‘ “ 6. % ö h h 4 .. h Du 4 u ‘ “ . * 192. hs « ! j D f A ae J nn h Y u > ‘ er: k r 53 a » + ” [3 ‘ B ‚ “ - , ZEITSCHRIFT FUR ALLGEMEINE ERDKUNDE. MIT UNTERSTÜTZUNG DER GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN UND UNTER BESONDERER MITWIRKUNG vVoN H. W. DOVE, C. G. EHRENBERG vs» H. KIEPERT . BERLIN, K. ANDREE ıw reirzıc uno J. E. WAPPÄUS ıx sörrıncen HERAUSGEGEBEN voN Dr. K. NEUMANN. NEUE FOLGE. NEUNTER BAND. MIT V KARTEN. BERLIN. VERLAG VON DIETRICH REIMER. 1860. Aa N TAggaTa ee Re ana norına A PER xI: Inhalt des neunten Bandes. . Ein Ausflug nach Cyzikus und in das Thal des Aesepus. Von Sper- ling, Dolmetsch der Kgl. Preufs. Gesandtschaft zu Constantinopel . Mittheilungen aus Algerien. Von Dr. L. Buvry. Die östliche Sa- hara der Regentschaft Algerien. Das Klima in seiner Einwirkung auf den Gesundheitszustand . . =» » 2:2. 2» . Krapf’s und Rebmann’s Reisen im ÜÖstlichen Südafrika, Von Director Meinecke in Prenzlau. : . .» . Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. Von H. Burmeister. 1. Reise von Rosario nach Cordova. 2. Von Cordova nach Tucuman. 3. Aufenthalt in Tucuman . ; Hilferding’s Reise von Ragusa nach Mostar. Aus dem Russischen, vom- Herausgeber +. #7r\i,..m. An . Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. Von H. Burmeister. 4. Von Tucuman nach Catamarca . . Historisch - geographisch - statistische Skizze der kaiserl. brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul. Nach officiellen Angaben und eigener Anschauung zusammengestellt von Woldemar Schultz. Hilferding’s Reise von Mostar nach Ssarajewo. Aus dem Russi- schen, vom Herausgeber . . Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. Von H. Burmeister:. 5. Catamarca und seine Umgegend. Reise nach ERDE ee HET . Historisch - geographisch - statistische Skizze der kaiserl. brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul. Nach officiellen Angaben und eigener Anschauung zusammengestellt von Woldemar Schultz (Schlufs) Schlufs von Capt. Palliser’s Expedition nach den Rocky Mountains 1858 — 1860. Nach den Originalberichten zusammengestellt von NE SEE ER ER wr gchige ln A Yalr Peer stekah Seite 13 169 194 217 257 285 309 IV Inhalt. Seite XII. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. Von H. Burmeister. 6. Uebergang über die Cordilleren. 7. Das Thal von Copiap6 bis zum Meere . . 2» 2 on na 2. 880 XIO. Ueber die wasserführenden Schichten im Allgemeinen und über die Schichten im Besonderen, die in Dänemark die Quellen und Brun- nen nähren. Von J. G. Forchhammer. Aus dem Dänischen, von B. v.. Etzel 4-0. 2.00) oe ee XIV. Consul Wetzsteins und R. Doergens’ Reise in das Ost-Jordan- Tand. Von BR. Dioergens... nenn ee XV. Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. VonE. Quaas 421 Miscellen und Literatur. Europa. Das central-russische Kohlenbecken . . . - 2 148 Macher’s „medizinisch - statistische en a Hersogthums Steiermark“ . . . a or Hartwig’s „Führer durch die Ydanaheflthen Hochlande“ > ee „Das Innthal in Tyrol und seine Nebenthäler.*“ Von W.M. . . . 161 Lord-Dufferin’s „Briefe aus hohen Breitengraden“ . . . . . . 162 H. Barth’s „Becken des Mittelmeeres“ . . er .,.468 Ueber das Klima der Stadt Wjelsk und den Berne ch dba os „71282 Statistische Notizen über das Schulwesen in der Walachei . . . .„ 234 Wenzig’s und Krejti’s „Böhmerwald . . . . BU 204 v. Berg’s „Aus dem Osten der österreichischen nie 4173147254 Nivellement der Radaune. Von H. W. Dove . . .. 2.2.2. 319 Zur Statistik des Gouvernements Simbirsk . ». - 2 2 2 2.2.0... .820 Bevölkerungsstatistik der Herzegowina . . Era ap ame 1 OR W. Biffart’s „Deutschland, sein Volk und seine Sitten“ na! Irische Crannoges und Schweizer Pfahlbauen . » » 2 2... 461 Afrika. Th. v. Heuglin’s Expedition nach Central- Afrika . . x... .. 451 Nachriebten von’ H. Duveyrier 2 u nn 2 3t Bau eines Hafens auf Reunion . . . 2... a Ind BR 2 Asien. Verwerthung der Narym’schen Nesel . . 2 2 2 2 2 20002. .15 Eine Notiz über die Erwerbung des Amur-Landes durch die Russen. 152 Barren Island im Bengalischen Meerbusen . » » 2 2 02 2 nn. 154 Die Andamanen und ihre Bewohner. . » 2 2 2 2 2 een. 236 Die Stadt Yeddo . .- ..= .- iR Saar Cultur des Zimmetbaumes auf ME Halbinsel Malaons ee re Inhalt. V Australien und Polynesien. Ueber die Abnahme der einheimischen Bevölkerung auf Neu-Seeland 325 Ernte-Ertrag der Culturpflanzen auf den niederländischen Besitzungen im indischen Archipel im Jahre 1857 . . .- 463 Notiz über die letzte Entdeckungsreise John Mac Douall Stuarts ... 469 Berthold Seemann’s Forschungen auf den Fidji-Insen. . ». . ....475 Amerika. Ueber die Silberbergwerke in Chile . . . . . 251 Notizen über das Küstenland der brasilianischen RER RR una Bao Paulo 2. 2. BL PORT Eine Tour durch die reihen Theile v von a Skat ae el Ave-Lallemant’s „Reise durch Südbrasilien®. - . 2 2.2.2...490 Literatur allgemeineren Inhalts. Klun’s „Allgemeine und Handelsgeographie“ . 2. 2 2 2.2..2...1457 Domke’s und Engel’s „Verzeichnifs von Seeleuchten“. . . . . 163 H. Kiepert’s „Hand- Atlas über alle Theile der Erde*. . . . . 488 Uebersicht der vom Juli bis zum December 1860 auf dem Gebiete der Geographie erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Von ROTE en He We en ey entte Cal ee ee Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 7. Juli 1860 . 164 = = £ - - - - 4 August - . 166 = & z = - - - 7. Septemb. - .. 255 - - - - - - - 6. October - . 335 - - - - - - - 3. November - . 494 - - - - - - - 8, December - . 495 Karten. Taf. I. Doppelblatt: Uebersichtskarte der Erforschungen im Südäquatorialen Ost- Afrika, vorzüglich von Krapf, Burton und Speke, zusammengestellt von H. Kiepert. Mafsstab 1:5000000. — Speciellerer Entwurf von Krapf’s und Rebmann’s Ostafrikanischen Reisen, auf die annähernd richtigen Malsverhält- nisse zurückgeführt von H. Kiepert. Malsstab 1:2000000. Taf. I. Karte des Jacuhy-Thales mit den deutschen Colonien in der südbrasi- lianischen Provinz Rio Grande do Sul. Aufgenommen 1859 vom Königl. Sächs. Oberlieutenant Woldemar Schultz. VI Inhalt. Taf. II. Karte der Küste der Capitania de Sao Paulo. Nach einer Manuscript- Karte der Marine-Bibliothek zu Rio Janeiro (eopirt von Lieut. Woldemar Schultz), auf 4 redueirt. Mafsstab 1:1000000. Taf. IV. Vorläufige Skizze der von Consul Dr. J. G. Wetzstein und R. Doer- gens im Frühjahr 1860 ausgeführten Reise im Ost-Jordanlande, construirt und gezeichnet von H. Kiepert. Mafsstab 1:1,000,000. Taf. V. Karte des Staates San Salvador, im Auftrage des Präsidenten Don Ra- fael Campo, von Maxim. v. Sonnenstern. Nach der zu New-York 1859 erschienenen Originalkarte auf den halben Mafsstab verkleinert. Be .N0. 85. 86. Rt Juli — August 1860, FUR ALLGEMEINE ERDKUNDE. | Er. ZEITSCHRIFT | MIT UNTERSTÜTZUNG DER GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN UND UNTER BESONDERER MITWIRKUNG VON -. H. W. DOVE, C. G. EHRENBERG, H. KIEPERT m zexun, K. ANDREE ın eiezıe uno J. E. WAPPÄUS GÖTTINGEN. HERAUSGEGEBEN VON Dr. K,. NEUMANN. “. NEUE FOLGE, NEUNTER BAND, ERSTES UND ZWEITES HEFT. BERLIN. VERLAG VON DIETRICH REIMER Inhalt. Seite I. Ein Ausflug nach Cyzikus und in das Thal des Aesepus. Von Sper- ling, Dolmetsch der Königl. Preufs. Gesandtschaft in Constantinopel 1 II. Mittheilungen aus Algerien. Von Dr. L. Buyry. Die östliche Sa- hara der Regentschaft ren: Das Klima in seiner Einwirkung auf den Gesundheitszustand . . - 13 UI. Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika, Yon Diva Meinicke in Prenzlau. . . .» ELSE, ee 22 IV. Reise durch einige nördliche Praina der La Plata Alnaien, Von H. Burmeister . . . N en RE A Er 1. Von Rosario nach Ve Se a RE I FE 2. 5Von. Cordoya nach. Tueuman mn 3. Aufenthalt in Tucuman . . . eh! V. Hilferding’s Reise von Ragusa nach Foster. Ri; dem Bissieih Vom $Hotauspeber:*>7.. Er a ren a Miscellen. Das central-russische Kohlenbecken . . . RER OEL Th. v. Heuglin’s Expedition nach Central- Afrika ee | Verwerthung der Narym’schen Nessel a ee Eine Notiz über die Erwerbung des Amur- Tandeg, Acta die Russen . 152 Barren Island im Bengalischen Meerbusen . . » . 2 2 2 22... 4184 Neuere Literatur. Klun, Allgemeine und Handels- Geographie. Wien 1860 . . . . . 157 Macher, Medizinisch-statistische Topographie des hear Steier- mark, Aaraz 18601. ee een ae ee Hartwig, Führer durch die Südbayerischen Höchlänlle, "änchen 1860 161° Das Innthal in Tirol und seine Nebenthäler. Von W.M. Innsbruck 1860 161 Briefe aus hohen Breitengraden. Bericht über eine Reise nach Island, Jan Mayen und Spitzbergen im Jahre 1856. Von Lord Dufferin. Braunschweig 1860... 2.0... ABER ERENTO N- H. Barth, Das Becken des Mittelmeeres in natürlicher Kl eulturhisto- rischer Beziehung. Hamburg 1860 . . . . 163 Verzeichnifs der Seeleuchten oder Leuchtfeuer der Erde. Fa F. Domke und E. Engel. Berlin 1860 . . . . « 163 Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin x vom 7. Iali 1860° . 164 - - - - - - - 4. August 1860 166 Karte. Taf. I. Doppelblatt: Uebersichtskarte der Erforschungen im Südäquatorialen Ost-Afrika, vorzüglich von Krapf, Burton und Speke, zusammen- gestellt von H. Kiepert. Maalsstab 1: 5,000 000. Speciellerer Entwurf von Krapf’s und Rebmann’s Ostafrikanischen Reisen, auf die annähernd richtigen Maafsverhältnisse zurückgeführt von H. Kiepert. Maalsstab 1 : 2,000 000. e Ein Ausflug nach Cyzikus und in das Thal des Aesepus. Von Sperling, Dolmetsch der Königl. Preufs. Gesandtschaft in Constantinopel. D.:. Bemerkung Otfried Müller’s in seinem Handbuche der Archäo- logie ($ 153. A. 3), dafs die Ruinen von Cyzikus nicht gehörig er- forscht seien, sowie die Lücke auf der grolsen Kiepert’schen Karte von Kleinasien, welche den antiken Badeort Poemanenum (Phemenium) im Aesepusthale nicht angiebt und dessen Lage demnach als unbekannt voraussetzt '), bestimmten mich, diesen Ausflug zu machen, welcher übrigens durch die nunmehr regelmäfsige Dampfschiffahrt zwischen I Constantinopel und Panderma (Panormus) sehr erleichtert wird. Wir landeten nach siebenstündiger Fahrt an letzterem Orte. Pan- derma mag heute wohl 1000 Häuser haben. Die Bevölkerung ist hier, wie an der ganzen Südküste der Propontis, vorherrschend: grie- chisch. Die Dampfschiffahrt hat einen lebhaften Handelsverkehr mit der Hauptstadt in’s Leben gerufen, den selbst die schweren Export- steuern, mit welchen die Regierung den Verkehr zwischen den ver- schiedenen Provinzen belegt, nicht zu lähmen vermögen. Nach kur- * zem Aufenthalt eilte ich weiter nach dem 14 Stunden entfernten Cy- zikus, da sich in Panderma aufser einigen zerstreut umherliegenden armorquadern keine Spuren des Alterthums finden, wie dies auch schon Sestini bemerkte. Der Weg nach Cyzikus führt dicht am Meere hin, manchmal auch durch dasselbe hindurch, wo byzantinisches Mauer- _ werk zu Tage steht. Bald hatten wir den Isthmus von Cyzikus er- eicht und befanden uns auf der sanft demselben sich zuneigenden An- 1öhe, auf welcher Mithradates rathlos mit seinem ungeheuren Heere lagern mulste, nachdem er sich von Lucullus von dem die Stadt und ‚ihre Umgebung beherrschenden Berge Adrasteia, der uns links lag, !) Vergl. dagegen meine Bemerkung zu 8. 11. K. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd, IX. - 1 dl a ee + er 2 Sperling: hatte herabdrängen lassen. Die Lage der gegenüber liegenden Stadt ist von hier aus am übersichtlichsten. Sie dehnte sich von Ost nach West an den Südabhängen des Dindymus in einem mächtigen Ovale aus und war zur grölseren Hälfte vom Meere umflossen. Die Dämme, welche nach Plinius Alexander der Grofse anlegte, hatten meiner An- sicht nach wohl nur den Zweck, die Stadt gegen Angriffe von der Seeseite oder auch die Häfen vor dem heftigen Wellenschlage zu schützen. Die Stadt mit dem Festlande zu verbinden, kann nicht die Hauptabsicht gewesen sein, da gerade ihre Lage auf einer Insel gegen- über dem Festlande ihr so mannichfache Vortheile bot '). Plutarch erzählt auch ausdrücklich, dafs Mithradates die „Mauern des Hafens“ mit Penteren, auf denen Thürme standen, angriff. Die Mauern des Hafens werden diese Dämme gewesen sein. Ich mufs hier der allge- mein verbreiteten Ansicht, dafs die Dämme parallel gewesen seien, entgegentreten. Von der Stadtseite her an den beiden äulsersten Enden derselben ihren Anfang nehmend, neigen sie sich nach dem Festlande hin etwas zusammen und man sieht, dafs bei ihrer Erbauung die Ab- sicht vorlag, von der Meeresseite her die ganze Stadt in den schützen- den Bereich derselben einzuschliefsen. Der nach Osten gelegene ist, wahrscheinlich durch die vom Bosporus herwehenden Nordoststürme und den dadurch erzeugten Wellendrang, am meisten zerstört. Das Meer hat hier hohe Sanddünen aufgeworfen, zwischen welchen er schwer zu erkennen ist. Der westliche hingegen ist noch in seiner ganzen Länge, welche die des östlichen wohl um das Dreifache über- treffen mag, sichtbar und setzt sich nach dem südlichen Festlande hin- auf einige hundert Schritt lang im Bogen fort. Hier, wo er mir zu- gänglich war, betrug seine Breite 2 Meter und seine noch sichtbare Höhe ungefähr 3 Meter; unten auf dem versumpften Isthmus selbst, wo er sich ganz mit Strauchwerk bewachsen zeigte, mag er breiter sein. Weshalb man ihn so weit nach dem Festlande hineingeführt hat, ist mir unerklärlich. Auch haben hier an seinem Ende Baulichkeiten, vielleicht zur Vertheidigung bestimmt, gestanden. Denn dafs die Dämme auch zum Hinübergehen benutzt wurden, erhellt aus mehreren Stellen !) Die Meldung des späten und ungenauen Schriftstellers über die Zuschüttung des angeblichen Meeresarms und die frühere Insellage von Kyzikos halte ich für gänz- lich unhistorisch, nicht allein weil die Historiker in Alexander’s Geschichte nichts davon erwähnen, sondern vorzüglich weil schon vor jener Zeit Skylax als ältester Zeuge Kyzikos auf dem Isthmos gelegen nennt und weil es an einem Namen für die angebliche Insel gänzlich fehlt, denn die von Strabon gebrauchte Benennung „Insel Kyzikos“ oder „Insel der Kyzikener“ ist natürlich erst der kürze- ren Bezeichnung wegen nach der Durchstechung des Isthmus dem Stadtnamen ent- lehnt worden. Kiepert. h . Ein Ausflug nach Cyzikus und in das Thal des Aesepus. 3 der Alten '). Westlich von diesem Damme ist eine wohl 400 Schritt breite flache Versandung, durch welche man heute nach der Ruinen- stätte gelangt, da der von den Dämmen umschlossene Raum (der alte Hafen) einen unzugänglichen Sumpf bildet. So sehr nun auch diese Dämme der Stadt zu mannichfachem Nutzen gereichen mochten, eben so sehr mufsten sie zur Versumpfung und Versandung und zur Isthmus- bildung beitragen, als Cyzicus verfiel. Aber heute noch wäre es leicht und wenig kostspielig, die Meerenge wieder zu öffnen, den Handel der alten Stadt, der sich jetzt auf die Städtchen Panderma, Peramo, Erdek und Aidindschik vertheilt hat, wiederum auf der Stelle des einst reichen und blühenden Handelsemporiums zu eoncentriren und den Pro- dueten der reichen bithynischen und mysischen Ebenen ihren alten Exportplatz wiederzugeben, dessen sie jetzt so schmerzlich entbehren. Von der beispiellosen Indolenz und Kurzsichtigkeit einer Regierung, wie die türkische, läfst sich aber solch ein gemeinnütziges Unternehmen nicht erwarten. Die Untersuchung der Ruinen der Stadt ist äufserst schwierig; an vielen Stellen, namentlich nach der Hafen- jetzt Sumpfseite ganz un- möglich, und da wo die grofsen Trümmerhaufen, welche mit undurch- dringlichem Dornengestrüpp bewachsen sind, Raum übrig gelassen ha- ben, finden sich Weingärten, die wiederum durch Hecken geschützt sind, so dafs dem Reisenden eine freie Bewegung innerhalb all dieser Hindernisse sehr erschwert wird. Die Ruinen, sämmtlich aus gröfseren und kleineren Fragmenten proconnesischen Marmors bestehend, erhe- ben sich an manchen Stellen bis zu 40 Fufs Höhe, und mögen wohl noch so viel isolirte Gruppen zu unterscheiden sein, als man in Cyzi- kus berühmte Gebäude nannte. Wo aber z. B. das ohne Klammern künstlich construirte Rathhaus, das Prytaneum, der Zeustempel, der Tempel Attalus’ II. mit den gefeierten Säulenbasreliefs u. s. w. standen, ist nicht mehr mit Gewilsheit anzugeben. Nachgrabungen in Cyzikus mülsten um so belehrendere Resultate geben, als von den Prachtbauten der nachalexandrinischen Zeit sonst fast nichts auf uns gekommen ist, während die Bauten in Cyzikus fast alle gerade dieser Periode ange- hörten. Aber auch Sculpturschätze müssen noch unter diesen Marmor- hügeln verborgen liegen: die Stadt wurde nicht planmälsig zerstört, sondern nach den Byzantinern Cedrenus und Zonaras wurde sie durch zwei Erdbeben in den Jahren 443 und 1063 zertrümmert, christlicher frommer Zerstörungseifer sowie türkischer Barbarismus fanden das Werk schon vollbracht, und die Schatzgräber des Mittelalters mochten die aus ) Vergl. die treffliche Schrift von J. Marquardt: „Cyzikus und sein Ge- biet.“ Berlin 1836. * A Sperling: grolsen Marmorblöcken bestehenden Trümmer nicht zum Suchen reizen, denn hier müfste man mit dem Flaschenzuge und der Winde, nicht mit Hacke und Spaten suchen. Vieles mag nach dem aufblühenden Byzanz geschleppt worden sein; zu diesen Plünderungen hatten Con- stantin und Justinian das Beispiel gegeben und die Türken mögen zu ihren zahlreichen Moscheen wohl keine einzige Säule selbst zugehauen haben. Einen weiteren Beweis für den Reichthum der Trümmer lie- fern die täglich an ihrer Oberfläche von den Bauern aufgefundenen Bruchstücke. So sah ich in Ermeniköi, einem Dorfe östlich von den Ruinen, folgende Sculpturen: 1) Ein kleines Basrelief von weilsem Marmor, 30 Centimeter hoch, 45 Centimeter breit, Demeter in ganzer Figur en face darstellend. Sie ist mit einem langen Chiton bekleidet, ruhig dastehend, und hält zwei grolse Fackeln mit ausgestreckten Armen von sich; der Kopf und die Fülse sind zerstört, jedoch lälst sich noch erkennen, dafs sie eine hohe Kopfbedeckung trug; die Figur ist voll und matronenhaft; rechts hinter ihr, in halber Figur sichtbar, steht ein Hund '). 2) Ein Bruchstück eines Säulenbasreliefs. Kopf einer weiblichen Figur, leise nach rechts gelehnt; sie trägt eine verhüllende runde Kappe, welche, wenn der Kopf nicht Basrelief wäre, denselben hinten ganz bedecken würde; über der Stirn endigt diese Kappe mit einer selt- samen, wie ein stumpfes kurzes Horn geformten, ebenfalls nach rechts gebogenen Verzierung; unter der verhüllenden Kappe quellen reiche, sich ringelnde, symmetrisch geordnete Locken hervor; das Gesicht ist rundlich, hat, möchte ich sagen, keinen hellenischen Typus und trotz- dem, dafs es sehr zerstört ist, einen noch immer lieblichen seelenvollen Ausdruck. Die Figur war geflügelt und lehnt sich innig an ein noch vorhandenes Bruchstück einer dicht über ihrem Haupte in schwacher Ausladung endigenden und #4 Meter im Durchmesser haltenden Säule an, oder scheint sie vielmehr mit ihren Flügeln ganz umfangen zu ha- ben. Ich kann es kaum wagen, dies Fragment für zu den berühmten 19 in Epigrammen gefeierten Säulenbasreliefs (orvAorıwazın) gehörig anzusehen, die sich am Tempel des Attalus II. fanden. So viel mir bekannt, hat bis jetzt kein Kunstschriftsteller versucht, sich darüber klar zu werden, wie diese Säulenbasreliefs wohl ausgeführt sein moch- ten: ob sie an den Tempelsäulen selbst angebracht waren, was für die Zeit ihrer Entstehung, in welcher noch geläuterter Kunstgeschmack herrschte, eine Monstrosität gewesen wäre (für die späte Kaiserzeit liefert die Halle in Thessalonika 'ein analoges Beispiel), ob sie die Anten oder Pilaster der Cellamauer zierten, oder ob sie, wie bei dem ') Vergl. ©. Müller’s Archäologie $ 357 Anm. 8 Absatz 2. Ein Ausflug nach Cyzikus und in das Thal des Aesepus. “) nach Fellow’s Ideen restaurirten Harpagosdenkmal von Xanthus frei in.den Intercolumnien standen. Letztere Muthmafsung hat wenig Wahr- scheinlichkeit für sich, da einzelne Gruppen, wie die der Antiope, sehr figurenreich sein mulsten. 3) Ein Terracottafragment, den hinteren Theil eines Löwen dar- stellend. Der Schweif des Thieres ist mit netzförmigen Linien über- zogen und ruht auf einem Rade. Die Arbeit ist roh und barbarisch, und dieses Fragment könnte aus der lydischen oder persischen Zeit der Stadt stammen. 4) Ein kleines, flachgehaltenes Basrelief von weilsem Marmor stellt einen Delphin mit quer dahinter gelegtem Dreizack dar. 5) Zwei sich bäumende, frei auf viereckigen Platten ruhende, einen Fufs hohe Delphine, der eine von einer kleinen Figur geritten, ähnlich wie bei der mediceischen Venus. Beide sind oben abgebrochen, so dafs von dem Figürchen nur noch die Schenkel sichtbar sind. Die Köpfe der Thiere sind an beiden Seiten verschieden behandelt, denn während man auf der einen Seite die ausgespreizte Flofsfeder sieht, zeigt die andere statt der letzteren eine Art Ei. Alle diese Fragmente waren für wenig Geld käuflich zu haben; ich konnte sie aber nicht transportiren und liefs sie zurück. Ich glaube hiermit hinlänglich dargethan zu haben, dafs Nach- grabungen in den Ruinen der Stadt lohnend sein würden und ver- liefs dieselben mit dem Wunsche, dafs eine kunstsinnige Regierung es unternehmen möge, die unter der deckenden Erde schlafenden Schätze zu neuem Leben zu wecken. Mehr nach Osten mich wendend kam ich zur Nekropolis, welche, wie überall, so auch hier, aufserhalb der Stadt lag, und sich nach den Südabhängen des Berges Arktus hinaufzieht. Hier gruben vor einigen Jahren die Bauern zwei grofse glatte, aber mit Inschriften versehene Marmorsarkophage aus, welche in der damals gerade im Bau begriffe- nen Kirche des nahe gelegenen Dorfes Ermeniköi vermauert wurden, nachdem man sie vorher in Stücke zerschlagen hatte. Der in densel- ben gefundene, namentlich aus glatt gearbeiteten goldenen Armbändern und Ringen bestehende Schmuck wanderte in die Schmelztiegel der Goldarbeiter von Constantinopel. Etwas südlich von der Nekropole liegt der Hügel Adrasteia (nicht zu verwechseln mit dem Berge Adra- steia, der auf dem Festlande liegt). Die Stadtmauern, welche dicht an diesem Hügel vorbeiführen, ohne ihn einzuschliefsen, sind hier sehr hoch und stark. Wefshalb man diesen Hügel nicht in den Bereich der Stadt zog, was sehr leicht gewesen wäre, ist nicht zu ermitteln. Indem ich das im Norden ebenfalls aufserhalb der Stadt gelegene kleine, spätrömische Amphitheater übergehe, da es von früheren Rei- 6 Sperling: senden oft beschrieben und gezeichnet worden ist, komme ich zu einer im Westen, ebenfalls aufserhalb der Stadt belegenen Trümmerstätte, welche ich nicht anstehe für die des gro/sen Hadrianischen Tempels, des Weltwunders, des gröfsesten und schönsten aller Tem- pel, wie Dio Cassius sagt, anzusprechen. Sehen wir zuerst, was andere Reisende über diese Trümmer sa- gen, um daran unsere eigenen Wahrnehmungen anzuknüpfen. Freih. v. Prokesch, der sich in Cyzikus nur sehr flüchtig umgesehen zu haben scheint, sagt'): „Die ersten Reste, auf welche man stöfst, lie- gen links am Wege (von Erdek kommend), Bogen mit Mauertrümmern übersäet, in’s Viereck geordnet, vielleicht der Unterbau irgend eines öffentlichen Gebäudes, vielleicht auch nur einer Cisterne. Die Mauern der Stadt schliefsen diese unscheinbaren Trümmer aus.“ ... Pococke sagt: „Am westlichen Hafen finden sich Ueberbleibsel von zwei acht- eckigen Thürmen nahe bei einander .... nordwärts davon Trümmer eines grolsen Gebäudes, das etwa 100 Schritt im Geviert hat, von dem aber nur noch die schönen unterirdischen Gewölbe übrig sind.“ In diesen Angaben ist Vieles ungenau: die Ruinen, ganz aus Marmor- stücken bestehend, von Nordwest nach Südost der Stadtseite, wo der Eingang war, orientirt, haben nicht 100 Schritt im Geviert, sondern sind ungefähr 240 Schritt lang und 100 Schritt breit. Diese Mafse können aber ebenfalls auf Genauigkeit keinen Anspruch machen, da ein gerades Abschreiten durch Bäume, Steinblöcke, Gräben u. dgl. ver- hindert wird. Auch geben sie die wahre Grölse des Gebäudes nur annähernd an, da bei dessen Zusammenstürzen die Trümmer über den eigentlichen Umfang, der nicht mehr zu erkennen ist, weit hinausroll- ten. Aber auch aus diesen oberflächlichen Messungen ist leicht zu er- sehen, dafs sie zu den Gröfsenverhältnissen eines antiken Tempels passen ?). Unscheinbar sind ferner die Trümmer durchaus nieht, denn sie erheben sich an einzelnen Stellen über 30 Fufs hoch und bilden unter sich wieder steile Vertiefungen und Erhöhungen. Unter densel- ben laufen die schönen, aus Marmorblöcken gewölbten Gänge parallel neben einander; sie sind zwei Meter breit: ihre Höhe ist wegen des darin aufgehäuften Schuttes nicht zu bestimmen. Wie Herr v. Pro- kesch diese Gänge für eine Cisterne halten konnte, ist um so weniger zu verstehen, als man eines Theils Cisternen nicht in dieser Weise !) Denkwürdigkeiten und Erinnerungen 'aus dem Orient, herausgegeben von E. Münch. Stuttgart 1837. II, 271. ?) Das Artemisium zu Ephesus 425 X 220 F., Olympieum zu Athen 354 X 171, Heraeum zu Samos 346 X 189, Agrigent 227 X 160, Partbenon 227 x 101 u. s. w. Hiernach hätte Dio Cassius Recht, wenn er den cyzikenischen den gröfsesten aller Tempel nennt. Ein Ausflug nach Cyzikus und in das Thal des Aesepus. 7 baute, anderen Theils dieselben aber nie aufserhalb der Städte anlegte, wo sie die leichte Beute eines belagernden Feindes werden konnten. Kaum auf die Marmorhügel hinaufgeklettert, fand ich zu meiner Freude ein Fragment einer Säulenbasis; es bildete, obgleich ein sehr grolser Stein, doch höchstens nur den achten Theil der Peripherie. Ich suchte das Centrum derselben zu ermitteln und fand für den Durch- messer dieser Säulenbasis 3,40 Meter. Das Resultat ist erschreckend, nähert sich aber den Angaben des Dio Cassius, der den Umfang der Säulen auf 4 Klafter angiebt. Ich gebe gern zu, dafs ich mich bei dieser Berechnung getäuscht haben’ kann, jedenfalls aber nicht bedeu- tend. Ob die Säulen monolithe gewesen seien, konnte ich nicht er- mitteln. Die Basis hat einen Torus, die Apophygis, welche mit einem unterschnittenen Leistehen beginnt, dann abermals zwei Leistchen. Es ist eine verdorbene toskanische Basis, bei welcher namentlich die Unter- schneidung des ersten Riemchens wenig naturgemäfs ist. Die Capitäle der Säulen, von welchen noch mannichfache Bruchstücke umherliegen, gehören der korinthisch - compositen Ordnung an; die Voluten sind aber unverziert. Von Canneluren der Säulen sah ich keine Spur und vermuthe, dafs letztere glatt waren, was auch der toskanischen Basis am meisten entspricht. Der Architrav und Fries mufs überreiche Ver- zierungen gehabt haben; es liegen wenigstens Bruchstücke von Eier- stäben aller Dimensionen umher; bei den grölsesten derselben betrug die Länge der Eier allein 20 Centimeter. Auch finden sich mannich- fache Fragmente kleiner glatter Säulen; sie mögen zu den Gängen (ö00u0:) gehört haben, welche in den drei Stockwerken des Tempels, von denen eines unterirdisch war, angebracht waren. Das letztere möchte ich mit den oben angeführten marmornen Gewölben identifiei- ren und was die beiden oberen Gänge betrifft, so mochte der Redner wohl damit sagen wollen, dafs der Tempel ein Hypaethros war, deren Cella stets eine doppelte Säulenstellung übereinander hatte. Einen weiteren Beweis für meine Behauptung, dafs diese Ruinen die des Hadrianischen Tempels seien, finde ich in ihrer Lage. Der erwähnte Aristides sagt in seiner Einweihungsrede: „Das Werk, zu dessen Einweihung ihr diese Feier veranstaltet, ist das grölseste von allen, welche den Menschen vor Augen gekommen sind. Vorher schlos- sen die Schiffer aus den Gipfeln der Inseln: dies ist Cyzikus, jenes Proconnesus und welche von den anderen einer sah; jetzt aber reicht statt der Berge der Tempel hin und Ihr allein bedürft weder Leuchten noch Feuerzeichen noch Thürme für die Einlaufenden, sondern der Tempel, den ganzen Gesichtskreis ausfüllend, zeigt sowohl die Stadt als auch den grofsen Sinn der Bewohner an u. s. w.“ Diese Worte passen vollkommen zu der Lage unserer Ruinen. Im äulsersten We- 8 Sperling: sten der Stadt, dicht vor ihren Mauern, am Eingang des Hafens und etwas erhöht am Meere lag das ungeheure Gebäude von NO. nach SW. gestreckt, den Einfahrenden in seiner vollen Länge sichtbar und mit seiner Höhe (die bis zum Dachfirst weit über 100 Fufs betragen mulste) leicht die anderen Gebäude der dahinter liegenden Stadt ver- deckend oder, wie die oratorische Floskel sagt, den Gesichtskreis aus- füllend. Den von Osten her Einfahrenden konnte der Tempel nicht sichtbar werden, indem von dieser Seite der in die Ebene der Stadt etwas hineintretende Berg Arktus ihn verdecken mufste. So viel von diesem Bau. Dafs er einer der gröfsesten des Alter- thums gewesen, scheint mir zweifellos zu sein. Ob er aber der schönste gewesen, möchte ich verneinen. Die von mir aufgefundene Säulenbasis und die Reste des Gebälks scheinen mir unumstöfslich darzuthun, dafs zur Zeit Hadrian’s und seiner Nachfolger Mare Aurel und Verus, die den Tempel vollendeten, Naturwahrheit und Klarheit der Auffassung aus der Baukunst verschwunden waren. Die Trümmer sind übrigens noch so reich und mannichfaltig, dals es künftiger gründlicher For- schung ein Leichtes sein wird, das Wahre über dieses Weltwunder festzustellen. Nach dem uralten Tempel der Cybele auf dem Dindymus habe ich vergeblich gesucht und gefragt. Es scheint, dafs keine Ueberreste mehr davon vorhanden sind. Von Cyzikus wandte ich mich nach Erdek, dem alten Artace. Der Weg dahin führt durch Wein- und Maulbeergärten und wird von mehreren, von Dindymus herabrauschenden Bächen durchkreuzt. Das grölseste dieser Gewässer fliefst durch Erdek selbst. Das Städtchen, welches im Jahre 1854 gänzlich abbrannte, ist neu aus seiner Asche erstanden und mag an 1000 griechische und 200 türkische Häuser zählen. Alterthümer enthält es nicht. Die im Südwesten von Erdek in’s Meer sich dehnende Landzunge endigt mit einem Hügel, der nach drei Seiten schroff in’s Meer abfällt und nach der Landseite durch eine Ummauerung vertheidigt wird, die aber keine sogenannten pelasgischen Constructionen enthält, wie sie Sestini gesehen haben will, welchen Irrthum schon Freih. v. Prokesch berichtigt hat '). Das Mauerwerk ist mittelalterlich und die dabei verwendeten grofsen Werkstücke mö- gen zu dieser irrigen Angabe verleitet haben. Innerhalb dieser Um- mauerung stehen nackte Granitfelsen zu Tage und es zeigt sich darin keine Spur von Gebäuden. ‘Die sogenannte Kapelle des heil. Simeon auf dem Gipfel ist blos aus rohen Feldsteinen ohne Bindemittel auf- gethürmt, dazwischen sind Balken gelegt, um dem Ganzen mehr Halt 1) A. a. 0. 8. 269. a Ein Ausflug nach Cyzikus und in das Thal des Aesepus. I) zu geben. Dergleichen Betplätze, welche die Frömmigkeit an hervor- ragenden Punkten gewissermafsen improvisirt, habe ich im Orient häufig gesehen, namentlich aber auf der Insel Lesbos. Diese ganze Anlage kann ferner nicht zur Vertheidigung der westlichen Einfahrt von Cy- zikus gedient haben, da eines Theils der Meerbusen hier schon viel zu breit ist (e. 2 Stunden), als dafs eine derartige Befestigung hätte wirk- sam sein können, anderen Theils aber im Mittelalter, aus welchem die- selbe stammt, Cyzikus längst seine Bedeutung verloren hatte. Es scheint vielmehr ein Zufluchtsort für die Bewohner der umliegenden Gegenden in Kriegszeiten gewesen zu sein. Gegenüber Erdek in geringer Ent- fernung liegt ein Inselchen mit einer lauwarmen Quelle, vielen Ziegel- substructionen und einer jetzt verschütteten Höhle, deren Eingang in Ziegeln doppelt überwölbt war. Um das Thal des Aesepus zu besuchen, schlug ich die antike Stralse nach Pergamus, welche über das Städtchen Aidindschik führt, ein. Der Ort, ca. 600 Fufs über dem Meeresspiegel gelegen, mag an 600 Häuser haben; in der Geschichte der Osmanen spielte er als Ausgangspunkt ihrer ersten Eroberungsversuche auf das gegenüber liegende europäische Gestade eine bedeutungsvolle Rolle. Antik ist das Städtehen nicht; aber viele Säulentrommeln und schöne korinthische Capitäle, welche alle von Cyzikus hierher geschleppt wurden und jetzt ausgehöhlt als Tröge dienen, stehen in den Strafsen umher. Tritt man südlich aus den engen schmutzigen Strafsen Aidin- .dschiks heraus, so liegt die grolse mysische Ebene, bis zu den im Sü- den sie von der Ebene von Balikesri trennenden hohen Gebirgszügen sichtbar, weit ausgebreitet da. Links senkt sie sich unmerklich nach dem See von Miletopolis und rechts nach dem Thale des Aese- pus. So sah ich sie am 29. April, eine weite grünende wogende Fläche, die kein Baumwuchs unterbricht, nur in weiter Ferne die duftigen Ge- birge des Temnos und die blitzenden Gewässer des See’s. Nach drei- stündigem Ritte wurde das Dorf Gjaurköi (d. i. Christendorf) erreicht, nachdem wir dicht vor demselben ein westwärts nach dem Aesepus schleichendes Gewässer passirt hatten '). Die Fruchtbarkeit des Bodens ') Die Kiepert'sche Karte hat die Lage dieser Dörfer nicht richtig verzeichnet: Saslydere liegt dieht am Meere; Gjaurköi da, wo Kawak angegeben ist, aber auf der linken Seite des Baches; Jortan liegt auf der. Stelle von Körpatsch und vice versa. Gönen liegt 10 Minuten vom Aesepus entfernt; sämmtliche Gebirge von Mussatschköi bis Cyzikus treten dicht an’s Meer; Kawak scheint gar nicht zu exi- stiren, wenigstens nicht auf dem Wege von Körpatsch nach Saslydere. Eine gewag- tere Behauptung ist aber die, dafs der See Miletopolis zu sehr westlich gezeichnet sei, von der Höhe von Aidindschik sieht es aber so aus. [Ueber den Grund oder Ungrund der letzten Angabe würde die Mittheilung der genauen Compafsrichtung der von Aidindschik aus sichtbaren Seegrenze entschieden 10 Sperling: scheint hier ihre Potenz zu erreichen; ringsum ist Alles schönster Weizenboden. Die Einwohner von Gjaurköi kamen in Folge dessen zu grolsem Wohlstande und das war ihr Verderben, denn sie wurden von der Paschawirthschaft dergestalt mit Steuern, Auflagen und Frohn- den gequält, dafs sie zuletzt ihr Dorf und ihre Felder verliefsen und in die Hochgebirge zogen. In den leeren Häusern quartierte sich Räubergesindel ein, welches jetzt die Gegend unsicher macht und vom Bebauen der schönen Felder ist natürlich keine Rede mehr. Verlassene und ausgestorbene Dörfer sind übrigens in Kleinasien eine gewöhnliche Erscheinung. Hinter Gjaurköi fällt die mysische Ebene steil nach dem Aesepus und dem Dorfe Jortan ab. Die Abhänge sind mit grofsen Granit- blöcken übersäet, welche sich auch über die Höhen nach Süden und Norden fortzogen und bei Dussakdsche und Körpatsch endigen. Beim Hinabsteigen nach Jortan blieb letzterer Ort, den die Einwohner übrigens Kirbatsch nennen, rechts auf der Höhe liegen. In dem freundlichen Jortan, welches zwischen diesen Blöcken, 10 Minuten vom Aesepus entfernt liegt, nahm ich Quartier. Hier beginnen die unab- sehbaren Wiesen, die sich bis weit hinter Gönen nach Süden ausdeh- nen, und in welchen sich Vieh aller Art, namentlich Pferde, der Reich- thum der Thalbewohner, lustig herumtummelte. Die in ihrem schönsten Schmucke stehenden Wiesen, der sich durch sie hindurchwindende, „blau und kräuselnd fliefsende“ Aesepus, wie ihn schon die Alten nann- ten, die belebende Thierstaffage, gaben ein buntes bewegtes Bild, in welches die fernen Gebirge ernst hineinschauten. Wenn aber im Früh- ling der Schnee schmilzt, wird der Aesepus, welcher mit dem Granieus den Hauptabflufs für die aus den idäischen Gebirgen kommenden Wasser haben: die Bestimmung derselben in meiner Karte gründet sich auf des genauen und zuverlässigen Beobachters Hamilton Route von Aidindschyk um das Westende des See’s nach Hammamly und Manijas. Die übrigen Angaben des Verf. sehe ich als will- kommene Berichtigungen an, Jortan und Kirpatsch hatte ich selbst nur nach Winkel- messungen und geschätzter Distanz von der Höhe von Saryköi aus bestimmt; der alte Türke, der mir die Ortsnamen nannte, mufs sie verwechselt oder ich ihn unrecht verstanden haben; die Berge der Seeküste waren natürlich von Saryköi aus nicht sichtbar und die alte französische Küstenkarte (bis jetzt leider noch die einzige, da die neue englische Vermessung noch nicht veröffentlicht worden ist) zeigt sich auch sonst in hohem Grade unzuverlässig. Der geringe Abstand zwischen Gönen und dem Flusse aber ist in dem kleinen Mafsstabe, worin meine Karte im Stiche erschien, kaum anzudeuten möglich; in der gröfseren Originalzeichnung finde ich ihn richtig bemerkt. Kawak endlich giebt v. Prokeseh (a. a. O. p. 277) auf dem Wege von Aidindschyk nach Gönen (welche Namen er sehr corrupt Kütschüntschik und Gönehr schreibt) 3} Stunden von ersterem, 33 von letzterem entfernt und ohne wei- tere Zwischenorte an; offenbar hatte er einen etwas östlicheren Weg verfolgt als unser Verf. Ueber die Lage von Saslydere ist Prokesch, der es falsch Salisdere schreibt, nicht ganz deutlich. Kiepert.] Ein Ausflug nach Cyzikus und in das Thal des Aesepus. 11 bildet, wird der ruhig fliefsende Bach ein reilsender Strom. Den Aus- sagen der Bewohner nach überfluthet er dann sein ganzes weites Thal- bett und sogar die Brücke bei Zelea. Aus diesem Umstande erklärt es sich auch, weshalb keiner der Orte, wie z. B. Gönen, Sariköi (Zelea nach Kiepert), Dussakdsche, Jortan, Kirbatsch, dicht an seinen Ufern erbaut wurde. Ebenso wird es begreiflich, wie an seinen Ufern eine Wiesenbildung stattfinden konnte, deren Grölse und Schönheit den Rei- senden in Erstaunen setzt und wie sie im Orient sonst nicht leicht zu finden sein dürfte. Der Weg von Jortan nach Gönen führt durch diese grüne Thalfläche hin, die aber vielfach durch Sümpfe und Lachen durch- brochen wird, welche die zurücktretenden Wasser des Flusses gebildet haben. Eine halbe Stunde vor letzterem Orte beginnt ein Eichen- und Buchenwäldchen, durch dessen Schatten man nach Gönen hineinreitet. Gönen, 8 Stunden von Cyzikus entfernt, liegt am rechten Ufer des Aesepus in einer weiten Wiesenebene, nur im Osten treten die Gebirge etwas näher heran und ihr letzter Hügel mag die Akropole gewesen sein. Die moderne Stadt hat eirca 800 Häuser, 4 Moscheen, 1 Bad und 1 Chan. Für ihre Identität mit dem alten Poemanenum (Phemenium der Peutinger’schen Karte) sprechen folgende Gründe: die Lage an den Ufern des Aesepus auf der Strafse von Cyzikus nach Pergamum und ihre Thermalquellen an den Ufern dieses Flusses, von welchen ich sogleich sprechen werde. Stephanus Byz. nennt sie eine Festung (geovgıor). Die moderne Stadt liegt freilich flach auch etwas vom: Flusse entfernt; der oben erwähnte Hügel, der sich am Aesepus erhebt und noch antikes Mauerwerk zeigt mag das goovgıov des Ste- phanus gewesen sein '). Von Inschriften und Ruinen ihrer Artemis- und Asklepios-Tempel konnte ich nichts auffinden, erfuhr aber nach meiner Abreise, dafs solche doch existiren und mir von den milstraui- schen Einwohnern verheimlicht worden waren. Die heifsen Quellen aber, die Zeit und Menschenhände nicht zerstören konnten und von denen die Aerzte Constantinopels keine Ahnung haben, sprudeln heute noch wie an dem Tage, als man der Artemis Thermaia einen Tempel bei denselben errichtete. Sie liegen vor der Stadt dicht an den Ufern des Flusses, mit dessen Wassern sie sich sofort vermischen, und mögen ') Die Bezeichnung des Orts als „sehr stark befestigtes Städtchen“ (noAiyvıov &guunorarov bei Anna Comnena p. 440 A) scheint doch eine andere Localität zu fordern; überdiefs giebt der Rhetor Aristides, der einzige Autor des Alterthums, der die hiesigen heifsen Quellen erwähnt, den Ort Poemanenum als auf dem Wege von Adriani zu den Quellen, nicht bei diesen selbst gelegen an, daher ich auf meinen Karten zur alten Geographie (z. B. Bl. XIX des Atlas von Hellas, 1842) neben den Thermen am Aesepos etwas östlicher im Gebirge Poemanenos angesetzt habe, wo sich, wie man mir im Januar 1842 in Gönen sagte, Ruinen einer Stadt noch finden sollen. Kiepert. 12 Sperling: ihrer 6 bis 7 an der Zahl sein. Sie sind sämmtlich mit elenden Bretter- hütten, durch deren offene Thüren und Fenster der Wind pfeift, über- baut und in diesem Zustande von Kranken nicht zu benutzen. Eine der Quellen hat man zu einer Gerberei eingerichtet und die leben- spendende Fluth in eine pesthauchende Pfütze verwandelt. Mehrere andere dienen türkischen Frauen zu Waschplätzen und waren deshalb für mich nicht zugänglich, was ich um so mehr bedauerte, da gerade in ihrem Innern noch antike Reste erhalten sein sollten. Zerstreut umher lagen Säulentrommeln und eine Menge gekoppelter Halbsäulen von kleinen Dimensionen und schlechter byzantinischer Arbeit. Letz- tere, welche zu Fensterbekleidungen gedient haben mochten, beweisen, dafs die Quellen von den Byzantinern noch benutzt wurden. In dem Männerbade sieht man noch ein antikes, aus grofsen weilsen Marmor- blöcken construirtes viereckiges Bassin, dessen Seiten 7 Meter Länge haben. Die dicht daneben sprudelnde Quelle schien mir fast kochend zu sein. Da mir ein Thermometer fehlte, legte ich ein Ei hinein, wel- ches in 7 Minuten fast hart wurde. Das grofse Bassin wurde Abends um 9 Uhr gefüllt und hatte sich erst am folgenden Tage so weit ab- gekühlt, dafs man darin baden konnte, obschon ich es noch unerträg- lich heifs fand. Das Wasser hat einen leichten Bouillongeschmack und soll den Aussagen der Einwohner nach Hautkrankheiten heilen; Seife ist in demselben löslich. Die Lage der Bäder am Aesepus inmitten der grünen Wiesen ist reizend; und somit möchte ich diese Quellen künftiger gründlicherer Forschung empfohlen haben. Sie bilden ein neues Glied des Quellenkranzes, der den Nordabhang des mysischen Olymp umgiebt und im Osten bei Doryläum beginnend sich über Ja- lowa, Gebise, Cius (Ghemlek), Brussa, das Schlammbad bei Mualitsch, Gönen bis in die Troas hineinzieht. Von Gönen ritt ich nach dem 3 Stunden entfernten Saryköi (d. i. gelbes Dorf, nach Kiepert das alte Zelea). Der Weg führt durch den rasch fliefsenden Aesepus, dessen Wasser am 2. Mai aber schon so niedrig waren, dafs sie den Pferden kaum bis an die Kniee gingen, dann zu einer geringen, mit Zwergeichen bestandenen Anhöhe, welche die Ebene von Gönen von der von Zelea scheidet. Der letztere Ort liegt an den südlichen Abhängen der letzten Ausläufer des Ida (der peirossischen Berge, wie sie Strabo nennt). Wo der Wildpark der Iydi- schen Könige gewesen sein mag, ist schwer zu sagen, wenn er nicht auf jener Anhöhe zwischen Saryköi und Gönen sich befand; die peirossischen Gebirge fallen überall ziemlich steil nach dem Aesepusthale ab und eignen sich nicht zu einer derartigen Anlage. Vor Saryköi über- schritten wir ein ostwärts nach dem Aesepus eilendes Gewässer. Das heutige Saryköi ist so arm an Resten des Alterthums wie Gönen. Die Ein Ausflug nach Cyzikus und in das Thal des Aesepus. 13 Akropolis, ein nach allen Seiten isolirter Hügel, liegt im Osten der Stadt; sie enthält noch Reste einer in Quadern aufgeführten Ummaue- rung. Ohne Inschriften oder eine der so seltenen und noch zweifel- haften Münzen der Stadt gefunden zu haben, verliefs ich den Ort, der von Ost nach West lang am Fufse des Gebirges hingestreckt noch vier Moscheen, aber höchstens 200 Häuser zählt und sichtlich verfällt. Nach einer Stunde war der Aesepus wieder erreicht, über den hier eine hölzerne Brücke führt. Gegenüber auf der Anhöhe lag Kir- batsch, ein kleines Dorf von 30 Häusern, von welchem ich am fol- genden Tage zu dem am Meere gelegenen Saslydere niedersteigend und den beschwerlichen Gebirgspfad am Meere nach Osten verfolgend die Trümmerstätte Cyzikus wieder erreichte '). #: Mittheilungen aus Algerien. Von Dr. L. Buvry. Die östliche Sahara der Regentschaft Algerien °). II. Das Klima in seiner Einwirkung auf den Gesundheits- zustand. Die Temperaturverhältnisse der östlichen Sahara bieten so aulser- ordentliche Erscheinungen dar, dafs sie in vielfacher Beziehung von denen des nördlichen Algeriens wesentlich abweichen. Man kann sie als locale bezeichnen, denn sie werden durch die örtlichen Verhältnisse und durch periodische Winde bedingt. Da nun, wie ich gezeigt, die Neigung und Gestaltung der Erdoberfläche in diesem Gebiete eine sehr eigenthümliche ist, so kann es nicht überraschen, dafs sie im Zusam- menwirken mit periodischen Winden auf die Witterungsverhältnisse einen desto gröfseren Einfluls ausübt. Besondere Erwähnung verdie- nen zuvörderst die periodischen Winde, da sie als die Haupt- regulatoren des Klima’s angesehen werden müssen. Eigenthümlich in ihren Strömungen weichen dieselben wesentlich von den in dem nörd- lichen Theile der Atlasländer wehenden Winden ab. Denn während in den Wintermonaten längs der ganzen algerischen Küste abwechselnd ') Die vom Verf. hier gefundenen und miteingesandten griechischen Inschriften, unter denen eine bedeutendere, doch leider nur als Bruchstück erhaltene uns den Parthenon der Kyzikener und die Würde der Koouopvkazes (Schatzbewahrer) kennen lehrt, werden mit Prof. Kirchhoff’s philologischen Bemerkungen im Au- gustheft der Monatsberichte der K. Akad. d. Wiss. abgedruckt. Kiepert. ?) Vgl. diese Zeitschrift, Neue Folge, Bd. IV, S. 190 ff. und Bd. VIII, S. 31 f. 14 L. Buvry: mit den westlichen Winden der Nordostwind vorherrschend ist, weht hier um dieselbe Zeit der Nordwestwind, welcher nur sehr selten in Südwestwind umschlägt. In den Sommermonaten kommt der Wind fast regelmäfsig aus Süden, und schlägt zuweilen nach Südosten um; seine Wirkungen machen sich auf das Naturleben mehr oder minder fühlbar, je nachdem er aus dieser oder jener Gegend weht. Für die Wintermonate ist also der Nordwestwind der periodische. Ganz wind- freie Tage giebt es um diese Zeit in der östlichen Sahara nur wenige, ein leiser Luftzug wird fast immer bemerkbar sein. Windstille herrscht an gewissen Tagen zwei Stunden nach Sonnenaufgang und eine Stunde vor Sonnenuntergang, und macht diese Tageszeiten für den Europäer zu den angenehmsten. Das Auftreten des Nordwestwindes läfst sich mit Sicherheit schon Abends vorher am trübgelben Horizonte erkennen, und nach Sonnenaufgang, sicher in der neunten Stunde, beginnt der- selbe leise, fast unmerkbar zu wehen, nimmt an Heftigkeit zu und seine Stöfse erreichen um Mittag die gröfseste Stärke. Schon nach 5 Uhr weht er merklieh schwächer und hat sich eine Stunde vor Sonnenuntergang gewils gelegt. Manchmal erhebt er sich jedoch auch noch Abends wieder und hält die Nacht hindurch an. Der Südwest- wind tritt mit bewölktem Himmel auf, die Wolken hängen tief, brin- gen aber selten nasses Wetter, da sie zum grölsesten Theile ihr Wasser in dem südlichen Höhenzuge absetzen, und nur zuweilen Sturzregen veranlassen. In den Sommermonaten ist der Südwind fast constant, und intensiv heifs; er wird gemälsigter, wenn er nach Südosten um- setzt. Der Südwind, von den Arabern el Gebli (Kebli) oder Arifi, von den Europäern Seiroceo genannt, weht in der östlichen Sahara vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne, selten aber länger als drei Tage; er erreicht gegen Mittag seine höchste Kraft, wirbelt Staub- wolken auf und entwurzelt junge Bäume, und die Sonne erscheint im nebelumhüllten graugerötheten Horizont als blafsgelbe Scheibe. Aus eigener Erfahrung kann ich anführen, dafs der Scirocco bei Weitem nicht so heftig und intensiv ist, als der Chamsin Egyptens; immerhin vermag er die Temperatur, besonders in den Monaten Juli und Au- gust, bis auf 52° C. zu bringen. Obwohl im Sommer und im Herbst Gewitterwolken, von Blitz und Donner begleitet, aufsteigen, ziehen die- selben oft ohne Regen vorüber und entladen sich ebenfalls zum gröfse- sten Theile im Gebirge. Die periodischen Winde in dieser Gegend influiren einerseits sehr wesentlich auf die Witterungs-, andererseits auf die Temperaturverhältnisse und haben -bei beiden zu sehr interes- santen Beobachtungen geführt. Namentlich führen sie eine aufserordentliche Trockenheit der Atmo- sphäre herbei. In Biskra ergaben die schon früher angestellten hyeto- Mittheilungen aus Algerien. 15 metrischen Beobachtungen, dafs die mittlere Regenmenge im Jahr sich nur auf 174 Millimeter belaufe, und dafs hierbei auf die Monate Ja- nuar, Februar und März allein 92 Millimeter, also schon mehr als die Hälfte, kommen. Im Jahre 1852 wurden diese Beobachtungen fortge- setzt und für den Januar die Regenmenge nur auf 15, für April auf 82 Millimeter bestimmt. Nach einer anderen Beobachtung soll die mittlere Regenmenge eines Jahres nur 137 Millimeter betragen. Nach diesen Beobachtungen erscheint die Trockenheit der Atmosphäre wirk- lich grofs. Dasselbe wird jedoch auch anderweitig auf praktische Weise bekundet, namentlich durch das in den Oasen dieses Gebietes zum Häuserbau verwendete Material, welches bekanntlich nur aus geknete- ter Erde besteht; bei reichlicherem Regen würden alle diese Bauten, welche oft noch ein oberes Stockwerk haben, einstürzen. Derartige Fälle sind zwar schon in Folge von Sturzregen vorgekommen, sie er- eignen sich jedoch selten. Bedauerlich ist es, dafs für die Monate No- vember und December keine Beobachtungen vorliegen. An Ort und Stelle vernahm ich jedoch, dafs die drei ersten Monate des Jahres die wasserreichsten sind. Während meiner Reise in der östlichen Sahara regnete es im Monat November zweimal und davon nur einmal des Morgens von 7 bis 10 Uhr anhaltend heftig, im Monat December nur dreimal, doch nicht bedeutend. Nebel sind im Herbst und Winter nicht selten und recht dicht. Diese sowohl wie Thaufälle sind den sumpfigen Gegenden eigen; ich beobachtete sie in den Wintermonaten auf den Wiesen bei Biskra nach dem Jardin d’essai zu, in der Oase Meggarin und zu Tuggurt, ja selbst im sandigen Gebiete des Ued Suf war eines Morgens die Leinwand meines Zeltes feucht. Die constanten regelmälsigen Strömungen der Winde veranlassen selbstverständlich die Scheidung zweier Wetterperioden, welche als Jahreszeiten anzusehen sind, nämlich eine warme und eine kalte, oder eine trockene und eine nasse, oder Sommer und Winter. Die erste währt vom März bis October, die zweite den übrigen Theil des Jahres. In den heifsen Monaten sind in den südlichen Gegenden der östlichen Sahara Temperaturen von 40—45° gewöhnlich, während in den Mo- naten December und Januar in den Mittagsstunden das Thermometer 20— 25° zeigt. Genauer sind die Beobachtungen der Temperaturver- hältnisse in dem nördlichen Theile unseres Gebietes, namentlich aber die, welche zu Biskra angestellt wurden und auf einer fortgesetzten achtjährigen Beobachtung von 1845 bis 1853 beruhen. Sie wurden durch Renou in einer Bemerkung über das Klima Algeriens im Jahre 1854 veröffentlicht. In Biskra erreicht Ende December und zwar eine Woche nach der Sonnenwende die Temperatur den niedrigsten Stand; am höchsten aber stellt sie sich wie in Europa gegen den 25. Juli, 16 L. Buvyry: Die mittlere Temperatur des December und Januar stellte sich auf 10°.8, die des Juli auf 34°.7, die des ganzen Winters auf 11°.4, die des Sommers auf 33°.0 und die des Jahres auf 2%1°.5. Vergleicht man nun die hier eben angeführten Beobachtungen mit denen, welche zu Oran angestellt wurden und 17°.0 ergaben, und erwägt man, dafs die Entfernung zwischen beiden Orten noch nicht einen Breitengrad beträgt, so erscheint der Einfluls, welchen das Meer einerseits und die orographischen Verhältnisse andererseits auf die Temperatur ausüben, in der That auffallend. Die in den Jahren 1845 bis 1853 in Biskra angestellten Beob- achtungen wurden durch Herrn Commandanten Seroka von 1853 bis 1855 fortgesetzt und ergaben als mittlere Temperatur 22°.9, mit dem Maximum von 46° (Juli 1855) und dem Minimum von +3° im Fe- bruar 1854 und Januar 1855. Dafs eine solche heifse und trockene Temperatur auch extreme Einwirkungen auf den Boden der Länder haben mufs, welche nicht von Flüssen durchschnitten werden oder in denen Quellen nicht zu Tage kommen, ist sehr natürlich, und der gröfseste Theil des in Rede ste- henden Gebietes würde sich als Wüste charakterisiren, wenn nicht die Bewohner dieser Gegenden eine künstliche Bewässerung eingeführt hät- ten und die Versandung der wenigen Quellen verhinderten. Immerhin ist aber der Theil, dem diese Vorzüge nicht zu Statten kommen, an- sehnlich genug. Eine weitere Folge der Einwirkung der Sonne auf den Boden und der durch sie bewirkten aufserordentlichen Wärmestrah- lung ist der grofse Unterschied zwischen der Temperatur von Tag und Nacht, welcher sich namentlich in den Wintermonaten fühlbar macht. Der Wechsel ist ein so plötzlicher und das Schwanken so namhaft, dafs ich bei einer Mittags-Temperatur von 20° eine Stunde nach Sonnen- untergang nur noch 12° fand und auf meiner Reise in den Morgen- stunden Reif, ja einmal sogar Eisbildung gewahrte. Renou führt in dieser Beziehung an, dafs ungeachtet das Thermometer während sechs Jahren nicht unter +3° fiel, man dennoch zu Biskra zu verschiede- nen Malen mehrere Millimeter dickes Eis sah. Sehr bemerkenswerth ist die Einwirkung der klimatischen Ver- hältnisse auf den Gesundheitszustand der Bewohner. Nach der oben beschriebenen, so stark hervortretenden Eigenthümlichkeit unseres Ge- bietes wird es nicht befremden, dafs in demselben eigenthümliche en- demische Krankheiten auftreten, welche sonst der heilsen Zone angehören und ihrer Natur nach zur Klasse der tropischen Krankhei- ten gerechnet werden. Zu diesen kommen nun noch solche, welche ursprünglich anderen Gegenden eigen, in unser Gebiet verschleppt worden sind. Endlich sind noch die speciell örtlichen zu er- wähnen. en Zu - u a Mittheilungen aus Algerien. 17 In Rücksicht auf den Sanitätszustand läfst sich die östliche Sahara in zwei Regionen sondern, nämlich in‘eine höhere gemälsigtere, daher gesundere, und in eine niedere heiflsere oder unge- sunde Region. Die erste begreift den Nordrand mit dem Oasencomplex der Zi- ban, die zweite den übrigen Theil mit dem U&d Rir und Suf. Nament- lich in der niederen Region ist das Sterblichkeitsverhältnifs auffällig stark und an eine Niederlassung von Europäern in diesen Gegenden gar nicht zu denken, da ja selbst die Eingeborenen während der heis- sen Jahreszeit gezwungen werden, andere Wohnplätze zu beziehen. Obgleich sich das Verhältnifs in den Oasen der Ziban nicht ganz so ungünstig gestaltet, bin ich doch überzeugt, dafs auch hier die Zahl der Krankheitsfälle bedeutend höher ist als auf den Hochplateaus und in dem eigentlichen Gebirgslande, wenngleich die hier grassirenden Krankheiten nicht so bösartig sind. Das amtliche Todtenregister vom 31. December 1853 giebt die Zahl der Todesfälle unter der 169 See- len zählenden europäischen Bevölkerung von Biskra auf 10 an, also nahe 6 Procent. Nach diesen allgemeineren Betrachtungen gebe ich nun eine Zu- sammenstellung der häufigsten Krankheiten in den beiden Gebieten der östlichen Sahara. Als endemische Krankheiten des gesunderen nördlichen Di- striets mache ich namhaft: Knollenaussatz (Lepra nodosa), Elephan- tiasis, eitrige Ophthalmie; als speciell örtliche: die Blutgeschwüre von Biskra, Skropheln, Wechselfieber, Dysenterie, und als eingeschleppte Krankheit Syphilis. In dem niederen heilsen Distriet treten zu den oben erwähnten endemischen Krankheiten noch typhöse Fieber, Lungenentzündungen und Pocken hinzu. Es kann nicht in meiner Absicht liegen, eine medicinische Ab- handlung über die hier aufgeführten Krankheiten, deren Veranlassung, Symptome u. s. w. zu geben, da ich dieses den Sachverständigen über- lassen muls; nur möchte ich, da in dieser Beziehung von deutscher Seite bisher wenig oder nichts gethan worden ist, viele derselben aber ungewöhnliche physiologische Erscheinungen darbieten, in Kürze meine eigenen Wahrnehmungen darlegen. Zuvörderst will ich also darauf aufmerksam machen, dafs die Mehr- zahl der in der östlichen Sahara auftretenden Krankheiten krankhafte Veränderungen der Haut zeigen. Hierher gehören der Knollenaussatz, die Elephantiasis und die Blutgeschwüre von Biskra. Es ist wohl an- zunehmen, dafs der gröfseste Theil derselben durch äufsere Einwir- kungen auf die Haut, seltener aus inneren Ursachen entsteht. So möchte ich eine Hauptursache in dem in die Poren eindringenden feinen Staube, Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 2 18 L. Buvry: in der ungewöhnlichen Hitze und dem ihr oft folgenden Wechsel der Temperatur vermuthen. Des Dr. van den Corput zu Brüssel mikro- skopisehe Untersuchungen des Sandes haben ergeben, dafs derselbe aus unregelmäfsigen polyedrischen Quarztheilchen mit graden Kanten und mehr oder weniger spitzen Winkeln besteht. Alle diese Quarztheilchen zeigen durchscheinende Rauten von grofser Reinheit, welche wenig oder gar nicht mit kalkartigen Stoffen und organischen Ueberresten ver- mischt sind. Mit anderem Sande verglichen sind die Körnchen äus- serst dünn, im Mittel von z; bis „; Millimeter. Diese Beschaffenheit des Sandes macht die Annahme nicht un- wahrscheinlich, dafs in dem Eindringen desselben in die Poren der Haut und deren Verstopfung die ursprüngliche Ursache der krankhaf- ten Hautaffeetionen jener Gegend zu suchen sei, zumal wenn man dazu die geringe Sorgfalt rechnet, welche die Bewohner auf die Rei- nigung des Körpers verwenden. Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, dals nicht auch noch andere Ursachen zu jenen Krankheitserschei- nungen mitwirken; zu ihnen möchte ich vorzüglich den plötzlichen und starken Wechsel der Temperatur rechnen, der gewils geeignet ist, die Ausdünstung auf eine dem Organismus nicht zuträgliche Weise zu hemmen. Was nun aber bei diesen Hautkrankheiten im Allgemeinen phy- siologisch beachtenswerth erscheint, ist, dafs die Einheimischen vor- zugsweise von dem Aussatz und der Elephantiasis, die Europäer da- gegen von den Blutgeschwüren befallen werden. Deshalb sind auch französische Aerzte zu dem Schlusse gekommen, dals der Genufs des Trinkwassers, welches, wie ich gezeigt, eine starke Beimischung von Koch- und Bittersalz, schwefel- und kohlensaurem Kalk, sowie schwefel- saurer Soda enthält, und der Datteln, an welche die Europäer nicht gewöhnt sind, hauptsächlich auf diese Krankheit binwirke, Die Blutgeschwüre von Biskra, welche, wie ich zu beobach- ten Gelegenheit hatte, in ihrer äufseren Erscheinung grolse Aehnlich- keit mit den Karbunkeln von Aleppo haben, sind für den Patienten äufserst schmerzhaft, und es giebt Europäer, welche fortwährend: mit denselben behaftet sind. Ich habe wahrgenommen, dafs hauptsächlich beleibte Menschen von ihnen zu leiden haben. Vorzugsweise sind die Arme, Füfse, Schenkel, Hals und Gesicht der Sitz der Krankheit. Auch über die Art ihrer Heilung sind die Ansichten der Aerzte sehr getheilt, denn während die einen blutreinigende und abführende Mittel in An- wendung bringen, glauben die anderen, dafs das Uebel nur durch Ein- schnitte oder durch Ausbrennen zu beseitigen sei. — Interessant für mich war es zu hören, dafs Herr Dr. med. Carl Bolle in dem mit Nord-Afrika so sehr analogen Klima einiger canarischen Inseln eine Mittheilungen aus Algerien. 19 grolse Häufigkeit der Blutgeschwüre beobachtet hat. Dieselben zeigen sich dort namentlich bei den Volksklassen, die durch ihren Beruf in häufige Berührung mit dem Seewasser gebracht werden; auch dort scheinen Fremde ihnen vorzugsweise ausgesetzt zu sein. Gefährlicherer Natur ist der Knollenaussatz und die Ele- phantiasis, da eine vollständige Heilung derselben den Aerzten in Afrika nur selten gelungen ist. Versetzung des Kranken in eine Ge- birgsgegend bewährte sich stets, wenn das Uebel noch nieht zu tief eingewurzelt war, als das sicherste Mittel. Die Elephantiasis sah ich zum ersten Male in Ober- Aegypten, wo man mir einen solchen Kranken zutrug, dann in Biskra und Umgegend öfter. Die Symptome sind überall dieselben: es bildet sich auf der Haut der Arme und Beine zuvörderst ein gelber Grind, welcher sich langsam zu einer Kruste ge- staltet, unter der eine röthlichgelbe Materie sich entwickelt, welche hervortritt, sobald man auf die feste Kruste drückt. An gewissen Stellen eoncentrirt sich das Uebel, tritt mehr hervor und sondert Eiter ab. Das Glied schwillt in Folge dessen sehr bedeutend an und ver- sagt schlielslich den ferneren Dienst. Ich sah Kranke, welche sich schon 10 Jahre und länger mit diesem Uebel herumschleppten. Der Knollenaussatz ist im Anfang local. Es bilden sich Beulen, welche auf eine sehr schmerzhafte Weise in Geschwüre übergehen, mit der Zeit immer weiter um sich greifen, allmählich ganze Glieder zerstören und bei der Unwissenheit der arabischen Heilkünstler und der Unzu- länglichkeit der von ihnen in Anwendung gebrachten Heilmittel in vie- len Fällen den Tod nach sich ziehen. Wie sehr verbreitet im Allgemeinen die hier angeführten Haut- krankheiten auch sind, so machen sie sich dem Reisenden bei Weitem nicht so fühlbar, wie die eitrige Ophthalmie, von welcher Euro- päer sowohl wie Einheimische in gleichem Mafse befallen werden, nur mit dem Unterschiede, dafs die Europäer dem Uebel bei seiner Ent- stehung sofort die nöthige Aufmerksamkeit schenken und bei einiger Sorgfalt der Behandlung mit schwefelsaurem Zink die bösen Folgen abwenden, denen die Einheimischen bei ihrer Unreinlichkeit und Sorg- losigkeit ausgesetzt sind. Ihrem Charakter und den äufseren Erschei- nungen nach ist die eitrige Ophthalmie der ägyptischen Augenkrank- heit sehr ähnlich. Hier wie in jenem Lande ist ihre Entstehung wohl hauptsächlich den Staubtheilen beizumessen, welche der Wind in die Sehorgane führt und welche, mit Salz, Salpeter oder Quarztheilchen vermischt, dieselben stark reizen und angreifen. Ein sehr starkes Agens, vorzugsweise bei den Europäern, ist jedoch auch der Reflex der Sonnenstrahlen von der hellen Sanddecke, gegen den blaue Augen- gläser sich sehr wirksam gezeigt haben. Hierzu tritt nun noch Er- a 20 L. Buvry: kältung, weleher die Eingeborenen um so mehr ausgesetzt sind, als sie die schlechte Gewohnheit haben, des Nachts auf den Terrassen der Häuser zu schlafen. Der Hauptheerd dieser Krankheit ist in den Oa- sen der Ziban zu suchen, und es ist keineswegs als eine Uebertreibung anzusehen, wenn ich die Behauptung aufstelle, dafs in dem eben ge- nannten Theile der östlichen Sahara wenigstens sechs Procent der Ge- sammtbevölkerung in mehr oder minderem Grade an Augenentzün- dungen leiden. Die Ophthalmie könnte nach meiner Ansicht füglich in drei Stadien getheilt werden. Das erste Stadium beginnt mit einem Jucken und Drücken in den Augen, welches nach wenigen Tagen eine starke Entzündung nach sich zieht. Im zweiten Stadium färbt sich die Scelerotica roth, der Augapfel tritt bedeutend hervor, die Augenwinkel sondern Eiter ab, welcher die Thränendrüsen angreift. Das letzte Sta- dium äulsert sich verschieden. Entweder überzieht sich die Iris und Pupille mit einer weifsen Haut, welche zuweilen noch durch die Hand eines geschickten Arztes operirt werden kann, oder aber die Pupille wird von der Eiterung ergriffen und das Innere des Auges zerstört. Auch verhärtet sich der Eiter oder macht sich nach aufsen Luft. Die Schmerzen hören auf, — die Erblindung ist vollständig. Die in dem nördlichen Distriet herrschenden klimatischen oder Wechselfieber sind nicht gefährlich und bei zeitgemäfser Anwendung von Chinin schnell beseitigt. Hierbei mufs ich jedoch darauf aufmerk- sam machen, dafs der Gebrauch dieses Mittels keineswegs erst beim Erkranken anzurathen ist, sondern dafs es in völlig gesundem Zustande genommen ein sehr wirksames Präservativ bildet. Furchtbarer in ih- ren Folgen sind die im U&d Rir grassirenden typhösen Fieber, welche einen über alle Begriffe rapiden und tödtlichen Verlauf haben, da sie den Menschen in 12 Stunden hinraffen. Sie werden im Frühjahre durch die den Sümpfen entsteigenden miasmatischen Ausdünstungen, sowie durch hinzutretende Erkältungen erzeugt. Der rasche Verlauf dieser Krankheit, das Delirium, in welches der Patient schon nach einigen Stunden verfällt, und das recht eigentliche Hinüberschlafen, aus welchem derselbe nur in Unterbrechungen aufgeschreckt wird, über brennenden Durst klagt und die Augen verdreht, machen dieselbe we- niger schmerzhaft. Charakteristisch ist das Anschwellen der Halsdrü- sen im letzten Stadium der Krankheit. Während die arabischen Heilkünstler Scabiosa arvensis L. (Acker- scabiose), als Salat oder Decoct genossen, verordnen, kann der Euro- päer, welcher kein Chinin mit sich führt und gezwungen ist, in Sumpf- gegenden zu verweilen, sich einige Zeit dadurch schützen, dafs er täg- lich beim Aufstehen eine Tasse Thee von Erythraea Centaurium P. (Tausendgüldenkraut) genielst. Die Hauptsache bleibt jedoch, dafs er Mittheilungen aus Algerien. 21 sein Nachtlager nie unmittelbar auf dem feuchten Erdboden aufschlage und sich unter allen Umständen eines Kofferbettes, wie solches mit grofsem Erfolge in der französisch-afrikanischen Armee eingeführt ist, bediene. So hart mir die Fieber auf meinen Reisen zugesetzt haben, so glaube ich durch die Befolgung dieser Vorschrift, sowie durch eine geregelte Anwendung des Chinin doch die gefährlichen Wirkungen der- selben gebrochen zu haben. Wenn demnach die typhösen Fieber besonders zu fürchten sind, so sind doch auch die Folgen, welche die Wechselfieber auf die Körper- constitution ausüben, sehr bedenklicher Art, denn sie haben in der Regel Leberanschwellungen, Milzeongestionen, ja Wassersucht in ihrem Ge- folge. Das zweckmälsigste Mittel ist und bleibt Veränderung des Ortes und Uebersiedelung in eine gesundere, höher liegende Gegend. In beiden Distrieten unseres Gebietes fordert die Dysenterie oder rothe Ruhr ihre Opfer, jedoch gehört sie zu den Krankheiten, welche vorzugsweise die Europäer heimsuchen. Ihr Charakter ist schon viel- fach beschrieben, so dafs ich hier nicht nöthig habe, darauf zurückzu- kommen. Von den übrigen Krankheiten hebe ich nur noch die Pocken und die Syphilis hervor. Die ersten richten unter der einheimischen Be- völkerung oft wahre Verheerungen an. Obwohl die französische Re- gierung die Eingeborenen von Zeit zu Zeit auffordert, die Kinder im- pfen zu lassen, so folgt doch immer nur ein sehr kleiner Theil der Ermahnung, während die Mehrzahl getreu ihrem Prädestinationsglauben die ‚Wichtigkeit dieser Malsregel überhaupt nicht begreift. Die arabi- schen Aerzte impfen die Pocken nach einer eigenen Methode an der Hand. Syphilis ist sehr verbreitet und nicht so gefährlich wie in Eu- ropa, denn die behafteten Individuen schleppen sich Jahre lang damit umher; ‚schliefslich nimmt sie aber doch einen so bösartigen Charakter an, dafs sich tertiäre Syphilis entwickelt und in Knochenfrafs übergeht. Ich sah viele solcher Unglücklichen und sehr häufig sogar Kinder, auf welehe das Uebel durch ihre Eltern übertragen worden war. In Biskra hat die französische Regierung eine strenge Gesundheitspolizei einge- richtet und die öffentlichen Dirnen einer ärztlichen Controle unterwor- fen. Diese vortreffliche Einrichtung ist aber für die östliche Sahara noch lange nicht ausreichend und jedenfalls müfste man darauf bedacht sein, zu Tuggurt, wo bekanntlich eine französische Besatzung liegt, eine ärztliche Station zu errichten. Wenn die französische Regierung ihren Entschlufs, die östliche Sahara mit artesischen Brunnen zu versehen, eine weitere Ausdehnung und durch zwecekmäfsige Eindäimmungen in dem nördlichen Striche dem Laufe der Flüsse eine feste Richtung gegeben, endlich namentlich im 22 Meinicke: Uöd Rir die ungeheuren Sümpfe trocken gelegt haben wird, so ist es fast mit Gewilsheit vorauszusehen, dals diese wichtigen Mafsregeln auch auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung eine sehr günstige Ein- wirkung äulsern werden. II. Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. Von Herrn Director Meinicke in Prenzlau. Mit zwei Karten (Taf. I.) von H. Kiepert. Wenn in neuerer Zeit Afrika vorzugsweise das Interesse der ge- bildeten Europäer rege gemacht und sie zu so aufserordentlichen An- strengungen angetrieben hat, um in das Innere des räthselvollen Con- tinents einzudringen und es zu durchforschen, (ein Streben, das wenig- stens zum Theil mit den Schwierigkeiten zusammenhängt, welche die Bildung des Landes, die klimatischen Verhältnisse, endlich der Einflufs des Sklavenhandels der wissenschaftlichen Erforschung entgegenstellen), so ist es leicht begreiflich, dafs bis auf die letzten Jahre alle Versuche, das vorgesteckte Ziel zu erreichen, fast ausschliefslich von der Nord- und Westküste ausgehen und auf die Eröffnung des Sudan gerichtet sein mulsten, dafs aber die grofse südliche Halbinsel, die von dem Stamm des Continents in den indischen Ocean hineinreicht, dabei mehr übersehen und unbeachtet blieb. Denn die an der Ost- und Westküste derselben bestehenden por- tugiesischen Niederlassungen, die seit Jahrhunderten und bis auf die- sen Tag herab durch ihre Verbindung mit dem schändlichsten aller Handelszweige, zu dem sich jemals Europäer herabgewürdigt haben, auf das Tiefste versunken sind, waren eben deshalb gänzlich unfähig, als die Ausgangspunkte von Unternehmungen zu dienen, die, da sie von einem wissenschaftlichen Sinn getragen sein mufsten, mittelbar zu Resultaten führten, welche dem Sklavenhändler nur verderblich wer- den konnten, und eben deshalb von diesem instinktmälsig gehindert wurden. Anders war es freilich mit der an der Südspitze des Conti- nents gegründeten Colonie, (von der aus bereits in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mindestens der untere Lauf des grofsen süd- lichsten Stromes Afrika’s entdeckt war), namentlich seitdem das Land unter englische Herrschaft gekommen war, und die protestantischen Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 23 Missionare, die hier wie an so vielen Punkten der Erde mit ihrem eben so uneigennützigen als rastlosen Streben die Wege für die spätere wis- senschaftliche Forschung gebahnt haben, ihre Stationen immer weiter in das Innere auszudehnen sich beeiferten. Aber auch hier schien zu- letzt die am Nordufer des Garib sich ausdehnende wasserlose Gebüsch- wüste, die unter dem Namen Kalihari bekannt ist, allem ferneren Vordringen ein fast unübersteigliches Hindernils in den Weg zu stellen. Dieser Zustand der Dinge hat sich durch zwei Ereignisse geän- dert, die ungefähr gleichzeitig eintraten. Das eine ist die erste Reise des kühnen Missionars Livingstone 1849 durch die Kalihari zunächst zur Erforschung des durch unklare Berichte von Eingeborenen den Missionaren bekannt gewordenen Sees Ngami, eine Unternehmung, aus der bald danach die Erforschung des ganzen Gebietes des grolsen Stro- mes Zambeze und zugleich eine zuverlässigere Bekanntschaft mit dem ganzen Theil der Halbinsel zwischen 10 und 20 Grad südlicher Breite hervorging. Das andere ist die Bekanntmachung der Abhandlung des englischen Geographen W. Desborough Cooley, die 1845 unter dem Titel „On the geography of the Nyassi* im fünfzehnten Bande des Journals der Londoner geographischen Gesellschaft erfolgte, einer Ar- beit, die zu den vorzüglichsten gehört, welche die neuere geographische Literatur aufzuweisen hat, und in der die grofsen Seen des östlichen Südafrika, von denen bereits im sechszehnten Jahrhundert die Portu- giesen dunkle Kunde erhalten hatten, während sie später fast ganz in Vergessenheit gerathen waren, geradezu wieder entdeckt wurden. Es war nun ganz natürlich, dafs man auf den Gedanken kam, die Ent- deckungen, welche Cooley in seiner Studirstube gemacht hatte, auch zu bestätigen und den grofsen See (oder, wie wir jetzt sagen müssen, die Seen), deren Existenz er, gröfstentheils auf Berichte von Eingebo- renen sich stützend, behauptete, aufzufinden. Die Männer aber, welche es zuerst versucht haben, auf bisher von keinem Europäer versuchten Wegen von der Ostküste der Halbinsel aus in das Innere einzudrin- gen, (freilich von ganz verschiedenen Rücksichten geleitet und ohne von Cooley’s Untersuchungen etwas zu wissen), sind die beiden deutschen Missionare Krapf und Rebmann gewesen, deren Forschungen wir hier zusammen zu stellen unternommen haben, da sie in diesem bis jetzt ganz unbekannt gebliebenen Lande zu so interessanten und über- raschenden Resultaten geführt haben. Als Grundlage dazu wird uns das vor kurzem erschienene Werk von Krapf, das den Titel „Reisen in Ostafrika* führt, dienen, dessen zweiter Theil die ausführlichen Reisetagebücher der beiden Missionare enthält. Man würde sehr irren, wenn man, dem Titel folgend, als die Hauptsache in diesem Buche Krapf’s Reiseberichte erwartete; es ist 24 Meinicke: vielmehr recht eigentlich eine Missionsschrift, der Zweck seiner Abfas- sung wesentlich ein erbaulicher, die Verbreitung geographischer Kennt- nisse nur die Nebensache. Daher aber rechtfertigt es sich, wenn wir hier für diejenigen, welche an wissenschaftlicher Geographie ein Interesse haben, sammeln, was zerstreut in diesem Werke an vielen Stellen mitgetheilt ist. Uebrigens ist das Buch eigentlich eine Auto- biographie Krapf’s, der darin seine ganze Entwicklung, sein ganzes Leben uns mittheilt, und das hat seinen Werth, weil wir dadurch den Mann, dessen Erfahrungen uns hier beschäftigen, genau kennen lernen. Er erscheint uns in seinem Buche vor allen Dingen als Missionar, ganz durchdrungen von den kirchlichen Ansichten, die wir an Missionaren gewohnt sind, und ohne die sich auch Heidenbekehrer nicht begreifen lassen; dabei zeigt er sich von einer rastlosen Thätigkeit und einem Eifer beseelt, der, wie es scheint, öfter selbst die Grenzen überschrit- ten hat, welche die Besonnenheit eigentlich hätte festsetzen sollen, so dafs, wenn seine Missionsversuche an der Küste wie im Innern in Ukambani fehlgeschlagen sind, das mindestens zu einem Theile eben diesem unruhigen Eifer zugeschrieben werden muls. Seine Missions- thätigkeit ist wesentlich lebhaft und beweglich, sie besteht in fortge- setzten heftigen Angriffen auf das Heidenthum, denen er die Sorge für die Entwicklung christlicher Gemeinden unter den Heiden nachsetzt; er denkt fortwährend an die Aufsuchung neuer Missionsplätze, ehe noch eine Mission wirklich begründet ist. So berechnet er z. B. die Breite Afrika’s in der Parallele der Stadt Mombas zu 900 Stunden, und findet es am leichtesten durch Anlage von 9 neuen Missionen in dieser Parallele gleich ganz Afrika wie im Sturm dem Christenthum zu erobern, ja er reiset nach Europa, die Ausführung dieses Lieblings- gedankens dort vorzubereiten, gewinnt begeisterte Freunde der Heiden- bekehrung dafür und beginnt nun auch, ehe an der Küste noch eine Mission begründet, ein einziger Eingeborener für die reine Lehre des Heilands gewonnen ist, die erste dieser Missionen im Innern, die na- türlich gleich im Anfange scheiterte. Aber es sind nicht blofs die kirchlichen Interessen, in denen sich Krapf mit solcher Thätigkeit und solchem Eifer bewegt, auch mehr weltliche Bestrebungen liegen ihm nicht fern. So führt er es öfter aus, wie heilsam die Gründung einer englischen Colonie von befreiten Sklaven nach Analogie von Sierraleona an dieser Küste werden könne, er sieht die wüsten Ebenen und Höhen Afrika’s im Geiste schon mit fleifsigen europäischen Colonisten besetzt, dann würden die Raubvöl- ker, die in diesen Gegenden eine so schlimme Geifsel sind, (die Galla, Wakuafı u. s. w.), bald gebändigt sein, ja seine lebhafte Phantasie zeigt ihm schon öfter die Eisenbahnen, die einst Afrika’s grolse Ebenen Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 25 durehschneiden werden. Eben dahin gehört auch das unverkennbare Interesse, das er an der Erforschung des unbekannten Innern durch eigene Reisen, wie durch Einziehen von Nachrichten der Eingeborenen nimmt; er liebt die Wüste, da er sich dort (Tbl. 2, S. 98) ungestört dem Nachdenken über geistliche und geographische Gegenstände über- lassen kann, er findet (Thl. 2, S. 154), wenn er für die unsterblichen Seelen der Afrikaner nichts wirken kann, seine Freude an geographi- schen Entdeckungen, und diesem Interesse verdankt die Geographie mannichfache Belehrung und Erweiterung unserer Kenntnisse über einen interessanten Theil des Erdbodens. Dabei ist natürlich Krapf doch immer nichts als der Missionar; alle diese weltlichen Betrachtungen und Unternehmungen werden von ihm einzig auf den Hauptzweck sei- ner Thätigkeit, die Bekehrung der Ostafrikaner, bezogen, dieser Grund- idee seines ganzen Strebens untergeordnet. Krapf verliefs im Dienst der englischen Missionsgeschaft 1837 Eu- ropa, um sich als Missionar nach Habesch zu begeben, allein seine Ankunft in Adowa fiel beinah zusammen mit der Vertreibung der dor- tigen protestantischen Missionare, die ein Werk ihrer katholischen Ne- benbuhler war. Darauf beschlofs er, die abessinische Mission nach Schoa zu verlegen, und erreichte dies Land im Mai 1839; nachdem er hier einige Jahre lang nicht ohne Erfolg gewirkt hatte, entschlofs er sich zu einer Reise nach Gondar und Massowa 1842, auf der er, von einem abessinischen Häuptling ausgeplündert und aller Sachen be- raubt, wie ein Bettler das ganze Land durchzog, jedoch endlich glück- lich Aegypten erreichte. Dann kehrte er am Ende des Jahrs nach Tadschura zurück, um von dort aus wieder nach Schoa zu gehen, allein er fand den Zugang dahin auf den Befehl des gegen die protestanti- schen Missionare eingenommenen Königs jenes Landes gesperrt, alle Anstrengungen dahin zu kommen waren vergeblich. Nachdem auch ein neuer Versuch, in das nördliche Habesch einzudringen, gescheitert war, kehrten die anderen Missionare nach Aegypten zurück, Krapf aber bestand darauf, womöglich die Bekehrung von Habesch von Sü- den her durch die Länder der wilden Galla zu unternehmen, und be- gab sich deshalb am Ende des Jahrs 1843 von Aden aus an die Ost- küste Südafrika’s, wo er freilich ein ganz anderes Feld seiner Thätig- keit fand, als die Bekehrung der Galla. Er kam nämlich auf dieser Reise nach Zanzibar und ging von dort, seine Missionspläne vorzube- reiten, nach Mombas; hier lernte er die heidnischen Wanika kennen, und beschlofs sich unter ihnen niederzulassen und hier in Rabai mpia die erste ostafrikanische Mission zu gründen, wohin ihm zwei Jahre später der Missionar Rebmann als Beistand nachgesandt wurde. Von hier aus haben beide Männer die Reisen in die Küstenlandschaften 26 Meinicke: und das Innere unternommen, durch welche dieser Theil Afrika’s uns zum ersten Male bekannt geworden ist, und deren Resultate im Fol- genden zusammengestellt werden sollen. 1850 kehrte dann Krapf zur Stärkung seiner Gesundheit nach Europa zurück, zugleich auch um seinen bereits erwähnten Plan, eine Kette von Missionen quer durch Afrika anzulegen, zu betreiben. In Begleitung von Missionaren, die für die ersten dieser Missionsstationen bestimmt waren, erreichte er 1851 Mombas wieder, und als sein Versuch, eine Mission in Ukambani zu gründen, gescheitert war, arbeitete er in Rabai mpia in der alten Weise, lehrend und reisend, bis eine Krankheit ihn zu einer zweiten Reise nach Europa 1853 nöthigte. Seitdem ist er nicht mehr nach Ostafrika zurückgekehrt. Einem Auftrage der Missionsgesellschaft zufolge, welche die Herstellung der protestantischen Mission in Habesch beabsichtigte, da die katholische Partei daselbst seit dem Siege des Königs Theodo- ros eine entschiedene Niederlage erlitten hatte, ging er, der des Lan- des kundige, nach Gondar ab, allein der Plan, den er dabei gefalst hatte, von da nach Süden bis zur Küste vorzudringen, kam nicht zur Ausführung, vielmehr zwang ihn seine geschwächte Gesundheit auf dem Landwege über Chartum und Aegypten 1855 nach Europa zurückzu- kehren, das er nicht wieder verlassen hat. Die von ihm und Rebmann untersuchten Gebiete umfassen die Theile des Continents an der Küste zwischen den Flüssen Pangani und Osi, einer Küste, die man am besten nach dem auf ihr heimischen Volke die Küste der Suahili nennt, während sie sonst gewöhnlich Zanzibar heilst. Es sind in diesem Theile Ostafrika’s besonders vier Punkte, auf welche sich die Forschungen unserer Missionare gerichtet haben, die eigentliche Küstenebene der Suahili mit dem Berg- lande der Wanika und die Gebirgsländer Usambara, Dschagga und Ukambani. Ehe wir jedoch auf das Einzelne genauer eingehen, ist es nöthig, die allgemeinen Resultate dieser Unternehmungen und die von den Entdeckern darüber aufgestellten Ansichten zu berühren. Denn wenn unsere Reisenden als Missionare allerdings nicht mit den naturwissenschaftlichen Kenntnissen ausgerüstet und mit den Instru- menten versehen waren, die man jetzt ungern an einem Reisenden ver- milst, (Bibel und Regenschirm waren die einzigen Instrumente, die sie in das Innere Ostafrika’s mit sich nahmen, ein einziges Mal erwähnt Krapf eine Thermometerbeobachtung), so sind sie doch Männer von Einsicht, die es augenscheinlich wohl verstehen, in dem, was sie sehen, das Wesentliche und Wichtige herauszufinden, denen man solche Dinge nicht hätte zutrauen sollen, wie es von Cooley geschehen ist, die Bur- ton’s schlecht verhehlten Spott wahrlich nicht verdient haben; sie sind auch Männer von Bildung und Erziehung, und haben es deshalb nicht Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 27 unterlassen, an das, was sie beobachteten, allgemeine Betrachtungen zu knüpfen. “ An das schmale Küstengebirge der Suahiliküste, das man am Be- sten das Bergland der Wanika nennt, stöfst im Westen eine weite Ebene voller dorniger Bäume und Gebüsche, in der Trockenzeit ganz ohne Wasser, nur von wilden Thieren und von Räuberhaufen durch- streift; die Missionare betrachten sie als eine Niederung, als ein über der Meeresfläche wenig erhabenes Tiefland, das auch gegen Westen nur langsam und sanft ansteigt. In ihm erheben sich Berge einzeln oder zukl einen Bergländern verbunden, gewöhnlich mit hochstämmigen Wäldern bedeckt und die einzig bewohnten und angebauten Theile des Landes bildend, weil sie Schutz gegen Raubhorden und in ihren Quel- len und Bächen jederzeit das nöthige Wasser gewähren; sie sind schon in der Nähe des Küstenlandes von nicht unbedeutender Höhe und stei- gen bald selbst so hoch auf, dafs ihre Gipfel hier und da ewiger Schnee bedeckt. Allein sie sind stets isolirt und durch Arme jener grofsen wüsten Ebene getrennt; nach der Angabe der Suahilikaufleute braucht man keinen dieser Berge zu übersteigen, da jeder zu umgehen sei. Diese Thatsache konnten die Missionare mit der ihnen wohl bekann- ten Ansicht der europäischen Geographen, dafs das Innere Südafrika’s ein grofses Hochland mit stufenartigen Abfällen zur Küste bilde, durch- aus nicht vereinigen; sie kamen zuletzt dahin, anzunehmen, dafs aller- dings das Land in den Ebenen, die sie durchzogen hatten, und über die ihrer Ansicht nach Gott in seiner Weisheit die einzelnen hohen Berge zerstreut habe, um sie dadurch bewohnbar zu machen, sich sanft nach dem Innern erhebe, dann aber wieder senke zu einem grolsen Tieflande und geschlossenen Binnenmeere, dem angeblichen See von Uniamesi. Diese Ansicht, an sich schon nach allem dem, was man von Südafrika sonst weils, sehr unwahrscheinlich, ist so eben durch Speke widerlegt worden, der die Ebene um den gerade im Westen von Mombas liegenden Ukerewe-See gegen 4000 Fuls hoch gefunden hat. Hiernach mufs also doch ein Aufsteigen zwischen der Küste und die- sem See sich finden, es ist sogar wahrscheinlich, dafs Rebmann und Krapf diesen Abhang in Dschagga wie in Ukambani erreicht haben. Wenn aber neuerdings die Ansicht aufgestellt ist, dafs in den Schnee- gebirgen dieser Gegend der südlichste Vorsprung der abessinischen Hochgebirgslandschaften zu finden sei, so ist wenigstens in den Be- richten der Missionare nichts enthalten, wodurch sich das begründen liefse. Wir betrachten nun zuerst das Küstenland der Suahili, so weit - Krapf’s Berichte darüber gehen. Es beginnt diese Küste jetzt, seitdem das Volk, nach dem wir sie benannt haben, aus den nördlicheren Ge- 28 Meinicke: genden, aus denen es stammen soll, durch das Vorrücken der Galla- stimme verdrängt ist, mit der schönen, jedoch an vielen Stellen durch Felsen gefährdeten Bai Ungama, welche die Portugiesen Formosa nannten, und in die der weit aus dem Innern kommende Flufs Osi bei der Suahilistadt Kau mündet. Hinsichts der Flüsse dieses Theils der Küste herrscht aber in den aus den Nachrichten der Eingeborenen stammenden Angaben Krapf’s manche Unsicherheit. Er selbst hat im Innern den oberen Lauf zweier Flüsse, Adi und Dana, gefunden, von denen jener höchstwahrscheinlich der bei Malindi mündende Sabaki ist. Vom ÖOsi sagt er nun, er sei vielleicht der Dana oder ein Arm des Dschub (des Danisa der Galla), des bekannten grofsen Stromes, wel- cher sich nur wenig südlich vom Aequator in den Ocean ergielst. Dann nennt er aber noch einen zweiten in die Ungama-Bai fallenden Flufs, den Maro der Galla, den die Anwohner Pokomoni nennen; es sei der Quilimansi der portugiesischen Karten, welches Wort in der Suahilisprache Bergwasser bedeute, übrigens ein tiefer, wasserreicher, gut fahrbarer Flufs, in dessen Mündung bei Mtodana jedoch grofse Boote nur bei der Fluth einlaufen können, bewohnt im unteren Laufe von Landbau treibenden Stämmen, die die Galla nicht zu verdrängen vermocht haben. Diesen trennt jetzt Krapf bestimmt vom Osi und identifieirt ihn zugleich mit seinem Dana, und die seinem Buche bei- gegebene Karte zeichnet auch diesen Flufs südlich vom Osi zwischen diesem und dem Sabaki, während die nach seinen und Rebmann’s Angaben früher veröffentlichte Skizze ') den Osi als unteren Lauf des Dana bezeichnete. Dicht südlich bei Mtodana endet die Ungama-Bai mit dem Vor- gebirge Goman (Ngome in der älteren Karte); dann bildet die Küste die Bai, in deren Grund der schöne Hafen von Malindi liegt. Im nördlichen Theil derselben ist bei dem bis zum nahen Pokomoni rei- chenden Pamamba das Riff Kiumansi; nahe dabei bildet die gefähr- liche Leopardenbank den sicheren und geräumigen Hafen der in Trüm- mern liegenden Stadt Malindi (Melinda der Portugiesen), deren Rui- nen, vom üppig aufschiefsendem Urwald überwuchert, noch Zeugnils von der Herrschaft ablegen, die hier einst ein gesittetes christliches Volk übte. In die Bai fällt der Flufs Sabaki, wahrscheinlich der un- tere Lauf des Adi, der, in der trocknen Zeit nur 60, bei Ueberschwem- mungen 500 Fufs breit, 4 Stunde über seiner Mündung aus dichtem Urwalde hervorbricht; seine Mündung fand Krapf durch Steine, wie 1!) Imperfect Sketch of a Map from 14 N. to 104 S. Lat. and from 29 — 44 E. Long. by the Missionaries of the Church Miss. Soc. in Eastern Afrika; J. Rebmann, Rabbai Mpia, April 4, 1850. Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 29 es schien, absichtlich gesperrt '). Südlich von Malindi ist die Küste zerrissen und mit Klippen besetzt, es folgen die Ankerplätze Ki- dschuitanga, Kitamoe, Kiburidschini, alle jetzt menschenleer und in Folge der Ueberfälle der Gallahorden verlassen; dann folgt die Baii Wumbu (oder Uumbu), die einige 100 Schritt breit, zwar 5 Stunden lang, allein nur für kleine Schiffe zugänglich ist, und an der das Dahalodorf Ganda liegt, und südlicher die noch gröfsere Bai Kilefi, die mehrere Stun- den ins Land eindringt und einen kleinen Flufs aufnimmt. Südlicher ist die Bai Takaungu mit einem 150 Fuls breiten Eingange, die zwar auch mehrere Stunden lang ist, aber keine Schiffe zuläfst; sie nimmt den Flufs Senawe auf, und an ihr ist im Walde das Suahili- dorf Takaungu, das erste südlich vom Osiflufs, erst neuerdings gegrün- det von Einwohnern von Mombas, welche der Iman von Mascat, der Herr des Küstenlandes, von dort vertrieben hat. Von hier geht die Küste, nachdem sie die einige Stunden lange Bai Mtuapa gebildet hat, über Kuruitu und Kidschipoa nach Mombas, in dieser Strecke allenthalben mit Felsenriffen besetzt. Mombas, das die Suahili Mwita nennen, liegt auf einer Insel von einigen Stunden Umfang, die ein Canal von einigen hundert Schritt vom Lande trennt, und die gröfstentheils mit diehtem undurchdringli- chen Urwald bedeckt ist. Sie bildet einen doppelten Hafen, der nörd- liehe (Kilindini) ist der gröfste und besuchteste. Hinter der Insel ge- hen zwei breite Meeresarme in das Innere, der eine, die Bai von Ra- bai, nach Nordwesten zwischen bewaldeten Ufern und Pflanzungen der Einwohner von Mombas sich hinwindend; an ihr liegt 2 Stunden von Mombas das Suahilidorf Dschumfu, höher wird die Bai seichter, zuletzt nur 30 Fufs breit, und hier liegt an ihrem Grunde die Missions- station Kisuludini. Eine andere Bai geht aus dieser gegen Nordost, sie führt zum Dorfe Makarunge (offenbar Burton’s Wakirunga). Der zweite Seearm, der von der Insel Mombas nach Südwesten in das In- nere eindringt, die Bai von Duruma oder von Mtongwe, übertrifft die erste an Ausdehnung wie an Tiefe; sie ist schiffbar bis zum Dorfe Mtzokara, wo eine Felsenbank sie durchschneidet. In der Regen- zeit flielsen von den Bergen umher viele Waldströme in diese Bai; allein der Flufs Tuaka, den englische Karten angeben, existirt nicht, Burton glaubt, er sei aus dem Namen der Bai Mtuapa entstanden. An dieser Bai liegt das Suahilidorf Dschembo. Südlich von Mombas ist die Küste niedrig, mit dichten Wäldern ’ !) Die ältere englische Küstenaufnahme des Capit. Owen hat, was auch Bur- ton in seinen neuesten Bericht als unbegreiflich bemerkt, diese Mündung eines be- deutenden Flusses gänzlich übersehen, sie konnte daher nur nach Mafsgabe der nicht sehr genau gezeichneten Krapf-Rebmann’schen Karte von uns eingezeichnet werden. K. 30 Meinicke: von schönen Bäumen, besonders Palmen, bedeckt, vielfach zerrissen durch kleine Baien, zahlreiche Inseln, Bänke und Felsen liegen davor; für grolse Schiffe ist die Küstenfahrt gefährlich. An ihr liegt zuerst das Dorf Niali, ganz unter Cocospalmen versteckt, dann die kleine Bai Tiwi, die kleine Schiffe zuläfst, aber nicht hinreichenden Schutz und starke Brandung am Ufer hat. Südlicher erreicht man Gassi, ein von Suahili, die aus Mombas vertrieben sind, bewohntes Dorf, dann zwischen den kleinen, unbewohnten Inseln. Dschali und Funsi die schöne Bai Wassin und das Suahilidorf auf der eine halbe Stunde vom Ufer liegenden Insel des Namens, deren Einwohner ihr Trink- wasser von der Küste holen müssen. Etwas südlich davon ist die kleine Bai Wanga mit den Dörfern Wanga und Magugu, bei dem der Umbaflufs mündet, dann folgt die kleine Bai Moa, das Inselchen Kuale, das Dorf Dschongoliani, endlich die schöne Bai Tanga mit einer arabischen Niederlassung auf einem Vorgebirge, zu deren Schutz auf der 400 Schritt vom Lande liegenden Insel Tanga ein Fort errich- tet ist; die Umgegend der Bai ist eben so anmuthig, als reich und fruchtbar, zum Theil bedeckt mit den grofsen Pflanzungen der Dörfer Mkakuani und Kiumbageni, deren Bewohner zu den eifrigsten Kaufleu- ten der Küste gehören und nicht blofs den Handel mit Usambara, für dessen Hafen Tanga gilt, sondern mit dem Innern bis zum Ukerewe- see hin treiben. Südlich von Tanga folgt die angebaute Insel Jambe, dann dem Inselchen Karange gegenüber die Bai Tangata, die zwar grols, allein gegen Nord und Ost offen ist; an der Küste dieser Bai, in der Vasco de Gama auf seiner Rückkehr aus Indien das eine sei- ner Schiffe, den Rafael, verbrannte, liegen vier Suahilidörfer. Ein paar Meilen südlich davon ist die Mündung des grolsen Flusses Pangani (im obern Lauf Lufu oder Rufu), an der am Nordufer die Dörfer Pangani und Kumba, am südlichen Bujeni und Mdschi-mpia liegen; der Flufs ist gegen 150 Schritt breit und 12—15 Fuls tief, einige Tage- reisen schiffbar, er hat stets Wasser wie alle Flüsse dieser Küste, die ihre Quelle in den Schneebergen des Innern haben, sein Thal ist frucht- bar, mit üppiger Vegetation bedeckt, ziemlich gut bewohnt und bebaut; allein sehr ungesund. Die südlichere Küste bis Tongue, die noch unter der Herrschaft des Fürsten von Zanzibar steht und ebenfalls noch einzelne Nieder- lassungen der Suahili enthält, hat Krapf 1850 befahren; seine Nach- richten darüber sind nicht ohne Interesse. Unmittelbar südlich vom Pangani ist die von den Wasegua bewohnte Küste sehr flach und ha- fenlos, in dem ebenen Lande zeigt sich nur ein Hügelzug, der vom Pangani südlich geht, aber bald mit dem Berge Gendagenda bei dem Dorfe Kipumbui endet. Der erste südlichere Hafen ist der von Msa- Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 31 sani hinter dem Inselchen Dschengue, dann folgt der von Mtotana und weiterhin bei der kleinen Insel Sinda das Dorf Buromadsch (Mboa- madschi der Suahili); längs der ganzen Küste fand Krapf die grofsen Handelskaravanen der Waniamesi lagernd, die den Küstenbewohnern Selaven und Elfenbein. zuführen und denen die Suahili und jetzt auch die Engländer in das Innere gefolgt sind.: Südlicher ist die Küste flach und durch Felsen und Klippen gefährlich; die Dörfer liegen zahlreich unter Palmenhainen versteckt. Krapf fuhr westlich von den kleinen Inseln Dschofi und Sikuti, deren letzte, durch einen einzigen Baum kenntlich, in dem klippigen Meer ein gutes Zeichen ist, dann westlich von Kuale zu der von Suahili bewohnten Insel Koma, der gegenüber der Hügel Kikunia liegt, an dessen Südabhang ein Mündungsarm des Lufidschi dem Meere zuflielst. An der weiterhin immer gleich flachen und reichen Küste passirte Krapf die Guano liefernden Inseln Schon- gimbili und Niarora, dann kam er zu der grolsen Insel Mafia, welche die Europäer Monfia nennen, und ankerte in dem Hafen Kisiman-mafia bei den Ruinen einer angeblich der Ungesundheit halber verlassenen Stadt. Von da erreichte er die schön angebaute, an Lebensmitteln reiche Insel Dschole, der andere Inselchen in grolser Zahl folgen; Smaia gegenüber ist die Hauptmündung des Lufidschi, dessen Eintritt in das flache Küstenland ein Durchbruch in den dasselbe begränzen- den Hügeln kenntlich macht. Nicht weit im Süden davon erreicht man Kiloa Kibendsche, die bedeutendste Küstenstadt zwischen Zanzibar und Mozambique, mit lebhaftem Verkehr, daher sie die Suahili Kitofu (Nabel) nennen, da aller Handel längs der Küste von Nord und Süd her wie in das Innere zum Nyassa hier sich verbindet. Der Hafen ist gegen Nord und Ost nieht geschützt, das Ufer flach und vom Meere aus schwer erreichbar, die Umgegend allerdings sehr fruchtbar, allein auch als höchst ungesund bekannt. Die Stadt liegt am Ufer des Mee- res, von Cocoshainen und schönen Pflanzungen umgeben, in ihrem Rücken der 300 Fufs hohe Hügel Sagino. Südlich von dieser Stadt liegt die Insel Kiloa (Kiloa Kisiwani oder Kiroa) mit einem guten Hafen, von dem sich ein Meeresarm drei bis vier Stunden in’s Innere bis zum Fufse des von Heiden bewohn- ten Berges Ingabura (Lingabura auf der Karte) hinzieht. Die Insel hat ein Fort, an dem man das Vordringen des Meeres und das Ver- schwinden des Landes beobachten kann, ähnlich wie in Zanzibar; um das Fort liegen die Ruinen der alten Stadt Kiloa, die in der Geschichte des sechszehnten Jahrhunderts eine so bedeutende Rolle gespielt hat, und deren hohen Ruhm noch der arabische Name Kiloat el-mulük (Kiloa der Könige) bezeugt. Von dieser Insel kommt man bei Songo- muara, das in einem grolsen Cocoswalde liegt, vorbei nach Kisueri, 32 Meinicke: einer bis an einen bedeutenden Berg von über 1000 Fufs Höhe rei- chenden Bai, die gut und sicher ist und von reichem, mit Wäldern be- deckten Lande umgeben wird. Zwei bis drei Tagereisen ') westlich von ihr liegt der See Mko&ö, den man auf der Landreise von Kiloa nach Muania sieht. Von Kisueri an bis Tongue wird das Küstenland Mgau genannt und ist interessanter als nördlicher. Auf Kisueri folgt die Bai von Lindi, die noch gröfser und schöner ist als jene, auf diese die Bai Muania, dann die grofse, von vielen Dörfern umgebene Bai Mkin- dani; in allen diesen Häfen ist starker Verkehr, theils mit dem See Nyassa, theils Sclavenausfuhr nach Arabien. Südlich von Mkindani folgt die bewaldete, doch unbewohnte Insel Musimbati, dann eine weite, unbewohnte Ebene mit der vor Felsen schwer zugänglichen Mündung des Flusses Lufuma, der in der Regenzeit sehr wasserreich, in der Trockenzeit nur einige Fuls tief ist. An Seiner Südseite liegt das Cap Suafu (Delgado der Europäer), und nahe dabei Tongue, das letzte Dorf, das unter Zanzibar steht, während südlich vom Flusse Masimbui an das Küstenland die portugiesische Herrschaft anerkennt. Kehren wir jetzt zum Küstenlande von Mombas zurück. Es ist überall auf einige Stunden lang eben und höchstens 20 bis 30 Fufs über dem Meere erhaben, ein fruchtbares, aber sehr ungesundes Land, in dem, von Wäldern unterbrochen, die Dörfer und Pflanzungen der Suahili liegen; nur bei Malindi bis Takaungu treten Berge bis nahe an das Meer. Hinter der Küstenebene steigt ein niedriges Gebirgsland auf, das sich bei nur geringer Breite parallel der Küste zwischen den Mündungen des Sabaki und Pangani hinzieht, und nach dem Volke der Wanika, das seine Höhen bewohnt, benannt werden kann. Im Westen ist es von einer anscheinend tief gelegenen Ebene begränzt; seine steil aufsteigenden Höhen sind mit dichten Wäldern bedeckt, in denen der Baum, der das hier einen Haupthandelsartikel bildende Kopal- harz liefert, (Trachylobium mozambiquense), häufig ist, und in denen die Wanika zum Schutz gegen Raubanfälle ihre Dörfer, Cocoshaine und Pflanzungen anlegen; an Wild, Vögel ausgenommen, sind diese Ge- genden arm. Das nördlichste Ende dieses Berglandes scheint das Gebirge Mir- rihi zu bilden, das hinter der Kilefi-Bai sich erhebt und wie der im Westen davon liegende Berg Dakkamurra an der Südseite des !) Dieser Angabe Krapf’s widerspricht seine eigene Karte, die den See ganz nahe an die Küste setzt; in der beigegebenen Karte habe ich jedoch der bestimm- ten Angabe des Textes den Vorzug gegeben und die Position danach corrigirt. R. Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 33 Sabaki-Thales bereits von Gallahorden bewohnt wird. Diese Berge hän- gen mit denen von Kauma und Kambe zusammen, den ersten von Wanika bewohnten, aus welchen der kleine Flufs Senawe zur Takaungu- Bai hinabströmt; südlicher folgen die hinter der Mtuapa-Bai liegenden Berge von Dschogni und Dschibana '), in denen der zur Mtuapa- Bai fliefsende Bach Mdschemere entspringt, und die Dörfer Dschogni und südlich davon Dschibana, dieses auf einem der höchsten Punkte des Gebirges etwa 1200 Fuls hoch, liegen, während der Westabhang der Berge gegen das Innere den Wanikadistrikt Kiriama bildet. Von ihm südlich liegt der Distrikt Rabai, der Krapf am genauesten be- kannt geworden ist, da er viele Jahre lang darin gewohnt hat, und in dem das Gebirge die geringste Breite zu haben scheint. Es erhebt sich mit steilen Höhen von 800 bis 1200 Fufs über die dichtbewalde- ten Ufer der Bai von Rabai; hier liegt auf der ersten Höhe das Dorf Rabai-ku (Grofs- oder Alt-Rabai), und jenseits des tief einge- schnittenen Thales eines Waldbaches auf einem steilen, von allen Sei- ten von Schluchten umschlossenen Hügel Rabai-mpia (Klein-Rabai), das Dorf, in dem Krapf seine Mission gegründet hatte, und dessen Höhe er auf 800 bis 1000 Fufs schätzt; in seiner Nähe liegt der höchste Berg der Gegend, Reali (von etwa 1200 Fufs Höhe), den hoher Ur- wald bedeckt, nahe am Rande der westlichen Ebene. Im Süden von Rabai folgen dann, durch das Flüfschen Muadsche davon getrennt, die Wanika-Distritte Duruma, mit Antimongruben, und Mtawe. An der Südgränze des letzten ist der Zusammenhang dieses Ge- birges durch einen Einschnitt unterbrochen, durch den ein in der Trockenzeit versiegendes Flüfschen, Mtowa Pemba oder Flufs von Pemba, zur Bai von Mombas abfliefst. Der südlichere Theil des Berg- landes der Wanika, der zu bedeutenderen Höhen emporsteigt, übrigens eben so gut bewaldet und eben so fruchtbar ist, als der nördliche, lag Krapf’s Missionsthätigkeit zu fern, doch hat er ihn zum Theil bei Ge- legenheit seiner ersten Reise nach Usambala (1848) durchschnitten. Er landete bei Dschembo an der Duruma-Bai und stieg über Lum- guma, den Hauptort des Distriets Lungo, nach der schönen hochge- legenen Ebene von Schimba hinauf, die auf der Höhe des Gebirges sich ausdehnt und durch die Kühle des Klima’s schon ihre Erhebung über dem Meere anzeigt; durch diese Ebene zog er zwei Stunden bis _ Kuale, dem 8—9 St. von Mombas entfernten Hauptorte des Distriets Schimba. Schon nach einer halben Stunde im Südwesten davon beginnt _ die Senkung zur grofsen Ebene des Innern über die noch gut bewässer- ") In Krapf’s sowohl als Erhardt’s Karte folgt Kambe erst südlich von diesen Plätzen; die Distanzen giebt K. Bd.I p. 219 ff. so an: Makarunge 4 Tag, Dorf Ribe, > T., Kambe } T. (etwa 2 St.), Magombani, 14 St. Dschibana. K. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 3 34 Meinicke: ten und fruchtbaren Stufen der Distriete Pemba und Bundini (vier Stunden von Kuale), wo die festen Wohnsitze aufhören und die Wildnifs beginnt. Nach Süden reicht das Gebirge bis Wasin, hier liegen die höchsten Berge des Ganzen, namentlich der hohe Jombo (oder Dschombo), von dessen Spitze man Zanzibar und den Kilima-Ndscharo zugleich sehen soll, der Mrima und der Kirugu (oder Kilulu); süd- licher reicht die grofse Wüstenebene, die das ganze Wanika-Gebirge im Westen begränzt, bis an das Meer und die Berge von Usambala. Durch sie zog Krapf von dem südlich vom oberen Mtowa Pemba ge- legenen Dorfe Bundini an nach Usambala; er verfehlte dabei den nächsten Weg durch die Schuld seiner Führer, die nach der Küste zu einlenkten, und kam durch die mit Wald, Gebüsch und Gras bedeckte Ebene, die je weiter von den bewohnten Gegenden ab an wilden Thie- ren immer reicher wurde, nach 14 Tagen über den nach Gassi hinab- gehenden, jetzt aber trockenen Fluls Ramis, 3 Tage später zum Leni oder Mekindini, der die Grenze gegen das Land der Wadigo bildet, und bald danach zum Umba, einem aus den Bergen des nordöstlichen Usambala kommenden, in die Bai von Wanga fallenden Flusse, der 25 bis 30 Schritt breit war und nie versiegen soll, und in dessen wald- freiem, überaus fruchtbaren Thale der Missionar wieder das erste Dorf Gondscha erreichte. An ihm endet die Wildnifs, südlicher ist das Land bis Pangani jederzeit bewässert, fruchtbar und angebaut, eine Folge des starken, auf den nahen Bergen von Usambala fallenden Niederschlags. Dieses Gebirgsland erhebt sich in nicht grofser Entfernung von der Küste und erstreckt sich gegen West, im Norden von der grolsen, oben erwähnten Wüstenebene, im Süden vom breiten Thal des Pan- gani begränzt. Im Jahre 1857 haben Burton und Speke es besucht, allein ihre Führer geleiteten sie auf der gewöhnlichen Karawanenstralse durch das Panganithal, die erst am westlichen Ende des Berglandes die Höhen desselben ersteigt, um Fuga, die Residenz des Königs Kmeri (Kimwere bei Burton), zu erreichen. Man erfährt daher durch sie über die Natur des Landes nichts; desto schätzbarer sind Krapf’s Berichte über seine beiden Reisen dahin, die er 1848 und 1852 unternahm, und auf denen er jedesmal das Land in seiner ganzen Breite durchschnitt. Danach besteht es aus einer Folge von kurzen, im Ganzen von Nord nach Süd ziehenden Ketten, die steil, oft mauerartig aufsteigen, schmale dachstuhlähnliche Kämme haben und durch schmale, schluchtenartige, von Gebirgsbächen durchschnittene Thäler von einander getrennt sind. Die oberen Theile der Ketten sind mit hohen schönen Wäldern be- deckt, die Bergabhänge und Thäler überaus fruchtbar, das Land durch seine Beschaffenheit schwer zugänglich und beschwerlich zu durchreisen, (daher der charakteristische Name Usambala, Land des Kriechens), allein geschützt gegen die Angriffe der Raubhorden und leicht zu ver- Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 35 theidigen; deshalb auch ist es viel stärker bewohnt als irgend eines der umliegenden Länder, gut angebaut, und es hat sich eine politische Macht in ihm entwickeln können, die in diesem Theile Afrika’s nur von der des Imam von Maskat, der jetzt in Zanzibar residirt, über- troffen wird. Die einzelnen Ketten steigen vom östlichen und west- lichen Ende allmählich gegen die Mitte auf, in der sie am höchsten und steilsten sind; doch ist das Land in seiner ganzen Breite gerade in der Mitte durch das breite, sehr reiche Thal Kengere (Kerenge) unterbrochen, durch welches der Flufs Ngerea oder Luöngera zum Pangani nach Süden fliefst; dadurch zerfällt es in zwei Theile, von de- nen der westliche das eigentliche Usambala ist, der östliche Bondei (oder Bondeni), nach seinen Bewohnern auch Uschinsi heilst. Krapf’s Reisen gingen stets von der Küstenebene aus. Auf der ersten (1848) kam er von Gondscha am Umbaflusse nach einer Tagereise über den Bach Dschubba zum Hügel Kilulu, an dessen Fulse die Wa- nika Reis bauen, dann über mehrere Bäche in das grofse Dorf Kuse ( Tag) und darauf in einer langen Tagereise durch gut bewohntes Land über Bamba -Emtendo, Muakarunga (zwei beträchtlich grofse Dörfer), Ma- nigni, Kadschendu und Pande nach Sidschi, letzteres am Ufer des gleich- namigen, hier aber Mgambo genannten Flusses, der über ein felsiges Bett 60 bis 70 Fufs breit rauschend dahinflofs und in die Tanga-Bai mün- det, jedoch unschiffbar ist. An seinem Südufer liegt das letzte Wanika- dorf Muhesa, an dem das Gebiet von Usambala beginnt, und in die- sem erreichte Krapf über das Dorf Fumoni mit der ersten Tagereise das grolse, in einem dichten Walde liegende Dorf Nugniri, hinter dem sich die ersten Berge von Usambala und unter ihnen besonders kennt- lich der Pambire, Mabanduka und Lewa erheben. Von da ging der Weg einen kleinen Tagemarsch nach West zuerst noch einige Stun- den über ebenes Land bis zum Fufs des über 2000 Fufs hohen Pam- bire, dessen Gipfel ein ungeheurer Felsblock bildet, (seine Entfernung von der Küste schätzt Krapf auf 15—17 Stunden); an seinem West- abhange liegt das Dorf Mitahaia, wo Krapf die Luft schon ziemlich kühl fand. Der weitere Weg ging fortwährend etwas südlich von West über steile Berge, deren untere Gehänge mit schönen Mais-, Zuckerrohr- und Bananenpflanzungen bedeckt sind, und durch tiefe, gut bewässerte, zum Reisbau benutzte Schluchten bis an das enge Thal, in dem der hier 30 bis 40 Fuls breite und 1 Fuls tiefe Sidschi, wie der im südöstlichen Bondei entspringende Mgambo hier genannt wird, in Wasserfällen brau- send und ungestüm dahinflielst. An seinem Westufer erstieg Krapf noch an demselben Tage einen S00 Fufs hohen Rücken, auf dem das Dorf Hamfune liegt, dann ging es herab in ein Thal von einigen hundert Sehritt Breite, jenseits dessen das hier gewils 3000 Fuls über das Thal 3* 36 Meinicke: sich erhebende Gebirge Maku&ri auf einem höchst beschwerlichen Wege zu erklettern war. Von dem auf seiner Höhe liegenden gleichnamigen Dorfe führte der Weg am folgenden Tage wieder hinab in ein Thal und dann durch einen schönen Wald über Bäche und Schluchten und fort- dauernde Bergrücken bis zum Fulse der Kette Handei'), die aus Sand- stein besteht, (während östlicher das Gestein Granit sein soll); auf sie folgt ein neues Thal, dann eine hohe beschwerliche Kette, die mit fast senkrechten Steilwänden in das Thal Kerenge abfällt, welches wie das Pangani-Thal von ihrem Gipfel ganz übersehen werden kann. Dies breite und schöne, nach Südwest ziehende Thal, das die Berge des Landes ganz trennt und daher von grofser Bedeutung für dasselbe ist, liegt trotz seiner Fruchtbarkeit, da es den Ueberfällen wilder Raub- . horden ausgesetzt ist, mit Ausschlufs der Ränder des Gebirgslandes wüst und unbewohnt da. Ein abschüssiges Hinabsteigen von 4 Stun- den von dem hoch oben im Gebirge liegenden Dorf Kongei führte am nächsten Tage in den Thalboden, in dem nach einer halben Stunde der tief und ruhig nach Süden flielfsende, aus den nordöstlichen Gebirgen kommende Flufs Ngerea erreicht und auf einem Baumstamm passirt wurde. Am Westende des mehrere Stunden breiten Thales kam Krapf darauf nach dem stark befestigten Dorfe Kerenge, passirte dann am folgenden Morgen den Kole, einen Zufluls des Ngerea, und bald da- nach den in den Kole fallenden Mdira und erstieg auf’s Neue eine hohe, steile Gebirgswand, auf deren Spitze Tamotta in einer kühlen, windigen Gegend liegt. Noch höher erheben sich die Gebirge in der von hier im Westen liegenden Landschaft Bumburri. Von Tamotta kam er am folgenden Tage nach Mlola und fand auch hier die Luft empfindlich kühl, obschon die Banane noch daselbst gedeiht; eine halbe Tagereise weiter erreichte er den Fufs des Berges, auf dem die Haupt- stadt des Staates, Fuga, liegt. Von dem nahe dabei liegenden Dorfe Salla, bei dem ein schöner Flufs ?), der in den Pangani fällt, strömt, trat Krapf dann die Rückreise an auf einem anderen Wege durch die Landschaft Bumburri, auf dem nicht so viele Bergrücken zu überstei- gen waren, und kam in drei kurzen Tagemärschen über Killei, (neben dem das allen Fremden unzugängliche Dorf Mango liegt), und Kitundi wieder in das Kerengethal, an dessen Ostrande er das Dorf Kiserui besuchte. Von ihm aus ging der Weg die hohe Bergwand von gegen 3000 Fuls hinauf und von der Höhe, die eine schöne Aussicht im Nordost auf den Berg Mabanduka darbot, in das Thal des Mgambo hinab, dann über niedrige Ketten durch das Dorf Mabanda (vierter !) So in Krapf’s Werk geschrieben (Thl. 2 p. 122, 312), wohl aber nur Schreib- oder Druckfehler statt Bondei, wie sonst überall gedruckt und auch auf Krapf’s Karte geschrieben steht. K. ?) In der Karte Mto genannt. RK. Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 37 Tag) in die Küstenebene nach dem grofsen Dorfe Dschumbi (fünfter Tag), in dessen Nähe der aus dem Pambire-Gebirge kommende, bei Tangata mündende Flufs Mkulumusi passirt wurde. Einen halben Tagemarsch weiter erreichte Krapf das zum Distriet Madanga gehö- rige Dorf Muasagnombe; von da über Mlola Diwani (4 Tag) und noch + Tag weiter bis Pangani an der Mündung des gleichnamigen Flusses und nach Westen bis zu dem Gebirge Tongwe, der ersten Kette Usam- bala’s am nördlichen Ufer des Pangani ist das Land schlecht bebaut und auf weite Strecken Wildnils voll Gras und Gesträuch. Nicht weniger lehrreich ist der Bericht der zweiten Reise, auf der Krapf (1852) Fuga auf einem anderen, etwas südlicheren Wege er- reichte. Er ging von Pangani aus und kam anfangs in zwei Tage- reisen auf der eben erwähnten Stralse über Madanga bis Dschumbi, wo das Land erst gut bebaut und bevölkert zu werden beginnt, und wo im Westen sich die ersten hohen Berge des Gebirgslandes, der Magira und besonders der durch seinen mauerartigen Felsengipfel kenntliche Mringa, erheben. Bald hinter Dschumbi beginnen die Berge von Usambala, durch die der Weg nördlich vom Pik des Mringa über den Mruka, einen Zufluls des Mgambo, führte, der in einer tiefen Felsschlucht ein romantisches, vielfach an die Schweiz und den Schwarz- wald erinnerndes Land voll schöner Wälder durchfliefst: doch sind die Höhen hier noch nicht bedeutend, höchstens 600 bis 800 Fufs hoch. Weiterhin (3ter Tag) kam Krapf über das Dorf Kadango zum Si- dschi-Flusse, den er hier 40 Ellen breit und über 2 Fufs tief fand; westlicher (4ter Tag) ging er noch über einige ihm zufliefsende Bäche, Schelunga und Schimdo®, dann erstieg er die erste hohe, von Nord nach Süd ziehende Bergkette Kombora von 4000 Fufs Höhe, die eine Fortsetzung des oben erwähnten Maku£ri-Gebirges ist, auf einem über- aus anstrengenden Wege, und erreichte auf seiner Höhe das Dorf Hingo. Von da ging am fünften Tage der Weg durch Bananen- und Zuckerrohr-Pflanzungen in ein tiefes Thal hinab und eine andere Berg- kette hinauf nach Kisara, von wo eine herrliche Aussicht über ganz Usambala sich darbot, und von da (sechste kurze Tagereise) fortwäh- rend über Bergabhänge nach dem auf einem der höchsten Berge des Landes liegenden Utinde, das auf einer kaum 50 Ellen breiten Ebene auf dem Gipfel eines senkrecht aufsteigenden Granitfelsens angelegt ist. Von da führte in das Kerenge-Thal, das Krapf hier 5000 Fufs tiefer (!) schätzt, eine höchst beschwerliche Strafse 4 Stunden lang hinab; dann ging der Weg eine Stunde lang durch das Thal bis zum Ngerea und auf seiner Westseite erstieg Krapf die Berge durch schöne Zuckerrohrpflanzungen, bis er das Dorf Dschairi erreichte (7. Tag). Am achten Tage kam er über einen Zuflufs des Ngerea, jenseits des- sen bis zum Dorfe Ponde das Land wieder viel bergiger, der Weg 38 Meinicke: steiler und beschwerlicher wurde, obschon allenthalben Dörfer und Pflanzungen zerstreut liegen. Aber näher an Fuga (9. Tag) nimmt die Rauhheit der Berge und die Tiefe der Schluchten ab, das Land wird ebener, der Boden der Hügel aber auch weniger fruchtbar und kahl ohne Wälder und Gebüsche, einzelne kuppelartige Berge, auf denen die Ortschaften (so auch Fuga) liegen, unterbrechen die Hochebene, deren Höhe später Burton zu 4000 Fufs geschätzt hat. Das Thal eines grofsen Baches, der sich später gegen Süd zum Pangani wendet, führt nach Fuga und dem nahe dabei liegenden Hügel Muhesa. Die Rückreise nahm Krapf anfangs auf einem anderen Wege, um die steilen Berge bei Ponde zu vermeiden. Er wandte sich zuerst nach Süd und stieg drei Stunden lang, (davon eine halbe durch einen fort- laufenden Bananenwald), von der Hochebene von Fuga herab, wobei er stets das ganze Pangani-Thal und die Ebene im Süden und We- sten übersah; dann führte der Weg am unteren Rande des Hochlan- des längs hoher senkrechter Felswände hin über den aus den Bergen kommenden, zum Pangani fliefsenden Furuni nach dem eine Stunde weiter liegenden Dorfe Mombo; allein von hier ging es am zweiten Tage wieder einen hohen Berg hinauf und dann fortwährend über steile Gehänge und durch tiefe Schluchten, bis zuletzt ein langer be- schwerlicher Steilabhang hinabzusteigen war, um das Kerenge-Thal und den am Fufse der Berge liegenden fruchtbaren, vom Mdschira, einem Zuflulfs des Ngerea, bewässerten und gut bewohnten Distriet Mahe- fangulu zu erreichen. Von hier fällt sein Weg mit dem schon früher auf der Reise nach Fuga zurückgelegten zusammen; er überstieg am vierten Tage die Kette Handei, wo er in den hohen Wäldern im An- fang der Regenzeit von der kalten und nebligen Luft viel zu leiden hatte, dann am fünften Tage die Makueri-Kette bis Kimbo und kam am sechsten über den nahen Sidschi-Flufs nach Kadango, am siebenten nach Dschumbi zurück. Aus diesen leidlich genauen Schilderungen geht also hervor, dafs die höchsten Erhebungen des Gebirgslandes von Usambala zu beiden Seiten des Kerenge-Thales sich finden, dals im Osten desselben zwei parallele Ketten von bedeutender Höhe nach Süden ziehen, deren nörd- liche Fortsetzung das Gebirgsland von Msihi zu sein scheint, dafs aber östlich vom Thale des Sidschi an niedrigeres Bergland sich bis an die Küstenebene ausdehnt, während auf die das Kerenge-Thal im West begränzenden Ketten die Hochebene von Fuga folgt, die in Steil- abhängen nach Süden herabsinkt. Wie weit diese Hochebene gegen Westen sich erstreckt, ist unbekannt; der Name Usambala geht nicht weit über Fuga hinaus, dann folgt eine menschenleere Wildnifs, die bis Pare reicht und nur durch die bewohnte und bebaute Ebene Ma- sinde unterbrochen wird, die der von Norden kommende Mkomafi, Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 39 ein Zuflufs des Pangani, bewässert. Pare wird als ein Bergland geschildert, das in seinem Bau Usambala ähnlich sein soll; es wird im Süden und Westen von dem Thale des Pangani umgeben und steht mit anderen ähnlichen Bergländern, wie im Norden mit Kisanga, im Süden mit Ngu in Verbindung. Da das letzte wohl das Kutu von Cooley ist '), das nach Burton und Speke die gebirgige Senkung des Hochlandes von Uniamesi am Kingani-Flufs bildet, so dürfte auch Pare als das Randgebirgsland des inneren Hochlandes zu betrachten sein, und dasselbe von den gerade im Norden davon in seiner Fortsetzung liegenden Gebirgsländern Dschagga und Ukambani gelten. Südlich von Usambala jenseits des Pangani liegt die grofse, anscheinend bis zur Küste reichende Ebene, welche die Wasegua bewohnen, und in der Krapf von den Höhen bei Fuga aus nur einzelne isolirte Berge, wie den Mafe, Handei, Kiwa, erblickte. Das Gebirgsland von Dschagga hat Rebmann entdeckt und in den Jahren 1848 und 1849 zu drei verschiedenen Malen besucht. Im folgenden wollen wir seine Reiseroute dahin nach seinen Berichten zusammenfassen. Eine genaue Prüfung der Nachrichten Rebmann’s zeigt, dafs sich schon in der Nähe der Küste eine Art freilich sehr unvollkommener, mannichfach unterbrochener Terrassenbildung findet, in der sich das Land nach dem Innern zu erhebt. Den ersten Anfang derselben bilden die von den Wasagala, (welche die Wanika Wa- teita nennen), bewohnten Berge, deren der Küste zunächst liegende, Kadiaro und Kalibassa (Kilibassi der Karte), von den Höhen bei Mombas deutlich zu sehen sind. Der Weg dahin führt von Rabai-mpia zuerst drei Stunden, (halbwegs die Station Schikarako, wo sich die Ka- rawane versammelte), über ein welliges, zum Theil mit Gras bedecktes, zum Theil bewaldetes und noch von Wanika und Wakamba bewohntes Land, das in den folgenden 4 Stunden immer steiniger und unfrucht- barer wird, bis man die Höhe Ndungu (oder Ndunguni), einen 100 bis 200 Fufs hohen Abhang, in die Wildnifs (Nyika der Eingebore- nen) hinabsteigt, die sich hier gegen Nord bis an die Gallaländer, ge- gen Süd bis Usambala und gegen West bis zum Kadiaro 20 Stunden lang ausdehnt ?), und im Östen noch etwas wellig, westlicher eine ’) Vergl. Journal of the Roy. Geograph. Society XXIV, 268. [Khutu ist auf Burton’s Karte und danach in der hier beigegebenen unter 7° S. Br. eingetragen, also doch volle drei Breitengrade südlich von Pare entfernt, daher uns die Identität mit Krapf’s Ngu doch zweifelhaft erscheint. K.] 2) Itinerar von Ndunguni (die eingeklammerten Ziffern sind aus dem Zusammen- hange der durchschnittlich zu 7—8 Stunden angenommenen Tagereisen ergänzt): (4 — 5 St.) Muniuni, 3 St. Kurundu, 1 St. Ja-Endora, 3 Mundege, 4 Weru wa-Msinda, 3 — 4 Felsen Kadimu, (1— 2 St.?) Berge Lukinga und Makassi, (2— 3 St.) Kadiaro, zusammen 22 — 24 Stunden oder etwas über drei Tagereisen, oder von der Küste vier Tage (30 St.); der Rückweg bis zur Küste wurde schneller, in drei Tagen, ge- macht. K. 40 Meinicke: vollkommene Ebene ist. Niedrige krüpplige Bäume, vorherrschend dor- nige Akazien, nächstdem Euphorbien, bedecken den nicht unfruchtba- ren, allein in der Trockenzeit sehr dürren und wasserarmen Boden des Landes, das aulser Raubhorden nur grofse Heerden von Antilopen und Giraffen durchstreifen; Elephanten, Rhinoceros, Löwen u. s. w. sind in der Nähe der Küste wenigstens selten. In Entfernungen von 4 bis 5 Stunden stöfst man auf felsige Bänke, die ersten Ansätze einer unvoll- kommenen Terrassenbildung, wichtig für den Reisenden, da sich zwi- schen den Felsen das .einzige Wasser in der Trockenzeit zu erhalten pflegt; die östlichsten dieser Bänke bestehen aus blolsen, wenig her- vorragenden Felsblöcken, die westlicheren bilden schon felsige Hügel- ketten, wie die nackten Felsen von Kadimu und die 500 bis 600 Fuls hohe Hügelkette Lukinga, die ganz nahe im Osten von Kadiaro auf- steigt. Die Wasagala bewohnen drei in der Ebene isolirt sich erhebende, von Nordost nach Südwest ziehende Bergzüge von 4—5000 Fufs Höhe, deren östlicher in Mombas Kadiaro, bei den Bewohnern Kasigalo heifst. Dies ist eine isolirte, 14 Stunden weit sich erstreckende Berg- masse, deren höchsten Punkt in der Mitte ungeheure, grolsentheils senk- recht aufsteigende Felsen bilden. In den oberen Gehängen liegt das Dorf Maquasini nebst mehreren anderen zwischen Felsen und Stei- nen zerstreut, die Abhänge sind nicht fruchtbar, allein das Land um die Dörfer ist auf das sorgfältigste (mit Bananen, Mais, Zuckerrohr) bebaut. Die Spitze zu ersteigen wurde Rebmann durch das Mifstrauen der Einwohner gehindert. Die beiden anderen Bergzüge der Wasa- gala, welche schmale einförmige Kammhöhen ohne Gipfel haben, heis- sen Ndara, etwa 10 Stunden im Norden, und Bura in der doppelten Entfernung im Nordwesten von Kadiaro. Der erste ist von fruchtba- rem, doch der Ueberfälle der nahen Galla halber unbewohnten Lande umgeben; das weit nach Süd sich erstreckende Gebirge Bura, das grölseste der Wasagala, das daher auch Kilima Kibomu oder der grofse Berg benannt wird, und dessen höchste Spitze, der Veruga, 4000 bis 6000 Fufs hoch ist, hat Rebmann besucht. Er traf von Kadiaro aus nach der ersten Tagereise den kleinen bewaldeten Berg Buguda, zwei Tage weiter das Bett des Flüfschens Madade, das hier nur 3 bis A Ellen breit und eine Elle tief am östlichen Abhange des Bura entlang nach Süden fliefst; an seiner Westseite lag hoch in den Bergen das Dorf Dschawia (nach R. nahe an.5000 Fufs hoch). Von hier durch- schnitt Rebmann das ganze Gebirge, das an dieser Stelle keinen be- deutenden Gipfel zu haben scheint, dessen Höhen aber und die sehr anmuthigen, reich bebauten Thäler ein Bergland von solcher Frucht- barkeit, Gesundheit und Schönheit bilden, wie er östlicher nichts ge- Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 4 sehen; der ganze südliche Theil des Gebirges ist unbewohnt. Ueber das eine kleine Tagereise von Dschawia entfernte Dorf Muasagnombe noch einige Stunden weiter zu dem kleinen, in der Trockenzeit fast versiegen- den Flusse Gnaro gelangt, der an der Westseite des Bura-Gebirges nach Süden geht und den Madade aufnimmt '), betrat er die Wildnifs wieder, welche die Berge der Wasagala von Dschagga trennt. Sie ist anfangs in ihrer Beschaffenheit dem Lande auf der Ostseite der ersten Berge ähnlich, hat aber an mehr Stellen hochstämmigen, das Diekicht unterbrechenden Wald, weniger Akazien und Dornen, dafür aber ein sehr lästiges Gras voll Stacheln, auch gröfsere Heerden von Wild, namentlich mehr Elephanten und Büffel. Weiter westlich von dem Hügel Mkinga an wird die Gegend immer offener und waldfreier und nimmt den Charakter bald der offenen Haide, bald des Grassteppen- landes an, bleibt aber immer gleich dürr und hat in der Trockenzeit zwei starke Tagereisen weit ”) zwischen dem Gnaro und Lomi (Lumi) kein Trinkwasser; am letzten Flufse, an dem das Culturland von Dschagga beginnt, endet die Wildnifs, deren Höhe Rebmann hier zu 1500 Fuls schätzt. Im Norden und Nordosten von ihr sind die zwei Tagereisen entfernten Gebirgsreihen von Ngolia und Kikumbuliu sicht- bar, welche die Südgrenze des Wakamba-Landes bilden. Im Süden erheben sich die massigen Gebirge von Ugono von 5000 bis 6000 F. Höhe, mit denen das niedrige Bergland von Kisungo, das Pare im Norden begränzt, zusammenhängt; am nördlichen Abhange beider brei- tet sich ein grofser, von den Höhen von Bura aus sichtbarer, angeb- lich zwei Tagereisen langer See Ibe (oder Ariaro) aus, der Krokodile enthält, und an dessen nördlichem Ufer der bewohnte Distriet Dafeta liegt. Dschagga ist der Name des Gebirgslandes, das die erhabene Gebirgsgruppe des Kilima-Ndscharo und die von den zahlreichen, gleichmäfsig gegen Süden fliefsenden Quellströmen des Pangani be- wässerten Südabhänge desselben umschliefst. Der Kilima-Ndscharo, (eigentlich, da Kilima Berg bedeutet, blofs Ndscharo, wie auch die Wasagala ihn benennen, ein Name, der in der Suahilisprache Berg der Gröfse oder der Karawanen bedeuten kann), ist der südlichste der ge- waltigen Schneeberge in diesem Theile Ostafrika’s. Bekanntlich er- regte die erste Kunde, die durch Rebmann von diesen Schneebergen ») Rebmann hielt ihn für den oberen Lauf des bei Wasin mündenden Flusses, also des Umba, allein nach der neueren Karte der Missionare wäre er der obere Lauf des dem Pangani zufliefsenden Mkomafi. ?) Dieselbe Entfernung schätzt Rebmann bei Krapf II, 57 wohl übertrieben auf 80 englische, d. i. 17 deutsche Meilen. K. 42 Meinicke: nach Europa kam, nicht geringe Verwunderung, ja Mifstrauen, und Cooley ging so weit, zu behaupten, er habe weilse Felsen für Schnee gehalten; solche Irrthümer hat man in Basel erzogenen Männern, die in der Schweiz Gelegenheit genug gehabt hatten, Schneeberge zu sehen, zugetraut! Dafs die Küstenbewohner nichts von den Schneegipfeln wulsten, und die Bewohner von Dschagga, deren an das Gedeihen der Bananen geknüpfte Wohnsitze von den Schneefeldern fern liegen, häufig nur dunkle und märchenhaft klingende Berichte darüber mittheilten, ist begreiflich genug; die an der Küste verbreitete Ansicht ist, dafs der Gipfel des Berges aus Silber bestehe, und das ist höchst interessant, wenn man damit die bei Aristoteles ') sich findende Notiz vergleicht, dafs der Nil an einem Silberberge entspringe. Denn dafs Zuflüsse des Nils wenigstens von den nördlicheren Schneebergen in Ukambani nach Nordwest herabfliefsen mögen, ist gewils eben so wenig zu bezweifeln, als dafs die schon im Alterthum als das Quellland des Nil bezeichne- ten Mondgebirge diese ostafrikanischen Schneegebirge sind, da ja das Hineinragen in die Region des ewigen Schnee’s bei ihnen als cha- rakteristisch hervorgehoben wird. Ueberdies sagt der Araber Ben Said, der im dreizehnten Jahrhundert schrieb, dafs bei Malindi ein Flufs münde, der aus dem Dschebel el-Kamr (Mondgebirge) komme, und wirklich scheinen Arme des bei dieser Stadt mündenden Sabaki am nördlichen Abhange des Kilima-Ndscharo zu entspringen. Aber die Ein- wohner von Dschagga kennen überdies, wie Rebmann bei seinem Be- suche im Lande erfuhr, die Natur der weilsen Decke des Berges wohl, sie nennen sie mit arabischer Bezeichnung Beredi (Kälte) oder mit ein- heimischer Kibo (Schnee). Kilima-Ndscharo ist eine 10 Stunden lange und eben so breite Gebirgsmasse, die sich nach Süden, von wo aus Rebmann sie allein übersah, sehr sanft und allmählich, nach Südwest aber nach Madschame und Kindi sehr jäh herabsenkt. Auf ihr erheben sich zwei Hauptgipfel, die eine 3 bis 4 Stunden breite Einsenkung gerade Nord von Kilema trennt; der östliche Gipfel ist spitzer und niedriger und trägt nur zu gewissen Jahreszeiten Schnee, der westliche bildet eine prächtige ge- rundete Kuppe, die den Schnee niemals verliert. Das Gebirge ernährt durch diese Schneemassen eine Menge rundum von ihm abfliefsender Ströme, es ist aulserdem ein beständiger Regenerzeuger, denn selbst nach den wolkenfreien Nächten der Trockenzeit, in denen Rebmann den Anblick des Doms bei Mondlicht besonders majestätisch fand, be- deckt sich die Spitze beim Aufsteigen der Sonne mit Nebel, der sich !) Too Neikov 70 Heu (dei) Er rov Aoyvoov xahovuevov doovs. (Arist. Meteorol. 1, 13. Beck.) Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 43 gegen Mittag zu dichten Wolken verdichtet, worauf Nachmittags Regen und Gewitter folgen. Hiervon hängt die Fruchtbarkeit und Ergiebig- keit der Ebenen von Dschagga ab, die ihre Bewässerung von dem Ge- birge erhalten. An der Nordwestseite des Berges (Rebmann bei Krapf U. p. 67), die von Schluchten durchsetzt ist und hier und da steile Felswände zeigt, sammelt sich das Schnee- und Regenwasser in einer Niederung und bildet den von Elephanten stark besuchten See Luaya, der vielleicht nach Krapf’s eigener Ansicht identisch ist mit dem von Dschulu aus sichtbaren, aber nach seiner Angabe (II. p. 219) nordöst- lich vom Ndscharo gelegenen See Zawa, aus oder bei dem der Zawo und der Lomi entspringen sollen. Die Hoch-Ebenen von Dschagga beginnen am Flusse Lomi (Lumi), dem östlichsten der Quellströme des Pangani, der an der Fuhrt, in der Rebmann ihn überschritt, 10—12 Fufs breit und nur 1 Fuls tief war. An seinem Westufer zeigte sich sogleich hochstämmiger Wald und eine üppigere und reichere Vegetation, wie Rebmann sie, seitdem er die Küste verlassen, nicht gesehen hatte. Nach 8 Stunden traf er auf den (in der Trockenzeit) 30—40 Fuls breiten, 3 Fufls tiefen Gona, der den Lomi aufnimmt, er weiset durch die Kälte seines Wassers auf die nahen Schneefelder hin, und brausete wild und tosend über Felsen. Einige Stunden weiter wurde der erste angebaute und durch einen Grenzgraben gegen feindliche Einfälle gesicherte Distriet von Dschagga, Kilema, erreicht, ein überaus schönes Land am Westufer des Gona und noch 1—2 Tagereisen vom Gipfel des Schneeberges entfernt. Von Kilema aus ging Rebmann das erste Mal durch ein welliges, allmählich aufsteigendes Land gerade auf den Schneeberg zu, bis nach 2— 3 Stunden eine solche Höhe erreicht wurde, dafs alle festen Wohn- sitze aufhörten, da die Erhebung des Bodens den Bau der in diesem Theile Afrika’s die Haupteulturpflanze bildenden Banane nicht mehr gestattete; Abends war eine Kälte, wie bei uns im November, man mufste bei einem Feuer in einer Hütte schlafen, ja Rebmann glaubt, dafs ein Marsch von 3—4 Stunden bergauf ihn hier bis an die Schnee- felder gebracht haben würde. Bei der zweiten Reise schlug er einen etwas tiefer am Bergfulse gehenden, die schwierigen Thalschluchten vermeidenden Weg ein, auf dem er alle dieselben Gewässer in ihrem unteren Laufe passirte. Zunächst betrat er eine halbe Tagereise von Kilema mit dem Aufhören der Pflanzungen einen hohen Wald von ihm ganz neuen Bäumen, unter denen viele Farren wuchsen, in diesem passirte er den Fluls Mu, der, wie es scheint, durch Kiruwa in den Gona geht, und einige tiefe Bergschluchten, (in einer derselben, dem Thal Msonga, sah er einen 150 Fufs hohen Katarakt), worauf der Weg in einem kleinen Tagemarsch in den oberen, Kinamfura genann- AA Meinicke: ten Theil des Distrietes Uru herabführte, wo wieder bewohntes Land und Bananenpflanzungen erreicht wurden; von da senkte sich das Land immer mehr nach Südwesten herab. Ueber diesen Abhang ging Reb- mann nach dem Distriet Madschame und durchschnitt dabei nicht weniger als 12 kleine Quellströme des Pangani, die in der Trocken- zeit 15—20 Fuls Breite und + (in der Regenzeit 24) Fuls Tiefe hat- ten, und in der Nähe des Gebirges in 1500 — 2000 Fuls tiefen Schluch- ten flossen, deren Tiefe jedoch gegen Süden schnell abnahm. Breite Strecken ebenen, hochgelegenen, theils wüsten, theils bebauten Landes trennen diese Flufsthäler. Die ersten der so durchschnittenen Thäler waren die des Muare, Rau, Kanerre und Ngomberre, der Uru von Lambongo scheidet; dann folgen der Mso, Karanga, Nisie, Niama bis zum Thale des Wumbo, an dessen Westufer der kleine Distriet Kindi beginnt; auf ihn folgt der jetzt als Weideland dienende Distrit Kombo, der bis an den schönen Flufs Weriweri reicht, welcher, wie alle diese Flüsse, über Felsen und Steine dahinfliefst, an Wassermasse dem Gona gleich, aber des breiteren Bettes halber leichter zu passiren. An seinem westlichen Ufer beginnt der Di- strit Madschame, jetzt der bedeutendste von Dschagga, eine von Nord nach Süd 12 engl. Meilen breite, bis auf die tiefen Schuchten ebene, fruchtbare und gut angebaute Landschaft auf dem unteren Theil des südwestlichen Abhanges des Kilima-Ndscharo. Im Westen davon liegen das untere Uru und Meru, die letzten Distriete von Dschagga; im Norden von ihnen erhebt sich der isolirte Berg Sehira, der so hoch ist, dafs er sich wenigstens zu gewissen Zeiten mit Schnee bedeckt, und im Süden liegt 10 engl. Meilen von Uru der niedrigere Berg Ufuma wa Masai, der sich 18 engl. Meilen von Nordwest nach Süd- ost ausdehnt, und an dem das Gebiet der wilden Masai beginnt. Im Westen von Meru nannte man Rebmann die Landschaften Arussa (oder Aruscha) mit einem grolsen See, Mloso mit dem Berge gleichen Namens von solcher Höhe, dafs noch im nördlichen Ukambani Krapf seinen Gipfel sehen konnte !), und Dschodscho (oder Dschadschuro); dann kommt man durch eine Wildnils drei Tage lang zu dem grofsen salzigen See Ro im Lande Itandu, der trotz seiner Ausdehnung in der Trockenzeit verschwindet und eine Kruste von Salz zurückläfst, dessen sich die Nachbarstämme bedienen. Von da soll ein betretener Weg über Ukimba nach Uniamesi führen. An dem Nordabhange des Kilima-Ndscharo breitet sich eine gras- !) Vielleicht ist dies eben der Berg, den in derselben Gegend die Suahilihänd- ler von Tanga Erhardt unter dem Namen Doinio Engai angaben, und der nach ihnen Schnee tragen soll. (?) Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 45 reiche Ebene aus, die Landschaft Kaputei, welche jetzt der Wohnsitz des verrufenen Volksstammes der Wakuafi ist; sie endet angeblich nach 20—25 Stunden Ausdehnung an den ersten Bergen von Ukam- bani. Dieses Gebirgsland, in dem nicht, wie in Usambala, die Bildung paralleler Bergzüge auftritt, noch, wie in Dschagga, alles von dem Uebergewicht einer einzelnen gewaltigen Hochgebirgsmasse abhängt, (beides Erscheinungen, die sonst in dem Bau Afrika’s nicht häufig sind), während vielmehr die ächt afrikanische Naturform der Hochebene in ihm hervortritt, ist uns einzig durch Krapf bekannt geworden, der es zweimal (1849 und 1851) besucht hat; im folgenden verbinden wir die auf beiden Reisen angestellten Beobachtungen des Missionars zu einem Ganzen. Beide Male begann Krapf seine Reise von Rabai mpia und durch- schnitt, wie Rebmann, in 3 Tagen die noch angebauten, welligen Ab- hänge des Wanikalandes, bis er über die schon erwähnte Senkung Ndunguni in die grofse wasserarme Wildnifs eintrat; durch diese ging der Weg gegen Nordwesten, so dafs die Berge der Wasagala im Sü- gen blieben. Sie ist hier ganz von derselben Beschaffenheit wie da, wo sie Rebmann südlicher durchreisete, auch hier fand Krapf die Fels- bänke, zwischen denen sich in der Trockenzeit das einzige Wasser findet, und Ansätze zu terrassenartig sich erhebenden Hügeln, eben wie südli- cher; das Reisen aber ist bei der Nähe der raubsüchtigen Gallastämme viel gefährlicher. Krapf kam in wenig nach Norden abweichender westlicher Richtung über die Wasserplätze Nguruma sa milala, Nse- kano, (in dessen Nähe im Nordwest der isolirte Berg Daru oder Toadi in der Wildnifs sich erhebt), Kinagoni und durch die mit Gras und Dorn- gebüsch bedeckte kleine Ebene Mundawa wali oder Kadiza im Districte Mdigni und den Wasserplatz Muangeni zum Berge Maungu (4—5 Tage von Ndunguni), der bis zur Grenze von Ukambani (1849) der einzige bewohnte Ort war und frisches Wasser hat; von da führte der Weg mit einer starken Tagereise über die Hügel Wa und Kamlingo durch stets ebenes bewaldetes Land bis zu einem kleinen Flusse Woi, der das Wasser der in Westen sich erhebenden Berge Ndara und Bura zum Sabaki abführt, jedoch in der Trockenzeit in dem %0—25 Fuls breiten Bett kein Wasser hatte. Von ihm weiter gegen Nordwesten ist das Land in der Trockenzeit noch viel dürrer, als bisher, Sandbo- den mit Akazien; der einzige Wasserplatz eine Tagereise weiter am Hügel Kangongo an dem aus Bura kommenden Bache Mbululo war ausgetrocknet, und erst nach einer sehr langen Tagereise von 14 Stun- den gab den Erschöpften der nie versiegende Fluls Zawo Labung. Dieser verdankt sein Wasser, das in der trockensten Jahreszeit 20— 25 46 Meinicke: Fufs breit und 24 Fufs tief über rothen Sand schnell hinflofs, dem Schnee des Kilima-Ndscharo, an dessen Nordostabhange er entspringt; er fliefst hier nach Nordost und ohne Zweifel in den Adi; die hohen Mikoma- palmen, die Krapf sonst nur an der Mündung des Sabaki bei Malindi sah, zeigen schon von ferne sein reiches Thal an. An der Nordseite des oberen Zawo beginnt das Land Ukambani, durch Gebirgszüge von der Ebene von Kaputei getrennt und vor ihren raubsüchtigen Bewohnern geschützt. Das östlichste dieser Gebirge ist der hohe Berg Thöuka, dessen mit einer kleinen Tagereise vom Zawo erreichtes nördliches Ende Ngolia heifst; westlicher erhebt sich dar- über der 10 Stunden von Ost nach West ziehende Dschulu (an 5000—6000 Fufs hoch), der, durch die Ebene von Kaputei von dem noch ferneren und höheren Kilima-Ndscharo getrennt, die südliche Grenze des Distriets Kikumbuliu, des südlichsten von Ukambani, und wahrscheinlich auch des Thals des Adi bildet. Der weitere Weg führte durch eine der östlicheren ganz ähnliche Wildnifs, in der erst nach zwei Tagereisen vom Zawo bei Mdido wa Andei sich Wasser im Bett eines vertrockneten Flusses fand, später folgte auf das Diekicht hoher Wald und diesem einen halben Tagemarsch weiter das ange- baute Culturland von Kikumbuliu, das schwarzen, guten Boden und hier und da Lager von schwarzer, poröser Lava, die die Eingebore- nen Kiwudi nennen, aber frisches Wasser noch immer sparsam hat. Durch dieses Land zog Krapf über den Wasserplatz Idumuo und den zum Adi gehenden kleinen Fluls Madschidschio ma-Ndugu und er- reichte von Ngiloni, dem letzten Dorfe des Distriets, nach einer Tage- reise durch Wälder den schönen Flufs Adi, der wahrscheinlich der obere Lauf des Sabaki ist und weiter abwärts den Zawo aufnimmt; es ist in der Regenzeit ein mächtiger Strom, da er selbst in der-trocken- sten 60 Fufs des 170 Fuls breiten, von über 20 Fufs hohen, bewalde- ten Ufern eingeschlossenen Bettes ausfülite. Am Adi endet die Ebene, die von den Wanikabergen aus nach Nordwest von Krapf durchschnitten war '), und seiner Schätzung nach sich bis hier auf 1800 Fufls erhoben hat; es beginnt das eigentliche Hochland von Ukambani, das der Adi und Dana im Süden und Nor- den begrenzen, mit dem mehrstündigen Aufsteigen in die hochgelege- nen ?) Ebenen des Distriets Yata, von denen das ganze Adithal, die ') Dieser Umstand scheint Krapf zu dem wohl in Ermangelung genauerer Be- obachtung voreiligen Schlusse veranlafst zu haben, die nördlich vom Adi folgenden Höhen für die nordwestliche Fortsetzung der Ndunguni-Höhen zu erklären. (K.) 2) Wenn Krapf einmal die Meereshöhe von Yata zu 2000 Fufs schätzt, so ist das gewils zu gering. oa ee Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. AT Berge, welche es von Kaputei trennen, und die Berge von Mdo- moni im Osten übersehen wurden, die Ukambani von dem Lande der Galla scheiden und hier wahrscheinlich die Senkung nach der Küsten- ebene bilden. Ukambani ist ein ebenes Land, über dem sich einzelne relativ nicht bedeutende Berge erheben, mit zahlreichen Dörfern, deren Bewohner Landbau und Viehzucht treiben, wofür der Boden sehr ge- eignet ist; die Dickichte der östlicheren Ebene sind hier verschwun- den, an manchen Stellen ist selbst Holzarmuth. Das Klima fand Krapf auffallend kühl, in Yata stand das Thermometer des Morgens (Ende Juli) 16, Mittags nur 17 Grad, doch gedeihen noch Bananen und Zucker- rohr, von Fruchtbäumen aber sah Krapf keinen als den auch an der Küste bekannten Mbugu. Von der Ebene von Yata aus ging Krapf’s Weg anscheinend ge- gen Norden. Er führte erst durch die grofse, unbewohnte bis zu den Mdomonibergen reichende Wildnils von Tangai, dann durch die be- wohnte Ebene, am zweiten Tage bis zum Flusse Tiwa '!), der aus Ulu, dem nordwestlichsten Distriet von Ukambani kommt und dem Adi zufliefst, allein in der Trockenzeit ohne Wasser ist. An seinem Nordufer traf Krapf wieder hochgelegene, gegen Norden immer höher aufsteigende Ebenen mit grolsentheils grasreichem, allein nur theilweis und dünn bewaldeten und sparsam bewässerten Boden; nur im Osten zeigten sich isolirte Berge. Der Weg führte über sie anfangs durch unbewohntes Land erst nach Nordosten, von dem Felsenhügel Usam- bani an nach Norden in drei Tagemärschen bis zu dem in einer stark bewohnten Gegend liegenden Dorfe Kitui. Auf der zweiten Reise drang Krapf in nordwestlicher Richtung noch weiter nördlich bis zum Flusse Dana vor, der Ukambani im Nor- den begrenzt. Er passirte zuerst nahe bei Kitui einen nie versiegen- den, dem Tiwa zufliefsenden Bach, der ein fruchtbares und gut bebau- tes, holzarmes Land durchschneidet. Nach einigen Stunden erreichte er über sanft aufsteigende Ebenen, durch die der Kalundo zum Tiwa fliefst, den Berg Kidimui, dessen relative Höhe Krapf auf 1200 Fufs schätzte, und der eine schöne Aussicht über ganz Ukambani, auch die östlichsten Distriete desselben bis an die Berge, die es von den Ebe- _ nen der Galla trennen, darbietet. In seiner Nähe hört das angebaute Land auf, es beginnt eine Wildnifs, in der Krapf in vier Tagen noch einige 20 Stunden bis zum Dana zurückzulegen hatte, dennoch war das nach Nordwesten zu sanft ansteigende Land schön und grasreich, auch nicht schlecht bewässert durch kleine Bäche, oflene, zum Land- ") Das Dorf Kipopue, südlich vom Tiwa, wird nur auf der Rückreise be- merkt. 48 Meinicke: bau und zur Viehzucht wohl geeignete Ebenen, doch ganz ohne Bäume, daher der Name der Gegend Mbiti (Grünes). Der Weg ging an dem Hügel Kiwara vorbei zum Bach Andilai, der stark gesalzenes Was- ser führt; etwas weiter erreichte Krapf den zum Tiwa fliefsenden Mken- gedschia, der versiegt war, und den weit sichtbaren, steinigen Berg Data, der sich 800-—1000 Fuls über die Ebene erhebt, deren Höhe hier Krapf zu 5000 Fufs schätzte; an ihm ist die Wasserscheide, denn nordwestlich davon flossen die Bäche zum Dana. Jenseits des Data stiels er bald auf einen aus dem Lande Kikuyu kommenden Bach, dann folgte eine weite, bis zum Dana reichende, offene Ebene, in der sich ein isolirter Hügel Kense erhob, und westlich von ihm beginnt der dichte Wald, der das Thal des Flusses einfalst. Dieser strömt hier in einem 150 Fufs breiten Bette 6 bis 7 Fufs tief schnell und sehr ge- wunden nach Osten: die grolse Wassermasse in solcher Nähe der Quelle zeigt schon, dafs der Flufs aus Schneefeldern genährt wird. Denn nach den Nachrichten der Eingebornen entspringt der Dana, den Krapf für den oberen Lauf des Pokomoni des Küstenlandes hält, (früher hatte er ihn mit dem östlicheren Osi identifieirt), nur wenige Tagereisen westlicher aus einem See am Abhange eines gewaltigen, mit ewigem Schnee bedeckten Hochgebirgsstockes, den die Wakamba Kenia, die Bewohner von Kikuyu Kirenia oder Ndur-kenia, die Wakuafi Orldoinio-eibor (oder den weilsen Berg) nennen. Krapf hatte über ihn erst ganz zufällig in Kitui trotz der bedeutenden Höhe des Berges, der von da über Muakini, Mambidschi, den Dana, Mu&a und Uembu nur sechs Tagereisen entfernt sein soll, Kunde erhalten; von den Höhen bei Kitui sah ihn der Reisende, „von Ost nach Nordwest bei West“ streichend, (was ohne Zweifel von Südost nach Nordwest heilsen soll), gleich einer ungeheuren, einem Dachfirst ähnlichen Mauer, über der sich nahe bei einander zwei grofse thurmartige Hörner erhe- ben, ganz verschieden von der regelmälsigen Kuppelform des Kilima- Ndscharo. Am Fufs der Hörner im Nordosten vom Berge bildet das aus dem Schnee, (den die Umwohnenden Kirira nennen), flielsende Wasser den See, der dem Dana seinen Ursprung giebt. Aufser die- sem soll noch ein Flufs, Nsarraddi, dem See entströmen und sein Ende in einem sehr grofsen Salzsee, Baringu, finden, der nördlich vom Kenia liegt und im Osten von dem Lande der Viehzucht und Land- bau treibenden Wamau begrenzt wird; ein dritter am Kenia entsprin- gender, gegen Nord flielsender Strom sei der Tumbiri, der den Dana an Gröfse übertreffe, er erinnert allerdings auffallend an den Namen Tubiri, den nach Werne der obere Nil (Bahr al abiad) bei dem Volke der Bari (in 4° N. Br.) führt. Im Westen des Kenia liegt noch ein anderer sehr hoher Berg Gundadi, der aber keinen Schnee trägt. Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 49 _ Nordwestlich vom Kenia endlich geben die Eingeborenen noch einen Berg an, aus dessen Spitze Rauch und Feuer kommen soll. Das Land im Osten und Südosten des Kenia heifst Uembu und _ wird Ukambani ganz ähnlich geschildert. Oestlicher erhebt sich am nördlichen Ufer des Dana der Berg Mukamku, an dessen Ostseite _ ein Zuflufs des Dana, der Dika, entlang fliefst. Die dann folgende \ Landschaft am Dana heifst Mu&a, dann folgen Mberre, das die Wa- kamba Mbe nennen, Mbellete (oder Mbergete), das bis an einen an- _ deren grofsen See Zamburu reichen soll, Udaka (oder Mudaka) und andere Landschaften, die in ihrem Bau Ukambani ganz ähnlich zu sein scheinen, hochgelegene Ebenen, in denen sich isolirte Berge von an- scheinend nicht bedeutender relativer Höhe erheben; sie werden von Zuflüssen des Dana, wie der Kiloluma, Dangada, Malawa, durch- flossen. Westlich und südwestlich vom Kenia liegt eine andere Landschaft Kikuyu, die an der Küste wegen des vielen Elfenbeins, das sie lie- fert, wohl bekannt ist, und ebenfalls aus anscheinend gut bewohnten, zur Viehzucht und zum Landbau tauglichen Hochebenen besteht, in denen sich einzelne Berge erheben, so der Kandschallo an der Grenze zwischen Kikuyu und dem nordwestlichsten Distriete von Ukam- bani, der Ulu heifst, der Iweti, der Nsaowi, (beide vom Data aus - im Südwest sichtbar), endlich der Ambaloila, an dessen Fuls der Adi entspringt. Kikuyu reicht bis in die Nähe eines sehr grolsen, an- geblich salzigen Sees, Neiwascha, der nach der Angabe der Einge- - borenen von dem grofsen See von Uniamesi ganz verschieden ist; es _ mag wohl der Ukerewe gemeint sein, den Speke auch Nyanza nennen 3 hörte, falls nicht diese Naturform der Hochlandsseen hier noch öfter wiederkehrt. Dies sind die geographischen Resultate, die sich aus Krapf’s und Rebmann’s Beobachtungen ergeben. Es bleibt uns jetzt noch übrig, _ die ethnographischen Berichte dieser Männer zu ordnen, die, wie es sich bei Missionaren von selbst versteht, sehr reichhaltig und um so zuverlässiger sind, da sie vor allen übrigen Reisenden den aufserordent- _ liehen Vorzug haben, der Landessprachen kundig zu sein und zur Ver- mittelung mit den Eingeborenen keiner unzuverlässigen Dollmetscher zu bedürfen. Wir beschränken uns indessen darauf, hier nur eine ‚kurze Uebersicht der kleinen Volksstämme zu geben, die in dem be- _ handelten Küstenlande zwischen dem zweiten und sechsten Grade süd- _ lieher Breite leben. Dabei übergehen wir die den übrigen Volksstäm- £ men nicht verwandten Galla, obschon dieses Volk, das Krapf sehr am Herzen lag, ihm in seinen nördlichsten Gern! in Shoa, wie in seinen südlichsten am Sabaki-Flufs wohl bekannt geworden ist. Sie - Zeitschr, f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd.IX. 4 50 Meinicke: sind und zwar wahrscheinlich erst seit 3 bis 4 Jahrhunderten aus ihren Bergen gegen das Meer vorgedrungen, haben die Küstenländer an bei- den Ufern des Flusses Dschub in Besitz genommen, die dort lebenden Stämme unterworfen oder verdrängt, und dehnen sich jetzt bis zu den nördlichsten Höhen des oben als Bergland der Wanika bezeichneten Gebirges aus, so dals sie den ganzen Küstenstrich bis Takaungu als ihr Eigenthum beanspruchen; ihr südlichster Häuptling lebt jetzt in Tullu am Sabaki-Flufs. Mit den Wanika und Suahili stehen sie zwar gewöhnlich im friedlichen Handelsverkehr, allein ihre Kriegslust und Raubsucht macht sie auch hier allen übrigen Stämmen furchtbar. Die Völker südlich von den Galla sind mit wenigen Ausnah- men (besonders der Wakuafi) mit Einschlufs der Kikuyu, Mbe und Uembu, wie aus Krapf’s philologischen Forschungen bestimmt hervor- geht, eines Stammes und sprechen nahe verwandte Dialeete einer Sprache, für die Krapf den wunderlichen Namen der orphnohamitischen erfunden hat; es ist der Sprachstamm, der sich über ganz Südafrika bis zu den Kaffernstämmen ausdehnt!). Die Abtheilungen dieses Volks- stammes, welche Krapf und Rebmann kennen gelernt haben, sind fol- gende: 1. Die Suahili, (welcher Name aus dem Arabischen stammt), bei den Galla Hamara (oder Kleiderbesitzer), bei den Wanika Wa- zumba, bei den Wakamba Ndumba, bei den Wasambala Waunguana (oder freie Leute) genannt. Sie bewohnen das Küstenland ursprüng- lich von der Mündung des Dschub an bis zum Cap Suafu und die da- vorliegenden Inseln, für ihre ursprüngliche Heimath gilt das Uferland des unteren Pokomoni und die Küste der Insel Patta gegenüber; von da sind sie jedoch durch die Galla verdrängt, und Siwi und Kau an der Mündung des Osi scheinen jetzt ihre nördlichsten Dörfer zu sein. Mit diesem Volke sind die Araber in eine so enge Verbindung getre- ten, dals man sie jetzt häufig selbst Araber nennt. Ohne Zweifel ist diese Verbindung schon uralt; die interessanten Berichte über das Kü- stenland, welche sich in der am Ende des ersten Jahrhunderts ver- falsten, fälschlich dem Arrian zugeschriebenen Umschiffung des Rothen Meeres (Ilegizkovs zig Egvdgas Hal&oons) finden, stammen sicher aus arabischen Quellen, ja selbst die den alten Griechen zugekommene !) Die Völkerbezeichnungen werden in diesen Sprachen durch Präfixe gebildet, so dals von den Stämmen Kamba und Nika z. B. das Individuum Mkamba und Mnika, das Volk Wakamba und Wanika, das Land Ukamba oder Ukambani und Unika oder Unikani, die Sprache Kikamba und Kinika heilst. Die Europäer heifsen seit der Zeit der Portugiesen Wasungu (die Erfahrenen), das Individuum Msungu, Europa also Usunguni. Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 51 _ Kunde von dem mit Schnee bedeckten Mondgebirge und den Quellen des Nil scheint durch Araber und nicht aus Aegypten ihnen überlie- fert zu sein. Seitdem hat diese Verbindung nie aufgehört, wenn sie auch im sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert durch die Herr- schaft der Portugiesen eine Zeit lang gehemmt worden ist; sie ist der Grund, dafs alle Suahili Muhammedaner sind, dafs sich das ganze Kü- stenland der in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts gegründeten Herrschaft des Imam von Maskat unterworfen hat, welcher Fürst in der neuesten Zeit sogar seinen Wohnsitz in Zanzibar aufgeschlagen hat, ein Ereignifs, mit dem der grofsartige Aufschwung zusammenhängt, den der Handel der Europäer an diesen so lange von allen aulser Selavenhändlern gemiedenen Gestaden in den letzten Jahren genom- men hat. Fast alle Suahili gelten so für Unterthanen des arabischen Fürsten von Zanzibar, dessen Herrschaft jetzt nur wenige Dörfer, wie Kau, Takaungu, Gassi, nicht anerkennen. Diese Verbindung mit den Arabern, der die Suahili die Sclaverei, allein auch die höhere Bildung verdanken, die sie vor allen anderen Stämmen des Küstenlandes aus- zeichnet, hat sie auch zu dem eifrigen und energischen Handelsvolk gemacht, das sie jetzt sind; der ganze Verkehr an der Küste (nament- lich mit Elfenbein, Copalharz und Selaven) ist ausschliefslich in ihren Händen, und sie bemühen sich auf das eifrigste, die Europäer von ihm "auszuschliefsen; sie sind auch in das Innere eingedrungen, haben bereits in den Ebenen von Uniamesi festen Fuls gefalst und sogar den Islam unter den übrigen Stämmen zu verbreiten angefangen, ja sie sind noch viel tiefer in das Innere des Continents gelangt: die Araber aus Zanzibar, die Livingstone im Thal des oberen Zambeze bei den Makololo fand, waren Suahili, und 1852 sind sie zum ersten Mal bis Benguela am atlantischen Ocean gekommen. 2. Die Pokomo, von den Galla Munio genannt, leben im Thale des unteren Pokomoni-Flusses an seinem Nordufer in 21 Dörfern, deren westlichstes, Kilangoni, zehn Tagereisen vom Meere entfernt ist. Sie sind Eingeborene dieser Gegend, die sich bei dem Einfall der Galla _ diesen energisch widersetzten und sich dadurch ihre Freiheit und Selbst- 4 ständigkeit bewahrt haben. Sie gleichen in Sprache und Sitten den Wanika und leben vom Landbau und Handel. 3. Die Dahalo oder Wasanie wohnen in den Wäldern des Küstenlandes zwischen der Mündung des Pokomoni und Takaungu. Sie sind wahrscheinlich die Ueberreste älterer, von den Galla bei ihrer Einwanderung vernichteter Stämme, und stehen im Abhängigkeitsver- hältnifs zu den Galla, denn sie zahlen dem Häuptling derselben, der am Sabaki lebt, Tribut und werden von den Galla viel bedrückt. Sie sprechen unter sich eine eigene Sprache, mit anderen aber die der 4* 52 Meinicke: Galla, und leben wie diese von der Viehzucht und Jagd, ohne das Land zu bauen. 4. Die Bonei am Osi-Flufs, ein Stamm, der in ganz ähnlichem Verhältnifs zu den Galla steht, wie die Dahalo. 5. Die Ariangulo auf dem Berge Daru oder Toadi, ein klei- ner, den Galla in gleicher Art unterworfener Volksstamm. 6. Die Wanika, bei den Wasagala Ambakomo (von ihrer Ver- wandtschaft mit den Pokomo), bei den Wakamba Azoi oder Azore ge- nannt. Sie bewohnen das an der Küste sich hinziehende Bergland, das wir im Obigen nach ihnen benannt haben, von der Gegend von Takaungu an, wo der nördlichste Stamm Kauma ist, bis zum Ende des Berglandes bei Wasin, dann auch den Theil des Küstenlandes im Osten von Usambala zwischen den Flüssen Umba und Mgambo, und zerfallen in zwei Abtheilungen, die nördlich von Mombas lebenden oder die Walupangu und die südlichen Stämme, die Wadigo; die Zahl der ersten schätzt Krapf zu 20,000, die der letzten zu 30,000. . In diese Wohnsitze sind sie jedoch erst in den letzten Jahrhunderten ein- gewandert, der Stamm Kiriama vom Pokomoni her, vor den eindrin- "genden Galla fliehend, der Stamm Rabai angeblich erst vor einem Jahrhundert aus Dschagga. Sie leben hauptsächlich vom Landbau und Handel in Dörfern, die sie in dichten Wäldern zum Schutz gegen Raubanfälle anlegen, ohne allen politischen Zusammenhang und Staats- verband in ganz republikanischer Weise, wie dies überhaupt bis auf wenige Ausnahmen bei fast allen Volksstämmen dieser Gegend der Fall ist; sie zerfallen zwar in 12 Stänıme, allein jedes Dorf steht für sich, und in jedem sind die Bewohner alle unabhängig, die Wohlha- bendsten allein durch ihren Reichthum von Ansehn. Allerdings bean- sprucht der Fürst von Zanzibar eine Oberhoheit über sie und erklärt sie für seine Unterthanen; er hat auch in Mombas vier angesehene Suahili zu ihren Häuptlingen ernannt, allein die Verbindung derselben mit ihnen beschränkt sich auf die Leitung des vom Sultan als Monopol betrachteten Handels mit ihnen, factisch sind die Wanika ganz selb- ständig. Im J. 185% wurden sie von den wilden Masai überfallen, des grölsten Theils ihrer Heerden beraubt, viele erschlagen und dabei die mit so grolsen Anstrengungen unter ihnen errichtete Mission zerstört. 7. Die Waschinsi, welches Wort Ueberwundene bedeutet, leben jetzt im grölsten Theil der Landschaft Bondei und dem östlich davon liegenden Küstenlande zwischen den Flüssen Mgambo und Pangani, in diesem jedoch mit den Suahili mannichfach gemischt; ihre eigent- liche Heimath liegt aber im Südwesten des unteren Pangani, wo noch jetzt ein Ueberrest von ihnen drei Tagereisen vom Meere entfernt leben soll, auch ist ihre Sprache (das Kischinsi) der der Wasegua nahe ver- 3 . 2 Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 553 wandt und von der Suahilisprache ganz verschieden. Sie sind in neue- P Fe I rer Zeit von dem Fürsten von Usambala unterworfen und gehören zu seinem Staate. Landbau ist ihre Hauptbeschäftigung; sie unterscheiden sich durch ihre helle braune Hautfarbe von den Wanika und anderen Stämmen, besonders von den Suahili, die von allen Küstenbewohnern die dunkelsten sind. Ihre Zahl besträgt in Bondei 60,000, im Küsten- lande 30,000. 8. Die Wasagedschu leben jetzt unter den Waschinsi zerstreut, vorzugsweise im Küstenlande, doch auch in Bondei, und sind wie sie Unterthanen des Fürsten von Usambala. Sie stammen vom Pokomoni und dem Küstenlande der Insel Patta gegenüber und sind ein Theil der Pokomo, der bei der Einwanderung der Galla floh und zuletzt in den Gegenden am Pangani Schutz und Wohnsitze fand. Daher spre- chen sie auch die Sprache der Pokomo. Sie zerfallen in zwei Stämme, die Muagnombe und die Muakammedi. 9. Die Wasambara, oder wie sie selbst aussprechen, Wasam- bala, bei den Wakuafi Eldonio (Bergbewohner), bei den Suahili Wa- samba genannt, sind die Bewohner des oben als das eigentliche Usam- bara oder Usambala bezeichneten Berglandes im Westen des Kerenge- Thals und den in Pare und Ngu wohnenden Stämmen nahe verwandt, wie sich auch aus ihrer Sprache ergiebt. Sie leben in Dörfern vom Landbau und der Viehzucht, und unterscheiden sich durch ihre poli- tische Entwickelung von allen übrigen Stämmen. Sie bilden den Mit- telpunkt eines in der neueren Zeit erst entstandenen Staates, denn der jetzige König Kmeri ist erst der vierte seiner Dynastie, die aus dem _ Lande Ngu stammen soll, und anfangs das Land Usambala allein be- herrschte, bis Kmeri’s Vater seine Herrschaft über die umliegenden Landschaften weithin verbreitete. Seine höchste Ausdehnung besafs der Staat Usambala in der ersten Zeit von Kmeri’s Regierung; später ist die Bedeutung desselben gesunken, indem sich die Stämme von Pare und die Wasegua, ja selbst die zu Bondei gehörige kleine Pro- vinz Msihi losgerissen haben, und jetzt bilden aufser Usambala nur A noch Bondei, das östliche Küstenland und Masinde das Gebiet des Staats, dessen Bewohner Krapf immer noch auf eine halbe Million a Menschen schätzt. Die Form der Regierung ist eine vollständig despo- tische, der Wille des Fürsten entscheidet alles; er erhält seine Macht FE eirch eine Art stehenden Heeres, die wohl den ähnlichen Einrichtun- gen des Fürsten von Zanzibar nachgeahmt ist, und die eigenthümliche Einrichtung, seine zahlreichen Söhne und Töchter zu Verwaltern und een der Distriete zu ernennen. In dem Küstenlande stehen selbst _ die Suahilidörfer unter der Herrschaft von Usambala, die Vorsteher derselben, die den Titel Diwani führen, erhalten ihre Bestallung aber 54 Meinicke: von den Fürsten von Usambala und Zanzibar zugleich, wie auch beide Fürsten hier von den Einwohnern Steuern erheben. 10. Die Wasegua (bei Burton Wazegura), von den Wakuafı Elmeg genannt, bewohnen die Küstenebene südlich vom Pangani- Flufs bis zum Suahilidorfe Sadani, Zanzibar gegenüber, und zerfallen in 12 Stämme. Sie waren eine Zeit lang dem Fürsten von Usambala unterworfen, haben sich aber hauptsächlich durch die vielen Feuerge- wehre, die sie sich durch den Verkehr mit Zanzibar zu verschaffen ge- wulst haben, wieder selbständig gemacht. Ihr Gebiet ist jetzt der Hauptsitz des Sclavenhandels, so weit ihn die Muhammedaner von Zan- zibar treiben. 11. Wambugu heifst ein kleiner Stamm, den Krapf in Usam- bala ansäfsig fand, wohin er aus dem Gebiet der Wasegua vor den Angriffen der Masai geflohen ist. 12. Die Wadoie, angeblich früher im Besitz des ganzen Küsten- landes im Süden des Pangani, besitzen jetzt die Küstenebene südlich von den Wasegua. Sie sind als die einzigen Anthropophagen in die- ser Gegend Afrika’s verrufen. 13. Die Waengu sind die Bewohner des Berglandes Ngu und den Usambala nahe verwandt. 14. Die Wasagala, bei den Wanika Wateita, bei den Galla Indigirri genannt, bewohnen jetzt die drei Gebirge Kadiaro, Ndara und Bura und sollen (nach Rebmann’s augenscheinlich übertriebener An- gabe) 150,000 Menschen zählen. Sie sind hier erst eingewandert aus den nördlicheren Gegenden, aus denen sie durch die Galla vertrieben sind. In Dörfern vereinigt, treiben sie Landbau und Viehzucht. 15. Die Pare, bei den Wakuafi Barrakanga genannt, bewohnen das Gebirgsland, das von ihnen seinen Namen erhalten hat. Sie leben in Dörfern ohne eine Regierungsform und sind den Wasambala nahe verwandt, gehörten auch eine Zeit lang zum Staate des Fürsten von Usambala. 16. Die Wadschagga, bei den Wasagala Wakirima (Bergbe- wohner) oder Anika genannt, sind die Bewohner der am südlichen und südwestlichen Abhange des Kilima-Ndscharo liegenden Ebenen, in denen sie, nicht wie alle übrigen Stämme in Dörfern vereinigt, sondern jeder für sich auf seinem Grundbesitz von Landbau und Viehzucht leben. Sie unterscheiden sich von allen ihren Nachbarn durch ihre politische Entwickelung; sie bilden eine Reihe von kleinen, unter despotisch regie- renden Fürsten stehenden Staaten, unter denen jetzt einer, der von Madschame, durch seine Macht das überwiegende Ansehn und eine Art Obergewalt über die andern ausübt. 17. Die Ala, bei den Wanika Masaka, bei den Wasambala z £ I h Wassi, bei den Wakuafi Wandurobbo oder Andulobbo genannt, sind der Ueberrest eines in früheren Zeiten vernichteten Volksstammes, der sich zufällig in einzelnen günstigen Lokalitäten erhalten hat. Sie leben ; zerstreut im Distriet Schimba des Wadigo-Landes, in Bondei, Masinde, auf einem Berge einige Tagereisen im Südwest von Madschame, end- lich westlich von Ukambani. Allenthalben von ihren Nachbarn unter- drückt und verfolgt, treiben sie jetzt weder Landbau noch Viehzucht, sondern leben blofs von der Jagd der wilden Thiere. Sie sollen eine ganz von allen übrigen abweichende Sprache reden. 18. Die Wakamba, bei den Suahili Warimangao genannt, sind die Bewohner der nach ihnen benannten Landschaft Ukambani, allein sie stammen ursprünglich aus südlicheren Gegenden, sie sollen früher an. der Küste südlich vom Pangani gewohnt haben, von dort durch die Wadoie (s. oben 12.) vertrieben, nach Dschagga und von da in ihre jetzige Heimath gezogen sein. Ihre Zahl schätzt Krapf auf 70,000. Sie leben in mehrere Stämme getheilt in republikanischer Weise in - kleinen Dörfern vorzüglich von der Viehzucht, obschon sie auch das Land bauen, und sind eifrige und thätige Kaufleute, die den Elfenbein- handel des Innern mit der Küste von Mombas hauptsächlich vermit- teln. Ein Theil derselben hat Ukambani bei Gelegenheit einer grolsen Hungersnoth 1836 verlassen und sich Wohnsitze im Kerenge - Thal un- ter der Herrschaft des Fürsten von Usambala gesucht, diese aber der Raubanfälle der Wasegua halber wieder aufgegeben und eine neue Hei- math im Gebiete der nördlichen Wanika bei Rabai und Duruma ge- funden, wo sie anfangs blofs Viehzucht, später auch Landbau trieben, und obschon sie sich mit ihren Nachbarn nicht vermischen, doch man- ches von ihren Sitten angenommen haben. Durch diese hat sich jetzt, nachdem die kürzere Handelsstrafse aus Ukambani zur Ungama-Bai _ den Wakamba durch die Galla gesperrt ist, der Verkehr derselben ganz nach Mombas gezogen, wodurch wiederum Krapf’s Entdeckungs- reisen nach Ukambani möglich geworden sind. 19. Die Kikuyu und die Stämme, welche Mberre und Uembu bewohnen, scheinen den Wakamba in Lebensart, Sitten und Verfas- sung ganz ähnlich und leben in festen Wohnsitzen, doch hauptsächlich von der Viehzucht und dem Handel. Ihre Sprache scheint mit denen der Wakamba und Wakuafi gleichmäfsig vieles gemein zu haben. 20. Die Wakuafi, wie dies Volk von allen Stämmen in dieser Gegend benannt wird, denn sie selbst nennen sich Loikob oder Or- loikob (Eingeborene), waren noch im vergangenen Jahrhundert eines der mächtigsten und furchtbarsten Völker in diesem Theile Afrika’s, 'sind aber jetzt in verhältnilsmälsige Unbedeutendheit versunken. Sie beherrschten früher alle unbewohnten Ebenen, die sich zwischen den Krapf’s und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 55 56 Meinicke: von ansäfsigen, die Gebirgsländer bewohnenden Stämmen und der Küste ausdehnen, jetzt scheinen sie hauptsächlich beschränkt auf die Landschaft Kaputei nördlich von Kilimandscharo und finden sich sonst nur noch in einzelnen Ueberresten zerstreut, wie am nördlichen Ab- hange der Berge von Bondei, bei Masinde, am unteren Pokomoni, am Baringu-See. In Sprache, Lebensart und im Aeufseren unterscheiden sie sich von allen ihren Nachbarn. Sie sind heller an Farbe und am meisten den Somali ähnlich, welche die östlichste Ecke Afrika’s be- wohnen. Ihre Sprache scheint nach Krapf der alten arabischen Sprache verwandt, wie auch Cooley sie für einen habessinischen Volksstamm hält, doch geben sie selbst die Gegend um den Kenia für ihre ursprüng- liche Heimath aus, zu welchem Berge sie sich begeben, um Opfer zu bringen. Landbau treiben sie nie, ja sie verachten ihn; sie ziehen mit ihren Heerden umher, indem sie sich an gewissen Lokalitäten, wo sich Wasser findet, länger aufhalten, und lieben die Jagd aufserordentlich. In kleine Stämme getheilt, haben sie eine republikanische Verfassung, doch hat ihre Kriegslust den Häuptlingen der Stämme gröfseren Ein- fluls gegeben. Was sie ihren Nachbarn, sogar den Galla, so furchtbar und schrecklich gemacht hat, ist ihre Raubsucht und Streitbarkeit; lange Zeit sind sie die verheerende Geifsel aller ansälsigen und Land- bau treibenden Stämme gewesen und haben diese gezwungen, sich auf Berge, in Wälder, ja wie die Wadschagga hinter künstliche Befestigun- gen zurückzuziehen; ihre Tapferkeit und Geübtheit in ihren Waffen, namentlich in den als Wurfwaffe dienenden schweren Keulen haben sie selbst den mit Flinten ausgerüsteten Suahili furchtbar gemacht, und es scheint in neuerer Zeit erst dem Uebergewicht, das das Feuergewehr jetzt erlangt hat, gelungen zu sein, sie aus dem gröfsesten Theile der früher von ihnen durchzogenen Ebenen zu verdrängen. 21. Die Masai, bei den Wakuafi Elmangati genannt, bewohnen die Ebenen im Süden und Südwesten von Dschagga. Sie sind, wie es scheint, an Sprache, Sitte und Lebensweise den Wakuafı ganz gleich, leben auch blofs von Viehzucht, Jagd und Raubüberfällen und leiten sich von einem hohen Berge in der Nähe des Kenia her, allein sie hassen die Wakuafi tödtlich und leben in stetem Streit mit ihnen. Nachdem diese zurückgedrängt und ihrer Macht beraubt sind, haben sie ihre Stelle eingenommen und verbreiten jetzt durch ihre Raubzüge weit und breit Schrecken. So fand Krapf, als er 1852 Usambala be- suchte, dafs kurz zuvor ein Haufe Masai das Thal Kerenge durchzogen hatte, um die Dörfer der Wasegua zu überfallen; im Jahre 1857 haben sie die Wanika auf das Schrecklichste heimgesucht. Dennoch scheinen die kleinen Fürsten der Wadschagga nicht ohne Einflufs auf sie zu‘ sein, und jetzt besuchen auch zahlreiche, doch jederzeit stark mit Flinten Krapfs und Rebmann’s Reisen im östlichen Südafrika. 57 bewaffnete Karawanen der Suahili ihr Land, um Elfenbein einzuhan- deln, und sind selbst durch dasselbe bis zu dem grofsen See Ukerewe vorgedrungen, wie Erhardt bei seinem Aufenthalt in Tanga hörte, der freilich diesen See mit dem von Uniamesi (dem Tanganyika) verband und daher auf seiner Karte dem Nordende desselben eine so unförm- liche Breite gab, wie andererseits die sonderbare Zeichnung des Süd- endes auf derselben Karte die Folge einer Vermengung des Tanganyika mit dem in Wahrheit von ihm getrennten Nyassa ist, den die Handels- karawanen von Kiloa besuchen. 22. Die Wamau, ein ansässiges, Landbau und Viehzucht trei- bendes Volk am Ufer des Baringu-See’s, die von den Wakuafi unter- worfen sind und zu ihnen im ähnlichen Verhältnifs stehen, wie die Dahalo (s. No. 3) zu den Galla. 23. Die Elkonono, ein Volksstamm im Innern, dessen Wohn- sitze Krapf nicht angiebt, von denen aber dasselbe gilt wie von den Wamau. Die den südlichen Theil der Suahiliküste bewohnenden Stämme nennt Krapf blofs, ohne Weiteres über sie zu berichten; es sind von den Wadoie (s. No. 12) an die Waseramu, die Wakatoa, die Wa- tumbi, die Wagnindo, die Wamuera (beide bei Kiloa Kibendsche), die Makonde, endlich vom Flusse Lufuma an die bekanntlich bis Mozambique reichenden, längst bekannten Makua. IV. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. Von H. Burmeister. 1) Von Rosario nach Cordova. Nach beinahe einjährigem Aufenthalt in Paranäa und dessen Um- gebungen konnte ich daran denken, meine Reise nach den nördlichen Provinzen der argentinischen Conföderation fortzusetzen; ich ordnete meine Sammlungen behufs der Versendung und verliefs damit am 12. Juni die Bundeshauptstadt, um in Rosario eine Schiffsgelegenheit zum Transport meiner Kisten nach Europa aufzusuchen, und dann selbst ‘von da nach Cordova zu reisen. In Rosario angekommen traf ich als- bald ein Hamburger Schiff, den Tiger, brachte dahin den 13. Juni die 58 H. Burmeister: Kisten an Bord und liefs mich auf dem Postbureau nach Cordova ein- schreiben, um mit der am 17. abgehenden Diligence die Weiterreise anzutreten. Es giebt dermalen, seit die Contracte, welche die Central -Regie- rung mit den früheren Posthaltern Russinol und Fillol eingegangen war, abgelaufen sind, zwei Postverbindungen zwischen Cordova und Ro- sario; die eine, ein Actienunternehmen, woran als Hauptinteressenten die Generale Urquiza und Virasoras betheiligt sind, fährt einen für ihre eigene Rechnung gebauten neuen, abgekürzten Weg; die andere den alten, 26 Leguas längeren, der bis zur Esquina de Medrano oder, wie sie jetzt heilst, de Bustos, mit der Strafse nach Mendoza zusam- menfällt. Da ich diese Strafse bis zur Esquina bereits kannte, so zog ich es vor, den neuen, auch für die projectirte Eisenbahn nach Cor- dova bestimmten Weg zu fahren, obgleich die Wagen dieser Route einen Tag später abreisen als die anderen, nämlich viermal jeden Mo- nat, den 1., 9., 17. und 24. Der neue Weg geht übrigens in nord- westlicher Richtung von Rosario aus, während der alte gerade nach Westen steuert; jener überschreitet den Rio Carcaranal in 11 Leguas Entfernung von der Stadt, dieser folgt dem Laufe des Flusses auf sei- nem südlichen Ufer und durchschneidet denselben erst hinter der Es- quina de Bustos bei Herradura. Bald hinter dieser Stelle mündet dann der neue Weg in den alten ein. Um 11 Uhr 5 Min. fuhren wir ab und gelangten, wie es aus meiner früheren Schilderung den Lesern noch bekannt sein wird (Zeit- schr. N. F. Bd. III, S. 219), unmittelbar hinter Rosario auf das öde kahle Pampasfeld, welches sich weithin um den ganzen Ort ausdehnt. Heute war sein Eindruck noch viel trauriger als damals, wo ich es zuerst betrat; die grenzenlose Dürre des verflossenen Sommers hatte allen Graswuchs vernichtet, kein grüner Halm war mehr zu sehen, ein gelbes trockenes Gestrüpp bedeckte den stellenweise ganz kahlen Boden und zahllose todte Thiere, Schafe, Rinder, Pferde, lagen in oft kurzen Zwischenräumen am Wege. So kamen wir gegen 1} Uhr an die 6 Leguas entfernte erste Poststation, die etwas abwärts vom Wege im Felde liegt und aus einem einzelnen armseligen Häuschen besteht. Ohne Verzug geht es nach vorgenommener Umspannung der Pferde weiter; wir verbleiben in ganz gleicher Umgebung und erreichen um 4% Uhr die 5 Leguas entfernte zweite Station am Rio Carcaranal. Der Flufs ist hier ziemlich tief, daher man auf einer Fähre übersetzen muls; er fliefst zwischen zwei steilen, über 30 Fufs hohen Lehmufern und hat ein glei- ches, völlig geröllloses Bett; das Posthaus liegt auf einem höheren Hü- gel der nördlichen Seite und besteht aus einem besseren Hause, das von keiner Art von Bodencultur begleitet wird; nicht einmal ein Busch, Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 59 geschweige denn ein Baum war hier zu sehen. — Es geht bald wei- ter; wir fahren noch 3 Leguas bis zur dritten Station, die den Namen Tottöras führt, ohne etwas Neues zu sehen, und übernachten hier in der geräumigen Poststube nach eingenommener ziemlich guter Mahlzeit. Die Luft war für diese Jahreszeit (Ende des Herbstes) ausnehmend warm, ganz still, und der Himmel mit Gewölk bedeckt, gleichsam als wolle ein Gewitter heraufziehen; doch kam es dazu nicht und eben so wenig zum Regen. Den 18. Juni. Wir brachen sehr zeitig, um 44 Uhr, im Mond- schein auf und erreichten schon um 6 Uhr die erste Station der heu- tigen Route, 4 Leguas vom Nachtlager. Die Gegend war eben, öde und baumlos wie bisher. Bald nach 6 Uhr wurde es Tag; die Sonne erhob sich trübe am Horizont, denn ein dichter Nebel bedeckte die Flur. Wir fuhren schnell und erreichten um 8 Uhr die 6 Leguas ent- fernte fünfte Poststation. Sie liegt am Arroyo de las Tortugas, welcher die Grenze zwischen den Provinzen Santa Fe und Cordova bildet, ein sehr morastiger, schmaler, im tiefen Bett langsam dahin- fliefsender Bach, über den eine gute hölzerne Brücke gebaut ist, weil weder seine steilen Ufer, noch sein schlammiger Grund das Durchfah- ren gestatten. Um 10 Uhr kamen wir an die sechste Station in 5 Le- guas Entfernung; zwar nur ein einzelnes Haus im offenen Felde, aber geschützt durch dicke Erdmauern, welche gegen die hier nicht seltenen Einfälle der Indianer vom Gran Chaco aufgeführt waren. Es wehete nunmehr ein kalter Wind aus Nordost, der die Nebel zerstreut hatte. Die nächste, siebente Post, Los Loros, liegt nur 3 Leguas weit; wir gelangten dahin gegen 12 Uhr und fanden eine förmliche Festung gegen die Indianer, welche auf ihren Streifereien bis an den Rio Car- caranal vordringen. Das Haus stand hart am Rande eines 12 Fufs tiefen, oben 8 Fufs breiten Grabens, und hatte an der Seite des Gra- bens nur ein paar ganz kleine, durch solide Holzluken verschliefsbare Fenster. Ein eben solcher Graben zog sich im Viereck um das Haus herum, einen ziemlich geräumigen Hof einschliefsend, der mit einem künstlichen, etwa 18 Fufs tiefen Brunnen versehen war. Unmittelbar am Graben lief eine 4 Fufs hohe Erdmauer um den Hof herum, und daran schlofs sich an der einen Seite ein Raum, welchen eine minde- stens 8 Fuls hohe Mauer aus festgestampfter Erde umfalste. In diesen Raum treibt man die Thiere, um sie vor den Nachstellungen der In- dianer zu schützen. Ein schmaler Pfad aus Brettern lag an einer Stelle über den Graben und bildete den einzigen Zugang in den Hof; nicht ohne einiges Zagen schritt ich über den gebrechlichen, stets schaukeln- den Steg, der natürlich beim Herannahen der Indianer ganz eingezo- gen wird. Ein Dutzend Gewehre, von der Regierung den Bewohnern 60 H. Burmeister: zu ihrer Vertheidigung geliefert, standen in Reihe an der innern Wand des Postzimmers. So lebte hier die anwesende Familie des Posthalters in beständiger Furcht vor räuberischen Anfällen, bisher freilieh noch nieht in die Lage gekommen, von den Flinten oder anderen Waffen gegen die Indianer Gebrauch machen zu müssen. Gegen 1+ Uhr erreichten wir die achte Poststation: Dos Arbo- les, 4 Leguas von Los Loros; ebenfalls eine Festung gegen die In- dianer und von ganz gleicher Einrichtung. Beide waren Neubauten der Post- Administration, ausgeführt um in diesen ganz unbewohnten Gegenden Haltepunkte für die Stralse zu gewinnen, damit die zur Weiterreise nothwendigen Pferde sicher vorräthig gehalten werden könn- ten. Der Name Dos Arboles ist bezeichnend genug für die dortige Oertlichkeit: zwei kleine Bäume einer eigenthümlichen, Peje genannten Pflanze standen auf dem Hofe und waren die einzigen ihrer Art in der ganzen Gegend. In ihrer Gesellschaft hatte man die neue Anlage gegründet, um des grünen Schmuckes ihrer Kronen auf dem Hofe sich erfreuen zu können. Der Baum ist nur klein, etwa 10 bis 12 Fufs hoch, hat eine etwas sperrige Krone und sonderbare Blätter von leder- artiger Beschaffenheit, einer Raute ähnlich, deren eine lange Spitze den Stiel bildet, während die drei anderen in feine Stacheln auslaufen. In- dessen ist die Vegetation umher keineswegs ganz dürftig; eine kurze Strecke von der Station nach Südwesten befindet sich eine Lagune, in deren Nähe ein hübsches Gebüsch grofser Algarroben (Prosopis Sili- quastrum) sich gesammelt hatte. Ich ging, bis der Abend hereinbrach, dahin und fand auf dem Weiler einige Enten, sonst aber nichts Be- merkenswerthes. Der noch immer ziemlich frische Wind säuselte durch das feine, zierliche Laub der hohen, man konnte sagen für die hiesigen Verhältnisse majestätischen Bäume und versetzte den Einsamen, der in ihrem Schatten sich niedergelassen hatte, alsbald in sentimentale Träume. In mäfsiger Ferne zog sich nach Süden eine andere Waldung am Ho- rizont hin und bezeichnete den Lauf des Rio Tercero; ich fand hier ganz dieselben Eindrücke wieder, welche ich schon auf meiner ersten Reise durch die Pampas an ähnlichen Stellen empfunden hatte (vergl. diese Zeitschr. Bd. III, S. 240 ff.). — Wir übernachteten auf der Sta- tion, weil die nächste, welche sehr gut noch zu erreichen gewesen wäre, ım Bau begriffen war und ihrer Vollendung erst nach Monaten ent- gegensah. Den 19. Juni. Auch heute ging es sehr zeitig, ja noch zeitiger als gestern, d. h. gegen 3 Uhr, weiter. Wir hatten zur Linken schö- nen Algarrobenwald, der uns eine Strecke begleitete; übrigens wehte viel Wind und klarer Mondschein erhellte die Nacht. Um 5 Uhr wa- ren wir auf der nächsten Station, 4 Leguas von der vorigen, welche 19 Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata - Staaten. 61 ‘in. ihrer Lage dem ansehnlichen Orte an der anderen Seite des Flus- ses, Frayle muerto, entspricht und deshalb ebenso benannt wird. Noch immer begleitete uns der Algarroben-Wald und dehnte sich hier weit nach Süden aus. Die Station selbst war eine Festung, gleich den beiden früheren, aber noch unvollendet; der Brunnen im Hofe hatte 20 Fuls Tiefe und steckte ganz in dem Lehm der Diluvialperiode, wor- aus der Boden allein, so weit er durchsunken ist, hier besteht. — Um 7% Uhr erreichten wir die folgende Station Las Palmitas, 5 Leguas von der vorigen, ebenfalls eine noch unvollendete Festung von gleicher Einrichtung. Aber die Gegend umher hatte etwas höchst Eigenthüm- liches wegen der schönen, so weit man sehen konnte, über die Ebene zerstreuten Palmengruppen; kräftige, 15 bis 30 Fufs hohe Bäume mit dicken Stämmen, deren obere Hälfte von den herabhängenden trocke- nen dunkelgrauen Blättern oder deren Stielen bekleidet war, während sich am Ende die stattliche Krone mit zwanzig und mehr fächerför- migen grünen Blättern wie ein Schirm nach allen Seiten hin ausbrei- tete. Hinter den Palmen zog sich am südlichen Horizonte die Algar- roben-Waldung weiter. Die Palmen standen einzeln oder zu zwei bis drei neben einander und waren von sehr ungleicher Gröfse;*nur we- nige mit graden, glatten, über 20 Fufls hohen Stämmen, die meisten niedrig, doch immer 10 Fufs hoch, der Stamm von den herabhängen- den älteren Blättern noch ganz verdeckt. Ich zeichnete, während die Pferde umgespannt wurden, die mir nächste Gruppe in mein Taschen- buch. Ein grauer Fink, die Diuca minor, nistete in ihrer Krone und liefs sich durch meine Anwesenheit in seinem lieblichen Gesange nicht stören; dieht daneben sals auf dem zweiten höheren Baume der grolse Pampas- Adler (Haliaötos melanoleucos), flog aber gleich auf, als er mich näher kommen sah. Es mufste das sein gewöhnlicher Lieblings- platz sein, denn weilser Koth bedeckte die ganze kahle Stelle unter dem Baume. Vielleicht speculirte er von hier auf die Hühner der nahen Poststation und liefs die Diuca, als einen zu geringfügigen Gegenstand seiner Nachstellungen, ungeschoren neben sich wohnen. Bald nach 10 Uhr hatten wir die nächste Station, die elfte des ganzen Weges, 5 Leguas von Las Palmitas erreicht; es war dies keine neue Ansiedelung, sondern ein altes Gebäude links ab vom Wege im Gebüsch der Algarroben, das uns wieder näher gekommen war; rechts von ihr nach Norden dehnte sich kahler Camp aus, auf dem keine Palmen mehr standen; aber viel Vieh, besonders Pferde weideten auf dem Grunde, der hier besseren Graswuchs trug, als wir bisher ange- troffen hatten. Somit verliefsen wir die öden Gegenden, durch welche wir hierhergekommen waren, und traten wieder in bewohnte Strecken ein. Die Strafse führte am Rande des Algarrobenwaldes weiter und 62 H. Burmeister: brachte uns gegen 1 Uhr an eine neue, die zwölfte Station, wo wir schnell die Pferde wechselten und uns nur kurze Zeit aufhielten. Hier mündet der neue Weg in den alten ein; es war die erste Station der alten Strafse hinter dem Rio Tercero, genannt Tio Pujio, eine hüb- sche Ansiedelung, von einer gebildeten Familie bewohnt, worunter das weibliche Personal durch angenehm liebenswürdige Gesprächigkeit sich auszeichnete. — Um 5 Uhr erreichten wir wieder eine Station, Las Chanares, in d Leguas Abstand. Sie liegt, gleich der vorigen, auf einem freien Felde im lichten, zerstreut stehenden Algarroben-Walde, der wie bisher mit grolsen, sehr alten Bäumen auftrat. An ihren Stämmen und grölseren Zweigen salsen viele graue Flechten, während kleine kugelrunde Bromeliaceenhaufen an den feineren Zweigen der Krone in Menge hafteten; hie und da wand sich um die recht grofsen alten Bäume eine Schlingpflanze, welche weit durch die Krone mit ihren grofsen pfeilförmigen Blättern sich verbreitete. Es wird dies eine Asclepiadee gewesen sein. Eine Viertelstunde vor der Post sah ich zum ersten Male die Gipfel der Sierra de Cordoba in blauer Ferne nach Nordwest; aber noch zeigte sich kein Cactus, keine Palme war mehr zu sehen; dagegen bemerkte ich in vielen der zerstreut stehen- den kleinen Büsche grofse, aus stachelreichen Reisern gebaute Vogel- nester, die dem hier häufigen Anabates unirufus, oder einer demselben sehr ähnlichen, vielleicht neuen Art angehören. Der mit einer Amsel ziemlich gleich grofse, ganz zimmetfarbene Vogel flog von Zeit zu Zeit in unsere Nähe oder sals auf einem dieser Büsche, durch seine grofse dunklere Kopfhaube sich dem Kenner bald verrathend. Er ist auch den Einwohnern als einer der häufigeren und gröfseren Vögel der Ge- gend wohl bekannt, führt den Namen Cachelotte und decorirt die Landschaft durch die eigenthümlichen Nester vom Umfange eines tüch- tigen Kürbis, die in 4 bis 5 Fuls Höhe in vielen der Büsche sich be- merkbar machten. Seine Eier sind weils, wie die aller Anabatiden. Aulser ihm war noch ein anderer Vogel häufig, ein Erdspecht (Pieus campestris), den ich schon von Brasilien her kannte und der, abwei- chend von seinen Gruppengenossen, gern auf den Boden hinabgeht; aber hier im Argentiner-Lande fand sich stets die von der brasiliani- schen verschiedene gröfsere Art, welche man etwas unpassend Picus campestroides genannt hat. — Der Besitzer der Post war ein sehr wohlhabender Mann, dessen Vermögen hauptsächlich in seinem Vieh- stande besteht; man schätzte seine Heerde auf 5000 Köpfe. Trotzdem ging er barfuls und half die Pferde im Corral einfangen, welche man uns vor den Wagen spannen wollte. Er sah völlig aus wie jeder an- dere Gaucho. Den 20. Juni. Heute reisten wir später ab als bisher, etwa um 4 } | Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 63 6 Uhr, eben hatte die Dämmerung begonnen. Wir fuhren über kahle Felder ohne Baum und Strauch nach der nächsten, 5 Leguas entfern- ten Station, die sich Corral del Maestro nennt. Ein heftiger NO.- Wind begleitete uns. Nach einer Stunde Fahrens hatten wir angeblich 3+ Leguas bis zur folgenden Post Desgraciado zurückgelegt. Die Gegend war flach und eben, gleich der vorigen Strecke, ohne Baum und Strauch, also höchst langweilig. Gegen 10 Uhr erreichten wir die 4 Leguas entfernte nächste Station Un Captivo, eine kleine Estan- zia mitten im Felde, die von einiger Cultur zeugte; künstlich angelegte Baumgruppen standen umher, doch hatte das Ganze noch ein sehr dürf- tiges Aussehen. Ihr folgte eine andere Station, Laguna larga, die nur 14 Leguas von jener entfernt war und ganz ebenso aussah. Zur Linken begleitete Waldung den Weg in einigem Abstande, zur Rech- ten in noch weiterer Entfernung die Sierra de Cordoba. Auch die nachfolgende Station, La Posta de Moyano, zeichnete sich durch nichts als einen lebendigen, sehr hohen Cactuszaun um den Corral oder Viehhof vor den übrigen aus; wir waren freilich in eultivirten Gegenden, aber ausgedehnte Culturflächen, wie bei Mendoza, sahen wir hier nicht. — Um 1 Uhr hielten wir am Rio Segundo, einem breiten kieseligen Flufsbett, von 10 bis 12 Fufs hohen steilen Lehmgehängen eingefalst, in denen sich zwischen dem graugelben Lehm mehrere Ab- lagerungen von Rollsteinen mälsiger Grölse, wie Tauben- und Hühner- Eier, unterscheiden liefsen. Das Wasser des Flusses war ausnehmend klar, und ladete mich um so mehr zum Trinken ein, als es für das beste Wasser der Provinz gilt; ich trank gegen meine Gewohnheit ein ganzes Glas und mulste dafür bülsen, denn am Abend schon hatte ich an Diarrhoe zu leiden, welche sich bei mir regelmälsig nach jedem Genufs kalten Wassers in Quantität einzustellen pflegt. - Wir fuhren durch den Flufs, der sehr flach ist und wenig mehr als den Saum der Räder benetzte, hielten einige Zeit an der Station La Oliva, und erreichten um 24 Uhr die letzte Post vor Cordova, genannt La Puesta del Monte, oder de Rodriguez nach ihrem dermaligen Besitzer; von da bis Cordova sind noch 5 Leguas, vom Rio Segundo bis hierher aber 6 Leguas. Die Gegend war nicht mehr ganz kahl, vielmehr bekleidete sperrig stehendes niedriges Gebüsch den Boden, zwischen dem einzelne höhere Sträucher, aber keine eigentlichen Bäume zerstreut standen, ähnlich wie bei Los Loros. Zweimal sah ich am Boden neben dem Wege einen niedrigen Cactus mit runden Stengelgliedern, die einzigen, welche mir auf der ganzen Fahrt vorge- kommen waren. Viele Papageien der gröfseren Art (Psittacus patagoni- eus) begleiteten uns, hier und da durch lautes Gekreisch sich verrathend. An den Reitern, die uns begegneten, fiel es mir auf, dafs sie keine 64 H. Burmeister: förmlichen Steigbügel hatten, sondern an den ledernen Riemen, der ihre Stelle vertrat, ein kleines Querholz gebunden, worauf sie sich stützten, indem der Riemen zwischen der grofsen und folgenden Zehe hindurchging. Je mehr wir uns der Stadt näherten, desto besser, na- mentlich höher und dichter wurde die Vegetation; ich bemerkte als- bald zwei verschiedene Cactus- Arten im Diekicht, einen Cereus und eine Opuntia. Etwa eine Legua vor Cordova fingen die Bäume wieder an zu fehlen, aber wohl nur, weil man sie schon verbraucht hatte. Endlich dicht vor Cordova hörte die Buschwaldung, welche mich leb- haft an die Umgebungen Parana’s erinnerte, auf, man befindet sich auf einer kahlen Höhe, hinter deren Gehängen man die Thürme der Stadt hervorragen sieht, ein überraschender Anblick wegen der vielen statt- lichen Kuppeln und Thurmspitzen, die mit einem Male sich dem Auge darstellen. Auf steilem Wege fährt man neben tiefen Schluchten zwi- schen den Gehängen zu ihr hinunter und gelangt alsbald in die Calle largo, die breiteste, aber keineswegs eleganteste Stralse der Stadt, de- ren ungepflasterter, fein staubiger Boden dem im tollsten Galopp der Thiere dahinrollenden Reisenden eben so lästig wird, wie das heisere unmelodische Trompetengeblase der Postillone, welche damit die Thiere wie mit unaufhörlichen Peitschenhieben anspornen und zugleich alle Neugierigen auf die Stralse locken. Eine Einfahrt in eine argentini- sche Stadt gleicht dem Siegeszuge einer Sturmcolonne und wird auch in der Regel so ausgebeutet; sehen und sich sehen lassen ist das still- schweigende Uebereinkommen der Einziehenden wie der Einheimischen; von allen Seiten wird der Reisende angelacht, und er ist in der Regel nur zu geneigt, den freundlichen Blick durch lebhaften Grufs zu er- wiedern und hervorzurufen. — Die Stadt Cordova '), in welcher ich also nunmehr mich be- fand, ist der gröfseste Ort im Innern der argentinischen Conföderation und ein von Alters her berühmter Sitz der Wissenschaft und feinen Sitten des Landes; sie bildet gegenwärtig den Mittelpunkt der gröfse- sten oder vielmehr volkreichsten Provinz gleichen Namens und den Stapelplatz des ganzen Binnenhandels für den Norden und nördlichen Westen der La Plata-Staaten. Die vor Kurzem auf amtlichem Wege angestellte Zählung der Provinz hat eine Bevölkerung von 137,069 See- len ergeben, wovon angeblich über 30,000, nach Einigen sogar 40,000 auf die Hauptstadt kommen, d. h. mit Einschlufs derer, welche in ihrer nächsten Umgebung sich niedergelassen haben. Sie liegt an der süd- !) Die geographische Lage von Cordova ist nach Woodbine Parish 31° 26’ 14” S. Br. und 45° 25' 15" W. L. von Ferro; die neuesten Karten geben 31° 20' 15” S. Br. und 64° 6° 21” W.L. von Greenwich an. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 65 lichen Seite des Rio Primero, etwa eine Viertelstunde vom Flusse, der bier in einem Bogen von NW. nach SO. um die Stadt herumläuft und dann nach ONO. weiter flielst, zunächst am Orte von ziemlich hohen Gehängen begleitet, die sein Thal einschliefsen. An einer Stelle, wo diese Gehänge nach Süden zurücktreten, ist die Stadt in einem Kessel gebaut, weshalb das von den benachbarten Höhen herabkommende Regenwasser durch die Stadt bis zum Flusse seinen Lauf nehmen muls. Mehr als einmal ist sie, vermöge dieser Lage, in die Gefahr gerathen, von heftigen Regengüssen überfluthet und fortgerissen zu werden, wes- halb man in neuerer Zeit durch den westlichen Theil der Stadt einen meist trockenen Abzugscanal geleitet hat, über den eine hohe steinerne Brücke in einem hübschen Bogen hinüberführt. Jenseits dieses Gra- bens liegt am Westrande, 5 Quadras vom Centrum der Plaza, der öffentliche Spaziergang, ein elegant eingerichtetes grofses Bassin, wel- ches zugleich die Stadt mit Trinkwasser versorgt und von hohen, schattigen Alleen mit Ruhebänken umgeben ist. Ein eisernes Gitter umfalst die ganze Anlage und trennt sie von den daneben laufenden, schon der Vorstadt angehörigen Strafsen. Die eigentliche Stadt, d.h. der in regelmäfsigen, gleichförmig ge- bauten Quadras ausgeführte centrale Theil, hat 10 bis 12 Quadras in der Richtung von West nach Ost und gegen 15 in der entgegengesetz- _ ten Richtung von Nord nach Süd. Im Centrum befindet sich die Plaza mit den beiden Hauptgebäuden, der Cathedrale und dem grofsen, 18 Fenster Fronte haltenden, eleganten Cabildo; nicht weit davon liegen die hauptsächlichsten Kirchen und Klöster, so dafs man von der nord- östlichen Ecke der Plaza fast alle mit einem Blicke übersehen kann. Da bemerkt man die Kirchen der drei Mönchsklöster, in der Strafse nach Westen S. Domingo, nach Norden S. Mercedes, nach Süden S. Franeisco, und nach Südwesten, neben wie hinter der Cathedrale, die beiden Nonnenklöster von Sta. Theresa und Sta. Catalina, nebst den ausgedehnten Gebäuden des vormaligen Jesuiter-Collegiums, welche nunmehr die Universität enthalten, — lauter Bauwerke, welche sich durch Eleganz, Gröfse oder Eigenthümlichkeit des Baustyls auszeich- nen, aber freilich als architektonische Monumente von künstlerischem Werth nicht wohl angesehen werden können. Das beste darunter ist offenbar die dem heil. Petrus gewidmete, von dem Italiener Primoli, einem Mitgliede der Compania de Jesus, erbaute Cathedrale La Matriz, eigenthümlich durch ihren Styl, wohlgefällig in ihren Verhältnissen und angenehm durch die Gleichförmigkeit von solider Anlage und Ausfüh- rung; zwar nicht gröfser, aber besser und geschmackvoller als alle Kirchen, welche ich in den argentinischen Städten, selbst mit Einschlufs von Buenos Ayres gesehen habe. Eine Photographie, welche ich mir Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. ) 66 H. Burmeister: davon verschaffte, um sie in Europa nachbilden zu lassen, wird das Jedermann beweisen können. weshalb ich hier nicht weiter in ihre Schilderung eingehe, sie mir für jene anderweitig zu gebende Publica- tion vorbehaltend. Die übrigen Kirchen, obgleich neueren Ursprungs, treten dagegen sehr zurück; die Verhältnisse der Gliederung sind mei- stens ungefällig, die architektonische Decoration ist überladen, oder steif und gesucht, die Ausführung mittelmäfsig, namentlich wenn es sich um die innere Ausschmückung durch Gemälde oder Seulpturen handelt. Dies gilt besonders von der neuen Kirche des Nonnenklosters Sta. Catalina, woraus die Cordoveser viel Wesens machen, ohne dafs sie es verdient. Ihr Reichthum an Malereien steht weit zurück hinter dem einen und allein schönen Altarbilde in Sta. Theresa, den Empfang der Heiligen vom Erlöser darstellend, oder das ebenfalls vollendete Bild Christi am Kreuz in der Kirche der Universität; zwei höchst lo- benswerthe Arbeiten älterer spanischer Meister, die Alles übertreffen, was ich an Bildern in den La Plata- Staaten gesehen habe. Auch das Altarblatt in der Cathedrale, die Himmelfahrt Maria’s vorstellend, ist gut und im Charakter Murillo’s gemalt, kommt aber jenen beiden Bil- dern nicht gleich. Wenig bedeutet dagegen die Arbeit des silbernen Tabernakels oder der in einer Nebenkapelle aufgehängten grofsen Bil- der, die wunderbare Erscheinung der zwerghaften Himmelskönigin in verschiedenen Situationen vorstellend. Auch unter den während mei- ner Anwesenheit im Üorridor ausgestellten Bildern der sämmtliehen Bischöfe aus der ältesten Zeit war nur ein Portrait, das als Arbeit Werth hatte, alle übrigen erhoben sich nicht über die Mittelmäfsigkeit. Ich will indessen hier in eine Schilderung der zahlreichen Kunst- und Bauwerke Cordova’s nicht weiter eingehen, der reisende Natur- forscher hat wichtigere Gegenstände zu sehen und zu beschreiben, als die durchgehends unbedeutenden Leistungen der Künste in der neuen Welt; ich beschränke darum meine Mittheilungen auf eine kurze Be- sprechung der wissenschaftlichen Anstalten und namentlich der Uni- versität, welcher ich nur die Bemerkung vorausgehen lasse, dafs aufser der Cathedrale, den drei Mönchs- und zwei Nonnenklöstern mit ihren Kirchen noch eine Menge geistlicher Anstalten mit Kapellen in Cor- dova sich befinden, unter denen das Waisenhaus, das Hospital für männ- liche Kranke, ein anderes für weibliche, die Kapelle des heil. Rochus, das Seminar für angehende Gelehrte, das Collegio de Montserrat für Knaben jeden Standes aus wohlhabenden Familien, Erwähnung ver- dienen möchten. Das vormalige Jesuiter-Collegium, welches gegenwärtig der all- gemeinen Landes-Universität, dem Collegio de San Carlos, gehört, ist ohne Frage die bedeutendste klösterliche Anlage, denn sie nimmt mit Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. 