen stellenweise unterbrochene Endothelhülle, die die Vestibularwand von der primären Leibeshöhle abgrenzt. Ebenso treten im Umkreis des Dorsalganglions stark abgeflachte, von Dotter freie Mesenchymzellen auf, die sich auf kürzeren oder weiteren Strecken zu Endothelien vereinigen. Diese breiten sich zum Teil frei in der Leibeshöhle aus, zum Teil inserieren sie sich direkt an der Leibeswand oder hängen an Bindegewebszellen, die ihrerseits erst an verschiedenen Organen Festheftungspunkte gewinnen (Fig. 44). Endlich möchte ich noch daran erinnern (vgl. S. 49), daß auch der ventrale Nervenapparat, sowie der sroße dorsoventrale Nervenstamm von einer zarten Endothelhülle mehr oder minder vollständig umhüllt sein können (Fig. 67 u. 68). III. Vergleichung der Ectoprocten- und Entoproctenlarve. Bei den nachfolgenden vergleichenden Betrachtungen setze ich als erwiesen voraus, daß einerseits die wenigen bisher bekannten Entoproetenlarven, anderseits die mannigfaltigen Larvenformen der Eetoprocten je eine besondere fest geschlossene Gruppe darstellen. Auf die Übereinstimmung der Pedicellina- und Loxosoma-Larve ist schon mehrfach hingewiesen worden, und trotz aller nicht unbedeu- tenden Unterschiede zweifelt jetzt niemand daran, daß es sich bei diesen Gattungen nur um Modifikationen ein und desselben Larven- typus handelt und daß die Entoprocten eine natürliche, auf Bluts- verwandtschaft gegründete Gruppe sind. Das gleiche Ergebnis gilt für die Eetoprocten, obwohl bei diesen viel weitgehendere Verschieden- heiten der Larven vorkommen und manche Formen, wie z.B. die phylactolämen Süßwasserbryozoen, vom typischen Verhalten der Embryonalentwicklung der meisten andern sich sehr weit zu ent- fernen scheinen. Einen Versuch, die verschiedenen Eetoproctenlarven auf einen gemeinsamen Plan zurückzuführen, haben unter andern KORSCHELT-HEIDER unternommen. Wie man sich aber auch zur Be- antwortung der speziellen Fragen nach der Verschiedenheit oder Gleichartigkeit dieses oder jenes Larvenorgans bei den verschiedenen Eetoprocten stellen mag, so stimmen doch, soweit ich sehe, alle Beobachter darin überein, daß in der Larvenentwicklung kein Grund sefunden werden kann, an der Einheitlichkeit des ectoprocten Bryo- zoenstammes zu zweifeln. Ich unterlasse es daher, hier im beson- 64 Oswald Seeliger, deren auf die großen Differenzen, die zwischen den verschiedenen Larven bestehen, hinzuweisen und auch meinerseits einen Versuch zu unternehmen, die Stammesverwandtschaft aller Eetoprocten dar- zutun. Wie ich schon bemerkt habe, betrachte ich dieses Ergebnis als eine anerkannte Tatsache. Dasselbe möchte ich aber auch für die Beziehungen der Ecto- procten zu Entoprocten erweisen und dartun, daß die Zusammen- fassung dieser beiden Gruppen zu einer gemeinsamen Klasse der Bryozoen, ganz im Sinne der älteren Systematiker, vollauf gerecht- fertigt ist. Noch vor etwa 20 Jahren würde das überflüssig erschienen sein, denn damals konnte HArMER (1887) den fast allgemein aner- kannten Standpunkt dahin zusammenfassen: »Maintenant on admet tres generalement que la structure des larves d’Eetoproctes peut-Etre ramenee au type des larves d’Entoproctes, et que ces derniers sont de vraies trochospheres<. Daß sich seither die Ansichten in dieser Frage vielfach ganz geändert haben, habe ich am Eingang dieser Arbeit bereits erwähnt. Die Vergleichung der Eetoprocten- und Entoprocten-Larven kann nur dann zu einem richtigen Ergebnis führen, wenn für beide eine übereinstimmende Orientierung gewählt wird. Daß das nicht immer geschehen ist, ist bereits in den beiden ersten Kapiteln bemerkt worden, und es hat sich dort gezeigt, in welcher Weise die Orien- tierung vorgenommen werden muß, um die gleichwertigen Körper- regionen gleichgerichtet nebeneinander zu erhalten. Um einen leichteren Überblick über den im wesentlichen gleichen Bau zu ge- währen, stelle ich hier zwei schematische Abbildungen einer Ped:i- cellina- und einer Alcyonidium-Larve in der richtigen Weise neben- einander. Die Art der Orientierung der Körperregionen ist die gleiche wie auf den Tafeln: Die Ventralseite ist nach unten, die dorsale nach oben gekehrt; das Vorderende sieht nach links. Eines der wichtigsten Argumente für die Übereinstimmung der Larven beider Bryozoengruppen sehe ich im Verhalten des Nerven- systems. Im beschreibenden Teil habe ich das ausführlich ausein- andergesetzt, und ich kann mich daher hier darauf beschränken, die wichtigsten Momente nochmals kurz hervorzuheben. Die bedeutungs- volle Übereinstimmung besteht darin, daß zwei nervöse (Centra selbständig und unabhängig voneinander aus dem Eetoderm sich bilden, um erst nachträglich durch einen paarigen oder unpaaren Nervenstamm in Verbindung zu treten. Die wahre Bedeutung dieser Organe wurde lange Zeit vollkommen irrig beurteilt, wie schon die Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 65 zahlreichen Namen beweisen, die sie erhalten haben und die uns jetzt so wenig zutreffend erscheinen. Bei Alcyonidium und den meisten Ectoproeten-Larven (Textfigur 3) liegen die beiden nervösen oe 4 i Textfig. 2. Schematische Darstellung einer freischwimmenden Pedicellina-Larve. DIS CV we! IX vg N ie 2 7727 E Textfig. 3. 'Sehematische Darstellung einer freischwimmenden Alcyonidium-Larve;, in gleicher Orientierung. cm, Commissur zwischen den beiden Ganglien; dy, Dorsalganglion; !, primäre Leibeshöhle; m, Magen; ms, Mesenchymzellen; mz, Muskelzellen; oe, Oesophagus; r, Reetum; r/, Ringfalte; v, Vestibulum . “ vg, Ventralganglion; vge, Kanal des Ventralganglions; vg, Wimpergrube; wk, Wimperkranz. ‚Centra im vorderen Körperteil dorsal und ventral ziemlich genau einander gegenüber. Beide sind noch nicht vom Ectodermepithel ab- geschnürt, sondern erscheinen diesem fest verbunden, wie Verdickungen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd, h) 66 „ Oswald Seeliger, der Leibeswand; die nervösen Elemente liegen inter- und nur zum Teil subepithelial. Im .dorsalen Nervenorgan (Dorsalganglion, Scheitelorgan, brain, ventouse, retractiles Scheibenorgan, m&soderme aboral) ist mir die Auflösung des Gewebes in einzelne Zellen nur sehr unvollständig gelungen, aber über die nervöse Bedeutung des Gebildes konnte jedenfalls kein Zweifel bestehen. Das ventrale Nervenorgan (birnförmiges Organ) ruht in und an der vorderen ven- tralen Leibeswand und bildet den Boden einer ectodermalen Ein- senkung, die als Sinnes- oder Wimpergrube (Mundöffnung BArROIs’) bezeichnet wird. In histologischer Beziehung erweisen sich die Zellen sehr mannigfaltig differenziert, und neben verschiedenen ner- vösen Elementen treten Drüsen- und Flimmerzellen als bedeutsam hervor. Verbunden werden beide Organe durch einen verhältnismäßig kräftigen dorsoventral verlaufenden Nervenfaserstrang. Bei der Pedicellina-Larve sind beide gangliösen Apparate viel selbständiger und mit der Leibeswand weniger innig verbunden als bei Aleyonidium. In histologischer Beziehung aber erweisen sich die die Organe bildenden Zellen viel weniger mannigfaltig differenziert. Das Dorsalganglion oder Scheitelorgan (Kittdrüse, Saugnapf, Wimper- scheibe) der Entoprocten entspricht der Lage nach durchaus dem der Ectoproceten; das oral-ösophageale Nervenorgan der Pedicellina aber (Dorsalorgan, Gehirn) liegt zweifellos nicht so ausgeprägt ventral wie bei Alcyonidium, und ich habe es deshalb auch als Oral- oder Oeso- phagealganglion bezeichnet. Während das Ventralganglion mit breiter Basis der ventralen Leibeswand verbunden bleibt, rückt das Oral- sanglion der Pedkcellina in der primären Leibeshöhle weiter dorsal- wärts und der Zusammenhang mit dem Hautepithel wird nur noch durch einen sehr feinen Flimmerkanal hergestellt. In der Aleyonidium- Larve findet sich an Stelle dieses Kanals die mächtige, weit offene Wimpergrube. Die ebenerwähnte dorsale Verschiebung des Oral- ganglions der Pedkcellina allein erklärt noch nicht zur Genüge die Lageverschiedenheiten der ventralen Ganglien bei beiden Bryozoen- gruppen und wie es möglich ist, daß das homologe Organ in dem einen Fall (Eetoprocten) allgemein als ein ventrales bezeichnet werden kann, in dem andern (Entoprocten) von vielen geradezu Dorsal- organ genannt wird. Ich selbst habe, da ich diese letztere Bezeich- nung für durchaus falsch halte, und anderseits auch anerkenne, daß die Lage des fraglichen Gebildes in der Pedicellina-Larve keine typisch ventrale ist, den Namen Oralganglion oder ösophageales Nervenorgan gewählt, zweifle aber nicht im geringsten an der voll- Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 67 ständigen Homologie mit dem Ventralganglion des Alcyonedıums. Diese Übereinstimmung ergibt sich aus der nervösen Verbindung mit dem Dorsalganglion, und sie wird ferner auch dadurch wahrschein- licher gemacht, daß zwischen dem Dorsal- und Ventralganglion der Eetoprocten, sowie zwischen dem Dorsal- und Oralganglion der Pedicellina eine muskulöse Commissur sich ausspannt. Die Ursache, daß diese Homologie der Organe nicht anerkannt wurde, ja daß sogar das Dorsalganglion des Aleyonsdium mit dem Oralganglion der Pedicellina verglichen und nur diese beiden Gebilde als Gehirn bezeichnet werden konnten (HARMER), ist meines Erachtens nur darin zu suchen, daß der Wimperkranz bei beiden Larven in verschiedener Weise verläuft. Bei Pedicellina liegt er so weit ventral, daß er bei starken Kontraktionen der Larve sich mit dem Vestibulum ganz nach innen einsenkt, und daß das Oralganglion sowie das dor- sale völlig dorsal und außerhalb von ihm gelegen ist. Wird also der Wimperkranz mit dem Präoralkranz einer Trochosphära ver- glichen, so liegt es nahe, das Oralganglion der Scheitelplatte dieser letzteren Larve gleich zu setzen und daher als ein dorsales Organ aufzufassen, wie das unter andern nach BALFOUR auch EHLERS (1890) getan hat. EHLERS nennt den vor und dorsal vom Wimper- kranz liegenden und von diesem umgrenzten Larventeil Proro- soma. Dieses trägt als charakteristisches Organ die Scheitelplatte und ist nach KLEINENBERG der Exumbrellarfläche einer Meduse gleich zu setzen. Der entgegengesetzte, hinten und ventralwärts von dem Wimperkranz gelegene Abschnitt, der der Medusensubumbrella zu vergleichen ist, wird Prymnosoma genannt. Dieses Prymnosoma zeigt bei den Bryozoenlarven, zumal bei denen der Pedicellina, be- sondere Eigenarten, die im wesentlichen darin bestehen, daß hier dieser Körperteil »der typischen Trochophora gegenüber aufs äußerste ver- kürzt und eingezogen« ist; »ja in seiner Entwicklung beginnt es, wie ich zumal die Darstellung SEELIGERs von der Entwicklung der Pedi- cellina auffasse, mit der Einstülpung seiner Fläche gegen das Proro- soma hin, oder mit der Ausbildung desjenigen Raumes, der als Vestibulum oder Atrium bezeichnet ist. Auf dieser Fläche liegen wie am Prymnosoma der typischen Trochophora Mund und After. Ein präoraler Wimperkranz grenzt das Prymnosoma gegen das Proro- soma ab, und steht bei den Pedicellinen- und einer Anzahl von Bryozoen-Larven, auf einem ringförmigen Wulste, welcher sich da- durch auszeichnet, daß er bei dem weitesten Zurücktreten des Prymnosoma sich ringförmig über diesem zusammenschnürt, wie 5* 68 Oswald Seeliger, in der erwachsenen Pedicellinide der Kelchrand über dem Atrium« (EHLERS). Nach dieser Auffassung würde der alte Wimperkranz der Trochosphära vollständig seine alte Lage bewahren und die Ver- änderung lediglich dadurch zustande gekommen sein, daß der hintere und ventrale Teil sich einstülpten. Ein solcher Vorgang könnte aber nicht befriedigend erklären, daß der Darmkanal in der alten Weise wohlentwickelt bleibt und die Afterregion, die ursprüng- lich vom Dorsalteil des Wimperkranzes, zumal in älteren Larven, weiter entfernt war, in dessen unmittelbare Nachbarschaft rückt. Das setzt meines Erachtens voraus, oder läßt sich doch wenigstens am besten dadurch erklären, daß auch der Wimperkranz selbst sich verschoben hat, und zwar in der Art, daß er aus der dorsoventralen a x oe EN ML # z wi SB 720 / ß ), \ / a en ch Textfig. 4. Schematische Darstellung der Verschiebung des präoralen Wimperkranzes eines Trochosphära-Stadiums zum Bryozoen-Stadium. A, Annelidentrochosphära. B, Entoproctenlarve; in dieser ist punktiert konturiert die Lage desPräoralkranzes einer Trochosphära eingetragen. «a,After; cm, Commissur; dg, Dorsalganglion; 1, Leibeshöhle; m, Magen; oe, Oesophagus; oeg, Oesophagealganglion; sp, Scheitelplatte; »k, Wimper- kranz. Querlage in die Längsrichtung sich einstellte, weil seine Dorsalregion immer weiter nach hinten zu sich senkte, fast um einen Winkel von 90°. In dem nebenstehenden Schema ist die Lageveränderung des Wimperkranzes klar zu erkennen, und es bedürfen die Abbildungen keiner weiteren Erläuterung. Die Aleyonidvum-Larve trägt ihren Wimperkranz etwas mehr dorsal, und niemals kann er mit dem Vestibulum vollständig nach innen eingestülpt werden, so daß das Prymnosoma als ein besonderer Leibesabschnitt äußerlich immer hervortritt. Der wichtigste Gegen- satz zur Pedicellina liegt aber darin, daß im vorderen Larvenkörper der Wimperkranz nicht ventral und hinter dem Oesophagealganglion, sondern dorsal und vor ihm, zwischen den beiden Ganglien verläuft, Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 69 wodurch eben das Oesophagealganglion zu einem ausgeprägt ventralen sich gestaltet, während der Wimperkranz eine mehr äquatoriale Lage zeigt (vgl. Textfig. 2 u. 5). Freilich erhebt sich zunächst die Frage, ob die Wimperkränze der beiden Larventypen überhaupt homolog sind. Geht man von der, wie mir scheint, nicht ungerechtfertigten Voraussetzung aus, daß der Tentakelkranz sowohl der Ectoprocten wie der Entoprocten phylogenetisch aus dem Wimperkranz der Larven hervorgegangen sei, so kann die Antwort verschieden lauten. Wer, wie ich, die Tentakel aller Bryozoen für homolog hält, wird dann unter jener Voraussetzung auch die Wimperkränze der Larven trotz ihrer verschiedenen Lage als gleichwertig betrachten müssen. EHLERS hat aber den Nachweis zu erbringen versucht, daß die Ten- takel der Entoprocten und Eetoprocten ganz verschiedenartige Gebilde wären. Die Tentakel der Eetoprocten, die lediglich die Mundöffnung umgrenzen, sollen einen neuen inneren Tentakelkranz darstellen, während der weitere Kranz der Pedicellinen, der Mund und After umschließt, nur noch bei manchen Ectoprocten erhalten ist als ein unvollständiger Kranz von »Cirren«, der sonst als Kragen bezeichnet wird und »die Basis der ausgestülpten Tentakelscheide umgibt, und in der Ruhelage zu einer diaphragmatischen Scheibe zusammengelegt den Eingang in diese verschließt. Ich habe keine Veranlassung ge- funden, von der Auffassung, daß diese Gebilde gleichwertig seien, abzugehen« (Euters, 1890, S. 150). Wer diese Auffassung teilt und alle Bryozoententakel auf die larvalen Wimperkränze zurückführt, wird dann natürlich den Wimperkranz der Pedicellina und des Alcyo- midium nicht für homologe Gebilde halten können, und die erwähnten Lageverschiedenheiten der Larvenkränze scheinen das auf den ersten Bliek zu unterstützen. Aber nur auf den ersten Blick, denn in Wirklichkeit ist die Verschiebung der Corona der Eetoprocten genau in der entgegengesetzten Richtung erfolgt, als es hätte der Fall sein müssen, wenn der larvale Wimperkranz des Alcyonidium einem inner- halb des Tentakelkranzes der Pedicellina gelegenen Gebilde entsprechen würde. Denn der Larvenkranz der Eetoprocten liegt weiter dorsal als der der Entoprocten, und vergleicht man die Lagebeziehungen der Mundtentakel und des Diaphragmas oder. »Cirrenkranzes« einer entwickelten ectoprocten Bryozoe, so müßte man gerade umgekehrt, als es geschehen ist, den Cirrenkranz auf die Corona der Eetoprocten- larven, den Tentakelkranz auf den Wimperkranz der Pedicellina-Larve zurückzuführen versuchen. Allerdings muß hier besonders betont werden, daß die Untersuchung der Embryonalentwicklung der Bryo- 70 Oswald Seeliger, zoen bisher den Beweis nicht erbracht hat, ja es vielleicht nicht ein- mal als wahrscheinlich hinzustellen vermocht hat, daß die Tentakel der ausgebildeten Form aus dem larvalen Wimperkranz entstehen könnten. Bei der Kontroverse, die über die Bedeutung der Tentakel der Eeto- und Entoprocten besteht, wird aber auch ein sicherer Rück- schluß von der entwickelten Bryozoe auf die Gleich- oder Verschieden- wertigkeit der larvalen Wimperkränze nicht zu ziehen sein. Betrachtet man die Larvenformen für sich allein, ohne Rücksicht auf die End- formen, so wird man ebenfalls zugeben müssen, daß eine allseitig befriedigende, eindeutige Beantwortung der Frage nach der Homologie der Wimperkränze kaum sicher zu geben ist. Die oben schon er- wähnte Verschiedenheit der Lage des Wimperkranzes der Ento- und Ectoprocten ist es, die an der Homologie zweifeln läßt. Wenn ich trotzdem der Überzeugung bin, daß die Homologie besteht, bin ich genötigt anzunehmen, daß eine relative Lageverschiebung zwischen dem Ventralganglion und Wimperkranz erfolgt sei und zwar in der Art, daß die vordere Region des Wimperkranzes über das Ventral- oder Oesophagealganglion hinweggewandert ist. Ich lasse es dahin- gestellt, ob das Verhalten der Entoprocten, wie ich allerdings lieber glauben möchte, oder das der Eetoprocten das ursprüngliche ist, ob also die Verschiebung des Wimperkranzes dorsal oder ventral zu erfolgte. In jedem Fall muß man sich zur Annahme verstehen, dab der Wimperkranz die Ausmündungsstelle des Kanals des Oesophageal- ganglions oder eine diesem gleichwertige Wimpergrube überschritt. Ich weiß sehr wohl, daß man sich zumeist nicht wird dazu ent- schließen wollen, eine derartige Wanderung des Kranzes über ein andres ectodermales Organ hinweg anzunehmen. Aber ein zutreffender Grund dagegen wird kaum anzuführen sein. Ein Blick auf die ver- schiedenen Eehinodermenlarven lehrt, daß eine Wimperzone sich überall hin ausbreiten kann und auch solche Stellen des einfachen Deckepithels ergreift, die vordem von Wimperzellen völlig frei waren. Ich glaube also, daß es derselbe Wimperkranz ist, der bei den Larven der Ecto- und Entoprocten sich nur in etwas verschiedener Weise eingestellt hat. Freilich lassen sich auch gegen die andre Auffassung, die in den beiden Wimperkränzen der zwei Bryozoengruppen verschiedene Bil- dungen erkennt, keine entscheidenden Gründe anführen. Denn sowie eine alte Wimperzone dadurch sich verschieben kann, daß von ihr aus neue Regionen eines Deckepithels zu Wimperepithel umgewandelt, alte Wimperepithelien resorbiert werden, könnte doch auch gleich Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 71 selbständig weiter vorn oder hinten ein zweiter Wimperkranz ent- stehen und der erste später sich rückbilden. Was allerdings gegen diesen Vorgang spricht ist der Umstand, daß diese beiden Kränze nirgend wo gleichzeitig nebeneinander bestehen! noch auch im .Ver- lauf der ontogenetischen Entwicklung einer Art zuerst der Aa) dann der andre nacheinander auftreten. Eine weitere und wichtige Übereinstimmung der beiden Darsen typen der Bryozoen besteht im Verhalten des Vestibulums. Bei Pedicellina hat bereits HATscHEk die Verhältnisse in der Larve zu- treffend geschildert; nur die späteren die Metamorphose begleitenden Vorgänge hat er nicht beobachtet und daher nicht erkannt, daß die Festsetzung, wie es auch bei den Eetoprocten geschieht, mit der Vestibularregion erfolg. Wenn man, wie ich es oben getan habe, die ganze einstülpbare Ventralregion der Larve, soweit sie vom Wimperkranz umgrenzt wird, als Vestibulum oder Atrium im weiteren Sinne bezeichnet, so lassen sich zwei Partien unterscheiden: Die fast stets eingestülpte centrale, die zwischen Mund und After sich ausbreitet, und eine periphere Randzone, die von den beiden Darm- öffnungen bis zum Wimperkranz reicht. Das Vestibulum des Alcyonidium (sac interne, ventouse oder Saugnapf) scheint nur dem centralen Teil des Atriums der Pedkeellina zu entsprechen. Das läßt sich wenigstens mit hoher Wahrscheinlich- keit aus dem Verhalten des Darmtractus, wie es HARMER schildert und die Texfig. 3 wiedergibt, erschließen. Bei Entoprocten-Larven münden Mund und After in das Vestibulum ein, bei der Aleyomidium- Larve liegt der Mund zwar ventral, aber vor dem eingestülpten, dickwandigen Vestibulum, und ebenso läßt HArRMER den Enddarm dicht hinter dem Vestibulum mit der Leibeswand verlötet sein, so daß auch die Stelle, die dem After entspricht, außerhalb des Atrial- raumes gelegen ist. Es wird also bei Alcyonidium das Vestibulum vom Darmrohr in genau der gleichen Weise umschlossen, wie die Centralpartie des Atriums bei der Pedicellina. Da es sich um eine Ectoprocte handelt, könnte auch schon bei der Larve wie im aus- gebildeten Tier der After außerhalb des Tentakelkranzes bzw. außer- halb des Vestibulums gelegen sein, der Mund aber mübte sich innerhalb des Atriums finden. In Wirklichkeit verläuft die Corona bei Aleyonidium in so weiter Entfernung um die als Mund und After 1 Ich lasse es dahingestellt, ob beim Oyphonautes wirklich zwei ganz getrennte Wimperkränze vorkommen, glaube aber kaum, daß sie, falls sie vorhanden sind, in der hier erwähnten Weise gedeutet werden können (vgl. PROUHO). 12 Oswald Seeliger, gedeuteten Körperstellen, ist der Wimperbogen so weit dorsalwärts subäquatorial verschoben, daß es hier wohl kaum noch zweckmäßig wäre, den ganzen ventralen Abschnitt, das Prymnosoma, als Vesti- bulum zu bezeichnen, zumal sich die periphere, der Corona benach- barte Zone wie die übrige seitliche Leibeswand verhält und nicht mehr einstülpbar ist. Auch ist es, wie oben ausgeführt wurde, zwar sehr wahrscheinlich, aber doch nicht klar erwiesen, daß der Wimper- kranz des Alcyomidium dem der Pedicellina entspricht; aber auch dann, wenn das der Fall ist, hat sich das Prymnosoma der Eetoprocten- Larve dadurch vergrößert, daß es eine neue Zone, die bei Pedicellina im- Prorosoma lag (Region des Oesophagealganglions), in sich auf- nahm. Wenn also auch zweifellos das ganze Vestibulum der Ento- proeten nicht nur dem dauernd eingestülpten Teil der ventralen Leibes- wand der Alcyomidium-Larve, sondern diesem plus einem Teil der benachbarten ventralen Leibeswand entspricht, so ist es doch nicht so umfangreich, daß es der gesamten Ventralfläche oder dem Prymnosoma bei Alcyonidium gleich zu setzen wäre. Vielmehr glaube ich, daß nur der hinter dem Ventralganglion bzw. hinter der Wimpergrube gelegene Teil des Ventralfeldes, der den Eingang in den Darmtraetus enthält und die ganze Region der Vestibulareinstülpung umfaßt, direkt dem ursprünglichen Vestibulum der Pedicellina entspricht. Wie weit hinten die alte Vestibulargrenze reicht, vermag ich nicht zu entscheiden. Würde, was mir sehr wahrscheinlich dünkt, in dieser Region der jetzige Verlauf der Corona bei der Aleyonidium-Larve auch die Grenze des ursprünglichen Vestibulums, im weiteren Sinne des Wortes aufgefaßt, also des ursprünglichen Prymnosoma der Eetoproc- ten darstellen, so müßte (vgl. Textfig. 3) nicht nur die Mund-, sondern auch die Afteröffnung der Larve innerhalb des Wimperkranzes liegen. Die Eetoprocten-Larve würde sich damit in dieser so wichtigen Be- ziehung als nach dem Typus der Entoprocten gebaut erweisen, und erst später, nach der Metamorphose vollzöge sich der Wechsel des Bauplans. Daraus ergibt sich für mich der Schluß, daß die Entoprocten die ursprünglichen und einfachsten Bryozoen darstellen und als die Vorfahrenformen der Ectoprocten anzusehen sind. Diese wiederholen auf dem frühen Larvenstadium den Entoproctentypus. Ich halte diese Schlußweise für um so zwingender, weil mich die Untersuchung der Bryozoenknospung schon vor Jahren (1889, 1890) zu dem gleichen Er- gebnis geführt hat: daß die Knospen der Ectoprocten auf frühen Sta- dien der Ausbildung in überraschender Weise den Entoprocten gleichen. Rostock, im November 1905. | Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 13 Literaturnachweis,. BALFOUR, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Bd. I. 1880. BARROIS, M&moire sur l’embryologie des Bryozoaires. Lille 1877. —— Memoire sur la Metamorphose de quelques Bryozoaires. Ann. Sc. natur. (@. Ser.) T. I. 1886. —— Memoire sur la me&etamorphose des Bryozoaires. Ibid. (6. Ser) T. IX. 1880. —— Embryogenie des Bryozoaires. Journ. Anat. et Physiol. 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Erklärung der Abbildungen, Buchstabenbezeichnungen: at, Atrium oder Vestibulum; cm, Commissur zwischen den beiden atı, vorderes, basales Advestibular- larvalen Ganglien; organ; dk, Dotterkörper; atb, Atrialboden, Basis des Vestibulums; dr, Drüsenzellen; atö, Atrialöffnung; ds, dorsaler Randstreifen am Wimper- atr, Atrialrinne; | kranz; c, Cutieula; dw, Darmwand; Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 75 ee, Ectoderm; eeb, Eetodermbucht (Mundöffnung?); ed, Enddarm; . 7x, Flimmer- und Wimperzellen; 91, ösophageales Advestibularorgan (= definitives Ganglion?); dg, Dorsalganglion; gs, rectales Advestibularorgan; go, ventrales oder ösophageales orales Ganglion; gve, Kanal desselben (entspricht der Wimpersrube der Alcyonidium- Larve); !, primäre Leibeshöhle; Im, Längsmuskel; m, Magen; mb, Membran, den Embryo umhüllend; mf, Muskelfasern, bzw. Muskelfibrillen; mk, Muskelzellkern; ms, Mesenchym; msı, epithelial angeordnete Mesenchym- zellen oder Reste des Darmkanals?; mx, Muskelzellen; nc, Nierenkanälchen; nf, Nervenfasern; r, Rectum; rf, Ringfurche; rx, seitliche Randzone der Wimper- grube; s, Scheitel der Larve; se, Sinnesepithel des Dorsalganglions; se, indifferentes Epithel der Scheitel- region; sk, Sarcoplasma; irm, Transversalmuskel; vs, ventraler Grenzstreifen am Wimper- kranz; wg, Wimpergrube; wgl, Vorderlippe der Wimpergrube; wk, Wimperkranz; ws, Wimperschopf am Epistom der Pedr- eellina. A, vorm; P, hinten; D, dorsal; V, ventral. Tafel I. Sämtliche Abbildungen beziehen sich auf Embryonen und freischwimmende Larven der Pedicellina echinata. Fig.1. Nahezu median geführter Längsschnitt durch einen jungen Embryo. 735/1. 4, Scheitelregion aus dem zweitvorhergehenden Schnitt derselben Serie. 735/1. B, Entstehung des ösophagealen Ganglions (sog. Dorsalorgan); aus dem vorhergehenden Schnitt der Serie. 735/1. Fig. 2. Querschnitt durch die Scheitelregion eines älteren Embryos. 735/1. Fig.3. Medianer Längsschnitt durch einen Teil der Leibeswand mit den beiden in Bildung begriffenen gangliösen Apparaten eines ungefähr gleich alten Embryos. 550/1. Fig. 4. Aus einem medianen Längsschnitt durch einen etwas älteren Embryo. 550/1. Fig. 5. lebenden Objekt gezeichnet. (396/1?) Ein noch älterer Embryo im optischen Medianschnitt, nach dem Fig.6. Optischer Längsschnitt durch die Anlage des ösophagealen Ganglions eines annähernd gleich alten Embryos. Fig.7. Dasselbe Organ in Flächenansicht, von vorn gesehen. 735/1. 35/1. Fig.8. Querschnitt durch einen in der Entwicklung bereits weiter vor- geschrittenen Embryo. 500/1. Fig. 9. Frontalschnitt (parallel zur Ventralwand geführt) durch ein fast gleichalteriges Stadium. 500/1. Fig. 10. Schnitt durch die Scheitelregion eines ähnlichen Embryos. 735/1. Fig. 11. Schnitt durch die Scheitelregion eines älteren Embryos. Fig. 12. Schnitt durch das Oesophagealganglion desselben Tieres. 735/1. 735/1. 76 Oswald Seeliger, Fig. 13. Medianer Längsschnitt durch die Scheitelregion einer frei- schwimmenden Larve (kleines Individuum). 735/1. Fig. 14. Freischwimmende Larve von links gesehen. 260/1. Fig. 15. Die Scheitelregion derselben Larve bei stärkerer Vergrößerung. 35/1. | Fig. 16. Querschnitt durch den Flimmerkanal des ösophagealen Ganglien- apparates einer freischwimmenden Larve. 735/1. Fig. 17. Die Ganglienregion aus derselben frontalen Schnittserie; drei Schnitte weiter nach dem Scheitel zu. 735/1. Fig. 18. Stück aus dem folgenden Schnitt derselben Serie. 735/1. Fig. 19. Frontalschnitt durch die nämliche Region einer andern Larve. 735/1. Fig. 20. Medianer Längsschnitt durch eine freischwimmende Larve. Etwa 500/1. Fig. 21. Oesophageales Ganglion und Scheitelapparat einer freischwimmen- den Larve. 500/1. Tafel II. Sämtliche Abbildungen beziehen sich auf Embryonen und Larven der Pedicellina echinata. Fig. 22. Frontaler Längsschnitt durch eine alte freischwimmende Larve. Der Schnitt geht durch den Scheitelapparat und die Übergangsstelle des Oeso- phagus in den Magen. 500/1. Fig. 23. Schnitt aus derselben Serie, zwei Schnitte weiter nach der oralen Seite zu. 500/1. Fig. 24. Frontalschnitt durch eine andre freischwimmende Larve. Die Mündung des Kanals des Oesophagealganglions ist getroffen worden. 500/1. Fig. 25. Aus einem Frontalschnitt durch eine alte freischwimmende Larve. Die zwischen den beiden nervösen Apparaten liegende Region ist durchschnitten. 35/1. 25 A. Schnitt durch dieselbe Region, unmittelbar ventral vom Dorsal- ganglion. 735/1. Fig. 26. Querschnitt durch eine freischwimmende Larve. Nur der ventrale Abschnitt ist gezeichnet. 500/1. Fig. 27. Stück aus einem medianen Längsschnitt durch eine freischwimmende Larve. 500/1. Fig. 28. Ziemlich schräg geführter paramedianer Längsschnitt durch einen Embryo. 500/1. A, Stück aus dem Nachbarschnitt derselben Serie. 500/1. Fig. 29. Frontalschnitt durch den Ösophagealen Ganglionapparat einer freischwimmenden Larve. 950/1. Fig. 30. Medianer Längsschnitt durch einen Teil des eingestülpten Vesti- bulums einer freischwimmenden Larve. Bildung des basalen Advestibularorgans 1400/1. 5 Fig. 31. Insertion eines transversalen Muskels an der Leibeswand einer Larve. 1400/1. - Fig. 32. Ein andrer Muskel aus dem Nachbarschnitt derselben Serie. 1400/1. Fig. 33. Die Region des tief eingezogenen präoralen Wimperkranzes und die benachbarten Zonen der Vestibular- und Leibeswand. Aus einem para- medianen Längsschnitt durch eine freischwimmende Larve. 500/1. Über die Larven und Verwandtschaftsbeziehungen der Bryozoen. 77 Fig. 34. Transversalmuskel zwischen Leibeswand und: Vestibulum. Aus einem Längsschnitt durch eine Larve. 735/1. Fig. 35. Längsschnitt durch den Exceretionskanal einer Larve. 1400/1. Fig. 36. Längsschnitt durch das basale Advestibularorgan einer Larve. 1400/1. Fig. 37. Längsschnitt durch einen zwischen Leibeswand und Oesophagus ausgespannten Muskel eines voll entwickelten Embryos. 735/1. Fig. 385. Querschnitte durch zwei Muskelstränge. 1400/1. In A ist der Myoblast mit Kern durchschnitten. 5 in einiger Entfernung vom Muskelkern gelegen. Fig. 39. Insertion zweier Muskel an der Leibeswand. 735/1. Fig. 40. Querschnitte durch zwei Zellen der Leibeswand mit benachbarten Muskelfibrillen. 1500/1. Tafel III. Sämtliche Abbildungen auf dieser und der folgenden Tafel beziehen sich auf freischwimmende Larven von Aleyonidium. Fig. 41. Larve in seitlicher Ansicht. 144/1. Fig. 42. Larve von unten (ventral) gesehen. 144/1. Fig. 43. Eine andre Larve von unten (ventral) betrachtet. 144/1. Fig. 44. Querschnitt durch eine Larve. 380/1. Fig. 45. Stück aus dem Flimmerkranz der in Fig. 42 gezeichneten Larve stärker vergrößert. 396/1. Fig. 46. Längsschnitt durch eine Muskelfaser. 2100/1. Fig. 47. Längsschnitt durch den Flimmerkranz. 735/1. Fig. 48 u. 49. Längsschnritte durch zwei Muskelfasern mit anliegenden Kernen und Sarcoplasma. 1400/1. Fig. 50. Paramedianer Längsschnitt durch eine bereits längere Zeit frei- schwimmend lebende Larve. 380/1. Fig. 51. Medianschnitt durch dieselbe Larve. 380/1. Fig. 52. Stück aus einem Medianschnitt durch eine gleich alte Larve. 500/1. Fig. 53. Querschnitte durch vier Muskelfasern aus verschiedenen Larven. 1400/1. Fig. 54. Insertion zweier Muskel an der Innenseite der Ringfurche. 735/1. Fig. 55. Aus einem medianen Längsschnitt durch eine ältere freischwimmende Larve. 550/1. Tafel IV. Fig. 56. Längsschnitt durch ein Muskelfaserbündel. 735/1. Fig. 57. Mesenchymzellen und Zellgruppen mit Dotterschollen. 1400/1. Fig. 58. Längsschnitt durch das Eetoderm der Scheitelregion. (1000/1?) ‘ Fig. 59. Stück der ventralen Sinnesregion, Ventralganglion und Wimper- grube. Aus einem medianen Längsschnitt durch eine freischwimmende Larve. Klopfpräparat. 1400/1. A, Zwei Zellen aus der nächstbenachbarten Wimper- region. 1400/1. Fig. 60. Medianer Längsschnitt durch dieselbe Region einer andern Larve- Klopfpräparat. 735/1. 78 Oswald Seeliger, Über die Larven u. Verwandtschaftsbez. d. Bryozoen. Fig. 61—63. Drei Schnitte durch die ventrale Leibeswand einer Larve (sog. birnförmiges Organ und Wimpergrube); aus einer Querschnittserie. 735/1. Fig. 61. Aus einem Schnitt in der Nähe der Mitte der Larve, dicht vor der Ectodermbucht. Fig. 62. Drei Schnitte weiter nach dem Vorderende zu. Fig. 63. Drei weitere Schnitte nach vorn zu. Fig. 64. Schnitt durch dieselbe Region einer andern Larve. 735/1. Fig. 65. Aus einem paramedianen Längsschnitt durch eine Larve. 500/1. Fig. 66. Querschnitt durch den Wimperkranz und die Mantelrinne (Ring- furche) einer freischwimmenden Larve. 750/1. Fig. 67. Querschnitt durch die vordere Partie einer freischwimmenden Larve. Aus zwei Schnitten kombiniertes Bild. 455/1. Fig. 68. Ventrale und seitliche Partie (Ausbreitung und Endigung eines Nervenstrangs) aus einem Schnitt derselben Serie. Etwa 700/1. - Fig. 69. Umwandlung der Kerne aus dem Vestibulum in eben festgesetzten Larven. 812/1. Über einige Actinotrochen der norwegischen Fjorde. Von Dr. Alexander Schepotieff (St. Petersburg). Mit Tafel V und VI. Die Actinotrochen treten im Plancton der norwegischen Fjorde sewöhnlich nur zufällig auf (SELYS Lon@cHAups 1902, S. 565); Pho- ronis ist dort sogar noch niemals beobachtet worden. Unter den von mir untersuchten Actinotrochen aus der Umgebung von Bergen haben sich zwei streng voneinander geschiedene Formen unterscheiden lassen. Die erste oder die Form A (Taf. V, Fig. 1) hat geringe Dimensionen, einen ansehnlichen Präorallappen (Prip), einen wenig sestreckten Rumpf (Rf) und 24 Tentakel (7), die in Gestalt eines nach der Ventralseite sehr stark gedehnten Ringes angeordnet sind; die Halsregion (Hr) nimmt mindestens ein Drittel des ganzen Körpers ein. Die zweite oder die Form B (Taf. V, Fig. 2) hat sehr beträcht- liehe Dimensionen, einen großen cylindrischen Körper, 38 Tentakel (7), die doppelt so fein sind, als bei der vorigen Form und einen kleinen Präorallappen (Pr/p), der an konservierten Exemplaren stets zurückgebogen ist. Ihre Halsregion (Hr) ist schmal und der Ten- takelring horizontal angeordnet. Augenblicklich lassen sich noch nicht alle verschiedenen Formen von Actinotrocha genau feststellen, denn aller Wahrscheinlichkeit nach hat jede einzelne Species von Phoronis ihre eigne Form von Actinotrocha. Da diese sich mit dem Wachstum verändert (es wächst die Zahl der Tentakel, es ändert sich die Form der Präorallappen und des Rumpfes, die Größe des Körpers usw.) so müssen, bevor die Entwicklung aller einzelnen Arten von Phoronis bekannt ist, alle Diseussionen darüber (SCHNEIDER, 1861, 1862; CoBBoLn, 1858; ÜCLAPAREDE, 1862; Conn, 1885; CunNnInGHAM, 1886; SHRUBSOLE, 1886; MclIstos#s, 1886; Meer, 1892) ohne Halt bleiben. Überdies ist auch 80 Alexander Schepotieff, die Zahl der Arten von Phoronis ungeachtet der langen Reihe von Gelehrten, die sich damit abgegeben haben (wie STRETHILL WRIGHT, 1856; Dvsrer, 1858; McIntos#, 1881; HAswEuı, 1882; RoULE, 1896; DALLA TORRE, 1889; Corı, 1891; Anprews, 1890; Oxa, 1897; Tor- REY, 1901; SeLys LonscHAaMmPps, 19041) noch nicht zuverlässig kon- statiert. Ungeachtet der umfangreichen Literatur bleibt die Kenntnis der Organisation von Actinotrocha noch unbefriedigend. Unter den heutigen Forschern herrscht selbst über Bau und Bedeutung der wichtigsten Organe Meinungsverschiedenheit. Obschon Actinotrocha schon seit 1846 bekannt ist, beginnt unsre Bekanntschaft mit ihrer Organisa- tion doch erst mit den Forschungen von CALDWELL (1885) und be- sonders von MASTERMAN- (1896, 1897), und alle übrigen Untersuchungen früherer Zeit können gegenwärtig nur noch auf historische Bedeutung Anspruch machen. Bekanntlich erregten die Arbeiten MASTERMANS große Aufmerksamkeit und erweckten das Interesse für Actnotrocha, die in der Folge von einer ganzen Reihe Gelehrter studiert worden ist, wie IKEDA (1901), ROULE, MExon (1902), GooprıcH (1903), SELYS Lon6ecHAups (192, 19042), Schurz (19032). Dadurch wurde eine lebhafte Polemik hervorgerufen, die damit zum Abschluß gelangte, daß fast alle Behauptungen MASTERMANs widerlegt wurden. Aber auch die Resultate jener Gelehrten stimmen in vielen Dingen mit- ‘einander nicht überein. Insbesondere stehen zahlreiche Ergebnisse von RoutE (1896, 18991, 18992, 19001, 19002, 19003, 1900%, 1901) in direktem Widerspruch sowohl mit den Angaben der meisten übrigen oben erwähnten Forscher, als auch mit meinen eignen. Den Unter- suchungen RoUuLes liegt aller Wahrscheinlichkeit nach sehr schlecht erhaltenes Material zugrunde In jedem Falle entbehren sie für weitere Betrachtungen wesentlicher Bedeutung. Die innere Gestaltung beider Formen (A und B) ist, abgesehen von einer gewissen Verschiedenheit in der relativen Größe der Or- gane, absolut identisch und deshalb kann bei der Besprechung der verschiedenen, den inneren Bau betreffenden Fragen die äußere Form nicht in Betracht kommen. Die bis jetzt nicht ganz klaren Seiten der Organisation von Actinotrocha sind folgende: 1) Die Körperhöhlen und die Zahl der Segmente. Be- kanntlich sind alle Angaben von MASTERMAN, der bestrebt war, im Bau der Höhlen eine Identität zwischen den Phoroniden und den Enteropneusten und den Pterobranchiern (Rhabdopleura, Cephalodiscus) Uber einige Actinotrochen der norwegischen Fjorde. S1 nachzuweisen (1896, 1897, 1901, 1902), von den späteren Forschern vollkommen widerlegt worden. Die Forschungen von IKEnA (1901) haben vor allen Dingen dar- getan, daß das erste Querseptum MASTERMANS nicht ein zusammen- hängendes Septum ist und daß infolgedessen die Höhle des Präoral- lappens mit der der Halsregion unmittelbar komuniziert: im Körper der Actinotrocha gibt es nur ein Querseptum, das die Rumpfhöhle von der der Halsregion trennt, d. h. das zweite Septum MASTERMANS. Außerdem existiert nur noch eine, überdies nicht vollständige Teilung der Höhle des Rumpfes in eine rechte und eine linke Hälfte durch ein ventrales Mesenterium. Das Medianseptum der Halsregion fehlt gänzlich. Somit gibt es nur zwei Abteilungen der Körperhöhle, eine »präseptale« und eine »postseptale«, und diese sind dabei nicht gleichen Ursprungs: nur die Rumpfhöhle ist cölomatisch, während die präseptale bei der Metamorphose in das Blutgefäß der Phoronis übergeht und also das Blastocöl darstellt. Menox (1902) nähert sich mehr der Ansicht MASTERMANSs, indem er die Existenz zweier Quersepta zugibt, die beiden Höhlen aber nicht als gleichartig betrachtet: nur die Rumpfhöhle bezeichnet er als cölomatisch, die des Präorallappens als »präseptal hämoecöl«. Die Forschungen von GoopkricH (1903) haben gezeigt, daß ab- sesehen von dem dem Präorallappen und der Halsregion gemeinsamen Blastocöl im Körper der Actinotrocha zwei Cölome vorhanden sind, das Cölom des Rumpfes mit ventralem Mesenterium und das Cölom der Halsregion, das im Querseptum an der Dorsalseite liegt und die Halsregion in Gestalt eines unvollständigen Ringes hufeisenförmig umfaßt. Dieses Halsregioncölom bildet am Basalteile jedes Tentakels kurze Vorsprünge und ist, da es kein Medianseptum besitzt, unpaarig. Der Umstand, daß zwischen dem Präorallappen und der Halsregion ein unvollständiges Septum besteht, bringt ihn auf die Vermutung, die Höhle des Präorallappens sei mit der der Halsregion oder dem Blastocöl sekundär in Verbindung getreten, so daß man bei Actino- trocha die Präorallappenhöhle von den übrigen unterscheiden könne. Aus einer Reihe von Querschnitten (Taf. V, Fig. 6 u. 7; Taf. VI, Fig. 5—8) und Längsschnitten (Taf. V, Fig. 5), kann man sehen, daß das erste Querseptum MASTERMANs ein Bündel Muskelfibrillen dar- stellt (Mf und Mf’ der Figuren), die von der Dorsalwand des Körpers, vom Cerebralganglion (Cgl) durch die Körperhöhle bis zur Ventral- wand des Präorallappens gehen, wo sie sich unmittelbar vor der Mundöffnung (M) anheften. Sie sind in einem Halbkreise von hinten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bad. 6 82 Alexander Schepotieff, dorsal nach vorn ventral geneigt, so daß in einem Querschnitte unter dem Cerebralganglion nur ihre proximalen Teile sichtbar sind (Taf. V, Fig. 7), was zur Folge hat, daß man das von ihnen umfaßte Gebiet (Btc) leicht für eine geschlossene Blase oder einen Sinus ansehen kann, was auf einem Irrtum beruht. Das Vorhandensein eines be- sonderen Septums oder der Spuren eines solchen zwischen der Höhle des Präorallappens und der der Halsregion muß in Abrede gestellt werden. Wie Fig. 1—4, Taf. VI zeigen, ist fast die ganze vordere Partie der Präorallappenhöhle von Mesenchym erfüllt (Mes), das in der Richtung nach jenem oben erwähnten Faserbündel (Taf. VI, Fig. 5—8 Mf, Mf') hin allmählich verschwindet oder nur an den kändern des Präorallappens erhalten bleibt (Mes, Taf. VI, Fig. 5—10\. Die vor dem kräftig ausgebildeten zwischen Halsregion und Rumpf liegenden Querseptum (g, Taf. V, Fig. 9—12 und 16; Taf. VI, Fig. 11—18) befindliche Körperhöhle zeigt nicht eine Spur von einem Medianseptum oder einem Peritonealepithel. Folglich ist sie nicht cölomatisch, sondern sie ist, da darin Blutzellenkomplexe (5x u. B7', Taf. V, Fig 3; Taf. VI, Fig. 15—18) vorhanden sind und sie mit den Blutgefäßen in Verbindung steht, als Rest der primitiven Körper- höhle aufzufassen (Die, Taf. V, Fig. 5—7, 9—10, 12 u. 14; Taf. VI, Fig. 4—18). Die vordere cölomatische Höhle (vC, Taf. V, Fig. 3, 4, 12, 14, 15; Taf. VI, Fig. 16—19) liegt im vorderen Teile des Querseptums (9!—q?, Taf. V, Fig. 12) und bildet bis zur halben Länge jedes Ten- takels eine Blindtasche (Te, Taf. V, Fig. 8u. 12). Sie schließt sich an der Dorsalseite des Körpers zu einem fast vollen Ringe, indem ihre beiden Hälften nur durch einen schmalen Zwischenraum getrennt sind. Die hintere cölomatische Höhle des Körpers (hc, Taf. V, Fig. 3, 4, 9, 10, 12, 15, 16; Taf. VI, Fig. 12—14), die eine sog. Inva- ginationstasche (J»vt, Taf. V, Fig. 16; Taf. VI, Fig. 15-23) und den Entodermalteil des Darmkanals einschließt, ist durch ein ventrales Mesenterium in zwei Teile geteilt, aber nicht vollständig, denn das Mesenterium beginnt etwas unterhalb des Querseptums (vMes, Taf. VI, Fig. 21—24) und läßt einen freien Raum übrig. Wie aus diesem Überblicke hervorgeht, entspricht die Zahl -der Segmente bei den Actinotrochen nicht der äußeren Dreiteilung des Körpers: es lassen sich nur zwei Segmente nachweisen, die nicht einmal mit der äußeren Teilung zusammenfallen. 2) Die »proboscis pores« MASTERMANs. Die von MASTERMAN (1897) beschriebenen Poren des Präorallappens, die zu beiden Seiten Über einige Actinotrochen der norwegischen Fjorde. 33 des Cerebralganglions liegen und die Höhle des Präorallappens mit der Außenwelt in Verbindung setzen sollen, haben sich der Beob- achtung aller späteren Forscher, darunter auch der meinigen, ent- zogen. Da einerseits die Vorderpartie des Präorallappens mit Parenchym ausgefüllt ist und anderseits die hintere unmittelbar mit dem Blastocöl kommuniziert, so erscheint die Existenz solcher Poren sogar theoretisch unmöglich. 3) Die Nephridien. Schon im Jahre 1847 hatte WAGENER (1847) in der Halsregion eigentümliche Gebilde entdeckt, die CALD- WELL (1885) zuerst als geschlossene Nephridien bezeichnet hatte, deren Enden mit besonderen Excretionszellen besetzt sind. Nach MASTERMAN (1897) ist ein Paar offener Nephridien vorhanden. IKEDA (1901) und Serys LoxscHamps (1902) haben darauf nachgewiesen, daß die Nephridien nicht offen, sondern geschlossen sind. Allein erst seit der Veröffentlichung der Untersuchungen GoopkrıcHs (1905) und seiner Entdeckung der Solenocyten bei Actinotrocha ist es klar geworden, daß in der Halsregion der Actinotrochen ein Paar mit Solenoeyten ausgestattete Protonephridien vorhanden sind, die sich hinter dem Querseptum an beiden Seiten des Körpers öffnen (Fig. 11, Taf. V auch Taf. VI, 80l Fig. 16 u. 17, Prn Fig. 18, Prnk Fig. 17—20). Doch sind diese nicht einfach, sondern an den inneren Enden ver- zweigt. Auf Fig. 9, 10 und 11, Taf. V sind vier besondere dicht mit Solenoeyten (Sol) besetzte Erweiterungen (Pran!—Prn#) sichtbar, deren Höhlungen außerhalb jeder Verbindung mit den Körperhöhlen stehen. Indem diese Erweiterungen zunächst zu zwei (Prngt, Prng2, Fig. 11, Taf. V), dann zu einem (Prag) sich allmählich verengernden Stamm verschmelzen, vereinigen sich auch ihre Höhlungen zu einem gemein- samen Ausführungsgang (Prnk, Fig. 9 u. 10). Die Enderweiterungen und die paarigen Stämme liegen frei im Blastocöl und erst, nachdem sie zu einem Stamm verschmolzen sind, tritt das Proto- nephridium mit dem Querseptum (g!) in Berührung. Der gemeinsame Ausführungsgang hat die Gestalt eines kurzen Kanals, der in der Richtung nach der Oberfläche des Körpers enger wird. Die Blut- zellen des Blastocöls stehen an den von mir untersuchten Exemplaren in keiner Berührung mit den Solenocyten. 4) Die Notochorda. Nach MasreruAan (1896, 1897) besitzen die Actinotrochen eine unpaarige »subneural gland« oder ein Homo- logon des Eicheldarms der Enteropneusten in Gestalt einer Ausstül- pung der Oesophaguswand, nach vorn im Präorallappen im Bereiche des Querseptums. Die Existenz eines ähnlichen Organs hat schon 6* 84 Alexander Schepotieff, MEnon erkannt, der es nicht mit dem Eicheldarm sondern mit der Chorda der Vertebraten verglich. Nach IKEDA, SELYS LONGCHAMPS (1902, 19042) und GooprıcH kann man zuweilen an der Stelle des Darmkanals, der dem Eicheldarme der Enteropneusten entspricht, Falten beobachten, allein da an diesen keinerlei histologische Ver- änderung im Vergleich mit den übrigen Partien des Oesophagus bemerkbar ist, müssen sie als Zufälligkeiten betrachtet werden. Von einer Ähnlichkeit dieser Falten, sowie auch der Längsfalte an der Ventralwand des Präorallappens, die von der Mundöffnung nach vorn verläuft und sich ziemlich weit in den Körper erstreckt (Kf, Taf. VI, Fig. 1—4), mit der Notochorda der Pterobranchier oder der Entero- pneusten kann natürlich keine Rede sein. 5) Die »oral and atrial grooves« MASTERMANSs. Nach MASsTERMAN (1897) gibt es bei Achnotrocha zwei Paar Vertiefungen oder Rinnen in der Körperoberfläche, die zur Mundöffnung führen. Man kann sie als Rudimente der Kiemenspalten auffassen. Ihre Existenz ist indes von allen übrigen Forschern in Abrede gestellt worden und auch ich habe sie nicht entdecken können. Bei der Konservierung entstehen häufig an der Oberfläche des Körpers von Actinotrocha zahlreiche Fältchen, die in der Halsregion radial von der Mundöffnung auszugehen pflegen. Zur Zahl solcher Gebilde sehören auch die »oral and atrial grooves«. 6) Die vacuolisierten Blindtaschen. Die Vorderpartie des Magens bildet bei Actinotrocha ein Paar Blindtaschen (seltener eine unpaarige) die an der Ventralseite oder lateral im Blastocöl liegen (v.Bdt, Taf. V, Fig. 4; rv.Bdt und iv.Bdt, Taf. V, Fig. 3; Taf. VI, Fig. 10—13). Diese Blindtaschen, die auch an Totalpräpa- raten erkennbar sind, sind schon von MÜLLER im Jahre 1846 be- merkt und als paarige Blinddärme bezeichnet worden (MÜLLER, 1846). Ihr Bau unterscheidet sich scharf von dem des übrigen Darmkanals, da ihre Wandungen aus vacuolisiertem oder blasi- sem Gewebe bestehen. GEGENBAUR (1854) bezeichnete diese Ge- bilde als »Haufen der Leberzellen«, WAGENER (1847) als »Leber- blinddärme«, CLAPAREDE (1865) als dunkle Massen mit Vacuolen, METSCHNIKOFF (1869, 1871) als braune Protuberanzen, und WıLson (1880, 1881) als drüsige Lappen des Magens. MAsTERMAN (1897) hat ihnen eine ganz andre Bedeutung zugeschrieben, indem er sie auf Grund der Vacuolisation ihrer Zellen als paarige Chordarudimente »Di- plochorden« oder ‘»Pleurochorden« bezeichnete. Diese fanden hei den Zoologen (HARMER, 1897, SELYS LonGcHAMPs, 19042) sehr skep- Über einige Actinotrochen der norwegischen Fjorde. 55 tische Aufnahme. IkEpDA fand, ohne zu einer bestimmten Vorstellung von ihrer Bedeutung zu gelangen, nur eine unpaarige ventrale Blind- tasche, deren Lage allen Begriffen von einer Chorda widersprach. MASTERMAN hat meines Erachtens vor allen Dingen außer acht gelassen, daß bei Cephalodiscus das ähnliche Gebilde im Oesophagus liegt — ist also ectodermalen Ursprungs — und nicht im Magen und daß es in untrennbarem Zusammenhange mit den Kiemenspalten steht, deren Wände einen ganz ähnlichen histologischen Aufbau aus blasig-vacuoli- siertem Gewebe zeigen, wie die Pleurochorden (MASTEMAN, 1897, SCHE- POTIEFF, 19052), daß diese also nichts andres darstellen als die respira- torische Partie des Vesophagns von Üephalodiscus. Ebenso sind auch bei Rhabdopleura die ähnlichen Gebilde nichts weiter, als die Fort- setzungen der Kiemenrinnen an der inneren Oberfläche des Oesophagus (SCHEPOTIEFF, 19051), -d. h. sie stehen ebenfalls mit der respiratori- schen Funktion dieses Organs im Zusammenhang. Bei Achmnotrocha liegen sie nicht im Oesophagus, sondern im Magen und ventral und verschmelzen sogar ausnahmsweise bei einigen Formen zu einer ven- tralen Protuberanz. Abgesehen davon, daß sie bei Achnotroche auf der der Notochorda entgegengesetzten Körperseite liegen, stehen sie bei den Pterobranchiern mit der Entstehung der Kiemenspalten im Zusammenhang und es ist demnach klar, daß sie nichts mit den Chordarudimenten zu schaffen haben. Die »Diplochorden« verdienen also keine Beachtung. Den Bau dieser Gebilde sieht man auf Fig. 13 u. 14, Taf. V. An allen Exemplaren der beiden von mir untersuchten Formen waren sie paarig und lagen auf der Ventralseite des Körpers (rv.Ddt und lv.Bdt, Taf. VI, Fig. 10 u. 11). Ihre Zellen zeigen eine bestimmt ausgesprochene Vacuolisation, meistenteils jedoch nur an der äußeren Oberfläche der Ausstülpungen, während ihre Innenfläche, namentlich in der proximalen Hälfte, sehr häufig eine Schicht Protoplasma be- wahrt. Die Kerne der Zellen sind mehrschichtig angeordnet und ziemlich klein im Vergleich mit denen der übrigen Teile des Magens. Die Vaeuolen (Zr) selbst erscheinen zuweilen kugelförmig, haben jedoch meist im optischen Durchschnitt polygonalen Umriß. Die Grenzen zwischen ihnen zeigen sich auf dem Querschnitte als feine scharf mar- kierte Linien, an deren Kreuzungspunkten die Kerne verstreutsind. Was für diese Ausstülpungen besonders charakteristisch ist, das ist ihre in Beziehung auf die übrigen Teile des Magens sehr bestimmte Be- grenzung. Ähnlich, wie bei den Oesophagusausstülpungen der Ptero- branchier macht sich bei ihnen kein allmählicher Übergang bemerkbar 86 | Alexander Schepotieff, und bei der Vereinigung mit den Magenwänden hat die Vacuolisation der Zellen unvermittelt ein Ende. Bekanntlich treten diese Ausstülpungen relativ spät auf und ver- schwinden bei der Metamorphose der Acthnotrocha, ohne in irgend ein Organ der Phorcnis überzugehen. Wie aus den Figuren ersichtlich ist, fallen diese Gebilde in ihrem Bau, sowie in ihrer ventralen, zum Teil lateralen Lage zum Darm- kanal bis in die feinsten Datails mit den Kiemenspalten des Cepha- lodiscus zusammen (s. WıLLey, 1899). Das einzelne Hindernis für die Vergleichung dieser Blindtaschen mit den Rudimenten der Kiemen- spalten der Pterobranchier besteht darin, daß sie nicht im Oesopha- gus, in der ectodermalen Darmpartie, sondern im Magen, im endo- dermalen Darm liegen. 7) Das Gefäßsystem. Vor MASTERMAN ist die vollständigste Beschreibung des Blutgefäßsystems von CALpwELL (1885) geliefert worden, der, abgesehen von den bereits mehrfach erwähnten Blut- zellenkomplexen im Blastocöl (5x, der Figuren) eine Reihe von Gefäßen unterscheidet, die nach seiner Auffassung kein geschlossenes System bilden, sondern mit der Höhle der vorderen Körperpartie kommunizieren. Nach MAsSTERMAN (1897) dagegen ist der ganze Blutumlauf ge- schlossen und besteht aus einem System zahlreicher miteinander kommunizierender Sinus. Die späteren Untersuchungen haben indes den Angaben MASTER- MANS keine Bestätigung gebracht, während die CALDWELLsS an Wahr- scheinlichkeit gewonnen haben. Nachdem IrenA (1901) zuerst be- merkt hatte, daß bei der Metamorphose die Leibeshöhle der vorderen Körperhälfte der Actinotrocha in ein ringförmiges Blutgefäß der Phoronis übergeht, machte er darauf aufmerksam, daß das übrige Cireulationssystem, von dem er übrigens nur ein Dorsalgefäß ge- funden hat, in direkter Verbindung mit dieser Höhle steht und nicht geschlossen ist. Der ihm entgangene Perianalring ist von MENnoN und GOODRICH entdeckt worden. Außerdem hat SELYS Lonc- cHAMPps (1904), abgesehen von dem einen Dorsalgefäß, noch ein längs der linken Seite des Darmkanals verlaufendes laterales nach- gewiesen. Wie die in Fig. 12—19, Taf. VI abgebildete Serie von Quer- schnitten erkennen läßt, verläuft das Dorsalgefäß (Dg, Taf. V, Fig. 3 und 16; Taf. VI, Fig. 12—19), von einer dieken Zellenschicht des Peritonealepithels umgeben (Pep), vom ersten Querseptum (g’ der Über einige Actinotrochen der norwegischen Fjorde. 87 Figuren) bis zum Hinterende des Magens und ist schwer zu über- sehen, während das Lateralgefäß (Sg, Taf. V, Fig. 3 u.16; Taf. VI, Fig. 14—17) viel kürzer ist und nur längs der vorderen Magenwand verfolgt werden kann. Dieses Gefäß liegt rechts von jenem und sehr nah dabei, so daß gewöhnlich die Schicht von Peritonealepithel- zellen beide bedeckt. Im Querschnitte haben beide Gefäße , lich halbmondförmigen Umriß. Außer diesen Gefäßen kann man noch am hintersten Körper- ende längs dem Perianalwimperring den Perianalring (Perr, Taf. V, Fig. 3) erkennen. 8) Das Nervensystem. Durch die späteren Forschungen ist es nachgewiesen worden, daß die Mehrzahl der von MASTERMAN (1897) beschriebenen zahlreichen Nerven nur Komplexe des subepithelialen Nervenplexus sind. IkepA (1901) hat außer diesem nur noch ein Cerebralganglion (Cgl, Taf. V, Fig. 95—7; Taf. VI, Fig. 5 und 6), eine Reihe von Nervenfibrillen an den Rändern des Präorallappens und zwischen dem Cerebralganglion und der Scheitelplatte konsta- tieren können. Die übrigen Nerven MASTERMANS sind vom Nerven- plexus nicht zu unterscheiden. Die Existenz eines Neuroporus hat MASTERMAN selbst in seinen späteren Abhandlungen (1901, 1902) wieder in Abrede gestellt. Die Untersuchungen von Scaurz (19032) über die Regeneration des Präorallappens bei einer kurz vor der Metamorphose stehenden Actinotrocha haben indes gezeigt, daß hinter dem Cerebralganglion die Bildung einer besonderen Vertie- fung im Epithel erfolgt, deren Zellen sich in Nervenelemente ver- wandeln. 9) Die Scheitelplatte. Was die in der Mitte des Präoral- lappens liegende Scheitelplatte betrifft, so stellt sie ein typisches Sinnesorgan dar, eine centrale Verdiekung der Dorsalwand des Präorallappens, worin der subepitheliale Nervenplexus besonders kräftig ausgebildet ist (Sch, Taf. V, Fig. 5; Taf. VI, Fig.3). An der Oberfläche bilden die länglichen Zellen des über dem Plexus liegen- den Cylinderepithels sehr lange Wimpern. 10) Die Tentakel (T, Taf. V, Fig. 1 u.2; Taf. VI, Fig. 10 usw.). Der seiner Lage und der Zahl der Einzeltentakel nach bei den ver- schiedenen Actinotrochenarten so mannigfaltig gestaltete Tentakelring entspricht zum Teil im allgemeinen dem Typus des Lophophors der Pterobranehier oder der Phylactolämaten: die Tentakel stellen hohle Ausstülpungen der Körperwand dar, in die außer der Fort- setzung des Blastocöls (7Tbl, Taf. V, Fig. 8 u. 12; Taf. VI, Fig. 10) kis 88 Alexander Schepotieff, zu ihrer halben Länge auch noch Ausstülpungen des Halsregion- cöloms (vorderes Cölom) eindringen (Te, Taf. V, Fig. 8 u. 12). Wie Fig. 8, Taf. V, zeigt, haben die Tentakel im Querschnitt einen länglichen, polygonalen Umriß. Ihre Ventralseite besteht aus sehr hohem eylindrischen Flimmerepithel mit verlängerten Kernen (7), die Dorsalseite aus sehr niedrigem, flachem Epithel. In der Mitte bildet dieses innen eine geringe Verdickung (YVd), eine innere Längs- falte. Eine Bewimperung fehlt an der Dorsalseite. Von den übrigen Körperteilen der Actinotrocha zerfällt der Darmkanal in a. den ectodermalen Oesophagus (Oe, Taf. V, Fig. 4,5, 7u. 14; Taf. VI, Fig. ”—14), b. den sackförmigen Magen (Mg, Taf. V, Fig. 2—4, 9, 10, 13, 14 und 16; Taf. VI, Fig. 12—18) mit den beiden ventralen vacuolisierten Blindtaschen, c. den Mitteldarm (Md, Taf. V, Fig. 2u.4; Taf. VI, Fig. 19 u. 20), der bei der Form B schmäler und länger ist als bei der Form A, d. die besondere Erweiterung des Darmes in der hinteren Rumpf- partie (Der, Taf. V, Fig. 2 u. 4; Taf. VI, Fig. 21) und e. den kurzen, schmalen Enddarm (Ed, Taf. V, Fig. 4; Taf. VI, Fig. 22—24). | Die erwähnte Erweiterung (Der) ist stets an allen vor mir beobachteten Actinotrochen, auch auf Totalpräparaten, sehr deutlich sichtbar. An allen Exemplaren treten in den seitlichen Magenwänden, gewöhnlich in der hinteren Partie des Magens zwei, seltener eine äußere oder innere Verdiekung auf. Diese sehen wie solide Anhänge aus, deren Inneres eine Anzahl blasiger Gebilde enthält, die zwischen den stark ausgedehnten Zellen der Magenwände unregelmäßig zer- streut sind (Taf. V, Fig. 17). Diese Gebilde sehen entweder wie ovale Gebilde aus, die ein Aggregat von Alveolen darstellen, worin sich ein oder zwei Kerne in verschiedenen Stadien der Teilung be- finden (©#), oder wie stark verlängerte Aggregate von Alveolen, in denen sich mehrere verlängerte, stark färbbare kernähnliche Körper befinden (eE’). Diese Gebilde gehören, meiner Ansicht nach, trotz ihrer Häufigkeit (man kann ähnliche Gebilde teilweise auf Figuren von IKEvA oder SELYS LONGCcHAMPS! finden), zu den pathologischen Erscheinungen, die wahrscheinlich durch Anwesenheit einiger Ent- 1 2. B. SELYS LonGcHAMPSs, 1904, Pl. I, Fig. 18; Pl. I, Fig. 50 (neben Est); Bl2V, Eis210,. Über einige Actinotrochen der norwegischen Fjorde. 89 wieklungsstadien von Sporozoen hervorgerufen sind. Das Auffallendste bei ihnen ist ihre regelmäßige Anwesenheit an ein und derselben Stelle bei vielen von mir untersuchten Exemplaren. Die übrigen Körperteile der Actinotrocha, wie das Muskel- system (Mf der Figuren), der Perianalring (Perr), der Bau der Körperwand, sowie der ventralen Invaginationstasche (Invt), die eine so bedeutsame Rolle bei der Metamorphose spielt, sind schon von den Vorgängern MASTERMANs sehr genau beschrieben worden. Wie aus diesem Überblick hervorgeht, sprechen die hervor- stechendsten Züge in der Organisation der Actinotrocha, die Existenz des Blastocöls in der vorderen Partie des Körpers, das Vorhandensein zweier ungleich großer Cölome, die Protonephridien und das voll- ständige Fehlen der Notochorda entschieden gegen die Zulässigkeit des Vergleichs zwischen Actinotrocha und den Pterobranchiern (und den Enteropneusten) (s. McInros#, 1887), die hauptsächlich nur auf Grund der Angaben MAsSTERMANs möglich erscheinen konnte. Das einzige, beiden Gruppen gemeinsame Merkmal sind die nach einem übereinstimmenden Plane angeordneten Tentakel und vielleicht auch das Vorhandensein der Kiemenspaltenrudimente. Aus diesem Grunde scheint mir die frühere Anschauung HAT- SCHEKS (1888), wonach die Actinotrocha eine Modifikation der 7ro- chophora darstellte, der Wahrheit am nächsten zu kommen (s. auch ScHurz 19042. Zugunsten dieser Auffassung läßt sich das Vorhan- densein der Scheitelplatte, des Perianalwimperringes, des Präoral- lappens, der Protonephridien, des Blastocöls oder der primären Leibeshöhle in der vorderen Körperpartie, sowie die Lage der Oö- lome in der hinteren anführen. Die rudimentären Kiemenspalten (?) oder die ventralen vacuolisierten Blindtaschen können kein Hinder- nis für die Annäherung zwischen Achinotrocha und Trochophora bil- den, da sie erst spät auftauchen und bei der Metamorphose verloren gehen. Wie ich schon mehrere Male in meinen Berichten über die Or- ganisation von Rhabdopleura und Cephalodiscus erwähnt habe (ScHE- POTIEFF, 1904, 1905!, 19052), steht Phoronis nach ihrem Gesamtbau (nicht nach dem Bau ihrer Larve) den Bryozoen Phylactolaemata einerseits, den Pterobranchiern anderseits am nächsten. Etwas ent- ferntere Beziehungen bestehen zwischen ihr und den Brachiopoden (BrocHhumann, 1892). Sie gehört also zu den oligomeren Formen, die alle wegen ihrer Beziehungen zu den Pterobranchiern auch unter- einander in einer gewissen Verwandtschaft stehen und eine Gruppe 1076) Alexander Schepotieff, der »Triartieulata« (ScHimkewIrtscH, 1892) bilden. Diese Beziehungen lassen sich in folgendem Schema darstellen: Enteropneusta Pterobranchia [Phoronidea \Ectoprocta mit Schale. Brachiopoda typische Triartieulata . n oligomere Tierformen . . mit Epistom modifizierte Triartieulata Als Gruppen, die den Oligomeren nahe stehen, aber untereinander in keinem Falle verwandt sind, kann man bezeichnen einerseits die Chaetognatha, anderseits die Endoprocta. Bei allen diesen Formen, bei welchen die Entwicklungsgeschichte bekannt ist, kann der Bau ihrer freischwimmenden Larven {Oyphonau- tes, Tornaria, Brachiopodenlarven usw., auch Actinotrocha) auf den allgemeinen Typus der Trochophora zurückgeführt werden. Durch das Vorhandensein des Tentakelkranzes weicht jedoch die Actino- trocha von diesen Larven bedeutend vom Trochophkora-Typus ab. St. Petersburg, im Januar 1906. Literatur, 1890. E. ANDREWS, On a new american species of the remarkable animal Phoronis. Ann. Mag. Nat. Hist. Vol. V. 1892. F. BLOCHMANN, Über die Anatomie und die verwandtschaftlichen Be- ziehungen der Brachiopoden. Archiv Naturg. Mecklenbg. Rostock. 18855. W. 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Allgemeine Bezeichnungen: A, After; he, hinteres Cölom; Bite, Blastocöl; Hr, Halsregion; Bx, Blutzellenkomplexe; Invt, Invaginationstasche; Ögl, Cerebralganglion; iE, innere blasige Einschließung; Der, Darmerweiterung; Kf, Körperfalte; i Dg, Dorsalgefäß; l.v.Bdt, linke vacuolisierte Blindtasche; Ed, Enddarm ; , M, Mundöffnung; Ep, Epithel; Ma, Mitteldarm ; Über einige Actinotrochen der norwegischen Fjorde. 093 Mes, Mesenchym; rv.bdt, rechte vacuolisierte Blindtasche; Mf, Muskelfibrillen; Sg, Seitengefäß; Mg, Magen; Sch, Scheitelplatte; Oe, Oesophagus; Sol, Solenocyten; Pep, Peritonealepithel; T, Tentakel; Perr, Perianalring; Tobl, Blastocöl des Tentakels; Prip, Präorallappen; Te, Tentakeleölom; Prn, Protonephridium; Tw, Tentakelwand; Prng, Protonephridialgang; v.Bdt, vacuolisierte Blindtasche; Prnk, Protonephridialkanal; vC, vorderes Cölom; p-Wr, Perianalwimperring; Vd, Verdickung; vMes, ventrales Mesenterium; Zr, Zwischenräume. gq!, erstes \ g?, zweites / Lf, Rumpf; Querseptum; Tafel V. Fig. 1. Actinotrocha; Form A. Ansicht von der linken Körperseite. Vergr. 20. Fig. 2. Actinotrocha; Form B. Vergr. 15. Fig. 3. Schema des Gefäßsystems von Actinotrocha (Form A). Dorsal- ansicht des Tieres. Fig. 4 Schema des Darmkanals von Actinotrocha (Form A) von der linken Körperseite. Fig.5. Längsschnitt durch den Präorallappen (Form A). Vergr. 107. Fig. 6 u. 7. Zwei Querschnitte durch das Cerebralganglion und die schief durch das Blastocöl verlaufenden Muskelfibrillen. Fig. 6. Schnitt oberhalb der Mundöffnung in der Höhe der mitt- leren Partie des Cerebralganglions. Vergr. 305. Fig.7. Schnitt in der Höhe der Mundöffnung und der hinteren Partie des Cerebralganglions. Verg. 305. Fig.8. Querschnitt durch die proximale Partie eines Tentakels (bei der Form A). Verg. 543. Fig. 9 u. 10. Zwei etwas schräg getroffene Längsschnitte durch das Protonephridium. Vergr. 610. Fig. 11. Schema des Protonephridiums. Fig. 12. Eine Partie eines Querschnittes durch das vordere Cölom. Schema. Fig. 13. Ein Längsschnitt durch eine vacuolisierte Blindtasche des Magens. Vergr. 610. Fig. 14. Ein Flächenschnitt durch die rechte vacuolisierte Blindtasche des Magens. Verg. 610. Fig. 15. Schnitt unterhalb der Ausgangsstelle eines Tentakels. Vergr. 543. Fig. 16. Eine Partie des Querschnittes durch das Tier in der Höhe der Protonephridien mit zwei Dorsalgefäßen. Eine Partie der Invaginationstasche (Invt) ist schräg getroffen. Vergr. 610. Fig. 17. Ein Schnitt durch die äußere Verdiekung der Magenwand mit inneren Einschließungen. Vergr. 214. Tafel VI Alle Figuren stellen eine Serie von Querschnitten durch Actinotrocha Form A dar.. Vergr. 86. Fig. 1. Querschnitt durch die vorderste Spitze des beim untersuchten Exemplar nach vorn gebogenen (wie bei Fig.5, Taf. V) Präorallappens. 94 Alexander Schepotieff, Über einige Actinotrochen der norweg. Fjorde. Fig. 2. Schnitt durch die mittlere Partie des Präorallappens oberhalb der Scheitelplatte. Fig. Fig. öffnung. Fig. Fig. Fig. Fig. Bie79: . 10: Blindtaschen. ll: Fig Fig Fig 3. 4. nn or ) 12. Fig. 13. Magen. Fig. Magen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 14. 15. 16. 18. 20. Zul 24. 17. 19. 22. 23. Schnitt in der Höhe der Scheitelplatte. Schnitt durch den Präorallappen zwischen Scheitelplatte und Mund- Schnitt in der Höhe des Cerebralganglions. Schnitt in der Höhe der Mundöffnung. Schnitt in der Höhe der hintersten Partie der Mundöffnung. Schnitt unterhalb der Mundöffnung. Schnitt in der Höhe der Mittelpartie des Oesophagus. Schnitt in der Höhe der vordersten Spitzen der vacuolisierten Schnitt oberhalb des Querseptums. Schnitt in der Höhe der vordersten Partie des Magens. Schnitt oberhalb der Verbindungsstelle des Oesophagus mit dem Schnitt unterhalb der Verbindungsstelle des Oesophagus mit dem Schnitt in der Höhe der Blutzellenkomplexe. Schnitt in der Höhe der distalsten Partien der Protonephridien. Schnitt in der Höhe der mittleren Partien der Protonephridien. Schnitt in der Höhe der Protonephridialkanäle. Schnitt in der Höhe der hintersten Partie des vorderen Cöloms. Schnitt in der Höhe des ventralen Porus der Invaginationstasche. Schnitt in der Höhe der Darmerweiterung. Schnitt unterhalb der Darmerweiterung. Schnitt in der Höhe der proximalen Partie des Enddarms. Schnitt oberhalb des Perianalrings. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters, nebst ver- gleichend-anatomischen Betrachtungen über den Hermaphroditismus bei Lepidopteren. Von Dr. Karl Wenke, Assistent am Institut für Meereskunde (Berlin). (Aus dem zoologischen Institut der Universität Berlin.) Mit Tafel VII—-VIII und 15 Figuren im Text. Die erste anatomische Untersuchung eines Lepidopterenzwitters fällt in das Jahr 1825; es ist die von FERDINAND SCHULTZ ausge- führte und von Rupoupnı veröffentlichte Anatomie einer Gastropacha quercifola L. Im Jahre 1829 lieferte FRIEDR. Krug die Anatomie eines Zwitters von Melitaea didyma OÖ. Kıus scheint von der eben- falls in Berlin veröffentlichten Beschreibung des SCHULTZ-RUDOLPHI- schen Gastropacha-Zwitters nicht unterrichtet gewesen zu sein, denn er sagt: »Der Fall, auch die inneren Fortpflanzungsorgane anatomisch darzulegen, muß sich noch nicht ereignet haben.« Erst wieder im Jahre 1867 veröffentlichte A. GERSTÄCKER ana- tomische Befunde an einem Smerinthus populi-Zwitter. Die Deutung der Genitalorgane wurde später mehrfach angezweifelt. Schon dieser Fall Jehrte, daß eine genaue Untersuchung der oft stark deformierten und verlagerten Sexualorgane nur auf mikro- skopischem Wege möglich ist. Schon GERSTÄCKER erkannte, daß man von den äußeren Geschlechtsmerkmalen nicht auf die inneren schließen dürfe. »Es entsprach die innere Organisation dieses Zwit- ters nur teilweise seiner äußeren Erscheinung.« Trotzdem tauchte immer wieder der Gedanke auf, daß bei der oft überraschenden Prä- zision der Trennung in eine rechte und linke verschiedengeschlechtige Hälfte des Körpers eine solche auch innerlich existiere. Außer dem Smerinthus populi-Zwitter GERSTÄCKERS gelangten noch drei andre Exemplare dieser Species (von OsSKAR SCHULTZ, TETENS und 96 Karl Wenke, mir!) zur Untersuchung. Diese Lepidopterenart stellt demnach nicht. nur die meisten anatomisch untersuchten Fälle, sondern ist zugleich diejenige, welche die meisten Zwitter aufzuweisen hat. Es vergingen zwei Dezennien, bevor 1888 PH. BERTKAUS »Be- schreibung eines Zwitters von Gastropacha quercus L.« nebst einem vollständigen Verzeichnis aller bekannt gewordenen Arthropodenzwitter erschien. Es bildet die Fortsetzung des Hagenschen Verzeichnisses (1861 u. 1863), das alle hermaphroditischen Arthropoden zusammen- faßt, die man bis zum Jahre 1861 bzw. 1865 kannte. Bis zu den neunziger Jahren muß man die anatomischen Unter- suchungen von Lepidopterenzwittern als sehr vereinzelt bezeichnen. Von jetzt ab steigert sich das Interesse an jenen merkwürdigen Wesen, und rasch folgten die Untersuchungen aufeinander. Im Jahre 1891 erschien die gründlichste aller Arbeiten; es ist die von HERMANN TETENSs über die »Resultate der anatomischen Untersuchung eines Zwitters von Smerinthus populi L.«. Sie enthält außer einer genauen Beschreibung und Abbildung der Anatomie gewöhnlicher männlicher und weiblicher Individuen auch die der Puppenhülle, der Flügelschuppen, sowie der äußeren und inneren Genitalien des Zwitters. Weniger befriedigend sind die Ausführungen von STADELMANN: »Über den anatomischen Befund eines Zwitters von Dendrolimus fasciatella2 (Men.)« (1897). In demselben Jahre veröffentlichte OsKAR ScHuLtz die Anatomie eines Zwitters von Ocneria dispar L., ferner 1895 von Smerinthus populi L. und Vanessa antiopa L. Im Jahre 1898/99 erschien von ihm eine mit großem Fleiße zusammengestellte Statistik aller bekannt gewordenen »gynandromorphen (hermaphro- ditischen) Makrolepidopteren der paläarktischen Fauna<. Leider verlieren seine Publikationen sehr an Übersichtlichkeit, da sie spo- radisch in verschiedenen Zeitschriften erschienen. In dasselbe Jahr fallen auch die »Experimentellen zoologischen Studien mit Lepido- pteren« von Max STANDFUuss, welche u. a. die Anatomie eines Saturnia pavonva L. pyrv Schiff-Hybriden, sowie zweier Hybriden von Saturnia pavonia L. spinv Schiff enthalten; es sind vorwiegend Weibchen mit äußeren männlichen Sexualorganen. Mit der Anatomie eines Saturnia spinv Schiff-Zwitters, dessen äußere Bilateralität beiderlei Geschlechts- merkmale genau der inneren entsprach, schließen die hermaphro- ditischen Studien des Verfassers. Im neuen Jahrhundert ist seitdem 1 Die Resultate dieser Untersuchungen werde ich später veröffentlichen. 2 Nicht fasiatellus. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. | 97 noch kein anatomisch untersuchter Fall von Hermaphroditismus bei Lepidopteren zur Kenntnis gelangt. Das Wesen des Hermaphroditismus ist trotz aller Bemühungen namhafter Forscher bisher unerklärt geblieben. Wir müssen uns daher noch mit Anhäufung des Materials zur Lösung dieser Frage bescheiden und namentlich jene Fälle mit möglichster Gründlichkeit studieren, bei denen Hermaphroditismus plötzlich in einer sonst gonochoristischen Tierspeecies auftritt. Da man ihn nach meinem Dafürhalten in ganz unbegründeter Weise »abnormen, falschen oder Pseudohermaphroditis- mus« nennt, habe ich den Ausdruck sporadischer Hermaphroditismus angewendet im Gegensatz zum ständigen H. Jedenfalls gilt es erst zu beweisen, warum es nicht gerade »echter Hermaphroditismus« ist. Vielleicht muß man gerade jenen plötzlich auftretenden Herma- phroditismus als Atavismus bezeichnen, als Rückschlag auf zwitterige Vorfahren der betreffenden Tier- oder Pflanzengattung, dann aber wäre jener Hermaphroditismus echt, wenn man in diesem Falle das Wort »echt« für »ursprünglich« setzen darf. Vielleicht beruht die Erscheinung auf ganz andern Ursachen und ist eine Neubildung. Wie gesagt — die Frage ist zur Beantwortung noch nicht reif. Wir dürfen uns nicht mit » Wörtern« begnügen, besonders nicht mit solchen, die irreführen, oder doch allzu bestimmt eine Erscheinung bezeichnen, die man noch nicht genügend durchschaut. Viele wollen unter Hermaphroditismus nur das gleichzeitige Vorhandensein männlicher und weiblicher Gonaden, bzw. einer Zwitterdrüse (Ovotestis) ver- stehen. Würde das Sperma eines Individuums auch dessen Eier befruchten, dann wäre dies Hermaphroditismus in seiner reinsten Form. Ich lege diesem strengen Auseinanderhalten nur einen syste- matischen Wert bei und halte alle Erscheinungen, wie Gynandro- morphismus, Androgynie, Hahnenfedrigkeit oder Mannweibigkeit (Arrhenoidie), Weibmännigkeit (Telyidie) und Pseudohermaphroditis- mus für Grade oder Unterarten, bzw. Variationen einer Haupt- erscheinung, die wir Hermaphroditismus nennen. Man darf den Wert der stets lückenhaften und je nach dem Stande der Wissen- schaft variierenden Begriffe nicht über jenen der Sache selbst setzen. In vielen Fällen ist eine anatomische Untersuchung des als Zwitter erkannten Tieres nicht mehr möglich. Mit dieser Unmöglichkeit müssen wir ohne weiteres jeden Versuch, den Grad der hermaphroditen An- lage des Geschlechtes zu bestimmen, fallen lassen. Da ein lebender sporadischer Zwitter sehr selten in die Hände des Anatomen gelangt, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIYV. Bd. 7 98 Karl Wenke, ist es eine um so größere Pflicht, jede Gelegenheit zur Untersuchung dieser merkwürdigen Wesen gründlich auszunutzen. Man beginne die Untersuchung damit, das Tier in seinen ver- schiedenen Stellungen zu photographieren, beobachte Bewegung und Körperhaltung und messe veränderliche Teile, wie Antennen. Dann versuche man, wenn es sich beispielsweise um einen zwitterigen Nachtfalter handelt, denselben mit Männchen und Weibehen zv- sammenzubringen, um vielleicht eine Copula zu veranlassen. In allerneuester Zeit wurde ein solcher Fall im Freien beobachtet, auf den ich später noch zurückkommen werde. Es wäre wichtig, zu er- fahren, ob der Hermaphrodit als g! oder © fungiert, oder gar ab- wechselnd einmal die Rolle des g' und dann die des © übernimmt. Auch suche man das Farbenkleid möglichst naturgetreu am lebenden, wenn das nicht möglich, am konservierten Objekte wiederzugeben, eventuell mit Hilfe einer Uhrmacherlupe und des Zeissschen Binocu- lars, mit dem ich zur größten Zufriedenheit die anatomischen Verhält- nisse klarzulegen vermochte. Praktischer ist die Binoeularlupe ohne Objekttisch, deren langer, beweglicher Arm ein größeres Arbeitsfeld bestreicht, daher die Untersuchung größerer Objekte gestattet und den Vorteil besitzt, daß Objekt, Unterarm und Präparierinstrumente in derselben Ebene liegen. Es empfiehlt sich, von Zeit zu Zeit unter der Lupe zu malen, um Härten zu vermeiden und weiche Übergänge zu erzielen. Das Abdomen, welches dicht am Thorax abgetrennt wurde, wird vorsichtig dorsal aufgeschnitten, indem man die Schere am vorderen Teile des Hinterleibes ansetzt, den Sehnitt aber nicht ganz zu Ende führt und dadurch die äußeren Genitalien unversehrt läßt. Darauf trenne man mit dem Messer die Innenwand des Integumentes von den Eingeweiden und fixiere das Objekt mit Stecknadeln auf einer Korkplatte, die man mit dem Objekte am besten in CArnovsche Fixierungsflüssigkeit! legt. Man mache es sich zur Hauptbedingung, die Sektion des Zwitters nicht eher zu beginnen, bevor man sich nicht gründlich über die Anatomie gewöhnlicher männlicher und weiblicher Indi- viduen dieser Species klar ist und warte, bis man hinreichendes Untersuchungsmaterial besitzt, das man vor allem im frischen Zu- stande untersucht?; was man nicht frisch untersuchen kann, wird 1 Absol. Alkohol 6, Chloroform 3, Eisessig 1 Teil. 2 Ich habe auf Exkursionen die Tagfalter lebend in dreieckige Tüten aus glat- tem Schreibpapier eingeschlossen, ähnlich wie man trockne Tütenfalter verschickt. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 99 nach CARNoY fixiert, um nötigenfalls dieses oder jenes Organ für mikroskopische Schnitte weiter zu behandeln. Ganze Abdomina bette man in Celloidin ein oder behandle sie nach der Methode der kom- binierten Einbettung von STEPANOW oder SaMASSA, die sich auch sehr für Schnitte durch ganze Flügel eignet. Für winzige Objekte dürfte sich die Wachsrekonstruktions-Methode empfehlen. Zur makroskopischen Untersuchung möchte ich noch bemerken, daß die Sonde mehr schadet als nützt, und die Lumina, sowie vor allem die Mündungsöffnungen am besten mikroskopisch festgestellt werden, wie überhaupt jedes Organ nach Abschluß der makroskopi- schen Arbeiten unbedingt eingebettet und geschnitten werden muß, — Sehr zweckmäßig ist es, die kleine Präparierschale mit dem Objekte in eine flache größere Schale zu stellen, deren Alkohol den zu untersuchenden Gegenstand gerade überdeckt. Man kann auf diese Weise mit der Pipette stets frischen Alkohol herbeistrudeln, wodurch die wegpräparierten Abfälle über den Rand des kleinen Präparierbeckens auf den Boden der Schale fallen. Auf diese Weise ist das Arbeitsfeld stets klar und übersichtlich. Zur hinreichenden Beleuchtung verwende man zwei Schusterkugeln und möglichst helles künstliches, am besten aber Sonnenlicht. Die Lampen und Kugeln stelle man so auf, daß sich die Lichtstrahlen fast in einem rechten Winkel treffen und auf dem Objekte der Schatten, den die eine er- zeugt, von der andern aufgehoben wird, wodurch die Organe allsei- tig gut beleuchtet sind. Man vergesse nicht, bei der Präparation Skizzen und Notizen zu machen, da ein nicht festgehaltenes Situa- tionsbild der Zwitteranatomie für immer verloren ist. Zur Unter- suchung der Flügelschuppen des Zwitters zeichne man Flügelumriß und Geäder mit Tinte auf einen Objektträger, überziehe die Skizze mit Balsam und übertrage einzelne Schuppen (Borsten und Haare) des Zwitters in die Zeichnung, verfahre in gleicher Weise auch mit dem übrigen Körper und schließe das Präparat mit dem Deckglase ab. A. Äußere Anatomie des Zwitters. (Faß WER Bis, I, 2,) Die von mir untersuchte Form von Argynnis paphia L., welche ich am 18. Juli 1901 auf der Insel Hasselwerder im Tegeler See bei Berlin fing, gehört äußerlich zu den sogenannten halbierten Zwittern. Sie ist links ©, rechts g1, innerlich dagegen ein nicht Sanz normales, um nicht zu sagen verkümmertes ©. Bis auf die Ventralseite erschien der Zwitter wie aus einer männlichen und einer = 1090 Karl Wenke, weiblichen Hälfte zusammengesetzt, mit all den kleineren und größeren Geschlechtsmerkmalen!. Die Antennen waren äußerlich, makro- skopisch, wie bei normalen Individuen hinsichtlich Form, Farbe und Größe gleich. Auf die antennalen Sinnesorgane konnte ich den Zwitter leider nicht untersuchen, vermute jedoch, daß auch in dieser Beziehung Geschlechtsdimorphismen bestanden haben. Der Palpus labialis der männlichen Seite war größer und buschiger behaart. Sehr interessant war die Größendifferenz der Augen, indem das große der männlichen Seite gegenüber dem kleinen der weiblichen einen recht sonderbaren, ästhetisch unbefriedigenden Eindruck machte. Das männliche Auge war infolge der bedeutenderen Größe der Me- dianlinie mehr genähert als das weibliche. Da von dem verkümmer- ten ersten Gliedmaßenpaare die rechte Extremität abhanden gekommen war, konnte ich nur die linke, der weiblichen Seite angehörende, untersuchen. Es ist eine typisch weibliche, welche neun Glieder besitzt und keine Endklaue trägt. Die Tarsalglieder dieser Extre- mität tragen die nur dem © zukommenden vier Paar Sporen. Die Coxa und linke Seite des Prothorax tragen die spärlichere weibliche Behaarung. Die Chitinstücke des Thorax sind typisch links weib- lich, rechts männlich geformt. Der schärfste und auffallendste Geschlechtsunterschied sprach sich jedoch in den Flügeln aus, die linkerseits ausgesprochen weib- lich, rechterseits männlich waren, und zwar nach Schnitt, Aderung, Farbe, Fleckenzeichnung und Schuppen. Am Vorderflügel der männ- lichen Seite fielen sofort der erste, zweite und dritte Ramus medianae, sowie die Submediana auf, die mit den nur dem Männchen zukom- menden Duftschuppen besetzt erschienen. Es fanden sich die ganz besonders zarten Duftschuppen (Federbuschschuppen: Plumulae peni- cillatae) des dritten Ramus medianae, neben welchen die Fächer- schuppen (Plumulae flabelliformes) standen. CH. AURIVILLIUS nannte sie Stützorgane der Federbuschschuppen. Wie bei normalen Männ- chen waren die Plumulae penicillatae der Submediana, sowie des ersten und zweiten Ramus medianae übereinstimmend, aber anders als jene des dritten Ramus med. gebaut. Es sind die an ihrem unteren Teile blauviolett schimmernden, mit breiter Pfeilspitze endi- senden Duftschuppen. Die beiden Kanten der Spitze trugen die seknöpften Fransen. Alle Duftorgane waren wie gewöhnlich mit ! Ich möchte vor künstlich zusammengeklebten (namentlich Argynnis paphia) Exemplaren warnen, von denen mir zwei bekannt wurden. Bei verdächtigen Trockenfaltern ist Aufweichen das beste Prüfungsmittel. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 101 den großen Deckschuppen überdacht. Die Flügeldeckschuppen der männlichen Seite waren schlanker und scharfzackiger; am markante- sten zeigte dies wie immer die Oberseite der Vorderflügel. In ganz typischer Weise waren die beiden Vorderflügel des Zwitters, nament- lieh was Schnitt und Aderung betrifft, dimorph, während die Hinter- flügel genau wie bei gewöhnlichen g' und © schon nicht mehr jene Prägnanz der Geschlechtsunterschiede aufwiesen. Wie ich durch Projektion des Präparates auf einen Lichtschirm fand, inserieren sich beim männlichen Vorderflügel der zweite und dritte Ramus me- dianae viel tiefer in der Nähe der Flügelwurzel. Dadurch wird eine wesentliche Verlängerung der genannten Adern erzielt, so daß sich auch mehr Duftorgane ansetzen können. Diese Verhältnisse scheint AURIVILLIUS übersehen zu haben, als er die sekundären Geschlechts- merkmale nordischer Tagfalter untersuchte. Auch das Abdomen (Taf. VII, Fig. 3) war der Form nach links weiblich, rechts männlich. Die präcise Sonderung weiblicher Charak- tere links und männlicher Charaktere rechts der Medianebene, die möglicherweise sich auch auf das Nervensystem erstreckte und das Seelenleben beeinflußte (geistiger Hermaphroditismus), ließ am Ab- dominalende nach. Zum ersten Male bemerkte ich an dem Argynnis- zwitter ein Prävalieren weiblicher Sexualelemente insofern, als der Ovipositor (weibl. Genitalklappe) (Taf. VII, Fig. 4, 5, Nr. 21) die linke Seite der Cloake flankierte und in völlig normaler Größe auftrat, während der Genitalapparat der rechten äußerlich männlichen Seite verkümmert war (Taf. VII, Fig. 3, 4, Nr. 18, 19, 20). Nichts sah ich von der Valva mit dem Processus superior und inferior, nichts vom Dens!, Hamulus und der Crista obliqua; auch Penis und Fultura fehlten. Nur die Basalseite der Copulationsorgane, nämlich Tergit und Sternit des neunten Segments mit dem außerordentlich redueier- ten Uncus waren nachweisbar. Tergit und Sternit waren durch den Angulus sternotergalis (Taf. VII, Fig. 3, 4, Nr. 22) gelenkig verbunden. Wie beim normalen © besaß die Cloake zwei Öffnungen: Darm- und Uterusöffnung. Bildete die dorsale Mittellinie bis an den Basalteil des Genitalapparates noch eine scharfe Grenze zwischen den männ- lichen und weiblichen Teilen, so schwand sie auf der Venträlseite völlig. Hier wurde die ganze Unterseite des Abdominalendes von den Vaginalteilen eingenommen. Wie beim normalen © lag zwischen dem siebenten und achten Segmente die zur Bursa copulatrix führende Vaginalöffnung (Ostium bursae) (Taf. VII, Fig. 3, Nr. 14). 1 Wie ich den spitzen Fortsatz nenne. 102 Karl Wenke, B. Innere Anatomie des Zwitters. Am Anfange der Betrachtung der inneren Anatomie möchte ich vorgreifend bemerken, daß es sich um eine völlige Unterdrückung jedweder männlichen und eine partielle Verlagerung, zum Teil auch Verkümmerung nicht vollständig vorhandener weiblicher Organe handelt. Vorhanden war auf der linken, äußerlich weiblichen Seite der Eierstock mit den vier wohlentwickelten Eiröhren (Taf. VII, Fig. 3, Textfig. 15), sowie die linke Tube (Oviduct), welche Organe von Eiern erfüllt waren. Dagegen fehlte auf der rechten, äußerlich männlichen Seite nicht nur jede Spur von Hoden mit den Drüsenschläuchen und dem Ductus ejaculatorius (Textfig. 15), sondern auch der rechte Eier- stock nebst Tube, dessen Vorhandensein die innere Anatomie zu einer vollkommen weiblichen gemacht hätte. Anstatt daß sich nun die linke Tube, die sechs Eilängen statt zwei maß und dadurch mehr einem Oviduetus communis (Uterus) glich, nach dem Abdominalende wandte, mündete sie auf völlig unerklärliche Weise in die wulstig- faltige Wand des Corpus bursae (Taf. VII, Fig. 3, Nr. 10). Der Eier- stock glich jenem eines normalen © zur Zeit der Eireife. Die vielen srünlich-neapelgelben Eier mit ihren 18 Meridianrippen waren auber- ordentlich gut entwickelt. Der histologische Bau der Tube (Taf. VII, Fig. 6) glich im wesentlichen jenem des ©. Auffällig war die abnorme Größe der Zellen des Innenepithels und besonders ihrer Kerne. Das zarte äußere Peritonealepithel der Ovarialschläuche fehlt der Tube, wie Herxwnkeesuy (1904) angibt, so daß sie nur aus zwei Schichten: einer aus quergestreiften Fibrillen zusammengesetzten rkingmuskelschicht (die äußere Längsmuskelschicht fehlte) und aus dem Innenepithel besteht. Letzteres wird gegen das Lumen der Tube mit einer zarten Ohitinmembran gedeckt. Die histologischen Bauelemente stimmten mit Ausnahme erwähnter Unterschiede mit jenen der von mir untersuchten Argynnis-Weibehen überein. Als eigentlicher Uterus fand sich ein rudimentäres, blindsackförmiges Organ (Taf. VII, Fig. 3, Nr. 11, Textfig. 15, Nr. 6) mit einem Zipfel am blinden Ende. Es war eierleer, flach zusammengedrückt und mündete mit einem Porus genitalis unter dem Anus ganz normal in den Cloacalraum. Auf mikroskopisch untersuchten Schnitten war es nicht schwer, dieses Gebilde als Uterusblindsack (Oviductus communis) zu identifizieren, zumal es das allerdings stark deformierte Recep- taculum seminis und die normal gebildeten Kittdrüsen auf- Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 103 nahm. Der Uterusblindsack war seinem histologischen Charakter nach von allen Organen das interessanteste. Trotz der Verkürzung wies er alle charakteristischen Veränderungen auf, die seinem Ver- laufe entsprechen, so daß die Querschnitte in rascher Folge sehr wechselvolle Bilder darstellen. Auffallend war die spärliche Entwick- lung der äußeren oder Längsmuskelschicht. Sie besteht, wie Taf. VII, Fig. 7 zeigt, aus wenigen Bündeln, während bei den unter- suchten Weibehen von Argynnis paphra viel mehr Längsmuskelbündel vorhanden sind. Die mittlere oder Ringmuskelschicht war ganz besonders gut ausgebildet und übertraf sogar die innere Drüsen- epithelschicht an Stärke, was sonst Schnitte auf gleicher Höhe nicht zeigen. Die Cylinderzellen des Innenepithels waren unverhältnis- mäßig lang und schmal und besaßen Kerne von wechselnder Größe, bei gewöhnlichen © sind die Kerne größer, namentlich im Vergleich mit jenen des unteren Teiles in der Figur. Die Innenmembran (Chitinmembran) war viel dünner als sonst. Taf. VII, Fig. 5 zeigt einen Schnitt, der das Receptaculum seminis nach seinem Eintritte in den Oviductus communis (Uterusblindsack) trifft, welch letzterer hier fast nur Ringmuskulatur und ein Innenepithel mit sehr niedrigen Cylinderzellen aufweist. Das Receptaculum besaß keine Muskulatur an seiner Mündung und enthielt wie sonst in seinem Lumen eine körnige, durch Eosin gefärbte, lichtbrechende Masse. Das Innenepithel entsandte nach dem Schlauchinnern nur kurze Fort- sätze. Sonst zeigte das Receptaculum seminis keine nennenswerten Veränderungen. Die keulige Ausbuchtung des Schlauches (Taf. VII, Fig. 3, Nr. 12; Textfig. 15, Nr. 7) entsprach dem Bau nach jener An- hangsblase, die nie Sperma enthält und vielleicht nur als Nahrungs- behälter für die Spermatozoen dient. Ich traf bei gewöhnlichen © nur in dem langen Schlauche, dem eigentlichen Receptaculum, Sperma an. Taf. VIII, Fig. 9 zeigt einen Schnitt durch den Oviductus com- munis (Uterusblindsack), der auch den Duetus seminalis trifft, Letzterer schien bei makroskopischer Untersuchung ganz zu fehlen, denn es war keine Spur von einem Schlauche zu sehen, der Bursa und Oviductus communis verband. Während aber, wie sonst auf das dünne Außenepithel eine starke Muscularis folgt, bestehend aus quergestreiften Ringmuskelfibrillen, die auch Hexnesuy (1904) er- wähnt, war beim Zwitter auch nieht eine Andeutung davon vorhan- den. Dagegen war das Innenepithel des Ductus seminalis übermäßig stark entwickelt und bestand aus dichtgedrängten, hohen Cylinder- zellen mit Kernen an der Basis. Der Inhalt des Schlauchlumens. 104 Karl Wenke, bestehend aus jenen charakteristischen, stark lichtbrechenden Körn- chen, ließ jedoch unverkennbar dieses Organ als Duetus seminalis erscheinen, so abweichend es auch gebaut war. Einen Schnitt durch das caudale Ende des Oviductus communis (Uterusblindsackes) zeigt Taf. VIU, Fig. 10. Auch hier fehlte die Längsmuskelschicht, wohin- gegen die Lage der Ringmuskeln sehr stark war. Die Zellen des Innenepithels waren nicht mehr eylindrisch, sondern unregelmäßig, parenchymatisch. Hin und wieder, wie in Fig. 10, Taf. VIII unten, standen sie in den Fortsätzen, die das Innenepithel nach dem Uterus- lumen entsendet, um die hohle Längsachse des Fortsatzes gruppiert, ähnlich wie die Samenkörner um die Spindel des Maiskolbens. Eine dicke, äußerst faltenreiche Chitinmembran, die sich als Zotten nach dem Uteruslumen vorstülpt, überkleidete die Zellen des Epithels. Die Kittdrüsen (Glandulae ferruminiferae)i, welche sehr groß und mit Secret prall gefüllt waren, wie bei einem ©, dessen Eiab- lage im vollsten Gange ist, zeigten in ihrem Bau keinerlei Abän- derungen. Die Drüse war von einer Ringmuskelschicht umkleidet, auf welche die starke Lage kubischer Drüsenzellen folgte, die gegen den Drüsenraum mit einer Membran bekleidet waren. Die zu- und abführenden Schläuche bestanden aus einer hohen Schicht Cylinderzellen, innen und außen von einer Membran umgeben. Duftdrüsen (Glandulae odoriferae) waren nicht nachweisbar. Das Ostium der etwas verkümmerten Bursa copulatrix (Taf. VII, Fig. 3, Nr. 14) lag an normaler Stelle zwischen dem siebenten und achten Abdominalsegmente. In dem wulstig veränderten Corpus bursae lag ein etwas deformiertes Organ, das in natürlicher Form einem Füllhorn gleicht? (Taf. VII, Fig. 3, Nr. 15). Bei dem Zwitter war, wie die Abbildung zeigt, sowohl die Form, als auch die Quer- ringelung genannten Organs unregelmäßig; oft erschienen die Ringe unterbrochen und nicht geschlossen. Die Wand der Bursa copu- latrix war fast doppelt so stark, die Zellen und besonders die Kerne noch einmal so groß wie gewöhnlich. Zum Vergleiche mögen zwei Schnitte durch die Bursa dienen, die aus ungefähr gleicher Gegend dieses Organs entnommen sind. Fig. 11, Taf. VIII entstammt einem gewöhnlichen ©, fixiert am 16. Juli, Fig. 12, Taf. VIII dem 1 Die ich ihres Inhaltes wegen so zu benennen vorschlage. 2 Ich halte dieses Gebilde für eine Clitoris und werde es bei der Anato- mie gewöhnlicher Argynnis-Weibchen genauer beschreiben. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 105 Argynnis-Zwitter, dessen Körper am 18. Juli fixiert wurde. Die äußere Ringmuskelschieht war gut entwickelt; außer einigen basal gelagerten Zellen des Innenepithels standen die meisten auf den, der Längsachse der Bursa parallelen Vorstülpungen gruppiert!. Der Nueleolus und das Kerngerüst waren überaus deutlich zu erkennen. Eine starke Chitinmembran deckte die nach dem Lumen der Bursa vorragenden Längsleisten. Bursa und Clitoris waren jedoch nicht so stark deformiert, als daß eine Copula unmöglich gewesen wäre. Wie schon erwähnt, fehlte jede äußere Anlage des Ductus seminalis; er ließ sich nur auf eine kurze Strecke innerhalb der Uteruswandung nachweisen. Auffallend war die meist doppelte Größe der Kerne und Zellen sämtlicher Organe. C. Vergleichende und allgemeine Betrachtungen. Die Copulationsfähigkeit des Argynnis paphia-Zwitters ist sehr wahrscheinlich, ja sogar sicher anzunehmen, da das Ostium bursae zwischen dem VII. und VIII. Abdominalsegmente, also an richtiger Stelle lag. Da Bursa und Clitoris von der normalen Form nicht stark abwichen, hätte der Zwitter sehr wohl als © fungieren können und zwar nur als solches. BERTKAU (1888/89) sagt: »Es ist die Frage aufgeworfen worden, inwieweit die Zwitter zur Fort- pflanzung tauglich seien, wobei wir die Frage, ob sie sich selbst befruchten können, einmal ganz beiseite lassen wollen. Ein Fall, daß ein Zwitter als Z' die Begattung mit einem © versucht hätte, ist mir nicht bekannt geworden. Die Zwitterdrohnen des EUGSTER- schen (Bienen-) Stockes kamen nicht in die Lage, sich zu versuchen, da sie sofort nach ihrem Ausschlüpfen aus der Puppe von den Ar- beitern aus dem Stocke getrieben wurden und draußen bald elend umkommen mußten. Die Arbeiterinnen müssen sie demnach auch als Drohnen für unnütze Geschöpfe gehalten haben. Die Verbindung eines normalen 3' mit einem zwitterhaft gebildeten Exemplar, wobei letzteres als © fungierte, ist indessen mehrfach beobachtet worden, bzw. zu erschließen. So werden ein Exemplar von Parnassius apollo und delius erwähnt, von denen das eine ein regelrecht halbierter Zwitter war, das andre »Zeichen des Hermaphroditismus« trug. Beide wiesen das Begattungszeichen auf zum Beweise, daß sie mit einem g' copuliert hatten. NEwMmAN berichtet ferner von einer Oecneria dispar von weiblichem Habitus, deren Fühler aber die Mitte i Die Bursa copulatrix ist ein Sack, dessen Innenseite Längsrippen trägt, ähnlich dem Wellblech. 106 Karl Wenke, zwischen Z' und © hielten. Dieses Exemplar wurde drei Stunden lang von einem J! begattet, legte aber keine Eier ab, die überhaupt nicht entwickelt waren und starb nach drei Tagen. Artum fing einen gemischten Zwitter von Dytiscus latissimus in Copula mit einem g'. Leider wurde die Untersuchung der Geschlechtsorgane, die in diesem Falle ganz besonderes Interesse gehabt hätte, unter- lassen. Aus diesen Verbindungen von g' mit zwitterhaften © ist indessen für die Frage der Fortpflanzungsfähigkeit nichts zu folgern, da ja eine copulatio inter mares unter den Insekten keineswegs zu den Seltenheiten gehört. Daß bei dem von mir beschriebenen Exemplar ein g'! die Copulation hatte vollziehen können, braucht nicht ausgeführt zu werden, ebensowenig aber auch, daß die Liebes- mühe verloren gewesen wäre, und so neige ich mich überhaupt der Ansicht zu, daß solche Zwitter tatsächlich generis neutrius (?) sind, eine Ansicht, die auch durch Scopouis Bericht (Introductio p. 416) von befruchteten Eiern, die ein Zwitter von Gastropacha pini gelest haben soll, nicht erschüttert worden ist.« Diese Ansicht BERTKAUS, die auch GERSTÄCKER (1867) vertrat, ist mehrfach widerlegt worden, worauf ich noch zurückkomme. Auch A. Seitz behauptet die Gopu- lationsfähigkeit bei Zwittern, »doch übernehmen sie nach den bisher gemachten Beobachtungen nur die Funktion von ©. Ob die gelegten Eier fruchtbar sind, weiß man nicht«. Daß Lepidopterenzwitter copulationsfähig sein können, weist einwandsfrei CLOQUET nach. Über diese ebenso wichtige wie interessante Beobachtung der Copula eines äußerlich links männlichen, rechts weiblichen Zwitters einer Argynnis paphia L. mit einem gt berichtet J. DE Joannıs (1904) wie folgt: »Im Juni 1904 fing CLoguer aus Boulogne sur Seine im Walde von Marly zwei Argynnis paphia L., die in copula flogen. Der Zwitter fungierte als Weibcehen.« J. VossEeLEr (1905) sagt: »Schon mehrere Lepidopterenzwitter wurden in Copula angetroffen; bei einigen war leicht nachzuweisen, daß die Begattung erfolglos war.« Zum Zweck einer vergleichenden Betrachtung habe ich die Befunde sämtlicher anatomisch untersuchten Lepidopterenzwitter in fünfzehn Figuren zusammengestellt !. | ı Mit Ausnahme dreier Zeichnungen (TETENS, GERSTÄCKER, BERTKAT) habe ich die Schemata der Zwitteranatomie nach der Beschreibung der Autoren ent- worfen. Die Figuren geben daher die anatomischen Verhältnisse nur an- näherungsweise wieder. Überall da, wo Organe punktiert gezeichnet sind, fehlten Angaben über Vorhanden- oder Nichtvorhandensein derselben. Alle Darstellungen zeigen die Anatomie, wie sie sich bei Öffnung der Dorsalseite des Abdomens bietet; sie gestatten daher einen direkten Vergleich mit den Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 107 Textfig. 1a. Ocneria dispar L. (Osk. Scauutz, 1897). 1, Testis; 2, Vasa defe- rentia; 3, Glandulae accessoriae; 4, Ductus ejaculatorius; 5, linke Valva, verkürzt; 6, rechte Valva, normal. Textfig. 1. Textfig. 2a. Smerinthus populi L. (Herm. Terens, 1891). Z, Testis; 2, \ Vesiculae seminales; 3, Vasa deferentia; 4, Glandulae acces- soriae ; 5, Ductus ejaculatorius; 6, Peniswurzel; 7, Penismus- keln; 8, Penis; 9, Receptacu- lum seminis; 70, Bursa copu- latrix; 27, Rudiment des un- paaren Eileiters; 122, Intesti- num. Schemata der Zwitter selbst. Die schwarz gehaltenen Partien ge- ben die äußerlich männ- lichen, die weißen hingegen die weib- Textfig. 2. lichen Sexualmerkmale an. Ich beginne in der Darstellung mit dem männlichsten Zwitter und gelange zum weiblichsten, der als letztes Glied in der Kette sexueller Übergänge den Ring schließt. 108 Textfig. 4. Karl Wenke, Textfig. 3a. Dendrolimus fasciatella (Men.) (STADELMANnNn, 1897). Z, Testis. 2, Vasa deferentia; 3, Glandula accessoria; 4, Ductus ejacula- torius; 5, Uterus; 5, Ductus seminalis; 7, Receptaculum semi- nis; 8, Bursa copulatrix; 9, Intestinum. Textfig. 4a. Gastropacha quercifolia 1L. (FERD. ScauLzz - Ru- DOLPHTI, 1825). Z, Testis; 2, (Testis?) Vesica semina- lis; 3, Vas deferens; 4, Glandulae accessoriae; 5, Duc- tus ejaculatorius; 6, Penis; 7, Ovar mit neun kleinen Eiern; 8, Oviduct mit 18 großen Eiern; 9, Samen- gefäß?; 10, Kittdrüse; 77, Intestinum. ce tn 1 ee ee Fe he £ N a EN De Be ke nn ee Ein et a io N TERN l Aa Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 109 Textfig. 5o. Saturnia spini Schifl. (Max Stanpruss, 1898). 1, Te- stes; 2, Vasa deferentia, verkürzt; 3, Ductus ejacula- torius, verkürzt; 4, Penis, gut entwickelt; 5, kleine linke Valva; 6, rechte Valva, gut entwickelt; 7, Ova- rien, verkümmert, mit einigen gut entwickelten und einigen verkümmerten Eiern; $, Bursa copulatrix, ver- schlossen; 9, Ductus seminalis; 20, Receptaculum seminis. Textfig. 6«. Melitaea didyma 0. (Frıeve. Kruc, 1829). 1, Testis; 2, Vasa deferentia; 3, Vesiculae se- minales; 4, Duetus ejaculatorius; 5, linke Valva, verkürzt; 6, rechte Valva, gut ent- wickelt; 7, Ovarien mit beträchtlicher Menge von Eiern; 8, Oviducte; 9, Oviductus com- munis. 110 Karl Wenke, 1 Textfig. 7a. Smerinthus populi L. (KARL WENkE, 1906). Z, linkes Ovar, gut ent- wickelt; 2, rechtes Ovar, rudimentär; 3, Testis ohne Sperma; 4, Vesi- culae seminales, mit Fett umhüllt; 5, Vasa deferentia; #, Glandulae accessoriae; 7, Fettkörper; 8, Oviductus communis mit sichtbarem Lu- men am oralen Ende; 9, Bursa copulatrix; 20, Ductus seminalis; 1Z, flügelförmige Erweiterung des Oviductus communis; 22, Ovipositor der linken Seite; 23, Valvae, gut entwickelt; 74, Penis, gut entwickelt; 75, Intestinum; 16, Anus. Textfig. 8a. Smerinthus populiL. (A. GERSTÄCKER, 1867). 7,rech- tes, 2, linkes Ovar, verkümmert; 3, Oviduetus com- munis, verschlossen; 2, Bursa copulatrix, verschlos- sen; 5, (Receptaculum seminis?) Kittdrüse; 6, (Glan- dula mucosa?) Receptaculum seminis; 7, Glandula (mucosa) accessoria; 8, Ductus ejaculatorius; 9, Penis. Anatomie eines ÄArgynnis paphia-Zwitters usw. 111 Textfig. 9a. Vanessa antiopa L. (Os&. ScHuLTz, 1898). 7, Ovar mit be- trächtlicher Anzahl gut entwickelter und verkümmerter Eier; 2, Oviduct; 3, Bursa copulatrix; 2, Ductus seminalis; 5, Re- ceptaculum seminis; 6, Kittdrüsen; 7, Penis, rudimentär; 8, rechte Valva. Textfig. 10a. Smerinthus populi L. (Os. Schurzz, 1898). 2, Ovarien; 2, Ovi- duete; 3, Oviduetus communis; 4, Bursa copulatrix; 5, Ductus seminalis; #, Mündung des Oviductus communis; 7, Valvae, verkümmert; 8, Penis; 9, Receptaculum seminis; 10, Kitt- drüsen. 0 vr 1212 Karl Wenke, Textfig. 112 Saturnia pavonia L. x spini Schiff. (Max Sraxpruss, 1898), 1, Ovarien mit 22 großen und kleinen, unregelmäßig verstren- ten Eiern; 2, Oviducte; 3, Oviduetus communis; 4, Bursa copu- latrix; 5, Ductus seminalis; 6, Receptaculum seminis; 7, drei Kittdrüsen; 5, Valvae; 9, Penis mit Scheide. Textfig. 12a. Saturnia pavonia L. >= spini Schiff. (Max Stanpruss, 1898). 1, Ovarien, verkümmert, eierleer; 2, Oviducte; 3, Oviductus communis; 4, nur eine Kittdrüse von doppelter Größe einer nor- malen; 5, verkümmerte, fast symmetrische Valvae. Textfig. 12. Anatomie eines ÄArgynnis paphia-Zwitters usw. 113 Textfig. 13 a. Saturnia pavonia L. > pyri Schiff. (Max Staypruss, 1898). 7, Ova- rien, verkümmert und eierleer; 2, Oviducte; 3, Oviductus com- munis; 4, Bursa copulatrix, verkümmert; 5, Ductus seminalis ; 6, Receptaculum seminis, verkümmert; 7, Kittdrüsen, verkümmert; $, Rudiment der linken Valva; 9, rechte Valva, kräftig, aber miß- gebildet. Textfig. 14a. Gastropacha quercifolia L. (BERTKAT, 1588/1389). Z, linkes Ovar, stark verkümmert; 2, Rudimente zweier Ovarialröhren; 3, rechtes Ovar, stark verkümmert; 4, Oviducte; 5, Oviduetus communis, blind endend; 6, Re- ceptaculum seminis; 7, Ductus seminalis; 8, Bursa copulatrix mit wei- tem Ostium (Spalte). 4A, von oben, 2, von unten gesehen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 8 114 Karl Wenke, Textfig. 1a. Argynnis paphia L. (KarRL WENkE, 1906). Z, linkes Ovar, gut entwickelt; 2, Oviduct (Tube, Trompete) mit sechs Eiern, mündend in 3, Corpus bursae copulatrieis mit Clitoris; 4, Collum; 5, Caput bursae mit zipfelförmigem Anhang; 6, Rest des Oviduetus com- munis, oral blind, caudal mit Ostium endend; 7, Receptaculum seminis, de- formiert; 8, Kittdrüsen, gut entw.; 9, Intestinum, Textfig. 15. Prüft man die Lepidopterenzwitter auf ihre Copulationsfähigkeit, so sieht man, daß die Ocneria dispar (Osk. Schutz, 1897) nicht einmal als 5’ fungieren konnte, da die linke Valva verkürzt war und der Penis fehlte. Die Smerinthus popuh (Terexs, 1891) hätte als g' und © copulieren können; in letzterem Falle freilich erfolglos. Der Dendrolimus fasciatella (STADELMANN, 1897) fehlten Penis und Valvae, sie hätte im Besitz der Bursa nur als © erfolglos copulieren können, da der Eierstoek fehlte. Die Gastropacha quercifolia (SCHULTZ- Ruporpuı, 1825) hätte bei dem gut ausgebildeten Penis trotz des Fehlens der Valvae vielleicht als 5! fungieren können, oder auch als Q, wenn man Nr. 9, Textfig. 4 als Bursa copulatrix ansprechen darf1? Dieses Exemplar eröffnet mit dem Vorhandensein von Testis und Ovar die Reihe der sogenannten echten Zwitter und erfüllt die Postulate des strengsten Kritikers. Die von Srtanpruss (1898) be- schriebene Saturnia spini Schiff. ist von .allen Hermaphroditen der vollkommenste, denn er weist ein Nebeneinander von männlichen und weiblichen Genitalorganen auf, das ihn als g' wie als © voll und ganz qualifiziert; männliche und weibliche Copulationsorgane 1 BERTKAU hielt Nr. 10 für eine solche. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 115 _ waren bis auf die etwas kleinere linke Valva gut ausgebildet. Leider beschrieb FRıEDr. Krug (1829) den Zwitter von Melitaea didyma so ungenau, daß man nur sagen kann, er hätte sich als 3' gar nicht, als © vielleicht führen können. Die Smerinthus populi! (K. WENKE, 1906) hätte sowohl als g', als auch als © copulieren können, da Penis und Valvae, Bursa copulatrix und Ductus seminalis vorhanden waren. GERSTÄCKERS Smerinthus populi (1867) hätte beim Mangel der Valvae zur Not als g', aber nicht als © fungieren können, da die Bursa copulatrix verschlossen war, Mit der zwittrigen Vanessa antıopa (Osk. ScHuurtz, 1895) schwindet immer mehr das männliche Element, das sich nur noch in teilweise oder ganz rudimentären Genitalibus externis geltend macht, um schließlich ganz zu ver- schwinden. Genannter Zwitter hätte wohl kaum als g'1, wohl aber als © copulieren können; dasselbe gilt auch von der Smerinthus populi (Osk.ScHuLtz, 1898), bei der allerdings nur die Valven kümmer- lich, der Penis aber normal war. Zum letzten Male tritt ein Penis mit Valven bei dem Hybriden von Saturnia pavonia L. x spini Schiff. (STANDFUSS, 1898) auf, der wohl als g' und © copuliert hätte, im ersteren Falle ohne jeden Erfolg, da, wie bei den beiden vorher er- wähnten Zwittern, keine Spur innerer männlicher Geschlechtsorgane vorhanden war. Der zweite Hybride von Saturnıa pavonia L. x spine Schiff. (Sranpruss, 1898) war von allen Lepidopterenzwittern ent- schieden der unfähigste, denn abgesehen von den völlig tauben Ovarialröbren und den rudimentären Valvae fehlten Penis und viel- leicht auch Bursa copulatrix. Der hybride Zwitter von Saturnia pavonia L. x pyri Schiff. (Stanpruss, 1898) konnte nur die Rolle des © übernehmen; dasselbe gilt von der Gastropacha quereifola (PH. BERTKAU, 1888/99) und der Argynnis paphia (K. WENKE, 1906). Eine Zusammenfassung der Betrachtungen ergibt, daß von fünfzehn Zwittern sieben bis neun als g', neun bis zehn als © hätten fungieren können. Männliche Sexualität herrscht bei drei Zwittern vor und zwar bei Ocneria dispar (Osk. Schurtz, 1897), die rein männlich ist, äußerlich aber eingesprengte weibliche Zeichnungen aufweist, Weib- liche innere Organe treten dann bei Smerinthus populi (TErEns, 1891), mehr noch bei Dendrolimus fasciatella (STADELMANN, 1897) auf. Männliche und weibliche Sexualitätzu annähernd gleichen Teilen weisen unter fünfzehn fünf Zwitter auf, nämlich Gastropacha 1 Die ausführliche Beschreibung dieses Zwitters folgt später in einer be- sonderen Arbeit. S*F 116 Karl Wenke, quercifolia (SCHULTZ-RUDOLPHI, 1825), am vollkommensten aber Sa- turnia spini Schiff. (Stanpruss, 1898), ferner auch Mehitaea didyma (FRIEDR. Krug, 1829), Smerinthus populi (K. WENKE, 1906) und Sme- rinthus populi (GERSTÄCKER, 1867). Weibliche Sexualität herrscht bei sechs Zwittern vor (also noch einmal so stark vorherrschend wie die männliche). Die überwiegende Zahl von Lepidopterenzwittern mit vorherrschend inne- ren weiblichen Sexualcharakteren erklärt die Behauptung, welche A. Serrz aussprach: »Doch übernehmen sie nach den bisher ge- machten Beobachtungen nur die Funktion von Weibchen.« Nicht - als ob vorwiegend männliche Zwitter unfähig wären zu copulieren, sondern weil sie in der Minderzahl sind, wurde eine Copula mit Weibchen noch nicht beobachtet, möchte ich berichtigend hinzufügen. Fremdbefruchtungsfähigkeit wäre anzunehmen bei Vanessa antiopa (OSK. SCHULTZ, 1898), vor allem bei Smerinthus populi (Osk. Scaurtz, 1898), dann auch bei Saturnia pavonia-spinv (STANDFUSS, 1898) mit dem eierhaltigen Ovar. Vielleicht wäre auch Argynnis paphia (K. WENKE, 1906) befruchtungsfähig gewesen. Die Befruch- tungsfähigkeit dieses Zwitters war nicht vollkommen unmöglich, denn die in die Bursa copulatrix durch die Spermatophoren eingebrachten Spermatozoen können sicherlich eine geraume Zeit lebensfähig bleiben, um auf direktem Wege die Eier des mit der Bursa in Contact ge- tretenen Oviductes zu befruchten. . Selbstbefruchtung wäre bei Gastropacha quercifolia (SCHULTZ- RupDoLpHI, 1825) und Saturnia spini (Stanpruss, 1898) nicht aus- geschlossen, aber sehr unwahrscheinlich. Am leichtesten aber hätte sich Melvtaea didyma (FRıEDR. Krus, 1829) selbst befruchten können. ScoPoLr behauptet von seiner im Jahre 1777 entdeckten Gastropacha pini mit seinem Gewährsmann PILLER, daß die aus den gelegten Eiern hervorgegangenen Raupen durch Selbstbefruchtung entstanden seien, indem das hervorgestreckte Copulationsorgan die Eier der weiblichen Seite befruchtet haben soll. LACORDAIRE bestreitet das und glaubt, dab durch unmittelbaren Zusammenhang des Vas deferens mit dem Oviduct eine Befruchtung der Eier im Innern des Körpers bewerkstelligt worden sei. Was die sexuelle Impotenz betrifft, könnte man eine solche beinahe bei Ocneria dispar (Osk. Schutz, 1897) annehmen, wenn das Vorhandensein des Penis ein unbedingtes Erfordernis ist; dasselbe gilt von STADELMANNS Dendrolimus fasciatella und Kruss Meltaea didyma. Der Zwitter von Smerinthus populi (K. WENKE, 1906) ist Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 117 vielleicht impotent. Sexuell völlig untauglich waren sicherlich die eierlose Saturnia pavonia x spini und Saturmia pavonia x pyrt (STAND- Fuss, 1898). Bedingungsweise impotent wäre vielleicht auch der Zwitter von Argynnis paphia (K. WENKE, 1906). Die Zusammen- fassung ergibt, daß zwei bis sieben Zwitter impotent wären. Dazu möchte ich bemerken, daß der Hoden nur in einem einzigen Falle auf seinen Inhalt untersucht wurde, somit die obige Zahl eher zu niedrig, als zu hoch ist. Die Bursa copulatrix ist bei den bisher untersuchten Lepi- dopterenzwittern das am konstantesten auftretende Organ. Von fünfzehn Zwittern kam es bei einem einzigen |Ocneria dispar (OSK. SCHULTZ, 1897)] entschieden nicht vor, bei drei Individuen ist es nicht ganz sicher als vorhanden anzunehmen. Diese interessante Tatsache ist ein weiterer Grund, weshalb man bisher nur als © copulierende Zwitter sah. Verschlossen war die Bursa nur bei GERSTÄCKERS Smerinthus populi (1867). Ein Receptaculum seminis kommt unter fünfzehn Zwittern bei zehn bis zwölf Individuen vor; es fehlte der Ocneria dispar (Osk. ScHuLtz, 1897), wahrscheinlich auch der Gastropacha quercifolia (SCHULTZ-RUDOLPHI, 1825), ferner auch Smerinthus populi (K. WENKE, 1906). Die Kittdrüsen sind beim Aufbau der Zwitteranatomie recht verschieden gebildet worden. In der Tat sind sie ja auch jenes Organ, welches, abgesehen von den Duftdrüsen, im Geschlechtsleben die kleinste Rolle spielt und werden phylogenetisch das zuletzt erworbene sein. Im Leben des Einzeltieres treten sie zuletzt in Tätigkeit und sind oft selbst bei gut entwickelten (gefüllten; Eierstöcken des © noch klein und schlaff, entwickeln sich aber bei Eintritt der Eier in die Oviducte rasch. Von den fünfzehn Zwittern besaßen acht bis zehn Exemplare Kittdrüsen. Drei Hermaphroditen, Gastro- pacha quercifola (SCHULTZ-RuDoLPpHI 1825)1, Smerinthus populi (GERSTÄCKER, 1867) und die eierlose Saturnia pavonia x spini (STAND- Fuss, 1898) hatten nur eine, letztere dafür aber um so größere, wohl aus zweien verschmolzene Kittdrüse. Die eiertragende Saturnia pavonia x spini (STANDFUSss, 1898) besaß sogar drei Kittdrüsen. Ver- kümmert waren sie wie auch alle andern Organe bei Saturnia ! GERSTÄCKER hielt die Kittdrüse für ein Samengefäß, BERTKAU für eine Bursa copulatrix; aber die Lage des Organs, seine »durchsichtige grüne Flüssigkeit«, die beiden, sich vereinigenden Schläuche charakterisieren es hin- länglich. 118 Karl Wenke, pavonia x pyri (STANDFuss, 189). Kittdrüsen von normaler Größe und Form zeigen Vanessa antiopa (OsK. SCHULTZ, 1898), Smerinthus populi (OsK. ScHuLtz, 1898) und Argynnis paphia (K. WENkE, 1906). Wahrscheinlich besaßen auch Saturnia spini (StTanpruss, 1898) und Melitaea didyma (FRrIEDR. KLuG, 1829) ein Paar Kittdrüsen. Ovarien trugen von fünfzehn Zwittern zwölf Exemplare, was im Vergleich zu den vorhandenen sieben Testes eine sehr hohe Zahl ist. Zwei Hermaphroditen besaßen eierleere Ovarien: Saturnia pavomia x spini und Sa. p. x pyri (STANDFUSSs, 1898. Ganz rudimentär waren jene der Gastropacha quereifolia (BERTKAU, 1888/89), stark verkümmert bei Smerinthus populi (GERSTÄCKER, 1867). Nur ein einziges Ovar fand sich bei drei Hermaphroditen: Gastropacha quercifoha (SCHULTZ- RupouPpHs, 1825), Vanessa antiopa (OsK. SCHULTZ, 1898) und Argynnis paphia (K. WENKE, 1906). Ein entwickeltes und ein rudimentäres Ovar zeigte Smerinthus populi (K. WENKE, 1906), während zwei etwas verkümmerte Eierstöcke Saturnia spini (STANDFUsSs, 1898) besaß. Völlig entwickelte beide Ovarien mit Eiern hatten Meltaea didyma (FRIEDR. Krug, 1829), Smerinthus populi (Os. SchuLtz, 1898) und der eine der beiden Hybriden von Saturnia pavonia x spini (STAND- Fuss, 1898). 3 Testes besaßen von fünfzehn Zwittern sieben, und zwar:. Ocre- ra dispar (Osk. ScHuuLtz, 1897), Smerinthus populi (TETEns, 189]), Dendrolimus fasciatella (STADELMANN, 1897), Gastropacha quereifolia {SCHULTZ-RUDOLPHT, 1825), Saturnia spini (STAnDFuss, 1898), Melitaea didyma (FRIEDR. Krug, 1829) und Smerinthus populi (K. WENKE, 1906). - Vasa deferentia waren überall nachweisbar, wo Testes existier- ten (in sieben unter fünfzehn Fällen), das eine Vas deferens fehlte nur bei Gastropacha quereifolia (SCHULTZ-RUDOLEHI, 1825). Ein Ductus ejaculatorius fand sich in sieben Fällen. Dieses Organ war nicht ganz so wie die Vasa deferentia an das Vorhanden- sein des Testis geknüpft, denn Smerinthus populi (K. WENKE, 1906) besaß wohl einen Hoden und die beiden Vesiculae seminales nebst Vasa deferentia usw., aber nur das äußerste Ende des Ductus ejacu- latorius in den Penis übergehend. Die Existenz des Ductus ejaculatorius bei fehlendem Testis zeigte Smerinthus populi (GERSTÄCKER, 1867). Accessorische Drüsen traten, analog den Kittdrüsen des O weniger konstant auf; sie fanden sich in sechs bis acht Fällen, und zwar in der Zweizahl bei Ocneria dispar (OsK. ScauuLtz 1897), Sıne- rinthus populi (Terens, 1891), Gastropacha queıcifolia (SCHULTZ- Ruvorpuı, 1825) und Smerinthus popul (K. WENkE, 1906). Nur Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 119 eine accessorische Drüse besitzen Dendroliumus fasciatella (STADELMANN, 1897) und Smerinthus populi (GERSTÄCKER, 1867). Sexuelle Zwischenstufen oder Sexualvarianten kommen auch bei Lepidopteren vor — das lehren die anatomisch untersuchten Fälle der Zwitter dieser Ordnung des Tierreichs. Sie geben einen Begriff von der außerordentlichen Mannigfaltigkeit der Kombinationen, mit welehen die beiden Sexualelemente in die Erscheinung treten und jeder Bemühung, sie in ein festes System zu zwingen, spotten. Ein Blick auf die Anatomie der Hermaphroditen zeigt die verschiedensten Übergänge von männlicher zu weiblicher Sexualität, deren Kenntnis mit dem Fortschritte der Wissenschaft wächst. Einz\Vereleich der. inneren mit der äuberen Anatomie beweist die interessante Tatsache, daß die Topographie äußerer Ge- schlechtsmerkmale doch im großen und ganzen jener der inneren Sexualorgane entspricht, freilich nicht unbedingt und nicht in allen Fällen. Der beste Beweis für letztere Be- hauptung ist die hochinteressante Anatomie der Ömerinthus populi (K. WEnke, 1906), welche bei äußerlich genauer Halbierung in eine links weibliche, rechts männliche Hälfte (das Abdominalende aus- genommen) eine merkwürdige doppelte Wechselfolge weiblicher und männlicher Sexualität der Reproductionsorgane kennzeichnet. Bei der Vanessa antiopa (Os. Schuutz, 1895) fehlte jede Spur innerer männlicher Sexualorgane, obgleich die äußere rechte Hälfte männlich war. Smerinthus populi (Osk. ScHuLtz, 1895) besaß zwei männliche Fühler und einen männlichen linken Vorderflügel, Gastropacha quer- cifolia (BERTKAU, 1888/89) trug einen männlichen rechten Fühler und rechts fast rein männliche Flügel, Argynmıs paphia (K. WENKE, 1906) war rechterseits ganz männlich, und es zeigte sich bei keinem der erwähnten Exemplare innerlich ein männliches Organ. STANDFUSS (1898) sagt: »Es muß betont werden, daß bisher nur solche Indi- viduen von Lepidopteren, welche in ihrem Äußeren eine ganz scharfe, durchgehende Scheidung in eine durchweg weibliche und eine durch- weg männliche Hälfte aufwiesen, gleichzeitig ein Nebeneinander der Keimdrüsen beider Geschlechter, wenn auch des einen oder beider in unvollkommener Ausbildung, bei der anatomischen Untersuchung ergeben haben.« Diese Behauptung wird für die Dauer kaum ihre Gültigkeit bewahren, denn schon die Vanessa antiopa (OSK. SCHULTZ, 1898) war beinahe ganz scharf und durchgehend, d. h. nach der dor- salen und ventralen Mittellinie in eine männliche und weibliche Hälfte geschieden, ohne ein inneres männliches Sexualorgan zu haben; das- 120 Karl Wenke, selbe gilt von Argynnis paphia (K. WENKE, 1906), deren scharfe Sonderung erst auf der Ventralseite nachließ, während Smerinthus populi (K. WEnke, 1906) ein zweimal abwechselndes Hintereinander von Keimdrüsen beider Geschlechter besaß. Keinesfalls kann folgende Be- hauptung desselben Autors aufrecht erhalten werden, die da sagt: > Verkümmert und atrophisch zeigten sich auch bei allen übrigen bisher anatomisch untersuchten hermaphroditischen Lepidopteren die weib- lichen Keimdrüsen, während die männlichen der normalen Verfassung viel näher kamen, oder diese sogar vollständig erreichten«. Die Mektaea didyma (FRIEDR. Kruc, 1829) besaß »Eierstöcke mit einer be- trächtlichen Menge hellgrüner Eier« und Smerinthus populi (Osk. ScHurtz, 1898) wies eine weibliche Anatomie auf, wie sie voll- kommener kaum gedacht werden kann. Sonderbarerweise bespricht OSKAR SCHULTZ auf den ersten drei Seiten die in demselben Jahre (1898) erschienene Arbeit von MAx STANDFUss, ohne auf die grundver- schiedenen Ergebnisse seiner Untersuchungen hinzuweisen. Interessant ist die Correlation zwischen Fühlern und Haftorganen (Valven), die STANDFUSS bei seinen vier Saturnien fand: »Bei Symmetrie der Fühler, symmetrische Entwicklung der Haftorgane, bei Asymmetrie asymmetrische Ausbildung, d. h. dem in männlicher Entwicklungs- richtung größeren Fühler entsprechend, auf der gleichen Seite eine stärker entwickelte männliche Greifzange.« Dieser Satz gilt jedoch ausschließlich für seine vier Saturma-Zwitter und ist auf keinen Fall zu verallgemeinern. Neigen die Lepidopteren mehr zur Zwitterbildung als. andre Tiere? Nein, denn das sporadische Auftreten von Herma- phroditen kommt höchstwahrscheinlich bei allen gonochoristischen Lebewesen (auch bei Pflanzen) vor, hat sich aber oft infolge geringer oder ganz fehlender Prägnanz der Geschlechtsunterschiede unsrer Beachtung entzogen. Wir stehen erst am Anfange eingehender Unter- suchungen dieser Frage. Das lehrt die Medizin, welche erst in aller- neuester Zeit nachwies, daß Fälle von sogenanntem Pseudohermaphro- ditismus beim Menschen durchaus nicht so selten sind. FRANZ voN NEUGEBAUER sammelte über 1000 Fälle. Den mikroskopischen Nachweis eines Ovotestis lieferte SALEN »Hermaphroditismus verus unilateralis beim Menschen« (1900), ferner GARRE »Fall von echtem Hermaphroditismus beim Menschen« (1903) und L. Pıck, »Über Neu- bildungen am Genitale bei Zwittern« (1905), der einen Hoden neben weiblichen inneren und äußeren Genitalien konstatierte. OUDEMANS (1898) sagt: »Ob nun in dieser Ordnung (Lepidopteren) der Prozent- Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 123 satz (an Zwittern) wirklich höher ist als anderswo, ist sehr fraglich; ich glaube es nicht, sondern vermute vielmehr, daß dabei die un- gseheure Zahl von Lepidopteren, die alljährlich in die Hände der Tausende von Sammlern gerät, zu berücksichtigen ist, wobei die oft sehr auffallenden sekundären Geschlechtsmerkmale der Falter das Entdecken gynandromorpher Stücke erleichtert. Doch scheint die Schätzung (SPEYER, FREY), daß unter 100000 normalen Lepidopteren zwei bis drei gynandromorphe Exemplare sich vorfinden, eher zu hoch, als zu niedrig berechnet zu sein.« Welche Lepidopterenspecies neigt mehr zur Zwitterbildung? Bei häufigeren und geschlechtlich wohldifferenzierten Arten treten Fälle von sporadischem Hermaphroditismus weit häufiger auf, weil solche Tiere, sowie OUDEMANS ganz richtig bemerkt, sofort: auffallen; man denke nur an Oecneria dispar mit den kleinen braunen, buschig fühlerigen Männchen und den hellgefärbten großen Weibchen, ferner Pieris cardamınes, dessen halbe Vorderflügel beim 9! rot sind, beim O nicht, oder gar wie der bekannte kuriose Zwitter einer Formeca sanguinea im Berliner Museum für Naturkunde, dessen linke Hälfte flügeltragend, einem ©, die rechte flügellose aber einem Arbeiter angehört. Auch die relative Individuenzahl und die Größe der Tiere spielt hierbei eine wichtige Rolle, denn es ist nicht gleich, ob ich an einem Exkursionstage 50 oder nur 5 Exemplare einer Species zu Gesicht bekomme, ferner ob es. auffällige, oder unscheinbare Indi- viduen sind, ob der paläarctischen Fauna angehörend, oder nicht. Wesentlich ist es, ob eine Insektenart vorzugsweise nachts, oder mehr bei Tage fliegt. Eine Betrachtung der Statistik beobachteter Lepidopterenzwitter führt fast zur Annahme, daß manche Falterarten mehr zum Hermaphroditismus neigen. Ich entnehme der Zusammen- stellung von OskAr Schutz (1898/99) folgende Zahlen: Zwitter paläarktischer Makrolepidopteren: Rhopalocera: 85 Arten mit 366 Exemplaren. Sphinges & 16 » » 106 » Bembytes: 59... »./,.»: 353 » Noctuae: Er 46 >» 21 » Geometrae: 34 » » 63 3 Summa: 211 Arten mit 909 Exemplaren. Davon entfallen auf: Smerinthus populi L. 67 Exempl. Rhodocera rhammi L. 40 Exempl!. Saturnia pavonia L. 51 Exempl. Rhodocera cleopatra L. 34 Exempl. 122 Karl Wenkeg, Anthocharis cardaminesL. 33.Expl. Argynnis paphra L. 33 Exempl. Lasiocampa pini L. 29 Exempl. Lycaena icarus Rtb. 28 Exempl. Bombyx quercus L. 24 Exempl. Ocneria dispar L. 23 Exempl. Bupalus pimarius L. 16 Exempl. Lasiocampa fasciatella, ab. excel- lens L. 15 Exempl. Limenitis populi L. 13 Exempl. Die von Osk. Scnurrz (1898/99) angegebene Zahl von 33 Ar- gynnis paphra-Zwittern hat sich seit 6 Jahren auf 54 erhöht, so daß man das Tausend aller Makrolepidopterenzwitter als überschritten betrachten darf. Summarische Übersicht der Argynnis paphia-Zwitter. Ohne Angabe des «Ot | +0? Gemischt Geschlechts FALLOU SPEYER 'Aruıs BARRETT RünL (7 Stek.) HANSCHMANN TEICH ‚ALTUM IHÜBNER 0. SCHULTZ HEIL THIELE \GHILIANI \WISKOTT (7 Stek.) HÖRNLEIN URWICK IKNATZ (2 Steck.) |SILBERMANN JOANNIS VOSSELER 'ÖCHSENHEI- KNATz WeEIR RÖHER [MER KREYE K. WENKE SPEYER (2 Steck.) K. WENKE RÜHL WILLIAMS (2 Stek.) | 0. SCHULTZ W1sKoTT WESMAEL (3 Stek.) (2 Stek.) |WısKoTT | Nerekter) | Sa. 22 13 4 15) Zusammen 54. Interessant ist es, daß gerade durch gynandromorphe Individuen von Argynnis paphia L., die auf einer Seite männliche, auf der andern weibliche Flügel besaßen, die J’ und © sicher als zu dieser Art gehörig erkannt wurden. Die Artidentifizierung männlicher und weib- licher Lepidopteren ist mitunter nicht leicht. Ich erinnere dabei an Papilio nicanor, welche Species zwei verschieden gefärbte © be- sitzt. Papelio memnon hat drei, P. agenor sogar fünf verschieden ge- färbte ©. Trotz mancher Bedenken will es mir scheinen, als ob gewisse Insektenarten mehr zum Hermaphroditismus neigten als andre, als ob die geschlechtsbestimmenden Faktoren oseillierten. Damit berührt sich auch die vielumstrittene Frage nach. | Ursachen und Entstehung des Zwittertums. Sie hat, sagt GERSTÄCKER, die Entomologen wiederholt beschäftigt; SCHÄFFER warf sie auf. ScoroLı glaubte an die Einspinnung zweier Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 123 Raupen in einem Kokon, Diese Unwahrscheinlichkeit leuchtete schon ÖCHSENHEIMER ein, der alles als Mißgeburten bezeichnete und ihre Entstehung aus der Vereinigung zweier verschiedener Keime herleitete und schon ganz richtig die Zwitternatur bereits der Raupe und Puppe vindizierte.e An die frühe Vereinigung glaubte auch LACORDATRE. J. GEOFFROY SAINT HILAIRE, RUDOLPHI und GERSTÄCKER schreiben die Prädisposition für einen Hermaphroditen bereits dem Embryo zu, zumal die Larve der Lepidopteren bereits männliche und weibliche Geschlechtsorgane erkennen läßt. »Sollte selbst der Nachweis von der ersten Anlage halb männlicher, halb weiblicher Organe bei dem ‚noch im Ei eingeschlossenen Embryo geführt worden sein, so würde uns das ultimum agens für die Hervorbringung beider trotzdem ver- borgen bleiben und die Hypothese eines vitium primae conformationis immer wieder an die Stelle wirklicher Erkenntnis treten müssen. Für die Entstehung der Bienenzwitter hat v. SIEBOLD mit Glück die partielle Befruchtung des Eidotters durch eine ungenügende Anzahl von Spermatozoen hypothetisch hinzustellen versucht. Die bei der ersten Anlage andrer Arthropodenzwitter obwaltenden Umstände entziehen sich dagegen bis jetzt vollständig unsern Vorstellungen.« BERTKAU (1889) sagt: »Über die Ursachen der Zwitterbildungen sind zwei annehmbare Vermutungen aufgestellt worden, die aber, wie sie nur für ganz bestimmte Fälle aufgestellt sind, auch nur eine be- ‚schränkte Zulässigkeit haben.«e BERTKAU führt nun die erwähnte Hypothese SIEBOLDs an und sagt: »Sie muß aber natürlich auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen es sich um Insekten handelt, bei denen Parthenogenesis mit Arrhenotokie vorkommt, und so möchte für die verhältnismäßig zahlreichen Fälle von Zwittern, unter den Bienen, Ameisen, Schlupf- und Blattwespen jene Erklärung Gültigkeit haben. Sie aber auch auf die Schmetterlinge auszudehnen, wie PACKARD es tat, geht so lange nicht an, als wir nicht bei diesen die Bedingungen kennen, welche die Entwicklung eines Eies zu einem männlichen, oder weiblichen Individuum veranlassen, bzw. so lange wir nicht ‚wissen, ob bei ihnen auch Arrhenotokie oder Telytokie vorkommt. « Die Krüppeltheorie BERTKAUS und GERSTÄCKERS wurde bereits von TETEnS widerlegt, während ich jene von STAnDFUss, die nur auf die weibliche Sexualität der Zwitter ausgedehnt wurde, bereits oben zurückgewiesen habe. Interessant sind folgende Bemerkungen BERTKAUS (1888/89): >»Von SCHEVEN hatte mit seiner Frage voll- kommen Recht, ob die Vereinigung männlicher und weiblicher Cha- raktere bei den sogenannten Insekten- und besonders bei den Schmetter- 124 Karl Wenke, lingszwittern nicht bloß eine äußerliche sei, und ob nicht die Geschlechts- organe nur einem Geschlechte angehörten. Unsre Gastropacha klärt die Ansichten über den Einfluß der Geschlechtsdrüsen auf die sekundären Geschlechtsmerkmale, bzw. die Behauptung DARwINS von dem Vorhandensein latenter männlicher Merkmale beim © und latenter weiblicher Merkmale beim g. Den Einfluß der zur Reife gelangenden Geschlechtsdrüsen auf die sekundären Geschlechtscharaktere haben wir dann nicht sowohl in der Ausbildung des dem betreffenden Geschlecht zu- kommenden, als vielmehr in der Unterdrückung der dem andern Geschlecht eigentümlichen sekundären Ge- schleehtsmerkmale zu sehen. Hier, wo die weiblichen Ge- schlechtsdrüsen vollkommen verkümmert waren, konnten sie auch die Entfaltung der männlichen sekundären Geschlechtscharaktere nicht hintanhalten. Aus dem Typus der Wirbeltiere sind ähnliche Bei- spiele auch schon bekannt: Hirschkühe und Ricken mit Geweihen, Hennen mit Hahnenfedern usw. Unter den Insektenzwittern mögen namentlich die sogenannten gemischten Zwitter und unter den hal- bierten Zwittern diejenigen, bei denen der Hinterleib die Merkmale nur des einen Geschlechts trägt, weitere Belege für unsre Ansicht enthalten.«< Unerklärt beibt dabei immer das »Wie« und »Warum« der Hemmung eines der beiden geschlechtsbestimmenden Faktoren. Warum und wie halten sich die miteinander ringenden Kräfte an- nähernd das Gleichgewicht, so daß die Resultante dieses Kräftepaares als Produkt ein Zwitterwesen ergibt? Vielleicht gründet sich das relativ häufige Vorkommen von halbierten Zwittern auf die frühere oder noch vorhandene Bilateralität der Keimdrüsenanlage. Es wäre möglich, daß die Gonade einer Seite in ihrer Entwicklung gestört wird, oder letztere ganz unterbleibt, so daß dann innerlich nichts von Geschlechtsorganen auf dieser Seite zu finden ist. Das Resultat wäre dann beispielsweise bei meiner Argynnis, die innen (links) rein weib- lich war, ein völliges Fehlen weiblicher Organe rechterseits und das sofortige Überwiegen schlummernder männlicher sekundärer Cha- raktere, d. h. Auftreten männlicher Flügel usw. auf eben dieser Seite, wie es tatsächlich der Fall war. Srtanpruss (1898) sagt: » Auf eine embryonal in dem Kerfindividuum vorhandene Doppelanlage, welche die Fähigkeit in sich schlösse, durch Entwicklung der einen oder der andern Hälfte dieser Anlage entweder eine männliche, oder eine weibliche Keimdrüse zur Entfaltung zu bringen, können die hermaphroditischen Bildungen bei den Insekten auch nicht zurück- Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 125 geführt werden. Soweit man ihre Entwicklungsgeschichte kennt, ist von einer solchen Doppelanlage nichts nachweisbar, und normaler Hermaphroditismus, wie er sich in mehreren andern Tierordnungen findet, nirgends vorhanden.« Dagegen sprechen die Untersuchungen, die Rıcuh. Hzymons machte und 1890 unter dem Titel: »Über die hermaphroditische Anlage der Sexualdrüsen beim g' von Phyllodromia germanica« veröffentlichte. Hier heißt es: »In manchen Fällen läßt sich aber auch eine Weiterentwicklung der kugeligen Gebilde (im Hoden) nachweisen, die dann ähnlich wie bei der Genitalanlage des O verläuft und sogar zur Entstehung von rudimentären Eiröhren, oder selbst zur Anlage von Eiern führt.« »Hybridation«, sagt Standfuß, »bewirkt ganz handgreifliche Störungen in der normalen Entwicklung der männlicken und weib- liehen Geschlechtsprodukte.« Unter den abgeleiteten Hybriden traten ihm von 282 Individuen 27 gynandromorphe auf, die sich auf 20 verschiedene Bruten verteilen. Unter 2000 erzogenen primären Hybriden erhielt er nur ein gynandromorphes Exemplar. »Un- zweifelhaft ist also der Prozentsatz an Gynandromorphismen unter den primären Bastarden ein verschwindender im Vergleich zu dem unter den abgeleiteten. Immerhin ist er wohl relativ höher als unter Individuen von genuiner Herkunft, was wir im Auge behalten müssen.« Kastration an Raupen führte OupEumans (1898) aus und unter- suchte dann die Falter. »Als Resultate ergaben sich bei ein und demselben Individuum entweder gemischte Gynandromorphen, bei welchem männliche und weibliche Charaktere an verschiedenen Stellen auftraten, oder halbierte Gynandromorphen, welche die Geschlechts- merkmale je auf einer Hälfte lokalisiert zeigen. Bei letzteren sind nicht selten auch die Copulationsorgane halbiert. « Ursachen der Verlagerung innerer Organe, wie sie meine Argynnis paphia zeigt, können kaum durch die Keimblattlehre er- klärt werden. Aus welchem Grunde sich der Eierstock mit dem Oviduet an die Bursa copulatrix fixierte, die doch ectodermaler Her- kunft ist, bleibt danach unerklärlich. Näher liegt es, diese Er- scheinung auf Druck und Pressungen zurückzuführen, denn die voluminösen weiblichen Organe, vor allem die Eier zur Legeperiode, beanspruchen nicht wenig Raum, so daß das chitinöse und wenig nachgiebige Körperintegument sämtliche Organe des Abdomens preßt und zwängt. Ich fand bei weiblichen Faltern nicht selten das Recepta- culum seminis derart zwischen die beiden Kittdrüsen gedrängt, daß 126 ; Karl Wenke, von ihm kaum noch etwas zu sehen war. Auch zeigten die Eier häufig Kanten und eckige Formen als Folgen des Druckes!. Nur die elastische Bursa copulatrix behielt ihre Form und damit ihren Hohl- raum zur Aufnahme der Spermatophorenkeulen stets unverändert. Eine nicht minder wichtige, vielleicht die am schwierigsten zu beantwortende Frage ist die nach der Priorität des Herma- phroditismus bzw. des Gonochorismus. Über diese Fundamen- talfrage gehen die Meinungen der Forscher weit auseinander, Zu jenen, die den Hermaphroditismus für primär halten, gehört GEGENBAUR (1870). Er sagt: »Das Verhalten der eier- und samenbereitenden Organe zueinander zeigt sich sehr verschiedenartig und muß gleich- falls vom Standpunkte der Differenzierung aus beurteilt werden, Wir sehen nämlich, daß in den unteren Abteilungen beiderlei Geschlechts- organe miteinander vereinigt sind... Mit einer Verteilung von beiderlei Organen auf verschiedene Individuen vollzieht sich die ge- schlechtliche Differenzierung.... Wenn der hermaphroditische Zustand. als der niedrige anzusehen ist, so wird die geschlechtliche Trennung von ihm aus abzuleiten sein. Diese Änderung erfolgt durch Verkümmerung des einen, oder des andern Apparates, so daß Zwitterbildung für die Trennung der Geschlechter die Unterlage abgibt. Diese Differenzierung durch einseitige Rück- bildung muß für die verschiedenen Ausbildungszustände statuiert werden, so daß sie nicht bloß für an sich niederstehende Organe auftritt. Die Entwicklung zeigt nämlich, daß auch an sehr hoch sich ausbildenden Apparaten eine primitive Vereinigung der Ge- schlechtsorgane existiert, und daß das Individuum auf einem gewissen Entwicklungsstadium hermaphroditische Pagınıs darstellt.« | In demselben Sinne spricht HAECKEL? von der een Erkenntnis, daß das älteste und ursprünglichste Geschlechtsverhältnis die Zwitterbildung war, und daß aus dieser erst sekundär (durch Arbeitsteilung) die Geschlechtstrennung hervorging. Die Zwitter- bildung ist bei den niederen Tieren der verschiedensten Gruppen vor- herrschend, ..... auch alle älteren wirbellosen Vorfahren des Menschen, von den Gasträaden bis zu den Chordoniern aufwärts, werden Zwitter gewesen sein. Ein hochwichtiges Zeugnis liefert die merkwürdige, erst vor wenigen Jahren durch WALDEYERs Untersuchungen festge- stellte Tatsache, daß auch bei den Wirbeltieren, beim Menschen 1 Bei allseitig (gleichem?) Druck sechsseitige Prismen, wie Bienenwabenzellen. 2 ERNST HAECKEL, Anthropogenie. 1874. S, 657. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw, 127 ebenso wie bei den übrigen Vertebraten, die ursprüngliche Anlage der Geschlechtsorgane hermaphroditisch ist«. In gleicher Weise äußert sich Craus!: »Die einfachste und ursprünglichste Form des Auftretens von Geschlechts- organen ist die hermaphroditische... Wir finden den Herma- phroditismus in allen Tierkreisen, besonders aber in den niederen, und zwar erscheinen vorzugsweise langsam bewegliche (Land- sowie kriechende Wasserschnecken, Opisthobranchien, Turbellarien, Hiru- dineen, Oligochäten) oder vereinzelt auftretende Parasiten (Cestoden, Trematoden) oder festgeheftete Tiere (Austern, Cirripedien, Bryozoen, Tunieaten) hermaphroditisch.,. Physiologisch führt die zu verschiede- nen Zeiten eintretende Reife von Sperma und Eiern mancher Zwitter, wie Gastropoden und Salpen bereits zur Trennung der Geschlechter und geht morphologisch bei einseitiger Ausbildung der einen Art von Geschlechtsorganen unter gleichzeitiger Verkümmerung der andern in dieselbe über (Distomum filicolle und haematobium), in welchem Falle _ nicht selten Spuren einer hermaphroditischen Anlage zurückbleiben, wie solche auch an den Ausführungsgsängen der Geschlechtsorgane bei den Vertebraten nachweisbar sind. Bei den Amphibien und höheren Vertebraten finden sich männliche und weibliche Leitungs- wege, welche sich sekundär aus dem Urnierengang entwickeln, in jedem Individuum angelegt. Der Oviduct (MÜLLERscher Gang) bildet sich beim Männchen bis auf schwache Reste zurück, während um- gekehrt der Samenleiter (WoLrrscher Gang) im weiblichen Geschlecht verkümmert, oder wie bei den Amphibien als 2 un des Harnsecretes Verwendung findet. « Gegen diese eben angeführten Anschauungen, die von allen Forschern als angenommen galten, erhob, wie Fritz MÜLLER (1885) erwähnte, zum ersten Male bereits im Jahre 1845 STEENSTRUP? Ein- spruch (Übersetzung $. 10 u. 11): »Gegen diese hier kurz geäußerten Betrachtungen darf man nicht wie gewöhnlich einwenden, was man bei allzuvielen Gelegenheiten angeführt und beinahe ebenso oft miß- verstanden hat, daß die Natur in einem beständigen, wenn auch langsamen Fortschreiten, oder gleichsam in einem stetigen Gleiten von dem Einfachen zu dem Zusammengesetzten, von dem Niederen 1 C. CrAus, Lehrbuch der Zoologie. Marburg 1891. S. 96. 2 JOH. JAPETUS SM. STEENSTRUP, Untersuchungen über das Vorkommen des Hermaphroditismus in der Natur. Aus dem Dänischen übers. von Dr. C. F. Horn- SCHUH. Greifswald 1846. 1508. 2 Taf. — Undersögelser over hermaphroditis- mens tilvaerelse i naturen. 1845. 128 Karl Wenke, zu dem Höheren, und — so drücken sich unsre Physiologen in der vorliegenden Sache aus — von dem »Indifferenten«, dem Geschlechts- losen zu dem Geschlechtlichen und von dem Geschlechtsgegensatze, welcher erst nurzwischen den Fortpflanzungsstoffen und Fortpflanzungs- werkzeugen stattfindet, zu dem Geschlechtsgegensatze zwischen den sich fortpflanzenden Wesen selbst begriffen sei. Eine solche An- schauung über die Entwicklung des Geschlechtsgegensatzes ist nur ein Überrest von der Anschauung des ganzen Tierreiches, der ganzen Naturentwieklung nach einer einzigen Linie und Entstehung des Höheren aus dem Niederen durch die öftere Hinzufügung von einem Plus, oder einem Wenigmehr zu dem Vorhergehenden; und folglich muß sie auch das Schicksal mit diesen Anschauungen teilen und mit ihnen verschwinden. Hätte sie ihre Richtigkeit, so müßte sie wohl ihren einfachsten Ausdruck darin finden, daß es immer die niedersten Formen in der Entwicklungsreihe wären, die hermaphroditisch wären, indem das Höhere, das getrennte Geschlecht, sich durch sie heraufge- bildet hätte. Aber mit dem Umfang, den der Hermaphroditismus auf! dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft hat, hält dies nicht entfernt Stich. Es sind gerade die höchsten Schnecken, die lungenatmenden Landschnecken, welche für die vollkommensten Hermaphroditen in der Weichtierreihe angesehen werden, während umgekehrt der weit überwiegende Teil der tiefer stehenden Meeres- schnecken für getrenntgeschlechtig erkannt (gehalten) wird; ebenso sind alle Egel und Würmer beinahe ohne Ausnahme dem Herma- phroditismus verschrieben, während man schon von (seit) den frühesten Zeiten männliche und weibliche Individuen unter den in den Einge- weiden der höheren Tiere schmarotzenden und weit tiefer stehenden Spulwürmern und anderen Rundwürmern anwesend erkannt hat. Ferner stehen bei den Muscheln und Plattwürmern Gattungen und Arten mit getrenntem und gesammeltem Geschlecht? zwischeneinander, ohne daß man wagen dürfte, die letzteren auf eine tiefere Stufe zu setzen, als die ersteren; und oft muß man sie wohl sogar auf eine höhere setzen. — Aber selbst wenn alles dieses nicht der Fall wäre, welcher Grund berechtigt uns wohl dazu, anzunehmen, daß zur Hervor- rufung des Lebens auf einem tieferen Standpunkte nicht derselbe Gegen- satz zwischen den Fortpflanzungsstoffen dieser Stufe gefordert wird?« »Wenn das Geschlecht eines Tieres wirklich seinen Sitz allein i Soll wohl heißen: nach dem gegenwärtigen Standpunkte ... ” Besser: »monöcische und diöcische Gattungen bzw. Arten... 3 S. 9 der Übersetzung. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 129 in den Geschlechtswerkzeugen hätte, so könnte man sich wohl zwei Geschlechter in einem Tiere vereinigt denken. Das Geschlecht ist also nicht etwas, das seinen Sitz an einer gegebenen Stelle hat, das sich nur durch ein bestimmtes Werkzeug äußert; es wirkt durch das ganze Wesen, es hat sich entwickelt in jedem Punkte desselben. In einem männlichen Geschöpfe ist jeder, auch der kleinste Teil männ- lich, mag er auch noch so sehr dem entsprechenden Teile eines weib- liehen Geschöpfes gleichen, und in diesem ist gleicher Weise auch der kleinste Teil weiblich. Eine Vereinigung beider Geschlechts- werkzeuge in einem Geschöpfe wird dasselbe also erst dann zwei- seschlechtis machen, wenn beider Geschlechter Naturen durch den Sanzen Körper herrschen und sich in jedem einzelnen Punkte geltend machen können, etwas, was infolge des Gegensatzes beider Ge- schlechter nur als gegenseitiges Aufheben, als ein Verschwinden aller Geschlechtlichkeit in einem solchen Geschöpfe sich äußern kann... Je männlicher das Männliche, je weiblicher das Weibliche hervor- tritt, je kräftiger jeder Gegensatz ist, desto kräftiger geht die Fort- pflanzung und Entwicklung vor sich. Wie leicht der geschlechtliche Gegensatz geschwächt werden kann und infolgedessen die freudige und kräftige Fortpflanzung gehindert wird, davon können all die Tiere, die wir mehr oder minder zu unsern Hausgenossen gemacht haben, Säugetiere wie Vögel, zahlreiche Beispiele abgeben; denn deren Geschichte hat uns genugsam gezeigt, daß zur Erzeugung fruchtbarer und kräftiger Nachkommen Kreuzung von Einzelwesen verschiedenen Blutes und Samens erforderlich ist. Aber scheint die bei so manchen Tieren gemachte Erfahrung und die darauf gegründete Behandlung es außer allem Zweifel zu stellen, daß der geschlechtliche Gegensatz zwischen den Zeugungsstoffen schon etwas geschwächt wird bei Wesen, die in näherer Blutsverwandtschaft stehen, so erscheint eine weit größere Schwächung, oder gar ein völliges Schwinden des ge- schlechtlichen Gegensatzes eintreten zu müssen zwischen den Zeugungs- stoffen, die von und in einem und demselben Tiere abgesondert werden!« Anknüpfend an die Ausführungen STEENSTRUBS spricht sich Frırz MÜLLER ebenfalls gegen die herrschende Anschauung, der Herma- phroditismus wäre das Ursprünglichere, aus. Hören wir auch noch dessen interessante Citate: | »Diese und andre physiologische Betrachtungen, auf die ich später zurückkommen werde, hatten in STEENSTRUP Zweifel erweckt, ob überhaupt Zwittertum im Tierreiche. wirklich vorkomme, und ihn Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Ba. 9 130 Karl Wenke. veranlaßt, die damals allgemein als Zwitter geltenden Tiere einer erneuten Prüfung zu unterwerfen. Durch das Ergebnis dieser Prüfung hielt er sich zu der Behauptung berechtigt, daß es überhaupt keine Zwitter gebe. Die ganze Lehre vom Hermaphroditismus erklärte er (a. a. O. S. 85) als einen bloßen Notbehelf (‚Nödhjzelp‘) der Wissen- schaft für gewisse Fortpflanzungsverhältnisse, die sie noch nicht in der rechten Weise zu erklären gewußt habe. STEENSTRUP dürfte durch seine Deutungen der Geschlechtsver- hältnisse der Blutegel, Lungenschnecken usw., so scharfsinnig sie auch waren, kaum andre mit dem Bau dieser Tiere vertraute Forscher von dem Nichtvorhandensein der Zwitterbildung bei denselben über- zeugt haben und hat wohl selbst seine damalige Auffassung derselben aufgegeben. Darin aber, meine ich, hatte er vollkommen recht, daß er die Zwitterschaft als etwas dem ursprünglichen Wesen der geschleehtlichen Fortpflanzung schnurstracks Zuwiderlaufendes ansah, und wenn nicht die Lehre vom Her- maphroditismus, so darf man wohl den Hermaphroditismus selbst als einen Notbehelf bezeichnen, als ein Auskunftsmittel, durch welches gewisse Tiere den für sie bestehenden Schwierigkeiten einer Kreuzung - verschiedener Einzelwesen und den damit verbundenen Gefahren für den Fortbestand der Art entgingen. Noch heute dürften STEENSTRUPSs niedergeschriebene allgemeinere Betrachtungen denen zu ernster Erwägung zu empfehlen sein, diein schroffem Gegensatz zu ihm in der Zwitterbildung die einfachste und ursprünglichste Weise der geschlechtlichen Fortpflanzung sehen wollen. | Es ist dies, so viel ich weiß, die fast einstimmige Meinung der Zoologen; sie erscheint ihnen so selbstverständlich, daß sie sich kaum bemüht haben, andre Beweise dafür zu geben, als, um mich der Worte STEENSTRUPs zu bedienen, »den Gemeinplatz, den man bei so vielen Gelegenheiten angeführt und fast ebenso oft mißverstanden hat, dab die Natur in einem beständigen Fortschritte vom Einfachen zum Zusammengesetzten, vom Niederen zum Höheren sei, — oder, wie es in diesem Falle lautet, vom Indifferenten, Geschlechtslosen zum Geschlechtlichen, von dem nur zwischen Zeugungsstoffen und Geschlechtswerkzeugen desselben Tieres stattfindenden geschlecht- lichen Gegensatze zu dem zwischen den sich fortpflanzenden Wesen selbst«. Ich habe es für wichtig erachtet, die Zitate in etwas ausgiebigerer Weise anzuführen, handelt es sich doch um die wichtigsten Fragen Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 131 in der Lehre vom Hermaphroditismus. — Bei Spongien! ist der Herma- phroditismus sicher primär, bei manchen Parasiten, deren Lebensweise die Vereinigung der Geschlechter erschwerte und sie zum Hermaphro- ditismus zwang, kann diese Erscheinung eine sekundäre sein, wenn sie ursprünglich gonochoristisch, eine tertiäre aber, wenn diese Tiere anfangs Zwitter waren. In letzterem Falle vereinigten sie wie niedere Protozoen beiderlei Sexualität in einer Person, gingen später zum Gonochorismus, und endlich notgedrungen zum Hermaphroditismus über. — Hermaphroditismus ist demnach nicht immer ein Zeichen primitiver Natur, sondern die notwendige Folge der harmonischen Übereinstimmung äußerer Lebensbedin- gungen und der Lebensweisen der Tiere. Anhang. Äußere Beschreibung eines Argynnis paphia-Zwitters +. Der halbierte Zwitter von Argynnis paphra L. wurde von ÜHAR- PENTIER bei Hirschberg in Schlesien gefangen und mit dessen Samm- lung vom Museum für Naturkunde in Berlin erworben, wo genannter Argynnis-Zwitter sub Nr. 1745 aufbewahrt wird. Nachdem ich mich durch Aufweichen von der Echtheit des Zwitters überzeugt hatte, konnte ich folgende Geschlechtsmerkmale feststellen: Das Exemplar ist links der Medianlinie vollkommen 9’, rechts vollkommen © mit allen Merkmalen der betreffenden Geschlechter. Linker Palpus labialis größer mit rötlich gelber, starker Behaarung, rechter Palpus kleiner mit kürzerer weiblicher Behaarung und matter Färbung. Linkes Auge etwas größer als rechtes. Von dem ersten Extremitätenpaare war das linke Bein männlich, das rechte weiblich mit den für die beiden Geschlechter charakteristischen Verkümme- rungen. Der Thorax zeigte links männliche, rechts weibliche Be- haarıng. Die Femora der drei linken Beine waren stärker behaart als jene der rechten. Die linken männlichen Flügel waren auffallend kleiner als die rechten weiblichen. Die Flügel trugen, was Schnitt, Aderung, Beschuppung und Färbung betrifft, alle Kennzeichen des männlichen bzw. weiblichen Geschlechts. Dasselbe gilt auch von der Unterseite, wo besonders die großen grünen Flecken an der Spitze des weiblichen Vorderflügels auffielen. Interessant (jedoch am Trockenfalter nicht mehr so gut erkennbar) war die Kombination 1 F. E. SCHULZE, Untersuchungen über den Bau und die Entwieklung der Spongien. 1878. $. 418. 9* 132 Karl Wenke, der grundverschiedenen männlichen und weiblichen Form des Ab- domens; dazu kam der links stark entwickelte Afterbusch und die Valva. Von den beiden Reihen ihrer inneren Prominenzen war die dorsale und von dieser der größere jener beiden Kolben mit Stachelbesatz (Processus superior) deutlich erkennbar. Wie bei meinem anatomisch untersuchten Argynnis-Zwitter, gefangen am 18. Juli 1901, war auch hier der Basalteil des männlichen Copula- tionsorgans vorhanden. Er bestand aus der neunten abdominalen Rückenschuppe (Dorsalbogen, Tergit), welche merkwürdigerweise auch auf die weibliche Seite hinüberragte, also einen völligen Halbring darstellte, dem jedoch der Uneus fehlte. Von einem Penis auf der linken und einem Ovipositor auf der rechten Seite konnte ich nichts entdecken, da diese Organe immer stark zurückgezogen, tief im Innern des Abdomens liegen. Der Zwitter hat vielleicht für statistische Zwecke einigen Wert. Erwähnen möchte ich noch zwei Argynnis paphia-Zwitter +0,, #0: In der Sammlung KRICHELDORF-Berlin. Für das Interesse an diesen Untersuchungen spreche ich dem Direktor des zoologischen Instituts, Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. F. E. ScHuLze, Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. K. Mösıus, Direktor des Museums für Naturkunde, sowie Herrn Prof. Dr. F. KArscH und Herrn Dr. P. DEEGENER meinen wärmsten Dank aus. Berlin, im Januar 1906. Literaturverzeichnis, Zur schnelleren Übersicht habe ich als graphische Darstellungsweise äußer- licher Geschlechtsmerkmale unter Verwendung der üblichen Zeichen 5 für Männchen, © für Weibchen, Q für Arbeiter, folgende kombinierten Symbole an-- gewendet: | gr som Männchen; > — vorn und rechts Männchen; + = hinten Weibchen; = hinten und links Weibchen. 2% — vorn, linker und rechter Hinterflügel Männchen; | 2 — hinten linker und rechter Vorderflügel Weibchen usw. Aurıs, »Zwitter von Argynnis paphia +0,.< Mag.-Nat. Hist. 1832. Vol. V. 8.753. Stettiner Entom. Zeitg. 1863. S. 190 von HAGEN erwähnt. BERNH. ALTUM, »Halbierter Zwitter von Argynnis paphia +0, links var. valesina.< _ Zeitschr. Forst- u. Jagdwesen. 1890. Bd. XXII. S. 52. »Ein Zwitter von Dytiscus latissimus in Copula mit zwei S.« Stettiner Entom. Ztg. 1865. S. 350. Fig. g Taf. II. 2. Jahrg. 1866. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 133 ÜCHRISTOPHER AURIVILLIUS, »Über sekundäre Geschlechtscharaktere nordischer Tagfalter.< Stockholm. 1880. 50 S., 3 Taf. CHAS.G. BARRETT, »Gynandrous aberration in Argynnis paphia >: Be .« Proceed. Entom. Soc. London 1893. p. 30. Entom. Month. Mag. 1893. Vol. XXIX. p. 189. PHILIPP BERTKAU, »Beschreibung eines Zwitters von Gastropacha quercus +, nebst allgemeinen Bemerkungen und einer Fortsetzung des HaGEnschen Verzeichnisses der Arthropodenzwitter.< Sitzb. Niederrhein. Ges. Nat. Heilk. 1888. S. 67, 3 Fig. im Text. Arch. Naturg. 1889. Jahrg. 55. Bd. 1. H. 1. S. 75—116, Fig. 1—3. HERM. BURMEISTER, »Handbuch der Entomologie.< (Hermaphroditismus Bd. 1. S. 337—343.) Berlin 1832. 5 Bde. C. CLAus, »Lehrbuch der Zoologie.< (Hermaphroditismus S. 96.) Marburg 1891. M. J. FaLtou, >Note sur un nouveau cas d’hermaphrodisme chez un Le&pidoptere Rhopaloeere du genre Argynnis paphia *O+.« Annal. Soc. Entom. France. 1865. p. 496—498, Taf. XI, Fig. 10 col. Rechts mit etwas männlicher Beimengung auf den Flügeln, gefangen am 10. 6. 1865 im Walde von Fontainebleau. KARL FR. v. GÄRTNER, »Versuche und Beobachtungen über die Bastarderzeugung im Pflanzenreich mit Hinweisung auf die ähnlichen Erscheinungen im Tierreiche.« Stuttgart 1849. 8°. GARRE, »Fall von echtem Hermaphroditismus beim Menschen.< Deutsche Med. Wochenschr. 1903. Nr.5. S.77. VIRCHOWs Arch. 1903. Bd. CLXXII. (Ref. Sımox.) Anat. Anz. 1903. (Ref. ZAnDEr.) Jahrb. Sexuelle Zwischenst. 1904, Bd. VI. S. 2931—23. KARL GEGENBAUR, »Grundzüge der vergleichenden Anatomie.« Leipzig 1898. A. GERSTÄCKER, »Hermaphroditismus bei Arthropoden.< Bronxs Klass. Ordn. Tierr: V, H. S. 109—112. : »Ein Zwitter von Smerinthus populi.« (Anatomisch. unters.) Sitzb. Ges. Naturf. Freunde Berlin 1867. S. 25-26. 1.Bie, BRONNS Klass. Ordn. ietrs Vs 1,8. 213-215. 1 Big. VITTORE GHILIANI, »Ermaphroditismo e dimorphismo riuniti in un medesimo "Lepidottero Colias hyale +%,, Argynnis paphia +0,.« Bull. Soc. Entom. Italie 1877. Vol.IX. p. 245—248. Links var. valesina, rechts Stammform ; auf der Unterseite diese Verschiedenheit aber nur an den Vorderflügeln deutlich zeigend. Hinterleib nur rechts mit Valva. Von E. Poccı erhalten. ERNST HAECKEL, »Anthropogenie.« (Zwittertum $. 657.) 1874. H. HaGEn, »Verzeichnis der Insektenzwitter.« Stettiner Entom. Zeitg. 1861. Bd. XXII. $. 259—286. Nachtrag. 1863. Bd. XXIV. $. 189—19%. C. HAnSCHMANN, »Argynnis paphia-Zwitter *0+, rechts ab. valesina.< Entom. Zeitschr. Guben 1893. Bd. VII. S. 139 (Abb. Hormann aD anerlugee U. Aufl: Taf.-LV, D). HEIL, »Argynnis paphia-Zwitter *O+, rechts ab. valesina.« Entom. a ai Guben 1893. Bd. VIL S. 159. Belangen Juli 1889; von der Forstakad. Eberswalde erworben. L. Förıx Hennesuy, »Les Insectes«, Morpholosie, Reproduetion, Embryog£nie. Paris 1904. 804 p. IV Tab. 622 Fig. RICHARD Heymons, »Über die hermaphroditische Anlage der Sexualdrüsen beim ö von Phyllodromia germanica.< Zool. Anz. 1890. Bd. XIII. S.451—457. 134 Karl Wenke, HÖRNLEIN, »Argynnis paphia-Zwitter *0+.« Berliner Entom. Zeitschr.1900. Bd.XLV, (Sitzb. f. d. Jahr 1899. S. 47.) Links mit Valva, rechte Seite etwas kleiner; gef. b. Sagan. JAKOB HÜBNER, »Sammlung europäischer Schmetterlinge.In der Ukraine, wo sich valesina höchst zahl- reich zeigt, sah ich unter ganz ockerfarbigen und schwärzlichen Bei- spielen solche, die nur einerseits schwärzlich waren.< (Er hat die Zwitternatur dieser Falter nicht erkannt.) G. JAKOBSoN, »Über anomale Copulation bei Insekten.« Horae Soc. Entom. Rossicae V.XXXI. p. CXXV—CXXXJ; Russisch. Zool. Centralbl. 1898. 8. (18. Ref. J. DE JOANNIS, »Observation biologique.< (Copula zwischen Argynnis paphia- Zwitter *0+ und 5.) Bull. Soc. Entom. France 1904. Nr. 19. p. 280. Auf der linken Seite das charakteristische männliche, rechts das weib- liche 1. Bein (sog. Putzpfötchen); links Valva (pince), rechts das weib- liche Organ (Ovipositor?), welches aber nicht, wie Verf. anzunehmen scheint, zur Begattung, sondern zur Eiablage dient. 6. JoOSEPH, »Über die Zeit der Geschlechtsdifferenzierung in den Eiern einiger Lipariden.« Jahresb. Schles. Ges. Vaterl. Cultur. 1870 (1871?) Nr. 48. p- 143. VicToR KLINKHARDT, »Beiträge zur Morphologie und Morphogenie des männ- lichen Genitalapparates der Rhopaloceren.« Leipzig 1903? FRIEDR. KLuG, »Bemerkungen bei der Gelegenheit der Zergliederung eines Zwitters der Melitaea didyma O., nebst Beschreibung der Zwitter des Königl. Musei in Berlin.< Verh. Ges. Naturf. Freunde Berlin 1829. Bd.1. S. 363—369. Taf. 15. KnAtz, »Zwei Argynnis paphia-Zwitter *0+, +0,.< Entom. Zeitschr. Guben 1837. Bd. 1. S.5. Gef. 1886 b. Cassel. H. KREYE, »Hermaphrodit von Argynnis paphia L. x0+.« Festschr. Nat. Ges. Hannover 1897. S. 224. Taf. IX. 3 Fig. col. Die Beschreibung deckt sich mit meiner von CHARPENTIER gefangenen A. paphia *0+. LACORDAIRE, »Introduetion Entom.« Vol. II. p. 428. (Mißbild. u. Zwitter.) Fritz MÜLLER, Die Zwitterbildung im Tierreiche.« I. Bedenken gegen die herrschende Ansicht. Kosmos 1885. Bd. XVII. S. 321—324. FRANZ VON NEUGEBAUER, »103 Beobachtungen von mehr oder weniger hoch- sradiger Entwicklung eines Uterus beim Manne.« Pseudohermaphro- ditismus masculinus internus. Jahrb. Sexuelle Zwischenstuf. 1904. Jahrg. 6. S. 215—276. NEWMANn, >Zwitter von Oeneria (Liparis) dispar.< Proceed. Entom. Soc. London 1862. p. 70. M. NussBAUM, >»Zur Differenzierung des Geschlechts im Tierreich.«e Arch. Mikrosk. Anat. 1880. Bd. XVIIL S.1. FERD. OCHSENHEIMER, »Schmetterlinge Europas.« (16 Zwitter, darunter Argynnis paphia L. +0.) Wien 1816. Bd. IV. S. 186—187. 1 Fig. Rechts mit Afterbusch. J. TH. OUDEMANnNSs, »Falter castrierter Raupen, wie sie aussehen und wie sie sich benehmen.x (Versuche an Ocneria dispar L.) Zool. Jahrb. (Syst.) 1898. Bd. XI. S. 71-88, Taf. III, IV, V; 2Fig. im Text. / Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 135 WıLH. PETERSEN, »Beiträge zur Morphologie der Lepidopteren.e Mem. Acad. St. Petersbourg 1900. Ser. 8. Vol. IX. Nr. 6. >Zur Morphologie der Generationsorgane der Schmetterlinge und ihre Be- deutung für die Artbildung.« Mem. Acad. Sc. Petersbourg 1904. Ser. 8. Vol. XVL Nr. 8. 84 p. 64 Fig. im Text. L. Pıck, »Über Neubildungen am Genitale bei (menschl.) Zwittern, nebst Bei- trägen zur Lehre von den Adenomen des Hodens und des Eierstocks.« Arch. Gynäkol. 1905. JoH. RÖBER, »Ein Hermaphrodit von Argynnis paphia L. +0,.< Corresp. Entom. Ver. Iris 1884—1888. Bd. I. S.3. Links vollständig weiblich, Vorder- rand des Vorderflügels oberseits und oberer Außenwinkel des Hinter- Hügels mit weibl. Färbung. Abdomen links weibl., rechts männl. RÜHL, »Acht Arsynnis paphia-Zwitter.< »Palaearct. Großschmetterlinge.« S. 455. Nr.1. *0+ Rechts ab. valesina, gef. b. Grabow in Meklenburg 1890, Nr. 2, Gef. v. Prof. Hugvexın 1892 in Bad Weißenberg. Nr.3. Gef. 1825 Ardennen. Nr. 4. Gef. 1886 Ardennen. Nr. 5. Gef. 1895 Grunewald (Berlin). Nr. 6. Gef. 1895 Eberswalde b./Berlin. Nr. 7 u. 8. Gef. 194 New Forest. E. von SALEn, >Fall von Hermaphroditismus verus unilateralis beim Menschen. « Verh. Deutsch. Pathol. Ges. Berlin 1900. S. 241. Jahrb. Sexuelle Zwischenst. 1904. Bd. VI. S. 318—319. FERD. Schutz — K. A. RuDoLPpHI, »Beschreibung einer seltenen menschlichen Zwitterbildung nebst vorangeschickten allgemeinen Bemerkungen über Zwittertiere.< (Anat. unters. Bombyx [Gastropacha] quereifolia Zwitter *o+.) Abhandl. Akad. Wiss. Berlin 1825. S. 46—69. OSKAR SCHULTZ, »>Argynnis paphia-Zwitter *O+, rechts ab. valesina.« Illustr. Wochenschr. Entom. 1896. Bd. I. S. 338. (Aufbewahrt im Mus. d. Eidgenöss. Polytechn. Zürich.) —— »Sieben Argynnis paphia-Zwitter.< Illustr. Wochenschr. Entom. 1897. Bd. II. S. 331. Eine Argynnis paphia zo aus d. Samml. HARTMANN in Reichenbach 1896, die andern in Samml. O0. STAUDINGER. —— >»Argynnis paphia-Zwitter «O+.« Illustr. Wochenschr. Entom. 1898. Bd. I. S.105. Rechte Flügel, Fühler und Leib weibl., links männl. Sammlung A. Pırz, Heinrichau. —— »Über den inneren Bau gynandromorpher (hermaphroditischer) Maerolepi- dopteren« (Ocneria dispar %%). Illustr. Wochenschr. Entom. 1897. Bd. I. Nr. 13. S. 199—202. Nr. 14. p. 215—218. —— »Über den anatomischen Befund des Geschlechtsapparates zweier gynandro- morpher Lepidopteren: Smerinthus populi L. Ö und Vanessa antiopa L. ©.< Berliner Entom. Zeitschr. 1898. Bd. XLIII. 8. 409—413. —— »Gynandromorphe (hermaphroditische) Macrolepidopteren der palaearktischen Fauna.« III. Teil, Statistik, Illustr. Wochenschr. Entom. 1898. Bd. III. S. 85—89, 102—105, 135—137, 167—169, 183—185, 294—297, 308—312. —— »Relative Häufigkeit des Auftretens gynandromorpher Bildungen bei den einzelnen palaearktischen Lepidopterenarten.«e (Gesamtstatistik.) In- sektenbörse 1899. Nr. 4. F. E. SCHUZE, »Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien.« (Hermaphr. S. 418.) Zeitschr. Wiss. Zool. 1878. Bd. XXX. 8. 379—420. Taf. XXI—XXIV. 136 Karl Wenke, ScoroLI, »Introductio ad historiam naturalem.< (Zwitter von Gastropacha pini.) 1777. S. 416. A. Seıtz, »Allgemeine Biologie der Schmetterlinge.< Zool. Jahrb. (System.) Bd. II. GUSTAVE SILBERMANN, »Argynnis paphia-Zwitter.«e Revue Entom. 1833. Vol. 1. p. 50. (Im Besitze von M. STUDER, Bern.) A. SPEYER, >Zwei halbierte Zwitter von Argynnis paphia +0, fO+.« Stettiner Entom. Zeitg. 1888. S. 200—202. Gef. 1885/86 bei Kassel. STADELMANN, »Über den anatomischen Befund eines Zwitters von Dendrolimus fasciatella (Men.) t.« Sitzb. Ges. Naturf. Freunde Berlin 1897. Nr. 8. S. 135 —137. MAX STANDFUSS, »Experimentelle zoologische Studien mit Lepidopteren.« Vier Saturniazwitter: er] | 8 u EDDIE m a 2, USDAUE Zus ee 1. Saturnia eos +0. 2. Saturnia pavonia © Q ohne Eier 'pavoniad m it Eiern. 4. S 1 ini Schiff aturnia nn © mit Eiern. aturnia spini Schiff +0,. JOH. JAP. Sm. STEENSTRUP, »Undersögelser over hermaphroditismens tilvaerelse i naturen.« 1845. - »Untersuchungen über das Vorkommen des Hermaphroditismus in der Natur.< (Aus dem Dänischen übers. von C. F. HorxscHuH.) Greifs- ‚= „wald. 1846. 130 8. 2 Taf. Herm. Stirz, »Der Genitalapparat der Makrolepidopteren.< I. Der männliche Genitalapparat. Zool. Jahrb. (Anat.) 1900. Bd. XIV. S.135—176, Taf. VII — X]. Zool. Centralbl. Bd. VII. S. 170—172 (Ref. Heymons). —— »Der Genitalapparat weiblicher Lepidopteren.< Zool. Jahrb. (Anat.) 1902. Bd. V. TEıcH, »Argynnis paphia-Zwitter *0+.« Stettiner Entom. Zeitg. 1866, $. 132. HERMANN TETENs, »Resultate der anatomischen Untersuchung eines lateralen Zwitters von Smerinthus populi +0,.«< Berliner Entom. Zeitschr. 1SIL. Bd. XXXV1..H.2. 8. 457-466, Taf. XII. THIELE, »Hermaphroditismus und Variation von Argynnis paphia L. *O+.« Ber- ‚liner Entom. Zeitschr. 1895. Bd. XL. (Sitzb. f. d. J. 1894. S.8) Genau in der Mittellinie geteilt. Auch die Fühler haben verschiedene Fär- bung (?). Gefangen im Grunewald b. Berlin. W. F. Urwick, »Gynandromorphous (hermaphrodite) Argynnis paphia *0+.< Ento- mologists Rec. Journ. Var. 1900. Vol. XII. p. 242. Entomologist 1900, Vol. XXXIH. p. 266. Entom. Month. Mag. 1900. Vol. XXXVI. p. 240. Linker Vorderflügel mit einem Flecke weiblicher Valesinafärbung, rechter ganz var. valesina. Gef. am 28. 7. 1900 bei Lyndhurst, New Forest. J. VOSSELER, »Über Zwitterbildungen bei Insekten.< Rhodocera rhamni 0>, Ar- gsynnis paphia ab. valesina *0+. Jahresh. -Ver. Württemberg 189. Bd. XLIX. S.LXI—LXII. Halbierter Zwitter von A. paphia. Links männl., rechts weibl. Linkes Auge größer. Am Körperende links Halzanse (Valva). Unterseite der Flügel auf beiden Hälften ziemlich gleich, nur ist die Färbung der Unterseite der Hinterflügel nicht scharf differen- ziert. Die rechte (weibl.) Hälfte gehört Be des dunkleren Grund- tones der var. valesina Esp. an. Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. 137 Rup. WAGNER, »Lehrbuch der vergl. Anatomie.< (Lehrb. d. Zootomie: Her- maphroditismus Bd. I. S. 142.) Leipzig 1843. I. Teil: Anatomie d. Wirbeltiere. W. WALDEYER, »Eierstock und Ei.« Ein Beitrag zur Anatomie und Entwicklungs- gesch. d. Sexualorgane. Leipzig 1870. 174 S. 6 Taf. J. J. WEIR, »Aberration in the genus Argynnis.< A. paphia +. Entomologist 1882. Vol. XV. p. 49—51. Taf. I. Fig. 5, 5a col. Rechts var. valesina. Gef. von BERN. COOPER, New Forest 12. 7. 1881. Weısmann, Äußere Einflüsse als Entwicklungsreize.< Jena 189. KARL WENKE, » Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters +0,, nebst vergleichend anatomischen Betrachtungen über den Hermaphroditismus bei Lepi- dopteren.< (Gef. Tegel b. Berlin. 18. 7. 1901.) Äußere Beschreibung eines Argynnis paphia-Zwitters *0+, gef. v. CHARPENTIER, Hirschberg i. Schlesien, Samml. d. Mus. f. Naturkunde Berlin. Zwei Argynnis paphia-Zwitter +0, “+. Samml. KRICHELDORF, Berlin. Diese Zeitschr. 1906. Bd. LXXXIV, S. 95—138. 'Dissert. Berlin.) M. WESMAEL, »Notice sur un Lepidoptere gynandromorphe (hermaphrodite Arsynnis paphia +0,.< Bull. Acad. Sei. Bruxelles 1837. Vol. IV. p. 11 —15. Fig. col. L’Institut 1837. Vol. V. No. 217.. p. 226. ; Revue Zool. 1838. p. 144. Annal. Soc. Entom. France 1837. Vol.VI. (Bull. p. LXIII —LXVL). FRoRIEP Notiz. 1837. Vol. III. No. 21. p. 324—326. Rechts paphia, links var. valesina, besonders am linken Hinterflügel. Rechte Valva vorhanden. Penis wurde nicht bemerkt. Linker Vorderfl. ge- mischtgeschlechtlich. Rechts männliches, links weibliches Putzpfötchen. C. H. WILLIAMS, »Gynandromorphous Argynnis paphia *0+.« Entomologist 1894. Vol. XXIV. p. 216. Max WiıskoTT, »Die Lepidopterenzwitter meiner Sammlung.«e (Darunter 7 Ar- gynnis paphia.) Festschr. Ver. Schles. Insektenk. Breslau 1897. S. 91 —141, 4 Taf. 73 Fig. 1. +0, rechts Valva, gef. Nassau. 2. +0, gef. Saar- burg. 3.*0+ gef. Sachsen. 4. *0+ Berlin. 5. Gemischt, vorwiegend Q, rechte Unterseite $, Leib 2, rechts Valva. Aus Dresden. 6. +0 links ab. valesina, gef. Kanton Wallis. 7. Gemischt und ab. valesina X%, rechts Afterbusch; gef. Berlin. EnoCH ZANDER, »Beiträge zur Morphologie des männlichen Geschlechts- apparates der Lepidopteren.< Diese Zeitschr. 1903. Bd. LXXIV. S. 557. Erklärung der Abbildungen. Tafel VII (Fig. 1-8). Fig. 1. Argynnis paphia-Zwitter +0, (gef. am 18. Juli 1901), von der Dorsalseite gesehen. Die linke, mattbraun gefärbte weibliche Seite besitzt einen kleineren Palpus labialis und ein kleineres Auge als die rechte, rotbraun gefärbte männliche. (Nat. Größe.) Fig. 2. Argynnis paphia-Zwitter +0, von der Ventralseite gesehen. (Nat. Größe.) 138 Karl Wenke, Anatomie eines Argynnis paphia-Zwitters usw. Fig. 3. Argynnis paphia-Zwitter +: Anatomie des Abdomens, halb- schematisch. (Vergr. 16,2 fach.) Fig. 4& Abdominalende des Zwitters (schräg von oben gesehen), mit Ovipositor auf der weibl. und stark verkümmerten Haftorganen auf der männl. Seite. (Vergr. 16,2fach.) Fig. 5. Ovipositor der linken Seite im Profil dargestellt. (Vergr. 16,2 fach.) 1. Herz. 2. Bauchganglienkette. 3. Magen. 4. Kropf. 5. Mitteldarm. 6. Colon. 7. Reetum mit Coecum (23). 8. Linker Eierstock. 9. Linker Oviduet. 10. Mündung des Oviduets in die Bursa. 11. Uterusblindsack. 12. Receptaculum seminis. 13. Glandulae ferruminiferae. 14. Ostium bursae. 15. Clitoris. 16. Collum bursae. 17. Zipfelförmiger Anhang des Caput bursae. 18. Sternit. 19. Tergit. 20. Un- cus des IX. männl. Segments. 21. Linker Ovipositor. 22. Angulus stermoter- galis. 23. Coeeum. Fig. 6 Teil eines Querschnittes durch die linke Tube des Zwitters. (Vergr. 264/1.) 1. Schicht quergestreifter Ringmuskeln. 2. Innen- epitheil. 3. Chitinmembran. 4. Ei. Fig. ”. Teil eines Querschnittes durch den Uterusblindsack Oviduetus ecommunis) des Zwitters. .(Vergr. 231/1.) 1. Längsmuskelschicht. 2, Ringmuskelschicht. 3. Innenepithel. 4. Chitinmembran. Fig. 8 Teil eines Querschnittes durch den Uterusblindsack (Oviduetus communis) des Zwitters mit Receptaculum seminis. (Vergr. 210/1.) 1. Schicht quergestreifter Ringmuskeln. 2. Innenepithel. 3. Re- ceptaculum seminis. 4. Füllmasse des Rec. sem. Tafel VIII (Fig. 9-12). Fig. 9. Querschnitt durch den Uterusblindsack (Oviductus communis) des Zwitters. (Verg. 208/1.) 1. Ringmuskelschicht. 2. Innen- epithel. 3. Ductus seminalis. Fig. 10. Teil eines Querschnittes durch das caudale Ende des Uterusblindsackes (Oviductus communis) des Zwitters. (Vergr. 230/1.) 1. Ringmuskelschicht. 2. Innenepithel. 3. Dicke Chitinmembran. Fig. 11. Teil eines Querschnittes durch die Bursa copulatrix eines gewöhnlichen @ von Argynnis paphia. (Vergr. 360/1.) Fig. 12. Teil eines Querschnittes durch die Bursa copulatrix des Argynnis paphia-Zwitters. (Verg. 360/1.) 1. Ringmuskelschicht. 2. Innen- epithel. 3. Chitinmembran. Über das „unpaare Organ“ der Dipterenfamilie der Conopidae. Von Robert Nicolai Streiff aus Riga in Livland. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Leipzig.) Mit Tafel IX und X und 15 Figuren im Text. | Einleitung. Im Wintersemester 1902/3 machte mich Professor ZUR STRASSEN auf die Dipterengruppe der Conopiden aufmerksam und schlug mir das am Abdomen der weiblichen zu dieser Gruppe gehörigen Fliegen befindliche, in der Litteratur beiläufig als »unpaares Organ« benannte Gebilde zur eingehenderen Untersuchung zum Zwecke einer Promo- tionsarbeit vor. Die direkte Veranlassung zu diesem Vorschlage war die Beobachtung eines Leipziger Entomologen. Herr A. REICHERT hatte im vorhergehenden Sommer ein Pärchen der Conopidengattung Conops bei der Begattung gesehen und konstatieren können, daß sie in außergewöhnlicher Weise vor sich geht. Er erzählt, wie folgt: Das Männchen der betreffenden Gattung setzte sich auf den Thorax des Weibchens, ohne daß fürs erste etwas geschah; so flogen die Tiere, das Weibchen das Männchen tragend, von Blüte zu Blüte weiter, bis sich plötzlich das Hinterende des weiblichen Abdomens nach oben kehrte, dem Hinterende des männlichen Abdomens ent- Segen, worauf die Oopulation erfolgte. Das Weibchen trat also aktiv bei der Begattung auf, indem es mit seinen letzten Abdominal- segmenten eine unnatürlich erscheinende starke Bewegung in der Richtung nach oben ausführte. Nach einem Studium der in Frage kommenden Literatur fand ich in den »Recherches anatomiques et physiologiques sur les Dip- teres« des französischen Insektenforschers Lion Durour eine über- einstimmende Schilderung der Begattung der Conopiden. Ich gebe sie in extenso wieder; sie beginnt mit einer kurzen Reflexion, die 140 Robert Nicolai Streiff, als einleitender Gesichtspunkt auch für unsre Arbeit geeignet ist: »La configuration bizarre de l’abdomen des Conops devait faire supposer des manoeuvres singulieres pendant l’aete copulateur«... In der Tat macht das Abdomen bei manchen Arten, z. B. bei einem Vertreter der Gattung Conops, Conops vesicularist durch das weit hervorstehende »unpaare Organ« einen höchst sonderbaren Eindruck und läßt von vornherein Eigenartiges in der Lebensweise dieser Fliegen vermuten. Durour fährt fort: »J’ai ete assez heureux pour &tre temoin oculaire, en juillet 1838, de l’accouplement du Conops rufipes, dont j’avais renferme dans un bocal de verre plusieurs individus pour mes dissections. Le mäle monte sur le dos de sa femelle, qu'il tient embrasse par le corselet. Il l’exeite par des attouchements, par de petits coups repetes de ses pattes.. En me&me temps il fait glisser, en se reculant, son abdomen sur celui de la femelle, il le recourbe en bas en agitant alors et la trompe et les palpes, et en faisant fremir ses balaneiers. La femelle, d’abord assez froide, finit par repondre a ce prelude de caresses et se met a l’unisson de l’orgasme sexuel. Elle deroule son abdomen, de maniere qu’au lieu d’etre courbe en dessous il se releve en dessus pour s’unir et s’emboiter etroitement avec celui de mäle. II se fait aussitöt une retroversion du mäle comme font les chiens, et les deux u sur une meme ligne semblent n’en former qu’un seul. J’ai represente cette union de deux abdomens. Le couple demeura ainsi attache pendant un quart d’heure.« Wie er selbst sagt, ergänzt er diese genü- gend drastische Schilderung mit einer flüchtigen Skizze, die ich, um der Historie Rechnung zu Ey et, tragen, ‚hier wiedergebe (Fig. 1). Das ist alles, Begattungsstellung von was ich über die Begattungsweise der Conopiden Physocephala. Das untere : u ; Sr ist d. Abdomen. desWep. berichten kann; mir ist es leider nicht gelungen, ehens, dassobere,dasi des’ len nAkt im Rreienundersän der Gefangenschaft Männchens. Die bebor- $tete Stelle soll .das sun... zu beobachten. Be ee Ebenso spärlich sind die Anzaben. über das im Text sagt er aber nichts darüber. »unpaare Organ«, sie beschränken sich immer nur auf die Benennung, geben aber nie den Versuch einer morphologischen oder funktionellen Deutung. Die Bezeichnung »unpaares Organ« hat SCHINER in seinem umfassenden ! Vgl. Fig. 14 (die arabischen Zahlen beziehen sich auf die Textfiguren, die römischen auf die Tafelabbildungen). Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 141 Dipterenwerk »Fauna austriaca« geprägt. Er sagt bei Gelegenheit der allgemeinen Charakteristik unsrer Gruppe: »Am PBauche des Weibehens fast immer ein unpaariges, hornartiges, zuweilen weit vorstehendes Organ.« Bei der Beschreibung der einzelnen Arten definiert er das Organ näher als spitz oder stumpf, weit oder wenig hervorragend. In ähnlichen, lediglich auf die äußere Form bezugnehmenden Ausdrücken spricht ein andrer rühmlichst be- kannter Dipterenforscher, LoEw über das Gebilde, er nennt es ab- wechselnd eine Klappe oder eine Falte, z. B.: »Die Klappe, in welche sich die Unterseite des fünften Ringes verlängert, ist außerordentlich sroß« (C. excisa), oder »der fünfte Ring bildet auf der Unterseite eine klappenartige, durchaus nicht abstehende Erweiterung« (C. sig- mata), oder »der vierte und fünfte Ring des weiblichen Hinterleibes sind etwas breiter als gewöhnlich, letzterer zu einer großen, halb- kreisförmigen Falte erweitert, welche zwar ein wenig hervorsteht, aber keineswegs eine Klappe bildet« (Conops diadematus)!. LoEw unterscheidet also im Gegensatz zu SCHINER auch durch die Be- nennung die verschiedenen Formen des Gebildes; in diesen Be- nennungen liegt eine präcisere Beobachtung, sie entsprechen be- stimmten, leicht zu unterscheidenden Typen des Gebildes; das Reellere in Loews Angaben ist ferner darin enthalten, daß er seine Klappe oder Falte immer in Zusammenhang mit dem fünften Adominalring bringt, was, wie wir sehen werden, durchaus richtig erkannt ist. Von andern Literaturangaben führe ich nur noch den alten Klassiker der Insektenkunde LATREILLE an? Er faßt sich in der allgemeinen Be- schreibung des Conopidenabdomens kurz: »Abdomen (Conopsariarium) tum elongatum, basin versus paulatim attenuatum, ad apicem incras- satum aut subelavatum, hamato-incurvum, appendieibus unieulis aut dentibus variis, prominentibus, instructum; tum breve, trigonum.« Er hat das Gebilde beobachtet. So weit die Systematiker über. das »unpaare Organ«, anatomisch ist der Hinterleib der Conopiden über- haupt nicht bearbeitet worden. Systematik. Die Familie der Conopiden interessiert schon durch die große Verschiedenheit, die ihre Vertreter in Habitus und Form zeigen. 1 Loew, Dipterol. Beiträge. Berlin. III. (1847.) Über die italienischen Arten der Gattung Conops. — Neue Beiträge zur Kenntnis der Dipteren. Berlin. I. (1853.) (Ceria F. und Conops L. 2 LATREILLE, Gener& Insectorum. 142 Robert Nicolai Streiff, Auf der einen Seite Vespiden ähnliche, ruhige, aber leicht beweg- liche Tiere, auf der andern träge, fast wanzenartige Geschöpfe, die in ihrem Habitus z.B. an unsre Hirsch- und Elentiersfliegen (Hippo- boseidae) erinnern. Die Unterschiede erscheinen auf den ersten Blick so groß, daß der unbefangene Beobachter kaum die Zusammengehörig- keit der beiden Typen zu einer Familie erkennen möchte, es ist daher auch verständlich, wenn dieselben Zweifel in der Geschichte der Dipterenkunde aufgetreten sind. In älteren Werken findet man zwei getrennte Familien, die Conopidae und die Myopidae; LATREILLE war der erste, welcher diese beiden Familien zu der einen der - Conopidae vereinigte. Durour bestätigt die Berechtigung dieser »fusion des Conopsaires et des Myopaires en une seule et m&me famille« auf Grund seiner anatomischen Befunde. »L’appareil sensitif justifie pleinement cette union<« ... »La splanchnologie est toute a l’appui de cette fusion.«c Bei näherer Bekanntschaft findet man denn auch eine Menge gemeinsamer Eigenschaften, vor allen Dingen ist es der gleiche Bauplan von Kopf und Abdomen, welcher sich hinter verschiedenartiger, geschickter Maskierung deutlich erkennen läßt. Aus praktischen Gründen hebe ich zuerst zwei Eigenschaften aller Conopiden hervor, die in den Bestimmungstabellen der Autoren, insbesondre auch bei SCHINER, an welchen ich mich in systematischen Fragen in erster Linie halte, figurieren. Es sind dies eine besondere Eigentümlichkeit im Flügelgeäder und die Beschaffenheit des Rüssels. Alle Conopiden haben eine doppelte erste Längsader, deren beide Zweige vorn durch eine kleine Querader verbunden sind. Der Rüssel ist immer an der Basis gekniet und wird horizontal vorge- streckt getragen, bei einigen Gattungen ist er auf der Mitte noch einmal gekniet, das vordere Stück wird in diesem Fall taschenmesser- artig zurückgeklappt. Der Rüssel ist dünn, hornartig. Die Form des Kopfes ist so charakteristisch, daß man, wenn man sie ein paarmal gesehen hat, jede Conopide schon daran erkennen würde (Fig. 2). Zwei Gattungen haben die Namen Conops und Physo- cephala; sie weisen damit auf die Gestaltung des Kopfes hin. SCHINER nennt den Kopf aufgeblasen. Der Thorax, welcher bei den hochorganisierten Dipteren ein festes Gefüge vorstellt und daher Veränderungen in der Lebensweise mehr Widerstand entgegenbringt, weicht von dem für alle Dipteren gültigen Schema nicht erheblich ab. | Am Abdomen lassen sich wieder wichtige, allen Conopiden zu- . kommende Eigenschaften erkennen, die hinreichende Untersuchung Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 143 erfahren werden, da das ganze Abdomen Gegenstand meiner Arbeit sein wird. Kopf und Abdomen, welche einerseits eine Summe von Familien- ähnlichkeiten darbieten, haben anderseits genügend verschiedene Eigenschaften, um bestimmend auf den Habitus der beiden erwähnten Typen, die wir als Conops- und als Myopa-Typus bezeichnen können, zu wirken. In dem einen Falle, beim Conops-Typus, haben wir lange, mit einem Endgriffel versehene Fühler, große Augen und den einmal an der Basis geknieten Rüssel; beim Myopa-Typus kurze nickende, durch eine Rückenborste gekennzeichnete Fühler, kleine Augen und ein infolgedessen weit unter die Augen herabreichendes Untergesicht und einen doppelt geknieten Rüssel. Die Abdominalsegmente des Conops-Typus sind mehr oder weniger eylindrisch, durch helle Hinter- randsbinden geschmückt. Myopa hat ein dorso-ventral abgeplattetes Abdomen und entbehrt der Hinterrandsbinden. Von schwerwiegendem Einfluß für das Typische sind ferner Form und Stellung der Beine. Der schlanken Gestalt des Conops ent- sprechen die langen dünnen Beine und ihre gestreckte Haltung; bei Myopa wird das Kriechende, Wanzenartige des Charakters nicht zum geringsten durch die horizontale Lage der meist sehr dieken Schenkel bedingt, mit ihren unteren Enden sind sie sogar etwas nach oben gerichtet; alle Gelenke sind stark gebeugt, die Unterseite des Thorax liest daher nicht hoch über dem Boden. Zur Vollendung des Habitusbildes führe ich die Angaben über das Temperament an. Die Conops’ sind, entsprechend ihrer Grazie, die beweglicheren, wenn auch ihr Naturell nicht sehr sprühend zu sein scheint; SCHINER sagt von ihnen: »sie sind nicht sehr scheu, in ihren Bewegungen ruhig«; dagegen charakterisiert er die Myopen als absolute Phlegmatiker: »sie sind besonders träge und können oft mit den Fingern berührt werden, ohne fortzufliegen; das auf- geblasene, breite Gesicht und ihre Art, den Kopf etwas aufgerichtet zu tragen, gibt ihnen ein sehr drolliges Ansehen«. Der extreme Conops-Typus wird durch zwei Gattungen (Conops, Physocephala) repräsentiert, der Myopa-Typus durch eine (Myopa). Alle übrigen Gattungen — es sind ihrer in der Familie der Conopiden im ganzen acht — weisen eine Vermischung der charakteristischen Eigenschaften beider Typen auf. In ihrem ganzen Habitus aber gleichen die einen (Zodion, Occemyyia) trotz ihrer geringen Größe mehr dem Conops-Typus, die andern (Glossigona, Dalmannia) mehr dem Myopa-Typus. Die Gattung Sieus, die das Hauptobjekt meiner 144 Robert Nicolai Streiff, Darlegung sein wird, gleicht im Habitus dem Conops-Typus; SCHINER sagt von ihr: »sie ist in ihren Bewegungen langsam, hat aber sonst hierin eine große Ähnlichkeit mit den echten Conopsarten«. Ana- tomisch aber gleicht sie in vielen wichtigen Dingen der Myopa. Lebensweise. Alle Conopiden sind blütenbesuchende Fliegen, das steht fest; über die Art der Blüten aber, welche von ihnen besucht werden, so- wie über ihre Lebensweise im allgemeinen haben wir nur einzelne, wenige Daten. Ich selbst habe keine Beobachtungen machen können und muß mich daher mit der Wiedergabe dessen begnügen, was SCHINER an Positiven sagt. Für eine Conops-Art gibt er Klee und aggregatblütige Papilionaceen als besuchte Blüten an. Von Myopa und ihrem näheren Verwandten werden blühende Dolden aufgesucht, während die kleineren Arten (Zodion, Occemyia, Dalmannia) blumen- reiche, grasige Orte und Wiesen zum Wohnorte nehmen. DuFOUR drückt sich allgemeiner aus: »on trouve souvent les Conopsaires sur les fleurs, et il est vraisemblable qu’ils se nourrissent du pollen«. Der fein gebaute Rüssel bestätigt uns diese Ansicht. Im übrigen behalten wir fürs erste allein die Tatsache des Blütenbesuchs im Sinne, wir bedenken, daß die unebene Oberfläche der Blüten mannig- faltige Bewegungen auslösen kann und daß die Gewinnung der Blütennahrung mit oft wechselnden Gleichgewichtslagen des Körpers verbunden ist. Eine weitere Eigentümlichkeit aller Conopiden möchte ich noch kurz berühren. Die Larven leben im Hinterleibe lebender Insekten, man hat sie in den meisten Fällen in Hymenopteren gefunden, einmal jedoch auch in einem Orthopteron. Zwar ist die Metamorphose nur bei drei Gattungen (Conops, Physocephala und Myopa) beobachtet worden, doch ist anzunehmen, daß auch die Vertreter der andern Gattungen in ihrer Jugendzeit parasitisch sind. Die meisten Conopidenarten sind in ihrem Vorkommen nicht als häufig zu bezeichnen; die relativ am leichtesten zu findende Form ist der einzige Repräsentant der Gattung Sieus, seiner rostbraunen Farbe wegen Sicus ferrugineus genannt; er lieferte mir denn auch hauptsächlich mein frisches Untersuchungsmaterial. Der Umstand also, der mich dazu führte die Art Sicus ferrugimeus zum Hauptobjekt meiner Arbeit zu machen, war rein äußerlicher Natur. Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 145 Einteilung. Mit der Zeit habe ich die alleinige, eingehende Beschäftigung mit einer Art als außerordentlich angenehm und fördernd empfunden. Hat man erst eine Art nach allen Seiten hin gründlich untersucht, und ist man über die morphologischen und anatomischen Verhält- nisse im klaren, so ist das Studium der andern Arten und Gattungen sehr leicht. Ich habe dasselbe Prinzip bei der Einteilung meiner Dissertation zum Ausdruck gebracht, sie ist fast ganz der Gattung Sieus gewidmet, eine Übersicht der andern Gattungen erfolgt in der Schlußbetrachtung. Den Gegenstand der Arbeit bilden Form und Mechanik des ganzen weiblichen Abdomens, doch ebenso auch des männlichen, soweit dieses als Vergleichsobjekt eine wichtige Rolle spielt. Für die Untersuchung kommen in Betracht: das Skelet und die Muskulatur; auf alles andre, trotzdem es eine Fülle des Interessanten bot, mußte ich im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Darstellung verzichten; ich verzichte auch auf eine Beschreibung der Geschlechts- organe und ihrer Ausfuhrwege. Der Zweck der Arbeit liegt nicht in der Klarlegung der eigentlichsten Copulationsvorgänge, sondern in der Untersuchung der Vorbereitungen, welche das Weibchen dazu macht und in der Lösung der Frage nach der Bedeutung des »un- paaren Organs«. Ein Zusammenhang zwischen den eigenartigen »Manövern« vor der Copulation und dem sonderbaren, auffälligen Gebilde wird jeder Beobachter vermuten. Die Theorie forderte für die exceptionellen Bewegungen eine besondere innere Organisation, Bedingungen, welche diese Bewegungen ermöglichen; solch eine Organisation kann aber nicht plötzlich an irgend einem Punkte des Abdomens entstehen, sondern kann nur allmählich durch langsame Veränderung einer bestehenden Form gebildet werden. Ich habe auch die Beschreibung des »unpaaren Organs« nicht gesondert gegeben, sondern sie an ihren Ort in dem Abschnitte, welcher sich mit der Anatomie des weiblichen Abdomens beschäftigt, gestellt. Es seschah mit voller Berechtigung, da, wie wir sehen werden, das »unpaare Organ« eine Entfaltung des fünften abdominalen Sternits vorstellt. | Meine Arbeit zerfällt in zwei Teile: den anatomischen und den physiologischen. Der anatomische seinerseits gliedert sich in drei Abschnitte: das Hauptstück ist den Resultaten meiner Untersuchungen über Skelet- und Muskelanatomie des weiblichen Abdomens gewidmet, es folgt eine Beschreibung des männlichen Abdomens; diesen beiden Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 10 146 Robert Nicolai Streiff, Abschnitten habe ich einen kurzen über den Thorax vorausgeschickt, er war notwendig, um den Arbeiten über das Abdomen nach vorn hin eine gewisse Abrundung zu geben, dann aber hauptsächlich, um eine genaue Kenntnis der thoraco-abdominalen Verbindung zu ermög- lichen, weil diese für die im physiologischen Teil zu besprechende Mechanik des Abdomens natürlich von Wichtigkeit ist. Eine Be- schreibung des Metathorax hätte genügt, doch, wie man weiß, ist dieser Teil des Dipterenthorax in seinen Elementen nicht ohne weiteres verständlich und wird es erst durch den Vergleich mit dem sehr deutlich ausgebildeten und viel größeren Mesothorax; ich habe daher das Skelet dieser beiden Thoraxsegmente in einer von wenig Worten begleiteten Zeichnung dargestellt. | Der physiologische Teil soll neben der Besprechung der Wirkung der einzelnen Muskeln und der Mechanik des Ganzen, ein biologisches Gesamtbild entbieten. Er zerfällt naturgemäß in zwei Abschnitte: der erste beschäftigt sich mit der Allgemeinbewegung des Abdomens, der zweite mit den, der Begattung vorausgehenden, Bewegungs- erscheinungen. In der Schlußbetrachtung folgt dann, wie gesagt, eine kurze Übersicht der andern Gattungen. Anatomischer Teil. Der Thorax. Bei Gelegenheit der Aufstellung einer vergleichenden Chäto- taxie der Dipteren hat ©. R. OSTEN-SAcKEN eine Terminologie für die Skeletstücke des Thorax eingeführt. Ich werde mich ihrer zum Teil bedienen, möchte aber zu Anfang auf ein Moment hinweisen, welches implicite einen Begriff von den Größenverhältnissen der Thoraxsegmente enthält. Alle Skeletstücke, welche SAcKEN mit einer Bezeichnung belegte, gehören dem mittleren Segment, dem Me- sothorax an, ein Zeugnis dafür, welch dominierende Stellung dieses Thoraxsegment den beiden andern, neben ihm fast verschwindenden, Segmenten gegenüber einnimmt. Ein Blick auf die Tafelabbildung, in welcher ich den Mesothorax durch die blaue Farbe hervorgehoben habe, kann uns am besten über die Größenverhältnisse und die Lage der drei Thoraxsegmente orientieren (Fig. ]). Die neuen morphologischen Ergebnisse, welche meine Beschäfti- gung mit dem Conopidenthorax gezeitigt hat, kann ich im Rahmen Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 147 dieser Arbeit nur kurz als Ansicht mitteilen, ohne mich mit den andern Autoren (SACKEN, HAMMOND, LowNnE), welche über den Dipterenthorax gearbeitet haben, ausführlich auseinanderzusetzen. Die Teile der dorsalen und lateralen Region des Mesothorax sind ohne weiteres durch die Abbildung deutlich, bis auf die symmetrischen zu beiden Seiten des Mesophragmas gelegenen, beulenartigen Skeletstücke; ich halte sie für Derivate des Mesophragmas, also auch zum Meso- thorax gehörig, möchte deshalb den SackEnschen zu Mißverständ- nissen führenden Namen Metapleura in Paraphragma umändern. Die ventrale Region besteht in allen drei Thoraxsegmenten deutlich aus zwei Skeletstücken, welche ich im Mesothorax als Mesosternum 1 und 2 bezeichnen möchte; merkwürdigerweise ist diese Zweiteiligkeit der ventralen Region der Thoraxsegmente nicht erkannt worden, weshalb auch besonders das Mesosternum 2 mannigfache Deutungen erlitten hat. Der Mesothorax stellt den schematischen Situationsplan der einzelnen Segmentregionen vor: die beiden pleuralen Skeletstücke liegen zwischen Notum und beiden Sternis, alle vier Regionen bilden einen geschlossenen Ring. Im Metathorax ist der schematische Situationsplan der Segment- regionen gestört: Notum und Sternum stoßen hinten zusammen, das Segment klafft infolgedessen nach vorn auseinander, die Seitenteile sind aus ihrer gewöhnlichen Lagebeziehung verschoben; der Meta- thorax setzt das Rohr des Mesothorax nicht fort, sondern ist ihm wie eine kleine, sein hinteres Lumen bedeckende Kappe gleichsam an- geklebt. Das Metanotum ist in der dorsalen Mittellinie sehr kurz, an den Seiten bedeutend länger. Unter dem vorderen Teil seines Seitenrandes, bzw. unter der an ihn grenzenden Halterenregion liegen zwei kleine dreieckige Skeletstückchen, welche ich für die Pleural- platten des Metathorax halte und dem Prinzip der Sackenxschen Be- zeichnungsweise (vgl. Mesothorax) folgend, das vordere Plättchen mit Metapleura, das hintere mit Halteropleura benennen möchte. Zwischen den Plättchen liegt das metathorakale Stigma. Die Plättchen stoßen mit ihren unteren Rändern nicht normalerweise an die Sterna ihres Segmenis, sondern an das Mesosternum 2. Das Metasternum 1 liegt zwischen dem Mesosternum 2 und der dritten Coxa, bzw. dem Me- tasternum 2, tritt nicht mit dem Abdomen in direkten Connex, kommt aber für die muskulöse Verbindung vom Thorax und Abdomen in Betracht durch sein aus einer medianen Längsfalte entstandenes Endoskelet; dieses Endosternum besteht aus einer Grundlängsleiste, auf welcher zwei parallele Längsleisten gabelförmig aufsitzen. Das 10* 148 Robert Nicolai Streiff, Metasternum 2 stößt, wie gesagt, mit dem hinteren Teil des Seiten- randes des Metanotums zusammen, für die skeletale Befestigung des Abdomens stehen also nur dorsal das Metanotum, ventral das Meta- sternum 2 zur Verfügung. Das Metanotum ragt als endoskeletaler Halbring in das Lumen des Abdomens hinein; lateral hat dieser Halbring auf jeder Seite eine längsläufige, der Körperlängsachse parallele rinnenförmige Vertiefung, an welcher, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, eine sehr interessante Vorbau mit dem Abdomen zustande kommt. Der Thorax des Männchens unterscheidet sich von dem des Weibehens, abgesehen von einer zarteren Konsistenz und ein wenig geringerer Größe, dadurch, daß die Vertikalachse mehr senkrecht, die Körperlängsachse mehr parallel zum Boden steht. Das weibliche Abdomen (Fig. II). SCHINER gibt für das Conopidenabdomen an: »sechs- bis sieben- ringelig, an der Basis immer etwas, oft sehr stark verengt, walzen- förmig, hinten kolbig und eingekrümmt«. In der Zahl der Abdomi- nalsegmente hat er sich geirrt, sie ist größer, allerdings sind beim Weibchen das letzte, beim Männchen die beiden letzten Segmente makroskopisch kaum zu unterscheiden; die Zahl ist in beiden Ge- schlechtern gleich und beträgt neun. Die von SCHINER erwähnte Einkrümmung möchte ich zu Anfang gleich als Generaleigenschaft aller Conopidenabdomina hervorheben. Richtiger ist es, wenn wir von einer Abwärtsbeugung und einer Einkrümmung des Abdomens sprechen. Die Abdominalsegmente liegen nicht alle in der Richtung der durch Kopf und Thorax markierten Körperlängsachse, sondern sie entfernen sich zum Körperende hin immer mehr von dieser Richtung, die Längsachse eines jeden Segments bildet mit der Längsachse des vor- hergehenden einen Winkel, ebenso bildet sie mit der Körperlängsachse einen Winkel, welcher nach hinten zu immer größer wird; im fünften Segment erreicht er ungefähr die Größe eines rechten, im letzten makroskopisch sichtbaren Segment hat er die Größe eines gestreckten überschritten; diese Verhältnisse werden uns deutlich auf dem neben- stehenden Schema (Fig. 3). Bis zum fünften Segment einschließlich können wir also von einer Abwärtsbeugung der Abdominalsegmente sprechen, vom sechsten an von einer Einkrümmung. Oft, besonders in der Ruhestellung, aber auch beim Kriechen, wird das Abdomen noch mehr eingekrimmt, wie dieses auf dem allgemeinen Orientierungs- bild dargestellt ist (Fig. 2). Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 149 Die ersten vier Segmente sind in beiden Geschlechtern ähnlich geformt, insbesondere weist das erste Segment eine für alle Cono- piden charakteristische Bildung auf; das fünfte Segment hat ebenfalls in beiden Geschlechtern wichtige gemeinsame Eigenschaften, doch müssen wir es der Gruppe der folgenden Segmente zuzählen, wel- che ausgesprochen sexualdimorph sind, das letzte neunte zeigt wieder eine ähnliche Bildungsweise. Das Skelet. Alle Segmente bestehen erstens aus einem dorsalen Skeletstück, dem Tergit, welches Textfig. 2. ungefähr drei Viertel des segmen- Orientierungsbild. Weibchen von Sieus. talen Cylinderrohres ausmacht und zweitens aus einem ventralen Skeletstück, dem Sternit, welches zu- sammen mit der, beide Skeletstücke verbindenden Segmentalhaut, das letzte untere Viertel des Cylinderrohres vorstellt. Das in der Mitte Verticalaxe Horizontalaxe Textfig. 3. Schema zur Darstellung der Abwärtsbeugung und Einkrümmung der Segmente des weiblichen Abdomens. gelegene obere Viertel des Tergits bezeichnen wir als die dorsale Region des Segments, die zu beiden Seiten gelegenen Viertel als seine lateralen Regionen; das untere Viertel als ventrale Region. Das erste und zweite Segment sind in bewegungsphysiologischer Hinsicht ein Ganzes, sowohl die beiden Tergite, als auch die beiden Sternite sind fest verbunden und können nicht gegeneinander bewegt 150 Robert Nicolai Streiff, werden. Das erste Segment ist kurz, das zweite ungefähr viermal so lang, es wird von keinem der folgenden Segmente in seiner Länge übertroffen. Das erste Tergit ist durch teilweise Verwendung seines Chitins zu einer endoskeletalen Bildung in eigentümlicher, für alle Conopiden höchst charakteristischer Weise verändert worden. An der Stelle, welche äußerlich schon durch eine Furche! sichtbar ist, an der Grenze der lateralen Region, tritt eine im vorderen Teile tiefere, nach hinten allmählich ganz flach werdende Falte in das Innere des Körpers hinein. Die dreieckige, auf der schematischen Zeichnung punktierte Partie (Fig. 4) der lateralen Region, welche einerseits von ihrer oberen Grenzlinie, anderseits vom Vorder- rande des Tergits und drittens von der Linie, dR welche das hintere Ende der genannten Grenz- linie und die untere Vorderecke des Tergits verbindet, umrissen wird, ist als endoskeletale IR Falte in das Körperinnere hineingezogen wor- den. Die Hypotenuse dieses Dreiecks, welche zugleich die Diagonale des die ursprüngliche Mextie, 4 Form der lateralen Region vorstellenden Recht- Schematische Darstellung der ecks ist, vereinigt sich durch die Faltung mit. ee der oberen Grenzlinie der lateralen Region in endoskeletalen Skeletleistee eine Linie, welche eben die äußerlich sicht- 1 eine Fe le ee Hare, der Längsachse des Segments parallele Region; IR, laterale Region; das punktierte Dreieck wird Furche vorstellt. Durch die Faltung hat das als Falte in das Körperinnere e 2 z P hineingezogen. hintere Dreieck der lateralen Region seine ur- sprünglich senkrechte Stellung über dem Sternit aufgeben müssen, es hat um seine obere hintere Spitze als festen Punkt mit der unteren Partie einen Bogen in der Richtung nach vorn und oben beschrieben. Der Vorderrand des zweiten Tergits ist dem Zuge gefolgt und füllt äußerlich am Körper die Stelle aus, welche ursprünglich durch das hintere genannte Dreieck eingenommen wurde. Dieses, vom Vorderrand des zweiten Teergits abstammende Chitin hebt sich durch seine Borstenlosigkeit und zarte Qualität deutlich zwischen dem beulenartig gewölbten, stark beborsteten hinteren Dreieck und dem folgenden durablen, ebenfalls borstentragenden Tergit des zweiten Segments, hervor. Der Unterrand des ersten -Tergits läuft aus denselben Gründen nicht gerade; von dem vorderen Ende der Falte 1 skl in den Zeichnungen. Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 151 biest er in ziemlich scharfer Kurve nach unten und hinten ab und geht dann allmählich in den geraden Unterrand des zweiten Ter- gits über!. In der Aufsicht fallen namentlich die seitlichen über der inneren Skeletfalte gelegenen Partien durch ihre wulstigen, beulenartigen Auswölbungen auf; doch nicht nur die Seitenränder, sondern auch die hinteren Randpartien sind aufgeworfen, in der Mitte weniger, als zu den Seiten hin; auf diese Weise wird ein fast halbkreisförmiger Wulst gebildet, welcher die tiefer gelegene, muldenartige Mitte der dorsalen Region umschließt. Die seitlichen Wülste setzen sich als schmale erhabene Falten nach vorn in die Intersegmentalhaut fort und enden zugespitzt am Metanotum; in diesen Falten verlaufen, wie wir später sehen werden, Muskeln. Der Vorderrand der mittleren Partie ist ein wenig ausgerundet und durch faltige Intersegmentalhaut mit dem Metanotum verbunden. Die Form des ersten Tergits ist in der Aufsicht viereckig, die hinteren Ecken sind abgerundet; sie stimmt völlig überein mit einer Abbildung, die Nassonow? von dem Tergit des Stielsegments von Lasius flavus, in der Aufsicht, bzw. in der Vorderansicht gibt. In der Tat läßt sich auch das Stielsegment von Lasius flavus mit unserm ersten Tergit vergleichen, wenngleich anderseits die Unterschiede sehr erheblich sind. Die quere, kamm- artige Auswölbung des Stielsegments, die sogenannte Squama petiolaris, entspricht dem halbkreisförmigen Wulst des Sicus-Segments; der be- deutende Unterschied liegt in erster Linie darin, daß das Stielsegment mit dem folgenden Abdominalsegment gelenkig verbunden ist, während es bei Sicus fest mit ihm verschmolzen ist. Die Faltennatur der inneren Skeletleiste läßt sich bei mikro- skopischer Untersuchung auf Schnitten deutlich erkennen, die Leiste besteht aus zwei fest aneinander gelegten Lamellen (Fig. 5). Diese endoskeletale Bildung ist von besonderer Bedeutung, da sie die dorsale feste Verbindung mit dem Thorax vermittelt. Wie wir aus dem vorigen Abschnitt wissen, ragt der hintere Teil des Metanotums in das Abdomen hinein. An der Abbildung des Querschnitts können wir den 1 Vgl. hierzu auch Thoraxabbildung. 2 H. B. Haconoers, Marepbansı 10 ECTECTBeHHON ucropiu MYypasbegr (Formica- riae). 2. Ora&ıg. Marepiaısı mo auaromin mypassa (Lasius flavus Fabr.). Tpyası A1a00paTopim 300.I0OTUYECKATO MY3CA MOCKOBCKArO Yuuzgepcurera. Tom 4, Brinyck 1. Mockza 1889. — N. W. Nassonow, Materialien zur Naturgeschichte der Ameisen (Formicariae). 2. Abt. Materialien zur Anatomie der Ameise (Laszius flavus Fabr.). Arbeiten des Laboratoriums des zoologischen Museums der Universität Moskau. Bd. IV. Lieferung 1. Moskau 1889. 152 Robert Nicolai Streiff, hineinragenden, abgeplattet halbkreisförmigen Teil des Metanotums sehen, desgleichen die längsläufige rinnenförmige Vertiefung in der Mitte seiner Seitenwände, sie stellt ein flaches Negativ für die vorspringende endoskeletale Längsleiste des ersten Tergits vor. An dieser Stelle wird die dorsale Verbindung von Thorax und Abdomen durch ein zähes elasti- sches, sich mit Boraxkarmin dunkel violett färbendes Chitin hergestellt: wir haben es mit einem falschen Gelenk zu tun. An zwei symmetrischen Punkten sind Metatho- rax und erstes Tergit hier miteinander ver- bunden, um die Verbin- dungslinie der Punkte als Achse kann die Bewegung des Tergits in einer Richtung vor sich gehen. Das zweite Tergit verbreitet sich ein we- nig nach hinten. Wie wir schon wissen, ist sein Vorderrand an den Mexti2ro. Querschnitt durch das erste Tergit zur Darstellung der thoraco- abdominalen Verbindung (Skeletverbindung). d, dorsale, !, late- Seiten in ein dreiecki- rale Region des ersten Tergits; skl, endoskeletale Leiste, welche = mit der rinnenförmigen Längsfurche rv des endoskeletalen Halb- ses Stück unbeborste- ringes des Metathorax m durch ein elastisches Chitin verbunden ten Chitins vorgezogen, ist; J, Intersegmentalhaut; Sh, Segmentalhaut zwischen dem Ter- doch h : d | git und dem Sternit S; Me, Muskel der dorsalen Region; Sme, seine och auch ın der doT- Sehne; 7r, seine Trabanten; Mg, Muskel der lateralen Region, salen Region ist zwi- die Portion, welche an der Skeletleiste inseriert; Smg, seine 2 Sehne; Me, Muskel der ventralen Region. schen dem Hinterrand des ersten Tergits und dem eigentlichen Vorderrande des zweiten ein schmaler Streifen un- beborsteten Chitins eingeschoben; der eigentliche Vorderrand markiert sich außerdem dadurch, daß er sich ein wenig über die Zwischen- partie erhebt, wie dieses auf der Abbildung zu sehen ist. Ungefähr in der Mitte, dorso-ventral gerechnet, hat das Tergit seine größte Breite, nach unten zu nähert sich die Chitinplatte mehr der medianen Längsebene. In derselben Mittelfläche reicht es auch am weitesten nach hinten, sowohl die dorsale Medianlinie, als auch die Unterrand- linie sind kürzer, als die mittlere Längslinie des Profils; der Hinter- rand bildet infolgedessen auf jeder Seite eine Ecke, welche wir auch an jedem der folgenden Tergite, jedesmal an einer andern Stelle wiederfinden werden. Allerdings ist die Ecke nicht bei allen Indi- Über das >unpaare Organ< der Dipterenfamilie der Conopidae. 153 viduen deutlich, häufig ist es mehr eine Rundung des Hinterrandes, in deren Mitte dann die Punkte liegen, auf welche es hier ankommt. Diese Punkte sind immer durch eine andre Eigenschaft des Tergits zur Genüge markiert, in ihnen endet nämlich spitz ein in der dorsalen Mittellinie breiterer, zu den Seiten allmählich schmäler werdender unbeborsteter Chitinstreifen.. Unter den Ecken, bzw. den End- punkten des auch aus zarterem Chitin bestehenden, im Profil drei- eckigen Streifens, geht das gewöhnliche durable Chitin bis zum äußer- lieh sichtbaren Rand des Tergits vor (Fig. II. Die Ecken stellen die Angelpunkte für die Bewegung vor, um die Linie, welche die symmetrischen Ecken verbindet, als Achse, bewegen sich die Tergite segeneinander, wie, werden wir im physiologischen Teil erfahren. Ich habe bereits erwähnt, daß die Ecken an jedem der folgenden Tergite an einer andern Stelle zu finden sind, eine gewisse äußer- liche Gesetzmäßigkeit, die sich dabei herausstellen wird, ist von be- sonderem Interesse, da sie ganz und gar den inner-anatomischen Verhältnissen, einer von Segment zu Segment sich verändernden Lage eines bestimmten Muskels entspricht. Ich bemerke, daß die Angelpunkte der Bewegung in den einzelnen Segmenten falsche Gelenke vorstellen, welche jedoch anatomisch nicht so weit spezifiziert sind, wie das falsche Gelenk der thoraco-abdomi- nalen Verbindung. Das lebhaft tingierbare, zähe elastische Chitin ist nicht zur Ausbildung gelangt. Immerhin sind die Gelenke schon äußerlich, wie gesagt, genügend kenntlich. Die zur Kontrolle aus- geführten Versuche an frischen und eingeweichten Exemplaren er- gaben immer eine Bewegung in der gleichen, durch die Ecken gehenden Achse. Es war für mich sehr wichtig, diese Tatsache zu konstatieren, wie sich das weiter im physiologischen Teil herausweisen wird. Der französische Forscher JAnET! erwähnt in seinen Arbeiten über die Anatomie der Ameisen nichts von einer gelenkigen Verbindung der Abdominalsegmente. Nassoxow beschreibt die gelenkige Verbindung von Thorax mit dem Stielsegment bei Lasius flavus, die ebenfalls gelenkige Verbindung von Stielsegment mit dem folgenden Abdominal- segment, beides tergitale Verbindungen. Über die weiter folgenden 1 CH. JANET, Etudes sur les Fourmis, les Gy&pes et les Abeilles. Note 16. Limites morphologiques des anneaux postcephaliques et musculature des anneaux postthoraciques chez la Myrmica rubra. Lille 1897. — Etudes sur les Fourmis. Note 7. Sur lanatomie du petiole de la Myrmica rubra. Me&m. Soc. Zool. de France. Tom VII. 189. 154 Robert Nicolai Streiff, Tergite, wie auch über die Verbindung ihrer gut ausgebildeten Sternite gibt er keinen Aufschluß. Die Vernachlässigung dieser Frage zeitigt in erster Linie die unzulängliche, bzw. einseitige Behandlung der Mechanik des Abdomens. Bei Lasius stellt NAssonow in den erwähnten Stellen echte mit Zapfen auf der einen Seite und Ver- tiefung auf der andern versehene Gelenke fest und spricht auch davon, daß die Bewegung bei diesen Segmenten nur in einer Ebene, um die Verbindungslinie der Gelenke als Achse vor sich gehen kann. Ich bin überzeugt, daß die Bewegung auch in den andern Segmenten zum mindesten durch falsche Gelenke geregelt ist, sowohl bei Laszus, als auch bei Myrmica, welche JANET untersucht hat, desgleichen bei andern Hymenopteren und vielen andern Insekten. Die Tergite des dritten und vierten Segments haben ungefähr gleiche Größe und Form, sie sind bedeutend kürzer als das zweite. Sie sind seitlich zusammengedrückt, im Querschnitt daher nicht kreis- förmig, sondern mehr parabelförmig, die dorsale Partie ist empor- gezogen. Die dorsale Medianlinie beider Tergite verläuft zuerst ein kurzes Stück weit in der durch das vorhergehende Tergit ange- sebenen Richtung, biegt dann in einer kurzen Kurve nach unten um und nimmt die Richtung der Längsachse seines Segments an, geht dieser also parallel. Die vordere Partie der dorsalen Region ist ausgewölbt; das Chitin der Auswölbung unterscheidet sich histo- logisch von dem übrigen der Tergite, was ich beiläufig bemerken möchte. Der Vorderrand der Tergite ragt nur in geringer Aus- dehnung in das vorhergehende Tergit hinein. Die beim zweiten Tergit erwähnten Ecken des Hinterrandes, bzw. seine hintersten Punkte liegen im dritten Tergit ungefähr zu Beginn des dritten Drittels des Hinterrandes, im Profil gesehen, von der dorsalen Medianlinie aus gerechnet; im vierten Tergit zu Beginn des vierten Viertels. Die Sternite der ersten vier Segmente haben alle die gleiche Grundform: sie stellen ein mit der Basis nach vorn (kopfwärts) ge- richtetes Trapez dar (Fig. 6). Der vordere Rand des ersten Sternits ist verhältnismäßig breit, er ist schwach ausgerundet, die vorderen Ecken treten infolgedessen stärker hervor, sie lehnen sich an den Hinter- rand des Metasternum 2 und verbinden sich mit ihm in bekannter Weise durch ein zähes Chitin. Die ventrale Verbindung von Thorax und Abdomen wird also ebenso, wie die dorsale, durch zwei in einer Bewegungsachse gelegene falsche Gelenke hergestellt. Zwischen dem Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. Hinterrand des Metasternum 2 und dem Vorderrand des ersten Sternits liegt faltige Intersegmentalhaut. Das Sternit des zweiten Segments ist ent- sprechend der Länge des Segments sehr lang. Da der Hinterrand des ersten Sternits nach oben und vorn und der Vorderrand des zwei- ten Sternits nach unten und hinten umbiegt, sieht die Verbindungsstelle im Profil, bzw. im Längsschnitt wie ein flaches $S aus, in dessen Mitte eben die feste Verschweißung beider Sternite zustande kommt (Fig. VI). In gleicher Weise, also im Längsschnitt eine $-förmige Figur bildend, nur noch deutlicher, verbinden sich das zweite und dritte, und dritte und vierte Sternit. Durch diese Verbindungsweise der Sternite wird eine der Abwärtsbeugung des Abdomens entsprechende Längsverkürzung der ventralen Region erreicht. Die Sternite des dritten und vierten Seg- ments sind beide sehr reduziert, sie nehmen der Länge nach kaum die Hälfte, der Breite nach vielleicht ein Drittel der ventralen Region ein. Das vierte Sternit ist noch etwas kleiner als das dritte. Die hintere Hälfte der ventra- len Region beider Segmente wird hauptsächlich von Segmentalhaut ausgefüllt; in der Median- linie verläuft ein schmaler, sich nach hinten mehr oder weniger verbreiternder Längsstreifen hellen zarten Chitins, welcher sich deutlich von der Segmentalhaut der Umgebung abhebt, es ist die reduzierte zweite Hälfte des Sternits. Im hinteren Teil der ventralen Region des vier- ten Segments, kurz vor dem Übergang in das folgende Segment, tritt eine erhabene Querfalte hervor, deren Bedeutung sich bei der Bespre- chung der Muskulatur ergeben wird (vgl. Fig. IV u. V]). I Das fünfte Segment stellt einen Wende- punkt in der Ausbildung seiner Skeletstücke vor, teils wird die bisher zum Ausdruck ge- Textfig. 6. Schematische Darstellung der Sternite. esk, endoskeletal hineinragender vorderer klei- ner Teil des sechsten und siebenten Sternits; die an- dern Bezeichnungen wie auf den Tafelabbildungen, vgl. Liste der Bezeichnungen, 156 Robert Nicolai Streiff, kommene Gesetzmäßigkeit eingehalten, teils finden wir ganz neue Verhältnisse vor. Das fünfte Tergit ist bedeutend kürzer als das vierte, seine Länge beträgt ungefähr die Hälfte der Länge des vierten. Der Regel folgend, rücken die Ecken des Hinterrandes tiefer hinunter, sie liegen im untersten, fünften Fünftel des Hinterrandes. Im Profil gesehen steigt die dorsale Medianlinie zuerst ein wenig an, erreicht ihren Höhepunkt in der Mitte und fällt dann wieder ab, um gegen den Hinterrand hin von neuem leicht anzusteigen. Entsprechend dieser Tatsache haben wir in der Mitte des Tergits einen schwachen Wulst, der sich auch zu beiden Seiten in die lateralen Regionen fortsetzt und hinter dem Wulst eine ebenfalls zu den Seiten hin verlaufende flache Querfurche, der Hinterrand ist oben und auch in der oberen Partie der lateralen Region ein wenig abstehend: diese Dinge deuten auf eine besondere Bewegung hin. Als weitere wichtige Eigenschaft des Tergits treffen wir im fünften Segment zum erstenmal eine endo- skeletale Verlängerung seines Vorderrandes: der verlängerte Vorder- rand, aus hellem Chitin bestehend, ragt relativ viel weiter in das Lumen des vorhergehenden Segments hinein, als es bei den bis jetzt beschriebenen Segmenten der Fall war (vgl. Fig. V]). Das fünfte Sternit (Fig. IV) — ich deutete bereits in der Ein- leitung seine Identität mit dem »unpaaren Organ« an — ist von bedeutender Größe, wenn es auch bei Sieus nicht solehe Dimensionen erreicht, wie bei manchen Conops-Arten. Der erste wichtige Unter- schied, den das fünfte Sternit den kopfwärts gelegenen gegenüber zeigt, bezieht sich auf die Grundform: sie ist bei den vier ersten Sterniten, wie wir wissen, ein umgekehrtes, mit der Basis nach vorn gerichtetes Trapez, bei dem fünften aber ist sie ein mit der Basis nach hinten zeigendes, also aufrechtes Trapez (Fig. 6). Bis zum vierten Sternit einschließlich zeigen die Sternite eine Tendenz, sich nach hinten zu verschmälern, das fünfte Sternit nimmt in der Richtung von vorn nach hinten bedeutend an Breite zu: diese plötzliche Um- änderung der Grundform läßt die Einwirkung einer besonderen Ur- sache im fünften Segment vermuten. Zur ventralen Region des fünften Segments gehört ferner noch eine trapezförmige Platte, welche mit ihrer Basis an die Basis des fünften Sternits stößt, also umgekehrt trapezförmig ist. Diese Platte besteht aus dünnerem Chitin und stammt entweder von dem hinteren Rand des eigentlichen Sternits ab oder sie stellt festgewordene Inter- segmentalhaut vor, sie lehnt sich direkt an das folgende Sternit an. Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 157 Das eigentliche Sternit, die aufrecht trapezförmige Platte wird, wie wir es auf dem Schema und der Abbildung sehen können, durch eine ungefähr halbkreisförmige Linie in zwei ungleich große Partien zerlegt, eine vordere kleinere aus gewöhnlichem festen Chitin be- stehende, und eine hintere größere, welche ein Feld von kleinen Füßechenborsten vorstellt. Der vordere Teil reicht zu beiden Seiten in Gestalt schmaler Ausläufer recht weit nach hinten und begrenzt den hinteren also nicht nur von vorn, sondern auch von den Seiten. Der vordere Teil des Sternits ist gegen den hinteren, Füßchenborsten tragenden aufgebogen; am besten sehen wir das am Längsschnitt (Fig. VI). Das hintere umgekehrt trapezförmige Skeletstück der ven- tralen Region steht senkrecht über dem Hinterrand des eigentlichen Sternits, die seitlichen Ränder sind ebenfalls etwas aufgewölbt, so daß wir an Stelle einer flachen ventralen Region im fünften Segment ein körbehenartiges Gebilde haben, dessen basale Partie von dem hinteren Teil des eigentlichen Sternits gebildet wird; seine Vorder- wand, um noch einmal zu rekapitulieren, ist der vordere aus ge- wöhnlichem Chitin bestehende Teil des Sternits, seine Hinterwand das umgekehrt trapezförmige Stück, seine Seitenwände teils die etwas aufgebogenen seitlichen Ränder des Sternits, teils die Segmental- haut, welche diese Ränder mit den Unterrändern des Tergits verbindet. Als wichtiger Unterschied den bisher beschriebenen Segmenten gegenüber, lernen wir im fünften Segment eine feste Verbindung von Tergit und Sternit, auf jeder Seite, kennen. Wir wissen, daß der Vorderrand des Tergits als endoskeletaler Halbring in das Körper- innere hineingezogen ist; der Unterrand dieses Halbringes ist mit den Vorderecken des aufgebogenen, vorderen Sternitteiles fest durch ein zähes, elastisches Chitin verbunden, in derselben Weise, wie es bei der thoraco-abdominalen Verbindung der Fall war; zwischen Tergit und Sternit besteht also hier ein gut ausgebildetes falsches Gelenk; JANnET und NAssoxow erwähnen nichts von einem Angelpunkt zwi- schen den Tergiten und Sterniten ihrer Untersuchungsobjekte, es ist jedoch anzunehmen, daß sich falsche Gelenke zum mindesten in der Ausbildung, wie bei Sicxs zwischen den Tergiten, finden lassen werden, weil die Sternite der Hymenopteren sehr gut und beinahe ebenso wie die Tergite ausgebildet sind und daher in bewegungs- physiologischer Hinsicht unvergleichlich weit mehr in Betracht kom- men, als z. B. die Sternite des dritten und vierten Segments von Sicus. 158 Robert Nicolai Streiff, Die vordere Partie des fünften Sternits unterscheidet sich histo- logisch nicht auffallend von den andern Sterniten, das Chitin ist von ähnlicher Beschaffenheit wie z. B. das Chitin des zweiten Sternits; einzelne längere Borsten ragen, namentlich hinter der Biegungsstelle, aus dem Chitin hervor. Eine wesentlich andre Chitinstruktur treffen wir im hinteren Teil des eigentlichen Sternits, in der basalen Partie unsres Körbehens. Eigentümlich ist in erster Linie die bedeutende Dieke des Chitinmantels an dieser Stelle und seine weichere Konsi- stenz, wir können fast von einem Chitinpolster sprechen. Zweitens ist von besonderem Interesse, daß dieses Chitinpolster nicht eine ..e5 Textfig. 8. Eine Füßchenborste. homogene Masse vorstellt, wie es der Chitinpanzer an den andern Stellen des Körpers tut, sondern in dem horizontal deut- lich geschichteten Chitin heben sich vertikal ge- stellte kleine Hohleylin- derchen durch ihr festeres Chitin deutlich ab (Fig. 7). Textfig. 7. | Die dritte wichtige Eigen- Querschnitt durch das fünfte Segment. Der Schnitt geht schaft ist das Vorhanden- etwas schräg, daher ist der Muskel y5 zum Teil im Längs- . tr: di n schnitt, zum Teil im Querschnitt getroffen; die Muskeln a5 seın von extraordınaren und b5 sind nicht getroffen; VI.T, endoskeletaler Vorderrand äußeren Skelettbildungen, des sechsten Tergits; D, Darm; 61, Ganglion; Hcl, Hohl- . ; cylinderchen der Füßchenborstenpartie; vgl. Querschnitt der Umbildungen von Borsten, Fasern der unteren und oberen Portion des Muskels c5. welehe ich mit Füßchen- borsten bezeichnet habe; den Namen habe ich mit Anspielung auf ihre Form gewählt, sie ist der eines menschlichen Fußes ähnlich (Fig. 8). Sohle, Ferse, Spitze und ein schmales Fesselstück lassen sich unterscheiden. Mit dem Fesselstück dringen die Füßchenborsten in die kleinen Hohl- eylinderchen hinein; wahrscheinlich treten durch die Hohleylinder Über das >»unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 159 feine Nervenfäserchen und winzige Muskelchen an jede Füßchenborste heran; die genauere Histologie gehört nicht in meine Arbeit. Die etwas aufgebogene Spitze ist nach hinten gerichtet; die Sohle ist längsgestreift, die Streifen convergieren zu der abgerundeten Ferse. Jede der Füßchenborsten ist, wie die Borsten im allgemeinen, be- weglich. Entfernt man die Borstenfüßchen, so tritt die Struktur des Chitins deutlicher zutage: in der die künstliche Färbung an- nehmenden Grundmasse heben sich die Enden der Hohleylinderchen als kleine ungefärbte Ringe sehr schön ab. Damit hätten wir zunächst das »unpaare Organ« als eigentüm- lieh ausgebildetes fünftes Sternit beschrieben; daß seine Umbildung nicht vereinzelt dasteht, werden wir bei der Besprechung der Ster- nite der folgenden Segmente sehen. Das sechste, siebente und achte Tergit haben mit dem fünften die Verlängerung ihres Vorderrandes zu einem endoskeletalen Halb- ring gemein. Der Vorderrand des sechsten Tergits ragt, namentlich im unteren Teile, weiter in das Körperinnere hinein, als es beim fünften Tergit der Fall war. Das sechste Tergit ist länger als das fünfte; es wird nach hinten zu höher, d. h. seine dorsale Medianlinie und der Unter- rand laufen nicht parallel, sondern divergieren ein wenig nach hinten, laufen also auch der Längsachse des Segments nicht parallel. Die Unterränder nähern sich, wie im fünften Segment, besonders im vorderen Teile des Tergits, der ventralen Medianlinie. Auffallend, und nicht der bisher eingehaltenen Regel folgend, sind im sechsten Tergit die hintersten Punkte des Hinterrandes postiert, sie sind hier immer als Ecken deutlich zu unterscheiden: merkwürdigerweise springen sie im sechsten Tergit mit einem Male bis zur Hälfte der Profilhöhe hinauf. Das siebente Tergit hat eine andre Form, als die bisher be- schriebenen, eine Form, welche für die Weibchen aller Conopiden sehr charakteristisch ist. Die Eigenart wird dadurch bewirkt, daß die vordere Öffnung des Tergits der hinteren Öffnung des sechsten Tergits entspricht, also ungefähr den mittleren Durchmesser des Ab- domens besitzt, die hintere Öffnung des siebenten Tergits dagegen hat nur den Durchmesser des letzten makroskopisch sichtbaren Seg- ments. Ferner ist das Segment stark eingekrümmt, infolge davon ist die dorsale Partie des Tergits im vorderen Teile stark ausgewölbt, in viel bedeutenderem Maße, wie es in den vorderen dorsalen Par- tien des dritten und vierten Tergits der Fall war; die dorsale Median- 160 Robert Nicolai Streiff, linie läuft zuerst ein Stück weit in der Richtung derselben Linie des sechsten Tergits, biegt dann in einer scharfen Kurve nach unten um, bzw. nach vorn, da die Einkrümmung dieses Segments, wie aus der Abbildung ersichtlich, so weit geht, daß sein morphologisches Hinterende nach vorn, zum Kopf des Tieres hinzeigt. Der Vorder- rand des Tergits ist in der lateralen Region stärker, in der dorsalen weniger stark als endoskeletaler Halbring hineingezogen, in beiden Regionen ist das endoskeletale Chitin nicht ganz so breit wie im fünften und sechsten Tergit. Die Unterränder des Tergits reichen relativ weit zur ventralen Medianlinie vor. Der Hinterrand weist eine eigentümliche Bildung auf, wie sie bei keinem der andern Seg- mente zu finden ist. Auf den ersten Blick können wir keine Ecken unterscheiden, es liegt daran, daß die bisher symmetrisch aufgetre- tenen Ecken in der dorsalen Medianlinie in diesem Tergit zusammen- stoßen und dadurch Veranlassung zu einem sonderbaren Gebilde ge- geben haben. Im dorsalen Mittelpunkt des Hinterrandes ragt ein kleiner spitzer Chitinpfropfen über den Hinterrand hinaus und findet sein Negativ, eine entsprechende kleine, kegelförmige Höhlung im Vorderrand des achten Tergits. Die Bedeutung dieser Bildung wird im physiologischen Teil der Arbeit gewürdigt werden (vgl. Fig. VI n). Das achte Tergit ist sehr klein, seine Länge beträgt nur ungefähr 1/, der Länge des siebenten Tergits; seine Form ist absonderlich. Im Profil gesehen fällt namentlich eine hakenartige Spitze auf, in welche das Tergit scheinbar nach hinten ausläuft, in Wirklichkeit hat aber diese Spitze mit keinem Rande des Tergits etwas zu tun. Denken wir uns das Tergit, dessen Durchmesser sich nach hinten ebenso wie der des siebenten verengt, in seiner ursprünglichen ein- fachen Gestalt als Dreivierteleylinder. Der Seitenrand des Tergits ist vorn in kurzer Ausdehnung mit dem Sternit verbunden, darauf biegt er nach oben und innen, und trifft sich in der medianen Längs- fläche mit seinem Spiegelbild, das hintere Stück der beiden Unter- ränder, man kann sagen, die beiden Hinterecken sind in der medianen Längsfläche fest aneinandergeschweißt und bilden eine kleine Chitin- brücke (Fig. VI), welche eine obere nur vom eigentlichen, zum Kreise geschlossenen Hinterrand des achten Tergits begrenzte Öffnung von einer unteren, welche von den sich in der Medianlinie treffenden Seitenrändern des achten Tergits einerseits (von oben) und von dem später zu beschreibenden achten Sternit anderseits (von unten) um- geben wird, trennt. Die obere Öffnung führt in das folgende Seg- ment und dient zur Passage des Darmes, die untere stellt die weib- Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 161 liche Geschlechtsöffnung, die Vagina vor. Die hakenartigen Gebilde sind blinde Ausstülpungen der hinteren lateralen Region; ihre unteren Enden sind immer sehr dunkel und bestehen aus hartem, widerstands- fähigem Chitin (Fig. I, IV und VIA). Der vordere Teil des achten Tergits wird relativ weit ins siebente Tergit hineingezogen getragen; ein im Profil dreieckiges Stück, dessen Gipfel in der beschriebenen medianen Verbindung des siebenten und achten Tergits liegt, ist in das siebente Tergit eingeschoben; der Hinterrand des siebenten Teergits ist entsprechend um- bzw. ein- geklappt. Die Sternite des sechsten, siebenten und achten Segments (Fig. IV) haben dieselbe Grundform wie das fünfte Sternit, sie sind also auf- recht trapezförmig; sie ragen alle ein wenig unter den Seitenrändern des Tergits hervor, aber lange nicht so weit wie das fünfte Sternit (Fig. I). Das sechste Sternit hat auch denselben Bauplan wie das fünfte, unterscheidet sich von ihm nur in der geometrischen Form: es ist etwas kürzer und im breitesten Teile unbedeutend breiter, und in der Stellung der beiden Partien des eigentlichen Sternits: die vor- dere Partie und die hintere Füßchenborsten tragende liegen hier in einer Fläche, die Profillinie, bzw. die Längsschnittlinie (Fig. VI), läuft von Beginn des Sternits gerade nach hinten, mit dem Unterrand des Tergits einen spitzen Winkel bildend. Vorn setzt sich das Sternit weit in das Innere des Körpers hinein und ist ebenso wie das fünfte mit seinem Tergit durch ein falsches Gelenk verbunden, hinten geht das Sternit in eine umgekehrt trapezförmige Platte von der bekannten Beschaffenheit über. Das Sternit des siebenten Segments ist viel schmäler als das des sechsten. Durch eine im vorderen Teile schwache, im hinteren etwas tiefere mediane Längsfurche macht es fast den Eindruck von einer Zweiteiligkeit und deutet damit eine Form an, welche im fol- senden Sternit ausgeprägter ist. Im ersten Drittel des Sternits er- hebt sich eine endoskeletale Medianleistei, welche vorn ziemlich hoch ist, nach hinten allmählich ganz abfällt; im Querschnitt ist die Leiste gleichseitig-dreieckig. Die hintere Partie des Sternits zeigt äußerlich zu beiden Seiten der Medianlängsfurche zwei kleine Hügelchen, welche reichlich mit Borsten und einzelnen Füßchenborsten besetzt sind; die beiden Hügelchen entsprechen der Füßchenborsten tragen- den Partie des fünften und sechsten Sternits (Fig. 6 und IV). 1 In Fig. VI ist sie im medianen Längsschnitt getroffen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 11 162 Robert Nicolai Streiff, Wie in den beiden vorhergehenden Segmenten, sitzt im Hinter- rand des siebenten Sternits ein umgekehrt trapezförmiges, hier sehr schmales Plättchen auf. An die Seitenränder dieses Plättchens stoßen die vorderen kurzen Ecken der Seitenränder des achten Ter- gits, es kommt dabei die schon erwähnte feste Verbindung des achten Tergits mit dem Sternit zustande. Es fragt sich daher, ob das um- gekehrte trapezförmige Plättehen ein Analogon der beiden bekannten Skeletstücke der fünften und sechsten ventralen Region ist, oder ob es zum achten Segment gehört, dieses daher eine besondere Aus- bildung erfahren hat. Für die erste Ansicht spricht die völlige Ana- logie mit dem fünften und sechsten Segment, für die zweite die feste Verbindung des Plättchens mit dem achten Tergit. Aufklärung darüber kann nur die Entwicklungsgeschichte bringen. Das Plätt- chen ist in der Ruhelage ganz nach vorn umgeklappt, liegt also mit dem achten Tergit zusammen der Innenfläche des sechsten Sternits auf. Das achte Sternit hat eine deutliche Längsfurche in der Median- linie, ihr entspricht eine innere, ziemlich hohe, aber sehr feine Längsleiste, deren Bildung auf Einfaltung der medianen Längspartie zurückzuführen ist. Die Seitenränder sind aufgebogen, das Sternit sieht halbbirnenförmig aus; es ist bis auf eine kleine vordere Partie ganz mit Füßchenborsten besetzt. Wie bereits erwähnt, umschließt das achte Sternit mit seinem Hinterrande die Vagina von unten. Beiläufig möchte ich bemerken, daß die Lage der weiblichen Geschlechtsöffnung hinter dem achten Sternit auch bei andern Dipteren festgestellt worden ist, so bei Tabanus und andern von LACAZE-DUTHIERS (zitiert bei BRÜEL!) und bei Calliphora von BRÜEL. Das sehr kleine neunte Segment ist im hinteren Teile gespalten (Fig. IV); es ist durch die Afteröffnung ausgezeichnet. Was die Zahl der Abdominalsegmente bei den Dipteren anbe- trifft, so scheint die Norm neun zu sein. Meine Befunde bei den Conopiden stimmen mit denen BrÜELs bei Calliphora überein. Die Muskulatur (Fig. VI). Entsprechend der äußeren Glie- derung der Segmente in Regionen können wir eine innere auf die Muskulatur bezügliche unterscheiden. Wir teilen die Muskulatur je beider spiegelbildlichen Hälften des Abdomens in eine dorsale, eine ! BrÜücL, Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Geschlechtsausfuhr- wege von Calliphora erythrocephala. Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 163 laterale und eine ventrale Gruppe ein. Zwischen der lateralen und der ventralen liegt ferner die Gruppe der transversalen Muskeln. Die Muskeln der ersten drei Gruppen sind intersegmental, d.h. sie sehen mit ihrem caudalwärts gelegenen Ansatz in das folgende Seg- ment hinüber, gehören also zwei Segmenten an; im Gegensatz hier- zu sind die transversalen Muskeln segmental, d. h. sie gehören nur einem Segment an, sie verbinden Tergit und Sternit desselben Seg- ments miteinander, sind also mit ihrem oberen Ansatz der lateralen Region, mit ihrem unteren der ventralen zuzuzählen. JAnET hält die Transversalmuskeln bei Myrmica für morphologisch zum Tergit ge- hörig und läßt sie von den untersten tergitalen Intersegmentalmuskeln abstammen. Ich möchte hier auf die bekannte Theorie hinweisen, nach der die longitudinalen, intersegmentalen Muskeln morphologisch von der Längsmuskulatur, die transversalen von der Ringmuskulatur der Würmer und Larven abzuleiten sind. Anatomisch, sowohl wie auch physiologisch repräsentieren die Transversalmuskeln, wie wir sehen werden, bei Sicus und den Untersuchungsobjekten der andern Autoren eine selbständige Gruppe. Die muskulöse Verbindung von Thorax und Abdomen wird ter- sital durch zwei außerordentlich starke, mit dicken großen Sehnen versehene Muskel hergestellt, deren einer, Me, der dorsalen Region angehört, während der zweite größere, Mg, lateral verläuft. Beide Muskeln passieren das erste Tergit und kommen erst im zweiten zur ‘ Insertion. Die Sehne des dorsalen Muskels ist nach vorn gerichtet, sie verläuft in der als Verlängerung der seitlichen Wülste des ersten Tergits beschriebenen erhabenen Falte der Intersegmentalhaut und setzt in der Spitze dieser Falte am Metathorax an; die Muskelfasern beginnen ungefähr am Vorderrande des ersten Tergits, sie divergieren nach hinten, der Bauch des Muskels wird also nach hinten breiter; das hintere Ende des Muskels ist abgerundet. Dieser Muskel hat zwei Trabanten, die an seiner Sehne vorn ansetzen. Der eine liegt direkt über der endoskeletalen Leiste und endet vor dem Hinterrande des ersten Segments; seine Fasern sind von sehr kleinem Durch- messer und von eigentümlicher histologischer Struktur, sie machen einen durchaus degenerierten Eindruck. Der andre Muskel, welcher zwischen diesem und dem großen liegt, sieht leistungsfähiger aus, doch sind seine Fasern auch dünn; der Muskel geht zur vorderen Partie des zweiten Tergits hinüber und setzt seitlich vom großen Muskel Me an. - Der Muskel Mg der lateralen Region ist der größte und stärkste 117 164 Robert Nicolai Streiff, der thoraco-abdominalen Verbindung. Seine auffallend derbe Sehne ist nach vorn gerichtet, ebenso, wie die des Muskels Me. Sie kommt von der seitlichen Wand des Metanotums und verläuft unter der endoskeletalen Leiste des ersten Tergits; die Muskelfasern beginnen zu Anfang des ersten Tergits, sie divergieren nach hinten; der Muskel verbreitert sich bedeutend und teilt sich in drei Portionen, deren eine, vordere an der Unterseite der Skeletleiste inseriert, während die beiden andern, eine über der Sehne und eine unter der Sehne gelegene, in das zweite Tergit übertreten und unter der Grenzlinie der lateralen Region im vorderen Drittel des Tergits zur Insertion gelangen. Der Muskel hat sehr dicke Fasern. Die sternitale muskulöse Verbindung wird durch einen langen zweiteiligen Muskel Me hergestellt. Dieser Muskel hat keine Sehne; er kommt von der endoskeletalen Skeletbildung des Metasternum 1, wo jede der beiden symmetrischen Muskelhälften am Vorderende der entsprechenden endoskeletalen Längsleiste anfängt, und inseriert, nach hinten etwas breiter werdend, in der hinteren Partie des ersten Sternits. Die Zugehörigkeit der drei Hauptmuskeln zum Metathorax habe ich durch den großen Buchstaben M in der Bezeichnung ausgedrückt, die kleinen Buchstaben kehren bei der Besprechung der Muskulatur der einzelnen Segmente wieder, sie bezeichnen, entsprechend der Reihenfolge der einzelnen Segmente mit einer Zahl versehen, die analogen Muskeln der gleichen Regionen der verschiedenen Segmente (Me, e2, e3 usw... Da sich die meisten analogen Muskeln in den folgenden Segmenten sowohl in der Größe, als auch ganz besonders in ihren jeweiligen Lagebeziehungen zu den Hauptflächen (horizon- tale und vertikale Mittelfläche) ihrer Segmente, von Segment zu Seg- ment verändern, da ferner in der Veränderung der Lagebeziehung je eines bestimmten Muskels in den aufeinanderfolgenden Segmenten eine gewisse Gesetzmäßigkeit unverkennbar ist, werde ich die Be- sprechung der Muskulatur nach Regionen vornehmen, ich werde jeden Muskel vom zweiten bis zum siebenten Segmente verfolgen und dann wieder zum zweiten Segment zurückkehren, um denselben Weg mit dem weiteren Muskel der gleichen Region anzutreten. . Auf diese Weise wird das Bild der Veränderung, welche jeder Muskel vom zweiten bis. zum siebenten Segment durchmacht, augenschein- licher. Das erste Segment hat keine intersegmentale Muskulatur, wir werden auf diese Tatsache im physiologischen Teil kurz zurück- Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 165 kommen. In der dorsalen Region der folgenden in Frage stehenden Segmente kommt in jedem Segment der uns von der thoraco-abdo- minalen Verbindung her bekannte Muskel e vor, im dritten, vierten und fünften Segment findet sich außer diesem noch ein zweiter, äußerer, lateralwärts gelegener Muskel in der dorsalen Region, den ich mit / bezeichnet habe; diese drei Segmente machen den andern gegenüber hierin eine Ausnahme. Die Fasern aller dieser Muskel — bis auf eine Ausnahme — konvergieren caudalwärts, die Fasern der Muskeln e weniger stark als die der Muskeln f. Im zweiten Segment beschränkt sich der Muskel e, hier dem Bezeichnungsprinzip gemäß e2, im seiner Längsausdehnung auf das letzte Drittel des Tergits. Im Profil gesehen, liegt der vordere An- satz tiefer als der hintere, der Muskel verläuft ein wenig schräg nach hinten und oben, die symmetrischen (spiegelbildlichen) Muskeln konvergieren nach hinten; der vordere Ansatz ist abgerundet, der hintere am folgenden, dritten Tergit ist nur wenig schmäler. Im dritten Segment ist dieser Muskel länger als im zweiten, er beginnt ungefähr an der vorderen Grenze des zweiten Drittels des Tergits, nimmt also in seiner Längsausdehnung die zwei hinteren Drittel des Tergits ein. Der hintere Ansatz des Muskels rückt, verglichen mit dem Verhalten im zweiten Segment etwas mehr zur dorsalen Median- linie vor, die symmetrischen Muskeln konvergieren stärker nach hinten als es im zweiten Segment der Fall war. Im vierten und fünften Segment wird die angedeutete Richtung der Veränderungs- weise weiter verfolgt: im vierten entspricht die Länge des Muskels e£ ungefähr fünf Sechsteln der Tergitlänge, im fünften ist der Muskel eö ebenso lang wie das Tergit: im vierten rücken die hinteren An- sätze des Muskels noch näher zur dorsalen Medianlinie, als es im dritten Segment der Fall war, im fünften stoßen die Ansätze der symmetrischen Muskeln in der Medianlinie zusammen (Fig. 9). Im fünften Segment kommt es also gleichsam zum Abschluß der einge- schlagenen Veränderungsrichtung, im selben Sinne kann es nicht weiter gehen, so sehen wir denn auch im sechsten und siebenten Segment eine andre Stellung des Muskels e, in beiden Segmenten läuft der Muskel parallel der dorsalen Medianlinie, nicht allzuweit entfernt von ihr. Der Muskel e6 ist ebenso lang, wie das Tergit, er ist relativ sehr stark und besteht aus dicken kräftigen Fasern; sein hinterer Ansatz am siebenten Tergit ist ebenso hreit, wie sein vorderer: er macht also die schon erwähnte Ausnahme. Ganz abweichend von den analogen Muskeln ist der Muskel e7 gestaltet. Der Vorderansatz 166 Robert Nicolai Streiff, dieses Muskels, welcher an der scharfen Biegung des Tergits zustande kommt, ist schon schmäler als bei allen analogen Muskeln, nach hinten zu aber wird dieser Muskel äußerst dünn und geht, im Gegen- satz zu den andern Muskeln e, zu Beginn des letzten Drittels seiner ganzen Längsausdehnung in eine lange spitze Sehne über, welche am endoskeletalen Vorderrand des achten Tergits zur Insertion gelangt. Der Muskel f der genannten drei Segmente ist jedesmal mit einer caudalwärts gerichteten Sehne ausgezeichnet, welche besonders kräftig im fünften Segment ausgebildet ist. Mit dem Muskel e hat er die gemeinsame Eigenschaft, daß er vom dritten bis zum fünften Segment größer wird, seine Länge ent- spricht dabei der Länge des Muskels e, er erreicht also am fünften Segment die Tergitlänge; gleichzeitig ist er hier von respektabler Größe. Der Muskel f unterscheidet sich vom Muskel e darin, daß die Veränderungen der Lagebeziehung zur dorsalen Medianlinie (bzw. zur Medianlängsfläche) andre und zwar gerade umgekehrte sind. In der Richtung vom dritten zum fünften Segment rücken die vorderen Ansätze näher zur dorsalen Medianlinie, die hinteren entfernen sich von ihr. Im dritten Segment verläuft der Muskel f3 noch beinahe parallel der dorsalen Medianlinie, nur wenig weichen die hinteren Ansätze mehr von der Medianlinie ab, als die vorderen. Der vordere Ansatz liegt unter dem des Muskels e3. Im vierten Tergit rückt der vordere Ansatz näher zur Medianlinie vor, der hintere kommt un- gsefähr an der Grenze der dorsalen und lateralen Region am endo- skeletalen Vorderrande des fünften Tergits zustande. Das fünfte Segment stellt wieder den Kulminationspunkt der Veränderungs- richtung vor: die symmetrischen Muskeln treffen mit ihren vorderen Ansätzen in der Medianlinie gleich hinter dem Vorderrande des Tergits zusammen (Fig. 9). Die hinteren Ansätze am endoskeletalen Halbring des sechsten Tergits sind unter der Grenze der lateralen und dorsalen Region gelegen. Die laterale Region hat in jeder Segmenthälfte einen schon durch seine Größe, seine derben Sehnen und seine Lageveränderungen besonders wichtig erscheinenden Muskel g; vom dritten Segment an kommt noch ein zweiter, äußerer, bzw. unterer Muskel % hinzu. Die Fasern des Muskels g konvergieren immer nach hinten und vereinigen sich zu einer caudalwärts gelegenen Sehne; im Gegensatz hierzu laufen die Fasern des Muskels % parallel und inserieren ohne Sehne — abgesehen von einer Ausnahme. hr Tec Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 167 Der Muskel 92 ist ebenso lang wie der Muskel e2, beschränkt sich also auch nur auf das letzte Drittel des Tergits. Der hintere Ansatz ist tiefer gelegen als der vordere, der Muskel g geht ein wenig schräg nach hinten und unten, der hintere Ansatz liegt inner- lieh direkt unter der beschriebenen äußeren Ecke des Hinterrandes. Diese Korrespondenz zwischen dem Muskelansatz und dem äußeren Skeletmerkmal ist, wie hier im zweiten Segment, in allen folgenden vorhanden. Der hintere Ansatz des Muskels 9 liegt also in allen Segmenten unter dem Angelpunkt der Bewegung, während die beiden Muskeln e und f über ihm liegen; nur im siebenten Segment liegt auch der Muskel e — der Muskel f fehlt hier, wie gesagt — unter P- dem Angelpunkt. Der vordere stets dreieckige Ansatz des Muskels g liegt in den folgenden Segmenten auch immer unter dem Ansatz des Muskels e, er rückt, gleich dem, nach hinten zu allmählich näher Ur an den Vorderrand des Tergits und ec erreicht diesen im fünften Tergit. jsontalschnitt durch die dorsale Region des Bier assveränderungen| ‚treten! im. fünften: Tergits. zur, Darstellung ‚des verschie- denen Convergierens der symmetrischen Mus- der Abbildung deutlich hervor, der xeln es und 75 in diesem Segment; beide stoßen = R in der dorsalen Medianlinie zusammen. Der Muskel paßt sich — das lehrt Muskel f5 ist nur in seinem obersten Teile ge- der erste Blick — der Beugungs- troffen, stufe an; sein vorderer Ansatz rückt von Segment zu Segment ein kleines Stückchen höher, sein hinterer ein größeres Stückchen tiefer, man kann — mit selbst- verständlicher Einschränkung — sagen, der Muskel wird von Seg- ment zu Segment jedesmal ein Stückchen weiter um einen festen Punkt gedreht, der ungefähr zu Ende seines ersten Drittels, von vorn aus gerechnet, liegt. Die Überraschung, welche wir bei Be- sprechung des Skelets durch das plötzliche Hinaufrücken der Ecken des Hinterrandes des sechsten Tergits erlebten, wird jetzt durch das Verhalten des Muskels 96 einigermaßen ausgeglichen. Der hintere Ansatz des Muskels 96 ist außerordentlich breit, er rückt der äußeren Ecke nach und setzt am ganzen unter der Ecke ge- legenen Teile des Vorderrandes des siebenten Tergits an, der Vorder- rand geht aber, wie erinnerlich, recht weit zur ventralen Median- linie vor. Der Ansatz des Muskels geschieht mittels einer der Länge 168 Robert Nicolai Streiff, der Ansatzlinie entsprechend breiten Sehne, nach vorn reichen die Muskelfasern ebenso wie im fünften bis zum Vorderrande des Tergits. Die Größe des Muskels g steigert sich vom zweiten bis zum sechsten Segment einschließlich, wo der Muskel eine relativ ansehnliche Größe hat; er ist der größte des Abdomens und nimmt fast die ganze laterale und die untere Partie der dorsalen Region seines Tergits ein. Der Muskel 97 ist wieder bedeutend kleiner, er setzt vorn unter dem Ansatz des Muskels e7 an, ragt daher mit seinem vorderen Teile auch in die dorsale Region seines Tergits hinein. Der zweite Muskel der lateralen Region % fehlt im zweiten Seg- ment, im dritten und vierten ist er schmal, bandartig, im vierten ein wenig stärker; er reicht vorn bis zu der durch die andern Muskel bestimmten vorderen Muskelgrenze des Tergits, er läuft der Längsachse seines Segments parallel. Im fünften und sechsten Segment hat der Muskel die Segmentlänge, er ist relativ außerordentlich stark ent- wickelt, seine Größe beträgt hier ungefähr das Fünffache von den Muskeln 3 und h4 (vgl. Fig. 7); wie dort ist der Muskel in diesen Segmenten bandartig.. Abweichend von diesen verhält sich der Muskel h7, worin er mit seinem Segmentgenossen e7 übereinstimmt: der Muskel setzt in der lateralen Region, gleich hinter dem Vorder- rande des Tergits breit an, seine Fasern aber konvergieren nach hinten und vereinigen sich ungefähr auch zu Beginn des letzten Drittels des ganzen Muskels zu einer kräftigen Sehne, welche in der lateralen Partie am endoskeletalen Vorderrande des achten Tergits ansetzt. Dieses Verhalten, ebenso wie das des Muskels e7 ist be- merkenswert und wird im physiologischen Teil zur Sprache kommen. Bevor ich zur Besprechung der Gruppe der transversalen Mus- keln übergehe, möchte ich noch einmal eine Tatsache besonders hervorheben, welche in der Beschreibung der durchgenommenen Muskulatur schon enthalten ist. Die Muskelfasern der beiden großen tergitalen Muskeln der thoraco-abdominalen Verbindung konvergieren nach vorn, die Sehne der beiden Muskeln ist cephalwärts gerichtet; die Muskelfasern aller übrigen tergitalen Muskeln des Abdomens konvergieren, soweit sie nicht parallel laufen, caudalwärts, die Fasern der Muskeln e weniger stark, die Fasern der Muskeln f und ganz besonders der Muskeln g sehr deutlich. Wo eine Sehne ausgebildet ist, wieder bei den Muskeln f und besonders kräftig bei den Muskeln g, ausnahmsweise auch bei den Muskeln e7 und kh7, ist sie immer caudalwärts gelegen. Zur Gruppe der transversalen Muskeln gehören in jedem Seg- Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 169 ment zwei (auf jeder Seite): ein schräger Muskel « und ein gerader Muskel D. Im ersten Segment ist der Muskel « unscheinbar; nur aus wenig Fasern bestehend, nimmt er seinen Anfang in der seitlichen vorderen Partie des Sternits und kommt in der hinteren lateralen Region des Tergits, nicht weit unter der endoskeletalen Leiste zur Insertion. Im zweiten Segment ist der Muskel a2 außerordentlich stark, sein vorderer Ansatz erstreckt sich längs der Medianlinie des Sternits und nimmt in seiner Längsausdehnung ungefähr das erste Drittel des Sternits ein; schräg nach hinten und oben verlaufend, inseriert der Muskel am Tergit in gerader, der vorderen Ansatzlinie gleich langer und paralleler Linie unter dem Muskel 92. Der Muskel a2 ist, wie die korrespondierenden Muskeln in den folgenden Segmenten, von rhomboider Gestalt. In den folgenden Segmenten wird der Muskel « stufenweise kleiner und kürzer; der vordere spitze Winkel des Rhombus wird größer, weil der hintere Ansatz des Muskels vom Hinterrande des Tergits nach vorn abrückt, im dritten und vierten Segment ist es noch nicht sehr auffällig, im fünften aber ist der hintere Ansatz sehr weit nach vorn gerückt, der Muskel a5 infolge- dessen sehr kurz. Der im zweiten Segment spitze Winkel, welchen die symmetrischen Muskel « bilden, wird nach hinten zu größer, im fünften Segment ist er größer als ein rechter. Der Muskel a5 setzt vorn an der aufgebogenen Partie des eigentlichen Sternits an, seine Fasern biegen nach oben und zur Seite ab und gelangen bald hinter dem endoskeletalen Vorderrande des Tergits zur Insertion. Bis zum fünften Segment läßt sich am Muskel «a keine Sehne unterscheiden, der Muskel a5 ist in seinem vorderen Teile sehnenartig umgewandelt, das ganze Ausatzfeld beider sym- metrischen Muskeln macht einen sonderbaren Eindruck, die Hypo- dermis des Sternits streckt sich dem Muskel entgegen, die einzelnen Hypodermiszellen sind relativ sehr lang ausgezogen, die Sehne des Muskels ist umlagert von eigentümlichen Zellen, welehe — ursprüng- lich jedenfalls Fettzellen — durch Einlagerung von unzähligen, kleinen runden Chitinkügelehen eine braune Färbung erhalten haben. Im sechsten Segment ist der Muskel @ fast senkrecht gegen Tergit und Sternit gestellt, sein oberer Ansatz (am Tergit) ist sogar näher zum Vorderrande des Segments gelegen, als der hintere, die symmetrischen Muskeln konvergieren infolgedessen nach hinten und nicht wie die symmetrischen Muskeln a, bis zum fünften Segment einschließlich, nach vorn. Der untere Ansatz des Muskels a6 ist 170 Robert Nicolai Streiff, sehnenartig umgebildet und ebenso wie der Sternitansatz des Mus- kels «5 reichlich von intensiv braunen Zellen umgeben. Ganz eigen- artig gestaltet ist der Muskel a7’. Die symmetrischen Muskeln kon- vergieren in diesem Segment wieder nach vorn; sie setzen vorn an der dreieckigen endoskeletalen Leiste des Sternits an, ziehen aber dann nicht direkt zum Tergit hinüber, sondern um den in diesem Segment gelegenen Uterus herum, kreuzen sich in der längsläufigen Mittelfläche des Segments, über dem Uterus, und setzen dann, der rechte auf der linken Seite, der linke auf der rechten am endoskele- talen Vorderrande des achten Tergits an; die Muskeln «7 sind also intersegmental geworden. Um noch einmal kurz zu rekapitulieren: die Muskeln @ des Ab- domens verändern sich regelmäßig und stufenweise bis zum fünften Segment, im sechsten Segment sind die symmetrischen Muskeln bei dem von ihnen gebildeten Winkel über das Maß des gestreckten hinausgegangen, das Verhalten des Muskels a6 paßt also in die Regelmäßigkeit der Veränderungen des Muskels a hinein. Der Muskela7 aber fällt, woran wir uns allerdings im siebenten Segment allmählich gewöhnt haben, absolut aus der Rolle. Eine Klarheit darüber, wie dieser Muskel allmählich im Laufe der Phylogenie in den Dienst des Uterus getreten ist — er hat augenscheinlich geburtshelferische Funk- tionen übernommen —-, kann uns nur die Entwicklungsgeschichte bringen. Ich habe ihn, wie auch den Muskel 57 in der Abbildung fortgelassen, um das Bild nicht zu verwirren. Der Muskel 5 besteht im ersten Segment aus vereinzelten Fasern, er verbindet Tergit und Sternit miteinander im hinteren Teile des Segments; die Fasern des Muskels, wie die des Muskels 5 in den folgenden Segmenten, laufen gerade, d. h. senkrecht zur mittleren Längsfläche des Segments, die symmetrischen Fasern der symmetri- schen Muskeln liegen im selben Querschnitt. Im zweiten Segment ist der Muskel sehr breit, er hat die Gestalt eines niedrigen breiten Rechtecks; er verbindet Tergit und Sternit in der ganzen hinteren Hälfte des Segments. Bis zum fünften Segment wird der Muskel stufenweise schmäler, im sechsten ist er ebenso breit wie im fünften. Im dritten und vierten Segment stoßen die symmetrischen Muskel in der Mittellinie fast zusammen, innerlich an der Stelle, welche äußerlich durch den schmalen chitinigen Längsstreifen in der zweiten Hälfte der ventralen Region dieser Segmente kenntlich ist; zwischen ihren Enden liegt, besonders viel im vierten Segment, eine Anhäufung der braunen Zellen. Die Muskeln 55 und 56 sind auch auf den Über das >unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 171 hinteren Teil ihrer Segmente beschränkt, sie unterscheiden sich von den andern, außer der geringen Breite, durch die sehnenartige Um- bildung ihres unteren Endes, welches, wie bei den Muskeln « dieser Segmente, von intensiv braunen Zellen umgeben ist. Der Muskel b7 setzt mit seinem oberen, bzw. hinteren Ansatz ebenso, wie der Muskel «7, nicht in gewöhnlicher Weise am Tergit an, sondern um- läuft den Uterus, wie der Muskel a’, die symmetrischen Muskel kreuzen sich über dem Uterus und setzen auf der entgegengesetzten Seite am endoskeletalen Vorderrande des achten Tergits an. Das beim Muskel a7 Gesagte gilt auch für den Muskel 57. Die ventrale Muskelgruppe wird durch einen unpaaren Muskel ce repräsentiert, nur im zweiten Segment ist dieser Muskel, wie wir es auch von der sternalen Region der thoraco-abdominalen Verbindung kennen, in zwei symmetrische Portionen geteilt. Er beginnt hier gleich hinter dem Ansatz des Muskels «2 und geht zum Vorderrande des dritten Tergits. Im dritten Segment ist der Muskel c bedeutend kleiner als im zweiten, er setzt in der vorderen Partie des Sternits, bald hinter dem Ansatz des Muskels c2 an und geht zum Vorder- rand des vierten Sternits. Im vierten Segment treffen wir abweichende Verhältnisse: die größte Partie des Muskels c4 kommt schon inner- halb des vierten Segments zur zweiten Insertion, und zwar an der Hinterwand der beschriebenen Querfalte der ventralen Region, nur ein kleines oberes Muskelbündel zweigt ungefähr in der Mitte des Segments ab und tritt an den Vorderrand des fünften Sternits. Diese im vierten Segment angedeutete Trennung des Muskels c in eine obere kleinere und untere größere Portion ist im fünften Segment vollständig durchgeführt. Die untere Portion des Muskels c5 ist überaus stark entwickelt, sie füllt das ganze Körbchen des fünften Sternits aus, sie verbindet die vordere aufgebogene Partie des eigent- lichen Sternits mit dem umgekehrt trapezförmigen Skeletstück der fünften ventralen Region, die untere Portion des Muskels ist also hier, ebenso wie der untere Teil des Muskels c£ segmental geworden ; das gleiche gilt auch für die abgetrennte obere Portion des Muskels c5, der unvergleichlich dünnere Muskelbauch dieser Portion setzt vorn vor den Muskeln a5 an der Spitze des Sternits an, läuft über den Muskeln a5 hinweg und kommt an dem Hinterrande der umgekehrt trapezförmigen Platte zur Insertion. Die untere große Portion des Muskels hat dicke Fasern, die obere sehr dünne (vgl. Fig. 7). Im sechsten Segment ist der Muskel ce nicht geteilt, er entspricht völlig der unteren Partie des Muskels ed, ist nur wenig kleiner, aber ebenso 17% Robert Nicolai Streiff, wie dieser segmental geworden. Der bedeutend kleinere Muskel c7 beginnt hinter der endoskeletalen Sternitleiste und setzt am umgekehrt trapezförmigen schmalen Skeletstück an. Aus dem wechselvollen, aber doch einem Schema folgenden Bilde der Segmentalmuskulatur des weiblichen Abdomens treten drei Tatsachen mit besonderer Schärfe hervor: erstens die starke, sehnige Ausbildung der tergitalen Muskulatur, zweitens die Abhängigkeit der Lagebeziehungen der Muskulatur von der Beugungsstufe des Seg- ments und drittens die überstarke Ausbildung der Muskulatur, ins- besondere auch der sternitalen im fünften und sechsten Segment. Das männliche Abdomen (Fig. III und Schema Fig. 10). Die Formen des männlichen Abdomens sind gefälliger. Sehen wir von unsrer willkürlichen, zahlenmäßigen Einteilung der Tergite in drei Regionen für einen Augenblick ab, so könnten wir zur allgemeinen Charakteristik des männlichen Abdomens sagen: die dorsale Region gewinnt hier an Terrain. Der Eindruck wird dadurch hervorgebracht, daß die dorsale Region flacher ist, die laterale runder, wodurch sich auch der Querschnitt der Segmente, vom zweiten bis zum fünften gerechnet, mehr der Kreisform nähert. In der Aufsicht ist das Abdomen des Männchens daher auch breiter, als das des Weibchens und in allen Segmenten, bis zum sechsten einschließlich, ungefähr gleich breit (vgl. Fig. IV und V). Die ersten fünf Segmente zeigen den gleichen Bauplan, wie beim Weibchen, die Verbindung mit dem Thorax geht in genau derselben Weise vor sich. Die Vorderränder der Tergite ragen in jedem Segment gleichmäßig weit in das vorhergehende Segment hinein, mit den unteren Ecken tiefer, in der dorsalen Mittellinie nur wenig, es ragt zu beiden Seiten also ein, im Profil gesehen, dreieckiges Stück in das vorhergehende Segment hinein, welches relativ größer ist als der hineinragende Vorderrand des dritten und vierten Tergits beim Weibchen; zur Aus- bildung endoskeletaler, halbringförmiger Bildungen des Vorderrandes ist es beim Männchen in keinem Segment gekommen. Die ersten fünf Sternite haben die gleiche Grundform. Die ersten vier sind umgekehrte Trapeze und denen des Weibchens gleich. Das fünfte ist ein aufrechtes Trapez. Bereits an der Profil- abbildung des männlichen Abdomens (Fig. III) sehen wir unter dem fünften Tergit einen kleinen Buckel hervorragen, den wir unbefangener- weise als männliches »unpaares Organ« bezeichnen könnten, wenn nicht der Identitätsnachweis des Gebildes mit dem fünften Sternit, Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 173 dieser einfachen Benennung zu ihrem Rechte verholfen hätte. Die Differenzierung der fünften Sternitplatte, welche wir beim Weibchen beschrieben haben, finden wir auch beim Männchen vollständig sicher angedeutet (Fig. V); zwei Partien lassen sich unterscheiden, eine vordere aus gewöhnlichem Chitin bestehende, welche hier relativ srößeren Raum einnimmt, als beim Weibchen, und eine hintere, das Füßehenborsten tragende Feld, welches klein ist und nur etwa der Länge des letzten Sternitdrittels entspricht; beide Partien liegen in einer Fläche, die vordere ist nicht wie beim Weibchen aufgebogen, Verticalaxe Horizontalaxe Textfig. 10. Schema zur Darstellung der Abwärtsbiegung und Einkrümmung der Segmente des männlichen Ab- domens; hier bildet bereits das siebente Segment mit der Körperlängsachse einen Winkel, welcher größer als ein gestreckter ist; vgl. auch die Stellung der beiden Hauptachsen mit der beim Weibchen. dagegen sind die Seitenränder wohl etwas nach oben gewölbt. Die Füßchenborsten sind nicht so weit ausgebildet wie beim Weibchen, die Ferse z. B. tritt noch nicht so deutlich vor; die Füßchenborsten des Männchens stellen ein Mittelding zwischen den Füßchenborsten der Weibehen und gewöhnlichen an ihrer Basis verdickten Borsten vor. Ein weiterer wichtiger Unterschied dem Weibchen gegenüber liegt darin, daß das fünfte Sternit des Männchens nicht in seinem vorderen Teile mit dem Tergit durch festes, elastisches Chitin ver- bunden ist, sondern nur durch die gewöhnliche Segmentalhaut, wie sie zur Verbindung der andern Tergite und Sternite dient. Für uns ist es in erster Linie wichtig, daß die Grundform des fünften Sternits beim Männchen dieselbe ist, wie beim Weibchen, es muß also beim Männchen genau dieselbe Ursache gewirkt haben, um im fünften Segment eine Sternitform hervorzubringen, welche der 174 Robert Nicolai Streiff, Sternitform der vier ersten Segmente diametral entgegengesetzt ist. Die »geprägte Form« findet sich bei beiden Geschlechtern, beim Weibchen ist sie nur weiter differenziert infolge besonderer nur in seinem Leben auftretenden Nebenursachen. Hinter dem fünften Segment liegen noch vier Segmente, die ich nur in aller Kürze berühre, um einzelnes Allgemeinwichtiges hervor- zuheben. Das sechste Tergit ist kein Halbrohr mehr, sondern, da die Seitenränder auffallend verkürzt sind, im Profil dreieckig. Das siebente Tergit ist mit seinem morphologischen Hinterende ce- phalwärts gerichtet, die Seitenränder und auch der untere Teil des Hinterrandes sind nach innen gewölbt. An den Hinterecken findet sich auf jeder Seite ein Fortsatz, beide zusammen stellen eine zangen- artige Einrichtung vor (Fig. V x). An der Basis dieser Fortsätze und ein Stückchen über ihr ist der Hinterrand des siebenten Tergits mit Füßchenborsten besetzt. In der Ruhelage stoßen der Hinterrand des fünften Sternits und der morphologische Hinterrand des siebenten Tergits zusammen, ihre Füßchenborstenbezirke bilden fast ein ein- heitliches Feld. Zwischen ihnen, nach Streckung des. siebenten Ter- gits, tritt nötigenfalls der Penis zur Begattung hervor. Hinter dem fünften Sternit liegt eine umgekehrt trapezförmige Platte, welche nicht direkt mit dem fünften Sternit sondern durch eine schmale Intersegmentalhaut verbunden ist (Fig. V). Seitlich schließt sie an die kurzen Seitenränder des sechsten Tergits fest an, in analoger Weise wie das achte Tergit des Weibchens mit dem schmalen umgekehrt trapezförmigen Skeletstück verbunden ist. Ich glaube nicht, daß wir es mit einem, dem hinteren umgekehrt trapez- förmigen Skeletstück des weiblichen fünften Sternit analogen Gebilde zu tun haben, sondern halte es für die vordere Partie des sechsten Sternits, dessen hintere Partie weit in den Körper hineingezogen ist und zu komplizierten Skeletbildungen Anlaß gegeben hat. Die sternale Region des sechsten und siebenten Segments hat eine nach innen gerichtete (intensive) Ausbildung erfahren im Gegensatz zur nach außen gerichteten (extensiven) Ausbildung dieser Regionen beim Weibchen: die Sternite des Weibchens sind nach außen geklappt und ragen infolgedessen über die Seitenränder der Tergite heraus, die Sternite des Männchens sind nach innen geklappt und erreichen mit ihren endoskeletalen Bildungen fast die innere Seite ihrer tergi- talen Rückenwand. Das achte und neunte Segment sind außerordentlich klein und beide von gleichem Typus, weleher dem neunten Segment des Weib- Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 175 chens ungefähr entspricht, nur daß die beiden Segmente hier nicht gespalten sind; sie dienen beide lediglich zur Passage des Darmes, welcher im neunten Segment mit der Afteröffnung mündet. Die Muskulatur (Fig. VII) der thoraco-abdominalen Verbindung ent- spricht, was die Anordnung und Zahl der Muskeln betrifft, ganz und gar der Muskulatur des weiblichen Abdomens, nur sind die Muskeln etwas schwächer, die Sehnen nicht so robust. Die Zahl der Muskeln in den ersten fünf Segmenten, bzw. vier, da das erste Segment auch hier keine intersegmentale Muskulatur besitzt, ist in den einzelnen Regionen fast durchweg dieselbe wie beim Weibchen, in der Größe aber unterscheiden sich alle, in der Lagebeziehung besondere Muskelgruppen, bzw. Muskeln sehr er- heblich von den Verhältnissen, wie wir sie beim Weibchen kennen gelernt haben; ganz besonders auffällig ist dieses beim Muskel g. Der Muskel e ist im zweiten Segment ungefähr ebensolang wie beim Weibchen, in den folgenden Segmenten wird er länger, ist aber in jedem Segment relativ kürzer als beim Weibchen, erreicht daher auch im fünften Segment nicht ganz die Länge des Tergits. Die symmetrischen Muskeln konvergieren von Segment zu Segment mehr, doch nieht in so starken Stufen, wie beim Weibchen, die hinteren Ansätze des Muskels e5 stoßen daher auch nicht in der dorsalen Me- dianlinie zusammen. Im dritten, vierten und fünften Segment haben wir wie beim Weibchen einen Muskel /, welcher sich aber wesentlich anders als dort verhält. Die symmetrischen Muskeln f divergieren nicht, wie wir es kennen, nach hinten, sondern konvergieren, ebenso wie die Muskeln e nach hinten, von Segment zu Segment etwas mehr; sie laufen in jedem Segment annähernd parallel den Muskeln e, der vordere und der hintere Ansatz liegen ein Stückchen tiefer als die Ansätze des Muskels e; die Muskeln f besitzen beim Männchen keine Sehne. Wenn ich zu Anfang sagte: die dorsale Region gewinnt beim Männchen der lateralen gegenüber an Terrain, so ist es aus dem Verhalten des Muskels g einigermaßen erklärlich; beim Weibchen, haben wir gesehen, reicht der vordere Ansatz des Muskels g seitlich hoch hinauf bis zur dorsalen Region, beim Männchen bleibt der Muskel auf die untere Hälfte der lateralen Region beschränkt. Im zweiten Segment ist der Muskel g ebenso lang, wie beim Weibchen, entspricht also der Länge des letzten Tergitdrittels; im dritten, vierten und fünften Segment reicht er beinahe ganz bis zum Vorderrand des betreffenden Tergits, hat also in diesen Segmenten fast Tergitlänge. 176 Robert Nicolai Streiff, Seine Form und Größe ist in den vier Segmenten ungefähr gleich. Der vordere Ansatz am Vorderrand des Tergits ist immer breit, der Muskel verläuft in jedem Segment ungefähr parallel der segmentalen Längsachse und setzt an der unteren Vorderecke des folgenden Tergits an, die Fasern konvergieren immer caudalwärts und vereinigen sich zu einer Sehne. In gleicher Weise also, wie beim Weibchen, ist hier der Muskel g, was Konvergieren der Fasern und Ausbildung der Sehne anbetrifft, dem Muskel g der thoraco-abdominalen Verbindung diametral entgegengesetzt. Dasselbe gilt auch soweit es sich auf das Konvergieren der Fasern bezieht für die Muskeln der dorsalen Region. Der zweite Muskel der lateralen Region h findet sich beim Männchen nur im dritten und vierten Segment, wo er ebenso, wie beim Weibchen, bandartig ist und nur sehr wenig kleiner als der auch schon beim Weibchen in diesen Segmenten kleine Muskel. Die transversalen Muskeln sind in Form und Stellung beim Männchen ebenso wie beim Weibchen, unterscheiden sich wieder durch geringere Größe und kleineren Querschnitt der Fasern. Der Muskel a5 ist kurz wie beim Weibchen, die symmetrischen Muskeln bilden einen großen Winkel, sie stoßen aber nicht in der Medianlinie des Sternits zusammen und haben auch nicht ein so charakteristisches Ansatzfeld, wie wir es beim Weibchen kennen gelernt haben; die Hypodermiszellen zeigen ihr gewöhnliches Aussehen, braune Zellen sind nur in geringer Menge da und die sehnenartige Umänderung der vorderen Faserenden ist nicht sehr deutlich. Dagegen zeigt der Sternitansatz des Muskels 55 einen ausgeprägteren sehnenartigen Charakter. Der Muskel c ist im dritten und vierten Segment sehr dünn, im vierten Segment teilt sich keine obere Portion vom Muskel c4 ab, der ganze Muskel geht bis zum Vorderende des fünften Tergits. Der Muskel c5 ist unvergleichlich stärker, als seine beiden Vorgänger, erreicht aber das Volumen des entsprechenden weiblichen Muskels bei weitem nicht. Seine Fasern sind sehr kräftig und setzen an der, als vordere Partie des sechsten Sternits beschriebenen, umgekehrt trapezförmigen Platte an. Die Muskulatur der beiden folgenden Segmente zeigt infolge der nach innen gerichteten Sternite und des. eine besondere Mechanik erfordernden männlichen Geschlechtsapparates, vielfache Modifikationen und bildet ein Thema für sich. Die Untersuchung des männlichen Abdomens in diesem Umfange war notwendig, um die allgemeinen Eigenschaften des Abdomens von Über das »unpaare Organ< der Dipterenfamilie der Conopidae. 177 den sekundär-sexuellen zu scheiden und damit eine Kritik darüber zu gewinnen, welche anatomischen Merkmale auf die nur im Leben des Weibchens stattfindenden Vorgänge zurückführbar sein können. Was nun die Literatur über die Muskulatur des Abdomens be- trifit, so möchte ich die Ergebnisse dreier Autoren mit den meinigen vergleichen; die diesbezüglichen Arbeiten von JANET und NASsonow sind schon erwähnt worden, hinzu kommt noch ein Referat über die Abdominalmuskulatur der Biene vom französischen Forscher CARLET!, es ist aber leider sehr kurz und nicht durch Abbildungen veran- schaulicht. Im großen und ganzen ist die Anordnung der Muskulatur bei der Biene, bei Myrmica und Lasius dieselbe, wie ich sie bei Sieus gefunden habe, im einzelnen aber, so besonders was die Differen- zierung der Sternitmuskulatur angeht, weist sie Verschiedenheiten auf; es ist sehr verständlich, wenn man bedenkt, wie wohlausgebildet die Sternite bei diesen Formen sind. Sehr bedauerlich ist es, daß keiner der Autoren die Lage der Muskeln in bezug auf die Angelpunkte angibt, nämlich, ob der betreffende Muskel über oder unter dem Angelpunkt gelegen ist. Die Analogieschlüsse sind dadurch erschwert und werden bis weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet mit dem nötigen Vorbehalt wiedergegeben. JANET stellt nur zwei Muskelgruppen auf: 1) muscles des arceaux dorsaux und 2) museles des arceaux ventraux. Die Transversalmuskeln, welche bei Myrmica in jedem Segment nur in der Einzahl vorhanden sind, hält er, wie bereits mitgeteilt, für morphologisch zum Tergit ge- hörig. NAssonow und CArLET teilen die Muskeln in drei Gruppen: die dorsale, die laterale und die ventrale, die dorsale umfaßt die Tergit-, die ventrale die Sternitmuskulatur, der lateralen Gruppe werden bei beiden Autoren nur die transversalen Muskeln zugezählt. Die Gruppierung der Muskulatur durch die andern Autoren ist eine rein anatomische, meine Einteilung ist erweitert, da ich auch physiologische Gesichtspunkte berücksichtigt habe, wie sich das im zweiten Teil der Arbeit bestätigen wird. An Stelle der dorsalen Gruppe der andern Autoren habe ich zwei: die dorsale und die laterale, welche man genauer als dorsal-laterale Gruppe bezeichnen könnte. Die dorsale Gruppe umfaßt die Muskeln über, die laterale, bzw. die dorsal-laterale diejenigen unter dem Angelpunkt. Meine Gruppe der 1 G. CARLET, Sur les museles de l’abdomen de l’abeille. Compt. Rend. 1854. Tom XCVIU. p. 758—759. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 19 178 Robert Nicolai Streiff, Transversalmuskeln entspricht vollständig der lateralen von NAssonow und ÜCARLET, dagegen ist meine ventrale, wie im Tergit, nicht denselben Gruppen der Andern identisch. Bei Sicus finden sich in- folge der schwachen Ausbildung der Sternite nur mediane Sternit- muskeln, daher habe ich nur eine ventrale Gruppe aufgestellt, wo aber im Sternit eine ebenso differenzierte Muskulatur wie im Tergit, vor- handen ist, wie das bei den untersuchten_Hymenopteren der Fall ist, so würde sich ‚hier meinem Einteilungsprinzip zufolge, analog wie im Tergit eine ventral-laterale Gruppe absondern, welche die über dem Angelpunkt (hier sind natürlicherweise die Verhältnisse denen im Tergit entgegengesetzt) gelegenen Muskeln zusammenfaßt. Über die Zahl der Muskeln in den einzelnen Gruppen bei den Untersuchungsobjekten der andern Autoren wird eine am Schluß des physiologischen Teils beigefügte Tabelle orientieren, ich beschränke mich hier auf einige vergleichend-anatomische Bemerkungen. Ob die Muskeln der Ameisen und Bienen auch solche Verände- rungen in ihren Lagebeziehungen aufweisen, wie ich sie bei Sicus gefunden habe, läßt sich aus den Zeichnungen nicht mit Sicherheit feststellen, im Text wird nichts darüber angegeben. Auch über die Form der Muskeln fehlen genauere Angaben. Die Zeichnungen geben hierin manche Aufklärung, doch ist es selbstverständlich, daß bei eingehenderer Untersuchung und spezieller Berücksichtigung dieser Fragen weit mehr hierüber gesagt werden könnte. Die dorsalen und ventralen mittleren Muskeln sind bei JANET und NAassonow bandartig gezeichnet, also parallelfaserig, dagegen ist ein Muskel bei Myrmica von welchem ich annehme, daß er dem Muskel f bei Siexus entspricht, nämlich der äußere dorsale über dem Angelpunkt gelegene keilförmig, seine Fasern konvergieren nach hinten und vereinigen sich zu einer Sehne. Zasius fehlt dieser Muskel. Der Hauptmuskel der dorsal- lateralen Region, bei Sicus der Muskel y, unter dem Angelpunkt belegen, ist bei Myrmica und Lasius, wie bei Secus mit einer cau- dalwärts gelegenen Sehne versehen, seine Fasern konvergieren also auch nach hinten. Lasius hat in dieser Region noch einen band- artigen sehnenlosen Muskel, welcher dem Muskel % bei Sıcus ent- entsprechen könnte. Bei Myrmica fehlt er. Ä In der ventralen-Jlateralen Gruppe, wo wir bei Sieus keine Muskeln haben, konstatieren wir bei Myrmica und Lasius je einen mit einer caudalwärts gerichteten Sehne, welcher analog (anatomisch) dem tergitalen Muskel dieser Region ist, unserm Tergitmuskel 9. In der ventralen Region hat der äußere Muskel bei Myrmica gleichfalls Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 179 eine Sehne, bei Zasius ist er bandartig; bei Myrmica entspricht er dem Tergitmuskel f, während er bei Zasius unserm Muskel % der dorsal-lateralen Gruppe anatomisch ähnlich ist. CARLET beschreibt bei der Biene in seiner lateralen, meiner Gruppe der transversalen Muskeln einen Muskel, welchen wir weder bei Sicus, noch bei den Ameisen treffen. Es handelt sich um einen Muskel, der vom Sternit des einen Segments zum Tergit des folgenden hinüberzieht, also um einen intersegmentalen Transversalmuskel. In der ventralen Gruppe hat die Biene zwei (symmetrische) sehr kurze Muskeln, welehe vom Hinterrand des einen Sternits zum Vorderrande des folgenden verlaufen, für die wir ebenfalls bei den andern Unter- suchungsobjekten kein Analogon haben. Physiologischer Teil. Die Abdominalmuskeln der Insekten sind in den Handbüchern für Entomologie stets stiefmütterlich behandelt worden, über ihre Wirkung wurde summarisch bestimmt: alle tergitalen Muskeln wurden als Strecker, alle sternitalen als Beuger aufgefaßt, den transversalen wurde die Bewerkstelligung der Atmung zugeschrieben. CARLET stellt alle Muskeln des Abdomens in den Dienst der Atmung. Er läßt sich dabei nicht in Betrachtungen ein, sondern be- stimmt kurz den größten Teil der Muskeln zu Ausatmern, zwei bzw. vier (symmetrische) zu Einatmern. JANnET sieht auch in der Atmung die Hauptfunktion der Abdominalmuskulatur, er definiert aber die Tätigkeit der einzelnen Muskeln genauer, er zeigt, durch welche Muskeln eine Verringerung, bzw. eine Vergrößerung des Volumens des Abdomens erzielt werden kann, wodurch die Ausatmung, bzw. die Einatmung unterstützt werden. NAssonow dagegen spricht nichts von der Atmung, auch nicht von einer bestimmten Funktion der ein- zelnen Muskeln, er weist aber darauf hin, daß die Abdominalmus- kulatur der Ameisen so kompliziert ist, wie es bis dato von keinem Insekt beschrieben worden ist. Er findet die daraus resultierende Beweglichkeit des Abdomens erklärlich und notwendig für ein Insekt, welches am Ende des Abdomens im Stachel sein wichtiges Angriffs- und Verteidigungsorgan besitzt. Ich stimme mit NAssonow darin überein, daß eine so differen- zierte und kräftig entwickelte Abdominalmuskulatur, wie wir sie auch bei Secus finden, unbedingt auf eine starke Beweglichkeit und auf eine besondere Funktion des Abdomens hindentet. Srceus und die andern Conopiden haben nun allerdings keinen Stachel, so daß ihr 12 180 Robert Nicolai Streiff, Abdomen als Waffe nicht dienen kann, dagegen hat es eine andre, ebenso wichtige Funktion übernommen. Die unverkennbare, sich von Segment zu Segment verändernde Stellung der Muskulatur, die Um- bildung des fünften Sternits führten mich zur Überzeugung, daß das Abdomen der Conopiden im Laufe des generellen Lebens als Körper- stütze zu fungieren anfıng und gleichsam als siebenter Fuß eine Auf- nahme in die Allgemeinbewegung des Körpers erfuhr, dem Stütz- schwanze der Känguruhs nicht unähnlich. Später konnte ich auch beobachten, daß das Abdomen unsrer Fliegen oft den Blütenrand berührt. Noch auffälliger ist dieses bei den andern hier in Betracht kommenden und der Beobachtung leichter zugänglichen Insekten. Wer eine Biene bei der Nahrungsaufnahme gesehen hat, wird sich erinnern, wie ihr Abdomen fast unentwegt am Blütenrande klebt. Desgleichen benutzen die Ameisen sehr häufig das Abdomen, um ihr Gleichgewicht zu wahren, so namentlich beim Tragen oder Ziehen schwerer Lasten; die beißenden Ameisen stützen sich beim Beißen sehr energisch auf ihr Abdomen. Ich glaube daher, daß auch bei diesen Insekten und noch bei vielen andern der Hinter- leib als wichtiges Stützorgan anzusehen ist. Natürlicherweise wirkt die Abdominalmuskulatur auch bei der Atmung, doch das ist nicht ihre alleinige Funktion. Es ist ebenso, wie beim Menschen: bei einem gut entwickelten Individuum nimmt die Bauchmuskulatur sehr erheblich an der Atmung teil, es wird sie jedoch niemand als specifische Atmungsmuskulatur betrachten. Die Allgemeinbewegung des Abdomens. Unsre erste Frage lautet: was wird durch die Fixierung des Abdomens für die Muskulatur erreicht? Jedes Beinende eines Insekts wird bei der Berührung mit der Unterlage zum punetum fixum; durch Spannungswiderstände des Chitinskelets und durch die Tätigkeit der diesbezüglichen Muskula- tur wird das punctum fixum von Glied zu Glied am Beine über- tragen und gelangt zum Thorax, welcher, als starre Kapsel, ihn lediglich durch sein Skelet zu jedem Punkte fortpflanzen, bzw. in jedem Punkte zum Ausdruck bringen kann. Der Thorax bildet also den Ausgangspunkt oder die Basis für alle Muskelkontraktionen, welche eine Bewegung des Kopfes oder des Abdomens einleiten. So lange das Abdomen mit seinem hinteren Ende in der Luft schwebt, kann die Kraftriehtung der Abdominalmuskeln nur eine einseitige, dureh den fixierten Thorax bestimmte sein, sobald aber das Abdomen Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 181 mit seinem hinteren Ende die Unterlage berührt, entsteht ein Anta- sonismus: die Abdominalmuskeln erhalten ihr eignes punctum fixum und können infolgedessen ihre Kraftrichtung in eine entgegengesetzte umändern; der Augenblick, wo das Abdomen zum ersten Male Fuß faßt, ist von außerordentlicher Bedeutung, die Muskulatur des Ab- domens schlägt von diesem Augenblick eine ganz bestimmte Ent- wieklungsrichtung ein. Der Begriff Kraftriehtung enthält für mich die Wirkung des Muskels, die eine Bewegung des freien Skeletelements gegen das fixierte zur Folge hat. Die Armmuskeln wirken z. B. mit einer Kraftricehtung zum Rumpf, wenn der Oberarm am Rumpf fixiert ist und die freien Handbewegungen ausgeführt werden, umgekehrt mit einer Kraftrichtung zur Hand, wenn der Körper z. B. an den Händen hängt und aufgezogen wird. Nach der Fixierung des fünften Sternits (der leichteren Über- ‘sicht wegen betrachten wir im ersten Abschnitt des physiologischen Teiles das fünfte Segment als das letzte), bildet der Körper unsrer Fliege von den Beinenden bis zu dieser einen geschlossenen, aus einzelnen Gliedern bestehenden Halbring. In der Kinematik nennt man eine solehe Anordnung von Kettengliedern, mit denen eine be- stimmte Bewegung erzielt wird, eine zwanglos geschlossene Kette. Je nachdem nun die Glieder des vorderen Teiles des Halbringes gestreckt und die Glieder seiner hinteren (abdominalen) Hälfte ge- beugt werden, oder umgekehrt, ohne daß eine der beiden Fixierungen dabei gelöst wird, wird die vertikale Mittelachse des Thorax in der medianen Längsfläche des Körpers verschoben, sie pendelt mit ihrem oberen Ende nach vorn oder nach hinten. Gleichzeitig wird durch eine solche Bewegung des Thorax der Schwerpunkt des Körpers verlagert, die Bewegung unterstützt also die Gleichgewichtsbestre- bungen des Körpers. Wir haben bereits in der Einleitung die Lebens- weise der Conopiden skizziert. Die große Mannigfaltigkeit der Be- wegung auf Blüten gegenüber der auf glatter, planer Unterfläche gewinnt jetzt durch die Kenntnisnahme ihrer biologischen Wirkung an Interesse; der ständige Wechsel der Richtung der vertikalen Thoraxachse durch die ständige Bewegung auf schiefen Ebenen, das Herausholen der Blütensäfte, wodurch der Körper in eine besonders stark nach vorn geneigte Stellung gebracht wird und viele andre Momente erfordern eine erhöhte Tätigkeit unsrer Fliegen zur Er- i Vgl. TuıLo, F. REeuLEAuUx, Kinematik im Tierreiche. Biol. Centralbl. BEIXX] Nr.'16 182 Robert Nicolai Streiff, langung einer stets wechselnden Gleichgewichtsstellung, es ist daher nicht verwunderlich, wenn die Muskulatur des Abdomens durch seine Fixieruug instand gesetzt ist durch lebendige (einem antagonistischen System entgegenwirkende) Kraft an den Gleichgewichtsbestrebungen des Körpers teil zu nehmen, statt, wie bei nicht fixiertem Abdomen, mit einer Kraftrichtung zum Thorax eine unvollkommene Krümmung des Abdomens (und dadurch Verkürzung in der Längslinie) hervor- zubringen; die Wirkung für die Gleichgewichtsbestrebungen beschrän- ken sich in diesem Falle auf die Verkürzung des Körperhebels und ein dadurch erzieltes, kleines Plus in der Wirkung der Muskeln des Thorax. An welcher Stelle das Abdomen die Unterlage berührt, ist gleichgültig, sobald sich ein antagonistisches Muskelsystem mit einer Kraftriehtung zum Ende des Abdomens hin in ihm ausgebildet hat. Solange dieses noch nicht vorhanden, ist eine stärkere Fixierung zur Ermöglichung einer größeren Kraftleistung notwendig, ich glaube da- her, daß das »unpaare Organ« der anatomische Ausdruck der stärkeren Fixierung des Abdomens an dieser Stelle ist, wie denn überhaupt das Abdomen im Laufe der allmählichen immer tiefer gehenden Abwärts- beugung seiner Segmente an dieser Stelle zum ersten Male Fuß faßte. Beim Weibchen kamen dann noch die drei folgenden extensiv ausgebildeten Sternite hinzu, beim Männchen der hintere Rand des siebenten Tergits. Die Füßchenborsten könnten in diesem Fall eine Anpassung der diesbezüglichen Sternit-, bzw. Tergitborsten an die Berührung mit der Unterlage vorstellen, eine Art »Kontaktmetamor- phose«. Wir müssen bedenken, daß die Ausbildung eines dem Mus- kelsystem des Körpers antagonistischen Systems im Laufe des gene- rellen Lebens eine große Arbeit erfordert, ist diese aber geleistet, so ist anzunehmen, daß die Muskelwirkung, wie gesagt, auch bei schwacher oft nur momentaner Berührung des Abdomens auf der Unterlage die nötigen Gleichgewichtsbewegungen zu vollführen im- stande ist. Ich führe dieses an, weil das Abdomen von Sicus, ins- besondere das des Weibchens oft, auch bei der Bewegung, so weit eingekrümmt getragen wird, wie es auf dem Orientierungsbild (Fig. 2) dargestellt ist. Bei einer solchen Haltung berührt es mit seinem siebenten oder sechsten Tergit die Unterlage. | Unsre nächste Frage lautet: wo liegt die Grenze der Einfluß- sphären der pedalen und abdominalen Fixierungen für die Musku- latur und ist sie überhaupt vorhanden? Die anatomischen Verhältnisse sprechen so klar und deutlich, Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 183 daß jeder bereits diese Grenze erkannt hat und eine Diskussion dieser Frage unnötig ist. Der anatomische Antagonismus, welcher zwischen den Tergalmuskeln der thoraco-abdominalen Verbindung und den Tergalmuskeln vom zweiten Segment an caudalwärts gerechnet, be- steht, verlegt die Grenze in das zweite Segment: der anatomischen Grenze entspricht unzweifelhaft die physiologische, die thoraco-ab- dominalen Verbindungsmuskeln gehören der Einflußsphäre der pedalen Fixierung an, die andern wirken in der Richtung zum abdominalen punetum fixum. Lenken wir unsre Aufmerksamkeit auf eine gemeinsame phy- siologische Eigenschaft, welche die anatomisch-antagonistischen Mus- keln der thoraco-abdominalen Verbindung und der in Frage kommen- den Segmente besitzen. Der diametrale Gegensatz, welcher zwischen diesen Muskeln besteht, ist bedingt durch eine gemeinsame Eigen- schaft, nämlich durch den Einfluß, welchen das punctum fixum, also auch die Kraftrichtung, auf die Form des Muskels ausübt. In beiden Fällen konvergieren die Muskelfasern in der Richtung zum punctum fixum, wo eine Sehne ausgebildet ist, ist sie dem punctum fixum zugekehrt. Jeder Muskel wirkt zwischen zwei Widerständen: auf der einen Seite ist der Widerstand durch die Fixierung des Skelets bedingt, ich möchte diesen Widerstand des puncti fixi als toten Widerstand bezeichnen, auf der andern Seite hat er die Kraft seines Antagonisten zu überwinden, diesen Widerstand bezeichne ich als den lebendigen. Die Gesetzmäßigkeit, welche in unserm Abdomen vorliegt, läßt sich folgendermaßen formulieren: die Fasern eines Muskels konver- gieren in der Richtung zum toten Widerstande, divergieren in der Richtung zum lebendigen; ist eine Sehne ausgebildet, so ist sie immer dem toten Widerstande zugekehrt. Diese aus der Anschauung hervorgehende Gesetzmäßigkeit kann auch auf deduktivem Wege abgeleitet werden: wir wissen, daß die Wirkung einer Kraft immer am ergiebigsten ist, wenn die Kraft in der Senkrechten wirkt. Verfolgen wir die Bewegung zweier Tergite gegeneinander. Die Bewegung geschieht um eine Achse, deren Endpunkte etwa in der Mitte der lateralen Region liegen. Das vordere Segment ist fixiert, also unbeweglich, das hintere ist beweglich und wird gegen das vor- dere gebeugt. Denken wir uns nun eine auf dem Hinterrand des fixierten Tergits, unter dem Angelpunkt errichtete Senkrechte. Die beiden Tergite bilden zunächst einen gestreckten Winkel, die Senk- 184 Robert Nicolai Streiff, rechte ist der Längsachse der Tergite parallel. Wird nun das zweite Segment gebeugt, so rückt die Senkrechte entsprechend jeder ge- ringsten Verkleinerung des Winkels zwischen beiden Tergiten, ein Stückchen höher am bewegten Tergit hinauf, und zwar mit dem vorderen Ende nur ganz minimal, mit dem hinteren viel bedeutender, die Senkrechte beschreibt einen Kreissektor am bewegten Tergit. Der Form des Kreissektors entspricht die Form des Muskels, die Muskelfasern entsprechen den vielen aufeinanderfolgenden Radien; denken wir uns nun, daß durch die stufenweise Verkürzung der aufeinanderfolgenden Radien jedesmal eine Verkleinerung des Winkels zwischen dem unbewegten und dem bewegten Tergit zustande kommt, so ist für jeden Radius, also für jede Muskelfaser, die Wirkung in der Senkrechten erfüllt. Natürlicherweise ist der Muskel keine Fläche, sondern ein Körper, wir sprechen daher richtiger nicht von aufeinanderfolgenden Radien, sondern von aufeinanderfolgenden dünnen Radialschichten, welche alle aus vielen in einer Fläche neben- einander liegenden Muskelfasern- bestehen; die Kontraktion erfolgt von Schicht zu Schicht, geht also wellenförmig durch den Muskel. Die Richtung der Kontraktionswelle ist der Bewegungsrichtung des bewegten Tergits entgegengesetzt: bei der Beugung wird das Tergit in der Richtung nach unten bewegt, die Kontraktionswelle des Beuge- muskels verläuft daher in der Richtung nach oben. Die allgemeine Gesetzmäßigkeit, daß die Wirkung einer Kraft am ergiebigsten in der Senkrechten ist, fordert das Konvergieren der Muskelfasern zum fixierten Skeletelement, infolgedessen sind die Muskeln an dem, dem festen Skeletstück zugekehrten Ende gedrängt, am andern weichen sie auseinander. An Stelle der gedrängten Muskelfasern tritt unter gewissen Umständen, augenscheinlich, wenn eine stärkere Kraftleistung erforderlich ist, die Sehne. Es fragt sich nun, inwiefern erfüllt die Sehne die Forderungen der allgemeinen Gesetzmäßigkeit? Zwei Eigenschaften der Sehne geben uns darüber ohne weiteres Aufschluß: erstens besteht die Sehne aus festem wider- standsfähigem Material und zweitens ist dieses Material gleichzeitig elastisch und beweglich. Die Bedeutung der Sehne liegt auf der Hand: sie dient zur Übertragung des toten Widerstandes, sie ist gleichsam die lineare Verlängerung des festen Punktes, anderseits kann die Sehne vermöge ihrer Beweglichkeit jeder Stellung der in Frage kommenden Senkrechten folgen. Jeder Radius des Kreis- sektors wird in dem zum fixierten Skeletstück gelegenen Teil aus der Sehne in dem andern zum bewegten Skeletstück gelegenen Teil Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 185 aus Muskelfasern bestehen, in jedem Moment wird eine zum fixierten Skeletstück senkrechte Kontraktion erfolgen können. Eine weitere Formeigentümlichkeit des Muskels läßt sich in ähn- licher Weise erklären, die Tatsache nämlich, daß bei Muskeln, welche eine Sehne haben, das Muskelende am bewegten Skeletstück beson- ders stark abgerundet oder dreieckig ist. (Vgl. Mg und die andern Muskeln g.) Es ist natürlich, daß die Muskelfasern auch unter den sünstigsten Wirkungsbedingungen, also in der Senkrechten, eine be- stimmte Grenze ihrer Kontraktionsmöglichkeit haben. Wenn alle Muskelfasern bis zum fixierten Skeletstück reichen, kann das Maß einer bestimmten Kontraktionsgrenze nicht überschritten werden, setzen sie aber alle hintereinander an der Sehne an — wir wissen, daß die Sehne oft tief in den Muskel hineinreicht — so wird die Wirkungsmöglichkeit erhöht, indem für jede weiter gelegene Muskel- faser das punctum fixum um ein Stück weiter verschoben ist. Wenn die dem fixierten Skelete zunächst gelegenen Muskelfasern an der Grenze ihrer Kontraktionsmöglichkeit angelangt sind, beginnen die folgenden an der Sehne inserierenden Fasern mit der Kontraktion, usw. (wir können also auch von einer longitudinalen Kontraktions- welle sprechen); je weiter aber die Muskelfasern an der Sehne in- serieren, desto weiter reichen sie auch an das bewegte Skeletstück heran, aus diesem Umstande resultiert die abgerundete oder drei- eckige Form des eigentlichen Muskelendes. Durch diese theoretischen Überlegungen ist die schon an und für sich wahrscheinliche, physiologische Grenze der Einflußsphären beider Fixierungen begründet. Da die Abdominalmuskeln auch mit einer Kraftriehtung zum Thorax bei nicht fixiertem Abdomen wirken, so ist dem Vorhergehenden hinzuzufügen, daß das punctum fixum, gegen welches die größere und leichtere Kraftentfaltung des Muskels mög- lich ist, bei den formbestimmenden Ursachen die Präponderanz hat. Wir wenden uns nun der speziellen Tätigkeit der Muskeln zu. Die Muskeln der vorderen Hälfte des Halbringes, soweit sie Bein- und Thoraxmuskeln sind, gehören nicht in unsre Arbeit, die einzigen für uns in Betracht kommenden Vertreter der vorderen Halbring- hälfte sind die Muskeln der thoraco-abdominalen Verbindung. Die Muskeln der dorsalen Region liegen über der Bewegungsachse, welche wir uns im anatomischen Teil als verbindende Linie zwischen den beiden symmetrischen, falschen Gelenken gedacht haben, die Muskeln der lateralen Region liegen unter dieser Achse. Der Muskel Me wird das erste, bzw. auch das zweite Tergit um die Achse nach oben 186 Robert Nicolai Streiff, drehen, er wird den Vorderrand des ersten Tergits dem Hinterrand des Metanotums nähern, also die beiden ersten verbundenen Tergite strecken. Seine Trabanten haben dieselbe Wirkung, wenigstens die- selbe Wirkungsrichtung. Der Muskel Mg dreht die beiden verbun- denen Tergite um die Achse nach unten, er beugt sie. Gegenüber der gewöhnlichen Anschauung, daß die Strecker des Insektenabdomens die Tergitmuskeln sind, die Beuger die Sternit- muskeln, haben wir sowohl Strecker als auch Beuger im Tergit eben nachgewiesen; bei der außerordentlich starken Ausbildung, welche die Tergite den Sterniten gegenüber erfahren haben, ist es erklärlich, daß auch in den folgenden Segmenten Streekung und Beugung in erster Linie durch die Tergitmuskulatur bewerkstelligt werden. Die Verteilung der beiden Funktionen auf die Muskel- gruppen ist die gleiche, die dorsale übernimmt die Streekung, die laterale die Beugung. Die Angelpunkte liegen in den aus dem anatomischen Teil bekannten Ecken des Tergithinterrandes; die borstenfreien Hinterrandsbänder, welche in der Medianlinie breit sind, und auf die Ecken spitz zulaufen, sind die Bewegungsmarken, in der Medianlinie, wo die Einschiebung eines Tergits in das vorhergehende am tiefsten zustande kommt, sind die Bänder infolgedessen auch am breitesten. Die Muskeln der dorsalen Region e und f liegen über der Achse, sie sind Strecker, der Muskel g der lateralen Region (über dem Muskel % sprechen wir im zweiten Abschnitt) liegt unter der Achse, er ist der Beuger. Wir haben die Bewegung des mit seinen Enden fixierten Halbringes schon angedeutet, wenn die Glieder der vorderen Hälfte gestreckt werden, werden die Glieder der hin- teren gebeugt, und umgekehrt. Der Muskel Me wirkt also gleich- sinnig mit den Muskeln 9, während der Muskel Mg mit den Muskeln e und f zusammenwirkt (Fig. 11 u. 12). Die sternitalen Längsmuskeln rücken die Sternite in der Richtung nach vorn; da die ersten vier Sternite zwischen dem fixierten Thorax und dem fixierten (wenn dieses der Fall ist) fünften Sternit liegen, können sie durch die Wirkung ihrer Muskulatur auch nach hinten gerückt werden, in beiden Fällen werden sie stramm gezogen, also fixiert. Die transversalen Muskeln stellen die Tergite bei der Streckung oder Beugung über den Sterniten ein. Die ursprüngliche Wirkung der Transversalmuskeln scheint mir also darin zu liegen, daß sie die konkurrierende Wirkung der Tergit- und der Sternit- muskeln ermöglichen; bei nicht fixiertem Abdomen wird durch ihre Tätigkeit jedes Segment in ein labiles Gleichgewicht gebracht, also Über das >unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 187 fixiert, es wird dadurch erst den Muskeln des folgenden Segments möglich eine Wirkung — mit der Kraftrichtung zum Thorax — zu entfalten. muskeln, je nachdem, ob die Sternite nach vorn oder nach hinten gerückt sind, die Ter- site ebenfalls ein we- nig nach vorn — Mus- kel a, bzw. nach hinten — Muskel 5 und brin- sen sie dadurch erst jedesmal in die Lage, welche die Wirkung der das Körpergewicht herstellenden Tergit- muskeln ermöglicht. Die Transversalmus- keln sind die Lücken- büßer, welche die Kontinuität der von Segment zu Segment fortschreitenden Bewe- gung, der Streckung oder Beugung ermög- lichen. Ich möchte die Transversalmus- keln und ebenso die Sternitmuskeln als reine Bewegungsmus- keln den Tergitmus- keln als Gleichge- wichtsmuskeln gegen- überstellen. Daß einige Tergitmuskeln nur bei bestimmter Einstellung der Segmente zu wir- Ist das Abdomen fixiert, so verschieben die Transversal- x* Vert-A. Textfig. 11 und 12. Schematische Darstellung für die Bewegung des Halbringes. schiebung der vertikalen Thoraxachse nach vorn. In Tätigkeit sind dabei die Strecker der hinteren Hälfte des Halbringes, des Abdomens und die Beuger der vorderen Hälfte des Halbringes, der Muskel Mg der thoracal-abdominalen Verbindung und die Beuge- Ver- muskeln der Beine. Verz.-A, Vertikalachse des Thorax; 7, Thorax; B, Bein; die kleinen Kreise sind die Angelpunkte der Bewegung; X, hinter dem Angelpunkt gelegener Beugemuskel des Beines. Fig. 12. Verschiebung der vertikalen Thoraxachse nach hinten. In der hinteren Halbringhälfte wirken die Beuger, in der vorderen die Strecker. X’, vor dem Angelpunkt gelegener Strecker des Beines. ken imstande sind, dafür hoffe seh im zweiten Abschnitt des physio- logischen Teils ein andres Beispiel zu geben, und damit meiner An- sicht eine weitere Stütze zu verleihen, 188 Robert Nicolai Streiff, Die Bewegung des sechsten und siebenten Segments des Weib- chens geht in derselben Weise vor sich wie die der beschriebenen Segmente, das sechste und siebente Segment des Männchens kommen für die Allgemeinbewegung des Abdomens kaum in Betracht. Die Begattungsbewegungen. Zu allererst möchte ich mit der folgenden Tatsache vorausgreifen: die Aufwärtsbiegung der letzten Segmente des weiblichen Abdomens als Vorbereitung zur Begattung, wie sie REICHERT bei Conops beobachtet und Durour bei Physocephala gesehen hat, ist bei Sicus nicht möglich, es findet bei dieser Gattung nur eine Geradstreckung der letzten Abdominalsegmente statt. Die ganze Organisation der letzten Segmente, insbesondere des fünften und sechsten, und die Anordnung der Muskulatur schließt schon theoretisch eine Aufwärts- biegung aus; Versuche an frischen oder eingeweichten Individuen bestätigten mir die theoretische Voraussetzung, die Aufwärtsbiegung des Abdomens gelang nicht, während gleiche Versuche mit Üonops und Physocephala der Beobachtung der beiden genannten Entomologen durchaus entsprachen. Die starke Ausbildung des fünften Sternits beim Weibchen im Vergleich zu der viel schwächeren beim Männchen, die Ausbildung eines »unpaaren Organs« erklärt sich aus den gesteigerten Ansprüchen, welche an die Muskulatur zur Geradstreckung der letzten fünf Ab- dominalsegmente gestellt werden; um eine gesteigerte Wirkung hervor- zurufen, muß ein verstärkter Widerstaud da sein. Der verstärkte Widerstand wird erstens einmal durch die ver- srößerte Berührungsfläche des Sternits des fünften Segments mit der Unterfläche hervorgebracht, zweitens durch die Verbindung von Tergit und Sternit mittels eines falschen Gelenkes, das zähe und gleich- zeitig elastische Chitin des falschen Gelenks und die antagonisti- sche Tätigkeit der Transversalmuskulatur wirkt dem Muskelzuge entgegen und vergrößert infolgedessen die Kraft der tergitalen Muskeln. Dieselben Dinge gelten auch für die Sternite der folgen- den Segmente. Die umstehende schematische Darstellung (Fig. 13) zeigt die ungefähre Stellung der Segmente des Weibchens bei der Begattung. Der Winkel zwischen dem zweiten und dritten, und zwischen dem dritten und vierten Segment ist vergrößert, die letzten Segmente liegen nahezu in einer Geraden. ; Eine Muskeltätigkeit ist erforderlich erstens zur Erreichung der Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 189 Geradstreckung, zweitens zur Erhaltung des allgemeinen Körper- gleichgewichts in dieser neuen Stellung des Abdomens, die sich gewiß recht bedeutend von der gewöhnlichen, gekrümmten Stellung der Segmente zueinander unterscheidet. Sowohl die Geradstreckung als auch die Streckung der Segmente während der Gleichgewichts- schwankungen des Körpers können nur durch die Muskulatur der dorsalen Region der Segmente bewerkstellist werden. Beide Tätig- keiten sind aber insofern verschieden, als bei der Geradstreekung die in Frage kommenden Tergite die bewegten Skeletelemente sind, also ist z. B. bei der Geradstreckung des fünften Segments sein Tergit das bewegte Skeletelement, während das vierte Tergit in diesem Falle das fixierte Skeletelement ist, die Kraftwirkung des strecken- den Muskels erfolgt infolge- dessen in der Richtung zum Thorax; die Streckung der Segmente dagegen zur Gleich- gewichtserhaltung des Kör- pers geschieht natürlich unter denselben Allgemeinbedingun- gen, wie wir sie vom gekrümm- I ten Abdomen her kennen. Der Textfig. 13. : Schema für die Stellung der Segmente des weiblichen theoretischen Forderung Ver- Abdomens bei der Begattung. schiedener Muskelfunktionen entspricht wieder in schönster Weise das anatomische Bild, die Muskeln e und f zeigen ein so verschiedenes anatomisches Verhalten, daß wir un- bedingt eine vor sich gegangene Arbeitsteilung annehmen müssen. Der Umstand, daß die symmetrischen Muskeln fnach vorn und oben konver- gieren, mit ihren hinteren Ansätzen namentlich im fünften Segment recht tief hinunterrücken, vor allen Dingen aber, daß sie in Besitz einer sehr kräftigen Sehne sind, welche auf das abdominale punctum fixum hinzeigt, veranlassen mich, sie als Gleichgewichtsmuskeln zu betrachten. Die hohe Lage des vorderen Ansatzes und die von Seg- ment zu Segment niedriger werdende Lage des caudalen haben die Muskeln f des weiblichen Abdomens mit den Muskeln g gemeinsam, es scheint mir daher keinem Zweifel zu unterliegen, daß diese Stellung der Muskeln mit der Geradstreckung des Abdomens zusammenhängt. Durch die extraordinäre Stellung der Segmente des weiblichen Ab- domens bei der Begattung ist eine gefällige Form des weiblichen Abdomens unmöglich geworden, beim Männchen, wo die Extravaganz nicht oder wenigstens nicht in dem Maße stattfindet, ist die Rundung 190 Robert Nicolai Streiff, des Abdomens und die Stellung der Muskulatur eine gleichmäßige. Beim Weibchen findet also die eckige Form der Segmente und die auffällige Stellung der Muskulatur darin ihre Erklärung, daß dieselbe Muskulatur unter verschiedener Stellung der Skeletelemente zum ab- dominalen punetum fixum wirken muß. Als Bewegungsmuskeln, also als Geradstrecker der Segmente, bleiben die Muskeln e übrig. Ich möchte aber hervorheben, daß sie, insbesondere bei gekrümmtem Abdomen, auch als Gleichgewichts- muskeln in Betracht kommen, dafür spricht das Konvergieren der Fasern nach hinten — es sind also Muskeln, welche zwischen wechselnden Fixierungen liegen, sich infolgedessen nach beiden Polen hin kontrahieren können. Auffällig ist das Konvergieren der symmetrischen Muskeln nach hinten, welches, wie erinnerlich, im fünften Segment seinen Höhepunkt erreicht, die vorderen Ansätze der Muskeln reichen dabei seitlich von Segment zu Segment tiefer hin- unter, im fünften, wo eine sehr starke Kraft entfaltet werden muß, liegen die vorderen Ansätze am tiefsten, im sechsten allerdings, wo ebenfalls eine sehr starke Kraft zur Streckung des siebenten Segments wirken muß, laufen die symmetrischen Muskeln e parallel und nahe an der dorsalen Mittellinie. Ich kann mir diese eigentümlichen Ver- hältnisse nur in Zusammenhang mit der verschiedenen Lage der Angelpunkte erklären. Die falschgelenkige Verbindung des sechsten und siebenten Tergits liegt bekanntlich relativ sehr hoch, über dem großen Muskel 96, im obersten Teile der lateralen Region; diese Lage scheint sehr günstig für die Tätigkeit des Muskels e6 zu sein und macht den in diesem Segment fehlenden Muskel f auch wirklich überflüssig; der Mnskel e6 ist Bewegungsmuskel und ebenso Gleich- gewichtsmuskel in beiden Stellungen des Segments; wie wir wissen, laufen seine Fasern parallel; hinzufügen möchte ich noch, daß er auch von eigenartiger histologischer Struktur ist. Im fünften Seg- ment liegt die Bewegungsachse sehr tief, der vordere Ansatz des Muskels e5 ist ihr entgegengerückt. Bei diesen Dingen spielt die Länge der Hebelarme, an welchen die Muskeln wirken, eine Rolle; eine Untersuchung in diesem Sinne kann genau nur durch Messungen erfolgen. In der Form der Tergitmuskeln und in’ der tergitalen Verbindung mit dem folgenden Segment nahm das siebente Tergit bereits im anatomischen Teil eine Sonderstellung ein; entsprechend den ana- tomischen Tatsachen, begegnen wir hier einer besonderen Bewegungs- weise des achten Tergits. Der beschriebene Zapfen in der dorsalen Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 191 Medianlinie, welcher in einer entsprechenden Grube des Vorderrandes des achten Tergits sitzt, verlegt den Angelpunkt der Bewegung in die dorsale Medianlinie und schließt daher von vornherein eine Streckung (Aufwärtsbiegung) des achten Tergits durch direkte Muskel- tätigkeit aus: daraus resultiert, daß alle Muskeln des Tergits, also auch der Muskel e? Beugemuskeln sind. Die lange Sehne des dünnen Muskels e7 ist Zeuge davon, daß er sich den Gesetzen der Muskel- form unterwerfen mußte; er leitet gemeinsam mit dem Muskel 97 beugende Bewegungen zur Erhaltung des Gleichgewichts ein. Wie geschieht aber die Streckung des achten Tergits? Es liegt nur eine Möglichkeit vor: die Chitindecke des siebenten Tergits wird infolge der Streckung des Tergits durch den Muskel e6 in andre Spannungs- verhältnisse gebracht, was bei der sonderbaren Form des siebenten Tergits durchaus zu er- warten ist, die Hinter- ecken des Tergits rücken 7; auseinander, d. h. entfer- nen sich von der media- nen Längsfläche, in dieser Stellung aber kann sich der in das siebente Seg- ment eingeschobene Teil des achten Tergits nicht halten und klappt heraus; gleichzeitig klappt auch das hinter dem siebenten Sternit gelegene, umge- kehrt trapezförmige Ske- Textfig. 14. Weibchen des Conops vesicularis;, spitzer Typus des »unpaa- letstück heraus. In Paren- ren Organs«. /Js, fest gewordene Intersegmentalhaut zwischen *% r dem Unterrand des fünften Tergits und dem fünften Sternit; these möchte ich bemer- eT, Teil des vierten Tergits, aus weicherem Chitin bestehend, 1 Srta welcher bei der Aufwärtsbiegung der letzten Segmente ein- en, dab eine Aufwärts geschoben wird. biegung des siebenten Tergits beim Männchen genau in derselben Weise durch Veränderung der Chitinspannung vor sich geht. Zur Begattung also streckt das Weibchen seine hinteren Seg- mente, die vier Füßchenborsten tragenden Sternite werden dabei fixiert. Die Beteiligung des Abdomens an den Gleichgewichts- bewegungen wird in der Begattungsstellung der Segmente durch die- selben Muskeln bewerkstellist, wie bei der gewöhnlichen einge- krümmten Stellung der Segmente. Mit der Begattungsstellung hängt 192 Robert Nicolai Streiff, sicherlich auch die schräge Stellung der Thoraxachsen zusammen, wo- durch sich das Weibchen, wie im anatomischen Teil bemerkt wurde, vom Männchen unterscheidet. Ist die Begattung beendet, so beginnt eine sehr schwere Arbeit für das weibliche Tier: die Zurückziehung (Beugung) der ausgestreckten hinteren Segmente. Die noch nicht besprochenen lateralen Muskeln 7 der Tergite und die Sternitmuskeln c, insbesondere die riesigen des fünften und sechsten Segments, müssen diese Aufgabe vollbringen. Was die Muskeln % anbetrifft, so sind zwei Dinge von beson- derem Interesse: erstens das Vorhandensein der Muskeln % neben den Muskeln g und zweitens die starke Ausbildung der: Muskeln im fünften und sechsten Segment. Ich komme zurück auf die bereits bei der Durchnahme der Transversalmuskeln ausgesprochene Ver- mutung, daß die Muskeln 9 als Gleichgewichtsmuskeln nur in einer bestimmten Stellung zu wirken imstande sind: sind sie aus den Grenzen ihrer Wirkungsmöglichkeit verrückt, so müssen sie erst wieder durch Bewegungsmuskeln eingestellt werden. Den Muskeln g des Weibchens fällt die besondere Aufgabe zu, in verschiedenen Stellungen der Skeletelemente wirken zu müssen, in der gewöhnlichen, eingekrümmten Stellung der Segmente und in der Begattungsstellung; aus der einen Stellung aber in die andre können die Segmente nur durch die Tätigkeit der Bewegungsmuskeln gebracht werden, die Geradstreckung der Segmente haben wir besprochen, die Beugung bis zur gewöhnlichen Stellung muß tergital der Muskel % vollführen. Die einseitig polare Ausbildung der Muskeln g tritt dabei auch wieder deutlich zu Tage: sie können nur mit einer Kraftrichtung zum ab- dominalen punctum fixum wirken, können also für die Bewegung der Segmente nur als Gleichgewichtsmuskeln, nicht aber als Bewegungs- muskeln in Betracht kommen. Daher das Vorhandensein der Mus- keln % neben den Muskeln g. Die stärkere Ausbildung der Muskeln A im fünften und sechsten Segment hängt damit zusammen, daß die Segmente sehr erheblich gestreckt sind; bei der Einkrümmung aber lösen sich das fünfte und sechste Sternit vom Boden, die Fixierung des fünften und sechsten Tergits ist infolgedessen nur eine indirekte und der Widerstand ein schwächerer: die Kraft, welche durch einen stärkeren Widerstand erzielt werden könnte, muß bei den Muskeln %5 und 6 durch die Vergrößerung des Muskelquerschnitts erreicht werden. Im dritten und vierten Segment sind die Muskeln h be- deutend kleiner, dort ist aber auch die Streckung der Segmente eine viel geringere. Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 193 Die zur Zurückziehung der geradgestreckten Segmente erforder- liche Kraft wird ferner durch die außerordentlich großen Muskeln c gegeben. In gleicher Weise wie die Muskeln 5 und %h6 sind diese Muskeln ein Beispiel dafür, wie der fehlende starke Widerstand durch Muskelvolumen ersetzt werden muß. Eine Deutung hat der dünne Muskel im fünften Segment, welchen wir als abgeteilte obere Portion des Muskels c5 kennen gelernt haben, nötig, ebenso die ana- loge Portion des Muskels c£. Wenn die Segmente zur Begattung gestreckt werden, wird der Vorderrand des fünften Sternits von dem Hinterrand der umgekehrt trapezförmigen Platte des fünften Segments sehr weit entfernt, ich glaube daher, daß der Muskel c5 nicht früher zu wirken imstande ist, als seine kleine obere Portion die beiden Enden des Sternits bis zu einer bestimmten Grenze einander genähert hat. Der kleinen oberen Portion würde die physiologische Eigen- schaft größerer Dehnbarkeit zukommen — ähnliche Fälle müßten anderweitig untersucht werden, um eine völlige Sicherheit darüber zu erlangen. Histologisch unterscheidet sich die kleine obere Portion recht bedeutend von dem Stammmuskel, die Fasern sind vor allen Dingen viel dünner, haben aber auch eine eigentümliche Struktur, so daß wir auf Grund der Histologie unbedingt verschiedene Funk- tionen der beiden Teile des Muskels annehmen können. Im vierten Segment haben wir für die Muskeln c4 ein ähnliches physiologi- sches Bild. Abnorme Verhältnisse treffen wir wieder im siebenten Segment, wo der Muskel % plötzlich eine sehr solide Sehne aufweist: er ist hier, ebenso wie der Muskel e’, infolge der abnormen Bewegungs- verhältnisse in das Lager der Gleichgewichts-Beuge-Muskeln über- getreten. Die Zurückziehung des achten Tergits geschieht, da es mit dem sternitalen, umgekehrt trapezförmigen Skeletstück fest verbunden ist, auch durch die Wirkung des Muskels c7, im übrigen helfen jeden- falls die Transversalmuskeln des siebenten Tergits und das Aufhören der Chitinspannung mit; das Tergit klappt zurück. Wenn das Weibchen sich zur Begattung präpariert hat, ist es natürlich etwas länger als das Männchen, welches, um seine männ- lichen Funktionen erfüllen zu können, ebenfalls seine Segmente streeken muß — über die Hebung des siebenten Tergits sprachen wir schon. Die Streekung, welche sich hier nur in engen Grenzen - hält, erfolgt wie beim Weibchen durch die Muskeln e, die Muskeln f haben dann in der neuen Stellung das Körpergleichgewicht zu halten ; ihre Tätigkeit ist eine leichtere, sie haben infolgedessen nicht die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 13 194 Robert Nicolai Streiff, auffällige Stellung der Muskeln f des Weibchens, dasselbe gilt, wie bereits besprochen, für die Muskeln 9. Die im anatomischen Teil beschriebene Zange am Hinterrand des siebenten Tergits dient jeden- falls dazu, das Weibehen zu umfassen und dadurch das Gleichgewicht des männlichen Abdomens stabiler zu machen. Die Zurückziehung der Segmente erfolgt im dritten und vierten Segment analog wie beim Weibehen durch die Muskeln %, wie aber geht sie im fünften. Seg- ment vor sich, wo der Muskel h fehlt? Wir wissen aus dem ana- tomischen Teil, daß das sechste Tergit mit seinem Unterrande fest mit dem vorderen Teile des sechsten Sternits verbunden ist, an das sechste Sternit aber setzt der auch beim Männchen relativ sehr kräftige Muskel e5 an: durch seine Kontraktion wird das sechste Sternit und mit ihm das sechste Tergit angezogen, bzw. gebeugt; der Muskel h5 konnte also gespart werden. Damit hätten wir die Mechanik des Abdomens von Sicus be- schlossen. Mit ein paar Worten möchte ich noch auf das Fehlen der intersegmentalen Tergitmuskulatur im ersten Segment eingehen. Nach dem Gesetz der Erhaltung der Kraft kann insbesondere der Muskel g nicht ohne weiteres verschwinden, da ein Aufhören seiner Tätigkeit infolge der stetigen Beugung des Abdomens nicht angenommen werden kann, er kann also nicht atrophiert sein. An seine Stelle muß also etwas andres getreten sein. Ich halte die eigentümliche Verbindung des Thorax mit dem Abdomen, die teilweise Einfaltung des ersten Tergits zu einer endoskeletalen Skeletleiste für das Produkt der Tätigkeit des Muskels 97 im Laufe des generellen Lebens unsrer Art. Eine solche Verbindung des ersten Tergits mit dem Thorax findet sich, soweit es mir bekannt ist, für gewöhnlich nicht; wohl in den meisten Fällen geschieht die Verbindung des ersten Tergits mit dem Thorax in gleicher Weise, wie wir es in der Verbindung des ersten Sternits mit dem Thorax bei unsern Fliegen kennen gelernt haben, also nur an zwei Punkten ist eine zähe Verbindung vorhanden. Nur die Entwicklungsgeschichte kann vollständige Aufklärung dieser Frage bringen, ebenso darüber, ob die Trabanten des Muskels Me eventuell die Reste der dorsalen Muskelgruppe des ersten Tergits vorstellen. | Man könnte einen Vorgang, wo die Kraft eines Muskels nicht nach außen verausgabt wird, d.h. nicht in Bewegung umgesetzt wird, sondern nach innen gerichtet ist und zur Formveränderung des Körpers : verwandt wird, mit dem vorhandenen Ausdruck als Entropie be- zeichnen. Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 195 Inwieweit die Conopiden unter den Dipteren ein eigenartiges Muskelsystem besitzen, muß durch weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet festgestellt werden. Voraussichtlich wird sich unter blüten- besuchenden Fliegen andrer Gattungen eine ähnliche Abdominal- muskulatur konstatieren lassen. Was die Mechanik der im anatomi- schen Teil besprochenen Hymenopteren betrifft, so glaube ich, daß sie der von Sicus entspricht, weil, wie bereits angedeutet, sicherlich auch ihr Abdomen als Stützorgan fungiert. In der Tabelle habe ich die abdominalen Muskeln der vier untersuchten Objekte so geordnet, daß ich die Muskeln der Hymenopteren, welche ich denen von Sicus für analog halte, in denselben horizontalen Reihen untergebracht habe, gleichzeitig aber für jeden Muskel die ihm vom betreffenden Autor zugeschriebene Funktion (mit Ausnahme von NAssoNow, welcher keine angibt) und Zuzählung in die vom Autor aufgestellten Muskel- gruppen in vertikalen Reihen notiert. Die eine vertikale Reihe, welche die Lage der Muskeln der Hymenopteren zum Angelpunkt angibt, stützt sich auf meine Vermutung; daraus folgend, sind auch die Analogie- schlüsse bezüglich der Funktion der Muskeln der Hymenopteren nur als meine vorläufige Ansicht anzusehen. Da die Sternite der Hymenopteren wohlausgebildet sind, so nehmen sie an der Bewegung regen Anteil, dafür spricht die in gleicher Weise wie im Tergit ausgebildete Muskulatur. Die Ver- teilung der Funktionen ist aber hier naturgemäß eine andre: die über dem Angelpunkt gelegene Muskulatur, die laterale, bzw. die ventral-laterale Gruppe besorgt die Streekung, die unter dem Angel- punkt gelegene, die ventrale dagegen die Beugung. Wenn, wie ich annehme, zwischen Tergit und Sternit eines jeden Segments auch ein falsches oder wahres Gelenk, also ein Angelpunkt für die Bewegung besteht, so beugen die vor dem Angelpunkt gelegenen Transversal- muskeln bei fixiertem Tergit das Sternit, bei fixiertem Sternit strecken sie das Tergit, die hinter dem Angelpunkt gelegenen Muskeln haben - die umgekehrte Wirkung. | Von den Hymenopteren besitzt nur Myrmica in der dorsalen Muskelgruppe, entsprechend auch in der ventralen den typischen Gleichgewichtsmuskel, welcher dem Muskel f, bzw. g von Steus funktionell entspricht. In den beiden lateralen Gruppen, der dorsal- lateralen und der ventral-lateralen haben sie alle den Muskel, welcher unserm Muskel g, bzw. f entspricht. Lasius hat in der dorsal-late- ralen Gruppe außer diesem noch einen bandartigen, dem Muskel % analogen, welcher sich auch im Sternit findet, doch hier in der 13* 196 Robert Nicolai Streiff, ventralen Region, er ist also dem Tergitmuskel funktionell analog: für die Beugung der Abdominalsegmente ist damit bei Zasius in sanz besonderer Weise gesorgt. Bei nicht fixiertem Abdomen, bei einer Kraftrichtung zum Thorax können die Bewegungen lediglich durch die mittleren Muskeln der dorsalen Gruppe des Tergits und der ventralen des Sternits mit Zu- hilfenahme eines Transversalmuskels vollzogen werden. Die Beugung des Sternits geschieht durch den Sternitmuskel, das Tergit kann dann durch den hinter dem Angelpunkt gelegenen Transversalmuskel ge- beugt werden, die Streckung bewerkstelligt der Tergitmuskel und derselbe Transversalmuskel. Myrmica hat überhaupt nur diesen einen Transversalmuskel. Hiermit wäre die gewöhnliche Anschauung von der Bewegung des Abdomens, wonach die Streckung im Tergit, die Beugung im Sternit geschieht, zum Teil gerechtfertigt, anderseits seht aber daraus auch wieder hervor, daß die reiche Abdominal- muskulatur wichtigeren Zwecken dient. In einem morphologisch und ebenso physiologisch wichtigen Punkte unterscheiden sich die Ameisen (wahrscheinlich auch die Bienen) von Stcus in ihrer abdominalen Muskulatur. Bei den Ameisen liegt die anatomische Grenze der Einflußsphären der pedalen und der abdominalen Fixierungen nicht im Abdomen selbst, wie bei Sıeus. Die Fasern der Muskeln aller Abdominalsegmente, auch des »segment mediaire« konvergieren, falls sie nicht parallel verlaufen, nach hinten, desgleichen zeigen die Muskeln, welche eine Sehne besitzen, mit dieser nach hinten. Der Einfluß der abdominalen Fixierung reicht bis in den Thorax hinein, wie das bei jedem Fuß der Fall ist: die Grenze der Einflußsphären liegt im Mittelpunkt des Körpers, welcher (der Mittelpunkt) gegen jede Extremität, auch gegen das Abdomen oder gegen den Kopf, wenn dieser beim Beißen oder beim Ziehen schwerer einen Widerstand leistender Lasten eine gewisse Fixierung hat, verschoben werden kann. Diese Verschiedenheit zwischen Szcus und den Ameisen kann unter Umständen von Wert für die Erforschung der Phylogenie der Dipteren und Hymenopteren sein. Der Stiel der Hymenopteren ist vom mechanischem Standpunkte aus jedenfalls eine Einrichtung, welche eine freiere und leichtere Beweglichkeit des Abdomens herbeiführt, er ist in dieser Beziehung dem Trochanter des Insektenbeins ähnlich. Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 197 Schlußbetrachtung. Für alle andern Gattungen habe ich nicht genügend frisches Material zur Untersuchung bekommen können, in den meisten Fällen fehlte es mir vollständig; was ich daher in dem folgenden sage, habe ich größtenteils nur aus der äußeren Form der betreffenden Gattungen an trockenen Exemplaren schließen können. Die Art und Weise der Präparation des Weibchens zur Begattung, nur eine Geradstreckung der letzten Segmente, haben die Gattungen Myopa und Glossigona mit unsrer Gattung Secus gemein. Des- gleichen ist das »unpaare Organ« nach demselben Typus gebaut, es ragt nur noch weniger als bei Siceus hervor, ist daher im Profil kaum zu sehen. In der Form des Abdomens unterscheiden sich beide Gattungen dadurch von Sicus recht auffällig, daß sie in dorso- ventraler Richtung platt gedrückt sind, die Formen aber der einzelnen Segmente, insbesondere z. B. der letzten drei Segmente des weiblichen Abdomens weisen unbedingt den charakteristischen Typus der gleichen Segmente des Sicus-Abdomens auf. In andrer Weise gestaltet sich das Liebesspiel des Weibchens bei dem Conops-Typus, wie dieses zu Anfang der Einleitung berichtet worden ist. Die Gattungen Conops, Physocephala, Zodion und Oe- cemyia gleichen sich, wie ich mit Bestimmtheit sagen zu können slaube, darin, daß den weiblichen Individuen die Fähigkeit der Auf- wärtsbiegung der letzten Segmente zur Begattung zukommt. Darin allerdings, wie viel Segmente nach aufwärts gedreht werden können, unterscheiden sich Conops und Physocephala einerseits und Occemyia (wahrscheinlich auch Zodion) anderseits voneinander. Bei allen diesen Gattungen ist das »unpaare Organ« anders als bei Sicus ge- staltet, da wir aber über das »unpaare Organ« von Sicus völlig orien- tiert sind, können wir die andern Formen des Organs ohne Schwierig- keit ableiten. Entsprechend den in der Einteilung erwähnten zwei verschiedenen Bezeichnungsweisen des Dipterenforschers Low, unterscheiden wir bei Conops und Physocephala zwei Typen des Organs. Denken wir uns, daß die Sternitplatte nicht mit ihrer Fläche, sondern mit ihrem Hinterrande und mit der umgekehrt trapezförmigen hinteren Platte die Unterlage berührt, daß die Sternitplatte infolgedessen nicht paral- lel zur Längsachse des Segments gelegen ist, sondern fast senkrecht zu ihr steht, so haben wir den spitzen Typus des »unpaaren Organs«, wie er z. B. bei der Art Conops vesicularis zum Ausdruck kommt 198 Robert Nicolai Streiff, (Fig. 14 u. 15); diese Form entspricht der Lorwschen Bezeichnung Klappe. Die ganze Sternitplatte bildet die vordere, bzw. die obere Wand des Organs, die hintere oder untere wird von der umgekehrt trapezförmigen Platte gebildet, welche hier viel länger ausgezogen ist, als bei Sicus. Das eigentliche Sternit hat eine glatte Oberfläche, frei von Füßchenborsten, der andre Teil ist in der vorderen Partie ganz von Füßchenborsten bedeckt. Denken wir uns die Sternitplatte des fünften Segments etwas hinter der queren Mittellinie nach außen (konvex) gefaltet, ihre hintere Partie nach oben und vorn umgeklappt, an Stelle des umgekehrt trapezförmigen Skeletstückes die hintere Partie des Sternits selbst, so haben wir den zweiten Typus des »unpaaren ÜOrgans«, den stumpfdreieckigen, Lorws Falte; die Füß- chenborsten sitzen na- turgemäß auf dem ein- geklappten hinteren Teile des Sternits. Durch die Ver- längerung des fünften Nloina. Sternits nach unten Weibchen des Conops vesicularis in der Begattungsstellung; ge- wird der untere, unter zeichnet nach einem eingeweichten Objekt, dessen hintere Seg- mente aufgebogen worden waren. dem falschen Gelenk gelegene Hebelarm ver- längert, der obere an dem der Streckmuskel ansetzt, infolgedessen in- direkt verkürzt, der Streckmuskel ist daher imstande eine größere Kraft auszuüben; die letzten Segmente vom sechsten an werden von ihrer Fixierung am Boden gelöst und nach oben gekehrt. Anatomisch, soweit es das Skelet betrifft, ist die Möglichkeit der Aufwärtsbiegung insofern gegeben, als der Vorderrand der in Frage kommenden Tergite namentlich im unteren Teil, in der lateralen Region relativ sehr weit endoskeletal vorgezogen ist und in das vorhergehende Tergit teleskopartig hineinragt. Die Vertreter des Conops-Typus sind aber nicht nur imstande die letzten Segmente vom sechsten an von der Unterlage zu lösen und nach oben zu kehren, sondern auch das fünfte Sternit, also das »unpaare Organ«, wird vom Boden abgehoben, das ganze fünfte Segment wird auch nach oben gekehrt. Die Loslösung des »unpaaren Organs« von der Unterlage bei der Begattung Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 199 kann im Laufe des generellen Lebens nur allmählich vor sich gegangen sein und ist etwa in der folgenden Weise vorstellbar: der Streckmuskel des fünften Tergits, der Muskel e4, hat wahrscheinlich in ähnlicher Weise, wie z. B. die Muskeln der thoraco-abdominalen, tergitalen Verbindung ein oder vielleicht sogar mehrere Segmente kopfwärts übersprungen und wirkt infolge der größeren Nähe zum fixierten Thorax mit größerer Kraft. Diese Vermutung kam mir bei der Präparation eines getrockneten und eingeweichten Weibchens der Gattung Conops vesicularıs, als ich zwei, allerdings sehr deformierte, Stränge fand, welche vom Vorderrand des fünften Segments ausgingen und in der Nähe des Thorax (vielleicht an ihm selbst) inserierten; Genaues kann ich nicht sagen, da durch das Austrocknen alle Weich- teile unkenntlich geworden waren. Es scheint mir fast wahrscheinlich, daß die Gattungen Occemyia und Zodion auch heute noch auf dem von ÜConops und Physocephala bereits überwundenen phylogenetischen Standpunkt stehen, daß sie nur die letzten Segmente vom sechsten an nach aufwärts zu biegen imstande sind, das fünfte Segment aber, bez. das »unpaare Organ« nicht vom Boden lösen, sondern es als Stützorgan benutzen. Ich glaube es deshalb, weil das »unpaare Organ«, welches bei Occemyıia dem spitzen Typus nahe kommt, auch im unteren Teile des eigent- lichen Sternits, also an der Vorderseite, Füßchenborsten hat. Genaues kann ich auch hierüber nicht sagen. Die Gattung Dalmannia, welche in ihrem Habitus und in der dorso-ventralen Abplattung des Abdomens dem Typus Myopa angehört, nimmt infolge der Beschaffenheit der sexualdimorphen Segmente des Weibchens eine Sonderstellung in der Familie der Conopiden ein: erstens, das Weibchen besitzt kein »unpaares Organ«, zweitens, die letzten Segmente, das achte und das neunte und auch der hintere Teil des siebenten sind zu einer langen Legeröhre ausgezogen, welche taschenmesserartig eingeklappt am Bauche getragen wird. Zum Schlusse möchte ich noch eine Frage hinstellen. Die bürstenförmige Anordnung der Füßchenborsten hat mich im- mer an die Sammelbürsten der Bienen erinnert. Ich halte es daher für möglich, daß die Sammelbürsten ursprünglich Stellen am Körper entsprechen, welche zur besseren Erhaltung des Körpergleichgewichts auf der Unterlage fixiert wurden, später haben sie weitere Funktionen übernommen. Die Stellen, an welchen sich die Sammelbürsten be- finden sprechen durchaus dafür: die Bauchsammler haben, ähnlich 200 Robert Nicolai Streiff, wie die Conopiden, ihren Bauch fixiert, die Beinsammler ihr erstes Fersenglied oder dieses und die ganze Tibia, um so ihren Muskeln eine größere Kraftleistung zu ermöglichen. Die starke Ausbildung des Stcus, STREIFF Sag are | | Benennung 1 En 1. Muskelgruppe Lage der einzelnen Muskel Funktion und er | Klassifizierung punkt mittlerer Muskel Extensor e | über dorsale Gruppe | | seitlicher Muskel Extensor f ‚oberer, bzw. innerer kon-| Flexor g vergierender Muskel mit Sehne laterale, bzw. dorsal- unten laterale Gruppe | | unterer, bzw. äußerer Flexor | h bandartiger Muskel | ohne Sehne schräger Muskel beide Funk- a tionen - | gerader Muskel beide Funk- b tionen | | Gruppe der transver- salen Muskeln intersegmentaler Trans- | beide Funk- == versalmuskel nur bei tionen s Apis, CARLET oberer. bzw. äußerer Extensor _ bandartiger Muskel laterale, bzw. ventral- fehlt überall 22; laterale Gruppe unterer, bzw. innerer Extensor — konvergierender Muskel mit Sehne : seitlicher Muskel Flexor — = ventrale Gruppe mittlerer Muskel | Flexor 6 201 Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. ersten Fersengliedes ist sicherlich auf seine feste Fixierung zurück- zuführen. Allein das Studium der Muskulatur kann uns über diese Dinge Gewißheit bringen. Myrmica, JANET asus, NASSONOW Apis, CARLET Lage über | Benennung Muskel- | Benennung Benennung oder unter : und gruppe und P > und dem Angel- | Muskelgruppe Kann Klassifizie- |Nassoxowu.| Klassifizie- | Funktion | Kjassifizie- punkt | rung CARLET | rung rung Verkürzung | m.d.m. % Aus- innere des Abdomens atmer | Dorsal- (teleskopartig) muskeln über Musecles A des Verlängerung | S. m.d.p. = ee des Abdomens dorsale Z— arceaux E unter ee Vergrößerung | S. m.d.a. Muskel- PS! Aus- äußere des dorsoven- gruppe atmer Dorsal- tralen Durch- muskeln messers E wu —- — —— Yı bd ee Fe zor ? _ _ = E= x Aus- äußere Be N, . : hafstikotnse, atmer | Obliqui hinter Muscles | Verringerung | m.d.v. tert Y2 Ein- Trans- des des dorsoven- a atmer versi arceaux |tralen Durch- dorsaux messers Muskel- Gruppe Ban re ? zB Er | 2 —- Aus- innere = atmer | Obliqui über Vergrößerung | S. m.v.a. %3 5 Aus- äußere desdorsoventr. atmer | Ventral- Durchm hseles ee muskeln des Verlängerung | S. m.v.p. | ventrale | 7, dd Aus- innere des Abdomens Müskel atmer | Ventral- aTceaux E ne muskeln unter dorsaux | Verkürzung | m.v.m. | gruppe 2 | Sem: inter- des Aldomens atmer | ventrale (teleskopartig) A E = Einatmer (JANET). S = Muskel mit Sehne. A = Ausatmer u, — Leipzig, im März 1906, bandartiger Muskel. 202 Robert Nicolai Streiff, Erklärung der Abbildungen. Liste der für alle Tafelabbildungen gültigen Bezeichnungen: Skelet. I, II, III usw., Tergite des ersten, zweiten usw. Segments; 1, 2, 3 usw., Sternite; Is, Intersegmentalhaut; skl, endoskeletale Leiste des ersten Tergits; hD, hinteres Dreieck der lateralen Region des /.7; e, Ecken der Tergite; Zn, median-dorsale Zapfenverbindung des siebenten mit dem achten Tergit; hk, hakenartige Gebilde des achten Tergits; Ob, Chitinbrücke im achten Tergit; eV, endoskeletaler Vorderrand im V, VI, VII und VII Tergit; Z, Zangen des Männchens am siebenten Tergit; b5f, Füßchenborsten am siebenten Tergit des Männchens; sS, schmaler, medianer Streifen der zweiten Hälfte der ventralen Region im III. und IV. Segment; vP, vordere Partie des 5., bzw. 6. Sternits beim Weibchen und 5. Ster- nits beim Männchen; hP, hintere Partie derselben Skeletstücke; uT, umgekehrt trapezförmige Skeletstücke der 5.und 6. ventralen Region des Weibchens; us, umgekehrt trapezförmiges Skeletstück hinter dem 7. Sternit des Weibchens; 6v, das vordere Stück des 6. Sternits des Männchens; Fl, erhabene Falte in der IV. ventr. Region des Weibchens; SF, $-förmige Figur bei der Verbindung der Sternite untereinander. di Muskulatur. Me, Dorsalmuskel der thoraco-abdominalen Verbindung. Mg, Lateralmuskel der thoraco-abdominalen Verbindung. Mgt, seine Portion, welche an der Skeletleiste inseriert. Me, Sternitmuskel der thoraco-abdominalen Verbindung. e2, ed, ei usw., mittlerer Muskel der dorsalen Region. /2 usw., seitlicher Muskel der dorsalen Region. 92 usw., oberer Muskel der lateralen Region. h3 usw., unterer, bandartiger Muskel der lateralen Region. c2 usw., Sternitmuskel. c#' u. c5’, obere Portion der Muskeln c# und cd. al, a2 usw., schräger Transversalmuskel. bl, b2 usw., gerader Transversalmuskel. Tafel IX und %. Fig. I. Thorax eines Weibchens von Sieus. Prothorax: vordere gelbe Partie. Seine einzelnen Bestandteile sind nicht alle in der Abbildung vonein- ander geschieden. %, Schulterbeulen (Humeri), accessorische Gebilde, welche Über das »unpaare Organ« der Dipterenfamilie der Conopidae. 203 ihrer Abstammung nach eventuell auch zum Mesothorax gehören können; si], Stigma des Prothorax; Ic, Coxa des ersten Beines, auffällig groß. Mesothorax: Dorsale Region: msn, Mesonotum; se, Scutellum; sp, Mesophragma; zwischen sc und msp eine kleine, den vorderen Teil des Meso- phragmas bildende Auswölbung: »sc, postseutellare Auswölbung; sed, seutellar- bridge, Verbindungssteg zwischen Scutellum und Flügelregion; prp, Paraphrag- men, Derivate des Mesophragmas, Homologa der Schulterbeulen (der Bildung nach). Laterale Region: mspl, Mesopleura; ppl, Pteropleura; die schraffierte Ellipse stellt die Flügelregion vor, deren Skeletstücke fortgelassen worden sind. Ventrale Region: seitlich hoch hinaufgehend;; mss2I, Mesosternum I; msszII, Mesosternum II; zwischen ihnen die Coxa des zweiten Beines, Ile. Metathorax. Die innere Grenze des Mesophragmas liegt unter dem Meta- notum — min — blau durchschimmernd. Der endoskeletale in das Abdomen hineinragende Halbring des Metanotums ist in etwas hellerem Ton angegeben. mitpl und kpl, die beiden lateralen Skeletstücke des Metathorax, Metapleura und Halteropleura. Zwischen ihnen liegt das metathoracale Stigma, siIl. Die Halterenregion ist schraffiert, ihre Skeletstückcehen sind fortgelassen. mistI, Metasternum I; tstII, Metasternum II; I/Ic, Coxa des dritten Beines. IA, erstes Abdominalergit; IZA, zweites; /st, erstes Abdominalsternit. skl, äußere Furche am ersten Tergit, welche der inneren Leiste entspricht. Vertikale und horizontale Achse sind mehr oder weniger willkürlich an- genommen, sie sollen den Eindruck, welchen man. von der Allgemeinform des Thorax bekommt, verstärken. Der ganze hintere, untere Teil des weiblichen Thorax ist nach hinten und unten ausgezogen. Fig. I. Abdomen des Weibchens. Nach einem getrockneten Exemplar gezeichnet. Die Ecke der Tergite ist nur beim zweiten bezeichnet (e), bei den andern tritt sie deutlich genug hervor, schon durch die Bewegungsmarken. Fig. II. Abdomen des Männchens. Nur sieben macroskopisch sichtbare Segmente, die beiden letzten etwas vergrößert, um sie ebenfalls zur Anschau- ung zu bringen. Die Angelpunkte sind wie beim Weibchen deutlich. Fig. IV. Ventrale Region der letzten Segmente des Weibchens. Alle Segmente sind gestreckt, daher sind fast alle Sternite in direkter Aufsicht; aus demselben Grunde sind auch die umgekehrt trapezförmigen Skeletstücke sicht- bar. »»G, weibliche Geschlechtsöffnung hinter dem achten Sternit. Fig. V. Ventrale Region des Männchens, ebenfalls sind die Segmente hier stark gestreckt. Die Penisregion, also der hintere der sechsten ventralen Region und die siebente ventrale Region sind herauspräpariert. Das siebente Tergit zeigt seinen Hinterrand. Von großem Interesse ist der Umstand, daß das Stigma des siebenten Segments in das sechste hinübergewandert ist und neben dem Stigma des sechsten Segments liegt, es ist der Beugung nicht ge- folgt, sondern steht ungefähr auf der Höhe, welche in einem bestimmten phylo- genetischen Stadium dem ganzen siebenten Segment zukam (St. 6 u. 7). Auch die Lage des Stigmas auf dem Tergit ist bemerkenswert, sie kommt auch den Stigmen des 5., 6. u. 7. Segments des weiblichen Abdomens zu. Fig. VI und VII. Muskulatur des weiblichen und des männlichen Ab- domens. Die eine Körperhälfte von innen gezeichnet. Muskel rot, Sehnen blau. SOME ITR Did pe F : Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE ; begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Göttingen Vierundachtzigster Band Zweites Heft Mit 5 Tafeln und einer Figur im Text LEIPZIG \ | Verlag von Wilhelm Engelmann Enz: : 1906 i nt Ausgegeben dem 14. August 1906 Inhalt Seite Eugen Botezat, Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel und die einheitliche Endigungsweise der peripheren Nerven bei den Wirbel- tieren. (Mit War. XI-XV m. einer Eig. ım Next. 205 Mitteilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, daß die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschiebungen und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponierung der Zeichnungen ist darauf zu achten, daß der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagsbuchhandlung Der Herausgeber Wilhelm Engelmann. Ernst Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Sonder- abdrucke unberechnet. Weitere Exemplare werden auf Wunsch gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert unter der Voraus- setzung, daß sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig Soeben erschien: SINNESORGANE IM PFLANZENREICH ZUR PERZEPTION MECHANISCHER REIZE VON DR. &. HABERLANDT 0. Ö. PROFESSOR AN-DER UNIVERSITÄT GRAZ ZWEITE, VERMEHRTE AUFLAGE Mit 9 lithographierten Doppeltafeln und 2 Figuren im Text gr. 8. A1.—. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel und die einheitliche Endigungsweise der peripheren Nerven bei den Wirbeltieren. Von Dr. Eugen Botezat. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Czernowitz.) Mit Tafel XI—XV und einer Figur im Text. Vorwort. Seit mehreren Jahren mit dem Studium der Nervenendigungen in den Hautgebilden von Wirbeltieren beschäftigt, erweiterte sich mir der Einblick in diese nicht nur schon an und für sich überaus interes- santen, sondern auch wegen der technischen Schwierigkeiten ihrer Untersuchung ganz besonders reizvollen Verhältnisse, wodurch sich mir immer mehr und mehr der Gedanke aufdrängte, daß die Art der Nervenendigungen überall dort, wo nicht Nervenzellen den Ter- minalapparat ausmachen, im Prinzipe die gleiche sein müsse, wenn es sich auch an den einzelnen Arten der Nervenendapparate bei einer nicht vergleichenden Betrachtung derselben um scheinbar verschiedene Arten handelt. Diesen Gedanken verfolgend, hatte ich schon vor zwei Jahren auf dem 74. Kongresse deutscher Naturforscher und Ärzte in Karlsbad Gelegenheit, eine gewisse Gleichförmigkeit in den Innervationsverhältnissen aller Wirbeltierklassen zu betonen, welche ich in meinem dortselbst gehaltenen Vortrage als Stütze für die MAUrERsche Lehre von der Abstammung der Säugetierhaare aus Hautsinnesorganen niederer Vertebraten verwertete. Auch habe ich zu jener Zeit noch die Anschauung von der Existenz intracellulärer Nervenendigungen neben den intercellulären vertreten, allein fort- gesetzte Untersuchungen ließen mich, wie in dieser Schrift ausgeführt werden soll, zweifellos erkennen, daß es dergleichen Endigungen von Nerven überhaupt nicht gibt, wodurch in dieser Richtung die Frage Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 14 206 Eugen Botezat, nach den Nervenendigungen definitiv erledigt erscheint. Es stellte sich vielmehr heraus, daß alle in dieser Schrift in Betracht kommenden Nerven mit Netzen von Neurofibrillen enden. Diese Tatsachen er- gaben sich aus der vergleichenden Betrachtung des in der vorliegenden Arbeit in erster Linie behandelten Gegenstandes über die Nerven- apparate in den Mundteilen der Vögel mit jenen der übrigen Wirbel- tiere. Daher ist es mit Rücksicht auf den soeben angedeuteten In- halt dieser Abhandlung leider nicht möglich gewesen, der Schrift einen kürzeren Titel zu geben oder anderseits etwa von »Unter- suchungen über usw.« zu sprechen, so sehr dies auch angestrebt wurde, da sich dieselbe eigentlich mit drei Themen befaßt, welche allerdings in einem gewissen Zusammenhang stehen. Das eigentliche Hauptthema behandelt die Nervenapparate des Vogelschnabels, ihre vergleichende Betrachtung mit den gleichwertigen Bildungen der übrigen Wirbeltiere bildet gleichsam einen zweiten Teil, wenn auch beide gleichzeitig abgehandelt werden, und als dritter ergeben sich die aus dieser Vergleichung hervorgehenden allgemeinen Schluß- folgerungen. Die Untersuchungen zu dieser Arbeit sind sämtlich in dem vom Herrn Professor DR. KARL ZELINKA verwalteten zoologischen Institute der h. o. Universität durchgeführt. Herr Professor ZELINKA ließ mir schon von je her in der bereitwilligsten und liebenswürdigsten Weise nicht nur alle notwendigen Hilfsmittel und Bequemlichkeiten, welche das Institut bieten kann, sondern auch nicht minder seinen persön- lichen Einfluß durch Rat und Tat in jeder Weise zukommen. Ich hatte schon zu wiederholten Malen Gelegenheit, in den von mir ver- öffentlichten Arbeiten dem Herrn Professor ZELINKA meinen tief- empfundenen Dank auszusprechen. Jetzt aber, da ich durch die vorliegende Abhandlung insbesondere wegen der Resultate, welche wohl von allgemeinem Interesse und ebensolcher Bedeutung sein dürften, eine Arbeit von größerem Umfange veröffentliche, glaube ich meinem aufrichtigen Danke gegenüber dem sehr verehrten Herrn Professor ZELINKA in keiner besseren Weise Ausdruck geben zu können, als dadurch, daß ich ihm diese Schrift widme. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 207: Inhalt. Seite LEINE en a ae ee 27208 Material und Unteggsuchungsmethoden . ....... 2... een: 209 TI ILS AT REN a N EEE er Re BE Er EEE 214 Beessknmaraterder Nerven , .. . .i. 0... re 8, 228 MeblienNervenendapparate der Beinhaut, ... „u... „Misc... 223 PB Nervenendapparate der Muskeln. . .. . .... 2'..%..08% 225 a),Die Nervenendapparate der Blutgefäße . .. . 2.1... 22 230 BE Nervenendapparate der Drüsem » D... 32.2.2 236 5) Die Nervenendapparate der Haut (Hautsinnesorgane) . . ..... 242 ERe Nervenendapparate: der Cutise, u 2. un nn 243 I. Freie Nervenendapparate (freie Tastapparate) . . ... . =.243 1) Dichte, baumartige Endnetze im Cutisstroma . . . . 244 2) Knäuelartige Terminalnetze in den Cutispapillen . . 249 3) Lockere Terminalnetze in den Cutispapillen. . . . . 251 4) Baumartige Endnetze in den oberflächlichsten Cutis- Semiehten (basalmembran) 2 .......0 2 223"... 253 II. Nervenendapparate mit Nebenorganen (zellige Tastapparate, BESROrperehen) Br. 2. nero an aa se 259 2 MmprenschesKRörperehen:.. . 2°, . 2 m 2.2... ,220 261 1) Nicht eingekapselte, freie oder eigentliche MERKEL- SenerRorperebenet nel. Pe ns 261 «@. Einfache MErRKELsche Körperchen. . . . . 271 3. Zusammengesetzte MERKELSche Körperchen 278 Geuppenkörperehen 3. .... 2.02 .2.% 279 Säulenkörperehen. .. 2 ........... EL) Doppelsäulenkörperehen 2... 2.2.7. 280 2, Eingekapselte oder GRANDRYSsche Kedrsorehen‘ 283 Einfache (einzellige) GRAnDRYsche Körperchen . 287 Geuppenkorperchen & ar... 2 20. 2 ge. 289 Sänlenkorperehenes 02. Pan a Sen ar 290 b. Kolbenkörperchen (einfache und zusammengesetzte VATER-PacıiIsche und HerBSTsche Körperchen) . . 294 Phylogenetischer Rückblick über die zelligen Tastapparate der Vögel... 304 B> Nervenendapparater deu EpidermB. . . . 2 „u 2... 0. 316 1); Einfache Nemenendapparate -: - 2... 2.2. ...: 320 2jöFerieellularesBinsillenmetzer er van na. 324 3). Geschmacksorsanes a a en ln =; 325 Einekbliek: .. = 2. Sarnen. a ET NEN DET DE, 343 Balleemeie EroeDmisse m 00 u nn, 346 BEER ICHLNERZeICHTIIS er Nee 348 Ealrımge, der Abbildunsenn ae es en la 352 14* 208 Eugen Botezat, Einleitung, Im Sommer des vorigen Jahres brachte ich im »Biologischen Öentralblatt« eine vorläufige Mitteilung betitelt »Geschmacksorgane und andre nervöse Endapparate im Schnabel der Vögel« zur Ver- öffentlichung, da ich die fraglichen oder bezweifelten, ja sogar als nicht vorhanden erachteten Geschmacksorgane bei Vögeln entdeckt und außerdem in der Schleimhaut der Mundteile dieser Tiere auch noch andre Nervenapparate beobachtet hatte, welche zwar im all- gemeinen nichts Unerwartetes oder gar Fremdes, im speziellen aber dennoch neue Verhältnisse darboten. Ich hatte schon längst den Gedanken gefaßt, die verschiedenen Nervenapparate aller Wirbel- tierklassen vergleichend zu studieren, wobei ich durch die Liebens- würdigkeit des Herrn Professor ZELINKA außerdem angeeifert wurde namentlich den phylogenetischen Zusammenhang der Haut- sinnesorgane aller Wirbeltiere zu ergründen — ein Studium, welches unbedingt mehrere Jahre beansprucht — und war mit der Unter- suchung von Nervenendigungen in den Hautgebilden von Fischen, Amphibien, Reptilien, Säugetieren und Vögeln beschäftigt. Bei den letzteren interessierten mich zunächst am meisten die von MERKEL untersuchten und beschriebenen, aber durch die Unzulänglichkeit seiner Methode in ihren wahren Bildungen nicht erkannten zusammen- gesetzten Tastkörperchen in der Zunge mancher dieser Tiere, welche seither nicht nachuntersucht worden sind, wenigstens nicht mit Hilfe der neueren Methoden, durch die bei andern Nervenapparaten ganz neue und ungeahnte Tatsachen zutage gefördert wurden. Selbst- redend beschränkten sich diese meine Untersuchungen nicht bloß auf die Zunge, sondern es wurde ebenso der harte und weiche Gaumen, sowie auch der Rachen und die Schleimhaut des Unterschnabels in das Bereich derselben gezogen. Bei dieser Gelegenheit entdeckte ich die Existenz von Endknospen, nach welchen MERKEL vergebens ge- sucht hatte, mit denen nach der Analogie mit den übrigen Wirbel- tieren, namentlich aber mit den Säugetieren, beziehungsweise dem Menschen die Funktion des Geschmackes geknüpft ist. In der genannten vorläufigen Mitteilung habe ich mich natürlich damit begnügt, dasjenige mitzuteilen, was ich als neu gefunden, ohne mich in eine systematische Behandlung des Gegenstandes und noch weniger in anderweitige Auseinandersetzungen und allgemeine Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 209 Schlußfolgerungen einzulassen. Dies hatte wohl auch seinen guten Grund. Denn die Untersuchungen - waren zu jener Zeit noch lange nicht abgeschlossen, und wenn ich auch vermutete, daß die Endi- gungen der Nerven keine prinzipiellen Verschiedenheiten bieten, so konnte ich dies dennoch nicht zum Ausdruck bringen, weil ich noch nicht das empirische Beweismaterial hierfür liefern konnte. Seither beschränkten sich meine Untersuchungen, deren Richtung ich oben angedeutet habe, zunächst auf das letztgenannte spezielle Gebiet; und da ich nun glaubte, in dieser Beziehung etwas mehr oder minder Abgeschlossenes bieten zu können, so entschloß ich mich zur Ver- öffentlichung dieser Schrift. Die Behandlung des Gegenstandes glaube ich am besten derart durchzuführen, daß zunächst das zur Untersuchung verwendete Material und die Methoden besprochen, hierauf einige Worte dem morphologischen und anatomischen Aufbau der Vogelmundteile, sowie deren Nerven und ihren Ausbreitungen vor der Bildung der Terminal- apparate gewidmet werden und schließlich das eigentliche Thema zur Besprechung kommt. Dieses erstreckt sich auf die Vorführung der Nervenendapparate, welche sich in den Mundteilen der Vögel vorfinden. Dieselben werden beschrieben und mit den gleichartigen Gebilden bei den übrigen Wirbeltieren, insofern solche zu finden oder bekannt sind, der Reihe nach verglichen. Zum Schluß sollen nun die hieraus gewonnenen Resultate von spezieller und allgemeiner Be- deutung besprochen werden. Material und Untersuchungsmethoden, Da sich die vorliegende Arbeit mit der speziellen Beschreibung der Nervenapparate in den Mundteilen der Vögel beschäftigt, so soll hier bloß das zur Untersuchung gelangte Vogelmaterial, nicht aber auch die übrigen Wirbeltiere, deren Nervenapparate zum Vergleich herangezogen wurden, besprochen werden. Denn die Vergleichung erstreckt sich zum größten Teil auf Resultate von Untersuchungen, welche von andern Autoren veröffentlicht wurden, sowie überhaupt auf alles, was auf diesem Gebiete in der Reihe der Wirbeltiere be- kannt und stichhältig ist. Was die untersuchten Vögel betrifft, so wurden nicht nur möglichst viele Arten, sondern namentlich Repräsen- tanten von den verschiedenen Vogelgruppen insoweit herangezogen, als überhaupt nur erhalten werden konnten. Auch mußte haupt- ‚sächlich darauf Rücksicht genommen werden, daß, namentlich wegen 210 Eugen Botezat, der Zunge, junge Vögel zur Untersuchung gelangten. Denn, wie bekannt, ist dieses Organ bei den Vögeln von einem Knochen durch- setzt, welcher die Anfertigung von Mikrotom- und noch mehr von Handschnitten so gut wie unmöglich macht. Bei jungen Vögeln ist er knorpelig, und die Zunge läßt sich dann sehr bequem schneiden. Ja dieser Knorpel bietet beim Anfertigen von Handschnitten gegen- über den durchaus weichen Zungen andrer Wirbeltiere geradezu einen Vorteil, weil er der Zunge einen festen Halt oder, besser ge- sagt, eine feste Beschaffenheit gibt. Die weichen Zungenteile alter Vögel lassen sich zwar auch in der besagten Weise untersuchen, allein es ist zu diesem Zwecke notwendig, den Knochen herauszuschneiden. Harte Zungen schneiden sich aber mit der Hand immer schlecht. Es gelangten folgende Vögel zur Untersuchung: Gans (Anser domesticus), Ente (Anas domestica), Wasserralle (Rallus aquaticus), Huhn (Gallus bankiva dom.), Taube (Columba domestica), Wiedehopf (Upupa epops), Saatkrähe (Corvus frugdegus), Rabenkrähe (Corvus corone), Kohlmeise (Parus major), Haubenlerche (Alauda cristata), Hänfling (Fringilla canabina), Buchfink (Fringilla coelebs), Haus- sperling (Passer domesticus), Kleiber (Sitia europaea), Grünspecht (Preus viridis), Waldkauz (Syrmium aluco). Nun möchte ich einiges über die zur Untersuchung verwendeten Methoden mitteilen. Anfangs wandte ich die Methode von GoLscı an, mit welcher ich sowohl die Geschmacksorgane entdeckte als auch an Nervenapparaten andrer Art neue Befunde feststellte. Später benutzte ich zur Kontrolle das Chlorgold als auch ganz besonders die Methylen- blaumethode und nachträglich auch die Methode von RamON Y CAJAL, deren Resultate jedoch hier nicht mehr mit Figuren belegt werden konnten. Was die GorsIısche Chromsilbermethode betrifft, so wende ich dieselbe in einer recht einfachen Weise an. Erstlich einmal werden möglichst junge Tiere (Vögel) zur Untersuchung herangezogen, wie dies von RAMoN Y CAJAL schon seit langer Zeit geübt wird. Ferner wird je ein möglichst kleines Gewebestück in ein 10—20 faches Volumen der Imprägnierungsflüssigkeit derart, daß ein fest verschlos- senes Fläschehen von dieser vollständig ausgefüllt wird, hineingetan. Die Flüssigkeit besteht aus zwei Volumteilen einer 5°%/,igen Kalium- biehromatlösung in destilliertem Wasser und einem Volumteil 1%/,iger Osmiumsäure. Die Fläschehen werden nun im Thermostat bei einer Temperatur von 30°—-35° Celsius durch 6—10 Tage aufbewahrt. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. al Nach dieser Zeit werden die Stücke aus der genannten Flüssigkeit herausgenommen, einige Minuten lang in destilliertem Wasser abge- spült, hierauf auf Filtrierpapier abgetrocknet und in eine 1%/,ige Lösung von Silbernitrat in destilliertem Wasser hineingegeben, woraus sie schon nach Ablauf eines Tages, oder sogar mehrerer Stunden (dies hängt von der betreffenden Gewebeart und wohl auch von den Größenverhältnissen der Stücke ab) weiter behandelt werden können. Sie können aber auch in der Höllensteinlösung mehrere Tage hin- durch verbleiben, ohne Schaden zu leiden, ja letzteres ist sogar in manchen Fällen von Vorteil. Mittels eines Rasiermessers werden dann einige Probeschnitte gemacht, um sich zu überzeugen, ob die Nerven zur Darstellung gekommen sind. Zu diesem Zwecke werden die Schnitte in einem Tropfen Wasser auf einen Objektträger gelegt, mit einem Deckgläschen bedeckt und unter dem Mikroskop bei ver- schiedenen Vergrößerungen betrachtet. Auf diese Weise kann man sich über die Art der Imprägnierung der Nerven überzeugen. Sind diese Beobachtungen zufriedenstellend, dann werden die Stücke in destilliertem Wasser gewaschen, in successivem Alkohol entwässert und in nicht zu hartes Paraffın eingebettet. Die Schnitte können nun ent- weder aus freier Hand mit dem Rasiermesser oder mit dem Mikrotom her- gestellt werden; dies richtet sich je nach dem Objekt, beziehungsweise nach dem Zweck, den man verfolgt, nämlich ob man sich über die sröbere Beschaffenheit oder über die feinsten Details orientieren will. Die Schnitte schließe ich in Dammarxylol ein. Präparate dieser Art halten sich gut. Nach einem Verlauf von 11!/, Jahren habe ich an denselben noch gar keine merkliche Veränderung beobachtet. Die Chlorgoldmethode wende ich in folgender Weise an: Die lebensfrischen, kleinen Gewebestücke werden in 20 %/,ige Ameisen- säure hineingegeben und verbleiben dortselbst so lange bis sie bei- nahe durchscheinend werden, was sehr bald eintritt. Hierauf werden sie in ein Gemisch von vier Teilen 1%/,ige Goldehloridlösung und einem Teil 20 °/,ige Ameisensäure, welches vorher aufgekocht und hierauf ab- sekühlt wurde, im Dunkeln für die Dauer von etwa einer Stunde hineingelegt. Nachher werden die Stücke aus dem Goldgemisch _ herausgenommen, in destilliertem Wasser flüchtig abgespült und für etwa 20 Stunden in 200/,ige Ameisensäure hineingetan. Die Reduktion erfolgt im Lichte und auch wohl schon schneller als in der ange- gebenen Zeit, was man an der intensiven violetten Färbung der Stücke erkennt. Bei zarten Gewebeteilen wird eine schwächere Säure verwendet, weil sonst die Gewebe zu sehr maceriert werden. 212 f Eugen Botezat, Hierauf erfolgt die Auswaschung, Entwässerung in successivem Al- kohol und Einbettung in Paraffın. Diese Methode habe ich jedoch nur wenig zur Anwendung gebracht, weil durch sie nicht reine Bilder erhalten und die Beschaffenheit der Nerven namentlich in ihrem Endverhalten nicht zuverlässig erkannt werden kann, ebenso das Verhalten der Nervenenden zu den jeweiligen Gewebeteilen. Bei weitem die besten Dienste leistet die Methode der Nerven- färbung mit Methylenblau. Leider läßt sie sich nicht bei allen Ge- webeteilen mit gleichem Vorteil anwenden; für Gewebeteile von kompakter Beschaffenheit ist sie aber von unschätzbarem Wert und überflügelt bei weitem die GoLcısche Methode. Ich wende sie in folgender Weise an: In die linke Kammer des pulsierenden Herzens wird dem mit einem Gemisch von Chloroform und Äther narkoti- sierten Tier (Vogel) je nach dessen Größe eine kleinere oder größere Menge einer 1—5/,igen Lösung von EHurrıcHschem Methylenblau in physiologischer Kochsalzlösung, welche bis auf 39—87° C. erwärmt ist, injiziert. Alsbald sieht man die ganze Mundhöhle und übrigens auch den ganzen Körper sich blau färben. Wird die Injektion mit einer kleinen Spritze bewirkt, so können die Einspritzungen, solange das Herz pulsiert, mehrmals nacheinander wiederholt werden, wo- durch eine immer intensivere Blaufärbung in den Mundteilen sowie überhaupt im ganzen Körper auftritt, bis das Herz still steht, was unter allen Umständen sehr bald eintritt. Nun sind alle blau ge- färbten Körperteile für die Untersuchung sehr wohl geeignet, doch ist es von größtem Vorteil, wenn man dieselben, solange sie noch die normale Körpertemperatur des Tieres besitzen, weiter behandelt. Man schneidet von jenem Gewebeteil, den man untersuchen will, ein kleines Stück, klemmt denselben, wenn er nicht sehr dünn ist, zwischen den Zeigefinger und den Daumen der linken Hand, hin- gegen zwischen zwei Kork- oder Holundermarkstücken, falls er gar zu dünn ist, und führt mit dem Rasiermesser nacheinander mehrere mög- lichst dünne Schnitte, welehe auf einen warmen und in einer sehr dün- nen Schicht mit einer etwa 1/,o—!/2u°/,igen (schwach blauen) Methylen- blaulösung bestrichenen Objektträger nebeneinander gelegt werden, derart, daß sie zwar im Methylenblau liegen, jedoch von dieser Flüssigkeit nicht überdeckt werden. Von oben werden die Schnitte mit dieser Flüssigkeit schwach befeuchtet. Nun werden die so auf- bewahrten Schnitte mit einem Uhrschälchen überdeckt und das ganze in den auf Bluttemperatur erwärmten Thermostat hineingegeben. Während der nun folgenden Zeit können ebensolche Schnitte von Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 213 einer andern Körperstelle, welche aber noch warm ist, angefertigt und in gleicher Weise behandelt werden, wie die vorerwähnten, oder es können (zarte) dünne Hautstückchen in toto, d.i. ohne in Schnitte zerlegt zu werden, mit der ganzen Fläche auf den Objekt- träger zur Weiterfärbung gebracht werden. Bald nach dem Erkalten verblassen die früher blau gefärbten Körperteile des Tieres und nun werden sie nicht weiter benutzt. Unter dem Einflusse der Wärme im Thermostaten nehmen die Nerven in den Schnitten eine bei ge- ringer Vergrößerung unter dem Mikroskop zu beobachtende bald ein- tretende distinkte und intensive Blaufärbung an. Sollte die Maximal- färbung noch nicht eingetreten, die Flüssigkeit jedoch stark verdunstet sein, wodurch die Schnitte in Gefahr kommen auszutrocknen, dann muß man geringe Mengen der schwachen Methylenblaulösung zugeben und den Objektträger mit den Schnitten wieder auf einige Minuten in den Thermostat hineintun. Der Erfolg wird nun kaum ausbleiben, oder, wenn doch, dann tritt er überhaupt nicht ein, und es können die Sehnitte ruhig weggeworfen werden, was leider auch nicht gerade selten eintritt. Ist die Färbung der gröberen Nervengeflechte gelungen, so kann man die Schnitte nach Möglichkeit auch mit stärkeren Objek- tiven betrachten, um sich über die Färbung der Nervenenden zu orientieren. Die Färbung der letzteren kann man auch oft genug, namentlich wenn die Schnitte recht dünn ausgefallen sind, wenigstens beiläufig beobachten. Ist letzteres der Fall, dann werden die Schnitte ohne weiteres in eine 10 %/,ige Lösung von molybdänsaurem Ammonium hineingegeben, in welcher Lösung sie bis zum nächsten Tag (etwa 12—15 Stunden) behufs Fixierung der Farbe verbleiben. Aus der Fixierungsflüssigkeit herausgenommen, werden die Schnitte in destil- liertem Wasser etwa eine Stunde lang ausgewaschen und darauf in lang- sam steigendem Alkohol entwässert. Der Übergang vom schwächeren . zum stärkeren Alkohol soll möglichst allmählich geschehen, weil da- bei gewisse Elemente, mit denen Nervenenden in Beziehung treten, einschrumpfen. Aus dem Alkohol kommen die Schnitte durch Berga- mottöl, welches auch ausgelassen werden kann, in Xylol. Hier werden sie längere Zeit belassen, wodurch sie eine festere Konsistenz er- langen. Nun lassen sich aus den etwa zu dicken Schnitten mit dem Rasiermesser noch mehrere, dünnere Schnitte herstellen, was oft von sehr großem Wert ist, oder man kann sie, beziehungsweise die in der Fläche ausgebreiteten Hautpartien einrollen, in Paraffın von niederem Schmelzpunkt einbetten und mit dem Mikrotom schneiden. Letzteres empfiehlt sich namentlich bei drüsenreichen, lockeren Ge- 214 Eugen Botezat, webeteilen mit sehr dünner Haut, wie z. B. beim weichen Gaumen. Ein- geschlossen werden die Schnitte in Dammarxylol. Sie halten sich gut. Diese Methode ist zurzeit wohl die beste für Nervenunter- suchungen, denn durch sie lassen sich manche wichtige Einzelheiten in der Beschaffenheit der Nervenfasern unterscheiden; ferner kann man genau die Beziehungen zwischen den Nervenenden und den mit ihnen in Zusammenhang stehenden Geweben besser als mit Hilfe der andern Methoden studieren. Und was vor allem sehr wichtig ist, es können die Schnitte mit andern Tinktionsmitteln z. B. Pikro- karmin, Alaunkarmin, Alaunkochenille nachgefärbt werden. Ich ver- wende gewöhnlich das Pikrokarmin und erhalte hierdurch sehr distinkte Färbungen. Die Epithelien erscheinen gelb, die Bindesub- stanzen rot, während sich die blaugefärbten Nerven auf solchem Untergrund sehr deutlich abheben. Mit diesem Hilfsmittel glaube ich auch ganz einwandfrei die Natur der sogenannten Tastzellen sowohl an sich wie auch in ihren Beziehungen zu den Nerven er- kannt zu haben. Auf dieses Thema werde ich in den betreffenden Kapiteln noch ausführlich zu sprechen kommen. Das Methylenblau färbt die Neurofibrillen intensiv, während die Perifibrillärsubstanz lichtblau erscheint, wodurch man in der Lage ist, die Verteilung und den Zusammenhang der Fibrillen untereinander sowie in ihren Be- ziehungen zu den Geweben genau zu studieren. Allerdings gestattet dies auch die neue Chromsilbermethode von Ramon Y CAJAL (61), allein die Bilder zeichnen sich doch wenigstens nicht durch so große Deutlichkeit des umgebenden Gewebes aus wie jene in den Methylen- blaupräparaten. Leider kann die Methylenblaumethode, wie ich schon erwähnt habe, nicht überall mit gleichem Erfolg zur Anwendung gebracht werden. Dann greift man in den meisten Fällen am besten zur Gorsischen und Rauön Y CAsauschen. Übrigens halte ich dafür, daß es am besten ist, bei allen Nervenuntersuchungen diese drei letzteren Methoden zur Anwendung zu bringen, weil sie sich ge- wissermaben gegenseitig kontrollieren und ergänzen. Vorbemerkungen. Bevor ich auf die Betrachtung der Terminalapparate der Nerven eingehe, halte ich es für unerläßlich, einiges über den morphologischen und histologischen Bau der Mundteile der Vögel, sowie über die gröberen Innervationsverhältnisse derselben vorauszuschicken. Denn Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 215 die Nerven, beziehungsweise deren Endigungen, treten zu den Ge- weben jener in Beziehung. So wird eine leichtere Orientierung über die Lage der Nervenapparate und über die Bezeichnung der betref- fenden Gewebeteile, zu denen die ersteren in Beziehung treten, mög- lich sein. Den Mund der Vögel bildet der sogenannte Schnabel. Er besteht aus dem Öber- und Unterschnabel, entsprechend dem Ober- und Unterkiefer. Die Größe des Schnabels ist bekanntlich sehr verschieden, ebenso seine Form und Beschaffenheit. Er ist von einer Hornmasse überzogen, welche sich im allgemeinen nach der Gestalt der Zwischen- oder Unterkieferknochen richtet. Dieser Schnabelüberzug ist bald in seiner Totalität, bald nur teilweise verhornt, bald aber auch ganz weich. Übrigens kommen wie in bezug auf Form und Ausbildung des ganzen Schnabels so auch in diesem Überzug alle möglichen Übergänge als Anpassungen an die Lebensweise vor. Bei den Lamellirostres ist fast der ganze Überzug weich und nur an der Schnabelspitze findet sich eine nagelartige Verdickung vor. Viele Vögel besitzen an der Wurzel des Oberschnabels eine zwar verdickte, aber weiche und verschieden gefärbte Haut, welche Wachshaut ge- nannt wird (Tauben, Papageien, Raubvögel). Bei den schon erwähnten Lamellirostres bildet der Hornüberzug an den Schnabelrändern eigen- tümliche, zahnartige Fortsätze.. Außer den genannten Eigentümlich- keiten kommen noch verschiedene andre vor, z. B. beim Kernbeißer im Unterschnabel eine Verdickung zum Aufknacken harter Kerne usw. Zwischen der Beinhaut der Kieferknochen und der MALPIGHI- schen Schleimschicht der Schnabelhaut liegt meist nur eine dünne bindegewebige Coriumlage, in welcher zahlreiche Gefäße und die teilweise auch in die Hornhaut eindringenden sensiblen Nerven ver- laufen. Beide Teile, der Ober- und Unterschnabel, schließen die Mund- höhle ein, welche in der Regel sehr lang. stets aber weit gespalten ist, weil die beiden Schnabelhälften erst hinter dem Auge im Winkel zusammentreffen. An der oberen Mundhälfte kann man zwei Teile ‚unterscheiden, einen vorderen oder äußeren, welcher dem harten Gaumen gleichkommt, und einen hinteren oder inneren, welcher dem weichen Gaumen entspricht. Der vordere Teil, von einem derben Epithelium bedeckt, erstreckt sich von der Schnabelspitze bis unge- fähr zu den Choanen. Der hintere Teil beginnt mit der Choanen- spalte und enthält auch die Grube mit den Mündungen der Eustachi- schen Röhren. Dieser Teil ist mit einer recht dünnen, weichen, sehr 216 Eugen Botezat, drüsenreichen, deshalb auch ungemein schleimigen, und nervenreichen Haut bedeckt. Der vordere, harte Gaumen ist bei vielen Vögeln gegen die Schnabelspitze zu stark verhornt. Gewöhnlich aber ist er im ganzen bei den meisten Vögeln nur mit einer dünnen Schleim- haut überzogen, welche der Unterlage mehr oder weniger glatt auf- liegt. Diese besitzt eine median verlaufende und beiderseits eine oder mehrere Längsfirsten von derberer Beschaffenheit. Bei den Schwimmvögeln finden sich zahlreiche leistenartige und buckelige Erhebungen sowohl im vorderen Teile des Oberschnabels wie auch in jenem des Unterschnabels. Bei den Sumpfvögeln finden sich bloß im Oberschnabel die er- wähnten Leisten. Die Hühner besitzen in den vorderen Gaumen- partien zahlreiche kegelförmige Papillen, welche nach hinten flacher werden und endlich ganz aufhören. Ähnliche buckelige Erhebungen trägt auch der harte Gaumen der Tauben. Bei den Passeres ist dieser Gaumenteil mehr oder weniger glatt. Ungefähr ebenso ver- hält es sich mit dem Gaumen der Tagraubvögel. Die Eulen hin- . gegen zeichnen sich durch den Mangel jener medianen Firste aus, an deren Stelle eine Reihe median gestellter Höcker und statt der lateralen Längsfirsten ebenso gelegene Höcker von derber Beschaffen- heit treten. Seitlich von der Choanenspalte befinden sich bei den meisten Vögeln zwei flache Polster, welche fast ganz aus einfachen Schleimdrüsen bestehen, deren Mündungen man nach Entfernung des Epithels auch mit freiem Auge sehen kann. Am hinteren Rande dieser Drüsenpolster trägt das dicke Epithel zahlreiche, meist in zwei Reihen angeordnete, nach rückwärts gerichtete, oft in weißer Farbe von der rötlichen Umgebung abstehende spitzkegelförmige Papillen, welche gewöhnlich den Namen »Hornzähne« führen. Diese sind von einem recht dieken und namentlich an der Spitze ziemlich stark ver- hornten Epithel bedeckt. Bei nicht wenigen Vögeln, wie den Enten, Hühnern, Singvögeln, Eulen, sind die Drüsenpolster im ganzen mit diesen oft reihenweise angeordneten Hornpapillen versehen. Auch der Unterschnabel ist mitunter mit ähnlichen, jedoch viel schwächeren, buckeligen Erhebungen und Leisten bedeckt, jedoch nur an der Spitze, denn der zwischen den Unterkiefern liegende Teil der Mundhöhlenwand ist durchaus glatt, weich und schleimig, hängt mit der Zunge durch ein deutliches Frenulum zusammen und ist bei vielen Vögeln stark dehnbar. Alle Teile der Vogelmundhöhle sind im allgemeinen sehr drüsen- reich, nur verhältnismäßig wenige Vögel haben eine drüsenarme Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. DET Mundhöhle, so die meisten Wasservögel, welche bei ihrer Lebensweise Gelegenheit genug haben, ihre Mundhöhle durch diese Flüssigkeit hinlänglich feucht zu erhalten. Selbstredend ist deren Mundhöhle nicht vollkommen drüsenfrei. Die Drüsen sind aber meist auf die Rachenhöhle lokalisiert. Außer den schon erwähnten einfachen Schleimdrüsen neben der Choanenspalte kommen noch zahlreiche kleine einfache Drüsenfollikel zwischen der Zunge und der Kehle, sowie längs den Seiten der Zunge die Glandulae linguales von ein- facher tubulöser Form vor. Diese fehlen bei solchen Vögeln, welche rückgebildete Zungen besitzen, aber auch bei andern, wie z. B. den Spechten. Hingegen sind bei den letzteren Vögeln die zusammen- gesetzten Glandulae sublinguales sehr groß, fehlen aber den Papa- seien, Passeres u. a. Sie liegen seitlich unter der Zunge oder an den Hörnern des Zungenbeins, und es mündet gewöhnlich jede der- selben mit einem Ausführungsgang vor oder neben der Zunge. Ferner finden sich die Unterkieferdrüsen (Glandulae submaxillares), die eben- falls zusammengesetzt sind und mit mehreren Ausführungsgängen im Zwischenraum der beiden Äste des Unterkiefers münden. Die eben- so zusammengesetzten Mundwinkeldrüsen (Glandulae parotides) liegen sewöhnlich hinter dem Jochbogen, jedoch seltener am Mundwinkel und münden zumeist mit einem bald kürzeren bald längeren Aus- führungsgange im Mundwinkel. Auch diese Drüsen fehlen bei einigen Vögeln, so unter andern den Papageien und den Eulen. Alle die angeführten Drüsen sind fast ausschließlich Schleimdrüsen und lassen sich nur im allgemeinen mit den Speicheldrüsen der Säugetiere vergleichen. Und was ihren Aufbau betrifft, so ist dieser nur selten wirklich traubig, racemös. Gewöhnlich sind sie von beutelförmiger Form, deren Innenfläche durch zahlreiche häutige Falten vervielfältigt erscheint. Wahre Speichel secernierende Drüsen sind nur sehr wenige vorhanden. Die Zunge der Vögel ist ein an Größe, Form und sonstiger Be- schaffenheit sehr verschiedenartig entwickeites Organ. In bezug auf die Größe kann dieselbe, wie bei den Ratiten, rudimentär oder wie bei Pelecanus, Sula und andern Ruderfüßern, sowie bei Ibis und Platalea sehr klein und unansehnlich sein. Es kommen aber auch umfangreiche Zungen vor, wie bei den Hühnervögeln, den Tagraub- vögeln, bei den Lamellirostres und andern. Was ihre Form betrifft, so ist diese gewöhnlich dem Schnabelraume angepaßt. Nach vorn läuft sie für gewöhnlich spitz zu und verbreitert sich nach hinten, wo sie stets scharf abgesetzt erscheint. An dieser Stelle ist sie mit 218 Eugen Botezat, zahlreichen Hornpapillen oder Hornzähnen, welche eine einfache oder mehrere Querreihen bilden. Ihrem Aussehen und der Beschaffenheit nach sind diese Hornzähne jenen des Gaumens gleich. Bei den meisten Vögeln ist die Zunge arm an Muskeln, weshalb sie mehr als ganzes Organ als in ihren einzelnen Teilen beweglich erscheint. Mit dieser Eigenschaft steht übrigens noch der Umstand im Zusammenhang, daß sich im Zungenkörper Skeletteile hinein- schieben, das Zungenbein. Am beweglichsten in den einzelnen Teilen ist sie wohl bei den Papageien, wo auch die Muskulatur entwickelter ist und teilweise bis in die vorderen Teile des Zungenkörpers in srößeren Massen vordringt. Bei diesen letzteren Vögeln ist sie von einer weichen Schleimhaut bedeckt, welche sonst bei den Vögeln mit einer dicken, zur Verhornung neigenden Epithelschieht umgeben ist, die sich vielfach in verschiedenartige Fortsätze, Zahn- und Stachelbildungen erhebt, aber auch glatt sein kann. Namentlich ist die Zungenspitze für die verschiedenartigsten Hornbildungen besonders bevorzugt. So ist die sehr lange und weit vorstreckbare Zunge der Spechte nahe der scharfen Spitze mit hornigen Widerhaken versehen, bei den Pteroglossi ist die bandförmige Zunge am Rande gefasert, bei den Nectarinien und den Kolibris ist sie zweiteilig und röhren- förmig eingeroll. Bei manchen Singvögeln kommen an der Spitze zweiteilige Zungen vor (Meisen). Stacheln am Rande der großen, fleischigen Zunge kommen beim Flamingo und den Entenvögeln vor. Der Zungenbeinapparat, welcher sich in Form eines Gerüstes in den Zungenkörper hineinschiebt, wodurch, wie schon erwähnt, bewirkt wird, daß die Zunge im allgemeinen nur als ganzes Organ beweglich erscheint, besteht aus vier Stücken. Das Basihyale ist ein unpaares Mittelstück, an dessen Hinterende ein ebenfalls unpaares Stück, das Urohyale folgt. Am vorderen Ende des Basihyale legt sich ein oft unpaares, jedoch ursprünglich paariges Stück, das Os ento- slossum oder Glossohyale an. Diese seine Doppelnatur ist bei Papa- geien, Geiern, Kolibris und andern Vögeln zeitlebens erhalten, oder noch häufiger durch ein mittleres Loch angedeutet. Zu den Seiten des hinteren Teils des Basihyale legen sich die Zungenbeinhörner an, von denen ein jedes meist aus je zwei Stücken besteht. Die Muskulatur der Mundteile wird von den Muskeln des Visceral- skeletes gebildet, welche in drei Gruppen unterschieden werden: Muskeln, welche die oberflächliche Schicht der Seitenrumpfmusku- latur im Bereiche des Kopfes ersetzen, Muskeln des Zungengerüstes und Kaumuskeln. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 219 Alle Teile der Mundhöhle werden von einem reichen Blutgefäß- netz durchdrungen. Durch zahlreiche Zerteilungen derselben entsteht ein kompliziertes Capillarnetz, welches die Skeletteile, die Muskulatur und die Drüsen umgibt, sich aber auch frei im Corium der Schleim- häute und namentlich längs der Basalmembran d. i. der Grenze zwischen Corium und der MarrısHischen Schleimschicht der Epi- dermis ausbreitet. Überall, wo die Lederhaut in die Epidermis hin- einragende Papillen bildet, mögen diese nun weiter, oder aber auch noch so fein sein, wie in den meisten Vogelzungen, folgen diesen auch die Gefäßcapillaren und bilden hier oft sehr komplizierte Schlingen. Mit den stärkeren Blutgefäßen verlaufen fast parallel auch die Nerven, deren es in den Vogelmundteilen überaus zahlreiche gibt. Sie entstammen teils gewissen Gehirnnerven, teils dem Kopfteil des Sympathicus. Die einzelnen, die eigentlichen Mundteile versorgenden Nerven sind folgende. Vom Ramus internus s. ethmoidalis des R. primus s. ophthalmieus des Trigeminus zweigen zwei Äste ab. 1) Der schwächere Ast innerviert den Gaumen und die Schnabel- spitze, 2) der zweite stärkere Ast liefert eine große Anzahl feiner Nerven für die Wachshaut des Schnabels. Er ist bei den mit weicher Schnabelhaut versehenen Vögeln, wie bei den Schnepfen und den Lamellirostres, sehr stark entwickelt. Beide sind Sinnesnerven. Die Abkömmlinge des zweiten und dritten Astes N. Trigemini sind gemischter Natur, d. h. sie enthalten sowohl sensible als auch motorische Fasern. Aus dem R. secundus s. maxillaris superior N. Trigemini zweigen zwei Äste ab, von denen der eine 3) R. subeuta- neus malae den Mundwinkel versorgt. Indem der R. secundus weiter verläuft, wird er zum N. alveolaris und gibt mehrere Äste, 4) R. palatini posteriores, welche den zähnigen Teil des weichen Gaumens versorgen, während sich der N. alveolaris bis zur Schnabelspitze hinzieht. Vom R. tertius s. maxillaris inferior versorgen ungefähr fünf Zweige, 5) die Kaumuskeln. Der Hauptstamm tritt, nach Ab- gabe eines 6) Zweiges für die Parotis, in den Unterkiefer. 7) Mehrere Äste dringen hier in die Haut und die Ränder des Unterkiefers. Der 8) Rest des Hauptstammes versorgt die Spitze des Unterschnabels. Vom N. glossopharyngeus zweigen mehrere Äste ab, welche 9) die Schleimhaut des oberen Schlundendes und die Papillen der hinteren Gaumengegend versorgen. Der R. lingualis geht mit einem Ast 10) über den Zungenknochen hinweg und versorgt die Zungenwurzel und die Papillen an der Oberfläche derselben. Ein andrer Ast 220 Eugen Botezat, 11) vereinigt sich zum Teil mit Abkömmlingen des N. vagus, streicht unterhalb des Zungenknochens und versorgt die Stimmritze und die benachbarten Teile der Zunge und des Larynx. 12) Der R. laryngo- lingualis, der N. hypoglossus versorgt die bogenförmigen echten Zungenmuskeln. Dann setzt er sich an der Zungenunterseite fort, verbindet sich mit jenem der andern Seite und geht bis zur Spitze. Einige, wahrscheinlich sensible Fasern, erhält der Hypoglossus hier vermutlich aus 13) seiner zweiten Wurzel und 14) aus einem Beitrag vom ersten Üervicalnerven. Außerdem werden die Mundteile noch von Nervenfasern versorgt, welche vom Kopfteil des sympathischen Nervensystems ihren Ursprung nehmen und öfters mit Zweigen der Kopfnerven zusammenlaufen. Die vorgeführten Nerven bilden mit freiem Auge sichtbare Stämmchen, welche in den tiefen Schichten der Cutis gelegen einen im allgemeinen von hinten nach vorn gerichteten Verlauf zeigen. Auf diesem ihrem Verlaufe geben dieselben zahlreiche Seitenäste ab, welche aus der Ebene, in der die Stämmchen liegen, im allgemeinen nicht hinaustreten, sich zu andern Stämmchen begeben und sich mit ihnen vereinigen, wodurch ein recht weitmaschiges Grundgeflecht, in welchem aber die Hauptstämmchen deutlich zu erkennen sind, entsteht. Dieses Grundgeflecht gibt nun unter den verschiedensten Winkeln sehr viele Äste von wechselnder Dieke und auch einzelne Fasern ab, von denen die meisten zu den oberflächlichsten Schichten der Cutis verlaufen. Andre Astehen und Fasern, welche teils vom Grund- geflecht, teils von diesen in Rede stehenden Ästchen abstammen, geben zahlreiche Ästehen und Fasern zu allen Teilen der Cutis, wo- bei die Ästehen schließlich in Fasern zerfallen. Alle erwähnten Äst- chen teilen sich wiederholt, anastomosieren miteinander in der ver- schiedensten Art und Weise und zerfallen schließlich in einzelne Fasern. Bei gut gelungener Nervenfärbung erscheinen diese an Flächenschnitten gleichsam in mehreren Schichten übereinander ge- lagerten Geflechte in der Daraufsicht derart dicht, daß man den Eindruck gewinnt, es bestehe überhaupt alles bloß aus Nerven, und dies namentlich bei geringen Vergrößerungen. Diese Verhältnisse können zum Teil aus der Fig. 29 ersehen werden. Die Nervenäst- chen und Fasern zeigen immer einen verschiedenartig gewundenen Verlauf. Auch die Fasern teilen sich wiederholt sowohl innerhalb des Verlaufes in den Ästehen als auch außerhalb desselben. Diese Teilung geht am häufigsten an den Rawvıerschen Einschnürungen Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 22] vor sich. Die durch die Teilung entstandenen Fasern verlaufen teils selbständig teils begeben sie sich zu andern Fasern oder Ästchen, um mit diesen weiter zu ziehen. Durch diesen wiederholten Tei- lungsprozeß entsteht eine ungeheure Anzahl von Nervenfasern, in welche die Ästehen in den verschiedensten Schichten der Cutis aller Mundteile zerfallen, die sodann nach verschiedenen Richtungen ver- laufen, wobei sie dem Verlaufe der gewundenen Bindegewebsfibrillen folgend sich vielfach winden und sich wiederholt in eine neue An- zahl von Fasern teilen. Auf diesem ganzen beschriebenen Verlauf behalten die markhaltigen Nervenfasern ihre Markscheide. Damit ist aber der Verlauf der Fasern noch nicht erschöpft. Denn die aus dem Zerfall der aufsteigenden Ästchen entstandenen Nervenfasern treten in den obersten Schichten der Cutis nach den verschiedensten Richtungen auseinander. Dies geht natürlich nicht in derselben Ent- fernung von der allgemeinen Grenze zwischen Cutis und Epidermis vor sich. Oft verlaufen Fasern bis ans Epithel, wenden sich dann um und ziehen zurück in gewundenem Verlauf nach den tieferen Cutisschichten, oft ziehen sie eine längere Strecke längs der Basal- membran hin (Fig. 13, 16, 63, 65, 66). Man kann auch beobachten, daß einige Fasern zunächst mehrere schlingenförmige Windungen bilden und erst dann die eine oder die andre Richtung einschlagen. Aus dem über den cutanen Nervenverlauf Gesagten geht nun hervor, daß die Cutis von einem in den tieferen Schichten lockeren sesen die höheren zu immer dichter werdenden Geflecht von Bündeln, Ästehen und Fasern markhaltiger Nerven durchsetzt ist (Fig. 2a), welch letztere nach kürzerem oder längerem Verlauf ihrem Ende zustreben. Die Endigung derselben aber erfolgt mit besonderen Apparaten, welche teils frei, teils mit verschieden gestalteten Neben- apparaten versehen und in den verschiedenen Schichten der Cutis sowohl, wie auch im Epithel gelegen sind, derart, daß es wohl keine Cutis- und keine Epithelschicht ohne Nervenendapparate gibt. Die bisher beschriebenen Nervenfasern sind markhaltig (wm) und mit deutlichen RanvIerschen Schnürringen (Ar) versehen. In der Cutis der Vogelmundteile sieht man aber auch Nerven andrer Art verlaufen. Zunächst unterscheidet man aufs deutlichste dünne Nervenfasern ohne Markscheiden, jedoch mit ScHhwAnnscher Scheide versehen. Diese letztere ist weder an den mit Chromsilber noch an jenen mit Methylenblau imprägnierten Nerven deutlich zu erkennen. Ihre Anwesenheit läßt sich bloß aus dem Vorhandensein der die Fasern begleitenden Kerne feststellen, und zwar an den mit Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 15 222 Eugen Botezat, Metkylenblau gefärbten Nervenfasern. An den GoLsı-Präparaten kann oft der Unterschied zwischen diesen zweierlei Fasern nicht gemacht werden, in der Regel ist es aber doch möglich (Fig. 5, 6, 7, 8, 16, 17, 18, 28, 30, 38, 39, 41, 42, 44, 45, 46, 47, 48a, 50, 51, 57ns). Der Unterschied zwischen beiden Fasern tritt dort am deutlichsten hervor, wo es, wie namentlich im Entenschnabel, recht dicke mark- haltige Nerven gibt, aber auch sonst kann man diese Fasern deut- lich unterscheiden, insofern sie nur imprägniert sind, z. B. Fig. 17, 18, 38, 48 usw. Diese zweite Art von Nervenfasern ist schon seit längerer Zeit bekannt, was aber ihre physiologische Erklärung be- trifft, so gehen hierüber die Meinungen der Forscher auseinander und zwar werden sie bald als sensible, bald als trophische Fasern erklärt. In der vorläufigen Mitteilung (13) der vorliegenden Arbeit habe ich mich für die trophische Natur dieser Nerven ausgesprochen. Ebenso ist auch SFAMENI (74) der Meinung, daß den eigentümlichen Endi- sungen dieser Nerven wahrscheinlich eine trophische Rolle zukommt. DosıEL (29) glaubt aus der Tatsache, daß Fasern, welche von den pericellulären Endnetzen dieser Nerven abziehen, sich zum Epithel begeben, wo sie in einzelne Fäden zerfallen, schließen zu dürfen, daß diese Nerven den sensiblen Nerven zugezählt werden müssen. Nun begeben sich derartige Nerven auch direkt zum Epithel, wo sie ein die Epithelzellen umspinnendes feines Netz bilden. Daneben wird das Epithel auch ganz besonders von Achsenfasern markhaltiger Nerven versorgt, welche die gewöhnlichen intraepithelialen End- apparate bilden, von denen man aber bestimmt weiß, daß sie sensibel sind. Ebenso finden sich im Epithel Endausbreitungen von Nerven, welche von gewissen cutanen oder auch epidermalen Endapparaten abziehen und von markhaltigen dicken, also sensiblen Fasern stammen. Aus diesen Tatsachen, sowie außerdem noch aus gewissen andern, später ausführlicher zu besprechenden Gründen kann ich mich keiner der beiden Meinungen entschieden anschließen. DosIEL hat wahrgenommen, daß diese Nervenfasern markhaltig sind so lange sie in den Nervenstämmchen verlaufen. Ich habe diesem Verhalten zwar nicht viel Beachtung beigemessen, konnte aber ebenso unzweideutig feststellen, daß bei allen von mir unter- suchten Vögeln in den Mundteilen diese zweite Art von Nerven- fasern zu beobachten ist. Außer den genannten Nerven kann man noch überall Geflechte sehr feiner varieöser Nervenfasern beobachten, welche dem sym- pathischen Typus angehören und überaus zierliche Geflechte bilden, Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 223 die zu den Blutgefäßen in Beziehung treten. Eingeschaltete Ganglien oder einzelne Ganglienzellen habe ich nicht beobachtet, ohne jedoch deswegen die von andern Forschern behauptete Anwesenheit solcher Gebilde in Abrede stellen zu wollen. Ich erkläre bloß, daß ich derlei Gebilde nicht beobachtet, aber auch, daß ich mich mit dieser Frage nieht weiter beschäftigt, sondern meine Aufmerksamkeit fast aus- schließlich dem Endverhalten der Nerven gewidmet habe. In dieser letzteren Beziehung habe ich mich bemüht alle mög- lichen Organsysteme zu beobachten, insofern dies in bequemer Weise parallel mit den Tastorganen, welchen hauptsächlich die Aufmerk- samkeit gewidmet wurde, durchzuführen war. Nur das eigentliche Knochengewebe konnte keine Berücksichtigung finden. Nach diesen vorausgeschickten Bemerkungen gehe ich zum eigentlichen Thema über, zur Besprechung der verschiedenen End- apparate der Nerven nach den einzelnen Organsystemen. Die Endapparate der Nerven, Es gibt wohl kein Organ im tierischen Körper, welches eine so sroße Mannigfaltigkeit von Formen aufweist, wie die Organe der Nervenendigungen. Alle möglichen Typen, die heterogensten Formen mit den verschiedensten Abänderungen und Übergängen sind da zu beobachten, namentlich, wenn man die ganze Reihe der Wirbeltiere überblickt. Und dennoch, glaube ich, wird es uns am Schlusse dieser Schrift möglich sein, alle diese verschiedenen Arten von Ter- minalgebilden auf einen einzigen prinzipiellen Typus zurückzuführen. Natürlich kann sich dies nur auf jene peripheren Nerven erstrecken, welehe nicht wie die Geruchs-, Gehör- oder Gesichtsnerven mit Nerven- zellen enden. Wie man sich in dieser Beziehung den Wirbellosen be- ziehungsweise dem Amphioxus gegenüber zu verhalten hat, dies ist freilich ein Umstand, der hier nicht weiter erörtert werden kann. 1. Die Nervenendapparate der Beinhaut. (Fig. 3.) Die Literatur über die Nerven der Knochen und des Periostes ist eine recht geringe. Namentlich war das letztere fast nur inso- fern Gegenstand einer diesbezüglichen Untersuchung, als man sich mit dem Aufsuchen von gewissen Tastkörperchen, wie Endkolben und Pacınıschen Körperchen beschäftigte. Es mögen hier die Namen LuscHkA (92), RÜDINGER (69) und RAUBER (64) genannt werden. Auf diese Körperchen, welche ich übrigens in der Haut des Zungen- oz 224 Eugen Botezat, knochens nicht nachgewiesen habe, kann schon aus diesem Grunde hier nicht näher eingegangen werden. In bezug auf die Verteilung der Nerven im Periost sei bemerkt, daß dasselbe sehr reich an Nerven ist, doch soll nach KÖLLIKER (44) der größere Teil derselben nicht diesem, sondern den Knochen an- gehören. Die Nerven der Knochenhaut liegen in derselben Schicht wie die Gefäße und ziehen bald längs der größeren Stämmchen, bald selbständig, wobei sie immer einen geschlängelten, mitunter wirr durcheinander gehenden, oft auf weite Strecken sich erstreckenden Verlauf nehmen, wobei sie den Eindruck einer spärlichen Verteilung machen. Diese Nerven enden nach KÖLLIKER »zum Teil scheinbar frei<, doch vermutet der Autor, daß »auch hier, wie an vielen andern Orten blasse Endfasern oder besondere Endorgane vorkommen«. Ich habe die Endigungsweise dieser Nerven an Chromsilberpräparaten verfolgt. Diesen Beobachtungen zufolge stellte es sich heraus, daß besondere Endorgane mit diesen Nerven nicht in Verbindung treten, daß vielmehr die Endigungsweise dieser Nerven jenem Typus zu- zuzählen ist, welcher von andern Organen her, jedoch bisher nicht bei Vögeln, bekannt und der unter dem Namen Endbäumchen, wie man wohl annehmen darf, allgemein bekannt ist. Mit diesem Namen hat es jedoch schon, wie wir sehen werden, seine Bedenken. Man versteht nämlich unter Endbäumchen jene eigentümliche Nerven- endigung, nach welcher eine Achsenfaser in sehr zahlreiche Fibrillen zerfällt, welche von stark varicöser Beschaffenheit sind und einen unregelmäßigen vielfach gewundenen Verlauf nehmen. Diese letzteren enden frei. So passen Tatsachen und Namen zueinander. Ich habe nun feststellen können, daß von den erwähnten, in den oberflächlichen Schichten der Beinhaut verlaufenden Nerven marklose Achsenfasern in unregelmäßig verlaufenden Windungen den tieferen Schichten derselben zustreben und erst in der Nähe des Knochens beziehungsweise Knorpels die Endapparate bilden. Die zahlreichen durch wiederholte Teilungen der Achsenfasern entstandenen Fibrillen sind von stark varicöser Beschaffenheit, verlaufen in unregel- mäßigen Windungen, geben nach kurzem Verlaufe weitere Fädchen ab, welche, wie auch die andern, mit benachbarten Fäden in inniger Ver- bindung stehen. So besteht der Endapparat dieser Nerven nicht aus frei endenden Fasern, welche ein Geflecht bilden, sondern, wie ich sehr deutlich erkannt habe, aus einem regelrechten, in seiner Endausbrei- tung recht engmaschigen Netz von Nervenfibrillen oder Fibrillenbündel, welches, wie erwähnt, in den tiefen Schichten der Beinhaut gelegen Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 2935 ist (Fig. 3). Wollen wir diese Art. der Nervenendigung kurz be- zeichnen, so kann man sagen, daß die Nerven der Beinhaut mit einem Fibrillennetz enden, welches in den tiefen Schichten derselben gelegen ist. Eine andre Art von Nervenendigungen habe ich in der Beinhaut nicht beobachtet. Die beschriebene Art der Nervenendigung läßt sich mit der oben zuerst erwähnten Vermutung KÖLLIKERS ganz gut in Einklang bringen. Auch muß diese Art der Nervenendigung überall in der Knochenhaut und zwar nicht nur bei Vögeln, sondern bei allen Wirbeltieren wiedergefunden werden, na- türlich insofern nicht gleichzeitig auch andre Endapparate vorhanden sind. Dies sollen aber weitere spezielle Untersuchungen feststellen. 2. Die Nervenendapparate der Muskeln. (Fi, 4,5,6, 72.8.) Mit der Untersuchung dieser Art von Nervenendigungen habe ich mich ebenso wie mit den vorhin besprochenen nicht speziell be- faßt, sondern gelegentlich der eigentlichen Untersuchungen auch diese in den Zungenmuskeln zur Darstellung gebracht. Da ich aber hierin gewisse Befunde gemacht habe, die nicht nur an und für sich schon mitteilenswert sind, sondern sich namentlich auf erwachsene Vögel be- ziehen, so will ich hier einiges hierüber berichten, nachdem seit KÜHNE (47) mit Hilfe der modernen Untersuchungsmethoden sich mit den Muskelnerven bei Vögeln niemand außer Rerzıus (66) befaßt, welcher mit der GoLsIschen Methode beim Hühnchen einige Beobachtungen ge- macht hat, die aber für unsre Zwecke ziemlich belanglos sind, da sie sich bloß auf einen jungen Embryo und auf die Nervenfasern beziehen, Leiztere gehen gabelförmige Teilungen ein und begeben sich also zu den Muskelfasern, an denen sie hier und da scheibenförmige Verdickun- gen bilden. Uns interessieren im Zusammenhang mit der Frage nach der Endigungsweise jener Nerven, welche in dieser Schrift Berück- sichtigung finden, gerade diese Endscheiben, auf deren feinere Be- schaffenheit RETZIUS nicht hat eingehen können, da sie bei dem jungen Embryo wohl noch nicht vollständig entwickelt waren. Ich habe diese Endapparate an den Muskeln der Zungenbasis, welche bogenförmig in den Zungenkörper eindringen, nach der GoLcI-Methode beim Sper- _ ling und dem Wiedehopf und nach der Methode RAmon Y CAJALs bei der Taube zur Darstellung gebracht. Von diesen Apparaten habe ich in meiner vorläufigen Mitteilung (13) schon erwähnt, daß sie ‚hinsiehtlich ihrer Form zwischen den motorischen Endausbreitungen der Amphibien und jenen der Säugetiere ungefähr die Mitte halten. 996 Eugen Botezat, Am nächsten stehen sie jenen der Reptilien, wie solche von DoGIEL (16) beschrieben und abgebildet wurden, mit welchen Angaben auch die Resultate von RETZIUS übereinstimmen. Abgesehen von den Be- funden dieser und andrer Forscher kenne ich die fraglichen Organe sowohl von Amphibien, wo ich sie beim Laubfrosch an den Brust- muskeln mit Methylenblau, beim Trrton an den Fußmuskeln mit Chromsilber dargestellt, als auch von Säugetieren her, wo ich die Endplatten an den Flughautmuskeln der Fledermaus mit Methylen- blau ganz besonders schön zur Anschauung gebracht habe. Beim Frosch und beim Molch berühren die Endausbreitungen der Nerven die Muskelfaser auf weite Strecken und stellen Gebilde dar, welche sich nicht gerade direkt mit Platten vergleichen lassen; sie bilden vielmehr schlingenartige, ziemlich weitmaschige Netze, welche zumeist längs der Muskelfaser gestreckt sind. Bei den Säugetieren sind sie recht kompliziert gebaut. Die charakteristischen, wohlbekannten motorischen Endplatten von zumeist ovaler Form bestehen hier aus einem mehr oder minder dichten Gewirr von Neurofibrillen, welche von viel Perifibrillärsubstanz umgeben sind und den eigentümlichen Kernen. Was die Lage dieser Endplatten an den Muskelfasern be- trifft, so ist dies, wie bekannt, eine alte Streitfrage, ob dieselben nach innen oder nach außen vom Sarcolemma liegen. Ich glaube von meinen Methylenblaupräparaten, speziell von jenen aus der Fleder- mausflughaut mit großer Deutlichkeit entnehmen zu müssen — nament- lich aus einigen Endplatten, welche voluminöser oder dieker sind, d. h. weniger flächenhaft ausgebreitet erscheinen, sondern über die Muskeloberfläche hervorragen, ohne daß dabei etwa eine Verletzung des Sarcolemmas zu beobachten wäre —, dass dieselben eine epilemmale Lage haben und pflichte hierdurch der Anschauung von KÖLLIKER und Krause bei im Gegensatz zu jener Künnes und mancher neuerer Be- arbeiter des Gegenstandes, so namentlich GRABOWER (35) und KREBS (46), welche für eine hypolemmale Lage der Endplatten eintreten. Übrigens glaube ich diese oberflächliche Lage der Endplatten von den Vogelmuskeln auch an den Gorsı-Präparaten beobachten zu können. Wie schon erwähnt, halten die Endapparate der Nerven an den Vogelmuskeln in bezug auf ihre Form ungefähr die Mitte zwischen jenen der Amphibien und der Säugetiere. Am meisten lassen sie sich mit jenen der Reptilien vergleichen, denn, wie schon KÜHNE gesagt hat, sind die Endplaiten bei diesen auch sonst nahe stehen- den Wirbeltiergruppen im allgemeinen recht einfach. Nach DocIEL (16) teilt sich bei der Eidechse die dicke Nervenfaser am Ende Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 227 einige Male und endet in diekeren band- oder plattenförmigen An- schwellungen. Die Form der Endplatten ist meistens rundlich oder oval, seltener längs gestreckt. Wie bei den übrigen Wirbeltieren sind die Endplatten auch an den Vogelmuskeln im allgemeinen ver- schieden geformt, doch überwiegen die mehr oder minder rundlichen Formen, während bei den Amphibien hauptsächlich die gestreckten, lockeren Formen die Mehrzahl ausmachen, bei den Säugetieren aber fast durchweg rundliche dichte Formen vorkommen. Ein Beispiel der ersten Art sieht man in der Fig. 5 wiedergegeben. Die eine der dieken markhaltigen Nervenfasern (nn) zerfällt in mehrere Achsen- fasern, welche ein in die Länge gestrecktes schlingenartiges lockeres Netz bilden, welches der Muskelfaser unmittelbar anliegt. Eine förmliche Endplatte ist durch diesen Apparat nicht gegeben. An einer und derselben Muskelfaser können auch bei Vögeln mehrere Endapparate liegen, welche entweder von ebensovielen besonderen markhaltigen Fasern gebildet werden, oder es kann eine Achsenfaser aus einem Apparat heraustreten, weiter ziehen und schließlich einen weiteren Apparat bilden. Ein für die Vogelmuskeln typischer End- apparat ist in Fig. 6 wiedergegeben. Leider sind die Elemente, welche die Platte zusammensetzen nicht vollständig imprägniert. Immerhin ist aus dem Präparat, welches durch diese Figur dargestellt ist, zu entnehmen, daß die dicke Faser (nm) einen Achsencylinder entsendet, welcher mehrfache Teilungen eingeht und so ein geflecht- artiges Netz von abgeplatteten Elementen, welche sich durch zahlreiche Varicositäten auszeichnen, bildet. Die deutliche Netzstruktur dieser Nervenenden ist jedoch am besten aus der Fig. 4 zu erkennen. Man sieht da eine dieke Nervenfaser einen lateralen Achsencylinder ent- senden, welcher alsbald in mehrere Neurofibrillenbündel zerfällt, die miteinander ein lockeres Netz bilden. Zweifellos ist die Endplatte nicht vollständig imprägniert, was insbesondere durch den unten liegenden solitären Punkt mit dem ihm anhaftenden dünnen Faden klar wird. Aus diesem Grunde ist das Netz kein vollständiges, sondern es macht den Anschein als ob diese letzten Abzweigungen der Fibrillenbündel frei endigen würden. Dieselben Umstände: waren auch bisher immer die Ursache, weshalb man von freien oder blinden Endigungen sprach. Die Fibrillen des Netzes, aus dem sich die motorische Endplatte zusammensetzt, zeigen namentlich in den Knoten Verdiekungen oder Varicositäten, welche wohl von der sich in denselben von allen Seiten her zusammenziehenden Perifibrillärsubstanz herrühren — eine Er- scheinung, welche überall in den Endnetzen zu beobachten ist. — 2938 Eugen Botezat, Daß aber die mehr oder minder abgeplatteten Abzweigungen des Achsenceylinders in den Endplatten, wie dies durch die Fig. 6 ver- anschaulicht werden kann, auch ihrerseits aus einem feinen Netz von Neurofibrillen bestehen, ist an Präparaten, welche nach der Gou6I-Methode ausgeführt sind, nicht deutlich zu erkennen. Letzte- res ist aber ganz wohl an Methylenblaupräparaten, namentlich aber an solchen, die nach der neuen Methode von RAMON Y CAJAL her- gestellt sind, welche Methode in einer Imprägnierung mit Silbernitrat und nachheriger Behandlung mit Formol-Pyrogallussäure besteht, zu beobachten. Diese Endigungsweise wurde von DoGIEL (29) vermutet, während sie von Ramon y CAyaL (62) fast gleichzeitig nachgewiesen worden war!. Was nun die Vogelmuskeln betrifft, so zeigt die Fig. 4 immerhin deutlich genug, daß die fraglichen Platten aus einem geschlossenen Netz von Neurofibrillen bestehen. Letzteres kann nun bald locker, bald aber auch ein dichtes sein. An den motorischen Nervenplättchen kommen wie überall so auch bei den Muskeln der Vögel zahlreiche Kerne vor, welche je- doch an GoL6I-Präparaten in der Regel nur dann deutlich zu erkennen sind, wenn die Elemente der Plättchen nur schwach oder auch gar nieht imprägniert erscheinen. Einen derartigen Fall stellt uns die Fig. 7 (K) vor. Nun hat DociEr (26) für die Sehnen beziehungsweise die Sehnen- spindeln im Bauchfell usw. des Menschen nachgewiesen, daß neben den gewöhnlichen dieken, markhaltigen, motorischen Nerven, welche die charakteristischen Plättchen bilden, an dieselben Muskeln (Sehnen) auch dünne marklose Fasern gelangen, welche hier ebenfalls End- organe bilden. Solcher Endapparate hat er in der genannten Arbeit (26) mehrere abgebildet, woraus man deutlich erkennen kann, daß es sich bald um dichtere bald um lockerere Netze von Nervenfihrillen handelt. Derartige Nerven sind auch an den Muskeln der Vögel zu finden. Sie sind im Verhältnis zu den dicken markhaltigen Fasern, welche die motorischen Endplatten bilden (rn), auffallend dünn (Fig. 5, 6, 7, 8 ns) und marklos. Ihre Endigungen treten oft mit den motorischen Endplatten zugleich auf, so daß sie in diesen aufzugehen scheinen (Fig. 5, 6, 7” ns). An einem Präparat aber habe ich an zwei Muskelfasern eine dieke Nervenfaser (nm) und eine dünne ı In neuester Zeit hat DoGıEL >»Zur Frage über den fibrillären Bau der Sehnenspindeln oder der GouGıschen Körperchen< (Arch. f. mikr. Anat. u. Ent- wicklungsgesch. Bd. LXVII, 1906) diesen fibrilläiren Bau an den Augenmuskeln des Rindes nach der Methode von RAMöN Y CAJAL nachgewiesen. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 229 (Fig. 8 ns) herantreten sehen. Die erstere Faser bildete keinen deutlich erkennbaren Terminalapparat, die letztere aber einen um so deutlicheren. Fig. 8 zeigt, wie aus der Faser (ns) drei Achsen- eylinder abzweigen, welche sich mit einem lockeren terminalen Netz von Neurofibrillen an eine der beiden .Muskelfasern anlegen. Von einem Teil dieses Netzes sieht man eine dünne Faser abziehen, auf der zweiten Muskelfaser einen zweiten kleineren Terminalapparat bilden - und hierauf sich wieder zur ersten Muskelfaser begeben. Daraus ist wohl zu ersehen, daß die zweite Art der Nervenfasern, die dünnen marklosen, sich in bezug auf ihre Endigung an den Muskeln prin- zipiell ebenso verhalten, wie die motorischen. Eine und dieselbe Faser kann mehreren Endapparaten nacheinander die Entstehung geben, welche entweder an einer und derselben oder auch an ver- schiedenen Muskelfasern liegen können. Diese Endigungsweise der dünnen Nervenfasern hat die größte Ähnlichkeit mit gewissen der Kategorie der sogenannten Endbäumehen zuzuzählenden geflecht- artigen Fibrillennetzen. Auch in dem Ansatz an die Muskelfaser spricht sich diese Ähnlichkeit aus. Aber welcher Natur ist nun diese zweite Art der Nerven? Sind dieselben motorisch, sensibel oder trophisch? Wie wir weiter unten sehen werden, zeichnen sich verschiedene Organe durch eine doppelte Innervation aus. Die eine rührt von den dieken, markhaltigen, die andre von den dünnen, Kerne führenden Nervenfasern der zweiten Art her, welche ihre Markscheide noch während des Verlaufes in den Nervenstämmchen verlieren. Bei diesen sprechen nun gewisse Gründe für die sensible Natur derselben, andre wieder für die trophische. An den Muskeln sind ebenfalls diese zweierlei Nerven mit ihren Endappa- raten beteiligt. Die einen, welche von den dicken Nerven stammen, werden schon seit jeher als motorische anerkannt und es wäre töricht ohne ein ausschlaggebendes Experiment an dieser Auffassung zu rütteln. Aber sensible Nervenenden müssen den Muskeln denn unbedingt zu- gedacht werden. Sensible Nervenapparate wurden an den Muskeln, beziehungsweise den Sehnen und dem intermuskulären Bindegewebe andrer Wirbeltiere von DocteEL (26), Rurrını (70) und TınorEJew (79) beschrieben. Man unterscheidet eingekapselte, dem Typus der Krauseschen Endkolben und nicht eingekapselte dem Typus der baumartigen Endnetze (Endbäumchen) folgende Apparate. Diese stammen von markhaltigen Nervenfasern ab, welche ihre Markscheide unweit von der Bildung der Terminalapparate verlieren. Derartige Endapparate sind an meinen, allerdings wenigen, GoLsı-Präparaten 230 Eugen Botezat, nicht zur Darstellung gelangt. Trotzdem spreche ich ihr Vorhanden- sein den Muskeln der Vögel nicht ab, bin vielmehr überzeugt, daß sie gegenwärtig sein müssen und hoffe dieselben in der nächsten Zeit mit Methylenblau zur Anschauung zu bringen. Was aber die beschriebenen dünnen Nerven der zweiten Art mit ihren Endapparaten anbelangt, so kann ich mich für diese aus weiter unten näher zu bezeichnenden Gründen nicht entscheiden, ob sie als sensible oder als trophische aufzufassen wären. 3. Die Nervenendapparate der Blutgefäße. (Bie. 9, 10, 1112, 1351922) Die Frage nach den Nervenendigungen in den Blutgefäßen ist trotz der sehr reichhaltigen Literatur über diesen Gegenstand noch lange nicht erledigt. Es scheint an diesen Objekten eine ganze Reihe der verschiedensten Endapparate und von verschiedenen Fasern herstammend aufzutreten. Was die Literatur des näheren anbetrifft, so beschäftigen sich nur wenige Arbeiten ausschließlich mit den Nerven der Blutgefäße; die meisten enthalten, ebenso wie auch die vorliegende, Resultate, welche neben anderweitigen eingehenden Untersuchungen auch an den Blutgefäßen erzielt wurden. Die Ur- sache, weshalb man sich mit diesem. Gegenstand verhältnismäßig wenig eingehend beschäftigt hat, dürfte vielleicht am meisten in der Schwierigkeit der Nervendarstellung sowohl wie nicht minder in der Beurteilung der Art und der Lage der Endapparate liegen. Wenn schon die Untersuchung der Nervenendigungen überhaupt nicht gerade zu den leichten histologischen Fragen gehört, so gibt es gerade in diesem Kapitel Fragen, worunter die Lage der motorischen End- platten und namentlich die Beschaffenheit und Lage der Endapparate der Blutgefäße zu den am schwierigsten zu beurteilenden Fragen histologischer Forschung gehören. Übrigens beherrschen wir das Imprägnierungs- und Färbungsverfahren noch lange nicht so voll- kommen, daß wir sicher sein können alle Apparate gefärbt zu haben. Es ist eine wohlbekannte Tatsache, daß sich sowohl mit Chrom- silber nach den Gorgıschen Methoden, wie auch mit Methylenblau nicht alle Nerven an demselben Objekt färben, sondern daß vielmehr an dem einen Orte diese, an dem andern jene, an dem einen Ob- jekte gewisse, an dem andern wieder andre Nervenenden darstellen lassen. Immerhin hat man oft genug Gelegenheit die nämlichen Apparate sowohl an Goucı- als auch an Methylenblau- beziehungs- weise Goldpräparaten zu beobachten. Meine Beobachtungen an den Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 231 Gefäßen der Vogelmundteile beziehen sich auf Präparate, die nach der GoL6ıschen Methode behandelt sind und auf Methylenblaupräparate!. Ich kann nicht auf die Beschreibung derselben eingehen, bevor ich nicht wenigstens die neuere Literatur über den Gegenstand, namentlich schon wegen der vergleichenden Betrachtung zu Rate ziehe. An die Resultate der Arbeiten von Hıs, KÖLLIKER, RAMON Y CAJAL und L. SALA anschließend, untersuchte DocıEL (22) neben den Nerven des Herzens auch jene der Blutgefäße bei Säugetieren (Katze, Hund). Neben den bereits bekannten Nervenenden vasomotorischer Natur beschrieb Do- GIEL auch markhaltige Nerven, von denen sensible Endorgane mit den Geweben der Blutgefäße in Beziehung treten. Wie alle bisheri- sen und nachherigen Forscher hat auch DoGIEL insbesondere die Ar- terien und die Capillaren berücksichtigt, während die Venen mehr vorübergehend behandelt werden. Letzteres steht zumeist mit der schweren Darstellbarkeit der Venen und deren spärlichen Nerven in Zusammenhang. Er beschreibt neben einem perivasculären Geflecht in den oberflächlichen Schichten der Adventitia, von welchem feine Fasern zur Muscularis ziehen und hier »sowohl auf der Oberfläche als auch zwischen den Muskelzellen sich ausbreitend, die letzteren um- flechten«e. Außerdem aber gelangen zu den Arterien noch dünne von markhaltigen Nerven herkommende Fasern, welche in den tiefen Lagen der Adventitia Endplättchen, etwa nach Art der motorischen End- platten der Muskeln, bilden. Diese sind dendritisch verzweigt, und von einer Faser können mehrere solcher Apparate nacheinander gebildet werden. Sie liegen zerstreut auf der Gefäßwand. An den Venen und Capillaren liegen lockere Geflechte, an den letzteren von sternförmigen Zellen ausgehend. Kress (46) beschreibt an den Gefäßen des Muscu- lus stapedius des Frosches ein Nervennetz von »kleinen und kleinsten Ästehen«. Die Verbindung desselben mit den Geweben der Gefäße konnte jedoch nicht ermittelt werden. Am intensivsten hat sich in der neuesten Zeit mit den Nerven der Blutgefäße und zwar jener der Hunde- pfote Larınsky (49) beschäftigt. Leider hat dieser Forscher seiner Ar- beit zwar viele, aber größtenteils wenig instruktive Bilder beigefügt. Auch der Text ist mitunter undeutlich, da man nicht ermitteln kann, ‘ob es sich in manchen Fällen um Nerven oder um Nervenenden handelt. Ferner wird die Beziehung zu den Geweben nicht vollkommen klar gelegt. Auch fehlt mitunter in den Figuren die Bezeichnung auf die ı Während der Korrektur habe ich Gefäßnerven nach der Methode RAMöN y CAJAus im Gaumen der Taube dargestellt, an denen die fibrilläre Struktur ebenfalls ersichtlich ist. 2232 Eugen Botezat, in den Erklärungen, beziehungsweise im Text hingewiesen wird. LAaPrınskyY beschreibt eine große Anzahl verschiedener Nerven oder Nervenenden, welche im perivasculären Gewebe, in den oberflächlichen Schichten der Adventitia, in den tieferen Schichten derselben und in der Museularis gelegen sind. Man vergleiche hierüber die Arbeit selbst. Ich kenne die Nerven der Blutgefäße von Säugetieren bloß von jenen der Mesenterialarterien der Katze her. Diese verhalten sich ähnlich, wie sie von DocıEL (22) beschrieben wurden; nur möchte ich hervorheben, daß aus meinen Präparaten ein auffallender Reich- tum an Nerven in der Adventitia ersichtlich ist. Namentlich tritt ein sehr dichtes aus feinen Fibrillen bestehendes mehr oder minder eirculär orientiertes Nervennetz in dieser Schicht zum Vorschein, so daß man den allgemeinen Eindruck erhält, daß die Nervennetze dieser Arterien einen circulären Verlauf zeigen. Entgegengesetzt diesem Verhalten erhält man an den größeren und den mikroskopischen Arterien aus den Mundteilen (namentlich dem Gaumen) der Vögel den Eindruck als ob der allgemeine Verlauf der Nervenenden ein lon- gitudinaler wäre. In der Tat zeigt die Hauptmasse der Nervenenden diesen Verlauf. Man vergleiche die Fig. 9, 10, 11, 12. In dieser Auffassung werde ich noch durch den Umstand bestärkt, daß sowohl die GoLGIschen als auch die Methylenblaupräparate den nämlichen Eindruck gewähren (Fig. 9 u. 10). Ich habe diese Nerven an den Arterien vom Sperling, Hänfling, Wiedehopf und der Taube darge- stell. Leider ist es mir nicht immer möglich gewesen mit Be- stimmtheit festzustellen, von welchen beziehungsweise von welcher Art Nerven die einzelnen Endigungen herstammen. Ich gehe daher bloß auf die Beschreibung der Endigungen der Gefäßnerven ein. Von den Venen habe ich bereits erwähnt, daß sich dieselben nur selten deutlich vom umgebenden Gewebe abheben, und wenn dies auch der Fall ist, dann konnte ich nur ein einfaches lockeres Nervenendnetz bestätigen, womit jedoch nicht gesagt sein soll, daß es andre Endigungsarten etwa nicht gebe, ja geradezu im Gegenteil bin ich von der Anwesenheit solcher überzeugt, gestehe aber, daß ich solehe gelegentlich der Untersuchung andrer Gebilde weder dar- gestellt, noch mir weiter bisher die Mühe nehmen konnte mich mit denselben näher zu befassen. Ich gehe hier eben bloß auf dasjenige ein, was ich den Präparaten, welehe andern Zwecken bestimmt sind, in bezug auf die Gefäßinnervation entnehmen kann. Im perivasculären Gewebe beziehungsweise den oberflächlichen Schichten der Adventitia breitet sich ein sehr lockeres Fibrillennetz aus Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 233 (Fig. 29 bl). Die Maschenräume dieses Netzes sind unter Umständen sehr weit, so daß man den Eindruck erhält als handle es sich gar nicht um eine Endausbreitung von Nerven. Ich glaube sogar, daß es nicht geringer Übung in der Beurteilung von Nervenendigungen bedarf, um dieses weitmaschige Netz als eine Nervenendigung anzusehen. Die Fibrillen des Netzes sind mit wenigen Varicositäten versehen und nur von einer geringen Menge Perifibrillärsubstanz umgeben. In den tieferen und tiefsten Schichten der Adventitia sehe ich an Silber- und Methylenblaupräparaten eine zweite Art von Nervenend- apparaten, welche von markhaltigen Fasern herstammt. Man sieht in den oberflächliehen Adventitiaschichten dieke, übrigens während des Verlaufes in dieser Hinsicht wechselnde Fasern (Fig. 10 links unten) der Länge der Gefäßwand entlang verlaufen, auf verschiedenen Höhen Seitenfasern abgebend und zwar in der Ein- und Mehrzahl, welche tiefer in die Adventitia eindringen und ihrerseits wieder zu wieder- holten Malen diesen Verzweigungsprozeß durchführen. Die Verzwei- gungen sind ausgezeichnet durch zahlreiche bald kleine, öfters aber srößere Knötchen, welche mit Methylenblau bald lichter bald aber auch intensiver als die Fibrillen, zu denen sie gehören und aus denen sie be- stehen (Fig. 10), gefärbt sind. Daraus ist zu schließen, daß die Fibril- len dieses Verzweigungssystems von einer großen Menge Perifibrillär- substanz umgeben werden. Daß die genannten Knötchen keine Kerne sind, davon glaube ich mich zur Genüge überzeugt zu haben. In der angegebenen Weise weiter schreitend kompliziert sich die Verzweigung der Fibrillen und Fibrillenbündel immer mehr und mehr und diesel- ben dringen nun bis in die tiefsten Schichten der Adventitia, bis knapp an die Muscularis vor. Die einzelnen Fibrillen dieses Ver- zweigungssystems aber endigen nicht etwa blind, sondern verschmel- zen, wie uns namentlich die Fig. 10 und 11 zur Genüge belehren können, mit benachbarten Fibrillen derart, daß ein vollständig ge- schlossenes Netzwerk von Neurofibrillen bzw. Fibrillenbündel entsteht, dessen Elemente einen im allgemeinen longitudinal, d. i. parallel zur Längsachse der Arterie gerichteten Verlauf nehmen. Diesen longitudi- nalen Verlauf ersieht man wohl recht deutlich aus der Fig. 9. Gleich- zeitig kann man in dieser Figur die Beobachtung machen, daß dieses Endnetz nicht an allen Stellen, also nicht gleichmäßig längs der sanzen Arterie imprägniert ist, eine Erscheinung, welche, wie bekannt, bei allen Nervenuntersuchungsmethoden und namentlich bei den Goreıschen auftritt. Wenn ich nun dieses Netz von Neurofibrillen mit den Ergebnissen andrer Forscher vergleichen will, so finde ich einen 234 Eugen Botezat, Anhaltspunkt bloß bei jenen von DocIEL (22). Die Endplättchen in DocıErs Fig. 10 und 11, welche von markhaltigen Nervenfasern her- stammen, scheinen mir das einzige Äquivalent zu sein. Allerdings muß man zugeben, daß sie in den Figuren DoGIELsS an gewissen Stellen der Arterien lokalisiert erscheinen, daß von einem Plättchen einzelne Fasern abgehen, welche an einer andern Stelle abermals ein solches Plättehen bilden u. s. f., daß ferner diese Plättchen als eine Art Endbäumchen gedeutet, ihrem Aussehen nach strauchartige Ge- bilde sind, während unsre Gebilde ein geschlossenes Netz darstellen, daß endlich die Elemente der Plättehen eine nicht ausgesprochene Richtung in ihrem Verlauf bevorzugen. Der letztere Umstand ist wohl belanglos. Ebenso steht es vielleicht auch mit der lokalen Verbreitung der Gebilde. Und, daß jene Plättehen baumartig erscheinen, ist ganz bestimmt auf eine unvollkommene Färbung zurückzuführen. Dies wird auch DoGIEL zugeben, welcher selbst (29) die Vermutung ausgespro- chen hat, daß alle Nervenendigungen geschlossene Netze von Neuro- fibrillen darstellen müßten. An den Muskeln, der Beinhaut, sowie nunmehr auch an diesen Endnetzen der Arterien von Vögeln finden wir wohl den empirischen Beweis für jene Vermutung DosIErs. Und wie wir aus dem Weiteren sehen werden, wird sich dasselbe auch von allen noch zu besprechenden Nervenapparaten behaupten lassen. Ich glaube also, daß dieses hier besprochene Fibrillennetz mit den Plättehen DocIELs an den Arterien von Säugetieren Äquivalent ist. DoGIEL hat nachgewiesen, daß jene Plättchen sensiblen Nerven ange- hören, und so glaube ich denn auf Grund der vergleichenden Betrach- tung unsrer Gebilde, das beschriebene Fibrillennetz an den Vogelarte- rien als einen sensorischen Nervenendapparat erklären zu müssen. Von besonderem Interesse ist jedenfalls seine allgemeine, fast lücken- lose, kontinuierliche Ausbreitung auf der Oberfläche der Musecularis beziehungsweise den tiefen Schichten der Adventitia. Daß irgend welche Fasern von diesem Netz in die Muscularis eindringen würden, habe ich nicht beobachtet (Fig. 11). Über die Lage dieses Netzes be- lehrt uns vollständig die Fig. 11, welche einen Längsschnitt durch eine Gaumenarterie vom Hänfling darstellt. Man sieht die Adventitia, die Muscularis und die Intima zugleich bei der nämlichen Einstellung. Im oberflächlichen Nervengefiecht des perivasculären Gewebes sieht man auch Fasern, welche Kerne führen (Fig. 12 n). Was die Nervenapparate der Muscularis betrifft, so stimmen die Angaben der oben genannten Forscher darin überein, daß vom peri- vasculären Geflecht feine varicöse Fäden in die Muscularis eindringen, Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 235 wo sie in feine Fäserchen zerfallen, welche an der Oberfläche der Muskelfasern frei endigen. LAPInskY (49) beschreibt in der Muscu- laris ein höher und ein tiefer gelegenes Nervengeflecht von eben- solehem Verhalten. Ich habe in der Muscularis der Gaumenarterien des Hänflings Nervenapparate mit Methylenblau zur Anschauung ge- bracht und konnte mit dem Immersionssystem zwei Arten derselben feststellen. Die eine breitet sich in allen Schichten der Muscularis aus. Es ist mir aber nicht gelungen den Zusammenhang dieses Apparates mit Nerven außerhalb der Gefäßwand in Zusammenhang zu sehen. Der Endapparat (Fig. 12 %3) besteht aus einem sehr eng- maschigen deutlichen Netz von feinsten Fibrillen. Die letzteren zeigen einen geschlungenen Verlauf und sind mit sehr zahlreichen kleinen aber deutlichen Knötchen besetzt. Diesen Knötchenbesatz beobachtete auch Larınsky. Hingegen hat sich noch niemand bis jetzt für eine deutliche Netzstruktur dieses Apparates ausgesprochen. Es ist evi- dent, daß dieser Apparat auch bei den übrigen Wirbeltieren, wo er nur immer nachgewiesen wurde oder es erst werden wird, dieselbe Netzstruktur von Neurofibrillen aufweisen muß. Dieses Netz breitet sich zwischen den platten Muskelfasern der Media nach allen Rich- tungen aus. Ich halte diesen Apparat für einen sensorischen. Schließlich habe ich in der Muskelschicht der Arterien desselben Vogels noch einen andern Endapparat mit dem Immersionssystem beobachten können. Aber einen Zusammenhang dieses Apparates mit Nervenfasern außerhalb des Gefäßes konnte ich ebenfalls nicht fest- stellen. Soweit ich die Literatur über den Gegenstand beherrsche, ist ein solches Endverhalten von Nerven nicht beschrieben worden. Es handelt sich nämlich um ein Netz von allerfeinsten Fibrillen, welches die einzelnen Muskelfasern, die zufolge ihrer Eigenschaft, daß sie sich mitunter mit Methylenblau schwach färben (Fig. 12 »») und so sich deut- lich abheben, allseits umgibt. Die Elemente dieses Netzes (Fig. 12 n;) sind von solcher Feinheit, daß sie sich in feine Punktreihen auflösen und dadurch eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen allerfeinsten Nerven- geflechten beziehungsweise Netzen aufweisen, welche sich in den Balken des cavernösen oder spongiösen Körpers der Tasthaare bei Säugetieren zeigen, wie solche von OSTROUMOW (98) und mir (12) beschrieben wurden und die als Vasomotoren gedeutet werden. Hierdurch will ich meiner Meinung Ausdruck geben‘, daß es sich auch bei diesem Fibrillennetz um die Endausbreitung von Vasomotoren handelt. Auch an den Capillargefäßen habe ich mit der GoLsıschen Me- thode zu wiederholten Malen und in den verschiedensten Teilen der 236 Eugen Botezat, Mundhöhlenschleimhaut Nerven nachgewiesen. Die Fig. 13 und 19 bringen solche zur Anschauung. In Fig. 13 sehen wir die Capillar- sefäße (cap), welche durch Chromsilber teilweise gebräunt sind, von einem feinen perivasculären Nervennetz umsponnen. Auch in der Fig. 19 erscheinen die schwach gebräunten Capillaren (bl) von einem derartigen Netz feiner Fibrillen umgeben. Der Zusammenhang dieser Netze mit Nerven der Cutis ist oft zu beobachten, doch ist man durch die GoL6I-Methode nicht ebenso leicht in den Stand gesetzt wie mittels der Methylenblaufärbung den Charakter der Nervenfasern festzustellen. Nach Dosızr (16) sollen diese Nervennetze von sternförmigen Zellen stammen, welche unmittelbar der Capillargefäßwand anliegen. Solche Zellen sind an den Capillaren meiner Präparate niemals zum Vor- schein gekommen, und ich stelle bloß diese Tatsache, von welcher ich übrigens annehme, daß es sich um eine mangelhafte Impräg- nierung handelt, fest, ohne ihr eine sonstige Bedeutung beizumessen. In der Intima der Gefäße meiner Präparate erscheinen keine Nerven. Solche sind aber von DocıeEr (16) erwähnt worden. Ich zweifle nicht, daß sie auch in der Intima der Vogelarterien vor- handen sein müssen und man könnte sie bei einer speziellen Unter- suchung dieser Gefäße gewiß vorfinden. Wenn ich nun zwar nicht alle Nervenapparate, die sich in den Blutgefäßen der Vögel voraussichtlich vorfinden müssen, wirklich dar- gestellt, so glaube ich durch dasjenige, was ich hier hierüber mit- geteilt habe, dennoch einen gewissen Beitrag zur Kenntnis der Innervationsverhältnisse der Blutgefäße im allgemeinen und jener der Vögel im besonderen geliefert zu haben, da meines Wissens diese Gruppe der Wirbeltiere, wie in andern Nervenfragen, so auch in der aktuellen bis jetzt stark vernachlässigt wurde, und es doch zum mindesten interessant, wenn nicht geradezu unerläßlich ist, zu wissen, ob denn in Wirklichkeit die bei den andern Wirbeltieren gemach- ten Beobachtungen sich auch für die Vögel bestätigen lassen, oder ob sich diese Tiere, wie in manch andrer Beziehung, anders, und falls doch, dann in welcher Weise abweichend verhalten. 4. Die Nervenendapparate der Drüsen. (Fig. 2a, b, 14, 15, 70a, e.) Die Literatur über die Nerven der Drüsen ist keine geringe zu nennen, da die Nerven aller möglichen Drüsen in derselben berück- sichtigt sind. Hingegen ist die Literatur über die Munddrüsen eine recht beschränkte, dafür aber haben sich mit diesem Gegenstand Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 237 nebst wenigen andern Nervenforschern wie Rertzıus (65, 67), RAMON y CAyar (62), A. S. DocıEL (19), Fusarı und Panascı (32) und ARrN- STEIN (2) beschäftigt. Ich werde es hier unterlassen, auf die Ergeb- nisse aller dieser Forscher einzugehen, da derartige Literaturüber- sichten schon von DoclIEL (19) und später von ARNSTEIN (2) gemacht wurden und verweise in dieser Beziehung auf die Arbeiten dieser beiden Forscher. Was aber die Drüsen der Vögel und nament- lieh die Schleimdrüsen betrifft, so wurden diese, soviel ich aus der Literatur entnehmen konnte, noch nicht berücksichtigt. Ich habe hauptsächlich die Schleimdrüsen der Mundhöhle mehrerer Vögel so- wohl nach GorLsGı wie auch mittels Methylenblaufärbung untersucht und bin zu Resultaten gelangt, welche auch abgesehen davon, daß diese bisher bei Vögeln nicht erzielt wurden, mit Rücksicht auf die divergenten Ergebnisse der zwei letztgenannten Forscher DoGIEL und ARNSTEIN von allgemeinem Interesse sein dürften. Docıer (19) gelangte auf Grund seiner Untersuchungen, die er über die Nerven der Tränendrüsen beim Kaninchen und Meerschwein- chen angestellt hat, zu Resultaten, nach welchen diese Drüsen fast aus- schließlich von marklosen Nervenfasern versorgt werden. Letztere umflechten die Blutgefäße und die Ausführungsgänge und dringen dann in die Drüsenläppchen ein. Hier bilden die Nerven auf der Membrana propria ein Geflecht, von welchem feine Fasern durch dieselbe hindurchdringen und unter ihr in zahlreiche Fäserchen zer- fallen, die sich vielfach zerteilend und durchkreuzend sich unterein- ander wieder vereinigen und also ein Überzellennetz bilden, das die Basen der Drüsenzellen umgibt. Von diesem Netz ziehen nun feine Fasern zum Drüsenepithel und bilden hier ein Interzellennetz, in dessen Maschen die einzelnen Zellen liegen. Im Schlußwort seiner Arbeit spricht sich DocızsL noch dahin aus, daß »das beschriebene Verhalten der Nerven zu den Drüsen- zellen überhaupt bei allen serösen Drüsen und wahrscheinlich auch bei den Schleimdrüsen vorhanden, und daß man nach den Arbeiten von Fusarı und Panascı, RAMön Y CAyaL, ReErzıus die Frage über das Verhalten der Nerven zu den Drüsenzellen als entschieden be- trachten müsse, wenigstens in dem Sinne, daß die Nerven in eine sehr enge Berührung mit den Drüsenzellen treten; sie dringen nicht nur zwischen die Zellen ein, wie dieses RAMöN Y CAJAL und Rerzıus behaupten, sondern sie umflechten auch jede einzelne Zelle, indem ‚sie ein Interzellennetz bilden«. Diesem Ausspruche DoGIELS tritt ARNSTEIN entgegen, indem er Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 16 238 Eugen Botezat, sagt: »ALEXANDER DOGIEL betrachtet die Frage über das Verhalten der Nerven zu den Drüsenzellen als entschieden«, da es ihm gelungen ist, an Isolationspräparaten pericelluläre Fäden nachzuweisen. Ich glaube, daß dieser Ausspruch verfrüht ist und daß noch so manches Auge ermüden wird, bis die secretorischen Nervenendigungen in ihrer wahren Gestalt allgemein bekannt sein werden, hoffe jedoch, daß die vorstehenden Mitteilungen, wenn auch keinen Abschluß, so doch einen Fortschritt in unsrer Erkenntnis mit sich bringen.« Zu dieser Erkenntnis gelangte ARNSTEIN durch die Ergebnisse seiner Unter- suchungen, welche er an der Parotisdrüse des Kaninchens, an der Unterkieferdrüse des Hundes, der Milch- und MEıBomschen Drüse der Katze und der Schweißdrüse des Menschen angestellt hat. Da- nach bilden die Nerven unmittelbar auf der Membrana propria ein epilemmales Geflecht, woraus feine Fäden austreten, die Membrana durchbrechen, als pericelluläre Fäden in Kontakt mit den Drüsen- zellen weiter verlaufen, aber unter der M. propria kein Geflecht und kein Netz bilden, sondern geteilt oder ungeteilt nach kurzem Verlauf in varicöse Endstücke übergehen. Die letzteren sind perlschnur-, trauben- oder maulbeerartig. Diese Formen können übrigens auch alle an einer und derselben Zelle vorkommen und durch Verbindungs- fäden untereinander zusammenhängen. »Man hat es hier also weder mit einem Endnetz, noch mit freien Nervenendigungen zu tun, son- dern mit einem eigentümlichen Endapparat, dessen Aufbau durch Sprossung und sekundäre Bindungen varicöser Fäden zustande kommt. « Angesichts dieser sich widersprechenden Meinungen, namentlich aber der letztgenannten zwei so hervorragenden Nervenforscher DoGIEL und ARNSTEIN, ist es evident, daß es keine einfache Sache ist, in die komplizierten Innervationsverhältnisse, wie es insbesondere diejenigen der Drüsen sind, einen richtigen und klaren Einblick zu gewinnen (vgl. Fig. 2a u. b, 14, 70a, ce). In richtiger Erkenntnis dieser Tatsachen haben DoGIEL und ArRNSTEIN auch an Isolations- präparaten gearbeitet und sind schließlich trotzdem zu sich wider- sprechenden Ansichten gelangt. ARNSTEIN hat doch wohl das Gefühl gehabt, daß seine Ergebnisse noch keineswegs abschließende sein können, während DocIEL seine Befunde an den serösen Drüsen auch auf die Schleimdrüsen direkt übertragen wissen möchte. Ich habe Gelegenheit gehabt in den Mundteilen der Vögel haupt- sächlich die Schleimdrüsen in bezug auf ihre Innervationsverhältnisse zu beobachten, weil gerade diese an diesem Orte das Hauptkontingent an Drüsen liefern, da sie in großer Zahl vertreten sind, wie dies Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 239 schon eingangs betont wurde. Schon aus dem Grunde, daß die Schleimdrüsen auf ihre Nerven hin bisher nicht untersucht wurden, _ dürften meine Befunde einen neuen Beitrag zur Kenntnis der Drüsen- nerven liefern und so, wie ich glaube, von allgemeinem Interesse sein. In Übereinstimmung mit Docızr habe ich an Methylenblaupräparaten beobachten können, daß sich hauptsächlich marklose Nerven zu den Drüsen begeben. Aber es gelangen dahin auch markhaltige Nerven- fasern, welche in der Nähe der Membrana propria marklos werden. Diese letzteren, über deren Endverhalten sich DosıEL nicht näher ausspricht, bilden ein lockeres Fibrillennetz an der bindegewebigen Grenzhaut, welches nicht mit ausgesprochener Deutlichkeit aus dem Gewirr des Grundgeflechtes der marklosen secretorischen Nerven an derselben Stelle unterschieden werden kann. In der Fig. 2a sieht man bei X der Oberfläche einer Schleimdrüse eine netzartige End- verzweigung von Nerven, welche sich aus dem eutanen Grundgeflecht hierher begeben. Die Fig. 25 zeigt diese Verhältnisse bei stärkerer Vergrößerung. Man erkennt das periglanduläre Geflecht und bei X ein feines, allerdings nicht vollständiges Endnetz, welches sich über der Oberfläche der Membrana propria ausbreitet. Der Zusammen- hang dieses Endnetzes mit markhaltigen Fasern ist nicht festzustellen, da ja, wie bekannt, namentlich dünne markhaltige Fasern an GOLGI- präparaten nicht, oder wenigstens nicht mit absoluter Deutlichkeit erkannt werden können. Zudem ist es auch ungemein schwer, wenn nicht ganz unmöglich, in diesem Gewirr von Nerven, wie es das Drüsengeflecht ist, einzelne Fasern auf weitere Strecken hin zu verfol- gen. Es bleibt mir daher vorläufig nichts übrig, als bloß zu vermuten, daß dieses epilemmale Fibrillennetz mit markhaltigen Nervenfasern in Zusammenhang steht. Sollte es sich erweisen, daß dies in der Tat der Fall ist, dann könnte man diese in Rede stehenden Endnetze (Endbäumchen) als sensible Nervenendigungen der Drüsen ansprechen. Was nun die marklosen Nerven der Schleimdrüsen betrifft, so stimmen meine Befunde, hinsichtlich ihrer Verteilung und Ausbrei- tung beziehungsweise Verzweigung mit jenen von DoGIEL, ARNSTEIN und den andern obenerwähnten Autoren, welche ihre Beobach- tungen an verschiedenen andern Drüsen gemacht haben, überein. Demnach verhalten sich die Schleimdrüsennerven ebenso wie auch die Nerven der übrigen Drüsen. Aber auch in ihrer Endigungsweise sind hier nicht neue Verhältnisse festzustellen. Hingegen wird es sich hier hauptsächlich darum handeln die sich widersprechenden Anschauungen DOGIELs und ARNSTEIns ins klare zu bringen. Aus 16* 240 Eugen Botezat, dem ungemein dichten periglandulären Geflecht, welches zum Teil auch zu den feinen Blutgefäßen der Drüsen in Beziehung tritt (Fig. XOc, bl), treten zahlreiche Nervenfasern zwischen die einzelnen Drüsenläppehen ein (Fig. 70a, c), wo sie ein ebensolches Geflecht bilden. Sie teilen sich wiederholt, durchbrechen die Grenzhaut und gehen so ihrer Endigung entgegen. DoGIEL meint, daß es hier zur Bildung eines »Überzellennetzes< kommt, wogegen ARNSTEIN sagt, daß die »pericellulären Fäden unter der Membrana propria keinen Plexus und kein Netz bilden, sondern gehen, nachdem sie sich ge- teilt haben, oder auch ungeteilt nach kurzem Verlauf in kurze, vari- cöse Endstücke über«, deren Verhalten oben angeführt wurde. Nach DoGIEL aber gehen »von dem Überzellennetz äußerst feine Fädchen ab, welche in das Drüsenepithel eindringen, wo sie ein Interzellen- netz bilden, in dessen Maschen einzelne Zellen eingelagert sind«. Ich bekomme aus meinen Präparaten den Eindruck, daß es an der Innenseite der Membrana propria nicht zur Ausbildung eines beson- deren Netzes kommt (Fig. 14, rechts), sondern, daß die Nervenfasern, welche sich hier durch einen ganz besonderen, ich möchte geradezu sagen, auffallenden Reichtum an Varicositäten auszeichnen, bei un- ausgesetzter, wiederholter Teilung an die einzelnen Drüsenzellen her- antreten und so die secretorischen Endapparate bilden. Wie es sich aber mit diesen verhält, darüber kann uns, wie ich glaube, die Fig. 15 in einer allseits zufriedenstellenden Weise belehren. Diese Figur entstammt einer Serie von Mikrotomschnitten, an denen durch den ganzen Drüsenlappen nacheinander die gleichen Verhältnisse beobachtet werden können, daher man nicht einwenden kann, daß sich etwa die in dieser Figur dargestellten Nerven bloß den ober- flächlichen Basen der Zellen anlegen, sondern daß tatsächlich die Nerven in allen Schichten des Drüsengewebes das gleiche Verhalten zeigen. Worin besteht aber dieses? Ist es ein Netz im Sinne DosIELs, oder ein »durch Sprossung und sekundäre Bindungen vari- cöser Fäden« entstandener »eigentümlicher Endapparat« im Sinne ARNSTEINS? Um diese Fragen beantworten zu können, mußte ich meine Präparate mit den Figuren DoGIELS und ARNSTEINS vergleichen und nachsehen, ob und welche Übereinstimmungen oder Divergenzen festzustellen sind. Ich finde nun, daß die Fig. 14 mit den meisten Figuren in der Arbeit DosıELs die größte Ähnlichkeit hat. Aber auch die Figuren in der Arbeit ArNsTEıns weichen nicht beträcht- lich ab. Vergleiche ich die Fig. 15 mit jenen ARNSTEINs und DOGIELS, so ergibt sich, daß die Partie rechts jene Verhältnisse Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 241 wiedergibt, welche aus den Figuren DociIErs ersichtlich sind, daß die Partien in der Mitte und links in der Fig. 15 aber mit den äußerst zahlreichen Varicositäten einerseits den von DoGIEL beschriebenen Verhältnissen, anderseits aber auch den Figuren ArNsSTEIns gleich- kommen. An und für sich belehrt uns die Fig. 15 über folgendes: Die Nervenfasern breiten sich zwischen den Drüsenzellen aus, ver- zweigen sich hier sehr reichlich und bilden bei gelungener (voll- ständiger) Färbung dichte pericelluläre Netze von Neurofibrillen. Es wird also danach eine jede Drüsenzelle von einem Neurofibrillennetz allseitig umgeben. Die Fibrillen sind äußerst dünn und erscheinen oft durch mangelhafte Färbung unterbrochen, derart, daß sie bald feinen bald gröberen Punktreihen gleichen. An den Fibrillen be- merkt man überaus zahlreiche Varicositäten, d.i. bald größere bald kleinere Punkte und Flecken. Mitunter sieht man bloß diese Flecken, und das Bild macht den Eindruck wie die Bilder von ARNSTEIN. Diese überaus zahlreieden Varicositäten sind für die Drüsennerven sehr charakteristisch. Man nimmt wohl allgemein an, daß dieselben postmortale Erscheinungen sind und von der zusammengezogenen Perifibrillärsubstanz herrühren. Da diese Varicositäten an den Drüsen- nerven sehr zahlreich und recht groß sind, muß man von den Drüsen- nerven sagen, daß sie eine große Menge Perifibrillärsubstanz enthalten. Ich glaube also, daß DocIEL die pericellulären Netze richtig erkannt, daß sie aber nichtsdestoweniger etwas mangelhaft oder, besser gesagt, nicht vollständig gefärbt waren. Er spricht übrigens selbst von einer mangelhaften Färbung, jedoch freilich in Hinblick auf die beobach- teten blinden oder freien Nervenenden, welche auch an seinen Figuren nicht selten dargestellt sind. Es mag ferner bei der Tränendrüse, welche DosIEL auf ihre Nerven hin untersucht hat, wirklich der Fall sein, daß diese pericellulären Netze sehr locker sind, dann behält DosIEL in seiner Auffassung vollkommen Recht. Aus den Figuren ARNSTEINS sind derartige Netze ebenfalls zu erkennen (vgl. seine Fig. 1, 4, 12). Der allgemeine Eindruck aber, den man aus seinen Figuren gewinnt, ist der, daß die Varicositäten überaus zahlreich, die Neurofibrillen aber zwischen denselben nur mangelhaft, oder, wie in den meisten Fällen, gar nicht zur Darstellung gekommen sind. Man kann nicht etwa einwenden, daß dies nicht so konsequent mög- lich ist. Denn es sind aus der Literatur genug Fälle bekannt, wo sich der Nervenverlauf in Form von einfachen Punktreihen präsen- tiert. Ich erinnere z. B. an das zierliche (vasomotorische) Nerven- geflecht im cavernösen oder spongiösen Körper der Tasthaare. Man 942 Eugen Botezat, vgl. die Arbeiten von Ostroumow (58) und mir (12). Übrigens wird jeder, der sich mit Nervenfärbungen mittels Methylenblau beschäftigt hat, zugeben, daß man behufs richtiger und vollständiger Färbung der Nerven den Verlauf derselben im geeigneten Momente unter- breche, und daß die Resultate der Färbung verschieden sind, wenn man zu kurze oder zu lange Zeit das Methylenblau hat einwirken lassen. Ich erkläre mir daher die Resultate ArnsTEms als durch zu kurz oder zu lang, eher aber durch zu lange andauernde Einwirkung des Methylenblau auf das Drüsengewebe. Ich glaube also, daß es sich an den Drüsen nicht um einen Nervenapparat besonderer Art, wie dies ARNSTEIN behauptet, handelt, sondern schließe mich der Behauptung DoGIELS an, wonach die Drüsenzellen von einem Nerven- netz umgeben werden. Von DosIELs Auffassung weiche ich ab in der Annahme eines Überzellennetzes und noch hierin, daß das Inter- zellennetz, welches besser als pericelluläres Netz zu bezeichnen ist, gar nicht so locker ist, wie esin dessen Figuren dargestellt erscheint. Es sind Netze von Neurofibrillen, welche die Drüsenzellen allseits umgeben. Die Fibrillen zeigen überaus zahlreiche Varicosi- täten, welche von der relativ großen Menge von Perifibrillärsubstanz der Drüsennerven herrühren. Daß auch die Varicositäten Neuro- fibrillennetze sind, habe ich in neuester Zeit an Präparaten aus dem Gaumen der Taube, welche nach der neuen Silbermethode von Ramon Y CAJAaL behandelt waren, beobachtet. 5. Die Nervenendapparate der Haut (Hautsinnesorgane). Die Haut mit ihren verschiedenartigen Bildungen zeichnet sich bei den Wirbeltieren, namentlich aber bei den höheren und am meisten bei den höchstentwickelten, durch den Besitz einer großen Menge und einer außerordentlichen Mannrigfaltigkeit von Nervenend- apparaten aus, wie dies ganz besonders aus den neueren und neuesten Arbeiten auf diesem Gebiete infolge der Vervollkommnung der Unter- suchungsmethoden hervorgeht. Diese Arbeiten erstrecken sich haupt- sächlich auf die Hautgebilde der Säugetiere und des Menschen und nur verhältnismäßig wenige beschäftigen sich auch oder nur mit niederen Wirbeltieren. Die größeren Hand- und Lehrbücher schöpfen in dieser Beziehung ihre Angaben hauptsächlich aus dem großen Material, welches durch MERKEL (54) in seiner, ich möchte sagen, epochemachenden Monographie niedergelegt ist. Allein es hat sich erwiesen, daß sogar der prinzipielle Standpunkt MERKELS in der Beurteilung dieser Verhältnisse — ich erinnere z. B. an die Deutung Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 243 der Tastzellen als terminale Ganglienzellen — auf allen Gebieten, welche in neuerer Zeit nachuntersucht wurden, nicht mehr stichhaltig ist. Außerdem wurde noch eine ganze Reihe von Endapparaten auf- gefunden, welche MERKEL zu jener Zeit mit den damals üblichen Methoden auch nicht hat finden können. Trotzdem hat dieses Werk MERKELS auch heute noch den größten Wert, da es das einzige ist, welches in systematischer Weise die einzelnen Wirbeltiergruppen nach den Nervenendigungen in ihrer Haut, insoweit die letzteren MERKEL bekannt werden konnten, behandelt. Es bildet gewisser- maßen die beste Basis für alle Nachuntersuchungen. Mit den Nervenapparaten der Vögel hat man sich seit MERKEL nur sehr wenig beschäftigt. Alles, was seit ihm auf diesem Gebiete getan wurde, erstreckt sich auf die Untersuchung der GRANDRYSchen und Hergstschen Tastkörperchen im Schnabel der Entenvögel, an welchen Organen denn auch neue ganz besonders interessante Ergeb- nisse ezielt wurden. In jeder andern Beziehung hält man allgemein an den Ergebnissen MERKELS fest. Von diesen Gesichtspunkten geleitet, untersuchte ich die Haut, namentlich aber die Schleimhaut der Mundteile der Vögel, haupt- sächlich in der Absicht (15), mich über die Innervationsverhältnisse der in der Zunge mancher Vögel vorkommenden Tastkörperchen genau zu orientieren, da diese von MERKEL durchaus nicht klarge- legt erscheinen, zumal es sich erwiesen hat, daß die Tastzellen MERKELS bei Säugetieren durchaus keine Ganglienzellen sind. An- läßlich dieser Untersuchungen berücksichtigte ich neben der Zunge auch die andern Hautgebilde und gelangte so zu einer Anzahl von Ergebnissen, welche teils bisher mitgeteilt, teils im weiteren ausge- führt werden sollen. Die Nervenapparate der Haut kann man in zwei Gruppen scheiden, trotzdem mitunter beiderlei Apparate im Zusammenhang stehen, und zwar in eutane und epidermale. A. Nervenendapparate der Cutis. Diese lassen sich ihrerseits wieder in zwei Abteilungen bringen: Freie Endapparate und solche mit Nebenorganen. 1. Freie Nervenendapparate (freie Tastapparate). Die Nervenendgebilde, welche ich in diese Kategorie einbeziehe, stellen Nervenendigungen vor, welche nicht zu besonders geformten 244 Eugen Botezat, zelligen Elementen in Beziehung treten, sondern durchaus frei im bindegewebigen Stroma der Cutis liegen. Sie finden sich in allen Teilen dieser Hautschicht vor und sind auch je nach der Lage ver- schieden geformt. Danach lassen sie sich in solche der tiefen und tiefsten Cutisschiehten, solche der Cutispapillen und solche an der Grenze zwischen Cutis und Epidermis, der sogenannten Basalmem- bran unterscheiden. Sie sind aber nicht nur nach der Lage, sondern auch ganz besonders nach ihrem histologischen Aufbau verschieden. Ich habe vier Arten feststellen können, welche zwar an sich nicht absolut neue Arten von Nervenendapparaten sind, da derartige Ge- bilde zum Teil schon seit längerer Zeit von den Säugetieren her bekannt sind, andernteils in neuester Zeit durch DosıEL in der Haut des Menschen vorgefunden wurden. Man kann dichte, baumartige Nervenendnetze im papillenfreien Stroma der Cutis, knäuelartige End- netze in den Cutispapillen, lockere schlingenartige Endnetze in den oberflächlichen Partien der Cutispapillen und dichte baumartige End- netze an der Oberfläche der papillüsen wie auch papillenfreien Outis, der sogenannten Basalmembran unterscheiden. 1. Dichte baumartige Endnetze im Cutisstroma. (Fig. 16 nri, 17, 18, 44 nrt, 45 nrt.) Diese Art von Nervenendapparaten habe ich in der Gaumenhaut vom Wiedehopf, Hänfling und Sperling und in der Schnabelhaut der Ente beobachtet, und es ist unzweifelhaft, daß sie sich in der Cutis aller Hautteile vorfindet. In den übrigen Wirbeltierklassen sind sie bisher bloß von den Säugetieren und dem Menschen her bekannt. Beim Menschen sind ähnliche, jedoch kompliziertere Bildungen als einfache und zusammengesetzte RurrinIsche Körperchen von RUFFINI (71, 72) und DocıEu (27) in der Finger- und Sohlenhaut und außer- dem von DosiEL (28) im Nagelbett, an letzterem Orte als unsern Apparaten fast vollkommen gleichkommende Gebilde unter dem Namen »baumförmige Endverzweigungen« beschrieben worden. SFAMENI (75, 76) bestätigte die Befunde Rurrınıs in der menschlichen Haut, in der Finger- und Sohlenhaut des Affen, der Katze und des Hundes. Sonst sind derartige Apparate doch viel kleiner und von geringerer Ausdehnung nur von mir (12) im bindegewebigen Haar- balg der Tasthaare von Säugetieren als »in der Nähe der Glashaut gelegene Endbäumchen« erwähnt und abgebildet worden (l. e., Fig. 13). An dieser Stelle entstammen sie dieken markhaltigen Nervenfasern, welche, aus der Tiefe kommend, an den Haarfollikel treten. Von Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 245 einer einzigen dicken markhaltigen Faser können nach Verlust der Markscheide durch Verzweigungen des Achsencylinders mehrere solcher Apparate gebildet werden. Sie sind jedoch an dieser Stelle klein und von geringer Ausdehnung. Bei den Vögeln habe ich sie im Corium des Gaumens angetroffen und sowohl mit Chromsilber (Fig. 16”»rt) als auch mit Methylenblau zur Anschauung gebracht und zwar sowohl in der Nähe als auch in ziemlicher Entfernung vom Epithel!. Im weichen Gaumen sind sie mit Methylenblau nach der von mir geübten Methode sehr leicht darzustellen. Nach einer gelungenen Methylenblauinjektion in den während der Narkose pulsierenden Ventrikel, wobei sich die gesamte Schleimhaut der Mundhöhle wie überhaupt die ganze Körperhaut und übrigens auch alle inneren Organe intensiv blau färben, wird ein Stückchen vom weichen Gaumen wegpräpariert und auf einem mit Methylenblaulösung von himmelblauem Farbenton schwach bestrichenen Objektträger mit der Innenfläche nach oben ausgebreitet, mit einem dünnen Glasstab, der mit derselben Lösung bestrichen ist, geglättet und dabei gleichzeitig von dem anhaftenden Schleim und Blut ge- säubert. Durch dieses Vorgehen wird die Oberfläche des Hautstück- chens mit der schwachen Methylenblaulösung ein wenig benetzt, so zwar, daß dieselbe bloß feucht nicht aber naß erscheint. Hierauf wird das Stück mit einem Uhrglasschälchen bedeckt und auf einige Minuten in den auf Bluttemperatur regulierten Thermostaten gelegt. Am besten ist es, diese Färbung auf einem heizbaren Objekttisch zu vollziehen, weil man dabei unmittelbar und unausgesetzt den Tink- tionsverlauf der Nerven beobachten kann. Auf diese Weise ist man auch in den Stand gesetzt, den Höhepunkt der Färbung zu bemerken und so die Einwirkung des Farbstoffes im geeigneten Augenblick zu unterbrechen. Diese Methode ist für eine ganz spezielle Unter- suchung die geeignetste.e Man kann alsdann schon bei schwacher Vergrößerung beobachten, wie sich über die ganze Oberfläche neben den blau gewordenen Nerven ein bläulicher Niederschlag ausbreitet. Nach dem Fixieren usw. kann man dann in dem in Dammarxylol ein- geschlossenen Präparat bei stärkerer oder starker Vergrößerung ! Im bindegewebigen Zungenstroma des Wiedehopfes habe ich außerdem in der Nähe des Epithels zum Teil in Papillen kleine Nervenendapparate von kugeliger oder mehr oder minder ellipsoidischer Form gesehen, über deren Natur ich nicht vollkommen ins klare kommen konnte. Es mochte sich am ehesten um hierher gehörige Endorgane von Nerven, oder vielleicht um solche, die mit den knäuelartigen zu identifizieren wären, handeln. 246 Eugen Botezat, sehen, daß jener Niederschlag nichts andres als Endgebilde von Nervenfasern darstellt. Die einzelnen Apparate sind in allen Schichten der Cutis zu beobachten. Zum größten Teil sind sie in die Länge gestreckt und verlaufen in der Mehrzahl mehr oder minder parallel zur Längsachse des Gaumens. Dieser Verlauf kann aber an manchen Stellen auch mehr oder minder gewunden sein, oder aber die einzel- nen Apparate zeigen keine ausgesprochene gemeinsame Richtung. An Schnitten kann man aber auch die Wahrnehmung machen, daß die Apparate parallel, schief, oder auch senkrecht zur Hautoberfläche orientiert sind, vorausgesetzt, daß in denselben eine gewisse Dimension bevorzugt erscheint. Die Form dieser Gebilde ist in ihrer Totalität eine unregelmäßig vieleckige. Seltener sind abgerundete Formen zu beobachten. Die Dimensionen derselben erstrecken sich nach allen Richtungen, jedoch erscheinen sie gewöhnlich noch dabei nach einer Richtung gestreckt. Am besten kann man sich hiervon eine An- schauung machen durch eine vergleichende Betrachtung der Figuren 16, 17, 18, 44, 45 net. Im allgemeinen kann man von diesen Endapparaten zwei Varie- täten unterscheiden, von denen beide dicken markhaltigen Fasern entstammen. Diese zweigen schon in den tiefen Cutisschichten von den Nervenbündeln ab, nehmen einen unregelmäßigen Verlauf nach allen möglichen Richtungen (Fig. 17 nm) und machen den Eindruck von blauen Bändern. Sie sind mit zahlreichen Ranvierschen Schnürringen versehen (Fig. 17, 18), aus denen mitunter mehrere ebenfalls markhaltige Fasern abzweigen, die ebenso nach verschiedenen Richtungen verlaufen. Verfolgt man eine Einzelfaser, so sieht man wie sie die Markscheide verliert und in eine feine Achsenfaser über- seht. Diese teilt sich einmal oder zu wiederholten Malen nachein- ander (Fig. 17 nm). Die durch die erwähnte Teilung entstandenen dünnen Achsenfasern geben entweder direkt oder nach abermaliger eventuell wiederholter Teilung den Endapparaten die Entstehung. Durch vielfache nacheinander erfolgende sekundäre, tertiäre usw. Teilungen, die dicht gedrängt nacheinander erfolgen, zerfällt die Achsenfaser in ein System von sehr feinen Fibrillen, welche sich durch den Besitz außerordentlich zahlreicher unregelmäßiger ver- schieden großer Varicositäten auszeichnen. Jede Varicosität bildet gewissermaßen einen neuen Teilungspunkt, oder besser gesagt, die Varicositäten treten hauptsächlich in den Teilungspunkten auf. Die durch wiederholte Teilung entstandenen Fibrillen treten miteinander wieder in unregelmäßiger Weise in Verbindung, wodurch ein mehr Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 947 oder minder dichtes Netzwerk von Neurofibrillen entsteht. Die den- selben anhaftenden Varicositäten (Verdiekungen), welche sich bald durch eine dunklere bald durch eine lichtere Farbennuance auszeich- nen, sind die in diesen Punkten kontrahierte Perifibrillärsubstanz, ver- mutlich aber auch Fibrillennetze. Indem nun die Fibrillenelemente nach allen möglichen Richtungen in durchaus unregelmäßigem Verlauf ziehen, kommen den fraglichen Apparaten jene erwähnten Formen zu. Sie stellen also Fibrillennetze von räumlicher Ausdehnung vor, wobei sie doch im allgemeinen gewöhnlich nach einer Richtung gestreckt sind (Fig. 16, 17 nrt). Mitunter kann man beobachten, daß von einem solehen Fibrillennetz eine Faser abgeht, welche nach einem gewissen Verlauf abermals einen solchen Apparat bildet. Letzteres geschieht wieder durch wiederholte Teilung und nachfolgende Netzbildung der betreffenden Faser. Auf diese Weise können von einer einzigen markhaltigen Nervenfaser eine ganze Anzahl von Endnetzen entstehen (Fig. 17), welche frei im bindegewebigen Stroma der Cutis gelegen sind. Etwaige besonders ausgebildete bindegewebige Hüllen u. dgl., welche die Apparate umgeben, oder zu denen dieselben in Beziehung treten, habe ich nicht beobachtet. Dies ist übrigens auch schon auf Grund der bei Säugetieren und beim Menschen (vgl. oben) gemachten Er- fahrungen nicht einmal vorauszusetzen. Die Wirkungsweise der Apparate müssen wir uns, wie anderwärts, durch einfachen Kontakt mit dem Bindegewebe vorstellen. Diese hier beschriebenen Terminal- netze sind aber im Vergleich zu den nun zu beschreibenden recht klein. Es mag dies mit ihrer Abstammung von einer einzigen Nerven- faser in Zusammenhang stehen, wie dies DoGIEL (28) von den ähn- lichen Apparaten der menschlichen Haut annimmt. Neben den soeben beschriebenen Apparaten finden sich in der Vogelhaut auch Fibrillennetze von großer Ausdehnung vor. Auch diese sind in die Länge gestreckt und ihre Längsachse ist im all- gemeinen parallel zur Körperachse gerichtet. In bezug auf die all- gemeine Hautoberfläche zeigen sie zwar in der Regel eine parallele Orientierung, können aber auch schief oder fast senkrecht zu ihr orientiert sein. Ihr Verlauf ist ebenso nicht immer ein gestreckter, denn man kann unter Umständen auch solche von mehr oder minder gewundenem Verlauf beobachten. Sie liegen aber im allgemeinen tiefer als die ersteren und lassen sich daher in dieser sowohl, wie auch in Beziehung auf ihre Form und Konstitution noch besser mit den er- wähnten Rurrinischen Körperehen gewissermaßen vergleichen als die kleinen. Sie entbehren ganz ebenso wie die ersteren etwaige 248 - Eugen Botezat, bindegewebigen Hüllen und verhalten sich auch hinsichtlich ihrer Beziehung zum Bindegewebe, in dem sie eingebettet sind, von den ersteren nicht abweichend. Sie entstammen dicken, wie Bänder aus- sehenden markhaltigen Fasern, welche mit zahlreichen RAvvIerschen Einschnürungen (Fig. 15rnm, Rr) versehen sind, die sich von den tiefliegenden Nervenbündeln absondern und sich durch einen unregel- mäßigen nach allen möglichen Richtungen hinziehenden Verlauf aus- zeichnen. Nach Verlust der Markscheide geht eine derartige Nerven- faser in einen Achseneylinder über, welcher sich oft oder in der Regel, seltener nicht, fast in unmittelbarer Nähe der Myelinscheide in mehrere (2—3—-4) Achsenfasern spaltet, welche ihrerseits einen divergenten Verlauf nehmen, sich jedoch an dem Aufbau eines und desselben Apparates betätigen, nicht aber, wie die vorhin beschrie- benen einzeln zu den besonderen, kleinen Apparaten hinführen. Aus diesem Grunde schon, meine ich mit Docıer (l. e.), daß diese Apparate der zweiten Art in hohem Grade jene der ersteren an Mächtigkeit und Ausdehnung bei weitem überragen. Die erwähnten durch Teilung des Achseneylinders entstandenen Achsenfasern sind ebenso wie alle ihre ferneren Abkömmlinge mit großen Vari- cositäten ausgestattet, welche aus dichten Netzen von Neurofibrillen bestehen (Fig. 18). Ferner ziehen die Achsenfasern auch nach ver- schiedenen Richtungen des Raumes hin, wodurch bewirkt wird, daß die Apparate zunächst ein baumkronenartiges Aussehen haben. Letzteres läßt sich vielleicht am meisten mit der Krone einer Pinie vergleichen. Es handelt sich aber auch in diesem Falle nicht um eine echte baumartige Verzweigung, sondern um ein Netz von Neuro- fibrillen. Denn es teilt sich eine jede der genannten Achsenfasern wiederholt und fortgesetzt. Die abzweigenden Fibrillen nehmen einen verschiedenartig gewundenen, unregelmäßigen Verlauf und treten hierbei mit benachbarten Fibrillen in Verbindung. An diesen Verbindungspunkten sind gewöhnlich Varicositäten, d. i. die erwähn- ten Neurofibrillennetze, zu beobachten. Aber die Anschwellungen finden sich auch an den verschiedensten Stellen der einzelnen Fibrillen in unregelmäßiger Form und Größe vor. Durch ein derartiges Ver- halten kommt schließlich ein Apparat zu stande, welcher einem ver- hältnismäßig voluminösen, mehr oder weniger stark in die Länge gestreckten Netz von Neurofibrillen entspricht. Von diesem Netz ziehen in der Regel einzelne Fasern ab und begeben sich zu andern Apparaten, oder aber bilden eventuell kleine Apparate. Letzteres ist wohl selten der Fall. Der erstere Fall ist augenscheinlich immer Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 249 zu beobachten. In dieser Weise wird zwischen den einzelnen Appa- raten ein direkter Zusammenhang bewirkt (Fig. 18). Neben den dieken markhaltigen Nervenfasern beobachtet man allenthalben im Corium auch zahlreiche dünne, marklose, jedoch in der Regel mit Kernen (der SchwAnnschen Scheide) versehene Fasern (Fig. 17, 18 ns), welche sich neben der Bildung gewisser andrer, weiter noch zu beschreibender Apparate, aller Wahrscheinlichkeit nach an dem Aufbau von den beschriebenen ähnlichen Nervennetzen beteiligen, welche jedoch aus sehr dünnen, fast nur aus Punktreihen bestehenden Fibrillen zusammengesetzt sind (Fig. 18 x). Derartige zierliche Netze liegen teils abseits von den beschriebenen, teils aber scheinen sie unter Umständen mit den Hauptnetzen in Beziehung zu stehen, oder aber es handelt sich in diesem Falle um Vasomotoren. Letzteres ist jedoch nicht wahrscheinlich, da ja Vasomotorennetze nicht von derart voluminöser Form sein können, weil sie sich den Gefäßen anschmiegen. 2. Knäuelartige Terminalnetze in den Cutispapillen. (Fig. 24, 25 nk.) Knäuelartige Nervenendigungen wurden, und zwar sowohl einge- kapselte wie nicht eingekapselte, freie, in der menschlichen Haut zu wiederholten Malen von DociıeEr (17, 18, 20, 26, 27, 28) in den Co- riumpapillen beschrieben. Bei allen übrigen Wirbeltieren sind der- artige Endapparate noch nicht gesehen worden. Mir ist es gelungen ähnliche Apparate auch bei Vögeln mittels der Methylenblaufärbung nachzuweisen. Bisher habe ich dieselben in den großen Cutispapillen, welche in die Hornzähnchen des Gaumens hineinragen, beobachtet, und es ist unzweifelhaft, daß sie an den nämlichen Orten auch bei allen andern Vögeln, sowie auch bei Säugetieren vorhanden sein müssen. Vom eutanen Nervengrundgeflecht gelangen mehrere markhaltige (nm) sowie auch dünne marklose (rs) Fasern in die Hornpapillen. Einige dieser markhaltigen Fasern beteiligen sich an der Bildung von knäuelartigen Endapparaten. Nach einem gewissen Verlauf in der Papille verlieren diese Fasern die Markscheide und ziehen weiter in Form von verhältnismäßig dieken, mitunter mit großen elliptischen Varicositäten versehenen (Fig. 25 nm) Achsenfasern, welche zur Bil- dung der Endknäuel schreiten. In der Fig. 24 sind zwei solcher Gebilde bei geringer Vergrößerung zu sehen (nk). Das eine liegt tief an der Basis einer links seitlichen Erweiterung der Papille, das 250 Eugen Botezat, andre mehr oder weniger im Scheitel der bindegewebigen Papille. Der letztere Terminalapparat ist in der Fig. 25 bei starker Ver- größerung mit dem Immersionssystem dargestellt. Unmittelbar nach der letzten großen Varicosität sieht man die plötzlich auffallend dünn gewordene Achsenfaser eine kurze Strecke weit nach oben, d.i. gegen die Papillenspitze ziehen und V-förmig in zwei Achsen- fasern zerfallen. Die eine zerfällt nach einem längeren geschlungenen Verlauf ihrerseits in drei Äste, welche nicht weit voneinander ent- fernt nach verschiedenen Richtungen ziehen. Nach längerem oder kürzerem bogenförmigen Verlauf teilen sich auch diese wiederholt und vereinigen sich mit andern schleifenartigen Fibrillen derart, daß man ihre Zugehörigkeit zu dieser oder jener Faser nicht mehr fest- stellen kann. Die zweite aus der ersten Teilung der Achsenfaser her- vorgegangene Fibrille begibt sich nach einem ebenfalls geschlungenen Verlauf zu den Teilungselementen der ersteren und teilt sich oder gibt nach verschiedenen Richtungen laterale Fibrillen ab, welche sich mit jenen der ersteren vereinigen. Durch diese wiederholte und fortgesetzte Teilung und Vereinigung der Fasern, und indem die Teilungselemente sich nicht weit voneinander entfernen, aber einen schleifenartig ge- schlungenen Verlauf zeigen, kommt die Bildung eines knäuelartigen Gebildes zustande, dessen Fibrillen durch die erwähnte fortgesetzte Vereinigung mit benachbarten Fibrillen ein geschlossenes Netz bilden. Man kann wohl deutlich erkennen wie die Fibrillen dieses knäuelartigen Netzes namentlich in jenen Teilen, wo sie weiter voneinander entfernt sind, diek sind, was auf den Besitz von reichlicher Perifibrillärsub- stanz zurückzuführen ist oder sie sind Fibrillenbündel bzw. Neuro- fibrillennetze. Sonst sind die Fibrillen mit gewöhnlichen Variecositäten versehen. Wir werden weiter unten sehen wie Fibrillen zum Unter- schiede von diesen ein lockeres Netz bildenden, an solchen Stellen (Tastscheiben und Tastkolben), wo sie sehr dicht angeordnet und in einer gemeinsamen Perifibrillärsubstanz eingebettet sind, eine außer- ordentlich dünne Beschaffenheit zeigen. Zum Unterschiede von den baumartigen macht diese Art von Nervenendigung den Eindruck eines knäuelartig entwickelten Fibrillennetzes. Im übrigen paßt für diese Terminalapparate fast genau die von DOGIEL gegebene Beschreibung in der Haut und im Nagelbett des Menschen (l. e.). Dieser Forscher erwähnt von dem Nervenknäuel des Menschen, daß von einer Achsen- faser auch mehrere Knäuel nacheinander gebildet werden können, oder dab von dem Knäuel mitunter Fasern abziehen, welche sich noch in den oberflächlichen Cutisschichten an der Bildung andrer Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 251 Apparate beteiligen, so der papillären Netze und Schleifen, u. ä. Während aber die Papillen der menschlichen Haut schlank sind und die Endknäuel vielleicht infolgedessen mehr oder weniger in die Länge gestreckt erscheinen, zeigen die in den weiten Horrpapillen der Vögel gelegenen einen eher kugeligen oder abgeflachten Bau (Fig. 24 und 25). Von dem unteren Knäuel der Fig. 24 sieht man Fasern wegziehen, welche sich an dem Aufbau der links unten in den oberflächlichen Cutisschichten gelegenen dichten Terminalnetze (din) beteiligen. Ebenso sieht man eine andre Faser nach oben ziehen und verschwinden. Es ist somit auch in diesem Punkte, wie in der ganzen Zusammensetzung, d.i. im Aufbau der Apparate eine gewisse Übereinstimmung mit jenen Nervenknäueln der menschlichen Haut, nur mit dem allgemeinen Unterschiede, daß die letzteren bei weitem komplizierter und dichter sind, zu beobachten und es ist, wie ich glaube, höchst interessant, daß sich die bisher nur aus der menschlichen Haut bekannten Gebilde auch in der Mundhaut der Vögel vorfinden. Es ist ferner evident, daß diese Terminalapparate sich überall bei den Säugetieren nicht wie bei den Vögeln nur an gewissen Stellen, sondern überall in der (nicht oder nur schwach behaarten) Haut vorkommenden Cutispapillen vorfinden müssen. Übri- sens dürften sie an analogen Stellen auch bei den Reptilien und vielleicht auch bei den übrigen Vertebraten vorkommen. 3. Lockere Terminalnetze in den Cutispapillen. (Fig. 12, 19, 20, 24, 26, 27, 28, 44, 47, 51, 64 Itn.) Von den markhaltigen Nervenfasern, welche in der oberfläch- lichen papillenlosen Cutisschicht durch den Zerfall jener Nerven ent- stehen, welche dem Grundgeflecht entstammen, ziehen einige bald geradewegs bald in schräger Richtung, bald auch, nachdem sie vor- erst eine Strecke weit längs der papillenfreien Cutisoberfläche ver- laufen sind, gegen die in der Vogelhaut nicht häufigen, an gewissen Stellen jedoch geradezu sehr dichten (Fig. 26) Cutispapillen und dringen in dieselben ein. Auf dem Wege dahin teilen sie sich noch zuweilen. Indem sie nun ihre Markscheiden verlieren, werden sie. 'zu Achsenfasern, welche ihrerseits wieder in eine Anzahl verschieden dicker varieöser Fäden zerfallen. Die letzteren teilen sich ebenfalls wiederholt, und, indem diese durch fortgesetzte Teilung hervorge- gangenen Fibrillen von durchaus varicöser Beschaffenheit nach den verschiedensten Richtungen in gewundenem Verlaufe hinziehen, ver- binden sie sich miteinander und bilden innerhalb der Papillen ein 252 Eugen Botezat, verhältnismäßig lockeres geflechtartiges Netz, welches meistens in den oberflächlichen Cutisschichten der Papillen liegt (lin). Bei der Betrachtung dieser Nervenendigungen mit dem Immersionssystem kann man sich überzeugen, daß es sich auch in diesem Falle nicht etwa um Überkreuzungen von Fibrillen, sondern um beträchtliche Verschmelzungen handelt. Am besten sieht man dies an den Methy- lenblaupräparaten. In den Kreuzungspunkten ist stets eine größere Menge Perifibrillärsubstanz angehäuft, weshalb an dieser Stelle fast immer die gewissen Varicositäten auftreten. Letztere finden sich je- doch auch sonst an den Fibrillen, beziehungsweise den Fibrillen- bündeln vor. Von dieser Art Nervenendapparaten kann man sagen, daß dieselbe überall in den Outispapillen zu finden ist; sie ist geradezu die gewöhnliche Innervation der Papillen. Oft ist außer dieser Ner- venendigung in den Papillen überhaupt keine andre zu finden (Fig. 12, 26, 28, 64 In). Von diesem Nervenendapparat scheinen keine Fibrillen in das Epithel überzugehen, da man, — am deutlichsten in den schmalen — Cutispapillen, namentlich im Scheitel derselben die Fibrillen deutliche Schlingen bilden sieht (Fig. 26, 64 lin). Einige Fäden dieses Netzes lagern sich an die Gefäßschlingen; es ist aber nicht leicht zu entscheiden, ob sie mit den Capillaren tatsächlich in Kontakt, d.h. in physiologische Beziehungen treten oder ob sie bloß in ihrem Verlauf den Capillarschlingen folgen. Manchmal sind tat- sächlich auch lockere Netze von Gefäßnerven zu beobachten, es ist aber, wie gesagt, äußerst schwer zu entscheiden, ob sie von jenen Fasern herstammen oder von besonderen Nerven. Aber nicht nur in den Mundteilen der Vögel, sondern auch allent- halben in den Cutispapillen der menschlichen und der Säugetierhaut finden sich diese Nervenapparate vor. Ich kenne sie von den Uutis- papillen der Zungenoberfläche verschiedener Säugetiere her (9, Fig. 1, 2, 5), ebenso aus dem harten Gaumen (6, Fig. 2, 3) und der Hunde- nase (10)1. Beim Menschen wurden sie von RUuFFINI (71, 72) und von DoGIEL /27, 28) beschrieben und abgebildet. Bei den Vögeln habe ich sie in den Cutispapillen der Zunge und des Gaumens vor- sefunden. In den Papillen der Zungenspitze dürften sie die einzige Art von sensiblen Nervenapparaten sein (Fig. 28 In). An dieser letzteren Stelle glaube ich denn doch neben den cutan gelegenen Schlingen, im Einklang mit DosIEL (28), einzelne Fibrillen dieses Netzes ins Epithel verfolgen zu können (Fig. 28 nie). ! Auch die Nervenendausbreitungen in der Haarpapille dürften in diese Kategorie von Endapparaten einzubeziehen sein (11, 12). Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 253 4. Baumartige Endnetze in den oberflächlichsten Cutisschichten (Basalmembran). (Fig. 19, 20, 21, 22, 23 in, 24, 27, 44, 615, din, 63a, tn, 64 din, 66 tn.) Diese Nervenapparate sollten eigentlich den unter 1 beschrie- benen dichten baumartigen zur Seite gestellt werden, da sie ja so gut wie dieselben Endausbreitungen von Nerven bilden und ebenfalls in der Cutis liegen. Nichtsdestoweniger halte ich es für angemessener, dieselben aus mehreren Gründen nicht nur separat zu beschreiben, sondern auch geradezu als besondere Endapparate zu erachten. Zu dieser Auffassung bestimmt mich namentlich der Umstand, daß diese Apparate nicht ausschließlich cutan sind, sondern, daß sie auch zum Epithel in gewisse Beziehungen treten. Aber auch ihre Lage und Lagerungsweise, sowie ihre Ausbreitung sprechen, meiner Meinung nach, dafür, daß es sich in diesem Falle zwar nicht um prinzipiell verschiedene, aber sich dennoch hinlänglieh voneinander distin- gierende Endapparate handelt. Zudem kommt noch hinzu, daß sich die Äquivalente derselben bei Säugetieren, wie man wohl vermuten darf, bereits einer allgemeinen Bekanntschaft erfreuen. Sie gehen in der Literatur gewöhnlich unter dem Namen »Endbäumchen« oder auch »Endbäumchen an der Basalmembran«. Der erste, welcher derartige Nervenapparate beschrieben hat, ist, soweit ich die Literatur beherrsche, Szymoxow1ıcz (77). Unter der letzterwähnten Bezeichnung beschrieb Szymoxowıcz an der Grenze zwischen der Cutis und der Epidermis des Schweinerüssels einen geflechtartigen Nervenend- apparat, der aus einer oder auch aus mehreren markhaltigen Fasern hervorgeht und von dichter Beschaffenheit ist. Nie beobachtete er, daß von diesem Geflecht Fasern ins Epithel übergingen. Dieses Nervenendgebilde stellte er in Parallele zu jenem, welches er gleich- zeitig sowohl an der Glashaut der Schweinetasthaare, als auch jener der weißen Maus beschrieb. Er sprach auch die Vermutung aus, daß diese Nervenapparate vielleicht mit jenen zu identifizieren wären, welche RANnvIER (63) als »terminaisons hederiformes« beschrieben hatte. Wäre dies tatsächlich der Fall — RAnvIEr drückt sich über die fraglichen Gebilde nicht sehr genau aus —, dann müßte er als der Entdecker und erste Beschreiber derartiger Apparate gelten. Sonst wurden derartige Gebilde von Suirxow und DociEL (22, 27, 28) im Herzen des Menschen, in der Haut der Fingerbeere und des Nagelbettes, von ARNSTEIN-PLOsCcHKo (3) in der Epiglottis des Hundes und von mir (5, 6, 9, 10, 11, 12) im harten Gaumen, an der Unter- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 17 254 Eugen Botezat, seite der Zunge, in der Hundenase, an der Basis der pufferförmigen Epitheleinsenkungen des Maulwurfrüssels beschrieben und auch ab- gebildet. Bei den niederen Wirbeltieren sind Nervenapparate dieser Art wie auch noch viele andre überhaupt noch nicht dargestellt und somit auch nicht nachgewiesen worden. Was die Vögel betrifft, so ist mir in bezug auf diese Art von Nervenendigungen nur eine einzige kurze Erwähnung von SzyMonowiıcz (78) bekannt, welche über diese Art von Nervenendgebilden handelt. Im Kapitel »C. Freie Nerven- endigungen« sagt nämlich Szymonowiıcz (S. 351) folgendes: »Neben diesen freien Nervenendigungen innerhalb der Epidermis bemerkte ich an Gold-, sowie an Methylenblaupräparaten baumförmige Ver- zweigungen im oberen Teile der Cutis unmittelbar unter der Epidermis. Dieselben enden frei an der Grenze von Epidermis und Cutis und entsprechen vollständig den Endigungen, welche ich in der Schweine- 'schnauze beschrieben habe.« Danach erscheint Szymoxowiıcz als der Entdecker dieser Nervenendigungen bei den Vögeln und zwar speziell bei der Ente. Leider hat dieser Forscher seine Arbeit in dieser Hinsicht nicht auch wenigstens mit den entsprechenden Illustrationen versehen und sich überhaupt nicht auf eine, wenn auch noch so kurze Beschreibung eingelassen. Heute sind wir wohl auf dem Stand- punkt angelangt, zu sehen, daß diese Art von Nervenendigung nicht nur in der Haut des Menschen, sondern auch ganz allgemein bei den Säugetieren, und zwar bei den letzteren an nackten Hautstellen — wie dies übrigens auch mit vielen andern Arten von Nervenendapparaten der Fall ist — eine sehr hervorragende Rolle spielt. Da sie nun auch bei den Vögeln tatsächlich vorkommt, konnte sie mir auch nicht entgehen. Ich habe vielmehr festgestellt, daß diese Nervenapparate auch in dieser Tiergruppe eine recht allgemeine Verbreitung genießen. Ich habe sie sowohl mit Chromsilberimpräg- nierung als auch mittels der Methylenblaufärbung dargestellt und an der Grenze zwischen Cutis und Epidermis der verschiedensten nackten Hautstellen beobachtet: Im weichen Rand des Ober- und Unterschnabels (Ente), im Gaumen (Sperling, Wiedehopf, Huhn, Wasserralle), in der Zunge und zwar sowohl an der glatten Fläche der Ober- und Unter- seite, als auch ganz besonders entwickelt in den Cutispapillen der Zunge (Sperling, Fig. 27 din). Am deutlichsten und schönsten im- prägniert fand ich diese Gebilde in den Cutispapillen der Hornzähne des Gaumens (Fig. 24 dtn) und der Zunge (Fig. 20, 21). Auch an der Schleimhaut des Rachens sind diese Apparate zu finden (Fig. 19 rechts oben ?n). In der Fig. 16 ist rechts oben ein freies eutanes Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 255 Endnetz (nrt) zu sehen, welches nicht nur bis ans Epithel hinan- reicht, sondern hier direkt längs der Epithelgrenze verläuft und auf diese Weise ein dichtes Terminalnetz an der Basalmembran bildet. Die markhaltigen Nervenfasern, welche die in Rede stehenden Terminalapparate hervorgehen lassen, entstehen aus dem oberfläch- licheren eutanen Grundgeflecht markhaltiger mit sehr zahlreichen RAN- vierschen Einsehnürungen versehener Fasern, welche aus den tief liegenden, nach den verschiedensten Richtungen bald einzeln, bald in kleineren Stämmcehen verlaufenden, durch wiederholte Verzweigungen in den RAnvIerschen Schnürringen hervorgegangenen markhaltigen Nerven gebildet werden. Eine derartige Teilung dritten oder vierten Grades ist in Fig. 50 zu sehen, jedoch handelt es sich in diesem Falle um Nerven, welche Terminalapparate andrer Art bilden (MERKELsche Börserchen) Die Myelinfasern des Gonndechechtes verteilen sich nach den verschiedensten Richtungen und begeben sich zu den diversen End- apparaten. Einige zerfallen nach baldigem Verlust der Myelinscheide: in eine Anzahl von Achsenfasern, welche nach allen Seiten aus- einander treten, sich vielfach wiederholt teilen und dadurch in immer mehr varicösere Achsenfibrillen zerfallen, welche sich vielfach mitein- ander vereinigen, wodurch ein recht kompliziertes Netzwerk von varieösen Achsenfibrillen gebildet wird. Oft genug sieht man, daß sich an der Bildung eines solchen Netzwerkes auch zwei oder mehrere markhaltige Nervenfasern von verschiedenen Seiten her beteiligen (Fig. 25). Die Fibrillennetze der einzelnen Fasern vereinigen sich dann zu einem kontinuierlichen Apparat, welcher sich auf weite Strecken hinzieht und dabei den verschiedenen Unebenheiten der Cutisoberfläche beziehungsweise der Epithelbasis folgt. Dieses Ver- laufes hat schon Szymoxowicz (77) Erwähnung getan. Ich habe aus den vergleichenden Betrachtungen von Präparaten der verschiedenen miteinander in Zusammenhang stehenden Hautgebilde den Eindruck gewonnen, daß sich diese Art von Nervenendapparaten überall in der Haut vorfindet und dab alle diese Terminalapparate miteinander in Zusammenhang stehen. Es kommen noch jene an der Basal- membran der Cutispapillen hinzu. Durch dieses Verhalten wird es klar, daß die gesamte Oberfläche der Cutis mit einem kontinuier- lichen Netz von Neurofibrillen, hervorgegangen aus markhaltigen Nervenfasern, versehen ist. Ohne Zweifel handelt es sich in diesem Falle um einen sensiblen Apparat. Dieses Verhalten der Nerven kann man übrigens nicht nur in den Mundteilen, sondern auch sonst Jurle 956 Eugen Botezat, überall an den nackten Hautstellen beobachten. Wie gesagt, sind die Netze bald dichter, bald weniger dicht; dies scheint hauptsäch- lich vom Grade der Nervenfärbung abhängig zu sein, so zwar, daß bei gelungener Färbung die Netze reichlicher, bei weniger gut ge- lungener jedoch spärlicher erscheinen. Ich habe den Eindruck ge- wonnen, daß an mehr exponierten Stellen die Netze reichhaltiger, an weniger exponierten, so z. B. in den Vertiefungen zwischen den Horn- zähnchen oder zwischen den Gaumenhöckern bei Vögeln und den Gaumenleisten bei Säugetieren, auch entsprechend lockerer sind. Diesen Netzen gesellen sich wohl noch solche hinzu, welche zu den Capillaren in Beziehung treten (Fig. 19 dl, rechts). An Quer- oder Längsschnitten kann man beobachten, daß dieses Netz stellenweise oder bei gut gelungener Färbung eine gewisse, mitunter auch recht an- sehnliche Mächtigkeit hat. Es handelt sich also durchaus nicht etwa um eine flächenhafte Nervenendausbreitung allein. Die Endapparate dieser Art lassen sich somit in» dieser Beziehung ebenso wie jene unter 1 beschriebenen, wie ich glaube, am besten noch mit der Krone einer Pinie vergleichen, jedoch mit der ausdrücklichen Be- merkung, daß es sich dem Aussehen nach um eine baumartige End- ausbreitung handelt, wobei aber die Fibrillen miteinander in Ver- bindung treten und so ein geschlossenes Netz bilden. Oft genug habe ich ferner, wie auch andre Forscher (DOGIEL, ARNSTEIN-PLOSCHKO) Gelegenheit gehabt, die Beobachtung zu machen, daß einzelne Fibrillen dieses Netzes in das Epithel, jedoch niemals tief in dasselbe ein- dringen und hier ein förmliches pericelluläres Netz bilden (Fig. 22, 23). In dieser letzteren Beziehung haben die Meinungen der Unter- sucher gewechselt. Szymoxowıcz glaubt, daß von diesem Endapparat niemals Fasern ins Epithel eindringen. Ähnlicher Meinung war auch ich anfangs, bis mich die fortgesetzte Beschäftigung mit diesem Gegen- stande belehrte, daß diese Auffassung auf einer unvollständigen Färbung der Fasern beruht. Ebenso war SzymoxowIcz und nach ihm andre der Meinung, daß es sich um einen baumartig verzweigten, mit freien Endästehen versehenen Apparat (Geflecht) handelt. Die Beobachtung dieses Endgebildes mit scharfen Immersienssystemen belehrte mich aber nicht nur bei den Vögeln, sondern auch an den Tasthaaren und andern Hautgebilden von Säugetieren, daß die einzelnen varicösen Fasern in organische Verbindung miteinander treten, wodurch ein vollkommen geschlossenes Netz von Neurofibrillen bzw. von Neuro- fibrillenbündeln entsteht. | Von geradezu klassischer Ausbildung fand ich dieses Terminal- Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 257 netz in einer Hornzahnpapille der Sperlingszunge (Fig. 20 und 2]). Beide Figuren stammen aus Schnitten derselben Serie durch einen Zungenhornzahn. Im bindegewebigen Stroma des in Fig. 20 abge- bildeten längsdurchschnittenen Zungenhornzahns sieht man einige Capillaren (bl) emporziehen. Mit diesen verlaufen auch zahlreiche Nerven (rm), welche ein Geflecht bilden. Von diesem Geflecht ent- stehen lockere Terminalnetze (fr) und rechts unten ein außer- ordentlich dichtes baumartiges aus ungemein zahlreichen, stark varicösen Fibrillen bestehendes Endnetz (fr). Man ersieht aus der Figur, daß dieses Netz eine gewisse Mächtigkeit hat, daß es sich in den oberflächlichsten Schichten der Cutis ausbreitet, an die Epidermis heranreicht und auch, wenn nur einzelne, ebenfalls genetzte Fibrillen in die untersten Epithelschichten entsendet. An einem nächsten optischen Schnitt der Serie (Fig. 21) sieht man den nämlichen End- apparat von der Fläche. Man sieht wie reichlich sich die mark- haltigen Fasern (rm) verzweigen, wie die durch vielfach sich wieder- holende Teilung hervorgehenden stark varicösen Fibrillenbündel und einzelnen Neurofibrillen miteinander in Verbindung treten und ein außerordentlich kompliziertes Netz bilden. Aus dem Vergleich der einzelnen Schnitte der Serie geht hervor, daß auch hier diese Terminal- apparate nicht etwa Gebilde von beschränkter Verbreitung oder Größe darstellen, sondern daß es sich hier um kontinuierlich miteinander in Zusammenhang stehende Apparate, hervorgegangen aus mehreren Nervenfasern, handelt. Wie kompliziert diese Apparate sind, davon kann uns ein einziger Blick auf die beiden Figuren besser belehren, als jede noch so eingehende Beschreibung. Ich bemerke noch, daß die beiden Figuren — und übrigens alle auf den dieser Schrift bei- gefügten Tafeln befindlichen Figuren — bei verschiedenen Fokal- distanzen oder Einstellungen gezeichnet sind. Schließlich möchte ich noch einige Erwägungen über die Funk- tion dieser Nervenendorgane vorbringen. Allgemein ist man der Meinung, daß die fraglichen Gebilde (Endbäumchen) Endapparate sensibler Nerven sind, ohne dies in irgend welcher Weise weiter zu begründen. Nun kommen aber diese Apparate neben andern vor, von denen man mit bei weitem größerem Recht dasselbe aussagen kann und dies auch wirklich tut. Zu diesen letzteren zählen nament- lich die insbesondere bei den höchsten Wirbeltieren überaus ver- schiedenartigen Gefühlskörperchen. Auf Grund dieser Erfahrungen könnte man mit demselben Recht den baumartigen Nervenendnetzen auch eine andre physiologische Deutung geben. Hier kommt nun 258 Eugen Botezat, ein Umstand in Erwägung, auf den hin man unsern Apparaten nur die Deutung als sensible Nervenendorgane geben kann. Schon MERKEL hat in seiner monographischen Arbeit (54) im Kapitel über die »Tastzellen und Tastkörperchen bei Vögeln«, in dem Passus über die Ordnung der Sumpfvögel, aus welcher Gruppe er den Wasserläufer (Totanus stagnalis), den Strandläufer (Tringa ‘cinerea) und die Kronschnepfe (Scolopax arcuata) zur Untersuchung verwendete, erwähnt: »Die Untersuchung der Zungen der genannten Vögel hat nur negative Resultate ergeben, so daß ich glauben muß, daß die Tastzellen hier ebenso, wie schon bei Sierna vollkommen fehlen.