67 ihren Nebengebäuden eine ganze Quadra ein. Sie besteht gegenwärtig aus der Kirche, in welcher von den geistlichen Universitätslehrern der Gottesdienst abgehalten wird, dem Collegio de S. Carlos für die Stu- direnden und dem Collegio de Montserrat für den Elementar-Unter- richt nach Art unserer Gymnasien, aber freilich im Miniatur-Mafsstabe, das eine wie das andere, denn auch die Studenten sind in der Regel nicht älter als unsere Gymnasiasten und ihr Unterricht ist ein wahr- haft schulmäfsiger, ohne Freiheit in der Wahl der Studien und der Ar- beit. Ich habe mich um die inneren Verhältnisse beider Institute nicht näher unterrichten mögen; der täglich in den Zeitungen zu lesende Aufruf an die Central-Regierung, die armen Alumnen, welche bereits von der öffentlichen Wohlthätigkeit leben mülsten, doch nieht verhun- gern zu lassen, bewies mir genug für den Zustand, in welchem sie sich befinden müssen. Die Universität hat übrigens nur eine theolo- gische und eine juristische Facultät, eine medieinische existirt blofs in Buenos Ayres und eine philosophische in unserm Sinne dermalen noch sar nicht. Die Philosophie gehört der Theologie an und befindet sich unter deren Schutz noch auf der scholastischen Stufe des Mittelalters; die philologischen und historischen Vorträge bleiben den Elementar- Collegien überlassen, die physikalischen Wissenschaften ebenfalls oder fallen ganz weg; die Universität lehrt nur Brodstudien, alle theoreti- sche Beschäftigung, d. h. jedes rein wissenschaftliche Studium ist da- von ausgeschlossen. So wird es denn begreiflich, dafs ihr sechs Pro- fessoren genügen '); diese ereiren auch die Doctoren, deren es, wenig- stens Doctores juris, eine sehr grolse Zahl im Lande giebt. Ein Rector steht an der Spitze und durch ihn ecommunieirt die Universität mit der Central-Regierung, die alle Kosten der Erhaltung tragen soll, aber freilich in der Erhaltung nicht gerade sehr eifrig ist, wie der factische Zustand beweist. Bald nach meiner Ankunft in Cordova machte ich die Bekannt- schaft des Lehrers der englischen Sprache an der Universität, eines Italieners, welcher das Englische in Nord-Amerika während seines dortigen Aufenthalts erlernt hatte und nun es in Süd- Amerika wieder lehren mulste; er übernahm es, mich in der Universität herumzuführen. Zuvörderst betrachteten wir die Kirche und stiegen darin sogar bis in die unterirdischen Gewölbe hinab, wo zahlreiche Schädel der ehemali- gen Padres umherlagen. Die Kirche selbst ist zwar ein geräumiges, aber keineswegs schönes Gebäude, sie hat neben dem Haupteingange zwei mächtige viereckige Thürme, die nicht in Kuppeln, sondern — was ich weiter nicht im Lande gesehen habe — in schlanke Spitzen ur R !) Vergl. den Almanaque nacional Argentino 1855 — 56, 8. 97. je 68 H. Burmeister: ausgehen und darin auffallend von dem üblichen Kirchenstyl abweichen. Einer der Thürme trug die Jahreszahl 1675. Das Innere besteht aus einem Langhause, ohne Nebenschiffe, aber mit einem Querschiff, auf dem, wo es das Hauptschiff durchschneidet, die von aufsen nur als ein mächtiger viereckiger Bau angedeutete Kuppel ruht; an diesem Quer- schiff sah ich die Jahreszahl 1666. Die Wände des Innern sind ohne architektonische Decoration, und statt der Decke ruht auf dem Bau ein aus Holz construirtes, mit vielem vergoldeten Schnitzwerk geziertes Tonnengewölbe, unter welchem die Brustbilder der Padres an der Wand herumlaufen. Die in der Mitte aufsteigende Kuppel besteht ebenfalls aus Holz und ist in den Nischen zwischen den goldenen Rippen mit auf Leinwand gemalten Bildern verziert, die zum Theil schon in Fetzen herunterhängen. Unter der Kuppel sind auf den Strebewölbungen, welche die Kuppel tragen, die vier Evangelisten gemalt. Ein am Ende des Querschiffes angebrachtes grofses Fenster mit gröfsestentheils zer- brochenen Scheiben wurde von der davor herabhängenden zerrissenen Gardine nur noch zum Theil bedeckt und diente ohne Zweifel den Fledermäusen zum Eingang, welche oben im Mittelpunkt der Kuppel hinter der Leinwand des Gipfelgemäldes versteckt salsen und mit ihrem Koth die Mitte der Kirche stark besudelt hatten. Die ganze Arbeit, von den Einheimischen als ein Wunder der Baukunst betrachtet, war vom künstlerischen Standpunkte aus höchst mittelmäfsig, gewöhnliche rohe Holzschnitzerei, und eben so handwerksmälsig gemalt; selbst der Hochaltar, an dem vier Standbilder der Stifter neben dem der Jung- frau Maria prangten, zeichnete sich nicht durch bessere Arbeit aus, wohl aber das ganz oben darin angebrachte Oelgemälde, Christus am Kreuz vorstellend, worin ich, so weit ich es bei der bedeutenden Höhe seines Standortes erkennen konnte, ein werthvolles, ächt künstlerisches Werk wahrzunehmen glaubte. Auch die reich vergoldete Kanzel war nicht viel werth, doch entschieden besser in der Anlage als in der Ausführung, und die grofsen, an den Wänden aufgehängten Bilder taug- ten vollends gar nichts. Neben der Kirche befindet sich nach SW. der Haupteingang in die Klostergebäude und darüber das alte Jesuiten- Wappen, jetzt von einem auf Holz gemalten Wappen der argentini- schen Conföderation verdrängt. Der erste Klosterhof gehört mit sei- nen Gebäuden dem Collegio de S. Carlos; er ist von Corridoren um- geben, die im Rundbogenstyl elegant und solide gebaut, aber jetzt schon ziemlich verfallen sind. Pilaster steigen von den Pfeilern der Bogen- gänge bis zum Dachgesimse des oberen Stockwerkes hinauf und ver- rathen einen der architektonischen Regeln kundigen, geschmackvollen Baumeister; aber leider ist Alles sehr vom Zahn der Zeit angenagt, namentlich die obere Etage, deren Fensterrahmen zerbrochen waren Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten, 69 und gröfsestentheils aller Glasscheiben ermangelten. Ich traf auf die- sem Hofe den Zeichnenlehrer der Universität, einen Portugiesen, der mich in die im oberen Stock befindlichen Zeichnensäle führte. Dort war Alles sehr gut eingerichtet und mit Sachkenntnifs angeordnet; auch verrieth das, was ich von den Arbeiten der Schüler gesehen habe, eine gute Methode und viel Talent bei denen, die danach arbeiteten. An- tike Gypsmodelle oder französische Vorlegeblätter waren die Muster, an denen man die Schüler ausbildete. — Nach unten zurückkehrend betrat ich einige Hörsäle, d. h. ziemlich kleine Zimmer, aber übrigens von europäischer Einrichtung; die grofse Aula und die Bibliothek sah ich leider nicht, weil beide verschlossen waren und keiner der Anwe- senden die Schlüssel auftreiben konnte. Hinter dem ersten sehr eleganten Hofe kamen wir auf einen zwei- ten ähnlichen, aber einfacher construirten, an dem die Räume des Gym- nasiums, Collegio de Montserrat, sich befinden. Hier war man mit der Restauration des anscheinend noch mehr verfallenen Gebäudes eifrig beschäftigt. Viele Alumnen wandelten auf dem Hofe und in den Gän- gen herum, einige studirend, andere plaudernd, mehrere auch Cigarren rauchend. In der grolsen Aula, die zugleich als Speisesaal benutzt wurde, safsen die Schüler einzeln an kleinen Tischen arbeitend längs der einen Wand, den Fenstern gegenüber; ein grofses, aber schlechtes Gemälde des heiligen Abendmahls war darin aufgehangen. Hier ge- lang es mir, die Bibliothek kennen zu lernen, ein mäfsiges Zimmer, ringsum mit Folianten und Quartanten bestellt, das auch zwei Alum- nen zur Wohnzelle diente. Vergebens suchte ich darin nach Werken über die ältere Geschichte des Landes, nichts als Commentare über die Kirchenväter oder sonstige theologische Schriften waren zu finden; kein einziges historisches Werk, kein anderer Classiker als Cicero’s Epistolae ad familiares und die Metaphysik des Aristoteles. Auch ein paar alte Encyklopädien und Bayle’s geographisch -historisches Lexi- con fanden sich vor; hier und da waren die Bücher herausgenommen und zur Seite geschoben, um Platz für allerlei Geräth der Alumnen zu gewinnen; Leuchter, Halsbinden, Schuhe standen oder lagen da- zwischen. Noch waren hinter diesem zweiten Hofe zwei andere, von Ställen und Wirthschaftsgebäuden umgebene vorhanden; ich sah darauf die Küche, die Vorrathskammern, den Pferdestall, und was sonst an Räu- men für die Dienstboten nöthig war, angebracht. Die Zöglinge wohn- ten neben einigen Lehrern im oberen Stock, der vormals die Zellen der Padres enthielt. Hier war der Verfall noch sichtbarer als unten, obgleich die Festigkeit des Gemäuers dem Zahn der Zeit getrotzt hatte. Durch glockenförmige Kuppeln wurden die langen Corridore erhellt, 70 H. Burmeister: aber den Fenstern der Wohnzimmer fehlten nicht blofs die Scheiben, auch das Holzwerk war gröfsestentheils zerbrochen, selbst aus den Thüren die Füllungen zum Theil herausgestofsen. Da aber auch die flachen Dächer sehr schadhaft gewesen sein mulsten, was die vom Re- gen durchweichten Gewölbe der Gänge lehrten, so hatte man sich zu einer gründlichen Restauration entschliefsen müssen; eben belegte man das ganze Dach mit einer frischen Kalk- oder Gypsschicht und über- zog die abgeblätterten Stellen der Gänge mit neuem Kalkputz, Arbei- ten, welche die höchst unreinliche Beschaffenheit aller Räume einiger- mafsen entschuldigten. Ich hatte mich bald satt gesehen an dem Gan- zen und kehrte ziemlich unbefriedigt heim, alle Anerbietungen zur Besichtigung anderer Institute nunmehr ablehnend. Doch betrat ich noch auf eine halbe Stunde das Hospital für männliche Kranke, dessen Einrichtung im Ganzen genügte, namentlich was die Reinlichkeit der Räume betraf, auf welche sich meine Betrachtungen beschränkten. — Sehr gelobt wurde mir das Waisenhaus, aber ich besichtigte es nicht, weil ich mir nach so vielen Erfahrungen sagen konnte, dals es guten europäischen Anstalten der Art nicht gleich kommen werde, und ich überhaupt keine Lust empfand, mich weiter über Dinge zu unterrich- ten, welche den Zwecken meiner Reise nicht blofs fern lagen, sondern mir auch an sich kein Interesse abgewannen. Wohl aber wünschte ich den in Cordova so einladend zur Sehau gestellten würdevollen Baustyl der Wohnhäuser aus spanischer Zeit näher kennen zu lernen, und dies veranlafste mich, einige der ältesten und grölsesten Gebäude jener Epoche zu besuchen, ja mir das, wel- ches ich für das beste hielt, sogar abzuzeichnen. Ein solches altes spanisches Wohnhaus hat zuvörderst als Haupteingang ein schönes hohes Portal, welches mit Pilastern und einer eleganten Bekrönung geschmückt zu sein pflegt. Durch dasselbe gelangt man unter einem von Kreuzgewölben bedeckten Eingang auf den ersten Hof, um wel- chen ein von Säulen mit Bogenüberwölbungen getragener Corridor herumläuft, auf dem bei allen zweistöckigen Bauten ein zweiter, mehr zierlicher und eleganter construirter für die obere Etage zu stehen pflegt. Beide sind überwölbt und mit aus Stein gearbeiteten, meist geschmack- vollen Ballustraden geziert. An diesen Corridoren liegen die ‚Zimmer, darunter ein grolses, welches neben dem Eingange an jeder Seite noch ein Fenster zu haben pflegt und ebenfalls mit hohen Kreuzgewölben gedeckt ist. Hier hinein wird der besuchende Fremde zuerst geführt; die anderen, weniger eleganten Zimmer bekommt er nicht leicht zu sehen; aber in dieser sogenannten Sala oder Quadra fehlt es nicht an schönen Teppichen, grofsen Spiegeln, eleganter Mobiliar, und gewöhn- lich auch nicht an einem Fortepiano, da die Musik in Cordova stark a % r Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 71 eultivirt wird. Neben der Sala liegen zur Seite die Wohnzimmer, das des Hausherrn in der Regel neben dem Portal, und um einen zweiten hinteren Hof sind die Schlaf-, Kinder- und Gesindestuben nebst der Küche und einigen Ställen angebracht. Sollte ein soleher zweiter Hof fehlen, so pflegt die obere Etage dessen Locale zu enthalten, mit Aus- schluls der Küche, die stets zur ebenen Erde und nach hinten ange- bracht ist. Eine steinerne Treppe führt vom Hofe auf den oberen Corridor hinauf und hat gewöhnlich auf halber Höhe, wo sie umbiegt, eine kleine Kuppel mit Lichtlöchern, oder mit einer darin aufgehäng- ten Laterne. Die Fenster der unteren Etage sind wie überall so auch in Cordova mit eisernen Gittern versehen, ja selbst denen des oberen Stocks pflegen dergleichen Schutzmittel nicht zu fehlen. Steht das Haus an einer Ecke, so hat es stets an der Ecke selbst ein geräumiges Ver- kaufslocal, zwischen dessen Eingängen von beiden Seiten elegante De- corationen zum Schmuck der Ecke angebracht sind; oben pflegt ein Balkon darauf zu ruhen. Dieser allein besteht aus Holz, das Uebrige alles aus Stein; namentlich sind die dieken Aufsenmauern in Cordova aus grolsen Rollsteinen aufgeführt; selbst die schöne Kathedrale be- steht hauptsächlich aus diesem Material, mit Beihülfe von gebrannten Ziegeln für die Ecken, Bogen, Nischen, Gesimse und alle übrigen De- corationen bis zur Kuppel hinauf. — Ich habe nirgends in den La Plata-Staaten bessere und schönere alte Gebäude gesehen als hier in Cordova; alle tragen eben so sehr den Ausdruck der Eleganz wie der Solidität an sich, und geben, neben den schönen Kirchen, den sicher- sten Beweis ab für den guten Geschmack und den würdevollen Cha- rakter der spanischen Nation, zumal wenn man bedenkt, dals nur anderthalb Jahrhunderte seit der Invasion vergangen waren, als man diese Werke des Luxus und der Solidität ausführte. Schade ist es, dafs die alten ehrwürdigen Bauten in den Augen der heutigen Nach- kommen ihrer Gründer keinen Werth haben, sondern wie alles Alte von ihnen mit Gleichgültigkeit, ja oft mit Mifsachtung angesehen wer-' den; gar Mancher zieht das neue, nach modernen Bedürfnissen im ba- roeksten Styl aufgeführte Haus seines Nachbars vor und ärgert sich, dafs er das seinige nicht auch mit einem solchen meist mifsrathenen neuen Producte vertauschen kann. Guter Geschmack und würdevolle Eleganz trifft man bei den gegenwärtigen Republikanern eben so selten, "wie allgemein dieselben Eigenschaften bei den aristokratischen Royali- sten der spanischen Zeiten; ich habe, indem ich diese Erfahrung öfters machte, mir sagen müssen, dafs, wie viel diese Länder auch an äufserer wie innerer Freiheit durch den Abfall vom Mutterlande gewonnen ha- ben, sie doch eben so viel an geistigem Leben wie an künstlerischer Bildung verloren; es fehlt ihnen das Beispiel der in alten Zeiten vom 22 H. Burmeister: Mutterlande herüberkommenden aristokratischen Vorbilder gar sehr; was sie jetzt von Spanien wie überhaupt von Europa an Bevölkerungs- zuwachs erhalten, kann leider nur in sehr seltenen Fällen ihnen als Vorbild aufgestellt werden; — es gehört zum Schicksal Amerika’s, dafs es in Masse nur den Ausschufs Europa’s empfängt und leider von je her empfangen hat. Cordova, ehemals die Metropole aller geistlichen Anstalten des spanischen Süd- Amerika, hat gegenwärtig noch die zahlreichste Geist- lichkeit im ganzen Lande, namentlich einen Bischof, dessen Sprengel sich über die Provinzen Cordova und Rioja ausdehnt. Eine Menge geistlicher Würdenträger steht ihm zur Seite. Ich hatte Gelegenheit, am Feste des heil. Petrus (den 29. Juni) alle diese Herren im höch- sten Staate in einer Prozession, die nichts an Pracht zu wünschen übrig liefs, an mir vorbeiziehen zu sehen; auch die Mitglieder der drei Mönchsorden waren zugegen, nicht aber die der beiden Nonnenklöster ; von letzteren sah ich leider nichts, hörte aber eine Abendmesse in Sta. Catalina von den Nonnen ausführen und konnte an den ziemlich harten Tönen ihrer Stimmen erkennen, dafs die meisten an Jahren sehr vorgeschritten sein mulsten. Das Kloster gilt für sehr reich und die neugebaute Kirche spricht dafür; es nimmt nur 30 Nonnen auf, » “ von denen eine jede beim Eintritt 1000 Pesos an das Kloster zahlen muls. Sowohl dieses Kloster, als auch das von Sta. Theresa, hat aus- gedehnte liegende Gründe in der Stadt, namentlich viele Wohnhäuser, welche man an Privatpersonen vermiethet. Selbst das Hötel, in dem ich wohnte, befand sich in einem Hause des Sta. Theresa-Klosters; es war das beste in der Stadt und der allabendliche Vereinigungsort der Spieler, woran Cordova reicher sein soll, als die meisten Städte der Conföderation. So wohnte hier buchstäblich die Hölle im Hause des Himmels. — Um die nächsten Umgebungen der Stadt etwas kennen zu lernen, machte ich mit einigen Freunden einen Ritt durch dieselben und besah mir die ausgedehnten Vorstädte nach verschiedenen Richtungen hin. Wir ritten zuvörderst nach Westen bei dem Passeio vorbei und stie- gen hinter der Stadt auf eine Anhöhe, die sich hier zwischen dem Stadtkessel und dem Rio Primero hinzieht. Die Oberfläche des aus Lehmhügeln bestehenden Höhenzuges war mit niedrigem Gebüsch be- kleidet, das jetzt, im Winter, meist blattlos dastand und sehr dürftig sich ausnahm. Wir sahen die Stadt zu unseren Füfsen ausgebreitet und bewunderten ihre wahrhaft imponirende Erscheinung; die graden Strafsen, die vielen Kirchen und Kapellen, die zum Theil sehr grofsen Wohnhäuser mit ihren Höfen und die stattlichen Klostergebäude neh- men sich von hier herrlich aus; besonders hübsch war der Blick zur Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 73 Linken in ein flaches Thal, das vom Flusse nach Nordwest hinaufsteigt und die vielen Landhäuser (Quinten) der wohlhabenderen Bewohner Cordova’s einschlielst. Nachdem wir von dieser Höhe aus uns eine Zeit lang an dem Anblick geweidet hatten, ritten wir zurück durch die Stadt nach der östlichen Seite und bestiegen hier zur Linken des We- ges, auf dem wir gekommen waren, die höchsten Punkte der Umge- bung, ebenfalls steile Lehmgehänge, die von 50 bis 60 Fuls tiefen jähen Wasserfurchen zerrissen waren. Von hier aus machte sich die Stadt noch besser, aber die auf dieser Seite zahlreicher herumliegenden Ran- cho’s des armen Theils der Bevölkerung störten den Eindruck durch den Schmutz und die Unreinlichkeit, welche sie umgaben. Allen fehl- ten Gärten oder Culturflächen, die ärmlichen Hütten standen kahl da, von abgenagten Knochen, Topfscherben, Kleiderresten, den faulenden Eingeweiden geschlachteter Thiere etc. begleitet und von Hunden be- wacht, die jeden Fremden unangenehm anbellen; lauter widerliche, störende Eindrücke. Wir ritten von da hinunter an den Flufs, der sich hier hart an die steilen Abstürze der Höhen herandrängt, und durch- ritten werden mu/ls, wenn man von der Stadt aus weiter in’s Freie gelangen will; er war ziemlich breit, hatte ein schönes, ganz klares Wasser, einen feinkieseligen Grund und wenig Tiefe, denn die Pferde der gerade durchreitenden Personen traten nur bis an das erste Ge- lenk hinein. Aber nicht immer ist er so; nach den hier nicht seltenen heftigen Regen schwillt er sehr stark an, wird ungemein reifsend und hindert alsdann die Passage für 8 bis 12 Stunden gänzlich. Dafs man ihn noch nicht mit einer Brücke versehen hat, ist ein deutliches Zei- chen der Gleichgültigkeit gegen alle guten Einrichtungen, welche eben so sehr der Regierung wie der ganzen Bevölkerung zur Last gelegt werden kann. Ich war zehn Tage in Cordova, vom 21. Juni bis 1. Juli, an letz- terem Tage trat ich eine kleine Reise nach dem grofsen Längenthal zwischen den beiden Ketten der Sierra de Cordova, dem sogenannten Punillo, an, über welche ich später berichten werde. Während die- ser Zeit war es Morgens und Abends stets so kalt, dafs ich mich mei- nes europäischen Winterrocks gegen die Kälte bedienen mufste; Nebel bedeckten am frühen Morgen die Sonne, und heftige Winde weheten höchst unbehaglich. Ich fand während dieser zehn Tage Morgens 8 Uhr 6°, Mittags 1 Uhr 11°, Abends 9 Uhr 5°.5 als Mittel-Temperaturen, also einen sehr niedrigen Wärmegrad; einen halben Monat später schneite es sogar am Tage und alle Morgen hatten wir Eis auf den Wassertonnen des Hofes. Das Klima Cordova’s gehört überhaupt zu den weniger angenehmen der La Plata-Staaten; es ist, als Continental- Ort, heifs im Sommer, kalt im Winter, hat viel von heftigen Winden 7A H. Burmeister: zu leiden, und wird von starken, wolkenbruchartigen Regen im Sommer heimgesucht, die stets aus Süden mit heftigen Gewittern heraufziehen. Noch unangenehmer sind die heilsen Nordwinde im Hochsommer; sie bringen nur Trocknils mit und dörren den lehmigen Boden, wenn sie anhaltend wehen, wie im verflossenen Sommer, ganz aus, dals er hart wird wie Stein. Daher ist die Vegetation um Cordova sehr dürftig und das hier gezogene Obst nur mittelmälsig; Orangen bezieht man aus La Rioja und Santiago, Wein ebendaher; bei Cordova wird keine Weineultur im Grofsen betrieben; selbst frisches Gemüse ist nicht häufig; Rindfleisch und Mais bilden die Hauptnahrung der Bevölke- rung. 2) Von Cordova nach Tucuman. Zurückgekehrt von der Reise nach dem Punillo, bereitete ich mich zur Fortsetzung meines Weges nach Tucuman vor, mulste aber noch lange warten, ehe ich dazu kam, weil die Post nicht mehr, wie bisher, zweimal monatlich dahin fuhr, den 1. und 16., sondern nur einmal, d.h. den i6ten jeden Monats. Endlich war der ersehnte Tag gekom- men und ich konnte wirklich den Wagen besteigen. Die Auspicien, unter denen es geschah, waren keine günstigen; wir mulsten über 2 Stunden auf die verheilsenen Regierungsdepeschen warten, und als diese eintrafen, hatte es eben angefangen zu schneien. Unter dem ge- wöhnlichen Lärm einer abreisenden Postkutsche fuhren wir zum Thore hinaus und erreichten nach 10 Minuten den Rio Primero, durchfuhren ihn ohne Hindernifs, hatten aber grolse Arbeit an der anderen Seite den steilen über 50 Fuls hohen Abhang hinaufzukommen, der an der ganzen Nordseite das Ufer des Flusses begleitet; die Pferde glitten auf dem schlüpferigen Lehmboden beständig rückwärts und wurden furcht- bar angestrengt, bis sie die Höhe erreichten. Hier harrte unserer noch ein Passagier, eine Dame, für welche die Rotunde aufbewahrt war; sie stieg ein unter Thränen ihrer Begleitung und alsbald rollten wir auf ebener Stralse eilig davon. Der Weg führt am Fufse des östlichen Zweiges der Sierra de Cordova nach Norden und entfernt sich allmählich etwas mehr vom Gebirge, das anfangs etwa 4 Leguas von uns lag. Die Gegend ist hier ganz wie an der anderen Seite des Flusses beschaffen ; ein ziemlich ebenes, offenes Blachfeld mit niedrigem Gebüsch sperrig besetzt, das allmählich höher wird, je weiter man sich von Cordova entfernt. Nach 4 Stunden hatten wir die erste Poststation Rosario in 5 Leguas Abstand erreicht; es ist das ein einzelnes Haus an lichter Stätte des Feldes, ohne weitere Umgebungen und ziemlich schlechten Ansehns; dennoch beschlols man, da es bald Dämmerung sein werde, hier zu übernachten, weil der schlechte, vom Schnee und Regen durch- Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. re) weichte Weg nur bei Tage sicher sich befahren lasse; — man schlug also die Betten auf, welche die Passagiere hier, wie überall in den argentinischen Provinzen, mit sich führen müssen, wenn sie nicht auf dem kahlen Boden schafen wollen, und bereitete das Abendessen vor. Ich maals um 6 Uhr Abends die Lufttemperatur zu + 6° R. was mir empfindlich kalt: vorkam. — Die Gegend umher ist reich an soge- nannten Löwen (Kelis.concolor); in der vorigen Nacht hatte eine dreiste Bestie sich ein Füllen von hier geholt. Auf dem Corral steckten zahl- reiche Schädel früher erlegter Individuen. Da Schiefsgewehre bei den Leuten selten in Gebrauch sind, so jagt man die Puma mit Hunden, welche das Thbier feststellen, bis man ihm einen Lasso umgeworfen hat, an dem es zu Tode geschleift wird. Einzelne gewandte Leute erlegen es auch mit dem blofsen Messer. — Den 17. Juli. Wir wurden sehr zeitig, vor 4 Uhr geweckt, um die Reise fortzusetzen. Als ich vor die Thür trat, fand ich den Boden fest gefroren und die Nacht vom schönsten Mondschein erhellt; einzelne kleine Regenpfützen waren völlig mit Eis belegt, oder gar bis auf den Grund gefroren. Gegen 5 Uhr setzten wir die Reise fort; die Gegend blieb dieselbe, doch sah ich immer m>hr hohe Bäume, darunter die ‚schöne Moya, eine wahrscheinlich noch unbeschriebene Xanthoxylee, welche besonders in den Schluchten der Sierra wächst und dort einer der häufigsten und schönsten Bäume ist. Ihre Blätter sind gefiedert, ‚meist fünfjochig, die Blättchen länglich oval lanzettförmig; die Blumen ‘stehen in Rispen, der Stamm hat eine warzig stachelige Rinde, welche mit zunehmendem Alter sich bildet und allmählich immer rauher wird. ‚Die Früchte sind kleine Beeren und sollen gut schmecken. In dieser ‚Umgebung kommen wir nach 2 Stunden an ein einzeln stehendes gro- ‚ses Wohnhaus, wo zu Rosas’ Zeiten ein berüchtigter Wegelagerer Ca- ‚stellanos sich aufhielt, der die Reisenden ausplünderte und nach Be- } finden auch umbrachte, ohne dafs die Regierung es wagte, seinem Trei- ‚ben ein Ende zu machen, weil er es mit dem Tyrannen hielt und dessen } wahrer Repräsentant in dieser Gegend: war. Eine halbe Stunde weiter Jiegt die zweite Post: La Guerra, 5 Leguas von Rosario; früher war ! Castellanos selbst Posthalter gewesen. I = Von La Guerra bis zur nächsten Post Salitra sind nur 2 Leguas; wir sehen, indem wir dahin fahren, einen niedrigen Höhenzug vor uns, ‚der buschig bewaldet ist und von der Sierra in Westen herabkommt. Ehe wir die Post erreichen, passiren wir einen kleinen Bach, den Ar- royo Carnero, der südwärts flielst und später, wie so viele seines Gleichen, sich im Felde verliert. Bald darauf folgt eine sumpfige Nie- derung zwischen unbedeutenden kahlen Hügeln mit einer offenen Salz- lache, die noch fingerdickes Eis bedeckte, als wir hindurch fuhren. 76 H. Burmeister: Das von da nur wenig entfernte Posthaus steht einzeln an einer offe- nen Stelle im Walde; wir erreichen dasselbe gegen 9 Uhr, wechseln schnell die Pferde und fahren eilig weiter. — Die Gegend umher ist gut bevölkert, man passirt nach 25 Leguas Fahrt eine hübsch aus- sehende Estanzia mit einer Kapelle, genannt Caroya, und noch + Le- gua weiter das ehemalige Jesuiten-Collegium Jesus Maria; eine statt- liche, solide ausgeführte Anlage, deren Thurm, als er von den hohen Feigenbäumen des Gartens umgeben mir zuerst bemerkbar wurde, mich lebhaft an ein deutsches Dorf erinnerte. Gegenwärtig ist das Colle- gio Wohnhaus eines reichen Estanziero aus Paraguay, der uns am Wagen begrülste, während seine Frau und hübsche Tochter von der Terrasse vor der Kirche die Reisenden sich betrachteten. Ich bewun- derte dagegen den vormals eleganten, jetzt freilich etwas verfallenen Bau der Padres, namentlich die beiden gemauerten Sessel oben auf dem Dache des Hauses, zum Ausruhen und Umschauen für die Herren. Dicht vor dem Eingange fliefst ein klarer, ziemlich voller Bach über den Weg ebenfalls nach Nordosten und verliert sich, gleich dem vori- gen, schon nach 4 Quadren im Felde, nachdem er eine Mühle getrie- ben und die benachbarten Fluren bewässert hat. — Eine halbe Legua weiter folgt Sinsacate '), zwar eine grofse Ansiedelung, aber lange nicht so hübsch anzusehen, weil ohne Garten und nachlässig gehalten, doch gleichfalls mit einer Kirche zur Seite; wir fuhren vorbei, ohne zu rasten. Die Gegend umher ist hügelig; namentlich erhebt sich gleich hinter dem Hause ein Höhenzug, auf dem viele hellfarbige nackte Felsblöcke, wahrscheinlich Gneis, zu Tage traten; eben diese bildeten auch das Baumaterial, woraus die soliden Mauern in Jesus Maria aufgeführt waren. — Bald hinter Sinsacate tritt die Strafse wieder in Buschwaldung, welche auf dem schon früher aus der Ferne bei La Guerra als Höhenzug gesehenen hügelig unebenen Boden weithin sich ausbreitet und die Fahrt im Postwagen höchst be- schwerlich macht. Mitten durch diese Strecke läuft eine tiefe von Ge- büsch überwucherte Wasserfuhrt, durch welche der Wagen eine Strecke geführt werden mufste; das war der als Schlupfwinkel der Spitzbuben unheimliche Barancallacu, die Mordstätte des berüchtigen Quiroga, der einst mit Rosas um die Wette die westlichen Provinzen der Con- föderation, La Rioja, St. Juan, Mendoza, vor seinen blutigen Thaten erzittern machte, bis er hier auf Rosas’ Befehl, der den Unmenschen zu fürchten anfing, im Reisewagen erschossen wurde ?). Für mich !) Im Almanaque nacional Argentino 1855 —1856 wird die Erhebung dieses Ortes über den Meeresspiegel zu 610 Meter, d. h. 1877 Preufs. Fufs, angegeben. 2) In Mendoza, wo der Name Quiroga’s lange Zeit ein solches Schrecken ver- gs Ay r s Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. rs hatte diese Partie ein erhöhtes Interesse wegen der vielen hübschen _ Vögel, die ich in dem dichten, feuchten Walde antraf; zahlreiche Tau- ben, Spechte und der Cachelotte hüpften in den Zweigen umher. Als sich später die Waldung lichtete, kamen wir an eine offene, von eini- gen grolsen Algarrobenbäumen beschattete Stelle und da lag die Post Las Talas, eine sehr gute, einladende Station, 5 Leguas von Sinsa- cate. Da der Name Tala häufig vorkommt, so erkundigte ich mich nach seiner Bedeutung und erfuhr, dafs er von einer Pflanze abgelei- tet sei, die hie und da häufig wachse und zum Färben benutzt werde. Den Botanikern ist sie als Coulteria tinctoria bekannt. — Die nächste Post Divisaderos ist 4 Leguas entfernt; vom Wege aus erblickten wir wieder in mäfsiger Entfernung eine hohe Sierra vor uns, welche das flache Längsthal parallel der Sierra de Cordova, worin wir uns noch immer befanden, nordwärts abschlofs. Nach einer Stunde fahren wir an einem einzeln stehenden Hause vorüber, bei dem ein Weg nach rechts zu dem 3—4 Leguas von hier entfernten kleinen Städtchen Totoral vorbeiführte. Wir sahen aus der hohen Postkutsche den Thurm und einige weilse Häuser neben zweien ungleichen Kegel- bergen, die dort plötzlich aus der Ebene sich erheben; es waren nackte kahle Felsen mit zerrissenem Gipfel und jähen Abstürzen, die äufser- sten östlichen Arme der Sierra de Cordova, welche ihr parallel von Süden nach Norden strichen —, dann weiter nordwärts von ihnen zeigte sich ein ganzer ähnlicher Höhenzug in gleicher Richtung fortsetzend. Denselben nennt man nach jenem Städtchen La Sierra de Totoral, den westlichen die Sierra Divisadera. Beide sind völlig öde Fel- senrücken, ohne alle Vegetation. Um 4 Uhr waren wir auf der Post- station gleichen Namens angelangt; sie schien geräumig und gut zu sein, wir hielten uns aber nicht auf, sondern fuhren noch 6 Leguas weiter bis zur nächsten Station Intiguasi. Die Strafse dahin führt in dem angedeuteten breiten Längenthal zwischen der Sierra de Totoral und Sierra Divisadera weiter und übersteigt während dessen zwei kleine quere Höhenzüge, welche das ganze Thal in mehrere terrassirte Mul- den abtheilen. Nach einer Stunde geht links ein breiter Weg als An- fang der Fahrstrafse nach Catamarca ab; wir blieben im Thal, das sich mit Buschwaldung bekleidet, die zusehends höher und dichter wird, breitete, dafs man damit den Kindern drohte, wie bei uns mit Knecht Ruprecht, sah ich bei einem talentvollen Maler das lebensgrofse Bildnifs des Gefürchteten; ein un- heimlich machender Blick strahlte aus seinen Augen und das eigenthümliche dicht gekräuselte Haar erhöhte den dämonischen Ausdruck seines Gesichtes.. Der Mensch war Wüthrich nur aus Liebe an Morden, nicht, wie viele Andere, aus Eigennutz; er wollte blofs seinem Hafs gegen die Unitarier Nahrung geben, sie wie Würmer zertreten. — 78 H. Burmeister: so dals wir alle Fernsicht verlieren. Um 8 Uhr halten wir vor der Station; es ist inzwischen dunkel geworden und weniger kalt als gestern, ich messe + 8° Lufttemperatur. Intiguasi ist eine alte In- dianer-Ansiedelung und heifst: Haus der Sonne; für uns wurde es ein Haus der Nacht; ermüdet von der Fahrt legten wir uns bald zur Ruhe. Den 18. Juli. Am frühen Morgen übersah ich erst die Gegend, wo wir uns befanden; viele kahle Bergzüge mit zerstreutem Gebüsch lagen um uns her; der Himmel war bewölkt und die Luft kühl. — Wir fuhren um 6 Uhr weiter und stielsen zu meiner Verwunderung alsbald auf eine Gruppe derselben Fächer-Palmen, welche ich auf dem Wege nach Cordova bei Las Palmitas gesehen hatte. Wenig Minuten später kamen andere, meist grofse Bäume zum Vorschein, und bald mischten sie sich zahlreich unter das niedrige Gestrüpp, es mit ihren hohen Kronen überragend. Keine Strecke des ganzen Weges bis San- tiago del Estero hat mir so gefallen, wie dies mit Palmen decorirte Längsthal, welches von hier bis zur Post von Quebrachito reichte und allmählich ansteigend immer felsiger wurde und immer dichter mit Pal- men sich bekleidete, bis es in der Gegend von S. Pedro lediglich Pal- men in unabsehbarer Ausdehnung und keine andere Vegetation mehr darbot. — Schon auf der ersten Station bis Sta Cruz nahmen sie be- ständig zu und verdrängten nach und nach jedes andere Buschwerk; sie wuchsen aber nicht auf den kahlen felsigen Höhen der Bergzüge, welche das Thal einschliefsen, sondern nur in der Tiefe desselben und stiegen in Schluchten etwa zur halben Höhe der Gehänge hinauf. Nackte Felsengrate blickten überall zwischen ihnen aus dem spärlichen Graswuchs des Bodens hervor und bewiesen, dafs auch die Thalmulde aus hartem Gestein bestand. Ich hob bei Sta Cruz, wo wir 9# Uhr eintrafen, einige Gesteinsproben auf und fand hauptsächlich feinen Glim- merschiefer oder grobkörnigen Granit dort anstehend. — Sta Cruz ist 5 Leguas von Intiguasi, ein einzelnes, sehr ärmlich aussehendes Haus ohne alle Vegetation umher, das am rechten östlichen Abhange des Thales auf halber Höhe liegt und durch einen Reichthum an Schafen sich bemerklich machte. Ein kleiner Bach flofs in der Thalsohle ab- wärts vom Hause und verfolgte dieselbe Richtung, wie wir, d. h. nord- östlich. Die Palmenvegetation ist gerade in dieser Gegend etwas dürf- tig, ich sah nur einzelne Bäume im Thal und niedrige Büsche auf dem gegenüber liegenden Gehänge. — Bald hinter der Post überschritten wir wieder einen quer durch das Thal streichenden Höhenzug, der die von Intiguasi hinaufkommende Mulde abschlofs, und gelangten dahinter in eine neue dritte Mulde, welche die schönste von allen und nament- lich ganz dicht mit Palmen bekleidet war. In der ersten Strecke, so Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 79 lange der Weg abwärts sich neigte, bestand der Wald, denn so kann ieh ihn hier nennen, blofs aus Palmen; später gesellte sich buscharti- ges Unterholz feinblättriger Leguminosen oder anderer Gewächse hinzu und bildete ein wahres undurehdringliches Diekicht. In solcher Umge- bung nähern wir uns dem Ende der Mulde und sehen von einer Höhe, dafs sie sich nach Norden gabelig in zwei Aeste spaltet, die beide noch ebenso dicht mit Palmenwald angefüllt sind. Wir schlagen den östli- chen Ast ein und kommen darin bald nach St. Pedro, einem kleinen Flecken mit guten Gebäuden und einer hübschen Kirche zur Rechten; 6 Leguas von Sta Cruz. Es ist 11! Uhr; eine grofse Versammlung von Leuten hatte hier Statt, weil ein Kirchenfest eben abgehalten war und nach demselben man sich leiblich etwas zu Gute that. Es war eine malerische Scene. St. Pedro liegt auf einer Höhe im Thal und bietet eine weite Fernsicht auf die benachbarten mit Palmen bekleideten Höhen dar; der dunkelgrüne, steife Waldcharakter macht einen eigen- thümlichen Eindruck; man fühlt, dafs man in einer fremden Welt sich befindet und erfreut sich an dem wohlthuenden Blick um so mehr, je seltener ein solcher dem Reisenden in diesen Gegenden zu Theil wird. — St. Pedro ist nach dem Almanaque nacional Argentino die höchste ‚Stelle des Weges von Cordova nach Santiago; es liegt 870 Meter, d.h. 2677 Preufs. Fuls über dem Meeresspiegel. Mitten im Orte ist ein ziemlicher Teich und neben demselben fliefst nach Osten ein kleiner Bach, dessen Richtung nach Süden ging. Ich befand mich hier eine halbe Stunde recht wohl und erquickte mich an getrockneten Feigen; ‚den Wein und die anderen Efswaaren hatte die Gesellschaft der Kir- me[s bereits vollständig verzehrt und den noch vorräthigen Branntwein mulste ich, als ein mir unbequemes Getränk, verschmähen. — Wir fuhren gleich nach 12 Uhr weiter und stiegen in demselben Thal wieder aufwärts, eine nordöstliche Richtung verfolgend. Nach einer Stunde Zeit fangen die Palmen an abzunehmen, wir kommen aus dem Thal auf kahle, nackte Höhen, wo zahlreiche grofse, abge- " rundete Felsblöcke in Gruppen umher liegen. Nach 1} Stunde Fahrt ‚haben wir ein einzeln stehenden Haus in einem anderen Thale erreicht und dort wechseln wir die mitgebrachten Pferde, ohne uns aufzuhalten. Die Gegend bleibt, wie bisher, d. h. sie ist entschieden ärmlicher und kahler als bei St. Pedro; die Palmen stehen nur noch sehr einzeln und der Boden fängt wieder an zu steigen. So erreichen wir gegen 3 Uhr die nächste Poststation Quebrachito, oder, wie sie auch heifst, Las Cocas, 5 Leguas von St. Pedro, einsam auf einem Hügel in sehr schlechter Umgebung gelegen und ohne welche nennenswerthe Wahr- nehmungen. Die Strafse führte abwärts weiter, eine weite Ebene öff- net sieh unseren Blicken und darin traten nochmals Palmen auf, aber nr vor 80 H. Burmeister: zerstreute, wenn auch zunehmende Trupps im Gebüsche bildend. Um 4! Uhr waren wir in Piedritas, 4 Leguas von Las Cocas; gleich- falls nur ein einzeln stehendes Haus auf offener kahler Stelle und ziem- lich hoch auf einem Felsen-Rücken gelegen, von wo eine weite Fern- sicht nach Osten offen stand. — Viele Palmen ragten in der Niederung aus dem struppigen Gebüsch hervor, das sie bekleidete. Zwei Leguas von hier liegt das Städtchen Chanar mit 500 Einwohnern; seinen Na- men, gleich vielen anderen, von einem Baume, Gourliea chilensis, einer stacheligen Leguminose, entlehnend, deren Früchte um die Samen ein wohlschmeckendes und nahrhaftes, ziemlich trocknes Mark enthalten. Da es schon dunkelte, als wir von Piedritas abfuhren, so habe ich von der Landschaft nicht viel gesehen; Eigenthümlichkeiten wird sie schwer- lich enthalten haben. Vom Städtchen sah ich auch nur wenig; doch fand sich darin ein Wirthshaus, wo wir zu Abend essen konnten und ziemlich gute Küche, selbst Bordeaux- Wein antrafen. Freilich war der letztere wohl nur dem Namen nach ein solches Gewächs; der meitse, angeblich französische Wein, wird künstlich bereitet, zu welchem Ende es eigene Fabriken in Valparaiso wie in Buenos Ayres geben soll. Guten Bordeaux Wein habe ich nirgends angetroffen; auch ist der ge- wöhnliche Preis von 4 Real (20 Sgr.) für die Flasche zu gering für gute Waare. — Den 19. Juli. Unsere Abreise von Chanar geschah im Dunkeln, wir sind schon auf der ersten Post: Pozo del Tigre in 4 Leguas Abstand, als die Sonne aufgeht. Die Umgebung war niedrige Wal- dung, mit Palmengruppen, wie bisher und durch Nichts ausgezeichnet. Zwei Leguas hinter Pozo hörten die Palmen endlich ganz auf und fein- blättrige niedrige Büsche einer mir unbekannten Syngenesiste mit ver- kehrt herzförmigen Blättern, die ebenfalls bei Mendoza häufig waren, traten an deren Stelle. So kamen wir nach Portezuelo, 5 Leguas von Pozo, das malerisch zwischen kahlen, aber hohen, abgerundeten Granitfelsen an einem klaren Bach liegt und einen wahrhaft höllischen Eindruck auf mich machte, so wild und trostlos sah alles umher aus. Doch fanden wir daselbst eine freundliche Familie, welche einen Theil ihres eben fertigen Frühstücks uns abliefs. Der Ort liegt schon in der Provinz von Santiago del Estero, angeblich 620 Meter (1908 Preufs. Fuls) über dem Meeresspiegel. — Von hier bis zur nächsten Station, Orquetas, sind 4 Leguas. Die Gegend erschien mir sehr traurig; niedriges Gestrüpp bedeckte die Oberfläche, zwischen dem überall in geringen Distanzen abgewitterte, kahle Granitgruppen hervorragten. Weiterhin traten einzelne, grofse Cactus auf; hochstämmige, riesen- förmige Opuntien; — später wird das Gebüsch malerischer durch das Erscheinen eines für diese Gegend bis nach Tucuman hin charakteristi- Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 81 ® schen Baumes, des Quebracho, welcher auf hohem geraden Stamm _ eine klare, ziemlich weit ausgedehnte Krone, mit herabhängenden, fei- nen Enden der äulsersten Zweige trägt. Da ich das Gewächs nicht botanisch bestimmen konnte, so nahm ich einige der zahlreichen ova- len Früchte mit, aus denen sich ergeben hat, dafs der Baum zu den Apocyneen in die Gattung Aspidosperma Mart. gehört und ohne Zweifel eine noch unbeschriebene Art ist, für welche mein College v. Sehlechtendahl den systematischen Namen Asp. Quebracho vor- schlägt, unter welchem er das Gewächs nach von mir mitgetheilten Angaben in der botanischen Zeitung beschreiben wird. Der Baum ist für das Land von grofser Wichtigkeit seines Holzes wegen, das als Baumaterial benutzt wird, namentlich die eine Art, welche man Que- bracho colorado nennt, weil das sehr harte Holz dunkel blutroth aus- sieht und im Alter ganz schwarz wird, während die andere hier ge- sehene, der (Juebracho blanco, weils bleibt. Jener hat schmälere, fei- nere, einfach lanzettförmige, dieser etwas breitere, oval lanzettförmige Blätter. — In dieser hübschen Quebracho- Waldung erkrankte ich zu meiner Betrübnils so empfindlich, dafs ich nicht mehr genau auf meine Umgebung achten konnte; ich notirte mir blols, dafs die Gegend bis zum Rio Dulce dieselbe blieb, neben dem zu beiden Seiten ein niedri- ges, heidekrautförmiges Gestrüpp, mit Salicornien untermischt, den mit Salz geschwängerten Boden bedeckte; und dafs späterhin wieder der- selbe hohe Quebracho-Wald sich einstellte, hier gemischt mit zahlrei- chen Stöcken eines hohen, candelaberförmigen Cereus, welche aus dem buschigen Unterholz hervorragten und bis an die Kronen der Que- brachos hinauf reichten. Beide standen aber nicht dicht neben einan- der, sondern zerstreut durch das Gebüsch, ohne einen geschlossenen Wald zu formiren. Wir passirten nach einander die Poststationen St. Antonio, 4 Leguas von Orquetas, und Cimbolar, 2 Leguas von St. Antonio. Daselbst wurde das Nachtlager gehalten; ich ging mit Fieber zu Bett, schlief indessen bald ein. Als ich den 20. Juli er- wachte, war mein Befinden zwar besser, aber jede kleine Beobachtung griff mich so an, dafs ich darauf Verzicht leisten mufste; ich notirte "mir nur die Stationen, welche waren: Von Cimbolar nach La Guar- dia, 3 Leguas, von der Guardia bis zur Posta del Monte, 8 Le- ‚guas; unmittelbar hinter dieser Station fuhren wir durch den Rio Dulce ‚und gelangten noch 4 Leguas weit bis Chilquita oder Chilque, wo wir die nächste Nacht zubrachten. Von da bis Santiago del Estero sind noch 37 Leguas. — Den 21. Juli. Mit Rücksicht auf mein Befinden fuhren wir heute erst um 74 Uhr aus; die Luft war warm und wenig bewegt, der Him- _ mel leicht bewölkt. Wir befanden uns nunmehr in einer völligen Ebene, Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX, 6 82 H. Burmeister: ohne Hügelung, mit weit entferntem Horizonte. Nichts Neues bot sich meinen Blicken dar als eine Rüstung der hiesigen Reiter, welche aus zwei grofsen Schildern von Kuhhaut bestand, hinter denen die Beine gegen die Verletzungen der stark stacheligen Gewächse beim Durchrei- ten der Büsche geschützt waren. Man nannte diese Vorrichtung Gu- arda-Monte. In Ermangelung anderer Beschäftigung betrachtete ich die einzelnen, grolsen, meist vertroekneten Bäume der Landschaft, an denen dichte, in einander geflochtene Ballen von Reisig salsen, deren Ursprung und Bedeutung ich mir nicht recht erklären konnte, denn für Vogelnester waren sie offenbar zu grols. Als ich meine Verwun- derung darüber gegen meine Nachbarn aussprach, sagte man mir, dafs es die Nester des kleinen Papagei mit grauer Kehle, der sogenannten Catita (Conurus murinus) seien und dafs diese Vögel gern in Gesell- schaft bauten, also mehrere Paare in einem solchen grolsen Neste steck- ten. Bald sah ich auch die Vögel ab- und zufliegen. — Erst um 12 Uhr kamen wir an die 6 Leguas entfernte Station Boqueron, de- ren indianischer Name Tocachaquican lautet. Hier standen die Häu- ser wieder auf Stelzen, etwa zwei Fufs über dem Boden, wie früher schon auf einer der vorigen Posten. Man sagte mir, es geschehe der zu Zeiten heftigen Regen halber, damit das Wasser nicht in die Häu- ser dringe und die Vorräthe verderbe. Vielleicht ist der Hauptgrund ein anderer, wahrscheinlich geschieht es der Thiere wegen, die den Vorräthen nachgehen, zumal die Vizeachas; wenigstens stand das eigent- liche Wohnhaus stets auf der Erde selbst, war freilich in der Regel auch etwas feucht, namentlich die gröfstentheils verschlossene Post- stube. Aller Boden enthält hier Salze, besonders schwefelsaures Na- tron und Gyps, und beide würden die Nahrungsmittel ungeniefsbar ma- chen, wenn sie vom Regen ausgelaugt damit in Berührung gerathen sollten. Die Gegend bis hierher war gröfstentheils bebuschter Camp; anfangs mit hohen, sehr schönen Quebrachos gemischt, später ohne diese, zumal rings um die Post, wo den Boden nur ein heidekrautartiges Gestrüpp bekleidete, ohne allen Graswuchs. Das Erdreich selbst be- stand aus sehr feinem röthlichem Lehm. So lange Quebrachos sicht- bar waren, zeigte sich auch immer der hohe kandelaberartige Cereus, und namentlich in dieser Gegend die schönsten und grölsten Exem- plare, welche ich gesehen habe; manche über 20 Fufs hoch mit dickem säulenartigen Stamm von 5—6 Fufs Höhe, der darauf eine Menge Aeste abgab, die alle bis zu gleicher Höhe anstiegen und eine aus 50— 100 Zweigen gebildete, weit ausgedehnte Krone ergaben; jeder Ast hatte die Dicke eines Mannsschenkels und nicht mehr als 6 oder 8 scharfe, stachelige Kanten. Leider sah ich in dieser winterlichen Fu o Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 83 # Jahreszeit nirgends Blumen an den schönen, durch ihre Eigenthümlich- 3 keit, imponirenden Gewächsen. — Um 2 Uhr kamen wir nach Atamisqui, 5 Leguas von Boqueron, zwar ein Städtchen, aber sehr dürftigen Ansehns, mit rohen Lehmge- bäuden, die indessen alle mit einem Corridor geziert waren. Die Be- völkerung bestand fast ganz aus Indianerabkömmlingen, alle häfslichen Aussehns, besonders die Weiber; höchst unreinlich und zerlumpt fand ich die Kinder. Man belagerte uns förmlich in dem erbärmlichen Post- hause, wo nicht einmal ein Stuhl zum Ausruhn zu finden war; bald kam auch, als erste Respectsperson des Ortes, der Herr Pfarrer herbei, um Neuigkeiten aus der Hauptstadt von uns zu hören; eben hatte der Krieg zwischen der Central-Regierung und dem Staat von Buenos Ayres begonnen, über dessen Fortgang damals noch wenig ruchtbar war, weil er von beiden Seiten ohne alle Energie betrieben wurde und der gröfste Theil der Bevölkerung, aus Abneigung gegen jeden Krieg, nicht recht daran glauben wollte. Dicht neben Atamisqui ist eine ziem- lich grofse Lagune mit trübem lehmgelben Wasser, das zum Trinken benutzt werden mulfste, da es an Quellen und Brunnen hier ganz fehlt; eben so wenig gab es Vegetation; der Boden war feiner Lehmstaub, ohne alles Grün; nur einige alte Algarroben standen umher. Nicht leicht habe ich einen traurigeren Ort auf der Reise gesehen, als E diesen. — Auf Atamisqui folgt in 3 Leguas Entfernung die Poststation La Canada de San Ramon, ein zwar ärmlicher Ort, aber doch in besserer Gegend gelegen, als Atamisqui selbst; wenigstens war der Boden an der Stelle, wo die Station im Algarrobenwalde sich befand, mit feinem kurzen Grase bedeckt, was ihr ein europäisches Ansehn gab. Der Wald war ziemlich hoch, auch frischer, und unmittelbar neben dem Hause breitete sich niedriges Gebüsch einer holzigen Pflanze aus, de- ren Ansehn mich an die Sabina erinnerte. Das Posthaus stand auch - hier wieder zum Theil auf Stelzen und war ziemlich grofs; andere Häuser lagen zerstreut umher, alle von ärmlich erscheinenden Indianer- Nachkommen bewohnt, die unter sich nicht Spanisch, sondern die Qui- chua-Sprache redeten. Wir mufsten mehrere Stunden auf die Pferde warten; erst gegen 9 Uhr kamen sie, als es schon lange ‘dunkel ge- Be. war; doch fuhren wir weiter und erreichten in Folge dessen das 4 Leguas entfernte Städtchen Loreto um Mitternacht, daher ich von der Gegend nichts sah und die Stadt erst am nächsten Morgen _ kennen lernte. — Den 22. Juli. Loreto ähnelt Atamisqui, wenigstens in der _ Bauart, doch fand ich die Häuser hier besser, die meisten weils ge- 6* ® 1; 84 H. Burmeister: tüncht, die Bevölkerung wohlhabender, weil arbeitsamer. Die Frauen verfertigen hier gute wollene Decken und Ponchos; mehrere Wei- ber kamen damit an den Wegen und boten dergleichen feil, die zum Theil sehr hübsch aussahen, aber der Preis war ziemlich hoch 5—8 Pesos. — Wir fuhren um 7+ Uhr weiter und gelangten bald in einen hochstämmigen Algarrobenwald, der auch auf die andere Seite Loreto’s sich ausdehnte. Der Gesammteindruck war, abgesehen von der spezifischen Differenz der Gewächse, ganz europäisch; die hie und da stehenden einzelnen Häuser glichen schlechten Lehmgebäuden in Pommern und der Mark, hatten aus Strauchholz gebildete Zäune in ihrer Umgebung, die einige Feigenbäume und etwas Gemüse-Cultur, zumal Sandias oder Kürbifs-Pflanzen einschlossen, und in der Regel nahe beim Hause eine grofse Regenlache, zum Getränk für Menschen und Vieh, da es an fliefsendem Wasser oder Brunnen gänzlich zu feh- len schien; mitunter fand sich auch eine Einhegung mit Luzernklee (Alfalfa), der Hauptnahrung der Hausthiere. Viele Tauben und Hüh- ner liefen überall umher und etwas weiter vom Hause Ziegenheerden, die in der dürren Flur nach Nahrung suchten. — Nach einer Stunde waren wir auf der ersten Post Peneo, ?2 Le- guas von Loreto; eine Gruppe zerstreuter Lehmhäuser, die Ställe auf Stelzen, an einem langen Teich, mit Umgebungen, wie ich sie eben beschrieben habe. Dieser Teich stand durch einen Arm mit dem na- hen Rio Dulece zur Linken in Verbindung; ein weilser Reiher fischte darin, und daneben breiteten sich einige grofse, halb trockene Algar- roben aus. Alles das mahnte mich an die Eindrücke meiner Jugend, wie ich sie auf dem Wege von Stralsund nach Berlin öfters empfan- gen hatte. Fehlten auch dort die Algarroben, so war es nicht schwer, sie mit alten Weiden zu vergleichen, die ähnlich an den schmutzigen, vom Vieh getrübten Lachen zu stehen pflegen, welche in der Mitte sol- cher armseligen Dörfer der Mark ziemlich allgemein sind. Niedriges Gebüsch einer Brea genannten Pflanze (Tessaria absinthoides) beklei- dete auch hier, wie bei Mendoza, weite Strecken und ein kleiner Baum mit lauchgrünen Blättern neben schönen gelben Blumentrauben, offenbar eine Bignoniacee, mahnte mich an Paranä, wo er sehr häufig war. — Die nächste Post hiefs Sonchopozo und war 3 Leguas von Penco entfernt; sie lag mitten im hohen Quebracho-Walde, von dichtem Brea- Gebüsch umgeben. Die Quebrachos waren sehr schön, sie wurden merklich höher und grölser, je weiter wir nach Norden kamen, und hier sah ich zuerst die zweite Art, den Quebracho colorado, an der schlankeren Form und dem feineren Laube schon aus der Ferne kennt- lich. So ging es fort, indem bald Quebrachos, bald Algarroben den Hauptcharakter des Waldes bilden, bis in die Gegend von Santiago del Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. 85 Estero, wobei von Zeit zu Zeit riesige malerische Candelaber -Cactus neue Abwechselung in die Landschaft brachten. Auch grofse Opun- tien mit 14 Fufs langen, länglich elliptischen Stammgliedern begegneten uns. Bald hinter Sonchopozo war der Boden im Walde streckenweis mit dichten Gruppen einer Aloe-Form mit pergamentharten gezähnten Blättern bekleidet, die von der häufigen Art bei Parana durch Gröfse und dunklere Färbung des Laubes sich unterschied. — Zwischen Sonchopozo und St. Jago sind noch zwei Stationen, denn die Entfernung bis dahin beträgt 14 Leguas; nach dem Almanaque na- eional Argentino zu urtheilen mögen es die Ortschaften Iquera und Cardozo gewesen sein; ich habe ihre Namen wegen der Schnelligkeit der Fahrt nicht in Erfahrung bringen können. Hinter der letzten Post begegnet man einer grofsen Branntweinbrennerei, die unmittelbar am Flusse liegt und eine sehr ausgedehnte Anlage zu sein schien; man fährt von da am östlichen Ufer des Flusses in niedrigem Gebüsch oder auf kahlem Felde hin, und überschreitet den Rio Dulce erst dicht vor Santiago, im Angesicht der Stadt. Er ist hier gegen eine viertel Stunde breit, aber so flach, dafs die Hinterräder der Postkutsche nicht bis an die Achsen hinein kamen; das Wasser völlig klar, der Boden weicher feiner Kies, worin die Räder ziemlich tief einschnitten, was die Durch- fahrt etwas beschwerlich machte. Nachdem wir schon drei Viertel der Breite hinter uns hatten, blieb der Wagen stecken und konnte nur da- durch wieder in Gang gebracht werden, dafs man noch zwei Pferde von dem voraufgegangenen Bagage-Karren vorspannte; damit kamen wir, als es eben zu dunkeln begann, endlich hinüber. Seitdem nahm die Dunkelheit schnell zu, wir fuhren im Finstern unter dem üblichen gewaltigen Lärm in die Stadt ein und lockten damit alle Schaulustigen vor die Thüren. Es war 64 Uhr, als wir in dem grofsen und gut ge- haltenen Posthause abstiegen. Den 23. Juli. Santiago del Estero, obgleich Hauptort einer der gröfsten Provinzen der Conföderation, deren östliche Grenze noch gar nicht feststeht, dermalen aber über den Rio Salado nach Osten factisch nur sehr wenig hinausreicht, ist dennoch eine der traurigsten Städte in den La Plata-Staaten, und wird darin wohl nur von S. Luis oder von La Rioja übertroffen. Sie bildet ein ziemlich regelmäfsiges Viereck von 5 Quadren Länge und eben so viel Breite, welches etwa eine halbe Wegesstunde vom Flufs entfernt liegt und nur ein Paar regel- mälsig bebaute Strafsen enthält. Der Marktplatz, die Plaza, befindet sich in der Nähe der nordwestlichen Eeke und ist nur an zwei Seiten, nach Süden und Westen, von guten Häusern umgeben; die beiden an- deren Seiten liegen in Trümmern und darunter auch die Cathedrale De la Merced; ihr Gewölbe war eingestürzt und erfüllte das ganze 86 H. Burmeister: Schiff des einstmals stattlichen Baues. Aufserdem gewahrte ich noch zwei Thürme, beide zu je einem Kloster gehörig, von welche das eine dem Franciskaner-, das andere dem Dominikaner-Orden gehört; jenes soll drei, dieses zwei Mönche haben. Indessen war der Franciskaner- Thurm ein neues und ganz hübsches Gebäude. Die Zahl der Einwoh- ner schätzte man auf 5000. — Die Umgegend ist völlig eben, eine wahre, nur mit niedrigem Gebüsch bekleidete Heide, die fast aller künst- lichen Cultur ermangelt, aber durch die jährlichen Ueberschwemmun- gen des Flusses gut gedüngt wird; das Klima ungemein heils, trocken und gesund. Vortreffliche Orangen, Feigen und Melonen wachsen in den Gärten hinter den Häusern; der Weinbau ist unbedeutend. Der Haupterwerb der Provinz besteht im Weizenbau und in der Pferdezucht für die nördlichen, daran eben nicht reichen Provinzen; auch die Mulas von Santiago sind berühmt und werden bis Bolivien gebracht, wo sie einen guten Markt finden. Die arme Klasse der Bevölkerung lebt grölstentheils von den benachbarten Provinzen und steht, namentlich in Tucuman, wohin viele zur Zeit der Zuckererndte kommen, nicht eben im besten Rufe. — Die geographische Lage Santiagos setzt man auf 27° 46’ S. Br. uud 64° 22’ L. westlich von Greenwich; es ist von Cordova nach mei- ner Route 1284 Leguas, von Tucuman nur 44 Leguas entfernt. Die Gesammtbevölkerung der Provinz beläuft sich, nach dem Census von 1859, auf 74,920 Köpfe. Ihren Namen del Estero (zu deutsch: von der Wiese oder dem Ried) dankt sie den regelmälsigen Ueberschwem- mungen des Flusses, welche die Stadt alljährlich mit weiten Wasser- flächen umgeben. Zur Hauptunterhaltung der Bevölkerung dienen die Hahnenkämpfe, welche zwar in allen argentinischen Städten eine allgemeine Volks- Lustbarkeit bilden, aber nur in wenigen, z. B. in S. Luis, Sta Fe, von den besseren Schichten besucht werden. In Santiago befand sich im Hofe des Gasthauses, wo die Post einkehrte, ein ganz vorzüglicher Rugidor, der am. besten mir bewies, wie diese Unterhaltung daselbst in Ansehn stand. Es ist das eine runde, mit Sitzen in mehreren Reihen über einander umgebene, meist von oben beleuchtete Schau- bühne, auf der die Hähne zur ebenen Erde gegen einander in den Kampf gehen. An den Wänden zur Seite sind Käfige angebracht, worin die armen Thiere vor den Kämpfen stecken. Der hiesige Ru- gidor war mit Zink gedeckt und überhaupt einer der besten, die ich gesehen habe; seine Arena zeigte ringsum an der Brüstung Blutspu- ren, als Beweise der glänzenden Thaten, die darin von den Kämpfern ausgeführt worden. — Diese Hahnenkämpfe bekunden eben so sehr, wie die Stiergefechte, welche auch noch mitunter in Buenos Ayres oder Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 87 Montevideo vorkommen und in Lima sehr oft abgehalten werden, die tiefe Rohheit des Gefühls, welche der spanischen Nation und ihren Abkömmlingen eigen ist und die sich unter andern auch in der ganz allgemeinen Schadenfreude ausspricht, welche laut sich äufsert, sobald Jemand irgend welchen äufserlich sichtbaren Unfall hat, z. B. stürzt, oder vom Pferde fällt.. Niemand ist dann bereit ihm zu helfen, aber Jeder lacht ihn aus. Ich habe oft mit innerer Entrüstung es an- gesehen, wie kleine Knaben ihre Hunde, Katzen, Esel oder anderes Hausvieh zum Vergnügen quälten, oder wie herzlos sie mit gefangenen Vögeln umgingen, bis sie sie zu Tode gemartert hatten. Die Aeltern standen daneben und freueten sich an der boshaften Geschicklichkeit ihrer Buben, aber Niemandem fiel es ein, ihnen das Strafwürdige ihres Benehmens vorzuhalten. Wer sich nicht vertheidigt, oder vertheidigen kann, der wird gemilshandelt; das ist allgemeiner Grundsatz der argen- tinischen Bevölkerung, namentlich der Gauchos, die grade eine solche Belustigung jeder anderen vorziehen. — Um 10 Uhr fuhren wir aus Santiago. Der Weg wendet sich grade nach Norden dem Flufs zu, welcher in einem Bogen um die Stadt herumläuft, sie selbst aber nicht berührt. Nach einer Viertel- stunde Fahrt gelangt man auf staubigem, fein sandigem Wege an sein flaches Ufer, und fährt ohne Aufenthalt durch sein niedriges aber brei- tes Bett. Jenseits desselben breitet sich Brea-Gebüsch aus, und durch dieses führt der tief sandige Weg gegen 2? Stunden bis zur ersten, 4 Leguas entfernten Post, welche schon im Walde liegt, der etwa eine halbe Meile davor beginnt. Während die Pferde von der abseits ge- legenen Post geholt wurden, und der Wagen ruhig mitten in der Strafse stand, hörte ich ein dumpfes, wie klopfendes Geräusch im Boden, und erfuhr auf mein Befragen, dafs dasselbe von einem kleinen in der Erde wühlenden Thier herrühre, welches man Occulto nenne. Das Thier, eine Erdratte, der Ütienomys brasiliensis oder Ct. magellanicus, ist, über die flachen, sandigen Gegenden der Westseite des La Plata-Gebietes weit verbreitet, hält sich aber bei Tage stets in seinem Bau versteckt und kommt erst bei Nacht zum Vorschein. Nach dem Ton, den es von sich giebt, und den man, wie hier, selbst bei Tage, wenn alles still ist, unter der Erde vernehmen kann, heifst es bei Azara Tuco- tuco, woraus die corrumpirte Form Tulduco im Volksmunde entstand; Oeculto bezeichnet seine versteckte Lebensweise und kam mir nur in den nördlichen Provinzen vor. Schon bei Mendoza hatte ich nach dem Thier getrachtet, aber es nie bekommen; und ebenso ging es mir in Tucuman, wo zweimal Bekannte von mir ein Exemplar lebend be- salsen, aber es stets so ungeschickt aufbewahrten, dafs es in der ersten Nacht wieder von dannen ging; ich bin ohne Oceulto nach Europa zu- 88 H. Burmeister: rückgekehrt. — Als ich noch den Tönen des Oceulto lauschte, kamen die Pferde und wir fuhren weiter. Die Gegend blieb dieselbe; tiefer feiner Sand unter uns und dichter Quebracho-Wald mit Candelaber- Caetus neben uns; von Zeit zu Zeit ein freier Blick, der uns den Flufs zur Linken zeigte. Wir fahren schnell, aber bald stürzt das eine der sechs Pferde unseres Gespanns zusammen und bleibt todt im Wege liegen. Das nöthigt uns, langsamer zu fahren; die meisten Passagiere stiegen aus und wanderten eine Strecke, um den armen Thieren Er- holung zu gönnen; die beständige Dürre hatte auch hier dem Vieh sehr geschadet, alle Pferde waren mager und sahen dürftig genug aus. Erst nach 3 Stunden erreichen wir die zweite Post, Acostas, ob- gleich sie nur 4 Leguas von der ersten entfernt war; der Name jener ist mir entfallen über eine Differenz, worin ich mit dem Conducteur # gerieth, und die mich auch hinderte, die Namen der übrigen Stationen I zu erfahren; ich notirte mir nur, dass wir zusammen vierzehn Le- guas zurücklegten, nach einander vier Stationen berührten und auf der letzen, Taperas, die Nacht zubrachten. Der ganze Weg war gleich- förmiger Quebracho-Wald mit Candelaber-Cactus und Aloe-Gewächsen am Boden. Doch lagen die Stationen an gelichteten Stellen auf freiem Felde und bestanden sämmtlich aus einzelnen Häusern. Den 24. Juli. — Zeitig, um 4 Uhr, fahren wir weiter. Der- | selbe Quebracho- Wald mit seinen üblichen Begleitern blieb noch die beiden ersten Stationen bis Gramilla, das 8 Leguas von Taperas entfernt ist. Hinter Gramilla kamen wir auf eine kahle Haide, die mit kleinen zwerghaften Fächerpalmen zerstreut besetzt war; nach einiger Zeit gesellte sich niedriges, fast blattloses Buschwerk hinzu, aus dem die Palmen hie und da hervorragten. Das erinnerte mich lebhaft an die sehr ähnliche Umgegend von Parana. Gegen das Ende der Station wurde das Gebüsch höher und ging bis zur Post wieder in wahrhaften sehr schönen Wald über. Aber das Gebäude der Post, ein einzelnes Haus, welches wir nach 13 Stunden erreichten, lag, gleich den beiden vorigen, ganz ähnlichen Stationen, einsam auf kah- ler, öder Fläche, ringsum von Wald umgeben, etwa 3 Leguas von Gramilla. Sein Name lautete Bargual. Hier nimmt die Provinz Tu- cuman ihren Anfang. Wir fuhren bis zum Abend noch vier Posten, die zusammen 1? Le- guas betrugen, und übernachteten in Tres Pozos, 7 Leguas von Tu- cuman. Die Gegend änderte während der ersten beiden Stationen ihren Charakter wenig; kahles, fast blattloses Leguminosen -Gebüsch bekleidete den dürren, sandigen, jeder Rasendecke beraubten Boden; später stellte sich ächte Pampasflur mit kniehohem Grase ein, worin Anfangs noch einige zerstreute Algarroben umherstanden. Dann hörte Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. 89 aller Wald auf und die grasreichen, gesegneten Fluren Tucumans nah- men ihren Anfang. Der Weg ging neben brennenden Fluren hin, welche man angezündet hatte, um das Hervorbrechen frischen, saftigen Grases zu befördern, und zeigte uns in der abgesengten Fläche aller- hand todte Thiere, an denen sich die in Masse vorräthigen Caranchos (Polyborus brasiliensis) gütlich thaten. Namentlich waren die kleinen behenden Cavien, wahrscheinlich (avia australis, welche man überall unter Zäunen und Hecken hervorschlüpfen sieht und hier zu Lande Kaninchen (Cunejo) nennt, das häufige Opfer der Glut geworden. Auch Massen von Heuschrecken werden dadurch vertilgt. Diese lästige Plage des Landes fing schon wieder an, sich zu zeigen; wir waren in der Gegend von Gramilla grofsen Zügen derselben begegnet; fortwährend flogen sie von links nach rechts, d. h. nach Nordosten über den Weg, doch stets nur sperrig zerstreut, keinesweges in dichten Massen, wie sie zu kommen pflegen, wenn sie wandern. r Tres Pozos ist eine der gröfsten und besten Stationen, die ich gesehen habe; die Poststube bildete ein eigenes Häuschen und war mit Bettstellen, d. h. Gattern, versehen. Alle Häuser hatten seit un- serm Eintritt in die Provinz Tucuman ein besseres Ansehen, auch eine andere Bauart, namentlich hohe, schief und stark abfallende Stroh- dächer; nicht jene flachen, beinahe horizontalen mit Erde belegten Dächer, welche in der Provinz Santiago allgemein sind. Auch die Mauern waren in Tucuman aus förmlicheu, wenn auch nur an der Luft getrockneten Lehmsteinen aufgeführt, nicht blofs mit Lehm be- worfene Reiser und Latten, wie früherhin wir allgemein sie fanden. — Den 25. Juli. — Die Stralse von Tres Pozos!) nach Tucuman hat Anfangs, d. h. während der ersten, 3 Leguas langen Station noch denselben Charakter; wir fuhren zeitig aus und waren schon um 6 Uhr zur Stelle. Auf der ganzen Strecke sahen wir nichts als ebene Gras- flur, deren Vegetation nicht grade schön sich ausnahm, der. langen Dürre halber, die seit April geherrscht hatte. Das Haus der Station war gut, hatte eine hübsche Weinlaube (Parral) neben sich und einen lebendigen Cactus-Zaun in seiner Umgebung, der einen mit Frucht- bäumen, Feigen und Orangen, gezierten Garten umschlofs. — Bald nach der Abfahrt von hier sahen wir zu beiden Seiten vor uns, d. h. nach Nordost wie nach Nordwest, Bergzüge in blauer Ferne sich er- !) Ich bemerke hier, zur Rechtfertigung meiner Angaben, dafs die Reiseroute von Cordova nach Tucuman, wie sie im Almanaque nacional argentino 1856 — 57, S. 167, steht, durch viele Fehler entstellt ist, namentlich auch die Strecke von Santiago bis Tucuman. Letzteres liegt nur $ Leguas vom Rio,Sali, nicht 8, und diese Zahl ist auf Tres Pozos zu beziehen, das irrig fast auf ein Drittel des Weges, 14 Leguas von Tucuman angegeben wird. 90 H. Burmeister: heben, von denen der westliche näher zu sein schien; jener bezeich- nete die Strafse nach Salta, welche am Fufse desselben fortläuft, die- ser die nächste Umgegend Tucumans, das vor der Sierra auf einer weiten Ebene liegt. Indem die Sierra de Tucuman uns sichtbar näher rückt, verlassen wir den unbebauten Camp und gelangen zwischen zahlreiche, ununterbrochen folgende Ansiedelungen, welche alle von Gebüschen und Fruchtgärten begleitet waren, daher uns noch kein freier Blick auf die Sierra, wie auf die Stadt, zu Gebote stand. In solcher Umgebung erreichen wir elegante Landhäuser, Quinten, na- mentlich eine sehr hübsche zur Linken, mit neuem Hause und schö- nem ÖOrangengarten, die, wie ich später erfuhr, einem reichen Gerber in der Stadt gehörte. Die Gerberei ist in Tucuman sehr einträglich, zahlreiche Etablissements (Curtimbras) liegen im Umkreise bei der Stadt und alle Besitzer sind wohlhabende Leute, oder werden es, bei Fleifs und Sorgfalt, in kurzer Zeit. Die meisten davon sind Basken, besonders Franzosen. — Zehn Minuten von der Quinta biegt der Weg sich in einem Bogen nach Links und Westen; er ersteigt hier eine kleine Anhöhe, welche das steilere, östliche Flufsufer bildet, und von da hat man einen prachtvollen Blick auf die Stadt, die Sierra hinter ihr, die weite Ebene vor ihr und den Flufs im Vordergrunde. Letz- terer ist zwar breit, obgleich nicht so breit wie bei Santiago, aber un- gemein flach, daher er sein Bett in der Regel nicht ganz ausfüllt, son- dern mit mehreren Armen sich durch dasselbe windet; wir fahren ohne Schwierigkeit hindurch und bestiegen am andern Ufer eine niedrigere, kaum 10 Fufs über dem Wasserspiegel befindliche Ebene, welche sanft gegen Tucuman sich hebt und von einer schnurgraden, breiten Strafse bis dahin durchschnitten wird. Zu beiden Seiten des Weges waren üppige, schön gehaltene, von Wassergräben durchschnittene Felder, die gröfstentheils Zuckerrohr trugen, aber in diesem Augenblick schlecht aussahen, weil der Frost die Erndte überrascht hatte, und das ver- trocknete Rohr noch auf dem Halm stand. Die Stadt macht sich von hier recht hübsch, man sieht nur die dichte dunkle Belaubung der Orangenbäume, womit alle Höfe und Gärten in der Stadt versehen sind, und daraus die in solcher Entfernung imponirende neue Cathe- drale mit ihren beiden Thürmen und grofser Kuppel hervorragen, be- gleitet von anderen zwei Thürmen, dem schlankeren des Cabildo und dem gedrungenen des Klosters St. Franeisco. Hinter der Stadt er- hebt sich die niedrige, dicht bewaldete und darum dunkler erschei- nende Sierra de Tucuman, und darüber blinkt in schönen fleisch- farbenen Tönen der vielzackige Aconquija mit seinen Schneegipfeln in der Mitte. Nie habe ich einen schöneren Blick auf eine argen- tinische Stadt gefunden, als hier diesen auf das liebliche Tucuman Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 91 - von der Höhe hinter oder, wenn man von Santiago kommt, vor dem Fluß. — Wir fuhren im Galopp die grade Kunststrasse hinauf und erhoben uns dicht vor der Stadt auf die zweite, gegen 40 Fuls höhere Stufe der Ebene, an deren Rand Tucuman gegründet ist. Hier fängt das eigentliche Pampasfeld an, die erste viel niedrigere Stufe unmittelbar am Flufs ist feuchter Wiesengrund, der in nassen Jahren durch zahl- reiche Fieberausbrüche ebenso ungesund und schädlich für die Stadt wird, wie angenehm und nützlich wegen seiner stets gleichen Frucht- barkeit in trocknen. Drei Quadras vom Eingange liegt der Marktplatz mit der Cathedrale, dem Cabildo, dem Posthause und dem ersten, höchst eleganten Hötel des Ortes; wir fuhren zuvörderst nach der Station der Diligence und begaben uns alsbald mit unsern Sachen in das gegenüberliegende Hötel, wo wir gute Zimmer, willkommne Auf- nahme, und überhaupt jeden Comfort antrafen, den wir nur wünschen konnten. — 3. Aufenthalt in Tucuman. Die Provinz Tucuman gehört zu den interessantesten Partien der _ Argentinischen Conföderation, sie hatte nächst Mendoza für mich das meiste Interesse; ihrer weit nach Norden vorgeschobenen Lage wegen und der dadurch bedingten, wahrscheinlich ganz abweichenden und eigenthümlichen Beschaffenheit ihrer organischen Natur. In dieser Hin- sicht bin ich auch nicht getäuscht worden, die Umgegenden Tucumans sind die reichhaltigsten und schönsten, welche ich in den La Plata- Staaten gesehen habe; aber der diesjährige trockne und von den ge- wöhnlichen ganz abweichende Sommer begünstigte mein Vorhaben, dort reiche Sammlungen zu machen, sehr wenig; ich traf die Natur, wie überall im Lande, so auch hier in einer Art von Schlummer, und fand neben den allgemeiner verbreiteten Arten nur wenig Neues für meine Sammlungen. Indem ich die Resultate dieser Beschäftigung für meine zoologischen Berichte mir vorbehalte, gebe ich hier nur einige Mittheilungen über die Provinz, welche sich auf Themata beziehen, die ein allgemeines und namentlich geographisches Interesse in Anspruch nehmen können. — © Tueuman, obgleich eine der kleinsten Provinzen in den La Plata- Staaten, gehört doch sowohl ihrer Bevölkerungszahl, wie ihrer Pro- duetionskraft nach zu den besten Theilen des Landes. Aus dem Um- fange, welchen sie nach richtiger Begränzung auf der Karte einnimmt, läfst sich ihr Areal, ohne Rücksicht auf die steilen Gebirgsflächen, zu 725 bis 750 geographische Quadratmeilen ansetzen (der Almanaque 99 H. Burmeister: nacional argentino schlägt sie zu 2500 Quadratleguas an); aber mehr als die Hälfte dieser Fläche ist hohes, der Kultur unfähiges Gebirgs- land, das gröfstentheils unbewohnt, nur von engen, der Kultur fä- higen Flufsthälern durchzogen wird. Es schneidet nämlich eine hohe Gebirgskette, deren erhabenste Gipfel ewigen Schnee tragen und dar- nach sich auf 16,000 Fufs erheben müssen, die Sierra de Aconquija, die Provinz von Südwest nach Nordost grade in der Mitte gleich einer Diagonale in zwei Theile; die nach Nordwesten von diesem Gebirge gelegene Hälfte ist bergig und entbehrt ausgedehnter Ebenen gänzlich, die nach Südost davon befindliche andere Hälfte dagegen ist eine weite nirgends unterbrochene Ebene, welche der Rio Tala von Norden nach Süden durchfliefst, und durch seine zahlreichen, von der Sierra de Aconquija herabkommenden Zuflüsse bewässert. Diese Strecke der Provinz zwischen dem Fufs des Gebirges und dem Flufs begreift die beste Gegend des Landes in sich; die Partie östlich vom Rio Tala entbehrt der zahlreichen Zuflüsse; sie soll trockner, zum Theil bewal- det und nicht so gesegnet sein, wie jene. Ich habe sie nur beim Durch- fahren mit der Post kennen gelernt. Die Sierra de Aconquija ist neben der Sierra Famatina, welche parallel den Cordilleren von Süden nach Norden durch die Provinzen von La Rioja und Catamarca sich erstreckt, das gröfste, wenigstens höchste Gebirge der La Plata-Staaten; es bildet ein weit ausgedehn- tes, mit Fortsetzungen nach allen Richtungen hin weitergreifendes Ge- birgssystem, dessen Hauptachse die bereits angegebene Richtung von Südwest nach Nordost verfolgt und ganz der Provinz Tucuman an- gehört. Man sieht diesen centralen Theil auf dem Marktplatz oder den von Westen nach Osten laufenden Strafsen der Stadt stets vor Augen; er erhebt sich als ein mächtiger Grat mit scharfen Zacken weit über die kleineren Parallelketten, welche ihn im Osten begleiten und bis auf 3 Leguas Entfernung an die Stadt heranrücken. Es sind deren dicht bei Tucuman hauptsächlich zwei, wovon die vordere den Namen der Sierra de Tucuman führt, die hintere mit zum Aconquija gerechnet wird. Südwärts, gegen Catamarca hin, schieben sich noch mehrere kleine Nebenketten dazwischen, während zugleich die vorde- ren allmälig nach Süden enden, so dafs in dieser südwestlichen Rich- tung immer eine Kette hinter der anderen, gleich Stufen, gegen die Ebene hervortritt. Nordwärts findet dasselbe Statt; die Sierra de Tu- cuman, die vorderste Nebenkette, hört im Süden schon am Rio Fa- mailla auf und geht nach Norden nur bis zum Arroyo de Vipos, der hinter ihr aus dem Gebirge hervorkommt. Dagegen setzt sich die hohe Hauptkette des Aconquija in gleichbleibender Richtung südwärts bis in die Ebene von Poman, nordwärts durch die Provinz Salta bis Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. 93 zum Rio Salado fort und endet dort in der Gegend von Las Piedras. Der Anfang des Rio Salado, hier noch Rio Guachipas genannt, umfafst diesen nordöstlichen Ausläufer des Aconquija, und wird durch ihn nach Norden und Osten gedrängt, bevor er sich südlich wenden kann. Diesem Endaste der Sierra Aconquija läuft ein anderer, in iso- lirte Höhenzüge abgetheilter, niedriger Gebirgskamm im Süden parallel, welcher ganz getrennt vom System des Aconquija nordöstlich von Tu- cuman bei dem Orte Tapia beginnt, und ebenfalls bis an den Rio Salado nach Pitos reicht. Zwischen dieser Kette und der des Acon- quija geht die Strafse nach Salta hindurch bis an den Rio Tala, wel- cher etwa 30 Leguas im Norden von Tucuman beide Parallelketten durchbricht und am Fufse der östlichen aulsen gegen die Ebene hin weiterfliefst. — Ich habe diese zum Theil durch eigene Anschauung bestätigten Verhältnisse der Gebirge und Flüsse auf der Karte einge- tragen, welche mit der Fortsetzung dieses Reiseberichts publieirt werden wird, und verweise den Leser zur besseren Uebersicht auf dieselbe, hier meine Schilderung auf diejenigen Punkte beschränkend, welche ich selbst besuchen konnte und dadurch näher kennen lernte. — Es ist zuvörderst die Sierra de Tucuman und der Theil des Acon- quija, welcher mit ihr parallel läuft; eine Reise, die ich von Tucuman über diese Kette in Gesellschaft des damaligen Gouverneurs, Herrn Marcus Paz, dem ich viele Freundschaftsbeweise zu danken habe, nach der jenseits gelegenen Estanzia St. Xavier unternahm, lehrte mich das Gebirge selbst, wie seine prachtvolle Waldbekleidung, näher kennen. Man reitet nach Nordosten etwa 3 Leguas über die Ebene, neben zahlreichen Ansiedelungen vorbei durch eine der besten Gegen- den bei Tucuman, die eben darum den Namen Buena Yerba führt. Eine gute Zuckerfabrik, Servir Redondo, liegt etwas abseits, und ist Eigenthum derselben mir befreundeten Familie, welcher auch die Estanzia St. Xavier gehört; wir traten unter das gastliche Haus ihres Besitzers, des Herrn Jose Frias, um in seiner Gesellschaft beide Etablissements näher kennen zu lernen. Ich begnüge mich aber hier mit der Schilderung der Natur, und übergehe die Gewerbthätigkeit mit ihren Anlagen als ein mir fremdes Gebiet. Von Servir Redondo bis zum Fufs der Sierra bekleidet den Boden lichtes Gebüsch, stellenweis unterbrochen von grünen Rasenflächen, die trefiliches Viehfutter abgeben, weil die Grasart hier eine andere und nahrhaftere ist, als auf der eigentlichen Pampa jenseits des Rio Dulce. Unmittelbar am Fufs der Sierra, doch schon auf der Ebene selbst, be- ginnt dichtere, höhere Waldung, die hauptsächlich aus altersgrauen treff- lichen Lorbeerbäumen (Laurelen) besteht. Es ist das ein ungemein schönes imponirendes Gewächs, die herrlichste Pflanzenform, welche 94 H. Burmeister: ich in den argentinischen Provinzen gesehen habe. Mächtige 4—5 Fufs dicke Stämme steigen ziemlich nahe neben einander auf, mitunter so- gar zwei oder drei aus derselben Wurzel, und erheben’ sich in diesem Falle etwas geneigt nach oben, in mäfsiger Höhe von 10—12 Fufs ihre ersten sehr kräftigen und mehr wagerecht als senkrecht abgehen- den Zweige entsendend. Ueber denselben läuft der Stamm weiter und spaltet sich nach und nach in andere Aeste, die eine weit ausgedehnte, dichte, schattige Krone bilden und durch ihren Zusammentritt ein förm- liches Laubdach schaffen, worunter man vor den heftig stechenden Strahlen der Sonne sicher geschützt ist. Die Blätter des Baumes ähneln den Lorbeerblättern in Form und Beschaffenheit, haben dieselbe leder- artige Textur und glänzende Oberfläche, aber sie sind beträchtlich grölser, mindestens doppelt so lang und am Rande leicht gekerbt. Blumen und Früchte habe ich, trotz vielfachen Spähens darnach, nicht aufgefunden; wahrscheinlich weil beide, wie bei unseren Lorbeeren nur klein sind und in den obersten Theilen der Krone sich befinden, wo- selbst dss Auge sie nicht mehr zu unterscheiden vermag. Wenn nun schon dieser stattliche Baum an sich einen angenehmen Eindruck macht, so erhöht sich derselbe noch mehr durch die vielen eigenthümlichen Luftgewächse, womit seine Zweige behangen zu sein pflegen. Man sieht selten einen grofsen Stamm, dessen unterste Aeste nicht einige ' prächtige Bromeliaceen tragen, oder von denen nicht Gruppen einer dünnen, kaum wie ein Federkiel starken Cactusart in Büscheln herab- hingen. Daneben umwinden kletternde Gewächse den Stamm, oder es ‚hängen daran weiter abgerückte Schlingpflanzen, den Baum mit einem dichten Gebüsche umwuchernd und ihn wie in einer Laube ver- steckend. Die ganze Erscheinung ist so eigenthümlich malerisch, dafs sie es verdiente, von einem geschickten Maler wiedergegeben zu wer- den; selbst in den brasilianischen Urwäldern habe ich keine schönere Waldnatur gefunden, als in diesem herrlichen Laurelen-Walde. — Man erkennt auch bald den brasilianischen oder subtropischen Charakter dieses Waldes daran, dafs er nicht blofs aus Laurelen, sondern noch aus anderen kräftigen Bäumen besteht, die mit den Laurelen gemischt sind. Darunter zeichnet sich besonders der Nogal, eine Juglans, aus. Er hat einen dünneren, höheren Stamm, der gerade aufsteigt, und eine heller gefärbte, frischere Krone, deren Blätter gefiedert sind, an einem gemeinsamen Stiel wohl ein Dutzend Joche oval lanzettförmiger, fein- zugespitzter, gekerbter Blättchen tragend. Die Frucht ist kleiner als unsere Wallnufs, kugelrund, aufsen fast ganz glatt, aber inwendig ganz ebenso gestaltet. Auch wird der Kern von den Einwohnern gegessen. Dem Nogal gesellte sich der Cedro bei, keinesweges ein Nadelholz- baum, sondern eine Cedrelee; dann der Pino, nur durch seinen Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 95 hohen, schlanken Stamm und sehr feines Laub den Fichten ähnlich, aber ebenfalls keine Conifere. Von den hohen luftigen Zweigen die- ser Bäume sieht man nicht selten eine klare, sehr feinblätterige, hell- grüne Pflanze in grofsen Flocken herabhängen, welche ganz der Barba veilha der brasilianischen Urwälder ähnelt und wahrscheinlich, gleich ihr, eine Tillandsia ist. Diese vier Baumarten unterscheidet man leicht in der Waldung, aber die übrigen der zahlreich vorhandenen verschie- denen Sorten weils ich weder zu beschreiben, noch systematisch zu benennen. Man zeigte mir den Apacho, welcher sich durch eine schöne rothe Blume bemerklich machte, womit die Krone vor dem Ausbruch der Blätter schon im August sich zu bedecken pflegt; den Pacarä; den Arrayan, dessen Frucht efsbar ist; den Mato, gleich- falls ein beliebter Fruchtbaum, den ich, wie den vorigen, für eine Myrtacee halten möchte; endlich den Cebil, aus dessen Rinde der Gerbstoff für die in hiesiger Gegend zahlreichen Lederfabriken bezo- gen wird. Er schien mir eine Leguminose zu sein. Alle diese Bäume wachsen in Gesellschaft der Laurelen und bilden zum Theil das höhere Unterholz zwischen ihnen, für andere niedrigere Pflanzenformen noch hinreichenden Raum am Boden lassend. Darunter ragten häufig Far- renkrautwedel hervor, die ganz unseren Pteris-Arten glichen, mir auch dahin zu gehören schienen. Dünne Schlingpflanzen mit grofsen, einem Gänseei ähnlichen Früchten rankten sich darüber von Busch zu Busch und decorirten den Wald merkwürdig durch ihr eigenthümliches An- sehen. Nach der Frucht zu urtheilen, war es eine Bignoniacee. Sehr überraschend sind in dieser Gesellschaft noch die wilden Orangen- bäume, welche man von Zeit zu Zeit im Walde antrifft, zumal in einer gewissen Gegend an einem kleinen Bach, der vielfältig bei Lustpartien besucht wird. Offenbar rühren sie von dem hier bei solchen Gelegen- heiten schon vor Zeiten ausgestreuten Samen her. Ihre Früchte sind klein, hart, bitter und fast ganz ohne Saft, obgleich sie sehr schön ‚aussehen. — Die eben beschriebene Waldung bedeckt also die Ebene zunächst am Fuls des Gebirges bei Tucuman, und geht an derselben so lange aufwärts, als die Neigung des Bodens noch sanft und mälsig ist. Man bezeichnet diese Strecke mit dem Namen Falda. Kommt man höher hinauf, so verlieren sich die Laurelen mit ihren Genossen und ein an- derer dünnerer und klarerer Wald tritt an deren Stelle. Es ist die- ser Unterschied schon äufserlich an der Sierra aus weiter Ferne zu erkennen; hauptsächlich an der geänderten Färbung beider Wald- strecken. In diesem lichteren Walde sind die Bäume durchgehends ‚kleiner, namentlich ihre Stämme schwächer; die Krone ist ungleicher, klarer; das Laub feiner, durchsichtiger, überhaupt der ganze Wald- © 96 H. Burmeister: charakter dürftiger. Ich habe leider bei dem schnellen Durchreiten in zahlreicher Gesellschaft, die, wie bekannt, für reisende Naturforscher stets ein Hindernifs wird, keine einzige Baumform festhalten und mir soweit einprägen können, dafs ich im Stande wäre, sie weiter zu be- schreiben; fremd erschienen mir die Formen alle, und da die meisten auch im Munde des Volkes keine besonderen Namen haben, so hält es schwer, sie scharf zu unterscheiden. Leguminosen waren es gröls- tentheils nicht, wenigstens traten sie nicht in den Vordergrund. Ihre Namenlosigkeit beweist auch, dafs sie wenig benutzt werden, weil ihr Holz dem der unteren Waldung nachsteht. Von dort bezieht man nicht blos das Bauholz, sondern auch die zum Theil höchst eleganten Hölzer für die Tischler- Arbeit. Ich sah zumal Mobilien vom Nogal, die ungemein schön waren und durch ihre dunkle Farbe an das Ja- caranda-Holz erinnerten. — So lange man im dichten Walde reitet, sieht man vom Gestein der Sierra wenig; die Zersetzung der hier seit Jahrtausenden ansäfsi- gen Pflanzendecke hat eine fruchtbare Erdschicht geschaffen, welche das feste Gestein des Grundes verdeckt; kommt man aber zur Höhe des Kammes, wo der ziemlich steile Weg durch künstliche Nachhülfe gangbar gemacht werden mulste, so schneidet er in das feste Gestein ein und zeigt daselbst feinblätterigen, ziemlich weichen Glimmerschie- fer, dessen Schichten nach Westen gegen den Aconquija fallen und ihm gleich von Südwest nach Nordost streichen. Das Gestein ist ziem- lich weich, es zerfällt an der Luft leicht in Grus und Sand, die den Pfad bedecken; seine Bestandtheile haben einen räumlich sehr gerin- gen Umfang und geben dem Ganzen fast das Ansehen eines glimmer- reichen, eisenschüssigen Sandsteines von gelbbrauner Farbe. Aus die- sem Material scheint die ganze Sierra de Tucuman zu bestehen. — Nähert man sich ihrem Kamm, so hört der Wald endlich ganz auf und lälst die oberste Firste kahl; eine hohe Grasschicht bekleidet hier den Boden und giebt ihm ein völlig Pampa-artiges Ansehen. Der Ueber- gang findet an der niedrigsten Stelle des Kammes, eben einem dort befindlichen Hause Statt, wo wir eine Zeit lang rasteten, um uns durch einen Imbifs zu erquicken. Ich mafs hier die Temperatur des kochen- den Wassers zu 77°.2, was eine Höhe von 3662 Fuls ergeben würde. Nimmt man die Höhe Tucumans, wie sie angegeben wird, zu 750 Meter oder 2208 Fuls an, so läge diese ‘niedrigste Stelle der Cuesta nur 1454 Fufs über der Ebene. Auf der Höhe hatte ich die angenehme Ueberraschung, den pracht- vollen Trochilus sparganurus (Tr. Sappho Less.) zu erlegen; er flog bier in mehreren Exemplaren an noch vorhandenen Blumen, und ist überhaupt bei Tucuman im Frühling, wenn die Orangen blühen, nicht Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 97 selten. Auch bei Mendoza traf ich ihn, wo er die Blumen der para- sitischen Loranthus umschwirrte; er macht mit seinem schönen in der Sonne funkelnden Schwanze einen wundervollen Eindruck. Ebenfalls sehr häufig ist auf diesen hochgelegenen Pampasfeldern das grolse Rebhuhn, Ahynchotus rufescens; von den Gliedern der Gesellschaft wurden nach und nach 13 Exemplare geschossen. Weiter aber giebt es kein Wild, als Tauben, zumal die großse Torcasa (Col. macu- losa Tm.) Nach kurzem Aufenthalt ritten wir weiter über die hochgelegenen, unebenen, hügeligen Grasfluren der Cuesta und kamen nach. einer Viertelstunde an den anderen westlichen Abhang, der uns in das Thal von St. Xavier hinabführte. Wir sahen die Estanzia zu unseren Fülsen liegen. Das Thal selbst ist gröfstentheils kahl, hat nur stellenweis lichtes Gebüsch, welches den Charakter des oberen Waldes der Sierra besitzt, und war übrigens, gleich der Cuesta, mit hohem Grase beklei- det, das als Viehfutter sehr geschätzt wird. Der Besitzer kaufte die ausgedehnte ehemalige Jesuitenstiftung, zu welcher auch der ganze Wald an der anderen Seite der Sierra gehört, vor 25 Jahren für 2000 Pesos; gegenwärtig giebt sie ihm blofs durch den Verkauf des trefflichen Käses, der gewöhnlich unter dem Namen Tafi-Käse pas- sirt, gegen 1500 Pesos jährliche Einkünfte. Der Ort, wonach dieser wirklich sehr gute Käse benannt wird, liegt 12 Leguas von hier, an der anderen, nördlichen Seite der Sierra de Aconqguija in einem ähn- lichen baumlosen Thale, das ein kleiner Flufs durchfliefst, der nord- wärts zum Rio Guachipas seinen Lauf nimmt. Der Weg nach Tafi geht durch St. Xavier und überschreitet bis zur Stätte noch zwei Cuesten, von denen die zweite höchste der Kamm der Sierra Aconquija selbst ist. Ich habe diesen Weg nicht gemacht, er ist mir aber von Leuten, die ihn sehr oft zurückgelegt haben, als etwas beschwerlicher geschil- dert worden, ohne dafs die Umgebungen ihren Charakter wesentlich änderten. Die Thäler sind mit Graswuchs bekleidet, und die hohe Cuesta des Aconquija ist kahles Gestein. Ganz besonders schön soll die frische grüne Rasendecke im Thale von Tafı sich ausnehmen; man sieht eine 5 Leguas lange Mulde vor sich, ohne Baum, ohne Strauch, nur mit den Ansiedelungen versehen, welche die Jesuiten darin grün- deten. Gegenwärtig gehört das Ganze der begüterten Familie Silva. In diesem Thale, das wegen seiner milden Temperatur als ein wahres Paradies geschildert wird, gedeiht die Viehzucht ganz besonders schön, und namentlich übertreffen die dort gefertigten Käse alle anderen des ganzen Argentiner Landes. Sie stehen in Buenos Ayres im hohen Ruf und werden dahin auf Karren gebracht, weil sie dort einen über- aus guten Markt haben. — Durch Tafi geht auch die Strafse, welche Zeitschr. f. allg. Erdx. Neue Folge. Bd. IX. 7 98 H. Burmeister: von Tucuman nach Cafayate und San Carlos führt, deren Entfernung man auf 45 Leguas angiebt; von Tucuman ist Tafı 18 Leguas entfernt, wovon 6 auf die Strecke bis St. Xavier kommen. Man reitet von Tafi im Thale seines Baches hinunter nach Norden, bis sich derselbe ent- schieden nach ‘Nordosten wendet, und übersteigt dann ein mit der Sierra de Aconquija paralleles Gebirge, an dessen nordwestlichem Fufse das gleichfalls von Südwest nach Nordost laufende Thal sich befindet, worin oben am Anfange der Bergdistrikt Sta Maria, unten am Ende die schöne Weingegend von Oafayate und San Carlos liegt. Da wo der Weg zu diesem Gebirge, der Sierra de Tolombon, hinauf- steigt, theilt er sich in zwei Schenkel; der westliche geht nach Sta Maria, der nördliche nach Cafayate. Die Entfernung beider Orte von Tucuman ist dieselbe, nämlich 45 Leguas. — Im Thal von St. Xavier fliefst auch ein kleiner Bach, aber seine Richtung geht nach Süden; er läuft hinter der Sierra de Tucuman fort und vereinigt sich mit dem Rio de Lueles. Im Uebrigen hat das Thal nichts Bemerkenswerthes; seine Gehänge bestehen aus metamorphischen Gesteinen, deren Trümmer als kleine Gerölle das Bett des Baches er- füllen, selbst aber nirgends zu Tage treten, weil hohe Lehmmassen ihre Abhänge bedecken. Dagegen hat man im Thal von Tafi Beweise, dafs dasselbe schon zur Zeit des Inca-Reiches bewohnt und‘ wahr- scheinlich auch sehr beliebt war; denn es finden sich dicht bei dem vormaligen Jesuiter-Collegium zwei Steine von 33 Varas Länge und + Vara Breite, die über und über mit schnörkelhaften Skulpturen be- deckt sind; der eine ist: umgeworfen worden, der andere steht noch an seiner Stelle. Ich besitze eine genaue Zeichnung des Letzteren, die Liebhabern zur Einsicht zu Gebote steht; eine ausführliche Be- schreibung glaube ich hier unterlassen zu müssen. Dies war das Ergebnils meiner kleinen Reise nach St. Xavier; ihre kurze Beschreibung schien sich passend an die Charakteristik des Bodens der Provinz anreihen zu lassen; ich kehre von ihr nach Tu- cuman zurück und schildere zuvörderst die Stadt selbst, bevor ich der Umgegend weitere Aufmerksamkeit zuwende. Wir haben einleitungsweise den Umfang der Provinz auf 725 bis 750 Quadratmeilen angesetzt; wenn das richtig ist, so kommen bei einer Gesammtbevölkerung von 84,136 Köpfen 116 bis 112 Personen auf die Quadratmeile; eine zwar keinesweges dichte, aber doch im Vergleich mit anderen Provinzen ganz respectable Bevölkerung, zumal wenn man bedenkt, dafs die Hälfte der Provinz aus unbewohntem Gebirgslande besteht. ‘Diese Bevölkerung vertheilt sich wie folgt über die Hauptdistriete der Provinz: Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. 99 die Stadt S. Miguel de Tucuman hat mit ihrem Bezirk 26,136 Ew., der Distriet von Monteros im Westen . . „2. .....12,600 - der District Lueles zwischen ihm und Tucuman . . . 6,200 - der Distriet Medinas oder Rio Chico . . . 2... 7540 - Berimıstriet Pam arllanı allagja) Sraddarslarsv. us, 8,590 - der Distriet Graneros im äufsersten Südosten . . „6,3835 - der Dietriet Tranceas in Nordosten . . 2 2 .00..38325 - der Distriet Chiquiligasta in der Mitte . . 2. ....9,060 - der District Buruyaco in Osten . bau Hase 8, = der kleine Distriet Cololao im äufsersten Nordwesten 25!) - In der Hauptstadt selbst mit ihren nächsten Umgebungen nimmt man 8000 Köpfe an; es sind darunter mehrere recht wohlhabende Fa- milien, aber sehr reiche Leute giebt es in Tucuman nicht; wirklicher, gleichmälsiger Wohlstand ist ebensowenig vorhanden, aber wahre Ar- muth ebenfalls ziemlich unbekannt; obgleich wie überall, so auch hier die Klasse der eigentlich mittellosen Handarbeiter zahlreich genug ist und in der Gesammtbevölkerung überwiegt. Ein hervorragender, in kei- ner anderen Binnenstadt der Argentinischen Provinzen so sichtbarer Hang zur äufseren Eleganz durchdringt in Tucuman alle Klassen der Gesellschaft und veranlafst zumal von Seiten der Wohlhabenden einen Aufwand, welcher der arbeitenden Klasse ebensosehr wie den Kauf- leuten zu Gute kommt, daher es in Tucuman an beiden, und nament- lich an geschickten Handwerkern, besonders Franzosen und Italienern, nicht fehlt. Seit einigen Jahren ist eine ganz auffallende Bauwuth in die Leute gefahren, man reilst noch ganz brauchbare Häuser nieder, um neue’ an deren Stelle zu setzen, und führt die neuen mit einer Eleganz und Correctheit des Baustyls aus, wie ich es selten anderswo im Lande gefunden habe. Hieran mag die vor Kurzem vollendete neue 'Hauptkirche La Matriz de San Miguel einigermalsen Schuld sein, insofern zu ihrer Ausführung zahlreiche Handwerker nach Tucuman ‘gelockt wurden; aber ihr Baustyl verdient nicht als Muster hingestellt zu werden; es ist ein schreckliches Gemisch von profaner und heili- ‚ger Kunst, das namentlich in seiner Decoration einem Theater’ weit ähnlicher sieht, als einer Kirche. Dabei sind die Verhältnisse ganz unpassend gewählt; die Säulen für ihre Höhe viel zu dick; die Schiffe 'zu'eng und zu niedrig gegen die Kuppel; die Malerei zu reich für die 'architeetonische Anlage und zu steif, wahrhaft schablonenmälsig, mit ‚ächter Theater-Decoration; genug, ein völlig verpfuschtes Werk, das 'auf Kenner den unangenehmsten Eindruck macht. Tucuman hat aufser 3 ON REMETETE ') Ich habe diese Zahlen in Tueuman durch die dortige Regierung erhalten; "Sie sind die Resultate der letzten Volkszählung im Jahre 1858. Ir 100 H. Burmeister: dieser Hauptkirche an der südöstlichen Ecke der Plaza kein irgend- wie als Bauwerk erwähnenswerthes Gotteshaus; die vor 25 Jahren angefangene neue Kirche der Nuestra Sennora de las Mercedes steht gegenwärtig als unvollendete Ruine da, und eine alte, niedrige, einer langen Scheune vergleichbare Capelle daneben wird noch immer benutzt. Ganz ähnlich in ihrer äufseren Erscheinung ist die Kloster- kirche der Dominicaner, deren Orden hier 5 Mitglieder zählt; ein kurzer, dicker, schon mehrmals geborstener Thurm steht neben jeder von beiden Kirchen und zeugt durch seine Baufälligkeit für sein Alter; aber der Baustyl ist sehr einfach und ohne allen Werth. Besser nimmt sich der höhere Thurm des Franziscanerklosters aus, aber die glocken- artige Kuppel, worauf ein ganz kolossales eisernes Kreuz steht, ist zu klein für den soliden Unterbau. Der Thurm würde schön aussehen, wenn er noch ein drittes Glied mit schlanker Spitze erhielte, ähnlich dem des Cabildo, nur in reinerem Styl gehalten. So wie das Cabildo mit seinem hohen Thurm an der Plaza jetzt dasteht, sieht es ge- schmacklos aus, ein plumpes Gebäude mit weiter Rundbogenhalle vor dem Eingange, über welchem sich der Thurm mit drei Gliedern er- hebt, die gar keinen regelrechten Baustyl verrathen, sondern nach Gut- dünken mit allerhand architektonischen Formen decorirt sind. Eben baute man einen neuen Flügel mit Corridor nach dem Hofe, der ge- schmackvoll angelegt war und der Stadt zur Zierde gereichen würde, wenn er statt des alten plumpen nach der Seite der Plaza läge. Zwei französisch redende Italiener, Brüder, aus der Gegend von Nizza, wa- ren die Baumeister; ausnehmend geschickte Leute, die alles, was sie machten, mit Geschmack, Eleganz, Solidität und Kenntnils der Archi- tektonik ausführten. Von ihnen rühren die besten Neubauten her, welche ich in Tucuman gesehen habe. Dagegen ist die neben dem Cabildo, an der anderen Ecke der Strafse, neu aufgeführte Kirche der Franeiscaner mit ihrer ganz barocken Fronte ein wahres Monstrum der Baukunst, ohne alle Beachtung der architektonischen Regeln zu- sammengeflickt, und aufser Frage das lächerlichste neuere Bauwerk, was ich im Argentiner Lande gesehen habe. Höchstens möchte mit ihr die neue Kirche der Dominicaner in Cordova, an welcher kreis- runde Fenster, gothische Bogen und Rundbogen zugleich über ein- ander vorkommen, wetteifern können. — Das Franciscanerkloster in Tucuman ist übrigens reich genug, um eine neue bessere Fagade an die Stelle dieser Fratze zu setzen; aber unter den 13 Mönchen scheint sich keiner zu befinden, der irgend etwas von der Baukunst versteht, sonst hätte dies Zerrbild nie das Licht der Sonne erblicken können. — Aulser den hier erwähnten öffentlichen Gebäuden verdient noch Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 101 das neue Collegio in dem alten Klosterhofe hinter Sta. Mercedes Er- wähnung; es ist gut angelegt und hübsch ausgeführt, aber leider auch noch unvollendet. Weiter habe ich keine beachtenswerthen Gebäude in Tucuman angetroffen. Der Umfang der Stadt beläuft sich auf etwa 8 Quadras von Osten nach Westen und 12 Quadras von Süden nach Norden, doch ist nur die mittlere Partie um die Plaza herum gut und regelmälsig bebaut, die peripherischen Ansiedelungen liegen meistens etwas zerstreut und bilden schlechte Ranchos oder Quinten mit Frucht- gärten in ihrer Umgebung. Aehnliche gröfsere, den wohlhabenden Ein- wohnern gehörige Etablissements mit herrlichen Orange - Plantagen, Zuckerrohrfeldern und Futterkrautflächen dehnen sich besonders nach Norden, Osten und Süden um die Stadt aus und werden von ange- nehmen, mit lebendigen Hecken oder hohem Gebüsch eingefafsten Strafsen durchschnitten, welche zu Spazierritten einladen und fast täg- lich von mir nach verschiedenen Richtungen besucht wurden. Manche der Quinten sind mit grofsen oder schönen Wohnhäusern geziert, und machen mit ihren prachtvollen, in regelmäfsigen Reihen angepflanzten, von Früchten strotzenden Orangenbäumen einen überaus einladenden, höchst gefälligen Eindruck. — Wichtiger als diese mehr ländlichen Etablissements, sind die Zucker- und Lederfabriken, woran Tucuman aufserordentlich reich ist. Die Zuckerfabriken liegen in 1—2 Leguas Entfernung um die Stadt herum, und sind gröfstentheils schon ältere Anlagen ganz einfacher Construc- tion, welche bisher nur ein mittelmäfsiges Product geliefert haben, das sich mit Zucker aus europäischen oder nordamericanischen Raffinerien nicht messen kann. Der Zucker ist zwar hart und ziemlich fest, aber nicht weils, und zerfällt leicht in Grus, weil er nicht rein auserystal- lisirt worden, sondern noch viele schleimige Bestandtheile enthält. Den- noch steht die beste, ziemlich reine Sorte in gleichem Preise mit den fremden, entschieden besseren, aber durch den Transport vertheuerten Fabricaten; gewöhnlicher Zucker kostet das Pfund 2 Real (10 Sgr.), und gereinigter sogar 24 Real (125 Sgr.), ein Preis, welcher den des besten europäischen Fabricates übersteigt. Daher hat der Tucumaner Zucker aufserhalb der Provinz noch keinen rechten Markt; er wird hier und in der Umgegend verbraucht, kann aber im Handelsverkehr noch keine Stellung gewinnen, obgleich das Rohr sehr zuckerhaltig sein soll und durchschnittlich 11 Proc. reinen Zucker liefert; wenigstens in normalen oder guten Jahren. Deshalb hatte man eben, dicht bei der Stadt, ein grolses Etablissement ganz nach europäischem Muster gegründet, und an die Spitze desselben einen wahren Enthusiasten für sein Unterneh- men, einen Herrn Balthasar Aguirre gestellt, welcher sein Fach gründlich kannte und mit wirklicher Begeisterung von dem Aufschwunge 102 H. Burmeister: redete, den durch dies Unternehmen die Zuckerfabrication in Tucuman erhalten werde. Aber so lange ich mich dort aufhielt, war die Fabrik noch nicht in Betrieb; es fehlte an Wasser zur Bewegung der Ma- schine, wie an Rohr zum Verarbeiten; beides unumgängliche Funda- mente ihres Gedeihens. Es blieb bis dahin nur ein schöner Wahn, wenn man hoffte, bald die Nachbarstaaten Bolivien und Chile, wie mit Vieh, so auch mit Zucker von Tucuman aus versehen zu können. Die Gerbereien und Lederfabriken liegen gröfstentheils im Westen der Stadt an einem kleinen Bach, dem Arroyo del Manantial de Mar- lopa, dessen Quellen zugleich der Stadt ihr Trinkwasser liefern, was auf Karren von da 1 Legua weit nach der Stadt gefahren und. eimer- weis verkauft wird; eine Wasserleitung, die nicht sehr kostspielig sein könnte, hat die Stadt noch nicht. Man bereitet in diesen Gerbereien nicht blofs das Leder, was im Lande verbraucht wird, sondern führt auch gegerbte Häute nach Buenos-Ayres aus. Früherhin begnügte man sich damit, blofs die ordinairen Sorten anzufertigen, aber in neuerer Zeit hat man auch feinere, namentlich gefärbtes und geprelstes Ma- roquin-Leder gemacht. Indessen ist dieser Industriezweig fast ganz in den Händen von Ausländern, namentlich französischen Basken. . Er war noch vor wenigen Jahren das einträglichste Geschäft in Tucuman, allein seit die Häute im Einkaufspreise gestiegen sind — damals kostete die Haut durchschnittlich 4 Real oder 20 Sgr. — und die Anzahl der Fabriken sich bedeutend vermehrt hat, ist‘ der Ertrag gesunken und auf ein geringeres Mals zurückgegangen. Der dritte wichtigste Industriezweig Tucumans ist die Branntwein- brennerei; man hat eine grolse Anzahl Fabriken nicht sowohl in der Stadt selbst, als in der Umgegend, welche theils ordinairen aus Zucker- rohr destillirten Branntwein unter dem Namen Canna bereiten, theils feinere Liqueure, namentlich Anis-Schnaps, anfertigen. Bei, dem unge- mein grolsen Verbrauch dieses Lieblingsgetränkes der Argentiner, das in alle Kreise, selbst bei den Damen, Eingang findet, wirft auch dies Geschäft viel ab. ‚Indessen haben die ausländischen, zumal die fran- zösischen Liqueure den Vorzug; Neufschateler Absinth findet man in allen Tabagien und Verkaufslokalen. Von deutscher: Waare ist mir nur Kirschbranntwein aus einer Hamburger Fabrik unter dem Namen Kirschwasser aufgefallen. — Dagegen fehlt die Weincultur in. Tu- cuman fast gänzlich; die Trauben wollen durchaus nicht gedeihen, was ebensosehr dem allgemein sehr, harten und festen Lehmboden, wie den vielen jährlichen Sommerregen zugeschrieben werden muls. Man bezieht den Wein, welcher in Tucuman verbraucht wird, theils aus Buenos- Ayres, theils und hauptsächlich aus Cafayate, jenem schon erwähnten Orte der Provinz Salta, nahe an der Gränze Tucumans, 6 Leguas von Reise durch einige nördliche-Provinzen der La Plata-Staaten. 103 S. Carlos. Der Wein von dort war mein gewöhnliches Getränk während meines Aufenthalts in Tucuman; ich fand ihn ausnehmend gesund und wohlschmeckend, dem Petit-Burgunder am ähnlichsten, aber etwas mil- der.. Ihm verdanke ich. das ungemeine körperliche Wohlbefinden, wel- ches ich während meines Aufenthaltes in Tucuman empfunden habe. Man konnte ihn in allen Schanklokalen kaufen und zahlte für das dor- tige Quart (3 Flasche) 2 Real, d.h. 10 Sgr. Aber in Quantitäten war er viel billiger, denn die Carga von 8 Arroben kostete 32 Thlr. Setzt man.die Arrobe zu 32 Flaschen an, so gäbe das 8 Flaschen für 1 Thlr. (Peso), d. h. die Flasche zu 1 Real oder 5 Sgr.' Die Gegend, von Ca- fayate ist ihres Weines wegen weithin berühmt, und versorgt nicht blofs Tucuman, sondern auch Salta und Catamarca mit ihrer 'edlen Sorte; der;gewöhnliche Wein Catamarca’s ist ein sehr ordinaires Ge- tränk und kann sich mit dem herrlichen Cafayater nicht messen; die guten Weine in Catamarca stammen aus Cafayate oder dessen Um- gebung, denn das ganze Thal des Flusses von Sta. Maria, in welchem Cafayate etwa 8 Leguas vor seiner Mündung in den Rio Guachipas liegt, zeichnet sich. durch gute Weine aus. Aber die Cultur der bes- seren Sorten wird daselbst von Ausländern, besonders Italienern, be- trieben; die Einheimischen verstehen nirgends die Weincultur und ver- derben die besten Trauben durch die Unreinlichkeit der Gefälse, worin sie sie keltern oder den Most aufbewahren. An vielen Orten wird der Most deshalb gekocht und in einen dickflüssigen süfsen Wein ver- wandelt, den man im Lande dem blofs gegorenen Wein vorzieht, der mir ‚aber nicht mundete. Für den Mangel des Weines wird Tucuman reichlich, entschädigt, nicht blofs durch die Cultur des Zuckerrohres, sondern hauptsächlich durch die ganz vorzüglichen Orangen; beide bilden einen wichtigen Theil der Nahrung für die ärmeren Klassen. Das Zuckerrohr wird frisch ausgekaut und gilt in dieser Form für ebenso gesund, wie nahr- haft; ja man verwendet die ausgeprefsten Rohre mit grofsem Vortheil noch als Viehfutter und behauptet, dafs die Thiere, besonders die Pferde, von. nichts so schnell fett würden, als hiervon. Das Zuckerrohr ist in dieser rohen Form Hauptnahrung der Kinder; in manchen armen Fa- milien leben sie blofs davon, oder bekommen höchstens noch ein Stück Fleisch dazu. Orangen hat man vom Juli bis Januar oder Februar; nach. dieser Zeit sind sie selten. Sie blühen im September und reifen gegen Ende Mai oder Anfang Juni des nächsten Jahres; doch sind sie um.diese Zeit noch ziemlich sauer, die eigentlich gute Zeit fällt erst in den August und die folgenden Monate. Denn lebt Jung und Alt von ‚diesen Früchten, es giebt Leute, die sie zu Dutzenden an einem Tage verzehren. Gewöhnlich kauft man 24 für 1 Real (5 Sgr.). Ich 104 H. Burmeister: habe leider nie mehr als eine oder an recht heifsen Tagen zwei zur Zeit verzehren können; afs ich mehr, so bekamen sie mir nicht, selbst wenn ich sie in Pausen den Tag über genofs. Man behauptet, dafs ihr Genufs besonders früh Morgens sehr gesund sei, nach Mittag aber, zumal Abends, schädlich; — das Sprüchwort sagt, sie seien am Mor- gen Gold für den Magen, am Mittag Blei und am Abend Stein. — Es ist sonderbar, dafs aufser dieser bei Tucuman ganz vorzüglichen Frucht kein anderes Obst recht gedeihen will; weder Feigen, noch Weintrauben, noch Pfirsiche, noch Apricosen, und noch viel weniger unsere mitteleuropäischen Obstsorten; man cultivirt darum diese Früchte gar nicht, höchstens trifft man eine Weinlaube auf den Höfen neben dem Hause. Aber die heftigen, häufig wiederkehrenden Regen ver- derben die Trauben; es ist sehr selten, dals man eine ganze, wohl- erhaltene Traube ohne faule Beeren antrifft. Das überaus trockene Jahr 1859—1860 war den Weintrauben günstig, aber so schöne, wie in Mendoza, sah ich in Tucuman nicht. Sie reifen bis Anfang Januar und gehen im Februar bald zu Ende. — Ein Gleiches läfst sich von den Melonen und Wassermelonen (Sandias) berichten; sie sind lange nicht so grols, so süls und so wohlschmeckend, wie in den mehr west- lichen Gegenden mit leichterem Boden und trockenerer Luft; Mendoza, San Juan, La Rioja und Catamarca stehen in allen diesen Früchten Tucuman und den östlichen Provinzen bedeutend voran. — Neben den bisher aufgeführten Producten, die nur von männlicher Hand erzeugt oder durch männliche Arbeit begründet werden, verdient Tucuman noch wegen seiner weiblichen Industrie rühmlicher Erwäh- nung; es ist bekannt als Fabrikstadt der besten Satteldecken (Pellones) und Spitzen (Randas) des Landes. Beide werden von Frauen und gröfstentheils von jungen Mädchen gearbeitet; die ersteren auf einem förmlichen Webstuhl, die letzteren im Stickrahmen. Das Pellon ist eine aus Wollengarn gewebte, mit lang herabhängender Wolle auf der einen Seite, gleich einem Schaffell, bekleidete Decke, welche man über den Sattel legt, um während der langen Reise bequemer darauf zu sitzen. Es finden diese Decken hauptsächlich bei den Eingebornen, die sich noch jetzt der spanischen oder deutschen Sättel des Mittel- alters bedienen, ihre Anwendung; sie werden zu 2 oder 3 über ein- ander gelegt und zu oberst mit einem kleinen Leder bedeckt, welches die Wärme mildern soll. Besonders sind diese Sättel in Bolivien ge- bräuchlich und dahin, wie nach Chile, werden viele versendet; doch hat man hier auch natürliche aus Ziegenfell, welche man den geweb- ten vorzieht. Ihr Preis wechselt von 5 Thlrn. bis zu einer Unze, der gewöhnliche Preis ist S—10 Thlr. für eine gute Decke. Lieblingsfarbe derselben ist dunkelblau, demnächst weils, andere Farben sieht man Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 105 selten. Die dazu gebräuchliche Wolle wird im Lande präparirt und gefärbt. Die Beschäftigung mit dieser Weberei ist einträglich; viele Familien des Mittelstandes leben davon; ja bis in die ärmeren Klassen erstreckt sich die Webekunst, wie das Weben der Ponchos in Santiago. Viel mehr Kunstsinn und eine wirklich ungemeine Geschicklich- keit verrathen die in Tucuman gröfstentheils von jungen Mädchen des Mittelstandes angefertigten Randas, d. h. handbreite Spitzen, welche man zur Decoration weiblicher Kleidungsstücke, namentlich der Hem- den und Unterröcke verwendet, auf deren Eleganz stets ein sehr gros- ser Werth gelegt wird. Man fertigt diese Spitzen entweder ganz und gar, indem man feine Fäden nach bestimmten Richtungen über einen Rahmen spannt und darauf das Muster mit der blofsen Nadel hinein- - webt; oder man nimmt ein Stück feiner Leinwand, zieht die Fäden der einen Richtung heraus und stickt in die übrig bleibenden der an- deren Richtung das Muster mit der Nadel hinein. Diese Art der Randa ist die kunstreichere, elegantere und theuerste; die andere steht ihr nach, obgleich es auch von ihr ganz vorzügliche Facons giebt. Sehr üblich ist es, mehrere solche, zum Theil fufsbreite Randas zu zarten Tüchern oder Shawls zusammen zu setzen; auch pflegt man die Kopf- kissen der Betten, feine Handtücher oder Taschentücher damit zu de- eoriren. Der Preis der Waare richtet sich nach ihrer Güte und;Gröfse, ein eleganter Shawl kommt auf 2—3 Unzen zu stehen, die einfache Decoration eines Unterrockes oder eines Hemdes auf 3—5 Thlr. Tu- euman''liefert die beste Waare und treibt damit Handel nach Chile; nächstdem ist Cordova berühmt, es versendet viel nach Buenos-Ayres. Mit Recht sind beide Städte stolz auf die Talente ihrer Bewohnerinnen; man läfst ihnen nur Gerechtigkeit widerfahren, wenn man diese mit seltener Kunst und Ausdauer angefertigten Arbeiten lobt; sie können in Europa nicht besser gemacht werden, und ich glaube kaum, dafs man die besten hier irgendwo erreicht. — Unter den Gegenständen, die ich sonst noch zu besprechen hätte, kommt billig das Aeufsere der Stadt selbst in Betracht, und da darf ich nicht unerwähnt lassen, däfs die Strafsen des Centrums alle gut gepflastert sind, an den Seiten 5 Fufs breite mit Ziegeln belegte Trot- toirs haben und in den Abendstunden mit Laternen, worin Talglichte stehen, gut beleuchtet werden. Der Marktplatz hat aufser dem Ca- bildo und der Matriz keine bemerkenswerthen Gebäude; er ist auf der Mitte mit einem hohen Obelisk geziert und erhielt eben ringsum eine schöne Allee von Orangenbäumen, zwischen denen elegante steinerne Bänke zum Ausruhen stehen. Oeffentliche Belustigungsorte giebt es in 'Tueuman so wenig, wie in anderen Argentinischen Städten; eine geschlossene Gesellschaft, der Club des 9. Juli, hat ein hübsches Lokal, 106 H. Burmeister: wo Zeitungen ausliegen und von Zeit zu Zeit Bälle gegeben werden, die stets sehr elegant waren. Eben gründete man eine philharmo- nische Gesellschaft, welehe die Cultur der Musik sich angelegen sein lassen wollte. Von geistigem Leben sind erst einige Anfänge da; es erscheint wöchentlich zweimal eine Zeitung: El Eco del Norte, welche die Tagesereignisse bespricht, die Regierungsdecrete publieirt, und mancherlei Zänkereien ins Publicum bringt. Wichtiger ist ohne Frage das Collegio de S. Miguel, welches unter der Direction eines verdienten französischen Gelehrten, des Hrn. Amad&o Jacques steht und Erfreuliches leistet; die damit verbundene Bibliothek war derma- len noch sehr unbedeutend; Ciceronis Opera in einer alten Oxforder Ausgabe dürften nach meinem Dafürhalten das werthvollste Werk darin gewesen sein. Andere gelehrte Institute hat Tucuman nicht; in ‘den beiden Mönchsklöstern wird zwar Unterricht ertheilt, aber weiter als über Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion erstreckt er sich nicht. Für Mädchen bestehen andere öffentliche Schulen, welche von der Sociedad de la Beneficencia errichtet wurden. Ein Institut für geist- liche Bufs -Uebungen ist in der Capilla oder Casa de Jesus ebenfalls vorhanden, aber ein Nonnenkloster hat Tucuman nicht. Ebensowenig besitzt es ein Schauspielhaus; das früher vorhandene ist angeblich we- gen seiner Baufälligkeit niedergerissen worden und ein neues, zu dem schon Pläne vorliegen, noch nicht begonnen, weil man sowohl über den Ort, als auch über das Aufbringen der Kosten noch im Ungewis- sen war. Auf den Wunsch des Gouverneurs entwarf ich dazu einen neuen Plan, indem der vorliegende weit über die Mittel, welche man hoffte anlegen zu können, hinausging; — mein Plan, einfach aber an- ständig angelegt, fand grolsen Beifall; es ist möglich, dafs man dar- nach in einigen Jahren wirklich den Bau beginnt; vor der Hand konnte nichts weiter dafür geschehen. — Wir haben Tucuman nach seiner inneren und äuferen Erscheinung, seiner Gewerbthätigkeit und seinem socialen Leben nunmehr so ziem- lich kennen gelernt; es ist an der Zeit, einen Blick in die nächste Umgebung zu werfen. Zuvörderst noch ein Paar Worte über seine Lage '). Die erste Gründung der Stadt wurde in der Nähe des Rio Tala auf der sumpfigen, feuchten Niederung versucht, welche am west- lichen Ufer des Flusses sich ausbreitet, mufste aber wegen der bestän- digen Fieberepidemien, die unter der Bevölkerung grassirten, und we- gen häufiger Ueberschwemmungen des Flusses wieder aufgegeben wer- !) Da ich selbst keine astronomischen Beobachtungen angestellt habe, so kann ich die geographische Lage nicht scharf feststellen; nach der bisherigen Annahme liegt Tucuman unter 26° 51’ südlicher Breite und 68 ° 15’ von Paris. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 107 den; erst 1685 verlegte Don Diego de Villareal die Stadt an ihre heutige Stelle, auf den 40—50 Fufs über jene Wiesenfläche sich erhe- benden Rand der Ebene, am Fufs der Sierra, etwa $ Leguas vom Flufs, Sie hat seitdem eines besseren Gedeihens sich zu erfreuen gehabt, denn sie gehört unstreitig zu den regsamsten Binnenstädten der Conföde- ration. Wegen dieser inneren Bedeutung, welche besonders durch ihre glückliche Lage in gesegneter Umgebung und durch den ziemlich glei- chen ‚Abstand von den angesehensten Orten der La Plata-Staaten ge- geben ist, hat sie mehrmals eine entscheidende Rolle in der Geschichte des jungen Freistaates gespielt. Zwei Jahre nach dem Ausbruch des Abfalls vom Mutterlande schlug hier, dicht vor den letzten Häusern der Stadt, General Belgrano am 24. September mit 1500 zusammen- gerafften Leuten, grölstentheils berittenen Gauchos, die keine andere Waffe als ihre Lanze hatten, die 5000 Mann starke Invasions-Colonne der Spanier, welche von Bolivien zur Unterdrückung des Aufruhrs her- untergekommen war. Man feiert diesen denkwürdigen Tag alljährlich durch eine Procession. Hauptantheil sollen an dem Siege die Guarda- Montes der Gauchos gehabt haben; vor dem Gepolter der im: Galopp heranstürmenden Reiter wurden die Pferde der: spanischen Reiterei scheu und rissen gegen die Infanterie hin aus, brachten dieselbe in Unordnung und alsbald war die Schlacht für die Spanier verloren. General Belgrano legte seinen Commandostab in der Capilla de las Mercedes: nieder, und pries die heilige Jungfrau, die ihm während der Schlacht erschienen sei, als die eigentliche Heldin des Tages. Darum erscheint sie in der Procession, und Jedermann bringt ihr noch heute den Dank, welchen sie wegen der Rettung des Vaterlandes aus feind- licher Hand verdient haben soll. Ein einfaches Denkmal steht auf der Stelle, wo die merkwürdige Schlacht geschlagen wurde. — Das zweite wichtige Ereignifs in der Geschichte der Stadt, wie des Landes, ist die Unabhängigkeits-Erklärung der hier versammelten Volksvertreter am 9. Juli des Jahres 1816; noch steht das Haus, 14 Quadra von der Plaza in der Strafse neben der Matriz, wo die Versammlung tagte und den entscheidenden Beschlufs fafste. Mit diesem Schritt gingen die spanischen Colonien dem Mutterlande für immer verloren; Tucuman war.die Wiege ‚der Selbstständigkeit und Freiheit nicht blofs der Argen- tinischen Provinzen, sondern auch 'aller der anderen Staaten, welche aus, den ehemaligen spanischen Colonien hervorgegangen sind. Von jeher hat die Stadt eine gewisse geistige Selbstständigkeit behauptet, ‚ und\ wenn. sie auch der Tyrannei des Dictators Rosas, wie alle übri- gen, erlag, weil es demselben hier so wenig, wie anderswo, an Hel- fershelfern gefehlt hat, so ist sie doch vor geistiger Knechtschaft mehr bewahrt worden, als viele andere, und trägt namentlich die Bigotterie 108 H. Burmeister: des Cultus nicht so grell zur Schau, wie z. B. Cordova, Sta. Fe, Cata- marca oder selbst Mendoza. Das dankt sie unleugbar den vielen Fremden, welche hier, der guten Geschäfte wegen, von jeher einen wesentlichen Theil der Bevölkerung ausgemacht haben und immer mehr Einflufs gewinnen werden, je mehr die industrielle wie mercantile Be- deutung des Ortes sich hebt. — Bald nach meiner Ankunft in Tucuman bezog ich einen Landsitz 14 Leguas von der Stadt, um daselbst ungestörter meinen wissenschaft- lichen Beschäftigungen obliegen zu können; er lag am Manantial de Marlopa, unmittelbar neben der Strafse nach Lueles, die den Anfang der grolsen Strafse nach Westen, Catamarca, den Cordilleren und Co- piapö bildet. Diese Quinta, Eigenthum des mir befreunden Hrn. Wilh. Chenaut, eignete sich ganz besonders für meine Zwecke; das Haus stand unmittelbar an einem fischreichen Bach in der Nähe eines noch wenig gelichteten Wäldchens, und hatte die weite Ebene bis nach Tu- cuman, zum Theil mit Gebüsch bekleidet, neben sich. In dem Bach wurde häufig gefischt; vier als Nahrungsmittel sehr beliebte Arten ka- men darin vor; ein Pimelodus, den man Bagra nannte, und drei Cha- racinen, Boya, Dorado und Salmon, letzterer von allen der grölste, aber auch der am wenigsten geschätzte. Derselbe bifs nie an die An- gel, sondern mufste mit der Lanze gestochen werden, weil er die Ge- , wohnheit hat, sich in den Unebenheiten des Bodens zu verkriechen. Am beliebtesten ist die Boya, ein Fisch von Karpfenform, aber klei- ner, 10—14 Zoll lang, mitunter auch noch gröfser; ich fand ihn aller- dings sehr wohlschmeckend, aber dem Karpfen kommt er nicht gleich, so wenig wie der Salmon dem Lachse '). — Unter den zoologischen Gegenständen war ferner das Pampas-Kaninchen, die Vizcacha (La- gostomus trichodactylus), welches meine Leser schon aus der Reise durch die Pampas kennen, hier so häufig, dafs das Thier zu einer wahren Plage für die Ansiedelung wurde; ringsumher lagen ihre gros- sen Baue, und wenn ich bei Sonnenuntergang zur Stadt ritt, sah ich immer einige Exemplare vor den Eingängen ihrer Höhlen sitzen. Man leitete das Wasser aus den Acequien in ihre Baue und tödtete dadurch viele, oder man jagte sie mit Hunden heraus. Auf diese Weise tödteten wir an einem Tage 32, und 14 Tage später wieder einige 20. Die Thiere waren so dreist, dafs sie bei Nacht nicht blofs auf den Hof kamen, sondern selbst in die Küche und Ställe drangen, !) Die zoologische Bestimmung dieser vier Fischarten hat mir noch nicht ge- lingen wollen; die Bagra ist nicht Bagrus Commersoniü Val., sondern eine damit verwandte, wahrscheinlich neue Art, mit viel längeren oberen Bartfäden; der Sal- mon scheint Pristigaster flavipennis D’Orb. zu sein; der Dorado ist ein Aydro- cyon, dem H. brevidens ähnlich; die Boya eine neue Pacu-Art. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 109 um Mais zu suchen. Darum stehen hier die Vorrathsscheunen auf Stelzen, zur ebenen Erde gebaut würden sie bald von den Vizcachas geleert werden. — Auch der argentinische Löwe (Felis concolor), die Puma, zeigte sich zu Zeiten bei der Quinta, indem er sich nach und nach mehrere Schafe aus der Heerde holte; wir konnten aber sein eigentliches Standquartier nicht auffinden. Andere bemerkenswerthe Thierformen beobachtete ich nicht; die Comadriche (Didelphys albi- ventris), welche besonders dem Federvieh nachstellt, wurde einige Male erlegt; aber einen Fuchs, nach dem ich sehr trachtete, erhielt ich nicht. Einmal gelang es, eine junge Pampas-Katze (Felis Geof- froy D’Orb.) zu schiefsen und mehrmals brachte man mir Hurons (Galictis vittata). Einmal sah ich ein kleines Reh (Cervus rufus) im Walde, da ich aber ohne Flinte war, so entging es mir; andere grös- sere Hirscharten kamen mir nicht vor. — Die Gegend um Tucuman ist, abgesehen von dem Blick auf die Sierra und dem Laurelen-Walde auf der Falda, nicht schön; alles Uebrige ist kahles Blachfeld, dessen ursprüngliche Waldung schon längst zu Grunde gegangen ist. Gegenwärtig bekleidet niedriges zerstreutes Gebüsch den Boden bis an die Falda, wo der eigentliche Wald seinen Anfang nimmt. Nach Norden sieht man die kleinen Bergzüge neben dem Rio Tala aus der Ebene sich erheben, nach Osten ist alles eben, nach Süden, dem Laufe des Rio Tala folgend, Waldung, aber kein Laurelen-Wald; dieser hält sich stets der Sierra nahe und bekleidet nur da die Ebene, wo die Gehänge des Gebirges daran stolsen. Der Wald der Ebene hat einen anderen, lichteren Charakter, den ich erst später, wo ich in ihn auf der Reise nach Catamarca eintrete, besprechen werde. — Eigentlichen Ackerbau treibt man bei Tueuman wenig, man sieht fast nur Maisfelder, für den Weizen ist die Gegend schon zu heils; das meiste Brodkorn kommt aus der Gegend von Tafı oder Sta Maria, wo ausgedehnte Weizencultur bestehen soll. Auf der Quinta, wo ich wohnte, war ein kleines Weizenfeld, dessen Erndte von Ende Novem- ber bis zum 3. December gehalten wurde; wegen der diesjährigen un- gewöhnlichen Trocknifs hatte es nur kleine Aehren angesetzt, daher mehrere Nachbarn es vorzogen, das grüne Korn als Viehfutter abzu- ‚schneiden und so zu verkaufen. 110 V. Hilferding’s Reise von Ragusa nach Mostar. Aus dem Russischen '). Am 11. Mai 1857 reiste ich von Ragusa nach Sarajewo ab. Um von hier nach Bosnien zu gelangen, konnte ich zwischen zwei Wegen wählen. Der bequemere führt an der dalmatischen Küste nach der Grenzstadt Metkowitsch, nicht weit von der Mündung des Flusses Neretwa (italiän. Narenta). Man fährt von Ragusa auf einer Barke bis zu dem Städtchen Stagno, das auf dem Isthmus der langen und schmalen Halbinsel Sabioncello liegt, reist dann in einer halben Stunde quer über den Isthmus, und besteigt auf der anderen Seite wieder eine Barke, um über den Meerbusen zwischen der Halbinsel und dem dal- matischen Festlande zu fahren und dann durch das Thal der Neretwa sich nach Metkowitsch zu begeben. Man kann hierher auch auf einer guten Chaussee gelangen, die von den Oesterreichern vor nicht langer Zeit längs der ganzen dalmatischen Küste angelegt ist, — wenn man nämlich einen Wagen sich verschaffen kann, was hier zu Lande keine leichte Sache ist. Bei Metkowitsch überschreitet man die türkische Gränze, steigt zu Pferde und erreicht nach 8 Stunden Mostar, die Hauptstadt der Herzegowina. Der andere, beschwerlichere Weg führt direct.von Ragusa an die türkische Gränze, dann durch das Innere der Herzegowina ebenfalls direct nach Mostar. Obgleich dieser Weg der kürzere ist, braucht man auf ihm doch 4 Tage: so sind die tür- kischen Wege beschaffen. Gleichwohl zog ich den letzteren Weg durch das Innere der Herzegowina vor. Von Ragusa hat man bis zum ersten türkischen Zollbaus nicht ganz 2 Stunden zu reiten; anders als zu Pferde kann man in dem Lande nicht fortkommen, in das ich den Leser einführen will. Man muls von Ragusa steil ansteigen. Links, auf der Höhe, bleibt das ärmliche Dörfchen Bossanka liegen, gewissermalsen eine Colonie der !) Der uns so eben zugegangene, fast 700 Seiten starke Band der BanuckH der k. Russ. Geogr. Gesellschaft ist vollständig der Schilderung Bosniens und der Herzegowina gewidmet. Die umfangreichste der darin publieirten Arbeiten ist Hil- ferding’s „Reise in der Herzegowina, Bosnien und Alt-Serbien‘“, eine lebhafte Schil- derung des wenig bekannten Landes und seiner Bevölkerung, die namentlich in der jetzigen Zeit, wo die Vorgänge in den türkischen Gränzprovinzen die Aufmerksam- keit weiterer Kreise auf sich ziehen, mit Interesse gelesen werden wird, obgleich sie augenscheinlich eine den politischen Tendenzen Rufslands entsprechende Färbung trägt. Wir geben im Folgenden den Anfang des Reiseberichts — mit einigen unwesentlichen Abkürzungen — und behalten uns weitere Auszüge vor. Hilferding’s Reise von Ragusa nach Mostar. 111 Bosnjaken. Man kommt durch das regelmäfsig gebaute Kirchdorf Brgat (wahrscheinlich vom serbischen brjäg, d.h. Berg, Höhe). Der Weg ist sehr schön, zu den Seiten sieht man wundervolle Thäler; wendet man den Blick zurück, so ruht das Auge auf einem bezaubernden Pano- rama: man sieht das blaue Meer, aus dem sich wie ein Smaragd die grüne Insel Lakroma erhebt, dicht mit Oelbäumen und Myrten be- wachsen; rechts das freundliche Städtchen Dubrownik (Ragusa) mit seinen festen Mauern und Thürmen, links das noch kleinere Städtchen 'Zawtat (Ragusa vecchia). Bald aber entziehen uns die Berge diesen Anblick. Auf einer vortrefflichen Strafse, die von den österreichischen Ingenieuren an den felsigen Bergen hingeführt ist, reitet man fort und kommt nach einiger Zeit an eine kleine Kaserne oder einen Grenz- posten: die letzte österreichische Schildwache sieht nach den Fortrei- senden und — Wunder über Wunder! — hält sie nicht an und fragt nicht nach der Reiselegitimation. „Gott sei Dank! hier hört Oester- reich auf!“ sagte ich zu mir und meinem Reisegefährten, — obgleich wir aus Oesterreich nach der Türkei reisten. Aber der Eintritt in die Türkei ist nicht leicht, — wenigstens nicht für schlechte Pferde. Die österreichische Chaussee ist bis hart an die Grenzlinie geführt; ein paar Ruthen weiter erhebt sich ein Hügel, auf dem eine elende Hütte, das türkische Zollhaus, steht. Der ganze Hü- gel ist mit Haufen von Steinen jeder Gröfse und Form bedeckt, mit runden und scharfkantigen. Wie die Natur sie geschaffen und wie das Regenwasser sie hier allmählich aufgehäuft ‚hat, so liegen sie auch jetzt den türkischen Zollbeamten vor der Nase; es ist ihnen nicht in den Sinn gekommen, die Schaufel zu ergreifen und auch nur für ein einzelnes Pferd einen Pfad von diesem Steingeröll zu reinigen, obgleich sie seit Menschengedenken die schöne österreichische Chaussee vor Augen haben. „Wege zu bauen,“ denken sie, „ist nicht unsere Sache. "Wo unsere Väter und Grolsväter gereist sind, können auch wir reisen. Und wo wir einen Weg bahnen, da kommen die Kaur’s') und führen _ ihre Kanonen gegen uns!“ Dieses Räsonnement vernimmt man un- aufhörlich in Bosnien und der Herzegowina. © Die türkischen Zollbeamten bemühten sich, uns ihre ganze Gast- freundschaft an den Tag zu legen. „So vornehme Reisende sind wohl noch nie durch die Zarina gereist,“ sagten sie. Der Name Zarina wird in den serbischen Landen vielen Zollhäusern und Schlagbäumen beigelegt, weil hier der kaiserliche Zoll erhoben wird. Sie führten uns in eine schrecklich verräucherte und mit den schmutzigsten Decken be- legte Bauernstube. Auf diese Teppiche luden sie uns zum Niedersitzen !) Slawische Aussprache des Wortes Gjaur. 112 Hilferding’s Reise ein und brachten Caffee und Pfeifen. Mit einigem Entsetzen und Ekel betrachteten wir das Gemach. „Das ist ein sehr schöner Konak (Hof),*“ sagte der oberste Zolleinnehmer, „aber weiterhin —!!“ Nun, die Her- zegowina ist eine schöne Gegend, dachte ich. Uebrigens wagten die Zollbeamten es nicht, unsere Sachen zu berühren, und begegneten uns mit grofser Höflichkeit. Ihr Interesse, zum ersten Mal „Moscoviter* zu sehen, konnten sie nicht ganz verbergen. Ein Moscoviter erscheint dem muselmännischen Bosnjaken als ein schreckliches, mythisches We- sen. „Alle Gjaurs sind schlimm,“ sagen sie, „aber der schlimmste ist der Mosceoviter.* Wenn ein Muselmann auf die furchtbarste Weise seinen Hals gegen einen „Wlachen“ (Christen) ausdrücken will, so nennt er ihn einen Moscoviter. Selbst bei der christlichen Bevölke- rung niederen Standes in Bosnien und der Herzegowina ist das Wort „Moscoviter* die allgemeine Bezeichnung für alles Unbekannte und Barbarische geworden. Ein rechtgläubiger Landmann aus der Herze- gowina, der mich durchaus nicht beleidigen wollte, sondern mir im Gegentheil eine grolse Anhänglichkeit bewies, wünschte einst, als er zu mir von einem ihm sehr verhafsten Menschen sprach, diesem sei- nem Feinde von ganzer Seele, dafs sein Vater und seine Mutter hun- dert Moscovitern in die Hände fallen möchten. Aber während der Name Moseoviter bei der christlichen Bevölkerung seine bestimmte und ursprüngliche Bedeutung verloren hat, wird das Volk mehr und mehr mit den Namen „Russe“ und „Rufsland“ bekannt und gewöhnt sich daran, diese Namen mit Achtung auszusprechen. In der Türkei werden die Zolleinkünfte bekanntlich verpachtet. Das Zollhaus verändert alljährlich seinen Besitzer. Bosnien und die Herzegowina hat irgend eine Compagnie in Constantinopel gepachtet. Der General-Pächter oder die Compagnie verwaltet die Zollstätten ent- weder durch ihre Beamten, oder giebt sie an andere kleine Pächter aus. Dadurch fällt allerdings auch armen Leuten etwas zu. Aber von den Grenzzollstätten in der Türkei wird man nicht reich. Der Handel ist unbedeutend und geräth immer mehr in Verfall, in Folge der Verarmung des Volks und der beständigen Unruhen. Aufserdem gehört ein grofßser Theil der Waaren österreichischen Unterthanen oder wird unter ihrer Firma eingeführt, und von den Oesterreichern wagen die Zollbeamten nicht, zu viel zu nehmen. Vor einigen Jahren er- wirkte die österreichische Regierung eine Ermälsigung des Tarifs an der Grenze von Bosnien und der Herzegowina, — ich kann mich nicht mehr erinnern, für welche Gegenstände. Der neue Tarif war noch nicht publieirt und die Türken fuhren fort, den alten Zoll zu erheben. Da reichten die Oesterreicher eine Rechnung auf Schadenersatz ein, von Ragusa nach Mostar. 113 im Belaufe von mehr als 100,000 Gulden, und die türkischen Pächter sammt ihrer Regierung mulsten zahlen. ‘ Ich nahm auf der Zarina Abschied von den Freunden, die mich von Ragusa begleitet hatten, sagte den gastfreundlichen Zollbeamten Lebewohl, spornte mein Pferd und eilte über das Steingeröll den Grenz- hügel hinab. Es war mir beklommen ums Herz; in ein wildes, unbe- kanntes Land zu reisen, ist keine Kleinigkeit. Was wird mich dort erwarten? Aber gleichzeitig empfand ich auch eine gewisse Befriedi- gung. Endlich war ich nun in dem geheimnifsvollen Lande, das ich bisher nur durch Erzählungen von Personen kennen gelernt hatte, von denen nicht ein Einziger in das Land selbst vorgedrungen war. Schon lange hatte ich Bosnien umkreist, und überall hatte man mir darüber mit einem gewissen Schrecken geeprochen. Als ich in Syrmien war, in den Klöstern der Fruschka Gora, zeigten mir die Mönche die dunkeln Umrisse der bosnischen Berge. „Seid Ihr schon einmal dort gewesen?“ fragte ich sie. „Nie! Gott bewahre!*“ „Weshalb denn?* „Wie kann man nach Bosnien gehen! Da sind die Türken; das ist schrecklich.“ Nachdem ich auf Bosnien aus der Ferne von der nord- östlichen Seite einen Blick geworfen, reiste ich dann um die ganze Provinz fast bis zu ihrem südwestlichen Punkte herum und hatte, als ich in Ragusa mich aufhielt, zwei Monate lang die finstere Masse der Felsengebirge der Herzegowina beständig vor Augen. Auch dort hatte das türkische Land auf die Bewohner denselben Eindruck hervorge- bracht. Obgleich in Ragusa viele Familien (namentlich griechischen Glaubens) leben, die von den Bergen oder di sopra hierher übergesie- delt sind, — „oben“ ist bei den Bewohnern der dalmatischen Küste die gewöhnliche Bezeichnung des gebirgigen türkischen Gebietes — herrscht doch bei diesen Ansiedlern und ihren Nachkommen nicht die geringste Lust, ihr wildes Heimathland von Neuem zu besuchen. Sie sprechen über dasselbe mit eben solchem Grauen, wie die Bewohner Syrmiens. Nur einige Kaufleute, die ihrer Einkäufe wegen aus Bos- nien oder der Herzegowina nach Ragusa kommen, sind im Stande, über diese Gebiete bestimmtere Nachrichten zu geben; aber auch sie konnten bis jetzt das geheimnifsvolle Dunkel nicht verscheuchen, das den westlichen Theil des ottomanischen Reiches verhüllt. Auf unsere Fragen antworten sie nur: „das dort ist türkisches Gebiet, — da sind wilde Leute,“ — eine eben nicht tröstliche Antwort. ‘So befand ich mich nun endlich in der Türkei unter den „wilden Menschen“. Zunächst freilich war von Menschen überhaupt Nichts zu sehen, sondern nur Steine und Steine. Stunden lang ging es fort durch die trostloseste Gegend, immer über Felsen, bald auf Berge hinauf, bald am Fulse derselben, um finstere, zuweilen ganz kahle, zuweilen mit ma- Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 8 114 Hilferding’s Reise gerem Gestrüpp oder Epheu überzogene Gebirgsausläufer herum. Von einer Höhe erblickten wir zum letzten Mal ein Stückchen des Adria- tischen Meeres, einen Theil des Val di Breno, dann entzogen uns die Berge diesen erfreulichen Anbliek. Wir glaubten, dals wir kein menschliches Wesen antreffen würden und dafs wir in einer voll- kommenen Einöde reisten. Einem Europäer kann, selbst wenn er ein guter Reiter ist, wohl bange werden, wenn er auf diesem wege- losen Gebiet reisen muls; nirgends existirt ein Pfad; die Steinhaufen liegen hier schon von den Zeiten der Sündfluth; über dieselben oder auf Stufen, welche die Natur in den Felsen gebildet hat, steigt man bergauf, ebenso über Steinhaufen bergab, um dann wieder Steinhaufen vor sich zu sehen. Schlimm, wenn das Pferd straucheln sollte! Aber die hiesigen Pferde, kleine und unansehnliche Thiere, kennen ihre Schuldigkeit, sie wissen, dafs sie, wenn sie straucheln, nicht blofs den Reiter abwerfen, sondern selbst den Hals brechen. Mit aufserordent- licher Bebutsamkeit schreiten sie über die Steine fort, und jeder Fufs sucht sich bedächtig seinen besonderen Stützpunkt. Dadurch erhält der Gang des verständigen Thieres etwas sehr Ungleichmälsiges, ein Rucken und Schaukeln, an das man sich gewöhnen muls. Mir wurde von der schwankenden Bewegung fast schwindelig, wie von der See- krankheit. Die Lust, die Umgegend zu beobachten, stumpfte sich ab. Ich sah nur Berge auf Berge, Felsen auf Felsen, und hatte nicht die Entschlufskraft, den Bleistift vorzunehmen und ihre Namen zu notiren. Auch jetzt noch stellt sich mir das Land in der Erinnerung wie ein düsteres, monotones Felsenchaos dar. Nur selten kamen wir an einem kleinen Felde vorüber, das irgend einem Muselmann in Trebinje ge- hörte, und das er durch seine Kmeten (Pächter oder Hintersassen), meistens Christen, bearbeiten läfst; diese wohnen in kleinen Dörfehen, die zwischen den Städten zerstreut liegen. Vom Wege aus bekamen wir solche Dörfer nicht zu sehen; sie liegen versteckt in schwer zu- gänglichen Gegenden, wie fast überall in der Herzegowina. Unter „Feld“ darf man sich äber nicht dasjenige vorstellen, was wir dar- unter verstehen. Man mufls sich am Abhange des Berges oder zwi- schen zwei Bergen einen Flächenraum von 10 bis 20 Ruthen Länge und Breite denken, den der Landmann mit grofser Mühe von Roll- steinen gereinigt und mit diesen zusammengehäuften Steinen wie mit einer Mauer eingefalst hat: ein solcher Platz wird in diesem Theile der Herzegowina ein Feld genannt. Jetzt liegen diese Felder, die den Landleuten so viel Mühe verursacht haben, wüst. Viele von ihnen sind aufgegeben und mit Gesträuch und Unkraut bewachsen. „Weshalb werden die Felder nicht bestellt?“ fragte ich und zeigte auf verödetes Ackerland. „Der Agha (der moslemitische Gutsbesitzer),“ lautete die von Ragusa nach Mostar. 115 Antwort, „ist sehr böse, er plündert und schlägt die Kmeten, und Kei- ner mag bei ihm leben.“ Nach einem Ritt von 4 oder 5 Stunden durch diese trostlose Ge- gend machten die Gebirgszüge einem steinigen, stark wellenförmigen Plateau Platz, welches uns nicht mehr zu dem unaufhörlichen Auf- und Absteigen nöthigte, das uns daran nicht gewöhnte Reisende schwin- delig machte. Das ganze Terrain war mit Gesträuch und niedrigem Walde bestanden, der eine ziemlich bedeutende Fläche bedeckte, so dafs dieser ganze Distriet den Namen Schuma (das serbische Wort für Wald) erhalten hat. Nach einer Stunde verschwand das Gestein plötz- lieh und wir kamen in einen schönen Eichenwald. Mit welchem Ver- gnügen ritten wir auf dem ebenen, angenehmen Wege vorwärts! Die- ser Wald gehört dem Kloster Dushi. Dort erwartete man uns. Bei dem Eintritt in das Klostergebiet fielen uns zwei Blätter Papier auf, die an Bäumen zu beiden Seiten des Weges aufgehängt waren. Mein Reisegefährte rifs eines von beiden ab und las — eine hübsche poe- tische Bewillkommnung der ersten russischen Reisenden, welche die Schwelle der Herzegowina überschritten hatten, in serbischer Sprache. Bald darauf bewillkommnete uns mit dem serbischen Grufs „dobro doschli* ein Mönch, der uns entgegen gekommen war, Heutiges Ta- ges ist leider der schöne Eichenwald von den Türken abgehauen, die gastfreundlichen und verständigen Mönche von Dushi sind zerstreut, das Kloster ist in eine Kaserne verwandelt. Im December des vori- gen Jahres brach in der Schuma und Umgegend ein Aufstand der unglücklichen Christen aus; sie hielten sich eine Zeit lang im Kloster, dann wurde es von den Türken genommen und als: Sammelplatz für ihre Reserven benutzt. Armes Kloster! Arbeitsamere, eifrigere, für die Aufklärung des Volkes thätigere Mönche gab es in ganz Bosnien nicht! Ich war noch so glücklich, das Kloster vor seiner Zerstörung zu sehen. Das Kloster liegt mitten in dem oben erwähnten Eichenwalde und ist mit einer niedrigen Mauer umgeben. Die Wohngebäude erschei- nen einem Europäer als höchst elend, sind aber für die Herzegowina prachtvoll. Es giebt im Kloster Tische und Stühle, Gabeln und Mes- ser, — was den europäischen Einfluls verräth; aber die Brüderschaft zieht es vor, sich auf die Teppiche zu setzen, mit denen die Fulsbö- den bedeckt sind. Beim ersten Blick fielen uns vornehmlich die aus- serordentlich kleinen Fenster und Thüren auf; man mulste sich sehr bücken, wenn man in eine Zelle treten wollte. Das rührt von der „Türkenfurcht“ her: in grofsen Fenstern und Thüren erblicken die Türken einen Beweis des Hochmuths und des Unabhängigkeitssinnes des Hausherren, und deshalb müssen die Christen auf diese Annehm- 8* 116 Hilferding’s Reise lichkeit verzichten. Sie sind an niedrige Thüren auch so gewöhnt, dafs sie immer, auch da, wo es nicht nöthig ist, sich unwillkürlich bücken, wenn sie über die Schwelle eines Zimmers treten. Die Kirche in Dushi ist grofs, ziemlich hoch und aus gutem weilsen Stein erbaut. Früher hatte das Kloster nur eine kleine dunkle Kirche. Mehrere Jahrzehnte häufte ein ehrwürdiger Mönch, der Igumen Eustathii, Geld zusammen, sammelte Almosen in der ganzen Herzegowina, und griff endlich im Jahre 1855 das grolse Werk an, für das er sein ganzes Leben hindurch gearbeitet hatte, — den Umbau der Kirche. Sobald Mauern und Dach fertig waren und zur Abscheidung des Altars von der Kirche ein hölzernes Gitter errichtet war, wurde die Kirche ein- geweiht und Mariä Himmelfahrt gewidmet. Aber zur Fortsetzung des inneren Ausbaues fehlten die Mittel; der Igumen hatte in Belgrad einen Maler engagirt, der zwei Altarbilder malte, — allerdings keine Kunst- werke, aber doch bessere Bilder, als sie sonst in der Herzegowina vorkommen, wenn wir von den älteren, aus der Zeit der serbischen Könige herrührenden Bildern absehen; mit Ausnahme dieser beiden Bilder ist die Kirche im Innern ganz kahl und macht den traurigen Eindruck der Armuth und Verwaistheit. Wie wird sie aussehen, wenn sie aus den Händen der türkischen Garnison herauskommt! Ich ver- gals über das Aeufsere der Kirche zu sprechen: es ist ein ziemlich hoher Bau, mit niedrigem Dach, ohne Kuppel, wie alle Kirchen, die in neuerer Zeit auf diesen türkischen Gebieten erbaut sind. Neben der Kirche hängt auf einer langen Stange die kleine Glocke, die sich aus alter Zeit im Kloster Dushi erhalten hat. Auch die Türken haben sich so an sie gewöhnt, dals sie, wie oft sie auch daran ein Aerger- nils nahmen, doch bis jetzt nicht gewagt haben, sie zu berühren; frei- lich ist sie erst neuerdings aus der Kirche, wo sie früher aufbewahrt wurde, ins Freie gebracht. Im unteren Umfange ist sie nicht viel grölser als eine gewöhnliche Mütze, und doch ist sie die gröfseste Glocke in der Herzegowina, und aufser ihr darf sich keine andere in der ganzen Provinz im Freien sehen lassen. Bisweilen wagen es die Mönche, leise mit dieser Glocke zu läuten! — Handschriften sind im Kloster nicht viel zu finden, und diese wenigen sind neueren Ursprungs und beziehen sich auf den Gottesdienst. Historisches Interesse hat nur ein Fragment des Lebens des Heiligen Petki, das von Euthimii, dem Patriarchen von Ternow, verfalst ist; das Fragment ist von bulgari- scher Redaction und die Abschrift ist wahrscheinlich bald nach den Zeiten des Verfassers verfertigt. Dushi besitzt auch ein prächtiges, mit schön gemalten Titelbuchstaben ausgestattetes Pergament-Exem- plar einer alten serbischen Ausgabe von — wenn ich mich recht er- innere, Boshidarow’s Oktoich. von Ragusa nach Mostar. 117 Der Eindruck, den das Kloster Dushi auf uns hervorbrachte, war ein sehr angenehmer. Wir fanden dort Hoffnung auf die Zukunft, Thätigkeit, Liebe zum Volk und Sorge für seine Aufklärung. Der Igu- men, ein guter und heiterer Greis, hatte sein ganzes Leben lang un- ermüdlich gearbeitet. Er selbst hatte keine wissenschaftliche Bildung genossen, aber er wulste ihren Werth zu schätzen, und hatte zwei junge Leute, Seraphim und Nikiphor, die von Kindheit an im Kloster auf- gewachsen waren, zu ihrer Ausbildung in das Seminar nach Belgrad geschickt. Nach ihrer Rückkehr eröffneten diese Mönche im Kloster eine Elementarschule, in welcher zur Zeit unseres Besuches acht Kna- ben unterrichtet wurden, — allerdings eine geringe Zahl, aber eine grölsere darf man bier nicht erwarten. Die Dörfer der Umgegend und die Stadt Trebinje sind vom Kloster zu weit entfernt, als dals die Kinder täglich die Schule besuchen könnten; sie mülsten dazu im Kloster selbst leben; aber die Eltern, die sich selbst nur mit Noth nähren können, sind nicht in der Lage, für ihren Unterhalt Geld zu geben, und die Mittel des Klosters sind ebenfalls so beschränkt, dafs es eine.beträchtlichere Anzahl von Kindern nicht unterhalten kann. Die Bevölkerung der Umgegend von Dushi ist in der That sehr arm, aber . sie ist die beste, kräftigste und thätigste in der ganzen Herzegowina. Sie dürstet nach Bildung und ist mit Fähigkeiten reich ausgestattet: es ist bemerkenswerth, dafs von den Christen, die sich in Bosnien und der Herzegowina durch eine besondere Thätigkeit im Handel oder durch ihre Neigung zu geistigen Arbeiten ausgezeichnet haben, ein grolser Theil aus dem Kreise von Trebinje hervorgegangen ist. Zu welcher Entwiekelung würde das Volk gelangen, wenn man ihm irgend ein Mittel darbieten möchte, die Anfangsgründe der Bildung sich anzu- eignen! In Dushi wohnte ich zum ersten Mal auf türkischem Gebiet einem griechischen Gottesdienst bei, und kann sagen, dafs das Gefühl, mit dem ich aus der Kirche trat, ein erfreuliches war. Der Grund lag wohl hauptsächlich darin, dafs ich direct aus Oesterreich nach der Türkei kam. In Oesterreich wird man selbst in einer griechischen Kirche beständig daran erinnert, dafs auch die rechtgläubige Kirche in den Händen der Regierung liegt, und das ist ein niederdrückendes Gefühl. In der Türkei erinnert uns, sobald wir eine griechische Kirche betreten, nichts daran, dafs wir uns unter einem fremden und anders- gläubigen Volk befinden; wir spüren das innere Leben und die Kraft der Kirche, einer zwar gedrückten, aber durch ihr inneres Leben ge- kräftigten Gemeinde. Als ich mich in der Kirche von Dushi befand, die Gebete anhörend und den Gottesdienst wie bei uns, umgeben von einer Schaar einfacher Landleute in ihrer seltsamen Kleidung, mit ihren 118 Hilferding’s Reise geschorenen Köpfen, die rothen Turbane in den Händen, mit dem düsteren Gesichtsausdruck, — umgeben von diesen Leuten, die auf mich, den Fremden, wie auf einen Landsmann sahen, lediglich des- halb, weil sie in mir einen Glaubensgenossen erbliekten, da fragte ich unwillkürlich mich selbst: durch welche Kraft wurde dieses Volk, in einem entfernten, unbekannten Winkel der Herzegowina, festgehalten in der Gemeinschaft der rechtgläubigen Kirche, inmitten der Rohheit, Verfolgung und Verführung? That es die Hierarchie? Sie hat keine Macht in dieser entlegenen Gegend. That es die heimische Geistlich- keit? Sie ist so wenig gebildet, dafs es ein Leichtes wäre, sie selbst in die Netze der Irrlehren zu verstricken. Was kann hier sonst die Aufrechterhaltung des Glaubens und der kirchlichen Einheit verbürgt haben, als die innere Kraft christlicher Liebe, die im Volke selbst le- bendig ist? Dieses Gefühl werden die Russen, die in der Herzego- wina reisen, besonders würdigen können. Es ist mir nicht möglich, die Zuneigung zu beschreiben, mit der diese einfachen Bauern uns be- trachteten. Aus weit entlegenen Orten waren sie herbeigeströmt, die Russen zu sehen. Zog sie ein Gefühl der Neugier herbei, wie das- jenige, mit dem die Muhammedaner uns ansehen? Nichts der Art lag in dem Ausdruck ihres Gesichts und in ihren Reden. Erwarteten sie von uns irgend einen Vortheil? Eben so wenig. Wollten sie uns von ihren Leiden erzählen? Nur sehr selten war es der Fall; im Gegen- theil, es kostete meist Mühe und Zeit, von ihnen einen Bericht über ihre Lage zu erhalten. Oder leitete sie eine egoistische Erwägung: die Hoffnung, die Aufmerksamkeit Rufslands auf sich zu lenken? Auch das war nicht der Fall: von Rufsland hatten sie nur den dürftigsten Begriff, von politischen Beziehungen gar keinen. Ihr ganzes politi- sches Wissen beschränkte sich darauf, dafs irgendwo weit im Norden ein rechtgläubiger Zar wohne, der für das ganze rechtgläubige Volk sorge. Es war nur die Liebe zu ihren Glaubensbrüdern, die sie hier- her geführt hatte. Nachdem wir in Dushi übernachtet hatten, brachen wir am fol- genden Tage Mittags nach Trebinje auf. Die Entfernung ist nicht be- trächtlich, — anderthalb oder zwei Stunden Weges. Anfangs ritten wir in einem sehr hohen Thal, zwischen Feldern und Weinbergen, dann stiegen wir zum Flusse Trebinschiza ') herab. Dieser Fluls, der etwa so breit ist wie die Moskwa, fliefst aufserordentlich schnell, „aus einer Grube in die andere,“ wie das Volk sich ausdrückt, d. h. !) Der Verfasser schreibt den Namen Trebischniza, bemerkt aber später, dafs der Flufs auch — wahrscheinlich richtiger — Trebinschiza oder Trebinschtiza ge- nannt wird. von Ragusa nach Mostar. 119 er entspringt aus einer Höhle (in Biletscha) nicht weit von Grahowo, und verschwindet unter der Erde in einer anderen Höhle am Ende der Ebene von Popowo, bei dem Kirchdorf Utowo. Dergleichen un- ter der Erde verschwindende Flüsse sind in der Herzegowina nicht selten; sie treflen bei ihrem Lauf auf felsige Gebirgszüge und flies- sen unter ihnen fort. Viele erscheinen auf der anderen Seite des Gebirges wieder an der Oberfläche. Das Volk versichert, dafs die Ombla, die plötzlich als ein breiter Bach am Fufse eines Berges in der Nähe von Ragusa hervorbricht, und dann nach einem Lauf von 3'Werst sich ins Meer ergiefst, nicht anderes als die Trebinschiza ist. Ich kenne den geologischen Bau dieses Gebietes nicht genau genug und kann nicht darüber urtheilen, ob die Volksmeinung begründet ist. — Wir trafen hin und wieder Gruppen von Häuschen, die den stolzen Namen Kirchdörfer führen; einige von ihnen standen auf klösterlichem Gebiet, andere auf türkischem Boden. In einen dieser „Kircehdörfer“, in Drashindol, lernten wir das kennen, was in der Her- zegowina eine Landkirche genannt wird. Es ist dieses ein steinernes Kämmerchen, so klein, dafs man es ohne Mühe in dem gewöhnlichen Wohnzimmer irgend eines beliebigen Hauses unterbringen könnte. Ein kahler Bretterverschlag vertritt die Stelle des Ikonostases; von einer kaiserlichen Pforte ist keine Rede; eine kahle Steinfliese auf einem kleinen Pfahl dient als Altar. In der Kirche sieht man weder Kreuze, noch Bilder, noch Bücher, noch Verzierungen; alles dieses wird in den Bauerstuben bei benachbarten Landleuten aufbewahrt und von ihnen ‚an dem Tage, an welchem Gottesdienst stattfinden soll, in die Kirche ‚gebracht; wenn etwas davon in der Kirche zurückbliebe, würden die Türken es unfehlbar fortnehmen; erst in den letzten Jahren haben sie die Erlaubnifs ertheilt, die Kirchen zu verschliefsen; früher mufsten diese immer offen stehen, und es kam nicht selten vor, dafs die Christen, wenn sie sich zum Gottesdienst in die Kirche begaben, dieselbe voll von Schmutz fanden. Solcher kleinen Landkirchen giebt es in dem südwestlichen Theile der Herzegowina sehr viele. Wie es scheint, ‚sind sie fast alle in der ersten Zeit der Türkenherrschaft erbaut, und trotz aller ihrer Unschönheit und Aermlichkeit legen sie doch ein Zeug- nils ab für den kirchlichen Eifer der Christen von Trebinje. In Bos- nien und in der nordwestlichen Herzegowina kommen sie fast gar nicht vor. Viele von diesen Kirchen sind vor nicht langer Zeit von den Türken zerstört worden; in anderen wurde der Altar umgestürzt. Bei denen, in welchen noch Gottesdienst gehalten wird, oder, wie die Serben sich ausdrücken, bei den Kirchen, „welche singen“, sind keine besonderen Geistlichen; sie sind vollständig der Fürsorge des Land- volks anheimgestellt. Und da ein gro/ser Theil des letzteren so arm 120 Hilferding’s Reise ist, dafs er sich damit nicht befassen kann, obgleich dies gerade nicht viel Zeit beanspruchen würde, sind alle Sorgen für die Kirche ge- wöhnlich auf die Schultern eines Einzelnen gewälzt, der für wohlha- bend gilt, und dieser nimmt sie auf sich „für das Heil seiner Seele“; ich sah in Dushi einen solchen Landmann, der für nicht weniger als vier Kirchen zu sorgen hatte. Zu den grolsen Festen, vier bis sechs Mal im Jahr, reisen die Mönche aus einem der benachbarten Klöster, aus Dushi, Sawala im Wolost Popowo und aus Dobritschew im Wolost Sarjatscha der Reihe nach zu diesen Kirchen. Wenn sie nicht aus dem Kloster das Evangelium, das Mefsbuch und die anderen nothwendigen Bücher mit- nehmen, müssen sie den Gottesdienst nach irgend einem abgerissenen Fragment einer Handschrift aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, oder nach alten serbischen Drucken abhalten, die bei den Landleuten sich erhalten haben. Aber auch dieser Gottesdienst, der nur vier bis sechs Mal im Jahr stattfindet, ist für das Volk eine wahre Wohlthat. Die Christen in Trebinje haben dadurch Gelegenheit, wenigstens dann und wann das Wort Gottes zu hören, was ihnen nicht möglich wäre, wenn nur in den Klöstern Gottesdienst gehalten würde; bei der schlechten Beschaffenheit der Gebirgswege und der Armuth der Christen, die ver- hungern würden, wenn sie auf ein paar Tage ihre Arbeiten aussetzen wollten, können die Klöster nur von wenig Personen besucht werden. Der wohlthätige Einflufs dieser ärmlichen Kirchen macht sich an der christlichen Bevölkerung von Trebinje recht bemerklich; sie ist ‚ge- neigt, Etwas zu lernen, und zeichnet sich durch geistige Regsamkeit und religiösen Sinn sehr vor den Bewohnern Bosniens und der nord- westlichen Herzegowina aus, wo der Bauer oft alt wird und stirbt, ohne einer kirchliche Feier beigewohnt zu haben !). — !) Der Verfasser führt die in dem Kreise Trebinje vorhandenen Landkirchen namentlich auf und legt seinen Glaubensgenossen an’s Herz, ihnen durch Geschenke zu Hilfe zu kommen. Näch diesem Verzeichnils befinden sich 1) im Wolost Trebinje (294 griechische, 356 muhamedanische Familien) 9 Kirchen; 2) im Wolost Schuma (192 griechische, 19 muhamedanische, 4 katholische Familien) 7 Kirchen; 3) im Wolost Trjetiza (32 griech., 16 muhamed. Familien) 1 Kirche; 4) im Wolost Powrsch (85 griech, 1 muhamed. Familie) 4 Kirchen; 5) im Wolost Subzy (185 'griech., keine muhamed. Familie) 4 Kirchen; 6) im Wolost Dratschewiza (90 griech., keine muhamed. Familie) 5 Kirchen; 7) im Wolost Kruschewiza (90 griech., keine mu- hamed. Familie) 1 Kirche; 8) im Wolost Korenitschi (72 griech., 160 muhamed. Familien) 4 Kirchen, jetzt zerstört; 9) im Wolost Sarjatscha (93 griech., 23 mu- hamed. Familien) 3 Kirchen; 10) im Wolost Ljubomir (102 griech., keine muha- med. Familie) 3 Kirchen; 11) im Wolost Trebichowy (52 griech., 13 muhamed. Familien) 1 Kirche; 12) im Wolost Sagora (35 griech., keine muhamed. Familie) 1 Kirche; 13) im Wolost Ljubinje (163° griech., 170 muhamed. Familien) 1 Kirche; 14) im Wolost Bobane (104 griech., 26 kathol., keine muhamed. Familie) 1 Kir- che; 15) im Wolost Popowo (250 griech., 113 kathol., 14 muhamed. Familien) 13 Kirchen. — Darnach würde sich die Bevölkerung im Kreise Trebinje belaufen auf von Ragusa nach Mostar. 121 Wir fuhren über die Trebinschiza auf einem ganz primitiven, brei- ten Kahn hinüber; zuerst wurden wir, dann die Pferde übergesetzt. Der Weg war ganz abscheulich, aber plötzlich zeigte sich zu unserer grolsen Ueberraschung eine Strecke weit ein ganz ordentlicher Damm- weg. Ich erkundigte mich nach dem Ursprung dieses Mirakels und erhielt die naive Antwort, der Weg sei früher so schlecht gewesen, dafs ein Türke hier einmal den Hals gebrochen habe; darauf hätten seine Söhne, in Folge eines Gelübdes, den Weg gepflastert. Seltsam war es freilich, dafs an manchen Stellen quer über den Weg geflis- sentlich Steinreihen gelegt waren, so dafs man auch jetzt noch stol- pern und den Hals brechen konnte. Je mehr wir uns Trebinje näher- ten, desto besser wurde der Weg. Vor der Stadt fanden wir an vie- len Punkten Gruppen von Christen, die hinausgekommen waren, uns zu sehen. Bei unserem Einzuge in die Stadt kam uns der Mudir von Trebinje, Hadshi-Beg Ressulbegowitsch, der höchste Beamte des Krei- ses, auf einem prächtigen Araber entgegen geritten, begleitet von einer zahlreichen, aber sehr zerlumpten Suite, und wies uns seine Sommer- wohnung zum Quartier an. Ich will ein türkisches Haus nicht weit- läuftig beschreiben. Es besteht bekanntlich stets aus zwei vollständig von einander gesonderten Theilen, einem für die Männer und einem für die Weiber. Zu dem ersteren gehört gewöhnlich ein kahles, schmutziges Vorzimmer und ein mit einem Teppich belegter Saal mit einer an drei Wänden fortlaufenden Erhöhung (meist + Arschin hoch), die aus Brettern zusammengezimmert und mit Polstern belegt ist, auf welche man sich niederläfst; längs der vierten Wand, an der sich der Eingang befindet, ist ein ziemlich breiter Bretterverschlag angebracht, ‚der nicht ganz bis an die Decke reicht und in dem sich Schränke für die Kaffeekannen und Tassen, manchmal sogar Badeschränke und an- dere wirthschaftliche Einrichtungen befinden. Dieser Verschlag läuft von einer Wand zur andern und ist vor der Thür durch einen Bogen- gang durchbrochen. Hierin besteht die eine unumgängliche Eigenthüm- lichkeit eines türkischen Saales; die zweite ist die, dafs die Decke mit hellfarbigen Streifen, mit gelben, grünen, rothen u. s. f., bemalt sein mufs, wenn der Saal auf Eleganz Anspruch machen will. Türkische Zimmer haben immer nur eine Thür; eine innere Verbindung zwischen ihnen existirt nicht; die Thüren führen entweder auf -eine Gallerie, welche das obere Stockwerk des Hauses auf der Seite des Hofes um- giebt, oder auf Corridore. Wie der Saal, so sind auch die anderen Zimmer eingerichtet, nur dafs sie kleiner, die Teppiche schlechter und 1839 griechische, 143 katholische und 772 muhamedanische Familien oder „Häuser*, wie der Verf. sich ausdrückt. 122 Hilferding’s Reise schmutziger sind und dafs die Decke nicht bemalt ist. Die christlichen Häuser in den Städten sind auf dieselbe Weise gebaut. Der Mudir von Trebinje, Hadshi-Beg Ressulbegowitsch, ist ein merkwürdiger und in der ganzen Herzegowina bekannter Mann. Er stammt aus einem der ersten Geschlechter des einheimischen muhame- danischen Adels und ist neben Hansi-Beg Riswanbegowitsch, dem Mu- dir von Stolaz, der einzige Nachkomme derjenigen alten Aristokraten, welche früher die erbliche Regierung über alle Kreise Bosniens und der Herzegowina ausübten. Nach Unterdrückung des Aufstandes der Muhamedaner in Bosnien und der Herzegowina im Jahre 1851 ver- nichtete die türkische Regierung bekanntlich die Macht dieser Aristo- kratie, und machte an Stelle der erblichen einheimischen Regenten Beamte aus Stambul zu Kreisobersten. Hadshi-Beg in Trebinje und Hansi-Beg in Stolaz wufsten sich jedoch mit der neuen Ordnung der Dinge auszusöhnen und blieben als Regierungsbeamte in dem Lande, in welchem ihre Väter und Grofsväter wie halb unabhängige mittel- alterliche Barone geschaltet hatten. Hansi-Beg entschlofs sich sogar, die den slawischen Muhamedanern sehr verhafste Uniform anzuziehen; der Mudir von Trebinje blieb bei dem althergebrachten Turban und dem langschöfsigen Kaftan, — kraft seiner Eigenschaft als Gelehrter, als „Ulema“, denn er war nach Mekka gereist, hatte den Koran aus- wendig gelernt, und galt für einen so grolsen Weisen, dafs in der gan- zen Herzegowina nicht Seinesgleichen zu finden sei. In diesen beiden Herren konnte ich zwei bemerkenswerthe Typen der früheren muha- medanischen Aristokratie in der Herzegowina kennen lernen; der Mu- dir von Stolaz repräsentirt, bei aller Rohheit, ihre edle Seite, ihre Bravheit, Aufrichtigkeit und Gutherzigkeit — die zu Zeiten übrigens die Grausamkeit nicht ausschliefst —; der Mudir von Trebinje ist das Spiegelbild ihres Fanatismus und ihrer systematischen Härte. Seine Gesichtszüge sind hart und abstofsend. Er empfing uns jedoch mit grolser Höflichkeit und angenehmen Redensarten, sprach von seiner Unparteilichkeit in Bezug auf die Christen, die „Wlachen“, wie die slawischen Muhamedaner ihre christlichen Unterthanen nennen, und er- zählte uns von seiner Freundschaft zu den Mönchen von Dushi. Später erfuhren wir, dafs die Christen im Kreise Trebinje ihn einstimmig den blutdürstigen Tyrannen nennen; dafs er ein vollständiges Erpressungs- system in seinem Kreise organisirt hat; dafs er durch die Autorität seiner amtlichen Stellung die schändlichsten Grausamkeiten der muha- medanischen Gutsbesitzer bemäntelt und auch nicht eine einzige Klage der Christen an den Pascha oder an die Regierung gelangen lälst; dafs er, wenn ja Jemand ihm vorbeigegangen ist und sich nach Mostar ge- wandt hat, es versteht, unter dem Vorwande, an Ort und Stelle Re- von Ragusa nach Mostar. 123 cherchen anstellen zu müssen, jede Sache todt zu machen; dafs er sogar die Muhamedaner zum Fanatismus gegen die Christen und zu Verfolgungen anstachelt. Dieser Hadshi-Beg hat endlich die Christen so weit getrieben, dals sie im letzten December beschlossen, sich zu versammeln, um einstimmig die Regierung um Schutz zu ersuchen; dann gab er den Muhamedanern von Trebinje ein Zeichen, plötzlich über die versammelten Christen herzufallen, und wurde so der eigent- liche Urheber des Aufstandes, der dieses unglückliche Land verödet und mit Asche und Blut bedeckt hat. Man sagt, dafs die türkische Regierung endlich beschlossen hat, diesen Fanatiker abzusetzen. Aber wenn sie ihn niebt aus Trebinje entfernt, wird den Christen keine Er- leichterung zu Theil werden; denn auch ohne Amt wird er in Folge seiner aristokratischen Stellung und seines Reichthums das Haupt der Muhamedaner im ganzen Kreise von Trebinje bleiben. Auch über die charakteristische Gesellschaft, die wir im Hause Hadshi-Beg’s fanden, mufs ich ein paar Worte sagen. Da war der Mudir von Ssutorino, einer kleinen Festung in dem schmalen Streifen türkischen Gebietes, der sich wie ein Keil in das Oesterreichische hin- eindrängt und bis an den Meerbusen von Cattaro reicht, — der Mudir won Ssutorino, ein türkischer Beamter, der sich im Hause Hadshi-Beg’s auf den einzigen hier vorhandenen Stuhl niedersetzen mufste und seine Unterredung mit uns durch die Erklärung eröffnete, dafs er nicht mit den Fingern esse, sondern in Ssutorino Gabeln besitze, — ein Erz- feigling, der bei der ersten Nachricht von dem Aufstande der Christen in der Herzegowina seine Festung im Stich liefs und nach Montenegro flüchtete, weil er sich nur unter dem Schutz des montenegrinischen Fürsten vor den Verfolgungen der Rajah sicher glaubte. Dann war dort ein finsterer, schweigsamer, gelber Albanese mit einer Adlernase und Falkenaugen, ein Bimbaschi (Major) der Baschi Bosuk, der Tos- ker, die an der Grenze der Tschernagora ihre Posten haben; er fuhr nur einmal, wie auf ein Zauberwort, aus seiner Apathie auf, als ich im Gespräch den Namen der Ghegen nannte. „Die Ghegen!“ brach er los, „das gemeinste Gesindel unter der Sonne! kein Hirn im Kopf, keinen Glauben und keine Treue im Herzen. denken sie nur daran, wie sie Menschen morden und plündern können!“ Es wird Manchen vielleicht nicht bekannt sein, dafs die Albanesen in zwei Stämme zerfallen, in die Ghegen im Norden und die Tosker im Süden, die etwas verschiedene Dialecte sprechen; und aus dem Ausruf meines Bimbaschi kann man entnehmen, wie sehr die Tosker die Ghegen lie- ben; spricht man aber zu einem Ghegen über die Tosker, so kann man über die letzteren genau dasselbe freundschaftliche Urtheil ver- nehmen. Die anderen Personen in unserer Gesellschaft will ich über- 124 Hilferding’s Reise gehen; um uns zu sehen, hatten sich so viele versammelt, dafs auf dem Diwan an allen drei Wänden auch nicht ein Plätzchen frei blieb und wir in undurchdringliche Tabackswolken eingehüllt wurden. Im Saale herrschte eine fortwährende Bewegung; alle Augenblicke trat ein Türke ein, entbot dem Hausherrn seinen Grufs, wobei er die Hand auf Brust, Mund und Stirn legt, warf die Pantoffeln ab, setzte sich mit unterge- schlagenen Beinen auf den Diwan, erneuerte dann seinen Grufs jedem einzelnen Mitgliede der Gesellschaft, richtete eine Fluth unbedeutender Fragen an uns und rauchte dann in einem nur selten durch neue Fra- gen unterbrochenen Stillschweigen seine Pfeife. War er damit fertig, so verliefs er ohne jedes Abschiedseompliment das Zimmer und über- liefs seinen Platz auf dem Diwan neuen Gästen. Drei Stunden lang im Tabacksqualm zu sitzen, sich wie eine Rarität angaffen zu lassen, und auf einen Schwall der dümmsten Fragen fortwährend zu antwor- ten, — das ist für Jeden, der an solche Strapazen nicht gewöhnt ist, eine unangenehme Sache; mein Reisegefährte wurde ganz nerven- schwach, während ich zu meiner eigenen Ueberraschung etwas von der stoischen Kaltblütigkeit an den Tag legte, durch die sich die Bewohner der Käfige in einer Menagerie auszuzeichnen pflegen. Endlich hatte der Wirth den glücklichen Einfall, der Vorstellung ein Ende zu machen; er zog sich zurück, und dieses war das Zeichen zum Essen: die Tür- ken halten es nicht für höflich, an dem Mittags- oder Abendessen ihres Gastes Theil zu nehmen, und wenn sie es dennoch einmal thun, so vergessen sie nie, sich ihres unceremoniösen Wesens wegen zu ent- schuldigen. Zuerst wurde uns nun Wasser zum Waschen der Hände gebracht, dann legte man uns statt der Servietten ein langes gemein- sames Handtuch über die Knie, stellte ein niedriges, nur 4 Arschin hohes, sechseckiges Tischehen vor uns und setzte einen runden, zin- nernen Präsentirteller darauf, mit einer Schüssel Wassersuppe, mit Stücken eines flachen, lockern und — obgleich von Weizenmehl ge- backenen — doch grauen Brodes (pogatscha), nebst hölzernen Löffeln, wie sie bei unserem gemeinen Volke üblich sind; Teller gab es nicht, man mulste aus der Schüssel essen. Dann kam kleingehacktes und in Butter auf einer Pfanne gebratenes Rindfleisch, Mehlspeise, dann wieder Rindfleisch, das fein zerschnitten und am Spiefs gebraten war, Molken, und wieder Mehlspeise und Süfsigkeiten, und wieder etwas Süfses, und Hammelfleisch, und — der unvermeidliche Schlufs jeder türkischen Mahlzeit — Pilaw. — Trebinje selbst ist eine in der ganzen Herzegowina sehr ange- sehene Stadt. Sie wird schon vom Kaiser Constantin Porphyrogeneta im 10. Jahrhundert erwähnt und war einst die Hauptstadt eines be- sonderen serbischen Fürstenthums. Von Ferne erscheint sie wie eine von Ragusa nach Mostar. 125 lange Häuserreihe, die am Fufse des Berges Gliwa und am Rande der schönen, von der Trebinschiza bewässerten Ebene sich hinzieht; abge- sonderte Häusergruppen tragen besondere Namen und werden nicht zur Stadt gerechnet. Die Stadt im engeren Sinne hat nur 50 schmutzige, halbverfallene muhamedanische Häuser, denen überdiefs die graue Farbe des Bausteines, des einzigen Baumaterials in der Herzegowina, ein be- sonders trauriges Aussehen giebt. Sie ist von einer ebenfalls verfalle- nen Mauer und einem Graben umgeben; die Stralsen sind so eng, dals an vielen Stellen die Häuser oben zusammenstofsen. Aufserhalb der Stadtmauer ist eine schmutzige Tscharschija (Kaufhalle) erbaut, mit etwa 70 Läden, und dort, in der Vorstadt, wohnen auch einige christ- liche Kaufleute (im Ganzen 5 Familien) und 20 Zigeunerfamilien, die zum Islam übergegangen sind. In den benachbarten Ansiedelungen leben ziemlich viel Christen; aber im Allgemeinen sind sie bei Trebinje doch weniger zahlreich vertreten als die Muhamedaner. Die Stadt nebst ihrer Umgebung ist der Hauptsitz des Islam in der östlichen Herzego- wina. Weiter östlich dagegen beginnt ein Gebiet, wo ausschliefslich griechische Christen ohne jede fremde Beimischung leben: die Bewohner von Subtscha, Kruschewiza, Dratschewiza, Ljubomir sind ein frisches, herzhaftes, kriegerisches Volk, das die Muhamedaner bisher von seinen Dörfern fern zu halten gewulfst hat. Von Trebinje reisten wir weiter nach Norden und Nordwesten. Bis Ljubinje rechnet man acht gute Stunden, d. h. man braucht, wenn man sich nicht sehr beeilt, wenigstens 10 Stunden. Auf dem abscheu- lichsten Wege muls man erst hoch auf den Berg Gliwa, und dann noch auf einen anderen, Klitschane, hinaufsteigen. Wendet man auf dem letzteren den Blick nach rückwärts, so belohnt allerdings die Rund- schau reichlich die Mühe des Hinaufsteigens auf diese bedeutende Höhe, auf der wir es selbst an einem warmen Maitage empfindlich kalt fan- den. Wenn dieser Punkt in Deutschland wäre, dachten wir, welch ein prächtiges Hötel Bellevue würden wir hier finden! Vor uns lagen die Bergketten, welche die Herzegowina von Dalmatien scheiden; rechts und links zeigten sich in der Ferne andere dunkelgraue Gebirgszüge, und zu unseren Fülsen die grüne Ebene von Trebinje, durch die sich wie ein blaues Band die Trebinschiza schlängelt, und rund um die Ebene herum niedrigere Berge, die von dieser Höhe wie Hügel aus- sahen und jenseits deren sich wieder andere Thäler zeigten. Unmittel- bar zu unseren Füfsen lag ein Ort mit einer grolsen Ruine, den Ueber- bleibseln des einst berühmten Klosters Twrdosch. Wir mufsten indefs von hier noch höher aufwärts steigen, wo uns die Unebenheiten des Bergabhanges bald den schönen Rückblick entzogen, und gelangten zu flachen Höhen, die sich vor uns auf dem Kamme des Klitschane er- 126 Hilferding’s Reise hoben. Es war dieses ein durchaus nicht anziehender Distriet, Namens Trebichowa; wir fanden dort nur Felsen, fast ganz unangebaute Thäler, eingefalst von felsigen Bergen, welche zur Linken eine ununter- brochene, wilde und unzugängliche Gebirgskette (Ssilewaz, weiterhin Radowina und Bjälasniza) bilden, die das reiche Thal Popowo vom Kreise Ljubinje trennt. In einem der Thäler am Fulse dieses Gebirgs- zuges sahen wir ein ärmliches Christendörfchen, Grbescha; am Wege fiel uns eine sonderbare Steinsäule auf, mit einem grob ausgehauenen Menschenkopf, ohne genauere Andeutung der Gesichtszüge, etwa nach Art der Baba’s, der Steinweiber, die über das südliche Rufsland so zahlreich zerstreut sind; noch mehr aber überraschte uns die Erzäh- lung unserer Begleiter, dafs sich eine ununterbrochene Reihe solcher Steinsäulen (oder diljägi, wie sie hier heilsen, d. i. Zeichen) von hier bis an’s Meer hinziehe und dafs sie von den Griechen aufgestellt seien, die hier in alten Zeiten gelebt hätten. Unsere Wanderung auf der Höhe hatte noch immer nicht ihr Ende erreicht. Wir mufsten wieder ansteigen und jenseits dieses neuen Höhen- zuges zeigte sich vor uns der Distriet Sagora, welcher ganz zu dem gleichnamigen christlichen Kirchdorf gehört, das wir im Thale er- blicken konnten. Auf dem Wege dorthin trafen wir nur eine Stroh- hütte, in der zur Sommerszeit die mit der Sorge für die Sicherheit des Weges beauftragten Panduren leben oder leben sollen. Da sie von unserer Reise in Kenntnils gesetzt waren, hatten sie sich vollzählig eingefunden. Hier verliefs uns unsere Leibgarde zu Fuls, die uns von Trebinje begleitet hatte, nachdem sie einen Bakschisch dankend in Empfang genommen, und sechs Panduren lösten sie ab. Das war eine bewundernswürdige Fürsorge für die Sicherheit des Reisenden! Zwei Panduren gingen zu Fufs und sprangen dicht vor unseren Pferden von Stein zu Stein; sie trugen ein geladenes Gewehr über der Schulter, dessen Lauf mit unglaublicher Hartnäckigkeit auf unsere Stirn ge- richtet war! Das war uns anfangs natürlich höchst unangenehm; wie — wenn das Gewehr bei einem ungeschiekten Sprunge losging? Aber in der türkischen Atmosphäre wird man bald wider Willen zum Fa- talisten. — Im Distriet Sagora kann der Archäolog wieder einiges In- teressante finden: an zwei Stellen, auf Hügeln, ist nämlich eine Anzahl grolser Steinplatten zerstreut, von denen einige auf dem Boden liegen, andere, die dickeren, aufrecht stehen. Inschriften konnten wir auf ihnen nicht entdecken. Unsere Begleiter erzählten uns, dafs dieses ein Kirch- hof ebenfalls der Griechen, der früheren Bewohner des Landes sei, und dals es in der ganzen Herzegowina, besonders aber auf der Ebene von Popowo eine Menge solcher Kirchhöfe gebe; und dort fänden sich auch Steine mit Inschriften. Die Tradition von den „Griechen“, als von Ragusa nach Mostar. 127 einem Volk, welches ursprünglich in der Herzegowina gelebt habe, als die Serben noch nicht bis hierher vorgedrungen waren und ihnen das Land noch nicht entrissen hatten, ist in diesem Kreise aufserordentlich lebendig; sie wurde mir fortwährend wiederholt, von Christen und Mu- hamedanern, in dem ganzen Landstrich, der an Dalmatien grenzt, in der Umgegend von Trebinje und von Mostar, und auch in den bosni- schen Nahien von Ljäwno und Glamotsch, die in physischer Beziehung eine natürliche Fortsetzung der Herzegowina bilden. Ueberall ist die Tradition dieselbe: genauere Angaben über diese alten Griechen und namentlich darüber, wohin sie gekommen sind, als die Serben vor- drangen, erhält man nicht; es wird nur erzählt, dafs sie Leute von hohem Wuchs und sehr stark waren. In den östlichen Theilen der "Herzegowina, die an Bosnien grenzen, und in Bosnien selbst (mit Aus- nahme der beiden erwähnten Nahien) hört man diese Traditionen nicht, und so viel mir bekannt, giebt es dort auch derartige Denkmäler nicht. Man sollte diese Ueberreste der alten Bewohner der westlichen Herze- gowina durchaus genauer erforschen, Ueberreste, die, wie es scheint, mit den Grenzen der alten dalmatischen Bevölkerung zusammenfallen, und man sollte namentlich Nachgrabungen an den Plätzen anstellen, die von dem Volk als Kirchhöfe bezeichnet werden. Auf dem Wege von Trebinje nach Mostar sahen wir Hunderte solcher Steinplatten und Steinsäulen; der Forscher, der sich vom Wege seitwärts entfernen will, wird sie zu Tausenden finden. Sie sind nicht sämmtlich ohne Bilder- werk; auf einigen bemerkten wir die rohen Umrisse von menschlichen Figuren, von Pferden, Pfeilen und andere phantastische Darstellungen. Im Distriet Usenowitschy bei Stolaz stehen am Wege zwei colossale, aus Einem Block gehauene Steinkreuze, die offenbar von viel jüngerer Arbeit sind als die Steinplatten und Steinsäulen, aber dennoch, wie es scheint, einer sehr alten Periode angehören und vom Volke ebenfalls den griechischen Urbewohnern zugeschrieben werden. Nach einem sehr anstrengenden Ritt stiegen wir endlich auf eine schöne, nicht schlecht angebaute Ebene hinab, und als wir am Fulse des Berges umbogen, erwartete uns ein feierlicher Empfang: der Mu- dir-Wekili (Stellvertreter des Kreisobersten) von Ljubinje war uns ent- gegengekommen, ein kräftig gebauter Mann, der sich in der schönen Tracht der hiesigen Muhamedaner recht schmuck ausnahm. Wir freu- ten uns über diesen Empfang als über ein Zeichen, dafs die Stadt nahe sei, hatten uns darin aber geirrt: erst nach anderthalb Stunden er- reichten wir das ersehnte Ljubinje. Ljubinje ist der elendeste Ort, den man sich vorstellen kann, aber es liegt, wie alle Städte in der Herzegowina, sehr schön am Fulse eines Berges und in der Mitte eines schmalen, ziemlich langen Thales, 128 Hilferding’s Reise dessen südöstliche Hälfte Krai-polje, mit dem gleichnamigen, in der Ferne sichtbaren christlichen Dorfe, und dessen nordwestliche Hälfte Konaz -polje heilst. In der Stadt selbst leben fast nur Muhamedaner; sie enthält 120 mubamedanische Häuser mit 987 Bewohnern, und nur 12 christliche mit 92 Bewohnern. Die ersteren, die aus demselben grauen Stein gebaut sind, wie alle Häuser in der Herzegowina, sind noch mehr verfallen wie die in Trebinje, und viele stehen ganz leer. Verlassen und verfallen ist auch der alte Thurm, die Burg der frühe- ren Begs von Ljubinje. Es ist erstaunlich, wie in Bosnien und der Herzegowina Alles, was Muhamedanern gehört, in Verfall gerathen ist. Sieht man irgend wo in einem Dorfe ein zusammensinkendes Haus, so kann man sicher sein, dals es einem Muhamedaner gehört. Der ver- lassene Khan, den man an einem Wege findet, ist sicher das Eigen- thum eines Muhamedaners. Fragt man, weshalb jener starke Thurm zerfällt, so hört man: ein Beg wohnte in ihm und hat ihn verfallen lassen. Fragt man: „was ist dies für ein Quartier in Stolaz, in Mo- star, in Wyssoko, in Foiniza, in Skopla, in Trawnik, in Jaiza, in Banjaluka, in Ljäwno, in Nowi Warosch, in Fotscha, in Tafslindsha, in Prjäpolje, — mit einem Wort, in einer beliebigen Stadt Bosniens und der Herzegowina, wohin man auch kommen mag, — fragt man: was ist das für ein Quartier, in dem so viel Häuser leer stehen, ohne Dächer, ohne Fenster und Thüren, mit zusammenstürzenden Mauern? so erhält man zur Antwort: Turka machala, es ist das muhamedanische Quartier. Und in den Städten, die ausschliefslich oder fast ausschliefs- lich von Muhamedanern bewohnt werden, wie Trebinje, Ljubinje, Gla- motsch, Rogatiza, Wyschegrad, Prjädor, Sjäniza, ist der Verfall allge- mein; die christlichen Ortschaften hingegen sind frei davon. — In Ljubinje leben die Christen unter starkem Druck; es war ihnen nicht einmal gestattet worden, uns entgegen zu kommen. Sie besuchen die Kirche in einem der benachbarten Dörfer, in Gradaz oder in Dubo- schiza. Der Mudir- Wekili von Ljubinje war durchaus nicht ein so gros- ser Herr und Aristokrat wie der Mudir von Trebinje. Allerdings war er Gutsbesitzer, aber er liefs sich doch herbei, in seinem „Konak* ein Gasthaus zu halten, in das er uns auch hineinführte. Uebrigens ver- sicherte er, dafs er nicht alle Reisende ohne Unterschied, sondern nur seine guten Freunde bei sich aufnehme. Als „guter Freund“ hielt es dann auch der Gastwirth, ein graubärtiger muhamedanischer Kaufmann, für seine Pflicht, an uns heranzutreten und uns durch seine Erkundi- gungen und seine Unterhaltung zu erquicken; und das Gespräch zog sich sehr lange hin, nicht eben zum Vergnügen ermüdeter Reisenden, die an Nichts als an Erholung dachten. Dafür lieferte es uns einige von Ragusa nach Mostar. 129 charakteristische Züge muhamedanischer Anschauungen. Der Wirth erzählte uns, dafs er früher des Handels wegen grofse Reisen gemacht. „Und jetzt reist Ihr nicht mehr?“ „Ja, nur hier in die Nachbarschaft, um nach dem Tschitluk (Besitzung) zu sehen, das wir dort gekauft haben; in weitere Gegenden reisen wir nicht; wir sind alt geworden, haben auch aufserdem eine groflse Familie* (die Muhamedaner haben das Wort Familie immer im Munde; als ein Fremdwort scheint es ihnen weniger anstölsig; oft bezeichnet es bei ihnen einfach „Frau*). „Ihre Familie ist also grofs?“ fragte ich ihn, um das Gespräch fort- zuspinnen. „Ja, ich habe drei Söhne und — mit Permission zu sa- gen — zwei Töchter.“ „Waren Sie bei Ihren früheren Reisen auch in Ssarajewo?* „Ja wohl, wir waren da.“ (Die Muhamedaner in Bosnien und in der Herzegowina sprechen von sich selbst immer in der Mehrzahl, die zweite Person aber reden sie mit „du“ an.) „Nun, wie gefällt Ihnen Ssarajewo?* „Das ist ein schöner, gesunder Ort, das Wasser ist dort gut.* „Waren Sie auch in Njämezkaja Sem]ja (Oesterreich)?*“ „Auch da sind wir gewesen, in Venedig.“ „Wie ge- fiel Ihnen Venedig?* „Es ist eine elende Stadt, das Wasser ist ab- scheulich.“ Wir sahen auch hier, die Muhamedaner urtheilen über eine Stadt nach der Qualität ihres Wassers, und diese Erfahrung haben wir tausendmal gemacht. Ueber Ljubinje habe ich nicht viel zu berichten und will den Leser auch nicht durch eine Beschreibung des Weges von dieser Stadt nach Stolaz ermüden, der einen Ritt. von 4 Stunden in Anspruch nimmt. Das Bild der Herzegowina bleibt dasselbe: rechts und links, vor uns und hinter uns sind kahle Felsenberge, die nur hier und da mit Ge- strüpp bewachsen sind, und auf deren Spitzen Hunderte von Adlern nisten; auf dem Wege selbst haben wir stets dasselbe Steingeröll. Es ist nicht zu verwundern, dafs eine solche Naturbeschaffenheit auch auf die Sprache nicht ohne Einflufs geblieben ist. Das Wort jächat z.B. existirt in unserem Sinne (fahren) bei allen Serben nicht, weil es bei ihnen keine Wege giebt und von Fahren nicht die Rede sein kann; jachati, jaschiti bedeutet bei ihnen „reiten“. Selbst das Wort itti (gehen) ist aus ihrer Sprache verschwunden, und wird ersetzt durch das Wort lasit (klettern), welches sie selbst da brauchen, wo von Klettern gar nicht die Rede ist, z. B. „der Wind klettert von Norden heran“ u. s. w. Die Stadt Stolez, oder nach serbischer Aussprache Stolaz, liegt in wundervoller Gegend, in dem engen Thal der Bregawa, die hier einen schönen Wasserfall bildet. Die Festung, die für die wichtigste Burg in der ganzen Herzegowina gehalten wird, liegt auf einem Berge; _ aber rings umher steigen auf allen Seiten so imposante Höhen empor, dafs der Schlofsberg, wenn man von Widusch auf der Strafse von Lju- Zeitschr. f. allg. Erdk, Neue Folge. Bd.IX. 9 130 Hilferding’s Reise binje kommt, wie ein Hügel aussieht. Am schönsten präsentirt-sich die Stadt, wenn man sie von der Terrasse des Hofes betrachtet, der dem bekannten Vezier der Herzegowina, Ali Pascha, gehörte. Vonchier übersieht man die ganze Schlucht der Bregawa, die Häuser und die Moscheen mit ihren weifsen Minareten, den Wasserfall, die auf allen Seiten sich aufthürmenden Bergmassen in ihrem mannichfaltigen Farben- spiel, den schönen grünen Schlofsberg und zur Linken ein Stück von der üppigen Ebene. Aber zur Zeichnung eines solchen Bildes braucht man Farben und Pinsel, und nicht Feder und Dinte. Die Burg Stolaz, oder Grad Stolatschki, wie die Serben sagen, spielte in der Geschichte der Herzegowina, selbst noch in neuerer Zeit, eine grofse Rolle. Sie war das Stammerbe der Riswanbegowitsch oder Stoltschewitsch, die bei ihren unaufhörlichen inneren Kriegen mit anderen Mitgliedern des muhamedanischen feudalen Adels in ihr stets Schutz und Zuflucht fanden. Der Mudir Hansi-Beg, unser Wirth, versicherte uns, dafs seine Vorfahren vor 400 Jahren die Burg erbaut haben, als sie hierher kamen und in der Herzegowina „Land nahmen“. Er glaubt, oder wollte uns wenigstens glauben machen, dafs seine Vor- eltern ächte Türken, Mitstreiter Mahomeds des Eroberers, gewesen sind, — obgleich es unzweifelhaft ist, dafs das Geschlecht ein slawisches, turkisirtes ist. „Von jener Zeit her,“ sagte er, „salsen meine Vorfah- ren beständig in Stolaz, und jeder von ihnen that etwas hinzu zu den Bauwerken in der Festung und in der Stadt, die ganz ihr Eigenthum war. Namentlich hat Ali Pascha viel gebaut, der, obgleich er zur Zeit seines Vezirats in Mostar oder in seinem bei Mostar gelegenen Hofe lebte, doch nie Stolaz, das alte Erbgut seines Stammes, vergals. Er erbaute hier einen Konak, und fing an, die Burg mit einer neuen starken Mauer zu umgeben, aber er beendigte sie nicht; aus allen alten Fe- stungen brachte er Kanonen hierher. Aber seitdem Ali Pascha todt ist und Stolaz mit der Festung zum Fiseus geschlagen ist, verfällt bei uns Alles!“ Das Wort batal, Verfall, ist für die Herzegowina und Bosnien fast eben so charakteristisch geworden, wie das oben erwähnte lasit „klettern“. Es ist ein arabisches Wort, das die Serben den Tür- ken entlehnt haben; die Türken brauchen es nur selten, aber den Ser- ben ist es in Folge der Zerstörung, die sie tagtäglich vor Augen sehen, so geläufig geworden, dafs sie es nicht mehr entbehren können. In Hansi-Beg lernten wir einen interessanten Repräsentanten der hiesigen Aristokratie kennen. Er war uns entgegengekommen, als wir uns Stolaz näherten, ein beleibter, grolser Mann, in der vorschrifts- mälsigen türkischen Uniform; aber er schwankte sichtlich auf seinem Pferde. Er bewillkommnete uns mit heiserer Stimme und bemerkte gleich nach dem ersten Austausch von Höflichkeiten: „Nach Tisch zu H) | von Ragusa nach Mostar. 131 reiten ist ein schweres Stück.“ Weshalb es ihm schwer wurde, dar- über waren wir gleich Anfangs nicht im Zweifel. Auf einem abscheu- lich gepflasterten Abhang, der zu dem Burgthor führt, kletterten wir hinauf, und keuchend und stöhnend führte uns Hansi-Beg auf einer steilen hölzernen Treppe hinauf in den berühmten Konak Ali Pascha’s, wo er ohne weitere Umstände die Uniform abwarf und im Jelek (Weste) bei uns blieb. Er setzte sich mit uns auf den Balkon, rauchte seine Pfeife und schien nicht unempfänglich für den Eindruck des wunder- vollen Anblicks, den wir hier genossen. Bei einem Gespräch über die türkische Sprache, das mein Reisegefährte mit ihm anknüpfte, legte er eine vollständige Unkenntnils an den Tag. „Es ist eine schwere Sprache,“ sagte er zum Schlufs, „sie ist nicht einfach, sondern besteht aus drei Sprachen, dem Türkischen, dem Arabischen und dem Persi- schen; man muls also alle drei lernen.“ Seine Persönlichkeit sagte uns übrigens zu; es lag in ihr etwas Vertrauen erweckendes, offen- herziges. Nur bei einigen, für ihn sehr kitzlichen Fragen schien er uns, den Fremden, den Gjaurs, den Moseovitern gegenüber verstimmt; besonders geflissentlich umging er die Fragen über seinen grofsen Oheim Ali Pascha, während wir annahmen, hierin ein ihm sehr angenehmes Thema berührt zu haben; später erfuhren wir, dafs Ali Pascha mit eigener Hand seinen Bruder,, den Vater Hansi Beg’s, erschlagen habe, und Hansi Beg scheute sich, einen Tadel über den Oheim auszuspre- chen, da er in ihm das Andenken des Mannes ehren mufste, welcher der Hauptvertheidiger der Unabhängigkeit der hiesigen Aristokratie gegen die Centralisationsbestrebungen der Pforte gewesen war. Be- sonders lebhaft wurde Hansi Beg, wenn er von seinen „väterlichen“ Beziehungen zum Volk, zu Wlachen sowol wie zu Türken, sprach. Am interessantesten war er mir Abends. Als es dunkelte, kam er mit sehr geheimnifsvoller Miene zu mir und fragte mich, ob er offenherzig zu mir reden dürfe und ob ich ihm eine offene Antwort geben wolle. Ich war überrascht und hatte keine Ahnung, welche vertrauliche Mit- theilung er mir zugedacht haben könne, und ich forderte ihn auf, zu sagen, was er auf der Seele habe. „Ja,* sagte er, „wir sehen, du bist ein guter Mensch; wir sind erst vor Kurzem bekannt geworden und sind schon Freunde; um dieser Freundschaft willen frage ich Dich offen- herzig, ob es Dir nicht unangenehm ist, wenn ich mich zum Abend- essen zu dir und deinem Reisegefährten setze?“ Wir waren natürlich damit einverstanden, und Hansi Beg führte uns nun in ein Zimmer, das auf die den Lesern schon bekannte Weise eingerichtet war und nur sehr trüb durch ein Talglicht auf einem hohen Leuchter erhellt war. Unser Wirth setzte sich in einen dunkeln Winkel hinter den vorspringenden Kamin, liefs sich zwei Gläser geben, murmelte Etwas, g* 132 Hilferding’s Reise das wir nicht verstehen konnten, zu seiner Entschuldigung, und trank ein Glas Branntwein und darauf Wasser. Das wiederholte sich meh- rere Male; wir, müde und hungrig, und Hansi Beg, durch das wichtige Geschäft, rakii zu trinken, beansprucht, beobachteten ein feierliches Stillsehweigen. Endlich kam der ersehnte Tisch, Waschwasser und die Präsentirteller mit den Speisen. Nun wurde Hansi Beg heiter und liebenswürdig; er scherzte, prahlte mit seiner Kraft, seiner Jugend und seinem Appetit, lud ein zum Essen und Trinken und klopfte uns auf die Schultern. Als das Essen beendet war, wurde er plötzlich still und setzte sich, nachdem er die Hände gewaschen, wieder kleinlaut in seinen Winkel. Wir wurden nun von einem alten Türken, der eine Art Balalaika, ein viersaitiges Instrument spielte, unterhalten, und ob- gleich die Musik für unsere Ohren grade nicht angenehm war, lauschte ihr Hansi Beg doch mit Vergnügen und lachte manchmal laut auf und rief „aferim! aferim!“ (Bravo), wenn in den Liedern etwas Lächerliches vorkam. Wir erfuhren dabei von ihm, dafs die Lieder der Türken mei- stens lyrische sind und die Liebe besingen; die Lieder der Christen sind dem Lobe ihrer Helden (besonders des Marco Koroljewitsch) gewidmet. Das Concert hatte uns müde gemacht und wir begaben uns bald zur Ruhe. Von unsern Leuten erhielten wir über unsern gutherzigen und musikliebenden Wirth nicht ganz erfreuliche Nachrichten. Es war uns schon am Tage aufgefallen, dafs in Stolaz sich uns kein Christ vorstellte, ausgenommen zwei Beamte, der griechische und der katho- lische Chodsha-baschi, die Repräsentanten der christlichen Gemeinden im Medshlifs (Stadtrath). Noch mehr fiel es uns auf, dals, als wir von einer ganzen Escorte begleitet in der Stadt spazieren gingen, stets der katholische Chodsha-baschi neben uns ging und uns Alles zeigte und erklärte, während der griechische sich trotz aller meiner Aufforderun- gen stets im Hintergrunde bei den Dienern aufhielt. Jetzt erfuhren wir, dafs Hansi-Beg den Griechen unter Drohungen verboten hatte, sich den Moscovitern vorzustellen. Vor ein paar Tagen hatte er 40 Griechen in’s Gefängnils gesteckt, unter dem Vorwand, dafs sie sich bei einem, angeblich von Montenegrinern verübten Diebstahl betheiligt hätten. Nichtsdestoweniger gilt Hansi-Beg bei den Christen dennoch als der beste von den türkischen Beamten in der Herzegowina. Als der Aufstand in den südöstlichen Kreisen ausbrach, schenkten die Chri- sten den Versprechungen der anderen Pascha’s und Beamten keinen Glauben und wollten sich nur mit Hansi-Beg auf Verhandlungen ein- lassen. Bei den Christen sowohl wie bei den Muhamedanern in der Herzegowina herrschte die Ueberzeugung, dafs nur Hansi-Beg im Stande wäre, die aufständische Rajah zu beschwichtigen. — Jenseits Stolaz ist die Gegend weniger traurig. Wir reisten An- von Ragusa nach Mostar. 