«< Hinsichtlich des Vorkommens andrer Gefühlskörperchen (Kolbenkörperchen) geht er im betreffenden Kapitel, was die An- wesenheit von derartigen Körperchen in der Zunge betrifft, über diese Vogelgruppe hinweg, wohl das beredteste Zeugnis hierfür, daß er sie hier ebenso wie die vorher erwähnten nicht vorgefunden hat. Wenn sich nun zwar auch voraussetzen läßt, daß sich dieses Organ bei diesen Vögeln durch eine geringe Empfindlichkeit auszeichnet, so kann man ihm eine gewisse Empfindlichkeit doch nicht absprechen. Daß aber die Empfindlichkeit der Sumpfvogelzunge nur im Epithel, wo die intraepithelialen »einfachen Nervenenden« MERKELS wohl zu finden waren, und nicht auch im bindegewebigen Stroma der Zunge vorhanden wäre, ist unter keinen Umständen vorauszusetzen. Nach den Ergebnissen von MERKELS Untersuchungen aber muß man eigentlich diese Voraussetzung machen, was als Widerspruch ohne weiteres einleuchtet. Ich habe aus der Ordnung der Sumpfvögel die Wasserralle (Rallus aguaticus) in bezug auf die Innervation des Gaumens, des Unterschnabels und der Zunge mit Methylenblau untersucht, wobei ich zufriedenstellende Resultate erhielt. Die Ergebnisse dieser Unter- suchung stimmten mit jenen MERKELS bis auf ein gewisses Plus, zu welchem MERKEL mit seiner Methode nicht hat gelangen können, überein. Auch hinsichtlich der negativen Befunde in bezug auf etwaige Gefühlskörperchen in der Zunge stimmen meine Beobachtungen mit jenen MERKELs überein. Es zeigte sich, daß die mit einer dicken Epithellage versehene Zunge von Rallus im Vergleich mit den Zungen andrer von mir untersuchten Vögel von nur verhältnismäßig wenigen Nerven versorgt wird. Ich habe nur dünne Stämmchen markhaltiger Fasern beobachtet, welche den Gefäßen entlang verlaufen, sich in dünnere Stämmehen und einzelne Fasern zerteilen und den Capillaren folgend einesteils an diesen selbst mit Netzen endigen, wie dies schon Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 259 oben beschrieben wurde, andernteils die gewissen stromalen baum- artigen Endnetze, sowie namentlich jene an der Basalmembran bilden, welche jedoch nur von geringer Ausdehnung und recht lockerer Be- schaffenheit sind. Außerdem dringen wenige Fasern ins Epithel und bilden hier die später zu besprechenden intraepithelialen Endver- zweisungen. Gefühlskörperchen irgendwelcher Art, sowie knäuel- und schlingenartige intrapapilläre Endnetze habe ich, wie dies auch ohne weiteres zu ersehen ist, schon wegen des Mangels an Cutis- papillen, durchaus vermißt. Ich fand aber, daß neben den sensiblen Endnetzen der Capillargefäße im bindegewebigen Zungenkörper und den baumartigen Terminalnetzen keine andern Endorgane vorkommen. Auf Grund dieser Tatsache, sowie in Erwägung des Umstandes, daß es in diesem Zungenteil wie auch anderwärts in der Cutis sensible Apparate geben muß, ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, daß diese baumartigen Terminalnetze sensible Nervenendapparate sind. Dieser auf Umwegen, also indirekt, gewonnene Beweis muß wohl für alle nach der topographischen Lage und dem histologischen Aufbau analogen Gebilde in den andern Körperteilen eben dieselbe Geltung haben. Daher glaube ich hierdurch den Nachweis erbracht zu haben, daß die baumartigen Nervenendapparate sensible Organe sind. Sie kommen, wie bei den Sumpfvögeln, bei Sierna unter den Schwimm- vögeln und den Raben, übrigens vielleicht auch noch bei andern als ausschließliche sensible Endapparate in wenig -empfindlichen Organen (Zungen) allein, oder in empfindlichen zusammen mit besonderen Ge- fühlsorganen vor. Auf diese Tatsache hat schon Szymoxowicz (77) hingewiesen, indem er von seinen »baumartigen Endverzweigungen an der Basalmembran« sagt, daß sie hauptsächlich dort vorkommen (Schweineschnauze), wo nur verhältnismäßig wenige Tastzellen zu finden sind. Hinsichtlich ihrer Tastfunktion dürften sie mehr oder weniger diffuser, die gewissen Gefühlskörperchen mehr spezifischer Natur sein. II. Nervenendapparate mit Nebenorganen (zellige Tastapparate, Tastkörperchen). Unter diesen Apparaten verstehe ich alle jene, welche auch von den Vögeln her in der Literatur unter verschiedenen Namen ganz wohl bekannt sind, von denen man nur wenige auch mit den neuen Methoden untersucht hat, wodurch man aber in die Lage gekommen ist, sie in allen Teilen ihrer wahren Bildung nach zu kennen. Über andre herrscht in der Literatur trotz der Kenntnis ihrer Existenz, namentlich in dem Endverhalten der zutretenden Nerven, noch immer- 260 Eugen Botezat, fort so. gut wie vollständiges Dunkel. Die Apparate dieser Kategorie sind Endigungen sensibler Nervenfasern, welche nicht frei im binde- gewebigen Stroma der Outis liegen und so mit diesen bindegewebigen Elementen in Kontakt treten, sondern die in Beziehung zu zelligen Gebilden stehen. Diese letzteren Gebilde sind entweder ein-, zwei- oder auch mehrzellig.. Die zwei- und mehrzelligen zeigen entweder ein unregelmäßiges gruppenartiges Aneinandertreten von Zellen oder aber stellen ein einheitliches Gebilde von regelmäßigem zelligen Auf- bau dar. Und diese letzteren hinwieder sind es meist, welche ihrer- seits von besonders geformten bindegewebigen Gebilden umgeben werden. So kommt es zur Bildung von einfachen und auch recht komplizierten Körperchen, zu deren zelligen Elementen die Endaus- breitungen gewisser sensibler Nerven in intime Beziehungen treten. Nerven andrer Art treten in ihren Endigungen mit dem zelligen Körperchen als solchem in Kontakt, und es kommt auf solche Weise zur Ausbildung von zuweilen sehr komplizierten Gebilden. Unter diesen Endapparaten unterscheidet man also sehr verschiedene, von durchaus einfachen einzelligen bis zu kompliziert gebauten vielzelligen. Man könnte daher verschiedene Arten derselben unterscheiden. Dies ist jedoch aus verschiedenen und namentlich schon aus dem Grunde nicht tunlich, weil erstlich einmal zwischen den einzelnen verschie- denen Apparaten Übergänge vorzufinden sind und zweitens diese verschiedenartigen Gebilde auch unmittelbar nebeneinander zu finden sind. Immerhin muß man aber zunächst zwei Hauptgruppen unter- scheiden: MERKELsche Körperchen und Kolbenkörperchen. Die MEr- KELschen Körperchen zeichnen sich durch den Besitz von ausge- sprochenen sogenannten Tastscheiben als Nervenendgebilde, die - Kolbenkörperchen hingegen haben den charakteristischen Aufbau aus einer Doppelsäule von gegeneinandergekehrten wurstförmigen Zellen, welche einen Hohlraum einschließen, durch welchen die kolbige Achsenfaser des zutretenden Nerven hinaufzieht. In der Reihe der MERKELschen Körperchen können wieder einzellige oder einfache und mehrzellige oder zusammengesetzte unterschieden werden. Zwischen den einen und den andern gibt es organisch zusammengehörige zwei- zellige und mehr oder minder locker miteinander verbundene Gruppen einzelliger Übergangsformen. Diese sind entweder frei oder mit be- sonderen bindegewebigen Hüllen umgeben, und danach können sie in Gruppenkörperchen mit einer besonderen Modifikation von charakte- ristischem zelligem Aufbau, den Zungentastkörperchen mancher Vögel im engeren Sinne und in GRANDRYsche Körperchen unterschieden Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 261 werden, welche ebenfalls durch Übergangsformen mit den einfachen MERKELschen Körperchen in verwandtschaftlicher Verbindung stehen. Die Kolbenkörperchen kann man ganz unabhängig von den ver- schiedenen Formen derselben, welche von älteren Autoren (KRAUSE [43], Merker [54], AxEeL Key und Rerzıus [42]) unterschieden werden, auf zwei schon nach dem äußeren Habitus deutlich geschiedene Formen reduzieren: VATER-Pacınische und Hergstsche Körper- chen. Die ersteren haben eine langgestreckte, zuweilen etwas ge- ‚schlängelte Form und nur wenige Bindegewebshüllen, die letzteren zeigen im ganzen eine gedrungene Gestalt mit einer mächtigen Lage von bindegewebigen Hüllen. a. Merkelsche Körperchen. Diese identifizieren sich mit jenen Gebilden, welche von MERKEL selbst (54) als »Tastzellen und Tastkörperchen« beschrieben wurden, und in der Literatur seither unter dem Namen Tastzellen, Tast- körperchen und GranDrYsche Körperchen verzeichnet sind. Diese Körperchen kann man in zwei Hauptgruppen scheiden: 1) Freie oder eigentliche MERKELSche Körperchen und 2) ein- sekapselte oder GrRAnDrYsche Körperchen. Die ersteren sind ein-, zwei- oder mehrzellig und liegen frei im bindegewebigen Stroma, die letzteren sind ebenfalls ein-, zwei- oder mehrzellig und liegen nicht frei im Bindegewebe, sondern sind von besonders ausgebildeten bindegewebigen Hüllen umgeben. Die ersteren stellen ursprünglichere, die letzteren höher entwickelte Formen dar. Diese letzteren finden sich in einer recht einfachen Form bei den Nachtraubvögeln, in be- deutend entwickelteren (charakteristischen) Gestalten jedoch bei den Leistenschnäblern (Lamellirostres) unter den Schwimmvögeln. 1. Nicht eingekapselte, freie oder eigentliche Merkelsche Körperchen. (Fig. 29 ci, 30, 31, 32, 33, 35, 36, 37, 38, 39, 47, 48, 49, 50, 51.) Wie erwähnt, bestehen diese Körperchen aus ein- oder mehr- zelligen Gebilden, zu denen die Endigungen gewisser Nerven in innige Beziehungen treten. Sie stellen unter den zelligen Tastkörper- chen die einfachsten Bildungen dar. Ihre zelligen Elemente sind phylogenetisch epidermoidalen Ursprungs, worauf weiter unten aus- führlich eingegangen werden wird. Es lassen sich mehrere Formen unterscheiden, welche sich auf den ursprünglichen Typus der ein- fachen einzelligen zurückführen lassen. Die zusammengesetzten 2362 Eugen Botezat, Formen bilden einerseits bloß einfache lokale Anhäufungen von Zellen, die miteinander in keinem Zusammenhang stehen, wenn sie auch unter Umständen in recht dichter Anordnung nebeneinander gefügt erscheinen. Diese Gruppen können bald aus nur wenigen bald aus recht vielen Zellen bestehen. Sie kommen oft neben isolierten ein- zelligen Körperchen in demselben Organ bei dem nämlichen Tier vor. Am deutlichsten und häufigsten ist dieses Vorkommen im Gaumen der Hühnervögel zu beobachten (Fig. 38 oben, 39). Gleichzeitig mit diesen, aber auch durchaus unabhängig davon, kommen bei denselben, sowie auch bei andern Vogelgruppen teils unvollkommen (Fig. 38 unten), teils auch vollkommen zweizellige Körperchen vor. Diese letzteren sind organisch zu einem Körperchen verbunden. Die Ver- bindung wird durch den zutretenden Hauptnerven, welcher für beide Zellen eine und dieselbe Tastscheibe bildet, hergestellt. Der in Fig. 35 dargestellte Fall bildet zu diesen eigentlichen, jedoch im all- gemeinen nicht sehr oft zu beobachtenden Zwillingskörperchen einen sehr interessanten Übergang. Die eigentlichen Zwillingskörperchen sind mit einer durchaus gemeinsamen Tastscheibe oder dem Tastmeniscus (mt) versehen. Während nun die Zellen der einfachen Körperchen eine ellipsoidische Gestalt haben, verändert sich diese, sobald zwei oder mehrere Zellen nahe aneinandertreten; sie bekommen dann eine brotlaibartige Form (Fig. 38, 39). Letztere ist bei den mehrfach zu- sammengesetzten Formen noch deutlicher ausgeprägt. Die Anein- anderfügung der Zellen kann auch durch drei, vier und auch fünf Zellen derart bewirkt werden, daß dieselben eine einfache Säule dar- stellen (Fig. 37). Dieser letztere Fall stellt wohl einen höheren Ent- wicklungszustand dar, so daß man, wie auch schon von den Zwillings- körperchen, von Tastkörperchen im eigentlichen Sinne sprechen kann, während sich das gleiche von den unregelmäßigen Gruppenkörper- chen (Fig. 38 oben, 39) nieht immer sagen läßt. Nichtsdestoweniger kommen diese verschiedenartigen Bildungsstufen oft bei demselben Tier und auch sogar in dem nämlichen Organ nebeneinander vor. Die höchste Ausbildungsstufe erlangen jene Körperchen von komplizierterem zelligen Aufbau, welche sich in den Zungenpapillen, aber auch in andern Mundteilen gewisser Vögel (eigentliche Sänger) vorfinden und die nebst andern Gebilden von MERKEL mit dem Namen Tastkörperchen versehen wurden. Sie bestehen eigentlich aus einer Doppelsäule von Zellen, welche ganz eng aneinandergerückt, an den beiden Polen mit je einer Terminalzelle abschließen. Diese sollen hier separat betrachtet werden, da sie nicht wie die andern zusammen- Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 263 gesetzten Körperchen in verschiedenster Art und auch gleichzeitig mit den einzellisen nebeneinander vorkommen, sondern bei den be- treffenden Vögeln das Hauptkontingent an zelligen Tastkörperchen bildend, für dieselben charakteristisch sind. Dies gilt aber durch- aus nicht etwa als absolute Tatsache, da sich, wenn auch untergeord- net, wenigstens im Gaumen und namentlich in der Spitze des Unter- schnabels der genannten Vögel, neben denselben auch isolierte einzellige Körperchen vorfinden. Was die Größe, Form und strukturelle Beschaffenheit dieser Zellen betrifft, so sind gewisse Unterschiede wahrzunehmen, welche aber sekundärer Natur und somit von untergeordneter Bedeutung sind. Die isolierten Einzelzellen entsprechen in ihrer Größe unge- fähr den Epidermiszellen des betreffenden Tieres oder übertreffen diese um ein Geringes (Fig. 36 cm). Ihre Form ist aber natürlich nicht polygonal, sondern ellipsoidisch, mitunter auch fast kugelig, da sie ja frei im Bindegewebe schweben. Auch die Struktur des Proto- plasmas läßt gegenüber den Epithelzellen keine, wenigstens keine auffallenden Unterschiede wahrnehmen. Der Kern ist ebenso wie jener der Epidermiszellen verhältnismäßig groß und ebenfalls ellipsoi- disch (Fig. 31 X, 36 X). Eine dicke, geriffte Zellwand, wie sie den Epidermiszellen eigen ist (Fig. 36 ep), war weder vorauszusetzen noch zu beobachten. Auf die Entwicklungsgeschichte und das chemische Verhalten dieser Zellen soll erst am Schlusse dieses Kapitels eingegangen werden, da es sich in dieser Beziehung um ein gemeinsames, gleichartiges Verhalten handelt. Daß aber diese Zellen der einfachen, der zusammengesetzten, sowie der GRANDRYschen und nicht minder der Kolbenkörperchen, wie MERKEL der Meinung war, terminale Ganglienzellen wären, ist durchaus nicht der Fall. Betreffend das Vorkommen und die Verteilung der MERKELSchen Körperchen bei den einzelnen Vogelsruppen bzw. Arten kann ich mich den ausführlichen, gewissenhaften und tunlichst weitgehenden Studien MERKELS (94) anschließen. Leider konnte ich nicht alle wünschenswerten Vogelgruppen in das Bereich meiner Untersuchungen ziehen, wie sehr ich dies auch angestrebt habe. Immerhin habe ich aber Repräsentanten der wichtigsten Ordnungen oder Familien ge- wählt, so daß ich, zumal auf der von MERKEL geschaffenen Basis weiter schreitend, auch gleichzeitig eine genügende Übersicht der Vögel hinsichtlich ihrer Tastorgane erlangen konnte. In manchen Gruppen konnte ich andre Arten als MERKEL untersuchen und auf diese Weise seine Ergebnisse erweitern. 264 Eugen Botezat, Aus der Ordnung der Schwimmvögel untersuchte ich die Mund- teile der Hausente und der Gans hinsichtlich ihrer Innervation, da mir dies namentlich mit Rücksicht auf die Verbreitung und Beschaffenheit der MErRKELschen- und Kolbenkörperchen bei den Schwimmvögeln ausreichend zu sein schien. MERKEL (34) untersuchte auch die Mund- teile der Seeschwalbe in dieser Richtung und kam zu von den _ Lamellirostres abweichenden Resultaten. Die gewissen Tastzellen fand er bei diesem Vogel nur im Gaumen. Es wäre aber nicht nur lohnend, sondern auch geradezu wünschenswert, Vertreter aller Schwimmvogelgruppen in dieser Richtung zu untersuchen; es würden sich jedenfalls sehr interessante Befunde ergeben. Von den Sumpfvögeln untersuchte ich nur die Wasserralle und kann die Ergebnisse, zu denen MERKEL bei andern Sumpf- vögeln gelangte, auch an diesem Vertreter vollauf bestätigen. Die MERKELschen Körperchen finden sich in nicht gerade besonders sroßer Zahl im Gaumen und in der Schleimhaut des Unterschnabels. Zusammengesetzte Körperchen, welche aus sehr dicht aneinander sedrängten Tastzellen und gemeinsamen Tastscheiben bestehen, finden sich nicht vor. MERKEL sagt, daß »Zwillinge die höchste Entwick- lung der Körperchen darzustellen scheinen«. Ich kann nun zwar für die Schnepfenvögel nicht einstehen, aber bei Rallus habe ich nicht ein- mal diese einfachste Gruppierung zu eigentlichen Tastkörperchen beobachten können. Für die zusammengesetzten MERKELSchen Körperchen bzw. die Tastkörperchen sind die sehr dichte Aneinander- lagerung der Zellen und die gemeinsamen Tastscheiben von wesent- licher Bedeutung, und solche Verhältnisse habe ich bei Rallus in keinem Falle beobachtet. Hingegen stimmen die Angaben MERKELS über die Tastapparate der Zunge dieser Vögel mit meinen Befunden bei ZRallus überein, wonach in diesem Organ keine MERKELsche Körperchen zu finden sind. Ebenso habe ich auch keine Kolbenkörperchen beobachtet. Die Nerven in der Zunge dieses Vogels sind nicht sehr zahlreich, und was ihre Endapparate betrifft, so treten diese größtenteils zu den größeren und feinen Blutgefäßen in Beziehung. Ein andrer Teil bildet baumartige Terminalfibrillennetze an der Grenze zwischen Cutis und Epidermis, und es scheint, daß auch hier einzelne Fibrillen dieses Netzes auch in das Epithel eindringen. Andre Nerven be- geben sich direkt ins Epithel und zeigen ein Verhalten, wie dies weiter unten ausführlich beschrieben werden wird. Nach den An- gaben MERKELS müßte die Zunge der untersuchten Sumpfvögel Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 265 eigentlich frei von Tastorganen sein, was doch unter keinen Um- ständen anzunehmen ist. Wenn man nun dem Organ keine beson- dere Tastfunktion zuschreiben kann, so stellt es sich doch heraus, daß es einen gewissen Grad von Empfindlichkeit besitzt, welcher durch die Terminalnetze an der Basalmembrnn und die intraepithelialen Nerven bedingt wird. Der Grad der Empfindlichkeit der Oberseite der Zunge dieser Vögel dürfte ungefähr jenem an der Unterseite unsrer Zunge, wo ebenfalls nur diese hier erwähnten Nervenendigungen vor- kommen, entsprechen. Die Untersuchung der Mundteile des Huhnes bestätigte die An- gaben MERKELSs. Die Anzahl der MErKELSschen Körperchen ist bei diesem Vogel im harten Gaumen und im Unterschnabel namentlich gegen die Spitze zu eine sehr bedeutende Auch die Zunge des Huhnes enthält, jedoch nur wenige, MERKELSche Körperchen. Zwillingskörperchen (Fig. 38) und Gruppen dichtgedränster einfacher Körperchen sind, und zwar namentlich die letzteren, für das Huhn sehr charakteristisch. Von dieser letzteren Tatsache kann man sich nach jeder Methode, insbesondere nach der Gold- und Methylenblau- methode, an jedem Schnitt durch den Gaumen sehr leicht überzeugen. MERKEL sagt in bezug auf das Huhn, daß »auch die einfachen TPast- zellen häufig zu »Nestern« vereinigt sind, was auf einen Anfang der Tastkörperchenbildung hindeutet«. Daß aber die einzelnen Körper- chen oder auch die zu Gruppen vereinigten von einer besonderen bindegewebigen Kapsel etwa nach Art der Gravpryschen Körper- chen umschlossen werden, wie MERKEL der Meinung ist, kann ich nicht behaupten. Wohl ist es auffallend, daß sich das Bindegewebe nicht nur an den Zellen der Körperchen, sondern auch längs der dieken, markhaltigen Nervenfasern in einer sich vom umgebenden Gewebe distingierenden, dichten Weise anlagert, aber nichtsdesto- weniger kommt es nicht zur Ausbildung einer eigentlichen Binde- gewebskapsel. Ich glaube, daß man den Fall bloß als eine Tendenz zur Bildung einer Kapsel bzw. als eine beginnende Kapselbildung ansehen kann. Bei der Haustaube ist das Vorkommen der MerkErschen Körperchen jenem des Huhnes ziemlich gleich kommend, worin meine Beobachtungen mit jenen MERKELS übereinstimmen. Hingegen möchte ich diesem Forscher in bezug auf die Beschaffenheit und die Verteilung oder richtiger das Nebeneinandervorkommen widersprechen. Denn jene gewisse Protoplasmastreifung, welche für die Tastzellen der GrAnDRYschen Körperchen bei den Leistenschnäblern so charakte- 266 Eugen Botezat, ristisch ist und sich teilweise auch an den Tastzellen der MERKEL- schen Körperchen beim Huhn beobachten läßt, habe ich an den Tastzellen der Taube nicht wahrgenommen. Auch geht den letzteren die charakteristische, allerdings durch die Nebeneinanderlagerung be- dingte brotlaibartige Form, wie sie für die GRAnDRYschen Körperchen der Ente von Szymoxowicz (42) gedeutet wird, ab. Dies geschieht aus dem Grunde, weil die Taube hauptsächlich zerstreute, d. i. nicht unmittelbar aneinander liegende, wenn auch massenhaft auftretende (Fig. 29 ct, 32 cm, 33 ct) Körperchen besitzt. Deshalb ist auch die Form der Körperchen bei der Taube zumeist eine ellipsoidische und unter Umständen sogar auch eine fast kugelige (Fig. 31, 33, 35, 36). Wenn aber trotzdem an den Zellen dieser Körperchen eine bedeutende Verfiachung zu beobachten ist, dann glaube ich dieselbe auf eine Schrumpfung infolge einer nicht entsprechenden Behandlung des Präparates zurückführen zu müssen. In derartigen Fällen schrumpft manchmal nur das Protoplasma ein (Fig. 31 Pr), andre Male die ganze Zelle oder das Körperchen (Fig. 32). Immerhin findet man aber auch bei der Taube brotlaibartig ab- geplattete Zellen der Körperchen vor; dies ist jedoch dann der Fall, wenn dieselben sich übereinander lagern und so Gruppen oder Säu- len bilden. Unter diesen sind am seltensten zweizellige, häufiger drei-, vier- oder sogar fünfzellige Körperchen zu beobachten (Fig. 37), nach Art der zusammengesetzten GRAnDrYschen (Fig. 42). Die auf diese Weise säulenartig übereinander gelagerten Zellen bilden dann im Verein mit den gemeinsamen Tastscheiben zusammengesetzte MERKELSsche Körperchen. MERKEL (94, S. 126) sagt noch von den Zellen der in Rede stehenden Körperchen beim Huhn und der Taube, daß sie eine Hülle besitzen, daß dieselbe sogar »eine sehr kräftige ist«. »Färbungen lassen erkennen, daß entweder nur an einer oder auch an beiden Breitseiten der Zelle ein platter Kern in die Hülle eingeschlossen ist, welche denn auch an dieser Stelle eine ganz besondere Mächtig- keit erreicht.« Derartiger Kerne und Hüllen tut MErkEL übrigens auch an den Tastzellen andrer Vögel Erwähnung. Ich habe an meineu Präparaten etwas Derartiges nicht beobachten können, ja nicht einmal Bindegewebshüllen in Form einer Kapsel, wie sie an den typischen GrAnDRYSschen Körperchen der Ente ebenfalls an meinen Präparaten, welche nach der gleichen Methode und unter gleichen Verhältnissen hergestellt sind, zu beobachten sind (Fig. 34, 42, 43, 44, 45), konnte ich jemals wahrnehmen. Ich muß daher die An- Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 267 wesenheit derartiger speziell entwickelter Bindegewebshüllen für die eigentlichen MERKELschen Körpereben der Vögel in Abrede stellen. Hingegen ist MERKEL über das Endverhalten der an die Zellen heran- tretenden Nerven unaufgeklärt geblieben, und ich glaube, daß er durch mit Osmium undeutlich dargestellte Nerventeile an den Zellen zur Annahme jener Hüllen beziehungsweise Kerne veranlaßt worden sein mag. Das hier über die Tastzellen Mitgeteilte findet auch auf jene der andern schon betrachteten und noch zu betrachtenden Vogel- gruppen, gleichviel ob es sich um einfache oder um zusammengesetzte MERKELsche Körperchen handelt, sinngemäße Anwendung. Die Passeres verhalten sich in bezug auf die MERKELSchen Körperchen sehr verschieden, wie dies auch von MERKEL sehr richtig betont wurde. Bei den Raben sind diese Gebilde zwar vorhanden, aber sehr klein und spärlich vertreten, weshalb sie leicht übersehen werden können. Sie sind namentlich im Gaumen und in der Schleimhaut der Schnabelspitzen zu finden. In der Zunge wurden sie weder von MERKEL noch von mir vorgefunden. Bei den Schwalben, welche ich nicht untersucht habe, sind sie von MERKEL in großer Menge an den Schnabelspitzen vorge- funden worden. Die Zunge aber entbehrt ihrer. Ebenso verhalten sich nach demselben Gewährsmann die Meisen, wiewohl MERkEL bei der Blaumeise die Zellen bereits zu den cha- rakteristischen Tastkörperchen vereint gesehen zu haben glaubt, welche sich bei den eigentlichen Sängern vorfinden. In der Zunge desselben Vogels hat MERKEL zwar Nervenfasern bis in die Spitze verfolgt, doch ist er über das Endverhalten der- selben im Dunkeln geblieben. Ich habe die Zunge der Kohlmeise untersucht und wegen der ungünstigen Beschaffenheit derselben zwecks Untersuchung ihrer Nerven zwar nur wenig brauchbare Präparate erzielt, aber immerhin konnte ich aus denselben entnehmen, daß ihr Nervenreichtum ein verhältnismäßig geringer ist, und daß diese Ner- ven ebensolche Endigungen bilden, wie dies oben von den Nerven in der Zunge der Wasserralle bereits gesagt wurde. Beim Wiedehopf, dessen Mundteile ich nach der Gorsıschen Methode untersucht, habe ich von MERRELschen Körperchen nichts Bestimmtes vorfinden können. Allerdings erhielt ich nur von der Zunge und dem Schlund brauchbare Präparate, während die Unter- suchung des Gaumens negativ ausgefallen ist. In der Zunge dieses 268 Eugen Botezat, Vogels habe ich an einer Stelle zwei nebeneinander stehende Ge- bilde von ellipsoidischer Form wahrgenommen, welche dicht von verschiedenartig gewundenen, doch im allgemeinen eireulär verlaufen- den, verzweigten, netzartigen Fasern eingenommen waren. In einem dieser Gebilde konnte ich im Nervenverlauf eingeschaltete wie im- prägnierte Zellen aussehende Flecken wahrnehmen. Ob aber diese letzteren wirklich Zellen oder nur ganz besonders große Varicositäten waren, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, glaube aber dieselben eher für Zellen halten zu müssen. Hauptsächlich aus diesem Grunde kann ich mich über den Befund nicht näher aussprechen, ob es sich nämlich um knäuelartige Nervenendorgane (siehe oben die Fußnote), oder um nicht eingekapselte Nervenkörperchen nach Art der GOLGI- Mazzoniıschen, oder aber um zellige Tastkörperchen, etwa sehr un- vollkommenen MEısswerschen gleichkommenden Körperchen handelt. Ähnliche, jedoch mehr in die Länge gestreckte Gebilde habe ich auch in der Zunge des Sperlings, und zwar sowohl oberhalb als auch unterhalb des Zungenknochens gesehen. Diese letzteren hatten eine auffallende Ähnlichkeit mit den für die zu besprechen- den, namentlich in den charakteristischen Cutispapillen der Zunge der eigentlichen Sänger eigentümlichen zusammengesetzten MERREL- schen Tastkörperchen, welche nach der Gor6ı-Methode behandelt nur sehr undeutlich die Zellenstruktur hervortreten lassen, wie dies durch die Fig. 50 zur Anschauung gebracht wird. Auch in der Zunge der Ente habe ich an einem Methylenblau- präparat neben Hergsrtschen und zahlreichen GRAnDRYschen Körper- chen einen ähnlichen Befund gemacht. An diesem letzteren Orte sah ich an das fast kugelige Gebilde eine dicke markhaltige Nervenfaser herantreten und sich in ein spiralartiges Netz von Fibrillen auflösen. Wenn man nun gegen die Anwesenheit solcher Körperchen im Zungenstroma des Sperlings und des Wiedehopfes nichts einwenden sollte, so muß mich dieser Befund in der Entenzunge wundern, zu- mal dieses Organ schon so oft untersucht wurde und man nie Der- artiges gefunden hat. Auch ich bin, wie gesagt, nur einmal einem solchen Gebilde begegnet. Es kann sich durchaus nicht etwa um ein zusammengesetztes GRANDRYsches Körperchen mit undeutlichen Tastzellen handeln, da das Gebilde die benachbarten meistens zu- sammengesetzten GRANDRYschen Körperchen an Größe bedeutend überragt. Die Erwähnung dieser Gebilde führt uns hinüber zur Betrachtung der eigentlichen Sänger unter den Sperlingsvögeln, von denen ich Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 269 den Haussperling, den Hänfling und die Haubenlerche untersucht habe. Beim letzteren Vogel habe ich nur dürftige Resultate erhalten, hingegen konnte ich die verschiedensten Nervenendgebilde bei den untersuchten Sperlingen und Hänflingen feststellen. Die Zunge dieser Vögel hat eine charakteristische Form; sie ist vorn fast löffelartig oder nach MERKEL wie schief abgeschnitten und auf der Oberseite mit einer mächtigen Epidermisschicht versehen. In diese dringen nach JoBErr (41) am Rande der Zunge einfache, fadenförmige, spitze, in der Mitte derselben zusammengesetzte keulen- förmige Papillen der Lederhaut ein (Fig. 27, 47, 54, 56). Die Merkeuschen Körperchen finden sich in diesen Papillen zu besonders ausgebildeten eigentlichen Tastkörperchen vereinigt vor. Über ihren zelligen Aufbau berichtet Merker, daß »die Tastzellen klein und einander sehr nahe gerückt sind, so daß die Körperchen ein sehr eng quergestreiftes Aussehen haben«. Dieser Aufbau wurde von den beiden Vorgängern MERKELS, JOBERT, welcher diese Körper- chen mit den von VATER, LÜDDEN, KRAUSE und IHLDER beschriebenen identifiziert und von IHLDER (39), welcher der eigentliche Entdecker derselben ist, »mit den PAcınischen Körperchen zusammengeworfen«, wie MERKEL sagt. Diese Tastkörperchen sind insbesondere für die Zungenpapillen der eigentlichen Sänger charakteristisch. Die vorher erwähnten fraglichen Gebilde im Zungenstroma der Ente, des Wiede- hopfes und des Sperlings mögen eine Abart dieser Körperchen dar- stellen. Denn in der Tat sind bei den eigentlichen Sängern die fraglichen Körperchen auch im Gaumen, wenn auch sehr spärlich, zu finden. Für die Ente ist dieser Befund allerdings sehr über- raschend. Neben diesen Körperchen kommen aber bei den Sängern, jedoch an andern Orten, wie im Gaumen und den Schnabelspitzen auch einfache Körperchen vor, doch ist ihre Zahl keine bedeutende. Diese Zungentastkörperchen zeigen einen merkwürdigen Aufbau aus einer Doppelsäule von Tastzellen, welche an den Polen meist von je einer Terminalzelle abgeschlossen wird. MERKEL ist der Meinung, daß »die einzelnen Tastzellen durch bindegewebige Scheide- wände voneinander getrennt sind, welche mit auf dem Durchschnitt dreieckig aussehenden Verbreiterungen von der gemeinsamen Hülle ent- springen<«. Ich für meinen Teil muß gestehen, daß ich sowohl an GoLg@I- als auch an Methylenblaupräparaten derartige Hüllen nie beob- achten konnte, vielmehr habe ich stets den Eindruck erhalten, daß sie einfach im Bindegewebe liegen, ohne daß das letztere eine Hülle besonderer Art um die Körperchen bilden würde. Wenn ich auch Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd, 18 210 Eugen Botezat, zugeben soll, daß die Gorcı-Methode für die Darstellung solcher Bindegewebskapseln nicht gerade sehr geeignet ist, so kann man das Gleiche nicht auch von der Methylenblaumethode behaupten. Ich stelle daher die Anwesenheit solcher Hüllen bei den fraglichen Körperchen in Abrede und glaube, daß MERKEL durch unvollkommen mit Chlorgold oder Osmiumsäure imprägnierte Nervenelemente ge- täuscht wurde. Die MERKEL als Kerne erscheinenden Gebilde könnten ganz gut als Varicositäten dieser Nerven gedeutet werden. Was die Form dieser Körperchen betrifft, so ist sie gewöhnlich eine ellipsoidische, doch kommen auch verschiedene Varianten der- selben namentlich in den hinteren Zungenpartien und in den Schnabel- spitzen vor, worauf hier nicht näher eingegangen werden soll, da - diese Verhältnisse hinlänglich eingehend von MERKEL (S. 128) be- leuchtet wurden. | Von den Klettervögeln konnte ich leider, wenigstens beim Specht, keine brauchbaren Resultate erzielen und einen Papagei zu unter- suchen hatte ich keine Gelegenheit. Von den letzteren aber behauptet MERKEL, daß er weder im Schnabel noch in der Zunge »Tastzellen« vorgefunden habe, weswegen er auch glaubt, daß diesen Tieren die fraglichen Körperchen vollkommen abgehen. Und dennoch haben diese Vögel ein ausgesprochen gutes Gefühlsvermögen in ihren Mund- teilen. Die Gefühlsapparate dieser Vögel sind nach MERKEL aus- schließlich Pacınısche Körperchen, welcher hierdurch die von ihm gemachten Befunde GouJons (34) bestätigt. Schließlich muß ich noch der Raubvögel gedenken. Bei den Tagraubvögeln hat MERKEL die Körperchen zwar nicht vorgefunden, glaubt aber diesem negativen Befund keine besondere Bedeutung bei- zumessen, vielmehr ist er der Meinung, »daß die Tastzellen bei diesen Vögeln nicht häufig sein können und sich wahrscheinlich, wenn sie vorhanden sind, auf die Spitzen beider Schnäbel beschränken«. Ich habe keinen Tagraubvogel nach dieser Richtung hin untersucht. Hin- gegen habe ich eine junge Eule zu untersuchen Gelegenheit ge- habt und die überaus zahlreichen Körperchen im Gaumen und in der Spitze des Unterschnabels neben den PaAcınıschen Körperchen vorgefunden. Über die ersteren sagt MERKEL: »Sie erinnern hier fast an die Zellen bei den Lamellirostres, sowohl was ihre Größe, als was ihre Zusammensetzung zu Tastkörperchen betrifft«. In dem letzteren Punkte kann ich MERKEL vollkommen beipflichten, jedoch mit dem Zusatze, daß diese Körperchen auch ziemlich deutliche, wenn auch nicht ebenso vollkommene Bindegewebskapseln wie die Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 271 GranprYschen Körperchen der Leistenschnäbler aufweisen, weshalb ich sie mit jenen zusammenstelle (Fig. 40a, db). Hingegen kann ich mich in bezug auf die Größe der Körperchen mit der Anschauung MERKELs nicht identifizieren, wenigstens nicht bei dem von mir untersuchten Exemplar. Ich finde die Körperchen der Eule viel kleiner als jene der Entenvögel, doch dies ist nicht von wesentlicher Bedeutung. Die Standorte dieser Körperchen sind die nämlichen wie bei den übrigen Vögeln. Sehr zahlreich sind sie in den eigentümlichen Höckern des Gaumens (Fig. 404). MERKEL bemerkt, daß sie einzeln, zu Gruppen und zu Tastkörperchen vereinigt vorkommen. Ich finde die einzelnen und die eigentlichen Gruppen sehr selten, hingegen die Zwillinge und Drillinge geradezu in der Regel (Fig. 40a, b). Ich schreite nun zum wichtigsten Punkt, zur Betrachtung der Innervation der Merkeuschen Körperchen. Diese soll nun für die einzelnen Arten gesondert geschildert werden. c. Einfache Merkelsche Körperchen. Zu diesen rechne ich, wie schon oben erwähnt wurde, jene Körperchen, welche aus einer einzigen Zelle bestehen. Unter dem Körperchen aber ist nicht etwa die Tastzelle allein, sondern die Zelle mit den zugehörigen Nervenendigungen zu verstehen. Die Innervationsverhältnisse der einfachen Körperchen sind überall die gleichen, weshalb ich dieselben auch ganz allgemein für alle Vögel, bei denen sie vorkommen, betrachten will. Jedes MERKELSsche Körperchen wird von beiden Arten der Cutis- nervenfasern versorgt, welche bereits in den Vorbemerkungen er- wähnt wurden. Es sind dies dicke markhaltige und dünne, mit Kernen versehene, marklose Fasern, welche aber während ihres Ver- laufes in den Nervenbündeln von einer Markscheide umgeben sind und die letztere erst dann verlieren, wenn sie die Nervenbündel ver- lassen, um als einzelne Fasern in geschlungenem Verlauf nach allen möglichen Richtungen in der Cutis zu ziehen und sich so ihrem Ende zu nähern. Die dicken Fasern aber verlieren die Markhülle ge- wöhnlich erst fast unmittelbar vor der Bildung des Endapparates. Im folgenden sollen diese.zwei Arten von Nervenfasern als dieke und dünne Fasern bezeichnet werden. Die dicken Nervenfasern haben gewöhnlich eine mächtige Mark- scheide und lassen an Methylenblaupräparaten sehr deutlich die zahl- reichen RanvIEerschen Schnürringe erkennen. Man kann sehr oft SE 272 Eugen Botezat, beobachten, wie eine Faser in einzelnen dieser Einschnürungen ge- wöhnlich in zwei, manchmal auch in drei Sekundärfasern zerfallen, welehe ihrerseits wieder Schnürringe aufweisen, nach verschiedenen Richtungen abziehen und abermals in neue Fasern zerfallen. Diese letzteren sind nun gleichfalls markhaltig und können den Prozeß wiederholen, oder es verliert eine Abzweigung die Markscheide und schiekt sich als nackte Achsenfaser zur Bilduug des Endapparates an, während die andre oder die andern, falls ihrer mehr als zwei abzweigten, als markhaltige Fasern weiterziehen, um erst später die Scheiden zu verlieren und zur Bildung der Endapparate zu schreiten (Fig. 30 links unten Rr, links oben Ar). Übrigens können diese Fasern auch ohne sich derartig zu verzweigen, sich direkt zu den Körperchen begeben (Fig. 30 rechts, 44, 47, 54 u. a., nm), oder es begibt sich die eine oder alle Sekundärfasern zu den Körperchen oder aber die letzten Abzweigungen, welche die Markhülle verloren haben, bilden alsbald die Terminalapparate (Fig. 38 nm). Die mark- haltigen Fasern laufen gewöhnlich mehr oder minder parallel zum Verlauf der Bindegewebsfibrillen der Cutis. Manchmal kann man auch beobachten, wie die Bindegewebsfibrillen fast eine förmliche Scheide um die Nerven herumbilden. Sehr deutlich, beinahe auf- fallend habe ich dies im Gaumen des Huhns beobachtet (Fig. 38 rum). Dieses Verhalten der zu den Tastkörperchen tretenden Nerven ist somit ebenso wie dies von den markhaltigen Nervenfasern gesagt wurde, welche frei in der Cutis liegende Endapparate bilden. Das- selbe läßt sich auch von jenen dieken Fasern sagen, welche sich direkt ins Epithel begeben und dort Endapparate bilden, welche weiter unten beschrieben werden sollen. Das gleiche Verhalten zeigen auch die entsprechenden Nerven in der Haut der Säugetiere und nach DocıeEr (27, 28) auch jene der menschlichen Haut. Die nämlichen Verhältnisse lassen sich übrigens auch bei den niederen Wirbeltieren feststellen und ich glaube, daß auch der Amphioxus in dieser Beziehung keine Ausnahme macht — wenigstens scheint dies, namentlich aus den der einschlägigen Arbeit von DoGIEL (25) bei- gegebenen Figuren hervorzugehen. In der Nähe einer Tastzelle verliert die dieke Nervenfaser bald unmittelbar vor der Zelle, bald schon auf einer gewissen Entfernung von dieser in der angedeuteten Weise die Markhülle und begibt sich als nackte Achsenfaser zur Zelle. Die Achsenfaser kann sich auch, und zwar unter Umständen sogar wiederholt teilen und die einzelnen Teilfasern begeben sich zu verschiedenen Zellen. Jede Achsenfaser Die Nervenendapparäte in den Mundteilen der Vögel usw. 273 bildet nun unmittelbar vor der Zelle plötzlich eine Verbreiterung, welche sich in Form eines schüsselartigen Gebildes (Meniscus) dicht an die Zelle anlegt (Fig. 30 mit). Dieser Tastmeniscus bildet den Endapparat des Nerven. Nicht selten, ja ich möchte geradezu sagen in der Regel und zwar dort, wo die Tastzellen in großer Zahl und diehter Anordnung nebeneinander liegen, geht vom Tastmeniscus des einen Körperchens eine dünne varicöse Faser ab, welche sich zu einer benachbarten Zelle begibt und an dieser ebenfalls einen Tast- menisceus bildet (Fig. 32, 33). Von hier aus kann sich derselbe Vor- sang noch wiederholen (Fig. 35). Man kann auch Körperchen beob- achten, an denen vom Tastmeniscus eine dünne Faser abzieht und an derselben Zelle jedoch an entgegengesetzter Stelle einen zweiten Meniscus bildet (Fig. 32, 33). Diese Tastmenisei legen sich den Zellen gewöhnlich von unten an, man kann sie aber auch von einer Seite oder auch von oben den Zellen anliegen sehen. Sind ihrer zwei vorhanden, dann liegt, wenigstens in den von mir beobachteten Fällen einer von unten, der andre von oben der Zelle an. Mitunter kann man beobachten, daß eine Faser von einem Tastmeniscus ab- seht und sich ins Epithel begibt, wo sie sich genau so verhält wie die weiter unten zu besprechenden intraepithelialen Nerven (Fig. 35). Betrachtet man diese Nervenendapparate von der Fläche, so machen sie den Eindruck einer öfter elliptischen als kreisrunden Scheibe, welche sich an Methylenblaupräparaten durch die intensive Blaufärbung sehr gut vom umgebenden, nur schwach oder gar nicht gefärbten Gewebe abhebt. Die Zellen bleiben wie das Gewebe farblos oder färben sich auch, aber nie so stark wie die Tastmenisei, was man namentlich bei der Betrachtung der Körperchen von der Seite sehen kann. An solchen Schnitten kann man die Tastmenisei sehr gut von den Zellen unterscheiden (Fig. 30, 32, 33). Die Kerne der Zellen färben sich mit dem Methylenblau gewöhnlich nicht oder wenigstens nicht distinkt. Nur selten habe ich auch intensiv gefärbte Kerne, welche eine längliche Form haben, beobachtet (Fig. 31%). Diese Fig. 31 stellt übrigens noch einen Fall dar, in welchem der Kern und das schwach gefärbte Zellplasma (Pr) eingeschrumpft sind und das letztere sich von der Zellhaut entfernt hat, so daß man den licht gebliebenen Zellraum mit den Nerven an der Peripherie, das schwach gefärbte Protoplasma und den intensiver gefärbten Kern deutlich unterscheidet. Ein solches Präparat sollte geeignet sein, möchte ich meinen, Plasma- strukturen besonderer Art, wie etwa jene in den Zellen der GRANDRY- schen Körperchen, falls solehe vorhanden wären, zur Darstellung zu 274 Eugen Botezat, bringen. Aber nichts dergleichen. Auch andre Färbungen ließen diese Tastzellen ebenso erscheinen wie die gewöhnlichen Epidermis- zellen, weswegen ich annehmen muß, daß sich dieselben von den Epidermiszellen durch keine besondern Strukturen unterscheiden. Die von der Fläche betrachteten Tastmenisci erscheinen an Methylenblau- präparaten nicht homogen blau gefärbt, sondern lassen eine stark ge- körnelte Struktur, wie man dies übrigens auch an den Achsenfasern beobachten kann, erkennen. Sie sind also scheiben- oder meniscus- artig ausgebreitete Achsenfasern. Bei günstigen Färbungsverhält- nissen aber kann man sich zumal mit starken Immersionssystemen sehr leicht davon überzeugen, daß sie einen fibrillären Bau auf- weisen. Auch die Achsenfaser, aus der die Tastscheibe entsteht, zeigt einen solchen Bau. Die Fibrillen der Achsenfaser, welche von der lichter gefärbten Perifibrillärsubstanz umgeben werden, fahren auseinander und verzweigen sich alsbald sehr reichlich. Die Zweig- fibrillen vereinigen sich mit andern, dann verzweigen sie sich wieder u.8.f. Auf diese Weise wird ein außerordentlich feines und dichtes Netz von Neurofibrillen hergestellt. Die Fibrillen selbst sind von der lichter gefärbten Perifibrillärsubstanz umgeben, welche auch die allerdings sehr kleinen Maschenräume des Fibrillennetzes ausfüllt. So stellt sich der Tastmeniscus als eine flach ausgebreitete Perifibrillärsubstanz dar, in welcher das dichte und sehr feine Neurofibrillennetz, welches vollkommen geschlossen ist, liegt. Die Fibrillen erscheinen selten fadenglatt, sondern weisen stets Varicositäten auf, namentlich aber in den Knotenpunkten. Diese Verhältnisse verdeutlicht das eine Körperchen in der Fig. 30 zur Ge- nüge. Im Falle einer ungünstigen Färbung erscheinen bloß diese Knotenpunkte des Netzes intensiver gefärbt und so ergibt sich die erwähnte gekörnelte Struktur. Es stellen sich somit auch die Tastmenisei bzw. Tastscheiben der Merkeuschen Körperchen, wie alle bisher be- trachteten Nervenendapparate des Vogelschnabels, sowie auch die ent- sprechenden andrer Wirbeltiere als flächenartig ausgebreitete sehr feine und engmaschige geschlossene Netze von Neurofibrillen heraus. Damit ist aber die Innervation der: MEerkELschen Körperchen noch nicht abgetan. Denn zu den Körperchen begeben sich eine oder auch mehrere dünne Nervenfasern der zweiten Art, welche in der Nähe der Merkeuschen Zellen nicht mehr mit Kernen versehen erscheinen, woraus hervorgeht, daß sie die Schwannsche Scheide verlieren und als varicöse Achsenfasern sich den Zellen nähern. Hier zerfallen sie alsbald, zumeist nacheinander, in Sekundärfasern und Fibrillen, diese Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 275 wieder in andre Fibrillen u. s.f. Diese abgezweigten Fibrillen vereinigen sich untereinander, verzweigen sich wieder und wiederholen überhaupt diesen Prozeß mehrmals nacheinander, wodurch wieder ein Netz von Fibrillen entsteht. Die Fibrillen sind von Perifibrillärsubstanz umgeben und zeigen gewöhnlich große Varicositäten, welche als Anhäufungen von Perifibrillärsubstanz mit Neurofibrillennetzen zu deuten ist. Sie zeigen einen mehr oder minder spiraligen Verlauf um die Zelle herum. Das ganze Fibrillennetz ist verhältnismäßig sehr locker, d.i. mit weiten Maschenräumen versehen und vollkommen geschlossen. Es liegt nach außen von der Tastscheibe. Wir sehen also, daß die dünnen Nerven- fasern der Cutis um die mit Tastscheiben versehenen MERKELschen Zellen ein geschlossenes, lockeres, pericelluläres Netz von Neurofibrillen bzw. Neurofibrillenbündeln bildet (Fig. 30, 32, 38, 39 ns). Es ist ge- wöhnlich keine leichte Sache, die beiden Arten der Nervenendapparate an den Körperchen zu unterscheiden, namentlich bei seitlicher Ansicht der Tastmenisei und wenn die zuführenden Nerven nicht deutlich auf- treten. Manchmal findet man beide Arten zugleich (Fig. 30, 38), manch- mal nur die eine, d. i. entweder das Tastscheibennetz oder das pericellu- läre Netz (Fig. 32, 33, 35, 38 mt, 39 ns). In manchen Fällen läßt es sich aber nicht feststellen, um welche Art es sich gerade handelt (Fig. 36), dies namentlich bei mangelhafter Färbung. Von dem pericellulären Fibrillennetz gehen oft eine oder mehr Fasern ab, welche sich zu benachbarten Körperchen begeben, wo sie ebenfalls pericelluläre Netze bilden. Wenn die Färbung eine günstige ist, dann sieht man, zumal bei dichterer Anordnung der Körperchen, der- lei Fasern nach allen möglichen Richtungen verlaufen, wodurch ein förm- liches Geflecht entsteht. Ich habe dergleichen namentlich im Gaumen des Huhns und der Ralle, aber auch bei der Ente beobachtet. Nicht selten sieht man vom pericellulären Netz dünne Fasern abgehen, welche sich ins Epithel begeben. Das Verhalten derselben im Epithel ist jedoch ein andres, als dies von den Abkömmlingen der Tast- scheibenfasern, welche sich zum Epithel begeben, was allerdings seltener zu beobachten ist, gesagt wurde. Sie bilden nämlich auch im Epithel, wenn auch sehr lockere, pericelluläre Netze. Es besteht somit ein jedes einfache MERRELSches Körperchen aus einer ellipsoidischen, dünnwandigen Zelle, aus einem in Form einer Scheibe ihr anliegenden, dichten Neuro- fibrillennetz abstammend von den dieken Cutisnerven und einem lockeren pericellulären Neurofibrillennetz, welches aus den dünnen Cutisnerven entsteht. 276 Eugen Botezat, Diese Beschaffenheit der MERKELschen Körperchen war ihrem Entdecker und ausführlichen Beschreiber MERKEL nicht bekannt. Er sah die Zellen als das Ende der Nervenfasern an und bezeichnete dieselben als terminale Ganglienzellen. Durch die vorliegenden Untersuchungen hat es sich nun herausgestellt, wie dies übrigens auch bei ähnlichen Verhältnissen andrer Tiere (Säugetiere, Mensch) schon seit längerer Zeit der Fall und was auch für die Vögel a priori zu erwarten war, daß die fraglichen Zellen keine Ganglienzellen sind, und daß die Nervenendigung an den Zellen als ein dichtes, ge- schlossenes Neurofibrillennetz in Form einer Tastscheibe und als ein lockeres, geschlossenes Neurofibrillennetz in Form eines pericellu- lären Korbes erscheint. Infolge dieser Beschaffenheit haben die MERKELSschen Körper- chen der Vögel den innigsten Bezug zu den Körperchen gleichen Namens bei den Säugetieren und beim Menschen. In bezug auf die topographische Lage aber gehen sie im allgemeinen auseinander. Denn während sie bei den Vögeln in den obersten Partien der Cutis liegen und oft bis an die Grenze dieser Hautschicht und des Epithels rücken, liegen jene der Säugetiere im Epithel selbst, und zwar in den untersten Partien der in Form von Zapfen in die Cutis hinein- ragenden Epithelpartien. Doch sind schon durch MERREL Fälle be- kannt geworden, daß einzelne Körperchen dicht unter dem Epithel lagen, und zwar von der Fingerhaut des Menschen her, welche Fälle von MERKEL auch abgebildet wurden, was darauf hindeuten soll, daß in bezug auf die Lage dieser Körperchen die Unterscheidung der- selben nicht von durchgreifender oder prinzipieller, sondern von nur unwesentlicher Bedeutung ist. Man kann sich dies so erklären, daß durch die Bildung der Epithelzapfen in der Haut der Säugetiere ein Tieferrücken der fraglichen Zellen ebenso veranlaßt wurde, wie bei der mangelnden oder mangelhaften Epithelzapfenbildung in der Vogel- haut durch das Hinabrücken der Zellen in die Cutis. Was aber die zu erwähnenden zusammengesetzten MERKELSchen Körperchen der Vögel, welche sich mit ähnlichen Tastkörperchen der Säugetiere vergleichen lassen, betrifft, so liegen diese in beiden Tiergruppen in den Outis- papillen. Ein weiteres Merkmal, welches äußerlich geeignet wäre, die Körperchen der beiden Tiergruppen voneinander zu unterscheiden, mag in der Beschaffenheit der Zellmembran liegen. Diese ist nämlich bei den Vogelkörperchen dünn und homogen, während sie bei den Körper- chen der Säugetierhaut, wie ich (7, 8) nachgewiesen habe, genau ebenso beschaffen ist wie die Membran der gewöhnlichen Epithel- | Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 27 zellen. Die epithelialen Tastzellen der Sängerhaut sind ebensolche Riffzellen, wie alle gewöhnlichen Zellen der Epidermis, und es be- steht in dieser Richtung zwischen ihnen und den Epidermiszellen kein Unterschied. Hingegen weichen die ersteren von den letzteren teilweise durch ihre ellipsoidische Form, oft auch durch eine be- trächtlichere Größe und auch zum Teil durch die Form des Kernes ab, wie dies namentlich von TRETJAKOFF (80) betont wurde. Diese Körperchen sind bei den Säugetieren an den verschiedensten Stellen der nackten Haut, ganz besonders aber in der Schnauze und im Gaumen, sowie in der Wurzelscheide der Tast- oder Sinushaare noch von MERKEL vorgefunden und waren seither schon oft der Gegen- stand sehr eingehender Untersuchungen, namentlich mit Hilfe der neuen Nervenuntersuchungsmethoden. In der Haut des Menschen sind sie in neuerer Zeit insbesondere von DoGIEL (an den Fingern) (27, 28) beschrieben worden. Pınkus (59, 60) fand diese Gebilde auch in den tiefsten Schichten jener Epithelzapfen, welche unter den von diesem Forscher entdeckten und als »Haarscheiben« be- schriebenen Hautbildungen, die sich allenthalben an der menschlichen Haut den Haaren benachbart vorfinden, liegen. Auch diese Säugetierkörperchen werden von den zweierlei Nerven innerviert, ganz ebenso wie die Körperchen der Vögel. Was aber die Struktur der Tastmenisci anbetrifft, so ist OSTROUMOW (58) der erste, welcher beobachtet hat, daß dieselben bei der stärksten Vergrößerung eine fädige, netzartige Struktur besitzen, der aber dieser Erscheinung keine weitere Bedeutung beigemessen hat. Diese Struktur habe auch ich beobachtet und diese meine Beobachtung zu- erst in der Arbeit über die Innervation des harten Gaumens (6) an- gedeutet, später in einer in romänischer Sprache verfaßten speziellen Arbeit über die Struktur der Tastmenisken (7) ausführlich behandelt. Es heißt dortselbst, daß die Tastmenisken netzartige Scheiben, Schalen oder Geflechte bilden (»diseuri, strächinute sau teseturi reti- eulare«). Die Arbeit ist mit entsprechenden Figuren aus dem Gaumen und den Tasthaaren der Katze versehen. Auch in andern Arbeiten, die ebenfalls mit den zugehörigen Figuren aus der Schnauze und dem Gaumen des Maulwurfs versehen sind (11, 12) habe ich dieser Tatsache Ausdruck gegeben. Freilich war ich zu jener Zeit .noch nicht in der Lage, die beiden Nervenapparate der Körperchen deut- lich zu scheiden, obzwar ich sie eigentlich beide dargestellt und ge- sehen habe, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es mir nicht gelungen war, beiderlei Nervenfasern zugleich an ein und dasselbe 278 Eugen Botezat, Körperchen gelangen und die entsprechenden Apparate bilden zu sehen, wie dies z. B. die Fig. 30 und 38 dieser Schrift veranschaulichen. Wie schon oben hervorgehoben wurde, kommen die MERKELSchen Körperchen nur selten vereinzelt, wie z. B. bei den Rabenvögeln, vor; in der Regel treten sie bald mehr, bald weniger dicht an- einander, namentlich in der Nähe der Epidermis (Fig. 29 ct, 30, 32, 33,36) auf. Mitunter kann man 2—3—4 u.s. f. fast unmittelbar nebenein- ander liegen sehen und in solchen Fällen insbesondere auch die Wahr- nehmung machen, daß die einzelnen Körperchen ihre Tastscheiben von einer und derselben dieken Faser erhalten, wie dies übrigens auch bei zerstreut liegenden mitunter zu beobachten ist. In solchen Fällen tritt an die Körperchen eine Markfaser heran, welche auf ihrem ganzen Verlaufe, d. i. vom Verlassen des Nervenstämmchens bis zum Verlust der Markhülle, ungeteilt bleibt. Durch das sehr enge Zusammentreten der einzelnen Körperchen wird die Entstehung jener Gebilde gleichsam eingeleitet, welche ich unter dem Namen der zusammengesetzten MERKELSschen Körperchen zusammenfassen möchte, während die soeben skizzierten nebeneinander liegenden bloß Anhäu- fungen von einfachen Körperchen oder, falls die Anordnung eine recht innige ist, Gruppenkörperchen bilden. Diese Anhäufungen und darauf die Gruppenkörperehen vermitteln den Übergang von den einfachen zu den zusammengesetzten MERKELSchen Körperchen. pP. Zusammengesetzte Merkelsche Körperchen. (Fig. 37, 38.) Die zusammengesetzten Körperchen können je nach der An- einanderordnung der sie zusammensetzenden Tastzellen in Gruppen- körperchen und Säulenkörperchen geschieden werden; die letzteren wieder in einfache- und Doppelsäulenkörperchen. Die Bildung der zusammengesetzten Körperchen wird durch das Zusammenschmelzen der an zwei aneinander stobenden Körperchen liegenden Tastscheiben eingeleitet. Daß es sich so verhält, scheint mir aus dem Befund hervorzugehen, welcher durch einen Teil der Fig. 58 wiedergegeben ist. Man sieht in dieser Figur eine Gruppe von einfachen Körperchen, deren Zellen infolge des nahen An- einandertretens eine flache, brotlaibartige Gestalt erhalten haben. Unterhalb dieser Gruppe kann man von derselben durch Bindegewebe isoliert zwei ebenso beschaffene Tastzellen beobachten, welche über- einander liegen. An diese beiden Zellen sieht man von unten her die zwei Nervenfasern (nn und ns) herantreten. Die dünne Faser Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 279 schreitet zur Bildung eines pericellulären oder pericorpusculären Netzes, die dicke jedoch verliert die Myelinscheide und zerfällt in zwei Achsenfasern, von denen die eine nach links abzieht, während die andre alsbald zur Bildung des Endapparates schreitet. Dieser ist eine für die eine Hälfte der beiden Tastzellen gemeinsame, für die andre (rechte) Hälfte jedoch gesonderte Tastscheibe. Ich glaube, daß dieser Fall sehr geeignet ist, uns die Art und Weise zu demon- strieren, wie es im phylogenetischen Entwicklungsgang der aus den einfachen entstandenen zusammengesetzten Tastkörperchen zur Bil- dung von zweien Zellen gemeinsamen Tastscheiben gekommen sein mag. Die Gruppenkörperchen bestehen aus unregelmäßig an- einander liegenden Tastzellen, welche mit gemeinsamen Tastscheiben versehen sind. Die Tastscheiben liegen zwischen je zwei Tastzellen und können miteinander derart verschmelzen, daß es den Eindruck macht, als ob eine einzige sich zwischen den Zellen windende Tast- scheibe vorhanden wäre, welche übrigens nicht nur von einer, son- dern auch von zwei dicken Nervenfasern, die an das Körperchen herantreten, gebildet wird. Die dünne Faser bildet ein gemeinsames pericorpusculäres Netz, welches ebenfalls auch von mehreren zutreten- den Fasern entstehen kann. Unter den Säulenkörperchen stellen die Zwillingskörper- chen den einfachsten Fall vor. Darunter sind die sogenannten »Zwillingstastzellen«< MERKELS gemeint. Sie bestehen aus zwei un- mittelbar übereinander gelagerten MErRKELschen Zellen, welche in- folgedessen ihre ellipsoidische Gestalt verändern, so zwar, daß sie an den zwei Berührungsstellen abgeflacht und nur an den äußeren Teilen abgerundet erscheinen. Demzufolge haben sie eine schon bei den Gruppenkörperchen erwähnte brotlaibartige Form. Die Inner- vierung der beiden Zellen geschieht durch eine beiden gemeinsame Tastscheibe, welche zwischen den Flachseiten der beiden Zellen ge- legen, von einer dicken Nervenfaser herstammt. Es ist wohl über allen Zweifel erhaben, daß die Tastscheibe auch in diesem Falle, sowie in allen übrigen noch zu erwähnenden, gleich jener der ein- fachen Körperchen nichts andres ist als ein flächenartig ausge- breitetes, dichtes, geschlossenes Netz von Neurofibrillen, welche von Perifibrillärsubstanz umgeben sind, derart, daß das Gebilde förmlich eine Scheibe aus Perifibrillärsubstanz darstellt, in welcher das besagte Neurofibrillennetz eingebettet ist. Es kann nicht unerwähnt gelassen werden, daß sich diese Ver- 380 Eugen Botezat, hältnisse schon an den einfachen, aber um vieles mehr an den zu- sammengesetzten Körperchen namentlich schon wegen der Kleinheit der Gebilde nur schwer darstellen, beobachten und beurteilen lassen. Es müßten denn sehr günstige Färbungen und Lagen der Scheiben vorliegen, wie dies z. B. in dem einen der Körperchen (Fig. 30) der Fall ist. Die zweite dünne Faser bildet gleich wie bei den einfachen auch bei den Zwillingskörperchen ein lockeres, stark varieöses peri- corpusculäres Neurofibrillennetz, welches somit beide Zellen zugleich, d. i. das ganze Körperchen, umgibt. Diese Zwillingskörperchen sind bei den Tauben, Hühnern und Sumpfvögeln nicht gerade selten anzutreffen. Die drei und mehrzelligen Säulenkörperchen sind schon seltener zu beobachten. Sie bestehen aus drei und mehr überein- einander gelagerten Zellen, von denen die obere und die untere Polzelle an der Außenseite konvex, während deren Innenseite, sowie alle übrigen Zellen des Körperchens beiderseits abgeplattet er- scheinen. Zwischen den Flachseiten derselben breiten sich die Tast- scheiben der in der Ein- oder Zweizahl (vielleicht auch Mehrzahl) hinzutretenden dicken Nervenfasern aus. Die dünnen Fasern kann man in der bereits erwähnten Art die Körperchen umgeben sehen. Es können bei der Bildung der Tastscheiben auch Unregelmäßig- keiten eintreten, so daß zwischen je zwei anstoßenden Zellen keine Tastscheibe zu finden ist, wie man einen solchen Fall in Fig. 37 zwischen der zweiten und dritten Zelle von oben sehen kann. Im übrigen kann zu dieser Figur noch bemerkt werden, daß alle drei zwischen den fünf Zellen gelegenen Tastscheiben von einer einzigen Achsenfaser (rn) gebildet werden, welche noch außerdem einen Ausläufer vom Körperchen weg nach oben entsendet. Besondere Bindegewebshüllen entbehren diese Körperchen ebenso wie alle bisher genannten. Eine besondere Stellung und Wichtigkeit nehmen unter den zu- sammengesetzten MERKELSchen Körperchen die durch ihr Vorkommen, Lage, Anordnung und Beschaffenheit des zelligen Aufbaues merk- würdigen und in der Literatur noch am besten bekannten Doppel säulenkörperchen ein. Ich meine die Tastkörperchen der eigentlichen Sänger unter den Sperlingsvögeln. Über das Vorkommen der Körperchen bei diesen Vögeln wurde bereits oben mit Anlehnung an Merker berichtet, welch letzterer erwähnt, daß bei diesen Vögeln »die Tastzellen fast stets zu Tastkörperchen verbunden sind«. Die Struktur dieser Körperchen Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 281 hat MERKEL sowohl an Quer- als auch an Längsschnitten studiert und gefunden, daß die Körperchen »ein sehr eng quergestreiftes Aus- sehen haben«, da »die Tastzellen in denselben klein und einander sehr nahe gerückt sind«. »Bei stärkerer Vergrößerung gelingt es, wahrzunehmen, daß die Tastkörperchen meistens aus zwei Tastzellen- säulen bestehen, zwischen welchen die eintretende Nervenfaser auf- . steigt. Die einzelnen Tastzellen sind durch bindegewebige Scheide- wände voneinander getrennt, welche mit auf dem Durchschnitt dreieckig aussehenden Verbreiterungen von der gemeinsamen Hülle entspringen. Daß die Körperchen eine Doppelreihe von Tastzellen enthalten, ergibt auch ein Blick auf den Querschnitt, wo man zwei nebeneinander gelagerte Zellen erkennt. Zur Erkennung einer Struktur im Innern der Zellen sind dieselben zu klein. In der Scheide, und zwar sowohl in der Hülle, wie in den Zwischenwänden kommen zahl- reiche Kerne vor, welche sich an gefärbten Präparaten deutlich durch ihr dunkleres Aussehen von den helleren, nervösen Kernen der Tast- zellen abheben.« Ich habe diese Befunde MERKELs mit Absicht wörtlich zitiert, damit man aus denselben genau erkenne, welchen Standpunkt dieser Forscher gegenüber den fraglichen Körperchen einnimmt. Er hat ganz richtig erkannt und nachgewiesen, daß die Zellen der Körperchen eine Doppelreihe bilden — ich nenne sie lieber Doppelsäule, weil die Zellen nicht neben-, sondern überein- ander gelagert sind —. Es mag bemerkt werden, dab diese Anordnung der Zellen nur im allgemeinen zutrifft (Fig. 47 oben, 48a, db), denn in der Regel treten verschiedenartige Unregelmäßigkeiten in der Lagerung derselben ein (Fig. 47 unten, 48a oben, 49, 51). Nichts- destoweniger zeigt die Übereinanderreihung der einzelnen Zellen trotz der Unregelmäßigkeiten ein charakteristisches Verhalten, welches zur genannten Deutung der Körperchen als eine Doppelsäule berechtigt. Ich habe bereits erwähnt, daß diese zwei Zellensäulen oben und unten durch unpaare Zellen abgeschlossen werden (siehe die Figuren). Man kann diese die Körperchen abschließenden, nach oben bzw. unten konvexen Elemente als Polzellen bezeichnen. Die übrigen Zellen sind flach und nur an den Außenseiten konvex. Mit den Innenseiten, welche mitunter keilartig zugespitzt erscheinen, sind die Zellen der einen Säule zwischen jene der andern, aber nur teilweise d. i. sehr wenig und übrigens auch nieht unbedingt oder nicht oft eingefügt. Gewisse bindegewebige Hüllen, welche nach MERKEL die einzelnen Zellen und auch die ganzen Körperchen umgeben sollen, habe ich nicht beobachten können, auch dann nicht, wenn, wie z. B. 3823 Eugen Botezat, in Fig. 51 unterhalb der bewußten Körperchen PAcınIsche Körperchen liegen, deren Bindegewebshüllen aufs deutlichste vom umgebenden Bindegewebe zu unterscheiden sind. In solchen Fällen dürften etwaige Hüllen der Doppelsäulenkörperchen doch ganz gewiß ebenso zur Darstellung gekommen sein, wie jene der PAcınischen; wenigstens ist kein Grund einzusehen, weshalb dies nicht eintreten sollte. Ich muß daher der Annahme MERkKELs, daß diese Körperehen von be- sonderen Hüllen eingeschlossen werden, ebenso widersprechen, wie ich dies schon für die einfachen und die andern Körperchen oben getan habe. Ich glaube, dab dasjenige, was MERKEL als Hüllen sah, nichts andres als die nach seiner Methode nicht gehörig zur Darstellung gebrachten Nerven der Körperchen waren. Was aber seine Annahme, daß die Zellen der Körperchen Nervenzellen wären, betrifft, darüber habe ich mich bereits ausgesprochen. Die Größe dieser Körperchen ist vielen Schwankungen unter- worfen. In den mittleren Teilen der keulenförmigen Zungenpapillen sind sie wohl am größten, in den Scheiteln der Papillen bedeutend kleiner und auch zahlreicher (Fig. 48, 51); es steht somit ihre An- zahl in den einzelnen Papillen zumeist mit ihrer Größe in einem verkehrten Zusammenhangsverhältnis. Auch scheinen sie in jenen Papillen klein zu sein, in denen (Fig. 51) unterhalb derselben mehrere Pıcınısche Körperchen liegen, über deren Vorkommen an dieser Stelle weiter unten noch die Rede sein wird. Auch ihre Form ist eine wechselnde, wiewohl wenigstens die größeren Körperchen eine ellipsoidische Gestalt zeigen. Sie können langgestreckt oder auch abgeplattet oder wie MERKEL sagt, kuchenartig sein, insbesondere in den Schnabelspitzen. Ihr Vorkommen ist, . wie schon erwähnt, charakteristisch für die Papillen der Zunge, aber man findet sie auch in den beiden Schnabelspitzen und vereinzelt auch im Gaumen. Auch an diesen Körperchen ist wohl der wichtigste Bestandteil die Endausbreitung der Nerven. An ein jedes Körperchen gelangt, soviel ich beobachten konnte, eine dieke Nervenfaser, indem sie sich von einem Nervenstämmehen des Zungenstroma ablöst. Teilungen, wie bei andern Fasern habe ich an diesen nicht beobachtet. Dies läßt sich wohl auch leicht erklären, da eine solche Faser eine ganze Anzahl von Zellen, aus denen das Körperchen zusammengesetzt ist, zu versorgen hat. Denn ein großes Körperchen kann auch über 20 Zellen enthalten. In unmittelbarer Nähe des Körperchens sieht man die Faser ihre Myelinscheide verlieren (Fig. 47, 48 nm) und als nackte Achsenfaser zwischen den beiden Zellsäulen des Körperchens Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 283 emporsteigen. An günstigen Präparaten kann man bemerken, wie diese Achsenfaser seitliche Ausläufer entsendet, welche zwischen je zwei Zellen einer jeden Säule eine Tastscheibe bilden. Diese Tast- scheiben erscheinen an Längsschnitten, wie auch bei andern Körper- chen, als bald feine, bald diekere Striche (Fig. 47, 48, 49, 51). Die Beschaffenheit der Zellen und die Beziehungen der Tastscheiben zu denselben ersieht man wohl deutlich genug aus der Fig. 49. An ein jedes Körperchen gelangt aber auch noch eine dünne, marklose Faser (ns) der zweiten Art — es scheinen mitunter auch mehrere Fasern dieser Art mit einem und demselben Körperchen in Beziehung zu treten. Diese letzteren Fasern verzweigen sich alsbald sehr reich- lich und bilden ein geschlossenes, lockeres Netz von Neurofibrillen- bündeln um das Körperchen als solches (Fig. 47, 48 a, b, ns, 50). Es ist merkwürdig, daß ich an Präparaten, welche nach der GoLsıschen Methode hergestellt waren, immer nur die Nervenendapparate dieser dünnen Fasern dargestellt fand, wie dies auch die Fig. 50 veran- schaulicht. Mittels Methylenblau aber lassen sich die dieken Fasern und ihre Tastscheiben leicht zur Anschauung bringen. Schwieriger und seltener gelingt die Imprägnierung des pericellulären Endnetzes der dünnen Nervenfasern. Aus dem Gesagten ersieht man, daß alle MErkeErschen Körperchen der Vögel, die einfachen sowohl, wie auch alle zusammengesetzten, die doppelte Innervation aufweisen, d. i. Tastscheiben als End- apparate (Fibrillennetze) der dieken und pericelluläre Fibrillen- netze der dünnen Nervenfasern. In beiden Fällen wird aber der Endapparat, wie wir dies auch anderwärts beobachtet haben, durch ein geschlossenes Netz von Neurofibrillen hergestellt. Ob nun das Netz locker oder dicht, flach ausgebreitet oder pericellulär oder auch, wie an den baumartigen Endausbreitungen, nach allen Richtungen des Raumes ausgedehnt ist, erscheint durchaus nebensächlich. 2. Eingekapselte oder Grandrysche Körperchen. (Fig. 34, 40a, b, 41, 42, 43, 44, 45, 46.) Diese Art der Merkertschen Körperehen gehen in der Literatur unter dem Namen der GRAanprYschen Körperchen und sind auch unter diesem Namen allgemein bekannt. Sie kommen, wie ich schon oben bei der Besprechung der Verbreitung der MERKELschen Körperchen hervorgehoben habe, soweit es bisher bekannt ist, nur bei den Nacht- raubvögeln, worüber man aber wohl nicht allgemein orientiert ist, und bei den Lamellirostres unter den Schwimmvögeln vor. Von dieser D84 Eugen Botezat, letzteren Vogelgruppe her sind sie allgemein bekannt und deshalb scheint man auch allgemein der Meinung zu sein, daß sie überhaupt nur diesen Tieren zukommen. Freilich kann nicht verschwiegen werden, daß die Körperchen der Nachtraubvögel nicht in allen Punkten den typischen GranprYschen Körperchen gleichen, sondern daß sie gewissermaßen einen Übergang von den gewöhnlichen MERKEL- schen Körperchen zu den eigentlichen Granpryschen bilden. In den wesentlichen Bestandteilen aber stimmen beiderlei Körperchen über- ein, und dies ist auch der Grund, weshalb beide Arten in einem und demselben Kapitel besprochen werden sollen. Über die Körperchen der Nachtraubvögel sagt MErker. (54, 8.154): »Sie erinnern hier fast an die Zellen bei den Lamellirostres, sowohl was ihre Größe, als was ihre Zusammensetzung zu Tastkörperchen betrifft.«< In bezug auf ihre erstere Eigenschaft, nämlich, daß sie auch an Größe den GrAnDryYschen Körperchen der Entenvögel gleichen, muß ich MERKEL auf Grund meiner Präparate widersprechen. Ich finde sie, gleichviel ob sie ein-, zwei- oder auch mehrzellig sind, bedeutend kleiner als jene des Entenschnabels, aus welchem Grunde man auch nicht leicht in die Lage kommt, irgend eine Struktur im Innern der Zellen unterscheiden zu können. Weiter sagt MERKEL über diese Körperchen, »daß die Scheide meist sehr derb und mit vielen Kernen ausgestattet ist, so daß sie darin am nächsten mit derjenigen der Taubentastzellen zu vergleichen ist«. Diese Ähnlieh- keit mit den Körperchen der Tauben möchte ich nicht gerade wörtlich nehmen, hingegen muß man MERKEL beipflichten in bezug auf die »derbe Scheide«. Die Körperchen besitzen nämlich in der Tat eine recht dicke Kapsel aus könzentrisch angeordneten bindegewebigen Hüllen versehen mit vielen und deutlichen Kernen. Diese Verhält- nisse lassen sich leicht an Methylenblaupräparaten, namentlich dann, wenn auch das Bindegewebe eine schwache Blaufärbung angenommen hat, was gar nicht selten an den Präparaten zu beobachten ist, er- kennen. Denn es ist eine charakteristische Erscheinung, daß die bindegewebigen Kapseln der Tastkörperchen, gleichviel welcher, an Methylenblaupräparaten gegen das umgebende Bindegewebe stets licht und mitunter sogar fast schimmernd erscheinen, so daß sie sich deutlich von der Umgebung abheben. Oft erkennt man die An- wesenheit der eingekapselten Körperchen schon bei geringer Ver- größerung gerade an diesen sehr lichten Flecken. Im Gaumen der Eule, wo diese Körperchen unter den Höckern in großer Menge angehäuft fast unmittelbar unter dem Epithel liegen, Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 285 sind nur selten einfache, d. i. einzellige Körperchen zu sehen; die meisten sind Zwillinge oder Drillinge, es kommen aber auch mehrfach zusammengesetzte oft vor (Fig. 40a). Sie bilden Säulchen, welche aber, wie MERKEL insbesondere für den Unterschnabel bemerkt, wurst- förmig gewunden sind. Diese werden von der gemeinsamen Binde- gewebskapsel umgeben (Fig. 405). Die Innervation dieser Körperchen anlangend, so ist zu bemerken, daß sie sich von jener der uneingekapselten Körperchen gar nicht unterscheidet. Tastscheiben, welche sich mit Methylenblau leicht dar- stellen lassen, und pericelluläre bzw. pericorpusculäre lockere Fibrillen- netze, welche bedeutend schwieriger zur Anschauung zu bringen sind, sind hier ebenso beschaffen wie dort. Zu den schon angeführten gemeinsamen Eigenschaften mit den typischen GrAanpDryYschen Körperchen könnten noch die fast kugel- runden Kerne der wie bei den GrAaxpryschen abgeplatteten Zellen angeführt werden, welche ich bei stärkeren Vergrößerungen wenigstens an manchen Körperchen recht deutlich erkannt habe (Fig. 40). So gelangen wir zur Besprechung der echten oder typischen GRANDRYschen Körperchen der Leistenschnäbler. Diese aber brauche ich durchaus nicht weitläufig zu behandeln, da dieselben schon durch mehrere nach den neuen Untersuchungsmethoden ausgeführte Unter- suchungen recht eingehend studiert und beschrieben worden sind. Die neuere Literatur über diese Körperchen ist eine recht reich- haltige. Ich werde mich aber bloß auf die drei neuesten Arbeiten von SZYMONOWIcZ (78), DOGIEL und WILLANEN (24) und von DoGIEL (29) beschränken und bloß der wichtigsten hierin niedergelegten Resultate Erwähnung tun. Szymonxowicz hat eingehend die Form, Beschaffenheit und die Struktur der Tastzellen, sowie die netzartig fibrilläre Beschaffenheit der Tastscheiben betont. Auf seine entwick- lungsgeschichtlichen Resultate wird erst später eingegangen werden. DocıEr und WILLANEN fanden, »daß die Tastscheiben der Autoren nicht als Endapparate angesehen werden können; von jeder Scheibe sondert sich eine Menge Nervenfibrillen ab, die in das Protoplasma der Tastzellen eindringen«. An den beigefügten Figuren ist eine Netzstruk- tur der Tastscheiben ersichtlich gemacht. Die dünnen Nervenfasern »endigen in pericellulären Netzen auf der Oberfläche der Zellen«. Auch die Struktur der Zellen der GRAnDrYschen Körperchen wird von diesen Forschern eingehend besprochen. Es genügt hier, auf diese Arbeiten bloß hinzuweisen. In der neuesten Zeit hat DocıEzL (29) die Granpryschen Körperchen wieder zum Gegenstand seiner Unter- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 19 286 Eugen Botezat, suchungen gemacht, und zwar galten sie für diesmal bloß dem End- verhalten der an die Körperchen gelangenden Nerven, welches mit Hilfe der neuen Silberimprägnierungsmethode von RAmön Y CAJAL studiert wurde. Mit Hilfe dieser Methode fand DoscıEL, »daß der Achsencylinder zunächst vor der Bildung der Scheibe aus einer nicht großen Zahl von beträchtlich dieken Neurofibrillen, zwischen welchen eine recht geringe Menge perifibrillärer Substanz angeordnet ist, be- steht«. Die sich in der Nähe der Scheibe teilenden und fächer- förmig ausbreitenden Fibrillen bilden den Anfangsteil der Tastscheibe. Diese Teilung wiederholt sich. In der Nähe des Scheibenrandes vereinigen sich diese Fibrillen zu einem dichten, geschlossenen Netz. Auch die pericellulären bzw. pericorpusculären Fibrillennetze als End- apparate der dünnen Nervenfasern konnte DoGIEL mit der neuen Methode beobachten und auch zugleich sehen, daß Abkömmlinge dieses Netzes nicht nur zu benachbarten Körperchen sich begeben, um hier abermals Netze zu bilden, sondern auch ins Epithel ein- dringen, wo sie »in einzelne Fäden zerfallen«, aus welchem Ver- halten DocıEn den Schluß zu ziehen vermeinte, daß diese Nerven der zweiten Art »den sensiblen Nerven zugezählt werden müssen«. Zu der letzteren Meinungsäußerung wurde DoGIEL durch die An- sicht SFAMENIS veranlaßt, welcher mit der Chlorgoldmethode die Nerven der Granpryschen Körperchen (74) untersucht und festgestellt hat, daß dünne, marklose Nervenfasern zusammen mit den dieken Fasern in die Körperchen eindringen, wo sie in viele Fäden zerfallen, welche in der Hülle der Körperchen ein Nervennetz bilden. Von diesem Netz, welches nach DoGIEL zweifellos mit dem von ihm und WILLANEN entdeckten pericellulären Netz identisch ist, vermutet SFAMENT, daß ihm eine trophische Rolle zukomme. Da nun verschiedene Gründe bald für die eine, bald für die andre Auffassung sprechen, wonach diese zweite Art von Nerven- fasern (die dünnen, marklosen) trophische oder sensible seien, so glaube ich, daß die Frage noch nicht so weit spruchreif geworden ist, daß man diese Nerven mit Sicherheit als trophische oder als sen- sible erklären könnte. Ich verhalte mich daher dieser Frage gegen- über so gut wie indifferent, obgleich es mir doch wahrscheinlicher zu sein scheint, daß ihnen eine sensible Natur zukommt. ‘ Was nun aber die Methode Ramon Y CAJAaLs in ihrer Be- deutung für die Erforschung des fibrillären Baues der Tastscheiben und ähnlicher Endgebilde anbetrifft, wie dies von DoGIEL in der allerneuesten Zeit berichtet wird (30), in welcher Arbeit die Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 287 verschiedensten Endorgane besprochen werden, worunter auch die Tastscheiben (Menisken) in den Fußsohlen der Katze und die Pacısı- schen Körperchen dieses Tieres, so glaube ich, daß dieselbe zur Kontrolle nicht nur brauchbar, sondern geradezu unerläßlich ist, daß man aber dieselben Ergebnisse auch mit dem Methylenblau und vielleicht unter Umständen noch besser, reiner und verläßlicher er- zielen kann, wie die neueren, schon erwähnten Methylenblauarbeiten, in welchen die Netzstruktur der Scheiben schon seit sehr langer Zeit als erkannt feststeht, welche jedoch nicht hinlänglich gewür- digt wurde und wie dies aus meinen Präparaten hervorgeht. Was speziell die Tastmenisei der Säugetiere betrifft, so habe ich schon oben erwähnt, daß ich noch im Jahre 1901 (7) in einer in romänischer Sprache veröffentlichten Arbeit über die Struktur der Tastmenisken das Fibrillennetz derselben nicht nur erwähnt, sondern auch mit ent- sprechenden figürlichen Belegen versehen habe, hingegen tat dies OSTROUMOW (58) nicht, welcher für die Menisci der Tasthaare die- selbe Struktur erwähnt, jedoch durch keine Figur ersichtlich macht. Dasselbe gilt für Szymoxowıcz (78). Daß ich diese fibrilläre Netz- struktur nicht in derselben Weise verwertet oder gewürdigt habe, wie dies übrigens DosıEL (24) selbst nach mir getan hat, ist eine andre Sache. Die eingekapselten GrRAnDrYschen Körperchen lassen sich ebenso wie auch die nichteingekapselten MERKELSchen Körperchen je nach ihrem zelligen Aufbau und den Beziehungen der Tastscheiben zu den Zellen in einfache Körperchen, in Körperchengruppen, Gruppenkörper- chen und Säulenkörperchen unterscheiden. @. Die einfachen GrRANDRYschen Körperchen sind, wie schon Szymoxow1ıcz (78) hervorhob, recht selten, was übri- sens auch MERKEL betont hat, und zwar der letztere nicht nur für die Entenvögel, sondern auch für die Eulen. Ich kann diese Ansichten nur vollauf bestätigen. Hingegen möchte ich darauf hinweisen, daß sich die einfachen Körperchen in überwiegender Mehrzahl dort vorfinden, wo man a priori ein verhältnismäßig schlechteres Gefühl voraussetzen möchte, wie z.B. bei den Tauben gegenüber den Entenvögeln, bei welch letzteren und übrigens auch bei den Raubvögeln sich hauptsächlich Säulenkörperchen vorfinden. Übrigens besitzen bei den letzteren Vogelgruppen die Körperchen besondere bindegewebige Hüllen, welcher Erscheinung eine ganz besondere Bedeutung für ein erhöhtes Gefühlsvermögen zugesprochen werden mnß. Es ist evident, daß die 798 288 Eugen Botezat, einfachen Körperchen eine tiefere Entwicklungsstufe, eine primitive Erscheinung beweisen. Ein derartiges einfaches GrRAnDRYsches Körperchen ist in Fig. 34 wiedergegeben, und man erkennt an demselben das Fibrillennetz, welches die Tastscheibe oder eigentlich den Tastmeniscus zusammen- setzt. Auch die dünne zutretende Faser (»s) ist zu sehen. Die Bindegewebskapsel ist nicht sehr deutlich zu beobachten, aber dennoch vorhanden. Hingegen konnte ich an der zweizelligen Gruppe in Fig. 44 ct bindegewebige Kapseln kaum unterscheiden. Es ist wohl nicht ausgeschlossen, daß die Bindegewebsscheiden an den einfachen Körperchen nicht zur Ausbildung gelangen. Auch an den zusammengesetzten Körperchen kann man manchmal Ähnliches beobachten. Als Regel aber bleibt immerhin, daß dort, wo einmal GRANDRYSche Körperchen vorkommen, wenigstens die überwiegende Mehrzahl derselben mit besonderen Bindegewebshüllen versehen ist. Ich habe bereits erwähnt, daß diese Körperchen zwar schon von MERKEL gesehen, daß sie aber von SZYMONowIcz (78) eingehender besprochen und gewürdigt wurden. Letzterer Forscher sagt über diese Körperchen, daß sie »merkwürdigerweise nur aus einer Tast- zelle bestehen«, daß sie selten vorkommen, und daß sie im allge- meinen kleiner sind als jene der gewöhnlichen GRANnDRYSschen Körper- chen. Ferner erwähnt er: »Wir sehen dieselbe, wiewohl oft weniger ausgeprägte Streifung, dieselbe Bindegewebshülle, dasselbe Verhält- nis zwischen der Zelle und der Tastscheibe, welche letztere immer von unten an die Zelle grenzt. Dieser Umstand erinnert wohl an das Verhalten der Nervenendigung gegenüber der Tastzelle im MERKEL- schen Tastkörperchen. « Mit dem letzten Worte sind die MErkeEuschen Körperchen der Säugetierhaut, welche sich, wie schon gesagt wurde, nur ausnahms- weise im Corium, sonst in den tiefen Lagen der Epithelzapfen vor- finden, gemeint. Diesem letzteren Ausspruche SzyMmonowıIczs möchte ich für das Verständnis des phylogenetischen Zusammenhanges der zellisen Tastkörperchen bei allen Wirbeltieren geradezu sehr viel Be- deutung beimessen, während Szymoxowıez (S. 346) meint, daß es schwer sei, zu entscheiden, wie diese einzelligen Körperchen des Entenschnabels zu deuten seien. Freilich tut Szymoxowıcz dies mit Rücksicht auf seine entwicklungsgeschichtlichen Befunde, nach wel- chen irgend eine Vereinigung der MERkKELschen Körperchen der Säuge- tiere und der GrAanpryschen Körperchen, seiner Ansicht nach, aus- geschlossen ist. Darüber soll später ausführlicher die Rede sein. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 289 Eine gruppenweise Anordnung einzelliger GRANDRYscher Körper- chen ist wohl eine seltenere Erscheinung. ß. Zusammengesetzte GRANDRYSche Körperchen. Dagegen finden sich Gruppenkörperchen recht häufig vor und sind solche schon MERKEL bei allen untersuchten Lamellirostres auf- gefallen, weshalb er derlei Bildungen auch abgegebildet hat. Auch die andern Forscher wissen davon manches zu berichten. Ein solches Gruppenkörperchen besteht aus mehreren, zumeist vier Zellen, die in unregelmäßiger Weise aneinander treten und von einer ge- meinsamen Bindegewebskapsel umgeben werden. Sie werden meistens von zwei dicken Nervenfasern versorgt, welche miteinander in Ver- bindung stehende, immer je zwei Zellen gemeinsame Tastscheiben bilden. Will man aber die Sache anders deuten, dann kann man sagen, daß sich alle Tastscheiben derart vereinigen, daß förmlich eine einzige verzweigte Tastscheibe die vereinigten Zellen innerviert. Ich halte es für genügend, in dieser Hinsicht hier auf die Figuren 5, 17, 26 in der Arbeit von SZYMoNnowIcz (78) zu verweisen. Unter den Säulenkörperchen kommen, wenigstens bei den von mir untersuchten Vögeln (Eule, Ente) die zweizelligen Zwillingskörperchen fast seltener vor als mehrzellige. Die Zwil- lingskörperchen bestehen aus zwei übereinander gelagerten Zellen, welche von der gemeinsamen Hülle umgeben werden. Zwischen den beiden Zellen breitet sich die Tastscheibe aus. Man kann nicht selten die Beobachtung machen, daß von der einen Tastscheibe eine Achsenfaser abzieht, sich an ein benachbartes Körperchen begibt und hier abermals zwischen den Tastzellen eine Scheibe bildet (Fig. 46 nm). Auch die Nervenfasern der zweiten Art können, wie dies schon anderwärts hervorgehoben wurde, zwei oder auch mehrere Körperchen versorgen, und außerdem kann man noch die Wahr- nehmung machen, daß einzelne Fasern als Abkömmlinge der peri- corpusculären Endausbreitungen dieser Nervenfasern sich zum Epithel begeben, was auch schon DoGIEL gesehen und abgebildet hat (29) und worauf bereits oben hingedeutet wurde. Von der Fläche gesehen haben die Körperchen eine fast kreisrunde oder elliptische oder auch etwas unregelmäßige Gestalt; es überwiegen aber die ellipsoidischen Formen. Ebenso verhält es sich mit der Tastscheibe. Daß die letztere aus einem Netz von Neurofibrillen besteht, kann man an ge- lungenen Methylenblaupräparaten sehr gut beobachten (Fig. 43). Auch 290 Eugen Botezat, die fibrilläre Beschaffenheit der zutretenden Achsenfaser kann man oft an mittels Methylenblau gefärbten Präparaten beobachten. Die mehrzelligen Säulenkörperchen sind jene, welche aus mehr als zwei übereinander gelagerten Zellen bestehen. Am häufig- sten kommen unter diesen die dreizelligen vor. Man trifft aber auch vier- und fünfzellige an (Fig. 40a, b, 42, 44, 45). In bezug auf die Vielzelligkeit der Körperchen sagt Szymoxowıcz (78), daß sich am häufigsten die zweizelligen, seltener die aus drei Zellen bestehen- den Körperchen vorfinden, und daß die vier- und fünfzelligen nur ausnahmsweise vorkommen. Nach meinen Beobachtungen und Er- fahrungen möchte ich das, was nach SZYMoNowIcz auf die vier- und fünfzelligen Körperchen bezug hat, bloß für die letzteren behaupten. Die dreizelligen Körperchen werden gewöhnlich von einer einzigen dieken Nervenfaser mit Tastscheiben versorgt, während an die mehr als dreizelligen gewöhnlich zwei solcher Fasern herantreten. Die Tastscheiben der dreizelligen Körperchen entstehen entweder zugleich aus einem Punkte der Achsenfaser durch einfache Teilung derselben (Fig. 45), oder es bildet die Achsenfaser eine Tastscheibe, von welcher eine Verbindungsfaser abgeht, um alsbald eine zweite Tast- scheibe zu bilden. Die mehrzelligen Körperchen erhalten, wie er- wähnt, ihre Tastscheiben gewöhnlich von zwei Nerven (Fig. 42 nm), und es können hier um so mehr alle möglichen Variationen eintreten (vgl. die Fig. 14, 15, 16, 26 bei Szymonowıcz [78]). Hinsichtlich der Endapparate der an die Körperchen tretenden dünnen Fasern gilt hier ganz das Nämliche, was schon für die andern gesagt wurde; sie bilden pericorpusculäre, lockere Netze von varicösen Neurofibrillen (Fig. 42 ns, 45 ns). In bezug auf das chemische Verhalten der Tast- oder Deck- zellen der Granpryschen Körperchen wird weiter unten bei der Besprechung der phylogenetischen Verhältnisse der zelligen Tast- körperchen die Rede sein. Hier mag bloß erwähnt werden, daß dieselben sich ebenso verhalten wie die Zellen der nicht eingekapsel- ten MERKELschen Körperchen, und ebenso wie jene MERKELSchen Körperchen im Epithel der Säugetierhaut. Wollen wir die Merkeuschen Körperchen der Vögel mit ähn- lichen Gebilden bei den übrigen Wirbeltieren vergleichen, so ist dies in bezug auf jene, welche sich bei den Säugetieren in den tiefen Lagen der Epithelzapfen, sowie auf jene allerdings vereinzelten Fälle, welche sich in der Cutis des Menschen in Form von Zwillingskörper- Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 291 chen vorfinden, schon oben geschehen, weshalb hier nur darauf hin- gewiesen sein mag. Weshalb aber die Körperchen bei Säugetieren im Epithel verbleiben, mag vielleicht mit der mächtigen Epidermis sowie mit der starken Papillenbildung derselben in Zusammenhang stehen. Anderseits finden sich bei Säugetieren Tastkörperchen, welche in Cutispapillen liegen, von denen doch wenigstens manche den ein- gekapselten Gruppenkörperchen zur Seite gestellt werden können!. In der Gruppe der Reptilien stehen wir schon auf unsicherem Boden. Hier müssen wir uns fast nur auf die Untersuchungen MER- KELS beschränken. Bei diesen Tieren existieren, und zwar ausschließ- lich in der Outis, wie bei den Vögeln, zweierlei Arten von zelligen Tastorganen. Auf der äußeren Haut des Kopfes der Ringelnatter findet sich die eine Art vor. Sie liegen meist in dünnen Cutispapillen und bestehen aus einer Gruppe von Tastzellen, die zu Säulchen über- einander gelagert sind. Die Zellen sind abgeplattet. Auch glaubt MERKEL, daß diese Körperchen eingekapselt seien, denn er sagt: »An den Seiten der kleinen Organe aber erscheint fast immer ein Kontur, welcher sich nur als eine membranöse Scheide deuten läßt, die die einzelnen Tastzellen umkleidet und sie zu einem gemeinsamen Ganzen verbindet.< Ob es sich im vorliegenden Falle wirklich um eine förmliche Kapsel oder um nicht gehörig zur Darstellung ge- kommene Nerven handelt, kann ich nicht entscheiden. Es ist dies aber schließlich auch mehr gleichgültig. Von Wichtigkeit bleibt die Bildung von zelligen Säulehen, welche mit Nerven in Verbindung stehen und so einen Vergleich mit den Säulenkörperchen der Vögel gestatten. Die zweite Art von Tastorganen findet sich in der Mundhöhlen- haut der Ringelnatter sowie in der Körperhaut der Blindschleiche (Anguis) und der Eidechse. Sie bestehen aus zumeist kegelförmig gruppierten sehr flachen Zellen, welche durch bindegewebige Leisten getrennt sind. Diese Tastflecken liegen oft in schwachen ebenso geformten Cutispapillen. Über die Endausbreitung der an sie heran- tretenden Nerven ist natürlich MErkeL der Meinung, daß diese mit 1 Was im speziellen die Tastkörperchen des Menschen betrifft, so sagt DosıeL (27) zwar nichts iiber etwaige Zellen in den verschiedenen MEISSNER- schen Tastkörperchen, aber ich glaube denn doch, daß wenigstens jene dieser von ihm beschriebenen Körperchen einen zelligen Aufbau nach dem Typus der Gruppen- oder einem Zwischenglied zwischen Gruppen- und Säulenkörperchen aufweisen dürften, in denen die Nervenfaser charakteristische fibrilläre Platten oder Scheiben bilden (siehe DoGIELs Abbildungen). In seiner neueren Arbeit erwähnt er, daß sich weder Zellen noch Kerne in diesen Körperchen nach der Methode von RAMöN Y CAJAL bestätigen lassen. 292 Eugen Botezat, den Zellen identisch sind. Es ist zweifellos, daß die Endapparate der Nerven an diesen Organen vollkommen dieselben sind, wie wir dies bei den Säugetier- und Vogelkörperchen gesehen haben: epi- celluläre Tastscheiben und pericelluläre Nervenkörbe. Dasselbe gilt natürlich für die vorher erwähnten Körperchen von der Kopfhaut der Ringelnatter, sowie für die noch im weiteren zu erwähnenden Organe. Ähnliche Organe (Tastflecken) sind auch vom Alligator be- kannt (60, 61). Schließlich will MERKEL in den tiefen Epidermisschichten der von ihm untersuchten Reptilien »rundliche, blasenförmige, helle Zellen, welche den isolierten Tastzellen der Säuger gleichen«, gesehen haben, über deren Natur er sich wegen des vielen Pigments kein ab- schließendes Urteil machen konnte, da er an dieselben tretende Nerven nicht gesehen hat. Es ist aber durchaus nicht ausgeschlos- sen, daß es sich hier tatsächlich um Organe handelt, wie sie von MERKEL vermutet werden. Wäre die letztere Tatsache erwiesen, dann könnte man ganz wohl den Reptilien eine vermittelnde Stellung zwischen den Vögeln und Säugetieren einräumen, was um so wahrscheinlicher zu sein scheint, als in neuerer Zeit bei Hatteria Organe bekannt geworden sind, welche vollkommen geeignet sind eine solche Stellung einzu- nehmen und außerdem noch gleichsam ein Fingerzeig dafür sind, daß die in der Cutis gelegenen Tastzellen vom Epithel herstammen, worauf ich weiter unten noch näher eingehen will. Über die Be- schaffenheit dieses Organs bei Hatteria punctata berichtet Pınkus (59): »Die unterste Epithellage besteht aus einer Scheibe scharf differen- zierter, breiter und hoher Zellen, denen die (in der Umgebung sehr deutlichen) basalen Ausläufer fehlen. Die Innervierung dieser Organe ist in einer Schnittserie festzustellen. Das Organ sitzt am hinteren Ende der Schuppe, und der Nerv läuft, wenigstens an den von mir untersuchten Lokalitäten, der Epidermis parallel, zu der Sinnesleiste hin.< Es ist zum mindesten bezeichnend, daß die Tastzellen bei dieser alten Form gerade an der Grenze zwischen Cutis und eigent- licher Epidermis liegen und, daß jene Teile derselben, welche der Cutis zugekehrt sind, der Riffe oder Stacheln entbehren, wie dies bei den vollkommen cutan gelegenen Tastzellen an der gesamten Membran der Fall ist, worauf ich schon oben bei den Vogeltastzellen hingewiesen habe. Unter den Amphibien sind zellige Tastkörperchen von MERKEL nur bei den Anuren gefunden worden. Beim Laubfrosch aber und Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 293 bei den Urodelen konnte er nichts vorfinden, »was als Tastzellen oder Tastflecken hätte gedeutet werden dürfen«. Gewisse zellige Gebilde, welche nach Leypvie (51) und W. Krause (43) sich im Daumenballen des männlichen Frosches vorfinden sollen, konnte MER- KEL als solehe nicht bestätigen und ist der Meinung, daß sie nichts mit Tastkörperchen gemein hätten. Hingegen fand MERREL allent- halben in der Haut des Frosches und der Kröte mit Ausnahme der Bauchhaut und andrer Stellen gewisse Organe, welche ihre An- wesenheit schon äußerlich durch eine besondere Pigmentierung und oft auch durch eine kegelförmige Erhebung der Haut verraten. Die Gebilde liegen in der Cutis gleich unter dem Epithel und sind ent- weder »disceusartig gestaltet und führen dann keine Niveauverände-. rung der Cutis herbei, oder sie zeigen die Form eines mehr oder weniger flachen Kugelsegments, in welchem Falle die Cutis als flache Papille vorgewölbt wird. Die einzelnen Zellen sind platte, verhältnis- mäßig dicke Scheiben, welche alle so liegen, daß ihre Breitseiten der Ebene der Haut parallel stehen«. Sie sind durch Bindegewebe voneinander getrennt und von keiner Hülle umgeben. Die Zell- haufen werden von markhaltigen Nerven versorgt, welche nach Ver- lust der Myelinscheide sich in mehrere Äste teilen, welche mit den Zellen in Zusammenhang treten. Die Zellen selbst hält MERKEL, wie auch anderwärts, für Nervenzellen. Es ist evident, daß es sich auch in diesem Falle um ebendieselben Innervationsverhältnisse han- delt wie bei den Vogelkörperchen. Ferner ist es auch klar, daß diese Tastflecken der Batrachier mit jenen der Reptilien identisch sind und sich anderseits mit den zu Gruppen vereinigten einfachen MERKELSchen Körperchen bei den Vögeln vergleichen lassen. Die Form der einzelnen Zellen der Tastflecken wird von MERKEL als »auf dem Durchschnitt stets regelmäßig elliptisch« bezeichnet. Von Wichtigkeit scheint mir schließlich noch das zu sein, was MERKEL über die »Größe« der Tastflecken sagt, wonach die kleinsten Tastflecke nur einige wenige Zellen enthalten. Wir sehen also, daß auch bei diesen Tieren neben den vielzelligen auch wenigzellige Körperehen — und wahrscheinlich auch einzellige — wie bei allen betrachteten Wirbeltieren vorkommen. Was nun schließlich die Klasse der Fische betrifft, so ist nach den bisherigen Kenntnissen bei diesen Tieren nichts bekannt, was mit den MERkELSschen Körperchen Bezug haben könnte. Eine übersichtliche Betrachtung dieser Organe bei den erwähn- ten Wirbeltieren zwingt, wie ich glaube und später noch näher 294 Eugen Botezat, begründen will, zur Annahme eines unbedingten phylogenetischen Zusammenhangs derselben. Hierbei spielen gerade die ein- oder wenigzelligen Körperchen wohl eine nicht unwichtige, wenn nicht gerade bestimmende Rolle. Und ich glaube, daß auch die nun zu betrachtenden Kolbenkörperchen in die nämliche Entwicklungskate- gorie einzubeziehen wären. b. Kolbenkörperchen (einfache und zusammengesetzte Vater-Pacinische und Herbstsche Körperchen). (Fig. 29, 40, 41, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60.) Für die hierher gehörigen Körperchen wähle ich die Bezeichnung, welche auch MERkEL für dieselben gebraucht. In der Literatur wer- den aber diese Körperchen mit den verschiedensten Namen versehen, und man kann getrost sagen, daß sogar eine gewisse Verwirrung in dieser Beziehung eingetreten ist. Die gewöhnlich gebrauchten Namen sind: Endkolben, Krausesche Endkolben, VArErsche, Pacınische, VarEr-PAcınische, HERBSTsche Körperchen. Zu den Krauseschen Endkolben werden nicht selten verschiedenartige Körperchen gerech- net, welche mit einem Kolben nichts zu tun haben, so z. B. einge- kapselte Knäuelapparate u. ä Im Prinzip bestehen die Kolbenkörper- chen aus einem sogenannten Innenkolben und aus verschiedenartig entwickelten, oft überaus mächtigen Lagen von bindegewebigen Hüllensystemen. Die Innenkolben sind entweder langgestreckt, dabei oft wurstförmig gewunden, und einfach, oder verzweigt, oder aber von mehr oder minder gedrungenem Bau und dabei wieder einfach oder auch verzweigt. Die ersteren haben gewöhnlich verhältnismäßig wenige gleichartige Bindegewebshüllen, die letzteren sehr zahlreiche und in zweierlei Lagen verteilte Hüllen. Was ihr Vorkommen bei den einzelnen Wirbeltiergruppen be- trifft, so sind sie bei den Fischen und den Amphibien bis nun nicht nachgewiesen worden. Bei den Reptilien sind sie zwar von primi- tiver Form und Ausbildung, aber allgemein über den ganzen Körper, besonders jedoch in den Lippenrändern verbreitet. Am allereinfach- sten sind sie nach MERKEL bei der Eidechse und der Blindschleiche. Sie besitzen bei diesen Tieren eine zwar sehr einfache, aber kräftige Hülle mit wenigen Kernen. Diese Hülle schließt den Innenkolben ein, welchen MERKEL nicht deutlich als von zelligem Aufbau erkennen konnte und nur wolkenartige Trübungen sah, welche manchmal regelmäßig entwickelt, Kernen nicht unähnlich waren. Es ist auch wirklich mit MERKEL gar nicht daran zu zweifeln, daß der Innen- Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 295 kolben der Körperchen dieser Tiere ebenso wie in allen andern Fällen aus Zellen zusammengesetzt ist. Dasselbe muß auch vom Verhalten der Nerven zum Innenkolben gesagt werden, wiewohl diese Gebilde bislang mit den neuen Methoden nicht untersucht worden sind. Eine derartige Untersuchung wird aber ganz bestimmt die- selben Verhältnisse ergeben, wie sie im weiteren beschrieben werden sollen. Die Ringelnatter nimmt wie in bezug auf die MERKELSchen Körperchen, so auch hinsichtlich der Kolbenkörperchen, wie schon MERKEL ausdrücklich hervorhebt, eine vermittelnde Stellung ein: »Während die Saurier Kolbenkörperchen von ganz indifferenter Ge- stalt zeigen, bilden die Ophidier auch hier, wie in so vielen Einzel- heiten ihres Körperbaues, die Brücke zu der Klasse der Vögel.« Bei den letzteren Tieren sind die Körperchen bedeutend entwickelter. Die Hülle besteht aus zwei Membranen mit Kernen im äußeren und inneren Blatt. Der Innenkolben besteht deutlich aus einer » Doppel- reihe von Zellen, welche ganz analog ist der bei Vögeln vorkommen- den«. Im Innenkolben liegt die Nervenfaser. Eine weitere Ähnlich- keit mit den Kolbenkörperchen der Vögel wird auch durch die mehr sedrungene Beschaffenheit jener der Ophidier herbeigeführt, während dieselben bei den Sauriern auffallend lang gestreckt sind. Bei den Vögeln sind diese Körperchen in hohem Grade ent- wickelt, namentlich bei solchen mit gutem Gefühlsvermögen (Lamel- lirostres). Bei den Säugetieren gibt es nun sowohl denkbar einfache Kolbenkörperchen, welche mit jenen der Reptilien die größte Ähnlich- keit haben (es mag hier bloß an die ganz allgemein bekannten Kolben aus der Conjuctiva des Kalbes usw. erinnert werden), als auch sehr hoch entwickelte, wie z. B. die ebenso allbekannten PAcınıschen Körperehen aus dem Mesenterium der Katze. Es ist sehr bezeichnend, daß sich bei Säugetieren ebenso wie dies schon für die MerKkeLschen Körperchen hervorgehoben wurde (Zwillingstastzellen in der Cutis unmittelbar unter dem Epithel der Menschenhaut), auch hinsichtlich der Kolbenkörperchen direkte An- klänge, also primitive Zustände neben sehr hoch entwickelten vor- finden. Überall liegen die Kolbenkörperchen in den tieferen Cutisschichten (Fig. 29, 51) und steigen wohl nie bis in die unmittelbare Nähe der Epidermis empor, hingegen steigen sie so sehr in die Tiefe, daß sie sich überall im Bindegewebe der Organe vorfinden (Sehnen, Periost, Mesenterium). Ich halte dies und ebenso den Umstand, daß sie mit 296 Eugen Botezat, einem wohlentwickelten Kapselsystem bindegewebiger Elemente in Verbindung stehen, für ein Anzeichen, daß es sich um Organe epithelialen Ursprungs, die aber schon seit sehr langer Zeit in die Cutis hinübergewandert, im Vergleich mit den MERRELschen Körperchen ältere Bildungen darstellen. Ihre Entstehungsweise aus Epithelzellen läßt sich ganz gut von der epithelialen zur eutanen Tastzelle über ein einfaches und hierauf ein Doppelsäulenkörperchen mit gleich- zeitiger fortschreitender Entwicklung des bindegewebigen Lamellen- systems und durch Rücken in die Tiefe erklären. Zu dieser Auf- fassung veranlaßt mich insbesondere die epitheliale Natur der Kolben- zellen, welche weiter unten zugleich mit jener der MERKELSchen Körperchen eingehend behandelt werden soll. Ich wende mich nun der Besprechung der Kolbenkörperchen bei den Vögeln zu. Es ist eine sehr wohl bekannte Tatsache, daß diese Körperchen bei den Vögeln überall in der Haut zu finden sind, in der nackten sowohl als auch in der befiederten, ja an den Follikeln der sogenannten Tastfedern sind sie sogar massenhaft verteilt, wie die Untersuchungen von KÜSTEr (48) gezeigt haben. Ebenso massen- haft, oder unter Umständen noch zahlreicher kommen sie bei manchen Vögeln in den Mundteilen (Zunge der Papageien u. a., Schnabel- spitzen, Gaumen) vor (man vergleiche hierüber MERKELS Werk). Das, was uns hier am meisten interessiert, ist die Beschaffenheit der Kolbenkörperchen. Der sogenannte Innenkolben derselben be- steht aus einer Doppelsäule von halbmondförmig gebogenen, mit den konkaven Seiten gegeneinander gekehrten und mit den Enden zu- sammenstoßenden Zellen, so daß zwischen den beiden Säulen ein axialer Hohlraum entsteht, der einen elliptischen Durchschnitt zeigt. Am Ende ist dieser Hohlraum durch keilartig nebeneinander gefügte Zellen abgeschlossen. Im Innern, und zwar in der Mitte einer jeden dieser Zellen liegt ein mittelgroßer kugliger Kern. Irgendwelche besondere Struktur lassen diese Zellen nicht erkennen. Man unter- scheidet daher am Innenkolben zwei Ansichten, eine von der Fläche und eine von der Seite. Von der Fläche betrachtet, sieht man eine einfache Zellensäule und in deren Mitte eine ebensolehe Kernsäule. Der Hohlraum schimmert als ein breiter Streifen durch. Von der Seite betrachtet sieht man die axiale, mediane Grenze der Zellenpaare und längs der äußeren Ränder dieser Zellenpaare je eine Kernsäule. Der Hohlraum schimmert als schmaler Streifen durch. Der zellige Innenkolben ist entweder langgestreckt, d. i. aus sehr vielen Zellen bestehend und dabei einfach (Fig. 52, 54, 55, 57) oder aber auch Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 297 verzweigt (Fig. 51, 53a, db, 58), oder er ist verhältnismäßig kurz und wieder einfach (Fig. 41, 44, 59) oder verzweigt. Die Körperchen mit verzweigtem Innenkolben stellen wohl höhere Entwicklungsformen dar und können, wie dies DoGIEL für die Hersstschen Körperchen tat, als zusammengesetzte Körperchen bezeichnet werden. Beide Arten kommen nebeneinander vor. Beiderlei Innenkolben werden von einem aus konzentrisch an- geordneten bindegewebigen Elementen bestehenden Lamellensystem umgeben. Die Anzahl dieser Lamellen kann eine verhältnismäßig geringe sein (Fig. 52, 54), wobei alle Lamellen eine so ziemlich gleiche Beschaffenheit zeigen, oder die Innenkolben werden von einer übergroßen Menge solcher Lamellen umhüllt. An den Körperchen der letzteren Art unterscheidet man auch zwischen einem inneren und einem äußeren Lamellensystem. Das innere Lamellensystem besteht aus longitudinal verlaufenden Bindegewebsfibrillen und aus solchen, welche zwischen diesen einen circulären Verlauf zeigen, weshalb die ersteren an Längsschnitten als Linien, die letzteren als Punkte er- scheinen (Fig. 41, 44, 59), während umgekehrt an Querschnitten durch die Körperchen die longitudinalen als Punkte und die eireulären als Linien erscheinen (siehe auch die Abbildungen bei DocıEL [23)). Das äußere Lamellensystem besteht nur aus longitudinalen Binde- gewebsfibrillen, welche auch nicht so dicht angeordnet sind wie jene der inneren Lamellen. Ich halte es für zweckmäßig, die langgestreckten Körperchen der ersten Art mit einem relativ einfachen, wenn auch freilich in den centralen Lagen etwas anders als in den peripherischen aus- sehenden (Fig. 54) Hüllensystem mit dem allbekannten Namen »VATER-PacınIsche Körperchen« zu bezeichnen, während sich für jene der zweiten Art von gedrungener Form, mit sehr vielen Binde- gewebslamellen, welche deutlich eine innere und äußere Lage er- kennen lassen und speziell bei den Lamellirostres zu finden sind, sich der Name »Herestsche Körperchen« so sehr eingebürgert hat, daß er auch schon aus diesem Grunde weiter verbleiben kann. Die VATER-Pacınischen Körperchen können in einfache mit einfachem und zusammengesetzte mit verzweigtem Innenkolben unterschieden werden. Das gleiche gilt auch für die Hergstschen Körperchen, welche nach diesem Gesichtspunkte hin ebenfalls in einfache und zusammengesetzte geschieden werden können. Was die Innervationsverhältnisse dieser Körperchen betrifft, so sind dieselben bei allen diesen Körperchen vollkommen gleichartig. 298 Eugen Botezat, Die Varzr-Pacınıschen Körperchen wurden in dieser Richtung mit den modernen Nervenuntersuchungsmethoden nicht untersucht, hin- gegen waren die HerBstschen Körperchen schon zu wiederholten Malen der Gegenstand eines intensiven Studiums. Hier mögen bloß die neuen Arbeiten von DocıEL (23, 29) erwähnt werden. Die Er- gebnisse seiner Untersuchungen faßt DosIEL in der Schrift über die Herestschen Körperchen folgendermaßen zusammen: »eine dicke Faser, die im Achsenteil des Innenkolbens gelegen ist und eine Menge kurzer und dünner Seitenäste abgibt, welche ihrerseits zwischen die Zellen des Kolbens eindringen und aller Wahrscheinlichkeit nach im Plasma der Zellen selber endigen. Die andre Faser erscheint dünner als die erstere, tritt in den inneren Kolben ein und zerfällt in eine bedeutende Anzahl dünner Fädchen, die alle Zellen des Innenkolbens umflechten«. Die zitierte Vermutung, nach welcher die Seitenäste der Achsenfaser des dicken Nerven im Plasma der Kolbenzellen endigen sollen, wird von DOGIEL in seiner neuesten diesbezüglichen Arbeit (29) nicht mehr aufrecht erhalten, da dieser Forscher mit Hilfe der neuen Methode von RAMmONn Y CAJAL beobachten konnte, dab die axiale Faser aus sich wiederholt teilenden und sich überkreuzenden Neurofibrillen bestehe, welche in Seitenäste zerfallen, die ebenfalls aus einigen Neurofibrillen bestehen, zwischen die Kolbenzellen ein- dringen und hier offenbar in Netzen endigen. In der neuesten Arbeit weist DOGIEL (30) für die PAcınıschen Körperchen im Mesenterium der Katze die letztere Vermutung tatsächlich nach. Die am Ende der Axialfaser sehr oft sichtbare kolbige Anschwellung erwies sich nun ebenfalls als ein geschlossenes Netz von Neurofibrillen. Das gleiche Verhalten gilt auch für die Kolbenkörperchen (GoLGI-MAzzonıschen) aus der Fußsohle der Katze. Hingegen war DOoGIEL nicht in der Lage, mit Hilfe der Ramon y Casauschen Methode die Endapparate der zweiten, dünnen Faser nachzuweisen. Übrigens gelingt das letztere auch mit der Methylenblaumethode durchaus nicht so leicht (Fig. 41, 57), hingegen erachte ich die Methylenblaumethode bei günstigen Färbungsverhältnissen als durchaus geeignet, um sowohl den fibrillären Bau der axialen Faser mit ihren erwähnten Aus- läufern, als auch der Endigung dieser letzteren wie auch der kolbigen Anschwellung zur Anschauung zu bringen. Ich habe die soeben erwähnte Innervation nicht nur an den HerBsrschen Körperchen, sondern auch für die VATER-PAcmiIschen nachgewiesen und will nun meine diesbezüglichen Befunde, welche ich an mittels Methylenblau gefärbten Präparaten noch vor zwei Jahren, Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 299 also vor dem Erscheinen der letzten Arbeiten DocıELs, unabhängig von diesem Forscher gemacht habe, für alle Kolbenkörperchen vor- führen. Ich tue, wie bereits oben erwähnt wurde, das letztere vor- züglich aus dem Grunde, weil es sich, wie ich für die VATER- Pacrsischen Körperchen nachweisen konnte, in beiden Fällen um sanz genau dieselbe Art der Innervation handelt. An ein jedes VArEr-Pacıiiısche und Hergstsche Körperchen gelangt, soviel ich wahrnehmen konnte, nur je eine einzige dicke Nervenfaser der einen Art (Fig. 41, 44, 52, 53, 54, 57, 58 nm), welche ohne in den Ranvıxrschen Einschnürungen Teilungen einzu- sehen, sich direkt zu dem einen Pol des Körperchens begibt. Hier dringt sie durch die bindegewebigen Lamellen des Körperchens zum Innenkolben empor und verliert an diesem angelangt oder noch etwas vor demselben die Markscheide. Es ist auffallend, daß die Nerven, welche zu den Kolbenkörperchen aber auch zu den GRANDRYSschen gelangen, besonders diek sind, namentlich aber jene der ersteren. Die entstandene Achsenfaser dringt in den erwähnten Hohlraum des Innenkolbens empor und nimmt hierbei dessen Form an. Infolge der beschriebenen eigentümlichen Beschaffenheit und Anordnung der Kolbenzellen kann man an dieser bandartigen Achsenfaser eine schmale Seiten- und eine breite Flächenansicht unterscheiden. Bei der Ansicht des Innenkolbens von der Seite erscheinen rechts und links von der Achsenfaser die zwei Säulen von Kolbenzellen, in denen in der Regel auch die kugeligen Kerne zu erkennen sind (Fig. 41, 54, 57, 58 ı), hingegen erscheint die Achsenfaser bei der Ansicht von der Fläche recht breit und man kann die Zellen nicht so deutlich, die Kerne aber, weil sie über und unter der Nervenfaser liegen, so gut wie niemals unterscheiden (Fig. 55). Was nun die Struktur dieser axialen Faser betrifft, so habe ich an Methylenblaupräparaten von VATER- Pacınıschen Körperchen ganz ebenso wie DoGIEL an den Hergsrtschen nach der Ramön Y CayJAarschen Methode erkannt, daß dieselbe einen fibrillären Bau zeigt. Oft sieht man in der Achse der Faser eine starke Fibrille, welche sich gegen den jenseitigen Pol hin verzweigt und in ein breites Netz von Fibrillen auflöst, welche die schon längst bekannte kolbige Anschwellung ausmachen (Fig. 57,58,59). Bei gut ge- lungener Methylenblaufärbung aber gelingt es, die Wahrnehmung zu 1 In neuester Zeit habe ich dieses Verhalten der Achsenfasern, d. i. die Bil- dung von Neurofibrillennetzen in den VATER-PAcınIischen Körperchen aus dem Gaumen der Taube an Präparaten nach der Silberimprägnierung von RAMöN Y CAJAL beobachtet. 300 Eugen Botezat, machen, daß die Achsenfaser nicht aus einer einzigen Fibrille be- steht, sondern selbst eigentlich schon ein in seiner Totalität bandartig erscheinendes Fibrillennetz darstellt. Freilich kann man die Netzstruktur nur selten beobachten, da die einzelnen Fibrillen, wenn sie zur Darstellung kommen, gewöhnlich untereinander mehr oder minder parallel verlaufen. Diese Erscheinung möchte ich auf eine mangelhafte Färbung zurückführen, wiewohl zugegeben werden muß, daß die Fibrillen doch im allgemeinen einen mehr longitudinalen Verlauf nehmen und hierbei sich unterwegs vielfach zerteilen, welche Teilungsästehen sich miteinander vereinigen, dann teilen sich diese Äste wieder u. s. £, wodurch das besagte Netz hervorgerufen wird. Die Fibrillen werden von der mit Methylenblau weniger intensiv ge- färbten Perifibrillärsubstanz umgeben. Diese eigentümliche Struktur des Axialnerven kann man an der möglichst naturgetreu wiederge- gebenen Fig. 55 erkennen, welche den oberen Teil eines VATER- Pacınischen Körperchens aus dem Gaumen des Haushuhns darstellt. An dem Präparat sind die Bindegewebslamellen (2) und teilweise auch die zellige Beschaffenheit des Innenkolbens (2) zu erkennen. Was aber an dem Präparat das Wichtigste ist, so sieht man an demselben mit dem Immersionssystem und bei starker Vergrößerung, daß die breite Achsenfaser, welche an diesem Präparat einem ziekzackartigen Band gleicht, aus einem recht dichten Netz von im allgemeinen longitudinal verlaufenden Neurofibrillen besteht. Am deutlichsten ist dieser Verlauf im schaufelartig verbreiterten Endteil der Faser zu beobachten. Das Präparat ist aber auch sehr gut dazu geartet, er- sichtlich zu machen, daß das sogenannte »kolbig angeschwollene Ende« der Achsenfaser sich eigentlich als eine flache Verbreiterung entpuppt. Übrigens ist diese Verbreiterung nicht immer deutlich ausgeprägt (Fig. 57). Daß sie aber, wenn vorhanden, ein geschlossenes Neurofibrillennetz ist, davon belehren uns aufs deutlichste auch die Figuren 57, 58, 59, 60. Aus diesen Betrachtungen ersieht man, daß die Achsenfaser anfangs aus wenigen parallel verlaufenden Fibrillen besteht, welche durch wiederholte Teilungen gegen den apicalen Pol hin immer zahlreicher werden und gleichzeitig durch Vereinigungen ein Netz bilden. Diese so beschaffene Achsenfaser ist aber noch nicht das letzte Ende des das Körperchen versorgenden dicken Nerven. Denn man beobachtet an gelungenen Präparaten, daß von der axialen fibrillären Faser einzelne Fibrillen und Fibrillenbündel in seitlicher Richtung die Faser verlassen und sich zwischen die Kolbenzellen begeben (Fig. 54, 55, 57, 58). Hier verlaufen sie nicht Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 301 etwa als einfache Fasern, sondern man kann an guten Präparaten die Beobachtung machen, daß sich diese Seitenästchen ebenfalls teilen (Fig. 54, 55, 57) und sich auch miteinander vereinigen, wobei lockere Fibrillennetze von geringer Ausdehnung entstehen (Fig. 55, 56), welche den Kolbenzellen anliegen. In der Fig. 56, welche einen Querschnitt durch ein Kolbenkörperchen darstellt, sieht man von der axial ver- laufenden breiten Faser drei Ausläufer, von denen der eine ein lockeres Fibrillennetz von nur geringer Ausdehnung und ein kleines Neurofibrillennetzscheibchen bildet. Dieses Netz liegt zwischen zwei übereinander gelegenen Kolbenzellen. Aber auch vom Fibrillennetz des verbreiterten Endes der Axialfaser sieht man derartige Seitenfäserchen abgehen (Fig. 55, 97, 59, 60), welche sich ebenfalls wiederholt teilen und sich daher ganz ebenso verhalten wie die vorher genannten. In Fig. 60 sieht man diese Lateralfäserchen in zahlreichen Windungen sogar recht weit zwischen die Kolbenzellen vordringen, wo sie sich verzweigen, um offenbar Fibrillennetze zu bilden !, Auf Grund der vorstehend erwähnten Tatsachen gelangen wir hinsichtlich der Innervation der Kolbenkörperchen durch die dicken, markhaltigen Nerven zu folgendem Schlußresultat: Die dicke Nervenfaser bildet im Hohlraum des Innenkolbens ein Band, bestehend aus einem Neurofibrillennetz, welches den inneren Flächen der Kolbenzellen gemeinsam anliegt. Seitliche Ausläufer (Neurofibrillenbündel) von diesem Band bilden zwischen den übereinander liegenden Kolbenzellen eine Art Tastscheibehen bestehend aus einem dichten Fi- brillennetze, welche diesen Zellen von unten bzw. oben an- liegen. Es wird somit eine jede Kolbenzelle durch die erwähnten Neurofibrillennetze der dicken Nervenfaser von drei Seiten innerviert, ihre Außenseiten hingegen bleiben von diesem Nervenapparat frei. An die Kolbenkörperchen gelangt aber auch je eine dünne Nervenfaser der Cutis, welche marklos, aber mit der SchwaAnnschen Scheide versehen ist, was man an den einzelnen Kernen, welche der Faser dicht anliegen, in den Methylenblaupräparaten erkennt (Fig. 41 ns, k, 57 ns, k). An den Innenkolben angelangt, verliert die Faser die Schwannsche Scheide und tritt zu den oberflächlichen 1 Ich werde in einer bald zu veröffentlichenden Arbeit auf diese Verhält- nisse zurückkommen und durch Figuren nachweisen, daß die seitlichen Fasern bzw. Fibrillenbündel zwischen den Kolbenzellen eine Art Tastscheibchen, bestehend aus einem Neurofibrillennetz, bilden (VATER-PAcmısche Körperchen aus der Zunge des Sperlings). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 20 302 Eugen Botezat, Außenteilen der Kolbenzellen in intime Beziehungen. Bald nach dem Erreichen des Innenkolbens zerfällt die dünne Faser in mehrere dünne und varicöse Fäden, die offenbar aus einem Netz von Neurofibrillen bestehen, welche sich an der Außenseite des Innenkolbens verteilen. Diese Sekundärfäden teilen sich abermals usw. in feine Fibrillen, welche einen im allgemeinen spiraligen Verlauf nehmen. Sie sind recht vari- eös. Die Teilungsfibrillen verbinden sich wieder miteinander, und so kommt es zur Bildung eines korbartig den ganzen Innenkolben von außen umspinnenden Netzes (Fig. 41 npe, 54 p, 57 p). Ich muß ge- stehen, daß sich diese pericorpusculären Neurofibrillennetze der Kolbenkörperchen im Verhältnis zu jenen der MErKELschen Körperchen bei weitem schwerer färben, und daß meine Präparate in dieser Hinsicht mangelhaft erscheinen. Freilich habe ich auch nicht Anstrengungen ge- macht, diesen Nervenapparat vollständig zur Darstellung zu bringen, sondern begnügte mich mit stärkeren (Fig. 41 »pc) und schwächeren (Fig. 54 p, 57 p) Andeutungen desselben, da es mir bloß darum zu tun war, die Anwesenheit desselben auch für die VATErR-PAcınischen Körperchen festzustellen; für die Hersstschen Körperehen ist dies von DoGIEL (23) in so ausreichendem Maße geschehen, daß ich in der festen Meinung, nicht mehr als DoGIEL hierüber zu eruieren, mich mit dem Gesagten begnügen konnte. DOo6GIEL wirft in bezug auf diese Nervenapparate noch eine Frage durch folgende Äußerung auf: »Die Existenz irgend welchen unmittelbaren Zusammenhanges der Endver- zweigungen beider Arten von Fasern ist mir zu beobachten nicht ge- lungen.« Diese Frage berührt DocıEL in seinen neueren Arbeiten nicht mehr. Es ist mir sowohl aus meinen Präparaten, als auch insbesondere aus den Ergebnissen, welche an den Pacınischen-, den Genital- und MEIssnerschen Körperchen erzielt wurden (SALA [73], TIMOFEEW [79], Docier [27)]) klar geworden, daß zwischen den beiden Nervenendappa- raten absolut keine organische Zusammengehörigkeit besteht. Auf eine ausführliche Beschreibung dieses zweiten pericellulären, pericorpusculären oder perigemmalen Nervenendapparates brauche ich mich keineswegs näher einzulassen, weil dies in ausführlicher Weise schon für die MERKELschen Körperchen und von den zuletzt erwähnten, sowie auch von andern Autoren für die genannten Körperchen bereits geschehen ist. Es genügt, hier darauf hinzu- weisen, daß es sich bei den VATER-Paciıschen Körperchen der Vögel um den gleichen Apparat handelt, welcher aus einem korbartig den Innenkolben umspinnenden mehr oder minder lockeren Netz von Neurofibrillen bzw. Fibrillenbündeln besteht. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 303 So kommen wir auf Grund der anatomischen Befunde zur be- merkenswerten Erkenntnis, daß die Kolbenkörperchen ganz emi- nente Tastapparate sind; ihre überaus reiche, bisher nicht vollständig bekannte Innervation spricht erstlich einmal dafür: von drei Seiten werden die Kolbenzellen von den Fibrillennetzen des dieken Nerven, von der vierten äußeren Seite jedoch von dem gemeinsamen peri- . gemmalen Fibrillennetz des dünnen Nerven umgeben. In zweiter Linie spricht die dicht gedrängte Anordnung, die große Anzahl der Kolbenzellen und schließlich, wie man wohl gewöhnlich annimmt, auch die Bindegewebskapseln für die besondere Eignung der Körper- chen zu Tastorganen. Diese Eigenschaften werden aber noch vermehrt durch das Auf- treten der zusammengesetzten Kolbenkörperchen. Man kann zu- sammengesetzte VAarEr-Pacinısche und ebensolche HerBsTsche unterscheiden, wie dies auch bei den analogen PAcınıschen vom reinen und modifizierten Typus bei den Säugetieren der Fall ist. Bei den Reptilien scheinen nur einfache Kolbenkörperchen vorzukommen. Die zusammengesetzten Kolbenkörperchen entstehen in unwesent- lich verschiedener, prinzipiell aber in derselben Weise. Bald nach dem Eintritt in den Innenkolben oder unmittelbar vor demselben teilt sich die Achsenfaser gabelig in zwei Äste, welche gleich oder ungleich (Fig. 58) lang sind und in divergierende Richtungen ver- laufen. Ihnen folgen natürlich die Kolbenzellen, so daß jede der beiden Fasern zweien durch Teilung entstandenen Innenkolben an- gehören. Auch die Bindegewebslamellen folgen diesem Verhalten und bewirken eine von der ellipsoidischen der einfachen Körperchen abweichende unregelmäßige oder regelmäßige Herzform. Der Innen- kolben und die Nervenfaser können aber auch weiter oben in der Mitte oder auch in der Nähe des apicalen Pols zur Teilung schreiten und ebenso in zwei gleiche oder ungleich lange sich oft vielfach windende Äste zerfallen, wodurch ebenfalls so unregelmäßige Totalformen der Körperchen entstehen. In bezug auf diese zusammengesetzten Kolben- körperchen habe ich speziell im Gaumen des Huhns merkwürdige Beob- achtungen machen können. Diese sind oft mehrfach zusammengesetzt. Man kann Formen sehen, bei denen der Innenkolben und die Achsen- faser gabelig auseinander gehen, wobei beide Äste in einer Ebene liegen, dann teilt sich die eine Zweigfaser auf einer gewissen Entfernung, und der eine Gabelzweig verläuft in derselben Ebene weiter, während der andre aus ihr heraustritt und nach einer andern Richtung zieht (Fig. 53a). Die Gabelungen können auch fortgesetzt stattfinden, und 20* 304 Eugen Botezat, es bleiben alle Äste in derselben Ebene (Fig. 535). Oft bemerkt man auch, daß der Innenkolben und dementsprechend auch die Achsenfaser einen vielfach gewundenen Verlauf nehmen (Fig. 535). Kurz, man kann alle möglichen Variationen und Komplikationen beobachten. Es ist evi- dent, daß durch diese Erscheinungen die Anzahl der Kolbenzellen und der Terminalnetze in hohem Grade vermehrt wird, wodurch ein um so empfindlicheres Tastorgan an der betreffenden Stelle entsteht. Ein ähnliches Verhalten ist auch von den Hergstschen und allen übrigen hierher gehörigen Körperchen bekannt. "Phylogenetischer Rückblick über die zelligen Tastapparate der Vögel, Die hier zur Sprache kommenden Erwägungen über den phylo- genetischen Zusammenhang der zelligen Tastorgane könnten oder sollten sich vielmehr auch auf die entsprechenden Organe bei den Säuge- tieren und den übrigen Wirbeltieren erstrecken, allein dies ist schon aus dem Grunde nicht möglich, weil namentlich die Apparate der Säuger in dieser Schrift nicht so eingehend betrachtet werden konnten, als dies zu einer phylogenetischen Erklärung derselben notwendig ge- wesen wäre. Dies geschah hauptsächlich deswegen, weil ein solches Unternehmen nicht im Rahmen dieser Schrift gelegen ist. Es bleibt somit diese Frage für andre Untersuchungen erspart. Was aber die zelligen Tastorgane der Vögel betrifft, so glaube ich auf Grundlage der zu besprechenden Erwägungen MERKELS u. a., sowie der ent- wicklungsgeschichtlichen diesbezüglichen Untersuchungen von SZY- MONOWICZ, deren Ergebnisse mit jenen MERKELs in Widerspruch stehen, schon deswegen auf dieses Thema eingehen zu müssen. Die Frage nach der phylogenetischen Deutung der genannten Organe kann natürlich nur vom Standpunkte der entwicklungsgeschicht- lichen und der morphologischen Verhältnisse behandelt werden. Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen liegen uns in einem sehr unzureichenden Maße vor und erstrecken sich auf die Entwicklung der GrAnDrYschen bzw. Hergstschen Körperchen der Ente. MERKELS Untersuchungen ergaben bis zum 20. Bebrütungs- tage »keine Spur der Organe, weder im Schnabel, noch in der Zunge«, während bei neugeborenen Tieren ausgebildete Tastorgane zu be- obachten waren. Hingegen fand MERKEL an den harten Papillen des Zungenrandes der neugeborenen Ente in den tieferen Epithelschichten helle, blasig aufgetriebene Zellen, welche den Tastzellen in den Epithelzapfen der Säugetiere durchaus ähnlich waren. »Die am Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 305 höchsten gelegenen waren durch mehrere Epidermiszellenschichten getrennt, während die am tiefsten stehenden in der Cutis selbst lagen. In denselben Papillen einer älteren Entenzunge konnte MERKEL niemals derartige Zellen im Epithel vorfinden, weshalb er die Tastzellen der Cutis als durch Wanderung in diese Hautschicht entstandene Abkömmlinge des Epithels ansah. Es beginnen die Zellen die Umwandlung in Tastzellen bereits im Epithel. In dieser letzteren Auffassung weicht MERKEL von IZQUIERDO (40) ab, welcher nur die Tatsache betonte, daß die cutanen Tastzellen in den weichen Zungenpapillen vom Epithel herstammen. Anders verhält es sich mit den Ergebnissen, zu denen die entwickiungsgeschichtlichen Unter- suchungen von SZYMoNow1ıcz. (78) geführt haben. Dieselben hat dieser Forscher in drei Punkte zusammengefaßt: »1) Die Tastzellen der Granpryschen und Hergstschen Nervenkörperchen sind binde- sewebigen Ursprungs. 2) Die Differenzierung der Bindegewebszellen zu Tastzellen der GrAnpryschen und Hergstschen Körperchen er- folgt unter dem Einfluß der Nervenfaser. 3) Auf Grund unsrer Betrachtungen müssen wir entschieden den großen Unterschied der MERKELschen« (hier sind die MERKELschen Körperchen der Säugetiere gemeint) »Körperchen gegenüber den GRANDRYschen betonen und das Unterbringen dieser heterogenen Gebilde in eine Gruppe als un- zulässig erklären.«e Zunächst muß darauf aufmerksam gemacht wer- den, daß Szymoxow1ıcz seine Untersuchungen an den Schnäbeln vor- genommen hat, wo auch MERKEL, wie oben erwähnt wurde, nichts beobachten konnte, was im Epithel mit Tastzellen hätte verglichen werden können. Hingegen hat Szymoxowiıcz jene Stellen, an denen MERKEL seine interessanten Befunde gemacht hat, nicht untersucht. Ich für meinen Teil muß zugestehen, daß ich den Angaben MERKELS das größte Zutrauen entgegenbringe, weil ich durch die besprochenen Untersuchungen der Tastzellen bei den verschiedensten Vogelgruppen Gelegenheit gehabt habe, zu beurteilen, wie exakt und zuverlässig die Beobachtungen MERKELsS in bezug auf die Tastzellen sind. Da- her glaube ich nicht, daß sich MERKEL durch gewisse Bildungen irgendwelcher Art hätte täuschen lassen können, so daß er diese für Tastzellen angesehen hätte. Was aber die Ansicht von Szymoxowicz bezüglich der bindegewebigen Abstammung der Schnabeltastzellen betrifft, so ist etwa die Annahme nicht ausgeschlossen, daß nur wenige oder einzelne Epithelzellen in die Cutis treten, sich zwischen den Bindegewebszellen verlieren, wiederholt teilen und erst dann an Volumen zunehmen, wobei sie den Kern kugelig gestalten, welcher 306 Eugen Botezat, der zunehmenden Protoplasmamenge gegenüber zurückbleibt. Hierauf folgt die spezifische Differenzierung des Protoplasmas. Daß aber so- wohl von MERKEL wie auch von SzyYMoxowicz einzelne aus dem Epithel in die Cutis hinüberwandernde Zellen leicht übersehen wer- den konnten, ist, wie ich glaube, einleuchtend genug. Dieser Ent- wicklungsvorgang dürfte übrigens schon infolge seines hohen Alters auch gar sehr abgekürzt werden — ein weiterer Umstand, durch ‚welchen Täuschungen leicht veranlaßt werden können. Genau das Gleiche meine ich auch über die Kolbenzellen der HrrgBstschen bzw. VATER-PAcınIschen, sowie aller Kolbenkörperchen überhaupt. Die sich bildenden Tastzellen sind nach SZYMoxowiıcz anfangs den bindegewebigen Zellen gleich; erst später, etwa vom 21. bis zum 23. Tage der Bebrütung tritt in gewissen Zellen eine Differenzierung, welche in »quantitativen und qualitativen Veränderungen desZellplasmas« besteht, auf. Diese Differenzierung geschieht nun nach SzYMoxowıcz unter dem Einfluß der heranwachsenden Nervenfasern, welche in der angegebenen Zeit feinste Endverzweigungen bilden, denen »die Aufgabe obliegt, mit den Bindegewebszellen auf einer möglichst großen Fläche in un- mittelbaren Kontakt zu treten und in denselben durch einen beson- deren nervösen Reiz eine Veränderung der Form und Struktur zustande zu bringen, welche die Zellen befähigt, die Funktion der Tastzellen zu übernehmen«. Ich glaube, es ist nicht so ohne weiteres ein- leuchtend, wie eine Nervenfaser Endverzweigungen bildet, welche die Eigenschaften der mit ihnen in Verbindung stehenden Zellen ver- ändernd beeinflussen, dann verschwinden, worauf die restierende Nervenfaser einen Funktionswechsel erleidet: sie wird sensibel. Diese Umstände bringt Szymoxowıcz auch noch mit den intraepithelialen Nerven in Kombination und meint, daß es so klar werde, »weshalb die die Cutis einfach durchquerenden, daselbst aber nie End- verzweigungen bildenden intraepithelialen Nervenfasern auf die Bindegewebszellen keinen zur Differenzierung führenden Einfluß auszuüben im Stande sind«e. Ich möchte hierzu bemerken, daß man auch an den Epithelnerven bei Embryonen und ganz jungen Tieren solche dichte Endverzweigungen. beobachten kann — frei- lich im Epithel —, welche später verschwinden, d. h. bei er- wachsenen Tieren nicht zu beobachten sind — man vergleiche die intraepithelialen Endverzweigungen junger Schweinchen an den Abbildungen in der Arbeit von Szymonowicz (77) über die Nerven- enden und deren Entwicklung im Schweinerüssel —. Auf die Epithel- zellen üben nun diese Endverzweigungen keinen differenzierenden Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 307 Einfluß aus. Dann müßte den Endverzweigungen bloß die Befähigung zukommen, lediglich auf die Bindegewebszellen differenzierend einzu- wirken. Ich glaube, es müßten dann alle die oben behandelten Arten eutaner Endverzweigungen, wie baum-, knäuel- usw. -artigen End- netze, welche mit dem Bindegewebe in direkten Kontakt treten und die Szymonowıcz allerdings nicht gekannt hat, auf die Bindegewebs- zellen ebenfalls einen Einfluß ausüben, was doch nicht der Fall ist. Daher glaube ich, daß man eine solche Eigenschaft den wachsenden Nervenfasern schlechthin abspreehen muß. Es mag noch bemerkt werden, daß die Annahme sehr naheliegend ist, wonach die im embryonalen Leben dichten Endverzweigungen der Nerven beim Wachstum auseinander treten, lockerer werden und schon aus diesem Grunde zu verschwinden scheinen. Allerdings muß man zugeben, daß mit der wachsenden Haut auch die Nerven sich verzweigen und sich so vermehren, allein man ist wohl darüber einig, daß dieselben, so wie andre Gebilde bei jungen, kleinen Individuen relativ ge- drängter sind als bei ausgewachsenen. Aus diesen Erwägungen glaube ich den diesbezüglichen Ausführungen von SZYMoNowIcz keine entscheidende Bedeutung einräumen zu sollen. Schließlich erklärtt Szymoxnowicz die Unterbringung der GRANDRYSchen und MERKELschen Körperchen in eine Gruppe als unzulässig, wobei er offenbar an die epithelialen MErKELschen Körperchen der Säuger denkt, welche aus dem Epithel stammen und im Epithel verbleiben. Hinsichtlich der so zahlreich vertretenen MERKELschen Körperchen (»Tastzellen«) der Vögel, welche ganz all- gemein in der Cutis gelegen sind, erwähnt er nichts. Hingegen nimmt er schon für die einzelligen Körperchen der Ente, welche wir als zu den Granpryschen gehörig oben betrachtet haben, einen zweifelhaften Standpunkt ein, indem er sagt: »Es ist schwer zu ent- scheiden, wie diese Körperchen zu deuten sind. Ob dieselben in der Bildung begriffene oder aufgehaltene oder im Gegenteil in Degeneration befindliche oder schließlich vollkommene Gebilde sind, welche den zwei- oder mehrzelligen Körperchen ganz gleich stehen, darauf läßt sich eine auf sicheren Grundlagen basierende Antwort nicht geben.« Ich glaube, daß die angeführten drei Thesen, welche Szymono- wıcz auf Grund seiner entwieklungsgeschichtlicehen Beobachtungen in so positiver Weise ausgesprochen hat, aus den schon erwähnten und andern noch zu erwähnenden Gründen, auf ebenso unsicheren Grund- lagen ruhen. So kommen wir leider zum wenig erfreulichen Resul- tat, daß die bisherigen, allerdings sehr dürftigen entwicklungs- 308 Eugen Botezat, geschichtlichen Untersuchungen zu einer einwandfreien Erklärung der Abstammung und des Zusammenhanges der zelligen Tastkörperchen für die Vögel und um so mehr für alle Wirbeltiere, bei denen sie verbreitet sind, nicht ausreichend sind. Daher müssen wir uns hauptsächlich auf die anatomischen und vergleichend-anatomischen Befunde stützen. Wollen wir dies zunächst mit den einzelligen Körperchen der Entenvögel tun, so möchte ich darüber hier das anführen, was SZYMONOWICZ von den- selben sagt: »Diese Zellen sind im allgemeinen kleiner, als die der gewöhnlichen GrANnDRYschen Körperchen. Wir sehen dieselbe, wie- wohl oft weniger ausgeprägte Streifung, dieselbe Bindegewebshülle, dasselbe Verhältnis zwischen der Zelle und der Tastscheibe, welche letztere immer von unten an die Zelle grenzt. Dieser Umstand er- innert wohl an das Verhalten der Nervenendigung »gegenüber der Tastzelle im MERKELSschen Tastkörperchen«. Wiewohl man in dem letzteren Punkte, daß nämlich die Tastmenisken immer von unten an die Zellen treten, nach den oberen Ausführungen, sowie für jene der Säugetiere auf Grund der in dieser Schrift bereits zitierten Arbeiten von mir, DOGIEL, TRETJAKOW, widersprechen soll, besteht doch der Aus- spruch von Szymoxnowıicz, daß das Verhalten der Tastscheibe zur Zelle an die MERKELSschen Körperchen erinnert, zu Recht. Die weniger ausgeprägte Streifung und die geringere Größe dieser ein- zelligen Entenkörperchen bilden anderseits weitere Momente der Zusammengehörigkeit derselben mit den MERKELSschen Körperchen (der Säugetiere und um so mehr jener der übrigen Vögel. Daher glaube ich diesen einzelligen GrAnpryschen Körperchen die Be- deutung von Übergangsformen zusprechen zu müssen. Für diese letztere mag auch das relativ seltene Vorkommen derselben bei den Entenvögeln, sowie auch die jedenfalls nicht ebenso stark ent- wickelten Bindegewebshüllen wie bei den echten mehrzelligen GRAN- pryschen Körperehen sprechen. Es ist wohl klar, daß die mehr- zelligen Körperehen sowohl unter den GRANDrRYschen, als auch unter den Merkeuschen höhere Entwicklungsformen und somit voll- kommenere Gebilde darstellen als die einzelligen. Diese höheren Ausbildungsstufen werden durch gruppenweises Auftreten einzelliger Körperchen eingeleitet. Durch unregelmäßiges, inniges Aneinander- treten von einzelligen kommt es zur Bildung von Körperchengruppen; und dies gilt ebenso für die kapselfreien MErKELschen, wie für de eingekapselten GrRAnDrRYschen Körperchen. Eine andre Gruppenbildung wird durch regelmäßiges Über- Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 309 einanderlagern von zwei- und mehreren einfachen Körperchen be- wirkt, wodurch die Zwillings- und die Säulenkörperchen entstehen. Eine weitere Entwicklungsstufe stellen die für die Sänger charakte- ristischen Doppelsäulenkörperchen vor. Und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich für die Kolbenkörperchen dieselbe Entstehungs- weise annehme, wonach deren Innenkolben eigentlich eine Doppel- säule von dicht gedrängten, in ihrer Form sekundär umgeänderten Tastzellen darstellen. Bei den einfachen Formen der Reptilien und Säuger (siehe oben) sind diese Doppelsäulen mit nur wenigen, bei den höheren VATER-PacınIschen und Hergstschen Körperchen mit zahlreichen und sehr vielen Bindegewebslamellen ausgestattet, wo- durch eine quantitativ höhere Funktion erzielt werden dürfte. Über die verwandtschaftlichen Beziehungen der MERKELSschen Körperehen der Vögel mit jenen der Reptilien wurde das Wichtigste mitgeteilt. Es wurden schon durch MERKEL zwei Arten von Körper- chen unterschieden: säulenförmige Tastkörperchen in den Cutis- papillen der Kopfhaut der Ringelnatter, welche sogar mit einer binde- sewebigen Hülle umgeben sein sollen, wodurch die Zusammen- sehörigkeit derselben mit den ähnlichen zu Säulchen angeordneten Tastzellen in den zusammengesetzten GrRAnDRYschen Körperchen der Enten- und Nachtraubvögel angebahnt wird, und Tastflecke, die bei allen untersuchten Reptilien angetroffen wurden, die aber sich nach ihrer Anordnung direkt mit den entsprechenden Gebilden der Amphi- bien, weniger gut mit den MErkKELschen Vogelkörperchen vergleichen lassen. Diese letzteren wurden außer von MERKEL auch noch von Levpie (51), CArTIER (15), HOFFMANN (37), OPPENHEIMER (56), MAr- RER (553) und Pıykus (60, 61) namentlich bei den Krokodilen unter- sucht. Diese Untersuchungen bestätigen wohl bloß die Befunde, welche MERKEL gemacht hat. Was die stammesgeschichtlichen Beziehungen der Vogel- und Reptilienkörperchen betrifft, so wären für eine epitheliale Ableitung derselben jene Organe der Reptilien von großer Wichtigkeit, die ich (S. 292) bereits erwähnt habe und die MERKEL für »rundliche, blasen- förmige, helle Zellen, welche den isolierten Tastzellen der Säuger gleichen«, hielt. Sollten sich diese Gebilde tatsächlich als echte Tastzellen, also als MERKELsche Körperchen herausstellen, dann würden diese als alte Formen und vermöge ihrer geringen Anzahl auf die Ableitung der eutanen Körperchen von epithelialen Tastzellen hinweisen. Aus den Ausführungen MERKELS geht hervor, daß diese Körperchen neben den charakteristischen, eigentlichen zelligen Tast- 310 Eugen Botezat, organen der Reptilien nur eine sehr untergeordnete Bedeutung haben können, wodurch ebenfalls ihre primitive Natur, meiner Meinung nach, so gut wie erwiesen sein dürfte. Eine weitere Entwicklungsstufe verraten wohl die Tastflecke der Hatteria punctata, welche von OsawA (7) und Pınkus (60, 61) untersucht wurden und von denen ich wörtlich aus Pınkvs (60) zitiert habe (S. 292), daß sie die unterste Epithellage bilden und der- art ausgebildet sind, daß ihre Zellhaut die den Epithelzellen eigen- tümliche Riffung zeigt, aber die basale Seite derselben, welche direkt mit der Cutis in Berührung steht, von dieser strukturellen Beschaffen- heit frei bleibt (s. Textfigur biz). Auch habe ich schon oben hervor- gehoben, daß es sehr bezeichnend ist, wenn diese Organe bei der auch in manch andrer Beziehung interessanten alten Hatteria gerade die Basis des Epithels bilden und namentlich, daß ihre der Cutis zuge- kehrten Seiten der für die Epithelzellen charakteristischen Stacheln entbehren, während die geriffte Beschaffenheit an allen dem Epithel zugewendeten Seiten erhalten ist. Diese Tatsachen wurden bereits von GEGENBAUR (35) für stammesgeschichtliche Erwägungen verwertet, welcher hierüber (S. 869) sagt: »Im untersten Stadium sind die be- treffenden Zellen solche der basalen Epidermisschicht, welche mit Nerven zusammenhängen, die gleichfalls basal sich auflösen (Spheno- don, Chamaeleo). Weiterhin werden die Körperchen aus mehrfachen Zellen zusammengesetzt, die aber noch in der Epidermis verharren (Lacertilier, Schlangen), bis sie endlich zu einer subepidermoidalen Lage gelangen (Krokodile).« Stehen nun diese Reptilienorgane miteinander in phylogene- tischem und anderseits mit jenen der Vögel in verwandtschaftlichem Zusammenhang, wie ich dies auf Grund der Ausführungen MERKELS erwiesen zu haben glaube, so folgt daraus unmittelbar, daß auch die MERKELSchen und GRANDRYschen Körperchen der Vögel von diesem phylogenetischen Zusammenhang nicht entfernt sein werden, woraus weiter gefolgert werden darf, daß die Vogelkörperchen nicht eutanen (bindegewebigen), sondern epithelialen Ursprungs und somit epider- moidale Bildungen sind, ebenso wie die im Epithel verbliebenen MErRKELschen Körperchen der Säugetiere und des Menschen. Es führen uns die vergleichend anatomischen Betrachtungen, entgegen- gesetzt der Meinung von Szymoxowicz (78) und W. Krause (43), welche für den bindegewebigen Ursprung der Vogeltastkörperchen speziell der GrRanpryschen und Hergstschen Körperchen eintreten, mit MERKEL zur unbedingten Annahme des epidermoidalen Ursprungs Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 311 nieht nur der Vogel-, sondern auch der Reptilien- und wohl auch Amphibienkörperchen. Es sind somit alle zelligen Tastkörper- chen der Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere epi- thelialen Ursprungs und stehen untereinander in stammes- geschichtlicher Verwandtschaft. Nun komme ich hinsichtlich der zelligen Tastkörperchen bei den Vögeln auf einen, wie ich glaube, sehr wichtigen Punkt zu sprechen. Derselbe betrifft das Verhalten der Tastzellen aller Arten von MERKELschen und VATER-PAcınischen Körperchen zum RAnviErschen Pikrokarmin als Tinktionsmittel der mittels Methylenblau gefärbten Nervenpräparate. Das Verwenden von Alaunkarmin als Färbemittel für die Methylenblaupräparate, welches von BETHE (4) in die histologische Technik eingeführt wurde, ist wohl allgemein bekannt. Der Effekt einer solchen Nachfärbung besteht darin, daß sich das Bindegewebe der Cutis und die Epithelzellen durch ihre rote Farbe von den blau gefärbten Nervenfasern sehr gut unterscheiden. Es färben sich aber namentlich auch die Zellkerne damit sehr gut, so daß man sich an . solchen Präparaten über das Verhältnis von Zelle, Kern und Nerven- faser sehr gut orientieren kann. Gelegentlich der Untersuchungen über die Merkerschen Körperchen der Tasthaare und der Epidermis der Säugetiere habe ich diese von BETHE eingeführte Färbung durch das Pikrokarmin ersetzt, um mich über das Verhalten der Tastzellen zu diesem Farbstoff zu belehren. Es handelte sich hauptsächlich um die Frage nach der (gangliösen) Natur der Tastzellen. Ich fand, daß sich dieselben ganz ebenso verhalten wie alle übrigen gewöhnlichen Epidermiszellen; sie nahmen alle eine deutliche Gelbfärbung an, während das Karmin des Tinktionsmittels bloß das Bindegewebe rot oder rosa färbte. Außerdem sah ich an den Tastzellen die charakte- ristischen Riffen der Zellmembran und behauptete darauf hin, daß diese Zellen gewöhnliche Epidermiszellen seien, zu denen die Nerven in besondere Beziehung treten. In bezug auf ihr sonstiges Verhalten den gewöhnlichen Epithelzellen gegenüber stellte es sich heraus, daß sie voluminöser und von ellipsoidischer Form. seien. Die Biskuit- form des Zellkerns, welche von TRETJAKOW (80) beschrieben wird, scheint eine Schrumpfungserscheinung zu sein. Eingedenk der Streitfrage über den Ursprung der in der Cutis selegenen Tastzellen der Vögel, welche ich vom entwiecklungs- geschichtlichen und vergleichend anatomischen Standpunkt aus hier bereits erörtert habe, sowie auch auf Grundlage der soeben erwähnten 312 Eugen Botezat, mit dem Pikrokarmin gemachten Erfahrungen glaubte ich in diesem Farbstoff ein Mittel gefunden zu haben, welches geeignet sei, uns über die Natur und den Ursprung der in der Cutis gelegenen, so- wohl in den MErkKELSschen als auch in den Kolbenkörperchen vor- kommenden Tastzellen in befriedigender Weise zu belehren. Ich verwendete daher das Pikrokarmin in wässeriger Lösung zur Nach- tinktion der Methylenblaupräparate sowohl unmittelbar nach Fixierung derselben in Ammoniummolybdänat, als auch auf dem Objektträger vor dem Einschließen derselben in Dammarxylol in der bekannten Weise. Im ersten Falle sind die Färbungseffekte bessere, im letzteren aber leiden die Nervenfärbungen, namentlich in ihrem Endverhaiten, und büßen einiges an Intensität ein, da die Präparate zweimal den Weg durch den successiven Alkohol durchmachen müssen und der Alkohol trotz der Fixation auf das Methylenblau doch einen in ge- wissem Grade auflösenden Einfluß ausübt. An Präparaten, welche durch ein derartiges Färbungsverfahren erzielt werden, kann man eine überaus distinkte Färbung beobachten. Das ganze Bindegewebe erscheint rot, die Epidermis und deren Bildungen gelb gefärbt. Auf diese Weise kann man auch die feinsten Cutispapillen in das Epithel verfolgen und sich über deren Form besser belehren als durch irgend ein andres Färbungsverfahren (ich meine nämlich an Methylenblau- präparaten.. Auf dem roten bindegewebigen und auf dem gelben epidermalen Feld bemerkt man nun die blau gefärbten Nerven über- aus deutlich. Nun beobachtete ich die in der rot gefärbten Cutis gelegenen zelligen Tastkörperchen und fand, daß die Tastzellen derselben eine Gelbfärbung annahmen (Fig. 36, 48, 49, 51, 58). An den Körperchen mit besonderen bindegewebigen Hüllen kann man genau sehen, daß sich diese Hüllen durch eine rote, die Tastzellen aber bzw. an den Kolbenkörperchen die Kolbenzellen durch eine selbe Farbe auszeichnen (Fig. 46, 57, 58, 59). Diese Gelbfärbung der Tast- bzw. Kolbenzellen gelingt namentlich an dünnen Schnitten überaus leicht, an dieken Schnitten jedoch und bei kurzer Einwirkung des Pikrokarmins bleibt die Gelbfärbung der Tastzellen aus oder besser gesagt, sie wird von dem darüber lagernden roten Bindegewebe derart überdeckt, daß man die Gelbfärbung der Tastzellen nicht genau erkennt. An den Kolbenkörperchen treten dem Eindringen der Pikrinsäure zu den Kolbenzellen die zahlreichen Bindegewebshüllen oft hinderlich entgegen, wenn aber dieses Hüllensystem teilweise durchschnitten er- scheint, dann gelingt die Gelbfärbung der Kolbenzellen sehr gut!. 1 Präparate dieser Art von GRANDRYschen, MERKELSchen und Kolben- Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 313 Wären nun die genannten Zellen wirklich bindegewebigen Ur- sprungs, wie SZYMOoNowIcz annehmen zu müssen glaubt, dann würden sie ganz wohl ihre Form und strukturelle Beschaffenheit aber doch nicht das chemische Verhalten derart ändern, daß sie sich der Pikrin- säure gegenüber, diesem, man muß sagen typischen Reagenz für Epithelgewebe, vollkommen genau so verhalten wie ausnahmslos alle epidermalen Zellen. Auf Grund dieser Beobachtungen muß ich daher für die epidermoidale Natur der Tast- und Kolbenzellen der zelligen Tastkörperchen im Bindegewebe eintreten. Was nun die Tastzellen bei den Reptilien und den Amphibien anbelangt, so glaube ich für dieselben ganz dasselbe, was für jene der Vögel und Säugetiere behaupten zu müssen, und ich habe die vollständige Überzeugung, daß hierüber angestellte Untersuchungen zu diesem Resultat führen werden. Daher glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich die für die Tast- und Kolbenzellen der Vögel und Säugetiere ausgesprochene Behauptung auch auf die Zellen der Rep- tilien und Amphibien ausdehne. So führen unsre hier über die Tast- und Kolbenzellen gemachten - morphologischen und vergleichend-anatomischen Betrachtungen, sowie deren chemisches Verhalten zur positiven Annahme, daß die Tast- zellen der MERKELschen und Kolbenkörperchen bei den Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien epider- _ moidalen Ursprungs sind, gleichviel ob die Körperchen im Epithel oder im Bindegewebe liegen. Die vorstehenden phylogenetischen Betrachtungen machen es wenigstens sehr wahrscheinlich, daß sich die stammesgeschichtliche Entwicklung und der verwandtschaftliche Zusammenhang der zelligen Tastkörperchen derart gestaltet, wie dies in der Textfigur ersichtlich gemacht ist. Danach haben wir uns die Tastzellen aus gewöhn- lichen Epithelzellen auf einem Weg entstanden zu denken, dessen Anfang durch die Tastzellen bei Hatteria angedeutet sein mag. Charakteristisch ist das Rücken der Zellen in die Tiefe. Dies wurde bei den Amphibien durch das Hinabwandern in die Cutis, wo sie aber der Epithelgrenze dicht anliegen, erreicht. Bei den Reptilien ist schon eine zweifache Divergenz zu beobachten und zwar finden wir zunächst bei der Hatteria die Zellen an der Grenze zwischen Epithel körperchen mit, wie die gewöhnlichen Epithelzellen gelb gefärbten Tast- bzw. Kolbenzellen im rot gefärbten Bindegewebe, habe ich anläßlich meines oben er- wähnten Vortrags auf der 77. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Meran im September 1905 neben andern Präparaten demonstriert. 314 Eugen Botezat, und Cutis, bei den übrigen sind sie schon alle in die Cutis gerückt. Die eine Gruppe verhält sich so wie die Tastflecke der Amphibien, die andre bildet Säulchen in den Cutispapillen ähnlich jenen der Vögel, die aber nicht in Papillen liegen, anderseits aber eine Ver- Schema des phylogenetischen Zusammenhangs der zelligen Tastkörperchen der Vögel. ep = gewöhn- liche Epithelzellen, biz = basale Tastzellen von Hatteria, M = Merkeusche Körperchen: e = ein- faches, y = Gruppenkörperchen, z = Zwillingskörperchen, s = Säulenkörperchen, ds, Doppelsäulen- körperchen. @ = GRANDRYSche Körperchen: eı = einfaches, gı = Gruppenkörperchen, zı = Zwillings-, sı = Säulenkörperchen. VP = Varer-Pacmisches, H = Hrrsstsches Körperchen. n = Nerv. Die Tastscheiben der einzelnen Körperchen sind dunkel dargestellt. Die zweite, dünne Nerveniaser ist nicht eingezeichnet. bindung zu den in Cutispapillen liegenden Tastkörperchen der Säuge- tiere herstellen, und schließlich finden wir die einfachsten Kolben- körperchen in Form einer Tastzellendoppelsäule mit wenigen Hüllen, wie solche sich auch bei Säugetieren vorfinden. Bei den Vögeln ist dieselbe divergente Entwicklung der Tastkörperchen zu beobachten, Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 315 welche jedoch viel weiter fortgeschritten, die diversen MERKELSchen und Kolbenkörperchen entstehen ließ. Auch bei den Säugetieren finden wir die bei den Reptilien begonnene Divergenz weiter ent- wickelt, wozu noch als diesen Tieren eigentümlich das durch die Bildung der Epithelzapfen veranlaßte Verbleiben einer Gruppe von Tastzellen im Epithel kommt. In bezug auf die Merkevschen Körperchen im Epithel der Säugetiere haben die entwicklungsge- schiehtlichen Untersuchungen von SzyMonowicz (77) am Schweine- rüssel gezeigt, daß die sich zu Tastzellen heranbildenden Epithel- zellen ungefähr eine ähnliche Scheibe an der Grenze bilden, wie dies bei Hatteria die definitiv ausgestalteten Tastflecke zeigen. Durch die nun erst erfolgende Zapfenbildung des Epithels rücken auch die Tastzellen in die Tiefe dieser Epithelzapfen, wo sie definitiv ver- bleiben, wodurch ein Eindringen derselben in die Cutis wohl über- flüssig wird. Im speziellen beobachten wir bei den Vögeln zwei parallele Reihen von MErkEuschen Körperchen (s. Textfigur). Die eine umfaßt die freien, die zweite die eingekapselten Körperchen. In der ersten Reihe finden sich einfache einzellige Körperchen, von denen durch Tei- lung einerseits die Gruppenkörperchen, anderseits die zwei- und mehr- zellisen Säulenkörperchen entstehen. Diese finden sich alle neben- einander vor, wiewohl die einen mehr, andre nur in geringer Zahl zu finden sind. Eine besondere Abart und zugleich die höchste Entwick- lung darstellend, bilden die Doppelsäulenkörperchen der Sänger (Text- figur linke Seite unten). Ebenso verhält es sich auch mit den einge- kapselten Körperchen, welche wir als GrAanprysche Körperchen unterschieden haben. Da unterscheidet man auch einfache, welche selten vorkommen, von denen man sich in divergenter Entwicklung einerseits die Gruppenkörperchen, anderseits die zwei- und mehr- zelligen Säulenkörperchen entstanden denken kann (Textfigur rechts). Durch eine Doppelsäule von regelmäßig übereinander gelagerten Tastzellen läßt sich der Innenkolben der Kolbenkörperchen den Säulenkörperchen an die Seite stellen, ohne daß etwa damit gesagt sein soll, daß man sich denselben aus GRANDRYschen Körperchen entstanden zu denken habe, sondern es soll hier bloß die morpho- logische Ähnlichkeit mit den Säulchen und anderseits mit den freien Doppelsäulchen betont werden, wodurch aber angedeutet sein mag, auf welchem Wege oder in welcher Weise man sich diese wohl älteren Tastkörperchen als die Merkerschen aus den Epithelzellen hervorgegangen zu denken habe. Unter diesen unterscheiden wir 316 Eugen Botezat, nun zwei Hauptarten, die VATER-PAcınıischen und die Hergstschen Kolbenkörperchen (Textfigur rechts unten). B. Nervenendapparate der Epidermis. Die Epidermis der Vögel zeichnet sich, soweit ich mich bei meinen Untersuchungen hierüber orientieren konnte, überall durch einen großen Nervenreichtum aus. Am größten ist dieser letztere an den federlosen, nackten Hautstellen. An den Zehen und den Fußsohlen kann man leicht diese Beobachtung machen. Vor allem aber ist die Schleimhaut der Mundhöhle mit Nerven ganz beson- ders reich ausgestattet. Freilich muß man zugeben, daß sich die Epithelialnerven schwerer darstellen lassen als etwa jene, die zu den zelligen Tastkörperchen der Cutis führen, wie dies auch von den Säugetieren her bekannt ist. Dies ist wohl der Hauptgrund, weshalb diese überall verbreiteten Nerven der Vogelhaut bis auf SZYMOXOWICz (78) eigentlich so gut wie unbekannt waren. MERKEL (54) konnte sie bloß in der Cornea und der Nickhaut zur Anschauung bringen, wo sie »frei mit Endknöpfehen« enden. Für die übrige Haut sagt MERKEL aber selbst: »An andern Stellen des Vogelkörpers gelang es mir bis jetzt nicht, frei in der Epidermis endende Fäserchen wahrzunehmen.« Ich führe diese Äußerung MerkeLs wörtlich an, weil aus ihr offenbar hervorgeht, daß sich MerKkEL bemüht hat, diese Nerven überall in der Haut zu suchen; leider ohne Erfolg. In bezug auf die Intraepithelialnerven der andern Wirbeltiere haben die Ergebnisse, zu denen MERKELS Untersuchungen gelangt sind, einen ebenso dürftigen Erfolg zu verzeichnen wie für die Vögel. Dies gilt fast wörtlich auch für die Säugetiere, bei welcher Tiergruppe MERKELs Erkenntnis noch am weitesten gekommen ist, was übrigens auch für die seit MERKEL gemachten Untersuchungen über die Nerven der Epidermis gilt. Beim Amphioxus sind durch DosIkEL (25) in der neuesten Zeit zwei Arten von Intraepithelialnerven bekannt geworden. Die einen folgen dem Typus der peripherischen Nervenzellen, wie solche von den Wirbel- losen her bekannt sind, die andern stellen feine varicöse Fädchen vor, »welche in die Zwischenräume zwischen die Epithelzellen eindringen, dabei feinste Seitenfädchen abgeben, die Epithelzellen umflechten und zwischen ihnen endigen«. Nach den Zeichnungen DocıELs zu schließen, gleichen diese Fädchen wenigstens teilweise den gewöhnlichen Intra- epithelialnerven, wie solche von den Säugetieren her allbekannt sind. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 317 Bei den Fischen sind, abgesehen von den längst als Endhügel und Endknospen bekannten zelligen Epidermoidalapparaten und außer den freien Intraepithelialfasern der Cornea namentlich durch die Arbeiten von LENHOSSER (50) und DocıEr (21) in der freien Epidermis Intraepithelialnerven, welche sich ebenfalls mit den ent- sprechenden Gebilden der Säugetierhaut vergleichen lassen, bekannt geworden. Ohne mich hier auf eine überflüssige nähere Beschreibung dieser Nerven bei den Fischen einzulassen, gehe ich zur Betrach- tung der Amphibien über, bei denen schon MERKEL neben den Lateralorganen und den »Endscheiben« in der Zunge, in der Haut zwei Arten von intraepithelialen Nerven unterscheiden konnte. Nach der Beschreibung MERKELs entspricht die eine Art ungefähr den intraepithelialen Säugetiernerven, während die andre bis zur Ober- fläche reichende und hier abgeplattet endigende Fasern darstellen soll. Die Haut dieser Tiere wurde schon öfters mit Hilfe der neueren Methoden untersucht und zwar sowohl bei Anuren als auch bei Urodelen. Es mag hier auf Retzıus, FEYERSTEIN (31) und BETHE (4) hingewiesen werden. Die Resultate erstrecken sich auf mitunter vielfach verzweigte Nerven, welche mit verschiedenartigen Verdik- kungen an den Zellen oder auch sogar an der Oberfläche der Haut zwischen den Zellen enden. Diese Angaben erachte ich zum Teil als sich auf unvollkommene Imprägnierungen beziehend, denn ich habe selbst auch Intraepithelialnerven namentlich nach der GoLGI- Methode bei Fröschen und Tritonen dargestellt und glaube auf Grund der Präparate berechtigt zu sein, dieselben den Intraepithelialnerven der Säugetiere an die Seite zu stellen. | Bei den Säugetieren sind die Intraepithelialnerven am meisten und besten studiert und schon sehr oft nach allen möglichen Methoden untersucht worden. Die Resultate dieser Untersuchungen haben mit- . unter zur Unterscheidung von mehreren heterogenen Arten geführt. Außer den schon oben oft erwähnten MerkEuschen Körperchen und den End- oder Geschmacksknospen können die bisher bekannten freien, das ist nicht mit besonders gestalteten Zellen in Verbindung stehenden Intraepithelialnerven in vier Arten unterschieden werden, und zwar die bekannten einfachen Nerven mit Endknöpfchen, intraepitheliale Netze, welche von DocieEr (18) in der Haut der Geschlechtsorgane des Menschen und von ARNSTEIN-PLoscHKo (3) als pericelluläre Fasern in der Epiglottis des Hundes, welche von den Autoren mit secretorischen Nerven identifiziert werden, beschrieben wurden, ferner von TRETJAKOW (80) in der Haut des Schweinerüssels beschriebene Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 21 318 Eugen Botezat, büschelartig durch die Cutispapillen ins Epithel eindringende mit moos- artigen (Anhängen) Netzen an den Epithelzellen endigenden Nerven, mit denen die von ROSENBERG (68) beschriebenen, ebenfalls durch die Cutispapillen der nackten Pferdehaut ins Epithel gelangenden sehr dich- ten Verzweigungen, wie ich glaube, identifiziert werden könnten, und schließlich intraepitheliale Büschel, welche von ARNSTEIN-PLOSCHKO (3) im Epithel der Hundeepiglottis vorgefunden und beschrieben wurden. Außerdem sind noch gewisse besondere Arten von intraepitheli- alen Nervenausbreitungen im Rüssel der Spitzmaus, des Maulwurfs und im Flotzmaul des Rindes, bei welch letzterem Tier, sowie auch beim Walfisch und im Schnabel des Schnabeltieres es sich eigentlich mehr um epidermoidale Bildungen besonderer Art als um die Nerven handelt, beschrieben worden, diese aber lassen sich, wenn man besser zusieht, auf die einfachen intraepithelialen Nerven zurückführen. Schließlich können hier noch gewisse Nervenfasern angeführt werden, welche nicht streng zu den eigentlichen intraepithelialen zu rechnen sind, weil sie nur Abkömmlinge von Nerven sind, welche bereits an gewissen Terminalapparaten beteiligt waren. Ich habe schon zu wiederholten Malen darauf hingewiesen und dies auch mit entsprechenden Figuren belegt, daß von den Menisken der MERKEL- schen Körperchen einzelne Fasern selbständig ins Epithel ziehen, sich zwichen den Epithelzellen winden und mit Terminalknöpfchen'! zwi- schen bzw. an den Epithelzellen endigen und zwar habe ich dies sowohl im gewöhnlichen Epithel der Haut als auch in der äußeren Wurzel- ! Diesen meinen Befund anzuführen sah sich DOGIEL in seiner neuesten Arbeit (30) veranlaßt, indem er sagt: »Borzzar beobachtete außerdem, daß einige von den Scheiben abgehende Ästehen keine neuen Scheiben bilden, son- dern zwischen den Epithelzellen in ‚Terminalkörperchen‘ endigen.< Das Wort Terminalkörperchen erscheint von DoGIEL unter Anführungszeichen gestellt, wohl in der Absicht, um auf den Unterschied zwischen Terminalkörperchen und Terminalknöpfchen hinzuweisen. Ich sehe mich nun veranlaßt, diese Bemerkung DOGIELS richtig zu stellen, indem ich auf den Text meiner Arbeit über die Nerven des Gaumens (6) hinweise, wo ich auf S. 437 sage: ».... daß sich einzelne Fibrillen in das Epithelgewebe verlaufen und hier zwischen, bzw. an den Zellen frei (mit Terminalknöpfehen) enden«. Das gleiche wiederholte ich auf der S. 438 im Kapitel »Ad I. 1). Die Fasern dieser Art.dringen etwas tiefer in das Epi- thel ein, verzweigen sich wohl auch und endigen schließlich mit Terminalknöpf- chen (Fig. 4 ik) zwischen, bzw. an den Epithelzellen<.. Weshalb DocIEL von »Terminalkörperchen« spricht, weiß ich nicht! Dasselbe erwähnt in seinem neu- erschienenen »Lehrbuch der systematischen Anatomie des Menschen für Studierende und Ärzte« Dr. KARL v. BARDELEBEN (Verlag Urban u. Schwarzen- berg, Wien u. Berlin 1906) auf S. 875, welcher offenbar auf dem Citat DoGIELSs basiert. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 319 'scheide der Tasthaare gesehen. In neuerer Zeit hat DoGIEL Ähnliche Beobachtungen gemacht. Er sah von gewissen Nervenendapparaten in den Outispapillen der menschlichen Haut Fasern in das Epithel treten und hier pericelluläre Endigungen bilden (siehe 27, Fig. 48). Auch vom pericellulären Netz der Granpryschen Körperchen sah DocIEu (29) Fasern ins Epithel übergehen und sich hier zwischen den Zellen ver- lieren, worauf in dieser Schrift schon oben hingewiesen worden ist. Ebenso gibt es noch Nervenfäden im Epithel, welche von den an der Basalmembran befindlichen baumartigen Terminalnetzen ihren Ursprung nehmen (siehe oben), was auch für die Säugetiere nach- gewiesen ist. Daß meinen diesbezüglichen Beobachtungen von TRETJAKOW (80) widersprochen wird, kann auf Grund der soeben vorgeführten Tatsachen wohl bedeutungslos erscheinen. Diese intraepithelialen Nerven der Säugetiere erscheinen als ein ausgezeichneter Anknüpfungspunkt für das Verständnis der Apparate bei den Vögeln, wie sie im weiteren speziell ausgeführt werden sollen, wodurch ich die hier vielleicht etwas zu weitläufig betrachteten Verhältnisse über die intraepithelialen Nerven der Säugetiere recht- fertigen möchte. Ich gehe nun zur speziellen Betrachtung der intraepithelialen Nerven bei den Vögeln über. Dieselben lassen sich, wie auch bei den Säugetieren, in solche unterscheiden, welche Abkömmlinge von Endapparaten in der Cutis sind und somit nicht die eigentliche Hauptmasse der Intraepithelialnerven darstellen, und in solche, die speziell dem Epithel angehören, ohne vorher in der Cutis Endapparate gebildet zu haben. Auf die Nerven der ersten Art wurde bereits in den betreffen- den Kapiteln hingewiesen, und wir haben gesehen, daß von den ver- schiedenen cutanen Nervennetzen einzelne Fasern sich ins Epithel begeben, wo sie nicht weit verfolgt werden können, welche vielmehr zwischen den ersten Reihen der Epidermiszellen verlaufen, daselbst sich auch verzweigen und auf diese Weise förmliche pericelluläre Endapparate bilden oder auch bloß als einfache, jedoch varieöse und sewundene Fibrillen oder Fibrillenbündel an. den Epithelzellen auf- hören (Fig. 19, 22, 25, 26, 27, 28 nie). Dasselbe gilt auch von jenen Nervenfäden, welche den pericellulären Netzen der zelligen Tastkörperchen in der Cutis entstammen, auf die ebenfalls bereits des öftern hier hingewiesen wurde (Fig. 35, 46 nie). Ob diese letzteren Fasern lediglich nur den pericellulären Netzen und nicht auch den Tastscheiben entstammen, konnte ich bisher leider nicht 2; 320 Eugen Botezat, mit unzweifelhafter Bestimmtheit ergründen. Denn die Nerven- geflechte sind in diesen Cutisteilen gewöhnlich so verworren und überkreuzen und verdecken einander, daß es sehr schwer fällt, sich immer gut zurecht zu finden. Auch der in Fig. 35 dargestellte Fall läßt nicht sicher schließen, ob die ins Epithel ziehende Nervenfaser (nie) dem Tastmeniscus oder dem pericellulären Netz entstammt. Ja, der Fall ist sogar eher danach angetan, die Faser (nie) als aus dem Tastmenisceus hervorgegangen anzusehen. Die eigentlichen intraepithelialen Nervenendapparate lassen sich bei den Vögeln, soviel ich aus meinen Präparaten entnehmen kann, in drei Arten unterscheiden: 1) einfache Nervenenden mit Terminal- knöpfehen (scheibehen- oder knopfartigen Fibrillennetzen), 2) Nerven- enden mit lockeren pericellulären Netzen und 5) Nervenendapparate der Geschmacksendknospen. 1. Einfache Nervenendapparate. (Fig. 61a, b, 62, 63 nie, 64 nie, 65 b, nie, 67 nie, 11 nie.) Außer den erwähnten Angaben MERKELS über die Nerven der Cornea und der Nickhaut der Vögel beschäftigen sich andre Arbeiten über die Nerven in der Vogelhaut mit intraepithelialen Nerven nicht, mit Ausnahme des von DocıEL erwähnten Falles und den kurzen Aufzeichnungen von SzYMoNowIcz (78). Die Angaben dieses letzteren Forschers erstrecken sich auf die hier in Rede stehenden Nerven, welche er als »freie, sogenannte intraepitheliale Nervenendigungen« bezeichnet. Sie gehen aus myelinhaltigen Uutisfasern hervor, welche, indem sie die Markscheiden verlieren, in die Epidermis eindringen, hier gewöhnlich ziekzackförmig verlaufen, sich hier und da verästeln und im Stratum granulosum oder noch unterhalb desselben am Ende oft mit einer knopfförmigen Verdieckung enden. »Im ganzen Ver- laufe innerhalb der Epidermis sieht man konstant Varicositäten, manchmal sogar in ziemlich regelmäßigen Abständen.« Diese Be- schreibung von SzYMOoNowIcz nähert sich in hohem Grade den wahren Verhältnissen. SzyMmoxowıcz hat seine Studien in dieser Hinsicht hauptsächlich an Goldpräparaten gemacht und konnte nach der Methylenblaumethode nur selten »brauchbare Präparate« erzielen. Ich finde hingegen, daß unter den modernen Methoden die Behand- lung der Nerven mit dem Methylenblau geradezu die besten Präparate liefert. Die Methode von RAmon Y CAJAL habe ich mit fast ebenso gutem Erfolg angewendet, namentlich zur Darstellung der Endknöpfchenstruk- tur. Sonst habe ich diese Nerven nach der GoLsıschen Methode und Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 32 mittels Methylenblaufärbung studiert. Die Resultate ergänzen sich in gewissem Maße. Die erstere liefert namentlich in bezug auf den Ver- lauf der Achsenfasern im Epithel recht gute Resultate. An den Methylenblaupräparaten kann man leicht in der Cutis markhaltige Nervenfasern beobachten, was nach der Methode Ramon Y CaJaus nicht gelingt, welche aus dem eutanen Grundgeflecht her- vorgehen und bei einem mehrfach gewundenen Verlauf im allgemeinen direkt dem Epithel zustreben. An demselben angelangt, verlieren die Fasern ihre Markhülle und begeben sich als nackte Achsenfasern in die Epidermis. Manchmal verlieren diese markhaltigen Fasern noch vor dem Erreichen der Epidermisgrenze die Hüllen, jaman kann mit- unter sogar beobachten, daß dies noch eine sehr beträchtliche Strecke vor dem Epithel geschieht (Fig. 62 »m). Es kann nun auch der Fall eintreten, daß sich die so entstandene Achsenfaser fast unmittelbar nach dem Verlust der Markscheide teilt, wie dies in Fig. 62 zu sehen ist, wobei beide Fasern parallel dem Epithel zustreben. In derselben Figur sehen wir die eine dieser Teilfasern sich an der Epithelgrenze wieder teilen. Diese Teilungen sind auch im Epithel selbst und zwar in einem um so höheren Maße zu gewärtigen, je mehr sich die Fasern der Hautoberfläche nähern (Fig. 61 a, nie). Manchmal kann man, namentlich bei sehr jungen Tieren, diese Fasern in den oberfläch- licheren Epidermislagen fast baumartige Verzweigungen bilden sehen. Der Verlauf der Fasern und der Verzweigungen folgt einem und dem- selben Prinzip, das durch die Form und Anordnung der Epidermis- zellen gegeben ist, und welcher nun geschildert werden soll. Anfangs ziehen die Achsenfasern in schwach geschlängeltem Verlauf fast gerade- aus gegen die Hautoberfläche (Fig. 62). Dies ist der Fall zwischen den ersten Reihen der Epithelzellen, wo. diese Gebilde von schlanker Form sind. Zwischen den höheren Reihen der mehr kubischen Zellen verändert sich auch der Verlauf der Nerven, welche sich wiederholt teilend einen weniger geschlängelten und mehr ziekzackförmigen Ver- lauf nehmen (Fig. 61a, 63a, mie, 655, nie). In den obersten Lagen der MaLpıeuIschen Schicht bis zum Stratum corneum hin nehmen die Fasern einen ausgesprochen ziekzackförmigen Verlauf (Fig. 615, nee, 67 nie, 71 nie). Auch dieser wird durch die Form der Zellen, welche gegen das Stratum granulosum hin sich immer mehr und mehr ab- platten, bedingt. In dieser Hautschicht winden sich die Fasern wohl auch vielfach hin und her, so daß man eine und dieselbe Faser bei sehr ausgiebigem Gebrauch der Mikrometerschraube im Präparat ver- folgen kann. So beschaffen sind z. B. auch die beiden in Fig. 615 322 Eugen Botezat, gezeichneten Fasern (nie), welche in der Figur auf eine Ebene pro- jiziert durchaus nicht den natürlichen Verlauf wiedergeben, was aber unsre Betrachtungen nicht weiter beeinträchtigen kann. Im Stratum corneum sind diese Fasern nun ebenfalls zu verfolgen, aber sie lösen sich hier zugleich mit den hinsterbenden Zellen in Komplexe von Punkten oder in Punktreihen auf. Die geschilderten Fasern sind auf ihrem ganzen Verlauf durch das Epithel mit zahlreichen und, wie schon SzYMoNnowIcz (78) erwähnt, »in regelmäßigen Abständen« stehenden Varicositäten versehen. Sieht man besser zu, dann findet man, daß diese Varicositäten, insbesondere aber die in regelmäßigen Abständen stehenden, jene knöpfchenartigen Verdickungen sind, welche die einfachen intraepithelialen Nerven auch bei den Säuge- tieren ganz besonders charakterisieren. Sie liegen den Fasern dicht an. Man kann diese Knöpfchen auch ganz kurzen lateralen Fäser- chen aufgesetzt beobachten, d. i. sie bilden gleichsam verdickte Enden der lateralen Fäserchen. Mitunter sind diese Fäserchen etwas länger; dies ist jedoch verhältnismäßig selten zu beobachten. In der Regel aber, namentlich in den mittleren und oberflächlicheren Lagen des Stratum Malpighii, sieht man diese Knöpfehen den Ecken der ausgesprochen ziekzackförmig verlaufenden Fasern unmittelbar auf- sitzen (Fig. 615, 67 nie, 71 nie). An geeigneten, gut gelungenen Methylenblaupräparaten und ebenso an Präparaten nach der Methode Raumon Y CAJALSs, welche ersteren wohl zu den größeren Seltenheiten sehören, kann man die Beobachtung machen, daß diese den Fasern unmittelbar oder durch Vermittlung von Lateralfäserchen aufsitzenden Knöpfehen eigentlich keine Knöpfchen sind, sondern kleine Scheibehen von Perifibrillärsubstanz, in welcher ein aus nur wenigen kurzen Fibril- len bestehendes Neurofibrillennetz eingebettet ist (Fig. 615, nie). Ge- wöhnlich erscheint dieses Netz an den Präparaten nicht vollständig gefärbt, sondern in Form von sich überkreuzenden Pünktchenreihen. Es ist zweifellos, daß es sich hier um kleine Scheibehen, bestehend aus einem lockeren, in der Perifibrillärsubstanz suspendierten Neuro- fibrillennetz, handelt. Diese Scheibehen liegen, wie man sich mit dem Immersionssystem bei sorgfältigster Betrachtung doch überzeugen kann, den Epithelzellen dicht an. Wir können daher von den einfachen Intraepithelialnerven sagen, daß sie mit kleinen Terminal- scheibcehen, bestehend aus einem Netz von Neurofibrillen, das in der Perifibrillärsubstanz eingebettet ist, endigen. ©o ent- puppen sich die Terminalknöpfehen dieser Nerven als kleine, gleich- sam primitive epicelluläre Scheibehen. Diese Idee ist keine Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 323 neue. Denn ich selbst habe zunächst einmal in meiner Arbeit über die Nerven der Hundeschnauze (10) die Tatsache festgestellt und mit Figuren ersichtlich gemacht, daß sich die Knöpfchen in günstigen Fällen als aus Fibrillen bestehend erkennen lassen. Freilich war ich der Meinung, daß sie intracellulär liegen, wozu ich mich durch verschiedene Momente veranlaßt fand. Fortgesetzte Beobachtungen und Erwägungen, insbesondere in der Schnauze des Maulwurts, brachten mich aber endgültig zur Überzeugung, daß es sich im vor- liegenden Falle niemals um intracelluläre Endigungen handeln kann. Ich habe einsehen gelernt, daß bei der Beurteilung dieser Frage alle möglichen Täuschungen möglich sind. So erachte ich nun diese Frage als endgültig erledigt und behaupte, daß die einfachen In- traepithelialnerven nicht nur beiden Vögeln, sondernin der sanzen Wirbeltierreihe mit Terminalknöpfcehen endigen, welche aus einem dichten Scheibennetz von Neurofibrillen und der Perifibrillärsubstanz bestehen. In der Fig. 4 meiner Arbeit über die Nerven der Hundeschnauze sind diese Verhältnisse deutlich zu sehen. Dieses Netz von Neurofibrillen habe ich in meiner Arbeit über die Tastapparate im Maulwurfrüssel (11, 12) auf der Seite 741 als »feinste unregelmäßige Büschelchen« erklärt und dies ebenfalls durch Figuren ersichtlich gemacht. Anhangsweise kann ich einen, ich möchte sagen, merkwürdigen Befund nicht verschweigen. Ich habe nämlich mehrmals am Gaumen von Vögeln die Wahrnehmung gemacht, daß stellenweise recht schlanke Cutispapillen in das Epithel emporsteigen, wodurch zwi- schen diesen förmliche epitheliale Zapfen entstehen (Fig. 64). In diesen sieht man abweichend geformte Zellen, welche von der Cutis an bis in das Stratum corneum hinein eine schlanke Gestalt auf- weisen und indem sich die Anzahl der so gebildeten Zellen gegen die Hornschicht hin verringert, entsteht ein umgekehrt birnförmiges Gebilde aus konvergierend angeordneten Zellen. In dieses Gebilde, welches an der Basis, wie überall die Grenzmembran baumartige Terminalnetze (din) aufweist, gelangen von der Cutis aus markhaltige Nerven, welche vor dem zeiligen Gebilde die Myelinscheide verlieren, als Achsenfasern. Diese teilen sich alsbald büschelförmig und begeben sich in longitudinalem Verlauf gegen die Hautoberfläche hin. Der ! In neuester Zeit habe ich nach der Methode von Ramön Y CAJAn die Fibrillärstruktur dieser Nerven im Maulwurfrüssel bestätigt. Die Beobachtung wird nebst andern baid veröffentlicht werden. 324 Eugen Botezat, Verlauf der einzelnen Teilfasern ist etwas geschlängelt oder ziekzack- förmig, ganz nach Art der einfachen Intraepithelialnerven, und in den Ecken sind die charakteristischen Knöpfchen zu sehen (Fig. 64 nie). Diese Art der Nervenverteilung hat mit jenen Nervenbüscheln die größte Ähnlichkeit, welche Arnsteın-PLoschko (3) in der Epiglottis- haut des Hundes beschrieben und abgebildet haben. Was aber den zelligen Aufbau des Epithelzapfens betrifft, so zeigt er eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen, die durch Huss (38) aus dem Rüssel der Spitz- maus abgebildet wurden. 2. Pericelluläre Fibrillennetze. (Fig. 63a, b, rpe.) Neben den soeben beschriebenen einfachen Intraepithelialnerven, welche mit Scheibchennetzen an den Zellen endigen, findet man in der Epidermis der Vogelhaut (Gaumen, Zunge) noch eine zweite Art von Endapparaten der Intraepithelialnerven. Dieselben entstammen den dünnen Nervenfasern der Outis, was ich bestimmt beobachtet zu haben glaube. Die Nerven gelangen nach vielfach geschlängeltem Verlauf in der Cutis in die Basalpartien des Epithels, verzweigen sich hier reichlich und zeigen bei ihrer dünnen Beschaffenheit viele Varicosi- täten, welche wohl kleine Fibrillennetze sind. Von den Verzweigungen entstehen neue Verzweigungen, welche in Form von lockeren Netzen die Epithelzellen korbartig umflechten (Fig. 63a, rpe, 635, rpc). Die Fasern dieser Art zeigen im Epithel nicht jenen charakteristisch zick- zackförmigen Verlauf wie die einfachen, sondern verlaufen unregel- mäßig, sich zwischen den Epithelzellen schlängelnd. Manchmal kann man auch Fasern beobachten, welche, wie in Fig. 655, von der Cutis aus in schräger Richtung ins Epithel gelangen, in demselben in eben- solcher Richtung emporsteigen, dann allmählich in eine zur allge- meinen Hautoberfläche parallele Richtung übergehen und diese eine weite Strecke hin einhalten. Auf diesem Verlauf entstehen nun die Collateralen in der geschilderten Weise, welche dann die pericellu- lären Netze bilden. Nervennetze im Epithel, welche die Zellen dieser Hautschicht korbartig umflechten, sind schon von DocIEL (18) in den Geschlechtsorganen des Menschen beschrieben worden. Diese peri- cellulären Epithelialnetze haben eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen, welche wir an den Drüsenzellen kennen gelernt haben. Ob aber diese Nerven sensibel oder trophisch sind, darüber habe ich bereits oben meinen unentschiedenen Standpunkt klar gelest, da Gründe existieren, welche für und gegen die eine und die andre Auffassung sprechen. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 325 3. Geschmacksorgane. (Fig. 1, 65—72.) Es wird allgemein angenommen, daß der Geschmackssinn der Säugetiere an die becherartigen Organe geknüpft ist, welche in der Literatur auch unter den Namen: Endknospen, Geschmacksendknospen und Geschmacksorgane gehen. Sie sind bei diesen Tieren namentlich an die Papillae fungiformes, eircumvallatae und foliatae gebunden. Solche Organe sind auch von andern Wirbeltieren her bekannt. Bei den Reptilien sind sie aber nicht an bestimmte Papillen gebunden, sondern kommen gruppenweise entweder in der glatten oder in der eigentüm- lich gefalteten Haut der betreffenden Mundteile vor (Zunge, Gaumen). - Das gleiche gilt für die Amphibien, bei welchen Tieren diese Organe jedoch in der Zunge im morphologischen Aufbau spezifisch abgeändert erscheinen (Tastscheiben!). Bei den eigentlichen wasserbewohnenden Wirbeltieren aber, den Fischen, kommen diese, stets eine feuchte Haut voraussetzenden Gebilde in den Schuppentaschen, an den Lippen, den Barteln und in allen Teilen der Mundhöhle, namentlich an der Zunge, vor. Bei diesen Tieren also haben sie die allgemeinste Verbreitung, während sie bei den höheren Vertebraten fast nur oder ausschließlich auf das Innere der Mundhöhle lokalisiert sind. Bei den Säugetieren findet man sie außer an den erwähnten Zungenpapillen auch noch frei im weichen Gaumen und an der äußeren sowohl als auch auf der Kehl- kopfseite der Epiglottis. Sie sind überall stets Cutispapillen aufge- setzt und erheben sich zugleich mit dem umgebenden Epithel in Form von kleinen Hügeln über die allgemeine Hautoberfläche (Fische), oder sie liegen derart in der Epidermis, daß die darüber liegende Haut- oberfläche vollkommen eben erscheint. Was die physiologische Funk- tion dieser Organe betrifft, so werden die Endknospen der Fische, Amphibien und Reptilien, da sie frei liegen oder unter Umständen sogar zugleich mit den benachbarten Hautpartien als förmliche Hügel emporsteigen, von MERKEL (54) als Tastorgane erachtet, wobei sie offenbar auch oder hauptsächlich für die Perception von chemischen Reizen veranlaßt durch die Lösungen im umgebenden feuchten Medium geeignet sind, während jene der Säugetiere als dem Geschmack dienend erklärt werden. Das letztere erklärt MERKEL durch einen Funktions- wechsel, indem er folgendes sagt: »Wenn nun auch die Knospen bei den Säugetieren ganz ebenso gestaltet sind wie bei den übrigen Vertebraten, so ist doch eine Verschiedenheit in der topographischen Lage vorhanden. Während man überall das Bestreben der End- 326 Eugen Botezat, knospen findet, die Epitheloberfläche zu erreichen, ja selbst zu über- ragen, ist bei den Säugern die Tendenz derselben zu bemerken, sich in die Tiefe zurückzuziehen. Entweder befinden sie sich in den tiefen Falten der Pap. vallatae und foliatae, oder sie sind nur durch eine epitheliale Röhre zugänglich, wenn sie auf so exponierten Stellen stehen, wie es der Gipfel der Pap. fungiformes ist. Wenn nichts andres, so deutet schon diese Tatsache darauf hin, daß eine Ver- änderung der Funktion der Knospen vor sich gegangen sein muß. Jetzt können nur noch Flüssigkeitsströme die empfindenden Zellen- stäbehen erreichen, und es ist eine Berührung mit festen Substanzen so gut wie vollständig ausgeschlossen.« Auch hinsichtlich der Knospen an der Kehlkopfseite der Epiglottis ist MERKEL der Meinung, daß »rein mechanische Reize wohl nicht als die adäquaten angesehen werden dürfen«. Auf die nähere Beschaffenheit dieser wohlbekannten Organe einzugehen, halte ich für überflüssig, zumal im folgenden ver- schiedene Anknüpfungspunkte werden hervorgehoben werden müssen. In der Gruppe der Vögel sind aber derartige Organe bisher nicht bekannt gewesen. Ich will in dieser Beziehung wegen der Wichtigkeit der Sache als solcher, aber auch wegen der verschiedenen Erklärungsgründe für den Mangel der Endknospen bei den Vögeln, sowie auch schließlich wegen der verschiedenen Standpunkte gegen- über dieser Frage, die, wie ich glaube, von der allgemeinsten Bedeutung ist, die wichtigsten diesbezüglichen Literaturangaben hier anführen. MERKEL berichtet am Schlusse des Kapitels über die Endknospen der Reptilien folgendes: »In der Klasse der Vögel habe ich voll- kommen vergeblich nach Endknospen gesucht. Auch bei solchen Arten, wo weiche Zungen vorkommen, wie bei den Schwimmvögeln, gelang es nicht die kleinen Organe zu finden. Ich muß daher glauben, daß in dieser Wirbeltierklasse die Endknospen überhaupt fehlen.« Dieser Ausspruch MERKELSs, dieses so gewissenhaften und senauen Forschers auf unserm Gebiete, hatte zur Folge, daß sich seit ihm niemand mehr mit dem Gegenstand beschäftigt hat. Es basiert daher fast alles, was man über den Gegenstand in den Hand- büchern zu lesen bekommt, entweder schlechthin auf dem negativen Befund MErKELs, oder man schwankt zwischen durchaus unsicheren Vermutungen hin und her. GROBBEN (36) sagt auf Seite 129 im neubearbeiteten Lehrbuch der Zoologie von Craus: »Was die Wirbel- tiere betrifft, so finden sich von den Fischen bis zu den Säugern (die Vögel ausgenommen) in der Mundhöhle den Endknospen in der Haut der Fische gleichende Geschmacksknospen (Schmeekbecher).« Im Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. San zweiten Teil desselben heißt es im Kapitel »Vögel« auf S. 826 außer Zweifel auf Grund meiner vorläufigen Mitteilung (13) über diese Or- Sane: »Der Geschmack knüpft an die Endknospen des Gaumens und der weichen papillenreichen Basis der Zunge.< Im Handbuche KÖLLIkeERs (II. Bd.) (45) sagt der Autor, indem er ebenso wie GROB- BEN offenbar auf MERKEL basiert, im Kapitel über die Geschmacks- organe: »Bildungen vom Baue der Geschmacksknospen sind in der Wirbeltierreihe — mit Ausnahme der Vögel — weit verbreitet. GEGEN- BAUR (35) sagt (S. 874) nach andern einschlägigen Erwägungen: »Bei bedeutender Verhornung im Epithel der Mundhöhle und an der Zunge ist das Zurücktreten der eine »feuchte« Schleimhaut voraus- setzenden Organe sehr begreiflich, und das würde speziell auf die Vögel zu beziehen sein.«ce In Broxss Handbuch (19) kann man (S. 480) lesen: »Eigentliche Geschmackszellen, Endknospen, Schmeck- becher, wie bei den Säugetieren, scheinen den Vögeln ganz zu fehlen. Was für Geschmacksempfindungen die Vögel haben, ob sie überhaupt dergleichen besitzen, wissen wir nicht, obgleich die häufige Vorliebe für gewisse Leckerbissen und Zucker einen Geschmackssinn wahr- scheinlich machen.< Noch weitergehend ist die einschlägige Be- merkung in NAUMANNs Naturgeschichte der Vögel (5), wo es im I. Band auf S. 40 heißt: »Geschmacksorgane, wie sie in Form von Epithel- knospen oder ‚Schmeckbecher‘ bei allen andern Wirbeltieren vor- kommen, fehlen den Vögeln. Da die Funktion solcher Gebilde an eine feuchte Schleimhaut gebunden ist, kann ihr Mangel bei der bedeutenden Verhornung im Epithel der Mundhöhle und an der Zunge, wie sie den Vögeln eigen ist, begreiflich erscheinen; anderseits darf nach dem Benehmen vieler Vögel der dargebotenen Nahrung gegen- über ihnen ein subjektives Unterscheidungsvermögen nicht abge- sprochen werden. Ob die an den Stellen, wo man sonst Geschmacks- knospen antrifft, bei Vögeln ausgebildeten Pacınischen Körperchen in irgend einer Weise Ersatz leisten können, entzieht sich unsrer Beur- teilung.< In andern allgemeinen Lehr- und Handbüchern werden die Vögel in dieser Beziehung überhaupt nicht berührt oder stillschweigend übergangen, so z. B. in der Vergleichenden Anatomie WIEDERSHEIMS oder im Lehrbuch der Zoologie von HErrTwıG. Aus den soeben vor- geführten Zitaten ersieht man zur Genüge die allgemeine Meinung, welche in dieser Beziehung gegenüber den Vögeln herrscht. Die einen Autoren sprechen diesen Tieren eine Geschmackswahrnehmung zu, andre nicht, wieder andre suchen die die Vögel hinsichtlich des Geschmackssinns stiefmütterlich behandelnde Natur gleichsam zu ent- 328 Eugen Botezat, schuldigen, andre hinwiederum verhalten sich skeptisch, basieren auf den Angaben MERKELs, oder aber sie sprechen den Vögeln ganz wohl, wenn auch einen mangelhaften, Geschmackssinn zu, indem sie für denselben Organe subsumieren, welchen entweder eine derartige Funktion nicht beigemessen werden kann (PacınIsche Körperchen) oder durch die überhaupt nichts Bestimmtes gesagt wird. So kann man in der Vergleichenden Anatomie von VosgT und Yune (81, S. 777) die Be- merkung lesen: »Meist ist die Zunge mit einem Epithelium bedeckt, das zur Vermittlung von Geschmacksempfindungen wenig geeignet erscheint; doch hat man bei einigen Arten seitlich an der Zunge besondere Geschmackswärzchen nachgewiesen.< Daß aber damit offenbar nichts gesagt sein kann, ist von vornherein ohne weiteres einleuchtend. Denn es sind die gewissen Arten nicht genannt, bei denen »Geschmackswärzchen« vorgefunden worden sein sollen. Und was man unter »Geschmackswärzchen« zu verstehen habe, das ist auch nicht gesagt — wahrscheinlich dürfte es sich um gewisse, den seitlichen Rändern der weichen Vogelzungen anhängende unregel- mäßige Epithelfransen handeln —. Daß aber derartige Bildungen, welche sich z. B. auch an der Katzenzunge, nur dab sie hier lang- gestreckt sind, vorfinden, mit den Geschmacksendknospen nichts zu tun haben, dürfte von den Säugetieren her allgemein bekannt sein, zumal die Literatur über die Geschmacksorgane der Säugetiere eine sehr bedeutende genannt werden kann. Schließlich kann ich von meinem Standpunkte aus sagen, daß sich seitlich an der Zunge der Vögel keine Organe vorfinden, welche mit der Geschmacksfunktion in Einklang gebracht werden könnten. Ich habe nun im Frühjahr des vorigen Jahres (1904) zuerst im Gaumen des Sperlings mit der GoLsıschen Methode becherartige Organe im Epithel entdeckt, an denen ich sofort die Ähnlichkeit mit den als Geschmacksorgane bei den Säugetieren und als Endknospen bei den Reptilien, Amphibien und Fischen genannten Bildungen er- kannte. Später wandte ich zum Teil meine Hauptaufmerksamkeit auch diesen Organen zu und bestrebte mich, dieselben auch in andern Organen der Mundhöhle, sowie auch bei andern Vögeln zu bestätigen, was mir denn auch gelang. Denn ich konnte bald konstatieren, daß dieselben auch an Methylenblaupräparaten zur Anschauung kommen. So konnte ich mich an der Hand von nach diesen zwei Methoden gemachten Präparaten sowohl über die Verteilung als aueh über die Form und Zusammensetzung dieser kleinen Gebilde orientieren, wenigstens insoweit mir die Sache momentan durchaus notwendig Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 329 erschien. Auch die Innervation dieser Organe konnte ich mit hinläng- lieher Klarheit zum Zwecke einer richtigen Auffassung studieren. Gewiß muß ich einräumen, daß manche histologische Details nicht vollständig aufgeklärt werden konnten — es wären hierzu spezielle Untersuchungen notwendig gewesen, was ich jedoch unterlassen habe, weil es mir hauptsächlich um die Innervation dieser Gebilde zu tun war —, immerhin konnte die Morphologie der Organe so weit er- kannt werden, als dies behufs Vergleichung mit den entsprechenden Gebilden bei den andern Wirbeltieren notwendig war. Was nun das Vorkommen der Endknospen bei den untersuchten Vögeln betrifit, so konnten dieselben fast bei allen diesen bestätigt werden. Ich konnte feststellen, daß sie in keinem Teil der vorderen Zungenpartien, ebenso wie im vorderen harten Gaumen zu finden sind. Erst auf der Oberseite der weichen, hinteren Zungenpartie, dort wo bei manchen Vögeln die seitlichen nach hinten sich zuspitzenden Zungenflügel vom eigentlichen Zungenkörper abzweigen, konnte ich vereinzelte End- knospen vorfinden (Fig. 1a, g%, 1b). Von dieser Stelle angefangen, wird die Epidermis sehr weich und schleimig, letzteres namentlich durch die Anwesenheit der zahlreichen Schleimdrüsen, und da sind auch Geschmacksknospen teils einzeln, teils in kleineren Gruppen bald frei im Epithel, bald aber — und für die drüsigen Epithelien ist dies ge- radezu Regel — den Ausführungsgängen der Schleimdrüsen dicht an- liegend zu sehen, wo sie bis in den Eingang zum Oesophagus hinein- reichen, so daß die ganze Basis der Mundhöhle von dem Absatz am Grunde der Zunge bis in die Speiseröhre hinein mit ihnen versehen erscheint. Ob diese Organe auch im oberfläch- lichen Epithel der erwähnten Zungenflügel vorkommen, ist mir bisher nachzuweisen nicht gelungen, ich glaube aber, daß sie vielleicht sehr vereinzelt auch an dieser Stelle vorkommen dürften. Ich habe mich über die Verbreitung der Knospen an diesen Stellen der Mundhöhle an der Hand von Serienschnitten durch nach der GoLgıschen Methode behandelte Gewebeteile orientiert. Ganz ebenso tat ich es mit dem Dach der Mundhöhle. Da zeigte es sich, daß die Endknospen auch in den hinteren, aber noch drüsenfreien Partien des harten Gaumens, bei weitem zahlreicher jedoch im drüsenreichen schleimigen hinteren Teil desselben bis hinab zum Eingang in die Speiseröhre teils einzeln, teils zu mehreren beisammen förm- liche Gruppen bildend verteilt sind. Im drüsenreichen Gaumen und in der Gegend des Schlundes sind sie fast ausschließlich an die Drüsen- mündungen gebunden. Späterhin untersuchte ich die erwähnten Stellen, 330 Eugen Botezat, an denen die Geschmacksknospen vorkommen, auch mit Methylenblau. Es ist aber sehr schwer durch diese dünnen und überaus schleimigen Häute hinlänglich dünne Schnitte aus freier Hand zu gewinnen, um diese nach der von mir geübten vorherigen Injektion des narkotisier- ten Vogels mit einer stärkeren Methylenblaulösung auf dem Objekt- träger mit der schwachen Methylenblaulösung im Thermostaten zu be- handeln. Es lassen sich aber in andrer Weise doch noch brauchbare Präparate gewinnen. Nach der vorangegangenen Injektion werden aus den betreffenden Partien der schleimigen Mundhöhlengegend Haut- streifen abgetragen, vom anhaftenden Schleim befreit und auf dem Objektträger mit schwachen Lösungen von Methylenblau behandelt, worauf die Nervenfärbung beobachtet wird. Nach dem Fixieren der so gefärbten Hautstreifen werden dieselben entwässert, in Xylol über- tragen und in Paraffin geschnitten. Freilich erscheinen an solchen Präparaten die Nerven nur recht unvollkommen gefärbt, aber man kann immerhin auch so mitunter brauchbare Präparate erhalten. Ge- eigneter für die Untersuchung der Geschmacksknospen ist wohl die GoL&Ische Methode. Ich habe denn auch hauptsächlich an solchen Präparaten meine Beobachtungen über diese Organe bei den Vögeln gemacht. So finden sich die Geschmacksknospen bei den Vögeln haupt- sächlich in der Rachenhöhle zerstreut vor. In dieser Beziehung nähern sie sich gewissermaßen jenen der Reptilien. Man kann sie abweichend von den übrigen Wirbeltierklassen in zwei Kategorien scheiden: a) soli- täre und b) Drüsenknospen. Die ersteren liegen frei im Epithel und kommen entweder einzeln oder in Gruppen von nur wenigen Knospen beisammen vor. Ich habe höchstens drei nebeneinander gesehen, Aber auch in diesem Falle sind sie durch Epithellagen voneinander geschieden, so daß sie nicht unmittelbar anemander stoßen (Fig. 65a). Die Knospen der zweiten Art sind zwar in ihrem morphologischen Aufbau von den ersteren nicht verschieden, unterscheiden sich von ihnen aber durch ihr Vorkommen. Sie sind nämlich an die Aus- führungsgänge der zahlreichen Schleimdrüsen gebunden und kommen deswegen in der Schlundgegend vor, während die solitären auch in die vorderen Teile der Mundhöhle hineinragen, wobei sie jedoch nie- mals, wie dies übrigens schon hervorgehoben wurde, bis in die vordersten Gegenden vordringen. In bezug auf die Lage der solitären Knospen muß hervorgehoben werden, daß sie oft senkrecht zur all- gemeinen Hautoberfläche orientiert sind (Fig. 655, 66, 68, 72), in der Regel aber liegen sie schief zu derselben und zwar sieht man sie dann gewöhnlich mit dem inneren Pol gegen die Mundöffnung, mit Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 331 dem äußeren gegen den Schlund gerichtet (Fig. 1, 65a, 67). Beide Arten sind Cutispapillen aufgesetzt, welche jedoch stets klein bleiben, so daß ihre basalen Teile mit der Cutis in direkter Verbindung stehen. Die Drüsenknospen kann man ferner in zwei weitere Abteilungen unterbringen und dies ist wohl bei ihnen noch das Merk würdigste. Die eine Art stellt (d),) solide Endknospen nach dem Typus der solitären gebaut, welehe in dieser Form den Ausführungsgängen der Schleimdrüsen von einer Seite anliegen (Fig. 69 unten, 71). Die zweite Art stellt je eine Endknospe vor, welche von dem Ausfüh- rungsgang der Schleimdrüse durchbrochen wird, so daß der letztere allseitig von den Endknospenzellen umgeben erscheint. Es ist nun allerdings möglich, daß es sich im vorliegenden Falle um eine Gruppe von mehreren Endknospen handeln kann, welche dicht nebeneinander angeordnet, den Ausführungsgang der Drüse allseits umgeben. Allein dies ist schon aus dem Grunde nicht anzunehmen, weil ja die End- knospen bei den Vögeln im allgemeinen nicht so dicht nebeneinander selagert sind. Ich habe an Serienschnitten sehr deutlich erkannt, daß wir es hier mit einer einzigen Endknospe zu tun haben, welche vom Drüsengang durchbrochen wird. Dementsprechend erscheinen die einzelnen Knospenzellen gegen die Mündung des Ausführungs- sanges der Drüse convergent, gegen die Drüse selbst zu jedoch divergent gerichtet. Dies wird natürlich durch den gegen den eigentlichen Drüsenkörper hin sich allmählich verbreiternden Aus- führungsgang bedingt. Diese merkwürdige Erscheinung soll hier durch die vier unmittelbar aufeinander folgenden Schnitte einer Mikrotomserie in den Figuren 70a, b, c, d wiedergegeben werden. Im Schnitt der Fig. 70a sieht man einige Zellen (schwarz imprägniert) einer Geschmacksknospe, in dem der Fig. 70b sind ebenfalls Ge- schmackszellen zu sehen, bei tieferer Einstellung jedoch bemerkt man den Ausführungsgang einer Schleimdrüse (9) und rechts und links von ihm einzelne imprägnierte Knospenzellen. Der nächste Schnitt der Serie zeigt uns in Fig. 7Oc den längsdurchschnittenen Drüsen- sang (9) und zu dessen Seiten imprägnierte Knospenzellen (ca). Endlich sieht man in dem darauffolgenden Schnitt (Fig. 70d) bei hoher Einstellung den Ausführungsgang der Drüse (g) und tiefer. bei tiefer Einstellung erst zahlreiche Knospenzellen, welche nicht nur seitlieh vom Ausführungsgang, sondern auch in seiner Fläche liegen. In dem darauffolgenden Schnitt ist nun weder etwas vom Drüsengang noch auch von der Endknospe an der nämlichen Stelle zu beobachten. Ich glaube, daß es in der angegebenen Richtung einer noch besseren 332 Eugen Botezat, Beweisführung nicht bedarf. Aus den vorgeführten Gründen glaube ich berechtigt zu sein, diese Art der Geschmacksknospen als eine be- sondere Form der Drüsenknospen mit der Bezeichnung: d, durch- brochene Geschmacksknospen, zum Unterschiede von den soli- tären zu versehen. Wiewohl nicht verschwiegen werden darf, daß diese nach meinen Erstlingserfahrungen nicht gerade oft anzutreffen sind!. So sehen wir, daß sich die Geschmacksknospen der Vögel in folgendes Schema unterbringen lassen. Geschmacksknospen I ar N a) solitäre Geschmacksknospen D5) Drüsenknospen ER x db) solide 5) durchbrochene Über die Form der Geschmacksknospen habe ich bereits in der vorläufigen Mitteilung (13) erwähnt, daß sie einen schlanken, spindel- förmigen oder tonnenförmigen Bau zeigen, und daß sie zwischen jenen der Säugetiere und der Fische ungefähr die Mitte halten. Denn, während die Geschmacksknospen der Fische eine umgekehrte Birn- oder eine Zwiebelform, und wie sie von DOGIEL (21) auch für die Ganoiden angegeben wird, zeigen, haben jene der Säugetiere eine ellipsoidische und die des Menschen beinahe eine Kugelform. Am ähnlichsten sind sie mit den Knospen der Reptilien. Ihre Größe ist im allgemeinen eine geringe zu nennen, nament- lich mit Rücksicht auf jene der Endknospen bei den Fischen und den in den Pap. vallatae und foliatae befindlichen Knospen der Säugetiere, während bei den letzteren die Knospen in den Pap. fungi- formes beträchtlich kleiner sind (9). Aber auch bei den Vögeln schwanken sie je nach den einzelnen Vogelarten und auch insbeson- dere nach der Lage. Überhaupt sind in dieser Beziehung verschie- dene Unregelmäßigkeiten zu beobachten. In bezug auf ihren morphologischen Aufbau sind sie ebenso wie bei den übrigen Vertebraten aus zweierlei zelligen Elementen zusammengesetzt: Stütz- oder Deckzellen (cp) und Geschmacks-, Sinnes- oder Axialzellen (ca). Die Stütz- oder Deckzellen färben sich mit dem Chromsilber verhältnismäßig selten, wie dies schon v. LENHOSSER (90) und DoGIEL ! Ich habe diesen Fall nebst andern auf der 77. Versamml. d. Naturforsch. und Ärzte in Meran (September 1905) demonstriert. Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 333 (21) erkannt, der letztere speziell für die Ganoiden nachgewiesen hat. Im Falle einer günstigen Imprägnierung erscheinen die Zellen dunkelbraun bis schwarz und lassen in der Regel einen deutlichen ovalen und relativ großen Kern erscheinen (Fig. 655, cp). In bezug auf die Lage dieser Zellen ist zu bemerken, daß man gewöhnlich annimmt, sie wären sämtlich an der Peripherie der Knospen gelegen, welche sie auf diese Weise umhüllen. Jedoch glaube ich bei den Knospen der Vögel, wie DocısL für die Endknospen der Ganoiden behauptet hat, daß wenigstens einige auch im Innern der Knospen liegen (Stützzellen).. Mit Methylenblau lassen sich diese Zellen nicht schwer schwach färben, wobei namentlich die großen Kerne deutlich hervortreten. Diese Zellen sind je nach der Form der ganzen Knospe sekrümmt oder gebogen und abgeplattet. Man unterscheidet an den- selben zwei Enden. Das eine ist gegen den äußeren Pol der Knospe gerichtet und stark verdünnt, das andre gegen die Basis und nicht verdünnt, geht vielmehr in wenige wurzelartige Fransen über (Fig. 655, 72), welche in das Bindegewebe der Cutis hineingreifen. Daß die Ränder dieser Zellen gezähnt sind, wie dies von DoGIEL für die ent- sprechenden Gebilde bei den Ganoiden behauptet wird, habe ich an den Deckzellen der Endknospen bei den Vögeln, jedoch nicht in so starkem Maße, ausgebildet gesehen — diese scheinen Plasmabrücken zwischen den Riffen zu sein — (Fig. 655, ”1 cp). Hingegen kann man deutlich beobachten, daß dieselben an der Innenfläche mit Ein- buchtungen versehen sind, in welche wohl die den Kern bergen- den Teile andrer Knospenzellen hineinpassen. Dementsprechend weichen diese Zellen von jenen der Endknospen der andern Wirbel- tiere, welche schon oft beschrieben und abgebildet wurden, im all- gemeinen nicht ab, weshalb ich auf eine eingehendere Beschreibung derselben verzichten kann. Am Außenpol der Knospe stoßen diese Deck- oder Stützzellen, welche faßdaubenartig die ganze Knospe äußerlich abschließen, mit ihren verjüngten abgestutzten Enden conver- sierend zusammen, so daß sie einen kleinen äußeren Kreis bilden. Das zweite Element der Geschmacksknospen sind die axialen, inneren, Sinnes- oder eigentlichen Geschmackszellen. Dieselben haben eine bipolare Gestalt, sind langgestreckt und schlank. Im eigentlichen Zellenkörper liegt ein großer Kern von kugliger oder ellipsoidischer Form, welcher an den mit Chromsilber imprägnierten Zellen oft lichter als die ganze Zelle bleibt und also sich aus der Umgebung deutlich abhebt (Fig. 66). Sonst ist seine Lage und Form an der deutlich sich von der Umgebung abhebenden Auftreibung der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 22 334 Eugen Botezat, Zelle zu erkennen (Fig. 15, 65, 67, 68, 70, 71,72). An den mittels Methylenblau gefärbten Zellen treten die Kerne derselben deutlich hervor. Die Geschmackszellen sind in der Knospe longitudinal an- geordnet und daher infolge der tonnenförmigen Gestalt der Knospe je nach der Lage verschiedenartig geformt. Die axial gelegenen Zellen sind gerade gestreckt, oft schwache Windungen bildend (Fig. 66, 68), die peripherisch gelegenen aber sind gebogen und da- bei mehr gewunden als die axialen. Diese Windungen erscheinen mitunter fast ziekzackförmig (Fig. 15, 66, 67). Die beiden polaren Ausläufer dieser Zellen unterscheidet man wie auch bei den Deckzellen als einen äußeren und einen inneren, je nachdem derselbe gegen die Hautoberfläche bzw. gegen die Knospenbasis gerichtet ist. Beide Ausläufer, in welche der verdiekte eigentliche Zellkörper übergeht, sind entweder kurz oder lang; dies richtet sich nach der Lage des Zellkörpers und somit auch nach jener des Kernes in der Zelle. Denn die Kerne liegen nicht in allen Zellen auf gleicher Höhe, son- dern abwechselnd höher und tiefer. Man findet sie auf allen Höhen der Knospen ungefähr zwischen dem oberen und dem unteren Drittel derselben. Indem nun die eigentlichen Zellkörper in die polaren Aus- läufer übergehen, lagern sich andre in die dadurch entstehenden freien Räume der benachbarten Zellen, so daß die eigentümliche Form und Anordnung derselben die Möglichkeit bietet, daß auf dem verhältnis- mäßig kleinen Raum, welcher von ihnen eingenommen wird, eine große Anzahl von Geschmackszellen Platz findet (Fig. 1b, 655, 66, 67, 68, 70, 71, 72). Die äußeren Ausläufer der Geschmackszellen sind sehr schlank und, indem sie im allgemeinen einen vielfach gewundenen Verlauf zeigen, verjüngen sie sich gegen den Pol der Knospe zu, an welchem sie untereinander immer mehr convergierend zusammentrefien. Ihre Enden sind abgestutzt. An diesen müssen sich Wimpern be- finden, da solche bei den übrigen Wirbeltieren überall an den Knospen zu finden sind. Die Enden dieser Geschmackszellen wer- den vom erwähnten Kreis, in dem die Enden der Deckzellen liegen, eingeschlossen. Die inneren Ausläufer der Geschmackszellen sind ebenfalls schlank geformt und ziehen in convergierender Anordnung gegen die Basis der Knospe hin, wo sie bis zu den Ausläufern der Deckzellen gelangen. An dieser Stelle endigen sie jedoch nicht in gleicher Höhe und ebenso nicht einfach verjüngt und zugestutzt wie am Außenpol, sondern gehen in mehrere kurze Ausläufer über, welche wie eine Art Wurzelwerk aussehen (Fig. 1b, 655, 70a). Diese basalen Ausläufer der Endknospenzellen sind allerdings in den angeführten Die Nervenendapparate in den Mundteilen der Vögel usw. 335 Figuren nicht vollständig dargestellt, weil sie auch in den Präparaten ebenso erscheinen. Es genügt aber wohl feststellen zu können, daß sie überhaupt vorkommen, und auf Grund dessen zu erfahren, daß sich auch in dieser Beziehung die Endknospen der Vögel denjenigen der andern Wirbeltiere gegenüber nicht abweichend verhalten. An den Endknospen bei den übrigen Wirbeltieren bilden diese basalen Fortsätze ein förmliches Geflecht, und es läßt sich auch für die Knospen der Vögel aus den angeführten Tatsachen der direkte Schluß ziehen, daß sie auch bei diesen Tieren ein derartiges Geflecht bilden dürften. Noch eines Umstandes muß aber hier gedacht werden. DOoGIEL hat an den Geschmackszellen der Ganoiden die Beobachtung ge- macht, daß die äußeren polaren Fortsätze dieser Zellen sich mit- unter teilen, indem er hierüber folgendes sagt: »Interessant ist es, daß ich manchesmal unter den Geschmackszellen solche Zellen fand, deren periphere Fortsätze anfänglich dieker waren als die Fortsätze der andern Zellen, nachher aber, in einer gewissen Entfernung vom Körper der Zelle, sich in zwei dünne Ästchen teilten, wobei entweder beide zur Spitze der Knospe hinzogen oder einer sich nach unten zur Basis der Knospe bog und bald zugespitzt endete. Gewöhnlich fand ich in einer Knospe eine, selten zwei Zellen mit sich so teilen- den peripheren Fortsätzen. Ausgegeben den 4. September 1906 Inhalt Edwin Rossbach, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien: (Mit. Taf. XVI—XIR). . ...... 0.2.02 Wo 361 Otto Römer, Untersuchungen über die Knospung, Degeneration und Re- generation von einigen marinen ectoprocten Bryozoen. (Mit Taf. XX u. XXL), .0.202.2. 000 20er Dee ee Se Be ee 446 Heinrich Schliehter, Über den feineren Bau des schwach-elektrischen Organs von Mormyrus oxyrhynchus Geofir. (Mit Taf. XXII—XXIV.) 479 Mitteilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, daß die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschiebungen und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponierung der Zeichnungen ist darauf zu achten, daß der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafeiformates nicht überschritten wird. Für Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagsbuchhandlung Der Herausgeber Wilhelm Engelmann. Ernst Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Sonder- abdrucke unberechnet. Weitere Exemplare werden auf Wunsch gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert unter der Voraus- setzung, daß sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig Orthographie zoologisch-anatomischer Fachausdrücke, in denen nach den amtlichen Rechtschreibungsregeln K bezw. Z anzuwenden wäre. gr. 8. Preis 40 Pfg. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. Von Edwin Rossbach (Berlin). (Aus dem Marburger zoologischen Institut) Mit Tafel XVI—XIX. Einleitung. Das zu den vorliegenden Beobachtungen benutzte Material an . Sporoeysten und Redien stammt zum größten Teile aus Paludina vivipara, zum kleineren aus Limnaeus (zumeist stagnalis). Redien wie Sporocysten wurden sowohl an Serienschnitten, wie an Total- präparaten, die zur gegenseitigen Ergänzung dienten, gleichmäßig zur Untersuchung herangezogen; denn die Arbeit wurde anfangs in Hin- sicht auf die Frage nach der Richtungskörperbildung der Keimzellen unternommen. Erst später, als das Resultat in dieser Richtung sich als ein völlig negatives erwies, wurde die Arbeitsrichtung entsprechend der jetzt vorliegenden Fassung geändert, da ich in den Redien, welche ich aus ZLimnaeus erhielt, wieder Redien auffand, so daß da- durch eine Untersuchung jüngster Redien ermöglicht wurde, wie sie günstiger wohl kaum gefordert werden können. Da die Arbeit, ‘wie gesagt, zuerst von andern Gesichtspunkten aus begonnen wurde, so schenkte ich dem Inhalt der Ammen- generationen zunächst keine besondere Aufmerksamkeit, weil es mir damals in erster Linie auf das Keimepithel und die Keim- zellen ankam, gleichgültig, ob sich dieselben zu Redien oder Cercarien entwickelten. Erst nachher, als sich jene Änderung der Frage- stellung nötig machte, erfuhr auch der gesamte Inhalt der Keim- schläuche eine größere Beachtung. Man wird deshalb im folgenden manche Lücken finden, besonders in dem Abschnitt über die Ent- wicklungsgeschichte der Redien, die ich jedoch infolge Material- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Ba. 24 862 Edwin Rossbach, mangels auszufüllen zurzeit nicht imstande bin. Denn trotz eifrigen Suchens gelang es mir nicht wieder, andre Redien produzierende Redien aus Limmaeus zu erhalten; die in Paludina vorkommenden Redien ent- hielten dagegen neben jüngeren Keimballen auch vollkommen aus- gewachsene Cercarien, und die in derselben Schnecke heimischen, mir zur Verfügung stehenden Sporocysten zeigten nur kleine kuglige, noch maulbeerartige Keimballen ohne irgend welche Organdifferen- zierung, so daß ein Rückschluß auf ihre definitive Bestimmung un- möglich war. Ich war deshalb bei der Entwicklung der Redien auf die Präparate der Redien aus Limnaeus angewiesen, welche mir, von Einzelheiten abgesehen, doch im ganzen ein klares Bild ihrer Entstehung gaben. Trotz dieser Lücken übergebe ich meine Beobachtungen der Öffentlichkeit in der Hoffnung, durch diese doch einiges zur Kenntnis des anatomischen Baues, der Histologie und Entwicklungsgeschichte der Redien beizutragen, zumal unsre Kenntnisse dieser interessanten Ammengeneration noch lange nicht abgeschlossen sind. Denn so umfangreich die Literatur über das Miracidium, die Sporocyste und besonders die Cercarie ist, ich erinnere hier nur an die Arbeiten von BIEHRINGER, SCHAUINSLAND, SCHWARZE, welche sowohl Anatomie wie Entwiceklungsgeschichte dieser Formen behandeln, so dürftig ist die Literatur in bezug auf die Redien, mit der sich hauptsächlich LEUCKART und in neuerer Zeit besonders Looss eingehender beschäf- tigt haben. Die älteren Autoren, die sich mit unsrer Redie abgaben, wie WAGNER, DE FILIPPI, PAGENSTECHER, gehören alle der Mitte des vergangenen Jahrhunderts an, einer Zeit, in weleher man den gene- tischen Zusammenhang der drei Entwicklungsformen der digene- tischen Trematoden kennen lernte, was naturgemäß eine intensivere Beschäftigung mit diesem Gebiet der Helminthologie zur Folge haben mußte. Sie kommen aber kaum für unsre mit der heutigen mikro- skopischen Technik ausgeführten Untersuchungen in Betracht. Die Vernachlässigung der Ammengeneration ist um so mehr zu verwun- dern, als die Redie infolge ihres einfacheren Baues manchen Auf- schluß über die komplizierteren anatomischen und histologischen Ver- hältnisse der Geschlechtsformen zu geben vermag. Zum Vergleich werden bei der folgenden Darstellung deshalb auch stets die besser bekannten und genau studierten Verhältnisse der ausgebildeten Digenea herangezogen werden. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. E. KORSCHELT, für die sich stets gleichbleibende Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 363 freundliche Teilnahme und Förderung an meiner Arbeit meinen herz- lichsten Dank auszusprechen. Ebenso Herrn Privatdozent Dr. J. MEISEN- HEIMER, der mir während meiner Untersuchungen mit manchem wertvollen Ratschlag zur Seite stand. Auch Herrn Dr. P. SCHIEMENZ, dem Direktor der biologischen Versuchsstation des deutschen Fischerei- vereins zu Friedrichshagen am Müggelsee bei Berlin, der mir durch gütige Überlassung eines Arbeitsplatzes in der Station die Möglich- keit gab, das Material zu sammeln, sei hier mein herzlichster Dank ausgesprochen. Material und Untersuchungsmethoden. Die aus Limnaeus stagnalis erhaltenen Ammengenerationen ge- hören nach meinen Untersuchungen und durch Vergleichung der vor- handenen und besonders älteren Literatur zu Cercaria armata (Geschlechtstiere in Fröschen), die aus Paludina vivripara stammen- den zu der Cercaria echinata (Geschlechtsformen in Wasservögeln, wilden Enten usw.). Zur Konservierung des Materials wurde die HERMAnNNsche Flüssigkeit, sowie Sublimat-Eisessig-Alkohol verwendet. Beide Konservierungsmethoden erwiesen sich zu meinen Zwecken als ganz vorzüglich und brauchbar, von weiteren Versuchen mit andern Konservierungsflüssigkeiten wurde deshalb Abstand genommen. Die Schnittpräparate wurden in üblicher Weise mittels des Mikrotoms aus in Paraffin eingebetteten Exemplaren hergestellt. Die Dieke der Serienschnitte betrug meist 3—5 u; einige wurden auch, um ein besseres Übersichtsbild besonders in anatomischer Hinsicht zu gewinnen, mit 10 u angefertigt. Für die meisten Schnitte wurde zur Färbung fast ausnahmslos die HeıpExHAinsche Eisenhämatoxy- linmethode angewendet, mit der ich die besten Resultate erhielt; auch nur mit gewöhnlichem Hämatoxylin gefärbte Schnitte erwiesen sich als ganz vorzüglich zur Untersuchung geeignet, da das letztere auch zugleich das Plasma und die Zellgrenzen, soweit solche vorhan- den, mitfärbte. Die zu Totalpräparaten verwendeten Sporoeysten und Redien wurden ausschließlich mit Alaunkarmin gefärbt, in Nelkenöl möglichst stark aufgehellt und dann in Kanadabalsam eingeschlossen. Die mit dieser Methode erzielten Resultate waren im allgemeinen be- friedigend, besonders bei den Sporoeysten, bei welchen man wegen ihrer Kleinheit und Durchsichtigkeit auch mit gutem Erfolge Immer- sionen anwenden konnte; weniger günstig zeigten sich Totalpräparate von Redien, da diese doch meist für eine feinere Untersuchung in toto schon zu dick und undurchsichtig sind. 24* 364 Edwin Rossbach, I. Absehnitt: Die Anatomie der Redie. 1. Die Epidermis oder Cuticula der Redie.- Die Cutieula der von mir untersuchten Redien, sowohl der aus Lim- naeus, wie der aus Paludina, welche äußerlich durch keine Besonder- heiten von dem allgemeinen Redientypus abweichen, zeigt keine Verschiedenheiten von den Angaben, wie sie uns durch LEUCKART und Looss von den Redien, von BIEHRINGER von den Sporocysten gegeben wurden. Zu äußerst liegt eine zur Größe ausgewachsener Redien verhältnismäßig dünne, homogene, strukturlose Membran, die sog. »Cuticula«. Wie BIEHRINGER angibt, hielt man dieselbe lange Zeit für eine echte Cuticula. Entwicklungsgeschichtlich erweist sich jedoch diese Ansicht als nicht haltbar, wie BiEHRINGER für die Sporocysten, SCHWARZE für die Cercarien und Looss (1892) an den Redien nachge- wiesen haben. Die Entwicklung der drei Generationen: Sporocyste, Redie und Cercarie ist nämlich in den frühen Stadien, auf denen die Bildung der Hautschicht stattfindet, eine so vollkommen analoge, daß man sie ohne weiteres miteinander vergleichen kann; ja von verhältnismäßig schon recht großen Keimballen kann man oft noch nicht mit Sicherheit sagen, wozu sie sich entwickeln werden, ob zur Redie oder Cercarie. Meist macht sich erst ein Unterschied im Ver- lauf der Entwicklung zwischen beiden mit dem Auftreten der Darm- anlage und der Leibeshöhle bemerkbar. Ferner ist auch die An- sicht, daß die Körperbedeckung der Trematoden und ihrer Ammen eine echte Cutieularbildung sei, schon rein anatomisch betrachtet unrichtig, worauf BIEHRINGER mit Recht hinweist; denn zu einer Cutieula gehört auch eine dieselbe erzeugende Matrix, welche aber bei allen dreien vollkommen fehlt. Ich selbst kann nun die von BIEHRINGER, SCHWARZE und Looss gemachten Angaben über die Bildung der Außenschicht bei Trema- toden-Ammen auf Grund eigner Beobachtungen auch von meinen Redien in vollem Umfange bestätigen. Diese sind nun folgende. Bereits an ganz jungen Keimballen auf einem Stadium, wo diese noch kuglig sind, eine Längsstreckung noch nicht stattgefunden hat, findet schon die Bildung der späteren Cutieula statt. Sie ist die erste Ver- änderung, die an den Keimballen wahrzunehmen ist. Sehr junge Keimballen, die erst aus einer kleineren Anzahl von Zellen bestehen, haben noch keine festere Umhüllung um sich ausgeschieden, sondern die Zellen liegen, wenn man solche auf Totalpräparaten betrachtet, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 365 anscheinend regellos über und aneinander, so wie sie auseinander hervorgegangen sind; nur ihr enges Zusammenliegen läßt auf ihre Zugehörigkeit schließen. Mit fortschreitender Zellvermehrung ändert sich das Bild. Bei Sporoeysten sowohl, wie bei Redien sind bekanntlich Zellgrenzen nur sehr schwer wahrnehmbar. Deshalb erscheint es auch bei jüngeren Keimballen, als ob deren Kerne in eine protoplasmatische Grund- substanz eingebettet wären. Diese protoplasmatische Grundsubstanz scheint nun bei sehr jungen Keimballen, ehe noch an ein Heraus- treten von Zellen zur Bildung einer besonderen Hautschicht zu denken ist, an ihrer Peripherie eine zarte Verdichtung in Gestalt einer äußerst feinen Membran zu erfahren, so etwa, wie tierische Eier an ihrem äußeren Umfang durch verdichtetes Plasma die primäre Eihülle bilden. In jedem Keimballen finden sich nun, von den frühesten Stufen der Entwicklung an, zwei Arten von Zellen, auf die ich dann später noch bei der Frage nach der Entstehung der Keimballen und der Richtungskörperbildung näher einzugehen haben werde, nämlich solehe mit einem großen, hellen, rundlichen und bläschenförmigen Kern, der einen oder mehrere wohl entwickelte Nucleoli enthält, und solche mit einem viel kleineren Kern, meist ohne Nucleolen, mit körnigem oder aufgeknäueltem Chromatin. Die Zellen nun, welche die Hautschicht bilden, gehören stets zu der ersten Kategorie. Diese drängen sich an die Oberfläche des Keimballens und ragen schließ- lich über sie hervor (Fig. 1 und 2, Taf. XVI). Dabei ändert sich auch ihre Gestalt: Anfangs kugelförmig, platten sie sich immer mehr und mehr ab und nehmen zuletzt eine ellipsoide Gestalt an, deren Längsachse tangential zur Oberfläche des Keimballens liegt. Wenn die die spätere Cutieula liefernde Zelle den Umriß des Keimballens etwa wie ein Uhrglas überwölbt, so zeigt sie ein besonders glashelles klares Aussehen, wodurch sie sich dann, obwohl sie zu der Kategorie dieser Zellen anfangs selbst gehörte, doch von den im Keimballen zurückbleibenden großen Zellen unterscheidet (Fig.1, Taf. XVI), welche eine dunklere Schattierung aufweisen, wohl infolge des sie umgeben- den Keimballenplasmas, in dem sie ja scheinbar eingebettet liegen. Der eben beschriebene Vorgang muß jedoch eine ziemliche Zeit in Anspruch nehmen, ehe die ganze Cuticula gebildet ist, da man an den Keimballen zu gleicher Zeit immer nur einzelne wenige Zellen heraustreten sieht und den gleichen Vorgang auch noch später bei Keimballen vorfindet, die sich bereits in die Länge strecken, % 366 Edwin Rossbach, Die aus dem Zellverbande des Keimballens herausrückende Zelle schiebt die vorhin erwähnte plasmatische Begrenzung desselben bei ihrer Wanderung vor sich her, denn an Schnitten durch junge Redien- Embryonen sieht man, wie Fig. 2, Taf. XVI rechts unten zeigt, zu beiden Seiten des Cuticulakernes und dem Keimballen an dem mit Eisenhämatoxylin gefärbten Präparat einen Hohlraum liegen, der im Leben von dem Plasma der Zelle erfüllt ist. Über sie hinfort zieht die feine plasmatische Begrenzung des Keimballens, die sich zu bei- den Seiten der Wandungszelle wieder mit demselben vereinigt. Wie nun an Schnitten festzustellen ist, denn Totalpräparate lassen, auch wenn sie noch so gut hergestellt sind, wegen der doch immer vor- handenen Undurchsichtigkeit der Keimballen die feineren Struktur- verhältnisse nicht erkennen, bildet sich unter der nunmehr ganz aus der Vereinigung der übrigen Zellen des Keimballens herausgetretenen Wandungszelle eine neue feine Begrenzung, welche wohl dem an der Peripherie des Keimballens verdichteten Plasma der letzteren entsprechen dürfte. Das Resultat ist nun, wie Fig. 2 und 3, Taf. XVI zeigt, daß wir eine Wandungszelle zwischen zwei Lamellen, die wir auch später bei der definitiven Cuticula sowohl der Redien als auch der Sporocysten wiederfinden, vor uns liegen sehen. Bekanntlich zeigt die Outicula der ausgebildeten Redien wie auch der geschlechtsreifen Trematoden und Sporocysten keine Spur von Zellen mehr. Der dem Keimballen anliegende Kern plattet sich jetzt mehr und mehr ab; die ellipsoide Gestalt desselben erfährt häufig, wie Fig. 2, Taf. XVI rechts unten lehrt, eine biskuit- oder hantel- förmige Einschnürung in der Mitte. Hand in Hand mit dieser Ge- ' staltsveränderung gehen auch innere Umgestaltungen, welche auf eine Degeneration oder Umwandlung der Wandungskerne und -Zellen hindeuten. Der anfangs klare, glashell durchsichtige Zellkern erhält eine feinkörnige Struktur, durch welche auch seine Färbbarkeit be- deutend zunimmt (Fig. 3 und 4, Taf. XVI). Diese Granulation geht bei der weiteren Umwandlung auch noch verloren, und wir sehen, wie Fig. 5, Taf. XVI zeigt, einen schlanken, spindelförmigen, tief schwarz gefärbten Körper, der keine Spur einer Struktur mehr er- kennen läßt. Auch diese Reste des ehemaligen Wandungskernes sehen verloren, und bei erwachsenen Redien deutet in der Cuti- cula nichts mehr auf. ihre zellige Entstehung hin, sondern zwischen zwei Lamellen liest eine etwas dunkel gefärbte, strukturlose, homo- gene Masse als Ausfüllung. In Fig. 5, Taf. XVI sieht man auch die dünne Außenlamelle über den spindelförmigen Wandkern in einiger Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 367 Entfernung hinwegziehen. Die gesamte Wandzelle wird also zur Ausfüllung des Raumes zwischen den beiden Lamellen verwendet. So weit meine Beobachtungen über die Bildung der Cuticula der Redien, welche mit denen von SCHWARZE, BIEHRINGER, Looss (1892) usw. übereinstimmen. Hieran sollen im folgenden einige theoretische Bemerkungen angeknüpft werden. Es sind dies die Fragen nach der Auffassung und morphologischen Deutung der Cuticula bei den Trematoden und nach deren Keimblätterbildung. Ich wende mich zunächst zur Behandlung der ersten Frage. Erst in jüngster Zeit ist noch eine Arbeit, nämlich die von MACLAREN erschienen, welche sich mit diesem Thema beschäftigt und auch eine gedrängte Übersicht über die diese Frage behandeln- den Ansichten gibt. Es stehen sich hauptsächlich zwei Meinungen ziemlich scharf gegenüber. Die einen Forscher, zu welchen ZIEGLER, SCHWARZE, BIEHRINGER, MONTICELLI u. a. gehören, lassen die Haut- schicht der Trematoden aus einem metamorphosierten Epithel ent- stehen, dessen Kerne verloren gehen und dessen Plasma chemisch verändert wird. Ein wirkliches Körperepithel scheint übrigens bei den Temnocephalen in Form einer außerhalb der Körpermusku- latur gelegenen kernhaltigen Schicht vorhanden zu sein, wie WAcKE in seinen neulich erschienenen Untersuchungen zeigt. Den genannten Autoren gegenüber stehen BRAnDes (1892), WALTER, KOWALEWSKY, Looss und mit einiger Modifikation auch BLOCHMANN, nach deren Anschauung die Cuticula der Trematoden als das Produkt von unter der Muskulatur gelegenen Drüsenzellen betrachtet wird. Die von LEUCKART bis in die 80er Jahre hinein vertretene Ansicht, »daß die Körperbedeckung der Trematoden eine Cuticula sei, abge- sondert von einer zelligen Subeutieularschicht«, ist schon von BIEH- RINGER widerlegt und kann heute als gänzlich überwunden betrachtet werden. Zwischen diesen beiden einander recht schroff gegenüber- stehenden Theorien nehmen nun MACLAREN und vor ihm H. v. BUTTEL- REEPEN eine vermittelnde Stellung ein, indem sie die Cuticula auf- fassen »als das Produkt eines Epithels, dessen äußere Zellkerne verloren sehen, während die zugehörigen Drüsenzellen, welche in das Parenchym eingesunken sind, durch ihr Seeret die Dieke der be- treffenden Schicht bedingen«. Diese Ansicht trifft meines Erachtens durchaus das Richtige. Man hat jedoch bisher zur Klärung dieser Frage die Ammen der Geschlechtsformen zu wenig herangezogen, da die Mehrzahl der diesbezüglichen Untersuchungen sich meist nur auf letztere erstreckte. Und doch scheinen vor allem jene zur Lösung 668 Edwin Rossbach, dieses Problems geeignet. So verschieden auch Sporocyste, Redie und Cercarie in ihrem Bau und Aussehen sein mögen, so haben doch alle wiederum sowohl anatomisch wie histologisch etwas Überein- stimmendes, und Looss weist mit Recht in seiner Arbeit über Amphistomum subclavatum (1892) darauf hin. Wie der Vorgang der Cutieularbildung bei den Redien verläuft, wurde oben gezeigt. Danach erscheint für die Cuticula der Redien die zuerst von H. E. ZIEGLER ausgesprochene Ansicht zweifellos die richtige !. Etwas anders liegen die Verhältnisse bei den geschlechtsreifen Trematoden und auch schon bei den Cercarien insofern, als bei diesen die Dieke der Cuticula eine recht beträchtlichere als bei den Redien und Sporocysten ist. Während sie hier nur eine schmale Begrenzung an der Außenseite des Körpers darstellt, erreicht sie dort eine ansehnliche und bedeutende Festigkeit. Ihre Entstehung ist aber auch bei den Cercarien, wie wir durch die Untersuchungen von SCHWARZE und Looss (1892) wissen, vollkommen analog der bei den Redien. Ich stimme nun mit MACLAREN darin überein, daß der beträchtliche Durchmesser der Trematoden-Cutieula — nach ihrer ursprünglichen zelligen Anlage — durch das zwischen die beiden Lamellen sich ergießende Secret subepithelialer Drüsen allmählich erreicht wird. Denn erstens sind solche Drüsen in der Tat bei den Trematoden vorhanden, die auch ihre Ausführungsgänge der Cuticula zuwenden (Abbildung 3, S. 520: MACLAREN), und dann besitzt, wie wir gesehen haben, die äußere Lamelle auch einen ziemlichen Grad von Elastizität, wodurch die allmähliche Diekenzunahme der Trematoden-Cuticula ganz gut verständlich wird. Sie wird also durch die Anwesenheit einer solchen Drüsenzellenschicht bedingt; bei den Redien und Sporocysten dagegen bleibt die Cuticula in ihrer ursprüng- lichen Dicke erhalten, so wie sie anfangs durch den Cutieularisierungsprozeß gebildet wurde, da eine Verstärkung derselben durch Drüsensecret infolge des Fehlens solcher Drüsenzellen nicht möglich ist, denn Sporocysten und Redien fehlen — abgesehen von dem im Kopfabschnitt gelegenen, noch später zu be- sprechenden Drüsenzellenkomplex — solche vollkommen; während ja sonst die Cuticula der Ammen noch die der Geschlechtsformen weder genetisch noch anatomisch Verschiedenheiten aufweist. Die Keimblätterfrage bei den Tematoden kann auch heute noch nicht als vollständig gelöst betrachtet werden, da die Embryonalanlagen dieser von den übrigen Tierklassen so stark abweichenden Organismen nur schwer mit denen der andern homologisiert werden können. Ich muß für das Folgende kurz auf die vorzüglichen Untersuchungen SCHAUINSLANDS zurückgreifen. Wie er gezeigt, findet bei der Bildung der Körperbedeckung des Miracidiums ein ganz ähnlicher 1 Unmittelbar bevor ich diese Arbeit dem Druck übergebe, kann ich hinzu- fügen, daß ZIEGLER in den kürzlich ausgegebenen Verhandlungen der Deutschen Zoolog. Gesellschaft (Leipzig 1905, S. 35) sich auf Grund der neueren Unter- suchungen seines Schülers C. F. RÖWER in sehr entschiedener Weise dahin ausspricht, daß in der Hautschicht der Trematoden, der sog. Cutieula, Kerne und Kernreste aufzufinden sind, daß diese einem Epithel vergleichbar ist und aus der äußersten Zellenschicht der Keimballen hervorgeht. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 369 Vorgang statt wie bei der Redie und Cercarie. Es bildet sich nämlich, nachdem die am oberen Pole des Eies liegende Eizelle sich in einen soliden, morula- ähnlichen Zellhaufen geteilt hat, eine Hüllmembran aus, indem, ganz analog den Verhältnissen, wie wir sie von den Redien kennen gelernt haben, eine gewöhn- liche kuglige Embryonalzelle sich kugelkappenförmig über die Peripherie des Keimballens hinaustretend, diesem anlegt und uhrglasförmig überwölbt. Diesem Vorgange schließen sich andre Zellen an. Die diese Hülle bildenden Zellen werden wahrscheinlich ebenfalls euticularisiertt wie die der Redien und Cer- earien; sie ziehen sich dabei in eine dünne Membran aus, welche bald den sanzen Embryo umgibt, so daß auf diese Weise die primäre Hautschicht des Embryo gebildet wird. Also geht auch beim -Miracidium die Anlage der Hüllmembran in gleicher Weise wie bei den Redien vor sich; ob diese nun einen gleichen Cutieularisierungsprozeß wie die der Redie erfährt oder nicht, kann, glaube ich, für einen Vergleich außer acht gelassen werden. Die Vor- sänge bei der Bildung der ersten Körperbedeckung sind also sowohl beim Miracidium wie bei der Redie und Cercarie in geradezu überraschender Weise gleich. Diese Schicht, die ich deshalb schon als die »primäre« bezeichnete, ist nun beim Miraeidium nicht die definitive, sondern sie wird bekanntlich beim Ausschlüpfen der Flimmerlarve aus der Eihülle abgestreift und in derselben zurückgelassen. Es bildet sich vielmehr nach den Beobachtungen des genannten Forschers unter dieser primären Hüllmembran eine zweite Schicht platter Zellen aus, die den Embryo umgeben: Die definitive, das Flimmerkleid tragende Körper- bedeckung, welche SCHAUINSLAND als »Ectoderm«< auffaßt und ebenfalls durch Umwachsung des Keimballens entstehen läßt gleich der ersten, so daß nach seiner Auffassung der ganze Vorgang als eine Gastrulation durch Epibolie auf- zufassen ist. Daß die Bildung der Körperbedeckung bei Miracidium und Redie identisch oder doch mindestens sehr ähnlich ist, wie sie beide überhaupt, worauf auch bereits hingewiesen wurde, noch weitere Übereinstimmungen aufweisen, daß Looss (1892) sie miteinander vergleichen konnte, haben wir gesehen; ja die Über- einstimmung beider scheint nach einer wichtigen Beobachtung des letztgenannten Forschers, die ich hier heranziehen muß, noch weiter zu gehen, obgleich ich selbst den zu beschreibenden Vorgang nicht beobachtete. Solange nämlich die Redien, aber auch die Cercarien, noch im Muttertiere liegen, haben sie ge- schlossene Mund- und Geburtsöffnung. »Der Durchbruch beider,Nähe liegende, von zerstörten Redien stammende Keimballen, selbst wenn diese den drei- und vierfachen Durchmesser ihres Pharynx besaßen, in kürzester Frist verschlangen<«. Der Freßakt vollzieht sich kurz in folgender Weise: Während sich die hintere Öffnung des Pharynx durch die Ringmuskulatur verschließt, erfolgt durch eine gleich- zeitige Kontraktion der Radiärmuskulatur eine becherförmige Erweiterung des Pharynxlumens, in welche der Nahrungsteil hineingezogen wird. Es kann dabei ein förmliches Abbeißen stattfinden. Hierauf erfolgt eine energische Kontraktion der vorderen Ringmuskulatur, wodurch die Schließung des Pharynxbechers be- wirkt wird. Diese Kontraktion setzt sich, von vorn nach hinten wellenförmig fortschreitend, auf die übrige Ringmuskulatur fort, wodurch der Nahrungsballen ziemlich schnell nach hinten getrieben wird. Der Vorgang wiederholt sich in gleicher Weise, bis der ganze Keimballen aufgefressen ist. Looss rährt dann in seiner Schilderung fort: »Bei der ganzen Aktion sind auf die verschiedenen Muskelsysteme des Saugnapfes die Rollen augenscheinlich so verteilt, daß die um die vordere und hintere Öffnung herumlaufenden, meist etwas verstärkten Ringmuskeln als Sphineteren wirken, wohingegen die Radiärfasern Erweiterer des Lumens, die innere Ringmuskulatur Verengerer desselben darstellen. Letztere heben dabei auch zugleich die Kontraktion der Radiärfasern wieder auf und können bei der Schluckbewegung noch unterstützt werden durch die äußeren Ring- sowie Längsmuskeln des Saugnapfes.< Aus diesen Angaben ist zu ent- nehmen, daß auch Looss ebenso wie LEUCKART noch eine zweite außen an dem Pharynx der Redien verlaufende Ringmuskulatur annimmt. In der Arbeit, welcher die oben angeführte Stelle entnommen ist, gibt Looss (1894) nur eine Beschreibung des Freßaktes einer Redie, aber nicht eine solche des Pharynx selbst. Die Angaben, welche von ihm in der erwähnten Arbeit über den Bau des Pharynx gemacht werden, gelten nur für.den der Geschlechtsformen. Er glaubt aber, >daß alle Pharynges im Prinzip denselben Bau zeigene. Wenn ich auch nicht, wie schon erwähnt, eine zweite äußere Ringmuskelschicht im Pha- vynx meiner Redien auffand, so lassen sich doch meines Erachtens die von Looss gemachten Beobachtungen auch auf diese ohne weiteres übertragen, denn die vorhin von mir beschriebene, außerordentlich starke, innere Ringmuskulatur ist zu einer Verengerung des Pharynxlumens vollkommen ausreichend; es bedarf dazu nicht noch erst einer zweiten äußeren Ringmuskulatur. Wenn bei den Ge- Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 383 schlechtsformen auch, wie meist angegeben wird, noch ein zweites Ringmuskel- system vorhanden ist, so wird dem inneren bei der Verengerung des Pharynx- lumens doch immer der Hauptanteil zufallen. Im Anschluß an die Muskulaturverhältnisse des Redienpharynx habe ich noch eine Angabe mehrerer Autoren, z. B. LEUCKARTS, zu erwähnen. Wie bereits bei der Körpermuskulatur der Redie erörtert wurde, beschreibt LEUCKART vor dem Kopfteil einen ringförmigen, aus der Längsmuskulatur gebildeten Wulst. Von diesem Ringwulst soll sich nun der größte Teil der Längsmuskelfibrillen abzweigen, »um an den Pharynx und die Vorderfläche des Kopfteiles zu inse- rieren. Sie dienen als Retractoren der genannten Teile und können mit den beim Miracidium des Leberegels vorhandenen Fasern, den Retractoren des Rüssels, verglichen werden«. Ebensowenig wie ich den von LEUCKART beschriebenen ringförmigen Muskelwulst im Kopf- abschnitte meiner Redien beobachtete, so wenig vermochte ich von solchen an den Pharynx herantretenden Muskelzügen etwas zu sehen. Bei den Geschlechtsformen wie bei den Miracidien wird allerdings übereinstimmend von einer speziellen, zur Bewegung des Pharynx dienenden Muskulatur berichtet; bei den ersteren erweist sich diese nach LEUCKART »als eine Abzweigung der Körpermuskeln, die die Bewegung des Pharynx gegen den Saugnapf reguliert«, so dab er beim Leberegel zwei besondere Muskelzüge zur Bewegung des Pharynx unterscheidet: »einen Musculus protractor pharyngis und ferner noch als dessen Antagonist einen Musculus retractor pharyngis«. Bei meinen Redien kam nie eine derartige zur Bewegung des Pharynx dienende Muskulatur vor, wie LEUCKART sie beschreibt. Zu einer Längs- kontraktion des Pharynx dient die außen an demselben gelegene Längsmuskulatur, welche wohl in gewissen Grenzen eine Zusammen- ziehung desselben in der Längsachse gestattet. Nachdem die Muskulaturverhältnisse des Redienpharynx im voranstehenden erörtert worden sind, habe ich noch eines in dem- selben vorkommenden wichtigen Gebildes zu gedenken. Es sind dies die konstant im Pharynx auftretenden sog. »großen Zellen<«, wie sie von den Autoren bezeichnet werden, und wie sie in gleicher An- ordnung und Ausbildung auch im Pharynx, Mund- und Bauchsaug- napf der ausgebildeten Trematoden angetroffen werden. Bei allen Redien finden sich im Pharynx zwischen den Radiärmuskelfasern große, helle, bläschenartige Zellen von meist: birnförmiger Gestalt, welche einen ziemlich großen, zuweilen fein granulierten Kern mit meist einem, seltener mit zwei scharf umrissenen Nucleoien besitzen. 384 Edwin Rossbach, Sie liegen zwischen der inneren Ringmuskulatur und der äußeren Längsmuskulatur des Pharynx, meist dieser etwas genähert, in einer der Krümmung desselben entsprechenden Zone angeordnet, einge- streut zwischen die Radiärfasern (Fig. 9, 11, Taf. XVI, 12, 13, Taf. XVII. Meist liegen regelmäßige Zwischenräume zwischen den einzelnen »großen Zellen«, seltener liegen diese wie auf den Fig. 9 und 11 (Taf. XVI) dichter aneinander. Wegen ihrer bedeutenden Größe und ihres konstanten Vorkommens bilden die »großen Zellen« die auffallendste Erscheinung im ganzen Pharynx sowohl bei Redien wie bei den Geschlechtsformen; an Schnitten bemerkt man sie schon mit ganz schwachen Vergrößerungen. Die einzelnen Fibrillen der Radiärmuskulatur, welche meist einen gestreckten Verlauf nehmen, geben denselben in der Nähe dieser Zellen auf und verlaufen bogen- förmig um dieselben herum. Schon den frühesten Forschern, welche sich mit den Saugnäpfen und Pharynges der Trematoden beschäftigten, sind diese eigenartigen Gebilde auf- gefallen und, wie bereits angeführt, von ihnen als die »großen Zellen« bezeichnet worden. Trotz mancher Untersuchungen über die Natur und die physiologische Bedeutung dieser Zellen, welche bis in die jüngste Zeit fortgeführt wurden, sind die Akten darüber noch lange nicht geschlossen. Sie haben im Laufe der Jahre die verschiedenste Deutung seitens ihrer Erforscher erfahren, und auch diese haben meist keine bestimmten Tatsachen, sondern nur Vermutungen erbracht. So deutet sie LEUCKART, der diese Zellen bei den erwachsenen Trematoden ge- nauer studierte, in der verschiedensten Weise. In der ersten Auflage seines Parasitenwerkes spricht er die fraglichen Zellen als Drüsenzellen an. weil er an ihnen einen nach dem Lumen des Pharynx zu gerichteten Ausführungsgang zu erkennen glaubte, obwohl er einen Durchbruch dieses Ganges durch die sehr dieke Inneneuticula des Saugnapfes nicht festzustellen vermochte. In den späteren Auflagen des genannten Buches kommt LEUCKART von dieser Auf- fassung wieder zurück; doch macht sich auch noch jetzt eine große Unsicher- heit bezüglich der physiologischen Deutung dieser Bestandteile der Saugnäpfe bei ihm bemerkbar, indem er sie einmal als Reste von Muskelbildungszellen, »sewissermaßen Muskelkörperchen im Sinne M. SCHULTZEs< (BRAUN) ansieht und dann in demselben Werke an andrer Stelle als Ganglienzellen deutet. STIEDA war der erste, welcher der zuerst geäußerten Meinung von LEUCKART, die »sroßen Zellen<« als Drüsenzellen anzusprechen, entgegentrat, und dieselben als Ganglienzellen in Anspruch nahm. Dieser Auffassung schlossen sich eine Anzalıl Forscher, und später auch LEUCKART selbst, an. Andre Autoren dagegen, wie VILLOT, MAcCE und WALTER, ferner noch WRIGHT und MAcALLUM sahen sogar die »großen Zellen« als die Terminal- zellen des Excretionsgefäßsystems, also als »Renalzellen< an. Daß diese Auf- fassung keine Wahrscheinlichkeit hat und eine durchaus irrige ist, haben bereits Looss (1894), SCHUBERG und BETTENDORF nachgewiesen und nach meinen eignen Beobachtungen kann ich mich selbst in dieser Beziehung nur den letzt- genannten Forschern vollkommen anschließen. Allerdings ist hier zu beachten, daß die Verhältnisse bei den Redien insofern anders liegen und bei den Ge- Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 385 schlechtsformen ein solcher Irrtum eher möglich ist, als bei letzteren Zellen von dem Typus der im Pharynx vorkommenden »großen Zellen< überall im Körper verbreitet sind, und daß auch anderseits durch Looss (1894) in der Tat »Gefäße im erwachsenen Zustand, welche im Cercarienzustande auch noch Flimmer- trichter tragen«, im Pharynx der erwachsenen Trematoden nachgewiesen wurden, die aber »bei der Übertragung ‘d.h. in das definitive Wirtstier) und dem weiteren Wachstum ausnahmslos verloren gehen<. Looss (1894) und BETTENDORF, welche sowohl erwachsene Formen wie Cercarien lebend untersuchten, haben niemals im Saugnapf oder Pharynx eine Bewegung von Wimperschöpfen wahrgenommen. Looss (1894) schließt seine Mitteilung über diesen Punkt mit den Worten: »Was die ‚großen Zellen‘ bei unsern Würmern auch immer sein mögen, ich kann es zunächst nicht sagen, aber Terminalzellen der Exeretionsgefäße sind sie sicher nicht.< Bei meinen Redien fanden sich nirgends Zellen im Körper, welche eine Ähnlichkeit mit den birnfürmigen Zellen des Pharynx aufgewiesen hätten, da die ganze Redie, von den verhältnismäßig wenigen Zellen, die als Nerven-, Darm- oder Terminalzellen des Excretionsgefäßsystems Verwendung finden, ab- gesehen, sonst von den typischen, nicht mit andern zu verwechselnden Keim- zellen vollständig erfüllt wird. Sucht man nach Ähnlichkeiten mit den »großen . Zellen< des Pharynx, so könnten es nur die später noch zu beschreibenden Drüsenzellen im Vorderteil der Redie sein [vgl. Fig. 12, 18 (Taf. XVII], und auch diese sind durch ihre bedeutendere Größe und bestimmte Lage vor jenen ausgezeichnet. Obwohl sich im jugendlichen Zustande die beiden lateralen Exeretions- kanäle der Redie sehr weit nach vorn erstrecken (Fig. 34, Taf. XVII, habe ich jedoch nie ein Eindringen derselben in den Pharynx zu konstatieren vermocht. Die Terminalzellen der erwachsenen Redien (Fig. 19, 20, 22, Taf. XVII) unterscheiden sich jedoch in so evidenter Weise von den »großen Zellen< (vgl. zu den genannten Figuren die Fig. 9, 11, Taf. XVI, Fig. 12, 15, Taf. XVID. daß eine Identifizierung und Verwechslung beider vollkommen ausgeschlossen ist. Wie Looss (1885) richtig bemerkt, sind beide Elemente durch Gestalt, Größe, Tinktionsfähigkeit, wie überhaupt in ihrem Gesamthabitus grundverschieden voneinander. Wie die >großen Zellen«e aus den angegebenen Gründen keine Terminalzellen des Excretionsapparates sein können, ist meinen Erfahrungen, an Redien wenigstens, nach auch eine Deutung derselben als Ganglienzellen aus ähnlichen Gründen nicht gut möglich. Denn die zweifellos als solehe erkannten Zellen, wie sie zu beiden Seiten der Schlundeommissur liegen (Fig. 9, 10, 11. Taf. XV]), unterscheiden sich in allem so sehr von den »sroßen Zellen< des Pharynx, wie diese von den Terminalzellev, so daß eine gleiche physiologische Deutung für beide Zellformen ein Unding ist. Zwar hat Looss (1885) noch früher eine andre Deutung für die »großen Zellene gegeben, indem er sie als Bindegewebszellen ansprach, jedoch ist ihm diese Ansicht in einer späteren Arbeit wieder selbst unwahrscheinlich ge- worden. So blieben denn von den mancherlei Deutungen, welche die »sroßen Zellen« im Laufe der Zeit erfahren haben, nur noch die beiden Möglichkeiten übrig, daß sie entweder Drüsenzellen oder Myo- blasten vorstellen. Ich selbst wage nicht, mich für die eine oder die andre Meinung zu entscheiden, denn leider habe ich darüber weder 386 Edwin Rossbach, aus meinen Präparaten erwachsener Redien, noch aus denen von Enrtwicklungsstadien über die Umwandlung der die Masse des Pha- rynx bildenden Mesodermzellen Aufschluß erhalten können. Ich möchte daher nur noch folgendes über diese Frage hier anführen. Die Mehrzahl der neueren Forscher, die sich mit derselben be- schäftigten, neigt dazu, die in Rede stehenden Pharynxzellen für Myoblasten oder Reste von Muskelbildungszellen zu erklären. Für diese Ansicht wird mit Recht die Entwicklungsgeschichte des Pharynx herangezogen. Wie wir gesehen, besteht die Hauptmasse des Pharynx aus Muskulatur. Wie seine noch später zu besprechende Entwick- lungsgeschichte lehrt, geht diese Muskelmasse aus großen, blasen- förmigen Zellen hervor, die sich im Vorderteil des Redienembryos zur Bildung des Pharynx gruppieren (Fig. 24, Taf. XVII, 25, 27, 28, 29, 30, Taf. XVII). Deshalb sagt LEUCKART: »Im Entwicklungs- leben unsrer Trematoden, der Distomeen wenigstens, gibt es eine Zeit, in der an Stelle der erwähnten Muskeln eine einfache Schicht sroßer Zellen vorkommt, deren Plasma dann später die Radiärfasern in sich ausscheidet.< Während LEUCKART aus der Entwicklungs- geschichte des Pharynx auf die Natur der »großen Zellen« als Myo- blasten schließt, gewinnt BETTENDORF dieselbe Ansicht mit Hilfe der Methylenblaufärbung auch an erwachsenen Trematoden und an Üer- carien gleichfalls durch die Entwieklungsgeschichte der Muskulatur. Die Beschreibung, die er von den Myoblasten gibt, ist folgende: »Diese Myoblasten sind große, meistens mit mehreren Protoplasma- fortsätzen versehene Zellen mit großem, bläschenförmigen Kern, worin ein Kernkörperchen meist deutlich zu erkennen ist.< Bei den Cercarien hingegen »sind es flaschenfürmige Gebilde, deren dickes, kolbenförmiges Ende, welches auch den Kern umschließt, nach dem Inneren des Körpers sieht, während der halsartige Teil der Zelle der Körperoberfläche zugekehrt ist. An Cercarien hat BETTENDORF nach seinen Angaben, allerdings erst nach langen Versuchen, die Umwandlung der »großen Zellen«, die eine spindelförmige Gestalt besitzen, in Muskelfasern direkt beobachten können. Protoplasma- tische Ausläufer dieser Zellen liefern die Muskelfibrillen, die von ihnen später allmählich fortrücken und auch selbst auseinander- weichen. Diese wichtigen Beobachtungen BETTENDORFS beziehen sich nun allerdings nicht direkt auf die Zellen des Pharynx oder Mund- saugnapfes, sondern auf die »großen Zellen«, wie sie sich auch sonst noch vielfach im Körper der erwachsenen Trematoden vorfinden. Wegen der übereinstimmenden Gestalt beider Zellformen überträgt Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 387 der Verfasser diese an jenen Zellen gewonnenen Resultate auch auf die des Pharynx. An meinen mit Eisenhämatoxylin gefärbten Redien habe ich nie protoplasmatische Ausläufer der Pharynxzellen gesehen, . sondern diese waren, wie aus den beigegebenen Figuren ersichtlich ist, stets scharf umgrenzt. Aber auch sie zeigten häufig ein krug- oder birnen- förmiges Aussehen. Ebensowenig fand ich, wie bereits bei der Be- schreibung der Körpermuskulatur erwähnt wurde, Myoblasten an den doch ziemlich starken Längsfasern derselben. BETTENDORF meint, ‚daß wohl diese eigenartige Gestaltung der »großen Zellen« die meisten Forscher veranlaßt hätte, sie als Drüsenzellen zu deuten, obwohl »das Kriterium einer Drüsenzelle, ein Ausführungsgang, bei fast allen vermißt wurde«. Gerade auf solche Ausführungsgänge der sroßen Pharynxzellen richtete ich bei meinen Untersuchungen die vollste Aufmerksamkeit, aber, obwohl ich zuweilen zunächst recht überzeugende Bilder fand, gelang es mir doch niemals, Ausführungs- gänge derselben mit Sicherheit nachzuweisen. Auch BRAUN führt zur Zurückweisung der Drüsennatur dieser Gebilde an, »daß es auch kaum denkbar sei, wie die doch zweifellos sehr feinen capillaren Ausführungsgänge die stark entwickelte Muskulatur durchbohren und durch diese hindurch ihr Secret in den Pharynx schaffen sollen, zu- mal die eutieula-artige Auskleidung dieses Organs recht dick ist«. Daß jedoch dieser Einwurf kein stichhaltiger Grund dagegen ist, ersieht man daraus, daß die später noch zu beschreibenden, im Kopt- teil der Redie gelegenen Zellen, die hier sicher Drüsen sind, mit ihren feinen Ausführungsgängen die bei älteren Redien ziemlich starke Körpereuticula durchsetzen (vgl. hierzu Fig. 18, Taf. XVII. Auch die neueste diese Frage behandelnde Arbeit, die von HAvET, welche nach der GoLsıschen Methode das Nervensystem von Distomum hepaticum untersucht, erklärt die »großen Zellen« des Pharynx zum größten Teil für Muskelzellen, einige mögen Nerven-, nur vereinzelte dagegen Drüsenzellen sein. Aus dem Angeführten seht zur Genüge hervor, daß die Mehrzahl der neueren Forscher die »sroßen Zellen« als Myoblasten anzusehen geneigt ist. Aber, daß trotzdem diese Frage auch jetzt noch nicht als endgültig erledigt zu betrachten ist, sei noch angeführt, daß SCHUBERG, der gleichfalls die Methylenblaufärbung anwandte, kurze Zeit vor BETTENDORF die »großen Zellen« gerade wegen ihrer protoplasmatischen Ausläufer als Ganglienzellen gedeutet hat. Genaueres aus der Entwicklungs- geschichte, die allein mit Sicherheit über die Natur dieser Gebilde 388 Edwin Rossbach, Auskunft geben kann, vermochte ich an den mir zur Verfügung stehenden Redien nicht zu erlangen. Der Oesophagus. An den Pharynx schließt sich immer ein kurzes Verbindungs- stück an, das den Übergang vom Pharynx zum Darm vermittelt (Fig. 11, Taf. XVI, 15, Taf. XVII. Ich will dasselbe als »Oesopha- gus« bezeichnen. BRAUN nennt zwar den vom Pharynx umgebenen Abschnitt des Rohres Oesophagus, was schließlich auch seine Berech- tigung hat, doch erscheint es mir richtiger, diesen Ausdruck nur für das kurze Verbindungsstück zwischen Pharynx und Darm anzuwen- den, da dieser Teil ein in sich abgeschlossenes Ganzes bildet, und dann wird durch diese Bezeichnung auch eine Übereinstimmung mit den pharynxlosen Geschlechtsformen erzielt, wie wir sie in den be- reits erwähnten Amphistomeen, ferner in Distomum folium und D. cygnordes kennen lernten, bei welchen das unpaare Darmstück vom Mundsaugnapf bis zu den beiden Darmschenkeln mit derselben Bezeichnung belegt wird, so daß man vielleicht das muskulöse Organ am Vorderdarm der Redien, das ja auch zu gleicher Zeit die Funktion eines Saugnapfes und Schlundkopfes zu versehen hat, mit dem Saugnapf jener Formen vergleichen kann. LEUCKART und BRAUN scheint dieses Verbindungsrohr bei den Redien entgangen zu sein, wenigstens sagt dieser: »Unmittelbar hinter dem Pharynx beginnt dermeist einfache flaschen- oder eylinderförmige Darm.« Beiallen meinen Redien, sowohl bei denen aus Limnaeus als aus Paludina, habe ich einen solchen kurzen Oesophagus bemerkt (Fig. 11, Taf. XVTD. Fig. 15, Taf. XVII zeigt den Oesophagus auf einem Tangentialschnitt durch den hinteren Teil des Pharynx und den Vorderteil des Darmes, Fig. 14, Taf. XVII schließlich auf einem Querschnitt. Die Länge des Oesophagus schwankt etwas nach dem Alter und dem Kontraktionszustande des Tieres, immer jedoch beträgt sie nur wenige Bruchteile der Pharynxlänge. Was seinen anatomischen Bau anlangt, so wiederholt er im allgemeinen den des Pharynx. Wie bei diesem liegt innen eine starke Cuticula, die jedoch, im Gegensatz zu der des Pharynx, an allen Stellen gleichmäßig diek und glatt ist: sie läßt nur ein enges Lumen frei. Auf die innere eutieulare Aus- kleidung folgt nach außen zu eine starke Ringmuskulatur, Fig. 14 (Taf. XVII), und eine Radiärmuskulatur, also in bezug auf die Lage- rungsverhältnisse genau so wie beim Pharynx, wenn auch ungleich viel schwächer als diese. Längsmuskelfasern habe ich am Oesopha- Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 389 sus nicht beobachtet; sie scheinen zu fehlen. Solche hätten hier auch wohl, physiologisch betrachtet, wenig Zweck, da eine Kontrak- tion des Oesophagus in der Längsachse wohl kaum erfolgen dürfte. Alle drei Bestandteile, Innencuticula, Ring- und Radiärmuskulatur, sind direkte Fortsetzungen der entsprechenden Teile des Pharynx auf den Oesophagus. Jedoch ist die Ringmuskulatur nicht wie beim Pharynx eine einfache Schicht, sondern, wie Fig. 14 (Taf. XVII) zeigt, in mehrfachen, miteinander parallel verlaufenden Lagen entwickelt, von denen die innerste, der Cuticula zunächst liegende, die stärkste ist. Sie ist hier stärker als im Pharynx wohl deshalb entwickelt, um die Nahrungspartikelchen durch das ziemlich enge Lumen in den Darm drücken zu können. Der Darm der Redie. An den eben beschriebenen Oesophagus schließt sich der Darm an. Obwohl ein solcher allen Redien ausnahmslos zukommt, ist er doch ein sehr variables Organ, da er in Größe, Ausdehnung sowohl, wie in histologischer Beziehung nach dem Alter der Redie außer- ordentlich variiert. Immer jedoch stellt er einen einfachen Blindsack dar, der bei jüngeren Redien meist »flaschen- oder eylinderförmig« gestaltet ist. Mit dem Alter pflegt er oft in eine unregelmäßig ge- staltete Sackform überzugehen. Nach PAGENSTECHER soll es sogar Redien mit einem gablig geteilten Darm wie bei den Geschlechts- formen geben; es sind dies die Redien der Üercaria ornata aus Planorbis eorneus. Für die Vergleichung mit den Geschlechtstieren erscheint dieses Verhalten sehr bedeutungsvoll. Infolge der Veränderlichkeit dieses Organs mit dem Alter lassen sich keine allgemein gültigen Angaben über die Länge des Darmes machen; man kann nur so viel sagen, daß er, im Verhältnis zur Länge des Tieres selbst, bei jungen Redien länger als bei alten ist. Bei sehr jungen Exemplaren, die eben erst aus dem Muttertier ent- lassen sind und etwa eine Länge von !/; mm haben, erstreckt sich der Darmkanal fast durch das ganze Tier, manchmal fast bis an das Hinterende desselben, obwohl auch hier Variationen vorkommen. Der Darm solcher jungen Redien hat nicht immer einen gestreckten Verlauf, sondern er ist zuweilen etwas geschlängelt und kann auch an einzelnen Stellen mit beträchtlichen, das Lumen verengernden Einschnürungen versehen sein. Mit der Entwicklung der nächsten Generation im Innern der Redie und ihrer Ausdehnung verkürzt sich der Darm immer mehr und mehr, »bis er schließlich nur noch einen 390 Edwin Rossbach, kurzen Anhang des Pharynx darstellt, mitunter kaum länger als letzterer selbst (LEUCKART). Mit dieser Reduktion seiner Länge ver- liert der Darm auch zu gleicher Zeit seine bestimmte, faschenförmige Gestalt, die dann meist in eine unregelmäßige Sackform überzugehen pflegt, Fig. 10 (Taf. XVI), auf welcher nur die Umrisse des Darmes angegeben sind. Auch das feste Gefüge, welches die Wandzellen des embryonalen Darmes besitzen, wie wir bei der Entwicklung desselben noch sehen werden, scheint sich bei dieser Degeneration mehr oder minder zu lockern. Der Darm aller von mir untersuchten Redien, gleichgültig ob alte oder junge, war immer gleichmäßig von einer feinkörnigen Masse von gelblich-brauner Farbe erfüllt, die die Nahrung der Redie darstellt. Dem Anschein nach, wenigstens der Färbung nach zu schließen, handelt es sich um Leberteilchen des Wirtstieres. Denn ich erhielt fast alle Redien aus der Leber von Limnaeus und Palu- dina; diese bildete den Hauptsitz der Redien, wo sie zuweilen in so unglaublicher Menge vorkommen können, daß die Leber des Wirtes vollkommen zerstört ist und nur noch aus einem dichten, verfilzten Knäuel von Redien besteht. In andern Organen, z. B. in der Uterus- wand von Paludina, fanden sich die Redien seltener. Die Färbung der Schneckenleber und die des Darminhaltes stimmen überein, ob- wohl ich Leberzellen in dem letzteren nicht aufzufinden vermochte. Daß die Nahrung diesen Teilen des Wirtstieres auch entstammen muß, darauf läßt die Art des Vorkommens der Redien schon schließen. An dieser Stelle möchte ich eine Beobachtung anfügen, die ich an zwei sehr jungen, aber bereits fertig ausgebildeten Redien, die noch in zwei älteren aus ZLemmaeus erhaltenen lagen, machte. In den betreffenden beiden Mutterredien lagen sie am aboralen Pole. In ihrem Darme war die gleiche braun-gelbliche Masse enthalten wie in dem der Muttertiere und erfüllte auch bei jenen den ganzen Darmkanal. Daß der Inhalt des Darmes der Amme aus Leberteil- chen der Schnecke besteht, ist wohl nicht verwunderlich, wie aber kommt dieselbe Nahrungsmasse von gleicher Färbung und Aussehen in den Darm dieser jungen Redien, die doch in den allseitig ge- schlossenen alten liegen und deren Darm ebenfalls vollkommen ge- schlossen ist? Möglicherweise ernähren sich die jungen, eben aus- gebildeten Redien noch vor ihrer Geburt im Innern des Muttertieres von Teilen desselben, etwa von nicht verbrauchten Keimzellen, wie aber kommt die eigentümliche Leberfärbung des Darminhaltes der jungen Redien zustande? Aber auch letztere Annahme ist nicht gut Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 391 möglich, weil die jungen, im Muttertier liegenden Redien bis zu ihrer Geburt eine durch die Körpereuticula geschlossene Pharynxöffnung besitzen, die erst nach der Geburt durch eine Häutung geöffnet wird. Ich vermag keine Erklärung für diese eigentümliche Erscheinung zu geben, die ich nur zweimal antraf, da die andern Entwicklungs- stadien der Redien jünger waren. Bei der jetzt folgenden histologischen Beschreibung des Redien- darmkanals beschränke ich mich ausschließlich auf die Verhältnisse erwachsener Redien, da die Entwicklung des Darmes in einem an- dern Kapitel geschildert wird; denn die Unterschiede in der Histo- logie des Darmes einer erwachsenen und größere Keimballen ent- haltenden Redie und dem einer jungen sind recht bedeutende. Die Wandung des Darmes wird von einem einschichtigen Epithel gebildet, das, wie die Fig. 6, 9, 11 (Taf. XVI) zeigen, aus sehr großen kubischen oder meist polygonalen Zellen, einem Plattenepithel, be- steht. Die Darmwandungszellen haben eine große Ähnlichkeit mit den sonst im Innern der Redie vorkommenden bläschenförmigen Keimzellen. Eine scharfe Abgrenzung dieses Darmepithels nach innen wie nach außen, wie sie der embryonale Darm in seiner »Tunica propria« besitzt (vgl. hierzu den Querschnitt durch den embryonalen Darm Fig. 4 (Taf. XVT], 26 [Taf. XVIII]), ist bei alten Redien nicht mehr mit Sicherheit wahrzunehmen, wie denn überhaupt die embryonalen histologischen Verhältnisse bei der Degeneration mehr oder minder meist alle verloren gehen. Auch macht sich bei älteren Tieren, bei denen der Darm sonst noch gut erhalten ist, eine große Verschiedenheit zwischen dem vorderen und hinteren Teile des- selben bemerkbar. Während nämlich die Darmzellen vorn am Pha- rynx erhalten bleiben, ihre frühere Gestalt und gegenseitige Lage- rung meist beibehalten, Fig. 6, 9, 11 (Taf. XVTI), degenerieren sie, von vorn nach hinten fortschreitend, immer mehr. Die Zellen wer- den im hinteren Teile der Darmwandung immer spärlicher und kleiner und verschwinden an der aboralen Partie derselben schließlich ganz, so daß sie dort zuletzt nur noch aus einer dünnen, anscheinend strukturlosen Membran bestehen kann. Um das Oollabieren und Ver- öden des Darmepithels zu zeigen, sind die Fig. 16, 17 (Taf. XVII) entworfen worden. Fig. 16 (Taf. XVII) stellt einen Längsschnitt durch einen ungefähr in der Mitte gelegenen Teil eines Rediendarmes dar, bei welchem die Wandung noch verhältnismäßig stark und mit einigen spärlichen, kleinen Zellen versehen ist. Aber auch hier macht sich schon die Degeneration im Gegensatz zu dem vorderen Teil des 392 Edwin Rossbach, Darmes bemerkbar. Fig. 17 (Taf. XVII) ist dem aboralen Teil eines Darmlängsschnittes entnommen, wo die Verödung der Wandung noch weiter fortgeschritten ist. Hier fehlen Zellen vollkommen, und die Wandung beginnt infolgedessen zusammenzusinken. Dieser Schnitt stammt allerdings von einem andern Exemplar. Das letztere ist mit Rücksicht darauf gewählt worden, daß dieses den noch gleich zu be- sprechenden Stäbehenbesatz und die Muskulatur des Darmes in vor- züglichster Weise zur Anschauung bringt; es werden dadurch jedoch die gleichen Verhältnisse illustriert, wie sie auch an demselben Individuum auftreten. Beide Zeichnungen sind, zum Zwecke des Vergleichs, mit Hilfe des Zeichenapparates mit der gleichen Vergrößerung entworfen. Bei der Beschreibung des Darmepithels habe ich noch einer Eigentümlichkeit desselben der aus Limmnaeus stammenden Redien zu gedenken. Der Darm dieser Exemplare war nämlich auf seiner sanzen Innenfläche mit einem dichten Besatz feiner Stäbehen ver- sehen (Fig. 16, 17, Taf. XVII), die durch die Eisenhämatoxylinfär- bung besonders scharf und klar hervortreten. Ein solcher Stäbcehen- besatz fehlte keiner Redie aus Limnaeus. LEUCKART sowie BRAUN, die sich eingehender auch mit dem Bau der Redien beschäftigten, erwähnen nirgends eines solchen Stäbchenbesatzes.. Nur bei Looss (1896) fand ich eine Mitteilung darüber. Er sagt von der Redie des Amphistomum subelavatum: »Les parois presentent une partieularite que jai rencontree tres souvent aussi dans les redies de !’ Amphistomum de la grenouille. Cette particularite consiste en ce que la surface de cet epithelium porte des filaments tres delicats et assez nombreux dont la longueur augmente avec l’äge des vers. A premiere vue ces filaments offrent une grande ressemblance avec des ciles vibratiles, mais, d’autre part, on ne peut leur reconnaitre aucun mouvement ni vibratile ni amiboide. Ils semblent toutefois en relations avec la resorption des aliments qui consistent en fragments de couleur jaune- brünatre derivant apparemment du foie des hötes.< Aus dieser Mit- teilung geht hervor, daß Looss diese Eigentümlichkeit nicht bei allen, sondern nur bei bestimmten, wenigen Redienarten gefunden hat. Aus diesem Grunde mag sie auch LEUCKART entgangen sein, der ja be- sonders die Redie des Distomum hepaticum zu seinen Untersuchun- sen heranzog. Auch meine eignen Beobachtungen stimmen damit überein, denn den aus Paludina stammenden Redien fehlte ein Stäbehenbesatz des Darmes. Looss (1896) nennt diese Gebilde »des filaments tres delicats« und vergleicht sie dadurch mit wimpernden Cilien, wie sie vielfach im Darmkanal wirbelloser Tiere, z. B. der Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 393 Gastropoden und Lamellibranchiaten gefunden werden, obgleich er bei der Untersuchung lebender Tiere keine Flimmerung an ihnen beobachtet hat. Dieser Auffassung entsprechend, stellt der Autor auch in seiner Abbildung (Fig. 130, Taf. XII) diese Gebilde als ziem- lich lange, wellenförmig gebogene Cilien dar. Ob mir gleich die Erfahrung am lebenden Tiere fehlt, so glaube ich doch nicht, nach meinen Präparaten zu urteilen, daß es sich hier um ein Flimmer- epithel handelt, sondern vielmehr, wie schon angegeben, um einen Stäbchenbesatz, wie wir ihn gleichfalls im Darmkanal mancher Everte- braten, der Arthropoden z. B., wiederfinden, denn für ein Flimmer- epithel sind die einzelnen Stäbehen, die besonders bei alten Indivi- viduen recht umfangreich werden können, zu diek und auch zu kurz. Looss (1896) führt ferner an, daß die Länge der Stäbchen mit dem Alter der Redie zunimmt. Auch meine Beobachtungen stimmen da- mit überein. Niemals habe ich einen solchen Stäbchenbesatz im Darm von Embryonen gesehen, die noch im Muttertiere lagen, aber sonst ausgebildet waren (Fig. 4, Taf. XVI, Fig. 26, Taf. XVII). Auch junge, freie Redien enthielten noch keinen Stäbchenbesatz, so daß sich der- selbe in der Tat erst im vorgerückteren Alter zu entwickeln scheint. Ob er in irgend eine Beziehung zum Darminhalt oder zur Resorption tritt, vermag ich nicht zu sagen. Auch eine Darmmuskulatur, über die ebenfalls keine Literatur- angabe sich vorfand, ist bei der Redie entwickelt. Diese besteht, wie die Längsschnitte durch den Darm einer älteren Redie (Fig. 16, 17, Taf. XVII) zeigen, in einer einschiehtigen, schwach entwickelten Ring- muskulatur an der Außenfläche des Darmepithels. Man ersieht dar- aus, daß die Muskulatur des gesamten Verdauungskanals von vorn nach hinten immer einfacher wird: Im Pharynx noch Ring-, Radiär- und Längsmuskulatur,. am Oesophagus Ring- und Radiärmuskulatur und am eigentlichen Darm selbst schließlich nur noch Ringmuskula- tur. Bei älteren Tieren ist infolge der Degeneration des Darmes und des dadurch bedingten Zusammenfallens der Wandung seine Ring- muskulatur meist nur schwer erkennbar; es müssen zu ihrer Sichtbar- machung immer die günstigsten Stellen herausgesucht werden. Eine Längsmuskulatur, wie sie an dem Darm der Geschlechtsformen be- ‚schrieben wird, vermochte ich bei meinen Redien nicht festzustellen. Die Kopfdrüsen der Redien. Wie bereits bei der Frage nach der Deutung der »großen Zellen« im Pharynx eingehender erörtert wurde, ist auch die nach Hautdrüsen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 96 394 Edwin Rossbach. bei den Geschlechtsformen der Trematoden trotz vieler bis in die Gegenwart fortgeführter Untersuchungen noch immer nicht mit Sicher- heit entschieden, da die im Körper der Trematoden sich findenden flaschen- oder krugförmigen Elemente von den Forschern bald als Drüsen-, bald als Muskelbildungszellen, und von noch andern als nervöse Elemente angesprochen werden. Zweifellose Drüsenzellen, weil hier ihre die Körpereuticula durchsetzende Ausführungsgänge konstatiert werden können, finden sich im Kopfteil der Redie. LEUCKART war der erste, der sie beobachtete und beschrieb, er sagt darüber: >Auf der Außenwand des Pharynx sehe ich bei den Redien des Distomum hepaticum zahlreiche einzellige Drüsen, deren langgezogene Ans- führungsgänge nach vorn verlaufen und auf der Mundscheibe zwischen den hier in Menge vorkommenden kleinen Erhebungen ausmünden.nur auf Vermutungen angewiesen«.. Am meisten Wahr- scheinlichkeit für die physiologische Aufgabe derselben hat die recht wohl plausible Deutung LEUCKARTS, der sie für »eine Art Giftapparat<« hält, dessen Secret die umliegenden Gewebe des Wirtstieres reizt und dadurch ein Zerfallen derselben zwecks erleichterter Nahrungsaufnahme bewirkt. Eine gleiche Er- klärung gibt auch Branpes (1888) sowohl von den Kopfdrüsen wie von den Drüsen in den Haftorganen der Holostomiden, während die physiologische Deutung dieser Organe durch v. Linstow, der sie als »Leimdrüsen« zur Be- festigung des Trematoden im Wirtstiere anspricht, für die Redien aus dem Grunde wohl kaum zu verwenden ist, da eine besondere Befestigung der letzteren, die ja in den Geweben des Wirtstieres vollkommen eingebettet liegen, nicht erst erforderlich ist. Auch meiner Ansicht nach scheinen die Kopfdrüsen die sehr nahe liegende physiologische Funktion zu erfüllen durch ein ätzendes Secret die umliegenden Gewebszellen in ihrem Verbande zu lockern, um der Redie die Nahrungszufuhr zu erleichtern. Das Excretionsgefäßsystem der Redien. So umfangreich auch wiederum die das Excretionsgefäßsystem der ausgebildeten Trematoden behandelnde Literatur ist, so spärlich sind die Angaben über das bei der Redie. Es sei gleich voraus- geschickt, daß das folgende Kapitel nur eine Beschreibung der Terminalzellen des Ausscheidungsapparates der Redien enthält, da es mir niemals mit einiger Sicherheit gelang, bei erwachsenen Tieren die Excretionskanäle selbst zu beobachten, wohingegen erstere bei Embryonen stets in wünschenswertester Deutlichkeit entwickelt waren. Es ist schwer zu sagen, woran diese merkwürdige Tatsache liegt. Vielleicht sind die Kanäle so fein und zart, daß ihre Wan- dungen bei der Konservierung zusammenfallen und so nicht mehr sichtbar sind, oder, was auch möglich ist, sie gehen bei der Degene- ration der Redie als nunmehr funktionslose Organe zugrunde; viel- leicht wirken beide Umstände gemeinsam mit. Auch Looss (1892) 26* 396 Edwin Rossbach, ist diese Erscheinung aufgefallen. Er sagt bei der Entstehung der Wandung der Exceretionskanäle der Cerearien: »Hiermit stimmen die Beobachtungen vollkommen überein, welche ich über die Reduktion dieser Gefäße und Trichter bei der Degeneration der Sporoeysten- und Redienwandungen gemacht habe, Beobachtungen, die aber noch sehr der Vervollständigung bedürfen. So erklärt sich wohl auch, daß man diese Gefäße an konservierten Präparaten so vollständig verschwinden sieht.< Daß eine Reduktion des Gesamtorganismus der Redien mit dem Alter mehr oder minder auftritt, haben wir be- reits vielfach gesehen. So wird es auch mit dem Exeretionsgefäß- system sein, denn an embryonalen Redien ist es fast immer in bester Weise entwickelt (vgl. Fig. 34, Taf. XVII). Auch LEUCKART sagt, daß es »nicht in allen Fällen gleich deutlich und immer nur strecken- weise zu erkennen ist«. Daß aber ein solches ausnahmslos allen Redien zukommt, davon konnte ich mich an allen meinen Präparaten überzeugen, denn, wenn auch die Kanäle selbst fehlten, so waren doch überall die Terminalzellen vorhanden. Die bei den embryonalen Redien sehr gut sichtbaren Kanäle sollen bei der Entwicklung des Wassergefäßsystems beschrieben werden. Die Hauptverbreitung der Terminalzellen, die mit der Eisen- hämatoxylinmethode aufs deutlichste gefärbt werden, liest in der mittleren und hinteren Partie des Redienkörpers; im vorderen Teile waren solche nicht aufzufinden. Besonders häufig treten sie in der Nähe der Fußstummel der Redie auf, wo sie oft in einem größeren Komplex zusammenliegen, zuweilen fünf bis sechs auf einem einzigen Längsschnitt. Die Wimperflammen sind dabei meist nach einem Punkt gerichtet (Fig. 19, 22, Taf. XVII), vermutlich dorthin, wo der Exeretionskanal liegt, den ich jedoch selbst nicht auffinden konnte. An jeder Terminalzelle kann man nun nach Busge zwei Teile unter- scheiden, die eigentliche Zelle mit dem Kern und daran anschließend die Wimperflamme mit der Capillare. Beide Teile, Zelle sowohl wie Wimperflamme, sind kegelförmig gestaltet. Fig. 20 (Taf. XVIH) die beiden rechts liegenden Zellen, bei denen jedoch die Flammen selbst auf dem Schnitt nicht getroffen sind. Die Capillaren, wenigstens der obere, die Flamme umgebende Teil derselben, da der übrige ebenso wie die Exeretionskanäle nie zu beobachten war, erweitert sich trichterförmig von dem spitzen Ende der Flamme etwa bis zur Mitte der letzteren und verläuft dann in gleicher Weite bis zur Terminalzelle. Fig. 19 (Taf. XVII) rechts oben zeigt die Capillare an einer Wimperflamme, die zugehörige Zelle ist nicht mit ange- Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 397 schnitten. Bei älteren Redien sind auch die Endstücke der Capilla- ren meist nicht gut erhalten. Ebenso wie bei Cestoden und Trematoden findet sich auch in den Capillaren der Redien in ihrer Mitte ein mit Eisenhämatoxylin sehr intensiv sich färbender Ringwulst, der sog. »Capillarring<«, der stets auf der Innenseite der Capillarwandung liegt. Dieser »Capillar- ring« besteht nach BusGE nicht aus einer homogenen Masse, sondern »aus einzelnen in der Längsachse des Trichters stehenden schwarzen Stäbehen von keulenförmiger Gestalt, deren dickes oberes Ende bis über die Mitte der Trichter reicht, während sie sich gegen die Capil- laren hin verjüngen und miteinander verschmelzen«. Diese Stäbchen sollen durch eine Kittsubstanz zusammengehalten werden. Ich selbst vermochte an meinen Präparaten eine derartige feine Differenzierung nicht zu beobachten, doch machen die der Busgezschen Arbeit bei- gegebenen Abbildungen diese Verhältnisse recht gut verständlich. Einige Forscher, führt BuGGE noch an, verlegten die in Rede stehende Verdiekung der Capillarwandung auf die Außenseite derselben; ich selbst habe, wie jener Autor, den »Capillarring« bei den Redien, wenn ich auch nicht allzuoft so günstige Bilder erhielt, stets auf der Innenseite gesehen, so daß ich daher in dieser Hinsicht die An- gaben des genannten Forschers, die von Cestoden und Trematoden selten, auch als für die Redien gültig bestätigen kann. In der Mehrzahl der Fälle fand ich die Capillarwände, Fig. 19, 20 (Taf. XVII), als eine dunkler gefärbte, scharfe Begrenzung, den Wimperflammen dicht anliegend.. Der Hohlraum, der sich während des Lebens zwischen Capillartrichter und Wimperflamme findet, und in welchem letztere sonst schwingt, ist meist verschwunden, vielleicht infolge der Konservierung oder vielleicht auch der Degeneration. Wie aus den diesbezüglichen Figuren hervorgeht, ist die Dicke der Capillar- wandung ziemlich beträchtlich. Die Wand des Capillartrichters verläuft bis zu dem kegelförmigen Plasma der eigentlichen Terminalzelle, bis zu der »Kappe« oder »Basalplatte« der Wimperflamme, wo sich beide vereinigen. Die letztere selbst läßt, wie es auch bereits von andern Autoren, z. B. Loöss (1885) und Pıntner sowohl für Trematoden wie Cestoden be- schrieben wurde, eine feine : Längsstreifung erkennen. Fig. 19 (Taf. XVII) zeigt diese an einer Terminalzelle unten rechts, wo die Flamme selbst nur angeschnitten ist und daher eine Auffaserung zeigt. . Die Flamme kann zuweilen leicht gewunden sein, Fig. 19 (Taf. XVII). An dem proximalen, breiten, im Plasma des Proto- 898 Edwin Rossbach, nephridiums liegenden Ende ist die Wimperflamme durch eine kappen- förmige Platte abgeschlossen, die sich ebenfalls sehr stark mit HEIBENHAINnSchem Eisenhämatoxylin färbt. Es ist dies die bereits erwähnte »Basalplatte« der Wimperflamme. Ihre Gestalt ist konvex- konkav, die Konvexität ist dem Kern der Terminalzelle zugewendet. Diese »Basalplatte<, von der die einzelnen Wimpern ihren Ursprung nehmen, denkt man sich aus vielen einzelnen »Basalkörnern« zu- sammengesetzt, zu jedem »Basalkorn« soll eine Wimper gehören. Den Zusammenhang zwischen Basalkörnern und Wimpern selbst habe ich nicht beobachtet; ein solcher ist ja auch nur sehr schwierig und nur an besonders günstigen Untersuchungsobjekten festzustellen, doch war an einzelnen günstigen Stellen eine feine Körnelung der »Basal- platte« wahrzunehmen, Fig. 22 (Taf. XVM). Der Bau und das Aussehen der Terminalzellen selbst weicht er- heblich von dem Typus der Zellen ab, die man sonst in der Redie antrifft; sie unterscheidet sich auch scharf von den umliegenden bläschenförmigen Keimzellen, so daß man erstere auf Schnitten, auch wenn die Wimperflamme selbst nicht getroffen ist, sofort von diesen unterscheiden kann. Meist ist der Kern der Terminalzelle etwas kleiner als der der Keimzellen, obschon dieser Größenunterschied kein durchgreifender ist. Der Kern nimmt den größten Teil der Verschlußzelle ein; sein Durchmesser beträgt in der Länge etwa 10 u, in der Breite 5 bis 6 «. Distal, nach der Wimperflammenkappe zu, ist der ovale Kern, der meist ein, seltener zwei deutliche Kern- körperchen enthält, oft etwas eingebuchtet oder doch abgeplattet, Fig. 19, 20 (Taf. XVII). An diese Einsenkung lehnt sich der konvexe Teil der »Basalplatte«. Zwischen dem proximalen Ende der Flamme bzw. ihrer »Kappe« und dem abgeplatteten Teil des Kernes liegt das häufig kegelförmig gestaltete Protoplasma der Verschlußzelle; in diesem Fall liegt die Basis des Plasmakegels nach dem Kern zu (Fig. 20, Taf. XVII, die beiden rechts gelegenen Terminalzellen, auch Fig. 19, Taf. XVII. Es hat also den Anschein, als wenn sich das gesamte Plasma der Nierenzelle an dem distalen Ende des Kernes konzentrierte, gleichsam um die Verbindung zwischen Kern und Wimperflamme herzustellen, denn auf allen Längssehnitten lag der Kern ein Stück von der letzteren entfernt. Bu6Ge sieht im Plasma des Protonephridiums ebenfalls eine feine Längsstreifung; ich habe eine solche nicht wahrnehmen können. Kern und Plasma der Terminalzelle waren im Gegenteil immer mehr oder minder stark granuliert, wodurch sich der Kern besonders in- Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 399 tensiv tingierte. Abgesehen von den Größenverhältnissen unterschied sich auch die Endzelle gerade durch diese Granulationen von den um- liegenden Keimzellen, die blasser gefärbt und bedeutend weniger sranuliert waren. Die kleinen Körnchen im Plasma und Kern der Nierenzellen werden allgemein, so von Busge, Looss (1892, 1896), PıinTnEr u. a., als Excretionsprodukte betrachtet. Zwischen den Terminalzellen der Redien einerseits, und denen der Trematoden und der ihnen nahe verwandten Cestoden anderseits scheint ein erheb- licher Unterschied in der äußeren Gestaltung zu bestehen. Alle Forscher, die sich mit der Anatomie des Excretionsapparates der Seoleciden beschäftigten, geben an, daß das Plasma der Verschluß- zellen oberhalb des Kernes sich in pseudopodienartige Fortsätze aus- zieht, die diese, wie BuGGE sich ausdrückt, »wie die Krone eines Baumes oberhalb des Stammes« umgeben, wodurch sie auch Binde- gewebszellen sehr ähneln. Ich selbst habe, wie die beigegebenen Abbildungen erkennen lassen, an den Terminalzellen meiner Redien eine derartige, doch nicht so leicht zu übersehende Erscheinung nicht konstatieren können, vielmehr lagen stets die Kerne der Zellen am proximalen Ende des ganzen Organs und gaben diesem so den Ab- schluß. Auch Looss (1896), der in Fig. 9 (Taf. XIV) seiner Arbeit die Endzelle des Excretionsgefäßsystems einer Redie abbildet, gibt diese ohne eine bäumchenförmige Verzweigung des Plasmas an, ebenso die einer Sporocyste in Fig. 127 (Taf. XII), während er (Taf. IV, Fig. 18, 74, 77, 87) die der Geschlechtsformen mit plasmatischen Ausläufern darstellt. Es ist möglich, daß deren Fehlen an der Kon- servierung liegt, aber andre Forscher haben sie mit denselben Kon- servierungs- und Färbemethoden an den Geschlechtsformen auch be- obachtet; der Möglichkeit, daß es sich hier um ältere Redien handelt, und daß die Fortsätze infolge der Degeneration verschwunden sind, widerspricht es, daß die Terminalzellen sich in genau der gleichen Ausbildung auch bei Embryonen wiederfinden, Fig. 34, 39, 40 (Taf. XVII, wenn schon das gänzliche Fehlen der Exceretionskanäle in alten Exemplaren auf eine Degeneration zurückgeführt werden muß. Da also auch bei Embryonen, bei denen sonst der gesamte Excretionsapparat in vorzüglichster Weise entwickelt ist, war von plasmatischen Ausläufern der Termmalzellen nichts zu sehen, so daß es den Anschein gewinnt, als wenn diese Art ihrer Ausbildung die normale sei. BUGGE führt nun in seinen Untersuchungen über die Entwicklung der Schlußzellen an, daß plasmatische Ausläufer oder Fortsätze zuerst den Terminalzellen fehlen, die dann genau das 400 Edwin Rossbach, gleiche Bild bieten wie die der Redien und sich erst im Verlaufe der weiteren Entwicklung des Tieres und seines Excretionsapparates aus- bilden. Zwar gelten die Busseschen Angaben von den Terminal- zellen der Cestoden, jedoch sind die Organisationsverhältnisse des Exeretionsgefäßsystems bei Cestoden und Trematoden so vollkommen analoge, daß man die an jenen gemachten Erfahrungen auch ohne weiteres auf letztere übertragen kann; auch für Cercarien macht Busse bezüglich der Ausbildung der jüngeren Stadien der Terminal- zellen die gleichen Mitteilungen. Es ist nun meine Ansicht, die durch die vorhergehenden Betrachtungen gestützt wird, daß man es vielleicht bei den Redien mit einem Entwicklungszustand der Terminalzellen zu tun hat, der bei den Geschlechtsformen nur ein embryonaler, bei ersteren jedoch ein dauernder ist. Obwohl CoE und Looss (1896), ersterer für das Miracidium, dieser für Sporocysten und Redien, die Terminalzellen so beschreiben, wie ich sie auch fand, d. h. ohne protoplasmatische Ausläufer, so erwähnen sie doch dieses Unterschiedes derselben gegenüber denen der Geschlechtsformen nicht; Looss (1896) sagt im Gegenteil S. 200: »Je ne veux au reste omettre d’attirer l’attention sur la grande res- semblance que presente la structure de cet appareil vasculaire avec celui d’un assez grand nombre de distomes adultes.< Ob damit nun auch die Terminalzellen gemeint sind, ist nicht bestimmt aus- gesprochen, aber doch jedenfalls anzunehmen. Wenn nun auch sonst die Übereinstimmung zwischen Redie und Sporocyste einerseits, Cer- carien und Geschlechtsformen anderseits bezüglich des Exeretions- apparates eine recht bedeutende ist, so ist meines Erachtens diese Differenz zwischen den Verschlußzellen beider doch wichtig und auf- fallend genug, um wenigstens Erwähnung zu finden. Das Nervensystem der Redie. Auch das Nervensystem der Redie ist zuerst von LEUCKART auf- sefunden worden. Wenn es auch nicht sehr umfangreich ist, so findet sich doch ein solches bei allen Redien. Auch bei älteren Individuen war dasselbe gut in seiner ursprünglichen Ausbildung er- halten ; von allen Organen der Redie wird das Nervensystem bei der Degeneration am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen. Es ist in der für alle Würmer charakteristischen Form des Schlundganglions ent- wickelt. Es besteht (Fig. 6, 9, 10, 11, Taf. XVI und 15, Taf. XVII) aus zwei zu beiden Seiten des Pharynx gelegenen, verhältnismäßig ziemlich umfangreichen Ganglien, die durch eine über den flaschen- Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 401 förmig verjüngten Anfangsteil des Darmes, von mir als Oesophagus bezeichnet, ziehende Schlundcommissur miteinander in Verbindung stehen. In gleicher Weise wird das Nervensystem auch von andern Forschern beschrieben (LEUCKART, Looss). Die beiden lateralen Schlundganglien werden außen von einem Kranz zahlreicher, mit Eisen- hämatoxylin sich tief dunkel färbender Kerne eingefaßt (Fig. 9, 10, 11, Taf. XVI). Letztere werden allgemein als die von Ganglienzellen an- gesehen, woran wohl kaum zu zweifeln ist, da sowohl ihre Lagerung als auch ihre Tinktion auf eine solche Funktion hindeuten. Die Kerne sind meist oval, aber auch rundlich, und unterscheiden sich von den Keimzellen sowohl durch ihre dunklere Färbung, als auch durch ihre geringere Größe. Infolge der von mir angewandten Färbungs- methoden waren an ihnen weder Achsencylinder, noch nervöse Fort- sätze zu erkennen. Im Innern dieses Kranzes von Ganglienzellen findet sich die nervöse Substanz der Ganglien in Gestalt der sog. »Punktsubstanz« oder einer feinen Streifung (Fig. 10, 11, Taf. XVI und 15, Taf. XVII). In derselben Weise beschreiben auch Looss (1892) von den Redien des Gastrothylax gregarius und andre Forscher die histologische Struktur des Rediennervensystems, so daß meine Resul- tate mit diesen übereinstimmen. LEUCKART sieht noch von diesem Centralnervensystem bei der Redie »in günstiger Lage auch einzelne Fasern an die Leibeswände übertreten<«. Eine Innervierung der Wandung sowie der Organe habe ich an meinen Präparaten nicht beobachtet, obwohl eine solche sicher wohl stattfinden mag. Dagegen konnte ich an vorteilhaften Schnitten embryonaler Redien aus Limnaeus eine nach vorn und hinten eine kurze Strecke verlaufende, sich spitz bzw. kegelförmig verjüngende Fortsetzung der Punktsubstanz der beiden Granglien wahrnehmen, von welcher jedoch der vordere Nervenstrang immer kürzer war. Auch Looss (1896) beschreibt eine solche von jugend- lichen Redien des bereits genannten Gastrothylax gregarius. I. Abschnitt. Die Entwicklung der Redie. Um die Entwicklung der Redie zu studieren, standen mir nur etwa 20 Redien zur Verfügung, die aus einem Limnaeus stammten, da sie eine neue Rediengeneration produzierten. Leider finden sich, wie ich bereits bemerken mußte, in den folgenden Zeilen manche Lücken, da ich bei der Entwicklung der Redie nur auf diese sehr beschränkte Anzahl von Exemplaren angewiesen war. Es ist mir 402 Edwin Rossbach, nieht möglich, diese Mängel zu beseitigen, da die vorliegende Arbeit infolge der auf das Studium der Richtungskörperbildung leider nutzlos verwandten Zeit zu einem gewissen Abschluß gebracht werden mußte. Wenn auch manches fehlen mag, so ließen doch meine Präparate das, was sie zeigten, in aller wünschenswertesten Klarheit erkennen, so daß sich die folgenden Mitteilungen als brauehbar und unsre Kenntnisse der Redie fördernd erweisen werden. Die Entwicklung des Darmes und des Pharynx. Die Entwicklung der Körpereuticula wurde aus praktischen Gründen an den Anfang des ersten Abschnittes gestellt, hier soll zunächst die Entwicklung des Digestionsapparates der Redie ge- schildert werden. Die Anlage und Entwicklung des Darmes ist, nachdem die Körperbedeckung sich gebildet hat, die nächste Ver- änderung, die man an dem zur Redie bestimmten jungen Keimballen beobachten kann. Loos (1892) und LEUCKART geben von ihren Redien eine bestimmte Länge an, mit welcher die Bildung des Darmkanals beginnt; so beginnt nach LEUCKART bei den zur Redie sich ent- wickelnden Keimballen des Distomum hepaticum die Darmbildung bei einer Größe von etwa 0,1 mm, bei denen das Amphistomum subclavatum nach den Loossschen Beobachtungen (1892) bei etwa 0,15 mm. Beide Angaben sind also ziemlich übereinstimmend. Ich vermochte bei meinen Redien in dieser Hinsicht keine bestimmte Länge festzustellen; es läßt sich allgemein nur so viel sagen, daß die Anlage des Darmes mit dem Pharynx bei solchen Keimballen auf- tritt, die nach Ausbildung der Cuticula aus der kugelförmigen Ge- stalt in eine länglich-ovale übergehen; anderseits fand ich auch häufig Redienkeimballen, die größer waren und sich bereits in die Länge gestreckt hatten und doch noch keine Differenzierung im Inneren erkennen ließen. Bei meinen Redien war also das Auftreten der Darmanlage von keiner bestimmten Länge abhängig. Looss (1892) führt noch von den Redien des Amphistomum subelavatum an, daß sich bei diesen schon eine neue Keimballenentwicklung noch vor der Anlage des Darmes zeigt; solehe jungen Keimballen können auch nach ihm bereits, ehe es zu einer weiteren Organentwicklung kommt, wieder eine größere Anzahl, zuweilen 7 bis 8, solcher ent- halten. Ich habe an meinen Exemplaren eine solche frühzeitige Keimballenbildung nicht beobachten können, wenn auch gewiß die Produktion der Keimballen für die nächste Generation schon sehr zeitig auftritt. Sie zeigt sich immer erst nach oder bei der Ent- Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 403 wieklung des Darmes, meist erst mit dem später erfolgenden Auf- treten der Leibeshöhle, wo dann allerdings sich gleich eine beträcht- liche Zahl von Keimballen zeigt. Nach der Ausbildung der Körperbedeckung bietet der dann noch meist rundliche Keimballen keine Differenzierung in seinem Innern, sondern die ihn zusammensetzenden Elemente liegen regellos durch- . einander. Ein Unterschied zwischen letzteren macht sich nur inso- fern bemerkbar, als man neben bläschenförmigen, großkernigen, hellen Zellen auch eine größere Anzahl solcher mit stark ganulierten, kleineren Kernen vorfindet, wie das auch von andern Autoren, so Looss (1892) und SCHWARZE beschrieben worden ist. Aber eine bestimmte Anord- nung dieser beiden Zellkategorien innerhalb des Keimballens ist nicht festzustellen. So führt es SCHwARZE von Cercarienkeimballen an, bei denen die kleinen Kerne innerhalb der sie umgebenden großen Keim- zellen liegen und die späteren Geschlechtsorgane der Cercarie liefern sollen. Bei den Cercarien konnte auch Looss eine solche Anordnung nicht beobachten. Das ist die einzige auf diesem Stadium bemerk- bare Differenzierung; die das Mesoderm und Entoderm liefernden Zellen zeigen noch keine Sonderung vor jenen, die später als Propa- gationszellen fungieren. | Bei der zunehmenden Längsstreckung des Keimballens jedoch tritt nunmehr in seinem Inneren eine große Veränderung auf, indem in seiner Längsachse sich eine Zellmasse zu konsolidieren beginnt: die Anlage des Entoderms. Durch diesen Vorgang wird die bisher noch nicht differenzierte Masse des Keimballens in eine centrale oder axiale und zugleich in eine periphere gesondert. Durch diesen Ent- wicklungsprozeß sind nun auch die drei Keimblätter der Redie ent- standen: Der axiale Zellstrang als Entoderm und das zwischen diesem und der Cuticula, die, wie wir aus ihrer Entwicklung sahen, das Eetoderm repräsentiert, gelegene Mesoderm, aus welchem letzteren sich nachher die Keimzellen, das Exceretionsgefäßsystem, die Kopf- drüsen und das Nervensystem entwickeln. LEUCKART hatte für die Entstehung des Rediendarmes zuerst eine Einstülpung von außen angenommen, ist jedoch in der zweiten Auflage seines bekannten Parasitenwerkes von dieser Ansicht wieder zurückgekommen. Man hat es, wie aus der Bildung des axialen Entodermstranges hervorgeht, ja auch mit einer typischen Organ- anlage zu tun. Wegen des beschränkten Untersuchungsmaterials zur Entwicklung der Redien ist es mir nicht gelungen, die Konsolidierung des Entodermstranges in seinen einzelnen Phasen zu verfolgen. Jedoch 404 Edwin Rossbach, findet die Bildung desselben nach den übereinstimmenden Angaben von Looss (1892) und LEUCKART nur allmählich statt, und zuerst ist die Abgrenzung gegen das Mesoderm noch wenig ausgeprägt, dann wird dieselbe aber immer schärfer. Die Keimballen, die mir zur Be- obachtung vorlagen, zeigten die Darmanlage, wenn dieselbe ent- wickelt war, stets schon scharf und deutlich umgrenzt (Fig. 23, Taf. XVII, die auch zugleich die Bildung der Leibeshöhle zeigt, und Fig. 24, Taf. XVII). Vermittelnde Übergänge, die die all- mähliche Ausgestaltung des axialen Zellstranges in den einzelnen Stadien zeigen, vermochte ich nicht zu erhalten, obwohl ich an einzelnen Embryonen den Anfang dazu durch eine dunklere Fär- bung in der Längsachse derselben liegender Zellen zu erkennen glaubte. Die Konsolidierung des Entoderms beginnt nach Looss (1892), der die einzelnen Stadien dieses Vorganges lückenlos an lebendem Material beobachtete, von einem Pole des ovalen Keimballens aus, der späteren Mundöffnung des Tieres. Ursprünglich, bei seiner ersten Anlage, besteht das Entoderm aus den gewöhnlichen, hellen, groß- kernigen Zellen, wie sie sich ja in jedem Keimballen vorfinden, die sich aber in seiner Längsachse in bestimmter Weise anordnen, indem sie sich hintereinander anreihen. Während nun dieser Vorgang nach dem späteren Hinterende des Tieres zu fortschreitet, treten die vorn, am Ausgangspunkt gelegenen Zellen in eine engere Vereinigung mit- einander, indem sie fester zusammenschließen und sich von dem um- sebenden Mesoderm dadurch allmählich immer schärfer abgrenzen, daß das Plasma dieser einzelnen, hintereinander gereihten Zellen verschmilzt und durch Verdichtung die Abgrenzung des Entoderm- streifens gegen das Mesoderm hervorruft. Dadurch nimmt auch, wie die angeführten Figuren erkennen lassen, die Färbungsfähigkeit dieser Organanlage bedeutend zu. So zeigt Fig. 23 (Taf. XVII) die von vorn nach hinten fortschreitende Differenzierung und Verdichtung der Darmanlage, zugleich mit dem Auftreten der Leibeshöhle. Während an dieser Figur oben der Achsenstrang schon in typischer Weise aus- gebildet und von dem Mesoderm bzw. der Leibeshöhle scharf ab- segrenzt ist, auch dunkel gefärbt, nimmt die Färbungsfähigkeit der Entodermzellen nach hinten zu immer mehr ab, wird auch undeut- licher und man erkennt hier statt der dort in der dunklen Plasma- masse hintereinander liegenden, scharf begrenzten Kerne solche Zellen von rundlicher Gestalt mit großen runden Kernen, wie sie sonst in den Keimballen vorkommen, also.noch nicht differenziert; auch sind Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 405 im hinteren Teile der Darmanlage deren Grenzen noch nicht so aus- seprägt wie im vorderen. Auffallend und bemerkenswert ist, daß die Kerne aus der kuglisen Gestalt in eine ovale übergehen (Fig 23, 24, Taf. XVII, Fig. 32, Taf. XVII) und sich mit ihrer Längsachse senkrecht zu der des axialen Stranges und des ganzen Tieres stellen. Sie enthalten meist einen, seltener zwei Nucleolen. Mit dem Übergang der Kerne aus der runden in die ovale Gestalt schließen sie sich auch, die zuerst weiter auseinander lagen, einander an (Fig. 25, Taf. XVII, Fig. 32, Taf. XVII. Dann grenzt sich auch das Plasma des Entoderms schärfer von dem Mesoderm ab, so daß es zuletzt zu einer Bildung einer »Tunica‘ propria« |Looss (1892)] kommt, die sich bei jungen Redien und Embryonen findet (Fig. 4, Taf. XVI, Fig. 26, Taf. XVII), bei älteren aber durch die Ausdehnung des Darmsackes mit dem Wachstum immer mehr und mehr verschwindet. Ist die Anlage und Ausbildung des centralen Entodermstranges so weit vorgeschritten, daß er ein in sich vollkommen geschlossenes, vom Mesoderm scharf abgesetztes Ganzes bildet, so tritt im Ent- wicklungsgange der Redie ein neuer Vorgang auf: die Bildung der Darmhöhle. Diese wird dadurch vorbereitet, daß in dem bisher soliden Entodermstrang in der Längsachse ein feiner Spalt auftritt, der von vorn, d.h. der späteren oralen Partie der Redie, beginnend, sich in die kompakte Masse allmählich vorschiebt und diese nach beiden Seiten auseinander treibt (Fig. 24, Taf. XVII, Fig. 25, Taf. XVIM). An der Stelle, wo der Spalt eindringt, besteht der Darmstrang auch nicht mehr aus einer Reihe der oben beschriebenen eigenartigen Zellen, sondern nunmehr aus zwei Reihen, den späteren Darmwandungen, in welche sich der Spaltraum einzwängt (Fig. 24, Taf. XVII, Fig. 25, Taf. XVII unten). In welcher Weise dieser zur Ausbildung ge- langt, konnte ich an meinem konservierten Material nicht beobachten. Looss (1892), der diese Vorgänge an lebenden Redien von Ampki- stomum subelavatum beobachtete, gibt an, daß das Auseinanderweichen der die Darmwand liefernden Zellen des soliden Entodermstreifens herbeigeführt wird »infolge eines Secretionsprozesses, indem die Zellen eine klare, farblose Flüssigkeit absonderten, welche sie selbst aus- einander trieb«. Es können nach demselben Forscher auch mehrere selbständige durch Secretion entstehende Lumina innerhalb des kom- pakten Zellzapfens sich herausbilden, die später zusammenfließen und dann die Zellmasse auseinander drängen (Taf. XX, Fig. 5 der Loossschen Arbeit). Solche vereinzelte, isolierte Lumina bemerkte 406 Edwin Rossbach, ich an meinen Präparaten nicht, sondern das Auseinanderweichen des entodermalen Zellstranges erfolgte stets von vorn, von der Anlage des späteren Pharynx her, durch das Eindringen eines feinen Spaltraumes (Fig. 24, Taf. XVO, Fig. 25, Taf. XVII). Wie die Anlage des Entodermstreifens und das Vordringen des Spaltes in demselben immer von dem späteren oralen Pole der Redie beginnt und nach hinten zu fortschreitet, so beginnt auch die Aus- dehnung des letzteren stets von vorn. Fig. 25 (Taf. XVII), die einen schräg getroffenen Längsschnitt durch die vordere Partie eines Redienembryos darstelit, zeigt die in der Bildung des Darmlumens sich zuerst einstellende zwiebelförmige Auftreibung des vorderen Darmabschnittes, der sich später zum Pharynx entwickelt und daher das Pharynxlumen repräsentiert, zugleich auch den von dort wie auf Fig. 24 (Taf. XVII) in den axialen Zellstrang eindringenden Spalt- raum. Auf den folgenden Schnitten des zu dieser Serie gehörigen Embryos ist der Entodermstrang noch geschlossen. Im Anschluß an die Beschreibung der Darmentwicklung der Redie möchte ich gleich hier die des fertigen Darmes einer sehr jungen Redie geben, da dieser von dem einer älteren, ausgewachsenen in einigen Punkten ganz erheblich abweicht (vgl. hierzu das Kapitel über den Bau des Darmes einer alten Redie). Fig. 26 (Taf. XVIM) zeigt einen Querschnitt durch ein sehr jugendliches, aber bereits voll- kommen ausgebildetes, noch im Muttertier liegendes Exemplar, Fig. 4 (Taf. XVI) den Teil eines gleichen Querschnittes.. Man vergleiche mit den genannten Zeichnungen die einer alten Redie (Fig. 9, 11, Pat x) Die die Wandung des jungen Darmes bildenden Zellen sind zu- nächst bedeutend kleiner und weniger suceulent als die der alten Redien; sie besitzen noch eine kuglige oder ovale Gestalt, während letztere, polygonal gestaltet, mehr ein Plattenepithel darstellen (Fig. 9, 11, Taf. XVI.. Auch ist das Gefüge der Zellen des jungen Redien- darmes untereinander ein viel festeres, als bei jenen, wo, wohl in- folge der Streckung des ausgebildeten Darmkanals mit dem Wachs- tum der Redie und der Degeneration im Alter, eine gewisse Lockerung des Zusammhanges der einzelnen Elemente auftritt. Außen am Darm jugendlicher Redien ist eine begrenzende »Tunica propria« deutlich entwickelt, die bei älteren mehr oder minder verschwindet. Ihre Bildung habe ich nicht verfolgen können; nach Looss (1892) ent- wickelt sie sich, wie auch alle andern bei der Redie auftretenden gleichen Gebilde, aus eutieularisierten Zellen. Eine Muskulatur, wie Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 407 ich sie deutlich am Darm älterer Redien auffand, war nicht mit Sicherheit festzustellen. Nach innen, nach dem Darmlumen zu, wird der Darm junger Redien ebenfalls durch eine an die »Tunica propria« erinnernde Outicula abgegrenzt. Zuweilen zeigt diese innere Begrenzung der Darmwand eine polygonale Gestaltung (Fig. 4, Taf. XVI, Fig. 26, Taf. XVII), die jedoch später in eine kreisrunde übergeht. An dem Darm der embryonalen Redien, welchen die beiden zuletzt genannten Figuren zeigen und die aus Limnaeus stammen, ist der ziemlich starke und dichte Stäbehenbesatz, welchen diese im Gegensatz zu denen aus Paludina auf der Innenseite ihres Darm- kanals besitzen, noch nicht entwickelt; er stellt also, wie auch Looss (1896) angibt, erst eine spätere Errungenschaft der Redie dar. Die Entwicklung des Pharynx der Redie. Hand in Hand mit dem Vordringen des Spaltes innerhalb des Entodermstranges geht die Entwicklung des Pharynx vor sich. Während dieser durch sein Vordringen die Darmwand und zugleich das Darmlumen zur Ausbildung bringt, bildet sich der Pharynx um den »hohlen Anfangsteil« des Achsenstranges aus (Fig. 25, Taf. XVII). Zunächst erfährt der Pharynx eine Erweiterung durch eine zwiebel- förmige Auftreibung des Spaltraumes. Mit diesem Zeitpunkt setzt auch eine ganz erhebliche Größenzunahme des Embryos sowohl in die Länge, als in die Breite ein; hierdurch wird auch zugleich in der vorderen Partie des Tieres durch Zurückweichen des Mesoderms vom entodermalen Achsenstrang die Leibeshöhle angelegt, wie nachher noch eingehender zu erörtern ist. Das vorn, am späteren oralen Teile der Redie gelegene Mesoderm gruppiert sich um die zwiebel- förmige Auftreibung, Fig. 27 (Taf. XVII), und gestaltet sich dort zu einer kugelföürmigen Masse um, der späteren Muskulatur des Pharynx. Auf dem eben beschriebenen Stadium zeigen die Zellen selbst noch . keine Differenzierung. Abgesehen von ihrer bestimmten Lagerung, bieten sie sonst das gewöhnliche Bild der bekannten runden Meso- dermalzellen. Eine Veränderung findet allmählich dadurch statt, daß sich diese kuglige Pharynxmasse mit einem Kranz von Zellen um- sibt, die einen gleichen Cutieularisierungsprozeß durchmachen, wie man ihn an den Eetodermzellen sah, wodurch eine den Pharynx nach außen abschließende Cuticula gebildet wird. Wie man hieraus wiederum ersieht, sind solche Cuticularisierungsvorgänge bei der Redie sehr verbreitet. Die erwähnte zellige Begrenzung der meso- dermalen Pharynxmasse habe ich an meinen Exemplaren nicht direkt 408 Edwin Rossbach, beobachtet; sie ist von Looss (1892), dem wir bezüglich der Entwick- iungsgeschichte der Redien so außerordentlich viel verdanken, an den Redien von Amphistomum subclavatum gesehen worden. Die Fig. 28, 29, 30 (Taf. XVII), welche Querschnitte einer Serie durch den Pharynx darstellen und einem gleichaltrigen oder etwas späteren Stadium wie Fig. 27 (Taf. XVIII) entsprechen, lassen erkennen, wie sich die bis dahin durcheinander liegenden mesoder- malen Zellen der kugligen Muskelmasse des Pharynx so anordnen, wie man es auch später auf Schnitten durch den ausgebildeten Pha- rynx sieht, indem sie sich zu einer einzigen im Umkreise des Pha- rynxlumens liegenden Schicht lagern. Die Längsachsen dieser später meist ovalen Muskelzellen stehen in der Regel senkrecht zu der des Pharynx. Sie liefern zweifellos die bereits erwähnten, in ihrer Be- deutung noch nicht sicheren »großen Zellen« des definitiven Pharynx. Ihre Schicksale weiter zu verfolgen, was allein genauen Aufschluß über ihre Funktion hätte geben können, ist mir leider nicht möglich gewesen. Die zuletzt genannten drei Fig. 28, 29, 50 (Taf. XVII) zeigen die äußere cuticulare Begrenzung des Pharynx bereits aus- gebildet; auch ist die Muskulatur schon entwickelt, wie die feine Streifung "innerhalb des Pharynx erkennen läßt, Wie bekannt, zeigt der Schlundkopf älterer Redien auch stets eine starke innere Outicula (Fig. 9, 10, 11, Taf. XV]). Diese entsteht gleichfalls durch einen Cuticularisierungsprozeß der entodermalen Zellschicht des Pharynx. Ihre anfänglich runden Zellen, wie man sie noch auf Fig. 25 (Taf. XVII) sieht und auch vom Darmepithel her kennt, flachen sich allmählich ab, veröden und liefern schließlich die innere Pharynxeuticula. Während also beim Darm selbst die Zellen des früheren entodermalen Achsen- stranges erhalten bleiben, erleiden sie im Bereich des Pharynx eine Umwandlung, indem ihre zuerst rundlichen, hellen Kerne sich ab- platten, stark granuliert werden und zuletzt degenerieren. »Diese Cutieula, sagt Looss (1892), ist demnach mit dem Darmepithel gleichwertig.< Auch dieser Verödungsprozeß beginnt, ebenso wie die Anlage des Entodermstranges und die Bildung der Darmhöhle, vom oralen Abschnitt her, wie die Fig. 27, 28, 29, 30 (Taf. XVII) zeigen. Die letzten drei veranschaulichen drei ausgewählte, aufeinander folgende Bilder aus einer Serie von Querschnitten durch den Schlundkopf des- selben Exemplars. Während auf dem ersten Schnitt von vorn (Fig. 28, Taf. XVII) die Cutieularisierung des Pharynxepithels schon voll- endet ist, nimmt die Zahl der auf den folgenden Schnitten (Fig. 29, 30, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 409 Taf. XVII) noch vorhandenen Zellen zu (Fig. 29, Taf. XVII, zwei, Fig. 30, Taf. XVII, vier Zellen, die allmählich ebenfalls, von vorn nach hinten fortschreitend, der Verödung anheimfallen). Auf diesem Stadium der Entwicklung ist der Pharynx noch durch die Körpereuticula geschlossen; sein Durchbruch erfolgt erst später, nach der Geburt, durch die von Looss beobachtete Häutung der Redie. Ich möchte hier noch auf eine Beobachtung aufmerksam machen, die mir an den jungen Redien zu wiederholten Malen aufgefallen ist, und worüber ich bei Looss und LEUCKART keine Mitteilung auf- fand. Bei einer ziemlichen Anzahl junger Tiere aus Leimnaeus, die einen Pharynx bereits angelegt hatten, bemerkte ich, wie die Fig. 31, 32 (Taf. XVII) darstellen, daß derselbe nicht terminal lag, sondern nach einer Seite gekehrt war, wodurch dann der Gegensatz zwischen einer dorsalen und ventralen Seite geschaffen wird. Fig. 31 (Taf. XVIH) zeigt einen Längsschnitt durch eine junge Redie, welche die Lagerung des Pharynx nach der Ventralseite zeigt. Der zu diesem gehörige Darm liegt auf den folgenden Schnitten der Serie; der die Darmhöhle liefernde Spaltraum ist in dem Entodermstrange schon fast bis zu dessen Hinterende vorgedrungen. Bei älteren Individuen ist ein solcher Gegensatz nicht zu beobachten (vgl. die diesbezüglichen Figuren); bei ihnen liegt der Pharynx und seine Öffnung immer terminal. Es scheint daher, als ob mit der wei- teren Ausbildung der Redie wieder eine Verlagerung des Pharynx stattfände. Die Entwicklung der Leibeshöhle. der Redie. Die ungefähr mit der Konsolidierung des Mesoderms um den An- fangsteil des Entodermstreifens einsetzende Größenzunahme der Redien in Länge und Breite bedingt auch zugleich die Bildung der Leibes- höhle. LEUCKART erwähnt in seinem Parasitenwerk die Entstehung der Leibeshöhle der Redien. Sie entsteht in einfachster Weise da- durch, daß die mesodermalen Zellmassen, dem Wachstum der Redie folgend, von dem entodermalen Achsenstrange zurückweichen, wo- durch ein Hohlraum, eben die Leibeshöhle, entsteht (Fig. 23, Taf. XVII, 32, Taf. XVII. Fig. 23 (Taf. XVII) stellt ein etwas früheres Stadium als Fig. 32 (Taf. XVIII) dar; auf ihr sieht man das zurück- weichende Mesoderm mit dem axialen Strang noch durch feine Plasmafädchen verbunden, die miteinander anastomosieren können. Das Zurück weichen ist durchaus kein regelmäßiges und gleichförmiges, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. | 410 Edwin Rossbach, sondern wie die genannten Figuren zeigen, sind einzelne Teile schon weiter abgerückt, während andre dem Achsenstrang noch näher stehen, so daß die Begrenzung des Mesoderms nach der Leibeshöhle zu ein wellenförmiges Aussehen bietet. Während in Fig. 23 (Taf. XVII) die Leibeshöhle noch verhältnismäßig schmal ist, auch eine Sonderung des Mesoderms vom hinteren Ende des Entodermstranges, dessen Zellen auch noch keine Differenzierung erfahren haben, stattgefunden hat, ist in dem späteren Stadium, wie es Fig. 32 (Taf. XVII) dar- stellt, die Leibeshöhle bereits gut ausgebildet, das Mesoderm mit dem Entoderm verbindende Plasmastränge fehlen nunmehr ganz: Es ist somit zur Ausbildung des späteren Keimepithels gekommen. Durch die Streckung des Redienembryos in die Länge erfolgt auch eine Sonderung des Mesoderms vom hinteren Ende des Achsenstranges, wodurch eine Isolation der im aboralen Teile der Redie gelegenen Anhäufung mesodermaler Keimzellen erzielt wird, die die Autoren sewöhnlich als »Keimlager« bezeichnen. Wie Fig. 32 (Taf. XVIM) zeigt, haben die meisten Zellen des Mesoderms ein andres Aussehen; sie sind groß, hell, bläschenförmig geworden und lassen dadurch ihre Bestimmung als Keimzellen erkennen, wie man sie auch in alten Redien wiederfindet. Während sich die Leibeshöhle immer weiter entwickelt und ver- srößert, drängt ein zunächst schmaler, dann sich allmählich erweitern- der Spaltraum von derselben nach vorn und seitwärts, bis er auf die Körpereutieula stößt (Fig. 27, 32, Taf. XVIII). Hier entsteht später die Geburtsöffnung. Daß es sich bei Fig. 27, 32 (Taf. XVII) nicht etwa um eine künstliche oder ganz zufällige Rißbildung handelt, geht daraus hervor, daß ich vielfach ganz gleiche Bilder von ver- schiedenen Exemplaren, die sich auf dem in diesen Figuren darge- stellten Stadium befanden, beobachten konnte. Auch die Geburts- öffnung ist zunächst noch durch die Körpereutieula geschlossen; wie der des Pharynx, so erfolgt ihr Durchbruch gleichfalls erst nach der Geburt durch die schon öfter erwähnte, von Looss (1892) beobachtete Häutung der Redien. Also auch bei der Entstehung der Leibeshöhle kommt es nie, wie SCHWARZE annahm und schon bei der Entwick- lung der Darmhöhle angeführt wurde, zu einer Ausstoßung oder einem Zerfall von Elementen, sondern auch jene entsteht, in ähnlicher Weise wie die letztere, zunächst durch einen schmalen, durch Zurückweichen des Mesoderms vom axialen Entoderm infolge des Wachstums der tedie bedingten Hohlraumes, der sich dann allmählich bis zur defini- tiven Leibeshöhle erweitert. | Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. A411 Die Leibeshöhle nimmt etwa in der Mitte des Embryos ihren Anfang und setzt sich dann nach hinten fort, wodurch das »Keim- lager« der Redie gebildet wird. Der Pharynx dagegen bleibt noch eine Zeitlang mit dem Mesoderm im vorderen Teile des Tieres ver- bunden (Fig. 28, 29, 30, Taf. XVII). [Querschnitte durch den fertigen Pharynx einer ziemlich weit entwickelten Redie, welche, wie die folgenden Schnitte der Serie zeigen, eine Leibeshöhle besitzt. Hier ist jedoch der Pharynx von dem umliegenden Mesoderm noch nicht geschieden.] Erst nach vollkommener Ausbildung des Cöloms schiebt sich auch von dieser her ein feiner Spalt in den Kopfteil der Redie vor, der dann den Pharynx vom Mesoderm trennt. Nach vollendeter Entwicklung der Redie mit allen Organen, Leibeshöhle u. s. f. und bei beginnender Keimballenentwicklung stellt das Mesoderm — also das spätere Keimepithel —, dessen Entstehung durch die Leibeshöhle ange- bahnt wird, noch eine ziemlich kompakte Masse dar (Fig. 23, Taf. XVII, Fig. 27, 32, Taf. XVII). Erst infolge des nach der Geburt der Redie besonders stark einsetzenden Wachstums, zugleich durch den Abgang der zur nächsten Generation sich entwickelnden Keimzellen, auch durch die Größenzunahme der Keimballen erfolgt eine Verminderung der Dicke des Keimepithels, so daß letzteres schließlich nur noch, abgesehen von dem immer etwas massiger bleibenden Keimlager, eine tapetenartige Auskleidung der Leibeshöhle bildet, wie man es meistens bei älteren Individuen findet. Dieses Verhalten hat wohl auch zu der Bezeichnung »Keimepithel« geführt; bei sehr alten und mit vielen Keimballen gefüllten, schon der Degeneration verfallenen Redien fehlt auch häufig noch dieser dünne Wandbelag an einzelnen Stellen, so daß an solchen schließlich nur noch die Körpereuticula die Be- grenzung des Tieres darstellt. Die Excretionsgefäße und Terminalzellen. Wie ich schon bei der Beschreibung des Exceretionsgefäßsystems der ausgebildeten Redien anführte, ist es mir nicht gelungen, die Kanäle desselben zu beobachten und ich führte in dem betreffenden Kapitel die mutmaßlichen Gründe dafür an. In bester Weise gelang es mir aber, diese an jungen, noch in der Mutterredie liegenden Tieren aufzufinden. LEUCKART spricht die Vermutung aus, »daß das exeretorische Gefäßsystem vermutlich überall vorhanden ist«. Wir wissen jetzt durch neuere Untersuchungen, daß dasselbe nicht nur vermutlich, sondern tatsächlich stets bei der Redie vorhanden ist. Nicht nur aus den bei älteren Redien oft in großer Anzahl vorhan- ALS: 412 Edwin Rossbach, denen Terminalzellen, welche auf das Vorhandensein eines Gefäß- systems schließen lassen, sondern auch an jungen Tieren, bei denen die Kanäle selbst entwickelt sind, konnte ich mich überzeugen, daß ein solches ausnahmslos allen Redien zukommt. Fig. 34 (Taf. XVII) zeigt auf einem Längsschnitt, der aus mehreren Schnitten einer Serie kombiniert ist, den Verlauf der beiden Hauptkanäle bei den Redien. So gut nun auch diese an meinen Schnitten junger Redien erhalten waren, glückte es mir nicht, ihre Ausmündungen, die Pori exeretorii, aufzufinden, da wohl auch Schnitte sich kaum zu ihrer Beobachtung eignen. LEUCKART gelang es gleichfalls nicht, diese zu beobachten, denn er sagt: »Ebenso hat sich die Ausmündung der Gefäße bis jetzt der Untersuchung entzogen.« Dagegen hat sie Looss (1892 u. 1896) bei fast allen seinen Redien aufgefunden. Möglicherweise sind die Ausmündungen ebenso wie die Geburts- und Pharynxöffnung auf diesem Stadium gleichfalls noch durch die Körperbedeekung ge- schlossen und brechen erst wie jene durch die Häutung durch. Was die Zeit der Entwicklung anlangt, so wird das Exeretions- gefäßsystem von allen Organen der Redie zuletzt gebildet; es findet sich ohne Ausnahme erst an großen, sonst fertig entwickelten Embryonen, wenn in diesen selbst schon die Entstehung der neuen Brut beginnt. Solche Redien jedoch, welche eine größere Anzahl junger Keimballen beherbergen, zeigen die Verhältnisse des Kanal- systems nicht mehr so gut, da durch das Auftreten dieser und die dadurch hervorgerufene Füllung der Leibeshöhle dieses Organ mehr oder weniger verlagert wird; am besten ist das Wassergefäßsystem an solchen Embryonen zu sehen, welche kurz vor der Entwicklung der neuen Generation stehen oder eben erst damit begonnen haben; solche lassen besonders klar die Kanäle erkennen. Einem solchen Exemplar entstammt Fig. 34 (Taf. XVIID. Wie alle Forscher, die die Entwicklung der Redie untersuchten, so auch Looss (1892 u. 1896), angeben, ist die Zahl der in einer jungen Redie vorhandenen Flimmertrichter eine sehr geringe, zuerst nur, wie letzterer anführt, zwei bis drei, die der Menge von Terminalzellen in älteren Tieren gegenüber nicht in Betracht kommen. Es muß also noch nach der Ge- burt der Redie eine Weiterbildung des Exceretionsorgans stattfinden, wohingegen die Entwicklung aller andern Organe, natürlich von dem notwendigen Wachstum abgesehen, mit der Geburt abgeschlossen ist. Wie LEUCKART angibt, beobachtete schon richtig DE FILIPPL, daß das Exceretionsgefäßsystem der Redien aus zwei lateral gelegenen, mitein- ander parallel verlaufenden Längsstämmen besteht (Fig. 34, Taf. XVII). ac, A er ee ee ae A + Au a A a a Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 413 Wie letztere Figur erkennen läßt, ist der Verlauf der beiden Hauptkanäle nicht gerade gestreckt, sondern etwas gebogen. Sie liegen auch meist nicht in gleicher Höhe mit dem Darm, sondern etwas über oder unter demselben. Die Weite des Lumens der Ge- fäße beträgt, im Durchschnitt, in der Mitte des jungen Tieres ge- messen, etwa 2 bis 3 u. Die Durchmesser des Lumens in den late- ralen Stämmen des Excretionsorgans nehmen von vorn nach hinten etwas zu, so daß sie hier bei guter Entwicklung der Kanäle 5 bis 6 u betragen kann. Auch CoE gibt das gleiche Verhalten für die beiden Wasserkanäle des Miracidiums an. Looss (1892) hebt das zwar in seiner Beschreibung des Exceretionsorgans der Redien des Amphi- stomum subelavatum nicht besonders hervor, jedoch lassen seine Ab- bildungen (Fig. 9 und 10 auf Taf. XX) die gleichen von mir an den Kanälen der Redie gemachten Erfahrungen erkennen. Die beiden Excretionsgefäße erstrecken sich bei der embryonalen Redie ziemlich weit nach vorn, bis in den Kopfabschnitt, dringen jedoch in den Pharynx selbst nicht ein. Was nun die Entwicklung des Exceretionsapparates der Redie betrifft, so sind die Angaben darüber bislang äußerst dürftig. LEUCKART und Looss (1892 und 1896) machen wohl einige Mitteilungen darüber bei der ausgebildeten Redie, aber es existieren keine direkten Be- obachtungen über seine Entwicklung, denn Looss, welcher, soweit mir bekannt, der erste ist, der sich mit der Entwicklungsgeschichte der Redien beschäftigte, hat an letzteren selbst die Entstehung des Ausscheidungsorgans nicht verfolgen können, wie er sagt: »Was das Gefäßsystem anbelangt, so ist es mir nicht geglückt, die erste An- lage desselben bei unsrer Redie zu beobachten, es scheint erst nach der Geburt deutlich zu werden.«ce Dagegen hat er genauere Beob- achtungen an der Cercarie von Amphistomum subelavatum über die Entwicklung dieses Organs gemacht und glaubt keine Bedenken tragen zu müssen, die an jener gemachten Erfahrungen auch direkt für die Redie in Anspruch zu nehmen. Ich will deshalb bei der Frage nach der Entwicklung des Gefäßsystems die Bildung desselben bei den Cercarien heranziehen, von welchen Literaturangaben in srößerer Anzahl vorliegen. Bezüglich der Entwicklung der Wasserkanäle der Cercarien stehen sich zwei Auffassungen scharf gegenüber. Die eine, die durch Looss (1892) vertreten wird, läßt die Kanäle aus Lückenräumen, aus Lacunen, hervorgehen, die zwischen den Mesodermzellen entstehen. Nach Looss nimmt auch Taomas ein gleiches Entstehen des Ex- 414 Edwin Rossbach, eretionsorgans für die Sporocysten des Distomum hepaticum an. Looss (1892) sagt wörtlich von der Cercarie des Amphistomum sub- clavatum: »Zunächst sind Trichter sowohl wie Gefäße nicht aus hohlen Zellen zusammengesetzt, wie ich das in einer früheren Arbeit anzunehmen geneigt war, sondern es sind Lückenräume zwischen den Zellen.