133 fangs im Thale der Bregawa und stiegen dann auf Berge, die mit diehtem Eichenwalde bestanden waren. Vor uns erhoben sich die mit ewigem Schnee bedeckten Höhen des Welesh-Gebirges. Nach drei Stunden fingen wir an, in ein ausgedehntes Thal hinabzusteigen. Die- ses herrliche Thal, Chodbina genannt, ist mit Weingärten und Mais- feldern bedeckt und an den Wegen, wie auf den Rainen, mit einer Menge von Kirsch- und Nufsbäumen bepflanzt. Für einen Spottpreis kauften wir von einem Landmann mehrere Oka sehr schmackhafter, grolser und reifer, weilser Kirschen. Auf dieser Ebene ritten wir fort bis Buna, einem von Ali Pascha erbauten Landsitz, zwei Stunden von Mostar entfernt. Man empfing uns dort und bewillkommnete uns und führte uns in ein vereinsamtes Gebäude, in dem sich einst der Satrap der Herzegowina ergötzt hatte. Jetzt pfiff der Wind durch die Zim- mer, in denen früher die georgischen Huris gewohnt hatten, welche Ali Pascha sich verschrieben hatte. Die Fensterscheiben waren grölsesten- theils zerbrochen; der Zaun, auf welchem die abgeschlagenen Köpfe der Christen, die des Pascha’s Zorn erregt hatten, aufgepflanzt zu wer- den pflegten, war verfallen, als ob er ein ganz gewöhnlicher Zaun in der Herzegowina wäre; die Röhren in dem Wasserbassin mitten im Garten sprudelten nicht mehr ihre lustigen Strahlen empor. Der Gar- ten bot ein Bild gleicher Verödung dar, wie der Hof. Mit dem Aus- druck „Hof“ mufs man übrigens nicht, wie bei uns, den Begriff irgend eines Prachtbaues verknüpfen; in der Herzegowina hat er eine andere Bedeutung. Der „Hof“ Ali Pascha’s glich in jeder Beziehung unsern gewöhnlichen Landsitzen, abgesehen davon, dafs er nicht meublirt war, und dafs die einzelnen Zimmer unter sich in keiner Verbindung stan- den. Am Fufse der Höhe flofs die Buna, mit malerischen Ufern, die mit diehtem Baumwuchs bekleidet waren. Ueber dem Wasser war, nach der bei den Türken sehr beliebten Sitte, auf Pfählen ein Kiosk errichtet, dessen weilse Wände seltsam mit grünen Springbrunnen, die wie Palmen aussahen, und mit blauen Bäumen bemalt waren. Hier pflegte sich der fürchterliche Ali zu erholen, dem Plätschern des Flusses zu lauschen und den Blick an den erwähnten grofsartigen Fresken oder an den fernen Bergen zu weiden. Er liebte Buna sehr, erbaute dort eine Moschee mit einer schönen Kuppel und einem Minaret, ein Chan (Fremdenhaus) und eine muhamedanische Schule. Zwischen Buna und Mostar liegt eine ununterbrochene Ebene, auf welcher die Reit- und Packpferde eine zahllose Menge von Pfaden ausgetreten haben. Links vom Wege fliefst die reilsende Neretwa, in die sich, nicht weit von dem Hofe Ali Pascha’s, die Buna ergielst. Wendet man den Blick rückwärts, so sieht man die Schlucht, in die sich die Neretwa stürzt, nachdem sie sich mit der Buna vereinigt hat, 134 Hilferding’s Reise und in der sie vier Stunden Weges weit nach Süden, mit einigen Aus- biegungen nach Westen, fortflielst. Zur Linken erhebt sich jenseits der Neretwa der kahle Berg Chum (d. i. Cholm, Hügel), rechts der Ge- birgszug Stolaz, der zu den Vorbergen der grolsen Gebirgskette We- lesh gehört. Auf den Abhängen des Stolaz sind an manchen Stellen Weingärten angelegt. Zwei Stunden von Buna entfernt, an der Stelle, wo die beiden erwähnten Gebirgszüge sich einander so nähern, dafs die Neretwa auf beiden Seiten nur ein schmales Thal hat, liegt die Stadt Mostar, die schon von ferne dem Reisenden ihre weilsen Mi- narete zeigt. Wahrscheinlich befand sich hier schon zu den Römer- zeiten eine Ansiedelung, oder wenigstens ein römisches Lager. Die feste, hohe, aus grolsen Steinen erbaute Brücke, die sich in einem einzigen Bogen kühn über den ziemlich breiten, zwischen steilen Ufern hinfliefsenden Strom schwingt, macht den Eindruck eines Römerbaues. Auf beiden Ufern wird sie von alten Thürmen vertheidigt, in denen unten ein Durchgang und ein Wachtposten sich befindet. Die Bewoh- ner Mostar’s sind ungemein stolz auf diese Brücke, und glauben, dafs ein solches Bauwerk in der ganzen Welt nicht mehr existirt. Ge- wöhnlich bemerken sie auch, dafs selbst der Stadtname nichts anderes ist, als das zusammengezogene Most star, „alte Brücke“. Mir scheint indels eine derartige Zusammensetzung dem Geist der slawischen Spra- che zu widersprechen, und ich nehme einfach an, dafs sich bei der alten Brücke eine Ansiedelung gebildet hat, deren Bewohner sich (von most, Brücke) Mostare nannten, wie Blatare von Blato, Dreware von Drewo, und dafs diese Ansiedelung später zu einer Stadt sich erwei- terte. Als Stadt erhielt Mostar erst zur Zeit der türkischen Herrschaft Bedeutung, als Blagai, die alte Hauptstadt des Fürstenthums Herzego- wina, 2 Stunden östlich von Mostar, in Verfall gerieth. Mostar liegt, wie bemerkt, in dem schmalen Thale zwischen den Bergzügen Chum und Stolaz. Aber wie sich jenseits der Stadt im Süden eine ziemlich ausgedehnte Ebene ausbreitet, so treten auch im Norden die Berge wieder mehr auseinander und schlielsen eine breite Ebene ein, Bjälo- polje, die „weifse Ebene“, die drei Stunden Weges lang ist. Sie ist von einem Halbkreise eingeschlossen, den die Berge Zim und Orlaz (eine Fortsetzung des Chum) und Liwatsch (eine Fortsetzung des Sto- laz) bilden, welche ihrerseits auf den quer vorliegenden hohen Gebirgs- zug Porim stolsen. Die Stadt ist ziemlich umfangreich, aber wie bei allen türkischen Städten entspricht auch hier die Volkszahl dem Umfange nicht. Man zählt in ihr 1500 muhamedanische, 300 katholische ') und 500 griechi- !) Die Zahl der Katholiken in Mostar selbst kenne ich nicht genau. Im Jahre von Ragusa nach Mostar. 135 sche Häuser; in den benachbarten Dörfern, die in die Kirche von Mo- star eingepfarrt sind, giebt es noch 266 griechische Häuser. Unter diesen Häusern befindet sich eine Menge von kleinen Gebäuden mit nur zwei Fenstern, die von Gärten oder leeren Plätzen umgeben sind. Die Katholiken leben sämmtlich in einem besonderen Quartier auf dem rechten Ufer der Neretwa; ziemlich weit entfernt, fast schon aulser- halb der Stadt, haben sie vor nicht langer Zeit auf einem malerischen Hügel die bischöfliche Wohnung mit einem Bethaus und einer Schule erbaut; das andere katholische Bethaus liegt in dem Hause des öster- reichischen Consulats, am linken Flufsufer, im Quartier 'Bjäluschina, auf dem Abhange des Berges Stolaz. Dieses letztere Quartier wird vorzugsweise von griechischen Christen bewohnt; die griechische Kirche, die im Jahre 1835 erbaut ist, steht abgesondert auf einem sehr steilen Hügel in der Nähe dieses Quartiers. Innerhalb der Umfassungsmauer befindet sich auch die sehr kleine und unschöne Wohnung des Metro- politen, ein anderes kleines Gebäude für die Priester und Mönche, die den Dienst in der Kirche versehen, und die Schule, ein neues, erst vor zwei Jahren beendetes schönes Gebäude, welches für Mostar als ein prachtvolles betrachtet werden kann. Die Kirche selbst liefert übrigens einen Beweis für den Druck, unter dem die Christen lebten, als sie dieselbe bauten. Das Dach erhebt sich kaum über die Mauer und unterscheidet sich in Nichts von dem Dach eines gewöhnlichen Hauses. Um die Kirche wenigstens im Innern etwas höher zu machen, mulsten die Christen sie in die Erde hineingraben, so dals man auf einer Treppe von 20 Stufen in sie hinabsteigt. Die Fenster sind aufserordentlich klein und die Kirche ist so arm, dals sie fast gar keine Bilder besitzt; überdies ist sie so eng, dafs bei grolsen Festen, namentlich wenn sich die Eingepfarrten aus den benachbarten Kirchdörfern (von denen kein einziges weder eine Kirche noch einen Priester besitzt) in Mostar ver- sammeln, nur der geringste Theil des Volks in ihr Platz finden kann. Mein Aufenthalt in Mostar fiel gerade mit dem Osterfest zusammen. Der ganze grolse Hof um die Kirche war dicht besetzt mit Leuten, zu denen nicht einmal die Töne des Kirchengesanges dringen konnten; besonders thaten mir die Frauen leid: die armen Landfrauen und auch ein grolser Theil der Stadtbewohner standen dicht an der Kirchhofs- mauer; sonst sitzen in den serbischen Kirchen die Frauen getrennt von den Männern, auf den Chören, und werden gewöhnlich noch durch ein hölzernes Gitter den Blicken der Männer entzogen; aber da die Kirche so eng und klein ist, sind auf dem Chor nur wenig Plätze vorhanden. 1851 gehörten zur katholischen Pfarrkirche in Mostar 2504 Seelen, aber ein grofser Theil davon lebt in den Dörfern westlich von der Neretwa. 136 Hilferding’s Reise So bekommen viele Pfarrkinder und fast alle Frauen bei diesem feier- lichsten aller Feste von dem Gottesdienste nur die Procession bei der Frühmesse zu sehen. Bei der Unmöglichkeit, das Wort Gottes zu hören, beschäftigen sich die einfachen Leute inzwischen mit eifrigem Gebet, das sie ununterbrochen und oft mit halblauter Stimme hersagen, wenn sie sich in der Nähe der Kirche befinden. Bei dem Gottesdienst selbst sind sie im höchsten Grade aufmerksam und andächtig; so oft sie den Namen des „Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“ hören, bekreuzen sie sich; aber während der Liturgie ist es bei ihnen Sitte, sich nicht zu bekreuzen. Bei den Gebeten, die in Folge eines besonderen Anlasses gehalten werden, pflegt die Gemeinde auf jede Bitte, die von dem Geistlichen ausgesprochen wird, mit einem gedehn- ten „Amen“ zu antworten, und diese aus der Brust der ganzen Ge- meinde sich hervorringende Antwort hat etwas sehr Ergreifendes. Im Allgemeinen kann man sagen, dafs jeder rechtgläubige Serbe, mag er geboren sein in welchem Winkel er wolle, sich als ein lebendiges Glied der Kirche fühlt, dafs er den Gottesdienst sucht und von seinem Geist durchdrungen ist; und das ist eine tröstliche und bedeutsame Erschei- nung, namentlich wenn man die Lage bedenkt, in welcher sich die rechtgläubige slawische Kirche und ihre Angehörigen unter der Herr- schaft der Türken und Griechen befinden. Bei der Kirche von Mostar ist jetzt kein Welt-Geistlicher ange- stellt; vier Mönche versehen in ihr den Dienst. Einer von ihnen, der Archimandrit Joannikji Pamutschina, hat der rechtgläubigen Bevölke- rung der Herzegowina grofse Dienste geleistet. Er ist im Kreise Tre- binje geboren und konnte sich dort auf keinem andern Wege als durch Selbstunterricht ausbilden. Auf diese Weise machte er sich mit der grie- chischen Sprache bekannt und brachte es zu einer für dieses Land sehr bedeutenden Gelehrsamkeit. Besonders eifrige Studien verwendete er auf die Etymologie und die philologische Erklärung der serbischen und slawischen Worte; er ist in den Geist der serbischen Sprache so tief eingedrungen, er kennt überdies das Volk selbst so genau und beherrscht die serbische Sprache so vollständig, dafs in dieser Beziehung vielleicht nur der bekannte Buk Karadshitsch mit ihm verglichen werden kann. Leider sind seine Abhandlungen in einem nur wenig verbreiteten Jour- nal, in dem „serbo-dalmatinischen Magazin“ vergraben; eine derselben gab der österreichischen Regierung Anlals zu eifrigen Verfolgungen. Der vorliegende Band der Sapiski enthält seine bisher noch nicht pu- blicirte „Lebensbeschreibung Ali Pascha’s“, die der Archimandrit für uns geschrieben hat. Aber die wissenschaftliche Thätigkeit füllt nur die spärlichen Mufsestunden des würdigen Mönches aus. Fast sein gan- zes Leben ist dem Dienst der Kirche und den Bedürfnissen des Volkes von Ragusa nach Mostar. 137 gewidmet. An ihn wendet sich Jeder, der des Rathes bedarf. Die ganze Herzegowina kennt und ehrt ihn und nennt ihn den „Volks- mann“. Sein Einflufs auf den Kreis ist grofs und wohlthätig. Selbst die Türken begegnen ihm mit besonderer Achtung, und wenn er die Dörfer der Herzegowina bereist, drängen sich die muhamedanischen Landleute zu ihm, um ihn über die Religion und das Paradies Moha- meds zu befragen, da sie wohl wissen, dafs er ihnen Alles besser und deutlicher auseinandersetzt, als irgend ein beliebiger Chodsha (muha- medanischer Religionslehrer). Ein anderer von den hiesigen Priestern, der Hieromonach Prokopii Tschokorilo, zeichnet sich ebenfalls durch eine ungewöhnlich lebendige und auf Autopsie beruhende Kenntnifs des Landes und des Volkes, durch Liebe zu seiner Gemeinde und durch die Schärfe seines Verstandes aus. Lebhaftigkeit und lautere Wahr- haftigkeit charakterisiren seine „Chronik der Herzegowina seit den letz- ten 25 Jahren“, die er auf unsere Bitte verfalst hat, und seine „Be- richte aus dem Leben der Herzegowina“, die ebenfalls hier veröffent- licht werden; die serbischen Originale dieser Abhandlungen werden leider wohl unedirt bleiben. Im Jahre 1854 wurde für eine Geldsumme, die während vieler Jahre in der Kirche durch mildthätige Gaben gesammelt war, in Mo- star eine rechtgläubige Schule gegründet. Auch vorher existirte hier allerdings eine Schule, aber eine sehr elende: sie befand sich auf dem Kirchhof in einem Gebäude, welches jetzt als Heuschuppen benutzt wird, und es unterrichteten in ihr Personen, die nicht die geringste Bildung besafsen. Die jetzige Schule besteht aus vier Klassen und es werden in ihr gegen 200 Schüler unterrichtet. Einmal im Jahre ruft man die ganze rechtgläubige Gemeinde in die Schule zusammen und sammelt Geld zur Unterhaltung der Stiftung: jeder Einzelne giebt an, wie viel er für seine Kinder zahlen will, und die Gemeinde entschei- det, ob die Höhe des Beitrages seinen pecuniären Verhältnissen ent- spricht; findet sie, dals Jemand knauserig ist, so fordert sie mehr; wer keine Kinder in der Schule hat, trägt so viel bei, als er will, und Niemand darf gegen die selbstbestimmte Summe Einsprache erheben; von ganz armen Leuten wird Nichts genommen, auch wenn sie meh- rere Kinder in der Schule haben. Mit diesem Gelde und demjenigen, was in der Kirche auf den zum Besten der Schule herumgetragenen Kirchenteller gelegt wird, besoldet man die Lehrer und deckt die übri- gen Unkosten. Gegenstände des Unterrichts sind: Lesen, Schreiben, die Anfangsgründe der Arithmetik, Katechismus, Kirchengesang, die Anfangsgründe der Grammatik und ein kurzer Abrifs der serbischen Geschichte. Von den vier Lehrern sind drei in dem Seminar zu Bel- grad ausgebildet worden; sie sind mit voller Seele bei ihrem Amt, 138 Hilferding’s Reise kennen seine Bedeutung und sind deshalb auch von ihren Schülern aufrichtig geliebt. Jetzt denken die Bewohner von Mostar daran, diese Schule zu erweitern und höhere Klassen für diejenigen Zöglinge hin- zuzufügen, die sich zum geistlichen Stande vorbereiten wollen: das wäre das erste orthodoxe Seminar in der westlichen Türkei. Man sieht hier- aus, dafs in der Hauptstadt der Herzegowina unter den griechischen Christen kein Mangel an geistiger Regsamkeit und an Eifer für Schul- bildung herrscht. Mostar übertrifft in dieser Beziehung alle anderen Städte in den serbischen Gebieten der Türkei, obgleich die rechtgläu- bige Gemeinde hier bei Weitem nicht so reich ist, wie in Ssarajewo und selbst in manchen Städten zweiten Ranges, wie Banjaluka und Ljäwno. Es giebt in Mostar allerdings einige orthodoxe Kaufleute, die für reich gelten; aber nach unseren Begriffen von kaufmännischem Reich- thum können wir sie doch nur Kleinhändler nennen. Nur sehr wenige beziehen ihre Waaren aus Triest; der gröfsere Theil erhält sie aus Ssarajewo, und nicht blofs türkische Waaren, sondern auch österreichi- sche Fabricate. Ein bedeutender Waarenumsatz findet nicht statt: der Kaufmann reitet nach Ssarajewo oder reist durch Dalmatien nach Triest, kauft dort oder nimmt auf Credit verschiedene Waaren für eine unbe- deutende Summe, importirt sie auf Packpferden aus Bosnien oder von der österreichischen Grenze und verkauft sie im Detailhandel. Die Kaufleute in den andern Städten der Herzegowina versehen sich nicht in Mostar mit Waaren, sondern gewöhnlich in den dalmatischen. Hä- fen oder in Ssarajewo, je nachdem ihnen der eine oder der andere Ort näher ist. In Ssarajewo ist der Handel weit bedeutender, aber auch dort wird das Geschäft in derselben Weise geführt: ein eigent- licher Grofshandel existirt nicht. Dieselben Kaufleute, die sich ziem- lieh bedeutende Waarenvorräthe aus Oesterreich oder aus Rumelien verschreiben und einen Theil derselben an kleinere Kaufleute ablassen, halten auch einen Laden zum Detailverkauf. Fast der ganze Handel wird auf Credit geführt: einige Häuser in Ragusa und Ssarajewo ha- ben Handlungsdiener, die alljährlich von Ort zu Ort reisen, um das Geld für die Waaren einzucassiren, die im verflossenen Jahre auf Cre- dit abgelassen wurden; ich weils nicht, wie viel Procent sich die Cre- ditoren für ihr Risieo berechnen, aber in Bosnien und der Herzego- wina wird Geld nur zu ganz exorbitanten Zinsen verliehen, zu 3, 4, 5 Procent und noch mehr monatlich. Doch hört man nicht über Unpünktlichkeit im Zahlen oder über böswilligen Bankerott klagen. Sehr auffallend ist es, dafs sich fast der ganze Handel in den Händen der griechischen Christen befindet; die hiesigen Muhamedaner haben nur einen geringen Antheil daran; im Allgemeinen beschränken sie : p | | von Ragusa nach Mostar. 139 sich auf Geschäfte mit Oesterreich, und handeln vielleicht noch mit eonstantinopolitanischen Waaren und mit Landesproducten (Lebensmit- teln und einigen wenigen rohen Erzeugnissen des hiesigen Gewerbe- betriebes); die Katholiken beschäftigen sich gar nicht mit dem Handel. Die griechischen Christen in Bosnien und der Herzegowina handeln nieht blofs in ihrem Vaterlande ausschliefslich unter sich, sondern sie haben auch in den österreichischen Häfen nur mit Glaubensgenossen Geschäftsverbindungen; in Ragusa, Sebenico, Zara, Triest befinden sich Colonien griechischer Kaufleute, die meist von Emigranten aus Bos- nien und der Herzegowina gebildet sind und in deren Händen das ganze Geschäft mit diesen Gegenden liegt; selbst in Spalatro, wo nur ein griechisches Haus existirt, führt dieses eine sehr reiche Haus den ganzen Geschäftsverkehr mit Bosnien. Wenn bei dieser Kaufmann- schaft dieselbe Einigkeit und gegenseitige Unterstützung für Werke zum Nutzen ihrer Glaubensbrüder und der Kirche zn finden wäre, wie sie in den Handelsbeziehungen sich zu erkennen giebt, so würde die Lage der griechisch-katholischen Bevölkerung in Bosnien und der Herzego- wina eine ganz andere sein. Ich war zwei Mal in Mostar, bei meiner Reise nach Bosnien und bei meiner Rückkehr von dort. Da ich mich bei meiner Hinreise fünf Tage hier aufhielt, mufs ich hier wohl ein paar Worte über meinen Aufenthalt sagen. Ich war Gast Isaak’s, des Pascha’s der Herzego- wina. Isaak Pascha wünschte mir eine Ehre zu erzeigen und schickte mir nach Buna seinen Chasnadar (Adjutanten) entgegen, mit einem Ge- folge und einem Pferde, auf dem ich meinen Einzug in Mostar halten sollte. Das Pferd, ein ziemlich stattliches Thier, war mit einem tür- kischen Paradesattel geschmückt, der vorn und hinten unendlich hoch ausgeschweift ist und ziemlich kurze Steigriemen hat; auf der Scha- bracke von blauem Tuch, mit goldener Borde, glänzte in der Ecke ein Stern mit dem Halbmonde. In jene Sattelklemme placirte man mich; der Reitkneckt ging, wie es die Sitte erheischt, hinter dem Pferde und hatte seine rechte Hand auf das Kreuz desselben gelegt; und das Pferd ging, ebenfalls der Etikette gemäls, nicht im Schritt, auch nicht im Trab, auch nicht im Galopp, sondern in jener ganz confusen, tänzeln- den Gangart, welche von den Türken als eine unumgängliche Eigen- schaft eines wohlzugerittenen Pferdes betrachtet wird, — wahrschein- lich, weil es die unbequemste und unpraktischste ist: denn das arme Tbier hebt die Beine unnöthig hoch, schüttelt den Reiter unbarmherzig zusammen und kommt dabei nicht von der Stelle. In diesem Aufzuge kamen wir an der Chadshinskaja ssofra (eigentlich „Tisch der Gläu- bigen“) vorbei, einem grofsen Quaderstein, der am Eingang der Stadt liegt (hier nehmen die Stadtbewohner von den Gläubigen Abschied, die 140 Hilferding’s Reise alljährlich in grofser Zahl nach Mekka ziehen, und hier begrüfsen sie dieselben wieder bei der Rückkehr von ihrer frommen Pilgerfahrt); wir kamen an dem türkischen Begräbnifsplatz vorbei, auf dem sich eine wunderschöne Cypresse und ein sonderbares, wie ein Kiosk ge- staltetes, von Ali Pascha errichtetes Grabmal befindet, ritten an einer Reihe von Kaufmannsläden vorüber und endlich auf den Berg hinauf, auf dem die von einer ziemlich hohen Mauer umgebene Burg liegt. In ihr befindet sich auch der „Hof“ des Pascha’s. Auf einer hölzer- nen schmuzigen Treppe führte man uns durch eine Schaar zerlumpter Diener in ein eben so schmuziges Vorzimmer, dann in das Fremden- zimmer, in welchem den Europäern zu Ehren zwei Lehnsessel aufge- stellt waren. Bald erschien auch der Hausherr und begrüfste die An- kömmlinge. Isaak Pascha, ein Araber von Geburt, ist ein Mann von 50 Jahren, mit grauem zugestutztem Bart; er trägt nicht mehr den Turban und die weiten Kleider und hält sich für einen europäisch ge- bildeten Mann; aber seine Bildung besteht nur darin, dafs er einen Kaftan trägt, auf Stühlen sitzt und sich der Messer und Gabeln be- dient, obgleich ihm der Gebrauch dieser Instrumente noch einige Un- bequemlichkeit verursacht. Am ersten Tage unserer Anwesenheit konnte der Pascha sein Mittags- und Abendessen noch ohne diese peinlichen Weitläuftigkeiten geniefsen; denn die Höflichkeit erforderte es, dafs er uns nach den Strapazen der Reise Ruhe gönnte und uns das Essen auf unser Zimmer schickte. Am folgenden Tage, einem Festtage, ga- ben wir den Wunsch zu erkennen, der Messe beizuwohnen, und baten den Pascha, dieses in der Kirche anzuzeigen. Die Messe wird in Mo- star, wie überhaupt in diesen Theilen der Türkei, früh Morgens, fast gleich nach Sonnenaufgang celebrirt. Der Archimandrit Joannikü lei- tete die Feier und erfreute uns durch seine schöne Stimme und seine andächtige Amtsübung. Die Knaben aus der Schule, die einen schö- nen Chor bildeten, sangen eine serbische Melodie, die sich von unse- rem Kirchengesange wie von dem griechischen gleich sehr unterscheidet. Der Kirchengesang, in dem in allen serbischen Schulen unterrichtet wird, ist von grofsem Nutzen; die Kinder nehmen gern Theil daran; auch in der ärmsten Kirche bildet sich, wenn nur eine Schule mit ihr verknüpft ist, ein guter Chor, der die religiöse Feier sehr vortheilhaft von dem Gottesdienst in einer solchen Kirche unterscheidet, wo nur ein paar alte Personen, die zufällig von einem griechischen Diakonus einen Gesang gelernt haben, ihre unharmonischen, näselnden Stimmen vernehmen lassen. Durch den Unterricht im Kirchengesange werden die Knaben mit dem Gottesdienst selbst bekannt und gewinnen ein Interesse für ihn; und wo dieser Unterricht schon seit längerer Zeit eingeführt ist, hört man nicht selten auch einen erwachsenen Serben von Ragusa nach Mostar. 141 bei seiner Arbeit mit schöner Stimme ein Kirchenlied singen. Bei dem Gottesdienst singen zuerst nur diese Leute den Chor; allmählich aber wird die ganze Gemeinde damit bekannt und stimmt mit ein. Nach der Messe führte man uns in das Besuchszimmer der Schule und machte uns hier mit dem Archimandriten, den Priestern und Aeltesten der rechtgläubigen Gemeinde bekannt. Wir mufsten auf Stühlen Platz neh- men, die andern setzten sich im engen Kreise auf den Fufsboden um uns herum. Der Archimandrit Joannikii begrüfste uns mit einer voll- ständigen Rede; er drückte die Freude der rechtgläubigen Gemeinde von Mostar aus, in ihrer Mitte Russen zu sehen, und sprach von dem Wohlergehen und den Fortschritten der griechisch -katholischen Bevöl- kerung, seitdem die Zeiten des Drucks und der Vergewaltigung vor- über wären und die Rajah sich im Genusse der im Hati-Humajun be- willigten „Freiheit“ befände. Unglückliches Volk! es mufs seine Re- gierung preisen für Versprechungen, die nie erfüllt sind, und ihr danken für Wohlthaten, die nie in’s Leben traten! Wer öffentlich anders spre- chen wollte, den würde man für einen Rebellen erklären und ihn in’s Gefängnils stecken. — Als wir aus der Kirche zurückgekehrt waren, sollten wir dem Pascha die erste Staatsvisite abstatten. Als höflicher Türke hielt Isaak Pascha es für seine Pflicht, sich den Anschein zu geben, als wolle er es nicht dazu kommen lassen, und liefs uns mel- den, dafs er zuerst zu uns kommen werde. Vielleicht wollte er uns auch nur auf die Probe stellen, ob wir, die Gjaurs, uns einer solchen Verletzung der Etiquette schuldig machen würden. Wir liefsen uns indefs nicht fangen: der Adjutant lief vom Pascha zu uns und wieder zurück, und der Pascha gab — natürlich — zuletzt nach. Ein paar Stunden später erwiederte er unseren Besuch, und damit war dem Ce- remoniell Genüge gethan. Am Abend hielt er es schon für möglich, uns „ohne Umstände“ einzuladen, mit ihm zu speisen; und dies wieder- holte sich leider täglich. Sobald der Muezzin sein akscham (Sonnen- untergang) gerufen, lud man uns zum Pascha; er begrüfst uns und führt mich auf den Platz des Hausherrn, — so will es türkische Höf- lichkeit. Der Tisch ist reich geschmückt: Silber, reiches Geschirr, eine Vase mit Blumen, europäische Leuchter! Man bringt Waschwasser, dem Pascha die Nargileh, uns lange Pfeifenrohre mit schönen Spitzen von milchweilsem Bernstein; der Diener stellt eine kleine Karaffe mit Mastix (einem sehr starken, wohlriechenden Liqueur) vor uns; wir danken; dann nimmt der Pascha eine eben solche Karaffe, die neben ihn hingestellt ist, und bittet uns mit verschiedenen scherzhaften Phra- sen, ihn doch nicht allein trinken zu lassen; wir geben nach, gielsen uns den Liqueur ein und trinken ein paar Tropfen; auch der Pascha schenkt sich ein Glas ein, nimmt es in die eine Hand, und in die an- 142 Hilferding’s Reise dere ein Glas Wasser und hält eine Rede über seine Freundschaft und Liebe zu uns; darauf trinkt er den Liqueur und das Wasser, ifst etwas Gesalzenes oder frischen Käse dazu, von einem der Tellerchen, die in grolser Menge neben: jedem der Gäste stehen, und macht sich dann eifrig an seine Pfeife; die anwesenden Türken folgen seinem Beispiel: sie trinken, nehmen einen Imbils, und blasen Rauchwolken vor sich her. Die Dienerschaft tauscht die Pfeifen um; es entspinnt sich ein Gespräch, z. B. über die früheren Dienstverhältnisse des Pascha’s, wie er einst das Glück gehabt, sich auf russischem Boden, in Tiflis zu be- finden und die russische Gastfreundschaft zu genielsen, oder über die letzten Veränderungen im türkischen Ministerium oder über die Ver- setzung der Pascha’s von einer Stadt in die andere; nach dieser an- genehmen Unterhaltung wird der Pascha wieder sentimental, trinkt ein Glas Liqueur, glücklicherweise ohne uns einzuladen, seinem Beispiel zu folgen; es werden frische Pfeifen herumgereicht; die Sentimentalität des Pascha’s erreicht ihren Gipfel, er springt auf, legt die Hand auf’s Herz, eitirt persische Verse über die Süfsigkeit der Freundschaft, sagt, dafs unsere Gesellschaft das höchste irdische Glück sei, dafs die Freund- schaft Menschen aus allen Ländern zu Brüdern mache u. s. f., Alles in langen und, wie man mir sagte, mit allem Glanz arabischer Wohl- redenheit ausgestatteten Phrasen; dabei trinkt er ein Glas nach dem andern, raucht eine Pfeife nach der andern, und als die Flasche über die Hälfte geleert ist, wird seine Redseligkeit nach und nach durch Pausen eines finstern Schweigens unterbrochen, die immer häufiger und länger anhaltend werden. So schleppt sich dieses Präludium zum Abendessen zwei volle Stunden hin; vor langer Weile und Tabacks- qualm fallen mir schon die Augen zu und schlaftrunken sitze ich in meinem Sessel, da glücklicherweise eine Unterhaltung nicht mehr nöthig ist. Endlich, endlich ist der Pascha auf den Boden seiner Karaffe angelangt, — das richtige Mals, von dem er nie abgeht. Die leeren Gefälse und die Pfeifen werden weggebracht, und nach zwei vollen Stunden kommt die Suppe. Wir essen mit verstärktem Appetit und trinken den dicken, etwas bittern Wein der Herzegowina dazu, der für uns Ungläubige hingestellt war; der Pascha und die andern Türken trinken beim Essen nur Wasser. Nach der Suppe folgt eine Pause: es werden wieder Pfeifen herumgereicht, es entspinnt sich ein neues Gespräch, und der Pascha neigt nicht mehr zur Sentimentalität, son- dern mehr zu Späfsen, die vom Standpunkte der Moral nicht sehr an- gemessen erscheinen. Das Charakteristische einer türkischen Mahlzeit habe ich schon beschrieben, und brauche hier nur hinzuzufügen, dafs Isaak Pascha einen vortrefflichen Koch hatte, dafs es fünfzehn Gänge gab, und dafs zwischen jedem Gange Taback geraucht wurde; darnach von Ragusa nach Mostar. 143 ist es nieht zu verwundern, dafs wir nie vor Mitternacht wegkamen. ‘Nach dem Essen legte sich der Pascha auf den Diwan und fing wie- der zu rauchen an; nach ein paar Minuten empfablen wir uns, und taumelnd begleitete uns der Wirth bis an die Thür. So leben die gebildeten Türken! Und darüber darf man sich nieht wundern: der Tag beginnt bei ihnen mit Sonnenuntergang; und da sie von einer geistigen Beschäftigung, oder von gesellschaftlicher Erholung keine Idee haben, müssen sie den Abend in irgend einer Weise todtschlagen; sie thun dieses durch ein vier- bis fünfstündiges Abendessen, worauf sie betrunken zu Bett gehen. Beim Mittagsmahl, das bei ihnen um 12 Uhr stattfindet, essen sie nicht viel und nicht lange, und trinken nur Wasser. So verbrachten wir unsere Zeit in Mostar; der Abend wurde dem Pascha geopfert, der Tag war den Besuchen gewidmet, die wir den ‚hervorragenden Christen abstatteten oder von ihnen empfingen. Aber einen Tag beschlossen wir der Besichtigung der Merkwürdigkeiten in der Umgebung Mostar's zu weihen, und brachen auf, um die Ruinen ‚von Blagai in Augenschein zu nehmen, der alten Burg „Herzeg Ste- pan’s“, des Fürsten der Herzegowina, welche von jenem fremden, halb deutschen Titel ihren Namen erhalten hat '), und dann uns nach dem Kloster Shitomyslitschi zu begeben, der „Sadubschina“ ?) der Familie -Miloradowitsch. Von Mostar nach Blagai reitet man drei Stunden, zuerst in die Nähe von Buna, dann wendet man sich nach links und folgt dem gleichnamigen Flusse stromaufwärts. Schliefslich nähert man sich ‚einem grolsen Berge. Von ferne hört man ein Tosen, gleich dem eines "Wasserfalles; hat man die Spitze eines kleinen Hügels erreicht, so sieht ‚man den Flufs, der brausend und schäumend dahinschiefst und einige "Mühlräder treibt; an seinem Ufer, fast am Fufse des Berges, steht eine Gruppe kleiner Häuser mit einer unbedeutenden Moschee ohne Minaret. Das ist die jetzige Stadt Blagai. Sie zählt im Ganzen 30 Häuser, fast sämmtlich muhamedanische, vielleicht mit Ausnahme von einem ‚oder zwei griechischen. In diesem Städtchen lebt der Tschausch (Unter- Offizier), der die Funetionen eines Mudir’s von Blagai versieht. Einige ‚Schritt von der Stadt entfernt zeigt sich eine Scenerie, an der man ‚sich nicht satt sehen kann. Der Berg endet hier mit einer imposanten, ‚steilen Granitwand; am Fulse derselben befindet sich eine natürliche, rn l. ") Den Titel Herzog oder Herzeg nahmen einige serbische Wojewoden im 15. Jahrhundert an, als abendländischer Einflufs in diesen Gegenden vorherrschte; be- üders aber wurde er durch den in jener Zeit berühmten Stephan Wukitsch einge- ‚bürgert. Es giebt alte Documente, in denen derselbe sich einfach Gospodin Herzeg, Herr Herzog, nennt. Sein vollständiger Titel, mit dem er sich zur Zeit seiner Macht- e unterzeichnete, lautet: Stepan, Herzeg von dem H.Sawa, Hospodar von Chum und dem Küstenlande, Grofs-Wojewode der Provinz Bosnien, Fürst von Drin u. s. w. 2) So nennen die Serben eine Kirche, die in Folge eines Gelübdes errichtet ist. 144 Hilferding’s Reise hohe und geräumige Höhle, aus welcher der Flufs hervorbricht, um sich in mehreren Wasserfällen in das Thal zu stürzen. In der Höhle halten sich Hunderte von Tauben auf, die friedlich über dem tosenden Wasser nisten. Man mufs nun unten um den Berg herumgehen und dann mitten durch stacheliges Gestrüpp auf einem gewundenen, aufser- ordentlich steilen Pfade den Berg ersteigen. Der Gipfel desselben ist mit einer aus grofsen Steinblöcken zusammengefügten, hohen und dicken Mauer mit Thürmen befestigt, die sich ganz unversehrt erhalten hat. Die Gebäude im Innern aber sind vollständig zerstört; der einzige, schmale Thorweg der Festung ist voll von Steinen, so dafs man kaym hindurch kann. Das ist die alte Burg Blagai, welche nach den Zeiten Herzog Stephan’s den Türken lange zur Schutzwehr gedient hat, bis sie mit der Zeit in Verfall gerieth. Jetzt ist nur eine einzige Kanone | in ihr vorhanden; alle andern hat Ali Pascha nach Stolaz gebracht. Die Festung ist, wie im Allgemeinen alle alten Burgen Bosniens und der Herzegowina, nicht grofs, sie nimmt nur die Spitze des Berges ein. Die Türken halten sie für uneinnehmbar, und in früheren Zeiten konnte sie in der That dafür gelten; denn der Berg fällt nach drei Seiten vollkommen steil ab, und auf der vierten (nordwestlichen) Seite, auf der wir hinangestiegen waren, ist der Weg so schmal und ebenfalls so steil, dafs hier ein paar Menschen durch das Herabrollen von Stei- nen ein ganzes Heer aufhalten können. Auf diesem Felsensitze lebten die Gebieter der Umgegend; unten an der Quelle der Buna, in dem schönen Thale, bildete sich ein Handelsplatz, der zur Zeit der christ- lichen Herrschaft ohne Zweifel viel bedeutender war, als das jetzige türkische Städtchen. Aufser den alten Mauern und dem wundervollen Blick auf die Umgegend, auf das Thal der Buna einerseits, und auf die Gebirgsgruppe, in welcher sich die sogenannte Herzogskuppel, Her- zegowatschka Glawiza, erhebt, andererseits, bietet Blagai nichts Sehens- werthes dar. Nicht weit von der Burg entfernt liegen auf einer an- deren Höhe die Ruinen eines isolirten Thurmes. Die Volkssage er- zählt, dafs er in einer Nacht von einem Sohne Herzog Stephans, von Gruiza, erbaut ist, den die Türken an sich gelockt, zum Islam bekehrt und gegen den Vater bewaffnet hatten. Aus jenem Thurm fing Gruiza die unbezwingliche Burg zu beschielsen an, in welcher sein Vater meh- rere Jahre hindurch die Unabhängigkeit der Herzegowina von der Herr- schaft des Sultans behauptet hatte. Ein türkisches Heer konnte die Burg nicht nehmen, aber gegen den Angriff des Sohnes war sie kraft- los; sie fiel, und wurde von den Türken besetzt. Gruiza, der als Mu- hamedaner Achmed hiefs, erhielt zur Belohnung die Würde eines Pa- scha’s. So lautet die Volksüberlieferung, die sich an diese Burg knüpft; aber in den historischen Berichten finden wir nichts derartiges. Es von Ragusa nach Mostar. 145 heifst hier im Gegentheil, dafs Herzog Stephan Kossatschitsch, nach- dem er längere Zeit in Blagai belagert worden, sich den Türken unter- warf und im Jahre 1466 starb, und zwar nicht als unabhängiger Fürst der Herzegowina, sondern als Vasall des Sultans; über seinen Sohn Gruiza und dessen Apostasie giebt die Geschichte gar keine Nachricht. Meine türkischen Wegweiser erzählten mir noch, dafs sich am Thore der Burg Blagai früher eine Inschrift befunden habe, die Niemand habe lesen können und die wahrscheinlich ein Zeugnils enthalten habe, wer der Erbauer Blagai’s gewesen sei, und wer hier residirt habe, wem das Land gehört habe und rechtmälsigerweise gehören solle; sie ver- sicherten, dals vor drei Jahren einige „Njämzy“ (Oesterreicher) aus Triest hierhergekommen wären, sich zur Nachtzeit in die Burg ge- schlichen und die Inschrift ausgekratzt hätten. „Weshalb thaten sie dies?“ fragte ich. „Gott weils es! wahrscheinlich, damit die Leute nicht erfahren sollten, wer eigentlich über dieses Land zu herrschen habe.“ Ich sprach auch mit Christen hierüber, und sie bestätigten‘ mir die Erzählung der Türken über die Existenz der Inschrift und ihren räthselhaften Inbalt; aber nach ihrer Angabe haben die Türken selbst sie ausgekratzt, damit Niemand erfahren solle, dafs die Christen die rechtmäfsigen Herren der Herzegowina wären. Das Kloster Shitomyslitschi ist vier Stunden von Mostar ent- fernt. Von Blagai mufsten wir nach Buna zurückkehren, wandten uns dann südlich, erstiegen den Berg Gradina und kamen in die Schlucht, in welcher die Neretwa zwischen den Bergen Gradina und Zjärniza hinfliefst. Unten am Ufer des Flusses sahen wir eine Sägemühle; sie gehört einer österreichischen Compagnie, die von der türkischen Re- gierung das ausschliefsliche Recht erhalten hat, in der Herzegowina Holz zu schlagen und es über die Grenze zu exportiren. Es ist in der ganzen Herzegowina und ganz Bosnien die erste und vorläufig einzige Mühle, in welcher europäische Maschinen angewendet werden. Wir gingen noch etwas weiter auf dem Abhange des am Ufer der Neretwa steil sich erhebenden Berges hin und stiegen dann in ein schönes, wohl angebautes Thal hinab, das sich anderthalb Stunden weit am linken Ufer der Neretwa hinzieht. Ein herrliches und mannichfaltiges Land- schaftsbild breitete sich vor uns aus. Auf der andern Seite des Thals flielst die Neretwa am Fufse der steilen Abhänge des Berges Zjärniza hin, unter überhängenden colossalen Felsmassen, die bald kahl — grau, gelblich, zuweilen fast roth — bald mit dunkelgrünem Epheu überzo- gen oder auf den Vorsprüngen mit Gesträuch bestanden sind; unten umspülte, der blaue Flufs das Steingeröll seines Bettes mit weilsem Schaum oder bildete tosende Stromschnellen; auf der anderen Seite breiteten sich frischgrüne Wiesen und Felder aus, die mit Weizen be- Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 10 146 Hilferding’s Reise säet waren oder auf denen sich hohe Maisstauden erhoben; neben dem Wege und auf den Rainen drängten sich Sträucher von wilden Granat- äpfeln, Kirschen- und Nufsbäume, Eichen, Oel- und Feigenbäume; endlich, am Fulse der Berge, die dieses schöne Thal einfassen, und dicht am Ufer des Flusses sieht man grünende Weingärten. Seitwärts vom Wege, etwas näher am Berge, stehen einsam drei halb verfallene Thürme, einst die Wohnung christlicher Spahi’s '), der Miloradowitsch; jetzt wohnen in ihnen die Kmeten, die zinspflichtigen Ackerbauern des Klosters. Auch in den benachbarten Dörfern Sjärana und Dratschewo wohnen noch einige Kmeten. Das Kloster selbst liegt am Ende des Thales, am Fufse des Berges Werchdol, wo die Neretwa wieder aus der Schlucht hervortritt. In architektonischer Hinsicht ist es unbedeu- tend, ein niedriger, gedrückter Bau, der den Stempel des Zeitalters trägt, in welchem er errichtet wurde: es war nicht mehr die Zeit der Freiheit und der Blüthe Serbiens, sondern bereits die Zeit des türki- schen Jochs. Das letzte berühmte christliche Geschlecht der Herzego- wina, das — ich weils nicht durch welchen Zufall, — seine Bedeu- tung und seine Besitzungen noch hundert Jahre nach dem Einfall der Türken behauptete, welche sonst die ganze hiesige Aristokratie aus- rotteten oder zum Islam bekehrten, — das Geschlecht der Milorado- witsch, verwandte sein ganzes Vermögen zum Kirchenbau in seinem Geburtslande und siedelte dann nach Rufsland über. Von drei Brü- dern erbaute der älteste, Miloslaw Miloradowitsch, im Jahre 1585 das Kloster Shitomyslitschi unter dem Namen „Mariä Verkündigung“; der zweite, Radoslaw, erbaute zwei Stunden von hier die Kirche des H. Nikolaus des Wunderthäters in dem Kirchdorf Trjäbno (sie ist jetzt verlassen und das dazu gehörige Land von den Muhamedanern in Be- sitz genommen); der dritte, Ljuboslaw, baute die Kirche der H. Petrus und Paulus, drei Stunden von hier, im Kirchdorf Oschenitschy (sie wurde in der Folge ebenfalls verlassen, aber 1832 wieder renovirt); endlich erbaute ein Sohn Miloslaw’s, Michail Miloradowitsch, die Kirche des H. Lucas im Kirchdorf Klepzy bei Gabella, südlich yon Shitomys- litschi am unteren Laufe der Neretwa. Dem Kloster Shitomyslitschi hinterliefs das fromme Geschlecht sehr bedeutende Besitzungen und suchte das Geschenk noch dadurch zu sichern, dafs es einen Firman vom Sultan auswirkte. Nichtsdestöweniger haben sich die benachbar- ten muhamedanischen Begs eines grofsen Theiles dieser Ländereien bemächtigt, so dals dem Kloster nur das Thal verblieben ist, in wel- chem es liegt; und gleichwohl ist es auch jetzt noch verhältnifsmälsig das reichste Kloster in der Herzegowina. Die Verbindung des Klo- !) So heifsen hier die Personen, die vom Sultan das Recht erhalten haben, von den Ackerbauern den Zehnten einzuziehen. von Ragusa nach Mostar. 147 sters mit den Nachkommen seines Gründers wurde noch lange auf- recht erhalten, nachdem die Miloradowitsch bereits nach Rufsland über- siedelt waren. Auf dem Titelblatt der Minija zeigen die Mönche nicht ohne Stolz die Inschrift: „Im Jahre nach der Geburt Christi 1717 schenkte dieses heilige Buch Peter, Kaiser von Rufsland, dem Kloster Shitomyslitschi im serbischen Lande, und es wurde hierhergebracht von Gawro und Michail, den Söhnen des Ilia Miloradowitsch.“ Noch im Jahre 1802 erhielt das Kloster von den Miloradowitsch ein Geschenk. In landwirthschaftlicher Beziehung befindet sich das Kloster jetzt in guter Ordnung. Der Igumen Simeon, ein Dalmatiner von Geburt und früher Schiffskapitän, hat die Besitzungen desselben gehoben und sie mit Nachdruck gegen die muhamedanischen Nachbarn ge- schirmt. Um sich an ihm zu rächen, wälzten die Muhamedaner ein- mal — es war erst im verflossenen Jahre — auf eine alte Frau, wel- che die Heerde des Klosters weidete, von dem Berge einen Felsblock hinab und zermalmten sie; und beiläufig will ich bemerken, dafs dieses am hellen Tage, zwei Stunden von Mostar, von ganz bekannten Per- sonen, die von Augenzeugen namhaft gemacht werden konnten, ver- übte Verbrechen unbestraft geblieben ist. Die Kirche wird in gutem Stande erhalten und es ist in ihr täglich Gottesdienst; in andern Kir- chen und Klöstern Bosniens und der Herzegowina wird kaum an Fest- tagen Gottesdienst gehalten, täglich das ganze Jahr hindurch findet er, aulser in Shitomyslitschi, nur noch in Ssarajewo statt und, wie es scheint, im Kloster der H. Dreieinigkeit bei Tasslidshi, und in den Hauptklö- stern Alt-Serbiens, Petschi und Detschany. Die Klosterzellen sind europäisch meublirt, und der Besucher findet in ihnen eine freundliche und gute Aufnahme. Leider aber sorgen die Mönche ungeachtet ihrer Wohlhabenheit wenig für die Erfüllung der Absichten, in denen das Kloster begründet worden ist. Sie könnten für die Bewohner der Um- gegend sehr gut eine Schule einrichten und junge Mönche zu ihrer Ausbildung in das Seminar nach Belgrad schicken. Wenn die arme Brüderschaft des Klosters Dushi, in dem wildesten Theile der Herze- gowina, und unter beständigem Druck von Seiten der Türken, zum Besten der Volksaufklärung so grolse Opfer gebracht hat, was könnte die Genossenschaft von Shitomyslitschi leisten, die sich auf die nahe reiche Gemeinde in der Hauptstadt der Herzegowina stützt! Bisher hat sie indefs nicht an ihre Pflicht gedacht, dem Volksunterricht för- derlich zu werden, und wahrscheinlich aus diesem Grunde findet sie auch im Volke selbst nicht viel Theilnahme. 20” 148 Miscellen. Das central-russische Kohlenbecken !). Das central-russische Kohlenbecken erstreckt sich vom 52° O. L. fünfzig deutsche Meilen weit ostwärts durch die Gouvernements Kaluga, Tula und Rjä- san bis etwa zum Meridian der Städte Rjashsk und Ranenburg. Seine gröfseste Breite, südlich von Bjälew bis nördlich von Kaluga, beläuft sich auf 13 bis 14 deutsche Meilen. Es umfalst vom Gouvernement Kaluga die Kreise Shisdra, Ko- selsk, Lichwin, Peremyschl und Kaluga; vom Gouvernement Tula die Kreise Bjälew (zum Theil), Odojew, Krapiwna, Tula, Alexin (den südlichen Theil) und Bogorodizk; endlich im Gouvernement Rjäsan Theile von den Kreisen Skopin, Rjashsk, Ranenburg und Dankow, — im Ganzen ein zusammenhängendes: Areal von etwa 20,000 Quadratwerst, innerhalb dessen jetzt wohl an hundert Orten Koh- len gefunden worden sind. Dieses ausgedehnte Kohlenbecken wird in seinem westlichen Theile von der Oka mit ihrem Laufe von Bjälew bis Alexin durch- schnitten; die Flulsgebiete der Shisdra und der Upa, die sich auf dieser Strecke in die Oka ergiefsen, fallen ganz in das Kohlengebiet hinein; und aufserdem um- fast dasselbe das Quellgebiet des Don. Die Bevölkerung der hierher gehörigen Kreise schwankt zwischen 1600 — 2000 Seelen auf der Quadratmeile; das Gebiet gehört also zu den bevölkertsten Theilen des russischen Reiches und nimmt auch in Bezug auf die Entwickelung der Industrie und der Fabrikthätigkeit eine her- vorragende Stelle ein. Bisher wurde ‚angenommen, dafs die Kohle in diesem Gebiet unter, dem älteren Bergkalk mit Produetus giganteus vorkomme. Auerbach und Trautschold haben die speciellen Beobachtungen über die Schichtenfolge, welche zu jener An- nahme geführt haben, einer Prüfung unterzogen, und daraus das Resultat gewon- nen, dafs nur in drei Fällen die Kohle angeblich unter dem ältern Bergkalk vor- komme, während in mehr als zwanzig anderen Fällen die beobachtete Schichten- folge gar keinen Kalk, oder die Kohle als über dem Kalk lagernd nachweist. Ihre eigenen Beobachtungen und die 15 Durchschnitte, die Herr Leo, Director des Kohlenbergwerks in Malowka, ihnen mitgetheilt hat, stimmen durchweg mit diesem Resultat überein, und man mufs deshalb annehmen, dafs jene drei älteren Beobachtungen, wenn: man sie als zuverlässig betrachten will, ausnahmsweise Erscheinungen betreffen, während die Kohle auch in diesem Bezirk: der Regel nach über dem Bergkalk lagert, der seinerseits devonisches Gestein zur Unterlage hat. Die Kohle kommt hier also unter denselben Verhältnissen vor, wie in Eng- land, wo die Kohlenflötze ebenfalls regelmäfsig über dem Bergkalk liegen und nur ausnahmsweise, wie bei Edinburgh, in Northumberland und in Yorkshire Kohle unterhalb dieses Gesteins gefunden wird. Sollten Ausnahmen der letztern Art auch im central-russischen Kohlenbecken mit hinlänglicher Sicherheit constatirt werden, ’) Nach einer Abhandlung von J. Auerbach und H. Trautschold „über die Kohlen von Central-Rufsland“, in den Nouveau Memoires de la Societe Imperiale des Naturalistes de Moscou, Tom. XIII. Livr. I. Moscou 1860. Das central-russische Kohlenbecken. 149 so ist Trautschold geneigt, das Vorkommen von Kohlenflötzen, die aus Stigma- - rien, Landpflanzen, entstanden sind, zwischen Meeresablagerungen durch die Annahme zu erklären, dafs von dem festen Lande Theile von Kohlenflötzen oder von Stigmarien -Mooren auf ihrer Thonunterlage in das Meer hinabgeglitten seien. Die Bildung der central-russischen Kohlenlager erklärt sich Trautschold auf folgende Weise. Als das Meer, welches zur Zeit der devonischen Epoche das russische Flachland bedeckte, allmählich abflofs, und die höheren Stellen des Meeresbodens sich inselartig über die Wasserfläche erhoben, bildete sich in dem thonigen Meeresschlamm, der sie bedeckte, und namentlich in den morastigen Thonsümpfen der Einsenkungen des jungen Festlandes die erste Vegetation: Stigmarien überwucherten das ganze Land nach Art unserer Torfmoore, indem alljährlich eine neue Generation über den Resten der abgestorbenen sich bildete. Gleichzeitig entstand in dem verkleinerten Meeresbecken eine neue Fauna, in wel- cher Produetus giganteus überwog. Einige Theile des Festlandmoores mögen dann, vielleicht unter der Einwirkung der atmosphärischen Niederschläge, von den Kü- sten in’s Meer hinabgeglitten und hier von den Kalkniederschlägen des letzteren überdeckt worden sein. Die Hauptmassen der Stigmarien-Moore aber, die fest- ländischen, wurden durch Ueberfluthungen mit Sand- oder Thonlagern überschüt- tet, die von höheren Theilen des Continents herabgeschwemmt sein müssen, da sie keine Spur von Meeresorganismen enthalten. Unter günstigen Bedingungen konnte sich hier oder dort auch auf diesen Anschwemmungen eine neue Stigma- rien- Vegetation entwickeln, welche zur Bildung einer höher gelegenen, jüngeren Kohlenschicht das Material bot. Aber auch das durch seinen Reichthum an Pro- ductus giganteus charakterisirte Meer zog sich in engere Grenzen zurück, und den blofsgelegten Meeresboden überwucherte sofort die Stigmarien- Vegetation, die hier jedoeh schon mit andern Arten gesellig lebender Pflanzen, wie Sagenarien, Lepi- dodendren, Sigillarien u. a., untermischt war, während in der Fauna des noch mehr verengerten Meeres nicht mehr der Riesen-Productus, sondern Spirifer mos- quensis und andere für den jüngeren Bergkalk. charakteristische Conchylien in überwiegender Menge erschienen. So war das Kalkmeer, welches das russische - Kohlenrevier umgab, stets reich an animalischem Leben; und da man nun weder in den Kohlenlagern selbst, noch in den sie bedeckenden Schichten irgend wel- che Ueberreste von Schalthieren entdeckt hat, so folgt daraus, dafs die Pflanzen, aus welchen die Kohlenlager bestehen, keine Seegewächse gewesen sein können. Auch das Gewebe der Kohlenpflanzen entspricht überall der Textur von Gewäch- sen, die jetzt nur im sülsen Wasser vorkommen. Bäume, d. h. bewurzelte Stämme von dichter, holziger Structur haben in den russischen Kohlensümpfen wahrschein- lich gar nicht existirt; auch da, wo die Kohlenschichten in ihrer ursprünglichen Lage ungestört verblieben sind, hat man in dem Liegenden noch nirgends Wur- zen entdeckt. Charakteristisch für die russischen Kohlenlager ist ihre Armuth an Pflanzenarten, die in der Einförmigkeit der Boden- und Witterungsverhältnisse ihre Erklärung finden mag; auch hierin gleichen sie den Torfmooren. Die Kohle von Mittel-Rufsland bildet fast immer horizontale Schichten, die an manchen Stellen dieker, an manchen dünner werden und sich oft ganz aus- keilen. Verwerfungen und Brüche sind verhältnifsmälsig selten und mögen durch Unterwaschungen und partielle Senkungen entstanden sein. Dem Aussehen nach 150 Miscellen: gleicht die Kohle durchaus der Braunkohle; aber der Umstand, dafs die Stig- maria, die ganz identisch ist mit dem gleichnamigen Gewächs der Steinkohlen- gruben im westlichen Europa, ihren Hauptbestandtheil bildet, beweist, dafs sie einer älteren Formation angehört. Gleichwohl unterscheidet sie sich auch von der ächten Steinkohle: sie ist minder reich an flüchtigen Bestandtheilen und hat in Folge dessen eine geringere Heizkraft als englische Kohle oder der Anthraeit am Donez. Man könnte sie als „junge Steinkohle“ oder als „alte Braunkohle“ bezeichnen. Es lassen sich in Central-Rufsland fünf Arten unterscheiden: 1) in den oberen Lagen der Kohle kommt eine Blätterkohle vor, die aus der Rinden- haut einer Sagenaria besteht, aus dünnen, sehr zerbrechlichen und siebartig durch” löcherten Pflanzentheilchen; sie ist für den Transport ganz ungeeignet; 2) eben- falls in den oberen Lagen finden sich zuweilen zusammengebackene Brocken einer leichten, zerreiblichen, glänzend oder matt dunkelschwarzen Kohle, welche ge- wöhnlicher Meilerkohle sehr ähnlich sieht, aber sich durch eine feinere und zar- tere Structur und durch gröfsere Weichheit von dieser unterscheidet; diese Kohle ist sehr bröckelig und ebenfalls für den Transport nicht geeignet. 3) Am ver- breitetsten ist die Schieferkohle, die sich in horizontalen, plattenförmigen Lagen spaltet; sie brennt nur bei starkem Luftzuge, ist verhältnifsmäfsig arm an brenn- baren Substanzen und hinterläfst viel Asche, welche die Gestalt des Kohlenstücks behält und eine gelblich- oder röthlich-weilse Farbe hat; 4) kommt eine lignit- ähnliche dunkelbraune oder schwärzliche, zähe Kohle vor, die sich in grolsen Stücken ablösen läfst, biegsam ist und den Transport gut vertragen würde; von ächtem Lignit unterscheidet sie sich dadurch, dafs ihr jede Holzstructur fehlt. Seltener ist 5) die Pechkohle; leicht, hart, fettglänzend, sieht sie wie wirkliche Steinkohle aus, sintert aber beim Brennen nicht wie diese zusammen. Es erhellt hieraus, dafs die central-russische Steinkohle, weil sie starke Rück- stände zurückläfst, für manche Zwecke, z. B. zum Heizen von Locomotiven, nicht verwendbar sein wird; gleichwohl kann sie an Ort und Stelle für den gewöhn- lichen Gebrauch das Holz vollkommen ersetzen und auch in Fabriken mit Vor- theil verwendet werden. In der Zuckerfabrik d&s Grafen Bobrinsky zu Michai- lowskoje, wo mit Schieferkohle gefeuert wird, hat sich herausgestellt, dafs 400 Pud Kohle einen Kubikfaden Eichenholz ersetzen; jene kosten 12 Rubel, dieser 18 Rubel. Gleichwohl ist die Kohle, deren Vorkommen schon in den letzten Decennien des vorigen Jahrhunderts bemerkt war, erst seit etwa 20 Jahren in Gebrauch gekommen, da man ihren Werth nach dem schlechten, verwitterten Grus an dem Ausgehenden viel zu ungünstig taxirt hat. Das bedeutendste Bergwerk ist das dem Grafen Bobrinsky gehörige zu Malowka, wo das Flötz eine Mächtig- keit von 24 bis 3 Faden erreicht. Nach einer Berechnung des Directors enthält das dortige Lager, das durch Bohrversüche auf eine Länge von 500 Faden und auf eine Breite von 300 Faden aufgeschlossen ist, wenn man seine durchschnitt- liche Mächtigkeit nur zu 14 Faden reiner Kohle annimmt, 225,000 Kubikfaden Kohle, und es würde bei einer jährlichen Förderung von 600,000 Pud auf 200 Jahre vorhalten. —ın. ‘ Th. v. Heuglin’s Expedition nach Central- Afrika. 151 Th. v. Heuglin’s Expedition nach Central- Afrika. Nachdem sich Herr v. Heuglin bereit erklärt hat, die Leitung einer Expedi- tion zu übernehmen, welche den dreifachen Zweck verfolgt, das Schicksal Dr. Vogel’s festzustellen, von den Resultaten seiner Forschungen, die der kühne Rei- sende wahrscheinlich mit seinem Leben bezahlt hat, durch Wiedererlangung sei- nes schriftlichen Nachlasses so viel als möglich zu retten, und endlich das grofse Werk der Erforschung Central- Afrika’s, an dem gerade deutsche Reisende den ruhmvoilsten Antheil genommen haben, seiner Vollendung näher zu führen, hat sich am 15. Juli d. J. unter dem Vorsitz Sr. Hoheit des Herzogs von Coburg ein Comit@ gebildet, welches die zu jener Expedition erforderlichen Mittel aufzu- bringen bezweckt. Vergegenwärtigen wir uns, dafs zwischen der Route von Mur- zuk nach dem Tsad-See und den von Overweg und Barth erforschten Umge- bungen des zuletzt genannten See’s einerseits, und den bekannten Nil-Ländern andererseits eine vollständige terra incognita liegt, so springt in die Augen, dafs ein Vordringen aus den Nil-Ländern nach Wadai, verbunden mit der Erwerbung der Aufzeichnungen Vogel’s über seine Route vom Tsad-See nach Wadai, das im Osten und Westen Bekannte mit einander verknüpfen und die empfindlichste Lücke in unserer Kenntnifs der compacten Ländermasse Nord-Afrika’s ausfüllen würde. Es sind vorzugsweise deutsche Reisende gewesen, die über diese für die Erforschung — wie es scheint — schwierigste Hälfte des wunderbaren Erdtheils das meiste Licht verbreitet haben, und es würde der Nation zum Ruhme gerei- chen, das schwere und mit so grofsem Erfolge geförderte Werk auch durch Män- ner aus ihrer Mitte zu vollenden. Dafs Herr v. Heuglin, der sich durch seine Arbeiten bereits so bedeutende Verdienste um die Kenntnifs Nord-Ost-Afrika’s erworben hat, von den jetzt lebenden Reisenden die geeignetste Persönlichkeit ist, durch ein Vordringen vom Nil aus die uns jetzt zunächst obliegende Aufgabe zu lösen, wird überall willig anerkannt werden. Durch einen mehrjährigen Aufent- halt in Chartum und durch weite Reisen am weifsen Nil, in Abessinien, im So- mali-Lande und am rothen Meere an das afrikanische Klima gewöhnt; vertraut mit Sprache und Sitten der innerafrikanischen Stämme, und unterstützt durch die wichtigen persönlichen Verbindungen, die er während seines längeren Aufenthalts in jenen Gegenden anknüpfen konnte, vereinigt er in sich alle günstigen Bedin- gungen, die seinem neuen Unternehmen Erfolg versprechen können. Diese Um- stände werden es rechtfertigen, wenn wir auch unsererseits den Lesern dieser Zeitschrift die Förderung eines Unternehmens dringend an’s Herz legen, welches der Nation zur Ehre gereichen wird und der geographischen Wissenschaft eine so wesentliche Bereicherung in Aussicht stell. Nach dem vorläufigen Plan ist die Dauer der Expedition, auf der Herr v. Heuglin auch von einem Botaniker _ begleitet sein wird, auf drei bis vier Jahre berechnet, und es würde dazu (aufser den Privatmitteln des Reisenden) ein Zuschufs von 12 — 20,000 Thalern erfor- derlich sein. Herr:Justus Perthes in Gotha, der Schatzmeister des Comite’s, hat sich bereit erklärt, die eingehenden Beiträge in Empfang zu nehmen. Da es sehr wünschenswerth ist, dafs, dem vorläufig festgestellten Plane gemäfs, die Ex- pedition sich noch in diesem Herbst nach Egypten begiebt, so ist die Zeit zur Aufbringung der Kosten nur kurz zugemessen; aber bei der 'einleuchtenden Be- 152 Miscellen:: deutsamkeit ‘des Unternehmens zweifeln wir, nicht daran, dafs diejenigen, die sich für die Förderung der Wissenschaft interessiren, nicht zögern werden, einem so wichtigen und vielversprechenden Project ihre thatkräftige Unterstützung zuzu- wenden. —n. Verwerthung der Narym’schen Nessel. Der General- Gouverneur von West-Ssibirien, Hassfort, hat der Kais. Russ. Geogr. Gesellschaft eine Mittheilung darüber zugehen lassen, wie die Ostjaken im Gouvernement Tomsk eine dort wachsende Nesselart zu Garn verarbeiten. Wir entnehmen dem Wjästnik der russ. geogr. Gesellschaft (1858 Heft 8) dar- über Folgendes: Die Nessel, welche von den Östjaken zu Garn verarbeitet wird, wächst in grofser Menge auf allen höher gelegenen Punkten im ganzen Kreise Narym, so- wol im Buschwalde unter Ebereschen, Hagebutten, Sandweiden u. a. Gebüschen, wie in Gemüsegärten, auf Ackerfeldern und verlassenen Viehhöfen. Viele ver- sichern, dafs sie sich auch ohne Samen durch Wurzelschöfslinge fortpflanzt. Sie verlangt einen kräftigen schwarzen Boden; auf Sandboden kommt sie zwar auch fort, sie bleibt hier aber schwächlich und wird nicht benutzt, so dafs der Unter- schied in der Qualität zwischen ihr und der auf gutem Boden gewachsenen Nessel nicht bekannt ist. Als ausgemacht wird ferner betrachtet, dals die in der Wild- nifs wachsende Nessel die um menschliche Wohnungen, auf Feldern und in Gär- ten vorkommende an Qualität übertrifft. Die Faser der ersteren ist weilser, stär- ker und weicher als die der letzteren. Wenn die Nessel vollkommen reif ist, reifsen die Eingeborenen sie bis an die Wurzel aus, binden sie in Bischel und trocknen sie an der freien Luft; dann breiten sie die Stengel auseinander, und . ziehen vom unterem Ende derselben die Fasern heraus; die letztern werden dar- auf in Wasser gelegt, damit das Garn weich wird. Aus mehreren Fasern bildet man dann mit den Händen einen zusammenhängenden Faden von ausreichender Länge, und zwei bis drei Fäden werden am Rocken zu Garn zusammengedreht. Wenn man die Nesselfaser so wie die Hanffaser bearbeiten wollte, d. h. wenn man sie vollständig durchweichen, reinigen und dann verspinnen wollte, so würde sie nach der Meinung des Volks ein noch weilseres, festeres und weicheres Garn liefern. Das auf diese Weise gewonnene Garm ist im Kreise Narym unter dem Namen „ostjakischer Hanf“ bekannt; an Stärke und Dauerhaftigkeit übertrifft es das gewöhnliche Hanfgarn. Die Ostjaken verwenden es zu ihren Fischernetzen, zu Peitschen und zu Zwirn; bei sorgfältiger Bearbeitung kann man aus ihm auch Hausleinen weben. Es ist Fürsorge getroffen, diese Nessel auch nach der Pro- vinz Ssemipalatinsk und dem Gebiet der ssibirischen Kirgisen zu verpflanzen, da Hanf und Flachs in diesen Gegenden noch nicht cultivirt werden. —n. Eine Notiz über die Erwerbung des Amur-Landes durch die Russen. In seinem neuesten Werk ( Travels in the Regions of the Upper and Lower Amoor, and the Russian Acquisitions on the (onfines of India and China) giebt 4 Y Eine Notiz über die Erwerbung des Amur-Landes durch die Russen. 153 Th. W. Atkinson folgenden Bericht über den Anlafs, der die Russen bestimmte, sich der Ländereien am linken Ufer des Amur zu bemächtigen. Im Jahre 1848, erzählt er, beschlossen die Russen, das Land am Amur zu erforschen, und sand- ten im Frühjahr einen Offizier mit vier Kosaken aus, mit dem Auftrage, in einem Boot stromabwärts zu fahren. Sie waren mit Waffen und Lebensmitteln ver- sehen, und man hoffte, dafs die Chinesen diese kleine Schaar unbelästigt würden passiren lassen. Der Offizier hatte auch Instrumente mit, um Beobachtungen an- zustellen, ein Teleskop und eine Summe Geld in Goldmünzen. Man wulste, dafs die chinesischen Beamten stets eifrig darauf bedacht waren, den Kosaken, die in Verfolgung ihres Jagdgeschäfts auf chinesisches Gebiet gerathen waren, hinderlich in den Weg zu treten, und dafs die letztern es oft nur ihren gefürch- teten Feuergewehren zu danken hatten, wenn sie einer überlegenen Zahl von Gegnern entkamen. Der Offizier hatte also die Instruction erhalten, ein Zusam- mentreffen mit den chinesischen Behörden wo möglich zu vermeiden, die chine- sischen Städte und Dörfer ‘nur aus der Ferne sich anzusehen, aber nicht in sie hineinzugehen; dagegen sollte er mit dem Volk sich auf guten Fufs setzen und - war zu diesem Behuf mit verschiedenen Artikeln versehen, die zu Geschenken ee a verwendet werden sollten. Man erwartete, dafs die Expedition, wenn sie am Vor- dringen nicht behindert wurde, in 9 Monaten ihre Aufgabe gelöst haben und dafs sie, wenn sie auf Schwierigkeiten stiefs, sofort zurückkehren würde. Die neun Monate vergingen indefs, ohne dafs man von dem Offizier und seinen Leuten Nachricht erhielt. Während des Winters stellte man unter allen Orotschonen, welche die Märkte besuchten, Nachforschungen an, ob die Expedition irgend wo gesehen worden; ebenfalls ganz erfolglos. Den tungusischen Zobeljägern ver- sprach man eine Belohnung, wenn sie die Leute ausfindig machen oder erfahren könnten, ob: dieselben von den Chinesen gefangen gehalten würden; aber auch diese Bemühungen blieben fruchtlos. Im Jahre 1852 machte der Gouverneur von ‘ Kjachta dem chinesischen Gouverneur von Urga die Anzeige, dafs ein Offizier und vier Leute mit einer beträchtlichen Geldsumme und mehreren Instrumenten desertirt wären, dafs sie den Amur stromabwärts gegangen wären und dafs man glaube, sie wären von chinesischen Beamten gefangen worden und würden in einer chinesischen Stadt festgehalten; wenn dem so sei, so wünsche die russi- sche Regierung, dafs die Leute entweder nach Kjachta oder nach einem anderen russischen Grenzfort ausgeliefert würden. Auch dieses Mittel blieb erfolglos und ich habe guten Grund zu glauben, dafs man von jenen Leuten wirklich nie etwas gehört hat. Da beschlofs der General - Gouverneur von’ Ost-Ssibirien im Jahre 1854 eine grofse Expedition zur Erforschung des Amur-Landes zu organisiren, ümd zwar in solchem Malsstabe, dafs die chinesischen Behörden ihr weder das Vordringen verwehren noch sie daran hindern konnten, das Land am linken Ufer des Amur in Besitz zu nehmen. So fiel in weniger als sechs Wochen das un- geheure Gebiet zwischen dem Amur und dem Jablonnoi Chrebet in die Hände der Russen: ‘General Murawiew hatte mit scharfem Blick alle Punkte erkannt und in Besitz genommen, die zur Sicherstellung der neuen Erwerbung von Wich- tigkeit waren, und nach Jahresfrist wäre die ganze chinesische Armee nicht mehr im Stande gewesen, die Russen 'aus ihren Positionen zw verdrängen. —n. 154 Miscellen: Barren-Island im bengalischen Meerbusen '). Die Vulcan-Insel Barren Island liegt 36 Miles östlich von der Mittel-Insel der Grofsen Andamanen, nach Playfair unter 12° 15’ N. Br., 93° ©. L., nach v. Liebig unter 12° 17’ N. Br., 93° 54' ©. L. Sie ist ein Glied in der Kette von Vulcanen, die sich von Java aus in einem Bogen nach Nordwest und Norden hinzieht und die im bengalischen Meerbusen, aufser Barren Island, noch in dem Nacondam Rock, einem erloschenen Vulcan nordnordöstlich von Barren Island und 45 Miles östlich von Port Cornwallis, und in den Schlammvuleanen der bir- manischen Küste hervortritt. Der Vulean erhebt sich steil aus der Meerestiefe; 42 Seemeile von der Küste entfernt findet man in 150 Faden keinen Grund, aus- genommen an einer Stelle im SW., wo Capt. Campbell eine Tiefe von 43 bis 14 Faden fand. Nähert man sich der Insel von Norden und umfährt sie nach SO., so er- scheint sie als ein oval zugespitzter Berg; kommt man noch näher, so überzeugt man sich, dafs die Berggehänge einer steilen ringförmigen Erhebung angehören, die nach der See hin Ausläufer ausschickt und im Innern einen Thalgrund ein- schliefst. Da diese ringförmige Einfassung nach NO. niedriger ist, so übersieht man von hier aus den ganzen Kamm derselben in Gestalt eines ovalen Ringes. In der Mitte des von ihr eingeschlossenen Thales erscheint der obere Theil eines regelmälsigen -Kegels, von dessen Spitze kleine weilse Dampfwolken aufsteigen. Von der ihn umgebenden dunkleren Bergmasse unterscheidet sich der Kegel auch durch seine graue Farbe und einige grofse weilse Flecken, die wie Schneefelder aussehen. Ein Zugang zu ihm ist nicht erkennbar. Die der See zugekehrten Abhänge des Einfassungs - Gebirges sind meistens mit Gesträuch bewachsen, doch fehlt es in der Nähe des Kammes auch nicht an ganz kahlen Stellen; am Fufse wachsen kleine Bäume, und der Strand ist mit grofsen abgerundeten Steinblöcken bedeckt, die von der See bespült werden. Fährt man nun weiter um die Insel nach S. und SW., so wird das ring- förmige Küstengebirge höher und entzieht dem Blick sowol den Kegel wie den Kamm an der gegenüberliegenden Seite. Hier ist der Abhang nach der See mit ziemlich üppiger Vegetation bedeckt; unter verschiedenen Waldbäumen von mälsi- ger Höhe erheben sich graciöse Palmen, und wo der Abhang felsig ist, ist er oft mit Farren geschmückt. Kommt man nun nach W. herum und fährt weiter nach N., so entdeckt man bald hinter einem Vorsprung einen grofsen Durchbruch in dem Ringgebirge, durch den man einen Blick in das Central-Thal mit dem Kegel in seiner Mitte gewinnt. Hier ist der einzige Zugang zu dem Kegel. Man sieht, dafs das Thal mit schwarzen Massen kalter Lava ausgefüllt ist, die sich wie ein erstarrter Strom durch den Durchbruch hindurchdrängt und nicht weit vom Meeresufer wie ein perpendieulärer Wall von 10 bis 15 Fufs Höhe plötzlich abbricht. Diese Lava besteht aus einer schwarzen Basalt-Masse, in welche unzählige, halb durchsich- tige kleine Orthoklas- Krystalle und viele hellgrüne Olivin-Körnchen eingesprengt !) Nach zwei Berichten im Nautical Magazine (August 1860) von Playfair und G. v. Liebig. Barren -Island im bengalischen Meerbusen. 155 sind. Die Masse der unteren Lagen ist homogen, mit glattem Bruch; die obere Lage ist bis zu einer Tiefe von mehreren Fufs nach allen Richtungen hin zer- klüftet und in rauhe Blöcke mit einem porösen Gefüge und zahllosen scharfen Eeken und Kanten zerspalten. Die ältere Lava, aus welcher die Felsen an den Seiten des Thales und die Schichten des Ring-Gebirges bestehen, unterscheidet sich etwas von der Lava dieses Stromes. Der Hauptmasse nach ist sie röthlich- grau gefärbt, Feldspath- und Olivin-Krystalle sind in sie eben so zahlreich ein- gesprengt, und aufserdem noch kleine Stücke von schwarzem körnigen Augit mit muschelartigem Bruch. Der Durchbruch des Randgebirges öffnet sich auf eine kleine Meeresbucht, und hat an einer Stelle einen nur ein paar Fufs breiten sandigen Strand, an wel- chem man mit Booten landen kann. Als das Boot, in welchem Playfair hierher fuhr, am Strande angelangt war, sprangen die Matrosen in’s Wasser, um es fest- zubinden, aber noch schneller wieder in’s Boot zurück, da das Wasser sehr heifs war. Die Fluth hatte damals ihre halbe Höhe erreicht; man entdeckte zwischen den Steinen am Rande ‘des Wassers einen aufsprudelnden Quell, der so heils war, dafs man nicht die Hand hineinstecken konnte; in dem Thermometer, mit dem man die Temperatur messen wollte, stieg das Quecksilber sofort, so hoch es konnte, 448° R. Fin anderer breiter, aber dünner Strahl von heifsem Wasser bricht aus einer Ritze unten am Abhang der schwarzen Lava nicht weit vom Seeufer hervor und vermischt sich bald mit dem Seewasser. Diesen Quell hat v. Liebig bemerkt; er meint, dafs das Wasser an der Stelle, wo es aus dem Felsen her- vorquillt, den Siedepunkt erreicht haben müsse, denn es war unten noch so heils, dafs Liebig’s Thermometer sofort auf sein Maximum (+32° R.) stieg. Den von Playfair bemerkten Quell im Seewasser erwähnt Liebig nicht, er fand aber das Seewasser, mehrere Yards von dem Einflufs der von ihm beobachteten heifsen Quelle, bis in eine Tiefe von 8 Fufs so warm, dafs er die Existenz einer unter- seeischen heifsen Dampf- oder Wasserquelle vermuthete; auch war dieses heifse Seewasser durchaus nicht salzig. An den Seitenwänden des Querthals steigt man über trockenes Gras und Buschwerk, manchmal auch über sandige Rücken zum Fufse des Kegels hinan, mufs aber, noch ehe man das ringförmige Thal erreicht, auf die rauhe Oberfläche der Lava selbst hinaufklimmen. Das Querthal sowol wie das ringförmige sind nieht ganz 4 Mile breit; der Fuls des Kegels, der 50 Fufs über dem Meeres- niveau liegt, ist etwa 3 Seemeile von der Küste entfernt, und erhebt sich aus der Lavamasse, welche das ringförmige Thal ausfüllt. Der Kegel ist ganz rund und glatt, die Neigung seiner Seiten beträgt 40°. Von Vegetation ist an ihm keine Spur sichtbar. Liebig erstieg ihn von der Nordseite, wo ein nur 2 bis 3 Fufs tiefer und ganz schmaler Einrifs mit einigen Grasbüscheln wenigstens für die erste Strecke das Hinaufklimmen zu erleichtern schien. Gleichwohl war die Ex- pedition aufserordentlich angreifend. Das untere Drittel des Kegels ist mit Asche bedeckt, in die man bis an die Knöchel einsinkt; dann folgt loses Geröll, das unter den Füfsen oft fortglitt und bergab rollte. Etwa in 2 seiner Höhe hat der Kegel hier eine felsige Ausbauchung; die Form derselben und die Beschaffenheit des Gesteins beweisen, dafs hier einst ein seitlicher Lava- Ausflufs stattgefunden hat. Auf dem letzten Drittel ist der Boden fester, da die Asche hier durch Gyps 156 Miscellen: gebunden ist; dieser Gyps bildete auch die weifsen Flecken, die aus der Ferne wie Schneefelder ausgesehen hatten. Der Boden war hier schon recht heifs, doch so, dafs man es noch ertragen konnte, und 30 Fufs unterhalb der Spitze boten ein paar vorspringende Felsen, die nicht durchwärmt waren, einen passenden Ruheplatz. Oberhalb der Felsen war der Boden schon von Rissen und Spalten durchsetzt, aus denen heifse Wasserdämpfe mit schwachem Schwefelgeruch auf- stiegen; die Spalten selbst waren mit Schwefel angefüllt, der oft von schön ery- stallisirten weifsen Gypsnadeln begleitet war. Der Gipfel des Kegels ist der Rand eines kleinen, 90 bis 100 Fufs breiten und 50 bis 60 Fufs tiefen Kraters, der einen festen Boden von verwitterter Lava oder Tuff und vulkanischem Sande hatte. Die Kraterwände bestehen aus Felsen, die der älteren Lava gleichen; sie sind auf der Nord- und auf der Südseite am höchsten, und im Westen ist der Kraterrand eben so, wie das Ringgebirge, durch eine Kluft gespalten. Die Dämpfe stiegen vorzugsweise von dem nördlichen und südlichen Theile des Kraterrandes auf, wo die sich kreuzenden Spalten am breitesten und längsten waren; hier war das Gestein in der Nähe der Spalten in Folge der Verwitterung mit röthlichen und weilsen Krusten überzogen. Von der Spitze des Kegels war der Rundblick auf die See unbeschränkt, ausgenommen nach SW. Der innere Abhang des Ringgebirges hatte keine Aus- läufer; er fiel wie ein Wall steil in das Thal ab; seine einförmige bräunliche Farbe rührte entweder von dem zu Tage tretenden Gestein oder von trockenem Gras und Gestrüpp her. Bäume und Buschwerk, wie an dem der Sce zugewand- ten Abhange, fehlten hier. Längs des ganzen inneren Abhanges konnte man horizontale parallele Linien verfolgen, die wie die Kanten hinter einander zurück- tretender Treppenstufen vorragten und die Mächtigkeit und das Streichen der verschiedenen Lavaschichten anzeigten, welche, über einander gelagert, das Ring- gebirge bilden. Einen sehr guten Querschnitt hat man vor Atıgen, wo die linke Seite des Querthals, durch das man in das Innere dringt, die See erreicht. Hier erheben sich über dem felsigen Rande mehrere Schichten einer Tuff-Formation, die mit Lagen eines älteren Gesteins, wie Lava, abwechseln. Eine der merk- würdigsten ist eine Schicht runder Steine, die durch Tuff zu einer Masse verbun- den sind und genau dem Geröll am Strande gleichen, jetzt aber mehr als 20 Fufs über dem höchsten Wasserstande liegen und den Beweis liefern, dafs seit der Zeit, wo diese Rollsteine von der See abgerundet wurden, die submarine Basis der Insel sich‘ gehoben haben mufs. Alle diese Schichten fallen von dem Cen- trum der Insel nach der See zu, parallel dem äufseren Abhange des Ring-Ge- birges, und es ist interessant, dafs diese Abdachung, wenigstens auf drei Seiten der Insel, auch unter dem Meeresniveau sich unter demselben Winkel (etwa 35°) ’) fortsetzt; dies erhellt aus den Sondirungen, die 4 Scemeile von der Küste eine Tiefe von 150 Faden ergaben. Nach dem Obigen mufs man annehmen, dafs das ringförmige Thal der Kra- ter, und dafs die ringförmige Einfassung desselben der Kraterrand eines unge- heuren Vulcans mit submariner Basis gewesen sind, während der Kegel in der Mitte sich später, zur Zeit einer verringerten Eruptionsthätigkeit gebildet hat und !) Nach Playfair 45°, Pl Barren-Island im bengalischen Meerbusen. 157 den kleineren Eruptionskegeln noch thätiger Vulcane, im Gegensatz zu dem grofsen Eleyationskegel, entspricht. Im Jahre 1832 berichtete Dr. J. Adam, dafs das ringförmige Thal auf Barren Island ein Wasserbecken sei. Playfair hat indefs, ungeachtet genauer Nachfor- schung, an den Felsen nirgends Wassermarken beobachtet, und wenn die Insel sich, wie aus Liebig’s Beobachtungen erhellt, gehoben hat, so ist die Hebung doch jedenfalls nicht in neuer Zeit erfolgt und auch nicht so bedeutend gewesen, dafs das Thal, dessen Sohle jetzt 50 Fufs über dem Meeresspiegel liegt, vor Kurzem noch unter dem Meeresniveau hätte liegen können. Bedeutende Erup- tionen sind in neuerer Zeit nicht. erfolgt. Nach Capt. Blair’s Bericht (Asiatie Researches 1795) stiels der Kegel damals rothe heifse Steine von mehreren Ton- nen im Gewicht und enorme Dampfmassen aus. Auch im Jahre 1803 beobach- tete Horsburgh, da/s der Kegel alle 10 Minuten eine schwarze Rauchsäule aus- stiels, und dafs in der Nacht an der Ostseite des Kraters ein recht beträchtliches Feuer brannte. Seit jener Zeit aber ist die vulcanische Thätigkeit immer gerin- ger geworden. Nach barometrischen Beobachtungen hat Liebig die Höhe des Kegels auf 980 Fufs über dem Meeresspiegel bestimmt; eine trigonometrische Bestimmung des Lieut. Heatheote hat eine Höhe von 975 Fufs ergeben. Der Durchmesser der Insel beträgt, nach dem letzteren, 2970 Yards, von N. nach S. Den Durch- messer des Kegels an der Basis giebt Playfair auf 700 Yards an. Der Schwefel kommt in den Rissen und Spalten auf der Spitze des Kegels in solcher Menge vor — er bekleidet die Spalten oft in einer Dicke von mehr als 3 Zoll — dafs es eine Untersuchung verdiente, ob er nicht mit Vortheil ge- wonnen werden könnte. —n. Neuere Literatur. Allgemeine und Handels-Geographie. Ein Lehrbuch für commercielle und technische Lehranstalten, für Kaufleute und Industrielle. Von Prof. Dr. V. E. Klun. Erster Theil: Allgemeine Geographie. Wien (Verlag von Carl Gerold’s Sohn) 1860. 540 S. 8. In vier grofsen Abschnitten: Astronomische, Topische, Physische und Poli- tische Geographie, von denen der letzte gegen vier Fünftel der Seitenzahl des ganzen Buches füllt, behandelt der Verfasser, zum Theil in origineller Weise, seinen Stoff. Dahin gehört z. B. die Ausdehnung und Continuität, in welcher er, _ vorauf der physischen, die topische Geographie behandelt. Sollte es aber doch nicht richtiger sein, die Physik der Erde, so gut wie die astronomische Geogra- phie, der Topik voraufgehen zu lassen? Gehört nicht auch das vielbestrittene Kapitel der Menschenracen vielleicht in die physische Geographie? Ist nicht auch, wenn man, wie der Verfasser, hauptsächlich „ein Culturbild von Land und _ Leuten“ zu geben beabsichtigt, die allerdings herkömmliche Abtheilung „Politische _ Geographie“ viel zu eng? Da die Handelsgeographie im zweiten Bande folgen, Pe 158 Neuere Literatur: übrigens so gut wie das vorliegende Werk ein selbstständiges Ganze bilden soll, so werden die Leser angenehm überrascht sein durch die verhältnilsmälsige Reich- haltigkeit des Buches an culturstatistischen Notizen, namentlich hinsichtlich Oester- reichs. Dafs einzelne Zahlenangaben, ‘selbst im aufserösterreichischen Deutsch- land, nicht immer ganz correct und allerneuester Angabe sind, wird kein Billig- denkender tadeln; wir wollen daher kurzweg, z. B. in Betreff der Hansestädte, einige Daten berichtigen und @ jour bringen. Lübeck hat nicht 55,000, sondern mit halb. Bergedorf und Vierlanden nur 50,000 Einw. (den 1. Sept. 1857: 49,324 Einw.), davon kommen auf die Stadt sammt Vorstädten nicht 40,000, sondern nur 30,717 Einw. Das Gebiet mifst 6.62, also gegen 7 Quadratmeilen; Ham. burgs Gebiet ist etwas kleiner, 6.39 Quadratmeilen. Die sehr unvollständige Volkszählung, sogenannte Umschreibung, wies am 1. November 1859 nach in letzterer Stadt und Vorstädten 174,016 (statt 150,000) Einw. in 43,824 bewohn- ten Lokalitäten; das Gebiet wies nach den letzten Zählungen etwa 51,000 Be- wohner aus in 14 Kirchspielen. Am 31. December 1859 betrug die Hamburger Rhederei 483 Seeschiffe mit 62,287 Commerz- oder 93,4305 Last & 4000 Pfund, hatte also gegen beide Vorjahre, und namentlich den 31. December 1857, wo sie 491 Schiffe (nicht mit 64,000, sondern) mit 94,622 Last betrug, etwas ab- genommen. Die Zahl der hamburgischen Flufsschiffe betrug den 31. December 1859 1761 Fahrzeuge mit 17,023 Commerz- oder 25,535% gewöhnlichen Lasten a 4000 Pfd. Der Seeverkehr im Jahre 1859 betrug 4554 Schiffe (wovon leer und in Ballast 574) mit 377,023 Commerz -Last = 565,5344 gew. Last (wovon leer 29,114 C. Last). Die neuesten Angaben über Gewicht und Werth der ham- burgischen Einfuhr lauten dahin: 1859 Einfuhr: Gewicht: Werth: seewärts 19,154,804 Netto Centner 289,010,790 M. Bco. flufs- und landwärts 14,497,235 - - 282,170,060 - - zusammen 33,652,039 Netto Centner 571,180,850 M. Bco. Das grölseste Gewicht hatte die Einfuhr des Jahres 1856 mit 36,817,012 Centnern, den grölsesten Werth die Einfuhr des Jahres 1857 mit 688,849,300 M. Bco. Hamburg besitzt nicht blos „mehrere Versicherungsanstalten“, sondern, au/ser zahlreichen Privat- Assecuradeuren und Agenturen auswärtiger Gesellschaften, im Jahre 1859: 20 Assecuranz- Compagnien, welche See-Versicherungen zum Be- lauf von 459,941,900 M. Bco. übernahmen. Mit Einschlufs der Privat-Assecura- deure und fremden Compagnien wurden gegen Seegefahr allein 578,852,000 M. Bco. versichert. Der Werth des privaten Grundeigenthums in Stadt und Vor- städten beträgt nach den Grundsteuertaxen augenblicklich etwa 265,000,000 M. Beo., wofür im Jahre 1859 an bedungener Miethe 9,972,000 M. Ct. gezahlt und an vom Eigner selbst benutzten Miethwerthen 4,663,000 M. Ct. taxirt wurden, zusammen also etwa 6,000,000 Thlr. Pr. Ct. Die Staatsform, wie sie gegen- wärtig durch die neue Verfassung festgestellt ist, belälst die höchste Gewalt dem „Senate“ und der „Bürgerschaft“ gemeinsam. Ersterer wird künftig aus 18 Se- natoren bestehen, von denen 9 Rechts- oder Cameralwissenschaften studirt haben und wenigstens 7 dem Kaufmannsstande angehören müssen. Der Senat wählt V. F. Klun: Allgemeine und Handels - Geographie. 159 jährlich aus seiner Mitte zwei Bürgermeister. Beigegeben sind ihm zwei Syndiei und vier Secretarien. Die gesetzgebende Gewalt wird von Senat und Bürgerschaft, die vollziehende vom Senat, die richterliche von den Gerichten ausgeübt. Die Senatsmitglieder werden durch ein complicirtes Wahlverfahren, woran Senat und Bürgerschaft theilnehmen, für Lebenszeit gewählt, können aber nach 6 Jahren ihren Abschied nehmen. Die Bürgerschaft besteht aus 192 Mitgliedern, von denen aus allgemeinen Wahlen 84, aus den Grundeigenthümern 48, aus den bürgerlichen Mitgliedern der verschiedenen Verwaltungsdeputationen 60 durch Wahlen der re- spectiven Mitglieder hervorgehen. Alle drei Jahre wird die Bürgerschaft um die Hälfte erneuert. Der Bürgerausschufs besteht aus 20 Mitgliedern, der Vorstand der Bürgerschaft aus 14 Präsidenten, 2 Vicepräsidenten und 4 Schriftführern. Zur Vergleichung der aufserösterreichischen statistischen Angaben empfehlen wir dem Herrn Verfasser das ausgezeichnete Handbuch der vergleichenden Sta- tistik von G. F. Kolb. Einige Widersprüche in den Zahlenangaben des Klun’- schen Werkes selbst, grolsentheils wohl durch die Benutzung sich widersprechen- der Quellen entstanden, werden in einem Anhange des zweiten Theils leicht ver- bessert werden können. Als solche sind z. B. auffällig, wobei wir die richtiger zu haltende Angabe voranstellen: S. 453 und 455 Japan, inclusive ehem beiläufig 8000 Q.M. (7521 Q.M.). S. 22 Japan ohne Sachalin . . . . - 2 ....10000Q.M. Die Philippinen S. 448 „wahrscheinlich über 6000 Q. M.“ (5200 Q.M.). - - SE nn. ua. M. Neu-Seeland S. 23 3500 Q. M. (4840 Q.M.) - S. 535 2853 Q.M. (jede Hälfte um 1000 Q.M. zu klein ange- geben). Borneo S. 447 und S. 22 Neu-Guinea S. 537 und S. 23 Nord- Amerika S. 483 und folgende und S. 356 483,587 Q.M. - See ae 34000: ME Mackenzie-Flufs S. 75 450 Meilen a 27,000 Q.M. Gebiet. - S. 486 „an Grölse fast der Donau gleich“ (S. 64 380 Meilen lang, 14,400 Q.M. Gebiet). jede von beiden über 13,000 Q.M. grofs. Die Berichtigung dieser Widersprüche und einiger unzweifelhaften Irrthümer, 2. B. S. 33 Harz Brocken 3100 Fufs statt 3500 F. hoch; S. 75 Grofse Bären- _ See u. s. w. unter Canadische Seen, Grofse Salz-See unter St. Lorenzo-Seen auf- geführt; S. 254 preufsische Enclaven-Gröfse, würden dem verdienstvollen Ver- fasser ein Leichtes sein, gleichwohl aber seinem Buche den Anschein von Un- verläfslichkeit nehmen, den es wahrlich nicht verdient. Ueber die Schifffahrts- stralsen auf dem Weltmeere, die Schiffbarkeit der Flüsse, Canäle und Eisenbahnen, die Handelswege und Karawanenstrafsen, die Stromzölle und Verträge der Ufer- staaten, die Transitzölle und Handelsverträge, Münzen, Mafse und Gewichte, Aus- sprache der Fremdnamen u. dgl. m. werden wir ohne Zweifel in dem zweiten Theile, der eigentlichen Handelsgeographie, in gröfsester Reichhaltigkeit alles das vorfinden, von dem wir eine etwas reichere Auswahl auch hier gewünscht hätten. Wir sehen ihm daher um so mehr mit Verlangen entgegen, als hinsichtlich Oester- & 160 Neuere Literatur: reichs auch rücksichtlich dieser Details schon im vorliegenden Theile wenig zu wünschen: übrig bleibt. S. Medicinisch-statistische Topographie des Herzogthums Steiermark. _Gekrönte Preisschrift von Dr. Mathias Macher. Graz 1860. In der Ferstl’schen Buchhandlung (Karl Fendler). 6168. 8. Die Studien-Direetion der k. k. medieinisch-chirurgischen, Lehranstalt in Graz schrieb eine Preisaufgabe für die „Verfassung und Veröffentlichung einer medi- einisch-statistischen Topographie des Herzogthums Steiermark“ aus, „in welcher Jedermann überhaupt, und der von der Lehranstalt mit der Befähigung zur Aus- übung der Praxis abgehende junge Wundarzt insbesondere, Belehrung finden könne“. Von den besonderen Verhältnissen abgesehen, welche die Stellung die- ser Aufgabe gerade so, wie sie geschehen ist, bedingen mochten, kann man aus dem Gesichtspunkte der Wissenschaft und des praetischen Nutzens es nur be- dauern, dafs eine Topographie und Statistik des Herzogthums Steiermark nur dem einseitig medieinischen Faeultäts-Bedürfnils Rechnung tragen sollte, so dafs, um eine vollständige Topographie und Statistik zu erhalten, mindestens alle vier Fakultäten gleichzeitig dieselbe Aufgabe stellen mufsten. — Denn warum sollte nicht z. B. auch eine juristisch-statistische Topographie von Steiermark eben so gut berechtigt sein, als eine medicinisch-statistische? Man würde darin die Ge- richte, die Gränzen ihrer Sprengel, die Zahl der Advokaten, Procuratoren, No- tare, den Umfang und Unfug der Winkeladvokaten, die Statistik der anhängig gemachten, verglichenen, durch Zwischen- und Enderkenntnisse entschiedenen Sa- chen, die Häufigkeit der vor die zweite und dritte Instanz gebrachten Sachen, die Veranlassung der Processe, die Criminal-Statistik, Arten, Veranlassungsgründe, Häufigkeit verschiedener Verbrechen, Statistik der Straf- und Besserungsanstalten u.s. w. u.s. w. finden; in der Hauptsache aber würde das Buch eine Topogra- phie und Statistik nur mit diesem besonderen Facultätsbeigeschmack bleiben. Diese Facultätsrichtung hat aber noch die schlimmere Wirkung, eine völlig gerechtfer- tigte Entschuldigung für oberflächliche Behandlung und Unvollständigkeit in allen den Materien und Beziehungen zu bieten, die nicht in dieses specielle Facultäts- wissen schlagen. Die Topographie und Statistik eines österreichischen Kronlan- des ist zur Zeit noch nicht ein Gegenstand so intensiven Interesses, dafs die Wirksamkeit und Verbreitung: des allgemein-interessirenden Inhalts eines solchen Werkes nicht wesentlichen Eintrag. durch eine solche specifische Färbung erlei- den sollte, denn diese specifische Färbung ist so gut wie eine Zertheilung des lesenden Publicums. Wer sucht au/serdem hinter diesem. beschränkenden Titel den reichen und allgemeinen Inhalt des Werkes, den hohen, umfassenden Stand- punkt des Verfassers! Gleichwohl danken wir vielleicht gerade dieser: Speciali- sirung der Aufgabe das vorliegende ausgezeichnete Werk, das wenigstens für die Topographie dieses interessanten Alpenlandes eine Fundgrube auf lange Zeit hinaus bleiben wird. Eine 40 jährige Thätigkeit als Arzt und Sanitätsbeamter in allen drei Kreisen ‘des Landes’ gab dem Verfasser hierfür eine seltene Befähi- gung, die gleichwohl ohne die specifisch medieinische Aufgabestellung für die M. Macher: Medicinisch-statistische‘ Topographie von Steiermark. 161 ‚Herausgabe einer reinen allgemeinen Topographie nicht nutzbar gemacht sein würde. ‘Der erste Theil liefert eine Ueberschau und Naturbeschreibung des Lan- des, nebst der Darstellung der Bewohner und ihrer Verhältnisse, so wie des öf- fentlichen Sanitätswesens. Die Darstellung der Verwaltung, mit Ausnahme der Medieinal-Polizei, mangelt ganz, die technische Cultur in ihren verschiedenen ‚Zweigen und der Handel werden überaus kurz abgefertigt. ‚In den folgenden -drei Theilen ist die specielle Beschreibung der drei Kreise enthalten. Eine be- sondere Berücksichtigung erfuhren die klimatischen und atmosphärischen Ver- hältnisse, die Bodenerzeugnisse, Trinkquellen und Heilwässer, so wie die Natur- merkwürdigkeiten, ferner die Stammverschiedenheit der Bewohner, ihre 'natürli- ‚chen Anlagen und Culturgrade, ihre epidemischen und endemischen Krankheiten, besonders auch Cretinismus und Kröpfe, die Bewegung der Bevölkerung und das ‚Sanitätswesen, Bildungs-, Wohlthätigkeits- und Sanitäts-Anstalten. Die specielle ‚Beschreibung jedes Kreises geschieht nach Flulsgebieten, Sanitäts-Dictrieten, Amts- ‚bezirken und Catastral-Gemeinden. Fast gänzlich mangeln die historischen Rück- ‚blicke. _ Die Ruinen der Burgen und Schlösser der edlen Geschlechter des Lan- _ des werden erwähnt, nicht aber die Namen derselben. Auch mit der originellen, '„von ‘der gewöhnlichen etwas abweichenden Orthographie * des Verfassers wird ‚sich' schwerlich die Mehrzahl der Leser befreunden. Im Ganzen aber zeugt das ‚Werk nicht allein davon, dafs der Herr Verfasser seinen Gegenstand vollkommen kennt, sondern‘ dafs er auch über ihm steht, ihn beherrscht; denn trotz des zum Theil minutiösesten Details findet sich Nichts von der kurzsichtigen Ueberschätzung und Uebertreibung, worin nur- zu leicht sonst Topographieen zu verfallen pflegen. Der Verfasser verspricht am Schlufs der Vorrede, Unvollkommenheiten und Lücken ‚seines Werkes in einem späteren Nachtrage zu ergänzen; möge er im Stande sein, ‘sein Wort zu halten. Schon von jetzt an aber wird Keiner über Steiermark _ Gründliches schreiben können, ohne die Topographie Dr. Macher’s berücksich- tigt zu haben. S. j 2 2 naar % -. Führer durch die Südbayerischen Hochlande, nebst Reiserouten nach Innsbruck E. und Salzburg und ‚einer Beschreibung von München, bearbeitet von Th. ® Hartwig. Mit Plan von München und einer Reisekarte. 4te, gänzlich n neu bearbeite Auflage. München (Jos. Lindauer) 1860. 213 S. 12. Das Innthal in Tirol und seine Nebenthäler. Für Eisenbahn-Reisende geschil- dert von W. M. Mit 2 Karten.‘ Innsbruck (Wagner’sche Buchhandlung) 1860. 128 8.. 12. u Beide oben genannte Werkchen gehören in die verdienstvolle Klasse derje- Er ii Schriften, welche die Chinesen Hien-Tschi (vgl. den: Aufsatz über chine- sische Bibliotheken N. F. Bd. VIH, S. 410 dieser Zeitschrift) nennen. Wenn die- selben über das ganze Reich 10,000 Werke, über die Provinz Tschekiang allein eine Bibliothek von 700 Bänden füllen, so kommt vor Allem der Flächenraum, ‚der vielleicht zehn Mal so grols ist, als der der hier geschilderten beiden Alpen- länder, bei einer Vergleichung der Fruchtbarkeit der beiderseitigen Literaturen in h "Anschlag. Mit Berücksichtigung dieser Verschiedenheit dürfte die deutsche Lite- ratur in dieser Beziehung, wenigstens für einzelne Landstriche, kaum nachstehen, Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd.IX. 11 * P> \ 1 162 Neuere Literatur: denn die Wagner’sche Buchhandlung in Innsbruck hat, zum Theil in mehreren Auflagen, allein über Tirol und Vorarlberg etwa 40 Bände solcher Tschi’s selbst verlegt. Eine Sammlung, Sichtung und Verarbeitung dieser deutschen Reisehand- bücher miülfste aufserordentlich dankbar sein. Zu den besten ihrer Gattung ge- hören die beiden obigen Werke, obschon hinsichtlich verschiedener Beziehungen (sie machen sich aufserdem keine Coneurrenz, sondern ergänzen einander): das Hartwig’sche liefert einen schönen Plan von München und eine zecht gute Reise- karte; die Karten von W. M. enthalten nur ein Flufsnetz und Strafsenzüge in dürftigstem Steindruck. Dagegen zeugt das letztere Buch nicht nur gleich dem ersteren von der genauesten Ortskenntnils des Verfassers, sondern enthält auch einige werthvolle historische und hypsometrische Notizen verhältnifsmäfsig ‘in rei- cherem Mafse. Im Dorfe Mühlau bei Innsbruck wird des freiherrlich Sternbach- schen Herrschaftsgebäudes erwähnt, das von Leo Schiller, des unsterblichen Dich- ters Urgrolsvater, erbaut sein soll und noch heute das Schiller’sche Familienwappen trägt. Auch Ferdinand Efslair’s, des verdienten Darstellers Schiller’scher Dramen, wird dabei gedacht, Friedrich List’s aber, des National- Oekonomen, bei Kuefstein. Vor den umfassenderen Reisehandbüchern, z. B. Baedecker’s und Weber’s, haben diese begrenzteren die Handlichkeit voraus, um so mehr aber dürften ‘sie auch den nächsten Zweck, Führer und Wegweiser, stellenweise vermittelst Angabe des kleinsten Details (einzelne Bäume, Brunnen, Muttergottesbilder u. s. w.) zu sein, im Auge halten müssen. Für die Münchener Sehenswürdigkeiten leistet Hartwig so viel, um die Kataloge entbehrlich zu machen. S. Briefe aus hohen Breitegraden. Bericht über eine Reise nach Island, Jan Mayen und Spitzbergen im Jahre 1856, von Lord Dufferin. Mit 24 Illustrationen in Holzschnitt und 3 Karten. Braunschweig (Friedr. Vieweg u. Sohn) 1860. 330 S. 8. Lord Dufferin und sein gutes Schiff, der Yacht-Schooner „Foam“, trafen be- kanntlich im Hafen von Reikiavik mit dem Prinzen Napoleon zusammen, der an Bord der „Reine Hortense“ gleichfalls eine Fahrt nach dem hohen Norden beab- sichtigte und auf der Fahrt von Island nach Jan Mayen die englische Yacht dienst- fertig in’s Schlepptau seines Dampfers zu nehmen verstattete. Die „Reine Hor- tense“ wurde aber durch einen Unfall von ihrem Tender getrennt und da sie auf ihre Segelkraft nicht rechnen konnte, schon vor Erreichung ihres ersten weiteren Zieles zur Rückkehr nach Island genöthigt. Der „Foam“ setzte allein seine Reise fort, Lord Dufferin erreichte, betrat und verliels sogar wieder das gefürchtete, fast sagenhafte Eiland, dessen 6870 Fufs hohen Schneekegel er plötzlich durch einen Rifs in Wolken und Nebel hell beleuchtet hoch über sich erblickte. Er er- wähnt nicht ausdrücklich die bei den Wallfischfängern so gefürchtete Drift zu Lande, hatte aber doch grofse Noth, aus den plötzlich herantreibenden Eismassen mit heilem Bord wieder herauszukommen. Um die Bären-Insel lag meilenbreites Eis; auch Spitzbergen sollte nach Hammerfester Nachrichten ganz unerreichbar sein. Dennoch aber gelang es noch endlich über Verhoffen, English Bay auf der Nordwestspitze zu erreichen, welche ein Gletscher-Panorama bietet, wie es wohl kaum grofsartiger selbst Grönland aufweist. Nur ein reicher Mann kann der- gleichen Vergnügungs-Expeditionen projectiren, nur ein solcher sie so ausrüsten, Barth: Becken des Mittelmeeres. — Domke u. Engel: Seeleuchten ete. 163 _ — aber sie so durchführen kann nur ein durchgebildeter Charakter und auch nur ein solcher sie so launig beschreiben, wie es dies allerliebste Reisewerk thut, das, wie billig, allen Theilnehmern der Fahrt zugleich ein bleibendes, namentliches Denkmal setzt. Die Ansicht von Spitzbergen’ und die Temperatur-Beobachtungen sind die werthvollsten Beigaben. S. Das Becken des Mittelmeeres in natürlicher und culturhistorischer Beziehung, Vorlesung, gehalten im Athenäum zu Hamburg von Dr, Heinr. Barth. Hamburg (Dtto Meifsner). 32 S. 8, Eine kleine geistreiche Skizze, wie sie nur. ein so umfassendes Wissen, wie das des durch seine Reisen entlang der Küste des Mittelmeeres und tief in das innerste Afrika berühmten Verfassers hinwerfen kann. Die interessantesten Mit- theilungen betreffen Strömungen und Winde in der Meerenge von Gibraltar, die West-Ost-Strömung von ‚Cap Bon die ganze Südküste entlang mit ihrer Einwir- kung auf die Küstenbildung der Syrte und auf die Ablagerung des Nilschlamms in den ‚alten phoenieischen und syrischen Häfen. Vor Allem aber malt. das Werk- chen in reizenden Zügen die südlichen Zonen der hesperischen Halbinsel, ihren afrikanischen Typus und ihr Hochgebirge, die Sierra Nevada, S. Verzeichnifs der Seeleuchten oder Leuchtfeuer der Erde. Nach 'amtlichen Bekanntmachungen zusammengestellt von F. Domke und E. Engel. Herausgegeben im Auftrage des Königl. Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Berlin 1860. Verlag der Königl. Geheimen Oberhofbuchdruckerei (R, Decker). 142 S. 8. In diesem Verzeichnils sind alle Leuchtfeuer der Erde, mit Ausschlufs der- jenigen an den Küsten der amerikanischen Binnenseen, nach den neuesten amt- lichen Bekanntmachungen der Schifffahrt treibenden Nationen zusammengetragen. ' Die Gesammtzahl beträgt einschliefslich des Nachtrages 2031. Davon kommen auf das ET RR N ee 4 Die Ostsee . . . TI RE Ace er ee Das Kattegat, Sund, Belte . ee ee rer, Biasschwarse Mocrae mar an a da 0 ne EARTRTERE et Das Asowsche Meer . . . Sr ne ?5 7 . Das Mittelländische Meer, Ok. ni Südküste N, ” Die Inseln des Mittelländischen Meeres. . -» » 2 2..2...-.72 Die Nordseite des Mittelländischen Meeres . . . ... ..209 äh Norwegen . . ne az Die dänische, ee holländische, ne Nordseeküste 87 = England, Schottland, Irland. ... ... 2 2 2 0 0. ..8983 Frankreich am Atlanüschen Meere . . 0... 0. ..,.. 48 du Spanien _- - ser m: } Portugal = = 2 D . . . . . . . . 24 1286. 164 Sitzungsbericht Sonach ‘kommen von sämmtlichen Leuchtfeuern etwa 1250 oder fast $ auf Europa. Von dem Ueberrest kommen is 536 oder über ? auf das atlantische Nord-Amerika und Westindieh, 11.auf das‘ atlantische Afrika, kernd 42 auf das atlantische Süd- Amerika, 36 auf das aufsereuropäische Mittelmeer und Inseln, 1875, so dafs für alle nicht atlantischen Küsten nur 156 Leuchtfeuer, d.i. nur 77 der sämmtlichen übrig bleiben. In acht Spalten wird über jedes Leuchtfeuer, seinem Namen, seiner Locali- tät, Beschaffenheit und Nutzbarmachung nach, ferner über seine astronomische Position nach der Länge von’ Greenwich, über seine Classification, seine 'Meeres- höhe, die Sehweite und endlich das Jahr seiner Errichtung Ausktnft' gegeben. Das älteste der jetzigen ist das von Lowestoft aus dem Jahre 1676. Bis zur Veranstaltung einer neuen Auflage dieses Buches sollen durch Nachträge Verän- derungen und neue Einrichtungen ergänzt werden. Gewifs eine verdienstliche Compilation und selbst den Besitzern eigentlicher Seemannsbücher, wie z. B. „die Nordsee“ von L. v. Lowtzow und „der englische Canal“ von H. Holle zur Ver- gleichung, Berichtigung und Nächtragung unentbehrlich. 8. Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 7. Juli 1860. Der Vorsitzende, Herr Prof. Dove, eröffnete die Sitzung durch Ueberrei- chung der eingegangenen Geschenke: 1) The Polar Exploring Expedition. A Spe- cial Meeting of the American Geographical and Statistical Society. New York 1860. — 2) Fr. Kühne, Commentar zu einer Sendung von Sämereien und Agri- eultürfrüchten nordamerikanischer Staats-Ackerbau-Gesellschaften. New York 1859. — 3) Fr. Kühne, Consularbericht über den Handel der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. New York 1850. — 4) Sugar from the Chinese Cane. Indiano- polis 1858. — 5) Bulletin de la societe de geographie de Paris, IV* Serie, Tom. AIX, Avril et Mai 1860. — 6) Petermann’s Mittheilungen. Ergänzungsheft. Gotha 1860. — 7) Preufsisches Handels- Archiv. 1860. No. 22 —26. — 8) Bo- letin de la sociedad de naturalistas Neo-Granadinos. Bogotä 1860. — 9) Mitthei- lungen der K. K. Geographischen Gesellschaft. Jahrgang II. 1859. Heft 3. Wien 1859. — 10) Keith Johnston, Royal Atlas of Modern Geography. No. 20. 21. 35. — 11) Uebersichtskarte der Jahde-, Weser- und Ems-Mündungen des von der Königl. Preufs. Admiralität herausgegebenen See-Atlasses dieser Mün- dungen. ; Bei Ueberreichung dieser Geschenke machte Herr Dove namentlich auf die „Mittheilungen der K. K. Geographischen Gesellschaft zu Wien“ aufmerksam, in denen die sehr eingehenden und reichhaltigen Aufzeichnungen Helfert’s über Tenasserim aus seinen hinterlassenen Papieren publieirt sind. Sodann legte er verschiedene Werke zur Ansicht vor. R. Russell’s „Nordamerika, sein Ackerbau und sein Klima“ empfahl er wegen der darin enthaltenen objectiven Darstellung der Berliner geographischen Gesellschaft. 165 der materiellen Wirkungen der ’Selaverei; nach des Verfassers Ansicht hänge das Gedeihen einiger Zweige der landwirthschaftlichen Cultur allerdings vom Fortbe- stände‘ der Sclaverei ab, bei allen Industriezweigen hingegen und überall, wo der Grundbesitz’ stark getheilt' sei, rentire die Sclavenarbeit nicht. — In seinen „/n- quiries about Terrestrial Temperature“ hat James D. Forbes zur Erläuterung der von’ dem Vortragenden hervorgehobenen Thatsache, dafs der Lauf der Isanomalen durch die ‚Vertheilung' des Festen und Flüssigen auf der Erdoberfläche bestimmt werde, das Verhältnifs des Festen und Flüssigen unter verschiedenen Breiten be- rechnet und gefunden, dafs nur zwischen 50 und 60° N. Br. das Feste überwiegt, während unter dem Aequator das Feste zum Flüssigen sich wie 216: 784, unter 40° 8. Br. wie. 40 : 960), unter 50° S. Br. gar nur wie 21 :979 verhält. — In dem ersten Heft der Annali, welche von der Direetion ‚des Observatoriums auf dem Vesuy publieirt werden, befindet sich ein Bericht über einen Apparat, durch den sich Erdstöfse vermittelst einer galvanischen Kette ‚selbst notiren. — In Be- ziehung auf die in dieser Zeitschrift publieirten Höhen der preufsischen Bahnhöfe, denen sämmtlich ‚der Nullpunkt des Amsterdamer Pegels zu Grunde gelegt ist, theilte. Herr Dove aus einem Schreiben des Herrn Prof. Argelander in Bonn mit, ‘dafs von den ‘sechs Amsterdamer Pegeln der Nullpunkt ‚der beiden dem Meere zunächst gelegenen 4’ 1''4,7'" über dem mittleren Spiegel der Nordsee liegt, wo- nach jene Höhenangaben auf das Meeresniveau zurückgeführt werden können. — Ferner war ihm ein Schreiben von Dr. L. Müller aus Les Cayes auf Haiti vom - 20. Mai 1860 zugegangen, welches sich über ein anhaltendes Erdbeben auf Haiti verbreitet. ‘Der Brief ist in dem vorigen Hefte der Zeitschrift abgedruckt. Herr Barth beantragte, denjenigen Herren, die zur, Förderung der Ritter- Stiftung wirkten, den -Dank der Geogr. Gesellschaft auszudrücken — welchem Antrage die Gesellschaft beitrat — und theilte mit, dafs die Genfer Geogr. Ge- sellschaft sich bereit erklärt habe, zu den Zwecken der Ritter-Stiftung mitzuwir- ken, ‚Von Herrn Duveyrier hatte der Vortragende ein Schreiben erhalten, aus welchem hervorgeht, dafs Duveyrier seinen ursprünglichen Reiseplan nach dem algerischen Grenzgebirge wieder aufgenommen hat. Herr Michaelis hielt einen Vortrag über Hadley’s Erklärung der Passat- winde, die er als eine nur hypothetische und nicht, stichhaltige bezeichnete. Um - dieser Theorie ein gröfseres Ansehen zu geben, habe man für sie die ‚Autorität des scharfsinnigen Halley angeführt; Halley habe aber im Gegentheil;gegen die - Erklärung der Passatwinde durch die Rotation der Erde mehrere triftige Einwen- - dungen erhoben und,auch D’Alembert habe sie durch die Bemerkung angefoch- _ ten, dafs die den Erdball einhüllende Luftschicht, | wie jeder andere ‚Körper auf $ der Erdoberfläche, mit derselben Geschwindigkeit, rotiren müsse wie‘ die Erde selbst. =: sHerr Dove legte eine ihm; von Lieut. Maury eingesandte graphische Dar- ? stellung des Luftdrucks unter: den verschiedenen Breiten vor und bemerkte,, dafs aus andern von ihm berechneten Beobachtungen: hervorgehe, ‚dafs der ungleichen Abnahme des Druckes in der heifsen Zone von den Grenzen derselben zum Ae- i er hin ungeachtet, im Atlantischen Ocean dennoch vom 30sten Breitengrade - bis zur Linie hin der Gesammtdruck auf der nördlichen und südlichen Erdhälfte E enesi gleich sei. Pe Se SZ 166 Sitzungsbericht Herr Ehrenberg machte Mittheilungen über die Reise der Herren Baron v. Barnim und Dr. Hartmann, nach Briefen derselben aus Chartum. Die Briefe sind im vorigen Heft der Zeitschrift abgedruckt. In Betreff der in diesen Brie- fen berührten politischen Zustände Abessiniens bemerkte Herr Barth, dafs sich während der Abwesenheit des Königs Theodoros auf einem Kriegszuge nach Schoa der Statthalter von Tigre empört habe; dieser Statthalter sei es, der den Fran- zosen Adulis abgetreten habe; nach der Rückkehr des Königs stehe also ein Bürgerkrieg bevor. Ferner theilte Herr Barth Nachrichten über die Nachforschun- gen mit, die von Egypten aus nach dem Schicksal des Dr. Vogel angestellt sind. Das betreffende Schreiben ist im vorigen Hefte der Zeitschrift abgedruckt. Herr Haeckel setzte seinen Vortrag über Sieilien fort. Derselbe ist in der Zeitschrift vollständig veröffentlicht. Sitzung vom 4. August 1860. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung durch Ueberreichung der eingegange- nen Geschenke: 1) Recueil de Memoires des astronomes de l’Observatoire central de Russie. St. Petersbourg 1859. — 2) Bulletin de l’Academie Imperiale des scien- ces: de St. Petersbourg. Tom. I. Heft 4—5. — 3) Preufsisches Handels-Archiv. 1860. No. 27—30. — 4) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N. F. VIII. Heft 4.5. — 5) Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. III. No. 6. — 6) Bulletin de la Societe de Geographie. Tom. XIX. No. 114. — 7) Archiv für wissenschaftliche Kunde von Rufsland. Bd. 19. Heft 4. — 8) Bulletin de la So- ciete des Naturalistes do Moscou. Tom. XXVIII. No.1. — 9) Sur la difference de longitude des observatoires de Bruxelles et de Berlin. — 10) Maury, De la necessite d’un systeme general d’observations nautiques et meteorologiques. — 11) An- nuaire de l’academie royale des sciences de Belgique. 1860. — 12) Bulletins des seances de la classe des sciences. Bruxelles 1859. — 13) Academie Royale'de Belgique. Observations des phenomenes periodiques. — 14) Kiepert, Hand- Atlas. Lieferung 10. — 15) Specialkarte sämmtlicher Telegraphen-Linien und Stationen des deutsch-österreichischen Telegraphen - Vereins. 1860. Der Vorsitzende machte darauf aufmerksam, dafs in dem eingegangenen Re- cueil von Otto Struve nicht weniger als 71 Punkte in dem Lande der Don’schen Kosaken und 43 in dem Gouvernement Nowgorod, astronomisch nach Länge und Breite bestimmt, aufgeführt werden. Wichtige Mittheilungen seien sodann in dem Bulletin der Petersburger Academie enthalten. Nach v. Köppen beträgt das gesammte russische Reich mehr als 392,000 Quadratmeilen, von denen in Europa 97,235, in Asien 270,540 und in Amerika 24,298 liegen. Nach der Zählung von 1851 ist dieser immense Raum von .674 Mill. Menschen bewohnt. Von nicht geringerem Interesse ist ferner die Abhandlung von Lenz über die Wärme der Luft und des Meeres unter den Tropen. Während auf dem Lande der höchste Stand der Temperatur 13 oder 2 Stunden nach Mittag eintritt, auf den Inseln aber um 12 Uhr, findet nach sorgfältigen stündlichen Beobachtungen auf dem offenen Meere das Maximum der Wärme schon eine halbe Stunde vor Mittag statt. Daran knüpfte sich die Bemerkung, dafs auf dem Meeresboden die Temperatur des Wassers nicht unter +23 Grad sinkt, da das kalte Wasser Raum b) der Berliner geographischen Gesellschaft. 167 hat, nach wärmerem abzufliefsen. Anders stellt sich‘ das Verhältnifs im sü/sen Wasser, wo die niedrigste Temperatur auf dem Boden der Seen und Flüsse nur bis auf +4 Grad fällt, so dafs dadurch die Erhaltung des animalischen und ve- getabilischen Lebens ermöglicht wird. Bei dieser Temperatur ist nämlich das Wasser am dichtesten. Werden also die oberen Schichten des Süfswassers noch kälter, so bleiben sie als die leichteren oben und verwandeln sich in Eis, das demnach nie so stark werden kann, dafs es bis zum Boden hinabreicht. In einem Aufsatze v. Middendorff’s wird anempfohlen, bei dem Auffinden fossiler Thiere in den Eismassen Nord-Ssibiriens sogleich den Fund zur Anzeige zu bringen, um ihn durch Kenner untersuchen zu lassen. — Bei dem Aufsatz endlich über den Längenunterschied zwischen Brüssel und Berlin besprach Herr Dove die Wichtigkeit der elektrischen Telegraphen, welche zuerst in Amerika zu dergleichen Bestimmungen angewendet worden sind, und welche bequemer den Längenunterschied feststellen als Feuersignale, Himmelsbeobachtungen und Chro- nometer. Bei allgemeiner Besprechung dieses Gegenstandes wurde bemerkt, dafs noch kein Mittel gefunden sei, Differenzen zwischen geodätischen und astronomi- schen Bestimmungen zu vermeiden. Herr Barth berichtete, dafs die Carl Ritter-Stiftung bereits ein Capital von ca. 2200 Thlr. besitze, das man um so mehr des baldigsten verdoppelt zu sehen hoffen könne, als von dem ersten Ertrage desselben ein Unternehmen unterstützt werden solle, das auch in weiteren Kreisen grolsen Anklang finden werde. Der Tod des deutschen Reisenden Dr. Vogel ist leider unzweifelhaft, um so wün- schenswerther aber bleibt es, über seine letzte Thätigkeit Näheres zu wissen. - Herr v. Heuglin, dessen Reisen an dem oberen Nil so bedeutende Ausbeute ge- währt haben, und der zu jenen Nachforschungen die geeignete Persönlichkeit wäre, ist erbötig, in geringer Begleitung, der sich auch Graf Thürheim auf eigene Ko- sten anschliefsen will, dieselben anzustellen, sobald die Kosten gedeckt wären. Nach seinen Mittheilungen würde er es für den sichersten Weg halten, bei hohem "Wasserstande vom No-See aus den Westarm des Abiad mit einem Dampfer zu befahren, um so leichteren Zugang nach Wadai zu haben, oder auch den Land- _ weg über Kordofan zu wählen. Die ersten Jahreszinsen von dem zunächst auf - 5000 Thlr. anzusammelnden Capital der Carl Ritter-Stiftung will ein Mitglied der Gesellschaft vorstrecken, damit schon jetzt jene Unternehmung unterstützt werden könne. Die Versammlung willigte gern in diese Vorschläge ein, während der von Herrn Barth vorgelesene Entwurf zu den Statuten der Stiftung von einer Commission berathen und der Gesellschaft in der November-Sitzung zur Beschlufs- nahme vorgelegt werden soll. Darauf erinnerte Herr Barth an die Angriffe, welche namentlich Beke gegen die Glaubwürdigkeit der afrikanischen Reisenden d’Abbadie gemacht hat. Jetzt haben Letztere ein Resume geodetique de l’Ethiopie herausgegeben, in welchem mehr als 800 Positionen am oberen Nil aufgeführt sind, von denen sie etwa 200 nach Länge, Breite und Höhe gemessen hätten. Da jedoch hierbei auffallende Differenzen vorkommen, so kann ihr Werth erst dann festgestellt werden, wenn das Journal ihrer Reise, zu der sie 774 Reisetage verwendet haben wollen, aus- gegeben sein wird. Herr Braun theilte Einiges aus den Briefen der Naturforscher mit, welche 168 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft. der preufsischen Expedition nach Japan auf der Thetis beigegeben sind. Sie ent- halten namentlich Angaben über die’ Flora und Fauna der canarischen Inseln. Herr Ehrenberg theilte nach einem Briefe von Maury neue Untersuchun- gen über Meerestiefen mit. Es ist ihm eine’ Sendung von Proben des Wassers und. des Meeresgrundes zugegangen, die unter etwa 18 Grad Breite und 129 Grad östl. Länge aus einer Tiefe‘ von 19,800 Fufs vermittelst eines hohlen ‚Cylinders heraufgehoben worden sind, zugleich mit einer vom Wasser, das an der Ober- fläche daselbst geschöpft worden ist. Die Richtigkeit der Annahme, dafs das Wasser aus der Tiefe weniger salzhaltig sei, als das der oberen Schichten, wird eine nähere Untersuchung herausstellen. Unter den mikroskopischen 'Thierchen haben: etwa zwei Drittel übereinstimmende Form, die sich durch ihre ‘Schönheit und Zierlichkeit auszeichnet, und es haben sich unter ihnen sieben neue Genera gefunden. Darauf zeigte Herr Ehrenberg an, dafs ein neuer Brief von Dr. Hartmann aus Abessinien eingegangen sei, der viele wichtige Details enthalte. Er.hob zu- nächst nur die Meldung hervor, dafs in diesem Jahre auf dem weilsen Nil durch Europäer 36 Barken theils zu Elephanten -Jagden, theils zur Plünderung ‚des Landes ausgerüstet worden seien. Durch letztere in hohem Grade gereizt, hat die’ Bevölkerung einen Vernichtungskrieg gegen die Fremden begonnen ae 2..B. an einem; Tage 130. Jäger erschlagen. Herr Dove schlofs mit einer kurzen Bemerkung über den diesjährigen reg- nigten Sommer. Vor wenigen‘ Tagen ist‘ während 41 Stunden: die Regenmenge in: Berlin 34 Zoll gewesen, höher als jemals hier, gemessen würde und ähnlich der, ‚die sich vor: zwei Jahren im Riesengebirge und im Harz entladen hat. Auch in diesem Jahre war im Riesengebirge die Regenmenge ungewöhnlich, denn in Eschberg bei Hirschberg fielen im Juli 73 Zoll. Wie jedoch die Wärmeverthei- lung auf der Erde sich compensire, so scheine es auch mit der Regenmenge der Fall zu sein. Während im Sommer 1857 der Genfer See einen sehr niedrigen Stand gehabt habe, und am Rhein etwa nur die Hälfte der sonst durchschnitt- lichen Regenmenge gefallen sei, war dieselbe in dem Flufsgebiete des Lorenzo so bedeutend, dafs z. B. der Ontario-See 2 Fuls über dem gewöhnlichen Nivea stand. | m Be er "n ” Recharrg” Julum Bra en MN A = 7 Paar % 7 Kucla’ rei a 33 ÖsParis Lith.Instv.. Monecke. chnil für allgem.Krılku q NEBAX. IRTE FE Ir [I 2 v UBERSICHTS-KARTE Grosse | K E ee Angehl Yalsanı Ola der Erforschungen im Südaequatorialen Victoria MT ee NACH x | wir 1 srio'hach 2 | x | ! - ! Sry: Me | | Sehnergipfel skumbuliu i OSUNFRIAA Uhern ru, Pi 7 Te —fCrsuer Nee T | Rilima -Nijaro _Mdislo wu Anden P_ Aeum Aechen Marke Er Yeiwancna? ja - | vorzüglich von KRAPF, BURTONund SPEKE Uncha ki | a EN (ö m em 1 ERS | ih # AIE say m | | zuxammengestellt von ILKIEPERT. llindi yyyuni Meran 0, AS re min 8o or NMal'wstab 1: 5,000,000. | K Tanwanıta | er L ; zeige 'aoo | 3 ‘ ei ee er L 0-10 Kambe) n | ı | MR / Ribof men N h ı | (Unambiron) N, s 3 ”n An a Kid Gehirgalanı a lo: (Mia nd es Wal ES ielbiey, | N | a | r met Tg Z rupen [ eb Can | BR: er 2 A [ d | Dyobo " Honayangı | ü Bun rundı ? Ind S Unjemiı u + Rh fr I . 2 | = a = Ga ID \ - > gar | Biombopene range es | 4 Tätarru ramo = Inn | Sin na | o er Berdlane | S DS Narunga 3° EI Diego al > Myılı Mdı | RE / Urange cn S Dalünix | | 1m z 1 get IL_ le: _ Aion al? — — Handujar T = f ” bi ? Unmao 2 e se Era ı® \ | Twinza "ygalra ua 9 NE : } | | Ukaranga | yronda Marua | Reid hl | j ie | y R | e f ” . Ieramam I | ı a | ngu 1 | | = rooms g x henden Stücke sı | | Sam Bi A La | | on ua zu Rie, Unjangtra ie 2 7 der Küntenach | | Yag SAN, | | | ER: A se N If: GORAPPRREBMANNE | | | | a AL | \Uthembu | Nongo | Kıwere Geb A er a Anfabon | | | | Nergiäio \ s = | LIION, nun N l.l_| > \ a, || J en Euiuap hekan | Usanga 7 8|o\ 850 et, = Yorokänia a Meng | 3 << —— — — SI = Fi Rind | I a Ur huge ER | = ren Kg” = erh Aura | Speciellerer Entwurf md. ® 3 u | | Mike | Y Ss, | 5 2 | x aim | en 1 mbin an) nnktälgun | | N Tele T | KRAPFS und) REBMANNS mi a | | Ss 8 || 2. le B Hanau“ NS | ostafricanischen Reisen ML. | | | g ; Uplelkie Muigulabis Reich | | | auf die annähernd ichtigenalkvorhältnilse | 1 | | m R | | Z || Schrift ex Mnguben nArapfwRebmand 1 | © | Fingern Sehrft Burfonu.speke. | 3 | H. LEE = mar schritt armer Qariten.| | Mafkstab 1 2000000 EN 0 I ag ana | - MlılancetlMonceke 5 bei D’xtcımer i Hermann Coftenoble in Leipzig erfchien und ift in allen Buchhandlungen öllhaufen, Salduin, Meifen in die Felfengebirge Nord: 1% merifa’s unternommen als Mitglied der im Auftrage ver Regie- zung der Vereinigten Staaten ausgefandten Colorado» Erpedition. Mit % 12 vom DBerf. nah der Natur aufgenommenen Randfchaften und Abbil- dungen in Farbendprud. Cingeführt durch 2 Briefe Alerander von Humboldt’s in Bacfimile. Zwei ftarfe Bände von 65 Bogen Lericon- Dctav. Preis. complett 6 Thlr. 24 Sor. &8 bedarf wohl faum ver Hinweifung, welche wichtigen wiffenfchaftlichen Erfolge fi) an die barkeit des Colorado, over vielmehr an vie Herftellung einer Wafferverbindung zwifchen dolf von Ealifornien und vem Mormonen - Gebiet am Utah-See Enüpfen. erite Band. enthält vie überaus intereffante Slußreife, in einem, von Philadelphia iveife mitgenommenen und an ver Mündung des Colorado zufammengefügten Dampfbonte. zweite Band umfaßt dagegen die Sandreife, welche am Enbe ver Schiffbarkeit des Stro- beginnt, und vurch das merkwürdige, faft unzugängliche Hochland am obern Colorado, h die Länder ver Mogquis und Navahoes, an ven Rio Grande und vemnächft dur) Örasfluren an ven Miffouri führt. Die Briefe Alexander von Humboldt’s, weldhe dem Neifenden bis tief in die MWild- folgten, gereichen dem Werk zur befonveren Zierde. 12 großen Abbilvungen ftellen Höchft malerifche und eigentHümliche Gebirgsformationen Selfen-Gebirge und des Colorado:Gebietes, Thier- und Pflanzen-Bilver, fo wie vort m Sudianer-Stämme in ihren Trachten und Gigenthümlichkeiten in Holzfchnitt und Farben: bar. | Sr. Königl. Hoheit ver Prinz Regent von Preußen nahm vie Wivmung des Werfes an. reicht und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr. beziehen durch alle Buchhandlungen und Post- Anstalten. Sm Verlage von Hermann Coftenoble in Leipzig erfchien und tft in allen Bud Handlungen zu haben: 2 Forfehungsreifen in Arabien und Oft: Afrika nad den neuefta i Entvefungen von Burton, Spete, Krapf u. X. in zwei Bänden beat: heitet von Karl Andree. Erfter Band. Nebft 4 Tonbilvern und zahl reichen eingedrusften Solgf chnitten. Preis pro Band 25 Thlr. Die Bände enthalten Yurton’s Reifen in Arabien zu den heiligen Stäbten Meding und Mekka und deffen Reifen in Oft-Afrifa durch das Land der Soma nach Härrär, Orte und Gegenden, welche vor ihm noch fein chriftliche Europäer betrat. Werner wird der 2te Band das Wefentliche Der Vorl fchungen von Krapf, Erhardt und Rebmann und ganz befonveri Burton’s und Spefe’s Reife in bie neuentvecfte Speregion zug Aufiuchung der Nilquellen bringen. Eine von Herven Dr.Lange gear beitete Karte von Afrika, die Die fänmtlichen Entvefungen nebft Reif zouten der Fühnen Borfcher enthält, wird dem 2ten Bande ‚beigefügt. M Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig. Lord Duferins Briefe aus hohen Breitegraden. Bericht über eine Reise des Yacht-Schooners „Foam“ nach Island, Jan Maye und Spitzbergen im Jahre 1856. Mit 24 Illustrationen in Holzstich und 3 Karte gr. 8. Geh. Preis 1 Thlr. 25 Sgr. Er EERERTIERBSSSSSOD a5 EEE EREETE 1 © & So eben erschien die seit mehreren Jahren vorbereitete | Land- und Seekarte des Mittelländischen Meeres, & 2 nebst den angrenzenden Ländern. R Nach den neuesten Quellen bearbeitet und gezeichnet von ir Dr. Henry Lange. & Im Maafsstab von 1:2956000. Jedes Blatt mifst 141 Zoll in der Höhe, 163 Zoll in der Breite, im Lichten, % 10 Blatt. Gr. Folio. In Stahlstich. g ® Preis 8 Thlr ® Be Verlag des Oesterreichischen Lloyd, En m Trief. | R3 VEENESLETLELTME Azısınkt hei A, W. Schade in Berlin, Grünstr. 18. ZEITSCHRIFT FÜR et a Fa FE MIT UNTERSTÜTZUNG DER GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN Lan UNTER BESONDERER MITWIRKUNG VON HERAUSGEGEBEN -VON , » ‚Dr. K. NEUMANN ‚ NEUE FOLGE, NEUNTER BAND, DRITTES HEFT. 3:4: 20..0BERLIN. VERLAG vVoN DIETRICH REIMER. Pen ARTEN, tn R j a2 A \ \ u ALLGEMEINE ERDKUNDE. Su H. W. .DOVE, c 6. EHRENBERG, H. KIEPERT ıx ser, Rn: 24 ANDREE ın LEIPZIG und J. E, WAPPÄUS ı görrınsen. Inhalt. Seite VI. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. Von H. Burmeister. 4. Von Tucuman nach Catamarca . . . 169 VI. Historisch-geographisch - statistische Skizze der kaiserlich brasiliani- schen Provinz Rio Grande do Sul. Nach officiellen Angaben und eigener Anschauung zusammengestellt von Woldemar Schultz. (Mit einer Karte.) . - . N a Ru 3). VII. Hilferding’s Reise von Mostar nach en. Aus dem Russi- geben. 27V om< Herausgeber * =. re a.. la 7er Miscellen. Ueber das Klima der Stadt Wjelsk und den Eisgang der Waga . . . 232 Statistische Notizen über das Schulwesen in der Walachei . . . . . 234 Nachrichten. von’EH.-Duveyzier..'-.. nl. re, 30 5 Liane ee Die Andamanen und ihre Bewohner . . ». 2. 2. 2 2 22.0.0286 Die Stadt Yeddo . . . . ER ER I Ge RS ER FE Ueber die Silberbergwerke in Chile. nee PR EEE Neuere Literatur. Der Böhmerwald. Von Josef Wenzig und Johann Krejti. Prag REDE Se RAR SP Aus dem Osten der österreichischen Monarchie, Von Edmund Freiherrn v. Berg. Dresden 1860 .... 254 Sitzung der geographischen Gesellschaft zu "Berlin vom 7. September 1860 255 Karte. Taf. II. Karte des Jacuhy-Thales mit den deutschen Colonien in der südbra- silianischen Provinz Rio Grande do Sul. Aufgenommen 1859 vom ® Königl. Sächsischen Ober-Lieutenant Woldemar Schultz. Von dieser Zeitschrift erscheint jeden Monat ein Heft von 5— 6 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr. ae R=> Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Post- Anstalten. . k VI. j Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. Von H. Burmeister. 4. Von Tucuman nach Catamarca. ! Mit dem Ende des Januars näherte sich der Zeitpunkt meiner Ab- reise von Tucuman, diesem mir so lieb gewordenen Orte; ich hatte während der sechs Monate vom August bis Januar, die ich daselbst zubrachte, Gelegenheit gehabt, den Uebergang der Natur aus dem Winter durch den Frühling in den Hochsommer zu beobachten und konnte mit diesem Resultat um so mehr mich für befriedigt halten, je mehr ich darauf denken mufste, den zu meiner rechtzeitigen Ankunft in Europa nothwendigen Reisetermin nicht zu verfehlen; ich gedachte während des Februars bis Copiapö zu kommen, um mit dem Dampf- schiff, welches den 1. März von Valparaiso abgeht, von Caldera aus _ - am äten desselben Monats meinen Rückweg anzutreten. Dann hätte ich, aller Rechnung nach, bis zum 18. April in Halle eintreffen können. Deshalb bereitete ich schon seit Mitte Januar die Abreise vor, aber es vergingen, wie gewöhnlich, so auch diesmal, über das Auffinden des Führers, das Herbeischaffen der nöthigen Thiere und den Abschlufs des stets wichtigen Contractes, unter vielen Verdriefslichkeiten, noch zwölf Tage, so dafs ich erst den 27. Januar meinen Weg vom Ma- nantial de Marlopa aus wirklich antreten konnte. — Die Lage dieser Oertlichkeit, meines gewöhnlichen Aufenthaltsortes bei Tucuman, ist aus früheren Mittheilungen bekannt; neben dem Ge- höft führt die grolse Strafse, der Camino real, nach Catamarca, und _ überschreitet daselbst auf einer inzwischen ganz neu gebauten Brücke len Bach, nach’ dem die Quinta, wo ich wohnte, genannt wird. Gleich ‚hinter demselben befindet man-sich, nachdem das ziemlich tiefe, aber x ” © E 44 * 170 H. Burmeister: enge Flufsbett verlassen worden, auf der weiten Ebene, die sich bis zum Fuls des Gebirges ausdehnt und dort mit dem prachtvollsten Lau- relen- oder Lorbeerwalde bedeckt ist. Das Blachfeld vor dem Walde hat davon keine Spur mehr; es ist, wenigstens an dieser Stelle, abso- lut baum- und strauchlos, eine unabsehbare grüne Flur, die in weiter Ferne von Gebüsch, aus dem weifse Häuser und schlanke Pappeln, die untrüglichen Kennzeichen der Ansiedelungen, hervorblicken, begrenzt wird. Ueber demselben schimmert an hellen Tagen deutlich in blau- grauen Tönen die Sierra de Ancaste, jene Bergkette, welche die weite Ebene Tucumans von dem breiten Thale Catamarca’s sondert und als eine südliche Fortsetzung des hohen, schneebedeekten Aconquija anzu- sehen ist. Heute war sie besonders klar und schön zu sehen; es hatte in der vorigen Nacht heftig geregnet, wodurch die staubigen Wege in schöne, frisch gereinigte Strafsen und die drückende Hitze des Tages in eine angenehme Wärme verwandelt worden war. Wir ritten um 7 Uhr aus; ich, wie gewöhnlich, voran, begleitet von meiner bisherigen Köchin, einer alten guten China, welche auf das Vergnügen oder die Ehre, mich begleiten zu dürfen, Verzicht zu leisten durch kein Zureden zu bewegen war; aulserdem gingen mit mir mein Bedienter, ein vortrefflicher Mensch, Namens Jose Maria, ein Peon und sechs Thiere, vier Maulesel und zwei Pferde. Für mich war ein sehr zahmer männlicher Maulesel, genannt Macho (gesprochen Mad- scho) bestimmt worden, aber das kleine niedrige Thier mit dem engen Rücken behagte mir sehr wenig, und als ich vollends sah, dafs meine Füfse von dem aufspritzenden Wasser der vielen Bäche und Flüsse, welche wir im Laufe des Tages passiren mufsten, sich allmählich ganz durchnäfsten, verliefs ich den Macho und stieg auf das Pferd, welches der Peon ritt, und das, obgleich eben so faul, für mich doch ungleich bequemer war, als der kurze Trott des kleinen, der steten Anfeuerung bedürftigen Eselchens. Die Strafse macht in der Ebene einen grofsen Bogen, sie geht anfangs fast grade auf das gegen 2 Leguas nach Westen entfernte Ge- birge zu und dreht sich später nach Süden, am Fulse des Gebirges hinlaufend, weil neben dem Bach, der nach SSO. weiter flielst und später in den Rio de Lueles (gesprochen Lules) mündet, weite Wie- sensümpfe, sogenannte Cienegas, sich ausbreiten und stellenweise in wahre Teiche, Lagunen, übergehen. Sie zu vermeiden muls man um sie herumgehen und weiter nach Westen sich wenden, als die grade Richtung nach dem nächsten Ziele, dem 14 Leguas entfernten Dorfe Lueles, vorschreibt. Wir erreichten dasselbe in etwas mehr als einer Stunde und trafen auf dem ganzen Wege nichts, was der Erwähnung werth gewesen wäre; der Böden ist, wie bei Tucuman, an allen Stellen, Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. 171 wo kein Wald oder Gebüsch steht, mit einem kurzen feinen Grase bedeckt und ähnelt dadurch sehr unseren europäischen Viehweiden oder Triften; zahlreiches Rindvieh weidete auch hier auf ihm in dichten Trupps, welche mannichfach über die Ebene zerstreut waren. Lueles ist nach hiesigen Verhältnissen ein ansehnlicher Ort, aber er ähnelt so wenig, wie jeder andere des Landes, unsern europäischen Dörfern; er besteht vielmehr aus einer Anzahl sehr verschiedener An- siedelungen, die sich fast eine halbe Legua weit an der Strafse hkin- ziehen. Die ersten Wohnstellen waren elende Ranchos, Lehmhütten aus Holzstäben gebaut und mit Erde bekleidet, ganz wie es hier über- all Gebrauch ist; aber die Ecksäulen und Träger überhaupt sind nicht behauene grade Balken, sondern rohes Rundholz, knorrig und gebogen, wie es in der Wildnifs aufgewachsen, ohne jede andere Zurichtung, als dafs die Rinde abgeschält worden. Von breiten Schilfdächern über- ragt, machen diese Wohnungen einen eben so armseligen wie sonder- baren Eindruck. Bald hinter den Hütten liegt die ziemlich grofse Kirche des Ortes, ein altes, jetzt ganz verfallenes Gebäude aus spani- scher Zeit, ohne Thurm, aber mit einem hölzernen Glockenstuhl zur Seite, welcher mir dem Einsturz nahe schien. Schon lange Zeit hatte ich es aus meinem Fenster im Manantial gesehen, da es sich beträcht- lieh über seine nächsten Umgebungen erhebt, aber ich hatte es auch für viel besser gehalten, als ich es nunmehr antraf; Schlingpflanzen umrankten oder zerbrachen sein Gemäuer und die ehemals von Mön- ehen bewohnten Nebengebäude waren nicht in viel besserem Zustande: Alles schien verlassen und im Innern zerstört zu sein. Die grolse - Sorgfalt, welche man zur Zeit der Spanier auf alle Kirchen und Klö- ster verwendete, findet bei der heutigen Bevölkerung keinen Anklang mehr; man überläfst diese Gebäude ihrem Schicksal, oder baut wohl zum Prunk eine neue Kathedrale im bunten Theaterstyl, wie eben eine solche in Tucuman vor wenigen Jahren vollendet worden ist; ‚ein wah- res Muster von Geschmacklosigkeit, an dem viel Geld ohne ein erfreu- - liehes Resultat verschwendet worden. Gleich neben der Kirche überschreitet man einen Bach, vielleicht auch einen Arm des Flusses, der mit dem Dorfe gleichen Namen führt ' und ihm gegenüber aus einer tiefen Schlucht des Gebirges hervorströmt, aber der Hauptstrom folgt erst hinter dem Dorfe im breiten Bett, das ‘ziemlich grofsen Geröllen überschüttet ist und dadurch für die _ zeilsende Kraft des Wassers nach anschwellenden Regen Zeugnifs giebt. Ehe man aber dahin gelangt, begegnet man mehreren recht guten Häu- _ sern mit reichen Fruchtgärten zur Seite, die von wohlhabenden Leuten bewohnt zu sein schienen. Noch standen hie und da die eben ver- enen Betten auf den Corridoren und sprachen durch ihre Eleganz 172 H. Burmeister: für den Reichthum des Besitzers; denn stets pflegen die Argentiner auf das Bett die meiste Sorgfalt zu verwenden. Elegante bronzene Bettstellen aus englischer Fabrik mit klaren gestickten Gardinen de- corirt sind ein sehr gewöhnliches Möbel der Begüterten, und stehen in der Regel so angebracht, dafs sie schon dem in’s Haus Tretenden sich präsentiren müssen. Unter den besseren Wohnhäusern fiel mir beson- ders eins auf, das eine Kapelle zur Seite neben sich hatte, eine Er- scheinung, welche man hier im Lande seltener sieht, als in Brasilien, wo alle gröfseren Estanzias eine solche Kapelle zu haben pflegen. Der Rio de Lueles, dessen.ich gedacht habe, ist der erste Flufs südwestlich von Tucuman und einer der vielen kleinen Flüsse, welche von dem Südostabhange des benachbarten Gebirges herabkommen, den Rio Dulce oder Saladillo, auch Rio hondo genannt, zusammen- setzend. Alle diese Flüfschen, deren Zahl sehr grofs ist (ich passirte auf meinem Wege bis zum Uebergange über den Gebirgskamm deren fünfzehn), laufen unter sich ziemlich parallel, folgen in der Haupt- sache der Richtung von Westen nach Osten und münden in einen von NO. nach SW. laufenden Hauptstrom, den Rio Tala, der sich spä- ter, d.h. bald nachdem er den letzten und gröfsten Nebenflufs in sich aufgenommen hat, scharf nach Osten wendet und ganz in die Richtung einschlägt, welche dieser sein letzter Zufluls ihm vorschreibt; von da an heifst er Rio Dulce. Er ist zugleich die Grenze zwischen der Provinz Tucuman und der von Santiago del Estero bis dahin, wo er wieder nach Süden sich wendet und in dieser Richtung die letz- tere Provinz bis gegen Santa Fe hin durchströmt, hier in die grolse Laguna de los Porongos sich ergielsend. Diese untere Strecke nennt man Rio Saladillo. Auf dem ganzen Wege erhält der Rio Dulee keinen beträchtlichen Zuflufs mehr; fast alles Wasser in ihm kommt aus der Provinz Tucuman, die eben durch grölseren Wasser- reichthum, von heftigen Regengüssen bewirkt, vor den benachbarten sich auszeichnet und ihrer davon herrührenden Wechselfieber (Chuzo) wegen eben so verrufen ist, wie wegen ihrer Fruchtbarkeit beliebt; Tucuman heifst überall im Munde des Volks der Garten der argenti- nischen Provinzen. Der Weg jenseits Lueles führt anfangs zwischen grünen Hecken, die Fruchtgärten einfassen, fort und ist eine sehr betretene Stralse; fortwährend begegneten uns Reiter mit Lastthieren, welehe dem Dorfe und zum Theil auch wohl der Stadt Tucuman zueilten. Er bleibt so gegen eine Legua weit bis zur Estaneia La Reduccion, welche an einem kleinen Bache, dem Arroyo del Rey, liegt, der hier aus dem nahen Laurelen-Walde hervortritt; das Wohnhaus, ein ansehnliches _ Gebäude, stand unweit der Strafse, und machte, von grofsen Laurelen Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 173 beschattet, einen‘ ‘malerischen Eindruck. Obgleich der Besitzer das _ älteste Haupt der mir wohlbekannten Familie Posse in Tucuman war, _ so trat ich doch nicht unter den Schatten seines gastlichen Daches, Sondern zog es vor, schnell weiter zu eilen, um die minder warmen Vormittagsstunden für die Hauptstrecke der heutigen Tagereise zu be- nutzen; ich trabte also eilig am Hause vorüber und gelangte in eine offene Gegend, durch welche sich die Stralse, stellenweise von Hecken eingefalst, hinzog. Nach einiger Zeit kamen wir an den Wald, und blieben darin eine geraume Strecke. Er bestand aus grofsen Laurelen mit dunkelgrünem glänzendem Laube, zwischen denen zerstreut fein- blättrige Leguminosen und grofsblättrige Nuflsbäume sich erhoben; das Unterholz war vorzugsweise hohes Rohr,‘ was einen feuchten Boden an- deutete. Jenseits des Waldes empfing uns eine öde leere Flur, in der wir nach längerem Reiten ein grolses, von tiefen Gräben eingefalstes - Wassermelonen- (Sandias-) Feld antrafen und von der dort stationirten Besitzerin ein Paar zu unserer Erquickung erhandelten; es war bereits 42 Uhr geworden und die Sonne brannte heftig auf uns herab. Zu unserer grolsen Freude sagte uns die Frau, dafs wir nach einer halben - Stunde den Rio Famailla erreichen und dort einen Rancho zu un- serer Aufnahme antreffen würden, und so geschah es auch; nach kur- _ zem Ritt über die Ebene standen wir am Rande eines ziemlich tief ausgewaschenen Flufsbettes, in welchem die Strömung des Flusses ne- ben nackten Kiesflächen dahinflofs; wir ritten hinunter und trafen ein reines klares Wasser von beträchtlicher Breite, dessen Boden ebenfalls Kies von Erbsen- und Haselnuls-Gröflse war; am andern Ufer stand - auf einem Hochlande der Rancho neben einer Hütte, beide aus Reisern _ lose aufgeführt und noch ohne Lehmbekleidung; über ein Dutzend Per- sonen hatten darin ihren Wohnsitz aufgeschlagen und lagerten umher im Schatten der Gebäude, uns fremde Reisende neugierig anstaunend. Ich wurde auf mein Gesuch, mir ein paar Stunden Rast in ihrem Schat- n zu gönnen, freundlich empfangen, und als ich um ein kleines Mittags- od bat, theilte man den Vorrath mit mir, ohne Bezahlung von mir anzunehmen, obgleich ich dringend sie anbot. Aber nicht überall fin- det man solche Gastfreundschaft am Wege, am wenigsten bei Wohl- ‚habenden, die viel zu bequem sind, für ein paar Reale sich etwas zu emühen; vielfach habe ich an den folgenden Tagen nach Hühnern, iern,. Fleisch und Früchten gefragt, aber nie ist es mir gelungen, | a Nahrungsmittel als; ein paar Sandias zu erhalten. Aber diese lie war auch erst kürzlich aus Tucuman hierhergezogen und hatte t-sichtlich..eine ‚etwas feinere Erziehung, bekommen; man. unterhielt sich ‚lange mit mir über den Zweck meiner Reise und war erstaunt zu en, dafs ich ein paar herumlaufende Käfer in meine Flasche steckte. 174 H. Burmeister: Ich mafs die Lufttemperatur im Schatten zu 27° 5’R. und badete mich in dem wahrhaft lauwarmen Wasser des Flusses an der tiefsten Stelle, wo es mir noch nicht bis an’s Knie ging. Tucuman ist von hier 6 Le- guas entfernt, vom Manantial hatten wir 44 Leguas zurückgelegt und vier sollten wir heute noch machen, um nach Monteros zu gelangen, daher durfte unser Aufenthalt nicht sehr lange ausgedehnt werden. Um 4 Uhr ritten wir weiter über offenen Camp und kamen nach einer Stunde an einen ganz ähnlichen (dritten) Flufs, den Rio Ara- nilla; hinter ihm passirten wir in kurzen Abständen zwei kleine Bäche ohne Namen und noch einen (vierten) Flufs, den Rio Pamparogo, ehe wir den Hauptflufs dieser Gegend, den (fünften) Rio Romano erreichten. Es war schon dunkel geworden, als wir ihn durchritten; ein breites, flaches, trübes Wasser mit Lehmboden ohne alle abschüssige Ufer und ohne Kiesgeröll; Anzeichen, dafs die Uebergangsstelle schon ziemlich weit vom Gebirge entfernt sein mufste. Auch der Pamparago hatte keinen Kiesgrund mehr, sein Boden war Lehm und sein Wasser trübe, aber die Ufer senkten sich steil gegen den tief eingeschnittenen Flufs hinab und waren mit Gebüsch bekleidet. Noch eine Viertelstunde mulsten wir jenseits des Rio Romano weiter reiten, um in das Städt- chen Monteros zu gelangen, wo wir übernachten wollten; aber es kostete uns viele Mühe, ein Obdach zu finden; Niemand wollte einen Gasthof kennen und doch war ein solcher im Orte. — Monteros ist nach Tucuman die gröfseste Ortschaft der Provinz, aber freilich nur ein kleines Städtchen von 2500 Einwohnern, übrigens regelmälsig in Quadren gebaut, mit einer Plaza, an der die ziemlich grofse, aber thurmlose Kirche liegt. Aufser ihr habe ich kein Gebäude von Interesse wahrgenommen, doch standen in der Nähe des Gasthofes einige neue, recht ansehnliche, selbst mit einem Stockwerk (Alto) versehene Ge- bäude. Den 28. Januar. Während der Nacht fiel heftiger Regen, der uns total durchnäfst haben würde, wenn wir nach Landesgebrauch im Freien geschlafen hätten; aber ich zog es vor, mich in die Werkstätte eines Tischlers zu begeben, um dort mein Lager aufzuschlagen, und liefs auch dahin das ganze Gepäck bringen; so blieb Alles trocken und gut. Am Morgen ritten wir vor 7 Uhr aus und sahen, als wir die Stadt verlassen hatten, wieder eine ebene Flur vor uns, auf der in mälsigem Abstande einige Ansiedelungen lagen; zur Rechten zog sich die Gebirgskette fort, aber weiter entfernt; die vorderste Kette zunächst an der Ebene bei Tucuman endete schon am Rio Famailla und mit ihr zugleich eine zweite und dritte Kette dahinter, über welche die vierte und höchste mit ihren stets Schnee tragenden Gipfeln als Sierra _ de Aconquija hervorragte. Diese vierte allein begleitet den Reisen- Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 175 den fortan; der Aconquija bei Tucuman als weilse Schneemütze hinter _ der vorderen Sierra liegend, tritt jetzt in seiner ganzen imponirenden - Gestalt dem Wanderer entgegen und rückt ihm immer näher, je weiter er nach Süden kommt. Er selbst ist kahl, ein nacktes Gestein, aber die unteren Gehänge aller Nebenketten sind an der Seite gegen die Ebene zu bewaldet, lassen indefs ihre erhabensten Spitzen als grüne Grasfluren aus der Waldung hervortreten. Ueber den Charakter beider Waldformen habe ich mich in der Beschreibung der Umgegend von Tucuman genügend ausgesprochen, daher ich auf die bereits gegebene Schilderung verweise. Auf dem Wege, welchen wir eingeschlagen hatten, kamen wir nach kurzem Abstande von der Stadt an den Arroyo de Teyar, ein un- bedeutendes Wasser, das unterhalb Monteros in den Rio Romano mün- - det. Ohne Unterbreehung folgte darauf, im offenen Camp, der Rio de Pueblo viejo, auch Rio de Monteros genannt, der sechste Fluls seit unserer Abreise vom Manantial. Wir durchritten ihn ohne Be- schwerde; seine Ufer waren nicht hoch und der Boden feiner Sand, den wir durch das ziemlich klare und flache Wasser deutlich hindurch- | - schimmern sahen. Bald darauf folgt ein neuer, siebenter Fluls, der Rio Seco, breiter und etwas tiefer eingeschnitten, als der vorige, aber noch flacher und klarer; sein Wasser benetzte kaum die Fülse der Pferde über dem Huf. Ein schöner Laurelenwald breitete sich an sei- _ nem nördlichen Ufer aus und nöthigte den Flufs zu zahlreichen Win- - dungen, welche uns angenehme Landschaftsbilder eröffneten; gleich binter der Uebergangsstelle lag ein Haus, in dem wir einen Imbils nehmen zu können hofften, denn unsere Mägen erinnerten uns daran, dafs wir ohne Frühstück aus Monteros geritten waren. Aber der Herr des Hauses wollte sich nicht dazu verstehen; er habe nichts feil, weil er selbst nichts besitze, wir möchten nur eine Legua weiter reiten, da k e wir unsere Bedürfnisse befriedigen können. Damit entlassen ten wir dem Zaune, der das zum Bebauen eingehegte Land um- sehlofs, aber nichts enthielt, als eine noch völlig wilde Viehweide, und kamen hinter demselben an zwei Häuser, die zahlreiche Bewohner zu enthalten schienen. Um so mehr rechneten wir darauf, einige Nah- _ rungsmittel von ihnen erhandeln zu können; wirklich fehlte es auch hin, die Anwesenden zu beköstigen. Verdriefslich ritten wir über eine kleine Anhöhe dem vor uns liegenden Walde zu und hen vom Uebergangspunkte eine grade Strafse vor uns, auf der meh- e grolse Eidechsen (Tejus monitor aut.) neben den Regenpfützen en und zum Theil vom zärtlichsten Liebesrausch erhitzt waren. 176 H. Burmeister: Unsere plötzliche Erscheinung störte sie, alle eilten schnell dem nahen Walde zu. Nicht lange dauerte es und wir sahen wieder Hütten vor uns, freilich nur sehr einfache Rohrgeflechte, die nicht viel zu ver- heifsen schienen; doch ehe wir sie erreichten, mufsten wir noch einen (achten) Flufs, den Rio Gaston, durchreiten, der hier mitten im Walde rauschend über gröfsere Rollsteine dabineilte. Wir trafen in dem Rancho einen alten Mann, der uns auf unsere Frage nach Nah- rungsmitteln mit der Nachricht tröstete, dafs seine Frau eben darnach gehe, und wenn sie heimkehre, auch für uns Vorrath vorhanden sein werde. Das bestimmte uns zu bleiben. In der That kam auch nach einer halben Stunde die eben so alte würdige Baucis dieses guten hoch- bejahrten Philemon und theilte mit uns die Eier und Sandias, welche sie erstanden hatte; wir verzehrten sie rasch und ritten weiter, von dem Alten über die beste Stelle belehrt, den zweiten etwas gefährlichen Arm des Rio Gaston zu durchreiten. Wir waren nämlich hier auf einer Insel, die von zwei Armen des Flusses umfalst wird; den klei- neren schwächeren nördlichen Arm hatten wir passirt, der stärkere südliche stand uns noch bevor. Es ist dieser Rio Gaston einer der gröfseren Zuflüsse des Rio Tala; er hat ein breites, aber wie die übrigen flaches Bett, und ist zur kalten Jahreszeit wasserarm, wie alle; allein nach den heftigen Sommerregen, die eben jetzt häufig flossen, schwillt er stark an und ist dann öfters gar nicht zu passiren. Der Alte rieth uns, nicht in der graden Strafse zu bleiben, sondern rechts durch den Wald nach einer mehr oberen Stelle zu reiten, wo die Furth flacher und der Flufs weniger reilsend sei; wir befolgten seinen Rath und gelangten auf schmalem sumpfigen Pfade bis an die bezeichnete Stelle, auch ohne Hindernils hinüber; doch fanden wir starke Baum- stämme im Bett des Flusses liegen und erkannten daraus die Gewalt, mit welcher er zu Zeiten dahinstürmen mag. Eben sahen wir eine Tropa den graden Weg vom Flusse heraufkommen und den an dieser Stelle steileren Abhang des Ufers erklimmen. Meine Begleiter gaben sich mit den Peonen in’s Gespräch und erfuhren von ihnen, dafs beim Uebergange ein Maulthier ihrer Horde ertrunken sei; wir hatten also allen Grund, unserm abwesenden Alten einen Dankruf nachzuschicken, dals er uns einen so viel besseren Pfad angegeben hatte. Hinter dem Flusse hörte die Waldung auf, wir ritten lange Zeit über ein schönes Weideland, und sahen die Tropa stets in kurzem Ab- stande vor uns; die Stralse verlor sich fast im hohen. Grase, sie war ganz unkenntlich, und ohne jene Vorreiter würden wir sie schwerlich gefunden haben. So gelangten wir auf’s Neue in herrlichen Laurelen- Wald und hinter demselben an den Rio de Medinas, den neunten‘ der Reihe. Schäumend und laut rauschend strömte sein gelbliches en ze Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 177 Wasser mit hohem Wellenschlage an uns vorüber, aber es war nicht so tief, wie wir vermutheten, und reichte nur bis an den Bauch der Pferde. Jenseits des Flusses ist ein sumpfiges Terrain; fruchtbare Wiesen und Felder werden hier von zahlreichen Wassergräben (ace- quias) durchschnitten, und hohe grünende Hecken umgeben die Gärten der Ansiedelungen, welche das Dorf Medinas ausmachen. Als wir eben um eine Ecke des Weges bogen und hinter einer Hecke hervortraten, sahen wir von der anderen Seite einen langen Zug von Reitern, Män- ner wie Frauen, im Galopp hervorstürzen und unter Hurrah, wobei einige mit Säbeln Bewafinete ihr Gewehr schwangen, an uns vorbei- eilen; voran ein Paar auf einem Pferde, die Frau hinter dem Manne, wie es Landesgebrauch ist. Es war, wie meine Begleiter mir sagten, eine Brautfahrt; die eben Getrauten hielten ihren Umzug und wurden dabei von Freunden und Freundinnen begleitet. Mir gefiel indessen der schlüpfrige Pfad, auf dem wir ritten, sehr wenig, besonders da der Boden immer nasser wurde und bald ganze Strecken vor uns unter Wasser standen; nicht lange dauerte es, und ich sah eine sehr grolse Wasserfläche, eine Art Lagune, vor mir, aus der die Bäume nur noch mit ihren Kronen, an denen die Strömung schäumend sich brach, her- _ vorragten. Das war der Arroyo de Medinas, auch Rio Chico _ genannt, ein kleineres flacheres Wasser, als der eben passirte Flufs gleichen Namiens, aber eben deshalb breiter, wenn nach heftigen Re- gen der Bach aus seinen Ufern tritt und die ganze Umgegend unter Wasser setzt. Und durch diese feuchte Niederung sollten wir nun noch eine Stunde reiten; schon begann die Sonne hinter dem Horizont hin- abzusteigen und ich ahnte nichts Gutes, wenn auf dieser Strecke etwa uns die Dunkelheit überraschte. Eilig wurde darum vorwärts geschrit- _ ten, die Thiere gingen getrost, wie immer, hinein, und ich sah bald, _ dafs die Gefahr, von welcher man mir schon am Morgen in Monteros manches vorgeredet hatte, nicht gar grols sei, denn der schäumende - Bachstrom ging auch diesmal nur wenig über die Bauchfläche des Pfer- des hinauf. So kam ich denn mit nassen Fülsen davon; meine Stiefel, von dem beständig anspritzenden Wasser schon durchweicht, füllten _ sich förmlich von unten und belästigten mich gar sehr. Aber es half “nichts, sie auszuziehen; überall stand Wasser im Wege und breite 'Wasserflächen dehnten sich zu beiden Seiten desselben aus. Nur sehr i langsam konnten wir reiten, und die Nacht übereilte uns endlich doch. Als ‘es dunkelte, wurde der Boden trockener, wir kamen zwischen _ Culturflächen, auf denen noch die Reste der kürzlich geerndteten Saa- ten standen, und erreichten endlich gegen 7 Uhr das 12 Leguas von _Monteros entfernte Dorf Nachi, um daselbst unser Nachtquartier auf- zuschlagen. Angenehm wurde ich überrascht, als ich gleich am Ein- Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 12 178 H. Burmeister: gange ein gutes weilses Haus schimmern sah, dessen Bewohner unter einem grolsen Baume vor der Thüre salsen. Unsere Frage, ob wir die Nacht hier bleiben könnten, erwiederte man freundlichst mit: Ja gewils; und als ich den Wunsch aussprach, nicht im Freien schlafen zu müssen, wies man mir die leere Tienda (den Kaufladen) zum Nacht- lager an. Ich machte mein Bett auf dem Ladentisch und schlief, nach genommener leidlicher Abendmahlzeit, hier so ruhig, wie ich es nach einer so angreifenden Tour nur erwarten konnte. Den 29. Januar. Wir standen mit der Sonne auf, um unsere Reise fortzusetzen, rüsteten unsere Thiere und traten den Weg an, von den besten Wünschen der Hauseigenthümer begleitet, die nicht zu be- wegen waren, für ihre Dienstleistungen Bezahlung anzunehmen. Ich sollte heute nur eine kurze Strecke machen, nach der 6 Leguas ent- fernten Estanzia La Invernada, wo ein mir wohlbefreundeter Lands- mann, der ältere Sohn des in Halle ansäfsigen und verstorbenen Berg- raths Erdmann, dem ich schon mehrere Mittheilungen aus Peru, seinem früheren Aufenthalt, verdankte, sich niedergelassen hatte. Der Ort Nachi, den ich jetzt erst kennen lernte, ist ein Kirchdorf; unse- rem Hause gegenüber stand das geräumige, aber thurmlose Gotteshaus, und mehrere Ansiedelungen lagen umher mit ihren Fruchtgärten. Die Gegend ist völlig eben, wie das ganze durchreiste Terrain, erhebt sich aber etwas über das Sumpfland, welches vom Rio und Arroyo de Me- dinas bis hierher reicht; wir stiegen eine förmliche Terrasse hinan, als wir in den Ort hineinritten. Auf dieser blieben wir fortan und sahen eine weite Grasflur vor uns, deren Horizont von Gebüsch begrenzt wurde. Eine Viertelstunde von Nachi passirten wir den gleichnami- gen Flufs, den eilften der Reihe. Er hat ein mälsig tiefes Bett, ist nur schmal und führte viel Geröll, aber entschieden weniger Wasser, als der Arroyo de Medinas. Jenseits desselben lief die Strafse als schmaler Fufspfad in vielfachen Windungen über eine fruchtbare, mit hohem Grase und Waldgruppen bestandene Ebene; wir kamen bei mehreren Ansiedelungen, d. h. isolirten Häusern vorüber, sahen aber Niemand, den wir nach dem Namen fragen konnten. Die Sierra de Aconquija liegt klar und schön im Nordwesten vor uns und rückt all- mählich immer näher an uns heran; wir unterscheiden deutlich die dichtbewaldeten Vorberge des Gebirges und erfreuen uns an den schön- zackigen, schneebedeckten Gipfeln, welche aus der Masse des Gebirgs- stockes sich erheben. Am Horizont schimmert eine gröfsere Ansiede- lung, durch ihren Reichthum an Pappeln kenntlich, und hinter ihr neigt sich der Boden zu einer flachen bewaldeten Mulde hinab. Zahlreiches Hornvieh grast auf der Ebene und zeugt für die Nähe und Gröfse der Estanzia. Ehe wir sie indefs erreichen, kommen wir an einen zwischen Reise durch einige-nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 179 tiefen, steil geneigten Lehmufern fliefsenden trüben Bach, den Arroyo de Matasamba, wo auch einige Häuser im Gebüsch versteckt lagen, und erquickten uns in der darauf folgenden, von hohen Cactushecken eingefalsten Strecke des Weges an den äufserst wohlschmeckenden, grolsen, sülsen Früchten (Tunas) dieser stattlichen, ächt amerikanischen Pflanzenform. So erfrischt reiten wir über offenen Camp der schon ö lange gesehenen Estanzia zu, und trefien vor demselben in einem Ran- - cho eine Negerin, welche uns von ihrem Sandiasreichthum einige ab- lies. Sie sagte uns zugleich, dals nicht diese Estanzia La Invernada sei, wie ich vermuthet hatte, sondern selbige noch eine Legua weiter liege, jenseits des Flusses, den wir bald passiren würden. Wir ritten also vorwärts und kamen in kurzer Entfernung vom Hause an den Rand der bei Nachi betretenen Terrasse, indem der Boden sich schnell und plötzlich stark neigte, dem im Walde versteckten Flusse zufallend. Da hier gar kein deutlicher Weg in dem hohen Grase der Niederung zu sehen war, so fragen wir bei einem nahen Hause nach der Strafse - und dem besten Uebergange über den Flufs, hören aber zu unserer ; Bestürzung, dafs der letztere sehr hoch gehe und schwer zu passiren sei; man wolle uns lieber begleiten, und alsbald stieg die ganze Ge- sellschaft zu Pferde, zwei auf jedes Thier, ein Mann mit einem Frauen- zimmer hinter sich, um uns die beste Furth im Flusse zu zeigen. Nach 3 zehn Minuten war das Ufer erreicht, ein steiler, über 30 Fufs hoher Abhang, dem ein ähnlicher an der anderen Seite entsprach, und zwi- schen beiden rauschte das Wasser mit hohen Wellen schäumend über ansehnliche Kieselgerölle und entwurzelte Bäume dahin. Hier sollte der Uebergang gemacht werden; ich rüste mich dazu, indem ich Stiefel und Strümpfe ablege, meine Hosen hoch aufziehe, und reite dann ge- trost hinein; das Wasser reichte mir bald bis an den Sattel, die Wellen _ brachen sich tosend an dem Hindernifs des Pferdes, aber das Thier blieb ruhig, durch beständige Peitschenhiebe zur Weiterbewegung an- getrieben. So kam ich glücklich nebst meinen Begleitern an’s andere K Ufer, selbst die Ladung der beiden Lastthiere litt keinen Schaden. Es war der Rio de Marapa, den wir passirt hatten, der gröfseste unter allen Zuflüssen des Rio Tala, und der gefürchtetste wegen seines reifsenden Stromes und der ‚vielen grolsen Gerölle in ihm; der Reihenfolge nach der zwölfte, oder wenn man den früher passirten Bach mitzählen will, _ gar der dreizehnte. Hier, oder schon etwas früher, hört die Laurelen- _ Waldung auf; wir sahen diesen herrlichen Baum nicht wieder, sondern _ trafen in der übrigens schönen Waldung am anderen Ufer hauptsäch- lieh nur feinblättrige Leguminosen an; namentlich die Algarroba _ (Prosopis Siliquastrum), wovon man zwei Arten unterscheidet, die weilse und die schwarze;, demnächst den Cebu: eine Erythrina, 127 180 H. Burmeister: welche ihrer prachtvollen lackrothen Blumen halber angepflanzt und besonders zu Zaunpfählen benutzt wird, weil jeder Pfahl, wenn er schnell gesetzt und in feuchten Boden gebracht werden kann, Wurzel zu schla- gen pflegt; ferner den Quebracho eolorado und blanco, zwei schon früher geschilderte Arten der Gattung Aspidosperma, welche in dem ganzen nördlichen Theile der argentinischen Provinzen wachsen und das gangbarste Nutzholz liefern. Noch wurden mir als regelmäfsige Begleiter dieser Waldbäume der Palo blanco, der Garrabato, der Sombra de Toro, der Guayacäan und der Mistöl genannt, aber nur den letzteren vermag ich einigermafsen zu deuten, als eine statt- liche Myrtacee, deren kugelrunde, braunrothe Früchte, Beeren von der Gröfse kleiner Flintenkugeln, gegessen werden und ganz wohlschmeckend sind. Alle diese Bäume wachsen gemischt in derselben Waldung neben einander, wie jene früher genannten im Laurelenwalde; es gilt von den argentinischen Wäldern dasselbe, was ich von der tropischen Urwal- dung anderswo berichtet habe, dafs sie ein Gemisch vieler verschieden- artiger Baumformen sind, die, wenn noch, wie an vielen anderen Stellen, mit hohen Säulen - oder Candelaber- Cactus - Arten gemischt, einen eben so fremdartigen überraschenden Eindruck machen, wie der Urwald der Tropen. Cactus findet man in den Wäldern Tucumans nur als Luft- gewächse auf den Stämmen der Waldbäume und nur feine zierliche For- men, welche dem unkundigen Auge ganz entgehen; aber in den ste- rileren Waldungen der Provinzen Catamarca und Santiago del Estero treten sie in Menge auf, den Haupteharakter des Waldes durch ihr Erscheinen bedingend. Die Waldung jenseits des Rio de Marapa dauerte nicht lange und war auffallend klar, ohne alles Unterholz; wir traten bald hinaus auf eine mit hohem Grase bekleidete Flur, die wegen der isolirten, aber doch aneinander gedrängten Stellung der Grasbüschel mir sehr be- schwerlich wurde; am Rande derselben sahen wir die grofsen neuen Gebäude der Estanzia La Invernada, des nächsten Zieles unserer Wünsche, weil wir daselbst auf gute Aufnahme und einen Rasttag rechnen konnten. Gegen Mittag trafen wir ein und wurden mit offe- nen Armen empfangen; Herr H. Erdmann, den ich schon vor drei Monaten in Tucuman persönlich kennen gelernt hatte, wies mir so- gleich ein Zimmer an, und bald standen Tunas, Sandias und Melonen zu meiner Erfrischung auf dem Tische. Die Estanzia hat einen bedeutenden Umfang; sie liegt zwischen dem Rio de Marapa und dem Rio Invernada, erstreckt sich westlich bis an den Fufs des Gebirges und umfalst gegen 25 Quadratleguas Flä- chenraum; Weideland, Wald, Gebirgsterrassen und Wasser sind in ge- nügender Fülle vorbanden; schon war eine beträchtliche Strecke des Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 181 Bodens in Ackergrund verwandelt; von tiefen und breiten Gräben ein- gefalst grünte der Mais, reiften die Sandias und Melonen; Erbsen, - Bohnen und Kartoffeln waren bereits geerntet, und ein neu urbar ge- machtes Feld stand bereit, die jungen Zuckerrohrpflanzen aufzunehmen, welche später ein Hauptgegenstand der Agricultur werden sollten und hier besonders gut gedeihen. Aber einträglicher noch wird die Leder- fabrieation, besonders weil diese in der Mitte zwischen Tucuman und Catamarca gelegene Oertlichkeit die Felle viel billiger aus der Umge- gend haben kann, als die gleichen Fabriken in den genannten Städten selbst; man führte eben ein grofses Gebäude auf, das die Gerberei enthalten sollte, und gedachte noch im Laufe dieses Jahres mit der Bearbeitung der Häute den Anfang zu machen. Die Gegend umher war äulserst angenehm; im weiten ebenen Felde nnmittelbar an einer der Hauptstralsen des Landes belegen, gewährte der Blick aus dem Fenster des Wohnhauses eine grofse Fernsicht nach allen Seiten, an- genehm unterbrochen durch zwei kleine Gebüsche vor und hinter dem Hause, welche sich trefflich zu einer Parkanlage geeignet hätten. Wei- terhin sah man nach Nord und Süd die Waldungen, in denen die ge- nannten Flüsse ihren Lauf nehmen, und westlich machte die Sierra de Aconquija mit ihren hübschen bewaldeten Vorbergen den Hintergrund des Bildes, worin die weilsen, vielzackigen Gipfel des Aconquija den Hauptpunkt bildeten, indem sie sich dem Hause grade gegenüber aus dem röthlich grauen metamorphosischen Schiefergestein erhoben, wel- ches die Masse dieses wie aller benachbarten Gebirge ausmacht. In dem Walde am Rio Invernada wachsen die Bäume, deren Rinde den Gerbstoff hiesiger Gegend liefert und die Cebil genannt werden. Auch das war eine Leguminose, wie so viele Nutzhölzer des Landes; keine andere Pflanzenfamilie ist so zahlreich in diesem Theile Süd-Amerika’s ’ vertreten und so wichtig für den Menschen, als eben diese, da sie ihm nicht blofs das gangbarste Holz zu seinen Wohnungen, sondern auch _ einen wichtigen Nahrungsstoff in den Früchten der Algarrobe, und viel- fältige Hülfsmittel der Industrie gewährt, wie Färbestoffe, Gerbstoff und das allgemeinste Brennmaterial. © Hier lernte ich nun aus eigener Ansicht einen Vogel kennen, des- sen Namen ich schon oft gehört, den ich aber noch nie gesehen hatte, _ die Chunia, gesprochen Chunga, eine neue Art Dicholophus '), wel- che man vielleicht eben so richtig zu einer neuen Gattung erhebt. Er ‚hat die Gröfse eines Hahns, steht aber wegen der langen Beine viel in. ua u ie Pre I vY Y, Ve !) Herr Dr. Hartlaub in Bremen, der meinen Vogel ebenfalls für neu hielt, _ hat denselben kürzlich als Dicholophus Burmeisteri bei der Versammlung der engli- schen Naturforscher zu Oxford (Meet. 24. Juni. Proc.) bekannt gemacht. 182 H. Burmeister: höher über dem Boden und bekommt dadurch etwas Reiherartiges; doch sind Zehen und Schnabel kurzhakig, ganz wie bei Dicholophus, freilich anders gefärbt, nämlich schwarz. Das Gefieder hat genau den- selben Bau, aber eine dunklere, mehr schwarzgraue als gelbgraue Farbe; auch fehlt der nackte Augenring und die grofse Stirnhaube des Dicholophus. Der Vogel zeigt eine ungemeine Leichtigkeit, sich an den Menschen zu gewöhnen, und wird darum gern auf Höfen gehalten, wo er den Meister des übrigen Gefieders zu spielen pflegt; er geht stolzirend wie der Storch umher, frifst Fleischstückchen und grolse In- secten, besonders Heuschrecken, und schläft des Nachts auf einem er- habenen Standpunkte, am liebsten auf den aus Reisern geflochtenen Dächern der Corridore oder Sonnenschauern. Wild lebt er im Walde, läuft bei Tage im Gebüsch umher und ruht bei Nacht in den Kronen mäfsiger Bäume. Sein Nest sitzt im Gebüsch nicht eben hoch, daher es leicht ist, die Jungen zu fangen; man bringt die halbwüchsigen, noch vom Nestdunenkleide bedeckten Vögel nach Hause und schon in zwei Tagen sind sie so an den Menschen gewöhnt, dafs sie auf seinen Ruf herbeieilen, ihre Nahrung von ihm zu empfangen. Ich sah am folgenden Tage zwei solche junge Chunias, welche frühmorgens zu- sammengekauert am Feuer standen und sich wärmten, unbekümmert um eine Anzahl von Kindern und Erwachsenen, die aus demselben Grunde dicht neben ihnen lagen. Angestolsen und von der Stelle ge- trieben, gaben sie einen kurzen Laut des Unmuths von sich und nah- men sogleich dieselbe Stellung an der andern Seite des Feuers wieder ein. Der Vogel hat die sonderbare Gewohnheit, Knochen und aus Knochen gearbeitete Gegenstände fortzuschleppen und so lange damit auf einen grolsen Stein zu schlagen, bis sie zersprungen sind; wahr- scheinlich will er darin Nahrung suchen, Insectenmaden oder Würmer überhaupt. Er verbreitet sich nur über die Provinzen von Catamarca und Tucuman, nebst einem Theil der benachbarten Distriete von La Rioja und Santiago del Estero, und ist überall wegen seines lauten belfernden Geschreies viel leichter zu hören als zu sehen, indem er stillschweigt, wenn er Geräusch in seiner Nähe hört. Doch begegne- ten mir später zweimal einzelne Individuen, welche schnell durch den Wald über den Weg liefen und eiligst im benachbarten Gebüsch sich versteckten. Daher ist es schwer, eine Chunia zu schielsen. Ich blieb den folgenden Tag (den 30. Januar) zu meiner Erholung in La Invernada und unterhielt mich angenehm mit meinem lieben Wirthe über Europa und Süd-Amerika, das derselbe nunmehr zu sei- ner Heimath gemacht hatte, durch vielfältige Erfahrungen an sich sel- ber wie an Anderen überzeugt von der Unmöglichkeit, nach Europa zurückzukehren, wenn man einmal an die Lebensweise der Südameri- i HN h Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 183 kaner und die Verhältnisse ihres Landes sich gewöhnt habe. Ich konnte dem nur beipflichten, insofern ich es in der kurzen Zeit meines Hier- seins schon genugsam erprobt hatte, dafs die Heimkehr nach Europa um so milslicher werde, je mehr man sie hinausschiebt; nur andere Gründe als die eigene Wahl konnten mich bestimmen, jeden Gedan- ken, im Lande zu bleiben, zu unterdrücken; wäre ich frei und unab- hängig gewesen, ich würde schwerlich den Boden Europa’s wieder be- treten haben. Den 31. Januar. Um 64 Uhr traten wir unsere Weiterreise an, anfangs über dasselbe Weideland, welches wir diesseits des Rio de Ma- rapa angetroffen hatten, später durch eine hübsche Waldung, worin Leguminosen mit fein gefiederten Blättern vorherrschten. Darin er- reichten wir nach einer Stunde den Rio de Invernada, den vier- zehnten der Reihe, ein mäfsiges Wasser, das langsamer zwischen sanft geneigten Ufern dahinflofs und uns keinerlei Schwierigkeiten beim Ueber- gange bereitete. Jenseits desselben dauerte der Wald fort; ein schö- ner breiter Weg, an dem hie und da ein Rancho lag, führte uns hin- durch. Nach einiger Zeit kamen wir auf ähnlichem Pfade an das Dorf Coche, einen geräumigen Ort, der gegen die Sitte des Landes nicht aus zerstreut liegenden, sondern an einander gedrängten Ansiedelungen bestand; eine Kirche aus Lehmsteinen war im Bau begriffen und ein- zelne Häuser sogar weils übertüncht, namentlich eins, worin sich ein Kramladen befand. Wir kauften hier eine sehr schöne Sandia und ra- steterı, als wir sie verzehrten, unter einem grofsen Algarrobenbaum. Weiterhin führte uns der Weg lange Zeit über eine offene Flur, auf der wir gegen Mittag ein einzeln stehendes Haus erreichten, das die Bewohnerin Talaguiza nannte. Wir nahmen dort einen Imbils und liefsen die heifsesten Tagesstunden vorübergehen, ehe wir unsern Weg fortsetzten; um 2 Uhr bedeckte sich der bis dahin klare Himmel mit 'Gewölk und forderte uns dadurch auf, die Weiterreise nicht länger zu f ‚verschieben; dunkler und dunkler zogen sich die Wolken vor wie hinter 'uns zusammen und bald sahen wir nach beiden Seiten den Regen her- 'abstürzen, aber uns selbst verschonte er. Die Gegend blieb offenes ‚Feld wie bisher, erst nach einer Stunde gelangten wir in eine ganz "ähnliche Waldung wie am Rio de Invernada, und stiefsen dahinter gegen 4 Uhr auf die Estanzia San Francisco, eine stattliche An- _siedelung mit einem grofsen Rancho zur Seite. Es ist das übliche _ Nachtquartier der Tropa’s, die von Tucuman nach Catamarca gehen; _ aber für uns war es noch zu zeitig am Tage, wir gedachten eine Sta- tion weiter zu reiten. Die Strafse führt hinter San Francisco etwas _ bergab in ein ziemlich breites Flufsthal, das des (fünfzehnten) Rio de "Guacras, welcher nur wenig Wasser führt, wegen des geringen Falles 184 H. Burmeister: langsamer fliefst, keinen Kies mehr treibt, aber vielfache Windungen macht. Wir folgten seinem Laufe eine Strecke aufwärts und gelangten bald an eine Häusergruppe, welche uns als passendes Nachtquartier bezeichnet worden war, aber so wenig einladend aussah, dafs ich es vorzog, nach dem mehr nordwärts am Fufse des Gebirges gelegenen Dorfe Guacras zu reiten, um dort zu übernachten. Hierbei verfehl- ten wir den richtigen Weg, statt nach NO. ritten wir nach NW. und verwickelten uns in dem dunkeln schattigen Walde, der ‚das ganze stark hügelige Terrain umher bedeckte, wohl über zwei Stunden, bis wir an ein Paar zerstreute Häuser kamen, welche neben einem Bäch- lein, dem Arroyo de Sunumpa, lagen. Da mufsten wir bleiben, weil es schon ganz dunkel geworden war, fanden auch, gegen alles Erwarten, willige Aufnahme und genügendes Obdach. Man sagte uns, dafs der von uns befolgte Weg südlicher laufe, als der gewöhnliche, welcher die Dörfer S. Ignacio und Guacras berühre, zuletzt aber doch hierher führe, indessen näher am Gebirge sich halte und deshalb unbequemer sei; so hatten wir, ohne es zu wollen und zu wissen, die bessere Strafse gefunden. Hier war es, wo ich kurz vor dem Orte eine Chunia quer über den Weg laufen sah, und eben hier fand ich am andern Morgen die beiden Jungen im Dunenkleide am Feuer, das die zahlreiche Familie meines Wirthes mit ihnen besetzt hielt. Die Ent- fernung von La Invernada bis zum Sunumpa betrug 11 Leguas. Den 1. Februar. Am Morgen zeigte es sich, dafs aufser den beiden Häusern, welche wir gestern gesehen hatten, noch mehrere An- siedelungen umherlagen; wir ritten quer über einen freien Platz zwi- schen denselben nach Westen und gelangten bald hinter dem letzten Hause wieder in dichten Wald, der über ein stark hügeliges Terrain, wie vor Sunumpa, sich ausbreitete. Alsbald hob sich unser Pfad sicht- lich am Gebirge hinauf; wir kamen zuvörderst über einen niedrigen, dicht bewaldeten Höhenzug, ritten eine Strecke im Thale zwischen dem- selben und der Sierra fort, und bogen dann in eine enge Schlucht ohne Wasser, die Falda hinauf der Cuesta (Gebirgskamm) zu. Dichte, aber nicht sehr hohe Waldung, worin die Leguminosen mehr das Unterholz bildeten und der Baumwuchs eher zierlich als grofsartig zu nennen war, begleitete uns in dieser Schlucht (Quebrada); sie führte uns im Verlauf einer Stunde zur blofs von Gras bekleideten, waldfreien Höhe, wo wir uns eines herrlichen Blickes auf die Ebenen hinter uns gegen Tucuman erfreuten. So weit das Auge reichte, sahen wir nichts als grüne Flu- ren, die gleich einem Grasmeer mit unverändertem Niveau sich aus- breiteten und gegen den fernen Horizont hin in blauen Tönen ver- schwanden. Von Abstand zu Abstand zogen sich dunkle Waldstreifen in Schlangenlinien durch die Ebene und bezeichneten die Flüsse, welche 2 Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. 185 und da trat ein silberglänzender Streifen aus dem Walde hervor und schlängelte sich in vielfachen Windungen durch die Felder hinab, bis er unserem Auge im Duft der äufsersten Ferne entschwunden war; eine herrliche, weit ausgedehnte Landschaft, der nichts fehlte, als das Roth der Dächer freundlicher Ansiedelungen oder volkreicher Städte zwischen den Baumgruppen. Hier war nicht die geringste Spur einer _ Ansiedelung oder Veränderung durch Menschenhand zu erkennen, Alles lag im uranfänglichen Naturzustande zu unseren Fülsen. Gern hätte ich auf der freien Höhe, zu der wir auf einem sehr ‚steilen felsigen Pfade hinaufklettern mulsten, etwas gerastet, um ihre Erhebung durch eine Thermometer-Beobachtung zu ermitteln; aber es fehlte nicht blofs an Wasser, sondern auch an Holz, ein Feuer anzu- ? zünden; der Wind pfiff schneidend um uns her und machte längeres _ Verweilen unbequem, auch hatten meine Begleiter wenig Lust, an die- ser Stelle sich mit solehem Krimskram zu beschäftigen; ich nahm also mit einem wehmüthigen Blick Abschied von der Provinz Tueuman und ‚trabte auf dem Kamme der Sierra weiter nach Westen, bis die ersten - Nachbarhöhen sich hinter mir nach Osten begaben und die schöne ‚Fernsicht verdeckten; aber in demselben Augenblicke öffnete sich auch eine ganz andere, mehr überraschende, in das vor mir zu meinen ‚Fülsen ausgebreitete Thal von Catamarca. Freundliche Wohnungen, reinlich geweifst von aufsen und nicht blofs mit Stroh, auch mit neuen ‘hellrotben Ziegeln gedeckt, lagen im ganzen Thale, dem Laufe des Flusses folgend, der sich durch dasselbe schlängelte; hellgrüne Mais- felder oder dunklere Kleegärten für das Vieh breiteten sich daneben ‚aus und zeugten für die arbeitsame, vorgeschrittene Bevölkerung dieser ‚Gegend. Sonderbar stach dagegen der kahle gelbe Sand- oder Lehm- boden der Gebirgsgehänge ab, welche das von Norden nach Süden » streichende Thal zu beiden Seiten einschlossen, und noch mehr die von einer. dürftigen, scheinbar saftlosen Vegetation spärlich bekleideten Berg- _ züge selbst, worin hohe starke Säulen -Cactus die am meisten auffallende _ und Interesse erregende Erscheinung waren; wie mit einem Zauber- schlage hatte sich die Landschaft östlich und westlich vom Gebirge ge- _ ändert; dort Alles vollsaftig grün und von überströmender Fülle zeu- gend, hier dagegen nur Dürftigkeit und scheinbare Sterilität dem Auge _ „darbietend. Das Gebirge, dessen viel steileren westlichen Abhang wir nunmehr _ hinabritten, ist nicht eigentlich die Sierra de Aconquija, sondern ein davon ausgehender, viel niedrigerer, nach Süden streichender Ast, wel- _ eher hier, als Sierra del Alto, die Grenze zwischen den Provinzen „von Tucuman und Catamarca bildet und weiter nach Süden den Namen 4 i von dem hohen bewaldeten Gebirge zur Linken herabkommen. Hie N en 186 H. Burmeister: der Sierra de Ancaste erhält. So weit ich ihren Bau auf dieser Reise kennen gelernt habe, besteht sie ganz aus metamorphischen Ge- steinen, namentlich aus feinblättrigem Glimmerschiefer und grobem Gneus. Die Schichten sind nach Nordost aufgerichtet und fallen nach Südwest ein, streichen in der Hauptrichtung von Nordnordwest nach Südsüdost und bilden mehrere neben einander liegende Höhenzüge, welche südwärts auseinanderklaffen und zu völlig getrennten Kämmen sich gestalten. Die viel höhere Kette des eigentlichen Aconquija geht nordwärts von der Uebergangsstelle in der früheren Streichungsrich- tung von Nordost nach Südwest weiter und reicht noch eine ziemliche Strecke in die Provinz Catamarca hinein, dort in der Ebene von Po- man sich verlierend. Die Sierra de Ancaste, deren Kamm da, wo man hinübergeht, schon zur Provinz Catamarca gehört, bildet zwar weiter nach Süden die natürliche Grenze zwischen den Provinzen Cata- marca und Santiago del Estero, aber nicht eigentlich die politische; der ganze bevölkerte Landstrich am östlichen Fufse wird noch zu Cata- marca gerechnet. Sie spaltet sich etwas südlich von der Uebergangs- stelle des Tucumaner Weges in zwei Schenkel von ungleicher Länge, welche das ebenfalls gut bevölkerte Thal von Ancaste einschliefsen, wonach das ganze Gebirge genannt worden. Man sieht die beiden Kämme auf dem ganzen Wege bis Catamarca hinter einander fortlau- fen; der innere westliche Ast ist niedriger, kürzer und mit struppigem Gebüsch bekleidet; der äufsere östliche höher aber ganz kahl und busch- los, von zahllosen Wasserfurchen zerrissen. Er reicht südwärts bis in die Nähe der grolsen Salzsteppe, welche sich gleich einem alten Meeres- becken am Fufse der südlichen Ausläufer der Sierra de Aconquija und der nördlichen der Sierra de Cordova hinzieht. Diese Gegend liegt tiefer als das benachbarte Blachfeld, nach mir in Tucuman mitgetheil- ten Beobachtungen eines dortigen Geometers nur 358 Fufs über dem Meeresspiegel. So lange der Pfad über das Gebirge oben zwischen den parallelen Buckeln des Kammes bleibt, ist er öde und baumlos; man reitet in Windungen durch zwei flache Mulden von der einen Seite auf die an- dere hinüber und steigt auf terrassenartigen Abhängen in die Ebene hinunter. Mit leichter Mühe könnte hier eine fahrbare Strafse angelegt werden, und in der That wurde eine solche eben, als ich daselbst an- wesend war, zwischen den Regierungen von Catamarca und Tucuman verabredet. Auf zwei Drittel des Weges liegt eine grolse Estanzia, bei der wir einen Käse kauften. Nach einigen Biegungen der Strafse über hügeliges Vorland kamen wir in die Thalmulde und ritten daselbst am östlichen Rande vorwärts, von lichtem Gebüsch umgeben, das we- der Schatten noch Kühlung gewährte, Kleine durchsichtige niedrige Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 187 Bäume mit kurzen Stämmen, die mehr hohe Büsche als wirkliche Bäume zu nennen waren, umgaben uns, die meisten durch feingefiederte Blätter und starke holzige Stacheln als Leguminosen sich andeutend. Dazwi- schen überall 15 bis 20 Fufs hohe, grade, senkrechte Säulen-Caetus, die, wenn niedriger, nur einen einfachen vielkantigen, auf den zackigen \ Firsten der Kanten mit Stachelgruppen besetzten Schöfsling bildeten, wenn höher aber ein, zwei oder höchstens drei ganz ähnliche, dem Hauptstamm parallele Aeste abgaben. Oben an den Spitzen dieser Zweige salsen tellergrofse, von einem langen Stiel getragene, tütenför- mige, schneeweilse Blumen zu 3, 4 oder 5, und entzückten durch ihre weit in die Landschaft strahlenden Kelche eben so sehr das Auge, wie sie die Nase durch den lieblichen Duft erlabten, welcher von ihnen aus- ging. Leider safsen die meisten so hoch, dafs man selbst auf dem Pferde sitzend nicht im Stande war, sie zu erreichen. Ich versäumte es nicht, diese schöne Blume, die einzige, an welcher man sich ergötzen konnte, so oft herunter zu holen, als ihr Stand es mir erlaubte, und würde angenehm überrascht, als ich in ihrem Kelche tief verborgen schöne Käfer fand, namentlich eine hübsche Gymnetis, schwarz mit ‚orangenen Randflecken. "Gegen 10 Uhr hatten wır in schiefer Richtung die Mulde durch- _ sehnitten und waren bis an den Flufs gekommen, welcher an der tiefsten Stelle sie von Norden nach Süden strömend durchfliefst; ein kleines _ klares Wasser über Kiesgerölle plätschernd und von grünen Rasen- _ ufern begleitet. Es lagen hier ein Paar Häuser, deren Bewohner zu ihrem Bedarf den Flufs aufgestaut hatten, doch konnten wir ihn ohne Beschwerde durchreiten, denn die Strafse führte daselbst von der öst- lichen auf die westliche breitere Falda hinüber. Auf dieser blieben wir unmittelbar am Flufs hinabreitend noch eine Stunde und kamen dann „an eine andere ähnliche Ansiedelung, die etwas abseits vom Flufs auf einer Erhöhung lag, wo grofse Algarrobenbäume uns durch ihren Schatten 'Ausruhen einluden. Wir rasteten hier bis die heifsesten Tages- anden vorüber waren und erfuhren, dafs die Stadt Catamarca noch eguas entfernt sei, die Uebergangsstelle von hier über die Cuesta eguas; wir hatten also seit Sunumpa 6 Leguas zurückgelegt. Den Namen der Ansiedelung erfuhr ich nicht; den Flufs nennt man hier blos El Rio, weil kein anderer da ist im ganzen Thale; später führt “den Namen des Rio de S. Antonio. " Auch diesmal bedeckte sich gegen ? Uhr der Himmel mit Gewölk, 80 dafs wir unsere Weiterreise im Schatten antreten konnten. Anfangs blieben wir entfernt vom Flusse, ganz in derselben Umgebung wie beim intritt in das Thal, was mir die Gleichförmigkeit seines Vegetationscha- , kters zu beweisen schien; lichtes Gebüsch, aus dem steile Säulen-Cactus 188 H. Burmeister: ‘ hervorragten, umgab uns von allen Seiten; hie und da erhob sich ein einzelner gröfserer Baum aus der Masse, und bedeckte mit seiner weiten Krone das benachbarte buschlose Terrain; kleinere niedergedrückte Cactus mit ovalen Stammgliedern erinnerten mich lebhaft an Mendoza, wo ich ganz dieselben Arten gesehen zu haben glaubte. Gegen 3 Uhr erreichen wir den Flufs wieder und begleiten seinen Lauf geraume Zeit; es war hier, wie anfangs, ein breites flaches Bett mit feinem Kiesbo- den, aber wenig Wasser, das sich in weiter Bogenlinie durch die Kies- flächen hinwand und völlig klar aussah. Wir bleiben dabei fortwäh- rend auf der westlichen Seite desselben und kamen in einer Stunde nach einem grolsen Dorfe, Los Amorales oder nach Anderen Ama- dores, das durch die Reinlichkeit einer Anzahl von Häusern einen ' sehr guten Eindruck auf mich machte. Wir wollten indefs, da es noch hoch am Tage war, hier nicht übernachten, sondern eine Legua weiter abwärts in Palo Labran, das nur noch 10 Leguas von Catamarca liegt und eine bequeme Tagereise für Morgen erwarten liefs. Gegen 5 Uhr hatten wir den Ort erreicht ohne dafs die Scenerie des Thales sich geändert hätte, doch schien mir die Thalmulde nach unten schmäler zu werden, weil ein von Westen kommender Höhenzug sich dichter an den Flufs herandrängte. Daher liegt Palo Labran mehr am Abhange des Gebirges, als Los Amorales. In entsprechender Weise nahm die Vegetation auf den Gehängen ab, das Gebüsch wurde spärlicher, die grolsen Bäume verschwanden ganz, die Büsche rückten mehr ausein- ander und das nackte Felsgestein blickte überall, zumal auf dem Rük- ken der Gehänge dazwischen hervor. Doch lief der Kamm in glei- cher Höhe fort, ohne sich wesentlich zu verändern oder zu neigen. Den 2. Februar. Trotz der guten Verheilsungen hatten wir in Palo Labran ein sehr schlechtes Unterkommen gefunden; ich schlief die ganze Nacht im Freien auf einer Kuhhaut, umgeben von Weibern und Kindern, indem ich keine Lust empfand, in derer Gesellschaft mir mein Bett machen zu lassen. Daher waren wir schon um 5 Uhr reise- fertig. Die Strafse theilt sich gleich unter Palo Labran in zwei Aeste; der eine bequemere aber weitere Zweig führt am Flufs fort und zieh sich in einem weiten Bogen um den Arm der Sierra, welcher vo Westen her in die Thalmulde von Catamarca hineinragt, den kleine Flufs weit nach Osten drängend; der andere mehr beschwerliche abe unterhaltendere und kürzere Weg geht quer über diesen Gebirgsar hinüber und führt durch den anderen Hauptflufs des grofsen Thale in grader Linie nach Catamarca; jenen wählen die schwer beladene Tropen, diesen die einzelnen Reiter. Ich zog natürlich den letztere vor. Kaum hat man das letzte Haus des Dorfes hinter sich, so bie der Reit-Weg rechts ins Gebirge und tritt in eine so enge Schluch N Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten, 189 A hinein, dafs wirklich nicht zwei beladene Maulthiere neben einander Platz _ haben. In der Schlucht lief kein Wasser, aber unendlich viele grofse _Rollsteine bedeckten ihren Boden und machten das Reiten höchst be- schwerlich. Um so wohlthuender war der Eindruck der überaus merk- würdigen, man könnte wohl sagen üppigen Vegetation auf den steilen Wänden dieser engen von hohen fast senkrechten Felsen eingeschlosse- nen Thalspalte; nie habe ich eine interessantere Waldform im ganzen _Argentiner Lande gesehen, als eben diese. Am meisten überraschte mich darunter der Tonnenbaum, eine Art Bombar, deren Stamm sich mit zunehmendem Alter in der Mitte aufblähet und dann eine völlig - spindelförmige Gestalt annimmt. Ich sah hier 'zahlreiche Individuen dieses sonderbaren Gewächses in allen Gröfsen. Jung, von 2—3 Fuls Höhe, ist der Stamm glatt, grün und eylindrisch, wie an allen anderen Bäumen; aber bald fängt er in der Mitte an zu schwellen, so dafs 4 — 5 Fuls hohe Stämme schon eine recht deutliche Mittelausdehnung zu haben pflegen; später wird er eine 2—3 Fulfs dicke, bauchige An- schwellung, die manchen sehr länglichen Tonnen ganz ähnlich sieht. So alte ausgewachsene Stämme haben selten mehr als 8&—10 Fufs Höhe und theilen sich am Ende in wenige dünne Zweige, welche die mehr flache als hohe Krone tragen, geschmückt mit grofsen hellgelben Blu- men, die den Malven am nächsten stehen. Eben war die Blüthezeit der Bäume vorüber, nur eine oder die andere Blume safs noch am Baum, die meisten lagen verwelkt am Boden. Zu dieser sonderbaren Form des Stammes kommt eine ebenso merkwürdige seiner Oberfläche. Aus der jungen noch grünen Rinde schlanker Bäume wachsen dicke, war- zenförmige Stacheln hervor, welche sich mit zunehmender Ausdehnung ‚des Stammes in der grauen tiefrissigen Rinde verlieren; dann sieht der "Stamm wie mit einem Schorf bedeckt aus. Die Blätter sitzen je 5 am Ende eines Stieles und die Früchte sind längliche Kapseln, deren Sa- men ein weicher, seidenartiger, weifser Haarbusch umhüllt. Diesen Baum habe ich nirgendswo wiedergesehen, aber hier in dem engen Felsenthale war er häufig, stand aber stets einzeln hie und da zwischen ‚den anderen, ganz verschiedenartigen Bäumen, oft mehrere 100 Fufs hoch auf einem Vorsprunge der steilen Felswand, seltener unten auf der Thalsohle. Neben ihm ist mir kein anderer Baum von besonderen Eigenschaften aufgefallen; Cactus, sonst vorherrschend, waren hier nicht zahlreich, ebenso vermilste ich die Algarroben; alles erschien mir anders als bisher, grüner, vollsaftiger, frischer, dabei aber doch im ganzen Zuschnitt ebenso fein und gracil als im Hauptthale selbst. — Unter vielfachen Hindernissen, welche die übereinander gestürzten Rollsteine, die glatt abgewaschenen Felswände und der auf den minder u Abhängen gesammelte grobe Schutt uns bereitete, kommen 25 190 H. Burmeister: wir nur langsam vorwärts, erreichen aber doch nach 2 Stunden den Kamm der Schlucht und erfreuen uns hier eines herrlichen Blickes auf das waldige Thal nach beiden Seiten. Hinter uns verschwanden die Ansiedelungen im (Grebüsch, aber vor uns schimmerte am Fufse des gegenüberstehenden Gebirgszuges Catamarca ziemlich klar zu uns her- über; wir konnten einige gröfsere stattliche Gebäude recht gut unter der Masse der Häuser unterscheiden, obgleich die Entfernung noch 8 | Leguas betrug. Die Cuesta war, wie gewöhnlich, kabl und buschlos, ein nacktes Felsgestein, von feinem Grase zum Theil überwuchert, aber gleich nachdem wir hinabgestiegen waren, nahm uns wieder der dichte Wald in sich auf. Diese Thalfahrt war nun ungleich beschwerlicher, als das Hinauf- steigen; bald hinderten uns die grolsen Felsblöcke, über welche die Thiere, den passendsten Ort ihren Fufs niederzusetzen langsam suchend, hinweg klettern mulsten, bald schien die glatte abgewaschene Felswand, über welche sie mehr hinabglitten als gingen, wir noch unbehagli- cher; mehrmals hockte mein Pferd bei solchem Gleiten auf die Hin- terbeine nieder, aber gewohnt an diese Art des Marsches wulste es sich immer wieder geschickt zu erheben. Mitunter sah ich den Pfad so nahe an den Abgrund unter mir gerückt, dafs ich fürchtete, das Thier müsse mit dem leichten Erdreich, worauf es trat, hinabgleiten; an andern Stellen schwindelte ich selbst, wenn der steil abschüssige Weg dem Thier eine solche Neigung vornüber gab, dafs sein Kopf unter meinen Beinen sich befand; — nie habe ich einen bedenklicheren Ritt gemacht, als diesen; — stieg doch der Peon hinter mir vom Pferde, weil er fürchtete, dafs das Thhier straucheln könne; — aber mein treuer Die- ner ritt mit seinem guten Maulthier voran, die besten Stellen sich aus- suchend, und ihm folgte mein Pferd getrost auf dem Fulse. So kamen wir Alle glücklich hinunter. Am meisten hatten die beiden Lastthiere auszuhalten; die Ladung gab dem Thiere, wenn es in der Bewegung innehalten wollte, jedesmal einen Stofs vorwärts, und mehrmals stürzte das arme Geschöpf mehr den Abhang binunter, als dafs es ging. Wir beorderten darum den Knecht, mit den beiden Lastthieren weit hinter uns zurückzubleiben, damit, falls eins von ihnen stürzen sollte, es nicht auf uns falle und uns mit sich fortreilse. Unten angekommen sahen wir eine breite, schön gebahnte Stralse vor uns, die zu den nahen Ansiedelungen führte, welche in geringem Abstande vom Fulse des Gebirges, auf einer noch stark geneigten Fläche gelegen, aus dem Gebüsch hervorblickten. Bald waren die ersten Häu- ser erreicht, aber nicht sobald hatten wir den Ort, der Piedrablanca hiefs, wieder hinter uns; Chacra reihete sich an Chacra; der Weg war von dichten Hecken oder Erdmauern eingefalst und über denselben Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 191 _ ragten Fruchtbäume aller Art, namentlich Weinreben voll trefflicher - Trauben, hervor. Kaum habe ich jemals eine besser gehaltene und fleilsiger bearbeitete Ansiedelung irgendwo im Lande gesehen als diese; lebhaft erinnerte mich meine Umgebung an Mendoza und dessen Um- gebungen, aber ich fand dort nicht so viel Sorgfalt, keine so vollstän- dige Benutzung des Terrains, als hier in Piedra blanca. Nach einiger Zeit kamen wir an die Kirche des Ortes, zwar nur ein aus Lehmstei- nen aufgeführtes, thurmloses Gebäude, aber ebenfalls gut gehalten und nicht so verfallen, wie gewöhnlich ‚die aus so unsolidem Material auf- geführten Kirchen des Landes zu sein pflegen. Es wurde Gottesdienst gehalten, weil es Sonntag war; die Zuhörer standen bis vor die Thür - hinaus, und überall umher unter grofsen schattenreichen Bäumen zahl- reiche Reitpferde mit schmuckem Sattelgeschirr, das für die Wohlhaben- heit ihrer Besitzer zeugte. Auch viele Damensättel sah ich darunter, Inzwischen war es 9 Uhr geworden; wir hatten 4 Stunden unausge- setzt zu Pferde gesessen und bereits 5 Leguas seit Palo Labran zurück- gelegt; wir traten darum in eine der nächsten Chacras hinter der Kirche und liefsen uns einen Korb voll Weintrauben mit etwas Brod zum Imbils geben. Von Piedra blanca bis Catamarca sind noch 5 Leguas; die Strafse führt fast ununterbrochen durch Ansiedelungen, ein grofses Dorf folgt dem anderen und in jedem trifft man eine Anzahl Gehöfte (Chacras), die von schönen Fruchtgärten umgeben sind. Deshalb nennt man diese _ ganze Strecke mit dem Collectivnamen Las Chacras. Der nächste Ort ist S. Antonio, noch eleganter gehalten, als Piedra blanca, mit einer schönen Kirche, der weder Thurm noch Kuppel fehlte. Wieder nach einer Legua kamen wir an das dritte Kirchdorf: Las Vinas, _ dessen Kirche ganz neu aufgeführt und mit zwei hübschen Glocken- stühlen statt der Thürme geziert ist. Hinter Las Vinas tritt eine Lücke _ ein, die Ansiedelungen fehlen, eine weite Wiesenfläche folgt bis an den Flufs, der hier eine Legua vom Dorfe passirt werden muls. Derselbe ist viel grölser als der früher bis Palo Labran verfolgte, und kommt weiter von Norden herab, in der Hauptsache eine reiner südliche Rich- tung nehmend, während jener eine mehr südwestliche hat; beide mün- _ den am Ende des Gebirgsastes, den wir hinter Palo Labran überstei- } gen mufsten, zusammen, und sind die zwei ungleichen Arme des Rio de Catamarca, welcher die ganze Thalmulde bis an’s Ende der Sierra de Ancaste durchfliefst, dort im Wüstenlande der Salzsteppe sich ver- lierend '). 2) Auf allen früheren Landkarten sind diese Verhältnisse durchaus unrichtig | f angegeben, man zeichnet gewöhnlich den östlichen Arm länger und stärker als den 192 H. Burmeister: Der Uebergang über den Flufs machte uns viel zu schaffen, er war ohne Frage der schwierigste unter allen des ganzen Weges; schäumend und überstürzend wälzten sich hohe Wellen mit rastloser Eile in ihm hinunter, und staunend standen eine Menge Leute am Ufer, theils hoff- nungslos, dafs es ihnen gelingen werde, hinüber zu kommen, theils auf die Verwegenen blickend, welche es unternahmen, den Strom zu durchreiten. Als wir eben an’s Ufer kamen, waren zwei Reiter mitten im Wasser; die Wellen thürmten sich hoch vor dem Pferde auf, und überschütteten den Mann bis an den Sattel; aber beide stiegen doch glücklich an’s andere Ufer. Auf unsefe Fragen, was zu thun sei, er- fuhren wir, dafs der Flufs seit frihmorgens fortwährend wachse, weil es wahrscheinlich in der Nacht oben auf der Sierra heftig geregnet habe; es sei also rathsam, je eher je lieber hinein zu reiten, damit nicht, wenn die Zunahme fortdauere, der Uebergang für heute ganz unmög- lich werde. Das bestimmte uns denn, sogleich an’s Werk zu gehen; ich zog wieder Stiefel und Strümpfe aus, streifte mein Beinkleid so viel als möglich hinauf und ritt voran hinein, zur Verwunderung der Gauchos, die bereits darauf rechneten, dafs ich in den Flufs fallen werde, um mich dann, auf einen guten Lohn zählend, wieder heraus zu holen. Das hatten sie gegen meinen Bedienten triumphirend ge- äufsert, wie er mir später sagte, als wir am andern Ufer angekommen ' waren. Aber glücklicher Weise kam es dazu nicht; mein Pferd trug mich auch diesmal getrost hinüber, ich wurde zwar ziemlich nafs, litt aber doch weiter keinen Schaden; nur dicht vor dem andern Ufer, wo die tiefste Stelle und die stärkste Strömung war, wollte das Pferd plötzlich nieht weiter; -ich mufste alle meine Kraft aufbieten, um es durch Peitschenhiebe dazu zu vermögen, was denn auch gelang. We- niger glücklich war mein Gepäck hinübergekommen, 'an der Seite des Stromes wurde es ziemlich durchnäfst; doch litten meine Sammlungen, welche sich zum Glück an der andern Seite befanden, keinen Schaden. Am andern Ufer breitet sich eine hübsche Waldung aus, wir stiegen darin ab und rasteten eine Stunde, um die nals gewordenen Sachen zu trocknen. Während dieser Zeit sahen wir fortwährend Leute hin- übersetzen, aber nicht alle kamen durch; die Wassermasse nahm sicht- bar zu, und als wir unsern Weg fortsetzten, sahen wir die Wellen über den Rücken der Pferde fortschlagen. Ich war froh, schon vor einer Stunde den Uebergang bewerkstelligt zu haben. Um 1 Uhr reiten wir weiter und verbleiben ziemlich in denselben westlichen, während es in der That umgekehrt ist. Eben so unrichtig wird die Stadt Catamarca auf die Ostseite des Flusses verlegt, sie liegt vielmehr auf der Westseite. Diesen Fehler hat schon Dr. Neumann verbessert. Siehe diese Zeitschrift N. F. Bd. I. 8.56 u. folgd. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 193 8 Umgebungen. Der Weg führt eine Strecke am Flusse fort, dann biegt h er rechts ab nach SW. und ersteigt hier eine sanft geneigte Terrasse, welche sich beträchtlich über das Flufsbett erhebt. Daselbst liegt eine | grolse Estanzia mit Nebengebäuden, deren Namen ich nicht erfahren habe; ich vermuthe, dafs sie Callesita heifsen wird. Hinter derselben befinden wir uns auf einer schönen, von dichten Pappelreihen einge- falsten Stralse und sehen nach einiger Zeit vom höchsten Punkte der Terrasse die Stadt Catamarca deutlich und klar vor uns. Alsbald neigt sich das Terrain etwas abwärts, die Ansiedelungen verschwinden _ mit den Pappelalleen und Wassergräben, welche sie begleiten; eine ganz kahle öde Gegend thut sich auf und darin liegt, jenseits einer tiefen, vom Regen ausgewaschenen Schlucht, deren Boden ein breites Kiesbett ist, Catamarca auf dem von der andern Seite eben so sanft _ geneigt der Schlucht zufallenden Abhange, frei und nach allen Seiten - übersehbar, wegen der terrassenförmigen Erhebung ihres Bodens. Der _ Weg führt in die Schlucht hin, wir reiten darin eine Strecke fort, sehen nichts als steile Lehmgehänge rings um uns her, und halten, als wir _ an der anderen Seite aus dem Bett dieses Rio Seco wieder emporstei- gen, fast unmittelbar vor den ersten, ziemlich armseligen Häusern des Ortes. Es war die Zeit der Siesta, wie wir ihn betraten; keine mensch- - liche Seele zeigte sich auf den von der Sonne durchglühten Strafsen; doch finden wir leicht den Marktplatz und an ihm, nach einigen Fra- gen, welche wir an dort Wandelnde richten, das Haus des damaligen - Polizei-Chefs Herrn Castro, in dem ein mir befreundeter deutscher Arzt, Herr Dr. Walther aus Leipzig, wohnte. Von ihm schon vor Monaten eingeladen, fand ich in seiner Wohnung alsbald auch die mei- nige; ich wurde freundlich von allen Gliedern des Hauses aufgenom- _ men und mit Erfrischungen versehen, welche mich die Beschwerlich- keiten dieser langen Reise alsbald vergessen liefsen. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 13 194 vn. Historisch-geographisch-statistische Skizze der kai- serlich brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul. Nach offieiellen Angaben und eigener Anschauung zusammengestellt von Woldemar Schultz. (Hierzu eine Karte, Taf. II.) ') Historisches. — Zur Erforschung der Küstenstriche Brasiliens, welche durch Cabral’s Geist und Glück der portugiesischen Krone er- worben worden waren, liefs König D. Manuel 1501 ein Geschwader ausrüsten, welches jene Aufgabe lösen sollte; an dieser Expedition nahm Amerigo Vespucei Theil. Schon 1503 wurden die Erforschungen wahrscheinlich unter Goncalo Coelho’s Befehl und wiederum unter Theil- nahme Vespucei’s fortgesetzt. König D. Joäo II. theilte das Interesse seiner Vorfahren an den überseeischen Entdeckungen und liefs die Entdeckungen unter Alfonso de Souza betreiben. Dieser erforschte längs der ausgedehnten Küste die Häfen, errichtete bis hinab zum La Plata Marksteine, mit den Qw- nas lusitanas (dem portugiesischen Wappen), und legte (1532) die Co- lonie S. Vicent an. Dann folgte in Portugal eine Periode, in welcher das allgemeine Interesse sich mehr den asiatischen Besitzungen zuwandte; ein kriege- rischer Enthusiasmus leitete alle Unternehmungen nach dem orientali- schen Indien, wo leichter Lorbeeren und Reichthümer zu sammeln waren. Die zahlreichen Ansiedelungen Fremder an den Küsten des trans- atlantischen portugiesischen Gebietes begannen aber Befürchtungen zu erwecken. Joäo III. wandte daher, um einem möglichen Verluste vor- !) Indem wir in diesem Heft von den chartographischen Arbeiten, zu denen der Königl. Sächsische Ober-Lieutenant, Herr Woldemar Schultz, bei seinen Reisen in den südlichen Provinzen Brasiliens das Material gesammelt hat, zunächst eine Karte des Jacuhy-Thales publieiren, welche den bei Weitem wichtigsten Theil der Provinz Rio Grande do Sul und namentlich auch das Gebiet der deutschen Colonien umfalst und fast ganz auf eigenen Aufnahmen beruht, glauben wir auch die sehr sorgsamen und namentlich in Bezug auf die Hydrographie detaillirten Aufzeichnungen unseres geehrten Freundes dem Publicum nicht vorenthalten zu sollen. Sie sollen zu- nächst der Karte als Erläuterung dienen und handeln deshalb mit gröfserer Ausführ- lichkeit von denjenigen Theilen der Provinz, die Herr W. Schultz persönlich besucht hat, enthalten aber auch ein reichhaltiges statistisches Material und am Schlusse spe- cielle Angaben über die deutschen Colonien, die im nächsten Hefte der Zeitschrift abgedruckt werden sollen. . Hist.- geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 195 an u - zubeugen, dem neuentdeckten Westen mehr Aufmerksamkeit zu. Die - einigermalsen bekannten Küstengebiete wurden, vom Norden bis zum Süden, in Capitanien von 50 Legoas Ausdehnung eingetheilt, und die Verwaltung und Vertheidigung der neugeschaffenen Provinzen Männern anvertraut, welche sich bei der Erforschung derselben verdient gemacht hatten. Aber die Angriffe der Indianer sowohl von der Landseite, als die der Piraten von der See her, hemmten die Weiterverbreitung der -Cultur. Von der friedlichen Beschäftigung mit der Axt und dem Spaten sahen die Portugiesen sich abgezogen und zu den Waffen gerufen, um das erworbene Territorium zu behaupten; so unterlagen die Pioniere - der Cultur, aufgerieben durch Kämpfe und Beschwerden. Und fort und - fort blieb die Aufmerksamkeit Portugals mehr dem Osten zugewendet. Nach dem Verluste Indiens endlich richteten sich die Blicke nach den vergessenen westlichen Provinzen. König D. Pedro II. ertheilte dem Generalcapitän von Rio de Janeiro, Manoel Lobo, den Befehl, be- sonders die südlichen Provinzen in’s Auge zu fassen. Derselbe ging 1679 nach Brasilien und betrieb eifrig die Exploration der Silber- minen. Besonders hielt man das Augenmerk auf die Serra de Saba- räbassu gerichtet, man hatte von deren Reichthum an edlen Metallen Nachricht und beabsichtigte bis zu derselben vorzudringen. Die ungenügende Kenntnifs des Landes führte zu der irrigen Mei- nung, man könne nach jenem Gebirgszuge bequemer und leichter von dem nördlichen Laufe des Uruguay und Paranä aus gelangen. Zu Santos ward daher eine Flotille von 7 Schiffen ausgerüstet, die Sol- daten und 200 bewaffnete Indianer an Bord hatte. In den südlichen Gewässern des atlantischen Oceans, jenem fast immer stürmisch erregten ‚und gefahrdrohenden Theile des Meeres, wurde durch ungünstigen Wind die Flotille zerstreut. Ein Theil des Explorations- Geschwaders kehrte zurück nach Santos, während ein anderer Theil an der zu jener Zeit noch unbewohnten Insel Sta. Catharina Schutz suchte. Eine spätere Expedition unter D. Manoel Lobo’s persönlichem Befehle war glück- licher, drang bis zur Mündung des Plata-Stromes vor und landete 1. ‚Januar 1680 an einem günstigen Küstenpunkte, gegenüber der Spani- ‚sehen povacäo Buenos-Ayres. Zur Festsetzung der Südgrenze der por- tugiesischen Besitzungen beabsichtigte der General-Gouverneur hier eine | neue Befestigung anzulegen und führte nach dem linken Plata- Ufer 200 Mann reguläre Truppen, sowie eine Zahl portugiesischer Familien und gründete die Colonia de Sacramento, ein mehr militärisch-politisches als productives Etablissement; das erste solcher Art in dem südlichen Theile des ausgedehnten Reiches. Kaum hatte man jedoch eine flüch- i tige Befestigung und Pallisadirung zum Schutze und zur Vertheidigung gegen die Minuanos — Eingeborenen des Landes — aufgeführt, als 13* Sr ER 196 W. Schultz: . sieben Monat nach ihrer Landung, D. Jose de Garro, der spanische Gouverneur von Buenos Ayres, von Eifersucht und Nationalhafs ge- trieben, bei Nacht die Besatzung überfiel und bis auf 10 Mann tödtete. Gleiches Schicksal traf um dieselbe Zeit, durch die Holländer, die Be- satzung von Sta. Catharina. Zur Ausgleichung der hierdurch hervorgerufenen Differenzen, wel- che durch den übereilten Schritt Garro’s herbeigeführt worden waren, bot König Carl I. die Hand. Der Herzog Giovenazzo erschien als aufsordentlicher Gesandter am Hofe des portugiesischen Königs, und ordnete die Angelegenheiten durch den Abschlufs eines Vertrags (7. Mai 1681), in welchem Restituirung des genommenen Punktes, nebst Kriegsmaterial, die Errichtung der zerstörten Befestigungen, die Frei- gebung der Gefangenen und die Bestrafung des Gouverneurs zuge- sichert ward. Aber schon 1705 ward derselbe Grenzpunkt zum zweiten Male von den Spaniern genommen, jedoch nach dem Utrechter Frieden, am 6. Februar 1715, der bereits am 14. Juni 1701 vorläufig geschlossene Vertrag neu befestigt, laut welchem: „Spanien das am Nordufer des Plata gelegene Territorium, sowie die Colonia de Saeramento abtritt, unter der Bedingung, dafs der Mo- narch von Portugal fremden Nationen den Handel mit jenem Punkte nicht gestattet. Ferner unter vollem Vorbehalte, für jenes Territorium ein Aequivalent, innerhalb Verlauf von 14 Jahren anbieten zu können, welches von dem portugiesischen Monarchen angenommen oder abge- lehnt werden kann.“ Indessen fand die portugiesische Regierung es um jene Zeit ge- eignet, jene südlichen dem Platastrome nahegelegenen, noch wenig be- kannten Regionen mehr und mehr erforschen zu lassen und zu besie- deln. Eine Hauptschwierigkeit, welche sich diesem Plane entgegen- stellte, war dieselbe, die heute noch den lebhaften commereiellen Verkehr der Provinz mit dem übrigen Theil der Welt hemmt, die Barre der Lagoa dos Patos. Der Gouverneur von Rio de Janeiro aber ertheilte 1715 dem Capitäo mor der Villa von Laguna (an der Mündung des Tubaräo gelegen, in der Provinz Sta. Catharina) Befehl, er solle die Campanhas do Sul bis Colonia de Saecramento erforschen und unter- suchen lassen. Zu diesem Zwecke wurden demselben 5 Europäer und eine Zahl Selaven zur Verfügung gestellt, welche bis zu der Aldea dos Indios Charruas de S. Domingo vordrangen, hier aber, von den Be- wohnern derselben, den Indiern, gefangen genommen und beraubt wur- den, doch später wiederum glücklich durch die Flucht entkamen. Eine zweite Expedition, bestehend aus 40 Europäern und 25 Sela- ven, welche zum Zweck gleicher Untersuchung wenig später von Laguna Hist. - geogr. - statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 197 ausging, stiefs an den Ufern des Rio Grande (Lagoa dos Patos) auf einen Trupp Indianer, welche von den Jesuiten ausgesandt waren, ge- eignete Punkte zur Anlage neuer Aldeas aufzusuchen. Der Capitäo mor, welcher diesmal persönlich die Expedition leitete, veranlafste diesen Trupp zurückzukehren und übergab dem Führer desselben ein Schreiben, in welchem er die Patres der Missionen darauf aufmerksam machte, dafs jene Gebiete der portugiesischen Krone gehörten und dafs sie nicht allein abstehen sollten hier neue Povacäos anzulegen, sondern dafs ihre Abgesandten auch fernerhin diese Territorien nicht mehr betreten sollten. Um dem weiteren Vorschreiten der Jesuiten Schranken zu setzen, entsandte Tabora, der Capitäo mor de Laguna, seinen Sohn mit 30 Männern nach der heutigen Provinz Rio Grande zur Anlage von Nie- derlassungen und empfahl demselben Verbindungen mit den Eingebore- nen, den Minuanos, anzuknüpfen. So entstanden die ersten Estaneien in der Nähe der heutigen Freguezia von Viamäo. Zu jener Zeit entwarf auch ein Paulist, Bartholomeu Paes de Abreu das Project einer Strafse von S. Paul nach dem Süden und legte das- selbe am 23. Mai 1720 der Regierung vor. Dieselbe erkannte die Zweckmälsigkeit dieses Planes an, hoffte durch ein solches Band jene südlicheren Gebiete zugleich fester an die bereits bevölkerten Theile der Küste zu ketten und anderntheils diesen den Viehreichthum der Campos zu Nutze zu machen. — Dies waren die ersten Schritte welche die Regierung zur Entwickelung der heutigen Provinz Rio Grande that. Indessen blieb die Frage über die Ausdehnung der portugiesischen Besitzungen am Uruguay ein Punkt politischer Discussionen. Drei Verträge wurden nacheinander abgeschlossen, welche eine vollständige Lösung der Zweifel nicht herbeiführten, sondern nur zur Milderung des durch die gegenseitigen mannichfachen Kämpfe erregten Nationalhasses beitrugen, bis endlich durch den Grenzvertrag vom 1. October 1777 die Angelegenheiten einer eingehenden Untersuchung un- terworfen wurden. Doch der Krieg von 1801 stiefs auch diese um. Am 2. Mai wurde laut Deeret der Krieg von Spanien an Portugal er- klärt und bald begannen die Feindseligkeiten auch im Süden der trans- atlantischen Besitzungen der beiden sich feindlich gegenüberstehenden Mächte. > Die Portugiesen ergriffen die Offensive und begannen ihre Opera- tionen mit der Invasion der Missionen diesseits des Uruguay. Schon in früheren Kämpfen waren die Jesuiten durch die vereinigten Spanier und Portugiesen vertrieben worden; jene Territorien wurden von jener Vertreibung an von den Spaniern besetzt gehalten. Auf S. Miguel, den Sitz des spanischen Gouverneurs, richteten die Portugiesen die ersten Angriffe. Derselbe übergab die Povacäo nach kurzem Widerstande, 198 W. Schultz: und eben so schnell wurden die spanischen Besatzungen aus $. Joäo und S. Angelo vertrieben; darauf fafsten die Portugiesen in $. Luiz, S. Miguel und S. Borja festen Fufs, während sich die Spanier eilig nach dem jenseitigen Ufer des Uruguay, mit Zurücklassung vieler Thiere und vielen Materials, zurückzogen. Die Friedenserklärung, hier am 24. December, machte den Kämpfen ein Ende. Die Portugiesen hatten die Spanier bis hinter den Uruguay zurückgetrieben und blieben Herren der occupirten Missionen. Seit einer Reihe von Jahren war dieser südlichste Theil des heu- tigen Kaiserreiches beständig der Schauplatz blutiger und verheerender Guerillakämpfe gewesen, und obgleich ein Fortschritt der Entwickelung unter solchen Verhältnissen nicht bemerkbar sein konnte, so erholten : sich doch die vom Kriege heimgesuchten Gegenden immer aufseror- dentlich schnell, und der zunehmende Viehreichthum der fast durchweg nur dünn bevölkerten Campos der Provinz schützte die Bewohner vor Mangel. Der Ausbruch der Revolution in den spanischen Nachbarstaaten berührte und verwickelte auch die südbrasilianischen Grenzgebiete in neue Kämpfe. Schon 1806 zeigten sich die ersten Symptome der Un- ruhen in Buenos Ayres, 1808 war der spanische Gouverneur von Monte- video Elio verjagt, und nun wurden wiederum die Ufer des Uruguay Kriegsschauplatz, bis zum definitiven Abschlufs des Friedens zwischen der brasilianischen und argentinischen Regierung am 4. October. Schon am 26. October erschien die Proclamation der Verfassung des neuen Nachbarstaates Uruguay. Wesentlich aber ward die Entwickelung der Provinz dnrch die achtjährigen Revolutionskämpfe (1836— 1844) gehemmt. Der unruhige kriegerische Geist, welcher sich unter einer Bevölkerung von Viehzüch- tern aus jener Reihe von Kämpfen fortgeerbt, und die sich mehr und mehr schroff gegenüberstehenden Parteien der Conföderirten und Uni- tarier, — Liberalen und Conservativen — rief diese verhängnifsvollen, verheerenden Kämpfe hervor, deren traurige Spuren noch heute sicht- bar sind. — Indessen scheinen sich in neuerer Zeit .die Parteien mehr genähert zu haben, wenigstens arbeitete die Regierung beständig auf dieses Ziel hin und sorgte auch sonst für die Fortentwickelung der Provinz, wie die zahlreichen Colonien beweisen, welche hier blühender sind als in allen übrigen Theilen des Kaiserreiches. Geographisches. Grenzen. — Im Osten wird die Provinz begrenzt vom atlantischen Ocean. Im Norden bildet die Grenze gegen die Provinz Sta Catharina der Rio Mampituba in seinem ganzen Laufe, von der Mündung in den atlantischen Ocean bis zu der auf dem Hoch- lande gelegenen Quelle; ferner eine in nördlicher Richtung laufende Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 199 Linie von 16 Legoas Länge, die sich an den Arroyo Barroca anschliefst, denselben in seinem ganzen Laufe bis zur Einmündung in den Rio das Contas verfolgt, längs dem Ufer dieses hinläuft und da, wo derselbe vom Rio Pelotas aufgenommen wird, diesen bis zum Passogeral von Pontäo, 4 Legoas unterhalb der letzteren Confluenz, begleitet. Die Gesammtausdehnung dieser Grenzlinie von der Mündung des Mampi- tuba bis zum Beginn des Uruguay, am Passo von Pontäo, beträgt 35 Legoas. Von diesem letzteren Punkte bis zur Mündung des Peperi- guacu bildet der östliche Lauf des Uruguay die Grenzlinie zwischen den Provinzen Rio Grande und Parana. — Die Westgrenze bildet laut einem Grenzvertrage, welchen am 30. Januar 1858 die brasilianische ‘ Regierung mit der der argentinischen Conföderation abgeschlossen, zwi- schen der Provinz Rio Grande und der argentinischen Provinz Corrientes, der Uruguay, und zwar so, dafs das auf dem rechten Ufer dieses Stromes gelegene Land zur Argentina gehört, während das Land des linken Ufers brasilianisches ‚Gebiet ist, von der Einmündung des Peperi-guacu in den Uruguay bin zur Mündung des Quarahy. — Ueber die im Strom- bett des Uruguay gelegenen Inseln werden, sobald diese erforscht, die beiderseitigen Regierungen in Unterhandlungen treten. Jener Vertrag sagt weiter: der Uruguay bildet bis zur Mündung des Peperi-guacu die natürliche Grenze zwischen beiden Staaten, von der Mündung jenes Flusses an aber erstreckt sich das brasilianische Territorium längs bei- der Ufer des Uruguay; die weitere Grenzlinie wird gebildet von dem Peperi-guacu bis zu dessen Hauptquelle jenseits der Wasserscheide des San Antonio, sodann dieser letztere Fluls bis zu seiner Mündung in den Iguacu oder Rio grande de Curitiba; von hier folgt die Linie dem letzeren Strome bis zu dessen Einmündung in den Parana. Die soeben beschriebene Grenzlinie der Flüsse: Peperi-guacu, San Antonio und Iguacu, trennt die brasilianische Provinz Paranä von der argentinischen Corrientes. Gemeingut beider Nationen sind die ersten beiden Flüsse in ihrem ganzen Laufe, während der Iguacu nur von seiner Vereini- gung mit dem San Antonio bis zum Parana als solcher bezeichnet wird. Um alle Zweifel zu verhüten wurde in dem Vertrage ferner fest- gesetzt, dals die Flüsse Peperi-guacu und San Antonio, welche 1759 erforscht wurden, dieselben seien, welche die Commission, die den Vertrag zwischen Portugal und Spanien am 13. Januar 1750 abge- schlossen, so bezeichnet hat: Der Peperi-guacu ist derjenige, welcher auf dem rechten oder westlichen Ufer 1 Legoa oberhalb des Salto grande in den Uruguay einmündet, unter der südlichen Breite von 27° 9’. Mehr westlich, 2 Legoas vom Peperi-guacu, mündet auf demselben Ufer der Arroyo Itajoä in den Uruguay. Nahe, gegenüber der Barre des ersteren, liegt eine kleine Insel von Felsen gebildet, dieselbe ist wäh- 200 W. Schultz: rend des Hochwassers zwar überschwemmt, doch bleiben die Gipfel der Bäume beständig sichtbar. Diese Insel verengt das Bett des Uruguay an diesem Punkte. Die Ausdehnung derselben beträgt von Ost nach West 9 Toisen 3 Fufs und von Nord nach Süd 7 Toisen 4 Fufs. Die Breite des Peperi-guacu, zwischen den beiden Uferpunkten die er am Uruguay bildet, beträgt 52 Toisen 5 Fufs und wenig mehr als 39 Toisen an seiner Barre. Die Breite des Uruguay beträgt hier 243 Toisen 5 Fufls. Der Peperi-guacu entspringt unter dem 26° 10' südlicher Breite, auf dem Höhenzuge, welcher sich zwischen dem Uruguay und Iguagu hinzieht und beide Wasserläufe scheidet: Wenn man durch eine grade Linie Quelle und Mündung desselben verbindet, erstreckt sich dieselbe 15° SW. Die Länge seines gewundenen Laufes beträgt 36 — 38 Legoas. Der Peperi-mirim ist der gröfsere der Nebenflüsse des Peperi- guacu und mündet an dessen Ostufer unter 26° 41’ südlicher Breite. Der Rio San Antonio entspringt auf einem Hügel, zwischen grofsen Felsen, 500 Schritte von der Quelle des Peperi-guacu und auf demselben Hö- henzuge. Er fliefst in der Richtung 26° NW. und die Länge seines Laufes mag sich auf 27—30 Legoas belaufen. Sein Bett hat viele Sand- bänke und einen Wasserfall, nicht weit oberhalb der Mündung, unter 25° 41’ 11” südlicher Breite. Der Rio Iguacu mündet auf dem linken Ufer des Parana, unter 25° 35’ südlicher Breite. Seine Mündung hat eine Breite von 35 Toisen. Oberhalb des Zuflusses des $. Antonio münden längs des südlichen Ufers des Iguacu, von der Mündung in den Parana an gerechnet, nur kleine Arroyos, von denen nur der $. Fran- eisco nennenswerth ist; die Mündung des letzteren ist von der des 8. Antonio 1% Legoas entfernt. Der Iguacu oder Rio Grande de Curitiba entspringt unter dem 26° südlicher Breite, auf demselben Gebirgszuge, auf dem sich die Quelle des Uruguay befindet und ergiefst sich in den Parana unter 25° 31’ südlicher Breite. Die Entfernung seiner beiden Ufer beträgt hier 194 Toisen. — Die Festlegung der Südgrenze des Kaiserreiches mit der Banda Oriental ist nach dem Grenzvertrag vom 12. October 1851 von den beiderseitigen bevollmächtigten Commissarien 1853 begonnen worden. Dieselbe hat ihren Anfangspunkt an der Mündung des Chuy, verfolgt den östlichen Lauf desselben bis zu dem Passo geral, wendet sich dann nach dem Passo geral des Arroyo de S. Miguel und längs des West- ufers der Lagoa Mirim nördlich, bis zur Barre des Jaguaräo. Vom rechten Ufer des Jaguaräo und der Mündung des Jaguaräo-Chieo oder Guabeju läuft dieselbe längs des letztgenannten Flufsufers bis zur Mündung des Arroyo Amia, von hier folgt sie diesem Arroyo bis zu dessen auf der Cochilha-grande gelegenen Quelle. Von hier bildet die Grenze eine Linie, bis zur Einmündung des Rio $. Luiz in den Hist. - geogr. - statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 201 Rio Negro; weiter läuft die Grenzlinie längs dem Ufer des S. Luiz, aufsteigend bis zu dem Sumpf (banhado), in welchen derselbe sich hier verwandelt, dann durch die Mitte desselben bis zur Insel und Lagoa von S. Luiz, und zwar nach dem östlichen Punkte der Insel und durch die Mitte der Lagoa. Ihre Ausdehnung beträgt 2120 Meter. An dem Punkte, wo die eben bezeichnete gedachte Linie endet, beginnt eine zweite grade Linie, die sich bis zu der Vereinigung der beiden Quellflüsse des S. Luiz, welche auf der Serra entspringen, erstreckt. Von dem letztbe- zeichneten Punkte wendet sich weiter die Grenzlinie aufwärts nach dem höchsten Punkte der Cochilha und zieht sich auf derselben fort, bis zu deren Vereinigung mit der Cochilha do Ha&do, nahe den Quell- flüssen des Rio Quarahy. Von nun an verfolgt sie die höchsten Punkte des letztgenannten Cochilha bis zu den westlichen Quellflüfschen des Arroyo do Maneco '). Derselbe entspringt auf dem Vereinigungspunkte der Cochilha de Belem und Ha&do, auch unter dem Namen Cochilha Negra bekannt. Die Grenzlinie folgt nun dem letztgenannten Arroyo bis zu dessen Mündung in den Quarahy und zieht sich längs des letz- teren Ufer bis an den Uruguay. Der Flächenraum, welcher innerhalb dieser Grenzen liegt und die Provinz bildet, wird auf 3320 JOLegoas angegeben und die Bewohnerzahl mag 300,000 Seelen betragen; doch sind diese letzteren Angaben durch- aus unzuverlässig und auf ungefähre Abschätzungen basirt. Die deutsche oder deutsch-brasilianische Bevölkerung der Provinz mag auf 35 — 40,000 Seelen angegeben werden. Oberflächengestalt. — Die Oberfläche der Provinz theilt sich, in Hinsicht ihrer Gestalt, in zwei verschiedene Theile, in ein Hoch- und ein Tiefland. Das erstere ist eine Fortsetzung der Hochebene von Curitiba, tritt im Osten der Provinz bis in die Nähe des Busens von Viamäo (nördlichster Theil der Lagoa dos Patos) und verläuft sich im Westen, sich allmählich nach Südwesten abflachend, in einzelnen Cochilhen ?) nach den Ufern des Ybicuy und Uruguay. Wenn wir diesen 'Westabfall des Hochlandes dem Rücken einer ausgestreckten Hand vergleichen, müssen wir als Wurzel derselben die Höhe von Cruz Alta bezeichnen, während die Cochilhen, welche sich nach Süden und Westen abzweigen, die Riesenfinger jener Hand bilden. Dieselben sind: a) die Cochilha, welche in rein südlicher Richtung nach der Serra de $. Martinho läuft und die Wasserscheide zwischen einem Theile ve ") Die spanischen Quellen nennen diesen Bach A, de la Invernada; der oben er- 'wähnte Arroyo Amia heifst bei ihnen Arroyo de la Mina. — Die doppelte Nomenclatur hat bekamtlich die Verhandlungen über die Grenzstreitigkeiten sehr erschwert. K..N. ?) Unter Cochilha versteht man einen Höhenrücken, welcher nicht bewaldet ist, während man unter Serra einen Gebirgszug versteht, der eine relative Höhe von _ mindestens 3—400 Fufs hat und im Allgemeinen mit Wald bewachsen ist. 202 W. Schultz: des Stromgebietes der Lagoa dos Patos (Lagoa de Viamäo) öst- lich und einem Theile des Stromgebietes des Uruguay bildet. b) zweigt sich von dieser ebengenannten, 5—6 Legoas südlich von Cruz Alta, die Cochilha de Passeretäo ab, welche fast in rein westlicher Richtung fortläuft, in ihrer westnordwestlichen Verlän- gerung aber den Namen Cochilha de Sta Theela annimmt und die Zuflüsse des Rio Yjuhy und Piratiny trennt. c) Von dem ersten (nach Westen gerichteten) Zuge derselben zwei- gen sich nach Süden und Südsüdwesten ab: die Cochilha von Toropy oder $. Martinho, welche bis an den Zusammenflufs des Toropy und Guacupy herantritt; — ferner d) die Cochilha von S. Xavier, welche die Wasserscheide des Toropy und Jaguary bildet; — endlich e) die Cochilha de Tunas, in ihrer westlichen Fortsetzung Cochilha de Buceräo de S. Jago genannt. Von dem nördlichen Theile dieser Cochilha zweigen sich wiederum ab: f) die Cochilha de Espenilla, die Wasserscheide des Piratiny und Camacuam und g) die Cochilha Yguruyaca, die Wassercheide des Camacuam und Ytu; beide in parallellem (westlichen) Zuge zur Cochilha Sta Theela, sich nach den Ufern des Uruguay zu verlaufend. Ein kleiner Zweig der letzteren begleitet eine Strecke weit den Lauf des Rio Ytu. Das Hochland wird im Osten begrenzt von einer Fortsetzung der Serra Geral, die sich in der Breite von 29° 40’ von der Küste, welche sie in einer Parallellinie begleitet, nach Westen wendet. Diese soge- nannte Serra Geral ist einem’ Gebirgsgürtel zu vergleichen, welcher, in nach Westen zu abnehmender Breite und Höhe, das bezeichnete Hochland umfalst. Im Westen aber, da wo das Hochland sich all- mäbhlich in seinem Südabfall in das Tiefland verläuft, und die Serra den Charakter einzelner Cochilhen annimmt, sehen wir sie, nördlich des Yjuhy Grande, in zerrissenen, spitzen, kegelförmigen Bergkuppen bis an die Ufer des Uruguay herantreten und ein wechselndes zerrissenes Gebirgsland begrenzen. Hier setzt sich diese Serra 20—30 Leguas nördlicher in gleicher Richtung fort, während sie sich im Süden zur Cochilha verwandelt. Die bedeutendsten Höhen dieser Serra, die theils von spitzen Berg- kegeln, theils von langen sargdeckelähnlichen Rücken gebildet wird und terrassenförmigg nach dem Hochlande aufsteigt, liegen zwischen den Flüssen Sinos und Pardo. Hier mögen sich einzelne Spitzen, zu- mal am östlichen Ufer des Cahy, bis zu 2000 Fufs erheben. — v R Hist.- geogr. -statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 203 Einer jener Cochilhenzweige, welcher von Cruz Alta in fast rein südlicher Richtung als Rücken des Hochlandes nach dem Südende des- selben führt, setzt sich als Cochilha de Päo Fincado im Tieflande, jen- seits der Serra de S. Martinho fort, theilt, sich nach dem Süden bis zu den Ufern des Jaguaräo hinabziehend, die Südhälfte der Provinz, das Tiefland, in zwei fast gleiche Theile und bildet zugleich die Was- serscheide zwischen jenen Gewässern, welche der Lagoa dos Patos und der Lagoa Mirim einerseits zuströmen, und jenen, welche sich in den südwestlichen Lauf des Uruguay ergielsen. — Die nennenswertheren Serrazüge in diesem südlicheren Theile der Provinz sind im Osten: die Serra de Herval und die Serra dos Tapes, welche beide die Lagoa dos Patos und Lagoa Mirim zum Theil be- säumen. Im Westen treten hervor: die Fortsetzung der Cochilha de Sta Anna und die Serros von Yraiaca. Der nördliche Theil der Provinz zerfällt, hinsichtlich seiner Boden- bedeckung, in Campos und Waldland. Man kennt dergleichen vom Wald theils umschlossene, theils einseitig begrenzte Campos: 1., Cam- pos da cima da Serra, im östlichen Theile des Hochlandes gelegen; 2., Campos de Vaccaria, die sich nordwestlich an die ersteren reihen; 3., Campo do Meio und die Campos do Uruguay; 4., die südlich vom ‚Quellengebiet des Jacuhy gelegenen Campos, ein wechselndes bedecktes Hügelland der Hochebene; 5., die Campos dos Missöes. Auf allen diesen Campos und Prairien des Hochlandes, auf denen das trefflichste und stärkste Vieh der Provinz gezogen wird und ge- deiht, mufs dasselbe, da der Boden und die Weide keine Salztheile enthalten, mit Salz gefüttert werden. Die Campos da cima da Serra und der Vacearia umfassen einen Flächenraum von 600 ULegoas, werden von dem Rio das Antas durch- schnitten, (in seinem südlichen Lauf Taquary genannt, ergielst sich derselbe in den Jacuhy), im Süden begrenzt von dem östlichen Theile der Serra Geral, im Norden vom Uruguay und dessen Quellflüssen. Die Campos der Missionen, welche in dem Kriege von 1801 er- worben wurden, haben eine Oberflächenausdehnung von nahe an 1000 Quadrat-Legoas, ungerechnet der kleineren und gröfseren waldbewach- senen Territorien (Bosques und Sertäos), die die Missionen im Süden und Norden umschliefsen, und die zuweilen wie Oasen aus den weiten Flächen und Wellen der Campos emporragen. Einen besonders eigenthümlichen Charakter hat jener 43 Legoas j" lange Streifen Flachland, welcher sich zwischen der Lagoa dos Patos _ und dem Ocean erstreckt und im Norden von der Serra eingeengt und 204 W. Schultz: schliefslich vom Mampituba begrenzt wird. Zahlreiche Seen besäumen in diesem Theile die Serra, und ziehen sich, verbunden durch natürliche Canäle, hinab nach dem Süden. Nur der östliche Theil dieses Flach- landstreifens ist von einigen niedrigen Höhenzügen, die sich von Nord nach Süd erstrecken, durchzogen; der übrige Theil gleicht mehr unse- ren norddeutschen Küstenländern. Hydrographie. — Die Provinz zerfällt in zwei Stromgebiete. Die gröfsere Zahl der Flüsse des Ostens nimmt die Lagoa dos Patos mit der Lagoa de Viamäo und die Lagoa Mirim auf, während das Stromgebiet des Uruguay sich über den nördlichen und westlichen Theil der Provinz erstreckt. Aufser diesen Gewässern bedecken eine grolse Zahl Lagoen den östlichen Streifen der Provinz, welcher im Osten von dem Ocean, im Nordwesten von einem Theile der Serra Geral, im Westen und Südwesten von der Lagoa dos Patos und Mirim begrenzt wird. Lagoen. Das gröfseste Binnengewässer, die Lagoa dos Patos mit der Lagoa de Viamäo, hat eine Längenausdehnung von 41 Legoas und erstreckt sich in der Richtung von NNO. nach SSW.; ihre gröfse- ste Breite mag 8 Legoas betragen. Dieselbe steht durch einen schma- len Arm, Barre, in Verbindung mit dem atlantischen Ocean und durch den canalartigen Rio S. Goncalo mit der Lagoa Mirim, unter 31° 47° südl. Breite. Die letztere, die Fortsetzung der ersteren, hat eine Län- genausdehnung von 33 Legoas. Die Ufer dieser Lagoen sind flach und theils Camp- theils Wald- land, und nur im Norden, da wo die Lagoa de Viamäo beginnt, zieht sich am Ostufer ein Höhenzug, dasselbe begleitend von NNO. nach SSW. — Das Bett der Lagoa ist seicht und sandig und hat veränder- liche Canäle, die Fahrzeugen von grölserem Tiefgange es möglich machen, bis nach dem Hafen von Porto Alegre vorzudringen, indessen immer nur unter Leitung eines kundigen Piloten. Das schmutzigbraune, salzige Wasser der Lagoa ist fast beständig aufgeregt und die in die- sem Theile des Continents herrschenden SO.-, S.- und SW.-Winde wehen hier ungehindert, mit ungeschwächter Kraft. Die Barre hat einen veränderlichen Canal, durch welchen Schiffe von 12 bis 13 Fufs Tiefgang bis auf die Rhede von Rio Grande ge- langen können. Im verflossenen Jahre hat der Canal der Barre die Richtung von SW. nach WSW. genommen und hat durch diese Ver- änderung eine gröfsere Tiefe und Stabilität erlangt. In den letztver- flossenen 12 Jahren sind beim Einlaufen in die Lagoa nicht weniger als 48 Fahrzeuge gescheitert und zwei haben Havarie erlitten. Mit dem Juli des verflossenen Jahres ist ein neues Hafenreglement in Kraft getreten (den 16. November 1858 erlassen), nach welchem, laut Con- Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 205 tract, welchen die Regierung mit Privaten abgeschlossen, zwei Dampf- schiffe den Schleppdienst zu versehen haben, die das Einlaufen wesent- lich erleichtern. Zur Begünstigung der Schifffahrt auf dem Binnen- wasser der Lagoa sind die seichten Stellen und Bänke mit Balisen und Tonnen versehen worden. So wurde eine Boje von Holz in der Tiefe von 64 Palmen östlich vom Morro Formigo und WSW. von Itapoa ge- legt. An der Insel das Desertas ferner drei Balisen: die erste östlich von der Spitze derselben Insel, die zweite NW. derselben und WSW. von Itapoa, die dritte am Ende der Insel und NO. der Lagoa branca. Ferner wurde eine Balise auf dem der Insel gegenüber gelegenen Ufer, im Osten von Itapoa aufgesteckt. Weiter wurden in der Lagoa dos Patos 3 Bojen und 10 Balisen an verschiedenen Punkten gelegt. Aufserdem warnen die einlaufenden Schiffe folgende, theils bereits voll- endete, theils im Bau begriffene Leuchtthürme: 1) Leuchtthurm der Estreito, 2) - von Barba Negra, 3) - - Christoväo Pereira, 4) - - _Bojuru, 5) - - Itapoa, 6) drei kleinere Leuchtthürme in der Lagoa Mirim: auf dem äufser- sten Südpunkte von Ponta Alegre, an der Balise von Juneal, und auf S. Jago. Das Stromgebiet der genannten Lagoen erstreckt sich im Osten bis an den Höhenzug, welcher sich von der Serra abzweigt und in einer Parallellinie die Ufer der Lagoa bis zur Mündung des Capivary begleitet; im Norden bis an den Fufs der Serra Geral und im Westen bis an die Cochilha de Päo Fincado und deren südliche Fortsetzungen. Dasselbe zählt folgende nennenswerthe Flufsläufe : Im Osten: a) Der Gravatahy — Stromlänge 33,000 Bracen. Eine Strom- schnelle hindert die Schifffahrt auf demselben bis nach der Aldea von S. Anjos. b) Der Capivary — Stromlänge 16,594 Bracen, Breite 10 — 15 Bracen. Derselbe hat seine Quellen in dem grofsen Banhado do ma- chado, welcher sein Wasser von der Lagoa dos Barros erhält. Der- selbe ist schiffbar in der Länge von 1050 Bragen und hat hier 16 Pal- men Wasser. Im Norden füllen das Becken der Lagoa de Viamäo: a) Der Rio Sinos. Derselbe entspringt auf dem östlichen Theile der Serra Geral. Die Hauptrichtung seines gewundenen Laufes geht _ von NO. nach SW. Derselbe ist schiffbar von der Einmündung des 206 W. Schultz: $. Maria (Colonie Mundo novo), indessen erschweren die zahlreichen, nahe zusammen liegenden Windungen die Schifffahrt. Zwei Dampf- schiffe vermitteln den Verkehr zwischen Porto Alegre und S. Leopoldo. Dieselben machten vom Januar bis Ende August 1858 70 Fahrten und beförderten während derselben 1708 Personen. Zahlreiche Flufskähne führen die Erzeugnisse der Colonien $. Leopoldo und Mundo novo auf den Markt von Porto Alegre. b) Rio Cahy entspringt auf dem östlichen Hochlande der Serra und führt sein Wasser in einem weiten Bogen der Lagoa zu. Derselbe ist bis zu dem Punkte, wo er aus der Serra tritt und den Arroyo Trancez aufnimmt, schiffbar. Ein Dampfschiff vermittelt den Post- und Personenverkehr zwischen der Provinzialhauptstadt und den Uferpunk- ten des genannten Flusses. In den drei Monaten Juni, Juli und Au- gust machte dasselbe 14 Fahrten. ec) Rio Jacuhy hat sein Quellengebiet auf der Serra Geral. Die Richtung seines oberen Laufes ist eine rein südliche, eirca 40 Legoas von seiner Mündung wendet er sich nach Osten. Wasserfälle, Strom- schnellen und Inseln hindern die Befahrung des ganzen Laufes. Bis S. Amaro stellt sich der Schifffahrt kein Hindernifs in den Weg und bei gewöhnlichem Wasserstande gehen Dampfboote bis nach Rio Pardo, bei hohem Wasserstande bis nach der Colonie S. Angelo. Vom Juli bis August 1858 wurden 3045 Passagiere und 33,040 Arroben Ladung auf der Linie Porto Alegre — Rio Pardo befördert. Von $. Amaro stromaufwärts finden sich folgende, der Schifffahrt hinderliche Bänke und Inseln: 4) die Bank von S. Amaro, 950 Bragen vom Hafen des genannten Ortes; 2) die Bank do Cascalho do Rangel, 2490 Br.; 3) - - do Cascalho da Figuera, 3708 Br., 4) - - do Cascalho da Caieira, 7166 Br.; d) - - do Cascalho da Caveira, 8013 Br.; 6) - - da volta da Mathias, 9864 Br.; 7) - - da Gamella, 9954 Br.; 8) - - do Padre Joze Carlos, 10,872 Br.; 9) - - do Caquete dos Tresirmäos, 17,650 Br.; 10) - _- Pauso do milho, 18,638 Br.; 11) der Canal de Dourados, 21,885 Br.; 12) - - de Caieira, 27,180 Br.; 13) - - das Pedreiras, 31,768 Br.; 14) die Bank des Pombas, 34,414 Br.; 45) - - de Manoel Joaquim, 38,259 Br.; Ne Hist. - geogr. -statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 207 16) die Bank dos Biscoutos, 42,882 Br.; 17) zwei Inseln, von Rio Pardo 2118 Br. entfernt. Die angegebenen Bracen bezeichnen überall die Entfernung vom Hafen von S. Amaro. In dem oberen Laufe, zwischen Rio Pardo und S. Angelo, finden sich aufserdem folgende Stromschnellen: die Cachoeira Negra, die Cachoeira Fandango, und die Cachoeira das Almas. Der Jacuhy überschwemmt bei hohem Wasserstande, welcher in den Winter- oder Regenmonaten eintritt, seine steilen, doch niedrigen Uferränder auf 4 Legoa rechts und links. Von den bedeutenderen Nebenflüssen des Jacuhy sind zu nennen: der Taquary, welcher auf der Hochebene entspringt, in seinem oberen Lauf den Namen Rio das Antas führt, fast parallel mit dem Cahy läuft und sich bei Triumfo mit dem Jacuhy vereinigt; ferner der Rio Pardo, welcher in jenem zerrissenen Theile der Serra und nördlich des kegelförmigen Butuquaray entspringt und sich bei Rio Pardo in den Jacuhy ergielst. Der erste, der grölsere dieser Nebenflüsse, ist schiff- bar und wird bis zu dem Flecken Taquary mit Dampfböten befahren. — Weiter ist noch zu nennen der Vacacahy, welcher in seinem langen, von SW. nach NO. gerichteten Laufe sich oberhalb Cachoeira in den Jacuhy ergielst. Auch auf diesem hindern Stromschnellen und Un- tiefen den Verkehr, indessen ist die Regierung bemüht, auch hier wie allenthalben die Hindernisse, welche der Schifffahrt in den Weg tre- ten, zu beseitigen. Im Westen führen der Lagoa dos Patos ihr Wasser zu: der Vel- haco, der Ycamacuäo oder Camacuam mit Deltamündung, der Lou- rengo, der Arroyo Grande, Correntes, Cangussu. Die Lagoa-mirim, welche, wie schon angeführt, durch den Rio Gongalo, einen canalartigen Abflufs, mit der Lagoa dos Patos in Ver- biudung steht, nimmt die nachstehenden Flüsse auf: den Pelotas, wel- cher auf dem unteren Laufe mit Dampfschiffen befahren wird; den Piratiny, Palma, Chasqueiro, Arroyo Grande, Arromboa, Jaguaräo und S. Miguel. Der letztgenannte fliefst der Lagoa vom orientalischen Gebiete zu. Schon oben haben wir darauf hingedeutet, welchen nachthei- ligen Einflufs der schwierige und gefährliche Zugang der Barre von Rio Grande auf den Handel ausübt. Wir führen nachstehende Tabelle der in einem Zeitraume von 10 Jahren in den genannten Hafen ein- und ausgelaufenen Schiffe an, aus welcher eine Abnahme der Schiff- fahrtsbewegung ersichtlich ist. Obgleich wir diese Abnahme allerdings nicht allein auf Kosten der Schwierigkeit der Communication schrei- ) ben, sondern sicherlich auch commercielle Gründe hierzu mit beigetra- are 208 W. Schultz: gen haben, so ist doch ein nachtheiliger Einflufs, welchen der wandel- bare, mehr und mehr versandende Zugang auf den Handelsverkehr der Provinz ausübt, nicht abzuleugnen. Eingelaufen: Ausgegangen: PT en er IE im Jahre brasilianische, fremde, brasilianische, fremde Fahrzeuge 1847 428 240 A454 228 1848 462 308 431 298 1849 331 232 379 242 1850 360 242 353 239 1851 357 212 370 195 1852 300 148 315 168 1853 305 147 320 165 1854 305 161 295 143 1855 317 15%. 305 128 1356 240 146 235 140 1857 291 169 271 167 1858 103 78 114 78 Das bedeutendste Stromgebiet der Provinz ist das des Uruguay. Die Quellflüsse desselben, der Rio Pelotas und Canoas, entspringen auf der Serra Geral, zwischen dem 27. und 28. Grade südl. Breite, und vereinigen sich am Passo de Pontäo unter 27° 49’ 11” südl. Breite zu dem grolsen Rio Uruguay. Der Strom hat eine Durchschnittsbreite von 3560 Palmen, doch verengt er sich an einigen Stellen bis auf 1000 Palmen, während an andern Punkten die Uferentfernung 5000 Palmen und mehr beträgt. Eine grofse Zahl von Untiefen, Inseln und Bänken verengen das Bett des Stromes und treten der Schifffahrt in dem oberen Theile des Stromlaufes, oberhalb S. Xavier in den Weg. Allerdings kann der Uru- guay auch in jenem oberen Laufe bereits mit beladenen Canoes, von Nonohay bis $. Borja, befahren werden, doch vermögen Fahrzeuge von mehreren Palmen Tiefgang höchstens bis S. Xavier bei hohem Wasser- stande vorzudringen. Man zählt auf der Stromstrecke von der Mün- dung des Comandahy oberhalb S. Xatier bis nach $. Borja (bei nie- derem Wasserstande) folgende Stromschnellen und Bänke: 1) Cachoeira (Stromschnelle) an der Mündung des Comandahy; 2) Bank gegenüber von S. Xavier; u 3) Bank oberhalb der Ilha grande; 4) Cachoeira do Arroyo Itaquarare; 5) - das Mangueiras; 6) - de Sta. Maria; f Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 209 7) Cachoeira de $. Isidoro; 8) - do Piratiny; 9) die Bänke unterhalb der Ilha grande; 10) Cachoeira der Insel Taquara; 11) - - 00-8. Lucas; 12) - dos Garruchos; 13) die Bänke oberhalb dos Garruchos; 14) - - unterhalb dos Garruchos ; 15) Cachoeira das Merces; 16) die Bänke der Insel das Merces. Ferner liegen in diesem Theile des Stromes folgende Inseln und Inselgruppen: 1) 4 Inseln oberhalb der Cachoeira des Comandahy; 2) Insel oberhalb des Hafens von S. Xavier; 3) 4 Inseln unterhalb des Hafens von S. Xavier; 4) Ilha Taquarare; 5) Inseln von Sta. Maria; 6) Inseln am Westufer nahe der Cachoeira von $. Isidoro; 7) Inseln der Mündung der Piratiny; 8) 1 Ilha Raza unterhalb der genannten Mündung; 9) 22 Ilha Raza; 10) Insel oberhalb der Insel Taquara; 11) - Taquara; 12) - de S. Lucas; 13) Ilha do Passo dos Garruchos; 14) - de Antonio Turguia; 15) - unterhalb der genannten; 16) -_ das Merces; 17) - unterhalb des Passo das Mulas; 18) - de S. Matheos in der Nähe von S$. Borja. - - Von der Mündung des Arroyo grande (Banda oriental) bis S. Borja füllen das Bett des Uruguay folgende Inseln: Pr) Ilha Bicua, 80 Bracen lang, unbewohnt, liegt 4 Legoa oberhalb der Mündung des Arroyo grande. 2) 12 Ilha Belem, 80 Br. lang, unbewohnt, liegt 3 Legoas oberhalb der Insel Bieua, an der Mündung des Jacuhy. 3) 2% Ilha Belem, unbewohnt, liegt 60 Br. nördlich der genannten. 4) Ilha Gaspar, 360 Br. lang, bewohnt, bepflanzt und bewaldet, 400 Br. nördlich von der vorhergehenden. 5) Ilha Vacca, unbewohnt, nahe dem orientalischen Ufer, 800 Br. oberhalb der Ilha Gaspar. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 14 210 W. Schultz: 6) Ilha Pelada, 30 Br. lang, unbewohnt, 100 Br. oberhalb der vor- genannten. 7) Ilha Paredon, 240 Br. lang, bewohnt, bewaldet und bepflanzt, liegt 360 Br. oberhalb der vorigen. 8) Ilha Goduiho, 60 Br. lang, liegt 800 Br. nördlicher. 9) 1 Ilha Missionaria, 360 Br. lang, bewohnt, Wald, Pflanzung, liegt 1 Legoa weiter. 10) 1 Ilha Missionaria, 240 Br. lang, liegt 60 Br. oberhalb No. 9. 11) 1 Ilha Missionaria liegt nahe der vorgenannten. 12) Ilha Rica, 1500 Br. lang, liegt 400 Br. von No. 10. 13) Ilha Lapaia, 2000 Br. lang, liegt 180 Br. nördlich von No. 12. 14) Ilha de Paiz, 1500 Br. lang, nahe dem orientalischen Ufer, liegt 14 Legoa nördlich von No. 13. 15) Timboy, 420 Br. lang, nahe dem correntinischen Ufer, gegenüber von No. 14. 16) Ilha Tocumbu grande, 900 Br. lang, 14 Legoa nördlich von N@..48: 17) Ilhote de Toaimbä, 120 Br. lang, 30 Br. nördlich von No. 16. 18) Ilha Tocuinbupe grande, 30 Br. lang. 19) 12 Ilha Quarahim, +4 Legoa lang, am orientalischen Ufer, 23 Le- goas nördlich. 20) 2% Ilha Quarahim, 90 Br. lang, am orientalischen Ufer, 30 Br. nördlicher. 21) 32 Ilha Quarabim, 1000 Br. lang, bewohnt, mit trefflichem Holz bewachsen, vor der Mündung des Quarahim. 22) Ilha Cacu, 240 Br. lang, unbewohnt, nahe am correntinischen Ufer, 2 Legoas nördlich von der Mündung des Quarahim. 23) Ilha Grande dos Saudades, 2 Legoas lang, bewohnt, mit Holz be- wachsen und bepflanzt, nahe am brasilianischen Ufer, 2 Legoas von No. 22, tieferes Fahrwasser an dem correntinischen Ufer. 24) Ilha Japepü, 1500 Br. lang, mit Holz bewachsen und bepflanzt, bewohnt, in der Mitte des Flusses gelegen, Fahrwasser am cor- rentinischen Ufer; 4 Legoas nördlicher. 25) 12 Ilha da Cruz, 360 Br. lang, bewohnt, mit Holz bewachsen und bepflanzt, am brasilianischen Ufer, 44 Legoa von No. 24, zu bei- den Seiten Fahrwasser, jedoch besser zwischen dem brasilianischen Ufer. 26) 22 Ilha da Cruz, 240 Br. lang, bewohnt, mit Holz bewachsen und bepflanzt, 30 Br. nördlicher, Fahrwasser zu beiden Seiten. 27) Ilha Japaio, 600 Br. lang, bewohnt, mit Holz bewachsen und be- pflanzt, 14 Legoa nördlicher, Canal am brasilianischen Ufer. 28) Ilha Paloma, 60 Br. lang, unbewohnt, mit Holz bewachsen, nahe 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37) 38) 39) a 40) Hist. - geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 211 dem brasilianischen Ufer, 14 Legoa von No. 27 und 1 Legoa nörd- lich von Itaqui, Canal am correntinischen Ufer. Ilha Taquaras, 500 Br. lang, bewohnt, 1 Legoa von No. 28, Ca- nal am brasilianischen Ufer. Ilha Quadrada, 2000 Br. lang, bewohnt, mit Holz bewachsen und bepflanzt, 1 Legoa von No. 29, Fahrwasser zu beiden Seiten, grös- sere Tiefe jedoch am correntinischen Ufer. 1% IIha Butuhy, 2000 Br. lang, bewohnt, nahe dem brasilianischen Ufer, 14 Legoa von No. 30, Canal zwischen den beiden Cachoeiren. 22 Ilha Cachoeira do Butuhy, 360 Br. lang, unbewohnt, Canal am brasilianischen Ufer. Ilha Vau do Botuhy, 600 Br. lang, bewohnt, mit Holz bewachsen und bepflanzt, Canal am brasilianischen Ufer. Ilha Quais, 1200 Br. lang, bewohnt, mit Holz bewachsen und be- pflanzt, nahe am correntinischen Ufer, 1 Legoa nördlich von No. 33, Canal am correntinischen Ufer. Iha Vau de Sta. Anna, 750 Br. lang, bewohnt, mit Holz bewach- sen und bepflanzt, nahe dem correntinischen Ufer, 600 Br. nörd- lich von der vorigen, Canal am correntinischen Ufer. Ilha Sta. Anna, 600 Br. lang, bewohnt, mit Holz bewachsen und bepflanzt, nahe dem brasilianischen Ufer, 600 Br. nördlich von No. 35, Canal am correntinischen Ufer. 1% Ilha Sta. Lupa, 400 Br. lang, unbewohnt, mit Holz bewachsen, gegenüber dem brasilianischen Ufer, 24 Legoa nördlich von No. 36. 22 Ilha Sta. Lupa, 700 Br. lang, unbewohnt, mit Holz bewachsen, gegenüber der vorigen und dem correntinischen Ufer, Canal zwi- schen beiden Inseln. Ilha Vargasou Ferre, 2400 Br. lang, 750 Br. breit, bewohnt, mit Wald bewachsen und Faquaraes (hohes Rohrgras), dicht am cor- rentinischen Ufer, 1 Legoa nördlich von No. 37, Canal am bra- silianischen Ufer. Ilha S. Matheus, 600 Br. lang, unbewohnt, mit Holz bewachsen, eorrentinisches Ufer, 1 Legoa nördlich der vorhergehenden, Canal an beiden Ufern, jedoch breiter am brasilianischen. Von den Nebenflüssen des Uruguay sind folgende zu er- wähnen: 1) Der Pelotas entspringt auf der Serra Geral im Distriete der Villa de Lages (Provinz Sta. Catharina), östlich der genannten Villa, läuft nach Westen bis zur Aufnahme des Rio das Contas, wendet sich dann nach Norden bis zu seiner Vereinigung mit dem Rio 14* 212 2) 3) 4) 3) 6) 8) 9) 10) 11) W. Schultz: das Canoas, und bildet während seines 35 Legoas langen Laufes einen Theil der Grenze der Provinz gegen Norden. Rio das Contas entspringt auf der Serra Geral, im Distriet von Lages, südwestlich der genannten Villa, hat einen nach Norden gerichteten Lauf, nimmt 3 Legoas unterhalb seiner Quelle den Ar- royo Barroca auf und ergiefst sich nach 6 Legoas langem Laufe in den Rio Pelotas. Auch er bildet einen Theil der Provinzial- grenze gegen Norden. Arroyo Barroca entspringt südlich der Serra, hat einen nach Nor- den gerichteten Lauf und mündet in den Rio das Contas, Arroyo dos Touros hat seine Quellen in einem Banhado do Campo, hat 9 Legoas Stromlänge und mündet nahe am Passo de Sta. Ca- tharina (wahrscheinlich Pontäo) in den Rio Pelotas. Quati, ein Bach, welcher aus einem Banhado do Campo entspringt, hat 4 Legoas Lauflänge und vereinigt sich mit dem Rio Sta. Anna 6: Legoa vor dessen Mündung in den Socorro auf den Campos de S. Paulino. Sta. Anna; derselbe entspringt auf den Campos Buniro im Osten der Villa Vaccaria, hat einen nördlichen Lauf, nimmt. 2 Legoas unterhalb seiner Quelle den Quati auf, hat einen Stromlauf von 7 Legoas Länge und ergielst sich auf den Campos Acoedo in den Socorro, 1 Legoa vor der Mündung des letzteren in den Pelotas. Socorro. Derselbe entspringt südlich der Villa Vaccaria, hat einen nach Norden gerichteten Lauf und erhält 6 Legoas unterhalb sei- ner Quelle die durch den Quati bereits verstärkten Wasser des Rio Sta. Anna. Nach 8 Legoas langem Laufe mündet er, 2 Le- goas oberhalb des Passo de Borjes und 10 Legoas von Sta. Vic- toria, in den Pelotas. Riberäo; derselbe entspringt nahe am Abhange der Serra Geral und der Guarda velha, strömt von Ost nach West und mündet, nachdem er den Distriet der Vaccaria in einem 10 Legoas langen Laufe durchflossen hat, 3? Legoas oberhalb Sta. Vietoria in den Pelotas. Arroyo da Divisa de Anstes com Silveira, entspringt auf der Serra Geral, hat einen nach Norden gerichteten Lauf, mündet nach 10 Leguas langem Laufe, 5 Legoas oberhalb der Barre des Riberäo, in den Pelotas. Arroyo da Cerquinha; derselbe entspringt nahe der Guardia velha, strömt von Süd nach Nord, und mündet nach 10 Legoas langem, vielfach gewundenem Laufe, 14 Legoa oberhalb Sta. Victoria, in den Pelotas. Rio da Prata, entspringt auf der südlichen Serra Geral, wendet Hist. - geogr. -statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 213 sich dann in einem Halbkreise nach Norden und mündet 10 Le- goas oberhalb des Passo geral (de Pontäo) in den Rio das Antas. 12) Turvo, entspringt auf dem Serro de Sta. Rita, einem Berge der Serra das Antas, wendet sich in seinem Laufe von Nordwest nach Süd, und mündet unter SSW. in den Rio de Sta. Rita, nachdem er einen vielfach gewundenen Lauf von 8 Legoas zurückgelegt. 13) Rio Sta. Rita; dessen Quellen liegen NW. am Serro de Sta. Rita, sein Lauf ist nach Süden gerichtet, nach der Serra das Antas, wo er die Wasser des Rio Turvo aufnimmt und dann in den Uruguay mündet. Seine Stromlänge beträgt 14 Legoas. 14) Rio Saltinho hat seine Quellen auf den Campos de Joaquim Velho, hat einen nach Süden gerichteten Lauf und mündet in der Hälfte der Serra das Antas in den Rio de Sta. Rita, jenseits des Passo geral. Stromlänge 14 Legoas. 15) Passo fundo de Vaecaria; entspringt, gleich dem Rio Turvo, im NW. des Serro de Sta. Rita, läuft nach Westen und mündet 12 Legoas unterhalb Pontäo in den Uruguay. Nach 6 Legoas Strom- lauf nimmt er den Arroyo Forquilha auf. Einige kleine Lageados verstärken sein Wasser. 16) Arroyo Forquilha; hat seine Quellen, westlich des vorgenannten, auf dem Serro de Sta. Rita, einen nach Westen gerichteten Lauf, und mündet in den Passo fundo, 6 Legoas vor dessen Barre. 17) Arroyo Chapico, aus den Campos da Palma kommend und der Insel Säo Joäo gegenüber mündend. 18) Rio das Areranhas, schiffbar, von W. nach O. fliefsend. 19) Rio dos Patos, bildet die Grenze zwischen Paraguay und der Pro- vinz Parana. Dem südwestlichen Laufe des Uruguay führen ihre Wasser zu: Der Commandahy oder Sebolaty; derselbe entspringt in dem Ser- täo am Uruguay auf dem Nordzweige der Serra Geral, hat einen west- nordwestlichen Lauf, ist auf dem unteren Theile desselben schiffbar und ergie/st sich, nachdem er den Sertäo in einer Länge von 23 Le- goas durchströmt hat, 2 Legoas oberhalb S. Xavier in den Uruguay. Der Yjuhy entspringt auf demselben Zweige der Sierra Geral und nimmt eine gröfsere Zahl kleiner Quellenflüsse auf, welche ihm aus den Bosques dos Yjuhys zuströmen und sein Wasser verstärken. Der nen- nenswerthere derselben ist der Yjuhy mirim; wo derselbe in den 'Yjuhy mündet, wird der letztere schiffbar und fliefst nunmehr in west- _ Jieher Richtung, die Serra in einer Parallellinie begleitend, dem Uru- _ guay zu, mündet 7—8 Legoas unterhalb S. Xavier, hat an seiner Mün- } dung eine Breite von 580 Palmen und eine Tiefe von ö Palmen. 214 W. Schultz: Der Piratiny hat seine Quellen auf der Cochilha de Tunas, durch- strömt jenen Streifen der Missionen, welcher von der Cochilha de 8. Thecla im Norden und der Cochilha de Espenilla im Süden begrenzt wird und ergielst sich, nach einem westnordwestlichen Laufe von mehr als 35 Legoas, in den Uruguay. Der Camacuam entspringt auf dem Scheitelpunkte der Cochilha de Tunas und Espenilla, begleitet in seinem westnordwestlichen Laufe die letztgenannte Cochilha, wendet sich dann in einem Bogen nach SW. und mündet 2 Legoas nördlich von $. Borja in den Uruguay. Derselbe hat an seiner Mündung eine Breite von 440 Palmen und ist auf seinem unteren Laufe schiffbar. Botuhy -guacu, entspringt auf jenem südlichen Ast der Cochilha de Yguruyaca und mündet, nachdem er den Botuhy-mirim aufgenommen, 114 Legoas unterhalb S. Borja in den Uruguay. Ybieuy-guacu oder grande, entspringt im Süden auf der Serra de S. Anna, hat einen rein nördlichen Lauf bis zu seinem Vereinigungs- punkte mit dem Ybicuy-mirim, welcher sich 134 Legoas östlich durch die Aufnahme des Toropy verstärkt. — Dem rechten Ufer dieses grölsesten der Nebenflüsse des Uruguay strömen zu an nennenswerthe- ren Wasserläufen: der S. Anna, Taquarembo, Yaguary, Caceguey, Ybi- euy-mirim, Jaguary, Carahy-paso, Arroyo Taquary, Ytu. — Dem lin- ken Ufer führen ihr Wasser zu: der südliche Ybieuy-mirim, Ysaicä, Yquaqua, Ybirapuita-guacu verbunden mit dem Ybirapuita-chico und Yuhanduhy, und der Ybiraocay. Eine Zahl unbedeutender Bäche fliefst südlich des Ybicuy dem linken Uruguay-Ufer zu, deren Namen wir nicht anführen. Wir er- wähnen nur noch den westlichen Grenzfluls der Provinz, den Quaraim oder Quarahy, der auf dem Vereinigungspunkte der Serra de $. Anna und Yvaica entspringt, einen nach NW. gerichteten Lauf hat und sich 20 Legoas vor seiner Mündung nach Süden wendet. Eine grofse Zahl kleinerer Nebenflüsse verstärken, seinem rechten und linken Ufer zu- fliefsend, sein Wasser. Aulser jenen beiden Stromgebieten haben wir noch die Zahl der Lagoen und Flüsse anzuführen, welche im östlichen Theile der Pro- vinz, zwischen dem atlantischen Ocean, der Serra Geral, der Lagoa dos Patos und Mirim liegen. Die- Exploration der Gewässer dieses Theiles, welche zum Zweck einer Canalisirung vorgenommen wurde, durch die man die Lagoa dos Patos mit dem atlantischen Ocean zu verbinden hofft, bietet uns über die in jenem Theile liegenden Lagoen und Flüsse genauere Angaben. Wir führen in folgender Tabelle zu- erst die Lagoen und die Gröfse derselben an: r Hist. - geogr. -statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 1) Lagoa do Sangäo 2) 3) da Lavagem . do Porteira . do Meio . do Rincäo das Egoas da Cerquinha da Cidreira . da Fortaleza do Mauricio . do Chagas do Manoel Nunes . de D. Antonio . da Prainha . do Firmiano . da Ilha do Potreiro grande do Joäo Gomes do Banhado . do Joäo Pedro . do Pesqueiro dos Indios dos Barros do Armasem de Tramandahy das Pombas . do Passo . do Marcellino do Peixoto do Caconde . da Trahira . do Sangradouso do Lessa . da Caeira das Malvas . do Palmitar . da Pinguella dos Quadros Negra . Boa - Vista da Estiva. de Itapeva 420 Bracen, 1370 - 8170 - 3790 - 6040 - ER - 10265 - 10025 - 1700 - 1650 _- 4940. - 6560 - 1550 - 1400 _- 7600 - 1300 - 2070 - 5560 - 790 - 3000 - 2650 - 4500 - 18100 - 4600 - 9200 - 2850 - 5350, - 1850 - 3950 - 4000 - 2200 - 500 - 5550 N“ 3000 - 5880 - 5480 - 12400 - 19440 - 480 - 1900 - 2100 - 38000 - 215 216 W, Schultz: 43) Lagoa do Rincäo . . . . 1500 Bracen, 44) ON .do Bukiınemamuniackh ah 4300: (>- 45): Urt. de Oliveira,erianoil, ph 11850- Hb- 46) - do Passo fundo . . 2000 - 47) ‚Ola deulkenäcke:b .oisaiit ob 1560 K«- 48) Sea ndas Torresmiannn“) a 500 - 49), «Hl l.do Jacare . wumhr‘ rr4300 wih- 50)... CENUKido, Forno.. erniunatt ab 14500. A#- In der folgenden Uebersicht ist die explorirte Länge der Wasser- läufe angegeben: TyRH Vapivaryıı . ... .... 16094 Dracen, Ay rWGravalahy" „Su... 33000 > - En vr AP Tantandaly. 0 0 u’. 2070R 7 ee N EN" e BrmEnATes"Porgumbag, . —,. Dos Ne De TORaD ORREOSO N aD SPeFMantabartee. „' 0.7, AUD00 = ORION AUON 0 — an De ren | ie Immo’ Monteto rn, 1. aa" en Ay Rarno ee Me 200" en REP ea ee ee N DA Ren 1a)" Arroyo'das’Afeas". . „... 1926 -- 15) meemgasDarangeras „ . 1073 © - 16) er do Chimarräo . . . 3) De Die natürlichen Abflufscanäle (Sangradouros) der Lagoen haben folgende Ausdehnung: 1) Sangradouro do Firmiano .. 1665 Bracen, 2) - das Malvas . .: 3300 -,- 3) - dos Quadros . 6699 - 4) - das Aguas Claras 700 _- 5) - da Lagoa Sombria 1300 - 6) - - =. Jacare 900 - Hierzu treten noch die Sümpfe (Banhados) mit folgender Aus- dehnung: 1) Banhado do Machado . . . 3486 Bracen, 2) - do Bernardo Pinto . 5410 - 3) - do Fructuoso. . „3900 - 4) - do Peixoto . . . 12700 - 5) - do Gravatahy . . 15000 - Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 217 6) Banhado do Capivary . . . 3000 Bracen, 7) - das Paccas . . „2400 - Zwei schiffbare Linien sind es, welche sich zu einer Verbindung eignen würden: Eine dieser Linien wird von Lanchöes (kleine Fahrzeuge, welche bis 3 Palmen Tiefgang haben) und kleinen Hiates (Jachten) von dem nordöstlichen Punkte der Lagoa Itapeva bis zum Südwest-Ende der Lagoa Pinguella, in einer Ausdehnung von 124 Legoas befahren, ein- schliefslich der 2 Legoas, welche die Lagoa Estiva, Boa Vista, Qua- dros, Malvas und Palmitar und die kleinen Abzugscanäle Malvas und Quadros umfassen. Die zweite dieser Linien, von der Mündung des Rio Paccas in die Lagoa do Forno bis zum Passo do Mampituba, in einer Ausdeh- nung von 3+ Legoas, umfassend die Lagoa do Forno, den Rio do Mon- teiro und einen Theil des Mampituba bis zur Mündung des Rio Verde, kann nur von Canoes befahren werden. Um die beiden genannten Linien zu verbinden, würde man einen kleinen Canal im Banhado das Paccas, in der Länge von 2400 Bracen zu öffnen haben, welcher den Flufs gleichen Namens mit der Lagoa Itapeva in Verbindung setzt, und zwar von dem Berge Tamandua, nicht weit von dem genannten Flusse, bis zum Ufer der genannten Lagoa, nördlich vom Berge Fagundes. Hierdurch würde man eine Wasser- Communication von 194 Legoas erlangen, welche die Befahrung ohne Unterbrechung bis zum Südwest-Ende der Lagoa Pinguella gestatten würde. (Schlufs folgt.) vm. Hilferding’s Reise von Mostar nach Ssarajewo. Aus dem Russischen '). Der Weg von Mostar nach Ssarajewo nimmt drei Tagereisen in Anspruch. Da sich auf ihm nichts Merkwürdiges darbietet und er auch von Andern schon beschrieben ist?), begnüge ich mich damit, die Haupt- umrisse dieser Reise anzugeben. Zuerst mu[s man von Mostar drei Stunden nach Norden über eine Ebene reiten, welche die „weilse Ebene“ ") Vergl. oben S. 110. ?) Ami Bone, Recueil d’Itineraires dans la Turquie de l’Europe, II, 215-- 224. 218 Hilferding’s Reise heifst und allmählich ansteigt, je mehr man sich vom Thale der Neretwa entfernt. Am Ende dieser Ebene, an einer Stelle, die den Namen Pod- porim führt, sind einige Chane, die im Vergleich mit den gewöhnli- chen türkischen Chanen sehr ordentlich gehalten sind, und ein paar Bauernhäuser griechischer Christen erbaut: das ist das sogenannte Kirch- dorf Bjälopolje. Hinter dem Chan Podporim fängt man an, den Chrebet Porim zu ersteigen, der mit Fichtenwaldung bestanden ist; auf der Höhe bietet der schmuzige und verräucherte Chan Simne den Reisenden, die auf dieser Höhe von Schneegestöber überfallen wer- den, einen unglaublich ekelhaften Zufluchtsort; der Schnee bleibt hier an manchen Stellen bis Ende Mai liegen. Hinter Simne dehnt sich ein kahles Plateau aus, und auf diesem erhebt sich ein neuer Gebirgs- zug, Names Bachtijewiza, der von den Unglücklichen, welche im Winter diese Reise machen müssen, besonders gefürchtet wird. Vom Bachtijewiza steigt man hinab, dann geht es bergan auf den Lipeta und Wlach-planina, darauf in ein Thal, in dessen Grunde der „schöne See“ liegt, und wieder bergan auf den Borki, auf dem ein kleines Kirchdorf und ein Chan sich befindet. Alle diese Gegenden sind men- schenarme Einöden; auf den Berggehängen Nichts als Fichten, auf den Plateauflächen ein kurzes Gras. Jenseits des Borki steigen wir wieder in das Thal der Neretwa hinab, die sich in einem grofsen Bogen um diese Gebirgsmasse herunzieht und hier von SO. nach NW. fliefst, während wir sie in Mostar beinahe genau von N. nach S. fliefsen sa- hen. Im Thale dieses Flusses liegt auf halbem Wege zwischen Mostar und Ssarajewo das ärmliche türkische Städchen Koniza; die Neretwa bildet hier die Grenze zwischen der Herzegowina und Bosnien. Die Brücke über den Flufs, welche die beiden Provinzen verbindet, ist, wie man sagt, von Achmet Pascha aus den Ruinen einer früheren Kirche erbaut. Die Stadt liegt auf der südlichen, zur Herzegowina gehörigen Seite des Flusses; hier lebt der Mudir, der vom Pascha von Mostar abhängt; der andere Mudir, der unter dem Pascha von Ssarajewo steht und den sogenannten Kreis Neretwa verwaltet, wohnt auf der andern Seite der Brücke, in einer Stadt, welche nur aus dem Hause des Mu- dir’s und aus einer ganz kleinen Hütte, der Wohnung der Panduren (der Polizeiwache) besteht. Diese Stadt ist erst vor Kurzem angelegt, als das regelmälsige türkische Verwaltungssystem in Bosnien eingeführt wurde. Jenseits Koniza wird der Charakter des Landes ein ganz an- derer; aus der düsteren Natur der Herzegowina tritt man in die freund- liche Bosniens. Allerdings sind auch noch hier auf allen Seiten Berge zu sehen; aber ihre Formen sind abgerundet, die Felsen verschwinden, überall zeigen sich Wälder, unten aus Eichen, Ahorn, Buchen und Nufsbäumen, höher hinauf aus Birken und Fichten bestehend; zwischen von Mostar nach Ssarajewo. 219 den Bergen liegen überall schöne, wenn auch meistentheils nur schmale Thäler, die sich längs des Laufes der Flüsse und Bäche hinschlängeln, welche jeden Winkel des waldreichen Bosnien’s bewässern. Dafür steht aber Bosnien in klimatischer Beziehung der Herzegowina weit nach. In der Herzegowina herrscht ein südliches Klima, Schnee bleibt in den Thälern nie liegen, und der Winter giebt sich nur durch Regen und Stürme zu erkennen; in Bosnien ist das Land vom November, zuweilen schon vom October bis zum März mit Schnee bedeckt. Bei Koniza im Thale der Neretwa nahmen wir von der südlichen Vegetation Ab- schied, von den Weingärten, den Feigen- und wilden Granatäpfelbäumen; in den Gärten Bosnien’s finden sich nur unsere nördlichen Apfel-, Birn- und Pflaumenbäume. Wir ritten sieben Stunden lang in schmalen, grünen Thälern, sehr oft über einen Berg aus einem Thal in das andere; aber nirgends hatten wir so steil anzusteigen und an so fürchterlichen Abstürzen hinabzu- klettern, wie sie in der Herzegowina den daran nicht gewöhnten Rei- senden in Schrecken setzen. Aus diesem Grunde hatte auch wohl der Mudir von Koniza, als er uns gratulirte, dafs wir über den Porim, den Bachtijewiza und den Wlach-planina glücklich hinüber gekommen, zu unserem ‘Troste hinzugefügt, dafs von dort bis Ssarajewo auch „nicht ein Hügelchen“ zu finden sei und dals der Weg „so eben sei wie seine Hand“. Gleichwohl mulsten wir auf diesem Wege, der so eben war wie eine flache Hand, wohl zehn Mal auf eine Höhe von tausend bis anderthalb tausend Fuls über der durchschnittlichen Erhebung dieses Gebietes hinauf- und eben so viel wieder hinabsteigen. Die Gegend war überall herrlich, aber wir sahen auch nicht eine Menschenseele. Wenn es hier Ortschaften giebt, so müssen sie hinter den Bergen lie- gen; aber sie sind jedenfalls nicht zahlreich, da wir vom Wege aus auch fast gar keine Ackerfelder bemerkten. Endlich kamen wir zum Chan Tartschina, in dessen Umgebung zerstreute Bauernhäuser stehen. Von hier ab wird das Thal immer breiter, und die Ackerfelder beginnen. Wir ritten in einer Furth durch den Bach Lepeniza, wandten uns nach rechts, nach Osten, kamen an die Stelle, wo die Wege, welche von Ssarajewo nach Nordwesten (nach Trawnik) und nach Südwesten (nach Mostar) führen, sich trennen, ritten durch die Sheljäsniza, und ' dann auf einer steinernen Brücke über die Bosna, nicht weit von ihren Quellen, die wir in geringem Abstand am Fufse des hohen Chrebet Igman-planina erblicken konnten. Wir kamen an den malerischen Ort vorbei, der den Namen Brjälo Bosne führt und wo die ursprüngliche Stadt lag, die später nach der Stelle des jetzigen Ssarajewo, 24 Stunden _ von hier, verlegt wurde; jetzt liegt hier ein christliches Dörfehen und ein grolses Landhaus oder ein „Hof“, der von Mustapha Pascha erbaut 220 Hilferding’s Reise ist, welcher vor nicht langer Zeit in Bosnien regierte‘). Endlich ka-. men wir zur Mineralquelle Banja oder (türkisch) Ilidshe. Dort war für uns in einem prachtvollen Chan, der die Prätension erhob in eu- ropäischem Geschmack eingerichtet zu sein, das Nachtlager bereitet. Nicht weit von dem Chan (es giebt hier übrigens mehrere, da sich in Banja viele Personen der Cur wegen aufhalten und andere des Ver- gnügens wegen aus Ssarajewo hierher kommen) liegt ein hölzernes, ziemlich ordentliches Badehaus, das auf Befehl Omer-Pascha’s erbaut wurde. Die Quelle enthält aufser Schwefel, wie man mir versicherte, noch viele andere mineraliche Bestandtheile, die ich vergessen habe; das Wasser ist heils, von blaugrauer Farbe und läfst einen minerali- schen Bodensatz zurück; man läfst es in einem besonderen Bassin sich abkühlen und leitet es dann in die Badestuben, um es hier mit dem zu heilsen Wasser der Quelle zu vermischen; die Badestuben sind ziem- lich geräumig und vor jeder ist ein Zimmer zum Auskleiden; man zahlt eine Kleinigkeit für das Bad. Diese Quelle wird benutzt gegen Rheu- matismen, auf die sie, wie man sagt, aufserordentlich günstig wirken soll, und gegen Hautkrankheiten; aber viele baden auch einfach des Ver- gnügens wegen oder um für die Zukunft Krankheiten vorzubeugen. Neben dem Badehause ist ein Garten mit einem ächten europäischen Blumen- beet angelegt. Im Allgemeinen ist Banja ein schöner Ort und die Tür- kei zeigt sich hier in ihrem Putz und Schmuck; man sieht, dafs es von einem Europäer geschaffen ist. Uebrigens hat Omer-Pascha hier noch eine andere Spur seiner Wirksamkeit zurückgelassen,— die Chaussee, die er von Ssarajewo nach Banja zu bauen angefangen hat; sie war noch nicht voll- endet, als er aus Bosnien abgerufen wurde, und blieb auch unvollendet; fünf Werst von Ssarajewo kommt man von der Chaussee auf den ur- sprünglichen Weg, der sich nach einem Regen in einen tiefen Morast verwandelt, oder wenn man diesen Weg vermeiden will, auf ein Pflaster, das, nach mehrhundertjährigem Gebrauch ohne Ausbesserung geblieben, noch abscheulicher ist wie der Morast. Die zwei Stunden von Banja nach Ssarajewo legten wir in demselben Parade-Aufzug zurück, wie den Weg von Buna nach Mostar. Ungeachtet der uns begleitenden Suite, in deren Mitte wir gerade keine angenehme Rolle spielten, erfreuten wir uns an der herrlichen Landschaft. Das fruchtbare, gut angebaute Thal ist auf der rechten Seite von niedrigen Bergen eingeschlossen, die in der imposanten Masse des Trebewitsch mit seinem kegelförmigen Gipfel ihr Ende finden; auch zur Linken ziehen sich solche Höhen hin, die mit Gebüsch und Wald bedeckt sind und rundliche Hügel vor sich hin aussenden; am Fulse dieser Höhen schimmern aus Gärten die wei- !) Er wurde im Jahre 1851 gestürzt und starb im Gefängnis. von Mostar nach Ssarajewo. 221 (sen Landhäuser der Türken hervor, und vor uns wird das Thal in einem Halbkreise von Bergen eingeschlossen, deren Abhänge und deren Fufs mit den zahllosen Minareten von Ssarajewo besäet ist. Ssarajewo — die slawische Umwandlung des türkischen Namens Ssarai, oder genauer Bosna-Ssarai — liegt in dem malerischen Thale des Baches, der den sentimentalen Namen Miljatschka führt. Die Mil- jatschka flielst einige Stunden Weges in einem schmalen Bett zwischen steilen Felsenbergen, dann treten diese Berge auseinander und es bildet sich eine Ebene, die sich nach Norden beträchtlich erweitert; über einen Theil dieser Ebene hatte uns unser Weg von Tartschina geführt; sie erstreckt sich 16 Stunden Weges weit bis zur Stadt Trawnik und ist nur in der Mitte von einem unbedeutenden Höhenzuge durchschnitten. Da, wo der Bach in die Ebene tritt, liegt die Stadt. Ein Theil der Häuser ist noch in die Schlucht eingeklemmt; der andere liegt am lin- _ ken Ufer der Miljatschka amphitheatralisch zwischen Gärten, am Ab- hange des Chrebet Trebewitsch, dessen über Ssarajewo und über alle benachbarten Berge hervorragender Gipfel seit alter Zeit vom Volk als Aufenthalt der Waldnymphen besungen wird; auf dem rechten Ufer zeigt sich ebenfalls ein Amphitheater von Gärten und Häusern am Ab- hange des Chrebet Bjälawa, und auf einem besonderen Berge die alte verfallene Festung; endlich in der Mitte, da wo die Ebene beginnt, sind Reihen von Kaufläden errichtet, allerdings nicht nach Art unserer Kauf- hallen, sondern nach türkischer Manier, dort sind die griechisch-katho- sche und die römisch-katholische Kirche, einige ziemlich breite und grade Stralsen mit den Häusern der Christen und hin und wieder auch der Juden, und dort zeigen sich auch die russische, die fransösische und die englische Flagge; die österreichische weht über dem türkischen _ Theile der Stadt am Abhange des Trebewitsch. Dieses ganze untere Stadtviertel endet an dem Wege, der nach Trawnik führt, mit einer Reihe von Gerbereien, die einen abscheulichen Gestank verbreiten. Der Blick auf die Stadt ist aufserordentlich schön: weilse Häuser zerstreut in dem Grün der Berggehänge gelegen, und über ihnen die zahllose Menge der Minarete. Traurig aber muls diese Landschaft anzusehen sein, wenn sie auf vier oder fünf Monate mit Schnee bedeckt ist, und auch im Sommer muls man das Vergnügen, das Panorama von Ssa- rajewo zu genielsen, theuer durch die Qual bezahlen, in der Stadt her- umlaufen zu müssen, denn das Pflaster auf dem grolsentheils abschüssi- gen Boden ist unglaublich schlecht. Die christliche Colonie in Ssarajewo ist nicht grols: sie mag sich auf 5000 griechisch-katholische und auf nicht mehr als 200 römisch-katholische "Christen belaufen. Die Zahl der Muhamedaner ist zehnmal gröfser. Sie | besitzen reichlich 100 Moscheen. Die griechische Kirche — den Erz- k es | 222 Hilferding’s Reise engeln Michael und Gabriel geweiht — ist dunkel und eng, tief in die Erde eingegraben, wie die Kirche in Mostar, so dafs man von ihr nur das Dach sieht, wenn man aufserhalb der Einfassungsmauer steht. Aber da die Kirche ziemlich alt und die Stadt wohlhabend ist, so ist sie im Innern, wenn auch ohne Geschmack, so doch reich ausgeschmückt. Sie besitzt eine Menge grolsentheils alter Bilder von griechischer Arbeit, die von den heiligen Orten oder aus den Klöstern vom Athos hierher gebracht sind; sie hängen an allen Wänden, ohne Rücksicht auf Sym- metrie; einige von ihnen haben eine silberne Einfassung; die Gemeinde von Ssarajewo ist auch stolz auf einen Sammet-Teppich mit reichen Goldstickereien, der nur an den grölsten Festen aus seinem Gewahr- sam hervorgeholt wird. Wie das alte Kirchenbuch beweist, existirte die Kirche schon im XVII Jahrhundert. Im Jahre 1644 wurde sie bei dem grofsen Stadtbrande eingeäschert; nach 12 Jahren verwüstete ein neuer Brand die Stadt, und damals gingen wieder die griechische wie auch die römische Kirche in Flammen auf; die erstere wurde jedoch bald da- rauf, im Jahre 1658, wieder aufgebaut und ist seitdem unversehrt ge- blieben. Im Kirchenbuch wird erzählt, dafs die rechtgläubige Gemeinde von Ssarajewo zum Bau 106,700 Asper beigetragen hat, — nämlich zu Geschenken für die „türkischen Herren“ 64700 Asper, und zum Bau der Kirche selbst 42000 Asper. Im vorigen Jahrhundert war die Kirche baufällig geworden: es regnete durch das Dach und das Ge- wölbe drohte den Einsturz. Nachdem man viel Geld ausgegeben hatte, um die Regierung durch Bestechungen zu gewinnen, wirkte man end- lich einen Ferman zur Reparatur der Kirche aus; aber die Ausbesse- rung sollte in 40 Tagen beendet sein. Da strömten aus ganz Bosnien einige tausend freiwillige Arbeiter herbei; in Ssarajewo selbst war keine Familie, die nicht insgesammt an der Arbeit Theil genommen hätte; selbst Weiber und Kinder waren thätig, und in vierzig Tagen hatte die Kirche ein ganz neues Gewölbe und ein neues Dach. Diese Kirche ist die einzige griechische in ganz Bosnien, in wel- cher der Gottesdienst seit zwei Jahrhunderten nie unterbrochen wurde und in welcher er täglich abgehalten wird. Dieser letztere Umstand flöfst dem Volk eine besondere Verehrung für die Kirche ein. Die schon seit vielen Jahren abgehaltene Colleete hat, wie man sagt, ein ziemlich ansehnliches Capital angesammelt, aber ich weifs nicht, ob es zweckmäflsig verwaltet wird. In Folge der Vermehrung der griechisch- katholischen Bevölkerung in der Stadt kann die alte Kirche nicht mehr alle Pfarrkinder fassen und man denkt deshalb an den Bau eines neuen Gotteshauses. Bei der Kirche sind ein Erzpriester, — ein ehrwürdiger Greis, — und zwei Priester angestellt; aufserdem leben in der Stadt noch zwei Geistliche, die ihre Pfarren in den benachbarten Dörfern haben; ER von Mostar nach Ssarajewo. 223 Denn in der Umgegend von Ssarawejo, wie überhaupt im ganzen mitt- leren Bosnien existirt nicht eine einzige griechische Dorfkirche. Leider mufs man sagen, dafs die hiesige Geistlichkeit für den Volksunterricht bei Weitem nicht so thätig ist, wie die von Mostar. Auf dem Hofe der Kirche steht auch das Haus des Metropoliten, das nach türkischer Weise eingerichtet, aber viel reicher ist, als der Bischofssitz in Mostar. Neben der Kirche befindet sich die Schule. Ihre Einrichtung und die Unterrichts-Gegenstände sind dieselben wie in Mostar, ihre Mittel sind viel bedeutender, aber, soweit ich darüber urtheilen kann, ist die Schule in Mostar doch viel besser. Der Hauptgrund liegt darin, dafs in Mostar Landeskinder unterrichten, Personen, die ihrer Aufgabe, ihr Volk auf- zuklären, aufrichtig ergeben sind und die deshalb ihre Bildung jenseits der Grenze gesucht haben. Die Gemeinde von Ssarajewo hat nicht daran gedacht, Personen aus ihrer Mitte zum Lehrberuf ausbilden zu lassen; sie nimmt die Lehrer aus Ungarn oder aus Serbien; und na- türlich gehen nach Bosnien nur die schlechtesten Zöglinge eines Semi- nar’s oder Gymnasiums, Leute, die in ihrer Heimath kein Unterkommen finden und die auch in der Fremde nicht mit dem Eifer eines Mannes lehren, welcher dem jungen Geschlecht wirklich nützlich werden will; sie sind vielmehr zufrieden, wenn sie den Eltern zu Gefallen leben und ihren Gehalt beziehen. Die römisch-katholische Gemeinde in Ssarajewo ist, wie bemerkt, nicht zahlreich und überdiefs sehr arm. Die Katholiken sind hier fast sämmtlich Handwerker; Kaufleute giebt es unter ihnen nicht. Nach dem Brande, der die lateinische Kirche im Jahre 1656 zerstörte, ist sie, wie es scheint, nicht wieder aufgebaut worden. Bis in die jüngste Zeit fehlte es in Ssarajewo an einem katholischen Gotteshause; die Katholiken versammelten sich zum Gebet in einem Privathause bei ihrem - Geistlichen, einem Bruder Franziskaner. Erst im Jahre 1853 wurde für sie mit österreichischer Unterstützung eine sehr geräumige und schöne Kirche erbaut; auf derselben erhebt sich sogar ein kleiner Glockenthurm, und auch die Glocke ist aus Oesterreich herbeigeschafft, aber man hat noeh nicht gewagt sie aufzubringen, aus Furcht vor einem Ausbruch des muhamedanischen Fanatismus. Dagegen ist auf der katholischen Kirche ein kleines Kreuz errichtet, während die griechische eines sol- chen äufseren Zeichens entbehrt. Die Juden sind in Ssarajewo zahlreich vertreten; es leben hier wohl 200 Familien; sie haben zwei Synagogen; aber sie sind arm und in der Stadt nicht sehr angesehen. Um die äufsere Characteristik der Stadt zu vervollständigen, will ich noch anführen, dafs hier residiren: der türkische Wali-Pascha (der General-Gouverneur), umgeben von sei- nem Rath und seinen Beamten; der Ferik-Pascha (der Divisions-Gene- 224 Hilferding’s Reise ral) mit seinem Stabe und einigen Abtheilungen des regulären Heeres, die in einer häfslichen, vor Kurzem erbauten Kaserne, dem grölsesten Gebäude in Ssarajewo '), leben; der Hakim oder der oberste Richter Bosniens, der alljährlich wechselt; der Mufti und viele andere türkische Beamte; der griechisch-katholische Metropolit für Bosnien (ein Grieche, der von Constantinopel hierhergeschiekt wird), der Erzpriester und ei- nige Geistliche; ein Franziskanermönch und endlich der jüdische Rab- biner. Ssarajewo ist unter der Türkenherrschaft entstanden. Zur Zeit der serbischen Unabhängigkeit gab es hier nur Dörfer, die, wie man sagt, die Namen Bystrik, Bjäljawa und Wratnik führten; diese Namen leben noch bis jetzt in den Benennungen der Stadtviertel fort; weiter- hin, in den Bergen, lag eine Burg, von der noch jetzt Trümmer vor- handen sind, welche die alte Burg genannt werden. Die Haupt-An- siedelung lag aber, wie ich bereits bemerkte, drei Stunden von hier an den Quellen der Bosna; dort ist noch das Fundament eines grolsen Gebäudes zu sehen, welches die Volksüberlieferung als die alte Kirche von Ssarajewo bezeichnet. Unter der Herrschaft der Türken entstand an einer Stelle, wo mehrere Wege sich kreuzten, ein Handelsplatz, das neue Ssarajewo, das sich von jeher ihrer besonderen Gunst erfreut hat. Der Handel lag in den Händen der Muhamedaner. Als im Jahre 1697 die österreichische Armee Ssarajewo nahm und in Brand steckte, wur- den alle hier lebende Christen nach Oesterreich übergesiedelt und nur die Muhamedaner blieben zurück. Aber allmählich sammelten sich zu ihnen auch wieder griechische Christen und so bildete sich in Ssara- jewo eine vollständige Colonie ziemlich begüterter christlicher Kaufleute; besonders in den letzten 50 Jahren haben sich viele hier niedergelassen. Diese Leute kamen aus verschiedenen Orten Bosniens und der Herze- gowina. Es gab in Ssarajewo keinen Christen, der nicht seine Familie aus der Heimath mitgebracht hätte. Man darf sich nicht darüber wun- dern, dafs diese begüterten Ankömmlinge eine Art Kaste bildeten und sich sehr, sehr bald von den einfachen Landleuten, von der Rajah, ab- schlossen, aus deren Mitte sie selbst oder ihre Väter hervorgegangen waren und mit denen sie den türkischen Gesetzen gegenüber auf glei- cher Linie stehen. Sie führen einen bedeutenden Handel mit Oester- reich und reisen auch viel dorthin; mit der deutschen oder mit der ita- liänischen Sprache sind sie mehr oder weniger vertraut; dennoch sind sie nicht um eines Haares Breite von ihren alten Gewohnheiten abge- ’) Zum Bau derselben wurde in ganz Bosnien Geld gesammelt, aber fast aus- schliefslich von den Christen; man sagt, dafs die Erbauer, türkische Ingenieure, sich dabei mit ungeheuern Summen bereichert haben. von Mostar nach Ssarajewo. 225 wichen. Ein Kaufmann von Ssarajewo war zwölfmal in „Europa“ ge- wesen, er hatte sogar in Wien die Handelswissenschaft gelernt; aber weder in seinem Aeufsern noch in seinem Innern war dadurch irgend etwas verändert. Er baute sich ein neues Haus, aber er baute es nach der alten Bosnischen Weise: die obere Etage ragt eben so über die untere auf die Stralse hinüber; eben so führt auch hier vom Hofe eine freiliegende Treppe durch eine offene Gallerie in die Zimmer, die wahr- scheinlich ausdrücklich zu dem Zweck gebaut ist, damit im Winter der Schnee auf ihr liegen bleiben kann; auch hier kann man nur über diese offene Gallerie aus einem Zimmer in das andere gelangen, weil innere Verbindungsthüren den Bosnjaken unbekannt sind, — was bei dem rauhen Klima Bosnien’s und seinem langen kalten Winter eine über- aus praktische Einrichtung ist; und jedes Zimmer ist ganz nach der alten Weise durch eine Menge unnützer Verschläge verbaut. Nur zwei oder drei Stühle und ein Tisch werden in dem Hause als seltener Be- weis moderner Civilisation betrachtet, während man sich sonst gewöhn- lich mit türkischen Diwanen und der vollständigen Abwesenheit von Möbeln begnügt. In einem solchen Hause lebt hier der christliche Kaufmann, treu der altväterlichen Sitte, unberührt von geistigen Bedürfnissen, ja selbst unberührt oder doch fast unberührt von der Idee und dem Gefühl der Nationalität, welche für ihn wie für den gemeinen Bosnjaken lediglich darin besteht, dafs er rechtgläubig ist. Wenn der Kaufmann!) sitzt, müssen Frau und Töchter vor ihm stehen. Kommt ein Gast, so bringen Frau und Töchter die Speisen, den Branntwein, den Kaffee. In Bezug auf die Speisen wird eine Sparsamkeit beobachtet, die alle Vorstellungen übersteigt. Nur einmal im Jahr schlägt der Ssarajewze über die Schnur, nämlich an seinem Namenstage, an dem Tage, an welchem nach serbi- scher Sitte der Heilige gefeiert wird, der seine Familie und sein Haus beschützt. Dann wird alle Welt eingeladen. Die Gäste setzen sich nach türkischer Weise an kleine, niedrige Tische oder Bretter, die kaum höher sind als der Diwan. Hammelfleisch und pita (Blätterteig) spielen die Hauptrolle bei der Bewirthung. Man trinkt die Gesundheit jedes * oder fast jedes Gastes und begleitet sie mit Anreden und Wünschen, die in eine dichterische, oft schöne Form gekleidet sind. Man trinkt bis man umfällt. Die Frauen speisen natürlich in einem besonderen Raum. Nach dem Schmause gehen die Männer taumelnd den kolo, den Tanz, sich ansehen, welcher von Mädchen und jungen Frauen auf- 2) Der Ausdruck „Kaufmann“ hat hier den Nebenbegriff, dafs derjenige, dem dieser Titel zukommt, zur höchsten Kaste der rechtgläubigen Rajah gehört. In sei- nen eigenen Augen wie in den Augen des Volkes steht der Stand der Kaufleute höher, als der geistliche Stand. Zeitschr, f. allg. Erdk, Neue Folge, Bd.IX. 15 226 Hilferding’s Reise geführt wird, die zuweilen auch junge Männer in ihren Kreis auf- nehmen. Das schöne Geschlecht, das in Ssarajewo diesen Ehrentitel wirk- lich verdient, denn man findet hier viel slawische Schönheiten, wie Milch und Blut — das schöne Geschlecht führt im Ganzen ein einsiedle- risches Leben. aber nicht immer. Die christlichen Damen und Mäd- chen, ich meine die Frauen und Töchter der Kaufleute sind an den Werktagen in der Küche beschäftigt oder sie nähen; aber am Sonntage und an Festen — und Festtage giebt es hier im Ueberflufs, wohl drei in jeder Woche — putzen sie sich heraus. Statt der weiten türki- schen Beinkleider und der kurzen Pelz-Kazaweika (die übrigens auch im heifsen Sommer getragen wird), legen sie an Festtagen ein langes, enges Kleid an, dessen Nähte mit einem Saum von irgend einem in die Augen fallenden gestreiften Stoff versehen sind und das oben et- was ausgeschnitten ist, so dals die auf Schnüren um den Halz getra- genen Reihen von Ducaten und Imperialen zu sehen sind. Schwerer ist der Kopfputz der Frauen zu beschreiben. Er scheint aus vier Stücken zu bestehen. Den Kopf bedeckt zuerst der gewöhnliche rothe Fez mit blauer Troddel; um den Fez ist dann ein Tuch gewunden, über dem sich Etwas nach Art unseres Powoinik, des Kopftuches der russischen Bauernfrauen, aus Wachsleinwand ziemlich steil erhebt, und den ganzen Bau krönt dann noch ein anderes Tuch mit verschiedenen Verzierungen, Ducaten nnd Bändern. Bei Familientrauer ist dieses Tuch weils. Bei alten Damen endet der Powoinik mit einer langen, vorn vorstehenden Spitze. Dafür wird von den Mädchen der mit ei- nem Zopf umwundene rothe Fez mit seiner breiten blauen Troddel um so anmuthiger getragen. Im Allgemeinen sind die bosnischen Frauen und Mädchen die wandelnden Geldkasten ihrer Männer und Väter. Sie tragen zuweilen so viel Ducaten und Imperiale auf dem Kopf und am Busen, dafs die lebende Schönheit das Ansehn eines Bildes in einem Rahmen gewinnt. „Wie schlecht geht es mir“, sagte mir seufzend ein Kaufmann, „ich mufs die Ducaten an meiner Frau ausgeben“! „Wie schön ist dies Mädchen“, rief einmal ein Bosnjak mit Entzücken aus. „Nun, was finden sie an ihr Schönes? sie hat eine platte Nase und schielt überdies“. „Verzeiht, aber die Ducaten“,— war seine lakonische Antwort, indem er auf ihren Gürtel wies. Aber zur Ehre der Bosnjaken mufs man sagen, dafs nicht blos Ducaten einem Mädchen zur Empfehlung gereichen: noch ein anderer Umstand kann ihr ein Anrecht auf den Titel einer Schönheit verleihen, nämlich — Corpulenz. Ein „dickes Mädchen“ bedeutet hier soviel wie ein schönes Mädchen. Ich fragte hier Jemand, wie ihm eine wirklich malerische Schönheit gefiele. „Nicht schlecht“, antwortete er in etwas wegwerfendem Tone. „Wie? nicht u von Mostar nach Ssarajewo. 227 mehr, als „„nicht schlecht**? „Sie ist mager“, lautete die kurze Ant- wort. Und so, in ihren Goldrahmen, stehen die christlichen Frauen und Mädchen an Festtagen in den offenen Thüren, und hier werden die Liebeleien mit den jungen Leuten angesponnen. Abends gehen sie bei schönem Wetter in ganzen Schaaren aufserhalb der Stadt spazieren, und vor ihnen paradiren die jungen Kaufmannssöhne auf Pferden, welche absichtlich auf eine tänzelnde Gangart zugeritten sind, bei der sie nicht aus der Stelle kommen. Das ist das ganze gesellschaftliche Leben der Christen in Ssara- jewo. Und doch kann man es noch ein sehr entwickeltes nennen im Vergleich mit dem der Muhamedaner. Diese letzteren zerfallen in zwei Klassen, die, abgesehen von den Beziehungen der Regierenden zu den Regierten, Nichts mit einander gemein haben. Die erste, die regierende Klasse, besteht aus den türkischen Beamten, die seit der Unterwerfung Bosnien’s durch Omer Pascha (1850 —1851) das Land überschwemmt haben, übrigens aber bei Weitem nicht so zahlreich sind, wie wir nach unseren Begriffen von Verwaltung und Rechtsprechung voraussetzen möchten. Zur zweiten, zur Klasse der Regierten gehören die Bosnjaken, die mit dem den Slawen eigenen Glaubenseifer felsenfest für ihre Glau- benssätze einstehen und von den Söhnen Rumeliens und Anatoliens, als von Ungläubigen, von Gjaur’s, nichts wissen wollen. Ueber die einzelnen Bestandtheile der muhamedanischen Gesell- schaft Bosnien’s will ich mich hier nicht verbreiten, sondern sogleich auf das eingehen, worüber ich anfing zu sprechen, auf das gesellschaft- liche Leben der Muhamedaner in Ssarajewo. Dieses ist sehr leicht zu charakterisiren: es ist nämlich keine Spur davon vorhanden. Wie leben nun die muhamedanischen Bosnjaken, was treiben sie? Wendet man sich mit dieser Frage an einen Bosnjaken selbst, so erhält man die kurze Antwort! „Nun! wir sitzen“! Die Beschäftigung des Sitzens (ver- steht sich auf dem Diwan und mit dem Tschibuk) wird nur an ver- schiedene Orte verlegt, aus dem Hause in den Kaufladen oder an Sommerabenden in ein Kaffeehaus aufserhalb der Stadt. Ist der Muha- daner ein Kaufmann, so sitzt er in seinem Laden, welcher, mitten in einer langen Reihe anderer, ganz gleichartiger Kaufläden gelegen, auf- fallend den Käfigen für Löwen und Bären gleicht, von denen man in zoologischen Gärten lange Reihen sieht; nur die Gitter fehlen. In die- sem Käfig sitzt der Muhamedaner und überläfst die mühseligeren Ar- beiten des Kaufmannsgeschäftes, die Reisen über die Grenze zum Waa- reneinkauf, den Christen. Nach dem Abendessen, welches die Stelle unseres Mittagsessens vertritt, hält es fast jeder fromme Anhänger des Propheten für seine Pflicht, nach Kräften das berühmteste Product 15” 228 Hilferding’s Reise seines Vaterlandes, die Sliwowiza, einen aus Pflaumen destillirten Li- queur zu trinken, und darauf begiebt er sich in seinen Harem. Im bosnischen Harem zeigt sich übrigens das Familienleben wahrscheinlich in etwas besserer Gestalt als in andern türkischen Ländern; denn die slawische Familie ist von dem Gesetz des Propheten, welches mehrere Weiber zu ehelichen gestattet, nicht berührt worden; bei den bosnjaki- schen Muhamedanern herrscht nach wie vor die auf alter Sitte beru- hende Monogamie vor, selbst bei den reichsten. Ganz Bosnien schrie auf, als vor einigen Jahren der reichste Gutsbesitzer des Landes, Ali- Beg Dshinitsch, bei Lebzeiten seiner ersten Frau eine zweite nahm. Nichts destoweniger sind die Frauen hier nicht im Stande gewesen, sich von der drückenden Stellung zu emaneipiren, welche Muhamed ihnen als Wesen, die einer unsterblichen Seele, des Rechtes im Tempel zu Gott zu beten und eines Platzes im Paradiese nicht theilhaftig sind, angewiesen hat. Die Mädchen freilich geniefsen einige Freiheit: allen muhamedanischen Gesetzen zuwider, und lediglich wieder auf Grund alter slawischer Gewohnheit stehen sie am Feiertage, am Freitag, mit unverhülltem Gesicht an den halbgeöffneten Hausthüren oder bei ir- gend einer der zahlreichen städtischen Fontänen, um nicht schlechter als die christlichen Mädchen sich von den jungen Leuten die Cour machen zu lassen. Aber sobald der unglückliche Ehestand da ist, ver- hüllt man der Frau das Haupt mit dem undurchdringlichen weilsen Tuch und sperrt sie vollständig von aller männlichen Gesellschaft ab. Sie darf nur andere eben so einsiedlerische Frauen sehen, um mit ihnen unter Schlofs und Riegel einen einsamen Kolo aufzuführen oder trau- rige Lieder zu singen; die Hauptbeschäftigung und den einzigen Reiz ihres Lebens bilden Intriguen und geheime Liebesabenteuer, so dafs dann auch, wie man versichert, nirgends in Bosnien solche Sittenver- derbnifs herrscht, wie unter den Muhamedanern. Höher als die eingeborenen Muhamedaner steht natürlich die Klasse der Beamten, dieser Türken neuen Schnittes, die von Constantinopel hergeschickt werden, um das Land zu regieren und Ruhe und Ord- nung aufrecht zu erhalten, diese Gouverneure, Kaimakame (Vice-Gou- verneure), Defterdare (Finanz- Beamte), Mudire (Kreis-Obersten), Ka- di’s (Richter), Kjatib’s (Schreiber) im Ressort des Civil-Departements, und die Generäle, Miralai (Obersten), Bimbaschi (Majore), Jusbaschi (Hauptleute) u. s. w. im Heerwesen. Sie lesen die Constantinopolita- nische Zeitung oder haben sie wenigstens einmal gelesen, sie haben nach einer türkischen Geographie einen Begriff von Europa, sie sind in Constantinopel mit der europäischen „Civilisation“ bekannt gewor- den, sie haben gelernt mit Gabeln zu essen und nicht blofs Schnaps, sondern auch Wein zu trinken, — mit einem Wort, sie sind Männer von Mostar nach Ssarajewo. 229 der eivilisirten Neuzeit. Ihre Manieren haben in der That etwas mehr Politur, als die der Bosnjaken; es giebt unter ihnen sogar Stutzer, welche ihre „moskowitische“ ') Uniform mit Anstand tragen; sie ma- chen gern Bekanntschaft mit dem Gjaur; um die Moschee kümmern sie sich nicht. Aber, — wie traurig es auch sein mag, ein solches Urtheil über die eivilisirte Klasse auszusprechen, — in Wirklichkeit ist dieses Volk viel schlechter als die gemeinen Bosnjaken. Ueber ihre Habsucht, ihre Aufgeblasenheit, ihre Ränkesucht gegen einander spreche ich nicht: das sind Eigenschaften, die sich vielleicht aus den Verhält- nissen des türkischen Regierungssystems erklären lassen. Aber im All- gemeinen, in seinem ganzen Leben ist der osmanische Beamte in Bos- nien, dieser Nachkomme der Krieger Mahomeds II., dasjenige mensch- liche Wesen, welches von allen mir bekannten dem unvernünftigen Vieh am nächsten kommt. Er weils Mancherlei, er ist nothdürftig ge- bildet: um so auffallender ist die vollständige Abwesenheit aller gei- stigen Regungen. Die Zeit, die ihm von den Dienstgeschäften übrig bleibt, verbringt er in absoluter Unthätigkeit. Er liest nicht, ja, wie mir Leute versicherten, die mit den Türken gut bekannt und Turko- philen waren, er denkt nicht einmal, wenn er dazu nicht genöthigt ist ?). Seine ganze Zerstreuung besteht in brutalen Vergnügungen: vor dem Abendessen sitzt er zwei Stunden lang vor dem kleinen Tische, der mit Flaschen voll Mastix besetzt ist, und trinkt ein Spitzglas oder ein Bierglas nach dem andern, je nachdem sein Kopf und sein Magen es vertragen; wenn er sich ganz vollgetrunken hat, — der Unterschied zwischen dem Bosnjaken und dem osmanischen Beamten besteht darin, dafs der erstere fürchterlich trinkt, aber „oft nach einigen Jahren der Trunksucht plötzlich zu trinken aufhört und bis zu seinem Tode berau- schende Getränke nicht mehr an seine Lippen bringt, während der letz- tere nie aufhört, sich zu betrinken, — wenn er sich vollgetrunken hat, sage ich, stürzt er sich mit einem eben so widerwärtigen Heifshunger auf das Essen, verschlingt ungeheure Massen und sinkt dann in einen bleiernen Schlaf. Die anständigste Art türkischer Souper’s habe ich beschrieben, als ich über die Gastfreundschaft des Pascha’s von Mo- star sprach; aber ich bin auch im Hause sehr vornehmer Türken bei ») So nennen die muhamedanischen Bosnjaken das ihnen verhafste neutürkische Staatskleid, das nach europäischem Zuschnitt angefertigt ist. 2) So urtheilt auch Loftus in seinen Travels and Researches in Chaldaea and Susiana, Lond. 1857, p. 109: „We found the Pascha of Baghdad sitting on the edge of a high bank overlooking the river, with that expression of utter stolidity which characterizes the Turkish features. Ask a grave old Turkish gentleman what he is thinking about, and his answer will invariably be: „By Allah! what should I think of? Nothing.“ So, doubtless, Abdi Pascha thought of nothing, as our approach woke him from the slumber into which his cogitations had fallen. 230 Hilferding’s Reise solchen Abendmahlzeiten Zeuge von Abscheulichkeiten gewesen, die zu beschreiben unmöglich ist. Zu diesen Souper’s laden die Türken sich zuweilen gegenseitig ein, und dieses ist die einzige Spur gesellschaft- lichen Lebens, die sich bei ihnen entdecken läfst. Von ihrem sonsti- gen häuslichen Leben will ich lieber Nichts erwähnen. Ihren Harem haben sie (mit sehr seltenen Ausnahmen) in Constantinopel unter der Aufsicht der Dienerschaft zurückgelassen; und wenn sie dienstlich in eine ferne Stadt versetzt werden, so suchen sie das Familienleben nicht durch irgend welche Verbindung zu ersetzen, bei der ein Gefühl von Liebe zum Vorschein kommt, sondern sie geben sich gewöhnlich den ekelhaftesten Lastern hin. Das sind die Früchte der „Civilisation*, die Europa mit solchem Eifer auf fremden Boden verpflanzt hat und die es mit solcher Zärt- lichkeit hätschelt. Aber genug über diesen unangenehmen Gegenstand! Viel Schlimmes wäre noch zu sagen, um diese Charakteristik Ssara- jewo’s zu einer vollständigen zu machen. Wenn ich nun sage, dafs in der Hauptstadt Bosniens gegen 600 griechisch-katholische Familien wohnen, die hier, wenn auch unter türkischer Herrschaft, in vollkommener Ruhe und Sicherheit leben und sogar in dem Provinzial - Verwaltungsrath ihren Repräsentanten haben; wenn ich sage, dafs sich unter diesen viele wohlhabende Häuser be- finden, die einen bedeutenden Handel treiben: so könnte man meinen, dafs hier der Keim zu einer geistigen Wiedergeburt der bosnischen Christen liege; dafs diese Leute den Vortheil ihrer Stellung und den Schutz der Regierung wirklich dazu benutzen würden, sich des armen Volkes anzunehmen; dafs sie ihr Vermögen dazu verwenden würden, seinen materiellen und moralischen Bedürfnissen abzuhelfen. Dem ist jedoch nicht so. Die städtischen Kaufleute griechischen Glaubens bil- den, wie ich bereits bemerkte, eine Kaste, und lassen sich nur durch ihren egoistischen Kastengeist leiten. Es giebt allerdings auch Aus- nahmen, aber sie sind selten und ohne Einflufs auf das Ganze. Der reichste Capitalist in Ssarajewo, der bosnische Rothschild, der für die ganze griechische Gemeinde in Ssarajewo den Ton angiebt — so wich- tig ist hier das Geld —, hält sich für einen grofsen Wohlthäter des Gemeinwesens, weil er jährlich 50 Rubel für die Kirche und eben so viel für die Elementarschule zahlt! Er und seine Collegen denken nicht daran, dafs Bosnien nicht blöfs einer Elementarschule bedarf; dafs man ein Gymnasium allenfalls entbehren könnte, da die Kinder reicher Leute aufserhalb des Landes unterrichtet werden und die Kin- der der Handwerker und Landleute eben nur Lesen und Schreiben lernen; dafs aber ein Seminar zur Ausbildung der Geistlichkeit das erste und dringendste Bedürfnifs ihres Vaterlandes ist, weil die grie- von Mostar nach Ssarajewo. 231 chisch-katholischen Geistlichen und Mönche Bosniens ganz unglaublich unwissend sind. Diese reichen Herren denken nicht daran, dafs die Begründung eines solchen Instituts unmöglich von der türkischen Re- gierung oder von den griechischen Hierarehen, die von Constantinopel hierher gesandt werden, erwartet werden darf, dafs sie vielmehr als ihre persönliche Pflicht betrachtet werden muls. Es kümmert sie nicht, dafs die Geistlichkeit in ganz Bosnien ihren Stand durch ihre Unwis- senheit schändet, und dafs der orthodoxe Glaube in diesem ganzen Ge- biet, Angesichts aller Verlockungen, die ihn umgeben, keinen anderen Schutz und Schirm hat, als den conservativen Sinn, welcher den Sla- wen angeboren ist. Das Gewissen der reichen Kaufherren wird da- durch nicht afficirt: der eine zahlt 50, der andere 40, der dritte 30 Rubel für die Schule, und statt einen Theil ihres Capitals auf die Be- gründung eines Seminars zu verwenden, legen sie dasselbe vortheil- hafter auf Zinsen an, — 3 Procent monatlich von sicheren Schuldnern, und 6 bis 8 Procent von unsicheren. Das sind die Ansichten der angesehensten wohlhabenden Kauf- leute in Ssarajewo, und die übrigen halten es natürlich für ihre Pflicht, ‘dem Beispiele derselben zu folgen. Finden nun wenigstens die armen Landleute, die unter der Last eines drückenden Abhängigkeitsverhält- nisses von türkischen Gutsbesitzern und unter der Bürde zahlloser Ab- gaben verkommen, bei ihnen Schutz und Hilfe? Treten jene Herren für ihre leidenden Brüder ein vor den türkischen Behörden, bei denen sie selbst so respectsvolle Rücksicht und Nachgiebigkeit finden? Nicht im Mindesten. Die städtische Kaste hält ihre Brüder auf dem Lande für gefährliche Leute, von denen man sich möglichst fern halten und von denen man sich wie von einer verworfenen und feindselig gesinn- ten Gesellschaft entschieden abwenden mufs. Die Kaufleute helfen den Bauern nicht blofs nicht: sie schaden ihnen vielmehr bei den Türken auf jede Weise; sie treten nicht blofs nicht für sie ein: sie versichern vielmehr, wenn das Landvolk sich über den unerträglichen Druck sei- ner Lage beschweren will, der Regierung, dafs dieses unsinniges Ge- schwätz sei und dafs ein rebellischer Geist das Landvolk angesteckt habe. Es springt in die Augen: diese ganze kaufmännische Kaste ist nur ein Krämervolk. An die Bauern verkaufen sie fast Nichts, weil die Bauern sich ihre Nahrung und Kleidung selbst verschaffen; aber sie kaufen von ihnen viele Rohproducte und exportiren sie nach Oester- reich. Je mehr nun der Bauer ausgesogen wird, mit desto gröfserem Vortheil kann man seine Verlegenheit zum billigen Einkauf von Ge- treide, Häuten, Haaren u. s. w. ausbeuten. Aus Oesterreich importiren diese Krämer alle Manufactur- und Colonial-Waaren und setzen sie an die muhamedanische Bevölkerung Bosniens ab; und hier bietet sich 232 Miscellen: wieder ein Vortheil: je mehr die Muhamedaner dem Landvolk abpres- sen, desto mehr bereichern sie sich und desto eher sind sie geneigt, alles Mögliche einzukaufen. So steht die Kaste der reichen griechi- schen Städter — der einzige Stand, der für das gemeinsame Beste und für die Aufklärung des Volkes in Bosnien sorgen könnte — auf Seite der Unterdrücker und hilft diesen auf alle Weise das arme, leidende, geschlagene Landvolk ausplündern. Bei jedem Schritt, im Kleinen wie im Grofsen, stellen sie selbstgefällig ihre widerwärtige, eigennützige Türkenliebe zur Schau. Zu solchen Resultaten führt der Kastengeist und die Geldgier. Miscellen. Ueber das Klima der Stadt Wjelsk und den Eisgang der Waga. Die Stadt Wjelsk im Gouvernement Wologda liegt unter 61° 4’ 39” N. Br., also nur wenig über einen Breitengrad nördlicher als St. Petersburg; aber das Klima ist in diesem östlichen Strich (59° 47' 55” O. L., während Petersburg unter 48° O.L. liegt) bereits um so viel ungünstiger, dafs zu Wjelsk sogar im Juli und August Schneefälle vorgekommen sind. Auch die Localität trägt etwas dazu bei, ungünstige Schwankungen der Witterung herbeizuführen. Die Stadt liegt in einer kesselförmigen Vertiefung, auf einer nach Norden und Westen sich abdachenden Fläche; sie stöfst im Norden und Süden an ein sumpfiges Terrain und ist fast überall von Wäldern umgeben, nur im Norden nicht, so dafs die kalten Winde freien Zutritt haben. Den gewöhnlichen Gang der Witterungsverhältnisse stellt Woronow in seiner Abhandlung über die Stadt Wjelsk ') folgendermafsen dar: „Die Wärme steigt selten höher als 25° R., die Kälte selten unter — 30°. Vom Monat December bis Mitte Januar erreicht die Kälte ihren höchsten Grad mit regelmäfsiger Zu- nahme und schneller Abnahme, so dafs die stärkste Kälte nicht länger als eine Woche anhält. Von der Mitte des Januar bis Ende März nimmt die Kälte, ab- gesehen von unbedeutenden Rückfällen, regelmäfsig ab, und im April, nament- lich im zweiten Drittel dieses Monats, tritt Frühlingswärme ein; doch ist es noch im Mai und selbst noch bis zur Mitte des Juni bei starken nördlichen und Ööst- lichen Winden empfindlich kalt. Der Rest des Juni, der Juli und zuweilen noch die ersten Tage des August bilden den Sommer, mit vereinzelten Regengüssen. Später stellt sich regnerisches und kaltes Wetter ein und währt zuweilen bis in den December. Der September zeichnet sich allerdings in manchen Jahren vor den anderen Herbstmonaten durch warmes und klares Wetter aus; aber auch die- ses Wetters kann man sich bei den häufigen Nebeln, die bis 10 Uhr Vormittags !) Wjästnik der Kais. Russ. Geograph. Gesellschaft 1859, Heft 2. 4 % Ueber das Klima der Stadt Wjelsk und den Eisgang der Waga. 233 anhalten, und bei der schon um 4 Uhr eintretenden Abendkälte kaum freuen. Die vorherrschenden Winde sind westliche, nördliche und östliche. Die Flüsse belegen sich im November mit Eis, und gehen im zweiten Drittel des April wie- der auf.“ Von extremen Witterungsverhältnissen führt der Artikel folgende an: Schr frühe Gewitter waren am 12. April 1791 im Norden; am 13. April 1817 im Westen; am 21. April 1820 im Osten; am 28. April 1822 im Westen; ein sehr spätes am 30. November 1841 im Westen. Auffallendes Thauwetter trat in der Zeit vom 13. bis 26. Januar in den Jahren 1796 und 1822 ein, wo aller Schnee verschwand. Eine Kälte von —43° (?? wohl ein Druckfehler statt —34°) hat man in den Wintern von 1812, 1813, 1827, 1828 und 1829 gehabt. Schneefall in der guten Jahreszeit fand statt: am 3. Juni 1806; im April, im Mai und bis zum 19. Juni 1810; am 28. Juni desselben Jahres Schnee mit Regen; am 27. und 28. Juli 1812; am 26. August 1813; am 6. August 1814; am 6. und 9. Juni 1816; am 17. Mai und 26. September 1817; am 11. Mai und 11. September 1818; im Jahre 1819 bis zum 7. Mai bei starkem Winde; 1820 vom 10. bis 17. Mai und am 26. September. Der Eisgang auf der Waga trat ein: im J. 1807: 20. April | im J. 1820: 15. April | im J. 1842: 24. April 1808: 15. April 4821: 13. April 1843: 4. Mai 1809: 21. April 1822: 4. April 1844: 15. April 4810: 6. Mai 1826: 16. April | 1845: 2. Mai 1811: 21. April | 1827: 6. April 1846: 18. April 1812: 20. April 1828: 14. April 1847: 6. April 1813: 12. April 1829: 19. April 1848: 4. April 1814: 17. April 1830: 15. April | 1849: 15. April 1815: 20. April | 1831: 19. April 1850: 44. April 1816: 12. April | 1834: 17. April 1851: 16. April 4817: 15. April 1835: 15. April | 1852: 30. April 1818: 28. April 1839: 28. April | 1853: 22. April 1819: 27. April | 4841: 11. April 1854: 23. April Die zeitigsten Eisgänge waren also in den Jahren 1822 und 1848 am 4. April, 1827 und 1847 am 6. April; die spätesten am 6. Mai 1810, am 4. Mai 1843, am 2. Mai 1845. Der Eisgang auf der Waga tritt immer um einen, zwei oder drei Tage früher ein, als der Eisgang auf dem Wjel, der sich hier in die Waga ergiefst. Aus- nahmen fanden nur statt in den Jahren 1813 und 1826, wo das Eis auf dem Wjel sich beziehungsweise am 9. April und am 15. April in Bewegung setzte. Die Waga bedeckte sich mit Eis: im J. 1843: 22. October im J. 1849: 3. November 1844: 8. November 1850: 23. October 1845: 10. November | 41851: 25. November 1846: 4. November | 1852: 17. October 1847: 21. October | 1853: 23. October 1848: 4. November | 1854: 11. November. —ın. 234 Miscellen: Statistische Notizen über das Schulwesen in der Walachei. Das „Athenaeum“ bringt — wir wissen nicht, aus welcher Quelle — statisti- sche Nachrichten über das Schulwesen in der Walachei, die, wenn sie zuverläfsig wären, einen ganz aufserordentlichen Aufschwung des Unterrichtswesens in die- sem Fürstenthum beweisen würden. Darnach gab es in der Walachei im Jahre 1858: 41011 Dorfschulen mit 23000 Schülern, 1859: 1381 - - 35000 - 1860: 2129 - - 54000 - In den letzten acht Monaten, vom November 1859 bis Juli 1860, d. h. seit der Zeit, wo Herr Majorceus an der Spitze des Schulwesens steht, sollen allein 700 Dorfschulen errichtet sein. Der Begründung von 1118 neuen Schulen in dem Zeitraum von drei Jahren würden sich auch in eivilisirteren, mit Seminaren reichlich versehenen Ländern ungewöhnliche Schwierigkeiten in den Weg stellen; in der Walachei wird man um so mehr fragen dürfen, wo man die Lehrer für diese Schulen hergenommen hat. Städtische Schulen gab es im Jahre 1852: 22 mit 2600 Schülern, 1858: 24 - 3600 - 1859: 34 - 4500 - 1860: 41 - 6000 5 Dazu kommen drei höhere Schulen in Bukarest (eine mit 8, die beiden an- dern mit vier Klassen) und eine höhere Schule in Krajowa; vier andere höhere Schulen sollten im Laufe des nächsten Jahres in den wichtigeren Städten begrün- det werden. Aufserdem besitzt die Walachei eine juristische Facultät mit 9 Pro- fessoren und eine philosophische Facultät mit 4 Professoren. Von der Regierung wurden 40 Studirende, jeder mit einem Stipendium von 750 Thalern, auf fremde Universitäten geschickt. Für die Gesammtzahl der Schüler liefert das Athenaeum folgende Angaben: im Jahre 1852: 8100, 1854: 5000, 1858: 32000, 1859: 46000, 1860: 66000. Es kam also auf etwa 40 Einwohner ein Schüler, — in Preufsen auf 6,19, in Frankreich auf 10,5 Einwohner. " —n Nachrichten von Herrn H. Duveyrier. (Aus einem Briefe Duveyrier's an Herrn Dr. Barth, d. d. Ghadämes 14. Aug. 1860.) — Der geradeste Weg nach Hagar hätte mich über Wargla südlich geführt, und gewils würde diese Route recht interessant für die Geographie der Sahara gewesen sein; aber ich habe mich entschlossen, den weiten Umweg über Ghadä- mes und Ghat einzuschlagen, da er allein bei dem gegenwärtigen Zustande des Nachrichten von Herrn H. Duveyrier. 235 Landes eine Aussicht auf Erfolg gewährt. Seit meinem letzten Briefe habe ich einen längeren und gezwungenen Aufenthalt im Wadi Righ gehabt, wobei meine Diener und ich selbst am Fieber erkrankten, zwar nicht in dieser ungesunden Gegend selbst, sondern als wir sie verliefsen, um nach Ssüf zu gehen. Denn -über Wargla scheint es jetzt im heifsen Sommer kaum möglich, nach Ghadämes zu reisen, wegen des Mangels an wohlbekannten Wegen, wie diejenigen, welche von Ssüf ausgehen. Capitain Bonnemain war früher den zwei Routen über Bir Ghardäja und Moi ’Aissa gefolgt und es wurde nach seinen Erkundigungen eine Kartenskizze gezeichnet, welche wohl nicht als endgültig angesehen werden kann '). Ich wählte jedoch die Strafse über Berresof, die sehr wichtig ist und die bis zu ihrer Vereinigung mit der von Moi ’Aissa bisher ganz unbekannt war. Meine Reise von Ssüf nach Berresof war sehr langsam. Sie führte durch eine reich bewachsene, mit Brunnen wohl versehene Gegend, und so hatte ich keinen Grund zur Eile. Sie dauerte 7 Tage. In Berresof wurde ich von mei- nem Gefährten und Beschützer, dem Tuareg-Häuptling Scheich Othman ben Hadj el Bekri, eingeholt, der mit fünf Tuareg’s ankam. Die Entfernung von Berresof, dem letzten Brunnen der Route, nach Ghadämes schätze ich auf ungefähr 326 Kilometer, d. h. mit den Umwegen der Route. Wir legten diese Strecke in 54 Tagen und 6 Nächten zurück, indem wir wirkliche Ruhe nur zur Zeit der Siesta nahmen. Die Kameele konnten kaum den Durst und die Mühe ertragen, als wir die Zawiet Ssidi Moabed erreichten. In diesen Tagen werde ich eine grolfse Zeichnung meines Itinerar’s im Mafs- stabe von 1:400000 machen, und dann gedenke ich in ungefähr einem Monat eine kleinere Karte der ganzen Region auszuarbeiten. Diese letztere wird nach mei- nen Erkundigungen gezeichnet werden und die Region zwischen Gabefs, Wargla und Ghadämes enthalten. Ich habe dafür viel Neues, wie Sie leicht erkennen werden. Der treffliche Scheich Othman ist der erste Targi, der Algier besuchte. Er ging dorthin mit demselben Gefühl von Zweifel für seine Sicherheit, mit dem etwa ein europäischer Reisender nach Wadai gehen würde. Als er uns sah, und Alles, was wir gethan haben, recht verstand, wurde er uns sehr zugethan, und er hat schon grolse Dienste geleistet, wie z. B. das Unternehmen H. Ismayl Bu Derba’s hauptsächlich ihm seinen glücklichen Erfolg zu danken hat’). Er ist von dem Stamme der Kil-ess-Ssük, den Sie zuerst, wie ich glaube, bekannt gemacht haben, und zwar von der Abtheilung der Oulad el Fakki. Sein eigentlicher Aufenthalt ist jetzt die Zawiya von Temassinin, aber in der letzteren Zeit hat er stets in unse- rer Sahara nomadisirt, nämlich südlich von Temassin und östlich von Wargla. Die Leitung dieses Zawiya-Häuptlings, eines treuen Freundes Ichenuchen’s, des mäch- tigsten Häuptlings der Azgar, und Scheich el Bakay’s in Timbuktu, war mir um so mehr nöthig, da ich schon in Ghadämes mit den Häuptlingen der Tuareg- Azgar zusammentreffen und da sich also schon hier zum gro/sen Theile der Er- folg meines Unternehmens entscheiden sollte. Sie kennen Ghadämes nach den Erfahrungen Ihres Freundes Mr. Charles ') Vgl. die Karte Taf. VI im vorigen Bande der Zeitschrift. 2) Vgl. Bu Derba’s Bericht im vorigen Bande der Zeitschrift. 236 Miscellen: Diekson, ich will also darüber nicht sprechen. Die Bewohner selbst sind gute Leute; so haben sie sich wenigstens bis jetzt gegen mich gezeigt; namentlich aber freue ich mich über das Benehmen der hier in der Nachbarschaft campiren- Tuareg, ein Benehmen, das ich den guten Worten meines Freundes Othman zu verdanken habe. Hadj Ichenuchen ist noch nicht angekommen, aber man er- wartet ihn jeden Augenblick. Vor einigen Wochen campirten alle Azgar hier in der nächsten Umgebung; aber die Pocken grassirten dermafsen unter ihnen» dafs sich die meisten um zwei Tagemärsche von Ghadämes entfernt haben. In meiner Zusammenkunft mit Ichenuchen und den andern Grofsen der Azgar werde ich aufser dem politisch- commerciellen Zweck meiner Mission auch meine Weiter reise nach Ghat und dem übrigen von Ihnen nicht besuchten Azgar-Lande be- sprechen, obgleich ich Ghadämes kaum vor 3 Monaten verlassen kann, wegen einer Reise, die Scheich Othman nach Insalah machen will. Auch ich hätte na- türlich gewünscht, Insalah zu sehen, aber ich fühle, dafs jetzt der Augenblick dazu noch nicht gekommen ist; bei meiner Reise nach Tuat wurde ich Gelegen- heit dazu finden. Der beste und im günstigen Falle ausführbare Plan für mich wäre, von hier nach Ghat, dann nach Ideless (Hagar) und von dort nach Wargla zu gehen, und von Ghat kleinere Ausflüge zu unternehmen. Hier denke ich, während Othman’s Abwesenheit einen Ausflug nach dem Djebel zu machen. Es würde interessant sein, wieder von einem Theil dieses Gebirges eine gute Aufnahme zu erhalten, wie Sie selbst eine solche für die Strecke von EI Kassar bis Lebda geliefert haben. Ich gedenke mit Nalut anzufangen, und von dort meine Aufnahme mit der Ihrigen zu vereinigen. Die ersten Tage meines Aufenthalte hier werden sehr durch die Reinabschrift meiner letzten Aufnahme und die Kartenskizze be- ansprucht, nachher aber werde ich mich ernst mit dem Temahag, wie die Azgar ihre Sprache nennen, beschäftigen. Die Andamanen und ihre Bewohner. Seit dem Jahre 1858, in welchem die Engländer sich entschlossen, für die zahlreichen in Folge des indischen Aufstandes zu langwieriger Strafhaft ver- urtheilten Sepoy’s die Andamanen als Deportationsort zu benutzen, sind über diese wenig bekannte Inselgruppe, zu deren Erforschung das gegenwärtige Jahrhundert fast gar Nichts geleistet hatte, die Nachrichten wieder etwas reichlicher geflossen. Obgleich auf einer stark befahrenen Wasserstra/se gelegen, wurden die Andamanen von den Schiffern doch ängstlich gemieden, theils weil sie von gefährlichen Koral- lenriffen umstarrt sind, die in diesen von den heftigsten Stürmen heimgesuchten Gewässern besonders verhängnilsvoll werden, theils weil die Bewohner in dem Ruf einer ganz excessiven Wildheit und selbst des Cannibalismus standen, so dafs die Schiffer nur im äufsersten Nothfall es wagten, sich hier mit frischem Wasser zu versehen. So wurde seit der Aufnahme von Blair (1790) der Name der Inseln nur genannt, wenn sich dort ein Unglück zugetragen hatte, und unsere Kenntnis derselben stützte sich nur auf ganz alte Berichte, die ihrerseits ebenfalls gröfsesten Theils nur auf Hörensagen beruhten. Der Benutzung von Port-Blair als Depor- Die Andamanen und ihre Bewohner. 237 tationsort seit dem Jahre 1858 danken wir nun neuere Nachrichten, unter anderen die Reisebriefe von G. v. Liebig, die im „Ausland“ (1860. No. 9. 13. 16) publi- eirt sind, und einen officiellen Report an die indische Regierung, aus welchem das Nautical-Magazine (1860. Juni) einen Auszug liefert. Gleichzeitig hat die Wiener Geogr. Gesellschaft die handschriftlich hinterlassenen Tagebücher Dr. Helfer’s veröffentlicht, der bekanntlich im Jahre 1840 bei der Erforschung dieser Inseln ein trauriges Ende fand, Das letzte dieser Tagebücher umfalst die 18 letzten Lebenstage Dr. Helfer’s, die einer Fahrt nach den Andamanen gewidmet waren, und sein Inhalt läfst es um so mehr bedauern, dafs es diesem unermüd- lichen und unerschrockenen Forscher nicht vergönnt war, sein Werk zu Ende zu führen. In Folge seines frühzeitigen Todes ist unsere Kenntnis der Inselgruppe auch jetzt noch immer eine sehr dürftige. Das Wesentlichste der neu erhaltenen Nachrichten stellen wir im Folgenden zusammen. Die Andamanen sind der nur wenig über die Meeresoberfläche hervorragende Kamm eines unterseeischen Gebirgszuges, der sich durch 3} Breitengrade von Norden nach Süden mit geringer Abweichung nach Westen hinzieht und im Süden durch Duncan’s Passage in zwei Gruppen zerrissen wird, in eine südliche, die kleinen Andamanen, und eine nördliche, die gro/sen Andamanen. Die neueren Nachrichten beziehen sich nur auf die letztern. Die Kette der grofsen Andamanen erstreckt sich von 14° bis 11° 45’ N. Br., in einer Länge von 124, oder, wenn die an der Südspitze gelegene kleine Rutland-Insel mitgerechnet wird, von 132 Seemeilen; ihre Breite schwankt zwischen 42 und 16 Seemeilen, und ist nur an wenigen Stellen geringer als 10 Seemeilen. Längs der ganzen Ostküste läuft ein Höhenzug hin, der sich nach Osten steil, nach Westen sehr allmählich abdacht und seine höchste Erhebung — nach G. v. Liebig etwa 2500 Fufs über dem Wasserspiegel — in dem Sattelberge nicht weit von der Nordküste besitzt;') nur an einer einzigen Stelle ist auch die Ost- küste flach, an derjenigen, welcher in einem Abstande von 6—10 Seemeilen der sogenannte Archipelagus der Andaman vorgelagert ist, eine Gruppe von drei bis vier gröfseren hügeligen und zahlreichen kleineren Inseln. Der Abdachung des Gebirges nach den verschiedenen Seiten entspricht auch die Configuration des benachbarten Meeresgrundss: im Osten findet man schon in einem Abstande von 2—5 Seemeilen Tiefen von 100 Faden, und weiter hinaus nimmt die Tiefe noch schneller zu; im Westen hat das Meer zwischen der Insel und den grofsen Korallenbänken, die in einem Abstande von 15—24 Seemeilen der Westküste parallel laufen, nur an wenigen Punkten eine Tiefe von 50 Faden; erst am äufsern Rande der Korallenbänke sinkt der Meeresgrund plötzlich zu 100 und mehr Faden Tiefe hinab. Da dieser submarine Bergzug sich nur mit seinem Kamm und verhältnifs- mäfsig nicht hoch über den Wasserspiegel erhebt, liegt die Sohle einiger Thal- spalten, welche das Gebirge durchsetzen, unter dem Meeresniveau, und es haben sich hierdurch Wasserstrafsen gebildet, welche theils als schmale Aestuarien weit in das Innere einschneiden, theils als Meerengen durch die ganze Insel hindurch !) Wenn in Dr. Helfer’'s Tagebuch die höchste Erhebung der Inseln auf 200 Fufs angegeben ist, so beruht dieses wohl auf einem Druckfehler, statt 2000 Fuls. 238 Miscellen: führen und sie in mehrere Theile zerlegen. Solche Gebirgsspalten sind nament- lich die beide Wasserwege, welche die grofse Andaman-Insel vollständig durch- setzen; der nördliche heifst die Andaman-, der südliche die mittlere Strafse; sie sie zerlegen jene grofse Insel in drei kleinere, die durch die Namen Nord-, Mittel- und Süd-Andaman von einander unterschieden werden. Ein etwas breite- res Querthal ist Macpherson’s Stralse, welche die kleine Insel Rutland von Süd- Andaman trennt. Nach G. v. Liebig ist nur die Macpherson’s und die Mittlere Stralse schiffbar, und auch diese nur für kleinere Fahrzeuge; Dr. Helfer nennt zwar die Stralse, durch die er auf dem Schooner Catharina hindurchgefahren ist, die Andaman-Strafse; es ergiebt sich aber aus seinen sonstigen Angaben, dafs er die mittlere Strafse meint, da er nach der Durchfahrt 40 Miles nordwärts steuern mulste, um Interview-Island in Sicht zu bekommen, und da er von dem hinter Interview-Island liegenden Canal ausdrücklich bemerkt, dafs er nur kleinen Booten zugänglich ist. Seine kurzen Notizen geben ein anschauliches Bild dieser sonderbaren Engpässe, die in vielen Beziehungen an die von Wallace geschilder- ten Passagen der Arru-Inseln erinnern (vergl. diese Zeitschrift, N. F., Bd. V., S. 266), wenn ihre Entstehung auch ohne Frage eine andere ist. Dr. Helfer steuerte von dem Andaman-Archipel zuerst nordwestlich, dann westlich in die Meerenge hinein, in der er sich bald so eingeschlossen fand, dafs nur der östliche Ausgang sichtbar blieb. Das Land zu beiden Seiten bestand aus niedrigen, zum Theil abgeplatteten und mit Bäumen besetzten Hügeln, deren Fufs mit einem Gürtel üppigen Mangrove-Gebüsches umsäumt war. Die Baum- vegetation war hier nicht sehr kräftig, an Ueppigkeit durchaus nicht mit der Ve- getation in Tenasserim zu vergleichen, und der Boden schien arm, eine dünne auf Sandsteinfelsen ruhende Erdschicht, in welche die Wurzeln der Bäume nicht tief genug eindringen konnten. Die Sandsteinformation erinnerte Dr. Helfer leb- haft an die sächsische Schweiz, selbst die zahlreichen Echo’s fehlten nicht; „Alles ist Königsstein in Miniatur.“ Der Canal verengte sich bald auf 7 Seemeile; „er ist nichts als eine tiefe Spalte im Gebirge, in den meisten Stellen tief genug für die grölsesten Schiffe; die Fahrt selbst war höchst pittoresk; es wird wenige solche Meerengen geben; Alles hat den Charakter eines Flusses.“ Die Strömung war an einigen Stellen so stark, dafs sie 8 bis 10 Knoten betrug; auch an Wirbeln und Strudeln fehlte es nicht. Nach Westen wird die Stralse breiter, die Ufer flacher; es zeigen sich Inseln im Canal, die immer häufiger werden und bei dem westlichen Ausgang in die See eine geräumige Bay bilden, zu welcher die Einfahrt jedoch kaum 50 Schritt breit ist. : Einen ähnlichen Charakter tragen die schmalen Aestuarien oder Creeks, die tief in das Innere der Insel einschneiden. Sie sind mit Seewasser angefüllt, und nehmen vom Innern die Wasserrinnen auf, die durch Quellen oder atmosphärische Niederschläge gebildet werden. Einen derselben, der von Port Blair in das Innere führt und sich hier mannigfach zertheilt, hat G. v. Liebig 6 Miles weit befahren. So weit das Seewasser reichte, sind die niedrigen Stellen zu beiden Seiten ebenso wie die andern Küsten der Insel mit Mangrovien bedeckt, über deren zur Zeit der Ebbe nicht vom Wasser bedeckte Wurzeln man wegsteigen muls, um auf das feste Land zu gelangen. Hier, bei der Fluthgränze, hören die Mangrovien wie abge- schnitten auf und es beginnt plötzlich der Hochwald, der, je mehr das von höhern # Die Andamanen und ihre Bewohner. 239 Punkten herabgeschwemmte Erdreich den Boden erhöht und ihn der Einwirkung der Meeresfluth entzieht, gegen die Mangrovien-Waldung vorrückt, während die letztere an ihrem äufsern, der See zugekehrten Rande ihre Fruchtzapfen in den Schlamm streut und durch neue Schöfslinge der See immer mehr Terrain abge- winnt. Durch diesen Prozefs werden die Creeks mit der Zeit immer enger und enger; der von Herrn v. Liebig verfolgte wurde zuletzt so schmal, dafs das Boot kaum Platz hatte, und schliefslich war die Weiterfahrt durch quer hinübergefallene Baumstämme gänzlich gehemmt. Hier hatte die Mangrovienwaldung schon längst aufgehört, und auf dem trockenen Boden erhob sich ein dichter Bambuswald. Wenn nun die Spalten und Klüfte des nicht genügend emporgehobenen Gebirges diesen Creeks und Meerengen den Ursprung gegeben haben, so präsentiren sich die breiteren Thalmulden namentlich an der Ostseite als prachtvolle und für die Gröfse der Insel sehr geräumige Häfen. Port Cornwallis, auf der Ostseite von Nord-Andaman, ist, einem Bericht im Culeutta Monthly Register 1790 zufolge, „ein herrlicher, geräumiger Hafen, mit dem trefflichsten Ankergrunde, und fähig, 300 Segelschiffe der grölsesten Art aufzunehmen.“ Auf einer kleinen Insel in diesem Hafen liegen die Mauerreste einer ältern, im Jahre 1796 aufgegebenen britischen Niederlassung. Zur Zeit hat Port Blair, auf der Ostseite von Süd-Andaman, als Deportations-Ort eine grölsere Bedeutung erlangt, und dieser Hafen, über den jetzt genauere Beschreibungen vorliegen, scheint dem eben genannten wenig nach- zustehen. Die Bucht, welche ihn bildet, schneidet über drei Seemeilen westlich in das Land ein; ihre Breite beträgt anfangs 2 Miles, weiterhin schwankt sie zwischen $ und # Miles; im Innern sendet sie nach Südwesten einen seichter werdenden Arm noch 3—4 Miles weit in das Land hinein. Gegen die See hin wird sie durch die ihr vorliegende Insel Ross geschützt, ein (von N. nach S.) 3 Mile langes Eiland, das von einem etwa 60 Fufs hohen Hügelrücken durch- zogen wird. Von den beiden Eingängen in die Bucht hat nur der nördlich von Rofs-Island gelegene hinlängliche Tiefe. In der Bucht selbst finden sich noch zwei andere Inseln: Chatham-Island, an der Südküste, etwa 2 Miles vom Eingang entfernt, ein Inselchen, das nur 1300 Fu/s lang und 450 Fufs breit ist und aus zwei kleinen Hügeln besteht; und Viper-Island in der südwestlichen Verlängerung der Bucht. Ross- und Chatham-Island sind für die Deportation ins Auge ge- falst. Die Bucht hat bis 24 Miles vom Eingang hinlängliche Tiefe, Liebig’s Schiff ankerte vor Chatham-Island in 9-10 Faden. Was die Umgebung betrifft, so ist die Bucht von felsigen Ufern und von Hügeln eingefafst, die auf der Nord- seite sich bis zu 300 Fufs Höhe erheben, auf der Südseite niedriger sind. Nur im Westen ist das Ufer flach und schlammig und trägt die für alle niedrigen Küstenstellen charakteristische Mangrovienwaldung, hinter deren hellerem Grün sich auf trockenem Boden der aus sehr mannigfaltigen Bäumen zusammengesetzte E % % “ Hochwald erhebt. Das Gestein, welches auf den grofsen Andamanen wie auf dem Andaman- Archipel zu Tage tritt, ist Quadersandstein, der namentlich an den Küsten zahl- reiche Höhlen bildet. Die sehr bestimmt auftretende Nachricht, die Hamilton vor mehr denn anderthalb Jahrhunderten von einem Eingeborenen erhielt, dafs die Andamanen an Quecksilber reich seien, hat bis jetzt noch keine weitere Be- 240 Miscellen: stätigung gefunden; in den neuern Berichten wird oft erwähnt, dafs die Wilden sich einer rothen Farbe bedienen, aber es wird nirgends bemerkt, ob es Zinnober ist. Die Vegetation hat mit der von Tenasserim grofse Aehnlichkeit; von neuen Formen bemerkte Dr. Helfer namentlich einen unsern stärksten Eichen ähnlichen, der Familie der Guttiferen angehörigen Baum, dessen Früchte die Wilden essen sollen und aus dessen Stamm ein weilser cautschukartiger Stoff ausschwitzt. Im Allgemeinen fand Dr. Helfer an den von ihm besuchten Punkten die Vegeta- tion nicht so kräftig wie in Tenasserim; namentlich an der von ihm durchfahrenen Meerenge vermilste er hochstämmige zum Schiffbau geeignete Bäume. Dafs die- ses indefs nicht im Allgemeinen von den Inseln gilt, beweisen die Angaben im Nautical Magazine und in den Berichten Liebig’s. Der letztere bemerkt namentlich über die Umgebungen des Port Blair: „Alle diese Theile sind mit hohen Bäumen von vielerlei Gattungen bewachsen, verschieden von den Wäldern der gemäfsigten Zone, die meist aus einer oder wenigen Arten bestehen. Mehrere Arten, über- einstimmend mit denen der birmanischen und indischen Küsten, liefern sehr brauchbares Bau- und Werkholz. Man findet neben vielen von gewöhnlicher Gröfse auch einzelne Stämme von aufserordentlicher Gröfse und Dicke. Zwischen den festen Stämmen kommen dünnere Arten von kriechenden und rankenden stacheligen Palmen vor — ähnlich dem bekannten spanischen Rohre. Ihre Stämme lehnen sich nicht unmittelbar an die dickeren an, sondern werden auf andere Weise gehalten. Sie sind nämlich mit sehr langen Fangranken, wie Peitschen- schnüre, besetzt, die mit den gefiederten Blättern abwechseln und Blattstielen ohne Fiederblättchen entsprechen. Diese ‘tragen in regelmäfsigen Abständen wider- hakenartige Dornen und schlingen sich mit Hilfe derselben an die zunächst stehen- den Bäume und Aeste. Auf diese Art tragen sie ihren halbliegenden Stamm, der zu schwach sein würde, um bei seiner Länge sich selbst aufrecht zu erhalten, wenn er einmal eine gewisse Gröfse erreicht hat. So lange die Pflanzen noch Jung und von geringer Höhe sind, stehen sie aufrecht. Ihre meist stacheligen Kämme erreichen eine Dicke von # bis zu 3 Zoll etwa. Um die Blüthe einer solchen Palme zu erhalten, wird es oft nöthig mehrere andere Stämme zu füllen, an welche sie angehakt ist. Das Unterholz besteht an vielen Orten gröfsesten- theils aus solchen stacheligen Palmen, so dafs es unmöglich wird, an solchen Stellen ohne Werkzeuge durchzudringen.‘“ Cocospalmen hat Liebig bei Port Blair nicht bemerkt; aber auf Interview-Island kommen sie vor, wie aus Dr. Helfer’s Tagebuch sich ergiebt. Auch die Umgegend um Port Cornwallis, welche der schon erwähnte Bericht im Caleutta Monthly Register, der offenbar von einem Mitgliede der von Lord Cornwallis zur Aufnahme der Inseln abgesandten Expe- dition abgefalst ist, vorzugsweise im Auge zu haben scheint, — auch die Um- gegend von Port Cornwallis hat auf die damalige Expedition durchaus nicht den Eindruck einer dürftigen Natur hervorgebracht. „Das Land,“ heifst es in jenem Bericht, „ist mit hochstämmigen Bäumen und dichtem Unterholz besetzt; die ersteren liefern das vortrefflichste Nutz- und Schiffsbauholz. Der Boden ist frucht- bar, und wenn wir nach einem von einigen Mitgliedern der Expedition angestell- ten Versuch urtheilen dürfen, wobei auf einem vom Waldwuchs gesäuberten Stück Landes die ausgestreuten Saaten über alles Erwarten gut gediehen, so werden auf den Inseln alle Arten Gemüse ebenso vortrefflich fortkommen wie in irgend PN Bor Die Andamanen und ihre Bewohner. 241 einem Theile Indiens. Die klimatischen Verhältnisse sind der Voraussetzung günstig, dafs fernere Versuche dieses Urtheil bestätigen werden. Während des Südwest-Monsun’s herrscht eine kühle frische Brise beständig vor; und während der andern Jahreszeit, wenn der Nordost-Monsun einsetzt, ist der Wind in der Nacht manchmal empfindlich scharf, nimmt aber am Tage zu einer angenehmen See-Brise ab. Als einen Beweis für die Gesundheit des hiesigen Klima’s können wir anführen, dafs unter den 200 Mann, welche die Besatzung des am Ende des vorigen Jahres hierher abgegangenen Schiffes bildeten, sich nicht ein einziger Kranker befand; es wurden sogar Mehrere, die in einem sehr leidenden Zustande Bengalen verlassen hatten, bald nach ihrer Ankunft auf der Insel vollkommen wiederhergestellt. “ Die letztere Notiz in Betreff der Zuträglichkeit des Klima’s für den Gesund- heits-Zustand erleidet nun freilich nach den neuern Erfahrungen wenigstens für die nächste Zeit eine erhebliche Einschränkung. Die Sterblichkeit unter den de- portirten Sepoys ist beträchtlich gewesen, und wenn wir auch die absolute Nieder- geschlagenheit dieser Leute — durch den Transport über Meer verloren sie ihre Kaste — in Anschlag bringen, so wird doch dem Klima ein Hauptantheil an diesem Resultat zugeschrieben werden müssen. Auch hier hat sich herausgestellt, dafs nicht nur, wie zu erwarten war, die Mangrovien-Gründe eine verderbliche Fieberluft ausathmen, sondern dafs auch eben entholzte Waldländereien der menschlichen Gesundheit nicht zuträglich sind. Im Terai von Bengalen und Be- har hält man solches junges Waldland erst dann, wenn es ein paar Jahre lang in Cultur gewesen ist, für bewohnbar, und unter allen Umständen bleibt es rath- sam, die Wohnungen auf Pfählen möglichst hoch über den Boden zu erheben. Unter den Sepoy’s auf den Andamanen wütheten Fieber, Diarrhöen und Geschwüre, die brandig wurden; freilich traten zu derselben Zeit auch unter den Sträflingen auf Akyab — das man gerade aus Gesundheitsrücksichten statt des gefährlichen Arracan zur Militairstation gemacht hatte — dieselben Krankheiten mit derselben Intensität auf. „Um Krankheiten vorzubeugen, thaten wir (1858) jedem Mann Morgens einen Gran Chinin in seinen Kaffee, liefsen Jeden nur mit einer ordent- liehen Kopfbedeckung an die Arbeit gehen und litten nicht, dafs Jemand zwischen Sonnen-Unter- und Aufgang an der Küste schlief.“ Man beabsichtigte bei Port Blair die Creeks abzudämmen und das hierdurch gewonnene Land zur Reiscul- tur zu verwenden, und erwartet, dafs, jemehr das Waldland durch die fortschrei- tende Cultur beschränkt wird, auch die klimatischen Verhältnisse sich günstiger gestalten und die Andamanen in dieser Beziehung wenigstens vor Arracan und den Sunderbunds den Vorzug erhalten werden. e Was nun endlich die Eingeborenen selbst betrifft, so scheinen sie etwas bes- ser zu sein als ihr Ruf. Nach Dr. Helfer’s Bericht zu schliefsen, besteht ihre excessive Wildheit mehr in einem gegen Fremde ungewöhnlich argwöhnischen Wesen, das wohl in ihren speciellen Erfahrungen seinen Grund hat; denn die Inseln scheinen schon seit langer Zeit Malayen angelockt zu haben, die auf ihren gebrechlichen Prau's herkommen, um essbare Vogelnester und biche de mer zu sammeln, gelegentlich aber a wohl einen Eingeborenen wegzufangen und in die Sclaverei zu schleppen. Die Bewohner der Andamanen scheinen in der That auf einer auffallend niedrigen Stufe der Cultur zu stehen; aber dafs sie, wie die ältern Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX, 16 242 Miscellen: Nachrichten meinten, nicht einmal Canoes besitzen, ist entschieden unrichtig, und ihr Cannibalismus ist mindestens sehr zweifelhaft geworden. Männer wie Weiber gehen vollständig nackt. Einen jungen, etwa 25 Jahr alten Mann be- schreibt Dr. Helfer als wohlgebaut, von mittlerer Statur, mit etwas aufgetriebenem Bauch, fast kohlschwarzer, etwas in’s Braune spielender Hautfarbe, und wolligem Haar, das auf den Seiten etwas abgeschoren war, so dals er blofs eine Art Kamm von Wolle trug; übrigens war er weder tätowirt, noch bemalt, — was mit anderen Nachrichten nicht übereinstimmt. Der Bericht im Caleutta Monthly Register findet, dafs die Andamanesen die meiste Aehnlichkeit mit den Kaflern be- sitzen; der officielle Report nennt sie intensiv schwarz, und bemerkt, dafs sich bei ihnen fast alle charakteristischen Eigenthümlichkeiten des ächten Negers fin- den, mit Ausnahme der vorragenden Hacken. Auf den Charakter des Völkchens wirft Dr. Helfer’s Rencontre mit ihm einiges Licht. Er sah an einer Insel drei Canoes mit Wilden, die über die Anwesenheit der Fremden augenscheinlich be- stürzt waren, zwei Canoes eiligst in die Jungles zogen und das dritte hinter einem Vorsprung in Sicherheit brachten. Sobald das fremde Schiff Anker geworfen, begannen die Wilden zu rufen, und als man vom Schiff antwortete, schlichen sich 5—7 von ihnen, von Fels zu Fels laufend, bis an den dem Schiffe gegenüber liegenden Punkt der Küste. Mit einigen Cocosnüssen versehen, die den Wilden besonders angenehm sein sollen, fuhr Dr. Helfer in einem Boote dem Lande zu; aber nur einer der Wilden, der oben beschriebene junge Mann, hatte die Courage dem Boote zu folgen. Er war ohne Waffen, während die andern, die sich hin- ter Felsen versteckten, mit Bogen und Pfeilen versehen waren. Er sprach sehr lebhaft, winkte den Fremden zu landen, und watete, als ihm die Cocosnüsse ge- zeigt wurden, ins Wasser, dem Boot bis auf 15 Schritt entgegen. Man warf ihm die Nüsse zu, er las sie auf, grinste mit seinen weilsen Zähnen und lachte herz- lich, besonders als auch Dr. Helfer ein Gelächter anstimmte. Man gab ihm zu verstehen, dafs man Wasser brauche, und warf ihm, als er auf eine bestimmte Stelle des Landes hinwies, einen grolsen irdenen Pegu-Topf entgegen, den er falste; ein zweiter Wilder kam ihm zu Hilfe und man sah, dafs beide fortgingen um Wasser zu schöpfen. Etwas später bot der Capitän den Wilden eine Schüs- sel mit Reis an; der junge Wilde kam vertrauensvoll, leerte die Schüssel und brachte sie mit Wasser zurück. Aber uuglücklicher Weise zerbrach der Pegu- Topf, als die Wilden ihn mit Wasser gefüllt zurückbrachten, und seit diesem Moment wollte sich Keiner mehr den Fremden nähern. . Als die Bootsmannschaft nun selbst landete, um die Wasserfässer zu füllen, zogen sich die Eingeborenen, etwa 20 an Zahl, zurück und verschwanden hinter einer sandigen Landspitze. Jeder Versuch, sich ihnen zu nähern, schlug fehl; ohne Erfolg bot man ihnen wieder Reis an, sie wagten nicht, heranzukommen. „Dies sind also die furchtbaren Wilden,“ schreibt Dr. Helfer einen Tag vor seinem unglücklichen Ende in sein Journal, „sie sind furchtsame Kinder der Natur, froh, wenn ihnen nichts ge- schieht; mit den Leuten wäre mit einiger Geduld leicht Freundschaft zu schlies- sen.“ Am folgenden Tage machte Helfer, begleitet von dem Capitän und acht Matrosen, noch einen Versuch, sich den Wilden zu nähern und sie wo möglich durch Geschenke zu gewinnen. Aber die Personen, die er zu Gesicht bekam, zogen sich argwöhnisch in das Gebüsch zurück, und als Dr. Helfer ihnen in das Die Andamanen und ihre Bewohner. 243 Dickicht folgte, wurde er plötzlich von einer Schaar Eingeborener, die hinter einem Felsen versteckt und mit Spiefsen, Bogen und Pfeilen bewaffnet waren, unter wildem Geschrei überfallen. Er rettete sich eiligst an den Strand, wo sich die Bootsmannschaft schnell versammelt hatte; aber bei dem Versuch, das Boot, das auf dem Grunde festsafs, flott zu machen, stürzte dasselbe um, und da es nicht möglich war, der Ueberzahl der Wilden Widerstand zu leisten, mussten die Mann- schaft und Dr. Helfer durch Schwimmen Rettung suchen. Die Wilden schickten ihnen einen Hagel von Pfeilen nach; Dr. Helfer wurde von einem derselben am Kopfe getroffen und versank unmittelbar darauf in die Meerestiefe; alle Versuche, seinen Leichnam zu finden, blieben vergebens. Nach diesem Bericht mufs man wohl annehmen, dafs es ohne jenen unan- genehmen Zwischenfall, der die Eingeborenen mit Furcht vor Rache erfüllte, dem kühnen Forscher gelungen wäre, mit ihnen in friedliche Verbindung zu treten. Auch die Erfahrungen, welche die Engländer an einem auf Interview-Island ge- fangenen und nach Calcutta gebrachten Andamanesen gemacht haben, deuten nicht auf eine bestialische Wildheit der Eingeborenen. Dieser Mann, heifst es im Nautical Magazine, „war aufserordentlich ruhig und gelehrig, er ahmte mit Geschick die Handlungen und Bewegungen seiner Umgebung nach, und zeigte bis zum letzten Moment nicht die geringste Spur von Wildheit. Von dem Voca- bular der Andaman-Sprache, das Colebrooke publicirt hat, verstand er nicht ein einziges Wort; eben so wenig war er mit dem Malayischen, Birmesischen, Chine- sischen oder mit afrikanischen Dialecten bekannt; für die gewöhnlichsten Dinge brauchte er beständig Worte, die in Colebrooke’s Journal gar nicht verzeichnet waren und die auch mit keiner andern gesprochenen oder geschriebenen Sprache Aehnlichkeit hatten. Unglücklicherweise wurde er unerwartet sehr krank, che man die Gelegenheit benutzt hatte, von den Ausdrücken, deren er sich täglich bediente, um die ihm vorkommenden Gegenstände zu bezeichnen oder seine Be- dürfnisse kund zu thun, ein Verzeichnils anzulegen. Seine Fähigkeit, was er _ sah nachzuahmen, war grofs; er lernte schnell sich ankleiden und sich waschen und benahm sich stets mit Anstand. Gegen Kinder zeigte er grolse Zuneigung; er liebkoste sie so zärtlich, wie wir civilisirtte Wesen es thun. Als ihm seine Photographie gezeigt wurde, lachte er herzlich und nannte sie Jack, — mit wel- chem Namen er selbst gerufen wurde. Er legte nie ein Bild verkehrt vor sich hin, und sah jedesmal auch hinter dasselbe, wo er die Kehrseite der Figuren zu finden hoffte. Wollte er Jemand grüfsen, so ergriff er die Hand desselben, blies darauf und summte einige Secunden lang in einem girrenden Ton ein Wort wie ooh! Mit dem Gebrauch des Tabacks war er ganz unbekannt; das erste Priem- chen, das ihm ein Matrose gab, verschlang er, ohne nachtheilige Folgen. Beim Besteigen von Treppen zeigte er ungeheure Furcht, eine augenscheinliche Un- sicherheit und grofse Verwunderung. Er hatte das kurze, scharfe, helle, jauch- zende Lachen der Negervölker, und ehe er krank wurde, war er immer guter Laune. Mit grolser Regelmälsigkeit ging er bei Sonnenuntergang schlafen und stand bei Sonnenaufgang wieder auf; bei Tage schlief er, so lange er gesund war, nie. Wenn es galt, Netze zu flicken oder zu verfertigen, eiserne Spitzen an Pfeile zu befestigen, oder seine einheimische Hacke zu führen, so zeigte er sich gewandt und anstellig. Er lernte das Deck scheuern und waschen und suchte 16” 2AA Miscellen ; sich immer in irgend einer Weise zu beschäftigen. Dafür dafs die Andamanesen Menschenfresser seien, fanden wir in keiner der von uns erforschten Gegenden auch nur den entferntesten Beweis. Einige von den Sträflingen in Port Blair die nach Grofs-Andaman entflohen, sind von den Eingeborenen getödtet worden, aber in keinem Fall scheint der Körper oder ein Theil desselben verzehrt worden zu sein. Mr. Piddington erzählte mir, dafs er, als er vor 30 Jahren bei Landfall Island ankerte und an dem sandigen Strande ein grolses Feuer sah, mit einer Anzahl Wilder dabei, nach Einbruch der Dunkelheit mit einer bewaffneten Be- gleitung ans Land ging. Die Wilden entflohen bei seiner Annäherung, und er fand einen menschlichen Körper am Feuer, der schon zu stark verkohlt war, um noch erkannt werden zu können, und der oflenbar verbrannt werden sollte; zum Essen konnte er unmöglich bestimmt sein, da er fast zu Asche verbrannt war. Wenn sie jemals zu Menschenfleisch ihre Zuflucht nehmen — woran ich sehr zweifle — so geschieht es sicherlich nur im äufsersten Nothfall, um dem Hunger- tode zu entgehen,“ Wie primitiv nun auch der Culturzustand dieses Volkes sein mag, so ist es doch nicht richtig, dafs ihm selbst Canoes und die nothdürftigsten Werkzeuge fehlen. Dafs sie Canoes besitzen, -erhellt schon aus dem oben Mitgetheilten; sie höhlen dieselben vermittelst einer Haue aus, nicht mehr durch Feuer, wie es früher der Fall gewesen sein scheint. Helfer fand bei ihnen Spuren von roher Töpferarbeit, Liebig geflochtene Korbe. Der officielle Report bemerkt über die Zustände, in denen das Volk lebt, noch Folgendes: „In den meisten ihrer Kähne fanden wir eine beträchtliche Menge Dammer-Harz, das manchmal zu Fackeln verwendet war. Mit Ausnahme ihrer Bogen und Pfeile, Canoes, Netze, Ruder, einer geflochtenen Schnur, die sie um die Hüfte winden, Nägeln die zu dünnen Messerklingen breitgeschlagen sind, und ihrer Keilhaue bemerkten wir bei ihnen keine Werkzeuge und Geräthschaften. Ihre Pfeile sind sehr geschickt mit Wi- derhaken versehen und in der That gefährliche Waffen; sie fliegen in gerader Linie und mit bedeutender Vehemenz auf eine Entfernung von 120 Fufs; aber es ist uns nicht ein einziger Beweis vorgekommen, dafs sie vergiftet waren. In ihren Dörfern, die in der Mitte gewöhnlich einen runden Platz haben, findet sich stets eine Hütte, die mit grölserer Sorgfalt gebaut und bedacht ist, als die übrigen. In ihr befanden sich auch gewöhnlich mehr Schweineschädel und Schildkröten- schaalen, sie war viereckig und vermuthlich die Wohnung des Häuptlings. Fast überall, wo wir mit diesen Leuten zusammentrafen, bemerkten wir unter ihnen einen Führer, dem die Uebrigen gehorchten und der den Befehl zum Kampf oder zum Rückzug ertheilte. Auf Craggy-Island schwang der Häuptling einen furchtbaren Speer und hatte einen Diener bei sich, der ihm Bogen und Pfeile trug. Sie sind offenbar ein kühner, abgehärteter, kräftiger Volksstamm, aufser- ordentlich thätig; sie besitzen viele Eigenthümlichkeiten des afrikanischen Typus und sind fähig, unter der Einwirkung der Civilisation ein intelligentes und be- triebsames Volk zu werden.“ Die Hütten, in denen das Volk lebt, sind nach v. Liebig’s Beschreibung von der einfachsten Art. Sie bestehen aus vier Pfählen, von denen die vorderen ge- wöhnlich etwas höher sind, und zusammengebundene Palmblätter bilden die Wände und die Decke. In den Hütten fand man oft eine Anzahl von Schweinsschädeln, Fr Die Andamanen und ihre Bewohner. 245 die an Stricken aufgereiht und sämmtlich mit schief darüber gezogenen Streifen von rother Farbe verziert waren. Vielleicht knüpft sich an dieses Ornament irgend ein Aberglaube. Wilde Schweine und Ratten sind die einzigen vierfüfsigen Thiere, die man bis jetzt auf den Inseln gefunden hat; jene bevölkern die Dschungeln und werden von den Wilden gejagt. Während die Männer mit der Jagd sich beschäftigen, waten die Frauen nach zurücktretender Fluth in den Meeresschlamm, um Fische zu fangen und Schalthiere zu sammeln. Diese Meeresproducte bilden die Hauptnahrung der Eingeborenen; zu gewissen Jahreszeiten leben sie auch von Baumfrüchten; Ackerbau kennen sie nicht. Ueber ihre Lebensweise sind durch einige Sepoy’s, die sich dem Straf-Etab- lissement entziehen wollten und nachdem sie längere oder kürzere Zeit unter furchtbaren Entbehrungen auf den Inseln umhergeirrt, wieder an ihren Bestim- mungsort zurückgekehrt waren, manche Einzelnheiten bekannt geworden, die na- türlich nicht als absolut zuverlässig betrachtet werden können. Einem von ihnen, der unter die Wilden gerathen war, hatten diese die Kleider ausgezogen und ver- brannt und ihm den Kopf mit einem Stück Bouteillen-Glas kahl geschoren; im Uebrigen hatte er sich über die ihm wiederfahrene Behandlung nicht zu be- schweren, ausgenommen darüber, dafs die Eingeborenen ihn stets scharf bewach- ten, um seine Flucht zu verhindern. Sehr wunderbare Erlebnisse eines Sepoys unter den Wilden sind in Chambers Journal (vergl. Ausland 1860 No. 20) ver- öffentlicht. Er war ihnen schwer verwundet in die Hände gefallen, sie legten ihm rothe mit Wasser befeuchtete Erde unter seinen Hals und an seine Nase, eine leichter gefärbte Erde über seinen Leib und seine Wunden, und schleppten ihn dann auf eine kleine Insel, wo er, ebenfalls ohne alle Kleidungsstücke und mit geschorenem Haupt, längere Zeit unter ihnen lebte. Man bewachte ihn mit grofsem Argwohn, duldete nie, dafs er Bogen und Pfeile ergriff, gab ihm aber nach 4 Monaten zwei Mädchen zu Weibern. Die Mädchen, erzählt der Sepoy, werden vor der Verheirathung als ein Gemeingut der verheiratheten und ledigen Männer betrachtet; nach derselben gehören sie nur ihren Männern an und selbst die Wittwen bleiben gegen Männer sehr zurückhaltend. Die Heirathen gehen sehr unceremoniell von Statten. Wenn einer der Aeltesten glaubt, ein junger Mensch und ein Mädchen sollten vereinigt werden, so läfst er sie holen, ohne sie zu fragen. Die Braut setzt sich, nachdem sie ihren Leib streifenweise mit- telst rother, mit Schildkrötenöl befeuchteter Erde bemalt hat, auf Laubwerk, das auf dem Boden ausgebreitet ist, während der Bräutigam, in gleicher Weise be- malt, ein paar Schritt entfernt, auf seinem Laublager kauert. So sitzen sie eine Stunde lang schweigend da, bis der Mann, der sie verheirathen will, aus seiner Hütte kommt, und stillschweigend den Bräutigam zu dem Laubteppich der Braut führt; er überreicht ihm fünf oder sechs Pfeile und läfst dann das junge Ehe- paar allein. Der Sepoy erhielt bei seiner eigenen Verheirathung keine Pfeile, auch waren seine Bräute nicht bemalt. Beide Geschlechter sollen ihren Leib tätowiren, indem alte Weiber an Kindern von 8—10 Jahren in den Monaten Januar bis April, wo die wilden Früchte reif sind und die Kinder nicht des Fischfanges wegen ins Salzwasser zu gehen brauchen, mit scharfen Glasscherben Einschnitte machen , auf die eine weifse kalkähnliche Erde gelegt wird ; dieOperation wird allmählich vollzogen und eine Tätowirung des ganzen Körpers dauert 2 bis 246 Miscellen : 3 Jahre; die jedesmaligen Wunden heilen in 3 bis 4 Wochen und hinterlassen Narben, die etwas heller gefärbt sind, als die Haut selbst es ist. Die Weiber reiben Abends die Männer mit Erde und Wasser ein, um die Mosquitoes abzu- halten, und rasiren ihnen mit einem Scherben von Flaschenglas, der am Rande ge- schärft ist, alle Haare am Körper ab. Die Bevölkerung ist, nach den Aussagen des Sepoy’s, auf einer fortwährenden Wanderung begriffen, indem sie in Trupps von 30 bis 300 der Nahrung wegen an der Seeküste und den Salzwasser-Creeks die Dschungeln durchstreift. Sie bildet nur einen Stamm und hat dieselbe Sprache und dieselben Sitten. Die Weiber bleiben im Lager, kochen und machen Fischernetze, während die Männer auf die Schweinsjagd gehen. An süssem Wasser scheint auf den Inseln Mangel zu sein; die Weiber müssen es oft Meilen weit herholen und tragen es in 6—9 Fufs langen Bambusrohren, in denen die Scheidewände mit Ausnahme der untersten vermittelst eines Stockes durchstofsen sind. Die Blätter für ihre Betten und zur Bedeckung der Hütten schneiden sie mit einer scharfen Muschel ab, die sie Ota nennen und mit der sie auch die Pfeilspitzen schärfen. Sie tragen die Kinder auf dem Rücken in Schlingen, die sie aus der innern Rinde der Bäume machen. Die durchschnittliche Gröfse der Männer schätzt der Sepoy nach seiner eigenen Grölse auf 5 Fufs 5 Zoll, die der Weiber auf 5 Fufs 2 Zoll; in den Gesichtszügen ist zwischen beiden Geschlech- tern kaum ein Unterschied zu bemerken. Die Weiber sind so gesund und stark, dals sie schon am Tage nach der Niederkunft im Stande sind, den Trupp zu be- gleiten. Das neugeborene Knäblein wird in kaltes süfses Wasser getaucht, und sein nasser Leib mit der über dem Feuer erwärmten Hand schnell und sanft ab- getrocknet. Woher diese Bevölkerung stammt, wird wohl ein Räthsel bleiben. Der Be- richterstatter im Calcutta Montlly Register hatte gehört, dafs zu der Zeit, als die Portugiesen eine Ansiedelung in Pegue hatten, zwei von ihren Schiffen mit einer Sclavenladung, im Ganzen gegen 300 Männer und Weiber, hierher ver- schlagen worden seien, und dafs die Bewohner der Inseln von diesen Schiff- brüchigen abstammten. Er meint, dafs die Gesichtszüge der Andamanesen bei ihrer grofsen Aehnlichkeit mit denen der Kaffern dieser Angabe nicht wider- streben. Die Strafeolonie enthielt im Jahre 1860 nach Herrn v. Liebig 1832 Sträf- lioge, von denen 996 auf Lebenszeit verurtheilt waren. Sie waren auf Rofs- und Chatham-Island und auf die Südküste vertheilt, mit Aexten, Hacken, Sägen und andere Werkzeugen versehen worden, und hatten durch die kleinen Inseln Pfade gebahnt, Brunnen gegraben etc. Sie sind in Rotten von je 25 Mann vertheilt unter einem aus ihrer Mitte gewählten Obmann; jede Rotte arbeitet für eigene und gemeinsame Rechnung; vier Rotten bilden eine Subdivision, ebenfalls unter einem aus den Sträflingen gewählten Aufseher und einem freien Aufseher; zu je vier solchen Abtheilungen, also für 400 Mann, gehört ein von einem Sträfling geführter Verkaufsladen für Nahrungsmittel und andere Bedürfnisse, die von der Regierung geliefert und von dem Inhaber des Ladens mit einem kleinen Gewinn verkauft werden. Jeder Einzelne erhält einen bestimmten Tageslohn, den er durch fleifsige Feldarbeit vermehren kann; sind die Subdivisionen fJleilsig, so er- hält der Aufseher eine Zulage. Aerztliche Behandlung und Arzneien sind um- Die Andamanen und ihre Bewohner. DAT sonst; statt der Nahrungsmittel erhalten die Kranken im Hospital eine Geldunter- stützung, da sie der Kasten-Vorurtheile wegen nicht aus gemeinsamer Küche essen können. Von allen Sträflingen haben nur 25 bewogen werden können, ihre Fa- milien nachkommen zu lassen; diese sollen später unter sehr günstigen Beding- ungen Land zu eigen erhalten. —n. Die Stadt Yeddo. Vom Rey. H. Wood !). Der Eingang in die grofse Bucht von Yeddo ist etwa 6 Seemeilen breit und auf beiden Seiten von einem zerrissenen Hügellande eingefafst, welches nirgends so bedeutende Höhen besitzt, dafs man es ein Gebirgsland nennen könnte, Wenn man sich von der See her der Einfahrt nähert, kommt man vorher an der Insel Oosima vorbei, in deren Mitte sich ein etwa 2400 Fufs hoher Berg erhebt, von dessen Spitze aus einem Krater grofse Rauchwolken aufsteigen, während an sei- nem Fufse aus verschiedenen kleinen Spalten ebenfalls Rauch hervordringt; Flam- men hat dieser Vulkan schon seit vielen Jahren nicht ausgestofsen. Ist man durch den Eingang hindurchgefahren, so überblickt man die Bucht in ihrer vollen Aus- dehnung, — eine herrliche Wasserfläche, die einem kleinen Landsee gleicht, fast Viereckig, jede Seite, wie man sagt, 25 bis 30 Miles lang. Man kann sich nichts Malerischeres denken, als diese Bai an einem klaren Tage, auf der die vierecki- gen, von einer sanften Brise angeschwellten Segel von mehr als tausend Dschunken und Booten schwimmen, — mit den Städten und Dörfern, die sich bis an den Strand hinabziehen und hinter denen cultivirte Felder und Baumgruppen liegen, und mit dem grofsen Kegel des Fusiyama, der sich im Hintergrunde, etwa 30 Miles vom Strande und eben so weit von Yeddo, in die Wolken und über die Wolken erhebt. Durch ganz Nipon zieht sich von einem Ende zum andern, von Nord nach Süd, eine grolse Gebirgskette, deren Spitzen dann und wann mit Schnee bedeckt sind, während der Fusiyama, der „unvergleichliche Berg“, sich in isolir- ter Majestät erhebt, als ob er voll stolzen Selbstgefühls sich von den andern Ber- gen getrennt hätte, um nicht mit Kleinlichem in Berührung zu kommen. Seine Höhe wird von Einigen auf 12,000 Fufs, von Anderen auf 16,000 Fufs geschätzt. Sein Gipfel ist stets mit Schnee bedeckt, und für einen grofsen Theil des Jahres füllt auch Schnee die tiefen Schluchten, die in alter Zeit von den Strömen her- abfliefsender Lava gebildet sind. Der Gipfel besteht aus einem ungeheuren Krater, der einst flüssige Gluthmassen in die Ebenen entsendete; aber seit dem Jahre 1707 ist der Vulkan unthätig geblieben. Er scheint ganz kahl zu sein; an sei- nen Gehängen bemerkt man keinen Baum, kein düsterer Wald hängt an den Klüften, und den Thälern fehlt selbst der Schmuck eines Grasrasens. Er ist für die Japanesen der heilige Berg, wie der Sinai und Horeb für die Juden; weit hinauf an seinen Gehängen hat man Tempel erbaut, zu denen die Gläubigen in grofsen Schaaren hinaufziehen, um ihren Gelübden zu genügen, und zu denen Pilgrimme wallfahrten, um ihre Sünden zu sühnen, — wobei die Reichen oft als ") Nautical Magazine. June 1860. 248 Miscellen: Bettler, in Lumpen gehüllt, das Land durchziehen und auf der ganzen Pilgerfahrt nur von den Almosen leben, welche die Mildthätigkeit ihnen spendet. Fast alle Porcellan- und lackirte Waaren, wie auch die Bücher und Bilder der Japanesen sind mit verschiedenen Ansichten des Fusiyama geziert. Nie habe ich die Sonne so prachtvoll untergehen sehen, wie zuweilen hinter diesem Berge, wenn der Him- mel weithin in goldenem Glanze leuchtete und die Sonne selbst auf ihrem Wege zu zaudern schien, um ihre volle Glorie noch länger zu entfalten. Mir scheint, dals die Japanesen viele von ihren künstlerischen Ideen demjenigen entlehnt ha- ben, was sie oft sehen, wenn die Sonne hinter dem Fusiyama untergeht. Yeddo liegt an der Westküste der Bay, fast in der Mitte zwischen der Nord- und der Südküste. Grofse Schiffe müssen 5 oder 6 Miles von der Stadt vor Anker gehen, weil die Bucht weiterhin nicht tief genug ist, und Nichts deutet an, dafs man sich einer der gröfsesten Städte der Welt nähert, bis die fünf mas- siven, 1 bis 2 Miles von der Küste entfernten Forts sichtbar werden, und uns die Gewifsheit geben, dafs hinter ihnen statt eines blofsen Waldes, wie es den Anschein hat, eine Stadt existiren müsse, die durch sie vertheidigt werden soll. Nähert man sich dem Strande, so erblickt man ein von behauenen Steinen erbautes, 8 bis 10 Fufs über den Wasserspiegel sich erhebendes Quai, das sich so weit hinzieht, als das Auge nur blicken kann, und so weit, als irgend ein Mitglied unserer Expedition seine Spaziergänge ausgedehnt hat. In gleichem Ni- veau mit dem Quai läuft seiner ganzen Ausdehnung entlang eine Strafse, welche auf beiden Seiten von Häusern eingefafst ist, deren Erdgeschofs auf der Front- seite überall als Waarenlager oder Werkstätte benutzt ist. So weit unsere Spazier- gänge und unsere Beobachtungen reichten, giebt es hier weder Häfendämme, noch Werfte, noch Zollhäuser. Zur Ebbezeit macht es an manchen Stellen beträcht- liche Mühe, auf Leitern zum Quai hinaufzuklettern oder von den Schultern eines robusten japanesischen Bootsmannes eine der vorspringenden Planken zu ergrei- fen, die an dem einen Ende auf Pfähle gestützt, am andern auf dem Quai be- festigt sind, und sich auf das letztere hinaufzuschwingen. Das ist die Art, wie man in diese grofse Stadt gelangt. Die fünf Forts liegen fast in einer geraden Linie und sind nach dem Urtheil competenter Personen gut gebaut; ihre Kanonen sind indefs nicht von schwerem Kaliber. Diese Vertheidigungswerke und ein anderes grofses Fort, das jetzt bei Kanagawa erbaut wird, liefern den Beweis, dafs die Japanesen sich der Pflichten wohl bewufst sind, die ihnen die Anknüpfung von Verbindungen mit anderen Nationen auferlegt hat. Es gereicht der menschlichen Natur nicht gerade zur Ehre, dafs eine heidnische Nation in demselben Moment, in dem sie sich zum Handel und Verkehr mit Christen entschlie[st, sich auch durch den Instinct der Selbsterhaltung genöthigt fühlt, für ihre Vertheidigung Sorge zu tragen. Bei den ersten Schritten in Yeddo fühlt sich der Ankömmling sehr ent- täuscht: wohin er die Blicke auch richten-mag, um irgend etwas Merkwürdiges ausfindig zu machen, er findet hier weder Paris, noch Londor, noch Rom, noch ein einziges Bauwerk oder Monument, das der Betrachtung würdig wäre. Statt dessen sieht man Strafsen, die kein Ende zu haben scheinen, meistens breit und reinlich, aber ungepflastert, eingefalst von den allergewöhnlichsten Häusern, die selten mehr als zwei Stockwerke haben, immer unangestrichen und immer zu einem Theil mit Kurzwaaren angefüllt sind, — obgleich Handel und Gewerbthä- g er, y » Die Stadt Yeddo. 249 tigkeit, so viel man sehen kann, auch nur in unbedeutendem Mafsstabe betrieben werden. Man wird verstimmt, dafs man sich selbst so getäuscht hat oder von Andern hat täuschen lassen, und würde wo möglich zum Schiff zurückkehren, wenn man nicht vermuthen mülste, dafs weiterhin etwas mehr zu schen sein würde. Eines allerdings ist auffallend, — die Menge von Bäumen, die manch- mal allein, häufiger aber in kleinen, Hainen und Gruppen zusammenstehen und unter denen sich imposante und uralte Stämme finden, so grols wie die Riesen des Waldes. In der That sieht das Ganze wie ein Wald aus; die Stadt ist in einem Walde begraben und liegt in seinem Schatten, wie wenn hier eine Bevöl- kerung von Mönchen und Nonnen wohnte und die ganze Stadt in ein Kloster verwandelt hätte. Wenn man nun weiter geht, so trifit das Auge, mag man sich nach dieser oder nach jener Richtung gewandt haben, unerwartete Schönheiten, vor denen man gern bewundernd verweilt. Gegenüber unserm gewöhnlichen Lan- dungsplatz, auf der entgegengesetzten Seite der Strafse, liegt die Residenz des Mr. Alcock, des britischen Ministers, zu der man durch einen Thorweg gelangt, und ein Park mit schönen Kieswegen, frischen Rasenflächen und schattigen Bäu- men, die nicht künstlich angepflanzt, sondern vor Jahrhunderten hier aufgewach- sen zu sein scheinen, während im Hintergrunde, in einem Hain und umgeben von künstlichen Teichen, in denen Goldfischehen schimmern und künstliche Hügel mit Cascaden, Gärten mit Buschwerk und Blumen sich erheben, ein schöner Tempel und geräumige Häuser liegen, in welchen einst die Priesterschaft wohnte, die jetzt vertrieben ist und ihr schönes und wohnliches Quartier dem ehrenwer- then Repräsentanten der europäischen Civilisation und des Christenthums über- lassen hat. Alles dieses bemerkt man nicht eher, bis man durch den Thorweg gekommen und in den Park eingetreten ist, in dem man tagelang umhergehen kann, ohne alle seine Sehenswürdigkeiten kennen gelernt zu haben. Und ähnlich ‚sieht die ganze Stadt aus; an manchen Stellen derselben findet man Hügel und steile Abhänge; auf den Spitzen der Hügel stehen immer hochstämmige Bäume, . sie gereichen der Stadt sehr zur Zierde und tragen wesentlich dazu bei, dafs man den Eindruck empfängt, als ob die Stadt in einem Walde zerstreut liege. Mehrere kleine und ein ziemlich beträchtlicher Flufs durchströmen die Stadt; der letztere ist bis in das Centrum der Stadt voll von Booten und Dschunken; er ist von einer berühmten Brücke überspannt, der Nipon-bas oder der „Brücke von Japan“, von welcher aus alle Entfernungen nach allen Theilen des Reiches gerechnet werden. Die Brücke ist gut gebaut und gut im Stande gehalten, und etwa 300 Fuls lang. Einige Strafsen sind 6 Ruthen und noch mehr breit und, obgleich sie nicht gepflastert sind, auffallend rein gehalten; auf beiden Seiten sind aus behauenen Steinen Gossen angelegt, welche alle Unreinlichkeiten fortführen. Die Strafsen sind immer grade und schneiden sich rechtwinklig; manche sind fast anderthalb deutsche Meilen lang, und die Häuser stehen auf dieser ganzen Strecke so dicht neben einander, dafs für Neubauten kaum noch ein ausreichender Platz übrig ge- blieben ist. In verschiedenen Entfernungen von einander sind Thorwege errich- tet, die von Polizei-Beamten bewacht werden; sie werden geschlossen, wenn irgend einem Volksauflauf ein Ziel gesteckt werden soll. Ich habe übrigens auf allen meinen Spaziergängen und Ritten durch die Stadt nie einen Auflauf, oder I. .- ” ” ” ” eine Schlägerei oder auch nur einen Zank gesehen; auch Betrunkene sind mir 250 Miscellen: nie vorgekommen. Allerdings sind die Japanesen grofse Freunde von geistigen Getränken; aber sie haben so viel Anstandsgefühl, dafs sie nur im eigenen Hause und bei Nacht trinken. Von dem kaiserlichen Schlosse bekommen Fremde nur das Aeufsere zu sehen, wenn sie nicht etwa als Vertreter fremder Mächte von den kaiserlichen Ministern zu politischen Verhandlungen oder ehrenhalber eingeladen werden. Commodore Tattnall, Captain Pearson und Mr. Harris, der Minister der Vereinigten Staaten, hatten ein paar Tage vor unserer Abreise eine Einladung zum Premier-Minister erhalten; sie wurden im Palaste desselben mit grofsen Ehren empfangen und glänzend bewirthet, aber sie sahen innerhalb des geweihten Raumes, in den Pa- lästen und andern Bauwerken Nichts, was der Bewunderung werth gewesen wäre, es sei denn die Einfachheit und Nettigkeit derselben. Selbst die Paläste sind nur einstöckig, da bei den häufigen Erdbeben höhere Häuser zu gefährlich sein würden. Sie sind auch nicht mit Gold, wie man einst fabelte, sondern mit Dach- ziegeln gedeckt, wie die Häuser der andern Sterblichen; das Holzwerk in ihnen war mit einem schönen Firnifs überzogen. Die Mauern, welche das Schloss um- geben, sind dick und über 25 Fufs hoch; man sieht darüber nur Baumspitzen hervorragen, und nur wenn die Thore zufällig geöffnet sind, kann man durch sie ein paar Häuser erblicken. Der Umfang der Schlofsmauer soll 5 Leagues betragen; das scheint mir jedoch, nachdem ich zweimal um dieselbe herumgerit- ten, eine zu hohe Angabe zu sein; selbst wenn wir die Ausdehnung nur zu 10 Miles annehmen, — was der Wahrheit wohl näher kommt — werden wir von der japanesischen Majestät einen hinlänglich würdigen Begriff erhalten. Der Raum, der das Schlofs einnimmt, ist weder ein Quadrat, noch ein Kreis, sondern eine beinahe birnförmig gestaltetes Oblong; er zieht sich von dem Niveau des Flus- ses auf einen sanften Abhang hinauf und breitet sich dann oben auf der Höhe aus. Von dieser Höhe hat man eine grofsartige Aussicht fast über die ganze Stadt, die sich unten einerseits von der Citadelle bis zur Bay, und nach der an- dern Richtung so weit ausdehnt, dafs man hier nur das Häusermeer dieses Thei- les der Stadt und dahinter den grolsen Fusiyama vor Augen hat. Keine Spitze, kein Thurm erhebt sich über die Masse; Dächer reihen sich an Dächer und blitzen in der Sonne wie die stillen Gewässer der grofsen Bucht. Das Schloss ist von einem Graben umgeben, der an einigen Stellen 70 Fufs tief sein soll und oben 100 Fufs breit ist; die Seitenwände sind aus vortrefflich behauenen Qua- dern, ohne Cement, erbaut; in dem ziemlich tiefen Wasser findet sich an man- chen Stellen eine üppige Vegetation von Wasserpflanzen, während Enten und Störche darin so unbesorgt umherschwimmen und einherstolziren, als ob sie, wenn nicht selbst von kaiserlichem Blut, so doch mindestens ganz besonders be- vorzugte Schützlinge Sr. Majestät wären. In diesem Stadtheile befinden sich auch die Paläste der grofsen Reichsfürsten, ausgedehnte Grundstücke, die in der Front von einer Mauer eingeschlossen sind, so dafs man von der Strafse nur die Dächer der Häuser zu erblicken vermag, wenn nicht zufällig die Thorwege geöffnet sind und einen Blick auf die Hof- räume verstatten. Diese Paläste sind mit Dächern im chinesischen Styl versehen, und alle nach demselben Plan, wenn auch in verschiedener Gröfse gebaut. Vom Strande im Osten bis zum Ende der Stadt im Westen soll die Aus- Ueber die Silberbergwerke in Chile, 251 dehnung 13 Miles betragen; im Norden und Süden sind die Grenzen der Stadt nicht bestimmt, da hier keine Stadtmauer oder ein anderes Grenzmal existirt und die Bevölkerung auf 10 Miles nach allen Richtungen eben so dicht bleibt wie im Herzen der Stadt. Mr. Harris sagt, es sei keine übertriebene Behauptung, dafs die Stadt einen Flächenraum von 20 bis 24 Miles Länge und 12 bis 13 Miles Breite bedecke. Die Zahl der Einwohner ist den Fremden nicht bekannt, wohl aber der Regierung wie mir die japanesischen Dolmetscher versicherten, da all- jährlich nicht blofs in der Hauptstadt, sondern in jeder Stadt und jedem Dorfe ein Census aufgenommen. werde, dessen Resultate in den Archiven der Gouver- neure niedergelegt würden. Man schätzt die Bevölkerung gewöhnlich auf 3 Millio- nen, und Mr. Harris, der sich jetzt drei Jahre in Simoda und Yeddo aufgehalten hat, ist der Ansicht, dafs sie jedenfalls nicht geringer ist als die Londons. Um von der Ausdehnung der Stadt und ihrer Volkszahl einen Begriff zu geben, will ich nur anführen, dafs ich eines Tages, nachdem ich 2 bis 3 Miles zu Fufs ge- gangen war, um 12 Uhr ein flinkes Pferd bestieg und, von zwei japanesischen Polizei-Beamten begleitet, im scharfen Trabe, zuweilen im Galopp vorwärts ritt, um einen in der Vorstadt gelegenen berühmten Tempel zu besuchen. Als wir denselben erreicht hatten, stiegen wir ab und drängten uns durch eine unzählige Menschenmasse zu dem prachtvollen Tempel hindurch, den ich aber bald zu ver- lassen für rathsam hielt, da ein auf und um mich herabfallender Hagelschauer von kleinen Steinen mir eine nicht milszuverstehende Warnung ertheilte. Wir haben uns hier nicht über eine halbe Stunde aufgehalten, ritten dann in demsel- ben Tempo zurück, und als wir die Stelle erreichten, wo wir die Pferde bestie- gen hatten, brach schon die Dämmerung ein. Und dennoch dehnt sich die Stadt noch weit über jenen Tempel hinaus, die Strafsen waren schöner, die Kaufhallen reichlicher mit Waaren versehen, der Geschäftsverkehr lebhafter und die Volks- massen dichter als im eigentlichen Herzen der Stadt. . —n. Ueber die Silberbergwerke in Chile"). Das Gebiet der Republik Chile kann hinsichtlich seiner Producte und des durch sie bedingten wirthschaftlichen Zustandes in zwei wesentlich verschiedene Hälften getheilt werden. Die Provinzen südlich vom Rio de Aconcagua sind fast ausschlie(slich auf Ackerbau und Viehzucht angewiesen; in den nördlichen Pro- vinzen ist der Bergbau entschieden der wichtigste Betriebszweig. Jene finden für die Producte der Landwirthschaft den Hauptmarkt in den nördlichen, Bergbau treibenden Provinzen; diese liefern in Silber und Kupfer diejenigen Artikel, die bei dem Export, bei dem Verkehr mit dem Auslande entschieden die hervor- ragendste Rolle spielen. Nach dem Bergbau auf Kupfer nimmt der auf Silber den wichtigsten Rang ein. Alle Silberminen. Chile’s liegen in einem schmalen Gürtel, der sich in einer Ausdehnung von fast 200 Leguas von Süden nach Norden, von 34° bis 26° 30' $. Br. ausdehnt, in der Thalsenkung, welche den westlichen Fufs der Anden be- ») Nach einer Abhandlung von A. Pissis in der „Revista de ciencias i letras“ Tom. I, No. 4. Santiago 1858. 252 Miscellen: gleitet und in den südlichen Provinzen den Namen Llano Longitudinal führt. Ueberall in diesem Gebiete sind die geschichteten Gesteine, hauptsächlich unter dem Einflufs der sie durchbrechenden Trachyte, stark verändert, und die Erz- lagerstätten finden sich nicht gleichmäfsig über den ganzen Gürtel vertheilt, son- dern erscheinen vorzugsweise in der Nähe derjenigen Stellen, an denen der Tra- chyt zu Tage tritt. Da das Letztere nach Norden hin häufiger der Fall ist, sind auch die Silbererze im Norden, besonders in der Provinz Atacama häufiger. So besitzt die Provinz Santiago nur vier Minen von geringer Bedeutung: die von San Pedro Nolasco, die des Cerro de San Lorenzo (beide bei der Stadt S. Jose gelegen), die von Las Condes östlich von Santiago und die von Rungue im Nor- den der Provinz. Die Provinz Aconcagua, in welcher der Trachyt sehr selten ist, besitzt nur die Mine von Catemu. In der Provinz Coquimbo befindet sich das reiche Silberbergwerk von Arqueros, das viel wichtiger ist, als alle eben genann- ten; und Atacama besitzt die Bergwerke von Agua Amarga, Chuchampa, Rosilla, Chahlarcillo, Saeramento, San Antonio, Cabeza de Vaca, Romero, Pampa-Larga, Ladrillos, Zapallar, Garin und Tres Puntas, aus denen fast alles Silber herrührt, welches aus Chile exportirt ist. Die Silberbergwerke gehören also fast ausschliefs- lich der Provinz Atacama an. Das Erz findet sich hier theils in Gängen, theils in etwas geneigten Schichten, die nach allen Richtungen von kleinen metallhalti- gen Adern durchsetzt und von den Bergleuten mantos genannt werden. Das von den Erzadern durchsetzte Gestein ist an verschiedenen Orten von verschiedenem Alter und verschiedener Zusammensetzung; es gehört an manchen Orten der silu- rischen Formation an, wie in Tres Puntas, wo eine Erzader im Gneifs liegt; an anderen der devonischen Formation, wie in Zapallar, Romero und Cabeza de Vaca, oder dem rothen Sandstein oder dem Lias, wie in San Antonio, Lomas Bayas, Chahlareillo und Agua Amarga. Im Contact mit manchen Gesteinen sind die Gänge metallarm und werden dann auffallend reicher, je mehr sie sich anders zusammengesetzten Gesteinsschichten nähern. Auch die Art der Erze variirt je nach dem Nebengestein: Hornerze (cloruro de plata), Jodsilber und Bromsilber finden sich in beträchtlicher Menge nur im Kalk; Glaserze (los sulfuros) und Rothgüldig-Erze (sulfo-arseniuros) sind dem rothen Sandstein oder der devoni- schen Formation eigen; Bleiglanz endlich findet sich im Gneils oder im Schiefer. Am deutlichsten wird man sich diese Veränderungen vorstellen können, wenn man sich denkt, dafs eine Ader die ganze Reihe der geschichteten Gesteine, vom Lias bis zum Gmeifs, durchsetzte: im Lias würde sich Chlorsilber und gediegenes Sil- ber finden; in den unteren Schichten dieser Formation und im rothen Sandstein würde dunkel Rothgülden (? el rosieler) anfangen; darauf würden Schwefelarsenik mit Silber und Kobalt und schliefslich Bleiglanz folgen. Einige Gruben in Cha- Narcillo, die eine Tiefe von mehr als 200 Metern erreicht haben, entsprechen dieser Voraussetzung; während in Tres Puntas, wo der Lias fehlt, Rothgüldig (rosieler i los arsenio -sulfuros) vorherrscht, und die Gruben von Zapallar, die in der devonischen Formation liegen, vornehmlich an Bleiglanz reich sind. Der Metall- gehalt der Erze wird also nach der Tiefe hin abnehmen; und da die Erzadern der mantos nur daher rühren, dafs sich der obere Theil eines Erzganges in eine poröse Schicht verzweigt hat, so erklärt sich leicht der ungewöhnliche Reichthum einiger derselben, wie z. B. der mantos von Mandiola und Ossa in Chahareillo und des Manto de la Presidente in Cabeza de Vaca. h) Ueber die Silberbergwerke in Chile. 253 Obgleich nun Chile an Silbererzen reich ist, zieht das Land aus diesen Schätzen doch nicht den Nutzen, den sie ihm gewähren könnten. Ein Theil der Schuld liegt an den bestehenden Gesetzen. Diese schreiben vor, dafs, wenn irgendwo ein Erzlager entdeckt wird, dem einzelnen um ein Eigenthumsrecht sich bewerbenden Bergmann, wenn er nicht gerade der Entdecker ist, an einer und derselben Ader nur ein einziges und zwar ein sehr kleines Stück auf der Ober- fläche zuertheilt werden darf, eine pertenencia von 200 Varas Länge und 100 bis 200 Varas Breite; und da die Silbererze von sehr verschiedenem Gehalt sind und oft durch weite Strecken tauben Gesteines unterbrochen werden, so bleibt der Ankauf und der Abbau einer solchen pertenencia ein Lotteriegeschäft, bei dem das darauf verwendete Capital oft ganz verloren geht. Eine grölsere Ausdehnung der pertenencias würde das Risico vermindern. Zweitens folgt aus dieser Bestim- mung, dals ein neu entdecktes Erzlager in solchen kleinen Parcellen sofort an eine unverhältnifsmäfsig grolse Zahl von Eigenthümern vertheilt wird. Abgesehen von den Grenzstreitigkeiten und Processen, die hieraus entstehen, wird dadurch auch eine genaue Erforschung des Erzlagers vereitelt, — denn kein Besitzer will auf seiner pertenencia solche Untersuchungen dulden, — und aus diesem Mangel an Uebersicht folgt dann wieder, dals der Abbau eben nicht auf die zweckmälsig- ste und vortheilhafteste Art in’s Werk gesetzt wird. Jeder Besitzer unternimmt seine Arbeiten vielmehr nach Gutdünken, und beträchtliche Summen werden für ganz unnütze Unternehmungen verschleudert. Aber selbst dann, wenn das Glück dem Besitzer ergiebige Adern geschenkt hat, verschlingen die Produetionskosten einen beträchtlichen Theil des Gewinnes. Ihre Höhe wird nicht blofs durch die Unzweckmäfsigkeit der Anlagen und den Mangel an geeigneten Maschinen, son- dern auch durch den ungewöhnlich hohen Arbeitslohn veranlafst. Um einen Kubikmeter Erz aus einer Tiefe von 60 Varas aus der Grube zu fördern, mufs man nach einer Durchschnittsberechnung in Chile 36 Pesos 27 Cts. zahlen, wäh- rend dasselbe in Frankreich, England und Deutschland für 8 Pesos hergestellt wird. Da nun die Kosten mit zunehmender Tiefe der Gruben unverhältnilsmälsig steigen und die Erze gleichwol immer ärmer werden, mufs die Arbeit viel früher als unrentabel aufgegeben werden, als es bei den besseren Einrichtungen und dem geringeren Arbeitslohn in andern Ländern der Fall sein würde. Die Höhe des Arbeitslohnes rührt her theils von dem Mangel an Arbeitern, theils von dem theuern Preise der Lebensmittel in den Gebirgsdistrieten, die in landwirthschaft- licher Hinsicht sehr ungünstig situirt sind; und der Mangel an Arbeitern wird dadurch noch verschlimmert, dafs bei der Menge von Grubenbesitzern die vor- handene Arbeitskraft zu einem grofsen Theil auf ganz unproductive Unterneh- mungen vergeudet wird. Wenn statt der zweckwidrigen Zersplitterung des Grund- besitzes in ganz kleine Parcellen ein ganzes Erzlager einer Compagnie zum Ab- bau übergeben würde, so würde für einen rationelleren Betrieb gesorgt werden, und bei allgemeiner Durchführung dieses Princips würde auch der Mangel an Arbeitern weniger fühlbar werden. Ein anderes Hindernifs stellt der Rentabilität des Bergbaues die Mangelhaftigkeit der Communicationsmittel in den Weg. Diese wird um so fühlbarer, als in Chile selbst nur aus Hornerzen das Silber darge- stellt wird, während es an Einrichtungen fehlt, aus den minder reichen Erzen, t aus Glaserzen und Rothgüldig das reine Metall zu gewinnen; diese letzteren müs- _ sen also in rohem Zustande an die Küste befördert werden, um hier in’s Aus- 254 Neuere Literatur: land exportirt zu werden. Alle diese Uebelstände drohen den Silberbe:gbau voll- ständig zu ruiniren. Selbst wenn man für das reichste Bergwerk, das von Cha- nareillo, die Anlage- und die Betriebskosten der 35 Gruben, die im Jahre 1857 ausgenutzt wurden, für die Zeit der nachdrücklichsten Production berechnet, ohne die Kosten der in Angriff genommenen und später als unproductiv liegen ge- lassenen Gruben in Anschlag zu bringen, — und es giebt in Chaharcillo nicht weniger als 100 Gruben — stellt sich heraus, dafs das Bergwerk selbst zur Zeit seiner Blüthe mit Schaden gearbeitet hat. Schon früher, — in dem Aufsatz über die Provinz Coquimbo (s. d. Zeitschr. N. F. Bd. II, S. 61 ff.) haben wir Gelegen- heit gehabt, darauf aufmerksam zu machen, da/s auch in dieser Provinz der Silber- bergbau in entschiedenen Verfall gerathen ist und dafs sich der Unternehmungs- geist ausschlie(slich den Kupferbergwerken zugewendet hat. —n. Neuere Literatur. Der Böhmerwald. Natur und Mensch. Geschildert von Josef Wenzig und Johann Krejti. Prag (Carl Bellmann’s Verlag) 1860. 354 8. 8. Eine werthvolle Monographie dieses wenig bekannten, interessanten Berg- landes, durch ein Vorwort Carl Ritter’s vom 7. Septbr. 1859 eingeführt, mit 55 Holzschnitten nach Zeichnungen von Eduard Herold. Von den beiden Hälften, in welche durch den breiten Sattel zwischen Neugedein und dem Chamb - Thal das „Böhmerwald im weitern Sinne“ genannte Gebirge natürlich getheilt wird, umfafst die vorliegende Beschreibung nur den gröfseren, breiteren, höheren, süd- östlichen Abschnitt, den eigentlichen Böhmerwald, Sumava genannt (vom altböh- mischen Suma Wald, sumeti sausen, ava Wasser), zwischen Taufs und dem Unter- waldauer Pals gegen Oesterreich. Die nordwestliche, ganz verschiedenartige Hälfte, von den Baiern das „Oberpfälzische Waldgebirge“, von den Böhmen „ Cesky Les“ (der böhmische Wald) genannt, soll vielleicht später nachfolgen. Das Buch ent- hält eine Fülle von bisher ungedruckten und in Deutschland aufserhalb Böhmen’s nicht gekannten Thatsachen,, ist namentlich auch in ethnographischer und histo- rischer Beziehung äulserst interessant, hat indessen aus Ursache der Doppel- Autorschaft, die bei Nichtverarbeitung der beiderseitigen Beiträge zu Einem Gan- zen Wiederholungen herbeiführt, in der Darstellung etwas gelitten. Die charak- teristischen Holzschnitte sind technisch doch wohl nur mittelmäfsig ausgeführt, namentlich in Anbetracht des ziemlich hohen Preises; auch sind sie nicht immer gehörigen Orts eingedruckt. Mit Dank gedachten wir bei den Schilderungen an Adalbert Stifter’s Studien. S. Aus dem Osten der österreichischen .Monarchie. Ein Lebensbild von Land und Leuten von Edmund Freiherrn v. Berg. Dresden (G. Schönfeld’s Buchhandlung) 1860. 274 8. 8. Der Verfasser, königl. sächsischer Ober-Forstrath, bereiste, um die Zustände und das Leben des Volkes kennen zu lernen, zugleich im Interesse seiner Fach- wissenschaft, einen Theil des westlichen Galizien, und sodann — Schlesien, Mäh- ren und Ungarn im Fluge durcheilend — hauptsächlich das Banat; Temeswar, Oravicza, Steierdorf, Reschitza, Weifskirchen, Orsova, die türkische Festung Neu- a WITT u EREN J E. Freih. v. Berg: Aus dem Osten der österreichischen Monarchie. 255 Orsova, Mehadia und die Herkulesbäder, Karansebes, das Eisenwerk Rufsberg und ein Ausflug auf die Kuppe des 4:90 Fufs hohen Muntje Semenik bei Franz- dorf sind die Hauptstationen. Das Banat, mit der zugehörigen Militairgrenze etwa so grols und gleich bevölkert wie das Königreich Hannover mit den Lippe’schen Fürstenthümern, ist ein Hauptschwerpunkt der österreichischen Monarchie und könnte bei der Gunst seiner Lage und bei seinen natürlichen Reichthümern leicht die dreifache Bevölkerung ernähren. Dem Verfasser gab seine Kenntnifs Deutsch- lands, der Alpenländer, namentlich aber auch Schwedens, Norwegens und Finn- lands, mehrfach zu Vergleichungen Anlals. Ueber Bergbau und Forstwirthschaft, namentlich über die grofsartige Montan-Industrie der k. k. Staats-Eisenbahn- Gesellschaft, über die Colonistendörfer, sowie aus dem Volksleben der Walachen und Zigeuner findet sich Neues und Interessantes. Das Buch macht übrigens nicht den Anspruch, eine Unterhaltungslectüre zu sein oder eine Reisebeschrei- bung, geschweige denn ein Wegweiser für Touristen: es sind die — nicht immer wohlthuenden — Reiseeindrücke eines nüchternen, freisinnigen Mannes in schmuck- loser Darstellung wiedergegeben. Das Buch ist ein Baustein, kein Gebäude. S. Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 7. September 1860. Der Vorsitzende, Herr Prof. Wolfers, eröffnete die Sitzung durch Ueber- reichung der eingegangenen Geschenke: 1) E. Sabine, Observations made at the Magnetical and Meteorological Observatory at St. Helena. Vol. II. 1844 — 49. London 1860. — 2) Reports of Explorations and Surveys to ascertain the Most Practicable and Economical Route for a Railroad from the Mississippi River to the Pacific Ocean. Vol. XI. Washington 1855. — 3) Smithsonian Contributions to Knowledge. Vol. XI. Washington 1860. — 4) Heer, Untersuchungen über das Klima und die Vegetations- Verhältnisse des Tertiär-Landes. Winterthur 1860. — 5) Friedmann, Niederländisch Ost- und West-Indien. München 1860. — 6) Re- Jjistro estadistico del Estado de Buenos Aires. 1858. T. I. Buenos Aires 1859. — 7) Memoria que presente el Ministro del Interior a las Cameras Legislativas en las Sesiones de 1858. Parand 1858. — 8) Simpson, Report and Map of Wagon Road Routes in Utah Territory. Washington 1856. — 9) Ferrel, The Motions of Fluids and Solids, relative to the Earths Surface. New York 1860. — 10) Jour- nal of the Royal Geographical Society. Vol. XXIX. 1859. London. — 11) Pro- ceedings of the Royal Geographical Society of London. Vol. IV. No. 2. 3. Lon- don 1860. — 12) Denkschriften der K. Russ. Geographischen Gesellschaft. Bd. xM. St. Petersburg 1859. — 13) Compte rendu de la SocietE Imperiale Geogra- phique de Russie pour l’annee 1859. St. Petersbourg 1860. — 14) Bulletin de la Socidte de Geographie de Paris. IV* Serie. Tom. XX. Juillet et Aoüt. Paris 1860. — 15) Jahrbuch der K.K. Geologischen Reichsanstalt. 1860. No. 1. Wien 1860. — 16) Petermann’s Mittheilungen. Ergänzungsheft. (Barth’s Reise von Trapezunt nach Scutari.) Gotha 1860. — 17) Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen in dem Preufs. Staate. Bd. VIII. Lief. 2. Berlin 1860. — 18) Erster Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde. Offenbach 1860. — 19) Preufsisches Handels- Archiv. 1860. No. 31—35. 256 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft. Der Vorsitzende machte besonders auf die Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen in dem preufsischen Staate aufmerksam, nach welcher der Werth der betreffenden Production im abgelaufenen Jahre auf 99 Mill. Thaler berechnet ist. Darunter Steinkohlen 22 Mill. (Westphalen allein 10 Mill.), Braunkohlen 3 Mill. (davon Thüringen und Sachsen 2 Mill.), Roheisen 11 Mill. (Rheinprovinz 5 Mill.), Stabeisen 22 Mill. (Westphalen und Rheinprovinz 16 Mill.), Eisengufs- waaren 6 Mill. (Brandenburg 2 Mill.). Schlesien lieferte für 8248 'Thlr. Gold, während an Silber überhaupt für 952,533 Thlr. gewonnen wurde. — Aus der im Journal der königl. geographischen Gesellschaft in London abgedruckten Rede von Murchison hob Herr Wolfers besonders den auf A. v. Humboldt bezüg- lichen Abschnitt hervor, in welchem sehr treffend die Worte des Verewigten, welche er bei dem Tode L. v. Buch’s an Murchison geschrieben hatte, auf ihn selber angewendet werden. Der eingegangene Band der Beobachtungen auf dem Observatorium zu St. Helena erinnerte gleichfalls an Humboldt's Verdienste, da diese wie unzählige andere Stationen durch seine Anregung in’s Leben gerufen wurde. Darauf überreichte Herr Wolfers einige Blätter der London Illustrated News, die ihm von Warren de la Rue zugegangen waren, und sprach schliefslich die Hoffnung aus, es werde bei der nun fest bestimmten Angabe des Zweckes der C. Ritter-Stiftung auch die Betheiligung eine noch gröfsere werden als bis- her der Fall gewesen. Herr Staatsrath Struve, der als Gast anwesend war, sprach über Gradmes- sungen, insbesondere eine in den nächsten Jahren bevorstehende Längengrad- Messung, und benutzte dabei eine grolse Karte von Europa, auf welcher die bis jetzt vollendeten Arbeiten verzeichnet waren. Da die theoretischen Annahmen über die Gestalt der Erde noch practisch zu entscheiden sind, so fühlte sich Rufs- land bei seiner grofsen Ausdehnung besonders berufen, für die Lösung dieser Aufgabe thätig zu sein. Schon im Jahre 1847 wurde die Gradmessung von Ki- schenew bis Astrachan in einem Raume von 20 Graden begonnen und bis zum Jahre 1854 durchgeführt; diese Messungen wurden dann in den folgenden Jah- ren mit den preufsischen und österreichischen in Verbindung gesetzt. Der preus- sische General Baeyer hat neuerlichst den wesentlichsten Anstofs gegeben, diese Gradmessungen in dem grölsesten Umfange vorzunehmen. England hat bereits die Triangulationen über sein ganzes Land vollendet, und nur einzelne Berichti- gungen werden nöthig sein. Die neueren Messungen in Belgien sind noch nicht publieirt; sie werden durch die Nordspitze von Frankreich einerseits mit der eng- lischen in Verbindung gesetzt werden und sich andererseits an die preufsischen anschlie[sen. Da in Frankreich, Deutschland und Rufsland die neuen Messungen nach gleichen Grundsätzen berichtigt werden sollen, steht zu hoffen, dafs in eini- gen Jahren der ganze Raum von Brest bis Astrachan durch 53 Grade, und ebenso von der Insel Valentia bei Irland bis nach Orsk an dem Westknie des Uralflusses durch 69 Grade vermessen sein wird. Die dann nöthig werdenden astronomischen Längenbestimmungen sollen darauf zu je ö Grad durch electrische Telegraphen gemacht werden, und wo diese nicht ausführbar, durch Chronometer, in deren Anfertigung eine solche Vollkommenheit erreicht worden ist, dafs der Vortragende die durch sie gemachten Bestimmungen den telegraphischen nicht nachsetzen zu müssen glaubt. Herr Boltz gab einige Notizen über die gegenwärtige sociale Lage Rufs- lands. — Herr Pitschner las aus seinem Manuscript einzelne Abschnitte über die im vorigen Jahre von ihm unternommene Besteigung des Montblanc, und legte zugleich eine kleinere Copie von dem Tableau vor, das er bei seinen früheren Reise-Mittheilungen zur gröfseren Veranschaulichung benutzt hatte. — Herr Kauff- mann endlich theilte mit, dafs nach einem ihm zugegangenen Briefe aus S. An- tonio in Texas in dortiger Gegend ein ergiebiges Goldlager aufgefunden worden ist, wohin bereits Auswanderer in zahlreicher Menge aufgebrochen sind. Jeitschrift Eallgem Erdkunde NE BiLIX. Ze B _ ee SEN Tall. Sen 5 5 Zunge nach J Pereira. de Maltos VII mensttusher alı Mahılde, — Karte des Jacuhy Thales mit den Deutschen Colonien IN DER SUDBRASILIANISCHEN PROVINZ RIO GRANDE DO SUL Aufgenommen 1859 vom K. Sächs, Ober Lieutenant WOLDEMAR SCHULTZ (Orginal nungen Osthalfte ın set, Westhälfte ın aohon) Der östlichste Theil zwischen Porto Alegre und der Küste nach einer handschriftlichen in den Jahren 1857-58 in wo'noo ausgeführten Aufnahme des K.Bras. Majors J. M.PEREIRA DE CAMPO Mafestäbe in 1: 1,000,000 Deutsche geagraphische Meilen 13. / Grad Portugiensche Legoas, 18 - 4 rad, eine - I Mhlkus ee ee ee er ee Erklärung und Abkürzungen portugiesischer Bezeichnungen rn z A > eutsche 7 0 4 Adreie (Bach) (ach. Cncheeira (Full) Cachilha (undewaldete Anhöhe / Est Entaneia /Fihho//Fax. Fazendn 8 [Plunzung/ 1 Nhalnıel/L.Lngoa (See) M Morvo/Migel/.P [an der Nüste/ Ponda/Lundspitze/-Pjım Innern, ‚Auta (Psihaus) P* Paso (KHAre/ Povo/DorfYR.Rıo (Fluss) S Servo (Berg) Serra /Waldgebirge) Kouten des Verfassers. ( j br Va N E yo Ba S (4 stinho rs 7 ng Lan, I Fe f ar al A a 109% en A | Länge nacı 4. Mabulde {ungens | EEE ME s6lr ferlin bei D, Reimer R Im Verlage von Dietrich Reimer in Berlin erscheint so eben: Special-Karte von Ober- und Mittel-Italien. Nach den Aufnahmen des Oesterreichischen und Piemontesischen Generalstabs bearbeitet von Heinrich Kiepert. Maafsstab 1 : 800 000. Cart. Preis 1 Thlr. 10 Sgr. In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung in Berlin erschien so eben: arakteristik der hauptsächlichsten Typen des Sprach- baues von Dr. &. Steinthal, Privatdocenten der allgemeinen Sprachwissenschaft an der Universität zu Berlin. Zweite " Bearbeitung seiner Classification der Sprachen. gr. 8. Sgeh. 2 Thlr. - Durch diese Charakteristik wird dem mit den geschilderten Sprachen völlig Unbekannten ein Einblick in eine ungeahnte Mannichfaltigkeit von Sprachen und emdartigen Redeweisen eröffnet. Es werden u. a. dargestellt: das Chinesische, - die hinterindischen Sprachen (das Siamische und Barmanische), die polynesischen Sprachen (Malayisch),- die altaischen Sprachen (Jakutisch), die amerikanischen Sprachen (Mexikanisch und Grönländisch), Aegyptisch, die semitischen Sprachen (Arabisch) und die indogermanischen Sprachen (namentlich Griechisch). Voran- hiekt ist eine Kritik der bisherigen Sprach-Classificationen, besonders der aboldtschen, und angereiht eine auf die dargestellten Sprachen gegründete lassification. Derfag von 5. A. Brodihans in Leipzig. Reise- Atlas von Deutschland in 58 Karten. Entworfen und gezeichnet von Dr. Henry Lange. Mit erläuterndeım Texte von Dr. Julius Michaelis. 4. Geheftet 6 Thlr. 20 Sgr. Gebunden 7 Thlr. Der „Reise- Atlas“ ist auch in 20 Lieferungen ä& 10 Sgr. nebst einer gratis erfolgenden Supplement-Lieferung allmählich zu beziehen. Aufserdem erscheint on demselben zur bequemeren Benutzung während der Reise eine Ausgabe n einzelnen Blättern, die sauber cartonnirt und von einem ausführlichen Dext nebst Reisenotizen etc. begleitet sind. Jedes derartige Blatt kostet 5 Sgr. N Bei Dietrich Reimer in Berlin ist so eben erschienen: Karte Preussischen Staate mit besonderer Berücksichtigung der Communicationen nach amtlichen Quellen bearbeitet und herausgegeben auf Anordnung Sr. Exc. des Herrn Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiter. vom technischen Eisenbahn-Bureau des Ministeriums. 12 Blätter in Farbendruck. Maaflsstab 1: 600 000. Zweite verbesserte Auflage. Preis: Colorirt 9 Thlr. 10 Sgr. — Nicht colorirt 8 Thlr. Der rasche Absatz der vom Königl. Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten - herausgegebenen’ Karte vom Preufsischen -Staate hat eine zweite Auflage nöthig gemacht, die so eben in mehrfach veränderter Gestalt erschienen ist. — Die früher nur mit feinen Parallel-Linien angegebenen Kom- munal- und Actien-Chausseen sind jetzt gleich den Staatsstrafsen durch kräftige rothe Linien bezeiehnet, jedoch mit einer die Unterscheidung! sichernden Abwei- chung. — Aufserdem hat das ganze Flu/s-, Strafsen- und Eisenbahnnetz in Folge gründlicher Revision und mit Hülfe des auch von den meisten deutschen und aus- wärtigen Regierungen bereitwilligst gelieferten Materials eine grolse Erweiterun und durchgreifende Berichtigung erfahren. — Die Karte umfalst aufser dem Preu- (sischen Staatsgebiet den ganzen deutschen Zollverein und beträchtliche Theile der | angrenzenden Länder. Buch der Neifen und Entdeckungen, So eben erfchien hiervon in zweiter Auflage: Dr. Eduard DBogel, der Afrika- Reifende. Schilderung feiner Neifen und Entdekungen in Gentral-Afrifa: in der großen Wüfte, in den Ländern des Sudans, am Tfad u. f. w. Nebit einem Lebensabrig des Neifenden. Nad) den Driginalquellen bearbeitet von Hermann Wagner. Mit 100 in den Text gedrucdten Abbildungen, acht Tondrucktafeln und einer Karte von Bogel’s Reiferoute. In einem Bande eleg. drod. 14 Thlr. Tu eleg. engl. Einband, 13 Thlr. Die exfte einzig authentifche Schilderung der’ Reifen und Exlebniffe unferes bes rühmten Zeitgenoffen, veffen bis dahin nicht aufgehelltes Schickfal die Theilnahme der ganzen gebildeten Welt vege gemacht Hat. Verlag von Dtto Spamer in Leipzig. Zu beziehen duch alle Buchhandlungen. o 10 Gedruckt bei A. W, Schade in Berlin, Grünstr. 18. Von 7% . - le) 0 DEE RALF ö & BU" Aa 1800. : BER er # ZEITSCHRIFT FUR ALLGEMEINE ERDKUNDE. Be. MIT UNTERSTÜTZUNG - DER GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN OR ' UND UNTER BESONDERER MITWIRKUNG E- voN - H. W. DOVE, C. G. EHRENBERG, H. KIEPERT ın zerum, K. ANDREE ‚IN LEIPZIG und. J, E, WAPPÄUS ın sörrınsen. HERAUSGEGEBEN VON b Dr. K. NEUMANN. ® R: NEUE FOLGE, K NEUNTER BAND, VIERTES HEFT. 38 | J Dar, n N | 1% en | Ee BERLIN. | zZ VERLAG VON DIETRICH REIMER. Inhalt. P [ Seite IX. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. Von H. Burmeister. — 5. Catamarca und seine Umgebung. — Reise nach Copacayana . . . ph : 257 X. Historisch - geographisch - - statistische Skizze dee kaiserlich brasiliani- schen Provinz Rio Grande do Sul. Nach officiellen Angaben und eigener Anschauung zusammengestellt von Woldemar Schultz. (Schluß)... .)% RER Pa 285 XI. Schlufs von Capt. Palliser's Expedition nach den Rocky Moniine 1858— 1860. Nach den Originalberichten zusammengestellt von E. GBOVonBteInen. ne een De EL VE Miscellen. Nivellement der Radaune. Von H. W. Dove... . 2... 2.2.2.2.319 Zur Statistik des Gouvernements Simbirsk. . . . . a, a RE Bevölkerungsstatistik der Herzegowina . . 2 2 2 2 2 22202. 8322 Cultur des Zimmtbaumes auf der Halbinsel Malacca . . . . =... 323 Ueber die Abnahme der einheimischen Bevölkerung von Neu-Seeland . 325 Notizen über das Küstenland der brasilianischen Provinzen Paranä und Bao, Paulo dcr. a en le Et Neuere Literatur. W. Biffart, Deutschland, sein Volk und seine Sitten. Stuttgart 1860. 333 Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 6. October 1860 . 335 Karte. Taf. II. Karte der Küste der Capitania de S. Paulo. Nach einer Manuscript- Karte der Marine-Bibliothek zu Rio Janeiro (copirt von Lieutenant Woldemar Schultz) auf 4 redueirt. Maalsstab 1: 1,000 000. Von dieser Zeitschrift erscheint jeden Monat ein Heft von 5—6 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr. R=> Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Post- Anstalten. STATUTEN der Carl Ritter-Stiftung Protector Prinz Adalbert von Preussen Königliche Hoheit. $; 1. Die von der geographischen Gesellschaft in Berlin zu Ehren ihres Mitbegründers und langjährigen Vorsitzenden, des am 26. September 1859 verstorbenen Professors Carl Ritter, ins Leben gerufene Carl Ritter - Stiftung hat den Zweck, die Erdkunde in der von ihm begründe- ten Auffassung zu fördern. Zu diesem Behufe sollen durch die Stiftung namentlich Reiseunternehmungen, bei welchen es auf Erforschung unbekannter oder doch nicht genügend bekannter Länder ankommt, oder die Herausgabe grösse- rer geographischer Werke unterstützt werden. ‘ 8.2, Die Geldmittel der Stiftung bestehen aus dem von ‘der geographischen Gesellschaft dafür bestimmten Grund- kapitale von 1000 Thlrn. und den dazu durch Sammlung erworbenen, bis jetzt 1500 Thlr. betragenden Beiträgen. ; PAUSE, Die Stiftung beginnt ihre Wirksamkeit, sobald das Stamm- vermögen den Betrag von 5000 Thlrn. erreicht hat. Bis dahin werden die Zinsen zum Kapital geschlagen. Br Dem Stammvermögen fliessen zu die etwaigen Ge- schenke, die fortlaufenden Beiträge und diejenigen Be- träge, welche sich aus den von der geographischen Ge- sellschaft zu veranlassenden Sammlungen ergeben. Die Letztere wird jedesmal bei ihrer fünfjährigen Stiftungsfeier durch besonderen Beschluss bestimmen, ob und wie weit “die Fonds der Gesellschaft es zulassen, das Stammkapital der Stiftung zu erhöhen. Die Stiftung nimmt auch solche Beiträge an und ver- pflichtet sich, sie zu verwenden, welche nicht für das Stammkapital, sondern für eine besondere wissenschaftliche Unternehmung bestimmt sind. Sn | Die Stiftung wird von der geographischen Gesellschaft in Berlin verwaltet, und es wird zu diesem Zwecke ein Verwaltungsausschuss gebildet. Dieser besteht aus dem Vorsitzenden und dem Schriftführer der Gesellschaft und drei in der Novembersitzung auf drei Jahre zu wählenden Mitgliedern, für welche Wahl dem Vorstande der Gesell- schaft das Vorschlagsrecht zusteht. Die nach Ablauf von drei Jahren ausscheidenden Mitglieder sind sofort wieder wählbar. Scheidet ein Ausschuss-Mitglied während der Wahlperiode aus, so wird in der nächsten Sitzung der Ge- sellschaft‘ bis zum Ablauf der drei Jahre ein anderes an dessen Stelle gewählt. TOD Der Ausschuss vertritt die Stiftung nach Aussen in allen Beziehungen, auch in denjenigen Fällen, wo die Lan- desgesetze eine Speeialvollmacht erfordern. Die von dem- selben ausgestellten Urkunden sind verbindlich, wenn sie von dem Vorsitzenden und dem Schriftführer vollzogen sind. Die Eigenschaft der Ausschuss-Mitglieder als solcher wird für den Fall des Bedürfnisses durch eine Beschei- nigung des Königlichen Ministeriums der geistlichen, Un- terrichts- und Medieinal-Angelegenheiten dargethan. $. 6. Der Ausschuss hat folgende Obliegenheiten zu erfüllen: Er verwaltet das Stiftungsvermögen, hat für die sichere Anlegung desselben zu sorgen und jährlich behufs der Ent- lastung durch die geographische Gesellschaft Rechnung ab- zulegen. Soweit es sich nicht um Geschenke und diesen zugefügte Bedingungen der Anlegung handelt, müssen die Fonds der Stiftung in pupillarisch sicheren Hypotheken ‚oder in solchen Papieren angelegt werden, welche nach den Gesetzen depositalmässige Sicherheit gewähren. Die geldwerthen Papiere müssen sicher aufbewahrt werden. Der Ausschuss sorgt ferner für die Einziehung der Zin- sen und, so weit es nöthig, der Kapitalien, so wie für die anderweitige Anlegung derselben. Die geschäftliche Verwaltung und Rechnungsführung übernimmt der Rendant der geographischen Gesellschaft. FRE Die Vorschläge über die Verwendung der Stiftungs- mittel erfolgen vom Ausschuss. Sie werden den Mitglie- dern der Gesellschaft durch Umlauf angezeigt, und in der nächsten Sitzung zur Beschlussnahme gebracht, zu deren Ausführung der Ausschuss verpflichtet ist. Der Regel nach dürfen nach den obigen Bestimmun- gen nur die Zinsen des Kapitalvermögens für die Zwecke der Stiftung verwendet werden. Sollte sich hierzu in einem Jahre keine Gelegenheit finden, oder sollte die Verwen- dung nicht die ganze jährliche Zinsen-Einnahme erfordern, so hat die Gesellschaft darüber zu beschliessen, ob der nicht verwendete Betrag dem Kapitalvermögen zugeschla- gen oder für künftige Verwendungen vorbehalten bleiben soll. $. 