< Später sollen diese Hohlräume im Körperparenchym mit- einander verschmelzen und so die Kanäle bilden, indem die Mem- branen der anliegenden Mesodermzellen die Wandung derselben liefern. Diese Ansicht kann man als die »lacunäre Entwicklung« der Ex- cretionskanäle bezeichnen. Ihr steht die Auffassung von der »zelligen Entstehungsweise« gegenüber, nach welcher die Wasserkanäle aus vorgebildeten, hintereinander lagernden und zu einer Reihe sich an- ordnenden Zellen hervorgehen, etwa so, wie wir es von der Anlage des axialen Entodermstranges kennen lernten. Wie dort hat man es auch dann hier mit einer typischen, vorgebildeten Organanlage zu tun, deren Plasma zur Bildung der Kanäle durchbrochen wird. Letztere Auffassung vertritt die Mehrzahl der neueren, mit diesem Gegenstand sich beschäftigenden Arbeiten. Nur für eine einzige Art, wie BuGGE angibt, für die Belharzia haematobia, läßt Looss die Meinung der andern Forscher gelten; er stellt jedoch diese Form den andern als Ausnahme gegenüber. Mit Recht macht Busse daher den Einwand, daß es doch sehr verwunderlich wäre, daß so nahestehende Formen eine solche abweichende Entwicklung ihres Ausscheidungsorgans hätten. Auch schon theoretisch ließe sich gegen die Loosssche Auffassung einwenden, welcher auch die Bildung des Darmes aus bestimmten aneinander gelagerten Zellen, also aus einer Organanlage, sowohl bei Redien wie bei Cercarien hervorgehen läßt, daß doch auch das nicht minder wichtige der Excretion sich aus einer solchen Organ- anlage entwickeln wird. Nach den Bildern, die ich beobachtete, und von denen Fig. 35 (Taf. XVII) eins zur Darstellung bringt, glaube ich keinen Augen- blick zweifeln zu müssen, auch für die Redien die gleiche zellige Entwicklung des Gefäßsystems in Anspruch zu nehmen, wie sie Bus6E von den Cercarien in jüngster Zeit gegeben hat, dessen Resultate daher hier kurz angeführt werden mögen. Die ursprüng- lichste Anlage der Kanäle bilden Stränge von einzelnen, hinterein- ander gelegenen Zellen, an denen Zellgrenzen nicht mehr festzustellen sind. Das zu diesen Zellen gehörige Plasma sammelt sich an einer Seite der Kerne zu einem »homogenen, einheitlichen Plasmaschlauch« an, während letztere, dem Plasmaschlauch anliegend, ebenfalls in einer Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 415 Reihe hintereinander liegen. In diesem Protoplasmaschlauch_ tritt während der weiteren Entwicklung ein feiner Kanal auf, der das spätere eigentliche Wassergefäß liefert. Wenn mir nun auch manche Einzelheiten fehlen, so kann ich mich auf Grund meiner eignen Resultate nur der eben wiederge- sebenen Busgeschen Beobachtung auch für die Redien anschließen. Aus Fig. 35 (Taf. XVII) ergibt sich das eine mit Sicherheit, daß die Wasserkanäle nicht,. wie Looss es annimmt, aus Lückenräumen zwischen den Mesodermzellen hervorgehen, sondern aus einer Reihe distinkter Zellen, die sich sowohl durch ihre Lagerung als auch durch ihren Gesamthabitus vor diesen auszeichnen. Fig. 35 (Taf. XVII) zeigt ein Stück des Wasserkanals einer Redie, wie man solche Bilder überhaupt immer nur streckenweise zu sehen bekommt; die den Kanal beiderseits begrenzende feine Membran ist bereits durch die Kanal- bildung in dem ein Syncytium darstellenden Zellenstrang zur Aus- bildung gebracht; nur die zu den Zellen gehörigen Kerne sind noch erhalten, zwischen welche die zarte Begrenzung des Kanälchens sich ebenfalls erstreckt. Eine Muskulatur, wie sie von den ausgebildeten Gefäßen der Cercarien und Geschlechtsformen angegeben wird, war an diesen Kanälen der Redie noch nicht wahrzunehmen. Ob eine solche bei älteren Redien vorkommt, vermag ich nicht zu sagen, da die Kanäle äußerst fein sind und dies mit der Muskulatur wohl noch in weit höherem Maße der Fall sein würde, jedenfalls gelang es mir nicht, eine solche festzustellen. Ich zweifle aber nicht, daß dort tat- sächlich eine solche vorhanden ist, sie wird wohl nur, ebenso wie die des Darmes, später nach der Geburt zur Entwicklung gelangen, zu- mal da eine Muskulatur auch für die Bewegung der Exceretions- flüssigkeit in den Kanälen notwendig ist, und im allgemeinen die ÖOrganisationsverhältnisse der Redie mit denen der ÜCercarie fast über- einstimmen. Die in Fig. 35 (Taf. XVIII) zu dem Exeretionskanal ge- hörigen Kerne zeichnen sich vor den hellen rundlichen der übrigen Mesodermzellen durch ihre Granulation, dunklere Färbung, sowie durch ihre spitz ovale Gestalt aus. An dieser Stelle sei noch auf eine Erscheinung hingewiesen, die Looss (1892) von dem Gefäßsystem der Cercarien erwähnt und welche die Fig. 36, 37, 38 (Taf. XVII) illustrieren. Er sagt: »Gleichzeitig bemerkt man auch, wie zunächst an dem unpaaren Teil (d. h. der Endblase, der Vereinigung der beiden lateralen Stämme des Wasser- gefäßsystems der Cercarie), von da aber allmählich nach vorn auf die paarigen Gefäße sich ausdehnend, Parenchymzellen epithelartig 416 Edwin Rossbach, sich anlagern, welche später durch Wachstum und allmähliche Ver- flachung zu den Eigenwandungen des Gefäßsystems werden.« Die Wandung der Kanäle selbst wird wohl nicht durch die sich anlagernden Zellen zuerst gebildet, sondern sie entsteht, wie in dem Vorangehenden erörtert wurde, zunächst durch Verdichtung des Plasmas, welches zu dem die Anlage des Kanals bildenden Zellstrang gehört. Auch sind es nicht andre beliebige Mesodermzellen, die sich dem Gefäß anlagern, sondern ein Teil der zur Organanlage des ‚Gefäßsystems gehörigen Zellen, von denen nicht alle, wie wir später noch sehen werden, zu Terminalzellen sich entwickeln, sondern zur Verstärkung der Kanal- wandung verwendet werden. Es findet also durch diese Zellen nicht eine Bildung der Gefäßwand statt, sondern nur eine Verstärkung der bereits vorhandenen Wandung. Die Fig. 36, 37, 38 (Taf. XVII) zeigen, daß tatsächlich eine Verstärkung der infolge ihrer plasmatischen Ent- stehungsweise zunächst sehr zarten Grenzmembran der Kanäle erfolgt, indem die anliegenden Zellen, stark granuliert und sich allmählich verflachend, einen gleichen Cutieularisierungsprozeß durchmachen, wie wir ihn bisher so oft an der Redie kennen lernten. Wie die genannten Figuren zeigen, die aufeinander folgende Stadien dieses Vorganges an den Kernen darstellen, findet die Verstärkung der Kanalwandung von außen statt. Vielleicht findet auch die spätere Bildung der Muskulatur der Kanalwand auf diese Weise durch anliegende Mesodermzelien statt. Die Terminalzellen. Was die Entstehung der Terminalzellen betrifft, so kann ich mich damit kurz fassen, da wegen des seltenen Vorkommens solcher bei Redienembryonen zusammenhängende Beobachtungen nicht anzustellen waren. Die Hauptentwicklung scheint, wie bereits erwähnt, erst nach der Geburt der Redie stattzufinden. Ich muß auch hier wieder die Literatur über ihre Entwicklung bei den Cercarien heranziehen, da die bisherigen Untersuchungen darüber die Redie nicht berücksichtigt haben. Nach Busse entstehen die Wimperflammen in unmittelbarer Nähe der den Kanal liefernden Zellreihe oder gehen aus einem Teil von dieser selbst hervor. Zuerst sind die Wimperflammen noch mit dem Plasma des Zellstranges verbunden durch einen kurzen plas- matischen Stiel. Mit dem Wachstum der Cercarie rücken diese an- fangs noch kleinen Wimperzellen von dem Kanal fort in ihr Paren- chymgewebe, wobei sie größer werden und zugleich auch eine Neu- bildung von Protonephridien wieder am Exeretionskanal auftritt. Da snost Cercarie und Redie sowohl in ihrer Entwicklung wie in dem Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redin. 417 Bau ihrer Organe sehr übereinstimmen, wird die Entstehung der Terminalzellen in gleicher Weise auch bei letzteren erfolgen; eigne Beobachtungen vermochte ich nieht darüber anzustellen. Es findet sich jedoch ein Unterschied in dem Bau der Verschluß- zellen junger Redien und denen der Cercarien. Es fehlen nämlich den ersteren zunächst noch die Capillaren, welche den die Wimper- flamme aufnehmenden Trichter mit dem Sammel- oder Hauptkanal verbinden und eine Fortsetzung des Trichters bilden. Die Wimper- fammen ragen mit Hilfe des sie umgebenden Trichters direkt, ohne Vermittlung einer Capillare, in den Kanal hinein (Fig. 39, 40 auch 41, Taf. XVII). Die beiden ersten Figuren stellen dieselbe Terminalzelle auf zwei aufeinander folgenden Schnitten dar. Erst später, wenn nach den Angaben Bu6GEs, dessen Beobachtungen an Cercarien auch direkt auf die Redien übertragen werden können, ein Fortrücken derselben vom Sammelkanal erfolgt, wird eine Verbindung mittels der Capillare zwischen beiden hergestellt; aber auch an alten Exemplaren konnte ich ebensowenig wie Gefäße auch Capillaren feststellen. Daß ein allmähliches Abrücken der Flimmerzellen von dem letzteren auch bei Redien erfolgt, zeigen die Fig. 39, 40 und 34 (Taf. XVII), bei ersteren liegen die Flammen selbst noch vollständig im Exeretionskanal; auf Fig. 34 (Taf. XVII), die demnach ein etwas späteres Stadium darstellt, liegt die Wimperflamme, obgleich sie letzterem noch dicht anliegt, doch schon außerhalb des Gefäßes. Daß ferner noch später eine bedeutende Größenzunahme der Terminalzelle stattfinden muß, lehrt eine Vergleichung derselben auf den Fig. 34, 39, 40 (Taf. XVII), mit denen auf Fig. 19, 20, 22 (Taf. XVII). Fig. 41 (Taf. XVII) zeigt die Anfänge der Wimperbildung einer Terminalzelle. An einer dem Kanal (daß derselbe hier unregelmäbßige Konturen zeigt, ist wohl auf die durch die Konservierung entstandene Deformation so feiner Gebilde zurückzuführen) dicht anliegenden Zelle rückt das Plasma derselben, das sich zu einem spitz-kegelförmigen Gebilde ausgezogen hat, an die dem Kanale zugekehrte Seite und schließlich in letzteren selbst. Weitere Bilder zur Entwicklung der aus dem Plasma der Terminalzelle hervorgehenden Gebilde, als Wimper- flamme, Basalplatte, Trichterwandung erbielt ich nicht. Die an- geführten Figuren zeigen, daß ebenso wie an den Terminalzellen alter Redien auch an denen der Embryonen oberhalb des Kernes keine pseudopodienartigen Plasmafortsätze sich vorfinden. Auch die Entwicklung des Nervensystems der Redie 418 Edwin Rossbach, muß ich glücklicheren Forschern überlassen. Sie zu verfolgen gelang mir ebensowenig wie Looss (1892). Ich erhielt zwar manche Bilder bezüglich der Entwicklung des Rediennervensystems, vermag aber nicht, sie zu einem Ganzen zu vereinigen. Das Nervensystem zeigt sich mit der vollendeten Ausbildung von Darm und Pharynx gleich- falls schon entwickelt. Die beiden Schlundganglien liegen als eine ziemlich scharf begrenzte, von einem Kranz kleiner, dunkel gefärbter und stark granulierter Zellen umgebenen Masse zu beiden Seiten des Pharynx. Ferner finden sich noch zuweilen (Fig. 32, Taf. XVIII) im Kopfabschnitt eine größere Zahl ebensolcher Zellen; möglicherweise sind dies auch Nervenzellen, worauf wohl ihre Gestaltung schließen läßt. II. Abschnitt. Die Frage nach der Richtungskörperbildung der Keimzellen und ihre Furchung. (Tafel XIX.) Wie schon erwähnt, wurde die vorliegende Arbeit hauptsächlich in Hinsicht auf die Riehtungskörperbildung der Keimzellen bei den Ammengenerationen der digenetischen Trematoden unternommen. Im Jahre 1885 hatte J. BIEHRINGER durch Untersuchungen an Sporocysten aus den verschiedensten Wirtstieren fest- zustellen versucht, daß die nächste Generation in den Ämmen aus einem synceytialen Komplex von wandständigen Keimzellen ihren Ursprung nimmt, so daß es sich also bei dieser Entwicklung um eine innere Knospung handeln würde. Aber durch darauf folgende Untersuchungen, die besonders durch LEUCKART und seine Schüler gefördert wurden, wurde die Unhaltbarkeit jener Auffassung nachgewiesen; wir wissen jetzt mit Sicherheit, daß jeder Keimballen, jedes neue Individuum, aus einer einzigen mesodermalen Wandzelle, der Keim- zelle, hervorgeht. So sagt LEUCKART: »Daß die Redien und deren Brut aus Zellen hervorgehen, die schon früh eine gewisse Selbständigkeit erhalten und gegen die übrigen Gewebselemente als spezifische, nur für die Erzeugung einer Nachkommenschaft bestimmte Gebilde sich absetzen, wird niemand in Abrede stellen können, der die betreffenden Vorgänge an einem geeigneten Materiale verfolgt hat.« Nachdem man die eigentümlichen Erscheinungen, die sich vor der Befruchtung des tierischen Eies an demselben abspielen, und die unter dem Namen der »Reifungserscheinungen« bekannt sind, und kurze Zeit darauf die- selben auch von den parthenogenetischen Eiern der verschiedensten Tiere, be- sonders durch WEISMANNS Verdienste, kennen gelernt hatte, lag nichts näher, als nachzuforschen, ob die an den letzteren beobachteten Vorgänge sich nicht auch an den Keimzellen der Ammengenerationen nachweisen ließen, da ja eine Ähnlichkeit zwischen beiden, und eine Vergleichung dieser mit Eizellen, ohne weiteres in die Augen fällt. Schon früher hatte die eigentümliche Fortpflanzungsweise der digenetischen Trematoden die Aufmerksamkeit der Forscher in hohem Maße aufsich gezogen; sie war in Hinsicht auf die Frage, wie man die Natur der Keimballenbildung aufzufassen habe, im Laufe der Zeit mancherlei Deutungen unterworfen worden. So faßte SCHAUINSLAND den Vorgang als eine »Pädogenese« auf, wodurch sich ein echter Generationswechsel (Metagenesis), wie er auch vielfach angenommen hp Are are a EP er a Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Redien. 419 wurde, ausschließt. SCHAUINSLAND sieht die Keimzellen der Sporoeysten und Redien als »unverbrauchte, in ihrer Entwicklung stehen gebliebene Furchungs- elemente des Embryo« an. Hierdurch ist natürlich auch eine Befruchtung der- selben unnötig geworden. Auch LEUCKART schließt sich dieser Ansicht an, segen welche Looss (1892) den treffenden theoretischen Einwand erhebt, daß es sich dann doch immer nur um wenige, aus dem Embryo in die Sporocyste und später in die Redie übernommene Keimzellen handeln könne, die dann auch bald verbraucht sein würden, und dann sähe man auch überall in der Natur, daß viel mehr Keime entwickelt als tatsächlich verbraucht werden, d.h. zur Ent- wieklung gelangen. Für die Redien speziell und die von ihnen produzierten Keimballen läßt sich die Unhaltbarkeit dieser Ansicht auch schon entwicklungs- geschichtlich nachweisen, nimmt erstere doch selbst aus einer Sporocysten- keimzelle ihren Ursprung. SCHWARZE dagegen kommt zu einem andern Schluß. Er gelangt infolge der Übereinstimmung in der Entwicklung des Embryo und der Cercarie zu der Auffassung, daß die »Keimzellen des Embryos nichts andres sind als die Genitalzellen der Cercarie bzw. der Distomeen<«. Demnach wäre also die Entwicklung der Keimballen in den Ammengenerationen der Trematoden als eine wahre »Parthenogenesis« anzusehen. Dieselbe Meinung vertritt auch C. GROBBEN. So weit die älteren Autoren. Nachdem nun die Reifungserscheinungen, die Richtungskörperbildung, wie am befruchtungsbedürftigen Ei, so auch von den parthenogenetischen Eiern bekannt geworden waren, konnten nur diese herangezogen werden, um die Frage mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich bei der Entstehung von Redien oder Cercarien aus den Keimzellen um eine ge- schlechtliche Fortpflanzung, in diesem Falle natürlich um eine parthenogenetische, oder um eine ungeschlechtliche, dann um eine innere Knospung, handelt. Wurde nachgewiesen, daß die Keimzellen der Sporocysten bzw. Redien in der Tat Richtungskörper abstoßen, so war damit der strikte Beweis erbracht, daß der Entwicklungseyclus der digenetischen Trematoden als »Heterogonie« anzusehen ist, weil geschlechtlich sich fortpflanzende Generationen mit parthenogenetischen abwechseln, wenn nicht, dann handelt es sich um einen echten »Generations- wechsel«, da geschlechtliche Formen des Zeugungskreises mit ungeschlechtlich sich vermehrenden alternieren (Metagenesis‘. So sagt auch Cor, da ein äußerer‘ Unterschied zwischen typischen Eiern und den Keimzellen nicht zu konstatieren ist: »Da bei allen tierischen Eiern, soweit man weiß, Richtungskörper gebildet werden, liegst es nahe, dieses Kriterium zu benutzen, um für die Zellen, aus denen Redien oder Cercarien entstehen, eventuell die Einatur festzustellen.« Wie ich gleich vorausschieken möchte, waren die Bemühungen dieses Forschers, der im Jahre 1897 die Keimzellen des Embryos von Distomum hepaticum an Schnitten sowohl, wie an Totalpräparaten untersuchte, in dieser Hinsicht voll- kommen erfolglos. Er sagt darüber: »Das Resultat war ein völlig negatives, und ich glaube das eine mit Bestimmtheit behaupten zu dürfen, daß eine wahre Richtungskörperbildung, d.h. eine Abschnürung von einer oder zwei kleineren Zellen von einer größeren Zelle, die dann die Grundlage für ein neues Indivi- duum (Redie oder Cercarie) abgeben würde, nicht stattfindet.« Ich selbst wurde von Herrn Professor KORSCHELT darauf hingewiesen, die Entstehung der Keimballen und Keimzellen bei den Trematoden zu unter- suchen, im Hinblick auf diejenige Auffassung, nach welcher diese Gebilde als Eizellen bzw. als Stadien einer parthenogenetischen Entwicklung zu be- trachten sind. Während ich noch mit der Untersuchung beschäftigt war, 420 Edwin Rossbach, erschien in dieser Zeitschrift 1903, Bd. LXXIV, eine Arbeit von Hans Reuss, welche das gleiche Thema behandelt, unter dem Titel »Die Cercarie und Sporo- eyste des Distomum duplicatum Baer«, nachdem ein Jahr vorher im Zoo- logischen Anzeiger 1902, Bd. XXV, Nr. 671 eine vorläufige Mitteilung darüber veröffentlicht worden war. Die betreffende Arbeit beschäftigt sich, abgesehen von einer kurzen anatomischen Beschreibung der Cercarie des Distomum dupli- catum, mit der »@enese der Keimzellen und Bildung der Keimballen >» a: » » » » » mehr. 12—14 » » Exemplaren u) > > » 12-14 » >» » » > » einem SE » Exemplare » 4) » Ma » 14 » » » » » » zwei Di » Exemplaren D) >» » mehr. 57u.14 >» >» >» > > » einem 14 » » Exemplare » 6) » » » 10 » » » » > > > 26 >» > > > > > > 31’ > > S Die Vorteile einer derartig verschiedenen Behandlung liegen auf der Hand. Einmal ermöglicht sie es, Vergleiche mit den Struktur- verhältnissen andrer elektrischer Fische, insbesondere des gewöhn- liehen Rochen, des Zitterrochens, des Zitteraales und des Zitter- welses, von denen uns die eingehenden, an vielfach ähnlich kon- serviertem Material angestellten Untersuchungen von Prof. BALLOWITZ vorliegen, anzustellen, dann aber sind auch durch sie die Chancen für die Konservierung der einzelnen Gewebselemente bedeutend ver- mehrt. Die Erfahrung hat gerade in den Untersuchungen über die 482 Heinrich Schlichter, elektrischen Organe der Fische hinlänglich gelehrt, daß Flüssigkeiten, die bei der einen Fischart vortrefflich konservierten, bei einer andern nicht die gleichen Erfolge erzielten. Zur Untersuchung gelangten Zupfpräparate — gefärbt und ungefärbt und untersucht in Kali aceticum oder in Wasser — und vor allem dünne, bis 5 u dicke, mit dem Mikrotom angefertigte Schnitte, die nach den neueren Färbungsmethoden tingiert wurden. Auf die Untersuchung dieser Schnitte wurde ganz besonders Gewicht gelegt, da das Mormyrus- Organ nach diesen Methoden noch nicht genauer durchgearbeitet war. Wenn es geboten erschien, z. B. zur Untersuchung der Nerven- ansätze und der Verteilung der Stäbchen, wurden mit Wasser oder Eiweißglyzerin aufgeklebte Serien dünner Schnitte mit dem Mikrotom angefertigt. Zur Einbettung diente ausschließlich Paraffın von 53° Schmelzpunkt. Als Tinktionsmittel verwendete ich zuweilen Anilin- farben, meistens jedoch Hansens Hämatoxylin und Eisenhäma- toxylinbehandlung nach M. HEIDENHAIN, beides mit nachfolgender Eosinfärbung. | 2. Allgemeiner Aufbau des elektrischen Organs. Zur makroskopischen Untersuchung der elektrischen Organe von Mormyrus oxyrhynchus standen mir nur kleinere Partien der Schwanz- region zur Verfügung. Das von Herrn Prof. Dr. Looss gesammelte Material war, wie erwähnt, bevor es in die Konservierungsflüssig- keiten gelegt wurde, in kleinere Stücke von etwa 1/, em’ Länge zer- lest worden. Ich will daher auf die Lage und den gröberen Auf- bau der Organe nur ganz kurz eingehen, und muß ich mich dabei hauptsächlich an die Angaben früherer Autoren halten, welche hierüber übereinstimmend lauten. Erwähnt sei noch, daß schon von vielen Seiten auf den gröberen Bau bezügliche Abbildungen ge- bracht worden sind, und zwar sowohl Seitenansichten der Organ- region des Fischkörpers mit freigelegtem Organ (MARKUSEN [13]), als auch Querschnitte durch dieselbe Gegend (MARKUSEN, 1. c. und HARTMANN [8)). Schon HARTMANN stellte fest, daß die Organe aus vier »läng- lichen, walzenförmigen« Körpern bestehen, von denen je zwei über- einander gelagert, links und rechts von den oberen und unteren Dornfortsätzen der Schwanzwirbel, sich finden. Die Bezeichnung »walzenförmig« ist nun allerdings weniger zutreffend, wovon ich mich auch an dem konservierten Material überzeugen konnte, als die Angabe OGnerrs, der die Körper als dreiseitige Prismen mit Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geoffr. 483 sekrümmter äußerer Oberfläche beschreibt. Nach OGNErF fängt das Organ ungefähr auf der Höhe der Afterflosse an und erstreckt sich nach hinten bis zum Anfang der Schwanzflosse. Die vier Organ- körper sind mit vorderem und hinterem stumpfspitzigem Ende in die Seitenrumpfmuskulatur eingefügt, erfüllen aber im übrigen den zwischen Bauchwand und Dornfortsätzen gebildeten Raum vollständig. Ja, sie dehnen diesen Raum noch über seine normale Größe aus, so daß die Gegend, in der die Organe liegen, am Fischkörper sich durch eine Anschwellung verrät. Jeder dieser vier prismenartigen Körper kann nun einer einzigen Säule im elektrischen Organe vom Zitterrochen verglichen werden, ein Vergleich, den schon KÖLLIRER semacht hat, und der sich um so mehr empfiehlt, als der gröbere Aufbau des Rochenorgans wohl allgemein bekannt sein dürfte, da fast jedes Lehrbuch der Wirbeltieranatomie Abbildungen desselben bringt. Bekanntlich stellt im Rochenorgane jedes Säulchen zu- nächst ein von einer Bindegewebshülle gebildetes Rohr dar, das durch viele, senkrecht zur Achse des Rohres gerichtete Scheide- wände, in einzelne Fächer geteilt wird; die Fächer enthalten dann je eine elektrische Platte. Dieselben Verhältnisse finden sich auch hier. Jeder Organkörper wird von einer bindegewebigen Hülle umgeben (Fig. 1 7), die in sein Inneres zahlreiche Querwände ent- sendet (Fig. 15). Die Ausdehnung der so entstehenden Fächer, semessen nach den Abständen zweier Scheidewände voneinander, variiert natürlich mit dem Alter und der Größe des Tieres, ist an konservierten Stücken aber auch abhängig von der Reagenzwirkung; bei den in FremmIssscher Lösung aufbewahrten Stücken betrug sie an 26cm langen Exemplaren 0,25—0,30 mm. Jedes Fach nun ist ausgefüllt von einer gallertartigen Masse, in welche das spezifisch- elektrische Element des Organs, ein, um das schon vorweg zu nehmen, blattartig ausgebreitetes Gebilde, eingebettet ist. Für das erwähnte elektrische Element, welches bei den verschiedenen Fischen verschiedene Formen annimmt, hat Prof. BALLOWITzZ in der zuletzt erschienenen großen Monographie über den afrika- nischen Zitterwels den Kollektivnamen »Elektroplax« eingeführt, »ein Wort, welches nach dem Vorbilde der Myeloplax gebildet ist. Die Anlehnung an diese, für die vielkernigen Riesenzellen des Knochen- markes gebräuchliche Wortbildung, dürfte das Wort Elektroplax um so mehr empfehlen, als es sich in diesen Gebilden auch um mehr oder weniger modifizierte Riesenzellen handelt« (BALLOWITZ, 1 e., 517). 484 Heinrich Schlichter, Entsprechend soll nun auch hier in der vorliegenden Arbeit das in der Gallertschicht enthaltene Gebilde mit Elektroplax bezeichnet werden, wenn auch der bisher üblich gewesene Name »elektrische Platte« nicht ganz vermieden werden wird. Dabei sei aber aus- drücklich hervorgehoben, daß nach BagucHın (Archiv f. Anat. und Physiol. 1877) die elektrische Platte von Mormyrus nicht eine einzelne metamorphosierte, quergestreifte Muskelfaser darstellt, wie es für Torpedo und Raja durch entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen festgestellt ist. Vielmehr soll die Mormyrus-Platte nach BaBucHın aus einem ganzen Bündel solcher kurzen quergestreiften Muskel- fasern hervorgehen, wie sie die Seitenrumpfmuskeln der Fische bilden. Demnach könnte die Platte des Mormyrus auch nicht der elektrischen Platte der genannten andern elektrischen Fische gleich- gestellt werden, man müßte sie im Gegenteil auffassen als ent- standen durch Verschmelzung zahlreicher Elektroblasten, also als zusammengesetzte Platte oder zusammengesetzte Elektroplax. Fig. 1 zeigt nun unter schwacher Vergrößerung ein Stück cines parallel zur Längsachse des Tieres, also auch des Organs, seführten Schnittes. Bei H ist die dicke Bindegewebshülle ge- troffen, die das ganze Organ, wenn wir jeden der vier prismen- artigen Körper als ein Organ uns vorstellen, umgibt. Von dieser Hülle gehen mit kräftig verbreitertem Ansatze die fast ebenso starken Querscheidewände ab. Die Hülle des Organs wird gebildet von derben, fibrillären Bindegewebsbündeln. Dasselbe Bindegewebe zeigt die Querscheidewand, jedoch mit folgendem Unterschiede. Während die die Außenwand des Organs bildenden Fibrillen in ihrem welligen Verlaufe sich fast alle parallel bleiben, kreuzen sich in den Scheidewänden starke, isoliert verlaufende Bindegewebsbündel in der mannigfachsten Weise und geben so diesen Querwänden eine besondere Festigkeit (Fig. 6 Dg). Die Fibrillenbündel 5g durch- queren das Organ meistens von einem Rande zum andern. Schräg- sehnitte durch die Scheidewände lassen in dem Bindegewebe stets Kerne, die den Bindegewebszellen angehören, erkennen (Fig. 5 in S). An der Scheidewand, und zwar auf der dem Kopfende des Tieres zugewandten Seite derselben, verlaufen die'zu den einzelnen Fächern gehörenden Nervenbündel (siehe Fig. 6 und die Fig. 1,2 und 3, in denen die Querschnitte der Nervenbündel stets nur in der Nähe der Querwände angetroffen werden). Die Hinterseite der Elektroplax nun schiekt, wie wir sehen werden, diesen Bündeln einen eigentümlichen Apparat von sieh reichlich verzweigenden Plattenfortsätzen entgegen, Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geoffr. 485 die mit den Nerven eine innige Verbindung eingehen. Auf diese Weise ist die Elektroplax der Vorderseite der hinter ihr liegenden Bindegewebswand fester angeheftet, so daß es nicht leicht ist, eine vom Bindegewebe ganz befreite Elektroplax zu erhalten. Aber auch eine Scheidewand mit der zugehörigen Elektroplax aus dem Organ herauszupräparieren gelingt wegen der innigen Verbindung zwischen Bindegewebshülle und der Querwand nicht so leicht. Man muß schon größere Exemplare vor sich haben, an denen man mit der Schere den äußeren Organrand entlang schneiden kann. Das von den bindegewebigen Wänden gebildete Fach wird nun ausgefüllt von einem gallertartigen Stützgewebe, mit Ausnahme des Raumes, den die erwähnte Elektroplax einnimmt. Der Organquer- schnitt, der der Fig. 1 zugrunde lag, hat den unter der Haut ge- legenen Rand des Organs getroffen. Hier reicht die Elektroplax nicht bis zur äußeren Begrenzungswand. Ihre Befestigung findet dieselbe vielmehr an der, den Dornfortsätzen der Wirbel zugewandten Seite. Somit ist durch das Hereinragen der Elektroplax in der Gallertschicht des Faches keine vollständige Trennung eingetreten, sondern geht der vor der elektrischen Platte gelegene Teil derselben, den wir vordere Gallertschicht (V@ der Figuren) nennen wollen, an dem freien Rande in den hinter ihr gelegenen Teil (hintere Gallert- schicht) (7G der Figuren) über. Der Raum der hinteren Gallert- schieht ist reichlich doppelt so groß als der der vorderen. Auch über die Struktur der Elektroplax selbst zeigt dieses, unter schwacher Vergrößerung gesehene Präparat, schon manches. Man sieht an den Elektroplaxen zwei dunkle Streifen, die in der Nähe der Binde- sewebshülle 7 noch eng aneinderliegen, sich nach links hin immer mehr voneinander abbiegen. Dieses Klaffen entspricht nun nicht den natürlichen Verhältnissen, sondern war zufällig durch Reagenzwirkung in diesen Organen bedingt. Diese Erscheinung wird dadurch gefördert, daß die Elektroplax aus verschiedenen Schichten besteht, die sich leicht voneinander trennen können. Näher in die Struktur der elektrischen Platte einzudringen gelingt jedoeh nur mit stärkeren Vergrößerungen. Es soll nun in einem besonderen Kapitel dargelegt werden, welches Bild man mit Hilfe der verschiedenen Untersuchungsmethoden von dem Aufbau der Platte bei Anwendung stärkerer Systeme erhält. A486 Heinrich Schlichter, 3. Die elektrische Platte (Elektroplax). Die Untersuchungen über den histologischen Aufbau der Elektro- plax wurden auf Grund von Zupf- und Schnittpräparaten angestellt. Von den Schnitten erwiesen sich senkrecht zu den Oberflächen der Platten und parallel dazu geführte (Flachschnitte) als am geeignetsten. Aber auch Scehrägschnitte fanden Berücksichtigung. Diese Präparate, die in der Mehrzahl von aus Hermannscher oder FLEMMINGScher Lösung stammendem Material angefertigt waren und die mit allen brauchbaren Systemen bis Zeiss hom. Imm. 1,5 mm Oe. 12, durch- untersucht wurden, ergaben nun folgende Einzelheiten. Die Elektroplax des elektrischen Organs von Mormyrus oxy- vhynchus baut sich aus drei Schichten auf, einer vorderen, mittleren und hinteren, die sich in charakteristischer Weise voneinander unter- scheiden. Die gleiche Art der Zusammensetzung einer elektrischen Platte findet sieh besonders ausgeprägt im Organe vom gewöhnlichen Roehen. Prof. BaLLowırz hat hier die indifferenten Bezeichnungen 1) vordere Rindenschicht, | 2) Innensubstanz, 8) hintere Rindenschicht, eingeführt; eine Benennung, die auch hier sehr gut anwendbar ist. Auf Fig. 1 sind es die beiden äußeren, also die Rindenschichten, die so weit voneinander klaffen, während die mittlere durch eine Lage hier noch nicht genauer erkennbarer Fasern dargestellt wird. Fig. 2 zeigt bei etwas stärkerer Vergrößerung zwischen drei Binde- sewebswänden S zwei Elektroplaxe; die beiden Rindenschichten, die sich hier wieder voneinander getrennt haben, erscheinen als dunkle Bänder von gleicher Breite, die nach innen eine Reihe von Kernen zeigen. Die beiden Rindenschichten sind im übrigen ganz gleich gebaut, nur ragen aus der hinteren Fortsätze heraus, die an der vorderen konstant fehlen. Dieser Unterschied wurde schon von BABucHIn hervorgehoben; wir werden sehen, daß auch bei stärkeren Vergrößerungen die beiden Rindenschichten sich kaum weiter unter- scheiden. Es wird sich die Schilderung des Plattenaufbaues daher vereinfachen, wenn ich mit der mittleren Schicht beginne und die beiden äußeren gemeinsam behandle. A. Innere Fibrillenschicht der Platte. Untersucht man mit stärkeren Vergrößerungen Zupfpräparate von in HErMAnNscher Lösung, Osmiumsäure oder FLEMMINGscher Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geofir. 487 Lösung konserviertem Material, so sieht man häufig über den Rand eines abgerissenen Plattenstückes Fetzen hervorragen, die eine un- verkennbare Querstreifung zeigen. Ferner, nähert man einem von der Bindegewebswand befreiten Elektroplaxstückchen die Objektiv- linse des Mikroskops, so stößt man meistens, nachdem man eine durch Kernreichtum auffallende Schicht passiert hat, auf eine cen- trale Lage deutlich quergestreifter Elemente. Nur Querschnitte, die ebenfalls mit stärkeren Systemen untersucht werden, sind geeignet, über diese Erscheinung näheren Aufschluß zu geben. Ein solcher Querschnitt ist in Fig. 9 abgebildet worden, er zeigt, daß es die mittlere Schicht war, die das Bild der Querstreifung hervorrief. Diese Figur ist nach einem mit: Eisenhämatoxylin behandelten Präparate gezeichnet worden. Es ist nieht unwesentlich für die Er- kenntnis der Art dieser Schicht, daß Eisenhämatoxylin auf sie genau so wirkt, wie auf quergestreiftes Muskelgewebe. Wir schließen leicht, daß sie muskulärer Natur sein muß. Ihre Zusammensetzung ist eine höchst komplizierte. Die Muskellage verläuft in Platten- querschnitten, in denen die Schichten nicht auseinander gegangen sind, bei schwächerer Vergrößerung betrachtet, als ganz schmale Linie zwischen den wohl doppelt so breiten Rindenschichten. Bei Eisenhämatoxylinbehandlung nach HEIDENHAIN sticht diese Linie durch äußerst intensive Dunkelfärbung gegen die Rindenschichten scharf ab, wie letztere ja auch in Fig. 9 bedeutend blasser gehalten sind, als die Zwischenlage. Bei starker Anwendung des Eosins in der Doppelfärbung Hämatoxylin-Eosin färbt sich die Innensubstanz rot, die anliegenden Rindenschichten dagegen färben sich blau. Wie nun Schnitte, die vertikal zur Platte geführt sind, zeigen, besteht die mittlere Schicht aus zwei Lagen, deren jede sich aus einer dünnen Schicht von platten Fibrillenbündeln zusammensetzt. Die Fibrillen- bündel der beiden Lagen breiten sich getrennt voneinander liegend in der Platte aus, so daß ihre Querschnitte, wie in Fig. 8 und Fig. 9, genau getrennt nebeneinander verlaufen. Ein Übertreten von Ele- menten der einen Lage in die andre, worauf alle Querschnitte durchsucht wurden, konnte ich nicht sehen. Schräg- bzw. Flach- schnitte durch die Fibrillenschicht ergeben zunächst ein buntes Durch- einander von einzelnen Bündeln, deren jedes scharf quergestreift ist. Beobachtet man jedoch längere Zeit, so gelingt es, doch wenigstens einige Regelmäßigkeit in diesen Wirrwarr zu bringen. Es läßt sich zunächst für die Bündel eine Hauptrichtung konstatieren. Diese Richtung, ist für jedes Blatt verschieden, wie z. B. in Fig. 5 488 Heinrich Schlichter, der Verlauf der Bündel des oberen Blattes senkrecht zu dem der Bündel des unteren gerichtet ist. Eine solche Hauptrichtung wird nun nicht genau von einer jeden Faser eingehalten, sondern biegen sich stets benachbarte Bündel zueinander herüber und vereinigen sich mit ihren Enden, so daß eine Art Netzwerk entsteht. Dabei ist die Zusammensetzung der Bündel aus Fibrillen leicht festzu- stellen, da die Fibrillen sich oft von den Bündeln trennen und isoliert verlaufen. Bündel und Fibrillen erscheinen in den meist mit Eisenhämatoxylin behandelten Präparaten sehr deutlich quer- gestreift, wobei die doppeltlichtbrechende Substanz der Fibrillen sich mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarzblau färbt. Noch eins zeigten die diesen Untersuchungen zugrunde liegenden Präparate fast alle gleichmäßig gut, nämlich die auch in Fig. 9 hervorgehobene Längs- streifung. So gibt unser Präparat den feineren Aufbau der kon- traktilen Substanz der quergestreiften Muskelfasern in jeder nur wünschenswerten Deutlichkeit wieder. Das einzelne Bündel stellt sich dar aus feinsten, quergestreiften Fibrillen aufgebaut. Endlich sei erwähnt, daß die Querstreifung an verschiedenen Bündeln oft ein verschiedenes Aussehen zeigte. Während in einigen Bündeln die dunklen Querbänder an Breite die hellen übertrafen, war an andern das Gegenteil der Fall. Vergleiche in Fig. 9 die Bündel der oberen und der unteren Lage. Diese Erscheinung deutet auf die gleiche, an den quergestreiften gewöhnlichen Muskelfasern hin und ist viel- leicht durch Kontraktionszustände bedingt. Alsdann wäre auf eine Kontraktionsfähigkeit der in der elektrischen Mormyrus-Platte ge- legenen Fibrillenbündel zu schließen, eine Folgerung, welche die oben geschilderten histologischen Befunde der feineren Strukturen, besonders in den mit Eisenhämatoxylin gefärbten Präparaten, nur stützen kann. Wie beim gemeinen Rochen die mäandıische Innen- schicht, so ist auch beim Mormyrus die Fibrillenschicht von den beiden benachbarten Rindenschichten an den Rändern der Platte vollständig umhüllt. Wenn die beiden äußeren Schichten auseinander klaffen, so ist es die Regel, daß jeder eine Fibrillenlage angeheftet ist, wenn auch zuweilen Ausnahmen vorkommen, in der Weise, daß der einen oder andern Schicht die ganze Lage mit anhaftet, oder daß dieselbe ohne Anhaftung den Zwischenraum durchsetzt. Die Tatsache, daß in meinen Präparaten, die mit FLEmmIngscher oder Hermansscher Lösung behandelt waren, die Querstreifung der Fibrillen und Fibrillenschicht in der Regel sehr deutlich zu sehen war, sei be- sonders im Hinblick auf die Angaben OGneErrs betont: »Um mittels Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geoffr. 489 derselben ein gutes Präparat zu erhalten, muß man den Fisch ohne ihn anzurühren, in einer Schüssel mit Wasser sterben lassen.« Das hier zugrunde liegende Material hat gezeigt, daß die Konservierung der Innensubstanz auch ohne Anwendung solcher Vorsichtsmaßregeln sehr gut möglich ist. | B. Rindensubstanz der Platte. Zur Untersuchung der Rindenschichten gehen wir wieder von un- gefärbten Zupfpräparaten des Materials aus, welches aus Osmiumsäure oder HermAnnscher Lösung stammte. In Mürrzrscher Flüssigkeit konserviertes Material eignete sich zu diesen Untersuchungen weniger, da der Erhaltungszustand der feineren Strukturen kein guter war, wenn sich auch die Schichten leichter voneinander trennen ließen. Es wurde untersucht unter homogener Immersion (ZEIss, 2 mm mit stärkeren Ocularen [6—12]). Derartige Zupfpräparate nun geben stets reichlich Gelegenheit, isolierte Stücke, sei es der vorderen, sei es der hinteren Rindenschicht, von der Fläche zu untersuchen. Nähert man nun einem mit der Vorderseite nach oben gerichteten Stückehen der Platte die Objektivlinse des Mikroskops, so erscheint dem Auge zunächst auf einem körneligen Grunde eine einfache Lage nicht sehr großer und nicht sehr zahlreicher Kerne. Ein geringes Senken des Tubus läßt diese Kerne bald verschwinden, und es er- scheint eine feiner und gröber granulierte Schicht, die keine Kerne aufweist. Führt man die Objektivlinse nun noch tiefer, so tauchen jetzt zahlreiche runde Kerne auf, die an Größe die soeben gesehenen übertreffen. Diese Kerne bilden eine einfache Lage. Die Um- Sebung dieser Kerne, also die ganze jetzt eingestellte Ebene, er- scheint homogen. Bei weiterem Drehen der Mikrometerschraube endlich erscheint die schon oben erwähnte Lage quergestreifter Fibrillenbündel. Da die verschiedenen Ebenen mit ihren Einzelhei- ten stets scharf getrennt nacheinander auftreten, so ist es nicht schwer zu folgern, daß die Rindenschicht wieder aus unterscheidbaren Schichten zusammengesetzt ist. Querschnitte durch die Elektroplax werden uns nun das gewonnene Bild bestätigen, uns über die Aus- dehnung der einzelnen Lagen Aufschluß geben und außerdem noch wichtige Einzelheiten zeigen, welche zu sehen bei Beobachtung von der Fläche unmöglich war. Von den Querschnitten sind nur ganz senau senkrecht zur Plattenfläche gerichtete brauchbar. Die Dieke der Schnitte betrug 0,003 und 0,005 mm. Fig. 8 gibt nun einen derartigen gutgelungenen Querschnitt der Platte wieder. Es war Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXX:IV. Bd. 32 498. .ılı 00.0. . Heinrich Schlichter, schon erwähnt, daß von der Hinterfläche der Elektroplax eigentüm- liche Fortsätze in die Gallertschicht hineinragen. Ein solcher Fort- satz tritt auch aus der unteren Seite der in Fig, 8 gezeichneten Platte hervor und charakterisiert dieselbe dadurch gleich als deren Hinterfläche. Auch Fig. 9 wird bei der Besprechung der Elektro- plax mit heranzuziehen sein, man kann sich hier über Vorder- und Hinterseite wieder bequem ‘durch den Fortsatz orientieren. Die in den vorhergehenden Untersuchungen über die vordere Rindenschicht nun zuerst auftretenden Kerne erscheinen hier als die Kerne einer Auflagerung, die die Elektroplax auf ihrer ganzen Vorderseite überzieht (Fig. 5, 8, 9K). Diese Auflagerung ist nicht ein eigentliches Häutechen — ihr Querschnitt erscheint nie als ein- heitliche Linie —, sondern scheint durch eine einschichtige dünne, zellige Auflagerung bedingt zu sein, vielleicht im Verein mit etwas verdichtetem Gallertgewebe; den Zellen gehören die oben be- schriebenen kleineren Kerne an. Diese zellige Auflagerung erinnert an die ähnliche Bildung an der Vorderseite der elektrischen Platte vom Malapterurus. Sie findet sich auf der Vorderseite der Elektro- plax stets, und ebenso regelmäßig zeigt sie ihre nieht sehr zahl- reichen Kerne. Auf der Hinterseite der Platte wird sie immer ver- mißt. Die Kerne der Auflagerung sind scharf umrandet, meist etwas abgeplattet, rundlich und zeigen ein nicht sehr kleines Kern- körperehen. Unter dieser Auflagerung zieht sich nun eine scharfe Linie hin, der optische Ausdruck des Querschnittes eines die Elektro- plax umhüllenden Häutchens. Prof. BALLowITz hat ein derartiges Begrenzungshäutchen an allen von ihm untersuchten elektrischen Organen nachgewiesen und für dasselbe den Namen Elektrolemm in die Literatur dieser Organe eingeführt. Das Elektrolemm beim Mormyrus zeigt im Bereiche der beiden Plattenflächen, von den Spitzen der hinteren Plattenfortsätze vielleicht abgesehen, nirgends Unterbrechungen. Es kam nicht selten vor, daß es sich blasen- artig von der Elektroplax abgehoben hatte, aber gerissen war es auch dann noch nicht, so daß wir mit Recht auf eine hohe Festig- keit des Elektrolemms bei unserm Fische schließen dürfen. Das Elektrolemm färbte sich sowohl mit Hansenschem oder DELAFIELD- schem Hämatoxylin als auch mit Eisenhämatoxylin, so daß es in beiden Figuren (Fig. 8 und 9) gleich gut zu erkennen ist. Dort, wo Kerne der Auflagerung sich befinden, umzieht es dieselben in einer kleinen Ausbuchtung; es ist aber deutlich zu erkennen, daß die Kerne selbst mit ihm nichts zu tun haben. Überhaupt fehlen dem Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geoffr. 491 Elektrolemm, wie bei den andern elektrischen Fischen, so auch hier, Kerne stets. Der Querschnitt des Elektrolemms verläuft, abgesehen von ganz schwachen Biegungen, gerade, ohne irgend welche Aus- buchtungen, die etwa an die Papillen vom Gymmotus erinnern könnten, was OGNEFF gerade am Mormyrus oxyrhynchus beobachtet haben will und in Fig. 8 der seiner Arbeit beigegebenen Tafel abbildet. Den Raum zwischen Elektrolemm und Muskelfibrillenschicht nimmt nun der eigentliche Körper der Rindenschicht ein. Schon eine senauere Betrachtung eines der dunklen Bänder, die in Fig. 2 oder Fig. 3 die Rindenschichten repräsentieren, zeigt, daß diese Bänder aus zwei Lagen sich zusammensetzen. Die nach innen zur Muskel- schicht hin gelegene weist viele Kerne auf und ist bedeutend heller gehalten als die über ihr verlaufende. In Fig. 8 prägt sich dieser Unterschied bei der stärkeren Vergrößerung natürlich bedeutend schärfer aus. Hier folgt auf das Elektrolemm eine Schicht, die eigentümliche Gebilde zeigt. Derjenige, der mit dem histologischen Aufbau einer Elektroplax einigermaßen vertraut ist, erkennt sogleich, daß wir es hier mit Stäbcehenbildungen zu tun haben, wie sie auch von den Organen der andern elektrischen Fische beschrieben sind. Da diese Stäbchen gerade bei Mormyrus ihrer Größe und Deutlich- keit wegen ein besonderes Interesse beanspruchen, sollen sie in einem besonderen Kapitel besprochen werden. Hier sei nur erwähnt, daß die Stäbchen dem Elektrolemm anhaftend gegen die Innenschicht ragen. Zwischen den Stäbchen, die ziemlich nahe nebeneinander stehen, befindet sich eine Substanz, die sich mit Hämatoxylin etwas färbt, an der aber irgend welche Differenzierung nicht wahrzunehmen ist. Auffallend an ihr war nur die Neigung zur Körnchen- oder Tröpfehen- bildung, welche nicht selten beobachtet wurde. So zeigen mit Eisen- hämatoxylin nach HeıpexHaAry behandelte Präparate von Material, das in HermAannscher oder FLEmMInGscher Lösung konserviert war, oft zwischen den Stäbchen eine grobe Körnelung, wie Fig. 9 sie wiedergibt. Die Körner oder Tröpfcehen sind rundlich und von ver- schiedener Größe. Sowohl die Stäbchen als auch die Zwischensub- stanz derselben sind nun die Ursachen, weshalb die äußere Zone der Rindenschichten gegenüber der inneren dunkler erscheint. Die Substanz der letzteren zeigte bei den von mir angewandten Tink- tionen ebenfalls keine Differenzierung, wie sie auch in den unge- färbten Zupfpräparaten homogen erschienen war. Diese anscheinend mehr homogene Schicht, und zwar nur sie, enthält die zahlreichen Kerne der Platte. Die Kerne sind, wie die der vorderen Platten- 32* 492 Heinrich Schlichter, auflagerung, scharf umrandet, aber beträchtlich größer als jene. 'Auf- fallend groß in ihnen sind die Kernkörperchen, die sich in den Osmiumpräparaten stets gut gefärbt haben. In Größe und Aussehen erinnern die Kerne wohl an die Kerne von Ganglienzellen. Häma- toxylin färbte sie fast gar nicht, Methylenblau und andre Anilin- farben, besonders aber Eisenhämatoxylin dagegen färbten recht inten- siv. Die Werte ihrer Durchmesser stehen denen der meisten andern elektrischen Fische bei weitem nach. Prof. BALLowITz gibt für die von ihm untersuchten Fische folgende Ausmaße der Kerne an: Raja clavata und Torpedo V,0081—0,009 mm, Gymnotus 0,0054, Malapteru- rus 0,006—0,008 mm. Die Messungen an einem ausgewachsenen Mormyrus-Exemplare ergaben 0,0045 —0,0054 mm. Der Größe nach nehmen die Mormyrus-Kerne also die letzte Stelle ein. In die sie umgebende homogene Masse sind die Kerne so eingebettet, daß für eine Hofbildung oder Protoplasmaanhäufung, wie sie für Raja, Tor- pedo und Gymmotus charakteristisch ist, kein Platz mehr bleibt. Nur in Präparaten, in denen sich eine Rindenschicht von der Elektro- plax abgelöst hatte, hatte sich in der abgelösten Schicht um die Kerne oft ein freier Raum gebildet, was dann aber wohl stets auf die Behandlung, die das Objekt erfahren hatte, zurückzuführen war. Die Gebilde der vorderen Rindenschicht finden sich nun in der hinteren sämtlich wieder. Unter der Muskelfibrillenschicht stoßen wir wieder auf eine einfache Lage der uns jetzt bekannten Elektro- plaxkerne. Die Kerne liegen hier ebenso zahlreich und ebenso regelmäßig, wie in der Vorderschicht, und ist es Zufall, daß in Fig. 8 rechts vom Plattenfortsatze kein einziger Kern sich befindet. Ferner die Stäbehenzone, die Zwischensubstanz der Stäbehen, das Elektrolemm, alles findet sich in derselben Art wieder, wie in der vorderen Rindenschicht. An die Hinterseite der Platte setzen sich nun die schon vielfach erwähnten Plattenfortsätze an, die schon bei schwacher Vergrößerung auf dem Übersichtsbilde Fig. 1 zu erkennen sind. Diese Fortsätze, die von KÖLLIRKER an jedem Forscher aufge- fallen und von jedem zum Gegenstand einer ganz speziellen Unter- suchung gemacht worden sind, haben sich schon die verschieden- artigsten Deutungen gefallen lassen müssen, und gaben die einzelnen Beobachter ihrer Auffassung durch die verschiedensten Bezeichnungen wie: »Röhren, granulierte Fasern, Terminalröhren, Zapfen und blasse Fasern« Ausdruck. Die hier zugrunde liegenden Untersuchungen ergaben folgendes über diese Plattenfortsätze. Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geofir. 493 C. Plattenfortsätze. Beobachtet man Plattenstücke, die von der Bindegewebswand befreit sind und mit ihrer hinteren Fläche nach oben liegen, so kann man beobachten, daß überall aus der Platte dünne, reiserartige Gebilde hervortreten, die sich bald mit benachbarten ähnlichen ver- binden. So vereinigen sich vier bis sechs gleichartige Gebilde, um in einem längeren Zweige sich fortzusetzen. Auch solcher längerer Zweige treten nach und nach mehrere zusammen, welche schließlich zu einem Endast zusammenfließen, der einem dunkelgefärbten Nerven- bündel entgegenstrebt. Hier kann er blind endigen (in Fig. 6 der untere der Plattenfortsätze). Meistens aber wendet er sich innerhalb des Nervenbündels bogenförmig um, um sich mit benachbarten zu ver- einigen (siehe Fig. 6), und rückwärts stoßen wir wieder auf dieselben Bildungen wie vorhin, nur in umgekehrter Reihenfolge: längere Strahlen, die sich erst allmählich verzweigen, bis die Verzweigungen dann immer häufiger werden, und endlich das Ganze wieder in vier bis sechs Enden in die Elektroplax ausläuft. Das Ganze stellt dann also ein Bogensystem dar, das der Platte ansitzt, und an dessen hintersten Rundungen die Bündel markhaltiger Nerven sich anheften. Die erwähnte Art der Ausstrahlung, daß zwei Fortsätze sich zu einem einzigen großen Bogen vereinigen, ist die häufigste, wenn auch nicht die einzigste. Auch wohl drei bis vier längere Strahlen treffen sich an der Stelle, an der ein Nervenbündel sich ansetzt. Von der Platte aus verlaufen die Fortsätze zunächst eine kurze Strecke in einer zur Elektroplax senkrechten Richtung in das hintere Gallert- gewebe des Faches hinein (siehe die Fortsätze in den Fig. 1, 2, 3, so- wie den Fortsatz von Fig. 8). Deshalb erscheinen ihre Ansatzstellen, wie esin Fig. 4 auch wiedergegeben ist, in Aufsicht auch als dunkle Kreise. Anfangs sind die Fortsätze noch recht dünn. Haben sich aber erst mehrere vereinigt, so nimmt ihr Durchmesser rasch zu, und kurz vor dem Nervenansatze beträgt er meist das Sechs- bis Siebenfache des Anfangswertes. Die Durchmesserwerte in nächster Nähe der Platte bewegten sich bei 97 cm langen Exemplaren zwischen 0,012 und 0,020 mm, dagegen in der Nähe der hinteren Scheidewand, also dort, wo die Nerven sich anzusetzen beginnen, zwischen 0,065 und 0,095 mm. Zwischen den sich verzweigenden dünnen Plattenfortsätzen kommen auch netzförmige Verbindungen vor, indessen recht selten. Dieselben wurden leicht an Zupfpräparaten beobachtet. In Schnitten 494 Heinrich Schlichter, trifft man sie naturgemäß nicht so häufig, da der Schnitt zufällig gerade die Ebene der Masche getroffen haben muß; doch fanden sich unter meinen Präparaten manche, die auch derartig günstige Stellen zeigten. An Schnitten nun, die genau senkrecht zur Elektroplaxfläche gerichtet sind und durch die Dicke eines Plattenfortsatzes gehen, ist es schon bei Vergrößerungen, die die Stäbchen überhaupt zeigen, nicht schwer, wahrzunehmen, daß die Stäbehen sich in die Öffnung des Fortsatzes nicht nur hineinbiegen, wie OGNEFF das beobachtet haben will, sondern daß die ganze Stäbchenschieht sich ununter- brochen in den Fortsatz hineinzieht (siehe Fig. 8). Das Elektrolemm der Elektroplax wird, ohne in seiner Art sich irgendwie zu ändern, jetzt zum Begrenzungshäutchen des Fortsatzes und trägt hier seine Stäbehen genau so wie dort. Die Zwischen- substanz der Stäbchen ist dieselbe, wie die in der Platte, und wie dort findet sich im Plattenfortsatze, den Stäbchen vorgelagert, die mehr homogene Lage, die auch hier die typischen Plattenkerne ent- hält. Diese Lage nimmt hier die Mitte des Fortsatzes ein, und liegen daher die Kerne auf Schnitten durch den Anfangsteil von Platten- fortsätzen stets genau in der Mitte; z. B. die zwei Kerne in Fig. 8 am Ausgang des Plattenfortsatzes. Die Muskelfibrillenschicht der Elektroplax zieht über die Austrittsstelle eines Fortsatzes glatt hin- weg, Fig. 9, nur selten beugt sich das hintere Blatt derselben ein wenig gegen die Öffnung vor, wie in Fig. 8, niemals erstrecken sich die quergestreckten Fibrillen in die Plattenfortsätze selbst hin- ein. Die Stäbchen sind noch eine Strecke weit im Fortsatze zu beobachten, hören aber alsdann bald auf. Auf die Form und An- ordnung, die sie hier haben, wird noch zurückzukommen sein. Zu um so größerer Ausdehnung gelangt nun die bisher noch homogen erscheinende Substanz der Mitte des Fortsatzes. Die Kerne liegen jetzt nicht mehr in der Mitte, sondern haben den ihnen von den Stäbchen eingeräumten Platz eingenommen. Das Innere des Platten- fortsatzes erhält jetzt aber ein etwas andres Aussehen. Querschnitte zeigen hier eine Anhäufung von kleinen und kleinsten Körnchen oder Tröpfehen, die nur bei starken Vergrößerungen erkennbar sind. Längsschnitte dagegen zeigen eine äußerst zarte Längsstreifung. Diese zarte Längsstreifung ist oft auch dort wahrzunehmen, wo die Nerven den Fortsatzbogen umfassen, und macht. hier dann, ohne aufzuhören, den ganzen Bogen, den der Fortsatz beschreibt, mit. Über die Kerne in den Fortsätzen wäre noch hinzuzufügen, daß sie Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geofir. 495 ihrer Form und ihrem Inhalte nach den Plattenkernen gleichen. Nur im Anfange der Fortsätze sind sie um ein weniges kleiner als die Plattenkerne, auch sind sie hier. nicht so zahlreich wie in den Rindenschichten. Die Besonderheiten, die an ihnen dort auffallen, wo die Nervenbündel sich ansetzen, werden noch gelegentlich der Nervenendigungen besprochen werden. Sehr instruktiv sind Schräg- schnitte durch den Fachraum mit seinem Inhalt, wie er in Fig. 5 wiedergegeben ist. Es gestatten hier die Fortsätze eine Eintei- lung dieses Raumes in verschiedene Zonen und zwar in folgender Weise. In Zone 1 liegen die Ursprünge der Fortsätze, die hier, entsprechend ihrer zur Elektroplax im allgemeinen senkrechten Richtung, quer abgeschnitten sind und noch Stäbehen zeigen. Zone 2 ist die Zone der Vereinigungen der benachbarten Fortsätze. In der dritten haben sie dann eine beträchtliche Dieke erlangt und nähern sich so den Nervenbündeln, die sich stets in der vierten, der Scheide- wand benachbarten, halten. D. Die Stäbchenbildung. Die Stäbehen sind eines der merkwürdigsten Strukturelemente in den elektrischen Platten, und doch hat es lange gedauert, bis die wissenschaftliche Forschung uns mit diesen. Bildungen ge- nauer bekannt gemacht hat. BorL legte den Grund zur Ent- deekung dieser wichtigen Gebilde in seinen Untersuchungen, die er in den Jahren 18753—74 an den Organen von Torpedo und Malapte- rurus anstellte.e Prof. BaLLowIrz konnte zuerst über die Art und Verteilung der Stäbchen bei den genannten Fischen genaue Einzel- heiten bringen, und ferner hat er sie als erster für die Organe vom Zitteraal und gewöhnlichen Rochen nachgewiesen. Daß nun auch beim Mormyrus dieselben Stäbchenbildungen vorkommen, steht end- gültig fest erst seit der zuletzt über ihn erschienenen Arbeit des russischen Forschers ÜGNERF. Die Ausbildung, die die Stäbchen in den Organen der einzelnen elektrischen Fische erlangt haben, und ihre Anordnung ist eine mannigfaltige und recht komplizierte. Bei Raja, Torpedo und Gym- notus zeigen sie nun wenigstens im selben Organe keine Verschieden- heiten mehr. AMalapterurus und, wie wir jetzt sehen werden, auch Mormyrus dagegen sind Beispiele, daß in dieser Hinsicht noch Variationen vorkommen können. Drei Punkte sind es, die bei den Stäbehenbildunger hauptsächlich in Betracht kommen, Sitz, An- ordnung und Gestalt. Was den ersten Punkt anbelangt, so haben 496 Heinrich Schlichter, wir schon bei Besprechung der vorderen und hinteren Rindenschicht, sowie der Plattenfortsätze, gesehen, daß wir den Stäbchen in allen diesen Plattenpartien begegnen. Wie erwähnt, sind allerdings ziemlich dünne ‚Schnitte- erforderlich, um sie erkennbar zu machen. Bei solchen Schnitten genügt aber schon eine 300—-400fache Ver- srößerung, um zu sehen, wie der vordere und hintere Rand fein gestrichelt ist, und wie diese Strichelung in die Fortsätze hineingeht. Stärkere Systeme zeigen dann, daß die Strichelung hervorgerufen wird durch fädchenartige Bildungen, die in geringen Abständen von- einander senkrecht auf dem Elektrolemm stehen und so in das Innere der Elektroplax oder der Fortsätze hineinragen. Dort, wo die Fortsätze ausgehen, das Elektrolemm also eine Biegung macht, sind sie stets radiär auf dem gebogenen Elektrolemm gestellt. Dem- nach sind hier die nach innen ragenden freien Enden der Stäbchen weiter voneinander entfernt, als an irgend einer andern Stelle der Elektroplax, so daß man zum Studium über Form und Länge der Stäbchen am besten solche Stellen wählt. Vorausgesetzt ist immer, daß der Querschnitt, wie in Fig. 8, durch die Dieke des Fortsatzes geht. Andernfalls wird man natürlich nur ein »Einbiegen der Stäbchen in die Öffnung des Fortsatzes« bemerken künnen, was ÖGnErrFr angibt. Aber auch dann, wenn der Schnitt durch die Peripherie eines Fortsatzes gegangen ist, ist es nicht schwer, fest- zustellen, daß auch im Fortsatze selbst Stäbchen sich befinden und zwar mit Hilfe einer Beobachtung, die überhaupt erst zur Entdeckung der Stäbchen geführt hat, nämlich der Beobachtung einer Punktierung. Untersucht man Schräg- oder Flachschnitte einer Platte, so trifft man in denselben stets ober- und unterhalb der beiden, durch die Muskelfibrillenschicht getrennten Kernzonen, je eine sehr deutliche Punktierung (siehe Fig. 5 VPtund ZPt). Hier ist der Schnitt senk- recht durch die dem Elektrolemm aufsitzenden Stäbchen gegangen, und der Querschnitt eines jeden Stäbchens stellt sich jetzt demgemäß als ein einzelnes Pünktchen dar. Es sei an dieser Stelle darauf auf- merksam gemacht, daß nicht jede Tinktion geeignet ist, die Punk- tierung hervortreten zu lassen. Am besten eignete sich Material, das aus HEeRMANNscher Lösung stammte und mit HAnsenschem Hämatoxy- lin nicht zu stark gefärbt war (24 Stunden in ganz schwacher Farb- lösung). Genau dieselbe Punktierung, wie sie die beiden Plattenzonen zeigen, findet sich nun in der Ursprungsgegend eines Plattenfortsatzes, wenn derselbe in der letzterwähnten Weise angeschnitten ist. Es sind also auch hier Stäbchen im Querschnitt getroffen, die der Wandung des Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynehus Geofir. - 497 Fortsatzes angesessen haben müssen. Aber nur die Anfangsstücke der Fortsätze im Bereiche der Zone 1 (Fig. 5) besitzen Stäbchen, den hinteren Verzweigungen und letzten dieken Fortsatzenden fehlen sie. Auch die Anordnung der Stäbchen im Organe ist bemerkens- wert. Darüber zu entscheiden, ob Stäbehenkombinationen oder Gruppierungen vorkommen, sind nur Flachschnitte geeignet, die die Punktierung zeigen. Sieht man daraufhin in Fig. 5 die Stäbchen- gegenden (VPi und MHPt) an, so stellt man leicht fest, daß von der- artigen Erscheinungen hier nichts zu bemerken ist. Ganz gleich- mäßig findet sich Pünktchen bei Pünktchen. Nirgends stehen sie dichter, nirgends sind Lücken und auch von Anordnung in Reihen ist nichts zu bemerken. Auch daß die Stäbchen in der vorderen Rindenschicht dichter ständen als in der hinteren, ließ sich nicht mit Sicherheit beobachten, wenn es auch manchmal auf Querschnitten so den Anschein hatte. Querschnitte (Fig. 8) zeigen auch, daß der Abstand zwischen den Stäbchen, wenn er auch das Mehrfache der Stäbchendicke beträgt, doch ein recht geringer ist; ganz anders ge- staltet sich dieser letzte Punkt, die Entfernung der Stäbchen von- einander, in den Fortsätzen. Der Querschnitt von Fig. 8 geht an- fangs durch die Mitte des Fortsatzes und hält diese Mitte zunächst auch noch eine Weile inne; allmählich senkt sich aber der Fortsatz, wie an den blasser werdenden Konturen zu erkennen ist, nach unten, immer mehr, bis endlich sein letztes Viertel in einer raschen Biegung sich wieder nach oben wendet, die Schnittebene erreicht und hier quer abgeschnitten wird. An diesem Fortsatz nun treten in charak- teristischer Weise die hier in Frage kommenden Einzelheiten hervor. An der Biegungsstelle ist nur der periphere Teil des Fortsatzes an- geschnitten worden, so daß die Punktierung in die Erscheinung tritt. Es sei hier noch besonders darauf aufmerksam gemacht, daß die Punktierung dieser Figur nicht etwa mit der von Fig. 5 ver- glichen werden darf, da letztere unter bedeutend schwächerer Vergrößerung gezeichnet ist. Ganz im Anfange des Fortsatzes stehen die Stäbchen noch genau in demselben Abstande voneinander, wie in der Platte, aber noch während der Strecke, auf der sie noch in- ihrer senkrechten Stellung zu erkennen sind, vergrößert sich dieser Abstand merklich. Allmählich geht nun die Stäbchenzeichnung zur Punktierung über, und immer mehr fällt auf, wie die Punkte weiter voneinander rücken, bis endlich der Fortsatzquerschnitt es zeigt, in welchem Maße die Entfernung zwischen den Stäbchen zu- genommen hat. Hiermit ist die Grenze des Auseinanderrückens 498 Heinrich Schlichter, jedoch noch nicht erreicht. Die Stäbehen werden immer noch spär- licher, bis sie dann endlich vollständig verschwinden. Überhaupt scheint die Anordnung der Stäbehen untereinander in den späteren Abschnitten der Plattenfortsätze keine regelmäßige mehr zu sein. So sieht man auf Fortsatzquerschnitten häufig Gruppen von vier bis sechs Stäbchen, die in unregelmäßigen Abständen nebeneinander stehen, zwischen solchen Gruppen aber größere, stäbchenfreie Stellen. Die interessantesten Einzelheiten endlich liefert uns die Untersuchung über die Form der Stäbchen. Besser als jede Beschreibung kann über so feine Strukturelemente, wie die Stäbchen es sind, wohl die Zeich- nung informieren. In Fig. 8 ist nun genau der Eindruck wiederge- seben, den die Stäbchen unter starker Vergrößerung (Zeiss, hom. Imm. Ap. 1,40, 2 mm Oe. 12) machen. Die Stäbchen stehen senkrecht zum Elektrolemm und stecken in der kernfreien Zone der Rindenschicht. Wegen der Unregelmäßigkeit der Oberflächen der Elektroplaxe, stehen die Stäbchen vielfach geneigt, und sind daher nicht stets die sanzen Stäbchen in den Schnitt gefallen; häufig sieht man, wie in unsrer Figur an der unteren Rindenschicht rechts vom Platten- fortsatz, nur abgeschnittene obere und untere Enden. Die Stäbehen machen nicht den Eindruck, als seien es starre, gerade gerichtete, etwa nadelartige Gebilde, sondern ihr ganz schwach gebogener Ver- lauf erinnert mehr an biegsame Fäden. Gut ließ sich ihre Form studieren an den Rundungen, die das Elektrolemm an den Austritts- stellen der Fortsätze machte, am besten aber an Stellen, an denen die Stäbchen aus der Plattensubstanz herausgezogen waren. In Präparaten nämlich, die von Material stammten, das in FLEMMINGSscher Lösung konserviert gewesen war — nur an solchem Material ist die jetzt zu beschreibende Erscheinung zu beobachten gewesen — hatte sich häufig auf längere Strecken das Elektrolemm von der Rinden- schicht und zuweilen auch von den Anfängen der Plattenfortsätze blasenförmig abgehoben. Es verlief dann die Linie, die den Quer- schnitt des Elektrolemms darstellte, in unregelmäßiger Weise sich der Elektroplax nähernd und sich wieder von ihr entfernend, in ziemlichem Abstande den Plattenrand entlang. Solchen Elektro- lemmpartien waren nun stets noch die Stäbchen angeheftet, die dann also in den freien, zwischen Elektrolemm und Plattensubstanz be- findliehen Raum hineinragten. Solche Stellen zeigen so recht deut- lich, wie innig der Zusammenhang zwischen Elektrolemm und Stäbchen ist. Dem Elektrolemm saßen die Stäbchen mit etwas ver- liektem Fuße auf, ihr freies Ende dagegen zeigte keine Anschwellung. Uber den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geofir. 499 Die hier beschriebene Art der Abhebung des Elektrolemms habe ich stets nur an der Hinterseite der Elektroplax beobachtet, nie an der Vorderseite. Was bisher über die Gestalt der Stäbchen gesagt wor- den ist, trifft für beide Rindenschichten zu. Sucht man nach Unter- schieden in der Stäbchenbildung der Vorder- und Hinterseite der Platte, so findet man zunächst, daß die Strichelung der vorderen Rindenschicht meist etwas undeutlicher ist als die der hinteren. Ob die Stäbehen hier noch dünner und noch feiner sind als hinten, läßt sich bei so zarten Bildungen mit Bestimmtheit nicht gut sagen. Wohl aber kann man den Befund OGNErFS bestätigen, der schreibt, daß die Stäbchen der Vorderseite ein wenig länger seien als die der Hinterseite. Als Messungswerte der Stäbchen der Hinterseite der Platte ergaben sich Werte von 0,0047—0,0050 mm. Es über- treffen diese Zellen die bei andern elektrischen Fischen gefundenen weit. Verfolgen wir die Stäbchen nun in die Fortsätze hinein, so sehen wir sie bald ganz ihre Form verändern. In dem Grade, wie sie seltener werden, werden sie auch kürzer und dicker. Ihre lang ausgezogene Form hört auf. Diese Formänderung schreitet um so weiter fort, je mehr wir uns von der Platte entfernen, und alsbald sieht man nur kurze, gedrungene Stümpfe die Fortsatzwand besetzen. Endlich dort, wo sie aufzuhören beginnen, übertrifft ihre Länge nur wenig mehr die Breite. Fassen wir alles Gefundene noch einmal zusammen, so ergibt sich über die Stäbehenbildung im elektrischen Organ von Mormyrus kurz folgendes. Die zwei von BALLowITZz definierten Stäbchenformen, die Fädcehen- und die Stiftform, finden sich im Mormyrus-Organ beide in voller Deutlichkeit vor. Als ausgesprochen fädchenartige Gebilde überziehen die Stäbchen die Vorder- und Hinterfläche der Elektroplax in ungemein dichter Anordnung. In derselben Form betreten sie die Fortsätze, werden jetzt aber ganz allmählich seltener und verlieren ebenso nach und nach ihre feinfädige Natur: Immer mehr werden sie stiftartig, endlich sitzen nur noch spärliche, ausgesprochen stiftförmige Gebilde dem Elektrolemm der Fortsätze immer auf, bis auch diese dann verschwinden, und der Fortsatz und seine Verzweigungen stäbchenfrei dem Nervenansatze entgegentreten. Die Befunde über das Vorkommen der Stäbchen in den Fort- sätzen sind von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Be- urteilung der Natur dieser Fortsätze. Dokumentieren sie doch, ver- bunden mit den erwähnten Resultaten über Elektrolemm und Kerne, 500 Heinrich Schlichter, eine Zugehörigkeit derselben zur Platte, die den Namen Platten- fortsatz in jeder Weise rechtfertigt. 4. Die Gallertsubstanz der Fächer und die darin enthaltenen Blutgefäße. Bevor wir an eine Besprechung der übrigen Gebilde, die außer der Elektroplax noch in dem Fache enthalten sind, herangehen, sei über die Füllmasse des Faches selbst das Nähere angegeben. Wie schon im ersten Kapitel dieser Ausführungen erwähnt war, ist das Fach vollständig erfüllt von einem gallertartigen Gewebe, das durch die Platte in eine vordere und eine hintere Gallertschicht zerfällt. BALLowırz nennt das Verhältnis der Elektroplax zur vorderen und hinteren Gallertschicht bei ARaja clavata ein »Eingebettetsein zwischen zwei Wattepolstern«. Auch hier könnte kein passenderes Bild gewählt werden. Das Gallertgewebe hatte sich in seiner Eigen- art als fädiges Netzwerk bei jeder Konservierung gut erhalten. Bei Anwendung der Doppelfärbung Hämatoxylin-Eosin färbte es sich blau. Als geeignetstes Tinktionsmittel aber kann Eisenhämatoxylin nach M. HEIDENHAIN empfohlen werden. Präparate, die hiermit ge- färbt wurden, zeigen stets ein feines Netzgerüst, dessen Maschen von zarten, dünnen, ein wenig körneligen Fäden gebildet werden. Diese Struktur zeigt das Gallertgewebe in derselben Weise vor und hinter der Platte. Bei der großen Ausdehnung des Gallertgewebes im Mormyrus-Organ ist es nicht zu verwundern, daß das Netzgerüst nicht überall im Fache gleichmäßig gut erhalten ist. Häufig sind kleinere und größere runde Lücken entstanden, besonders häufig aber waren auf längeren Strecken die Netzfäden zu diekeren Strän- gen zusammengeklebt. In Eisenhämatoxylin-Präparaten konnte man auch in solchen Strängen die isoliert gefärbten Maschenfädchen noch gut erkennen. Letztere Färbung war auch besonders geeignet, die Kerne des Gallertgewebes sichtbar zu machen. Diese Kerne sind rundlich, bedeutend kleiner als die Plattenkerne und in nicht sehr großer Anzahl im Gewebe verteilt. Meistens ist nach Eisen- hämatoxylinbehandlung auch der Zellleib sichtbar, zu dem der Kern gehört. Derselbe tritt dann in verschiedenen Formen auf. Zuweilen umgibt er als rundliches Gebilde den Kern, meistens jedoch ist er mit längeren Fortsätzen versehen. So lassen ihn zuweilen zwei sich gegenüberliegende Fortsätze als spindelförmig erscheinen, oder er zeigt drei bis vier in eine dünne Spitze auslaufende Ausstrah- lungen. Auffallend in dem Gallertgewebe war noch, daß statt des Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geofir. 501 engmaschigen Netzwerkes bisweilen große, polygonale, dünnwandige Vacuolen mit abgerundeten Ecken auftraten. Diese wabenartig aus- sehenden Bildungen fanden sich meistens in der vorderen Gallert- schicht, bisweilen auch in der hinteren. Ferner zeigten sie sich nur an dem Material, das mit FLemmingscher Lösung konserviert ‚war. Jedenfalls handelt es sich wohl um durch Reagenzwirkung entstandene Vacuolenbildungen ohne weitere Bedeutung. Das Gallert- gewebe umgibt nun dicht angelagert die in ihm enthaltenen Gebilde, nämlich Elektroplax, Plattenfortsätze, Nerven und Blutgefäße. Es enthält die vordere Gallertschicht weder Nerven noch Blutgefäße. Was zunächst die Blutgefäße anbelangt, so betreten dieselben die Fächer an der Vorderseite der hinteren Scheidewand, nähern sich durch die vordere Gallertschicht der Hinterseite der Platte und ver- breiten sich dann flächenhaft, der Platte dicht angelagert. Die Capil- laren verbinden sich hier zu einem Netze mit weiten Netzlücken, wie das in Fig. 7 dargestellt ist. Bei stärkeren Vergrößernngen fallen die Capillaren sofort auf, einmal durch den Reichtum der Wandungen an länglich spindelförmigen Kernen, vor allem aber durch die immer noch in ihnen erhaltenen, in meinen Präparaten sehr gut konservierten Blutkörperchen. Letztere zeigen stets ihren großen, intensiv ge- färbten Kern. OGNEFF zeichnet 1. e. Fig. ” am Mormyrus cyprinordes Blutgefäße auch in der vorderen Gallertschicht ab. Bei Mormyrus oxyrhynchus kommen Blutgefäße dort nach meinen Befunden nicht vor. Mit der Besprechung der weiter in der hinteren Gallertschicht enthaltenen Elemente nun, nämlich der Nerven, gelangen wir zu dem wichtigen und sehr schwierigen Kapitel der Nervenendigungen im elektrischen Organ unseres Tieres. 5. Die Nerven und Nervenendigungen. Zur Untersuchung über den Ursprung der Nerven, die den elek- trischen Apparat bei Mormyrus oxyrhynchus versorgen, stand mir kein Material zur Verfügung. Es konnte nur festgestellt werden, daß jedesmal dort, wo der Organkörper der Wirbelsäule anlag, je ein dieker Stamm markhaltiger Nerven an demselben verlief. Von diesem Nervenstrange tritt in jedes Fach ein Nervenbündel hinein und zwar, wie die Blutgefäße, am vorderen Teile der hinteren Scheidewand des Faches. Während die Blutgefäße sich aber bald durch die hintere Gallertschicht hindurch der Elektroplax nähern, bleibt dieses Nervenbündel mit allen seinen Verzweigungen in der Nähe der Scheidewand gelagert. Schon kurz nach seinem Eintritt 502 N wrlour Heinrich Schlichter, teilt es sich in zwei fast gleiche Äste. Diese Äste verzweigen sich weiter unter Anschwellungen an den Teilungsstellen. Die An- schwellungen treten besonders ausgebildet dort auf, wo zwei, drei oder vier Zweige auf einmal abgehen. Hier bildet sich durch Ver- flechtung der markhaltigen Nerven gleichsam eine Platte, von der die Zweige strahlenförmig auslaufen. Mit der dritten, höchstens vierten Ordnung hört die Verzweigung nun auf. Das aus der letzten Teilung hervorgegangene Bündel, welches durch die kurzen Mark- sesmente mit deutlichen RAnvIERschen Schnürringen ausgezeichnet ist, verläuft eine kürzere oder längere Strecke geraden Wegs und heftet sich dann direkt an die hinteren verdickten Enden und End- schlingen der Plattenfortsätze. Zu diesen Untersuchungen wurden zunächst Präparate benutzt, die unter intensiver Einwirkung der HErMAnNschen Lösung gestanden hatten, deren Nervenmark sich also durch die Osmiumsäure der Lösung gut gefärbt hatte. Osmium- Präparate selber zu nehmen war nicht angängig, weil in ihnen auch die Umgebung der Nervenbündel zu dunkel tingiert war. Die Platten mit dem daran hängenden gesamten Inhalt des hinteren Flachraumes wurden präparatorisch isoliert und als Flächenbild untersucht. Diese Präparate wurden ohne jede weitere Färbung aufgehellt und in Kanadabalsam eingeschlossen. In Fig. 11a ist die Stelle, an der ein Bündel markhaltiger Nerven in der erwähnten Weise aufzuhören beginnt, aus einem derartigen Flächenpräparat bei hoher und in Fig. 115 dieselbe Stelle bei mittlerer Einstellung gezeichnet. Nach den Ausführungen über die Plattenfortsätze im vorigen Kapitel wissen wir, daß die Fortsätze den markhaltigen Nerven hier oft eine bogige Ansatzstelle bieten. Fig. 11« illustriert nun, wie die Nerven hier an den Fortsatz sich ansetzen und Fig. 115, wie sich der Fortsatz innerhalb des Bündels verhält. Nach Fig. 11a umfassen die Nerven den Bogen, treten quer über den Fortsatz hinweg und laufen eine kurze Strecke weiter dann am Fortsatz entlang. Dadurch, daß von der Unterseite des Fortsatzes dasselbe geschieht, wird ein gabelartiges Nervenrohr gebildet, das den Fortsatzbogen ganz umhüllt. Senkt man nun den Tubus ein wenig, wie es für Fig. 115 geschehen ist, so ver- schwinden die aufliegenden Nerven, und es ist jetzt der darunter ver- laufende Fortsatz eingestellt. Wie wir oben gesehen haben, gehen die Plattenfortsätze proportional ihrer Entfernung von der Elektroplax in die Breite, In den Fig. 11a und 115 ist der Durchmesser des Fort- satzes kurz vor dem Betreten des Nervenbündelinnern am größten; innerhalb des Nervenbündels selbst verkleinert er sich aber allmäh- Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geoffr. 503 lich, so daß die hintersten von dem Nervenbündel trichterförmig umfaßten Enden des Fortsatzes sich verjüngen und eine Strecke weit in die Achse des Bündels nach hinten hin verlaufen. Es konnten Nervenbündelquerschnitte von O,lmm Durchmesser gemessen werden, in dessen Innern sich ein Fortsatzquerschnitt von 0,018 mm be- fand. Häufig kommt es vor, daß ein Nervenbündel einem aus mehreren, etwa drei bis vier Fortsätzen gebildeten Bogensystem sieh ansetzen. Quersehnitte durch ein Nervenbündel zeigen, wie dasselbe zu- nächst von einer starken Bindegewebshülle umgeben ist. Von dieser gehen Bindegewebszüge in das Innere hinein. Kurz vor dem An- satz an einen Fortsatzbogen zählt ein Nervenbündel meistens 40 bis 50 markhaltige Nerven. Dieselben sind, wie die Querschnitte lehren, von untereinander ganz verschiedener Dicke. In den bindegewebigen Scheidewänden des Nervenbündels verlaufen nicht selten Capillar- sefäße, kenntlich an den noch erhaltenen Blutkörperchen. Der ein- zelne Nerv des Bündels besteht hier aus Neurolemm, Markscheide und Achsenzylinder. Die Ranvierschen Schnürringe sind gut zu erkennen. Was den Nerven im elektrischen Organ vom Mormyrus eine gewisse Eigenart verleiht, ist die Dicke der Markscheide und vor allem die kurze Aufeinanderfolge der Schnürringe. Besonders gegen die Ansatzstellen hin scheint der Abstand zwischen den Schnürringen noch abzunehmen, so daß die Nervenfasern dort unter nicht zu starker Vergrößerung wie eine Reihe nur lose zusammen- hängender kurzer Stäbchen erscheinen (Fig. Il«a und 115). Ob hier nun genan auf jeden Abschnitt ein Neurolemmkern kommt, ließ sich nicht entscheiden. Längsschnitte durch ein Nervenbündel zeigen Kerne, die teilweise auf Rechnung des Neurolemms, teilweise auf Rechnung der Bindegewebswände und der Capillarwandungen zu setzen sind. Wo und wie endigen nun die Nerven? Es sei gleich vorweg senommen, daß das von mir untersuchte Material mit einer gewissen Sicherheit nur die erste Frage zu beantworten gestattete, die zweite dagegen nicht. Schon der Analogieschluß von andern elektrischen Fischen ließ vermuten, daß die Nervenendigungen nicht in der Platte selbst zu suchen seien, wohin alle früheren Forscher sie verlegen. Prof. BarLowırz hat für Torpedo, Raya clavata, Gymnotus und Malapterurus als unzweifelhaft nachgewiesen, daß hier die Elektro- plaxe einheitliche Gebilde sind, die sich von der Nachbarschaft durch ein Elektrolemm vollständig abschließen. Diesen Elektroplaxen 504 Heinrich Schlichter, liegen dann die Nervenendigungen von außen an. Nicht anders treffen wir die Verhältnisse bei Mormyrus oxyrhynchus; auch hier überzieht, wie in dem Kapitel über den Plattenbau gezeigt wurde, ein Elektrolemm Platten und Fortsätze. Unterbrechungen des Elektrolemms, die einen Übertritt noch so feiner Nervenelemente in die Platte gestattet hätten, fanden sich wenigstens an der Platte und den nervenfreien Fortsätzen derselben nicht. Ferner, das Innere der Plattenfortsätze zeigt nur Plattenstruktur, aber nichts, was auf eine Fortsetzung von Nerven hinweisen könnte. Somit unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß, wie bei den oben erwähnten Fischen, so auch hier die Nerven außerhalb der Elektroplax endigen. Folgendes konnte nun über die Art der Endigungen eruiert werden. Jedes Rohr der oben beschriebenen Endgabel des Nervenbündels besteht aus mehreren Lagen markhaltiger Nerven, die sich konzentrisch um den verdünnten Fortsatz gruppieren. Jetzt zeigen die Fortsätze nicht mehr den geraden Verlauf, den wir im Bündel fanden, sondern sie scheinen sich zum Teil wenigstens um den Fortsatz spiralig herum- zulegen. Es kann diese Drehung zuweilen so stark werden, daß auf einen Querschnitt durch diese Stellen Nervenpartien im Längs- schnitt getroffen werden (Fig. 13). Auch durch Teilungen können Unregelmäßigkeiten bedingt werden. Die dem Fortsatz anliegenden Nerven verlieren nun, der eine eher, der andre später, plötzlich ihre Markscheide und damit die dunkle Färbung. Was nun weiter aus ihnen wird, ist nach meinen Präparaten mit Sicherheit nicht zu sagen. Nur so viel läßt sich in allen Schnittserien nachweisen, daß auf den Längs- und Querschnit- ten durch die Anheftungsstellen der Nervenfasern zwischen diesen und der Oberfläche der Plattenfortsatzenden helle, kreisrunde oder längliche Räume ringsherum auftreten, welche den Eindrücken der Fortsatzoberfläche entsprechen; dadurch erscheint die letztere sehr unregelmäßig eingebuchtet. In diesen hellen Räumen findet sich häufig Gerinsel und Kerne. Dadurch wird wahrscheinlich, daß die hellen Räume und Eindrücke den marklosen Nervenendigungen ent- sprechen, die aber in dem vorliegenden Material ihrer außerordent- lichen Zartheit wegen nicht genügend fixiert und konserviert waren, um sie mit Bestimmtheit als Nervenendigungen zu erkennen. Sehen wir uns hiernach die Schnitte durch die Anheftungsstelle des Bündels markhaltiger Nerven Fig. 12 und 13 an. In Fig. 12 tritt von links das dieke Bündel an den Forsatz. Die Nerven im Bündel haben einen unregelmäßigen Verlauf. Hier verschwindet einer, dort taucht Kr Sollen Aue Suhl A Et nn u nn lie ae Zum Zur u a dl I En nn ON 1 Tr Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geoffr. 505 ein andrer wieder auf, und wir bemerken besonders in dem Quer- schnitt, wie die Nerven stellenweise den Fortsatz umkreisen. An demselben selbst finden sich markhaltige Nervenfasern und können die auffälligen Eindrücke an seiner Wandung wohl nur durch irgend einen Endapparat der Nerven hervorgerufen werden. Bei der An- heftungsstelle der Nervenbündel an die Plattenfortsatzenden geht die bindegewebige Hülle des Nervenbündels auf den Plattenfortsatz über. Die Hülle wird von zart fibrillärem, lockigem Bindegewebe gebildet und wird, je weiter sie zur Platte geht, um so dünner, bis sie endlich sanz aufhört. In letzter Nähe der Platte ist sie auf den Fortsätzen nicht mehr zu bemerken. Schließlich sei noch hervorgehoben, daß dort, wo die Nerven an den Fortsatz sich ansetzen und endigen, in demselben eine auffallende Kernvermehrung zu beobachten ist. Die Kerne befinden sich in der peripheren Schicht des Fortsatzes, sind nur wenig voneinander ent- fernt und, was besonders an ihnen auffällt, beträchtlich größer als die Kerne der Platte oder des Anfangsteiles der Plattenfortsätze. Während dort die Durchmesser der Kerne 0,0045 bis 0,0054 mm maßen, betrugen die betreffenden Werte hier bis 0,0081 mm. Auch diese eigentümliche Kernvermehrung spricht dafür, daß hier die Stelle der außen angelagerten Nervenendigungen ist. Literaturbesprechung. Es wird nicht uninteressant sein, an dieser Stelle einmal auf- zufrischen, wann und wie die Mormyriden der wissenschaftlichen Forschung zuerst zugänglich gemacht worden sind. Ich gebe hier nur kurze Daten. Eingehenderes hat MARKUSEN in seiner langen Abhandlung »Die Familie der Mormyriden« in den Memoiren der Petersburger Akademie veröffentlicht. Den Zoologen wurden die Mormyriden erst bekannt um die Mitte des 18. Jahrhunderts und zwar durch HaAsseLgtist, der sie auf einer Reise nach Palästina zuerst gesehen und Lins&E eine Beschreibung von ihnen gegeben hat. Bald nach ihm hatte ForsKAL ebenfalls auf einer Orientreise Gelegenheit, Mormyrus-Exemplare in die Hände zu bekommen, und hat er zuerst eine Beschreibung des uns vorliegenden Mormyrus oxyrhynchus gegeben, den er M. Kanume nannte. Vor allem aber erwarben sich große Verdienste um das Bekanntwerden dieser Fische GEOFFROY St. HILAIRE und Ep. RÜPPELL. Wie HassELauIst an LiNN£, so hatten auch ForskAL und G. St. HILAIRE ihre Aufzeich- nungen an andere Forscher zur Veröffentlichung übergeben, so erklärt Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 33 506 Heinrich Schlichter, es sich, daß in der Charakterisierung der einzelnen Arten manche Verwechslungen unterliefen. Das hatte dann zur Folge, daß manche Species, die längst einen Namen hatte, später neu benannt wurde. Fast jede der aus jener Zeit benannten Mormyrus-Arten trägt so viel Namen, als Forscher dagewesen sind, die sie beschrieben haben. Unser Mormyrus oxyrhynchus tritt in verschiedenen Werken unter folgenden Benennungen auf: Morm. Kamume: FORSKAL, Descriptiones animalium ete. edid. CARSTEN NIEBUHR. » oxyrhynchus: GEOFFROY ST. HILAIRE, Deseript. de l’Esypt. B. XXIV, p. 256. » Kanume: BONATERRE, Eneyklop. p. 184. » oxyrhynchus: LACEPEDE, Histoire natur. d.- poiss. » Kanume: LACEPEDE, ebendort. _ » oxyrhynchus: CUVIER, Das Tierreich. » Kanume: CUVIER, ebendort. >» oxyrhynchus (Kanume): VALENCIENNES 8. CUVIER et VALEN- CIENNES, Hist. nat. d. poiss. Vol. XIX, p. 256. » oxyrhynchus: RÜPPELL, Fortsetzung der Beschreibung und Abbildung mehrerer neuer Fische, im Nil entdeckt. Wir sehen, derselbe Fisch kehrt sogar in denselben Werken unter verschiedenen Namen wieder. Es konnte nicht ausbleiben, daß den Forschern, die zum ersten Male einen Mormyrus vor sich hatten, auch bald die eigentümlichen Gebilde im Schwanze dieses Fisches auffielen, zumal dieselben, wie eingangs erwähnt, hier eine Verdickung hervorrufen. So erwähnt GEOFFROY ST. HILAIRE sie denn auch mit der Vermutung, es seien schleimabsondernde Organe. Ferner schreibt RÜPPELL, 1. e., S. 9: er habe bei den von ihm entdeckten Mormyriden-Familien zu beiden Seiten der Wirbelsäule zwei Paar längliche, gallertige Massen ge- funden. Eine spezielle Verbindung zwischen den benachbarten Körperteilen und diesen fremdartigen Organen habe er nicht bemerkt. Endlich ERDL und GEMMINGER, der unter ERDLS Anleitung arbeitete, waren die ersten, die den makroskopischen Aufbau der Organe genauer studierten, und nach Vergleichung mit den elektrischen Organen der Zitteraale sich entschlossen, dieselben auch als elek- trische zu bezeichnen. Bevor wir nun an die Besprechung der eigentlichen hierher gehörenden Arbeiten herangehen, scheint es angebracht, einmal Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geoff. 507 zusammenhängend darzulegen, welche Vorstellung die ältesten Unter- sucher dieser elektrischen Organe von deren allgemeinem Aufbau hatten. Dabei soll auch auf einige besonders interessante Ver- schiedenheiten in den Strukturverhältnissen in Organen verschiedener Mormyrus-Arten hingewiesen werden. Die von der Bindegewebshülle des einzelnen Organkörpers ab- gehenden bindegewebigen Scheidewände waren von Anfang an richtig gesehen worden. Diesen Scheidewänden ließ man nun die elektrische Platte — die oben beschriebene Elektroplax — als eine besondere Membran ohne Zwischenraum angelagert sein. Die so gebildeten Lamellen — je eine Scheidewand mit ihrer Membran — sollten dann durch Schleimschichten getrennt sein. Unterschiede bei den einzelnen Mormyrus-Arten fand man nun darin, daß bei einigen Familien die Membran der Kopfseite der Bindegewebswand ange- lagert sein sollte, bei andern der caudalen Seite. Zwischen Scheide- wand und Platten, gab man an, verliefen die Nerven, die sich den Platten irgendwie ansetzten. Diese Angabe gibt uns die Erklärung zu der geschilderten Auffassung. Nach den Untersuchungen von FRITSCH und ECKER wissen wir, daß die Nervenbündel, die zu den einzelnen Fächern gehören, bei einigen Mormyrus-Species an der Hinterseite der vorderen Fachwand, nicht wie bei M. oxyrhynchus an der Vorderseite der hinteren Fachwand eintreten und von hier aus Verbindung mit den Elektroplaxen erstreben. Die Bündel mark- haltiger Nerven sind der Bindegewebswand stets fest angeheftet. Löst man nun aus einem Organ eine Querwand heraus, so ziehen die in ihr verlaufenden Nerven die zugehörige Elektroplax mit, und das ist in einem Falle die vor ihr liegende (o@yrhynehus), im andern die hinter ihr liegende. Untersucht man ein so zusammenhängen- des Ganze, Querwand mit Nervenausbreitung und Platte, so ist es natürlich nicht leicht, zwischen Wand und Platte noch eine Gallert- schicht zu erkennen, und ist die oben dargelegte Auffassung dann erklärlich. | Die Art, in der die in der vorderen Gallertschicht eintreten- den Nerven sich mit den Elektroplaxen verbinden, ist eine höchst eigentümliche. Im Organ von Mormyrus oxyrhynchus haben wir gesehen, daß die Nervenbündel sieh an Plattenfortsätze ansetzen. Diese Fortsätze wurden bis jetzt von allen Forschern für nervöse Gebilde angesehen, indem man sie selbst für die Fortsetzung der marklos gowordenen Nervenfasern hielt oder sie als Träger von Nervenfortsetzungen auffaßte. OGNEFF nennt sie blasse Fasern. 33* 508 Heinrich Schlichter, Aus dieser Auffassung heraus schreibt OGNEFF: »Wie zuerst EcKErs, späterhin BABucHINs und FrırschH’ Untersuchungen gezeigt haben, durehbohren bei allen denjenigen Mormyren, bei welchen die Nerven an die Platte von vorn treten, die Verzweigungen der blassen Fasern die elektrische Platte und spalten sich hinter derselben in bogenförmige Zweige, die sich wieder nach vorn biegen und mit der hinteren Plattenfläche verschmelzen. « Die Plattenfortsätze, als solche haben wir sicher auch hier die »blassen Fasern« aufzufassen, treten also auch in diesen Fällen aus der Hinterseite der Platte heraus. Hiernach sind nun die Angaben Eckers leicht verständlich, wenn er in den Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Frei- burg i. Br. zusammenfassend schreibt: »Somit stellt sich heraus, daß bei allen untersuchten Arten von Mormyrus, nämlich oxyrhynchus, longipinnis, eyprinordes, dorsalis, anguillordes, elongatus und labiatus die Nerven von der hinteren Seite der elektrischen Platten eintreten. Diese Platte selbst liegt entweder auf der vorderen Seite der Bindegewebs- platte — die Nerven treten, zwischen beiden Platten sich ausbreitend, von hinten an die Nervenmembran an — (Mormyrus oxyrhynchus, longipinnis, cyprinordes L. sive band GEOFFROY. ST. HILAIRE), oder die elektrische Platte liegt auf der vorderen Seite, die Nerven treten aber von der vorderen freien Fläche an dieselbe heran, gehen durch die Löcher derselben an die hintere Fläche und senken sich in diese ein (labiatus), oder endlich, die elektrische Platte liegt auf der hinteren Seite der Bindegewebsplatte. Die Nerven, zwischen beiden Platten sich ausbreitend, treten durch die Löcher der elektrischen Platte an die hintere Fläche derselben und senken sich in diese ein (Mormyrus dorsalis, anguilloides und elongatus).«< Unklar bleibt hier nur der zweite der drei Fälle: Die Platte liegt auf der vorderen Seite, die Nerven treten aber von der vorderen freien Fläche an dieselbe heran, gehen usw. ... (labiatus). Man hätte hier erwarten scllen, daß die Nerven die Elektroplax an die vordere Fachwand festgeheftet hätten. Doch kommt uns hier sehr die Beobachtung OGNEFFS zu statten, daß bei einigen Mormyrus-Species die Bündel der Myelinfasern bei weitem nicht so fest an der Scheidewand liegen, als bei Mormyrus oxyrhynchus. So ist vielleicht auch beim Mormyrus labiatus ECKERS die Verbindung zwischen Nervenbündel und Scheidewand eine so lockere gewesen, daß Nerven und Elektroplax bei Ablösung der hinteren Fachwand mitgegangen sind. | Richtig sah man stets, daß dort, wo die markhaltigen Nerven Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynchus Geoffr. 509 sich ansetzen, eine Verdiekung stattfand, so daß von dieser Stelle bei KÖLLIKER, ECKER u. a. stets als von einer Anschwellung oder einem »Kölbehen« die Rede ist. Kehren wir nach diesen etwas abschweifenden Ausführungen, die uns jedoch das Verständnis für das Folgende an manchen Punkten wesentlich erleichtern werden, zum Thema dieses Kapitels zurück. Die Ausführungen KÖLLIKERS, der als erster die mikro- skopische Untersuchung des Mormyrus-Organs unternommen hat, habe ich ‚leider nicht zur Hand bekommen können. KÖLLIKER hat nur Weingeistexemplare zur Verfügung gehabt, und deshalb liegt der ‘Schwerpunkt seiner Resultate in seinen Angaben über den gröberen Aufbau der Organe. Wie spätere Autoren berichten, hat er diesen anschaulich und zutreffend geschildert. Zwischen die Primitivnerven- fasern sah er Röhren eindringen, die er für Nervenendigungen hielt, »wie sie aber zu den Primitivfasern sich verhielten, konnte er nicht ausfindig machen«. »Er fand auch, daß die feinsten Röhrchen untereinander anasto- mosieren.e »Die von ihm gegebenen Abbildungen sind sehr gut und sicher konnte durch Untersuchungen an Weingeist-Exemplaren nicht mehr gefunden werden.« So berichtet MARKUSEN in seiner Arbeit »Die Familie der Mormyriden.« Im Jahre 1853 veröffentlichte dann MARKUSEN einige kleine Notizen über den Nervenapparat in den Fächern der Organe. »Die von der Anschwellung austretenden Nervenfasern«, nämlich die Plattenfortsätze, »zeigen nicht mehr die Beschaffenheit der Primitiv- nervenfasern. Sie bestehen aus einer grauen Masse, die von einer 'durehsichtigen Scheide umgeben ist«. Die doppelt kontourierten ‚Nervenfasern sollten dort, wo die neuen Nervenfasern aufträten, in Schlingen endigen. Dieser letzten Bemerkung widersprachen 'aber bald EcKEr, KUPFFER, KEFERSTEIN und mehrere andre, und 'berichtigte MARKUSEN dieselbe später auch selbst. MARKUSEN hatte sich offenbar durch den oben erwähnten unregelmäßigen, teilweise spiraligen Verlauf der Nervenfasern an der Anheftungsstelle täuschen lassen. \ Einer eingehenden Untersuchung unterzog den elektrischen ‚Apparat unsrer Mormyriden dann Prof. ECckEr in Freiburg. ECKER hatte Weingeist- und in Chromsäure aufbewahrte Exemplare von Prof. BıLHmarz in Kairo erhalten und veröffentlichte, nachdem er einige kurze Notizen im Jahre 1855 hatte erscheinen lassen, seine Befunde in der gelegentlich der Feier des 250jährigen Bestehens 510 Heinrich Schlichter, der Universität Freiburg erschienenen Festschrift: »Untersuchungen zur Ichthyologie« Freiburg i. Br. 1857. ECKER hatte sechs Mormyrus- Species zur Verfügung. Die oben geschilderte Vorstellung von dem Aufbau der Organe, die bis BABucHIn die herrschende war, ent- wickelt EcKER in folgenden Worten: »Jede Querwand — des Or- gans — besteht aus 1) einer Sehnen- oder Bindegewebshaut, welche von der äußeren Hülle abgeht. 2) Nach hinten auf dieser liegt eine körnige Membran, die wesentlich aus der Ausbreitung der Nerven- enden besteht und die ich Nervenmembran nenne... Dieselbe scheint in den meisten Fällen getragen von einem, zwischen derselben und der Sehnenhaut gelegenen strukturlosen Häutchen. In dieses Häutchen sind kleine, sternförmige Zellen mit Ausläufern (Binde- gewebskörperchen? Ecker) eingebettet.< Wahrscheinlich hat EcKkErR die Zellen der zwischen Elektroplax und Querwand gelegenen Gallertschicht gesehen und diese Schicht selbst für ein eignes Häutchen gehalten. An die Septa treten nun, gibt ECKER an, Nerven- äste heran, die anfänglich weiß und opak sind und aus deutlichen dunkelrandigen Nervenfasern bestehen. »Ziemlich plötzlich verliert er jedoch diese Beschaffenheit und an dieser Stelle scheint der Nerv, mit dem unbewaffneten Auge betrachtet, kolbig zu enden, indem die von hier abgehenden Ästchen durchsichtig und von ganz andrer Beschaffenheit sind. Man bemerkt nämlich im weiteren Verlaufe, innerhalb der Bindegewebsscheide, statt dunkelrandiger Primitiv- nervenfasern, eigentümliche, strukturlose, mit Kernen besetzte und in ihrer Achse mit feinkörnigem Inhalte gefüllte Röhren, welche schließlich, indem ihr feinkörniger Inhalt sich unmittelbar in die feinkörnige Grundsubstanz der Nervenmembran fortsetzt, vollständig n diese übergeht.« Diesen Ausführungen haben die folgenden For- scher, bis auf BABUCHIN, zunächst wenig hinzuzufügen gewußt. Es hätte dies auch seine großen Schwierigkeiten gehabt, zumal zu jener Zeit untersuchungsfähige Schnitte durch so weiche Gewebe, wie die der elektrischen Organe, noch nicht hergestellt werden konnten. Als der besonders schwierige Punkt der Untersuchung erschien naturgemäß den Forschern immer das Verhalten der dunkelrandigen Nervenprimitivfasern zu den »Röhren«. ‘EcKER hatte eigens Prof. BILHARz in Kairo gebeten, an frischem Material dieses Verhalten zu untersuchen. BiLHArz antwortet ihm: »Über den angeregten Punkt habe ich mich gleich gemacht und habe dann die Überzeugung ge- wonnen, daß die dunkelrandigen Nervenfasern in den kolbigen An- schwellungen nicht etwa in Schlingen umbiegen (siehe oben die Über den feineren Bau usw. von Mormyrus oxyrhynehus Geofir. 511 Angaben MARKUSENs), sondern wirklich in das blasse Bündel über- sehen. An fıischen Exemplaren besteht das Zweiglein, welches von der kolbigen Anschwellung abgeht, aus zwei Hüllen: 1) einer äußeren feinfaserigen bindegewebigen und 2) einer homogenen, mit Kernen besetzten, deren Lumen mit einer blassen, fein granulierten Masse gefüllt ist.« In Chromsäurepräparaten will BILHARZ in dieser Masse eine Faserung wahrgenommen haben, und EckER gibt an, nach BILHARZ’ Anschauung sei das blasse Nervenzweiglein — unser Plattenfortsatz — ein Bündel zusammengebackener Achsenzylinder. Nach unsern Ausführungen braucht auf das Iırige dieser Ansicht wohl nicht weiter eingegangen zu werden. Da dieselbe aber von jetzt an in der Literatur häufig wiederkehrt, möge hier erläutert werden, wie sie entstehen konnte. Die Substanz der vorderen und hinteren Rindenschicht der Elektroplax zeigt, wie wir gesehen haben, besonders zwischen den Stäbchen eine starke Neigung zur Körnchen- bildung. Die Plattenfortsätze nun enthalten dieselbe Substanz wie die Platten und zeigen daher auch häufig Körnelung. Eine solche Körnelung nun läßt, besonders wenn sie etwas dicht ist, leicht das Bild entstehen, als lägen die Körnchen in Längsreihen, so dab dadurch leicht eine Faserung in den Fortsätzen vorgetäuscht wer- den kann. Daß die Nerven des Bündels nicht auf einmal ihr Mark verlieren, sondern nach und nach, mit andern Worten, daß die »Röhren« in das Innere der Bündel eindringen, sah schon EcKER. Die Nerven dachte sich EcKER mit BILHARZ innerhalb der »Röhren« als nackte Achseneylinder fortgesetzt, und er nahm nun an, die Platte sei eine membranöse Ausbreitung des Röhreninhaltes, also von Nervensubstanz, wie man es damals ja auch noch vom Malapterurus annahm. ECKER setzt, wenn er von der Grundsubstanz der Platte spricht, stets eingeklammert, das Wörtchen »Ganglien- zelleninhalt« dahinter. Das Einsenken der »Röhren« in die Platten, die Kerne derselben, sowie der Platten, alles dies wurde schon von EcKER richtig beobachtet. Stets aber sah er nur eine Lage von Kernen, wohl eine Folge davon, daß Ecker in seinen Zupfpräparaten stets nur eine der Rindenschichten der Elektroplax im Mikroskope vor sich hatte, die er dann für die ganze Platte hielt. Die Zu- sammensetzung der Elektroplax aus verschiedenen Schichten war ihm ja noch nicht bekannt. Besondere Erwähnung verdient nun noch folgende Beobachtung EckErs, die er bei Mormyrus dorsalis G. machte: »Mehrfach sah ich in der Nervenmembran bei starken Vergrößerungen stellenweise 512 Heinrich Schlichter, eine deutliche Querstreifung, wie am animalen Muskel, ohne jedoch irgendwie Fasern deutlich unterscheiden zu können.< Ferner bei Mormyrus labiatus, bei dem, wie wir gesehen haben, die Platten- fortsätze durch die Platten auf deren Vorderseite treten, und um die Durchtrittsstelle sich ein Muskelwall bildet, gibt er an: »Dieser Wall ist in radiärer Richtung quergestreift. Die Querstreifung ist außerordentlich deutlich und vollkommen der Muskelsubstanz gleich, so daß ich nicht austehe, diesen Wall als aus Muskelsubstanz be- stehend zu betrachten.Le genre Polygordius<, nachdem unterdessen einige Forscher mehrere an an- dern Orten lebende Polygordien entdeckt hatten. Eine ausführliche Darlegung der historischen Daten bis 1887 findet sich in der ge- nannten Arbeit. Fraıponr fand bei Neapel zwei Arten dieser Tiere, von denen die eine, Polygordius appendiculatus, durch das Vorhanden- sein zweier Präanaleirren und die gerisgere Körpergröße sich deut- lich als eine neue Species erwies. Aber auch die andre glaubte FRAIPONT nicht mit einem der bekannten Polygordien identifizieren zu können, sondern er beschrieb sie als ebenfalls neue Species unter dem Namen Polygordius neapolitanus. In seiner systematischen Über- sicht der Gattung gibt er teilweise auf A. SCHNEIDERsS Angaben, teilweise auf eigne Befunde gestützt, die Unterschiede an, welche zwischen Polygordius neapolitanus und Polygordius lacteus bestehen sollen. Seitdem werden, wie erwähnt, in der Literatur beide letzt- genannte Arten als morphologisch verschiedene geführt. Gelegentlich seiner Untersuchungen der Larven und der Meta- morphose der Polygordien der Nordsee und des Mittelmeeres gelangte nun WOLTERECK (1901, 1904, 1905) zu der Vermutung, die Imagines (sit venia verbo) der beiden Arten möchten identisch sein, obgleich gerade er gezeigt hatte, daß sie auf ganz verschiedene Weise aus verschiedenen Larven entstehen, nämlich Polygordius neapolitanus aus einer Exolarve (früher von WOLTERECK Larve vom Mittelmeer- typus genannt), und Polygordius lacteus aus einer Endolarve (WOLTER- ECKs frühere Larve vom Nordseetypus). Die vorliegende Arbeit wurde zu dem Zwecke begonnen, die ausgebildeten Würmer beider Arten auf jene von FRAIPONT ange- führten Unterschiede zu prüfen. Bald zeigte es sich, daß keines der unterscheidenden Merkmale die Probe bestehen konnte, sondern ich fand, daß auch für Polygordius lacteus Fra1IPoxts Beschreibung von Polygordius neapolitanus gilt, beide also identisch sind (in Hinsicht auf die ausgebildeten Würmer). Zugleich aber gelang es mir, für beide, jetzt also gleiche Arten, eine Anzahl neuer, bisher unberück- sichtigt gebliebener morphologischer Einzelheiten festzustellen, welche nun den Stoff zu dem I. Teil dieser Arbeit lieferten. Wenn ich im Titel schreibe »Zur Morphologie von Polygordius lacteus«, so hat das Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 529 seinen Grund darin, daß ich meine Untersuchungen zum größten Teil an den von Helgoland stammenden Würmern, die ich zahlreich zur Verfügung hatte, vornahm. Doch betone ich ausdrücklich, daß alles später im einzelnen Gesagte in gleicher Weise auch für Poly- gordius neapolitanus gilt. Im H. Teil dieser Arbeit lasse ich eine Beschreibung der von Corı bei Triest gefundenen, von WOLTERECK als neu erkannten Species, Polygordius triestinus W. folgen, die wegen des spärlichen und weniger gut konservierten Materials nur kurz ausfallen konnte. Meinen verehrten Lehrern, vor allem Herrn Prof. Caux, sodann Herrn Prof. zur STRASSEN und Herrn Prof. WOLTERECK, sage ich für die vielfachen Anregungen und Ratschläge, die sie mir bei meiner Arbeit zuteil werden ließen, meinen herzlichsten Dank. Ganz be- sonders danke ich Herrn Prof. WOLTERECK für die liebenswürdige Unterstützung und Anleitung, mit der er mir in allen schwierigen Fragen zur Seite stand; nicht minder aber auch für die weitgehende Versorgung mit konserviertem und lebendem Material; endlich für ‚die gütige Überlassung der neuen Species, Polygordius triestinus, zur Beschreibung. Nicht unterlassen möchte ich, auch dem Direktor der Kgl. Bio- logischen Anstalt auf Helgoland, Herrn Prof. Dr. HEINcKE, meinen Dank auszusprechen für den Arbeitsplatz und die Besorgung lebender Polygordien während meines zweimaligen Aufenthaltes auf Helgoland in den Jahren 1904 und 1905. Ebenso danke ich den Herren Prof. Dr. SALENskY (Sebastopol) und Prof. Dr. Corı (Triest) für die mir gesandten Exemplare von Polygordien aus dem Schwarzen, bezüglich dem Adriatischen Meer. Material, Meine Untersuchungen wurden fast alle an Polygordius lacteus Schn. aus der Nordsee angestellt, weil ich von dieser Art die meisten Exemplare in allen Altersstufen zur Verfügung hatte, besonders aber, weil sich mir sowohl im Herbst 1904, als im August 1905 Gelegen- heit bot, auf Helgoland selbst in der dortigen Kgl. Biologischen An- stalt diese Tiere lebend zu beobachten und frisch zu konservieren. Außerdem erhielt ich im Sommer 1905 mehrere Sendungen lebender Polygordius lacteus. Von Polygordius neapolitanus Fr. besitze ich eine größere An- 39* 530 Friedrich Hempelmann, zahl konservierter Tiere. Ein Glas mit lebenden Exemplaren bekam ich im Frühjahr 1905 aus Neapel gesandt. Auch Polygordius appendiculatus, der ja immer vereinzelt zwischen den andern größeren Arten vorkommt, habe ich konserviert und lebend untersucht. Sodann prüfte ich zwei Stück einer Polygordius-Art aus dem Schwarzen Meer (Sebastopol), die ganz dem Polygordius lacteus und neapolitanus gleichen. Schließlich konnte ich die im Adriatischen Meer gefundene neue Art Polygordius triestinus W. untersuchen. Ich hatte außerdem Gelegenheit, durch die Güte des Herrn Prof. ‚Dr. WOLTERECK, mir das Material seiner Arbeiten über die Larve und die Metamorphose von Polygordius zur Information anzusehen, wovon für mich besonders die eben metamorphosierten und ganz jungen Würmer von Interesse waren. Untersuchungsmethoden. Soweit möglich wurden die Tatsachen von mir an lebenden Tieren festgestellt. Ich konnte so vor allem den Verlauf der Gefäße und deren Kontraktionen, sowie die Lage der Nephridien durch das Schlagen der COilien in deren Triehtern und Kanälen beobachten. Das oft sehr stark, besonders längs der Nephridialkanäle, entwickelte rotbraune Pigment, die dieke Längsmuskulatur, bei geschlechtsreifen Tieren außerdem die Menge@ der Eier und des Sperma, sind die Ur- sache, daß man auf diese Weise nur weniges mit dem Mikroskop sehen kann. Zur Konservierung eignet sich nach meinen Erfahrungen am besten Sublimat, und zwar erzielte ich mit der von WOLTERECK an- gegebenen Mischung, 1 Teil konzentr. Sublimat, 1 Teil 80%, Alkohol, 0,2 Teile Eisessig, die günstigsten Resultate. Mit Hermannscher Flüssigkeit (Platin-Osmium-Essigsäure) gelingt zwar die Konservierung sehr gut, aber wegen der wahrscheinlich durch die Osmiumsäure hervorgerufenen Sprödigkeit der Längsmuskeln lassen sich solche Präparate nicht mit dem Mikrotom schneiden. Wohl aus dem gleichen Grunde erwies sich die FLemnmInGsche Lösung (Chrom-Osmium-Essig- säure) als unbrauchbar. Um die Würmer in toto untersuchen zu können, wurden die konservierten Tiere in Nelkenöl oder Xylol-Kanadabalsam aufgehellt. Die zu färben war nicht vorteilhaft, da der stark tingierbare Haut- Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 531 muskelschlauch dann alles übrige verdeckte. Zur Auffindung aller feineren Details waren natürlich Schnittserien nötig. Für die Einbettung erwies sich in einigen Fällen (namentlich für Köpfe) wegen der ausgezeichneten Orientierungsmöglichkeit die Nelkenölkollodium-Methode als unentbehrlich. Außer den Mikrotom- serien in den verschiedenen Körperebenen waren !/, bis !/; mm dicke und ungefärbte Schnitte förderlich. Als Tinktionsmittel bewährte sich auch hier besonders Eisen- hämatoxylin nach HEIDENHAIN (EH), ohne welches sich die feinen Muskelfibrillen der Haut und des Darmes nicht hätten sichtbar machen lassen. Pikrokarmin mit nachfolgender Boraxkarminfärbung, wie sie FRAIPONT angibt (Le genre Polygordius, 1887, S. 3), lieferte gute Übersichtsbilder; das Gleiche gilt von den üblichen Hämateinfarben. Von spezifischen Nervenfärbungen erwies sich am brauchbarsten eine Art photographischer Nervenversilberung mit nachfolgender Tonung durch Goldehlorid, wie sie BIELSCHOwSsKY für in Formol fixierte Präparate empfiehlt. Mit Thionin traten die LeypIsschen Riesenganglienzellen besonders deutlich hervor. I. Polygordius lacteus. Allgemeine Übersicht. Polygordius lacteus Schn. ist ein schlank gebauter Wurm, der eine Länge von etwa l1O cm erreichen kann. Dabei hat sein an- nähernd rundlicher Körper auch bei den größten Individuen in der Mitte einen Durchmesser von kaum einem Millimeter, während er sich nach vorn und hinten verjüngt. Das Vorderende ist schon mit unbewaffnetem Auge kenntlich durch zwei an seinem oberen Rande entspringende Tentakel, dagegen ist das Hinterende, das Pygidium, knopfartig verdickt. Bei auffallendem Licht zeigen die Würmer eine hellgraugrüne Färbung mit einem Stich ins Rötliche und irisieren leb- haft. Unter dem Mikroskop erkennt man im Innern den Darmkanal, der mit einer vorn gelegenen ventralen Mundöffnung beginnt, den Wurm geradlinig durchzieht und in einem endständigen After aus- mündet. (Frarponts Angabe bei Polygordius neapolitanus liege der Anus auf der Ventralseite, muß ich als irrig bezeichnen.) Der Mund erscheint als eine beinahe kreisförmige Öffnung mit leicht gelapptem hinteren Rand, welche in ein Atrium führt,- auf dessen Grund man eine Längsspalte, den eigentlichen Eingang in den Vorderdarm, er- blickt. Diese innere Mundöffnung gabelt sich rostrad in zwei seit- 532 Friedrich Hempelmann, liche Spalten. Hinten läuft der Körper in acht kleine, den After umgebende Lappen aus, wie schon SCHNEIDER richtig angibt. FRrAr- PONT zeichnet bei Polygordius neapolitanus einmal acht, dagegen ein andres Mal 14 solcher Lappen und spricht von einem »anus multilobe« ‘ohne bestimmte Zahlen zu nennen, erwähnt aber bei der Zusammen- stellung der Unterschiede zwischen Polygordius neapolitanus und Polygordius lacteus nichts dergleichen. Er mag sich dadurch haben täuschen lassen, daß die Hinterenden infolge der Kontraktion der kräftigen Ringmuskeln, welche den Anus umgeben, oft stark gefaltet sind und so leicht den Eindruck erwecken, der After habe einen Rand mit zahlreichen Lappen. Ich fand bei beiden Species stets nur acht. Zwischen Verdauungstractus und Hautmuskelschlauch befinden sich rechts und links vom Darm symmetrisch gelegene dünne Wände, die Dissepimente, welche die Leibeshöhle in einzelne Segmente gliedern, deren Länge in der Rumpfmitte etwa gleich dem Durch- messer ist, während sie nach den Körperenden zu fortschreitend ab- nimmt. Unter der einschichtigen Epidermis sieht man eine nicht unbedeutende Längsmuskulatur in vier Feldern durch den ganzen Wurm verstreichen. Distal von letzterer verlaufen feine Ringmuskel- fasern, die sich am lebenden Annelid nur dadurch bemerkbar machen, daß sie bei ihrer Kontraktion in der Haut sanft eingesenkte Falten erzeugen; aber auf Schnitten treten sie nach entsprechender Färbung deutlich hervor. Außerdem sind in den einzelnen Segmenten immer je acht bis zwölf Muskelbündel, die Transversalmuskeln, von der ventralen Körperwand nach den beiden Seitenlinien ausgespannt. Vorn trennt eine ventrale, grubenförmige, zur Längsachse des Wurmes quergestellte Hauteinsenkung, die »Kopffalte«, einen an- nähernd kugeligen Teil von dem übrigen Körper. Dieses »Prosto- mium« (Kopflappen), birgt im Innern die einzelnen Teile des Centralnervensystems. An seinem vorderen dorsalen Rand entspringen, wie ich bereits andeutete, die beiden langen, schlanken Tentakeln, welche zwischen ihren Insertionsstellen einen kleinen Raum, das »Scheitelfeld« freilassen. An ihrer Basis gehen sie in je eine kegel- förmige Zellanhäufung, das »Tentakelganglion« über. Weiter hinten, den größten Teil des Kopflappens ausmachend, befindet sich das »Cerebralganglion«, in dessen vorderer Wand man meist vier in einer Reihe nebeneinander liegende Vacuolen bemerkt, die Secreträume von Drüsen, wie ich später erörtern werde. Zwischen den erwähnten drei Ganglien ist die T-förmige »Präcerebralhöhle« sichtbar. Das Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 533 caudale Ende des Prostomiums wird seitlich und dorsal von zwei schräg gestellten länglichen Gruben, in denen kräftige Cilien schlagen, begrenzt. Diesen »Wimpergruben«e (Riechorgane) liegen proximal zwei Fortsätze des Gehirns an, die zugehörigen Ganglien. Auf der Ventralseite des Wurms verstreicht im Eetoderm das Bauchmark, dessen Fasern im Leben durchschimmern, und das vorn durch ein paar Commissuren mit dem Oberschlundganglion in Verbindung steht. Sodann fällt das Gefäßsystem durch die grünlichgraue Farbe der Blutflüssigkeit auf. Es besteht in der Hauptsache aus zwei Längs- stämmen, welche dorsal und ventral vom Darm hinziehen. Der dorsale gabelt sich an der Basis des Prostomiums und sendet seine beiden Äste ventralwärts nach hinten, wo sie sich wieder vereinigen und in das Bauchgefäß einmünden. In jedem Dissepiment läuft rechts und links eine Gefäßschlinge an der Körperwand entlang und verbindet die beiden Hauptstämme. Die Topographie der Blutgefäße entspricht also genau derjenigen von Polygordius mneapolitanus. (A. SCHNEIDER hat das ventrale Gefäß bei Polygordvus lacteus über- sehen.) Bisher unbeachtet geblieben ist das Auftreten eines dor- salen Darmsinus während der Geschlechtsreife. Dagegen existieren die nach FrAıonTr ständig vorhandenen lateralen Blindsäcke, die sich von den Gefäßschlingen caudalwärts abzweigen, für gewöhnlich nicht, sondern zeigen sich nur gleichzeitig mit jenem Darmsinus. In jedem Segment führt ein Paar feiner Längskanäle, in deren Lumen eine lebhafte Cilienbewegung stattfindet, von den Septen nach hinten. Kurz vor dem folgenden Dissepiment biegen sie rechtwinklig zur Körperwand um und erweitern sich zu einer kleinen Blase, die durch einen Porus in der Cuticula nach außen mündet. Die Wandungen dieser Nephridialkanäle sind meist durch dichte Excret- ansammlungen rostbraun gefärbt. Aber auch im Peritoneum findet man ebensolches Pigment, am häufigsten in den ersten Segmenten. Einzelne gelbbraune Excreteonceremente flottieren frei in der Leibes- höhle. Am Vorderende bemerkt man oft ähnlich gefärbte drüsige Gebilde, welche entweder als ein Paar die Seiten des Prostomiums einnehmen, oder in der Einzahl an der die Kopfhöhle abschließenden Wand des Cerebralganglions angeheftet sind. Ich werde später zeigen, daß wir es hier wahrscheinlich mit den Drüsen zu tun haben, welche WOLTERECK bei der Larve »gelbe Körper« genannt hat. Oft liegt ein derartiges Organ auch vor dem Schlund, während gleichzeitig solche im Kopflappen fehlen. FrAaıponrt erwähnt bei Polygordius neapolitanus ein »Organe de sens« von fraglicher Bedeutung (S. 30) 534 Friedrich Hempelmann, an dieser Stelle des Oesophagus, aber aus seiner Abbildung Taf. I, Fig. 4 scheint mir sicher hervorzugehen, daß er diese Drüse vor sich hatte. Rings um den Äquator des Pygidiums gruppieren sich ziemlich dicht nebeneinander eine Anzahl von Drüsen-Plaques, welche als Haftorgane benutzt werden, wie bereits WOLTERECK beschrieb. Die Würmer sind getrenntgeschlechtlich. Für gewöhnlich sind aber die Männchen und die Weibchen nicht zu unterscheiden. Erst wenn sie geschlechtsreif werden und alle Segmente mit Sperma, bzw. Eiern, angefüllt sind, lassen sich die durch die Färbung der Eier rötlichen Weibchen leicht neben den weiß erscheinenden Männchen erkennen. Polygordius lacteus entsteht aus einer von WOLTERECK neuerdings »Endolarve« (früher »Larve vom Nordseetypus«) genannten Trocho- phora, in deren Innerem sich der gesamte Wurmrumpf aufgefaltet entwickelt. Durch eine Metamorphose, bei der die Scheitelplatte unter Ausschaltung der larvalen Gewebe mit der Rumpfanlage ver- schmilzt, bekommt das Annelid dann erst seine definitive Gestalt. Körperhohlräume. In dem Körper der von mir untersuchten Polygordius-Arten existieren drei Hohlraumsysteme, nämlich: primäre Leibeshöhle, sekundäre Leibeshöhle und Schizocöl. Das wie bei den meisten Polychäten, in symmetrischen Divertikel- paaren angeordnete mesodermale Cölom überwiegt die beiden andern Arten von Körperhöhlen bei weitem an Ausdehnung, so daß FrAıpont und E. MEYER die letzteren völlig übersahen. E. MEyEr hat es sich in seinen »Studien über den Körperbau der Anneliden« besonders angelegen sein lassen, möglichst genau nachzuweisen, daß bei Polygordius die beiden ersten Cölomdivertikel bis vorn an die ehemalige Scheitelplatte der Larve, das Prostomium des Wurmes, heranwachsen, so daß das dort ursprünglich vorhandene Blastocül ganz verdrängt werde. Es ist mir nun gelungen, in Übereinstimmung mit WOLTERECKS Untersuchungen an eben metamorphosierten Würmern ! festzustellen, daß hier zwischen dem Kopfzapfen und dem ersten großen Dissepiment ein Teil der Larvenhöhle auch im ausgewachsenen Tier erhalten bleibt. Aber nicht nur im Vorderende, sondern auch 1 »Zur Kopffrage der Anneliden.< Verh. D. Zool. Ges. 1905. Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 535 im Pygidium des Polygordius glaube ich primäre Leibeshöhle ge- funden zu haben, die in Form eines Schizocöls nachträglich wieder gebildet wird. Sodann sind sogar dorsal und ventral vom Darm zwischen den Mesenterien Reste des Blastocöls vorhanden, innerhalb welcher die beiden mit eignen mesenchymatischen Wandungen ver- sehenen Hauptgefäßstämme verlaufen. Schließlich muß der dorsale Darmblutsinus, der bei der Geschlechtsreife der Würmer zwischen Darm- epithel und Musecularis auftritt, gleichfalls als eine Wiederherstellung der primären Leibeshöhle aufgefaßt werden, denn genau an seiner Stelle liegt bei eben metamorphosierten Würmern ein Darmsinus, der weiter nichts ist, als das zwischen Entoderm und Mesoderm reichende Blastocöl. Die dritte Art von Hohlräumen befindet sich im Prosto- mium in Gestalt der »Präcerebralhöhle«. Diese ist nach WOLTERECK reines Schizocöl innerhalb der Scheitelplatte und hat weder mit primärer noch sekundärer Leibeshöhle etwas zu tun. Endlich sind die Längsmuskelfelder in dieser Körperregion proximal von Schizocöl begleitet, das teilweise in offener Verbindung mit dem erwähnten postceerebralen Blastocöl steht. Ich werde nun die einzelnen Körper- höhlen im Detail besprechen: 1. Cölom, sekundäre Leibeshöhle. a) im Rumpf. (Textfie. 1 u. 17, Taf. XXIX, Fig. 56.) Jedes der paarigen Cölomdivertikel wird ringsum begrenzt von dem Peritoneum, dessen parietaler Teil, die Somatopleura, sich den Längsmuskeln anschmiegt, während das viscerale Blatt als Splanehnopleura den Darm bedeckt. Zugleich dienen die ent- sprechend an dem Ectoderm der Rücken- und Bauchlinie befestigten splanehnischen Cölothelien als Aufhängebänder des Darmes (Mesen- terien). Ich konnte nun zeigen, daß sich die beiden Darmfaserblätter in keinem Segment des ganzen Wurmes weder dorsal noch ventral vom Darm dicht. zusammenlegen, wie sie es bei den meisten Anneliden und auch bei vielen andern Tiergruppen zu tun pflegen. Es drängen vielmehr die dort verstreichenden Längsgefäßstämme, welche durch- weg eigne Wandungen besitzen, wie ich später zeigen werde, diese Blätter so weit auseinander, daß sie sich auch auf ihrem weiteren Verlaufe nicht mehr berühren können. Ventral sind ihre Anheftungs- linien an der Haut um den Durchmesser des Bauchgefäßes von- einander entfernt. Indem die übrigen Grenzwände der Cölomsäckchen immer paarweise aneinanderstoßen, bilden sie die Dissepimente 536 Friedrich Hempelmann, oder Septen, die durch eingelagerte Muskelfasern contractil sind. Eine Verbindung zwischen den einzelnen Segmenten wird dadurch hergestellt, daß die Dissepimente nicht auf der ganzen Berührungs- linie mit der Splanchnopleura verschmolzen sind, sondern in deren mittlerem Teil entstehen sekundär, wahrscheinlich durch frühzeitiges Reißen, Schlitze, die als Septenspalten bezeichnet worden sind. Die an dem Rande dieser Spalten sehr verstärkten Septenmuskeln ermöglichen einen Abschluß der einzelnen Segmente. Die vom Peritoneum überzogenen Transversalmuskeln trennen jede Cölomhälfte in zwei Teile, von denen ich den am Darm ge- legenen wie üblich »>Darmkammer«, den andern aber »Lateral-, Nieren- oder Genitalkammer« nennen will. Bei ganz jungen Würmern hängen zunächst die einzelnen Peritonealteile aller Trans- versalmuskelgruppen zusammen, so daß die Darmkammern vollständig von den Nierenkammern getrennt sind. Erst wenn die Tiere heran- wachsen wird das definitive Stadium erreicht, wo zwischen den einzelnen Muskelbündeln eingerissene Spalten die beiden Cölom- kammern in offene Kommunikation setzen. Die Histologie des Oölothels ist im wesentlichen aus der Literatur bekannt. Septen- und Transversalmuskelbedeckung so- wie Splanchnopleura bestehen aus einem dünnen Plattenepithel mit runden hellen Kernen. Nur die Somatopleura weicht in ihrer Beschaffenheit von der des übrigen Peritoneums ab. Sie setzt sich aus großen blasigen Zellen zusammen, die in den Lateralkammern meist mehrschichtig angeordnet sind und den Eindruck eines Pflanzenparenchyms hervorrufen. FRAIPONT schreibt, daß oft die ganzen Nierenkammern angefüllt seien von solchem mächtig ge- wucherten Epithel. Ich fand nur bei ein oder zwei Tieren auf ent- sprechenden Schnitten diese weitgehende Verdickung des Hautfaser- blattes. An einzelnen Stellen der Cölomwand sind die Zellen umgewandelt, um besonderen Funktionen zu dienen. So findet man häufig im mittleren Teil der Somatopleura der Genitalkammern statt der hellen durchsichtigen Epithelzellen solche mit gelblichem oder dunklem, tröpfchenartigem Inhalt, der beim lebenden Tier meist rostrot er- scheint. Es handelt sich da um Peritonealdrüsen, die eine phago- cytäre oder exeretorische Tätigkeit übernommen haben, auf die ich daher gelegentlich der Besprechung der Excretionsorgane näher ein- sehen will. Hier möchte ich nur erwähnen, daß noch an andern Orten des Cölothels, allerdings nur vereinzelt, ähnliche Drüsenzellen Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 537 vorkommen, so besonders an den Mesenterien in der Nähe der Ge- fäße und am ventralen Ende der Transversalmuskelbündel. Schließlich entstehen auch die Geschlechtszellen in der Peritonealbedeckung der Nephridialkanäle. Rückengefäß Darmkammer v8 Dorsal.Mesen- ? ah terialkanäle _Cutieula - ul Dorsal.Längs- NE muskeln — ne er _ — Ringmus- Seitenlinie__ > / keln Nephridial- — kanal "Ventral. Längsmus- a kel eln N Ring- u. Längs- NS muskeln des Darmes Bauchgefäß — \ Transversalmuskeln N N ventral. Mesenterialkanal Bauchstrang mit Stützfaserbündeln Textfig. 1. Schematischer Querschnitt durch die Körpermitte von Polygordius lacteus. Die sekundäre Leibeshöhle ist angefüllt mit einer Flüssigkeit, die man wohl als Lymphe bezeichnen kann, da sie wahr-. scheinlich die Ernährung der einzelnen Organe vermittelt. Zellige Elemente konnte ich in ihr nicht nachweisen; nur vereinzelt flottieren srößere Excretcoagulationen darin, die wohl losgelöste Teile der erwähnten Phagocytärorgane sind. Im Stadium der Geschlechtsreife fallen die Eier und das Sperma in das Cölom und füllen es beinahe ganz aus. b. In den ersten zwei Segmenten. (Textfig. 2—9, Taf. XXV, Fig. 2—9.) Das zweite Cölomsegment gleicht im wesentlichen den Rumpf- somiten, abgesehen davon, daß sein viscerales Peritoneum außer mit seinem Rand am hinteren Dissepiment den Darm nicht berührt. Sein Lumen nimmt nur den ventralen Teil des Rumpfinnern ein, indem es kaum bis zur Höhe der Seitenlinien reicht. So kommt es, 538 Friedrich Hempelmann, daß die beiden Splanchnopleuren proximal von den Transversal- muskeln annähernd parallel mit diesen ausgespannt sind. Infolge- dessen erscheinen hier die Nierenkammern in Gegensatz zu denen der Rumpfsegmente größer als die zugehörigen Darmkammern. Endlich möchte ich noch bemerken, daß sich beide Somitenhälften nach vorn zu, entsprechend der konischen Form des ganzen Körperteils, ver- jüngen. Ihre vorderen Grenzwände bilden nun ebenfalls Septen mit den hinteren des ersten Oölompaares, die natürlich ziemlich klein sind im Verhältnis zu den Rumpfdissepimenten. Diese »kleinen Septen« unterscheiden sich von allen andern dadurch, daß sie keine Muskulatur enthalten, und daß sie mit dem Darm nicht in Berührung treten. Das erste Cölompaar verläuft im Anschluß an das zweite bis zur Basis des Prostomiums, wo schließlich sein viscerales Blatt in das parietale übergeht. Die Länge der Transversalmuskeln nimmt immer mehr ab, und entsprechend verkleinert sich das Lumen in den Cölomdivertikeln.. So kommt es, daß in der vorderen Hälfte des ersten Segments schließlich überhaupt keine sekundäre Leibes- höhle mehr ausgebildet ist, denn die von Splanchnopleura bedeckten Transversalmuskeln liegen dicht auf der Längsmuskulatur. Histo- logisch unterscheiden sich diese zwei kleinen Somitpaare in nichts _ von den übrigen, nur enthält, wie erwähnt, das kleine Septenpaar keine Muskeln, und ebenso fehlt den visceralen Blättern die sonst vorhandene Darmmuscularis. Nach dem Vorgange WOLTERECKS nenne ich die Region dieser zwei Segmente, die den Schlund des metamor- phosierenden Wurms umschließen, »Schlunddoppelsegment«. 2. Primäre Leibeshöhle. a. Schlundhöhle (Peripharyngealraum). (Textfig. 2—9, Taf. XXV, Fig. 2—9.) Der Vorderdarm durchzieht einen großen unpaaren Hohlraum, der, wie seine Entwicklung lehrt, nicht als ein Teil der sekundären Leibeshöhle aufzufassen ist. Die seitherigen Beobachter, vor allem HATSCHEK, FRAIPONT und EDUARD MEYER haben stets die Doppel- natur des peripharyngealen Cöloms übersehen und gemeint, dab vor dem ersten großen Dissepiment nur ein Somitpaar vorhanden sei, das den Raum zwischen Körperwand und Oesophagus ganz ausfülle und den übrigen Zoniten völlig gleiche. Herbeigeführt wurde diese Täuschung wohl hauptsächlich durch die allgemeine Annahme, dab diese ganze Körperregion ein Rest der durch allmähliches Schrumpfen Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 539 verkleinerten Wurmlarve sei (E. MEYER, 1901, Taf. XII, Fig. 27, 28). FrAIPont hat auf Querschnitten zwar die visceralen Blätter jener beiden Cölomsegmente gesehen (vgl. seine Fig. 2, Taf. VI), aber er d ® Textfi Textfig. Textfig. 4. Textfig 6. Textfig. 7. Textfig. 2—7. -Schematische Querschnitte durch die Schlundregion von Polygordius lacteus. Peripharyngealraum weiß, Cölom punktiert, Blutgefäße schwarz, Muskeln nicht gezeichnet. erkannte nicht, daß es zusammenhängende Lamellen sind, sondern hielt sie für Plasmastreifen, an denen die beiden lateralen Schlund- sefäße aufgehängt seien. Als ich auf Frontalschnitten deutlich erkannt hatte, daß diese 540 Friedrich Hempelmann, Plasmabänder kontinuierliche Membranen sind, und dann die kleinen Septen fand, war es mir sofort klar, daß das bisherige Schlundsegment aus mehreren Teilen bestehen müsse. Es handelte sich nun darum, ob der große Raum um den Darm, den ich »Schlund- höhle« (Peripharyngealraum) nennen will, als ein weiterer Ab- schnitt der sekundären Leibeshöhle außer jenen beiden Cölomdiver- tikeln aufzufassen sei. Die unpaare Schlundhöhle umgibt den Vorderdarm auf allen Seiten und wird nur dorsal durch das Ligament des Rücken- gefäßes, an dem auch der Darm hängt, in zwei Hälften geschieden, Textfig. 9. Schematishe Längsschnitte (frontal) durch die Schlundregion von Polygordius lacteus. Textfig. 8 in Höhe der inneren Mundöffnung; Textfig. 9 etwas höher. Muskeln und Blut- gefäße nicht gezeichnet. Peripharyngealraum weiß, Cölom punktiert, Präcerebralhöhle schraffiert. während sie ventral und rostral vom Oesophagus einheitlich ist. Außerdem wird sie durchzogen von den »Schlundretraetoren<, Muskel- fasern, die in vier Gruppen angeordnet sind. Sie spannen sich aus zwischen Darm und Körperwand dorsal, ventral und lateral vom Vorderdarm. Alles dieses, der unpaare Peripharyngealraum, seine Lage zwischen echten Cölomteilen und dem Darm, die Anwesenheit jener Schlundrückziehmuskeln, erweckten in mir die Vermutung, daß hier ein Rest der Larvenhöhle, des Blastocöls vorhanden sein möge. Unterdessen hat WOLTERECK durch seine Untersuchungen der Ent- stehung dieses Hohlraumes wenigstens für Polygordius neapolitamus meine Annahme vollkommen bestätigen können. Die Einzelheiten hat er bereits auf dem Kongreß der Deutschen Zoologischen Gesell- Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 541 schaft in Breslau 1905 vorgetragen, so daß ich hier nur auf jenen Vortrag zu verweisen brauche. WOLTERECKS Untersuchungen haben noch eine Komplikation er- seben, die aus der Morphologie des ausgebildeten Wurms nicht er- sichtlich ist. Es ist nämlich die Schlundhöhle nicht reines ursprüng- liches Blastocöl, sondern eine Verschmelzung eines Schizocöl- raumes mit der primären Leibeshöhle der Larve. Das Schizocöl tritt auf in dem bereits von E. Meyer (1901) erwähnten und dann von WOLTEREcK 1902 und 1904 ausführlich beschriebenen Mesenchymbelag des Larvenschlundes (vgl. WOLTERECK, 1902, S. 62 und Taf. X, Fig. 2-5). Über die Entstehung dieses Schizocöls und seine Verschmelzung mit dem Blastocöl sagt WOLTERECK in dem er- wähnten Vortrag (S. 172): »Gegen Ende der Larvenperiode wird er (der Belag des Schlundes) zweischichtig und während der Metamor- phose kann man jederseits vom Schlund ein deutliches halbmond- förmiges Lumen auf den Schnitten bemerken. Dieser Hohlraum ist also, um die Komplikation der »Kopfhöhlen« voll zu machen, Schizocöl. Die äußere Schicht wird zu den Retraetoren, die nach oben, unten und vor allem nach den Seiten hin ausstrahlen und be- sonders in der Seitenlinie des Wurmes, zwischen dem neuralen und hämalen Abschnitt der Somiten, bis zum Eetoderm, an dessen Cuticula sie inserieren, vordringen. Mit dem andern Ende ihrer Fasern da- gegen dringen sie, das Schizocöl durchsetzend, tief zwischen die Schlundzellen ein. Dabei wird die äußere Belagschicht aufgefasert und das Schizocöl verschmilzt mit dem Blastocöl.« Wie gesagt ist dies nur an Polygordius neapolitanus festgestellt worden. Da aber die Morphologie des Schlunddoppelsegments eines ausgewachsenen Polygordius lacteus mit der eines gleichen Polygordius neapohtanus völlig übereinstimmt, und auch seine Larve jenen mesenchymatischen Schlundbelag aufweist, so darf man wohl ohne weiteres annehmen, daß auch bei Polygordius lacteus die Schlund- höhle eine solche Verschmelzung von Blastocöl mit Schizocöl ist. Unterhalb der Seitenlinie wird die Schlundhöhle distal begrenzt von den Splanchnopleuren der ersten beiden Somitenpaare. Dorsal dagegen stößt der Peripharyngealraum an die Körperwand selbst. Man findet da zwischen den Zellen der Längsmuskeln noch zahlreiche andre, ähnlich aussehende Zellen, die ein die Muskelschicht be- deckendes Epithel zu bilden scheinen. Dieses Epithel gleicht in seinem parenchymatösen Aussehen ganz der parietalen Begrenzung der Lateralkammern. 542 Friedrich Hempelmann, Der Peripharyngealraum reicht mit drei Blindsäcken in das Prostomium hinein. Der mittlere führt zwischen den Wimpergruben über die Kopffalte hinweg bis an die Hinterwand des Cerebral- ganglions und wird im Kopfzapfen seitlich durch die Wimpergruben- ganglien begrenzt. Die andern beiden begleiten proximal die ven- tralen Längsmuskelfelder bis beinahe an die Basis der Tentakeln. Ein Analogon zu letzteren zwei Hohlräumen sind zwei Gewebs- spalten unter den dorsalen Längsmuskeln im Prostomium. Diese sind aber rings geschlossen und stehen in keiner Verbindung mit der Schlundhöhle. Die Wände der drei Blindsäcke des Peripharyngeal- raumes und jener zwei dorsalen Hohlräume werden von einem Plattenepithel gebildet. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die Lumina proximal von den vier Längsmuskelfeldern im Kopfzapfen nichts andres sein können als Schizocöl, das nachträglich, wenigstens die beiden ventralen und das mittlere, mit der Schlundhöhle in Kommunikation getreten ist. Das auskleidende Epithel muß dann mesenchymatischer Natur sein, da das Mesoderm nicht bis in das Prostomium reicht. Die dort befindlichen Längsmuskeln sind nämlich, wie ich später zeigen werde, Reste oder Erneuerungen der Larvenmuskeln, welche bei der Metamorphose die vorderen Enden des Hautmuskelschlauches an die Scheitelplatte ziehen; die eigentlich mesodermalen Längsmuskeln enden an der Basis des Pro- stomiums. | b. Perirectalhöhle. , (Taf. XXVI, Fig. 10-14.) Den Enddarm im Pygidium umgibt ein nicht cölomatischer Hohl- raum, ähnlich wie die Schlundhöhle den Vorderdarm. Ich werde diese Körperhöhle die »Perirectalhöhle« nennen. Sie ist wohl als eine Wiederherstellung der primären Leibeshöhle durch ein Auseinanderweichen des Entoderms und Mesoderms zu deuten. Auf einem Frontalschnitt durch das Hinterende eines aus- gewachsenen Wurmes sieht man etwas vor dem präanalen Drüsen- kranz das letzte Cölomsegment liegen. Caudal von diesem trifft man auf eine Wachstumszone, von der aus nach vorn immer neue Seg- mente gebildet werden. Im Eetoderm wird sie dadurch erkennbar, daß die Hypodermis in dieser Gegend besonders zahlreiche Zellen aufweist, deren Kerne in verschiedenen Schichten liegen. Die Längs- muskeln ziehen noch eine ganze Strecke weit unter dem Eetoderm des Pygidiums hin, doch sind sie nicht mehr wie im Hauptrumpf in vier Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 543 Feldern angeordnet, sondern in eine bei den einzelnen Individuen verschiedene Anzahl von Strängen, durchschnittlich 23—30, auf- geteilt, wie ein Querschnitt in Höhe des Drüsenkranzes erkennen läßt. Im hinteren Drittel des Pygidiums liegt dem Eetoderm der gewaltige Analringmuskel an. Der ganze Raum caudal vom letzten Dissepiment ist die Perirectalhöhle. Transversalmuskeln sind in ihr nicht vorhanden. Der Enddarm, welcher hier einen beinahe runden Querschnitt hat, ist in ihr durch zahlreiche Plasmabänder, die teilweise Muskelfasern enthalten, aufgehängt. Auf Querschnitten finden sich 8—14 soleher Plasmaverbindungen zwischen Enddarm und Körperwand, die radiär nach allen Seiten aus- strahlen. FraıponT, welcher meint, daß auch diese Körperhöhle cölo- matisch sei, glaubt, das viscerale Blatt des Peritoneums bilde hier um das Rectum eine dieke parenchymatöse Schicht ähnlich der, welche die Somatopleura in den Lateralkammern des Hauptrumpfes liefert (vgl. FRAIPoNT, Taf. VI, Fig. 8 und S. 24). Ich habe davon nichts be- merken können. Lediglich am letzten Teil des Enddarmes ist dessen Museularis verstärkt; im übrigen bildet diese nur eine äußerst dünne Bedeckung des Darmepithels wie im Rumpf. Man könnte jene Auf- hängemuskeln in der Perirectalhöhlle mit den mesenchymatischen Retractoren in der Schlundhöhle vergleichen, nur daß diese ihrer Funktion entsprechend viel stärker und zahlreicher entwickelt und in vier Gruppen angeordnet sind. Wie vor dem ersten großen Dissepiment in der Schlundregion die beiden kleinen, ältesten Cölom- paare liegen, so finden sich auch hinter dem letzten, vollständig fertigen Septum noch eine Anzahl von jüngsten Cölomteilen, die dort, eben in der Wachstumszone, gebildet werden und auf Schnitten als Zellanhäufung erscheinen. Die ontogenetische Entstehung der Perirectalhöhle denke ich mir folgendermaßen: Wie aus WOLTERECKS Trochophora-Studien 1. (1902) hervorgeht, liegt am analen Pol der Rumpfanlage zwischen Eetoderm und Entoderm die Mesoblastanlage, aus welcher das ganze Mesoderm des Wurms hervorgeht. Dieser Mesoblastanlage der Larve entspricht wohl beim ausgewachsenen Wurm die hinter dem letzten Septum gelegene Wachstumszone des Mesoderms. Auf dem Schnitt Taf. VIII, Fig. 25 in WoLTEREcKS Trochophora-Studien I. 1902 kann man nun caudal von den beiden Mesoteloblasten (Urmeso- dermzellen) einen kleinen Hohlraum erkennen, der zwischen jenen zwei Zellen, dem Enddarm und dem Rumpfectoderm liegt und dem- gemäß als Blastocöl anzusehen ist. Bei eben metamorphosierten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 3 36 544 Friedrich Hempelmann, Polygordien enthält das Pygidium kein Lumen zwischen den ein- zelnen Keimblättern, sondern das Entoderm liegt der Körperwand fest an. Die Perirectalhöhle der ausgewachsenen Tiere entsteht an der Stelle jenes kleinen Hohlraumes hinter den Mesoteloblasten, durch nachträgliches Auseinanderweichen der Keimblätter. (Weitere Übergangsstadien habe ich nicht untersucht.) Die Berechtigung, den Perirectalraum zur primären Leibeshöhle zu rechnen, nehme ich aus MEYERS »Studien über den Körperbau der Anneliden« 1901, wo er auf Seite 516 über diese sagt: »Wir verstehen darunter den Hohlraum, welcher zwischen Ecto- und Entoderm auftritt; er ist mit der Furchungshöhle oder dem Blastocöl identisch. Dabei ist es vollkommen unwesentlich, daß in einigen Fällen diese Höhle infolge der dichten Aneinanderlagerung der beiden primären Keimblätter zeitweilig ganz verschwindet. Indem die letzteren nachher wieder auseinander weichen, bleiben die Wandungen des Hohlraumes eben dieselben, und folglich hat auch die Höhle selbst die gleiche morpho- logische Bedeutung wie vorher. Jedenfalls ist es unrichtig, den Perirectalraum als ein den übrigen homologes Cölomdivertikel anzu- sehen, denn er liegt hinter der Wachstumszone, und ist bei weitem größer als jedes der rostrad von ihm entstehenden Segmente. Da doch allgemein als feststehend angenommen wird, daß das Wachstum der Anneliden von der hierzu bestimmten Zone am Hinterende nach vorn zu geschieht, und da sich diese Annahme auch bei Polygordius bestätigt, so wäre die Existenz eines Cölomteiles hinter jenen jüngsten Segmenten mit der Theorie nicht zu vereinen; noch dazu, wenn es während der ganzen Lebensdauer des Wurmes an Ort und Stelle verharren sollte, wie es doch der Fall ist. Daß die Längsmuskeln eine Strecke weit hinter die Wachstumszone reichen, läßt sich wohl durch ein einfaches Längerwachsen erklären. Die Darmmuseularis und die radiären Plasmastreifen mit ihren contractilen Fasern, welche die Perireetalhöhle durchziehen, müßten dann ähnlich wie die ana- logen Gewebe in der Schlundregion mesenchymatischen Ursprungs sein; ebenso wohl auch der Analsphincter. c. Mesenterialkanäle. (Taf. XXVIL, Fig. 29, 30 u. 32.) Dorsal und ventral vom Darm findet man zwischen den Mesen- terien Kanäle, durch welche Schlund- und Perireetalhöhle verbunden sind. Am deutlichsten ist das zu erkennen beim ventralen Kanal; die beiden Mesenterien sind dort, wie beschrieben, stets um den - Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 545 Durchmesser des Bauchgefäßes voneinander entfernt. Da nun das Gefäß mit seiner Wand nicht den Darm berührt, bleibt zwischen ihm und letzterem ein Raum übrig, dessen Seiten die Mesenterien be- srenzen. Wegen seiner Lage zwischen den Mesenterien ist er wohl ohne weiteres als primäre Leibeshöhle aufzufassen (vgl. Ontogenie Fig. 16 in WOLTERECKS »Kopffrage«). Dorsal findet sich etwas Ähnliches. Auch hier ist primäre Leibeshöhle vorhanden zwischen Darm, Gefäß und Cölothelien. Aber sie tritt nicht in Gestalt eines einzelnen Hohlraumes auf, sondern sie wird durch Zellen, welche vom Gefäß median zwischen den Mesen- terien zum Darm ziehen, in zwei Kanäle getrennt. Die aus jenen Zellen gebildete Wand zwischen beiden Hohlräumen ist eine Art Aufhängeband, das den Darm tragen hilft. d. Darmblutsinus: (Taf. XXVI, Fig. 31. Merkwürdigerweise ist allen seitherigen Beobachtern das Auf- treten eines dorsalen Darmblutsinus zur Zeit der Geschlechtsreife ent- sangen, obwohl er wegen der intensiven Färbbarkeit des Blutes sehr deutlich in die Erscheinung tritt. Nähere Einzelheiten werde ich gelegentlich der Besprechung der Blutgefäße anführen. Da bei eben metamorphosierten Würmern, wie es HATSCHEK und WOLTERECK beschreiben, auch ein Darmsinus vorhanden ist, indem die Cölomdivertikel den Darm noch nicht berühren, sondern zwischen ihre Splanchnopleuren und das Darmepithel noch die pri- märe Leibeshöhle hineinreicht, so muß man den bei geschlechtsreifen Würmern entstehenden dorsalen Darmblutsinus als eine partielle Wiederherstellung jenes Teiles der primären Leibeshöhle ansehen. 3. Präcerebralhöhle. (Taf. XXV, Fig. 1, Textfig. 16 S. 578.) Im Prostomium befindet sich bei ausgewachsenen Würmern ein weiterer nicht unbeträchtlicher Hohlraum, der von WOLTERECK ge- legentlich seiner Untersuchungen über die Metamorphose (Tr.-St. 1902) zuerst bemerkt und »Kopfhöhle« benannt wurde. Diese Präcere- bralhöhle entsteht dadurch, daß bei der Streckung des Kopfzapfens sich die Tentakelganglien von dem Cerebralganglion ablösen. Sie wird hinten von dem in das Ectoderm übergehenden Cerebralganglion begrenzt, vorn von dem Ectoderm des »Scheitelfeldes«, jenem kleinen 36* 546 Friedrich Hempelmann, Zwischenraum zwischen der Basis der Tentakeln, dorsal und ventral von der Hypodermis. Lateral endlich bilden vorn die Tentakel- sanglien die Grenze der Präcerebralhöhle, weiter hinten ein paar dünne Membranen, zu welchen die Enden jener Ganglien ausgezogen sind. Die Präcerebralhöhle ist ausgekleidet mit einem dünnen Platten- epithel, das nach WOLTERECK mesenchymatischer Herkunft ist. Eine Kommunikation mit den vier übrigen Hohlräumen des Prosto- miums, die sich unter den dortigen Längsmuskeln befinden, ist an- scheinend nicht vorhanden. Integument. (Taf. XXVL Fig. 15—20.) a. Cuticula. Die Cutieula besteht aus zwei Schichten. Schon FRAIPoNT und die früheren Autoren haben das angedeutet, ohne indessen näher auf ihren Bau einzugehen. Ich wurde durch eine Arbeit von RAUTHER über Gordius, in welcher er sehr genaue Angaben über die Cuticula dieser Nematoden macht, auf diesen Teil der Haut aufmerksam, und konnte auch bei Polygordius im wesentlichen das gleiche feststellen, ohne daß ich damit diesen metamer gegliederten Wurm in irgend welche Beziehung zu Gordius setzen wollte. RAUTHER unterscheidet bei Gordius, wie es bei den Nematoden überhaupt üblich ist, eine äußere oder homogene und eine innere oder faserige Cuti- cularschieht. Da sich fast alle Merkmale, die er für seine beiden Teile angibt, auch bei Polygordius vorfinden, so möchte ich diese Bezeichnungen für unsern Fall acceptieren. Wenn FRrAIPoNT die Cutieula zweischichtig sein läßt, so ist er mit seiner Auffassung doch im Unrecht. Die Tatsache, daß man bei der mikroskopischen Betrachtung des lebenden Wurms in der Fläche der Cuticula zwei Fasersysteme sieht, die sich beinahe rechtwinklig kreuzen (FrAIpontT, Taf. VII, Fig. 1), und daß beim Drehen der Mikrometer- schraube bald das eine, bald das andre Fasersystem deutlicher wird, war der Grund für seine Annahme. Ich fand, daß jene Hautbedeckung, die FRAIPONT zweischichtig nennt, seine eigentliche Outicula ein Ana- logon ist zu der inneren Cuticularschicht von Gordius, wie denn FrAıponrt auf seinen Schnitten (Taf. VII, Fig. 2 u. 3) diese Schicht auch einheitlich gezeichnet hat. Auf Seite 8 seiner Monographie sagt er dann weiter: »La surface toute entiere de la cutieule est re- couverte par une couche de mucus partout d’egale epaisseur, mueus Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 547 excerete par les glandes preecitees (Taf. VII, Fig. 3).< Diese vermeintlich von den Drüsen in der Hypodermis abgeschiedene Schleimschicht entspricht der äußeren Uutieula von Gordius. 1. Die äußere Cutieula erscheint auch bei stärkster Vergrößerung völlig homogen und nimmt Farbstoffe nur wenig an. Die meisten Ausführungsgänge der Haut- drüsen durchbrechen sie, weshalb ich diese Schicht nicht wie FRAI- PONT es tut, als eine Exceretablagerung jener Drüsen auffasse. In der Cutieula des lebenden Wurmes erblickt man die Mündungen der Ausführungsgänge in Form von kleinen schwarzen Kreuzchen (vgl. Textfig. 10 S. 548). Man trifft nun allerdings auch öfters Schnitte, wie ich auf Taf. XXVI, Fig. 15 gezeichnet habe, bei denen der Excret- stoff der Drüse in dem Niveau der äußeren Cutieula ausgebreitet ist, so daß er die Gestalt einer Niete hat. Aber auch in diesem Falle ist das von Natur gelbbraune Exeret deutlich von der übrigen umgebenden Substanz der homogenen Schicht zu unterscheiden und setzt sich scharf gegen dieselbe ab. Es hat den Anschein, als werde der äußere Rand der homogenen Cuticula, der nicht ganz glatt ist, sondern kleine Unebenheiten, Erhebungen aufweist, von einer dünnen Membran begrenzt. Wenigstens sieht man an dieser Stelle bei sehr starker Vergrößerung eine dunkle Linie, die auch über das nieten- förmig abgeplattete Exeret hinwegzieht und von diesem oft etwas nach außen vorgewölbt wird. Wegen der außerordentlich geringen Dicke der homogenen Schicht ist aber die Täuschung möglich, daß jene äußerste dunkle Kontur nur infolge der Lichtbrechung am Rande des Objektes auftritt. i 2. Die Beschaffenheit der inneren oder faserigen Cuticula läßt sich nur unter den günstigsten Bedingungen sichtbar machen. Für gewöhnlich sieht man bei geeigneter Vergrößerung ganz schwach angedeutet, daß sie aus einer Anzahl konzentrischer Schichten zu- sammengesetzt ist. Bei einigen Würmern, deren Outicula vielleicht ein sanz klein wenig maceriert war, ergaben sich Bilder, wie Taf. XXVI, Fig. 19. Die einzelnen Lagen haben sich voneinander abgehoben und erscheinen in sich gekörnt. Endlich ist es mir geglückt, auch Schnitte zu erhalten, aus denen deutlich hervorgeht, daß jene scheinbar zusammenhängenden konzentrischen Schichten nichts andres sind als Faserzüge, welche eireulär um den Körper laufen. Gleichzeitig werden sie unter rechtem Winkel gekreuzt von radiären Fasern. 548 Friedrich Hempelmann, Da man beim lebenden Tier auch in der Fläche der Cutieula, wie vorher erwähnt, zwei sich in einem Winkel von 90—120° schneidende Fasersysteme erkennen kann, welche also cireulär angeordnet sind, so resultiert für die innere Cuticula ein Gerüst von Fasern, die indrei Richtungen des Raumes verstreichen, nämlich einmal radiär, sodann eireulär; letztere aber in zwei sich kreuzenden Systemen. Es sind nun nicht, wie FRAIPONT meinte, nur zwei konzentrische Cutieularschichten vorhanden, Ä 8 | | die jenes Gitterwerk in der Fläche der Haut erzeugen, sondern aus dem Gesagten geht ja bereits hervor, daß es sich um eine ganze An- zahl von Cireulärfaser- anlagen handelt. Wenn man mit einer sehr starken Ver- srößerung die Haut eines lebenden Polygordius betrach- tet und entsprechend vorsich- tig den Tubus des Mikroskops Schema der a Aufsicht. Die = nz zer! .. Kreuzchen sind die Mündungsstellen der Hypodermis- Keunt man, dab die Richtung Run der Fasern jeder einzelnen Lage mit der nächstfolgenden jenen Winkel von 90--120° bildet, und daß sie erst mit der der zweitnächsten übereinstimmt. Auf den Schnitten erscheinen die ceir- culären Fasern oft als zusammenhängende Schichten, da sie wahr- scheinlich wie bei Gordius in eine »Kittsubstanz« gehüllt sind, welche durch ihre Breite die Lücken zwischen den einzelnen Fasern fast ausfüllt. Eine »Grundsubstanz« zwischen den Faserzügen habe ich bei Polygordius ebensowenig wie RAUTHER bei Gordius erkennen können. Die innere Cutieula von Gordius faßt RAUTHER auf als zusammen- gesetzt aus: 1) einem nach drei Richtungen entwickelten Gerüst feinster plas- matischer Fibrillen, deren Schnittpunkte als körnerartige Verdiekungen erscheinen, und 2) einer »Kittsubstanz«, welche in der Richtung der horizontalen Fibrillenzüge um die sie sich ablagert, zu mächtiger Entwicklung gelangt und auf diese Weise »Faserzüge« bildet (S. 9). Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 549 Bei den so kleinen Dimensionen der Cuticula von Polygordius, wo diese Faserzüge eben an der Grenze der Sichtbarkeit stehen, ist die Möglichkeit einer durch Interferenz bewirkten optischen Täuschung stets vorhanden. Ich konnte mit Sicherheit nur das besprochene Netzwerk von Fasern nachweisen, in welchem sich aber die Schnitt- punkte der drei Fasersysteme nicht als Verdiekungen von den übrigen Teilen abheben, wie sie es bei Gordius tun. RAUTHER sucht zu begründen, daß die »faserige Cuticula von Gordius als ein intracytäres Differenzierungsprodukt der Epidermis zu bezeichnen« sei, während er »in der homogenen Cuticula von Gordius eine Bildung« erblickt, »die ihren wesentlichen Bestand- teilen nach und als extracytäre Differenzierung einem Ciliensaume für homolog zu erachten ist«. Wenn auch die Cuticula bei Polygor- dius dem Bau nach der von Gordius ähnlich ist, wie ich eben zu zeigen versuchte, so möchte ich hier doch nichts über die Auffassung derselben äußern, da eben gerade die zu einer Entscheidung so not- wendigen Einzelheiten wegen der geringen Dimensionen des Objektes mit unsern heutigen optischen Hilfsmitteln nicht zugänglich sind. Ich will nur erwähnen, daß z. B. am Mund und After, die Cuticula, wo sie in den Ciliensaum des Darmes übergeht, und wo man viel- leicht am ehesten die Verhältnisse klären zu können hofft, so dünn wird, daß man sie gerade noch als doppelt konturiert erkennen kann. Dabei ist es natürlich völlig unmöglich, irgend welche Struk- turen in ihr wahrzunehmen. b. Hypodermis. Die Angaben, welche Fraıpoxr über die unter der Cuticula ge- lesene Zellschicht, die Hypodermis, gemacht hat, kann ich im all- gemeinen bestätigen. Die Hypodermiszellen sind bald kubisch, bald haben sie nach der Höhe ihre größte Ausdehnung, bald nach der Breite. Die Kerne sind dementsprechend rund oder spindel- förmig mit der Längsachse in der Richtung des größten Durchmessers ihrer Zelle. Bei jungen Würmern sind die Zellen meist höher als breit. Je mehr sich die Tiere dem Stadium der Geschlechtsreife ‚nähern, desto mehr nimmt die Dicke der Hypodermis ab, d.h. ihre Zellen werden jetzt niedriger als breit. Ob sich dabei die ursprüng- lich hohen Zellen in diese neue Form umwandeln, oder neue an ihre Stelle treten, vermag ich nicht zu entscheiden. Mit ihrem proximalen Ende ruhen die Hypodermiszellen alle auf der sogenannten Stützlamelle oder Basalmembran, die wohl 550 Friedrich Hempelmann, ein Produkt dieser Zellen selbst ist. Während die Basalmembran nach gewöhnlicher Tinktion auf den Schnitten als einfache intensiv gefärbte Linie erscheint, fand ich auf den Präparaten, die ich zur Untersuchung des Nervensystems nach der BIELSCHOWsKYschen Methode mit Silber imprägniert hatte, daß sie aus einzelnen Fasern besteht, die sich, ähnlich den Cireulärfasern der Cutieula, etwa recht- winklig schneiden. Da die Fasern sich nach der Behandlung mit Silbernitrat tief schwarz erwiesen, schwärzer als die Nervenfibrillen, so erhielt ich überaus klare und deutliche Bilder von diesem Netzwerk. Innerhalb der Hypodermiszellen kann man auf der der Cuticula zugekehrten Seite eine feine senkrecht zur Hautfläche ge- richtete Streifung erkennen, wie sie RAUTHER auch bei den ent- sprechenden Zellen von Gordius gefunden hat. Auch ich möchte mich seiner Deutung anschließen, daß diese Streifen von Fasern herrühren, die mit den radiären Fasern der inneren Cuticula in Verbindung stehen. Doch ist es wegen der Kleinheit des Ob- jekts hier ebenfalls nicht möglich, die Tatsachen sicher festzustellen. Die einzelligen Drüsen, welche in der Hypodermis liegen, sind beim jungen Wurm weniger zahlreich vorhanden, und ihr Excret nimmt nicht so viel Raum ein, als bei älteren Tieren. Oft ist der Ausführungsgang der Drüse innerhalb der Hypodermis, also noch proximal von der Cuticula, mehrfach gewunden. Bei älteren Poly- gordien, bei denen wahrscheinlich eine viel lebhaftere Stoffausscheidung stattfindet, sind dann die mit Excret gefüllten Ausführungsgänge bei- nahe eben so dick als die Drüsen selbst. Sie durchbrechen die beiden Cutieularschichten, so daß sich der Drüseninhalt nach außen ergießt. Wie erwähnt, breitet er sich innerhalb der homogenen Cutieula manchmal plattenförmig aus, doch ist es mir sehr zweifelhaft, ob jene äußerste Hautschicht nur aus solchem abgelagerten Exceret besteht (Taf. XXVI, Fig. 18). Überall in die Haut verstreut sind helle Zellen, die je einen kleinen kolbenartigen Fortsatz durch die Cuticula senden. Ihrem ganzen Habitus nach scheint es sicher zu sein, dab es Tast- organe sind, auf die ich daher in dem Abschnitt über Sinnesorgane näher eingehe (Taf. XXVI, Fig. 18 u. Textfig. 11). Endlich finden sich in der Hypodermis noch vereinzelte Zelien, welche die Höhe des sie umgebenden Epithels nicht er- reichen. Sie liegen vielmehr der Basalmembran an und haben einen ovalen Kern. Manchmal sind ihre Enden zu Spitzen ausgezogen, so daß man meinen könnte, von da gingen Fasern aus, doch konnte Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 551 ich solche wegen der starken Tingierbarkeit der Stützlamelle nie neben dieser nachweisen. Vielleicht sind es Ganglienzellen, die hier einzeln in der Haut auftreten, wie schon FRAIPoNT vermutete, und wie RAUTHER auch bei Gordius fand (Taf. XXVI, Fig. 17). Textfig. 11. Schematischer Querschnitt durch einen älteren Wurm zur Veranschaulichung der Verteilung der Hypodermisdrüsen und Sinneskölbehen. Muskulatur. FRAIPONT zählt am Schlusse des betreffenden Kapitels (S. 17) die sieben verschiedenen Muskelgruppen auf, welche er bei Poly- gordius neapolitanus gefunden hat: 1) Les champs musculaires longitudinaux. 2) La couche musculaire annulaire du segment caudal. 3) Les bandes musculaires obliques. 4) Les eloisons mesenteriques avec les sphineters annulaires. 5) La lame museulaire ventrale post-buccale. 6) Les museles retracteurs du pharynxz. 7) Les muscles retracteurs des fossettes vibratiles. Er fügt dann noch die Muskeln hinzu, welche nach den Angaben früherer Autoren bei andern Polygordien auftreten sollten: »Exceptio- nellement il existerait des muscles dans la paroi de l’oesophage (Polygordius lacteus), des fibres musculaires dans la paroi de l’intestin (Polygordius apogon), une couche musculaire annulaire soushypoder- mique et des couches longitudinales et transversales A liintestin (Polygordius villotk).« | Die hier erwähnten Ringmuskeln unter der Haut und die aus 552 Friedrich Hempelmann, Längs- und Ringfasern bestehende Darmmuskulatur sind auch bei Polygordius neapolitanus, lacteus und appendiculatus vorhanden. Mit Hilfe des gerade die contractile Substanz vorzüglich färbenden HEIDEN- HAInschen Eisenhämatoxylins gelingt es leicht, diese feinen Fibrillen darzustellen, die mit andern Farbmitteln, besonders den von FRAIPONT angewendeten, stets übersehen werden mußten. Ich werde nun die einzelnen Muskelgruppen näher besprechen, wobei ich jedoch diejenigen nur ganz kurz behandle, die von FrAI- poxr erschöpfend und richtig beschrieben sind, dagegen füge ich seiner Aufzählung einige erst von mir gefundene hinzu: Die gesamte Muskulatur des Polygordius besteht aus: 1) Hautmuskelschlauch: a. Längsmuskeln, b. Ringmuskeln, c. Dorsoventralmuskeln der Schlundregion, 2) Analsphincter, 3) Transversalmuskeln, 4) Septenmuskeln, 5) Wimpergrubenretractoren, 6) Kopffaltenretractoren, 7) Mundsphincter und Pharyngealquermuskel, 8) Darmmuskulatur: a. Ringmuskeln und Sphincter, b. Dorsoventralmuskeln, c. Längsmuskeln, 9) Schlundretractoren, 10) Darmträger im Pygidium. 1. Hautmuskelschlauch. a. Längsmuskeln. Die in vier Feldern angeordnete Längsmuskulatur setzt sich zusammen aus Muskellamellen, die senkrecht zur Körperwand dicht nebeneinander stehen. Auf ihrer proximalen Seite liegen die länglichen Kerne mit ziemlich viel Chromatin. Jede einzelne Lamelle erstreckt sich durch mehrere Segmente hindurch und enthält zwei Reihen von Myofibrillen, die ein schmales Plasmaband zwischen sich haben. Auf einem Querschnitt erscheinen die contractilen Fasern als schwarze Punkte nach .der Färbung mit Eisenhämatoxylin, und wenn gerade ein Kern getroffen ist, sieht man, daß er die proximalen Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 553 Enden der Myofibrillenreihen ein wenig auseinander drängt. Kern und Fibrillen sind von dem Zellplasma überzogen. Vorn reichen die mesodermalen Längsmuskeln nur bis an die Basis des Prostomiums und werden von vier auf Längsschnitten deutlich dunkler gefärbt erscheinenden Muskelgruppen weit in den Kopfzapfen hinein fortge- setzt. Die wenigen Muskeln jener vier Fortsätze haben beinahe rundliche Querschnitte, denn die Breite und Zahl der Lamellen hat schon in der Schlundregion entsprechend der Verjüngung des Schlunddoppelsegments abgenommen. Da die Vorderenden der Längsmuskeln der Rumpfanlage in drei (die beiden dorsalen Felder zusammen in einen) Larvenmuskeln übergehen, welche dazu dienen, bei der Metamorphose die Scheitelplatte mit dem Rumpf zu verbinden, wie WOLTERECK gezeigt hat (vgl. seine Textfig. 3 auf S. 17 m den Troch.-Stud. 1902), und da die mesodermalen Längsmuskeln nur bis an die Basis des Kopf- lappens gezogen werden, so ist es wahrschein- lich, daß jene vier Fortsätze Reste dieser Larven- muskeln sind, indem sich der unpaare dorsale nachträglich in zwei Hälften geteilt hätte (Taf. XXV, Fig. 3). Textfig. 12. Im Pygidium sind, wie bereits erörtert, die en vier Längsmuskelfelder in eine Anzahl von 28 bis 80 kleiner Muskelgruppen aufgelöst (Taf. XXVI, Fig. 12). Erwähnen will ich gleich hier im Anschluß an die Besprechung der Längsmuskeln, daß sich zwischen den Lamellen hin und wieder vereinzelte Kerne vorfinden, die auch C. K. SCHNEIDER in seinem Lehrbuch der vergl. Histologie der Tiere 1902, Seite 365 beschreibt. Ich teile seine Ansicht, daß diese Kerne zu einem äußerst schwach entwickelten Bindegewebe zwischen der Längsmuskulatur gehören. — Myofibrillen- reihen b. Ringmuskeln. (Bat. XXVR Bie 24, Bar RRXIX, Big, 56) Zwischen der starken Längsmuskulatur und der Hypodermis be- finden sich feine Ringmuskelfasern, welche der Stützlamelle auf ihrer proximalen Seite dicht anliegen, so daß sie auf Querschnitten durch den Wurm nur schwer zu sehen sind. Um so deutlicher machen 554 Friedrich Hempelmann, sie sich auf Längssehnitten als durch Eisenhämatoxylin stark ge- schwärzte Punkte mit geringen Zwischenräumen bemerkbar. Am schönsten sind die Ring- muskeln auf . Tangential- schnitten durch die Körper- wand zu erkennen. Ein solcher Schnitt zeigt, dab sie in drei verschiedenen Richtungen verlaufen. Die Testfig. 