8. Die Gesellschaft setzt voraus und erwartet, dass die von ihr unterstützten Reisenden ihr möglichst oft wissen- schaftliche Mittheilungen über die Ergebnisse ihrer Reisen machen werden, deren Bekanntmachung in der von ihr herausgegebenen Zeitschrift sie sich vorbehält. Ueber die Wirksamkeit und den Vermögenszustand der - Stiftung wird in derselben Zeitschrift jährlich berichtet. 3 $. 9. Diese Stiftungs-Anordnungen können nur durch beson- deren Beschluss der geographischen Gesellschaft, bei Ge- legenheit der Revision ihrer Statuten, abgeändert werden, und ist hierzu eine Majorität von mindestens % der in der desfallsigen Sitzung anwesenden Mitglieder und ausserdem die Genehmigung der Staatsbehörde erforderlich. Berlin, den 3. November 1860. Dr. Dove, Dr, Wolfers, z. Z. Director der geographischen z. Z. Secretair der * Gesellschaft zu Berlin. ‚ geographischen Gesellschaft. Arndt, Rendant der Gesellschaft. Vorstehende Statuten werden auf Grund der Aller- höchsten Ordre vom 26. d. Mts., welche also lautet: Auf Ihren Bericht vom 24. d. M. ertheile Ich hier- mit der von der geographischen Gesellschaft zu Ber- lin mittels der hier wieder angeschlossenen Statuten vom 3. November d. J. errichteten Carl Ritter-Stif- tung unter gleichzeitiger Verleihung der Rechte einer moralischen Person Meine landesherrliche Gehehmi- gung, indem Ich die Bestätigung der Statuten Ihnen überlasse. , Berlin, den 26. November 1860. Im Namen Seiner Majestät des Königs. gez. Wilhelm, Prinz von Preussen, Regent. ggz. von Bethmann-Hollweg. An den Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten. hiermit von Oberaufsichtswegen bestätigt. Berlin, den 27. November 1860. (Siege l.) Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten. gez. von Bethmann-Hollweg. Berlin, Druck der Gebr, Unger’schen Hofbuchdruckerei, IX. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. Von H. Burmeister. 5. Catamarca und seine Umgebungen. — Reise nach Copacavana. Die Provinz Catamarca, in welche wir mit dem Uebergange über die Cuesta der Sierra del Alto eingetreten waren, ist eine der am wenigsten bekannten der Argentinischen Conföderation, aber kei- neswegs gehört sie zu den weniger cultivirten oder schlechteren Stri- chen der La Plata-Staaten; — im Gegentheil, sie steht vielen anderen, z.B. der von San Luis, von Santa Fe, von La Rioja oder Santiago del Estero, an lebhafter Thätigkeit und natürlicher Beschaffenheit voran. _ Auch ihre Einwohnerzahl ist nicht unbeträchtlich; nach der Volkszäh- lung vom Jahre 1858 beträgt sie etwas über 79,800 Seelen. Es ist dies freilich, wenn man bedenkt, dafs ihr Areal mindestens den doppel- ten, wenn nicht gar nahe den dreifachen Umfang der Provinz Tucu- man hat, keine starke Bevölkerung; aber es fehlt auch in Catamarca nicht an ausgedehnten, der Cultur unzugänglichen Wüsten oder hohen Gebirgen, die noch von keiner Menschenseele bewohnt werden. Ueber- haupt ist der Boden der Provinz sehr ungleich; denn während man einige Gegenden, z. B. die von Fuerte de Andalgalä, oder die Strecke Las Chacras, zu den besten der Argentinischen Conföderation rechnen kann, so ist andererseits die ganze westliche und südliche Partie der Provinz sehr mittelmäfsig, ja vielleicht, wie die Strecke in der Salz- | steppe, eine der schlechtesten der Conföderation. Ihre Grenzen sind dermalen nicht mehr zweifelhaft; sie stöfst im Osten an die Provinzen _ Tucuman und Santiago, im Norden an Salta, im Westen an die Re- "publik Chile und an die Provinz La Rioja, im Süden an die Provinz Zeitschr. f.allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 17 258 H. Burmeister: Cordova, deren Grenze mitten durch die schon mehrmals erwähnte grolse Salzsteppe geht. In dieser Ausdehnung hat sie das Ansehen eines verschobenen Rechtecks, dessen lange Seiten schief gegen die Meridiane gestellt von Nordwest nach Südost laufen und mindestens durch vier Breitengrade hindurchgehen. Im Ganzen und Grolsen aufgefalst läfst sich das Areal der Pro- vinz Catamarca als ein nach der Hauptrichtung der Provinz streichen- des Thal ansehen, dessen breite Mulde von den Fortsetzungen der benachbarten Gebirge stellenweise unterbrochen wird, die selbst aber in ihrem Innern kein grofses Gebirge besitzt. Zwar streicht die hohe Sierra de Aconquija, deren Centralstock ganz der Provinz 'Tucuman angehört, von Nordost her nach Catamarca hinein, die kleinere Ge- birgsmulde, worin die Hauptstadt liegt, von der gröfseren nördlichen Mulde, an deren Anfang der schöne Distriet von Fuerte de Andalgalä sich ausbreitet, absondernd; aber dieser südwestliche Endast des Acon- quija hört bald auf, indem er neben der Stadt Pomaän endet. In ähn- licher Art gehen kleine, von Süden nach Norden der Sierra Famatina parallel laufende Kämme oder Sierren durch die östlichen Theile der grolsen Mulde, aber eine hohe Querkette, welche die ganze Provinz durchschnitte, ist nicht vorhanden; es sind überall nur Nebenäste oder Parallelzüge, welche die peripherischen Gegenden derselben berühren und uneben machen, von denen aber keine, gleich dem Aconquija und dem Famatina, bis in die Region des ewigen Schnee’s hinaufreicht, ja nicht einmal ihr nahe kommt. Darum ist die Mitte der Provinz so wasserarm und wieder deshalb einer allgemeinen Cultur unfähig; alle ihre Flüsse sind klein, sie schwellen nur temporär nach starken Regen- güssen auf den Bergen zu wirklichen Strömen an und führen die läng- ste Zeit des Jahres so wenig Wasser, dafs sie im Sande versiegen müssen. Kein Tropfen der auf die Provinz Catamarca fallenden atmo- sphärischen Niederschläge erreicht den Ocean; alles Wasser, das ihr zufliefst, wird vom Lande aufgesogen und verbleibt seinem nichtsdesto- weniger im Allgemeinen sterilen Boden; nur einige der kleinen Grenz- flüsse gehen in die benachbarten Provinzen über. Der zunächst um die Hauptstadt sich befindende Theil der Pro- vinz ist der gebirgigste; er entbehrt ausgedehnter Blachfelder gänzlich und hat darin gewissermalsen einen Vorzug vor den übrigen Distrieten. Stellt man sich auf die Mitte des Marktplatzes der Stadt, oder noch besser auf die Terrasse des Paseo am Bassin im Westen der Stadt, so sieht man ringsum über die Häuser fünf verschiedene Bergketten sich erheben. Grade nach Osten streicht die bereits erwähnte Sierra de Ancaste als ein aus zwei parallelen Kämmen bestehendes Ge- birge, dessen kürzerer vorderer Ast buschig bewaldet ist, während der Reise durch einige nördliche Provinzen: der La Plata- Staaten. 259 hintere längere und höhere ganz kahl dasteht, von tiefen Wasserfurchen zerrissen. Am Fufse des vorderen gewahrt man den silberglänzenden Wasserstreifen des Flusses sich hinziehen, hat aber nicht immer Gele- genheit, ihn so deutlich wahrzunehmen, wie ich während meiner An- wesenheit, weil er nur selten so viel Wasser enthält, als diesmal. Wendet man den Blick nach Norden, so bemerkt man als dritten Gebirgszug die kleine Nebenkette, Sierra de S. Lorenzo, über deren Endausläufer die Strafse von Tucuman in die Stadt führt; sie kommt aus Nordwest von den dahinter liegenden Bergen und verdeckt völlig die andere, ähnliche, nordöstliche Kette, über welche die Stralse von Palo Labran nach Piedra blanca geht, welche ich gekommen war, Hinter dieser dritten Kette läuft der Flufs des Thales, der oberhalb Catamarca noch Rio de las Chacras genannt wird; erst unterhalb seiner Vereinigung mit dem kleineren, östlichen Rio de $. Antonio führt er den Namen Rio de Catamarca. Westlich ‘von diesem dritten und kleinsten Gebirgskamme streichen zwei andere, welche sich ganz ähnlich zu einander verhalten, wie die _ zuerst genannten östlichen Kämme der Sierra de Ancaste, aber einzeln _ höher sind, wenigstens so sich ausnehmen. Der vordere, welcher von allen zunächst der Stadt läuft, ist die Sierra de Ambato, ein hohes, steiles, buschig bewaldetes Gebirge mit zackigem Kamm, das in ziem- lich gleichbleibender Richtung von Norden nach Süden sich hinzieht und in einer Entfernung von 35 Leguas von der Stadt endet. Von diesem Gebirge kommt in der Nähe der Stadt das kleine, Arroyo de Tala genannte Bächlein, welches das neu angelegte Wasserbecken speist und die Stadt selbst mit Trinkwasser versorgt; sein Bett unter- halb des Bassins ist gegenwärtig ganz leer und eben jener Arroyo seco, durch den man reitet, ehe man die Stadt betritt. Die so eben als dritter Gebirgszug des Thales beschriebene Sierra de $. Lorenzo trennt das Thal’ des Baches, in dem die schöne, den Franziskanern gehörige Estan- zia Tala liegt, von dem: Hauptthal des Rio de las Chacras. — Der fünfte, hinterste, kahle Gebirgszug ragt nur mit seinen hohen kegel- förmigen Kammzacken über die Sierra de Ambato hervor, durch sein heller gefärbtes, röthlich graues Gestein sich scharf von ihr unterschei- dend. Aus ‘der Uebereinstimmung des Farbentones sowohl, wie aus der gleichen Streichungsriehtung kann man abnehmen, dafs er das Ende der Sierra de Aconquija sein wird, welches nach Südwest sich fort- setzt und darum bald hinter der Sierra de Ambato sich verliert. Hinter diesem Gebirge befindet sich der grofse Haupttheil der Pro- yinz, worin nach Norden die Stadt Belen, nach Osten der Distriets- ort Pomän liegen, und durch welchen im Süden der Weg nach Co- pacavana führt, den ich gemacht habe und später ausführlicher Er 260 H. Burmeister: schildern werde. Eben daran stöfst auch die durch ihre hohe Cultur ausgezeichnete Seitenmulde von Fuerte de Andalgalä, jenseits des Thales von Catamarca im Norden. Fuerte ist von Catamarca 40 Le- guas entfernt, Belen 70 Leguas; Pomän 40 Leguas von Belen, Co- pacavana 25 Leguas von Belen und Belen 30 Leguas von Andal- galä; — alle diese Orte liegen an den Rändern der grofsen Mulde in- mitten der Provinz, neben kleinen Flüssen, welche, von den benach- barten Bergen kommend, der Mitte der Mulde zufliefsen, aber ehe sie diese erreichen im Sande sich verlieren; die Mitte selbst bildet eine wasserlose Wüste, die man nur schnell durchreiten, aber in der man weder leben noch sich aufhalten kann. Die Stadt S. Fernando de Catamarca'') liegt auf einer nach Östen geneigten Ebene am rechten Ufer des nach ihr benannten Flus- ses, aber nicht unmittelbar am Flusse, sondern mindestens eine Stunde davon entfernt. Ihr Boden besteht aus einem gleichmäfsig ‘ebenen Schuttlande, dessen Hauptbestandtheile grofse Gerölle vom Umfange eines Gänseeies bis zu der einer Melone sind, die dicht gedrängt an einander liegen und mittelst einer dünnen Thonschicht zusammenge- halten werden. Aus diesen Geröllen baut man die Häuser, wenigstens deren Fundamente, und fängt jetzt auch an, die Stralsen damit zu pflastern, welche gegenwärtig nur an den Häusern ein gepflastertes, meist sehr unbequemes Trottoir besitzen, obgleich man überall und kaum 1 Fufs unter der Oberfläche das Material hervorholen könnte, was zum Pflaster tauglich ist. Mitten auf dem Markte war zur Zeit meiner Anwesenheit eine grofse Grube von 8 bis 10 Fufs Tiefe, aus der beständig Rollsteine zu der 50 Schritt davon im Bau begriffenen neuen Kirche hervorgeholt wurden. Allerdings verdiente die Stadt ein neues Gotteshaus, denn das alte, einer Scheune ähnliche war zu schlecht für diesen Namen. Ueberhaupt ist der Totaleindruck von Catamarca eben so unbedeutend, wie sein Umfang; ich schätze den letzteren auf 8— 9 Quadras Ausdehnung von Norden nach Süden und 5—6 Qua- dras von Westen nach Osten; die Zahl der Einwohner wird 6000 wohl nicht überschreiten, denn ich sah stets nur sehr wenige Menschen auf den Strafsen. Mitten in der Stadt liegt die mit einem hohen Obelisk gezierte Plaza, dessen Verhältnisse nicht eben schön waren; das obere Ende schien neuer zu sein, denn es fehlte ihm der Abputz. Andere be- 1) Die geographische Lage von Catamarca ist noch nicht sicher ermittelt; bis- her setzte man es nördlich vom 28° S. Br., aber die neuesten Untersuchungen der Abstände von den benachbarten Städten machen seine Lage südlich vom 28° S. Br. wahrscheinlicher. Die Erhebung seines Bodens über den Meeresspiegel beträgt gegen 3000 Fuls, ee en 7, 0 2 de nn 2 ah Wa Ser Di Reise durch einige: nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 261 merkenswerthe Decorationen hat die Plaza nicht; die Häuser umher sind sämmtlich einfach, mit Ausschlufs des neuen, noch in der Vollen- dung begriffenen Gubernial-Gebäudes (Cabildo), das jeder europäischen Stadt zur Zierde gereicht haben würde. Es war im römischen Styl gebaut und in der untern Etage mit Pilastern geziert, von denen die beiden zunächst dem Haupteingange die Form halbrunder Säulen hat- ten, der einzige Mifsgriff in der Architektur, weleher mir auffiel. Da es die nordwestliche Ecke der Plaza einnimmt, so erstreckt es sich auch in die nach Westen vom Markte ausgehende Strafse hinein und hatte hier eine noch richtiger construirte, sehr gute Facade. Bei der hohen Lage des Ortes sieht man das imponirende Gebäude schon von Wei- tem, da es mit seinem Alto oder ersten Stockwerk hoch über die be- nachbarten Häuser ohne Stockwerk emporragt. Daneben steht in der Mitte der Westseite, etwas zurückgestellt, die alte Matriz, und um die- selbe baute man die neue, wenigstens deren Front und eine (nördliche) Seite; bis diese vollendet sind, bleibt die alte stehen. Der Bau wurde mit Sorgfalt und Solidität geführt, aber der Styl schien mir, so weit er sich aus der noch ganz rohen Anlage erkennen liels, weder ein ele- ganter noch geschmackvoller zu sein; ich vermilste Strebepfeiler und Gesimse, die beide einer Kirche nicht fehlen dürfen. Später wollte man ein elegantes Säulenportal hinzufügen. — In der alten Matriz be- findet sich die im Lande weit berühmte Statue der N. Senora de Cata- marca, das kaum 14 Fufs hohe, mit reichen Kleiderstoffen geschmückte Bild der Jungfrau Maria, welches oben im Altar in einem meist ver- hängten Glaskästchen aufbewahrt wird. Da man mir gesagt hatte, die Statuette stamme aus heidnischer Zeit und sei ursprünglich ein India- ner-Idol gewesen, so stieg ich auf einer Leiter bis zu ihrem Behältnifs empor, die Figur mir genau betrachtend, fand aber darin nicht das, was ich suchte, sondern eine gewöhnliche hölzerne Puppe, deren euro- päischer Ursprung mir nicht zweifelhaft zu sein schien. Irgend wel- chen künstlerischen Werth hatte sie nicht. Neben der Matriz und dem Cabildo waren noch zwei elegante Häuser im Bau begriffen und ihrer Vollendung nahe, beide solide aus gebrannten Ziegeln gebaut und mehrere Stock hoch; aber ähnlich wie jene voller architektonischer Mifsgriffe, unten mit Rundbogenfenstern, in der Mitte mit viereckigen und oben am Mirador sogar mit arabi- schen oder gothischen Bogenfenstern. Hier hatte ich also ein völliges Gegenstück zu dem in gleicher Weise gegliederten Kirchthurm der Do- minikaner in Cordova. Das ist ein sehr gewöhnlicher Fehler argenti- nischer Neubauten: man rührt alle Baustyle durch einander und glaubt damit das Schöne eines jeden sicher getroffen zu haben; Reinheit des 262 H. Burmeister: Styls und edle Kunstformen sieht man nur an den alten Bauten aus spanischer Zeit, die entschieden mehr Werth haben, als alle modernen der Gegenwart oder Neuzeit. Zu den werthvollen und höchst verdienstlichen Bauwerken in Cata- marca gehört übrigens die Anlage eines grolsen Bassins an der West- seite der Stadt, um dieselbe mit Trinkwasser zu versorgen und ihr einen angenehmen Spaziergang zu bereiten. Ein solider Bau schützt den grofsen Wasserbehälter nach allen Seiten und bildet eine breite Promenade, welche dermalen noch unvollendet war, aber im: Herbst mit Orangenbäumen bepflanzt werden sollte. Mitten im Bassin ‚stand ein eleganter Tempel, wo die Militär- Musikbande ihren Sitz nahm ‚und die Lustwandelnden durch allerlei Musikstücke unterhielt, — Catamarca erfreut sich dermalen einer sehr guten Verwaltung; der gegenwärtige Gouverneur ist ein wohlhabender gebildeter Kaufmann, Namens Mo- lina, der unausgesetzt sich bemüht, das Wohl seiner Vaterstadt zu fördern und sie durch werthvolle Anlagen zu bereichern. Catamarca hat auch eine gelehrte Schule, des Collegio eclesiastico, deren Stifter und Rector der Onkel des Gouverneurs war. Ich traf den alten, allgemein verehrten Herren krank an; er starb auch, einige Tage nach meiner Ankunft, zum allgemeinen Leidwesen der Bevölker- ung. Die Anstalt befindet sich in einem klösterlichen Gebäude, eine Quadra von der Plaza nach Süden. Aufserdem besitzt Catamarca zwei wirkliche Klöster, ein männliches und ein weibliches. Das erstere, der Convento de S. Franeisco, zeichnet sich im Aeulsern durch rühmliche Eleganz aus und schien mir sehr gut unterhalten zu werden, nament- lich ist der Thurm der Kirche mit seiner zierlichen Kuppel hübsch. Es waren 16 Mönche darin, fastdie gröfste Anzahl unter allen argentinischen Klöstern, so viele ich deren auch kennen gelernt habe.') Das Nonnen- kloster, Monasterio de Carmelitas, ist seiner äufsern Erscheinung; nach viel unbedeutender; es enthält 14 Schwestern, die sich mit der.Er- ziehung junger Mädchen beschäftigen. Wegen dieser allgemein geistlichen Unterweisung steht die Be- völkerung Catamarca’s im Rufe grolser Bigotterie, namentlich das weib- liche Geschlecht; man sieht Frauen und Mädchen der bessern Familien selten auf der Strafse, höchstens vor ihren Hausthüren gegen Abend, wo sie sich niederlassen, um frische Luft zu schöpfen. Das Innere der Stadt ist ziemlich unbedeutend, die Häuser sind einfach gebaut, fast durchgehends ohne Stockwerk, aber die meisten mit einem Orangenwäldchen auf dem Hofe versehen, dessen Bäume die Häuser aus der Ferne unsichtbar machen. Die Stadt erscheint darum gleich einer grünen Oase in der Wüste, denn die Umgegend be- !) Nur das schöne Franeiscaner-Kloster S. Lorenzo bei Rosario hat mehr, nämlich 25. EEE LEE ZERLEGEN LET ENT Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 263 steht nach ‚allen Seiten aus ödem, mit Geröll bestreutem Sandboden, der eine spärliche Buschvegetation trägt oder ganz kahl bleibt. An- genehme. Belustigungsorte oder gesellige Vereine fehlen, ja nicht ein- mal ein anständiger Gasthof ist da; der Verkehr der Fremden be- sehränkt sich auf Handwerker, die in elenden Kneipen, von Italienern gehalten, ein Unterkommen finden. Ich habe zwei Locale der Art ge- sehen, beide so wenig einladend, dals ich sie nicht betreten mochte. Auch der in den meisten argentinischen Städten reich zur Schau ge- stellte merkantile Verkehr schien mir in Catamarca nicht grols zu sein; die. Verkaufslokale (Tiendas) waren unbedeutend und keinesweges elegant. Die Toilette der Damen nimmt hier noch mit mälsigem Putz vor- lieb;ich sah grölstentheils nur weilse Kleider, keine seidenen und, was mir besönders auffiel, keine Reifröcke, die namentlich in Tucuman ganz enorme Dimensionen angenommen hatten. Die Hauptunterhal- tung gewährt das Landleben: man reitet auf die Quinten in der Nach- barsehaft, namentlich nach Las Chacras, wobei die Damen in palsen- dem Reitcostüm nicht fehlen. Das geistige Leben wird durch eine zwei- mal wöchentlich erscheinende Zeitung: El Ambato, repräsentirt, die das Publieum von dem, was in der Welt passirt, zu unterrichten strebt. Von Catamareca gehen in die benachbarten Gegenden vier Haupt- stralsen aus. Die erste ist die grolse Stralse nach Tueuman, welche ich gekommen war und deshalb hier nicht weiter berühre; ihre Haupt- richtung läuft nach Nordost und die Entfernung bis Tucuman beträgt 60 Leguas. Die zweite Hauptstrafse geht grade nach. Norden über Fuerte de Andalgalä nach Sta Maria und von da durch die Provinz von Salta nach Bolivien. Sie verläfst die Stadt in derselben Richtung, und fällt bis Piedra Blanca mit der von Tucuman kommenden zu- sammen, geht dann am Rio de las Chacras aufwärts bis Singuil, 22 Leguas von Catamarca , wo sie das Campo de Pucarä besteigt, eine. sterile Hochfläche, welche durch das Zusammentreten der Sierra de Aconquija, del Alto und de Ambato gebildet wird. Innerhalb die- ser wilden Gebirgsgegend bleibt sie eine ganze Tagereise und windet sich"dann über die Cuesta des Aconquija nach Fuerte de Andalgala hinab auf einem sehr steilen und beschwerlichen Pfade. Die Gegend von Fuerte ist gut angebaut und gilt für die fruchtbarste der Provinz; herrliche Waldungen, denen von Tucuman ähnlich, sollen die Falda des Gebirges zieren und ‚der Umgebung des Fuerte etwas sehr lieb- liehes geben. Durch die Cultur der Baumwolle und des Zuckerrohrs steht sie allen anderen Distrieten der Provinz voran. Aufserdem be- finden sich in der Nähe von Fuerte bei Las Capillitas reiche Kupferminen, welche gegenwärtig dem Hause Samuel Lafone in Montevideo gehören und für dessen Rechnung bebaut werden. Das 264 H. Burmeister: gewonnene Erz wird aber nicht hier ausgeschmolzen, sondern in Sta. Maria, welches 35 Leguas nördlich von den Erzgruben, an der an- dern Seite eines zweiten Gebirgszuges liegt, mit dem von Andalgala ein ödes Kesselthal, das Campo del Arenal umschliefsend, durch dessen unfruchtbare steinige Wüste der sehr beschwerliche Weg hin- durchführt. Die Gegend von Sta Maria selbst ist öde und baumlos, ein ächter Bergwerks-Distriet, der lediglich durch die daselbst befind- lichen Schmelzöfen Leben und Thätigkeit erhält. Ich hatte Gelegen- heit, mehrere dort ansälsige Beamte des Bergwesens kennen zu lernen, die alle den Aufenthalt in Sta Maria als einen sehr traurigen schilder- ten. Man lebt fast ganz isolirt und mufs, um gebildete Menschen zu sehen oder mit ihnen zu verkehren, nach Tucuman reisen, das näher ist, als Catamarca. Auf dem Wege dahin berührt man, wie früher angegeben worden, das fruchtbare Bergthal von Tafi, welches zu Tucuman gehört. Die dritte Hauptstrafse geht von Catamarca nach Süden, sie bleibt auf der rechten westlichen Seite des Flufses und theilt sich später in mehrere Zweige; der südlich fortlaufende führt nach La Rioja, der andere in die westlichen Gegenden der Provinz nach den Cordilleren- Päfsen und darüber nach Chile. Ich verfolgte diesen Zweig der Strafse bis an den StillenOcean und werde darüber gleich ausführlicher berichten. Die vierte Hauptstrafse endlich läuft nach Südosten, überschreitet den Flufs Catamarca’s, zieht sich am Fufse der Sierra de Ancaste fort, bis sie das Ende derselben erreicht hat, durchschneidet die 40 Leg. lange Salzsteppe in gleicher Richtung, umgeht die Sierra de Cordova von Norden her und verbindet sich später mit der Stralse, die von Cordova nach Santiago del Estero führt. Sie allein ist in ihrer ganzen Ausdehnung fahrbar; man durchreist die 117 Leguas lange Strecke von Cordova nach Catamarca mit der Diligenee in 6 bis 7 Tagen. Folgendes sind die im Almanaque nacional argentino für 1855 und 1856 angegebenen, durch einige persönliche Mittheilungen ergänzten Distanzen beider nicht von mir bereisten Wege, -nach den Ortschaften, wo Postpferde gehalten und geliefert worden. I. Stra[se von Catamarca nach Sta. Maria (81) und Salta. (154 Leguas.) Die Strafse zerfällt in 4 Abschnitte: 1) Von Catamarca nach Fuerte de Andalgalä 40 Leguas. Man komnit durch Piedra Blanca 4 Leguas, Pomancillo 4 Leguas, La Puerta 3 Leguas, Colpes 4 Leguas, Pucarillo 2 Leguas, Sin- guil Leguas. Hier beginnt der Gebirgsweg durch das Campo de Pu- carä bis zur Cuesta 12 Leguas und von da hinab nach Fuerte 5 Leg. 2) Von Fuerte de Andalgalä nach Sta. Maria 41 Leguas. Zu- erst 3 Leguas vom Fuerte die Hochöfen (Ingenio de Malbrom), dann Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata - Staaten. 265 7 Leguas nach den Minen von Las Capillitas, hierauf das wüste Campo del Arenal, das man in einem Tage bis zum Thal von Sta. Maria nach Punta de Balastros (13 Leguas) durchreiten muls. Von da nach San. Jose 9 Leguas und Sta. Maria 4 Leguas. 3) Von Sta. Maria nach San Carlos 28 Leguas. Unterhalb Sta. Maria 3 Leguas die Schmelzöfen von Sta. Maria, und 2 Leguas weiter die Grenze der Provinz Catamarca. Die Stralse tritt in den nordwestlichen Zipfel der Provinz Tucuman und kommt nach Ba- nado de Quilmes 4 Leguas von der Grenze, Cololao 4 Leguas, und noch 2 Leguas bis zur Nordgrenze Tucumans; hierauf die grofse Estanzia Tolombon 4 Leguas. Von da nach Cafayate 3 Leguas und San Carlos 6 Leguas. In San Oarlos theilt sich der Weg in zwei Arme, der westliche geht durch Molinos (20 Leguas) nach Ata- cama und Bolivien, der östliche nach Salta. 4) Von San Carlos nach Salta, 45 Leguas. Von San Car- los nach Chacras 2 Leguas, von da nach Amblacillo 12 Leguas, weiter nach Boca de la Quebrada del Tunal 4 Leguas, Am- pacachi 4 Leguas, Puerta de Diaz 6 Leguas, Chiecoama 6 Leguas, Cerrillos 6 Leguas, Salta 4 Leguas. U. Stralse von Catamarca nach Cordova. 117 Leguas. Von Catamarca nach Barreal 6 Leguas, von da nach Chi- quiguasi D Leguas; der Weg führt durch Culturboden, welcher sein Wasser aus dem Rio de Catamarca bezieht. Von hier nach Raigo- nes 6 Leguas durch Weideland; eine Legua hinter Raigones passirt man den Rio del Valle de Ancaste, der in der Regel hier ganz trocken zu sein pflegt; 9 Leguas weiter liegt die Post Las Animas. Daselbst befindet sich ein 36 Varas tiefer Brunnen. Die Gegend hinter Las Animas ist schon ziemlich öde, man begegnet einigen Gebüschen und Wasserlachen, die aber nur in guten Regenjahren Wasser enthalten. Dann folgt 8 Leguas entfernt die Station Don Diego, sie liegt be- reits in der Salzsteppe, der Brunnen von 14 Varas Tiefe liefert salziges ‘Wasser, doch befindet sich 2 Leguas nach Norden in einer Schlucht des Gebirges noch eine gute Quelle. Die nächste Station ist 8 Leguas ent- fernt und heifst El Valde, daselbst finden sich Brunnen von 16—18 Varas Tiefe mit salzigem Wasser, aber keinerlei Culturboden; zer- streutes Gebüsch seht umher. Von hier bis Rodeo de Sta. Bar- bara sind wieder 6 Leguas, das Terrain bleibt dasselbe; 3 Leguas im Norden von Sta Barbara endet die Sierra de Ancaste und mit dieser Station schliefst auch das Gebiet der Provinz von Catamarca. Die nächste Ansiedelung, Las Toscas, liegt 1% Leguas davon; man trifft auf dem Wege dahin noch einen Brunnen von 34—36 Varas Tiefe, nebst ein Paar Wasserlachen abseits des Weges, die nur schwach salziges 266 H. Burmeister: Wasser enthalten, aber wenigen Leuten bekannt sind. Auf halbem Wege kommt man durch dichtes Gebüsch mit offenem Felde abwech- selnd; dahinter beginnen die grolsen Salzlachen, 2—D Varas tief und gegen 9 Leguas breit. In Las Toseas selbst ist ein Brunnen von 50 Varas Tiefe. Die Strafse von da nach Sauce Chiquito geht am Rande der Salzsteppe fort und hat zur Rechten, nach Süden, die Aus- läufer der Sierra de Cordova neben sich; je weiter nach Osten, um so höher werden sie. Sauce liegt 10 Leguas von Las Toscas entfernt und das Gebiet ist eben so öde, wie das vorige. Hinter Sauce fängt der Boden an besser, aber auch unebener zu werden, man überschreitet einen niedrigen Ast der Sierra de Cordova und gelangt nach Los Algarrobos, 4 Leguas von Sauce, wo mehrere künstliche Brunnen von 6—7 Varas Tiefe mit gutem Wasser sich befinden. Die: nächste Station heilst Los Pozos, 2 Leguas weit davon; eine Legua vor Los Pozos, bei der Cienega de Mancha, mündet die Strafse in den nach Sant- iago del Estero und Tucuman führenden Hauptweg ein; die ersteStation daran ist das 4 Leguas entfernte Dorf Divisaderos, darauf folgt nach 7 Leguas Abstand Las Talas, weiter die Posten Alto grande 2 Leguas, Barranca Yaco 3Leguas, Sinsacate 3 Leguas, Jesus Maria 1 Leguas, Caroya 2 Leguas, Rio Carnero 2 Leguas, Alto de Guerra 5 Leguas, Bajo de Reina 5 Leguas, Paso del Rio 1 Legua, Cordova z Legua. Da ich diese letze Strecke des Weges, so weit sie der Strafse nach Tucuman angehört, selbst gefahren bin, so nenne ich blofs die Ortschaften und verweise hinsichtlich des Ter- rains auf die seiner Zeit gegebene Schilderung dieses Theils meiner Reise. Ich blieb 8 Tage in Catamarca, vom 2. bis 9. Februar. Während dieser ganzen Zeit war der Himmel klar und heiter bis nach 1 Uhr; alsdann pflegte Gewölk von der Sierra de Ambato heraufzuziehen und die Sonne zu bedecken, aber zur Entladung der Wolken durch -Ge- witter und Regen kam es nicht. Man sagte mir, dafs nur die aus Süden kommenden, dunkelen Wolken Regen mitbrächten, dafs der- selbe aber nie häufig oder gar anhaltend falle. Indessen war das ver- flossene Frühjahr auch hier, wie in Tucuman und den sämmtlichen argentinischen Provinzen, ausnehmend trocken gewesen und hatte wegen des sehr verspäteten frischen Graswuchses dem Viehstande grolsen Schaden gethan; mehr als ein Drittel der Heerden war durch Hun- ger und Entkräftung zu Grunde gegangen. Manche Eigenthümer- hat- ten über die Hälfte, einige sogar ihren ganzen Viehstand verloren. Auch war es während der bezeichneten 8 Tage sehr heifs und die Luft stets drückend; das Thermometer stand schon um 6 Uhr Morgens 20°, stieg bis 10 Uhr auf 28° und erhob sich über Mittag auf 30° im Schatten des Hofes; bis nach 3 Uhr behielt es diesen höchsten Stand a = Y 27 A ee Ee Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 267 bei, dann fing es an zu sinken, und fiel bis 10 Uhr nicht unter 22°, Fortwährend wehete Nordwind, aber nur mäfsig. Nach 8 Tagen ge- lang es endlich durch Vermittelung meines freundlichen und gefälligen Wirthes, des Herrn Polizeichefs Castro, einen Arriero aufzutreiben, der mich und meine Bagage für 45 Pesos nach Copacavana bringen wollte; ich schlofs mit ihm ab und trat den 10. Februar die Weiter- reise an. “Eine Reise von Catamarca nach Copacavana ist entschieden be- schwerlicher, als die Tour von Tucuman hierher; man reist durch schwach bevölkerte Gegenden und hat wenig Aussicht, am. Wege Nahrungsmittel zu finden; man rieth mir darum allgemein, mich ‚mit dem nöthigen Mundvorrath zu verschen. Da ich indessen mit dem Arriero übereingekommen war, dafs er sich und seine Leute selbst beköstigen müsse, so lehnte ich es ab, etwas anderes als Thee, Zucker, Reis, das Stärkemehl der Mandioca, und Wein mitzunehmen, weil ich, des schlecht gekochten oder gebratenen Fleisches schon längst überdrüfsig, keine andere als diese Nahrungsmittel, nebst etwas Brod, für mich selbst nöthig habe. Leicht wurde die erforderliche Quantität gefunden, nur der Wein nicht, weil in ganz Catamarca kein guter trinkbarer zu haben war. Ich hatte schon während der 8 Tage mei- ner Anwesenheit den Mangel meines trefflichen Cafayate-Weines so recht drückend empfunden; ich trank Thee oder Zuckerwasser; aber für die anstrengende Reise suchte ich nach einer Stärkung, die leider in dem sauren, verdorbnen Wein, oder in dem süfslichen gekochten Traubenmost nicht zu finden war; ich mufste mich endlich mit einer Sorte, der besten welche ich auffand, begnügen, die entschieden dem Seeburger Landwein aus deriNähe von Halle nachstand und dabei so trübe ‚war, dafs die paar Flaschen, welehe ich kaufte, zuvor durch Ei- weils gereinigt werden mulsten, was zu meiner Freude ziemlich gut gelang. Die Weinbereitung ist in den meisten Gegenden noch sehr zurück, man hat die schönsten Trauben, aber man liefert ein für mich fast ungenielsbares Getränk, weil man keine ordentlichen Gefälse da- zu hat und schlecht mit dem Material umgeht. In gemauerten Be- hältern ausgeprefst und in grofsen irdenen Krügen aufbewahrt, wird der Wein bald sauer, theils wegen der Unreinlichkeiten, die in ihm schweben, theils wegen des Luftzutrittes in die schlecht verdeck- ten Krüge;i man erhält mit jedem Glas Wein auch eine Quantität Eifsigsäure oder Efsigäther, welche wenigstens meinem Magen durch- aus nicht bekommen wollten. Etwas besser ist der. stets sehr süfse gekochte Most, aber der mundete mir durchaus nicht; ich zog den ungekochten, wenn nicht allzusauren Wein vor. Aber ein Getränk, wie der schöne Cafayater, trifft man überall nicht wieder; erst in 268 H. Burmeister: Chile konnte ich den einheimischen Wein mit ziemlichem Behagen trinken. Den 10. Februar. Nach mancherlei Zurüstungen und vergeb- lichem Hoffen auf den schon seit 2 Tagen erwarteten Führer kam ich endlich um 2 Uhr Nachmittags auf den Weg; der Himmel hatte sich wieder mit Gewölk bezogen, so dafs die Hitze eben nicht sehr be- schwerlich wurde. Wir ritten vom Hause des Herrn Castro, das an der südwestlichen Ecke des Marktplatzes lag, die Strafse grade nach Süden zur Stadt hinaus und kamen unmittelbar hinter den letzten Häusern auf eine öde, von Geröllen überschüttete, mit niedrigem Ge- büsch bestandene Flur, zwischen dem hie und da einige hohe Arm- leuchter-Cactus hervorragten. Beide Sierras begleiteten unsern Pfad, die von Ambato zur Rechten, die von Ancaste zur Linken, jenseits des Flufses, dessen Windungen wir stellenweis wahrnahmen. Nach einiger Zeit wurde der Boden lockerer loser Sand, aber die Vegetation nahm nichts destoweniger zu; das Gebüsch wurde höher und statt der Caec- tus standen hohe Quebrachos darin umher. Hatte mich jene Strecke des Weges lebhaft an die Schuttfläche zwischen Mendoza und Challao erin- nert, so stimmtediese dagegen völlig mit den ganz ähnlichen Umgebungen von Santiago del Estero überein. Im Wege liefen fortwährend viele Ateu- chiden, eigenthümliche schwarze Mistkäfer, etwas kleiner als unser Rofskä- fer (Scarabaeus stercorarius), die einer noch wenig bekannten Gattung Glyphoderus angehörten, welche sich durch die hornartigen Decorationen beim Männchen von allen Familienverwandten unterscheidet. Ich hatte diesen für mich höchst merkwürdigen Käfer schon vor 2 Jahren auf der Strafse nach Mendoza bei Medano de Gauno gefangen und ihn seit dem Uebergange über die Cuesta, namentlich in den Umgebungen von Piedra blanca, mehrmals gesammelt, aber so häufig wie hier und wei- terhin bis an die Schlucht durch die Sierra de Ambato war er mir noch nicht vorgekommen. Mit dem Fang dieser Käfer von Zeit zu Zeit beschäftigt, kamen wir in 2 Stunden nach dem 3 Leguas von Catamarca entfernten Kirchdorf Coneta, durch welches wir ohne Ver- zug hindurchgingen, um unser Nachtlager in dem eine Legua weiteren Orte Miraflores zu nehmen. Die Strafse dahin änderte ihren Cha- rakter nicht, wir blieben im hohen waldartigen Gebüsch, und gelang- ten am Bestimmungsorte auf eine offene, mit zerstreuten Algarroben- Bäumen bestandene Stelle, worauf einige Häuser umherlagen. Gleich beim ersten stiegen wir ab und erhielten ein offnes Strauchdach zur Seite des Zaunes zum Nachtlager angewiesen. Ich liefs mich darin nieder, hatte aber bald Ursache, meine Wahl zu bereuen; denn als es dunkelte, kamen aus den Löchern der nahen Erdmauer zahlreiche Mäuse hervor, welche mich die ganze Nacht hindurch im Schlafe stör- Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. 269 ten, indem sie sich unter den an die Wand gelehnten Kopfkifsen mei- nes Bettes verkrochen und beim Aus- und Einschlüpfen mir Erde in’s Gesicht schleuderten. Seitdem wählte ich, nach Landesgebrauch, mein Nachtlager ganz im Freien. Den 11. Februar, Ich erhob mich vom Lager, sobald der Tag graute, um dieser lästigen Gesellschaft enthoben zu sein, und be- trachtete, während die Thiere angeschirrt wurden, meine Umgebung; man hatte soeben einen Ochsen geschlachtet, Alles stand um das im Zerlegen begriffene Vieh herum, ein Stück Fleisch zu erhaschen; Kin- der und Erwachsene trugen die abgeschnittenen Theile ins Haus und die zahlreichen Hunde lauerten auf den Abfall. Mich interessirten mehr die 4 Fufs hohen mit Strauchwerk bedeckten Kegel, von denen ich mehrere auf dem Dache des Hauses stehen sah und die ich früher schon in Las Chacras angetroffen hatte. Auf meine Frage, was sie zu bedeuten hätten, erfuhr ich, dafs man darin die gesammelten Früchte der Algarroba aufbewahre, um sie gelegentlich zum Gebrauch herunter zu holen. Die Algarroba (Prosopis Siliquastrum) ist, wie ich bereits erwähnte, ein in diesem Lande überall vorkommender, bis nach Chile verbreiteter Baum aus der Gruppe der Leguminosen, den ächten Aca- cien verwandt, mit fingerslangen, knotigen Hülsenfrüchten, deren Inneres, zwischen den Samen und der Hülse, mit einem zuckerhaltigen Mark ausgefüllt ist. Dieses Mark giebt eine beliebte Nahrung ab, noch mehr aber steht das daraus bereitete Getränk, Aloja, in Ansehn, das theils frisch niit Quell-Wasser zubereitet und süls getrunken, theils nachdem es gegohren hat, als ein berauschendes, dem Berliner Weils- bier nicht unähnliches, säuerliches Getränk verabreicht wird. In letz- terer Form ist es, gut zubereitet, allerdings sehr wohlschmeckend und angeblich auch höchst gesund, namentlich empfiehlt man es als beste Arzenei bei langwierigen Gonorrhöen, wie sie hier zu Lande sehr all- gemein sind. Für mich fand ich es nicht zuträglich, indem es sowohl in der einen, als auch in der anderen Form, schnell Diarrhoe bei mir hervorbrachte; daher ich es nur selten genossen habe. Wir traten unsern Weg schon um 5 Uhr an, nachdem ich mich mit einer Tasse Tapioca-Schleim erfrischt hatte, und ritten geraume Zeit durch eine öde, sandige Gegend, die mit Geröllen überschüttet und mit niedrigem Gebüsch bekleidet war, woraus hie und da einige Quebrachos, Algarroben-Bäume und ein anderer eigenthümlicher Baum der Leguminosen-Familie hervorragte, welcher sich durch eine lebhaft grüne, stets glatte und frische Rinde auszeichnete. In solcher Um- gebung kamen wir gegen 8 Uhr nach dem 5 Leguas von Miraflores entfernten Dorfe Villabima, einem lang ausgedehnten, aus mehreren gut gehaltenen Chacras mit schönen Fruchtgärten und hübscher neuer 270 H. Burmeister: Kirche gezierten Ort, bei dem wir anhielten, um uns durch einige schöne Melonen zu erfrischen. Wir traten in eine solche Chacra ein und fanden eine anscheinend wohlhabende Familie, welche uns 'gern von ihren grolsen Vorräthen ein Paar gute Stücke abliefs. Da ich noch Brod bei mir hatte, so war es ein herrliches Frühstück für mich, zu dem ein Glas des mitgenommenen Weines trefllich mundete. Nach einer halben Stunde setzten wir die Reise fort und erreichten in 3 Le- guas Abstande das ähnliche Dorf Capellän, kleiner und schlechter gehalten als Villabima, mit thurmloser zerfallener Kirche. Die Gegend bis dahin nahm sichtbar an Frische ab, das Gebüsch wurde immer niedriger, die hohen Bäume spärlicher; nur die hohen Caetus blieben und darunter auch dieselbe grofse Art, welche mich beim Eintritt in das Thal von Catamarca angenehm überrascht hatte. Capellan liegt an einem Bach, der von der Sierra de Ambato herabkommt, hat gute Kleefelder (von Luzerne, Alfalfa genannt) und verschiedene schöne Bäume an der Strafse, unter denen wir rasteten, die heilsesten Tages- stunden vorübergehen zu lassen. Dicht an dem Hause, das einen Kaufladen (Venda) enthielt, standen zwei prachtvolle Exemplare; eine Algarroba und ein Pacara, ein sehr schöner Leguminosen-Baum aus der Acaciengruppe, welchen ich bereits in Tucuman als beliebten Schat- tenbaum dicht bei den Wohnungen angepflanzt angetroffen hatte. Er ist höher und gröfser als die Algorroba und hat kürzere breitere Fo- liola, welche an kürzeren Stielen sitzen, die zu 3—5 Paaren vereint des Folium bipinnatum zusammensetzen; die Algarroba dagegen hat längere, schmälere Foliola mit %—3 Blattpaaren am gemeinsamen Blatt- stiel, doch ebenfalls doppeltgefiederte Blätter. Auf diesen beiden Bäu- men sah ich über meinem Kopfe 3 Exemplare eines hübschen Bunt- spechtes, den ich für Picus Cactorum oder P. puncticeps Laf. D’Orb. hielt, aber leider nicht in meine Gewalt bringen konnte; das hübsche Vögelchen, von der Gröfse unseres Picus medius, war mir bisher noch nicht vorgekommen und um so schmerzlicher für mich das Gefühl, es nicht erlangen zu können. Von Capellän bis zum nächsten Orte Chumbicha sind 7 Le- guas. Der Weg behält denselben Charakter in seinen Umgebungen, doch nehmen allmählich die hohen Cactus ab und zuletzt fehlen sie ganz. Man reitet hier beständig durch ziemlich hohe Buschwaldung, worin kräftige Quebrachos zerstreut stehen; die Sierra de Ambato rückt sichtbar näher heran, die von Ancaste immer mehr in die Ferne; hier konnte ich auch ihr Ende deutlich, aber sehr weit von uns nach Südost erkennen. Da ich am Wege mehrere hübsche Käfer fand, z. B. eine schöne Buprestis und den für diese Gegenden bezeichnenden Euplocamus Desmarestü, so wurde ich dadurch länger im Walde auf- u Pr h 4 Ri $ | Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 271 gehalten, als ich vermuthete; die Dämmerung überraschte mich, als ich noch 1 Legua von Chumbicha entfernt war und ich mulste eilen, um meinen zur Einrichtung des Nachtlagers weit vorausgerittenen Be- gleitern wieder nachzukommen. Aber ich fand sie nicht mehr und gelangte erst nach hereingebrochenem Abenddunkel ins Dorf, hier auf ‚ein gutes warmes Abendessen rechnend; — doch nichts davon, ich mufste mich mit Weintrauben, Brod und den zwei letzten Eiern begnügen, welche ich noch von Catamarca mitgebracht hatte. Dann legte ich mich auf offnem Felde zur Ruhe. Den 12. Februar. Schon um.4 Uhr verliefs ich im Mondschein, der die zweite Hälfte der Nacht trefflich erleuchtete, mein Lager, mich zur Abreise, die gegen d Uhr erfolgte, vorbereitend.. Der Weg wen- det sich hinter Chumbicha schnell dem Gebirge zu und tritt in das terrassirte, mit grobem Geröll aller Art bedeckte Schuttland am Fufse der Sierra ein; niedrige Gebüsche von verschiedener Form bedeckten den Boden und erinnerten mich nochmals an die ganz ähnlichen Um- gebungen Mendoza’s, zwischen der Stadt und der Sierra nach Challao hin; selbst die gleichen Pflanzenarten fand ich wieder, unter andern einen Strauch mit kleinen, lebhaft grünen, lederartigen, umgekehrt herzförmigen Blättern, (wohl eine Baccharis) welcher überall an ähnlichen Stellen häufig ist und wegen seines Harzgehaltes so frisch, wie er abgeschnitten wird, mit heller Flamme brennt. Nach 2 Stunden erreiche ich ein Haus mitten im. -Gebüsch auf einer Anhöhe, wo ich mir einen Trunk Wasser er- bitte und dann auf meine Begleiter, die zurückgeblieben waren, warte, um den Weg, der gleich hinter diesem Hause in die enge Schlucht des Gebirges eintritt, nicht zu verfehlen. Da die ganze Gegend um- her mit dichtem Gebüsch bekleidet ist, so hält es schwer, die Rich- tung des Weges zu beurtheilen, doch konnte ich mit Bestimmtheit er- kennen, dafs die Schlucht, in welche wir bald darauf gekommen waren, eine nordwestliche Richtung verfolgte und in vielfachen Schlangen- windungen durch das Gebirge sich hindurch wand... Hohe ziemlich steile, mitunter ganz senkrechte Felsenwände schlossen sie von beiden Seiten ein; eine dichte Baumvegetation wucherte in allen Klüften wie auf allen Abhängen des gneilsartigen Gesteines und ein ganz trocknes Kiesbett bildete den kaum 20—25 Schritt breiten Boden, in dem sich der Weg hinschlängelte. Der Kies war kleinkörnig, sandig, nicht gröber als Erbsen oder Linsen; nur hie und da lagerten grofse herab- gefallne Gesteinstrümmer, von Buschwerk umwuchert, im Wege, dessen Thalneigung entschieden nach Osten ging. Aber Wasser war nirgends in diesem ganzen Theile der Schlucht zu sehen; nur nach heftigem Regen mögen Wasserströme das ebene Bett bedecken und dann nach Osten ihren Lauf nehmen. Unter dem Buschwerk auf den Höhen 272 H. Burmeister: fand ich mehrere mir bereits bekannte Formen wieder; ich sah hohe Cactus in verschiedene Arten, namentlich einen Cereus mit wenigen (5—6) scharfen Kanten, der eine schöne, karminrothe, ganz glatte Frucht von der Gröfse eines starken Enteneies trug. Diese Fruch holte ich mir mehrmals herunter und erlabte mich, von dem drückend-t sten Durste geplagt, an ihrem wohlschmeckenden, aber doch nicht so sülsen Marke, wie das der zu Zäunen angepflanzten breitblättrigen Opuntia Tuna, welche ich früher auf dem Wege von Tucuman her ge- nossen hatte; ich war nicht wenig erstaunt, nach einigen Stunden mei- nen Urin davon blutroth gefärbt zu sehen. Hinter diesem schönen Cactus, der neben den rothen Früchten noch mit grolsen, weilsen Blumen geschmückt war, und blofs im untersten Theile der Schlucht vorkam, sah ich auch den früher in der Schlucht von Palo Labran gefundenen Tonnenbaum wieder, aber die Exemplare waren hier nicht so stattlich, wie dort. Andere feinblättrige Sträucher, zum Theil von Pro- teaceen Habitus, standen umher und gaben meiner Umgebung ein ele- gantes, frisches und wohlerhaltenes Ansehn; die Strecke des Weges durch diese Schlucht war für mich die schönste und merkwürdigste der ganzen Reise nach Copacavana. Nur die Hitze, unterhalten durch den ruhigen, von keinem Windeshauch unterbrochnen Stand der heis- sen Luftschicht in der Tiefe des engen Felsenthales, quälte mich sehr; umsonst sah ich mich nach einer labenden Frucht um, auch kein Schluck Wassers konnte mich erfrischen, denn meine Begleiter waren wieder weit hinter mir zurückgeblieben, weil die Aufrechterhaltung des Gleich- gewichtes in der Ladung der Saumthiere von Zeit zu Zeit Nachhülfe erforderte und dadurch Verzug machte, der mir ebenso lästig war, wie die inhaltslose Conversation mit den beiden Leuten meiner Bedienung; ich ritt am liebsten allein und gewöhnlich meist vorauf, um an be- liebiger Stelle rasten und auf meinen Nachtrab wartend ausruhen zu können. Nach längerem Verzug kommen wir, inzwischen wieder ver- eint, an eine weitere Stelle der Schlucht, wo zur Seite eine Quelle rieselte, neben welcher einige Stück Rindvieh standen und uns die Nähe einer Ansiedelung verriethen. Es dauerte auch nicht lange so hielten wir vor einem aus Strauchwerk geflochtenen Hause, worin mehrere Frauen und Kinder sich befanden. Auf unsere Anfrage freundlich empfangen, stellten wir die Thiere in den Schatten eines nahen Algarrobenbaumes und nahmen unter dem Strauchdach neben dem Hause, welches zum Schutz der dort aufgestellten Wasserbehäl- ter errichtet worden war, Platz, nach etwas Nahrung und Erfrischung uns erkundigend. Es war nichts als Käse vorhanden; indessen schlug man uns frische Aloja, mit dem nahen Quellwasser bereitet, zur Stillung unseres Durstes vor, was wir dankbar annahmen. Die Stelle, wo wir a au Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 273 rasteten, wurde von den Leuten Las Talas genannt, die nahe Quelle dagegen Agua Sevadilla; sie ist 9 Leguas von Chumbicha entfernt und das einzige trinkbare Wasser auf mehrere Meilen im Umkreise. Da das Ende der Schlucht, in welcher wir schon 6 Leguas zurückge- legt hatten, noch 4 Leguas entfernt war und erst dort ein Unterkom- men für die Nacht zu hoffen stand, so durften wir unsere Weiterreise nicht zu lange verschieben; allein über die Bereitung der Aloja ver- ging so viel Zeit, dafs wir erst um 4 Uhr dazu kamen. Die Schlucht blieb von hier an etwas breiter, die Seitenwände wurden niedriger, mehr geneigt und der Boden begann stärker zu steigen; so kommen wir nach 3 Stunden, als es schon dunkel geworden war, an ein ein- zelnes Haus ohne Dach, in dem mehrere Weiber und Kinder um ein Feuer salsen und keine grofse Lust zeigten, uns die Nacht in ihrer Nähe zubringen zu lassen; wir ritten also weiter und überschritten einen merklichen Sattel, welcher hier quer vor dem Ende der Schlucht lag und dieselbe von der nun folgenden Ebene jenseits trennte. Hin- ter diesem Sattel folgte bald ein steilabfallendes trocknes Kiesbett, von hohem Gebüsch beschattet, und dort beschlofs ich, weil kein besserer Ortin der Nähe zu hoffen stand, die Nacht zuzubringen; wir sattelten ab, liefsen die Thiere laufen und legten uns zum Schlafen nieder. Den 13. Februar. Als der Morgen dämmerte, erhob ich mich vom Lager und sah nach Südost die steilen Gehänge des Gebirges vor mir, durch das uns die Schlucht hierher geführt hatte; unsere Thiere kletterten darauf herum, nach Nahrung suchend, und die Leute waren bereits mit ihrem Einfange beschäftigt. Ich meines Theils fühlte mich weniger wohl, als die Tage vorher; die Anstrengung der Reise begann ihre Wirkung zu thun, ich hatte offenbar zu wenig und zu schlechte Kost genossen. Indessen bestieg ich voll Vertrauen mein Pferd und ritt in der engen jetzt trockenen Wasser- stralse, worin ich geschlafen hatte, weiter; man sah nichts als dichtes Gebüsch auf den etwa 3 Fufs hohen steilen Ufern derselben und darüber hinausragend die Höhen der Sierra, welche jetzt schon hinter uns lagen. Es dauerte nicht lange und wir verliefsen die Busch- waldung, indem wir auf eine offene mit niedrigem Gebüsch bestandene Haide kamen, welche anfangs stark mit Geröll aller Art überschüttet war und einen steinigen Boden hatte. Hier theilt sich die Strafse in zwei Schenkel, der südliche geht nach der Stadt La Rioja, welche 28 — 30 Leguas von da entfernt ist, der andere steuert grade nach Westen und führt nach Copacavana, dessen Entfernung noch 36 Leguas beträgt. Wir sehen eine ausgedehnte Ebene vor uns, die am Horizonte grade in Westen von einem niedrigen, kahlen, nach Nord wie nach Süd kurz abgebrochenen Gebirgszuge begrenzt wird, durch den eine Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 18 274 H. Burmeister: tiefe Schlucht, offenbar eine Wasserstralse, ziemlich in der Mitte hindurch führt. Ueber ihm ragte ein anderes höheres Gebirge aus weiterer Ferne hervor, und vor ihm breitete sich eine grüne Niederung aus, in der einige Schilfdächer neben grofsen Wasserflächen sich erkennen liefsen. Letztere mochten etwa 2 Luguas von uns entfernt sein. Nach Süden war das Land offen, nach Norden dagegen erhob sich ein anderes kleines Gebirge, das durch seine hellweilse Farbe von dem entgegen- stehenden röthlichen scharf unterschieden werden konnte. Jene Dächer waren das nächste Ziel unserer Reise, eine Ansiedelung am Rande eines weit ausgedehnten Sumpflandes, in welches der von Westen nach Osten durch die Schlucht im Gebirge kommende Rio Anapa sich verliert. Nach ihm oder ihrem Begründer: Angel Maria Lum führte sie den Namen. Die Haide, auf welcher wir uns befanden, neigte sich gegen die Sümpfe des Rio Anapa abwärts und ging später in lockeren Sandboden über. Mit diesem Uebergange nahm auch die Vegetation einen andern Charakter an; statt des düsteren, stacheligen Legumi- nosengebüsches auf dem steinigen Grunde traten hier zartere, lebhafter grün gefärbte Büsche auf. Eine kleine Eidechse (Liosaurus) aus der der Familie der Erdagamen (Humivaya) war hier nicht selten, aber so schnell, dafs der von mir mehrmals aufgeforderte Peon, eine zu greifen, keine in seine Gewalt brachte. Mich interessirte mehr ein schwarzer Mistkäfer, den ich zwar schon kannte (es war eine neue Art Eueranium Dej., Anomiopsis Westw.), aber auf der ganzen Strecke von Tucuman und Catamarca her noch nicht gesehen hatte. Auf dem losen Sandboden schnell dahin laufend und ihre Spur sogar dem Sande einprägend, waren stets einige mit dem Transporte grofser Klumpen Pferdemist beschäftigt, welche sie behufs der Nahrung für ihre Brut in kleine Erdlöcher schleppten; aber nicht wie ihre Stellvertreter in der alten Welt, die ächten Ateuchen (A. sacer, A. semipunctatus, A. morbillosus etc.) rückwärts gehend, den Klumpen zwischen den Hinterbeinen eingeklemmt vor sich her schiebend, sondern vorwärts, ihn zwischen den Kopf und den Vorderbeinen tragend und mit den letzteren festhaltend. Mit solehen Beobachtungen und dem Einfangen einiger Stücke beschäftigt, kommen wir nach 14 Stunde an die ausge- dehnten Sümpfe, welche sich zwischen den Häusern und der Richtung des Weges quer über die Niederung zogen; wir mufsten einen grolsen Umweg um den erweichten, lehmigen Schlammboden machen und sahen dahinter, von weiten Schilfmassen umgeben, ausgedehnte Wasserflächen von tief lehmgelber Farbe. Das waren die Lagunen, in welche ein grolser Flufs sich verlor. Sehr übel gestimmt wegen des erheblichen Umweges, den wir machen mufsten, erreiche ich endlich die Häuser und lagere mich rl A v Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 275 daselbst unter einem riesengrofsen Algarrobenbaum, der schönen Schat- ten verbreitete; ich fühle mich sehr unwohl, und werde, nachdem ich - etwa eine halbe Stunde geruht und etwas Tapiocaschleim zu mir ge- _ nommen habe, von heftiger Kolik geplagt, die sich bald in einigen profusen Diarrhoen Luft machte. Die Aloja that ihre Wirkung, denn ee en nie habe ich ich heftigere Anfälle gehabt als diese; dreimal wieder- holten sie sich in kurzen Pausen und brachten mich so herunter, dafs ich nicht mehr aufrecht stehen konnte. Ich bat, man möge mir ein Huhn ablassen und mit etwas Reis, den ich bei mir führte, zu einer guten Brühe bereiten; das geschah, aber leider so langsam, dafs ich über 2 Stunden darauf warten mulfste. Inzwischen zog von Süden her dickes Gewölk herauf, ein fürchterlicher Sturmwind wirbelte den feinen Staub der Ebene zu undruchdringlichen Wolken empor und bald folgte ihm, unter Blitz und Donner, der Regen. Alles eilte ins Haus und auch ich nahm darin zwischen Weibern und Kindern Platz, über der gemauerten Bank mein Lager ausbreitend. Allein kaum hatte sich - die Sonne unter den Horizont begeben, als auch schon aus den Ecken des Zimmers die grofsen geflügelten Wanzen, Vinchucas (Conorhinus gigas) auf mich losstürzten und mich mit unaufhörlichen Stichen peinigten. Ich mufste flüchten und so krank ich auch war auf dem Hofe eine bessere Schlafstelle suchen; denn der Himmel hatte sich inzwischen wieder zur - Rulie begeben, der Mond schien klar durch die Wolken und eine an- ne pen r genehme laue Luft herrschte, nach dem erquiekenden Regen und der drückenden Gewitterschwüle des vorangegangenen Abends. Aber schlafen konnte ich auch da nicht, denn schon sals eine so grolse Anzahl jener Wanzen in meinem Bettzeug versteckt, dals ich draulsen im Freien ebenso von ihnen zu leiden hatte, wie drinnen. Es war für mich die sehrecklichste Nacht, welche ich im argentinischen Lande erlebt habe. Den 14. Februar. Am Morgen stand mir eine grofse Freude bevor: ich fand, als ich mifsmüthig auf dem Hofe herumging, den zer- tretenen Körper eines Käfers, nach dem ich mich lange gesehnt hatte, der mir aber bis heute noch nicht vorgekommen war, des grofsen Cacicus americanus. Obwohl zertrümmert, also unbrauchbar für die - Sammlung, war er doch für mich von Wichtigkeit, weil er mir einen bestimmten Fundort des Thieres angab. Als ich meine Freude darüber ausdrückte, lachten die Leute und sagten, von dem häfslichen Thiere könne ich gleich ein Dutzend haben. Wohlan, rief ich, bringt sie, hier ist ein Real für den Finder. Kaum hatte ich das gesagt, so stürzten alle Kinder, Buben wie Mägde, ins Haus und kamen in einer halben Minute zurück, die Hände voll vom Cacicus. Das hatte ich nicht er- wartet, ich war augenblicklich gestärkt durch die Freude, zog meine Flasche hervor und packte die Käfer hinein, einen über den anderen, - 18* 276 H. Burmeister: statt des versprochenen Reals zwei unter die Kinder austheilend. Na- türlich war deren Freude ebenso grofs wie die meinige. Der Käfer lebt, ganz wie unsere Blaps mortisaga, in Häusern an dunklen Orten und hält sich bei Tage versteckt, erst in der Nacht seiner Nahrung nach- gehend. Darum sieht man ihn so selten bei Tage und im Freien; nur ein Individuum fand ich später noch, am frühen Morgen auf der Land- stralse laufend; dagegen war er in den Wohnungen dieser Gegend überall eine wohlbekannte, wegen des unangenehmen Geruchs lästige Gesell- schaft. Um 7 Uhr traten wir die Weiterreise an. Die Strafse führte nach Nordwest durch ein flaches Thal zwischen dem beschriebenen nördlichen und westlichen Gebirgszuge hindurch, das lediglich aus einer ganz kahlen Sandfläche, ohne alle Vegetation bestand, neben welcher die beiden Bergmassen kahl und nackt hervorragten. Von der nördlichen überschritten wir einzelne Ausläufer, welche mir Gelegenheit gaben, das Gestein näher kennen zu lernen; es bestand aus rein weilsem Feld- spath worin, schwarze Hornblendekrystalle von der Gröfse mälsiger Schrotkörner ziemlich gleichmälsig vertheilt waren. In dieser trost- losen Umgebung gelangten wir nach einer Stunde an ein Paar ärm- liche Häuser, welche den Namen Agua ealiente führen, und sehen vor denselben nach links und Westen den Boden sich schnell gegen den dort in der Tiefe verlaufenden Flufs hinabsenken. Hohe steile Lehmufer fafsten denselben ein, und sein Wasser war von derselben rothgelben Farbe; man nannte ihn den Rio Eimugasta; er fliefst nach Süden und mündet offenbar in den Rio Anapa, der durch die Schlucht des Gebirges im Westen geht, wenn er nicht gar wie ich vermuthe, ganz derselbe Flufs ist. Man sagte mir, dals er aus der Gegend des von hier nach Norden gelegenen Dorfes Pomän komme. Nachdem wir den Flufs durchritten und somit auf seine westliche Seite gekommen waren, verfolgten wir seinen Lauf eine Strecke aufwärts und gelangten alsbald unter schöne Algarroben-Bäume, zwischen denen einige Häuser von schlechter Bauart zerstreut lagen. Den Namen dieser Ansiedelung erfuhr ich nicht, weil wir keinem Hause nahe ge- nug kamen, um darnach fragen zu können. Wir verliefsen alsbald das einer flachen Mulde ähnliche Flufsbett mit den Algarroben und kommen dahinter auf eine öde Flur, die mit Büschen einer hier sehr häufigen blattlosen Pflanze, bedeckt war, welche ich nicht weiter bezeichnen kann, da ich niemals weder Blumen noch Früchte an ihr wahrnahm, die aber doch eine Leguminose ohne Stacheln, ähnlich unserem Spartium, obgleich viel höher und kräftiger gebaut, und wahrscheinlich eine Adesmia sein dürfte. Dazwischen standen nie- drige Cactus umher, unter andern auch eine mir von Mendoza schon bekannte merkwürdige Art, wegen ihrer länglich ovalen, drehrun- Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. >77 - den, höckerigen Glieder, deren Höcker mit 3 Zoll langen, flachen, 2. trocknen, also grau gefärbten linienförmigen Blättern statt der Stacheln besetzt waren. In dieser öden Strecke passirten wir zwei kleine Bäche mit nordwärts gewendeter Strömung und reiten auf's Neue eine lange Strecke über Haideland, wo viele Eucranien und Nyctelien im Wege krochen. Der Boden war feiner Flugsand, mit zerstreutem Gebüsch bekleidet. Auch ein neuer, schöner Euplocamus fiel mir daselbst in die Hände. Alsbald sahen wir am Horizont vor uns Gebüsch, woraus 7 h > x eine Pappelnreihe hervorragte; das mufste also eine Ansiedelung sein. Gegen 12 Uhr erreichen wir dieselbe und treffen auf einige recht gut gehaltene Häuser zwischen Fruchtgärten, welche den Ort San Antonio bilden. Eine Frau rief uns aus dem besten Hause an, ob wir keinen Zucker zu verkaufen hätten; man hielt uns für hausirende Handels- leute wegen der grofsen Kisten mit meinen Sammlungen, die ich mit mir führte. Da eine Legua weiter ein schönes gut bevölkertes Dorf Machigasta kommen sollte, so zog ich es vor, dahin zu reiten, um in ihm während der heifsesten Tagesstunden der Ruhe zu pflegen; wir erreichten dasselbe auch nach einer halben Stunde und trafen daselbst auf hübsch angebaute Gärten neben zahlreichen Wohnhäusern, unter denen eine Schmiede uns besonders anzog, weil sie von ziemlicher Wohlhabenheit zeugte; wir wurden in ihr auch gut aufgenommen und fanden reichliches Futter für die Thiere, für uns selbst aber, wie in der Regel, nichts als Früchte, namentlich Weintrauben. Wegen mei- nes Unwohlseins mulste ich sie verschmähen, ich bat um heilses Was- ser, mir meine Tapioca zu bereiten, was auch gern gewährt wurde. Wir rasteten hier 2 Stunden und sahen der Arbeit des Schmiedes zu; er war damit beschäftigt, aus einer zersprungenen Axt einen neuen Steig- bügel zu fabrieiren, welcher von dem dabeistehenden Aspiranten für 4 Real (20 Sgr.) verdungen war; eine kolossale Arbeit, die in Europa kein Schmied unternommen haben würde. Dazu besals er nur eine Zange, eine zweite lag zerbrochen umher. Sein Ambos war ein grofses Stück Meteoreisen, ein höchst interessanter Gegenstand für mich, über dessen Erlangung er indessen wenig Auskunft geben konnte; es sei in der Nähe gefunden und er habe es gekauft. Man weils, dafs dergleiche Funde in der Nachbarschaft schon mehrere gemacht sind; so z. B. der grofse Klumpen, welcher noch zum Theil im Gran Chaco, 50 Leguas westlich von Corrientes, liegt (Woodbine Parish, Buen. Ayr. and the Argent. Prov. S. 291), und ein anderer aus der Wüste Ata- cama, über den mein Freund Philippi neuerdings berichtet hat (Peter- mann’s geogr. Mittheil. 1856, S. 64). Machigasta war von der letzten Station am Rio Anapa 8 Leguas entfernt, und 6 von Agua caliente. Um 3 Uhr setzte ich meine Reise fort. Gleich hinter dem Dorf gelangten wir wieder auf eine ganz ebene Haide mit fein sandigem > 278 H. Burmeister: Boden und niedrigem Gebüsch in ziemlich diehter Stellung, ‘neben welcher sich zur Linken, d.h. nach Westen, ein langes ziemlich hohes Gebirge als ein grader von Norden nach Süden streichender Kamm hinzog, auf dessen ganzer oberer Hälfte dunkles Gewölk lagerte. In schwarzgrünen Tönen stach das felsige kahle Gestein dagegen ab und erhob sich, von vielen Wasserstrafsen zerrissen, ziemlich senkrecht aus der Ebene. Es war derselbe beträchtliche Höhenzug, den ich schon gestern, aus der Schlucht hinter Anapa hervorgekommen, über dem kleinen niedrigeren durchbrochenen Gebirge jenseits der Lagunen ge- sehen hatte, und der nunmehr als das nördliche Ende der langen, aber schmalen Sierra Velasco, die südlich bis weit über La Rioja hinausreicht, sich auswies. Die öde Gegend umher, das einförmige Gebirge, die düstern Wolken und die weite unabsehbare Ebene wirk- ten deprimirend auf meinen Krankheitszustand; ich konnte nach 2 Stunden nicht weiter und nöthigte meine Begleiter, hier im offenen Felde zu übernachten. Sehr milsmüthig willigten sie ein, denn so weit sie auch späheten und suchend umher ritten, nirgends war ein Gras- halm zur Nahrung für unsere Thiere zu entdecken. Aber ich konnte nicht mehr, ich breitete mein Bett zwischen einigen Büschen jener obenerwähnten blattlosen Pflanze aus und legte mich zur Ruhe, etwa 3 Leguas von Machigasta. Den 15. Februar. Schon bald nach 2 Uhr weckte mich der Arriero und forderte mich auf, die Reise fortzusetzen; der Mond schien schwach durch das düstere Gewölk, welches den ganzen Himmel be- zogen hatte, und erhellte genügend unsern Weg. So matt und krank ich auch war, was konnte es mir helfen, hier länger zu bleiben ? ich stieg also zu Pferde und trabte ruhig weiter. Land und Gegend än- derten sich nicht, wir ritten eine Legua nach der andern, aber es blieb alles beim Alten; links das Gebirge, ringsumher öde, trostlose Haide, die nach rechts eine unabsehbare Flur neben uns ausbreitete, und vor uns eigenthümliche niedrige Hügelreihen, welche im Halbdunkel des hereinbrechenden Morgens mit Burgen gekrönten kleinen Bergen ähn- lich sahen. Wir kamen diesen Hügeln immer näher und als die Sonne aufging, waren wir mitten zwischen ihnen. Eine Vertiefung, wie von mächtigen Regengüssen ausgewaschen, ganz kahl und in blafsgelben oder rothen Lehm eingewühlt, lag vor uns, begrenzt von terrassirten Hügeln an der andern Seite, die eine regelmälsige horizontale Schich- tung von Lehm und Sand in verschiedenen Farben darboten und von den herabrieselnden Wassern pfeilerartig zerrissen waren; aber in bald höhern bald niederigen Zacken ausgehend, welche ihnen ein ruinen- artiges Ansehn gaben. Vegetation fehlte ganz, nur einige ärmliche Caetusgruppen standen umher und neben ihnen schritt langsam. jener 4 Pe ee a ER EEE Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata - Staaten. 279 schon früher erwähnte Cacicus im Wege, dessen ich mich durch meine Begleiter bemeisterte ; das einzige von mir selbst entdeckte Stück die- ses sonderbaren Käfers. Nachdem wir die Lehm-Hügel hinter uns hatten, kamen wir auf eine etwas erhöhtere Fläche und sahen rings- umher Bergketten am Horizonte. Zur Linken endete hier +die düstere Sierra Velasco, ebenso schroff und steil, wie sie aus der Ebene empor- stieg; aber ihr anderer westlicher Abhang senkte sich sanft und all- mählich an der entgegengesetzten Seite der Ebene zu, das schönste Beispiel einer einseitigen Gebirgserhebung, mit schroff abgebrochenen östlichen Schichtungsköpfen neben glatten westlichen Schichtungsebenen. Grade vor uns im Westen zog sich eine ganz ähnliche schwarze Ge- birgskette von Norden nach Süden quer durch den Horizont, auf welche meine Begleiter mit der Bemerkung meine Blicke lenkten, es sei der Cerro negro, hinter dem Copacavana und Tinogasta liegen. Rechts von uns nach Norden, waren andere kleine röthlich gefärbte Gebirgszüge sichtbar, über welche er nichts weiter zu sagen wulste. Das Blachfeld, auf dem wir uns befanden, bot weiter keine Abwech- selung dar; es neigte sich vor uns etwas abwärts und zeigte im tiefe- rem Niveau dichtere mehr waldartige Vegetation, woraus einige höhere, frischere Baumgruppen hervorragten. Unschwer lielsen sie mich auf eine hier befindliche gröfsere Ansiedelung schliefsen, und als ich diese Meinung gegen meinen Begleiter ausprach, bestätigte er sie; dort liege ein grolses Dorf, Alpaquinchi am Rio Sauce, einem wasserreichen Flusse, dessen Uebergang uns leicht viel zu schaffen machen könne. Das klang meinen Ohren nicht erfreulich; ein beschwerlicher Fluls- übergang fehlte nur noch, um meinen krankhaften Zustand zur völligen Krankheit auszubilden. Indessen dauerte es noch ziemlich lange, bis wir nach Alpaquinchi kommen; die Sonne war schon hoch hinaufge- rückt, (es mufste 10 Uhr durch sein), die Wolken hatten sich verzogen und ihr erquickender Strahl erwärmte meine noch von der Morgen- frische frostigen Glieder. Plötzlich bogen wir um eine Ecke des Weges und betraten das Dorf; eine weit ausgedehnte Ortschaft an beiden Seiten des Flufses, mit zahlreichen Häusern zwischen Gebüsch und Gärten, und einem Platz vor der Kirche, wo eine Tropa zum Abzuge bereit stand. Man liefs sie vor uns den Flufs passiren, um zu sehen, wie es ausfalle, und da alles gut ging, rüsteten auch wir uns zum Durchritt; Stiefel und Strümpfe wurden abgelegt, die Beinkleider hoch aufgezogen, und so schritt ich zu Pferde in das lehmgelbe schnell und rauschend mit schäumenden Wellen nach Norden strömende Wasser des Rio Sauce. Zu meiner freudigen Ueberraschung fand ich den Uebergang viel weniger beschwerlich, als die früheren über den Rio Marapa, Me- dinas oder Gaston in der Provinz Tucuman, oder den Rio de Cata- 280 H. Burmeister: marea; das Wasser reichte nicht viel höher als die Steigbügel und be- netzte kaum meine etwas gehobenen Fülse; ich bestieg das andere Ufer ohne Verzug und lagerte mich dort, abgesessen, unter einigen grolsen Algarroben-Bäumen, entschlossen hier die heilsesten Tagesstun- den der Rühe zu pflegen, und wo möglich durch eine gute Mahlzeit mich zu stärken. Wir hatten seit dem Nachtlager auf der Haide be- reits 9 Leguas gemacht. Nach eingenommener Mahlzeit, die für mich auf einen Teller frisch- gekochten Reis sich beschränkte, setzen wir um 2 Uhr unsere Reise fort. Die Stralse führte gewunden durch den westlichen Theil des Dorfes und berührte mehrere gute Häuser; hinter uns sahen wir am andern Ufer des Rio Sauce nochmals die Kirche liegen, welche von hier sich sehr gut ausnahm. Neben den letzten ziemlich ärmlichen Hütten vorbei kommen wir wieder auf eine öde, sandige, mit zer- streutem, niedrigem Gebüsch bestandene Haide, deren Boden von flachen Vertiefungen in westöstlicher Richtung durchfurcht wellenförmig uneben war. Vor uns liegt klar und rein der dunkelschwarze, hochzackige Kamm des Cerro negro, der wie die Sierra Velasco genau von Norden nach Süden streicht ; hinter uns sahen wir noch das nördliche Ende dieser Sierra ziemlich nahe, und dazwischen, in weitem Abstande, nach Südwest ein hohes, vielzackiges Gebirge mit mehreren beständigen Schneegipfeln, die von der Sonne grell beleuchtet einen höchst male- rischen Anblick gewährten. Beidem ersten Blick auf dieseäufserst elegante Fernsicht brach ich in den freudigen Ruf aus: seht da die Cordille- ren! aber meine Begleiter belehrten mich alsbald, dafs es nicht die eigentlichen Cordilleren seien, sondern die Sierra Famatina, ein eigenthümliches, von den Cordilleren durch ein 20 Leguas breites Thal getrenntes Gebirge, das sich südwärts bis La Rioja erstreeke und der Sierra Velasco parallel laufe. Viel näher und mehr nach Norden ge- legen, zog sich ein anderer, schmaler Gebirgskamm hinter den Cerro negro, und zwischen diesem Gebirge und dem Cerro negro liege Co- pacavana, das Ziel unserer Reise. Mich interessirte dieser gleichförmige kahl aussehende Kamm sehr wenig; ich konnte mich nicht satt sehen an den schönen Schneegipfeln der Famatina, deren ich fünf deutlich unterschied, getragen von einem soliden, vielarmigen, röthlich schim- mernden, breiten Gebirgsstocke, der wie ein stolzer Bau zwischen den einförmigen Kämmen der drei näheren Gebirge sich ausnahm; nie habe ich in diesen Gegenden eine schönere Bergmasse wahrgenommen, als die äulserst malerisch gestaltete, durch ihre Grölse imponirende Fama- tina. Der Weg führte in grader Linie dem Cerro negro zu; bald liefs sich schöne Algarroben-Waldung an seinem Fufse erkennen, aus der in langer Reihe, wohl eine Legua weit, Häuser hie und da her- n BE 3 n & Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 281 vorragten. -Links d. h. nach Süden endeten Wald und Gebirge plötz- lich, man sah deutlich ein breites Flufsbett um das Ende des Gebirges herumkommen und in demselben stellenweis den glatten Spiegel des Flusses selbst. Drei Stunden konnte ich mich an diesem Blick, fast dem interessantesten der Reise, weiden, alsdann hatten wir den Flufs, welcher dem Cerro negro folgt und neben ihm nach Norden strömt, . erreicht; ein breites, lehmiges, aber so flaches Wasser, dafs unsere Pferde nirgends tiefer als bis an die Knöchel hineintraten. In viel- fachen Windungen schlängelte er sich zwischen grofsen Lehminseln ohne alles Geröll langsam fort und gewährte jetzt in der Nähe einen weit mehr dürftigen als grofsartigen Anblick. Jenseits lagen auf steil- ansteigendem Ufer, das sich unmittelbar an den ganz nahen Cerro negro lehnte, mehrere gut aussehende Gehöfte, welche für mich viel Einladendes hatten; ich bestand darauf, hier zu übernachten, was denn auch nach einigem Weigern meine Begleiter für gut fanden. Der Ort hiefs Rio Colorado und war 4 Leguas von Alpaquinchi entfernt; weiter nach Norden nennt man ihn Cerro negro, obgleich beide Ort- schaften eigentlich in unmittelbarem Zusammenhange stehen; denn so weit der Flufs nach Norden reicht, so weit reichen auch die Ansiede- lungen an seinem Ufer. Den 16. Februar. Der Cerro negro führt seinen Namen mit Recht: er ist in der That schwärzer, als alle benachbarten Gebirge, dankt aber diese Farbe nicht etwa dem Gestein, sondern einer dichten Pflanzen-Bekleidung, welche sich in aneinander gedrängten Wellenlinien über seine ganze Oberfläche ausbreitet und das gelbe Gestein seiner Masse bis auf schmale Streifen versteckt. Näher herangekommen konnte ich die einzelnen Pflanzen gut unterscheiden; es war eine As- phodelee aus der Yucca-Gruppe mit harten, lederartigen, dunkelfar- bigen, scharfgezähnten Blättern und hohen gelbblumigen, sperrig ästigen Blüthenschäften,, deren Blumen aber gröfstentheils schon ausgeblüht hatten. Nur kurze Zeit blieb ich in der Nähe dieser eigenthümlichen Vegetation, alsbald hob sich der Weg über einen steilen Gmneils - Vor- sprung, von dem nahen Gebirge herkommend, und schwebte hier hoch über dem Flufs, der sich an dem steil abschüssigen Gehänge um die Ecke des Gebirges herumwand ; wir sahen in ein langes nach Norden offenes Thal hinein, worin Copacavana 9 Leguas vom Cerro negro gelegen ist. Ein dichtes ziemlich hohes Gebüsch verdeckte alle ge- nauere Fernsicht; wir mufsten mühsam auf lockerem Sandboden um die Bäume herumreiten und mehrmals uns tief bücken, um den unter- sten Aesten zu entgehen. Bald kommen wir wieder an den Flufs, welchen wir an der bezeichneten Ecke verlassen hatten, und durchreiten ihn aufs Neue von Ost nach West. Die Strafse geht in derselben 282 H. Burmeister: Richtung weiter, verläfst den Flufs und biegt sich um einen ganz iso- lirten mächtigen Gneilskegel herum, welcher hier frei mitten im Thal steht und den Flufs nöthigt, ihm auszuweichen, wobei er an die Felsen des Cerro negro sich herandrängt. Hinter dem isolirten Berge war ein ausgedehnter Sumpfboden mit schönem Graswuchs und offenen Wasserlachen auf der Mitte; Enten, Wasserhühner und Schnepfen tum- melten sich daneben oder darin umher. Gleich darauf kehrte der alte kahle, sandige, bewaldete Boden wieder, und darin lief mir die zweite Chuna über den Weg. Längere Zeit blieben wir in demselben Algar- roben-Buschwalde, bis er allmählich niedriger wurde und endlich einer freien Ebene, in deren Mitte der Flufs strömte, Platz machte. Da lag in einer Legua Abstand Copacavana, das Ziel meiner Wünsche, vor mir; mit unbeschreiblicher Sehnsucht blickte ich auf die langen Pappelreihen, welche neben den Dächern aus dem Gebüsch der Frucht- gärten hervorragten. Dreiviertel Stunden mulste ich noch warten, vom heftigsten Durste gequält, dem sich schon seit zwei Tagen der Diarrhoe beigesellt hatte und meinen Zustand immer unerträglicher machte; und was sollte ich trinken, da jeder Trunk kalten Wassers mein Leiden ebenso verschlimmerte, wie der Genufs von Obst, namentlich der Wassermelonen, die der einzige käufliche Gegenstand hie und da am Wege waren. Endlich erreiche ich den Ort, mufs aber in den engen, von Lehmmauern eingeschlossenen Wegen, welche die schönen Furchtgärten umgeben, noch lange Zeit suchen, bis ich die Quinta der Familie Tegerino aufgefunden habe, an welche ich durch ein Schrei- ben des Herrn H. Erdmann von Invernada her empfohlen war. Glück- licher Weise traf ich den ältesten Sohn, das Haupt der Familie, zu Hause und wurde von ihm alsbald mit grofser Herzlichkeit aufgenom- men; denn mein deutlicher Krankheitszustand liefs sich nicht mehr verkennen. Man bot mir sogleich Wein, Mate, oder was ich sonst wünschte, an und da ich heute noch nichts Warmes genossen hatte, so wählte ich den Mate, schon weil er am leichtesten zu beschaffen war. Es ist eine längst bekannte, aber doch höchst merkwürdige That- sache, dals der menschliche Wille lange Zeit Herr werden kann über die ihm widerstrebende menschliche Natur; dafs er es aber nicht mehr vermag, sobald die dringenden Umstände gehoben sind, welche ihn da- bei unterstützten. Das erprobte ich alsbald in Copacavana an mir selber. Drei Tage lang hatte ich meinen krankhaften Zustand, durch die Macht der Verhältnisse dazu aufgefordert, zurückgedrängt und meine Reise, wenn auch etwas unbehaglich, fortgesetzt; wie ich aber in Copa- cavana vom Pferde gestiegen war, um hier einige Tage der Ruhe zu pflegen, brach die verhaltene Krankheit bei mir aus; der Kopf war mir eingenommen, die Glieder schlaff, die Zunge dick belegt, der Ap- LEE? - > Rn Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten, 283 petit fehlte und ebenso die Lust, mich zu bewegen; ich legte mich als- bald auf’s Bett und suchte mieh wo möglich durch Schlaf zu stärken. Der Gewohnheit des Landes gemäfs stand mein Bett im Freien; ich blieb darin bis zur Nacht, als ein plötzlicher, hier zumal sehr seltener Regenschauer mich verscheuchte und trotz des raschen Rückzuges in’s Zimmer etwas durchnäfste. Damit war die Entscheidung gefallen; am folgenden Tage um 1 Uhr bekam ich einen heftigen Anfall des kalten Fiebers, hier Chiucho genannt, der sich täglich wiederholte. Indessen gehört die weitere Schilderung seines Verlaufs nicht zum Gegenstande meiner Darstellung, ich erwähne es nur, um den langen Verzug zu rechtfertigen, zu welchem mich das Fieber hier nöthigte; es kam auch bald ein deutscher Arzt (aus Dresden gebürtig), welcher sich in der Nähe befand und, von meiner Ankunft unterrichtet, mich aufsuchte. Seiner grofsen Theilnahme danke ich meine baldige Genesung; er be- sorgte Arznei, gab Instruction zu einer passenden Diät an die Familie des Hauses, deren Freund er war, und letztere bemühte sich in jeder Weise, mir nützlich zu werden; — so hatte ich nach sechs Anfällen und dreimaliger Dosis schwefelsauren Chinins die Quotidiana glücklich überwunden; es blieb nur die Schwäche meines sehr heruntergekom- menen Körpers noch zu heben, und das gelang auch allmählich durch passende Nahrung. Nach 17 Tagen war ich wieder reisefertig; ehe ich indefs die Reise fortsetze, habe ich über meinen Aufenthaltsort und seine nächsten Umgebungen zu berichten. Copacavana ist ein lang ausgedehntes Dorf auf der westlichen Seite des Flusses, einige hundert Schritt von seinem Ufer und hart am Fulse eines kahlen einförmigen Gebirgszuges 3270 Fuls über dem Meeres- spiegel ’) gelegen. Das Gebirge streicht in grader Richtung von Nor- den nach Süden und besteht aus metamorphischen Gesteinen; von den Cordilleren wird dasselbe durch ein schmales Thal getrennt, überhaupt steht es mit keinem der benachbarten Gebirgszüge in direeter Verbin- dung. Der Ort macht einen gefälligen Eindruck; er ist der grölseste, den ich seit Catamarca gesehen habe, enthält eine wohlhabende, zum Theil gut gebildete Bevölkerung und erfreut sich eines lebhaften Ver- kehrs mit Chile als Haupt-Transitoplatz des Handels von und nach dort. Die Ansiedelungen liegen in ihm dicht aneinander gedrängt, sind aber einzeln sehr grofs; wohlgebaute, wenn auch nicht elegante, aber geräumige Behausungen mit breiten Corridoren, von trefflichen, künst- lich bewässerten Fruchtgärten umgeben, in denen ausgezeichnete Wein- trauben, Feigen, Granatäpfel, Quitten, Melonen und Sandias wachsen. Namentlich sind die Granatäpfel hier von einer Grölse und Schönheit, ') Nach meiner Messung der Temperatur des kochenden Wassers zu 77°4,5', 284 H. Burmeister: wie ich sie nirgendwo wieder gesehen habe: für mich ein hoher Ge- nuls, da es fast die einzige Frucht ist, welche mir gut bekommt, wes- halb ich sie sehr gern esse. Ganz ausgezeichnet sind auch die Wein- trauben, aber ihren Genufs durfte ich mir nur in ganz kleinen Quan- titäten erlauben; dagegen fand ich die Melonen zwar sehr grofs und sehr weich, aber nicht sehr süfs. Man eultivirt hier, wie in Mendoza, besonders die weilse Varietät; die rothe gehört mehr den östlichen Pro- vinzen an, scheint aber überall nicht so gut zu gedeihen. Die Feigen bilden getrocknet einen ausgedehnten Handelsartikel und der in Copa- cavana gekelterte Wein ist berühmt. Aber für mich war er nicht; mir schmeckte er sauer, wie die meisten einheimischen Weine, und ich fand kein Behagen an seinem Genufs. Haupterwerb des Ortes ist übrigens der Viehhandel nach Chile; man mästet die Ochsen hier auf künst- lichen Weiden von Luzernklee und treibt sie in 14 Tagen über die Cordilleren nach Chile. Die Thiere werden zu dem Ende mit Eisen beschlagen und von Station zu Station, wo es etwas Nahrung giebt, in grofsen Heerden von 100 bis 150 Stück langsam getrieben, indem vorn und hinten erfahrene Leute den Zug begleiten. Man sagte mir, dals die westlichen argentinischen Provinzen jährlich gegen 50,000 Stück Rindvieh nach Chile liefern und für das Stück einen Durchschnittspreis von 30 bis 40 Pesos erhalten, ein Capital, das sich auf anderthalb bis zwei Millionen Pesos beläuft. Copacavana bildet in den nördlichen Gegenden den Hauptdurchgangsort, weil die Strafse von hier über die Cordilleren eine der bequemsten sein soll, insofern steile Abgründe und enge Schluchten ihr gänzlich fehlen. Es giebt nämlich in dieser Gegend mehrere Pässe über die Cor- dilleren, welche verschiedene Eigenschaften besitzen und darum je nach den Verhältnissen sich verschieden empfehlen. Der nördlichste, wel- cher etwa unter 27° 20’ S. Br. liegt, heifst nach der Quebrada de Barranca blanca und zeichnet sich durch die eben angegebenen Eigenschaften aus; er geht meist durch ziemlich breite Thäler, hat nie steile Abgründe zu passiren und führt an der erhabensten Stelle über ein Plateau, dessen Breite das einzige Beschwerliche der Reise bildet, weil die 20 Leguas in einem Tage gemacht werden müssen, des Man- gels aller brauchbaren Stationen wegen auf dieser Tour. Ich wählte eben denselben Uebergang, weil mein Führer ihn allen übrigen vorz0g. Der Pafs führt in das Thal des Rio Piuquenes, welcher als der eigentliche Anfang des Rio de Copiapö zu betrachten ist. — Ein zweiter Pafs, etwa 13 Minuten südlicher gelegen, trägt den Namen Come Caballo; seine Höhe wird von Gilliss zu 13,625 Par. Fuls angegeben. Von Copacavana hat er keinen rechten Zugang, dagegen wählen ihn die Reisenden, welche von Süden, namentlich von Cordova Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 285 und La Rioja kommen. Dieser Weg führt am östlichen Fufse der Sierra Famatina aufwärts bis Costa del Reyes, überschreitet dahin- ter die Famatina, kommt nach Penon und geht hinter Penon über das erste, hier schmälere Plateau der Cordilleren, passirt dann in einem engen Thale den Rio Salado und dringt durch die sehr beschwerliche Schlucht über den Kamm der Cordilleren in die Quebrada de Con- chitas ein, welche in das Thal des Rio Piuquenes von Süden her mündet. Die Quebrada hat gewöhnlich kein Wasser, ist aber steil und mühsam zu passiren. — Noch weiter nach Süden liegt der dritte Pals, Pena negra genannt; etwa unter 27° 45’ S. Br.; ihn wählen die Rei- senden, welche aus der Provinz S. Juan kommen. Die Strafse dahin läuft an der Westseite der Sierra Famatina fort und folgt dem Laufe des Rio Vermejo aufwärts, dringt am Rio Salado in die Cordilleren ein und bleibt in dessen engem Thale, der Quebrada del Pasto largo, bis dahin, wo das- selbe aus der nordwestlichen Richtung entschieden in die nördliche um- biegt. Hier befindet sich eine Schlucht, die über den Kamm der Cordil- leren in das oberste Ende des Thales vom Rio Polido führt, und diese Schlucht ist der Pafs Pena negra. Die Strafse bleibt am Rio Polido bis Juntas, wo derselbe in den Rio de Jorquera mündet, um mit ihm fortan den Rio de Copiapo zu bilden. — Ich werde den Lauf dieser verschiedenen Wege später nochmals berühren, wenn ich zur Erzählung meiner Reise durch das ganze Thal von Copiapo übergehe; einstwei- len genüge diese kurze Andeutung. Der zuletzt genannte Weg ist der kürzeste, aber von Copacavana aus weniger zugänglich als der erste. X. Historisch-geographisch -statistische Skizze der kai- serlich brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul. Nach officiellen Angaben und eigener Anschauung zusammengestellt von Woldemar Schultz. (Schlufs.) Administrative, gerichtliche und kirchliche Eintheilung der Provinz. — Angaben über Bevölkerung und Einwan- derung, Rechtspflege, öffentlicher Unterricht. Kirch- liches. Die Provinz Rio Grande do Sul zerfällt nach den neuesten Be- stimmungen in 10 Comarcas und jede derselben, je nach der grölseren oder geringeren Zahl der Bevölkerung, in Munieipien: 256 W. Schultz: 1) Comarea Porto-Alegre mit den Municipien: Porto- Alegre, Tri- umfo, Dores, S. Leopoldo, Conceicäo do Arroio. 2) Comarca Alegrete mit den Munieipien Alegrete und Uruguayana. 3) Comarea S. Borja mit den Munieipien S. Borja und Itaqui. 4) Comarca Piratiny mit den Municipien Piratiny und Jaguaräo. 5) Comarea Rio Grande mit den Municipien Rio Grande, Pelotas und S. Joze do Norte. 6) Comarca Rio Pardo mit den Municipien Rio Pardo, Eneruzilhada, Cachoeira und Sta. Maria da Boca do Monte. 7) Comarea Cagapava mit den Munieipien Cacapava und $. Gabriel. &) Comarca S. Antonio da Patrulha mit dem gleichnamigen Muni- eipio. 9) Comarca Cruz Alta mit den Munieipien Cruz Alta und Passo fundo. 10) Comarca de Bage mit den Munieipien Bage und Sta. Anna de Livramento. Die Municipien sind wieder eingetheilt in Distriete. Die oberste Behörde in der Provinz ist ein von der Central-Re- gierung ernannter Präsident, dem ein Chef de Polieia beigeordnet ist. Beide haben ihren Sitz in der Provinzialhauptstadt. In den Comareas liegt die Rechtspflege einem Juiz de direite als Vorsitzenden des Geschworenen -Tribunals ob, dem als Polizeibehörde ein Delegado beigegeben ist, während in jedem Municipium die richter- liche Gewalt in der Hand des Juiz munieipal und in den Kirchspren- geln in der Hand des Juiz de paz ruht; als Polizeibehörde ist densel- ben ein Subdelegado beigegeben. Zahl der Bevölkerung. — Genaue Angaben über die Gröfse der Bevölkerung, deren Vertheilung, Zu- und Abnahme, waren nicht zu erlangen. Die Provinz zählte im Jahre 1814: 70,656 Seelen, 1854: 142,000 - 1856: 248,000 _- 1858: 300,000 - nach annähernder Abschätzung. Nur von einzelnen Distrieten und Mu- nicipien erhielten wir annähernd bestimmte Notizen über die Bevölke- rungszahl. Die zwei Distriete von Porto-Alegre zählen 2914 Feuerstellen mit 17,226 Bewohnern (darunter 5146 Sclaven), und zwar 8438 Männer, 8788 Weiber; 16,008 Brasilianer, 1218 Ausländer. Ferner erhielten wir speciellere Angaben: über die Bevölkerungs- zahl des Municipio von Cacapava; dasselbe hat 1060 Feuerstellen und 10,085 Bewohner, darunter 6820 Freie, 267 Freigelassene, 2998 Sela- Hist. - geogr. -statist. Skizze der kais, brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 287 ven. Männlichen Geschlechts waren 5060, weiblichen Geschlechts 5025 Individuen. Ausländer waren darunter nur 191. Das Municipium von Bage& hat 907 Feuerstellen mit 9863 Bewoh- nern, darunter waren 6385 Freie, 265 Freigelassene, 3213 Sclaven; 5080 Personen männlichen, 4783 Personen weiblichen Geschlechts; 8350 Brasilianer, 1513 Ausländer. Das Municipium von S. Gabriel hat 604 Feuerstellen mit 6700 Bewohnern, und zwar: 4757 Freie, 281 Freigelassene, 1662 Sclaven; 3432 Personen männlichen und 3268 Personen weiblichen Geschlechts; 6177 Brasilianer, 523 Ausländer. Aufserdem erhielten wir noch die Angaben über die Feuerstellen und die Bevölkerungszahl der nachstehenden Municipien und Comarcas: Feuerstellen Bewohner Municipium von Triumfo . . . . 1027 8,584 - - Taquary. . . . 41183 10,027 - - 8. Leopoldo . . 2912 18,681 - - 8. Joze do Norte . 699 5,562 Comarca S> Antonio . 2.2.2249 15,910 - SBorjaidus Aus ade 922469 22,995 - Aleoretd, hin. dans 44651 14,596 - Piratiayıisı Seilyaipn), Da 2107 20,223 - Rio Pardo . . .... 1545 13,506. Aus- und Einwanderung. — Während durch die Ausführung von Scelaven nach den Nord -Provinzen eine wachsende Abnahme der Zahl derselben bemerkbar ist, findet eine Zunahme der freien weilsen Bevölkerung durch den Zuflufs europäischer Einwanderer statt. Die nachstehende Tabelle liefert den Beweis hiervon: im J. 1856 1857 im 1. Semester 1858 Eingelaufen: Freie 861 1866 388 Scelaven 40 76 13 Ausgegangen: Freie 646 974 418 Sclaven 373 AyU nn 146. Ueber die Zahl der seit dem Jahre 1824 von Europa eingewan- derten Personen liegen uns folgende detaillirtere Angaben vor: Jahr Einwanderer Jahr Einwanderer 1824 126 1830 117 1825 909 1844 66 1826 828 1845 87 1827 1088 1846 1515 1828 99 1847 691 1829 1689 1848 124 288 W. Schultz: Jahr Einwanderer Jahr Einwanderer 1849 95 1854 382 1850 129 1855 439 1851 289 1856 410 1852 997 1857 1430 1853 332 bis Oct. 1858 1087. Was die Rechtspflege betrifft, so hat sie hier natürlich bedeu- tende Hindernisse zu überwinden. Die weiten Campos der Provinz erschweren die polizeiliche Ueberwachung aufserordentlich. Auf den ausgedehnten, spärlich bewohnten Prairien reicht der Hilferuf eines Rei- senden meist nicht bis zur nächsten menschlichen Wohnung, und der wenig oder nie betretene Sertäo bietet hinreichenden Raum, um die Leiche eines Gemordeten zu verbergen. Indessen steht die Zahl der Vergehen zu der Zahl der Bewohner in keinem schroffen Verhältnifs, obgleich diese Provinz vor allen anderen von einer kriegerischen Be- völkerung bewohnt wird, und Sitten und Gewohnheiten unter der rauhen Beschäftigung der Viehzucht nicht gemildert und veredelt werden. Die Zahl der Morde ist die bedeutendste unter den Verbrechen, die meisten Angriffe aber auf Personen geschehen aus anderen Beweggründen, als zum Zwecke der Bereicherung. Eifersucht und Hafs sind grofsentheils die Motive, welche zu Mord und Todtschlag bewegen. Der Campero, welcher stets sein langes Messer im Gürtel führt und während der Unterhaltung mit demselben spielt, findet sich leicht veranlafst, diese Waffe, welche er geschickt zu führen weils, zu gebrauchen, wenn sein Blut in Wallung geräth. Im Allgemeinen aber steht die Provinz in Betreff des Mangels an persönlicher Sicherheit in einem schlimmeren Rufe, als Veranlassung hierzu vorhanden. Mehrfach wurde uns mitge- theilt, dafs einzelne Personen die Provinz unbewaffnet durchzogen und nie einen Angriff zu erleiden gehabt, indessen pflegt doch ein jeder Reisende Waffen bei sich zu führen, und der Campero des Westens setzt nie seinen Fufs in den Steigbügel, ohne seinen Cartouchero um- geschnallt und Messer und Pistole zu sich gesteckt zu haben. Eine verhältnilsmäfsig starke, indessen nicht sehr zuverlässige Gensdarmerie (Policia) versieht den Polizeidienst in den Städten und Flecken. Die- selbe besteht aus 4 Compagnien und zählt in ihrer Gesammtstärke 373 Mann. Derselbe Grund, welcher die Gerichtspflege erschwert, die auf einer ausgedehnten Fläche dünn gesäete Bevölkerung, bildet auch für eine rege Betheiligung der Bevölkerung an dem öffentlichen Unter- richte ein erhebliches Hindernifs. Die Provinz zählt 204 öffentliche Lehrerstellen, von denen 4830 Schüler und Schülerinnen unterwiesen werden, und, abgesehen von einigen Privatschulen, eine Militärschule, die Escola militar preparatoria da provincia de Rio Grande do Sul, Et FI We Hist.-geogr. - statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 289 Die Lehranstalten der deutschen Colonien werden von Deutschen geleitet und der Unterricht wird in ihnen überall, mit einer einzigen Ausnahme, in deutscher Sprache ertheilt. Auch sind mehrere Directo- ren von Privatschulen in der Provinz Deutsche, und jetzt schon ist es Bedingung, dafs sowohl in den öffentlichen als Privat-Lehranstalten die deutsche Sprache gelehrt wird; ja es ist jetzt schon eine Nothwen- digkeit in der Provinz, für den Geschäftsmann vornehmlich, deutsch sprechen zu können. Wir lernten mehrere junge Brasilianer kennen, welche, in der Provinz erzogen, der deutschen Sprache vollkommen mächtig waren. Die kirchliche Ueberwachung der Provinz liegt einem Bischof ob, der vom Erzbischof von Bahia ernannt und von dem Kaiser be- stätigt wird und in Rio Grande seinen Sitz hat. Die Provinz zerfällt in Kirchspiele, in welche die Municipien eingetheilt sind, wie folgt: Munieipium Porto-Alegre . . . . 8 Kirchspiele, - S. Leopoldo . - Triumfo - Taquary . ß - Dores de Camacuam - S. Antonio da Patrulha . - Conceicäo de Arroio . - RiorGrandem mar un . - Pelotas en! - S. Jose do Norte . - Rio Pardo - Cachoeira - Encruzilhada - Sta. Maria da Boca do Monte - Cacapava . - S. Gabriel - EEE SER TEN. Duuea - Alegrete - Uruguayana . & - Sta. Anna do N - S. Borja . - Cruz Alta - Passo Fundo - Piratiny - Cangussu . - Jaguaräo . em > DD ww nn —n ı wmv wor mm 1 ı Summa 68 Kirchspiele. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd.IX. 19 290 W. Schultz: Das Bestreben der Regierung ist dahin gerichtet, die eingeborenen Indianer zum Christenthum zu bekehren, sie an feste Wohnsitze zu fesseln und zu einem arbeitsamen Leben zu erziehen. Man hat zu dem Zwecke versucht, die Indianer, welche in den nördlichen Theilen der Provinz in den Urwäldern familienweise herumstreifen und sich von der Jagd ernähren, zu sammeln und in Colonien auf denselben Jagdgründen anzusiedeln. Solcher Colonien giebt es folgende: 1) Das Aldeament von Nonohay und Guarita an der grolsen Tropenstralse von Cruz Alta nach dem Centrum der Provinz Parana, nahe bei Passo fundo am Uruguay gelegen, umfaflst 10 Quadrat-Legoas Land und 566 Seelen (285 Männer, 281 Weiber). Im Jahre 1857 gab das von denselben bebaute und mit Mais bepflanzte Land 40 Alquei- ren und aulserdem eine reiche Ernte anderer Früchte; ferner hatten die Indianer in derselben Zeit eine Picade von 4 Legoas Länge durch den Urwald geschlagen, welche von Nonohay nach Palmeira weiterge- führt werden soll. 2) Das Aldeament von S. Nicoläo, in welchem die Reste der Guaranis der Missionen vereinigt sind, ist im Verfall begriffen und zählt nur noch 189 Guaranis, darunter 7] männlichen, 118 weiblichen Ge- schlechts. 3) Das Aldeament von S. Vicent; auch hier sind einige Ueber- bleibsel aus den Missionen seit dem 27. Mai 1857 angesiedelt, 632 ' Guaranis an der Zahl, und zwar 312 männlichen, 320 weiblichen Ge- schlechts. 4) Das Aldeament von Sta. Izabel. Die Indianer der Stämme der Caciquen Doble und Capitäo Chico (genannt „gegessene Nase“) wurden in der Nähe ihrer Jagdgründe in dem Distriete von Lagoa Vermelha, nahe am Uruguay, vereinigt und in der Nähe einer Militär-Colonie angesiedelt. Ihre Kopfzahl beläuft sich auf eirca 300 beiderlei Geschlechts. — Das neue Aldeament, wel- ches an dem Beginn der Picade des Mato Portuguez angelegt ist, zählt 29 Ranchos und eine bereits urbar gemachte Strecke Land von 15 Al- queiren. Während gewisser Monate des Jahres und besonders während der Reife der Früchte der Pinhöes vereinigt sich eine Zahl der India- ner, welche jenseits des Mampituba wohnen, und überschreitet den ge- nannten Flufs, da, wo derselbe den Rio Verde aufnimmt. Diese In- dianertrupps schlagen zwischen dem Morro do Forno und dem Josa- phat ihr zeitweises Lager auf und betreiben einestheils die Ernte der von ihnen aufserordentlich geschätzten Früchte der Pinhöes, andern- theils jagen sie an dem Ufer der Lagoa do Forno. Die angeführten Indianer-Colonien umfassen in der Hauptsache die indianische Bevölkerung der Provinz; eigentlich wilde Stämme giebt F Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 291 es in derselben nicht mehr. — Indessen kehren Einzelne der Indianer, welche in den Aldeamentos angesiedelt sind, oft zeitweise zu ihrem Jägerleben zurück, fallen in solchen Zeiten in die Colonien ein, rau- ben was sie finden an Früchten und Gegenständen, und greifen wohl auch zu Pfeil und Bogen, wenn es nöthig ist, einen einzelnen Weilsen, welcher ihnen bei ihren Raubversuchen hindernd in den Weg tritt, zu tödten. Solche Raubmorde sind auch im letzten Jahre wiederum in der Picade Felzig vorgekommen, doch sind dieselben immer sehr ver- einzelt. Streitkräfte der Provinz. — Die Provinz beansprucht zum Schutze der Grenzen sowohl, als auch zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung, im Verhältnils zu ihrer Flächenausdehnung einen bedeu- tenden Theil der brasilianischen Armee. Von Kriegsschiffen sind in den Gewässern der Provinz stationirt: 3 Kriegsdampfer, 1 Schooner, 1 Lanchäo. Dieselben haben 112 Mann und 5 Geschütze an Bord. Aufserdem sollen in der Provinz 7384 Mann Linientruppen gar- nisoniren, die jedoch nicht complet sind, und es werden daher National- Garden zu dem Garnisondienst herangezogen. Ferner besteht das Po- lizeicorps, wie bereits erwähnt, aus 4 Compagnien und zählt 373 Mann. Die Nationalgarde soll eine Stärke von 32,783 Mann haben, ihr Effecetivbestand beläuft sich jedoch nur auf 23,023 Mann mit 601 Ober- Offizieren. Die Mannschaften der verschiedenen Abtheilungen werden monatlich einmal zur Revista in den Distrieten vereinigt und einzelne Abtheilungen zur Unterstützung des Garnisondienstes herangezogen. Das Observationscorps, welches am Ende des Jahres 1857 bei dem drohenden Ausbruche des Krieges mit den La Plata-Staaten organi- sirt und aufgestellt wurde, zählte 1511 Mann Reiterei, 214 Mann Ar- tillerie, 2427 Mann Infanterie, 2688 Mann Nationalgarden verschiede- ner Waffen, 95 Mann beim Fuhrwesen, — im Ganzen 6935 Mann. E Oberflächenbeschaffenheit. Klimatisches. Der nördliche Theil der Provinz, der Höhenkamm der Serra und das Hochland, bildet ein grolses Basaltlager, welches an verschiedenen Punkten, z. B. an den Ufern des Taquary und Jacuhy zu Tage tritt. Im südlichen Theile der Provinz finden sich auf der Hochebene dos Tapes, welche aus Granit besteht, der von Schiefer überlagert wird, über dem letzteren Kohlenlager, welche bis an das rechte Ufer des Jacuhy herantreten. Der am Arroyo dos Patos gelegene Kohlenschacht, welcher ausgebeutet wird, giebt wegen der hohen Arbeitslöhne nur einen geringen Ertrag. Fünf Schachte führen hinab zu den Arbeits- gängen und solcher finden sich drei. 19* 292 W. Schultz: In der Gegend von Cacapava findet sich Granit, Chloritschiefer, Talkschiefer und Serpentin; zwischen Cacapava und S. Gabriel Por- phyr, Grauwacke, Granit, überlagert von Talkschiefer und Kohlen- lagern. Ferner an edlen Metallen Gold in dem Munieipium von Caca- pava, Bage und S. Gabriel. In dem Distriet von $. Antonio das Laoras wurden ausgebeutet in den Jahren 1854 und 1855 40,000 Oitavos, im Jahre 1856 mehr als 6100 Oitavos, 1857 4600 Oitavos. Ferner finden sich in der Nähe von Encruzilhada Marmorbrüche, in welchen sechs verschiedene Arten Marmor gebrochen werden, dar- unter auch weilser Bildhauermarmor. Der Streifen Land, welcher die Wasserscheide des Jacuhy und Ibieuhy-mirim und grande bildet, zeigt mannichfache Spuren vulkani- schen Ursprungs. Die fruchtbarsten Striche der Provinz sind die den Ufern des Uru- guay nahe gelegenen Gebiete, und von diesen wieder die Missionen. Der Camp nimmt von Ost nach West an Fruchtbarkeit zu, und zwar übertrifft das Hochland das Tiefland an Güte, das Vieh gedeiht auf den weiten Prairien der Provinz vortrefflich und verdoppelt sich inner- halb drei Jahren. Zur Pflanzung eignen sich am meisten die bewal- deten Serra-Theile, während auf dem Camp in den trockenen Sommer- Monaten nur wenig Mais und schwarze Bohnen geerntet werden. Die Provinz hat ein gemäfsigteres Klima als die übrigen Südpro- vinzen — mit Ausnahme von Paranä und dem Hochlande der Pro- vinz Sta. Catharina — wie es schon aus der geographischen Lage er- hellt. Locale Umstände tragen noch dazu bei, das Klima zu mälsigen. Der steile Rand der Serra, der sich in der kleinen Nordhälfte einer Mauer gleich von Ost nach West erstreckt, hält die warmen Nordwinde auf, oder dieselben führen, bereits abgekühlt durch die Reise über das Hochland von Parana, eine gemälsigtere Temperatur dem Tieflande zu. Der weite Camp allerdings, mit seiner geringen Bodenbedeckung, nimmt die heilsen Sonnenstrahlen des December, Januar und Februar auf und giebt sie mit gleicher Wärme zurück, indessen die oft wehen- den Südost-, Süd- und Südwest-Winde, welche über die weiten Pam- pas der südlichsten Theile des grofsen Continents unaufgehalten daher- wehen, mildern auch hier oft die zeitweise fast glühende Luft, wehen Kühlung und Frische über die weiten Prairien und vertreiben die faulen Dünste der schleichenden sumpfigen Wasser des flachen Tieflandes. Während der vier Sommermonate, in welchen wir die Provinz durchreisten, hatten wir fast beständig einen tief dunkelblauen Himmel über uns, und nur selten, während des 41 monatlichen Aufenthalts in der Provinz, sahen wir ein Gewitter aufziehen und sich mit aller Kraft und Gewalt entladen; während der übrigen Zeit hatten wir fast allzu beständig gutes Wetter. Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 293 Nach Beobachtungen, welche in Porto Alegre vor einigen Jahren 5 gemacht wurden, erhalten wir folgende Angaben über den höchsten und niedrigsten Thermometerstand: Im Sommer stieg die Temperatur nicht höher als 24—25° Reau- mur und ging im Winter nicht unter 5,6 — 4° herunter. Die herr- - schenden Winde sind Nordost und Südwest. Der erstere weht gewöhn- lich mit bedeutender Kraft, trübt den Himmel, bis die zusammengetrie- benen feuchten Dünste als wässeriger Niederschlag herabfallen und sich der Wind gegen Nordwest und Süd dreht und den Horizont rei- nigt. Epidemische Krankheiten findet man in Rio Grande selten und der Gesundheitszustand der Bevölkerung ist ein ganz vortrefflicher. Aller- dings bilden einen wesentlichen Grund hiervon die klimatischen Ver- hältnisse, indessen tragen auch mannichfache andere Umstände mit dazu bei, einmal die dünne Bevölkerung, sodann die stählende Be- schäftigung im- Freien, wie sie in diesem Ackerbau und Viehzucht trei- benden Lande vorwiegend ist, und die kräftige und treffliche Nahrung (im Westen fast ausschliefslich animalische). — Nur vom Beginn des December 1855 bis Januar 1856 hatte die Bevölkerung durch die fast in ganz Brasilien herrschende Cholera zu leiden, die sich seit jener Zeit aber nicht wieder in dieser Weise gezeigt hat. In Porto Alegre betrug die Sterblichkeit zu jener Zeit 10 Procent. Die Zahl der Todes- fälle in der ganzen Provinz während der Epidemie wird auf 4000 an- gegeben. Alle Vorkehrungen waren in Porto Alegre sowohl, als auch in den übrigen Theilen der Provinz getroffen, um den Erkrankten zu Hilfe zu eilen und der Weiterverbreitung der Cholera Einhalt zu thun. Ueber die in der Provinz hauptsächlich auftretenden Krankheiten ergeben nur die Sterbelisten der Hospitäler einigen Nachweis und zwar finden wir unter den Krankheiten, welche in denselben am häufigsten genannt werden: Krankheiten des Darmcanals, Lungenkrankheiten und als deren Folge Lungenfieber, und Syphilis. b’ Im Jahre 1557 traten die Blattern in verschiedenen Theilen der N Provinz mit epidemischem Charakter auf und zeigten sich besonders _ nahe den bewohnten Punkten der Barre, in Dores, S. Joäo de Cama- euam, Triumfo, $. Borja und Itaqui, im Allgemeinen in der Nähe grofser _ Wasserflächen mit starker Verdunstung. In der Stadt Itaqui starben in Folge der Epidemie 82 Personen, in $. Borja erkrankten 9 und ‚starben 4. Während der Zusammenziehung des Observations-Corps im Jahre 1857 wurde eine grolse Zahl Nationalgarden geimpft. Die Zahl, wel- | che die Listen der ersten Linie anzeigen, beläuft sich auf 827. Ferner _ wurden vom Juli 1857 bis Juni 1858 in den Municipien von Porto % Alegre, Rio Grande, Pelotas, Alegrete, Rio Pardo, Jaguaräo, Caca- f & 294 W. Schultz: pava, S. Gabriel, Cachoeira, S. Leopoldo und S. Jose do Norte 2384 Personen geimpft. Aufser diesen wurde noch eine grofse Zahl von Personen zu der Zeit geimpft, als die Blattern grassirten. So z. B. überstieg im Munieipium von S. Borja die Zahl der in den Monaten October bis December 1857 Geimpften 500 Personen. In letzter Zeit hat sich eine Art Grippe in der Provinz mannich- fach gezeigt nnd ist besonders in dem Municipium von S. Gabriel mit Heftigkeit aufgetreten. Communicationen. — Die geringe Zahl der schiffbaren Flüsse der Provinz verweist den Verkehr auf die Landstrafsen. Die Provinz ist in Folge ihrer Oberflächenbildung im Allgemeinen sehr wegsam, die Natur hat fast in allen Theilen die Hand zu leichter Herstellung von Verkehrswegen geboten. Doch nur wenig ist bis jetzt in dieser Rich- tung geschehen. Man hat es eben fast ganz der Natur überlassen, die Wege zu bahnen, und nur an wenigen Stellen und auf kurzen Strecken hat die menschliche Hand durch Stralsenbau nachgeholfen. So ist es auch erklärlich, dafs hier die Verkehrswege, Naturstrafsen, den Ein- wirkungen und Einflüssen des Wetters sehr ausgesetzt und daher im Winter streekenweise unbrauchbar sind. Könnten wir aus der Vogel- perspective das Gebiet der Provinz überschauen, so würden wir zwar ein reiches Wegenetz erblicken, doch sind die roth sich vom grünen bewachsenen Camp markirenden Streifen einzig und allein durch den Carreten- und Tropenverkehr entstanden. Der erste Carretenführer, welcher nöthig hatte, mit seinem Fuhrwerk über den Camp zu fahren, verfolgte mit seinem langen Carretenzuge und der Trope vorausgehen- der Pferde und Ochsen die Cochilhenrücken, ihm folgten Andere, wel- che nach dem gleichen Punkte rollten, und so entstand endlich ein ausgefahrener, zusammengetretener Streifen Camp, der als Stralse be- zeichnet wird. So lange nun die Sonne, „der beste und einflufsreichste Strafsenbau-Ingenieur in Brasilien“ (wie uns einst ein hochgestellter brasilianischer Beamter sehr treffend bemerkte), hell am Himmel scheint, sind diese Verkehrswege vortrefflich, indessen auch um so schlechter bei anhaltendem Regenwetter; und im Winter, oder besser, während der mehrmonatlichen Regenzeit ist der Verkehr beinahe gänzlich unter- brochen, wenigstens werden äufserst wenig Transporte per Axe unter- nommen. Da wo Bäche und Flüsse jene Verkehrslinien durchschnei- den, sucht der Carretenführer eine Furth, und der niedere Wasserstand der Flüsse im Sommer einerseits und die Höhe der Räder der Carrete andererseits schützen die transportirten Waaren in den meisten Fällen vor dem Nafswerden beim Durchschreiten jener Fuhrten. Brücken findet man bis jetzt noch wenige in der Provinz. Zwar ist die Pro- vinzial-Regierung besonders in letzter Zeit unter dem thätigen Präsi- denten Ferraz bemüht gewesen, die wichtigsten Flufspunkte zu über- Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 295 brücken, indessen der äufserst fühlbare Mangel an tüchtigen Ingenieu- ren sowohl, als an disponiblen Arbeitskräften, hat bis jetzt fast immer nur Ruinen erstehen lassen. Neben mancher Furth haben wir die Pfei- ler- und Bogenruinen einer jüngst erbauten Brücke stehen sehen, doch hat der hier sehr zerstörend wirkende Einflufs des Wetters an der Ver- nichtung jener Bauwerke auch seinen Theil. Ein grofses Hindernifs, welches dem Verkehr bei anhaltenderem Regenwetter entgegentritt, sind die Varseen, von Hügeln eingeschlossene Campkessel von geringerer oder gröfserer Ausdehnung, die sich dann in Sümpfe verwandeln. Zur Vermeidung derselben sahen wir auch allenthalben in der Provinz, wo dies irgend möglich, die Communicationen die Cochilhenrücken auf- suchen und verfolgen und jene Kessel vermeiden. — In dem nördlichen Theile der Provinz würde die Serra ein treffliches Strafsenbaumaterial liefern, wenn man Kunststralsen zu bauen beabsichtigte, doch werden hierüber wohl noch Decennien verflielsen, und unter den jetzigen Ver- hältnissen wird man auch noch lange das zwar sehr schwerfällige, aber doch zweckmäfsigste Fuhrwerk, die Carrete, fort und fort zum Güter- transport benutzen. Dafs allerdings unter solchen Verhältnissen die eentralen und westlicheren Theile der Provinz, welche nur von wenig schiffbaren Flüssen berührt werden, sich nur langsam zu entwickeln vermögen, ist wohl erklärlich. Man wird hier bis zu jenem Zeitpunkte entwickelteren Verkehrs in einer primitiven Einfachheit, wie wir die- selbe besonders in den Missionen getroffen, fortleben. Aufser den Carretenstralsen, welche über den Camp führen, finden wir in der Serra und auf dem zum Theil bewohnten Hochlande, Pi- caden, welche zum Theil nur von Packpferden passirt werden können, jedoch auch breit genug sind, um Carreten hindurch zu lassen. Die Hauptcarretenstralsen sind folgende: 1) Von Porto Alegre über Capella de Viamäo oder $. Anjos und S. Antonio, Conceieäo de Arroio, Torres und Laguna nach Sta. Catharina. 2) Von Porto Alegre über die Colonie Mundo Novo nach $. Fran- } eisco de Paulo de Vaccaria, S. Vietorio nach Lages und Curi- tiba oder Sta. Catharina. 22) Von Porto Alegre durch die Colonie S. Leopoldo, oder am rech- ten Cahy-Ufer hinauf, durch die Colonie Nova Petropolis auf das Hochland, nach dem Aldeament von Nonohay, über den Passo fundo des Uruguay nach dem Centrum der Provinz Parana. 3) Von Porto Alegre über Rio Pardo nach Cachoeira (bis hierher Dampfschiffverkehr bei hohem Wasserstande) '), Cruz Alta, Passo !) Ebenso findet eine Dampfschiffverbindung nach dem Cahy hinauf und nach Taquary statt. 296 4) 5) 6) D) 8) kehr 1) 2) 3) 4) 5) 6) 0) W. Schultz: fundo, den westlichen Theil der Provinz Paranä, nach $. Paul (grofse Tropenstrafse). Von Porto Alegre längs dem nördlichen Ufer des Jacuhy über Taquary, Rio Pardo, Cachoeira, entweder nach Sta. Maria, S. Franeisco, nach S. Borja oder nach Itaqui, oder ferner nach dem südlichen Uruguay über S. Gabriel, Alegrete nach Uruguayana. Nach dem Süden von Porto Alegre über das südliche $. Fran- cisco de Paulo, nach Rio Grande do Sul ( Dampfschiffverbindung von Porto Alegre auf der Lagoa dos Patos nach Rio Grande und nach Pelotas). Von Porto Alegre über Rio Pardo, Cacapava nach Bag& und der Banda Oriental. Ueber das Hochland von Ost nach West, von der Vaecaria über Passo fundo, Cruz Alta, durch die Missionen nach S. Borja. Von der aufblühenden Villa Cruz Alta auf dem Centrum der Hochebene und im Centrum des Erva-Distriets, durch die Mis- sionen nach S. Borja, oder über die Cochilha de Passeretäo, Tu- nas und Iguruyaca nach Itaqui. Aufser jener Hauptstrafse füh- ren von Cruz Alta nach allen bedeutenden Punkten Stralsen, die theils von Carreten befahren werden können, theils nur von Tro- pen frequentirt werden. Schliefslich recapituliren wir nochmals die Linien, welche den Ver- auf den verschiedenen Wasserstralsen der Provinz vermitteln : Von Rio Grande nach Pelotas. Ein Dampfboot, welches vom 1. Juli 1857 bis zum Juni 1858 316 Reisen, Hin- und Rück- fahrten machte, beförderte während derselben 6328 Personen. Von S. Jose do Norte nach Rio Grande machte vom Januar bis December 1857 ein Dampfboot 1267 Hin- und Rückreisen, und beförderte während derselben 7150 Passagiere. Von Porto Alegre nach Rio Grande machte ein Dampfboot vom Januar bis December 1857 30 Hin- und Rückreisen und beför- derte während derselben 563 Passagiere. Von Porto Alegre nach Rio Pardo und Cachoeira führten die Dampfboote dieser Linie vom Juli bis August 1858 3045 Passa- giere und 33,040 Arroben Fracht. Von Porto Alegre nach Taquary wurden per Dampfboot in der- selben Zeit befördert 1098 Personen und 6815 Arroben Fracht. Das Dampfboot der Linie Cahy beförderte vom Anfang Juni bis zum 31. August 1858 266 Personen und 1294 Arroben Frachtgut. Von Porto Alegre nach $. Leopoldo führten während 70 Fahr- ten die Dampfboote Jieser Linie vom Januar bis ultimo August 1858 1708 Personen. E t Hist.- geogr. -statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 297 8) Die Dampfboote der Linie der Barre und des Zwischenpostens Pedras Brancas beförderten vom Juni bis Ende August 1858 91 Personen und 40 Arroben Frachtgut. Die deutschen Colonien. Sowohl das Klima als auch die Bodenbeschaffenheit des nördlichen Theiles der Provinz eignet sich mehr zur Anlegung von Ackerbau-Colonien und zur Pflege von Culturpflanzen mannichfaltiger Art, als dies in der grölseren Zahl der Provinzen des umfangreichen Kaiserreiches der Fall ist. Doch nicht allein die absoluten natürlichen Verhältnisse sind es, welche die Colonisation hier begünstigen, sondern wir glauben auch in den socialen Verhältnissen ein wesentliches Förderungsmittel der Colo- .nisation erblicken zu müssen. Deshalb sind auch die deutschen Colo- EIRETEA, nien, trotz mannichfacher administrativer Mängel, in fortschreitender Entwickelung begriffen, und die gesammte Bevölkerung folgt mit grofser Theilnahme dem Gedeihen der Colonisation. Von allen Theilen des Gebietes von Rio Grande eignet sich am meisten jener Gebirgsrand, welcher das Hochland mit dem Tieflande verbindet, zur Bepflanzung und demgemäfs zur Anlegung von Colonien, und wenn dieser gebirgige Landestheil dem Verkehr auch grofse Hinder- nisse in den Weg stellt, so gewährt er doch andererseits der Boden- eultur erhebliche Vortheile: ein gesundes Klima, Wasser in reichlicher Fülle und Güte, einen aufserordentlich fruchtbaren Waldboden — der in den ersten Jahren keiner künstlichen Mittel zur Erhöhung der Trag- fähigkeit bedarf — und treffliches Bauholz. An jenem Gebirgsrande, der von der Ostküste der Provinz bis an die Ufer des Ytu eine fast grade von Ost nach West laufende Linie bildet, finden wir die grölseste und bedeutendste Colonie, $. Leo- poldo, an der Stelle, wo jener Serrastreifen seine gröfseste Breite hat und terrassenförmig in breiten Rücken und ausgedehnten Kesselthälern allmählich nach dem höchsten Rande des Hochlandes hinaufführt, zwi- schen den Flüssen Sinos und Taquary. Wir fassen hier weder die Auswanderungsfrage näher in’s Auge, noch beabsichtigen wir weiter über die Colonisation uns zu verbreiten, sondern lassen nur die statistischen Angaben folgen, welche in den officiellen Provinzialberichten enthalten sind. Diese, in Verbindung mit der von uns entworfenen Karte, werden ein Kriterium bilden und die Mittel bieten, eine klare Anschauung über die Colonisation in dieser Provinz zu erlangen. Das Colonie- Territorium von S. Leopoldo, welches sich zu beiden Seiten der Ufer des Rio Sinos erstreckt, bis an die Ufer des Rio Cahy herantritt und jenseits desselben noch die Picade Feliz umfalst, wurde 298 W. Schultz: im Jahre 1824 besiedelt, indem sich in jenem Jahre nahe am Ufer des | Sinos 126 Deutsche niederliefsen. Obgleich die Regierung die Colonie der Selbstentwickelung überliefs, befand sie sich schon vor dem Aus- bruch der achtjährigen Revolution auf einem bemerkenswerthen Stand- punkte. Allein die Wirren des Bürgerkrieges übten auch hier ihre ver- derblichen Einflüsse. Die Colonisten ergriffen Partei, und so geschah es, dafs die Früchte langjähriger Mühen zum grofsen Theile während jener Kämpfe zerstört wurden. Aber nachdem die Ruhe in der Pro- vinz wieder hergestellt war, die feindlichen Parteien sich versöhnt hatten durch die gemäfsigten und beruhigenden Schritte der kaiserlichen Re- gierung, verwischten sich in der Colonie schnell die Spuren jener un- glücklichen Kämpfe und schon im Jahre 1844 erhielt sie neuen Zu- wachs an deutschen Einwanderern. Wir lassen hier statistische Tabellen folgen, welche nachweisen, in welcher Weise die Colonie durch Einwanderer von Europa verstärkt wurde: Personen ohne Jahr Familien u. deren Kopfzahl Familie Summe 1824 26 109 17 126 1825 157 721 188 909 1826 . 158 7183 45 828 1827 192 940 148 1088 1828 15 70 29 99 1829 252 1124 565 1689 1830 19 56 61 117 1344 13 65 1 66 1845 16 84 3 87 1846 269 - 1345 170 1515 1847 132 591 72 663 1848 2A 110 26 136 1849 1 6 — r 6 1850 1 4 — 4 1851 6 22 12 34 1852 8 27 2 29 1853 20 86 9 95 Summa 1309 6143 1348 7491 Während der Jahre 1831 bis 1843 fand keine Einwanderung statt. | In gleicher Weise wie die Pioniere der Cultur in den Vereinigten | Staaten westwärts ziehen, nachdem sie einige Jahre das urbar gemachte Land bebaut haben, um im weiteren Westen auf einem Stück Urland denselben Procefs vorzunehmen, wiederholt sich auch hier in Rio Grande dieselbe Erscheinung. Die gröfsere Zahl der Picaden jenseits des Cahıy, Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 299 von Estrella, Boa Vista und Conventos sowohl, als auch die ersten Co- lonisten von Sta. Maria de Soledade, S. Angelo und Boca do Monte, wie ferner die nicht geringe Zahl der im Centrum und Westen der | Provinz wohnenden Deutschen, sind zumeist von der Pflanzschule des deutschen Elements in Rio Grande, von S. Leopoldo, ausgegangen. Die Hauptproducte, welche hier und auf den übrigen Colonien er- _ baut werden, sind schwarze Bohnen (die Kartoffeln des Brasilianers), Mandioca (deren Mehl in Brasilien das Brod vertritt), Kartoffeln, Erb- sen, Roggen, Reis, Favas (Oelfrucht), Weizen, Zuckerrohr, aus dem Caxas gebrannt wird, und aufserdem fast alle europäischen Gemüse- Arten; ferner werden Rindvieh, Schweine und Federvieh gezüchtet und Butter ausgeführt. In allen älteren Picaden verwendet man zur Bearbeitung des Bo- dens den Pflug, nur in den neueren Picaden ist die Hacke im Gebrauch. Nicht allein die Provinzial-Hauptstadt und die correspondirenden süd- lichen Theile der Provinz versorgt die Colonie mit Naturproducten aller Art, sondern viele derselben werden auch nach den nördlicheren Pro- vinzen und den angrenzenden Nachbarstaaten ausgeführt. Im Jahre 1857 wurden auf der Colonie erzeugt und ausgeführt: 25,000 Sack Feijäo (schwarze Bohnen) im Werthe von 160,000 Mil Reis, 25,000 - Milbo (Mais). . . . - - - 125,000 - 16,000 - Farinha de Mandioca . - - - 80,000 - 17,417 - Kartoffeln. . . .. »- - - 52,250 - 42 Pipen Branntwein . . . . - - - 6,300 - ara SackiWeizen Ws, 0 un - - 2,250 - 25,000 Stück Federvih. . . . . - - - 8,000 - 50,000 Dutzend Eier. . . . 2... - - - 8,000 - 356 Arroben Butter . . . 2.0 - - - 4,576 - 3,780 - Speak an MICH pin - - 26,460 - Summa 472,837 Mil Reis - (mehr als 394,030 preufs. Thaler, den Werth von 1 Mil Reis zu 25 Sgr. angenommen). Jedoch auch in industrieller Beziehung schreitet die Colonie leb- haft vorwärts und erzeugt und führt eine bedeutende Anzahl Manufactur- producte aus. So zählte man in der Provinz: 54 Zucker- und Man- dioca-Müblen, 30 Oelmühlen, 5 Sägemühlen, 28 Zuckerfabriken, 1 Essig- fabrik, 3 Steingutfabriken, 12 Cigarrenfabriken. Unter den Handwerkern finden sich besonders zahlreich diejenigen vertreten, welche die Producte der Viehzucht verarbeiten; man zählte: 32 Gerbereien, 45 Sattler- und 20 Schuhmacherwerkstätten, 4 Leimsiedereien u. s. f. '). ") Ave-Lallemant, Reise durch Südbrasilien I, S. 174 giebt noch höhere Zah- len an. 300 W. Schultz: Der Werth der Manufaetur-Erzeugnisse, welche ausgeführt wur- den und unter denen die bedeutendste Zahl die brasilianischen Sättel (lombilhos) ausmachen, belief sich auf 350,000 Mil Reis. Die Colonie zählt 12 protestantische und 9 katholische Kirchen, sowie 30 Unterrichts- Anstalten mit 1031 Schülern, wovon: 3 öffent- liche Unterrichts- Anstalten mit 89 Schülern und Schülerinnen und 27 Privat -Unterrichts- Anstalten mit 942% Schülern und Schülerinnen. Colonie Nova Petropolis (Regierungs-Colonie), gegründet am 7. September 1857, liegt am linken Ufer des Rio Cahy und wird im Süden begrenzt von dem Territorium der Colonie $. Leopoldo, de- ren Territorien und Picaden an dieselbe stofsen. Das Gebiet der Co- lonie umfalst 29 Quadrat-Legoas Land, von demselben sind 8 Quadrat- Legoas Campos (Prairie) und Faxinaes (mit Strauchwerk bewachsenes Land) und 21 Quadrat-Legoas Urwald. In der Colonie sind bis jetzt 273 Seelen angesiedelt. Die Colonie, welche bereits mit einem Theile des Territoriums auf dem Hochlande liegt, eignet sich wegen des sehr gemäfsisten KH- ma’s besonders zum Getreidebau. Schon in den ersten Herbstmonaten wurde hier über bedeutende Kälte geklagt und am Ende derselben gab es schon Reif und starke Nachtfröste. Die Colonie liegt zu beiden Seiten einer Gebirgsstrafse, Picade, welche die Regierung beabsichtigt zur Verbindung der Provinzialhauptstadt mit dem Aldeament von No- ' nohay mittelbar und mit der grofsen Tropenstrafse, welche von Cruz Alta nach dem Centrum der Provinz Paranä führt, weiter zu führen und zugleich eine neue Verbindung des Tieflandes mit dem Hochlande herzustellen. Colonie Mundo Novo (Privat-Colonie), wurde am 7. October 1846 von Tristäo Jos& Monteiro zwischen dem Flusse Sinos, der Serra und dem Rio Sta. Maria gegründet. Die kleine Povacäo Taquara be- wohnen 19 Familien, die übrigen 140 vertheilen sich in den Picaden. Die Gesammtbewohnerzahl beläuft sich auf 710 Köpfe. Die Colonie zählt an industriellen Etablissements: 9 Kaufläden, 2 Schmieden, 1 Bäckerei, 2 Böttcher-, 3 Schuhmacher-, 2 Schmiede-, 16 Sattler- Werkstätten, 1 Feldmesser, 3 Mehl-, 4 Zucker-, 1 Oel-, 2 Sägemühlen, 1 Gerberei. Die Ernte vom Jahre 1858 ergab einen Ertrag von 3000 Sack schwarzen Bohnen, 7000 Sack Milho und ferner eine nicht unbedeu- tende Quantität Weizen und Kartoffeln. Die Ausfuhr der Erzeugnisse, eben so wie die Einfuhr, wird in 16 Lanchöes und 4 Canoes auf dem Rio Sinos bei hohem Wasserstande bewerkstelligt. Die Privat-Colonie Sta. Maria de Soledade. An dem rechten Ufer des Cahy gelegen, wird dieselbe im Osten von dem Rio Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 301 Formeeco begrenzt und stöfst an die Picade Feliz der Colonie S. Leo- poldo. Sie wurde begründet von einer Anzahl von Privatpersonen, laut Contract mit der Regierung am 25. Februar 1857. Das vermes- sene Territorium umfalst 4 Quadrat-Legoas sehr gebirgiges, doch frucht- bares Land; auf demselben sind etablirt 315 Köpfe. Ueber den Ertrag der Ernte in der Colonie erhalten wir folgende Angaben: 1857: 28 Alqueires schwarze Bohnen, 1456 Alqueires Mais, 960 Al- queires Bataten; 1858: 776 Alqueires schwarze Bohnen, 4552 Alqueires Mais, 453 Alqueires Bataten. Jede Colonie & 100,000 Quadrat-Bragen wird von der Gesellschaft an Einwanderer verkauft zu 1500 Frances, zahlbar in 5 Jahren. Hat der von der Gesellschaft eingeführte Colonist nach Ablauf der festge- setzten Frist jene Summe nicht bezahlt, so muls er dieselbe zu 24 Pro- cent verzinsen. Aufserdem sind die von der Gesellschaft eingeführten Colonisten verpflichtet, innerhalb zweier Jahre die Hälfte des Passagegeldes und der denselben verabreichten Subsidien zu bezahlen, oder diese Summe zu 6 Procent zu verzinsen. Die Privat-Colonie Mariante, an dem linken Ufer des Ta- quary auf dem Territorium des Joaquim da Silva Mariante gelegen, wurde gegründet im August 1856; dieselbe zählt auf 2,100,000 Qua- drat-Bracen 116 Köpfe. Die gesetzliche Prämie von 500 Mil Reis, welche der Oberst Mariante für die Einführung von 3 Familien mit 26 Personen aus der Provinzialkasse erhielt, trat derselbe zu Gunsten seiner Colonisten an diese ab. Die Privat-Colonie dos Conventos, auf dem rechten Ufer des Taquary, zwischen dem Moinhos und Forqueta gelegen, zählt 168 Seelen. Die Privat-Colonie Estrella, auf der Fazenda gleichen Na- mens am rechten Taquary-Ufer gelegen, zählt 31 Ansiedelungen auf einem Areal von 4,440,000 Quadrat-Bracen und hat eine Bevölkerung von 175 Seelen. Die zwischen der Colonie $. Leopoldo und dem Taquary - Ufer h gelegenen Territorien sind alle bereits fast ausschliefslich von Deutschen ar besiedelt, welche hier eine schwunghafte Bodeneultur betreiben und die Naturproducte in reicher Fülle auf diesem fruchtbaren Territorium er- ziehen. Diese sowohl, wie die wohlhabendsten Deutschen in $S. Leo- poldo, haben jüngst ein äufserst günstiges Territorium zur Anlage einer neuen deutschen Stadt am Cahy-Ufer angekauft und vermessen lassen, ein Beweis des fortschreitenden Wohlstandes der deutschen Bevölkerung 302 W. Schultz: in jenen Theilen der Provinz. Fände sich hier Intelligenz und einiges Capital, so würde die Industrie einen ganz bedeutenden Aufschwung nehmen. . Colonie Rincäo del Rei, südöstlich angrenzend an die Colo- nie Sta. Cruz, eine selbstständige Besiedelung von Deutschen, welche die älteren Colonie- Territorien verlassen haben. Ueber diese vermoch- ten wir keinerlei Notizen zu erhalten. Colonie Sta. Cruz (Regierungs-Colonie), gegründet im Jahre 1849, liegt zu beiden Seiten der Ufer des Rio Pardinho, in einem sehr gebirgigen, aber fruchtbaren Terrain. Dieser Theil der Serra, welcher an das Thal des Rio Pardo grenzt, hat einen sehr zerrissenen wilden Charakter. Das Colonie-Territorium umfalst 8% Quadrat-Legoas Land, auf dem nach den Angaben bis Ende August 1858 2221 Seelen ge- zählt wurden. Die Colonie erhielt von 1857 bis 1858 einen Zuwachs von 135 europäischen Einwanderern. Vom September 1857 bis September 1858 wurden geboren 100, es starben 31 Personen. Die Ernte lieferte 7724 Sack schwarze Bohnen, 40 Sack Reis, 12 Sack Gerste, 20 Sack Weizen, 564 Sack Erbsen, 4851 Sack Kar- toffeln, 24,7492 Sack Mais, 75 Arroben Mate, 287 Arroben Rauchta- back in Rollen. Der Werth der aus der Colonie ausgeführten Producte, inel. But- ter, Speck, Fleisch, Schweine, Eier und Cigarren, belief sich in dem- selben Jahre auf 41,365 Mil 900 Reis. Der Viehstand belief sich auf: 730 Pferde und Maulthiere, 471 Milchkühe, 78 Zucht- und Mastochsen, 452 Kälber, 31 Schafe und Ziegen, 5970 Schweine. Der Transport in der Colonie selbst ist beschwerlich und wird, wie in allen übrigen Gebirgscolonien, auf Packthieren bewerkstelligt. Der Markt, von welchem die Producte der Colonie nach allen Theilen der Provinz geführt werden, ist Rio Pardo; bis hierher werden sie per Axe auf den im Sommer guten Naturstrafsen transportirt. Colonie $. Angelo (Regierungs-Colonie), am linken Jacuhy- Ufer gelegen, 9 Legoas von Cachoeira und 12 Legoas von Sta. Maria da Boca do Monte, wurde am 28. October 1857 mit den ersten Fami- lien besiedelt. Das Colonie-Territorium begreift eirca 14 Quadrat- Legoa. Auf demselben sind 209 Personen etablirt. Colonie Santa Maria da Boca do Monte e $. Martinho, eine Ansiedelung von Deutschen, welche die Territorien der älteren Colonien verlassen haben, westwärts gezogen sind und sich am Serra- rande von 8. Martinho niedergelassen haben. Die ersten deutschen Hist.-geogr.-statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 303 Bewohner waren Öfficiere und Soldaten, welche in der brasilianischen Armee in dem Kriege der Jahre 1825— 283 gedient hatten, nach dem- selben ihren Abschied erhielten und sich hier niederliefsen. Ihnen schlossen sich neue Ankömmlinge von den Picaden der Colonien S. Leopoldo und Sta. Cruz an. Die Bevölkerung der an den Quellen des Vacacahy Mirim gelege- nen colonisirten Ländereien beläuft sich auf 139 Köpfe. Die Colonie findet ihren Markt für die Producte in dem nahege- legenen deutschen Städtchen Sta. Maria, welches seinen regen Handel und Verkehr hauptsächlich dem deutschen Gewerbfleilse und der gün- stigen Lage im Centrum der Provinz verdankt. — Im Allgemeinen kann der 60 Legoas lange Serrastreifen von Mundo Novo bis Sta. Maria als in der Hauptsache von Deutschen bewohnt be- zeichnet werden, ein Streifen Land, auf welchem deutscher Gewerbfleils sich von Tag zu Tag mehr hebt und der Wohlstand sich mehr und mehr einfindet. Schon richten die Bewohner der älteren Colonien und deren Kinder die Blicke westwärts, um sich neue Felder für ihren Fleifs auszusuchen, und bald auch werden die westlich am Toropy und Ja- guary gelegenen Serraränder von Deutschen bewohnt sein. Sehnsüchtig erwarten die Estanceieros des Westens, bis über den Uruguay hinüber nach Corrientes, den Zeitpunkt, wo auch ihnen deutscher Fleils die Segnungen der Bodencultur zugänglich macht, und auch in jenem Theile sich Colonien erheben werden. Wir erinnern uns noch recht deutlich, wie inständig und überredend man uns angegangen, Colonien am To- ropy, Jaguary und Uruguay anzulegen, und wie man uns doppelt freund- lich aufgenommen, weil man glaubte, wir besuchten jene Landestheile zum Zwecke solcher Explorationen. Die Bevölkerung dieser Theile reicht hilfreich dem armen Einwanderer die Hand, wo sie zu helfen vermag. An dem östlichen Serrarande und im nordöstlichsten Theile der Provinz liegen ferner noch die deutschen Colonien: Tres Forquilhas (Regierungs-Colonie), in der Serra und an dem Ufer des gleichnamigen Flusses. Dieselbe umfalst 123 Ansiede- lungen mit 10,062 Bragen Front und 400 bis 1600 Bracen Tiefe. Auf diesem Territorium wohnen 444 Seelen. Von 1825 bis 1852 wanderten ein 96 Personen; es starben von 1827 bis 1858 63 Personen, und 411 Kinder wurden in demselben Zeitraum geboren. Der günstigen Entwickelung der Colonie mangelt ein Absatzmarkt. Die nahegelegenen Theile des Hochlandes, welche Colonieerzeugnisse bedürfen, sind von derselben durch einen 5 Legoas breiten Streifen Urwald getrennt. Die Colonie hat eine Privatschule, welche von 58 Schülern besucht wird. 304 W. Schultz: Ueber die Regierungs-Colonie S. Pedro de Torres, unweit der Stadt Torres gelegen, vermochten wir keine Angaben zu erlangen. Noch müssen wir zweier Colonien Erwähnung thun, welche im südlichen Theile der Provinz liegen: Colonie D. Pedro II., von 130 Irländern bewohnt, nahe Pelo- tas gelegen, und Colonie $. Loureneo (Privat-Colonie), an dem Rande der Serra dos Tapes und am Ufer des Arroyo S. Lourenco gelegen. Die- selbe wurde von einem deutschen Colonisten J. Rheingantz und einem Brasilianer Jose Antonio Oliveira Guimaräes angelegt; sie umfalst bis jetzt 13 Ansiedelungen zu je 100,000 Quadrat-Bracen, welche zu 200 und 500 Mil Reis verkauft werden. Die Kopfzahl belief sich in der Colonie am 1. September 1858 auf 105 Personen. — Die Regierung hat die noch vorhandenen Terras devolutas, welche sie an dem Serrarande besitzt, vermessen lassen, und beabsichtigt die zwischen den Colonien liegenden, noch unbewohnten Gebirgsstreifen zu colonisiren und so eine zusammenhängende Linie zu bilden, welche die correspondirenden südlichen und nördlichen Campos mit Ackerbaupro- ducten versorgt, während diese wiederum die Pflanzer mit Vieh und Fleisch versehen. Es ist dies derselbe Plan, welchen die Jesuiten bei Anlage der Missionen im Sinne hatten und durchführten. Noch bemerken wir am Schlusse dieser kurzen Notizen über die Colonien, dafs es in der Provinz keine Parceria-Colonien giebt, son- dern alle Colonisten freie Landeigenthümer sind. Ackerbau. Viehzucht. Industrie. Im Verhältnifs zur eulturfähigen Flächenausdehnung der Provinz sind noch immer nur wenige Theile bebaut und bepflanzt. Indessen hat von Jahr zu Jahr seit der umfangreichen Anlage von Colonien die Bodencultur zugenommen und sich mehr und mehr verbreitet. Das Beispiel deutschen Fleifses, deutscher Betriebsamkeit hat trefflich ge- wirkt und unter den Brasilianern vielfach eine anerkennenswerthe Nach- eiferung erweckt. Während in früheren Jahren aus verschiedenen nörd- lichen Provinzen des Kaiserreiches und deren Häfen, Bahia, Rio de Janeiro, Paranagua und Sta. Catharina mannichfache Cerealien zuge- führt wurden, z. B. von 1816 — 1822 143,295 Alqueiren Farinha de Mandioca, während man früher in den meisten Theilen der Provinz nur animalische Nahrung kannte und den täglich mehrmals auf dem Tische des Rio Grandensers erscheinenden Espeto (Spiefsbraten) theil- weise ohne vegetabilische Zuthat genofs, erzeugt jetzt, seit den neun 2 A Hist.-geogr.- statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 305 Jahren, während deren die Colonisation mit Eifer und Nachdruck be- trieben wurde, die Provinz mehr Cerealien, als in derselben verbraucht werden. Sie versorgt schon einige der Nord-Provinzen mit dem Ueber- schuls und ein nicht ganz geringer Theil wird jährlich jenen Provin- zen von denjenigen Cerealien, nach denen die meiste Nachfrage auf den Märkten ist, zugeführt. Wir lassen hier die Angaben der Expor- tation seit dem Jahre 1849 folgen: Jahr Farinha de Mandioca schwarze Bohnen Mais 1849 90 Sack 369 Sack 389 Sack 1850 5414 - 11,569 - 4,65 - 1851 5,696 - 21,554 - 17,375 - 1852 31,308 - 3,1604 - 35,509 - 1853 27 A DI ET 45,6272 - 1854 9 17,355 - 61,383 - 1855 6,305 - 19,359 - 40,5181 - 1856 417Al - 22,850 - 12,737 - 1857 6,0064 - 34,070 - 10,086 - 1858(1.Sem.)2,460 - 37,970 - 3,6777 - Die Preise jener Producte werden in denjenigen Theilen der Pro- vinz, welche entfernt von den Colonien liegen, durch den Transport per Axe bedeutend erhöht. So z. B. kostete im Rincäo de S. Pedro am Toropy die Alqueire schwarze Bohnen 4 Mil Reis, westlicher 6 Mil Reis, und am Uruguay 8 Mil Reis, während der Preis in Porto- Ale- gre nur auf 24 bis 3 Mil Reis stand. Noch bedeutend höher sind die Preise der Cerealien in den nördlichen Provinzen Bahia, Santos, Rio de Janeiro, und selbst in S. Paul und Sta. Catharina. Der Weizenbau, welcher in den Jahren von 1805 bis 1820 nicht unbedeutend war — die Ausfuhr belief sich in jenen Jahren auf 187,980 Alqueiren —, später aber mehr und mehr abnahm, wegen der Krank- heiten (Brand), welche einen grolsen Theil der Ernte vernichteten, hat in neuerer Zeit wieder zugenommen. Die Getreidearten, welche hier am besten gedeihen, sind der ägyp- tische Weizen und der australische Roggen. Die Regierung hat Samen dieser beiden Getreidearten‘ kommen; lassen und unter Colonisten so- wohl wie Brasilianer vertheilt. Ein Gesetz vom 26. September 1857 sichert demjenigen eine Prämie von 2000 Mil Reis zu, welcher mehr als 100 Alqueiren Weizen erntet, und in der That scheint dasselbe den gewünschten Erfolg zu haben, indem sich seit der letzten Ernte vier Brasilianer gemeldet haben, welche die genannte Alqueirenzahl Wei- zen erbaut hatten. Aulser den Cerealien: Mais, schwarze Bohnen, Weizen, Roggen, Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 20 306 W. Schultz: Reis, Gerste etc., welche einen guten Ertrag geben und hauptsächlich auf den Colonien gebaut werden, giebt auch in einzelnen Theilen, in den Municipien Conceicäo do Arroio, S. Antonio da Patrulha, Taquary, S. Leopoldo, Porto-Alegre, S. Borja und S. Gabriel das Zuckerrohr einen guten Ertrag. In dem Municipium von Conceicäo do Arroio allein giebt es 261 Etablissements, in welchen aus Zuckerrohr Rohzucker und Caxas (Branntwein), Melaco (Syrup) und Rapaduras (eine Art Zuckerkuchen) gefertigt wird. Im Jahre 1857 wurden hier producirt: Branntwein gen ee 741 Pipen, Melaco (Syrup) . . . 14,377 Mediden, Zucker. . u (104 ua ee ja 90 Arraben, Rapaduras . .. . . . 121,000 Stück. In S. Antonio da Patrulha werden in 54 Brennereien (mit der höchst einfachen Einrichtung eines kupfernen Kessels) und 79 Mühlen Rapadura, Melaco und Branntwein produeirt. In Taquary giebt es 6 dergleichen Etablissements, welche produ- eirten: 1857 1858 Branntwein 5,217 Mediden 5,790 Mediden Melaco 116 - 60 - Rapaduras 60,000 Stück. In S. Leopoldo giebt es 28 kleine Brennereien; dieselben sollen . jährlich 42 Pipen Branntwein brennen. Porto-Alegre und Umgegend zählt 17 Brennereien, S. Borja 4, welche jährlich 400 Mediden Brannt- wein und 600 Mediden Syrup produeiren. Einen höchst wichtigen Ausfuhrartikel bildet die Herva mate, die Blätter des Hervabaumes, welche getrocknet werden und als Theeauf- guls das bevorzugte Getränk des Camperos von Parana sowohl, als von Rio Grande, Montevideo und der Argentina bildet. Der Herva- baum wächst in den Urwäldern der Serra, in besonderer Güte nahe dem Ufer des Uruguay, in den Wäldern der Missionen, und nimmt mit seiner westlichen Verbreitung an Güte zu. Ein grofser Theil der bra- silianischen Bevölkerung jener Theile der Provinz beschäftigt sich mit der sehr einträglichen Herva-Fabrication. Die Ausfuhr betrug: 1848 15,244 Arroben, 1849 26,115 - 1850 - 19,485 - 1851 8,897 - 1352 13,267 - 1853 99,785 - 1854 7,953 - Hist. - geogr. -statist. Skizze der kais. brasil. Provinz Rio Grande do Sul. 307 1855 164,304 Arroben, 1356 38,615 - 1857 259,365 - 1858 (1. Sem.) 21,114 - Aulser der von den Zollämtern von Porto-Alegre, Rio Grande und S. Jose do Norte angegebenen Ausfuhr des Mate von 1857 wur- den noch ausgeführt von diesem Artikel über Passo fundo im ?. Se- mester 1857 15,995 Arroben, und im 1. Semester 1858 28,384 Ar- roben. Die angegebenen Zahlen umfassen nicht die Gesammtausfuhr der letzten Jahre, da die Angaben von mehreren Munieipien fehlen. Viehzucht. — Wie schon oben gesagt, gedeihen Rindvieh, Pferde und auch Schafe trefflich auf den weiten Campos. Das Vieh wächst empor und vermehrt sich, ohne dafs demselben von Seiten der Estan- cieros im Allgemeinen grolse Sorgfalt gewidmet wird. Im Winter wöchentlich einmal, im Sommer zwei bis dreimal während der grofsen Hitze wird das Vieh einer Estancia auf einen, und zählt es acht und mehr tausend Köpfe, auf zwei grofsen Plätzen zusammengetrieben und nachgesehen, ob die Inseeten demselben Schaden gethan. Die kranken Stücke werden geworfen und mit Salbe eingerieben, aufserdem werden die wilden Pferde zugeritten, geschnitten und gebrannt. Und so über- läfst man die Thiere wieder sich selbst. Allerdings beginnen jetzt schon einige Viehzüchter mehr Werth auf Qualität als Quantität zu legen, indessen sind dies nur Ausnahmen. Dabei erhalten sich die Preise seit der Revolution und der förmlichen Ausrottung des Viehes auf einem ziemlich hohen Stande, der sich in Folge der grofsen Trockenheit im Jahre 1857 noch erhöht hatte. Sowohl diese, als auch die darauf fol- gende strenge Kälte im Winter war Ursache, dafs mehr als 25,000 Stück Rindvieh verloren gingen. Besonders schwunghaft wird die Maul- thierzucht betrieben, welche bei den jetzigen hohen Maulthierpreisen einen guten Gewinn abwirft. Die Gesammtausfuhr an Vieh nach den nördlichen Provinzen belief sich im Jahre 1855 auf 59,214 Stück, 1856 auf 72,278 Stück, 1857 auf 50,301 Stück, und zwar wurden in dem letzteren Jahre ausgeführt über Pontäo 34,737 Stück, Nonohay 15,168 Stück, Torres 396 Stück. Die Ausfuhr und Einfuhr mit den angren- zenden Nachbarländern gestaltete sich folgendermafsen. Eingeführt wurden aus den Nachbarstaaten zu Lande: 1857 81,427 Stück Rindvieh, 7,789 Pferde, 1,439 Maulthiere, 1858 51,847 - - 8,204 - 1,003 - Ausgeführt wurden dahin: 1857 103,635 Stück Rindvieh, 30,656 Pferde, 480 Maulthiere, 1858 54,928 - - 14,027 - 67 - 20° 308 W. Schultz: Skizze der brasil. Provinz Rio Grande do Sul. Der Verbrauch im Lande belief sich nach annähernder Abschätzung im Jahre 1857 auf allermindestens 40,279 Stück. Zu dem in demsel- ben Jahre nach brasilianischen Häfen ausgeführten carne secca (ge- trocknetes Fleisch) wird man ebenfalls 365,508 Stück gebraucht haben, wenn man annimmt, dafs man 4 Arroben carne secca durchschnittlich aus einem Stück Rindvieh schneidet. Ferner wurden allein von dem Observationscorps vom Januar bis März 1858 5958 Stück Rindvieh gebraucht. Schliefslich dient noch die Uebersicht der Ausfuhr von Häuten, welche wir folgen lassen, zu einigem Anhalt über den Reichthum und Consum der Provinz an Vieh. Es wurden ausgeführt: 1848 280,574 Häute, 1854 683,732 Häute, 1849 301,015 - 1855 617,441 - 1850 223,060 - 1856 693,596 - 1851 169,865 - 1857 556,916 - 1852. 135,427 - 1. Semester 1858 215,752 - 1853 743,070 - Die Schafzucht ist in den ersten Stadien der Entwiekelung be- griffen. Die Regierung hat Merino-Schafe kommen lassen, eine Muster- schäferei unter der Leitung eines Deutschen in der Nähe von Porto- Alegre angelegt und ferner 130 Zuchtschafe angekauft, von denen sie 67 vertheilte. Ueber die Industrie läfst sich nur wenig sagen. Sie liegt hier noch in der Kindheit und wird sich erst mit der wachsenden Bevölke- rung entwickeln. Unter den Anstalten, in welchen industrielle Produete erzeugt werden, verdienen Erwähnung die Gerbereien, die sogenannten Charqueaden (die Schlachtanstalten, in welchen carne secca geschnitten und getrocknet wird), die Seifensiedereien, Lichtziehereien, Oelmühlen, und ferner wird die Fabrication brasilianischer Sättel äulserst schwung- haft betrieben. Dieselben werden in bedeutender Zahl nach den bra- silianischen Nordprovinzen sowohl, als nach den angrenzenden Plata- Staaten ausgeführt. ea) 309 xXT. Schluls von Capt. J. Palliser’s Expedition nach den Rocky Mountains 1858 —60. Nach den Originalberichten zusammengestellt von E. G. Ravenstein. Im siebenten Bande dieser Zeitschrift S. 319 ff. gaben wir eine Zusammenstellung der Arbeiten von Capt. Palliser’s Expedition bis zum Ende des Jahres 1858, und liefsen die Mitglieder derselben in ihrem Winterquartiere zu Fort Edmonton, ausgenommen M. Bourgeau und Capt. Blakiston, die nach England zurückgekehrt waren. Ersterer ist gegenwärtig mit Bearbeitung seines reichhaltigen Materials beschäf- tigt, und die zahlreichen magnetischen Beobachtungen des Capt. Bla- kiston sehen ihrer Veröffentlichung durch die Royal Society entgegen '). Winterreisen 1858 — 59. Capt. Palliser begnügte sich mit einer Reise nach dem Mountain House, von wo er nach dem oberen Red Deer River hinüberging, und einem Ausfluge nach dem Beaver-See, östlich von Edmonton. Dr. Hector’s Forschungen erstreckten sich über ein viel weiteres Gebiet, und vom October 1858 bis zum Mai 1859 unternahm er vier verschie- dene Reisen ?). Noch ehe der erste Schnee fiel ging Dr. Hector den Saskatchewan abwärts bis zur Snake Portage. Im März und April reiste er über die Schneedecke nach Fort Pitt und zurück; und im November und December drang er den Red Deer River entlang nach Südwest bis zum Fufse der Rocky Mountains in der Nähe von Bow Fort vor. Die Gegend, über die jene drei Reisen sich erstreckten, trägt ziemlich gleichen Charakter. Sie ist theilweise bewaldet, ihr Hauptwerth aber ist in gut bewässertem Ackerland und Weidegelän- !) Die Art und Weise, in der Blakiston in seinen früheren Berichten die Be- schreibung der Route von York Factory nach dem Red River giebt, liefs uns unbe- dingt annehmen, er selbst hätte diesen Weg zurückgelegt. Dem ist jedoch nicht so. Am 31. August 1857 ging er von York Factory ab, kam am 20. September zu Norway House an, ging dann über den Winipeg-See und den Saskatchewan auf- wärts, und erreichte Fort Carlton am 23. October. (Ueber Blakiston’s magnetische Beobachtungen zu York Factory, an der Hudsons-Bai, sehe man General Sabine’s Remarks etc. in den Proceedings of the Royal Geogr. Society, January 7, 1858.) Ein Vorschlag Blakiston’s, den Bow River in einem Canoe hinabzugehen, August 1858, wurde vom Haupte der Expedition zurückgewiesen, „weil es ein ganz unbekannter Flufs sei“, ?) Auf diesen Reisen machte er 18 Breitenbeobachtungen. 310 E. G. Ravenstein: den für den Winter zu suchen. Letztere sind zum Theil mit Pappeln und Weidegebüsch bewachsen und bringen einen überaus reichen Wuchs von nahrhaften Gräsern hervor. Die Gebüsche bieten den Thieren Schutz gegen kalte Winde, und das kurze Gesträuch hält den Schnee so locker, dals sie ohne Schwierigkeit den ganzen Winter hindurch das nöthige Futter finden können. Ueberhaupt fällt nicht viel Schnee, und selbst im Winter von 1858—59, der sehr schneereich war, lag er im Walde zwischen dem Battle River und Saskatchewan nur 8 bis 12 Zoll tief. Nach dem Gebirge hin, in südwestlicher Richtung, lag noch we- niger Schnee. Bei Fort Pitt ist das Verhältnifs ein anderes, und An- fangs April, zur Zeit als bei Edmonton kaum noch Schnee vorkam, wurde die Gegend dort von einigen heftigen Schneegestöbern aus Nor- den heimgesucht, und der Schnee lag 3 bis 4 Fufs hoch. Dr. Hector’s vierte Reise ging östlich nach dem Jasper House. Am 12. Januar 1859 verliefs er Edmonton mit Hundeschlitten, um zu- nächst den verlassenen Posten der Hudsonsbai-Compagnie Assiniboine (54° 51’ 4” N. Br.) am Athabaska zu erreichen. Die Gegend bis da- hin war dicht bewaldet. Am zweiten Tage nach seiner Abreise hatte Dr. Hector den niederen Höhenzug überschritten, der die Wasserscheide zwischen dem atlantischen und arktischen Meere bildet; am vierten Tage erreichte er das Fort. Der Athabaska hat hier eine Breite von 900 Fufs und durchströmt ein 250 Fufs tiefes Thal, das 1 bis 2 Miles breit ist. Den Flufs ging Dr. Hector 14 Tage lang stromaufwärts, und bis auf eine Entfernung von 40 Miles vom Fufse der Rocky Moun- tains machte ihm der tiefe Schnee viel zu schaffen. Dieselben kohlen- haltigen Strata, wie am Saskatchewan und Red Deer River, kamen auch hier am Flufsufer vor, die Kohlenlager schienen jedoch weniger mächtig zu sein. Jasper House (53° 12’ 13” N. Br.) steht inmitten eines weiten Tha- les, innerhalb der zweiten Vorkette der Rocky Mountains, die von hier aus einen herrlichen Anblick bieten. Grade gegenüber dem Fort ragt der Roche & Miette 5400 Fufs über den Flufs empor (9400 Fufs über dem Meere). Das seltsame Klima des Ostabhanges des Gebirges setzte Dr. Hector in den Stand, trotzdem dafs es mitten im Winter war, die- sen Berg 3300 Fufs hoch hinaufzuklimmen. Bei Jasper House neh- men alle Winde die Richtung des Thales an, und sind daher entweder nördliche oder südliche. Nur auf stehenden Gewässern (Seen) bildet sich eine dicke, beständige Eisrinde, die schnelle Strömung des Flus- ses aber, so weit er durch das Gebirge fliefst, verhindert dieses. Dr. Hector mulste deshalb trotz einer Kälte von 19° R. am Abend seiner Ankunft am Jasper House den Flufs bei einer Stromschnelle durch- waten und Schlitten und Hunde auf den Schultern hinüberschleppen. ö Wut Schlufs von Capt. Palliser’s Expedition nach den Rocky Mountains. 311 Mangel an Lebensmitteln nöthigte unsern Reisenden, seine drei Leute mit 16 Hunden nach Edmonton zurückzuschicken. Er selbst ging mit dem Beamten der Hudsonsbai-Compagnie, der zu Jasper House wohnt, den Athabaska-Flufs aufwärts bis zur Stelle, wo er als ein Bächlein, von Felsen eingeengt, dahinflielst. Dieser Ausflug be- stätigte die schon früher bemerkte Thatsache, dafs am Ostabhange der Rocky Mountains weniger Schnee fällt als selbst in der Prairie. Am 19. Februar 1859 trat Dr. Hector seine Rückreise nach -Ed- monton an. Er ging zu Fuls, begleitet von einem Irokesen und einem jungen half-breed. Am Pembina-Flusse wurde ein 8 Fufs mächtiges Kohlenlager entdeckt, das früher einmal gebrannt hatte. Die Gegend war auf der ganzen Strecke dicht bewaldet. Am 5. März wurde Dr. Hector von den römisch-katholischen Missionaren am St. Ann’s-See gut bewirthet, und am folgenden Tage erreichte er Edmonton. Reise von Edmonton nach Colville, 27. Mai bis 6. September 1859. In Folge des Mangels an Lebensmitteln zu Edmonton und der Abwesenheit von Büffeln sah Capt. Palliser sich genöthigt, seine Wei- terreise früher anzutreten, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Zwei seiner Freunde, Capt. Brisco und Herr Mitchell, hatten sich der Ex- pedition angeschlossen, und einschliefslich des Herrn Sullivan und eines Führers zählte diese 16 Mann, als sie am 27. Mai 1859 Fort Edmon- ton verliefs. Dr. Hector war noch nicht von seiner Reise nach Fort Pitt zurückgekehrt. Am 2. Juni erreichte man Buffaloe Lake, wo die Lebensmittel zu Ende gingen, und bis zum 11ten lebte man nothdürf- tig von Enten und Bibern, als man in den Utschis’tschis Watschi ’) oder Hand-Hügeln, im Lande der Blackfeet, auf eine Heerde von Büf- feln stiefs. Palliser beschlofs, hier die Ankunft des Dr. Hector mit Briefen von England zu erwarten. Am 14. Juni erhielt er den Be- such von 45 Blackfeet, die von einem erfolglosen Einfalle in das Ge- biet der Crow’s zurückkehrten. Es gelang Palliser, sie von einem Kriegszuge gegen die Crees, von denen sie gereizt worden, abzuhalten und zur Heimkehr zu bewegen. Noch andere Kriegerbanden besuch- ten das Lager, und Palliser konnte nur mit Mühe seine furchtsame Mannschaft zusammenbalten. Er mufste versprechen, nach Edmonton zu schicken und eine Verstärkung von fünf Mann zu engagiren. Dies that er und schickte einen Mann ab, der mit Lebensmitteln zur Hin- !) Im Original Oochischis Wachee, trotzdem dafs die Londoner Geographische Gesellschaft als Regel annimmt, die Vocale wie im Deutschen oder Italiänischen aus- zudrücken. a2 “ E. G. Ravenstein: und Herreise versehen war. In Edmonton war Hungersnoth, und Palliser’s Bote, von Mitleid bewegt, überliefs den hungernden Weibern und Kindern seine Lebensmittel, und mit seinen fünf Gefährten war er selbst drei Tage lang auf seiner Rückreise ohne alle Nahrung. Die Blackfeet hatten eine Zeit lang unterlassen, Fort Edmonton mit Lebens- mitteln zu versehen, da sie sich über den ungerechten Tarif der Hud- sonsbai-Compagnie beschwerten, der zwischen ihnen und den Crees einen Unterschied in den Preisen mache. Auf Zureden Palliser’s ver- sahen sie jedoch den Ort von Neuem mit Lebensmitteln. Ueberhaupt spricht der Reisende sich nur günstig über das Betragen der Blackfeet-, Piegan- und Blood-Indianer aus. Auf der ganzen Reise wurde kein Pferd gestohlen oder ein Gewehr angelegt, und die Indianer ritten un- bewaffnet in das Lager. Ob ihr Betragen dasselbe sein würde Frem- den oder einer Militärkraft gegenüber, bezweifelt er. Dr. Hector war am 19. Juni angekommen. Die Hand-Hügel bilden inmitten der Prai- rie ein Plateau von etwa 450 Fufs Höhe. Der Boden und die Weide sind zwar gut, das Gehölz aber besteht nur aus werthlosen Weiden und Pappeln. Die Prairie bis zur Furth über den Red Deer River, wenige Oasen ähnliche Orte ausgenommen, hat einen sandigen Boden mit sehr kärglichem Graswuchs und ist ganz ohne Beholzung. Am 15. Juli überschritt man den Red Deer River und folgte sei- nem rechten Ufer bis gegenüber der Stelle, wo Chesterfield House stand. Ausgenommen das Flufsthal ist auch diese Strecke werthloses Sandland, mit kärglichem Gras und wenig Holz. Die Blood-Indianer lagerten in der Nähe von Chesterfield House und besuchten Palliser’s Lager am 19. Juli in grofser Anzahl. Einen Gegenbesuch stattete man am folgenden Tage ab. Die Zelte der Indianer waren sehr grols; einige davon hatten einen Durchmesser von 30 Fufs und eine entspre- chende Höhe. Die Indianer waren wohl versehen mit Kesseln, Tellern und Löffeln, und besafsen häufig amerikanische Luxus- Artikel, wie Kaffee und Zucker, die sie beim Fort Benton am Missouri erhandeln. Am 22. Juli überschritt man den Süd-Saskatchewan oder Bow River. Die Pferde schwammen, und das Gepäck wurde ohne Scha- den, in das Leder der Zelte eingehüllt, hinübergeschafft. Der Flufs hat hier eine Breite von 750 Fuls. In südlicher Richtung fortschrei- tend erreichte man die Cypressen -Hügel, die sich etwa 1600 Fufs über die Ebene erheben, schön bewaldet sind und reichliche Weide und Wasser darbieten. Wild ist ziemlich zahlreich. Ihre Richtung ist von Ost nach West und weiterhin hängen sie mit dem Cöteau du Prairie zusammen. Die Expedition rastete hier einige Tage. Sullivan machte einen Ausflug nach der amerikanischen Grenze. Capt. Brisco und Herr Mitchell waren schon früher nach Fort Benton abgereist. Dr. Hector ae ALTEN Ben ee ER En Schlufs von Capt. Palliser’s Expedition nach den Rocky Mountains. 313 trennte sich mit 5 Mann und 16 Pferden von der Expedition, um eine für Pferde gangbare Route nach dem Thompson-Flufs zu finden. Palliser selbst wandte sich nach Westen. Bis unter die Länge von Chief’s Mountain erstreckt sich die sandige dürre Ebene; die un- bedeutenden Zuflüsse des Saskatchewan waren entweder eingetrocknet, oder ihr Lauf nur durch unzusammenhängende Lachen bezeichnet. Unsere Reisenden waren für ihren Bedarf an Wasser fast einzig auf Sümpfe angewiesen, deren Wasser meist salzig war. Das Gras reichte kaum für die Pferde hin. In 24 Tagen überschritt man die Rocky Mountains durch den Kootanie-Pals, und am 18. August kam man bei zwei Kootanie-Zelten an, deren Bewohner Kühe, Ochsen und Pferde besalsen. Man tauschte hier die ermüdeten Pferde gegen frische um und erwarb einen mageren jungen Stier. Es war Palliser’s Absicht, sich von hier aus dem 49sten Breiten- grade entlang zu halten. Mangel an Lebensmitteln zwang ihn jedoch, dem gewöhnlichen Pfade nach den Paddler-Seen zu folgen. Sullivan ging von hier aus mit den Leuten und Pferden der Expedition über die Kullespelm-Berge nach Colville. Palliser selbst miethete ein Ca- noe und ging den Columbia-Flufs abwärts. Am 4. September erreichte er Fort Shepherd, einen Posten der Hudsonsbai-Compagnie, der erst seit Kurzem besteht, bis jetzt aber noch nicht benutzt wird. Später wird wohl Fort Shepherd an die Stelle von Colville treten, wo Palliser am 6. September ankam. Dr. Hector’s Reise von den Uypressen-Hügeln nach Col- ville, 3. August bis 26. October 1859 '). Am 3. August trennte sich Dr. Hector bei den Cypressen-Hügeln von Palliser mit 5 Mann, 8 Pack- und 9 Reitpferden. Er verfolgte eine fast nordwestliche Richtung, überschritt den Belly River und kam nach 10 Tagen an der Stelle von Bow Fort an. Unterwegs traf er mit einer Bande von Piegan-Indianern und einer von Berg- Assiniboine zusammen. Letztere waren wegen Wildmangels in die Ebenen herab- gestiegen und jagten das Elenn und den grauen Bären an der Mün- dung des Ispasquehow (50° 43’ 8’ N. Br.). Vom Bow Fort aus folgte Dr. Hector dem Wege vom vergange- nen Sommer bis zum Castle Mountain, gegenüber dem Vermillion-Pafs. Er wandte sich dann nach Norden, folgte einem kleinen Zuflusse des Bow River aufwärts bis zur Höhe des Pipe Stone-Passes (51° 38’ 1” N. Br.; 7000 Fufs über dem Meere), und stieg auf der anderen Seite !) Während dieser Reise machte Dr. Hector 28 Breitenbeobachtungen. 314 E. G. Ravenstein: den Sifflleur River entlang zum Nordzweige des Saskatchewan hinab (51° 58',3" N. Br.). Das 14 Miles breite Thal des Saskatchewan wird von hohen Ab- hängen eingeschlossen und ist mit Ablagerungen von Geröll besäet, deren Aussehen nach das Thal zu Zeiten nicht passirbar sein kann. Dr. Hector folgte ihm bis zu den drei Quellbächen des Middle Fork, deren zwei ungeheuren Gletschern entspringen, wovon einer selbst den im vergangenen Jahre besuchten Gletscher am Glacier Lake an Grölse übertrifft. Der dritte entspringt in einem ebenen, stark bewaldeten Thälchen, 51° 46’ N. Br. und 4800 Fufs über dem Meeresspiegel. Zwi- schen ihnen und dem nach Süden dem Columbia zuflielsenden Blae- berry River ist die Wasserscheide kaum bemerklich (7. September). — Der Blaeberry River nimmt rasch an Gröfse zu, ist auf beiden Seiten von steilen Thalwänden eingeschlossen und fällt bis zum Columbia, auf einer Strecke von 35 Miles, 2000 Fufls. Es zeigten sich hier Spu- ren eines früheren Pfades, und ohne Zweifel ist dies der Pals, der im Jahre 1810 von Howse zurückgelegt wurde und auf Arrowsmith’s Karte als solcher angegeben ist. Die Schwierigkeiten des Hinabsteigens wa- ren bedeutend, und erst nach neun Tagen erreichte man die Mündung des Flusses (51° 26’ N. Br.). Ausgedehnte Lager von abgerundetem Geröll an der Mündung des Flusses sind Zeugen von der Masse des Stoffes, den die reilsenden Wasser des Flusses jährlich im Frühling herabtragen. Der Columbia hat hier eine Breite von 630 Fuls, ist tief und hat einen langsamen Lauf. Das Flufsthal ist 3 bis 4 Miles breit und von Bergen eingeschlossen, die auf dem rechten Ufer bis zu 3—4000 Fuls, auf dem linken aber nur bis 2— 3000 Fufs ansteigen. Eine Hügel- kette liegt mitten im Thale, und der Blaeberry River durchbricht sie in einem tiefen Felsen-Canon, ehe er den Columbia erreicht. Es war Dr. Hector’s Wunsch, sich von hier aus einen Weg nach dem Boat Encampment zu bahnen, um dann British Columbia auf dem Thompson-Fluls zu erreichen. Der dichte Urwald machte ihm dies jedoch unmöglich, er hätte denn seine Pferde im Stich lassen müssen, und am 18. September wandte er sich nach Süden. Am 3. Oetober kam er zu den Quellen des Columbia (50° 7’ 47" N. Br.). Das breite Thal des Columbia ist eine der bemerkenswerthesten Erscheinungen des Westabhanges der Rocky Mountains. Im Süden finden wir seine Fortsetzung im Kootanie-Flusse, und die den Ansiedlern zu Colville bekannten Winterplätze im Bitter Root Valley können wohl als eine noch südlichere Fortsetzung dieses Thales angesehen werden. Bis etwa 51° N. Br. machten Wälder von Tannen (spruce) mit diehtem Unterholz die Reise schwierig. Dann aber nimmt der Wald Schlufs von Capt. Palliser’s Expedition nach den Rocky Mountains. 315 plötzlich einen californischen Typus an; die Pinus ponderosa ist vor- herrschend, das Unterholz fehlt, und hie und da erstreckt sich eine 1 Prairie mit büschelweise wachsendem Grase. Der Columbia bleibt ein I bedeutender Flufs bis zu seiner Quelle, und in Folge der geringen Nei- f gung des Thales bildet er Sumpf-Seen. Südlich von 51° N. Br. sind \ seine Ufer jedoch hoch und bestehen aus Lagern von Sand und Geröll. Ein schmaler Saum dünn bewaldeten Landes, nur wenig über dem oberen der Columbia-Seen erhaben, trennt ihn von ‚dem reifsenden Kootanie. Am 7. October erreichte Dr. Hector Kootanie Post (48° 54’ 48” N. Br.), folgte dem gewöhnlichen Pfade der Hudsonsbai- Compagnie nach den Paddler-Seen, von wo er sich nach dem Kullespelm -See wandte. Der tiefe Schnee auf den Kullespelm-Bergen bestimmte Dr. Hector, einen Umweg über den Spokan-Flufs zu machen, und am 26. October traf er zu Colville mit Palliser zusammen. Palliser’s und Sullivan’s Reisen im Norden von Colville. Am 11. September wurde Sullivan von Fort Colville abgeschickt, um einen Weg zwischen Fort Shepherd und dem Kootanie-Flusse aus- findig zu machen. Capt. Palliser selbst behielt sich vor, das Land im Westen des Fort Shepherd bis zum Pfade der Hudsonsbai-Compagnie, der über den Mansons-Berg führt, zu erforschen. Er reiste zu diesem Zweck am 14. September von Colville ab, be- gleitet von zwei Indianern und mit drei Reit- und zwei Packpferden. Am 17ten verliefs er Fort Shepherd. Bis zum Sheep River, eine Ent- fernung von 26 Miles (17.—22. Sept.), ist das Land hügelig und be- waldet, und erhebt sich etwa 1200 Fuls. Anfangs boten die Hügel keine Schwierigkeit dar, aber schon nach den ersten 7 Miles war es nöthig, sich mit der Axt einen Weg zu bahnen, und steile Felsabhänge waren dem Fortkommen der Pferde oft hinderlich. Schon am 19. Sep- tember war man gezwungen, ein Pferd zurückzulassen, und am 21sten mulste man den erschöpften Thieren einen Rasttag geben. Den gan- zen Tag über regnete es heftig. Die Entfernung zwischen dem Sheep River und Mitchelaam - See ist 30 Miles, die man vom 23. bis 26. September zurücklegte. Wäh- rend der ersten 19 Miles war es auch hier nöthig, die Axt zu hand- haben. Die Hügel waren bis 1100 Fufs hoch. Am ?6sten führte der Weg einige Miles weit durch ein Thal, dann ging es einen 900 Fufs hohen Hügel hinauf, und einige Miles auf dem Bergrücken fortschrei- tend sah man den Mitchelaam-See zu Fülsen liegen. Es war jedoch nicht möglich, noch an demselben Abend den Felsabhang hinabzuklim- men, und man mulste auf der Höhe übernachten, und wegen Mangel > © 3 DE, SS 0) We FI Fe 'e BR I 316 E. G. Ravenstein: an Wasser ohne Nachtmahl sich bequemen. Zwei der Pferde wurden hier wegen Erschöpfung zurückgelassen. Am folgenden Morgen (27. September) um 84 Uhr erreichte man den See (49° 4' 30" N. Br.), der sich bei einer Breite von 2% bis 31 Miles 7 bis 8 Miles von Süd nach Nord erstreckt. Er ist eingeschlossen von 700 bis 1100 Fufs hohen Hügeln. Im Spätherbst wird er von den Indianern des Fischfanges wegen besucht, und ein wohlbetretener Pfad führt von seinem Südende nach Colville. Palliser beschlofs, dahin zurückzukehren, um mit neuen Hilfsmitteln versehen die Reise nach Westen fortzusetzen. Am 5. October verliefs er Colville zum zweiten Male, und am 7ten kam er wiederum an’s Südende des Mitchelaam. Am 8. October ging Palliser zu Fufs an den Hügeln am Westufer des See’s hinan, und schickte die Pferde den gewöhnlichen Weg das Thal des Ne-hoi-al-pit- kwu entlang, wo sie ihn am North Fork dieses Flusses erwarten sollten. Der Weg war anfangs in Folge der Massen von gefallenen Baum- stämmen sehr beschwerlich, um 4 Uhr Nachmittags kam man jedoch auf eine Höhe, von wo man ein ausgedehntes Prairieland übersehen konnte. Am folgenden Tage stieg man nach dem Flusse hinab, den man unter 49° 2’ 20” N. Br. erreichte, und setzte die Reise durch Prairieland längs seiner Ufer fort. Am 11. October stiels man auf das Lager einer Abtheilung der amerikanischen Grenzaufnahme-Expedition. Drei solcher Abtheilungen waren bei der Aufnahme beschäftigt, und jede bestand aus einem Beobachter, einem Rechner und einem Topo- graphen. Mit ihnen kehrte Palliser nach Colville zurück. Sullivan reiste am 11. September in Gesellschaft des Herrn Mar- gary, eines Beamten der Hudsonsbai-Compagnie, von Colville ab, und am 13ten kam er zu Fort Shepherd an. Hier engagirte er drei Sanikh- Indianer, überschritt den Columbia am 1öten, ging den Pendoreilles 12 Miles weit aufwärts und erwartete die Ankunft seines Führers. Der Pendoreilles ist goldhaltig, aber nur wenige Leute waren mit Gold- suchen beschäftigt. Der Ertrag war 15 bis 40 Shilling täglich. Berg- baugesellschaften, wie sie in Californien bestehen, würden wohl gute Geschäfte hier machen. Das Bett des Pendoreilles, wie das des Co- lumbia zwischen den Forts Colville und Shepherd, besteht aus blauem, von Quarz-Adern durchzogenem Schiefer. Darüber lagert ein sehr harter Granit, und an vielen Stellen, besonders am Salmon River, kommen grofse Massen von Mica vor. An der Mündung des Salmon River angekommen fand Sullivan seine Weiterreise durch gefallene Baumstämme und dichtes Unterholz erschwert. Er belud deshalb seine Pferde mit allem Entbehrlichen und schickte sie nach Fort Shepherd zurück, wo einer der „Miner“ sie zu hüten versprach. Er selbst, Herr Margary und seine Leute theilten v ® & Schlufs von Capt. Palliser’s Expedition nach den Rocky Mountains. 317 sich dann gleichmäfsig in das Gepäck, und zum grofsen Verdrufs der faulen Indianer setzte er die Reise fort. Nach einem Marsche von fünf Tagen, den östlichen Zweig des Salmon River entlang, erreichte er die Wasserscheide zwischen den Gewässern des Kootanie und Columbia, 49° 5’25” N. Br. und 1500 Fufs über Fort Shepherd. Das Land bis hierher stieg allmählich, und die Herstellung einer Fahrstrafse würde auf keine Schwierigkeit stolsen. Auf der anderen, östlichen Seite je- doch geht es auf 300 Fufs ziemlich schroff bergab. Die Aussicht von diesem Punkte ist sehr ausgedehnt. Im Südosten erheben sich die 2500 Fuls hohen zerklüfteten Berge am rechten Ufer des Pendoreilles, die bis zu ihren Gipfeln mit dichtem Tannenwalde bestanden sind. Am 26. September kam Sullivan am Flat Bow Lake an (49° 13’ 7" N.Br.). Das Land im Südosten davon ist auf eine Entfernung von 25 Miles flach und sumpfig. - Der Flufs selbst hat eine unmerkliche Strömung, und auf beiden Ufern findet man zahlreiche Lachen und Sümpfe, von wilden Enten, Gänsen und anderen Wasservögeln belebt. In diesen Sümpfen finden die Kootanie-Indianer auch das Klusquis oder „Dickrohr“, welches die Indianer zur Herstellung ihrer Hütten bedür- fen, und das auch einen Handelsartikel mit andern Indianern abgiebt, die dieses Rohr in ihrem Gebiete nicht finden. Die Kootanie-Indianer gaben Herrn Sullivan bereitwillig Kunde über das Land im Osten. Vom See aus führte früher ein Pfad in nordöstlicher Richtung nach dem Columbia, derselbe ist aber in Folge gefallener Bäume schon seit Jahren unwegsam und führt aufserdem über zwei steile Berge. Am 30. September verliefs Sullivan den Bow Lake mit zwei In- dianern und vier Pferden. Er wandte sich nach Süden, ging dann über den Kootanie-Flufs (49° 3’ 6" N. Br.) und folgte einem Saumwege, der einige Miles weit über amerikanisches Gebiet, führt. Herr Sullivan glaubt jedoch, dafs ein Fahrweg sich recht leicht auf britischem Ge- biet herstellen liefse. Man kann von verschiedenen Richtungen in das Gebirge eindringen; die höchsten Berge sind nicht über 2000 Fuls hoch, und breite Thäler mit sanften Abhängen sind häufig. Am 4. October erreichte man einen nördlichen Zufluls des Koo- tanie-Flusses, der Weg führte durch ein herrliches Thal mit reichen Futtergräsern, bis man am 6. October zwei kleine Seen erreichte, in denen dieser Zufluls entspringt (circa 49° 25° N. Br. und etwa 3300 Fufs über Fort Shepherd). Von einer Anhöhe sah man die Berge auf dem Ostufer des Kootanie, und ein breites, offenes Thal erstreckte sich zum Flusse selbst. Mangel an Lebensmitteln zwang jedoch Herrn Sul- livan zur Umkehr, und am 10. October traf er wieder am Bow Lake 318 E. 6. Ravenstein: ein. Die letzten zwei Tage hatte man ohne Nahrung zugebracht. Von hier nach Colville reiste man auf zwei Canoes, und traf dort am 15. October ein. Rückreise. Am 2. November 1859 verliefsen unsere Reisenden Colville, und der Militär-Strafse entlang kamen sie nach Neu-Walla-Walla, wo eine bedeutende Truppenmacht zum Schutz der Ansiedler kasernirt ist. Zu Alt-Walla-Walla gedachte man das amerikanische Dampfboot zu fin- den, das den Columbia zwischen diesem Orte und den Chutes befährt, aber unglücklicher Weise war es kürzlich in die Luft geflogen '). Man war daher gezwungen, das Gepäck in Walla-Walla zurückzulassen, um es durch einen Schooner, der erwartet wurde, zu expediren, und miethete zwei Canoes, auf denen man die Fahrt nach den Chutes machte. Dr. Hector blieb in Fort Vancouver zurück, um das Gepäck zu erwar- ten. Capt. Palliser und Sullivan gingen von Portland, der blühendsten Stadt in Oregon, aus auf dem Dampfboote nach Vietoria auf Vancou- ver’s Island. Sullivan ging von hier am 5. Januar 1860 nach England ab. Dr. Hector kam am 16ten vom Columbia; das Gepäck war 30 Miles unterhalb Walla-Walla eingefroren. Capt. Palliser benutzte die Zeit, um einen Ausflug nach dem unteren Fraser-Flufs zu machen; Dr. Hec- tor untersuchte die Kohlenfelder von Nanaima. Am 14. März 1860 kam das Gepäck an, und ohne Zeitverlust wurde die Rückreise nach England angetreten. — Die Anzahl der auf diesen Reisen astronomisch bestimmten Brei- ten ist sehr bedeutend. Im Ganzen bestimmte Sullivan 105 Breiten, Dr. Hector 84, und Blakiston 22, alle im Westen des Red River. Die Längenbestimmungen sind weniger zahlreich und im Ganzen unbefrie- digend. Die Chronometer-Beobachtungen sind in Folge des unregel- mälsigen Ganges der Instrumente wenig zuverläfsig. Sullivan bestimmte jedoch folgende 15 Punkte nach Monddistanzen: 1) Der Columbia wird von Astoria bis nach den Cascades, 135 Miles, von Dampfschiffen befahren. Eine Portage mit Bohlenbahn, nicht ganz 2 Miles lang, bringt den Reisenden zu einem zweiten Dampfer, der 48 Miles weit bis nach den Dalles fährt. Ein Fahrweg führt von hier nach den Chutes, 12 Miles, und oberhalb gehen Dampfschiffe bis zum Priest’s Rapid, oberhalb der Mündung des Snake River. Von hier aus soll der Columbia bis oberhalb des nördlichen der beiden Seen schiff- bar sein, die Schifffahrt wird aber durch Stromschnellen unterbrochen: oberhalb der Mündung des Okanagan; zwischen diesem und Colville; durch die Kettle Falls bei Colville, und durch zwei Rapids unterhalb der Mündung des Pendoreilles. Schlufs von Capt. Palliser’s Expedition nach den Rocky Mountains. 319 Nördl. Breite Länge W.v. Gr. Fort Ellicee . . . are aa TE 101° 48 Saskatchewan Einbögei; Sid- en ZU ER .& 107 374 Carlton (3 Beobachtungen) '!). . . . . 52 524 106 15 Sand-Hügel. . . a 109,22 Edmonton (zahlreiche nn Bin DE a 113 18 Diriod, Meat Cazap;. sueu040 unse ai ven 412..,38 Baches, Lamp. msliter sinn äheerteien reed 114 10 Blauckten Gamip. Am. miiriinenssil. swindug.d DL 2 113 50 Rocky Mountain House . . Ele ragt "Ar > 1544 Old Bow Fort (2 Beobaäiluhgen). tagen ler Sr 6 Hand-Hügel . . re FT Cypressen-Hügel, West- have (Räike, von Beobachtungen) . . . . . . 49 47 110 42 Evpressen-Hügel „|... 1) one near 110.35 Stray Camp . . 49 58 115 27 Kootanie- Thal (Reihe von Beobaeitturifäh) Ed 1 a a A Die von Blakiston beobachteten Längen sind weniger zahlreich und nur zwei scheinen auf Monddistanzen zu beruhen. Diese sind: Nördl. Breite Länge W. v. Gr. Fort Carlton (7 A ae A er 106° 23’ Kootanie Camp . . . . RE DE ad ne Nach dem Chronometer läge das Kootanie Camp unter 115° 19 W. Länge v. Gr. » Miscellen. Nivellement der Radaune. Von H. W. Dove. Das westpreufsische Plateau, dessen nördlicher Abfall der Umgegend von Danzig besonders bei Oliva einen eigenthümlichen Gebirgscharakter giebt, und welches bei Schönberg, einer Station des preufsischen meteorologischen Instituts, im 'Thurmberg seine gröfseste, 1000 Fufs übersteigende Höhe erreicht, äufsert auf die klimatischen Verhältnisse seiner Umgebung einen sehr erkennbaren Ein- flufs, einen noch unmittelbarer hervortretenden auf das hydrographische Netz der- selben, denn durch seinen südlichen Abflufs, die Brahe, wird die Canalverbindung mit der Netze vermittelt, welche das Stromsystem der Oder mit dem der Weichsel ") Nach Franklin liegt Fort Carlton unter 52° 50’ 47” N. Br. und 106° 12’ 41" W. L. von Greenwich. 320 Miscellen: vereinigt. Viel unvollständiger bekannt waren die Niveauverhältnisse des nörd- lichen Abfalls, obgleich jeder, welcher diese Gegend aus eigener Anschauung kennt, weils, welchen wesentlichen Einflufs die weite Fläche der Radaune-Seen und das starke Gefälle des Flusses auf den landschaftlichen Charakter jener Gegend äus- sert, welche Humboldt scherzhaft den pommerschen Chimboraco zu nennen pflegte. Bei meinem letzten Aufenthalt in Danzig theilte mir Herr Director Strehlke, in dessen Gesellschaft ich zweimal den Thurmberg besucht hatte, mit, dafs auf Kosten der Stadt Danzig durch die Feldmesser Buschwald und Guth ein ge- naues Nivellement der Radaune ausgeführt worden sei, welches der Baurath Licht ihm mitgetheilt habe. Die Ergebnisse dieses Nivellements sind folgende: ee a EEE Länge Höhe über der Radaune | Absolutes 2 re = dem Spiegel längs der Gefälle der Ostsee Ufer Ruthen Preufs. Fufs | Preufs. Fufs ee EEE EEEEn] 1) Der Radauner See Dee des Flusses) . - » = u 501.408" 2) Von dem Radauner See bis zum \ Fach- baum der Semliner Mühle. . . 4365 21, N ABl, 3) Von Semlin bis Fitschkau. . . 780 s 4 472 95 4) Von Fitschkau bis zum Fachbaum der NMohlesin, Zuekaus- ae 5412,8 131 101 340 11! 5) Von Zuckau bis Ellernitz . . | 1055,3 a 6) Von Ellernitz bis zum Mühlenfach- baum in Nestempohll . . . 1953 21.53 306 13 7) Von Nestempohl bis zum Fachbaum des Kupferhammers in Kahlbude 1960 78 9 227 3% 8) Von Kahlbude bis zum Mühlenfach- baum in Prangschin . . 3078,4 174 11,0 52 48 9) Von Prangschin bis zum Mühlenfach- baum in Gischkau . . 40007 7) 3211: 19 5 10) Von Gischkau bis zum Behlonserdsich- bau in Praust . . 605 11 9 7 a 11) Von Praust bis Danzig, " Spiegel "der Mottlau.. . - ERS, Wi 3080 7a | 501 102 Zur Statistik des Gouvernements Simbirsk '). Das Areal des Gouvernements Simbirsk beträgt nach den neuesten Vermes- sungen 3,975,1295 Dessjatinen, was 38,1614 Quadrat-Werst oder 778,8 Quadrat- Meilen gleichkommt ?). ') Nach der Hamaruaa kunaka Cunönpcroä ryÖepnia na 1860 TOABb. Simbirsk 1860. 2) Diese Angabe weicht erheblich von der in den UrTarnernyeckia Ta- ö.1muısı Pocciückoü Hnuepii wa 1860 r. mitgetheilten ab, nach der Zur Statistik des Gouvernements Simbirsk. 321 Die Einwohnerzahl belief sich im Jahre 1858 auf 1,140,973 Seelen, wor- unter 555,176 männlichen und 585,797 weiblichen Geschlechts !). Demnach kommen auf jede Quadrat-Werst 30, auf jede Quadrat-Meile 1470 Menschen; Simbirsk gehört also in die Kategorie der verhältnifsmälsig gut bevölkerten rus- sischen Gouvernements ?). Von der Gesammtzahl der Einwohner leben nur 69,078 oder 6 Procent in den Städten, die Uebrigen bewohnen das platte Land. Dieses bedeutende Uebergewicht der ländlichen Bevölkerung geht noch deutlicher aus der Classification der Bevölkerung nach Ständen hervor; hiernach zählen nur 39,824 Personen oder 3,19 Procent zu den aus Kaufleuten, Bürgern (mjeschtschane) und Handwerkern bestehenden städtischen Gemeinden, während 1,027,190 Seelen oder mehr als 90 Procent den ländlichen zugeschrieben sind. Unter letzteren befinden sich 76,915 Reichsbauern, 507,941 Apanagebauern und 442,334 Privatbauern oder Leibeigene; es bilden mithin die Leibeigenen über 43 Procent der ländlichen Be- völkerung oder etwa 40 Procent der gesammten Einwohnerzahl. Der Ueberflufs an Arbeitskräften und die Lage des Gouvernements an zwei schiffbaren Strömen, der Wolga und der Sura, auf welchen die Dampfschifffahrt jährlich eine gröfsere Entwickelung gewinnt, eröffnen der industriellen Thätigkeit einen weiten Spielraum; bis jetzt beschränkt sich dieselbe jedoch hauptsächlich auf die erste technische Zubereitung der Erzeugnisse des Ackerbaues und der Viehzucht. Im Jahre 1858 zählte das Gouvernement 794 Fabriken und gewerb- liche Anstalten (sawod) mit 16,874 Arbeitern, deren Production einen Werth von 4,449,069 Rubeln darstellte. Am zahlreichsten waren die Oelmühlen (258), die Pottaschesiedereien (158) und die Gerbereien (114); die meisten Arbeiter (12,487) beschäftigten die Tuchfabriken, dann die Branntweinbrennereien (892), die Oel- mühlen (730) und eine Wollwäscherei (521). Auch dem Werthe des Products nach nehmen die Tuchfabriken mit 3,100,436 Rubeln die erste Stelle ein; dann folgten die Branntweinbrennereien mit 527,460 Rubeln, die Wollwäscherei mit 325,000 Rubeln, die Gerbereien mit 88,498 Rubeln und die Pottaschesiedereien mit 84,812 Rubeln. Uebrigens widmet sich auch die ländliche Bevölkerung nicht ausschlie[slich dem Ackerbau; es giebt ganze Dörfer, die sich mit verschiedenen Handthierungen, als der Verfertigung von wollenen Hüten, Schuhwerk, Filzdecken, hölzernen Geräthschaften und Pferdegeschirr beschäftigen, die von reisenden Hau- sirern aufgekauft und auf den Jahrmärkten abgesetzt werden. Von den einzelnen Distrieten zeichnen sich die Kreise Korsun und Alatyr durch ihren: Gewerbfleils aus. L. das Gouvernement Simbirsk einen Umfang von 4,321,744 Dessjatinen oder 41,4883 Quadrat-Wersten hat. 1) Die genannten TaO.amuBI geben die Bevölkerung im J. 1856 zu 1,118,605 Personen (533,792 männl., 584,813 weibl.) an; dieselbe hätte sich mithin in zwei Jahren um 22,368 Köpfe, also genau um 2 Procent vermehrt, wobei seltsamerweise der Zuwachs fast ausschliefslich auf das männliche Geschlecht fällt. 2) Nach der von Köppen angenommenen Eintheilung werden die Gouverne- ments mit mehr als 1400 Einwohnern auf die Quadrat-Meile zu den gut bevölker- ten, die mit 700 bis 1400 zu den mittelmäfsig und die mit weniger als 700 zu den ‚chwach bevölkerten gerechnet. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 21 322 Miscellen: Bevölkerungsstatistik der Herzegowina '). Die Herzegowina hat die Gestalt eines langen und ziemlich schmalen Paral- lelogramms, das sich von Nordwest nach Südost erstreckt, und im Norden und Osten von Bosnien, im Westen von Dalmatien, im Süden von Montenegro und wieder einem Theile Bosniens, dem Distriet von Nowo Pasar, begrenzt wird. Sie wird in 15 Distriete oder Nahien eingetheilt. Die Namen und die Bevölkerung derselben, nach der türkischen Volkszählung von 1851, deren Resultat jedoch nur als eine Minimal- Angabe betrachtet werden darf, sind in folgender Tabelle zu- sammengestellt, in welcher die Distriete in der Reihenfolge von NW. nach SO. namhaft gemacht werden. Muhamedaner Christen kashe Zahl Zahl Distriete Zahl der Bewohner Zahl der Bewohner der Häuser | männl. Ge- | der Häuser | männl. Ge- schlechts schlechts 1)NDuwnsul 2DnDat, ya 173 665 555 2511 2) Ejubuschko ©... .. . 397 1275 2096 | 7577 3) Kon’iza ee 1323 3795 2611 9001 5) Blasalır, = "var > 291 946 Anm 1 570 D) ‚Potschitel. ma 2, 158 799 386 1787 7) Njewiessm . 2. 407 1383 1340 5263 Sy Stolaz (HR) nissan 516 1885 1500 6294 9) Fotscha, cute „187 Tsnnr 2095 7740 777 3636 10) Tsehainitscha. . . . 876 3313 430 1620 11) Pljäwli oder Taslidsha 781 2845 967 3760 Kolaschin ?). .... 1039 2570 546 1688 125 Bjäpoljenktio‘i sih .bas 503 1867 754 4076 412);,6azko.Iirstt Heitäge 589 2060 1395 6230 14) Nikschitschi . . . . 611 1790 883 2479 TO)PErehmjerg. Teams ; 1062 3132 2395 8314 10821 36065 16788 | 64806 Im Ganzen kann man die Zahl der Christen in der Herzegowina auf min- destens 150,000 (beiderlei Geschlechts) veranschlagen. Davon bekennt sich etwa ein Drittel zum römisch-katholischen Glauben, und diese letzteren leben zum grölsesten Theil in den nordwestlichen Distrieten Duwno, Ljubuschko, Kon’iza, Mostar und Potschitel; in den Distrieten Stolaz und Trebinje wohnen sie nahe an der Österreichischen Grenze; in den übrigen Distrieten finden sich nur grie- chisch-katholische Christen. —n. !) Nach den Angaben des Hieromonach Nikiphor Dutschitsch in den Saunucku der kais. russ. geogr. Gesellschaft Bd. XII. ?) Jetzt ist Kolaschin mit dem Distriet Taslidsha_ vereinigt. ee Vin de ee Zr Be 7 Ei oz a Re Cultur des Zimmetbaumes auf der Halbinsel Malacca. 323 Cultur des Zimmtbaumes auf der Halbinsel Malacca '). Zur Cultur des Zimmtbaumes wählt man auf Malacca gewöhnlich einen san- digen Boden; doch kommt der Baum auch gut fort in einem Boden, der aus Sand und rother Erde gemischt, sonst aber frei von Quarz und anderen Steinen ist, und auf rothem und schwarzem Boden. Das Flachland hat den Vorzug vor bergigen Gegenden; in den letzteren wächst der Zimmtbaum zwar auch, wie man in den Bergen von Kandyan sieht, aber die Bäume entwickeln sich nicht so schön und geben auch nicht ein so vorzügliches Product. Nach der Auswahl eines geeigneten Terrains befreit man dasselbe von seiner wilden Vegetation, läfst aber dabei in Abständen von 50 bis 60 Fufs einzelne Bäume 'stehen, damit sich die Arbeiter im Schatten derselben erholen können. Die übrigen gefällten Bäume werden, nachdem man die Aeste abgehauen hat, verbrannt und die Baumstümpfe mit den Wurzeln ausgegraben; ist die Entfer- nung der letzteren zu kostspielig, so mus man sie wenigstens in Reihen legen, so dafs man zwischen ihnen die Zimmtbäume anpflanzen kann. Sodann macht man kleine Gruben, die einen Quadratfuls Oberfläche haben und 8 bis 10 Fuls von einander entfernt sind. Die Entfernung der einzelnen Gruben hängt übrigens vornehmlich von der Qualität des Bodens ab; auf magerem können sie näher an einander stehen, als auf fruchtbarem, wo sich die Bäume üppiger entwickeln. Beim Verpflanzen der Stecklinge mufs man übrigens darauf sehen, dafs an ihrer Wurzel so viel Erde als möglich haften bleibt. Man setzt sie in die Gru- ben und füllt diese mit der hier befindlichen Erde aus, die durch die Asche der auf ihr verbrannten Vegetabilien verbessert ist. Wenn es nach dem Verpflanzen nicht regnet, mufs man die Zimmtpflänzchen vor der zu starken Einwirkung der Sonne schirmen und sie Morgens und Abends begiefsen, bis sich neue Triebe entwickeln. Dieses letztere geschieht gewöhnlich in 14 Tagen und dann kann man das Begie/sen einstellen. Nach einem Monat sind die neuen Schöfslinge schon 3 bis 4 Zoll lang, doch hängt dieses sehr von der Witterung ab. Wenn man eine Plantage mit Zimmtpflänzchen anlegt, die aus Samen gezo- gen sind, mufs man sie mit der Erde verpflanzen, in der sie aufgewachsen sind, und im Uebrigen ihnen dieselbe Pflege angedeihen lassen. Die Stecklinge, die man zur Pflanzung verwendet, müssen 6 Zoll über der Erde mit einem scharfen Instrument, welches ihr Gewebe nicht zerreilst, abgeschnitten werden. Achtzehn, manchmal schon zwölf Monate nach der Verpflanzung kann man mit dem Abschälen der Rinde den Anfang machen. Hat man aber die Plantage mit Pflänzchen angelegt, die aus Samen gezogen sind, so kann man erst zwei oder drei Jahre nach der Verpflanzung auf eine Erndte rechnen. Die zweite Erndte: ist drei- bis viermal einträglicher als die erste und sie nimmt alljährlich zu, je nach der grölseren oder geringeren Anzahl neuer Schöfslinge. Nach sie- ben oder acht Jahren müssen die Bäume beschnitten werden, da sie sich dann so weit entwickelt haben, dafs ihre Zweige sich berühren. Man mus sehr dafür sorgen, dals zwischen den Zimmtbäumen nicht Unkraut und Schlingpflanzen auf- wachsen. Eine Düngung des Bodens ist nicht nothwendig, aber bei der Reinigung !) Annales de l’agriculture des colonies et des regions tropicales. Janvier 1860. et" 324 Miscellen: des Bodens häufelt man die Erde um die einzelnen Pflanzen auf, namentlich nach dem Abschälen der Rinde, um ihnen die Ernährung zu erleichtern. Wäh- rend der zwei oder drei ersten Jahre bedarf die Pflanzung jährlich eines drei- oder viermaligen Gätens und Hackens; später genügt es, wenn diese Arbeit zwei- mal im Jahre vollzogen wird. Die Pflanzschulen müssen auf einem sehr fruchtbaren und von Steinen ganz freien Terrain angelegt werden. Man wählt einen Acre solchen Bodens, reinigt ihn von seiner Vegetation und läfst nur einige Bäume auf ihm stehen, welche der Pflanzung Schatten geben können; dann entfernt man alle Steine und Wurzeln, arbeitet den Boden 6 bis 8 Zoll tief tüchtig durch und theilt ihn in 3 bis 4 Fuls breite Beete, in die man den Samen in Entfernungen von 9 bis 12 Zoll hinein- steckt und sie so mit Erde bedeckt, dafs die Beete 8 bis 12 Zoll hoch werden. Man bewässert die Pflanzung täglich, bis die Pflänzchen Blätter entwickeln, und bei trockener Witterung noch länger. Nach drei Monaten kann die Verpflanzung erfolgen. Die Anlage von Pflanzschulen findet gegen den Monat December statt. Bis zum März, also während der trockenen Jahreszeit, ist man mit der Reinigung und Bearbeitung des Erdreichs beschäftigt, dann folgt die Aussaat, welcher nun die Regenzeit zu Statten kommt, die im April beginnt und bis Ende August, oft so- gar bis in den September und October hinein anhält. Die Früchte des Zimmtbaumes werden gesammelt, wenn sie vollkommen reif sind. Man legt sie an einen schattigen Ort, damit ihr äufseres röthliches Fleisch in Fäulnifs übergeht; ist dasselbe schwarz geworden, so tritt man die Samenkör- ner mit den Füfsen heraus. Die letzteren werden gewaschen und in freier Luft getrocknet, doch ohne dem Sonnenschein ausgesetzt zu werden; in der Sonne würden sie nach dem Waschen schon in zwanzig Minuten platzen und die Keim- kraft verlieren. Beim Waschen entfernt man die auf der Oberfläche des Wassers schwimmenden Körner als unbrauchbar. Es giebt auf Malacca fünf Arten von Zimmtbäumen: 1) Panny Meers Carundoo, 2) Tittha - < 3) Kahatte - e 4) Wallee - - 5) Savell - - Die erste liefert das beste Product; die beiden letzten sind Pseudo -Zimmt- bäume. Die Qualität der Rinde hängt ab von der Stellung des Zweiges, dem sie entnommen ist. Die beste Sorte gewinnt man aus der Mitte des Busches von den Spitzen der höchsten Zweige; dann folgen an Güte die Enden der anderen Zweige; endlich die von dem unteren dicken Ende der Zweige. Aus ganz schlechter Rinde, die nicht einmal in die dritte Sorte rangirt werden kann, destillirt man ein flüch- tiges Oel, das theuer verkauft wird. Aus den Wurzeln des Zimmtbaumes gewinnt man Kampfer. —n. Ueber die Abnahme der einheimischen Bevölkerung auf Neu-Seeland. 325 Ueber die Abnahme der einheimischen Bevölkerung auf Neu-Seeland. Aus einem Bericht der Regierung von Neu-Seeland über die eingeborene Bevölkerung dieser Inseln und ihre Abnahme hebt das „Athenaeum“ einige in- teressante Angaben hervor, welche über das allmähliche Hinschwinden der Urbe- völkerung Licht zu verbreiten geeignet sind. Aus den sehr abweichenden Anga- ben über die Zahl der letztern ') hatte man sich bisher meistens für eine Durch- schnittszahl — 120,000 Seelen — entschieden; ein sorgfältiger Census am Ende des Jahres 1858, bei dem nur für einen einzigen Stamm die Angaben fehlen, hat das Resultat ergeben, dafs die Zahl der Eingeborenen sich auf 87,766 Per- sonen beläuft, darunter 31,667 Männer und 56,099 Frauen, — ein auffallendes Mifsverhältnils zwischen beiden Geschlechtern, welches deutlich beweist, dafs die Abnahme der Bevölkerung nicht durch allgemein wirkende physische Ursachen zu erklären ist. Man würde geneigt sein, sie ausschlie(slich auf Grund der inneren Kriege zu schreiben, durch welche die männliche Bevölkerung decimirt wird, wenn sich nicht durch eine Vergleichung der aus verschiedenen Zeiträumen herrühren- den Bevölkerungsangaben herausgestellt hätte, dafs die Abnahme der Urbevölke- rung mit der Zunahme der europäischen Einwanderung gleichen Schritt hielt, dafs die erstere rapider wurde, je gröfsere Dimensionen die letztere gewann. In dem Zeitraum von 1811 bis 1844 soll die Abnahme der einheimischen Bevölkerung 13,9 Procent, in den letzten zehn Jahren, wo die Einwanderung von Europäern viel stärker geworden ist, 19,42 Procent betragen haben. Es scheint nicht, dafs hier dieselben Ursachen von entscheidendem Einflufs gewesen sind, welche sonst an vielen Orten, wo Weifse mit einheimischen Racen in Verbindung kamen, für die letzteren sich als besonders verderblich er- wiesen haben. Die Blattern, welche unter den Jägervölkern Nord- Amerika’s so furchtbare Verheerungen angerichtet haben, sind auf Neu-Seeland noch gar nicht bekannt; und das Auftreten anderer Epidemien ist nicht bösartiger gewesen, als es in Europa der Fall zu sein pflegt. Auch die Einführung von Spirituosen, die für die nordamerikanischen Stämme ebenfalls im höchsten Grade verderblich ge- worden ist, soll in Neu-Seeland durchaus nicht eine so unheilvolle Rolle gespielt haben; es wird behauptet, dafs die Eingeborenen meist nicht in der Lage sind, sich bedeutende Quantitäten von Branntwein verschaffen zu können, dafs in der Bay of Islands ein Branntweintrinker zu den Seltenheiten gehört, und dafs die Consumtion von Spirituosen während der letzten Jahre in entschiedener Abnahme begriffen ist. Eben so wenig läfst sich eine nachtheilige Einwirkung des Taback- rauchens nachweisen; im Gegentheil: es zeigt sich, dafs gerade die Maori-Weiber, die in vertrautem Umgang mit Europäern leben und viel mehr Taback eonsumiren als diejenigen, welche in ihrer Heimath verbleiben, sich durch Fruchtbarkeit vor den letzteren auszeichnen. Man trifft unter ihnen Personen, welche neun bis drei- zehn Kinder haben und dadurch deutlich beweisen, dafs der Tabacksgenufs das Fortpflanzungsvermögen nicht beeinträchtigt. Die Maori’s selbst schreiben das Hinschwinden ihres Stammes zum Theil der !) Vergl. diese Zeitschrift, N. F. Bd. IV, S. 337. 326 Miscellen: Einführung neuer Nahrungsmittel und Kleidungsstücke zu, womit denn auch ein Wechsel in der Lebensweise verbunden gewesen. Sie versichern, dafs in den früheren Zeiten, wo sie halbnackt ihren Beschäftigungen im Freien nachgingen, ihre Haut diek und gegen die Unbill der Witterung unempfindlich wurde; in jener Zeit, die übrigens in ihren Augen, verglichen mit der Gegenwart, eine goldene war, seien Wurzeln von Farren ihre Hauptnahrung gewesen, und ihr Gesundheits- zustand hätte Nichts zu wünschen übrig gelassen. Nach den Ermittelungen der Regierung sind es namentlich folgende Gründe, die auf die Abnahme der einheimischen Bevölkerung hingewirkt haben: 1) Die häufigen innern Kriege, worauf schon der Umstand hindeutet, dafs sich das männ- liche Geschlecht in so entschiedener Minorität befindet. 2) Die häufigen Kinder- morde; Mr. Fenton berichtet, dafs er auf seiner Untersuchungsreise Weiber ken- nen gelernt hat, die sechs, sieben Kinder, ihre eigenen Spröfslinge, umgebracht hatten. Indefs ist diese abscheuliche Sitte jetzt fast ganz ausgerottet, und die vereinzelten Fälle, die jetzt noch vorkommen mögen, können für die vorliegende Frage kaum in Anschlag gebracht werden. 3) Verbotener Umgang zwischen den Geschlechtern; ist zwar auch jetzt noch sehr im Schwunge, war aber früher viel verbreiteter. 4) Unreinlichkeit, verbunden mit andern schädlichen Gewohnheiten, wie sie einer niedrigen Culturstufe eigen zu sein pflegen. 5) Fortdauernde Hei- rathen unter Blutsverwandten; diese Sitte hat vielleicht am meisten dazu beige- tragen, dafs die Eingeborenen degenerirt sind. Wenn der Bericht „absoluten Mangel an Energie und Lebenskraft“ als die Haupteigenthümlichkeiten der jetzigen Neu-Seeländer bezeichnet, so mu/s das Volk allerdings sehr heruntergekommen sein, denn die älteren Beschreibungen entwerfen von ihnen ein ganz entgegenge- setztes Bild. 6) Die Anwendung ungesunder Nahrungsmittel. Der Bericht macht darauf aufmerksam, dafs die Volksabnahme im Grofsen und Ganzen seit 1830 datirt und dafs die Neu-Seeländer gerade damals eine Leidenschaft sich aneigne- ten, die ihnen im hohen Grade nachtheilig werden mufste, — die Gier nach faulem Getreide. Die Maori’s lernten im Jahre 1830, Getreide durch fortwährende Benetzung mit Wasser in Fäulnifs zu versetzen, und seit jener Zeit kam die Sitte, solches Getreide (kaanga kopiro heifst diese Nahrung) zu essen, allgemein in Schwang. Es ist bemerkenswerth, dafs in den Distrieten, wo es dem Einflufs der Missionäre gelungen ist, diese üble Sitte fern zu halten, die Sterblichkeit 33 Procent unter der durchschnittlichen Mortalität beträgt. Wo die Sitte vor- herrscht, sind Skropheln allgemein verbreitet, und damit ist ein so schwächlicher Körperzustand verbunden, dafs den daran Leidenden andere, sonst leichte Krank- heitsanfälle verderblich werden. Nach dieser Zusammenstellung scheint es nicht, als ob auch das Zusammen- schmelzen dieses Stammes durch den Contact mit den Europäern zu erklären wäre. Aber der von den Maori’s selbst angeführte und oben angegebene Grund dürfte doch nicht gänzlich aufser Acht zu lassen sein und im Wesen die Nach- theile einer importirten Cultur, im Gegensatz zu einer allmählich erworbenen und erfahrungsmäfsig erkannten, in die sich eine Generation hineingelebt hat, richtig bezeichnen. Wenn ein barbarisches Volk sich die Lebensweise der civilisirten Welt auf einmal im vollen Zusammenhange aneignen könnte, zugleich mit dem ganzen Schatz von Erfahrungen, der sich daran knüpft und den eine lange Praxis et Bu ni > > u EEE Notizen über das Küstenland der brasil. Provinzen Paranä und Säo Paulo. 3297 uns erworben hat, so würde den Eingeborenen fremder Welttheile das plötzliche Bekanntwerden mit unserer Cultur, aus welcher sie jetzt nur Einzelnheiten und oft gerade. die bedenklichsten sich zu eigen machen, wahrscheinlich nicht so ver- derblich werden. Das Einzelne, was sie unserer Cultur jetzt entnehmen, ist eine mörderische Diversion in ihre gewohnte Lebensweise und wirft den inneren Zu- sammenhang derselben über den Haufen. ig; Notizen über das Küstenland der brasilianischen Provinzen Paranä und Säo Paulo. (Hierzu eine Karte, Taf. III.) Indem wir diesem Hefte der Zeitschrift eine Karte des Küstenstriches und des Unterlandes der brasilianischen Provinzen Paranä und Säo Paulo beigeben, welche nach den von Herrn Woldemar Schultz mitgebrachten Kopien der in der Kais. Brasilianischen Admiralität vorhandenen Special- Aufnahmen entworfen ist, benutzen wir die Gelegenheit, auf die interessantesten Punkte des hier dargestell- ten Landstrichs, die neuerdings von unserem hochverdienten Landsmann, Herrn Dr. Ave-Lallemant besucht sind, durch einige seiner „Reise durch Südbrasilien“ entlehnte Notizen aufmerksam zu machen. Ein Blick auf die Karte lehrt, dafs die Küste der beiden genannten Pro- vinzen theils durch tief einschneidende Meeresbuchten, theils durch lange und flufsähnlich schmale Meerengen, welche von der See nur durch lange, flache Nehrungen geschieden sind, in sehr eigenthümlicher Weise reich gegliedert ist. Drei Punkte insbesondere ziehen die Aufmerksamkeit auf sich; die Bucht von Paranagua, die in der Entdeckungsgeschichte Brasiliens oft genannte Bucht von Cananeia und der Hafen von Santos. Der südwestlichste Punkt, die Bahia de Paranagua, ist eine durch zahl- reiche scharf umrissene Vorsprünge des Festlandes, durch Inseln und weite Ver- zweigungen überaus mannichfaltig gestaltete Meeresbucht, welche tief in das Unter- land der Provinz Paranä enschneidet und ein breites, in der üppigsten tropischen Vegetation prangendes Thal zugänglich macht, das im Süden durch die Serra da Prata von dem Thale von Guaratuba geschieden, im Westen von der Serra de Curitiba oder Serra do Mar, über welche der Weg nach der Provinzial -Haupt- stadt Curitiba führt, im Osten durch fruchtbares Hügelland und kleinere Gebirgs- züge eingeschlossen wird. Zwei grolse Inseln liegen im Eingange der Bucht: die Ilha das Pegas und die IIha do Mel. Die Meerenge zwischen der ersteren und dem Festlande wird von Einigen die Barra de Superagui genannt; Andere behaupten, dafs dieser Name einer nördlicher gelegenen Einfahrt gebührt, die wir später erwähnen werden. Als Einfahrt in die Bucht wird die zwischen den bei- den Inseln gelegene Meerenge benutzt, wo man über der Barre ein Fahrwasser von 30 Fuls Tiefe findet, dessen Benutzung jedoch einige Vorsicht erheischt. Von der Küste der Ilha das Pegas erstreckt sich eine starke Brandung ziemlich weit in die Meerenge hinein, so da/s die Schiffe sich näher an der IIha do Mel halten müssen. Auf der letzteren ist zur Vertheidigung des Eingangs ein Fort errichtet, Nossa Senhora dos Prazeres, welches mit 14 bis 16 Kanonen armirt ist. Hat 328 Miscellen: man den Eingang passirt, so kommt man auf die landseeähnliche stille Bucht, die bei ihrer mannichfaltigen Gliederung einen reichen Wechsel anmuthiger Sce- nerien darbietet. Die wichtigsten Hafenplätze an derselben sind Paranagua und Antonina, — jener ein hübsches Städtchen an der Südküste, mindestens ein eben- so wichtiger Ort wie die Provinzial-Hauptstadt Curitiba, der jedoch in commer- cieller Hinsicht an dem Uebelstande leidet, dafs gröfsere Schiffe nur eine halbe Meile vom Ufer entfernt einen zwar sichern, aber für das Laden und Löschen doch beschwerlichen Ankerplatz finden. Viel unbedeutender ist das zu Wasser 5 Leguas von Paranagua entfernte Antonina, um einen Hügel gelegen, auf dem sich eine Kirche unserer lieben Frauen erhebt, mit wundervoller Aussicht über die Bucht. In der Hauptstrafse, der Rua direita, finden sich einige schöne Häu- ser; aber wie fast überall in Brasilien, fällt das Auge namentlich hier auf eine Menge unvollendeter Bauten, solcher jungen Ruinen, wie sie Herr Woldemar Schultz auch in Rio Grande do Sul zahlreich gefunden hat, — angefangene Kirchen, einzelne Häusermauern, isolirte Pfeiler und Säulen, zwischen denen das Vieh weidet, eine moderne Copie des Forum Romanum in kleinem Mafsstabe. Beide Orte haben ihre Bedeutung als die einzigen Häfen der grolsen und einer reichen Entwickelung fähigen Provinz Paranä, oder vielmehr, sie werden diese Bedeutung erlangen, sobald der neue Fahrweg, den der Ingenieur Villalva im Jahre 1858 zur Verbindung des Hafens Antonina mit Curitiba baute, vollendet sein wird. Der ältere Weg, der von Paranagua nach dem Hochlande, dem Lande der Campos und der ernsten Araucarienwaldungen, dem Quellgebiet des zum Paranä strömenden Yguassu führte, ging über Morretes und war ein selbst für Maulthiere nur unter grofsen Beschwerden passirbarer, von wilden Bergwassern zerrissener Bergpfad. Der neue Weg soll ein bequemer Fahrweg und bis Curi- tiba 13 Leguas lang werden; zu seinem Ausbau ist die Summe von 480,000 Thlrn. ausgeworfen. Er führt in kühnen Bogenlinien mit allmählicher Steigung die schroffe Bergwand der Serra do Mar hinauf, ist 20 Palmen breit, macadamisirt, zu beiden Seiten mit einer Steineinfassung, nach innen mit einer steinernen Was- serableitung versehen, welche alle 50 Schritt mittelst eines Siebes unter dem Wege das Wasser nach aufsen abführt. Wenden wir uns weiter nördlich nach dem alten Cananeia, so finden wir hier die Küste durch eine merkwürdige und weithin sich erstreckende Ver- zweigung von Meerengen zerrissen, die sich nicht weit südlich von Cananeia zu einem schönen Binnenbecken, dem Mar de Tarapande, erweitern. Diesem Becken ist nach der See hin die langgestreckte IlIha do Cardozo vorgelagert, die nur durch ein schmales Rinnsal vom Festlande abgetrennt ist. Zwei Wasserstrafsen führen aus der Bucht in die See; die eine, die von Seeschiffen benutzte, gegenüber der Ilha do Abrigo ; die andere längs der Ilha do Cardozo, im Süden dieser Insel ins offene Meer mit einer Einfahrt mündend, welche nach Av&-Lallemant mit gröfserm Recht die Barra de Superagui genannt wird. Die Ilha do Abrigo, welche vor dem Haupteingange der Bucht liegt, ist für die Schifffahrt von grofser Wichtigkeit; denn sie verdient ihren Namen: in ihrem Schutz finden die Schiffe, welche einen günstigen Moment zur Einfahrt in den Hafen abwarten wollen, über- all sichern Ankergrund. _Die Barre von Cananeia ist ein gefährliches Fahrwas- ser; zwei von rechts und links vorspringende Sandbänke verengern die Einfahrt Be 0 ne wur Notizen über das Küstenland der brasil. Provinzen Paranä und Säo Paulo. 329 und verursachen eine starke Brandung. Dahinter breitet sich die ruhige Lagoa aus, auf der man bald das hinter einem Bergvorsprunge gelegene Städtchen Cana- neia erreicht, einen Complex von wenigen Häusern und einer alten Kirche. Der Ort hat nie eine grofse Bedeutung erlangen können, trotz seines vortrefflichen Hafens: das Wasser am Ufer der Villa ist gleich so tief, dafs auch gröfsere Schiffe fast unmittelbar am Gestade anlegen können. Auch Cananeia liegt, wie ein Blick auf die Karte lehrt, auf einer Insel, die von schmalen Meerengen, ge- wissermalsen von Salzwasserströmen, eingeschlossen wird. Im Westen zieht sich das Mar de Aririaia um sie herum; im Osten erstreckt sich mit nordöstlicher Richtung unter den Namen Mar de Cananeia und Mar Pequeno ein schmaler Meeresarm 12 Leguas weit bis hinter Iguape hin, der nördlich von der zuletzt genannten Stadt durch die Barre von Cappara mit der offenen See in Verbindung steht. In der Barre von Cappara fehlt es zwar nicht an einem Fahrwasser von hinlänglicher Tiefe ; dasselbe ist aber so gewunden und noch so wenig bekannt und festgestellt, dafs die Dampfschiffe, welche den Verkehr der brasilianichen Küstenstädte unter einander vermitteln, es vorziehen an Cananeia vorbei durch das Mar Pequeiio nach Iguape zu gelangen und von hier auf demselben Wege wieder in’s offene Meer zurückzufahren. Die Schifffahrt auf dem merkwürdigen Meeresarm ist eine durchaus gefahrlose; die Ufer zu beiden Seiten sind nicht hoch; auf der Festlandsseite erblickt man in einiger Entfernung Hügel und blaue Berge; die Nehrung, welche die Meerenge von der See scheidet, ist ganz flach und mit einer bunten Vegetation bedeckt. Iguape ist ein freundliches Städtchen mit 1500 Einwohnern, mehreren an- sehnlichen Strafsen und Häusern, — von denen namentlich ein grofses Eckhaus mit einer Statue der Amerika und zwei colossalen Löwen von grauglasirtem Thon, dem Stolz der Bewohner, geziert ist, und einer im Jahre 1858 noch nicht ganz vollendeten Kirche Unserer lieben Frauen von Iguape. Die Mutter Gottes von Iguape steht im Rufe grofser Wunderthätigkeit, so dafs das Städtchen fast die Bedeutung eines Wallfahrtsortes erhalten hat. Seiner commereiellen Entwickelung steht vornehmlich die Barre von Cappara entgegen, die den nächsten Zugang zum Meere bildet und deren Austiefung den Schiffen den sehr bedeutenden Umweg über Cananeia ersparen würde; jetzt wagt nur selten ein Dampfschiff sie zu pas- siren. In anderen Beziehungen ist die Stadt nicht ungünstig gelegen. Der Rio de Iguape, der etwas nördlich von der Barre von Cappara ins Meer mündet, nähert sich bei der Barre von Ribeira der Stadt bis auf eine halbe Stunde, und bildet hier eine seeähnliche Erweiterung; er durchfliefst in einem weiten Bogen ein langes und sehr fruchtbares, namentlich zum Reisbau geeignetes Thal, und wird von der Barre von Ribeira 30 Leguas weit aufwärts bis zu dem Oertchen Xiririea mit Dampfschiffen befahren, während einige seiner Nebenflüsse, wie der Jacupiranga, wenigstens für Canoes schiffbar sind. Da nun die kurze Strecke zwischen der Barre von Ribeira und der Stadt Iguape vollkommen eben und gut wegsam ist, — ein trockener Boden mit Melastomen und anderen tropischen Ge- wächsen bestanden, — hat sich an der bezeichneten Stelle des Flusses Iguape ein kleiner Hafenplatz gebildet, der Porto de Iguape, vorläufig nur ein paar Häuser und Waarenmagazine, in denen die aus dem Innern stromabwärts kommenden Pro- ducte aufgestapelt werden, um von hier auf dem kurzen Landwege nach Iguape zum 330 Miscellen; überseeischen Export weiter verführt zu werden. Ja man hat sogar diesen Hafen- platz mit Iguap€ durch einen Canal verknüpft, der indefs nur für Canoes brauch- bar ist und überdiefs keine Dauerhaftigkeit besitzt, da seine sandigen Ufer nicht befestigt sind und bei höherem Wasserstande nachstürzen. Bei der Bequemlich- keit des Landverkehrs erscheint der Canal auch nicht als ein dringendes Bedürf- nifs; die leichte Verbindung mit dem Porto de Iguap& ist aber für die Stadt selbst von grofser Wichtigkeit, da sie der Zufuhr aus dem Innern bedarf; denn die Bewohner beschäftigen sich fast gar nicht mit Ackerbau, — selbst in der nächsten Umgebung der Stadt ist der Boden unbebaut; sie leben von einer ziem- lich dürftigen Vendenwirthschaft oder beschäftigen sich in bequemer Weise mit Fischereibetrieb und dem Trocknen der gefangenen Fische. Neues Leben wird in die Gegend kommen, wenn die Colonisations-Projecte der Regierung zur Aus- führung gelangen sollten. Das Thal des Iguape ist lange unbeachtet geblieben und die Regierung besitzt in ihm noch bedeutende Ländereien. Zum Zweck der Colonisation hat sie in nicht grofser Entfernung von der Stadt ein 2 Quadrat- leguas grolses Terrain, das vom Jacupiranga und seinem für Canoes ebenfalls schiffbaren Nebenflusse, dem Canja, bewässert wird, vermessen und in Landloose von 250,000 Quadrat-Brassen vertheilen lassen, also in Colonistengüter, die bedeu- tender sind als die meisten in der Provinz Rio Grande, wo sie gewöhnlich nur 160,000 Quadrat-Brassen umfassen, und die bei der Fruchtbarkeit des Bodens einer mit Arbeitskräften gesegneten Colonisten-Familie ein gedeihliches Fortkom- men versprechen. Auch bei Cananeia ist ein ebenso grofses Terrain zur Colo- nisation bestimmt, und es springt in die Augen, dafs die Entwickelung eines gröfseren Culturdistriets in der Nähe von Hafenplätzen, welche schon jetzt durch einen regelmässigen Dampfschiffsverkehr mit Rio de Janeiro in ununterbrochener Verbindung stehen, für die hier sich ansiedelnde ackerbautreibende Bevölkerung ebenso vortheilhaft, wie für die Hauptstadt des Staates nützlich sein mülste. Der bekannteste Punkt des auf der Karte dargestellten Küstenstrichs ist Santos, namentlich in Folge seines Kaffee-Exports, der sich jährlich auf 160,000 Sack beläuft. Die Einfahrt in die sehr malerische Bucht, die fast bis an den Fufs der hohen Serra von Säo Paulo einschneidet, ist nicht gefährlich. Rechts liegt die grofse Insel S. Amaro mit ihren felsigen Höhen, links eine flachere Hügelgegend, hinter welcher, nur ein paar Meilen von der Küste entfernt, sich die schroffe Serra erhebt. Die Stadt zieht sich in weiter Ausdehnung, aber ge- ringer Breite, längs der Bucht hin. Sie zählt etwa 7000 Einwohner, darunter vielleicht 70—80 Deutsche, die indefs unter einander ziemlich isolirt leben. Im Uebrigen macht die Stadt, trotz der schönen Lage, keinen besonders günstigen Eindruck; es fehlt ihr nicht an einigen schönen Häusern und Öffentlichen Ge- bäuden; aber das Ganze entspricht nicht den Erwartungen, die man sich von einer so oft genannten Handelsstadt gebildet hat. Zur Erklärung der Fieber-Epidemien, welche diesen Hafen besonders häufig heimgesucht haben, ist die Beobachtung Ave- Lallemant’s von Wichtigkeit, dafs die Lage der Stadt in der That eine ungesunde ist. Unmittelbar an der Bucht liegt ein Streifen Sumpflandes, der die Luft ver- pestet. Dazu kommt die Nachläfsigkeit der Bewohner, die auf Höfen und in Gärten morastige Stellen, schmutzige Gräben und faulende Wasserlachen dulden; selbst am Quai liegen Haufen stinkenden Unraths und verfaulender Stoffe, die Notizen über das Küstenland der brasil. Provinzen Paranä und Säo Paulo. 331 h unter der subtropischen Sonne dem Gesundheitszustande der Stadt offenbar zum ' Schaden gereichen müssen. Hier ist durchaus eine Abhilfe vonnöthen, wenn der u Wiederkehr der Fieber-Epidemien Einhalt geschehen soll. (3 Santos ist von Wichtigkeit als Haupthafen von Säo Paulo, wie Paranagua ’ als Haupthafen der Provinz Paranä. Die Hauptstadt der Provinz liegt hier noch k etwas nüher wie dort, und der Verkehr ist mit geringeren Schwierigkeiten verknüpft. 1 Der wichtigste Export-Artikel ist Kaffee; Zucker und Taback stehen an Be- deutung weit hinter ihm zurück; dagegen werden ziemlich viel Lebensmittel nach i Rio verführt, wie denn überhaupt der durch regelmäfsige und: zahlreiche Dampf- ü schifffahrten vermittelte Verkehr mit der Landeshauptstadt noch am Meisten zur f Belebung des Hafens beiträgt. F Der Weg von Santos nach Sao Paulo ist 11 Leguas lang. Er führt zu- nächst in westlicher Richtung über ein mit mannichfaltigem Buschwerk bedecktes Flachland, welches hin und wieder sogar in Dschungel-Sümpfe. übergeht. Ueber | dem Meeresarm, der, wie sich aus der Karte ergiebt, das Ende der Bucht von | h Santos mit dem offenen Meere bei S. Vicente verbindet, führt eine gute hölzerne ; Brücke, die auf Steinpfeilern ruht, — ein Bauwerk von einer in Brasilien sonst J nicht gerade häufigen Solidität; eine hölzerne Brücke, an welcher ‘von jedem % Maulthier ein Zoll (etwa 4 Sgr.) erhoben wird, führt weiterhin über den Cubatäo. t Hier tritt man in eine Hügellandschaft, und dann auf eine kleine ‘Fläche, hinter welcher sich wie eine schroffe Bergwand die Serra von Sao Paulo erhebt. An dem schroffen Abhange derselben ist der Weg so geschickt hinaufgeführt, dafs ‚er, wenn nur sein Ansteigen in Betracht käme, von Räderfuhrwerk wohl benutzt werden könnte; die Bergwasser, die überall an den Abhängen hinabstürzen, haben ihn aber so übel zugerichtet und namentlich an der Aufsenseite so ausgespült, dafs man ihn nur mit augenscheinlicher Gefahr zu Wagen passiren würde; er - wird also fast ausschlie(slich als Reitweg benutzt; Damen: und Herren sieht man % hier zu Pferde, seltener in Sänften, die von zwei Maulthieren getragen werden. Je höher man steigt, desto herrlicher wird der Blick auf die unten liegende Land- schaft, mit ihrer üppigen tropischen Vegetation, den sie durchschlängelnden Meeres- 4 armen und Wasserflächen, und dem blauen Meere im Hintergrunde. ‘Ueber den Kamm, den Alto da Serra, führt.der Weg an einer von schroffen Felswänden ein- gefalsten Gebirgsspalte vorbei; auf der anderen Seite stürzt der Rio das Pedras in einem mehrere hundert Fufs hohen Wasserfalle von Fels zu Fels. Ueberra- schend ist der Contrast zwischen dem üppigen Unterlande und: dem 'sterilen Pla- teau, welches man nun betritt: öde, graue Campos breiten sich weit und breit aus, nur hier und da von einem kleinen Walde unterbrochen. Längs des Weges liegen einige kleine Ansiedelungen, deren Bewohner sich meist durch einen Wirth- schafts- und Herbergsverkehr von den hier durchziehenden Tropeiros nähren oder sich auch selbst mit der Weiterbeförderung der Reisenden, dem Vermiethen von Maulthieren u. dgl. befassen.. Merkwürdig ist die Wasserscheide jenseits des Kammes. Hier entspringt der Rio das Pedras; er wendet sich dem eben erwähnten Wasser- falle zu, um dann nach einem kurzen Laufe von wenigen Meilen das Meer zu erreichen; und gleich hinter seinen Quellen rinnen einige Wasseradern zum Rio Grande zusammen, der sein Wasser in einem Umwege von vielen hundert Meilen durch den Tiete, den Paranä und La Plata in den atlantischen Ocean sendet. 332 Miscellen: Jenseits des Rio Grande, über den eine Brücke führt, kommt man durch das Oertchen S. Bernardo, wo man die erste gröfsere Theepflanzung trifft, die num je mehr man sich der Provinzial- Hauptstadt nähert, immer häufiger werden. Der Theestrauch gedeiht sehr gut; aber das Product kann sich mit dem chinesischen Thee doch nicht messen. Dr. Av&-Lallemant ist der Ansicht, dafs der Grund hauptsächlich in der fehlerhaften Art des Dörrens liegt; bei dem in Säo Paulo üblichen Dörrapparate empfängt der Thee in den Dörrpfannen eine zu ungleiche Temperatur, indem er im unteren Theile der Pfannen, die in unmittelbarem Contact mit den Flammen stehen, fast verbrennt. Dadurch wird der Paulistische Thee bröckelig, er liefert in den Kisten eine auffallende Menge Staub, und läfst sich nicht so wie der langsam eingetrocknete chinesische in warmem Wasser wie- der in seine einzelnen Blättchen auflösen. Nichtsdestoweniger wird der Thee von Säo Paulo schon jetzt in nicht unbedeutender Quantität exportirt. Die Hauptstadt Sao Paulo liegt ziemlich kahl auf einem Hügel des Plateaus. Sie ist unregelmäfsig gebaut, und obgleich es in ihr nicht an einigen stattlichen Strafsen fehlt, die in zusammenhängender Reihe von Stockwerkshäusern eingefalst, gut gepflastert und mit Trottoirs versehen sind, hat sie doch nicht die Grofsartig- keit und den aristokratischen Anstrich, den man in Brasilien ihr nachrühmt; sie erinnert vielmehr in manchen Theilen entschieden an die Zeit des Mönchthums und der Jesuitenwirthschaft. Die Kirchen sind hübsch, im Innern reich verziert, aber keine von ihnen macht einen besonders hervorstechenden Eindruck. Das bedeutendste Gebäude ist das der juristischen Facultät, die 5— 600 Alumnen zählt. Der Palast des Präsidenten war früher ein kirchliches Collegium. Neuerdings ist ein kirchliches Seminar begründet worden, an welchem Geistliche aus Sardinien und Frankreich angestellt sind. Das deutsche Element ist in der Stadt und Um- gegend ziemlich zahlreich vertreten und durch diejenigen verstärkt, die sich dem verderblichen Halbpacht- oder Parceria-System entwunden und sich zur Selbst- ständigkeit in allerdings beschränkten Verhältnissen durchgearbeitet haben. Die Deutschen leben, namentlich in der Richtung nach Itapecerica hin, ziemlich zahl- reich auf kleinen Colonien, und beschäftigen sich eifrig mit Obst- und Gemüse- bau und den Thee- und Kaffeepflanzungen; denn neben Thee und Kaffee, neben Pfirsichen, Orangen und Granaten gedeihen hier auch unsere nordischen Obst- arten, Aepfel, Birnen und Pflaumen, und in den Gemüsegärten erblickt man un- sere bekannten Rübenarten und Kartoffeln. Zu dem Verkauf dieser Producte nach der Hauptstadt tritt als Nahrungsquelle noch die Verwerthung der Wald- producte in Holz, Brettern u. dgl. hinzu. Von grofser Bedeutung für die Entwickelung der Provinz ist der Tiete, einer der bedeutendsten Nebenflüsse des Paranä. Er ist von der Hauptstadt nur eine halbe Stunde entfernt und schon hier ein ansehnlicher Strom; aber 9 Leguas weiter unterhalb bildet er einen beträchtlichen Fall, und erst von hier ab kann er für einen ununterbrochenen Schifffahrtsverkehr mit den inneren Provinzen des Reiches benutzt werden. Die Regierung hat den Flufs in nautischer Hinsicht durch einen ausgezeichneten Marine - Offizier, Antonio Mariano de Azevedo, unter- suchen lassen und auf Grund der Berichte desselben den Beschlufs gefalst, eine regelmäfsige Schifffahrt auf dem Tiete in Gang zu bringen. Sie beabsichtigt an dem Ufer desselben eine Art friedlicher Militär-Colonien anzulegen und hat Notizen über das Küstenland der brasil. Provinzen Paranä und Säo Paulo. 333 ein Dampfschiff erbauen lassen, welches im Jahre 1858, in seine einzelnen Theile zerlegt, auf Maulthieren von Santos aus auf das Plateau transportirt wurde. —ın. Neuere Literatur. Deutschland, sein Volk und seine Sitten, in geographisch - ethnographischen Charakterbildern. Von M. Biffart. Mit vielen Abbildungen. Stuttgart (Wilh. Nitzschke) 1860. 576 S. 8. Herr Biffart will dem Leser ein Bild von Land und Volk der deutschen Gauen vorführen und hat nach seiner Versicherung darauf Bedacht genommen, alle (!) die vorhandenen zahlreichen und schönen Specialschilderungen von deut- schen Gegenden und Völkerschaften zu benützen und zu Einem Bilde vereinigt vor dem Auge des Lesers zu entrollen- Das System seiner Darstellung enthält die Abschnitte: Geschichte, insbesondere in Bezug auf territoriale Entwickelung, Allgemeines (staatliche Verhältnisse, Regenten, Orden, Wappen, Stralsen, Eisen- bahnen u. s. w.), Schilderungen des Landes mit seinen klimatischen Verhältnissen, dann des Volkes, seiner Trachten, Feste, Sitten, Gebräuche und Beschäftigung, endlich die Beschreibung der gröfseren Orte des Landes. Die Abschnitte „Ge- schichte und Allgemeines“ sollen nur im Interesse der Vollständigkeit beigegeben sein, entziehen sich also einer billigen Kritik. Wir würden zweifeln, ob Herr Biffart ein Deutscher sei, wenn er nicht auf S. 489 sich also ausliefse: „Die Marschen (Holsteins) sind das Land der Butter, die Ernährerin riesiger Kühe und feister Ochsen, gegen die unsere Viehzucht keinen Vergleich aushält. Wo fin- det man in den Gauen Innerdeutschlands Kühe, die täglich 20 und noch mehr Kannen Milch geben? Wo könnte man dort eine solche Masse von Butter und Käse auftreiben zu Preisen, die geradezu unglaublich klingen.“ Beiläufig erwähnt herrscht in den holsteinischen Marschen nicht die Viehzucht, sondern der Acker- bau vor; der holsteinische sogenannte Lederkäse, zu Schiffsproviant verbraucht, ist wohlfeil, weil von geringer Qualität; die schöne holsteinische Butter kommt von den grofsen Gütern, die nicht in der Marsch liegen: in ganz Dithmarschen liegt nicht ein einziges. Zweifel an Herrn Biffart’s Deutschthum erweckt unwill- kührlich seine fremdartige, überschwängliche Schreibweise, die Entstellung man- cher bekannten Ortsnamen, die nicht durch die ebenfalls ziemlich nachlässige Cor- reetur entstanden sein kann, weil sie sich häufiger wiederholt, endlich eine nicht unbeträchtliche Zahl von Verstöfsen gegen sehr bekannte topographische Einzel- heiten, die selbst die Einsicht einer mittelmäfsig guten Generalkarte hätte ver- meiden lassen. Zum Beleg dieses Urtheils bunt durcheinander nach der Seiten- folge des Buches einige Beispiele. Odenwald S. 20: „der Felsberg 1550 Fufs hoch mit der Riesensäule, einer 31 Fufs hohen grauen Granitmasse“ — bekannt- lich liegt die Riesensäule als unfertiges Werkstück da, wo man sie bearbeitet hat, am Boden. Den etwas seltsamen Höhenangaben im Odenwalde: Melibocus 2079 Fufs, Katzenbuckel 2000 Fufs, folgen die phantastischen Gröfsen „Wärzberg 2160 Fufs“ und „Hardberg 3380 Fuls“! Und weiter heifst es S. 352 vom Odenwald; 334 Neuere Literatur: „über seinen langgestreckten Rücken (?) erheben sich die abgerundeten Formen der beiden Feldberge, des Altkönig (sie!) und der mit weithin winkendem weilsen Thurme gekrönte Gipfel des 1580 Fufs hohen (s. oben!) Melibokus.“ Herr Bif- fart hat eine Aussichtsbeschreibung über den Odenwald hinaus, vielleicht vom Kaiserstuhlthurm bei Heidelberg aus, gründlich mifsverstanden. Das Rhein-Ge- biet, dem der Verfasser allerdings auch die Schelde zurechnet, giebt er auf 6150 Quadratmeilen, d.i. um etwa 1400 Quadratmeilen zu grols an. S. 38 die Weser „wird schiffbar bei Treffurt für Seeschiffe (sic!), für Dampfschiffe bei Münden, wo sie 300 Fuls breit ist. Fünfzehn Meilen unterhalb Bremen, bei ihrer übri- gens (sic!) versandeten Mündung erreicht sie zwischen Langwarden und Schermo (?) eine Breite von 14 Meilen.“ Stromgebiet der Weser „1220 Quadratmeilen“ statt 872 Quadratmeilen. S. 29 die Elbe „ihre (der sächsischen Schweiz) kräftigen, grotesken Felsengruppen durcheilend“, „zwischen senkrecht sich erhebenden Fel- sen dahinreilsend“ — die armen Dampfböte und Zillen! —, „bei Stade beginnt die Eindeichung“ — der Verfasser kennt weder die Vierlande, noch das Alte Land, von anderen Eindeichungen nicht zu reden. „Berühmt ist die Elbe durch ihren Fischreichthum, besonders an Seefischen.“ S.41 die Oste „hat breite (?), seichte (?) Ufer“ — ein Mifsverstand des Hadelnschen Sietlandes; wir empfehlen Allmers: Die Marschen zwischen Weser und Elbe —, „wird bei Bremerwerde (statt Bremervoerde) schiffbar.“ Die schiffbare Stör „aus dem Plöner See mün- det bei Glücksburg“ — der grofse Plöner See entwässert in die Trave, der kleine in die Swentine zur Ostsee; die Stör mündet unterhalb Wewelsfleth bei Störort. Die Eider „wird bei Rendsburg schiffbar * — „hat Canalverbindung mit Rends- burg und Kiel“. Auch das Oder-Gebiet wird weit zu grols auf 3000 Quadrat- Meilen angegeben. ‘8. 41 fliefst die „Stekenitz“ in die Elbe, $.43 — wie rich- tig — die Stecknitz in die Trave; $. 479 steht wiederholt „Streckenitz“. S: 47 ist die Donau „bei Stockerau und Wien über eine Stunde breit“ — nämlich mit den Auen. Die March „mündet bei Prefsburg — tritt oft über ihre Ufer, die meist‘ von Wald und Fels begrenzt sind“ — man vergleiche die richtige Dar- stellung auf 8. 209 und 210. Die Traun $. 48 „wird bei Gmunden für Dampf- schiffe fahrbar,“ nämlich aufwärts auf dem Gmundener See. Die Drau „mündet bei Essek, wo über den fast 1 Meile breiten Strom die längste Brücke Europa’s führt“ — die Drau mündet 1000 Fufs breit. S. 56 wird die meklenburgische Zweigbahn Bützow-Güstrow 13 Meilen lang erwähnt, die Hauptbahn Hagenow- Wismar-Rostock nicht. Dagegen aber S. 478 und 489 eine Eisenbahn Lübeck- Travemünde und Lauenburg-Lüneburg, die beide nicht existiren. 8. 63: „Eine deutsche Mahlzeit besteht aus Suppe, Rindfleisch, Gemüse mit Beilagen, Braten und Salat, bei Gelegenheit Fische und Wildpret“ — entspricht den rheinischen und südwestdeutschen Table d’hötes, der Küche des übrigen Deutschlands wohl nicht völlig. S. 483: „die Insel Neuwerk taucht aus den Wogen mit ihrem schlanken, stolzen Leuchtthurme“ — der uralte, schon am Ende des dreizehnten Jahrhunderts begonnene viereckige Thurm ist volle 100 Fufs hoch (das Feuer 116 rheinl. Fufs über Hochwasser), leidet aber eher an solider Corpulenz, da jede seiner Seiten 45 Fufs mifst. Und wer erkennt die Lage Hamburg’s in folgender Phrase: „Die Elbe umschlingt mit ihren Silberarmen einige Dutzend Inseln, auf denen Hunderte von Windmühlen ihre Riesenarme in der Luft bewegen.*? Wer Ba | M. Biffart: Deutschland, sein Volk und seine Sitten etc. 335 wird erstaunter sein, als die Meldorfer, wenn sie hören, dafs ihr Flecken „ein besuchtes Seebad“ habe, und wie sind eigentlich die Lippe-Detmolder daran, wenn es von ihrem Lande heifst: „das Klima ist eines der mildesten und ange- nehmsten des nordwestlichen Deutschlands, feuchte und kühle Sommer, strenge Winter und häufigen Nebel im Berglande“? Ohne Frage sind dieser Compila- tion manche werthvolle Einzelheiten einverleibt, der Süden Deutschlands — ohne- hin weit reicher bedacht als der Norden: Bayern mit 60, Preufsen mit etwa 50 Seiten — ist sorgfältiger gearbeitet, die Abbildungen, Volkstrachten darstellend, sind nicht ganz übel gerathen: das Ganze aber ist zu unfleilsig gearbeitet, zu voll von Unrichtigkeiten, als dafs es dem Leserkreise genügen könnte, für welchen solche Bücher geschrieben werden. S. Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 6. October 1860. Der Vorsitzende, Herr Prof. Dove, eröffnete die Sitzung durch Ueberrei- chung der eingegangenen Geschenke: 1) Report of the Commissioners of Patents for the year 1858 and 1859. Agriculture. Washington 1859. 1860. — 2) Möll- hausen, Reisen in die Felsengebirge Nord- Amerika’s. 2 Bde. Leipzig 1861. — 3) v. Middendorf, Sibirische Reise. Bd. IV. Lief. 1 u. 2, nebst Atlas. St. Peters- burg 1859. 1860. — 4) Petermann’s Mittheilungen. 1860. Heft 8. Gotha 1860. — 5) H. v. Middendorf, Anikiev, eine Insel im Eismeere. Einige Geleitszeilen zu dem Entwurf des Weges zwischen Kola und Kandalaktscha.. Zur Kenntnifs der Wärme-Oekonomie einiger Thiere Rufslands. Ueber die Nothwendigkeit von Vorbereitungen für den Empfang vorweltlicher sibirischer Riesenthiere. — 6) Preus- sisches Handelsarchiv. 1860. No. 36— 39. — 7) Der Schul- Atlas vom König- reich Sachsen, von H. Lange. Leipzig 1860. — 8) Special-Karte der sämmt- lichen Telegraphen-Linien und Stationen des deutsch - österreichischen Telegraphen- Vereins, von Birk. Berlin 1860. — 9) Keith Johnston, Royal Atlas of Modern Geography. Part VI. VIII. Edinburgh 1860. — 10) v. Egloffstein, Rio Colorado of the West, explored by Lieut. J. C. Ives. Map No. 2. Bei Ueberreichung des Werkes des Herrn v. Middendorf hob der Vor- sitzende die vielfachen Verdienste dieses Forschers hervor, und theilte dann aus dem Werke Möllhausen’s die Ansicht mit, dafs die Bevölkerung Neu-Mexico’s nicht, wie die Sage lautet, durch eine Einwanderung von Nordwesten, sondern nur durch eine Einwanderung von Süden stattgefunden haben könne. Bei Vor- zeigung der Karte vom Colorado von Herrn v. Egloffstein las der Vorsitzende einen Aufsatz vor, worin die neue Methode besprochen wird, nach welcher der Verfasser diese Karte angefertigt hat. Der Vorsitzende legte sodann vor: The Journal of the American Geographical and Statistical Society, Vol. IT, No. 1, worin ein Vortrag von Guyot über C. Ritter enthalten ist; einen Brief von den Falklands-Inseln, geschrieben von Capt. Sibbold, welcher sich zur Einsendung von Beobachtungen erbietet; zwei Hefte vom Bulletin de la SocieteE Vaudoise, worin besonders hervorzuheben sind: Etudes geologico-archeologiques en Denmark 336 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft. et en Suisse, par M. A. Morlot und Sur la jaugeage du Rhöne, sous la direction de M. Thury, par M. M. Perey et Trexier. — Endlich bemerkte der Vorsitzende noch, dafs er bei seiner diesjährigen Reise von Memel bis zur Schweiz eine grofse Uebereinstimmung der Witterung dieses Sommers mit der von 1816 gefunden: je weiter gegen Westen, desto ungünstiger wurde das Wetter. Herr Barth nahm hierauf das Wort, um die Bildung eines Comite’s, wel- ches die Statuten der Ritterstiftung entwerfen soll, zu beantragen. Zu Mitgliedern dieses Comite’s wurden die Herren Dove, Barth, Ehrenberg, Mollard und Kraus- nick gewählt. Herr Barth theilte mit, dafs die Beiträge zu dieser Stiftung bereits die Höhe von 2500 Thlrn. erreicht haben, darunter befinden sich 100 .Thlr. von der Frau Gräfin Schlieffen und 50 Thlr. in Gold von dem Herrn Grafen Schlieffen; zugleich zeigte Herr Ehrenberg an, dafs ein Beitrag von 20 Fres. zu diesem Zweck aus der Schweiz eingesendet worden. Herr Barth erwähnte ferner, dafs 400 Thlr. von einem Freunde Ritter’s und Vogel’s dazu bestimmt seien, als erste Jahreszinsen einen Beitrag zu den Kosten der Expedition des Herrn v. Heuglin abzugeben, und sprach zugleich die Erwartung aus, dafs diese Expedition der Wissenschaft sehr förderlich sein werde. Er gedachte ferner des Todes Roscher’s und erwähnte, dafs Herr v. Degen von Osten aus in Afrika einzudringen und die Arbeiten des Verstorbenen fortzusetzen gedenke. Herr Ehrenberg erwähnte des Todes des Herrn Baron v. Barnim, dessen Begleiter, der Arzt Dr. Hartmann, ebenfalls hoffnungslos erkrankt war. Beide Reisende hätten, durch die Anmuth der Gegend angezogen, zu lange in Nubien verweilt und: wären von der schädlichen Witterung betroffen worden. Herr Ehren- berg theilte ferner mit, dafs nach einem Briefe des General-Consuls Sir Robert Schomburgk aus Siam dieser von der britischen Regierung beauftragt worden sei, die Mitglieder der preufsischen Expedition nach Japan mit der gröfsesten Sorg- falt aufzunehmen. Herr Dörgens, der Begleiter des Consuls Dr. Wetzstein, zeigte eine grofse Karte vor: „Vorläufiger Entwurf von Dr. Wetzstein’s und R. Dörgens’ Reise im ’ Ost-Jordanlande 1860“ und hielt einen Vortrag. über diese Reise. Er erwähnte der angestellten. Höhenmessungen und. Ortsbestimmungen, von denen ein Theil bereits berechnet ist, und bemerkte, dals sein Barometer ganz unverändert geblie- ben ist. Er sprach über das ganze durchwanderte Gebiet, ‘dessen Charakter. er schilderte, und beschrieb die Lebensweise seiner Bewohner. Herr W. Rose legte das 12. und 14. Heft der grofsen Karte der Schweiz, von welcher nur noch 5 Hefte fehlen, zur Ansicht vor. Herr Barth sprach zum .‚Schlufs nach ‘zwei von Duveyrier aus Ghadämes und Livingstone aus Tete an ihn gelangten Briefen über die Entdeckungen und die bevorstehenden Unternehmungen der beiden Reisenden. Der erstere war län- gere Zeit krank; er wird eine Karte der Reise über Ghat nach Ghadämes ent- werfen; der letztere. war durch die schlechte Beschaffenheit des ihm nachgesand- ten Bootes längere Zeit an der Fortsetzung seiner Reise verhindert, hat aber da- für, wie ‚bekannt, .den Shir€ und mehrere Seen untersucht. m 2 MEERE BEE 077: Sl, Se: DEE RER 9 A WENN, RAT» RE BESTER 19 1HLLLOSSNNNNNNNG ra a Teitschni_ Für alldm. Erillumde N. EBAIX. Karte, den Küste, der CAPIMAINIA or S. PAULO) nach einer MS.Karte der Marine Bibliothek zu Rio Janeiro (copirt von L* Woldemar SCHULZ) auf %3 reduoirt (7000000) „mbrarichnet Ansinllungen Strassen I bedeutet Morro {Bery ) P Fonta | Landspıtse) P- Brain (Strand) Enz Enswiaca (Mache) B T D.R Lit Inst. von C-Moneche. erlin,bei D.Reimer. Im Verlage von Dietrich Reimer in Berlin ist jetzt vollständig erschienen: h NEUER HANDATLAS ÜBER ALLE THEILE DER ERDE % 5 8 j IN 40 BLATTERN F ENTWORFEN UND BEARBEITET f von j HEINRICH KIEPERT. eis 16 Thlr. — In elegantem Halblederband mit Goldtitel 18 Thlr. 15 Ser. Jede Karte einzeln & 15 Sgr. : K Inhalt: . Erdkarte in Mercator's Projectiion — — — | 21. Britische Inseln ......... 1: 2Mill. Oestlicher 2 Erd \ 22. Dänemark und Süd-Schweden. 1: 2 - Westlicher | Planiglob der Erde. — — — | 95, Scandinavien „a naroesuen 1: 4 en RESET 1712 ML AATROBTADdN. ran ee neunte niert 1:8 - EB Deutschland. >. 2.2.0 20... 1:3 - | 25. Türkei und Griechenland ....1: 3 - 6. Südwestliches Deutschland ... 1: 1 - NEE EN AR NE 1:24 - 7. West-Deutschland ........- 1:1 - 27. Klein-Asien und Syrien .... 1:3 - . Nordwestliches Deutschland .. 1: 1 - 28..Vorder- Asien a2. unımein» 178 = 9, Mittel-Deutschland ....... 1:666.000 | 29. Vorder-Indien .... 2.2... 1:8 - Brandenburg, Schlesien, Posen. 1: 1 - | 30. Ost-Asien .......rnun- 1212 72 - Pommern und Preufsen..... 1: 1% - 312 Australian „up. alereie arena e —_——— BeBkerröich. . 4. c0o nm. 2 1: 3 - 32. Continent von Australien... .. 1:12 - 3. Galizien, Ungarn u. Nebenländer 1: 2 - AB: WAfTIOR 6. etenejel aaa eine Naar 1:20 - 4. Böhmen, Mähren u. Ogsterreich 1: 1 - 34. Die Nilländer .... 22.2... 1:5 - ö. Ost-Alpenländer ........ 1:1 - 35. Nordwestliches Africa... ... . 1:5 - 6. Schweiz......... .....1:800000 | 36. Nord America » .....2.... 1:20 - | BE 1: 24 - | 37. Oestliches Nord- America... .1:b - Spanien und Portugal... . . - 1: 24 - | 38. Westliches Nord-America ...1: 8 - WeRrankreich 2.0.0.0. 0% = 1:,2$:- 39. Mittel-America und West Indien 1: 8 - !0. Niederlande und Belgien .... 1:1 - 40. Süd-America .. cu... 1:20 - Den nach achtjähriger Arbeit jetzt vollendet vorliegenden Neuen Hand- itlas von Heinrich Kiepert anzupreisen oder seine Vorzüge vor ähnlichen Internehmungen ausführlicher darzulegen, erscheint überflüssig, nachdem der- ielbe bereits während des heftweisen Erscheinens nicht allein in Deutschland, ür das er zunächst bestimmt war, sondern auch über dessen Grenzen hinaus owohl bei dem gröfseren Publicum die beifälligste Aufnahme gefunden, als uch seitens der Fach-Autoritäten und der Presse überall lobende Anerken- iung erfahren hat. — Die Urtheile der competentesten Richter (im Auslande tamentlich franzözischer Gelehrter von bekanntem Ruf in der geographischen issenschaft) haben sich überaus günstig über die in diesem Kartenwerk largelegten Fortschritte der kritisch-wissenschaftlichen Leistungen des Ver- assers ausgesprochen und nicht minder die vorzügliche Sorgfalt anerkannt, welche Verfasser und Verleger vereint anf treue, charactervolle und elegante Berfehrung des Stichs und äufsere Ausstattung gewendet haben. — Bei dem grofsen Format der Blätter war es möglich, nach einem sorgfältig lurchgeführten Plan denjenigen Kreis geographischer Kenntnisse, der zum imabweisbaren Bedürfnils jedes Gebildeten geworden ist, in vierzig Karten iusammenzufassen, welche das wirklich Wissenswürdige und Wichtige in swölserer Vollständigkeit als manche blätterreichere Atlanten enthalten und iber die bis zur Zeit ihres Erscheinens bekannt gewordenen Resultate auch der ieuesten geographischen Arbeiten und Entdeckungen einen erwünschten Ue- erblick gewähren. Da bei dem hierdurch bedingten Streben nach möglichst - er ne x , ERLN di 3 zweckmäfsiger Vertheilung des Stofles überdies der‘ Gesichtspunkt maa bend gewesen ist, Ländergruppen von historischem Zusammenhange auch : sammenhängend auf demselben Blatte darzustellen, so haben die einzeln Karten auch an sich einen gröfseren Werth und- eine erhöhte Brauchbarkeit erhalten. Be Sämmtliche Blätter, denen selbstverständlich fortwährend die kritische Auf- merksamkeit und Thätigkeit des Verfassers gewidmet bleibt, um jede erreichbare Berichtigung oder eintretende Veränderung darin aufzunehmen, werden ge- trennt zu dem Preise von 15 Sgr, abgegeben. Aufserdem ist eine aus den Nummern 2—5. 12. 17. 18. 19. 21. 23 — 26. 2S, 31. 33. 36. und 40. des obigen Inhaltsverzeichnisses bestehende Auswahl von 18 Karten aus Kiepert’s Handatlas Preis: gebunden 8 Thlr. veranstaltet worden, welche in dieser Zusammenstellung, indem sie die beiden Planigluben, die Erdtheile und die einzelnen Länder Europa’s umfafst, für den allgemeineren Gebrauch in Schule und Haus ausreichen dürfte. * Im Verlage von Hermann Coftenoble in Leipzig erfchien und if in allen Buchhandlungen zu haben: U r Inu Re - Bi: Die Alpen Bi in | E Hatur- nnd Febensbildern. PN. Dargeftellt 5 von Fee + 9.4. Belpih. Mit 16 Shuftrationen und einem Titelbilde in -Tondruf nah Driginalzeichnungen von Emil Rittmeyer, Lerifon-Dctav. 1 ftarfer Band. eleg. broch. .3 Thlr. 26 Sgr. _ Aud) gebunden vorräthig. Der Herr Berfaffer vorliegenden Buches, feit einer langen Reihe von Jahren innig vertraut mit Land und Leuten, Bergen und Thälern und durch frühere Ars beiten fchon längft als ein gebirgsfundiger Alpenwanderer dem deurfen Publikum, befannt, hat eine Reihenfolge felbititändiger abgerumvdeter Studien und Naturbetradhe tungen gefchaffen, die nicht nur geeignet find zum größeren und richtigeren Verftänd- niß der Alpenwelt und des in ihr herrfchenden Lebens beizutragen, fondern die auch als anregende, die Freunde populär-wiflenfchaftlicher Darftellungen unterhaltende Lektüre fich Annerfennung verfchaffen werden. Frisch griff dev Berfaffer in die, un=, endlich veiche Fülle der gewaltigen Erfcheinungen hinein, wie fie das Gebirge bietet, und fehilderte mit begeilterten Worten uud in lebensvollen Farben die Serrlichfeit und Größe, aber auch die furchibare Majeftät und die Schredunffe der erhabenen Alvenwelt. Es find Photographien des Natur- und Menfdyenlebens, wie fie nur der finnige, vergleichende Beobachter aufnehmen fann. a Der geniale Iluftvator von Tfhudis Thierleben, Herr Emil Nittineyer,, hat auch für vorftchendes Buch die Zeichnungen entworfen. _Diefe zeichnen fich ducch, Neuheit der Darftellung und dur priginelle und geijtuolle Auffafjung befon ders aus. Der Schnitt der Blätter wurde von den anerfannt füchtigiten Zylo: ° graphen Leipzig’& beforgt und find diefelden von wirklihem Kunftwerth. 1 N Gedruckt bei A. W, Schade in Berlin, Grünstr. 18. MIT UNTERSTÜTZUNG DER GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN UND UNTER BESONDERER MITWIRKUNG = a h vVoN | H. W.DovE, c. 6. EHRENBERG, H. KIEPERT ı penun, N " K. ANDREE ın ıeirzis uno J. E. WAPPÄUS ın aörtınsen. HERAUSGEGEBEN e voX Dr. K. NEUMANN. NEUE FOLGE, NEUNTER BAND, FÜNFTES uno SECHSTES HEFT. BERLIN. "VERLAG VON DIETRICH REIMER. 1860. Inhalt. XII. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. Von H. Burmeister. 6. Uebergang über die Cordilleren. . . . . . 337 7. Das Thal von Copiap6 bis zum Meere. . . 360 XI. Ueber die wasserführenden Schichten im Aubenieinen Er über die Schichten im Besonderen, die in Dänemark die Quellen und Brunnen nähren. Von J. G. Forchhammer. Aus dem Dänischen, von A von Bitzel..y.... 0% 388 XIV. Consul Wetzstein’s und R, Discs Reise in e Ost- Fardar Ta Von R. Doergens. .. 402 XV. Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sen in Banihiah Von E. ER. 421 Miscellen. Irische Crannoges und Schweizer Pfahlbauten. . . . 2 2 2.2... 461 Bau eines Hafens auf Reunion. . . : 462 Ernte -Ertrag der Culturpflanzen auf den iederländischen. Desikeipen im indischen Archipel im Jahre 1857... . . . ger: . 463 Notitz über die letzte Entdeckungsreise von John if Donall Stuart, . 469 Berthold Seemann’s Forschungen auf den Fidji-Insen. . . . ... 40 Eine Tour durch die westlichen Theile von San Salvador . . . . .„ 480 Neuere Literatur. Kiepert’s Handatlas. Berlin 1860 . . . 488 Ave Lallemant’s Reise durch Südbrasilien im Jahre 1858. Denaiis 1859 490 Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 3. Novbr. 1860 . 494 ee - 8. Debr. 1860 . 495 Uebersicht der vom Juni bis zum December 1860 auf dem Gebiete der Geographie erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Von WE See RR SR N Karten. Taf. IV. Vorläufige Skizze der von Consul Dr. J. G. Wetzstein und R. Doer- gens im Frühjahr 1860 ausgeführten Reise im Ostjordanlande, con- struirt und gezeichnet von H. Kiepert. Taf. V. Karte des Staates San Salvador, im Auftrage des Präsidenten Don Rafael Campo, von Maxim. v. Sonnenstern. Nach der zu New York 1858 erschienenen Originalkarte auf den halben Mafsstab verkleinert. Von dieser Zeitschrift erscheint jeden Monat ein Heft von 5— 6 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr. K> Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Post- Anstalten. XI. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. Von H. Burmeister. 6. Uebergang über die Cordilleren '). Den 6. März war ich frühmorgens reisefertig; ich bestieg mit Ver- gnügen das mir von meinem neuen Reisegefährten, Herrn Jose del Pino, zugeschickte weilse Maulthier und trabte behaglich nach dessen Wohnung, die am südlichsten Ende von Copacavana lag. Wohl eine Viertelstunde mu/ste ich in der frischen Morgenkühle reiten, ehe ich das grolse Gehöft erreichte; aber der Weg war angenehm, weil es am Tage vorher heftig geregnet und gewettert hatte, gleichsam als sollte die staubige Stralse mir recht bequem gemacht werden. Als ich in den Hof ritt, standen eine Menge Thiere, Pferde wie Esel, schon ge- sattelt da; Diener liefen hin und her, das Gepäck zusammentragend, und Alles war in rüstiger Bewegung, zur Abreise sich bereitend; aber noch dauerte es vier Stunden, ehe wir wirklich dazu kamen. Mein Gefährte, den ich erst jetzt persönlich kennen lernte, empfing mich sehr freundlich und stellte mich zuvörderst seiner Familie vor; er lebte hier mit seinem Schwiegervater, Herrn Andreas Villegas, der die Wirthschaft leitete, während er selbst den äufseren Geschäften vorstand und eben jetzt eine Tropa von 110 Ochsen nach Chile bringen wollte, die zwei Tagemärsche hinter uns herzog. Seine Frau, deren jüngere Schwester, ein Bruder und mehrere Freunde gaben ihm das Geleite, und diese zahlreiche Gesellschaft war die Veranlassung unseres ver- _ späteten Aufbruchs. Denn vor allen Dingen mulste erst ordentlich ge- frühstückt werden, ehe wir die beschwerliche Reise anzutreten wagten. Indem ich dieselbe nun wirklich antrete, kann ich nicht unterlassen, meinem neuen Gesellschafter und baldigen Freunde das Hauptverdienst I) Man vergleiche hierzu die Karte in Petermann’s geograph. Mittheil. 1860, Taf. 16. Zeitschr. f.allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 22 338 H. Burmeister: ihres Gelingens zuzusprechen. Als erfahrener Reisender, der dieselbe Tour schon zehnmal gemacht hatte, war er mit dem Nöthigen zur Reise reichlich versehen, und theilte mit mir Alles brüderlich, sein Zelt wie seine Decken, seinen Wein wie seine Nahrungsmittel; ich brauchte für Nichts zu sorgen, sondern nur meine Wünsche auszusprechen, und als- bald wurden sie erfüllt. Nie habe ich leichter grofse Strapazen ertra- gen, als diesmal, nie weniger mich um mich selbst bekümmert, als auf diesem durch seine Beschaffenheit freilich beschwerlichsten Theile mei- ner Reise. Um 11 Uhr verliefsen wir die Estanzia und ritten durch das ganze Dorf von Süden nach Norden auf einer von mir bisher nicht betrete- nen Strafse, die über den Marktplatz lief, wo die thurmlose Kirche stand, ein übrigens ganz kunstloses Gebäude aus Luftziegeln oder Lehm- patzen. Aufserhalb des Dorfes verengte sich das Thal etwas; der Weg näherte sich dem Gebirge zur Linken und passirte mehrere felsige Partien, zwischen denen wir uns stellenweise auf ganz schmalem engen Pfade hindurchwinden mufsten. Hie und da lag noch eine Wohnung fern vom Dorfe, aber weit reichten sie nicht. Etwa auf halbem Wege rasteten wir unter schönen Algarroben-Bäumen am Rande eines fri- schen Wiesengrundes, der hier sich zu beiden Seiten des Flusses aus- breitet; aber den Flufs selbst sahen wir nicht, er lief zwischen Ge- büsch versteckt uns zur Rechten in mäfsiger Entfernung. Weiter hin- auf wurde das Thal breiter und in der Nähe des Flusses frischer und fruchtbarer; beide Bergzüge gingen divergirend aus einander, und hier lag mitten auf einer kahlen Ebene, in 4 Leguas Abstand von Copaca- vana, Tinogasta, der nächste Sammelplatz für uns. Obgleich städti- scher angelegt als Copacavana und in regelmälsigen Quadern gebaut, hat der Ort doch ein sehr unfertiges Ansehen; die östliche Seite des Marktes ist noch ohne alle Häuser und die an der Westseite verlau- fende Hauptstrafse eigentlich die einzige wirkliche Strafse der Stadt. Wir hielten uns darin eine Stunde bei Bekannten auf und ritten durch die genannte Stralse weiter, rings von kahlen, aber grotesk geformten Bergzügen umgeben, die eine weite buschige Ebene mit leichtem, stau- big sandigen Boden einschliefsen. Gerade vor uns sehe ich die Felsen sich von beiden Seiten hinter und vor einander schieben, eine Schlucht bildend, durch welche sich der Flufs hindurchdrängt. Dahin ging zu- nächst unser Weg. Als wir die Gegend erreicht hatten, kamen wir in der Schlucht an einen lang ausgedehnten Ort S. Jose, durch den eine grade, von grünen Hecken eingefafste Strafse hindurchführt; zur Lin- ken begleitete uns ein Wassergraben, aber den Flufs, der noch immer rechts geblieben war, sahen wir nicht, wie überhaupt nichts, als die Hecken des Weges und die Berggipfel, welche zu beiden Seiten dar- de PETE eh rs Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 339 über hervorragten. Endlich öffnete sich die Aussicht; wir hatten den Flufs vor uns, ein dunkelgelbes Lehmwasser, das vom gestrigen Regen stark angeschwollen mit hohen Wellen an uns vorüberrauschte. Hier sollte der Uebergang gemacht werden; wir ritten hinein, fanden aber das Wasser tiefer, als wir erwartet hatten; ich zumal, der ich auf einem so niedrigen Maulthiere sals, dals an der Seite des Stromes das Wasser mir von oben her in den grofsen Reiterstiefel drang. Das war für mich ein wenig behaglicher Anfang; noch mulste ich eine Stunde reiten, ehe das Nachtlager erreicht wurde. Endlich, als es schon dun- kelte, hielten wir am Fulse eines Felsens, vor dem sich der Flufs vor- beiwälzte, und jenseits desselben lag der Ort Anillaco, wieder 4 Le- guas von Tinogasta. Dort wollten wir übernachten, allein die Dunkel- heit nahm so schnell zu, dafs der Uebergang über den Flufs bedenklich schien; man zog es darum vor, die Nacht auf freiem Felde zuzubrin- gen und wählte die Stelle, wo wir uns gerade befanden. Den 7. März. — Bei Sonnenaufgang sahen wir unserem Lager gerade gegenüber an der anderen Seite des Flusses das Dorf Anillaco hart am Fufse der Bergkette vor uns liegen; es schien nicht klein zu sein, aber eine Kirche bemerkte ich nicht darin. Als letzte, von Men- schen bewohnte Stätte auf diesem Wege nach Chile hat es ein gewisses Interesse für den Reisenden, der hier von seinem Geschlecht wenig- stens für die nächsten vierzehn Tage Abschied nimmt. Wir waren bald mit unserem Aufbruch zu Stande gekommen und traten die Wei- terreise an, indem wir zuvörderst über den Flufs gingen, Anillaco aber nicht berührten, sondern im Bett des Flusses bleibend eine Strecke ‘an ihm hinaufritten. Während der Nacht hatte sich sein Wasser ziemlich verlaufen, der Uebergang bot keinerlei Schwierigkeiten dar, ja stellen- weise war das breite Bett schon ganz vom Wasser entblöfst; wir ritten über lange Strecken schlüpfrigen Lehmies an den ziemlich hohen Ufer- wällen hin. Nach 10 Minuten theilte sich der Flufs in zwei Arme, oder richtiger gesagt es vereinigten sich hier zwei kleine Flüsse zu einem; wir verfolgten den westlichen, etwas kleineren, den Rio de la Troya, und liefsen den gröfseren östlichen, Rio Jague, rechts liegen, wobei wir selbst auf dem westlichen Ufer des Rio de la Troya verblieben. Nach kurzem Ritt im Bette dieses kleineren Flusses ka- men wir auf eine weite, fast ganz kahle, mit Kies überschüttete Haide, und indem wir unseren Weg über dieselbe nach Nordwest verfolgten, verliefsen wir den Flufs, der in einem Bogen durch die Ebene fliefst, und wendeten uns dem Gebirge zu. Hier endete die Sierra, welche uns von Copacavana her im Westen begleitet hatte, und hinter ihr trat eine andere, völlig verschieden gestaltete hervor, die fortan unsere Be- gleiterin wurde; ich sah, um das Ende der Sierra de Copacayana herum- er 340 H. Burmeister: reitend, in das hier enge, nach Süden aber viel weitere Thal hinein, das beide Bergzüge von einander trennt. Indem ich mir dieses neue Gebirge näher betrachtete, gewahrte ich bald sehr deutlich auf den uns zugekehrten, steil ansteigenden Gehängen dicht an einander gedrängte Schieferungsflächen, welche der Sierra de Copacavana völlig fehlten, und vermuthete schon deshalb einen ganz anderen Bau nebst anderen Gesteinen; und so war es in der That, denn die genauere Unter- suchung, welche ich nach einer Stunde anstellen konnte, belehrte mich, dals diese neue Sierra nicht aus metamorphischen Massen, sondern aus wahren Sedimenten, aus Grauwackeschiefern bestand. Mein Begleiter, der die ganze Gegend umher sehr gut kannte, sagte mir, dafs das neue Gebirge nach Süden mit der Sierra Famatina zusammenhänge und nichts anderes sei, als deren nördliche Fortsetzung; dafs dasselbe sich hier dicht an den Fufs der Cordilleren herandränge und darum das breite Thal, welches in der Provinz La Rioja beide Gebirge trenne, hier nicht mehr vorhanden sei. Indessen rechne man dasselbe noch nicht zu den Cordilleren, vielmehr werde es auch in dieser Gegend durch ein förmliches Längsthal von den letzteren gesondert, und dieses Thal enthalte die letzten brauchbaren Bivouacs (Alojamientos) für die hinübergehenden Reisenden; wir würden es morgen oder übermorgen näher kennen lernen. Unter diesen Gesprächen setzten wir den Ritt über die öde, aller Abwechselung entbehrende Haide fort und gelangten nach zwei Stun- den an eine Schlucht, welche hier in westlicher Richtung das Gebirge durchbricht. Nach einem alten, noch in seinen Trümmern umfangs- reichen Indianerdorfe, dessen kleine, niedrige und zerfallene Häuser aus dicken Lehmmauern bestanden und das einst von den Spaniern, wie das alte Troja, gänzlich zerstört wurde, nennt man die Schlucht noch jetzt die Quebrada de la Troya; ich sah auf einem isolirten Hügel am Eingange derselben einen noch ziemlich gut erhaltenen run- den Thurm aus Bruchsteinen, um dessen Fufs in beträchtlichem Ab- stande eine hohe Mauer herumlief, und zwei andere kleinere, detachirte ähnliche Werke neben ihm gegen die Ebene hin; weite Vierecke, de- ren Umfang man aus dem herabgestürzten Mauerwerk erkennen konnte, dienten als Lagerungsstätte der Soldaten. Dies Alles lag diesseits des Flusses, der hier, aus der Schlucht kommend, in die Ebene tritt und nach der Schlucht Rio de la Troya genannt wird; jenseits desselben breiteten sich die nur aus Lehm bestehenden Ruinen des Dorfes aus. Es ist derselbe Flufs, dessen Zusammentreffen mit dem östlichen Arme des Rio de Copacavana in der Nähe von Anillaco ich oben bereits an- gegeben habe. Man schätzt die Entfernung von dort auf 5 Leguas. Nach kurzem Verweilen zwischen diesen Trümmern, — ein für mich Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 341 überraschender, unerwarteter Anblick, der aber weiter keine Spuren architektonischer Kunst darbot, — ritten wir in die Quebrada de la Troya hinein und befanden uns nunmehr in einer engen, von hohen Felsen an beiden Seiten begrenzten Spalte, deren Boden der uns entgegen- kommende kleine Flufs fast ganz ausfüllte, daher wir lange Strecken in ihm reiten oder ihn, von der einen auf die andere Seite seiner schmalen Uferterrasse übergehend, wohl mehr als 50 Mal durchschnei- den mulsten. Das war eine höchst beschwerliche Strecke des Weges, die gegen drei Stunden Zeit erforderte; ich bekam von dem beständig aufspritzenden Wasser bald nasse Fülse und zog es vor, nach einer Stunde mein Schuhzeug zu wechseln. Aber leider war damit nicht viel gewonnen; meine grolsen Reiterstiefeln waren noch nafs von ge- stern und sogen um so leichter auch hier wieder Wasser ein. Inzwi- schen ritt ich dem Gebirge, durch welches die Schlucht führte, nun- mehr so nahe, dafs ich sein Gestein genau betrachten konnte; es war ein röthlicher Grauwackensandstein, mit groben Conglomeraten in regel- mälsigen Bänken abgelagert, dessen Schichten nach Westen langsam einfielen, während die abgebrochenen Köpfe nach Osten gegen die Ebene vortraten, hier einen steilen, fast senkrechten Absturz bildend. _Röthliche, gelbliche, bräunliche, selbst grünliche Bänke folgten eine auf die andere, aber nicht unmittelbar, sondern in Pausen, je weiter wir in die Schlucht eindrangen. Auf der Oberfläche ist Alles kahl, kein Busch, kaum eine Pflanze wuchert in den Fugen der Gesteine, selbst den Boden am Bach bedeckten nur herabgestürzte Trümmer in allen Gröfsen, von mächtigen Blöcken bis zum kleinsten Rollstein. So blieb es die ganzen drei Stunden; endlich traten wir aus der Schlucht in eine offene Gegend, allseitig von hohen Bergzügen umschlossen, unter denen vor uns eine ähnliche, rothgefärbte Kette sich besonders aus- zeichnete. Auch sie gehörte der Sierra Famatina an und wurde mir von meinem Begleiter als die Fortsetzung des Centralstocks derselben geschildert; wir ritten in der Richtung zu ihr noch 2 Leguas weiter und schlugen dann im offenen Felde unser Zelt auf. Wir waren 11 Le- guas von Anillaco und 6 Leguas von dem Eingange in die Quebrada de la Troya entfernt. Die flache Gegend am Fufse des Gebirges ‘nördlich von dieser Schlucht bildet eine weite, allmählich sich verengende Ebene, welche vom Rio Jague, dem östlichen Arme des Rio de Copacavana, bewäs- sert wird. Hier befindet sich 3 Leguas von der Boca de la Quebrada eine warme Quelle Fiambala, die weit umher als Heilquelle in Ruf steht, des Zuspruchs wegen, den die in hiesigen Landen so häufigen syphilitischen wie rheumatischen Kranken ihr beweisen. Nach der Schilderung eines solchen Patienten, der die Quelle drei Wochen lang 342 H. Burmeister: benutzt hatte, entspringt sie in einer Schlucht des Gebirges, ziemlich nahe an der Ebene, und besitzt eine so hohe Temperatur, dafs man erst eine Strecke unterhalb des Austritts aus der Tiefe, wo die Wasser sich s-hon beträchtlich abgekühlt haben, sie ertragen kann; an der Ursprungsstelle sei das Wasser zu heifs, um seine Berührung auch nur einen Moment aushalten zu können, was auf eine Temperatur von min- destens 40" hinweist. Eine Ansiedelung, wo man Unterkommen finden könnte, ist nicht in der unmittelbaren Nähe; man mufs im freien Felde campiren und Alles mitbringen, was man zu seiner Existenz braucht. Eben darum ist der Aufenthalt in diesem wahrscheinlich sehr heilkräf- tigen Badeorte höchst unbequem, und jener Patient sprach nur mit Unmuth von dem Mifsbehagen und der Langeweile, welche er während seines Aufenthalts in Fiambala empfunden habe. Weiter nördlich liegt in diesem Thale S. Gill, durch welchen Ort die Stralse von Tinogasta nach Antofagasta und höher hinauf nach Bolivien führt, hier an der Grenze beider Republiken das ganz unbekannte und höchst beschwer- liche Gebiet des Despoblado durchschneidend. Ich habe von dieser Strafse nichts weiter in Erfahrung bringen können, als dafs sie dem östlichen Aste des Rio de Copacavana aufsteigend folge, später die Laguna blanca berühre und dann durch wilde Gebirgsschluchten oder Thäler sich nordwärts fortsetze. Den 8. März. — In Folge der nassen Fülse, welche ich gestern mir zugezogen hatte, befand ich mich heute nicht ganz wohl; eine ge- wisse Unlust an Allem hatte sich meiner bemächtigt, vermöge welcher ich nicht so scharf auf meine Umgebung achten konnte, wie ich wollte. Wir befanden uns noch immer in der Quebrada de la Troya, die bald wieder enger wurde; eine zweite ähnliche Schlucht öffnete sieh vor uns nach Westen, war aber, als wir in dieselbe hineinritten, doch etwas breiter als die frühere von gestern. Ihre Gehänge bestanden zu un- terst aus rothen, stark thonigen Sandsteinen, welche aufwärts in gelbe, graue, und zuletzt gar in dunkelschwarzbraune Grauwacke übergingen; auch hier ist Alles ganz kahl, ohne Baum, Strauch oder überhaupt irgend ein grünes Gewächs auf der ganzen Oberfläche. Ein lehmiger Flufs kommt uns entgegen, es ist der frühere Rio de la Troya; wir folgen ihm eine Strecke aufwärts, verlassen ihn dann und dringen nach rechts, über einen hohen Seitenkamm des Gebirges reitend, nach eini- ger Zeit auf's neue in sein hier enges,. steil abschüssiges Thal hinein. Am Fufse der Gehänge angelangt, rasten wir etwas, aber je weiter wir kommen, desto dürftiger und öder wird die Gegend. Um 4 Uhr erreichen wir eine Stelle, wo das Thal sich erweitert und zu beiden Seiten des Flusses eine mit grünem Rasen bekleidete Ebene einschlielst; hier war also etwas Futter für unsere Thiere zu finden, und deshalb a en _ 2 Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata - Staaten. 343 mulsten wir daselbst übernachten. Es ist ein gewöhnliches Bivouak der Reisenden, Namens Tamberia, 11 Leguas von dem vorigen ent- fernt, der nach der Quebrada de la Troya benannt wird. Ich mafs bier die Temperatur des kochenden Wassers zu 71° 8’; wir waren darnach 10,698 Fufs über dem Meeresspiegel ’). Ein kleiner Bach, der seitwärts aus dem Gebirge kam, hatte nur 8° Wärme und fühlte sich natürlich sehr kalt an. Die Lufttemperatur fand ich am andern Mor- gen, bald nach Sonnenaufgang, 4° warm. Die Gesteine in der Nähe waren dieselben wie bisher; sie streichen im Allgemeinen nach Nor- den und fallen nach Westen gegen die Cordilleren ein. Den 9. März. — Sehr wenig erquickt durch den Schlaf erhebe ich mich heute von meinem Lager; ein leiser Fieberschauer rieselte durch meine Adern und vermehrte die Unlust des gestrigen Tages. Indessen steige ich doch zu Pferde, entschlossen, das Aeufserste mei- ner Kräfte aufzubieten, um die Reise fortzusetzen. Die Gegend umher blieb dieselbe; ein ziemlich breites, mäfsig tiefes, ganz kahles Thal, in der Mitte vom Rio de la Troya durchflossen, führte unsere Marsch- route; doch klärte sich das Wasser des Flusses, der flach und wenig vertieft im sandigen Kiesbett dahinflofs, immer mehr. Wir folgen sei- nem Laufe aufwärts und reiten dicht neben ihm auf den entblöfsten Kiesflächen weiter. Die einzige Unterhaltung gewährten mir zwei Vogel- arten, welche uns begleiteten und von Zeit zu Zeit über den Weg flo- gen, oder auf dem Boden neben dem Flusse umhergingen: ein Finke und eine Taube, jener zur Gattung Phrygilus gehörig, diese wahrschein- lich Columba melanoptera. Beide hatte ich unter ganz ähnlichen Ver- hältnissen in der Sierra zwischen Mendoza und Uspallata schon ange- troffen, daher ich es verschmerzen konnte, dafs es mir unmöglich war, die interessanten Thierchen hier zu erlegen. In dieser fürchterlichen Einöde, geplagt von Ermattung und Kälte, ritten wir etwa drei Stun- den; dann waren meine Kräfte so erschöpft, dafs ich unmöglich weiter reiten konnte; das zurückgehaltene Fieber kam endlich zum Ausbruch, ich zitterte an allen Gliedern und mufste meinen Begleiter bitten, hier das Zelt aufschlagen zu lassen, damit ich ruhen und den Fieberanfall vorübergehen lassen könne. Obgleich er sorgsam für mich bemerkte, dals diese Stelle die allerkälteste der ganzen Reise sei und deshalb zum Nachtlager für einen Kranken sich nicht eigne, so ging er doch bereitwillig auf meinen Wunsch ein; man schlug das Zelt auf, bettete mich hinein, hüllte mich in warme Decken und legte mir am Feuer gewärmte Steine unter die Füfse; ich fühlte mich erleichtert, seit ich ') Ich setze, nach Angaben A. v. Humboldt’s in dessen Naturgem. d. Tro- pen 8. 126, den Grad des Reaumur’schen Thermometers zu 425 Meter Erhebung über den Meeresspiegel an. 344 H. Burmeister. ruhen konnte, und verfiel bald in Schlaf, der fast ununterbrochen bis zum nächsten Morgen anhielt. Den 10. März. — Entschieden besser als am vorigen Tage ver- lasse ich das Zelt und überschaue meine Umgebung, eine flache Mulde zwischen hohen, aber nicht gerade nahen, sanft geneigten Abhängen, ohne alle Vegetation, von kleinen Rollsteinen überschüttet und von einem klaren Bache, dem Anfange des Rio de la Troya, im breiten Kiesbett durchflossen, der wenig Fall hat und eben deshalb bis auf den Grund gefroren ist. Hie und da stand unter der Eisdecke etwas Wasser, aufgehalten durch den unebenen Grund, der es am Weiterfliefsen ver- binderte. Weit und breit war kein grüner Halm zum Futter für die Tbiere sichtbar; die armen Geschöpfe standen am Bach und schienen durstig zu sein, aber das Eis, welches sie hier fanden, wollte ihnen nicht munden. Mit den Wurzeln einer Pflanze, welche man wegen ihrer Form das Ziegenhorn nennt (Cuerno Cabra, Azorella Gillesii Hook), wurde Feuer angemacht und Kaffee gekocht; dann rüsteten wir uns zur Weiter- reise und traten sie gegen 7 Uhr an. Jenes Gewächs ist, neben eini- gen knüppelhaften Cactus- Arten, die einzige Pflanze, welche man in dieser Höhe, wie später, auf dem Rücken der Cordilleren antrifft; sie bildet dichte sanft gewölbte Rasen von kreisförmigem Umrifs, die ge- gen 3 Fuls Durchmesser haben können und aus kurzen, an einander gedrängten Stengeln mit fein zerschlissenen Blättern bestehen, welche alle strahlig von dem dicken Wurzelstock ausgehen; kleine rundliche Früchte ragten senkrecht aus den Blattrasen hervor und wiesen die Umbellate in dieser, mit einer Saxifragengruppe mehr Aehnlichkeit ha- benden Doldenpflanze nach. Ihre Wurzel ist harzig und brennt gut, daher man sie überall auf diesen Höhen zur Feuerung verwendet; wo das Cuerno Cabra fehlt, kann weder gekocht noch geschlafen werden, denn das letztere geht nicht gut ohne das erstere; der Magen verlangt auch sein Recht und ist, wie bekannt, so unabweislich wie zähe in seinen Forderungen. Die Mulde lief bergan nach Norden und wurde vor uns durch einen niedrigen Kamm begrenzt, zu dem wir hinaufritten. Nach 1+ Stunden hatten wir ihn erreicht und befanden uns somit an der Quelle des Rio de la Troya wie am Anfange der Schlucht gleiches Namens, durch die wir gekommen waren. An verschiedenen Stellen der Ge- hänge rieselte Wasser hervor und bildete sanft murmelnde Bächlein, die sich nach kurzem Laufe in der Tiefe zum Rio de la Troya, der hier auch nichts mehr als ein Bach ist, vereinten. Indessen bewies die Breite seines Bettes und der zu beiden Seiten desselben rein abge- spülte Boden, dafs er unter Umständen viel Wasser führen müsse, be- sonders wenn im Sommer die Schneemassen schmelzen, welche den }; 3 “ g N RERNEE Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 345 Winter hindurch diese ganze Gegend bedecken und schon im Herbst von heftigen Winden begleitet zu Zeiten sich einstellen. Mit Schrecken redete man von diesen Schneestürmen (temporales), weil sie den Rei- senden unausweichliche Gefahren bereiten; ich kam später an eine Stelle, wo noch vor wenigen Jahren 13 Personen von einem solchen stürmischen Schneegestöber überfallen und getödtet wurden. Als wir auf den Rand der Wasserscheide gekommen waren, fan- den wir endlich eine den Umständen nach schöne und grofsartige Fern- sicht vor uns ausgebreitet; jenseits einer anderen breiten Thalmulde, in welche die Gehänge zu unseren Fülsen steil hinabführten, zogen sich die Cordilleren, so weit das Auge reichte, an uns vorüber, lauter kahle, öde, zackige Ketten mit isolirten Kegeln, eine hinter der anderen, wel- che nach rechts und unserem Standpunkte ziemlich nahe von einer Reihe schöner Schneegipfel überragt wurden. Sie bildeten den Cerro Bonete, an dem die Strafse vorbeigeht, welche wir zu machen hatten. Links davon trat ganz vorn am Rande der Abhänge ein kleinerer rother Kegel, Estanzuelo genannt, frei hervor, und neben diesem, so sagte mein Begleiter, steige der Weg zum Kamm der Cordilleren hinauf. Leben irgend welcher Art war an dieser Stelle nicht zu bemerken; noch hatte ich auf der ganzen Strecke vom Eingange in die Quebrada de la Troya her keinen Käfer gesehen, geschweige denn einen gefan- gen; eine dürre Heuschrecke (Proscopia), welche ich auf der Ebene vor La Troya haschte, war aufser jenen beiden Vögeln, dem Finken und der Taube, das einzige thierische Wesen, was mir bis nach Chile hinein vorkam. Indessen stiefsen wir von Zeit zu Zeit auf Guanaco- Heerden, und eben hier erblickten wir eine solche in jäher Tiefe vor uns durch die Schlucht eilen. Wovon diese flüchtigen, durch ihren wiehernden Ruf in der Regel bald sich verrathenden, scheuen Thiere eigentlich leben, kann ich nicht begreifen; immer sah ich sie an Stellen, wo kein Strauch, geschweige denn eine Grasflur zu finden war, und doch gedeihen sie, trotz der allgemeinen Nachstellung, der sie ausge- setzt sind. Man jagt sie mit eigens dazu abgerichteten Hunden, ilst ihr Fleisch, das sehr wohlschmeckend sein soll, und webt aus ihrer feinen, äufserst zarten zottigen Wolle schöne Decken, namentlich gute Ponchos, die hoch im Preise stehen. — Nachdem wir uns eine Zeit lang an dem Blick in die Ferne geweidet haben, beginnen wir den beschwerlichen Ritt hinunter: denn mit Bedauern sah ich die Unmög- lichkeit ein, hier eine Beobachtung über die Höhe des Passes anstellen zu können; es fehlte an Allem: an Holz, an Feuer und an Wasser; aber ich durfte aus der Beobachtung von gestern folgern, dafs wir über 12,000 Fufs hoch standen, denn fortwährend waren wir im Steigen be- griffen gewesen. 346 H. Burmeister: Der Weg abwärts führte in eine ziemlich enge Schlucht, worin etwas Wasser über die Rollsteine und Felstrümmer neben uns rieselte; wir betraten den östlichen Abhang derselben und hatten den Bach im Westen, d. h. zur Linken; noch waren wir nicht ganz unten, als das spärliche Wasser des Baches schon wieder sich verloren hatte und das trockene Kiesbett uns weiter begleitete. Weilsgelbe, rothe oder braune, stark thonige Sandsteine bildeten die Gehänge, hier frei als festes Ge- stein mit steilen Abstürzen hervortretend, dort zu Sand zerfallen, der schiefe vom Herabrollen entstandene Bänke bildete und die benach- barten Felsengehänge überschüttet hatte. Nirgends fand ich eine Spur von Versteinerungen, so oft ich auch darnach spähte; indessen ist es für mich keinem Zweifel unterworfen, dafs auch diese Sandsteine der Grauwackenformation angehören werden. So weit mein Auge reichte, überall sah ich dieselben Gebilde, steile Felsenabstürze, von Sand- massen umgeben und zum Theil darin begraben, hohe, schief in das Thal hinabfallende Bänke bildend, die ganz augenscheinlich Folge der Verwitterung sind und langsam im Laufe der Jahrtausende von den Höhen in die Tiefen hinabgefallen sein mufsten. Nie bemerkte ich darin Wasserfurchen, überall eine glatte ebene Oberfläche, wie sie das langsame Aufhäufen herabstiebenden trockenen Sandes bewirkt; Wind- haufen also, keine Anschwemmungen. Nach einer Stunde kamen wir an einen zweiten kleinen Bach, der von links aus einer andern Schlucht zu uns herabplätscherte; wir fol- gen ihm, indem er die Strafse abwärts begleitete, und gelangen daran in ein gröfseres, mehr offenes Thal, welches der Rio Jague durch- fliefst, ein schönes, klares, angenehm rauschendes Wasser, das von Süden nach Norden strömte, gleichwie auch das Thal läuft, in dem wir uns befanden. Der Charakter seiner Gehänge war durchweg der eben beschriebene, ganz kahle, nackte, öde, sanft geneigte Felswände mit abgerundeten Gipfeln, von gewaltigen Sandmassen, die bis in das Thal hinabreichten, überschüttet. Hie und da stand in der Tiefe ein dunkelfarbiger, traurig aussehender Busch, aber frischer Wiesengrund war nirgends zu sehen. So blieb es im Thale des Rio Jague etwa noch eine Legua, dann erreichten wir eine Stelle, wo das Thal sich erweiterte und eine förmliche Wiese bildete, auf der hinreichendes Gras für unsere Thiere stand; es ist daher der Ort, wo man gewöhnlich zu übernachten pflegt und wohin auch wir gestern schon gekommen wä- ren, wenn uns nicht mein Fieberanfall daran verhindert hätte. Obgleich wir heute kaum 5 Leguas gemacht hatten, so beschlofs mein Begleiter doch, hier zu bleiben, weil in der Nähe kein ähnliches Alojamiento zu hoffen stand und er, wie er sagte, meine Kräfte nicht über Gebühr angreifen wollte; wir sattelten also ab und schlugen unser Zelt neben VE ZZ Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 347 einigen kahlen Büschen auf, die am Rande der Weide umherstanden. — Die Temperatur des kochenden Wassers zu untersuchen versäumte ich, sie kann aber von der am nächsten Tage am Rio del Oro gefun- denen nicht wesentlich verschieden sein, weil jene Stelle fast eben so viel aufwärts im Thale liegt, wie diese, d.h. von dem Punkte an ge- rechnet, wo beide Flüsse zusammentreffen, was natürlich der tiefste ihres beiderseitigen Laufes ist. Den 11. März. Zeitig gerüstet kamen wir doch erst spät auf den Weg, weil für heute nur eine ganz kurze Tour von 4 Leguas in Aussicht stand. Wir blieben die erste Strecke im Thale des Rio Ja- gue, dessen Scenerie sich nicht änderte; kahle Grauwackesandsteine, stellenweise fester und thoniger, bilden die Gehänge, wie bisher, von so mächtigen Sandmassen überschüttet, dafs die Gesteine nur an den erhabeneren Stellen daraus hervorragten. Der Boden des Thales wurde ebener, das Bett des Flusses kiesfreier, der Flufs selbst fing an, sich zu trüben, eine lehmgelbe Farbe von dem Grunde, über den er flofs, anzunehmen. Nach anderthalb Stunden mündet das Thal in ein ande- res, welches von Westen nach Osten streicht, weiter ist als jenes, und fast noch ödere, ganz kahle, bis oben hinauf mit Sand verschüttete Gehänge hat. Der Rio Jague geht in diesem Thale nach Osten weiter und mündet darin mit einem kleineren, ganz klaren Gebirgsbache zu- sammen, der das Thal herab aus Norden kommt und den sonder- baren Namen Rio del Oro führt. Er bezieht sein Wasser aus den Schneegipfeln des Cerro Bonete, die hinter ihm über den Anfängen des Thales liegen. Wir reiten in das Thal des Rio del Oro hinein und folgen demselben eine Strecke aufwärts, bis wir nach einer Stunde an einen ähnlichen Wiesengrund kommen, welcher sich kurz vor der Stelle befindet, wo das Thal enger wird und aus der nördlichen mehr in die nordwestliche Richtung übergeht. Hier ist ein anderes gewöhnliches Alojamiento, in dem wir zu bleiben beschlossen, obgleich es nur vier Leguas von dem vorigen entfernt war, weil für die nächsten 20 Le- guas kein anderes zu hoffen stand. Ich mafs alsbald die Temperatur des kochenden Wassers und fand sie 72° hoch; unsere Erhebung über den Meeresspiegel belief sich also auf 10,438 Fufs, d. h. 260 Fufs niedri- ger als in Tamberia. Den 12. März. Um uns zu dem beschwerlichen Ritt von 20 Le- guas, welche in einem Tage zurückgelegt werden mufsten, gehörig vor- zubereiten, beschlossen wir, den heutigen Tag zu rasten; ich benutzte die Ruhe. und entwarf eine Skizze der Cordilleren, welche grade vor uns lagen; denn das Thal des Rio del Oro bildet mit dem Thale des Rio Jague die Grenze zwischen demjenigen Theile des Gebirges, wel- ches man noch nicht zu den Cordilleren rechnet, und den eigentlichen 348 H. Burmeister: Cordilleren selbst. Beide Thäler stofsen an der Stelle, wo der Rio del Oro in den Rio Jague mündet, zusammen, jenes von Norden, die- ses von Süden kommend, und machen die natürliche Grenze der Ge- birge. Indem das Thal des vereinigten Rio Jague nach Osten weiter läuft, wendet es sich von den Cordilleren ab und durchbricht die da- _ vorliegende Gebirgskette, deren früher als einer nördlichen Fortsetzung der Sierra Famatina gedacht wurde, in ähnlicher Weise, wie die Que- brada de la Troya, allein in einer viel weiter nach Norden gelegenen Gegend. Man sagte mir, dafs das Dorf Jague, welches an der Aus- trittsstelle des Flusses aus dem Gebirge liegen soll, von der Mündung der Quebrada de la Troya 7 Leguas entfernt sei. Die Cordilleren, welche ich also heute den ganzen Tag in un- mittelbarster Nähe vor Augen hatte, gewährten hier einen noch trost- loseren Anblick, als das Gebirge hinter mir, über und durch welches wir gekommen waren. Zuvörderst die Ebene, auf welcher wir uns an der westlichen Seite des Rio del Oro befanden, bildete eine sandige, gegen das Gebirge nach Westen ansteigende, ziemlich ausgedehnte Fläche, deren schroff gegen den Flufs abfallende Gehänge mit niedri- gem, steifen Leguminosen-Gebüsch bekleidet waren. Unter diesen Ge- hängen, die 10 bis 12 Fufs höher lagen, als das Flufsbett, zog sich zunächst am Flusse eine sumpfige Niederung hin und diese allein war mit Gras bekleidet, alles Uebrige eine kahle Fläche ohne einen Halm Futter für die Thiere. Wir rasteten neben dieser kleinen Wiese, unter den Gehängen der Sandfläche, welche sich von da gegen die Cordille- ren ausbreitete. Zu unterst plätscherte der Rio del Oro hart am Fulse einer steilen, nach Osten gelegenen Felswand, die aus schwarzem, auf der Oberfläche in zahllose Trümmer zerfallenen Gestein, wahrschein- lich Melaphyr, bestand. Der Flufs wand sich um diese steilen Abhänge herum, indem er, aus Norden kommend. durch Südwest nach Süd und weiter nach Südost umbog, mit dem Rio Jague in dieser Richtung sich verbindend. Den nach Westen von unserem Standpunkte gelege- nen Abhang der Cordilleren bildeten grofse Sandberge von hellgelber Farbe, die kuppelartig aufgehäuft und stellenweise von dem darunter versteckten harten Gestein unterbrochen waren. Eine enge Schlucht zog sich von der breitesten Stelle der Ebene aus zwischen den Sand- bergen hinauf und neben ihr stand nach Süden ein isolirter, hoher, hell rostrother Felsenkegel, dessen untere Gehänge gleichfalls ganz in ziegelrothem Sande steckten. Dieser Berg bildet den Wegweiser für die Strafse über die Cordilleren, welche neben ihm durch die Schlucht zum Rücken des Gebirges hinaufsteigt; er führt den Namen Estan- zuelo. Auf einigen der vordersten Sandberge wuchsen zerstreut ste- hende niedrige Gebüsche, alles Uebrige war öde und kahl, doch schim- Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 349 merte von den erhabensten Stellen auf dem flachen Rücken der Berge grüner Rasen herunter. Ganz im Hintergrunde ragten nach Norden die weilsen Schneegipfel des Cerro Bonete herüber und aus der Ge- gend dieser Berge schien der Rio del Oro herabzukommen. Klarer, als diese Beschreibung, wird mein an Ort und Stelle entworfenes, sehr treues Bild die Physiognomie der Cordilleren dieser Gegenden zur An- schauung bringen; so arm und öde, wie hier, sind sie überall, von Mendoza bis Bolivien und noch weit in Bolivien hinein. Die beschriebenen Schneegipfel des Cerro Bonete bilden den Wetter- propheten für die Reisenden; sie müssen ganz klar und frei von Wol- ken dastehen, wenn die zu beginnende Reise guten Erfolg haben soll. Gestern Abend, bald nach unserer Ankunft am Rio del Oro, stiegen Wolken neben ihnen empor, weshalb mein Begleiter es für heute nicht wagen wollte, weiter in’s Gebirge hineinzureiten; er behauptete, es sei ein Schneesturm im Anzuge und es sei besser, hier einen Tag zu ra- sten, als einem solchen auf der Hochfläche des Gebirges sich auszu- setzen. Die Schneestürme kommen in der Regel erst Ende März oder Anfang April vereinzelt, werden gegen Ende April häufiger und sind im Mai, Juni, Juli und August sehr gewöhnlich, daher man in dieser Jahreszeit nicht leicht eine Reise über die Cordilleren unternimmt. Mitunter freilich treten Schneestürme schon im Anfange des März auf, und dies glaubte mein Begleiter aus der Anhäufung von Wolken um den Cerro Bonete folgern zu müssen. Wir warteten darum den fol- genden Tag hier ab und ruhten von den überstandenen Strapazen aus. Gegen Abend kamen dieselben Wolken wieder zum Vorschein, für mich eine unangenehme Erscheinung, weniger des Sturmes wegen, als des neuen Verzuges, den sie veranlassen konnten; aber ziemlich zu derselben Zeit zogen aus der Schlucht einige Reiter zu uns herüber, welche aussagten, dafs den ganzen Tag das schönste Wetter auf den Cordilleren geherrscht habe und ein Schneesturm nicht zu fürchten sei. Dies bestimmte uns, die Weiterreise auf morgen festzusetzen. Den 13. März. Für heute stand uns der grölseste und beschwer- lichste Tagemarsch der ganzen Reise bevor, 20 Leguas mulsten in einer Strecke zurückgelegt werden, weil es innerhalb dieser Tour kein an- deres Alojamiento für Thiere und Menschen giebt; eine ununterbro- chene Wüste herrscht hier auf dem Rücken der Cordilleren. Darum machten wir uns so zeitig wie möglich auf den Weg, reiten zuvörderst über die breiteste Stelle der Ebene und treten in die enge Schlucht neben dem Estanzuelo ein, die nichts weiter als eine mit Geröll aller Art überschüttete enge, aber jetzt ganz trockene Wasserstralse war; die Ebene vor ihr besteht aus den Ablagerungen der Gewässer, welche diesen Lauf nehmen und auf der minder geneigten Fläche vor der Furth 350 H. Burmeister: nur noch den feinen Sand bewegen können, welchen sie mit sich füh- ren. Die Gehänge der Furth waren flach geneigt und mit feinen Trüm- mern überschüttet; sie bestanden aus dunkelbrauner Grauwacke; der hohe Kegel des Estanzuelo dagegen schien mir aus der Ferne ein iso- lirter Porphyrstock zu sein, allein in der Nähe betrachtet erkannte ich darin einen sehr stark thonigen Sandsteinkegel, der keinerlei Krystalle von Quarz oder Feldspath umschlofs. Nach einer halben Stunde hatten wir die Oberfläche der Schlucht erreicht und betraten nunmehr eine Hochfläche, deren Boden gleichförmig mit kleinen eckigen Trümmern von der Gröfse eines Thalers und darunter bedeckt war. Nach We- sten sich senkend umschlofs diese gegen vier Leguas breite Fläche an ihrer tiefsten Stelle ein beträchtliches Wasserbecken, die Laguna das Mulas muertas, hinter und neben welcher eine Kette von Kegeln, ähnlich dem Estanzuelo, sich ausbreitete. Vor dieser Lagune zog sich mitten durch die Ebene in einem breiten Streifen ein milchweilses Ge- stein, das völlig einer alten Schneefläche ähnlich sah. Ich wurde in dieser Täuschung um so mehr bestärkt, als auch die Laguna ein weilser Saum umgab, den ich für Eis hielt. Näher herangekommen, erkannte ich in der vermutheten Schneefläche Trümmer eines weilsen, sehr har- ten, kalkigen Gesteins, dessen Brocken die Grölse einer Wallnufs hat- ten und von Lücken durchsetzt den Eindruck machten, als seien sie von heifsen Wassern oder Dämpfen zernagt und angefressen worden. Hie und da breitete sich ein grolser Rasen der Cuerno Cabra aus und eben so spärlich standen kleine Gruppen niedriger, an einander ge- drängter Cactus mit ovalen Stengelgliedern von der Grölse eines Tau- beneies dazwischen zerstreut. Endlich erreichen wir den Rand der Laguna und ich sehe nun, dafs ihr Saum aus dünnen, über einander geschobenen Eisblättchen besteht, welche mehr wie Schnee als wie Eis sich ausnahmen. Rechts von der Laguna öffnete sich eine Wasser- stralse, welche ohne Zweifel derselben das Wasser zuführte; ein klarer Bach rieselte in ihr, aber sein Wasser reichte heute wenigstens nicht bis zur Lagune, es versiegte auf halbem Wege. Viele Skelette gefalle- ner Maulthiere lagen in dieser Gegend umher; sie rechtfertigten den Namen des kleinen Wasserbeckens, denn vergeblich mulsten die Thiere hier Nahrung oder Wasser gesucht haben, bevor sie zu Grunde gingen. Auf halber Höhe der Schlucht, wo sie ziemlich flach und breit war, rasteten wir ein Weilchen wegen des Wassers, das sie enthielt, dem einzigen, welchem wir begegnen konnten, und tranken eine Tasse Thee. Ich mafs die Temperatur des kochenden Wassers bei 15° 4’ Lufttemperatur, die in dieser Höhe um 9 Uhr Morgens herrschte, zu 70° R.; wir waren demnach 13,047 Fufs über dem Meeresspiegel. Es ist dies die höchste, von mir gemessene Stelle, aber nicht die höchste, Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 351 welche ich erreicht habe; .denn der Weg ging noch über drei ganz ähnliche, terrassenartig ansteigende Hochflächen, bis er wieder in das Thal hinabstieg. Leider verhinderte die Eile der Reise eben so sehr, wie der Mangel an Wasser und Feuer neue Beobachtungen an den folgenden Punkten. Ohne Zweifel aber lagen die höchsten Punkte des Weges gegen 14,000 Fufs über dem Meere. Dennoch empfand ich auf der ganzen Reise nichts von den Uebelkeiten, der Mattigkeit, dem Schwindel und den anderen Symptomen, welche bei Reisen in grolser Höhe sich einzustellen pflegen; nur anfangs, als ich in der Schlucht neben dem Estanzuelo hinaufritt, bemerkte ich eine leichte Eingenom- menheit des Kopfes, wie wenn ich schwindelig werden sollte; aber es kam nicht dazu und überhaupt zu keiner anderen Affeetion; ich be- stand die beschwerlichste Strecke der Reise äufserst leicht und besser, als die Touren der vorhergehenden Tage. Nach einer halben Stunde setzten wir die Reise fort und kamen am Ende der Wasserfurth auf eine zweite Hochfläche, die gleichfalls vor uns nach Westen sich senkte und dort ein anderes, etwas gröfse- res Wasserbecken, die Laguna brava, umschlofs. Eine Reihe her- vorragender Kuppen umgab sie nach Westen und Süden, gleichwie die vorige, aber keine von allen, weder hier noch dort, trug Schnee; sämmtliche Erhebungen blieben noch unter der Grenze des ewigen Schnees und konnten schwerlich viel höher als einige hundert Fuls über die Hochfläche ansteigen. Sie bestanden aus rothen Porphyren oder schwarzen Trachyten von perlsteinartigem Ansehen und in ver- schiedenen Nuancen der Färbung; in den rothen erkannte ich deutliche Quarzmassen, in den schwarzen waren keine gröfseren Krystalle sicht- bar. Ihre eckigen Trümmer bedeckten weit umher den Boden und malten auf der übrigens ganz ebenen Hochfläche bunte Streifen, die sich weit über die Ebene ausbreiteten, bis sie endlich als eine gemischte Trümmerschicht in einander flossen. Alle waren von ziemlich gleicher Grölse, etwa wie ein kleiner Apfel, aber flacher, eckiger, obgleich nicht ohne Spuren der Anwitterung, aber ohne Zeichen des Rollens; sie konnten durch nichts anderes als von den Wassern der schmelzenden Schneemassen transportirt worden sein, denn nirgends sah man Wasser- furchen oder kleine Strömungen in der ganz gleichförmig vertheilten Trümmerlage, durch welche der Pfad, in mannichfachen Windungen von den Maulthieren ausgetreten, sich hinschlängelte. Hinter den Kuppen an der Laguna brava hob sich der Boden be- trächtlich; wir ritten zwischen ihnen hindurch zur dritten Terrasse hinan. Oben angekommen, sah ich eine weite Hochfläche vor mir, ohne Lagune, deren Boden wieder Grauwacke zu sein schien. Hier stand in der Mitte, doch etwas mehr nach links, eine groteske Felsen- 352 H. Burmeister: masse vor mir, auf welche der Pfad zusteuerte; weiter nach rechts, also nach Norden, lagen, frei und kahl aus dem ebenen Boden sich erhebend, die fünf beschneiten flachen Kegel des Cerro Bonete, wahr- scheinlich Trachyte, in scheinbar geringem Abstande. Ihre untersten Gehänge waren noch vom Schnee entblöfst, aber darüber die ganzen Kegel mehr als drei Viertheile mit Schnee bedeckt, den einzelne kahle Windstreifen unterbrachen. Darnach schätze ich, die Schneelinie zu 14,500 Fufs angenommen, die erhabensten Punkte auf 18,000 Fufs. Obgleich der Himmel ganz klar war und die Sonne hell auf uns her- unter schien, so froren wir doch beständig, weil ein heftiger Wind, von Westen kommend, uns gerade entgegenblies und unsere Glieder von Stunde zu Stunde steifer und ungelenkiger machte. Um uns mög- lichst frisch zu erhalten, spornten wir die Thiere zum Galopp an, eine Bewegung, eben so unangenehm auf einem Maulthiere wie angenehm auf einem Pferde. Aber sie mulste ertragen werden, brachte sie uns doch um so schneller zum Ziele. Gegen Mittag hatten wir jene gro- tesken Felsen mitten auf der Terrasse erreicht und somit die Hälfte des Weges, d.h. 10 Leguas, zurückgelegt; mein Begleiter schlug vor, hier ein Viertelstündehen zu rasten und hinter den Felsen vor dem stets unangenehmer werdenden Winde Schutz zu suchen. Ich stieg also ab und skizzirte, so gut es gehen wollte, den Cerro Bonete, denı ich hier am nächsten war, in mein Taschenbuch. Indessen schätzte mein Begleiter „seine Entfernung von uns noch immer auf 5—6 Le- guas; ich hatte geglaubt, es sei kaum eine, so rein und klar ist die Luft hier auf den trockenen Hochflächen der Cordilleren. Lebhaft er- götzte ich mich an der Helligkeit, mit der alle Gegenstände, auch die fernsten, unterschieden werden konnten, und an der tiefen Bläue des völlig reinen Himmels über mir, den ich nie so dunkel gesehen hatte. Es ist eine bekannte Thatsache, dafs die Farbe des Himmels mit der Erhebung auf hohe Berge an Intensität zunimmt; ich fand das hier auffallend bestätigt, nie hatte ich in der Ebene ein so dunkles Him- melsblau gesehen, als es jetzt auf den Cordilleren in 13,500 Fufs Mee- reshöhe über mir stand. Alle Beschreibungen lassen den Eindruck nicht annähernd empfinden, den die Wirklichkeit gewährt; ich war über- rascht, und weit mehr, als ich erwartet hatte. Minder angenehm wirkte auf mich ein Blick auf meine nächsten Umgebungen; überall lagen todte Thiere umher, ausgedörrt wie Mu- mien, theils noch von der Haut bedeckt, theils entblöfst, dafs die weilsen Gebeine, hell gebleicht von der Sonne, grell abstachen gegen den schwarzen Boden, auf dem sie ruhten. Namentlich waren die Schluch- ten zwischen der Felsenpartie unseres Rastortes ganz vollgestopft mit Knochen, denn dies ist die Gegend, wo Menschen und Thiere, von Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 353 jenen Schneestürmen überrascht, Schutz zu suchen pflegen und hier verenden wenigstens die Thiere, unter den Entbehrungen der Reise über die Cordilleren zusammenbrechend. Der ganze Weg wurde durch solche gestürzte Maulthiere bezeichnet; ja manche von ihnen befanden sich in den abenteuerlichsten Stellungen, die trockenen Beine gen Him- mel gerichtet oder halb sitzend, wie sie gestorben sein mochten. Kein Geier zeigte sich auf diesen Höhen, wie ich es erwartet hatte; die ganze Natur war todt und still, eine fürchterliche Einöde, gewils eben so traurig wie die verrufene Wüste Atacama, die nach den Schilde- rungen Philippi’s ganz so aussehen muls wie die Hochterrasse der Cordilleren am Cerro Bonete. Schon seit der Laguna brava fehlte jede Spur von Vegetation, weder Cuerno Cabra noch Cactus war zu sehen; gleichförmiger, eckiger Steinschutt bedeckte den Boden und nichts brachte Abwechselung in seine unabsehbare Fläche, als der schwarze Schatten eines am Wege liegenden todten Thieres, oder die eben so weit leuchtenden weilsen Knochen seines Skelets. Wie mit Topfscher- ben von rother, brauner oder schwarzer Farbe war die weite Ebene überschüttet und ebenso klang es, als ob die Hufe der eilig dahintra- benden Thiere beständig auf solche Scherben treten mülsten; nur stellenweise zeigte sich eine ausgebahnte Wegspur, welche das Thier jedesmal sorgfältig aufsuchte, um sich den ermüdenden Gang über die Trümmer zu erleichtern. Dabei fortdauernd pfeifender Sturmwind von vorn, der die Haut höchst empfindlich machte; wir mulsten uns den Kopf verhüllen, dafs nur die Augen frei blieben, um bequemer athmen zu können, und starke lederne Handschuhe schützten die Hände vor gänzlichem Erlahmen. Mir zumal machte mein rechtes Bein, das noch immer in Folge des Bruches schwächer ist, als das linke, viel zu schaffen; es war wie abgestorben und mulste von Zeit zu Zeit in eine andere Stellung gebracht werden, damit es durch die Abwechselung der Position sich erhole. Endlich waren die Thiere bereits so müde, dals sie ohne beständiges Peitschen und Anspornen nicht mehr schnell gehen wollten; ich zerschlug auf dieser Strecke die Peitsche, welche mir die ganze Zeit meiner Anwesenheit im Argentiner Lande gedient hatte, auf dem Rücken meines keuchenden Thieres, das stets zurück- bleiben wollte und mich dadurch in beständiger Arbeit erhielt. Nach einer halben Stunde Ruhens geht es weiter; wir reiten am Cerro Bonete vorüber und sehen, dafs neben ihm eine tiefe Schlucht in die Gebirgsmasse hinabgähnt. Noch dreimal wechseln leichte Mul- den mit ansteigenden Höhen dazwischen, wo jedesmal eine kleine Ter- rasse sich gebildet hatte, doch schien mir die Fläche, worauf der Cerro Bonete stand, von allen die höchste zu sein. Nichts Neues begegnete uns hier; die Kräfte lielsen nach, die Anstrengung wurde immer empfind- Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 23 354 H. Burmeister: licher und der Abend begann heranzunahen; da endlich, als die Sonne im Hinabsinken begriffen war und die unabsehbaren Schatten meiner Begleiter weit vor mir auf die Ebene malte, sehe ich dieselben plötz- lich vor meinen Augen verschwinden und wie in die Tiefe hinabstür- zen. Das mulste der Anfang des Endes sein; ich sporne mein Thier zu grölserer Eile und halte nach 10 Minuten am Rande einer tiefen Schlucht, in die ich auf halber Höhe meine Begleiter vor mir hinab- reiten sehe. Aber der Weg abwärts war noch beschwerlicher; lose Sandmassen, worin das Thier bis weit über die Knöchel hineinsank, bildeten die Gehänge; nur hie und da erhob sich ein festerer, aus gel- ben Sandsteinen bestehender Absturz über der geneigten Fläche, jenen Quader-Sandsteinen vergleichbar, die man Teufelsmauern genannt hat; doch kleiner, kürzer wie niedriger. Noch bin ich nicht unten, da wird es dunkel; ich sehe mich allein und folge unbewulst der Spur meiner Genossen, deren Hufschlag ich von fern auf festerem Gestein vernehme, was mir bewies, dafs das Ende des Abhanges nahe sein müsse. End- lich höre ich, auf festeren Felsmassen reitend, einen kleinen Bach ne- ben mir plätschern, der von Norden nach Süden fliefst, während die Schlucht, wie der Weg, von Osten nach Westen gerichtet war; ich reite am Bach hinunter und gelange in tiefer Finsternifs an eine Stelle, wo ich das Zelt schon aufgeschlagen und meine Begleiter mit dem An- zünden eines Feuers beschäftigt fand. Das war das Alojamiento de la Barranca blanca, so benannt wegen des hellfarbigen Sandab- hanges, über den wir heruntergeritten waren. Auch das Bächlein hatte denselben Namen bekommen, es hiefs Arroyo blanco; die Stralse dagegen über die Cordilleren, welche wir eben zurückgelegt hatten, wird der Camino de Mentilurro genannt, nach einem Manne, der ihn vor 25 Jahren zuerst betreten haben soll. Indessen scheint der- selbe Weg schon viel früher benutzt worden zu sein, denn es finden sich pyramidale Steinhaufen, Linderos genannt, deren Ursprung man bis in die Zeiten des alten Incas-Reiches hinaufschiebt und die wahr- scheinlich den Reisenden jener Epoche als Wegweiser gedient haben. Der .erste steht an der Laguna brava, der zweite in der Gegend zwi- schen dem Cerro Bonete und der Stelle, wo wir rasteten, ein dritter auf der letzten Terrasse des Plateaus vor der Barranca blanca. Jeder Lindero ist gegen 2 Varas (über 5 Fuls) hoch und hat eine regelmälsig vierseitige Gestalt. Nach Aussage meines Begleiters sollen sie die Stu- fen der Hochebene bezeichnen und gerade auf der erhabensten Stelle der jedesmaligen Terrasse sich befinden; er behauptete, dafs es über- haupt nur vier Stufen gebe; die erste mit der Laguna das Mulas muer- tas ohne Lindero, die zweite an der Laguna brava, die dritte am Cerro Bonete, und eine vierte zwischen demselben und der Barranca blanca. RE Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 355 In dieser Strecke glaube ich dagegen drei Stufen unterschieden zu ha- ben, welche indefs einzeln niedriger waren, als die früheren, weshalb sie von minder scharfen Beobachtern in eine zusammengezogen wer- den. Jede der drei ersten Hauptstufen soll etwa 4 Leguas breit sein, die letzte sechs und die Quebrada an der Barranca blanca bis zum Alojamiento noch etwa 1 Legua; eine Legua wird auf die Uneben- heiten gerechnet, macht in Summa 20 Leguas über das ganze Plateau. Den 14. März. Beim Erwachen am heutigen Morgen lerne ich zuvörderst meine nächste Umgebung kennen, eine enge Schlucht mit steilen Abhängen eines schwarzen Gesteins, das grölsestentheils aus grobkörnigem Trachyt besteht, in der Tiefe von dem Bächlein durch- flossen, dessen Rand, wie alles stehende Wasser neben ihm, zu Eis erstarrt ist. Hie und da breiten sich am Ufer des Baches einige schmale Rasenstellen aus, die unseren Thieren nur kärgliches Futter gewährten; alle andere Vegetation fehlte. Hohe, weilsgelbe Sandberge mit stellen- weise daraus hervorragenden nackten Felsenmassen oder Spitzen bil- deten den nahen Hintergrund der Schlucht und hemmten den Blick in die Ferne. Nach vollendeter Zurüstung reiten wir das Thal hinab nach Südwesten und kommen bald in ein anderes breiteres Thal, dessen sandige Gehänge wir schon von der Schlucht aus gesehen haben; in seiner Mitte fliefst ein klares Flüfschen, der Rio blanco, von breiten, rein weilsen Salzkrusten an beiden ganz kahlen Ufern begleitet. Der Weg biegt in das Thal nach rechts hinein und folgt ihm aufwärts eine Strecke nach Norden, während der Flufs nach Süden fliefst; wir blei- ben auf dem östlichen Gehänge und passiren hier ein mächtiges Gyps- lager, das mit Schichten eines festeren sandigen Gesteins wechsellagert und an der anderen Seite des Thales in ähnlicher Weise zu Tage tritt. Vor uns liegt, das Thal abschliefsend, eine Kette rother Kegelberge, zu der wir auf die andere westliche Seite des Thales uns hinüberwen- den und neben den Quellen des Flüfschens, die hier an verschiedenen rasenbekleideten Stellen hervorbrechen, vorbei zu den rothen Kegeln selbst hinaufreiten. In der Nähe erkenne ich darin Quarzporphyre, de- nen ganz ähnlich, welche ich an der Laguna brava getroffen hatte. Zwischen den Kegeln auf engem Pfade über eckige Trümmer in einer jetzt trockenen Wasserfurth hinaufsteigend, kommen wir auf einen _ schmalen Kamm und sehen vor uns eine mälsig breite, aber nicht sehr tiefe Thalmulde, die einen kleinen Teich zur Linken einschliefst. Das völlig klare, ruhige Wasser war noch gefroren, eine spiegelnde Eis- fläche bedeckte dasselbe und erinnerte mich durch ihre Glätte an das Vergnügen des Schlittschuhlaufens in meiner Jugendzeit; wie schön hätte es hier sich ausüben lassen. Wir haben die Mulde bald durch- schnitten, reiten am anderen Abhange empor und kommen nunmehr 23* 356 H. Burmeister: in das ziemlich weite, aber ebenfalls ganz öde Thal des Rio Salado, welcher den früher passirten Rio blanco in sich aufnimmt. Beide ver- einten Flüsse verlassen, nach Angabe meines Begleiters, in der Que- brada del Pasto largo die Cordilleren und setzen ihren Lauf südwärts bis zur Provinz von $. Juan fort, sich mit dem Rio Vermejo und durch denselben mit dem Rio Jachal verbindend. Die Quebrada del Pasto largo durchbricht die östliche breitere Hochterrasse der Cordille- ren am Passe der Pena negra, südlich vom Come Cavallo-Pals, zu dem eine Strafse über ebendiese östliche Hochterrasse führt, während er selbst die schmälere westliche durchbricht. Auch hier mufs man den Rio blanco passiren, bevor man in die Schlucht des Come Cavallo- Passes hineinkommt. Wegen der Enge in der Schlucht und dem mehr- maligen Auf- und Abwärtssteigen des Weges ist dieser Eingang nach Chile viel beschwerlicher, als der mehr nördliche über die Barranca blanca. Der Rio Salado fliefst wie der Rio blanco, in den er mündet, von Norden nach Süden, hat mehr Wasser als dieser und ein mit hohem Schilf bekleidetes Ufer. Salzkrusten sah ich nicht an ihm, aber sein Wasser soll salzig sein, und dafür spricht auch die dunkle bräunliche Farbe, welche es bei völliger Klarheit besitzt. Schön spiegelte sich darin der tiefblaue Himmel und gab dem Flusse, trotz der Oede sei- nes Thales, ein liebliches Ansehen. Wir reiten hindurch und erheben uns unmittelbar von seinem Ufer auf eine ziemlich hoch gelegene Ebene, die mit vielen eckigen Trümmern der benachbarten rothen Porphyr- berge dicht bedeckt ist. Nachdem wir die Ebene zurückgelegt haben, kommen wir wieder an eine tiefe Schlucht, in welche der Pfad steil hinabführte. Auch hier flofs ein kleines Bächlein, von grünendem Ra- sen umgeben, und ladete uns zur Rast ein; denn es war die Hälfte des Weges, der uns für heute bevorstand. Auf der Hochfläche jenseits der Schlucht sehe ich zum ersten Male eine Heerde Vicunas. Das hübsche Thier ist entschieden kleiner als das Guanaco, hat eine hellere, rostgelbe, nicht rostrothe, Farbe, einen mehr gelblichen Kopf und lie- fert eine viel feinere Wolle, die besonders zu den theuersten Ponchos verarbeitet wird. Hinter dem Bache geht es wieder steil bergauf zu einer anderen Hochfläche, welche mir höher als alle bisherigen zu sein schien und allmählich nach Westen anstieg. Hohe Gehänge mit von Sand über- schütteten Flächen fassen sie auf beiden Seiten ein und beengen den Blick, nur nach vorn, d. h. nach Westen, die Aussicht frei lassend; das giebt der Fläche das Ansehen eines Querthales. Schwarzes Ge- stein, das sich nach dem mitgebrachten Handstück wieder als dunkler, perlsteinartiger Trachyt ausweist, steht hier an und bedeckt mit seinen Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 357 eckigen Trümmern den ganzen Boden. Letzterer hebt und senkt sich noch zweimal etwas, leichte Quermulden bildend, dann sind wir an der Linie, d.h. an der Grenze zwischen den argentinischen Provinzen und der benachbarten Republik Chile. Ehe wir die Linie erreichen, zeigt mir mein Begleiter an einem der zur Rechten, d. h. nach Nor- den neben uns stehenden Abhänge eine weils und schwarz gefleckte Stelle hoch über dem Boden der Ebene, als den Ort, wo jene früher erwähnten 13 Personen im Jahre 1855, von einem Schneesturm über- rascht, umkamen. Ihre Knochen, die Gebeine der Mulas, verfaulte Decken und Matrazen sind es, welche noch dort liegen und die Flecken auf dem Abhange verursachen. Man nennt nach dem Führer dieser Unglücklichen die Gegend jetzt Campo de Araujo. Er war, wie mein Begleiter, ein Viehzüchter aus Copacavana, der von Chile An- fangs März heimkehrend plötzlich, als er die Hochfläche eben erstiegen hatte, von einem Schneesturm überfallen wurde und, um ihm zu ent- gehen, sich mit seinen Leuten nach jener erhabenen Stelle hinaufar- beitete, weil der Wind die steilen Abhänge kahl zu wehen pflegt und den Schnee in die Tiefen hinabtreibt. Man brachte hier eine kümmer- liche Nacht zu und fand am andern Morgen, als der Sturm sich ge- legt hatte, die Thiere theils schon gefallen, theils zerstreut. Während ein Theil sich rüstete, die entlaufenen Mulas zu suchen, zündeten die Uebrigen ein Feuer an, um sich durch einen warmen Trunk des Para- guay - Thee’s (Mate) zu erfrischen und bei dieser Beschäftigung ereilte sie alle der Tod in weniger als einer Stunde, Menschen wie Thiere. Ein Junge, der fortgegangen war, blieb allein am Leben, indem er von nachziehenden Reisenden halb erstarrt auf der Hochebene gefunden wurde. Da dieser, sei es aus Furcht, sei es wegen Mitwissenschaft eines wahrscheinlich begangenen Verbrechens, das gewaltige Schicksal seiner Genossen anfangs verschwieg, so erfuhr Niemand etwas davon, bis nach Monaten es gelang, die Leichen der Umgekommenen, auf- merksam gemacht durch die vielen, sonst hier seltenen Geier, an jener Stelle zu entdecken. Als ich hinter der Linie an den steilen Abhang gekommen war, der in das Thal des Rio Piuquenes, dem Anfang des Rio de Oo- piapö, hinabführt, übersah ich in weitem Panorama das ganz kahle, hochbergige Küstengebirgsland Chile’s zu meinen Fülsen ausgebreitet. Nur wenige der nächsten Kuppen erhoben sich mit ihren Gipfeln über das Niveau meines Standpunktes, aber ein mächtiger Gebirgsstock in ziemlicher Entfernung zur Rechten, nach Norden, überragte alle ande- ren und zeichnete sich durch eine ewige Schneemütze vor ihnen aus; es war der Volcan de Copiapö, dessen Entfernung von hier etwa 8 Leguas betragen mochte. Leider sah ich die Fläche des Stillen 358 H. Burmeister: Oceans, die, wie mein Begleiter behauptete, von hier sichtbar sein soll, nicht; der Horizont war trübe und nur die näheren Gegenstände lielsen sich deutlich erkennen, obgleich am Himmel, heute wie gestern, kein Wölkchen stand und die Luft in ihrer dunklen Bläue klar und rein über unseren Häuptern schwebte. Ich weidete mich ein paar Minuten an dem Blick vor mir, dann stieg ich hinab in die tiefe Schlucht, an deren Rande wir uns befanden, und betrat nunmehr den Boden Chile’s. Der Blick von oben in das Thal war nicht so angenehm für mich, ich sah zur Linken eine ganz steile Felswand von hellrother Farbe, die von herabgefallenem Sande gröfsestentheils bedeckt war, zur Rech- ten einen mehr geneigten, terrassirten Abhang, dessen breite oberste Stufe die unteren Gehänge verdeckte. Dahin wendete sich der an dem linken steilen Rande beginnende Weg. Das erste Drittel des Weges lief daran hinunter und bewegte sich in einem gelben, losen, in kleine plattenförmige Trümmer zerfallenen und mit Sand gemischten Gestein, das ich für dünn geschichteten, stark thonigen Sandstein hielt; der schmale Pfad war in den steilen Abhang eingetreten und rutschte bei jedem Tritt des Thieres weiter, wenigstens die oberflächliche Schicht, welche der Fufs berührte und vor sich herschob. Ich safs ängstlich auf dem Rücken meines Thieres, fürchtend, dafs es selbst mit den Scherben hinabrutschen werde; aber dasselbe schritt sicher weiter und bald sah ich ein, dafs keine wirkliche Gefahr vorhanden sei. So kam ich auf die vorerwähnte Stufe, wo der Weg sich mehr nach rechts bog, und fand hier einen festen Grund, bestehend aus demselben schwar- zen, perlsteinartigen Trachyt, welchen ich kurz vor der Linie auf dem Plateau angetroffen hatte; eckige Trümmer, gleich Scherben, bedeckten seine Oberfläche, aber kein Sand war damit vermischt. Nicht lange hielt sich der Weg auf dem kurzen Rücken dieser Trachytkuppe, als- bald bog er über ihren Rand hinab und wurde nun wieder sehr steil. Uebergehend auf die dritte Stufe des Weges, gelangte ich unter Trüm- mer eines schönen, grolsmassigen, krystallinischen Gesteins, das aus hellfleischrothem Feldspath mit eingesprengten wasserhellen Quarzkör- nern bestand und neben dem Wege mit senkrechten Wänden zu Tage trat. Das war die einzige krystallinische, ursprünglich plutonische Masse, welche ich auf dem ganzen Wege: über die Cordilleren ange- troffen hatte; zwar kein förmlicher Granit, denn es fehlte ihr der Glimmer, aber doch ein granitisches Gestein vom Ansehen der ächten Granite und ohne Zweifel auch von derem Alter; älter als die Por- phyre und Trachyte, welche in dem durchreisten Terrain so häufig vorkamen und die sedimentären Glieder des Gebirges, woraus sein Hauptstock besteht, durchbrachen. In diesem Gesteine blieb der Weg, bis wir auf den feinen Schutt der Thalsohle gekommen waren, und Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 359 hier alsbald ein laut rauschendes, schnell dahin eilendes Bächlein mit ganz klarem Wasser antrafen, das aus wiesenförmigen Moorgründen am Fufse des ganz steilen Abhanges der Schlucht hinter uns seinen Ursprung nahm. Es war die eine, nördlichste Quelle des Rio de Co- piapö, welche den Rio Piuquenes bildet, hier ein sehr unbedeutendes Wasser, zwischen kaum einen Fuls hohen, von Rasen bekleideten Ufern sich hinwindend. Das Thal ist noch sehr eng, seine Wände steigen steil an, sind ganz kahl, ohne alle Vegetation, und bestehen anfangs aus demselben fleischrothen Granitgestein, zwischen dem von Zeit zu Zeit dunkelgraue Trachytmassen gleich steilen Kuppen hervorbrachen, gewöhnlich hoch oben am Rande der Gehänge, wo dieselben in das Thal hinabzusteigen anfingen. Mächtige Blöcke dieses, in einer dunkel- bleigrauen Grundmasse reichliche nadelförmige, aber kurze Hornblende- Krystalle einschliefsenden Gesteins lagen im Thale, zum Theil bis auf die andere Seite des Flusses hoch an der Thalwand hinaufgeschleu- dert und mit zahlreichen kleineren Trümmern vermischt, stets einen dunklen Schatten quer durch das Thal werfend, der schon aus weiter Ferne sich bemerkbar machte. Nach einiger Zeit hörten diese kry- stallinischen Gesteine auf und wahre Sedimente traten an ihre Stelle, namentlich zunächst derselbe hellgelbe, stark thonige Sandstein, den ich an der Barranca blanca traf und dort beschrieben habe. Später folg- ten den Sandsteinen grolse Massen eines groben Conglomerats, dessen Bindemittel ein grauer oder dunkelrother sehr harter Thon war, worin sich auf feinen Klüften dünne Infiltrationen faserigen Gypses unter- scheiden liefsen. Beide Massen, sowohl die Sandsteine, wie die Con- glomerate, traten stellenweise als senkrechte Abstürze aus der geneig- ten Thalwand hervor, die auch hier wieder gröfsestentheils aus losen Sandmassen bestand, worunter ohne Zweifel dieselben festeren Gesteine versteckt lagen, welche hie und da als Kuppen hervorragten. Vor uns schlielst eine hohe, vielzackige, aus mehreren Zügen mit Nebenjochen bestehende, hellroth gefärbte Kette das Thal und setzt unserem Blick abwärts eine Grenze. So kommen wir an einen Ort, wo das Thal sich ein wenig erweiterte und am flacheren rechten Abhange mit mäch- tigen Blöcken jenes groben Conglomerats bestreut war, zwischen denen aus mälsig grolsen Trümmern aufgeführte, 3 bis 4 Fufs hohe Mauern ein brauchbares Alojamiento herstellten, welches man nach seinem Stifter Penasco de Diego nennt. Es ist dies nicht blofs ein ge- wöhnliches Bivouae der Reisenden, sondern auch eine Hauptstation der Guanaco - Jäger; viele Gebeine der Thiere lagen umher und die Steine waren mit frischen Blutspuren gezeichnet. Hier also, 2 Leguas vom Anfange des Thales, schlugen wir unser Zelt auf und brachten die Nacht zu. Ich mals die Temperaturfdes kochenden Wassers zu 71° 360 H. Burmeister: 5’; darnach lag unser Standpunkt 11,090 Fufs über dem Meeres- spiegel. Am anderen Morgen fand ich die Ränder des Baches gefroren. Eine kalte Luft drang während der Nacht in unser Zelt, doch nicht so kalt, wie die Nacht vorher am Arroyo blanco. Tief unter 0° wird : die Temperatur wohl nicht gewesen sein '). 7. Das Thal von Copiapö bis zum Meere, Penasco de Diego, wo ich die erste Nacht in Chile zubrachte, liegt 2 Leguas von der Grenze; bis zum nächsten Alojamiento rechnet man 12 Leguas, von da bis Jorquera 10 Leguas, von Jorquera bis Juntas 14 Leguas, von Juntas bis Copiapö 32 Leguas, von Copiapo bis Caldera an der Meeresküste 18 Leguas. Die Länge des ganzen Thales beträgt also 88 Leguas, obgleich die grade Entfernung vom Kamme der Cordilleren bis zur Küste nur 14 Längengrade mifst, d.h. etwa 35 Leguas. Dieser enorme Unterschied in der wirklichen und linearen Entfernung vom Meere wird durch die beispielslose Krümmung des Thales bewirkt, das vier verschiedene Hauptrichtungen verfolgt und darnach in vier Abschnitte getheilt werden kann. Die erste Partie geht in der Hauptrichtung vom Kamme nach Westen und endet an der Stelle, wo man das zweite Nachtlager zu nehmen pflegt, in der Nähe der Guardia de Castanos. Diese Strecke mifst mit den Krümmungen 14 Leguas und führt nach dem obersten Zuflusse den Namen des Valle de Piuquenes. — Der zweite Ab- schnitt hat eine rein südliche Richtung, er reicht durch 24 Leguas von der Guardia bis Juntas und führt den Namen des Valle y Rio de Jorquera. — Bei Juntas, dessen Lage nach am Orte angestellten Beobachtungen eines französischen Geometers 28° 9’ 36” S. Br. ist, be- ginnt der dritte Abschnitt; der Flufs und das Thal, jetzt Valle y Rio de Copiapö, wenden sich in einem kurzen Bogen nach Norden bis S. Antonio, 10 Leguas von Juntas, und biegen sich dann allmäh- lich nach Westen, indem beide in der Hauptsache eine nordwestliche Richtung verfolgen. Diese Richtung bildet den vierten und letzten Abschnitt des Thales; sie bleibt bis Copiapo 22 Leguas weit ungeän- !) In einem Schreiben des Herrn Martin de Moussy, welches aus dem Na- cional Argentino in diese Zeitschrift N. F. Bd. III, S. 268 übergegangen ist, sagt der- selbe, dafs er den 5. April bei „schönem Wetter“, also doch wohl am Tage, wäh- rend seines Ueberganges über die Cordilleren durch den Come Cavallo-Pafs das hunderttheilige Thermometer habe auf — 10° sinken sehen; — mir ist eine so nie- drige Temperatur drei Wochen früher nicht vorgekommen; ich sah das Thermometer niemals am Tage unter 0°, Der genannte Pafs soll 13,625 Par. Fufs Höhe haben. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 361 dert, dann geht sie entschieden in die westliche über, unter welcher der Flufs dem Meere zueilt, dasselbe aber nicht erreicht, indem er einige Leguas unterhalb Piedra colgada, wo die wüste Sandregion des Thales anfängt, sich im Sande verliert, 5 Leguas von der Küste. Diese Ge- gend ist die schlechteste des ganzen Thales und völlig unbewohnt; sie könnte darnach als ein fünfter Abschnitt von den früheren passend ge- sondert werden. Es war mir gestattet, das ganze Thal vom Anfange bis zum Ende zu durchreisen, aber von Juntas aus machte ich die Reise im Wagen und so schnell, dafs an brauchbare Beobachtungen sich nicht mehr denken liefs; ich kann deshalb die unteren Partien nur nach dem all- gemeinsten Eindrucke schildern. Zehn Leguas vor Copiapo, bei Pa- villon, beginnt die Eisenbahn; man fährt in einer Stunde nach Co- piapö und in weiteren zwei Stunden bis zum Hafen Caldera, so dafs auch diese Strecke nur in ihrer allgemeinen Physiognomie aufgefalst werden kann. Indefs haben schon früher Meyen in seiner Reise um die Erde (Bd. I, S. 375 figd.) und Darwin in seinen Geological Ob- servations on South America (S. 218 figd.) die untere Strecke ausführ- licher beschrieben, ich kann also, was die dort anstehenden Gesteine betrifft, auf diese Schriftsteller verweisen. Die erste Partie, das Valle de Piuquenes, führt seinen Namen von der an allen hiesigen Hochgebirgsflüssen nicht seltenen, gleichnamigen weilsen Gans: Anser melanopterus; es zeichnet sich im Allgemeinen durch hohe steile Gehänge und geringere Breite der Thalsohle aus; eine ebene Schuttschicht, ohne alle Vegetation, in vielfachen Windungen vom Rio Piuquenes durchflossen, der hier in der That nur ein Bach genannt und überall ohne Hindernifs durchritten werden kann. — Die erste Strecke unterhalb des Nachtlagers blieben die mächtigen, dort geschilderten, sehr groben Conglomerate ungeändert; die Wände stiegen mehrere Le- guas weit fast steil empor und liefsen nichts als zerrissene Abhänge erblicken. Wir ritten über zwei Stunden durchweg in denselben ein- förmigen und wilden Umgebungen. Dann kamen wir an eine Stelle, wo die Gehbänge merklich näher an einander rückten und stellenweise nur noch eben für den Flufs Platz liefsen. Hier traten gewaltige Por- phyrmassen zu Tage, welche die Conglomerate durchbrechen und zum Theil als Reibungs-Conglomerate sich gebildet haben mochten. Wir rasteten an einer solchen Stelle, was mir Gelegenheit gab, das Gestein näher kennen zu lernen; es waren Melaphyre von dunkler, schwarz- grauer Farbe mit eingelagertem weifslichen Feldspath und kohlschwar- zen Augitkrystallen. Unterhalb dieser Stellen treten geschichtete plu- tonische Massen, sogenannte geschichtete Porphyre auf; ich sah ab- wechselnd dunkle schwarze und hellere rothe Lagen von beträchtlicher 362 H. Burmeister: Stärke über einander und glaubte nach dem Augenschein nicht daran zweifeln zu dürfen, dafs diese scheinbare Schichtung als Resultat einer successiv in Pausen auf einander gefolgten Ueberfluthung der hervor- quellenden flüssigen Massen zu betrachten sei. Es war 10 Uhr geworden, ein heftiger Wind kommt das Thal auf- wärts uns entgegen und wird fast beschwerlicher, als jener frühere auf der Höhe der Cordilleren, wegen des Staubes, den er mit sich führt. Aber so kalt, wie dort oben, war er hier nicht mehr. Die geschichteten Porphyre dauerten nur eine kurze Strecke, dann folgte ein wahres thonig sandiges Sedimentärgestein, horizontal gela- gert und geschichtet, in bunten, meist rothen, dann gelbbraunen, gelb- grauen, selbst grünlichen Tönen, mitunter auch ganz schwarzbraun. Die Schichten schienen mir anfangs noch völlig ungestört, in reinem, ursprünglich horizontalem Absatz gebildet; späterhin, nach einer Le- gua Entfernung, durchbricht sie an der linken, südlichen Wand ein dunkelfarbiger eruptiver Porphyrstock, der wieder von mächtigen Rei- bungs-Conglomeraten begleitet wird, die ähnliche grofse Porphyrmassen einschliefsen. Dieser Stelle grade gegenüber, etwa 5 Leguas vom Aloja- miento, sehe ich an der anderen, nördlichen Thalwand in den rothfar- bigen Sedimenten einen scharf abgesonderten, 3 Fufs breiten Gang eines schwarzen Eruptivgesteins, wahrscheinlich Melaphyr, senkrecht emporsteigen und sich in mehrere, einen Fufs starke Aeste theilen, die strahlig aus einander laufen. Das Ganggestein ist horizontal, also senk- recht gegen die Gangfläche abgesondert und in über einander gelagerte, 4 Fufs starke Platten zerklüftet. Weiter abwärts im Thale mehren sich solche Durchbrüche eines schwarzgrauen, anscheinend doleritischen Ge- steins und steigen hie und da als mächtige Felsen zu bedeutender Höhe an; die Sedimente ändern gleichzeitig ihren Charakter, sie werden tho- niger und erscheinen bald heller blafsroth, bald dunkler braunroth; sie bilden hier mächtige Bänke, die mit Conglomeraten von ungeheu- rem Umfange der Trümmer abwechseln. Schon oben am Anfange traten solche Conglomeratlager zwischen den feineren Sedimentärschich- ten auf, aber sie erreichten damals nicht die Mächtigkeit, welche sie jetzt zeigen. So bleibt der Charakter der Thalwände bis an’s Ende der ersten Abtheilung; von Zeit zu Zeit wiederholen sich die Durch- brüche, namentlich zeigt sich ganz nahe am Ende der ersten Thal- strecke zur Linken an der südlichen Wand wieder ein sehr schöner, kaum 3 Fufs breiter, mit schwarzgrauem, regelmälsig sechsseitig in horizontaler Stellung der Trümmer zerklüfteten Gestein ausgefüllter Gang, welcher mehrere Aeste nach beiden Seiten abgiebt, die sich als Lager zwischen die Schichten der sedimentären Grundmasse ausbreiten und in ungleichen Abständen über einander sich wiederholen. Bald Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 363 darauf mündet das Thal des Rio Piuquenes in ein anderes wasserloses, das aus Nordost vom Kamme des Gebirges herabkommt, beträchtlich weiter ist, viel flachere, hoch mit Sand überschüttete Gehänge hat, deren vortretende Felsmassen abgerundet und angewittert sind, nicht scharf und eckig, wie bisher, zu Tage treten. In dieses Thal biegt der Rio Piuquenes nach Süden ein und bildet darin fortan die unter- ste Thalsohle; wir folgen seinem Laufe noch eine halbe Stunde und kommen dann in eine kesselförmige Erweiterung, wo Wiesengrund am Bache zwischen Breabüschen sich ausbreitet. Dort schlagen wir unser Zelt auf. Den 16. März. Bevor wir weiter gehen, mache ich eine Beob- achtung über die Temperatur des kochenden Wassers, welche ich zu 73° 9’ wahrnehme; darnach liegt die Stelle 7878 Fufs über dem Meeres- spiegel. In der ersten Strecke des neuen Weges behält das Thal ganz den Charakter, welchen es an der Einmündungsstelle des Rio Piuque- nes besals; es ist breit, die Gehänge sind flach und bis oben hinauf mit Sand überschüttet, aus dem hie und da braunrothe sedimentäre Ge- steine hervorragen; die Thalsohle besteht aus feinem Sande und ist noch immer ganz kahl, ohne andere Vegetation, als einige schwache Grasstellen neben dem Flusse, die ihn bündelweise begleiten. Deut- lich geschichtete, zum Theil stark verworfene, nach Norden einfallende, sandig thonige Gesteine bilden das Material der Thalwände; sie wer- den von Zeit zu Zeit von schwarzen plutonischen Gesteinen durchbro- chen, die gewöhnlich nur die unteren Partien der Gehänge bilden, mächtige emporgehobene Massen auf ihrem Rücken tragend und zu verschiedenen Höhen an der Thalwand hinaufreichend. Mehrmals sah ich unter diesen plutonischen Massen Gesteine mit eingeschlossenen gröfseren oder kleineren Trümmern derselben Materien; die mitgebrach- ten Handstücke haben erwiesen, dafs auch sie Melaphyre waren, wel- che beim Durchbruch, auf der Oberfläche schon abgekühlt und erstarrt, zertrümmerten und so in die noch weiche, zähflüssige Hauptmasse ein- gehüllt wurden. Die genaue Aufeinanderfolge aller dieser Stoffe hier anzugeben, bin ich leider nicht im Stande; die Schnelligkeit der Reise machte so weit in’s Einzelne gehende Untersuchungen unmöglich; auch kommt es wohl nicht darauf an, zu wissen, wie vielmal sich dieselben Phäno- mene hier wiederholt haben, wenn man doch nicht im Stande ist, das ganze Thal in einer graphisch- geognostischen Schilderung zu bespre- chen. Im Allgemeinen wurden die plutonischen Durchbrüche häufiger, je weiter wir in’s Thal hinabstiegen. Ich kann nieht unterlassen, hier auf die mit meinen Angaben in der Hauptsache übereinstimmenden Beobachtungen von Darwin (a. a. 364 H. Burmeister: O. S. 228) hinzuweisen, welche ich zur Zeit, als ich meine Wahrneh- mungen niederschrieb, weder kannte noch zur Hand hatte. Er sagt, dafs in der Nähe der Guardia de Castanos die eruptiven Massen, denen er eine submarine Bildung beilegt, über die sedimentären Stra- ten an Ausdehnung fast überhand nehmen. Letztere bestehen nach ihm aus feinkörnigen, thonigen Sandsteinen, verbunden mit einer festen, krystallinischen Masse, die breccienartig rothe und grüne Trümmer ein- schliefst. Dies dürften die von mir so eben besprochenen Reibungs- Conglomerate gewesen sein, welche die mächtigen Melaphyrstöcke be- gleiten oder umgeben. Seine Schilderung schliefst mit den früher beschriebenen geschichteten Porphyren, die er bis zum Fulse der Cor- dilleren hinaufgehen läfst; er scheint also das-oberste Ende des Thales vom Piuquenes nicht besucht zu haben. } Etwa eine Legua von der Stelle, wo wir übernachteten, kommt man an die erste menschliche Wohnung des Thales, ein einzeln stehen- des Haus, früher als Station eines Wachtpostens benutzt, daher es noch jetzt den Namen der Guardia de Castanos führt. Hinter dem Hause geht nach links in südöstlicher Richtung eine enge Schlucht in das Gebirge hinauf, welche mir als die Mündung des Weges vom Come Cavallo-Pafs gezeigt wurde. Oben steht in dieser Schlucht ein grauer, Versteinerungen führender Kalkstein an, der wegen seiner Ammoniten selbst beim gemeinen Mann bekannt ist. Gewöhnlich bringen die Leute einige Exemplare mit herunter und halten sie für etwaige Liebhaber in Vorrath; ich fand nur ein ganz unkenntliches Bruchstück vor, das ich nichts desto weniger mitnahm. Weiter abwärts fängt die Thalsohle an mächtiger zu werden; der Bach schneidet tiefer ein und hat jetzt schon ziemlich hohe (4 bis 5 Fufs), steile Ufer. An denselben sieht man eine mächtige Schicht von Kalksinter, die etwa 1} Fuls unter der obersten Sandschicht liegt und hauptsächlich aus unter einander gemischten Kalkröhren besteht, wel- che sich als Absatz um dünne Schilfstengel gebildet haben. Stellen- weise erhebt sich dieser Kalksinter in Buckeln aus der Ebene neben dem Flusse über die Sandschicht empor. Jetzt beginnt auch der Bo- den des Thales, besonders an Orten, wo er zu einer wirklichen Ebene neben dem Flusse sich gestaltet hat, mit Gebüsch sich zu bekleiden, und zwar hauptsächlich mit jenem früher besprochenen harzreichen, holzigen, aber niedrigen Strauche, den man an ähnlichen Orten neben Bächen sehr allgemein auch in den argentinischen Provinzen antrifft und dort wie hier Brea nennt; es ist eine Composite, die Tessaria absinthoides D. C. Unabsehbare Flächen sind damit bedeckt und wo nur ein Stück Land neben dem Flusse im Thale sich darbietet, da breitet sich die Pflanze aus, hie und da abwechselnd mit dürftigen, fast Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 365 blattlosen Adesmia-Arten, die einen noch viel traurigeren Eindruck machen, als das wenigstens hübsch grüne und, wenn blühend, mit hell violetten Blumen gezierte, 3 bis 4 Fufs hohe Brea-Gewächs. Im untersten Abschnitt der heutigen Strecke bis Jorquera bot sich, etwa eine Legua von der Estanzia, an der rechten, westlichen Thal- wand eine neue, bisher noch nicht beobachtete Formation dar; ein hoher, röthlich weilser, krystallinisch schieferiger Gesteinskegel stand hier, unmittelbar senkrecht aus der Thalsohle sich erhebend, neben einer ziemlich weiten Stelle des Thales und bedeckte mit seiner in fortdauernder Zertrümmerung begriffenen Masse die Thalsohle. Bei dem letzten Erdbeben, das im October vorigen Jahres die Stadt Co- piapö fast zur Hälfte zerstört hatte, war auch dieser Felsen heftig erschüttert und zertrümmert worden. Ich finde, dafs Darwin (a.a. O. S. 228) oberhalb Jorquera einer weit ausgedehnten Glimmerschie- fermasse gedenkt, welche an einer Stelle in rostrothen Quarzfels überging; sie wurde von Gängen des eruptiven Gesteins, das er An- desit nennt (offenbar ein Trachyt), durchbrochen. Darin glaube ich die von mir gesehene, hier nach ihrer formellen Erscheinung kurz ge- schilderte Gesteinsmasse zu erkennen. — Jorquera, das ich um 1! Uhr erreichte, ist die am weitesten im Thale aufwärts gelegene Estanzia, welche grofse Weidefelder von Luzernklee (Alfalfa) für die von den Cordilleren herabkommenden Rin- der in Bereitschaft hält und damit ein sehr gutes Geschäft macht. Ge- wöhnlich bleiben die Thiere hier einige Tage, um sich von den gehabten Strapazen zu erholen. Ich fand die mit dicken Erdwänden eingefalsten Felder voller Vieh und begegnete einer zahlreichen Heerde, welche aus einer Hürde in die andere getrieben wurde. Andere Cultur giebt es bei Jorquera noch nicht; ich sah weder Maisfelder, noch Obstbäume. Die Häuser der Estanzia waren schlecht, weil sie sich nicht in den Händen des Eigenthümers, sondern in denen eines Engländers, der sie gepachtet hatte, befand. Der Eigner lebte in Copiapo stattlich von seiner Rente und der Pächter hütete sich wohl, die zerfallenen Bau- lichkeiten auf seine Kosten ausbessern zu lassen; mögen sie, wenn seine Pachtzeit um ist, zusammenstürzen, er wird bis dahin auch wohl sein Schäfchen im Trocknen haben und dann seinem Nachfolger die saure Pflicht der Reparatur überlassen. Das ist hier der gewöhnliche Modus und darum sehen die Wohnungen fast überall, wo nicht der Besitzer selbst wohnt, verfallen und klein, ja man darf sagen erbärm- lich aus. — Ich mafs nach meiner Ankunft in Jorquera die Tempera- tur des siedenden Wassers zu 76°, der Ort liegt also 5219 Fufs hoch. In Jorquera fanden wir eine sehr freundliche Aufnahme bei dem Verwalter des Pächters, einem jungen Chilenen von höchst liebens- 366 H. Burmeister: würdiger Persönlichkeit. Ich schlief hier zum ersten Male seit der Abreise von Copacavana in einem Zimmer und erhielt dadurch Gele- genheit, meinen Körper gehörig zu reinigen und frische Wäsche an- zulegen, was seit den zehn Tagen der Reise nicht möglich gewesen war; kaum hatte ich jeden Morgen so viel Zeit und Ruhe gefunden, Gesicht und Hände waschen zu können. — Die Alojamientos in den Cordilleren stehen im Rufe, sehr unreinlich zu sein; namentlich warnte man mich vor Leibläusen und rieth mir die gröfste Vorsicht an. Das erinnerte mich an eine Bemerkung A. v. Humboldt’s, welcher das- selbe von der höheren Region (zwischen zwei und dreitausend Meter, 7000—9000 Fufs) der Anden Peru’s berichtet (Naturgemälde der Tro- penländer S. 165). In der That darf man sich nicht darüber wundern, wenn man bedenkt, aus welchen Classen der Gesellschaft die Reisen- den hauptsächlich bestehen, welche über die Cordilleren gehen. Wir begegneten mehrere solcher Tropas, die nicht blofs sehr schmutzig, sondern abentheuerlich genug aussahen; stets eine sehr zahlreiche Ge- sellschaft nicht blofs von Männern, sondern auch von Weibern und Kindern. Letztere steckt man in zwei offene Kasten, welche wie eine Maulthierladung dem Thiere über den Rücken gehangen werden. Die Kinder sind darin angebunden, sehen aber mit den Köpfen heraus, was einen sehr sonderbaren Eindruck macht. Das Sonderbarste aber, was ich gesehen habe, war eine elegante Kutsche auf der Reise über die Cordilleren. Wir begegneten ihr am heutigen Tage auf halbem Wege nach Jorquera. Der Wagen war völlig aus einander genom- men, selbst das Leder des Kutschkastens herunter, der aber reiste als ein Ganzes, mitten auf dem Rücken eines Maulthiers schwebend, das unter der Last keuchend langsam weiter schritt. Zwei andere trugen je zwei Räder, ein viertes Deichsel und Schwengel, erstere der Länge nach über seinem Kopfe hinausragend; ein fünftes und sechstes die übrigen Bestandtheile. So wurde der Wagen über die Cordilleren spe- dirt und noch viel weiter in’s Land hinein, nach S. Juan, ging seine Bestimmung. Wenigstens ein Dutzend Menschen und darunter auch zwei Frauen mit Kindern, befanden sich in seiner Begleitung. Welch eine Ausgabe für einen einzigen Kutschwagen ! — zumal wenn man bedenkt, dafs er schon in Copiapö 800 Pesos zu kosten pflegt; wenig- stens wenn er neu und gut sein soll. Die Wagen kommen fertig, theils aus Nord-Amerika, theils aus England, sind sehr leicht gebaut, und haben bereits das Cap Horn passirt, ehe sie die Reise über die Cordilleren antreten. Den 17. März. Wir ritten heute von Jorquera bis Juntas, 14 Leguas, ohne eine wesentliche Veränderung im Ansehen des Tha- les wahrzunehmen; der Weg geht gerade nach Süden und windet sich Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 367 von der einen Seite des Flusses auf die andere durch die Krümmungen des Thales hinab, ohne auf Ansiedelungen irgend welcher Art zu stolsen. Hie und da kommt in der Nähe des Flusses Gebüsch mit einigen Al- garroba-Bäumen vor, aber Schatten hat man dadurch nicht. Die Sonne brannte empfindlich und der von dem beständig thalaufwärtswehenden Winde aufgeregte Staub wurde mir so beschwerlich, dafs ich von einer genauen Beobachtung meiner Umgebung abstehen mulste. Die ganze Strecke des Thales behielt übrigens denselben Charakter, ich sah nach wie vor thonig sandige Sedimente, von schwarzen eruptvien Massen, offenbar Melaphyren durchbrochen und stellenweis stark verworfen, ohne bis jetzt auf die an Versteinerungen so reiche Kalkschicht zu stolsen, welche im Thale an mehreren Stellen, wie mein Begleiter mir gesagt hatte, zu Tage treten soll. Gegen 3 Uhr war ich in Juntas, das unterhalb der Zusammenmündung eines von Osten kommenden breiteren und wasserreicheren Flusses, des Rio Polido, mit dem frü- heren, hier Rio de Jorquera genannten Flusse in einer starken Er- weiterung des Thales liegt und aus mehreren zerstreuten Ansiedelun- gen besteht, die von Fruchtbäumen, besonders Feigen, und einer schlan- ken, der italienischen Pappel in der Form ähnlichen Weiden-Art, die man hier Sauce de Castilla nannte, beschattet wurden. Grofse, sehr schön gehaltene, von Erdmauern eingefalste Kleefelder lagen neben den Wohnungen und bilden den Hauptertrag der Besitzer. — Ich trat in das Haus meines Landsmanns, des Herrn Wilh. Erdmann, Bru- der des in La Invernada ansälsigen, welcher mich mit offenen Armen empfing und mir alle die Bequemlichkeiten gewährte, deren Entbeh- rung auf dieser I1tägigen beschwerlichen Reise meinen Körper bereits etwas heruntergebracht hatte. Mit ungemein behaglicher Stimmung nahm ich alsbald Besitz von dem mir so liebevoll angebotenen trefl- lichen Ruhepunkte; ich entliefs meine bisherigen Diener, nahm Ab- schied von meinem erprobten Freunde, Herrn Jose del Pino, und überliefs mich den Genüssen europäischer Bequemlichkeit, welche hier in jeglicher Art mir zu Gebote standen. Mein erster Blick fiel, wie ich zu Herrn Erdmann in’s Zimmer trat, auf einen Haufen von Versteinerungen in der einen Ecke, unter denen ich alsbald den 3 Zoll im Durchmesser haltenden Wirbel eines Ichthyosaurus erkannte. Angenehmer bin ich sehr selten in meinem Leben überrascht worden; ich warf mich gierig auf meine Beute und erhielt von Herrn Erdmann die erfreuliche Kunde, dafs der schon lange gesuchte Kalkstein mit den Versteinerungen ganz in der Nähe, eine und eine halbe Stunde von hier, anstehe. Sofort wurde eine Be- sichtigung desselben für den folgenden Tag verabredet, aber erst nach mehreren Tagen wirklich ausgeführt, weil allerhand Hindernisse zum 368 H. Burmeister: Aufschieben uns nöthigten. Ich erhielt dadurch Zeit und Gelegenheit, Juntas selbst etwas näher kennen zu lernen. — Es liegt, wie gesagt, an einer sehr weiten Stelle des Thales unterhalb der Vereinigung des Rio Jorquera und Rio Polido, aber oberhalb der Einmündung des drit- ten Flusses, des Rio Manflas, in beide. Letzterer kommt aus Süd- ost von den Cordilleren herab und führte dermalen kein Wasser; er ist der kleinste von den dreien und pflegt nur zu Zeiten nach heftigem Regen im Gebirge oder schmelzenden Schneemassen Wasser zu füh- ren. Regen im Thale sind äufserst selten, ja kommen in der Regel das ganze Jahr nicht vor; auch die vom Meere aufsteigenden Nebel, welche alle Morgen Copiapö bedecken, reichen nicht mehr bis Juntas, sondern nur bis Pavillon, d.h. 10 Leguas über Copiapö hinauf, das von hier noch 32 Leguas entfernt ist. Die Gehänge des Thales sind kahle, von Sand und Geröllen überschüttete, sehr hohe (zwischen 2000 und 3000 Fuls) Felsen desselben thonig-sandigen Sedimentärgesteins, welches im ganzen Thale vorherrscht. Grade dem Hause gegenüber ging nach Nordwest eine tiefe, wasserlose Schlucht in’s Gebirge hin- auf; man sah beständig diese lange öde Perspective vor sich, zur Seite von einem mehr isolirten gelbgrauen Kegel überragt, welcher das An- sehen eines plutonischen Massengesteins an sich trug und wahrschein- lich aus dem in der Umgegend häufigen Feldstein-Porphyr bestand. Links, d.h. nach Südwest, ging das Hauptthal der drei vereinigten Flüsse weiter, verlor sich aber bald hinter den vortretenden Wänden der Gehänge; rechts, d. h. aus Nordwest, kam das Thal der vereinig- ten Flüsse Rio Jorquera und Rio Polido herunter; und hinter uns, nach Südost, stieg die breite Schlucht des Rio Manflas auf, abgeschlos- sen nach Osten von einem sehr steilen, gelbgrauen, thonig-sandigen Abhange, an welchem in zahlreichen Wellenlinien ein schmaler Pfad hinaufkletterte.. Das war die Stralse nach den Versteinerungen. — Juntas liegt, nach meinen Thermometer-Messungen, 3790 Fuls über dem Meere; ein französischer Geometer, welcher Herrn Erdmann vor einiger Zeit besucht hatte, bestimmte die geographische Lage des Hauses zu 28° 2’ 36” südl. Br. und seine Erhebung über Pavillon zu - 666 Meter, d.h. 2050 Fufs. Pavillon liegt nach eben demselben Be- obachter 380 Meter über dem Meere, also 1169 Fufs hoch, was für Juntas nur 3219 Fufs Meereshöhe ergeben würde. Die Firste des eben bezeichneten Weges nach den Versteinerungen berechnete derselbe Be- obachter zu 3251 Fufs über Juntas, also zu 7040 Fufs über dem Meere. Jenseits dieser hohen Thalsgehänge befindet sich eine in Herrn Erd- mann’s Besitz übergegangene Kupfermine mit einem kleinen Hochofen, und unmittelbar daneben steht die Kalkformation an mit den Verstei- nerungen. Wir bereiteten uns zu dem etwas beschwerlichen Ritt da- u. - Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 369 hin durch einige Tage Ruhe vor und traten denselben am 23. März wirklich an. Zeitig gerüstet salsen wir schon um 6 Uhr zu Pferde. Es war empfindlich kalt, das Thermometer zeigte 9° R., wir froren lebhaft. Es ist das eine täglich in dieser Jahreszeit, gegen Ende des Sommers, sich wiederholende Erfahrung; die Morgen und Abende sind sehr kühl und die Nächte entschieden kalt. Bei Tage leidet man von der Hitze, namentlich aber gegen Abend, wenn die Sonne untergegangen ist, herrscht noch eine drückende Hitze in den Zimmern; man schläft darum auch lieber im Freien oder wenigstens bei offenen Thüren, da- mit sich die Zimmer während der Nacht wieder abkühlen. Aber nach Mitternacht wurde es mir in dieser Lage stets zu kalt, ich mufste, von der kühlen Nachtluft aufgeweckt, aufstehen und meine Thüre schliefsen, um behaglich in meinem Bett mich zu befinden. Häufig fällt das Ther- mometer auf 6—7° R., welche Temperatur um Sonnenaufgang zu herrschen pflegt. Die Nähe der Cordilleren auf der einen, des Meeres auf der anderen Seite bedingt diesen schnellen Wechsel. In meinem Zimmer hatte sich die Temperatur auf 11° 5’ R. gehalten, während sie im Freien 9° R. war. Wir ritten nach Südwest bei mehreren schlechten Ranchos vorbei, welche um das Hauptgehöft sich angebaut hatten, und passirten zuvör- derst das leere mit feinem Kiesgeröll ausgefüllte Bett des Rio Manflas. Jenseits desselben steigt unmittelbar von seinem Ufer ein steiles Ge- hänge empor, dessen Material ein gelbgrauer, stark thoniger Sand- stein ist. Auf demselben klettert der Weg mühsam zum Kamm em- por; man muls über 14 Stunde reiten, ehe man oben angekommen ist. Die Höhe bis dahin beträgt nach den Berechnungen jenes früher er- wähnten französischen Geometers 3251 Fuls. Jenseits des Kammes kommt man in ein enges, etwa 500 Fuls tiefer gelegenes Thal, wel- ches mit dem Anfange des Thales vom Rio Manflas gleiche Richtung hat, d.h. nach Südwest streicht. In diesem Thale, das nach einer Strecke von 3 Leguas, bei Las Amolanes, in das Hauptthal des Rio de Copiapo mündet, bleibt man einige Zeit; man reitet darin auf der westlichen Seite bergab, und hat nunmehr die Kalkformation zur Linken neben sich; kaum hatte ich sie betreten, so sah ich auch schon einen hübschen Pecten am Wege neben mir liegen. Aber es war hier noch nicht der eigentliche Ort zum Sammeln, auch die Stelle höchst unbequem, um abzusteigen; der Weg lief als schmaler in die weichen Kalkgehänge getretener Fulssteig fort, der aufsteigend um einen Buckel derselben sich herumwand und hoch über der schnell abfallenden Thal- sohle schwebte; ich schwindelte, wenn ich von dem Rücken des Pfer- des in den steilen Abgrund zur Rechten neben mir hinabblickte. An Zeitschr, f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd.IX. 24 370 H. Burmeister: der Lehne dieses kleinen Querjoches kommen wir nach 10 Minuten in ein noch engeres, etwas höher gelegenes Querthal, welches die ganze Kalkformation von Südost nach Nordwest durchschneidet, und darin liegt der kleine Hochofen mit seinen Wohngebäuden, ganz isolirt von allen menschlichen Ansiedelungen, der einsame Aufenthaltsort des Hüt- tendireetors, eines liebenswürdigen jungen Deutschen aus Klausthal, Emil Hünicke, welcher sich lebhaft beim Einsammeln der Verstei- nerungen betheiligte und mir in jeder Weise behülflich war. Er hatte neben seinem Hause ein Gärtchen angelegt, worin Kürbisse und Me- lonen gut gediehen, von einem klaren Bächlein getränkt, das dicht daneben aus den Felsen hervorbrach. Ich mafs hier die Temperatur des kochenden Wassers zu 75°; der Hochofen, Eigenthum der Gebrü- der Erdmann, liegt also 6530 Fufs über dem Meere, oder nur 510 Fufs tiefer als der Kamm, über den wir von Juntas her gekommen waren. Die Kalkformation, welche hier in ihrer ganzen Beschaffenheit gut studirt werden konnte, streicht in der Hauptsache von Südwest nach Nordost und hat einen schwachen nordwestlichen Schichtenfall; sie be- steht aus zwei in Farbe und Beschaffenheit unter sich ganz verschie- denen Abtheilungen, die beide ungemein reich sind an Versteinerungen, während die benachbarten, davon verschiedenen Sedimentbildungen gar keine Petrefacten enthalten. — Die untere Abtheilung ist ein asch- grauer, sehr zäher, in verschiedener Stärke der Ablagerung geschich- teter, zum Theil gelblicher Kalkstein, welcher ganz besonders reich ist an Versteinerungen; — die obere Abtheilung besteht aus einem rothen, ziemlich feinkörnigen, stark thonigen Sandstein, der ebenfalls, aber im Ganzen dünner geschichtet ist. Der Sandstein enthält an die- ser Stelle nur wenige Arten, aber die in ungeheurer Menge; nament- lich den grolsen Pecten alatus Buch mit einigen neuen, ihm ähnlichen Species, und die Terebratula Domeykana B. ©. — im Kalkstein fanden sich als Hauptformen Gryphaea Cymbium B. C., Turritella Humboldti B. C. und zahlreiche Terebratulae. Ammoniten liefsen sich, trotz des sorgfältigsten Nachsuchens, hier nicht entdecken; sie kommen indessen in derselben Schicht und zwar hauptsächlich in den rothen Sandstei- nen an einer anderen Stelle weiter aufwärts im Thale nach Südwesten, am Cerro Blanco '), in Menge vor, und von dort holten mir die Herren Erdmann und Hünicke an einem späteren Tage die Arten, welche ich mitgebracht habe, darunter den Jmm. radians Schl. und 1) Der Cerro Blanco ist die Fortsetzung dieses Kalkzuges vom Kamm der Cordilleren abwärts; er liegt etwa 6 Leguas in SW. von Juntas, 739 Meter über der Cuesta zwischen dem Rio Manflas und dem Hochofen, d.h. 9515 Fufs über dem Meere. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten, 371 Amm. variabilis d’Orb. Eben daher stammt auch der früher erwähnte Wirbel vom Ichthyosaurus, begleitet von einem Rippenfragment, aus der Kalkschicht, und ein anderer, mir noch viel werthvollerer Wirbel, den ich unbedenklich einem Teleosaurus zusprechen kann. Beide Funde sind offenbar die wichtigsten von allen Versteinerungen der Formation; sie erweisen die vollständigste Analogie der hiesigen urweltlichen Fauna mit der europäischen; eine Analogie, welche nach Aussage der Am- moniten und Gryphäen bis zur specifischen Uebereinstimmung geht, und die Identität dieser beiden Versteinerungen führenden Schichten der Cordilleren mit dem Niveau des oberen Lias und unteren Ooliths Europas bis zur Evidenz darthut. Das soll weiter an einem anderen Orte entwickelt werden, hier füge ich nur noch einige Anga- ben über die Oertlichkeit bei Juntas hinzu. Die beiden erwähnten Abtheilungen der Versteinerungen führen- den Formation bilden da, wo sie sich berühren, mehrere Wechsellager und scheiden sich dann vollständig von einander. Sie werden von senkrecht aufsteigenden Gängen eines aschgrauen Trachyts, der grolse schwarze Hornblende und kleine weilse verwitterte Krystalle enthält, in vielfacher Richtung durchbrochen. — Die Mächtigkeit der unteren Kalkbank schien mir bedeutender zu sein, als die des oberen Sand- steinlagers, jene möchte ich auf 400, diese auf 300 Fufs schätzen. Ein starker, mehrere Klafter breiter Gang von gelbgrauem Feldstein-Por- phyr trennt die Formation an der Stelle, wo der Hochofen steht, von den daran liegenden Sedimenten im Westen, und führt die Kupfer- erze, auf welche der Hochofen arbeitet. In verschiedenen Gehalten erfüllen sie, als hellgrünes, sogenanntes Kieselkupfer Nester im Gang- gestein, die überall zu Tage treten, und so wie sie dort liegen bis zu mälsiger Tiefe abgebaut werden, um in den nahen Hochofen zu wan- dern. Strauchholz, auf dem Rücken der Esel aus der ganzen Umge- gend mühsam herbeigeschleppt, ist das Feuerungs-Material, mit dem man arbeitet; ein dürftiges Surrogat und so spärlich zugemessen, dafs die Preise des Stoffes beständig steigen, weil die Entfernungen, von wo er geholt werden mus, immer mehr zunehmen. Und doch ist der Gewinn zur Zeit noch ein beträchtlicher; man verkaufte den Centner des ausgebrachten Kupfers zu 19 Pesos, d.h. zu 25 Thlr. Pr. C. und hatte zu diesem Preise Lieferungs-Contracte mit englischen Häusern in Copiap6 auf mehrere Jahre abgeschlossen. — Der kupferhaltige Porphyrgang hat eine beträchtliche Ausdehnung, man konnte ihn über 1 Legua weit thalaufwärts verfolgen; er ist noch nicht überall auf der Oberfläche abgebaut, sondern bisher erst in der Nähe des Ofens be- arbeitet worden. Neben ihm steigen noch andere taube Porphyrgänge auf, welche schon an ihrer abweichenden, schön dottergelben Farbe 24* 372 H. Burmeister: und an dem geringen Quarzgehalte als verschiedene zu erkennen wa- ren; — auch der kupferführende Gang giebt Aeste ab, welche sich nach verschiedenen Richtungen im Muttergestein ausbreiten und darin sich auskeilen oder zertrüämmern. Die ganze Formation ist von kupfer- führenden Gängen durchschwärmt und der Abbau darum dermalen ebenso leicht noch wie einträglich. Wie sich die Versteinerungen führende Kalk- und Sandstein - For- mation zu den benachbarten versteinerungsleeren Sedimenten verhält, habe ich ebenfalls zu ermitteln gesucht und glaube mich dadurch über- zeugt zu haben, dals sie darin eingelagert ist. Die gelbgrauen stark thonigen Sandsteine, über welche man von Juntas her nach dem Thale des Hochofens mit den Kalksteinen hinaufsteigt, streichen von Norden nach Süden, mit schwacher Neigung gegen Osten und Westen, haben also in der Hauptsache dieselbe Richtung, wie die Kalkformation; ihre Schichtungsflächen fallen nach Westen ein und unterteufen das Kalk- lager. Ein mächtiger, dunkel rothbrauner Melaphyrstock hebt diese ganze Sedimentärformation empor, man sieht ihn unten im Thale des Rio Manflas sehr deutlich zu Tage treten und seine steile zerrissene Wand dem Thale zukehren. Etwa der vierte Theil an der Thalwand aufwärts besteht daraus. Hinter dieser thonig. sandigen Sedimentär- formation sreicht im Westen die kalkig sandige, Versteinerungen füh- rende Formation in ihrer parallelen Richtung gegen das Thal des Rio de Copiapö hin fort, und durchschneidet dasselbe bei der nächsten gro- (sen Estanzia Las Amolanes abwärts. Man sieht, wenn man von Juntas weiter reist, dort dieselbe Formation des Hochofens zu beiden Seiten des Thales anstehen, und hat namentlich unterhalb der Wohn- gebäude von Las Amolanes, an der linken westlichen Thalwand, ein sehr schön aufgeschlossenes Profil der ganzen Schichtenfolge vor sich. Da war es, wo Darwin die Formation untersuchte. Seine Be- ‚schreibung, auf welche ich gleich zurückkommen werde, stimmt mit der meinigen in allen Hauptsachen überein. Wichtig ist, was Dar- win bei dieser Gelegenheit berichtet; er habe dieselben Versteinerun- gen (Terebratula aenigma) in einem ganz ähnlichen Kalkstein einge- schlossen, auch aus der Gegend von Chanarecillo erhalten; es muls also auch dort, etwa 10 Leguas in grader Linie weiter nach Westen, dieselbe Formation wieder vorkommen, gleich wie sie etwa ebenso weit nach Osten, am Kamm der Cordilleren, bei der- Guardia de Castanos, anstehend beobachtet wird. Hieraus scheint hervorzuge- hen, dafs die Formation in mehreren parallelen Zügen terrassenartig zwischen den Sedimenten der chilenischen Küstengebirge liegt, und wie es die Richtung des von mir genau mit dem Compals beobachteten Zuges darthut, der Hauptrichtung der Cordilleren parallel streicht. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten. 373 Den 27. März verliefs ich Juntas und fuhr in Begleitung mei- nes Wirthes bis S. Antonio und von dort allein weiter bis Pavillon, welche Strecke von 22 Leguas ich in 9 Stunden zurücklegte, von 6 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags, wobei noch eine halbe Stunde in La Puerta an der Cuesta de los Loros gerastet wurde um die Pferde zu wechseln. Es ist das die Hälfte des Weges, gleichweit von Pavillon, wie von Juntas. Das Thal bleibt bis Las Amolanes, der ersten Estanzia unter Juntas, noch ziemlich öde; die kahlen hohen Gehänge machen einen traurigen Eindruck und nicht minder der hier ziemlich wasserreiche Flufs, weil er über dürren, aller Vegetation beraubten Kiesboden im flachen aber breiten Bette dahin eilt. Cultur ist nirgends auf dieser Strecke zu sehen. Bei Las Amolanes ändert sich der Ein- druck, man kommt an eine grolse Estanzia, die an einer sehr weiten Stelle des Thales liegt, und fährt geraume Zeit zwischen grünen, von hohen Erdmauern eingefafsten Kleefeldern hin, welche den Reichthum des Besitzers ausmachen. Hier pflegen die aus den argentinischen Pro- vinzen kommenden Viehheerden und die Reisenden gewöhnlich zu übernachten; eine zahlreiche Gesellschaft war mit dem Aufbruche nach der Cordillere beschäftigt, als wir an dem geräumigen Hof vorüber- fuhren. Prächtige Feigenbäume und schlanke, einer italienischen Pap- pel (Populus dilatata) ähnliche Weiden, welche von jetzt an die Haupt- decoration des Thales bilden und überall, wo Ansiedelungen sich fin- den, in Menge die künstlichen Wassergräben begleiten, ragten aus den Fruchtgärten neben den Häusern hervor. Mich interessirte besonders die hier eine lange Strecke aufgeschlossene Kalkformation, dieselbe, welche bei Herrn Erdmann’s Hochofen hinter Juntas ansteht und von dort in gleichbleibender Streichungsrichtung nach Nordost fortge- hend, unterhalb der Estanzia das Thal quer durchschneidet. Die linke südwestliche Thalwand stellt in steiler, fast senkrechter Stellung die ganze Schichtenfolge der Gehänge klar und deutlich zur Schau. Ich sah dieselbe nur vom Wagen aus in flüchtiger Eile, aber Darwin hat sie an derselben Stelle genau untersucht und ausführlich beschrieben (a. a. O. S. 222). Nach seiner Schilderung liegt zu unterst ein dun- kel rothbraunes Porphyr-Conglomerat, dessen Hauptmasse wahrschein- lich ein ebenso gefärbter Melaphyr sein wird. Auf den Porphyr fol- gen Sandsteinschiehten mit groben Geröllen, eine untere weifsliche und eine obere rothe und über beiden ein sehr harter blafsgelber Kiesel- Sandstein, der stellenweis in wahren Quarzfels übergeht. Diese Schicht liefert die Mühlsteine, deren Gewinnung der Estanzia den Namen ge- geben hat. Darin auftretende Gerölle bestehen gröfstentheils aus Quarz, einige auch aus schwarzem Kalk, eins sogar aus Glimmerschiefer. La- gen desselben schwarzen Kalksteines wechseln mit dem Sandsteine, 374 H. Burmeister: bis letzterer nach oben vorherrschend wird und theils dünne Sand- steinschichten, theils jene früher erwähnten Gerölllager einschliefst. Drei oder vier scharf abgesetzte solide Kalkschichten darin enthielten die Versteinerungen: Turritella Humboldtii, Gryphaea Darwinii, Tere- bratula aenigma u. a. m. Darüber folgt dann in einer Mächtigkeit von 2— 3000 Fuls ein rothes Conglomerat mit gleichfarbigen Sandstei- nen und Lagern von grünen oder rothen Jaspis-Knollen. Die Gerölle haben den Umfang eines Eis oder eines Spielballs, selten mehr, und bestehen grölstentheils aus Porphyr. Die Grundmasse ist rother Sand- stein mit kleinen krystallinischen Kalktheilchen, sie umschliefst eine grolse Anzahl silificirter Holzstücke, mitunter 8 Fuls lang und 18 Fuls im Umfange, worin R. Brown Coniferen-Structur erkannte. Dar- über folgt 2—300 Fufs mächtig ein reinerer rother Sandstein und darüber nochmals schwärzlicher Kalkschiefer, welcher an der Grenze beider in grofser Menge die Schalen von Gryphaea Cymbium (Gr. Dar- winii Forb.) und Turritella Humboldtii mit sich führt; zum Beweise, dals er mit dem früheren Kalk gleiches geologisches Alter besitzt, d. h. derselben Formation angehört. Die ganze Mächtigkeit der Ge- hänge schätzt Darwin auf 8000 Fufls, wovon 1500—2000 Fuls auf das untere plutonische Porphyr-Conglomerat kommen mögen. Demnach hät- ten die sedimentären Schichten eine Dicke von 6— 7000 Fufs. Schliefs- lich erwähnt er noch, dafs sämmtliche Schichten der Formation von Gängen eines trachytischen Gesteins mit Feldspath und grofsen Horn- blendekrystallen in solcher Menge durchbrochen werden, dafs sie mehr dem offenen Krater eines Vulkanes, als einer ruhigen Meeresbildung ähnlich sehen. Ganz ebenso habe ich es bei Juntas gesehen und be- schrieben. — Unterhalb Las Amolanes nimmt die Cultur des Thales schnell zu oder hört eigentlich nicht wieder auf; eine Ansiedelung folgt der anderen und bald sieht man den Weg zwischen Erdmauern und Hecken eingeschlossen, als ob man in einer südeuropäischen Gegend sich be- fände. Der nächste bedeutende Ort ist Potrero grande, ein grolses Dorf mit mehreren neuen und zum Theil recht hübschen Wohngebäu- den, worin auch die Mauth-Inspection sich befindet. Alle Waaren, welche aus den argentinischen Provinzen kommen, werden hier unter- sucht und verzollt; — wobei man hauptsächlich auf Taback sein. Au- genmerk richtet, weil dieser Artikel in Chile nur für Staatsrechnung verkauft werden darf. Ich, als Nichtraucher, hatte nichts zu fürchten; auch benahm man sich, auf die Empfehlung meines überall hochge- achteten Begleiters, sehr zuvorkommend, indem man meine Naturalien- kisten ungeöffnet lies; — wir fuhren ungestört weiter und erreich- ten nach einiger Zeit S. Antonio, welches am nördlichen Ufer des Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata- Staaten, 375 Flusses auf einer Anhöhe im Thale liegt, während Potrero grande das ganze Thal zu beiden Seiten des Flusses eingenommen und für den Weg nur einen schmalen Pfad hart am Fufse der südlichen Gehänge, da wo die Guardia liegt, frei gelassen hat. Hier ist ein Schlagbaum, den die Tropen nicht ohne vorherige Inspection passiren dürfen. S. Antonio ist ein ziemlich gut aussehender Ort von mehr städtischem Ansehen, mit langer gerader Stralse, die sich in der Mitte zum Markt- platz erweitert. Die linke westliche Seite der Stralse hatte bei dem letzten Erdbeben im October vorigen Jahres sehr gelitten, mehrere Häuser, mit deren Neubau man eben beschäftigt war, stürzten damals zusammen —- die Kirche des Ortes stand etwas abseits links vom Wege, an der anderen, westlichen Seite des Flusses und sah sehr dürf- tig aus. — In S. Antonio verliefs mich mein bisheriger Begleiter, Herr W.Erdmann, um dort mehrere Geschäfte zu besorgen; wir nahmen herzlichen Abschied und ich zumal schied von ihm mit dem aufrich- tigsten Dank für die grofse Theilnahme, welche er mir während mei- nes zehntägigen Aufenthaltes in seinem Hause erwiesen hatte. — Seit S. Antonio bleibt man auf der rechten Seite des Flusses und erreicht bald eine Reihe von Ansiedelungen, welche das nächste Dorf La Puerta bilden. Hier mündet von Osten her eine enge, steilan- steigende Schlucht in’s Thal, die Cuesta de los Loros. Vor der- selben ist eine weite Fläche an der Einmündungsstelle, mit mehreren grolsen Algarroben-Bäumen besetzt, deren Schatten man zum Um- spannen der Pferde zu benutzen pflegt; ich hielt hier wohl eine halbe Stunde und betrachtete meine Umgebungen, die nichts Merkwürdiges darboten; es war gegen 11 Uhr, wir hatten die Hälfte des Weges von Juntas nach Pavillon, 11 Leguas betragend, in 44 Stunde zurückgelegt, und wollten nunmehr die zweite Strecke mit frischen Kräften begin- nen. — Bald war die Zeit der Ruhe verstrichen und wir fuhren wei- ter. Unsere Umgebung blieb dieselbe. Es kamen mehrere sehr enge Thalstellen, wo der Wagen über hochansteigende kleine Querjoche weggehen mulste, aber mit bewunderswürdiger Geschicklichkeit führte ihn der Kutscher langsam hinüber, den unaufhaltbaren kurzen Galopp wieder einschlagend, sobald die gefährliche Enge passirt war. Wir fuhren nach und nach durch mehrere Ansiedelungen, ohne Neues oder der Mittheilung Würdiges zu sehen, und kamen später eine lange Strecke über eine weite, völlig aller Vegetation beraubte Ebene, welche man bier mitten im Gebirgsthal mit dem Namen Pampa belegt. Es ist das eine sehr starke Erweiterung des Thales von elliptischem Um- fange, welche hauptsächlich dem östlichen Flufsufer angehört. Die Stralse führt neben kahlen, zerrissenen Sandsteingehängen fort und bewegt sich selbst im losen mit Rollsteinen gemischten Sande; der 376 H. Burmeister: Flufs beschreibt einen weiten Bogen nach Westen um die Ebene herum und tritt erst unterhalb der Ansiedelung, welche am Ende dieser so- genannten Pampa liegt und den Namen Hornillo führt, wieder nahe an den Weg heran. Bald darauf wird er vom Wege durchschnitten, die Fahrstrafse geht auf das westliche Ufer hinüber und kommt wie- der in bebaute, mit Gebüsch bestandene Gegenden, welche das kleine Dorf Potrero Seco ausmachen. Zwischen seinen Wohnstätten neben Kleefeldern hinfahrend, erreicht man zum letzten Male eine sehr öde, kable, aller Vegetation beraubte Strecke des Thales und dort liegt, mitten auf der kahlen Ebene die Station Pavillon, der Anfang der Eisenbahn nach Copiapö, gegenwärtig schon ein ganz ansehnlicher Ort mit geraden Stralsen und mehreren recht guten Gebäuden, unter denen sich ein grolser, ganz nach europäischem Muster gehaltener Gasthof vortheilhaft auszeichnete. Ich stieg darin, nach einer so raschen und darum etwas angreifenden Reise behaglich ab und fand, was ich wünschte: Ruhe und gute Nahrungsmittel zu meiner Erquickung. — Ich benutzte den Aufenthalt, zu dem man in Pavillon genöthigt wird, weil der Dampfwagen nur einmal täglich, um 8 Uhr Morgens, nach Copiapö fährt, zur näheren Besichtigung der Oertlichkeit, fand aber nichts, was einer Besprechung werth gewesen wäre. Die Stelle, wo Pavillon liegt, ist eine fast kreisrunde Erweiterung, aber von viel geringerem Umfange, als die früher durchfahrene sogenannte Pampa, und auch von ganz anderem Ansehen. Denn das Gestein aller Ge- hänge umher ist nicht, wie dort, hellfarbiger, gelber Sandstein, son- dern ein dunkelgrauer, zu steilen zerrissenen Kuppen ansteigender Fels, vielleicht Trachyt, welcher an allen Bergen in der Umgebung des Or- tes auftritt, die bis dicht an seine steilen Wände hinangebauten Ge- bäude hoch überragend. Auch der Boden besteht ganz und gar aus eckigen Trümmern desselben Gesteins, die unter dem Einflusse der Lastthiere, Wagen nnd atmosphärischen Agentien zu einem feinen Staube zerfallen, was den Aufenthalt in Pavillon, wo es wie im gan- zen Thale von Copiapö fast nie regnet, höchst unangenehm macht. Nach Westen mündet eine ähnliche, aber engere Schlucht, die aus Sü- den kommt, in das Hauptthal, und sie führt auch schon ihre Eisenbahn ; es ist die Quebrada de Chanarcillo, die berühmteste und ergie- bigste Silberquelle des Landes, die Fundgrube der Reichthümer, durch welche Capiapo in so kurzer Zeit sich gehoben hat. Ich stand mit Bewunderung neben den Eisenschienen, welehe im Bogen durch die Ebene geführt, der Station zubiegen und aus der engen, absolut kah- len, schwarzgrauen düsteren Schlucht, wie aus einem Höllenschlunde hervorkommen. Geräusch der herabrollenden, von ihrem eigenen Ge- wichte langsam fortgeführten Erzwagen umgab mich, der einzige Ton, Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 377 den man vernahm in dieser Oede, die einer der traurigsten Punkte der Erde sein würde, wenn nicht reiche Silberminen die Gewerblust des Menschen geweckt und die Wüste in eine bevölkerte Ansiedelung umgeschaffen hätten. Und doch konnte ich das Ganze nicht mit Be- hagen oder Befriedigung ansehen; der Gedanke an das niedrige Trei- ben der Geldmacherei, die alle edlen Gefühle im Menschen erdrückt und fernhält, lag zu nahe, als dafs er sich meiner nicht hätte bemäch- tigen sollen. Mit einem gewissen Stolze blickte ich auf meinen Na- turalienkasten und gab den Fragern, was ich in den schweren Kisten mit mir führe, die gleichgültige Antwort: Versteinerungen; — worauf sie mich grofs ansahen und nicht begreifen konnten, dafs aufser Minen- speculation noch irgend eine andere Beschäftigung fremde Reisende bis hierher geführt haben könne. Wissenschaftliche Zwecke waren dem hier Ansäfsigen oder Lebenden noch nie auch nur dem Namen nach bekannt geworden. — Die Höhe von Pavillon über dem Meeresspiegel durch Thermome- ter-Beobachtungen zu messen, habe ich leider versäumt, was ich jetzt um so mehr bedauere, als die von dem mehrmals erwähnten französi- schen Geometer angestellte, mir in Juntas mitgetheilte Beobachtung nicht richtig sein kann. Derselbe fand Pavillon nur 350 Meter, d. h. 1169 Par. Fufs hoch. Nun liegt aber das 10 Leguas von hier entfernte Copiapö nach dem Nivellement der Eisenbahn 1213 engl. Fufs, d. h. 1129 franz. Fufs hoch, und das ist offenbar eine zu geringe Differenz auf 10 Le- guas Länge, wenn man erwägt, dafs auf die Entfernung vom Meere bis zur Stadt über 1100 Fuls, oder 664 Fufs Fall auf die Legua kommen. Darnach mufs die Höhendifferenz zwischen Pavillon und Copiapo min- destens 6634 Fufs betragen, oder Pavillon etwa 1792 Fufs über dem Ocean liegen. Aber auch diese Erhebung ist wahrscheinlich noch zu gering, weil nach allen Erfahrungen die oberen Strecken eines Flufs- thales schnelleren Fall haben, als die unteren, und damit stimmt auch die von mir für Juntas gefundene Meereshöhe von 3790 Fufs, Juntas läge demnach 2621 Fufs über Copiapö, auf jede Legua der 32 Leguas langen Strecke kämen also 804 Fufs Fallhöhe, während die Fallhöhe unterhalb Copiapo nur 664 Fufs für die Legua ist. Hiernach würde Pavillon beinahe 800 Fufs höher liegen, als Copiapö, d.h. in runder Summe ausgedrückt etwa 1900 Fuls über dem Meeresspiegel. Jener Mifsgriff des französischen Beobachters erklärt nun auch die grolse Differenz zwischen meiner Thermometer-Beobachtung und seiner Mes- sung für Juntas; ich fand 3790 Fufs Meereshöhe, er nur 3211 Fuls. Eine richtige Beurtheilung aller gefundenen Zahlenwerthe scheint mir übrigens darzuthun, dafs die Annahme, Pavillon liege 1900 Fufs, zu grols ist, und dafs wir diese Zahl um mindestens 100 herabsetzen 378 H. Burmeister: müssen, wenn wir alle Resultate in Einklang bringen wollen. Dem- nach durfte die wirkliche Erhebung von Pavillon 1800 Fufs nicht über- schreiten, ja wahrscheinlich nicht einmal völlig erreichen. Den 29. März fuhr ich also mit dem Dampfwagen von Pavillon nach Copiapö; man zahlt für die 10 Leguas lange Strecke 2 Pesos in der ersten und I Peso in der zweiten Klasse; aufserdem für jedes Ba- gage-Colli mittlerer Gröfse 3 Real (12 Gr.). Als ich am frühen Mor- gen das Fenster meines Schlafzimmers öffnete, fand ich das Thal bei Pavillon zwar nebelfrei, aber unterhalb lagerten im Thale dichte Ne- belwolken, welche die Aussicht thalabwärts verdeckten; erst nach- dem wir eine Strecke von etwa 1 Legua gefahren waren, geriethen wir in die Nebel und verloren damit alle Aussicht, selbst auf die aller- nächsten Umgebungen. Pavillon leidet noch völlig an der Regenlosig- keit des oberen Flufsthales; sein Himmel ist, gleich dem von Juntas und allen höher gelegenen Orten, ewig rein und klar; Wolken sieht man nur in der Ferne, gen Westen, wo die Dünste des nahen Meeres aufsteigen. — Wir fuhren langsam und brauchten 2 Stunden, um die 10 Leguas bis Copiapö zurücklegen; aber fünfmal wurde auf eben so vielen Stationspunkten angehalten, und damit viel Zeit verloren. Die Gesellschaft war nicht zahlreich, nur zwei Personen- Waggons hatte der Zug, einen für die erste, den anderen für die zweite Klasse; letz- terer war dicht mit Menschen gefüllt, eine wahre Menagerie aller Far- ben und wahrscheinlich aller Nationen, denn die Minen hahen Arbei- ter aus allen Weltgegenden herbeigelockt. Wegen der im Ganzen doch zu schnellen Fahrt für einen wissenschaftlichen Reisenden sah ich von meinen Umgebungen nicht viel; ich erinnere mich nur, dafs das Thal überall gut angebaut war und wir zweimal auf hohen steinernen Brücken den Flufs passirten, das letzte Mal dicht vor Copiapo. Von den be- nachbarten Thalgehängen sah ich vollends gar nichts, als nackte kahle Felsen, wie bisher, in ziemlichem Abstande vom Wege; das Thal mufste an Breite zunehmen, je weiter wir abwärts kamen. Um 10 Uhr wa- ren wir in Copiapo. Wir fuhren langsam durch die nördlichste der vier langen Hauptstrafsen, woraus Copiapö besteht, dieht neben den Häusern, und hielten einige Zeit auf dem Marktplatze, über den der Schienenweg führt, damit die nahe wohnenden Reisenden aussteigen konnten; dann ging es weiter noch eine ziemliche Strecke durch. die- selbe Strafse nach dem Bahnhofe, der am westlichen Ende zwischen der Stadt und der Vorstadt La Chimba liegt, so nahe an einen vor- tretenden Felsen der nördlichen Thalgehänge gerückt, dafs ein Theil des Felsens weggebrochen werden mulste, um den nöthigen Raum zu den Bahnhofs-Anlagen zu gewinnen. Zwischen der Stadt und ‚dem Bahnhofe läuft von Nord nach Süd die hübsche Promenade, ein brei- =. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 379 ter mit vier Reihen jener mehrmals erwähnten, pappelförmigen Wei- den besetzter Spazierweg, zu beiden Seiten von einer Fahrstrafse be- gleitet und mit Ruhebänken versehen. Ein tempelförmiger Bau in der Mitte nimmt das Musikchor auf, welches hier alle Sonntag zur Unter- haltung des Publikums zu spielen pflegt. — Die Fahrt durch eine ziem- lich enge Strafse der Stadt im Dampfwagen machte auf mich einen eigenthümlichen Eindruck, wenn ich daran dachte, welcher Vorsicht man in Europa neben den Eisenbahnen sich befleifsigt, wie die Schlag- bäume der Nebenstrafsen geschlossen werden und Niemand der Bahn näher, als bis dahin treten darf. Hier kümmerte man sich um der- gleichen Bevormundungen nicht, ein Jeder blieb an seiner Stelle dicht neben dem Wagen stehen; ja man hätte den in der Thüre der Häu- ser Zuschauenden die Hand reichen können. — Die einzige polizei- liche Vorschrift, der der Führer des Zuges zu gehorchen hat, ist die langsamere Fahrt; man fährt wie in einer Kutsche, die von Pferden im Trabe gezogen wird. Ich stieg im Hötel de Chanareillo, dem ersten der Stadt ab, und hatte gleich beim Eintritt in dasselbe einen höchst überraschenden An- blick; ich befand mich mitten unter Trümmern, den traurigen Zeichen des letzten grolsen Erdbebens, das beinahe den vierten Theil der Stadt vor 3 Monaten zerstört hatte. Ehe ich indessen darüber berichte, muls ich die Stadt selbst nach ihrer Anlage und Bauart schildern. Copiapö, oder wie es officiell heilst: S. Franeisco de la Selva, bildet ein sehr langes, von Ost nach West ausgedehntes Recht- eck, das 4 in derselben Richtung laufende Längsstralsen und gegen 20 sie rechtwinkelig durchschneidende Querstralsen umschliefst. Nach beiden Enden reihen sich daran Vorstädte; die östliche aus schlechten Ranchos und Hütten aufgeführte wird von den ärmsten Schichten der Bevölkerung bewohnt; die westliche enthält höchst elegante, zum Theil mit verschwenderischer Pracht aufgeführte Häuser und Gärten, worin die reichsten Leute der Stadt ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben. Sie führt den Namen La Chimba. Die Bevölkerung wird auf 25,000 Einwohner geschätzt; ja man hört wohl noch höhere Angaben; doch glaube ich nicht, dafs diese Zahl überschritten wird. Wegen der häu- figen Erdbeben ist die Bauart der Häuser sehr leicht; sie bestehen aus Zimmerholzwerk, dessen schwaches Gebälk mit Rohr benagelt, dem- nächst mit Lehm beworfen und äufserlich mit einer dünnen Kalkschicht bekleidet wird; auch die Dächer haben blofs eine Lehmdecke und die Zimmer in der Regel nur eine von Leinwand. Da es nicht regnet, so bedarf man soliderer Dächer nicht. Alle Ornamente der Gebäude sind von Holz, mitunter einige von Gyps; aber solides Mauerwerk fin- det man nirgends. Viele und namentlich die neuesten Wohnhäuser 380 H. Burmeister: im Centrum der Stadt haben ein oberes Stockwerk; in den entlegenen Strafsen sind alle einstöckig zur ebenen Erde gebaut. Ziemlich in der Mitte des langen Rechtecks liegt die Plaza, ein geräumiges Viereck, mit der gleichfalls aus Holz- und Rohrwerk aufgeführten Hauptkirche, die ganz wie ein provisorisches Gebäude aussieht, und dem aus Eisen gegossenen Standbilde des ersten Entdeckers der Silberminen von Chanareillo, Juan Godoy, einer ziemlich mittelmäfsigen Statue in Bergmanns-Tracht, deren Fufsgestell eine Inschrift trägt, worin es heifst, dafs jene Entdeckung den 19. Mai 1832 geschah und zur Er- innerung daran dem Glücklichen, welcher den Reichthum seiner Va- terstadt begründet habe, dieses Denkmal von den Behörden im Jahre 1851 errichtet sei. Andere sehenswerthe Orte oder Baulichkeiten hat Copiapö nicht; zwei Klöster, das eine am südlichen Ende der Prome- nade, das andere dicht neben dem neuen Gebäude des Hotels, habe ich blofs von aufsen gesehen; das letztere hat noch eine alte solide Kirche, die immer, weil sehr niedrig gebaut, stehengeblieben ist. An einem kleinen Platz nicht weit vom Markte steht das Schauspielhaus; gleichfalls ein leichtes Werk, das eben deshalb dem Untergange ent- ging. Auch mehrere grofse gewerkthätige Etablissements, als Schmelz- öfen, Pochwerke, Gasanstalten, Maschinenbauwerkstätten finden sich in Copiapö; aber sie zu besuchen, fühlte ich keinen Beruf; mich in- teressiren Natur und wahre Kunst oder Wissenschaft; alles übrige habe ich, als ein mir fremdes Gebiet, absichtlich aufser Acht gelassen. Die gröfseren Wohnhäuser der Stadt haben hübsche Gärten und Blumen -Anlagen auf den Höfen, die durch das stets offene Hausthor betrachtet, recht einladend sich ausnehmen; in mehreren sah ich eine sehr schöne neuholländische Fichte von ungemein schlanken und ele- ganten Verhältnissen; vom Balkon meines Wohnzimmers zählte ich ringsumher viele Exemplare dieses in die Augen fallenden Gewächses. Alle diese Anlagen sehen sehr frisch aus, weil Copiap6 schon den Vor- theil der Meeresausdünstung genielst; alle Morgen lagern dichte Nebel über der Stadt und verdecken bis 10 Uhr die Sonne und die Fern- sicht. So lange diese Nebel stehen, ist es, gleich wie Abends, em- pfindlich kalt; ich mafs den 1. April um 9 Uhr Morgens die Lufttem- peratur zu 10° 8’ R. und fand sie am Abend zuvor gegen 11 Uhr nur 8°; über Mittag steigt das Thermometer auf 20°—24°, aber hei- [ser wird es hier nicht, wenigstens nicht in dieser Jahreszeit, deren gewöhnliche Mittags - Temperatur 20° R. nicht zu übersteigen pflegt '). ') Mein leider so früh verstorbener Freund Meyen, der den 13. März 1831 in Copiap6 war, fand die Lufttemperatur Morgens 8 Uhr 13° 4', Mittags 3 Uhr 19° 6' und Abends 10 Uhr 12° R. — Siehe dessen Reise um die Erde Bd. |. 8. 386. Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 381 Mein Hauptaugenmerk war während meiner Anwesenheit in Co- piapo auf die Betrachtung der Folgen des grolsen Erdbebens gerich- tet, welches den 5. October 1859 einen Theil der Stadt zerstört hatte. Ich habe darüber bei glaubwürdigen Personen nachstehende Erkundi- gungen eingezogen. Die Erderschütterung begann um 8 Uhr Morgens mit einer starken Wellenbewegung, wobei schon viele Häuser zusam- menstürzten. Dieser Bewegung folgten 2—3 Minuten später zwei hef- tige Stölse unmittelbar hinter einander, von denen der zweite der stär- kere war, und alles niederwarf was fallen konnte und wollte. Alle Häuser, die nach der früheren Methode aus gestampften, meist sehr dicken Erdwänden aufgeführt waren, stürzten zusammen; stehen blie- ben dagegen die nach der vorhin angegebenen Methode gebauten leich- ten Rohrhäuser, obgleich auch davon die meisten in den Wänden mehr oder weniger starke Risse erhielten. Nach dem zweiten Stofs folgten aufs Neue Wellenbewegungen, die wenigstens 5 Minuten anhielten; sie wiederholten sich von Zeit zu Zeit, allmählich schwächer werdend, 68 Mal den Tag über bis Nachts 12 Uhr und kamen an den 3 folgen- den Tagen in Pausen von 3—4 Stunden immer noch, aber stets an Stärke abnehmend, wieder. Die Richtung der Wellenbewegung ging mit geringen Modificationen von Südwest nach Nordost; sie beschä- digte die Gebäude der kurzen Strafsen, welche von Norden nach Sü- den laufen, sehr wenig, dagegen die Gebäude der langen, von Osten nach Westen laufenden Strafsen sehr stark. Hier sah ich noch ganze Quadras der Stadt in Trümmern liegen. Immer wichen die Mauern aus einander, wobei das Dach in die Zimmer hinabfiel und die Mauern selbst umstürzten.. Am wenigstens wurden die Gebäude in der nörd- lichsten Langstralse, durch welche die Eisenbahn fährt, beschädigt; sehr stark dagegen die der südlichen beiden Stralsen. Die neue Haupt- kirche litt wenig, selbst der drei Stockwerk hohe Thurm, weil er ein Holzbau ist; dagegen fiel der aus weilsen Marmor aufgeführte Haupt- altar der Kirche in sich zusammen. Das ganz nahe eiserne Standbild auf dem Markte änderte hierbei seine Stellung nicht. — Aufserhalb der Stadt sah man bedeutende Spuren. Während der Bewegungen des Bodens hob sich das Wasser in den künstlich angelegten Gräben zu mehrere Fuls hohen Wellen und trat hie und da schäumend aus sei- nen Ufern; der Erdboden bekam Risse, selbst in den Strafsen der Stadt, die offen stehen blieben, aber bald zugeschüttet wurden, weil sie nicht breit waren; die an mehreren Orten aufgeführten Erdwälle der Eisenbahn rollten aus einander, wie Sandhaufen, die auf einem Tisch liegen, an den wiederholt gestolsen wird; die Schienen blieben frei schwebend in der Luft stehen. Obgleich diese Wälle schon 7—8 Jahre alt sind, so hielten sie sich doch nicht, 382 H. Burmeister: Die Erstreckung der Wirkungen ging sehr weit in der Richtung von Osten nach Westen, aber nur in geringer Entfernung von Süden nach Norden; sie verlielsen das Thal von Copiapö in dieser Richtung nicht. — In Caldera, dem Hafen von Copiapo, trat das Meer so weit von Ufer zurück, dafs der Grund neben der grofsen Mole, an welche die gröfsten Dampfschiffe anlegen können, trocken lag; — als die Wo- gen zurückprallten, überflutheten sie die Mole bis an die nahe Eisen- bahnstation, richteten aber keinen erheblichen Schaden an. Im Thale aufwärts zeigten sich viele Spuren bis auf die andere östliche Seite der Cordilleren; noch in Jague&, an dem Austritt des gleichnamigen Flusses aus den Cordilleren, fühlte man Erschütterungen. Ich habe bereits auf der Reise thalabwärts erwähnt, dafs $. Antonio sehr litt; in Juntas äufserten sich keine nachtheiligen Wirkungen, aber oberhalb bei Jorquera, wie unterhalb bei Potrero grande und an vielen anderen Stellen stürzten grofse Blöcke von den benachbarten Gehängen herun- ter; Juntas lag aufserhalb der Stofslinie, die genau von WNW. z. W. nach OSO. z. O. gerichtet gewesen zu sein scheint. — Todesfälle gab es nur wenige; eine alte Frau und ein Paar Kinder kamen um; aber zum Theil höchst lächerliche Ueberraschungen in Menge. Man sah Frauen, die sich eben im Bade befanden, nackt auf die Strafse springen und sehr viele in den abentheuerlichsten Anzügen auf den gröfseren freien Plätzen Schutz suchen. Indessen traf dies Schicksal doch nur die Spätlinge, weil der erste Anfang um 8 Uhr Morgens die meisten Leute überraschte, als sie schon passend angekleidet waren. — Seit jener schrecklichen Catastrophe ist Copiapo verschont geblieben, aber lange wird die Ruhe nicht dauern; man ist daran gewöhnt und zum Theil auch darauf vor- bereitet. Allgemein wird dem Fremden gerathen, nie ein Zimmer hin- ter sich abzuschliefsen, ja nicht einmal die Thür zuzumachen, weil es in der Regel ganz unmöglich wird, sie zu öffnen bei einem Erdbeben wegen des Druckes, den die zitternden Wände darauf ausüben. Auch schläft man eben deshalb hier nie ganz entkleidet, sondern stets mit den Unterkleidern, um vorkommenden Falls nicht, wie jene Damen, die aus dem Bade kamen, nackt im Publikum erscheinen zu müssen. Den 1. April fuhr ich Mittags 1 Uhr von Copiapo auf der Eisen- bahn nach Caldera, dem neuen, seit 1842 angelegten Hafen der Stadt, 18 Leguas entfernt. Man zahlt 3 Pesos in der ersten Classe und 4 Real für jedes Gepäckstück mittlerer Gröfse; der Zug fährt 3 Stunden und ist gegen 4 Uhr in Caldera. Die Gegend behält den Charakter, wie bisher. Anfangs ist das Thal ziemlich eng, namentlich enger als bei Copiapö, wo sich im Norden von der Stadt eine sanft ansteigende, ziemlich ausgedehnte, aber völlig kahle, trostlose Ebene, als Ausmün- dung einer Schlucht befindet, durch welche die Strafse über Llampos Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 383 und Puquios nach dem Minendistriet von Tres Puntas in der Nähe der Cordilleren führt. Hat man die Enge unterhalb Copiapö passirt, so wird das etwas weitere Thal ganz hübsch; man sieht fleifsige Bo- denceultur, namentlich Obstgärten und Kleefelder, von schlanken Wei- denreihen eingefaflst; mitunter auch natürliche ausgedehnte Weideplätze mit Vieh in der Nähe des Flusses, der sich im Süden von der Bahn befindet. So kommt man von Zeit zu Zeit durch dorfartige Ansiede- lungen nach der letzten bewohnbaren Stelle des Thales, welche den Namen Piedra colgada führt und etwa 7 Leguas von Copiapö ent- fernt ist. Unterhalb dieser Station erweitert sich das Thal schnell zu einer nur in der Ferne von kahlen Felsenpartien begrenzten Ebene, die nichts anderes als eine Salzsteppe, ja eine förmliche Wüste ist. Loser Flugsand bildet den Boden, hie und da mit weilsen Salzkrusten überzogen, aber ohne alle Vegetation, ohne einen einzigen Strauch, ja ohne eine Pflanze auf dem nackten, heifsen, von der Sonne ver- brannten Boden; ein wahrhaft trostloser, in jeder Hinsicht drückender Anblick. Vom Seewinde, der bis Nachmittags hier und in Copiapo täglich weht und oft recht unangenehm werden kann durch den fei- nen Staub, welchen er in den zum Theil noch nicht gepflasterten Stra- [sen emporhebt, fortwährend angeblasen, salsen wir in den geschlosse- nen Waggons wie in einer Backstube, nicht sowohl wegen der Hitze, als auch wegen des Staubes, der durch alle Fugen hindurch drang und uns wie Bäckergesellen färbte; förmlich weilsgelb wurden unsere Klei- der und ebenso unsere Haut von den anklebenden Staubmassen. Und das muls man gegen 14 Stunden aushalten. Zwar giebt es auf dieser ganzen Strecke bis zum Meere, kein Haus mehr, wo Passagiere ein- steigen könnten; aber man hält doch mehrere Male an, um Wasser für die Maschine einzunehmen, das in dieser Strecke sehr schwer zu haben ist. Bald unterhalb Piedra colgada versiegt der Flufs und zeigt seine Spur nur in dem Kies des trocknen Bettes, das sich eine Zeit lang durch die ebenso flache Ebene zieht. Auch wendet sich die Bahn vom Flusse ab nach Nordwesten, während er in rein westlicher Rich- tung dem Meere nach der Gegend des alten Hafens von Copiapo zu- steuert, dasselbe aber nicht erreicht, weil schon lange vorher all sein Wasser verschwunden. Bald unterhalb der vorletzten Haltestelle die- ser Strecke gewahrt der Reisende, zumal wenn er Naturforscher ist, ein sehr interessantes Phänomen: den alten Meeresboden mit zahllosen Muscheln und Schneckenschalen, welche noch so daliegen, wie sie der zurücktretende Ocean bei seinem Scheiden gelassen hat, wenn nicht, wie das stellenweis geschah, der Mensch sie wegnimmt, um Kalk für seine Häuser daraus zu brennen. Man ist hier noch gegen 3 Leguas von der Küste entfernt und wohl 200 Fuls über dem Meeresspiegel. 384 H. Burmeister: Diese Muscheln gehören der historischen Periode unseres Erdkörpers, d.h. der Gegenwart an und finden sich noch lebend in dem nahen Meere; sie beweisen, dafs sich das Land um so viel aus dem Meere emporgehoben hat, als wie weit diese Muscheln gegenwärtig auf dem Trocknen liegen. Man kennt dies Phänomen seit langer Zeit, nam- hafte Geognosten haben sich mit seiner genauen Untersuchung beschäf- tigt; besonders hat Darwin in seinen mehrmals erwähnten Geological Observations on South- America im zweiten Kapitel (S. 27 u. folg.) dar- über ausführlich gehandelt. Während der Wagen am letzten Halte- punkte hielt, eilte ich schnell heraus und steckte mir die Taschen voll von diesen Muscheln; mehrere glückliche Griffe führte mir eine hüb- sche Portion in die Hand; ich sprang auf den Fufstritt, als der Wa- gen schon weiter fuhr, aber kein Beamter kümmerte sich um mich, man lie[s mich gewähren als ob Niemand mein Treiben zu beachten hätte. Was würde man dazu auf einer deutschen Eisenbahn gesagt haben! Nach 10 Minuten fuhr der Zug in das grofse Gebäude des Bahn- hofes von Caldera hinein; hart am Wasser auf einer kleinen Fläche, kaum 10 Fufs über dem Meeresspiegel gelegen, dicht neben steilen, schwarzgrauen plutonischen Felsgruppen, welche die 36 Fufs höher ge- legene Ebene stützen, worauf die Gebäude des Städtchens stehen. Auf breiten hölzernen Treppen steigt man unmittelbar vom Hofe der Eisen- bahn hinan und begiebt sich neben dem eleganten und grofsen Hafen- gebäude (Capitania del pwerto) vorbei in das dahinter gelegene erste Hotel, welches von einem Italiener gehalten wird und mit Recht ge- lobt werden kann, obgleich die Preise hoch sind, noch höher als in Copiapö, das wenigstens noch vor Kurzem einer der theuersten Plätze Süd-Amerikas war. Indessen habe ich es in Lima noch theurer ge- funden. Caldera besteht dermalen aus einer Hauptlängsstrafse, die dem südlichen Rande des Hafens parallel läuft und von 4—5 Quer- stralsen durchschnitten wird. In diesen Strafsen stehen, zumal an der Wasserseite, einige gute Häuser in der leichten Bauart Copiapös auf- geführt und dazwischen allerhand erbärmliche Cabacken aus Brettern zusammengenagelt oder gar mit grober Leinwand bekleidet; die noch nicht vollendete Kirche hat denselben leichten Baustyl und liegt etwas abseits von den Häusern, mitten auf einem freien Platze. Man schätzt die Bevölkerung auf 2000 Personen. Kaufleute aller Art, besonders aber Schankwirthe für die Matrosen und Arbeitsleute, welche vom Aus- und Einladen der Schiffsfrachten leben, bilden die Hauptmasse der Einwohner; mehrere der letzteren sind Chinesen. Das Ganze macht einen widerwärtigen Eindruck; man fühlt bald, dafs man an die Grenze der Civilisation gekommen und mit dem Auswurf der Ge- Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata-Staaten. 385 sellschaft in Berührung getreten ist; ich schritt einige Mal durch die Stralsen, dann wendete ich mich abwärts zum Seegestade, nach Meer- thieren suchend, und ihre Lebensweise mir betrachtend. Der kahle öde Strand ist nicht reich daran, nur einige Mollusken- schalen, der grofse Pecten purpuratus, Solen Dombeyi, Venus Dombeyi, zwei Arten Mytilus, Concholepas peruviana, Trochus ater, Calyptraea trochiformis, Turritella cingulata, Tritonium scabrum und mehrere klei- nere Schnecken waren häufig zu finden, aber selten in guten frischen Exemplaren. An den steilen Sandsteingruppen etwas westlich von der Stadt salsen in einer Höhle unter überhängenden Felsen in Menge zwei prächtige Actinien, eine grüne und eine rothe; auf denselben Steinen hüpfte Cillurus rupestris umher, und vor einem Loche höher aufwärts am Ufer sah ich zwei schöne Exemplare der grölsten chilenischen Ei- dechse: Aporomera ornata D.B. Insekten, namentlich Käfer, waren nirgends zu finden; die Natur war hier wie ausgestorben; keine Pflanze, kein Strauch, ja überhaupt nichts Grünes liefs sich sehen, so weit um- her auch mein Auge von der Terrasse vor dem Ufer schweifte; loser Sand bildete den Boden der geneigten Ebene, auf dem der Ort steht, umgeben im weiteren Umkreise von kahlen, schwarzgrauen Felsen, die hie und da in kleinen stehengebliebenen Gruppen noch dicht am Ufer, wie oben am Bahnhofsgebäude zu Tage gehen. Ich glaubte anfangs Basalte zu erkennen, allein die nähere Untersuchung lehrte, dafs es ein feines Gemenge von Labrador, Augit und glasigem Hypersthen, d.h. ein Pyrogengestein, ein sogenannter Hypersthenfels war, der hier seinen Durchbruch bewirkt hatte. Ueberall sah man Kuppen dessel- ben am Ufer der Bai, so weit das Auge reichte und sichere Unter- schiede ziehen konnte. Caldera ist ein besuchter Hafen, es kommen zumal viele englische Schiffe her, um Erze zu laden und Kohlen zu bringen. Mit Beidem war man unaufhörlich beschäftigt. Die Erze werden grofsentheils roh von den Gruben auf der Eisenbahn hierher geschafft, und so wie sie sind nach England geschickt, um dort ausgebracht zu werden. Direkt vom Bahnhofe geht eine grofse Mole in die Bai hinaus, an welche selbst Dreimaster anlegen können. Eine Fortsetzung der Eisenbahn fährt die Karren bis unmittelbar an’s Schiff und läfst das Erz durch Sehächte in den Raum fallen. Andere fuhren es in Boten quer über die Bai nach einem grofsen Hüttenwerke, das dort am südlichen Ein- gange liegt und beständig mit vielen dampfenden Sehornsteinen arbei- tete; — wieder andere nahmen die Kohlen in Empfang, welche die Schiffe ausluden, und brachten sie theils in den Bahnhof für die Ei- senbahn, theils in benachbarte Lagerungshäuser zum Verbrauch der Dampfschiffe, welche die Westküste Amerika’s befahren und der Pa- Zeitschr.f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 2) 386 H. Burmeister: eific-Steam -Navigation-Company gehören. Mit einem dieser Dampfer, welcher für den folgenden Tag von Valparaiso erwartet wurde, gedachte ich meine Reise nach Europa anzutreten. Solcher Dampfer gehen mo- natlich zwei, den 3ten und 19ten von hier ab; sie verlassen Valpa- raiso am 1sten und 16ten jeden Monats und machen die Reise bis Panama von dort in 20 Tagen, wobei in jedem guten Hafen der gan- zen Strecke angelegt und 4 Tage in Lima gerastet wird. Von Pa- nama fährt man auf der Eisenbahn nach Aspinwall und von dort über S. Thomas nach Southampton. Die ganze Reise wird in 45—46 Ta- gen zurückgelegt und kostet 92 £, mit Ausschlufs der Fahrt über den Isthmus, wofür sich die nordamerikanische Compagnie 25 Dollars Pas- sagiergeld und 1 Dollar für jede 10 Pfund Gepäck Fracht zahlen läfst. Ich trat diesen Weg den 3. April in Caldera an und hatte ihn den 18. Mai vollendet, verlor aber 2 Tage in England, indem ich auf das von Nord-Amerika kommende Dampfschiff so lange warten mulste, um darauf direkt nach Hamburg zu fahren; schon am 16. Mai hätte ich in Halle sein können. Auf Reisegelegenheit zu warten ist stets eine sehr unbehagliche Lage; ich erfuhr das hier schon am Anfange der Reise in Caldera, woselbst ich einen Tag vor der Abfahrt des Dampfschiffes mich ein- gefunden hatte, um Ort und Umgegend besser kennen zu lernen. Aber was war in einer Hafenstadt, wie diese, wohl für mich anzufangen’? nichts zu sehen, zu sammeln, zu beobachten; ich schlenderte am Ufer umher und betrachtete die in den zurückgebliebenen Wasserlachen sich behaglich sonnenden Meerthiere, namentlich mehrere Schnecken-Arten, deren Bewegungen mir Unterhaltung gewährten; auch ein kleiner Krebs (Hippa), der sich in den Sand einwühlt und bei jeder rückkehrenden Welle wieder daraus hervorgespült wird, beschäftigte mich lange Zeit. Zu meinem Bedauern fand ich nur zwei Käfer- Arten, eine Feronia und eine Nyetelia; die zahlreichen Arten von Melanosomen, namentlich die hübschen G@yriosomae, welche in Chile und Bolivien auftreten, fand ich nirgends, so viel ich auch darnach suchte. Vielleicht mögen sie sich weiter landeinwärts finden; aber bis dahin wagte ich nicht in dem losen Sande bei beträchtlicher Hitze vorzudringen. Bei dieser Wan- derung stiels ich neben dem Bahnhofsgebäude auf eine ungeheure De- stillationsmaschine, deren eiserner Schornstein über das Dach des Hau- ses hervorragte; neben demselben war ein Brunnen angelegt, aus dem man fortwährend Wasser schöpfte. Als ich mich nach dem Zweck dieser Einrichtung erkundigte, erfuhr ich zu meinem Erstaunen, dafs man hier Trinkwasser bereite; in ganz Caldera gebe es keinen Brun- nen, und deshalb destillire man das Meerwasser, um es trinkbar und überhaupt geniefsbar zu machen. Hier werde es verkauft, der Eimer Reise durch einige nördliche Provinzen der La Plata -Staaten. 387 zu 2 Cent., beinahe 1 Sgr. Pr.C. Auch das Trinkwasser für die Schiffe und das für die Maschine des Dampfwagens wird daher genommen. Unmittelbar am Ufer treten an mehreren Stellen feste Sandsteine zu Tage, welche dieselben Muscheln enthielten, die ich eben gesammelt hatte, namentlich den Pecten purpuratus und einen Mytilus; man sieht Platten davon mit diesen Muscheln häufig als Pflastersteine vor den Häusern. Die Sandsteine sind durch ein kalkiges Bindemittel vereinigt und gewöhnlich sehr hart, daher das Meer sie nur abwaschen, nicht eigentlich zerstören kann. Ueber diesem festen Gestein, das da, wo die Muscheln an Menge zunehmen, eine wahre Muschelbreccie genannt werden kann, liegt der lose Sand, welcher die Ebene bedeckt und vom Winde nach allen Richtungen bewegt zu wahren Dünen sich aufhäuft. An einer Stelle, wo eine tiefe Schlucht den Kalk durchbrach, sah ich darunter ein Conglomerat mit Granit- und Porphyrgeröllen vom Um- fange einer Wallnufs; weiter hinab reichte die Böschung nicht; das ganze Gehänge mochte 15 bis 16 Fufs hoch sein. Das ist für eine der Gegenwart angehörige Bildung eine sehr bedeutende Mächtigkeit, sie weist auf ein Alter hin, welches nach allen unseren Erfahrungen über die Zeiträume, in denen Sedimente sich bilden, schon weit über die Aera der jüdischen Mythe vom Alter der Welt hinausreicht. Man hat darnach allen Grund anzunehmen, dafs die jüngsten Hebungen an der Westseite Süd-Amerika’s, wodurch sie in ihre gegenwärtige Stellung gebracht worden, nicht gar weit von der Gegenwart entfernt liegen. In der That sind auch beträchtliche Veränderungen im Niveau des Fest- landes noch während der letzten Jahrhunderte, seitdem diese Gegenden den Europäern bekannt wurden, mehrmals nach heftigen Erderschütte- rungen wahrgenommen worden; ja es giebt Anzeigen, welche es wahr- scheinlich machen, dafs eine solche Hebung des Festlandes continuirlich fortgeht, indem sich der Saum des Landes langsam vergröfsert. — Bald nach 3 Uhr kam den 3. April das Dampfschiff von Valpa- raiso in Caldera an; — es war die Bogotä, das eleganteste Schiff, welches die Compagnie besitzt; — man lud die Güter und Kohlen ein, welche schon den ganzen Tag auf der grofsen Landungsbrücke gela- gert hatten und war damit bis in die Nacht beschäftigt. Ich ging, als es dunkel wurde, an Bord, mufste aber noch lange warten, bis es zur Abreise kam; gegen 11 Uhr wurden die Taue gelöst, wir fuhren im Mondschein aus der Bai und hatten die Küste von Chile bald aus dem Gesicht verloren; nur die weilsen Schaumwogen der Brandung blieben noch längere Zeit sichtbar. — In wehmüthige Gedanken mich versen- kend, nahm ich Abschied von dem Boden Süd-Amerika’s, der mich seit mehr als drei Jahren getragen hatte und der nunmehr meinen Blicken wohl auf immer entschwunden war; nur die Aussicht tröstete 23” 388 I. G. Forchhammer: mich, dafs ich wenige, aber vielversprechende Punkte noch auf der Weiterreise werde berühren dürfen, um das Bild des Ganzen in mir abzuschliefsen und die vielseitigen grolsartigen Erfahrungen zu ergän- zen, welche ich auf diesen weiten Reisen ohnfehlbar als die besten meines Lebens gesammelt hatte. Lange blieb ich noch wach, meine Phantasie mit dem Sternenmeere beschäftigend, das über meinem Haupte schwebte und mit seltener Klarheit die herrlichen Bilder des südlichen Himmels, das Schiff Argo, das Kreuz und die sonderbaren milchweilsen Sternwolken neben dem schwarzen Kohlenbecken zu mir herabsandte. Man wird nicht leicht einen schöneren Genuls haben können, als das sinnige Insichselbstversenken beim Anblick des gestirnten Himmels der südlichen Hemisphäre innerhalb oder an der Grenze der Tropenzone, wenn die laue Nacht so magisch erquickt und den Träumen der Phan- tasie mächtige Flügel leiht. Nie habe ich wohlthuenderen Empfindun- gen mich hingeben können, als diesen; zumal auf dem Rücken des mit Recht so genannten Stillen Oceans, getragen von dem ruhig dahin- gleitenden, laut rauschend arbeitenden Dampfboot, das neben der heh- ren Natur für die Gröfse und Kühnheit des menschlichen Geistes so beredtes Zeugnils ablegt und mich selbst, inmitten des wundervollen Weltgebäudes, mit eben so grolsem Stolze wie mit Ehrfurcht erfüllte, wenn ich an das mächtige Element dachte, das ich dennoch beherrscht werden sah! XI. Ueber die wasserführenden Schichten im Allgemei- nen und über die Schichten im Besonderen, die in Dänemark die Quellen und Brunnen nähren. Von J. G. Forchhammer. Uebersetzt von A. v. Etzel. Wenn wir im täglichen Leben von Wasseradern reden, meinen wir damit Stellen in dem Erdboden, an denen das Wasser, je nach- dem die Natur oder der Mensch ihm einen Ausfluls geschaffen hat, reichlicher flielst, als es dies im Allgemeinen zu thun pflegt. Es giebt Länder, in denen die sogenannten Wasseradern aus einem Systeme von wirklichen, gröfseren Canälen bestehen, die durch zusammenhängende Klüfte und Höhlen in unterirdischen Felsenmassen gebildet werden, und in denen das Wasser wie in seinen Betten auf der Oberfläche der Erde fliefst. Auch in Dänemark kommen dergleichen unterirdische zB Ueber die wasserführenden Schichten, besonders in Dänemark. 