13. einen, häufigsten und in Schema des Hautmuskelschlauchs im Flach- regelmäßigen Abständen ein- aan OS"U. (ander, fulserlesglr 2 5% zur Längsachse des Körpers senkrechten, die andern willkürlicher und mit größeren Zwischen- räumen angeordneten in zu den vorigen nach vorn und hinten unter gleichem Winkel geneigten Ebenen (Taf. XXVI, Fig. 21). ec. Dorsoventralmuskeln der Schlundregion. (Taf. XXV, Fig. 4—9.) In den von WOLTERECK »Seitenfalten« genannten Teilen der gefalteten Rumpfanlage einer Endolarve verlaufen Muskeln, welche durch ihre Kontraktion bei der Metamorphose die Dorsal- und Ven- tralfalte vereinigen. Entsprechend der Auffaltung und Umkehr der rostralen Enden des Rumpfkeimes sind diese Dorsoventralmuskeln vorn am längsten. Bei ausgewachsenen Würmern ist nun im Rumpf keine Spur von diesen Muskeln mehr zu entdecken, wohl aber finden sich Reste von ihnen in der Schlundregion. In der Gegend der Seiten- linien, da wo die Transversalmuskeln an der Körperwand inserie- ren, sieht man in der Ringmuskelschicht kurze, durch ihre intensive Schwärznng mit Eisenhämatoxylin sich als contractil erweisende Fasern, welche dorsoventral zwischen den beiden Längsmuskel- feldern jeder Körperseite ausgespannt sind. Im ersten Segment, wo die »Seitenfelder« rostrad ihre größte Breite erreichen, sind diese Dorsoventralmuskeln am längsten, nach hinten werden sie immer kürzer, bis sie in der Gegend des dritten Segments sich nicht mehr nachweisen lassen. Da Polygordius neapolitanus aus einer Exolarve entsteht, bei welcher jene Auffaltung des Rumpfkeimes in Wegfall kommt, sollte man meinen, daß keine derartigen Muskeln vorhanden wären. Trotz- dem kann man sich bei der Betrachtung analoger Querschnitte durch Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 535 das Vorderende dieses Wurms überzeugen, daß sie auch hier nicht fehlen. Ihre Existenz möchte ich dadurch rechtfertigen, daß bei Polygordius neapolitanus das rostrale Ende der Rumpfanlage ein wenig trichterförmig erweitert ist, so daß wohl auch hier vor der Metamorphose die dorsalen Längsmuskelfelder weiter als im defini- tiven Stadium von den ventralen getrennt sind und durch derartige ___— Dorsoventralmuskeln — Hypodermis - Cuticula / Schlundretractoren Transversalmuskeln ventrale Längsmuskeln Textfig. 14. Schema der Dorsoventralmuskeln in der Schlundregion. Muskeln später einander genähert werden. Also auch in diesem Stück sind Polygordius lacteus und Polygordius neapolitanus identisch, obwohl man nach der verschiedenen Anlage des Rumpfes bei beiden serade hier einen Unterschied vermuten könnte. 2. Analsphincter. "Ra. XXVE Bi2:210) E15) Der Anus kann geschlossen werden durch einen gewaltigen Ringmuskel, der sich im letzten Viertel des Pygidiums unter der Hypodermis befindet. Dieser Analsphincter besteht aus einer Anzahl sehr starker Muskelfasern, deren Kerne proximal, also dem Körper- innern zugewendet liegen. Rostral kann man keine bestimmte Grenze für ihn bezeichnen, denn man findet noch Ringmuskelfasern in der Gegend des präanalen Drüsenringes, allerdings von schwächerem Durchmesser. Die Längsmuskeln reichen ja bis in diese Region des Pygidiums, und da ist es interessant zu sehen, wie die Ringmuskel- fasern proximal von ihnen verlaufen. Bis zu dem eigentlichen 556 Friedrich Hempelmann, Analsphinceter mit den starken contractilen Fasern gelangen aber die Längsmuskeln nicht, und so liegt jener der Stützlamelle dicht an (Taf. XXVI, Fig. 14). 3. Transversalmuskeln. Die einzelnen Bündel, 8—12 in jedem Segment, der von mir bereits in dem Abschnitt über das Cölom erörterten Transversal- muskeln bestehen aus einer Anzahl von Fibrillen, die in der Mitte ihres Verlaufs zu einem zwei bis drei Fasern starken und sechs bis acht Fasern breiten Band zusammengedrängt sind, während ihre Enden divergieren und zwar hauptsächlich in der Längs- richtung des Rumpfes. Jede einzelne Faser wird von einer Zelle ge- bildet, deren spindelförmiger Kern meist ein Stück von der Mitte nach einem Ende der Faser verschoben ist. Dabei liegen die Kerne der Muskelzellen eines Bündels alle an verschiedenen Stellen, so daß man solche auf dessen ganzer Länge verteilt findet. In den beiden ersten Segmenten, wo der Abstand der dorsalen Längsmuskelfelder von den ventralen allmählich immer größer wird, ziehen die distalen Enden der Transversalmuskelfasern, besonders die nach der Dorsal- seite umbiegenden ein ganzes Stück an der Körperwand ent- lang bis dicht an die ersten Muskellamellen jener Felder. Distal von diesen Ausläufern befinden sich die vorher besprochenen kleinen Dorsoventralmuskeln, welche leicht von ihnen daran zu unterscheiden sind, dab sie von den ventralen bis zu den dorsalen Längsmuskeln seradlinig verstreichen, während jene immer nur das eine der beiden Felder berühren und etwa in der Mitte zwischen beiden einen Bogen beschreiben, um in die Hauptrichtung des ganzen Bündels ° überzugehen (vgl. Textfig. 14). Hier in der Schlundregion entfernen sich auch die ventralen Insertionsstellen der Transversalmuskeln immer mehr von der Bauchmittellinie, so daß die sonst etwa recht- winklig gegeneinander geneigten Bündel der beiden Seiten des Wurmes allmählich fast parallel sind. Dabei werden die Transversal- muskeln im Zusammenhang mit der Verjüngung der beiden Cölom- divertikel immer kürzer, bis sie endlich ganz verschwinden (Taf. XXV, Fig. 4—9). | In dem Perirectalraum sind keine Transversalmuskeln vorhanden, was ich als einen Beweis dafür ansehe, daß jener nicht cölomatisch ist. Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 557 4. Septenmuskeln. (Taf. XXVI, Fig. 22.) Zwischen den beiden Cölothelien, welche jeweils ein Septum bilden, befinden sich Muskelfibrillen, die Septenmuskeln, durch deren Kontraktion die für gewöhnlich schlaffe und nach vorn oder hinten vorgewölbte Membran straff gespannt werden kann. Die meisten dieser Muskeln verlaufen von der dorsalen Mittellinie nach der ven- tralen und inserieren an der Stützlamelle der Haut. Dagegen er- reichen die in der Nähe des äußeren Randes des Dissepiments ver- streichenden jene beiden Anheftungsstellen nicht, sondern enden am Hautmuskelschlauch. A. SCHNEIDER behauptet S. 55, daß die Septen- muskeln bei Polygordius lacteus »von der Rücken- und Bauchlinie ausstrahlend sich in den Seitengegenden kreuzen«. Ich habe nie- mals eine solche Kreuzung bemerkt, sondern immer fand ich die einzelnen Fibrillen beinah einander parallel oder konzentrisch angeordnet, und nur die der proximalen Septenhälfte zugehörigen mit ihren Enden nach den beiden Linien konvergierend. Auf Schnitten, in denen ein Teil des Dissepiments flach getroffen ist (die man wegen jener Wöibung sehr selten erhält), lassen sich die zu den Muskeln gehörenden langen und dunklen Kerne leicht von den hellen, rundlichen der hedeckenden Peritonealmembranen.unterscheiden (Taf. XXVI, Fig. 22). Eine besondere Ausbildung haben die Septenmuskeln an dem Rand der erwähnten Septenspalten erhalten. Sie haben hier die Funktion übernommen, diese Spalten, durch welche die einzelnen Segmente in Verbindung stehen, für gewöhnlich durch ihre Kon- traktion geschlossen zu halten und nur für den Bedarfsfall, wenn irgend welche in der Leibeshöhlenflüssigkeit suspendierte Körper (z. B. Eier oder Sperma) aus einem Segment ins andre gelangen sollen, diesen den Durchtritt zu gestatten. Um einen sicheren Ab- schluß zu erreichen, sind diese Septenmuskeln gegenüber den übrigen bedeutend verstärkt, und außerdem ist der freie Rand des Dissepiments an der Spalte nach vorn rechtwinklig um- seschlagen, so daß ein Teil von dessen Fläche dem Darm durch die Tätigkeit jener Muskeln angepreßt wird. Die Weiterbeförderung von festen Körpern durch die Septenspalten wird bewirkt durch die Spannung des vorher- gehenden Septums, welche das Lumen der Leibeshöhle verkleinert und einen Teil von deren Inhalt durch den Spalt des folgenden preßt, 558 Friedrich Hempelmann, wie man am lebenden Wurm beobachten kann. Dagegen sieht man, daß bei den Kontraktionen des Hautmuskelschlauchs und der Trans- versalmuskeln, welche ja auch eine Verringerung des Cölomvolumens Darmsphincter SS Dissepiment ——— verstärkte Septenmuskeln — — —-Darmepithel er - a . Darmringmuskeln — . Sf Darmlängsmuskeln 7 Textfig. 15. Schematischer Längsschnitt durch die Darmwand mit Septenspalt. bedingen, die Dissepimente durch eine stärkere Wölbung dem Druck der Leibeshöhlenflüssigkeit nachgeben, ohne daß die Spalten geöffnet werden. 5. Wimpergrubenretractoren. Die beiden Epitheleinsenkungen an der Basis des Kopflappens können durch starke Muskelfasern, die Wimpergrubenretractoren, vollends eingezogen werden. Interessant ist an diesen Muskeln, daß sie nicht an irgend einem Punkt des Kopfinneren mit ihrem einen Ende angeheftet sind, sondern sie sind quer von der einen Riech- grube zur andern gespannt, so daß sie immer gleichzeitig beide zurück- ziehen (Textfig. 16, S. 278). 6. Kopffaltenretractoren. Von dem dorsalen Rand der Kopffalte ziehen senkrecht durch den mittleren Fortsatz der Schlundhöhle mehrere Muskelfibrillen, die mit ihrem oberen Ende an der Stützlamelle der Hypodermis be- festigt sind. Sie dienen dazu, die Kopffalte noch mehr einzuziehen. FRAIPONT erwähnt sie nicht, sondern hat sie für Nervenfasern ge- halten, denn auf dem Schnitt Taf. V, Fig. 11, wo sie deutlich zu sehen sind, bezeichnet er sie mit f.n. — fibrilles nerveuses. Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 559 7. Mundsphincter und Pharyngealquermuskel. Im Innern der die äußere Mundöffnung bildenden Hautfalte ver- läuft ein starker, aus zahlreichen Fasern bestehender Ringmuskel, den ich Mundsphincter nennen will. Er dient zum verschließen des Eingangs in den Vorderdarm (Taf. XXV, Fig. 4 u. 5). Caudal von ihm liegen ebenso kräftige Muskelfasern auf der Innenseite der ventralen Körperwand, senkrecht zur Längsachse des Wurms. Auf Querschnitten scheint es, als ob diese Muskeln Aus- läufer der Transversalmuskeln seien, die hier ununterbrochen von der einen Seite des Körpers zur andern ziehen. Aber bei genauerer Be- trachtung sieht man, daß es sich um besondere Muskeln handelt, die nur teilweise mit den Transversalmuskeln in Verbindung treten (Taf. XXV, Fig. 6-8). Dieser Pharyngealquermuskel, wie ich ihn nach seiner Lage unter dem Pharynx nennen will, unterstützt den Mund- sphineter dadurch, daß er die Körperwand hinter dem Mund ver- schmälert. Er reicht ein Stück weit in die Gegend des zweiten Segments. 8. Darmmuskulatur. a. Ringmuskeln und Sphincter. Der ganze Darmtractus ist umgeben von Ringmuskeln, welche in regelmäßigen Abständen auftreten. Jeder von diesen ist ein kleines Band, in dem man nach geeigneter Differenzierung eine An- zahl feinster Fibrillen erkennt (Taf. XXVI, Fig.23, Taf. XXVII, Fig. 24). In der Gegend der Dissepimente werden sie unterbrochen von breiten, aus starken Fasern zusammengesetzten Muskelbändern, welche als Sphinceter die einzelnen Darmsegmente abschnüren können. FrRAIPonT hat sie bei Polygordius neapolitanus gesehen, faßt sie aber als Anhänge der Septen auf. Er mag zu dieser Annahme durch eine Täuschung gelangt sein, zu welcher die Betrachtung eines fron- talen Längsschnittes leicht führt. Wie bei den Septenmuskeln be- schrieben, legen sich nämlich die proximalen Randflächen der Disse- pimente der Darmwand für gewöhnlich straff an, um die dort befind- lichen Septenspalten zu schließen. Da nun die Septenmuskeln in dieser Gegend selbst sehr stark ausgebildet sind, so kann man bei geschlossenem Spalt, wo sie fest auf den Sphincter gepreßt sind, tatsächlich nicht erkennen, ob die Querschnitte der Muskeln, die man ‚auf einem Schnitt. sieht, zum Darm oder Dissepiment gehören {vgl. Textfig. 15), Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 37 560 Friedrich Hempelmann, E. MEYER, der die Darmmuseularis auch übersehen hat, kommt, ohne klare Beweise dafür zu haben, der Wahrheit näher, wenn er in seinen Stud. üb. d. Körperbau d. Annel. 1901, S. 275 sagt: »Im Gegensatz zu FRAIPONTS Ansicht zähle ich diese Elemente (Sphineter) nicht zu den Bestandteilen der intersegmentalen Septen, sondern möchte dieselben eher als den Rest einer einst viel stärker ent- wickelten Darmmuskulatur deuten. < Man trifft eben die Septen- spalten auf Schnitten selten geöffnet an. Unter meinen zahlreichen Präparaten befinden sich aber doch einige mit offenem Spalt, aus denen die Sachlage mit einem Schlage deutlich wird. Zum Vergleich herbeigezogene Querschnitte zeigen denn auch, daß die Sphincter wirklich ringförmig den Darm umgeben, während jene verstärkten Septenrandmuskeln dorsoventral verlaufen. Eine besondere starke Ausbildung des vordersten Darmsphineters (zwischen dem zweiten und dritten Segment), wie sie sich bei jungen Würmern findet, ist bei ausgewachsenen Polygordien nicht mehr zu konstatieren. Die Ringmuskeln um den Enddarm sind etwas stärker als die um den Mitteldarm (Taf. XXVI, Fig. 13, 14). b) Dorsoventralmuskeln. Zwischen den einzelnen Ringmuskelbändern sind ebenso zahl- reiche und ihnen im Aussehen völlig gleichende Muskeln vorhanden, die aber über und unter dem Darm sich nicht zu Ringen schließen, sondern in den Mesenterien weiter ziehen und dorsal und ventral an der Stützlamelle der Haut befestigt sind. Ich nenne sie Dorsoventralmuskeln (Taf. XXVIL, Fig. 32). c) Längsmuskeln. An den Seiten der Darmwand laufen parallel zur Längsachse des Wurmes Längsmuskelbänder, die wie die Ringmuskeln aus feinen Fibrillen zusammengesetzt sind. Sie sind etwas schmaler und etwa doppelt so weit voneinander entfernt wie jene. Wie bei allen Anne- liden befinden sich diese Längsmuskeln distal von den Ring- muskeln des Darmes. (Nur die Capitelliden zeigen hierin ein entgegengesetztes Verhalten. Nach Eısıc liegen bei diesen Polychäten die Längsmuskeln innerhalb der Ringmuskulatur.) Tangentialschnitte entlang der Darmwand zeigen alle drei unter a, b, und e genannten Muskelarten als ein Gitterwerk von sich senk- recht kreuzenden Fasern (Taf. XXVII, Fig. 24). Distal ist die Darm- Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 561 muscularis von den Splanchnopleuren bedeckt, deren helle runde Kerne sich von den dunkleren langgestreckten jener Muskeln deutlich unterscheiden. Am Vorderdarm, dem Teile des Verdauungstractus, der vor dem ersten großen Dissepiment, also in der Peripharyngealhöhle liegt, wird das sonst ziemlich klare Bild der Muscularis undeutlicher. Weil die Splanchnopleuren den Oesophagus nicht berühren, sind keine Mesenterien vorhanden, und mit diesen fehlen die Dorsoventralmuskeln. Der Darm wird hier durch die gleich nachher zu besprechenden Schlundretraetoren und ein dorsales medianes Ligament, das auch das Rückengefäß in seiner Lage hält, getragen. Die proximalen Enden der schräg nach vorn gerichteten Schlundretractoren biegen, sobald sie das Darmepithel erreicht haben, vollends in die Richtung des Oesophagus um, und verlaufen noch ein Stück weit über dessen Oberfläche. Zwischen sie mischen sich noch eine Menge andrer Fasern, die ich mehr für Bindegewebe und Nervenfibrillen ansehen möchte, als daß ich behaupten wollte, sie seien alle contractil. Aus diesen zahlreichen in verschiedenen Richtungen durcheinander ge- flochtenen Fasern entsteht ein Belag, der sich auf Querschnitten hell von dem dunkleren Schlundepithel abhebt und granuliert erscheint wegen der geschwärzten Schnitte jener Fasern. Diesen Belag sah A. SCHNEIDER (1868, S. 55) insgesamt für die Muskulatur des Schlundes an (er meinte außerdem, das seien die einzigen Darmmuskeln bei Polygordius lacteus), denn er sagt: »Den Vesophagus könnte man von außen für ein gewöhnliches Darmsegment halten, allein auf Quer- schnitten zeigt er denselben Bau, wie der Vesophagus eines Nematoden, nur daß die Muskelschicht verhältnismäßig dünn ist.« In dem Abschnitt über den Oesophagus werde ich näher auf den Belag eingehen. Die Ring- und Längsmuskeln des Darmes werden aus ihrer regelmäßigen Lage durch dieses Fasergewirr verdrängt, so daß man sie nur unter günstigen Umständen an einzelnen Stellen des Vorderdarmes nachweisen kann. Sie sind aber auch hier sicher überall vorhanden, denn ich habe das typische Gitterwerk, das sie bilden, bis dicht an den Mundrand verfolgen können. 9. Schlundretractoren. (Taf. XXV, Fig. 59) Zwischen dem Vorderdarm und den Körperwänden sind in der Schlundregion vier Gruppen von Muskeln ausgespannt, nämlich zwei 37* 562 Friedrich Hempelmann, laterale und je eine dorsale und ventrale. FRAIPoNT hat nur die beiden lateralen beschrieben. Jede von ihnen enthält eine beträcht- liche Anzahl starker Fasern, die reichlich von Plasma umgeben sind. Die Fasern inserieren an der Stützlamelle der Hypodermis im Be- reich der vier Hauptlinien des Rumpfes (Seiten-, mediane Rücken- und Bauchlinie), ziehen von da divergierend schräg nach vorn durch den Peripharyngealraum und sind an den entsprechenden Seiten des Oesophagus angeheftet, begleiten ihn aber innerhalb des erwähnten Belags noch ein Stück weit nach vorn. Während die dorsalen und lateralen Gruppen dieser Schlundretractoren rostrad in der Gegend des Darmes, wo er nach der Bauchseite zur Mundöffnung umbiegt, beginnen und von da bis an das erste große, in Wirklich- keit zweite, Dissepiment reichen, treten die ventralen Rückzieh- muskeln erst hinter dem Pharyngealquermuskel auf, also etwa im ersten Drittel des zweiten Segments, lassen sich aber im Gegensatz zu jenen noch durch die nächsten Segmente verfolgen. Wie WOLTERECcK in der zitierten Stelle aus seinem Breslauer Vortrag 1905 gezeigt hat, entstehen diese Schlundretraetoren aus dem Mesenchymbelag des Larvenschlundes und liegen demgemäß in der primären Leibeshöhle. Das geht aus ihrem Verhalten in der Schlund- region deutlich hervor, ebenso aber auch aus der Lage der ventralen Gruppe im dritten und den folgenden Segmenten, wo deren Fasern rechts und links vom Bauchgefäß, aber proximal der Mesenterien verlaufen. Die dorsale Muskelgruppe wird übrigens durch das Rückengefäß ebenfalls in zwei laterale Hälften geteilt. 10. Darmträger im Pygidium., (Taf. XXVI, Fig. 10 —14.) Wie ich bereits in dem Abschnitt über die Perirectalhöhle an- deutete, wird der Enddarm in seiner Lage gehalten von Plasmabändern, welche teilweise stärkere Muskelfasern (Darmträger) enthalten. Diese Muskeln sind in radiärer Richtung, 8—14 an Zahl, nach allen Seiten zwischen Darm und Körperwand ausgespannt. Darmkanal. Man kann nach der Histologie und der Funktion drei verschiedene Abschnitte am Darm unterscheiden. Am Anfang befindet sich der Vorderdarm, von FrAIPoNT eingeteilt in Pharynx und Oesophagus; auf ihn folgt, fast durch den ganzen Wurm verlaufend, der Mittel- darm, an den sich hinten der kurze Enddarm, das Reetum, anschließt. Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 563 1. Vorderdarm. a. Mund und Pharynx. (Taf. XXV, Fig. 1, 4—6.) Wie ich in der allgemeinen Übersicht angab, kann man an dem ventral gelegenen Mund eine innere und eine äußere Öffnung unter- scheiden. Der hintere Rand der annähernd kreisförmigen äußeren Mundöffnung, den ich Unterlippe nennen will, ist mäßig gelappt. Die Hypodermis schlägt sich auf dem ganzen Umkreis des Mundes nach innen um und geht in das Darmepithel über, doch nicht unmittelbar, sondern erst nachdem sie vorn ein Atrium gebildet hat, an das sich hinten ein Kehlblindsack anschließt. Die seitlichen Epithelien des gerad- linig in der Längsrichtung des Wurmes verstreichenden Vorderdarmes nämlich vereinigen sich hier in der Mundregion ventral nicht, sondern nähern sich nur einander, so daß ein Spalt zwischen ihnen frei bleibt; dann biegen sie jedes nach außen um und umschließen einen zweiten Hohlraum, eben jenes Atrium und den Kehlblindsack, ven- tral von dem ersten durch sie gebildeten Hohlraum, dem Schlund- inneren. Da dicht vor der Mundöffnung sich das Hautepithel als Kopffalte abermals einsenkt, so ist der Vorderrand des Mundes nur ein schmaler Wall der Körperwand zwischen Kopffalte und Atrium. Das Innere dieser Oberlippe ist hohl und erweist sich als ein Teil des Peripharyngealraumes. Jene das Darminnere mit dem Kehlblindsack und dem Atrium verbindende Längsspalte ist die innere Mundöffnung. Eine Epithelverdiekung der Vorderwand des Pharynx ragt in sie median hinein, so daß sie sich rostrad in zwei seitliche Spalten gabelt. Hinten reicht diese innere Mundöffnung bis an das Ende des ersten Sesments, wo auch der Kehlblindsack, der sich hier schnell verjüngt, in den Darm übergeht. Der Vorderdarm verläuft frei durch die Peripharyngealhöhle, nur dorsal ist er aufgehängt an dem Ligament, das zugleich das Rückengefäß trägt; außerdem halten ihn die vier Gruppen der Schlundretractoren. Während nun sein ventrales Epithel vom ersten sroßen Dissepiment bis zum Mund geradlinig. verläuft, biegt seine dorsale Wand etwa in Höhe der Unterlippe nach der Ventralseite um und geht in die Hypodermis der Oberlippe über. An der Stelle, wo 564 Friedrich Hempelmann, er sich abwärts neigt, verläßt ihn das Aufhängeband; auch die Schlundretractoren reichen nur bis hierher. Da FRAIPoNT diesen ersten Teil des Vorderdarmes Pharynx genannt hat, will ich diese Bezeichnung beibehalten, obwohl sich eigentlich keine morphologischen oder physiologischen Unterschiede vom Oesophagus, dem folgenden Darmabschnitt, zeigen. b. Desophagus. (Taf. XXV, Fig. 69.) Den übrigen Teil des Vorderdarmes nenne ich Oesophagus. Er erstreckt sich durch die Peripharyngealhöhle bis in die nächsten Segmente und geht allmählich in den Mitteldarm über, so daß es nicht möglich ist, eine scharfe Grenze zwischen beiden anzugeben. Der Oesophagus hat einen Querschnitt von der Form eines hoch- gestellten Ovals. In sein Lumen ragt dorsal ein nach rückwärts in das übrige Epithel verlaufender Wulst, der vorn die eben be- schriebene Gabelung der inneren Mundöffnung veranlaßt. Die Wand des Vorderdarmes wird gebildet von einem hohen Cylinderepithel, dessen Zellen an ihrem distalen Ende oft spindel- förmig ausgezogen sind. Jede Zelle enthält einen langgestreckten chromatinreichen Kern. Die dem Darmlumen zugekehrten Seiten der Zellen sind kräftig bewimpert. Bei der Färbung mit HEIDEN- HAINschem Hämatoxylin treten an der Basis der Wimpern deutlich geschwärzte Punkte auf, die Basalkörner (Blepharoblasten), von denen man nach dem Zellinnern zu geschwärzte Fasern, die Basal- fasern, verlaufen sieht. Diese Basalfasern convergieren in jeder Zelle nach einem Punkt dieht neben dem Kern und lassen sich dann zu einem Bündel vereinigt noch eine Strecke weit verfolgen (Taf. XXVII, Fig. 28). Außer den Epithelzellen finden sich im Oesophagus Drüsen- zellen, die meist ganz mit hellem durchsichtigem Secret erfüllt sind. Die Kerne gleichen denen der übrigen Vorderdarmzelien und befinden sich im distalen Ende jeder Drüse (Taf. XXVII, Fig. 28). Die Wandungen des Kehlblindsacks bestehen aus ein- fachen Epithelzellen, in welche die hohen Pharynxzellen allmählich übergehen. Sie sind flach, besitzen einen ziemlich runden Kern und haben keine Wimpern. Da, wo der Kehlblindsack hinten in den Oesophagus verlaufen ist, gleicht dessen ventrale Wand zunächst noch völlig dem Blindsackepithel, ist also nur eine dünne Membran, die Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 565 sich dann aber bald verdickt zu dem gewöhnlichen a des Schlundes. Der Oesophagus ist an seiner äußeren Seite von der im vorigen Abschnitt erwähnten Fasermasse bedeckt, die in ihrer Gesamtheit als ein ringförmiges Band erscheint, das vorn an der Umbiegungs- stelle des Vorderdarmes nach dem Munde beginnt, und von da an den Seiten des Oesophagus rechts und links in breiten Streifen nach hinten abwärts zieht, welche sich ventral vor dem ersten großen Dissepiment vereinigen. Das Fasergewirr kommt dadurch zustande, daß die Aus- läufer der Schlundretractoren proximal von ihrer Ansatzstelle noch ein Stück an der Außenseite des Vorderdarmes entlang laufen, und daß zwischen sie die Stützfasern enthaltenden spindelförmigen Enden der Schlundepithelzellen hineinragen. Außerdem verläuft um den Vorder- darm noch die Ring- und Längsmuskelschicht, deren Fasern in ihrem regelmäßigen geradlinigen Zuge eben durch jene Schlundretractoren- ausläufer gestört werden, so daß auch sie Biegungen in tangentialer und radiärer Richtung machen und den Eindruck eines Faserbelags erhöhen. Einzelne Zellen in dem Belag, deren Enden in Fasern aus- gezogen sind, halte ich für Ganglien- oder Bindegewebszellen. FRAIPONT hat sie auch gesehen, obgleich ihm merkwürdiger- weise jene faserige Schicht ganz entgangen ist. Er hält sie für junge Epithelzellen und schreibt (S. 18): »Il y a dans la partie pro- fonde de l’epithelium un certain nombre de noyaux n’appartenant pas a la m&me couche que les cellules eylindriques eiliees de la surface. Ils sont spheriques ou sub-ovales. Je crois devoir les considerer comme de jeunes cellules en voie de developpement destindes a rem- placer les cellules de la surface. « Aus der Lage dieser beinah rundlichen Zellen außerhalb der eigentlichen Epithelschicht, und besonders wegen der vorhandenen langen Faserfortsätze halte ich es für unwahrscheinlich, daß man es hier mit jungen Epithelzellen zu tun hat; vielmehr scheinen mir die Fasern für die nervöse oder bindegewebige Natur jener Zellen zu sprechen. Schließlich ist noch ein Nervenstrang rechts und links in jenem Faserbelag zu bemerken, dessen Fibrillen aber scharf und deutlich durch eine Membran von den übrigen Fasern getrennt sind. Die beiden Stränge verlaufen etwa am ventralen Rande jenes Belags, also auch von vorn dorsal nach hinten ventral. In dem Abschnitte über das Nervensystem werde ich diese Schlundnerven näher be- schreiben. 56. Friedrich Hempelmann, Die von FrAIponr beim Pharynx und Oesophagus (S. 18) jedes- mal betonte Peritonealbedeckung des Vorderdarmes ist, wie ich bereits ausführlich auseinandersetzte, nicht vorhanden, weil die visceralen Blätter der Cölomteile im Peristomium den Schlund gar nicht be- rühren. Es liegen dem äußeren Rande des Oesophagus-Faserbelags zwar einzelne Kerne auf, doch lassen die sich stets nachweisen als zur Muscularis, die ja deutlich vorhanden ist im Gegensatz zu FRAI- ponts Meinung, oder als zu den Schlundretractoren-Fasern und deren Ausläufern gehörend. 2. Mitteldarm. Durch die ganze Länge des Rumpfes erstreckt sich der Mittel- darm, in welchen der Oesophagus allmählich übergeht. Der Mittel- darm hat einen ovalen oder kreisförmigen Querschnitt, je nachdem er mit Nahrungspartikeln erfüllt ist oder nicht. Er wird gebildet von einem einschichtigen Epithel, dessen hohe Zellen sich polyedrisch aneinander abplatten. Jede dieser Zellen hat an ihrem basalen Ende einen kugeligen oder ovalen chromatinreichen Kern mit deutlichem Nucleolus; die dem Darmlumen zugekehrte Ober- fläche der Zellen trägt Wimpern, die ähnlich wie bei dem Oesophagus- epithel mit einem Basalapparat in der Zelle, nämlich Basal- körnchen und Basalfasern, in Verbindung stehen. In dem proximalen Teile der Epithelzellen finden sich häufig Seeretkörnchen und Tröpfehen in geringerer oder größerer Anzahl je nach dem Verdauungszustand des Darmes. Während die Darmwand dorsal und lateral immer die gleiche Stärke aufweist, ist ihre ventrale Seite zu einem ins Lumen vor- springenden Wulst verdickt. Der Wulst kommt dadurch zustande, daß die Epithelzellen der Ventralseite oft beträchtlich höher sind, als die der übrigen Darmwände. Die Zellen tragen stärkere Cilien, als sich sonst im Darm finden, und enthalten einen kräftigeren Basalapparat, d. h. die Basalfasern färben sich mit Eisenhämatoxylin dunkler, schärfer als die der übrigen Zellen. Dieser »Flimmerwulst« dient wahr- scheinlich der gleichen Funktion wie die Flimmerrinnen bei andern Anneliden (z. B. Capitelliden, vgl. Ersı6s Monographie). Es wird nämlich ein Wasserstrom mit ihrer Hilfe durch den Darm gestrudelt, aus dem die Blutflüssigkeit den zur Atmung nötigen Sauerstoff nimmt (Taf. XXVI, Fig. 32). Zwischen den Epithelzellen sind vielfach Drüsen von flaschen- förmiger Gestalt eingelagert. Sie stoßen mit ihrem verdickten Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 567 basalen Ende an den äußeren Rand der Darmwand, während ihr in eine verhältnismäßig enge Röhre ausgezogener Ausführungsgang ins Darm- lumen führt. Sie erscheinen nach der Färbung mit Eisenhämatoxylin bedentend dunkler, als die übrigen Darmzellen. Auch ihre Kerne, die in dem verdiekten basalen Teile liegen, färben sich intensiver als die Epithelzellenkerne, und zeichnen sich durch besonders große Nucleolen aus. Ihr Chromatin besteht aus ziemlich rundlichen Körncehen. Diese Kerne sind nun eingebettet in ein Cytoplasma, das durch reichliche Secretanhäufung meist dunkel granuliert erscheint. Die Ausführungsgänge sind fast immer erfüllt mit Secretpfropfen und Coagulationen, die undurchsichtig schwarz aussehen. An der Basis der Ausführungsgänge findet man stets je ein kugeliges, bläschenartiges Gebilde, das wohl die Sphäre der Zelle darstellt. Mikrocentren konnte ich in ihnen nicht nachweisen, doch stimmt die Lage und das sonstige Aussehen dieser »Sphären« völlig mit der Beschreibung und den Abbildungen überein, die ZIMMER- MANN in seiner Arbeit »Beiträge zur Kenntnis einiger Drüsen und Epithelien, 1898«, von solchen Drüsenzellen gibt (Taf. XXVIL Fig. 25, 26). Diese Zellen finden sich in allen Teilen der Darmwand mit Aus- nahme der Gegend der Flimmerwaulst. 3. Enddarm. Das letzte Stück des Darmkanals, der Enddarm, der haupt- sächlich das Pygidium durchzieht, geht wie der Oesophagus allmählich in den Mitteldarm über. Im Pygidium unterscheidet er sich aber durch sein Aussehen von dem Mitteldarm. Er hat dort nämlich einen rundlichen Querschnitt, und in sein Lumen springen rings eine Anzahl Falten des Epithels vor. Die Epithelzellen sind etwas niedriger als im Mitteldarm, also beinahe kubisch. Hinten gehen sie in die Hypodermis über. Drüsen- zellen fehlen in diesem Darmabschnitt (Taf. XXVI, Fig. 10—14). Wie bereits im allgemeinen Teil dieser Arbeit erörtert, ist FRAI- PoNTs Angabe, daß der After bei Polygordius neapohitanus ventral liege, unrichtig, denn er mündet ebenso wie bei Polygordius lacteus und allen andern Anneliden endständig am hinteren Körperpol. Der ganze Darmtractus ist also ein einfaches Rohr, ohne irgend welche Anhangsdrüsen. Betreffs der Nahrungsaufnahme möchte ich auch noch eine 568 Friedrich Hempelmann, Bemerkung machen. FrAIPoNT schreibt S. 20: »Les Polygordiens comme l’avait deja remarque McIntos#, avalent des grains de sable et avec ceux-ci des organismes inferieures tels que Protozoaires, Al- gues etc. dont ils font leur nourriture.« Ich bezweifle, daß die Tiere jemals Sandkörnchen oder sonstige Hartgebilde in ihren Schlund und Darm gelangen lassen. Ich habe niemals solche in irgend einem Teile des Darmes gefunden. (Beim Schneiden mit dem Mikrotom hätten sich derartige Hartgebilde be- merkbar gemacht.) Im Gegenteil schien mir der Verdauungstractus auf Schnitten fast immer leer. Ich glaube auch nicht, daß die Würmer, welche ihre Nahrung lediglich durch den Cilienschlag ihres etwas vorgestreckten Pharynx herbeistrudeln, jemals die im Verhältnis zu ihrer Größe immerhin beträchtlichen Sandkörnchen des Grundes, in dem sie leben, aufnehmen könnten. Zudem enthält der Polygordius-Kies von Helgoland gar keine so feinen mineralischen Bestandteile, daß die Würmer ständig einen Strom von solchen durch sich gehen lassen könnten. Ich meine, daß die Tiere einfach den organischen Detritus, den es dort wohl reichlich gibt, aufnehmen. Im Anschluß an die Beschreibung des Darmkanals möchte ich noch einen Parasiten erwähnen, den ich vielfach im Darmepithel bei Polygordius lacteus schmarotzend gefunden habe. Es liegen zwischen den Epithelzellen im Mitteldarm große rundliche Cysten, die ihrem ganzen Aussehen nach als zu einer Sporozoenform ge- hörig angesehen werden müssen. FrAIPONT hat in dem Darm von Polygordius neapolitanus eine Gregarine gefunden, die er Monoeystis foliacea nennt. Ihre Entwicklung hat er nicht beschrieben. Es ist natürlich nicht ohne weiteres anzunehmen, daß die von mir bei Polygordius lacteus gefundenen Uysten dieser Species angehören, denn wahrscheinlich wird sich die Nordseeform von Polygordius mit einer andern Gregarine infieieren, als die im Mittelmeer lebende. Aber einer Monocystidee scheinen die Cysten anzugehören; man sieht in ihrem dunklen Plasma meist schon den Kern in eine Anzahl kleiner Kerne geteilt, die im Innern einige dunkle Chromatinkörnchen enthalten, sonst aber gegen das umgebende .Plasma wie helle Bläschen erscheinen. Die Cysten entsprechen etwa dem Bilde, das WOLTERS (1891) von Cysten der Monocystis agilis und magna gibt. Außerdem fand ich eine Cyste mit Sporozoiten. Die letzteren haben die typische Sichelform mit je einem kleinen Kern in der Mitte (Taf. XXVII, Fig. 26, 27). Beachtenswert ist, daß, während die meisten Monoeysti- Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 569 deen 6—8 Sporozoiten in einer Cyste enthalten, ich hier mit Sicher- heit deren zwölf in einer Cyste nachweisen konnte. Blutgefäße. Nach der Beschreibung, welche A. ScHNEIDER (1868) von dem Blutgefäßsystem bei Polygordius lacteus gibt, besitzt diese Species kein ventrales Gefäß, sondern lediglich ein dorsales, das vorn in einen den Schlund umgebenden Ring münden, und von dem in den einzelnen Segmenten je ein nach hinten umgebogenes seitliches Blind- sackpaar abgehen soll. Diese Gefäßanordnung ist einer der von FRAIPoNT angeführten Hauptunterschiede zwischen Polygordius lacteus und Polygordius neapolitanus. Es war nun leicht nachzuweisen, daß bei Polygordius lacteus sehr wohl ein ventrales Gefäß vorhanden ist, und daß auch die übrigen Teile seines Circulationssystems denen von Polygordius neapolitanus völlig gleichen. Die unvollständigen Angaben A. SCHNEIDERS sind einer ungenügenden Beobachtung zuzuschreiben, denn seine Abbildung Fig. 3 läßt sich direkt zu dem Bilde ergänzen, das die Gefäße in Wirklichkeit darbieten; man braucht nur das ventrale Gefäß und die unteren Hälften der seitlichen Schlingen hinzuzufügen. Die Topographie der Blutgefäße habe ich bereits in der allgemeinen Übersicht und gelegentlich der Besprechung einzelner Organe in dieser Arbeit erläutert, so daß ich sie hier nicht nochmals wiederholen werde; außerdem ist sie auch schon von FRAIPONT richtig angegeben worden. Ich gehe deshalb sogleich zur Histologie der Gefäße über, der ich zur Orientierung eine Übersicht der einzelnen Teile des Ge- fäßsystems vorausschicke: 1) Bauchgefäß, 2) Rückengefäß: a. im Rumpf, b. in der Schlundregion, 3) Seitenäste in der Peripharyngealhöhle, 4) seitliche Gefäßschlingen, 5) laterale Gefäßblindsäcke (nur während der Geschlechts- reife), | 6) Darmblutsinus. 570 Friedrich Hempelmann, 1. Bauchgefäß. (Taf. XXVIL, Fig. 32, Taf. XXVII, Fig. 40.) Das Bauchgefäß nimmt seinen Weg zwischen den beiden Mesen- terien hindurch und liegt ventral dem Eetoderm auf, während es mit seiner dorsalen Wand den Darm für gewöhnlich nicht berührt, denn es befindet sich ja in dem Raum zwischen Darm und Gefäß noch der besprochene Mesenterialkanal der primären Leibeshöhle Durch die Kontraktionen der Darmmuskulatur kommt allerdings manchmal eine Verschiebung der beiden Organe gegeneinander zu stande, durch welche das Gefäß stellenweise an den Darm gepreßt wird. Da die beiden Mesenterien mit einem beträchtlichen Abstand voneinander an dem Ectoderm befestigt sind, so ziehen sie annähernd parallel zu dem Darm hinauf (Taf. XXVII, Fig. 32) und bedingen dadurch, daß das Bauchgefäß einen Querschnitt von rechteckiger Gestalt erhält, der jedoch auch eine runde Form annehmen kann, wenn die Mesen- terialmuskeln erschlaffen. Das Gefäß selbst besitzt eigne Wan- dungen, wie ich es für alle andern Teile des Cireulationssystems auch nachweisen konnte; in der Literatur findet sich eine Notiz hier- über nur in dem Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Tiere von Ü©. K. SCHNEIDER 1902, S. 366, wo er sagt: »Ein eignes En- dothel wurde nur am ventralen Gefäße mit Sicherheit wahrgenommen. « Die Zellen der Gefäßwand sind zu äußerst dünnen Membranen um- gewandelt, und enthalten ganz flache Kerne, die man recht spärlich über das ganze Gefäß verteilt findet. 2. Rückengefäß. Am Rückengefäß kann man histologisch zwei Teile unterscheiden, nämlich den einen, der im Rumpf zwischen den dorsalen Mesenterien verläuft, und den andern, der frei an einem eignen Ligament auf- gehängt die Schlundhöhle durchsetzt. a) Im Rumpf. (Taf. XXVII, Fig. 29, 30 u. 32.) Die dorsalen Mesenterien sind nicht wie die ventralen in einiger Entfernung voneinander am Ectoderm angeheftet, sondern liegen so dieht aneinander, daß sie in ihrem oberen Teil eine einheitliche Lamelle bilden, deren beide Blätter sich erst kurz ehe sie den Darm erreichen, trennen und auf diese Weise einen Hohlraum von drei- eckigem Querschnitt zwischen sich und dem Darm freilassen. Zur Morphologie von Polygordius laceteus Schn. usw. 571 Den dorsalen Winkel zwischen den beiden Cölothelien füllt das Rückengefäß vollkommen aus, dagegen bleibt unterhalb von diesem ein Rest des Hohlraumes in Gestalt der beiden dorsalen Mesen- terialkanäle übrig. Die Wände des Rückengefäßes im Rumpf bestehen im Gegen- satz zu denen des Bauchgefäßes nicht aus flachen, sondern aus blasigen Zellen mit rundlichen Kernen. Derartige Zellen setzen auch die Scheidewand zusammen, welche vom Gefäß median zum Darm ziehend die beiden Mesenterialkanäle trennt. Bei geeigneter Differenzierung nach Färbung mit Eisenhämatoxylin erkennt man deutlich geschwärzte Ringfasern, welche das Gefäßlumen umgeben (Taf. XXVII, Fig. 29, 30, 32). b) In der Schlundregion. Taf. XXVIL, Fig. 33, 34.) Sobald das Rückengefäß vorn aus dem zweiten Dissepiment ro- strad herausgetreten ist, zeigt es einen veränderten Charakter. Die vorher plasmareichen Wandungen sind ersetzt durch dünne Zellen, welche denen des Bauchgefäßes gleichen. Das Gefäß hat einen runden Querschnitt und hängt an einem schmalen Plasmaband, das aus zwei Membranen besteht, die das Gefäß rechts und links umgeben und unter ihm sich wieder zusammenlegen, um abermals die Rolle eines Auf- hängebandes, diesmal für den Oesophagus, zu übernehmen. Mit Eisen- hämatoxylin gefärbte Präparate, namentlich Längsschnitte zeigen wieder ähnliche Ringfibrillen, wie ich sie schon im Rumpfteil des Gefäßes erwähnte (Taf. XXVII, Fig. 35). Zu diesen gesellen sich aber noch gleich schwache Längsfibrillen. Außerdem findet man noch häufig auf Flachschnitten durch das Ligament und die Gefäßwand, daß von der Dorsalseite her stärkere ebenfalls geschwärzte Fasern über das Gefäß hinwegziehen, die sich auf dessen Wand reich verästeln. Ich glaube, daß es sich um bindegewebige Elemente, vielleicht eine Art elastischer Fasern handelt (Taf. XXVII, Fig. 34). Anmerkung: Im Anschluß an diese Fasern will ich hier gleich erwähnen, daß ich ähnliche auf den dorsalen Hälften des Mitteldarmes fand. Auch dort laufen solche Fasern vom Rücken her über die Cölothelien und verästeln sich reich auf der Darmoberfläche, sind aber bedeutend größer und stärker als die an dem dorsalen Schlundgefäß (Taf. XXVI, Fig. 23). Das Ligament, welches in der Schlundhöhle unter dem Rücken- sefäß den Oesophagus trägt, scheint mir die Fortsetzung der Scheide- 572 Friedrich Hempelmann, wand zwischen den beiden Mesenterialkanälen im Rumpf zu sein. Ob seinem dorsalen Teile ein ähnlicher im Rumpf entspricht, vermag ich nicht sicher anzugeben, da die beiden Mesenterien sich dort direkt über dem Gefäß dicht zusammenlegen, so daß man nicht ent- scheiden kann, aus wieviel solchen dünnen Lamellen die gebildete Membran besteht. Da aber bei dem Auftreten des Darmblutsinus, wie. ich nachher zeigen werde, ein medianes Ligament den Darm tragen hilft, so glaube ich, daß auch im Rumpf das Rücken- gefäß von einem solchen Aufhängeband wie in der Schlundhöhle ge- halten wird. Wie erwähnt trennt sich das Ligament da, wo der Pharynx nach der Ventralseite umbiegt, von dem Darm, verläuft aber, obgleich es unter dem Rückengefäß nun funktionslos ist, mit demselben weiter nach vorn und heftet sich schließlich an der Kopffalte an (Taf. XXV, Fig. 4—6). 3. Seitenäste in der Peripharyngealhöhle. (Taf. XXV, Fig. 4—8, Taf. XXVI, Fig. 35.) Die beiden Äste, welche vorn durch die Gabelung des Rücken- gefäßes gebildet werden, liegen auf ihrem ganzen Verlauf, bis sie sich wieder zum Bauchgefäß vereinigen, ganz in der Schlundhöhle. Dabei nehmen sie im rostralen Teile des ersten Segments ihren Weg etwa parallel der Körperwand, indem sie ähnlich wie das Rücken- gsefäß an einem Ligament hängen. Sobald sich die Splanchno- pleuren der ersten Cölomsomiten von den Transversalmuskeln abge- hoben haben, legen sich die Gefäßseitenäste dicht auf diese Cölo- thelien, und sinken schließlich genau mit der Hälfte ihres Umfanges in deren Ebene ein, so daß es nun auf Querschnitten tatsächlich so scheint, als seien jene Splanchnopleuren lediglich Aufhängebänder dieser Gefäßteile, wie es ja bisher immer angenommen wurde. Bei gsenauerem Hinsehen erkennt man aber, daß die dorsalen Abschnitte dieser Membranen mehrschichtig sind, während die ventralen nur aus einer Zelllage, eben dem splanchnischen Cölothel bestehen. Das eigentliche Aufhängeband der Gefäßseitenäste ist nämlich auch hier noch vorhanden und hat sich nur fest mit der Peritonealmembran zu einer einheitlichen Lamelle verbunden. Ganz deutlich kann man dieses erkennen, wenn man eine Schnittserie durch die Schlundregion von vorn nach hinten verfolgt, wobei man das Gefäßligament zu- nächst in der geschilderten Weise noch frei neben der Splanchno- pleura, dann fest mit dieser verschmolzen findet (Taf. XXV, Fig. 4—9). Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 573 Die Histologie dieser seitlichen Schlundgefäße ist die gleiche wie bei dem Rückengefäß in der Schlundregion. Ihre Wände setzen sich zusammen aus dünnen Zellen und enthalten nach Behandlung mit Eisenhämatoxylin geschwärzte Ring- und Längsfasern, welch letztere besonders im rostralen Abschnitt stark ausgebildet sind BIERRVI, Fig.'38. 4. Seitliche Gefäßschlingen in den Dissepimenten. BRaEERXVIN Bis. 36,37, Bat, I RIR Bis, 56) Rücken- und Bauchgefäß stehen segmentweise in Verbindung durch die in den Septen verlaufenden seitlichen Gefäßschlingen. Diese nehmen ihren Weg vom dorsalen Gefäß nach der Körperwand und ziehen dann dicht innerhalb der Längsmuskelfelder durch den Bereich der Darmkammern in den der Nierenkammern, wo sie in das Bauchgefäß münden. Sie sind zwischen den beiden Cölothelien, welche je ein Septum bilden, lokalisiert, erweisen sich aber nicht als bloße Spalten zwischen diesen, sondern besitzen ein eignes Endothel, dessen Kerne man auf Schnitten neben denen der Septen- wände sieht (Taf. XXVII, Fig. 36, 37). Auf tangentialen Längsschnitten durch die Gefäßschlingen findet man auch sie von Ringfibrillen umgeben, die manchmal sogar gegabelt sein köhnen. Bemerken möchte ich hier noch, daß ich bei Würmern mit regenerierten Enden schon in den jüngsten Dissepimenten wohl ent- wickelte seitliche Gefäßschlingen gefunden habe. 5. Laterale Gefäßblindsäcke. (Taf. XXIX, Fig. 52—55.) FRAIPONT hat angegeben, daß vom zehnten Segment ab, von der Mitte der eben unter 4 beschriebenen seitlichen Gefäßschlingen in den Dissepimenten je ein Gefäßblindsack nach hinten verläuft. Ich muß diese Aussage etwas einschränken, denn derartige laterale Gefäßblindsäcke sind für gewöhnlich nicht vorhanden, sondern treten erst zur Zeit der Geschlechtsreife und nur in innigem Zu- sammenhang mit den Gonaden auf (etwa vom 40. Segment ab). Ich werde ihre Lage gelegentlich der Besprechung der Gonaden näher angeben. Über ihre Histologie weiß ich nur zu sagen, daß auch sie eine eisne Wandung besitzen. Blindgeschlossene Gefäße (auch Rücken- und Bauchgefäß- enden sind bei Polygordius im Pygidium Blindsäcke) finden sich nicht selten bei Anneliden. E. Meyer beschreibt (1837, S. 623) mit einer 974 Friedrich Hempelmann, kleinen, kolbenartigen Erweiterung blindendende Gefäße an den Nephridialkanälen von Terebella (Lanice) conchilega, ferner (1888, S. 573) blindschlauchartige Gefäßzweige bei Serpulaceen, und fügt der Besprechung dieser Polychäten (S. 574) die Worte bei: »Über- haupt ist es eine für unsre Würmer charakteristische Erscheinung, daß das Blut vielfach in denselben selbst größeren Gefäßen hin und zurückfließen muß.« 6. Darmblutsinus. (Taf. XXVI, Fig. 31 u. Dextiig, 18, 525389 Ebenso wie die unter D besprochenen lateralen Gefäßblindsäcke tritt ein Darmblutsinus nur zur Zeit der Geschlechtsreife bei Polygordius auf, aber auch er ist lediglich auf die Seg- mente lokalisiert, in denen Keimzellen produziert werden, d.h. er beginnt etwa erst im 40. Segment, reicht aber bis in das Hinterende hinein. Sobald sich die Gonaden zu entwickeln anfangen, tritt das Blut des Rückengefäßes dadurch, daß sich in jedem Segment hinter dem rostral gelegenen Septum die Gefäßwand auflöst, aus dem Gefäßlumen heraus in den Raum zwischen Darmepithel und Museularis.. Der so entstandene Sinus reicht ventral etwa bis zur Mitte des Darmes. Durch die vor jedem Septum liegenden Sphincter, die wegen ihrer Stärke vom Darmepithel nicht abgehoben werden können, wird er in einzelne den Körpersegmenten entsprechende Ab- schnitte gegliedert. In der dorsalen Mittellinie des Sinus findet man im hinteren Teil jedes Segments, wo die Wandung des nun colla- bierten Rückengefäßes unverletzt geblieben ist, noch eine Scheide- wand, die ihn in zwei Hälften teilt. Sie ist das Ligament, das bei noch nicht geschlechtsreifen Würmern zwischen Gefäß und Darm aus- gespannt ist, neben dem rechts und links die beiden Mesenterial- kanäle liegen (Taf. XXVII, Fig. 31). Die Tatsache, daß dieses Band sich hier im Darmblutsinus er- hält und während es vorher sehr plasmareich schien, jetzt ganz das Aussehen einer dünnen Membran hat, scheint mir dafür zu sprechen, daß es eine Fortsetzung des Ligaments in der Schlundregion ist und, wie ich ja schon bei dessen Beschreibung .andeutete, sich wahrschein- lich zwischen den beiden Mesenterien dorsal bis zum Eetoderm fortsetzt. Das Auftreten des Darmblutsinus wird wohl ebenso wie das der lateralen Gefäßblindsäcke durch den infolge der regen Teilungs- prozesse in den Gonaden bedingten reichlicheren Sauerstoffverbrauch Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. DYk) zu erklären sein. Ein konstanter Darmblutsinus kommt bei einer sanzen Anzahl von Anneliden vor, nach einer Aufzählung Eısiss z. B. bei Serpuliden, Terebelliden, Cirratuliden, Chätopteriden und Ammochariden. Wie wir gesehen haben, konnte ich also bei allen Blutgefäßen des Polygordius, entgegen der bisherigen Meinung, daß zum min- desten die meisten von ihnen einfache Spalten zwischen den Cölo- thelien seien, — das Vorhandensein eines Endothels kon- statieren, welches aus Zellen besteht, in denen feine Fibrillen (Ring- oder Längsfasern) verlaufen. Aus der Topographie der Gefäße in der Schlundregion, aber auch der beiden Längsstämme, geht nun hervor, daß diese Gefäßwandungen nicht vom Cölothel abstammen können. Meine Befunde bestätigen also WOLTERECKS Annahme, daß das Mesenchym am Aufbau der Gefäße beteiligt sei. Ich verweise hier wieder auf den Breslauer Vortrag (WOLTEREcK, 1905, S. 180 —184), in welchem WOLTERECK diese Art der Entstehung der Ge- fäße befürwortet und die Unhaltbarkeit der Langschen Hämoeöltheorie zum mindesten für Polygordius darlegt. In der modernen Literatur findet man jetzt überhaupt vielfach die Meinung ausgesprochen, daß die Wandungen der Blutgefäße nicht einfache Umwandlungen oder abgespaltete Teile des Cölothels sind, sondern daß sie einen eignen Ursprung haben, sich unabhängig von der Leibeshöhle aus Spalten und Lücken des Mesenchyms entwickelten, — eine Ansicht, welche bereits die Gebrüder Herrwie in ihrer Cölomtheorie (1881) ver- treten. Selbst ein Schüler LanGs, FERNANDEZ, ist zu dem Schluß sekommen, daß nicht die ganzen Wandungen der Gefäße cölothelialer Herkunft seien, und faßt seine Meinung über die Elemente des Cireulationssystems folgendermaßen zusammen: »Das Blutgefäßsystem aller Cölomtiere besteht aus zwei heterogenen Teilen, von welchen der zweite den ersten teilweise umfaßt: 1) dem primären oder leitenden Apparat, mesenchymatischer Herkunft, 2) dem sekundären (zum großen Teil propulsatorischen) Apparat, der ein Differenzierungssprodukt der Cölomwand ist.« In einer Arbeit »Zur Hämocöltheorie« tritt VEspovsky (1905) ebenfalls dafür ein, daß die Blutgefäße nicht vom Cölothel stammen, sondern eisne Wandungen haben, die er allerdings vom Entoderm ableitet. VEJDOVSsKkY, der hauptsächlich Enchyträiden untersucht hat, Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXXXIY. Ba. 38 576 Friediich Hempelmann, konstatierte in allen Blutgefäßen ähnliche sich durch Eisenhämatoxylin intensiv schwärzende Fibrillen, wie ich sie bei Polygordius gefunden habe. Er hält sie ohne Ausnahme für contractil und sagt auf S. 147: »Es sind also dem Bau nach alle Gefäße contraetil, oder besser, alle bestehen aus Muskelzellen.< Ich habe es’ in meiner Beschreibung der Gefäße absichtlich vermieden, jene Ring- und Längs- fasern als Muskeln anzusprechen, denn wenn es auch wahrschein- lich ist, daß sie contraectil sind, so ist durch die Färbung allein noch nicht bewiesen, daß hier Muskelfibrillen vorliegen; es bleibt immer denkbar, daß jene Fasern auch bindegewebiger Natur sein können. Wenn man hier einwirft, daß man diese Frage am lebenden Objekt durch das Pulsieren der Gefäße entscheiden könnte, so muß ich dem entgegenhalten, daß bei Polygordius nur die Wände des dorsalen und ventralen Gefäßes peristaltische Be- wegungen ausführen, alle übrigen Teile des Circulationssystems aber nicht, obwohl auch sie mit solchen Fibrillen versehen sind. Die Kontraktionen der beiden Längsstämme können aber sehr wohl von den Dorsoventralmuskeln in den Mesenterien stammen, was zu der erwähnten Theorie von FERNANDEZ passen würde, der den cölo- 'thelialen Teil der Gefäßwand für den propulsatorischen hält. Sodann möchte ich noch darauf hinweisen, daß eine besondere Intima in den Gefäßen von Polygordius nicht besteht. Ihr Vor- kommen bei Anneliden ist in letzter Zeit viel angezweifelt worden. So sagt E. Meyer (1901, S. 464): »Das Vorhandensein einer be- sonderen Intima ist nicht mit Sicherheit festgestellt (gemeint ist bei den Anneliden im allgemeinen); mir scheint es, daß eine solche überhaupt fehlt.< Und in der eben zitierten Arbeit behauptet VEIDOVSKY (1905, 8. 128): »Die Intima Leypiss in Blutgefäßen besteht nicht. Es ist keine innere Cuticula vorhanden. « Die Gefäße enthalten eine homogene Flüssigkeit, in der ich ebensowenig wie die früheren Beobachter irgend welche zelligen oder sonstigen geformten Bestandteile suspendiert fand. Die Flüssig- keit, die man wohl am besten als »Hämolymphe« bezeichnet, nimmt die verschiedenen Farbstoffe intensiv auf, und wird besonders durch das HEIDENHAINsche Eisenhämatoxylin tief dunkelblau, beinahe schwarz gefärbt. Ich nehme an, daß sie vorwiegend zur Atmung dient, indem sie den Sauerstoff, welchen sie aus dem durch den Darm gestrudelten Atemwasser nimmt, an die einzelnen Organe des Körpers verteilt. Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 577 Nervensystem. (Taf. XX VII, Fig. 38—43.) Das Nervensystem ist bei Polygordius, wie bekannt, ganz ursprüng- lich, indem das Oberschlundganglion und das ungegliederte Bauch- mark noch nicht vom Ectoderm getrennt sind, sondern zeitlebens mit jenem im Zusammenhang stehen. (Ein im Eetoderm liegendes Bauchmark findet sich ja bei einer ganzen Anzahl andrer Anneliden, z. B. Protodrilus, Sigalion, Spioniden usw.) FRAIPONT hat es für Polygordius neapolitanus ziemlich ausführlich beschrieben, und da ich seine Angaben auch für Polygordius lacteus bestätigen kann, will ich nur kurz die Hauptsachen skizzieren, an den betreffenden Stellen aber eine Reihe neuer wichtiger Befunde einfügen. 1. Oberschlundganglion. (Textfig. 16.) Das Oberschlundganglion liest mit allen seinen Teilen im Prostomium. Es ist gegliedert in das große unpaare Cerebralganglion, die beiden Tentakelganglien und die beiden Wimpergrubenganglien. Das Cerebralganglion enthält in seinem vorderen und hinteren Teile die Ganglienzellen, während seine mittlere Partie von einem Gewirr von Nervenfasern gebildet wird. Dorsal und ventral gehen die Ganglienzellen direkt in das Epithel der Hypodermis über. Am vorderen Rande des Cerebralganglions, aber noch zwischen die dortigen Ganglienzellen eingebettet, finden sich eigenartige ein- zellige Drüsen, deren Plasma die voluminösen, kugeligen Secret- massen in dünner Schicht umgibt. An einer Seite liegt der wand- ständige Kern. Am lebenden Wurm erscheinen die Drüsen, von denen man bei der Betrachtung von der Dorsalseite vier gleichzeitig neben- einander sieht, mit einem hellen, homogenen, durchsichtigen Secret sefüllt, während das letztere auf Schnitten nach Färbung mit Eisen- hämatoxylin ein ähnliches Aussehen hat, wie die Blutflüssigkeit in den Gefäßen; es scheint auch granuliert, ist aber nicht ganz so dunkel gefärbt als das Blut. Irgend welche Ausführungsgänge der Drüsen konnte ich nicht bemerken. Ebenso vermag ich nichts über deren Funktion anzugeben (Taf. XXV, Fig. 1). Die beiden Tentakelganglien, in die der größte Teil der Nervenfasern der Tentakeln selbst übergeht, haben eine konische Gestalt, die Spitze nach vorn gerichtet. Ihre Basis verläuft annähernd parallel der Vorderfläche des Cerebralganglions, ist aber von diesem 38* 578 Friedrich Hempelmann, durch die dazwischen liegende Präcerebralhöhle getrennt. Lateral sind die Tentakelganglien nach hinten in dünne Lamellen ausgezogen, welche sich den Seiten des Cerebralganglions anlegen, so daß dadurch die Präcerebralhöhle völlig abgeschlossen wird gegen die übrigen Hohlräume des Prostomiums (die vier Schizocölräume proximal von den Längsmuskeln). Ein kleiner Teil der Tentakelnervenfasern geht zugleich mit andern Fasern aus den Zellen der Tentakelganglien in das Cerebralganglion über, so eine Verbindung zwischen beiden Gehirnabschnitten herstellend. Die Wimpergrubenganglien liegen dem basalen Ende er Wimpergrubenzellen dicht an und bilden zwei direkte seitliche Fort- sätze des Cerebralganglions. In sie führt je ein Bündel Nervenfasern Präcerebralhöhle \ Drüsen \ \ & 2 4 ı Kopffalte Wimpergruben- Ganglion der Gangl. cerebr. Gangl. tent. retractoren Wimpergr. Textfig. 16. Schematischer Frontalschnitt durch den Kopf eines älteren Wurms. aus dem letzteren, so dab auch sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Hauptganglion stehen. FRAIPoNT hält es für möglich, daß die Ganglienzellen im hinteren Teile des Cerebralganglions ein besonderes Centrum, vielleicht für das von ihm behauptete Sinnesorgan innerhalb der Oberlippe sein könnten. Er sagt S. 30: »Je ne sais s’il faut rapporter celle-ci (la bande de cellules ganglionaires, gemeint ist jene fragliche Zellmasse) au ganglion moyen ou bien la considerer comme un ganglion special qui serait peut-etre en rapport avec l’organe de sens existant au milieu de la levre anterieure du ver.« Ich habe nicht bemerkt, daß jene Ganglienzellen irgendwie durch eine Membran getrennt sind von dem Hauptganglion, wie Fraport auf Taf. VI, Fig. 9 gezeichnet hat. Die von diesen Zellen ausgehenden Nervenfasern dringen so- gleich in die Fasermasse des Cerebralganglions ein, so daß kein Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 579 Unterschied im Verhalten dieser Zellen gegenüber den im vorderen Teil des Hauptganglions liegenden zu bemerken ist. Ich glaube da- her nicht, daß hier zwischen den beiden Wimpergrubenganglien ein weiteres gesondertes unpaares Ganglion vorhanden ist. Das scheint mir schon deshalb richtig zu sein, weil ja in der Oberlippe gar kein Sinnesorgan existiert. Wie ich schon zeigte, hat FRAIPONT wahr- scheinlich das oft an der Vorderseite des Pharynx liegende gelbe Drüsengebilde für ein Sinnesorgan gehalten (s. S. 533). 2. Schlundeommissuren. Dieht unterhalb der Stelle, wo die eben erwähnten Faserstränge der Wimpergrubenganglien in das Cerebralganglion eintreten, ver- lassen es zwei andre, dickere Faserbündel, die Schlundeommissuren. Sie laufen innerhalb der Hypodermis schräg abwärts nach hinten, bis sie sich dicht hinter dem Kehlblindsack ventral berühren und in das Bauchmark übergehen. Die beiden Faserbündel, in deren Innerem man niemals Kerne findet, sind von einer dünnen Membran umgeben, in der hier und da ein länglicher Kern zu schen ist. 3. Bauchmark. Taf. XXVIIL, Fig. 35—42.) Das Bauchmark bildet eine ins Wurminnere vorspringende Ver- diekung des ventralen Ectoderms. Auf Querschnitten sieht man den srößten Teil dieser Verdickung von Fasermassen eingenommen, die hauptsächlich in der Längsrichtung des Körpers verstreichen. Ventral von ihnen liegen vier Gruppen von Stützzellen nebeneinander, von welchen die beiden äußeren ihre Fasern rechts und links um jene herum nach der Dorsalseite des Bauchmarks senden, während die Fortsätze der beiden mittleren Gruppen dasselbe in dorsoventraler Richtung durchbrechen, so daß das Bauchmark scheinbar in drei Stränge zerlegt wird (Taf. XXVIH, Fig. 42). An seinem vorderen Ende beginnt es als Fortsetzung der beiden Scehlundeommissuren, die hinter dem Kehlblindsack zusammentreffen und miteinander zu dem einheitlichen Bauchstrang verschmelzen. ‚Zugleich liegt dort eine Anhäufung von Ganglienzellen, das Unter- schlundganglion; dann aber verläuft das Bauchmark durch den ganzen Körper hindurch ohne besondere Ganglienanschwellungen, denn die Ganglienzellen finden sich in den einzelnen Körpersesmenten auf der Ventralseite jedes der drei Faserbündel gleichmäßig verteilt vor. Dieses Fehlen von wirklichen Ganglienknoten im Bauchmark \ \ 580 Friedrich Hempelmann, ist auch bei höher entwickelten Polychäten nicht selten; Eısıg zählt in seiner Capitellidenmonographie S.466 eine ganze Reihe von Würmern auf, bei denen dieses ursprüngliche Verhalten gewahrt ist. Hinter dem letzten Dissepiment, im Pygidium gabelt sich der Bauchstrang wieder in zwei Äste, die dicht hinter dem Klebdrüsen- kranz ziemlich steil schräg nach oben aufsteigend einen präanalen Nervenring bilden (Taf. XXVI, Fig. 10—12). Betrachtet man einen mit Eisenhämatoxylin gefärbten Querschnitt des Bauchmarks (Taf. XXVIIL, Fig. 42), so erkennt man deutlich an der verschiedenen Größe und vor allem an der verschiedenen Tinktion drei Arten von Zellkernen. Dicht unter der Cutieula liegen chromatinarme Kerne, die denen der Hypodermis andrer Körperstellen gleichen, und auch wirklich zu Hypodermisdeckzellen gehören, die hier nur etwas niedriger als sonst sind und wegen der Ansammlung von vielen Zellen an dieser Stelle nicht so regelmäßig angeordnet erscheinen wie gewöhnlich. Etwas größere und vor allem dunklere Kerne gehören den erwähnten Stützzellen an. Diese liegen direkt über den Hypodermiszellen, teilweise sogar etwas zwischen sie eingekeilt. Sie bilden vier Gruppen, von denen zwei an den beiden Seitenrändern des Bauchmarks, die andern in kurzer Entfernung rechts und links von der senkrechten Medianebene angeordnet sind. In den distalen Enden dieser Zellen befinden sich die Kerne, während ihre proximalen zu jenen Stützfasern (Gliafasern) ausgezogen sind, deren Verlauf ich bereits andeutete und hier noch etwas näher erläutern will. Die Fasern der beiden äußeren Zellgruppen ziehen lateral um die Faser- stränge des Bauchmarks herum nach dessen Dorsalseite, wobei sie ihren Weg dicht unter der Basalmembran des Eetoderms, welche auch den Bauchstrang bedeckt,- nehmen. Die Ausläufer der beiden andern Gruppen durchsetzen die Fasern des Bauchmarks selbst, indem sie sich innerhalb desselben immer zu je einem Bündel vereinigen. Unter der Stützlamelle weichen dann die einzelnen Fasern wieder auseinander. Vereinzelt findet man auch Kerne, die denen der Stützzellen gleichen, zwischen den eben sich zerstreuenden Fasern. Nicht selten kann man auch beobachten, wie Ausläufer der Hypodermiszellen sich zwischen die Stützfasern mischen. Auf einem Frontalschnitt erkennt man, daß die Stützfaserbündel im Innern des Bauchmarks immer paarweise symmetrisch zur Mittellinie gelegen sind und in kurzen Abständen aufeinander folgen (Taf. XXVII, Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 581 Fig. 40). Ein Sagittalschnitt durch eine Zelle solcher Stützfasern zeigt das ebenfalls. Öfters biegen auch einzelne der Stützfasern der mittleren Bündel mitten in der Fasermasse des Bauchmarks rechtwinklig um und teilen dadurch eine Partie desselben in eine dorsale und eine ventrale Hälfte. Der mittelste der drei durch das Eindringen der Stützfasern erzeugten Längsstränge des Bauchmarks ist der schmalste und kleinste (Taf. XXVII, Fig. 38, 39 und 42). Ventral von jedem solchen Längsstrang liegen auf den meisten - Querschnitten ein bis zwei Ganglienzellen. Diese haben einen rundlichen hellen Kern mit kleinen nicht sehr zahlreichen Chromatin- körnern und sind multipolar, doch tritt der Zellkörper nach der Färbung mit Eisenhämatoxylin nur bei günstiger Differenzierung zutage. Die Nervenfasern, die von den Ganglienzellen ausgehen, mischen sich sogleich in das Fasergewirr des Bauchmarks. Dieses enthält, wie gesagt, hauptsächlich längsverlaufende Nervenfasern. Aber jedesmal zwischen zwei aufeinander folgenden Paaren von Stützfaserbündeln sind Querfasern vorhanden, welche die drei Längsstränge in Verbindung setzen. Auf Querschnitten durch junge Würmer beobachtet man im Innern der Längsfaserstränge, besonders in deren mittelstem Teil größere und kleinere Hohlräume, von denen ich feststellen konnte, daß sie ein einheitliches Kanalsystem bilden. Es ist ein Kanal in der Mitte vorhanden, der vielfach feinere Äste abgibt. So finden sich oft in der Mitte des unteren Viertels der beiden seitlichen Längs- faserstränge die Querschnitte je eines solchen ziemlich engen Neben- kanals. Ich verfolgte dieses Kanalsystem durch die Schlundeommis- suren, in deren Querschnitten das helle Lumen des hier immer einfachen Kanals deutlich sichtbar ist, bis in das Cerebralganglion, wo er dann zwischen den Ganglienzellen verschwand (Taf. XXVIII, Fig. 42, 45). Fraıpont hat ebenfalls hin und wieder diese Kanäle, wenigstens im Bauchstraug gesehen, die schon von HATscHEK als »Centralkanal des Bauchmarks« beschrieben wurden. Wenn die Tiere älter werden, verschwinden diese Kanäle allmählich und sind dann schließlich überhaupt nicht mehr nachzuweisen. Ich rede hier immer von Kanälen, ohne jedoch irgendwie über die nähere Beschaffenheit oder die Funktion dieser Gebilde Auskunft geben zu können. Man sieht auch mit den stärksten Vergrößerungen immer nur eine helle runde Fläche (Lumen), die keinen Farbstoff, welchen man auch anwendet, annimmt, sondern fast immer homogen glasklar erscheint. Nur auf ganz wenigen Schnitten fand ich eine 582 | Friedrich Hempelmann, gerade eben sichtbare granulierte Masse in dem Lumen, woraus ich das Recht ableite, überhaupt von Inhalt reden zu dürfen. Das Lumen ist begrenzt von einer äußerst dünnen Membran. Außerhalb dieser finden sich oft durch Eisenhämatoxylin geschwärzte Körnchen, und zwar etwas zahlreicher dicht an der Membran selbst, etwas spärlicher in der nächsten Umgebung des Lumens. (Vielleicht deutet dieses darauf hin, daß wir es hier mit einem Exeretionsorgan zu tun haben, das sich nur während des Wachstums des Nervensystems in Tätig- keit befindet und dann resorbiert wird.) — Man könnte vielleicht auch meinen, hier ein den Neurochorden andrer Anneliden analoges Gebilde vor sich zu haben, doch glaube ich das rundweg bestreiten zu können, denn deren histologisches Verhalten ist gerade umgekehrt wie das der vorliegenden Kanäle. Neurochorde haben eine dicke Umhüllung, welche sie dazu befähigt, eine Stütze zu bieten, und im Innern eine gallertige Masse. Dagegen ist die äußere Umgrenzung der Kanäle bei Polygordius so zart, daß von einer Stützfunktion nicht die Rede sein kann. Endlich habe ich außer den genannten Hypodermis-, Ganglien- und Stützzellen in der Umgebung des Bauchmarks noch eine vierte Art von Zellen gefunden, die jedoch nur in geringer Anzahl vor- handen sind. Sie nehmen die gewöhnlichen Farbstoffe fast gar nicht an, so daß sie mir zuerst immer entgangen waren. Dagegen treten sie besonders deutlich und dunkel gefärbt hervor nach einer Tinktion mit Thionin. Es handelt sich um riesige Zellen, von welchen immer vier in der Nähe jedes Dissepiments nebeneinander liegen. Die rundlichen Zellen enthalten einen großen bläschenförmigen Kern mit einem deutlichen Nucleolus und ein grobkörniges Protoplasma. Ich konnte keinerlei Fortsätze an ihnen wahrnehmen. Sie sind immer mitten in eine Gruppe der Stützzellen gelagert, so daß die Stützfasern über sie auf dem Mantel eines Kegels hingleiten und sich erst etwas dorsal von ihnen zu einem Bündel vereinigen. Hierdurch erscheint es oft, als wenn die Zellen einen riesigen Fortsatz ins Innere der Faserstränge des Bauchmarks aussendeten. Ich habe aber sicher fest- stellen können, daß es sich dabei immer um jene Stützfasern handelt, welche nur die großen Zellen allseitig umgeben. Bei der Färbung mit Thionin zeigen sich übrigens die Kerne der Hypodermiszellen am dunkelsten, die der Stütz- und Ganglienzellen dagegen heller (Taf. XXVIM, Bie. 38, 33). Die großen Zellen lassen sich wohl ohne weiteres analogisieren mit den Gebilden, die man bei andern Würmern die »Leypisschen Zur Morphologie von Polygordius laeteus Schn. usw. 583 Riesenganglienzellen« genannt hat. Auch bei Nematoden sind sie vorhanden. RAUTHER beschreibt sie bei Gordius, MONTGOMERY als chromophobie cells bei Paragordius. Ausführlich hat sie Eısıe in seiner Capitelliden-Monographie behandelt. Ebenso haben in neuerer Zeit einige andre Forscher ihnen ihre Aufmerksamkeit gewidmet, aber es ist ihnen bis jetzt ebensowenig wie mir gelun- sen, über die Beziehungen zu dem Bauchmark und die Funktion dieser merkwürdig großen Zellen eine bestimmte Anschauung zu ge- winnen. 4. Peripheres Nervensystem. Von dem Bauchstrang sieht man auf Querschnitten seitlich einzelne Nervenfasern ausgehen, die sich ein Stück weit in der Körperwand distal von der Stützlamelle der Hypodermis verfolgen lassen (Taf. XXVII, Fig. 38). Sie sind meist an den Stellen des Bauchmarks vorhanden, wo Quercommissuren dessen Faserstränge ver- binden, also zwischen den Stützfaserbündelpaaren. Trotz Anwendung verschiedener spezifischer Nervenfärbungen, von denen mir die Methode BıELSscHowskys brauchbare Präparate ergab, konnte ich diese peripheren Nerven nicht weiter verfolgen. Wahrscheinlich inner- vieren die Fibrillen dieser Faserbündel die Hautmuskulatur, indem sie sich zwischen die einzelnen Muskeln verteilen. FrArmonrt be- hauptet, daß der Hautmuskelschlauch vor allem durch Nervenzellen, die in der Haut liegen, innerviert würde, und glaubt durch Zupf- und Macerationspräparate eine Nervenverbindung zwischen beiden nachgewiesen zu haben. Ich will es vermeiden, zu dieser Frage Stellung zu nehmen; nur möchte ich betonen, dab einerseits solche »dilacerations«, wie sie FRAIPONT vorgenommen hat, wohl nicht ganz beweiskräftige Resultate liefern, — daß ich dagegen anderseits ebensowenig: wie FRAIPONT, auch nicht mit Hilfe moderner Färbungs- methoden, auf Schnitten solche direkte Innervation der Muskeln von der Haut nachweisen konnte. Man sieht niemals irgend welche Fasern von der Hypodermis durch die Stützlamelle in das Mesoderm eindringen. Von dem Bauchstrang direkt in die ventralen Mesenterien ver- laufende Nervenfasern, wie FRAIPONT sie gesehen zu haben meint, fand ich auch niemals vor. Ob solche überhaupt vorhanden sind, vermag ich nicht anzugeben. Jedenfalls scheint mir sicher zu sein, daß die Fasern, welche in seiner Fig. 6, Taf. VI aus dem Bauchmark in die Mesenterier hineinreichen, keine Nervenfasern sind, denn die 584 Friedrich Hempelmann, Stelle, an der sie das Mark durchziehen, ist genau der Ort, wo sich die Stützfaserbündel befinden. Ich meine vielmehr, daß die Fasern auf jener Abbildung innerhalb und außerhalb des Ectoderms überhaupt nicht Teile einer und derselben Faser sind, sondern nur zufällig mit ihren Enden aneinanderstoßen, so daß sie einheitlich zu sein scheinen. Jene Fasern in den Mesenterien halte ich für Dorsoventralmuskeln, welche sich ja, wie ich selbst erst entdeckt habe, dort regelmäßig vorfinden. 5. Schlundnervensystem. (Taf. XXV, Fig. 2-9.) Am Vorderdarm von Polygordius finden sich zwei Nerven- stränge, die ihn seitlich bis durch das erste große Dissepiment be- gleiten. Wie ich bereits in dem Abschnitt über den Darmkanal beschrieb, ist das Epithel des Oesophagus außen von einem Faser- belag bedeckt, dessen Elemente Stützfasern, Muskeln, vielleicht auch Nervenfibrillen sind. Innerhalb dieses Belags sieht man nun auf Quer- schnitten etwa durch die Mitte des Oesophagus rechts und links je ein Bündel von Fasern durch eine dünne Membran, ähnlich der, welche die Schlundeommissuren umgibt, von den übrigen Fasern abgegrenzt. Diese im Querschnitt mehr oder weniger kreisrunden Faserzüge sind nervöser Natur, wie ich durch die BIELSCHOWSKYsche Nervenver- silberung mit Sicherheit feststellen konnte. In der Mitte des Oesophagus haben die beiden Nerven den größten Querschnitt, während ihr Durchmesser in ihrem Verlauf nach vorn und hinten allmählich immer mehr abnimmt. Die Nervenfasern beginnen vorn etwa an der Stelle, wo der Vorderdarm nach der ventralen Seite umbiegt, und sind dort noch diffus zwischen die übrigen Fasern des Schlundbelags verteilt. Bald jedoch sammeln sie sich zu den beiden abgetrennten Strängen und verlaufen nun, immer im Niveau des Faserbelags, schräg nach hinten abwärts, so daß sie kurz vor dem ersten Dissepiment die Ventralseite des Oesophagus erreicht haben. Dort gabeln sie sich. Der eine Ast jedes Stranges läuft unter dem Darmepithel dem entsprechenden des andern ent- gegen und vereinigt sich mit ihm, so daß beide Nervenbündel hier miteinander in Verbindung treten. Je ein zweiter Ast jedoch behält die ursprüngliche Richtung bei, durchbricht mit dem Darm das Dissepiment und läßt sich noch im folgenden und manchmal auch im übernächsten Segment nach- weisen. Dann aber verlieren sich diese in der Richtung nach dem Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 585 Schwanz des Wurmes immer dünner werdenden, nur noch wenige Fasern enthaltenden Bündel vollkommen. Vielleicht ist auch noch je ein dritter Ast an der Gabelungs- stelle vorhanden, welcher die Schlundnerven mit dem Unterschlund- ganglion in Verbindung setzt. Doch ist es mir leider nicht gelungen, hierüber Gewißheit zu erlangen. Jedenfalls kann ich mit ziemlicher Sicherheit behaupten, daß, wenn eine Verbindung wirklich vorhanden ist, es nur sehr wenige Fasern sein können, welche nach dem Bauch- mark führen. Dagegen ist ein Zusammenhang dieser sympathischen Nerven mit andern Teilen des ecetodermalen Nervensystems, etwa mit dem Ober- schlundganglion, nicht vorhanden. Wie erwähnt, zerstreuen sich die Fasern vorn zwischen den Elementen des Schlundbelags. Wenn hier eine Kommunikation mit dem Üerebralganglion existieren sollte, müßten die Fasern die Schlundhöhle überbrücken, und das ist nicht der Fall. Natürlich ist anzunehmen, daß diese Nervenfasern von nervösen Zellen ausgehen müssen, und solche scheinen sich ja, wie ich früher zeigte, tatsächlich im Schlundbelag vorzufinden (s. S. 569). Es handelt sich hier also wohl um ein’ sympathisches, vom Hauptcentrum getrenntes Nervensystem, das wahrscheinlich zur Inner- vation der Schlundretractoren, aber auch der Darmmuseularis, dient und vielleicht seine Reize direkt vom Epithel des Vorderdarms em- pfängt. Wie WOLTEREcK in seinem Breslauer Vortrag (1905, S. 172) auseinandersetzt, entstehen die beiden Nervenstränge (und auch der übrige Schlundfaserbelag) aus der inneren Schicht des mesenchyma- tischen Belags des Larvenstomodäums. GOODRICH beschreibt in einem Aufsatz über Saccocirrus (1901) ein Schlundnervensystem, das ebenfalls in zwei seitlichen Strängen den Oesophagus begleitet. Die Querschnitte durch den Schlund, welche GooprIcH gezeichnet hat, und auch solche im Original, die ich selbst von sSaccocirrus herstellte, entsprechen völlig meinen Schnitten durch Polygordius, was das Aussehen und die Lage der Faserbündel anbetrifit. Dagegen ist das Verhalten bei Saccoeörrus insofern ein andres, als hier jeder der beiden Nerven auf der Ventral- seite der Oberlippe weiter nach vorn verläuft und in das Cerebral- sanglion eindringt. Ich betone nochmals ausdrücklich, daß eine solche Verbindung mit dem Oberschlundganglion bei Polygordius nicht vorhanden ist. 586 Friedrich Hempelmann, Bei Lopadorhynchus findet sich etwas Ähnliches, doch ist auch da in der Literatur eine Unsicherheit über den Zusammenhang der Schlundnerven mit dem übrigen Nervensystem zu konstatieren. E. MEYER, der die Entwicklung dieses von KLEINESBERG (1886) aus- führlich behandelten Phyllodociden gelegentlich seiner Studien über den Körperbau der Anneliden nachgeprüft hat, sagt (1901, S. 413): »Die Innervierung des Schlundes hat KLEINENBERG in folgender Weise dargestellt. An beiden Seitenflächen des Pharynx ziehen zwei Längsnerven hin, die eine recht ansehnliche Anzahl in das Gewebe der Rüsselwandung eingestreuter Ganglienzellen begleitet. Die beiden Stämme sollen vermittels zweier Wurzelstränge, welche die Ring- muskelschicht des Schlundes durchsetzen, mit dem unteren Schlund- sanglion in Verbindung stehen.«e Dann fährt er etwas weiter unten fort: »Eine derartige Verbindung der Schlundnerven mit dem ersten Paare der Bauchmarkganglien habe ich nicht zu konstatieren ver- mocht.« — »Die beiden seitlichen Längsnervenstämme des Schlundes sind in der Tat vorhanden und geben eine Reihe von Nebenästen ab. Nach vorn hin werden sie allmählich stärker und gehen schließ- lich auf die Wand der Mundhöhle über. An dieser Stelle sind die Schlundnerven von kleinen Nervenzellen umgeben, die ein Paar Pharyngealganglien bilden (Taf. XVII, Fig. 122, 125); sich noch etwas mehr nach vorn hin fortsetzend, sind sie an der vorderen Mundhöhlen- wand durch eine Quercommissur untereinander verbunden. Weiter habe ich an meinen Präparaten den Verlauf der Nerven nicht ver- folgen können, doch glaube ich, daß sie hier irgendwo aus den Hirneonneectiven austreten müssen, wie das bei sehr vielen Anneliden der Fall ist.«< Es scheint demnach, als sei jenes Schlundnervensystem phylo- genetisch zuerst wirklich getrennt von dem übrigen eetodermalen Nervensystem entstanden, wie es bei Polygordius, der doch sicher eine archaische Form der Anneliden repräsentiert, noch heute der Fall ist, und erst später bei höher entwickelten Polychäten sekundär mit dem Gehirn oder dem Bauchmark in Verbindung getreten. Vielleicht hat E. Meyer etwas Derartiges im Sinne, wenn er am Schluß des eben zitierten Abschnittes über Zopadorhynchus S. 414 sagt: »Nach KLEINENBERG soll das Schlundnervensystem ‚ein ab- gelöstes Stück‘ vom Bauchstrange vorstellen. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich, da ich die Bildung von Nervenzellen in den Wandungen der Schlundanlage selbst beobachtet habe, wo, wie wir sehen werden, zugleich auch primäre Sinnesorgane vorhanden sind.«< Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 587 6. Sinnesorgane. Die aus dem Prostomium hervorragenden Tentakeln dienen zum Tasten. Sie sind einfache Verlängerungen der Vorderseite des Wurmes und enthalten in ihrem Inneren lediglich Nervenfasern, welche an der Tentakelbasis in das dort befindliche Tentakelganglion über- gehen. Contractile Elemente oder Hohlräume sind nicht in den Tentakeln vorhanden. Diese sind infolgedessen starr und unbeweglich, wovon man sich leicht bei der Beobachtung lebender Würmer über- zeugen kann. Man sieht da vielmehr, daß die Polygordien mit ihren Tentakeln in der Weise tasten, daß sie das ganze Vorderende hin und her bewegen. Um mechanische Reize aufnehmen zu können, sind die Tentakeln mit zahlreichen feinen Sinneshärchen versehen, die nach allen Seiten aus der Cuticula hervorragen. Solche Tasthärchen finden sich aber auch sonst, nur nicht so dicht nebeneinander, über den ganzen Rumpf verteilt. Am lebenden Wurm kann man sie als dünne, eben noch sichtbare lichtbrechende Linien erkennen. Auf Schnitten findet man sie nur selten, und ich habe keinen Zusammenhang zwischen ihnen und irgend welchen Hypodermiszellen feststellen können. Es scheinen äußerst vergängliche Gebilde zu sein, die schon bei der Konservierung fast immer zerstört werden. Anmerkung. Bei Polygordius appendiculatus sind außer den beiden Ten- takeln am Kopflappen auch am Pygidium noch zwei Tastorgane vorhanden, die Pe :: % EEE. ; Be > re “ Sn he ar £ 2 ‚” N ER EEE? Er, Se Dr Ro 2 : > u EEE “ Fe Bu es < $ EN 2322 F $ $ J # u F F. ee } N > SE 8 Textfig. 17. Schematischer Schnitt durch das Hinterende eines Polygordius appendiculatus, der anormalerweise drei Präanaleirren hat. : beiden Präanaleirren. Sie sitzen mit ihrem basalen Ende dicht hinter dem Klebdrüsenkranz, und werden wahrscheinlich von dem Bauchmark innerviert, 588 Friedrich Hempelmann, das ja gerade an jener Stelle in einen Nervenring ausläuft. Ich fand einen Polygordius appendiculatus, bei dem auf der einen Seite zwei solche Cirren neben- einander entspringen, so daß das Tier im ganzen also deren drei besitzt. Viel- leicht deutet dieses Vorkommnis darauf hin, daß einst in dieser Körperregion eine größere Anzahl solcher Tastorgane vorhanden gewesen sein mögen. Auch auf den Präanaleirren sind die Sinneshärchen dicht gehäuft, ebenso wie auf den Tentakeln, obwohl FRAIPoONT meint, letztere seien bei Polygordius appendiculatus frei von Haaren. Ebenfalls als Tastorgane sind wahrscheinlich die in der Haut verteilten Sinneskölbehen anzusehen, wie ich bereits bei der Be- schreibung des Integuments erwähnte (Taf. XXVI, Fig. 18). Sie durchbrechen die Cuticula als keulenförmige Gebilde, welche sich mit Eisenhämatoxylin lebhaft färben. Die Spitze ihres verdickten Endes ragt ein wenig über die äußere Cuticula hervor, während man den dünnen proximalen Teil bis in die Hypodermis verfolgen kann. Im Innern der Kölbehen sieht man bei entsprechender Differenzierung und Vergrößerung je eine feine, dunkler als ihre Umgebung erscheinende Faser etwa von der Mitte des Keulenköpfchens bis in den schlanken Teil verstreichen. Das proximale Ende jedes Kölbcehens geht in eine im Hautepithel liegende Zelle über, deren Kern bedeutend größer ist, als die der übrigen Hypodermiszellen und ein feines Plasmagerüst aufweist, in dessen Ecken sich stark ehromatische Körnchen befinden. Eine Nervenverbindung von diesen Sinnesapparaten nach irgend einem Organ oder einem Nervenstrang des Wurmes konnte ich nicht beobachten. Wegen der ganzen Beschaffenheit dieser Sinneskölbehen aber kann man wohl als sicher annehmen, daß sie dazu bestimmt sind, Reize, welche aus der Außenwelt stammen, dem Wurm zu übermitteln. Die Sinneskölbchen sind über den ganzen Körper ziemlich gleich- mäßig verteilt (Textfig. 11, S. 551); es scheint nicht, daß sie auf den Tentakeln dichter angeordnet sind als auf den übrigen Stellen der Haut. Lateral an der Basis des Prostomiums liegen zwei Wimper- sruben, welche ja bei den meisten Anneliden vorkommen und, wie man allgemein annimmt, als Geruchsorgane zur Perception chemi- scher Reize gebraucht werden. Die Zellen der Wimpergruben sind verlängerte, hohe Hypodermiszellen, die an ihrem distalen Ende lange kräftige Cilien tragen, die im Leben äußerst rege flimmern. An ihrem Rande geht das Epithel der Wimpergruben allmählich in die Hypodermis über. Der mittlere Teil dieses Sinnesepithels ist etwas eingesenkt, wodurch eine Grube entsteht, deren längste Aus- dehnung bei wagerechter Lage des Wurmes schräg von oben nach Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 589 unten gerichtet ist. Durch ihre Retractoren können die Wimpergruben noch weiter ins Kopfinnere eingezogen werden, so daß sich die Seiten- wände einer jeden fast aneinander legen. Hierdurch wird erreicht, daß die Wimpern vor schädlichen Einwirkungen geschützt werden können. Die basalen Enden der Epithelzellen stehen durch Nerven- fasern mit den dicht bei den Wimpergruben liegenden zu diesen ge- hörigen Ganglien in Verbindung. Sehorgane, Augen sind bei Polygordius lacteus ebensowenig wie bei Polygordius neapolitanus Und Polygordius appendiculatus vor- handen. Die Augenflecke der Trochophora-Scheitelplatte verschwinden schon bald nach der Metamorphose. Excretionsorgane. Die allgemeine Lage und Beschaffenheit der Nephridien gibt FRAIPoONT nach Beobachtungen am lebenden Objekt richtig an; da- gegen ist es ihm nicht gelungen, diese Organe auf Schnitten deutlich nachzuweisen, so daß er auf eine genauere histologische Beschreibung verzichtet. Er schreibt über den Excretionsapparat (appareil excereteur S. 27): »Il existe une paire d’organes segmentaires dans chaque anneau du corps, sauf dans les segments cephalique et anal.« Da ich nun gezeigt habe, daß sich jenes »Kopfsegment« der früheren Autoren nicht mehr halten läßt, weil dort die Verhältnisse im Innern des Körpers komplizierter sind, als man bisher annahm, so werde ich nachher den Excretionsorganen in diesem Körperteil eine besondere Schilderung widmen müssen. Im Pygidium fehlen die Nephridien ganz und in den jüngsten Segmenten innerhalb und dicht vor der Wachstumszone sind sie erst im Entstehen begriffen. a) Im Rumpf. An jedem Nephridium des Rumpfes lassen sich morphologisch drei Teile unterscheiden: 1) die innere Mündung, die ich Trichter nenne, 2) der Kanal und 3) die Endblase mit der Mündung nach außen. Den Hauptbestandteil des Organs bildet der Kanal. Wenn FRAIPONT angibt: »Ce tube chemine lateralement dans l’epaisseur de la portion somatique du peritoine — —<«, so muß ich da eine Be- richtigung hinzufügen. Der Nephridialkanal verläuft nicht in der Schicht der Somatopleura selbst, wo diese die ventralen Längs- muskeln bedeckt, wenn das auch nach dem Aussehen beim lebenden 590° Friedrich Hempelmann, Wurm so scheinen mag, sondern er liegt in dem Winkel, den die Transversalmuskeln mit der ventralen seitlichen Körperwand bilden, frei in der Lateralkammer (vgl. Textfig. 1). Das Peritoneum wölbt sich von der distalen Kante der Nierenkammer in deren Lumen vor und umgibt den Nephridialkanal, so daß dieser an einem doppelten Ligament aufgehängt erscheint (Taf. XXVIIL, Fig. 51, Taf. XXIX, Fig. 54, 55 u. 56). Der Kanal nimmt seinen Weg vom Dissepiment nach rückwärts in gerader Linie durch die ersten zwei Drittel des folgenden Segments, darauf biegt er rechtwinklig um und erreicht parallel unter den Transversalmuskeln hinziehend die Hypodermis, wo dann der dritte Abschnitt des Nephridiums beginnt. Die Wände des Kanals bestehen aus einer ganzen Anzahl von Zellen und lassen sich auf mit Eisenhämatoxylin behandelten Schnitten leicht an der schwach hellgrünen Färbung und den eingelagerten dunklen Exceretkörnern erkennen. Diese Zellen sind durchbohrt und so an- einander gereiht, daß sie eine Röhre von überall gleicher innerer Weite ergeben. Das intracelluläre Lumen des Kanals ist mit energisch schlagenden Cilien ausgekleidet, welche den Inhalt des Kanals nach außen befördern. Die innere Mündung des Nephridiums ist trichterförmig er- weiter. Man kann sich am besten ein Bild von diesem Trichter machen, wenn man die Vorderseite eines Dissepiments in Höhe der Seitenlinien vom Darm her nach der Körperwand zu verfolgt. _ Etwa beim letzten Viertel trifft man auf der die Septenmuskeln bedeekenden Peritonealmembran eine kleine Anschwellung, die mit kräftigen Wim- pern versehen ist. Bald darauf senkt sich das Cölothel in die Septen- fläche ein, durchbricht das Dissepiment und trifft auf die vorderste Zelle des vorher beschriebenen Kanals. Diesen bewimperten Teil des Triehters nenne ich dessen Unterlippe (Taf. XXIX, Fig. 56). Der distal von dieser gelegene Teil des Dissepiments, die Ober- lippe des Trichters, ragt ein wenig über den Eingang des Kanals hervor und trägt keine Cilien. Von vorn gesehen erscheint die ganze Triehteröffnung, deren Ränder einige Kerne enthalten, als eine Durchbrechung des Septums mit ovalem Querschnitt, dessen vertikale Ausdehnung die größte ist. Der dritte Teil des Nephridiums besteht in der Hauptsache aus der kugeligen Endblase, deren Durchmesser etwa der Höhe der Hypodermiszellen entspricht. Diese Blase wird von einer Anzahl Zellen mit meist auf der proximalen Seite der Hypodermis liegenden Zur Morphologie von Polygordius laeteus Schn. usw. 591 Kernen gebildet und enthält keine Cilienauskleidung. Durch einen kleinen Porus, der die Cutieula durchbricht, mündet sie nach außen (Taf. XXVIIL, Fig. 44). b) Imsersten und zweiten Segment (Schlunddoppelsegment). Die Kanäle des vordersten Nephridienpaares verlaufen regulär innerhalb der Lateralkammern des zweiten Cölomsomiten, also hinter dem ersten Dissepiment, und münden dort nach außen (Taf. XXV ,Fig.]). Nicht aber bilden sie, wie anzunehmen wäre, in den kleinen Septen je einen Trichter, sondern sie nehmen ihren Weg durch die Septen hindurch ohne Mündung, und reichen noch ein ganzes Stück nach vorn zu in das erste Segment hinein, wo ihr Durchmesser immer mehr abnimmt (Taf. XXV, Fig. 2). Da das Lumen der ersten Cölomdivertikel vorn enger wird, ist es recht schwer, das wirkliche Ende dieser Kanäle nachzuweisen, — im Leben, weil sich in jener Gegend des Rumpfes dichte Pigment- massen befinden, welche es unmöglich machen, die sonst durch die Wimperbewegung in ihrem Innern deutlich erkennbaren Kanäle weiter zu verfolgen, — auf Schnitten, weil sich hier alle Gewebe (Cölothelien, Transversalmuskeln) dicht aufeinander legen, so daß man die etwaigen Kanalwandzellen nicht von ihnen unterscheiden kann, da hier eben nicht nur diese, sondern auch ihre ganze Umgebung Pigmentstoffe enthalten. Soweit ich feststellen konnte, sind die Kanäle blind geschlossen; jedenfalls ist sicher, daß eine trichterförmige Öffnung nicht existiert. Es leuchtet ja auch ein, daß bei der rudimentären Ausbildung der vorderen Cölomabschnitte diese nicht in dem Maße wie die großen Rumpfsegmente, an welchen noch dazu die Geschleehtsprodukte ent- stehen, Exceretstoffe produzieren und daher auch keines so kompli- zierten Nierenapparates bedürfen. Der wie die übrigen mit Üilien ausgekleidete Kanal dieser ersten Nephridien ist bei älteren Tieren völlig gestreckt, erscheint dagegen bei jungen Würmern in der Vertikalebene S-förmig ge- wunden. Er wird also wahrscheinlich beim Längerwachsen des sanzen vorderen Körperabschnittes gestreckt, indem er selbst nicht in gleichem Maße an Ausdehnung zunimmt. Ich bemerke hier, daß auch diese Organe bei Polygordius lacteus und Polygordius neapolitanus identisch sind, obwohl gerade sie aus ganz verschiedenartigen Bildungen der beiden so heteromorphen Larven hervorgehen, wie durch WOLTEREcKS Befunde festgestellt ist. Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. LXXXIV. Bd. 39 592 Friedrich Hempelmann, Besonders in seinem bereits mehrmals erwähnten Breslauer Vortrag (1905, S. 175—180) sind noch einmal alle diesbezüglichen Daten zusammengestellt. Dagegen möchte ich hier noch auf einen Umstand hinweisen, der für den Zusammenhang der zweiten Larvennephridien mit den ersten Annelidnephridien von Bedeutung ist. WOLTERECK hat gezeigt, daß bei beiden Species die zweiten Larvennieren aus zwei verschie- denen Komponenten, einem im Blastocöl liegenden mesenchymatischen (dem Kopf) und einem im ersten Somitpaare des Rumpfes gelegenen segmentalen Teil bestehen, und daß nach der Metamorphose nur die segmentalen Abschnitte, welche wie die Rumpfnephridien der Ima- gines im Bereich des ersten Segments mittels einer Endblase nach außen münden, erhalten bleiben. Er hat die Reste des zweiten Protonephridienpaares auch nach der Fertigstellung des Annelids nur an Exolarven beobachtet und deren weiteres Schicksal nicht ver- folgt. Bei den Endolarven, in denen dieser segmentale Teil sehr klein ist, ließ er sich überhaupt nicht während und nach der Um- wandlung von den umgebenden Geweben unterscheiden. Nach dem Verhalten beim ausgewachsenen Wurm muß man annehmen, daß der in dem ersten Somiten restierende, durch das Abwerfen seines mesenchymatischen Teiles kopflos gewordene Nierenkanal mit dem Vorderende des folgenden Rumpfnephridiums verschmilzt, während sein Rumpfabschnitt resorbiert wird. Dies scheint auch ganz erklärlich, denn wenn er völlig un- verändert erhalten bliebe, sc würden in das erste Cölomsegment zwei Nephridien einmünden, nämlich dieser segmentale, allerdings kopflose Teil der zweiten Larvenniere und das nächste Rumpfnephridium, und eine solche reiche Ausstattung mit Excretionsorganen wäre für das geringe Lumen des ersten Somiten wohl unnütz. Durch diese Art der Entstehung des ersten Paares von definitiven Segmentalorganen wird es auch verständlich, warum diese vorn blind enden. Der Solenocyten tragende Kopf, welcher in das Blastocöl ragte, ist verloren gegangen, und der übrig bleibende Kanal hat sich vorn geschlossen. Es sind also die ersten Wurmnephridien wahrscheinlich eine Verschmelzung von zwei vorher getrennt gewesenen Excretionsorganen, nämlich dem Kanal des zweiten Protonephridiums und dem vordersten Rumpfnephridium. Jedes Nephridium gehört, wie es ja die Regel bei den Anneliden Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 593 ist, immer zwei Segmenten an; gegen das eine ist es geöffnet (mit Ausnahme des rudimentären ersten Paares) und nimmt die Excret- stoffe daraus durch seinen Trichter auf, während es das andre, caudal von ihm gelegene mit seinem Kanal durchzieht, dessen Wandzellen sich freilich auch an der Excretion betätigen, indem sie stickstoff- haltige Produkte aus der Leibeshöhle in eine endgültige Form bringen, um sie schließlich durch das Kanallumen nach außen zu befördern. Eısıc stellt in seiner Capitelliden-Monographie (1887, S. 763) diese Tätigkeit der Segmentalorgane aller Anneliden folgendermaßen dar: »Die Nephridien haben eine doppelte Funktion, nämlich erstens die, die durch das Blut ihrer Drüsenzellen zugeführten Vorstufen von Exereten in endgültige durch die Nephridialkanäle zu eliminierende Exerete überzuführen, und zweitens die, vermöge der Trichter (und derselben Kanäle) feste, in andern Nierenorganen zur Ausscheidung gelangte endgültige Excrete aus dem Cölom herauszuschaffen. « Unter den erwähnten »andern Nierenorganen« versteht Ersıe umgewandelte Partien des Cölothels, und ich glaube nicht fehl zu sehen, wenn ich annehme, daß auch bei Polygordius sich das Peri- toneum an der Excretionstätigkeit beteiligt. In besonders hohem Grade scheint mir das in der Schlundregion der Fall zu sein. Aus der Anordnung der Segmentalorgane geht hervor, daß ebenso wie die Perirecetalhöhle auch die Peripharyngealhöhle nicht im Zusammenhang mit Nephridien steht, letztere höchstens sekundär durch den Septenspalt des zweiten Septums mit dem Nierenpaar, das seine innere Mündung im dritten Dissepiment hat. Nun findet sich in dem vorderen Körperabschnitt in der Be- deckung der Längsmuskeln, also in vier rostrad immer schmaler werdenden Strängen, reichliches gelbbraunes oder rostrotes Pigment, das den Excretansammlungen in den Nephridialkanälen völlig gleicht. Aber auch in den Rumpfsegmenten trifft man wenigstens in den Somatopleuren der Lateralkammern das gleiche Pigment an, wenn auch nicht so stark gehäuft. Auf Schnitten sieht man in den Zellen der erwähnten Cölothelien, welche ja, wie ich in dem Abschnitt über die Körperhöhlen beschrieb, ein parenchymatöses Gewebe bilden, große, meist rundliche mehr oder weniger gekörnte Einschlüsse. Es wäre denkbar, daß diese Zelleinschlüsse Reservestoffe, Fette sein könnten, welche hier aufgespeichert sind, um bei Gelegenheit, viel- leicht bei dem Heranreifen der Keimzellen, eine nutritorische Rolle zu spielen. Ich glaube aber eher in ihnen stickstoffhaltige Verbin- 39* 594 | Friedrich Hempelmann, dungen sehen zu dürfen, welche aus der Leibeshöhlenflüssigkeit aus- seschieden sind und hier angesammelt werden. Für diese letztere Annahme spricht die Übereinstimmung mit den doch sicher Exere- tionsprodukte darstellenden Einschlüssen der Nephridialkanalwände, und mit den frei in der Leibeshöhle flottierenden Exereteoagulationen. — Allerdings enthalten nicht alle Zellen jenes Parenehyms derartige Einlagerungen, so daß man den übrigen eine solche aufspeichernde Funktion zu Ernährungszwecken wohl zuschreiben kann. Ich halte also die mit solchem Pigment versehenen Teile des Cölothels für Organe, welche bestimmt sind, die Nephridien in ihrer Excretionstätigkeit zu unterstützen (Taf. XXVIIL, Fig. 45). E. Meyer (1901, S. 461) nennt derartige Gebilde Phagocytär- organe und sagt von ihnen: »Als lokale Modifikationen des all- semeinen Peritonealepithels erscheint eine ganze Reihe verschieden- artiger Phagocytärorgane, die früher unter der Bezeichnung der Iymphoiden Chloragogen- oder Peritonealdrüsen zusammengefaßt wurden. Meiner Ansicht nach können diese Gebilde alle morpho- logisch als einstmalige Bildungsstätten von lymphoiden Zellen auf- gefaßt werden. Man hat sich das letztere so vorzustellen, daß die Elemente dieser Organe, die früher ebenfalls frei wurden, um im Cölom herumzuwandern, und während dieser phylogenetischen Periode phagocytäre Eigenschaften erworben haben können, sich jetzt von ihrem Mutterboden, dem Cölomepithel einfach nicht mehr ablösen, sondern mit demselben permanent in Zusammenhang bleiben.« (Vgl. auch Eısis, Capitellidenmonographie 1887 S. TOT ff:. »Die excreto- rischen Leistungen des Peritoneums.«) Ich glaube, daß man die vorliegenden umgewandelten Peritoneal- teile als ein ursprünglicheres Stadium solcher Phagoeytärorgane ansehen darf, deren Tätigkeit ich mir nun so denke, daß ihre Zellen zunächst ähnlich wie Phagocyten (es sind ja keine solchen in der Leibeshöhlen- flüssigkeit vorhanden) und ähnlich wie die Zellen der Nephridialkanal- wände Stoffwechselprodukte aus der Leibeshöhle aufnehmen, und nachdem sie dieselben in die endgültige Form gebracht haben, in ihrem Inneren aufspeichern. Wenn dann eine solche Zelle ganz mit Exeret vollgefüllt ist, löst sie sich aus dem Verbande des Cölothels los und gelangt frei in die Leibeshöhle. Es flottieren in dieser wie erwähnt Exereteoneremente, welche oft durch die Septenspalten von’ einem Segment ins andre wandern; und ich kann deren Herkunft nur so erklären, daß sie ehemalige Teile des Peritoneums sind, die sich von ihrem Mutterboden getrennt haben. Diese umgewandelten Zellen Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 595 degenerieren teilweise schon wenn sie noch an der Cölothelwand sitzen, denn man findet ihre Kerne dort oft in Zerfall begriffen oder schon ganz verschwunden, — teilweise tritt diese Auflösung erst nach der Abtrennung ein. Wenigstens findet man in der Lymphe Excret- ballen, die noch von Zellresten umgeben sind, in denen man auch Kerne nachweisen kann, andre sind rein stickstoffhaltige Coneremente. Diese sind wohl das Endstadium, welches durch die Nephridialkanäle entleert wird (Taf. XXVII, Fig. 45 u. 47). Bei jungen Würmern sind solche freischwimmende Exceret- ansammlungen bei weitem häufiger als bei ausgewachsenen, was wohl einerseits mit dem durch das schnelle Wachstum beschleunigten Stoffwechsel zusammenhängt, anderseits damit, daß die jungen Nephridien wohl noch nicht gleich so funktionieren wie die älterer Tiere. Die Tatsache, daß auch bei ausgewachsenen Polygordien in der Schlundregion ziemlich bedeutende Excretansammlungen vorhanden sind, scheint mir ein Beweis dafür zu sein, daß hier die wegen der vielen Muskeln um den Schlund reichlicher produzierten stickstoft- haltigen Stoffwechselprodukte nicht so bequem, wie in den Rumpf- segmenten aus dem Körper entfernt werden können, eben weil der Peripharyngealraum nur vermittels des dritten Segments mit den dort mündenden Trichtern des dritten Nephridienpaares in Verbindung steht. Und ventral, in den Cölomdivertikeln des ersten Segments, liegen die Verhältnisse für eine Ausfuhr der Excretstoffe ebenso ungünstig, denn obwohl dort der Anfang des ersten Nephridienpaares liegt, so entbehrt dieses einer inneren Öffnung, so daß hier Exeret- in fester Form ebenfalls nicht nach außen gelangen kann. Eine solche Ansammlung von Excret in Teilen des Cölothels und nachherige Entleerung aus dem Körper durch geeignete Segmental- organe ist z. B. auch von EısıG bei einigen Capitelliden sicher fest- gestellt worden. Eısıc (Capitellidenmonographie, 1887, S. 757 ff.) wies nach, daß in dem Vorderende von Mastobranchus und Heteromastus im Peritoneum Excretstoffe angesammelt, und »daß alle diese durch das Peritoneum erzeugten Exceretbläschen und Concretionen durch die (in beiden Gattungen auf das Abdomenende beschränkten) Nephri- dien nach außen geschafit werden«. Die schon mehrmals erwähnten drüsigen Gebilde im Prostomium und an der Vorderwand des Schlundes, die »gelben Körper« WOLTERECKS, halte ich für ähnliche Exeretionsorgane wie die vorigen; doch scheinen sie sich nicht abzulösen von dem umgebenden Zell- 596 Friedrich Hempelmann, verband. In der allgemeinen Übersicht dieser Arbeit habe ich schon ihre verschiedene Lage bei den einzelnen Individuen erörtert. Man trifft sie nämlich entweder an der Vorderwand des Hauptganglions in der Präcerebralhöhle, oder rechts und links in den Schizocölräumen unter der dorsalen Längsmuskulatur des Kopflappens, oder eine ähnliche Drüse auf dem Epithel des Schlundes, da wo er vorn nach der Mundöffnung umbiegt. Dabei treten diese Organe ganz willkürlich bei beiden Geschlechtern auf, bald in der einen bald in der andern Form, bald fehlen sie ganz. Ebenso ist dieses unbeständige Ver- halten sowohl bei Polygordius lacteus als bei Polygordius neapolitanus und Polygordius appendiculatus zu konstatieren. FRAIPONT meinte, das Vorkommen eines solchen unpaaren Pigmentfleckes vor dem Üere- bralganglion sei ein besonderes Merkmal für Polygordius appendicu- latus (vgl. FRAIPoNT, 1887, Taf. II, Fig. 4), aber wie gesagt unter- scheidet sich diese Species in dem Auftreten dieser Drüsen nicht von den beiden andern. In der Scheitelplatte der Larve fand WOLTERECK mehrere Gebilde, welche den vorliegenden in Gestalt und Farbe gleichen, und hat sie »gelbe Körper« genannt (WOLTERECK, 1902, S. 60, Taf. X, Fig. 6a, 8a, 9, 11, 11a, Taf. XI, Fig. 10a). Über ihre Funktion vermochte er nichts anzugeben, aber da sie bei den ausgewachsenen Würmern im Prostomium an derselben Stelle liegen, wie jene Pigmentdrüsen, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß sie auch nach der Metamorphose er- halten bleiben, wenigstens bei vielen Würmern. Sie erweisen sich da meist als einzellige Drüsen, welche in ihrem Innern mehrere durch Plasmawände getrennte rundliche Pigment- massen enthalten (Taf. XXVIII, Fig. 46). Ob sie sich jemals ab- lösen, vermag ich nicht anzugeben; die in der ringsgeschlossenen Präcerebralhöhle können überhaupt nicht aus dieser herausgelangen. Geschlechtsorgane. Sowohl die männlichen als auch die weiblichen Geschlechtsdrüsen befinden sich an einer andern Stelle, als FrAıpont beschreibt. Nach ihm sollten Spermatozoen und Eier in der Mitte jedes Transversal- muskelbündels aus dessen Peritonealüberzug entstehen, und zwar oberhalb und unterhalb dieser Muskeln. Wenn man halbreife Würmer mit dem Mikrotom schneidet, so erhält man allerdings Bilder, welche leicht zu jenem Irrtum führen können, wie ich nachher zeigen werde. In Wirklichkeit werden die Geschlechtsprodukte gar nicht an den Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 597 Transversalmuskeln gebildet, sondern an der Unterseite der Nephri- dialkanäle — also lediglich in den Lateralkammern — und erfüllen erst später die ganze Leibeshöhle, auch die Darmkammern. Bei jungen Würmern ist das Peritoneum, welches die Nephridial- kanäle überzieht, auf allen Seiten histologisch gleichartig eine dünne Plasmaschicht mit flachen Kernen. Erst wenn das Tier heran- gewachsen ist, bemerkt man auf den Seiten der Kanäle, welche deren Aufhängeband diametral gegenüber liegen, einige mehr rundliche Zellen zwischen der Kanalwand und dem umgebenden Cölothel. Diese Zellen sind die Urgeschlechtszellen. Sie müssen sich in der Zwischenzeit aus dem Peritoneum herausdifferenziert haben, wie das ja bei den Anneliden allgemein angenommen wird; Übergangs- stadien, aus denen die Art und Weise dieses ersten Auftretens von Keimzellenanlagen deutlich wird, habe ich leider nicht vorgefunden. Diese Urkeimzellen beginnen nun sich zu teilen und beträchtlich zu vermehren, so daß sie bald ein mehrschichtiges Zellpolster auf der unteren Seite der Nephridialkanäle vom Septum bis zu deren Umbiegungsstelle bilden. In dieser Zeit sind auch die bisher fehlen- den lateralen Gefäßblindsäcke vorhanden. Sie entspringen aus den seitlichen Gefäßschlingen in den Dissepimenten, nehmen ihren Weg geradlinig nach hinten, indem sie auf der intestinalen Seite zwischen den Urkeimzellen und dem diese umgebenden Peritoneum verlaufen, und begleiten so die Keimpolster bis zu deren caudalen Enden. Die beiden Geschlechter sind bis zu diesem Stadium noch völlig gleich, so daß man sie nicht unterscheiden kann; erst bei der weiteren Entwicklung werden ihre Gonaden histologisch different. Bevor ich jedoch auf die Genese der Keimprodukte näher ein- gehe, möchte ich hier noch erwähnen, daß ein Zusammenhang zwischen Nephridien und Gonaden, wie man ihn bei Polygordius antrifft, nichts allzuseltenes bei den Anneliden ist. Um nur ein paar Beispiele aus der Literatur zu nennen, will ich anführen, daß E. MEYER (1887, S. 700) bei den Cirratuliden die Lage der Geschlechtsdrüsen »in den Nierenkammern in der Nähe der Nephridien« betont. Noch inniger ist dieses Verhältnis bei Lopadorhynchus, von dem E. MEYER (1901, S. 433) sagt: »In bezug auf Zahl, Anordnung im Körper und Entwicklungsgrad halten sie (die Gonaden) vollkommen gleichen Schritt mit den Nephridien. Ihrer Gestalt nach birnförmige Körper vor- stellend, sitzen die Gonadenanlagen den hinteren Enden der Nieren- schläuche derart auf, daß sie dieselben mit ihrem verjüngten, distalen Teile auf dem Niveau der Parapodialganglien umgreifen.« Eısıc fand 598 Friedrich Hempelmann, bei einer Gruppe der Capitelliden etwas Ähnliches, nämlich bei Notomastus (vgl. EısıG Capitellidenmonographie 1887, Taf. XIV, Fig. 22 und seine Erklärung dazu). Dieser Kontakt zwischen Excretions- und Geschlechtsorganen ist wohl leicht dadurch erklärbar, daß die infolge des erhöhten Stoff- wechsels in den heranreifenden Gonaden stark vermehrten Exeret- mengen auf diese Weise am schnellsten in die sie aus dem Körper eliminierenden Organe gelangen. Ovariogenese. . Die Bildung der Eier geht in der Weise vor sich, daß die Zellen in den beschriebenen Keimpolstern sich lebhaft teilen, wodurch die vorher im Verhältnis zu den Nephridien noch kleinen Gonadenanlagen Darmblut- sinus Nephri- a dialkanal o“ lateraler Ge- fäßblindsack NO yariım Textfig. 18. Schematischer Querschnitt durch die Körpermitte eines Polygordius lacteus Q mit reifenden Gonaden. nun viel größer erscheinen. Dabei umgibt auch jetzt noch das Peritoneum die Keimpolster, so daß diese also außerhalb der Leibes- höhle liegen. | Das Produkt der Teilungen ist dann bald ein junges Ovarium, dessen Querschnitt meiner Fig. 55, Taf. XXIX entspricht. Dicht unter der Wand des Nierenkanals liegt die Bildungszone des ganzen Geschlechtsorgans, die man an ihren kleinen noch indifferenten mit hellen Kernen versehenen Zellen (Oogonien) erkennt. Auf diese noch Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 599 im Stadium der Ruhe befindliche Zellschicht folgt eine Zone, in der eine rege Vermehrungstätigkeit der Zellen herrscht, wie aus den zahl- reichen Kernteilungsfiguren, hauptsächlich Spiremknäueln des Chro- matins, ersichtlich ist. Es werden hier die Oocyten gebildet, welche in der nächsten Zone als rundliche, mit dunklerem Plasma versehene Zellen auftreten, deren Kerne immer noch fadenförmiges Chromatin enthalten. An diese dritte Zone schließt sich eine Wachstumszone an, in der die Oocyten an Größe bedeutend zunehmen. Zwischen den zwei letzten Keimschichten, aber an der dem Darm zugekehrten Seite der Gonade, verläuft der zugehörige laterale Gefäßblindsack, welcher den Keimzellen frischen Sauerstoff zuführt. Neben den Oocyten der Wachstumszone finden sich im Verhält- nis zu jenen kleine Zellen mit dunklen Kernen, die etwa denen der umgebenden Peritonealmembran gleichen. Diese Zellen sind meist zu mehreren an die Wände einer Oocyte gelagert, und ich glaube, daß wir es hier mit Ernährungszellen der jungen Eier zu tun haben. Der Aufbau der Gonade, wie ich ihn hier geschildert habe, entspricht völlig dem Schema des Ovariums von Amphitrite rubra, welches E. Meyer (1887) S. 641 gezeichnet hat, und welches für die Anneliden allgemein gilt. Auch bei Polygordius sprengen die Eier, nachdem sie ihre defini- tive Größe beinahe erreicht haben, das Cölothel, das sie noch von der Leibeshöhle trennt, bleiben aber noch eine Weile im Zusammen- hang mit der Gonade, und gleichzeitig verschwinden die Nährzellen, indem sie wahrscheinlich von den Eiern völlig resorbiert werden (Taf. XXIX, Fig. 52). Häufig drängen sich die Eier am Ende des Ovariums, weil sie wesen des lebhaften Nachwuchses von Keimzellen in den Lateral- kammern keinen Platz mehr haben, zwischen den Transversalmuskel- bündeln hindurch in die Darmkammern (Taf. XXIX, Fig. 56), so daß nun tatsächlich auf Querschnitten solche Bilder entstehen, wie sie FRAIPONT zeichnete, welche den Beschauer glauben machen, die Gonaden bildeten sich auf jenen Muskeln. (Eine derartige Keimzellen- anlage schien mir an und für sich etwas merkwürdig, denn erstens würden dann in jeder Segmenthälfte der Zahl der Transversalmuskel- bündel entsprechend 8—12 voneinander getrennte Geschlechtsdrüsen vorhanden sein, und zweitens wäre jede einzelne von diesen noch in eine intestinale und eine nephridiale Hälfte gespalten.) Endlich verlieren die Eier auch noch den letzten Zusammenhang 600 Friedrich Hempelmann, mit den Ovarien und fallen frei in die Leibeshöhle, welche bei voll- kommen reifen Tieren dann prall von ihnen erfüllt ist. Die von einer dünnen Eihaut umgebenen Eier besitzen ein Plasma, welches stark tingierbare Körnermassen, wahrscheinlich Dotterschollen, enthält und einen großen runden Kern mit deutlicher Grenzmembran. In dem Kern fallen neben dem großen durch Eisen- hämatoxylin intensiv schwärzbaren Nucleolus noch andre ebenfalls stark tingierbare Chromatinelemente auf, die unregelmäßig im Kernplasma verteilt sind. Spermatogenese. Die Bildung des Spermas verläuft völlig analog der Ovario- genese an der gleichen Stelle der Nephridialkanäle, nur sind hier die Teilungen der Urgeschlechtszellen viel intensiver und die aus ihnen hervorgehenden Zellen immer alle gleichwertig, daher alle gleich groß, weil Nährzellen fehlen. Es entsteht zunächst eine große Anzahl Spermatocyten, die man auf Schnitten in ebensolcher Zone angeordnet trifft, wie bei dem Weibchen die Oocyten, doch sind sie ein wenig kleiner als diese (Taf. XXVIII, Fig. 48). Auch die Spermatocyten sind von einer Peritonealmembran um- geben, welche später reißt, und wuchern in gleicher Weise durch die Lücken zwischen den Transversalmuskelbündeln aus den Lateral- in die Darmkammern, so daß es wiederum den Anschein hat, als lägen auch die männlichen Gonaden auf diesen Muskeln. Aus mehrfachen Teilungen dieser Spermatocyten resultieren die Spermatiden, kleine Zellen mit runden chromatinreichen Kernen, die in sehr wenig Plasma gehüllt sind. Es scheint, daß schon die Spermatocyten frei werden und in die Leibeshöhle fallen, denn ich habe solche im Stadium der Loslösung angetroffen, wie es meine Fig. 48, Taf. XXVIll zeigt. Die Spermatiden flottieren stets frei in der Leibeshöhle und wandeln sich wahrschein- lich direkt in die Spermatozoen um, wie es ja die Regel ist. Die Spermatozoen haben einen kugelrunden Kopf, der durch Eisenhämatoxylin völlig schwarz gefärbt wird. Er ist umgeben von einer ganz feinen Plasmahaut, die sich vorn als eine ziemlich stumpf-kegel- förmige Spitze erhebt. Diesem Spitzenstück diametral gegenüber erkennt man das cylindrische Mittelstück, das mindestens dreimal so breit ist als lang. Endlich geht von der Mitte der hinteren Fläche des Mittelstücks eine lange‘ dünne Geißel aus, das Endstück, der Schwanzfaden des Spermatozoons. Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 601 Während nun FrAIPoNT angibt, daß die Geschlechtsprodukte, sowohl Eier als Sperma, in allen Segmenten des Wurms vom vierten an entstehen, fand ich bei beiden Geschlechtern niemals im Vorder- ende Gonaden, sondern immer erst etwa im 40. Segment und von da durch den ganzen Rumpf hindurch bis zum Ende, mit Ausnahme der vor dem Pygidium in Bildung begriffenen neuen Segmente. Kon- servierte Würmer, die man durch Nelkenöl aufhellt, lassen das deut- lieh erkennen, noch besser aber lebende, bei denen man gleichzeitig sehen kann, wie der Darmblutsinus erst bei jenem 40. Segment be- ginnt, während in dem davorliegenden Rumpfabschnitt das dorsale Gefäß unverändert erhalten ist. Im Vorderende des Polygordius befinden sich also keine Gonaden. Wohl aber können die Geschlechtsprodukte durch Vermittlung der Septenspalten bis in die Schlundregion vordringen. Es scheint das sogar regelmäßig vorzukommen, denn ich fand eine Anzahl von Würmern, bei denen der ganze Körper von vorn bis hinten mit Sperma bzw. Eiern erfüllt war. Vielleicht waren solche Exemplare die Veranlassung, daß FrAIPoNT glaubte, diese Keimzellen seien dort an Ort und Stelle entstanden. Ich bin sogar mehrfach in der Schlund- höhle auf Eier und Sperma gestoßen, wo sie doch auf keinen Fall gebildet werden können. Es ist wohl anzunehmen, daß die Cölomabschnitte des Rumpfes, welche Gonaden enthalten, nicht ausreichen, um die Menge der produ- zierten Keimzellen aufzunehmen, so daß diese dem entstehenden Druck in der Leibeshöhle nach vorn in die leeren Segmente ausweichen. Dieses Wandern der Keimzellen hat mich zuerst auf die bisher un- bekannten Septenspalten aufmerksam gemacht, und ich habe einige Schnitte erhalten, auf denen Spermamassen oder Eier gerade bei dem Durehtritt von einem Segment ins andre zu sehen sind. Seit Fraıponts Beschreibung wird allgemein angenommen, daß die Polygordien ihre Geschlechtsprodukte durch ein Platzen der einzelnen Segmente entleeren, wobei die Tiere natürlich zugrunde gehen. Für die Weibchen galt das bisher als sicher, für die Männ- chen war es noch zweifelhaft, ob sie nicht vielleicht die Nephridien zur Ausfuhr des Spermas benutzen. Obwohl es mir nicht gelungen ist, die Tiere bei der Ablage der Geschlechtsprodukte zu beobachten, glaube ich doch nicht, daß sie auf eine so gewaltsame Weise ge- schieht. FRAIPONT hat ja jene Ruptur der Körperwand selbst ge- sehen, aber es ist nicht wahrscheinlich, daß dieses Platzen der Würmer auf natürlichem Wege geschehen sei. Die Tiere führen 602 Friedrich Hempelmann, nämlich auf dem Objektträger und im Uhrschälchen, überhaupt wenn sie wenig Wasser zur Verfügung haben, heftig schlängelnde Be- wegungen aus, welche leicht der Anlaß, zumal bei solchen prall ge- füllten Würmern, zu einem Platzen werden können, wie FRAIPONT selbst zugibt. Vor allem aber habe ich einige Gründe anzuführen, welche gegen ein solches gewaltsames Verfahren der Natur sprechen. Textfig. 20. Schematische Frontalschnitte durch die Vorderenden reifer Würmer, um die Anwesenheit von Ge- schlechtszellen im Peripharyngealraum zu zeigen. Wenn die Würmer bei der Ablage der Geschlechtsprodukte um- kommen, so könnte jedes Tier nur einmal in seinem Leben Nach- kommenschaft erzeugen, was für die Erhaltung der Art sehr un- günstig wäre. Ich habe im vorigen Sommer (1905) reife Polygordien, deren Körper in der bekannten Weise prall voll Eier bzw. Sperma waren, aus Helgoland geschickt bekommen, von denen die kleineren etwa 4 cm lang waren, während andre eine Länge von 8—9 cm be- saßen bei entsprechender Stärke. Dabei betone ich ausdrücklich, daß in den kleinen nicht etwa Exemplare von Polygordius appendieulatus vorlagen, welche Species ja allerdings nur 4—5 cm lang wird. Man muß also annehmen, daß bei diesem mehr als um das Doppelte differierenden Größenunterschied die kürzeren Individuen jünger, die Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 603 längeren älter waren. Daraus würde sich zugleich ergeben, daß die sroßen Tiere bereits einmal in ihrem Leben geschlechtsreif waren. Es fragt sich nun, wie denn der Prozeß der Keimzellenablage vor sich gehen möchte. Dab die im Verhältnis zu dem Lumen der Nephridialkanäle riesigen Eier durch die Segmentalorgane entleert werden, ist ausgeschlossen, wie schon FrAIPonr einsah. Den Sper- matozoen wäre eine solche Passage eher möglich, aber sie scheint doch nieht benutzt zu werden, denn sie ist bisher noch nie beobachtet worden. Man sieht zwar die Spermamassen in der Nähe der Trichter in heftiger Bewegung, doch ist diese bei dem lebhaften Schlagen der starken Cilien der Unterlippe eigentlich selbstverständlich und noch kein Beweis für einen derartigen Ausgangsweg. Trotz eifriger Be- obachtung sah ich niemals Spermatozoen innerhalb der Nierenkanäle oder gar solche aus den Nephridialporen ins Freie treten. Da die Leibeshöhle außer durch die Nephridien nicht mit der Außenwelt in Verbindung steht, so bleibt für die Entleerung ihres Inhalts tatsächlich nur ein Bruch ihrer Wand übrig. Es ist aber meiner Ansicht nach nicht nötig, daß dabei jedes einzelne Segment platzt, sondern eine Öffnung an einer Stelle des Körpers wird genügen, um alle Geschlechtszellen nacheinander ins Freie gelangen zu lassen. Ich meine, daß die Ablage der Keimzellen tatsächlich in dieser Weise geschieht. Es wird den Eiern bzw. dem Sperma durch ein Reißen der Körperwand, das in einem möglichst weit hinten liegenden Segment zu erfolgen hätte, Gelegenheit geboten, aus dem Körper auszutreten, und während das vielleicht sich völlig ablösende Ende dem Zerfall anheimfällt, regeneriert das am Leben bleibende Vorderende ein neues Schwanzstück. Dafür, daß sich der Prozeß in Wirklichkeit so oder ähnlich ab- spielt, scheinen mir die tatsächlich regenerierten Enden zu zeugen, die man bei einer großen Anzahl von männlichen wie weiblichen Individuen trifft. Von den Polygordien, die ich im vergangenen Herbst (1905) auf Helgoland lebend untersuchte, besaßen mindestens die Hälfte regenerierte Enden, und wenn auch durch irgendwelche Kata- strophen einzelne Würmer verletzt werden können, so glaube ich nicht, daß dies bei einem so hohen Prozentsatz (50°/,) der Fall ist. Ich möchte hier erwähnen, daß die regenerierten Enden sofort daran zu erkennen sind, daß sie einen bedeutend geringeren Durchmesser haben als der übrige Körper, und daß sie sich infolgedessen gegen das letzte recente Segment scharf absetzen (Taf. XXVI, Fig. 11). 604 Friedrich Hempelmann, Dieses Entleeren der Keimzellen durch Abreißen des hinteren Körperendes scheint mir ein ursprünglicheres Stadium für die ver- wickelten Vorgänge zu sein, die sich bei einigen höheren Polychäten abspielen und dann zu dem bekannten Generationswechsel führen, der z. B. zwischen Nereis- und Heteronereis-Arten, zwischen Sylhs- und Heterosyliis-Arten besteht. Einen Übergang von dem einfachen Verhalten bei Pohygordius zu jenem komplizierten einiger Polychäten bildet die Art und Weise, wie bei Ohstomastus die Keimzellen entleert werden. Eısıc beschreibt in seiner Monographie (1887, S. 32, 33), daß bei diesem Capitelliden Textfig. 21. Totalansicht eines reifen © mit regeneriertem Hinterende. Gonaden etwa vom 49. Sesment an. Ein Darmblutsinus ist nur in den Gonaden enthaltenden Segmenten ausgebildet im letzten Thoraxsegment ein besonderer Ringmuskel vorhanden ist, durch den der folgende Körperteil, das Abdomen, abgeschnürt werden kann. Er sagt dann: »Ich bin run zur Ansicht gelangt, daß diese für Clistomastus so charakteristische Anordnung mit der Eigentüm- lichkeit dieser Untergattung zusammenhängt, sich ihrer Geschlechts- produkte durch Abreißen der mit Eiern oder Samen angefüllten Portionen des Abdomens zu entledigen. Die betreffenden Tiere werden nämlich durch die geschilderte Einrichtung wahrscheinlich in- stand gesetzt, den Thorax spontan vom Abdomen abzuschnüren und auf diese Weise den allein von jener (auf Höhe der Geschlechtsreife auftretenden) Histolyse frei bleibenden, zum Fortleben befähigten Teil, den Thorax, von der gefährlichen Nachbarschaft solcher, der Zer- setzung anheimfallender Abdomina zu befreien.< Eısıc selbst hält diese Abtrennung des Hinterendes bei Clstomastus für eine Vor- stufe zu dem späteren Generationswechsel der Syllideen (natürlich Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 605 nur in physiologischer Hinsicht) und führt seine Ansichten in einem besonderen Abschnitt seiner Monographie auf Seite 794 aus. Bei Polygordius ist das Verhalten noch ursprünglicher, denn während bei Uhstomastus schon durch jenen Schnürmuskel eine be- stimmte Stelle vorgesehen ist, an welcher die Loslösung des Hinter- endes erfolgen soll, so findet sich bei ihm nichts Derartiges, so daß eine Ruptur der Körperwand noch in jedem beliebigen Segment statt-. haben kann. Die Auflösung der inneren Organe, des Peritoneums, der Nephridien, der Hypodermis, zur Zeit der Reife, welche FRrAIPoNT behauptet, kann ich nicht zugeben. Zwar werden die Gewebe im Innern des Wurmes durch die Menge der Geschlechtsprodukte ziemlich zusammengedrängt, aber sie bleiben erhalten. Es scheint sogar, daß die Nephridien, wie ja natürlich, lebhafter arbeiten. Ebenso verfällt die Hypodermis nicht einer Histolyse, nur vermehren sich ihre Drüsen und betätigen sich durch stärkere Exeretausscheidung etwas mehr als sonst. II. Polygordius triestinas Woltereck (mov. spec.). Während die seither bekannten Polygordius-Arten in ihrem äußeren Habitus einander gleichen, zeigt diese neue Species ziemlich beträchtliche Abweichungen, die wohl eine besonders ausgeprägte An- passung an ganz bestimmte Verhältnisse bedeuten. Das größte mir vorliegende geschlechtsreife Tier hat eine Länge von etwa 30 mm; die übrigen sind kleiner. Der Rumpf bekommt durch die veränderten Gröbenverhältnisse seiner Segmente ein schlankeres Aussehen; in der Körpermitte sind die Segmente nämlich reichlich doppelt so lang als breit. Am meisten fällt bei Polygordvus triestinus das stark modifizierte Vorderende mit seinem konischen Prostomium auf, welches an der Spitze zwei verhältnismäßig sehr kurze, dicht nebeneinander ent- springende Tentakeln trägt, die also kein Scheitelfeld zwischen sich freilassen. Die Oberlippe ragt weit über dieMundöffnung vor, so daß sie von der Seite gesehen beinahe größer erscheint als der Kopfzapfen, an dessen Basis wie gewöhnlich zwei seitliche Wimpergruben vorhanden sind. Die Hinterenden der Exemplare, welche ich zu Gesicht bekam, entbehren der knopfförmigen Auftreibung des Pygidiums und des präanalen Drüsenringes, so daß der sich caudal kaum merklich ver- 606 Friedrich Hempelmann, jüngende Körper bei Polygordius triestinus in eine abgerundete Spitze ausläuft. Ich vermag nicht ganz sicher anzugeben, ob die von mir unter- suchten Hinterenden normale sind, da sie den Rumpfstümpfen der bekannten Polygordius-Arten, deren Hinterenden abgerissen und noch nieht regeneriert sind, ähnlich sehen. Doch stimmen die wenigen Hinterenden von Polygordius triestinus, die ich zur Verfügung hatte, alle in ihrem Aussehen miteinander überein, so daß ich darin einen Be- weis für ihre Unverletzt- heit sehe, der noch durch die Tatsache gestützt wird, daß die einzelnen Exem- an plare aus verschiedenen Fängen stammen. R 2 a DieMuskulatur ent- Schematischer Sagittalschnitt durch das Hinter- ende von Polygordius triestinus. spricht völlig der Beschrei- bung, die ich vorher für Polygordius lacteus gegeben habe, nur kommen zu den übrigen noch ein paar Muskelfasern hinzu, welche innerhalb der großen Oberlippe von deren Vorder- und Hinterrande aufwärts durch die Peripharyn- sealhöhle nach einem Punkte der gegenüberliegenden dorsalen Körper- wand ziehen. Sie funktionieren als Retractoren der Oberlippe. Durch den Verlauf seiner Blutgefäße unterscheidet sich Poly- gordius triestinus ebenfalls von den andern bekannten Polygordien (Taf. XXIX, Fig. 54). Zwar entspricht das Schema des Circulations- systems im wesentlichen dem von Polygordius lacteus — es sind auch zwei Hauptlängsstämme vorhanden, die intersegmental durch seitliche Schlingen anastomosieren, und vorn gabelt sich das Bauchgefäß in zwei laterale schräg durch die Schlundhöhle nach aufwärts verlaufende Äste, die sich schließlich wieder im Rückengefäß vereinigen, — doch sind die einzelnen Gefäße selbst viel stärker und vor allem durch eingelagerte Windungen verlängert, so daß Polygordvus triestinus ungemein blutreich ist im Verhältnis zu den andern Polygordien und auch zu andern Polychäten überhaupt. Ich will noch etwas näher auf die einzelnen umgestalteten Gefäße eingehen. In dem Bereich der Lateralkammern biegen die vom Rücken- sefäß kommenden seitlichen Gefäßschlingen, welche bis an diese Stelle ihren Weg wie gewöhnlich zwischen den beiden Cölothelien Rücken gefän—"| 1 i ae Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 607 der Dissepimente nehmen, senkrecht nach vorn um, verlassen also die Septen, und begeben sich in die Lateralkammern hinein. Etwa in der Mitte jedes Segments machen sie eine kurze Wendung und kehren dicht neben ihrem ersten Verlaufe zum Septum zurück, durch- brechen es und behalten ihre caudale Richtung bis zur Mitte des folgenden Segments bei. Dort drehen sie eben so scharf um wie vorher und folgen, nachdem sie das Dissepiment wieder erreicht haben, diesem nach dem Bauchgefäß. Die in die Lateralkammern hineinragenden rostralen und ceaudalen Schleifen können dabei in sich gewunden und gedreht sein. Die Länge der caudalen Schleifen in den Lateralkammern nimmt von Segment zu Segment nach vorn immer mehr ab, bis die seitlichen Gefäßschlingen im zweiten Disse- piment, dem ersten großen, nur noch eine rostrale Schleife in das davor liegende zweite Segment senden. Die beiden Gabeläste des Bauchgefäßes, welche die Schlundhöhle durchziehen, bilden auch erst eine rostrale Schleife, ehe sie sich vollends hinauf zum Rückengefäß wenden. Sogar das Prostomium ist reich vascularisiert. Nachdem das dorsale Gefäß die beiden seitlichen Schlundgefäße aufgenommen hat, gabelt es sich noch einmal in zwei Äste, welche ihren Weg über das Cerebralganglion hinweg in die Präcerebralhöhle nehmen, wo sie umbiegen und lateral jeder auf seiner Seite in den Peripharyngeal- raum zurückkehren. Hinter der Kopffalte wenden sie sich senkrecht nach abwärts und beschreiben etwas über der Mitte der Oberlippe je eine Spiraltour, um sich dann mit den seitlichen Schlundästen kurz vor deren Einmündung in das Rückengefäß zu vereinigen. Diese Erscheinung, daß Gefäße bis in das Innere des Kopf- zapfens, der früheren Scheitelplatte der Larve, eindringen, ist wohl der sicherste Beweis dafür, daß die Wandungen der Gefäße bei Polygordius ein Organ sui generis sind, daß sie nichts mit dem Cölothel der sekundären Leibeshöhle zu tun haben, denn in dem Prostomium befindet sich kein Teil des Cöloms. Zur Zeit der Geschlechtsreife tritt auch bei Polygordvus triestinus ein dorsaler Darmblutsinus auf. Ganz überraschend ist die Tatsache, daß Polygordius triestinus hermaphroditisch ist. Auf. Querschnitten durch reife Tiere sieht man Eier und Spermatozoen nebeneinander in der Leibeshöhle liegen (Taf. XXIX, Fig. 58). Ob die Entwicklung der männlichen und weib- lichen Keimzellen gleichzeitig vor sich geht, oder ob sie zeitlich ge- trennt verläuft, ist an meinem Material nicht zu entscheiden. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 40 608 Friedrich Hempelmann, Die Larve von Polygordius triestinus ist eine Trochophora nach dem Typus der Exolarve, aus welcher Polygordius neapoli- tanuıs hervorgeht. Die Zwittrigkeit ist der einschneidendste Unterschied zwischen Polygordius triestinus und allen andern Polygordien, welche ausnahms- los gonochoristisch sind. Damit würde Polygordius triestinus sogar der Gattungsbeschreibung FRAIPONTs widersprechen, welcher die Ge- trenntgeschlechtlichkeit von Polygordüıs als unterscheidendes Merkmal von der andern Gattung der Archianneliden » Protodrilus« betont. Ich meine aber, daß sich dieser Hermaphroditismus bei Polygordius trie- stinus ebenso wie seine andern Eigentümlichkeiten aus seiner besondern Lebensweise erklären läßt. Polygordius triestinus lebt nämlich nicht wie z. B. Polygordius lacteus und Polygordius neapolitanus in einem Kiesgrund, der aus Conchylien- und Steintriümmern besteht, sondern in einem mehr schlammigen Boden. Während nun jene sich in den Lücken und Spalten zwischen den einzelnen Elementen ihres Aufenthaltsortes ver- hältnismäßig frei bewegen können, und ihnen auch frisches Atem- wasser eben wegen der losen Zusammensetzung des Kieses in reich- lichem Maße zur Verfügung steht, ist Polygordius triestinus darauf angewiesen, sich durch den Schlamm zu wühlen, und sich mit der darin enthaltenen geringen Menge von sauerstoffhaltiger Luft zu be- gnügen. Darum das spitze Prostomium mit den kurzen Tentakeln, welches vorzüglich geeignet sein mag, den weichen Schlamm beim Vorwärtskriechen zu durchbohren. Lange Tentakeln, falls diese über- haupt als Tastorgane benutzt werden sollen, hätten in einer solchen Umgebung, wo sie überall in Berührung mit Stoffteilchen kämen, überhaupt keinen Sinn. Die Vorwärtsbewegung des Polygordius triestinus geschieht wohl in der Weise, daß er die große Oberlippe durch Hineinpressen von Leibeshöhlenflüssigkeit anschwellen läßt und sie dann als Widerlager, gleichsam als Anker verwendet, an dem er durch Kontraktion seiner Längsmuskeln den Körper heranzieht. Dabeikommt ihm auch das glatte Hinterende zu statten, denn eine knopfartige Verdickung des Pygidiums würde nur als Hindernis wirken. Nach dieser Verkürzung seines Körpers bohrt sich der Wurm mit seinem Prostomium weiter in den Schlamm ein, indem er die Oberlippe dabei durch die erwähnten Retractoren einzieht, und wiederholt dann das ganze Verfahren. Die gewaltige Blutmenge, welche in dem Körper des Polygordrus triestinus cireuliert, steht im umgekehrten Verhältnis zu dem im Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 609 Schlammwasser enthaltenen Sauerstoff; weil es an dem zur Atmung nötigen Element mangelt, ist dafür die Oberfläche des gesamten Blut- gefäßsystems beträchtlich vergrößert. Der Hermaphroditismus endlich resultiert wohl ebenfalls aus den schwierigeren Lebensbedingungen. Da in dem Schlamm die entleerten Eier und Spermatozoen sich nicht weit von dem Ablageorte entfernen können (was in dem von Polygordius lacteus und Polygordius neapolh- tanus bewohnten Kies für die Eier durch Wasserströmungen, für die Spermatozoen durch ihre eigne Bewegung leicht möglich ist), so sind die Chancen für die Befruchtung der Eier, für die Erhaltung der Art, größer, wenn die Tiere zwittrig sind, denn dadurch ist gewährleistet, daß immer, wenn zwei Würmer zusammenkommen und nebeneinander ihre Geschlechtsprodukte entleeren, zugleich beide Arten von Keim- zellen vorhanden sind (wenn man nicht an eine Selbstbefruchtung denken will. Ähnlich erklärt z. B. E. Meyer (1888, 8.654) den Hermaphroditismus der Amphicoriden und kleiner Serpulaceen-Formen (Spirorbis, Salmacına). Ich glaube, dab der vorliegende Wurm trotz seiner Besonder- heiten, trotz seiner Zwittrigkeit zu der Gattung Polygordius gerechnet werden kann (nach FrAıpont ist die Gattung Polygordius getrennt- seschlechtlich), denn er erweist sich doch im großen und ganzen diesen Archianneliden als nächstverwandt, und die für ihn charakteristischen Eigentümlichkeiten sind nur der Ausdruck für eine besonders deut- liche Anpassung an bestimmte Verhältnisse. Schlußbetrachtung,. Das Ergebnis meiner Untersuchungen an Polygordius ist ein zweifaches: erstens konnte ich zeigen, daß die Imagines von Poly- gordius lacteus und Polygordius neapolitanus identisch sind; zweitens aber glaube ich unsre Kenntnisse der Morphologie von Polygordius um einige für die Theorie, die sich oft an diese Archiannelidengattung anschließt, wichtige Einzelheiten bereichert zu haben. 1) Es waren zunächst die alten Beschreibungen, auf die sich die Trennung des Polygordius neapolitanus von dem zuerst entdeckten Polygordius lacteus gründete, nachzuprüfen. FRATPoONT zählt die Unter- schiede zwischen beiden Species (S. 90) wie folgt auf: »Cette espece (Polygordius neapolitanus) s’eloigne de Polygordius lacteus par son corps plus elance, moins trapu, appareil vasculaire plus complique, enfin par sa coloration.« Ich habe gezeigt, daß die Angaben A. SCHNEIDERS 40* 610 Friedrich Hempelmann, über die Anatomie von Polygordius lacteus, die FRAIPONT einfach als richtig hingenommen hat, nicht haltbar sind, und daß FrAIPoNTs Beschreibung von Polygordius neapolitanus in gleicher Weise auch für Polygordius lacteus gilt, allerdings mit den Abänderungen, die sich aus meinen Befunden für beide Würmer ergeben. Während sich nun diese seither in der Literatur geführten Unter- schiede schon durch die mikroskopische Betrachtung lebender Indi- viduen als hinfällig zeigen ließen (ich hatte beide Arten lebend unter einem Deckglas), war anderseits durch WOLTERECKS über- raschende Befunde an den zugehörigen Trochophoren (Exo- und Endo- larven) die Möglichkeit ins Auge zu fassen, daß aus dem weitgehenden Heteromorphismus ihrer Larven andre, bisher unbeachtet gebliebene unterscheidende Merkmale zwischen Polygordius lacteus und Polygor- dius neapolitanus resultieren könnten. Es handelte sich vor allem um die bei der Metamorphose am meisten in Mitleidenschaft ge- zogenen Vorderenden, die Leibeshöhlenanordnung, die Beschaffenheit der definitiven Nephridien in ihnen. Bei dem Vergleichen der einzelnen Organe und Körperregionen fand ich aber stets nur völlige Identität. Dafür daß die von Neapel stammenden Würmer der gleichen Art angehören, wie die bei Helgoland vor- kommenden, sprechen auch noch zwei andre Tatsachen, die WoL- TERECK in seinem Breslauer Vortrag 1905, S. 159 anführt, nämlich, daß die Larven beider bis zu einem bestimmten Stadium nicht nur gleich, sondern (abgesehen von der Zeitdifferenz in einer einzigen Zellteilung) Zelle für Zelle identisch aufgebaut sind; und daß Kreuzungs- versuche zwischen beiden »Arten« leicht gelangen. Aber nicht nur Polygordius lacteus und Polygordvus neapolitanus sind durch die Ergebnisse meiner Untersuchung als morphologisch gleich anzusehen, sondern es ist sehr wahrscheinlich, daß auch die andern seither beschriebenen Polygordeius-Arten, die FRAIPONT in seiner Monographie aufzählt (mit Ausnahme von Polygordius appendieulatus), sich bei einer Nachprüfung alle als identisch erweisen würden. Während sich nämlich jene Arten von FrAIPoNTs Beschreibung des Polygordius neapolitanus, die ja ich erst richtig gestellt habe, etwas entfernen, enthält ihre Morphologie meinen Befunden an Polygordius lacteus und Polygordius neapolitanus gegenüber nichts Abweichendes, nur ist sie unvollständig. Bei der einen Art ist eine subdermale Ringmuskulatur beschrieben, bei der andern eine aus Ring- und Längsfasern be- stehende Darmmuseularis, usw. FRAIPoNT selbst sagt am Ende des systematischen Teils seiner Monographie, daß sich die Zahl der Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 611 Polygordius-Arten bei genauerer Untersuchung wohl reduzieren lassen werde. Die beiden Polygordius-Exemplare aus dem Schwarzen Meer, die ich der Güte des Herrn Prof. SaLEnskyY verdanke, habe ich auch völlig identisch mit Polygordius lacteus gefunden. Tatsächlich von Polygordius lacteus zu trennende Arten würden nach dem eben Gesagten nur Polygordius triestinus und Polygordius appendr- culatus sein, indem Polygordius triestinus, wie vorher beschrieben, eine sanz aberrante Form ist, und Polygordius appendiculatus sich deut- lieh durch seine geringe Körpergröße (im Maximum 4,5 cm) und den Besitz zweier Präanaleirren von Polygordius lacteus unterscheidet. Polygordius triestinus muß wegen seiner Anpassung an bestimmte Verhältnisse als eine abgeleitete Form angesehen werden, zumal auch einige seiner Organe (Oberlippe, Blutgefäßsystem) komplizierter gebaut sind, als bei den Polygordien. 2) Von den verschiedenen Befunden, die ich an den einzelnen Organen bei Polygordius lacteus und Polygordius neapolitanus ge- macht habe, möchte ich hier nur die aufzählen, die mir am wichtigsten erscheinen: | Das ist das Vorhandensein ziemlich ausgedehnter Hohlraum- systeme im Körper des ausgewachsenen Polygordius, welche als primäre Leibeshöhle den Cölomsomiten gegenübergestellt werden müssen. Mit ihnen in einem gewissen Zusammenhang steht das Blut- gefäßsystem, welches mit seinen eignen, mesenchymatischen Wandungen als ein Organ sui generis ziemlich unabhängig von dem Cölothel lediglich innerhalb der primären Leibeshöhle verläuft. Interessant mag auch die Anwesenheit eines beinahe ganz von dem Hauptnervensystem isolierten Schlundnervensystems bei einer so ursprünglichen Annelidengattung sein. Endlich glaube ich, daß die von mir geschilderte Art der Keimzellenablage, wie ich in dem Abschnitt über die Geschlechts- organe auseinandersetzte, als eine erste Stufe zu dem bei höher entwickelten Polychäten ausgebildeten Generations- wechsel angesehen werden kann. Von den meisten Autoren wird Polygordius als Archiannelid anerkannt. Nach der Beschreibung Fraıronts entspricht er tat- sächlich fast ganz dem Schema, das wir uns von einem einfachsten metamer gegliederten Wurm zu machen pflegen. Wie verhält es sich nun jetzt, nachdem eine Anzahl von Komplikationen: im Bau 612 Friedrich Hempelmann, sich für ihn ergeben haben, mit seiner Stellung zu andern Anneliden ? Ich bin weit davon entfernt, zu dieser Frage Stellung nehmen zu wollen; nur eines möchte ich betonen im Gegensatz zu dem, was von den Gegnern der Archianneliden-Theorie immer eingewendet wird, — daß nämlich kein einziges Organ bei Polygordius rudimentär erscheint, sich als rückgebildet erweist, und daß vor allem von etwaigen Borsten- und Parapodien- resten keine Spur bei ihm zu finden ist. Leipzig, im März 1906. Literaturverzeichnis, 1903. W. BIEDERMANN, Geformte Sekrete. Zeitschr. f. allgem. Physiologie. Bd. II. 1887. EısıG, Monographie der Capitelliden des Golfes von Neapel. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. Bd. XVI. 1905. MIGUEL FERNANDEZ, Zur mikroskopischen Anatomie des Blutgefäßsystems der Tunicaten. Nebst Bemerkungen zur Phylogenese des Blutgefäß- systems im allgemeinen. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXXIX. 1887. FRAIPONT, Le genre Polygordius. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. Ba2Xıyz 1901. GOODRICH, On the structure and affinities of Saccocirrus. Quarterly Journ. of Mieroscopical Science. 1886. KLEINENBERG, Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopado- rhynchus. Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1901. A. Lang, Beiträge zu einer Trophoeöltheorie. Jen. Zeitschr. f. Naturwiss. Bd. XXXVIU. Heft 1. 1873. MacInTosH, On a new Example of the Opheliidae (Linotrypane apogon), from Shetland. Proceedings of the Royal society of Edinburgh. 1887. E. MEYER, Studien über den Körperbau der Anneliden. 'Mitth. d. Zool. Stat. Neapel. Bd. VI. 1888. —— Dasselbe. Ebenda Bd. VII. 1901.: —— Dasselbe. Ebenda Bd. XIV. 1905. M. RAUTHER, Beiträge zur Kenntnis der Morphologie und der phylogene- tischen Beziehungen der Gordiiden. Jen. Zeitschr. f. Naturwiss. 1868. A. SCHNEIDER, Über Bau und Entwicklung von Polygordius (laeteus) Arch. f. Anat. 1905. F. VEJDovsky, Zur Hämoecöltheorie. Diese Zeitschr. Bd. LXXXL. 1902. WOLTERECK, Trochophorastudien. I. Zoologieca. Bd. XIII. Heft 34. 1904. —— Beiträge zur praktischen Analyse der Polygordiusentwicklung nach dem Nordsee- und Mittelmeertypus. I. Archiv für Entwicklungsmech. Bd. XVII. 1904. —— Wurmkopf, Wurmrumpf und Trochophora. Zool. Anz. Bd. XXVIH. 1905. -—- Zur Kopffrage der Anneliden. Verhandl. der Deutsch. Zool. Ges. S. 154. Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 613 1891. M. WOoLTERSs, Die Conjugation und Sporenbildung bei Gregarinen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXXVIl. Weitere Literatur über Polygordius siehe FRAIPONT 1887. Erklärung der Abbildungen. Für die Untersuchung wurden ausschließlich Zeıss-Apochromate mit Kompen- sationsocularen, meist die homogene Ol-Immersion num. Apert. 2,0 mm verwandt. Die Zeichnungen sind fast alle mit Hilfe des AggBEschen Zeichenapparates ge- macht. Die bei den einzelnen Abbildungen angegebenen Vergrößerungen be- ziehen sich auf die natürliche Größe des Objekts. Alphabetisches Verzeichnis der gewählten Abkürzungen: An, Anus; Atr, Atrium; B.Membr, Basalmembran, Stützlamelle; Binde- Gew, Bindegewebe; Can, Kanal; Cut, Cuticula; D.Bl.Sin, Darmblutsinus; D.Ep, Darmepithel; Diss, Dissepiment; Dr, Drüse; Dr.Kr, Drüsenkranz; Gangl, Ganglion; Gangl.cerebr, Cerebralganglion; Gangl.tent, Tentakelganglion; Gangl.d.W.Gr, Wimpergrubenganglion; Hyp, Hypodermis; K, Kern; K.Bl.S, Kehlblindsack; K.F, Kopffalte; Lab.ant, Oberlippe; Lab.post, Unterlippe; L.M, Längsmuskel; Lig, Ligament; Mes, Mesenterium; Mes.can, Mesenterialkanal; Muse, Muskel; M.dors.ventr, Dorsoventralmuskel; M.phar, Pharyngealquermuskel; Nephr, Nephridium; Nephr.can, Nephridialkanal; N, Nerv; N.Z, Nervenzelle; Ov, Ovarium; P.R.H, Perirectalhöhle; Per, Peritoneum; Pr.Cer.H, Präcerebralhöhle; Prost, Prostomium, Kopflappen; R.M, Ringmuskel; Schl.Bel, Schlundbelag; Schl.Comm, Schlundeommissur ; Schl.H, Schlundhöhle, Peripharyngeal- raum; Schl.N, Schlundnerv; Schl.Retr, Schlundretractor; S.8p, Septenspalt; Som, Somatopleura; Sph.an, Analsphincter; Sph.stom, Mundsphincter; Sph.intest, Darmsphincter; Spl, Splanchnopleura; Stom.t, innere Mundöffnung; Stom.e, äußere Mundöffnung; St.F, Stützfaser ; St.Z, Stützzelle; Tast-Org, Tastorgan, Sinneskölbchen; Tr.M, Transversalmuskel; V, Gefäß; W.Gr, Wimpergrube. Tafel XXV. Fig. 1. Vorderende von Polygordius lacteus von der Ventralseite, nach dem Leben. Ap. 8,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung = 65 der natürlichen Größe. Fig. 2 u. 3. Frontalschnitte der Vorderenden von Polygordius lacteus. Ap. 8,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung — 300 der natürlichen Größe. 614 Friedrich Hempelmann, Fig. 2. In Höhe der inneren Mundöffnung. Kehlblindsack angeschnit- ten. Vor dem ersten großen Dissepiment die beiden kleinen Cölomsomitpaare des »Schlunddoppelsegments« mit >»kleinen Septen« zwischen sich. Auf der einen Seite erstes und zweites Nephridium, ersteres das kleine Septum durch- setzend. Um den Oesophagus die »Schlundhöhle« (Peripharyngealhöhle). Die beiden Gefäßseitenäste sind schräg getroffen. An den Seiten des Oesophagus der Faserbelag. Fig. 3. Etwas höher als Schnitt 2 geführt. Die visceralen Peritonealblätter des ersten Cölompaares gehen vorn in die Körperwand über. Zwischen Cere- bralganglion und Pharynx der obere Rand der Kopffalte. Vom Cerebralganglion gehen die Schlundeommissuren aus. Vorn ein Teil der »Präcerebralhöhle« sicht- bar; lateral davon je ein die Längsmuskeln begleitender Schizocölraum. Längs- muskeln im Prostomium dunkler gefärbt als im übrigen Körper (Larvenmuskeln). Fig. 4—9. Querschnitte durch das Vorderende von Polygordius lacteus. Ap. 4,0 mm, K.-Oe. 4 Zeichnung —= 270 der natürlichen Größe. Die Schnitte stellen eine Serie (allerdings nicht alle von demselben Individuum) dar, die in der Mundregion (Fig. 4) beginnt und kurz vor dem zweiten Dissepiment (Fig. 9) endet. Sie zeigen das Verhältnis von Schlundhöhle und Cölom im Schlund- doppelsegment. Tafel XXV1I. Fig. 10 u. 11. Frontalschnitte der Hinterenden von Polygordius lacteus. Ap. 8,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung = 140 der natürlichen Größe. Fig. 10. Normales Hinterende. Fig. 11. Regeneriertes Hinterende. Fig. 12—14. Querschnitte durch Hinterenden von Polygordius lacteus. Ap. 8,0 mm, K.-Oc. 8. Zeichnung = 280 der natürlichen Größe. Fig. 12. Der präanale Drüsenkranz ist getroffen. Fig. 13. Etwas weiter analwärts als Fig. 12. Fig. 14. Dicht vor dem Rumpfende. Analsphincter getroffen. Integument. Fig. 15—20. Querschnitte durch Teile der Haut. Fig. 15, 17—19 von älte- ren, Fig. 16 u. 20 von jüngeren Würmern. Fig. 15. In der Mitte eine Hypodermisdrüse mit Exeret, das bis in die äußere Cuticula reicht. Links davon eine ähnliche Drüse angeschnitten. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oc. 12. Zeichnung — 900 der natürlichen Größe. Fig. 16. In der inneren Cutieula eine eireuläre Streifung. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung = 2400 der natürlichen Größe. Fig. 17. Auf der Basalmembran eine Zelle mit ausgezogenen Enden (Gan- glienzelle?). Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung = 900 der natürlichen Größe. Fig. 18. Links eine Hypodermisdrüse, deren. Exeret innerhalb der homo- genen Cuticula plattenartig auseinandergeflossen ist. Rechts eine Sinneszelle mit Tastkölbehen. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung — 1680 der natür- lichen Größe. Fig. 19. In der inneren Cutieularschicht eireuläre Fasern, die granuliert erscheinen. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung = 1600 der natürlichen Größe. - | t | Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 615 Fig. 20. Cireuläre und radiäre Fasern in der inneren Cutieula. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 18. Zeichnung = 2400 der natürlichen Größe. Muskulatur. Fig. 21. Längsschnitt durch die Körperwand. Ringmuskeln tangential ge- troffen. Distal von den Längsmuskellamellen verlaufen senkrechte und in zur Längsachse des Wurmes nach zwei Seiten gleich convergierenden Ebenen schräge Ringmuskelfasern. Unter den Muskeln ist die Hypodermis flach geschnitten, so daß deren helle Drüsenräume im Querschnitt erscheinen. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-0e. 8. Zeiehnung = 280 der natürlichen Größe. Fig. 22. Teil eines Dissepiments auf einem Querschnitt durch die Körper- mitte. Die großen hellen Kerne auf dem Dissepiment gehören zu der dasselbe bedecekenden Peritonealschicht. Im Septum die Septenmuskelfasern mit kleineren langgestreckten dunklen Kernen. Ap. 4,0 mm, K.-O. 8. Zeichnung — 340 der natürlichen Größe. Fig. 23. Längsschnitt durch die Darmwand. Muscularis tangential ge- troffen. Ringmuskelbänder, darüber drei Längsmuskelfasern. Über der Muskula- tur zahlreiche, durch Eisenhämatoxylin stark geschwärzte, diehotom verzweigte Fasern (Bindegewebe?). Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung = 1160 der natürlichen Größe. Tafel XXVII. Darm. Fig. 24. Tangentialer Längsschnitt durch die Wand des Mitteldarms. Über den polyedrischen Querschnitten der Darmepithelzellen drei aus feinen Fasern zusammengesetzte Ringmuskelbänder. Rechts ein Darmsphincter. Senkrecht zu vorigen die Längsmuskeln. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-0e.8. Zeichnung = 640 der natürlichen Größe. Fig. 25 u. 26. Querschnitte durch die Wand des Mitteldarms. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung = 1200 der natürlichen Größe. In beiden von links nach rechts: Splanchnopleura, Muscularis, Blutsinus, Darmepithel. Zwi- schen den Epithelzellen einzellige Drüsen mit dunklerem Inhalt. Während die Epithelzellen Kerne mit kleinen Nucleolen und feinkörnigem Chromatin enthal- ten, finden sich in den Drüsenzellen Kerne mit großen Nucleolen und gröberer chromatischer Substanz. In den flaschenhalsförmig ausgezogenen Ausführungs- gängen der Drüsen befinden sich Secretstoffe. An der Basis der Ausführungsgänge stets eine helle kugelige Stelle (Sphäre?). In Fig. 25 neben der oberen Drüsen- zelle eine Mitose, die vielleicht zu einem Parasiten gehört. In Fig. 26 zwei Sporocysten mit in Teilung übergegangenen Kernen von einer Monocystidee. Fig. 27. Eine Sporocyste mit zwölf Sporozoiten aus einem Längsschnitt durch den Mitteldarm. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung = 1600 der natürlichen Größe. Fig. 28. Längsschnitt durch die Oesophaguswand. In den Epithelzellen Basalkörner und Basalfasern der Wimpern. In der Mitte eine Drüse mit hellem Inhalt. Oben setzen einzelne Fasern der dorsalen Schlundrückziehmuskeln an. Zwischen ihnen und den sich distal lang ausziehenden Epithelzellen einzelne Zellen und Kerne, die zu den Bestandteilen des Schlundbelags gehören. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-0e. 8. Zeichnung = 520 der natürlichen Größe. Blutgefäße. Fig. 29 u. 30. Querschnitte durch das dorsale Gefäß in der Körpermitte. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung = 680 der natürlichen Größe. Rechts 616 _ Friedrich Hempelmann, und links von dem zwischen Gefäß und Darm ausgespannten Ligament je ein kleiner Hohlraum, Rest der primären Leibeshöhle (dorsale Mesenterialkanäle). In den peritonealen Mesenterien dorsoventrale Muskelfasern. Fig. 31. Querschnitt durch den obersten Teil des Darmblutsinus eines reifen Wurmes. Die aus dem Gefäßlumen in der Gegend der Septen ausgetre- tene Blutflüssigkeit hat die Darmmuskulatur abgehoben. Das Gefäßlumen ist kollabiert, und man sieht nur noch eine dünne Membran dorsoventral zwischen den Mesenterien bis zum Darm verlaufen, welche den Sinus in zwei seitliche Hälften teilt. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung = 680 der natürlichen Größe. Fig. 32. Querschnitt durch den Darm und die beiden Längsstämme des Blutgefäßsystems. Darmmuscularis mit Dorsoventral-, Ring- und Längsmuskel- fasern. Dorsales Gefäß wie in Fig. 29 u. 30. Zwischen Darm und ventralem Gefäß, seitlich von den Mesenterien begrenzt ein Rest der primären Leibes- höhle, ventraler. Mesenterialkanal. Ap. 8,0 mm, K.-0e.8. Zeichnung —= 340 der natürlichen Größe. \ Fig. 33. Querschnitt durch das dorsale Gefäß in der Peripharyngealhöhle. Das Gefäß selbst ähnlich den in Fig. 29, 30 u. 32 dargestellten Querschnitten aus der Körpermitte. Es fehlen die Mesenterien, da solche im vordersten Körperabschnitt nicht vorhanden sind. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-0e. 8. Zeichnung — 680 der natürlichen Größe. Fig. 34. Flachschnitt durch die Wand des dorsalen Gefäßes in der Peri- pharyngealhöhle. Die Eisenhämatoxylinfärbung läßt deutlich in der Gefäßwand eine geschwärzte Längs- und Ringfaserlage erkennen. In dem das Gefäß tragen- den Ligament eine etwas hellere dorsoventrale Faserung. Auffallend dunkel gefärbt sieht man vielfach von der Dorsalseite her dieke Fasern das Gefäß über- ziehen, deren Enden sich baumförmig verzweigen (Bindegewebe?).. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung = 960 der natürlichen Größe. Fig. 35. Flachschnitt durch einen seitlichen Gefäßast in der Schlundhöhle mit Ring- und Längsfasern. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-O0e. 8. Zeichnung —= 800 der natürlichen Größe. Fig. 36 u. 37. Querschnitte durch seitliche Gefäßschlingen in den Septen aus der Körpermitte Man sieht die Septenmuskeln und auf deren einer Seite das Gefäß. Neben den Kernen des Peritoneums die des Gefäßendothels. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung = 800 der natürlichen Größe. Tafel XXVIII. Nervensystem. Fig. 38 u. 39. Querschnitte durch das Bauchmark eines älteren Wurmes. Nach Schnitten, die mit Thionin gefärbt wurden. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung — 640 der natürlichen Größe. Fig. 38. Unter dem rechten Stützfaserbündel eine große Zelle (sog. LEYDIG- sche Riesenganglienzelle). Fig. 39. Rechts ebenfalls eine solche Zelle, links eine gleiche angeschnitten. Fig. 40. Frontalschnitt durch ein Vorderende, vorn die innere Mundöffnung, hinten das Bauchmark getroffen. In letzterem zwei Längsreihen von quer- geschnittenen Stützfaserbündeln. Außerdem zeigt der Schnitt ein Stück des ven- tralen Gefäßes und dessen rostrale Gabelung. Lateral die Cölomsomiten des ersten und zweiten Segments. Ap. 8,0 mm, K,-Oc. 8. Zeiehnung = 160 der natürlichen Größe. Zur Morphologie von Polygordius lacteus Schn. usw. 617 Fig. 41. Sagittalschnitt durch ein Vorderende, etwas seitlich von der Mittellinie des Wurmes, so daß eine Reihe der Stützfaserbündel im Bauchmark getroffen ist. Oesophagus nur angedeutet. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeich- nung — 180 der natürlichen Größe. Fig. 42. Querschnitt durch das Bauchmark eines jungen Wurmes. Kerne der Ganglienzellen hell, die der Stützfasern dunkel, die der Hypodermis etwas heller als die letzteren. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oc. 12. Zeichnung = 1440 der natürlichen Größe. Fig. 43. Querschnitt durch eine Schlundcommissur eines jungen Wurmes. Rechts, ziemlich am Rande des Nervenfaserstranges, ein Ausläufer des durch das Bauchmark ziehenden Kanals (vgl. Fig. 42 can). [Er läßt sich bis in das Cerebralganglion verfolgen, wo er sich dann verliert] Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung = 1440 der natürlichen Größe. Excretionsorgane. Fig. 44. Äußere Mündung eines Nephridiums auf einem Querschnitt durch eines der vorderen Rumpfsegmente. Unter dem Transversalmuskel verläuft der Ausführungsgang des Nephridiums, an den sich in der Hypodermis die End- blase mit ihrer Mündung anschließt. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung — 620 der natürlichen Größe. Fig. 45. Exceretstoffe enthaltender Teil der Somatopleura einer Lateral- kammer auf einem Querschnitt (Phagocytärorgan). Links, in der Leibeshöhle flottierend eine abgelöste Excretcoagulation (aus demselben Schnitt in ihrer natürlichen Lage). Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung — 140 der natür- lichen Größe. Fig. 46. Ein »gelber Körper« in der Präcerebralhöhle aus einem Längs- schnitt. In dem Plasma des einzelligen Gebildes große mit gelber homogener Flüssigkeit gefüllte Vacuolen. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung — 1190 der natürlichen Größe. Fig. 47. Abgelöste Peritonealzellen mit Exeret aus der Lateralkammer eines vorderen Segments von einem jungen Wurm. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung —= 1330 der natürlichen Größe. Geschlechtsorgane. Fig. 48. Querschnitt des Hoden von Polygordius neapolianus. Das die Keimdrüse umgebende Peritoneum ist unten geplatzt, und Spermatocyten sowie Spermatiden gelangen in die Leibeshöhle. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-0c. 8. Zeichnung — 640 der natürlichen Größe. Fig. 49. Schnitt durch reifes Ei. Kern mit großem Nucleolus und Chroma- tinkörnern. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-0c.8. Zeichnung —= 600 der natürlichen Größe. Fig. 50. Spermatozoon mit kugeligem Kopf, Spitzenstück, Mittelstück und langem Schwanzfaden. Fig. 51. Querschnitt durch junge Gonade eines Polygordius neapoltanus. Zwei Keimzellen sind von einer Peritonealmembran umgeben. Links der late- rale Gefäßblindsack quergeschnitten. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung — 2000 der natürlichen Größe. Tafel XXIX. Geschlechtsorgane. Fig. 52. Längsschnitt durch ein Ovarium (aus zwei Schnitten kombiniert). Oben Nephridialkanal. Rechts Dissepiment mit Muskeln und einem Teil der 618 Friedrich Hempelmann, Zur Morphol. von Polygordius lact. Schn. usw. Wimpern des Nephridialtrichters. Darunter lateraler Gefäßblindsack (mehrmals angeschnitten). Vom Nephridialkanal nach unten fortschreitend die verschie- denen Keimzonen. Kleinere Zellen mit hellen Kernen (Oogonien), dann eine Teilungszone mit Kernteilungsfiguren (Spiremen); danach größere dunklere Zel- len (Ooeyten), oft von kleineren, wohl Nährzellen, umgeben. Unten freiwerdende Eier. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeichnung — 640 der natürlichen Größe. Fig. 53. Längsschnitt durch Nephridium und Hoden von Polygordius laec- teus. Der die Keimzellenanlage begleitende laterale Gefäßblindsack längsge- schnitten. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 8. Zeiehnung = 720 der natürlichen Größe. Fig. 54. Querschnitt durch einen Nephridialkanal mit Urkeimzellen. Links der laterale Gefäßblindsack quergeschnitten. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeich- nung — %0 der natürlichen Größe. Fig. 55. Querschnitt durch ein Ovarium von Polygordius lacteus. Oben Nephridialkanal, unten Gonade mit den gleichen Zonen wie bei Fig. 52. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-Oe. 12. Zeichnung — 948 der natürlichen Größe. Fig. 56. Schräger Längsschnitt des Q Polygordius lacteus. Ayp. 8,0 mm, K.-Oc. 8. Zeichnung = 160 der natürlichen Größe. Polygordvus triestinus Wolt. nov. spec. Fig. 57. Schema des Verlaufs der Blutgefäße im Vorderende. Seitliche Gefäßschlingen in Schleifen ausgezogen. Dorsales Gefäß gabelt sich zweimal und sendet die beiden vordersten Aste rechts und links am Cerebralganglion vorbei in die Präcerebralhöhle, von wo sie zurückkehren, um sich mit dem zweiten Ästepaar zu vereinigen. Fig. 58. Querschnitt durch die Körpermitte eines reifen Wurmes. 