389 Wasserläufe vor, wie zum Beispiel in Thy und überhaupt um den west- lichen Theil des Limfjords herum, aber dieselben sind Ausnahmen, und Wasseradern bedeuten so gut wie immer in Dänemark Schichten von Sand oder Kies, die mehr oder minder Wasser geben. Bei einer allgemeinen und oberflächlichen Betrachtung der sehr ausgebreiteten Erfahrung, dafs man, wenn man in einer Mergelgrnbe in einer ge- wissen, nach den Localverhältnissen verschiedenen Tiefe auf eine Sand- schicht trifft, eine Wasserzuströmung erhalten wird, oder dafs man bei dem Brunnengraben sicher sein kann, mit der Sandschicht auch zu- gleich Wasser zu erreichen, könnte man zu dem Glauben geneigt sein, dafs das Wasser nur im Sand und Kies gefunden wird, und dafs die Lehmschichten verhältnifsmälsig arm an Wasser sind. Dies würde aber ein grofser Fehlschlufs sein, denn in Dänemark führen alle Schichten Wasser, wenn man sie in einer gewissen Tiefe trifft, und selbst die allerobersten Schichten, ob sie nun Lehm oder Sand, sind im Allge- meinen mit einer mehr oder minder bedeutenden Menge Wasser durch- drungen. Das Wasser wird in den Zwischenräumen zwischen den festen Theilen gefunden, welche die Erdschichten bilden; je gröfser die Summe aller dieser Zwischenräume ist, die als zu kleinen Canälen vereint ge- dacht werden müssen, eine desto grölsere Menge Wasser wird die Schicht in einem gegebenen Kubikmaafse enthalten. Diese Wasser- menge ist viel bedeutender, als man zu glauben geneigt ist, und der Verfasser hat sich die Mühe gegeben, sie in den verschiedenen einzel- nen Erdarten zu bestimmen, die in verschiedenen Schichten den Erd- boden Dänemarks bilden. Die darüber angestellten Versuche wurden in folgender Weise aus- geführt: der Verfasser bezeichnete eine Stelle an dem Halse einer Fla- sche, und wog darauf die Wassermenge, welche die Flasche bis zu der Marke füllte. Da man nun weifs, dafs ein Kubikfuls Wasser 62 Pfund wiegt, wird also das Gewicht des Wassers in der Flasche es ausdrücken, der wievielste Theil eines Kubikfufses der Inhalt der Flasche ist. Nach- dem das Wasser ganz heraus und die Flasche getrocknet war, wurde sie mit der ausgetrockneten Erde gefüllt, deren Zwischenräume man bestimmen wollte, und die durch Schütteln und kleine Stöfse dahin ge- bracht wurde, in sich zusammenzufallen, wobei man natürlich Erde nachfüllen mufste, bis sie die Marke der Flasche erreichte. Nachdem die so mit Erde gefüllte Flasche wieder gewogen war, erkannte der Verfasser das Gewicht der trockenen Erde, welche den Raum einnahm, der früher mit dem Wasser angefüllt war, dessen Gewicht er bestimmt hatte. Darauf füllte er die Zwischenräume in der Erde mit Wasser, bis sie vollkommen damit gesättigt war, und das Gewicht des in dieser Weise zugesetzten Wassers, verglichen mit dem Gewichte des Wassers, 390 J. G@. Forchhammer: das erforderlich war, um die Flasche zu füllen, drückte das Verhält- nils aus zwischen den Zwischenräumen in der Erde und dem ganzen Raume, welchen die Erde einnimmt. Diese Versuche geben die Summe der Zwischenräume in den Erdarten ein wenig gröfser als sie es in der Natur ist, weil die Erde durch längeres Liegen und durch die me- chanische Wirkung des Regens sicherlich etwas stärker zusammenge- prefst wird, als es durch die früher beschriebenen Mittel geschehen kann. Das Vermögen der Kreide, das Wasser in den Poren aufzunehmen, hat der Verfasser in der Weise bestimmt, dafs er einen Würfel von Kreide schneiden liefs, die Seiten desselben ausmals und darauf den kubischen Inhalt desselben berechnete; darauf wurde er vollkommen ausgetrocknet, gewogen, mit so vielem Wasser getränkt, als er nur irgend aufnehmen wollte, und wieder gewogen, wo dann natürlicher- weise der Zuwachs des Gewichts die Menge des aufgenommenen Was- sers ausdrückt. Diese Versuche haben, nachdem sie für einen Kubikfuls von jeder der geprüften Erdarten berechnet waren, folgendes Resultat gegeben: Ein Kubikfuls Kreide nimmt auf: 25,2 Pfund Wasser; Lehm etwas verschieden, aber ungefähr ebenso wie Kreide; Strandsand nimmt auf: 24 Pfund Wasser, Grünsand: 20 Pfund. Man sieht leicht, dafs der Unterschied zwischen den verschiedenen Erdarten Dänemarks nicht sehr grofls ist, und wenn man annimmt, dafs ein Kubikfufs trockener Erde im Durchschnitt + Kubikfuls oder 202 Pfund Wasser aufnimmt, wird der Fehler nicht sehr bedeutend sein. Aus den angeführten Beispielen folgt weiter, dafs die feinere Erde et- was mehr als die gröbere aufnimmt, ein Verhältnifs, welches davon herrührt, dafs die Summe der kleinen Zwischenräume zwischen feinen Partikeln gröfser ist, als die Summe der gröfseren Zwischenräume zwi- schen gröberen Theilen, mit anderen Worten, wenn man Kies zu einem feinen Pulver zerstöfst, füllt das Pulver einen gröfseren Raum aus, als der Kies einnahm. Ganz anders verhält es sich mit der Wassermenge, welche diese Schichten im fliefsenden Zustande abgeben können, und der Schnellig- keit, mit welcher sich das Wasser in den Zwischenräumen bewegt. Jeder Landmann weils es, dafs Kiesschichten mehr Wasser als Sand- schichten geben, während sie in Wirklichkeit weniger Wasser enthal- ten, und dafs Lehm, der in manchen Fällen mehr Wasser enthält als Sand, fast gar kein fliefsendes Wasser abgiebt, indem Brunnen, welche mit ihrer ganzen Tiefe in Lehm stehen, wohl eine geringe Menge Was- ser sammeln können, das zwischen den Lehmpartikeln langsam ausge- prefst-wird, aber nie eine reichliche Wassermenge zu geben im Stande Ueber die wasserführenden Schichten, besonders in Dänemark. 391 sein werden. Bei dem Lehm scheint die Kraft, mit welcher das Wasser zurückgehalten wird, nicht nur von der Feinheit der Theile abhängig zu sein, sondern auch von einer halb chemischen, halb mechanischen Anziehung, die sich darin äufsert, dals er mit einer gewissen Menge Wasser verbunden zähe und plastisch wird, was nie bei der feinsten Kieselerde stattfindet. Auf dieser Eigenschaft beruht die Eigenthüm- lichkeit des Lehms, das Wasser für die Pflanzenwurzeln zu bewahren, und dadurch diesen zur Ernährung der Pflanzen ganz unentbehrlichen Stoff zu erhalten. Es darf hier eine andere Eigenthümliehkeit des Lehms nicht über- gangen werden, die in Verbindung steht mit der mehr oder minder grolsen Schwierigkeit, mit welcher ihn das Wasser durchdringt. Es ist eine allgemeine Erfahrung, dafs man zu Wasserbauarbeiten, bei denen man das Wasser ausschliefsen will, den „blauen Lehm“ auf- sucht, und im ersten Augenblick sieht man keine Beziehung zwischen der Farbe und der wasserbindenden Eigenschaft des Lehms. Der Zu- sammenhang ist indessen folgender: Aller Lehm der dänischen Roll- steinformation ist ursprünglich blaugrau, und in diesem Zustande findet sich derselbe in einer den Umständen nach gröfseren oder geringeren Tiefe. Diese blaugraue Farbe rührt von dem Eisen her, das in dem dänischen Lehme ursprünglich als Eisenoxydul (Jernforilte) vorhanden ist. Der Einwirkung der Luft, und besonders der vereinten der Luft und des Wassers ausgesetzt oxydirt das Eisen sich in höherem Grade zu Eisenoxyd (Jerntveilte), dieselbe Verbindung, welche mit Wasser vereinigt den gelben Rost bildet, der das Eisen in feuchter Luft über- zieht. Wenn daher ein blauer Mergel im Herbste auf den Acker ge- fahren wird, und im Winter dem Froste ausgesetzt bleibt, der Feuch- tigkeit und der Luft zugänglich ist, wird er sehr bald dieselbe gelbe Farbe annehmen, welche der Lehm oder Lehmmergel zeigt, wo er in der Nähe der Erdoberfläche gefunden wird, und wo daher lange von der Luft auf ibn eingewirkt ist. Diese Oxydirung, welche die atmo- sphärische Luft in dem gemeinen Lehm hervorbringt, wird nicht durch die unmittelbare Einwirkung des luftförmigen Oxyduls der Atmo- sphäre hervorgebracht; sondern dadurch, dafs das Oxydul der Atmo- sphäre von dem Wasser eingesogen und in diesem verdichteten Zu- stande auf den Lehm übertragen wird. Je mehr durchdringlich nun der Lehm für das Wasser ist, desto leichter wird er daher oxydirt wer- den, und da die Durchdringlichkeit des Lehms besonders von dem Vor- handensein des Sandes abhängig ist, wird die Farbeveränderung gleich- falls im Verhältnifs zu der vorhandenen Sandmenge stehen, und der sandfreie Lehm wird seine blaue Farbe behalten, selbst wenn er sich in der Nähe der Oberfläche findet. 392 J. G. Forchhammer: Wenn wir demnächst zur Beantwortung der Frage übergehen, wo- her das Wasser, welches unseren Erdboden durehdringt, seinen Ur- sprung nimmt, und wo es die fremden Bestandtheile aufnimmt, welche selbst das reinste Grundwasser enthält, dann lautet die Antwort, wenn wir nur Bezug auf unser Verhältnifs nehmen, dafs es aus der Atmo- j sphäre herrührt. Hier und dort werden aber auch Quellen gefunden, deren Wasser einen ganz anderen Ursprung hat, indem es nicht von der Verdichtung der in der Atmosphäre verbreiteten Wasserdämpfe herrührt, sondern von Dämpfen, welche durch unterirdisches Feuer im Schoofse der Erde entwickelt sind und sich in den höheren Erdschich- ten verdichten. Eine solche Quelle hat man in einem alten erlosche- nen Vulkan in der Nähe von Neapel, Solfatara, künstlich gebildet, wo dort in den sogenannten Fumarolen sich eine Menge Wasserdämpfe entwickeln, die man in einen Thurm geleitet hat, in welchem sie sich auf den Mauern verdichten und zu einer Quelle gesammelt werden. Eine entsprechende Verdichtung geschieht auf einer der jonischen In- seln, wo das Seewasser in eine unterirdische Höhle strömt und die Dämpfe abgiebt, welche in einem höheren Theile der Erdschichten als eine Quelle mit fast chemisch reinem Wasser hervorbrechen. Solche Quellen und Brunnen werden in Dänemark nicht gefunden; dahingegen kann das Seewasser hier und dort in der Nähe des Meeres die Schich- ten durchdringen und sich mit anderem Grundwasser vermischt in Brunnen sammeln, die daher Brakwasser führen. Auch dieses Verhält- nils ist nur eine Ausnahme, und die weit überwiegende Menge von Quellen und Brunnen empfängt ihren ganzen Wasservorrath aus der Atmosphäre. Kommt dieses atmosphärische Wasser in der Form von starken Regen zur Erde, so kann der Lehm nur einen sehr geringen Theil da- von aufnehmen, die grölseste Menge wird auf der Oberfläche fliefsen, und nur in so weit tiefer in dieselbe eindringen, als sie auf Sand- schichten trifft; kommt es dagegen in der Form von feinerem Regen und Thau und besonders von Schnee auf die Oberfläche, so wird die geringe Menge Wasser, die in jeder gegebenen Zeit mit dem Lehm in Berührung kommt, von demselben aufgenommen werden können, und die ausgedörrten Schichten mit Wasser sättigen. Dies ist die Ursache, dals es besonders die schneereichen Winter sind, welche die Erde mit einer hinreichenden Menge Grundwasser verschen. Das von dem Sande aufgenommene Wasser bewegt sich geradeaus und verhältnifsmäfsig mit grolser Geschwindigkeit abwärts durch die kleinen Canäle zwischen den Sandkörnen, bis es den schon vollkommen gesättigten Theil der Sand- schichten erreicht. Das von dem Lehm aufgenommene Wasser bewegt sich sehr langsam durch dessen sehr feine Canäle, bis es auch eine Ueber die wasserführenden Schichten, besonders in Dänemark. 393 Sandschicht trifft, welche dann, in so weit die Zwischenräume dersel- ben nicht schon mit Wasser angefüllt sind, auf den Lehm wie ein System von kleinen Drainröhren wirken wird. Die Saudschichten em- pfangen also das Wasser, welches sie enthalten, und welches sie mit Leichtigkeit an Quellen und Brunnen abgeben können, theils unmittel- bar von der Oberfläche, theils durch Drainirung des Lehms. Auf die- ser Eigenschaft des Lehms, das Wasser langsam aufzunehmen und es wieder langsam an die Sandschichten abzugeben, beruht die ausglei- chende Wirkung desselben in Bezug auf das Grundwasser, die sich be- sonders dadurch zeigt, dals die Erde in der warmen Jahreszeit und in trockenen Jahren im Stande ist, weit mehr Wasser an Quellen und Brunnen abzugeben, als man aus der gefallenen Regenmenge annehmen würde. Darauf beruht es weiter, dafs die Quellen ihre gröfseste Wasser- menge nicht in der Regenzeit, sondern ziemlich lange nach der eigent- lich nassen Jahreszeit führen. " Die Höhe, bis zu welcher sich das Wasser in den Brunnen und Quellen heben kann, ist ausschlielslich von der Höhe abhängig, in wel- cher das Wasser in der Sandschicht steht. In dieser Weise geht die mechanische Bewegung des Wassers vor sich, aber auf diesem von ihm durchmessenen Wege löst es die ver- schiedenen Bestandtheile auf und verändert seine chemische Natur. Das Wasser enthält auch schon, wenn es auf die Erdoberfläche fällt, einige fremde Bestandtheile, die es in der Atmosphäre aufgenommen hat. Dieselben sind eine geringe Menge Oxydul, dessen Wirkung auf die Bestandtheile des Lehms schon weiter oben von dem Verfasser an- gegeben wurde, eine noch geringere Menge Stickstoff (Quaelstof), dessen Einwirkung auf den Erdboden noch nieht genau bekannt ist. Nächst- dem enthält es Kohlensäure, die eine aufserordentlich wichtige Rolle spielt, wie es bald näher bezeichnet werden wird, und Ammoniak, der sehr schnell von den Pflanzen aufgenommen wird. In einzelnen Fäl- len kann es eine geringe Menge Salpetersäure enthalten, welche ge- sättigt von den im Erdboden anwesenden Basen, ebenfalls aufgenom- men wird. In dem Erdboden selbst werden Stoffe gefunden, welche von dem reinen Wasser aufgelöst werden können. Dieses sind, so weit sie un- organische sind, besonders Kochsalz und Gyps; wo dahingegen ein durch Jahrhunderte und Jahrtausende fortgesetzter Pflanzenwuchs die ursprüngliche Erde bedeckt hat, ist eben durch diese Pflanzen selbst eine grofse Veränderung vorgegangen und eine Menge verschiedener Stofle, die als unauflöslich in dem ursprünglichen Erdboden gefunden werden, sind, besonders durch Mitwirkung der Pflanzen, neue Verbin- dungen eingegangen, und werden nun in einem auflösbaren Zustande 394 J. G Forchhammer: in dem Theile der Erdrinde gefunden, welche wir die Erd- oder Hu- musschicht nennen. Hier finden sich nun als der wesentlichste Be- standtheil Ueberreste von Pflanzen selbst, die besonders eine grolse Menge Kohlenstoff enthalten, und welche, wenn durch die Wärme der Atmospäre und die Feuchtigkeit auf sie eingewirkt wird, eine lang- same Verbrennung erleiden, wodurch der Erdboden erwärmt wird und sich in ihm Kohlensäure bildet, welche sowohl unmittelbar als mittel- bar durch die Eigenschaft derselben, andere in dem Erdboden vorkom- mende Stoffe aufzulösen, das Hauptmaterial zur Ernährung der Pflan- zen liefert. Die Kohlensäure, welche in dieser Weise in einem humus- reichen, besonders frischgedüngten Erdboden gebildet werden kann, vermag bis zu einer Höhe von mehr als 14 Procent von der in der Schicht anwesenden Luft anzusteigen, während sie in der Luft selten mehr als z'; Procent erreicht. In dieser obersten Humusschicht wird nun das verhältnilsmälsig sehr reine Regen- und Schneewasser aufser- ordentlich stark verunreinigt und durch unverbrannte organische Stoffe gefärbt. Es nimmt eine grolse Menge Kohlensäure auf und erhält da- durch die Eigenschaft Kalk und Magnesia, Eisenoxydul und Mangan- oxydul aufzulösen, und ebenso die in reinem Wasser unauflösbaren phosphorsauren Salze. Es kann kieselsaure Salze zersetzen und da- durch die Auflösung von einiger Kieselerde veranlassen. Dazu kom- men noch alle die Salze, welche in den Säften der Pflanzen aufgelöst waren und nach deren Verrodung in die Humusschicht übergegangen sind, worauf das Wasser wieder sie auflöst. Das Wasser aus einer solchen Humusschicht würde für Menschen und Thiere völlig unbrauch- bar sein, und selbst eine geringere Menge desselben ist im Stande jedes andere Wasser zu verderben. Indem wir demselben nun in seiner Be- wegung nach unten folgen, gehen daselbst sehr wesentliche Verände- rungen mit ihm vor; wohl wird die reichliche Menge Kohlensäure, welche es enthält, eine noch gröfsere Menge Kalk auflösen, aber in- dem es noch tiefer abwärts dringt, wird die Kohlensäure verdampfen und dadurch der Kalk, Magnesia und die phosphorsauren Salze abge- setzt werden, während das Eisen, auf welches die atmosphärische Luft einwirkt, ebenfalls unauflöslich gemacht wird. Die organischen Sub- stanzen und viele von den aus den Pflanzen herrührenden Salzen wer- den von dem eisenhaltigen Lehm angezogen, und also wird die Filtri- rung durch die ersten 4 bis 5 Fuls Erde nicht nur das Wasser von den darin mechanisch schwebenden Stoffen befreien, sondern auch einen grofsen Theil der chemischen Beimischungen wegnehmen, die es in den höher liegenden Schichten aufgenommen hat. Darum ist das Was- ser, welches aus Drainröbren kommt, die in einer Tiefe von 4 bis Ueber die wasserführenden Schichten, besonders in Dänemark. 395 5 Fuls im Lehm liegen, schon farbefrei und enthält selten recht viele unorganische Salze. In vielen Ländern findet sich in einer gröfseren Tiefe wieder eine reichlichere Menge Kohlensäure, deren Menge mit der wachsenden Tiefe zunimmt, weil sie aus dem Innern der Erde herrührt, und mit der wachsenden Kohlensäurenmenge wächst dann wieder die Quanti- tät der aufgelösten fremden Stoffe, die indessen nun fast ganz frei von ‘organischen Substanzen sind. Das Wasser nähert sich dann der Zu- sammensetzung, welche die sogenannten Mineralwasser charakterisirt. In Dänemark ist diese, aus dem Innern der Erde herstammende Koh- lensäure etwas Seltenes, und da die dänischen Erdschichten in grölse- rer Tiefe meistentheils nicht viele, in reinem Wasser auflösbare Stoffe enthalten, ist dasselbe, selbst wenn es aus tieferen Brunnen und Boh- rungen herrührt, im Ganzen genommen sehr rein und weich. Wir wollen nun zu einer Betrachtung der Beschaffenheit des Was- sers in den verschiedenen Formationen im Allgemeinen übergehen, um von dieser zu den einzelnen Schichten zu gelangen, die in Dänemark vorzugsweise wasserführend sind. Die Urformation. In dieser Bildung, in soweit sie aus Gra- nit und Gneifs besteht, was in Skandinavien der vorherrschendste Fall ist, sind sehr wenige, in reinem Wasser auflösbare Bestandtheile enthalten und selbst das kohlensaure Wasser wirkt bei gewöhnlicher Temperatur nur sehr wenig auf dieselben ein. Da sie aufserdem nicht besonders poröse Substanzen enthält, kommen keine eigentlich was- serführende Schichten darin vor, so dafs sich das Wasser nur in Klüf- ten und Ritzen sammeln kann, wovon dann wieder eine Folge ist, dafs sie ziemlich arm an Wasser, aber dafs dieses Wasser im Allgemeinen sehr rein ist. In der Uebergangsform, besonders in der, welche sich auf der skandinavischen Halbinsel und Bornholm findet, kommen schon meh- rere weiche, vom Wasser durchdringliche Schichten vor, aber diese bestehen theils aus schwefelkieshaltendem Schiefer, theils aus Sand- stein. Nur auf den letzten wirkt das Wasser nicht ein und er giebt deshalb reines Wasser, während das aus den übrigen Schichten, sowohl Kalk, wie Eisen- und Schwefelsäure auflöst. In der Kohlenformation sind die Schichten bedeutend weicher, da sie aber Eisenkies in grofser Menge enthalten, wird das Wasser häufig Eisen- und Schwefelsäure aufnehmen und dadurch stark verun- reinigt werden. Die permische Formation, welche eine so unbedeutende Rolle in Europa spielt, kann hier ganz übergangen werden, besonders da 396 J. G. Forchhammer: sie sich auch in Beziehung auf ihre Wasserführung nicht gerade aus- zeichnet; desto wichtiger sind die Bildungen, die man unter dem Na- men Trias zusammenzufassen pflegt und die den wichtigsten Theil aller Salzformationen und die gröfste Masse von Gypsgebirgen, die in irgend einer Bildung vorkommen, enthalten. Es liegt schon in dem Angeführten, dals reines und weiches Wasser hier zu den Ausnahmen gehören, und dals das Wasser, das diese Formation durchströmt, viel Gyps aufgenommen haben mufs, und im Allgemeinen auch eine nicht geringe Menge von Kochsalz. Darauf kommen die jurassischen Bildungen, deren tiefsten Schichten, die sogenannten Liasschiefer, mit Eisenkies von einer so eigenthümlichen Zusammensetzung überladen sind, dafs die Kohlensäure schon Schwefelbrinte oder Schwefelwasserstoffgas austreiben kann. Aus diesem Grunde kommen unter den aus dieser Formation hervorbre- chenden Quellen eine Menge vor, welche Schwefelwasserstoff enthal- ten und nach faulen Eiern riechen, und dieses Verhältnifs ist so cha- rakteristisch, dafs fast alle schwefelwasserstoffhaltenden Gesundbrun- nen, die sogenannten natürlichen Schwefelbäder, aus dieser Bildung berrühren. Es folgt schon daraus, dafs das Wasser aus dem Lias- schiefer im Ganzen genommen für die Bedürfnisse des täglichen Le- bens ganz unbrauchbar sein mufs. Die oberen Schichten der Jurabil- dung sind poröser, zum Theil sehr eisenhaltiger Kalkstein, und das Wasser, welche diese Schichten durchsickert hat, pflegt sowohl stark kalk- als eisenhaltig zu sein. Die darauf folgende grofse Kreideformation tritt nun in einem ganz anderen Charakter vor. Abwechselnd mit den grofsen, porösen Kalkschichten, welche diese Bildung charakterisiren, werden ebenso grolse Schichten von Sand und Sandstein gefunden. Während die Kalkschichten oft Kalk an das Wasser abgeben, sind dahingegen die sandigen Schichten von einer so eigenthümlichen Beschaffenheit, dafs sie Wasser sowohl in einer sehr reichlichen Menge, als auch von einer vorzüglichen Beschaffenheit abgeben. Die erste Eigenschaft ist abhän- gig von der grofsen Ausdehnung und ebenso grofsen Mächtigkeit der sandigen Schichten; die Reinheit des Wassers dagegen beruht auf der eigenthümlichen Verbindung, in welcher das Eisen in dieser Bildung gefunden wird. Dieses Metall ist nämlich überall in der Natur aus- gebreitet, kommt aber in sehr verschiedenen Vereinigungen vor. In einer grofsen Menge Bildungen ist es als Schwefeleisen vorhanden und diese Verbindung leidet unter der Einwirkung des Wassers solche Ver- änderungen, dafs sie bald Schwefelsäure bildet, bald Schwefelwasser- stoff, der sich im Wasser auflöst, während darin auch gleichzeitig eine mehr oder minder grofse Menge Eisen aufgelöst werden kann. Dem- - Ueber die wasserführenden Schichten, besonders in Dänemark. 397 nächst wird das Eisen in anderen Formationen in grofser Menge als kohlensaures Eisen vorkommen, das sich gleichfalls in kohlensaurem Wasser auflöst, oder als Eisenoxyd, das unter Einwirkung der mei- sten organischen Substanzen reducirt wird und dann gleichfalls in dem kohlensauren Wasser auflösbar ist. In der Grünsandschicht der Kreide- formation ist das Eisen dagegen als kieselsaures Eisenoxydul zugegen, auf welches das kohlensaure in einem aulserordentlichen geringen Grade und das reine Wasser durchaus nicht einwirkt. Fügen wir hinzu, dals Salz und Gyps nur ausnahmsweise und äulserst selten in der Kreide- formation vorkommen, dann wird es klar, dafs diese sich vor allen den älteren Bildungen durch reines Wasser in reichlicher Menge aus- zeichnen mufs. In allen den Bildungen, die neuer als die Kreide sind, gehören sehr ausgedehnte Schichten zu den grofsen Seltenheiten, und daher rührt es, dafs diese wohl viele und gute Quellen haben, diesel- ben jedoch selten sehr wasserreich sind. Tiefe Bohrungen in der Ab- sicht angestellt, reichliches und gutes Wasser zu schaffen, sind deshalb zum grölsten Theile in den Gegenden angestellt, in welchen man Grund hat die Grünsandschicht der Kreideformation in einer erreichbaren Tiefe zu erwarten. Dazu gehören die berühmten Brunnen in der Grafschaft Artois, die allen tiefen gebohrten Quellen den Namen artesischer ge- geben haben, ferner der berühmte Brunnen in Grenelle bei Paris, und einige Brunnen in London. Bei dem Uebergange zu einer genaueren Angabe der Schichten, welche in Dänemark vorzugsweise wasserführend sind, kann der Ver- fasser die älteren Schichten nur in Kürze erwähnen, da sie hier nur eine sehr unbedeutende Rolle spielen und ausschliefslich auf der Insel Bornholm vorkommen. Dort findet man einige einzelne, nur sehr we- nig Wasser führende Quellen im Granitterrain, und in der Juraforma- tion treten dort mehrere stark eisenhaltige Quellen auf, die, wie ja auch die zu Ramlösa in Schonen, welche auch aus der Jurabildung kommt, schon zu den Mineralquellen gerechnet werden können. Die älteste Schicht, welche in Dänemark bedeutende Wassermas- sen führt, ist die des dänischen Grünsands, die in ihren Verhältnissen zu den anderen Schichten der Kreideformation insoweit verschieden von dem Grünsande in Westeuropa ist, dafs sie über der Schriftkreide liegt, während die westeuropäische Grünsandschicht unter der Schrift- kreide gefunden wird. Diese Eigenschaft führt zu dem Gewinne zweier wesentlicher Vortheile, von denen der erste der ist, dals man diese Sehicht in einer verhältnifsweise geringen Tiefe findet, und der andere der, dafs die darunterliegende Kreide, die, wie es schon früher be- merkt wurde, auf die unterirdische Wasserbewegung wie der Lehm wirkt, das Wasser fest hält, welches sonst vielleicht tiefer hinabsinken 398 J. G. Forchhammer: könnte. Diese Grünsandschicht beginnt in dem östlichen Theile von Seeland bei der Kjöge-Bucht, erstreckt sich von dort gegen Roeskilde, wo man sie bei dem Dorfe Thune ganz kürzlich bei einer Brunnen- grabung gefunden hat, und in einer grolsen Menge von Bruchstücken, die auf der Oberfläche liegen, kann man sie durch das ganze nördliche Seeland bis zum Klintebjerg im Odsherred verfolgen. Ganz vor Kur- zem hat man bei einer Ausmodderung des Hafens in Aarhuus eine Steinschicht gefunden, die eine auffallende Aehnlichkeit mit den feste- ren Schichten des Grünsands hat. Da Aarhuus in der Fortsetzung des seeländischen Grünsandgürtels liegt, ist es wahrscheinlich, dafs diese aufgenommenen Stücke zu einer feststehenden Grünsandbildung gehören, welche sich dann wahrscheinlicherweise in nordwestlicher Richtung in Jütland hinein fortsetzt. Nächstdem ist der Grünsand auf der westlichen Seite der born- holmschen älteren Gebirge bekannt, wie denn auch einige Andeutun- gen vorhanden sind, dafs er auf der südlichen Seite von Falster ge- funden werden kann. Der seeländische Grünsandgürtel ist aufseror- dentlich reich an natürlichen, sehr wasserreichen Quellen. Dazu ge- hören die Quellen bei Aashöi in der Nähe von Kjöge, wo der Grün- sand fast an die Oberfläche tritt, die Quelle bei den Solhöi-Häusern, wo eine vor einigen Jahren angestellte Bohrung es bewiesen hat, dals sie ihren Ursprung in dieser Schicht hat. Die Quelle in Taastrup- Waldby gehört gleichfalls hierzu, was auch durch eine Bohrung bewie- sen ist, und dasselbe gilt ohne Zweifel von der Quelle am Thorsbrun- nen am Kjögeweg. Es kann kaum einem Zweifel unterworfen sein, dafs die sehr wasserreichen Quellen bei Roeskilde ihren Ursprung in der- selben Schicht haben, denn theils hat sich die Grünsandschicht bis Thune, eine Meile von Roeskilde, verfolgen lassen, theils liegen diese Quellen in dem Grünsandgürtel, theils hat das Wasser ganz dieselbe Beschaffenheit, wie andere Quellen, welche nachweislich ihren Ursprung in derselben Schicht haben. Ob die starken Quellen, die bei Rye in der Nähe vom Issefjord hervorbrechen und die schon sehr nahe an ihrem Ursprunge die Werke der Wintermühlen treiben, sowie auch die Vindequelle in Odsherred auch aus derselben Bildung herrühren, ist nicht entschieden, wird aber durch die Lage derselben in dem Grün- sandgürtel wahrscheinlich gemacht. Nach der durch geognostische Beobachtungen bestimmten Begren- zung des Grünsandgürtels wurden in dem Oberlande des sogenannten Ladegaardstrom in einer Gegend, wo keine wasserreichen Quellen be- kannt waren, Bohrungen angestellt, um wo möglich einen Theil des zur Versorgung Kopenhagens nothwendigen Wassers herbeizuschaffen. Diese mit grolsem Glücke ausgeführte Unternehmung hat Gelegenheit Ueber die wasserführenden Schichten, besonders in Dänemark. 399 gegeben, die Grünsandschieht und deren Wasserreichthum näher ken- nen zu lernen. Sie besteht theils aus Sand, theils aus grobem Kies, die bald von einer dünnen Kalksteinschicht, bald hingegen von dem weit jüngeren Rollsteinlehm bedeckt ist. Der Wasserreichthum war im Anfange aulserordentlich grofs, so grols, dafs in 24 Stunden aus 16 Bohrlöchern gegen 80,000 Tonnen Wasser gewonnen wurden. Diese Wassermenge hat nach und nach ein wenig abgenommen, was, wie man vermuthen kann, durch zwei Ursachen veranlafst wird, nämlich theils durch die geringere Regenmenge, welche die späteren Jahre ge- geben haben, und die namentlich bis zu diesem Jahre (1858) sehr deut- lich zu erkennen war, theils durch den feinen Sand, welchen der starke Wasserstrom mit sich geführt und in den Bohrlöchern und nahe bei deren niederen Mündung abgesetzt hat. Das Wasser ist sehr rein, ent- hält aber eine Spur von Schwefelwasserstoff und eine geringe Menge Eisen, von welchen die erste verdampft und das andere sich in den ersten zweihundert Schritten des Laufs des Wassers absetzt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs man an vielen anderen Stellen in diesem seeländischen Grünsandgürtel durch Bohrungen Wasser er- halten wird, das sich über die Erdoberfläche hebt, überall ist es aber nicht der Fall, und unter den behufs der Versorgung Kopenhagens mit Wasser angelegten Bohrlöchern ist auch eins, in welchem das Wasser sich 8 bis 10 Fufs unter der Oberfläche hält, während der Brunnen im Dorfe Thune, der durch 20 Fuls Grünsand gebrochen ist, das Wasser sich über 60 Fuls unter der Erdoberfläche hält. In den übrigen Theilen der Kreideformation kommt im Allgemeinen eine geringe Menge Wasser auf der Grenze zwischen Schriftkreide und Leimstein (Liimsteen) vor. Man sieht diese Quellen auf der angeführten Grenze in Stevns Klint, wo sie an manchen Stellen als ein feuchter Streif zu Tage treten. Zu diesen Quellen gehören auch die, welche in einem Halbkreise auf dem Abhange von Faxö-Bakke vorkommen, und ohne Zweifel zwischen dem Faxökalk und der Schriftkreide fliefsen. Das Wasser aus einer dieser Quellen von der Oberfläche der Schriftkreide, welches der Verfasser untersucht hat, enthält eine merkwürdige Menge kohlensaures Natron, welches auch ein nicht seltener Bestandtheil vom dänischen Quellwasser ist. In der Braunkohlenformation kommen auch ausgedehnte und mächtige Sandschichten vor, die fast immer Eisen enthalten und mei- stentheils auch eisenhaltiges Wasser abgeben. Uebrigens kennt man sehr wenig über die Wasserführung dieser Schicht. Weit wichtiger sind die Sand- und Kiesschichten, die der däni- schen Rollstein-Lehmformation angehören, und eine derselben, die eine grolse Rolle auf dem südöstlichen Theile der Halbinsel, zwi- 400 J. G. Forchhammer: schen Kiel und Veile, spielt, ist bekannt unter dem Namen Korallen- sand. Sie besteht aus Sand und Kies, wovon der letzte eine Menge flacher und abgeschliffener Strandsteine aufweist, deren Oberfläche häufig 6 bis $S Quadratzoll einnehmen; sie hat ihren Namen davon enthalten, dals sie eine grolse Menge ausgewaschener Korallenbruchstücke ent- hält, die von dem zerstörten Leimstein der Kreideformation herrühren. In Angeln, wo sie häufig gefunden werden, benutzt man sie als Sand- mergel. Die Stelle, wo diese Bildung am ausgezeichnetsten vorkomnt, ist die Umgegend von Flensburg, wo sie unter Lehm liegt und aufser- ordentlich wasserreich ist. Alle Quellen, welche in der Stadt Flens- burg selbst und zu beiden Seiten des Flensburger Fjord hervorbrechen, rühren aus dieser Schicht her. Dasselbe ist der Fall in der Umgegend von Apenrade, und auf der Westküste von Fühnen sieht man in den steilen Felsufern, dafs das Wasser in einer grofsen Menge von Quellen auf der untersten Grenze der Schicht, wo sie auf dem Lehme ruht, hervortritt. Das Wasser des Korallensandes ist im Allgemeinen sehr rein, enthält aber doch häufig eine ziemlich bedeutende Menge Kalk, die von Korallenstücken herrührt und sich als eine Ablagerung von Kalksinter an den Stellen zeigt, wo die Quelle an die Oberfläche her- vortritt. In dem westlichen Jütlande findet sich unter der grofsen Haide- ebene, deren Oberfläche aus gelbem Sand besteht, in einer etwas wech- selnden Tiefe, die man vielleicht auf einen Zwischenraum von 6 bis 16 Fufs veranschlagen kann, eine Lehm- und Mergelschicht, welche wieder eine sehr mächtige und ausgedehnte Kiesschicht bedeckt. Am besten ist diese Schicht bei Rögindkro, in der Nähe von Ringkjöbing bekannt, wo auf Veranlassung des Ministers des Innern eine tiefe Boh- rung ausgeführt wurde. Der Lehm fing in einer Tiefe von 47 Fuls an und blieb bei bis zu 23 Fuls 10 Zoll, wo die Sand- und Kiesschicht anfing und in einer Tiefe von 182 Fufs 10 Zoll noch nicht durchbohrt war. Die tieferen Theile der Sandschicht sind lehmhaltend, und es scheint, als ob man bald eine Lehmschicht treffen würde. Das Was- ser steht in diesem Bohrloche mit einer schwach wechselnden Höhe, die nicht weniger als 9 Fuls 6 Zoll unter der Erdoberfläche war, wäh- rend sie zuweilen bis gegen 8 Fufs unter derselben Fläche aufstieg. Da der Lehm bis in eine gröfsere Tiefe reicht, folgt daraus, dals diese Lehmschicht einen Wasserdruck von unten empfängt, der sich an vie- len Stellen dadurch zu erkennen giebt, dafs das Wasser den Grund in den Mergelgruben aufbricht, wenn man unvorsichtig zu tief hinab in die Mergelschicht gedrungen ist. Es scheint aus den bei den Boh- rungen und in den Mergelgruben gesammelten Erfahrungen zu folgen, dafs der Wasserdruck in dieser Kies- und Sandschicht an keiner Stelle Ueber die wasserführenden Schichten, besonders in Dänemark. 401 stark genug ist, um das Wasser an die Oberfläche hinaufzutreiben, und dafs der aufserordentlich grofse Wasserreichthum, der in dieser tiefen Sandschicht gefunden wird, nur mit Hülfe von mechanischen Mitteln zur Nutzleistung an die Oberfläche geschafft werden kann. Für die täglichen Bedürfnisse der Bewohner ist dieses Wasser leicht zugänglich, man braucht dazu nur einen Brunnen bis zu einer Tiefe von 12 bis 16 Fufs unter der Oberfläche zu graben, und dann den Lehm zu durchbohren, bis man auf die Kiesschicht stöfst. Man wird dann Zugang zu einem Wasservorrath haben, der wohl als unerschöpf- lich angesehen werden darf. In den übrigen Theilen des dänischen Landes kommen auch wohl in der Rollstein-Lehmbildung eine grolse Menge kleinere Sandschich- ten vor, die zwar Wasser führen, aber doch nur in einer verhältnifs- mälsig geringen Menge. Die letzte wasserführende Schicht von gröfserer Ausdehnung wird in der Bildung gefunden, welche der Verfasser Rollsteinsand nannte, der in dem gröfsten Theile des Landes die oberste Schicht ist, die überhaupt vorkommt. Die Rollsteinsandberge pflegen alle dänischen Fjorden und alle dänischen Landseen zu umgeben und scheinen den gröberen Theil des Materials zu enthalten, das durch die Wasserbe- wegung während der Bildung der Fjorde und Landseen versetzt wurde, während der feinere Theil fortgespült und ohne Zweifel zum grölsten Theile auf dem Grunde des Meeres abgelagert ist. Diese Schichten des Rollsteinsandes haben im Allgemeinen keine sehr grofse Ausdeh- nung, und da sie gleichzeitig der Austrocknung durch Sonne und Wind ausgesetzt sind, pflegen die Quellen, die ihren Ursprung in diesen Schichten haben, weder sehr wasserreich, noch in ihrem Wassergehalt sehr beständig zu sein, und das Wasser ist im Allgemeinen gut, da sie aber in unmittelbarer Verbindung mit der durch Pflanzenwuchs be- deckten und theilweise veränderten Oberfläche stehen, kommt es auch nicht selten vor, dafs das Wasser einen Theil organischer Substanzen enthält, die durch ihre Gährung auf die schwefelsauren Salze einwir- ken, die Bildung von Schwefel veranlassen und dem Wasser einen fauligen, höchst unangenehmen Geschmack und Geruch mittheilen. Diese Veränderung kommt nur selten bei den eigentlichen Quellen mit fliefsendem Wasser vor, dagegen häufiger bei Brunnen, in denen das Wasser stehend ist und dadurch die Gährung begünstigt. Nach dieser Schilderung der dänischen wasserführenden Schichten erlaubt sich der Verfasser eine Frage aufzuwerfen, deren völlige Be- antwortung ihm von aufserordentlich grofser Wichtigkeit zu sein scheint; es geht aus allen bisher gemachten Erfahrungen hervor, dafs unter einem grolsen Theile der westlich jütländischen Haideebene eine aus- Zeitschr. f. allg. Erdk, Neue Folge. Bd. IX. 26 402 Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ gedehnte, mächtige und wasserreiche Kies- und Sandschicht befindlich ist, deren Wasser unter einem Druck steht, welcher es nicht an die Oberfläche treiben kann, das sich aber nach einer etwas unsicheren Mittelzahl zwischen 8 und 12 Fufs unter derselben erhält. Die Frage ist nun, ob dieses Wasser mit Vortheil durch mechanische Kräfte, ent- weder des Windes oder der Dampfmaschinen auf die Oberfläche ge- pumpt und zur Bewässerung der Wiesen und Grasflächen benutzt wer- den kann. XIV. ' Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ Reise in das ÖOst-Jordan-Land. Von R. Doergens. (Vortrag, gehalten in den Sitzungen der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 4. November und 8. December 1860.) (Hierzu eine Karte, Taf. IV, Orthographie gleich der im Bericht des Consuls Wetz stein Bd. VII gebrauchten, in der Karte g’ = g des Textes — deutschem dsch.) Von der Reise, welche ich im Auftrage Sr. Excellenz des Herrn Cultusministers mit dem preufsischen Consul Herrn Dr. Wetzstein in die östlich vom Jordan gelegenen Distriete Syriens machte, bin ich Ende August hierher zurückgekehrt. Ueber diese Reise, auf welcher ich Höhenmessungen,, geographische Ortsbestimmungen und Zeichnun- gen zu machen hatte, erlaube ich mir im Folgenden einen kurzen Be- richt zu erstatten. Höhenmessungen sind bisher in den von uns bereisten Gegenden fast gar nicht gemacht worden, theils weil die Bewohner jener Länder die dazu erforderlichen Instrumente schon mit verdächtigen Blicken be- trachten und die Operationen damit sehr gefährden, theils wegen des schwierigen Transports solcher Instrumente in jenen Gegenden. Die erste Schwierigkeit wurde grölsestentheils dadurch beseitigt, dafs ich mit Herrn Dr. Wetzstein als preulsischem Consul die Reise machen konnte; denn die Worte „preulsischer Consul“ ebenso wie „englischer Consul* haben unter den Arabern einen sehr guten Klang. Was die zweite Schwierigkeit betrifft, so war ich so glücklich, das Ba- rometer, welches ich von hier mitnahm, eben so wie die astronomi- schen Instrumente ganz und unversehrt wieder zurückzubringen. Die Vergleichung mit dem Normalbarometer ergab, dafs das von mir be- nutzte Barometer sich gar nicht verändert hat, dafs seine Gleichung =0 ist, ein Umstand, den ich deshalb erwähne, weil er zu der Ga- Reise in das Ost-Jordan-Land. 403 rantie für die Sicherheit aller meiner damit gemachten Messungen we- sentlich beiträgt. Die correspondirenden Beobachtungen während un- serer Reise hat der österreichische Consul in Damascus Herr Pfäfinger mit einem guten Heberbarometer zu machen die Güte gehabt; glück- licherweise erbielt ich diese Beobachtungen noch kurz vor dem Aus- bruche der schrecklichen Katastrophe in Damascus, sie würden sonst gewils ein Raub der Flammen geworden sein. — Von den 145 ver- schiedenen Punkten, deren Höhe ich gemessen, habe ich bis jetzt 24 nach der Formel von Laplace berechnet; die Resultate sind in die Kartenskizze eingeschrieben, welche Herr Prof. Kiepert nach meinen Winkelmessungen und Beobachtungen zu construiren die Güte hatte. — Die Feuchtigkeit der Luft, die ich stets beobachtet, habe ich bei diesen Berechnungen noch nicht in Betracht gezogen; die Zahlenangaben sind deshalb noch nicht ganz genau, aber genügend zu einer Betrachtung der Höhenverhältnisse in den von uns durchreisten Gegenden. Von den an 11 verschiedenen Stationen gemachten astronomischen Ortsbestimmungen habe ich bis jetzt nur die Breite von Damascus be- rechnet. Was meine Zeichnungen anbetrifit, so bestehen sie in archi- tektonischen, Terrain- und anderen Skizzen. So viel von meiner Beschäftigung und ihren Resultaten im Allge- meinen; ich wende mich jetzt zu der Reise selbst. Am 19. April d. J. brachen wir von Damascus auf. Mehmed Ef- fendi und der Derwisch Abu Mustafa, dieselben beiden Damascener, welche den Consul schon auf seiner früheren Reise in den Haurän be- gleitet hatten, nahm derselbe auch diesmal wieder mit. Mehmed Ef- fendi ist einer jener vorurtheilsfreien Muslim, deren es in Damas- cus leider nur sehr wenige giebt; bei den traurigen Scenen, welche letzthin in Damascus vorgegangen sind, habe ich namentlich gefunden, dafs er ein Mann von biederem Charakter und von freundlich theil- nehmender Gesinnung auch gegen die sogenannten Ungläubigen ist, wie ich ihm denn auch für meine Person nicht genug Dank wissen kann, dafs er auf meiner Rückreise von Damascus nach Beirüt mir ein treuer Beschützer war. Aufser diesen beiden Damascenern begleiteten uns zwei Beduinen- schechs, Hasan und Hosen mit Namen, und ein Kawals im Dienst des königl. Consulats; zwei Maulthiertreiber aus dem Dorfe Sälihije waren für den Transport unseres Gepäcks bestimmt. — Von unseren vier Begleitern machte nur Abu Mustafa die ganze Reise mit, denn Schech Hasan verliefs uns am 11ten, Hosen und auch leider Mehmed Effendi in Mzerib am 23östen Tage unserer Reise. Von Damascus wendeten wir uns zuerst südwestlich, machten am ersten Tage Halt in Där&ja und betraten am zweiten 4 Stunde nörd- 26 * A0A Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ lich von den beiden Hügeln Kökeb und Güne das mächtige Vulkan- gebiet Mittelsyriens, welches die Provinzen G&dür, Gölän, Haurän und die nördlich und östlich von diesen gelegenen Distriete umfalst, von denen die drei ersten zunächst Gegenstand unserer Untersuchung sein sollten. In der Provinz Gedür lenkte der zwischen den Dörfern Sa’sa‘ und el-Kiswe gelegenen War von Zäkie unsere Aufmerksamkeit in hohem Grade auf sich. Er ist ein Lavaplateau, welches sich 20 bis 25 Fufs über die Ebene erhebt, von 3 Stunden Länge und beinahe eben so viel Breite. Bei unserem Eintritt in dasselbe von Nordwest her trat die Fruchtbarkeit des Bodens auf einmal zurück; statt der üppigen Getreidefelder sahen wir auf diesem Plateau nur kahle, schwarz- glänzende Lavamassen. Es ist als Lavaerguls eines östlich gelegenen Vulkans zu betrachten; wer dieser Vulkan gewesen, das vermag ich nicht mit Bestimmtheit anzugeben. Die Ströme sind von Osten her- gekommen, das sieht man; über die Lava, die schon theilweise erstarrt war, ist wieder neue hingeflossen und so ist es ein Chaos von in und über einander geflossenen Strömen geworden. Wild, zerrüttet und zer- klüftet sieht das Plateau aus und es ist ein gefährliches, schwer zu passirendes Terrain. Einen eigenthümlichen Eindruck machen die klei- nen Lavahügel in diesem Plateau; sie sind von geringer Höhe, zwi- schen 5 bis 10 Fuls, von ziemlich regelmäfsiger, flach konischer Gestalt, und gleichsam als Blasen zu betrachten, die, nachdem der Druck, der sie in die Höhe trieb, aufhörte, in der Mitte geborsten sind und deren Oberfläche sich beim Erkalten, der ungleichmäfsigen Zusammenziehung wegen, so mannichfaltig gespalten hat. Auf dem höchsten Punkte des Plateaus, ungefähr in der Mitte desselben, liegt das Dorf Zäki&, welches wir nach einem sehr beschwer- lichen Ritte auf diesem glatten und zerklüfteten Terrain am dritten Tage unserer Reise Abends erreichten. Im Aeufsern wie im Innern trug dieses Dorf den Charakter der ganzen Gegend an sich, äufser- lich nämlich war es von dem Boden kaum zu unterscheiden, da seine Häuser aus rohen Lavablöcken zusammengefügt waren, nur seine plat- ten Lehmdächer verriethen menschliche Wohnungen; innerlich, indem nichts von Vegetation, kein Baum oder Strauch vorhanden war. Ab- gesehen von den Bewohnern war der Eindruck der der ganzen Ge- gend, nämlich ein todter. Was mir jedoch inmitten dieser Einöde Interesse erregte, war der Einblick in die Lebensweise der Bewohner. Unsere Anwesenheit in Zäki& fiel auf den vorletzten Tag im Monat Ramadhan, dem Fa- stenmonat der Muslim. Nachdem man mit der gröfsesten Strenge sich im Laufe des Tages jedweden Genusses, sowohl von Speise und Trank, als auch des Tabacks enthalten hatte, erwartete man sehnlichst Reise in das Ost-Jordan-Land. A05 Sonnenuntergang; da aber der Himmel sich trübte und man so diesen Zeitpunkt nicht wahrnehmen konnte, so ging man mich an, als einen Himmelskundigen, wie man glaubte, denselben zu bestimmen. Dann lagerte man sich um die auf der Erde stehende, das Gericht enthal- tende grofse Schüssel und es begann das Essen mit der rechten Hand. Mit dieser einfachen orientalischen Sitte konnte ich mich anfangs nicht recht vertraut machen. Nach dem Essen machte ein Täfschen schwar- zen starken Kaffee’s, ein wahres Bedürfnifs nach einem heifsen, stra- pazenvollen Tage, und dann die lange Pfeife den Beschlufs. Von dem War von Zäki& wendeten wir uns wieder südlich und untersuchten nach einander die vereinzelt dastehenden vulkanischen Er- hebungen, wie Tell Meri, Tell Scha‘är, Tell Krim und Tell-Hära; es sind niedrige, meist konische Hügel mit deutlichen, meist schönen run- den Kratern. Die Ebene, in welcher alle diese Berge liegen, ist im allgemeinen höher als Damascus; sie ist ausgezeichnet durch ihre grolse Fruchtbarkeit, mit herrlichen Getreidefeldern und Weideplätzen bedeckt, daneben aber auch mit Basalten und Lavastücken wie besäet. Gegen die einzelnen Berge hin steigt die Ebene jedesmal schon in ziemlich weitem Umkreise an. Der Tell el-Hära ist der am meisten südlich gelegene der einzelnen Punkte, zugleich der höchste und schönste derselben. Er erhebt sich 720 Fufs über der Ebene, welche an seinem Fufse um 530 Fufs höher liegt als Damascus. Von der Nordwestseite erstiegen wir ihn und gelangten, auf dem breiten Rande seines Haupt- kraters fortschreitend, zu seinem Gipfel. Auf demselben fanden wir eine Ruine, wahrscheinlich Reste eines früheren Wachtthurms, sowie in der Nähe eine gemauerte, gut erhaltene Cisterne. Aufser dem Haupt- krater des Hära lassen sich noch mehrere kleinere Nebenkratere an ihm unterscheiden. Ich entwarf den Grundrifs dieses interessanten Berges und zeich- nete auch mehrere Durchschnitte, sowie die Ansicht desselben. Das Gestein ist neben festem Basalt mit eingesprengtem Olivin eine poröse, sehr zersetzte Lava. Die vielfach sehr zersetzte vulkanische Masse in der Ebene ist der Grund der grofsen Fruchtbarkeit derselben. Wir wendeten uns vom Tell el-Hära westlich, um den El-Hisch zu untersuchen, jenen langen knieförmigen Gebirgszug, dessen nörd- licher Theil dicht bewaldet ist und der auch zuweilen als das Wald- gebirge von Kan£tra bezeichnet wird. Er erschien uns immer als eine südliche Fortsetzung des Hermon, aber wir haben gefunden, dafs er als ein von diesem ganz verschiedenes Gebirge zu betrachten ist, weil er entschieden vulkanischen Ursprungs ist. Sein südlichster höchster Punkt ist der Tell el-Faras. ‘Wir waren in dieser Gegend mehrere Tage Gäste des Gouverneurs 406 Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ von Gölän, welcher sich in dieser Provinz aufhielt, um die Steuern einzutreiben, und welcher zu diesem Zwecke täglich seinen Ort, in nördlicher Richtung ziehend, veränderte; wir zogen einige Zeit mit ihm und gelaugten so an die Grenze zwischen dem Hermon und dem Hisch; sie zieht sich deutlich südlich vor dem Gebel Suwana vorbei, dann nach den Dörfern Mesade und Zaüra und weiter westlich, soweit ich dies beobachten konnte. Unser nördlichster Punkt in dieser Gegend war die Burg Bäniäs auf dem Berge gleichen Namens, welcher zum Hermon gehört; der See Birket Räm, welcher einige Stunden südöstlich liegt, ist zum Hisch gehörig; seine Höhe beträgt 2980 Fuls. Man glaubt, wenn man an dem hohen Uferrande steht, einen mit Wasser gefüllten Krater vor sich zu sehen. Im Norden des Hisch ist der höchste Punkt desselben; es ist näm- lich der Tell Abü Nidä, ein sehr schön ausgeprägter Krater von huf- eisenförmiger Gestalt; dicht neben ihm von derselben Form und fast glei- cher Höhe befindet sich der Tell Eram; die Spitze des Abü Nidä fand ich zu 3860 Fuls über dem Meere, er erscheint, von aulsen gesehen, wie ein flacher schiefer Kegel, welcher sich in einer Höhe von 850 Fufs über die Ebene erhebt, die der Hisch bier bildet und die man gleich- sam den flachen Kessel des Hochplateaus nennen könnte. Auf dem äufsern Mantel des Kegels ist der Abü Nidä nur sehr spärlich bewal- det, der Krater dagegen, welcher sehr tief ist, ist dicht mit Eichbäu- men bewachsen. Vom Hisch wendeten wir uns nun südwestlich nach dem See Ti- berias. Es ist interessant, den Fall des Terrains nach dieser Richtung hin zu beobachten, es steigt gleichsam terrassenförmig und aufseror- dentlich stark abwärts. Wir passirten auf diesem Wege die Dorfruine Kan£tra (d.i. Brückchen), von der die Gegend den Namen zu haben scheint, wenn sie ihn nicht vielleicht von dem jetzt verfallenen Chan von Kanttra in der Nähe des Abu Nidä erhalten hat. Am 6. Mai erreichten wir das eine Stunde östlich vom See gele- gene Dorf Fik, von dem sich ein sehr breites tiefes Thal nach dem See hinzieht und von dem wir eine sehr schöne Aussicht auf den so tief liegenden See hatten. Wir unternahmen am 7. Mai den Ritt durch dieses Thal hinunter nach dem See und passirten auf diesem Wege die Ruine der alten Stadt Gamala, deren Gröfse einstmals bedeutend gewesen sein muls; sie liegt 4 Stunde vom See entfernt, ist aber noch gegen 1000 Fufs über dem Niveau desselben erhaben. Wir würden von der Hitze schrecklich zu leiden gehabt haben, wenn uns der Himmel nicht günstig gewesen wäre; er bedeckte sich und so war es bei einer Tempe- ratur von 22° am Ufer des See’s erträglich; er war sehr bewegt, seine Ufer waren mit blühenden Oleandern umgeben, sonst aber war Alles Reise in das Ost-Jordan-Land. 407 hier unten von der Gluth der Sonne versengt. Das Zwitschern der Vögel, welche hier in ungestörter Freiheit leben und deren Nester ich in grolser Menge in den verdorrten Gesträuchern sah, gab der Einöde einiges Leben. Wir nahmen vom See Tiberias unsere Richtung östlich; am 10. Mai waren wir in Mz£rib; von den Punkten, die wir auf dieser Tour untersuchten, will ich den Tell “Aschtere erwähnen, auf dem einst, wie man seit Capt. Newbold’s Entdeckung annimmt, Astharoth-Karnaim, die Residenz des Königs Og von Basan gestanden haben soll. Dieser Hügel erhebt sich 70 bis 80 Fufs über der Ebene, und hat 1200 Schritt im Umfang; er ist mit einer 24 Fufs dicken Mauer umgeben gewesen, die sich noch fast überall verfolgen läfst; behauene Steine finden sich sehr wenig auf ihm, und es ist wohl kaum anzunehmen, dafs auf dem Tell el "Aschtere die Residenz eines Königs gewesen sei. Wir kamen in Mzerib an zur Zeit, als die von Damascus kom- mende Pilgerkarawane dort stationirte; es war damit zugleich ein grolser Markt verbunden, auf dem Damascener Kaufleute ihre Waaren feilhiel- ten und den die Pilger, hauptsächlich aber die Beduinen benutzten, ihre Einkäufe zu machen. Es war die Menge des Fremdartigen und Neuen, das hier zu sehen war, so bedeutend, dafs die Zeit unseres Aufenthalts in Mzerib — es waren 6 Tage — eigentlich zu kurz war, um alles genau zu betrachten. Mzerib selbst besteht aus einem gro- (sen Kastell; es wird dort von der türkischen Local-Regierung in Damascus eine kleine Besatzung gehalten, zum Schutze der in den umliegenden Dörfern wohnenden Bauern gegen die Raubsucht der Be- duinen; aber der Zweck wird wenig oder gar nicht erreicht. Wir nahmen nun von Mz£rib aus am 15. Mai unseren Weg öst- lich, in der Absicht, den Haurän zu untersuchen. Am 18. Mai waren wir in der Nähe des Dorfes T£jibe, in der Zedi-Niederung, Gäste Fezal’s, des einen von den beiden grofsen Sch&chs der ‘Aneze, dem sich 18,000 Reiter auf seinen Wink unterordnen. Ich hatte in dieser Gegend, einer steinigen Wüste, Gelegenheit, eine interessante Beob- achtung zu machen über den Uebergang der Morgens immer herr- schenden Ostwinde in die Mittags anfangenden Westwinde. Das Heran- nahen der letzteren kündigte sich jedesmal durch mächtige Staubhosen an, die in einer Richtung von NO. nach SW. fortschritten, mit einer Geschwindigkeit von einigen Fuls in der Secunde. An dem unteren Ende der Staubhose war ihre Geschwindigkeit grölser, daher blieb der obere Theil etwas zurück, während es zuweilen vorkam, dafs in einer bedeutenden Höhe die Geschwindigkeit wieder gröfser war, wodurch die Gestalt der Staubhose eine S-förmige wurde. Es war um diese Zeit immer ziemlich windstill, und es kam mir so vor, als kämpften 408 Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ die beiden entgegengesetzten Windströmungen mit einander; oft dauerte dieses Schauspiel eine Stunde, bis dann das entschiedene Wehen der Westwinde die Bedingungen zu diesen Staubhosen aufhob. Wir gingen nun über Sedä undKerak nach den Tulül Sch&ch Ho- sen, einer interessanten Hügelreihe von etwa sieben Hügeln, die, fast in einer geraden Linie liegend, von NW. nach SO. laufen. Der höchste unter ihnen, der mittelste, ist der Sch&ch Hosen, auf dessen Spitze sich eine alte Ruine befindet, reich an interessanten architektonischen Zier- rathen. Von hier ritten wir über Usluhä und Walga nach den beiden alten ruinenreichen Städten "Atil und Kanawät. Wir waren nun Gäste der Drusen; überall wurden wir mit der gröfsesten Freundlichkeit und Zuvorkommenheit empfangen und überall begegneten die Drusenschechs dem Consul mit der grölsesten Hochachtung. Von Kanawät zogen wir nördlich nach dem Tell Mif’ale und ge- langten von hier durch den Wadi Kasr Tubach auf das Hochplateau des Haurän, welches vor uns noch Niemand untersucht hatte. Die höch- sten Spitzen des Haurän, der Guwe£lil, Gene, Gefne, Kleb ete. lagen nun südlich vor uns; man hatte diese und namentlich den KleEb immer gesehen, aber keinem Europäer war es gelungen, sie zu ersteigen, von kei- nem sind sie gemessen worden. Man hatte bisher geglaubt, der Kleb sei der höchste Punkt des Haurän, aber ich fand, dafs es der Tell el-Gene ist, welcher östlicher als der Kleb liegt und durch diesen verdeckt wird, wenn man den Haurän von der westlichen Seite betrachtet. Der Kleb erhebt sich 5370, der Tell el- Gene 5680 Par. Fuls über dem Meere. Wir durchzogen das Plateau von Norden nach Süden; das Gestein ist ein fester, fast gar nicht zersetzter Basalt. Die Vegetation besteht nur aus Moosen, die Temperatur war sehr niedrig, sie war im Minimum 5°, und dies war im Vergleich zu der von 26 bis 27°, welche wir unten in der Ebene hatten, sehr kalt. Besonders waren die Nächte, welche wir in Beduinenzelten zubrachten, sehr unangenehm. Es ist merkwürdig, dafs sich auf den höchsten Spitzen des Hau- rän Ruinen von alten Schlössern aus der Gassanidenzeit finden, die mitunter von bedeutendem Umfange gewesen sein müssen, wie die Ruine auf der Spitze des Tell el-Gefne beweist; es war mir nicht mög- lich, hier den Grundrifs zu zeichnen, da alles zusammengestürzt war und einen weit ausgedehnten Steinhaufen bildete. Die Bausteine waren regelmäfsig behauen, aber architektonischer Schmuck war nicht zu fin- den. — Unter allen Spitzen des Haurän hat der Kleb die schönste Form. Er bildet, von Süden gesehen, einen fast geraden Kegel und ist dicht bewaldet. Der Kleb hat einen Krater, dessen Oeffnung nach Südwesten geht; es ist unmöglich, dafs sich von demselben ein Lava- strom in nordwestlicher Richtung soll ergossen haben, wie ihn nach Reise in das Ost- Jordan -Land. 409 Herrn Consul Wetzstein’s Angabe die Karte zu dessen ersteren Reise- bericht zeichnet. Wir verliefsen den Kleb und folgten der Einladung des Drusen- schechs aus Sahwet el Blät, der sich durch die Kunde von der An- wesenheit des Consuls in seiner Nähe hatte bestimmen lassen, uns aufzusuchen und uns in seinem Dorfe die freundlichste Aufnahme zu gewähren. Von ihm ritten wir dann nach 'Ire, wo wir Gäste des Haupt- schechs der Drusen im Haurän, Ismail Adrasch, waren. Es war dies am 28. Mai. Wir ahnten nicht, dafs derselbe Mann, dessen Gäste wir jetzt waren, bald in der gräfslichsten Weise seine Hände mit dem Blute der Christen beflecken würde. In 'Ire wurden wir durch den Umstand aufgehalten, dafs ich ein Thermometer, welches mir auf dem Kleb ab- handen gekommen war, zu requiriren suchte. Ich hatte schon auf dem Kleb eine Belohnung für den Finder ausgesetzt und in Sahwet el Blät erfahren, dafs ein Beduine dasselbe gefunden habe; da dieser jedoch sich weigerte, es in’s Dorf zu bringen, weil er besorgte, die Bauern des Dorfes würden es ihm ohne weiteres wegnehmen, so blieb mir nichts Anderes übrig, als von ‘Ire aus das 34 Stunden entfernte Bedui- nenlager aufzusuchen, wo ich dann wieder in den Besitz des Thermome- ters kam. Indem wir uns von 'Ire wieder weiter nach Westen wandten, durchschritten wir die grofse und fruchtbare Haurän - Ebene, die Korn- kammer von Damascus, und waren am 30. Mai in Derät. Dieses liegt am Wadi Zedi, welcher hier genau die Grenze jenes grofsen vulkani- schen Terrains bildet, welches wir im Norden auf unserer Reise bei Kökeb und Güne betreten hatten. Ehe wir mit diesem letzten Punkte von diesem grofsen Vulkan- gebiet scheiden, fassen wir noch einmal auf Grund der einzelnen Unter- suchungen das Ganze in’s Auge. Das Gestein, worauf dieses Vulkan- gebiet ruht, scheint mir von derselben Natur zu sein, wie das, woraus der Libanon besteht, und wie das, welches wir in 'Aglün sahen. Ein Beleg hierfür ist die Beschaffenheit des Wadi Asch’ari. Das Thal die- ses Flusses, welches bei dem Dorfe Asch’ari (14 Stunden nördlich von Mz£erib) eine Tiefe von 3—400 Fufs hat, zeigt an dieser Stelle an seinem Boden in einer Höhe von 10 Fufs denselben Kieselkalkstein, dieselbe Quarzformation, welche ich am Hermon und in ‘Aglün gefun- den habe, während über diese Höhe hinaus die mehrere hundert Fuls mächtigen vulkanischen Lagen beginnen. Dieselbe Erscheinung bot der südlicher gelegene Wadi Zedi bei Der‘ät, nur dafs bei ihm die vulkanische Schicht eine Mächtigkeit von nur einigen Fufsen hatte. In vorhistorischer Zeit traten vulkanische Eruptionen ein, es bil- deten sich der Hisch, der Haurän und die nördlich von ihm gele- genen Vulkane des Safä; aus ihren Kratern ergofs sich die vulkani- 410 Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ sche Masse nach allen Richtungen und es wurde so dieses mächtige vulkanische Terrain gebildet; je weiter von ihren Ausgangspunkten, desto flacher wurden die Ströme, bis sie zuletzt ganz aufhörten. Der Hisch wirkte viel schwächer als der Haurän, der im Süden und Osten sich sehr weit ergossen hat; im Westen desselben entstand so die grofse Haurän-Ebene, die je weiter nach Westen immer niedriger wird. Ich habe durch Messungen an verschiedenen Punkten derselben ihre Neigung gegen den Horizont bestimmt. Ich bin der Ueberzeugung, dafs, nachdem jene ersten Eruptionen, jene Ueberfluthungen stattgefunden hatten, später, als die Masse schon erstarrt war, hin und wieder Hebungen und auch Lavaergielsungen aus noch offenen Kratern eingetreten sind; wer diese Krater waren, das vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Was die Hebungen betrifft, so scheinen mir jene Hügel wie der Tell Meri, Tell Scha‘är, Tell Gumü' und der Abü Nidä solcher Natur zu sein. Es sind mächtige Blasen gewesen, die nachdem der Druck, der sie in die Höhe trieb, nachgelassen, in der Mitte sich senkten. Bei manchen sieht man deutlich, wie z. B. beim Abü Nidä, dafs das Gestein von einander abrifs, als der Druck wich und die Senkung statt- fand. Zu den späteren Lavaergielsungen rechne ich den War von Zäkiö; er mufs entschieden einer späteren Zeit angehören. Dies ist meine Ansicht von dem Vulkangebiet Mittelsyriens, ge- stützt auf die eigene Anschauung desselben. — Aus den verschiedenen Höhen, die ich gemessen, wird es möglich sein, ein Höhennetz zu con- struiren und mit diesem und den gemachten Terrainbeschreibungen eine plastische Darstellung dieses interessanten Gebiets zu liefern. Es würde mir nun noch übrig bleiben, meine Erfahrungen und Beobachtungen in den Provinzen 'Aglün und Belkä mitzutheilen. Beide Distriete erstrecken sich zusammen vom Scheriat el-Menädire (Man- dür oder Jarmük dem Hieromax der Alten) bis zum Wadi-Mögeb (dem Arnon der Alten), ihre Westgrenze ist der Jordan und das todte Meer, ihre Ostgrenze die grofse syrische Wüste; beide sind durch den von Osten nach Westen zum Jordan fliefsenden Wadi Zerka von einan- der geschieden. — Auf die Reise von Der‘ät, unserem Ausgangspunkte gegen Süden hin, und die Rückkehr auf einem etwas mehr östlicher gelegenen Wege haben wir im Ganzen drei Wochen verwandt. — Derät, dessen ich schon früher erwähnte, liegt in einer Ebene am Wadi Zedi; dieser Ort soll Edrei, die zweite Residenz des Kö- nigs Og von Basan gewesen sein; auch jetzt ist es kein unbedeu- tender Ort, wiewohl die gegenwärtigen Wohnungen und Gebäude weit gegen die Reste der früheren grofsen Bauten abstechen. Auch muls Derät in früheren Zeiten einen viel grölseren Umfang gehabt Reise in das Ost-Jordan-Land. 411 haben, weil eine Menge von Fundamenten innerhalb und aufser- halb des heutigen sich finden. Ich bemerkte sehr viele künstlerisch behauene Steine, welche die Bewohner des Orts vielfach beim Bau ihrer Häuser verwandt haben; auch finden sich viele Steine mit grie- chischen Inschriften in Derät. — Nachdem wir mit vieler Mühe einen Führer bekommen hatten, brachen wir am 1. Juni von Der‘ät auf. Es machte Schwierigkeit einen Führer zu erhalten, da derartigen Leuten durch die schon aus dem alten Testamente her bekannte Sitte des Aehrenlesens auf den Erntefeldern Gelegenheit gegeben ist, sich eine ziemliche Menge zusammenzulesen; wie uns versichert wurde, täglich im Werthe von 60 Piastern = circa 4 Thlrn. Von Der‘ät aus, indem wir zunächst eine südwestliche Richtung nahmen, überschritten wir die sich von NNW. nach SSO. ziehende Kette kleiner Hügel, ez-Zumle genannt; diese Kette ist ganz kahl und öde und erhebt sich in geringer Höhe circa 4—500 Fuls über der Ebene. Dann schlugen wir den Weg nach Remta ein, einer Station auf der Pilgerstralfse von Damaskus nach Mekka. — Das Dorf Remta bietet dem Wanderer in jenen Gegenden einen recht freundlichen An- blick dar; während nämlich bisher auf unserem Wege die Häuser der Dörfer, welche wir sahen, aus jenen schwarzen vulkanischen Gesteinen erbaut waren und deshalb einen unheimlichen Eindruck auf uns mach- ten, fanden wir in Remta zuerst das Gegentheil. — Die Winkelmes- sungen, welche wir von hier aus nach benachbarten Punkten vornah- men, führten uns auf den Gottesacker des Dorfes, welcher als der höchste Punkt desselben unseren Zwecken am günstigsten war. Wir bemerkten hier eine grofse Anzahl von Weibern, die unter lautem Wei- nen und Wehklagen die Grabhügel ihrer Verstorbenen aus irdenen Krügen mit Wasser besprengten. — Unser Weg, den wir von Remta aus in südwestlicher Richtung fortsetzten, ging über ebenen Boden und führte uns durch schöne Weizenfelder; wir passirten einige kleine nicht sehr tiefe Wadis, die normal zu der Richtung, in welcher wir ritten, flossen, und erreichten dann spät Abends das wenig bedeutendere Dorf Hauära. — Eine anziehende Erscheinung auf dieser Tour waren die zahlreichen Heerden von Gazellen, die sich hier zeigten. So lange sie sich allein glaubten, weideten sie ruhig auf den Feldern, sowie sie aber die Nähe von Menschen gewahrten, ergriffen sie eilig die Flucht. Wir sahen, wie die Beduinen ihnen nachjagten und sie mit ihren Lan- zen niederzustofsen versuchten. In dieser Gegend litten wir besonders an Wassermangel, da die Jahreszeit schon weit vorgerückt war; wo wir Wasser antrafen, war dasselbe aufserordentlich schlecht und schmutzig, oder gar wie es in Remta der Fall war, voll kleiner Thierchen. Nicht geringere, ja noch gröfsere Noth bereitete uns die Insektenwelt, welche 412 Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ namentlich in den Häusern zur Nachtzeit uns entsetzlich heimsuchte, so dafs es manchmal unmöglich war zu schlafen und wir, wo es nur die Witterung gestattete, uns unter freiem Himmel lagerten. Man kann von Hauära den Gebel ‘Aglün beginnen lassen, denn auf unserem weiteren, immer noch in derselben Richtung fortgesetzten Wege be- gann das Terrain gebirgig zu werden. Von hier ab durchschnitten wir eine ganze Reihe von Wadis oder Thälern; diejenigen, welche wir zuerst passirten, waren von geringer Länge und Tiefe, aber je weiter man nach Süden kommt, desto gröfser wird die Ausdehnung derselben. Obgleich die Richtung dieser Thäler im allgemeinen sehr verschieden ist und ihre Zahl sehr bedeutend, so kann man doch mehrere bedeu- tendere Wadis auszeichnen, welche im ganzen und grolsen die Rich- tung von ONO. nach WSW. oder von O. nach W. festhalten und eben dadurch dem Reisenden einen Anhaltspunkt zur Uebersicht und Ord- nung des Ganzen gewähren. Das fortwährende Reisen in solchen ge- wundenen Thälern hat den grofsen Nachtheil, dafs man sich der ge- sammten Gestaltung des Terrains oft gar nicht bewufst wird. Es ist begreiflich, dafs bei solcher Bodenbeschaffenheit dem Rei- senden ein guter kundiger Führer unerläfslich ist, wenn er sich in die- sem System von Thälern und Plateaus, deren Zahl nach dem Jordan- thale hin bedeutend zunimmt, einigermalsen zurechtfinden will. Aber in keinem Distriete sind die Beduinen und Bauern milstrauischer und un- zugänglicher als gerade in ‘Aglün und zwar noch mehr in den südlicher gelegenen Gegenden. Den Grund hierfür kann man vielleicht daher ableiten, dals die Bewohner dieser Distriete von der türkischen Regie- rung, deren Macht hier ein Ende hat, unabhängig leben, und so jeden Fremden als einen Feind ihrer Freiheit in Verdacht haben, und wenn nun erst ein solcher nach der Beschaffenheit des Landes, nach ihren Ver- hältnissen sich erkundigt oder seine Instrumente zur Beobachtung her- vorzieht, so ist es ihnen eine ausgemachte Sache, dafs derselbe Erobe- rungsabsichten hege, mindestens aber als Kundschafter ausgeschickt sei, das Land auszuspähen. Wir haben diese Erfahrung oft machen müssen, wenn wir Gäste dieses oder jenes Schöchs waren; während zuerst die Fragen der geselligen Unterhaltung mit der grölsten Bereit- willigkeit beantwortet wurden, ja die Leute, wie es schien, sich ein Vergnügen daraus machten, uns recht viel zu erzählen, wurden alle plötzlich stumm, sobald wir etwas niederschrieben; sie stiefsen sich dann gegenseitig an und verabredeten sich, uns gar keine Mittheilung mehr zu machen. Besonders unheimlich kam es den Beduinen vor, dafs wir mit Bleistift schrieben; denn solch ein Ding, mit dem man schreiben könne, ohne es in Dinte zu tauchen, das etwas zurücklasse aus sich selbst, schien ihnen ein sehr seltsames Räthsel zu sein. Um Reise in das Ost-Jordan- Land. 413 ihnen ihren Willen zu thun, mufsten wir den Bleistift nicht allein im ganzen Kreise herumgehen lassen, sondern ihnen auch gar manches Stück abgeben. — Die Neugierde, mit welcher sie immer die Instru- mente zu sehen wünschten, war für uns im höchsten Grade lästig; ein spalshafter Umstand jedoch knüpfte sich hierbei besonders an den Com- pals. Wie bekannt, wenden sich die Anhänger des Islam bei ihrem Gebete allezeit mit dem Gesichte gegen das Grab des Propheten hin. Da nun aber Mekka von Syrien südlich liegt, so mufste natürlich das “eine Ende der Magnetnadel nach demselben hinzeigen; diese rein zu- fällige Uebereinstimmung ihrer Gebetsrichtung mit der Compalfsrich- tung bestimmte sie aber, den Compals gewissermalsen als ein religiö- ses Instrument zu betrachten, welches zu ihrer grolsen Freude, wie sie beharrlich meinten, die Richtigkeit ihrer Religion beweise. Diese An- sicht war uns, obschon auf der einen Seite lächerlich, doch auch wie- derum sehr willkommen, da wir in Folge dessen überall mit der Bous- sole ungestört operiren durften, während die anderen Instrumente, die ihnen nicht einen so praktischen Nutzen zu haben schienen, stets mit milstrauischen Blicken betrachtet wurden. Bald ritten wir nun von Hauära ab; aber kaum hatten wir es im Rücken, als unser Führer mit einem Male wortkarg wurde, bis er endlich ganz verstummte. Da er auf dem Wege von Remta nach Hauära bereitwillig über alles Auskunft gegeben hatte, so muls ich wohl annehmen, dafs die Bauern von Hauära ihn aufgehetzt hatten. — Es war uns absolut unmöglich etwas Wahres aus ihm herauszubrin- gen, und wir sahen uns genöthigt, uns in dem nächsten Dorfe Mezär nach einem anderen umzusehen. — Dieses Mezär ist an sich ein un- bedeutender Ort mit einer verfallenen Moschee, aber bemerkenswerth durch seine hohe Lage; nicht blofs war uns von seiner Höhe eine herrliche Aussicht auf die nächste Umgebung geboten, sondern auch ein grolser Fernblick möglich und damit die Verbindung neuer unbe- kannter Punkte mit schon bekannten erlaubt, wozu im ganzen nur wenige Punkte dieses Gebirgslandes Gelegenheit geben. In nächster Umgebung erblickten wir ziemlich westlich liegend unser nächstes Reise- ziel, das 3 Stunden entfernte Tibne, während gegen Norden in weiter, weiter Ferne die Hermonspitze deutlich sichtbar war. Der Weg von Mezär nach Tibne war beschwerlich, weil wir hier den ziemlich tiefen Wadi Gelde (?) passirten, der NW. von Mezär ent- springt und in südwestlicher Richtung sich bis zum Jordanthale fort- setzt; wir folgten dem Laufe dieses Wadis mehrere Stunden lang und schlugen dann bergansteigend den Weg nach Tibne ein, an dem sich nördlich der genannte Wadi vorbeizieht. Es war eine recht baumreiche Gegend, in der wir uns hier be- 414 Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ fanden, wle wir sie auf unserer ganzen Reise nur einige Male, am Hisch und theilweise im Haurän gefunden hatten; wir konnten nun einmal wieder eine Zeit lang im Schatten wandern und waren auf diese Weise vor den Gluthstrahlen der Sonne geschützt. Die Bäume waren meist Eichen, deren es zwei verschiedene Arten gab, eine von geringerer Höhe mit kleinen Blättern, eine zweite von kräftigerem Wuchse und grolsblätterig, an unsere norddeutschen Eichen erinnernd, auch viele Butmbäume (wilde Pistazien) fanden sich -hier. Tibne, der Sitz eines sehr reichen und gastfreundlichen Sch£chs, hat eine sehr feste und hübsche Lage (seine Höhe beträgt 1980 Fufs über dem Meere) und gewährt mit seinen schmucken aus gut behaue- nen Steinen aufgeführten Häusern einen freundlichen Anblick. Unter allen zeichnet sich das des Schechs durch besondere Pracht aus, es bestand aus zwei Etagen, hatte ein grolses Portal und war von aulsen mit zahlreichen Sceulpturen geschmückt, in ähnlicher Weise, wie man sie in Damascus häufig sieht. Ringsum ist das Dorf von anmuthigen Thälern umgeben, von denen der Wadi Gelde auf der Nordseite das grölste ist. — Wir wurden von dem Schöch in sehr freigebiger Weise bewirthet. — Jusef Schored, so ist sein Name, ist einer von jenen Schöchs, deren Menzil oder Gastzimmer nie leer wird von Gästen; auch jetzt, wo wir bei ihm waren, fanden wir mindestens einige 50 an- dere Gäste anwesend, welche, wie es üblich ist, parthieenweise nach einander sich zur Tafel niedersetzten. Unter denen, mit welchen wir die Ehre hatten die Mahlzeit zu eröffnen, befand sich auch eine etwas seltsame Person; seltsam durch ihr Aeuflseres wie durch ihr Verhalten. Es war der Gouverneur der Provinz 'Aglün, der aber in seinem gan- zen Auftreten nicht den Gouvernenr verrieth. Man fühlte sehr, dafs er vom Schech nur geduldet, nicht geachtet wurde. Wie uns erzählt wurde, hatte er keinen festen Sitz und zog, da von Autorität und Ein- flufs eines türkischen Beamten bei den dortigen Sch&chs keine Rede sein kann, nun als ungebetener Gast von der Tafel des einen zum Schmause des anderen. Nach zweitägigem Aufenthalte verliefsen wir Tibne und zogen jetzt in mehr südlicher Richtung weiter, indem wir auf der Höhe blieben; herrlich waren die schattigen Waldungen von Eich- und Butmbäumen, und sehr dichten schattigen Johannisbrotbäumen; herr- lich die mit den Wäldern abwechselnden Weinpflanzungen, welche ohne besondere Pflege sich über den Boden ausdehnten; aber bitter empfan- den wir auf dieser schönen Tour den Mangel an Wasser. Es gab zwar bei den Dorfruinen, welche wir passirten, auch in der Regel Wassereisternen, und schnell stieg, wenn wir eine solche erreichten, Reise in das Ost-Jordan-Land. 415 einer von unseren Leuten in dieselbe hinab, um sich einen Trunk zu schöpfen, aber jedesmal sahen wir ihn auch traurigen Blicks wieder zurückkehren, weil nirgends mehr Wasser zu finden war. Erst nach- dem wir unter Hitze und Durst bald südlich, bald südöstlich mehrere Stunden unseren Weg fortgesetzt, hatten wir die Freude, uns wieder durch einen frischen Trunk erquicken zu können. Wir kamen näm- lich zu dem Wadi Algieri (?) und indem wir diesem bis zu seiner Mün- dung in den Wadi 'Aglün folgten, zu dem hier gelegenen Dorfe "Ain Genne, in dessen Nähe sich vier grolse Quellen befinden, deren Was- ser in den Wadi 'Aglün flielsen. Das Dorf 'Ain Genne liegt ganz tief im Thale von ziemlich stei- len Bergwänden eingeschlossen. Gegen Westen hin erblickten wir von hier aus die hochgelegene Veste Kal’at er-Robod. Die Häuser des Dorfs sind ziemlich gut gebaut, es hat eine Moschee, und seine Bewoh- ner sind meist Muslim, doch fanden sich auch einige christliche Fami- lien, die mit ersteren in bestem Einverständnifs lebten. Wir stiegen in dem Hause des Sch&chs ab; in der Ecke des kleinen Gastzimmers, in dessen Mitte, in der sogenannten Nukra, einem ummauerten Qua- drat, ein Feuer unterhalten wurde, bemerkten wir einen Araber mit der Fabrikation von Pulver beschäftigt. Er sals auf der Erde und stampfte in einem steinernen Mörser die Materialien, bestehend aus Kohle, Sal- peter und Schwefel, so lange bis es ihm gut genug schien, was er an dem Abbrennen einer Probe erkannte, das er von Zeit zu Zeit vor-. nahm. Wir zogen es vor, lieber auf dem Dache des Nebenhauses zu campiren, als in dieser gefährlichen Nachbarschaft. In ‘"Ain Genne engagirten wir einen Führer, es war ein Christ Namens Nasralla, welcher uns auf unserer weiteren Reise 10 Tage lang begleitete. Während derselben richtete er oft die Frage an uns, wann denn endlich die Europäer zur Befreiung der Christen nach Sy- rien kommen würden, und gab dadurch zu erkennen, wie schmerzlich diese den Druck der Muslim empfinden. Von ‘Ain Genne gelangten wir, dem Laufe des Wadi "Aglün folgend, nach einer halben Stunde zu dem Dorfe "Aglün. Das Thal dehnt sich hier weiter aus und ist voll von Oel- und Feigenbäu- men, welche die Reste einst viel bedeutenderer Anpflanzungen zu sein scheinen. Zugleich waren wir auf unserem Wege der Ruine Kalat er- Robod näher gekommen, die sich einer alten Ritterburg gleich stolz auf der Anhöhe erhebt, das ganze umliegende Gebiet beherrschend. Alsbald schickten wir uns an die Ruinenhöhe selbst zu ersteigen. Auf dem Wege dahin machte uns unser Führer auf eine Höhle von au- fserordentlicher Gröfse aufmerksam. — Dann langten wir bei der 416 Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ Ruine selbst an. Der Grundrifs derselben bildet beinahe ein Quadrat. Die westliche und nördliche Wand derselben war noch ziemlich gut erhalten; die anderen aber sehr zerstört. Sehr starke Mauern und hohe gewölbte Gänge finden sich bei ihr, wie bei den meisten anderen syrischen Schlössern. — Ein tiefer, breiter, mit unsäglicher Mühe in den Felsen, auf welchem die Festung selbst steht, eingehauener Gra- ben umgiebt sie und macht sie dadurch fast unüberwindlich. Hinsicht- lich ihrer Festigkeit, prächtigen Lage und herrlichen Umgebung läfst sie sich mit der Bäniäsburg am Hermon vergleichen. Von den Zin- nen der Ruine hatten wir ein grofsartiges Panorama, denn das ganze Jordanthal vom todten Meere bis zum See Tiberias dehnte sich vor unseren Blicken aus, und wir hatten vortreffliche Gelegenheit, von hier aus eine ganze Reihe von Ortsbestimmungen vorzunehmen. — Der nächste Punkt, auf den wir nun zugingen, und den wir von der Ruine aus in südwestlicher Richtung erblickten, war das Dorf Kefrengi. Von der Höhe von Kal’at er-Robod herabgestiegen, setzten wir über den Flufs "Aglün, wanderten an einer der Mühlen vorbei, die sich hier mit grolser Leichtigkeit anlegen lassen, durch eine Menge von Obstbäu- men hindurch und gelangten so, die südliche Thalwand des Wadi “Aglün ansteigend, zu dem Dorfe Kefrengi. Es ist der Sitz eines Haupt- schechs ebenso wie Tibne. Aber wie verschieden war der Eindruck, den der Herrscher von Kefrengi machte, von dem, den wir bei dem Sch&ch von Tibne erhalten hatten. — Während letzterer im Bewulst- sein des Ansehens, welches er bei seinen Untergebenen geniefst, sich wohl fühlte und stolz einherschritt, fanden wir den Schech von Ke- frengi ganz niedergebeugt. Die Kraft seines starkgebauten Körpers schien gebrochen zu sein, sein Antlitz verfallen, denn seine Söhne sind ihm in der Schlacht erschlagen und er ist mifsmuthig, dafs er nun allein dasteht und dafs er sehen mufs, wie der Schöch von Tibne ihn über- ragt. — Aus dieser seiner niedergedrückten Stimmung erklärt sich auch die Art und Weise, in der er sich gegen den Consul äulserte; während nämlich unsere wissenschaftlichen Operationen bisher fast überall die Bewohner feindselig stimmten, so dafs sie sich oft in un- angenehmen Drohungen ergingen, trat der Sch&ch von Kefrengi nie- dergebeugt heran und sagte, wie er von der Aufnahme des Landes durch den Consul gehört habe, und bat fast in flehendem Tone, wenn hierbei Eroberungsabsichten zu Grunde liegen sollten, dann doch im Falle einer Occupation ihn zu verschonen, der ja schon so hart vom Schicksale getroffen worden sei. Nachdem wir in Kefrengi nur eine Stunde verweilt, brachen wir auf. Indem wir bergaufwärtsreitend, anfangs dem Laufe eines kleinen sich in den Wadi "Aglün ergiefsenden Baches’ entgegenritten, gelang- Reise in das Ost-Jordan - Land. 417 ten wir auf ein Plateau, von dem wir wiederum eine schöne Aussicht auf das nahe Jordanthal hatten. Dann führte uns unser Weg durch einen neuen ziemlich tiefen, von Ost nach West in den Jordan flie- fsenden Wadi, der uns als Wadi 'Arabün bezeichnet wurde; an der südlichen Thalseite dieses Wadi’s ansteigend, zogen wir jetzt durch dichte Wälder, welche noch keine Axt gesehen zu haben schienen, und kamen dann auf die Höhe, wo wir über flache mit Stoppelfeldern be- deckte Bergrücken geführt wurden, und erreichten dann wieder berg- absteigend das Dorf Burma; nachdem wir im Ganzen von Kefrengi nach Burma 5 Stunden gebraucht hatten. Es war dies am 4. Juni Abends. — Hier befanden wir uns auf dem hohen nördlichen Rande des sehr bedeutenden Wadi Zerka (d. i. des blauen Thales). Am anderen Morgen früh machten wir uns auf, um diesen Wadi zu passiren; anfangs war unser Pfad weniger steil, aber je tiefer wir hinunterkamen, desto bedeutender wurde die Senkung und desto felsiger das Terrain. In den verschiedenartig, namentlich stark durch Eisenoxyd gefärbten Kalk- und Sandsteinen zeigten sich viele Versteinerungen. — Man erzählte uns, dafs Ibrahim Pascha in dieser Gegend Eisenbergwerke angelegt habe, die aber bald, nachdem seine Herrschaft in Syrien aufgehört hatte, total wieder zerstört seien. — Die dichten Waldungen, die wir auf der Höhe gefunden, fehlten im Thalgrunde des Wadi Zerka ganz. Aber die Ufer des Flusses waren mit hohem Schilfrohr, blühenden Oleandern und dergl. umgeben. Es war prächtig zu sehen, wie der Flufs unter den sich über ihn hinneigenden Zweigen der Bäume rei- (send dahinströmte. Die Stelle, wo wir den Flufs passirten, fand ich 100 Fuls unter dem mittelländischen Meere liegend, während Burma, von wo wir ausgegangen, 1800 Fuls über dem Spiegel desselben liegt, so. dals wir also von Burma zu der Tiefe von 1900 Fufs hinunter ge- stiegen waren. Wir hatten dazu 14 Stunden gebraucht. Indem wir nun an der südlichen Thalwand das Wadi Zerka hin- aufritten, ‚waren wir in fortwährendem bedeutenden Steigen begriffen. Nach zwei Stunden langten wir bei einer Ruine an, wo wir in der Nähe von Beduinen, welche statt der Zelte nur dürftige Hütten aus Baumzweigen sich gemacht hatten, unser Nachtlager nahmen. Der Blick auf das tiefe Thal des Zerka von hier aus war ein ganz herr- licher. Dann am folgenden Tage in südwestlicher Richtung weiter reisend, erreichten wir den höchsten Punkt des Gebirges, das hier den Namen Gebel Gel’äd führt. ‚Die Höhe dieses Punktes mafs ich zu 3430 Fuls über dem Meere, so dafs wir also von der Furth des Zerka bis-zum Geläd eine Höhe von 3530 Fuls erstiegen hatten. Wie steil überhaupt die Thalwände sind, ist daraus zu entnehmen, dafs man den ‚Weg von Burma bis zum höchsten Punkt, des Gebirges auf 5 Stunden Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 27 418 Consul Wetzstein’s: und R. Doergens’ rechnet. Bei dieser Höhendifferenz war der Unterschied in der Tem- peratur sehr fühlbar wahrzunehmen. Nachdem wir vom Gebel Gel’äd einige Stunden über flache Berg- rücken weggezogen waren, begann das Gebirge wieder abzufallen, und wir erreichten nach einem mehrstündigen Marsche das Dorf Salt, dessen Höhe ich zu 2600 Fufs fand. Mit der Ueberschreitung des Wadi Zerka waren wir in die Provinz Belkä eingetreten, deren Haupt- ort Salt ist. Salt liegt auf einer steinigen Hochfläche aus einem ge- schichteten Kalkstein, die durch Terrassencultur, wie im Libanon, sich auszeichnet. — Das Castell, welches auf hoch überragendem Hügel einstmals das unter ihm liegende Dorf krönte, ist durch Ibrahim Pa- scha zerstört worden. Hier in Salt, wo viel Verkehr, namentlich mit Jerusalem herrscht, hörten wir zuerst von den auf dem Libanon wüthenden Christenver- folgungen, und namentlich von dem Auszuge des Schechs Ismail Adrasch mit seinen Drusen aus dem Haurän. — Es war wichtig für un- sere Weiterreise über diese Gerüchte in’s Klare zu kommen und dies war mit ein Hauptumstand, der uns bestimmte, uns nach Jerusalem zu begeben, welches von Salt 18 Stunden westsüdwestlich entfernt liegt; aulserdem hatten wir die Absicht, die Tiefe des Jordan an der Furth bei Jericho, sowie den höchsten Punkt der judäischen Gebirge, als wel- cher uns das Grab Samuels bezeichnet worden war, zu messen. Die Tour von Salt nach Jerusalem war für uns eine der angreifendsten auf unserer ganzen Reise; nicht blofs war der Weg dahin ein sehr schwieriger, sondern auch durch die räuberischen Horden der “Aduän, welche, wie wir erfuhren, in dem von uns zu passirenden Wadi Scho’eb lagerten, sehr unsicher. Es wurden deshalb, bevor wir von Salt aufbrachen, längere Verhandlungen mit dem daselbst anwesen- den Hauptschöch derselben, “Abd el-"Aziz el-Nimre, gepflogen; als dieser uns seinen Schutz zugesichert hatte, brachen wir auf; am Morgen des 7. Juni, indem wir in das bei Salt beginnende Thal des Wadi Scho®b eintraten. Unerträglich war die Hitze, der wir hier ausgesetzt waren; je weiter wir in dem Thale hinabzogen, desto grölser wurde die Gluth; das Thermometer stieg bis 30° R. An verschiede- nen Punkten mafsen wir den Fall des Wadi Scho‘eb, der sich als sehr bedeutend zeigte. Die Quellen des Flusses Scho’ eb liegen einige Stunden unterhalb, d. h. südöstlich von Salt. Nach einem sechsstündigen Ritte durch den Wadi Scho&b kamen wir nach Böt Nimrin, wo der Flufs, in viele Arme getheilt, in das breite Jordanthal eintritt. Von hier hat- ten wir nur noch 3 Stunden bis an den Jordan. Es ging jetzt durch die nach dem Jordan sanft abfallende Ebene, el-Ghör genannt, hin- durch, und bald erreichten wir das Ufer des Jordan. Die Furth Reise in das Ost-Jordan-Land. 419 bei Jericho fanden wir 1050 Fufs unter dem Meere, und hatten das Mifsgeschick, dafs durch die Lässigkeit unserer Treiber unser Maul- thier durch die starke Strömung umgeworfen wurde und so unser sämmtliches Gepäck die Jordantaufe erhielt. Auf der westlichen Seite des Flusses stiegen wir dann ebenso allmählich wieder hinan bis nach Jericho, welches 3 Stunden von demselben liegt. Es war spät am Abend, als wir in dem armseligen Dorfe Eriha ankamen, in dem wir, da uns nichts anderes geboten war, auf einer Mauer unser Nacht- lager nehmen mulsten. Am folgenden Tage langten wir in Jerusalem an. Hier blieben wir vier Tage, die ich dazu verwandte, die Merk- würdigkeiten dieser Stadt und ihrer Umgebung anzusehen, sowie gleich- zeitig auch auf einem Ausfluge die Höhe von Nebi Samuil (Grab des Samuel) zu messen. Leider mufsten wir in Jerusalem die Gerüchte, von denen wir in Salt zuerst Kunde erhalten hatten, bestätigt hören. Nachdem wir so durch den Abstecher nach Jerusalem unsere Zwecke erreicht hatten, verliefsen wir wieder das westliche Ufer des Jordan und kehrten in das Ostjordan-Gebiet zunächst nach Salt zu- rück. Von Salt aus begleitete uns mehrere Tage lang der Sch&ch der ‘Aduän, 'Abd el- Aziz el-Nimre, mit 13 seiner Leute, welcher uns zu den alten Städten '‘Ammän und Gerasa hinführte. Das berühmte “Am- män, einst die Residenz der Ammoniterkönige, liegt 6 Stunden südöst- lich von Salt. Die eigentliche Stadt ‘Ammän, gegenwärtig ganz ver- ödet und menschenleer, blols dann und wann durch die umherschwär- menden Beduinen belebt, liest im Wadi gleiches Namens, welcher von zwei nackten mäfsig hohen Hügelreihen im Norden und Süden be- grenzt von NO. nach SW. läuft. Im NW. der Stadt befinden sich auf einem hervorragenden Hügel, wie einer Akropolis, die Ruinen eines starken Castells und mehrere Tempel. Sowohl hier oben, als ganz besonders in der eigentlichen Stadt, ist dem Forscher ein reiches Ma- terial geboten. Er sieht die zum Theil zerstörten, zum Theil auch noch ziemlich gut erhaltenen Reste einer mächtigen Stadt, die mit Tempeln, Theatern, Brücken und vielen anderen Bauten geschmückt war. Wir verweilten in diesen Ruinen 6 Stunden, um sie genauer zu untersuchen und die interessantesten Partien aufzunehmen. Wir wür- den noch länger geblieben sein, wenn nicht die uns begleitenden “Aduän uns zur Weiterreise gedrängt hätten. So kamen wir dann nord- westlich bergan reitend zu einer grofsen Grabstätte. Wie es scheint, waren wir hier in der Nekropolis des alten ‘Ammän. Zahllose Gräber waren hier in dem Kalkfelsen ausgehauen, zahlreiche Ruinen von Tod- tenhäusern fanden sich hier. Es war kurz nach Sonnenuntergang als wir unter diesen Gräbern wandelten, und wir konnten uns eines tie- fen schauerlichen Eindrucks nicht erwehren. In der Gestalt und Grölse ig 420 Consul Wetzstein’s und R. Doergens’ Reise in das Ost-Jordan- Land. der Todtenstätte las man noch die Gestalt und Gröfse des Volks, das einst hier gelebt. Der andere nicht minder bedeutende, ja noch viel grofßsartigere Punkt, welchem wir auf unserer Rückreise besondere Aufmerksamkeit widmeten, ist das alte Gerasa, ebenfalls eine Stätte alter, zum Theil vergangener Herrlichkeit. Zwei Tage zogen wir in seinen grolsarti- gen Ueberresten umher. Geräsch ist eine wahre Säulenstadt. Ihr ehe- maliger Haupttempel ruht allein auf eirca 250 Säulen. An den Haupt- stralsen liefen auf beiden Seiten Säulenreihen, von denen noch viele aufrecht dastehen. Drei prächtige Thore, drei herrliche Tempel, drei grolsartige Amphitheater, mehrere Brücken, zwei grolse Bäder, Was- serleitungen und viele andere Ueberreste erfüllen noch heute, wenn auch theilweise zerstört, den Reisenden mit Staunen und Bewunderung. Aber auch diese Stadt ist wie "Ammän längst verödet und verlassen. Obwohl der fruchtbarste Boden sie umgiebt und die Gegend durch den Wadi Geräsch, welcher mitten durch die Stadt fliefst, reichlich bewäs- sert wird, fanden wir doch keine einzige Ansiedelung; auch hier, wo früher ein grolses Volk gelebt haben muls, herrscht jetzt Todtenstille, welche nur zuweilen von flüchtigen Reitern oder von wandernden No- maden unterbrochen wird. Mit Zurücklassung der 'Aduän, die uns bis Gerasa begleitet hat- ten, richteten wir nunmehr unseren Weg gegen Damascus hin, indem wir uns gerade nördlich wandten. Am 21. Juni waren wir wieder in dem Dorfe Remta, wo wir früher, von Damascus herkommend, schon am 31. Mai gewesen waren. Von hier hätten wir direct nach Damas- cus reisen können, aber wir beschlossen vorher noch, die westlich im Lande Irbid gelegenen alten canaanitischen Städte Abil und B£t Aräs aufzusuchen. Zwar war dies Unternehmen, wegen der dort hausenden mächtigen und raublustigen Beni Sachr äulserst gefahrvoll, indefs ge- lang uns unser Wagnils, und wir haben diese alten Städte, die seit Seetzen und Burkhardt von keinem Reisenden betreten worden waren, gesehen und untersucht, ohne irgend wie gefährdet zu werden. Hier- auf kamen wir wieder auf die Heerstrafse nach Mzerib, wo uns Mu- stafa Pascha, der commandirende General der hier liegenden türki- schen Besatzung, sehr anrieth, unsere Rückreise nach Damascus nicht allein, sondern in Begleitung einer Escorte anzutreten. Unter der Be- deckung von 15 Baschi-Bozuks, welche er uns mitgab, langten wir dann nach 1+ Tagen früh Morgens am 26. Juni in Damascus an, nach- dem wir im Ganzen 70 Tage unterwegs gewesen waren. 421 XV. Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. Von E. Quaas !). I. Die S$Szuri’s. Sobald nach den im November und December herrschenden Wind- stillen der für die von Norden kommenden Schiffe günstige Wind, der Nordost-Monsoon, zu wehen beginnt, langen die Szuri’s auf ihren klei- nen Fahrzeugen in Menge hier an. Bewohner der Südküste Arabiens, der überwiegenden Mehrzahl nach aus Macalla stammend, bringen sie die getrockneten Fische, Häute, die sie aus Benädir mitnehmen, und Salz auf den Markt nach Zanzibar. Hier bleiben sie während der gan- zen Dauer des Nordost-Monsoons, und kehren erst im Monat April mit dem Beginn des Südwest-Windes wieder in ihre Heimath zurück, in welche sie hiesige Artikel, besonders Sclaven, importiren. Sie bil- den also nur einen fluctuirenden Theil der hiesigen Bevölkerung; denn obgleich manche von ihnen hier ansäfsig sind, ist die Zahl dieser doch nur sehr klein. Ihre Beschäftigung ist der Handel; viele von ihnen gehen während des Monsoons nach den südlichen Gegenden und machen dort auf eigene Hand Geschäfte und zwar hauptsächlich in Sclaven, die sie in Kiloa billig einhandeln und hierher zum Verkauf bringen. Das Geld dazu wird ihnen, da sie selbst nichts haben, meistens von hie- sigen Speculanten vorgeschossen, die ihnen vertrauen, und ihre Gut- müthigkeit oft genug zu bereuen haben; denn nicht selten kommt es vor, dafs sich der Szuri nicht wieder sehen läfst, oder seinen Dau ver- kauft und dann erklärt, er habe ihn verloren, kurz seinen Gläubiger auf eine oder die andere Art um die geliehene Summe betrügt. Viele verchartern auch ihre Fahrzeuge an hiesige Kaufleute; allein dann ist ebenfalls zu fürchten, dafs sie die ihnen anvertraute Ladung für ihre eigene Rechnung verkaufen und selbst verschwinden. Die hier ansäfsi- gen Szuri’s sind in dieser Hinsicht jedenfalls zuverläfsiger; aber auch an sie kann kein Regrefs stattfinden, weil sie in den meisten Fällen zu den Leuten gehören, von denen nichts zu holen ist. Treulos ihrem gegebenen Worte, wie beinahe alle Araber, Ver- sprechungen im Ueberfluls verschwendend, und ihre Grundehrlichkeit bei Allah und dem Barte seines Propheten beschwörend, kommen sie !) Vergl. „Die Bewohner Zanzibar's. Von E. Quaas“, in dieser Zeitschrift, N. F., Bd. VIII, S. 331 fi. 422 E. Quaas: ihren eingegangenen Verpflichtungen nur in so weit nach, als es ihnen Vortheil bringt. Bei verfehlten Speeulationen, die sie in Gemeinschaft mit Anderen unternommen haben, ihren eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen, und ihrem Partner bereitwillig den ganzen Verlust zu über- lassen, ist bei ihnen, wie überhaupt bei allen hiesigen Kaufleuten im Verkehr mit den Europäern Sitte, und Vorstellungen über die Unrecht- mäfsigkeit einer solehen Handlungsweise erwiedern sie einfach mit den Worten: „Du bist auch ein Europäer und ich nur ein Araber“; das heifst doch gewils sich selbst schlecht genug behandeln! — Ihren Auf- enthalt nehmen die Szuri’s, welche nicht an Bord ihrer Fahrzeuge lo- giren, gewöhnlich bei ihren hiesigen Gastfreunden, die sie sich leicht genug zu verschaffen wissen. Sich durch kriechende Demuth und Schmeicheleien der niedrigsten Art bei reichen Leuten einzuschleichen, stets Besuche während der Essenszeit zu machen, sich auf alle mög- liche Weise in den Haushalt einzudrängen, und als Erkenntlichkeit dafür zeitweilig als Nachläufer (mfudsi) zu fungiren, — das gilt bei ihnen nicht im Geringsten für unehrenhaft. Fleifsige Besucher der Moscheen und strenge Beobachter der äufserlichen Ceremonien ihres Glaubens, sind sie Spitzbuben im Grofsen wie im Kleinen. Niemals ist die Stadt ‘so unsicher, niemals kommen. so viele Räubereien vor, als zur Zeit des Nordost-Monsoons, wenn die Szuri’s allenthalben die Stadt durchstreifen. ‘Von heftigem, aufbrausendem Temperament, ge- rathen sie bei den leichtesten Veranlassungen in Feuer und Flammen und meistens beendet der Dolch oder das Schwert ihre Streitigkeiten. Man thut daher am besten, ihnen so weit als möglich aus dem Wege zu gehen, jeden Zusammenstofs mit ihnen zu vermeiden. Stark im Hafs und stark in der Liebe werden sie durch ein kleines Geschenk zu den eifrigsten Freunden und Vertheidigern ihres Wohlthäters; frei- lich kommen sie nachher: sehr oft wieder, um sich von Neuem in ihrer Anhänglichkeit bestärken zu lassen. Stets höflich gegen Leute, die über ihnen stehen, gehen sie selten an Häusern, deren Herr vor der Thür auf seiner Berasa sitzt, vorbei, ohne demselben ihren Friedens- gruls szaldm aleikum zuzurufen, selbst wenn sie sonst in gar keiner Verbindung mit ihm stehen; es stellt sich auf diese Weise, wie sie meinen, eine Art Bekanntschaft her, die sie später vielleicht einmal zu einer Bitte um ein kleines Darlehn berechtigt; denn darin sind sie nicht im mindesten blöde und selbst die geringste Gabe wird mit Dank von ihnen angenommen. Ihre Kleidung besteht aus dem gebräuchliehen Lendentuche, über welches ein gelbes, bis auf die Knöchel reichendes Hemd gezogen wird; an. den Fülsen tragen sie mitunter Sandalen, und auf dem Kopfe ein rothseidenes Tuch mit breiter gelber Kante und langen seidenen Trod- # Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. 423 deln, die am Hinterkopf bis auf die Schultern herabhängen. Dieses Tuch wird entweder dieht um den Kopf gelegt oder man läfst es, ähn- lich wie das Kopftuch der italienischen Mädchen, oben eine breite Fläche "bilden, die auf beiden Seiten und an der Stirn etwas übersteht. Auf das Tuch geben die Szuri’s aufserordentlich viel; auch ist es, wenn es rein gehalten wird, in der That recht kleidsam; aber Reinlichkeit ist eben keine besonders hervorstechende Tugend dieser Leute, es giebt im Gegentheil kaum ein schmutzigeres Volk als sie. Die durch den Ko- ran vorgeschriebenen körperlichen Waschungen werden in der Regel nur sehr oberflächlich vorgenommen ; es bleibt stets nur beim Benetzen, und was die Kleider anbetrifft, so sind diese gegen das Ende des Monsoons von einer wirklich Abscheu erregenden Schmutzigkeit. Tag und Nacht auf dem Leibe, bei einem Klima wie das hiesige Monate lang unge- waschen, haben sie einen widerlichen Geruch an sich und lassen zu- letzt nur noch an einzelnen Stellen die ursprüngliche Farbe des Zeuges erkennen; besonders hat sich da, wo auf dem Rücken die langen, wohl geölten Haare aufliegen, eine schwarze fettglänzende Kruste ge- bildet, und das Kopftuch giebt sich die möglichste Mühe, hierin nicht hinter den übrigen Kleidungsstücken zurückzubleiben. Allein unbeküm- mert um.allen ihm anklebenden Schmutz, der dem Eigenthümer nicht im mindesten widerwärtig ist, schreitet der Szuri stolz mit langen gra- vitätischen Schritten einher, und seine Erscheinung könnte sonst in der That eine recht stattliche sein. Seine Statur ist schlank, der Körper tadellos, museulös; sein olivenfarbiges ovales Gesicht mit dem vollen dunklen Barte, den durehbohrenden schwarzen Augen, der wohlgeform- ten etwas gebogenen Nase, und dem feingeschnittenen Munde mit den glänzend weilsen Zähnen, könnte beinahe schön genannt werden. Das Haar fällt in langen fliegenden Loeken über Nacken und Schultern, und manchmal trifft man Physiognomien unter diesen Leuten, die mit einem Christuskopfe, wie man ihn bei uns abbildet, die gröfseste Aehn- lichkeit haben. Waffen sind das zweite Ich des Szuri; nie sieht man ihn ohne solche ausgehen. Das hauptsächlichste Stück derselben ist ein wohl 3. Fuls langes, grades, zweischneidiges Schwert, das arabische szif, in der: Landessprache pänga genannt, dessen schmiegsame Klinge un- gefähr 14 Zoll breit ist und ohne irgend welchen Bügel oder eine Kreuzstange zum Schutze der Hand in einen einfachen graden Griff ausläuft. Mit diesem Schwerte verstehen die Szuri’s trefflich umzu- gehen, und tragen es beim Gehen entweder in der Hand oder lassen es an einem Riemen oder einer dieken seidenen Schnur von der linken Schulter herunterhängen, so dafs es, wenn beim Gehen die Hand an den Griff gelegt wird, horizontal nach hinten steht. Aulser dem krum- A2A E. Quaas: men, schon früher beschriebenen Dolche (jimbia), den ein Jeder an einem Gürtel um den Leib befestigt bei sich hat, ist eine Flinte (bun- dücki) von ganz ungewöhnlicher Länge eine allgemein beliebte Waffe. Sechs volle Spannen ist das Mafs des Laufes, und wenn die Leute ihn noch länger bekommen könnten, würde er in ihren Augen noch viel mehr Werth haben; denn wie alle Araber schätzen sie das Gewehr desto höher und trauen ihm um so mehr Kraft zu (wie sie sich aus- drücken), je länger es ist. Uebrigens ist die Mehrzahl dieser Flinten ganz erbärmlich und hat nicht einmal ein Schlofs, sondern wird noch nach der uralten Manier mit der Lunte abgefeuert, die für gewöhnlich um den Schaft gewickelt ist. Lauf und Schaft sind bei ihnen in der Regel nur mit einigen Stückchen Blech oder gar blofs mit etwas Knie- garn mit einander verbunden, daher diese Gewehre im Ganzen ziem- lich ungefährlich sind, wenn auch nicht für den, der daraus schielst. Doch sind die Szuri’s vom Schiefsen aufserordentliche Freunde und brennen ihre gebrechlichen Flinten bei allen nur passenden Gelegen- heiten ab. Sonderbarer Weise halten sie dasjenige Gewehr für das beste, welches am meisten stölst; wer vielleicht eins besitzt, bei dem ihm schon beim dritten Schusse die Schulter blutet, der schätzt es ge- wils über Alles hoch und wäre um Alles in der Welt nicht zu bewe- gen, dasselbe gegen ein weniger starkes, d. h. bequemeres umzutau- schen. Als Schutzwaffe bedienen sich die Szuri’s eines Schildes von Rhinozeroshaut (ngdo), welchen sie für gewöhnlich an einer Schnur an der linken Schulter zu tragen pflegen, so dafs die convexe Seite nach aufsen gekehrt ist. Diese Schilde haben die Gestalt eines Kegels, dessen Mantel in der Mitte ringsherum stark eingezogen ist; ihre Höhe mag 4—6 Zoll, ihr Durchmesser an der Basis 9—12 Zoll betragen. Ihre äufsere Seite ist vielfach mit kreisförmigen, um den ganzen Schild her- umlaufenden, en relief gearbeiteten Linien verziert, auf der abgerunde- ten Spitze befindet sich eine starke Kupfer- oder Messingplatte, und der über die concave Seite liegende Handgriff, ebenfalls von Rhinoze- roshaut, ist mit grofsen messingenen Schrauben befestigt, deren auf der Aufsenseite hervorragende Enden gewöhnlich als Verzierung kleine Ro- setten von demselben Metall tragen. Für Schwerthiebe sind diese Schilde beinahe undurchdringlich, aber wegen ihrer Kleinheit im Ge- fecht gewils nur von geringem Nutzen, und eher eine Zierrath- als eine Vertheidigungswaffe. Von ihren Landsleuten aus dem Hadramaut und den Beludschen, welche die Leibwache des Sultans bilden, sind die Szuris beinahe gar nicht verschieden, nur dafs die ersteren als Regierungsbeamte in der Regel etwas reinlicher gekleidet gehen. — Abends, wenn das letzte Gebet in der Moschee zu Ende ist, versammeln sich die Szuris gewöhn- Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar, 425 lich sehr zahlreich auf dem grolsen Platze in der Nähe des Flaggstocks, feuern ihre Gewehre ab und ziehen dann häufig in Masse durch die "Strafsen der Stadt, voran einige Goma’s, zu deren dumpfen Klängen ihr wilder Gesang ertönt. Ueberhaupt sind die Szuri’s allerhand Lust- barkeiten, Gesang und Tanz sehr ergeben; aber wie alle Morgenlän- der haben sie äufserst wenig Talent für Musik; ihre eintönigen Melo- dien im klagenden Moll sind keineswegs angenehm anzuhören; die Sänger selbst jedoch finden aulserordentlichen Gefallen daran, und ver- sammeln sich besonders in mondhellen Nächten an bestimmten Plätzen der Stadt, um stundenlang zur Begleitung der Goma einige wenige Töne stets in derselben monotonen Reihenfolge abzusingen. Wenn sich ein solches Kränzchen vielleicht gerade unter den Fenstern eines unglücklichen Europäers permanent erklärt hat, so können dadurch selbst sehr kräftige Nerven auf eine harte Probe gestellt werden. Ihre Tänze halten die Szuri’s zu jeder Tageszeit ab, und sie sind werth einmal angesehen zu werden. Vor dem grofsen Eingangsportal auf der nördlichen Seite des Forts und auf dem grolfsen Platze vor dem Palaste des Sultans kann man dies Schauspiel im Nordost-Mon- soon beinahe täglich genielsen. Die Leute bilden einen grofsen Cir- kel, zwei Tänzer treten heraus und durchschreiten einander diametral gegenüber mit langen langsamen hüpfenden Schritten mehrere Male den Kreis; die Goma giebt dazu den Tact an; alle Umstehenden sin- gen aus rauher Kehle, klappen abwechselnd von Zeit zu Zeit in die Hände und stampfen mit den Füfsen auf den Boden und schlagen ihre entblöfsten Schwerdter an einander. Plötzlich springt einer der Tän- zer auf seinen Genossen los und schlägt mit hocherhobenem Schwerte nach demselben; sein Hieb wird parirt, und aus dem Angriff in die Defensive übergehend, flieht er, von dem anderen verfolgt. — Das Sehwert in der Rechten, den Schild in der Linken wiegen sie sich dann hin und her, indem sie graziös auf einem Beine stehen, ihre Waffen an einander schlagen und mit den Armen allerhand Bewegun- gen machen. Von Zeit zu Zeit werfen sie das Schwert hoch in die Höhe, fangen es, wenn es herunterfällt, am Griffe geschickt wieder auf und lassen seine biegsame Klinge wie eine Schlange in der Luft zittern. Nachdem sie es eine Zeit lang so getrieben, erfolgt ein zwei- ter Angriff; wieder springt der eine mit Blitzesschnelle auf seinen Geg- ner los und haut mit weit ausholendem Arme nach dessen Beinen; der aber springt in dem Augenblicke, in dem sich ihm das Schwert nähert, in die Höhe, und die scharfe Klinge saust schwirrend unter sei- nen Fülsen durch; für ein Vergnügen ist diese Tour des Tanzes eigent- lich zu gefährlich; denn eine kleine Unachtsamkeit, — und die Beine, wenigstens das eine sind ohne Gnade amputirt. Nachher vergilt der 426 E. Quaas: Springer seinem Freunde Gleiches mit Gleichem und läfst auch ihn über die Klinge springen; trotzdem aber bleiben beide am Leben “und räumen, nachdem sie so den höchsten Grad ihrer Geschicklichkeit be- wiesen haben, ihren Platz anderen Tänzern ein, welche dasselbe Spiel mit nur wenig Abwechselung wiederholen. So bringen sie, ohne zu ermüden, ganze Nachmittage und sogar Nächte zu, wenn ihnen‘ der Mond unentgeltliche Beleuchtung liefert; denn sonst müssen sie sich mit blofsem Singen begnügen. Nähert sich der Südwest-Monsoon, und kommt somit die Zeit heran, dafs die Szuri’s Zanzibar verlassen müssen, so schwärmt der Selaven- markt von ihnen; dann kaufen sie nämlich die Selaven, welche sie bei ihrer Rückkehr in ihr Vaterland wieder verhandeln wollen. Häufig gelangen sie aber auch auf weniger ehrenhafte Weise zu ihrer leben- digen Waare, indem sie dieselbe vom Strande oder aus den Stralsen der Stadt stehlen. Ihre Dau’s haben sie schon in den ersten Wochen des Monat März, zur Zeit der hoben Springfluthen, wieder vom Strande geholt; mit dem ersten Einsetzen des Südwest -Monsoons sind sie segel- fertig und gehen nach ihrer Heimath unter Segel. Alles in der Stadt athmet dann wieder freier auf; denn die Herren haben nichts mehr für ihre Sclaven zu fürchten, die Zahl der Diebereien verringert sich, das Geschrei, die abendlichen Aufzüge auf den Strafsen, die oftmals blutigen Zänkereien und Schlägereien haben ein Ende, und die ganze Stadt wird ruhiger und bereitet sich auf die Stille der bald herankom- menden Regenzeit vor. I. Die Kuli’s. Die Kuli’s (kamali), Landsleute der eben geschilderten Szuri’s, kom- men meistentheils aus Schehr, einer Stadt der Südost- Küste Arabiens, daher sie auch ‘oft Schehiri, Leute aus Schehr, genannt werden. . In Hautfarbe, Gesichtsbildung und Gestalt, obwohl letztere muskulöser ist, sind sie den Szuri’s sehr ähnlich, aber im Charakter herrscht die gröfste Verschiedenheit. Sie sind ebenso ehrlich und treu, wie ihre Landsleute spitzbübisch, sind ein arbeitsamer thätiger Menschenschlag, und nähren sich nicht wie die Szuri’s vom Herumliegen an den Tischen der Reichen, sondern durch die mühsame Arbeit ihrer Hände, durch Verwerthung der Kräfte ihres Körpers. Die Hamali’s sind die Leute in Zanzibar, welchen das schwerste Tagewerk zugetheilt ist, und sie verrichten dasselbe mit unermüdlicher Ausdauer. Ihr Geschäft ist es alle die ankommenden Waaren nach den Häusern der Kaufleute und die zu verschiffenden von da an Bord der Fahrzeuge zu besorgen. Sie bedienen sich dazu einer wohl 10 Fufs langen Stange (marsi) von schwe- Die $zuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar, A427 rem Holze und einer Schlinge von Cocosnufstauwerk (kamba), in welche man die wegzuschleppenden Gegenstände legt, und dann die Taue meh- rere Male um die Tragstange wickelt, so dafs die Last, wenn beide Leute aufrecht stehen, und der eine die Stange auf der rechten, der andere auf der linken Schulter hat, gerade vom Boden freihängt, und auf diese Art weiter transportirt werden kann. Der vorderste der beiden Träger falst mit seiner einen freien Hand die Schlinge an, da- mit sie nicht zu sehr hin- und herschwanke; dann geht es mit langen Schritten fort, und zwar je schwerer die Last, desto schneller, wäh- rend einer der Leute, oder auch beide zusammen durch lauten Gesang oder nur durch einzeln ausgestofsene Töne den Tact des Ganges an- geben. ‘Zwei Kuli’s tragen stets an einer Stange, sie gehen auch, wenn es nur irgend möglich ist, stets zusammen. Bei Hinwegschaffung einer grolsen Menge Waaren pflegt man Relais zu bilden, bei denen je zwei Leute den Gegenstand nur 1—200 Schritt weit zu tragen haben, ihn dann an andere abgeben und selbst mit der leeren Stange, die sie von ihren Genossen übernehmen, zurückkehren, um eine frische Ladung zu holen. Während der Arbeit gehen die Kuli’s stets bis auf die Hüften ent- blöfst; ein einziges Tuch um den unteren Theil des Leibes gewickelt, ein breiter Riemen, der dasselbe festhält, ein Mützchen oder ein Tur- ban, der auch zuweilen auf die Schulter gelegt wird, um den Druck der Last zu mindern, bildet ihre ganze Bekleidung; nur die Headleute (Aufseher, msemhamisi) tragen, auch wenn sie in der Ausübung ihres Amtes begriffen sind, in der Regel das hier gebräuchliche weilse oder gelbe lange Hemd. Die Kuli’s sind bei weitem bessere Arbeiter, wie die Neger; denn sie haben, was sehr viel werth ist, meistens selbst so viel Verstand, um einzusehen, wie etwas am besten anzugreifen ist; bei ihrem Tagewerke sind sie stets unverdrossen und heiter; mit einer äulserst geringen Belohnung, einer oder zwei der kleinsten hier ge- bräuchlichen Kupfermünzen kann man sie zu den gröfsten Anstrengun- gen aufmuntern, sie zu seinen steten Freunden machen, und dann ar- beitet ein Mann allein für 3—4 Schwarze. ' Zur Zeit, wenn viele Fahrzeuge ankommen und abgehen, haben diese Leute am meisten zu thun, und besonders sind die heilsen Mo- nate des Nordost-Monsoons, wenn die Häute von den nördlichen Ge- genden Barawa, Magodoxa etc. hier ankommen, die Nelken aus allen Plantagen zur Stadt gebracht und nebst den anderen nach Indien und Arabien bestimmten Artikeln verschifft werden, die schwerste Periode des ganzen Jahres für sie, während der sie von Morgens früh bis in die späte Nacht hinein arbeiten müssen, und zwar den ganzen Tag über in der glühendsten Sonnenhitze. Dann werden viele von ihnen 428 E. Quaas: krank; die harte Stange hat ihnen die nackten Schultern blutig ge- drückt; da sie aber trotz dessen unaufhaltsam weiter gearbeitet haben, so fängt die Wunde an zu eitern, unzählige Fliegen umschwärmen sie und sitzen auf dem leidenden Theile, und zuletzt sind die armen Leute doch genöthigt, ihr Tagewerk zu unterbrechen und sich für invalid zu erklären. Nach und nach bildet sich bei denen, die schon lange bei diesem mühseligen Geschäft sind, auf der Schulter, da wo die Stange aufliegt, durch den fortwährenden Druck eine oft faustgrofse Wulst, die indefs schmerzlos zu sein scheint. Für die Kuli’s existirt kein Sonntag und kein anderer Feiertag, als die beiden grofsen allgemein gefeierten Feste des mohammedani- schen Jahres; denn am Sonntage der Europäer giebt es, besonders im Nordost-Monsoon, bei den einheimischen Kaufleuten genug zu thun, und ebenso tritt umgekehrt am arabischen Sonntage bei den Europäern kein Stillstand in den stets fortlaufenden Arbeiten ein. Die Zeit der Erholung für die Kuli’s ist die Regenzeit, überhaupt der gröfste Theil des Südwest-Monsoons; dann können sie sich einmal von den ausge- standenen Strapazen ausruhen, tagelang ungestört in ihren Hütten sitzen und sich mit der Anfertigung von Strohmatten (majambe) und Strohsäcken (makande) beschäftigen, was in dieser Jahreszeit ihren Hauptverdienst ausmacht. Die ersteren werden sowohl an Bord der Schiffe, um Boden und Seitenwände mit ihnen zu garniren, in Menge gebraucht, als auch am Lande, um die Lagerräume für die trocknen Waaren mit ihnen auszulegen, und besonders zur Zeit der Nelken- erndte, um die frischgepflückten Nelken auf ihnen in der Sonne aus- zubreiten und zu trocknen. Auch für die Säcke ist wegen der Menge der hier verschifften Artikel ein aufserordentlich grofser Bedarf, und wenn man die Zahl der jährlich verbrauchten auf circa 100,000 an- schlägt, rechnet man gewifs nicht zu viel. Sowohl die Matten, wie die Säcke werden aus dem ?— 3 Zoll breiten Strohgeflecht (maschpatta) gemacht, das in ganzen Dauladungen von der festen Küste herüber- kommt; denn für die dort wohnenden Leute ist die Anfertigung die- ses Geflechtes ein Haupterwerbszweig. Auch bei diesem Artikel kann man recht deutlich sehen, wie der Neger nur arbeitet, wenn ihn der Hunger dazu zwingt. Seine Production dieses Maschpatta’s ist in ver- schiedenen Jahren der Menge nach selbst aufserordentlich verschieden; oft ist der hiesige Markt davon überfüllt, manchmal wird kaum‘ der nothwendige Bedarf von dem hier zum Verkauf gebrachten gedeckt, und forscht man nach dem Grunde dieser Erscheinung, so zeigt es sich, dafs in der Zeit als hier Ueberflufs an Strohgeflecht war, an der Küste drüben das Korn (mtama), das Hauptnahrungsmittel der dorti- gen Neger, mangelte und hoch im Preise war, während guten Erndten Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. 429 und billigen Lebensmitteln im Lande der Producenten ein Mangel an Maschpatta auf dem hiesigen Markte entsprach. Der hier beschäftigten Kulis mögen ungefähr 2— 300 sein, eine Zahl, die in den Monaten des Nordost-Monsoons kaum hinreicht, die ihnen zugetheilte Arbeit zu verrichten, so dafs dann oft Neger zu Hülfe genommen werden müssen. Sie sind in mehrere Abtheilungen oder Gänge gesondert, von denen jede ihren eigenen Chef hat, und welche getrennt von einander für die verschiedenen grolsen Kaufleute arbei- ten. Der Chef besoldet die unter ihm stehenden Leute je nach dem, was im Ganzen einkommt; er ist es, der mit den Kaufleuten, die ihm Be- schäftigung geben, abrechnet, und die Zahlung für den Transport der ankommenden oder abgehenden Waaren, sowie es bei den verschiede- nen Artikeln der Gebrauch ist, eutweder nach der Stückzahl oder nach dem Gewichte berechnet, in Empfang nimmt. Ein tüchtiger Arbeiter kann auf diese Weise, wenn viel zu thun ist, monatlich wohl 4—5 Dol- lars verdienen, kleine Extrabelohnungen abgerechnet, die ihm vielleicht von den Kaufleuten an Tagen verabreicht werden, an denen eine au- (serordentliche Thätigkeit erforderlich ist; 2—3 Peis auf den Mann gerechnet gelten in solchen Fällen schon für eine sehr splendide Gra- tifieation, welche die armen Leute sehr glücklich macht. Dann ziehen sie, sobald es Feierabend für sie ist, singend durch die Stralsen der Stadt nach dem: Hause des milden Gebers und führen auch wohl ihm zu Ehren die gebräuchlichen Tänze auf, wobei sie sich mitunter ihrer schweren Stangen anstatt der Schwerter oder Stöcke bedienen. Im Essen sind diese Leute sehr mälsig; ihre Mittagsmahlzeiten nehmen sie stets gemeinschaftlich ein. Einer von ihnen besorgt die nö- thigen Lebensmittel, ungesäuertes Brot und getrockneten Fisch (pappa), nur. in äulserst seltenen Fällen vielleicht einige kleine Stückchen Fleisch, dann breitet man an einem schattigen Orte eine Matte auf die Erde, die Theilnehmer am Mahle kauern ringsherum auf dem Boden und die Tafelrunde ist fertig. Aufserdem sind Reis, Früchte und unter diesen besonders die aus ihrem Vaterlande kommenden Datteln (ende) ihre Hauptnahrungsmittel, und diese karge Kost reicht hin, ihnen die, zu ihrer anstrengenden Beschäftigung nöthigen Kräfte zu erhalten. Haben sie sich endlich nach einer Reihe von Jahren durch Ar- 'beitsamkeit etwas Geld verdient, so kehren sie in ihre Heimath zurück und geniefsen dort die Früchte ihrer Thätigkeit, wenn auch nicht in Wohlleben, so doch in verhältnifsmäfsiger Ruhe und unter angenehme- ren Verhältnissen als hier. Noch einen Menschenschlag, der hier sehr zahlreich vertreten ist, die Comorianer, udto Angasidja, von ihrem Vaterlande (der Insel Grols- Comoro) in der Szuaheli- Sprache Angasidja genannt, mufs ich erwäh- 430 E. Quaas: nen. Wie die Kuli’s und Banjanen kommen auch diese Leute nach Zanzibar, um hier Geld zu verdienen, auf welche Art es auch immer sei, und dann in ihr Vaterland zurückzukehren. Schon als kleine Kinder verlassen viele von ihnen ihre Heimath, um hier bei ihren Verwandten oder Landsleuten ein Unterkommen zu finden. Dann verdingen sie sich entweder als Arbeiter, oder werden in den Häusern der Europäer, in denen man beinahe ausschliefslich Comoroknaben als Diener findet, aufgenommen, sowohl weil sie in der Regel freigeborne und intelli- genter sind, als auch, weil sie nicht so stark und unangenehm aus- dünsten, wie die gewöhnlichen Neger. Ihre Farbe wechselt in allen Nuancen zwischen dunkelbraun und hellgelb; ihre Züge sind meist recht angenehm, oft sogar wirklich schön zu nennen, und ihr Körper- bau wohlgebildet und schlank. Es giebt unter ihnen sowohl Freie als Selaven, und wegen ihres einnehmenden Aeufseren sind die Comoro- Mädchen als Szurias (Concubinen) aufserordentlich gesucht und stehen im Preise den Buschir-Sclavinnen gleich, doch sind sie noch feuriger und deshalb treuloser und wilder wie die eingebornen und Negerfrauen- zimmer. Nicht ganz so arbeitsscheu und bei Weitem intelligenter wie die Szuahelis treiben sehr viele Comorianer irgend ein Handwerk; leider wendet sich aber ihr aufgeweckter Sinn mehr dem Schlechten als dem Guten zu, und was das Mein und Dein anbetrifft, sind ihre Begriffe sehr unsicher, so dafs man ihnen nur wenig anvertrauen kann. Wie in ihrem Vaterlande, wo die vielen verschiedenen Stämme, welche die einzelnen Ortschaften bewohnen, in fortwährendem Hader und Kampf begriffen, ihre Oberhäupter alle Augenblicke wechseln, so sind die An- gasidja’s auch hier unruhige wühlerische Köpfe, die dem hiesigen Sul- tan viel zu schaffen machen, sich der grofsen Mehrzahl nach auf die Seite seines gegen ihn intriguirenden Bruders Szeyd Bagösch halten, und selbst zu offenen Demonstrationen kühn genug sind. Würden sie nicht von Zeit zu Zeit gedemüthigt, so wäre kaum mit ihnen fertig zu werden; so war es im letzten Jahre meines Aufenthaltes in Zanzibar der Fall, dafs sie es Szeyd Madjid zu arg machten, und dieser, sich aus seiner gewöhnlichen Schwäche und Apathie einmal ermannend, 30—40 von den Rädelsführern in’s Fort werfen und trotz der verein- ten Bitten zahlreich abgeschickter Deputationen einige Tage dort sitzen hiefs. — Die Angasidja’s stehen unter einem besonderen Oberhaupte, der bei gewöhnlichen Streitigkeiten der erste Richter und Friedensstifter ist, aber doch sein Urtheil dem des Sultans unterordnen muls; sie be- wohnen meistens das östlich vom Fort gelegene Stadtviertel Melinde. Alljährlich im Nordost-Monsoon, wenn die Schifffahrt nach Süden wie- Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. 431 der eröffnet ist, geht eine grofse Menge dieser Leute auf einheimischen ‚Fahrzeugen nach Angasidja zurück, theils um nach vielleicht langjäh- riger Trennung ihre Verwandten und ihre Heimath auf einige Monate wiederzusehen, theils um ganz dort zu bleiben. Der Südwest-Mon- soon bringt viele von ihnen wieder zurück und mit ihnen eine Menge neuer Ankömmlinge als Ersatz für die zu Hause gebliebenen. Zwischen Szeyd Madjid und dem jetzigen Sultan der Insel Co- moro finden alljährlich Relationen statt, wie ich glaube durch verwandt- schaftliche Bande hervorgerufen, indem der letztere gegen das Ende des Südwest-Monsoons auf seinem eigenen Fahrzeuge nach Zanzibar kommt, einige Zeit hier bleibt und dann mit dem Einsetzen des gün- stigen Windes durch eines der Schiffe des hiesigen Sultans, — gewöhn- lich wurde die kleine Brigg Tage dazu benutzt, — nachdem er reichlich beschenkt worden, wieder in sein Vaterland zurückgebracht wird. Noch heute erinnere ich mich lebhaft der letzten Abreise des Comorofürsten von Zanzibar. Es war ein wundervoller Abend, als die Tage ihren Anker zur Fahrt lichtete, ein Salut wurde gefeuert und das Deck des Schiffes war von einer bunten Menschenmasse belebt, die nach den Klängen mehrerer Gomas und einer Querpfeife, deren schrille Töne bis zu uns drangen, tanzten und arbeiteten. Auf dem Hinterdeck aber stand der Sultan, in einen reich mit Goldstickerei verzierten rothen Ta- lar gekleidet, von seinem Hofstaate umgeben, und sagte den Abge- sandten Szeyd Madjids, die ihm das Geleit an Bord gegeben hatten, ein letztes Lebewohl. Langsam glitt die Tage, die sie umschwärmen- den Böte nach und nach zurücklassend, aus dem Hafen, den sie bald nicht wiedergesehen; denn erst nach mehr als halbjähriger Abwesen- heit, nachdem sie schon als verloren angesehen war, kehrte sie eines Tages unvermuthet wieder zurück. Sie hatte Monate lang auf einer Sandband bei Johanna, einer der Comoro’s, festgesessen und war nur nach vielen Anstrengungen und Mühen wieder flott gemacht worden. II. Die Sclaven. Der Sclavenhandel Zanzibars. — Die Ostküste Afrika’s hatte schon von den ältesten Zeiten her dazu gedient, die Morgenlän- der mit den für ihre Lebensweise unumgänglich nothwendigen Selaven zu versorgen. Durch den Gebrauch langer Jahrhunderte und durch die Lehren des Koran geheiligt, war dieser Handel eine der leichtesten und fruchtbarsten Quellen des Reichthums für diejenigen geworden, welche ihn trieben. Schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts hatten vorzüglich zwei Plätze der Küste einen Vorrang vor allen an- deren in Bezug auf diesen Handel erlangt. Kiloa war das Hauptdepot 432 E. Quaas: der aus dem Innern Afrika’s kommenden Sclaven geworden; Zanzibar, wohin sie zunächst von Kiloa aus geschafft wurden, diente zum Export der hierher gebrachten Menschenwaare. Seine günstige Lage ungefähr in der Mitte des afrikanischen Küstenstriches, sein wirklich schöner sicherer Hafen, seine Fruchtbarkeit, hatten es zu einem Hauptstapel- platz des afrikanischen Waarenmarktes gemacht, und der dadurch be- dingte Zusammenfluls der verschiedensten Völkerschaften des Orients hatte den Absatz der Sclaven dort ungemein erleichtert. So sollen aulser den Sclaven, welche in Zanzibar verblieben, vor einem halben Jahrhundert alljährlich 6— 10,000 Selaven von hier nach Arabien, Indien, den nördlicher gelegenen Küstentheilen Comoro’s, Isle de France etc. exportirt worden sein. Nachdem unter der Regierung des vorigen Sul- tans von Mascat sich die Production Zanzibar’s durch die neu einge- führte Cultur des Nelkenbaumes so bedeutend vermehrt hatte, war, um dem hierdurch gesteigerten Bedarf an Arbeitskräften zu entsprechen, eine Vermehrung des Sclavenimports erfolgt, und man taxirt damals, — wenn auch die Ausfuhr beträchtlich abnahm, — die jährliche Selaven- Einfuhr doch auf 20—25,000 Seelen. — England hatte es sich schon seit lange angelegen sein lassen, diesen für die Menschheit entehren- den Handel überall, wo er sich vorfand, zu unterdrücken. Mögen auch seine anfänglich gewils reinen und philanthropischen Motive später ge- wesen sein, welche sie wollen, so wird doch der Eifer, mit dem Eng- land sich der geknechteten Neger annahm, stets zu loben sein und der Nation zur Ehre gereichen. Sobald England durch. wiederholte Hülfs- leistungen sich den Sultan von Mascat zum Dank verpflichtet und sei- nem Einfluls im Oman Bahn gebrochen hatte, ging es auch hier an sein menschenfreundliches Werk. Freilich konnte an den östlichen Ufern Afrika’s nicht wie an der Westküste dieses Landes der Sclaven- handel auf einmal ganz verboten werden, — dies wäre bei dem engen Verbande, in welchem hier die ganze staatliche Einrichtung, das Volks- leben mit der Existenz der Sclaverei stand, unmöglich gewesen; aber es schien doch möglich, den Handel nach und nach in immer engere Grenzen einzuschliefsen, und so allmählich die Quelle der grenzenlosen Demoralisation der Völker im Innern Afrika’s zu verstopfen.. In dem ersten 1822 zwischen Seyd Said und Capt. Sir Rob. Farquhar, Gou- verneur von Mauritius, durch Capt. Fairfax Moresby geschlossenen Ver- trage, verpflichtete sich der Sultan, in allen seinen arabischen und afri- kanischen Besitzungen, den Selavenhandel nach auswärts zu verbieten; eine Demarkationslinie von Cap Delgado bis Cap Diu wurde bestimmt, östlich von welcher die Engländer jedes dort betroffene Selavenschiff aufbringen und confiseiren konnten. Hierdurch hörte aller Sclaven- handel nach den englisch-ostindischen Besitzungen und Madagascar auf. Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. 433 Im Jahre 1839 wurde durch weitere Unterhandlungen die Demarca- tionslinie zwischen Cap Delgado und Passäni, einem ungefähr 1 Grad östlich von Gwadel gelegenen Vorgebirge festgesetzt; die zweite Clau- sel war die, dafs der Verkauf freier Individuen beiderlei Geschlechts, er- wachsen oder unerwachsen, als dem Gesetz Mohamets zuwider verboten wurde, dafs also der Verkauf von Sumanlis, welche frei wären, als ein Act der Piraterie angesehen und demgemäls bestraft werden würde. Im Jahre 1845 war das Ziel eines neuen Tractates, den Sclavenhandel nördlich vom Aequator gänzlich zu unterdrücken; aber dies hätte dem Lande seine reichsten Hülfsquellen entzogen; und es entstand in Folge dessen über die Gottlosigkeit des Sultans ein so grolses Geschrei, dafs man im Oman eine Empörung befürchtete. Sowohl Seyd Said als auch Capt. Hamerton sahen ein, dafs diese Malsregel verfrüht sei und jetzt noch nicht in Ausführung gebracht werden könne. Sie wurde bis 1847 ausgesetzt, blieb in ihrer ganzen Ausdehnung aber auch nur kurze Zeit in Geltung. Der Handel nach dem südlichen Arabien mulste wieder frei gegeben werden. — In der neuesten Zeit hat der Sclaven- handel durch die Franzosen wieder frischen Aufschwung genommen, welche ihn unter dem Schutze der Regierung öffentlich auf’s scham- loseste, aber freilich unter anderem Namen treiben; sie holen nämlich nur „freie“ Arbeiter; an Bord ihrer dazu bestimmten Schiffe befindet sich irgend Jemand, der als Regierungs- Agent auftritt und darauf sehen soll, dafs nur Freiwillige angeworben werden. Die zu verhandelnden Selaven werden also in seiner Gegenwart durch einen Dollmetscher ge- fragt, dessen Sprache sie oft nicht einmal verstehen, der aber die ihrige zu kennen vorgiebt, ob sie sich auf so und so lange Zeit zur Arbeit in Bourbon verdingen wollen. Irgend ein Laut, den sie hierauf von sich geben, wird als bejahende Antwort angesehen und der freie Arbeiter an Bord geschafft. Dagegen sind die Engländer vor Allem seit den letzten beiden Jahren wieder sehr auf dem Platze, allen illegitimen Handel dieser Art zu unterdrücken. Die Selaven, welche alljährlich nach Kiloa und von dort weiter transportirt werden, sind meistentheils, wie ich schon früher bemerkt habe, Kriegsgefangene; aber es mag auch wohl unter den Negerstämmen viele geben, die auf so niedriger Culturstufe stehen, dals die Angehö- rigen und Kinder einer Familie von dem Oberhaupt derselben wie ein Stück Vieh verhandelt werden. Die gröfsesten Leiden haben die armen Sclaven nun meistentheils auf dem Transport nach dem Orte ihrer Be- stimmung auszustehen. Von den arabischen Händlern in Kiloa zu bil- ligem Preise aufgekauft, werden sie auf die kleinen einheimischen Fahr- zeuge, je nach der Gröfse derselben 80, 100—200 an der Zahl, ge= packt. So sitzen sie dann während der ganzen Ueberfahrt Kopf an Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd.IX. 28 434 E. Quaas: Kopf dicht an einander geschichtet da, am Tage der glühenden Sonne oder dem Regen, bei Nacht der empfindlichsten Kälte ohne den ge- ringsten Schutz ausgesetzt. Lebensmittel und Wasser mag es wohl nur sehr wenig, oder wenn die Reise lange, vielleicht 4—5 Tage dauert, gar nicht geben, und daher kommt es wohl, dafs die Unglück- lichen nicht selten in einem sehr erbärmlichen und beklagenswerthen Zustande in Zanzibar anlangen, dafs unter hundert oft kaum zehn ohne Hülfe gehen können, die übrigen aber geführt oder getragen werden müssen. Vor dem Customhause ankert der Dau; dort wird die Ladung an’s Land gebracht; da liegen die armen Geschöpfe oft Stunden lang auf dem feuchten Boden im heifsen Sonnenschein verschmachtend, die Augen halbgebrochen, stier im Kopfe, den Mund weit offen, der ge- ringsten Bewegung unfähig, nicht vermögend, die Unmasse Fliegen, welche an ihnen herumkriecht, mit den Händen abzuwehren. Ihr Kör- per ist zu einem vollkommenen Skelett abgezehrt, so dafs Schulterkno- chen und Rippen in scharfen Kanten unter der glanzlosen, schmutzigen, runzligen Haut hervorstehen und die dickste Stelle am Bein die Knie- scheibe ist. Dazu denke man sich die unerträglichen Ausdünstungen, welche diese halben Leichname um sich verbreiten, und man hat ein Bild, wie man es am Ende des Südwest-Monsoons, wenn die meisten Selaven aus dem Süden ankommen, im Customhause zuweilen zu sehen bekommt, — ein wahrhaft revoltirendes Bild für Jeden, der nur irgend- wie menschliches Gefühl besitzt. Erblickt man die stämmigen feisten lachenden Bursche, die jetzt herbeikommen, um ihre unglücklichen Brü- der wegzutransportiren, so möchte man in der That kaum geneigt sein zu glauben, dafs auch sie, vielleicht erst vor kurzer Zeit, in demselben Zustande an derselben Stelle gelegen haben und von anderen ebenso fortgetragen worden sind, wie sie es jetzt mit ihren armen Landsleu- ten thun. Ich habe hier keineswegs mit zu starken Schatten, sondern nur naturgetreu gezeichnet; doch ist eine Sclavenausschiffung in Zan- zibar Gott sei Dank immer nur ein ausnahmsweise sich darbietendes Schauspiel, das freilich bei demjenigen, der es einmal in seinem gan- zen Umfange betrachtet, der einmal die gröfste Höhe des Elends, ein- mal diesen tiefsten Abgrund menschlichen Jammers gesehen hat, einen unauslöschlichen Eindruck hinterläfst. — Der Zoll für importirte Sela- ven beträgt pro Kopf, je nach der Gegend, aus welcher sie kommen, 1—?2 Dollars und mufs im Customhause, wenn der Eigenthümer dem Pächter des Zolles nicht weiter bekannt ist, baar entrichtet werden. Auch dies mag mitunter zu Grausamkeiten Veranlassung geben, indem die Capitäne der Fahrzeuge kranke oder schwache Sclaven, von denen sie nicht glauben, dafs sie lange mehr leben werden, noch lebendig vor der Ankunft in Zanzibar über Bord werfen, um den Zoll für sie | Die Szuri’s, die Kuli’s und die Selaven in Zanzibar. 435 zu ersparen. Deshalb sieht man um diese Zeit, Ende des Südwest- Monsoons, häufig Leichname herumtreiben. Beinahe niemals werden die Sclaven, sobald sie angekommen sind, gleich auf den Markt zum Verkauf geführt, sondern erst eine Zeit lang mit reichlichem Essen und Trinken wohl gepflegt, um ihr Aussehen zu verbessern. Zweimal des Tages werden sie auch, um zu baden, an den Strand geführt. Man sieht häufig des Morgens und des Abends ganze Reihen solcher Skelette, eines hinter dem anderen, erwachsene Männer, Kinder, Frauen und alte Weiber nach dem Ufer wandeln, jedes Alter und Geschlecht ist da vertreten; vorn, hinten und zu beiden Seiten gehen einige Wächter, um zu sehen, dafs Niemand entwische. Merkwürdig ist es übrigens, wie schnell sich diese Men- schen von den ausgestandenen Strapazen und Mühsalen erholen, und es ist gewils kein gutes Zeichen für ihre intellectuellen Fähigkeiten und ihre geistige Entwickelung, dafs sie in der Gefangenschaft bei reichlicher Nahrung so leicht aufgemästet werden können. Darin ver- mag es ihnen gewils kein Volk der Erde gleich zu thun. Im Ma- gen liegt der Hauptsinn des Negers, dessen Befriedigung die Haupt- sache ist. Ohne für Kleidung, Nahrung und Familie sorgen zu müs- sen, leben sie, nachdem ihnen ihre gute Natur über die ersten müh- seligen Prüfungen hinweggeholfen, heiter und froh von einem Tage zum anderen. — Der Scelavenmarkt. — Der Selavenmarkt durfte früher nicht wie jetzt in der Stadt, sondern mulste aufserhalb derselben abgehalten werden. Jenseits der Lagunen, auf der anderen Seite der grolsen Brücke, in dem Viertel der Stadt, welches Madagasch town genannt wird, war ein grofser freier, von schönen Mangobäumen und Palmen beschatteter Platz zu diesem Zwecke bestimmt. Dorthin wurden all- abendlich die zu verkaufenden Selaven gebracht, was freilich für die Händler der weiten Entfernung wegen eine grofse Unbequemlichkeit war; so lange indefs der englische Consul Colonel Hamerton sich einer guten Gesundheit erfreute und bei seinen vollen Kräften war, mulsten die Leute sich fügen so weit zu gehen. Nachdem aber eine langwie- rige Krankheit sowohl seine körperlichen Kräfte untergraben, als auch seine Energie geschwächt hatte, kam, wie so vieles andere, auch der Mifsbrauch wieder auf, den Sclavenmarkt in der Stadt abzuhalten. Ha- - merton kümmerte sich nicht mehr so um die öffentlichen Angelegen- heiten wie früher und sah manches mit an, was er vorher niemals ge- duldet haben würde. Diesen Selavenmarkt nun will ich mit einigen Strichen zu schildern versuchen. Durch ein Labyrinth enger schmutziger Strafsen, in dem man sich erst nach vielen vergeblichen Versuchen zurechtfinden lernt, gelangen 23° 436 E. Quaas: wir in der Nähe der grolsen Lagune, auf dem letzten Theile des We- ges nur der Menge Menschen folgend, welche wie wir dasselbe Ziel zu haben scheint, auf einen wohl 150 Fuls langen und ebenso breiten Platz, der ringsum von kleinen Hütten und einzelnen gemauerten Häu- sern umgeben ist; an der linken Seite der kleinen, in ihn einmünden- den Strafse, durch welche wir gekommen, ist ein Kaffeehaus, ein mor- genländisches natürlich, eine grofse Hütte mit nur einem freien Raume, 1—2 Tischen und mehreren an den Wänden herumstehenden Bänken, über welche Strohmatten gebreitet sind. Hier wird dann wohl jeder Handel, wie bei uns mit einem Glase Wein, mit einem Schälchen Kaffee begossen. Gegenüber steht ein Steingebäude; seine Berasa (stei- nerne Bank) zu beiden Seiten der Thür ist von gravitätisch dasitzen- den, recht nobel aussehenden Gläubigen, Arabern und Szuahelis ein- genommen. Schon hier beginnt das Gedränge. Bei mehreren aufge- sattelten Eseln, die den Eingang des Gäfschens versperren, haben wir uns glücklich vorbeigewunden, ohne getreten, gestolsen oder geschla- gen zu sein, was uns zu der frohen Hoffnung ermuthigt, dafs wir auch durch den dichten, vor uns wogenden Menschenknäuel unversehrt hin- durchkommen werden. Einen Ueberblick können wir freilich für’s erste nicht gewinnen und müssen uns begnügen langsam vorwärts zu kommen und Alles hübsch der Reihe nach zu betrachten. Schon ehe wir den Marktplatz erreicht hatten, war zu uns ein Stimmengewirre und Gesumme gedrungen, das unaufhörlich von einzelnen lauten Aus- rufen übertönt wurde. Wie wir jetzt sehen, rührt der Lärm von den vielen Händlern her, die den Vorübergehenden und Kauflustigen ihre Waare mit einer Zungenfertigkeit ohne Gleichen, einer Kunst, in der die Szuaheli’s ohnehin Meister sind, anpreisen und dazwischen wieder einmal mit lauter Stimme in eigenthümlicher Betonung die für ibre ausgestellten Waaren bereits gebotenen Preise ausrufen. Die Selaven stehen in vielen concentrischen Ringen auf dem Platze aufgereiht; von den kleinen Kindern an, welche die Mutter noch in ein Tuch gebun- den auf dem Rücken trägt, findet man hier jede Alters-Stufe vertre- ten; hier im innersten Ringe gewahren wir eine ganze Reihe schwarzer Jungen, vielleicht von 5—14 Jahren; sie sind nach ihrer Gröfse ge- ordnet und sehen in ihren rothen mit blauem Rande umgebogenen Mützen wie Rekruten aus, die in Schlachtordnung aufgestellt sind. Diese Mütze ist aber auch nebst einem oft klein genug ausgefallenen Lendentuche ihre einzige Bekleidung und die Kleinen sind gewifs nicht wenig stolz auf ihren ungewohnten Kopfschmuck. Kerzengrade und ruhig stehen sie da, die Arme an den Leib gedrückt, ihre grolsen schwarzen Augen sind auf uns gerichtet, sobald wir herangetreten, als erwarteten sie jeden Augenblick von dem alten bärtigen schwarzen Die Szuri’s, die Kuli’s und die Selaven in Zanzibar. 437 Unteroffizier, der vor ihnen auf und nieder wandelt, das Kommando: „vorwärts marsch!* An der Verwunderung, mit der sie uns weilse Menschen anstaunen, und der Magerkeit ihres ganzen Leibes kann man sehen, dafs sie noch nicht lange im Lande sind. Der letztere Umstand hält indefs jenen kauflustigen Araber keineswegs ab, sich einen von ihnen auszusuchen. Er tritt heran, befühlt den Knaben überall, biegt seine Arm - und Beingelenke, sieht ihm in den Mund nach den Zäh- nen, wie es wohl ein vorsichtiger Käufer bei einem Pferde zu thun pflegt, klopft ihn auf die Brust, läfst ihn mehrere Bewegungen machen und endet damit, einen Stock in eine kleine Entfernung hinzuwerfen. Sein zukünftiger Selave mufs denselben zu- verschiedenen Malen, um ja keine etwa vorhandenen Gebrechen unentdeckt zu lassen, bald im Sehritt, bald im Trab zurückbringen. Die Untersuchung ist jetzt be- endet und der Preis wird je nach der Qualität und dem Alter des Knaben auf 5— 15 Dollars festgesetzt. Jungen, welche bereits längere Zeit hier, vielleicht Eingebörne Zanzibar’s sind, die Sprache verstehen und schon etwas dressirt, intelligent und in Folge dessen zu Gängen und Botschaften in der Stadt zu benutzen sind, werden natürlich höher bis zu 25 Dollars bezahlt. Der Werth einer ausgewachsenen Person männlichen oder weiblichen Geschlechts beträgt 20— 30 Dollars. Ne- ben den Knaben, die wir zuerst betrachtet, steht eine Menge Erwach- sener in bunter Reihe durch einander; auch bei diesen ist die Art der Untersuchung von Seiten des Käufers dieselbe wie die eben geschil- derte. Unter ihnen trifft man wirklich schreckliche Gestalten und Phy- siognomien; sie scheinen vom Sclavendau direet hierher transportirt zu sein. Die Männer haben meist einen unförmlich dieken Kopf, an der Stelle der Arme und Beine nur mit runzliger Haut überzogenen Knochen, der Unterleib ist so eingefallen, dafs der Mensch hier nur halb so dick ist wie in der Brust, auf dem Rücken steht der Schulter- knochen scharf und eckig hervor, und vorn oberhalb der fleischlosen Rippen gewahrt man rings um das weit heraustretende Schlüsselbein eine bedeutende Vertiefung. Aeltere Frauen sehen mit ihren unbedeck- ten welken Brüsten noch viel erbarmungswürdiger aus, nur die jungen Mädchen haben den Busen bedeckt, bei erwachsenen Männern und Weibern macht ein schmutziger oberhalb der Lenden um die Hüften gewickelter Lappen, der bis zu den Knieen reicht, die einzige Beklei- dung aus. Besonders widerlich und abschreckend wird der Anblick vieler von diesen noch ganz wilden zum Verkauf ausgestellten Scla- ven, durch eine wirklich grauenhafte Verunstaltung des Mundes. Sie ist bei einem der Stämme im Innern Afrika’s, bei den Betschuana’s, die ein zahlreiches Contingent zur hiesigen Sclavenbevölkerung liefern, Sitte, wird von ihnen vielleicht als Schönheit betrachtet und besteht 438 E. Quaas: darin, dafs sich sowohl Männer als Weiber die Oberlippe mitten unter der Nase durchbohren; durch das so entstandene wohl 3—4 Linien grolse Loch gewahrt man nun die oberen weilsen Zähne, aufserdem ist die Oberlippe wahrscheinlich durch einen gewichtigen Schmuck, der früher darin getragen wurde, bedeutend verlängert und hängt beson- ders bei älteren Personen wie eine Art Rüssel weit über die untere Lippe und Zahnreihe herab; ein Anblick, den man sich nicht ekelhaf- ter und widerlicher denken kann. Bei Mädchen und Knaben ist die Verzierung noch nie so weit entwickelt, selbst das Loch verwächst mit der Zeit wieder. Solche Selaven werden aber meist nur auf den Plan- tagen zur Feldarbeit und zum Einerndten der Nelken und zum Trans- port derselben nach der Stadt benutzt; für den Gebrauch in der Stadt, für seine tägliche Umgebung sucht der Araber und Szuaheli bessere Ge- stalten und Gesichter aus, an denen kein Mangel ist, wie es denn auch an hübschen Mädchen nicht fehlt. Die besten ihrer Art findet man stets gleich vorn zur linken Hand am Eingange des Marktes; dafs hier etwas Absonderliches zu sehen sein muls, können wir an dem Ge- dränge merken, welches während der ganzen Zeit des Marktes hier stattfindet. Wie auf der Börse die Kaufleute, so haben hier die Sela- venihändler ihre festen Plätze und dieser hier gehört dem alten Ab- dallah, dessen schöne Selavinnen ein jeder betrachten und bewundern will, daher das viele Stofsen und Drängen. Abdallah ist ein alter Ara- ber mit dem dunkelsten Colorit und einem wirklich abschreckenden Aeulsern; hager und dürr von Gestalt und Gesicht hat er an der Stelle der Backen nur zwei grolse schwarze Falten; auf dem einen Auge ist er blind, das andere ist pechschwarz und stechend; in der Hand hält er einen langen Speer und sieht so grimmig aus, als wollte er jeden, den er ansieht, durchbohren; aber Abdallah ist ein gemüthlicher alter Mann, der sich sogar auf Spälse versteht, und nur der Geschäfts- eifer hat ihn aufgeregt. Vor der Reihe der ihm anvertrauten Selavin- nen auf und abgehend, ruft er mit heiserer Stimme den zuletzt gebo- tenen Preis für das eine oder das andere Mädchen aus. Hierin unter- stützt ihn ein kleiner gelber Junge, der ebenso hübsch wie Abdallah häfslich ist, so dafs man wohl nicht in Versuchung kommt, ihn für des Alten Sohn zu halten, auch ist der Kleine manchmal ganz allein da und vertritt dann ebenfalls mit einem Speer bewaffnet mit dem gröfs- ten Selbstbewulstsein die Stelle des alten Händlers. Abdallah weils es sehr wohl, und setzt seinen Ruhm darin, dafs bei ihm die beste Waare zu haben, dafs bei ihm für die Bedürfnisse eines Jeden auf's Beste gesorgt ist, und er hält deshalb auf gute Preise; man bezahlt hier sowohl die Schönheit als die Geschicklichkeit einer Sclavin; so sah ich einst ein Mädchen, das, ohne gerade besonders hübsch zu sein, Die Szuri’s, die Kuli’s und die Selaven in Zanzibar. 439 für 96 Dollars wegging. In der That findet man aber auch hübsche Gesichter unter den hier ausgestellten Selavinnen, welche von den auf- geworfenen Lippen und platten Nasen der gewöhnlichen Neger - Ab- bildungen aufserordentlich wenig an sich haben, vielleicht gerade nur so viel, als selbst dem verwöhnten europäischen Auge angenehm sein kann. Dazu in dem kleinen Munde Zähne wie zwei Reihen Perlen, zwei prachtvolle feurige schwarze Augen, die das heilse Blut des Sü- dens verrathen, überwölbt von den pechschwarz angemalten Augen- braunen, die durch ihre Farbe sich angenehm von dem dunkelbraunen Teint des Gesichts hervorheben und was als eine der Hauptschönhei- ten. gilt, eine Haut so weich und zart wie Sammet; — denkt man sich das Haar in der Mitte getheilt, auf jeder Seite des Scheitels zu einem Toupee aufgesteckt und zierlich geflochten, mit gelbem Sandel- holzstaub hin und wieder gepudert und mit weilsen Jasminblüthen ge- schmückt, so hat man das Bild eines dieser Mädchen vor sich; ein bun- tes seidenes oder baumwollenes Tuch oberhalb des Busens um den Leib geschlungen reicht bis auf die Knöchel hinab und bildet nebst einem anderen gewöhnlich weilsen Tuche mit seidener Kante und mit Franzen daran, die ganze Bekleidung. Auch Schmucksachen, Hals- binden, Ohrgehänge, Arm- und Fufsringe sieht man häufig. an ihnen; vor allem aber dient der kleine silberne Nasenring oder Knopf dazu dem Gesicht ein hübscheres Aussehen zu geben, — so ist es mir wenig- stens vorgekommen. Zwar halten diese Mädchen beinahe alle die Au- gen niedergeschlagen, und sehen sehr ehrbar, beinahe traurig aus, so dafs ein mit ihnen Unbekannter gewils versucht sein würde, dies als ein Zeichen von Gefühl für ihre schreckliche Lage anzusehen; wir aber, die wir sie kennen, wissen, dals all dieses nur äufserlicher Schein ist. Dieselben Mädchen, die hier wie die Einfalt vom Lande aussehen und denen kaum ein Lächeln zu entlocken ist, sieht man eine Vier- telstunde später auf dem Nachhausewege so ausgelassen und wild, dafs sie kaum von dem sie begleitenden Alten in den Schranken des äu- (seren Anstandes erhalten werden können; diejenige von ihnen, für welche am heutigen Tage das höchste Gebot eingelaufen, brüstet sich damit, wie viel sie mehr werth sei, wie die anderen und lacht ihre weniger werthvollen Schwestern aus. Oder man betrachte sie auf dem Wege zum Baden, der sie täglich zweimal an unserem Hause vorbei- führt, wenn sie uns, sobald sie uns nur erblicken, um Peis anbetteln, und des Lachens, Singens, Tanzens und Schreiens kein Ende ist; dann haben sie die Maske abgeworfen und erscheinen in ihrer wahren Na- tur, als die leichtsinnigen sorglosen Geschöpfe, die sie in der That sind. Auch solche Mädchen werden von dem Käufer vorher sorgfäl- tig untersucht und müssen ihm gewöhnlich in eine der den Marktplatz AAO E. Quaas: umgebenden Hütten folgen, in denen die draufsen begonnene Prüfung gründlicher fortgesetzt wird. Natürlich kommt es auch vor, dafs diese Prüfung von Personen unternommen wird, die nicht die geringste Ab- sicht zu kaufen haben; aber auch der Sclavenhändler kennt seine Leute und überläfst seine Waare nicht dem ersten besten zu so genauer Be- sichtigung. Hat der Kauflustige reelle Absichten, so nennt er eine höhere Summe als die bereits gebotene und der Handel wird, wenn der Besitzer mit dem Preise zufrieden ist, auf der Stelle abgemacht. Denkt der Eigenthümer mehr für seine Sclavin zu bekommen, so wird sie wieder auf den Markt zurückgeführt und man wartet, ob sich Je- mand findet, der mehr giebt. Sehr selten wird ein hübsches Mädchen gleich am ersten Tage verkauft, man läfst sie gewöhnlich mehrere Tage stehen und auf sie bieten, und sie gehört dem, der das höchste Gebot gethan hat. — Abdallah’s Selavinnen sind unzweifelhaft die schönsten auf dem ganzen Markte, und sie sind es wohl werth, dafs wir so lange bei ihnen verweilt haben; jetzt ist es. aber Zeit uns zu zu entfernen, wenn wir nicht übles Aufsehen erregen wollen, denn als Europäer können wir doch nicht als Käufer, sondern nur als Neugie- rige gelten. Da es gegen Anfang des Südwest-Monsoon ist, die Zeit, wann die vielen arabischen Fahrzeuge wieder mit Sclaven und anderen Ar- tikeln beladen werden, so ist der Markt aufserordentlich voll, das Ge- dränge unbeschreiblich. Selbst der breite Raum zwischen den, nach der Lagune zu liegenden Hütten, eine Verlängerung des Marktplatzes, ist mit Leuten angefüllt, die unter den dort feilgebotenen Schwarzen, gewöhnlich geringerer Qualität, ihre Auswahl treffen. Zwischen die dicksten Menschenmassen drängen sich die wandernden Selavenhänd- ler und bahnen sich mit Gewalt einen Weg; an der Hand ziehen sie mehrere dieser armen Geschöpfe hinter sich her und rufen unaufhör- lich mit lauter Stimme ihren Preis aus. Andere Leute, welche Tücher, Schwerter, Dolehe, Schmucksachen etc. zu verkaufen haben, finden sich gleichfalls in Menge vor; auch sie wandeln auf und nieder und suchen das Gedränge dadurch so viel als möglich zu vermehren. Mit den schmutzigen Szuri’s und ihren schmierigen gelben Hemden kommt man häufig, ohne dafs man sich vor ihnen retten kann, in allzu nahe Berührung; wehe dann dem, der einen weilsen Rock angezogen hat. Die hier herrschende Hitze ist beinahe unerträglich und die Ausdün- stungen so vieler Menschen in dem kleinen, wenn auch oben offenen Raume tragen auch nicht zur Annehmlichkeit bei, so dafs wir schon nach einer halben Stunde froh sind, uns aus dem Getümmel retten und in der Nebenstrafse wieder frisch aufathmen zu können. So wird der Sclavenmarkt alle Tage, mit Ausnahme der hohen mohammedani- Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. A41 schen Feste, zwischen 5—6 Uhr Nachmittags abgehalten, nur ist er nicht in der einen Jahreszeit so voll wie in der anderen, daher auch nicht immer gleich sehenswerth. — Der Selavenhändler ist nur in den wenigsten Fällen Besitzer der Selaven, die er verkauft, sein Geschäft ist eine Profession, wie jede andere, er bekommt die Selaven von ihren Eigenthümern in Commission, erhält vom gelös’ten Gelde seine Cour- tage (gesetzlich sind 24 Proc.) und sucht sie darum so hoch zu ver- werthen, wie er nur kann. Oft nimmt er auch, wie z. B. der alte Abdallah, die ihm zum Verkauf anvertrauten Selaven im Hause auf, beköstigt sie, bis er sie los ist, und rechnet dafür täglich eine bestimmte Summe. Allgemeiner Gebrauch ist es ferner, hübsche Mädchen am Morgen in demselben Aufputz, in dem sie des Nachmittags erschei- nen werden, durch die ganze Stadt zu führen, um dadurch die Leute auf das, was heute zum Markte kommt, aufmerksam zu machen; so werden sie auch manchmal gleich unter der Hand verkauft. Auf dem ganzen Selavenmarkte in Zanzibar sieht man sich ver- gebens nach Scenen um, wie sie uns von den amerikanischen Märkten beschrieben werden, wenn diese Erzählungen nämlich wahr sind; Tren- nungen der Mütter von ihren Kindern und was der Schreckensscenen mehr sind, die als fürchterlich ausgemalt werden, habe ich hier nie- mals bemerkt; wenn so etwas dennoch geschehen sein sollte, so mülste es jedenfalls sehr still hergegangen sein. Selbst bei den erst herüber- gebrachten Selaven habe ich nie ein Zeichen von Theilnahme an dem, was um sie her vorging, beobachtet; stumpfsinnig stehen sie da, star- ren mit den grofsen schwarzen Augen in’s Leere hinein, und scheinen gar keines tieferen Gefühls fähig zu sein; auch kann ich mir nicht denken, dafs diese augenscheinliche Gefühlslosigkeit durch vorherge- gangene grofse Seelenleiden hervorgebracht sein soll; sonst wäre es schwer zu begreifen, dafs diese Menschen, nachdem sie eine kurze Zeit hier gewesen sind und ein regelmäfsiges Leben geführt haben, heiter, vergnügt und wohlaussehend werden; eher möchte ich diesen Stumpf- sinn den ausgestandenen körperlichen Leiden zuschreiben, die un- zweifelhaft bei vielen von ihnen sehr grofs gewesen sein mögen. Ich urtheile hier lediglich nach Mafsgabe dessen, was ich gesehen und er- fahren habe, und darnach muls ich wohl sagen, dafs die armen Ge- schöpfe, sobald sie hier verkauft und an den Ort ihrer Bestimmung gelangt sind, meistentheils ein im Vergleich mit ihrem früheren Loose durchaus nicht beklagenswertbes Leben führen. Leben der Selaven. — Die Behandlung der Sclaven ist näm- lich hier in Zanzibar, wie wohl überhaupt im ganzen arabischen Orient, durchgängig human. Das Gesetz Mohammed’s, zu dem sich die Ara- ber und Szuahelis’ bekennen, macht es seinen Anhängern zur Pflicht 442 E. Quaas: den Sclaven wie ein Glied der Familie zu behandeln, und wenn es auch nicht gerade dem Buchstaben nach in seiner ganzen Tragweite erfüllt wird, so steht es doch bei den auf Aeulserlichkeiten so ‘sehr sehendem Gläubigen in solchem Ansehen, um das Loos der Selaven im hiesigen Lande zu einem erträglichen zu machen. Andererseits ist der ÖOrientale selbst indolent, kein allzu warmer Freund der Arbeit und Anstrengung, und verlangt daher auch von seinen Untergeordneten keineswegs mehr als diese mit Bequemlichkeit leisten können. Mancher Tagelöhner und arme Handwerker bei uns, der mit seiner täglichen Arbeit sein und seiner Familie Leben fristen und so viele Bedürfnisse bestreiten muls, die man hier gar nicht kennt, ist in materieller .Be- ziehung schlimmer daran, als der vielbedauerte Sclave, der bei sehr geringer Arbeit ein Leben ohne Sorge und Noth führt, und der mei- ner Erfahrung nach des Mitleids und der Unterstützung viel weniger bedürftig ist, als das von der Frömmelei so oft übersehene Elend, wel- ches in unserer nächsten Umgebung sich findet. Es ist sehr rührend in unserer Literatur viel von dem Elend der Sclaverei zu lesen; aber für den arabischen Orient gewinnt man aus solcher Leetüre sicherlich ganz falsche Vorstellungen. Von den Tausenden glücklicher Selaven, die ihr jetziges Leben der Existenz in ihrem Vaterlande vorziehen, die in der Sclaverei bleiben, obwohl sie frei sein und nach ihrer Heimath zurückkehren könnten, wird nichts geschrieben, aber ein Unglücklicher wird herausgesucht, sein Schicksal mit den abschreckendsten Farben ausgemalt und als Beispiel für das Loos aller seiner geknechteten Lands- leute aufgestellt. Ist letzteres auch nicht die Absicht des Erzählers, so bildet sich doch in dem Geiste des Lesers unwillkürlich diese Auf- fassung der Verhältnisse aus, weil ihm nur immer Klagen und Bilder des Elends und Jammers vorgeführt werden. Von solchen Vorstellun- gen des Sclavenlebens kommt man durch den Aufenthalt im Orient und auch in anderen Ländern, in denen die Sclaverei zu Hause ist, sehr bald zurück; denn sowohl in Westindien, wo ich häufig den Sonn- tagsvergnügungen der Schwarzen auf den grolsen Zuckerplantagen bei- wohnte, als in Zanzibar, in täglichem und stündlichem Verkehr mit Sela- ven, habe ich sie als ein so heiteres, lustiges Völkchen kennen gelernt, wie sonst kaum irgend eines auf der Erde existiren mag. Das Schreck- liche der Selaverei beruht nicht in der grausamen Behandlung, die ein- zelne dieser Unglücklichen zu erdulden haben, sondern darin, dafs Ab- kömmlinge von Sclaven, in denen kaum noch ein Tropfen afrikanischen Blutes rollt, die nur noch durch die letzten beinahe unmerklichen Zei- chen ihre Abstammung von Negern verrathen, die, was geistige Bil- dung anlangt, dem Europäer vollkommen gleich stehen, — dafs diese stets dem schrecklichen Schicksale ausgesetzt sind, durch die Ungunst Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. A443 der Verhältnisse in eine Lage zurückgeschleudert zu werden, die für sie eine trostlose, grausame, vernichtende sein muls, während sie dem gewöhnlichen Neger eine ganz erträgliche Existenz bietet. — Die hie- sigen Scelaven machen bei Weitem die Mehrzahl der ganzen Einwoh- nerschaft aus und bilden die eigentliche arbeitende Classe, sind Acker- bauer, Tagelöhner und Handwerker und Bediente ihrer Herrn; denn keinem Szuaheli oder Araber, der nur irgend wie Geld hat, sich einen oder mehrere Sclaven anzuschaffen, wird es je einfallen, selbst Hand- arbeiten zu verrichten. Viele Herren schicken ihre Sclaven, wenn diese nichts anderes thun können, auf Tagearbeit aus; sie verdingen sie, wenn zur Zeit der Nelkenerndte die Eigenthümer der Plantagen nicht selbst Leute genug haben, zur Arbeit auf dem Lande, oder bei Haus- bauten, wo sie die zum Bau nöthigen Materialien, Sand, Steine, Kalk ete. herbeischaffen und die Dienste unserer Handlanger verrichten müssen; oder lassen sie bei Europäern arbeiten, bei denen Jahr aus Jahr ein täglich Beschäftigung für viele hunderte von Selaven ist. Die Arbeits- zeit dauert in diesen Fällen von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends und der Tagelohn beträgt in der Stadt 8 Peis (circa 23 Sgr.), auf den Plan- tagen 6 Peis, oder wenn die Arbeiter zugleich beköstigt werden, noch weniger. Dieser Arbeitslohn mag uns verhältnifsmälsig gering erschei- nen, ist es aber keineswegs, denn für 2 Dollar pro Monat kann ein Selave bei der Billigkeit der Nahrungsmittel sehr gut verpflegt wer- den, und andere Bedürfnisse als die des Magens kennt er kaum. Der Ueberschuls des Verdienstes kommt natürlich dem Herrn zu gute; so ernähren 3—4 Sclaven, wenn sie nur immer Arbeit haben, sowohl sich als ihren Besitzer. Verstehen die Sclaven irgend ein Handwerk, sind sie Zimmerleute, Maurer, Schmiede, Schuhmacher oder Schneider, so verdienen sie damit so viel sie können und geben ihrem Herrn nur monatlich oder jährlich ein Bestimmtes von ihrem Gewinnst ab. Solche wohnen dann auch in den meisten Fällen gar nicht bei ihrem Herrn, sondern haben ihre eigene Hütte, ihren eigenen Hausstand, und der Herr hat nur das Recht, sie, wenn nöthig, auch für sich arbeiten zu lassen. Die dritte Classe von Scelaven sind die Haussclaven, diejeni- gen, welche in jeder Wirthschaft die Stelle unserer Dienstboten ver- treten; ihnen geht es unter allen am Besten, weil sie am wenigsten zu thun haben, und die Arbeit, die bei uns 1—? Diener verrichten müssen, unter 6—15, je nach der Gröfse der Haushaltung vertheilt ist. — Der Herr ist unumschränkter Gebieter über das Schicksal sei- nes Sclaven, kann mit ihm machen was er will, nur tödten darf er ihn nicht, aufser in Fällen, wo seine Ehre angegriffen wird; wer den Scelaven eines anderen tödtet, hat dem Eigenthümer nur dessen Werth zu ersetzen. Häufig kommt es vor, dafs Selaven, die sich durch Thä- 444 E. Quaas: tigkeit und Sparsamkeit unter einem nachsichtigen Herrn etwas zu- rückgelegt haben, sich selbst wieder andere Scelaven anschaffen; dann leben sie als kleine Herrn gemächlich von dem Ertrage der Arbeit ihrer Untergebenen, und treiben, wenn es ihre Mittel erlauben, sogar den Luxus, sich mehrere Frauen zu halten. Freilich gehört alles, was sie besitzen, nur mittelbar ihnen selbst und ihr Herr kann es ihnen jeden Augenblick nehmen, allein ein solcher Fall kommt hier beinahe gar nicht vor. Vor einigen Jahren ereignete es sich einmal, dafs der Herr sich in die Frau seines Selaven verliebte, und als dieser sie ihm nicht überlassen wollte, ihn und seine ganze Habe verkaufen liefs; aber dieses ist ein vereinzeltes Factum. Wie ich schon oben bemerkte, werden die Selaven hier im Gan- zen sehr gut behandelt; sie haben sogar, wie ich glaube, das Recht, im Falle es ihnen bei ihrem Herrn nicht gefällt, oder sie schlecht ge- halten werden, ihren Verkauf zu verlangen, ferner können sie, wenn auch nicht alle, so doch wenigstens diejenigen Mädchen, die als Szu- rias (Concubinen) dienen sollen, sogar verlangen, nur an eine solche Person, gegen die sie nichts einzuwenden haben, verhandelt zu wer- den. Eine feste Norm wird in diesen Beziehungen allerdings schwer- lich existiren; dafs aber ein derartiges Gewohnheitsrecht vorhanden ist, habe ich aus einem Gespräche des alten Selavenhändlers Abdallah ge- schlossen, dem ich einstmals begegnete, als er mit seinen Sclavinnen vom Markte kam. Auf eine derselben war von einem ihr sehr unlie- benswürdig vorkommenden Araber geboten worden, sie weinte und sagte, sie würde sich an diesen nicht verkaufen lassen, nicht zu ihm gehen, während ihr sowohl der alte Abdallah, als auch die anderen Mädchen zuredeten, doch nicht so halsstarrig zu sein, denn ihr Käu- fer sei ein ganz netter Mann; eine Art Berechtigung zum Widerspruch scheint diesen Mädchen also zuzustehen. Die Scelaverei steht überall an der Ostküste Afrika’s in der engsten Verbindung mit der ganzen sonstigen Existenz der Menschen; wie ein rother Faden zieht sie sich durch das staatliche und sociale Leben hin, und schafft fortwährend neue Bande der Verpflichtung, welche die ärmere Classe an die über ihnen stehende ketten. Es kommt häufig vor, dafs reiche Leute Sela- ven, die ihnen lange treu gedient haben, entweder schon bei ihren Leb- zeiten freigeben, oder dafs bei dem Tode des Herrn seine Angehöri- gen ihnen die Freiheit schenken und darüber ein schriftliches Docu- ment, den Freischein, ausstellen, welcher von jetzt an den einzigen Beweis bildet, dafs sein Besitzer kein Sclave (mtuma) mehr, sondern ein freier Mann (muungäni) ist. Er ist jetzt Herr seines Schicksals, kann nicht mehr verkauft werden, hat seinem früheren Besitzer nichts mehr zu zahlen oder für ihn zu arbeiten; aber die Verpflichtung der Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. 445 Dankbarkeit seinem Herrn oder dessen Angehörigen gegenüber behält er; er muls bei allen in seiner Familie vorkommenden feierlichen Gelegenheiten, bei Geburten, Hochzeiten, besonders bei Leichenbegäng- nissen und an den grolsen Festtagen des Islams Rhamadan und Hadjj erscheinen, um seine Huldigung (ssaläm) darzubringen. Man würde es dem Freigelassenen sehr verargen, der dies unterliefse. So pflanzt sich diese Verbindlichkeit des Armen gegen den Reichen (denn der grölste Theil der unteren Classe der Bevölkerung besteht aus freige- lassenen Sclaven) auf Kind und Kindeskinder fort, sie macht uns den grolsen Anhang und die Macht einzelner alten Familien erklärlich, und trägt nicht unwesentlich zu dem Satellitenthum bei, das ich schon frü- her geschildert habe. Dafs Sclaven ihren Herrn entlaufen, kommt auch mitunter vor, aber in den seltensten Fällen ist schlechte oder allzustrenge Behand- lung daran Schuld; im Gegentheil, ein allzumildes Regiment läfst den Untergebenen Schwäche bei seinem Herrn voraussetzen, und hieraus ergeben sich üble Folgen. Von einem strengen Herrn wegzulaufen, dazu wird dem Scelaven der Muth fehlen, den zu grofse Nachsicht leicht in ihm hervorbringt; Furcht bleibt immer das Hauptmotiv aller seiner Handlungen. Alte vernünftige Scelaven denken auch gar nicht daran, wegzulaufen; meistens sind derartige Sünder junge Taugenichtse beiderlei Geschlechts, denen die Liebe einen Streich spielt; vielleicht eben erst in’s Alter der Mannbarkeit getreten, können sie mit dem Gegenstande ihrer Zuneigung nicht oft genug zusammen kommen, und entfliehen mit ihrer Geliebten, um in der Einsamkeit ein ungestörtes Glück zu genielsen. Leider gelingt aber die Sache in den meisten Fällen nicht nach Wunsch; wenn sie auf der Insel bleiben, werden sie bald. wieder eingefangen; und auch bei der Flucht nach der Küste des Festlands wird man ihrer oft wieder habhaft und transportirt sie zu- rück; häufig passirt es auch, dafs sich die entflohenen Vögel wieder nach ihrem Käfig, nach den Fleischtöpfen Aegyptens zurücksehnen, auf einmal wiedererscheinen und ihren Herrn reumüthig um Verzeihung bitten. Natürlich werden sie bei ihrer Wiederkunft von ihren Mitge- nossen ausgelacht und vielfach geneckt, und schämen sich ihres Ver- gehens so, dals sie sich in der ersten Zeit bei ihren Bekannten gar nicht sehen lassen. Ein solches Beispiel hatte ich an einer jungen Selavin, welche schon seit lange in unserem Hause Wasser getragen hatte und auf einmal verschwand; sie war, wieich später hörte, nach Kiloa entlaufen; ungefähr nach 3 Monaten wurde sie wieder zurück- gebracht, liefs sich aber bei uns noch lange nicht blicken. Als ich ihr zufällig einmal begegnete und sie um die Ursache ihres Ausblei- bens fragte, antwortete sie mir demüthig, dafs sie sich zu sehr ge- AA6 E. Quaas: schämt habe. Für solche Fluchtversuche werden die Sclaven entweder privatim durch Prügel und Einsperrung bestraft, oder ihr Herr über- giebt sie der öffentlichen Gerechtigkeit. Einige Tage im Block oder an Händen und Füfsen geschlossen sitzen, ist dann ihr Loos und man sieht gewöhnlich viele solcher Sträflinge bei dem grolsen Flagg- stock var dem Palast des Sultans ihre Strafe abbüfsen. Unverbesser- lichen Sündern, welche die Fluchtversuche wiederholen, pflegt man in der Gegend des Fufsgelenkes um die Beine zwei eiserne Ringe zu legen, die durch eine in der Mitte mit einem Gelenk versehene, wohl 12—15 Zoll lange eiserne Stange verbunden sind, so dafs das betref- fende Individuum nur sehr langsam mit gespreizten Beinen gehen kann. Auch begegnet man mitunter ganzen Zügen Sclaven, 15—20 Mann stark, die an eine lange eiserne Kette in der Entfernung von unge- fähr je 7—8 Fuls festgeschlossen sind. Es sind dies nicht etwa Sela- ven eines und desselben Herrn, sondern sie werden von verschiedenen Seiten dem Gouvernement zur Bestrafung übergeben, und der ganze Gang wird zusammen irgend Jemanden, der Arbeiter verlangt, auf Tagelohn vermiethet. Die Kette geht durch ein um den Hals des Sträflings gelegtes eisernes Band, das mit einem kleinen Vorlegeschlofs geöffnet und geschlossen werden kann. Sollte man nun bei diesen Menschen Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit erwarten, so würde man sich sehr irren; sie verrichten ihre Arbeit, tragen Steine, Sand, Kalk ete. ebenso lustig und heiter mit der Kette über der Schulter, als sie es ohne dieselbe thun würden. Traurigkeit, Schwermuth ist dem hiesigen Neger etwas Unbekanntes. Wenn ein Sclave und eine Selavin sich verheirathen wollen, so müssen sie, im Falle sie nicht demselben Besitzer angehören, die Er- laubnifs ihrer beiderseitigen Herren einholen; auch wenn ein freier Ne- ger eine Sclavin zur Frau nehmen will, mufs dies geschehen; gewöhn- lich zieht die Frau zu ihrem Manne, der jetzt verpflichtet ist, für ihren Unterhalt Sorge zu tragen, doch bleibt sie ihrem Eigenthümer dienst- pflichtig, und mufs, wenn dieser es verlangt, für ihn arbeiten. Die in solchen Ehen erzeugten Kinder sind gleichfalls Selaven, doch kommt es nur sehr selten so weit, da die Neger keine grolsen Freunde der Beständigkeit sind, und manchmal kaum 4 Wochen mit einer Frau leben. Die Sitte, dafs der Herr seinen Sclaven zur Hochzeit ein klei- nes Geschenk in Geld, vielleicht 1 Thlr. nebst 1—2 freien Tagen giebt, mag wohl in vielen Fällen der Hauptgrund für solche Heirathen sein, denn die Ehe ist für sie nichts Bindendes. Sind beide Theile einan- der überdrüssig, so gehen sie aus einander und jeder sucht sich eine andere Hälfte. Merkwürdigerweise scheinen die jungen Ehemänner die Kinder nicht gerade zu lieben, ja es kommt sogar gar nicht selten vor, Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. AAT dafs sie ihre Frauen fortjagen, wenn diese sie mit einem Kinde be- schenken; meistens überlassen sie dieselben dann ihrem Schicksale. Nur ein rührendes Beispiel ehelicher Treue sahen wir ganz in unserer Nähe, ein Paar Sclaven unseres Hausherrn, beide, vor allem die Frau abschreckend häfslich; sie hatten drei Kinder, was hier zu Lande ein wirkliches Wunder ist. Beide Ehegatten lebten noch ganz glücklich zusammen. Was übrigens das Glück und den lieben Frieden in sol- chen Verbindungen betrifft, so läfst sich davon nicht viel sagen, indem besonders die Frauen durch ihr hitziges Blut, ihre häufige Untreue Ver- anlassung zu argen Störungen geben. Zarte Behandlung fruchtet bei ihnen nichts; sie wollen ihres Unrechts mit schlagenden Gründen über- führt sein; selbst wild und unbändig, halten sie einen Mann, der sie nicht mit Gewalt im Zaume zu halten weils, für einen Schwächling, dem sie auf der Nase herumspielen können und verachten ihn; weils der Gatte sich aber gleich Anfangs Respect zu verschaffen, so nehmen sie sich vor allzu grofsen Uebergriffen und Fehltritten wohl in Acht, und sind ihm in Demuth unterthan. In Bezug auf Religion stehen die hiesigen Sclaven auf einer sehr niedrigen Stufe. In dieser Hinsicht kümmert sich Niemand um sie; und ein Jeder kann glauben, was er will. Die erst in späterem Alter herübergebrachten hängen natürlich noch dem in ihrem Vaterlande ge- bräuchlichen Götzendienste an; die hier gebornen, oder als Kinder schon hierher verkauften, bekennen sich zum Mohamedanismus; dies will jedoch nicht viel sagen, der Geist des Glaubens, dem sie ange- hören, bleibt ihnen immer fremd und nur die Beobachtung der äufse- ren Ceremonien, in der sie oftmals wohl erfahren und sehr streng sind, macht sie zu dem, was sie zu sein vorgeben. Aberglauben der gröbsten Art, wohl schon von den ältesten Zeiten her, aus dem Lande ihrer Geburt, dem Innern Afrika’s stammend, findet sich bei ihnen vor und bildet den Hauptbestandtheil ihrer Religion. Bei alle dem ist es der grölste Stolz eines Sclaven, sagen zu können, dals er ein Beken- ner des Islam ist; mit gehobenem Gefühle deutet er dann auf seine Brust und sagt: „mimi Arabo“ ich bin ein Araber. — So hat jeder Mensch seinen Stolz, sein eigenes Ideal, und das des Negers, das Voll- kommenste, was er sich denken und wünschen kann, ist ein Araber zu Sein. Unter der Selavenbevölkerung Zanzibar’s findet man die verschie- densten Stämme der Küstenstriche und des Innern Afrika’s vertreten, und zwar kann ein Kenner aus der verschiedenen Tättowirung des Gesichts leicht unterscheiden, wefs Landes irgend ein Individuum ist; so sind die‘ Betschuana’s, die widerlichsten von allen, an ihrer durch- bohrten Oberlippe, die Macua’s an dem auf der Mitte der Stirn sicht- A448 E. Quaas: baren Halbmond, die Massaua’s an dem auf Stirn und Schläfen ein- geätzten Stern, die Gindo’s, Uniamesi’s, Nyassa’s und andere mehr an verschiedenen Linien und Zeichen erkennbar, die sie sich an bestimmten Theilen des Gesichts eingeätzt haben. In ihren geistigen Fähigkeiten findet ein ebenso grolser Unterschied statt; unter allen stehen wohl die Betschuana’s und Uniamesi’s auf der niedrigsten Stufe; und es ist so- gar der letztere Name unter den Negern selbst zu einem Schimpfworte geworden, und man gebraucht ihn, um einen recht stupiden Menschen zu bezeichnen. Zur persönlichen Bedienung in der Stadt und zu den häuslichen Arbeiten wählen die Herren in der Regel diejenigen ihrer Sclaven, welche am intelligentesten sind und am besten aussehen, und lassen die übrigen auf ihren Plantagen die Feldarbeit besorgen. Diese Stadtselaven, die vielleicht theilweise hier geboren sind, also eivilisirte, die, wie schon früher bemerkt wurde, oft ganz unabhängig leben, ihren eigenen Hausstand haben, sind von den Freigelassenen und den Szua- heli’s der geringen Classe so wenig zu unterscheiden, dafs man aus mehreren ihres Schlages den Selaven und den Freien nicht leicht her- aus erkennen kann; ebenso wie im Aussehen sind sie auch in ihrer Sitte und ihren Gebräuchen einander ähnlich, so dafs sie füglich unter eine Kategorie gestellt und zusammen beschrieben werden können. Ihre Kleidung besteht meistens in einem einfachen Lendentuche (ungüo), das von den Hüften bis nach den Knieen herunterfällt, und in einem anderen Tuche, welches auf die verschiedenste Weise über die Schulter geschlagen oder um den Kopf gewickelt wird und im letz- teren Falle den Turban (kilemba) bildet. An Sonn- und sonstigen Festtagen tragen ein weilses Hemd mit rothem Besatz (kansu), eine Art Weste (kissimbdo mdögo), eine rothe oder weilse Mütze (kofia) wie sie schon früher bei dem Costüm der Szuaheli’s beschrieben wor- den ist, viel zur Verschönerung des Negers bei. Wer es kann, schafft sich einen billigen Dolch, eine Lanze (küki), wenigstens ein Messer (kisso) an, das mit seiner Scheide vorn in’s Lendentuch gesteckt wird. In der Hand müssen diese Leute beim Ausgehen stets etwas haben, das gebräuchlichste ist ein einfacher Stab; aber auch Stöcke, die am oberen Ende anstatt des Griffes mit einer kleinen Axt versehen sind oder einen eirunden 3—4 Zoll im Durchmesser haltenden Knopf tra- gen, sieht man häufig. Diese letzte Waffe ist gewöhnlich nur 2 Fuls lang und von sehr hartem Holze gefertigt. Das Haar tragen die mei- sten nach mohammedanischer Sitte, glatt vom Kopfe abrasirt, und man bedient sich zum Rasiren eines ganz gewöhnlich geschliffenen Brod- messers, was gewils keinem anderen Schädel als dem eines Negers behagen würde. Mit dem nackten Kopfe laufen diese Leute in der glühendsten Mittagssonne herum, und mit blolsen Fülsen über den er- Die Szuri’s, die Kuli’s und die Selaven in Zanzibar. 449 hitzten Sand und auf Wegen, die mit einer ungewalzten Chaussee Aehn- lichkeit haben. Sandalen kennt man blofs als Sonntagsstaat. Schmuck- sachen sind bei Männern etwas Ungebräuchliches. Die Kleidung der Frauen ist beinahe ebenso einfach, sie besteht aus zwei dünnen baum- wollenen Tüchern. Das eine davon wird unterhalb der Achsel um den Leib gelegt und mit den Zipfeln des oberen Randes, die in ein- ander gewickelt werden, dort befestigt; es bedeckt den Busen vollstän- dig und reicht, den ganzen Leib wie ein Sack einhüllend, bis auf die Knöchel; gewöhnlich sind diese Tücher (ung&do) von dunkler Farbe, blau oder bunt, und man benutzt dazu sehr häufig baumwollene Ta- schentücher, welche von den Franzosen hier in Menge importirt wer- den. Das zweite wird über die Schultern geworfen und ist in der Re- gel einfarbig, und an den Kanten mit gedrehten Franzen versehen; es dient theils zur Bedeckung, zum Schutze gegen das Wetter, theils, wie bei unseren Damen der Fächer, das Bouquet und der Sonnenschirm zum Coquettiren, worin es auch das hiesige dunkle Eva-Geschlecht zu einer gewissen Meisterschaft gebracht hat. Dies Tuch ist beim Gehen in fortwährender Bewegung; bald wird es abgenommen, so dafs der Busen gesehen werden kann, bald wieder umgeworfen, dann hier und da in andere Falten gezogen, bald bedeckt es nur die eine Schulter, bald die andere, oder die Enden werden wulstförmig auf die Brust ge- legt, um den Effect zu erhöhen. Auf dem Kopfe tragen die Mädchen, meistentheils aber erst, wenn sie mannbar geworden sind, und die jun- gen Weiber ein dunkelblaues dünnes Stück baumwollenes Zeug (ugeia), welches bis zu den Füfsen reicht, nach unten zu schmäler wird und in zwei lange Spitzen ausläuft. Es wird mit dem oberen Saume auf die Mitte des Kopfes gelegt und dort theils durch die Frisur festge- halten, theils durch ein kleines Band oder silbernes Kettchen, welches wie ein Sturmriemen unter das Kinn fafst und dort gewöhnlich mit einer kleinen silbernen Troddel verziert ist. Wie ein Schleier fällt die Ugeia vom Rücken herunter; sie ist der Wunsch und Stolz eines jeden Mädchens. Auch dieses Tuch dient beim Gehen sehr viel zum Zeitver- treib, da es lose herunterhängend den Boden berührt und davor durch die Hände geschützt werden muls, besonders wenn, wie es sehr häufig der Fall ist, eine silberne Quaste am unteren Ende befestigt ist; auch wird es über den Unterarm gelegt, über die Schultern geschlagen oder auf dem Kopfe turbanartig in die verschiedensten Formen zusammen- gewickelt. Oft dient es zur Unterlage unter den Wassertopf, oder irgend einen anderen auf dem Kopfe getragenen Gegenstand. Auf schönen Kopfputz wird im Allgemeinen sehr viel gehalten; so ab- schreckend selbst das hübscheste Negermädchen aussieht, wenn die krausen schwarzen Haare ausgekämmt sind und nach allen Richtun- Zeitschr,f, allg. Erdk. Neue Folge. Bd, IX. 29 450 E. Quaas: gen ungefähr einen Fufs weit vom Kopfe wie die Schlangen um das Haupt der Medusa starren, so sehr gewinnt sie durch eine hübsche Frisur, und das wissen die Mädchen selbst sehr gut und wenden, wenn sie keine Freundin haben, die aus Gefälligkeit Zofendienste verrichtet, gern ein Peis daran, um sich wenigstens einmal in jeder Woche fri- siren zu lassen. Frauenzimmern kleiner Statur, — und diese sind die zahlreichsten, — steht ein doppeltes Toupet am besten, während die grölseren ihres Geschlechts die platten Scheitel besser kleiden. Die Mode regiert indefs auch hier mit eisernem Scepter. Um die Toupets zu machen, werden die Haare in der Mitte gescheitelt, ungefähr über der Mitte eines jeden Auges kleine lederne Röllchen auf den Kopf ge- legt, und über dieselben von allen Seiten die Haare glatt gekämmt, doch werden dazu nicht alle genommen, sondern die auf dem Hinter- kopfe und unmittelbar über der Stirn bis zu den Ohren freigelassen. Oben auf dem Toupet werden nun die Haare in kleine zierliche dicht anliegende Bänder geflochten, dasselbe geschieht mit den zuerst übrig gebliebenen Haaren, und die Enden derselben bilden nun an den Schlä- fen und im Nacken auf jeder Seite ein kleines abstehendes Zöpfchen. Bei der anderen Frisur theilt man die Haare in eine Menge Scheitel, vielleicht 10—12 und bildet aus jeder Parthie besonders die kleinen anliegenden Zöpfchen; dadurch, dafs man die Abtheilungen uneinge- rollt in geraden Linien von vorn nach hinten quer über den Kopf oder in allerhand Krümmungen verlaufen läfst, kann die gröfste Mannich- faltigkeit in diese Frisur gebracht werden. Sie gut zu machen dauert wenigstens eine Stunde. Bei festlichen Gelegenheiten, Rhamadan, Ni- rüsz (Neujahr), bei Hochzeiten (harüszi) etc. werden noch weilse Jas- minblüthen in die Haare gesteckt, und dasselbe oberhalb der Stirn mit einem breiten Streifen gelben Sandelholzstaubs, mit Wasser vermischt, angemalt, was wie ein goldenes Stirnband aussieht, sowie stellenweise selbst das Gesicht mit diesem Staube eingepudert wird. Auch bei den Sclavinnen ist es Sitte alle anderen Haare am Körper, aufser den auf dem Kopf befindlichen zu entfernen. — Für Schmucksachen aller Art haben die Frauen eine sehr grofse Vorliebe. Dicke Schnüre, kleine und grolse Glasperlen (mschänga) werden um den Hals oder in ein- zelnen oder mehrfachen Schnürchen und Bändern um die Handgelenke und den Oberarm getragen, kupferne und eiserne Ringe, selbst ein klei- nes buntes Bändchen ersetzen sie häufig bei den Sclavinnen armer Herren und bei solchen, die keinen Mann oder Liebhaber besitzen, der sie mit etwas Besserem versorgt. Am schönsten gehen die Sclavinnen der bibi (Herrinnen) angekleidet, zu denen man auch stets, wie zu den Szuria’s, die nettesten Mädchen wählt, nämlich die Buschir- Mädchen, wie man die aus Habessinien, von der nördlichsten Küste und aus den Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. 451 dortigen Inseln herstammenden nennt. Die aus Madagascar (Bukin) und die von den Comoro’s, die Angasidja’s, sind unzweifelhaft die hüb- schesten unter allen, und sehen, wenn sie reine weilse oder bunte hell- farbige Tücher angethan haben, ganz stattlich aus, wie denn überhaupt hellfarbige Kleider den Schwanzen beiderlei Geschlechts am Besten stehen. Nicht wenig tragen zur Verschönerung die goldenen und sil- bernen Schmucksachen bei, welche die Scelavinnen von der Gebieterin, wenn diese vermögend ist, zum Tragen bekommen. Die bei den hie- sigen Frauen beliebtesten Schmucksachen sind folgende: der kleine silberne Nasenring (pete la püa) wird in den unteren Theil der Na- senwand eingezwickt und hängt bis über den gröfsten Theil der Ober- lippe herunter. Häufig wird er auch von jungen Mädchen getragen, und er ist für das Gesicht wegen des Contrastes der Farbe ein nicht übler Zierrath. Im linken Nasenflügel haben die Frauenzimmer bei- nahe stets ein kleines Loch, in welches sie in Ermangelung des dort- bin gehörigen Schmuckes, eines kleinen silbernen oder goldenen Knopfs, (kipini tscha püa oder hassdma genannt), ein Stückchen Holz oder zu- sammengewickeltes Schilf stecken. Die Ohrgehänge haben sie von den verschiedensten Formen. Das einfachste ist ein silberner Ring im Ohr- läppehen (pete la schikio); an diesem befindet sich noch häufig ein glockenförmiger Zierrath, an dem kleine silberne Zacken und Flittern, wie die krystallenen Säulchen an Kronleuchtern herabhängen; ein sol- cher Schmuck heifst dann madjdssi; ein anderes wipüli genanntes Ohr- gehänge besteht aus kleinen halbmondförmigen zierlich gearbeiteten Silberplättchen, die in der Mitte durchbohrt und auf einen dicken Sil- berring gereiht sind, so dafs sie hin- und herspielen können, und wenn die Person, die sie trägt, geht, einen klingenden Ton von sich geben. Um die anderen beiden Arten Schmucks an die Ohren anzubringen, müssen die Läppchen ebenfalls durchbohrt, das Loch jedoch ungefähr bis zur Gröfse eines preulsischen Thalers erweitert werden; das letz- tere erreicht man dadurch, dafs man nach und nach immer grölsere Gegenstände in die ursprünglich kleine Oeffnung und zuletzt zusam- mengewickeltes Schilf hineinsteckt, welches wie eine Feder ausdehnend wirkt. In Ermangelung anderer Zierrathen wird auch stets solches Schilf im Ohr getragen, um die Verkleinerung der einmal vorhande- nen Oefinung zu verhüten; der dahin gehörige Schmuck ist eine eylin- derförmige 3 Linien hohe silberne Kapsel, die auf einer der oberen Seiten eine breite hervorstehende Kante hat und damit den dünnen Rand des Ohrläppchens gänzlich bedeckt; auf dieser breiten Seite sind auch Verzierungen in erhabener Arbeit angebracht. Eine viel weniger kostspielige Abart dieses hassdma ist eine kleine Holzkapsel, die auf der nach Aufsen gekehrten Seite mit concentrischen Ringen in roth, 23» 452 E. Quaas: schwarz und Silberfarbe bedeckt ist und mwidi genannt wird. Wie die Banjanen haben auch die meisten Mädchen den oberen Rand der Ohrmuschel mit vielen kleinen Löchern durchbohrt und stecken kleine Silberstifte von der Dicke eines Schwefelholzes mit einem Knopf ver- sehen (kipini) oder Ringe hinein, auch sieht man häufig nur Stückchen Holz darin. Um die Arme werden dicke silberne oder goldene Ringe gelegt; die Arm- und Fulsringe (wikukü, mtali) sind hohl, da, wo sie den gröfsten Durchmesser haben, einen Zoll dick, und mit einem Ge- lenk und Schlofs versehen, um sie befestigen zu können. Oft sind sie mit getrieben erhabener Arbeit verziert, und sie werden je nach dem Reichthum der Herren in gröfserer oder geringerer Anzahl oberhalb der Knöchel, an den Handgelenken und dem Oberarm getragen. Die Sclavin aus dem Serail, welche uns immer die Geschenke überbrachte, war damit von der Handwurzel bis zu den Ellenbogen und vom Knö- chel des Beins bis halb nach dem Knie hinauf bedeckt, daher konnte man sie weiter hören als sehen. Gewöhnliche Bracelets werden be- nadjiri genannt. Armbänder von grofsen rosenrothen und schwarzen Rosenkranzperlen (ismdi) sieht man ebenfalls sehr häufig. — Sich zu parfümiren ist auch unter den Sclavinnen sehr Mode. Das schon frü- her erwähnte Sandelholz-Oel, der Weihrauch (“di) sind sehr beliebt, aber der Billigkeit wegen zieht man diesen braune Salbe (tibu), eine Composition der verschiedensten Ingredienzien vor, man reibt damit den Leib ein, und der angenehme Geruch davon verliert sich selbst nach einigen Tagen nicht, wenn man sich nicht abwäscht. Das am wenigsten Kostspielige sind jedenfalls wohlriechende Kräuter und die weilse Blüthe des Pandanus, letztere ist sogar ein probates Schutzmit- tel gegen die Muskitos. Die Mädchen wickeln sie in ein Blatt zur doppelten Dicke einer Federpose zusammen und tragen dies Riech- büchschen (kiküba) an einer Schnur am Halse unter das Busentuch herabhängend. Auch der Sandelholzstaub, mit dem sie sich das Haar und Gesicht zu bestreuen pflegen, hat schon an sich einen angeneh- men Geruch. Der Gebrauch von Parfüms bei beiden Geschlechtern ist wohl einigermalsen gerechtfertigt, wenn man bedenkt, wie stark in diesem Klima bei den meisten farbigen Leuten die Ausdünstungen sind. Auch Frauen der höheren Stände bedienen sich solcher Parfüms und sie bedürfen ihrer vielleicht noch mehr als die Negermädchen, weil diese sich täglich in der frischen Luft bewegen, sich in der See baden oder sich doch häufig waschen, während jene im Hause eingeschlos- sen, sich den ganzen Tag in den Kleidern, die sie nur selten wech- seln, herumbewegen, und überdiefs die Waschungen wohl nicht so oft vornehmen als es das heilse Klima erfordert. Wie die vornehmen Frauen, so färben sich auch die Frauenzimmer der geringeren Classe, Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. 453 die Selavinnen, sogar die Männer die Augenwimpern und Augenbrauen mit Rufsschwarz, geben den unteren Augenlidern einen ganz feinen Anstrich und machen sich häufig mit demselben Stoffe von der Nasen- wurzel bis zur halben Stirnhöhe, sowie an verschiedenen anderen Stel- len des Gesichts Striche; es sieht besonders bei gelben Mädchen, bei denen es den Teint hervorhebt, sehr hübsch aus. Noch ärger werden aber kleine Kinder bis zu dem Alter von 3—4 Jahren angemalt. Die kleinen Geschöpfe sehen manchmal wie die Teufelchen aus, und haben das ganze Gesicht die Kreuz und Quere mit rothen und schwarzen Linien durchzogen. Der hauptsächlichste Grund mag in dem Aber- glauben liegen, das Kind dadurch, wie durch einen Talisman vor dem bösen Auge und vor Krankheiten zu beschützen. Die innere Fläche der Hände, Finger, Fufssohlen und Nägel werden nach morgenländi- scher Sitte häufig mit henna eingerieben und erhalten dadurch eine an- genehme rosenrothe Farbe. Junge Mädchen haben aufserdem noch die sonderbare Mode, sich oberhalb des Busens und auf den Armen kleine Sterne oder andere Figuren einzuätzen, was man mtonescha nennt. Die dazu bestimmten Stellen werden mittelst des scharfen Stau- bes der Nufs (mbibid), den man darauf streut (tschöora mabibu), zum Eitern gebracht, nachher mit einer dünnen Schicht weifslichen Thons bedeckt und erscheinen, sobald sie abgeheilt sind in etwas hellerer Farbe über die angrenzenden Körpertheile erhaben. Die Nahrung der Sclaven der Szuahelis der geringeren Classe ist aulserordentlich einfach; Manioc- Wurzel (mhögo), Reis (mdjele), ge- trockneter Fisch (pappa) und Früchte sind ihr täglicher Unterhalt. Das Manioc wird auf Zanzibar selbst in Menge gebaut und ist so billig, dafs für 1—2 Peis ein Mensch den ganzen Tag genug hat. Es ist eine länglich runde Knolle, den Nierenkartoffeln ähnlich, und hat ein ganz weilses und mehliges Fleisch; als ausschliefsliche Nahrung ist es nicht gesund; man röstet die Knollen entweder auf Kohlen oder in heilser Asche, oder kocht sie mit Mehl zusammen zu einem dünnen Brei, ugari genannt; häufig werden sie auch ganz roh gegessen. So- wie es das Zeichen sehr grofser Armuth ist, nur von mhögo zu leben, so schätzt man den schon glücklich, der alle Tage Reis zu essen hat. Welche Bedeutung man ihm beilegt, zeigt schon der Umstand, dafs man je nach dem Uebergangsstadium, in dem er sich befindet, ihm verschiedene Namen beigelegt hat. Der rohe unausgehülste Reis ist der billigste, ihn nennt man puünga; sobald er seine braune Schale ver- loren, heifst er mdjele, und die kleinen Stücke, welche bei der Proce- dur des Stampfens (co punda) abfallen, heifsen tschönga. Im letzten Stadium, wenn er fertig gekocht vor dem Hungrigen steht, hat er den schönen weichklingenden Namen waäli; beinahe so weich wie der Reis A454 E. Quaas: selbst; wali natschüsi, Reis mit Currysauce, das Milde mit dem Star- ken, — das ist das non plus ultra der Glückseligkeit in den Augen des Negers. Aber nicht allein für den Eingeborenen, sondern auch für den Europäer ist dies ein vortreffliches Essen, dessen man wie des lieben Brodes, auch wenn man es täglich genielst, nie überdrüssig wird. Weniger angenehm, wenigstens für den Abendländer, ist das Hauptnahrungsmittel der armen Leute, der pdppa. Im Nord-Mon- soon kommen die Szuri’s mit ganzen Fahrzeugen voll dieser übelrie- chenden widerlichen Fische von Norden herunter. Es sind Haifische, Delphine, Schweinfische, kurz, alles was nur gefangen werden kann. Eingesalzen und getrocknet liegen sie hier in der Nähe des Custom- hauses Monate lang in der glühenden Sonne und sind oft dort schon halb verfault; dennoch bilden sie einen Leckerbissen der Leute, und in ihrem Genusse ist wohl der Hauptgrund der vielen Geschwüre und Hautkrankheiten zu suchen, die man hier zu sehen bekommt. Da frische Seefische und Fleisch zu theuer sind, machen päppa die ge- wöhnlichste Fleischnahrung der armen Classe aus; man verzehrt sie hier in Unmasse; auch auf Seereisen; da sie sich lange halten, werden sie für die Mannschaft der Fahrzeuge in Menge mitgenommen. Fleisch steht auf der gastronomischen Stufenleiter um eben so viel höher über dem Reis, wie der Reis über dem mhogo. Aufserdem giebt es noch andere Nahrungsmittel, eine kleine linsenartige grüne Hülsenfrucht (künde), eine rundliche, grüne oder rothe Bohne (djüroko); ferner wer- den verschiedene Arten Korn, eine kleine weilse runde Sorte mtdma, die sehr nahrhaft ist, und eine graugrüne unserem Korn in Gestalt ähn- liche (maweli) zum Backen eines ungesäuerten Brotes und zum Bereiten verschiedener Speisen benutzt. Mangos, Ananas, Orangen, Bananen, Bataten, die Früchte des Durionbaumes bilden natürlich einen Haupt- tbeil ihres Unterhalts; vorzüglich macht die letzte, wegen ihres unan- genehmen Geruches Stinkfrucht (jackfrwt), von den Eingeborenen findessi genannt, oft eine Mahlzeit allein aus. Speck rühren die Ne- ger nach dem Beispiel der Araber niemals an, mit einem kleinen Stück- chen desselben kann man sie in den schnellsten Trab versetzen. Wer- den sie an Bord von Schiffen, wie es manchmal geschieht, von den Arbeitern mit Speck geworfen und bekommen das Fett auf den blofsen Leib, so springen sie gewöhnlich gleich in’s Wasser und lassen sich nachher die berührte Stelle mit verschiedenen Messerschnitten durchkreuzen, erst dann halten sie sich wieder für rein. Das gewöhn- liche Getränk der Neger ist Wasser, doch sind sie auch geistigen Ge- tränken nicht abgeneigt; so bereitet man aus dem weilsen Korn (mtäma), eine Art Branntwein, pombe genannt, der sehr häufig genossen wird. Das Lieblingsgetränk der Szuahelis der niederen Classe ist der timbo, Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar: 455 Palmwein, der frisch genossen sehr angenehm und kühlend ist, sobald er aber 24 Stunden gestanden hat und in Gährung übergegangen ist, sehr stark berauscht und dem, der ihn nicht gewohnt ist, Kopfschmer- zen verursacht; man bereitet ihn auf folgende Art. An dem zwischen den Blättern der Palme herauskommenden Blüthenstengel wird die Knospe noch ehe sie aufgeblüht ist, so glatt als möglich abgeschnitten und unter dem Schnitt eine Cocosnuls aufgehängt. Dies geschieht des Abends; am Morgen holt man den herausgelaufenen Saft, macht einen frischen Schnitt an den Stengel und kann auf diese Weise 2— 3 Wo- chen lang fortfahren abzuzapfen. Gewöhnlich schneidet man einen Baum nur an zwei Stellen an. Auf allen Inseln der Umgegend und bei den Stämmen der Küste ist dieser Palmwein ein geschätztes Ge- tränk. Die Wanika’s setzen ihn jedem Fremden vor und veranstalten Männerversammlungen allein zu dem Zweck, sich dem Genusse dieses Palmweins hinzugeben. Die Sclaven wohnen gewöhnlich bei ihren Herren in kleinen Schup- pen oder Verandas, die hinter dem Hause angebaut sind und zugleich die Küche enthalten; es ist wirklich unglaublich, wie dicht zusammenge- drängt die Menschen hier manchmal in solchen Plätzen leben. Schmutz und Unreinlichkeit sind unter solchen Umständen nicht zu vermeiden, und man kann sich nicht darüber wundern, dafs epidemische Krank- heiten, sobald sie auftreten, unter dieser Menschenclasse so zahlreiche Opfer hinraffen. Wie schon früher bemerkt, haben indels auch viele Selaven ihre eigenen von der Wohnung der Herren getrennten Hütten. Das Innere derselben ist gewöhnlich durch Wände, die von breitem geflochtenen Makuti sind, auch durch blofse Strohmatten, die wie Gar- dinen herunterhängen, in mehrere Gemächer getheilt, die als Schlaf- kabinette für die verschiedenen Einwohner dienen. Das Mobiliar be- steht aus einigen Kitanda’s, die, mit einer Strohmatte oder einem Tuche bedeckt, den Leuten als Stuhl, Sopha, Tisch und Bettstelle dienen. Die Kitanda ist ein einfacher viereckiger Holzrahmen, der auf vier Fü- (sen steht und mit einem Flechtwerk von Cocosnulsgarn (üsi) überzo- gen ist. Ein kleines Kopfkissen (mto) mit Baumwolle und Cocosnuls- fasern ausgestopft und wenn es hoch kommt eine dünne baumwollene gesteppte Decke bilden die übrigen Theile des Bettes; in der Regel hüllt sich der Neger des Nachts nur in das Tuch, das er bei Tage über die Schulter geworfen trägt. Aufser dieser Kitanda bemerkt man vielleicht eine kleine dunkle Kiste (boeta), welche zum Aufbewahren der Kleidungsstücke und sonstiger Kostbarkeiten dient, und in der Ecke einige Töpfe, Schüsseln, Wassertöpfe und verschiedenes Kochgeschirr; denn die Hütte ist auch zugleich Küche; obwohl der Rauch des Feuers den Aufenthalt in diesen von Luft und Licht ohnedies schon abge- 456 E. Quaas: schlossenen Löchern nur noch unangenehmer macht. Als Kochheerd dienen 6 Steine, auf welche der Topf über dem Feuer gesetzt wird; man nennt diese Steine make, und hat diesen Namen auch auf den ganzen Kochraum, die Küche übertragen, wenn sie abgesondert vom Hause ist. Für die Küche zu sorgen ist die Arbeit der Haussclavin- nen, sie müssen das Essen kochen, die Hausfrau bekümmert sich bei den vornehmen Leuten nicht darum, und deshalb wird auf Selavinnen, die das Kochen verstehen, grolser Werth gelegt und man bezahlt sie oft sehr theuer. Das Holz zum Brennen hauen die männlichen Sela- ven, denen es in grolsen Wirthschaften auch obliegt, das ganze Haus rein zu halten, die Lampe in Ordnung zu bringen, Portier zu spielen, Lohngänge aufser dem Hause zu machen etc. Man kann sich leicht denken, dafs da, wo mehrere Selaven vorhanden sind, auf jeden nur ein sehr geringer Theil Arbeit fällt, und dafs sie beinahe den grölsten Theil des Tages auf der Faulbank liegen können; denn alles, was. zur Küche gehört, fällt den Sclavinnen zur Last. Die hauptsächlichsten dieser Arbeiten sind das Aushülsen des Reises und das Bereiten des Mehles. Zum Aushülsen des Reises (pünda) oder anderer Früchte be- dient man sich eines wohl 2 Fufs hohen Mörsers aus hartem schweren grünen Holz, dessen Höhlung bis etwas über die Mitte reicht, während der untere Theil compact ist. Die Frucht wird hineingeschüttet und 2 bis 3 Mädchen, von denen jede einen 3 Fufs langen 2 Zoll dicken runden Schlägel (pipando) mit beiden Händen gefalst hat, stampfen mit diesen den Reis tactförmig nach einem Gesange; eine Zeit lang darauf nimmt man die Frucht heraus, schüttet sie auf einen von Schilf geflochtenen Teller (ingo) und sondert durch in die Höhe Werfen die Spreu von den Körnern; sind diese dann noch nicht rein genug, so wird dasselbe Verfahren nochmals wiederholt, bis sie tauglich befun- den werden. In diesen Mörsern stampft man auch Kaffee, der hier nicht wie in Europa gemahlen wird, und in Ermangelung einer Mühle den Reis. Das Bereiten des Mehles ist gleichfalls eine mühsame Ar- beit, die den Frauen zur Last fällt. Als Mühle gebraucht man zwei glatte kreisförmige Sandsteine (djiwe la co szagia, Steine zum Mahlen), der unterste festliegende hat einen etwas erhabenen Rand und in der Mitte ist ein senkrecht stehendes rundes Stück Holz befestigt; der obere etwas kleinere Stein hat in der Mitte ein rundes Loch, wird damit auf den Pflock gesetzt und kann mittelst eines in seiner Peripherie ange- brachten aufrechtstehenden Handgriffs leicht um diesen Stock als Achse gedreht werden. Dies sind nebst einem kleinen sägeförmigen ausge- zackten runden Eisen zum Raspeln der Cocosnüsse die hauptsächlich- sten in der Küche benutzten Werkzeuge. Das Wasserholen wird eben- falls von den Mädchen und Frauen besorgt, und ist ein beschwerliches Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. 457 zeitraubendes Geschäft, da man gutes Trinkwasser erst etwa 4 Meile von der Stadt findet. Es ist dies eine Arbeit, die bei jedem Wetter verrichtet werden muls, es mag heils oder kalt sein, die Sonne mag scheinen oder der Regen in Strömen heruntergiefsen, und doch ist das so weit hergeholte Wasser nicht einmal gut, sondern besonders nach anhaltendem Regenwetter von einer weilslichen milchigen Farbe. Alle Lasten, die ein Mann nur schleppen kann, werden hier auf dem Kopfe und nur selten auf den Schultern getragen. Der Mensch ist hier, wo man keine Wagen kennt, das billigste Lastthier, und nur selten be- dient man sich der Esel zum Schleppen von Sand und Steinen. Schon von Jugend auf werden die Kinder daran gewöhnt die verschiedensten Gegenstände auf dem Kopfe zu balaneiren, denn nur dadurch erlangen sie die wirklich bewundernswürdige Sicherheit darin; und gerade die- ses Zeichen der Sclaverei dient dazu ihrem Körper eine gerade stolze Haltung zu geben, ihren Gang stattlich und graziös zu machen. Zu allen Tageszeiten, vor allem aber in den späten Nachmittagsstunden sieht man auf der in SO. der Stadt liegenden Ebene Nasimoje Schaa- ren von Frauenzimmern nach dem weit entfernten Brunnen gehen, in der Hand eine Cocosnulsschaale, die auf einen langen Stiel befestigt ist, um das Wasser aus dem 3— 4 Fuls tiefen Loche schöpfen zu kön- nen; nur ein kleiner Kranz von Gras oder ein zusammengefaltetes Stück Zeug, manchmal die ugeia dient dem auf dem Kopfe stehenden vollen Topf zur Unterlage. Mit diesem sieht man die Frauenzimmer sich zur Erde bücken, etwas aufheben, tanzende Bewegungen machen, ohne je das Gleichgewicht zu verlieren. Meistens treiben sie bei die- sem Wasserholen noch eine kleine Nebenarbeit, indem sie entweder Strohgeflechte machen, oder an Tüchern, die sie vorn über den Busen gelegt haben, Franzen drehen, Beschäftigungen, durch die beide Hände in Anspruch genommrn werden. Die Brunnen der Stadt, in der Re- gel 20— 30 Fuls tief und ausgemauert, enthalten nur ein trübes un- schmackhaftes ungesundes Wasser, das nicht einmal zum Waschen der Wäsche gut ist, und nur aus einzelnen dieser Brunnen wird hin und wieder von Leuten getrunken. Bei jeder Moschee findet man sie, aber auch aufser diesen giebt es eine grofse Anzahl, die zum Theil mit einem gemauerten Umbau 2—3 Fuls über dem Boden und einer stei- nernen Stufe ringsherum versehen sind. Die zum Heraufholen des Wassers gebräuchlichen Gefäfse sind die äufsere Schaale der Frucht des Affenbrotbaumes (bu4ju), die ungefähr die Gestalt einer länglichen Melone oder eines Cylinders hat, auf dessen glatte Seiten abgerundete Kegel gesetzt sind. In das eine Ende dieser Früchte sind zwei Lö- cher geschnitten, durch welche sie sich mit Wasser fällen können. Diese Brunnen sind in den Abendstunden eine Art Börse, ein Sam- 458 E. Quaas: melplatz für alle Schönen und Unschönen der anliegenden Stadttheile, hier werden die Tagesneuigkeiten und Familien- Angelegenheiten dis- eutirt, in langen Geschichten, mit grofser Zungenfertigkeit und noch lebendigerer Gesticulation. Ist es dem Ausländer schon ohnehin schwer, einen etwas schnellsprechenden Szuaheli zu verstehen, so ist es hier rein unmöglich dem sich überstürzenden Wortschwall auch nur mit den Ohren zu folgen, geschweige denn seinen Sinn zu begreifen. Hier ist das Rendezvous der Verliebten; hier werden die Familiengeheimnisse ausgeplaudert; hier klagt die eine der anderen ihre Leiden und macht die Gefährtin zur Theilhaberin an ihrem Glücke. Bis zum Dunkel- werden ist es hier voll von Frauen des verschiedensten Alters, von den siebenjährigen Mädchen bis zu bejahrten runzligen Matronen, die die Zahl ihrer Jahre nicht mehr anzugeben wissen. Des Lachens, des Frohsinns und des Scherzens ist hier kein Ende, so lange die kurze Dämmerung noch währt. Ebenso sind die Brunnen am Morgen die ersten Orte, an denen das Leben in der Stadt für den jungen Tag er- wacht. Unser Haus lag neben einer kleinen Privat-Moschee, die, wie gewöhnlich mit dem nöthigen Wasserreservoir verschönert war. Ge- wöhnlich wurde ich, wenn die Dämmerung eben erst begonnen, durch den Ausrufer der Moschee, der mit seinen schweren Holzschuhen klap- pernd die Strafse herabkam, aus dem Schlummer geweckt. Bald ver- rieth das Plätschern des Wassers, dafs der frühe Gast seine erste Wa- schung begonnen. Die Schlüssel klirrten, die Thür der Moschee drehte sich knarrend in ihren Angeln und gleich darauf mit noch etwas hei- serer schläfriger Stimme, aber doch laut genug um weithin gehört zu werden, erscholl das Gebet, welches die Verehrer des Propheten zur Kirche ruft. Nach kurzer Zeit wurde es dann auch in der Strafse lebendig. Von allen Seiten steuerten die frommen Muselmänner her- bei. Fufstritte nnd Begrüfsungsworte der Ankommenden, das Klap- pern des fortwährend auf- und niedergehenden Eimers und zuletzt der halblaute Chorgesang der in der Moschee Versammelten beim Reeiti- ren des Korans tönten weithin durch die tiefe Stille des jungen Tages. Es war ein eigenthümliches und angenehmes Gefühl alles dieses von der gemüthlichen Stube aus anzuhören und die frische erquickende Morgenluft einzuathmen, die zu dem geöffneten Fenster hereinströmte, Viele Sclavinnen verdienen sich ihren Lebensunterhalt damit, dafs sie an den Ecken der Stralsen oder in den Berasas kleine Kramläden anlegen, d.h. mit verschiedenen Artikeln und Früchten handeln, die sie entweder in ihrem kleinen Garten neben der Hütte selbst gezogen oder des Morgens von den Landleuten billig eingekauft haben. In der ganzen Stadt zerstreut sieht man sie neben ihrer kleinen Matte sitzen und mit unerschütterlicher Geduld auf Käufer für ihre Häufchen ge- | Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. 459 spaltenen Holzes, Manioc, Mangos, Cocosnüsse warten. Kleine Mäd- chen ziehen in der Stadt herein, bieten in allen Häusern Räucherwerk (üdi), Parfüms (tibw), eingemachte Gemüse (atschäri) und Backwerk von Sesam und Syrup (/ddu genannt) an, und erbetteln sich noch man- chen Peis nebenbei, denn betteln gilt hier für keine Schande. Es wird als eine Pflicht betrachtet, dafs der Begüterte dem Armen von seinem Ueberfluls abgiebt, als eine Handlung, für die man dem Geber gar keinen Dank schuldig ist. In der Sprache der Szuahelis existirt nicht einmal ein Wort für Dank, denn das manchmal angewendete asient ist dem Arabischen entlehnt. Auf der Strafse herumziehende Bettler (mfukara, meskin) giebt es hier im Ganzen nur wenige; es sind dies meistens Blinde, die einen mächtigen Stab in der Hand die Stralsen der Stadt durchwandeln; sie sprechen Niemand an, sondern bleiben nur, wenn sie hören, dafs Jemand sich ihnen nähert, oder wenn sie vor bestimmten Häusern sind, in denen man ihnen gewöhnlich eine Gabe verabreicht, stehen, und rufen meskin, jalla, jalläi. Besonders erinnere ich mich eines von ihnen, eines athletischen Mannes mit blin- dem von Blattern zerfetzten Gesicht, die ihm auch wahrscheinlich sein Augenlicht geraubt hatten; er kam regelmäflsig wie eine Uhr jeden Morgen, so dafs wir bei seinem Erscheinen schon wulsten, was es an der Zeit sei, und rief seinen Spruch so laut aus, dafs man ihn meh- rere Strafsen weit hören konnte. Bekam er etwas, so blieb er stehen und murmelte mit einer Rapidität ohne Gleichen ein ellenlanges arabi- sches Gebet, vielleicht eine Sure aus dem Koran, nur die letzten Worte, in denen er Allah anrief, sprach er mit immer zunehmender Langsam- keit, stiefs dabei zu wiederholten Malen mit dem schweren Stock auf den Boden und zog weiter. Da Mildthätigkeit eine religiöse Pflicht des Arabers ist, so sieht man besonders an Freitagen vor den Häu- sern der Reichen hunderte von Armen versammelt und hat hier ein fürchterliches Schauspiel menschlichen Elends. Alle Krankheiten, die die Insel nur beherbergt, sieht man unter diesen elenden Menschen vertreten, Aussatz, Blindheit, Lahmheit, offene Wunden, am Schreck- lichsten aber die Lustseuche; es ist ein Anblick, von dem man sich mit Entsetzen abwendet. Ihre Kinder tragen die Frauen in einem Tuche, das sie um den Leib gebunden haben, auf dem Rücken; das kleine Geschöpf sitzt in diesem Tuch, die Beinchen an den Hüften der Mutter hervorstreckend und mit den Armen den Hals derselben um- schlingend, nur das schwarz und roth bemalte kleine Gesicht sieht über die Schulter seiner Trägerin aus den Falten der Umhüllung her- vor. Mit dieser Last schleppen die Frauen andere Gegenstände auf dem Kopfe, verrichten alle Arbeiten, bebauen das Feld, holen Wasser, gehen auf den Markt, kurz besorgen alle Arbeiten, die ihnen zukom- A60 E. Quaas: Die Szuri’s, die Kuli’s und die Sclaven in Zanzibar. men. Sobald sich an einem Mädchen die Zeichen der Mannbarkeit einstellen, was hier im 12. und 13. Jahre der Fall ist, wird sie an dem Tage, an dem dies zuerst geschieht, von einer alten Frau gewa- schen, mit einer für diese Gelegenheit gebräuchlichen Malerei im Ge- sicht versehen, schön frisirt und mit neuen Tüchern und Silberschmuck so viel nur aufzutreiben ist, behangen, und geht so geputzt von ein oder zwei ihrer Genossinnen begleitet, die ebenfalls in ihrem Sonn- tagsstaat sind, bei ihren Freunden und Bekannten in der Stadt herum; sie wird von diesen zur Feier des Tages beglückwünscht, und muls dabei manche nicht gerade löbliche Neckerei stillschweigend anhören, da es ihr an diesem Tage verboten ist, zu sprechen; der Zweck dieser Sitte ist das Einsammeln eines kleinen Geschenkes, welches an diesem Tage dem Mädchen zu geben gebräuchlich ist. Ihre Gefährtinnen sind zu diesem Behuf wie bei uns die Musikanten in Ermangelung des No- tenblattes mit zwei Tellern oder Tassen versehen, von denen die un- tere alle Geldgeschenke entgegen nimmt, die der Gefeierten von mil- der Hand überreicht werden, auch kleine Schmucksachen, Tücher etc. werden mit Vergnügen entgegengenommen. Ein grofser Theil des Er- trags dieser Sammlung flielst der alten Frau zu, die von jetzt an eine Art Beschützerin, Pathe des Mädchens ist und Aungui genannt wird, und die auch später bei der Verheirathung ein Wort mitzureden hat. Bei der Hochzeit spielt sie die Hauptrolle und bei etwaigen Streitigkeiten ist sie die erste Vermittlerin zwischen Mann und Frau. Ist das Mäd- chen eine Sclavin, so kann sie sich von jetzt an nach ihrem Belieben öffentlich einen Liebhaber anschaffen, eine Erlaubnifs, von der sie so- bald als möglich Gebrauch zu machen pflegt; ist sie aber das Kind freier Eltern, so tritt von jetzt an eine grofse Beschränkung ihrer zeit- herigen Ungebundenheit ein; sie wird mehr im Hause gehalten und darf wie die erwachsenen Frauen nur noch in Begleitung anderer Frauenzimmer ausgehen. Sonderbar ist es, dafs die Personen ihre Namen hier oft wechseln. Besonders häufig geschieht dies von Mäd- chen, wenn sie sich unter einem Namen durch leichtfertigen Lebens- wandel und durch eine böse Strafe berüchtigt gemacht haben; sie glau- ben mit dem neuen Namen gewissermafsen ein neues Kleid anzuzie- hen, ihre alte Sünden in den Schofs der Vergessenheit zu begraben. Aufserdem erfolgt bei den Mädchen mit dem Eintritt der Mannbarkeit gewöhnlich ein Namenswechsel. 461 Miscellen. Irische Crannoges und Schweizer Pfahlbauten. Die Entdeckung und genauere Beschreibung der alten Pfahlbauten in den Schweizer Seen !) hat die Thatsache in Erinnerung gebracht, dafs ganz ähnliche Seewohnungen schon früher in Dänemark und in Irland entdeckt waren, und diese Analogie bietet den Archäologen, die sich für diese alterthümlichen Bauwerke interessiren, Stoff zu lehrreichen Vergleichungen. In Irland sind die Seewohnun- gen unter dem Namen Crannoges bekannt; um ihre Untersuchung und die Samm- lung der in ihnen aufgefundenen Alterthümer hat sich Mr. W. R. Wilde beson- ders verdient gemacht. Einem Briefe desselben an das Athenaeum, d. d. Dublin 6. Dec. 1860, entnehmen wir die Notiz, dafs der erste in Irland entdeckte Cran- noge der bei Dunshauglin, Grafschaft Meath, nordwestlich von Dublin ist; er wurde 1839 geöffnet, Mr. Wilde hielt am 27. April 1840 vor der Royal Irish Academy einen Vortrag darüber und zeigte eine beträchtliche Anzahl der dort gefundenen Knochen und Antiquitäten vor; die Proceedings der Academy aus jenem Jahr berichten darüber. Jetzt sind, nach Mr. Wilde, in Irland nicht we- niger als 56 Crannoges entdeckt, und das Museum der genannten Akademie ist dadurch zu einer reichhaltigen Sammlung von Alterthümern gelangt, die in dem Katalog desselben genauer beschrieben werden sollen. Berichte über diese Ent- deckungen und darauf bezügliche Untersuchungen findet man namentlich in den Proceedings der Royal Irish Academy und im Ulster Journal for Archaeology; das letztere enthielt 1859 No. 27 eine allgemeine Uebersicht über die Entdeckun- gen von Seewohnungen in der Schweiz und Irland. „In dem verflossenen Som- mer“, schreibt Mr. Wilde, „habe ich zwei Crannoges untersucht, beide anschei- nend sehr alt und mit den Volkssagen der dortigen Bewohner in einer so be- merkenswerthen Weise verknüpft, dafs ich sie hier wohl erwähnen möchte. In dem schönen und-alljährlich im Juni vielbesuchten See von Derravarra, Graf- schaft Westmeath, liegen die Ueberbleibsel eines Crannoge etwa 3—4 Fufs un- ter dem Spiegel des Sees im Sommer, nicht weit von dem sogenannten Hafen, am Donore-Ufer. Die Steine dieses Crannoge sind, offenbar von Menschenhand, kreisförmig gelegt, und der Platz selbst heifst „das Schlofs“. Vor Zeiten — sagt die Legende — war einmal ein Fischer mit seinem Sohne hinausgefahren um Aale zu harpuniren; da brach ein schrecklicher Sturm los und die Wogen droh- ten in’s Boot zu stürzen. „„Wirf““, rief der Alte, der die Ruder handhabte, dem Sohne zu, „wirf deine Harpune in die neunte Woge, — oder wir sind verloren“. Mit sicherem Wurf schleuderte der Sohn den scharfen Dreizack in die schwel- lende Woge, aber im Nu ward auch der Strick seiner Hand entzogen. Doch der Sturm hörte auf, die Wogen legten sich, und die Männer kehrten in ihre Hütte am Strande zurück. Bald darauf, während sie sich am Feuer trockneten, !) Vergl. diese Zeitschrift N. F. Bd. VI, S. 147 ft. 462 Miscellen: trat ein fremder Mann hinein und winkte dem Sohne, ihm zu folgen. Sie be- stiegen ein Boot, fuhren nach dem „Schlofs“, — und nun schildert die Sage die gewöhnliche Scenerie mit allem Zubehör und der üblichen Phraseologie irischer Feen-Märchen. Der junge Mann wurde schliefslich vor eine Fee geführt, welche die Herrscherin über die Wogen zu sein schien; nur aus ihrer Hand konnte er die Harpune zurückerhalten. —- Dafs sich an dem oberem, bewaldeten Ende des schönen Sees von Kylemore eine „versunkene Insel“ befinde, hatte ich längst ge- hört, aber erst im verflossenen Sommer konnte ich den Ort besuchen und fand hier die Ueberreste eines grolsen Crannoge, nur 3 Fu[s unter dem gewöhnlichen Niveau des Sees. Nach der Volkssage taucht diese Insel allnächtlich aus den Fluthen empor, und wenn es gelingen sollte, auf ihr mit Feuer und Salz zu lan- den, so würde sie nicht mehr untergehen. Es würde von Interesse sein, die Sa- gen, die sich an die Crannoges knüpfen, zu sammeln, sowohl die irischen wie die schottischen; in Schottland hat sich eben jetzt die Aufmerksamkeit auf sie ge- lenkt. Die grofse Mehrheit der in Irland entdeckten war noch in verhältnifs- mälsig neuer Zeit bewohnt; die ältesten Notizen darüber steigen bis in den An- fang des neunten Jahrhunderts zurück“. —n. Bau eines Hafens auf Reunion '). Der Mangel eines Hafens auf Reunion ist in diesem von heftigen Südost- Winden heimgesuchten Theile des indischen Oceans der Schifffahrt oft fühlbar geworden und hat dem Aufblühen des Handelsverkehrs der Colonie erheblichen Abbruch gethan. Bisher mufsten die Schiffe, die in Seegefahr eine Zuflucht suchten oder die einer Reparatur bedürftig waren, sich nach dem britischen Mau- ritius oder nach dem ungenügenden und ungesunden Hafen von Mayotte wen- den; denn Reunion hat nur offene Rheden. Oft schon hat man daran gedacht, die Rhede von St. Paul, welche verhältnifsmäfsig den besten Ankerplatz auf der Insel darbietet, oder die Mündung des Flusses St. Gilles, oder die Bai von Sainte- Rose in einen Hafen umzuschaffen; aber es sind nur bei St. Denys einige Arbei- ten ausgeführt worden, um den dort ankernden Schiffen einen gröfseren Schutz zu verschaffen. Da entschlofs man sich im Jahre 1853 plötzlich zu St. Pierre, hier einen Hafen zu bauen: der Senator Hubert Delisle, ein Creole, regte den Plan an, der bei den Bewohnern St. Pierre’s und der Umgegend lebhaften An- klang fand und bald von der Communal-Behörde mit allen Kräften unterstützt wurde. : St. Pierre ist ein aufblühendes Städtchen auf der Südküste der Insel und seit 1857 Sitz eines Gerichtshofes erster Instanz, dem auch die Handelsgerichts- barkeit anvertraut ist. Es liegt an der Mündung und auf beiden Ufern des Flüfs- !) Nach zwei Aufsätzen in den Annales de l’agriculture des colonies et des regions tropicales. 1860. No.7. 8. 9. Bau eines Hafens auf Reunion. 463 chens Abord, das hier übrigens immer wasserlos ist, ausgenommen nach starken Winterregen. Der Abord bildet vor seiner Mündung zwei Bassin’s, ein kleineres und ein grölseres; das letztere steht mit dem Meere in Verbindung, da die ihm vorgelagerte Madreporen-Bank hier auf eine weite Strecke durchbrochen ist. Die- ses grölsere Becken hat bisher nur den Fischerbooten, die an den Küsten der Insel ihrem Gewerbe nachgehen, als Zufluchtsort gedient; es ist aber ziemlich tief, da man an ihm im Jahre 1816 ein grofses Schiff, den Tel&maque, baute und vom Stapel lie[s. Es waren somit günstige Elemente zum Bau eines Hafens vorhanden, und es galt, das Becken gegen die Wogen zu schützen, die, von dem gefährlichen Südost aufgeregt, gerade gegen seine weite Oeffnung anstürmen, Man beschlofs, die letztere durch Steindämme zu verengern und so dem Bassin Schutz zu gewähren. Am 12. März 1854 wurde zu dem Westdamm, am 30. April 1854 zu dem Ostdamm der Grundstein gelegt, und das Werk schritt rüstig fort. Der Ostdamm, der den stärksten Anprall der Wogen zu ertragen hat, wurde an seinen Enden mehrmals von hohen Fluthen überschwemmt, aber die Wogen verbesserten nur das Werk, indem sie dem Damm eine breitere Ba- sis und die zu seiner Dauerhaftigkeit erforderliche Böschung gaben. Auch den Eingang in das kleinere Bassin suchte man durch einen Damm zu schützen, und und am 17. Juli 1860 hatten sämmtliche Dammbauten eine Länge von 768 Me- ters erreicht. Der Westdamm (277 Meter) ist vollständig fertig; der Ostdamm ist auf eine Strecke von 326 Meters vollendet; hier ist das Wasser schon 12 bis 13 Meter tief, und der Bau schreitet demgemäfls nur langsam fort; der Ostdamm soll eine Länge von 400 Meter erreichen, und man meint, mit ihm in der Mitte des Jahres 1862 fertig zu werden. Leiter des Baues ist der Ingenieur Bonnin, der schon bei den Hafenbauten von Cherbourg thätig gewesen ist und der auch für den Bau des Hafens von St. Pierre die Unterstützung der Regierung ausge- wirkt hat. Dafs ein solches Unternehmen in den Verhältnissen der Insel einen bedeutenden Umschwung hervorbringen mufs, versteht sich von selbst. Der gün- stige Erfolg der bisherigen Arbeiten hat bereits weitere Pläne erzeugt; die An- lage von Werften, Dry-docks u. s. f. wird nicht auf sich warten lassen, und man projectirt sogar, in den Madreporenfels einen besonderen, noch sichereren Hafen zu sprengen; die zu diesem Behuf angestellten Sondirungen haben eine Abwech- selung von Sand- und Madreporenkalk-Lagern ergeben, also leicht fortzuschaf- fende Materialien, von denen das eine, der Madreporenkalk, überdie[s bei den Bauten mit Vortheil verwerthet werden kann. —n. Ernte-Ertrag der Culturpflanzen auf den niederländischen Besitzungen im indischen Archipel im Jahre 1857. Die häufig ausgesprochene Meinung, dafs die Tropenländer im Gegensatz zu den gemäfsigten Zonen eine vollkommen regelmäfsige Periodiecität in Bezug auf Witterungs-Verhältnisse einhalten, beruht auf einem Irrthum, der schon daraus er- sichtlich ist, dafs auch dort die Ernteergebnisse in den einzelnen Jahren sehr von 464 Miscellen: einander verschieden sind und einzelne Culturpflanzen in manchen Jahren ganz mifsrathen können. So erhielt man in den sieben Jahren 1850 — 1857 auf den molukkischen Inseln folgende Quantitäten an Gewürznelken: im Jahre 1850 394,907 Amst. Pfunde, TEE TRAIN 2 - - - 1852 309,296 - - - 1853 343,209 - - - 1854 580,592 - - u. 52 004855 29,205 - - - 1856 617,250 - - - 1857 160,000 - - Die ungünstige Ernte im Jahre 1857 wird den ungewöhnlich starken Regen- güssen zugeschrieben, die zur Zeit der Blüthe der Gewürznelken herabfielen und die Blüthenblätter grolsentheils abrissen. Bedeutende Regengüsse haben hingegen eine ungewöhnlich reiche Reisernte im östlichen Java zuwege gebracht, während der westliche Theil dieser Insel weniger günstige Ernten hatte. Mit dem Reisbau beschäftigten sich im Jahre 1857 auf Java und Madura, abgerechnet die Distriete Batavia, Surabaja, Djokjokarta und Surakarta, nach den amtlichen Berichten 32,629 Dörfer. Ohne Ackerbau blieben auf den genann- ten Inseln 1465 Dörfer, deren Bewohner von Jagd und Fischerei lebten. Die Zahl der mit der Cultur des Bodens sich beschäftigenden Familien betrug auf Java und Madura, mit Ausnahme der genannten Districte, 1,258,473. — Der Flächenraum jener Reisfelder, welche durch fliefsendes Wasser bewässert werden können, betrug 1,155,563 Bouw (1 Bouw = 500 rheinl. Quadratruthen), und der Flächenraum der vom Regen abhängigen Felder 887,934 Bouw. — Der Er- trag der von der Bevölkerung für eigene Rechnung bebauten Reisfelder war 31,434,214 Pikols (1 Pikol = 125 Amsterd.”Pfunde) oder 3929 Millionen Amst. Pfunde. Ein Bouw lieferte durchschnittlich auf Java 192 Pikol Reis. — Java’s östlicher Theil, also die Distriete Banjuwangie, Pasuruan, Patjitan und Kadu lie- ferten vortreffliche Reiseınten, so dafs ein Bouw durchschnittlich 36 Pikols Reis lieferte. Dürftig dagegen war der Ertrag in West-Java, wo nur 7 Pikol vom Bouw gewonnen wurden. Trotz der im Ganzen günstigen Reisernte von 1857 blieb dieselbe dennoch hinter dem vorausgegangenen Jahre bezüglich des Reisertrages um 1,409,921 Pikol zurück, da das Jahr 1856 sich durch eine aufserordentlich günstige Ernte aus- zeichnete. Nehmen wir einen Zeitraum von 5 Jahren, nämlich von 1853 — 1857 inel., so stellt sich der Reisertrag in den einzelnen Jahren folgendermalsen heraus: Jahr: Flächenraum der Reisfelder: Ertrag: 1853 1,674,235 Bouw, 28,916,839 Pikol, 1854 1,678,444 - 28,259,152 - 1855 1,715,830 - 29,037,273 = 1856 1,820,326 _- 32,844,135 - 1857 1,839,273 - 31,434,214 - Man sieht aus dieser Tabelle, dafs die für die Reiscultur verwendeten Felder Ernte-Ertrag in Niederländisch Indien im Jahre 1857. 465 von Jahr zu Jahr auf Java zunehmen, so dafs diesem entsprechend im Allge- meinen auch die Ernte eine reichlichere sein mufs. Von der Westküste Sumatra’s lauten die Ernteberichte nicht günstig. Ob- wohl dieselbe nicht gänzlich mifsglückte, so war sie doch um 101,000 Pikol ge- ringer als im Jahre 1856, nämlich 2,339,000 Pikol. Merkwürdig ist, dafs die auf Sumatra gemachten Versuche mit Körnern von Carolinareis wiederholt mils- glückten, indem die ausgestreuten Saaten degenerirten und ein an Quantität und Qualität schlechteres Product als die alten inländischen Sorten lieferten. Anhal- tende Trockenheit wird als Ursache der ungünstigen Reisernte angegeben, da be- sonders die nicht bewässerten Felder in Folge derselben gelitten haben. Die Dürre erstreckte sich auch auf die Ostküste jener Insel, indem nach den Berichten aus Palembang die Ernte ebenfalls einen bedeutenden Ausfall er- litt. Dennoch betrug dieselbe in jenem Distriete 1,246,601 Pikol, ohne dafs je- doch diese Angabe auf dieselbe Genauigkeit Anspruch machen kann als jene über Java gegebenen. Auch zu Banka gewann die Bevölkerung von ihren Feldern keine hinlängliche Quantität Reis, die für ihren Unterhalt hätte genügen können. Die Regierung sorgte daher für Zufuhr aus Java und gab der Bevölkerung Vorschüsse zum Ankauf ihrer Bedürfnisse. Der Regenmangel erstreckte sich auch auf die Insel Billiton, auf Riouw, auf die Süd- und Ostküste Borneo’s, wo überall die Reisernte eine ungünstige war. Aufser dem Reis und dem gewöhnlich nach Ablauf der Reisernte auf den- selben Feldern gepflanzten Mais, von welcher Culturpflanze man in neuester Zeit neue Arten aus Australien einführte, wird für den inländischen Consum als freie, unbesteuerte Cultur die Cocospalme, vorzüglich zur Gewinnung von Oel, im Grofsen angepflanzt. Im Jahre 1857 waren auf Java, mit Ausnahme der oben- genannten vier Distriete, deren Ländereien theils noch inländischen Fürsten ge- hören, theils aus besonderen Gründen bei den allgemeinen statistischen Zusam- menstellungen nicht mitgerechnet werden, 14,789,580 Cocosbäume, von welchen 6,099,219 Früchte trugen. Aus der letztgenannten Zahl wurden über eine Mil- lion Pikol oder 125 Millionen Amst. Pfunde Oel gewonnen. Die Gewinnung von Brennöl im Grofsen geschieht gewöhnlich auf Mühlen. Wenn das Cocosöl eine Zeit lang ausgeprelst ist, bekommt es einen unangeneh- men ranzigen Geruch, so dafs es nur als Lampenöl verwendet werden kann. Im frischen Zustande aber übertrifft es an Klarheit und Güte selbst das beste Olivenöl, weshalb es in Ostindien die Stelle der dort nur in kleinen Quantitäten gewonne- nen Butter vertritt. In jedem Hause wird fast täglich der für die Küche nöthige Bedarf an Oel dadurch gewonnen, dafs die weilsen, ölgebenden Schalen der Cocosnufs in Wasser gekocht werden, wo dann beim Erkalten das Oel obenauf schwimmt. Während der Anbau der genannten Culturpflanzen von der Bevölkerung des Archipels aus eigenem Antriebe und für eigene Rechnung betrieben wird, giebt es eine Reihe von Culturen, wozu besonders die sogenannten Colonialwaaren ge- hören, welche von der Regierung eingeführt, unter der Aufsicht der Regierungs- beamten betrieben werden und von welchen sich auch grofsentheils die Regierung das Monopol vorbehält, wenn auch ausgestreckte Ländereien, mit diesen Cultur- pflanzen bebaut, als freies Eigenthum betrachtet werden. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 30 466 Miscellen: Wir erwähnen zuerst die Kaffeecultur. Die Ernte in diesem für den europäischen Handel so wichtigen und für die Regierung gewinnreichen Artikel fiel im Jahre 1857 im Ganzen günstig aus: der Ertrag auf Java und Madura war um 154,020 Pikol reicher als im Jahre 1856. Die Ernte war besonders in den Distrieten Pasuruan, Kadu, Bezuki, Samarang, Madiun und Kediri vortreff- lich und überstieg in den letztgenannten vier Distrieten die Ernte des voraus- gegangenen Jahres um nahezu 100 Procent. Die Dorfwäldchen, welche die java- nischen Hütten wie ein duftender Kranz umgeben und gro/sentheils aus Kaffee- sträuchern bestehen, deren Product deshalb den Namen Zaunkaffee (Kopi pager) erhält, lieferten eine aufsergewöhnliche Menge von Früchten. Die Zahl der Familien, die sich mit der Kaffeecultur auf Java und Madura beschäftigten, betrug, mit Ausnahme der Distriete Rembang, Surakarta und Djokjo- karta, 445,723. Die Zahl der fruchttragenden Bäume betrug 212,063,782. Die Quantität des von den Regierungsmagazinen in Empfang genommenen Kaffee’s belief sich auf 900,937 Pikol !). Durchschnittlich erhielt man von 240 Sträuchern einen Pikol Kaffee. Den Kaffeepflanzern wurde von der Regierung die Summe von 6,305,403 F. ausgezahlt, während im vorausgegangenen Jahre diese Summe nur 4,865,570 F. betrug. Es wurde nämlich in der jüngsten Zeit von der Regierung mit jedem Jahre den Pflanzern ein höherer Lohn bewilligt. Im Jahre 1857 war der Ein- kaufspreis für den Pikol Kaffee 8.40 F., im Jahre 1858 wurde derselbe auf 9.20 F. festgesetzt und stieg endlich im Jahre 1859 auf 10 Fl. Die Gesammtkosten, welche auf die Kaffeecultur verwendet wurden, betrugen die Summe von 8,586,017 F., so dafs der Regierung ein Pikol Javakaffee auf 9.64 F. zu stehen kam; in den Niederlanden erhielt man für den Pikol 37.95 F. Auch aufserhalb Java’s wird die Kaffeeeultur im indischen Archipel in vielen Distrieten mit Glück betrieben und auch dort betrachtet die Regierung das Er- zeugnils als ihr Monopol, indem das gewonnene Product zu festgesetzten Preisen den Regierungsmagazinen überliefert werden mufs. Im Distriete Padang an der Westküste Sumatra’s waren am Ende des Jahres 1857 über 79 Millionen Kaffee- sträucher angepflanzt, welche bei den dort ebenfalls günstigen Witterungsverhält- nissen eine Quantität von 198,779 Pikol lieferten. Auch der Distriet Benkulen besitzt einige Kaffeepflanzungen. Der südliche Theil der Insel, nämlich die Lam- pong’schen Distriete, besitzen einen für die Kaffeeeultur treffliehen Boden, so dals die Kaffeegärten bis auf kaum 200 Schritt vom Strande entfernt gefunden werden. Die Production daselbst ist dennoch wegen spärlicher Bevölkerung un- bedeutend. Auf Celebes wird der Kaffeestrauch vorzüglich in den Abtheilungen Bule- komba und Bonthain cultivirt, und das dortige Terrain an den Bergabhängen 1000 bis 2000 Fufs über der Meeresfläche ist ganz vorzüglich für diese Cultur ge- ') Nach den mir zugekommenen neuesten Berichten kam die Ernte von 1858 dem obigen Ergebnifs sehr nahe, indem in jenem Jahre 898,148 Pikol Kaffee den Regierungsmagazinen überliefert wurden. „ Ernte-Ertrag in Niederländisch Indien im Jahre 1857. 467 eignet. Es wurden daselbst 40,000 Pikol Kaffee producirt, welche Quantität im Freihafen von Makassar von Privatpersonen ausgeführt wurde. Auch zu Menado ist seit mehreren Jahren die Kaffeecultur eingeführt. Es sind theils Kaffeegärten, theils die Umzäunungen der Dörfer und Häuser, welche ein ganz vorzügliches Product liefern. Man zählte auf Menado gegen Ende des Jahres 1857 etwa 5 Millionen Kaffeesträucher, die in jenem Jahre jedoch eine ungünstige Ernte lieferten, indem nur 7775 Pikols gewonnen wurden. Das Jahr 1858 hingegen hatte eine für die dertige Kaffeecultur sehr günstige Witterung, so dafs der Ertrag 22,866 Pikols, also fast das Dreifache des vorausgegangenen Jahres ausmachte. Der Kaffeestrauch wird endlich auch zu Ternate, Tidore und Batjan, sowie zu Amboina und Banda cultivirt, ohne dafs jedoch die Quantität des gewonnenen Products auf jenen Inseln eine für den Handel bedeutende genannt werden kann. Während die anhaltende Dürre dem Wachsthum des Reises bedeutenden Nachtheil brachte, gedieh das Zuckerrohr ganz vortrefflich, indem dieses Ried bei wenig Regen im Allgemeinen viel saftreicher wird als bei überflüssigen Nieder- schlägen. Man gewann im Jahre 1857 auf Java und Madura um 152,317 Pikols mehr als im Jahre 1856. Die Zahl der durch Dampf oder Wasserkraft getrie- benen Zuckermühlen auf Java betrug 96. Nicht weniger als 173,896 javanische Familien beschäftigten sich mit der Zuckercultur, die 40,645 Bouw Landes in Anspruch nahm. Jedes Bouw producirte durchschnittlich 40.61 Pikol Zucker, so dafs im Ganzen auf Java und Madura 1,650,806 Pikol Zucker gewonnen wurden. Den Regierungsmagazinen wurden jedoch nur 927,454 Pikol eingeliefert, das Uebrige blieb dem inländischen Consum oder dem Privathandel zur Verfügung. Die Regierung bestritt im Ganzen für den Zuckeranbau auf Java die Summe von 9,276,049 F., so dafs ein Pikol ihr nahezu 10 F. kostete. In den Niederlanden war der Erlös für den dort durch die Handelsgesellschaft versteigerten Zucker 22.90 F. für den Pikol. Die Indigogewinnung war im Jahre 1857 nicht sehr günstig, da man die Indigopflanze (Indigofera Anil, I. tinctoria u. a. A.) nur zweimal während des Jahres abmähen konnte, während solches in regenreichen Jahren wenigstens drei- mal geschieht. Man erhielt durch den sehr mühsamen und die Felder sehr in Anspruch nehmenden Anbau der Pflanze auf einem Areal von 18,314 Bouw 614,784 Amsterdamer Pfunde Indigo '). 110,996 Familien beschäftigten sich auf Java und Madura mit dem Anbau des Indigo, für welchen sie von der Regierung die Summe von 876,697 F. erhielten, so dafs eine Familie 7.09 F. empfing und jedes Bouw Land 43.12 F. abwarf. Die Gesammtausgabe der Regierung für die Indigocultur war 1,205,154 F., so dafs ein Pfund Indigo der Regierung auf 1.11 F. zu stehen kam. In den Niederlanden war der Erlös für das Pfund 4.23 F. Während die Indigopflanze nur in den heifsen Ebenen gedeiht und daher ausschlie/slich der Tropenzone angehört, kommt der Theestrauch aus der ge- mälsigten Zone, wo er freilich bis jetzt fast nur in den ostasiatischen Ländern cul- tivirt wurde. Auf Java wächst der Theestrauch in einer Höhe von 4 — 6000 Fuls !) Im Jahre 1858 betrug die Indigogewinnung 773,811 Amst. Pfunde. 30* 468 Miscellen: über der Meeresfläche, wo ausgebreitete, mit Sträuchern von 1 — 10 Fufs Höhe besetzte Felder angelegt sind und man die jungen und älteren Blätter zur Berei- tung verschiedener Qualitäten von Thee abpflückt, sowie die gepflückten Blätter entweder am Feuer in Cylindern aus Leinwand, die man wie einen Bratspiefs herumdreht, oder an der Sonne trocknet. Im ersteren Falle wird ein Thee von dunkler Farbe, welcher viel haltbarer ist, im zweiten Fall der mehr helle grüne Thee gewonnen. Bis jetzt ist die Theecultur auf Java in fünf Distrieten eingeführt, nämlich in Buitenzorg, Krawang, Bagelen, Cheribon und den Preanger Regentschaften. Dafs manche Distriete und namentlich diejenigen, welche Hochebenen und breite Bergabhänge entbehren, durch ihre Configuration schon von der Theecultur aus- geschlossen sind, versteht sich von selbst. 2672 Bouw waren im Jahre 1857 in den genannten fünf Distrieten mit Theesträuchern bepflanzt und es wurden auf 19 Etablissements 1,734,985 Pfund Thee gewonnen. Theesträucher zählte man 14,729,700, so dafs durchschnittlich etwa aus 7 Sträuchern ein Pfund Thee ge- wonnen wurde. Obwohl im Jahre 1857 die Zahl der pflückbaren Sträucher um 1,308,856 vermehrt wurde, lieferte die Ernte doch 154,692 Pfund weniger als im Jahre 1856. Diese geringere Ernte wurde hauptsächlich der anhaltenden Dürre zugeschrieben, welche der Blattbildung nicht günstig ist, sowie auch Insecten an den Blättern Verheerungen anrichteten. Im Jahre 1858 zeigte sich die Theeernte günstiger als in einer Reihe der vorausgegangenen Jahre, indem man eine Quan- wäh tität von 2,060,104 Pfund Thee gewann. — Die Regierung verausgabte 1,349,073 Gulden für die Theecultur, so dafs für jedes Pfund Thee sich eine Auslage von 0.94 Gulden ergiebt. In Holland aber wurde für dieselbe Quantität nur ein Er- lös von 0.51 Gulden erzielt. Zimmteultur. In sechs Distrieten Java’s besitzt die Regierung Zimmt- pflanzungen, und es existirten im Jahre 1857 46 gröfsere Etablissements mit Magazinen, von welchen aus die Versendung der Zimmtrinde (meistens aus Cina- momum Ceylonense, dann auch aus (©. aromaticum und (©. longifolium) nach Europa stattfand. Die erwähnten, mit Zimmtpflanzungen versehenen Distriete sind: Bantam, Krawang, Banjumas, Bagelen, Madiun und Kediri. 9883 Fami- lien beschäftigten sich mit dieser Cultur, die einen Flächenraum von 17874 Bouw in Anspruch nahm. Die Zahl der schälbaren Bäumchen betrug 3,928,754. Man erhielt 240,379 Amst. Pfund Rohrzimmt, und 10,381 Pfund Abfall oder Staub- zimmt. Durchschnittlich lieferten 16 Bäumchen ein Pfund Zimmt. Die Regie- rung verausgabte 135,416 Gulden für die Zimmteultur, so dafs ein Pfund 0.64 Gulden kostete, während in Holland für das Pfund nur ein Preis von 0.52 Gul- den erzielt wurde. In den freien Handel kommt der-im Archipel produeirte Taback. Für Rechnung der Regierung wurden in den Districten Samarang, Japara, Rembang, Surabaja und Pasuruan 21,915 Pikol auf 1640 Bouw Land gewonnen, wofür eine Summe von 177,598 Gulden verwendet wurde. Eine eben so grolse Quan- tität ungefähr wurde auf den Feldern von Privatpersonen gewonnen und nach Europa und Nord- Amerika verführt. Die Tabackernte war eine sehr günstige und übertraf die des vorausgegangenen Jahres, obgleich ein kleineres Areal für diese Cultur verwendet wurde. Ernte-Ertrag in Niederländisch Indien im Jahre 1857. 469 Die Pfefferernte kann für das Jahr 1857 in Bezug auf Java als voll- kommen mifsglückt betrachtet werden. Während im Jahre 1856 in den Distrie- ten, welche sich mit dem Anbau dieser Culturpflanze befassen, 2715 Pikols ge- wonnen wurden, erhielt man im folgenden Jahre nur 99 Pikol. Auf der West- küste Sumatra’s erhielt man in dem Distriet Bones 1177 Pikol und in Sipulu- Bua-Bander 1157 Pikol. Der meiste Pfeffer wird an der Nordwestküste Sumatra’s im freien Reiche Atschin erzeugt und der Handel daselbst ist allen Nationen frei- gegeben. Bekanntlich ist die holländische Regierung schon seit dem Jahre 1850 be- müht, den Chinabaum auf Java’s Hochebenen einheimisch zu machen, um dort wo möglich ein neues Loxa zu schaffen. Die verdienstlichen Versuche können als vollkommen geglückt betrachtet werden, und im Jahre 1857 wurde bereits den Controlleuren der verschiedenen Distriete Java’s der Auftrag ertheilt, auf günstigem Terrain neue Chinapflanzungen anzulegen und ihnen zu diesem Zwecke die nöthige Anleitung für die Cultur des Chinabaumes ertheilt. Die erste Chinapflanzong wurde auf Tjibodas am Abhang des Gunong Gede in einer Höhe von 4600 Fufs über dem Meere angelegt. Von hier aus wurden Stecklinge nach Tjiniruan am südlichen Abhang des Malawar in den Preanger Regentschaften in einer Höhe von 4300 Fufs über dem Meere gebracht, sowie eine dritte Anpflanzung auf dem Ajang-Gebirge im östlichen Theile Java’s an- gelegt wurde. Von diesen drei Chinapflanzungen erhielten die Controlleure ver- schiedener Distriete sowohl Samen als Stecklinge, und es befinden sich bereits mehrere kleine Chinapflanzungen in verschiedenen Theilen der Insel. Am Ende des Jahres 1859 zählte man auf Java, ohne die noch nicht festgewurzelten Steck- linge, nicht weniger als 47,327 gesunde Chinabäume, von welchen 7687 bereits in den Wäldern aufserhalb der Baumschulen standen. Von diesen letzteren ge- hören 7393 der Species Cinchona lucumaefolia, 264 der ©. Calisaya (der besten Sorte, welche die China regia liefert), 19 der C\ lanceolata, 8 der C. lancifolia und 3 der C. succirubra an. Von den in den Wald in den Schatten gröfserer Bäume versetzten Chinabäumen stehen 64 auf dem Gede, 6579 auf dem Mala- war, 1023 auf dem Tankuban-Prahu, und 21 auf dem Ajang. Auch wurde im vergangenen Jahre (1859) auf Java das erste Sulphat Chininae aus der Rinde der auf Java gewachsenen Chinabäume bereitet. F. Notiz über die letzte Entdeckungsreise John M‘Douall Stuart’s. Stuart's Rückkehr von seiner letzten grofsen Entdeckungsreise in das Innere des australischen Continents (März bis September 1860) hat in Süd-Australien und Victoria die gröfseste Sensation erregt. Er soll von Adelaide aus quer durch die Mitte des Continents bis 18° 45’ S. Br. vorgedrungen sein; und da Gregory bei seiner Expedition von der Nordküste aus längs des Victoria River ATO Miscellen: und Stuart’s Creek bis 20° 16’ gelangt war '), Stuart’s nördlichster Punkt also bereits 1° 31’ nördlicher liegt, als Gregory’s von der Nordküste aus erreichter südlichster Punkt, so betrachtet man in Australien das Problem, quer durch den Continent zu reisen, als gelöst, — obwohl Stuart’s Route mit der Gregory’s nicht zusammentrifft, sondern um einige Grade östlicher liegt. Wir müssen uns eines Urtheils über diese Reise und ihre angeblichen Resultate um so mehr enthalten, als das Journal derselben noch nicht publicirt ist; von Stuart selbst ist nur ein Schreiben bekannt geworden, welches er nach seiner Ankunft in die nördlichsten besiedelten Distriete an Mr. Chambers gerichtet hat, in dessen Auftrage er die ganze Entdeckungsreise unternommen hatte. Dieses Schreiben, das wir im Fol- genden reprodueiren, verbreitet sich namentlich über die Umstände, durch welche sich Stuart verhindert sah, bis an die Nordküste, sei es an den Golf von Car- pentaria oder längs des Victoria an den Cambridge Golf vorzudringen. Wir be- merken nur, dafs Stuart auf seiner Reise nur von zwei Personen, Mr. Kekwick und Mr. Head, begleitet war, und dafs die südaustralische Regierung auf seine Resultate grofsen Werth zu legen scheint, da sie ihn sofort zu einer neuen Ex- pedition ausgerüstet hat, Zwischen Süd-Australien und Victoria herrscht ein grofser Wetteifer in Entdeckungsreisen; jede der beiden Colonien will den Ruhm erringen, dafs durch ihre Anstrengungen die. erste Reise quer durch den Con- tinent ermöglicht sei; und da die von der Colonie Victoria ausgerüstete Expe- dition unter der Leitung Burke’s sich den letzten Nachrichten zufolge bereits am Darling befindet, so hat man in Süd- Australien mit der neuen Expedition Stuart’s grofse Eile, damit diesem seit vielen Jahren für die Erforschung des inneren Australiens so überaus thätigen Lande nach unzähligen Anstrengungen nicht in der zwölften Stunde der Preis des vollständigen Gelingens von anderer Hand ent- wunden werde, Der oben erwähnte Brief Stuart’s lautet: „Da Mr. Goyder Briefe nach der Stadt schickt, benutze ich die Gelegenheit, Sie davon zu benachrichtigen, dafs ich nach einer schrecklichen Reise in einem sehr erschöpften Zustande am 1sten d. M. hier angelangt bin. Leider mufs ich Ihnen mittheilen, dafs ich aufser Stande war die Nordwestküste zu erreichen. Die Schwierigkeiten waren zu grols, als dafs ich sie hätte überwinden können. Nachdem ich das Centrum des Continents hinter mir hatte, überfiel mich jene fürchterliche Krankheit, — der Scorbut —, warf mich vollständig nieder und machte mich ganz hilflos. Dennoch hielt ich aus, und bemühte mich, nach NW. vordringend die Mündung des Victoria-River zu erreichen; aber dreimal mufste ich den Versuch, in dieser Richtung vorwärts zu kommen, wegen Wassermangels aufgeben. Die Gegend, in welche ich bei dem ersten dieser Versuche eindrang, war eine ungeheure Ebene mit leichteni rothem Boden, nur mit Spinifex und grolsen Gummi-Bäumen bedeckt, aber ohne jede Spur von Graswuchs. Drei Tage mufsten die Pferde hier ohne einen Tropfen Wasser zubringen; und wäre ich nicht glücklicherweise auf einen Brunnen der Eingeborenen gestolsen, so würde ich hier ') Vergl. diese Zeitschrift N. F. Bd. II, $. 370 fi. und die demselben Bande beigegebene Karte Taf. VI. Notiz über die letzte Entdeckungsreise John M‘Douall Stuart’s. 471 fast alle meine Thiere verloren haben. Darauf wandte ich mich zweimal ostwärts, um diese schreckenerregende Ebene wo möglich zu umgehen; aber ebenfalls ohne Resultat. Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als nach dem Centrum zurück- zukehren. Drei Miles nördlich vom Centrum liegt ein hoher Hügel, auf dem ich die Fahne aufgepflanzt und den ich Central Mount Sturt genannt habe '). Von diesem Hügel konnte ich im NO. Höhenzüge erblicken, welche in mir die Hoffnung erregten, dafs dort ein nicht so wasserarmes Land liege, und ich hielt es für möglich, dort einen Durchweg zu finden, der mich in den Nordwesten der Gummi- und Spinifex-Ebene führen könnte. Dorthin also drang ich vor bis 19% 22' S. Br. 134° 18’ ©. L., und unternahm von diesem Punkte einen neuen Versuch, in nordwestlicher Richtung nach dem Victoria zu gelangen, ward aber wieder durch Wassermangel zur Umkehr genöthigt. Bei dieser Tour hatte ich das Unglück, in Folge des Wassermangels drei Pferde zu verlieren; denn wir brachten 111 Stunden ohne einen Tropfen Wasser zu, unter einer glühend hei- (sen Sonne und in tiefem Sandboden. Nun mufste ich alle Hoffnung, den Vic- toria zu erreichen, aufgeben, und bemühte mich, in der Richtung nach dem Golf von Carpentaria vorzudringen, in der Hoffnung, hier einen Creek zu kreuzen, der das überschüssige Wasser des Sees ”) nach Osten abführte. Hier kam ich bis 18° 47’ und befand mich nun auf weiten Ebenen mit Alluvial-Boden, der mit Gras bedeckt war, umgeben von niedrigen steinigen Hügeln, auf denen sich ein paar Mulga- und Mallee-Büsche befanden; auf den Ebenen ist kein Busch über 2 Fufs hoch. Aber wir konnten keinen Tropfen Wasser finden; meine Pferde hatten schon zwei Tage und eine Nacht nicht zu trinken bekommen und waren so schwach, dafs ich sie der Gefahr, im Falle eines Fehlschlags noch län- ger ohne Wasser zu bleiben, nicht auszusetzen wagte, sondern es für geboten hielt, nach dem letzten Wasserplatz wieder zurückzukehren. Der nächste Ver- such vorzudringen wurde in der Richtung nach WNW., nach einigen sehr ent- fernten Bergen, unternommen. Eine Tagereise brachte mich an einen Creek, in dem sich sehr grofse und lange Wasserlachen befanden, unter 18° 50’, und dessen Lauf nach NO. ging. Diesem Creek beschlofs ich zu folgen, da ich es für möglich hielt, dafs er die Abdachung des Landes nach dem Golf von Car- pentaria bezeichnete. Am nächsten Morgen folgte ich seinem Laufe. abwärts, fand aber, dafs seine Richtung mehr, als ich es erwartet hatte, nach Osten ging. Nach 6 Miles hörte das Wasser auf, der Creek wurde schmaler und tiefer, das Bett sandig. Ich setzte die Reise noch 15 Miles weit fort, aber von hier ab weiter abwärts durfte ich mir auf Wasser keine Hoffnung mehr machen. Der Creek ging direct nach der östlichen und grasreichen Ebene. Nach dieser Wahrneh- mung beschlofs ich in mein letztes Nachtlager zurückzukehren, und in der frü- her eingeschlagenen Richtung nach den fernen Bergen vorzudringen, deren Ab- 1) Es liegen uns verschiedene Abdrücke dieses Briefes vor; in einigen heifst es Mount Stuart, in anderen Mount Sturt. ®) Nach den in Adelaide eireulirenden Gerüchten soll Stuart im Norden auch einen grolsen unabsehbaren See, mit tiefblauem Wasser und also wahrscheinlich von bedeutender Tiefe entdeckt haben. Er lag rechts von seinem Wege, und man wollte sogar wissen, dals er sehr fischreich sei. 472 Miscellen: stand ich auf etwa 30 Miles schätzte. Aber etwa 7 Miles vor demselben wurde ich von einer Anzahl Eingeborener angegriffen, die sich bemühten, meinen Ueber- gang über den Creek zu verhindern. Dreimal stürmten sie angreifend vor und wurden zurückgeschlagen. Sie suchten auch uns zu umzingeln und uns von den Pferden abzuschneiden, aber diesen Versuch vereitelte ich. Dieses waren die er- sten Eingeborenen, die ich angetroffen hatte; dem Aeufseren nach waren sie grofs, stark, museulös, — beherzte und unternehmende Männer, die sich nicht im Ge- ringsten vor uns oder unseren Pferden fürchteten, sondern verwegen zum Angriff vorstürmten '). Es dunkelte schon, als sie uns angriffen, und wir befanden uns mitten in niedrigem Buschwald, und hatten auch nicht das geringste Anzeichen bemerkt, dafs sie uns nahe waren, als wir an den Creek kamen. Sobald wir in den Scrub eingetreten, stürmten sie auf uns los. Hinter jedem Busch schien ein Mann versteckt zu sein, wohl dreifsig griffen uns in der Front an, und die Zahl derjenigen, die sich bemühten uns zu umzingeln und uns von den Packpferden abzuschneiden, kann ich nicht angeben. Sobald ich den wüthenden Angriff der Gegner in der Front zum Stillstand gebracht hatte, trieb ich die Pferde über den Creek auf eine offene Stelle, wo wir uns in einer günstigeren Position befanden. Jetzt hatten wir den Feind hinter uns. Er steckte um uns herum das Gras in Brand, und das Schreien und Lärmen zahlloser Stimmen war in der That schrecken- erregend. Kaum konnten wir die Pferde verhindern, scheu aus einander zu spren- gen. Es war inzwischen so finster geworden, dafs ich die Bewegungen des Fein- des nicht mehr erkennen konnte, und ich hielt es für das Klügste, jetzt wo er sich aufser Schufsweite befand, unsere Reise fortzusetzen; wir ritten also am Creek aufwärts zu unserem letzten Nachtlager. Der Feind folgte uns, aber in einiger Entfernung. Als ich dieses bemerkte, hielt ich in Erwägung, dafs der Feind so zahlreich war und dafs der Scrub sich dicht bis an den Creek erstreckte, es nicht für rathsam, hier zu verweilen, wo ich sehr leicht abgeschnitten werden konnte. Ich zog mich also auf eine lange offene Ebene zurück, die ich Tags vorher durchzogen hatte. Um 11 Uhr Nachts erreichten wir sie, und liefsen die Pferde grasen. Die Eingeborenen schienen an unserem früheren Nachtlager un- sere Spur verloren zu haben; denn wir konnten Nichts von ihnen hören; aber gleich nach Sonnenaufgang sahen wir rings um uns herum überall Rauchsignale aufsteigen; sie hatten unsere Spur also wieder aufgefunden. Während der Nacht hatte ich unsere kritische Lage in Erwägung gezogen. Unsere Pferde waren her- untergekommen und kraftlos, drei von ihnen konnten nicht länger als höchstens eine Nacht ohne Wasser bleiben; die Leute hatten schon vor sechs Wochen ge- klagt, dafs sie in Folge der unzulänglichen Nahrung zu schwach wären ihre Schul- digkeit zu thun — ihre Bewegungen glichen in der That mehr denen hundert- 1) Die australischen Blätter machen darauf aufmerksam, dafs diese Eingebore- nen zu den am Golf von Carpentaria, in Stokes’ „gelobtem Lande“ wohnenden Stäm- men gehören müssen, da man sonst nirgends auf dem Continent Eingeborene von starkem Körperbau und kriegerischem Sinn gefunden habe; alle Bewohner des In- nern seien verkimmert und gegen Weise über die Mafsen feig. Stuart hat jedoch auf seiner früheren Reise auch im Innern Eingeborene von starkem Körperbau ge- funden, wenn sie auch nichtsdestoweniger durch den Anblick der Weifsen in den höchsten Schrecken versetzt wurden. Vergl. diese Zeitschrift N. F. Bd. VI, S. 48. Notiz über die letzte Entdeckungsreise John M‘Douall Stuart’s. 473 jähriger Greise als denen fünfundzwanzigjähriger Jünglinge —, und ich selbst war so krank, dafs ich ohne die quälendsten Schmerzen nicht mehr den ganzen Tag im Sattel sitzen konnte; unser Proviant reichte überdie/s für die Rück- kehr kaum aus, und jetzt befanden wir uns mitten unter schlauen, kühnen und unternehmenden Eingeborenen, mit denen unsere kleine Gesellschaft doch nicht fertig werden konnte, obgleich wir anfangs Vortheile über sie erreicht hatten. In kurzer Zeit würden sie unsere Kraft vollkommen erschöpft haben. Wäre ich weiter vorwärts gedrungen, so hätte ich Feinde hinter mir gelassen und aller Wahrscheinlichkeit nach auch Feinde vor mir gefunden. Fechtend hätte ich zur Küste vordringen und fechtend mich auf der Rückkehr durchschlagen müssen. Das war für uns drei Leute, die wir überdiefs noch auf sechs Packpferde zu sehen hatten, absolut unmöglich. Ich konnte mich nur defensiv verhalten und wir mufsten darauf gefalst sein, auf die eine oder die andere Weise abgeschnit- ten zu werden. Hätte ich die Eingeborenen freundlich stimmen können, so würde ich die Küste erreicht haben; aber von allen Freundschaftszeichen, die ich ihnen machte, wollten sie keine Notiz nehmen. Selbst nach ihrem ersten Angriff suchte ich sie zu versöhnen, aber umsonst, es antwortete uns ein Hagel von Boomerangs und Speeren, und einer der letzteren traf mein -Pferd. Sie wa- ren damals nur noch 40 Yards von uns entfernt, und es war hohe Zeit, ihrem weiteren Vordringen ein Ende zu machen, — was dann auch prompt ge- schah. Wenn ich weiter vorgedrungen wäre, so würde ich von ihnen abgeschnit- ten worden sein, und alle Information, die ich auf dieser Reise gesammelt, wäre wahrscheinlich verloren gegangen. Ich entschlofs mich also mit grofsem Be- dauern zur Rückkehr. Bei der Rückkehr war ich überrascht durch die Rapidi- tät, mit der die Wasserstellen auftrockneten. Meine Rückkehr hing von den Winterregen ab; aber es fiel kein Regen, — vom März bis zum 26. August nicht so viel, um ein Hemd zu durchnässen. Ich hatte die Absicht, von einem Creek, 5 Tagereisen weiter im Südwesten, in welchem ich grofse Wasserlachen gefun- den hatte, noch einen neuen Versuch zu unternehmen, um nach dem Vietoria vorzudringen; aber als ich den Creek auf der Rückkehr erreichte, fand ich ihn schon zu stark eingetrocknet, und überzeugte mich, dafs das Unternehmen aus- sichtslos war. Hätte ich mich hier aufgehalten, so hätte ich die weitere Rück- kehr bis zum nächsten Regenwetter aufschieben müssen; dieses aber war vor September nicht zu erwarten, und so lange konnten wir uns nicht fortfristen. Ich kann mich dieses Entschlusses wegen glücklich preisen, denn auf der Rück- reise fand ich viele Wasserstellen, von denen ich geglaubt hatte, dafs sie viel länger vorhalten würden, ganz trocken. Ein längerer Aufenthalt auch nur von einer Woche würde meine Rückkehr unmöglich gemacht haben. An vielen Stel- len fanden wir kaum genug Wasser für die Pferde. Eine Wüstenei habe ich nicht getroffen, aber drei bis vier Gürtel von Mulga-Serub, von denen der brei- teste eine Ausdehnung von etwa 60 Miles hatte; die Höhenzüge sind nicht höher als Flinders Range, und viele nicht einmal so hoch. Die Salzbusch- und abge- platteten Hügel hören unter 25° S. Br. auf; es beginnen dann Spinifex, Gras, Sandstein, Granit, Quarz, Schiefer und Eisenstein, und halten an bis zu dem nördlichsten Punkt meiner Reise“. 474 Miscellen: So weit Stuart’s Brief. Die australischen Blätter bringen noch mancherlei Nachrichten über das Land, welches nun zum ersten Male durchreist ist, aber sie scheinen sich nur zum Theil auf die Andeutungen zu stützen, zu denen sich die Regierung durch Interpellationen in der Assembly veranlalst fand, zum Theil die übertriebenen Gerüchte zu reproduciren, die unter der Bevölkerung coursirten. Darnach soll der gröfseste Theil des Landes bewohnbar und in der That bewohnt sein, — Stuart selbst nennt die Eingeborenen, die ihn angriffen, die ersten, die er gesehen. Die Viehzucht würde hier — so behauptet man — gar keiner Schwierigkeit unterliegen; denn der Boden sei reichlich mit Gräsern bekleidet, darunter mehrere neue Arten und eine bisher unbekannte Pflanze, die namentlich von den Pferden gern gefressen würde. Auch ein Solanum wachse im Innern; aber nicht die Knollen, sondern die Früchte desselben würden von den Eingebo- renen gegessen, — nach dem obigen Brief ist es schwer begreiflich, bei welcher Gelegenheit sich Stuart hierüber hätte unterrichten sollen. Des grofsen Sees, den Stuart entdeckt haben soll, haben wir oben schon gedacht. Wie es sonst mit dem Wasserreichthum des Landes bestellt ist, darauf wirft Stuart’s Bericht über seine Rückkehr ein bezeichnendes Schlaglicht. Dafs indefs auch nutzbare Ländereien entdeckt sind, scheint aus dem sofortigen Entschlufs der Regierung zur Ausrüstung einer neuen Expedition hervorzugehen. Sie soll aulser Mr. Stuart und seinem Begleiter auf der letzten Reise, Mr. Kekwick, aus 10 Personen und 35 Pferden bestehen, und die Auswahl der Personen und Thiere ist vollständig in Stuart’s Hand gelegt. Chambers Creek soll das Rendezvous sein. Es ist die- ses der grofse Creek, den Stuart auf seiner Reise von 1858 entdeckt hat und der etwa unter 294° S. Br. in ein grofses Wasserbecken mündet (vergl. diese Zeitschrift N. F. Bd. VI, S. 49). Von Interesse ist es noch zu erwähnen, dafs die Nachrichten von Stuart’s Reise sofort den Gedanken angeregt haben, quer durch den Continent, von der Nord- nach der Südküste, eine Telegraphenlinie anzulegen. Die von der Colonie Victoria ausgerüstete Expedition unter Leitung des Mr. Burke scheint sehr reichhaltig ausgestattet zu sein. Ob ihr dieses zum Vortheil gereichen wird, dürfte mindestens zweifelhaft sein. Gröfsere Entdeckungs- Expe- ditionen haben sich bei der Beschafienheit des australischen Continents bisher nicht bewährt; wasserlose Einöden, die von ein paar ausdauernden Männern auf starken und flüchtigen Pferden, denen es Nichts schadet, wenn sie einen Wasser- platz 24 Stunden später als es erwartet wurde erreichen, wohl durchritten werden können, erweisen sich für gröfsere Expeditionen als ein böses Hindernils; die letzteren müssen immer so lange Halt machen, bis der nächste Wasserplatz durch Recognoseirung ermittelt ist. Den australischen Blättern entnehmen wir, dafs Mr. Burke schon jetzt, noch ehe er über die letzten Ansiedelungen hinaus vor- gedrungen ist, daran denkt, sich bei geeigneter Gelegenheit der „lästigen Bagage“ zu entledigen. Mit besonderer Spannung sehen wir Nachrichten entgegen, wie sich auf australischem Boden die Kameele bewähren werden, die Mr. Burke mit sich führt. —n. Berthold Seemann’s Forschungen auf den Fidji - Inseln, 475 Berthold Seemann’s Forschungen auf den Fidji-Inseln '). ... Ich habe nun mehrere Monate auf den Fidji-Inseln zugebracht und diese Gruppe nach verschiedenen Richtungen hin durchforscht, und obgleich über die- selbe schon viel und zwar von competenten Beobachtern geschrieben ist, findet der Forscher doch noch ein reichhaltiges Material und vortreffliche Gelegenheit zu Sammlungen für alle Zweige der Naturwissenschaften. ‘Während des ersten Monats war mein Hauptquartier zu Somosomo auf Taviuni (Wuna), wo ich unter dem gastlichen Dache des Capt. Wilson verweilte, der hier eine Cocosnuls- Oel-Fabrik angelegt hat; Cocosnufsöl, Schildkrötenschaalen und biche de mer bilden die Ausfuhrartikel dieser Inseln; bald wird sich auch Baumwolle ihnen anreihen, da mehrere Arten dieser wichtigen Culturpflanze an verschiedenen Punk- ten des Archipels bereits eingebürgert sind. Taviuni ist eine Felseninsel zweiter Gröfse, eingefalst von Cocospalmen und dicht mit Waldungen bedeckt, welche reich an schönem Bauholz sind und zahllosen Schwärmen von wilden Tauben und einer Papageien- Art zum Aufenthalt dienen; die Papageien werden von den Bewohnern des Tonga-Archipels, und mehr noch von denen der Samoa-Inseln sehr geschätzt, weil ihre rothen Federn zur Verzierung der Matten sehr gesucht werden. Die Insel ist etwa 2500 Fufs hoch, und das Ansteigen zu ihrem Gipfel sehr steil. Als ich zum ersten Mal hinaufstieg, begleitete mich ein zahlreiches Gefolge: denn die Königin von Somosomo, die von meiner Absicht gehört hatte, schlofs sich mit ihrem ganzen Hofstaat der Expedition an. Bei Tagesanbruch fanden wir ihr Gefolge am Ufer eines Flusses bereits auf uns wartend, vollständig zur Reise gerüstet. Die Kleidung der Damen kann mit wenig Worten beschrieben werden. Die Königin trug ein Stück weilsen Calico’s um ihre Hüften, frische Farrnblätter auf dem Kopf, die purpurne Blüthe der chinesischen Rose in einem grofsen Loch, das in eines ihrer Ohren gebohrt war, und ein Muschel- Armband. Kein anderes Gewand verschönerte ihre stattliche Figur, und doch sah sie recht majestätisch aus. Ihre Begleiterinnen hatten sich von dem Calico gänzlich dispensirt und wa- ren nur mit Stücken von Bananen- und Cocosnufs-Blättern bekleidet, die frisch vom Busch gepflückt waren. Wir in unserer europäischen Kleidung hatten gar keine Aussicht, mit ihnen gleichen Schritt halten zu können; sie waren immer weit vor uns, warteten dann auf uns, und amüsirten sich damit, Cocosnüsse auf- zubrechen und Cigarretten zu rauchen, die sie aus trocknen Bananen- Blättern verfertigten. In dem Gipfel der Insel erkannten wir einen erloschenen, mit Wasser gefüllten Krater; an dem nordöstlichen Theile war er mit einer vegetabilischen Masse bedeckt, welche an Farbe und äufserem Ansehen dem grünen Schildkröten- fett so sehr gleicht, dafs der Volksglaube entstanden ist, das Fett aller auf den Fidji-Inseln gegessenen Schildkröten werde durch eine übersinnliche Kraft nach diesem See gebracht: einer von den zahllosen Geistern, mit denen die lebhafte Einbildungskraft der Eingeborenen die Inselgruppe bevölkert hat, nehme es bei Nachtzeit aus ihren Mägen und bringe es hierher. Diese gallertähnliche Masse gehört einigen niederen Algen an und ist mehrere Fufs dick. Wir wurden erst ') Ein Brief Seemann’s an das Athenaeum, datirt Rewa 6. Aug. 1860, abge- druckt im Athenaeum, 24. Nov. 1860. 476 Miscellen: zu spät gewahr, dafs dieses sonderbare Erzeugnils nur auf dem See schwamm und hier eine Art Kruste bildete: sonst würden wir uns nicht hinaufgewagt ha- ben. Wir hielten das damit bedeckte Stück anfänglich für einen Theil eines Sumpfes, über den wir ohne Gefahr, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit hin- übergelangen könnten: denn wir wateten immer bis an die Knie und manchmal bis an die Hüften in diesem vegetabilischen Schildkrötenfett und konnten uns vor dem Versinken in unergründliche Tiefen zuweilen nur dadurch retten, dafs wir wie Reptilien fortkrochen. Wo der See von dieser Alge frei war, fanden wir das Wasser klar und kühl und genossen es unbedenklich, als wir die kalten Yam’s, Taro’s und die Hühner verzehrten, die unser Mittagsmahl bildeten. Die Ufer des See’s waren mit Stechpalmen, Scharlach -Myrten und einer schönen Fächerpalme bedeckt, welche letztere mit der von Neu-Seeland und Norfolk Island verwandt, doch nicht identisch ist. Es war schon Nacht, als ich in Somosomo wieder an- langte; die Eingeborenen waren schon lange vor mir zurückgekehrt, denn sobald die Sonne tiefer sank, waren sie nicht länger zurückzuhalten gewesen; es ist ihnen schrecklich, bei Nachtzeit im Walde zu sein: sie sehen Geister und Dämonen nach allen Richtungen schwärmen und fürchten, dem Zorn derselben zum Opfer zu fallen. Die Stadt Somosomo war bis vor wenigen Jahren auf den Fidji-Inseln des Cannibalismus wegen im höchsten Grade berüchtigt, und die älteren Missio- nare mu/sten nach sehr entmuthigenden Erfahrungen ihre hiesige Station aufgeben. Damals hatte der Ort einige Wichtigkeit; aber unaufhörliche innere Fehden ha- ben die Zahl seiner Bewohner beträchtlich vermindert, und die paar, die übrig blieben, sind zum gröfsesten Theil Christen geworden: seitdem der letzte Mensch gefressen wurde, sind nun schon drei Jahre verflossen. Der Häuptling selbst, der schönste Fidji-Insulaner, den ich gesehen habe, sowol was Statur als was Ge- sichtszüge anbetrifft, ist noch Heide; aber die Königin, die einen höheren Rang als er einnimmt, ist eine fromme Christin. Das Volk benimmt sich recht gut; obgleich es zum Stehlen die beste Gelegenheit hatte, habe ich doch nichts von Belang verloren. Für Messer, Brummeisen, Calico und andere Kleinigkeiten wa- ren sie gern bereit, mir eine zum Versuch angelegte Baumwollen -Plantage ein- zäunen zu helfen, Bäume zu fällen und mit mir in den Wald zu gehen. Von Somosomo verlegte ich mein Hauptquartier nach Port Kinnaird, auf der Ostseite der Insel Owalau, wo ich von Mr. Pritchard, dem britischen Consul, freundlich empfangen wurde. Wir beschlossen, uns nach Osten ') zu wenden, um die weniger bekannten Theile von Witi Lewu zu erforschen, eines der Con- tinente der Fidji-Welt. In der Consular-Gig brachen wir am 28. Juli auf, und erreichten an demselben Tage Bau, die Hauptstadt des Archipels, wo wir im Hause des Mr. Collis, der zur Mission gehört, abstiegen. Bis 1854 war Bau den Missionären feindselig gesinnt, und die Oefen, in denen die Leiber mensch- licher Schlachtopfer gebraten wurden, wurden fast nie kalt. Seit jener Zeit ist ein grofser Umschwung eingetreten. Der Künig und sein ganzer Hof haben das Christenthum angenommen; die heidnischen Tempel sind verfallen, die heiligen Haine der Umgegend niedergehauen, und auf dem grofsen Viereck, wo früher der 1) Scheint ein Schreibfehler zu sein. Die kleine Insel Owalau liegt östlich von Witi Lewu. Berthold Seemann’s Forschungen auf den Fidji-Inssln. A7TT Cannibalismus seine Schmausereien hielt, ist eine Kirche erbaut worden. Nicht ohne innere Bewegung betrat ich diesen blutbefleckten Boden, auf dem wahr- scheinlich gröfsere Scheufslichkeiten vorgegangen sind, als auf jedem anderen Punkte des Erdballs. Es war gegen 8 Uhr Abends, und statt des wilden Lärms, der früheren Besuchern entgegenschallte, hörte man fast in jedem Hause Fami- jiengebete. Um einen solchen Wandel hervorzubringen, dazu haben in der That nicht geringe Anstrengungen gehört, und manches kostbare Leben mufste zu die- sem Zweck geopfert werden; denn obwohl kein Missionär hier eines gewaltsamen Todes gestorben ist, ist doch die Zahl derer, die inmitten ihrer Anstrengungen unterlagen, verhältnifsmälsig sehr grofs. Die Wesleyaner, deren Selbstverleug- nung die Bekehrung dieser sehr tief stehenden menschlichen Wesen zu danken ist, haben als Gesellschaft 75,000 L. St. für diesen Zweck ausgegeben, und wenn man hierzu die Privatgeschenke, die den Missionären von Freunden zuflossen, hin- zurechnet, so werden die Ausgaben die ansehnliche Summe von 80,000 L. St. erreichen. Von Bau begaben wir uns auf dem Nakelo, einem der grofsen Flüsse auf Witi Lewu, der mit dem Rewa River durch einen Canal verbunden ist, nach Rewa. Der erwähnte Canal ist wahrscheinlich das imposanteste Bauwerk, das jemals auf diesen Inseln ausgeführt ist, und er liefert einen Beweis, wie dicht das Land bevölkert sein mu/ste, um ein solches Unternehmen in ‘einer Zeit mög- lich zu machen, in welcher man zum Graben nur hölzerne Werkzeuge und zum Fortschaffen der Erde nur Körbe hatte. Es ist nicht ausgemacht, wann dieser Canal gegraben ist; durch Nachfragen erfährt man nur, dafs er sehr alt und dafs er zum Zweck kriegerischer Operationen ausgeführt ist. Wir gingen durch die Stadt Rewa, dann stromabwärts, und quartirten uns für einige Tage in der Mis- sion zu Mataisuwa ein, wo ein Seminar zur Ausbildung einheimischer Lehrer unter der Leitung des Rev. W. Moore errichtet ist, der, ein gelehrter Kenner der Fidji- Sprache, die wenigen Mufsestunden, welche ihm übrig bleiben, einer bisher sehr vernachlälsigten Aufgabe, der Sammlung der alten, nun immer mehr in Vergessen- heit gerathenden Gesänge der Eingeborenen widmet. Eine mehrtägige Reise längs der Küste, die uns Gelegenheit gab, manche interessante Orte zu besuchen und meine Sammlungen zu bereichern, führte uns am 5. Juli Abends an den Na- wua, einen der gröfsesten Flüsse auf Witi Lewu, der bis jetzt noch nicht wissen- schaftlich erforscht ist. An seiner Mündung befinden sich einige ausgedehnte Delta’s von fruchtbarem Alluvialboden, der zur Baumwollen-Cultur aufserordent- lich geeignet ist. Aus früher eingezogenen Erkundigungen hatte ich geschlossen, dals die Sago-Palme zur Flora der Fidji-Inseln gehöre. Meine darauf bezüg- lichen Nachforschungen fingen schon in den östlichen Theilen des Archipels an, und überall hiefs es, dafs ich ein paar Miles weiter westwärts finden würde, was ich suchte. Da dieses jedoch nicht der Fall war, schwand meine Hoffnung, bis ich zuletzt nach einer Reise von ein paar hundert Miles an den Ufern des Na- wua von ganzen Wäldern schöner Sago-Palmen begrüfst wurde. Das ist eine interessante Entdeckung, interessant in botanischer Hinsicht, weil so weit im Sü- den noch nie eine Sago-Palme gefunden ist, und in philologischer Hinsicht, weil die Pflanze hier Soga genannt wird, was stark an die Namen Sagu und Sago erinnert, unter denen sie in anderen, von Papuas bewohnten Gegenden bekannt 478 Miscellen: ist; auch eommereiell ist die Sache von Bedeutung, da sie der Export-Liste die- ser Inseln einen wichtigen Artikel hinzufügt. Die Eingeborenen benutzen das mehlhaltige Mark der Soga nicht, obgleich sie aus dem der Cycas circinahs Ku- chen backen, welche von den Häuptlingen gegessen werden. Wir erreichten bald Nawua, eine Stadt 3 Miles stromaufwärts, Residenz Kuruduadua’s, des obersten Häuptlings in diesem District. Da wir von unserem letzten Rastplatz einen Bo- ten abgesandt hatten, um unsere Ankunft zu melden, fanden wir den Häuptling in seinem grofsen Hause, umgeben von seinen Räthen und Dienern, die Gäste erwartend. Da dieser Häuptling und sein Gebiet von Weifsen nur selten besucht werden, erregte unsere Ankunft grofse Sensation. Die Ceremonie der Vorstellung ist sonderbar. Als wir in das Haus eingetreten waren, richtete Wise, unser Dol- metscher und Führer, an den Häuptling eine Ansprache: der Consul beabsichtige, einen englischen Häuptling einzuführen, der das Land kennen lernen wolle, und wir wünschten die Ehre, für einige Tage seine Gäste zu sein. Nach einem meh- rere Minuten dauernden Stillschweigen erwiederte der oberste Sprecher im Namen Kuruduadua’s, dafs der fremde Häuptling und der Consul willkommen seien; denn durch ihre Anwesenheit sei der Stadt Nawua grolse Ehre widerfahren, und den benachbarten Stämmen solle diese Thatsache kundgethan werden, sobald die grofse Trommel ihren Wirbel erschallen lassen könne. Als er geendet hatte, klatschten alle Männer im Hause in die Hände und riefen: mana, mana, mana! Gleichzeitig wurde die grofse Trommel oder Lali wacker gerührt, und unsere Anwesenheit in Nawua wurde in dem ganzen Distriet angezeigt. Die Augen des Häuptlings glänz- ten, ein stolzes Lächeln bemerkten wir in seinen Zügen, als wir uns, so lang wir waren, auf die reinlichen Matten niederlegten, die vor uns ausgebreitet waren. Unser geschwätziger Dolmetscher begann hier, von einem grofsen eisernen Topfe zu reden, der nicht weit von der 'Thür stand, und zu erzählen, wie schändlich er dazu verwendet worden, statt biche-de-mer die Leichname geschlachteter Menschen zu kochen! Ein etwas unheimliches Gefühl beschlich uns, und wir dachten an die Freunde und an die Heimath in weiter Ferne! Unsere Gemüthsruhe wurde indefs bald wieder hergestellt, als der Häuptling uns einlud, an einer Schaale voll Yagona theilzunehmen, einem Getränk, das aus der Wurzel des Südsee -Pfeffers, welche von jungen Leuten zerkaut ist, bereitet wird und nach Seifenlauge, Ja- lappe und Magnesia schmeckt! Darauf wurde ein gebratenes Schwein und ein Halbdutzend Körbe mit Yams von einigen Frauen hereingebracht, die von dem Lieblingsweibe des Häuptlings geführt wurden und sämmtlich auf Händen und Knien krochen. Trotz unseres Hungers hatte uns doch die Geschichte von dem grofsen Topf mit starker Abneigung gegen dieses frugale Mahl erfüllt. Aber Kuruduadua ist jetzt nicht mehr Menschenfresser; wir sprachen uns also Muth zu und griffen zu, als wir uns davon überzeugt hatten, dafs wir ein wirkliches Schwein vor uns hatten. Es ist sonderbar, dafs die Sitte auf den Fidji-Inseln dem Wirth nicht erlaubt, an dem Mahl Theil zu nehmen, das er seinen Gästen vorsetzt; der Häuptling sah uns also von der Seite zu, während wir speisten. Da wurde ein Böller, der den Eingang zum Hause vertheidigte, abgeschossen, — um die Freude des Häuptlings zn bezeugen. Alle halbe Stunden wurde Yagona gekaut und getrunken. Wir bemerkten, dafs der Strick, an welchem die Schaale aufgehängt wird, wenn man sie nicht braucht, stets dem Häuptling zugeworfen Berthold Seemann’s Forschungen auf den Fidji- Inseln. 479 wurde. Dadurch soll der „grofse Mann “ ausgezeichnet werden; wenn Jemand es wagen sollte, in seiner Gegenwart aufrecht zu gehen, so würden Schläge sein Loos sein. Kuruduadua hat zehn Frauen, und da er selbst die Zahl seiner Kin- der nicht genau kennt, so blieben auch wir in dieser Beziehung im Ungewissen. Die grofsen Trommeln wurden in der Nacht stündlich geschlagen, — uns zu Eh- ren, aber sehr zu unserm Verdrufs, denn sie hielten uns, nachdem wir uns zu- rückgezogen hatten, noch lange wach. Unser Bett bestand aus mchreren über einander gelegten Matten, über uns befand sich ein wohl 20 Fuls langer Mos- quito-Schirm, der aus der Rinde des Papier-Maulbeerbaumes gemacht war. Unter einem solchen Schirm schlafen manchmal acht bis zehn Eingeborene zusammen. Ehe wir uns zurückzogen, schenkte der Consul dem Häuptling verschiedene Ge- genstände, Messer, Aexte, bedruckte Stoffe u. dgl., worauf die gewöhnlichen Com- plimente, Versicherungen des Vertrauens und der Freundschaft folgten. Am nächsten Morgen waren wir sehr überrascht, als wir bemerkten, dafs alle jungen Leute vollkommen nackt waren: wir erfuhren, dafs der älteste Sohn Kuruduadua’s seinen Eintritt in’s Mannesalter feiern werde und dafs bis dahin weder er selbst noch seine Spielgenossen die winzige Bekleidung anlegen dürften, die hier sonst üblich ist. Eine rebellische Stadt von etwa 500 Einwohnern sollte bei dieser Gelegenheit als Opfer fallen. Sobald die Vorbereitungen zum Fest be- endet und der Tag der Ceremonie festgesetzt worden, beabsichtigte Kuruduadua mit seinem ganzen Stamme über die Stadt herzufallen und alle Einwohner ohne Unterschied todtzuschlagen. Dann sollten die Leichname in einen Haufen zu- sammengeworfen und auf demselben ein lebendiger Sklave, mit der Brust nach oben, niedergelegt werden. Auf dieses grälsliche Schaugerüst — so will es die Sitte — mus der junge Häuptling hinaufsteigen, und während er aufrecht stehend auf die Brust des Sklaven tritt und in seinen erhobenen Händen eine ungeheure Keule oder ein Gewehr hält, rufen die Priester ihre Götter an und empfehlen den an- gehenden Krieger ihrer besonderen Obhut, betend, dafs er alle Feinde des Stammes tödten und nie in einem Kampfe besiegt werden möge. Ein Beifallsgeschrei der versammelten Menge pflegt diesem Gebet zu folgen. Darauf müssen zwei Oheime des jungen Mannes ebenfalls auf den Haufen von Leichnamen hinaufsteigen, und den Gefeierten mit dem Malo, oder Gürtel von schneeweilser Tapa, bekleiden, wobei das Volk wieder die Götter anruft, den Jüngling zu einem grofsen Erobe- rer und zu einem Schrecken aller derer zu machen, die gegen Nawua Feindselig- keit athmen. Der bei diesem Fest zu verwendende Malo mag wohl 200 Yards lang und etwa 6 bis 8 Zoll breit sein. Wird er rund um den Körper gewickelt, so mufs der Bursche kaum zu sehen sein; nur ein Oheim darf ihn wieder ent- kleiden. Wir schlugen nun dem Häuptling vor, er möge uns gestatten, seinen Sohn mit dem Malo zu bekleiden, was er zuerst ablehnte, dann aber, nach einer Berathung mit dem Volk, uns gestattete. Zur festgesetzten Stunde versammelte sich das Volk in dem grofsen Hause oder Bure. Der junge Mann stand mitten in der Versammlung, splitternackt, und hielt ein Gewehr über seinem Kopf. Wir, ich und der Consul, näherten uns und wickelten ihn vorschriftsmäfsig in 30 Ellen Manchester-Cattun, während Priester und Volk sangen und den Schutz der Götter anriefen. Es folgte eine kurze Ansprache des Consuls, die den Jüngling zu edle- ren Thaten für sein Volk anfeuerte, als seine Vorfahren sie gekannt hätten, und A480 Miscellen: ihn auf den Weg zum Ruhme hinwies, den die Civilisation ihm eröffnete. “Die Ceremonie endete damit, dafs Yagona getrunken und historische Lieder über die Vorfahren des jungen Mannes gesungen wurden, — und so hatten wir 500 Men- schen das Leben gerettet. Während der ganzen Ceremonie war der alte Häupt- ling sehr bewegt, und ein paar Thränen rollten über seine Backen. Aber bald erheiterte er sich und erzählte uns viel von der Zeit, wo er in’s Mannesalter ge- treten und wie viel Volk damals zur Feier dieses Ereignisses erschlagen wor- den sei. Da wir in Kuruduadua einen Mann gefunden hatten, dem man vertrauen konnte, so trafen wir Anstalten, nach Namusi zu gehen, um so die Entdeckungen M‘Donnald’s und Waterhouse’s mit der südlichen Küste von Witi Lewu zu ver- binden. Das Wetter war aber sehr schlecht geworden; starke Regengüsse mach- ten eine Reise in das Innere unmöglich, und so entschlossen wir uns, für diese Unternehmung auf besseres Wetter zu warten und inzwischen andere Theile der Inselgruppe zu besuchen. Jetzt sind wir wieder auf der Reise zu Kuruduadua, und ich hoffe, bei nächster Gelegenheit eine Schilderung der Lebensweise der Gebirgsstämme auf den Fidji-Inseln absenden zu können. —n. Eine Tour durch die westlichen Theile von San Salvador'). (Hierzu eine Karte, Taf. V.) Meine letzte Reise in das Innere von San Salvador hat mich in Districte ge- führt, welche selten von Fremden besucht werden. Von zwei sehr angenehmen Gesellschaftern begleitet, brach ich am 6. Februar von Sonsonate auf. Wir reis- ten in landesüblicher Weise, mit wenig Gepäck, Jeder mit der unentbehrlichen Hängematte versehen, im Uebrigen mit dem festen Entschluls, für Speise und Trank den Zufall sorgen zu lassen. Die Strafse, die wir einschlugen, führt, wie die meisten von Sonsonate aus- gehenden, über einen von den Bergrücken, die, von der Umgebung der Stadt an allmählich an Höhe zunehmend, den Reisenden schliefslich zu einem der Gebirgs- pässe führen, welche die Vulcan-Kette durchschneiden. Man steigt allmählich an und die Aussichten sind reizend. Zu unserer Rechten sahen wir in der Ferne den Vulcan von San Salvador hervorragen, während nicht weit von uns vom Izalco eine gewaltige schwarze Rauchsäule, gefolgt von einem dumpfen Donnern, zum klaren blauen Himmel emporstieg. Der Cordillere folgend, hatten wir gleichzeitig die erloschenen Vulcane von Santa Ana, Naranjos, Tamajaso, San Juan de Dios und Lagunita vor Augen, welche eine in Reih und Glied stehende Gruppe bilden, die allmählich niedriger wird, bis sie am fernen Horizont zu verschwinden scheint. Hinter uns lag das fruchtbare Thal von Sonsonate, wie ein Teppich, grün und tropisch, der 6 Leguas weit bis zum Stillen Ocean sich ausdehnt. Einen beson- ders bezaubernden Reiz erhält dieses Panorama durch die zerrissenen und iso- !) Diese Reise ist im Jahre 1858 von dem britischen Consul Foote in Sonso- nate ausgeführt; den Bericht darüber entlehnen wir den New York Times. Eine Tour durch die westlichen Theile von San Salvador. 481 lirten Bergrücken, welche dasselbe auf drei Seiten einschliefsen und gegen das saftige Grün des Vordergrundes lebhaft abstechen. Wohl ein Dutzend Flüsse durchströmt das Thal, und Hunderte von Quellen rieseln in der Nachbarschaft, so dafs jeder Morgen Landes gut bewässert werden und der Landmann das ganze Jahr hindurch auf eine Reihenfolge von Erndten rechnen kann. Auf beiden Seiten des Weges waren die Felder trefflich angebaut und durch gute Hecken von ein- ander geschieden; der Boden ist ein leicht zu bearbeitendes Alluvium. Nach einem Ritt von einer halben Stunde erreichten wir Nahuizalco, eine Indianerstadt von etwa 12,000 Einwohnern. Diese Indianer sind ein Zweig der Izalecos, betriebsame Leute und gute Ackerbauer. Ihre Ländereien ziehen sich mehrere Leguas weit hin; aber die Bewohner erheben Ansprüche auf das ganze Land. Sie sind ein kräftig gebauter Menschenschlag, und von zuverläfsigem Cha- rakter, aber eifersüchtig gegen Fremde, so dafs es schwer ist, von ihnen Land zu kaufen. Bei Nahuizalco verliefsen wir die Hauptstrafse und wandten uns rechts, um einige Merkwürdigkeiten in der Nähe eines Indianerdorfes, Namens Juayua, zu besichtigen. Die Strafse wurde steil und — je höher wir kamen — desto schwie- riger; zu beiden Seiten lagen tiefe Schluchten, und manchmal führte uns der Pfad hart am Rande von Abgründen vorbei, wo ein einziger Fehltritt der Maul- thiere uns in’s Verderben gestürzt haben würde. Endlich hörten wir das Geräusch eines Wasserfalles, und kamen bald an den Rio Grande oder Rio de Sonsonate, den wir etwas oberhalb des Wasserfalles durchritten. Hier frühstückten wir, bei der Tafelmusik der brausenden Wasser, mit einem Appetit, wie man ibn in Städten selten kennen lernt. Das Wasser stürzt, nach annähernder Schätzung, etwa 600 Fufs tief hinab, aber in zwei Absätzen. Der erste Cataract fällt auf eine etwa 300 Fufs tiefer liegende Felsenbank, mit solcher Gewalt, dafs das Wasser sich in eine Dunstwolke aufzulösen scheint, und dann stürzt es in den ganz unten liegenden Abgrund, der auch nicht weniger als 300 Fufs tief zu sein scheint. Die Fälle sind prachtvoll, aufserordentlich malerisch, und wohl eines Besuches werth. Mr. H. stieg fast bis an den Fufs des zweiten Falles hinab, aber mit der augenscheinlichen Gefahr, in den gähnenden Abgrund zu stürzen. Jenseits der Fälle ging es fortdauernd bergauf. Der Weg war schlecht, das Land in Schluchten und Klüfte zerrissen. Dennoch kamen wir an einigen klei- nen Kaffee-Plantagen vorbei, in denen die Bäume auffallend frisch und üppig aussahen, obwol wir uns jetzt mitten in der trockenen Jahreszeit befanden. Um 5 Uhr Nachmittags erreichten wir Juayua, wo wir die Nacht zubrachten. Die- ses ist ein kleines Indianerdorf mit etwa 1500 Einwohnern. Indianer sowol wie andere Bewohner hatten ausgedehnte Kaffee- Plantagen angelegt. Am 7ten machten wir uns mit Tagesanbruch auf den Weg nach dem Vul- can Apaneca, nachdem wir uns einen Führer verschafft hatten, der uns ver- sprach, uns zur Laguna Verde und zur Lagunita zu führen, — beides alte Kra- ter, aber jetzt Seen. Als wir zwei Stunden lang an Abhängen auf- und abwärts geklettert waren, erblickten wir die Indianerstadt Apaneca, welche hart am Fufse des alten Vulcans liegt. Wir wandten uns rechts und gelangten bald an den Kegel. Auf schmalem und steilem Pfade fingen wir an ihn zu ersteigen. Der Kegel über uns schien furchtbar hoch, aber unsere rüstigen kleinen Maulthiere Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. 31 482 Miscellen: kletterten in gutem Schritt aufwärts. Etwa in zwei Dritteln der Höhe kamen wir an einen klaren Bach, der, wie man uns sagte, der Abflufs des See’s sein soll, mit dem er angeblich durch einen unterirdischen Canal in Verbindung steht. Eine halbe Stunde später standen wir am Rande des Kraters und sahen, nicht tief unter uns, den See. Er hat etwa $ engl. Meilen im Durchmesser und ist flach, an der tief- sten Stelle nicht über 12 Fufs tief. Rinder waren bis an den Hals in’s Wasser gegangen, um sich zu kühlen, ländliche Ansiedelungen lagen zerstreut hier und dort am Rande, Indianerfrauen waren am Ufer mit Waschen beschäftigt, ihr kla- res helles Gelächter weckte den Wiederhall in dieser abgeschlossenen, hochgele- genen Miniaturwelt, wilde Enten flogen lustig in Kreisen um uns her, — Alles in dem erloschenen Krater eines Vulcans, der nicht weniger als 5530 Fufs über dem Meeresspiegel liegt. Unsere erste Empfindung war natürlich die der Ueberraschung über das, was wir sahen, aber bald holten wir unsere Flinten hervor und machten uns eifrig an die Jagd. Die wilden Enten, die allem An- schein nach bisher ein sehr ungestörtes Leben geführt hatten, geriethen in die äulserste Aufregung; in grolsen Kreisen flogen sie um die ganze Lagune, aber sie machten keinen Versuch, über den Kraterrand, die Grenze dieser kleinen Welt, sich zu erheben und in die unendliche Weite sich zu zerstreuen. Nachdem wir uns einen anderen Führer verschafft hatten, verliefsen wir die Laguna Verde und stiegen den Berg hinab nach einem anderen alten Krater, ebenfalls einem See, der Lagunita. Wir gingen in nordöstlicher Richtung eine Stunde lang zwischen Gestrüpp und Felsen, und standen dann plötzlich vor dem kleinen See. Er ist viel schöner und imposanter als der andere, wohl eben so grofs, aber sehr tief, — an manchen Stellen soll man keinen Grund finden. Er hat ein wilderes Aussehen und ist von hohen Bäumen umgeben, die weithin über das tiefe stille Wasser ihre Schatten werfen. Wir sahen hier nur zwei Indianer- hütten. Ich spazierte allein dorthin und sah, als ich näher kam, ihren einzigen Bewohner — einen blödsinnigen Indianer, der in.ein einfältiges Kichern ausbrach, als ich vorbeiging. Es war ganz aufserordentlich still, so dafs ich die Fufstritte meiner Reisegefährten und ihre Stimmen auf der anderen Seite des See’s deutlich hören konnte, Ich hörte auch die Cazotes (? vielleicht Coyotes, eine Schakal-Art) im Walde heulen, — ein anderer Beweis, dafs die Gegend wenig besucht wird. Als die Sonne tiefer sank, machten wir uns auf den Heimweg und um 6 Uhr Abends hatten wir unsere Posada erreicht. Am nächsten Tage brachen wir nach Ahuachapam auf, verliefsen aber beim Uebergange über die Cordillere die Haupt- strafse und stiegen nach rechts einen Pfad hinab, um das brennende Thal, die sogenannten Infernillos zu besichtigen. Diese „Höllengründe“ sind etwa 5 Le- gua von der Hauptstrafse entfernt, und so versteckt, dafs nur wenige Reisende in der. Lage waren, sie kennen zu lernen. Wir stiegen bergab, bis wir zu einer kleinen Zuckerrohr-Pflanzung kamen, wo wir unsere Pferde zurückliefsen: den Rest des Weges mulsten wir zu Fufs zurücklegen, da nicht einmal ein Pfad, geschweige denn eine Strafse zu den Infernillos führt. Nachdem wir eine halbe Stunde geklettert waren, standen wir am Rande eines Felsabsturzes. Dichte Schwefeldämpfe. stiegen. aus der Tiefe hervor, begleitet von einem Geräusch, ‚gleich dem Brodeln des kochenden Wassers. Ein kleiner, heifs kochender Bach brach aus einer Spalte nicht weit vom Gipfel des Berges hervor, und flo/s rauchend Eine Tour durch die westlichen Theile von San Salvador. 483 und zischend den ganzen Weg abwärts bis auf den Thalgrund der Schlucht. Der Boden war caleinirt, heifs, und rechts und links von uns mit einer Schwefelkruste überzogen, während hier und dort aus Spalten brennend heilse, von Dampf be- gleitete Exhalationen hervorquollen. Dann und wann kamen wir an Oeffnungen oder Löcher von beträchtlicherer Gröfse, aus denen ein Geräusch hervordrang wie aus einem riesigen Kessel voll kochenden Wassers. In den kleinen Bach legten wir an einer seiner ruhigen Stellen einige rohe Eier hinein; sie waren bald ge- kocht. Das Aussehen des Thales ist höchst eigenthümlich, und der ununterbro- ehene unterirdische Lärm grausenerregend. Wir stiegen den Abhang hinab an den Fufs des Berges und kamen an einen grofsen Schlund, aus welchem Dämpfe mit erstaunlicher Gewalt und mit betäubendem Brausen hervorstürzten, Es giebt im ganzen Staate keinen Ort, der es in höherem Grade verdiente, von Reisenden besucht zu werden. Wir lasen Quarzstücke auf, in denen Eisenpyrite glänzten, und grolse Schwefelstücke. Nachdem wir hier alles Sehenswerthe in Augenschein genommen, kehrten wir zu dem Rancho zurück, bestiegen unsere Thiere und begaben uns wieder nach der Hauptstrafse. Unser Weg führte uns nun längs des Gebirgsabhanges hin, doch allmählich abwärts nach dem Thale von Ahuachapam, das wir zu unserer Rechten liegen sahen. Es war ein schönes Bild. In der Ferne sahen wir ein- gefalst von frischem Grün den See von Ahuachapam wie eine Schale voll Queck- silber glänzen, während wir etwas weiter rechts die Kirchthürme und die weils angestrichenen Häuser der Stadt bemerkten, und weiterhin, als Einfassung des Thales auf der Nordseite, eine Kette von zerrissen aussehenden Bergen, unter denen sich hier und dort ein isolirter Kegel bis in die Wolken erhob. In die- sem Lande trägt in der That Alles den Charakter des Imposanten und Erhabe- nen, und ist geeignet, Staunen und Bewunderung einzuflöfsen. Die Felswände sind so steil, dafs man auf die Baumspitzen im Thale, Tausende von Fufs tief unten, ganz senkrecht hinabzusehen glaubt. Endlich waren wir an den Fufs der Bergkette gelangt, und auf dem Wege an einem anderen, aber kleineren Infer- nillo vorbeigekommen; als wir unsere Augen längs der Bergkette hinschweifen liefsen, bemerkten wir mehrere kleine Dampfsäulen, die hier und dort über die Spitzen der Bäume emporstiegen: das unterirdische Feuer scheint sich also meh- rere Leguas weit auszudehnen. Wir kamen auch an den Schlammseen von Ahua- chapam vorbei, die bereits von den Herren Stephens und Squier erwähnt sind; aber meiner Meinung nach sind sie nicht so grolsartig und anziehend wie das „brennende Thal“. Gleich hinter dem letzten Infernillo erreichten wir eine Zucker- Plantage, und von hier ab reihten sich zu beiden Seiten des Weges Kaffee-, Oochenille- und Zuckerrohr-Pflanzungen an einander. Der Boden schien durch- weg, selbst an den Berggehängen, ausgezeichnet zu sein, und das Land hat den Vortheil, reich an Quellen und Bächen zu sein, die nach dem Willen des Men- sehen hierhin und dorthin geleitet werden können. Das Klima des Hochlandes ist das ganze Jahr hindurch erfrischend und meiner Ansicht nach für Europäer sehr geeignet. ‘Wir spürten auf unseren beschwerlichen Touren keine Erschöpfung, — so belebend wirkt die reine Atmosphäre. An den Berggehängen wird aus- gedehnter Weizenbau getrieben. Um 5 Uhr Nachmittags langten wir zu Ahuachapam an und stiegen im Hause 31* 484 Miscellen: des Dr. Menendez, des Geistlichen, ab, wo wir sehr freundlich empfangen wur- den. Unser Wirth hatte in den politischen Wirren Central- Amerika’s eine be- deutende Rolle gespielt; er ist bei Weitem der talentvollste und unterrichtetste Mann in den fünf Republiken. Seine Physiognomie würde überall Aufmerksam- keit erregen; die lebendigen Augen, die schöne Stirn und Augenbrauen, und der Entschlossenheit ausdrückende Mund bezeichnen deutlich den Mann von Energie und Talent. Während unseres Aufenthalts in der Stadt begleitete uns der Doctor auf mehrere Cochenille-Plantagen und auf seine eigenen Kaffee- Pflanzungen. Er hat jetzt schen über 47,000 Kaffeebäume gepflanzt, die sich sämmtlich eines gu- ten Gedeihens erfreuen. Die Plantage liegt auf einem steilen Bergabhange, und die Bäume stehen 3 Yards von einander entfernt. Von einer Quelle, die etwa auf der halben Höhe des Berges liegt, hat er durch kleine Gräben die Plantage bewässert, so dafs er auch von den trockenen Monaten Nichts zu besorgen hat. Auch die Cochenille- Cultur ist ausgedehnt. Man kann sich in der Landwirth- schaft nichts Malerischeres denken, als diese Cactus-Pflanzungen. Die Stauden stehen in Furchen, 5 bis 6 Fuls von einander entfernt, und werden mit der grös- sesten Sorgsamkeit gepflegt. Gleichwohl bleibt dieser Culturzweig preeär, und er kann nur mit grofsen Capitalien unternommen werden. Die Zucht der Insecten, ihre Versetzung auf die Stauden und die ununterbrochene Sorge, sie hier ge- hörig zu schützen, endlich die Gefahr, durch Regen oder andere Ursachen die ganze Ernte zu verlieren, werden einer grofsen Ausdehnung derartiger Unterneh- mungen stets hinderlich bleiben. Aber wenn von drei Erndten auch nur eine ge- rettet wird, so soll sie die früheren Verluste decken und dem Pflanzer noch einen schönen Gewinn abwerfen. Bei den Kaffee-Pflanzungen hat man dagegen nicht viel Risico. Der Baum hält viele Jahre aus und wird in Folge seines beilsen- den, bittern Saftes nur von wenigen Insecten oder anderen Thieren heimgesucht. Am 10ten brachen wir von Ahuachapam nach Santa Ana auf; die Stralse führt mitten durch das Thal 12 Leguas weit auf einer fast horizontalen Ebene. Hier in diesem Thale findet man Millionen Morgen überaus fruchtbaren Landes, mit einem für Europäer durchaus geeigneten Klima, — einen Boden, der alle Producte der gemäfsigten wie der tropischen Zone hervorzubringen im Stande ist. In Ahuachapam hatten wir die ersten Erdbeeren gekostet, die uns in der Repu- blik vorgekommen waren; auf den Bergen sahen wir Aepfelbäume und Weizen- felder, in den Thälern Cochenille- und Kaffee-Plantagen. Wenn hier eine unter- nehmende Bevölkerung lebte, die Strafsen gut und Geld vorhanden wäre, welch’ ein Paradies könnte hier geschaffen werden! Und ein solches Gebiet liegt nur 22 Tagereisen von New-York! Der Weg von Ahuachapam nach Santa Ana führte uns durch die Indianer- städte Atiquisaya und Chalchuapa; das Land bleibt zu beiden Seiten des Weges eben bis an die Berge. Auch hier kamen wir an mehreren kleinen Zucker-Plan- tagen vorbei. Aber Alles, was zu diesen Etablissements gehört, befindet sich in einem erbärmlichen Zustande; denn die Eigenthümer sind arm und träge. Ein Grundbesitzer z. B., der 3—4000 Acres Land besitzt, welches zu Zuckerrohr- Pflanzungen geeignet ist, hat davon nicht mehr als 60 Acre in Cultur. Seine Maschinerie besteht aus ein paar hölzernen Walzen, die durch Ochsen in Bewe- gung gesetzt werden. Der Saft fliefst in einen hölzernen Trog, welcher im Boden Eine Tour durch die westlichen Theile von San Salvador. A485 angebracht ist, und so gehen wohl 50 Procent Zuckerstoff verloren oder sie wer- den von dem Abfall aufgesogen, der in dieses primitive Behältnifs hineinfällt. Und so ist die ganze Procedur der Zuckerfabrieation eine ununterbrochene Reihe von Verschleuderungen. Als wir einmal einen Pflanzer gelegentlich nach seinen Syrupfässern fragten, zeigte er auf einen Hühnerstall in dem Hofe. Ich ging hinein und sah mich umsonst nach dem Syrup um, bis der Eigenthümer ein Stäb- chen nahm und in einem langen Trog, in dem ich bisher nur Schmuz und Hühner- Excremente bemerkt hatte, diesen greulichen Unrath bei Seite schob, worauf dann unten der Syrup zu sehen war. Als ich über diese liederliche Behandlung mich mifsbilligend äufserte, sagte er: „O! das ist hier so gewöhnlich und es schadet dem Syrup nicht!“ — Die Geschichte lehrt uns, dafs eine Mischung von Volks- stämmen vortheilhaft ist; kein Land hat dadurch mehr gewonnen als England. Flandrischen Webern verdankt es seine gegenwärtige hohe Stellung im Handel und in der Industrie, und den Sachsen seine Ueberlegenheit im Ackerbau und in der Viehzucht; in der That, jedem Bestandtheil des englischen Blutes kann eine oder die andere hervorragende Eigenschaft des Volkes zugeschrieben werden. In dem ausgedehnten Thale, welches ich eben beschrieben habe, kann Kaffee genug gebaut werden, um den ganzen Bedarf der Vereinigten Staaten zu decken, und in 20 Tagen kann er nach New-York gebracht werden. Und gleichzeitig kann die Republik so viel Zucker produeiren, als ganz Europa braucht. Um 5 Uhr Nachmittags kamen wir in Santa Ana an. Die Stadt hat etwa 12,000 Einwohner und liegt im Centrum des Zucker-Distriets. Neuerdings haben die Bewohner sich auch auf den Kaffeebau gelegt. Ich besuchte mehrere Pflan- zungen und überzeugte mich, dafs die Bäume vortrefflich gedeihen. Nach offi- ciellen Angaben zählte man im Departement Santa Ana 982,000 Kaffeebäumchen in den Pflanzschulen, 418,630 waren verpflanzt, und 439,980 waren ertragsfähig. Jetzt ist die Zahl der Bäume viel gröfser. Früh morgens am nächsten Tage traten wir unsere Reise nach Metapam und den Minen von Olotepeque an. Zwei Leguas weit führte die Strafse durch Zucker- Plantagen. Die Gebäude schienen besser zu sein als diejenigen, die wir bisher seit unserer Abreise von Sonsonate gesehen hatten; auch durch Nettigkeit und Sauberkeit zeichneten die Etablissements sich aus. Weiterhin wurde das Land öder und zerrissener; alte Lavaströme durchschnitten den Weg, und die Berge schienen durch vulkanische Kräfte in wilde und formlose Massen zerrissen zu sein. Nur ein paar Ranchos kamen uns zu Gesicht; von Anbau zeigte sich keine Spur. Nach einem sehr angreifenden Ansteigen über Lava kamen wir plötzlich vor das wildeste Panorama, das man sich denken kann. Mehrere Leguas weit nach allen Richtungen sahen wir nur einen Ocean von zerrissenen und zertrüm- merten Bergmassen, eine Reihe hinter der anderen wie die Wogen der See, aber alle zerklüftet in zackige Massen; manche in der Ferne sahen wie alte Burgrui- nen aus, andere wie die Köpfe und Körper von Thieren. An Vegetation fehlte es fast ganz, nur ein einziger Baum, die Akazie, schien an diesem unseligen Orte zu wachsen. Um Mittag langten wir bei einer Art von Oase in dieser Wüste an, einem klei- nen Indianerdorf Namens Texistepeque mit etwa 500 Einwohnern. Wie an- genehm war es uns, nach unserm traurigen Ritt wieder Pisang und Cacaobäume 486 Miscellen: zu sehen, und noch angenehmer war uns das gutmüthige Antlitz unserer Wirthin, die uns ein recht erträgliches Mittagsmahl vorsetzte. Dieses, nebst Kaffee und Cigarren, vertrieb bald den bösen Geist der Hypochondrie, der uns während die- ses Rittes von 6 Leguas verfolgt hatte. Nach der Siesta setzten wir die Reise fort, und der Weg führte durch eine Gegend, die derjenigen ähnlich war, welche wir Vormittags kennen gelernt hatten. Sie behielt auch diesen Charakter bis Guajoyo, 6 Leguas von Texistepeque, nicht weit von dem grolsen See von Metapam. Das Land war ganz öde, und die paar Leute, die wir antrafen, sahen wie Taugenichtse und Vagabonden aus. In ganz Salvador giebt es keinen. Di- striet, der so schlecht ist wie dieser. Das Volk lebt von der Fischerei und der Jagd; es besteht aus Räubern und Spielern. Und so wird es überall sein, wo es an Ackerbau fehlt und die Mittel zum Lebensunterhalt spärlich zugemessen sind. Am nächsten Morgen passirten wir, etwa 1 Legua hinter unserem Rastplatz, den kleinen reifsenden Strom, welcher den bedeutendsten Abzugscanal für das Wasser des See’s bildet; eine recht gute Brücke führt über ihn, die vor nicht langer Zeit von einem Belgier erbaut ist, welcher sich hier niedergelassen hat. Der See ist eine schöne, silberhelle Wasserfläche, die sich weithin ausdehnt und aus der hier und dort hübsch bewaldete kleine Inseln hervorragen. Hinter der Brücke kamen wir in einen dichten Wald; unser Weg führte 6 Leguas weit über ununterbrochene Lavafelder, bis vor Metapam. Müde und hungrig langten wir in unserer Posada an. Unser stets unverdrossener und gut gelaunter französi- scher Reisegefährte machte sich gleich daran, aus unserm armseligen Proviant ein paar schmackhafte Gerichte zu bereiten, aber — nach einer späten Mahlzeit giebt es für einen müden Reisenden doch nichts Süfseres, als die Cigarre und die Hängematte. Iu unseren Hammocks uns wiegend, führen wir‘ eine unzusammen- hängende Unterhaltung, mit immer längeren Intervallen, je mehr Gott Morpheus uns ‚bezwingt, bis zuletzt nichts zu hören ist, als das tiefe Athmen eines gesun- den Schlafes, der erst eine oder zwei Stunden vor Tagesanbruch unterbrochen wird, wenn die Diener uns:Kaffee bringen, Alles sich erhebt, sich wäscht, eine Tasse Kaffee trinkt und wieder das Maulthier besteigt. Die Diener stehen schon früher auf, füttern und satteln die Maulthiere, so dafs wir nicht zu warten brau- chen. Die Cavalcade sollte immer schon im Morgengrauen die Posada verlassen. Das ist die gewöhnliche Art, in Central- Amerika zu reisen; sie hat ihre Reize und Eigenthümlichkeiten, und trägt dazu. bei, dafs eine solche Tour nicht lang- weilig wird. Metapam hat etwa 4000 Einwohner, und ist ein reinliches, nett gebautes Städtehen. Die Kirche ist eine der schönsten und mit dem besten Geschmack verzierten in der Republik. Die Stadt ist der Centralpunkt des Bergwerksdistriets. Hier wohnen die Eigenthümer der weitberühmten Eisen-Minen, und, — wenn man der allgemeinen Versicherung Glauben beimessen darf, — so kommen in un- mittelbarer Nähe kostbare Erze vor, aber seitdem die spanischen Bergleute wäh- rend der Revolution vertrieben worden, sind die Lagerungsstätten nicht mehr ge- nau bekannt. Die Strafsen der Stadt sind mit einem Conglomerat von Quarz und Sandstein gepflastert. Wir verliefsen Metapam am folgenden Tage, um uns nach den Minen von Eine Tour durch die westlichen Theile von San Salvador. 487 Olotepeque zu begeben, die 7 Leguas von hier entfernt sind. Der Weg führte durch eine öde Felsengegend und war an manchen Stellen sehr steil. Wir ka- men deshalb nur langsam vorwärts und erreichten erst um 11 Uhr Vormittags die Grenze von Guatemala, die von Metapam nur 3 Leguas entfernt ist. Die Grenze wird hier durch einen klaren, brausenden Flufs gebildet, den Anquiatua. Hier lagerten wir, um zu frühstücken. Meine Reisegefährten stiegen schnell von den Maulthieren, breiteten ihre Decken unter einem grofsen Baume aus und leg- ten sich zum Schlafe nieder, während ich wie gewöhnlich in dem klaren Strome ein Bad nahm. Plötzlich wurde ich aufgeschreckt durch den Schrei eines meiner Reisegefährten, den ich in grolser Aufregung umherspringen und mit den Fülsen stampfen sah: er hatte sich in ein Ameisennest gelegt, und war mit diesen Thie- ren und anderen Insecten von unten bis oben bedeckt. Seine Aufregung war höchst komisch; er hatte eine Lection erhalten, die alle Reisende beherzigen soll- ten. Er hatte sich nämlich auf einen alten Lagerplatz niedergelegt; die Indianer und überhaupt alle Landeskinder suchen zu ihrer Siesta immer denselben Platz aus und lassen auf ihm nicht blofs Ungeziefer zurück, sondern auch mancherlei Plunder, durch den Insecten aller Art angezogen werden. Nachdem wir über den Flufs gesetzt waren, befanden wir uns in der Repu- blik Guatemala, und nach einem Ritt von einer halben Stunde trafen wir auf die ersten schwachen Anfänge von Cultur; aber die Sterilität des Bodens dauert fort. Eine Legua weiter kamen wir zu einem Llano, auf welchem wir Quarzstücke im Boden fanden. Unser Führer erzählte uns, dafs sich in dem Quellgebiet der zahl- reichen kleinen Flüsse, über welche unser Weg uns hinführte, Erzlagerstätten be- fänden, dafs aber noch Niemand daran gedacht habe, sie genauer zu erforschen. Das Vorkommen von Quarzstücken im Boden dauerte fort bis zum Dorfe Her- mita, das am Fu/se der Gebirgskette liegt, in welcher die Minen sich befinden. Es war uns eine angenehme Ueberraschung, dafs wir hier den Arzt fanden, der bei den Gruben angestellt ist; auch er freute sich, Landsleute zu sehen, und in seiner Begleitung stiegen wir nun einen schmalen und sehr steilen Pfad hinan. Je höher wir kamen, desto kühler wurde es; bald hatten wir die Region der Eichen erreicht, unter die hier und dort Nadelhölzer gemischt waren. Weiter aufwärts verschwanden auch die Eichen, und der ganze Gebirgsabhang. war nur noch mit Nadelholz bedeckt. Wir kamen an den Eingängen zu einigen alten Bleigruben vorbei, die schon seit Jahren verlassen sind, obgleich sie sehr reich sein sollen. Wie erfrischend war es für uns Bewohner der Ebene, wieder ein- mal durch einen Nadelholzwald zu wandern, durch dessen Aeste ein frischer Wind pfiff! Es gab uns neues Leben und neue Kraft, die frische Bergluft zu athmen. Um 2 Uhr Nachmittags hatten wir den Kamm überschritten und erblickten nun bald die Gruben-Etablissements, — weilse Häuser, die ganz europäisch und eivilisirt aussahen. Die Aussicht war prachtvoll: man übersah alle benachbarten Berge und die Vulcanreihe vom Izalco bis Guatemala. Dörfer und Städte, die mehrere Leguas weit entfernt waren, schienen zu unseren Fülsen zu liegen, und Berge von ansehnlicher Höhe erschienen von unserem Standpunkte wie kleine Hügel, die sich nur wenig über die Ebene erhoben. Die Grubenbeamten, sämmt- lich Engländer, haben Alles, was zum Luxus und Comfort gehört, mitgebracht. Ihre Häuser sind aufserordentlich sauber und nett, und wir nahmen in ihnen ein 488 Neuere Literatur: echtes, gutes englisches Mittagsmahl ein. Die Leute sind fast alle aus Cornwallis und bilden hier eine so tüchtige und treffliche Gesellschaft, wie man sie nur wünschen kann. Nach dem Mittagsessen wurden wir auf einen Felsvorsprung geführt, von dem man eine bezaubernde Aussicht geniefst. Die untergehende Sonne warf ihre letzten Strahlen auf die fernen Seen, die wie feuriges Gold glänz- ten, und beleuchtete hier und dort mit grellem Licht einen steilen Felsabsturz, der nun, von tiefen Schatten umgeben, in wunderlicher Form über den tiefen dunkeln Schluchten wie in der Luft zu schwimmen schien. Plötzlich jedoch än- derte sich die Scene. Ein starker Wind erhob sich, ein schwerer kalter Nebel ergofs sich über uns und trieb uns in den Speisesaal zurück, in dem unsere Freunde zu ihrer Erwärmung eine Bowle heifsen Punsch bereitet hatten. Ein paar Minuten später wurde die Tafel verlängert, die Grubenarbeiter traten in ihrer Sonntagstracht ein und nahmen am untern Ende des Tisches Platz. Das erinnerte uns an die alten feudalen Zeiten Englands, in denen der Edelmann und seine Dienstleute an denselben Tisch sich niedersetzten und aus derselben Punsch-Bowle tranken. Die Grubenarbeiter waren sämmtlich kräftige Leute, mit schönen, offe- nen, Vertrauen erweckenden Gesichtern, und während sie auf meine Bitte einige alte cornische Nationallieder im Chor anstimmten, verstrich uns die Zeit sehr an- genehm; aber einer von den Arbeitern, aus Wales, bezauberte uns förmlich durch seine nationalen Gesänge. Er sang ein altes Lied von vielen Versen; seine Stimme war schön, und es fehlte nur noch Harfenbegleitung, um uns in die alten Zeiten von Wales zu versetzen, wo der Harfner einen Ehrenplatz erhielt und seine wilden Lieder von Liebe und Jagd sang. Die Scene hat in uns Allen einen dauernden Eindruck hinterlassen. Die Gruben von Olotepeque liefern jetzt ein reiches Erz, und würden, wenn sie mit Nachdruck ausgebeutet würden, einen bedeutenden Gewinn abwerfen. Sie gehörten letzthin der Nouveau Monde-Compagnie, sind aber — wie ich glaube — neuerdings wieder in die Hände der Central- Amerikaner gefallen. Einige Erzproben habe ich mitgebracht. —n. Neuere Literatur. Neuer Hand- Atlas über alle Theile der Erde, entworfen und bearbeitet von Dr. Heinrich Kiepert, Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, bei Dietr. Reimer, 1860. Nachdem dieses ausgezeichnete Kartenwerk vollendet ist, würden wir eine eben so nahe liegende wie dringende Pflicht zu verabsäumen glauben, wenn wir unsere Leser nicht noch in einer besonderen Notiz auf den Abschlufs der vor- trefflichen Arbeit aufmerksam machen wollten. Wenn dem Laien in ihr ein iber- sichtliches Bild der verschiedenen Länder dargeboten wird, wie es seinen Bedürf- nissen und dem gegenwärtigen Standpunkt der geographischen Wissenschaft ent- spricht, so wird der Fachmann besonders durch den streng wissenschaftlichen Geist angezogen werden, von dem das Ganze durchdrungen ist. In letzterer Beziehung H. Kiepert: Hand-Atlas über alle Theile der Erde. 489 beschränken wir uns darauf, drei Momente hervorzuheben. In den bisherigen At- lanten war fast ausschlie(slich das Format als das Bestimmende für den Mafsstab angesehen, in welchem die einzelnen Länder dargestellt wurden, und daraus ergab sich für die verschiedenen Blätter eine Mannichfaltigkeit von Mafsstäben, die nicht in runden, dem Gedächtnifs sich leicht einprägenden Zahlenverhältnissen ausge- drückt und eben deshalb auch unter einander nicht leicht verglichen werden konn- ten. Ein Blick auf die verschiedenen Blätter prägte also der Vorstellung das Bild der einzelnen Länder in — so zu sagen — irrationellen und einen Vergleich ausschliefsenden Gröfsenverhältnissen ein und begünstigte schwer zu beseitigende Illusionen. Diesem Uebel hat Kiepert durch die Wahl von Mafsstäben vorge- beugt, die für ganze Ländergruppen identisch sind und im Uebrigen in einem der Vorstellung leicht fafslichen Verhältnifs zu einander stehen, und er hat dadurch der Bildung richtiger Anschauungen einen wesentlichen Dienst geleistet. Na- türlich wurde hierdurch eine von der bisherigen Praxis wesentlich abweichende Vertheilung des Stoffes auf die einzelnen Blätter bedingt, die um so mehr eine reifliche Erwägung verlangte, als der Verf. physisch oder politisch zusammen- hängende Ländergebiete, so weit es irgend möglich war, auch zusammenhängend darzustellen beabsichtigte. Aus beiden Gesichtspunkten resultirte das für den Atlas zu wählende Format, — so dafs also in dem vorliegenden Kartenwerk nicht der Form das Wesen, sondern dem Wesen die Form angepafst ist. Zweitens haben wir es in diesem Atlas nicht mit einfachen Reductionen gröfserer Karten zu thun, aus denen nach Gutdünken oder ungefährer Schätzung so viel Namen übernommen wurden, als der Raum verstattete, sondern mit Ar- beiten, die sich durch eine kritische Auswahl des wirklich Bedeutungsvollen nach festen, wissenschaftlichen Gesichtspunkten als ein durchaus selbstständiges Product der umfassendsten Studien darstellen. Sie beruhen nicht blofs auf einer gewissen- haften Verwerthung alles hier zugänglichen chartographischen Materials, son- dern auf einer kritischen Sichtung, auf einer Belebung und Vervollständigung des” selben an der Hand der in’s Massenhafte angewachsenen literärischen Hilfs- mittel. Wer sich die zu einer solchen kritischen Behandlung erforderlichen Vorarbeiten auch nur nach einer Richtung hin vergegenwärtigt, z. B. in Bezug auf das statistische Element, welches den wichtigsten Mafsstab für die Auswahl des topographischen Details und für die Art der Darstellung desselben darbietet, und wer sich daran erinnert, dafs auch hier das Studium keineswegs durch ho- mogene, nach übereinstimmenden Gesichtspunkten geordnete Vorarbeiten erleich- tert wird, — der wird sich einen ungefähren Begriff von der colossalen Fülle von Arbeiten machen können, die zur Durchführung einer solchen kritischen Be- handlung überwältigt werden mufsten. Eine aufsergewöhnliche Kenntnifs und Be- herrschung der literärischen Hilfsmittel und die auf eine stets wachsende Anzahl von Ländern sich ausbreitenden Specialstudien des Verf. sind ihm in wirksamster Weise bei der Lösung einer Aufgabe zu Hilfe gekommen, welche sonst wohl die Kraft Eines Menschen schon bei Weitem übersteigt. Einen dritten bedeutenden Vorzug in wissenschaftlicher Beziehung geben dem Werk die ausgebreiteten philologischen Kenntnisse des Verfassers. Sie mochten ihn wohl zu dem Versuch ermuthigen, die wüste Confusion in der bisherigen Schreibart der Namen endlich abzuthun und Regel und Ordnung in dieses lange A490 Neuere Literatur: vernachlässigte Gebiet hineinzubringen. Je weniger die vorhandenen Karten hier- auf Werth legen, in um so ausgedehnterem Mafse waren zur annähernden Lö- sung dieser Aufgabe besondere Studien vonnöthen. Und hier galt es nicht blofs, die Schwierigkeiten zu umgehen, die sich auf den Grenzgebieten verschiedener Sprachen und Dialecte ergeben; es galt auch nicht blofs, den Kampf gegen eine festgewurzelte böse Praxis, wie sie insonderheit durch die bei den Engländern übliche Mifshandlung fremder Namen in Schwang gekommen ist, muthig zu be- ginnen; der mifslichste Theil der Aufgabe beruhte in der Unzulänglichkeit des römischen Alphabets für eine genaue Transscription der den anderen Sprachen eigenen, für sie oft charakteristischen Laute, und in der abweichenden Bedeu- tung, welche den einzelnen Zeichen dieses Alphabets in den verschiedenen euro- päischen Sprachen zukommt. In der That ist auf diesem Gebiet der Weg zum Richtigen und Zweckmälsigen überall, auf Schritt und Tritt, durch die verdriefs- lichsten Hemmnisse verbarricadirt, und ohne Capitulation, ohne einige Nachgie- bigkeit und Umwege kommt man hier nicht vorwärts. Der Verf. hat den Kampf für das Richtige mit grofser Energie durchgeführt und der hergebrachten übeln Praxis nur die absolut unerläfslichen Concessionen gemacht; ob die letzteren nicht auszudehnen waren in Bezug auf Gebiete, auf denen sich der Unfug in voraussichtlich nie zu beseitigender Weise aufs Massenhafteste angehäuft hat, wie z. B. durch die Verstümmelung der indischen Namen in der englischen Literatur, stellen wir weiterem Ermessen anheim. Den Besitzern des Kartenwerks wird es übrigens unerläfslich sein, sich die Bemerkungen des Verf. über die Orthographie im Vorwort anzueignen. Wir müssen es uns versagen, auf das Einzelne näher einzugehen. Die aus- gezeichnete Sorgfalt, welche die Verlagshandlung auf die einzelnen Blätter ver- wendet hat, die theils in Kupferstich, theils in ganz vorzüglichen Lithographien ausgeführt sind, ist allgemein anerkannt worden, und das Publicum erhält in dem Atlas nicht minder ein dem Auge erfreuliches, wie wissenschaftlich werthvolles Werk, welches, steter Vervollkommnung entgegenreifend, einen bleibenden Platz in unserer Literatur behaupten wird. —ın. Reise durch Süd-Brasilien im Jahre 1858. Von Dr. Robert Ave-Lalle- mant. Zwei Theile. Leipzig (Brockhaus) 1859. Ein anziehendes Reisewerk, das man bald liebgewinnt, — wenn auch viel- leicht nicht in dem Grade wie den Verfasser selbst, dessen treffliche, edle, theil- nehmende, für jeden Fortschritt begeisterte Natur uns auf jeder Seite seines Buches lebendig vor die Seele tritt. Nach einem siebenzehnjährigen Aufenthalt in Rio de Janeiro, wo er als praktischer Arzt gewirkt und sich die Achtung aller Kreise erworben, in seine Vaterstadt Lübeck zurückgekehrt, entschlofs sich Dr. Ave- Lallemant, an der österreichischen Weltumsegelungs-Expedition auf der Fregatte Novara Theil zu nehmen. Durch die Vermittelung A. v. Humboldt’s gelang es ihm, die Erlaubnifs auszuwirken, sich der Expedition anschliefsen zu dürfen. Aber die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse auf dem österreichischen Kriegs- Av&-Lallemant: Reise durch Süd-Brasilien im Jahre 1858. 491 schiffe gestalteten sich für den an vollkommen freie Thätigkeit gewöhnten Mann so milslich und drückend, dafs er schon auf Madeira sein Demissionsgesuch ein- reichte und in Rio de Janeiro, wo die Genehmigung desselben eintraf, die Ex- pedition verliefs. Es ist uns sehr zweifelhaft, ob wir diesen Entschlufs zu be- dauern haben. Wenn wir die Früchte der brasilianischen Reisen Lallemant’s in’s Auge fassen, die uns jetzt in dem oben angeführten Werke und in der später er- schienenen Reise durch einige nördliche Provinzen Brasiliens vorliegen, so möch- ten wir meinen, da/s die Theilnahme an der Weltumsegelung ihm kaum Gelegen- heit geboten haben dürfte, eben so interessante und eben so wenig bekannte Ländergebiete, wie die von ihm jetzt durchreisten, so genau kennen zu lernen und dem Publieum ein so anschauliches, zusammenhängendes und reichhaltiges Bild davon zu’ entwerfen. In der Beschreibung seiner Reise durch Süd-Brasilien ent- rollt Dr. Av&-Lallemant vor uns ein Gemälde derjenigen brasilianischen Provin- zen, die für deutsche Einwanderung allein Bedeutung besitzen und in denen sich schon jetzt durch deutschen Fleifs weithinwirkende Mittelpunkte der Cultur ge- bildet haben. Es wird genügen, diese Reisen in Kürze anzudeuten. Ueber die Fahrt auf der Novara erstattet der Verfasser nur einen kurzen Be- richt; doch wird auch hier die lebendige Schilderung Gibraltar’s und der Insel Madeira den Leser erfreuen. Was Rio betrifft, so vertröstet er uns auf eine aus- führliche Monographie, die er der Zukunft vorbehalten hat: das Material, das dem Verf. in Folge seines langen Aufenthalts in dieser Stadt zu Gebote stand, mochte für den Rahmen dieser den südlichen Provinzen des Reiches gewidmeten Reise- beschreibung zu reichhaltig erscheinen. Doch erhalten wir auch hier eine sehr anziehende Skizze des Aufblühens der Colonie Petropolis. Die Reisen im Innern umfassen zunächst die südlichste Provinz des Reiches, Rio Grande do Sul. Von der Hauptstadt derselben begab sich der Verf. nach Porto Alegre und unternahm von hier einen Ausflug nach dem deutschen Colonialgebiet von S. Leopoldo; die Schicksale und das Gedeihen dieser Colonie, die tüchtige Art deutschen Lebens, die sich hier entwickelt hat, schildert Av&-Lallemant mit der warmen Theilnahme eines Mannes, der den Werth eines tüchtigen Schaffens zu würdigen weils und sich seiner Erfolge freut, und mit einer solchen Vollständigkeit und Lebendigkeit, dafs schon dieser Abschnitt allein genügt, uns von dem Zustande der Deutschen in Süd-Brasilien und von den Bedingungen, an welche das Gedeihen der deut- schen Colonisation in jenen Gebieten geknüpft ist, eine klare Anschauung zu ver- schaffen. Von Porto Alegre ging die Reise nach Rio Pardo, von wo das ver- kommende Indianer- Aldeamento $. Nicoläo und die deutsche Colonie Sta. Cruz besucht wurde, dann über Cachoeira nach der deutschen Colonie $. Angelo und weiterhin nach Sta. Maria da Boca do Monte, wo der Verf. Gelegenheit hatte, die Anfänge deutscher Colonisation und die ersten schweren Kämpfe, die damit verknüpft sind, kennen zu lernen. Von hier wandte er sich nordwärts nach 8. Martinho und durchzog westlich das einsame Gebiet der Missionen zwischen dem Yjuhy und Piratiny, wo wir sehr interessante Schilderungen der einzelnen Missio- nen und der nun in Trümmer gesunkenen wunderbaren Bauwerke aus der Zeit der Jesuitenherrschaft erhalten, bis zum fernen Uruguay, wo der Verf. sich theils zu Lande, theils zu Wasser stromabwärts nach S. Borja, Itaqui und Uruguayana begab. Von hier unternahm der Verf. einen Ausflug auf correntinisches Gebiet, 492 Neuere Literatur: nach Sta. Ana, der Estanzia Bonpland’s, wo er dem greisen Naturforscher, der 16 Tage später nicht mehr unter den Lebenden sein sollte, einen Besuch ab- stattete. Es ist ein sehr wehmüthiges Bild, das uns der Verf. von den Verhält- nissen Bonpland’s entwirft: wir sehen den weltberühmten Mann in den dürftig- sten und drückendsten Verhältnissen, einen von Krankheit gebrochenen und schon von den Schatten des Todes umdüsterten Greis in ohnmächtigem, für ihn aber immer noch hoffnungsvollem Kampf gegen eine ungebändigte Natur begriffen, in den ersten, die vollste Manneskraft erheischenden Anstrengungen zur Cultivirung eines Landstrichs, der mit den unzulänglichen Mitteln, über welche Bonpland zu verfügen hatte, unmöglich nutzbar gemacht werden konnte. Die Rückkehr von Uruguayana erfolgte auf einer südlicheren Route über Alegrete, S. Gabriel und das Felsennest Cacapava, über dessen Umgebung Lallemant interessante geologi- sche Mittheilungen macht. Ehe er die Provinz verliefs, besuchte der Verf. noch die Steinkohlengruben bei S. Jeronimo und die Stadt Pelotas, die durch den Schlächtereibetrieb und den Handel mit Häuten und anderen Producten der Vieh- zucht einen nicht für Jedermann erfreulichen Anstrich erhält. Die zweite vom Verf. bereiste Provinz ist Santa Catharina. Er landete in Desterro und zeichnet ein anziehendes Bild der Insel Sta. Catharina, die er nach verschiedenen Richtungen durchstreift hat. Seine festländischen Reisen führten ihn von S. Joz& zunächst nach Süden, nach Laguna, dann den Tubaräo aufwärts nach dem reizend gelegenen Piedade — an der Stelle, wo der Tubaräo aus dem Gebirge tritt, sind bis jetzt schon 22 Steinkohlenlager entdeckt worden, darunter einige von 12 bis 14 Fufs Mächtigkeit, — und an der heifsen Quelle bei Guarda vorbei auf sehr schlechten Wegen durch die Wildnifs der Serra de Tubaräo nach dem Hochlande der Provinz, nach Lages, dem Quellgebiet des Uruguay. Der Contrast zwischen dem Unterlande mit seiner fast tropischen Vegetation und dem Hochlande mit seinen ausgedehnten Campos und seinen ernsten Araucarien-Wal- dungen wird uns lebendig vor Augen geführt. Die Rückkehr nach der Küste er- folgte in Gesellschaft einer Tropa; sie giebt dem Verf. Gelegenheit, das Leben der Tropeiros und auf jenen einsamen Ansiedelungen zu schildern, welche als vorgeschobene und isolirte Vorposten der Cultur fast jedem Zusammenhange mit der eivilisirten Welt entrückt, in einem ununterbrochenen Kampfe gegen die un- gebändigte Natur begriffen und von steter Gefahr von Seiten der noch wilderen Indianer des Gebirges umlagert sind. Die durch bedenkliche Flufsübergänge, Sümpfe und Regenwetter erschwerte Reise führte über die Serra do Trombudo in das Thal des Itajahy hinab, wo man in der Militär-Colonie von Sta. Thereza nach langer Einsamkeit wieder die erste Ansiedelung fand, den aus dem Unter- lande weit in das Gebirge vorgeschobenen äufsersten Vorposten der vordringen- den Cultur. Von hier begab sich Av&-Lallemant nach dem Rio dos Bugres und der deutschen Colonie Sta. Izabel, die, im Jahre 1847 begründet, jetzt 71 wohl- habende Familien enthält. Auch weiter abwärts, längs des Rio de Cubatäo, in den sich der Rio dos Bugres ergielst, erstreckt sich die deutsche Colonisation; dem Laufe des ersteren Flusses folgend, gelangte der Verf. wiederum an die Bucht von Desterro. Eine zweite Reise führte ihn durch die nördlichen Theile der Pro- vinz, zu den Colonien $. Pedro de Alcantara am Maruim und Guardäo, Nova Italia am Rio das Grandes Tejucas, und dem vielbesprochenen Blumenau am Ita- Ave&-Lallemant: Reise durch Süd-Brasilien im Jahre 1858. 493 jahy. Trotz aller Anerkennung, die der Verf. den Anstrengungen des Dr. Blu- menau zollt, verficht er mit Nachdruck seine gewifs wohlbegründete Ueberzeugung, dafs Auswanderer den Regierungs-Colonien unbedingt den Vorzug vor Privat- Unternehmungen zu geben haben. Von Blumenau begab sich der Verf. nach der Insel S. Francisco, und besuchte von hier aus die Colonie Donna Francisca, die sich bekanntlich vor den anderen brasilianischen Colonien durch ein mehr städti- sches Wesen und feinere Civilisation auszeichnet. Höchst interessant ist die nun folgende Schilderung des sehr beschwerlichen Marsches, der den Verf. aus dem Thale des Cubatäo durch den Urwald und über die Serra Geral auf das Plateau von Curitiba führte. Von einem Ingenieur, der hier einen Weg anlegen wollte, geleitet, langte die kühne Expedition, nach man- chem Umherirren und nachdem der Proviant schon ausgegangen war, auf den Campos des Hochlandes an, an den Rio Negro, einen Zuflufs des Iguacu. Lalle- mant reiste weiter nach Curitiba, einem Städtchen von 5000 Einwohnern, das sich sehr gehoben hat, seitdem es Hauptstadt der Provinz Paranä und Sitz der Provinzial-Behörden geworden ist. Auch in diese schwer zugänglichen Gegenden hat sich, durch die Höhe des Arbeitslohnes angelockt, aus den Colonien des Unter- landes ein Strom deutscher Auswanderer hingezogen. Namentlich haben sie sich zahlreich, wohl 5— 600, in der 11 Leguas südwestlich von Curitiba gelegenen Ortschaft Lapa angesiedelt. Von Curitiba begab sich der Verf. wieder an die Küste nach der Provinz S. Paulo, und zwar zunächst nach Antonina und Para- nagua, und besuchte dann bei der Rückfahrt nach Rio de Janeiro noch die Hä- fen Cananea, Iguapf und Santos, von welchem letzteren er nochmals über die Serra Geral nach der Hauptstadt S. Paulo ging. Es ist also ein ausgedehntes Gebiet, das der Verf. durchzogen hat, und er versteht es, seine mannichfaltigen Formen uns zur Anschauung zu bringen. Der Vegetation und Fauna widmet er eine besondere Aufmerksamkeit; mit dem reg- sten Interesse aber spricht er von den Menschen, ihrer gegenwärtigen Lage, ihrer Arbeit und ihren Erfolgen, ihren Bedürfnissen und ihren Hoffnungen. Das Wer- den der Colonisation von der ersten Arbeit im Urwald an bis zu ihrer Blüthe, wie sie sich in den wohlhabenden Bauernwirthschaften von S. Leopoldo oder in dem städtischen Treiben von Donna Franeisca entwickelt, wird uns mit lebendi- gen Zügen vor die Seele geführt. Eine innige Theilnahme an dem Geschick sei- ner Landsleute, und die ächte Treue, die dem Lande durch ungeschminkte Wahr- haftigkeit zu dienen sucht, leuchtet aus jedem Worte hervor, so dafs man das Buch nicht aus der Hand legen kann, ohne wohlthuend angeregt zu sein. Somit empfehlen wir das anziehende Reisewerk angelegentlichst der Aufmerksamkeit des Publieums. Die vielen Druckfehler, welche besonders die Pflanzennamen heim- gesucht haben, wird der aufmerksame Leser leicht berichtigen; ein Theil dersel- ben ist in dem Vorwort zur „Reise durch Nordbrasilien“ von dem Verfasser selbst corrigirt worden. —ı. 494 Sitzungsbericht Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 3. November 1860. Die Gesellschaft beschäftigte sich in dieser Sitzung zunächst mit der Erle- digung ihrer inneren Angelegenheiten und der Aufnahme neuer Mitglieder, und genehmigte die Statuten der ©. Ritter-Stiftung, bei welcher Gelegenheit Herr Dr. Barth über die gegenwärtige finanzielle Lage der Stiftung Mittheilungen machte. Darauf legte der Vorsitzende, Herr Dove, die eingegangenen Geschenke vor: 1) Covarrabias, Determinacion de la posicion geografica de Mexico. Mexico 1859. — 2) Annales de l’Observatoire physique central de Russie, par Kupfer. Annee 1857. No. 1. 2. St. Petersbourg 1860. — 3) Kupfer, Compte-rendu annuel. Annee 1858. St. Petersbourg 1860. — 4) Kupffer, Recherches experimentales sur Velasticite des metaux. Tom. I. St. Petersbourg 1860. — 5) Zeithammer, Ideen zur Begründung eines Österreichischen ethnographischen Museums. Wien 1860. — 6) Bulletin de U’ Academie Imperiale des sciences de St. Petersbourg.‘ Tom. II. No. 1—3. 8t. Petersbourg 1860. — 7) Bericht der oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 2. 8. Gielsen 1849. 1860. — 8) Bulletin de la societe de geographie. 4”* serie. XX. Septembre. Paris 1860. — 9) Memoires de la so- eiete Imperiale des sciences naturelles de Cherbourg. Tom. VII. Paris 1860. — 10) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N. F. IX. Heft 1. 2. Berlin 1860. — 11) Petermann’s geographische Mittheilungen. 1860. IX. X. Gotha 1860. — 12) Notizblatt des Vereins für Erdkunde zu Darmstadt. No. 41—50. Darmstadt 1860. — 13) Preufsisches Handels- Archiv. No. 40—43. Berlin 1860. — 14) Zeit- schrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preufs. Staate. Bd. VII. Lief. 3. Berlin 1860. — 15) Plano topografico del territorio comprendido entre Fortin Mercedes etc. y la ciudad del Rosario en la provineia de Sta. Fe, — 16) Wegekarte des kaukasischen Isthmus, zusammengestellt in der militärisch-topo- graphischen Abtheilung der kaukasischen Armee. 1858. — 17) v. Egloffstein, Map of the River Colorado. 2 Blätter. — 18) Kiepert, Specialkarte von Ober- und Mittel-Italien nach den Aufnahmen des österreichischen und piemontesischen Generalstabes. Berlin 1860. — 19) Specialkarte der angesiedelten Theile des westlichen Thales des Amu Darja. 1842, Handschriftlich. — 20) Kiepert, Carte de la Syrie meridionale. Berlin 1860. Aufserdem legte der Vorsitzende zur Ansicht vor: Government Map of Ca- nada by Thomas Davine, ebenso Herr Kiepert mehrere bisher unbekannte ame- rikanische Karten und fügte einige Bemerkungen darüber hinzu. Bei der Ueber- gabe der Geschenke hob Herr Dove die Arbeit des Herrn v. Baer hervor, worin dieser zeigt, dafs die von Süden gegen Norden und umgekehrt strömenden Flüsse in der Regel das rechte Ufer angreifen, welche Erscheinung der Verfasser dadurch erklärt, dafs das Wasser der Flüsse, an der Umdrehung der Erde um ihre Axe Theil nehmend, aus niederen Breiten nach höheren strömend, eine grölsere Drehungsgeschwindigkeit mitbringend, auf der nördlichen Erdhälfte nach Osten drängt, in entgegengesetzter Richtung strömend hingegen nach Westen. Herr Dove erwähnte ferner, dafs von den Vereinigten Staaten aus eine neue Expedi- tion nach dem Norden, und zwar nach der Westseite des Smithsound beabsich- tigt wird, wozu aber die Beiträge erst gesammelt werden. der Berliner geographischen Gesellschaft. 495 Herr Bremiker sprach über die totale Sonnenfinsternifs vom 18. Juli d. J., welche er zu Castellan de la Plana beobachtet hat. Nachdem er über die Um- gebungen dieses Ortes einige Mittheilungen gemacht, sowie seine gleich 39° 59' 18” gefundene Breite angegeben hatte, sprach er über die in Betreff der Corona und der Hervorragungen während der totalen Verfinsterung wahrgenommenen Er- scheinungen und gab für dieselben als muthmafsliche Ursache das Dasein einer Sonnen-Atmosphäre an. Herr v. Kittlitz hielt einen Vortrag über die Darstellung pflanzengeographi- scher Ergebnisse, welche jetzt durch die Photographie wesentlich erleichtert ist, und bat um den moralischen Beistand der Gesellschaft, damit wo möglich ein fortlaufendes Magazin zur Aufnahme der Ergebnisse künftiger Reisen gegründet werde. Herr Ehrenberg machte weitere Mittheilung über den Tod des Herrn von Barnim, nachdem eine telegraphische Depesche die Ankunft des Dr. Hartmann in Cairo berichtet hat und von dem Diener des Verstorbenen ein Brief hier an- gelangt ist. Die Erkrankung beider Reisenden scheint durch den ungünstigen Umstand herbeigeführt zu sein, dafs der niedrige Wasserstand des Nils das Fort- kommen zu Schiff erschwerte und daher anstrengende Tagemärsche nothwendig wurden. Dr. Hartmann wird, nach einer hinzugefügten Bemerkung des Herrn Barth, in kurzer Zeit hier eintreffen, Herr Brüllow sprach über eine eigenthümliche Art der Anfertigung von Wandkarten, welche leicht hergestellt zur Erläuterung von Vorträgen dienen kön- nen und zeigte eine derartige Karte vor. Zum Schlufs der Sitzung hielt Herr Fo[s einen Vortrag über die Insel Thule, worin er die Angaben der Alten über diese Insel kritisch beleuchtete und die- selben auf Island deutete. Sitzung vom 8. December 1860. Der Vorsitzende, Herr Prof. Dove, eröffnete die Sitzung durch Ueberrei- chung der eingegangenen Geschenke: 1) Tuableaux de population, de eulture, de commerce et de navigation formant pour l’annee 1857 la suite des tableaux sur les colonies frangaises. Paris 1860. — 2) Tabellen und amtliche Nachrichten über den preufsischen Staat für das Jahr 1858. Herausgegeben von dem statistischen Bureau zu Berlin. 1860. — 3) D’Avezac, Apergus historiques sur la boussole. Paris 1860. — 4) Hind, Report on the Assiniboine and Saskatchewan Exploring Expedition. Toronto 1859. — 5) Dawson, Report on the Exploration of the Coun- try between Lake Superior and the Red River Settlement. Toronto 1859. — 6) Galt, Canada von 1849-1859. Preston 1860. — 7) v. Baer, Caspische Stu- dien. — 8) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N. F. Bd. IX. Heft 3. Berlin 1860. — 9) Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz. Bd. X. Görlitz 1860. — 10) Bulletin de la societe de geographie. 4* serie. Tom. XX. Octobre. Paris 1860. — 11) Petermann’s Mittheilungen. Heft 11. Gotha 1860. — 12) Preufsisches Handelsarchiv. No. 44—49. Berlin 1860. — 13) Moon’s Sim- plified Reading for the Blinds in the Hindostanee Language. London. — 14) Moon’s 496 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft. Atlas for the Blinds. — 15) Die beiden ältesten General-Karten von Amerika, ausgeführt in den Jahren 1527 und 1529 auf Befehl Kaiser Karls V. Weimar 1860. — 16) Bild von Carl Ritter, von Jacoby. In Bezug auf die beiden ältesten General-Karten von Amerika erwähnte Herr Barth, dafs dieselben trotz ihres hohen Alters sehr vollständig, zum Theil vollständiger als neuere sind. Bei der Uebergabe der Werke von Moon hob Herr Koner den Vorzug des hier gebrauchten Systems vor dem bisher angewandten Stuttgarter System hervor und erklärte es für leicht, sich mit demselben vertraut zu machen. Herr W. Rose berichtete über einige Thäler des südlichen Wallis, welche er im letzten Sommer besucht hat, namentlich über das Einfisch-, Turtmann- und Zermatt-Thal; ferner über die Pässe, auf denen man von einem Thale zum an- dern gelangt. Er besprach die Besteigung des Bella Tola nahe St. Luc im Ein- fisch- Thale und der Cima di Jazi, nördlich vom Monte Rosa. Am Schlusse zeigte er eine Karte vom Lugano -See vor, welche mehrere Tiefenprofile des letz- tern enthält. Herr Doergens setzte, unter Vorzeigung der von ihm entworfenen Karte, seinen früher begonnenen und in diesem Hefte abgedruckten Vortrag über Syrien fort und schilderte zum Schlufs die Christen - Verfolgungen im Libanon, zu deren Verhinderung Achmet Pascha die Macht gehabt hätte, wenn es ihm innerlich da- mit Ernst gewesen wäre, wie er sich äufserlich den Anschein gab. Viele Chri- sten wurden durch Muhamedaner vom Tode errettet, auch die Reisenden selbst durch Achmet Aga, und als ein neuer Gouverneur angelangt war, schlossen sich 2 —3000 Christen dem Zuge des nach Constantinopel berufenen Achmet Pascha an. Dafs dieser auf Befehl des Sultans seine wohlverdiente Todesstrafe gefun- den habe, berichtete nach dem Schlusse der Herr Gesandte Aristarchi Bei. Der Ingenieur Herr Wagener aus Canada berichtete über dieses Land und dessen seit 10 Jahren gemachte grolse Fortschritte. Zum Schlufs hielt Herr Barth einen Vortrag über die Erforschungen, welche Burton und Speke in Afrika angestellt haben, nach dem Werke des ersteren im Journal der Londoner geographischen Gesellschaft. Speke setzt die Untersuchun- gen über eine etwaige Verbindung des Nyassa-See’s mit dem Nil noch fort, de- ren Erfolg Burton bezweifelt. Herr Barth sprach im Allgemeinen über die Er- forschungen, welche in physikalischer, ethnographischer und religiöser Beziehung die Expeditionen nach Africa versprechen, und erwähnte, dafs durch den Sklaven- handel, welcher schwerlich ganz abgeschafft werden kann, den Urbewohnern die- ses Erdtheils wahrscheinlich ein ähnlicher Untergang bevorsteht, wie einst den Indianern in Amerika. Uebersicht der vom Juni bis zum December 1860 auf dem Gebiete der Geographie erschienenen Werke, Auf- sätze, Karten und Pläne. Von W. Koner. Geographische, statistische und nautische Zeitschriften. Zeitschrift für allgemeine Erdkunde etc. Herausgegeben von Dr. K. Neumann. Neue Folge. Bd.IX. Berlin (D. Reimer) 1860. gr. 8. Mittheilungen aus J. Perthes’ geographi- scher Anstalt über wichtige neue Er- forschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie, von. Dr. A. Peter- mann. Bd. VI. Heft 7—12. Gotha (J. Perthes) 1860. gr. 4. Bulletin de la Societ€E de Geographie etc. IV°® Ser. 1860. T. XIX. Juin. T. XX. Juillet — Octobre. Paris (Arthus - Ber- trand). gr. 8. Societe de Geographie de Geneve. Me- moires et Bulletin. T. I®*. 1° Livr. Geneve 1860. gr. 8. Notizblatt des Vereins für Erdkunde und | verwandte Wissenschaften zu Darmstadt und des Mittelrheinischen geologischen | Vereins. 1860. N. 41-50. Darmstadt (Jonghaus). 8. The Journal of the Royal Geographical Society of London. Vol. XXIX. 1859. Edited by Dr. Norton Shaw. London (Murray). 8. Journal of the American Geographical and "Statistical Society. Vol. II. 1. New York 1860. gr. 8. Compte-Rendu de la Societe Imperiale geographique de Russie pour l’annde 1859. Redige par T. de Thoerner. Trad. duRusse. St. Petersbourg 1860. 8. Nouyelles Annales des Voyages, de la Geo- graphie, de l[’Histoire et de l’Archeolo- Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IX. gie. Red. par M. V. A. Malte-Brun. VI”® Ser. 1860. Mars — Octobre. Paris (Arthus-Bertrand). 8. Le Tour du Monde, nouveau journal des voyages, publie sous la direction de M. Ed. Charton. N. 19 —37. Paris (Hachette) 1860. 4. Comptes-rendus des seances de la Soeiete d’ethnographie americaine et orientale, rediges par M. le baron de Bour- going, Aubin, Franck, Garcin de Tassy, Chodzko, Eichhoff etc. T.I. Paris (Chalamel aine) 1860. 160 S. 8. (12 £r.) Nouvelles Annales de la Marine et des Colonies. XII® annee. Paris (Dupont) 1860. 8. (20 fr.) Annales hydrographiques, publ. au depöt des cartes et plans de la marine. T. XVII. 1860. Paris (Ledoyen). 8. Revue de l’Orient, de l’Algerie et des Co- lonies. Nouv. Ser. 1860. Juillet — No- vembre. Paris (Rouvier). gr. 8. Tijdschrift voor Nederlandsch Indie. TUit- geg. door W. R. van Ho&vell. 22ste Jaargang. 1860. Junij. Zalt-Bommel (Noman & Zoon). gr. 8. Das Ausland. Eine Wochenschrift für Kunde des geistigen und sittlichen Le- bens der Völker. 1860. N. 29 —_ 52. Stuttgart und Augsburg (Cotta). gr. 4. Morskoi Sbornik. See-Magazin. Heraus- geg. von der Admiralität. ( Russisch.) St. Petersburg 1850. 8. (5 Rbl.) Memoires de la Societe d’anthropologie 32 A98 W. Koner: de Paris. T. I®. 1° fascicule. Paris (Veuve Berger-Levrault et fils) 1860. 1860. 8. gr. 8. , Bulletin de la Societe d’anthropologie de Paris. Mai & Decembre 1859. Paris. 8. Zeitschrift des K. Preufs. statistischen Bu- reaw’s. Redig. von Ernst Engel. Berlin (Decker) 1860. N. 1—3. gr. 4. Mittheilungen des statistischen Bureau’s in Berlin. 1860. N. 12— 18. Berlin (Mittler & Sohn). 8. Journal de la Societe de statistique de Paris, publ. sous la direction de MM. Mich. Chevalier, V. Foucher etc. T'® annee. 1860. Juillet — Octobre. Paris Journal of the Statistical Society of Lon- don. Vol. XXIII. P. III. London (Wm. Parker & Son) 1860. 8. Annali universali di statistiea, economia- politica, viaggi etc. da Gius. Sacchi. Milano 1860. 8. Preufsisches Handels - Archiv. Wochen- schrift für Handel, Gewerbe und Ver- kehrs-Anstalten etc. Herausgegeben von Saint-Pierre und Moser. 1860. N. 27-49. Berlin (Decker). gr. 4. Biographien. Alexander von Humboldt’s Life and Tra- vels; with an Account of his Discove- ries, and Notices of his Scientific Fellow Labourers and Contemporaries.. Lon- don (Blackwood) 1860. 310 8. 12. (3 s. 6.d.) Ueberweg (Fr.), Aus dem Leben Alexan- der’s v. Humboldt. — Vierteljahrsschr. ‚f. die Seelenlehre. 1860. N. 2. Humboldt’s Thätigkeit im Allgemeinen während seiner Mannesjahre 1799 — 1828. — Aus der Heimath. 1860. N. 28. Notizen über Bonpland’s Schicksale in den La Plata-Staaten. — Ausland. 1860. IN. A: Guyot (A.H.), Carl Ritter. — Journ. of the American Geogr. and Statist. Soc. II. 1. 1860. p. 25. Cortambert (R.), L’abbe Huc. — Bull. de la Soc. de Geogr. 4° Ser. XX. 1860. p- 116. Head (Fr. B.), The Life of Bruce, the African Traveller. ° 5th edit. London (Tegg; Family Library) 1860. 480 S. 18. (3 8. 6. d.) Mort de M. Pierre Daussy. — Now. An- nal. d. Voy. 1860. III. p. 341. Geographische Lehr- und Handbücher. Annegarn’s (J.) Handbuch der Geo- graphie für die Jugend. 7. Ausg., aber- mals sehr erweitert und verbessert von H. Overhage. Berlin 1860. 8. ($ Thlr.) Bartels (F.), Leitfaden zur Geographie und Geschichte für Schule und Haus. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht, in Comm.) 1860. gr. 8. (6 Sgr.) Berghaus (H.), Die Völker des Erdballs nach ihrer Abstammung und Verwandt- schaft und ihren Eigenthümlichkeiten in Regierungsform, Religion, Sitte und Tracht. Neue Ausgabe. Lief. 1. Brüssel (Muquardt) 1861. hoch 4. (1 Thlr.) Berlin (J.), Lehrbuch der Geographie für Volksschulen. 5. Aufl. Wolfenbüttel (Holle) 1860. 8. (2! Sgr.) Eder (W.), Handbuch der allgemeinen Erdkunde, der Länder- und Staaten- kunde. 1. Heft. Darmstadt (Jonghaus) 1860. gr. 8. Egli (J. J.), Praktische Erdkunde mit Illustrationen. St. Gallen (Huber & Co.) 1860. gr. 8. (1 Thlr.) Ewald (L.), Hülfs- und Anregungsmittel zum Studium der beschreibenden Erd- kunde und der botanischen Geographie. — Notizbl. d. Darmstädt. Ver. f. Erd- kunde. 1860. N. 45 f. Galletti’s (J. G. A.) Allgemeine Welt- kunde oder Encyclopädie der Geogra- phie, Statistik und Staatengeschichte. 12. Aufl. Von H.F. Brachelli und M. "Falk. 12.—15.Lief. Wien (Hartleben) 1860. gr. 4. (a 24 Sgr.) Grube (A. W.), Geographische Charakter- bilder in abgerundeten Gemälden aus der Länder- und Völkerkunde. Thl.1. 2. 8. Aufl. und Thl. 3.. 4. Aufl. Leipzig (Brandstetter) 1860. gr. 8. (3 Thlr. 124 Sgr.) Grube (A. 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Pütz (W.), Grundrifs der Geographie und ‚Geschichte der alten, mittlern und neuen Zeit für die mittleren Klassen höherer Lehranstalten. 1. Abtheil.: Das Alter- .„'thum; 11. Aufl. Coblenz (Bädeker) 1860. gt. 8. (4 Thlr.) 499 v! Roon (A.), Anfangsgründe der Erd-, Völker- und Staatenkunde, Ein Leit- faden ete. 11. Aufl. Berlin (G. Reimer) 1860. gr. 8. (4 Thlr.) Scholz (J. C. F.), Hülfsbuch für den Unterricht in der-Geographie von Schle- sien. 5. Aufl. Breslau (Grals, Barth & Co.) 1860. 8. (! Thlr.) v. Seydlitz (E.), Schul-Geographie. 9te Bearbeit. d. Leitfadens für den geogra- phischen Unterricht. Breslau (Hirt) 1860. gr. 8. (2 Thlr.) Spitzer (J.), Geografie für Volksschu- len. 3. Auflage. Wien (Mayer & Co.) 1861. 8. Stahlberg (W.), Leitfaden für den geo- graphischen Unterricht. In drei Kursen bearbeitet. 2 Bdchn. 5. Aufl. Leipzig (Holtze) 1860. gr. 8. (12, Sgr.) Voigt (F.), Leitfaden beim geographi- schen Unterricht. Nach den neueren Ansichten entworfen. 18. Aufl. 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Ge- deeltelijk naar het Engelsch gevolgd, en overigens naar de laatste zeevaartkun- dige opnemingen en berigten te zamen gestelt. 4° druk. Amsterdam (Hulst van Keulen). 4, LVIen 278 bl. gr. 8. (f.4.) Algemeene beschrijving van vreemde ha- vens en zeeplaatsen buiten Europa. Ten dienste van kooplieden, zeevarenden, cargadoors etc. 1° deel. Afrika en Au- stralie, benevens de omliggende eilan- den, bewerkt door L. A. J. Boulet en A. van Otterloo. Amsterdam (Gebr. Kraay) 1860. VII, 297 bl. gr. 8. (f. 6,25.) Allgemeine Ethnographie. Boudin, Des races humaines, conside- rees au point de vue de l’acclimatement et, de la mortalite, dans les divers cli- mats. — Journ. de la Soc. de stati- stique de Paris. 1860. p. 29. — Ob- servations sur ce memoire par MM. Le- goyt, Nicolas, 'Guillard, Horn, Bertillon, Dufau et Le Hir. ibid. 502 p: 51. — Reponse de’ M. Boudin. ibid. p. 55. Ueber das Alter des Menschengeschlechtes. — Ausland. 1860. N. 46. Castaing. 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Bd.: Das deutsche Vaterland in Reisebildern und | Skizzen. 5. u. letzter Bd. Böhmen, Mäh- ren, ein Theil von Oberösterreich, Nie- derösterreich. Leipzig (Fleischer) 1861. gr. 8. (14 Thlr.) Payne’s Illustrirtes Deutschland. Uni- versal-Lexikon der Geographie, Stati- stik und Topographie sämmtlicher deut- scher Bundesstaaten. Heft 5. 6. Leipzig (Payne). hoch 4. (& 4 Thlr.) Meidinger (H.), Die deutschen Ströme und ihre Verkehrs- und Handels-Ver- hältnisse mit statistischen Uebersichten. 4 Abthlgn. 2. Ausg. Frankfurt a. M. (Hermann) 1861. 8. (1 Thlr. 6 Sgr.) Deutsche Auswanderung. — Mittheil. d. sta- tist. Bureau’s in Berlin. 1860. p. 218. Deutschlands See- und Welthandel zur gegenwärtigen Zeit. — Stimmen der Zeit. 1860. August. Die volkswirthschaftlichen und finanziellen Zustände des Zollvereins und die Zoll- einigung mit Oesterreich. — Monats- schr. f. deutsch. Städte- u. Gemeindewe- sen. 1860. p. 501. Herrmann (L.), DerReisende durch ganz | Deutschland und die angrenzenden Län- der, mit besonderer Berücksichtigung der Schweiz. 5. Aufl. Nürnberg (Lotz- beck) 1860. gr. 16. (4 Thlr.) (v. Stramberg), Denkwürdiger und nütz- licher rheinischer Antiquarius. 3. Abthl. Mittelrhein. Bd. 8. Lief. 1-3. Coblenz (Bädeker) 1860. gr. 8. (& 2 Thlr.) Der Rhein, dessen Handel und Schifffahrt unter der französischen Herrschaft zu Anfang unseres Jahrhunderts. Cobnrg (Exped. d. Wochenschrift d. National- Ver.) 1860. gr. 8.. (4 Thlr.) Die Lasten des Handels und Verkehrs des Rhein- und Maingebietes. I. Die Rhein- zölle. Frankfurt a. M. (Auffahrt) 1860. Lex. 8. (12 Sgr.) Der Rhein und die Rheinlande, dargestellt in malerischen Original-Ansichten von L. Lange. 2. Abtheil.:. Von Mainz bis Köln. 2. Aufl. N. 51—52. Darmstadt (Lange). Lex. 8. (& 4 Thlr.) Practical Rhine Guide. 4th edit. London | -„(Longman) 1860. 100.8. 12. (1 s.) Reiseeindrücke aus München und Wien. — Grenzboten. 1860. N. 47. | Scheder (E.), Der Südrand des Harzes. | ..2,.Die Natur. 1860. N..41. Rosen (L.), Im Fichtelgebirge. — Bre- mer Sonntagsbl. 1860. N. 32 ff. Schmidt (Fr.), Die Kalkzüge des Fichtel- gebirges. — Aus der Heimath, von Ro/s- mäj/sler. 1860. N. 26 f. Müller von der Werra, Thüringen. Ein Handbuch für Reisende, Nach ei- gener Anschauung und den besten Hülfs- quellen. Leipzig (Mendelssohn) 1861. 8. (1 Thlr.) Arnd (K.), Der Pfahlgraben, nach den neuesten Forschungen und Entdeckun- Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. gen. Nebst Beiträgen zur Erforschung der übrigen römischen, wie auch der germanischen Baudenkmale in der un- tern Maingegend. Frankfurt a. M. 1861. gr. 8. (27 Sgr.) Rasch (G.), Südbayern, Salzburg, Salz- kammergut, Tirol, Ober-Italien. Neues Handbuch für Reisende. 3. Aufl. Berlin (Janke) 1860. 8. (12 Thlr.) Preufsen. Die Sprachverschiedenheit der Bewohner des preulsischen Staats nach der von den Regierungen im December, 1858 angestellten Erhebung. — Zeitschr. d. Königl. Preu/s. statist. Bureau's. 1860. p- 33. Tabellen und amtliche Nachrichten über den Preufsischen Staat für das J. 1858, Herausgeg. von dem statistischen Bu- reau zu. Berlin. Berlin (Decker) 1860. 626 8. Fol. Die statistischen und Verwaltungs-Berichte der Landräthe der Preufsischen Monar- chie über die ihrer Obhut anvertrauten Kreise. — : Mittheil. d. statist. Bureau’s in Berlin. 1860. N. 18. Das Anwachsen der Bevölkerung im Preus- sischen Staate. seit dem J. 1816, nebst einer vergleichenden Statistik nach den Zählungen von 1816, 1822,1831,1840, 1849 und 1858. — Monatsschr. f.deut- sches Städte- u. Gemeindewesen. 1860. p- 944. Vergl. Zeitschr. d. K. Preuj/s. statist. Bureau's. 1860. p.9. Statistische Nachrichten über das Verhält- nils der Städte in den sechs östlichen Provinzen der preufsischen Monarchie zum platten Lande, rücksichtlich der Einwohnerzahl, des Umfangs des Stadt- bezirks ete. — Monatsschr. f. deutsches Städte- u. Gemeindewesen. 1860. p. 382. Die Aus- und Einwanderung im preufsi- schen Staate, insoweit Nachrichten dar- über zur Kenntnifs der K. Regierungen gekommen sind. — Zeitschr, d.K. Preu/s. statist. Bureau’s. 1860. p. 56. Auswanderung aus Preufsen im J. 1859. — Preufs. Handelsarchiv. 1860. N. 30. Ueber die Abnahme der Kriegstüchtigkeit der ausgehobenen Mannschaften, nament- lich in der Mark Brandenburg. — Mit- theil. d. statist. Bureau's in Berlin. 1860. N. 8 f. Ueberseeische Reisen der Preufsisch.Schitfe 505 im Jahre 1859. — Preu/s. Handelsarch. 1860. N. 30. Zusammenstellung der Längen, Anlage- kosten und Transportmittel der im Rö- nigreich Preufsen am Schlusse des J. 1859 in Betrieb befindlich gewesenen Eisenbahnen, nebst den Ergebnissen des Betriebes im J. 1859. — ibid. 1860. N. 34. Beil. Länge und Betriebs-Einnahmen der Preus- sischen Eisenbahnen im J. 1859, des- gleichen für den Zeitraum bis ult. März 1860. — Mittheil. d. statist. Bureau's in Berlin. 1860. p. 212. Preufsens Bergwerks- und Hütten-Produc- tion im J. 1859. — Preu/s. Handelsarch. 1860. N. 41. Die Hauptresultate der „Gewerbetabellen“ in den Jahren 1846, 1849, 1852, 1855 und 1858. — Zeitschr. d. K. Preujs. statist. Bureau’s. 1860. p. 50. Ueber den Hopfenbau im Preufsischen Staate. — ibid. 1860. p. 82. Die Regulirung der Oder, Eine Lebens- frage der Oder-Städte. — Monatsschr. f. deutsches Städte- u. Gemeindewesen. 1860. p. 347. Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grund- besitzer in der preufsischen Monarchie. In naturgetreuen farbigen Darstellungen nebst Text. Herausgegeben von A. Duncker. Prov. Brandenburg. Lief. 11 — 14. Prov. Pommern. Lief. 5. Prov. Posen. Lief.1. Prov. Schlesien. Lief. 6 — 9. Prov. Westphalen. Lief. 4. Berlin (A. Duncker) 1860. qu. Fol. (a 1 Thlr. 124 Sgr.) Mahn (C. A. F.), Ueber den Ursprung und die Bedeutung des Namens der Stadt Berlin. — Arch. f. d. Studium der neueren Sprachen. XXVI. 1860. p. 241. Morin (F.), Berlin und Potsdam im J. 1860. Neuester Führer durch Berlin etc. Ein Taschenbuch für Fremde und Ein- heimische, Berlin (Nicolai’scher Verl.) 1860. 16. (1 Thlr.) Statistische Nachrichten über die Bewe- gung der Bevölkerung in der Haupt- und Residenzstadt Berlin im Laufe der J. 1858 und 1859. — Mittheil. d. sta- tist. Bureau’s in Berlin. 1860. p. 158. Ueber die Verschlechterung der physischen Bechaffenheit der Berliner Bevölkerung in neuerer Zeit. — ibid. 1860. p. 145. VergleichendeUebersicht der Durchschnitts- 506 Resultate der Heeres-Ersatz-Aushebung in den beiden Regierungs-Bezirken Pots- dam und Frankfurt aus den 20 Jahren 1837 — 56. — Mittheil. d. statist. Bu- reau's in Berlin. 1860. N. 16. Handel, Schifffahrt und Rhederei von Stral- sund im J. 1859. — Preufs. Handels- archiv. 1860. N. 27. Pappenheim (L.), Neuere oberschlesi- sche Statistik. — Monatsschr. f. exacte Forschung auf d. Gebiete d. Sanitäts-Po- lizei. I. 1860. p. 275. Holtze, Oberschlesien. 1860. — Neue Schlesische Provinzbl. 1860. Heft 1. I. piene) Oberschlesien. Eine Reiseskizze. —_ ibid. p- 9. Tiede, Trebnitz im Sommer. — ibid. p- 24. Ule (0.), Bilder aus dem schlesischen Riesengebirge. — Die Natur. 1860. N. 27 f. 32.38. Bergius, Ueber die Einwohnerzahl Bres- laws gegen Ende des 16. Jahrhunderts. _—_ Zeitschr. d. Ver. f. Gesch. u. Alterth. Schlesiens. III. 1. 1860. Graetzer (J.), Beiträge zur Bevölke- rungs-, Armen-, Krankheits- und Sterb- lichkeits-Statistik der Stadt Breslau. III. Breslau (Aderholz, inComm.) 1860. gr. 4. (8 Sgr.) Molly (W.L.), Ortschafts- und Entfer- nungs-Tabellen des Regierungsbezirks Oppeln. Oppeln (Clar) 1860. gr. 4. (1 Thlr.) Die Reise nach dem Gröditzberge. — Aus der Heimath. 1860. N. 40. Otto (Luise), Drei Bergruinen: Rudels- burg, Saaleck und Schönburg. Skizze aus Thüringen. — Leipzig. Sonntagsbl. 1860. N. 26. Schücking (L.), Streifereien durch West- falen. — Westermann’s illustr. deutsche Monats-Hefte. 1860. N. 49. Uebersicht der Veränderungen in der Be- völkerung des Regierungsbezirks Düs- seldorf. — Monatsschr. für deutsches Städte- u. Gemeindewesen. VI. 1860. p- 784. Hannover. Die Hansestädte. Meklenburg. v. Hammerstein, Zur Ortsbestimmung in Niedersachsen. Die Grenzpunkte für | die Theilung zwischen Heinrichs des W. Koner: Löwen Söhnen. — Zeitschr. d. hist. Ver. f. Niedersachsen. (Jahrg. 1859.) 1860. p- 194. Ringklib, Die Zunahme der Bevölke- rung der Stadt Hannover. — ibid. (Jahrg. 1859.) 1860. p. 99. Stüve, Der Handel von Osnabrück. — Mittheil. d. hist. Ver. zu Osnabrück. VI. 1860. p. 88. Meyer (D.), Zur Topographie einiger Theile der alten Diöcese Osnabrück aus dem 9. und 12. Jahrhundert. — ibid. VI. 1860. p. 172. Osnabrück. Ein Stadtbild. — Monatsschr. f. deutsches Städte- u. Gemeindewesen. 1860. p. 581. Die Insel Norderney. Eine kurze Dar- stellung ihrer Geschichte und Geogra- phie, ihrer Pflanzenwelt und Thierwelt und ihrer Seebadeanstalt.e Hannover (Schmorl & v. Seefeld) 1861. gr. 8. (14 Thlr.) Ergebnisse des Bremer Handels im Jahre 1859. — Mittheil. d. statist. Bureau's in Berlin. 1860. N. 17. Tabellarische Uebersichten des Hamburgi- schen Handels im J. 1859. — Preujs. Handelsarch. 1860. N. 29. Tabellarische Uebersichten des Lübecki- schen Handels im Jahre 1859. Zusam- mengestellt vom Bureau der Handels- kammer. Lübeck (v. Rohden) 1860. Imp. 4. (4 Thlr.) Jahresbericht des Preufsischen Konsulats zu Rostock für 1859. — Preufs. Han- delsarch. 1860. N. 39. Koch (F.), Geognostische Skizze der Um- gegend von Doberan unter specieller Berücksichtigung des heiligen Dammes. — Arch. d. Ver. d. Freunde d. Natur- gesch. in Meklenburg. 1860. Sachsen. Die Thüringischen Staaten. Hessen. Album der Schlösser und Rittergüter im Königreich Sachsen. Herausg. von G. A. Poenicke. Hft. 143145. Leip- zig (Expedition des Albums). qu. Fol. (& 1 Thlr.) Das Königreich Sachsen, Thüringen und Anhalt, dargestellt in malerischen Ori- ginal-Ansichten. I. Abthl. Das König- reich Sachsen. No. 48. 49. Darm- stadt (Lange). Lex.8. (a 8 Sgr.; chin. Papier & 16 Sgr.; chin. Papier in 4. a 24 Sgr.) an Neu erschienene “geographische. Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Manitius (A. $S.), Die Festung König- stein im Königreich Sachsen, nach den vorhandenen Hülfsquellen geographisch, naturgeschichtlich, geschichtlich ete. be- * schrieben. Dresden (am Ende, inComm.) 1860. 16. (2 Tbhlr.) Aus dem Voigtlande. — Wissenschaftl. Beil. .d, Leipz. Zeitung. 1860. N. 80 ff. 94. 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Met daar- bij gevoegden tekst door T. van Westr- heene. 15°en 14° afl. Delft (van Gessel) 1860. kl. 4. (& f. 0,40.) van Rijn (K.), De algemeene waterpas- sing der provineie Groningen. Gronin- gen (deErven C.M.v. Bolhuis Hoitsema) 1860. 8 en 195 bl. gr. 8. (f. 2,50.) Jahresbericht des Preufs. Konsulates zu Rotterdam pro 1859. — Preu/s. Han- delsarchiv. 1860. N. 39. Belgien. Schayes (A. G. B.), La Belgique et les Pays-Bas, avant et pendant la domi- nation romaine. T. III, preced€@ d’une preface, par C. Piot. Bruxelles 1860. X, 654 8. 8. (24 Thlr.) Documents statistiques publies par le de- partement de l’interieur, avec le con- cours de la commission centrale de sta- tistique. T. I—IV. 1857 — 60. Bru- xelles. gr. 4. de Laveleye (E.), Economie rurale de la Belgique. Les Flandres. — Revue des deux mondes. XXX. 1860. p. 722. Du Pays (A. J.), Itineraire desceriptif, historique, artistique et. industriel de la Belgique. Paris (Hachette) 1860. CXLIV, 436 S. 18. 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Der Proletarier- Charakter der bäuerlichen Ackerbau-Industrie in Liv- und Esth- land. — Baltische Monatsschr. II. 1860. Heft 2. Jahresbericht des Preufs. General-Konsu- lates zu Riga pro 1859. — Preu/s. Handelsarchiv. 1860. N. 32. de Middendorff (A.), L’ile d’Anikief dans la Mer Glaciale, pres de Kola. — Bull. de U’ Acad. Imper. d. Sciences de ‚St. Petersbourg. Il. 1860. p. 152. Elevation de Kalouga au dessus du ni- veau de l’Ocdan. — Kupfer, Correspon- dance meteorologique. (1858). 1860. W. Koner: Der nördliche Theil des Gouvernements Nishne Nowgorod. — Zeitschr. f. allg. Erdkunde. N.F. VIII. 1860. p. 378. Die Karagassen. — ibid. N. F. VII. 1860. p. 400. Lamont (J.), Notes about Spitzbergen in 1859. — Quaterly Journ. of the Geolog. Soc. of London. XVI. 1860. p- 428. Spanien und Portugal. Holiday Tour in Spain. — Colburn’s New Monthly Magazine. 1860. Novemb. Roberts (Rich.), An Autumn Tour in Spain in the Year 1859. London (Saun- ders & O.) 1860. 550 8. 8. (21s.) 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Accompagne de cartes, d’inscriptions ete. et d’un album de 100 planches dessinees d’apres nature de Jul. Laurens. T. IV. Paris 1860. 414 8. 8. (34 Thlr.) Lamartine, Voyage en Orient 1832 — 1833. Auszug in 1 Bde., mit erläu- ternden Noten etc. 8. Aufl. Leipzig (Baumgärtner) 1861. 8. (18 Sgr.) Reisen und Abenteuer des Dr. Joseph Wolff im Orient. — Ausland. 1860. N. 46 f. Sibirien. Tollens (Cz. H.), De overwintering der Hollanders op Nova Zembla, in de ja- ren 1596 en 1597. Uitgegeven door de Hollandsche maatschappij van fraaije kunsten en wetenschappen. 7° druk. Leeuwarden (Suringar) 1860. 32 bl. kl. 8. (f. 0,15.) Tollens (Cz.H.), The wintering of the Hollanders on Nova Zembla during the years 1596 and 1597. Transl. from the Dutch by Anglo Saxon. Leeuwarden (Suringar) 1860. 39 bl. 8. (f. 0,75.) Pietrowski (R.), Pamietniki z pobyta na Syberyi. 3 tomy. (Denkwürdigkei- ten über seinen Aufenthalt in Sibirien.) Poznan 1860. VI, 326, 356 u. IV, 276 S. 8. (5 Thlr.) Skizzen aus dem Ural und Altai. — Eu- ropa. 1860. N. 45. Ouvarovski, Voyage au pays des Ya- koutes 1830 — 39. — Le Tour du Monde. 1860. N. 37. Abramow, Die Stadt Tjumen. — Zeit- schr. f. allgem. Erdkunde. N. F. VIII. 1860. p. 500. v. Schrenck (L.), Reisen und Forschun- gen im Amur-Lande in den J. 1854 —56. 1. Bd. (St. Petersburg) Leipzig (Vofs) 1860. gr. 4. Maack (R.), Reise auf dem Flusse Amur, auf Befehl der Kais. geographi- schen Gesellschaft zu St. Petersburg im J. 1855 ausgeführt. St. Petersburg 1859. X, 320, 212, VIII, XX S. 4. Mit Atlas. Fol. (40 Thlr.) In russischer Sprache. Gustav Radde’s Vorlesungen über Sibi- rien und das Amur-Land, gehalten im Saal der kais. Universität zu St. Peters- burg, März 1860. 1. Geographisch- naturhistorische Skizze des südlichen $i- birien. Physiognomie seiner Länder. Der Jenissei als natürliche Grenze zwi- schen West- und Ost-Sibirien. Irkutsk. Der Baikal. Gebirgssysteme um ihn. Kentei und Sajan. Volksleben. Das Quellland des Amur. Das Nordost- Ende des hohen Gobi; seine Beziehun- gen zum Amur und dessen Handel. — Petermann’s Mittheil. 1860. p. 257. p. 386. Atkinson (Th. Wm.), Travels in the ‚Regions of the Upper and Lower Amoor, and the Russian Acquisitions on the Confines of India and China; with Ad- ventures among the Mountain Kirghis and the Manjours, Manyargs, Toungouz, Touzemtz, Goldi and Gelayaks, the Hunting and Pastoral Tribes. London (Hurst & B.) 1860. 560 8. 8. (42 s.) Atkinsons Wanderung anı Obern und Un- tern Amur. — Ausland. 1860. N. 42 fi. Permikine, Le fleuve Amoür. — Now. Annal. d. Voy. 1860. UI. p. 145. Bez TER ih 5 Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Malte-Brun (V.A.), Les nouvelles ac- quisitions des Russes dans l’Asie orien- tale. Le fleuve Amoür, d’apres les do- cuments originaux et les notes publiedes par la Societe imperiale geographique de Russie. — Nouv. Annal..d. Voy. 1860. II. p. 266. Eine Notiz über die Erwerbung des Amur- Landes durch die Russen. — Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. N. F. IX. 1860. p- 152. Le port de Khabarovka au confuent de l’Oussouri et de l’Amour. — Nouv. An- nal. d. Voy. 1860. IIl. p. 354. Abenteuer eines Kosaken unter den Kir- gisen des Alatau. (Nach Atkinson’s Tra- vels etc.) — Ausland. 1860. N. 45. Eine Sommerreise mit Kirgisen. — Eu- ropa. 1860. N. 36. Heifse Mineralquellen in .der Provinz Sse- mipalatinsk. — Zeitschr. f. allgem. Erd- kunde. N. F. VIII. 1860. p. 394. Beaumont (H.), Essais d’agrieulture dans le Kamtchatka. — Soc. de Geogr. de Geneve. Mem. I. 1860. p. 117. Schlittenfahrten in Kamtschatka. — Aus- land. 1860. N. 44. Wolga- und Kaukasus-Länder. Dürrung und Heuschrecken-Plage in Astra- chan im Sommer 1860. — Petermann’s Mittheil. 1860. p. 440. Rofsmäfsler (Fr.), Landreise von Astra- chan bis Baku. — Aus der Heimath. 1860. N. 31 £. Abich’s Forschungen im Kaukasus wäh- rend d. J. 1859. — Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. N. F. 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Fri öfwersättning af Kjellman-Görenson. 7.—12. Hft. Stockholm (Huldberg & Co.). 4. La Cina e i Cinesi. — Museo di scienze e letteratura. XVII. 1860. p. 92. 193. Vreemde landen en volken. Hun toestand en ontwikkeling, godsdienst en staats- wezen, behoeften en hulpbronnen, ge- woonten en zeden, beschreven naar de nieuwste bronnen. III. China. 1° afl. Amsterdam (Gebr.Kraay) 1860. roy. 8. (£. 0,50.) Dupin (Ch.), Coup d’oeil sur la situa- tion actuelle de l’Empire chinois. — Revue de l’Orient. XII. 1860. p. 5. Lavollee (Ch.), La Chine contemporaine. Paris 1860. X, 362 8. 8. (1 Thlr.) Die Chinesen und ihr Charakter. — Aus- land. 1860. N. 33 £. Das Kriegswesen und die Kriegsmacht der Chinesen. — ibid. 1860. N. 51. Michon (J.), Rapport sur les etudes et recherches A faire en Chine et au Ja- pon dans l’ordre des travaux de la So- eiete d’acclimatation. — Bullet. men- suel de la Soc. imper. zoolog. d’accli- matation. 1860. Avril. Mai. 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Batavia (Lands-druk- kerij) 1860. 86, 2, 460, 136, 108, 91 en 12 bl. gr. 8. (f. 5.) Aardrijkskundig en statistisch woorden- boek van Nederlandsch Indie, bewerkt naar de jongste en beste berigten. 7° afl. Amsterdam (van Kampen) 1860. roy. 8. (f. 1,25.) I Hageman (J.), Vulkanische verschijnse- len in den Indischen Archipel. Over- zigt der vulkanische verschijnselen op Java waargenomen en bekend geworden over 1857. — Tijdschr. van de natuur- kund. Vereenigingen in Nederl. Indiö. Ill. Friedmann, Die wissenschaftlichen Lei- stungen im indischen Archipel. —- Aus- land. 1860. N. 45. Kögel (J.), Skizzen und Erinnerungen aus dem niederländischen Australien. — Ausland. 1860. N. 50. Neumann (K. F.), Von Java nach Sin- gapore. — Westermann’s illustr. deut- sche Monats-Hefte. 1861. Januar. Beschouwing over den in den laatsten tijd zoo veel besproken vrijen arbeid in Neerlandsch Indie. Zutphen (Thieme) 1860. 24 bl. gr. 8. (f. 0,30.) Die deutschen Soldaten in Niederländisch- Indien. — Ausland. 1860. 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Die Insel Bali und ihre Bewohner. — Ausland. 1860. N. 48. Collecgäo de monumentos ineditos para a historia das conquistas dos Portuguezes, em Africa, Asia e America. Tomo II. 1a Serie. Historia da Asia. A. u.d.Tit.: Lendas da India por Gaspar Correa. Livro segundo em que se recontäo os famosos feitos d’Alfonso d’Aboquerque, Lopa Soares, Diego Lopes de Sequeira, D. Duarte de Menezes, D. Vasco da Gama Visorey, D. Anrique de Mene- zes. Lenda de 17 annos acabados no anno de 1526. Lisboa 1860. 482 8. 4. (54 Thlr.) Jagdpartien auf der molukkischen Insel Batjan. — Ausland. 1860. N. 38. Die Philippinen. — Westermann’s deutsche illustr. Monats-Hefte. 1860. N. 49. 50. de la Gironiere (P.), Adventures in the Philippine Islands. New edit. Lon- don (Clarke) 1860. 8. (2 .) Afrika. Sandberg (J.), Disputatio historica de Africa a Phoenieibus, jussu Neconis eir- cumnavigata. Trajecti ad Rhenum 1860. 578. 8. 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Krapf (L.), Reise von Tadschurra durch 523 das Afer-Land nach Schoa, im J. 1839, und Aufenthalt daselbst. — Ausland. 1860. N. 37 ft. Capitain Speke’s Abenteuer im Somali- Land. — ibid. 1860. N. 28. v. Heuglin (Th.), Reise längs der So- mali- Küste im J. 1857. — Petermann’s Mittheilungen. 1860. p. 418. v. Heuglin (Th.), Die Guano-Insel bei Med an der Somali-Küste. — Die Natur. 1860. N. 36. Der Nordrand Afrika’s. Northern Africa. — Colburn’s New Monthly Magazine. 1860. Octob. Notes sur la Tunisie. — Revue algerienne et coloniale. 1860. Aoüt. Duveyrier, Excursion dans le sud de la Tunisie. — ibid. 1860. Mai. Duveyrier, Lettre sur son voyage dans le sud de la Tunisie a la frontiere orien- tale de l’Algerie, son depart pour le pays des Touäregs. — Nouv. Annal. d. Voy. 1860. II. p. 356. Extrait d’une lettre de M. Henry Du- veyrier aM. Rinan. Tougourt, 2 juil- let 1880. — ibid. 1860. II. p. 117. Nouvelles de M. Henry Duveyrier. — Bull. de la Soc. de Geogr. 4° Ser. 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Mac-Clintock, A Narrative of the Fate of Sir John Franklin ete., recens. von Malte-Brun in den Nouv. Annal. d. Voy. 1860. U. p. 92. Die Franklin - Expedition und ihr Ausgang. Herausgeg. von H. Wagner. Leipzig (Spamer; malerische Feierstunden, Hft. 27) 1860. 8. (1! Thlr.) Chaix, Voyage du docteur Kane au pöle nord. — Soc. de Geogr. de Geneve. M&m. I. 1860. p. 133. Dr. Hayes’ Reise nach dem Nordpol. — Petermaun’s Mittheil. 1860. p. 442. Hamel (J.), L’expedition de Sir John Franklin de 1845-48, et celle de Charles Jackman de 1580 — 81. — Bull. de l’Acad. Imp. d. Sciences de St. Petersbourg. 1. 1860. p. 297. Nouvelles de la baie d’Hudson. — Journ. d. missions evangel. 1860. Aoüt. Civilisation in Grönland. — Wissenschaftl. Beilage d. Leipz. Zeitung. 1860. N. 56. 59. Birnbaum (H.), Das Neueste über Grön- land. — Blätt. f. liter. Unterhaltung. 1860. N. 49. Lamare Picquot, Fragment d’un vo- yage dans le nord de l’Amerique. 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Burmeister’s Reise durch die Cor- dilleren zwischen Catamarca und Co- piap6 im Frühjahr 1860. — Petermann’s Mittheil. 1860. p. 369. de. Moussy (M.), Rivieres prineipales de Chaco. — Now. Annal. d. Voy. 1860. II. p. 25. Reybaud (Ch.), Les republiques de la Plata et le Bresil. Paris (Panckoucke & Co.) 1860. 8. de Moussy (M.), Les populations in- diennes actuelles du bassin de la Plata et de la Patagonie. — Now. Annal. d. Voy. 1860. IV. p. 31. Neuere Untersuchungen des Rio Salado in der Argentinischen Conföderation. — Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. N. F. VII. 1860. p. 417. Eine Jagdpartie und südamerikanisches Flufsleben. — Ausland. 1860. N. 35. Zur Statistik von Buenos- Aires. — Ma- gaz. f. d. Liter. d. Auslandes. 1860. N.ı87. Besuch eines deutschen Herzogs auf dem Sommersitz Urquiza’s in der Argentina. — Ausland. 1860. N. 35 f. Brasilien. Holländisch Guiana. The Brazilian Empire. Recension einer Anzahl Schriften über Brasilien. — Quaterly Review. 1860. Octob. p. 303. Handelsverhältnisse Brasiliens. — Preu/s. Handelsarchiv. 1860. N.40 ff. Handel und Schifffahrt Brasiliens in dem Finanzjahre 1858—59, verglichen mit 1857—58. — ibid. 1860. N. 44. Ave&-Lallemant, Voyage dans le Bresil meridional: Les anciennes missions des Jesuites, trad. de l’allemand. — Revue germanique. XI. 1860. p. 405. Ave-Lallemant (R.), Reise durch Nord- Brasilien im J. 1859. 2. Thl. Leipzig (Brockhaus) 1860. gr. 8. (1 Thlr. 24 Sgr.) Auf dem Amazonenstrome. — Europa. 1860. N. 44. Bilder aus Rio de Janeiro und Umgegend. Nach dem Portugies. Hamburg (Kittler) 1861. gr. 8. (4 Thlr.) 531 Schifffahrt und Handelsverkehr von Rio de Janeiro. — Preufs. Handelsarchiv. 1860. N.43. Heuser (J.Ch.) und Claraz (G.), Thier- leben in der Brasilianischen Provinz Rio de Janeiro. — Petermann’s Mittheil. 1860. p. 247. Deutsche Auswanderer in Brasilien. — Deutsches Museum. 1860. N. 33. Actenstücke Brasilischer Seite, betreffend die Kolonisation desKaiserreiches. Her- ausgeg. von J. Hörmeyer. 2. Jahrg. Rudolstadt 1860. gr. 8. Schultz (Woldemar), Historisch-geogra- phisch-statistische Skizze der kaiserl. brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul. Nach offieiellen Angaben und ei- gener Anschauung zusammengestellt. — Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. N. F. IX. 1860. p. 194. 285. Die Stadt Dahia in Nord-Brasilien. — Westermann’s illustr. deutsche Monats- Hefte. 1860. Sept. Skizzen aus Bahia. — Europa. N..41. Menschenfresserei in Brasilien. — Ausland. 1860. N. 49. Brasilianische Waldmenschen. — Grenz- boten. 1860. N. 28. Wolbers (J.), Geschiedenis van Suri- name, van de ontdekking van Amerika tot op den tegenwoordigen tijd. 8°afl. Amsterdam (de Hoogh) 1860. gr. 8. (£. 0,60.) 1860. Australien. Das Festland. Waugh’s Australian Almanac, London (Simpkin). 8. (5 s.) Palacky, Die Bevölkerung von Austra- lien und Polynesien. — Petermann’s Mittheil. 1360. p. 407. 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Considerations geologiques, meteorolo- giques et botaniques sur lile; etat mo- ral actuel des Tahitiens, traits caracte- ristiques de leurs moeurs; vegetaux susceptibiles de donner des produits utiles au commerce et & l’industrie, et de procurer des frets de retour aux na- vires; culture et productions horticoles ; catalogue de la Flore de Tahiti, gram- maire et petit dietionnaire tahitien. Pa- ris 1860. 275 8. 8. Geschichte der christlichen Missionen auf den Fidschi-Inseln. Bremen (Heyse, in Comm.) 1860. gr. 8. (1 Thlr.) Haskell (Rob. C.), Eruption du Mouna Loa en 1859. — Now. Annal. d. Voy. 1860. II. p. 67. Atlanten, Karten und Pläne. Swart (J.), De uitgegeven zeekaarten en boeken door het Hydrographisch De- partement der Engelsche Admiraliteit van Aug. tot Aug. 1857—58 en 1858 | —59. — Verhandel. en berigten betr. het zeewezen. 1860. 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Meyer’s grofser und vollständiger Hand- Atlas der neuesten Erdbeschreibung. Lief. 168— 171. Hildburghausen (Bi- | bliogr. Inst.) 1860. gr. Fol. (a 34 Sgr.) Schul- Atlas in 9 Karten. Stahlst. u. color. Nürnberg (Serz & Co.) 1860. gr. Fol. | (24 Sgr.) Handatlas der Erde und des Himmels. Neu redig. Ausg. Lief. 50— 54. Wei- | mar (Landes -Industrie-Compt.). Imp. Fol. (a 4 Thlr.) — — — Neuredigirte Volks-Ausgabe. In 50 Karten. Lief. 1— 7. Ebds. Imp. Fol. (a 8 Sgr.) Schoolkaart van het oostelijk halfrond. | Geteekend door Lastdrager, onder toezigt van W. A. Elberts. 4 bl. Zwolle (de Erven J. J. Tijl) 1860. (f. 3,65; opgeplakt en met rollen £. 5.) Johns (C. B.), The Elements of Geogra- phy. New edit. correeted to 1861. Co- loured Plates. London (Darton). (1. 6.d.) Blackie (W. G.), The Imperial Atlas of Modern Geography: an Extensive Series of Maps, embracing the Most Recent Discoveries and the Latest Political Di- visions of Territory in all Parts of the World. London (Blackie) 1860. Fol. 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Bromme (T.), Atlas zu Alex. v. Hum- boldt’s Kosmos. Volks-Ausg. in 42 co- lor. Taf. 1. Lief. Stuttgart (Krais & Hoffmann) 1861. qu. Fol. (4 Thlr.) Karten von Europa, namentlich von Central-Europa. v. Stülpnagel (F.), Wandkarte von Eu- ropa zur Uebersicht der staatlichen Ver- hältnisse. 2. Aufl. 9 Bll. Lith. u. col. Gotha (Perthes) 1860. gr. Fol. (Auf Leinw. u. in Mappe. 21 Thlr.) Grofs (R.), Karte von Deutschland, Hol- land, Belgien, der Schweiz, Nord-Ita- lien ete. 4 Bll. Chromolith. Stuttgart (Malte) 1860. Imp. Fol. (In Mappe 1 Thlr.; auf Leinw. u. in 8-Carton 13 Thlr.) Winckelmann (B.), Wandkarte von Deutschland, dem preufsischen u. öster- reichischen Staate, Polen, der Schweiz, den Niederlanden und Belgien. Neue Ausg. 9 Bll. Lith. u. color. Efslingen (Weychardt) 1860. Imp. Fol. (2 Thlr.) Nieuwste spoorweg-kaart van Middel-Eu- ropa, met aanwijzing van de hoofdsta- tions en de rigtingen der stoombooten en diligences. 1 bl. lith. Leyden (Noot- hoven van Goor) 1860. Fol. (f. 0,90; op linnen in etui f. 1,40.) 534 Birk (C.), Telegraphen-Karte von Eu- ropa nach Mittheilungen der K, preus- sischen Telegraphen -Direetion bearbei- tet. 2. Ausg. 4 Bl. Chromolith. Berlin (Schropp, in Comm.) 1860. Imp. Fol. (15 Thlr.) Karten der deutschen Bundes- Staaten. Stieler’s kleiner Atlas der deutschen Bundes-Staaten und der nicht zum deut- schen Bundesgebiet gehörigen preufsi- schen und österreichischen Provinzen. 6. Aufl. Verb. u. verm. durch H. Berg- hausu. €. Vogel. Gotha (J. Perthes) 1860. gr. 4. (12 Thlr.) Vogeler (F. W.), Atlas von dem preus- sischen Staate, bearb. für den Schulge- brauch. Berlin (A. Meyer) 1861. qu. #. (4 Thlr.) Handtke’s (F.) Wandkarte vom preus- sischen Staate. Zum Gebrauch für Schu- len eingerichtet. 5. Aufl. 8 Bll. Lith. u. color. Glogau (Flemming) 1860. Imp. Fol. (2 Thlr.; auf Leinw. 2 Thlr.) Topographische Karte vom Preussischen Staate mit Einschlufs der Anhalt- und Thüringischen Länder. Oestlicher Theil. Sect. 212. Egeln. 2. Aufl. 288. Geisa. 300. Hildburghausen. Berlin (Decker). Imp. 4. (& $ Thlr.) Handtke’s (F.) Wandkarte der Provinz Preufsen zum Gebrauch für Schulen ein- gerichtet. 8 Bll. Lith. u. color. Glogau (Flemming) 1860. Imp. Fol. (zZ Thlr.; auf Leinw. 2 Thlr.) Handtke’s (F.) Wandkarte der preulsi- schen Provinz Posen zum Gebrauch für Schulen eingerichtet. 6 Bll. Lith. u. color. Glogau (Flemming) 1860. Imp. Fol. (4 Thlr.) Sineck, Situationsplan der Haupt- und Residenzstadt Berlin. 2 Bll. Lithogr. Berlin (Schropp). Imp. Fol. (2 Thlr.) Brockhaus’Reise-Atlas. Entworfen und gez. von H. Lange: Stettin. Plan der Stadt, nebst einem Führer für Fremde. (4 Thlr.) — Stettin — Posen — Frank- furt a. d. ©. — Bromberg. (4 Thlr.) — Bromberg — Danzig — Königsberg. Füh- rer für Reisende. (4 Thlr.) — Oberschle- sische Bahnen. Führer für Reisende. (4 Thlr.) Leipzig. v. Aigner (H.), Plan der Umgegend von Breslau. Nach den neuesten Verände- W. Koner: rungen gez. Neue Aufl. Lith. Breslau (Kern) 1860. gr. Fol. (4 Thlr.) Studt (C.), Plan von Breslau. Nach den neuesten Veränderungen gezeichn. Neue Aufl. Lith. Breslau (Kern) 1860. gr. Fol. (12 Sgr.) von Tschischwitz (W.), Uebersichts- Karte der Umgegend von Neisse. Chro- molith. Neisse 1860. gr. Fol. (4 Thlr.) Emmerich (N.), Topographische Karte des Regierungsbezirks Arnsberg nebst den angrenzenden Landestheilen. Lith. u. color. Iserlohn (Baedeker) 1860. Imp. Fol. (14 Thlr.) Brockhaus’ Reise-Atlas. Entworfen und gezeichnet von H. Lange. Hamburg, Plan der Stadt nebst einem Führer für Fremde. 2. Aufl. Leipzig (Brockhaus) 1860. (In 8-Carton + Thlr.) Brockhaus’ Reise-Atlas. Entworfen und gezeichnet von H. Lange. Hamburg- Kiel-Helgoland, Führer für Reisende etc. Chromolith. Leipzig (Brockhaus) 1860. (In 8-Carton + Thilr.) Uebersichts-Karte der Jade-, Weser- und Elb-Mündungen, bestehend aus Blatt VII des See-Atlasses der Jade-, We- ser- und Elb-Mündungen, herausg. von der königl. preufs. Admiralität. Auf- genommen von H, Köhler. Kupferst. Berlin (D. Reimer, in Comm.) 1859. qu. Fol. (1! Thlr.) Karte der Lübecker Bucht und der Trave bis Lübeck. Auf Anordnung der Bau- deputation herausgegeb. Lith. Lübeck (Dittmer) 1860. Imp. Fol. (2 Thlr.) Plan der Königl. Haupt- und Residenz- stadt Hannover. Lith. Hannover (Klind- worth) 1860. (In 8-Carton 4 Thlr.) Lange (H.), Drei Schul-Karten vom Königreich Sachsen für den Gebrauch der Schüler beim Unterricht in der vaterländischen Geographie. Leipzig (Brockhaus) 1860. qu. Fol. (8 Sgr.; einzelne Bl. 3 Sgr.) Topographischer Atlas des Königreichs Sachsen. 4. Lief. 2. Abtheil. Leipzig (Fleischer, in Comm.) 1860. Imp. Fol. (3 Thlr.) v. Süfsmileh-Hörnig (M.), Historisch- geographischer Atlas von Sachsen und Thüringen. 1. Abth. Geotektonik, Geo- logie, Hydrographie. Dresden (v. Böt- ticher) 1860. Imp. Fol. Mit Text in hoch #4. (34 Thlr.) Winckelmann (B.), Wandkarte von Württemberg, Baden und Hohenzollern. 0 Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Neue Ausg. 4 Bl. Lith. u. color. Efs- lingen (Weychardt) 1860. Imp. Fol. (2 Thlr. 4 Sgr.) v. Bechtold (C.), Die Umgegend von Worms. Chromolith. Worms (Rahke, in Comm.) 1860. Fol. (4 Thlr.) Brockhaus’ Reise-Atlas. Entworfen und gezeichnet von H. Lange. Karls- ruhe — Stuttgart — Ulm. Führer für Reisende. Chromolith. Leipzig. 8-Car- ton. (! Thlr.) Grolser topographischer Atlas von Bayern. Bearb, in dem topographischen Bureau des königl. bayer. Generalgartiermei- ster-Stabes. Bd. 10. Orb. 77. Mün- chen. 2. Ausg. 106. Kaiserslautern. Kupferst. München (Mey & Widmayer, in Comm.) 1860. (& 1 Thlr. 114 Sgr.) Repertorium der topographischen Atlas- blätter: Bamberg, Miltenberg, Oster- hofen, Rothenburg, Scheinfeld, Würz- burg. München (Mey & Widmayer, in Comm.) 1860. gr. 8. (a 8 Sgr.) Uebersichts-Karte der Eisenbahnlinien des Königreichs Bayern mit Angabe sämmt- licher Stationen. Lith. München (Mey & Widmayer) 1860. gr. Fol. (+ Thlr.) Routenkarten der bayerischen Ostbahnen mit Angabe sämmtlicher Stationen. TI. Regensburg — Nürnberg, Regensburg — Passau. Lith. München (Mey & Wid- mayer) 1860. gr. 4. (In 16-Carton + Thlr.) Brockhaus’ Reise-Atlas. Entworfen und gezeichnet von H. Lange. Die Do- nau von Passau bis Linz und Wien. Führer für Reisende ete. Doppelblatt. 2. Aufl. (4 Thlr.). — Heidelberg, Karls- ruhe— Kaiserslautern. (! Thlr.) (Leipz.) Routenkarten der Eisenbahnen München — Salzburg und München — Innsbruck mit Angabe sämmtlicher Stationen. Lith. München (Mey & Widmayer) 1860. gr. 4. (In 16-Carton 4 Thlr.) Routenkarten der bayerischen Ostbahnen mit Angabe sämmtlicher Stationen. I. München — Regensburg. Lith. Ebds. 4. (In 16-Carton 4 Sgr.) Mayr (G.), Specielle Reise-Karte vom bayerischen Hochland, Nord-Tyrol, Salz- burg und Salzkammergut. Neue Ausg. Kupferst. u. illum. München (Palm) 1860. qu. Imp. Fol. (Auf Leinw. u. in engl. 8-Carton 14 Thlr.) Dufour (A.H.), L’empire d’Autriche. Paris 1860. 1 feuille. Karte der Reichenberg-Pardubitzer Bahn. ee 999 Lith. Prag (Credner) 1860. (4 Sgr.) Brockhaus’ Reise-Atlas. Entworfen und gezeichnet von H. Lange. Prag, Plan der Stadt nebst einem Führer für Fremde. (4 Thlr.) Sommer (A.), General-Karte der Mark- grafschaft Mähren und des Herzogthums Schlesien. Revidirt von C. Koristka. Lith. u. color. Olmütz (Holz) 1860. Imp. Fol. (2 Thlr.; auf Leinw. u. in Futteral 23 Thlr.) Pauliny (J. J.), Specialkarte des Salz- kammergutes. Nach der Militair- Auf- nahme in Sectionen redueirt. Chromo- lith. Wien (Lechner) 1860. Fol. (In 8-Carton 1 Tblr.) Mayr (G.), Speeielle Reise- und Ge- birgs-Karte vom Lande Tyrol mit den angrenzenden Thälern von Südbayern, Salzburg, der Schweiz und Ober-Ita- lien. Neue Ausg. Kupferst. u. illum. München (Palm) 1860. Imp. Fol. (Auf Leinw. u. in engl. 8-Carton 23 Thlr.) Mayr (G.), Specielle Reise-Karte von Süd-Tyrol mit den angrenzenden Län- dern. Neue Ausg. Kupferst. u. illum. München (Palm) 1860. qu. Imp. Fol. (Auf Leinwand u. in engl. 8-Carton 13 Thlr.) Karte des Grofsfürstenthums Siebenbür- gen. 3. Aufl. Chromolith. Hermanns- stadt (Steinhaufsen). Imp. Fol. (2 Thlr.; auf Leinw. u. in 8-Carton 1 Thlr.) qu. Fol. Karten der Schweiz, von: Frank- reich, von den Niederlanden und England. Karte der Schweiz. Kupferst. u. color. Nürnberg (Serz & Co.) 1860. Fol. (In 8-Carton 18 Sgr.) Grofs (R.), Eisenbahnkarte der Schweiz mit Angabe der Poststralsen, Dampf- schifffahrt- u. Telegraphenlinien. Lith. u. color. Zürich (Schabelitz) 1860. Imp. Fol. (Auf Leinw. u. in 8-Carton 1 Thlr.) Grofs (R.), Karte des Vierwaldstätter See’s. Chromolith. Luzern (Straube). Fol. (8 Sgr.; in 16-Carton 12 Sgr.) v. Göler (A.), Uebersichtskarte zu Cä- sar's gallischem Kriege. Chromolith. Heidelberg (Mohr) 1860. gr. Fol. (7 Sgr.) Karte von Frankreich 1861. Lith. u. co- 536 W, Koner: lor. Hannover (Helwing) 1860. gr. Fol. (4 Thlr.) Leroy (F.N.), Carte archeologique du departement de la Seine- Inferieure aux epoques gauloise, romaine et franque, dressee sous la direction de M. Yabbe Cochet. Paris 1859. Carte de l’annexion de la Savoie et Nice, comprenant les departements de la Haute-Savoie et Basse-Savoie et les Alpes maritimes. Paris (Logerot). Topographische Kaart van het Koning- rijk der Nederlanden, vervaardigd door de Officieren van den Generalenstaf en gegraveerd op het Topographisch Bureau van het Ministerie van Oorlog, op de schaal van 1: 50,000. Blad 15, Stavoren (f. 1,80); blad 20, Enkhuizen (£. 1); blad 28 en 29, Almelo en De- nekamp (f. 4). Amsterdam. Spoorwegkaart der Nederlanden, waarop behalve de bestaande spoorwegen ook de ontworpene staats- en central-spoor- wegen zijn aangeduid. 1 bl. lith. ’s Gravenhage (van Hoogstraten) 1860. gr. Fol. (£. 0,60). Nieuwe kaart van ’s Gravenhage, opge- dragen aan den Edel Achtbaren raad dier gemeente. Gelith. volgens aanwij- zingen van den gemeente-architect. 2° druk. 1 bl. ’s Gravenhave (Spa- nier) 1860. fol. (f.5; op Chineesch papier f. 7). Hall (Sidney), The English Counties, with all the Railways; also, General Maps of Scotland, Ireland, and Wales. London (Chapman & H.) 1860. fol. (24 s.) London at a Glance. An Illustrated At- las of London. New edit. London (Hodgson) 1860. 12. (2. 6.d.) Karten von Spanien und Italien. Experiences faites avec l’appareil a me- surer les bases appartenant a la Com- mission de la carte d’Espagne. Ou- vrage publie par ordre de la Reine. Traduit de l’espagnol, par A. Lausse- dat. Paris 1860. 8. Mayr (G.), Hand- und Reise- Karte von Italien nebst den Alpenländern. Neue Ausg. Kupferst. u. illum. Mün- chen (Palm) 1860. Imp. Fol. (Auf Leinw. u. in engl. 8-Carton 1 Thlr.) Stanford’s New Map of Italy, embra- eing Sardinia, Venetian-Lombardy etc. London (Stanford) 1860. (3s. 6.d.) Kiepert (H.), Special-Karte von Ober- und Mittel-Italien nach den Aufnah- men des österreichischen und piemon- tesischen Generalstabes. Lith. u. color. Berlin (D Reimer) 1860. (In 4-Car- ton 14 Thlr.) Speeial-Karte von Ober- und Mittel-Ita- lien, Istrien und Dalmatien. Chromo- lith. Wien (Wallishausser) 1860. Imp. Fol. (12 Sgr.) Johnstone’s War Map of Italy, with the- Islands of Corsica and Sardinia. London (Stanford) 1860. (2 s. 6.d.) Handtke’s (F.) Special- Karte des Kir- chenstaates nördlich von Rom. Lith. u. color. Glogau (Flemming) 1860. gr. Fol. (4 Thlr.) Karte des Kirchenstaates mit dem Stadt- Plane von Rom. Lith. u. color. Stutt- gart (Malte) 1860. Fol. (6 Sgr.) Karte der Provinz Neapel mit dem Stadt- Plane von Neapel. Lith. u. color. Ebds. (6 Sgr.) Karte des Kriegsschauplatzes im König- reich beider Sieilien. 2. Aufl. Lith. u. color. Ebds. Fol. (7 Sgr.) Diewald (J. N.), Karte des Königreichs beider Sieilien. Kupferst. u. illumin. Nürnberg (Lotzbeck) 1860. Imp. Fol. (4 Thlr.) Stanford’s Map of Naples and Sicily, with Part of the Roman States and Tuscany. Coloured. London (Stanford) 1860. (1s.) Baur (C. F.), Plan der Festung Gaeta. Stuttgart (Malte’s artist. Aust.) 1860. Lith. qu. 4. (6 Sgr.) Karten von Asien. Kiepert (H.), Karte von Klein-Asien und Syrien. Lith. u. color. Berlin (D. Reimer) 1860. Imp.Fol. (2 Thlr.) Kiepert (H.), Carte de la Syrie Meri- dionale comprenant les montagnes du Liban et de l’Anti-Liban et les terri- toires des Drouzes et des Maronites jusqu’a l’est de Damas. Chromolith. Berlin (D. Reimer) 1860. Imp. Fol. (2 Thlr.) Kaart van Syrie en aangrenzende landen. 1 bl. Lith. Groningen (Oomkens) 1860. (f. 0,25.) van de Velde, The Libanon. — Syrien. Lith. u. color. Gotha (J. Perthes). Imp. Fol. (1 Thlr.) Plan von Palästina und der See Geneza- reth nach den Gesichten der gottseligen Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne, Kath. Emmerich. 2 Bl. Lith. München (Lentner, in Comm.) 1860. G4 Th.) » Handtke’s (F.) Wandkarte von Palä- stina zum Gebrauch für Schulen ein- gerichtet. 4 Bl. 5. Aufl. Lith. u. co- lor. Glogau (Flemming) 1860. Imp. Fol. (18 Sgr. ; auf Leinw. 1 Thlr. 6 Sgr.) Malte-Brun (V.A.), Carte du bassin de l’Amoür et d’une partie de l’Asie | orientale pour suivre les recentes ex- plorations des Russes dans ces contrees. Paris 1860. Algemeene Atlas van Nederlandsch Indie. Uit offie. bronnen zamengesteld door | P. Baron Melvill van Carnbee Kaart van de Residentie Soerakarta. — | Residentie Soerabaya. — Assistents- residentie Patjitan. — Residentie Ma- doera en onderhoorige eilanden. — Gou- vernement Sumatra’s Bevattende het zuidelijkste deel der re- sidentie Padangsche bovenlanden en van de residentie Padangsche benedenlan- den: de zuidelijke afdeeling en het re- gentschap Indrapoera. — Westerhelft der residentie Rembang. Door W. FE. | Versteeg. Blad 38— 43. 6 gelith. en gekl. bl. Batavia (van Haren Noman | & Kolff. Zalt-Bommel, Joh. Noman & Zoon) 1860. fol. (A f. 2,25). Karten von Afrika. Hemkes (Kz., H.), Kaart van Afrika. Ten gebruike bij het onderwijs in de aardrijkskunde, bijzonder voor scho- len, instituten en gymnasien. 6 bl. lith. olifantsform. met handboekje. Leyden (Noothoven van Goor) 1860. (f. 3,60.) gr. Fol. | Westkust No. 4. | 5937 Extrait du rapport de M. le lieut. de vaisseau, Brossard de Corbigny, sur l’etat d’avancement de la carte de la Senegambie, dressde par l’ordre du Gou- \ vernement francais sous la surveillance de M. le colonel Faidherbe. — Now. Annal. d. Voy. 1860. II. p. 228. Karten von Amerika. | Kohl (J. G.), Die beiden ältesten Gene- ral- Karten von Amerika. Ausgeführt | in den Jahren 1527 und 1529 auf Be- | fehl Kaiser Karl’s V. Text u. 2 Kar- ten. Weimar (Landes-Industrie-Compt.) 1860. Fol. (102 Thlr.) Explorations and Surveys. War Depart- ment. Map N.1.2. Rio Colorado of the West, explored by Lieut. Jos. C. Ives under the Direction of the Office of Explorations and Surveys A. A. Humphreys, by order of the Hon. John B. Floyd, Secretary of War. 1858. Drawn by Freih. F. W. v. Egloffstein. New York. 1:760,320. qu. gr. Fol. Territory of Nebraska embracing the pu- blie Surveys up to the Summer of 1860, compiled and drawn in the Survey or General’s Office from Original Notes by | Quin, Smith and VanZandt. 1Bl. | fol. Vandegehuchte (Aug.), Carte de la | Republique de Guatemala indiquant la | direction des prineipales chaines de | montagnes avec leur pics les plus ele- ves, celle des prineipaux fleuves etc. 1860. Don Jose Maria Reyes, Carta geogra- fica de la Republica oriental del Uru- guay. 4 Bl. Physik der Erde. Annuaire de la Societe meteorologique de France. 1860. Avril. Paris. Mühry (A.), Allgemeine geographische | Meteorologie oder Versuch einer über- sichtlichen Darlegung des Systems der Erd-Meteoration in ihrer klimatischen Bedeutung. Mit 4 Karten u. 4 Holz- schnitten. Leipzig (Winter) 1860. XII, 203 8. 8. (1 Thlr. 6 Sgr.) Schmid(E.E.), Meteorologie. $. 705 — 784, in der: Allgem. Encyklopädie der Physik, herausgeg. von G. Karsten. 7. Lief. Leipzig 1860. 8. Müller-Pouillet’s Lehrbuch der Phy- sik und Meteorologie. 3. Bd. A. u.d. Tit.: Lehrbuch der kosmischen Physik. Von J. Müller. 2. Aufl. Braunschweig (Vieweg & 8.) 1861. 8. Mit Atlas. 4. (4 Thlr.) Drew (J.), Practical Meteorology. 2d edit. Edited by Freder. Drew. London (Van Voorst) 1860. 320 8. 12. (Bs.) Algemeene windkaart, zamengesteld uit Amerikaansche en Hollandsche waar- nemingen. Uitgegeven door het Me- teorologisch Instituut te Utrecht in 598 1860. 1bl. lith. Utrecht (Kemink & Zoon). (f. 1,80.) Anleitung zum richtigen Gebrauch des Barometers als Wetterglas, besonders für Landleute. Basel (Bahnmaier) 1861. gr: 8. (4 Ser.) Hopkins (Th.), On Improvement in Me- teorological Registration. — Mem. of the Liter. & Philos. Soc. of Manche- ster. Sec. Ser. XV. 1860. p. 75. Prestel (M. A. 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Ent- haltend: Position geographique des sta- tions meteorologiques et formules avec lesquelles on a caleul& les moyennes. — Moyennes quotidiennes de decembre 1857, janvier — novembre 1858. — Moyennes mensuelles des mois de de- cembre 1857 — novembre 1858. — Moyennes des observations en Archan- gelsk, da 1 decembre 1857 — 31 no- vembre 1858. — Resultats meteorolo- giques obtenus A Tiflis dans le courant de l’annee 1858. — Extremes journa- lieres de la pression atmospherique, de la pression des vapeurs d’eau repandues dans l’air et de I’humidite relative, ob- servees A Tiflis pendant l’annde 1858. — Moyennes des observations meteo- rologiques faites dans les provinces Cau- casiennes. — Recueil des observations meteorologiques faites pendant l’ascen- sion du Grand-Ararat en 1858, redige par A. Moritz. Kupffer (A. T.), Compte-rendu annuel adresse a& S. Exc. M. de Knajevitch. Annee 1858. Supplement aux Annales de l’Obseryatoire Physique Central, pour 540 W. Koner: Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze etc. Yannde 1857. 51 8. 4. Holtermann, Meteorologisches Journal von Blagowetschensk am Amur. — Kupfer, Correspondance meteorologique. (1858.) 1860. St. Petersbourg 1860. Albrecht, Meteorologische Beobachtun- gen in Chacodata (Japan). — ibid. | (1858.) 1860. de Pietra Santa, Du climat d’Alger | dans les affeetions chroniques de la poitrine. Paris 1860. 4. (3 fr. 50.) Observations meteorologiques faites & [’Ar- senal d’Artillerie d’Alger. — Gazette medicale de l’Algerie. Zu Ende jeder Nummer. ‚ Kreil, Beitrag zur Klimatologie von Central- Afrika. — Sitzungsber. d. Wie- ner Akad. d. Wiss. Mathem.-naturwiss. Cl. XLI. 1860. p. 377. Bridet, Le cyclone de la Reunion, 25 — 26 fevrier 1860. — Revue algerienne et coloniale. 1860. Juillet. Sabine (Edw.), Observations made at the Magnetical and Meteorologieal Ob- servatory at St. Helena ete. Vol. II. 1844 to 1849. London 1860. CXLVIII, 526 S. gr. 4. 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R Die bisjelzt berechneten wichtigsten der von A.Dorgens ge, RL E x Be te: messenen Meereskohen, sind, vorbehaltluch späterer Correc. 3 % tion, in runden Zahlen in parıser Fussmass eingeschrie, 7\ u: Varag, DAMASLUS Jekka ° 2 Chassüle RI @ TO Pal Vo rläufige Skizze den von R.DORGENS um, Frühjahr 1860 ausgeführten Reise im Ostjordanlande construirt u. gezeichnet von H.Kiepert. Maflsftab 1: 1000,000. 7 2 3 22% _JBeutsche weogr Mlln un. Reiseroute dem Wege nach Jericho, H00'unter dem Mrilehneer Berlin ba D.Reimer. “ Tith.Anst.v.L.Kraatz i, Berfin ee WLxv.Paris Zlano Mara S Pte: EN VI. = ER yanes } vi N RE Werne Auumarlyo „A = Seapuelh, > Punta de los Re —- NEJ8 ars Ocotep, Mr 180Matasano 4, Ä Cuateprgik heat peu NT A (Aline, If Co Cl rer), vie (5 8 Y a N [4 RIT aTerdagun a EN s Todro I} N : Ei Masl'stab ın 800,000 und ın Huruderten von der Nullen | ausgedrückt ie D: | > Distriet-Haurptort oTilla oder Pueblo (grosses Dorf) o ey Yarıkrohe.geag ger Die Hvereshöhen von Ortschaften und Bergen, entnommen aus dem Ma/sstabe der in der ‚anischen Fujben {mit Weglassu © DEPARTENENTS-HAUPTSTADT {nach melchen Originalkarte enthaltenen 1 bedute 7. Meilen 1-1°) PLeyuas (26.1° Höhenprofile t Vulcan tements, ausser Cuscatlan und la Paz, benannt nurdın r Veiler und. einzelne Hoft. Minen edler Metalle?8 unedler I} führbare Strafsien—— en ee 90 Berlin,bei D. Reimer. ”) 4 Di me ae - - - - —- - - | Br Ess; KARTE wes STATES im Auftrage des Praesidenten DON RAFAEL CAMPO MAXIM.x. SONNENSTERN aufgenommen, nach der zu New York 1859 erschienenen Originalkarte ; D auf den halben Malsstab verkleinert. SICH Pag won guina — nwich - Lith.Inst:x C.Monecke. Bas Bud) der Reifen und Entderkungen. SM ufteirte Bibliothek der Lander- und Völkerkunde. a Band: efeg. gehefter 14 Chfr., in engl. Einband 13 Chir. un = eben wurde vollftändig und fan nun durd alle Buchhandlungen bezogen werden: N i oder das twiedererfchlojjene Japan. Die Kipp onfahrer Schilderungen der befannteften älteren und neueren Neifeu, insbefondere der amerifanifhen Grpedition unter Führung des Commodore M. E. Perry in den Jahren 1852 bis 1854. Bearbeiter von Fr. Steger und Herm, Wagner. Mit 150 Holzfchnitt-Sllufirationen, 8 Tondrud- tafeln und 1 Karte von Japan. Die Franklin Erpeditionen u. ihr Ausgang. Entdeung der nordweftlihen Durdfahrt durch Mac Elnre und Auffindung der Ueberrefte von Franklin’s Erpedition durdh apitän Sir MClintod. Bearbeiter von 8. Klaunig und 9. Wagner. 6 Lieferungen mit über hundert Holzfchnitt- Stuftrationen, Tonbildern, einer Karte 2c. Die früher erfchienenen Bände enthalten; Kane der Nordpolfahrer. Dritte Auftage. Livingftone der Miffiondr. Zweite Anftage. Ed. Vogel der Afrifareifende. Zweite Auflage. Nicht blos das einftimmige Uxtheil ver Preffe, fontern audy das Publifum felbit hat über ven Werth unferes „Buch ver Reifen” entfchieven. Binnen zwei Jahren find mehr als 30,000 Bände deffelben verkauft worten, ungerechnet vie zahlreichen Leberfegungen in fremde Sprachen. Auch) die neuen Bänve dürften an Reichhaltigkeit ves Tertes und ver Abbildungen wie an Billigkeit des Preijes unerreicht daftehen. Verlag von Otto Spamer in Leipzig. Bei Ed. Anton in Halle ist soeben erschienen und durch alle Buch- handlungen zu beziehen: Beise durch die Wüste Atacama auf Befehl der chilenischen Regierung im Sommer 1853 — 54 unternommen und beschrieben von Rud. Amand. Philippi, Professor der Zoologie und Botanik an der Universität Santjago, Director des Museums daselbst. Nebst einer Karte und XX VII Tafeln gr. 4. cart. 10 Thlr. Derfag von 5. N. Brodiljaus in Leipzig. Illustrirter Handatlas. Soeben ist die dritte Lieferung dieses Kunst- und Prachtwerks erschienen, das von Th. Schade im Verein mit E. Leeder und H. Leutemann heraus- gegeben wird und für Freunde der Erdkunde wie zum Gebrauch beim Unterricht ‚bestimmt ist. Die erste Hälfte desselben liegt jetzt vollständig vor. _ Die erste bis dritte Lieferung (& 1 Thlr. 18 Ser.) sind nebst einem Prospect in allen Buch-, Kunst- und Landkartenhandlungen vorräthig. Bei Leopold Voss in Leipzig erscheint soeben vollständig: I: e Schmidt, E. E., Lehrbuch der Meteorologie. gr. 8. Nebst Atlas mit 21 Tafeln in gr.’4. 13 Thlr. SO RE Im F, E. Hinrichs’fchen Berlage zu Leipzig erfchienen und find durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Stein und Hörfchelmann’s Handbud) der Geographie und Statiltik, Neu bearbeitet unter Deitwirfung mehrerer Gelehrten von Brof. Dr. 2% € Wappäus. Siebente Auflage. Ler.-8. 4 Bände. 360 Bogen. Subfer.-Preis 24 Thlr. I. 1. Allgemeine Geographie von Prof. Wappäus. 28 Sur. I. 2—-7. Nord: Amerika von Brof. Wappäus 3 Thlr. 12 Sgr. 8. Mittelamerika von Prof. Wappäus. (1 Kg.) 12 Syr. 1. Afrika von Dr. T. &. Gumpreht. 1.Thle 16 Sgr. II. 2. Auftralien von. Dir. Prof. Meinide. 6 Sur. 3. Afen allgem. Theil, Chinefifches Neih, Korea und Japan von Dr. 5. 5. Blath u. Soh. Hartwig Brauer. 1 Thle. 4 Sgr. IH. 1. Europa, Allgem. Weberfiht von Prof. Wappäus. Aufland von Prof. Poffart. 25 Sgr. II. 2. Zürfei, Griechenland und Jonien von Dr. %. 9. Bradelli. 22 Sgr. IV. 1.2. Defterreihifcher Kaiferftaat von Dr. 8. H. Bradelli. 2 Thlr. 18 Sr. Zunährt ericheinen: I. 9. Mittelamerika von Prof. Wappäus. 3. Liefr. II. 4. Indien von 3. 5. Brauer. IV. 3. Der Preufifhe Staat von Dr. $. H. Bradelli. Neuer Atlas der ganzen Erde. 24 Karten von welchen 6 Doppelblätter, mit Berücksichtigung der geographischen Werke von Dr. 6. 6. D. Stein, ent- worfen und gezeichnet von @. Heck, Dr. H. Laxge, J. M. Ziegler u, A., nebst neun historischen und statistischen Uebersichts- Tabellen bearbeitet von Prof. Dr. K. Th. Wagner. und Dr. T. E. Gumprecht. Dreifsigste Auflage. 1860. gr. Fol. Geh. 44 Thlr. — Cart. 43 Thlr. — In Leinw. geb. 54 Thlr. Arnold Guyot’s Grundzüge der vergleichenden phbyfifalifchen Erdkunde in ihren Beziehungen zur Gefchichte des Menfchen. Deutfch bearbeitet von Dr. 9. Birnbaunt, 2. verm. Aufl. Mit 9 Karten. 8. geh. 14 Thle. geb. 1% Thle. In der Dieterich’schen ‚Buchhandlung zu Göttingen ist erschienen: 2 Wüstenfeld, F. Geschichte der Stadt Medina. Im Auszuge aus dem Arabischen des Samhüdi. gr.4. geh. 1 Thlr. 20 Sgr. N — — Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünstr. 18. a Le erg