8. Darm- blutsinus. Ap. Imm. 2,0 mm, K.-0e. 8. Zeichnung — 160 der natürlichen Größe. Das Kiemenfilter der Teleosteer. Eine morpho-physiologische Studie von | Dr. Enoch Zander Erlangen. Mit Tafel XXX, XXXI, 33 Figuren im Text und 10 Tabellen. Inhaltsübersicht. Ba 2 0.00.2000 2 oe en ne Mereemn der untersuchten Species. . . - . » 2 en Te Pe: - 2... .DOaRB2nunEss SEE aan re 488 ErDer Bauplan. des Kiemenfilters.. .'. »..% wem liflserhenu he Int a. Dichte: Form, Anordnung, Zahl der Siebfortsätze . .. . 2... b. Oberflächengröße: Btu-ösophageale: Ausdehnung. 1% 1... 3107217 7%: Bossa-ventrale Ausdehnung: .... id si uft- ua sarıntanns Rt BERbEepesitischen Variationen .-... 2... =. use e race ati BEBRERHTEUHHELYEN. > 0.00.02 Pe N Balmensdae,; Glupeidae'.. 2. 02a Eu ee Ferne. 232.8. TEN E ETE DAHEN Bleutoneetidae i : Hmarıı Fe at eigrse ME 2 oe. ee a a en nn a ara URBETOHBYSL .... 200% 20 er LER SU Se ee ER a a re A Ninades:..... ee a I EREAtoSteamEn nr ARE EEE RNIT! EN Eee Gasterosiardae) Synsnatkidae . ER PRNSAI NET. 23. 2 Berespecsiirne 141, Ward Aare ertare Deomibereseerlien Sr re a ae a Aimodythlie, NMusıudaen 0. 0er a re BUCHTEN BAND NIT TEAM Re en lt 620 Enoch Zander, 9. Acanthopterygii... „2... 2.2 2. ..0. Se er Be e 671 Labytinthiei . . .. 04.2.0... 0. De ee ee 674 Scombriformes. + =. 2 22 2 SER 680 Cepolidae, Traehinidae. 2%... .. . (ae 683 10. Pedieulati.:... 2%. 20.122.120 SS 2 684 Lophius.. 1... 22. Reseee r 684 11> Pleetognatht.. "0... a-.12 2 ee re De, 684 Zusammenfassende Übersicht... 2... u. 685 II. Die physiologische Bedeutung des Filters...» ».. 2... 689 Literaturverzeiehnis. 2... 22..0% sie Sn ee 701 Erklärung; der Abbildungen‘, 2 2, 02, 2 703 Tabellen... - un... nase En are a 705 Einleitung. Im Jahre 1903 veröffentlichte ich in dieser Zeitschrift (39) einen kleinen Aufsatz über das Kiemenfilter bei Süßwasserfischen. Obwohl das spärliche Material, welches mir damals zur Verfügung stand, eine erschöpfende Behandlung des Themas nicht gestattete, fanden meine Resultate doch vielfach Beachtung. Ich faßte daher den Entschluß, diese Studien auf breiterer Basis wieder aufzunehmen und vor allen Dingen auf marine Formen auszudehnen. Bei der Ausführung des Planes fand ich vielseitige Unterstützung, so daß es mir eine angenehme Pflicht ist, allen Herren, welche meine Bestrebungen förderten, auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. In erster Linie gilt derselbe Herrn Professor Dr. FLEISCHMANN für das liberale Eingehen auf meine Wünsche und die reichliche Versorgung mit Fischen und Fischköpfen, welche größtenteils die biologische Anstalt auf Helgoland mit dankenswerter Bereitwilligkeit für mich konservierte. Zwei hochinteressante Panzer- welse verdanke ich Herrn Oberstudienrat Prof. Dr. LAmperr. Herrn Prof. Dr. Horer und Frl. Dr. M. PLennw bin ich für zahlreiche Salmo- niden Dank schuldig. Durch Literaturnachweis verpflichteten mich die Kollegen Dr. HorrgAur-Trachenberg und Prof. Dr. SCHIEMENZ- Friedrichshagen. Dank der Unterstützung durch diese Herren konnte ich eine große Zahl von Knochenfischen, welche. teils den heimischen und exotischen Binnengewässern, teils dem Meere entstammen, studieren. Um dem Leser einen Überblick über die reichhaltige Zusammen- setzung des Materials zu verschaffen, lasse ich ein nach BOULENGER (5) geordnetes Verzeichnis der untersuchten Familien, Gattungen und Species folgen. I. Malacopterygii: 1) Clupeidae: 2) Salmonidae: II. Ostariophysi: 1) Cyprinidae: 2) Siluridae: 3) Loricariidae: III. Apodes: 1) Anguillidae: 2) Muraenidae: IV. Haplomi: 1) Esocidae: Sk Das Kiemenfilter der Teleosteer. 621 Verzeichnis der untersuchten Species !. Olupea harengus T 169 Clupea finta T 370 Eingraulis encrasicholas Salmo salvelinus Sk 69 Salmo fontinalis Sk 43 Salımo hucho Sk 140 Salmo salar Sk 40 Salıno fario T 300 Thymallus vulgaris Sk 60. Coregonus hiemalis Sk 34 Coregonus fera T 350 Coregonus Wartmannı Sk 67 Coregonus albula Sk 34 Oyprinus carpio Abramis brama Tinca vulgarıs Carassius vulgaris Alburnus lucrdus Barbus fluviatilis Cobitis fossiüs Chondrostoma nasus Sk 45 Leueiscus rutilus T 370 Squalius cephalus Sk 75 Stılurus glanis Sk 260 Loricaria cataphracta T 330 Callichthys asper T 190 Plecostomus Commersonü T 220 Anguilla vulgaris T 390 Conger vulgarıs Sk 180 Muraena helena T 570 Esox lucius Sk 98 seitliche Kopflänge in Millimeter. 622 V. Catosteomi: 1) Gasterosteidae: 2) Syngnathidae: VI. Peresoces: 1) Scomberesocidae: 2) Ammodytidae: 3) Mugilidae: 4) Anabantidae: VII. Anacanthini: 1) Gadidae: VIUH. Acanthopterygii: A. Pereiformes: 1) Percidae: 2) Serranidae: 3) Cepolidae: 4) Mullidae: 5) Osphromenidae: 6) Labridae: Enoch Zander, Gasterosteus aculeatus T 75 Gasterosteus spinachia T 120 Syngnathus rubescens T 270 Hippocampus spec. T 80 Belone vulgarıs T 580 Exocoetus esiliens T 330 Ammodytes tobianus T 175 Ammodytes lanceolatus Mugil cephalus Sk 65 Anabas scandens T 145 Spirobranchus capensis T 115 Gadus merlangus Sk 100 Gadus minutus Sk 60 Gadus aeglefinus Sk 85 Gadus virens Sk 190 Gadus morrhua Sk 110 Phycis blennoides Sk 39 Merlucius vulgaris Sk 195 Motella mustela Sk 40 Raniceps raninus Sk 80 Lota molva Sk 195 Lota vulgaris T 460 Perca fluviatilis Sk 54 Labrax lupus Sk 0 - Lucioperca sandra Sk 130 Acerina cernua Sk 33 Serranus cabrila Sk 69 Cepola rubescens T 350 Mullus barbatus Sk 52 Osphromenus trichopterus T 180 Osphromenus olfax Polyacanthus (Macropodus) T 70 Labrus spec. T 230. Crentlabrus pavo T 190 Das Kiemenfilter der Teleosteer. 623 B. Scombriformes: 1) Carangidae: 2) Scombridae: 3) Coryphaenidae: . Zeorhombi: 1) Zeidae: 2) Pleuronectidae: . Gobiiformes: Gobiidae: . Seleroparei: 1) Scorpaenidae: 2) Cottidae: 3) Agonidae: 4) Triglidae: . Jugulares: 1) Trachinidae: 2) Callionymidae: ) 3) Blennidae: 4) Batrachidae: 5) Zoareidae: 6) Ophidiidae: Caranz trachurus Sk 85 Scomber scomber Sk 85 Coryphaena hippurus T. 470 Zeus faber Sk 48 Rhombus masximus Sk 112 Rhombus laevis Pleuronectes microcephala Sk 35 Pleuronectes limanda Sk 55 Pleuronectes platessa Sk 95 Drepanopsetta spec. Sk 47 Arnoglossus laterna Sk 32 Solea vulgaris Sk 50 Solea lutea Sk 22 Gobius niger T 117 Scorpaena scrofa Sk 50 Sebastes imperialis Sk 45 Cottus scorpius Sk 39 Cottus bubalus Agonus cataphractus T 140 Trigla hirundo Trachinus draco Sk 62 Callionymus lyra Sk 37 Centronotus spec. T 145 Batrachus spec. T 100 Zoarces viviparus Sk 49 Ophidium barbatum T 225 IX. Pedieulati: Lophiidae: Lophvus piscatorvus X. Pleetognathi: Selerodermi: Monacanthus T. 115 Ferner ermöglichte Herr Prof. Dr. CHmun es mir, einige Tiefsee- fische untersuchen zu können, über die ich jedoch in einem beson- deren Aufsatze berichten werde. Dieses umfangreiche Material habe ich während der beiden letz- ten Jahre mit aller erdenklichen Sorgfalt bearbeitet. Bevor ich jedoch Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 41 694 Enoch Zander, an die Schilderung meiner Befunde herantrete, will ich über die Er- gebnisse andrer Autoren referieren, zumal mir bei meiner früheren Untersuchung einige ältere Berichte entgangen sind. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit sollen zunächst nur die anatomischen und morpho- logischen Angaben Berücksichtigung finden. Wenn ich von den in ichthyologischen und vergleichend-ana- tomischen Kompendien verstreuten Notizen und einigen kurzen Mit- teilungen von Mösıus (22) und SusrA (35) absehe, ist das Kiemenfilter der Teleosteer nur selten Gegenstand eingehender Studien gewesen. Die älteste Untersuchung, welche mir bekannt geworden ist, stammt aus dem Jahre 1849. Damals veröffentlichte TROSCHEL (36) zahl- reiche Beobachtungen über die Bewaffnung der Kiemenbogen bei Fischen. Vor allen Dingen leitete ihn das Bestreben, den syste- matischen Wert der fraglichen Organe zu eruieren. Er kam zu dem Schlusse, daß man sie nicht mit Erfolg zur Familienunterscheidung benutzen könne, da sich innerhalb der einzelnen Familien mannig- fache Abweichungen finden. Morphologische Fragen hat er nur durch die flüchtige Bemerkung gestreift, daß die Filterelemente zweizeilig an den Kiemenbogen angeordnet sind. Seitdem vergingen mehr als 50 Jahre, bis wieder ein Zoologe den Filterapparaten der Knochenfische seine Aufmerksamkeit schenkte. Im Jahre 1901 erschien eine umfangreiche Studie von PoPraA (26) über das Kiemenfilter, an. die sich 1904 ein Aufsatz über die Kiemen- bogen der Muraeniden (27) anreihte. Auch diese Untersuchung dient nur systematischen Zwecken, denn ihr Verfasser strebte in erster „Linie eine Entscheidung der Frage an, ob der Charakter der Kiemen- bogenbewaffnung bei den einzelnen Arten konstant sei, und ob sich der gleiche Typus bei verschiedenen Species finde; die erste Frage wird bejaht, die zweite verneint. Ich selbst war der Erste (39), welcher die morphologische Be- trachtung des Kiemenfilters in den Vordergrund stellte. An einer Reihe von Süßwasserfischen konstatierte ich, daß die das Filter bildenden Vorsprünge der inneren Kiemenbogenkanten (Siebfortsätze) generell zweizeilig angeordnet sind, nach Form und Zahl jedoch großen spezifischen Schwankungen unterliegen. Trotzdem ließen sich die untersuchten Arten nach der Ausbildung der Siebfortsätze in folgende größere Gruppen ordnen: I. Fische ohne Siebfortsätze, aber mit reichem Zahnbesatz auf der Innenseite der Kiemenbogen, den Knochen des Kiefergaumen- apparates und den Ossa pharyngea ..... Esox, Luctoperca. Das Kiemenfilter der Teleosteer. 6235 II. Fische mit Siebfortsätzen: A. Siebfortsätze an beiden Kanten der Kiemenbogen gleich stark entwickelt. 1) Siebfortsätze einfache, rundliche Höcker, mit Zähnchen besetzt, alternierend, ineinander greifend; Zugang zu den Kiemenspalten wellenförmiger Schlitz. Reicher Zahnbesatz auf den Knochen des Kiefergaumenappa- rates und den Ossa pharyngea . Perca, Acerina, Lota. 2) Siebfortsätze stark entwickelt, zahlreich, spezifisch ver- schieden gestaltet und geordnet. Zwischen den Fort- sätzen unregelmäßiges Poren- und Lückensystem. Mundhöhlenepithel glatt, contractiles Gaumenpolster, Manapparatıın 2. wu Oypriniden. B. Siebfortsätze nur an den vorderen Kanten der Kiemenbogen stark entwickelt, messerartig, mit feinen Zähnchen besetzt, Gitter vor den Schlundspalten bildend. Zähnchen auf den Kiefergaumenknochen und den Ossa pharyngea. Clupea, Coregonus, Osmerus. Angeregt durch meine Untersuchung studierte STEUER (34) in jüngster Zeit das Kiemenfilter von 35 Teleosteern des Adriatischen Meeres. Die größere Mannigfaltigkeit der Siebfortsätze bei den ihm vorliegenden Species veranlaßten STEUER das von mir skizzierte System durch die Aufnahme weiterer Gruppen zu vervollständigen. Er unterscheidet: I. Fische ohne Siebfortsätze: a) Kiemenbogen glatt oder fast glatt .. . Anguslla, Lophius. b) Kiemenbogen ohne Siebfortsätze, doch mit Knochenplatten Nele As Xtphias, Lepidopus, Thyrsvtes, Lichia. II. Fische mit Siebfortsätzen: A. Siebfortsätze fast nur vorderständig und auf allen Kiemen- bogen annähernd gleich klein. Pleuronectes, Rhombus, Zeus, Orthagoriscus. B. Siebfortsätze vorder- und hinterständig, mit Zähnchen be- setzt, die vorderständigen des ersten Kiemenbogens größer als die übrigen. Fierasfer, Trigla, Belone, Box, Scomber usw. C. Siebfortsätze vorder- und hinterständig, mit Zähnchen be- setzt, die vorderständigen des ersten und zweiten Bogens strößer‘als die übrigen... .:...... Cepola, Trachinus. 41* 626 Enoch Zander, D. Siebfortsätze vorder- und hinterständig, beiderseits an- nähernd gleich entwickelt, mit Zähnchen besetzt. . Mugil. E. Siebfortsätze fast nur an der vorderen Kante der Kiemen- bogen entwickelt, messerartig, mit feinen Zähnchen besetzt. Clupea, Alosa. F. Siebfortsätze vorder- und hinterständig, überall fast gleich lang, höchstens die vorderständigen etwas größer, ohne Zähne en Uyprinodon, Hippocampus. I. Der Bauplan des Kiemenfilters der Teleosteer. Nachdem die Untersuchung von STEUER, abgesehen von einer Mehrung unsrer Detailkenntnisse keine über die Ergebnisse meiner Studie hinausgehenden morphologischen Resultate gezeitigt hat, könnte es nutzlos und überflüssig erscheinen, fernerhin Zeit und Mühe auf die Erforschung des Kiemenfilters zu verwenden. In der Tat haben mich meine neuerlichen umfassenden Beobachtungen überzeugt, daß man bei der bisherigen Art der Betrachtung nicht tiefer in die Er- kenntnis des Kiemenfilters der Fische eindringen wird. Alle Beob- achter, ich selbst nicht ausgenommen, haben sich viel zu einseitig auf die Analyse der Bauelemente des Filters beschränkt. Dadurch aber, daß man den Apparat immer nur in seine Komponenten zer- legte und ihre variable Form, Zahl und Anordnung beschrieb, verlor man vollständig den Blick und das Verständnis für das Organ als Ganzes, obwohl es doch erst in diesem Zustande funktionellen Wert erlangt. Indem ich diesem Mangel in der vorliegenden Untersuchung abzuhelfen mich bemühte, drängten sich ganz neue Gedanken und Erwägungen in den Kreis meiner Betrachtung. Ich erkannte, daß man das Kiemenfilter der Fische zu den im täglichen Leben ge- bräuchlichen Filtern und Sieben in Parallelen bringen müßte, um seine wechelnde Ausbildung zu verstehen, und legte mir die Frage vor, welche Faktoren die Wirksamkeit eines solchen Appa- rates bedingen. Unstreitig spielen bei jedem Filter Dichte und Oberflächengröße eine wichtige Rolle, denn die Beobachtung lehrt uns, daß beide Faktoren in einem gewissen Verhältnis stehen müs- sen, wenn das Filter gut funktionieren soll. Je dichter seine Wand ist, um so größer muß sein Flächeninhalt sein, und je weit- maschiger ein Filterstoff ist, um so kleiner kann bei dem gleichen Nutzeffekt die filtrierende Fläche sein. Auf diesen Erfahrungen beruht Das Kiemenfilter der Teleosteer. 627 ja bekanntlich die Konstruktion unsrer Planktonnetze und ähnlicher Apparate. Wenn ich im folgenden versuche, den Bauplan des Kiemenfilters nach diesen Gesichtspunkten zu schildern, so unterliegt es keinem Zweifel, daß ein Organ, das in ständiger direkter Berührung mit dem umgebenden Medium steht, unter dem Druck der mannigfach wech- selnden äußeren Verhältnisse großen spezifischen Schwankungen unter- worfen sein wird. In der Tat hat die Natur bei der Bildung der Filterapparate eine geradezu staunenswerte Erfindungsgabe entfaltet. Nicht zwei Species, geschweige denn zwei Gattungen oder Familien stimmen im Bau des Kiemenfilters völlig überein. Jede neue Form, welche zur Untersuchung gelangt, bietet ein andres, noch nie ge- sehenes Bild dar. Abgesehen von den Apodes, Lophius piscatorvus und sSolea lutea, denen Reliefbildungen am inneren Schlundspalten- rande gänzlich fehlen, können wir von den einfachsten, gröbsten Schutzvorriehtungen bis zu den kompliziertesten Filterapparaten alle erdenklichen Modifikationen beobachten. Die Differenzen sind vielfach so groß, daß es beim ersten An- blick ganz unmöglich erscheint, gemeinsame morphologische Züge zu erkennen. Bei sorgfältiger Analyse gelingt es jedoch, aus der Fülle spezifischer Variationen gewisse Eigenschaftskomplexe von generellem Werte herauszuschälen. Als allgemeingültig dürfen wir festhalten, daß sich die Filterapparate aus durchaus homologen Elementen auf- bauen, deren topographische Lage in der Rachenhöhle unveränderlich und deren Anordnung generell geregelt ist. Die Elemente, aus denen sich das Kiemenfiter der Teleosteer aufbaut, habe ich Sieb- oder Filterfortsätze genannt. Diese Nomenklatur, deren Vorzüge ich in meiner früheren Studie (39, S. 255) erläutert habe, deckt sich mit den Bezeichnungen: »Rechenzähne«, »Reusenzähne<, »Appendices des branchiaux<, »Gill rakers«. Trotz der älteren Benennung »Rechenzähne« haben die Siebfortsätze mit Hartgebilden nichts gemein, die etwa den an den Kiefer- und Schlund- knochen vorkommenden Zähnen verglichen werden können, so sehr sie auch oft mit solchen inkrustiert sind. Sie stellen vielmehr, wie schon BERGMANN und LEUCKART (3) richtig erkannten, zapfenartige Wucherungen der Rachenschleimhaut am inneren Rande der Schlund- spalten dar (Textfig. 1 s). Unentschieden muß ich vorläufig die Frage lassen, ob sie, wie man ihrer Lage nach vermuten sollte, entoder- malen Ursprungs sind. Nachdem die ectodermale Natur der Kiemen- blättehen nach meinen und andrer Autoren (GOETTE, 11, MORoFF, 23) 628 Enoch Zander, Beobachtungen, kaum noch im Zweifel steht, wäre es nicht ausge- schlossen, daß die benachbarten Siebfortsätze der gleichen Gewebs- schicht entstammen. Da die Siebfortsätze dem durch die Kiemenspalten abfließenden Textie. 1. Querschnitt durch, den Kiemenkorb von Cyprinus carpio. Vergr. 20:1. e, Schleimhaut; L, Binde- gewebe; k, Kieme; kb, Kiemenbogenskelet; kn, Knochen der Siebfortsätze; s, Siebfortsätze; sp, Schlund- spalten; 2—5, Kiemenbogen. Wasser standhalten müssen, ist ihr bindegewebiger Kern, soweit ich darüber früher Untersuchungen angestellt habe, durch kleine Knochen- elemente (Textfig. 1 kn) gestützt. Nichtsdestoweniger bleiben sie dem Skelet der Schlundregion vollkommen fremd, da bereits GÜNTHER (12) fest- stellte, daß die Knochenplättehen ohne festen Zusammenhang mit dem knöcher- nen Kiemenbogen (Textfig. 1 kb) völlig Textfig. 2. isoliert im Bindegewebe liegen. Sie Zwei Siebforteätze von Abramss ibramain fijllen entweder den vanzensorc nie yeaz seitlicher Ansicht. Vergr. 7:1. kb, knöcherner Kiemenbogen; kn, Skelett US oder bleiben auf die äußere, den n we „örtsite Kiemenblättchen zugekehrte Partie be- schränkt (Textfig. 2 kn). Die Gestalt der Knöchelehen hängt von der Form der Siebfortsätze ab. Bald bilden sie hohle oder von spongiösem Gerüst durchsetzte Glocken (Textfig. 3a), bald sind sie mehr in die Länge gedehnt und durch- ziehen als stark zusammengedrückte Rinnen den Filterfortsatz (Text- fig. 3b, 4 d). Stets können wir an ihnen zwei Hauptabschnitte mehr Das Kiemenfilter der Teleosteer. 629 oder weniger deutlich erkennen, eine verbreiterte und vielfach in Ausläufer zerschlitzte Basalplatte (Textfig. 35), welche durch Binde- sewebe am knöchernen Kiemenbogen haftet und ein schmäleres distales Stück. Diesen bereits früher von mir mitgeteilten Befunden kann ich wesentlich Neues nicht hinzufügen. Ich gehe deshalb sofort dazu über, diejenigen Faktoren zu erläutern, von denen die Dichte des Textfig. 3. Knöchelchen der Siebfortsätze. Vergr. 20:1. a, Lota vulgaris. b, Barbus vulgaris. Filters abhängt. Es leuchtet ein, daß dafür Form, Anordnung und Zahl der Siebfortsätze in Betracht kommen. Entsprechend der Gliederung des Knochenkernes müssen wir auch an den Siebfortsätzen selbst zwei Teile unterscheiden, die breitere Basalscheibe und den distalen, von ihr sich erhebenden Fortsatz. Ihre Ausbildung beein- flußt die Form des Siebfortsatzes stark. Im einfachsten Falle wird nur die Basalplatte entwickelt, die als flache (Textfig. 5a) oder schwach gewölbte Scheibe der Seitenwand des Kiemenbogens anliegt (Esox, Lucioperca, Cory- phaena, Lota molva). Während sich die Sieb- fortsätze in diesem Zustande kaum über das umgebende Kiemenbogenepithel erheben, sproßt bei andern Species (Textfig. 55, c) aus dem Centrum der Basalplatte eine niedrige knopf- förmige Warze (Oottus, Bankiceps, Merlucius Textig. 4 R a Querschnitt durch den Sieb- uw in der wir die erste Andeutuns> des" \rorteatz von Corevonus al. Distalfortsatzes erblicken müssen. Mit ihrem ?!« Vergr. 100:1. a. Zähne; b, Epithel; c, Bindegewebe; Höhenwachstum bleibt die Warze nur selten d, Skelet. halbkugelig, sondern wird von den Seiten her zusammengedrückt (Perca, Acerina, Labrax, Gadus, Caranxz usw.). Bei vielen Species (Cypriniden, Siluriden usw.) nehmen die Sieb- 630 Enoch Zander, fortsätze die Form dreieckiger Platten an, deren eine Kante durch die Basalplatte der Kiemenbogenwand angeheftet ist, während eine der beiden freien Kanten der Rachenhöhle, die andre den Kiemen- blättchen zugekehrt ist (Textfig. 5 d, e). Bei Salmoniden, Clupeiden, Sternoptychiden und an der vorderen Kante des ersten Bogens vieler Acanthopterygii usw. strecken sich die distalen Fortsätze Textfig. 5. Verschiedene Formen von Siebfortsätzen: a, Esox lucius, b, Merlucius vulgaris, c, Raniceps raninus, d, Cyprinus carpio, e, Callichthys asper, f, Salmo irideus, g, Scomber scomber, h, Mugil cephalus. a und 5b, von der Fläche, c—h, in Seitenansicht. enorm in die Länge und bilden schmal- messerförmige Anhänge (Textfig. 5 f u. 9). Anderseits können sich aber auch die Basalteile der Siebfortsätze dehnen und als schmale Leisten über den stark verbreiterten Kiemenbogen hinziehen (Textfig. 5 )), während ihre frei vorragenden Enden relativ kurz bleiben (Mugil, Osphromenus, Plecostomus). Die der Rachenhöhle zugekehrte mediale Fläche oder Kante der Siebfortsätze bleibt nur selten glatt; in der Regel erleidet sie durch Zähnchenbesatz (Textfig. 5 a—c) oder Warzenbildung (Text- fig. 9d) mannigfache Modifikationen, die zur Verengerung des Filters wesentlich beitragen. Mit den Wandlungen, welche die Form der Siebfortsätze erleidet, Das Kiemenfilter der Teleosteer. 631 hält die Modellierung der Kiemenbogen gleichen Schritt, um den mannigfach gestalteten Anfangsgebilden ohne Raum- und Material- verschwendung eine ausreichende Insertionsfläche zu bieten. Von der Gestalt des aller Anhänge entblößten Kiemenbogens wissen wir sehr wenig. Aus den älteren Untersuchungen erfährt man lediglich, daß der äußeren respiratorischen Hälfte der Kiemenbogen eine hohe Textfig. 6. Drei Entwicklungszustände des inneren Bogengrates. a, Cyprinus carpio. Vergr. 4:1 Db, Calhio- nymus lyra. Vergr. 10:1. ce, Plecostomus Commersonüi. Vergr. 6:1. G.a, äußerer Bogengrat (Sept. interbr.); @.i, innerer Bogengrat; K, Kiemenblättchen; An, Kiemenbogenskelet; S, Sieb- fortsätze. und dünne Leiste, das Septum interbranchiale, aufsitzt, von dessen vorderer und hinterer Fläche die Kiemenblättchen entspringen. Daß sich eine ganz ähnliche Differenzierung auch auf der konkaven Innenseite der Kiemenbogen befindet, hat bisher nur Imms (19) bei einem Ganoiden (Polyodon spatula) beachtet. Auch die mediale für die Siebfortsätze reservierte Hälfte der Kiemenbogen ist von vorn und hinten her so stark ausgekehlt, daß nur eine schmale mediane Leiste, die ich den inneren Bogengrat nennen will, stehen bleibt (Textfig. 6a, G,). Da die Berücksichtigung dieser Reliefeigentümlich- keit zum Verständnis des Kiemenfilters bisweilen unerläßlich ist, 632 Enoch Zander, muß ich sie kurz schildern. Im Gegensatz zum Septum interbranchiale, das man vielleicht besser als äußeren Bogengrat bezeichnet, zeigt der innere ein wechselndes Verhalten. Seine Höhe hängt im allgemeinen von der Ausbildung der Siebfortsätze, welche an seinen Seitenflächen Platz finden sollen, ab. In der Regel überragt er die Siebfortsätze nicht, und zieht nur als schmaler, meist deutlich er- kennbarer Saum zwischen den Siebfortsätzen hin (Textfig. 6a, @,). In einzelnen Fällen jedoch entfaltet er sich mächtiger, und gibt dadurch dem Relief der inneren Bogenkante ein ganz verändertes Ansehen. Bei Callionymus (Textfig. 6 b, G,) z. B. tritt er weit über die Reihen der Siebfortsätze hervor, ohne Beziehungen zu ihnen ein- zugehen. Der Bogengrat von Plecostomus dagegen fällt trotz seiner Höhe gar nicht auf, weil er von den leistenförmig verlängerten Basalteilen der nur wenig vorragenden Siebfortsätze bis zum äußersten Rande überzogen ist (Textfig.6c, G,, S$). Mit dem Schwinden der Siebfortsätze verkümmert auch der innere Bogengrat; allen Spe- cies ohne Siebfortsätze (Apodes, Lophius, Solea lutea) fehlt er voll- ständig. Durch diese eigenartige Modellierung entstehen an der medialen Seite jedes Kiemenbogens zwei sanft abfallende und seicht gehöhlte Ansatzflächen für die Siebfortsätze, welche durch den medianen Bogengrat voneinander geschieden sind. Daher sind dieselben, wie bereits TRoSCHEL (36) konstatiert hat, generell zweizeilig, biserial, angeordnet und als vorder- und hinterständig zu unterscheiden. Die Ausbildung der beiden Reihen von Filterfortsätzen folgt keiner generellen Regel. Doch lassen sich gewisse Eigenschafts- komplexe finden, die größeren Gruppen von, durchaus nicht immer systematisch zusammengehörigen, Fischen gemeinsam sind. Wir können demnach eine Reihe von Gruppen- oder Haupttypen des Kiemenfilters aufstellen, müssen aber im Auge behalten, daß es zwischen ihnen scharfe Grenzen nicht gibt, denn sie gehen durch mannigfache vermittelnde Varianten ineinander über. STEUER (34) hat sechs Filtertypen unterschieden; ich glaube aber, daß man alle spezifischen Variationen ohne Zwang in drei Gruppen unterbringen kann, zu deren Charakterisierung ich mich folgender Bezeichnungen bedienen werde. Ich unterscheide einen biserial-symmetrischen und einen biserial-dimorphen Filtertypus, von denen der letztere in einer dimorph-monacanthen und einer dimorph-polyacanthen Variante vor- kommt. Das Kiemenfillter der Teleosteer. 633 1. Der biserial-symmetrische Typus. Als die einfachste und ursprünglichste Form des Filtergefüges müssen wir diejenige betrachten, welche die gleichmäßige oder an- nähernd gleichmäßige Entwicklung der vorder- und hinterständigen Siebfortsätze sämtlicher Kiemenbogen zeigt (Textfig. 7 Sv, Sh). Dieser Typus hat eine weite Verbreitung unter den Teleosteern. Er begegnet uns in zahlreichen Familien der Acanthopterygii, unter den Anacanthini E ZI Z V V Textäig. 7. Texthig. 8. Zwei Siebfortsätze in biserial-symmetrischer Diagramm des Kiemenspaltenverschlusses bei Ausbildung (Cyprinus carpio). Vergr. 4:1. biserial-symmetrischer Ausbildung der Sieb- @.i, innerer Bogengrat; An, Kiemenbogenske- fortsätze.. /—V, Kiemenspalten. let; Sh, hinterständiger, Sr, vorderständiger Siebfortsatz. bei Macruridae und Gadidae. In der Unterordnung der Ostariophysi kommt er sämtlichen von mir untersuchten Siluridae und mit Aus- nahme von Alburnus allen Cypriniden zu. Auch das Kiemenfiter der Esoceidae, Syngnathidae und Anabantidae ist ihm unterworfen. Im allgemeinen stehen die Siebfortsätze derart alternierend an den benachbarten Bogenkanten, daß die Fortsätze der einen Kante zwischen diejenigen der gegenüberliegenden Kante eingreifen, wie ich die gespreizten Finger einer Hand zwischen die der andern schieben kann; dadurch wird im primitivsten Falle (Textfig. 5) die Kiemenspalte zu einer schmalen wellenförmig gekrümmten Ritze verengt, deren Verlauf und Weite durch die wechselnde Zahl, Anordnung und Differenzierung der Siebfortsätze in der mannigfaltigsten Weise modi- fiziert wird. Die dichtesten und kompliziertesten Filterapparate, welche ich überhaupt beobachtete, gehören dem biserial-symmetrischen Typus an. Mit der Lockerung des Filterwerkes bleibt die Schleimhaut der Sieb- fortsätze nur selten glatt (Callionymus, Agonus, Zoarces). In der 634 Enoch Zander, Regel geht damit vielmehr die Bildung zahlreicher Zähnchen Hand in Hand, die in Gruben der Filterknöchelehen eingelassen mit ihren Spitzen über das Epithel vorragen und stets so geordnet sind, daß sie in den Rachen und gegen den Schlund schauen. 2. Der biserial-dimorphe Typus. Fast niemals sind die beiderseitigen Siebfortsätze der einzelnen Kiemenbogen nach Form und Größe vollkommen gleich. Kleine Differenzen treten besonders im vorderen Bezirk des Kiemenkorbes immer hervor. Für die morphologische Betrachtung haben sie aber keinen Wert. Verändert wird das Bild des Kiemenfilters erst, wenn die Form und Größenunterschiede der vorder- und hinterständigen Siebfortsätze schroffer werden, wenn der biserial-symmetrische Filter- typus in den biserial-dimorphen übergeht. Für alle hierher gehö- rigen Filterapparate ist die Umwandlung vorderständiger Siebfort- sätze in lange, seitlich komprimierte Stacheln bemerkenswert. Nach der Verbreitung dieser stachelförmigen Fortsätze in oro-ösophagealer Richtung können wir zwei charakteristische Varianten des biserial- dimorphen Typus unterscheiden. a. Die dimorph-monacanthe Variante. Im einfachsten Falle bleibt die Ausbildung langer, messerförmiger Stacheln auf die vordere Kante des ersten Bogens beschränkt, während die übrigen Fortsätze kurz und an allen Bogen gleich Textfig. 9. Zwei Siebfortsätze des ersten Kiemenbogens in dimorph-monacanther Ausbildung (Scomber scomber). Vergr. 4:1. Kb, Kiemenbogen; Sh, hinterständiger, Sv, vorderständiger Siebfortsatz. gestaltet sind (Textfig. 9 Sv, Sh). Durch diese Anordnung erhält die erste, dem Kiemendeckel angrenzende Kiemenspalte einen gitter- förmigen Verschluß. Zwischen den folgenden Kiemenbogen bleibt dagegen die wellenförmige Ritze des biserial-symmetrischen Typus Das Kiemenfilter der Teleosteer. 635 bestehen, da die kurzen, meistens mit Zähnchen besetzten Fortsätze alternierend ineinandergreifen (Textfig. 10). PoPpTA (26) und STEUER (34) haben dieser Variante eine vor- herrschende Verbreitung unter den Teleosteern zugeschrieben. Ich kann dies aber nicht bestätigen. Nach meinen Untersuchungen halten der biserial-symmetrische und der dimorph-monacanthe Filter- typus hinsichtlich ihrer Verbreitung einander vollkommen die Wage. Unter den Ostario- physi (Alburnus) nur selten auftretend kommt er unter den Anacanthini vielen Gadiden zu. Besonders häufig ist er aber in der Unterord- nung der Acanthopterygii. Aus dieser sehr ungleichmäßigen Verteilung über die drei srößeren Unterordnungen der Teleosteer er- klärt sich das abweichende Ergebnis von PoprA und STEUER. Beide haben haupt- sächlich marine Formen, unter denen die Acanthopterygii vorherrschen, untersucht. Von den 81 Species, welche PorrA selbst studierte, waren 43 Acanthopterygii, 31 Se N Textfig. 10. Diagramm des Kiemenspalten- Ostariophysi usw., unter denen die Salmo- verschlusses bei dimorph-mona- canther Ausbildung der Siebfort- sätze. /—-V, Kiemenspalten niden ganz fehlen und sieben Anacanthini, während Pleuronectiden nicht vertreten sind. Auch das Material von STEUER setzt sich vorwiegend aus Acan- thopterygii zusammen. Zu dichten Filtern verwendet die Natur den monacanthen Typus nur äußerst selten. Geschieht es doch, so erreicht sie die Verengerung des Spaltenverschlusses weniger durch Modifikationen der Siebfort- sätze selbst als vielmehr durch eine reichere Entfaltung ihres Zahn- besatzes (Scomber). b. Die dimorph-polyacanthe Variante. Durch die Verbreitung stachelförmiger Fortsätze vom ersten auf die folgenden Bogen kommt eine zweite Variante des dimorphen Typus zustande, die ich die polyacanthe nennen will. In primitiver Ausbildung begegnet uns diese Variante bei Trachinus draco (Fig. 26) und Cepola rubescens. Hier trägt die vordere Kante der beiden ersten Kiemenbogen lange Stacheln.. Im Kiemenfilter von Mugil cephalus (Fig. 27) und Ammodytes tobianus übertreffen die 636 Enoch Zander, vorderständigen Siebfortsätze der drei ersten Kiemenbogen die eenter- ständigen beträchtlich an Länge. Mit der Anlage stachelförmiger Fortsätze an den Vorderkanten aller vier freien Kiemenbogen ist die charakteristische Struktur des Textfig. 11. Vorderständiger Siebfort- satz von Salmo irideus bei polyacanther Filterbil- dung. Vergr. 4:1. @G.i, innerer Bogengrat; Kb, Kiemenbogen; sv, vorderständiger Siebfort- satz. Textfig. 12. Diagramm des Kiemenspaltenverschlusses für die Dichte des Filters sroße Be- bei dimorph-polyacanther Ausbildung der Siebfortsätze. /—V, Kiemenspalten. polyacanthen Filters gegeben. Da die hinter- ständigen Fortsätze stets sehr kurz bleiben, an einzelnen Bogen sogar ganz verkümmern (Text- figur 11 Sv), nimmt das Filter vor den vier ersten Kiemenspalten (Textfig. 12 7—-IV) eine gitterför- mige Anordnung an, während die fünfte Spalte ein sehr wechselndes Verhalten zeigt. Unterbleibt die Anlage hinterständiger Fort- sätze ganz, so nehmen die Siebfortsätze eine voll- kommen einzeilige Anordnung an. Diese extremste Modifikation des polyacanthen Typus kommt je- doch höchst selten vor. Nur bei zwei Pleuronec- tiden (Arnoglossus laterna und Solea vulgaris) habe ich sie beobachtet. Die gröbere oder feinere Struktur des polya- canthen Filters unterliegt speeifi- schen Schwankungen, die ausschließ- lich durch die wechselnde Zahl der Siebfortsätze bedingt werden. Zähn- chen, welche fast immer von der medialen Kante der Gitterstäbe vor- ragen, können die Filterlücken sekun- där einengen. In dieser Form finden wir das Kiemenfilter hauptsächlich bei Pleuro- nectiden, so wie unter den Malaco- pterygii bei Salmoniden, Clupeiden und Sternoptychiden. Wie ihre Form und are innıs hat auch die Zahl der Siebfortsätze deutung. Auch sie ist eine sehr varia- bele Größe. Bei den Primitivformen, besonders des biserial-symmetrischen Typus (Cottus, Agonus, Acerina, Scorpaena, Batrachus, Anabas, Spirobranchus usw.) gering, steigert sich ihre Zahl bei dimorphen Filtern auf 20—30 an einer Bogenkante, Das Kiemenfilter der Teleosteer. 637 um bei den komplizierteren Modifikationen aller Typen eine noch weitere Vermehrung zu erfahren. In der Regel stehen die meisten Siebfort- sätze an der vorderen Kante des ersten Bogens. Die höchsten Ziffern erreichen hier (Tab. I—III) Olupea finta mit 40 Coregonus albula mit 43 Cepola rubescens mit 45 Caranz trachurus mit 48 Clupea harengus mit 64 Ösphromenus trichopterus mit 103 Clupea alosa mit 125 (nach Hoek) Plecostomus Commersonii mit 138. In andern Fällen nimmt die Zahl der Siebfortsätze gegen die dritte Schlundspalte zu (Cypriniden, Lorzcaria, Callichthys, Phycıs, Raniceps, Crendabrus, Labrus, Macropodus, Speirobranchus usw.). Die Zahl der Siebfortsätze unterliegt aber nicht allein spezifischen Schwankungen, sondern variiert auch bei verschiedenen Individuen einer Art. Das Alter der Fische spielt dabei eine gewisse Rolle. Bereits Hork (16) hat dies für Clupea alosa und finta ziffermäßig belegt: Olupea alosa besitzt bei 34 mm Länge al bei 510mm » 122 Olupea finta besitzt bei 33—34 mm >» 20 bei 500 mm » 40 Siebfortsätze am ersten Kiemenbogen. Diese Altersvariationen sind jedoch an bestimmte Grenzen gebunden denn schon HoEk (16) schreibt, daß die Zahlen von einem gewissen Zeitpunkte an sich wenig ändern. Nach meinen Beobachtungen an der Forelle tritt dieser Moment ziemlich frühzeitig ein. Ich habe die Entwicklung der Siebfortsätze bei Salmo fario genauer verfolgt und konnte folgendes feststellen. Bei Forellenembryonen von 19 mm liegt etwa 4 Wochen nach dem Ausschlüpfen genau im Bogenwinkel. der erste Siebfortsatz (Textfig. 13a) als winziger Höcker. Ein zweiter ist auf dem ventralen Schenkel eben angedeutet. Im Verlaufe der nächsten 2 Monate reihen sich an die vorhandenen weitere Höckerchen auf den ventralen Bogenschenkel an (Textfig. 135). Bei 23 mm langen Embryonen zähle ich mit dem winkelständigen Fortsatz vier Höcker (Textfig. 13c). 638 Enoch Zander, Während der nächsten Zeitsteigertsich ihre Zahlsehr rasch (Textfig. 13d) auf acht. Erst bei Embryonen von 24 mm treten die Fortsätze des dorsalen Bogenschenkels auf. Von da ab mehrt sich die Zahl der Siebfortsätze sehr langsam. Embryonen von 45 mm Totallänge weisen am ventralen Schenkel des ersten Bogens zehn, am dorsalen vier Siebfortsätze auf (Textfig. 13 f). Mit 85 mm Körperlänge haben die Siebfortsätze ihre definitive Zahl und Form angenommen (Textfig. 139), denn bei Forellen von 300 mm Länge zähle ich auch nur 17 Siebfortsätze. b c lu Porn 20 DU 2 3 mm WR \ d vun, } ze: hc E ps SEI RS : == sg Mann = — ze 94 AU nAnnnn Annnnannnnnann La EN ZIAITU Textfig. 13. Entwicklung der Siebfortsätze des ersten Kiemenbogens von Salmo fario. Maße = Totallänge. Von 85 mm Totallänge an, änderte sich die Zahl der Siebfort- sätze bei der Forelle nicht mehr. Damit ist aber nicht gesagt, daß sie von diesem Moment an absolut konstant bleibt. Alle Autoren stimmen vielmehr darin überein, daß die Zahl der Siebfortsätze nicht nur individuellen Variationen unterliegt, sondern auch bei demselben Individuum auf beiden Kopfseiten niemals vollkommen gleich ist. Interessant ist die Angabe von Stever (34, $. 280), daß die Kiemenbogen der pelagisch lebenden Jungfische von Lophius, der im erwachsenen Zustande keine Spur von Siebfortsätzen erkennen läßt, mit zwei Reihen kleiner, ziemlich unregelmäßig geordneter Papillen besetzt sind. | Das Kiemenfilter der Teleosteer. 639 Das Studium der wechselnden Form, Anordnung und Zahl der Siebfortsätze verschafft uns lediglich eine Vorstellung von der Dichte des Kiemenfilters bei verschiedenen Fischarten. Zu ihr steht die Oberflächengröße in engster Korrelation. Obgleich dieser Faktor naturgemäß bei jedem Filter eine wichtige Rolle spielt, hat man das Kiemenfilter der Fische noch niemals von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet. Ich will deshalb im folgenden versuchen, die Mittel zu analysieren, durch welche die Natur dieOberflächengröße der differenten Dichte des Kiemenfilters anpaßt. Entsprechend den Raumverhältnissen in der Rachenhöhle kann .die Vergrößerung des Kiemenfilters, die in der wechselnden Verbreitung der Siebfortsätze zum Ausdruck kommt, in oro-ösophagealer und in dorso-ventraler Richtung erfolgen. Die oro-ösophageale Ausdehnung des Kiemenfilters hängt zu- nächst in untergeordnetem Grade von der Zahl der Kiemenspalten ab. In der Regel sind fünf Paar Kiemenspalten vorhanden. Nur bei Scorpaena scrofa, Sebastes impervalis, Zeus faber, Batrachus, Lophius piscatorius, Cottus scorpius und bubalus, Agonus cataphractus, Labrus und Orenila- brus zähle ich vier Paar. Damit harmoniert das Verhalten der Sieb- fortsätze. Siesind sehr primitiv entwickelt, können sogar ganz fehlen. Das Vorhandensein einer fünften Kiemenspalte hat jedoch durch- aus nicht immer die Verbreitung der Siebfortsätze bis an die äußerste Grenze des Kiemenkorbes im Gefolge, weil die fünfte Spalte infolge ihrer Kürze nur eines geringen Schutzes bedarf. Häufig finden wir die letzten Siebfortsätze bereits an der vorderen Kante des vierten Kiemenbogens (Pleuronectidae, Gadidae, Tab. V). Bei vielen Acan- thopterygii breiten sie sich auch auf die hintere Kante dieses Bogens aus (Tab. V). Nur bei Cypriniden, Salmoniden und Clupeiden, welche oft sehr diehte Filter besitzen, beteiligt sich auch die vordere Kante des fünften Kiemenbogens an der Filterbildung (Tab. IV). Auf den vorderen Rand der ersten Kiemenspalte greifen die Siebfortsätze selten über. Nur bei Oalkonymus (Tab. V, 41), Lori- caria, Plecostomus, Orthagoriscus, Hippocampus, Syngnathus (Tab. IV) treibt die Innenwand des Kiemendeckels Vorsprünge. Im allgemeinen fällt der Verschluß der ersten Kiemenspalte den vorderständigen Siebfortsätzen des ersten Kiemenbogens allein zu. Weitaus wichtiger für die Vergrößerung des Kiemenfilters in . sagittaler Richtung ist die Breite der Kiemenspalten. In der Regel und in allen Fällen, in denen die Siebfortsätze niedrig bleiben und wenig zahlreich auftreten, liegen die Kiemenbogen ziem- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LAXXIV. Bd. 42 \ 640 " Enoch Zander, lich dicht aneinander, so. daß die Kiemenspalten nur schmale Schlitze bilden. Mit der Verengerung des Filterwerkes geht oft eine starke Verbreiterung derselben Hand in Hand. Die Kiemenbogen rücken so weit auseinander, daß die Siebfortsätze nicht mehr ineinander greifen, sondern sich nur mit den Spitzen berühren können (Mugzl, Osphromenus, Carassius usw.). Dadurch wird die filtrierende Fläche vor jeder Kiemenspalte um das Doppelte vergrößert. Durch gering- fügige Modifikationen entsteht bei dieser Art der Flächenvergrößerung bisweilen aus dem Kiemenkorb ein kunstgerechtes Faltenfilter. Die Siebfortsätze gegenüberliegender Bogenkanten wachsen beträchtlich in die Länge und schräg in die Rachenhöhle hinein, so daß sie mit den Spitzen convergierend Falten vor den Kiemenspalten bilden, welche die seitliche Rachenwand bogenförmig umziehen (Carassius, Fig. 14). Bei Plecostomus (Fig. 7) liegen die Falten nicht vor, sondern zwischen den Kiemenspalten, da die Kiemenbogen selbst kammartig in die Rachenhöhle vorspringen. Bisweilen erfährt die filtrierende Fläche dadurch eine beträcht- liche Vergrößerung, daß die Kiemenbogen und Kiemenspalten in die Länge wachsen und eine Verbreitung der Siebfortsätze in dorso- ventraler Richtung veranlassen. In früher Jugendzeit bilden die Kiemenbogen sichelförmig ge- krümmte Spangen, welche durch die Bildung der Schlundspalten aus der ventral-lateralen Kopfwand herausgeschnitten werden. Dabei dringen die Kiemenspalten wohl bis an die ventrale Medianlinie vor, aber ihre dorsal-lateralen Winkel (Textfig. 14 X) trennt ein breites undifferenziertes Gaumenfeld (Textfig. 14 G). Bald ändert sich dieser Zustand, indem durch das Längenwachstum des Kopfes, wie ich bei Heringslarven beobachten konnte, die Kiemenbogen beträchtlich ge- streckt und mehr parallel zur Schädelbasis gelagert werden. Die Folge dieser Veränderungen ist eine winkelige Knickung der Bogen kurz vor ihrem dorsalen, ungefähr in der lateralen Mittellinie ge- legenen Ende. Durch diese Winkelstelle wird der ursprünglich ein- heitliche Bogen in zwei sehr ungleiche Schenkel, einen langen ventralen und einen zunächst minimalen dorsalen gegliedert. Während in diesem Stadium Bogen und Spalten fast ganz aut die ventral-laterale Rachenwand beschränkt sind, ändert sich dieser Zustand in der Folge generell nur für die erste Kiemenspalte, welche mit verschwindenden Ausnahmen (Callionymus, Macrurus, Coelorhynchus) stets weit gegen die dorsale Medianlinie durchschneidet. Daher hat ihre Länge für die Entscheidung über die größere oder geringere Blei, Da m nn Das Kiemenfilter der Teleosteer. 641 Ausdehnung des Filters keinen Wert. Darüber belehrt uns erst das Verhalten der folgenden Kiemenspalten. Für sie bleibt nämlich oft der primitive Zustand in wechselndem Grade während der ganzen Lebensdauer von Bestand (Cyprinidae, Pleuronectidae, Gadidae, Silu- ridae usw.). Obgleich sich im Gaumengewebe die Skeletelemente der Kiemenbogen (Pharyngo- und Epibranchialia) differenzieren, werden doch längere dorsale Bogenschenkel nicht abgegliedert, weil die Kiemenspalten nicht zwischen ihnen durchbrechen. Das wird stets Textfig. 14. Zwei Stadien aus der Entwicklung des Kiemenkorbes von Clupea harengus. a, 14 mm. Vergr. 40:1; b, 31 mm. Vergr. 20:1. G, Gaumenzone; K, dorsale Ursprungsstelle des ersten Kiemenbogens. inhibiert, wenn die Natur die Rachendecke zur stärkeren Entfaltung des Gaumenreliefs gebraucht (Gaumenpolster der Cypriniden, Siluriden, Mugel usw., starke Ossa pharyngea superiora bei Anacanthini und Acanthopterygü). ; Durch Messungen (Tab. VI—X) habe ich das Längenverhältnis der beiden Schenkel des ersten Bogens, soweit sie frei zutage treten und der beiden Hälften der zweiten Kiemenspalte festzustellen ver- sucht. Bei Siluridae und vor allem bei Cyprinidae (Tab. VI) sind obere Bogen- und Spaltenteile fast gar nicht differenziert. Bei Acan- thopterygii (Tab. X) übertrifft der ventrale Schenkel des ersten Bogens den dorsalen 2,4 mal, bei Gadidae (Tab. IX) im Durchschnitt sogar 3,5 mal an Länge. Noch ungünstiger stellt sich der mittlere Quotient für die dorsale Hälfte der zweiten Kiemenspalte. Bei Gadidae (Tab. IX) beträgt er 11,5, bei Acanthopterygii 4,4 (Tab. X). Infolgedessen beteiligen sich die dorsalen Bogenschenkel nur in ganz untergeordnetem Grade am Aufbau des Kiemenfilters. Seine 42* 642 Enoch Zander, Bildung fällt hauptsächlich den Ventralschenkeln zu. Der mittlere Prozentsatz der Siebfortsätze, welche an den beiden Schenkeln des zweiten Kiemenbogens stehen, ist folgender: Ventralschenkel Dorsalschenkel Cyprinidae + Siluridae (Tab. VIII) 930), 1,4 %/, Pleuronectidae (Tab. VII) 92,7% 7,3% Gadidae (Tab. IX) 31.397, 83% Acanthopterygiü usw. (Tab. X) 88,6 9%, 11,4 9), Während bei der Mehrzahl der Knochenfische die Kiemenspalten fast nur zwischen den ventralen Kiemenbogenschenkeln durchbrechen, dringen sie bei Salmoniden, Clupeiden und Sternoptychiden mit fort- schreitender Entwicklung (Textfig. 145, X) über den Bogenwinkel immer weiter gegen die dorsale Medianlinie vor und gliedern lange Stücke der dorsalen Bogenschenkel vom Gaumen ab, so daß für die Ossa pharyngea superiora kaum noch Platz übrig bleibt. Infolge- dessen wird natürlich der Quotient beider Bogenschenkel wesentlich kleiner. Für den ersten Kiemenbogen der Salmoniden und Clupeiden beträgt er im Mittel aller Species (Tab. VI) nur 1,0. Durch die scharf- winklige Verbindung beider Schenkel tritt auch die Gliederung der Kiemenspalten in eine dorsale und ventrale Hälfte deutlicher als bei andern Species hervor. Ihr Quotient kommt mit 1,9 demjenigen des voranliegenden Kiemenbogens nahezu gleich. Die Verlängerung der Kiemenbogen erfordert die Verbreitung der Siebfortsätze auf die dorsalen Bogenschenkel. Während bei den übrigen Teleosteern im Maximum 11,4°/, der Siebfortsätze des zweiten Kiemenbogens dem dorsalen Schenkel angehören, steigtihre Zahl bei den Salmoniden und Clupeiden im Mittel aller Species auf 30,8%, (Tab. VI). Im Einzelfalle ist der Prozentsatz vielfach sogar noch wesentlich höher (Salmo Salar 47,1 %,, Thymallus 45 ®/,, Coregonus albula 42 %,). Die Salmoniden und Clupeiden besitzen mithin ein viel umfang- reicheres Filter als andre Teleosteer, zumal sich die Siebfortsätze auch stets bis hart an die Schlundpforte ausbreiten (Tab. IV). Infolge- dessen ist das Bedürfnis, seinen Flächeninhalt weiter zu steigern, nicht vorhanden. Derselbe unterliegt so gut wie gar keinen Schwankungen, dagegen wird die Natur bei andern Knochenfischen oft gezwungen, die ursprünglich kleine Filterfläche auch dorsalwärts zu vergrößern. In der Regel geschieht dies durch Verlängerung und starke Krümmung der ventralen Bogenschenkel (Cyprinus, Carassius, Mugil). Nur in Ausnahmefällen dringen die Kiemenspalten, wie bei den Das Kiemenfilter der Teleosteer. 643 Salmoniden, zwischen die dorsalen Bogenschenkel ein (Plecostomus), das geht dann so weit, daß beide Bogenschenkel nahezu gleich lang werden (Tab. VIII, 10). Rekapitulieren wir in aller Kürze die bisherigen Ausführungen, so stehen der Natur mancherlei Mittel zur Verfügung, Dichte und Oberflächengröße des Kiemenfilters zu modifizieren. Die Dichte des Filters hängt ab: 1) von der Form und Modellierung, 2) von der Anordnung, dem mehr oder weniger innigen In- einandergreifen, 3) der wechselnden Zahl der Siebfortsätze. Seine Größe variiert: I. in oro-ösophagealer Richtung: 1) mit der Zahl der Kiemenspalten, 2) mit der Verbreitung der Siebfortsätze gegen den Kiemen- deckel und die Schlundpforte, 3) mit der Breite der Kiemenspalten, 4) mit der Stellung der Siebfortsätze zueinander (faltenartige Gruppierung). II. in dorso - ventraler Richtung: 5) mit der Länge der ventralen Bogen- und Spaltenteile, 6) mit der Länge der dorsalen Bogen- und Spaltenteile. II. Die spezifischen Variationen. Nachdem ich den Leser in großen Zügen über Ziele und Wege meiner Untersuchung: orientiert habe, kann ich ihn ohne Mühe durch die wunderbare Mannigfaltigkeit der spezifischen Variationen des Teleosteer-Filters hindurchführen. Wollte ich aber alle Einzelheiten auch nur einigermaßen genau beschreiben, so würde meine Dar- stellung sich ins Ungemessene verlieren. Ich will mich deshalb darauf beschränken, an einer Reihe von markanten Beispielen zu erläutern, in welcher Weise die Natur Dichte und Oberflächengröße des Kiemen- filters in Einklang zu bringen sucht. 1. Malacopterygii. (Tab. I, IV, VI;-Kie. 3337.) Salmonidae, Clupeidae. Die Beziehungen zwischen Dichte und Oberflächengröße des Filters treten nicht bei allen Species mit gleicher Deutlichkeit hervor, 644 Enoch Zander, weil der extrem gesteigerte Sauerstoffhunger dieser Fische die Natur zwingt, dem abfließenden Strom des Atemwassers möglichst viel Raum zu geben, während das Bedürfnis eines dichten Kiemenspaltenver- schlusses nicht immer vorhanden ist. Daher dringen die Kiemen- spalten bei allen Salmoniden und Clupeiden über den Bogenwinkel weit gegen die dorsale Medianlinie vor, aber die Verfeinerung des Kiemenfilters hält damit nicht immer gleichen Schritt. Vielmehr lassen sich die untersuchten Species nach Zahl und Länge der Sieb- fortsätze in zwei Gruppen scheiden. Mit Ausnahme von Salmo salvelinus (Fig. 36, Tab. I) tragen die Kiemenbogen der Salmo-Arten, sowie von T’hymallus, Coregonus fera und hiemalis (Fig. 35, Tab. I) relativ wenige und kurze Fortsätze. Die Zahl der Siebfortsätze auf dem ventralen Schenkel des ersten Kiemenbogens schwankt zwischen 9 und 13 (Tab. vn). Ihre größte Länge beträgt im Winkel des ersten Bogens: Relativ: Absolut: (Bezogen auf den ventr. Schenkel) Salmo fontinals 2 mm 8,5 Salmo hucho 14 mm 4,3 Salmo salar > mm 4,6 Salmo fario 4 mm 9) Thymallus vulgaris 5 mm 5) Coregonus fera 5,9 mm 4,7. Der mittlere Quotient aus dem ersten ventralen Bogenschenkel und dem längsten Siebfortsatz beträgt mithin 6,1. Bei Salmo salvelinus, den übrigen Coregonus-Arten, Olupea und Engraulis nimmt mit der Länge der Siebfortsätze auch ihre Zahl zu, um bei Coregonus Wartmanni auf 22, Clupea finta 27, Coregonus albula 29, Engraulis 34, Chupea harengus 44 für den ersten rechten Ventralschenkel zu steigen (Tab. VI). Gleichzeitig strecken sich die Fortsätze beträchtlich in die Länge: Absolut: Relativ: Salmo salvelinus “mm 4,0 Coregonus Wartmanni 8 mm 2,9 Coregonus albula 7” mm 2,0 Coregonus hiemalis 4 mm 3,9 Clupea harengus 8 mm 2,5 Olupea finta 11 mm >58 Enngraulis encrasicholas 6 mm Zi = Das Kiemenfiter der Teleosteer. 645 Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich. als mittlerer Quotient aus dem 1. ventralen Bogenschenkel und seinem längsten Siebfortsatz nur 3,1 gegenüber 6,1 in der ersten Gruppe. Dadurch wird ein enges Gitterwerk vor den Kiemenspalten geschaffen, dessen Spalträume, wie ich schon früher geschildert habe, durch seitlich vorspringende Zähnehen sekundär gesperrt werden. Im. Gegensatz zu andern Teleosteern stecken die Zähnchen, wie STEUER hervorhebt und auch meine Textfig. 4 erkennen läßt, nicht. in kraterförmigen Höhlungen der Stützknochen. Hand in Hand mit der Verfeinerung des Filter- werkes geht meistens eine starke Reduktion des Zahnbesatzes der Mundhöhle. Nur für Salmo salvelinus trifft das nicht zu. Die hinterständigen Siebfortsätze haben für den Verschluß der Kiemenspalten gar keine Bedeutung, da sie stets sehr klein bleiben und an einzelnen Bogen ganz unterdrückt sind, wie die folgende Zusammenstellung zeigt. Die hinterständigen Siebfortsätze fehlen (Tab. IV): a) am ersten Bogen: Salmo fontinalis (Tab. IV, 2), Salmo hucho (Tab. IV, 3), Salmo salar (Tab. IV, 4), Coregonus hiemalis (Tab. IV, ), Coregonus albula (Tab. IV, 10), b) an den beiden ersten Bogen: Chupea harengus (Tab. IV, 11), c) an den beiden ersten und der ventralen Hälfte des dritten Bogens: Engraulis encrasicholas (Tab. IV, 13), d) an den drei ersten Bogen: Olupea finta (Tab. IV, 12)1, Clupea alosa (nach HoeEr). 2. Pleuronectidae. (Tab. III, V, VII; Fig. 29—32.) Eines der interessantesten Ergebnisse meiner Untersuchung ist der Befund, daß die Pleuroneetiden, welche den Salmoniden und Clupeiden systematisch sehr fern stehen, genau den gleichen Filter- 1 In meiner früheren Studie habe ich, verleitet durch eine falsche Etikette des uralten Präparates, das untersuchte Exemplar als Clupea alosa bezeichnet. Aus der Untersuchung von HoEx 16) ersehe ich aber, daß Clupea alosa eine wesentlich höhere Zahl von Siebfortsätzen besitzt als mein Exemplar. 646 Enoch Zander, typus erkennen lassen, wie diese. Auch das Kiemenfilter der Pleu- ronectiden müssen wir dem dimorph-polyacanthen Typus unterordnen. Obgleich STEUER (34) und Duncker (9) einige Pleuroneetiden-Filter untersuchten, ist ihnen mangels des nötigen Vergleichsmaterials diese Tatsache entgangen. Man braucht jedoch nur die Kiemenfilter von Drepanopsetta (Fig. 30), Pleuronectes platessa (Fig. 32) und Salmno fario (Fig. 35) zu vergleichen, um sich von der großen Ähnlichkeit dieser Gebilde zu überzeugen. Ich will deshalb die systematische Disposition meiner Schilderung durchbrechen und den Salmoniden und Clupeiden sofort die Pleuroneetiden anschließen, um meine Befunde in das rechte Licht zu rücken. Nach Form und Zahl der Siebfortsätze stimmen die Pleuronec- tiden mit den Salmoniden, welche durch relativ wenige, kurze Fort- sätze ausgezeichnet sind, überein. Ihre Zahl schwankt am Ventral- schenkel des ersten rechten Kiemenbogens zwischen 3 und 13, bei Salmoniden zwischen 9 und 13 (Tab. VII). Ihre größte Länge beträgt am gleichen Kiemenbogen: Absolut: Relativ: Rhombus maximus 9 .mm...6,6 Pleuronectes microcephala 15mm 6,0 Pleuronectes limanda 3 mm 1,3 Pleuronectes plattessa 3.mm. 83 Drepanopsetta 45mm 5,1 Arnoglossus laterna 2. mm 6,0. Hieraus ergibt sich als mittlerer Quotient aus dem ersten Ventral- schenkel und dem längsten Siebfortsatz 6,5. Bei den Salmoniden betrug er 6,1. Die Ähnlichkeit mit den Salmoniden tritt nicht bei allen Platt- fischen gleich deutlich hervor, denn während erstere eine gewisse Gleichförmigkeit des Kiemenfilters erkennen lassen, unterliegt es bei Pleuronectiden starken specifischen Modifikationen. Diese Differenzen sind jedoch nur graduell, so daß wir die untersuchten Pleuronectiden ohne Zwang in eine Reihe ordnen können, die mit Solea lutea beginnt und mit Rhombus endet. Ich will diese Variationen an der Hand einiger Photogramme und Zeichnungen schildern. Bei Solea lutea fehlen die Siebfortsätze vollständige. Die Innen- kante der Kiemenbogen ist vollkommen glatt und leicht gekrümmt. Solea vulgaris (Fig. 31) hingegen läßt die ersten Andeutungen eines Kiemenfilters erkennen. Als primitive Knötchen (Fig. 31 $) Das Kiemenfilter der Teleosteer. 647 hervortretend sind die Siebfortsätze auf die Vorderkanten der drei ersten Kiemenbogen beschränkt (Tab. V, 33), denen sie in geringer Zahl und unregelmäßiger Anordnung aufsitzen (Tab. III). Bei Arno- glossus laterna ist nicht allein die Zahl der Siebfortsätze (Tab. III), sondern auch ihre oro-ösophageale Verbreitung (Tab. V, 32) gesteigert. Auch die Vorderkante des vierten Kiemenbogens trägt einige Sieb- fortsätze. Während sie bei Arnoglossus im allgemeinen als einfache Stacheln auftreten, treiben sie nahe der ventralen Medianlinie an korrespondie- renden Stellen des zweiten und drit- ten Kiemenbogens plumpe Gabeläste (Textfig. 15). Sind Solea vulgarıs und Arnoglos- Textfig. 15. sus laterna (Tab. V, 32, 33) durch eine Zwei gegabelte Siebfortsätze vom zweiten E ERe E 2 rechten Kiemenbogen von Arnoglossıus la- rein vorderständige Anordnung der Sieb- ern Na net. fortsätze gekennzeichnet, so machen sich bei Drepanopsetta (Tab. V, 31) Anfänge einer zweizeiligen Grup- pierung bemerkbar, indem auch an der hinteren Kante des vierten Kiemenbogens wenige kurze Fortsätze sprossen. An den Vorderkanten treten sie zahlreicher als bei andern Species auf und bilden stark komprimierte feine Stacheln (Fig. 30), die gegen den Schlund zu an Zahl und Größe allmählich abnehmen (Tab. III). Ähnelt schon Drepanopsetta manchen Salmoniden, so wird diese Übereinstimmung bei Pleuronectes platessa und limanda (Fig. 32) womöglich noch größer, so daß man die isolierten Filterapparate mangels andrer diagnostischer Merkmale nur schwer würde unter- scheiden können. In der Anordnung und Verbreitung der Siebfort- sätze harmoniert Pleuronectes platessa durchaus mit Drepanopsetta (Tab. V, 30). Ihre Form (Fig. 32) ist dagegen nicht so zierlich. Sie sind vielmehr kürzer und kräftiger, auch nicht so zahlreich als bei Drepanopsetta (Tab. III. Mit breiter Basis den vorderen Kiemen- bogenkanten ansitzend bilden sie dreieckige, seitlich komprimierte Platten (Fig. 32), deren größte Länge am ersten Kiemenbogen 3 mm beträgt. Pleuronectes limanda (Tab. III, V, 29) gleicht Pl. platessa im allgemeinen sehr, doch besitzen ihr& Siebfortsätze, deren Zahl etwas vermehrt ist, die Tendenz zu bizarren Verzweigungen (Textfig. 16). Ähnliche MiBbildungen haben auch Duncker und STEUER beobachtet. Pleuronectes mierocephala (Tab. III, V, 28), die sich den beiden andern Pleuronectes-Arten im allgemeinen anschließt, weist eine zierlichere Gestalt der Siebfortsätze auf. Interessanter erscheint mir das ver- 648 Enoch Zander, einzelte Auftreten von Siebfortsätzen an der hinteren Kante des ersten und der vorderen des fünften Kiemenbogens (Tab. V, 28), weil da- durch der Übergang zu Rhombus vermittelt wird. Während nämlich bei Pleuwronectes microcephala die hinteren Kanten des zweiten und dritten Bogens (Tab. V, 28) noch vollkommen nackt sind, tragen bei Rhombus maximus (Tab. V, 27) und /aevis sämtliche freien Kiemen- bogen zwei Reihen von Siebfortsätzen. Dabei neh- men die vorderständigen Fortsätze (Fig. 29c) gegen die Schlundpforte mehr und mehr an Länge ab. Die hin- terständigen hingegen wer- Textfig. 16. den in derselben Richtung Drei nebeneinander stehende verästelte Siebfortsätze vom immer größer, so daß sie am zweiten linken Kiemenbogen von Pleuronectes limanda. Vers: 12-1. letzten Bogen den vorder- ständigen an Umfang gleich- kommen. Obgleich dadurch der generelle Charakter des polyacanthen Filtertypus in keiner Weise irritiert wird, verwischt sich infolge der plumpen Gestaltung der Siebfortsätze bei Rhombus die Ähnlichkeit mit den Salmoniden etwas. Die Übereinstimmung des Salmoniden- und Pleuroneetidenfilters erstreckt sich aber nur auf Form, Zahl und Anordnung der Sieb- fortsätze, also diejenigen Faktoren, welche die Dichte des Filters bedingen. Seine Oberflächengröße ist in beiden Gruppen total ver- schieden. Während bei den Pleuronectiden (Tab. VII) mit Ausnahme der ersten die drei folgenden Kiemenspalten fast ganz auf den Rachenboden beschränkt bleiben, dringen sie bei den Salmoniden (Tab. VI) über das Bogengelenk hinaus sehr weit gegen die dorsale Medianlinie vor. Infolgedessen ist der mittlere Quotient aus der ventralen und dorsalen Hälfte der zweiten Kiemenspalte: | bei Salmoniden und Clupeiden nur 1,9 (Tab. VI), bei Pleuronectiden dagegen 4,9 (Tab. VII). Damit steht die dorso-ventrale Verbreitung der Siebfortsätze im engsten Zusammenhang. Bei Salmoniden usw. stehen im Mittel aller Species 30,8, der Siebfortsätze des zweiten Kiemenbogens (Tab. VI) auf dem dorsalen Bogenschenkel. Bei Pleuronectiden (Tab. VII) trägt das entsprechende Bogenstück nur 7,3 %,. Diese Differenzen beeinflussen die Ausbildung der Ossa pharyn- Das Kiemenfiter der Teleosteer. 649 gea superiora in hohem Grade. Bei den Pleuronectiden als drei Paar stark bezahnte Platten entwickelt (Fig. 32 Os), sind sie bei den Salmoniden kaum zu erkennen. _ Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Familien resultiert aus dem Verhalten der hinterständigen Fortsätze.. Den Pleuronectiden fehlen sie fast durchweg (Tab. V, 28—33.. Nur Rhombus besitzt sie an sämtlichen Kiemenbogen. Bei den Salmoniden (Tab. IV, 1—11) dagegen sind sie nur am ersten Bogen einiger Species unterdrückt. In dieser Beziehung harmonieren die Pleuroneetiden mehr mit den Clupeiden, deren hinterständige Fortsätze gleichfalls mehr oder minder verkümmern (Tab. IV, 11—13). Ferner trägt die vordere Kante des fünften Kiemenbogens der Salmoniden und Clupeiden stets Fort- sätze (Tab. V, 1—13), der Pleuronectiden aber niemals (Tab. V, 27—33). Schließlich entbehren die Siebfortsätze der Pleuroneetiden im Gegen- satz zu Salmoniden usw. fast immer der Zähnchen. Nur bei Rhombus ist ihre Innenkante reichlich mit Zähnchen besetzt (Fig. 29 c). Das Kiemenfilter der Pleuronectiden besitzt somit einen viel geringeren Flächeninhalt als das der Salmoniden. Dazu gesellt sich bei den Pleuronectiden eine mehr oder minder asymmetrische Ausbildung des Kiemenkorbes. Bereits STEUER und Duncker haben dafür Belege angeführt. Nach Duncker (9, S. 81) sind die Siebfortsätze auf der Augenseite meist etwas (um ein oder zwei) zahlreicher als auf der blinden. Ferner ist die Kiemenöffnung der Augenseite beträchtlich weiter als auf der blinden; infolgedessen muß auch der Reusenapparat der Augenseite zwecks gleicher Arbeits- leistung stärker entwickelt sein. Auch STEUER (34, S. 294) macht bei Pleuronectes passer auf die ungleiche Zahl der Siebfortsätze beider Seiten aufmerksam. An 20 Individuen stellte er als Mittelwerte fest: Augenseite Blinde Seite Differenz I. Bogen 12.1 12 0,1 II. Bogen 10,2 9,94 +0,26 III. Bogen 9,3 8,94 +0,36 U, Bogen | vorn 4,83 5,05 —0,22 hinten E 4.1 —0,1 Demnach stehen an den drei ersten Kiemenspalten der Augenseite mehr Fortsätze als auf der blinden. An der vierten Spalte ist es jedoch umgekehrt. Obgleich meine Tabelle III Ähnliches erkennen läßt, möchte ich doch auf diese geringfügigen Zahlendifferenzen keinen allzu großen 650 Enoch Zander, Wert legen, weil sie bei allen Fischen vorkommen. Wichtiger er- scheint mir die asymmetrische Lagerung der Kiemenbogen und die ungleiche Ausbildung der beiderseitigen Siebfortsätze. Da auf der flacheren blinden Seite (Textfig. 17 Bl) die Kiemenhöhle nicht so geräumig ist als auf der Augenseite (Textfig. 17 A), finden die Kiemen- bogen in ihrer ganzen Länge nebeneinander keinen Platz. Ihre ventral-medialen Enden ordnen sich daher auf der blinden Seite (Textfig. 17 Bl, K,, Ka) so tief terrassenförmig untereinander, daß bei seitlicher Ansicht des Kiemenkorbes (Fig. 29 5) die den Copulae be- nachbarten Siebfortsätze des zweiten und dritten Bogens durch die langen Stacheln des ersten Kiemenbogens nicht verdeckt werden. Auf der Augenseite (Fig. 29a) ist dies der Fall, weil hier die entsprechenden Bogenstücke mehr im gleichen Ni- veau liegen (Textfig. 17 A, K,, &)). Daran trägt aber auch zum Teil die verschiedene Länge der Siebfortsätze auf beiden Kopfseiten schuld. Bei Rhombus mazimus messen die vor- derständigen Siebfortsätze des ersten Bogens der blinden Seite (Fig. 29 b) höchstens 7,5 mm, auf der Augen- seite dagegen 9 mm (Fig. 29 a). Während die Pleuroneetiden im Bau des Filters manche Züge mit Textfig. 17. Querschnitt durch die Rachenhöhle von Arno- : : glossus laterna. Vergr. 5:1. A, Augenseite; den Salmoniden und Olupeiden Se Bl, blinde Seite; Aı, erster, X2, zweiter Kie- menbogen. meinsam haben, kann ich ähnliche Beziehungen zu den Zeiden, welche BOULENGER (9) im Anschluß an TmıLo (37) mit den Pleuronectiden als Zeorhombi vereinigt hat, nicht auffinden. Zwar schreibt STEUER dem Zeus faber ein ähnliches Filter zu wie Pleuronectes und Rhombus, aber trotz wiederholter Betrachtung kann ich mich von dieser Ähnlich- keit nicht überzeugen. Die Siebfortsätze von Zeus (Tab. IH, V, X) sind deutlich biserial geordnet und abgesehen von geringen Größen- differenzen der beiderseitigen Fortsätze, welche bei symmetrischen Filtern häufig vorkommen, an beiden Bogenkanten gleich gestaltet. Ferner besitzt Zeus nur vier Kiemenspalten, bei den Pleuroneetiden dagegen ist auch die fünfte offen. Das Kiemenfilter der Teleosteer. 651. 3. Ostariophysi. (Tab. I, IV, VII; Fig. 6-16.) Siluridae (Fig. 6—9). PoPpTa (26) hat bereits das Kiemenfilter unsres heimischen Welses (Silurus glanıs) und einer ganzen Reihe seiner exotischen Verwandten beschrieben. Obgleich die abgekürzte Darstellung und das Fehlen von Abbildungen ein sicheres Urteil nicht erlauben, scheinen doch alle diese Formen wenig interessante Verhältnisse darzubieten. Ab- gesehen von Sılurus und Wallago, deren vielfach gegabelte Fort- sätze eine mehr symmetrische Ausbildung aufweisen und Platystoma, der an den zwei ersten Kiemenbogen lange Fortsätze tragen soll, scheinen die Filter der übrigen Species dem monacanthen Typus an- zugehören (Olarias, Bagrus, Chrysichthys, Arius, Bagarius, Syno- dontis). Bei vielen dieser Species sollen die hinterständigen Fort- sätze des ersten und zweiten Bogens unterdrückt sein. Die Angaben über Sılurus, die ich allerdings nur an einem Skelet, dessen Kiemenkorb das Filterwerk noch trug, kontrolliert habe, kann ich bestätigen. Bietet das grobe Filterwerk von Sulurus wenig Bemerkenswertes, so erwies sich die Ausdehnung meiner Studien auf einige Panzerwelse, die ich zum Teil dem Naturalienkabinett in Stuttgart verdanke, als sehr glücklich. Zur Verfügung standen mir Loricarıa cataphracta, Callichthys asper und Plecostomus Com- Mmersomd. Loricaria cataphracta und Callichthys asper (Fig. 6). Im Gegensatz zu Silurus ist das Kiemenspaltensystem dieser beiden Species (Tab. VII, 8 und 9) stark verkürzt, da die mächtig entfalteten Ossa pharyngea superiora sich an der dorsalen Rachen- wand ausbreiten. Bei Loricaria sind sie mit kegelförmigen, nach hinten an Größe zunehmenden Zähnen besetzt, während Callichthys (Textfig. 15 P) an ihrer Stelle dicke weiche Polster besitzt, deren hinteren Rand zwei Reihen scharfer Zähne (Textfig. 18 Z) umsäumen. Demzufolge bleiben die dorsalen Bogenschenkel verborgen und das Filter auf die Ventralschenkel lokalisiert (Tab. VII). Das Filter ist nur grob, zeichnet sich jedoch durch mancherlei Eigentümlichkeiten aus, die ich im folgenden schildern will. Erwähnenswert sind zunächst die Lagebeziehungen der ventralen Bogenschenkel zueinander. Der zweite Bogen (Textfig. 18 II) liegt 652 Enoch Zander, bedeutend tiefer als der erste (Textfig. 18 I), der dritte mit dem zweiten in gleicher Höhe (Textfig. 18 III), während die beiden letzten wieder etwas höher verlaufen (Textfig. 18 IV, V). Auf diese Weise erhalten die beiden Kiemenkorbhälften eine muldenförmige Höhlung, an deren tiefster Stelle sich die dritte Kiemenspalte öffnet. Ihre medialen Seitenflächen sind stark abgeschrägt und ganz glatt, da hier die Siebfortsätze bei Callichthys gänzlich fehlen und bei Lori- caria bis an die Basis Jan Kiemenblättehen heruntergeschoben sind. So entsteht eine glattrandige Rinne (Textfig. 18 R), welche in die dritte Kiemenspalte binein- führt. Bei Callichthys haben sich im Bereiche dieser Spalte eigen- tümliche Bildungen differenziert. Während an den medialen Rän- dern der dritten Kiemenspalte keine Siebfortsätze gewuchert sind, treiben die der dritten Kiemenspalte zugekehrten Kan- ten der Kiemenblättchen zwei Teziz. 18 bis mehrere, übereinander lie- Sagittalschnitt durch den Kiemenkorb von Callich- 5 : 7 thys asper. Vergr. 4:1. K, Kiemenblättchen; ?, sende konische Papillen (Text- Polster der Ossa phatynaea superior, Z, Zähne fie. 18 x) welche so geordnet der Ossa pharyngea superiora; I—V, Kiemenbogen. I B 2 EN sind, daß sich die Höckerchen der vorderen Kiemenblättchenreihe zwischen diejenigen der gegenüber- liegenden Reihe einfügen. Offenbar soll dadurch der Ausfall der Sieb- fortsätze ausgeglichen werden. Ferner stehen am medialen Winkel der dritten Kiemenspalte zwei hohe weiche Hautfalten, die kulissenartig hintereinander ge- ordnet zwischen sich eine Furche bilden, welche von den Copulae her in die dritte Kiemenspalte hineinführt (Fig. 6 F). Die Bedeutung dieser Reliefbildungen entzieht sich meiner Beurteilung. Die Siebfortsätze sind spezifisch verschieden gestaltet. Bei Loricaria besitzen sie die Form kleiner dreieckiger Plättehen, zwischen deren Reihen ein Grat nur schwach differenziert ist. Sie bleiben nicht bloß auf die Kiemenbogen beschränkt, sondern verbreiten sich auch auf die Innenwand des Kiemendeckels, so daß sämtliche Spalten von zwei Seiten her geschützt sind. Die Innenkante der seitlich stark komprimierten Siebfortsätze von Callichthys (Textfig. 19) wölbt sich lateral vor und bildet kleine rauhe Polster (Textfig. 19 P). Die- Das Kiemenfilter der Teleosteer. 653 selben entwickeln sich jedoch nur auf der dem Bogengrat (Text- fig. 19 @) benachbarten Hälfte der Siebfortsätze. Ihr distales Ende _ bleibt frei und ragt als lange gekrümmte Spitze, welche durch einen tiefen Ausschnitt vom Polster deutlich abge- grenzt ist, in den Rachenraum hinein. Obgleich die Oberfläche der Polster durch dichtgestellte Wärzcehen und Knötchen stark gerauht erscheint, trägt sie doch keine wirklichen Zähnchen. Plecostomus Commersonii Val. (Fig. —9). Plecostomus ist unstreitig der interessanteste Vertreter aller von mir untersuchten Teleo- - ; A Textfig. 19. steer, denn in seinem Filter treten die innigen siebfortsätze von Cullichthys Wechselbeziehungen zwischen Dichte und Ober- en a ee flächengröße mit aller nur wünschenswerten Siehfortsätze. Klarheit zutage. Von den bisher beschriebenen Loricaridae unterscheidet sich Pleco- stomus total. Bildet die Natur bei jenen ein grobes Siebwerk vor den Kiemenspalten, so läßt sie bei Plecostomus ein äußerst feines Kiemen- filter sich entwickeln. Mit der Verengerung des Filters hat seine Flächenausdehnung gleichen Schritt gehalten, wobei fast alle Mittel, welche ich im ersten Abschnitt namhaft gemacht habe, Anwendung finden. An die Stelle der kurzen Schlitze von Lorzcarıa und Callichthys treten lange, nahezu bis an die dorsale Medianlinie vordringende Kiemenspalten, so daß die scharfwinkelig geknickten Kiemenbogen ihr Gelenk (Fig. 7 W) ungefähr in der Mitte tragen (Tab. VIII, 10). Dies ist der einzige Fall, in dem die beiden Bogenschenkel (Fig. 7 V, D) annähernd die gleiche Länge besitzen. Eine weitere Vergrößerung erfährt die filtrierende Fläche durch die eigenartige Anordnung und Ausbildung der Siebfortsätze. Der innere Bogengrat (Fig. 8 @%), der in der Regel den Charakter des Kiemenfilters nicht beeinflußt, ist bei Plecostomus mächtig gewuchert. Sieht man von der Mundhöhle her (Fig. 7) in den Rachenraum hinein, so erscheinen Boden und Decke von je fünf den dorsalen und ventralen Bogenschenkeln aufsitzenden scharfkantigen Kämmen durchzogen (Fig. 7 Gi), die gegen die Bogenenden und den Bogen- winkel sanft abfallen. Über die Seitenwand dieser Kämme verlaufen die Siebfortsätze als schmale und niedrige Leisten, die das Epithel in ein dichtes System feiner, leicht S-förmig gekrümmter Rinnen (Fig. 8 S) verwandeln und von der Gratkante bis gegen die Basis 654 Enoch Zander, der Kiemenblättchen reichen. Die Kommunikation der einzelnen Rinnen mit der Rachenhöhle vermittelt ein äußerst schmaler, unregel- mäßig konturierter Spalt (Fig. 8), da der freie Rand der Siebfortsätze verdickt und mit Zähnchen und Höckern besetzt ist. Die Rinnen gleichen also mehr unvollkommen geschlossenen Röhrchen, in die das Wasser durch feine Poren hineinsickert. Da ich an der vorderen Kante des ersten Kiemenbogens nicht weniger als 140 Siebfortsätze zählte, entsteht ein höchst kompliziertes Faltenfilter.. Von seiner zierlichen Beschaffenheit können wir uns eine rohe Vorstellung machen, wenn wir uns die Falten eines Papierfilters in zahlreiche quere Fältchen gelegt denken. Gegen die Basis der Kiemenblättchen ändert sich dieses Bild merklich. Die Leistchen (Textfig. 20 5) heben sich von ihrer Unterlage —_ N IP NM SC >? Textfig. 20. Sagittalschnitt durch den Rachenboden von Plecostomus Commersonüi. @, Bogengrat; A, Kiemenblättehen; Kb, Kiemenbogen; Kd, Kiemendeckel; At, Kiementasche; Oi, Ossa pharyngea inferiora; S, Siebfortsätze; I—-V, Kiemenbogen. Vergr. 5:1. F, Filterfurche; ab, um als säbelartig gebogene Fortsätze, welche die Basis der Kiemenblättehen (Textfig. 20 K) eine Strecke weit überdecken, frei in die Kiemenspalten vorzuragen. Indem sich ihre Spitzchen anein- ander legen, entstehen zwischen den Kiemenbogen ziemlich tiefe Furchen (Textfig. 20 F), deren solide Seitenwand durch das Rinnen- system des Kiemenbogenepithels gebildet wird, während die freien Leistenspitzen den Boden als feines Gitter absperren. Durch ihren Gitterboden kommuniziert die Filterfurche, welche die innere Hälfte der Schlundtasche repräsentiert, mit der äußeren Hälfte derselben, die von den Kiemenblättehen umgrenzt wird (Textfig. 20 Kt). Infolge der eigenartigen Anordnung der Kiemenblättchen hat sie die Form Das Kiemenfiter der Teleosteer. 655 einer schmalen Tasche (Kiementasche) angenommen. In der Regel stehen die vorder- und hinterständigen Kiemenblättchen vollkommen parallel zueinander, so daß die Blättchen sämtlicher Kiemenbogen einen einheitlichen Haufen bilden. Bei Plecostomus dagegen (Text- figur 20 X) convergieren die Kiemenblättchen gegenüberliegender Bogenkanten. Dadurch, daß ihre distalen Enden aneinander stoßen, kommen die Kiementaschen zustande (Fig. 9 I—IV). Nur die erste und fünfte Kiemenspalte entbehren eines derartigen Abschlusses gegen die Kiemendeckelhöhle, da zu ihnen nur je eine Kiemenblättchen- reihe gehört. Die drei mittleren Kiemenspalten hingegen bestehen aus zwei ineinander geschobenen, sichelförmig gekrümmten Abtei- lungen, der medialen Filterfurche und der lateralen Kiementasche (Textfig. 20 F’ und Kt). Ebenso merkwürdig wie seine Anordnung ist auch die Struktur des Filters. Auf Querschnitten durch den Kiemenbogen erkennt man, daß dem knöchernen Kiemenbogen (Textfig. 20 Kb) ein hoher keilför- miger Grat (Textfig. 20 @) aus lockerem, weitmaschigem Bindegewebe aufgelagert ist. Dichtere, parallele Faserzüge (Textfig. 21a, D) verbin- den das oberflächliche Filterwerk mit dem Bindegewebspolster. Auf transversalen Längsschnitten, die oberhalb des Kiemenbogenskeletes geführt sind, sehen wir, daß die Schleimhaut hohe, gegen ihren freien Rand sich verdickende Falten bildet (Textfig. 21a, S). Um ihnen Halt zu verleihen, haben sich aus dem unterliegenden Bindegewebe Stütz- lamellen differenziert (Textfig. 21a, Si), die aus dichtfaserigem Gewebe bestehend sich an mit Boraxkarmin gefärbten Schnitten durch eine leb- haft rote Färbung sehr deutlich von ihrer Umgebung abheben. Auch diese Stützlamellen, die parallel zum Epithel verlaufen, sind rinnen- förmig gekrümmt. Im Boden der Rinnen (Textfig. 21a, Fr) am stärk- sten, verjüngen sie sich gegen den freien Rand der Siebfortsätze (Textfig. 21a, 8). | Auf Schnitten, welche in der Höhe des Kiemenbogenknochens (Textfig. 215, Kr), bevor sich die Epithelleisten von ihrer Unter- lage ablösen, geführt sind, tritt ein neues histologisches Element auf. Während die faserigen Stützlamellen (Textfig. 215, St), beson- ders in ihren lateralen Partien, schwächer werden, entwickeln sich zwischen ihnen in der basalen Hälfte der Siebfortsätze (Textfig. 21, 8) dünne Knochenplättchen (Textfig. 215, Sk), deren Basalscheibe durch eine breite Bindegewebslage (Textfig. 215, 5) vom Kiemenbogen- skelet (Textfig. 215, Kn) getrennt ist. Je mehr sich unsre Schnitte dem Ende der Leisten nähern, um so weiter dringen die Knöchelchen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 43 656 Enoch Zander, gegen den Leistenrand vor, wobei sich ihre äußere Partie stark verdickt (Textfig. 21ec, Sk). In dieser Form gehen sie auch in die freien N ® S= NOIR De - III ET Textfig. 21a—c. Drei Transversalschnitte durch einen Kiemenbogen von Plecostomus Commersonii. Vergr. 40 :1. ad, nahe der inneren Bogenkante, b, in der Höhe des knöchernen Kiemenbogens, c, nahe der Basis der Kiemenblättehen. B, parallelfaseriges Bindegewebe; Fr, Filterrinne; @, weitmaschiges Binde- gewebe des Bogengrates; Kb, Kiemenbogenskelet; Af, Kiemengefäße; S, Siebfortsätze; Sk, Knochen der Siebfortsätze; St, Stützlamellen der Siebfortsätze. Enden der Siebfortsätze (Textfig. 21c, Sk) über, lateral flankiert von dünnen bindegewebigen Stützlamellen (Textfig. 21e, St). Die oro-ösophageale Verbreitung dieses Filterwerkes ist sehr aus- gedehnt, da nicht allein sämtliche Kiemenbogen mit Faltensäumen Das Kıerenhller er Pelcosteer. 657 belegt sind, sondern auch an der Kiemendeckelbasis (Textfig. 20 Kd) sich unmittelbar über der Opereularbranchie ein wohlentwickeltes Falten- system findet. Infolgedessen bleibt für die Ossa pharyngea wenig Platz. Ein kleines rauhes Plättchen repräsentiert jederseits das Os superius, wenige Zähnchen am Hinterrande der fünften Kiemenspalte deuten die Ossa inferiora an. Ihre starke Reduktion ist um so auffallender, als mit ähnlich dichten Filtern stets dicke Polster auf den Ossa pharyngea superiora zum raschen Abpressen des Wassers vereinigt zu sein pflegen. Selbst Callichthys, dessen Filter bei weitem nicht so dicht ist als bei Plecostomus, besitzt sie. Bei Plecostomus hat die Natur einen andern Modus zur Beschleunigung der Weasserfiltration er- sonnen. Die beiden Schenkel jedes Bogens sind derart gegeneinan- der verschoben, daß beim Schließen des Rachens sich die Dorsal- schenkel (Fig. 7 D) in die ventralen Filterfurchen (Fig. 7 F) hineinlegen, wie die Klinge eines Messers in das Heft einschlägt, und das Wasser aus dem Rachen heraustreiben. Cyprinidae. (Tab. I, IV, VIU; Fig. 10—16.) Das Kiemenfilter einiger Cypriniden habe ich bereits in meiner Studie über dieses Organ bei Süßwasserfischen geschildert. Susra (35) beschrieb das Kiemenfilter von Cyprinus carpio, POPTA (26) unter- suchte Capoeta gotschaica, Barbus eupratistis und callensis, Leuciscus rutllus, Oyprinus erythrophthalmus und tinca, Abramis brama und Alburnus lucidus. Durch erneute Untersuchungen konnte ich meine früheren Beobachtungen wesentlich erweitern. Bei allen Cypriniden hat die Natur das Bestreben, die Kiemen- spalten durch dichte Filter zu sperren, deren Bildung hauptsächlich den ventralen Bogenschenkeln zufällt, da die dorsalen durch Diffe- renzierungen des Gaumens verdeckt werden. Trotzdem ergeben sich mancherlei Differenzen. Bei Squalius, Leueiscus, Cobitis u. a. ist die filtrierende Fläche relativ klein. Die nur wenig gekrümmten Ventral- schenkel (Fig. 10 V) liegen fast horizontal und sind relativ kurz. Ihre Verbindung mit den Dorsalschenkeln (Fig. 10 D) erfolgt durch ein deutliches Winkelgelenk (Fig. 10 W). Andre Formen hingegen (Oyprinus, Carassius, Abramis usw.) besitzen große Filter. Da aber die dorsalen Bogenschenkel unter den Gaumenpolstern verborgen sind, geschieht die Vergrößerung der Filterfläche im Gegensatz zu Pleco- stomus durch Verlängerung der ventralen Bogenschenkel. Hand in Hand geht damit eine starke Krümmung dieser Bogenstücke (Fig. 15 V), 43* 658 Enoch Zander, die halbkreisförmig anal-dorsal ansteigen. Dadurch wird ihre winke- lige Verbindung mit dem dorsalen Schenkel fast ganz verwischt. Bei Carassvus sind diese Modifikationen ins Extrem gesteigert. Die gröbere oder feinere Struktur hängt auf das engste mit Länge und Verlauf der Kiemenbogen zusammen. Bei Leuciscus, Squalius, Cobitis (Tab. I) usw. fügen sich relativ wenige, einfach ge- staltete Siebfortsätze zu einem lockeren Siebwerk zusammen (Fig. 15). Andre Species dagegen besitzen dichtere Filter. Die meisten Sieb- fortsätze tragen Carassius und Chondrostoma (Tab. ]). Die Verengerung des Filters erfolgt bald ausschließlich durch Vermehrung der Siebfortsätze (Chondrostoma), bald durch Steigerung ihrer Zahl und sekundäre Modellierung (Tinca, Cyprinus, Abramıs, Carassius). Die sekundäre Differenzierung der Siebfortsätze unterliegt großen spezifischen Schwankungen. Die kleinen Siebfortsätze von Barbus fluviatilis (Fig. 11) sind konisch zugeschnitten, so daß die Kanten jedes Kiemenbogens von innen betrachtet, wie eine Säge gekerbt erscheinen. Die Fortsätze der einzelnen Bogen schieben sich mit ihren glatten Flächen so eng inein- ander, daß nur in den Winkeln zwischen den Siebfortsätzen kleine Löcher für den Durchtritt des Was- sers frei bleiben (Textfig. 22a). Auch bei Squalius sind die Siebfortsätze einfach gestaltet und stehen als seit- lich komprimierte, dreieckige Vor- sprünge in lockerer Anordnung an beiden Bogenkanten. Die Formwandlungen, welche die Siebfortsätze der übrigen Cypri- niden erleiden, vollziehen sich in zwei Richtungen. ; Im einfachsten Falle, z. B. bei Textfig. 22. Cobitis und Alburnus, besitzt die- a Se Innenfläche der Siebfortsätze ein fein- ea gerauhtes Aussehen. Stärker tritt dies bei Tinca hervor. Bei ihr treibt die innere Schmalkante der seitlich stark komprimierten Fortsätze zahlreiche Knötchen, welche ein seitlich wenig vorspringendes, gebuckeltes Polster bilden. Cyprinus und Carassius zeigen diese Das Kiemenfilter der Teleosteer. 659 Differenzierung in stärkerer Entwicklung. Beim Karpfen (Fig. 12) fallen die Siebfortsätze als dreieckige, seitlich stark komprimierte Platten auf, die den Kiemenbogen mit breiter Basis ansitzen. Ihre mediale, in die Rachenhöhle schauende Schmalkante ist polsterartig verbreitert. Der Epithelüberzug dieses Polsters bildet, besonders am Polsterrande, zahlreiche steeknadelkopfförmige Erhebungen, die dem- selben ein gebuckeltes Aussehen verleihen und seine Randkontur tief eingekerbt erscheinen lassen (Textfig. 225). Da die Siebfortsätze benachbarter Kiemenbogen ineinander greifen, werden die Spalten zwischen den Siebfortsätzen durch die sich berührenden peripheren Vorwölbungen der Polster in ein unregelmäßiges Lückensystem ver- wandelt (Textfig. 22). Carassius (Fig. 14) besitzt unter allen Cypriniden das dichteste Filter. Die Siebfortsätze, nach der gleichen Grundform gebaut wie bei Cyprinus, sind lang und so dicht gestellt (Textfig. 22c), daß sie in ihrer Gesamtheit eine über den vorderen und hinteren Kiemen- bogenrand vorspringende Platte zu bilden scheinen. Dadurch, daß die aneinander stoßenden Ränder der Siebfortsätze einer Kiemen- bogenkante, wie bei andern Cypriniden zierlich gebuckelt sind, ent- steht zwischen den Siebfortsätzen ein unregelmäßiges, aber äußerst feines Porensystem, das selbst die kleinsten Futterpartikelchen in der Rachenhöhle zurückhalten muß. Die seihende Oberfläche dieses Filterapparates ist in sinnreicher Weise vergrößert. Die Kiemenbogen liegen weit auseinander, so daß nur die konisch zugeschnittenen Spitzen der Siebfortsätze (Textfig. 22c) ineinander greifen. Vergleicht man die Kiemenspaltendiagramme in Textfig. 225 und c, so ist leicht einzusehen, daß schon durch diese Anordnung die Fläche des Kiemen- filters von Carassius gegenüber Oyprinus um das Doppelte vergrößert wird. Eine weitere Steigerung erfährt sie durch die eigentümliche Stellung der Siebfortsätze. Sie liegen nicht in einer Ebene, sondern ragen derart in die Rachenhöhle hinein, daß die vorder- und hinter- ständigen Vorsprünge je zweier Kiemenbogen convergieren und, indem sie mit den Spitzen ineinander greifen, Falten bilden (Fig. 14), die bogenförmig die laterale Rachenwand umziehend den Zugang zu den Kiemenspalten versperren. Der Siebapparat von Carassius gleicht demnach ebenso wie bei Plecostomus täuschend einem Faltenfilter, aber während bei Plecostomus die Falten zwischen den Kiemenspalten verlaufen, liegen sie bei Caressius vor ihnen. Etwas anders sind die Siebfortsätze von Leueciscus, Chondrostoma, Abramis, Blicca u. a. gestaltet. Bei ihnen erstreckt sich die Polsterung 7 660 Enoch Zander, der medialen Fortsatzkante wie bei Callichthys (Textfig. 19) nicht bis an das distale Ende der Siebfortsätze, so daß die Spitzen der- selben frei in den Rachenraum vorragen. Bei Leuciscus (Fig. 15) ist das Polster nur schwach entwickelt und die Spitze der locker ge- stellten Siebfortsätze sehr fein. Chondrostoma hingegen zeichnet sich durch zahlreiche, dicht gedrängte Fortsätze aus, deren Polster nicht horizontal von den Kiemenbogen abgehen, sondern sehr stark gegen die Kiemenblättchen geneigt sind. Ihre freien Spitzen sind aber gegen die Rachenhöhle gekrümmt. Bei Abramis (Fig. 16), mit dem Blicca übereinstimmt, laden die Polster breit nach den Seiten aus, berühren sich aber nicht, da die Siebfortsätze weiter stehen als bei Cyprinus. In die dadurch entstehenden Lücken schieben sich die Spitzen gegenüberliegender Siebfortsätze hinein. In oro-ösophagealer Richtung verbreiten sich die Siebfortsätze aller Cypriniden über sämtliche verfügbare Bogenkanten. Ein wechselndes Verhalten zeigen nur die vorderständigen Siebfortsätze des ersten Kiemenbogens. In der Regel schwächlich und durch den Druck des Kiemendeckels deformiert fehlen sie bei Cobetis ganz, während sie bei Alburnus zu langen Stacheln ausgewachsen sind. Es leuchtet ein, daß der feine Verschluß der Kiemenspalten das rasche Filtrieren des Atemwassers außerordentlich erschweren würde, wenn nicht Einrichtungen vorhanden wären, welche das Wasser durch die Kiemen hindurch treiben. Unzweifelhaft dient dazu ein diekes muskulöses Polster, das der Schädelbasis innerhalb des Kiemen- korbes anliegt. Über die Bedeutung dieses Organs waren die An- sichten bisher sehr geteilt. HEInckE (15, S. 514) erwähnt beiläufig, daß die Mucosa der Schlunddecke am Eingange in die Kauhöhle ein stark muskulöses Polster bildet, welches höchst wahrscheinlich einen vollständigen Abschluß der letzteren nach dem Kiemenapparat herbei- führen könne. GÜNTHER (12) deutet das Polster als Geschmacksorgan, da er im Gewebe desselben zahlreiche Nerven erkannte. Eine merk- würdige Erklärung gibt Susta (35), deren Verständnis durch die unbeholfene Darstellung sehr erschwert wird. Er schreibt: »Der obere und innere Teil der Schädelhöhle breitet sich mächtig und gewölbt aus. Ein Wulst von äußerst zartem und lockerem Gewebe hat hier seinen Sitz. Obwohl diese Fleischmasse ziemlich gespannt und resistent ist, gibt sie dennoch im ganzen, wie in ihren einzelnen Partien dem Druck fremder Körper, an welche sie sich anschmiegt, nach und dringt so innig in deren Öffnungen ein. Beim Schließen des Maules schmiegt sich das Polster so innig in alle Öffnungen des Das Kiemenfilter der Teleosteer. 661 Kiemenapparates ein, daß es schließlich in dem ganzen Maul- keine Lücke gibt, welche die sich anschmiegende, elastische Masse des Gaumenwnulstes nicht ausgefüllt hätte. Es ist klar, daß sich auf diese Weise eine so ausgezeichnete Klappe bildet, wie man sie sich gegen- über der äußeren Einwirkung in der Richtung gegen die Kiemen- öffnungen und den Schlund nicht besser denken kann. Sobald sich diese Klappe anlegt, ist jede Verbindung der Teile nach außen unter- brochen. Wenn nun in einem solchen Falle der Fisch den Rüssel aus- streckt, muß in das Innere dieser wasser- und luftleeren Röhre: alles eindringen, was die Mundöffnung umschließt.ce Wenn ich diese Schilderung richtig verstehe, so will Susta das Gaumenpolster als eine Art Ventil angesehen wissen, das die Mund- und Rachenhöhle caudal absperren soll, damit beim Öffnen des Mundes, wie in einen Heber, Wasser und feste Substanzen eindringen können. SusrtA über- sieht dabei aber meines Erachtens, daß beim Öffnen des Mundes sich auch der Rachenboden vom Gaumenpolster entfernt, so daß es un- möglich als Verschluß wirksam sein kann. Ein derartiger Verschluß wird dadurch bewirkt, daß nach Entleerung des Rachenraumes der weiche Kiemendeckelrand durch den Druck des umgebenden Wassers an die Körperwand angepreßt wird. Wenn das Polster wirklich den Wert hätte, den Susta ihm zuerkennt, so ist es doch merkwürdig, warum es den meisten Fischen fehlt. _ Auch als Geschmacksorgan können wir das Polster nicht auf- fassen. Wie ich bereits früher geschildert habe, ist es aus quer- gestreiften Muskelfasern zusammengesetzt, die in lockerer Anordnung senkrecht und parallel zur Schleimhaut verlaufen. Die Lücken zwischen den Muskelzügen sind in der dem Epithel zunächst liegen- den Partie durch dichtes fibrilläres Bindegewebe, gegen die Schädel- basis zu durch Fettgewebe ausgefüllt. Zahlreiche nach allen Seiten ausstrahlende Nervenäste durchsetzen das Polster. Ihre Endfasern treten mit Sinngsorganen in Verbindung, die in großer Zahl in der Schleimhaut liegen. Wenn diese Nervenendapparate auch vielleicht Geschmackswahrnehmungen vermitteln, so darf man das Polster doch noch nicht als Geschmacksorgan ansprechen, da die gleichen Sinnes- organe in der ganzen Mund- und Rachenhöhle verbreitet sind, ja ‚sogar außen in der Epidermis des Kopfes, besonders zahlreich um den Mund herum, auffallen. Ich glaube, daß meine oben gegebene Deutung den funktionellen Wert des Gaumenpolsters viel besser trifft. Es dient in erster Linie zur Beschleunigung der Wasserfiliration, indem es sich bei geschlossenem Munde den Kiemenbogen so innig 662 Enoch Zander, anschmiegt, daß man an konservierten Fischen nicht selten die Ein- drücke der Siebfortsätze in das Polster wahrnimmt. Dabei wird sicherlich die Wirksamkeit des Polsters durch die Kontraktionen seiner Muskelzüge wesentlich erhöht. Ein ähnliches, aber weit schwächeres Polster sah ich als schmalen Kamm auf den Copulae der drei letzten Kiemenbogen. Durch die wellenförmigen Kontrak- tionen beider Polster werden wahrscheinlich die vom Wasser befreiten Nahrungsteilchen an den hinter dem Kiemenkorbe gelegenen Kau- apparat befördert!. Nach Susta kommt das Gaumenpolster nicht allen Cypriniden zu. Bei Scardinius erythrophthalmus, Leuciscus rutilus und Squalius a I = S 2 WON F 1 de, 6 / ', 0 vu Textfig. 23. a, Querschnitt durch den Kopf von Cyprinus carpio. ?/s nat. Größe. b, von Squalius cephalus. Nat. Größe. G, Gaumenpolster; X, Kiemenbogen. cephalus soll es fehlen und die Rachendecke nur mit einer starken Membran bekleidet sein. Susta bringt diesen Befund mit der herbivoren Lebensweise und dem weitmaschigen Filter dieser Fische in Zusammenhang. Letzteres trifft zwar zu, aber das Fehlen des Gaumenpolsters kann ich nicht bestätigen. Alle von mir untersuchten Cypriniden besitzen es, bei Leueiscus und: Squalius jedoch verhält es sich zu seiner Umgebung anders als bei Oyprinus, Abramis, Carassius usw. Bei letzteren setzt es sich als ein stark in die Rachenhöhle vorspringendes Kissen (Textfig. 23a, G@) deutlich vom 1 Siehe ZANDER (39) S. 245. Das Kiemenfilter der Teleosteer. 663 umgebenden Epithel ab. Das Gaumenpolster von Leueiseus, Squalius und wahrscheinlich auch Scardinius, den ich nicht untersuchte, da- segen verstreicht ganz allmählich in das benachbarte Rachen- und Mundhöhlenepithel (Textfig. 235, @) da es auch vielleicht nicht ganz so hoch sein mag, fällt es bei diesen Species wenig auf. Sein differentes Verhalten ist nun aber weder durch die Nahrung noch durch die wechselnde Beschaffenheit des Filters, sondern einzig und allein durch die Form des Rachenraumes bedingt. Bei Uyprinus, Carassius, Abramis und allen Cypriniden mit kissenförmigen Gaumenpolstern steigen die ventralen Bogenschenkel (Fig. 13v) mit starker lateraler Krümmung gegen den Gaumen an und umspannen eine stark gewölbte Höhlung (Textfig. 23«). Der Rachenraum von Leueiscus und Squalius (Fig. 10, Textfig. 235) aber ist infolge der winkeligen Knickung der Kiemenbogen dorsoventral abgeflacht. Daher ist der Abstand der filtrierenden Fläche vom Gaumen bei Cyprinus usw. viel beträcht- licher als bei Sgqualius und Leuciscus (Textfig. 23). Es würde also bei ersteren der Siebboden des Rachens dem Gaumen nicht angelegt und der Inhalt des Rachens nicht vollständig ahgepreßt werden können, wenn das Gaumenpolster sich nicht über die Rachenschleimhaut er- höbe, während die flachere Rachenhöhle von Zeuciscus und Squalius dies ohne weiteres gestattet. 4. Apodes. (Fig. 38.) Bei Anguilla vulgarıs, Conger vulgarıs und Muraena helena habe ich keine Spur von Siebfortsätzen entdecken können. Infolge- dessen hat sich auch der innere Bogengrat nicht differenziert, so daß die Innenkante der Kiemenbogen vollkommen glatt ist. Die Kürze der Kiemenspalten läßt das Fehlen der Siebfortsätze verständlich er- scheinen. Bei Anguilla und Conger, deren Kiemenspalten relativ lang sind, bilden die Kiemenbogenränder, besonders im Bogenwinkel, saumartige Falten, die ein innigeres Anschmiegen der Kiemenbogen ermöglichen. Die Rachenwand von Muraena helena durchbrechen nur winzige ovale Löcher, die keines sekundären Schutzes bedürfen. Die Mundränder und der Vomer sind in spezifischer Weise mit Zähnchen besetzt. Charakteristisch ist für alle Apodes die Reduktion der Ossa pharyngea superiora auf ein Paar, die ebenso wie die Ossa pharyngea inferiora eine schmale, langgestreckte Gestalt besitzen. Diese Befunde stimmen mit den Angaben von. Popra (27), der den Kiemenbogen der Muräniden eine ganze Abhandlung widmete, 664 - Enoch Zander, überein. Allerdings sehe ich von dem hinterständigen glatten Fort- satz, den PoprA am ventralen Ende des ersten und zweiten Kiemen- bogens bei Conger und Muraenesox zefunden hat, bei meinem Exemplare von ÜÖonger nichts. 5. Haplomi. Esox lucius (Textfig. 24), den ich bereits vor 3 Jahren untersuchte, ist durch die Differenzierung des Mund- und Rachenhöhlenreliefs auf den ersten Blick als arger Räuber charakterisiert. Gegenüber ANAY > 4, Ada | a 44 h al >, > N, 4 A 444 4 N IR uw aa Kar 4 Rn N: 44 Au "a N a N 4 A Y AA A Ak A4A ' a Casa AA 5 vun A AEDEIEDERIR 2 221 ER, PR un BaRRGER FIR Hr ZI] ZUh, 24. Stück eines Kiemenbogens von 2sox lucius. Vergr. 10:1. a, Kieme; k, Basalscheiben der Siebfortsätze. dem spärlich bezahnten Prämaxillare trägt das Dentale lange, scharfe Zähne, deren Länge gegen die Kieferspitze abnimmt. Auch Vomer und Palatina sind in ihrer ganzen Ausdehnung mit nach hinten um- klappbaren Zähnen besetzt. | Die Ränder der langen, über das Bogengelenk vordringenden, Kiemenspalten deckt eine gedrängte Reihe ganz flacher, nahezu quadratischer Platten, auf deren Oberfläche scharfe, gegen den Bogen- grat an Länge zunehmende Zähne stehen. Mangels ausreichenden Vergleichsmaterials habe ich, wie auch PoPTA, seinerzeit diese Knochen- scheiben als selbständige Bildungen den Siebfortsätzen gegenüber gestellt. Als Fortsätze kann man diese Gebilde auch kaum ansprechen. Trotzdem möchte ich sie entgegen meiner früheren Auffassung den Siebfortsätzen andrer Teleosteer homologisieren, nachdem ich mich an vielen Beispielen überzeugt habe, daß es zwischen frei vorragen- den Fortsätzen und flachen Scheiben alle erdenklichen Übergänge Das Kiemenfilter der Teleosteer. 665 gibt. Auch die Zähnchenplatten von Esoxr werden wir am besten als sehr breit entwickelte Basalplatten von Siebfortsätzen deuten, deren distaler Kopf nicht zur Ausbildung gelangte. 6. Catosteomi. (Tab. I, IV, X; Textfig. 25.) Die Filter der untersuchten Species sind nach zwei verschiedenen Typen gebaut, die Gasterosteidae besitzen ein lockeres dimorph- monacanthes Filter, das ausschließlich auf die ventralen Bogenschenkel beschränkt ist (Tab. X, 2) und keine bemerkenswerten Besonderheiten aufweist. Interessanter ist das Relief der inneren Kiemenbogenkanten bei den Syngnathidae (Textfig. 25) Syngnathus und Hippocampus zeigen große Übereinstimmung im Bau des Kiemenfilters. Öffnet man den Rachen nach Entfernung der Schädelkapsel vorsichtig von der Dorsalseite her, so erscheint sein ventral-lateraler Teil jederseits von der wulstig vorspringenden Copularzone (Textfig. 25 Co) seicht muldenartig vertieft. Die Wand dieser Mulde wird von fünf kur- zen Schlundspalten durchbrochen, unter denen besonders die erste durch ihre starke Reduktion auf- fällt. Von den Kiemenbogen sind nur die Ventralschenkel frei, deren Innenkante ein hoher nach hinten überhängender Grat (Textfig. 25 G?) krönt. Zu den Siebfortsätzen hat er aber keine Beziehungen, da sie viel tiefer von der Bogenwand Textfig. 25. entspring en. Linke Hälfte des Kiemenkorbes von Hippocampus. Die Siebfortsätze stehen in Vergr. 20:1. Co, Copulae; @?, Bogengrat; i . Kd, Kiemendeckel. biserial-symmetrischer Anordnung an sämtlichen Kiemenspaltenrändern. Selbst der Kiemendeckel (Textfig. 25 Kd) treibt einige Vorsprünge. Als glatte, konische Spitzen ragen sie mehr oder weniger steil in den Rachenraum hinein. Mit der Verengerung der Schlundspalten harmoniert die Differen- 666 Enoch Zander, zierung der übrigen Teile der Kopfdarmhöhle, denn Zähnchen sind weder am Mundrande noch vor der Schlundpforte vorhanden. 7. Peresoces. (Tab. I. IV,:%; Bis. 27,28) Wenn ich von den Anabantidae, welche ich später mit den Ösphromenidae zusammen behandeln will, absehe, begegnen uns - unter den Peresoces nur dimorphe Filtertypen. Die Scomberesocidae (Belone, Exocoetus) besitzen dimorph- monacanthe Filter von geringer Dichte und Oberflächengröße (Tab. II, IV, X,), welche an die bei Acanthopterygii häufig wiederkehrenden Verhältnisse erinnern und bereits von meinen Vorgängern beschrieben worden sind. Ihre Bildung fällt infolge der starken Entwicklung der Ossa pharyngea superiora fast ganz den ventralen Bogenschenkeln zu (Tab. X,). Die Zahl der Ossa pharyngea superiora ist auf zwei Paar reduziert, von denen bei Belone und Exocoetus das hintere längere und stärkere Zähne als das vordere trägt. Die Ossa pharyn- sea inferiora bilden eine einheitliche dreieckige Platte, welche den Raum zwischen den beiden letzten Kiemenspalten vollständig bedeckt. Auch ihr Zahnbesatz nimmt gegen den Schlund an Größe und Höhe der einzelnen Zähne zu. Die Kiemenfilter der Ammodytidae und Mugilidae gehören dem dimorph-polyacanthen Typus an, denn sie tragen an den drei ersten Kiemenbogen lange vorderständige Stacheln.. Bei Ammo- dytes tobianus (Tab. II, IV, 34) sind die drei ersten Kiemenbogen mit langen gezähnelten Stäbchen bewehrt, die am vierten Bogen zu niedrigen glatten Vorsprüngen zusammenschrumpfen. Die Hinter- kanten bleiben glatt mit Ausnahme der des dritten Bogens, welche den vorderständigen ähnliche Fortsätze trägt. Die Zahl der Siebfort- sätze ist nicht groß und ihre Verbreitung im Rachenraum beschränkt (Tab. IV, 34), da die zweite bis fünfte Kiemenspalte fast ganz boden- ständig sind und die fünfte jeden Schutzes entbehrt. Mugilidae (Fig. 27 und 23). Auch bei Mugel cephalus, dessen Filter schon von TROSCHEL, GÜNTHER, PoprA und STEUER kurz beschrieben worden ist, prä- dominieren die vorderständigen Siebfortsätze der drei ersten Kiemen- bogen (Textfig. 26 7-IIl). Mehr als diese Eigentümlichkeit springt jedoch die gedrängte Anordnung der Siebfortsätze und die enorme Vergrößerung der Filterfläche in die Augen. Wie ich später Das Kiemenfilter der Teleosteer. 667 schildern werde, erfordert die Lebensweise der Meeräsche einen sehr engen Kiemenspaltenverschluß, den die Natur genau wie bei Carassius usw. durch starke Verschmälerung und Vermehrung der Siebfortsätze erreicht. Die Form der Siebfortsätze ist an allen Kiemenbogen im Prinzip gleich. Sie bilden (Textfig. 26 S) dünne, messerförmige Plättchen, deren Breitseite nahe der Innenkante mit zahlreichen gegen die Rachenhöhle gerichteten Zähnchen- besetzt ist. Textfig. 26. Transversalschnitt durch die rechte Hälfte des Kiemenkorbes von HMugil cephalus. Vergr. 3:1. K, Kiemenblättehen; S%, hinterständige, Sv, vorderständige Siebfortsätze; I—V, Kiemenbogen. Differenzen ergeben sich hauptsächlich aus der Länge der vorder- und hinterständigen Siebfortsätze an den einzelnen Bogen. Am ersten Kiemenbogen (Textfig. 26 I) erreichen die hinterständigen Fortsätze (Sh) etwa 1/; der Länge der vorderständigen Vorsprünge (Textfig. 26 I 8»). An den beiden nächsten Bogen (Textfig. 26 IT und IIT) sind sie etwa !/a so lang. Infolgedessen fällt in diesem Bezirk des Kiemenkorbes der Spaltenverschluß vorzüglich den Fortsätzen der vorderen Bogen- kanten zu, während an den beiden letzten Bogen sich beide Plättchen- reihen gleichmäßig am Filtersystem beteiligen (Textfig. 26 IV und P)). 668 ‘° Enoch Zander, Ihre Zahl ist sehr groß. Am zweiten Kiemenbogen stehen auf jedem Millimeter vier, am vierten Bogen fünf Eauche so daß 0m Besatz jedes Bogens um 150 schwankt. Die Vergrößerung der filtrierenden Fläche wird einmal, wie bei Carassius, dadurch erzielt, daß die Kiemenbogen auseinander rücken und die Siebfortsätze sich nur mit den Spitzen berühren (Textfig. 26). Ferner ist bei Mugel das fünfte Bogenpaar in zwei muldenförmig - gehöhlte Platten (Fig. 27 V, Textfig. 26 V) umgewandelt, über deren konkave Innenfläche die Siebfortsätze als schmale Leisten hinziehen (Textfig. 26 V, Sv), so daß das Epithel von einem feinen Rinnensystem durchfurcht wird, genau wie bei Plecostomus. Hiermit nicht zufrieden trachtet die Natur, das Filter durch Ver- längerung der Bogen und Spalten in dorso-ventraler Richtung zu vergrößern. Dabei bieten sich ihr aber große Schwierigkeiten. Um durch das dichte Filter das Wasser rasch hindurchzutreiben, sind die Ossa pharyngea superiora (Fig. 27 Os) in mächtige weiche Polster verwandelt, deren Oberfläche mit feinen hornigen Papillen bedeckt ist. Ihre Ausbildung hindert die Ausdehnung der Spalten über die Bogenwinkel hinaus. Die freien Stücke der dorsalen Bogenschen- kel sind minimal klein. Trotzdem sind die Kiemenspalten und -Bogen bei Mugil, wie die Außenansicht des Kiemenkorbes in Fig. 28 deut- lich erkennen läßt, sehr lang, weil sich die Ventralschenkel (Fig. 28 7) kolossal gestreckt und lateral-dorsal aufgekrümmt haben. Die Länge des ersten Ventral- schenkels beträgt 33 mm; bezo- sen auf die seitliche Kopflänge (65 mm) resultiert als Quotient 1,8. Bei Zoarces dagegen mit grobem Textfig. 27. Filter beträgt er beispielsweise 2,8. Seitenansicht des Kismenkornes] nach Entfernung Die starke Krümmung der ver- des Kiemendeckels: a, von Mugil cephalus. b, von Zoarces viviparus. Nat. Größe. längerten Ventralschenkel, welche eine seitliche Ausbuchtung der Rachenhöhle zur Folge hat (Fig. 27), wirkt modifizierend auf die Stellung der Siebfortsätze. Während die beiderseitigen Fortsätze des Das Kiemenfilter der Teleosteer. 669 ersten Bogens (Textfig. 26 7) unter einem sehr spitzen Winkel auf der inneren Bogenkante stehen, sind die hinterständigen Siebfortsätze des zweiten und dritten Kiemenbogens. (Textfig. 26 II und III S%h) so weit gegen die Insertionslinie der Kiemenblättchen heruntergedrückt, daß sie .mit den Vorderständigen (Sv) einen gestreckten Winkel bilden. Von den beiden letzten Bogen (Textfig. 26 IV und V) da- gegen Springen sie nahezu horizontal vor. Auch am unverletzten Kopfe macht sich die lateral-dorsale Biegung der Kiemenbogen in der Verbreiterung der Oceipitalregion bemerkbar. Die dorsale Partie des Kiemendeckels ist aufgetrieben. Schneidet man den Kiemendeckel weg, so sieht man sehr deutlich (Textfig. 27), daß die Kiemendeckelhöhle sich bei Mugzel dorsalwärts weiter ausbuchtet, als bei andern Teleosteern, um Raum für die stark sekrümmten Kiemenbogen zu schaffen. Zieht man am oberen Rande der Kiemendeckelhöhle eine Linie parallel zur dorsalen Schädelwand, so fällt ihre Verlängerung z. B. bei Zoarces (Textfig. 27 db) ungefähr mit dem unteren Augenrand zusammen, bei Mugel (Textfig. 27 a) trifft sie den oberen Augenrand. 8. Anacanthini. Rap. I, V, 111, IX; Fig. 4, 5, 17, 2020) Gadidae. Zu den drei Paar Ossa pharyngea superiora gesellt sich regel- mäßig lateral an der vorderen Kante des dritten Dorsalschenkels ein kleines schmal-ovales Knochenplättchen. Die starke Entwicklung der Ossa pharyngea superiora verhindert das Auftreten zahlreicher Siebfortsätze an den dorsalen Bogenschenkeln (Tab. IX). Ihre An- lage erfolgt hauptsächlich an den Ventralschenkeln (Fig. 17 V), die so sehr gestreckt sind, daß sie die Dorsalschenkel um das drei- bis fünffache (im Mittel 3,8, Tab. IX) übertreffen. Mit Ausnahme von Gadus merlangus findet die oro-ösophageale Verbreitung der Sieb- fortsätze bereits an der vorderen Kante des vierten Kiemenbogens ihre Grenze (Tab. V, 1—11). Zur Differenzierung dichter Filter kommt es niemals. Die roh geformten Fortsätze sind wenig zahlreich und locker geordnet (Tab. II). Der biserial-symmetrische Filtertypus tritt vor den dimorphen Varianten sehr zurück. Unter den von mir unter- suchten Species zeigen ihn nur Motella mustela, Raniceps raninus, Loia molva und vulgarıs. Bei ihnen ist die vordere und hintere Kante der Kiemenbogen mit gezähnelten Warzen belegt, deren feinere Modellierung spezifischen Variationen unterliegt. Schon bei ober- 670 Enoch Zander, flächlicher Betrachtung fällt auf, daß sich bei Lota molva (Fig. 4) und vulgaris die Siebfortsätze vom Bogenwinkel bis an das ventrale Ende der Bogen ausbreiten, während sie bei Motella und BRaniceps (Fig. 5) besonders an den Vorderkanten gegen die Copulae allmählich verkümmern. Ihre Form ist für jede Species charakteristisch. Motella zeichnen winzige, höchstens 0,5 mm hohe Wärzchen aus, Raniceps besitzt an der vorderen Kante des ersten Bogens kurz gestielte Knöpfe, während sie an der Rückseite niedrig bleiben. Auch an den übrigen Bogen erreichen die vorderständigen Höcker stets eine stärkere Entwicklung als die hinterständigen, ohne jedoch ihre Form zu ändern (Fig. 5). Die Zähne, welche die Oberfläche der Siebfort- sätze bedecken, sind an der dem Rachenraum zugekehrten Seite stets länger als an andern Stellen. Als flache, scheibenförmige Ge- bilde, deren Zahnbesatz gegen den wenig markierten Bogengrat an Länge zunimmt, fallen die Siebhöcker von Lota molva (Fig. 4) auf. Bei Lota vulgaris treten sie mehr über die Bogenfläche hervor und sind besonders am ersten Bogen durch eine basale Einschnürung vom Kiemenbogen abgegliedert. Die Filter der übrigen Gadiden (Gadus merlangus, mimutus, aeglefinus, virens, morrhua, Phycıs blennoides, Merlucius vulgaris) gehören dem dimorph-monacanthen Typus an (Fig. 20, 21, 22). Die vorderständigen, schmal messerförmigen Stacheln des ersten Kiemen- bogens erstrecken sich meistens über die ganze Bogenlänge. Nur bei Merlueius vulgaris bleiben sie auf die größere laterale Hälfte des ventralen Bogenschenkels beschränkt, während die Bogenenden mit flachen Zähnchenplatten belegt sind. Die Länge der vorderständigen Stacheln schwankt nur in engen Grenzen. Sie beträgt bei: Absolut Relativ Gadus merlangus 7 Sell Gadus minutus 3 3% Gadus aeglefinus 5,9 6,7 Gadus virens 18 3.9 Gadus morrhua 5,5 3.3 Merlucius vulgaris 13 8,9. Relativ am längsten sind sie also bei Gadus aeglefinus und virens (Fig. 21, 22). Der größeren Länge entspricht eine höhere Zahl (Tab. II). Der erste Kiemenbogen von Gadus aeglefinus trägt 29, Gadus virens 38 Siebfortsätze, während ihre Zahl bei den übrigen Species zwischen 11 und 26 variiert. Bei Gadus aeglefinus, virens, Das Kiemenfilter der Teleosteer. 671 morrhua und Phycis blenmoides ist ihre Innenkante vollkommen glatt und zahnlos; Gadus merlangus, Gadus minutus und Merlucius vulgaris besitzen Zähnchen auf der medialen Schmalkante der Sieb- fortsätze. Im Gegensatz zu den langen Fortsätzen sind die kurzen stets bezahnt. Die Höcker von Gadus aeglefinus (Fig. 21) erscheinen, von der Rachenhöhle aus betrachtet, glatt, da die spärlich vorhandenen Zähnchen auf die äußere Fläche der Siebfortsätze (Textfig. 28a) beschränkt sind. Die Form der höckerförmigen Fortsätze unterliegt natürlich spezifischen Variationen. In der Regel sind sie seitlich komprimiert (Fig. 20,22). Bei Gadus merlangus, minutus und morrhua (Fig. 20) mäßig zusam- mengedrückt, bilden sie bei Gadus virens (Fig. 22) dünne Platten. Bei Ga- dus aeglefinus (Fig. 21) haben sie eine mehr Textfig. 28. stumpfkonische Form; Kurze a b, von Gadus die runden stark bezahn- ten Warzen von Merlucius vulgaris heben sich von dem schwarz pigmentierten Kiemenbogen sehr deutlich ab. Charakteristisch ist für diese Species ferner der dichte Belag von Knochenplättchen, welche . den Zwischenraum zwischen den Siebfortsätzen und Kiemenblättchen an allen Kiemenbogen bedecken. 9. Acanthopterygii. (Tab. III, V, X; Fig. 2, 3, 18, 19, 23—25.) Obgleich sich die dorsalen Bogenschenkel in wechselndem Grade an der Bildung des Filters beteiligen, breitet es sich doch haupt- sächlich im Bereiche der Ventralschenkel aus (Tab. X), weil die stets mächtig entwickelten Ossa pharyngea superiora dem Durchbruch dor- saler Spaltenteile sehr hinderlich sind. Abgesehen von einigen isolierten Typen läßt das Kiemenfilter der Acanthopterygi nach Form -und Anordnung der Siebfortsätze eine bemerkenswerte Gleichförmig- keit erkennen. Hinsichtlich der Häufigkeit ihres Vorkommens halten sich der biserial-symmetrische und der dimorph-monacanthe Filtertypus das Gleichgewicht. Ohne feste Regel treten sie in vielen Familien nebeneinander auf. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 44 672 Enoch Zander, Dem biserial-symmetrischen Typus gehören die Filter folgender Species an: | Pereidae: Luecioperca sandra Acerina cernua Scorpaenidae: Scorpaena scrofa Zeidae: Zeus faber Batrachidae: Batrachus spec. Oottidae: Cottus scorpius und bubalus Cataphracti: Agonus cataphractus Gobiidae: Gobtius niger Calionymus lyra Zoarcidae: Zoarces viviparus Labyrinthiei: Anabas scandens Speirobranchus capensis Polyacanthus (Macropodus) Osphromenus trichopterus. Bei der Mehrzahl dieser Species (Acerina, Scorpaena, Zeus, Ba- trachus, Cottus, Agonus, Gobius, Zoarces, Anabas und Spirobranchus) bietet das Kiemenfilter wenig interessante Züge. Die Bogenkanten treiben wenige niedrige Warzen von rundlicher oder seitlich kom- primierter Form (Fig. 2s), die mit Ausnahme von Zoarces Zähnchen in spezifisch wechselnder Anordnung tragen. Bei einigen Arten (Scorpaena, Oottus, Zoarces\ ist die vordere Reihe des ersten Bogens mehr oder weniger verkümmert, weil der Kiemendeckel dieser Kante - fest anliegt. In andern Fällen (Zeus) übertreffen die vorderständigen Fortsätze, besonders des ersten Bogens, die hinterständigen um ein Geringes an Größe, ohne jedoch ihre Form zu ändern. Andre Glieder dieser Gruppe beanspruchen eine eingehendere Schilderung. Von ihnen will ich zunächst Lucioperca erwähnen. Lucioperca sandra (Textfig. 29. Das Vorhandensein von Sieb- fortsätzen an den Kiemenbogen dieser Species habe ich früher ge- leugnet (39), da die seitliche Wand der Bogen nur mit zwei Reihen dicht bezahnter und flach gewölbter Platten belegt sei. Obgleich man in der Tat von Fortsätzen, die sich beträchtlich über die Ober- fläche der Kiemenbogen erheben, nicht reden kann, bin ich doch, wie bei Esox, durch das vergleichende Studium ähnlicher Fälle zu der Überzeugung gelangt, daß man die eine Reihe der Zahnplatten als den Siebfortsätzen andrer Knochenfische homologe Bildungen deuten muß. Wie aus Textfis. 29« ersichtlich ist, heben sich aus Das Kiemenfilter der Teleosteer. 673 dem dichten Belag zähnchentragender Scheiben der oberen Reihe größere Platten hervor, welche sowohl durch ihre stärkere Wölbung als auch durch den reicheren Besatz mit langen Zähnen ausgezeichnet sind. Diese müssen wir den Siebfortsätzen homologisieren, denn es läßt sich schon bei Zxeioperca beobachten, daß diese flachgewölbten Scheiben an einzelnen Stellen des Kiemenkorbes zu deutlicher vor- springenden Warzen auswachsen. Das sehen wir z. B. sehr schön an ad SEN 0 SS Textfig. 29. Lucioperca sandra. a, Stück des zweiten Kiemenbogens, Vergr. 10:1; b, des ersten Kiemenbogens, Vergr. 5:1. k, Basalscheiben der Siebfortsätze; W, winkelständiger Siebfortsatz des ersten Bogens. der in Textfig. 295 dargestellten Gelenkstelle (W) des ersten Kiemen- bogens. Genau im Winkel steht eine längliche, über den Bogengrat vorspringende Warze mit verbreiterter Basis, während gegen die Bogenenden zu der Kopf mehr und mehr unterdrückt wird, bis schließ- lich nur noch die Basalscheibe der Siebfortsätze erhalten bleibt. Ich glaube deshalb die Form der Siebfortsätze bei Lacioperca viel besser kennzeichnen zu können, wenn ich sage, daß von den beiden Teil- stücken der Siebfortsätze meistens nur die Basalscheibe ausgebildet 44* 674 Enoch Zander, ist. Daß dazwischen noch weitere Platten liegen, kann uns in dieser Auffassung nicht stören, da das auch bei andern Fischen mit lang entwickelten Siebfortsätzen vorkommt. Callionymus Iyra (Fig. 3). Eine zweite interessante Species ist: Callionymus unter den Gobiidae. Sie darf deshalb unsre Auf- merksamkeit beanspruchen, weil bei ihr der innere Bogengrat sich mächtig entwickelt hat. Bevor ich diese Eigentümlichkeit schildere, will ich kurz über die Form der Mund- und Rachenhöhle orientieren. Eine schmale, mit Zähnchen und dorsaler Verschlußfalte umstellte Mundspalte führt in den dorso-ventral, wie bei Lophius, stark kom- primierten Mundrachenraum hinein. Die Kommunikation der Rachen- höhle mit dem Kiemenraum wird durch fünf kurze Kiemenspalten vermittelt. Dieselben bleiben nicht bloß auf den Rachenboden be- schränkt, sondern sind selbst in diesem Bezirke teilweise reduziert. Auffallenderweise unterliegen besonders die beiden ersten Spalten der Reduktion. Die erste, sonst immer weit dorsal reichend, ist bis an den kurzen dem Bogenwinkel benachbarten Schlitz geschlossen (Fig. 37). Auch die zweite Spalte dringt nicht bis an die Copulae vor. Infolgedessen bleibt für das Filter wenig Platz übrig, zumal auch die enge fünfte Spalte der Wucherung von Siebfortsätzen wenig günstig ist. Dagegen wird die erste Kiemenspalte auch von vorn her gesperrt, da eine gefranste Falte (Fig. 3) vom Kiemendeckel vorspringt, die ihre Zipfel zwischen die vorderständigen Siebfortsätze des ersten Bogens schiebt. Die Siebfortsätze sind wenig zahlreich (Tab. II) und sitzen als kleine, löffelföürmige Gebilde der vorderen und hinteren Bogenwand an. Dagegen hat sich der Bogengrat (Fig. 39) mächtig entfaltet. Bei den meisten Teleosteern nur als niedrige Leiste über die mediale Bogen- kante hinziehend, erhebt er sich bei Calkonymus (Textfig. 65) zu einer hohen, wenn auch dünnen Falte, die gegen den Schlund geneigt die hinterständigen Siebfortsätze mehr oder weniger überdacht (Fig. 3 @). Irgendwelche Beziehungen zu den Siebfortsätzen läßt er jedoch nicht erkennen, denn dieselben entspringen unterhalb seiner Insertionsbasis. Welche Bedeutung dieser Reliefbildung zukommt, läßt sich schwer eruieren. Vielleicht beteiligt sich der Bogengrat dank seiner bieg- samen Beschaffenheit am Kiemenspaltenverschluß, indem er nach hin- ten heruntergedrückt die Spalten teilweise absperrt. Labyrinthici. Sehr eingehend habe ich einige Labyrinthfische untersucht, um festzustellen, ob Kiemenfilter und Labyrinthorgan als Derivate der Das Kiemenfilter der Teleosteer. 675 medialen Bogenkante irgendwelche morphologische oder physiologische Beziehungen erkennen lassen. Um diese Frage zu entscheiden, will ich zunächst Bau und Bedeutung des Labyrinthes kurz schildern. Als hervorstechendstes Merkmal der ganzen Familie ist das Labyrinth schon von älteren Forschern wiederholt untersucht und seinem morphologischen Werte nach richtig gedeutet worden, so daß ich mich auf ein zusammenfassendes Referat beschränken kann. Im wesentlichen handelt es sich um eine Differenzierung der inneren Kante des ersten dorsalen Bogenschenkels. Die Schleimhaut treibt hier blattförmige Wucherungen, die durch dünne Knochenlamellen gestützt werden. Die Zahl der Lamellen ist bei den einzelnen Arten verschieden. Für Anabas werden drei bis fünf reichgefaltete Blätter angegeben. Der Labyrinthapparat von Osphromenus (Textfig. 30 L) zeigt eine etwas einfachere Ausbildung. Bei Polyacanthus (Macropodus) zähle ich drei wenig gefaltete Platten, während ich bei Spirobranchus nur ein nach hinten umgeschlagenes Blatt sehe. Nach ZOoGRAFF (42) ist der Labyrinthapparat in einer Tasche unter dem Kiemendeckel geborgen, deren Ausgang sich ebenfalls unter dem Kiemendeckel unweit seinem hinteren Rande befindet und sehr eng ist. Die Öffnung umgibt ein fester Bindegewebsring, kann jedoch mangels jeglicher Muskelfasern willkürlich nicht geschlossen werden. Über das Skelet des Labyrinthes hat Prrers (25) genaue An- saben gemacht. Nach ihm teilt sich bei den meisten Teleosteern das obere Ende des Epibranchiale in zwei Fortsätze, einen oberen oder äußeren Processus muscularis (Textfig. 30 P.m) und als Fort- setzung des Stammes einen unteren oder inneren Processus articularis (Textfig. 30 P.a). Ersterer nimmt an seinem äußeren Rande die letzten oberen Kiemenblättchen auf (Textfig. 30 X), während sein innerer Rand den oberen Muskeln der Kiemenbogen zur Insertion dient. Der Processus articularis dagegen wird entweder ganz von Muskeln umhüllt oder dient auch noch den letzten oberen Siebfort- sätzen zur Befestigung. An den letzten drei Kiemenbogen der Labyrinthfische sind nun diese Teile abgesehen von ihrer Zartheit ganz wie bei andern Fischen gebaut. Dagegen teilt sich das entsprechende Glied des ersten Bogens bei ihnen sogleich in seine beiden Fortsätze, so daß sein Stamm nur äußerst kurz ist. Der Processus muscularis (Textfig. 30 P.m) trägt an seinem äußeren Rande wie gewöhnlich bis zur Spitze Kiemenblättehen (Textfig. 30 X), sein innerer Rand dagegen gibt dem Labyrinth (Textfig. 30 Z) den Ursprung. Der Processus articeularis (Textfig. 30 P.a) geht mitten durch das 676 Enoch Zander, Labyrinth hindurch, um die Labyrinthlamellen zu versteifen, die in Spiraltouren um ihn geordnet sind. Er selbst ragt mit seinem stumpfen Ende über den ganzen Labyrinthapparat hervor. Durch diese Untersuchung wurde die Ansicht von CuviEr (7), daß die zwei ersten Paare der Ossa pharyngea superiora in das Labyrinth umgewandelt seien, endgültig widerlegt, denn das Laby- rinth ist eine Differenzierung des dritten Kiemenbogengliedes, des Epibranchiale, während die Ossa pharyngea superiora dem vierten Gliede, dem Pharyngobranchiale angehören. Die physiologische Deutung des Labyrinthes hat vielfach gewech- sell. Nach ÜUuvIiER und VALENCIENNES (() hielt CoMMERSoON das Labyrinth von Osphromenus für ein Geruchsorgan und gab daher dem Gurami den Beinamen olfax. Da die Labyrinthfische die Fähig- keit haben, längere Zeit außerhalb des Wassers leben zu können, Ja manche freiwillige Landwanderungen ausführen, hielt CuvIEr selbst das Labyrinth für ein Wasserreservoir, dessen Feuchtigkeit die Kiemen vor dem Eintrocknen schützen sollte. Dieser Auffassung widerspricht ZOGRAFF (42) auf das entschiedenste. Da die Lamellen ziemlich weit auseinander stehen (bei Anabas 1,5—2,75 mm) können sie unmöglich eine genügende Menge Wasser halten, um die Kiemen während des oft tagelangen Landlebens genügend zu befeuchten. Auch an einen Zusammenhang mit dem Nestbau hat man nach ZoGRAFF gedacht, da bekanntlich die Männchen aus Gasgefüllten Schleimbläschen, die sie durch den Mund ausstoßen, schwimmende Nester für ihre Brut bauen. Aber ZoGRAFF will derartige Beziehungen nicht gelten lassen, denn auch beim Weibchen ist der Apparat genau so ent- wickelt als beim Männchen. Ferner können die Schleimbläschen, welche durch den Mund ausgestoßen werden, nicht aus der Labyrinth- tasche stammen, weil die topographische Lage des Apparates dem Gase oder Schleim nicht gestattet, aus der Labyrinthtasche in die Mundhöhle zu gelangen. Die Luft geht vielmehr aus der Tasche direkt durch die Kiemendeckelöffnung nach außen. Nach ZOGRAFFS Ansicht, der MEYER (21) beipflichtet, müssen wir das Labyrinth vielmehr als ein accessorisches Atmungsorgan ansprechen, das bestimmt ist, kühle Luft einzuatmen. Dafür spricht vor allem seine histologische Struktur. Die drei Lamellen, welche bei Macropodus ve- nwustus das Labyrinth bilden, sind von länglich abgerundeter, fast halb- elliptischer Form. Ihre Ränder verlaufen nicht glatt, sondern unregel- mäßig ausgebuchtet, wie Austernschalen. Ebenso uneben ist die Ober- fläche dieser Platten, denn sie ist mit seichten, wellenförmig verlaufenden Das Kiemenfilter der Teleosteer. 677 Vertiefungen bedeckt. Im Innern des Organs schließt sich unmittelbar an das Periost des Gerüstes Bindegewebe an, welches aus sternför- migsen Zellen mit sehr kleinen Körpern und langen fadenförmigen Ausläufern besteht. Zwischen den Maschen ist eine Menge von großen Fettzellen eingeschlossen, die in große, kugelrunde Häufchen gruppiert sind und die Oberfläche der Labyrinthplatten emporhebend diesen das bereits erwähnte wellenförmige Aussehen verleihen. Das oberflächliche Cutisgewebe besteht gleichfalls aus sternförmigen Zellen, doch sind die Körper größer und die Ausläufer kürzer als in den mit Fett gefüllten Schichten. Im obersten Teile dieses Bindegewebes bemerkt man zahl- reiche Bluteapillaren, welche daselbst eigentümliche Wundernetze bil- den. Über den Fetthaufen treten nämlich die Arterien und Venenäst- chen, welche ihr Blut aus der Arteria branchialis empfangen und in die Aorta abführen, zu rosettenförmigen Capillarsystemen zusammen. Der sanze Apparat ist mit Epithel bekleidet, das in frischem Zustande etwas höher ist als das der Taschenwandung. Zwischen den Epithelzellen liegen zahlreiche becherförmige Schleimzellen, die jedoch auf Schnitt- bildern infolge ihrer starken Kontraktilität nicht zu erkennen sind. Nachdem ich die morphologische und physiologische Bedeutung des Labyrinthes erläutert habe, will ich seine Beziehungen zum Kiemenfilter analysieren. Obgleich beide Apparate der inneren Bogenkante entstammen, unterhalten sie durchaus verschiedene Be- ziehungen zu dem knöchernen Skelet. Die Knöchelehen der Sieb- fortsätze sind selbständige Bildungen, welche völlig isoliert vom knöchernen Kiemenbogen im Bindegewebe liegen. Die Stützlamellen des Labyrinthes dagegen entstehen durch sekundäre Wucherungen des Epibranchiale mit dem sie dauernd in fester Verbindung bleiben. Ferner erkennt man auf den ersten Blick, daß das Labyrinth- organ der Ausdehnung des Kiemenfilters sehr hinderlich ist. Ob- sleich die Kiemenbogen deutlich geknickt sind, dringt doch nur die zweite Kiemenspalte ein wenig zwischen die dorsalen Schenkel vor. Die folgenden Spalten bleiben vollständig auf den Boden der Rachen- höhle beschränkt. Doch wird diese räumliche Beschränkung dadurch etwas ausgeglichen, daß die zweite bis vierte Spalte annähernd gleich lang bleiben. Nur die fünfte ist wesentlich kürzer (Tab. X). Gegen das laterale Ende des ersten ventralen Bogenschenkels veranlaßt das Labyrinth starke Modifikationen der Siebfortsätze. Obgleich es hauptsächlich zum dorsalen Bogenschenkel gehört, machen sich doch bereits am Ende des ventralen Schenkels unmittel- bar vor dem lateralen Bogenwinkel Differenzierungen bemerkbar, 678 Enoch Zander, welche mit dem Labyrinth in Verbindung stehen. Gegen den Bogen- winkel werden die Siebfortsätze (Textfig. 30@) der vorderen Kante immer größer und erleiden mannigfache spezifische Modifikationen. Bei Osphromenus z.B. treten sie zu einem pinselartigen Bündel zu- sammen (Textfig. 30@). An sie schließt sich eine muldenförmige Epi- thelwucherung mit verdickten Rändern an (Textfig. 30 M). Während ihr hinterer Rand gegen den Bogenwinkel abfällt, setzt sich der vordere kontinuierlich in die Spirale des Labyrinthes fort (Textfig. 30 a und d, M). Da die Mulde die ganze Breite der vorderen Bogenkante bis an die Kiemenblättchen bedeckt (Textfig. 30a), bleibt hier kein Platz mehr für die Siebfortsätze. In- folgedessen endet die Reihe der vorderständi- sen Siebfortsätze dicht vor der Mulde, die hin- tere dagegen zieht un- ter dem überhängenden Rande der Mulde bis gegen den Bogenwinkel (Textfig. 30 b, Sh). Bei oberflächlicher Be- trachtung scheint es, als wenn die Struktur des Kiemenfilters zu der wech- selnden Komplikation des Labyrinthes in Korrela- ‘tion stünde. Textfig. 30. Nach der Beschaf- Dorsales Endstück des ersten Kiemenbogens von Osphromenus renben des Kiemenfilters trichopterus wit dem Labyrinth. Vergr. 5:1. X, Kiemen- blättchen; Z, Labyrinth; M, Basalmulde des Labyrinths; seheiden sich die unter- P.a, Processus articularis; P.m, Processus muscularis; Sn, £ hinterständige Siebfortsätze. suchten Labyrinthiei in zwei Gruppen. Bei Anabas und Spirobranchus (Textfig.. 31) stehen wenige, seit- lich komprimierte und schwach bezahnte Warzen in so weiten Ab- ständen an den Bogenkanten, daß sie ineinander greifen können. Das Kiemenfilter der beiden andern Species ist weitaus zierlicher. Die Siebfortsätze von Polyacanthus besitzen die Gestalt dreieckiger, seitlich stark komprimierter Spitzehen, deren Innenkante kleine buckel- Das Kiemenfilter der Teleosteer. 679 förmige Vorwölbungen treibt. An den Vorderkanten mit Ausnahme derjenigen des fünften Kiemenbogens stets schwächer entwickelt als an der Rückseite sind sie an der vorderen Kante des ersten Bogens fast ganz rückgebildet. Ihre Zahl und Größe steigert sich gegen die Schlundpforte, um an der hinteren Kante des vierten Bogens ihr Maximum zu erreichen. Das Kiemenfilter von Osphromenus trichopterus, mit dem O. olfax im wesentlichen übereinstimmt, unterscheidet sich von dem der vor- genannten Species durch die noch dichtere Anordnung und zier- lichere Form der Siebfortsätze. Äußerst dünne, messerförmige Plättehen zieren in enormer Zahl sämtliche Bogenkanten (Textfig. 30 Sh). An der Rückseite des ersten Bogens zählte ich pro 1 mm neun Fortsätze, die in Abständen von 0,11 mm stehen, während bei Polyacanthus die Distanz zwischen zwei Siebfortsätzen im Mittel 0,25, bei Spirobranchus 1,9 mm beträgt. Da durch die Verengerung der Kiemen- spalten die Filtrationsfähigkeit des Filterwerkes sehr vermindert wird, trachtet die Natur da- nach, die filtrierende Fläche zu vergrößern. £ Bei Osphromenus erreicht sie das dadurch, DE daß sie die Kiemenbogen auseinander rückt, filter von Anadas scandens. bis sich die Siebfortsätze, die bei den drei an- ln FB dern Labyrinthiei ineinander greifen, nur noch mit den Spitzen berühren. Auf diese Weise wird die filtrierende Fläche ‚vor jeder Kiemenspalte um das Doppelte vergrößert. Man kann sieh dies sehr gut veranschaulichen, wenn man die ineinander seschobenen Finger beider Hände soweit auseinander zieht, daß nur noch die Fingerspitzen aneinander stoßen. Eine weitere Vergrößerung erfährt das Filter, wie bei Mugel durch eine eigenartige Modifikation des fünften Kiemenbogens. Die beiden Bogen sind stark verbreitert und muldenförmig gehöhlt. Ihre medialen Ränder legen sich anein- ander und bilden einen hohen medianen Grat, der den Grund der Rachenhöhle in zwei stark ausgebuchtete Nischen kammert. Die konkave Innenfläche dieser Mulden ist von einem engen Rinnensystem überzogen, das durch die leistenförmig über den Kiemenbogen ver- laufenden Basalteile der Siebfortsätze gebildet wird. Diese Leisten erreichen jedoch nicht den hinteren Kiemenbogenrand, sondern lassen hier einen schmalen Streifen für die Ossa pharyngea inferiora frei. Um den Abfluß des Atemwassers durch dieses enge Gitterwerk 680 'Enoch Zander, möglichst zu beschleunigen, sind die Pharyngobranchia mit dieken elastischen, am Hinterrande von einigen starken Zähnen umstellten, Polstern belegt, die einem Gummistempel gleich gegen das Filter wirken. Die drei andern Species besitzen eine derartige Einrichtung nicht. Die Ossa pharyngea superiora tragen nur Zähne. Die wechselnde Struktur des Filters steht in gar keiner Be- ziehung zu der Ausbildung des Labyrinthes. Bei Anabas ist ein grobes Filter mit einem sehr komplizierten Labyrinthapparat ver- einigt, während Osphromenus beide Organe in zierlichster Ausbildung besitzt. Filter und Labyrinth von Sperobranchus haben einen sehr ein- fachen Bau, dessen Komplikation bei Polyacanthus etwas gesteigert ist. Die bisher beschriebenen Filter der Acanthopterygii gehörten dem biserial-symmetrischen Typus an. Nicht minder häufig begegnet uns das dimorph-monacanthe Filter. Für folgende Species ist es charakteristisch: Percidae: Perca fluviatilis | Labrax lupus Serranus cabrılla Mullidae: Mullus barbatus Scorpaenidae: Sebastes imperialis Carangidae: Caranz trachurus Scombridae: Scomber scomber Coryphaenidae: Coryphaena hippurus Cottidae: Trigla hirumdo Blennidae: Centronotus Ophidüdae: Ophidium barbatum Labridae: Labrus spec. Urenilabrus pavo Über die Beschaffenheit des Filters der Mehrzal dieser Formen belehrt uns ein Bliek auf Fig. 18 und 19 rascher als jede lang- atmige Beschreibung. Es sind lockere Schutzwerke von geringer Flächenausdehnung (Tab. II, V, X). Die stachelförmigen Fortsätze des ersten Bogens lassen kaum spezifische Differenzen erkennen. Sie sind stets zu langen, messerförmigen Anhängen komprimiert, deren Innenkante feine Zähnchen trägt. Ihre größte Länge erreichen sie in dem immer deutlich ausgeprägten Bogenwinkel. Die Form der kurzen Fortsätze variiert in weiten Grenzen. Bei Perca fluviatilis (Fig. 19) z. B. seitlich stark komprimiert, bewahren sie bei Labrax (Fig. 15) eine mehr halbkugelige Gestalt, während die Warzen von Sebastes auf kurzen Stielen sitzen. | Das Kiemenfilter der Teleosteer. 681 Interessantere Verhältnisse finden wir bei den Coryphaenidae, Scombridae und Carangidae (Fig. 23—25). Coryphaena hippurus (Fig. 23). Das Kiemenfilter von Cory- phaena ist recht grob. Die stachelförmigen Fortsätze des ersten Bogens dehnen sich nicht über die ganze Länge desselben aus, sondern sind auf den mittleren, vom Ceratobranchiale gestützten Bogenteil beschränkt. Ihre größte Länge beträgt 8 mm, ihre Zahl rechts neun, links acht. Den beiden Endstücken des Bogens dagegen liegen ganz flache Zähnchen- platten von wechselnder Größe an. Es ist das einer der äußerst seltenen Fälle, wo der Bogenbesatz eine der Gliederung des Skeletes in Hypo-, Cerato- und Epibranchiale entsprechende Gruppierung erkennen läßt. An der hinteren Kante des ersten Bogens und an den übrigen Bogen ist eine derartige Differenzierung der Siebfortsätze nicht mehr wahr- zunehmen, denn hier finden wir nur unregelmäßige Platten, von denen die :vorderständigen stets größer aber flacher, die hinterständigen kleiner, rundlicher und höher sind. Ähnliche, aber größere Platten decken die Zunge und die ventralen Enden der drei ersten Bogen. Caranz trachurus und Scomber scomber (Fig. 24 und 25). Ein ganz andres Bild bieten die Filter von Caran& und Scomber dar, weil bei ihnen die Filterfortsätze sehr gedrängt stehen. Sie sind die einzigen mir bekannten Species, bei denen die Natur zum Bau diehter Filter den dimorph-monacanthen Typus verwendet. Ihre Filter sehen einander auf den ersten Blick sehr ähnlich. Obgleich die dor- salen Bogenschenkel nur wenigen Siebfortsätzen den Ursprung geben, ist die filtrierende Fläche und die Zahl der Siebfortsätze doch relativ sroß, weil die verlängerten Ventralschenkel den Ausfall etwas aus- gleichen (Fig. 24, 25). Die Form der Siebfortsätze zeigt deutliche spezifische Differenzen. Da die beiden untersuchten Exemplare zu- fälligerweise die gleiche seitliche Kopflänge (85 mm) besitzen, ist eine Vergleiehung leicht möglich. Zunächst differiert die Länge der vorderständigen Stacheln des ersten Bogens. Bei Caranz haben sie eine Maximallänge von 11,5 mm, bei Scomber jedoch von 20 mm. Die kurzen Fortsätze sind bei beiden Arten seitlich stark kompri- miert und sitzen mit langer Basis den seitlichen Bogenkanten an (Textfig. 32 a und 5b). Ihre Innenkante ladet polsterartig nach den Seiten aus, um Platz für den Zahnbesatz zu schaffen. Betrachtet man die Polsterflächen von der Rachenhöhle aus, so erscheinen sie bei Scomber (Fig. 24) keulenförmig, bei Caran« (Fig. 25) dreieckig und mehr zugespitzt. Dazu gesellt sich der weitere Unterschied, 682 Enoch Zander, daß die kurzen Fortsätze von Caran« an beiden Bogenkanten stets die gleiche Länge aufweisen, während bei Scomber die hinterständigen Fortsätze die vorderen um mehr als das Doppelte übertreffen. [24 NM LEST 7 Na ERHAN MN ILLEOETERNNN OO BONN, Textfig. 32. Drei Siebfortsätze des zweiten Kiemenbogens. «a, von Scomber scomber, Vergr. 6:1; b, von Caranz trachurus, Vergr. 7:1. Obgleich die Anordnung der Siebfortsätze bei Scomber lockerer ist als bei Caranx, besitzt doch Scomber ein viel dichteres Filter, weil die auf der Innenkante der Siebfortsätze stehenden Zähnchen Textfig. 33. Stücke der vorderständigen Siebfortsätze des ersten Kiemenbogens von Scomber scomber. Vergr. 5:1. a, von oben, b, im Querschnitt. sich intensiv am Kiemenspaltenverschluß beteiligen. Die Form und Anordnung der Zähnchen, welche bei beiden Species in ungeheurer Zahl die Oberfläche der Siebfortsätze bedecken, ist spezifisch verschieden. Bei Caranz (Textfig. 32) bleiben sie kurz und breiten sich gleich- mäßig über die Siebfortsätze aus, ohne wesentlich zur sekundären Verengerung der Filterlücken beizutragen. Die Zähn- chen von Scomber dagegen sind zu lan- sen Borsten ausgewachsen, die aus kraterförmigen Knochenkegeln hervor- ragen (Textfig. 32a). In dichten Reihen umsäumen sie die Peripherie der inneren Fortsatzkante, ragen aber nicht gerade in die Rachenhöhle hinein, sondern biegen sich so: stark über den Rand der Fortsätze vor, daß die Borsten benachbarter Höcker mit den Spitzen zwischeneinander greifen. Auf diese Weise werden die Filterlücken (Textfig. 33 d) von zwei Seiten Das Kiemenfilter der Teleosteer. 683 her durch Borstenzähne, welche ein äußerst feines Gitterwerk (Text- fig. 33a) bilden, überspannt. Betrachtet man den Kiemenkorb der Makrele von innen, so erscheint die ganze Filterfläche von einem dich- ten Rasen feinster Borsten überzogen, der die Siebfortsätze selbst wie ein Schleier überzieht. Bei Scomber wird also die Passage durch die Kiemenspalten in zweifacher Weise erschwert, einmal durch die in- einander greifenden Siebfortsätze selbst und dann hauptsächlich durch ihre Borstenzähnchen. Nur bei Scomber fällt die Verfeinerung des Filters in so extremer Weise dem Zahnbesatz der Siebfortsätze zu. Bei keiner andern Species habe ich ähnliches beobachtet. Mit der zierlichen Struktur des Kiemenfilters von Scomber steht "unstreitig die eigenartige Ausbildung der Ossa pharyngea in Zusammen- hang. Da auch sie mit langen Borstenzähnchen dicht besetzt sind, gleichen besonders die Ossa pharyngea superiora (Fig. 24 Os) kleinen - Bürsten, die geeignet scheinen, die vom Filter in der Rachenhöhle zurückgehaltenen Organismen und Substanzen aus dem Borstenbesatz der Siebfortsätze herauszubürsten und an den Schlund zu befördern. Trachinidae und Cepolidae (Fig. 26). Neben dem biserial-symmetrischen und dem dimorph-mona- canthen Typus treten bei einzelnen Species der Acanthopterygii Fil- ter auf, die den Übergang vom dimorph-monacanthen zum dimorph- polyacanthen Typus vermitteln. Die in Frage stehenden Arten tragen nicht bloß an der vorderen Kante des ersten, sondern auch des folgenden Bogens stachelförmige Fortsätze. Bei Trachinus draco und Cepola rubescens treibt auch der zweite Kiemenbogen vorder- ständige Stacheln. Allerdings sind sie nicht so lang wie am ersten Bogen, aber ebenso gestaltet als dort, die übrigen Bogenkanten decken nur niedrige Höcker oder Platten. Trotz dieser gemeinsamen Merkmale differieren die Kiemenfilter beider Species beträchtlich. Während die wenig zahlreichen, plumpen Siebfortsätze von Trachinus (Fig. 26) nur ein grobes Sperrwerk vor den Kiemenspalten bilden, setzen die dicht- sedrängten, zierlichen Fortsätze von Cepola (Tab. III) dem Eindringen selbst feinster Partikelchen in die Kiemenspalten ein Hindernis entgegen. Form und Bezahnung der Ossa pharyngea harmonieren mit der Beschaffenheit des Kiemenfilters. Mit dem groben, zähnchenreichen Filter von Trachinus sind drei Paar kräftige Ossa pharyngea superiora und ein Paar Ossa pharyngea inferiora verbunden. Bei Cepola hin- gegen tragen sie nur wenige Zähnchen, die an der Decke der Rachen- höhle in drei Gruppen am Boden in einer Längsreihe angeordnet sind. 684 Enoch Zander, Das polyacanthe Filter der Pleuronectiden habe ich bereits bei den Salmoniden und Clupeiden geschildert (S. 645). 10. Pediculati. (Fig. 1.) Lophius piscatorius (Fig. 1) entbehrt im erwachsenen Zu- stande der Siebfortsätze, während er sie, wie ich bereits erwähnte, nach STEUER (34) in der Jugend besitzen soll. Wenn wir einem Seeteufel den Schädel ablösen, gewinnen wir rasch einen Über- blick über die in Frage stehenden Verhältnisse. Mund- und Rachen- höhle bilden einen dorso-ventral stark abgeflachten Raum, in den eine weite Mundspalte hineinführt, während dem abfließenden Wasserstrome nur vier kurze, aber gleichlange Kiemenspalten offen stehen (Fig. 1, /, IV). Kiemenbogen und Kiemenspalten sind voll- ständig auf den Rachenboden beschränkt und laufen fast parallel. zur ventralen Medianline.e Da sie keinerlei Reliefbildungen er- kennen lassen, ist ihre Innenfläche vollkommen glatt und leicht abgerundet. Dagegen starrt der Mund-Rachenraum von mächtigen scharfen Zähnen, die in großer Zahl auf den Mundrändern stehen (Fig. 1Z). Auch die Palatina und die vorderen Ecken des Vomers sind bewehrt. Hinter den Zahnreihen des Dentale erhebt sich eine hohe Verschlußfalte (Fig. 1 7), welche sichelförmig den ganzen Unter- kiefer umsäumt. Bemerkenswert ist ferner in der Mundhöhle eine tiefe, trichterförmige Tasche, welche sich hinter dem Vomer einsenkt. Sie liegt genau unter dem Fuß der großen Tastangel, welche außen auf dem Kopfe steht. Ihre Bedeutung ist mir völlig rätselhaft. Nicht minder stark ist der Rachen bewaffnet. Das breite Median- feld, das durch die Reduktion der fünften Kiemenspalte und die starke Verbreiterung des Kopfes zwischen den Kiemenspalten gebildet wird, trägt die großen Ossa pharyngea inferiora (Fig. 1 Ox) mit spitzen randständigen Zähnen. Ihnen stehen dorsal drei Paar Ossa pharyngea superiora gegenüber. 11. Plectognathi. (Tab. V, 46; X, 27.) Von Pleetognathi konnte ich nur einen nicht genauer bestimmten Monacanthus untersuchen. Da die Kiemenspalten das Bogengelenk dorsalwärts nicht überschreiten, ist das Filter vollkommen boden- ständig (Tab. X, 27). Der erste Kiemenbogen trägt vorn feine glatte Stacheln von 1,1 mm Maximallänge in beträchtlicher Anzahl, Das. Kiemenfilter der Teleosteer. 685 während hinten und an den übrigen Bogen niedrige, seitlich kompri- mierte Höckerchen mit aufgebogenen Spitzen und caudal gerichteten Zähnchen sitzen. Ihre größte Länge beträgt 0,5 mm. An den hin- teren Bogenkanten ziehen sie über den schmalen caudal überhängenden Bogengrat hin. In alternierender Anordnung verbreiten sie sich über sämtliche Kanten der vier freien Kiemenbogen. Mehr nach dem symmetrischen Typus scheint das Filter von Tetrodon gebildet zu sein. PorprA fand an beiden Kanten der drei ersten Kiemenbogen, sowie auf der Membran, welche den vierten und fünften Bogen verbindet, längliche glatte Fortsätze, welche un- regelmäßig gestellt und mit ihrer ganzen Breite den Kiemenbogen- kanten angeheftet am ventralen Bogenende fehlen. Das Filter von Orthagoriscus mola, das PoPpra und STEUER untersuchten, scheint dem gleichen Typus anzugehören. Nach der Beschreibung von PoPTA und der Abbildung von STEUER zu urteilen, hat es eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Filter von Hippocampus (Textfig. 25). Nahe den Kiemenblättehen stehen an sämtlichen Kiemenspaltenrändern glatte, basal stark verbreiterte und spitzige Fortsätze, deren Zahl PoPTA auf vier bis sieben angibt. Die zwischen den Fortsätzen ge- legenen Bogenstücke sollen nach PoPprA durch Zähnchen rauh sein, was STEUER für die beiden letzten Kiemenspalten bestätigt. Nach PoprA besitzt Tetrodon 2, Orthagoriscus 35 Ossa pharyngea superiora, während die inferiora beiden fehlen. Zusammenfassung. Dies sind die wichtigsten spezifischen Variationen des Kiemen- filters der Teleosteer. Wir haben darunter zahlreiche Beispiele kennen gelernt, die mit überzeugender Deutlichkeit Dichte und Oberflächen- sröße des Filters in vollster Harmonie zeigen. Bei allen Species, deren Kiemenspalten, oft der Zahl nach reduziert, kurz und mehr oder weniger vollständig zwischen den ventralen Bogenschenkeln einge- schlossen sind, bleiben die Siebfortsätze in wechselndem Grade primitiv. Überall dort aber, wo die Natur dichte Filterwerke vor den Kiemen- spalten bildet, sorgt sie in der mannigfachsten Weise durch Vergröße- rung der Filterfläche für einen unverminderten Abfluß des Atemwassers. Da ich nicht jede Species genau beschreiben konnte, will ich zum Schlusse alle untersuchten Formen nach der Ausbildung des Kiemenfilters ordnen, um dem Leser einen raschen Überblick über die Fülle mannigfaltiger Erscheinungen zu ermöglichen. Im dieses Verzeichnis habe ich der Vollständigkeit halber auch die Fische 686 Enoch Zander, aufgenommen, welche mir von der Deutschen Tiefsee-Expedition zum Studium des Kiemenfilters überwiesen wurden. Ein * bezeichnet die Tiefseefische in der folgenden Übersicht. Wir können unterscheiden: I. Fische ohne Siebfortsätze: 1) Kiemenbogen glatt: Apodes: Ansuillidae: Anguilla vulgaris Conger vulgaris *Nemichthyidae: Avocettina infans Muraenidae: Muraena helena Acanthopterygü: Pleuronectidae: sSolea lutea Pediculati: Lophiidae: Lophius piscatorius 2) Ventralschenkel mit Querreihen von Zähnchen bewehrt: Malacopterygi: *Stomiatidae: Stomias colubrinus II. Fische mit Siebfortsätzen: A. Siebfortsätze in biserial-symmetrischer Ausbildung. Kiemenspalten wellenförmige Ritzen, wenig über den Bogen- winkel dorsal vordringend. 1) Nur oder fast nur Basalplatte der Siebfortsätze ausgebildet, bezahnt: Haplomi: Esoeidae: Esox lucius Anacanthini: Gadidae: Lota molva Acanthopterygü: Pereidae: Lueioperca sandra 2) Distaler Fortsatz der Siebfortsätze stärker hervortretend als Basalplatte: a. Wenige rundliche oder seitlich komprimierte, fast immer bezahnte, niedrige Warzen oder Höcker: Acanthopterygü: - Pereidae: Acerina cernua Zeidae: . Zeus faber Gobiidae: Gobius niger Scorpaenidae: Scorpaena scrofa Cottidae: Cottus scorpius Cottus bubalus Agonidae: Agonus cataphractus Batrachidae: Batrachus spec. Zoarcidae: Zoarces viviparus Peresoces: Anabantidae: Anabas scandens Spirobranchus capensis Anacanthini: Gadidae: Motella mustela Raniceps ramıinus Lota vulgarıs *Macruridae: Maerurus laevis Macrurus Petersont Maerurus Investigatoris Coelorhynehus flabellispinis Das Kiemenfilter der Teleosteer. 687 b. Zahlreiche, größere, sekundär mehr oder weniger stark differenzierte, meistens zahnlose Fortsätze. Wellenförmige Kiemenspalte zu einem unregelmäßigen, gröberen oder feineren Poren- oder Lückensystem verwandelt: Ostariophysi: Cyprinidae: Oyprinus carpio Abramis brama Tinca vulgaris Carasstus vulgaris Barbus fluviatelis Cobitis fossilis Chondrostoma NASUS Leueiscus rutilus Squalius cephalus Siluridae: Stlurus glanis Lorieariidae: Loricaria cataphracta Callichthys asper Plecostomus Commersonti Catosteomi: Syngnathidae: Syngnathus rubescens Hippocampus spec. Acanthopterygi: Osphromenidae: Osphromenus trichopterus Polyacanthus Callionymidae: Callionymus lyra B. Siebfortsätze in biserial-dimorpher Ausbildung: 1) Dimorph-monacanther Typus. Vorderständige Sieb- fortsätze des ersten Bogens lang, stachelförmig, die übrigen niedrig. Kiemenspalten über den Bogenwinkel dorsal wenig vordringend. Verschluß der ersten Kiemenspalte gitterartig, der übrigen wellenförmig. Siebfortsätze fast immer bezahnt: a. Kurze Fortsätze wenig zahlreich, rundliche oder kompri- mierte Warzen: Ostariophysi: Cyprinidae: Alburnus lucidus Catosteomi: Gasterosteidae: Gasterosteus acuwleatus Gasterosteus spinachia Peresoces: Scomberesoeidae: Belone vulgaris Exocoetus exiliens Anacanthini: Gadidae: Gadus merlangus Gadus minutus Gadus aeglefinus Gadus virens Gadus morrhua Phyeis blennoides Merlucius vulgaris *Macruridae: Bathygadus longifilis Acanthopterygü: Pereidae: Perca fluviatilis Labras lupus Serranidae: Serranus cabrilla Labridae: Labrus Zeitschrift f£. wissensch. Zoologie. LXXXIV. Bd. 45 688 Enoch Zander, Acanthopterygü: Labridae: Orenilabrus pavo Coryphaenidae: Coryphaena hippurus Scorpaenidae: Sebastes imperialis Mullidae: Mullus barbatus Triglidae: Trigla hürumdo Blennidae: Centronotus *Zoarcidae: Lamprogrammus niger Glyptophidium maecropus , Ophidiidae: Ophidium barbatum * Neobythites nigripennis Plectognathi; Sclerodermi: Monacanthus spec. b. Kurze Fortsätze zahlreich, dicht bezahnt: Acanthopterygii: Carangidae: Caranz trachurus Scombridae: Scomber scomber 2) Dimorph-polyacanther Typus: Stachelförmige Fortsätze an den Vorderkanten mehrerer Bogen. Verschluß der Kiemen- spalten vorherrschend gitterförmig; Siebfortsätze glatt oder a. bezahnt: | Stachelförmige bezahnte Fortsätze an den beiden ersten Bogen: *Haplomi: Scopelidae: Myctophum Benoiti- Reinhardti Acanthopterygii: Trachinidae: Trachinus draco Cepolidae: Cepola rubescens Stachelförmige, bezahnte Fortsätze an den drei ersten Bogen: Ä Peresoces: Mugilidae: Mugil cephalus Acanthopterygi: Pleuronectidae: Solea vulgaris Ophidiidae: Ammodytes tobianus . Stachelförmige, glatte oder bezahnte Fortsätze an den vier freien Kiemenbogen; hinterständige Fortsätze mehr oder weniger unterdrückt: a. Zweite bis vierte Kiemenspalte wenig oder gar nicht über den Bogenwinkel dorsalwärts vordringend. Mäch- tige Ossa pharyngea. Siebfortsätze kurz, wenig zahl- reich, meistens glatt. Acanthopterygii: Pleuronectidae: KRhombus maximus Pleuronectes microcephala Pleuronectes limanda ‚Pleuronectes platessa Drepanopsetta Arnoglossus laterna ß. Zweite bis vierte Kiemenspalte über den Bogenwinkel weit gegen die dorsale Medianlinie vordringend. Ossa pharyngea schwach: Siebforsätze stets bezahnt: Das Kiemenfilter der Teleosteer. 689 Pı. Siebfortsätze kurz, locker gestellt: Malacopterygi: Salmonidae: Salmo fontinalıs‘ Salmo hucho Salmo salar Salmo fario Thymallus vulgaris Coregonus fera ß,. Siebfortsätze lang, zahlreich, gedrängt: Malacopterygii: *Sternoptychidae: Cyelothone obscura Oyclothone mierodon Sternoptyx diaphana Salmonidae: Salmo salvelinus Coregonus hiemalvs Coregonus Wartmanni Coregonus albula Clupeidae: Olupea harengus Olupea finta Olupea alosa Engraulis encrasicholas. III. Die physiologische Bedeutung des Kiemenfilters. Nachdem ich dem Leser einen Einblick in den wundervollen Bau des Kiemenfilters vermittelt habe, erübrigt es mir noch, die pbysiologische und biologische Bedeutung des Apparates zu erläutern. Die Lösung dieses Problems wird durch die Lage des Filters an der Grenze des nutritiven und respiratorischen Abschnittes der Rachen- höhle wesentlich erschwert. Denn während es keinem Zweifel unter- liegt, daß die in die Rachenhöhle aufgenommenen festen und flüssigen Substanzen durch das Filter gesondert werden, kann man über den Wert dieses Vorganges für die Fische geteilter Meinung sein. Drei Möglichkeiten sind meines Erachtens denkbar. Entweder soll das Filter die Kiemen vor Beschädigung und Beschmutzung schützen oder die Nahrung im Rachen zurückhalten oder beiden Funktionen zugleich dienen. Bei dieser komplizierten Fragestellung ist es begreiflich, daß die Antwort im Laufe der Zeit schwankte. Die älteren Autoren sahen in dem Filterwerke am Innenrande der Kiemenspalten lediglich ein Schutzmittel gegen Verunreinigung und Verletzung der Kiemenblätt- chen. Die früheste Spur dieser Deutung finde ich in CUVIER und VALENCIENNESs’ Naturgeschichte der Fische (7). Im einleitenden Bande (I, S. 354) äußert sich Cuvıer folgendermaßen: »Die innere Kante der Kiemenbogen zieren kleine Knochenplatten, Zapfen oder Blättchen, die gewöhnlich mit Zähnchen in spezifisch wechselnder Anordnung 45* 690 Enoch Zander, besetzt sind. Sie dienen allgemein dazu, die Substanzen, welche der Fisch verschlingt, festzuhalten und zu verhindern, daß sie mit dem Atemwasser entweichen und sich zwischen den Kiemenblättehen fest- setzen. »ie leisten in ihrer Weise dasselbe, wie die Epiglottis der Säugetiere und die Zähnchen am Kehlkopfrande der Vögel. 129° TE gs La 8469 Fe Ge sypuyuo) uns -— u - dd 8 | E38.) 2 9 & Y 1) Y 0) Y (4) Y [) Dy a N E | g py 0) Y [() Y [) Y & Y & A AI II II it III AI A SITOOY I OII9q®eL 46* Enoch Zander, 706 u. Zune 6 6.6 sıwmbpna « Re ee Zen creme. 00er er ROTSNDTA ESE 88 eesoee a Be 0 FOL EL LS Se Pe We ruvosonuoy Er EL eco zo OL ROE N 0. 6 8 PRIBW@EET Sypearonia | a el ee ee ale NEAR | 08 or. 00 sunbma smonoy | -— sl es iealı 2a sell -|- er ae ee ee SACHS = | ee ie ae = Bee zepelspE Kar on de > " DNYAIOW « — or gear aaa 2 re a a ya suama < zere ve ve 0a er cr er > — (Fe ed ae | snulapbn « 68 08 08 GE | co — ee ee ae ee snmuw < a9 Fe st zZ or oe = er Wars ep cn 0 | ST sap sed | snbunyow snmd \-— ala ® ılaler ie z | — — 10 ) n L g N ) 9 == | WARE) SOOIRNTOUISEN ee |, mr nano on | Se opunosienmuy | > on re ee ee snumngy sahpouuy | -\n —- | 6 -/ er a orl- | —- ze Re Or IE au er cr 00 | 0a ern cc eye ze Eee ea GE ae > sunbme ug | - ws al iıalal la ı - | —- Gr Foo 0 0 a mere ode snduwoodag |e |e \|s |s ie 6 |s |e |9 |e be | ee ee suaasagnı snywubuhs | 9 | ce |/6 ss Jorıe |g9 | oe en Dıyawunds < = 09. ,0B2 ce OL ze au oe 6.07 er Ber Gen or 2 0 snmanon snajsosasen | — 18 | ST|» hucho . 4| » salar m. De farıo 6 | Thymallus vulgaris . 7 | Coregonus hiemalis . 8 » Ten 9) » Wartmanni 10 > albula . 11 | Olupea harengus 12 >» Mina. 13 | Engraulis encrasicholas . 14 | Oyprinus carpio 15 | Abramis brama 16 | Tinca vulgaris . 17 | Alburnus lucidus . 18 Barbus flwviatihs . 19 | Cobitis fossilhs . 20 | Ohondrostoma nasus 21 | Leueiscus rutilus . 22 | Squalius cephalus. 25 | Silurus glanis 24 , Loricaria cataphracta . 25 Callichthys asper . 26 | Plecostomus Commersoniti | 27 | Esox lueius 28 | Gasterosteus aculeatus . 29 » spinachia. 30 | Syngnathus rubescens . 31 Hippocampus spec. . 32 | Belone vulgaris . 33 | Exocoetus exiliens . 34 | Ammodytes tobianus 35 | Mugil cephalus . 36 | Anabas scandens . 37 | Spirobranchus capensis . Das Kiemenfilter der Teleosteer. Species Tabelle V. | Ka Gadus merlangus . . . a entinuluss . 2... > Naeglefinus'... . - 2 EWÜRENS:N 2% » morrhua Phyeis blennoides . . - Merlueius vulgarıs Motella mustela. . . - Raniceps ramınus. . . » Lota molwa. . . >» aulgarıs . » . - Perca fluviatilis Labrax lupus. . - . Lucioperca sandra Acerina cernua . Serranus cabrilla . Cepola rubescens . Mullus barbatus Osphromenus trichopterus Polyacanthus . . - Labrus spec... . Orenilabrus pavo . . Caranz trachurus . . Scomber scomber . Corypheena hippurus . . Zeus faber Rhombus maxcimus . . - Pleuronectes microcephala » lhimanda » platessa. Drepanopsetta spec. . Arnoglossus laterna . . Solea vulgaris Gobius miger . . - Scorpaena scerofa . Sebastes imperialis . Cottus scorpius . - - Agonus cataphractus Trigla hirundo . . Trachinus draco Callvonymus lyra . Centronotus spec... . Zoarces viwiparus . Batrachus spec. Ophrdium barbatum. . . Monacanthus spec. . . . 709 S” S | | | | m | EI lo ee a ee ee " HMOMTOIIN st \oer [oe 6 | tm\werloos or er| or| 3| or| 8er er | aa | "9 seunbma suypwuußun | ET WE LS Br FG US ET ea ce nazgı pre ce LT} ala ee a er oe < sl SOLL loc vacda TE | ea lese 299 TE. 2a Ger 8 | 21 | 008 | OT EL | EG Quummaınag < M Se el ets.uis) Ser = el ne ee) a re ee < | OT ea Ba 2 ee OL I9T 8 | FE |" "99 Sopmwany snuobo4o) | 6 DICH Keces L901 Fo ET ce ro OT on EIG 2,8 | 98 a Zangen N re Toale< 8 A E12 1 ae ee | ee | N) Re OT 8 Free wo rn ums L E 99 | FT | Oele Se are Oce 700: 5 16 ee re 8 = ne Kane Bason la Tre ee 12,095 OL or ren aa or 2m an ounuen ns G E oT | 8isE 879 or | 9rT | ere | e9 | OL | 6L | 8 car | ga | ST | ger | 82 || * 9° 0° snunpapus was .| y DO ee agree Ver gen rn) gt | HT | OT | 9T | ° © © 9 soponısm4auo Sıpmnabug | g zu | OLE Er B9a are 955 Ges 5c9)9| ern Na 29 Te 21 | 28 16T | 08 05 |: Er nn Tomas 6 Ho | 00 002 ı8L er |gTEe sg os | | < u) st|ı 3or log |": ° 9 8 snbuam waedng | T an “a Aa \vaı»a| za za va vA| A 7 el z Get BE an 2. a7 srIoJqaıS a] s}ToJqa1S ds A ‘ds JI TI E IT Ne Be = E® A n HRpıuoupes oRBpreduy TA STISIEL 710 — Fre ı - | — | — tee Der ne Sr ar Fanorerun | ae eier aaa ee | ae Tresen) wamonsorenge | Di. = 0 DE Dan 2 oe ee ee en Sineono | 6 > ee | ro er ©) ae ll | mein apa. | @ SIE a A | el ee es 97T | Te | oT | Te | ©: °° snpmydao snuyonbs |) Ge 00050 ur |eea 8 |08 | © 999 9 sraamu snosıonaT | 9 0 E20 000 0 re 0 oe | er Fe a 2020 00.0 12 Re | el Suoiao, Simssunngy |; DE > Orr are Zee er ee re | % | ©) One er ee ee ee nam Sonn | & Baer 05 00 0 Be 0 | oo oa a DDR NDE our: Be IE Bun (af | q | soroo.d A = pa -@ | 7A | va |»A | »a | »A va | @A | A Aa » N Be een ren en Tı | 3 1, 5 | 5 = | = 53 HRprImIs ‘"DeprundAd iS - | & TIIA 21I94®L ee Ze are ze ea er er er ee Fer u > eg | 00 een se aa lee ao nes | = 00er 0 | 8 o |) Moe & GA Ind ol Ee 7 [zer |" 9° wma snssogbouuy | 9 ä 2aE 200,000 7 02,76 616 ur or, 2 Amer nzc 1|68 6 | 8° oods wmasdoundoug | q ge 0 ı oo |oLıea Bere |Lı r \r9|goa gT Idee OL I a |: mssamd s v 2 1.001.006 | m 6 zes eo a 8 | m. cr cl a m|zas|' °° ° ° opunum < & Tr sole a lyH Te 2 |\8 ) e |TE/8T |dq \eaT|9 |6 |: ' wpwadaoosomu soppauoumag | @ 7 Il yore ie or ice ca » |er| ler TI) Baar log | 0° 0 © smmmmom smgwoyer | T © | 0% o o (oR {dB 5 rn an 9A | ea male ea 0a ma A | m | q | Aa a alondß IN 01 a II sHoJqarS 2 7 S}10Jqa1S ds A ds II gı er er lien = re ne ee Zi rs va 9BPLII9UOANOIAT y | en D 2 A re | | IIA. >TI9g®eL EEE EEE EEE EEE EEE TE Enoeh Zander, 712 ELBE UTo | si 7m 708 es SER ee a 7 OIOAMONIIIN 98 02 2007 x0 02 means | LE 28 q or 7 | er ce ge Te suwbma « | OL OFEN [Uns ne oz rar | cr ao ge | se) ger ea re 7 Dom wo \ 6 Bun Kcal a one on 2 | ee Be "nun. sdosaung | 8 Te DEZE 0 6 De NOTE Be Ge OEL mei ger DJogsnw DNA |) Br KL WB 7 Te Ser or 7 za ee &9: ce. yo ee | ee or szunfpna smionMapy 9 re 0. 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Carassius vulgaris efinus. Gad. aeg! Barbus fluviatilis. Ä Cyprinus carbıo. BETTER RUN ANÜRL ‘ ' FA. EERNÜERUENSU i S = en . RL NN IN IS ie s morrhua. Gad. virens. Abramis brama. Lichtdruck von C. G. Röder G.m.b. H.. Leipzig. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. LXXXIV. I r r ER Taf. ee i Fig.1. | : ER : N c Fig. 11. ophius Piscatorius. E\ oh Fig. 12. Barbus fluviatilis. Cyprinus carpio. Z Fig. 6. „F Callichtnys asper. Fig. 7. Plecostomus Commersonü, D h butp im. > Fig. =. Leuciseus rutilus. Coltus scorpius. Carassius vulgaris. Fig. 21. . a Gad. aeglefinus. 0.4 Fig. 5. Raniceßs raninus. Fig. 16. Abramis brama. Zander phot. Lichtdruck von C. G. Röder G.m.b.H.. Leipzig. TE Verlaswan WIR TREREn mg Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. LXXXIV. E | | Fig. 23. Se 97. Fig. 30.3 | - Coryßhaena hippurus. RS = Be Drepanopsetta Wr G 4 = — us => e‘ N ON AND? Scomber scomber. Fig. 31 Solea vulgaris. Zander phot. Taf. XXXI. i Fig. 29 c. Fig. 34. Coregonus hiemalıs. Fig. 35. Salmo fario. F12..20. Salmo salvelinus. Conger vulgaris. j “ Er Zu Lichtdruck von C. G. Röder G.m.b. H,, Leipzig. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. LXXXIV. Taf. XXXI. Fig. 29 c. Fig. 34. Coregonus hiemalis. Fig. 30. , Fig. 23. Drepanopsetta es | Coryphaena hippurus: Fig. 835. Salmo fario, Fig.36. & Salmo salvelinus. Fig. 31. Solea vulgaris. | : 2 z u. Tee Zander phot. Lichtdruck von C. G. Röder G.m.b.H,, Leipzig, Be a aD U u al ZU > a >= A 5) MR: 3 NUN INANL N 3 9088 01316 6301 ren